Christoph Stöckmann Exploration und Exploitation in adoleszenten Unternehmen
GABLER RESEARCH Entrepreneurship Herausg...
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Christoph Stöckmann Exploration und Exploitation in adoleszenten Unternehmen
GABLER RESEARCH Entrepreneurship Herausgegeben von Professor Dr. Malte Brettel, RWTH Aachen, Professor Dr. Lambert T. Koch, Universität Wuppertal, Professor Dr. Tobias Kollmann, Universität Duisburg-Essen, Campus Essen, Professor Dr. Peter Witt, Universität Dortmund
„Entrepreneurship“ ist ein noch relativ junger Forschungszweig, der jedoch in Wissenschaft und Praxis stetig an Bedeutung gewinnt. Denn Unternehmensgründungen und deren Promotoren nehmen für die wirtschaftliche Entwicklung einen zentralen Stellenwert ein, so dass es nur folgerichtig ist, dem auch in Forschung und Lehre Rechnung zu tragen. Die Schriftenreihe bietet ein Forum für wissenschaftliche Beiträge zur Entrepreneurship-Thematik. Ziel ist der Transfer von aktuellen Forschungsergebnissen und deren Diskussion aus der Wissenschaft in die Unternehmenspraxis.
Christoph Stöckmann
Exploration und Exploitation in adoleszenten Unternehmen Eine kausalanalytische Untersuchung ihrer Relevanz für die Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Tobias Kollmann
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Duisburg-Essen, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Nicole Schweitzer Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2337-0
Geleitwort
V
Geleitwort Die lange Zeit disparaten Forschungsstränge der Entrepreneurship-Forschung und der Forschung zum strategischen Management haben sich in den letzten Jahren unter der begrifflichen Klammer des Corporate Entrepreneurship (CE) in zentralen Teilaspekten zunehmend gegenseitig befruchtet. Wenn Unternehmen vom reinen Effizienzstreben absehen und Ziele wie generelle Innovation, die Entwicklung neuer Geschäfte innerhalb bestehender oder neuer Märkte oder auch strategische Erneuerung verfolgen, so ist es der CE-Forschung zwischenzeitlich gelungen, zu diesen Fragen eine Reihe empirisch abgesicherter, erfolgversprechender Empfehlungen zu entwickeln. Das Ausmaß der CE-Aktivitäten von Unternehmen wird dabei in der Forschung häufig über das theoretische Konstrukt der entrepreneurialen Orientierung (EO) theoretisch beschrieben und empirisch gemessen. In der Regel wird davon ausgegangen, dass zwischen dieser EO und der Performance eines Unternehmens ein positiver, kausaler Zusammenhang besteht. Christoph Stöckmann schließt mit dem vorliegenden, von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen als Dissertationsschrift angenommenen Werk an diese Diskussion an. Empirische Ergebnisse zur Beziehung von EO und Unternehmensperformance stellen sich allerdings in der Literatur oftmals widersprüchlich dar; zusätzlich existiert eine Reihe von unterschiedlichen Operationalisierungen und theoretischen Erweiterungsmöglichkeiten des Konstrukts. Die Widersprüchlichkeit der Resultate empirischer Forschung legt nahe, dass die Beziehung von EO und Performance entweder von moderierenden Variablen beeinflusst wird oder aber reale Verhältnisse besser modelliert werden, wenn theoretisch hergeleitete mediierende Konstrukte berücksichtigt werden. Christoph Stöckmann stellt sich dieser Problematik, indem er mit seiner Arbeit genau diese beiden Themenkomplexe theoretisch und empirisch aufarbeitet. Die Studie zeigt zum einen, wie EO (aufbauend auf klassischen Konzeptionen) zu konzeptionalisieren und zu operationalisieren ist (Forschungsfrage I); weiterhin wird deutlich, dass sich vor dem Hintergrund einer potenziellen Orientierungs-Verhaltenslücke Performanceunterschiede gerade von jungen Wachstumsunternehmen besser erklären lassen, wenn die Beziehung zwischen
VI
Geleitwort
EO und Performance um einen mediierenden Einfluss (Forschungsfrage II) in Form des entrepreneurialen Verhaltens erweitert wird. Beide Forschungsfragen werden in dieser Schrift umfassend und überzeugend beantwortet – beide Forschungsfragen adressieren zentrale Probleme der EOForschung. Durch die elaborierte, so noch nicht gesehene Modellierung und Operationalisierung des EO-Konstrukts unter Berücksichtigung der Gelegenheitsorientierung wird eine überzeugende theoretische Erweiterung vollzogen, die sicherlich in zukünftiger EO-Forschung Berücksichtigung finden sollte. Weiterhin stellt die identifizierte Orientierungs-Verhaltens-Lücke ein ernstzunehmendes Problem dar; durch die überzeugend argumentierte und statistisch abgesicherte Einführung der mediierenden Variablen Exploration und Exploitation wird ein signifikanter Erkenntnisgewinn über die Konsequenzen der EO geschaffen, der sowohl theoretische als auch praktische Relevanz hat. Zusammengenommen setzt Christoph Stöckmann mit dieser Schrift sowohl auf der praktischen als auch auf der theoretischen Seite interessante und bedenkenswerte Impulse, welche mit einigem Potenzial einhergehen, die wissenschaftliche Diskussion zum Phänomen des Corporate Entrepreneurship entscheidend zu befruchten. Ich wünsche der Arbeit eine sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis verdientermaßen hohe Beachtung und Verbreitung und dem Autor Christoph Stöckmann viel Erfolg bei seinen nächsten akademischen Schritten. Prof. Dr. Tobias Kollmann
Vorwort
VII
Vorwort Die entrepreneuriale Orientierung wird häufig zur Erfassung der Intensität des Entrepreneurships in bestehenden Unternehmen verwendet. Auch nach über 30 Jahren der Forschung werfen das Konzept der entrepreneurialen Orientierung und dessen Beziehung zur Unternehmensperformance immer noch Fragen auf: Wenngleich sich im Laufe der Zeit immer wieder Arbeiten mit der Weiterentwicklung der entrepreneurialen Orientierung an sich beschäftigt haben, gilt das allgemein akzeptierte Wissen in diesem Bereich als erweiterungsbedürftig. Auch deuten gegensätzliche theoretische Argumentationen und uneinheitliche empirische Ergebnisse darauf hin, dass die Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance komplexer als ein simpler direkter Effekt ist. Studien, die Einflüsse der externen Umwelt oder der internen Organisation auf diese Beziehung untersuchen, tragen dieser Vermutung Rechnung. Doch auch hinsichtlich derartiger Effekte begründen ungeprüfte Annahmen und widersprüchliche Ergebnisse die Notwendigkeit weiterer Forschung zu Interrelationen mit anderen Variablen. Vor diesem Hintergrund stehen in der Betrachtung der entrepreneurialen Orientierung als erklärende Variable die drei Aspekte Implikationen für die Unternehmensperformance, Interrelationen mit weiteren Variablen sowie Konzeptualisierung und Operationalisierung der entrepreneurialen Orientierung an sich im Mittelpunkt der Forschung. Die vorliegende Dissertation adressiert diese drei dominierenden Forschungsstränge und soll somit einen weiteren Beitrag zur Forschung im Feld des Corporate Entrepreneurships leisten. Die Schrift entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship der Universität Duisburg-Essen. Im Rahmen der Erstellung der Dissertation habe ich Inspiration, Anregung und Hilfestellung von zahlreichen Personen erhalten. Ihnen allen gilt mein Dank. Mein besonderer Dank gilt dabei zunächst meinem Doktorvater Herrn Univ.Prof. Dr. Tobias Kollmann für die Einnahme einer – nicht nur wissenschaftlichen – Mentorenrolle und für die Förderung meiner akademischen Ambitionen. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit am Lehrstuhl. Ebenfalls möchte
VIII
Vorwort
ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Stefan Eicker für die freundliche Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens danken. Weiterhin danke ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Stephan Zelewski für die Einnahme der Rolle des dritten Prüfers in meiner Disputation. Zahlreichen Mitarbeitern der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und insbesondere den ehemaligen und aktuellen Mitgliedern des Lehrstuhls für E-Business und Entrepreneurship verdanke ich eine wunderbare Zeit, die hoffentlich noch fortgeschrieben werden wird. Ich verbinde mit ihnen schöne Erlebnisse im Rahmen und auch abseits der beruflichen Tätigkeit sowie Freundschaft. Ein besonderer Dank gilt dabei Herrn Dr. Andreas Kuckertz für seine fortwährende Bereitschaft zu konstruktiven Diskussionen, die sich nicht nur auf die Erstellung der Dissertation beschränkten, sondern alle Bereiche des akademischen Lebens umfassten. Hervorheben möchte ich ebenfalls meine Kolleginnen Frau Dr. Carina Lomberg, Frau Nicola Breugst, Frau Ina Kayser und Frau Annett Nagel. Ihr Beitrag an dem erfolgreichen Abschluss dieser Dissertation ist nicht in Worte zu fassen. Ihnen gilt mein innigster Dank. Profitiert hat diese Arbeit zweifellos ebenfalls von den Ratschlägen, die ich im Rahmen der Teilnahme an zahlreichen nationalen und internationalen Konferenzen und insbesondere innerhalb der Doktorandenseminare der Academy of Management, des European Council for Small Business and Entrepreneurship und des Förderkreises Entrepreneurship-Forschung habe sammeln dürfen. Vielen Dank an Organisatoren und Teilnehmer. Mein herzlichster Dank gilt meiner Familie, die mich immer ermutigt und unterstützt hat. Insbesondere möchte ich meinen Eltern Rita und Joachim Stöckmann danken, die immer für mich da waren und mich nicht nur mit Rat, sondern auch mit Tat nach allen Kräften unterstützt haben. Ihre uneingeschränkte Förderung meiner Ausbildung hat die Anfertigung der vorliegenden Arbeit erst ermöglicht. Ich widme diese Arbeit meiner in meiner Promotionszeit verstorbenen Tante, Frau Hermine Pauli. Christoph Stöckmann
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ..................................................................................XIII Tabellenverzeichnis ........................................................................................ XV Akronymverzeichnis .................................................................................... XVII 1
2
Einleitung..................................................................................................... 1 1.1
Motivation ......................................................................................... 1
1.2
Problemstellung und Zielsetzung ....................................................... 4
1.3
Gang der Arbeit ............................................................................... 10
Theoretischer Bezugsrahmen................................................................... 15 2.1
Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes ....................... 16
2.1.1
Einordnung in den Unternehmenslebenszyklus ............................ 16
2.1.2
Konstitutive Merkmale adoleszenter Unternehmen ...................... 20
2.1.2.1
Liabilities of newness ........................................................... 21
2.1.2.2
Assets of newness ................................................................ 24
2.1.3 2.2
3
Spezifische Herausforderungen adoleszenter Unternehmen ......... 27 Theoretische Bausteine .................................................................... 28
2.2.1
Ressourcenbasierter Ansatz .......................................................... 30
2.2.2
Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese......................... 35
Entwicklung des Untersuchungsmodells................................................. 41 3.1
Intentionen des Corporate Entrepreneurships .................................. 42
3.2
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext ........... 45
3.2.1
Klassische Konzepte der EO ......................................................... 47
3.2.2
Erweiterung des EO-Konstrukts um Gelegenheitsorientierung .... 54
3.2.3
Dimensionale Interpretation der entrepreneurialen Orientierung.. 61
3.3 3.3.1
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance ........... 65 Exploration und Exploitation ........................................................ 66
X
Inhaltsverzeichnis 3.3.2
3.3.2.1
Punktualistisches Equilibrium .............................................. 75
3.3.2.2
Strukturelle Ambidexterität .................................................. 79
3.3.2.3
Kontextuelle Ambidexterität ................................................ 82
3.3.3 3.4 4
5
Balance von Exploration und Exploitation ................................... 71
Exploration und Exploitation im Kontext des Corporate Entrepreneurships ......................................................................... 85 Verwendung der Ergebnisse: Ableitung des Modells ...................... 87
Herleitung der Hypothesen ...................................................................... 91 4.1
Dimensionalität der entrepreneurialen Orientierung ........................ 92
4.2
Mediierende Effekte explorativer und exploitativer Innovationen .. 95
4.3
Effekte von Exploitation und Exploration auf Performance ............ 97
4.4
Effekte der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation............................................................................. 100
4.4.1
Einfluss der Risikoneigung ......................................................... 101
4.4.2
Einfluss der Innovativität ............................................................ 102
4.4.3
Einfluss der Proaktivität .............................................................. 104
4.4.4
Einfluss der Wettbewerbsaggressivität ....................................... 106
4.4.5
Einfluss der Autonomie .............................................................. 107
4.4.6
Einfluss der Gelegenheitsorientierung ........................................ 109
Empirische Untersuchung ...................................................................... 111 5.1
Grundlagen der empirischen Untersuchung ................................... 112
5.1.1
Zur Wahl der Kausalanalyse als zentrales Datenanalyseverfahren ................................................................ 112
5.1.2
Zur Wahl der kovarianzbasierten Kausalanalyse ........................ 115
5.1.3
Zur Wahl des Schätzverfahrens .................................................. 120
5.1.4
Zur Gütebeurteilung von Kausalmodellen .................................. 125
5.2 5.2.1
Vorbereitung der Datenerhebung................................................... 145 Identifikation der Grundgesamtheit zur Datenerhebung ............. 145
Inhaltsverzeichnis
XI
5.2.2
Methode der Datenerhebung ....................................................... 148
5.2.3
Operationalisierung der Konstrukte des Untersuchungsmodells 156
5.2.3.1
Theoretische, konzeptionelle und methodische Grundlagen der Operationalisierung .................................. 156
5.2.3.2
Zur Vergleichbarkeit dieser Untersuchung mit der internationalen Diskussion ................................................. 161
5.2.3.3
Operationalisierung der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung .......................................... 163
5.2.3.4
Operationalisierung explorativer und exploitativer Innovationen....................................................................... 166
5.2.3.5
Operationalisierung der Performance ................................. 167
5.2.3.6
Operationalisierung der Kontrollvariablen ......................... 169
5.3
Durchführung der Datenerhebung und Aufbereitung der Daten .... 171
5.3.1
Vorgehen bei der Datenerhebung ............................................... 171
5.3.2
Rücklauf und Datenaufbereitung ................................................ 173
5.4
Auswertung der empirischen Untersuchung .................................. 177
5.4.1
Beurteilung der Verwertbarkeit der Datenbasis .......................... 178
5.4.1.1
Untersuchung auf Normalverteilung .................................. 179
5.4.1.2
Untersuchung auf Verzerrungen ........................................ 181
5.4.2
Gütebeurteilung auf Messmodellebene ....................................... 187
5.4.2.1
Gütebeurteilung auf Gesamtmodellebene .......................... 187
5.4.2.2
Gütebeurteilung auf Teilmodell- bzw. Faktorebene ........... 188
5.4.3
Deskriptive Statistiken, Modellvergleiche und Hypothesenprüfung ..................................................................... 207
5.4.3.1
Deskriptive Statistiken und Korrelationen ......................... 209
5.4.3.2
Evaluation der Dimensionalität der entrepreneurialen Orientierung ....................................................................... 210
5.4.3.3
Evaluation der mediierenden Effekte ................................. 213
5.4.3.4
Evaluation der Effekte der exogenen auf die endogenen Variablen ............................................................................ 217
XII 6
Inhaltsverzeichnis Diskussion, Konklusion und Ausblick ................................................... 221
6.1
Diskussion und Bewertung der Ergebnisse hinsichtlich der Forschungsfragen ........................................................................... 222
6.2
Implikationen für die wissenschaftliche Forschung ....................... 229
6.3
Implikationen für die unternehmerische Praxis ............................. 237
6.4
Limitationen der Studie und Ansatzpunkte für weitere Forschung ...................................................................................... 242
Literaturverzeichnis ....................................................................................... 251
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Gang der Arbeit.......................................................................... 13 Abbildung 2 Einordnung von Kapitel 2 in den Gang der Arbeit .................... 15 Abbildung 3 Phasen und Charakteristika des frühen Unternehmensentwicklungsprozesses ............................................................... 18 Abbildung 4 Erklärungsbeitrag des ressourcenbasierten Ansatzes im Rahmen dieser Arbeit................................................................. 35 Abbildung 5 Erklärungsbeitrag der Kritik an der Einstellungs-VerhaltensHypothese im Rahmen dieser Arbeit ......................................... 40 Abbildung 6 Einordnung von Kapitel 3 in den Gang der Arbeit .................... 42 Abbildung 7 Konzeptionelles Modell dieser Arbeit........................................ 90 Abbildung 8 Einordnung von Kapitel 4 in den Gang der Arbeit .................... 91 Abbildung 9 Einordnung von Kapitel 5 in den Gang der Arbeit .................. 111 Abbildung 10 Anpassungsmaße zur Beurteilung des Modellfits .................... 135 Abbildung 11 Gütebeurteilung des Faktors Risikoneigung ............................ 191 Abbildung 12 Gütebeurteilung des Faktors Innovativität ............................... 192 Abbildung 13 Gütebeurteilung des Faktors Proaktivität ................................. 194 Abbildung 14 Gütebeurteilung des Faktors Wettbewerbsaggressivität .......... 195 Abbildung 15 Gütebeurteilung des Faktors Autonomie.................................. 196 Abbildung 16 Gütebeurteilung des Faktors Gelegenheitsorientierung ........... 199 Abbildung 17 Gütebeurteilung des Faktors explorative Innovation ............... 200 Abbildung 18 Gütebeurteilung des Faktors exploitative Innovation .............. 203 Abbildung 19 Pfadbeziehungen zwischen den Faktoren ................................ 219 Abbildung 20 Einordnung von Kapitel 6 in den Gang der Arbeit .................. 221
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1
Vergleich zwischen Verfahren der Analyse von Strukturgleichungsmodellen .................................................... 117
Tabelle 2
Anforderungen und Eigenschaften verschiedener Schätzverfahren im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen .......... 121
Tabelle 3
Basisgerüst zur Modellbeurteilung .......................................... 143
Tabelle 4
Fragenkatalog zur Selektion der geeigneten Korrespondenzregeln ...................................................................................... 161
Tabelle 5
FORNELL-LARCKER-Kriterium ................................................. 205
Tabelle 6
Explorative Faktorenanalyse aller Multi-Item-Variablen ........ 206
Tabelle 7
Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der Variablen .................................................................................. 209
Tabelle 8
Vergleich der Güte verschiedener Varianten der Erfassung einer entrepreneurialen Orientierung ....................................... 211
Tabelle 9
Effekte unterschiedlicher Varianten der entrepreneurialen Orientierung auf verschiedene abhängige Variablen ............... 212
Tabelle 10
Vergleich der Gesamtmodellvarianten ..................................... 215
Akronymverzeichnis
Akronymverzeichnis ADF ............. Asymptotical Distribution Free AGFI ............ Adjusted Goodness of Fit Index AMOS ......... Analysis of Moment Structures CFI ............... Comparative Fit Index CR ................ Construct Reliability respektive Composite Reliability DA ............... Data Augmentation DEV ............. Durchschnittlich erfasste Varianz EFA.............. Explorative Faktorenanalyse EM ............... Expectation Maximization EO ................ Entrepreneurial Orientation EQS.............. Equation System FR ................ Faktorreliabilität GFI ............... Goodness of Fit Index GLS.............. Generalized Least Squares IKT .............. Informations- und Kommunikationstechnologie LISREL ....... Linear Structural Relationships KFA ............. Konfirmatorische Faktorenanalyse KMO ............ Kaiser-Meyer-Olkin MAR ............ Missing at Random MCAR ......... Missing Completely at Random MCS ............. Miller/Covin-Slevin ML ............... Maximum Likelihood MNAR ......... Missing Not at Random NACE .......... Nomenclature Générale des Activités Économique NFI ............... Normed Fit Index
XVII
XVIII PCA ............. Principal Component Analysis PCFI ............ Parsimony Comparative Fit Index PGFI ............ Parsimony Goodness of Fit Index PNFI ............ Parsimony Normed Fit Index PLS .............. Partial Least Squares ROI .............. Return on Investment RMSEA ....... Root Mean Squared Error of Approximation SEM ............ Structural Equation Modeling SLS .............. Scale Free Least Squares SRMR .......... Standardized Root Mean Residual ULS.............. Unweighted Least Squares VRIO ........... Valuable Rare Inimititable Organization
Akronymverzeichnis
Einleitung
1
1 Einleitung 1.1 Motivation Entrepreneurship involviert die Identifikation von Marktgelegenheiten, die Verfolgung dieser Gelegenheiten auch bei ungewissem Ergebnisrückfluss und unter der Prämisse von Wertschöpfung und Profit, damit einhergehend Innovation sowie die Kreation der zur Umsetzung benötigten Ressourcenkombinationen.1 Mit Entrepreneurship assoziiert werden Innovativität, Flexibilität, Wachstum, Beschäftigung und Fortschritt.2 Entrepreneurship gilt ferner als Triebkraft der Wirtschaft sowie als Quelle von Wettbewerbsvorteilen und Wohlstand.3 Wissenschaftler und Praktiker sind sich einig, dass die vorgenannten Charakteristika von Entrepreneurship nicht nur für Unternehmensgründungen, sondern auch für bereits bestehende Unternehmen eine besondere Bedeutung aufweisen.4 Die konzeptionelle Erweiterung entrepreneurialen Denkens und Handelns auf bereits bestehende Unternehmen wird in der Literatur als Corporate Entrepreneurship bezeichnet5 und wird konsequenterweise als sinnvoll zur Bewahrung und Förderung organisationaler Wettbewerbsfähigkeit betrachtet.6 Bisher werden Corporate Entrepreneurship und die mit ihm verwandten Konzepte üblicherweise mit Fokus auf große, etablierte Unternehmen angewendet und zielen dort in erster Linie darauf ab, bestehende organisationale Trägheit und somit Konservatismus, Bürokratie und Beschränkung auf bekannte und bewährte Verhaltensweisen7 zu
1
2
3
4
5
6
7
Vgl. Cantillon 1755/1931, S. 32 ff.; Turgot 1793, S. 9 ff.; Say 1803/1841, S. 79; Thünen 1826/ 1960, S. 246 ff.; Knight 1921, S. 268 ff.; Schumpeter 1911/1934, S. 64 ff.; Kirzner 1973, S. 31 ff.; Shane/Venkataraman 2000, S. 217. Vgl. Drucker 1985, S. 20 ff.; Stevenson/Jarillo 1990, S. 17; Ireland/Hitt/Sirmon 2003, S. 963; Choi/Shepherd 2005, S. 592; De 2005, S. 23. Vgl. Schollhammer 1982, S. 210; Kuratko/Ireland/Hornsby 2001, S. 60; Acs/Audretsch 2003, S. 3; Kuratko 2007, S. 1; Ireland/Webb 2007, S. 891 f. Vgl. Burgelman 1983, S. 1349; Gartner 1990, S. 27 f.; Guth/Ginsberg 1990, S. 5; Stevenson/ Jarillo 1990, S. 17; Brazeal/Herbert 1999, S. 34 f.; Dess/Ireland/Zahra/Floyd/Janney/Lane 2003, S. 352; Kollmann/Stöckmann 2008a, S. 11. Vgl. Abschnitt 3.1 für eine ausführliche Darstellung des Konzepts und synonym verwendeter Termini. Vgl. Schollhammer 1982, S. 210; Miller 1983, S. 770; Guth/Ginsberg 1990, S. 5; Naman/Slevin 1993, S. 137; Lumpkin/Dess 1996, S. 135; Covin/Miles 1999, S. 47. Vgl. zu den Charakteristika und Konsequenzen organisationaler Trägheit Hannan/Freeman 1977, S. 930 ff. sowie für eine ausführliche Darstellung Hannan/Freeman 1989.
2
Einleitung
kurieren.8 Allerdings besteht kein konzeptimmanenter Grund, Corporate Entrepreneurship nicht im Kontext jüngerer, kleinerer Unternehmen zu betrachten und dabei das Ziel zu verfolgen, Unternehmen vor entstehender organisationaler Trägheit zu bewahren.9 Der zuletzt genannte Ansatz reflektiert dabei nicht nur die Volksweisheit, dass ein Brunnen nicht erst dann zugedeckt werden sollte, wenn das Kind schon hineingefallen ist. Vielmehr berücksichtigt er explizit die Anforderung an heranwachsende Unternehmen, dass es zur Sicherung des dauerhaften Überlebens und zur Erreichung langfristigen Unternehmenserfolges nicht ausreicht, die erfolgreiche Gründung zu verwalten und dabei Effizienz, Reproduzierbarkeit und Legitimität zu steigern (und somit die so genannten liabilities of newness zu überwinden10), sondern ebenfalls der entrepreneuriale Spirit (und eng damit verbunden die so genannten assets of newness11), der die erfolgreiche Gründung erst ermöglicht hat, bewahrt werden muss, um mit sich ändernden Kundenbedürfnissen, aufkommenden Wettbewerbern und sich wandelnden Umweltbedingungen umgehen zu können.12 In den dynamischen, kompetitiven und zunehmend komplexeren Wettbewerbsumfeldern des 21. Jahrhunderts13 erscheinen die Fähigkeit und Bereitschaft bestehender Unternehmen zu Corporate Entrepreneurship und somit zu Innovation, strategischer Erneuerung und dem Erschließen neuer Produkt-MarktKombinationen14 als conditio sine qua non zur Sicherung der Überlebensfähig-
8
9 10
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13
14
Vgl. Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen, o. P. Vgl. auch Stevenson/Jarillo 1990, S. 17; Klandt 2003, S. 110. Vgl. Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen. Vgl. zu dem Konzept der liabilities of newness und der Herausforderung ihrer Überwindung die Abschnitte 2.1.2.1 und 2.1.3. Vgl. zu dem Konzept der assets of newness und der Herausforderung ihrer Bewahrung die Abschnitte 2.1.2.2 und 2.1.3. Vgl. Davidsson/Klofsten 2003, S. 1; Kelley/Marram 2008, S. 556. Vgl. dazu ebenfalls ausführlich Abschnitt 2.1 und insbesondere Abschnitt 2.1.3. Vgl. Bettis/Hitt 1995, S. 7; Hitt/Ireland/Camp/Sexton 2001, S. 479; Schindehutte/Morris 2009, S. 241. Innovation, strategische Erneuerung und das Erschließen neuer Produkt-Markt-Kombinationen werden in der Literatur in der Regel als die grundlegenden Ziele von Corporate Entrepreneurship angesehen. Vgl. Guth/Ginsberg, S. 5 ff.; Zahra 1996a, S. 1723 f.; Ling/Simsek/Lubatkin/Veiga 2008, S. 564. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.1.
Motivation
3
keit und Verbesserung der Marktposition.15 Disruptiver und diskontinuierlicher Wandel und Unsicherheit scheinen die einzigen Konstanten zu sein.16 So verändert beispielsweise die digitale Revolution die Art, wie Unternehmen ihre Geschäfte betreiben, fundamental.17 Doch auch bei Geschäftsmodellen, die auf elektronischen Geschäftsprozessen basieren, muss davon ausgegangen werden, dass Märkte nie endgültig entschieden sind und erreichte Marktpositionen durch aufkommende Wettbewerber verloren gehen können.18 Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überraschend, dass ein Vergleich der erfolgreichsten Unternehmen gemäß Fortune Global 50019 aus dem Jahr 1998 mit denen von 2008 zeigt, dass von den 50 erfolgreichsten Unternehmen des Jahres 1998 im Jahre 2008 nur 24 in den Top-50 gelistet und selbst in den Top100 nur noch 34 dieser Unternehmen zu finden sind.20 Viele Unternehmen, wie beispielsweise BASF,21 Bayer,22 Microsoft,23 Novartis24 oder Virgin25 haben die Notwendigkeit zur kontinuierlichen Weiterentwicklung für sich erkannt und engagieren sich in Corporate Entrepreneurship. Eine nähere Betrachtung der angeführten Fallbeispiele macht deutlich, dass Unternehmen entrepreneuriales Denken und Handeln sehr unterschiedlich interpretieren. Ebenfalls zeigen andere Fälle, wie DaimlerChrysler26, Infinion27 oder Xerox,28 dass Initiativen in diesem Bereich nicht immer erfolgreich verlaufen. 15
16 17 18
19
20 21 22 23 24 25 26 27 28
Vgl. Hitt/Keats/DeMarie 1998, S. 21; Hitt/Ireland/Camp/Sexton 2001, S. 479; Dess/Ireland/Zahra/ Floyd/Janney/Lane 2003, S. 352; Ireland/Covin/Kuratko 2009, S. 19; Kuratko/Audretsch 2009, S. 1. Vgl. Brown/Eisenhardt 1998, S. 2 ff.; Hamel 2000, S. 3 ff. Vgl. Bettis/Hitt 1995, S. 7; Stopford 2001, S. 165. Vgl. Kollmann/Stöckmann 2007, S. 591. Kollmann/Stöckmann/Schröer 2009, S. 557. Vgl. zu elektronischen Geschäftsprozessen die Arbeit von Kollmann 2009a. Die Fortune Global 500 ist eine jährlich erscheinende Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt und wird vom US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Fortune veröffentlicht. Vgl. Fortune 2009, o. P. Vgl. AggData 2009, o. P. Vgl. zu diesem Fallbeispiel Müller 2006, S. 70 f. Vgl. zu diesem Fallbeispiel Müller 2006, S. 68 f. Vgl. zu diesem Fallbeispiel Müller 2006, S. 69 f. Vgl. zu diesem Fallbeispiel Morris/Kuratko/Covin 2008, S. 22 ff. Vgl. zu diesem Fallbeispiel Dess/Lumpkin/Eisner 2007, S. 450. Vgl. zu diesem Fallbeispiel Müller 2006, S. 73. Vgl. zu diesem Fallbeispiel Müller 2006, S. 73. Vgl. zu diesem Fallbeispiel Sathe 2003, S. xiii ff.
4
Einleitung
Wie die folgenden Ausführungen in Abschnitt 1.2 zeigen werden, existieren auch in der wissenschaftlichen Diskussion verschiedene Auffassungen von und widersprüchliche empirische Ergebnisse hinsichtlich der Performancewirkung von Entrepreneurship im organisationalen Kontext. Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass sowohl aus einer praktischen Sichtweise als auch aus einer wissenschaftlichen Perspektive die Notwendigkeit besteht, sich mit Entrepreneurship in bestehenden Unternehmen zu befassen. 1.2 Problemstellung und Zielsetzung Seit den 1970er Jahren untersuchen Wissenschaftler Entrepreneurship im organisationalen Kontext und dessen Beziehung zur Unternehmensperformance.29 Aufbauend auf dem Entwurf von MILLER, der besagt, dass der Grad des Entrepreneurships innerhalb einer Organisation als das Ausmaß der Disposition zu Risiko, zu proaktiver Innovation und zu aggressivem Verhalten gegenüber Wettbewerbern betrachtet werden kann,30 ist das Konzept der entrepreneurial orientation (EO) entstanden.31 In der klassischen Konzeptualisierung der EO nach COVIN und SLEVIN wird das Ausmaß der entrepreneurialen Orientierung durch das Vorhandensein von Innovation, Risikoneigung und Proaktivität widergespiegelt.32 Diese Konzeptualisierung wird von der Etablierung der so genannten MILLER/COVIN und SLEVIN (MCS)-Skala begleitet, die sich in kürzester Zeit zu 29
30 31
32
Vgl. exemplarisch die Arbeiten von Mintzberg 1973; Khandwalla 1976/1977; Miller 1983; Covin/Slevin 1989; Stevenson/Jarillo 1990; Lumpkin/Dess 1996; Brown/Davidsson/Wiklund 2001; Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009. Vgl. Miller 1983, S. 771. Vgl. die Arbeiten von Covin/Slevin 1986, 1989; Lumpkin/Dess 1996. In einigen Forschungsarbeiten zum organisationalen Entrepreneurship wird eine entrepreneuriale Orientierung und insb. die EO mit Entrepreneurship auf Unternehmensebene gleichgesetzt. Vgl. exemplarisch Barringer/Bluedorn 1999, S. 428; Zahra/Covin 1995, S. 43. Die folgenden Ausführungen in diesem Abschnitt sowie in Abschnitt 3.2 werden jedoch zeigen, dass diese Sichtweise zu vereinfachend ist und eine Differenzierung dieser Sichtweise in einer Erhöhung der Mächtigkeit von Entrepreneurship zur Erklärung von Faktoren wie finanzieller Erfolg, Wachstum oder Innovation resultieren kann. An dieser Stelle soll ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass in dieser Arbeit eine Unterscheidung zwischen einer entrepreneurialen Orientierung und der entrepreneurial orientation (EO) vorgenommen wird, die darauf beruht, dass es sich bei letzterem, wie die folgenden Ausführungen in dieser Arbeit zeigen werden, lediglich um eine spezifische Konzeptualisierung einer entrepreneurialen Orientierung der Organisation handelt. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.2. Vgl. die Arbeiten von Covin/Slevin 1986, 1989; Covin/Green/Slevin 2006.
Problemstellung und Zielsetzung
5
dem am weitesten verbreiteten EO-Messinstrument entwickelt hat.33 Die – insbesondere in der Anfangszeit – konsistente Verwendung dieser Konzeptualisierung und Operationalisierung hat zu einem schnellen Voranschreiten des Forschungsfeldes, nicht zuletzt aufgrund der leichten Vergleich- und Verknüpfbarkeit verschiedener Studien und ihrer Ergebnisse geführt.34 Dennoch wirft das Konzept der entrepreneurialen Orientierung auch nach über 30 Jahren der Forschung noch immer Fragen auf: Neben der Frage nach den einer entrepreneurialen Orientierung vorgelagerten Faktoren stehen insbesondere die drei Aspekte Implikationen für die Unternehmensperformance, Interrelationen mit weiteren Variablen sowie Konzeptualisierung und Operationalisierung der entrepreneurialen Orientierung an sich im Mittelpunkt der Betrachtung.35 Hinsichtlich des Einflusses entrepreneurialer Orientierung auf Unternehmensperformance ist festzuhalten, dass RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE als Ergebnis einer umfassenden Meta-Analyse zwar herausstellen, dass eine positive Korrelation zwischen diesen Variablen besteht,36 jedoch deuten gegensätzliche theoretische Argumentationen37 und uneinheitliche empirische Ergebnisse38 darauf hin, dass die Beziehung komplexer als ein simpler direkter Effekt ist.39 Eine große Anzahl an Studien, die Einflüsse der externen Umwelt40 oder der internen Organisation41 auf die Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance untersuchen, trägt dieser Vermutung Rechnung. Doch auch hinsichtlich derartiger Effekte begründen widersprüchliche Ergebnisse42 33
34
35
36 37 38
39 40 41 42
Bis heute beinhaltet nahezu jede veröffentlichte Studie, die sich mit EO befasst, die Kernelemente Innovation, Risikobereitschaft und Proaktivität und basiert implizit oder explizit auf der MCSSkala. Vgl. zu den Kernelementen Davis 2007, S. 2. Vgl. zu der Verbreitung der MCS-Skala insb. Wiklund 1999, S. 38; Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 953; Davis 2007, S. 1 f.; Rauch/ Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 767. Die bemerkenswerte Konsistenz der Verwendung der MCS-Skala durch EO-Forscher heben Zahra/Jennings/Kuratko 1999, S. 51 sowie Davis 2007, S. 2, hervor. Vgl. Wiklund/Shepherd 2005, S. 71; Covin/Green/Slevin 2006, S. 79 ff.; Davis 2007, S. 2 f.; Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 778 ff. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 779. Vgl. exemplarisch die Argumentationen in den Arbeiten von Covin/Slevin 1991 vs. Hart 1992. Vgl. die Ergebnisse in den Arbeiten von Zahra 1991; Wiklund 1999 vs. Matsuno/Mentzer/ Özsomer 2002; Hughes/Morgan 2007. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Wiklund/Shepherd 2005, S. 71 ff. Vgl. exemplarisch die Arbeiten von Covin/Slevin 1989; Zahra/Covin 1995. Vgl. exemplarisch die Arbeiten von Keh/Nguyen/Ng 2007; Stam/Elfring 2008. Vgl. den Literaturüberblick bei Kollmann/Kuckertz/Stöckmann 2006, o. P.
6
Einleitung
den Aufruf von RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE in ihrem Artikel zum Status quo zu weiterer Forschung zu Interrelationen mit anderen Variablen in diesem Bereich.43 Wenngleich sich im Laufe der Zeit bereits einzelne Arbeiten mit der Weiterentwicklung der entrepreneurialen Orientierung an sich, beispielsweise in den Bereichen theoretische Fundierung,44 Manifestationen,45 Dimensionalität46 oder Messinstrumente,47 beschäftigt haben, gilt das allgemein akzeptierte Wissen in diesem Bereich als erweiterungsbedürftig. Beispielsweise zeigt dies die Durchführung eines Diskussionsworkshops auf dem Annual Academy of Management Meeting des Jahres 2008 mit dem Titel ‚The questions we ask about the entrepreneurial orientation (EO) construct: EO – A discussion of issues‘ deutlich macht, der zudem auf dem Meeting des Jahres 2009 unter dem Titel ‚EO3: Current research and development regarding the entrepreneurial orientation (EO) construct‘ fortgesetzt wurde und auch auf dem Meeting des Jahres 2009 fortgeführt werden soll. Auch dem Artikel zum Status quo von RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE ist ein Aufruf zu weiterer Forschung in diesem Bereich zu entnehmen.48 Viel beachtete Diskussionen hinsichtlich der Konzeptualisierung und Operationalisierung der entrepreneurialen Orientierung umspannen die nach wie vor nicht schließend geklärten Fragen, welche Dimensionen eine entrepreneuriale Orientierung beinhaltet49 und ob die einzelnen Dimensionen unabhängig voneinander variieren können oder nicht.50 Darüber hinaus ist ein weiteres Problemfeld zu identifizieren, dem im bisherigen wissenschaftlichen Diskurs kaum systematische Beachtung geschenkt wurde, das aber von zukünftiger Bedeutung zu sein scheint, wie dessen Aufnahme in den bereits erwähnten Workshop zur Weiter-
43 44 45 46 47 48 49
50
Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 778 ff. Vgl. auch Wiklund/Shepherd 2005, S. 71. Vgl. die Arbeit von Cogliser/Brigham/Lumpkin 2008. Vgl. die Arbeit von Wales/Covin 2008. Vgl. die Arbeit von Lumpkin/Dess 1996. Vgl. die Arbeit von Brown/Davidsson/Wiklund 2001. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 778 ff. Vgl. hier die unterschiedlichen Sichtweisen, die den Arbeiten von Covin/Slevin 1989 vs. Lumpkin/Dess 1996 zu entnehmen sind. Vgl. die Arbeiten von Stetz/Howell/Stewart/Blair/Fottler 2000 sowie Kreiser/Marino/Weaver 2002.
Problemstellung und Zielsetzung
7
entwicklung der entrepreneurialen Orientierung zeigt.51 Den in der Literatur zu findenden Hinweis aufgreifend, dass das Konzept der EO sowie insbesondere die MCS-Skala eher eine Disposition zu entrepreneurialem Verhalten, als die konkrete Involvierung in selbiges darstellt52 und damit eine entrepreneurialem Handeln vorgelagerte Orientierung beschreibt, erscheint es vor dem Hintergrund der Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese53 eingängig, davon auszugehen, dass die Erklärungsmacht entrepreneurialer Orientierung im Bezug auf Performance dadurch geschmälert wird, dass die Orientierung nicht in adäquates entrepreneuriales Verhalten umgesetzt wird. Empirische Arbeiten in dieser Forschungslücke scheint es mit zwei Ausnahmen kaum zu geben. So findet WIKLUND, wenn auch auf der Basis einer nicht verallgemeinerbaren Operationalisierung von entrepreneurialem Verhalten, erste empirische Evidenz dafür, dass eine entrepreneuriale Orientierung nicht automatisch zu entsprechendem Verhalten führt.54 Wenngleich nicht im Kontext der entrepreneurialen Orientierung finden auch ELIASSON und DAVIDSSON Anzeichen für eine leistungsbeeinflussende problematische Transformation einer entrepreneurialen Unternehmensausrichtung in konkretes entrepreneuriales Verhalten.55 Vor dem Hintergrund der abzuleitenden Notwendigkeit zur Untersuchung und des Mangels an Forschung in diesem Bereich bestehen Hauptanliegen dieser Arbeit in der Untersuchung einer möglichen Orientierungs-Verhaltens-Lücke56 und im Falle ihrer Existenz in dem Versuch, diese Lücke zu füllen. Weitere bedeutende Anliegen dieser Arbeit bestehen – den oben genannten Wissensgrenzen folgend – in der Analyse der entrepreneurialen Orientierung im Hinblick auf ihre konzeptionelle Totalität, der Kovariation ihrer Dimensionen 51
52 53 54 55 56
Vgl. zu den Inhalten des Workshops das Programm des Academy of Management Annual Meetings im Jahre 2009. Vgl. exemplarisch Zahra 1991, S. 272. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.2.1. Vgl. zu der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese und ihrer Kritik ausführlich Abschnitt 2.2.2. Vgl. Wiklund 1998, S. 233. Vgl. Eliasson/Davidsson 2003, o. P. Vergleichbar existiert auf der Individualebene bereits eine Reihe von theoretischen Ansätzen und empirischen Forschungsergebnissen, die nahelegen, dass eine Einstellung nicht automatisch zu entsprechendem Verhalten führt. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 2.2.2. Vgl. für die Notwendigkeit der Unterscheidung von Einstellung und Handlung exemplarisch auch die Arbeit von Kollmann 1998.
8
Einleitung
und dem programmatischen Ziel der Erklärung von Effekten auf organisationale Ergebnisse in Form von Innovationen und Performance. Wert wird dabei auf die Einreihung in die bisherige Forschungstradition zum organisationalen Entrepreneurship und auf das Streben nach einer Vergleichbarkeit mit den Forschungsergebnissen der Vergangenheit in diesem Gebiet gelegt.57 Aufbauend auf einer Integration verschiedener theoretischer Ansätze58 widmet sich die vorliegende Arbeit somit theoriebildend und theorieprüfend den drei weiter oben identifizierten dominierenden Forschungssträngen im Bereich entrepreneurialer Orientierung und namentlich der Konzeptualisierung und Operationalisierung, Erklärung von Performanceunterschieden von Unternehmen sowie den Zusammenhängen mit anderen Variablen. Vor diesem Hintergrund resultiert im Hinblick auf das Konzept der entrepreneurialen Orientierung selbst die erste Forschungsfrage wie folgt: Forschungsfrage 1: Wie ist entrepreneuriale Orientierung zu konzeptualisieren und zu operationalisieren? Im Hinblick auf eine potentielle Orientierungs-Verhaltens-Lücke ergibt sich vor dem dargestellten Hintergrund die zweite Forschungsfrage wie folgt: Forschungsfrage 2: Lassen sich vor dem Hintergrund einer potentiellen Orientierungs-Verhaltens-Lücke Performanceunterschiede besser erklären, wenn die Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance um einen mediierenden Einfluss in Form des entrepreneurialen Verhaltens erweitert wird? Im Vorgriff auf die folgenden Ausführungen soll bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass als Indikator für entrepreneuriales Verhalten im Kontext bestehender Unternehmen in dieser Arbeit die der strategischen Manage57 58
Vgl. Abschnitt 5.2.3.2. Vgl. Abschnitt 2.2.
Problemstellung und Zielsetzung
9
mentforschung entstammenden Zwillingskonzepte explorative und exploitative Innovationen eingesetzt werden, da beide bedeutende entrepreneuriale Aktivitäten darstellen,59 insbesondere im Hinblick auf adoleszente Unternehmen.60 Mit der Analyse der oben genannten Fragestellungen sind vor dem dargestellten Hintergrund verschiedene Beiträge für die wissenschaftliche Forschung verbunden. Neben den bereits weiter oben dargestellten Fortschritten in den dominierenden Forschungssträngen im Bereich entrepreneurialer Orientierung ermöglicht der Transfer des Konzeptes des organisationalen Entrepreneurships auf adoleszente Unternehmen darüber hinaus einen Beitrag im Hinblick auf adäquate Verhaltensweisen in einer hinsichtlich des organisationalen Überlebens außerordentlich problematischen Unternehmenslebenszyklusphase.61 Aus einer wissenschaftlichen Perspektive wird herausgearbeitet, ob es für adoleszente Unternehmen förderlich ist, entrepreneuriales Denken und Handeln zu bewahren oder, wie es frühe Unternehmenszyklusmodelle empfehlen, das Streben nach Exploration zugunsten einer Fokussierung auf Effizienzsteigerung und Reproduzierbarkeit zu verwerfen.62 Mit der Untersuchung dieser Fragestellungen wird ebenfalls ein Beitrag für die unternehmerische Praxis geschaffen. So stellt die bereits im letzten Absatz thematisierte Adressierung der Frage, ob die Bewahrung des entrepreneurialen Spirits förderlich oder kontraproduktiv im Hinblick auf das organisationale Überleben bzw. die organisationale Performance ist, zweifelsohne auch aus praktischer Sicht ein äußerst wichtiges Thema dar. In einer differenzierteren Sichtweise wird herausgearbeitet, welche Elemente eine entrepreneuriale Organisation umfassen kann bzw. vor dem Hintergrund verschiedener Innovations- und somit Entwicklungsziele umfassen sollte und wie sich diese Organisationsgestaltung sowie die Verfolgung verschiedener Arten von Innovationen auf die kritische Variable Unternehmensperformance auswirken. Damit wird Entscheidern in Unternehmen 59
60 61
62
Vgl. exemplarisch Brazeal/Herbert 1999, S. 36 ff.; Schindehutte/Morris 2009, S. 241 ff. Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3 und insbesondere Abschnitt 3.3. Vgl. Abschnitt 2.1.3. Vgl. zu dem hohen Ausfallrisiko von Unternehmen in dieser Lebensphase exemplarisch Brüderl/ Schüssler 1990, S. 530; Fichman/Levinthal 1991, S. 442 ff. Vgl. exemplarisch Lodahl/Mitchell 1980, S. 201. Vgl. auch Abschnitt 2.1 und die Ausführungen zum paradox of success in Abschnitt 3.3.2.1.
10
Einleitung
die Möglichkeit gegeben, ihre Organisation entsprechend zu führen. Auch wird damit ein Instrument für Kapitalgeber zur Evaluation der Überlebens- und Fortschrittsfähigkeit des Unternehmens entwickelt. 1.3 Gang der Arbeit Aufbauend auf der Prämisse, dass sich realwissenschaftliche Forschung nicht in der Entwicklung theoretischer Konzepte und Modelle erschöpfen, sondern immer auch eine möglichst hohe Übereinstimmung ihrer theoretischen Konstruktionen mit der Realität suchen sollte,63 sollten am kritischen Rationalismus orientierte Forschungsprozesse in der empirischen Sozialforschung nicht nur den Bereich Theoriebildung, sondern auch den Bereich Theorieprüfung umfassen.64 Vor diesem Hintergrund und insbesondere auf der Basis der von HOFER und BYGRAVE formulierten Schritte, die gute Forschungsarbeiten im Bereich Entrepreneurship umfassen sollten,65 gliedert sich die vorliegende Arbeit wie nachfolgend dargestellt. Die Forschungsarbeit hat mit einer zum Thema hinführenden Einleitung, in der das Forschungsinteresse in Abschnitt 1.1 zunächst aus wissenschaftlicher und praktischer Perspektive begründet wird, begonnen. Abschnitt 1.2 widmete sich zunächst der Identifikation einer Forschungslücke und der Veranschaulichung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Problemstellung, bevor darauf basierend konkrete Forschungsfragen formuliert und mit den aus der Untersuchung dieser Fragen resultierenden, erwarteten Beiträgen für die Wissenschaft und Praxis die Ziele dieser Arbeit verdeutlicht wurden. Den Abschluss dieser Einleitung bildet der aktuelle Abschnitt mit einer Darstellung des Gangs der Arbeit. Kapitel 2 dient der Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens für diese Forschungsarbeit, der dazu beiträgt, sowohl den Analysebereich der Arbeit abzugrenzen als auch die Erforschung der in Abschnitt 1.2 aufgeworfenen Forschungsfragen weiter zu legitimieren. Ferner wird in diesem Abschnitt ein Bezug 63 64
65
Vgl. Fritz 1995, S. 93; Kromrey 2006, S. 16 ff.; Schnell/Hill/Esser 2008, S. 7. Vgl. den idealtypischen Forschungsprozess bei Schnell/Hill/Esser 2008, S. 7 ff. Vgl. auch Popper 1971, S. 15; Hofer/Bygrave 1992, S. 90 f.; Bortz/Döring 2006, S. 2. Vgl. Hofer/Bygrave 1992, S. 91.
Gang der Arbeit
11
zu theoretischen Rahmenwerken der Sozialwissenschaften hergestellt, die einen substanzwissenschaftlichen Fortschritt erst ermöglichen.66 Dabei erfolgt in Abschnitt 2.1 zunächst eine definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes adoleszente Unternehmen und eine Identifikation der spezifischen Charakteristika und Herausforderungen derartiger Unternehmen. In dem Bestreben diese Arbeit auf ein wissenschaftlich solides Fundament zu stellen, werden anschließend in Abschnitt 2.2 relevante theoretische Ansätze vorgestellt und ihr Beitrag für die vorliegende Arbeit sukzessive diskutiert. Kapitel 3 widmet sich der Entwicklung des Untersuchungsmodells, wobei aufbauend auf einer Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstands theoriebildend die Weiterentwicklung des Forschungsfeldes Entrepreneurship im organisationalen Kontext erfolgt. Dazu werden in Abschnitt 3.1 zunächst die grundlegenden Ziele des Corporate Entrepreneurships behandelt. In Abschnitt 3.2 erfolgen neben der Einordnung des Konzeptes der entrepreneurialen Orientierung in das Feld des Corporate Entrepreneurships Würdigung und Kritik des klassischen EO-Konzepts und seiner Interpretation in der wissenschaftlichen Praxis mit einer theoretischen Bekräftigung dessen multidimensionaler Auslegung und Interpretation als konkreter Aktivität vorgelagerte Orientierung. Anschließend diskutiert Abschnitt 3.3 die der strategischen Managementforschung entstammenden Zwillingskonzepte explorativer und exploitativer Innovation als Reflektion relevanten entrepreneurialen Handelns und integriert sie in den Kontext des Corporate Entrepreneurships zur Füllung der Orientierungs-Verhaltens-Lücke. Aufbauend auf den in den vorangegangenen Unterabschnitten gewonnenen Erkenntnissen und unter expliziter Berücksichtigung des theoretischen Bezugsrahmens wird abschließend in Abschnitt 3.4 das dieser Arbeit zugrunde liegende konzeptionelle Forschungsmodell abgeleitet, das den Grundstein für die später folgende empirische Untersuchung legt. Die Vorüberlegungen zu dem und das konzeptionelle Forschungsmodell selbst nutzend werden in Kapitel 4 die in der anschließenden empirischen Untersuchung konkret zu überprüfenden Hypothesen hergeleitet. Zunächst widmet sich Abschnitt 4.1 dabei Hypothesen zu der dimensionalen Struktur der entrepre66
Vgl. Bygrave/Hofer 1991, S. 13.
12
Einleitung
neurialen Orientierung. Danach werden in Abschnitt 4.2 mediierende Effekte explorativer und exploitativer Innovationen postuliert. In den Abschnitten 4.3 und 4.4 werden individuelle Wirkungsbeziehungen zwischen explorativer und exploitativer Innovationen und Unternehmensperformance sowie zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung sowie explorativer und exploitativer Innovationen thematisiert. Bereits in den einleitenden Worten dieses Abschnitts wurde die Bedeutung einer empirischen Überprüfung der theoretischen Konstruktionen hervorgehoben. Selbige wird in Kapitel 5 thematisiert. Mit der Begründung für die Wahl einer kovarianzbasierenden Kausalanalyse mit Maximum-Likelihood-Schätzung als zentrales Datenanalyseverfahren und der Diskussion adäquater Gütemaße zur Evaluation wird in Abschnitt 5.1 zunächst ein Rahmenwerk für die empirische Untersuchung geschaffen. Abschnitt 5.2 widmet sich anschließend der Vorbereitung der Untersuchung. Hier erfolgen die Identifikation der Grundgesamtheit, die Auswahl eines Vorgehens zur Datenerhebung sowie die Operationalisierung der Konstrukte. Abschnitt 5.3 behandelt die Durchführung der Untersuchung und stellt somit das Vorgehen der Datenerhebung, den Rücklauf und die Aufbereitung der Daten dar. Schließlich thematisiert Abschnitt 5.4 die Datenauswertung. Dabei erfolgt zunächst die Feststellung der Eignung der Daten unter den Gesichtspunkten Normalverteilung sowie verschiedener Verzerrungen. Anschließend erfolgt die Gütebeurteilung auf Messmodellebene, bevor abschließend die Darstellung der deskriptiven Statistiken, die Durchführung von Modellvergleichen und die Überprüfung der verschiedenen Hypothesen und somit der mediierenden und direkten Effekte erfolgt. Den Abschluss dieser Arbeit bildet Kapitel 6, in dem in Abschnitt 6.1 zunächst eine Diskussion und Bewertung der Ergebnisse der Untersuchung vor dem Hintergrund der Forschungsfragen erfolgt. Anschließend werden Implikationen für die wissenschaftliche Forschung in Abschnitt 6.2 und die unternehmerische Praxis in Abschnitt 6.3 abgeleitet. Abgeschlossen wird die Arbeit durch Abschnitt 6.4 in Form einer Diskussion der Limitationen der Studie sowie der Darstellung möglicher Ansatzpunkte für weitere Forschung. Abbildung 1 verdeutlicht den Gang der vorliegenden Arbeit.
Gang der Arbeit
13 Abbildung 1 Gang der Arbeit Einleitung
Kapitel 1 • Motivation der Arbeit • Problemstellung und Zielsetzung • Gang der Arbeit
Kapitel 2
Identifikation von aus praktischer und wissenschaftlicher Sicht relevanten Forschungslücken und Formulierung der Fragestellungen der Untersuchung
Theoretischer Bezugsrahmen
• Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes • Theoretische Bausteine
Kapitel 3
Festlegung des Analysebereichs, weitere Legitimierung der aufgeworfenen Forschungsfragen und Schaffung eines wissenschaftlich soliden Fundaments
Entwicklung des Untersuchungsmodells
• Intentionen des Corporate Entrepreneurships • Würdigung der entrepreneurialen Orientierung • Einordnung von Exploration und Exploitation in den Nexus des Corporate Entrepreneurships
Kapitel 4
Herleitung der Hypothesen
• Dimensionalität der entrepreneurialen Orientierung • Mediierende Effekte • Direkte Effekte
Kapitel 5
Empirisch zu prüfende Hypothesen
Empirische Untersuchung
• Grundlagen der empirischen Untersuchung • Vorbereitung der Datenerhebung • Durchführung der Erhebung und Datenaufbereitung • Auswertung der empirischen Untersuchung
Kapitel 6
Erfassung des Status quo der Forschung, theoretische Weiterentwicklung des Feldes und Entwicklung eines konzeptionellen Modells
Empirische Befunde
Diskussion, Konklusion und Ausblick
• Diskussion und Bewertung der Ergebnisse • Implikationen für die wissenschaftliche Forschung und die unternehmerische Praxis • Limitationen und zukünftige Forschung
Implikationen für Forschung und Praxis sowie Ansätze für zukünftige Forschung
Theoretischer Bezugsrahmen
15
2 Theoretischer Bezugsrahmen Kapitel 2 dient der Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens als Basis für diese Forschungsarbeit. Die Erstellung dieses Bezugsrahmens trägt zum einen dazu bei, die in Kapitel 1 aufgeworfenen Fragestellungen in einen Kontext einzubetten, der einerseits den Analysebereich festlegt und andererseits die Erforschung dieser Fragen legitimiert bzw. tiefergehend begründet. Zum anderen macht erst ein Bezug zu einem theoretischen Rahmenwerk einen substanzwissenschaftlichen Fortschritt möglich.67 Dabei erfolgt in Abschnitt 2.1 zunächst eine definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes adoleszente Unternehmen, wobei das Augenmerk auf die spezifischen Charakteristika und resultierenden Herausforderungen derartiger Unternehmen gerichtet ist. In Abschnitt 2.2 werden dann relevante theoretische Ansätze und ihr Beitrag für die vorliegende Arbeit vorgestellt. Abbildung 2 stellt die Einordnung des Kapitels 2 in den Gesamtzusammenhang der Arbeit sowie dessen grundlegende Inhalte und zu erwartende Teilergebnisse dar. Abbildung 2 Einordnung von Kapitel 2 in den Gang der Arbeit Kapitel 1
Einleitung
Kapitel 2
Theoretischer Bezugsrahmen Festlegung des Analysebereichs, weitere Legitimierung der aufgeworfenen Forschungsfragen und Schaffung eines wissenschaftlich soliden Fundaments
• Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes • Theoretische Bausteine
67
Kapitel 3
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Kapitel 4
Herleitung der Hypothesen
Kapitel 5
Empirische Untersuchung
Kapitel 6
Diskussion, Konklusion und Ausblick
Vgl. Bygrave/Hofer 1991, S. 13.
16
Theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes Die definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes stellt in dieser Arbeit nicht nur eine forschungsmethodische Notwendigkeit dar, um einen Gültigkeitsbereich für die gewonnenen Erkenntnisse zu bestimmen und ein Rahmenwerk für die Übertragung dieser Erkenntnisse in andere Kontexte zu erschaffen.68 Ebenfalls lassen sich aufbauend auf der nachfolgend dargestellten Einordnung des Forschungsobjektes adoleszente Unternehmen in den Unternehmenslebenszyklus69 und der Darstellung der konstitutiven Merkmale70 spezifische Herausforderungen derartiger Organisationen identifizieren,71 die dann – in Ergänzung zu den in den Abschnitten 1.1 und 1.2 getätigten Ausführungen – die Arbeit begründen. 2.1.1 Einordnung in den Unternehmenslebenszyklus Die Literatur stellt eine Vielzahl unterschiedlicher Unternehmenslebenszyklusmodelle72 bereit, die sich einerseits durch die jeweils betrachteten Entwicklungsaspekte unterscheiden73 und andererseits hinsichtlich der Anzahl und der Abfolge der Unternehmenslebensphasen divergieren.74 Während, wie die folgenden 68 69 70 71 72
73
74
Vgl. Hofer/Bygrave 1992, S. 91 ff. Vgl. Abschnitt 2.1.1. Vgl. Abschnitt 2.1.2. Vgl. Abschnitt 2.1.3. Unternehmenslebenszyklusmodelle werden vielfach kritisiert. So gilt es als Schwäche, dass sie nur selten empirisch bestätigt werden. Vgl. Miller/Friesen 1984a, S. 1161; Hanks/Watson/ Jansen/Chandler 1993, S. 5; Klandt 2003, S. 101. Ferner wird kritisiert, dass den meisten Modellen eine explizite theoretische Fundierung fehlt. Vgl. Kazanjian 1988, S. 258. Ebenfalls wird angemerkt, dass der oftmals als linear unterstellte Ablauf eine unzulässige Vereinfachung darstellt. Vgl. Kimberly 1980b, S. 7. Ebenfalls wird kritisiert, dass die Stagnation auf einer Stufe in der Regel nur unzureichend berücksichtigt wird. Vgl. Gruber/Harhoff/Tausend 2003, S. 31. Dennoch sind Lebenszyklusmodelle geeignet, spezifische Probleme verschiedener Unternehmensentwicklungsstufen und adäquate (Re-)Aktionen des Unternehmens aufzuzeigen und somit einen Beitrag zum Verständnis und zur Beeinflussung des Unternehmensüberlebens und des -erfolgs zu leisten. Vgl. Kazanjian 1988, S. 257 ff.; Hanks/Watson/Jansen/Chandler 1993, S. 5. In seiner Übersicht weist KLANDT auf die Existenz quantitativer (Bezug zu Umsatz oder Gewinn) sowie qualitativer (z. B. Entwicklungsstufen der Unternehmenskultur), auf Input oder Output bezogener, Situationsbeschreibungen gebender oder Anforderungen an das Management formulierender Modelle hin. Vgl. Klandt 2003, S. 101. Für eine umfassende Darstellung und Diskussion verschiedener in der Literatur existierender Modelle sei auf die Arbeiten von Miller/Friesen 1984a sowie Hanks/Watson/Jansen/Chandler 1993 verwiesen. Vgl. auch Klandt 2003, S. 101.
Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes
17
Ausführungen zeigen werden, die Existenz komplementärer Perspektiven auf die Unternehmensentwicklung bezüglich des Verständnisses der Unternehmensevolution positiv betrachtet werden kann und die divergierende Phasenanzahl im Grunde lediglich unterschiedliche Differenzierungsgrade widerspiegelt, geben die konkurrierenden Sichtweisen hinsichtlich der Abfolge der Phasen Anlass zur Diskussion. Insbesondere frühe Unternehmenslebenszyklusmodelle postulieren ein irreversibles Momentum ansteigender Bürokratisierung und Zielverdrängung und somit in Analogie zum biologischen Lebenszyklus des Menschen einen unvermeidbaren Niedergang im Sinne der Liquidierung oder der Insolvenz des Unternehmens.75 Andere, insbesondere spätere Arbeiten argumentieren, dass der Niedergang nicht ein unausweichliches Schicksal eines jeden Unternehmens ist und Phasen der Revitalisierung und Erneuerung immanente Bestandteile eines Unternehmenslebenszyklus darstellen.76 Wenngleich die Erkenntnis, dass Organisationen durchaus Revitalisierung und Erneuerung erfahren können, aus unternehmensevolutionärer Perspektive die Basis für Corporate Entrepreneurship in etablierten Organisationen darstellt,77 ist sie für diese Forschungsarbeit von nachrangigem Interesse, da die vorliegende Arbeit auf adoleszente Unternehmen und somit auf Unternehmen, die die Phase der Stagnation oder sogar die des Niedergangs noch nicht ereilt hat, fokussiert. Im Kontext adoleszenter Unternehmen spielen vielmehr die früheren Entwicklungsphasen eine vorrangige Rolle, die in Gründungszyklus- und Wachstumsmodellen thematisiert werden. Wie in den meisten Gesamtlebenszyklusmodellen stehen auch bei Gründungszyklus- und Wachstumsmodellen die jeweiligen Probleme im Vordergrund, denen Unternehmen in verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung begegnen und die zu adäquaten Aktionen eines Unternehmens führen
75
76
77
Vgl. Merton 1949, S. 151 ff.; Vgl. dazu auch Hanks/Watson/Jansen/Chandler 1993, S. 12; Tushman/Romanelli 1985, S. 171 ff. Vgl. zu der Analogie exemplarisch Klandt 2003, S. 100. Vgl. Tichy 1980, S. 164; Quinn/Cameron 1983, S. 44; Miller/Friesen 1984a, S. 1161; Hammer/ Champy 1994, S. 1; Aldrich 1999, S. 196 ff. Vgl. Guth/Ginsberg 1990, S. 5; Klandt 2003, S. 110; Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen, o. P.
18
Theoretischer Bezugsrahmen
(müssen), woraus sich dann idealtypische organisationale Kulturen, Strukturen und Verhaltensweisen ergeben.78 Abbildung 3 Phasen und Charakteristika des frühen Unternehmensentwicklungsprozesses79 Schwellen der Gründung
Konkretisierung
Point of no return
Markteintritt
Top oder Flop
Phasen der Gründung
Idee
Planung
Errichtung
Bewährung
1. Wachstum
Zeitliche Ausdehnung (min/max)
k. A.
3 bis 11 Monate
4 bis 16 Monate
2 bis 5 Jahre
3 bis 12 Jahre
Konsolidierung
n. Wachstum
k. A. bzw. iterativer Prozess
Gründungsepochen
Early Stage
Expansion Stage
Later Stage
Reife
unreif
adoleszent
etabliert
Alter
jung
älter
alt
Größe
klein
größer
groß
Struktur
chaotisch
im Entstehen
strukturiert
Zentralisierung
zentralisiert in der Gründerperson
moderat dezentralisiert
dezentralisiert
Marktpositionierung
Geschäfte aufnehmen
Profitabel werden/ Geschäfte ausweiten
Markposition sichern/ weiter ausbauen
Geschäftsfelder
wenige
wachsend
viele
Wie bereits weiter oben für Lebenszyklusmodelle im Allgemeinen angedeutet, variieren auch die Gründungszyklus- und Wachstumsmodelle hinsichtlich der Anzahl der unterschiedenen Phasen und der betrachteten Aspekte.80 Wenngleich 78
79 80
Vgl. exemplarisch die Arbeiten von Greiner 1972; Galbraith/Vesper 1982; Churchill/Lewis 1983; Block/MacMillan 1985; Kazanjian 1988; Kazanjian/Drazin 1990. Für eine umfassende Darstellung und Diskussion verschiedener in der Literatur existierender Modelle sei auf die Arbeiten von Quinn/Cameron 1983; Kaiser/Gläser 1999 verwiesen. In Anlehnung an Herr 2006, S. 26; Hanks/Watson/Jansen/Chandler 1993, S. 12. Vgl. exemplarisch die Gegenüberstellung verschiedener Modelle bei Kaiser/Gläser 1999, S. 12 ff.
Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes
19
auf eine detaillierte Diskussion der verschiedenen Perspektiven an dieser Stelle verzichtet werden soll,81 integriert die idealtypische Darstellung des Entwicklungsprozesses und phasenspezifischer Charakteristika in Abbildung 3 verschiedene Sichtweisen und stellt sie in einen sachlogischen Zusammenhang. Mit dem Forschungsobjekt adoleszente Unternehmen richtet sich der Fokus dieser Arbeit auf Unternehmen, die sich in der Transition von einem Start-up zu einem etablierten Unternehmen befinden;82 somit sind sie sowohl von Start-ups als auch von etablierten Unternehmen abzugrenzen. Im Gegensatz zu Start-ups hatten diese Unternehmen bereits eine erste erfolgreiche Bewährung am Markt83 und befinden sich – dem idealtypischen Entwicklungsprozess folgend – nun in einer Phase des fortgeschrittenen Legitimierungsstrebens, des Ausbaus organisationaler Kompetenzen sowie der Expansion in neue Produkt-MarktKombinationen.84 Ferner kann davon ausgegangen werden, dass Strukturen, Prozeduren und Systeme entstanden sind oder bewusst eingeführt wurden, wenngleich diese in dieser Phase flexibel angewendet und an ihnen immer wieder Anpassungen vorgenommen werden können.85 Auch wenn der Gründer bzw. das Gründerteam immer noch eine zentrale Rolle einnimmt,86 ist davon auszugehen, dass das Team um Manager erweitert wurde und auch Schlüsselaufgaben vom Gründer an diese delegiert werden.87 Wenngleich eine Charakterisierung anhand der absoluten Größe, des Umsatzes und des Alters kritisiert wird,88 ist festzuhalten, dass Unternehmen in dieser Phase relativ zu Start-ups älter, um-
81 82
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86
87 88
Hier sei auf die Arbeiten von Quinn/Cameron 1983; Kaiser/Gläser 1999 verwiesen. Vgl. zu diesem Prozess auch die Arbeiten von Freier 2000; Kelley/Marram 2008; Kollmann 2006; 2009b. Vgl. Kaiser/Gläser 1999, S. 12 ff. Vgl. Stinchcombe 1965, S. 148 ff.; Zimmerman/Zeitz 2002, S. 414; Gundry/Kickul 2007, S. 301 f. Vgl. dazu auch Hanks/Watson/Jansen/Chandler 1993, S. 12. Vgl. Hanks/Watson/Jansen/Chandler 1993, S. 12, und die in dem Beitrag referenzierten Arbeiten. Vgl. zu Gründerteams und ihrer Bedeutung beispielsweise die Arbeiten von Kollmann/Häsel/ Stöckmann 2007; Häsel 2009; Kollmann/Häsel/Breugst 2009. Vgl. Kazanjian/Drazin 1989, S. 1492. Vgl. Fallgatter 2002, S. 28 f. Es wird beispielsweise kritisiert, dass derartige kriterienbezogene Abgrenzungen situative Faktoren, wie beispielsweise die Branche oder die Art der Produkte, aber auch die gewählte Strategie nicht adäquat berücksichtigen. Vgl. Klandt 1991, S. 485; Szyperski/Nathusius 1999, S. 30 ff.
20
Theoretischer Bezugsrahmen
satzstärker und größer sind.89 In der Regel wird davon ausgegangen, dass Unternehmen diese Phase nach frühestens zwei Jahren ihrer Existenz erreichen und nach dem zwölften Jahr ein etabliertes Unternehmen darstellen.90 Zweckmäßiger als Versuche einer Abgrenzung anhand exakter Kriterien wie Alter, Umsatz oder Mitarbeiterzahl zur Abgrenzung zwischen adoleszenten und etablierten Unternehmen wird der Zeitpunkt der Maturation angesehen,91 der erreicht wird, wenn die verschiedenen Wachstums- und Reifephasen beendet sind, der Punkt der Stabilität92 erreicht ist und die Unternehmung die liabilities of newness im Sinne von STINCHCOMBE93 überwunden hat.94 2.1.2 Konstitutive Merkmale adoleszenter Unternehmen Wie bereits bei der Abgrenzung des Forschungsobjektes in Abschnitt 2.1.1 deutlich wurde, sind adoleszente Unternehmen sowohl von etablierten, großen Unternehmen als auch von Start-ups abzugrenzen.95 Wenngleich aus der Literatur noch kein einheitliches Schema zur Charakterisierung und Abgrenzung adoleszenter Unternehmen hervorgegangen ist,96 lassen sich aus der Vielzahl der zumeist listenartigen Merkmalsaufzählungen typische Charakteristika isolieren, über die weitestgehend Einigkeit zu bestehen scheint.97 In der Literatur werden diese konstitutiven Merkmale oftmals als liabilities of newness diskutiert,98 wobei der Fokus in der Regel exklusiv auf die damit verbundenen Schwierigkeiten adoleszenter Unternehmen, die es zu überwinden gilt, gerichtet ist.99 In der vorliegenden Arbeit sollen darüber hinaus explizit die in der jüngeren Vergangen89 90
91 92 93
94 95 96 97
98
99
Vgl. Hanks/Watson/Jansen/Chandler 1993, S. 12 und die in dem Beitrag referenzierten Arbeiten. Vgl. Greiner 1988, S. 64; Bantel 1998, S. 207; Kaiser/Gläser 1999, S. 12 ff.; Fallgatter 2002, S. 29. Vgl. Klandt 1991, S. 485 ff.; Fallgatter 2002, S. 28. Vgl. Kazanjian 1988, S. 262. Vgl. Stinchcombe 1965, S. 148 ff. Die liabilities of newness werden nachfolgend in Abschnitt 2.1.2.1 ausführlich behandelt. Auf einen Vorgriff der Darstellung wird an dieser Stelle daher verzichtet. Vgl. Chrisman/Bauerschmidt/Hofer 1998, S. 6; Fallgatter 2004, S. 28. Vgl. auch Welsh/White 1981, S. 18 ff.; Fallgatter 2002, S. 27 ff.; Gruber 2004a, S. 81. Vgl. Achleitner/Bassen 2003, S. 8 f.; Faaß 2007, S. 162. Vgl. exemplarisch Mugler 1998, S. 19 ff.; Gruber 2004a, S. 81 ff.; Gruber 2004b, S. 166 f.; Freiling/Kollmann 2008, S. 6 f. Vgl. Brüderl/Preisendörfer/Ziegler 1996, S. 60 ff. Vgl. auch Stichcombe 1965, S. 148 ff.; Brüderl/Schüssler 1990, S. 45 ff. Vgl. exemplarisch Gruber 2004a, S. 81; Gruber 2004b, S. 166; Carayannopulos 2009, S. 420 ff.
Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes
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heit als assets of newness bezeichneten Vorteile adoleszenter Unternehmen100 thematisiert werden, die derartige Unternehmen bewahren sollen.101 Anschaulich assoziieren CHOI und SHEPHERD ein geringes organisationales Alter im Sinne einer liability negativ als Unreife (immaturity) und im Sinne eines assets positiv als Jugendfrische (youthfulness).102 Diese den Kontext adoleszenter Unternehmen determinierenden Charakteristika werden nachfolgend mit ihren Ausprägungsformen kurz thematisiert. Implikationen und insbesondere die assoziierten Herausforderungen für adoleszente Unternehmen werden anschließend in Abschnitt 2.1.3 diskutiert. 2.1.2.1
Liabilities of newness
Der Begriff der liabilities of newness wurde bereits in den 1960er Jahren von STINCHCOMBE geprägt, der einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen zunehmendem Lebensalter von Unternehmen und abnehmendem Sterberisiko ermittelt.103 Wenngleich organisationales Sterben verschiedenste Ursachen haben kann, wird davon ausgegangen, dass dies oftmals durch interne Faktoren in Form einer kleinen Unternehmensgröße, organischen bzw. chaotischen Organisationsstrukturen und einem Mangel an Erfahrung sowie durch externe Faktoren wie stark begrenzte finanzielle Mittel, ein begrenztes Netzwerk für Austauschbeziehungen und mangelnde Legitimität in den Augen der Stakeholder verursacht wird.104 So müssen junge Unternehmen und ihre Führungskräfte ihre gesellschaftlichen Rollen als soziale Akteure und die Koordination ihrer Rollen mit den Rollen anderer Akteure erst lernen, was sowohl für die Austauschbeziehungen innerhalb der eigenen Organisation als auch für die mit der Außenwelt gilt, da Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und Kapitalgebern neu aufgebaut wer-
100 101
102 103 104
Vgl. Choi/Shepherd 2005, S. 575. Vgl. Fichman/Levinthal 1991, S. 443 f.; Choi/Shepherd 2005, S. 575 f.; Kollmann/Kuckertz/ Stöckmann im Erscheinen, o. P. Vgl. Choi/Shepherd 2005, S. 574. Vgl. Stinchcombe 1965, S. 148 ff. Vgl. Stinchcombe 1965, S. 148 ff.; Freeman/Carroll/Hannan 1983, S. 692 ff.; Carayannopoulos 2009, S. 421. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Beitrag von Kautonen/Zolin/Kuckertz/ Viljamaa im Erscheinen.
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Theoretischer Bezugsrahmen
den müssen.105 Dabei stehen sie im Wettbewerb mit etablierten Unternehmen, die über ein höheres Maß an Erfahrungen, Ansehen und bereits über ein Netzwerk an verlässlichen Außenbeziehungen verfügen, was zu Wettbewerbsnachteilen jüngerer gegenüber älterer Unternehmen führt.106 Vor diesem Hintergrund argumentieren HANNAN und FREEMAN, dass in modernen Gesellschaften diejenigen Organisationen eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit besitzen, die ein hohes Maß an Zuverlässigkeit (engl. reliability), Rechenschaftsfähigkeit (engl. accountability) und Reproduzierbarkeit (engl. reproducibility) aufweisen,107 wobei davon ausgegangen wird, dass jüngere Unternehmen diese Attribute weniger stark ausgeprägt als etablierte Unternehmen aufweisen.108 Die Zuverlässigkeit eines Unternehmens äußert sich dabei in einer geringen temporalen, quantitativen und qualitativen Varianz des Leistungsergebnisses und weniger in dem durchschnittlichen Performancelevel.109 Für rational agierende Kunden ist es wichtig, sich darauf verlassen zu können, dass eine Leistung bzw. 105
106
107 108 109
Vgl. Stinchcombe 1965, S. 148 ff. Vgl. zu der Bedeutung der Gründererfahrung auch die Beiträge von Kollmann/Häsel/Breugst 2009; Kuckertz/Wagner im Erscheinen. Vgl. Kieser/Woywode 2006, S. 319. Oftmals wird hervorgehoben, dass nicht ausschließlich die Neuheit an sich, sondern insbesondere auch die geringe Größe junger Unternehmen zu Wettbewerbsnachteilen, beispielsweise im Hinblick auf Skalen oder Synergieeffekte, führt. Vgl. zu dieser als liability of smallness bekannten Erweiterung der Sichtweise ausführlich Kieser/Woywode 2006, S. 321 f. Vgl. dazu auch die Arbeiten von Aldrich/Auster 1986, Carayannopoulos 2009. Mitunter existieren weitere Differenzierungen in Form der liabilities of owner dominance and dependence, liability of growth oder der liability of uncertainty. Vgl. Faaß 2007, S. 163 ff.; Gruber 2004a, S. 81 f. Wenngleich diese differenzierten Sichtweisen durchaus einen sinnvollen Beitrag zur Vertiefung der zugrunde liegenden Problematik leisten, soll aufgrund des gesetzten Fokus der Arbeit auf ihre eigenständige Diskussion zugunsten des Verweises auf die genannten Quellen verzichtet werden. Explizit hingewiesen sei jedoch auf die gegenüber der liability of newness alternativen These der liability of adolescence, nach der neu gegründete Organisationen aufgrund dem ihnen entgegengebrachten Vertrauensvorschuss der Stakeholder und ihrer initialen Kapitalausstattung eine Schonfrist haben, bevor sie den Selektionskräften des Marktes ausgesetzt sind. Vgl. Brüderl/Schüssler 1990, S. 530; Fichman/Levinthal 1991, S. 442 ff. Allerdings weisen BRÜDERL und SCHÜSSLER darauf hin, dass eine aus betriebswirtschaftlicher Sicht bestehende notwendige Liquidierung sich aufgrund derartiger Mechanismen ggf. nur auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt. Vgl. Brüderl/Schüssler 1990, S. 530 ff. Vor diesem Hintergrund muss von der These der liability of newness nicht abgerückt werden. Vgl. weiterführend Kieser/Woywode 2006, S. 319 ff. Vgl. Hannan/Freeman 1984, S. 153 ff. Vgl. Kieser/Woywode 2006, S. 319 f.; Choi/Shepherd 2005, S. 575 ff.; Nagy 2006, o. P. Vgl. zu diesem Absatz Hannan/Freeman 1984, S. 153.
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ein Gut zu einem gewünschten Zeitpunkt in festgelegter Mindestqualität vorliegt. Für die Einschätzung der Zuverlässigkeit spielt dabei aus Kundensicht sowohl die zeitliche Konstanz des Performancelevels eine Rolle, als auch die Möglichkeit von der Qualität eines Gutes oder einer Leistung des Unternehmens auf die Qualität weiterer Güter und Leistungen schließen zu können. Die Rechenschaftsfähigkeit adressiert die Fragen, ob das Unternehmen den Nachweis über den Einsatz organisationaler Ressourcen zur Produktion eines Outputs überzeugend führen kann, ob eine Rekonstruktion und Rationalitätsprüfung der Abfolge der getroffenen Entscheidungen möglich ist und ob Verantwortlichkeiten für bestimmte Erzeugnisse oder Prozesse zugewiesen sind.110 Eine Möglichkeit dies nachzuweisen, besteht beispielsweise in der zertifizierten Einhaltung von Normen, die die Grundsätze für Maßnahmen zum Qualitätsmanagement dokumentieren, da auf diese Weise glaubhaft gemacht werden kann, dass Inkonsistenzen in Produkten und Prozessen identifiziert und Verantwortlichkeit für die Korrektur von Fehlern besteht.111 Für eine hohe Rechenschaftsfähigkeit ist eine derartige Zertifizierung jedoch nicht unbedingt notwendig; auch durch das wiederholte Erfüllen zeitlicher und qualitativer Anforderungen, ein glaubhaftes Beschwerdemanagement und wahrnehmbar feingeschliffene Prozesse kann Rechenschaftsfähigkeit belegt werden.112 Die Reproduzierbarkeit organisationaler Strukturen, beispielsweise im Hinblick auf Rollen, Autoritäten und Kommunikationswege, stellt Kontinuität im Handeln der Organisation sicher113 und ist somit eine wichtige Voraussetzung für die Zuverlässigkeit und Rechenschaftsfähigkeit eines Unternehmens.114 Durch Prozesse der Institutionalisierung und durch die Entwicklung hoch standardisierter Routinen kann Reproduzierbarkeit und somit die Möglichkeit geschaffen werden, ähnliche, wenn nicht sogar identische Ergebnisse zu produzieren.115
110 111 112 113 114 115
Vgl. Hannan/Freeman 1984, S. 153; Kieser/Woywode 2006, S. 320. Vgl. Briscoe/Fawcett/Todd 2005, S. 309; Nagy 2006, o. P. Vgl. Pisano 1994, S. 85 ff.; Nagy 2006, o. P. Vgl. Nelson/Winter 1982, S. 96; Hannan/Freeman 1984, S. 154. Vgl. Kieser/Woywode 2006, S. 320. Vgl. Hannan/Freeman 1984, S. 154.
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Theoretischer Bezugsrahmen
Eng mit den vorgenannten Attributen nach HANNAN und FREEMAN verbunden und in der Grundidee auch schon in deren Arbeiten enthalten, ist ein weiteres Attribut in Form der Legitimität des Unternehmens.116 Organisationale Legitimität besteht in der Wahrnehmung der Organisation als Sinn stiftend, kompetent und vertrauenswürdig durch die Stakeholder.117 Legitimität determiniert die Akzeptanz und Unterstützung eines Unternehmens durch dessen Stakeholder und ist somit die Grundlage für Austauschprozesse innerhalb (z. B. in Form von Mitarbeitern) und außerhalb (z. B. in Form von Lieferanten oder Kunden) der Unternehmung. Wie bereits weiter oben angedeutet wurde, weisen junge Unternehmen tendenziell niedrigere Niveaus an Verlässlichkeit, Rechenschaftsfähigkeit, Reproduzierbarkeit und Legitimität als ältere Unternehmen auf, was ihre Überlebenswahrscheinlichkeit ebenfalls als niedriger erwarten lässt.118 Jedoch ist davon auszugehen, dass durch Lern- und Sozialisationsprozesse die Austauschprozesse innerhalb und außerhalb der jungen Unternehmung verbessert werden können.119 2.1.2.2
Assets of newness
Wie bereits in den einleitenden Worten in Abschnitt 2.1.2 erwähnt, zielt die Einführung des Terminus assets of newness in der Literatur ab auf eine Abkehr von der einseitigen Sichtweise auf die mit der Neuheit des Unternehmens assoziierten negativen Charakteristika und den damit verbundenen Schwierigkeiten zugunsten der umfassenderen Sichtweise, dass die Neuheit durchaus auch mit positiven Charakteristika assoziiert ist, die vorteilhaft für junge Unternehmen sind.120 In diesem Sinne halten FICHMAN und LEVINTHAL fest, dass „relationships can start with some initial stock of assets, which (depending on the particular context) can include favorable prior beliefs, trust, goodwill, financial re-
116 117
118 119 120
Vgl. Hannan/Freeman 1984, S. 152 f. Vgl. auch Hannan/Freeman 1977, S. 957. Vgl. zur Vertrauenswürdigkeit junger Unternehmen exemplarisch den Beitrag von Kollmann/ Herr 2005. Vgl. Baum 1996, S. 77 ff. Vgl. Kieser/Woywode 2006, S. 320. Vgl. Fichman/Levinthal 1991, S. 443 f.; Choi/Shepherd 2005, S. 575 f.; Kollmann/Kuckertz/ Stöckmann im Erscheinen, o. P.
Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes
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sources, or psychological commitment.”121 Derartige Charakteristika organisationaler Neuheit werden als in hohem Maße förderlich für die Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen angesehen.122 Als besonders bedeutend werden dabei die intangiblen Vorteile junger Unternehmen angesehen, die CHOI und SHEPHERD unter den Aspekten affektive Kongruenz und Flexibilität subsumieren.123 Ein hohes Maß affektiver Kongruenz spiegelt eine hohe emotionale Übereinstimmung zwischen den Zielen und Werten der Unternehmung und denen der Stakeholder124 wider.125 Junge Unternehmen werden in der Regel als frisch, sympathisch und umgänglich sowie als Innovation schaffend und Fortschritt bringend wahrgenommen.126 Während zwar auch die Beibehaltung des Status quo von Stakeholdern als erstrebenswert empfunden werden kann,127 betrachten insbesondere Kunden junge Unternehmen und die damit verbundene Möglichkeit zur Adoption von Innovationen, neuen Ideen und neuen Produkten oder Leistungen als attraktiv, da dies mit Prestigegewinn, der Möglichkeit zur Demonstration von Überlegenheit, Einkommenshöhe und Lifestyle verbunden ist,128 ebenso aber auch das Fortschreiten der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung fördert.129 Dabei ist hervorzuheben, dass die emotionale Verbundenheit zwischen Stakeholdern und dem Unternehmen nicht unbedingt von dessen tatsächlichem Alter, sondern von der Jugendlichkeit bzw. der Neuheit des Auftretens, der Prozesse, Produkte und Leistungen sowie dem Streben des Un-
121 122
123 124
125 126
127 128 129
Fichman/Levinthal 1991, S. 443 f. Vgl. Fichman/Levinthal 1991, S. 443 f.; Brown/Dacin 1997, S. 68 ff.; Choi/Shepherd 2005, S. 575 f.; Nagy 2006, o. P. Vgl. Choi/Shepherd 2005, S. 576. Vgl. zu der Bedeutung dieser Elemente auch Nagy 2006, o. P. Der Begriff des Stakeholders subsumiert an dieser Stelle sowohl interne Stakeholder wie Mitarbeiter als auch externe Stakeholder wie Lieferanten und insbesondere Kunden. Vgl. zum Begriff des Stakeholders beispielsweise den Beitrag von Mitchell/Agle/Wood 1997. Vgl. Choi/Shepherd 2005, S. 579. Vgl. Stevenson/Jarillo 1990, S. 17; Shepherd/Wiklund 2005, S. 1 ff.; Choi/Shepherd 2005, S. 579; De 2005, S. 23; Nagy 2006, o. P. Vgl. zur Herausforderung der Kommunikation dieser Charakteristika im Umgang mit Kunden exemplarisch den Beitrag von Suckow 2007. Vgl. Choi/Shepherd 2005, S. 579. Vgl. Choi/Shepherd 2005, S. 579, und die dort angegebenen Quellen. Vgl. Shepherd/Wiklund 2005, S. 1; De 2005, S. 23 ff.; Nagy 2006, o. P.
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Theoretischer Bezugsrahmen
ternehmens, die Wünsche und Bedürfnisse der Stakeholder zu befriedigen, geprägt ist.130 Als weiteres wesentliches, positives Attribut werden jungen Unternehmen Vorteile hinsichtlich des organisationalen Lernens und darauf aufbauend ein hohes Maß an Flexibilität zugesprochen.131 Diese Flexibilität erhöht ihre Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Wettbewerbsbedingungen und Kundenbedürfnisse.132 Flexibilität wirkt sich dabei sowohl auf strategischer, taktischer und operativer Ebene aus: Unter der operativen Flexibilität wird die Fähigkeit verstanden, die endogenen Prozesse immer wieder an exogene Änderungen anzupassen.133 Taktische Flexibilität bezieht sich auf die Fähigkeit des Unternehmens, marktliche Gelegenheiten, beispielsweise in Form von Marktunvollkommenheiten, zu erkennen, sie zu verfolgen und aus ihnen Kapital zu schlagen.134 Strategische Flexibilität adressiert die Fähigkeit und Bereitschaft, Veränderungen der Markterfordernisse zu antizipieren, ihnen auf der Basis entwickelter, unternehmensspezifischer Handlungsoptionen zu begegnen und somit aus Wandel einen Wettbewerbsvorteil zu generieren.135 In der Regel wird unterstellt, dass Unternehmen im Prozess der Alterung derartige Flexibilität verlieren und sich aufgrund aufkommender struktureller Trägheit und akkumulierter Routinen, Regeln und Strukturen von Organisationen die Anpassung des Unternehmens an sich wandelnde Umweltbedingungen mit steigendem Alter verschlechtert.136 Dementgegen weisen CHOI und SHEPHERD darauf hin, dass es sowohl junge Unternehmen mit gering ausgeprägter Flexibilität als auch reifere Unternehmen mit durchaus hoher Flexibilität geben kann.137
130 131 132 133 134 135 136
137
Vgl. Oliver 1999, S. 33 ff.; Choi/Shepherd 2005, S. 579; Nagy 2006, o. P. Vgl. Shepherd/Wiklund 2005, S. 77 ff.; Choi/Shepherd 2005, S. 576. Vgl. Fiegenbaum/Karnani 1991, S. 101; Sanchez 1995, S. 135 ff.; Choi/Shepherd 2005, S. 576. Vgl. Galbraith 1990, S. 56 ff.; Suarez/Cusumano/Fine 1995, S. 25 ff. Vgl. Nagy 2006, o. P. Vgl. auch Johnson/Lee/Saini/Grohmann 2003, S. 74 ff. Vgl. Hitt/Keats/DeMarie 1998, S. 22; Johnson/Lee/Saini/Grohmann 2003, S. 74 ff. Die unterschiedlichen Ausprägungen derartiger Muster werden in der Literatur als liability of aging, liability of obselescence und liability of senescence bezeichnet. Vgl. dazu ausführlich Kieser/Woywode 2006, S. 320 f. und die dort referenzierten Arbeiten. Vgl. Choi/Shepherd 2005, S. 582 und die dort angegebenen Beispiele.
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2.1.3 Spezifische Herausforderungen adoleszenter Unternehmen Aufbauend auf der Positionierung des Forschungsobjektes adoleszente Unternehmen im Unternehmenslebenszyklus und den konstitutiven Merkmalen dieser Organisationen werden in diesem Abschnitt spezifische Herausforderungen identifiziert, die derartige Organisationen überwinden müssen. STEVENSON und JARRILLO-MOSSI stellen heraus, dass die Transition eines Gründungsunternehmens zu einem etablierten Unternehmen sehr oft von einer Abnahme der Fähigkeit und des Willens zur Wahrnehmung und Umsetzung unternehmerischer Gelegenheiten begleitet wird.138 In früheren Arbeiten zur organisationalen Entwicklung wird dies jedoch nicht als Problem, sondern vielmehr normativ als Vorgehensempfehlung betrachtet: „In order to succeed, the innovative organization must sacrifice the very things that made it innovative.”139 Wenngleich diese Forderung im Hinblick auf die Überwindung der liabilities of newness durchaus nachvollziehbar erscheint, wird in der jüngeren Vergangenheit dem heranwachsenden Unternehmen empfohlen, „to retain its entrepreneurial spirit as it grows.“140 Dabei wird davon ausgegangen, dass sich Wettbewerbsbedingungen, wie Kundenanforderungen, Konkurrenzangebote sowie Rahmenbedingungen immer wieder ändern und ein Unternehmen nicht erfolgreich sein kann, wenn es nur verwaltet, was geschaffen, wurde und nicht nach neuen unternehmerischen Gelegenheiten strebt.141 Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass adoleszente Unternehmen, die die Start-up-Phase überstanden haben, vor der Herausforderung stehen, die liabilities of newness zu überwinden, d. h. die Fähigkeit aufbauen, das bestehende Geschäft effizient durchzuführen, und dabei die assets of newness und somit die Fähigkeit und den Willen, effektiv im Hinblick auf die Verfolgung neuer unternehmerischer Gelegenheiten zu agieren, zu bewahren. Um dies zu erreichen, müssen reifende Unternehmen einerseits bestehende Kompetenzen sinnvoll einsetzen, 138 139 140 141
Vgl. Stevenson/Jarillo-Mossi 1986, S. 10. Lodahl/Mitchell 1980, S. 201. Kelley/Marram 2008, S. 556. Vgl. Stevenson/Jarillo-Mossi 1986, S. 10 f.; Lumpkin/Dess 1996, S. 163; Choi/Shepherd 2005, S. 573 ff.; Kelley/Marram 2008, S. 556. Vgl. dazu auch Abschnitt 1.1 sowie Abschnitt 2.1.2.
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Theoretischer Bezugsrahmen
Prozesse, Strukturen und Kulturen implementieren und ständig verfeinern sowie bestehende Produkte und Leistungen ausschöpfen und immer wieder die Effizienz steigern, Kosten reduzieren und Kundenbedürfnisse besser befriedigen.142 Andererseits müssen sie neue Kompetenzen generieren, neue Ideen und Methoden explorieren und verfolgen sowie neue Produkte und Leistungen für neue Märkte entwickeln.143 Allerdings basieren derartige explorative und exploitative Innovationen auf kontradiktorischen Wissens- und Informationsverarbeitungsprozessen144 und stehen in Konkurrenz um die insbesondere in jungen Unternehmen oftmals knappen Ressourcen.145 In der wissenschaftlichen Forschung wird vor diesem Hintergrund darüber diskutiert, ob, und wenn ja, wie Unternehmen es realisieren können, die liabilities of newness zu überwinden und dabei die assets of newness zu bewahren.146 Bevor sich mit dieser Frage im Rahmen der Entwicklung des Untersuchungsmodells in Kapitel 3 ausführlich auseinandergesetzt wird, widmet sich Abschnitt 2.2 nachfolgend der Diskussion verschiedener theoretischer Ansätze und der Analyse ihres Erklärungsgehalts hinsichtlich dieser Problematik im Allgemeinen sowie der in Abschnitt 1.2 explizierten Forschungsfragen. 2.2 Theoretische Bausteine Bereits in den einleitenden Worten dieser Arbeit wurde betont, dass eine solide theoretische Basis zur Erzielung eines substanzwissenschaftlichen Fortschritts unerlässlich erscheint.147 Dabei ist zu berücksichtigen, dass Entrepreneurship und die organisationale Entwicklung junger Unternehmen komplexe empirische Phänomene darstellen, die nicht mit einer universalen Theorie erklärt werden
142 143 144 145
146
147
Vgl. Benner/Tushman 2003, S. 242 f.; He/Wong 2004, S. 483 f. Vgl. Benner/Tushman 2003, S. 242 f.; He/Wong, 2004, S. 483 f.; Choi/Shepherd 2005, S. 592. Vgl. Floyd/Lane 2000, S. 154; Lubatkin/Simsek/Ling Veiga 2006, S. 647. Vgl. March 1991, S. 71; Gruber 2004a, S. 81. Vgl. zur Finanzproblematik in jungen Unternehmen auch die Arbeiten von Kuckertz 2006; Kuckertz/Middelberg 2008. Vgl. exemplarisch Burgelman 1991, S. 239; March 1996, S. 280; Gupta/Smith/Shelley 2006, S. 697 ff. Vgl. Bygrave/Hofer 1991, S. 13.
Theoretische Bausteine
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können;148 jedoch haben diese Phänomene aufgrund ihrer hohen Bedeutung für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt149 in verschiedenen wissenschaftlichen Feldern, wie beispielsweise Psychologie, Volkswirtschaftslehre oder Management- und Organisationslehre, eine hohe Beachtung erfahren.150 Zur Erzielung eines wissenschaftlichen Fortschritts erscheint es daher konsequent und notwendig, sich nicht auf eine theoretische Sichtweise zu reduzieren, sondern wertvolle Beiträge, die die verschiedenen Wissenschaftsfelder beizutragen im Stande sind, zu würdigen und zu einem Theorierahmen zusammenzuführen.151 Der Einbezug theoretischer Ansätze aus verschiedenen Wissenschaftsfeldern kann dabei nicht nur helfen, Antworten auf die in dieser Arbeit aufgeworfenen Forschungsfragen und spezifischen Herausforderungen des Forschungsobjektes theoretisch herzuleiten; ebenfalls können auf der Basis der existierenden Theorien Lücken in bisherigen Forschungsarbeiten identifiziert und Ansätze zur Erhöhung der Erklärungsmächtigkeit von Entrepreneurship zum organisationalen Erfolg geliefert werden. Nachfolgend wird vor diesem Hintergrund auf der Basis von zwei Theorien aus verschiedenen Wissenschaftsfeldern der theoretische Rahmen dieser Arbeit erstellt, der dann die Grundlage für die sich daran anschließende Entwicklung des Untersuchungsmodells bildet. Zunächst wird daher mit dem ressourcenbasierten Ansatz ein klassischer Ansatz der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung herangezogen.152 Ferner wird die der psychologischen Forschung entstammende und im Rahmen der Erklärung individuellen Handelns entstandene Einstellungstheorie bzw. insbesondere die Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese betrachtet und auf die Organisation als Analyselevel übertragen, da ihre Aussagen – wie die folgenden Ausführungen in Abschnitt 2.2.2 zeigen werden – das Potential besitzen, einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Erklärungsmächtigkeit von organisationalem Entrepreneurship und insbesondere einer entrepreneurialen Orientierung hinsichtlich des Unternehmenserfolges zu bieten. Dabei folgt auf einen kurzen generellen Über-
148 149 150 151 152
Vgl. exemplarisch Wiklund 1998, S. 18; Alvarez/Busenitz 2001, S. 756; Fallgatter 2002, S. 2. Vgl. Abschnitt 1.1. Vgl. Wiklund 1998, S. 18; Fallgatter 2002, S. 2; Davis 2007, S. 24. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Wiklund 1998, S. 18. Vgl. auch Davis 2007, S. 24 f. Vgl. Abschnitt 2.2.1.
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Theoretischer Bezugsrahmen
blick über den theoretischen Ansatz eine Analyse des Beitrags der theoretischen Perspektive zu dieser Forschungsarbeit. 2.2.1 Ressourcenbasierter Ansatz In der betriebswirtschaftlichen Forschung kann gemäß einer Vielzahl von Autoren als Hauptziel die Erreichung eines komparativen Wettbewerbsvorteils, der zu einer überlegenen und nachhaltigen Leistungsfähigkeit von Unternehmen führt, angesehen werden,153 da ein derartiger Wettbewerbsvorteil die Basis für einen langfristigen, überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg darstellt.154 Allgemein kann ein komparativer Wettbewerbsvorteil durch überlegene Ressourcen oder Fähigkeiten oder durch eine bessere Position im Markt im Vergleich zu den Wettbewerbern erzielt werden.155 Als so genannter Inside-Out-orientierter Erklärungsansatz fokussiert der ressourcenbasierte Ansatz zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolg das Unternehmen selbst bzw. dessen Ressourcenausstattung und lässt die Unternehmensumwelt weitestgehend außen vor.156 Aufbauend auf PENROSE, die ein Unternehmen als Bündel von Ressourcen interpretiert, jedoch keine konkrete Definition einer Ressource formuliert, betrachten HOFER und SCHENDEL mit finanziellen Ressourcen, technologischen Ressourcen, physischen Ressourcen, Humankapital, Reputation und organisationalen Ressourcen sechs Klassen von Ressourcen in Unternehmen.157 Im Ein153
154 155 156
157
Vgl. exemplarisch Porter 1985, S. 164 ff.; Barney 1991, S. 99; Teece/Pisano/Shuen 1997, S. 509; Covin/Miles 1999, S. 47 ff. Vgl. Schollhammer 1982, S. 210; Porter 1985, S. 33 ff. Vgl. Porter 1985, S. 33 ff. Als richtungsweisend für die Entwicklung des ressourcenbasierten Ansatzes gelten die Arbeiten von Penrose 1959, Teece 1980, 1982, Nelson/Winter 1982, Rumelt 1984, Wernerfelt 1984, Barney 1986, auf die auch für eine ausführliche Darstellung des theoretischen Ansatzes verwiesen werden soll. Insbesondere in den 1990ern Jahren, aber ebenfalls bis heute fortlaufend wurde der Ansatz weiterentwickelt. Einen ansprechenden Überblick, insbesondere auch Einblick in verschiedene Entwicklungsrichtungen des Ansatzes, wie beispielsweise dynamische Fähigkeiten (engl. dynamic capabilites oder Kernkompetenzen (engl. core competencies), geben die Arbeiten von Hamel/Prahalad 1990; Barney 1991; Grant 1991; Castanias/Helfat 1991, Connor 1991, Mahoney/Pandian 1992, Peteraf 1993; Baden-Fuller 1995; Bamberger/Wrona 1996; Teece/ Pisano/Shuen 1997; Eisenhardt/Martin 2000; Zollo/Winter 2002; Wiklund/Shepherd 2003a; Teece 2007. Vgl. Hofer/Schendel 1978, S. 145. Von anderen Autoren werden alternative Kategorien vorgeschlagen, die in ihrem Wesen jedoch vergleichbare Ressourcentypen charakterisieren. Vgl. zu dieser Einschätzung Wiklund 1998, S. 24. Vgl. für alternative Kategorien exemplarisch die Arbeiten von Barney 1991; Grant 1991.
Theoretische Bausteine
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klang mit derartig umfassenden Sichtweisen auf den Ressourcenbegriff betrachtet WERNERFELT eine Ressource als „anything which could be thought of as a strength or weakness of a given firm“158 und definiert sie als „as those (tangible and intangible) assets which are tied semipermanently to the firm“159 MILLER und SHAMSIE merken an, dass Ressourcen über das Potential verfügen müssen, Profite zu generieren oder Verluste zu verhindern und sie nicht allen Unternehmen gleichermaßen zur Verfügung stehen dürfen, da ihre generelle Verfügbarkeit den Wettbewerbsvorteil, den eine Ressource ausmachen kann, neutralisiert.160 Somit haben – dem ressourcenbasierten Ansatz folgend – Unternehmen, die über wertvolle, seltene und inimitierbare Ressourcen161 verfügen, das Potential, überlegene Performance zu erzielen.162 Organisationale Ressourcen sind dann
158 159 160 161
162
x
wertvoll, wenn sie dem Unternehmen ermöglichen, Gelegenheiten wahrzunehmen, Bedrohungen zu neutralisieren oder Produkte bzw. Dienstleistungen anzubieten, die von Kunden wertgeschätzt werden,
x
selten, wenn kein anderes Unternehmen sie ebenfalls besitzt oder zumindest nur sehr wenige (potentielle) Wettbewerber ebenfalls über sie verfügen,
x
inimitierbar, wenn es unmöglich oder zumindest sehr schwer oder kostenintensiv für (potentielle) Wettbewerber ist, diese Ressourcen(kombinationen) nachzuahmen.163
Wernerfelt 1984, S. 172. Ebd., S. 172. Vgl. Miller/Shamsie 1996, S. 520. Mitunter werden in der Literatur einfache Ressourcen von so genannten Ressourcenbündeln oder (Kern-)kompetenzen unterschieden, da beispielsweise BADEN-FULLER betont, dass einfache Ressourcen in der Regel handelbar und somit nicht in der Lage seien, einen wahren Wettbewerbsvorteil zu generieren, während erst spezifische organisationale Kompetenzen oder Charakteristika wie Regeln und Routinen, die in der Tiefenstruktur des Unternehmens verankert sind, unikal und somit in der Lage seien, Wettbewerbsvorteile zu ermöglichen. Vgl. Baden-Fuller 1995, S. 7. Eine derartige Unterscheidung erscheint im Rahmen dieser Arbeit jedoch wenig weiterführend, so dass darauf im weiteren Verlauf verzichtet wird. Vergleichbar verfahren exemplarisch Wiklund/Shepherd 2003a, S. 1307. Vgl. Miller/Shamsie 1996, S. 520; Wiklund/Shepherd 2003a, S. 1307.
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Theoretischer Bezugsrahmen
Mit der Entwicklung des so genannten VRIO-Frameworks weist BARNEY darauf hin, dass die Ressourcen einer Unternehmung nicht nur wertvoll (engl. valuable), selten (engl. rare) und inimitierbar (engl. inimititable) sein müssen, um überlegene Unternehmensleistung zu fördern, vielmehr muss das Unternehmen ebenfalls über die richtige Organisation (engl. organization) verfügen, um aus diesen Ressourcen einen Vorteil zu ziehen.164 Zur Verdeutlichung verweisen SHEPHERD und WIKLUND auf das Unternehmen Xerox, das – obwohl es das Wissen und andere Ressourcen zur Entwicklung des ersten menübasierten Betriebssystems hatte – keinen Wettbewerbsvorteil generieren konnte, da es ihm an einer adäquaten Organisation zur Förderung der entrepreneurialen Initiative mangelte.165 In gleicher Weise argumentieren EISENHARDT und MARTIN mit Bezug auf das Konzept der dynamischen Fähigkeiten, dass in Ergänzung zu den Ressourcen an sich, organisationale und strategische Regeln, Routinen und Prozesse unerlässlich sind, da sie die Transformation von Ressourcen zu werttragenden Outputs erst ermöglichen.166 Unabhängig davon, ob die Organisation selbst als Ressource verstanden wird,167 oder eher als notwendiges Element zur Ermöglichung der Transformation eines Ressourceninputs zu einem Output nach dem Kern-Kompetenz-Ansatz168 ist somit festzuhalten, dass die Art der Organisation bzw. die organisationale Ausrichtung des Unternehmens dessen Wettbewerbsfähigkeit beeinflusst. Diese Erkenntnis ist in der Forschung zum Entrepreneurship auf organisationaler Ebene nicht neu. Aufbauend auf dem Konzept zur strategischen Wahl von CHILD169 sind zunächst verschiedene Ansätze zur Unterscheidung von Organisationen anhand ihrer Stile hinsichtlich der Entscheidungsfindung und Strategieformulierung entstanden.170 Zu den bekanntesten Typologien zählen die Gegenüberstel-
163 164 165 166 167
168 169 170
Vgl. Shepherd/Wiklund 2005, S. 77. Vgl. Barney 1991, S. 99 ff.; 1995, S. 49 ff. Vgl. auch Wiklund/Shepherd 2003a, S. 1307. Vgl. Shepherd/Wiklund 2005, S. 78. Vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1105 ff. Vgl. Hofer/Schendel 1978, S. 145. In ähnlicher Weise betrachtet SCHMELTER Geschäftsführer und Vorstände als Entscheider in Organisationen als Ressource. Vgl. Schmelter 2009, S. 15. Vgl. Wiklund/Shepherd 2003a, S. 1307 ff. Vgl. die Arbeit von Child 1972. Vgl. Davis 2007, S. 21.
Theoretische Bausteine
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lung der drei Modi adaptiv, entrepreneurial und planerisch von MINTZBERG,171 die Unterscheidung der Grundhaltungen Prospektor, Verteidiger, Analysierer und Reagierer von MILES und SNOW172 sowie die zehn Archetypen von MILLER und FRIESEN mit Typen wie Innovatoren, Bürokraten und Adaptoren.173 Diese Typologien und dabei insbesondere die Beschreibung der entrepreneurialen Organisation nach MINTZBERG, MILES und SNOWs Prospektor sowie die Beschreibungen der Innovatoren und Entrepreneure bei MILLER und FRIESEN bilden die Grundlage für das heute weit verbreitete Konzept der entrepreneurialen Orientierung.174 Wenngleich hier auf die Darstellung des Konzeptes zugunsten des Verweises auf die ausführliche Darstellung in Abschnitt 3.2 verzichtet wird, ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die entrepreneuriale Orientierung eine entrepreneuriale Organisation175 bzw. eine auf Entrepreneurship ausgerichtete Art das Unternehmen zu organisieren darstellt,176 die als Basis für Wettbewerbsvorteile und einen langfristigen, überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg anzusehen ist.177 Zur Begründung kann an dieser Stelle die die Konditionen, unter denen Organisationen entstehen, wachsen und niedergehen, betrachtende organisationale Evolutionstheorie herangezogen werden. Nach dieser Theorie ist davon auszugehen, dass die ständige Weiterentwicklung der Umwelt Veränderungsprozesse in Organisationen notwendig macht und Organisationen, die in der Lage sind, sich im Einklang mit der dynamischen Umwelt weiterzuentwickeln, höhere Überlebenschancen haben bzw. eine bessere Performance erreichen, als die Organisationen, die dazu nicht fähig sind.178 Der Zusammenhang wird deutlich, wenn ergänzend 171 172 173 174
175 176 177
178
Vgl. die Arbeit von Mintzberg 1973. Vgl. die Arbeit von Miles/Snow 1978. Vgl. die Arbeit von Miller/Friesen 1978. Vgl. zur Entstehung der Konzepts der entrepreneurialen Orientierung exemplarisch Dess/ Lumpkin 2005, S. 147; Davis 2007, S. 21 ff. Vgl. Covin/Slevin 1991, S. 7. Vgl. Wiklund/Shepherd 2003a, S. 1310. Vgl. exemplarisch Schollhammer 1982, S. 210; Lumpkin/Dess 1996, S. 135 ff.; Alvarez/ Busenitz 2001, S. 755; Cho/Pucik 2005, S. 555; Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 763. Zu den Hauptwerken der organisationalen Evolutionstheorie zählen Hannan/Freeman 1977; 1989. Die organisationale Evolutionstheorie stellt eine Übertragung des auf Populationen ausgerichteten Population-Ecology-Ansatzes dar, greift zurück auf Überlegungen der synthetischen Evolutionstheorie der Biologie nach DARWIN und wurde in zahlreichen Arbeiten, beispielswiese zur theory of founding conditions, fitness set theory, density dependence theory oder zum Ansatz
34
Theoretischer Bezugsrahmen
berücksichtigt wird, dass eine entrepreneuriale Orientierung derartige Wandlungs- und Innovationsprozesse forciert.179 Bezugnehmend auf das VRIOFramework wird mit der Analyse zwischen der entrepreneurialen Orientierung des Unternehmens und der Unternehmensleistung, wie WIKLUND und SHEPHERD betonen, dem ‚O‘ explizit Rechnung getragen180 und somit eine Lücke geschlossen, das sich ressourcenbasierte empirische Studien in der Regel auf den direkten Link zwischen einzelnen Ressourcen oder Ressourcenkonfigurationen und Performance und somit dem ‚VRI‘ beschränken und die Frage, wie eine effektive Nutzung von Ressourcen erfolgen kann (‚O‘), vernachlässigen.181 Damit im Einklang und ebenfalls aus der Perspektive des ressourcenbasierten Ansatzes betrachten DESS, IRELAND, ZAHRA, FLOYD, JANNEY und LANE in ihrem Beitrag zu zukünftigen Trends Corporate Entrepreneurship als Schlüssel, um aus Wettbewerbsressourcen einen Wettbewerbsvorteil zu generieren.182 Differenzierter betrachten ALVAREZ und BARNEY die entrepreneuriale Unternehmung aus ressourcenbasierter Perspektive als ein Mittel zur Transformation homogener Inputs zu heterogenen Outputs und somit als Quelle des organisationalen Vermögensaufbaus.183 Ebenfalls mit explizitem Bezug zum ressourcenbasierten Ansatz stellen auch HULT und KETCHEN heraus, dass Entrepreneurship eine organisationale Fähigkeit darstellt, die mit der Bildung einer unikalen Ressource in Form eines positionellen Vorteils einhergeht, vom dem eine positive Beeinflussung der Performance ausgeht.184
179
180 181 182 183 184
des organisationalen Wandels weiterentwickelt. Vgl. für eine ausführliche Darstellung der Grundannahmen und Weiterentwicklungen Kieser/Woywode 2006, S. 311 ff. Vgl. zur synthetischen Evolutionstheorie die Arbeit von Darwin 1859. Als ebenfalls evolutionstheoretischer Ansatz wird ergänzend zum Population-Ecology-Ansatz verstärkt das evolutionstheoretische Management diskutiert. Vgl. für eine ausführliche Darstellung Kieser/Woywode 2006, S. 343 ff. Dass die organisationale Evolutionstheorie einen Beitrag auch für kleinere und mittlere Unternehmen leisten kann, stellt jüngst auch die Arbeit von Oertel/Walgenbach 2009 heraus. Vgl. Kapitel 3 und insbesondere Abschnitt 3.1. Eine vergleichbare Argumentation mit Bezug zu Konzepten der organisationalen Evolution ist beispielsweise bei JOHNSON und VAN DE VEN in ihrer Konzeption eines Rahmenwerkes einer entrepreneurialen Strategie zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen zu finden. Vgl. Johnson/van de Ven 2002, S. 66 ff. Vgl. Wiklund/Shepherd 2003a, S. 1308. Vgl. Helfat 2000, S. 955 ff. Vgl. Dess/Ireland/Zahra/Floyd/Janney/Lane 2003, S. 353. Vgl. Alvarez/Barney 2002, S. 90. Vgl. Hult/Ketchen 2001, S. 899 ff.
Theoretische Bausteine
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Auf der Basis des ressourcenbasierten Ansatzes ist somit abschließend zu konstatieren, dass eine entrepreneuriale Organisation bzw. eine auf Entrepreneurship ausgerichtete Art das Unternehmen zu organisieren – widergespiegelt durch die entrepreneuriale Orientierung – als Basis für einen langfristigen, überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg angesehen werden kann. Abbildung 4 stellt diese Erkenntnis anschaulich dar. Abbildung 4 Erklärungsbeitrag des ressourcenbasierten Ansatzes im Rahmen dieser Arbeit Entrepreneurship auf organisationaler Ebene
Ergebnis
Entrepreneuriale Orientierung
Unternehmensperformance
2.2.2 Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese Wenngleich COVIN und SLEVIN als Analyselevel von Corporate Entrepreneurship die Ebene der Organisation nahelegen, da Corporate Entrepreneurship und insbesondere dessen Einflüsse auf die Effektivität der Organisation als ganzheitliches organisationales Phänomen analysiert werden sollten,185 wird in der Literatur oftmals betont, dass Corporate Entrepreneurship im Grunde die Einbettung des individuellen Entrepreneurships in einen organisationalen Kontext darstellt.186 Folglich erscheint es logisch, dass das Individuum sowohl in der Rolle des Initiators entrepreneurialer Prozesse durch autonome Aktivitäten187 als Quelle der Kreativität und innovativer Ideen188 oder als Entscheider, der Strategien,
185 186
187 188
Vgl. Covin/Slevin 1991, S. 7. Vgl. Burgelman 1984, S. 156; Jennings/Lumpkin 1989, S. 485; Carrier, 1996, S. 6; Russell 1999, S. 69. Vgl. Burgelman 1984, S. 156; Russell 1999, S. 69. Vgl. Russell 1999, S. 69; Kollmann/Lomberg/Stöckmann 2009, o. P.
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Theoretischer Bezugsrahmen
Strukturen und Routinen etabliert, die entrepreneuriale Aktivitäten in Organisationen erst ermöglichen oder verhindern,189 elementarer Bestandteil der Forschung im Feld Corporate Entrepreneurship ist.190 Vor diesem Hintergrund erscheint es – wie bereits in den einleitenden Worten von Abschnitt 2.2 herausgestellt – vielversprechend, nicht nur Theorien der Organisation zu berücksichtigen, sondern auf der Suche nach einer Erhöhung der Erklärungsmächtigkeit von organisationalem Entrepreneurship auf den Unternehmenserfolg auch die Beiträge, die in anderen Wissenschaftsdisziplinen erzielt wurden, miteinzubeziehen. Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, besitzt die der psychologischen Forschung entstammende und im Rahmen der Erklärung individuellen Handelns entstandene Einstellungstheorie bzw. insbesondere die Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese das Potential, einen Beitrag zur Erhöhung der Erklärungsmächtigkeit von organisationalem Entrepreneurship und insbesondere einer entrepreneurialen Orientierung hinsichtlich des Unternehmenserfolges zu bieten. Aufbauend auf den Arbeiten von THOMAS und ZNANIECKI191 sowie WATSON192 haben Einstellungen als Verhaltensprädiktor in der Sozialpsychologie eine herausragende Bedeutung erlangt.193 ALLPORT charakterisiert Einstellungen als einen seelischen Bereitschaftszustand, der aus Erfahrungen resultiert und die Reaktionen des Individuums auf Situationen und Objekte beeinflusst.194 Dieses Begriffsverständnis hat bis zum heutigen Tage weitestgehend Bestand. So definieren ROBINSON, STIMPSON, HUEFNER und HUNT mit Bezug zu den Arbeiten von ROSENBERG und HOVLAND,195 AJZEN196 und SHAVER197 „attitude […] as the 189 190
191 192 193
194 195 196 197
Vgl. Covin/Slevin 1998, S. 218; 1991, S. 8. Dies spiegelt auch die populäre Definition von SHARMA und CHRISMAN wider, die Corporate Entrepreneurship als „the process whereby an individual or a group of individuals, in association with an existing organization, create a new organization, or instigate renewal or innovation within that organization” definieren. Sharma/Chrisman 1999, S. 18. Vgl. die Arbeit von Thomas/Znaniecki 1918. Vgl. die Arbeit von Watson 1925. Vgl. exemplarisch Franzoi 1996, S. 173; Braunstein 2001, S. 95; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 168. Vgl. Allport 1935, S. 798 ff. Vgl. die Arbeit von Rosenberg/Hovland 1960. Vgl. die Arbeit von Ajzen 1982. Vgl. die Arbeit von Shaver 1987.
Theoretische Bausteine
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predisposition to respond in a generally favorable or unfavorable manner with respect to the object of the attitude.”198 In einer jüngeren Definition betrachtet TROMMSDORFF Einstellung als gelernte und relativ dauerhafte Bereitschaft in einer bestimmten Situation gegenüber einem Objekt mehr oder weniger positiv oder negativ zu reagieren.199 Bei dem Objekt der Einstellung kann es sich dabei beispielsweise um eine spezifische Person, eine Idee, eine Aktivität, ein Unternehmen, ein Event oder auch Kombinationen aus verschiedenen Objekten handeln.200 Dem wesentlichen Teil der Einstellungsforschung liegt zumindest implizit die Einstellungs-Verhaltens-Hypothese zugrunde, also die Absicht, eine Abhängigkeit zwischen Einstellung und Verhalten zu identifizieren und somit auf der Basis von Einstellungen Handlungen zu prognostizieren.201 So beschreiben THOMAS und ZNANIECKI Einstellungen als individuelle mentale Prozesse eines Individuums, die dessen mögliche und tatsächliche Handlungen determinieren.202 Ferner ist basierend auf konsistenztheoretischen Überlegungen prinzipiell davon auszugehen, dass eine Einstellung gegenüber einem Meinungsgegenstand das entsprechende Verhalten vorauszusagen vermag.203 Allerdings zeigen schon frühe Experimente von LAPIERE aus dem Jahr 1934, dass die direkte Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten geringer ist, als von Forschern wie THOMAS und ZNANIECKI angenommen.204 Diese Arbeit, die als Ausgangspunkt der Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese gilt, 198 199 200
201
202 203 204
Robinson/Stimpson/Huefner/Hunt 1991, S. 17. Vgl. Trommsdorff 2004, S. 159. Vgl. Robinson/Stimpson/Huefner/Hunt 1991, S. 17. Hinsichtlich der Bewertung eines Objektes der Einstellung erlangte neben dem von THURSTONE vorgeschlagenen eindimensionalen Ansatz ebenfalls der auf HOVLAND und ROSENBERG zurückgehende dreidimensionale Ansatz, der zwischen einer kognitiven, affektiven und konativen Bewertung unterscheidet, große Bedeutung. Vgl. dazu die Arbeiten von Thurstone 1931 und Hovland/Rosenberg 1960. Vor dem Hintergrund, dass in diesem Abschnitt lediglich die grundlegende Kritik an der EinstellungsVerhaltens-Hypothese im Vordergrund steht, wird auf diese Unterscheidung sowie auf eine differenzierte Diskussion konkurrierender Sichtweisen jedoch verzichtet. Vgl. Regier 2007, S. 29. Vgl. dazu auch Franzoi 1996, S. 173; Braunstein 2001, S. 95; KroeberRiel/Weinberg 2003, S. 168. Vgl. Thomas/Znaniecki 1918, S. 21 ff. Vgl. Ajzen/Fishbein 1977, S. 889. Vgl. LaPiere 1934, S. 234.
38
Theoretischer Bezugsrahmen
sowie das Fazit, dass sich Verhalten nicht bzw. nicht hinreichend durch die Abfrage von Einstellungen prognostizieren lässt, werden in der Literatur vielfach kritisiert.205 Allerdings zeigt später auch die Metaanalyse von 46 Studien von WICKER, dass sich Verhalten durchschnittlich nur zu etwa 10 % durch die Einstellung prognostizieren lässt und die Korrelationen zwischen den Konstrukten nur in einigen Fällen über 0,30 liegt.206 ROBINSON, STIMPSON, HUEFNER und HUNT berichten mit Bezug auf Arbeiten von AJZEN207 und AJZEN und MADDEN208 von Korrelationen zwischen 0,40 und 0,70,209 legitimieren in diesem Zusammenhang die Betrachtung von Einstellungen durch den Vergleich mit Korrelationen zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Verhalten, welche sie mit lediglich 0,10 bis 0,30 beziffern,210 zeigen damit andererseits aber auch auf, dass Einstellungen Verhalten nur bedingt vorhersagen können.211 Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass das Einstellungskonzept im Rahmen der Verhaltensforschung zwar von großer Bedeutung ist, aber Verhalten nicht vollständig prognostizieren kann.212
205
206 207 208 209 210 211
212
Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Arbeiten von Ajzen/Darroch/Fishbein/Hornik 1970; Fishbein/Ajzen 1975; Schuman/Johnson 1976; Stephan 1985; Dockery/Bedeian 1989. Vgl. Wicker 1969, S. 64 ff. Vgl. die Arbeit von Ajzen 1982. Vgl. die Arbeit von Ajzen/Madden 1986. Vgl. Robinson/Stimpson/Huefner/Hunt 1991, S. 18. Vgl. Robinson/Stimpson/Huefner/Hunt 1991, S. 18. Vgl. auch Epstein 1984, S. 318 ff. Im Einklang mit den vorangegangenen Ergebnissen zeigen verschiedene weitere Untersuchungen, dass Menschen sich nicht grundsätzlich entsprechend ihrer Einstellung verhalten. Vgl. Ajzen/Fishbein 1977, S. 892; Doll/Ajzen 1992, S. 754; Ha 1998, S. 51 ff.; Jonas/Broehmer/Diel 2000, S. 153 ff. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Six/Eckes 1996, S. 8. Vor dem Hintergrund der Kontroverse um die Verhaltensrelevanz von Einstellungen wurden verschiedene theoretische Modelle entwickelt, die Verhalten nicht mehr lediglich auf der Basis von Einstellungen zu erklären versuchten. Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Arbeiten von Bentler/Speckart 1979; Doll/Ajzen 1992; Kothandapani 1971. Die Integration zusätzlicher Einflussfaktoren hat die bis dahin etablierte Vorstellung reiner Einstellungs-Verhaltens-Beziehungen weitestgehend abgelöst. In diesem Kontext erlangten die Theorie des überlegten Handelns sowie die Theorie des geplanten Verhaltens sowie deren spätere Modifikationen erhebliche Aufmerksamkeit. Vgl. Ajzen/Fishbein 1973; 1980; Ajzen 1991. Während derartige Modifikationen der einfachen Einstellungs-VerhaltensBeziehung die Wissenschaft zweifelsohne bereichern, wird auf sie an dieser Stelle nicht näher eingegangen, da für die vorliegende Arbeit – wie die folgenden Ausführungen zeigen werden – die alleinige Feststellung, dass Einstellungen nicht automatisch zu entsprechenden Handlungen führen, an dieser Stelle von vorrangiger Relevanz ist.
Theoretische Bausteine
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Der Rückgriff auf theoretische Überlegungen zum Einstellungs-VerhaltensZusammenhang in der Entrepreneurship-Forschung ist nicht komplett neu. So betonen ROBINSON, STIMPSON, HUEFNER und HUNT die Bedeutung von Einstellungen und führen das Konzept der entrepreneurial attitude orientation ein, um individuelles Entrepreneurship vorherzusagen.213 Ferner adaptieren WIKLUND und SHEPHERD die Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese bzw. nutzen die Theorie des geplanten Verhaltens, um Lücken in dem Zusammenhang zwischen dem Wachstumswunsch von Managern kleinerer Unternehmen und dem tatsächlich umgesetzten Unternehmenswachstum aufzudecken.214 In Kombination der Erkenntnis, dass die entrepreneuriale Orientierung die „disposition toward, rather than actual involvement in, corporate entrepreneurship activities“215 betrachtet und der Großteil der Items des Messinstruments Einstellungen abfragt,216 mit der in diesem Abschnitt weiter vorne gewonnenen Erkenntnis, dass Einstellung nicht zwangsläufig auch zu einer Handlung führt, kann ein Erkenntnisgewinn für den Zusammenhang zwischen organisationalem Entrepreneurship und Unternehmensleistung und somit für die vorliegende Arbeit gewonnen werden. Die abzuleitende Annahme einer nicht auszuschließenden Einstellungs-Verhaltens-Lücke eröffnet, dass Unternehmen existieren können, bei denen eine entrepreneuriale Orientierung nicht zu entsprechenden entrepreneurialen Aktivitäten führt, was bedeutet, dass Forschungserkenntnisse basierend auf der entrepreneurialen Orientierung nicht die Effektivität von Entrepreneurship auf organisationaler Ebene, sondern lediglich den Zusammenhang zwischen der Einstellung zum Entrepreneurship und Performance liefern. Da ohne den Einbezug einer Kontrolle für die tatsächliche Überführung der Einstellung in eine Handlung nicht festgestellt werden kann, in welchen Fällen tatsächlich entrepreneuriale Aktivitäten durchgeführt wurden,217 erscheint die Aussagekraft bisheriger Forschungsergebnisse auf der Basis der entrepreneurialen Orien213 214 215 216
217
Vgl. Robinson/Stimpson/Huefner/Hunt 1991, S. 13. Vgl. Wiklund/Shepherd 2003b, S. 1921 ff. Zahra 1991, S. 272. Vgl. zu dieser Feststellung auch ausführlich Abschnitt 3.2.1. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Zahra 1991, S. 271 ff.; Wiklund 1999, S. 38; Brown/Wiklund/ Davidsson 2001, S. 954. Die Problematik der Überführung einer auf Entrepreneurship ausgerichteten Haltung zum konkreten entrepreneurialen Verhalten wird beispielsweise deutlich in den Arbeiten von Wiklund 1998 sowie Eliasson/Davidsson 2003.
40
Theoretischer Bezugsrahmen
tierung zum Zusammenhang von organisationalem Entrepreneurship und Unternehmenserfolg geschmälert, wobei diese Feststellung andererseits als Erklärungsansatz für divergierende Forschungsergebnisse dienen kann. Vor dem Hintergrund der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese ist somit davon auszugehen, dass eine positive Einstellung zum Entrepreneurship auf organisationaler Ebene bzw. eine entrepreneuriale Ausrichtung der Organisation, widergespiegelt durch eine entrepreneuriale Orientierung, nicht in jedem Fall zu einem entsprechenden entrepreneurialem Verhalten218 führt, was die Erklärungsmacht der entrepreneurialen Orientierung beispielsweise im Hinblick auf Performanceunterschiede zu schmälern vermag. Um diese mögliche OrientierungsVerhaltens-Lücke zu berücksichtigen, erscheint die Aufnahme konkreten entrepreneurialen Verhaltens als mediierender Einfluss in der Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance sinnvoll. Abbildung 5 stellt diese Erkenntnis abschließend anschaulich dar. Abbildung 5 Erklärungsbeitrag der Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese im Rahmen dieser Arbeit Entrepreneurship auf organisationaler Ebene
Entrepreneuriale Orientierung
218
Entrepreneuriales Verhalten
Ergebnis
Unternehmensperformance
Für eine ausführliche Darstellung dessen, was unter entrepreneurialem Verhalten zu verstehen ist, sei auf die Abschnitte 3.2.1 und 3.3.3 verwiesen.
Entwicklung des Untersuchungsmodells
41
3 Entwicklung des Untersuchungsmodells Nachdem mit der definitorischen Abgrenzung des Forschungsobjektes219 und der Diskussion der Beiträge, den verschiedene theoretische Perspektiven für die aufgeworfenen Forschungsfragen220 leisten können,221 das theoretische Fundament dieser Forschungsarbeit errichtet wurde, widmet sich dieses Kapitel der Entwicklung des Untersuchungsmodells. Dabei wird aufbauend auf einer Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstands die Weiterentwicklung des Forschungsfeldes Entrepreneurship im organisationalen Kontext verfolgt. Die Ziele dieses Kapitels bestehen konsequenterweise in der Weiterentwicklung der Einzelelemente als auch in der Synthese, d. h. in der Verknüpfung verschiedener Teilelemente der Forschung zu entrepreneurialer Orientierung und strategischem Management zu einem ganzheitlicheren Verständnis des organisationalen Entrepreneurships und dessen Erfolgswirkung. Dazu werden in Abschnitt 3.1 zunächst die grundlegenden Intentionen des Corporate Entrepreneurships behandelt. In Abschnitt 3.2 erfolgen neben der Einordnung des Konzeptes der entrepreneurialen Orientierung in das Feld des Corporate Entrepreneurships eine Würdigung und Kritik des klassischen EO-Konzeptes mit einer theoretischen Bekräftigung dessen multidimensionaler Auslegung und Interpretation als konkreter entrepreneurialer Aktivität vorgelagerter Orientierung. Anschließend diskutiert Abschnitt 3.3 die der strategischen Managementforschung entstammenden Zwillingskonzepte explorative und exploitative Innovation und integriert diese als Reflektion relevanten entrepreneurialen Handelns in den Kontext des Corporate Entrepreneurships. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen und unter expliziter Berücksichtigung des theoretischen Bezugsrahmens222 wird abschließend in Abschnitt 3.4 das dieser Arbeit zugrunde liegende konzeptionelle Forschungsmodell abgeleitet, welches die Basis für die anschließende Formulierung konkreter Forschungshypothesen223 und die nachfolgende empirische Untersuchung224 bildet.
219 220 221 222 223 224
Vgl. Abschnitt 2.1. Vgl. Abschnitt 1.2. Vgl. Abschnitt 2.2. Vgl. Kapitel 2. Vgl. Kapitel 4. Vgl. Kapitel 5.
42
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Abbildung 6 stellt die Einordnung des Kapitels 3 in den Gesamtzusammenhang der Arbeit sowie dessen grundlegende Inhalte und Ziele dar. Abbildung 6 Einordnung von Kapitel 3 in den Gang der Arbeit Kapitel 1
Einleitung
Kapitel 2
Theoretischer Bezugsrahmen
Kapitel 3
Entwicklung des Untersuchungsmodells
• Intentionen des Corporate Entrepreneurships • Würdigung der entrepreneurialen Orientierung • Einordnung von Exploration und Exploitation in den Nexus des Corporate Entrepreneurships
Erfassung des Status quo der Forschung, theoretische Weiterentwicklung des Feldes und Entwicklung eines konzeptionellen Modells
Kapitel 4
Herleitung der Hypothesen
Kapitel 5
Empirische Untersuchung
Kapitel 6
Diskussion, Konklusion und Ausblick
3.1 Intentionen des Corporate Entrepreneurships Die Forschungsstränge Entrepreneurship und strategisches Management entwickelten sich in der Vergangenheit lange Zeit unabhängig voneinander.225 Während die Entrepreneurshipforschung im Wesentlichen die Analyse von Unternehmensneugründungen und kleinen Unternehmen, das Streben nach marktlichen Gelegenheiten und die Kreation von neuen Gütern oder Dienstleistungen fokussierte, adressierte die Forschung im Feld strategisches Management große Unternehmen, das Streben nach Wettbewerbsvorteilen und die Verwertung bestehender Güter und Dienstleistungen.226 In der jüngeren Vergangenheit erfolgte eine Zusammenführung dieser Forschungsstränge: So beschreiben IRELAND, 225
226
Vgl. Hitt/Ireland/Camp/Sexton 2001, S. 480; Meyer/Neck/Meeks 2005, S. 19 ff.; Meyer 2009, S. 346 ff. Vgl. exemplarisch die Überblicke bei Meyer/Neck/Meeks 2005, S. 19 ff.; Kuratko/Audretsch 2009, S. 2 ff.
Intentionen des Corporate Entrepreneurships
43
HITT, CAMP und SEXTON die Integration entrepreneurialer und strategischer Aktivitäten als notwendig für unternehmerischen Erfolg.227 Entrepreneuriale und strategische Aktivitäten werden als komplementär, nicht als austauschbar beschreiben.228 Entrepreneurship in bestehenden Unternehmen kombiniert das Streben nach neuen Gelegenheiten einerseits und das Streben nach dauerhaften Wettbewerbsvorteilen andererseits, es forciert strategisch bewusst Innovation, Wandel und Erneuerung in Unternehmen – unabhängig von deren Alter, Größe oder Reife.229 Die grundsätzliche Bedeutung entrepreneurialen Denkens und Handelns für die Bewahrung und Förderung dauerhafter organisationaler Wettbewerbsfähigkeit wurde bereits in den einleitenden Worten dieser Arbeit dargestellt.230 Diese Zusammenführung von Entrepreneurship und strategischem Management lässt sich unter dem Begriff Corporate Entrepreneurship erfassen.231 SHARMA und CHRISMAN definieren den Begriff wie folgt: „Corporate entrepreneurship is the process whereby an individual or group of individuals, in association with an existing organization, create a new organization or instigate renewal or innovation within that organization.”232
227 228
229
230 231
232
Vgl. Ireland/Hitt/Camp/Sexton 2001, S. 49. Vgl. McGrath/MacMillan 2000, S. xiii ff.; Ireland/Hitt/Sirmon 2003, S. 964; Hitt/Ireland/ Camp/Sexton 2005, S. 2. Vgl. Schendel 1990, S. 2; Hitt/Ireland/Camp/Sexton 2001, S. 481; Ireland/Covin/Kuratko 2009, S. 21. Vgl. auch Abschnitt 1.1. Vgl. ausführlich Abschnitt 1.1. Synonym, wenngleich mitunter mit divergierenden Schwerpunkten, werden auch die Termini Intrapreneurship, organisationales Entrepreneurship, strategisches Entrepreneurship, entrepreneuriale Strategie, Entrepreneurship auf Unternehmensebene oder Venture Management verwendet. Vgl. zu den unterschiedlichen Begriffsverwendungen exemplarisch die Arbeiten von Pinchot 1985; Guth/Ginsberg 1990; Cornwall/Perlmann 1990; Covin/Slevin 1991; Miles/Covin 2002; Klandt 2003; Hitt/Ireland/Camp/Sexton 2001; Kuratko/Audretsch 2009. MEYER setzt verschiedene dieser Begrifflichkeiten in Beziehung zueinander. Jedoch ist hinsichtlich der Begriffsverwendung derzeit noch kein Konsens zu erkennen, so dass von einer weiteren Differenzierung in dieser Arbeit Abstand genommen wird. Vgl. Meyer 2009, S. 346 f. Beispielsweise von BARRINGER und BLUEDORN wird auch der Begriff der entrepreneurial orientation mit Corporate Entrepreneurship gleichgesetzt. Vgl. Barringer/Bluedorn 1999, S. 428. Vor dem Hintergrund der Ausführungen in den Abschnitten 1.2 und 3.2 wird in dieser Arbeit diese Sichtweise als zu oberflächlich betrachtet. Sharma/Chrisman 1999, S. 18, Hervorhebungen entfernt.
44
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Aufbauend auf dieser Definition werden in der Literatur oftmals drei Intentionen von Corporate Entrepreneurship unterschieden:233 Innovation, Corporate Venturing und strategische Erneuerung. Innovation gilt oftmals als das zentrale Ergebnis von Entrepreneurship234 und erfasst die Entwicklung und Implementierung und somit die Kreation neuer Produkte, Leistungen, Technologien oder Prozesse.235 Neuartigkeit ist dabei sehr weit gefasst, sodass unter Innovation sowohl revolutionäre Neuheiten im Produkt-, Dienstleistungs- oder Technologiebereich als auch inkrementelle Anpassungen oder Erweiterungen bestehender Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse erfasst werden.236 Innovation ist in der Regel mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder neuer dominanter Designs verbunden, die nicht selten Märkte und Gesellschaften maßgeblich ändern.237 Charakterisierend für eine Innovation ist eine neue Idee;238 jedoch müssen nicht zwangsläufig alle Inputfaktoren neu sein, sie kann durchaus basierend auf Adaption, also durch eine Neukombination bestehender Ressourcen, umgesetzt werden.239 Innovationen gehen häufig einher mit Corporate Venturing oder strategischer Erneuerung.240 Corporate Venturing adressiert die Entwicklung neuer Geschäfte innerhalb bestehender oder neuer Märkte.241 Diese basieren auf oder führen zu Innovationen und schöpfen neue Produkt-Markt-Kombinationen aus.242 Dabei werden bestehende Geschäftseinheiten transformiert oder neue geschäftliche Einheiten gebildet, die innerhalb des Ausgangsunternehmens verbleiben können (internes Corporate Venturing) oder außerhalb des Ausgangsunternehmens gebildet werden
233
234
235 236 237 238 239 240 241 242
Vgl. Guth/Ginsberg 1990, S. 7; Zahra 1996a, S. 1723 f.; Zahra 2005, S. 43; Ling/Simsek/ Lubatkin/Veiga 2008, S. 564; Kollmann/Stöckmann 2008a, S. 13. Vgl. Drucker 1985, S. 20 ff.; Stevenson/Jarillo 1990, S. 17; Covin/Miles 1999, S. 49 f.; Stopford/ Baden-Fuller 1994, S. 522; Shane/Venkataraman 2000, S. 218; Kreiser/Marino/Weaver 2002, S. 74; McFadzean/O’Loughlin/Shaw 2005, S. 354. Vgl. van de Ven, 1986, S. 591. Vgl. Brazeal/Herbert 1999, S. 36 ff. Vgl. Stopford/Baden-Fuller 1994, S. 522. Vgl. van de Ven, 1986, S. 591. Vgl. McFadzean/O’Loughlin/Shaw 2005, S. 356. Vgl. Sharma/Chrisman 1999, S. 21. Vgl. Zahra 2005, S. 43. Vgl. Sharma/Chrisman 1999, S. 19.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
45
(externes Venturing; z. B. Joint Ventures oder Spin-Offs).243 Corporate Venturing dient dabei nicht nur der Erzielung monetärer Erträge, sondern zielt ebenfalls auch auf die Entwicklung neuer organisationaler Kompetenzen sowie die Sammlung von Erfahrungswerten in fremden Märkten und Branchen.244 Strategische Erneuerung basiert ebenfalls auf oder führt zu Innovation245 und ist eine Antwort auf die Anforderungen der sich immer wieder ändernden Wettbewerbsbedingungen, die es erfordern, dass sich das Unternehmen immerzu anpasst.246 Im Rahmen strategischer Erneuerung werden Unternehmensstrategien, -kulturen und -strukturen an neue Umweltbedingungen angepasst, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.247 Derartige Bemühungen zielen folglich auf die Revitalisierung des bestehenden Geschäfts und somit die Anpassung von existierenden Prozessen, Produkten, Leistungen und Technologien, wobei auch eine Änderung der strategischen Gesamtausrichtung des Unternehmens erfolgen kann.248 3.2 Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext Bereits in den einleitenden Worten dieser Arbeit wurde festgehalten, dass in einigen Forschungsarbeiten eine entrepreneuriale Orientierung249 und insbesondere die EO250 mit Entrepreneurship auf Unternehmensebene gleichgesetzt wird,251 diese Sichtweise jedoch als zu vereinfachend zu betrachten ist und dass eine Differenzierung dieser Sichtweise in einer Erhöhung der Mächtigkeit von
243 244 245 246 247 248 249
250
251
Vgl. Sharma/Chrisman 1999, S. 19 f. Vgl. dazu auch Miles/Covin 2002, S. 21 ff. Vgl. Zahra 2005, S. 43. Vgl. Sharma/Chrisman 1999, S. 19. Vgl. Kollmann/Stöckmann 2008a, S. 13. Vgl. dazu auch Abschnitt 1.1. Vgl. Sharma/Chrisman 1999, S. 19. Vgl. Sharma/Chrisman 1999, S. 19; Zahra 2005, S. 43 f. Synonym, wenngleich mitunter mit divergierenden Schwerpunkten, werden mitunter die Termini strategic orientation, strategic posture, entrepreneurial proclivity, entrepreneurial style, entrepreneurial management oder entrepreneurial organization verwendet. Vgl. zu den unterschiedlichen Begriffsverwendungen exemplarisch Davis 2007, S. 1; Cogliser/Brigham/Lumpkin 2008, o. P.; Kollmann/Stöckmann 2008b, o. P. Auf die Unterscheidung zwischen einer entrepreneurialen Orientierung und der EO als eine mögliche, spezifische Konzeptualisierung wurde bereits in Abschnitt 1.2 aufmerksam gemacht. Die folgenden Ausführungen werden sich dieser Unterscheidung differenziert widmen. Exemplarisch Barringer/Bluedorn 1999, S. 428; Zahra/Covin 1995, S. 43. Vgl. Abschnitt 1.2.
46
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Entrepreneurship zur Erklärung von Faktoren wie finanzieller Erfolg oder Wachstum resultieren kann.252 Wenngleich eine entrepreneuriale Orientierung nicht mit Corporate Entrepreneurship gleichgesetzt werden kann,253 wird in der Literatur hervorgehoben, dass erfolgreiches Corporate Entrepreneurship einer entrepreneurialen Orientierung bedarf,254 da diese eng mit der Strategieformulierung verknüpft sei und die Erwartungen, Überzeugungen und Einstellungen der einzelnen Unternehmensmitglieder sowie deren Verhalten präge.255 Als solches ist sie fester Bestandteil einer entrepreneurialen Organisationskultur,256 die auf die Verfolgung und Erreichung der in Abschnitt 3.1 behandelten Intentionen des Corporate Entrepreneurships ausgerichtet ist.257 In den folgenden Abschnitten wird die entrepreneuriale Orientierung näher betrachtet. Dabei wird zunächst auf die EO-Konzeption aufbauend auf MILLER258 mit speziellem Augenmerk auf die bis heute konkurrierenden Konzeptionen nach COVIN und SLEVIN259 sowie LUMPKIN und DESS260 eingegangen, bevor die Notwendigkeit einer Erweiterung klassischer Konzeptionen begründet wird.
252 253
254 255 256
257 258 259
260
Vgl. Abschnitt 1.2. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Dess/Lumpkin 2005a, S. 147; Wiklund 1998, S. 64 f.; Davis 2007, S. 20. Vgl. Dess/Lumpkin 2005a, S. 147. Vgl. Covin/Slevin 1991, S. 16; Covin/Slevin 1989, S. 77. Unternehmenskultur darf an dieser Stelle neben der Organisationsstruktur und den (Management-)systemen als elementarer Bestandteil der internen Konfiguration einer Organisation betrachtet werden. Vgl. Ansoff/Declerc/Hayes 1976, S. 61; Bamberger/Wrona 2004, S. 216. Wie bei der näheren Betrachtung der Elemente einer entrepreneurialen Orientierung noch gezeigt werden wird, handelt es sich ausschließlich um Elemente, die der Unternehmenskultur zugeordnet werden können. Dieser Ansatz wurde bewusst gewählt, um dem Forschungsobjekt gerecht zu werden. Wie in Abschnitt 2.1 gezeigt, ist aufgrund der eher geringen Anzahl an Mitarbeitern und der beschränkten Ressourcen in jungen Unternehmen davon auszugehen, dass noch keine formalisierten Strukturen und keine elaborierten Managementsysteme wie Planungs- und Kontrollsysteme, Informations- und Kommunikationssysteme oder Personalführungssysteme gebildet wurden. Vgl. auch Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 647. Vgl. Dess/Lumpkin 2005a, S. 147. Hier sei auf Miller 1983 und Miller/Friesen 1982 als Basisarbeiten verwiesen. Ansprechend wird diese Position dargelegt in Covin/Slevin 1986; 1989 sowie Covin/Green/ Slevin 2006. Ansprechend wird diese Position dargelegt in der Arbeit von Lumpkin/Dess 1996.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
47
3.2.1 Klassische Konzepte der EO Wenngleich Vorläuferarbeiten in dieser Forschungsrichtung existieren, die bis in die Anfänge der 1970er Jahre zurückreichen,261 markiert der Aufsatz von MILLER den Beginn der formalen EO-Forschung, in welchem er einleitend definiert: „An entrepreneurial firm is one that engages in product-market innovation, undertakes somewhat risky ventures and is first to come up with ‘proactive’ innovations, beating competitors to the punch.”262 In darauf aufbauenden Konzeptualisierungen wird das Ausmaß der entrepreneurialen Orientierung eines Unternehmens in Form der EO durch das Vorhandensein von Innovation, Risikoneigung und Proaktivität widergespiegelt. Diese Konzeptualisierung wird von der Etablierung der so genannten MILLER/COVIN und SLEVIN (MCS)-Skala begleitet, die sich in kürzester Zeit zu dem am weitesten verbreitenden EO-Messinstrument entwickelt.263 Wenngleich die – insbesondere in der Anfangszeit – konsistente Verwendung dieser Konzeptualisierung und Operationalisierung zu einem schnellen Voranschreiten des Forschungsfeldes – nicht zuletzt aufgrund der leichten Vergleichund Verknüpfbarkeit verschiedener Studien und ihrer Ergebnisse – geführt hat,264 wirft das Konzept in dieser Form Fragen auf und wird von verschiedenen Forschern kritisiert. Diskutiert wird im Wesentlichen darüber,
261 262 263
264
Eine ansprechende Übersicht über die Vorgängerarbeiten gibt Davis 2007, S. 22 ff. Miller 1983, S. 771, Hervorhebungen im Original. Bis heute beinhaltet nahezu jede veröffentlichte Studie, die sich mit EO befasst, die Kernelemente Innovation, Risikoübernahme und Proaktivität und basiert implizit oder explizit auf der MCSSkala. Vgl. zu den Kernelementen Davis 2007, S. 2 und allgemeiner zu der Verbreitung der MCS-Skala insb. Wiklund 1999, S. 38; Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 953; Davis 2007, S. 1 f. sowie Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 767. Die bemerkenswerte Konsistenz der Verwendung der MCS-Skala durch EO-Forscher heben ZAHRA, JENNINGS und KURATKO sowie DAVIS hervor. Vgl. Zahra/Jennings/Kuratko 1999, S. 51; Davis 2007, S. 2.
48
Entwicklung des Untersuchungsmodells 1.
ob das Konzept der EO entrepreneuriales Verhalten oder eine der konkreten Aktivität vorgelagerte Antezedens darstellt,265
2.
ob das Konzept die wesentlichen Elemente einer entrepreneurialen Organisation vollständig abdeckt266 und
3.
ob, und falls ja, wie die Elemente der EO zueinander in Beziehung stehen.267
Um die erste Frage ist eine recht einseitig geführte Diskussion entfacht, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. Während in einem beachtlichen Teil der Studien zum organisationalen Entrepreneurship EO und damit in der Regel auch die MCS-Skala diskussionslos dazu genutzt wird, entrepreneuriales Verhalten zu erfassen,268 was mit Bezug auf die in der Regel zugrunde liegende handlungsfokussierte Definition von MILLER durchaus angebracht erscheint, weisen andere Forscher insbesondere im Hinblick auf den Einsatz der MCS-Skala auf die Ambiguität der EO und explizit auf die Notwendigkeit einer differenzierteren Betrachtungsweise in Form einer Unterscheidung von entrepreneurialer Orientierung und entrepreneurialem Verhalten hin. Als Ausgangspunkt der Kritik kann die Feststellung in der Literatur herangezogen werden, dass EO, insbesondere unter Einbezug der Operationalisierung in Form der MCS-Skala, kein direktes Maß konkreter unternehmerischer Aktivität darstellt,269 die sich beispielsweise in Form der Neukombination von Ressourcen im SCHUMPETERschen Sinne270 oder dem Eintritt in neue Markt-KundenKombinationen widerspiegeln würde.271 In ihrem richtungsweisenden Beitrag nehmen LUMPKIN und DESS sogar eine strikte Trennung von EO und entrepre-
265 266
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268
269 270
271
Vgl. Wiklund 1999, S. 38. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 953 ff.; Lumpkin/Dess 1996, S. 135 ff.; Zahra 1993a, S. 5 ff. Vgl. Lumpkin/Dess 1996; 2001; Stetz/Howell/Stewart/Blair/Fottler 2000; Kreiser/Marino/ Weaver 2002. Exemplarisch seien hier Covin/Slevin 1986; 1990; 1991; Covin/Green/Slevin 2006; Green/ Covin/Slevin 2008 angeführt. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 136; Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 964. Vgl. zu dem SCHUMPETERschen Innovationsverständnis Schumpeter 1911/1934, S. 64 ff.; Moran/Ghoshal 1999, S. 392 f. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 136.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
49
neurialem Verhalten vor, indem sie einerseits Entrepreneurship als „new entry“272 und andererseits EO als „lead[ing] to new entry“273 definieren. MERZ, WEBER und LAETZ, die die MCS-Skala unverändert verwenden, argumentieren, dass es sich dabei um eine strategische Orientierung handelt, die angesehen werden soll als „philosophy of business behavior that guides the firm as it navigates in its environment.“274 WIKLUND und SHEPHERD legen in einer Studie, in der sie die MCS-Skala zur Messung der EO einsetzen, dar, dass EO eher beschreibt wie ein Unternehmen etwas tut, als was es tut und stellen abschließend fest, „EO captures a firm’s organization toward entrepreneurship.“275 BROWN, der ebenfalls die MCS-Skala anwendet, beschreibt EO als die Bereitschaft, sich in entrepreurialem Verhalten zu engagieren.276 Mit den bereits angeführten Sichtweisen im Einklang definiert WIKLUND EO als „willingness of a firm to engage in entrepreneurial behaviour.“277 In ihrem Artikel zum Status quo der Forschung zur entrepreneurialen Orientierung definieren RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN & FRESE EO kürzlich als „the policies and practices that provide a basis for entrepreneurial decisions and actions.“278 WIKLUND kommt nach einer umfangreichen Literaturrecherche ebenfalls zu dem Schluss, dass die EO einer dem entrepreneurialen Verhalten vorgelagerte Bereitschaft beschreibt279 und erteilt mit Verweis auf die MCS-Skala, die schließlich die Selbstwahrnehmung des Antworteten im Hinblick auf die Strategie des Unternehmens wiedergebe,280 der Sichtweise von EO als Verhalten eine Abfuhr mit den Worten: „To call this behavior [...] must be considered a dubious practice.”281 Auch empirisch liefert WIKLUND erste Anhaltspunkte dafür, dass – auch wenn in hohem Maße miteinander in Beziehung stehend – es sich bei EO und unternehmerischem Verhalten um zwei unterschiedliche Konzepte handelt, was an dem 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281
Lumpkin/Dess 1996, S. 136. Ebd., S. 136. Merz/Weber/Laetz 1994, S. 51. Wiklund/Shepherd 2003a, S. 1310. Vgl. Brown 1996, S. 13 ff. Wiklund 1998, S. 65. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 763. Vgl. Wiklund 1998, S. 64 f. Vgl. ebd., S. 64. Wiklund 1998, S. 64.
50
Entwicklung des Untersuchungsmodells
empirischen Ergebnis seiner Studie festgemacht werden kann, dass EO unternehmerisches Verhalten ‚nur’ zu 27 % erklären kann.282 Auch wenn sich EO in verschiedenen Studien immer wieder als guter Prädiktor für die Resultate entrepreneurialem Verhaltens herausgestellt hat283 und sie daher als dienlicher Proxy für entrepreneuriales Verhalten betrachtet werden kann,284 ist es zu vergegenwärtigen, dass eine entrepreneuriale Orientierung, die nicht in adäquate Handlung überführt wird, als zentrales Hemmnis in der Erklärungsmächtigkeit der Beziehungen von EO zu abhängigen Variablen wie finanzieller Erfolg oder Wachstum gesehen werden muss.285 Unter Berücksichtigung dieser möglichen und mitunter folgenreichen Orientierung-Verhaltens-Lücke sowie der bisherigen Ausführungen in diesem Abschnitt und in Abschnitt 3.2 kommt diese Arbeit auf der Basis theoretischer Überlegungen zu dem Schluss, dass EO eher eine Disposition zu entrepreneurialem Verhalten, als die konkrete Involvierung in selbiges darstellt286 und damit eine entrepreneurialem Handeln vorgelagerte Orientierung beschreibt.287 Im Hinblick auf die Beantwortung der zweiten Frage ist zunächst festzuhalten, dass bis zum heutigen Tage nahezu jede EO-Studie implizit oder zumindest explizit unter Berufung auf MILLER die Elemente Innovativität, Proaktivität und Risikoneigung enthält, wobei ein Großteil der Studien ausschließlich diese drei Elemente betrachtet.288 Zur Fundierung der Diskussion über die Frage, inwieweit damit eine entrepreneuriale Orientierung adäquat erfasst wird, sollen die Elemente nachfolgend beschrieben werden.
282
283
284 285 286
287 288
Vgl. Wiklund 1998, S. 233. Es ist dabei anzumerken, dass entrepreneurial behavior in dieser Studie neben tatsächlicher Innovation, Risikoübernahme und proaktivem Handeln ebenfalls Wachstum und Startup-Aktivität enthielt und dass das Ergebnis daher nur als erster Anhaltspunkt für eine Orientierung-Verhaltens-Lücke interpretiert werden sollte. Exemplarisch Covin/Slevin 1990; Covin/Slevin/Covin 1990; Merz/Weber/Laetz 1994; Zahra/ Covin 1995, Brown 1996; Wiklund/Shepherd 2005. Vgl. Wiklund 1998, S. 65. Vgl. Wiklund 1998, S. 233. Auf der Basis einer Evaluation der MCS-Skala kommt ZAHRA 1991 zu derselben Auffassung. Vgl. Zahra 1991, S. 272. In ihrer Betrachtung der Erklärungsansätze für unternehmerisches Verhalten beschreiben GEMÜNDEN und KONRAD EO ebenfalls als Unternehmenshaltung bzw. als grundlegende strategische Einstellung. Vgl. Gemünden/Konrad 2000, S. 258 ff. Diese Feststellung wird in den Hypothesen in Abschnitt 4.2 erneut aufgegriffen. Vgl. Davis 2007, S. 2, und die dort referenzierten Arbeiten.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
51
Risikoneigung, als erstes Element, beinhaltet „[m]aking decisions and taking action without certain knowledge of probable outcomes.”289 Eine hohe Risikoneigung beschreibt folglich nicht nur die Haltung, Gelegenheiten, die einen hohen Ertrag bei einer niedrigen Eintrittswahrscheinlichkeit erwarten lassen, Gelegenheiten vorzuziehen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu sicheren, aber niedrigen Erträgen führen, sondern ebenfalls unter Ungewissheit der Eintrittswahrscheinlichkeiten zu agieren.290 Ebenfalls sind risikofreudige Unternehmen bereit, große Summen zu investieren, und zwar auch in Projekte, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit des Scheiterns verbunden sind und bei denen das Scheitern dann mit hohen Kosten bzw. Verlusten verbunden ist.291 Wie BAIRD und THOMAS hervorheben, tendieren risikoorientierte Unternehmen zum „venturing into the unknown,“292 d. h. diese Unternehmen wagen es, mit erprobten und bewährten Praktiken zu brechen und auf der Suche nach hohen Gewinnen kühn neue, bisher unerkundete Wege einzuschlagen.293 Innovativität wird von LUMPKIN und DESS wie folgt definiert: „Innovativeness reflects a firm’s tendency to engage in and support new ideas, novelty, experimentation, and creative processes.”294 Damit adressiert Innovativität die Tendenz eines Unternehmens, neue Ideen, Produkte und Lösungen zu suchen und zu vermarkten, und sich dabei von etablierten Produkten, Praktiken und Technologien zu lösen.295 Ein hoher Grad an Innovativität wird dabei in der Regel von hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung begleitet.296 WIKLUND und SHEPHERD betonen, dass eine hohe Rate technischer oder Produkt-Markt-
289 290
291 292 293 294 295 296
Dess/Lumpkin 2005a, S. 148. HARMS weist an dieser Stelle darauf hin, dass insb. unter Einbezug der Operationalisierung des entsprechenden Teilkonstruktes in der MCS-Skala, eher von Ambiguitätsbereitschaft als von Risikobereitschaft gesprochen werden sollte, da der Risikobegriff voraussetzt, dass die Alternativen, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten und die dazugehörenden Auszahlungen bekannt sein müssen. Vgl. Harms 2006, S. 96. Vgl. zu den Begriffen des Risikos und der Ambiguität Ellsberg 1961, S. 643 ff. Vgl. Miller/Friesen 1978, S. 923; Lumpkin/Dess 1996, S. 144. Baird/Thomas 1985, S. 231. Vgl. Wiklund/Shepherd 2005, S. 75. Lumpkin/Dess 1996, S. 142. Vgl. Kimberly 1981, S. 84 ff. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 143.
52
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Innovativität von einem Unternehmen genutzt werden kann, neue Gelegenheiten zu verfolgen.297 „Does it shape the environment […], or does it merely react?“298 ist nach MILLER und FRIESEN eine zentrale Frage, deren Antwort die Orientierung eines Unternehmens im Hinblick auf Entrepreneurship charakterisiert. Das dritte Element der EO, Proaktivität, spiegelt somit das Bestreben eines Unternehmens wider, zukünftige Entwicklungen und Kundenbedürfnisse zu antizipieren und darauf basierend neue Gelegenheiten vor dem Wettbewerb zu ergreifen.299 In dieser zukunftsorientierten, vorausschauenden Einstellung spiegelt sich das Bestreben eines Unternehmens wider, Pionier zu sein300 und als First-Mover Wettbewerbsvorteile zu realisieren.301 Als solches umfasst Proaktivität nicht nur die Fähigkeit, Wandel schneller als andere wahrzunehmen, sondern auch die Bereitschaft diesem Wissen entsprechende Taten, beispielsweise in Form der Einführung neuer Produkte oder Technologien, folgen zu lassen. Wie bereits weiter oben in diesem Abschnitt beschrieben wurde, herrscht in der Literatur darüber Einigkeit, dass Risikoneigung, Innovativität, und Proaktivität essentielle Merkmale einer entrepreneurialen Beziehung darstellen. Im Hinblick auf die zweite in diesem Abschnitt gestellte Frage, die die Vollständigkeit des Konzepts zum Inhalt hat, stellt der richtungsweisende Aufsatz von LUMPKIN und DESS den Beginn der Auffassung dar, dass diese drei Elemente nicht ausreichend sind, um eine entrepreneuriale Grundhaltung im Unternehmen angemessen zu beschreiben.302 So ist – ausgehend von der Betrachtungsweise, dass Corporate Entrepreneurship im Grunde ‚nur’ eine Ausweitung des individuellen Entrepreneurships auf den Kontext bestehender Unternehmen darstellt303 und somit nach wie vor jede entrepreneuriale Aktivität ihren Ursprung in autonomen und kreati-
297 298 299 300 301
302 303
Vgl. Wiklund/Shepherd 2005, S. 75. Miller/Friesen 1978, S. 923. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 433; Venkatraman 1989, S. 949. Vgl. Wiklund/Shepherd 2005, S. 75. Zu den Vorteilen, die sich aus einer First-Mover-Strategie ergeben können, siehe Liebermann/ Montgomery 1988, S. 41 ff. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 138 ff. Vgl. Pinchot 1985, S. 3 ff.; Vesper 1985, S. 62 ff.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
53
ven Prozessen von Individuen hat304 – festzuhalten, dass dem Freiraum, der individuellen Unternehmensmitgliedern für autonome Aktivitäten gewährt wird, eine große Bedeutung für das organisationale Entrepreneurship zukommt, die das dreielementige EO-Konzept nicht berücksichtigt. Dieser Kritik Rechnung tragend, etablieren LUMPKIN und DESS als erste Erweiterung des EO-Konstruktes die Autonomie, die das Ausmaß charakterisiert, in dem individuellen Mitarbeitern einerseits erlaubt wird und sie andererseits darin unterstützt und bestärkt werden, autonom zu denken und zu handeln.305 Zur Autonomie gehört die Delegation von Entscheidungskompetenzen an Individuen oder Teams,306 sodass eigenverantwortliches und selbstorganisiertes Arbeiten möglich wird.307 Neben der Ermächtigung zu eigenständigem Handeln stellen eine offene Kommunikation und der uneingeschränkte Zugang zu relevanten Unternehmensinformationen Grundpfeiler für effizientes und effektives autonomes Handeln dar.308 Die zweite Erweiterung, die LUMPKIN und DESS etablieren, besteht in dem Element Wettbewerbsaggressivität und beruht auf einer differenzierteren Betrachtung zwischen Chancen und Bedrohungen, mit denen Unternehmen konfrontiert werden. Während in der dreielementigen Betrachtungsweise Wettbewerbsaggressivität und Proaktivität diskussionswürdig gleichgesetzt werden,309 heben LUMPKIN und DESS den Unterschied hervor, dass „proactiveness is a response to opportunities, whereas competitive aggressiveness is a response to threats.”310 Unternehmen, die aggressiv im Wettbewerb sind, sind wetteifernd und kon304 305 306 307 308 309
310
Vgl. Russell 1999, S. 68; Burgelman 1984, S. 158. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 140. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 141. Vgl. Pfeffer 1998, S. 74 ff.; Thompson 2003, S. 96. Vgl. Spreitzer 1995, S. 1442 ff.; Engel 1970, S. 12 ff. So charakterisieren COVIN und SLEVIN proaktive Organisationen als aggressiv wetteifernd mit anderen Firmen. Vgl. Covin/Slevin 1989, S. 79. In einem anderen Beitrag wird die Gleichsetzung deutlich in der Beschreibung der entrepreneurialen Haltung als „propensity to aggressively and proactively compete with industry rivals.“ Vgl. Covin/Slevin 1991, S. 10. Ebenfalls im Hinblick auf den Skaleneinsatz wird die fehlende Unterscheidung deutlich. So dienen dieselben drei Items COVIN in einem Aufsatz mit SLEVIN als Operationalisierung für Proaktivität (namentlich Covin/Slevin 1989) und in einem anderen Beitrag mit COVIN als Operationalisierung für Wettbewerbsaggressivität (namentlich Covin/Covin 1990). Lumpkin/Dess 2001, S. 434, Hervorhebungen hinzugefügt.
54
Entwicklung des Untersuchungsmodells
fliktbereit, sehen in anderen Unternehmen Rivalen, die ihren aktuellen oder zukünftigen Markterfolg bedrohen, und streben daher danach, diese zu übertrumpfen und aus dem Markt zu drängen.311 Im Hinblick auf die Frage der Konzeptvollständigkeit ist basierend auf der Analyse bisherige Forschungsergebnisse zu konstatieren, dass die fünfelementige Betrachtungsweise nach LUMPKIN und DESS den im Wesentlichen durch COVIN und SLEVIN vertretenen dreielementigen Ansatz sinnvoll erweitert.312 Auch wenn mit der Ergänzung der beiden Elemente Autonomie und Wettbewerbsaggressivität somit eine sinnvolle Erweiterung des Konzeptes vorgenommen wurde, erscheint jedoch noch eine weitere Erweiterung sinnvoll, wie die in Abschnitt 3.2.2 folgenden Ausführungen zeigen werden. 3.2.2 Erweiterung des EO-Konstrukts um Gelegenheitsorientierung Obwohl das in Abschnitt 3.2.1 vorgestellte Konzept der EO eine hohe Popularität genießt313 und es unbestritten bedeutende Facetten einer entrepreneurial ausgerichteten Organisation beschreibt,314 erscheint es als nicht umfassend genug.315 Insbesondere fehlt, wie BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND hervorheben, die direkte und explizite Berücksichtigung der organisationalen Orientierung im Hinblick auf das Erkennen und Ausschöpfen unternehmerischer Gelegenheiten (entrepreneurial opportunities). Dabei hat sich die so genannte opportunity school in den letzten Jahren zu einem zentralen Strang in der Entrepreneurshipforschung entwickelt; es scheint sich sogar als Konsens herausgebildet zu haben, dass unternehmerische Gelegenheiten den Kern von Entrepreneurship ausmachen.316
311 312
313 314 315 316
Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 433 ff. Diese Feststellung wird in Abschnitt 4.1 in Form einer Hypothese zur Erklärungsmächtigkeit verschiedener Konzeptionen der entrepreneurialen Orientierung erneut aufgegriffen. Vgl. Wiklund 1999, S. 38. Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 954; Zahra 1993a, S. 5. Vgl. beispielsweise Grichnik 2006, S. 1304; Fallgatter 2004, S. 32; Shane/Venkataraman 2000, S. 217; Brazeal/Herbert 1999, S. 33; Venkataraman 1997, S. 119; Stevenson/Jarillo 1990, S. 23; Kirzner 1973, S. 31 ff.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
55
Daher wird das Konzept der EO in dieser Arbeit um die Gelegenheitsorientierung als weitere, wichtige Facette einer entrepreneurial ausgerichteten Organisation zu einem umfassenderen Konzept der entrepreneurialen Orientierung erweitert. Dazu wird auf die gelegenheitsorientierte Konzeptionalisierung von Entrepreneurship, die auch als Entrepreneurial Management bezeichnet wird und im Wesentlichen auf die Arbeiten von STEVENSON und Kollegen zurückgeht,317 zurückgegriffen. Darin wird Entrepreneurship wie folgt definiert: „The process by which individuals – either on their own or inside organizations – pursue opportunities without regard to the resources they currently control.”318 Wie in der EO-Konzeption nach MILLER, ist auch in STEVENSONs Sichtweise Entrepreneurship somit nicht auf die Gründung eines neuen Unternehmens beschränkt, sondern schließt explizit entrepreneuriales Handeln in bestehenden Unternehmen ein. Im Einklang mit klassischen Konzeptionen wie KIRZNERs alertness to opportunity319 steht im Zentrum dieser Definition die unternehmerische Gelegenheit, die STEVENSON und JARILLO als „future situation which is deemed desirable und feasible“320 charakterisieren. Detaillierter wird eine unternehmerische Gelegenheit als ein Bündel von Ideen, Wertvorstellungen und Handlungen definiert, die die Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen ermöglichen, für die es momentan noch keinen Markt gibt.321 Der Neuheitsaspekt wird dabei relativ weit gefasst. STEVENSON und GUMPERT zufolge, ist es ausreichend, dass diese Gelegenheiten das Umsatzwachstum fördern oder ökonomischen Wert haben.322 In der Darstellung des Konzeptes konstruiert STEVENSON einen Gegensatz von entrepreneurial und administrativ ausgerichteten Unternehmen.323 Entrepreneuri317
318 319 320 321 322 323
Vgl. exemplarisch die Arbeiten von Stevenson 1999; Stevenson/Gumpert 1985; Stevenson/ Harmeling 1990; Stevenson/Jarillo 1986, 1990. Stevenson/Jarillo 1990, S. 23. Vgl. Kirzner 1973, S. 31 ff. Stevenson/Jarillo 1990, S. 23. Vgl. Sarasvathy/Dew/Velamuri/Venkataraman 2003, S. 142 f. Vgl. Stevenson/Gumpert 1985, S. 86. Vgl. Stevenson 1999, S. 7.
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Entwicklung des Untersuchungsmodells
al ausgerichtete Unternehmen streben danach, Gelegenheiten zu erkennen und auszuschöpfen – ohne dabei Rücksicht auf die kontrollierten Ressourcen zu nehmen. Im Gegensatz dient administrativ orientierten Unternehmen ihr vorhandener Ressourcenpool als Ausgangsbasis, den sie möglichst effizient einsetzen möchten. Wenngleich STEVENSON insgesamt sechs Elemente – namentlich Strategische Ausrichtung, Verhalten hinsichtlich Gelegenheiten, Einsatz von Ressourcen, Kontrolle von Ressourcen, Organisationsstruktur und Entlohnungsphilosophie – identifiziert324 und BROWN, WIKLUND und DAVIDSSON in seinen späteren Arbeiten sogar noch zwei weitere Elemente (entrepreneuriale Kultur und Wachstumsorientierung) ausmachen,325 anhand derer Unternehmen in entrepreneurial oder administrativ kategorisiert werden können, nehmen nur die beiden Elemente strategische Ausrichtung, das die Suche nach und das Erkennen von Gelegenheiten adressiert, und Verhalten hinsichtlich Gelegenheiten, das das Ausschöpfen erkannter Gelegenheiten thematisiert, eine zentrale Stellung ein; die weiteren Elemente wirken lediglich unterstützend oder abschwächend.326 In der Konzeptualisierung von STEVENSON spiegelt sich somit die von SHANE und VENKATARAMAN in ihrem wegweisenden Artikel gestellte Frage wider, „how some people and not others discover and exploit […] opportunities.“327 Da das Erkennen einer Gelegenheit ohne anschließende Umsetzung keinen Wert generiert und eine Umsetzung einer Gelegenheit ohne ihre vorherige Identifikation logisch nicht möglich ist, werden die strategische Ausrichtung und das Verhalten hinsichtlich Gelegenheiten in der Forschung zum Entrepreneurial Management in einem gemeinsamen theoretischen Konstrukt, das als Gelegenheitsorientierung bezeichnet werden kann, erfasst.328 Zur Veranschaulichung werden die beiden Komponenten nachfolgend kurz diskutiert.
324 325 326 327 328
Vgl. Stevenson 1999, S. 10. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 955 ff. Vgl. Kollmann/Stöckmann 2008a, S. 16; Harms 2004, S. 105. Shane/Venkataraman 2000, S. 18. BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND setzen STEVENSONs Konzeptualisierung einer empirischen Bewährungsprobe aus, in der sich herausstellt, dass strategische Ausrichtung und Verhalten hinsichtlich Gelegenheiten einen gemeinsamen Faktor bilden. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 959. Exemplarisch zur Verwendung Eliasson/Davidsson 2002; Eliasson/Wiklund/ Davidsson 2003.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
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Die strategische Ausrichtung bezieht sich – wie bereits erwähnt – auf die Identifikation von und den Umgang mit unternehmerischen Gelegenheiten. In entrepreneurial ausgerichteten Unternehmen wird das Bestreben und die Fähigkeit, neue Gelegenheiten zu erkennen, als eine der zentralen Eigenschaften von Entrepreneuren und Unternehmen betrachtet.329 Diese Unternehmen orientieren sich an den Gelegenheiten, die der Markt bietet, und wählen diese als Ausgangspunkt für die weitere Strategieformulierung.330 Für entrepreneuriale Unternehmen ist grundsätzlich jede Gelegenheit mit großem Ertragspotential interessant.331 Konsequenterweise ist die Suche nach derartigen Gelegenheiten nach allen Seiten offen,332 um eine möglichst große Anzahl lukrativer Geschäftschancen zu identifizieren. Wenn eine erfolgversprechende Gelegenheit identifiziert ist, werden die zur Umsetzung erforderlichen Ressourcen akquiriert.333 Im Gegensatz dazu werden administrativ ausgerichtete Unternehmen bei der Strategieformulierung in erster Linie von ihrer bestehenden Ressourcenbasis ausgehen und Handlungsalternativen danach beurteilen, bei welcher sie ihre Ressourcen am effizientesten einsetzen können.334 Für diese Unternehmen sind nur Gelegenheiten relevant, die zu ihrer bestehenden Ressourcenausstattung passen.335 Hinsichtlich der Gelegenheitsidentifikation ist somit zum einen festzuhalten, dass der Suchraum für potentielle Geschäftschancen vom Unternehmen selbst eingeschränkt wird.336 Zum anderen werden erkannte lukrative Gelegenheiten, die aber nicht zur Ressourcenausstattung passen, als nicht interessant beurteilt.337 Das Verhalten hinsichtlich Gelegenheiten adressiert die Frage, auf welche Weise entrepreneuriale und administrative Unternehmen Gelegenheiten, die sich ihnen eröffnet haben, verfolgen.338 Administrative Unternehmen sind analyseorientiert.339 Durch eine ausführliche Problemanalyse, intensive Planung und verhan329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339
Vgl. Eliasson/Wiklund/Davidsson 2002, S. 2. Vgl. Stevenson 1999, S. 10. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 955. Vgl. Harms 2004, S. 105. Vgl. Stevenson 1999, S. 10. Vgl. ebd., S. 10. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 955. Vgl. ebd., S. 955. Vgl. Eliasson/Wiklund/Davidsson 2002, S. 2. Vgl. Stevenson 1999, S. 12. Vgl. ebd., S. 12 f.
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delte Strategien reduzieren administrativ orientierte Unternehmen einerseits Risiken und stellen anhaltendes Commitment zur Entscheidung her; andererseits geht dies einher mit einer Flexibilitätsreduktion und einer Verlängerung des Planungsprozesses, was diese Unternehmen daran hindert, Gelegenheiten wahrzunehmen, die durch ein kurzes window of opportunity340 gekennzeichnet sind.341 Entrepreneuriale Unternehmen hingegen sind aktionsorientiert.342 Sie treffen Entscheidungen schnell und unbürokratisch, investieren und deinvestieren prompt in identifizierte Gelegenheiten und sind somit in der Lage, unternehmerische Gelegenheiten zu nutzen, deren Wahrnehmung trägeren Unternehmen verwehrt bleibt.343 Wenngleich die weiteren Elemente aufgrund ihrer lediglich unterstützenden oder abschwächenden Wirkung344 nur eine untergeordnete Rolle spielen345 und daher in der weiteren Betrachtung in dieser Arbeit nur am Rande diskutiert werden, sollen sie zum besseren Verständnis der gelegenheitsorientierten Entrepreneurship-Konzeptualisierung kurz vorgestellt werden. STEVENSON arbeitet die Elemente Ressourcencommitment, Ressourcenkontrolle, Managementstruktur und Entlohnungsphilosophie wie folgt aus:346 Das Ressourcencommitment beschreibt die Art des Einsatzes von Ressourcen, die zur Wahrnehmung einer Gelegenheit notwendig sind. Die Allokation von Ressourcen erfolgt bei entrepreneurialen Unternehmen stufenweise jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem Ressourcen tatsächlich benötigt werden, während in administrativ ausgerichteten Unternehmen in umfangreichen Planungs- und Prüfungsprozessen einmalig ex ante über eine entsprechend hohe Investition in eine Gelegenheit entschieden wird. Die Ressourcenkontrolle adressiert die Frage,
340
341 342 343 344 345 346
Mit der Metapher des window of opportunity wird darauf hingewiesen, dass unternehmerische Gelegenheiten im Markt entstehen, die auch wieder verschwinden können. Vgl. Timmons 1997, S. 31 f. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 955. Vgl. Stevenson 1999, S. 12. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 955. Vgl. Harms 2004, S. 105. Vgl. Kollmann/Stöckmann 2008a, S. 16. Die nachfolgenden Ausführungen zu den einzelnen Elementen beziehen sich, wenn nicht abweichend angegeben, auf Stevenson 1999, S. 15 ff.
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ob ein Unternehmen Ressourcen347 lediglich nutzen können oder eng kontrollieren bzw. besitzen möchte. Entrepreneuriale Unternehmen tendieren in ihrem Umgang mit Ressourcen zur Miete, zum Einsatz von Subunternehmen und zum Outsourcing, während administrative Unternehmen es präferieren, sämtliche Ressourcen vollständig unter ihrer Kontrolle zu haben. Der Faktor Managementstruktur zielt auf den strukturellen organisationalen Aufbau der Unternehmung ab. Während administrative Unternehmen mechanistische Strukturen aufweisen, was starke Zentralisation, ausgeprägte Hierarchien und hohe Formalisierung beinhaltet, zeichnen sich entrepreneuriale Unternehmen durch organische Strukturen aus, d. h. flache Hierarchien, informelle Koordination und geringe Zentralisation.348 Ebenfalls unterscheiden sich entrepreneuriale und administrative Unternehmen hinsichtlich ihrer Entlohnungsphilosophie. Entrepreneurial ausgerichtete Unternehmen setzen Vergütungsmodelle mit hohen variablen Anteilen ein, die einen direkten Bezug zum Unternehmenswert haben, während die Entlohnung in administrativ orientierten Unternehmen vermehrt an den Stand des Mitarbeiters in der Aufbauorganisation des Unternehmens und somit an den Umfang seiner Weisungs- und Kontrollbefugnisse gekoppelt ist. Wie bereits weiter oben erwähnt, machen BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND in den späteren Arbeiten von STEVENSON und Kollegen noch zwei weitere Elemente aus,349 die in der aktuellen Literatur gleichberechtigt neben den soeben diskutierten vier unterstützenden bzw. abschwächenden Elementen stehen.350 So unterscheiden sich entrepreneuriale und administrative Unternehmen deutlich hinsichtlich ihrer Wachstumsorientierung. Ein rapides Unternehmenswachstum ist in entrepreneurial ausgerichteten Unternehmen fest als Ziel verankert, während in administrativ orientierten Unternehmen die Bestandswahrung im Vordergrund steht und Wachstum eine untergeordnete Bedeutung beigemessen wird.351 Das Element Entrepreneuriale Kultur bezieht sich auf die Fragestellung, wie in ei347
348 349 350 351
Der Begriff der Ressource umfasst an dieser Stelle sämtliche Faktoren, die als Input in den Prozess der Leistungserstellung eingehen, z. B. Finanzkapital, Humankapital, Maschinen, Patente, Marken. Vgl. Amit/Schoemaker 1993, S. 35; Grant 1991, S. 118; Starr/MacMillan 1990, S. 79 ff. Vgl. dazu auch Abschnitt 2.2.1. Vgl. Burns/Stalker 1966, S. 121 f. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 955. Vgl. exemplarisch Eliasson/Davidsson 2003; Harms 2004. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 955; Stevenson/Jarillo-Mossi 1986, S. 11.
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nem Unternehmen neue Geschäftsideen entstehen.352 In entrepreneurialen Unternehmen geht der Strategieformulierungsprozess von unternehmerischen Gelegenheiten im Allgemeinen aus, was zu einem breiten Spektrum entwickelter und näher betrachteter Geschäftsideen führt.353 Hingegen werden in administrativen Unternehmen nur derartige Geschäftsideen näher beleuchtet, die in einem direkten Bezug zu den existierenden Ressourcen des Unternehmens stehen.354 BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND konstatieren, dass sich STEVENSONs gelegenheitsorientierte Konzeptualisierung gut in das übergeordnete ManagementFramework einfügt, sie mit klassischen und gegenwärtigen Definitionen von Entrepreneurship kohärent ist, sie einen Erklärungsbeitrag bietet, den andere Konzeptualisierungen nicht leisten, sie somit eindeutig von EO abgrenzbar und dennoch mit dieser vereinbar ist.355 Trotz der breiten Fürsprache und der intuitiven Nachvollziehbarkeit halten sie im Jahre 2001 fest, dass das Konzept bis zu diesem Zeitpunkt keiner systematischen empirischen Prüfung ausgesetzt wurde.356 Wie eine umfassende Literaturrecherche ergab, existieren auch zum heutigen Zeitpunkt kaum empirische Arbeiten, die STEVENSONs gelegenheitsorientierte Entrepreneurship-Konzeptualisierung einer Bewährungsprobe ausgesetzt haben.357 Abschließend ist festzuhalten, dass die in diesem Abschnitt diskutierte Gelegenheitsorientierung Aspekte des Unternehmertums in Unternehmen erfasst, die das etablierte EO-Konzept nicht berücksichtigt. Da sie sich schlüssig in das Konzept der entrepreneurialen Orientierung einfügt, erscheint es aus theoretischer Sicht sinnvoll, das Konstrukt der entrepreneurialen Orientierung um dieses Element zu erweitern, um Entrepreneurship in Unternehmen vollständiger zu erfassen.358
352 353 354 355 356 357
358
Vgl. Stevenson/Jarillo 1990, S. 25. Vgl. Harms 2004, S. 110. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 956. Vgl. ebd., S. 954 ff. Vgl. ebd., S. 954. Als Ausnahmen können die Arbeiten von Eliasson/Wiklund/Davidsson 2002 und Eliasson/ Davidsson 2003 genannt werden. Diese Feststellung wird in Abschnitt 4.1 in Form einer Hypothese zur Erklärungsmächtigkeit verschiedener Konzeptionen der entrepreneurialen Orientierung erneut aufgegriffen.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
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3.2.3 Dimensionale Interpretation der entrepreneurialen Orientierung Nachdem in den Abschnitten 3.2.1 und 3.2.2 die zentralen Elemente der entrepreneurialen Orientierung vorgestellt wurden, ist – wie bereits in Abschnitt 3.2.1 angekündigt – zu diskutieren, wie die vorgestellten Elemente miteinander in Beziehung stehen, wobei sich insbesondere die Frage stellt, ob alle Elemente gemeinsam vorliegen müssen, damit ein Unternehmen als entrepreneurial charakterisiert werden kann, oder ob bereits das Vorliegen einer oder mehrerer der Elemente ausreicht, um einem Unternehmen eine entrepreneuriale Orientierung zu attestieren. Wie bereits in Abschnitt 3.2.1 bezüglich der einzelnen Elemente zu beobachten war, treffen auch an dieser Stelle wieder zwei Positionen aufeinander, die erneut wesentlich durch COVIN und SLEVIN auf der einen sowie LUMPKIN und DESS auf der anderen Seite vertreten werden. Dabei basiert die Auffassung von COVIN und SLEVIN maßgeblich auf dem folgenden Statement von MILLER: „In general, theorists would not call a firm entrepreneurial if it not changed its technology or product-line […] simply by directly imitating competitors while refusing to take any risks. Some proactiveness would be essential as well. By the same token, risk-taking firms that are highly leveraged financially are not necessarily considered entrepreneurial. They must also engage in product-market or technological innovation.”359 COVIN, GREEN und SLEVIN argumentieren vor diesem Hintergrund, dass „Miller reserved the label of ‘entrepreneurial’ for firms that are concurrently risk taking, innovative, and proactive.”360 Konsequenterweise betrachten sie eine entrepreneuriale Orientierung als eindimensionales Konstrukt, das lediglich mehrere Elemente umfasst.361 Diese Betrachtungsweise ist jedoch insofern problematisch, 359 360 361
Miller 1983, S. 780. Covin/Green/Slevin 2006, S. 79, Hervorhebungen im Original. Vgl. ebd., S. 79.
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als dass sowohl in dieser Arbeit als auch in anderen Arbeiten von COVIN und SLEVIN362 und weiteren dieser Sichtweise folgenden Autoren363 explizit oder zumindest implizit mit Innovativität, Risikoneigung und Proaktivität oder auch weiteren Elementen voneinander inhaltlich abgrenzbare Konzepte diskutiert werden, mitunter sogar in ihren voneinander unterscheidbaren Wirkungsbeziehungen zu anderen Konstrukten,364 was dann konzeptionell korrekter zu einer Interpretation als multidimensionales Konstrukt führen müsste, auch wenn mit der entrepreneurialen Orientierung ein einheitliches theoretisches Konstrukt entsteht.365 STETZ, HOWELL, STEWART, BLAIR und FOTTLER begegnen dieser Kritik in ihrer Arbeit, indem sie MILLERs Konzept als multidimensionales Konstrukt mit ausschließlich abhängig voneinander variierenden Dimensionen darstellen.366 WIKLUND und SHEPHERD argumentieren ebenfalls dafür, dass die Dimensionen eng miteinander in Verbindung stehen und verdeutlichen dies an einem Beispiel: „[A] new company that comes up with a radically new product based on a technological innovation typically takes a risk, as the demand for the new product is unknown. Given that other firms do not introduce the same new product at the same time, it is also proactive in relation to competitors.”367 Diesem Automatismus wird jedoch von LUMPKIN und DESS widersprochen. Sie stellen konzeptionell heraus368 und empirisch fest,369 dass die einzelnen Dimensionen auch unabhängig voneinander variieren können. Ferner legen sie Wert darauf, dass ein Unternehmen auch dann eine hohe entrepreneuriale Orientierung aufweisen kann, wenn sie in einer oder mehreren Dimensionen, aber nicht unbedingt in einer speziellen oder in allen Dimensionen, hohe Ausprägungen aufweist.370 Als Beispiel stellen sie die Unternehmen Sony und Matsushita gegen-
362 363 364 365
366 367 368 369 370
Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Arbeit von Covin/Slevin 1989. Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Arbeit von Becherer/Maurer 1997. Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Arbeit von Harms 2004. Vgl. Law/Wong/Mobley 1998, S. 741. Einen guten Überblick über den Einsatz multidimensionaler Konstrukte liefert Giere/Wirtz/Schilke 2006. Die Fragwürdigkeit der dargestellten Konzeptionalisierung wird auch bei Cogliser/Brigham/Lumpkin 2008 dargelegt. Vgl. Stetz/Howell/Stewart/Blair/Fottler 2000, o.P. Wiklund/Shepherd 2005, S. 75. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 149 ff. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 441. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 149 ff.
Entrepreneuriale Orientierung im organisationalen Kontext
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über:371 Sony ist bekannt für seine innovativen Produkte, die die Bedürfnisse der Kunden und des Marktes vorwegnehmen und mit einem hohen Risiko verbunden sind. Die Stärke von Matsushita liegt hingegen nicht in der Innovation, vielmehr imitieren sie die Ideen anderer in einer sehr frühen Produktlebenszyklusphase und erreichen eine starke Marktposition durch Überlegenheit in den Bereichen Produktion und Marketing. Die Bereitstellung von Produktions- und Marketingressourcen stellt für einen frühen Folger ein hohes Risiko dar, da der Markterfolg in diesem Stadium noch nicht endgültig abzusehen ist. Aus diesem Grund verlangt die Entscheidung, welche Innovation imitiert werden soll, so früh im Produktlebenszyklus immer noch einen recht hohen Grad an Proaktivität. Aufgrund der bewusst in Kauf genommenen Konfrontation mit dem Innovator ist ebenfalls ein hoher Grad an Wettbewerbsaggressivität zu erkennen. Aus der Sichtweise von LUMPKIN und DESS handelt es sich nicht nur im Falle von Sony um ein entrepreneuriales Unternehmen, sondern auch im Falle von Matsushita, auch wenn die Innovationsorientierung nicht ausgeprägt ist, da die anderen Dimensionen bedeutende Facetten einer entrepreneurialen Haltung erkennen lassen. Dieser Einschätzung widerspricht aus der von COVIN und SLEVIN vertretenen Sichtweise nicht nur, dass eine Facette von den anderen abweicht, sondern insbesondere, dass die Innovativität nicht ausgeprägt ist, da sie das zentrale Element des Konzeptes darstelle und es ohne sie keine entrepreneuriale Orientierung gebe – unabhängig davon, wie andere Dimensionen ausgeprägt seien.372 Dem widerspricht die Feststellung von BAUMOL, dass „entrepreneurial activities can usefully be taken to fall into two primary types, which [he] calls ‘initiating’ and ‘imitative’.”373 Demnach können sowohl Innovatoren als auch schnelle Folger als entrepreneurial angesehen werden.374 LYON, LUMPKIN und DESS betonen in diesem Zusammenhang, dass eine Imitationsstrategie keinesfalls andere Dimensionen wie Risikobereitschaft oder Autonomie ausschließt.375 Nicht nur Innovativität, sondern auch die anderen Dimensionen müssen nicht unbedingt in hohem Maße ausgeprägt sein. So stellen sowohl BROCKHAUS als auch MULLINS und 371 372 373 374 375
Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 150 f. Vgl. Covin/Miles 1999, S. 47. Baumol 1986, S. 141, Hervorhebungen im Original. Vgl. Kreiser/Marino/Weaver 2002, S. 88. Vgl. Lyon/Lumpkin/Dess 2000, S. 1056.
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Entwicklung des Untersuchungsmodells
FORLANI beispielsweise heraus, dass Entrepreneure unter manchen Bedingungen risikofreudig und unter anderen risikoavers sind – auch wenn sie in einen entrepreneurialen Prozess involviert sind.376 KREISER, MARINO und WEAVER heben – basierend auf einer umfassenden Literaturrecherche – hervor, dass jede der von COVIN und SLEVIN vorgeschlagenen Elemente einzeln und unabhängig von den anderen unter Beweis gestellt hat, dass sie einen originären Beitrag für eine entrepreneuriale Orientierung erbringt.377 Es erscheint somit plausibel, dass eine geringere Ausprägung einzelner Dimensionen durch höhere Ausprägungen anderer Dimensionen ausgeglichen werden kann, auch wenn ein Unternehmen, das über alle Dimensionen hinweg durch höhere Werte gekennzeichnet ist, als entrepreneurialer orientiert einzuschätzen ist.378 Neben dieser konzeptionellen Ebene der Diskussion ist ebenfalls aus der Perspektive der praktischen Relevanz heraus für eine mehrdimensionale Betrachtungsweise mit Dimensionen, die unabhängig voneinander variieren können, argumentierbar. Empirische Studien zeigen, dass dieser Ansatz dem unidimensionalen bzw. dem multidimensionalen Ansatz mit ausschließlich abhängig voneinander variierenden Dimensionen überlegen in der Erklärung von Performanceunterschieden ist.379 Ferner machen Studien deutlich, dass die einzelnen Dimensionen unterschiedlich auf andere Variablen wirken. So zeigen sowohl die Studie von LUMPKIN und DESS aus dem Jahr 1997 als auch die von HUGHES und MORGAN sowie die von DAVIS aus dem Jahr 2007, dass die Dimensionen unterschiedlich auf Performance wirken.380 BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND argumentieren, dass – wenngleich es in vielen Situationen sinnvoll ist, sich in allen Dimensionen entrepreneurial auszuzeichnen – es durchaus vorstellbar ist, sich in
376 377 378
379
380
Vgl. Brockhaus 1980, S. 509; Mullins/Forlani 2005, S. 47. Vgl. Kreiser/Marino/Weaver 2002, S. 79 und die dort angegebenen Studien. Auf COOPER und DUNKELBERG geht der Ausdruck degree of entrepreneurship zurück, mit dem dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass manche Organisationen entrepreneurialer sind als andere. Vgl. Cooper/Dunkelberg 1986, S. 53. Vgl. die Ergebnisse der Studien von Stetz/Howell/Stewart/Blair/Fottler 2000 sowie Kreiser/ Marino/Weaver 2002. Vgl. die Ergebnisse der Studien von Lumpkin/Dess 1997; Davis 2007; Hughes/Morgan 2007.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
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anderen Situationen nur auf ausgewählte Dimensionen zu beschränken.381 Darüber hinaus legen ZAHRA und NEUBAUM nahe, dass die einzelnen Dimensionen verschieden mit Umweltvariablen wie beispielsweise Umweltfeindlichkeit interagieren.382 Diese Interaktionen werden in einer eindimensionalen Betrachtungsweise jedoch verdeckt, was eine Ursache für die von MILES, ARNOLD und THOMPSON383 diskutierten inkonsistenten Befunde im Hinblick auf die Beziehung zwischen einer entrepreneurialen Orientierung und Umweltfeindlichkeit darstellen könnte.384 Es erscheint folglich ebenfalls plausibel, dass die Nichtberücksichtigung des Facettenreichtums einer entrepreneurialen Orientierung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Typ I- und Typ II-Fehlern im Hinblick auf den Einfluss von einer oder auf eine entrepreneuriale Orientierung einhergeht. Ernst genommen sollte daher der Kommentar von DESS, LUMPKIN und MCGEE werden, dass „an appreciation of the multidimensionality and independence of the subdimensions of an entrepreneurial orientation […] can enhance normative and descriptive theory building.“385 Vor diesem Hintergrund wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit der Interpretation der entrepreneurialen Orientierung als multidimensionales Konzept mit Subdimensionen, die unabhängig voneinander variieren und unterschiedlich auf abhängige Variablen wirken können, angeschlossen.386 3.3 Explorative und exploitative Innovation und deren Balance Die folgenden Abschnitte diskutieren die mit den Begriffen Exploration, Exploitation und Ambidexterität verbundenen theoretischen Konzepte und betten diese in die vorliegende Forschungsarbeit ein. Wie die Ausführungen zeigen werden, stellt die Verfolgung der hinter Exploration und Exploitation stehenden Aktivitäten für heranwachsende Unternehmen wichtige Prozesse dar, die als bedeutender Bestandteil eines auf Entrepreneurship ausgerichteten Unternehmens anzusehen 381 382 383 384 385 386
Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 965. Vgl. Zahra/Neubaum 1998, S. 123. Vgl. die Arbeit von Miles/Arnold/Thompson 1993. Vgl. Kreiser/Marino/Weaver 2002, S. 88. Dess/Lumpkin/McGee 1999, S. 86. Diese Feststellung wird in den Hypothesen in Abschnitt 4.4 erneut aufgegriffen.
66
Entwicklung des Untersuchungsmodells
sind, wenngleich die Konzepte Ambidexterität, Exploration und Exploitation ursprünglich nicht dem Entrepreneurship entstammen und ihre Übertragung auf den Entrepreneurshipkontext als neuartig anzusehen ist. 3.3.1
Exploration und Exploitation
Die heutige Forschung zu Exploration und Exploitation und ihrer Balance basiert im Wesentlichen auf einem Artikel von MARCH aus dem Jahr 1991, in welchem er Exploration und Exploitation als grundlegende Prozesse des organisationalen Lernens wie folgt charakterisiert: „Exploration includes things captured by terms such as search, variation, risk taking, experimentation, play, flexibility, discovery, innovation. Exploitation includes such things as refinement, choice, production, efficiency, selection, implementation, execution.”387 Vor dem Hintergrund dieser Definitionen und der zusätzlichen Prämisse, dass eine Balance zwischen Exploration und Exploitation für das Überleben und die Prosperität einer Unternehmung essentiell ist,388 da genügend Engagement in Exploitation für die Sicherung der gegenwärtigen Lebensfähigkeit und ausreichend Engagement in Exploration für die Sicherung der zukünftigen Lebensfähigkeit notwendig sind,389 haben sich die Zwillingskonzepte Exploration und Exploitation zu dominierenden Analysebestandteilen in den Forschungsfeldern Organisationales Lernen, Technologische Innovation, Organisationale Adaption, Strategisches Management und Organisationsdesign entwickelt.390 Innerhalb der verschiedenen Forschungsströme haben sich unterschiedliche Interpretationen von Exploration und Exploitation herausgebildet, die jedoch – nicht zuletzt aufgrund der gemeinsamen Basis in Form des Bezugs auf den Beitrag von MARCH – nicht konkurrieren, sondern eher auf das jeweilige Erkennt387 388 389 390
March 1991, S. 71. Vgl. March 1991, S. 71. Vgl. March/Levinthal 1993, S. 105. Exemplarisch sei auf die folgenden Arbeiten verwiesen: McGrath 2001; Burgelman 2002; Katila/Ahuja 2002; Benner/Tushman 2003; Lee/Lee/Lee 2003; Siggelkow/Levinthal 2003; Holmqvist, 2004; Adner/Levinthal 2008.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
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nisinteresse abgestimmte Nuancen einer gemeinsamen Leitidee zu sehen sind,391 wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. In der Forschung zum Organisationalen Lernen werden Exploration und Exploitation im Wesentlichen anhand der Art und des Ausmaßes des Lernens unterschieden.392 Exploitation bezieht sich im Wesentlichen auf das Lernen durch lokale Suche, auf Erfahrung beruhender Verfeinerung, Wissensselektion und durch die Wiederverwendung von bewährten Routinen, während Exploration sich auf das Lernen durch Variation, Spiel und Experimentieren bezieht.393 Diese weit gefassten, nah an die Definitionen von MARCH gehaltenen Kategorien spiegeln dabei andere Klassifikationen wie generatives vs. adaptives Lernen,394 double-loop vs. single-loop-learning,395 Fernsuche vs. lokale Suche396 oder produktinnovationsorientiertes vs. produktionsorientiertes Lernen397 wider.398 Im Feld der Technologischen Innovation bzw. Technologischen Neuerung ist die Unterscheidung radikaler und inkrementeller Innovation als zentrales Forschungsthema anzusehen.399 Inkrementelle Innovationen stellen dabei relativ 391
392
393 394 395
396 397 398 399
Eine ansprechende Zusammenfassung über die Forschungsströme, die von MARCHs Ansätzen zu Exploration und Exploitation beeinflusst wurden, ist zu finden bei Raisch/Birkinshaw 2008, S. 377 ff. Eine Übersicht zu Interpretationen von Exploration und Exploitation ist zu finden bei Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen, o. P. Vgl. Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 694; Benner/Tushman 2003, S. 243; He/Wong 2004, S. 481. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass innerhalb der Forschung zum organisationalen Lernen ebenfalls die Auffassung zu finden ist, dass sich Exploration und Exploitation nicht in Art und Ausmaß des Lernens unterscheiden, sondern grundlegender in Präsenz oder Absenz des Lernens (vgl. Rosenkopf/Nerkar 2001, S. 289; Vassolo/Anand/Folta 2004, S. 1045; Vermeulen/ Barkema 2001, S. 457). Wenngleich diese Diskussion bis heute keinen eindeutigen Konsens hervor gebracht hat, liefern GUPTA, SMITH und SHALLEY in ihrer Diskussion zum Status quo eine in weiten Kreisen anerkannte Argumentation für die Unterscheidung anhand der Art und des Ausmaßes. Vgl. Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 694 f. Vgl. Baum/Li/Usher 2000, S. 768. Vgl. Senge 1990, S. 14. Vgl. Argyris/Schön 1978, S. 2 f. Single-loop-learning zielt auf ein tieferes Verständnis bestehender Routinen oder Technologien zur Erhöhung der Effizienz, während double-loop-learning auf der Einsicht, dass die gegenwärtig verfolgten Logiken, Annahmen und Routinen nicht länger effektiv sind, beruht und radikale Änderungen forciert. Vgl. Drazin/Glynn/Kazanjian 2004, S. 177. Vgl. Levinthal 1997, S. 939. Vgl. McKee 1992, S. 232 f. Vgl. Raisch/Birkinshaw 2008, S. 378. Vgl. Abernathy/Clark 1985, S. 4; Dewar/Dutton 1986, S. 1422; Tushman/Anderson 1986, S. 460.
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Entwicklung des Untersuchungsmodells
kleine Anpassungen an bestehenden Produkten, Prozessen, Technologien und Konzepten dar, die zu Effizienzsteigerungen, Kostenreduktion oder besserer Befriedigung von bekannten Kundenbedürfnissen führen, während sich radikale Innovationen auf fundamentale Änderungen bzw. Neuerungen beziehen, die neue Produkte, Märkte, Konzepte und Technologien entstehen lassen.400 In der Fortführung dieser Gedanken charakterisieren TUSHMAN und SMITH inkrementelle Innovationen als Exploitation und radikale Innovationen als Exploration.401 Diese Charakterisierung wurde in der jüngeren Vergangenheit in einer Vielzahl von Studien übernommen.402 In der Forschung zur Organisationalen Adaption werden Kontinuität einerseits und Wandel andererseits als zwingend notwendige Elemente für langfristigen Erfolg angesehen.403 Erfolgreiche Unternehmen setzen – TUSHMAN and O’REILLY folgend – auf Exploitation und Anpassung in Zeiten evolutionären Wandels und auf Exploration und radikale Transformation in Zeiten revolutionären Wandels.404 Im gleichen Sinne werden Konvergenzstreben und diskontinuierlicher Wandel405 sowie die Abwicklung des Tagesgeschäfts und die Implementierung von Änderungen406 gegenübergestellt. In dem Feld des Strategischen Managements gilt die Unterscheidung zwischen Variation reduzierenden, induzierten Prozessen und Variation erhöhenden, autonomen Prozessen als etabliert.407 Explizit verbindet BURGELMAN Exploitation mit induzierten und Exploration mit autonomen strategischen Prozessen.408 Die Literatur zum strategischen Management hat eine Reihe weiterer ähnlicher Kategorisierungen hervorgebracht, die sich in der Regel gegenseitig aufeinander 400
401 402
403
404 405 406 407 408
Vgl. Abernathy/Clark 1985, S. 4; Dewar/Dutton 1986, S. 1422 f.; Tushman/Anderson 1986, S. 441 ff.; Knott 2002, S. 339 f. Vgl. Tushman/Smith 2002, S. 386 ff. Siehe exemplarisch Jansen/van den Bosch/Volberda 2006; Atuahene-Gima 2005; He/Wong 2004; Benner/Tushman 2003; Danneels 2002; Holmqvist 2004; Smith/Tushman 2005. Vgl. Leana/Barry 2000, S. 753; Probst/Raisch 2005, S. 90; Tushman/Romanelli 1985, S. 171; Volberda, 1996, S. 359. Vgl. Tushman/O’Reilly 1996, S. 11. Vgl. Tushman/Romanelli 1985, S. 171. Vgl. Meyer/Stensaker 2006, S. 217. Vgl. exemplarisch Burgelman 1991, S. 239; Burgelman 2002, S. 325. Vgl. Burgelman 2002, S. 325.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
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beziehen und sich zum Teil nur hinsichtlich der verwendeten Terminologie unterscheiden.409 GHEMAWAT und RICART I COSTA unterscheiden statische und dynamische Effizienz, wobei sich erstere um Verbesserungen innerhalb bestehender Produkte, Prozesse und Fähigkeiten und letztere um die Entwicklung neuer Produkte, Prozesse und Fähigkeiten dreht.410 Ebenfalls fokussieren HAMEL und PRAHALAD sowie SANCHEZ, HEENE und THOMAS die Spannungen zwischen dem Einsatz und der Ausdehnung von Fähigkeiten als kritische Herausforderung im Hinblick auf die Generierung von Wettbewerbsvorteilen.411 Eine weitere Kategorisierung bilden VOLBERDA, BADEN-FULLER und VAN DEN BOSCH, indem sie zwischen auf Selektion einerseits und auf Adaption ausgerichtete strategische Aktivitäten unterscheiden.412 In dem Strom des Organisationsdesigns wird von Forschern seit jeher diskutiert, wie Effizienz einerseits und Flexibilität andererseits in Organisationen möglich werden.413 BURNS und STALKER sowie DUNCAN bringen in die Diskussion ein, dass organische Strukturen notwendig sind, um Innovationen hervorzubringen, und mechanistische, um Innovationen zu implementieren und ihre Wirkung zu entfalten.414 TUSHMAN und O’REILLY unterscheiden in dieser Perspektive zwischen Kurzfrist-Effizienz und Langzeit-Innovation.415 Wenngleich die Ausführungen in den letzten Paragraphen Unterschiede in den Interpretationen von Exploration und Exploitation innerhalb der und zwischen den verschiedenen Forschungsströmen offenlegen, ist perspektivenübergreifend sowohl die Übereinstimmung mit der Sicht von MARCH im Sinne der Notwendigkeit von der „exploration of new possibilities and the exploitation of old certainties“416 als auch der grundsätzlich gemeinsame definitorische Nenner zu erkennen. Diese Verwandtschaft der Perspektiven lässt sich an einem Gedankenspiel verdeutlichen. So ist die Entwicklung radikaler Innovation mit der Genera409 410 411 412 413 414 415 416
Vgl. Raisch/Birkinshaw 2008, S. 379. Vgl. Ghemawat/Ricart i Costa 1993, S. 59. Vgl. Hamel/Prahalad 1993, S. 75; Sanchez/Heene/Thomas 1996, S. 8. Vgl. Volberda/Baden-Fuller/van den Bosch 2001, S. 160. Vgl. Thompson 1967, S. 15; Burns/Stalker 1966, S. vii. Vgl. Burns/Stalker 1966, S. 96 ff.; Duncan 1976, S. 172 ff. Vgl. Tushman/O’Reilly 1996, S. 11. March 1991, S. 71.
70
Entwicklung des Untersuchungsmodells
tion neuen Wissens und dem Aufbau neuer Fähigkeiten verknüpft, was die Notwendigkeit der Etablierung neuer Abläufe und somit disruptiven Wandel mit sich bringt und Erfolg in der Zukunft ermöglicht. Da sich Gleiches für die Exploitation zeigen ließe, erscheint die Verwandtschaft und Vereinbarkeit der theoretischen Perspektiven somit unzweifelhaft. Im Einklang mit dieser Erkenntnis werden in Forschungsarbeiten in der Regel Erkenntnisse und Argumentationen aus verschiedenen Strömen in Abhängigkeit des konkreten Forschungsinteresses explizit oder implizit kombiniert oder aus einem in den anderen Strom übertragen.417 Auch in die vorliegende Arbeit fließen Erkenntnisse aus allen oben genannten Forschungsströmen ein, wenngleich der Perspektive der technologischen Innovation die höchste Aufmerksamkeit hinsichtlich der Formulierung der folgenden Arbeitsdefinitionen entgegengebracht wird und darüber hinaus besonderes Augenmerk auf die Berücksichtigung der spezifischen Charakteristika und Herausforderungen adoleszenter Unternehmen gelegt wird.418 Explorative Innovationen reagieren auf und lenken latente Umwelttrends mit der Entwicklung neuer Produkte und der Eröffnung neuer Märkte.419 Sie offerieren innovative Designs und kreative Arten der Bedürfnisbefriedigung.420 Sie basieren auf der Abkehr von altbekanntem Wissen und der Kreation neuer Wissensbasen und bilden neue Kompetenzen und Konzepte.421 Diese Aktivitäten zielen auf fundamentale Änderungen bzw. Neuerungen, die neue Produkte, Märkte, Konzepte und Technologien entstehen lassen.422 Das Engagement in Exploration hält die affektive Kongruenz aufrecht, spiegelt Flexibilität wieder und trägt somit zur Bewahrung der assets of newness bei.423
417 418
419
420 421 422 423
Vgl. exemplarisch die Arbeiten von Benner/Tushman 2003 und Tushman/O’Reilly 1996. In dieser Arbeit werden die Termini Exploration und explorative Innovation sowie Exploitation und exploitative Innovation synonym verwendet. Vgl. zu den spezifischen Charakteristika und Herausforderungen adoleszenter Organisationen Abschnitt 2.1. Vgl. He/Wong 2004, S. 483 f.; Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 648; Jansen/van den Bosch/Volberda 2006, S. 1662. Vgl. Abernathy/Clark 1985, S. 5; Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 656. Vgl. Nonaka 1994, S. 19; Levinthal/March 1993, S. 102. Vgl. Abernathy/Clark 1985, S. 5; Benner/Tushman 2003, S. 242 f.; Danneels 2002, S. 1095 f. Vgl. Abschnitt 2.1.2.2 und 3.3.3.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
71
Exploitative Innovationen reagieren auf bestehende Umweltbedingungen mit Verbesserungen bestehender Prozesse und Technologien.424 Sie erneuern somit etablierte Designs und vervollkommnen die bestehende Leistungserstellung, was auch zur Steigerung der Qualität des und zur Reduktion der Varianz des Leistungsergebnisses beiträgt.425 Sie basieren auf bestehendem Wissen und verstärken existente Fähigkeiten, Konzepte und Positionen.426 Diese Aktivitäten zielen auf Effizienzsteigerung, Kostenreduktion oder bessere Befriedigung von bekannten Bedürfnissen von Kunden und Märkten.427 Mit Exploitation geht folglich ein Zugewinn an Zuverlässigkeit, Rechenschaftsfähigkeit sowie Reproduzierbarkeit und somit ein Beitrag hinsichtlich der Überwindung der liabilities of newness einher.428 3.3.2 Balance von Exploration und Exploitation In Abschnitt 3.3.1 wurde herausgestellt, dass es sich bei Exploration und Exploitation um Zwillingskonzepte handelt, zwischen denen – der Prämisse von MARCH folgend – eine Balance angestrebt werden sollte, um das Überleben und die Prosperität von Unternehmen zu gewährleisten, wobei Exploitation die gegenwärtige und Exploration die zukünftige Lebensfähigkeit sichert.429 Diese Sichtweise wird über alle Forschungsströme hinweg grundlegend untermauert.430 So werden erfolgreiche Unternehmen als fähig beschrieben, eine Balance zwischen diskontinuierlicher und inkrementeller Innovation,431 Wandel und Bewahrung,432 Ausrichtung und Anpassung433 oder explorativer und exploitativer Innovation434 zu erzielen. Begründet wird dies damit, dass dauerhaft (zu) viel oder 424
425
426 427 428 429 430
431 432 433 434
Vgl. Abernathy/Clark 1985, S. 5; Anderson/Rungtusanatham/Schroeder 1994, S. 480; Lubatkin/ Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 655 f. Vgl. Abernathy/Clark 1985, S. 5; He/Wong 2004, S. 484; Jansen/van den Bosch/Volberda 2006, S. 1662. Vgl. auch Abschnitt 2.1.2.1. Vgl. Nonaka 1994, S. 19; He/Wong 2004, S. 484; Jansen/van den Bosch/Volberda 2006, S. 1662. Vgl. Abernathy/Clark 1985, S. 5; Benner/Tushman 2003, S. 242 f.; Danneels 2002, S. 1095 f. Vgl. auch die Abschnitte 2.1.2.1 und 3.3.3. Vgl. Abschnitt 3.3.1. Vgl. auch March 1991, S. 71; March/Levinthal 1993, S. 105. Vgl. March 1991, S. 71; Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 697 ff.; Tushman/O’Reilly 1996, S. 8; Brown/Eisenhardt 1997, S. 1; Hamel/Prahalad 1993, S. 75; Duncan 1976, S. 167. Vgl. Tushman 1997, S. 17. Vgl. Volberda 1996, S. 359. Vgl. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 209. Vgl. Jansen/van den Bosch/Volberda, 2006, S. 1661.
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Entwicklung des Untersuchungsmodells
(zu) radikaler Wandel zu organisationalem Chaos führt, während das Gegenteil organisationale Trägheit bedingt.435 TUSHMAN und O’REILLY führen dazu beispielsweise aus, dass ein „focus on either one of these skill sets is conceptually easy. Unfortunately, focusing on only one guarantees short-term success but long-term failure.”436 Sowohl der Vernachlässigung von Exploration als auch der von Exploitation werden folglich fatale Folgen zugeschrieben. Zwar existieren empirische Belege dafür, dass sich Unternehmen, die gleichzeitig nach den beiden entgegengesetzten Fokusse streben, im Vergleich zu anderen Unternehmen, die sich exklusiv auf den lukrativsten Teil des Portfolios konzentrieren, hinsichtlich des finanziellen Ertrags schlechter stellen.437 Auch erkennen Forscher an, dass ein einseitiger Fokus auf Exploitation die aktuelle finanzielle Performance in einer kurzfristigen Sichtweise erhöhen kann, jedoch weisen sie darauf hin, dass die Vernachlässigung von Exploration in einer langfristigen Perspektive in eine Kompetenz- bzw. Lernfalle führen kann, in der Unternehmen nicht mehr in der Lage sind, auf zukünftige Änderungen in der Umwelt adäquat zu reagieren.438 Um dauerhaften Erfolg zu sichern, empfiehlt BURGELMAN im Gleichklang mit dem Gros der Forscher in diesem Gebiet, dass „organizations may have to keep both processes in play at all times, even though this means that the organization never completely maximizes its efforts in the current domain.”439 Aus der Theoretisierung von MARCH ist jedoch nicht nur zu entnehmen, dass eine Balance von Exploration und Exploitation aus Unternehmenssicht erstrebenswert ist, es ist ebenfalls daraus abzuleiten, dass effiziente Exploitation und effektive Exploration fundamental inkompatibel zu sein scheinen.440 In verschiedenen Arbeiten liefert MARCH dafür diverse Argumente:441 Erstens stehen Exploration und Exploitation in Konkurrenz um begrenzte organisationale Ressourcen, was insbesondere bei jungen und heranwachsenden Unternehmen, bei denen
435 436 437 438 439 440
441
Vgl. Huy 2002, S. 31; Levinthal/March 1993, S. 95; Sastry 1997, S. 265 f. Tushman/O’Reilly 1996, S. 11. Vgl. van Looy/ Martens/ Debackere 2005, S. 210. Vgl. Ahuja/Lampert 2001, S. 523; Leonard-Barton 1992, S. 111. Burgelman 1991, S. 256. Vgl. March 1991, S. 71 ff. Diese Auffassung ist ebenfalls unter anderem zu finden bei Hannan/ Freeman 1977, S. 931; Miller/Friesen 1986, S. 51 f.; Uotila/Maula/Keil 2007, S. 13. Vgl. March 1991; 1996; 2006.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
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Ressourcenknappheit ein definitorisches Charakteristikum darstellt,442 von Bedeutung ist. Werden Ressourcen für Exploration eingesetzt, impliziert dies, dass weniger Ressourcen für Exploitation zur Verfügung stehen und vice versa. Zweitens sind sowohl Exploration als auch Exploitation sich selbst verstärkende Aktivitäten. Aufgrund der breiten Dispersion der möglichen Ergebnisse kann unterstellt werden, dass ein Großteil der Explorationen scheitert, was die Suche nach weiteren neuen Ideen und somit weiterer Exploration notwendig macht und als „failure trap“443 bezeichnet werden kann. Im Gegensatz dazu führt Exploitation oft zu schnellem Erfolg, was die Tendenz zu mehr Exploitation in derselben Trajektorie verstärkt und als „success trap“444 bezeichnet werden kann. Drittens unterscheiden sich die Denkmuster und organisationalen Routinen, die für Exploration förderlich sind, grundsätzlich von denen, die für Exploitation benötigt werden. MARCH führt dazu aus, dass „[e]xploiting interesting ideas often thrives on commitment more than thoughtfulness, narrowness more than breadth, cohesiveness more than openness.”445 Zusammengefasst liefert MARCH überzeugende Argumente dafür, dass das Zusammenspiel von Exploration und Exploitation davon geprägt ist, dass die beiden Aspekte im Konkurrenzkampf um begrenzte Ressourcen, Aufmerksamkeit und Denkmuster stehen, was sie zu zwei Enden eines Kontinuums macht. Wenngleich diese Logik überzeugend erscheint, liefern GUPTA, SMITH und SHALLEY Argumente, die eine Interpretation von Exploration und Exploitation als orthogonale und somit gleichzeitig zu erreichende Aktivitäten möglich machen:446 So verweisen sie darauf, dass nicht alle Ressourcen finit sind, sondern ebenfalls infinite Ressourcen wie Information und Wissen existieren,447 die eine bedeutende Rolle für erfolgreiche Exploration und Exploitation spielen. Ebenfalls kann die eigene, begrenzte interne Basis finiter Ressourcen durch externe Ressourcen erweitert werden (z. B. durch die Bildung strategischer Allianzen). Ebenfalls weisen sie darauf hin, dass die Exklusivität der Denkmuster und Routinen sich, 442 443 444 445 446 447
Vgl. Abschnitt 2.1. Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 695. Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 695. March 1996, S. 280. Vgl. Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 695 ff. Vgl. Shapiro/Varian 1998, S. 7 ff.
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Entwicklung des Untersuchungsmodells
wenn überhaupt, nur auf einzelne Domänen (Individuen, Abteilungen) bezieht. Durch die Kopplung verschiedener Domänen können auch hohe Level von Exploration bzw. Exploitation in einzelnen Domänen in Balance gebracht werden. So wird beispielsweise eine Balance zwischen Exploration und Exploitation erzielt, wenn neben Abteilungen im operativen Geschäft, die hauptsächlich auf Exploitation ausgerichtet sind, eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit einer Ausrichtung auf Exploration existiert. In empirischen Studien belegen sowohl ADLER, GOLDOFTAS und LEVINE als auch KNOTT, dass Exploration und Exploitation – in diesen Fällen in der Produktentwicklung und im Produktionsprozess von Toyota – koexistieren.448 Auch in anderen Kontexten belegen empirische Studien, dass Exploration und Exploitation als orthogonale Aktivitäten durchaus koexistieren und sich – entgegen der Annahme von MARCH – sogar gegenseitig positiv beeinflussen können.449 Als Beispiel für letzteres ist leicht nachvollziehbar, dass sich das im Zuge der Exploration gewonnene Wissen auch zur inkrementellen Verbesserung bestehender Produkte oder Prozesse einsetzen lässt. Es bleibt festzuhalten, dass sich nicht generell definieren lässt, ob es sich bei Exploration und Exploitation um orthogonale Aktivitäten oder zwei Enden eines Kontinuums handelt. Es ist davon auszugehen, dass Szenarien existieren, in denen Exploration und Exploitation sich gegenseitig negativ beeinflussen, unabhängig voneinander koexistieren, oder sich gegenseitig positiv beeinflussen. Aus einer praktischen Perspektive ist die Frage, inwieweit Exploration und Exploitation um Ressourcen konkurrieren müssen, dabei als Determinante von großer Relevanz. In den folgenden Abschnitten werden verschiedene Ansätze, wie Exploration und Exploitation in Einklang miteinander gebracht werden können, diskutiert, deren Verfolgung in unterschiedlichem Maße davon abhängt, ob Exploration und Exploitation sich gegenseitig negativ beeinflussen, unabhängig voneinander sind, oder sich gar wechselseitig befruchten. 448 449
Vgl. Adler/Goldoftas/Levine 1999, S. 64 f.; Knott 2002, S. 353. Vgl. O’Reilly/Tushman 2007, S. 2.; He/Wong 2004, S. 481; Jansen et al. 2005, S. 359 f., Nerkar 2003, S. 211; Floyd/Lane 2000, S. 154; Kuckertz/Kohtamäki/Droege gen. Körber im Erscheinen, o. P.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance 3.3.2.1
75
Punktualistisches Equilibrium
Nachdem im letzten Abschnitt die Notwendigkeit einer Balance zwischen den auf Exploration und den auf Exploitation ausgerichteten Aktivitäten aufgezeigt wurde, wird in diesem Abschnitt zunächst der Ansatz des punktualistischen Equilibrium diskutiert, der auf der Basis einer evolutionstheoretischen Perspektive darauf abzielt, die Balance durch ein periodisches Durchlaufen von Phasen der Exploration und der Exploitation zu erzielen. Während in frühen evolutionstheoretischen Arbeiten ein irreversibles Momentum ansteigender Bürokratisierung und Zielverdrängung postuliert wird,450 wird in späteren Arbeiten argumentiert, dass der Niedergang nicht ein unausweichliches Schicksal eines jeden Unternehmens ist und Phasen der Revitalisierung und Erneuerung immanente Bestandteile eines Unternehmenslebenszyklusmodells darstellen.451 Auf diesen Erkenntnissen aufbauend und der Theorie der durchbrochenen Gleichgewichte aus der Evolutionsbiologie nach ELDREDGE und GOULD452 nachempfunden, charakterisieren TUSHMAN und ROMANELLI das Modell des punktualistischen Equilibriums, das auch als Modell des punktualistischen Wandels bezeichnet wird und sich als solches als Ausgangsbasis populationsökologisch motivierter Arbeiten zum internen organisationalen Wandel etabliert hat,453 wie folgt: „Organizations evolve through convergent periods punctuated by reorientations (or recreations) which demark and set bearings for the next convergent period. Convergent periods refer to relatively long time spans of incremental change and adaptation. […] Reorientations are relatively short periods of discontinuous change.”454 450
451
452 453 454
Vgl. exemplarisch Merton 1949, S. 151 ff. Vgl. dazu auch Tushman/Romanelli 1985, S. 171 ff.; Hanks/Watson/Jansen/Chandler 1993, S. 12. Vgl. Tichy 1980, S. 164; Quinn/Cameron 1983, S. 44; Miller/Friesen 1984a, S. 1161; Hammer/ Champy 1994, S. 1. Vgl. Eldredge/Gould 1972, S. 82 ff. Vgl. Kieser/Woywode 2006, S. 332. Tushman/Romanelli 1985, S. 171.
76
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Im Modell des punktualistischen Equilibriums wird auf diesen Überlegungen aufbauend eine Balance zwischen Exploration und Exploitation durch ein „temporal cycling between long periods of exploitation and short bursts of exploration”455 angestrebt.456 In der Regel mit starkem Bezug zu dem Aufsatz von TUSHMAN und ROMANELLI wird heute in einer Reihe von Forschungsarbeiten ein periodisches Durchlaufen von Phasen der Konvergenz und Phasen der Neuorientierung als effektiver Ansatz zur Balance von Exploration und Exploitation gesehen.457 TUSHMAN und ROMANELLI stellen in ihrem richtungsweisenden Aufsatz heraus, dass zur Erzielung hoher Performance sowohl Adaption als auch Selektion notwendige Aktivitäten darstellen und dass deren Verfolgung in zeitlich getrennten Phasen der Konvergenz, in denen Adaption dominiert, und in Phasen der Reorientierung, in denen Selektion dominiert, erfolgt.458 In den Konvergenzphasen engagieren sich Unternehmen in Aktivitäten, die zu einer höheren Konsistenz der internen Operationen, höherer Verlässlichkeit und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bzw. Erzeugnisse sowie Verbesserung der Zielerreichung führen.459 Wenngleich derartige Aktivitäten als grundsätzlich positiv für die organisationale Performance und Überlebensfähigkeit anzusehen sind,460 resultiert daraus nicht zwangsläufig höhere Performance, da diese vornehmlich das Innere des Unternehmens fokussieren und diese Optimierungsbestrebungen die tatsächlichen Anforderungen der Unternehmensumwelt mitunter verfehlen.461
455 456
457
458 459 460 461
Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 698. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass von VENKATRAMAN, LEE und IYER ein Modell der sequentiellen Ambidexterität vorgeschlagen wird, das als „time-paced sequence of exploration and exploitation“ (2007, S. 8) definiert ist und somit ebenfalls eine zeitliche Trennung der Aktivitäten von Exploration und Exploitation intendiert. Die Autoren betrachten ausschließlich den „joint effect of exploration at time t-1 and exploitation at time t“ (2007, S. 8) und somit einen Spezialfall des punktualistischen Equilibriums. Vgl. Venkatraman/Lee/Iyers 2007. Wenngleich die Untersuchung dieser Abfolge intuitiv schlüssig erscheint, besteht in der vorliegenden Arbeit kein Grund zu einer Einschränkung der Konzeptreichweite, weshalb im weiteren Verlauf der Arbeit das allgemeinere Konzept des punktualistischen Equilibriums betrachtet wird. Vgl. exemplarisch die Arbeiten von Venkatraman/Lee/Iyer 2007; Gupta/Smith/Shalley 2006; Siggelkow/Levinthal 2003; Burgelman 2002; Vermeulen/Barkema 2001; Romanelli/Tushman 1994. Vgl. Tushman/Romanelli 1985, S. 177. Vgl. auch Volberda/Baden-Fuller/van den Bosch 2001, S. 160. Vgl. Tushman/Romanelli 1985, S. 177; Flier/van den Bosch/Volberda 2003, S. 2165. Vgl. Hannan/Freeman 1984, S. 154. Vgl. Tushman/Romanelli 1985, S. 178.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
77
Phasen der Neuorientierung zielen darauf ab, Inkonsistenzen in den Strukturen, Prozessen und Erzeugnissen des Unternehmens und vor allem in deren Abstimmung mit externen Erfordernissen zu überkommen und führen zu der nächsten Konvergenzperiode.462 In diesen seltenen und kurzen Phasen erfährt das Unternehmen revolutionäre Veränderungen als Reaktion auf grundlegende Veränderungen der Umweltbedingungen oder aufgrund einer durch das Unternehmen intendierten Änderung der Geschäftsumwelt.463 Wenngleich eine Neuorientierung ein erhöhtes Ausfallrisiko des Unternehmens mit sich bringt, da mit ihr eine Verringerung von Konsistenz, Verlässlichkeit und Reproduzierbarkeit einhergeht,464 stellt dieser Schritt eine Notwendigkeit dar, um das langfristige Überleben des Unternehmens zu sichern.465 In diesem Zusammenhang wird in der Literatur herausgestellt, dass eine lange Dauer sowie eine gute Performance in der vorangegangenen Konvergenzperiode das Ausfallrisiko des Unternehmens erhöht.466 Dies ist zunächst damit zu begründen, dass sich mit dem Andauern der Konvergenzphase und der wiederkehrenden Anwendung und Verfeinerung bestehender Prozesse, Strukturen und Systeme organisationale Trägheit im Unternehmen aufbaut und immer weiter verstärkt, was – beispielsweise bei einer diskontinuierlichen Änderung der Marktumwelt – die Fähigkeit zur Anpassung des Unternehmens an die neuen Bedingungen reduziert. Im Falle einer erfolgreichen Periode kann zusätzlich noch der Fall auftreten, dass die Notwendigkeit zur Anpassung des Unternehmens an die neuen Bedingungen verkannt wird,467 da das Unternehmen davon ausgeht, dass der vergangene und aktuelle Erfolg sich in der Zukunft fortschreiben wird. In der Literatur wird hier von einem Erfolgsparadoxon gesprochen, da
462 463 464
465 466 467
Vgl. Tushman/Romanelli 1985, S. 178 f. Vgl. Deeg/Weibler 2000, S. 165 f. Vgl. Hannan/Freeman 1984, S. 159 f.; Hannan/Freeman 1989, S. 246; Stinchcombe 1965, S. 148 ff. Vgl. Utterback 1994, S. 215 ff.; Romanelli/Tushman 1994, S. 1141; Tushman/Romanelli 1985, S. 178. Vgl. Tushman 1997, S. 16; Tushman/Romanelli 1985, S. 206. Vgl. Tushman 1997, S. 18.
78
Entwicklung des Untersuchungsmodells
der aktuelle und vergangene Erfolg den zukünftigen Niedergang veranlassen können.468 Wie oft ein Unternehmen die Konvergenzphase für eine Zeit der Neuorientierung verlässt, hängt nach TUSHMAN und ROMANELLI im Wesentlichen von der Wandelrate der Umweltbedingungen ab.469 Jedoch wird dem Unternehmen eine Neuorientierung – wie bereits weiter oben in diesem Abschnitt diskutiert – nicht nur durch wechselnde Anforderungen der externen Umwelt auferlegt, sondern kann mitunter durch unternehmensinterne Faktoren bewusst induziert werden. So finden ROMANELLI und TUSHMAN nicht nur einen Einfluss auf die Unternehmenstransformation durch einschneidende Änderungen in der Unternehmensumwelt, sondern ebenfalls durch einen Wechsel des Geschäftsführers.470 Neben einer Vielzahl an anekdotischen Argumentationen für die Verfolgung eines punktualistischen Equilibriums und dessen positiver Einflüsse auf die Unternehmensperformance471 bekräftigen LAVIE und ROSENKOPF in einer LängsschnittStudie mit 8469 Software-Unternehmen empirisch die Existenz von temporalen Wechseln zwischen Exploration und Exploitation.472 Ferner finden SIGGELKOW und LEVINTHAL in einer Simulationsstudie, ANDERSON und TUSHMAN in einer branchenübergreifenden Längsschnitt-Studie sowie VENKATRAMAN, LEE und IYER in einer Längsschnitt-Studie mit 1005 Software-Unternehmen empirische Belege für einen positiven Performanceeffekt des periodischen Durchlaufens von Phasen der Exploration und Phasen der Exploitation.473 468
469 470 471
472 473
Vgl. Tushman/O’Reilly 1996, S. 18; Tushman 1997, S. 18. Basierend auf dieser Grundaussage des ursprünglich auf Kimberly zurükgehenden paradox of success wird in der Literatur nicht nur – wie in diesem Fall von TUSHMAN und O’REILLY in den angegebenen Arbeiten – nach Konvergenz strebenden Organisationen geraten, Neuorientierungen nicht außer Acht zu lassen; vielmehr wird in einer Umkehrung der Denkrichtung in anderen Fällen mit Exploration erfolgreich gewordenen Organisationen nahe gelegt, das Streben nach Exploration zugunsten einer Fokussierung auf Effizienzsteigerung und Reproduzierbarkeit zu verwerfen. Vgl. exemplarisch Lodahl/Mitchell 1980, S. 201. Im Kontext der Diskussion um das punktualistische Equilibrium stellen diese beiden Sichtweisen zwei Seiten derselben Medaille dar. Vgl. zum paradox of success Kimberly 1979, S. 447 f.; Kimberly 1980a, S. 30 f. Vgl. Tushman/Romanelli 1985, S. 207 f. Vgl. Romanelli/Tushman 1994, S. 1141. Vgl. exemplarisch die Arbeiten von Gupta/Smith/Shalley 2006; Tushman/Romanelli 1985; Tushman/Newman/Romanelli 1986. Vgl. Lavie/Rosenkopf 2006, S. 805. Vgl. Siggelkow/Levinthal 2003, S. 665; Anderson/Tushman 1990, S. 604; Venkatraman/Lee/ Iyer 2007, S. 2.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance 3.3.2.2
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Strukturelle Ambidexterität
Nachdem im letzten Abschnitt aufgezeigt wurde, wie eine Balance zwischen Exploration und Exploitation im zeitlichen Verlauf erzielt werden kann, existieren in der Literatur ebenfalls Ansätze, die die parallele Durchführung von Exploration und Exploitation als Weg zur Balance fokussieren und in einer zunächst undifferenzierten Betrachtung unter dem Terminus Ambidexterität subsumiert werden können. Ambidexterität (auch Ambidextrie) bezeichnet im Wortursprung die Fähigkeit, beide Hände gleich geschickt einsetzen zu können474 und impliziert die Befähigung, gleichzeitig unterschiedliche Dinge tun zu können. In die Organisationsforschung wurde der Begriff von DUNCAN im Jahre 1976 eingeführt.475 Wenngleich sich DUNCAN auf die Notwendigkeit der Etablierung dualer Strukturen für das Management von Innovationen fokussierte, bezeichnet der Begriff heute in einer generelleren Verwendung die Fähigkeit einer Organisation, zwei verschiedene Dinge gleichzeitig zu tun476 und wird somit beispielsweise bei simultanem Engagement in Effizienz und Flexibilität,477 Differenzierung und Kostenreduktion478 oder globale Integration und lokale Sensibilität479 herangezogen.480 Das Ziel eines ambidexteren Unternehmens besteht dabei in der Erreichung von „alignment in its current operations while also adapting effectively to changing environmental demands.“481 Im engen Bezug zu der ursprünglichen Definition von DUNCAN hat sich in der Literatur das Konzept der strukturellen Ambidexterität entwickelt, das auf “developing structural mechanisms to cope with the competing demands faced by the organization for alignment and adaptability”482 oder in anderen Worten auf „spatial separation“483 setzt. 474 475 476 477 478 479 480
481 482 483
Vgl. Duden 2007, S. 57. Vgl. Duncan 1976, S. 167. Vgl. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 210. Vgl. Adler/Goldoftas/Levine 1999, S. 43. Vgl. Porter 1996, S. 63. Vgl. Bartlett/Ghoshal 1989, S. 132 ff. Eine umfangreiche Übersicht zu verbreiteten Aspekten von Ambidexterität ist zu finden bei Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen, o. P. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 210. Ebd., S. 211. Raisch/Birkinshaw 2008, S. 389.
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Entwicklung des Untersuchungsmodells
In dieser räumlich-strukturellen Lösung werden separate Einheiten gebildet, die sich entweder nur auf Exploration oder nur auf Exploitation konzentrieren, was darauf zielt, sicherzustellen, dass jede organisatorische Einheit gemäß den ihrer Aufgabenumwelt entsprechenden spezifischen Anforderungen konfiguriert ist.484 Diese strukturelle Spezialisierung unterstützt dabei auch die Aufrechterhaltung der unterschiedlichen Kompetenzen, die die inkonsistenten Anforderungen von Exploration und Exploitation verlangen.485 Dabei werden Art und Größe der Einheiten und somit das Ausmaß der räumlichen Trennung in der Literatur sehr unterschiedlich ausgelegt. So identifizieren ADLER, GOLDOFTAS und LEVINE innerhalb einer Geschäftseinheit zwei parallel arbeitende Gruppen, wobei eine Gruppe auf Exploration und die andere auf Exploitation spezialisiert ist, sodass in einer Geschäftseinheit Gruppen mit verschiedenen Ausrichtungen existieren.486 Dieser kleinzahligen Trennung steht eine Forschungsrichtung gegenüber, die sich in einer makroökonomischen Perspektive mit der Balance von Exploration und Exploitation auf dem Level des sozialen Systems anstatt mit Ambidexterität innerhalb einzelner Unternehmen beschäftigt. GUPTA, SMITH und SHALLEY liefern eine ansprechende Argumentation dafür, dass strukturelle Ambidexterität über (marktliche) Verbindungen zwischen Unternehmen und somit über Unternehmensgrenzen hinweg erzielt werden kann.487 Als Beispiel verweisen sie auf die Halbleiterindustrie, in der eine fortschreitende Disaggregation in fabriklose Unternehmen, die sich auf Forschung und Entwicklung und somit Exploration spezialisieren, einerseits und in fertigende Unternehmen, die sich auf die effiziente Auftragsfertigung und somit Exploitation konzentrieren, andererseits zu beobachten ist. Dabei produzieren und vermarkten die fertigenden Unternehmen die von den auf Forschung spezialisierten Unternehmen entwickelten Produkte. Mittlerweile ist eine Vielzahl von Arbeiten entstanden, die die Externalisierung entweder von Exploration und Exploitation durch Outsourcing oder Allianzen thematisieren.488 Wie 484 485 486 487 488
Vgl. Raisch/Birkinshaw 2008, S. 389 f. Vgl. Gilbert 2005, S. 742. Vgl. Adler/Goldoftas/Levine 1999, S. 43. Vgl. Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 699 f. Verwiesen sei hier auf die Arbeiten von Lavie/Rosenkopf 2006; Rothaermel/Deeds 2004; Holmqvist 2004; Baden-Fuller/Volberda 1997.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
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RAISCH und BIRKINSHAW in ihrer Arbeit zum Status quo der Forschung zur Ambidexterität hervorheben, bezieht sich der Großteil der Forschung jedoch auf die räumlich-strukturelle Trennung in Geschäftseinheiten oder in dem gesamten individuellen Unternehmen.489 Die Logik hinter struktureller Ambidexterität auf Ebene einer einzelnen Organisation beschreiben BENNER und TUSHMAN wie folgt: „Ambidextrous organization designs are composed of highly differentiated but weakly integrated subunits. While the exploratory units are small and decentralized, with loose cultures and processes, the exploitation units are larger and more centralized, with tight cultures and processes.”490 Während der grundsätzlichen Charakterisierung explorativer und exploitativer Einheiten von BENNER und TUSHMAN in der Literatur wenig Widerstand entgegengebracht wird, haben sich verschiedene Auffassungen entwickelt, inwieweit diese organisationalen Einheiten integriert sein sollen. Während sich viele Forscher der Auffassung von BENNER und TUSHMAN anschließen und sich für eine lose Kopplung von explorativen und exploitativen Einheiten aussprechen,491 argumentiert CHRISTENSEN, dass auf Exploration ausgerichtete Einheiten komplett von auf Exploitation ausgerichteten Einheiten separiert sein müssen, damit sie disruptive Innovationen entwickeln können.492 Im Gegensatz dazu empfehlen andere Forscher organisationale Architekturen, die nicht nur eine lose, sondern auch eine enge Kupplung kombinieren.493 Für eine gewisse Trennung spricht die Notwendigkeit unterschiedlicher Teamzusammensetzungen, Arbeitskulturen und Leistungsanreizen in den Einheiten494 sowie die bereits weiter oben erwähnte Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von den für Exploration bzw. Exploitation benötigten spezifischen Kompetenzen.495 Vor dem Hintergrund, dass beide Arten von Subeineinheiten einem gemeinsamen Unternehmensziel dienen sowie Re489 490 491 492 493 494 495
Vgl. Raisch/Birkinshaw 2008, S. 389. Benner/Tushman 2003, S. 247. Vgl. exemplarisch Levinthal 1997, S. 934 f.; Leonard-Barton 1995, S. 74 ff.; Weick 1976, S. 1. Vgl. Christensen 1997, S. 217. Vgl. O’Reilly/Tushman 2004, S. 76 f.; Bradach 1997, S. 276. Vgl. O’Reilly/Tushman 2004, S. 76. Vgl. Gilbert 2005, S. 742.
82
Entwicklung des Untersuchungsmodells
dundanzen und Inkonsistenzen vermieden werden sollen, muss eine strategische Integration der Aktivitäten jedoch in diesem Fall auf übergeordneter Ebene beispielsweise durch die Koordination durch das Senior-Management oder durch eine geteilte, unternehmensweite Unternehmenskultur gewährleistet sein.496 Eine auf diese Art organisierte Ambidexterität „allows cross-fertilization among units while preventing cross-contamination.”497 3.3.2.3
Kontextuelle Ambidexterität
Nachdem im letzten Abschnitt thematisiert wurde, wie Ambidexterität in einem Unternehmen durch eine räumlich-strukturelle Trennung von Exploration und Exploitation in Form von spezialisierten Einheiten, die einem gemeinsamen Ziel dienen, erreicht werden kann, wird dem strukturellen Ansatz in diesem Abschnitt das auf GIBSON und BIRKINSHAW zurückgehende Konzept der kontextuellen Ambidexterität gegenübergestellt, das von ihnen wie folgt charakterisiert wird: „The concept of contextual ambidexterity differs markedly from the traditional concept of structural ambidexterity because the former is best achieved not through the creation of dual structures, but by building a set of processes or systems that enable and encourage individuals to make their own judgments about how to divide their time between conflicting demands for alignment and adaptability.”498 Kontextuelle Ambidexterität kann folglich als Gegenkonzept zu dem strukturellen Ansatz interpretiert werden, das darauf abzielt, die mit struktureller Separation assoziierten Probleme wie Isolation der Forschungs- und Entwicklungsabteilung oder mangelnde Akzeptanz oder Eignung der von diesen Abteilungen entwickelten Innovationen im Kerngeschäft zu vermeiden.499 Kontextuelle Ambidexterität wird als „meta-level capacity (for alignment and adaptability)”500 betrachtet, die alle Funktionen und Bereiche einer Arbeitsein496 497 498 499 500
Vgl. O’Reilly/Tushman 2004, S. 76; Gary 2003, S. 6. O’Reilly/Tushman 2004, S. 77. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 210. Vgl. Birkinshaw/Gibson 2004, S. 49. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 210.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
83
heit durchdringt und damit von dualen Strukturen, in denen die inkonsistenten Anforderungen von Exploration und Exploitation isoliert bleiben, abzugrenzen ist. Dabei wird von Unternehmensmitgliedern erwartet, dass sie fähig und willens sind zu „wearing more than one hat.”501 Zu diesem Multitasking gehört, dass jedes Individuum in einer Einheit sowohl Wert für das Tagesgeschäft in seinem Funktionsbereich schafft, als auch auf der Suche nach Optimierungspotentialen und neuen Gelegenheiten in seiner Aufgabenumwelt ist, und Wandlungsprozesse in Gang setzt.502 Diese Form der Ambidexterität geht mit einer Änderung der Anforderungen an das Individuum einher. So sehen BIRKINSHAW und GIBSON das ideale Unternehmensmitglied in dem Umfeld der strukturellen Ambidexterität als Spezialist und in der kontextuellen Ambidexterität als Generalist.503 Wie LEANNE und BARRY herausstellen, ist davon auszugehen, dass das parallele Streben nach Stabilität und Kontinuität einerseits und Fluidität und Wandel andererseits in dem Individuum verankert ist: Individuals seek both stability and fluidity in navigating the currents of organizational life: we wish many aspects of our lives within social systems to be stable and predictable in order to maintain a coherent self-concept, to smooth interpersonal transactions, and to manage daytoday experiences free of the anxieties of change and upheaval. At the same time, individuals seek stimulative variation and change in order to propel personal achievement and ward off boredom—an unpleasant ephemeral state that has been linked to job dissatisfaction, turnover, and performance decline.504 Zweifelsohne trifft diese Charakterisierung nicht auf jedes Individuum zu; jedoch spiegelt sie die Personalbedürfnisse junger, heranwachsender Unternehmen wider, in denen nicht davon ausgegangen werden kann, dass die notwendigen
501 502 503 504
Birkinshaw/Gibson 2004, S. 49. Vgl. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 210. Vgl. Birkinshaw/Gibson 2004, S. 50. Leana/Barry 2000, S. 756. Vgl. auch Huy 2002, S. 31.
84
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Ressourcen zur Einrichtung verschiedener Abteilungen für das Kerngeschäft einerseits und die Forschung und Entwicklung andererseits bestehen.505 In der Literatur werden zahlreiche Wege aufgezeigt, wie die Befähigung und Bereitschaft von Individuen zu ambidexterem Handeln erhöht werden kann. So heben LEANA und VAN BUREN Vertrauen in das, Unterstützung durch das und Identifikation mit dem Unternehmen als kritische Faktoren hervor.506 Ähnlich betrachten GIBSON und BIRKINSHAW die Kombination aus Elastizität, Disziplin, Unterstützung und Vertrauen in dem Unternehmen als zielfördernd.507 HUY erachtet dabei Emotionsmanagementaktivitäten des Managements als wichtig, um die Balance zwischen Exploration und Exploitation auf der Individualebene zu fördern,508 während ADLER, GOLDOFTAS und LEVINE Meta-Routinen und JobEnrichment509 und BARTLETT und GHOSHAL die Entwicklung einer gemeinsamen Vision510 betonen. Es wird deutlich, dass die Aufgabe der Führungsebene nicht in der Schaffung von Strukturen, sondern vielmehr in der Entwicklung eines unterstützenden Kontexts besteht, der das Verhalten der Individuen in dem Unternehmen prägt.511 Dieser Kontext soll derart gestaltet sein, dass alle Unternehmensmitglieder in die Lage versetzt und motiviert werden, für sich selbst zu entscheiden, wie sie ihre Zeit optimal zwischen den konfliktären Anforderungen von Exploration und Exploitation aufteilen.512 In einer Studie von 41 Geschäftseinheiten finden GIBSON und BIRKINSHAW empirische Unterstützung für die Möglichkeit, kontextuelle Ambidexterität zu erzie505
506 507 508 509 510 511 512
Vgl. Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen, o. P. Vgl. auch Abschnitt 2.1. An dieser Stelle sei dem die Leser darüber hinaus die Lektüre der Studie von LOMBERG empfohlen, die die Personalproblematik junger Wachstumsunternehmen adressiert und aufzeigt, was qualifizierte Arbeitnehmer veranlasst, bei kleinen und jungen Unternehmen eine Tätigkeit aufzunehmen und dort zu verbleiben resp. wie derartige Unternehmen qualifizierte Arbeitnehmer gewinnen und halten können. Vgl. die Arbeit von Lomberg 2008. Vgl. Leana/van Buren 1999, S. 538. Vgl. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 209. Vgl. auch Ghoshal/Bartlett 1994, S. 95 ff. Vgl. Huy 2002, S. 31. Vgl. Adler/Goldoftas/Levine 1999, S. 45. Vgl. Bartlett/Ghoshal 1989, S. 176. Vgl. Ghoshal/Bartlett 1994, S. 91; Gibson/Birkinshaw 2004, S. 223. Vgl. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 211.
Explorative und exploitative Innovation und deren Balance
85
len sowie einen positiven Einfluss auf Performance.513 Auch MCDONOUGH und LEIFER identifizieren den simultanen Einsatz verschiedener Ausrichtungen innerhalb einer Arbeitsgruppe514 und untermauern damit die Möglichkeit der Etablierung kontextueller Ambidexterität. 3.3.3 Exploration und Exploitation im Kontext des Corporate Entrepreneurships Nachdem in den letzten Abschnitten die Konzepte Exploration und Exploitation eingeführt, die Notwendigkeit einer Balance der beiden Aktivitäten diskutiert und verschiedene Ansätze zur Erreichung dieser Balance präsentiert wurden, werden in diesem Abschnitt Exploration und Exploitation in das Themenfeld des Corporate Entrepreneurships eingebettet. Bisher werden die Zwillingskonzepte Exploration und Exploitation üblicherweise im Hinblick auf etablierte Unternehmen wie beispielsweise IBM oder Seiko angewendet und zielen dort in erster Linie darauf ab, bestehende organisationale Trägheit zu kurieren.515 Allerdings besteht kein konzeptimmanenter Grund, Exploration und Exploitation nicht auf junge Unternehmen anzuwenden und dabei das Ziel zu verfolgen, Unternehmen vor entstehender organisationaler Trägheit zu bewahren.516 Der Wert einer Einbettung der Forschung zu Exploration und Exploitation in den Entrepreneurshipkontext wird insbesondere dann klar ersichtlich, wenn die beiden Konzepte aus der Perspektive der technologischen Innovation betrachtet und somit als explorative und exploitative Innovationen aufgefasst werden.517 Zunächst ist zu konstatieren, dass in der Literatur weitestgehend Einigkeit darüber herrscht, dass Innovation ein zentraler Bestandteil einer jeden Definition von Entrepreneurship oder Corporate Entrepreneurship ist.518 Darüber hinaus stellen 513 514 515 516 517 518
Vgl. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 209. Vgl. McDonough/Leifer 1983, S. 727. Vgl. Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen, o. P. Vgl. ebd., o. P. Vgl. Abschnitt 3.3.1 Vgl. Schumpeter 1911/1934, S. 64 ff.; Miller 1983, S. 770; Zajac/Golden/Shortell 1991, S. 170; Guth/Ginsberg 1990, S. 7; Lumpkin/Dess 1996, S. 142 f.; Covin/Miles 1999, S. 47; Dess/ Lumpkin 2005b, S. 3; Jukunc 2007, S. 388.
86
Entwicklung des Untersuchungsmodells
das Experimentieren mit neuen Alternativen und somit explorative Innovation als auch die kontinuierliche Verbesserung und Verfeinerung bestehender Lösungen und somit exploitative Innovation bedeutende entrepreneuriale Aktivitäten in Unternehmen dar, um die gegenwärtige und zukünftige Lebensfähigkeit zu gewährleisten.519 Diese Sichtweise steht im Einklang mit den Ausführungen in Abschnitt 3.3.2, denen zu entnehmen ist, dass sowohl explorative und exploitative Innovationen für den dauerhaften Unternehmenserfolg wichtige Aktivitäten darstellen, da exploitative Innovationen Verbesserungen an bestehenden Prozessen und Technologien, die zu Effizienzsteigerungen, Kostenreduktion oder besserer Befriedigung von bekannten Kundenbedürfnissen führen, als auch explorative Innovationen, die sich auf fundamentale Änderungen bzw. Neuerungen beziehen, die neue Produkte, Märkte, Konzepte und Technologien entstehen lassen und latente Bedürfnisse aufkommender Kunden bedienen.520 Unter Einbezug der spezifischen Herausforderungen junger und heranwachsender Unternehmen kann der Zusammenhang weiter aufgeschlüsselt werden. Unternehmen, die die Startup-Phase erfolgreich überstanden haben, stehen vor der Herausforderung, die „liabilities of newness“521 und „liabilities of adolescence“522 zu überwinden, die sich im Vergleich zur etablierten Konkurrenz in unterlegenen Prozessen, Strukturen und Operationen und somit in der reduzierten Fähigkeit, das gegenwärtige Geschäft effizient durchzuführen, manifestieren, ohne die „assets of newness,“523 also im Vergleich zur etablierten Konkurrenz höhere Affekt-Kongruenz, Flexibilität und Fähigkeit, effektiv neue Geschäftsgelegenheiten wahrzunehmen, zu verlieren. Um die Nachteile zu überwinden, müssen heranwachsende Unternehmen Gebrauch von bestehenden Kompetenzen machen, um effiziente Prozesse zu implementieren und kontinuierlich zu optimieren und somit die Effizienz zu steigern, Kosten zu reduzieren und die Kundenbefriedigung zu verbessern, was in der Literatur der technologi-
519
520 521 522 523
Vgl. March 1991, S. 71; Levinthal/March 1993, S. 105; Brazeal/Herbert 1999, S. 36 ff.; Kollmann/Stöckmann 2008b, o. P.; Schindehutte/Morris 2009, S. 241 ff. Vgl. Abschnitt 3.3.1 Stinchcombe 1965, S. 148. Vgl. auch Abschnitt 2.1.2.1. Brüderl/Schüssler 1990, S. 530. Vgl. auch Abschnitt 2.1.2.1. Choi/Shepherd 2005, S. 575. Vgl. auch Abschnitt 2.1.2.2.
Verwendung der Ergebnisse: Ableitung des Modells
87
schen Innovation als Exploitation bezeichnet werden kann.524 Ebenso sollten sie ihre Vorteile nutzen, neue Ideen und Kompetenzen generieren und neue Produkte und Leistungen entwickeln, was in der Literatur als Exploration bezeichnet werden kann.525 Vor diesem Hintergrund ist abschließend zu konstatieren, dass die mit den Zwillingskonzepten Exploration und Exploitation transportierten Aktivitäten sowohl die spezifischen Herausforderungen junger, heranwachsender Unternehmen gerecht werden,526 was im Falle der vorliegenden Arbeit von besonderer Relevanz ist, aber vor dem Hintergrund der Ausführungen in Abschnitt 3.3.2 auch allgemein tatsächliche entrepreneuriale Aktivitäten in bestehenden Unternehmen sowohl in Form der Neukombination von Ressourcen im SCHUMPETERschen Sinne527 als auch in Form des von LUMPKIN und DESS als „essential act of entrepreneurship“528 bezeichneten „new entry,“529 also dem Eintritt in neue bzw. der Schaffung von neuen Produkt-Markt-Kombinationen, adäquat widerspiegeln.530 Demzufolge ist davon auszugehen, dass die explizite Betrachtung explorativer und exploitativer Innovationen im Entrepreneurshipkontext dazu beitragen kann, den Einfluss von Entrepreneurship auf die organisationale Performance zu erklären.531 3.4 Verwendung der Ergebnisse: Ableitung des Modells Das Ziel dieses Abschnitts besteht in der Synthese der bisher gewonnenen Erkenntnisse und darauf basierend in der Konstruktion eines konzeptionellen Modells, das der Hypothesenbildung und der anschließenden empirischen Untersuchung zugrunde gelegt wird. 524 525
526 527
528 529 530
531
Vgl. He/Wong, 2004, S. 483 f.; Benner/Tushman 2003, S. 242 f. Vgl. auch Abschnitt 3.3.1. Vgl. Choi/Shepherd 2005, S. 592; He/Wong, 2004, S. 483 f.; Benner/Tushman 2003, S. 242 f. Vgl. auch Abschnitt 3.3.1. Vgl. Abschnitt 2.1. Vgl. zu dem SCHUMPETERschen Innovationsverständnis Schumpeter 1911/1934, S. 64 ff. Vgl. auch Moran/Ghoshal 1999, S. 392 f. Lumpkin/Dess 1996, S. 136. Ebd., S. 136. Vgl. hierzu auch Abschnitt 3.2.1. Auch BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND heben die Bedeutung dieser beiden Aspekte für ein direktes Maß von Entrepreneurship in der Forschung zum organisationalen Entrepreneurship hervor. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 964. Diese Feststellung wird in den Hypothesen in Abschnitt 4.2 erneut aufgegriffen.
88
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Wie bereits diskutiert wurde, wird in der Literatur angenommen, dass ein Wirkungszusammenhang zwischen einer entrepreneurialen Orientierung und der Unternehmensperformance besteht.532 Allerdings legen, wie ebenfalls bereits thematisiert, widersprüchliche Befunde hinsichtlich der Signifikanz der Wirkungsbeziehung nahe, dass die exklusive Analyse von direkten Effekten der entrepreneurialen Orientierung auf Performance ein unvollständiges Bild der Wirkungsbeziehung zeichnet.533 Aus diesem Grund widmet sich diese Arbeit neben der Konzeptualisierung und Operationalisierung der entrepreneurialen Orientierung an sich und einer Analyse einer direkten Beeinflussung der Performance der Betrachtung von für die Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance relevanten Interrelationen mit anderen Variablen mit dem Ziel, komplexere Wirkungszusammenhänge zu identifizieren.534 In der Vergangenheit wurden bereits in verschiedenen Arbeiten Versuche unternommen, den Einfluss der entrepreneurialen Orientierung auf Performance durch die Analyse von Kontingenzen und Konfigurationen besser zu erklären.535 Betrachtet wurden dabei verschiedene unternehmensinterne und -externe Faktoren sowie deren Kombinationen. Bisher weitestgehend unberücksichtigt geblieben ist es jedoch, die Ursache für die unterschiedlichen Resultate hinsichtlich der Performancewirkung in dem Basiskonzept der entrepreneurialen Orientierung selbst zu suchen.536 Wie in Abschnitt 3.2.1 offen gelegt wurde, spiegelt die entrepreneuriale Orientierung vielmehr die Disposition zu entrepreneurialer Aktivität, als die eigentliche entrepreneuriale Aktivität selbst wider und es erscheint intuitiv sinnvoll, davon auszugehen, dass die Erklärungsmacht des organisationalen Entrepreneurships sinkt, wenn eine entrepreneuriale Orientierung nicht in entrepreneuriale Aktivität umgesetzt wird, d. h. die entrepreneuriale Orientierung
532
533
534 535
536
Vgl. Abschnitt 2.2.1. Vgl. dazu auch den Beitrag zum Status quo der Forschung zur entrepreneurialen Orientierung und ihrer Beziehung zur Unternehmensperformance Rauch/Wiklund/ Lumpkin/Frese 2009. Vgl. dazu insbesondere die Abschnitte 1.2 und 2.2.2. Vgl. dazu erneut auch die Arbeit von Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009. Vgl. Abschnitt 1.2. Exemplarisch sei hier auf den Aufsatz von Wiklund/Shepherd 2005 und die dort referenzierten Arbeiten verwiesen. Eine Ausnahme ist Eliasson/Davidsson 2003, o. P.
Verwendung der Ergebnisse: Ableitung des Modells
89
gar nicht, wie intendiert, zu einem „new entry“537 oder einer Neukombination von Ressourcen im SCHUMPETERschen Sinne538 führt.539 Aus diesem Grund wird die klassischerweise untersuchte, direkte Beziehung von entrepreneurialer Orientierung und Performance540 um eine indirekte Betrachtungsweise erweitert, der zugrunde liegt, dass entrepreneuriale Orientierung tatsächliche entrepreneuriale Aktivität und letztere die Unternehmensperformance beeinflusst. Als Indikatoren für entrepreneuriale Aktivität werden dabei die Zwillingskonzepte explorative und exploitaitve Innovation verwendet, da diese – wie in Abschnitt 3.3.3 gezeigt wurde – nicht nur den spezifischen Herausforderungen junger, heranwachsender Unternehmen gerecht werden, sondern ebenfalls tatsächliche entrepreneuriale Aktivität in bestehenden Unternehmen widerspiegeln. Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Exploration und Exploitation bereits als Vorläufer überlegener Unternehmensperformance bewährt haben und sich die beiden Aktivitäten durch den organisationalen Kontext beeinflussen lassen,541 weshalb durchaus davon ausgegangen werden kann, dass sie sich gut in den Kontext dieser Arbeit einfügen.542 Aus den Abschnitten 3.2.2 und 3.2.3 geht hervor, dass sich eine entrepreneuriale Orientierung aus den Dimensionen Risikoneigung, Innovativität, Proaktivität, Autonomie, Wettbewerbsaggressivität und Gelegenheitsorientierung konstituiert, die einzelnen Dimensionen unabhängig voneinander variieren können und dass von verschiedenen Einflüssen auf Variablen wie Innovation und Performance dieser Dimensionen auszugehen ist. Ferner wurde in Abschnitt 3.3.2 festgestellt, dass Exploration und Exploitation mitunter unterschiedlich von Charakteristika des organisationalen Kontextes beeinflusst werden. Im Einklang mit den grundlegenden Definitionen und dem Ziel, zu verhindern, dass individuelle Effekte 537 538
539
540 541
542
Lumpkin/Dess 1996, S. 136. Vgl. zu dem SCHUMPETERschen Innovationsverständnis Schumpeter 1911/1934, S. 64 ff. Vgl. auch Moran/Ghoshal 1999, S. 392 f. Von einem derartigen Automatismus kann vor dem Hintergrund der in Abschnitt 2.2.2 geführten Diskussion um die Einstellungs-Verhaltens-Hypothese nicht ausgegangen werden. Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. für eine umfassende Darstellung verschiedener Forschungsergebnisse den Beitrag zum Status quo der Forschung zu organisationaler Ambidexterität von Raisch/Birkinshaw 2008. Dieser Aussage liegt die Feststellung zugrunde, dass eine hohe entrepreneuriale Orientierung einen entrepreneurialen organisationalen Kontext repräsentiert. Vgl. Abschnitt 3.2.
90
Entwicklung des Untersuchungsmodells
durch die Aggregation von Dimensionen verdeckt und somit um den größtmöglichen Erkenntnisgewinn zu erzielen, werden die individuellen Effekte aller Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf die beiden unternehmerische Aktivität widerspiegelnden Konzepte Exploration und Exploitation und deren Einfluss auf Performance untersucht. Abbildung 7 fasst die in diesem Abschnitt getätigten Überlegungen anschaulich in dem dieser Arbeit zugrunde liegenden konzeptionellen Modell zusammen. Abbildung 7 Konzeptionelles Modell dieser Arbeit Orientierung
Verhalten
Ergebnis
Risikoneigung
Innovativität
Exploration
Proaktivität Performance Wettbewerbsaggressivität
Autonomie
Gelegenheitsorientierung
Exploitation
Herleitung der Hypothesen
91
4 Herleitung der Hypothesen Aufbauend auf den dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungsfragen,543 den konstitutiven Merkmalen und den resultierenden spezifischen Herausforderungen des Forschungsobjektes,544 den Beiträgen der verschiedenen theoretischen Ansätze545 sowie der Synthese der bisher gewonnenen Forschungserkenntnisse546 dient dieses Kapitel vor dem Hintergrund des konzeptionellen Modells547 der Formulierung der anschließend empirisch zu überprüfenden Untersuchungshypothesen. Abbildung 8 stellt die Einordnung des Kapitels 4 in den Gesamtzusammenhang der Arbeit sowie dessen grundlegenden Inhalte und zu erwartende Teilergebnisse dar. Abbildung 8 Einordnung von Kapitel 4 in den Gang der Arbeit Kapitel 1
Einleitung
Kapitel 2
Theoretischer Bezugsrahmen
Kapitel 3
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Kapitel 4
Herleitung der Hypothesen
• Dimensionalität der entrepreneurialen Orientierung • Mediierende Effekte • Direkte Effekte
Empirisch zu prüfende Hypothesen
Kapitel 5
Empirische Untersuchung
Kapitel 6
Diskussion, Konklusion und Ausblick
543 544 545 546 547
Vgl. Abschnitt 1.2. Vgl. Abschnitt 2.1. Vgl. Abschnitt 2.2. Vgl. Abschnitt 3.4. Vgl. Abbildung 7.
92
Herleitung der Hypothesen
Dabei widmet sich Abschnitt 4.1 zunächst den Hypothesen zu der dimensionalen Struktur der entrepreneurialen Orientierung. In Abschnitt 4.2 werden mediierende Effekte explorativer und exploitativer Innovationen postuliert. Individuelle Wirkungsbeziehungen zwischen explorativen und exploitativen Innovationen und Unternehmensperformance sowie zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung sowie explorativer und exploitativer Innovationen werden in den Abschnitten 4.3 und 4.4 behandelt. 4.1 Dimensionalität der entrepreneurialen Orientierung Wenngleich sich, wie bereits in der Diskussion der bisherigen Forschung um die uni- bzw. multidimensionale Interpretation der entrepreneurialen Orientierung in Abschnitt 3.2.3 dargestellt, Verfechter einer unidimensionalen Sichtweise mit Bezug auf die Konzeption von MILLER548 einer individuellen Betrachtung der Dimensionen und ihrer Einflüsse verweigern, wird – nicht zuletzt aufgrund der ebenfalls bereits in Abschnitt 3.2.3 dargestellten anekdotischen und empirischen Evidenz für die Überlegenheit des multidimensionalen Ansatzes im Hinblick auf die Erklärungsmächtigkeit bezüglich abhängiger Variablen, wie beispielsweise Performance, und somit einer hohen praktischen Relevanz für die Wissenschaft und insbesondere auch die unternehmerische Praxis – in dieser Arbeit eine multidimensionale Perspektive verfolgt. Da sich aufgrund der Vielzahl der bereits existierenden Arbeiten und der Unvereinbarkeit der Diskussionsansätze an dieser Stelle kaum ein Forschungsfortschritt erzielen lässt, wird auf die explizite Adressierung dieser Thematik in Form einer Hypothese verzichtet. Vielmehr wird hinsichtlich der Dimensionalität der entrepreneurialen Orientierung die Frage adressiert, ob weitere Dimensionen, jenseits der drei von COVIN und SLEVIN vorgeschlagenen,549 die Erklärungsmächtigkeit der entrepreneurialen Orientierung hinsichtlich abhängiger Variablen, wie Performance oder Innovationen, erhöhen können. Im Rahmen dieser Arbeit soll zunächst die Sinnhaftigkeit der Berücksichtigung der zusätzlichen Dimensionen Autonomie der Mitarbeiter und Wettbewerbsaggressivität überprüft werden. Wenngleich die Erweiterung 548 549
Vgl. zu dieser Konzeption Abschnitt 3.2.1. Vgl. zu diesen Dimensionen Abschnitt 3.2.1.
Dimensionalität der entrepreneurialen Orientierung
93
der klassischen Konzeption um diese beiden Dimensionen bereits von LUMPKIN und DESS in die Literatur eingeführt wurde550 und somit keine Theorieerweiterung an sich darstellt, existiert in der Literatur ein Mangel an empirischen Bewährungsproben des fünfdimensionalen Ansatzes,551 sodass eine Theorieprüfung an dieser Stelle einen Beitrag zum Forschungsfortschritt liefern kann. Im Einklang mit LUMPKIN und DESS wird postuliert, dass der Ansatz der zusätzlichen Berücksichtigung der zuvor genannten Dimensionen dem klassischen Ansatz überlegen ist. Sie argumentieren, dass die drei klassischen Elemente nicht ausreichend sind, um eine entrepreneuriale Grundhaltung im Unternehmen angemessen zu erfassen.552 So besteht in der Literatur weitestgehend Einigkeit darüber, dass entrepreneuriales Handeln in Unternehmen voraussetzt, dass den individuellen Unternehmensmitgliedern Freiraum für autonome Aktivitäten gewährt wird, da jede entrepreneuriale Aktivität ihren Ursprung in autonomen und kreativen Prozessen von Individuen hat.553 Jedoch wird diesem Umstand in den klassischen Dimensionen der EO nicht explizit Rechnung getragen, was dessen Erklärungsmacht einschränkt. Ferner heben LUMPKIN und DESS hervor, dass das klassische Element Proaktivität zwar das Bestreben eines Unternehmens widerspiegelt, zukünftige Entwicklungen und Kundenbedürfnisse zu antizipieren und darauf basierend neue Gelegenheiten vor dem Wettbewerb zu ergreifen, es jedoch keine Aussagen über den Umgang mit Bedrohungen durch Wettbewerber macht.554 Dem hingegen spiegelt Wettbewerbsaggressivität ergänzend wider, in welchem Ausmaß Unternehmen in anderen Unternehmen Rivalen sehen, die ihren aktuellen oder zukünftigen Markterfolg bedrohen, und daher danach streben, diese zu übertrumpfen und aus dem Markt zu drängen.555 Mit dem Fokus auf die Wettbewerber wird nicht nur ein wichtiger weiterer Faktor gemäß Wettbewerbsmodellen wie dem Five-Forces-Modell von PORTER berücksichtigt,556 sondern ebenfalls dem bis dato unberücksichtigten Teilaspekt „beating com550 551 552 553 554 555 556
Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. Lumpkin/Cogliser/Schneider 2009, S. 47. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 139 f. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.2.1. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.2.1. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 433 ff. Vgl. Porter 1979, S. 137 ff.
94
Herleitung der Hypothesen
petitors to the punch“557 aus der klassischen EO-Definition von MILLER Rechnung getragen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass von der zusätzlichen Berücksichtigung der von LUMPKIN und DESS vorgeschlagenen Definitionen ein erhöhter Erklärungswert ausgeht. Darüber hinaus wurde bereits in Abschnitt 3.2.2 eine zusätzliche Erweiterung des Konstruktes der entrepreneurialen Orientierung in Form der Gelegenheitsorientierung vorgeschlagen. Wie dort ebenfalls bereits diskutiert, erscheinen sowohl die drei- als auch die fünfdimensionale Konzeptualisierung nicht umfassend genug, insbesondere in der Hinsicht, dass die direkte und explizite Berücksichtigung der organisationalen Orientierung im Hinblick auf das Erkennen und Ausschöpfen unternehmerischer Gelegenheiten fehlt, obwohl sich – wie in dem genannten Abschnitt ebenfalls behandelt – als Konsens herausgebildet zu haben scheint, dass unternehmerische Gelegenheiten den Kern von Entrepreneurship ausmachen. Vor diesem Hintergrund wird postuliert, dass von der expliziten Berücksichtigung des Strebens nach Gelegenheiten in Form der Gelegenheitsorientierung ein zusätzlicher Erklärungswert ausgeht. Vor diesem Hintergrund ergeben sich die beiden Hypothesen wie folgt: Hypothese 1a: Ein Modell, das die Autonomie der Mitarbeiter und die Wettbewerbsaggressivität als zusätzliche Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung berücksichtigt, ist einem Modell, dass nur die Dimensionen Innovativität, Risikoneigung und Proaktivität berücksichtigt, überlegen. Hypothese 1b: Ein Modell, das die Gelegenheitsorientierung als zusätzliche Dimension der entrepreneurialen Orientierung berücksichtigt, ist einem Modell, dass nur die Dimensionen Innovativität, Risikoneigung, Proaktivität, Autonomie der Mitarbeiter und Wettbewerbsaggressivität berücksichtigt, überlegen.
557
Miller 1983, S. 771.
Mediierende Effekte explorativer und exploitativer Innovationen
95
4.2 Mediierende Effekte explorativer und exploitativer Innovationen Vor dem Hintergrund der aus Abschnitt 3.2.1 gewonnenen Erkenntnis, dass das Konzept der EO sowie insbesondere die MCS-Skala eher eine Disposition zu entrepreneurialem Verhalten, als die konkrete Involvierung in selbiges darstellt558 und damit eine entrepreneurialem Handeln vorgelagerte Orientierung beschreibt, erscheint es auf der Basis der Kritik an der Einstellungs-VerhaltensHypothese eingängig,559 davon auszugehen, dass die Erklärungsmacht entrepreneurialer Orientierung im Bezug auf Performance geschmälert wird, wenn die Orientierung nicht in adäquates entrepreneuriales Verhalten umgesetzt wird.560 Anekdotische und erste empirische Evidenz, dass eine entrepreneuriale Orientierung nicht automatisch zu entsprechendem Verhalten führt, kann der bestehenden wissenschaftlichen Literatur entnommen werden.561 Wenngleich nicht im Kontext der entrepreneurialen Orientierung finden auch ELIASSON und DAVIDSSON Anzeichen für eine leistungsbeeinflussende problematische Transformation von entrepreneurialem Verhalten vorgelagerter Faktoren auf konkretes Verhalten.562 Vor diesem Hintergrund wird postuliert, dass durch die Integration der Zwillingskonzepte explorative und exploitative Innovation, die, wie in den Abschnitten 1.2 und 3.3 ausführlich gezeigt wurde, nicht nur den spezifischen Herausforderungen adoleszenter Unternehmen gerecht werden, sondern ebenfalls als komplementäre entrepreneuriale Aktivitäten zu interpretieren sind, in das Wirkungsgeflecht zwischen entrepreneurialer Orientierung und Unternehmenserfolg eine mögliche Orientierungs-Verhaltens-Lücke geschlossen und Performanceunterschiede zwischen Unternehmen besser erklärt werden können. Bekräftigt wird diese Vermutung beispielsweise durch eine empirische Studie in der HARMS, RESCHKE und FINK feststellen, dass Innovation einen mediierenden Einfluss in der Beziehung von EO und Wachstumsperformance ausübt.563 558 559 560 561 562 563
Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.2.1. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Zahra 1991, S. 272. Vgl. Abschnitt 2.2.2. Vgl. zu diesem Schluss ausführlich Abschnitt 3.2.1. Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. Eliasson/Davidsson 2003, o. P. Vgl. Harms/Reschke/Fink 2008, o. P.
96
Herleitung der Hypothesen
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ausführungen zum ressourcenbasierten Ansatz in Abschnitt 2.2.1 und der dort unterstellten positiven Beeinflussung der Performance durch eine spezifische Ausgestaltung der Organisation ist nicht auszuschließen, dass auch direkte oder nicht in dieser Arbeit untersuchte, weitere indirekte Effekte jenseits entrepreneurialer Aktivität existieren.564 Wie die folgenden der Veranschaulichung dienenden Darstellungen zeigen, ist insbesondere bei den von LUMPKIN und DESS vorgeschlagenen dimensionalen Erweiterungen Autonomie und Wettbewerbsaggressivität eine derartige Beeinflussung keineswegs vollkommen auszuschließen.565 So ist beispielsweise der Personalforschung zu entnehmen, dass ein hohes Ausmaß an dem Unternehmensmitglied zugestandener Autonomie, wie es mit einer entrepreneurialen Orientierung assoziiert wird, neben hoher Motivation und Arbeitszufriedenheit auch hohe Arbeitsqualität und Arbeitseffektivität fördert,566 womit in einer aggregierten Betrachtungsweise auch von einer positiven Beeinflussung der Unternehmensleistung insgesamt auszugehen ist. Das Streben, Wettbewerbern den Marktanteil streitig zu machen oder diese gar aus dem Markt zu drängen, wie es mit einer hohen Wettbewerbsaggressivität assoziiert ist, kann beispielsweise auch zu umfassenden Marketingmaßnahmen, Preiswettbewerb oder überraschenden Wettbewerbstaktiken in verschiedenen Formen und darüber zu einer besseren Marktposition und somit zu höherer Performance führen.567 Vor diesem Hintergrund wird Hypothese 2 wie folgt formuliert: Hypothese 2: Ein Modell, das Exploration und Exploitation als mediierende Variablen enthält, ist einem Modell überlegen, das nur den direkten Einfluss der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf Unternehmensperformance berücksichtigt.
564
565 566 567
Im Einklang mit dieser Überlegung kommt WIKLUND zu dem Schluss, dass EO aus zwei Komponenten beseht, wovon eine entrepreneuriales Verhalten fördert, während eine zweite, softe Komponente nicht mit konkreter Aktivität assoziiert ist. Vgl. Wiklund 1998, S. 233. Vgl. zu diesen Erweiterungen Abschnitt 3.2.1. Vgl. auch den Beitrag von Lumpkin/Dess 1996. Vgl. Hackman 1977, S. 129. Vgl. dazu auch den Beitrag von Hackman/Oldham 1975. Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 654.
Effekte von Exploitation und Exploration auf Performance
97
4.3 Effekte von Exploitation und Exploration auf Performance Bereits in Abschnitt 3.3 und insbesondere in Abschnitt 3.3.3 wurde die Bedeutung der Zwillingskonzepte explorative und exploitative Innovation für junge Unternehmen hervorgehoben. Damit im Einklang charakterisieren gegenwärtige Forschungsarbeiten solche Unternehmen als erfolgreich, die in der Lage sind, sich sowohl in Wandel und Bewahrung,568 in Ausrichtung und Adaption,569 in diskontinuierlichem und inkrementellem Wandel,570 also in explorative und exploitative Innovationen571 zu engagieren. In diesem Zusammenhang betrachten LEVINTHAL und MARCH Exploration und Exploitation als notwendige Aktivitäten, um dauerhaften Erfolg der Unternehmung zu gewährleisten, da das Engagement in ausreichende Exploitation die aktuelle Lebensfähigkeit und das Engagement in ausreichende Exploration die zukünftige Lebensfähigkeit sicherstellt.572 Wenngleich diese Feststellungen nahelegen, dass beide Aktivitäten verfolgt werden sollen, ist insbesondere der Empfehlung von MARCH zu entnehmen, dass die beiden Aktivitäten in einer differenzierteren Betrachtung verschiedenen Zielen dienen. Ferner ist aus der Differenzierung hinsichtlich der Bedeutung für die gegenwärtige einerseits und die zukünftige Lebensfähigkeit andererseits abzuleiten, dass sich Exploration und Exploitation unterschiedlich auf Erfolgsmaße auswirken, beispielsweise je nachdem, ob diese eher gegenwarts- oder zukunftsorientiert sind. Mit der Überlegung übereinstimmend konstatiert MARCH in einer späteren Arbeit, dass „returns to exploitation are systematically more certain, sooner, and closer than are the returns to exploration.”573 Empirisch finden beispielsweise JANSEN, VAN DEN BOSCH und VOLBERDA, dass explorative und exploitative Innovationen unterschiedlich mit finanzieller Performance verbunden sind.574 Wenngleich WOLFE in seinem Review der organisationalen Innovation zu dem Schluss kommt, dass „few issues have been characterized by as much 568 569 570 571 572 573 574
Vgl. Volberda 1996, S. 359. Vgl. Gibson/Birkinshaw 2004, S. 209. Vgl. Tushman/O’Reilly 1996, S. 11. Vgl. He/Wong 2004, S. 481. Vgl. Levinthal/March 1993, S. 105. March 2003, S. 5. Vgl. Jansen/van den Bosch/Volberda 2006, S. 1666.
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Herleitung der Hypothesen
agreement among organizational researchers as the importance of innovation to organizational competitiveness and effectiveness“575 und somit Innovation generell eine positive Performancewirkung zuschreibt, erscheint es vor dem Hintergrund der bereits herausgestellten Unterschiede zwischen Exploration und Exploitation mit einem besonderen Erkenntnisgewinn verbunden, die individuellen Effekte von Exploration und Exploitation auf die Unternehmensperformance zu untersuchen. Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, sind die Performanceimplikationen von Exploration und Exploitation konsequenterweise unterschiedlich begründet. LUBATKIN, SIMSEK, LING und VEIGA leiten her, dass sich dass Engagement in explorative Innovation positiv auf die Performance auswirkt.576 Insbesondere sollte es Unternehmen in die Lage versetzen, neuartige Kompetenzen zu entwickeln, die den bisherigen Wettbewerb grundlegend ändern, aufgrund dessen Konkurrenten Schwierigkeiten bekommen, das Unternehmen zu imitieren und ihm zu folgen, was ihm zu einem Alleinstellungsmerkmal und überlegener Befähigung zur Kundenbefriedigung verhilft und es ihm gestattet, seine bisherige Kundenbasis tiefer zu penetrieren oder in neuen Märkten auszubauen,577 was dann zu steigenden Erträgen führen kann. Unternehmen, die keine Exploration betreiben, werden unter Obsoleszenz leiden.578 Es ist davon auszugehen, dass ihre überalterten Produkte und Technologien sowie ihr Engagement in gesättigten Märkten zu rückläufigen Erträgen führen. Zweifelsohne geht der Verzicht auf Exploration und somit der Ausschluss von der Entwicklung von komplett neuen Geschäften mit reduzierten Kosten einher, was in einer kurzfristigen Sichtweise vorteilhaft erscheinen mag, jedoch führt ein derartiges Vorgehen in der Regel zu einer substantiellen organisationalen Trägheit,579 die im Falle eines einschneidenden Wandels der Unternehmensumwelt die Fähigkeit des Unternehmens
575 576 577 578 579
Wolfe 1994, S. 405. Vgl. Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 652. Vgl. Brown/Eisenhardt 1997, S. 1. Vgl. Levinthal/March 1993, S. 105. Vgl. Tushman/Smith 2004, S. 387.
Effekte von Exploitation und Exploration auf Performance
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reduziert, die erforderlichen, radikalen organisationalen Wandelprozesse in Gang zu setzen.580 Exploitative Innovation ist ebenfalls als eine essentielle Aufgabe zu erachten, da Unternehmen, die keine Exploitation betreiben, „suffer the costs of experimentation without gaining many of its benefits”581 und „will ordinarily suffer from the fact that it never gains the returns of its knowledge.”582 Exploitation wird somit als notwendig erachtet, um Erträge sicher zu realisieren. Dabei ist Exploitation mit Erträgen verbunden, die positiv, zeitnah und planbar sind.583 Dies ist darin begründet, dass Exploitation zu Effizienzsteigerung, Kostenreduktion oder bessere Befriedigung von bekannten Bedürfnissen von Kunden und Märkten führt.584 Für immer wieder auftretende Erträge, sollten sich Organisationen folglich immer wieder in Exploitation engagieren, dabei bestehende Kompetenzen nutzen, effiziente Prozesse implementieren und weiterentwickeln, da damit ein Zugewinn an Zuverlässigkeit, Rechenschaftsfähigkeit sowie Reproduzierbarkeit und somit eine Steigerung der Qualität des und der Reduktion der Varianz des Leistungserstellungsprozesses sowie des Leistungsergebnisses einhergeht, womit die Bedürfnisse der bestehenden Kundenbasis besser befriedigt werden.585 Hypothese 3a: Mit dem Engagement in Exploration steigt die Unternehmensperformance. Hypothese 3b: Mit dem Engagement in Exploitation steigt die Unternehmensperformance.
580 581 582 583 584 585
Vgl. Tushman/O’Reilly 1996, S. 17. March 1991, S. 71. Levinthal/March 1993, S. 105. Vgl. March 1991, S. 85. Vgl. Abernathy/Clark 1985, S. 5; Benner/Tushman 2003, S. 242 f.; Danneels 2002, S. 1095 f. Vgl. Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 648; Harry/Schroeder, 2000, S. 5 ff. Vgl. auch Abschnitt 2.1.2.1.
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Herleitung der Hypothesen
4.4 Effekte der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation In Abschnitt 3.2.3 wurde herausgestellt, dass es sich bei der entrepreneurialen Orientierung um ein multidimensionales Konstrukt handelt, die einzelnen Dimensionen unabhängig voneinander variieren und mitunter unterschiedlich auf andere Variablen, wie beispielsweise Performance, wirken können. Aufbauend auf dieser Erkenntnis ist davon auszugehen, dass die einzelnen Dimensionen die in dieser Arbeit im Vordergrund stehenden Variablen explorative und exploitative Innovation ebenfalls in einem unterschiedlichen Maß beeinflussen. Diese Annahme wird aus der Perspektive der Forschung zu Exploration und Exploitation bekräftigt. Vor dem Hintergrund der bereits in Abschnitt 3.3.2 diskutierten Herausforderungen, die mit der Balance von Exploration und Exploitation verbunden sind, erscheint die theoretische Versicherung von MARCH, dass die Einstellung und organisationale Routinen, die für Exploration benötigt werden, von denen die für Exploration relevant sind, deutlich abweichen, durchaus nachvollziehbar.586 So ist es wenig überraschend, dass auch KURATKO und WELSCH insistieren, dass Exploration und Exploitation von unterschiedlichen Faktoren begünstigt werden.587 Diese Behauptung wird durch empirische Befunde von JANSEN, VAN DEN BOSCH und VOLBERDA untermauert. Sie finden, dass organisationale Charakteristika wie die Zentralisation der Entscheidungsfindung und der Grad der Formalisierung, die inhaltlich der entrepreneurialen Orientierung nahestehen, jeweils nur Exploration oder Exploitation beeinflussen.588 Konsequenterweise und zur Vermeidung der Verdeckung der tatsächlichen Einflüsse einzelner Dimensionen durch ihre Aggregation und somit mit dem Ziel eines möglichst großen Erkenntnisgewinnes für Wissenschaft und Praxis werden in dieser Arbeit die Einflüsse der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf explorative und exploitative Innovationen separat voneinander untersucht. In den folgenden Abschnitten werden die erwarteten Effekte begründet. Vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation in diesem Abschnitt und in 586 587 588
Vgl. March 1996, S. 278. Vgl. Kuratko/Welsch 2004, S. 357. Vgl. Jansen/van den Bosch/Volberda 2006, S. 1661.
Effekte der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation 101 Abschnitt 3.2.3 sowie im Vorgriff auf die Argumentationen in den Abschnitten 4.4.2 bis 4.4.6 wird folgende aggregierte, übergeordnete Untersuchungshypothese hinsichtlich der Wirkungsbeziehungen zwischen der entrepreneurialen Orientierung und explorativen und exploitativen Innovationen formuliert: Hypothese 4: Die Wirkungsbeziehungen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und Exploration unterscheiden sich von den Wirkungsbeziehungen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und Exploitation. 4.4.1 Einfluss der Risikoneigung Die Entscheidung für oder gegen eine hohe Risikoneigung ist eng mit der Toleranz gegenüber dem Scheitern einerseits oder gegenüber der Inkaufnahme Gelegenheiten zu verpassen andererseits verknüpft.589 Dabei richtet eine hohe Risikoneigung das Unternehmen auf eine hohe Aktivitätsrate aus, führt zu schnelleren Entscheidungen und ermöglicht es, Gelegenheiten zu verfolgen, die durch ein kurzes window of opportunity590 gekennzeichnet sind. Solche Unternehmen weisen eine hohe Fehlertoleranz auf und präferieren in einem Investmentkontext die Kombination von einem hohen Risiko des Scheiterns und der Chance auf hohe Erträge.591 Unter Berücksichtigung, dass radikale Neuerungen in der Regel mit einem substantiellen Einsatz an Ressourcen verbunden sind,592 erscheint die Verbindung zwischen Risikobereitschaft und Exploration naheliegend, da Unternehmen, die sich in explorative Innovation engagieren, somit bereit sein müssen, höhere finanzielle und geschäftliche Risiken zu tragen.593 Diese Beziehung unterstreichen HUGHES und MORGAN, indem sie hinsichtlich Unternehmen mit einer niedrigen Risikoneigung festhalten, dass diese nicht bereit sind, einschneidende Innovationen zu betreiben, identifizierte lukrative, aber risikobehaftete
589 590 591 592 593
Vgl. Dickson/Giglierano 1986, S. 58. Vgl. Abschnitt 3.2.2. Vgl. auch Timmons 1997, S. 31 f. Vgl. Dess/Lumpkin 2005a, S. 152. Vgl. Baird/Thomas 1985, S. 230. Vgl. Dess/Lumpkin 2005, S. 4.
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Herleitung der Hypothesen
Gelegenheiten zu verfolgen und insgesamt in sich wandelnden Umweltsituation zurückhaltend, vorsichtig und langsam agieren.594 Es ist zu konstatieren, dass eine hohe Risikoneigung mit der Tendenz einhergeht, den Rückgriff auf bewährte Routinen, Methoden und Produkte zu vernachlässigen und diese zu übergehen,595 was insofern problematisch ist, als dass exploitative Innovation auf den Lerneffekten aus vergangenen Aktivitäten basiert.596 Letztere Aussage wird von CARDINAL unterstützt, die in einer Studie empirisch belegt, dass Innovationsprojekte inkrementeller Natur auf spezifische Informationen über die Charakteristika das Unternehmen und bereits bestehender Produkte und somit wohl auch ihrer Erstellung selbst angewiesen sind.597 Eine hohe Risikoorientierung und vor allem die mit dieser verbundenen impulsiven Entscheidungen können damit folgenreich verhindern, dass detaillierte Analysen sowie umfassende Meinungs- und Entscheidungsfindungsprozesse durchgeführt werden, die notwendig sind, um die Stärken und Schwächen existierender Prozesse und Technologien zu identifizieren.598 Vorgenanntes zeigt, dass eine hohe Risikotendenz durchaus zu einer Reduzierung der Durchführung und der Durchführbarkeit exploitativer Innovation führen kann. Hypothese 5a: Mit dem Grad der Risikoneigung des Unternehmens steigt dessen Engagement in Exploration. Hypothese 5b: Mit dem Grad der Risikoneigung des Unternehmens sinkt dessen Engagement in Exploitation. 4.4.2 Einfluss der Innovativität Obwohl mit Innovativität in der Regel eine Disposition zu der Identifikation neuer unternehmerischer Gelegenheiten verbunden wird,599 heben Forscher wie HURLEY und HULT hervor, dass Innovativität nicht nur für die Generierung von 594 595 596 597 598 599
Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 653. Vgl. Dess/Lumpkin 2005a, S. 152. Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 653. Vgl. Cardinal 2001, S. 21. Vgl. Garud/Nayyar 1994, S. 378. Vgl. Dess/Lumpkin 2005b, S. 3 f.
Effekte der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation 103 neuartigen Ideen, sondern auch für die aktive Implementierung neuer Prozesse, Produkte und Services oder Technologien und somit für die tatsächliche Umsetzung neuer Ideen und Innovationen im Markt eine wichtige Rolle spielt.600 Unternehmen, die durch einen hohen Grad an Innovativität charakterisiert sind, begrüßen und fördern das Experimentieren, den Einsatz von Kreativität, das Forcieren der Technologieführerschaft und das Engagement in Forschung und Entwicklung, um neue Produkte und Märkte, aber auch Prozesse und Technologien zu generieren.601 Diese Unternehmen tendieren dazu, von existierenden Technologien und erprobten Praktiken abzurücken und Produkte, Verfahren und Technologien zu entwickeln, die über das hinausgehen, was gegenwärtig als State-of-the-Art akzeptiert ist.602 Trotz einer deutlich werdenden Tendenz zu Exploration ist der bestehenden Literatur zu entnehmen, dass Innovativität ebenfalls Exploitation fördert, da ihr zugeschrieben wird, dass sie nicht nur den Eintritt in komplett neue Arenen, sondern die Befähigung zur Wahrnehmung jeder unternehmerischen Gelegenheit sowie zur effektiven Anpassung an Kundenbedürfnisse – unabhängig vom Grad der Radikalität – verkörpert und auch die Erneuerung oder Verbesserung der Präsenz der Unternehmung in bestehenden Märkten und Geschäften begünstigt.603 Ebenfalls wird Innovativität als bedeutendes Mittel zur Differenzierung gegenüber Konkurrenzangeboten und zur Entwicklung von Lösungen erachtet, die die von Wettbewerbern herausfordern und unterminieren.604 Innovativität fördert ferner den effektiven Umgang mit Informationen, die der Markt bzw. die Kunden liefern, und beeinflusst somit die Fähigkeit des Unternehmens, sowohl relevante neue Produkte auf den Markt zu bringen, als auch zielgerichtete Anpassungen an bestehenden Prozessen vorzunehmen.605 Der Eindruck, dass Innovativität sowohl Exploration als auch Exploitation fördert, wird durch LUMPKIN und DESS untermauert, die unterstreichen, dass Krea600 601 602 603 604 605
Vgl. Hurley/Hult 1998, S. 42. Vgl. Miller/Friesen 1984b, S. 119 ff. Vgl. Dess/Lumpkin 2005a, S. 150. Vgl. Cho/Pucik 2005, S. 555; Dess/Lumpkin 2005b, S. 3; Garud/Nayyar 1994, S. 367. Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 653. Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 653.
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Herleitung der Hypothesen
tivität und ein tief empfundenes Commitment zu neuen Ideen und Wandel, nicht nur neue Produkt-Markt-Kombinationen, sondern auch progressive Produktionsmethoden und -prozesse sowie Technologien verschiedenster Form entstehen lässt.606 Hypothese 6a: Mit dem Grad der Innovativität in dem Unternehmen steigt dessen Engagement in Exploration. Hypothese 6b: Mit dem Grad der Innovativität in dem Unternehmen steigt dessen Engagement in Exploitation. 4.4.3 Einfluss der Proaktivität Hinsichtlich Proaktivität ist zunächst festzuhalten, dass diese nicht nur die Antizipation von Wandel begünstigt, sondern ebenfalls dazu führt, dass Unternehmen mit einem hohen Grad an Proaktivität Wandel initiieren.607 Die Antizipation von zukünftigen Kunden- und Marktbedürfnissen richtet das Unternehmen darauf aus, Initiative zu ergreifen, unternehmerische Gelegenheiten zu verfolgen, opportunistisch im Wettbewerb zu agieren und dabei zukünftige Kunden- und Marktbedürfnisse in seinem Sinne zu prägen.608 Ein wichtiger Bestandteil explorativer Innovation ist, wie bereits in Abschnitt 3.3.3 dargestellt, das Erschließen neuer Märkte und die Entwicklung neuartiger Produkte. Die darauf basierenden Firstmover-Vorteile sind in der Literatur zum Wettbewerbsverhalten fest etabliert.609 Wie HUGHES und MORGAN herausstellen, besteht das Ziel von Proaktivität zunächst kurzfristig in der Sicherstellung von First-mover-Vorteilen und langfristig darin, neue Richtungen der Wettbewerbsentwicklung zu gestalten,610 was durch die Entwicklung von disruptiven Innovationen forciert werden kann. Vor diesem Hintergrund ist in Proaktivität ein bedeutender Vorläufer explorativer Innovation zu sehen.
606 607 608 609 610
Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 143 f. Vgl. Bateman/Crant 1993, S. 103. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 433; Venkatraman, 1989, S. 949; Miller/Friesen, 1978, S. 923. Vgl. Porter 1985, S. 186. Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 653.
Effekte der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation 105 Es ist ebenfalls anzunehmen, dass Proaktivität das Engagement in exploitative Innovation fördert. Da Proaktivität die Empfänglichkeit des Unternehmens für Marktsignale und die Wahrnehmung bestehender Kundenbedürfnisse erhöht, sind proaktive Unternehmen verstärkt in der Lage, Wandel und Trends im Markt zu erkennen und auf den kommunizierten oder sogar latenten Bedürfnissen der Kunden beruhende Anpassungs- bzw. Verbesserungspotentiale besser und schneller als der Wettbewerb zu realisieren.611 In diesem Zusammenhang heben LUMPKIN und DESS die Bedeutung strukturellen Kapitals, wie beispielsweise fortschrittliche unternehmenseigene Strukturen, das von proaktiven eher als von anderen Unternehmen gebildet wird, hervor.612 Dieses strukturelle Kapital versetzt Unternehmen in die Lage, Ressourcen für den Wettbewerb schneller und zu günstigeren Konditionen herzustellen, als der Wettbewerb.613 Durch die Kombination aus überlegener Wahrnehmung und überlegenen Strukturen können proaktive Unternehmen ihren weniger reaktionsfähigen Konkurrenten auch hinsichtlich der Anpassung von Prozessen und Operationen an sich ändernde Bedingungen immer einen Schritt voraus sein. Dass von Proaktivität positive Effekte sowohl auf Exploration als auch auf Exploitation ausgehen, unterstreichen zusammenfassend die Feststellungen, dass Proaktivität die Einführung neuer oder verbesserter Produkte und Prozesse der Leistungserstellung schneller als der Wettbewerb ermöglicht, die Verfolgung von Gelegenheiten, die im Zusammenhang mit den aktuellen Geschäften stehen oder auch nicht, begünstigt, die strategische Eliminierung von Geschäften, die sich in späten Phasen des Lebenszyklus befinden, fördert und die stetige Anpassung von Strategien und Taktiken anregt.614 Hypothese 7a: Mit dem Grad der Proaktivität in dem Unternehmen steigt dessen Engagement in Exploration. Hypothese 7b: Mit dem Grad der Proaktivität in dem Unternehmen steigt dessen Engagement in Exploitation. 611 612 613 614
Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 653; Hamel/Prahalad 1991, S. 85. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 435. Vgl. ebd., S. 435. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 146 f.; Venkatraman 1989, S. 949.
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Herleitung der Hypothesen
4.4.4 Einfluss der Wettbewerbsaggressivität Zunächst ist hinsichtlich des Einflusses der Wettbewerbsaggressivität auf Innovationsaktivitäten der Literatur zu entnehmen, dass derartig ausgerichtete Unternehmen – wenn sie mit kreativen und disruptiven Aktivitäten des Wettbewerbs konfrontiert sind – dazu tendieren, aggressiv und schnell mit eigenen Innovationen zu antworten.615 LUMPKIN und DESS weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Unternehmen mit einer hohen Wettbewerbsaggressivität jedoch nicht nur durch reaktives Handeln, sondern ebenfalls durch wohl durchdachte und ausgiebig geplante Aktivitäten darauf abzielen, Wettbewerber zu übertreffen.616 Wettbewerbsaggressivität mobilisiert die kontinuierliche Taxierung der Wettbewerber, die Dekonstruktion der Wertebündel der Rivalen mit dem Ziel, überlegene Leistungen generieren zu können und – darauf aufbauend – immer wieder adaptiven Wandel und inkrementelle Innovationen zum Zwecke der Unterminierung der Wettbewerber zu betreiben.617 Ferner sind Preiskämpfe ein fester Bestandteil von aggressivem Verhalten im Wettbewerb, womit davon ausgegangen werden kann, dass Kostenreduktion und Effizienzsteigerung, wie sie mit exploitativen Innovationen assoziiert sind, Aktivitäten darstellen, die aggressive Unternehmen verfolgen.618 PORTER ist zu entnehmen, dass Konkurrenzkampf nicht nur mit der stetigen Überarbeitung von Produkten, Leistungen und Prozessen mit einem vergleichenden Blick auf die Wertebündel der Rivalen verbunden ist, sondern ebenfalls damit einhergeht, Dinge komplett anders als die Wettbewerber zu tun,619 was andeutet, dass Wettbewerbsaggressivität sowohl zu exploitativer als auch zu explorativer Innovation beiträgt. Es erscheint logisch, dass die mit Wettbewerbsaggressivität verbundenen Aufgaben der Sammlung von Wissen über die Stärken und Schwächen der Produkte und Leistungen der Konkurrenten und der kontinuierlichen Evaluation der eigenen Stärken und Schwächen620 nicht nur die Basis 615 616 617 618 619 620
Vgl. Smith/Ferrier/Grimm 2001, S. 62. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 433. Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 654. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 435; Hughes Morgan 2007, S. 654. Vgl. Porter 1987, S. 43 ff. Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 654.
Effekte der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation 107 für die Anpassung von bereits existierenden Leistungen bilden. Vielmehr eröffnet diese fundierte Wissensbasis über den Markt ebenfalls die Möglichkeit, radikal neue Angebote zu kreieren, die für die Kunden und den Markt komplett neu sind. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass durch eine hohe Wettbewerbsaggressivität gekennzeichnete Unternehmen in ihrem Streben nach Überlegenheit gegenüber den Konkurrenten immer um Fortschritt bemüht sind, sei es durch die Entwicklung komplett neuer Produkte und somit explorativer Innovation oder durch die Anpassung und Verbesserung bestehender Prozesse und Technologien und somit exploitativer Innovation. Hypothese 8a: Mit dem Grad der Wettbewerbsaggressivität des Unternehmens steigt dessen Engagement in Exploration. Hypothese 8b: Mit dem Grad der Wettbewerbsaggressivität des Unternehmens steigt dessen Engagement in Exploitation. 4.4.5 Einfluss der Autonomie RUSSELL hebt hervor, dass jede Innovationsaktivität ihren Ursprung in einer kreativen Handlung eines Individuums hat.621 Im Einklang damit konstatiert BURGELMAN, dass innovative Ideen im Kontext des Unternehmens das Resultat autonomer Aktivitäten der individuellen Mitarbeiter der Organisation darstellen.622 BURGELMAN zufolge sollten in Unternehmen autonome Umgebungen geschaffen werden, in denen innovative Unternehmensmitglieder oder Teams die Freiheit haben, unternehmerische Gelegenheiten ohne begrenzende Einflüsse, wie strategische Normen ohne organisationale Traditionen, zu explorieren.623 Dies müsse nicht nur für die Identifikation, sondern ebenfalls für Folgeaktivitäten zur Umsetzung unternehmerischer Gelegenheiten gelten. Dezentralisierung, ein Konzept, das in der Literatur eng mit dem Konzept der Autonomie verbunden ist und in einigen Fällen sogar mit ihr gleichgesetzt wird, begünstigt Kreati621 622 623
Vgl. Russell 1999. S. 79. Vgl. auch Russell/Russell 1992, S. 648. Vgl. Burgelman 1984, S. 156. Vgl. Burgelman, 1983, S. 1359.
108
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vität, Flexibilität und Aktionsbereitschaft624 und fördert Ad-hoc-Problemlösungskompetenz, was den Raum identifizierter Antworten auf unvorhersehbare Probleme erhöht.625 Im Gegensatz dazu reduziert Zentralisation die Quantität und Qualität von Ideen und Wissen zur Lösung von Problemen626 und die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter innovative Lösungen suchen.627 Da unabhängige Aktivitäten von Individuen und Teams eine Voraussetzung für extensive Innovation darstellen und dafür ein hohes Niveau von Problemlösungskompetenz sowie die Bereitschaft zur Abweichung von etablierten Wissensbasen notwendig ist, ist in der dies widerspiegelnden Autonomie ein Förderer von explorativer Innovation zu sehen. Im Gegensatz zu explorativer Innovation ist exploitative Innovation hinsichtlich des Umfangs und der Neuartigkeit begrenzt, weshalb die zu ihrer Durchführung notwendigen Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozesse enger kanalisiert sind und eher zentralisiert gesteuert werden.628 Dezentralisierung – im Gegensatz – führt in diesen Prozessen zu Chaos, Inkonsistenzen und duplizierten Bemühungen.629 Ferner sind, wie THOMPSON hervorhebt, die von autonomen Arbeitsgruppen produzierten Ideen häufiger eher idealistisch als realistisch.630 Während zunächst nicht direkt realisierbare Ideen im Hinblick auf explorative Innovation und dem damit verbundenen Anliegen, Märkte in einer auf die Zukunft gerichteten Perspektive in seinen Grundfesten zu erschüttern,631 nicht unbedingt verworfen werden müssen, sind derartige Ideen für exploitative Innovationen, die in der Regel unmittelbar greifen und zu sofortigem Erfolg führen sollen,632 nicht nützlich, wenn nicht sogar hinderlich. Im Sinne dieser Überlegung führt THOMPSON weiter aus, dass derartige Ideen oftmals nicht in Verbindung mit bereits existierenden Ideen und Wissensbasen des Unternehmens stehen und Prozeduren, die sich bewährt haben, missachten und deren Durchfüh624 625 626 627 628 629 630 631 632
Vgl. Lin/Germain 2003, S. 1133. Vgl. McGrath, 2001, S. 121. Vgl. Sheremata 2000, S. 396. Vgl. Atuahene-Gima 2003, S. 361. Vgl. Cardinal 2001, S. 24; Jansen/van den Bosch/Volberda 2006, S. 1663. Vgl. Lin/Germain 2003, S. 1133. Vgl. Thompson 2003, S. 96 ff. Vgl. March 2003, S. 5. Vgl. ebd., S. 5.
Effekte der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation 109 rung damit wenig sinnvoll erscheint.633 Ferner stellt SHANE dar, dass erfahrene Innovations-Champions634 Autonomie dadurch erzeugen, dass sie Regeln dehnen und festgeschriebene Prozeduren umgehen,635 was die Kontinuität des Geschäfts schädigen kann und somit effektive Anpassungen und Verbesserungen stört. Abschließend ist vor diesem Hintergrund festzuhalten, dass Autonomie durchaus im Stande ist, exploitative Innovation negativ zu beeinflussen. Hypothese 9a: Mit dem Grad der Autonomie der Mitarbeiter steigt das Engagement des Unternehmens in Exploration. Hypothese 9b: Mit dem Grad der Autonomie der Mitarbeiter sinkt das Engagement des Unternehmens in Exploitation. 4.4.6 Einfluss der Gelegenheitsorientierung ELIASSON und DAVIDSSON konstatieren, dass die zugrunde liegende Motivation einer Gelegenheitsorientierung darin besteht, dass diese das tatsächliche Engagement in neue unternehmerische Gelegenheiten in Form von Aktivitäten, die darauf abzielen, neue Kundengruppen und Märkte zu bedienen und neue Produkte und Leistungen einzuführen, zu fördern.636 Im Gegensatz zu eher administrativ ausgerichteten Unternehmen, die den Suchraum für zu ergreifende Gelegenheiten in dem Sinn eingrenzen, als dass sie nur Möglichkeiten betrachten, die mit ihren bestehenden Ressourcen umsetzbar sind, nehmen gelegenheitsorientierte Unternehmen jede erfolgsversprechende Gelegenheit wahr, auch wenn dies erfordert, sich über altbewährte und erprobte Verfahren hinwegzusetzen, neue Technologien zu entwickeln und komplett neue Ressourcenbasen zu erschaffen.637 In der Betrachtung dieser Dichotomie sollten – dieser Logik folgend – gelegenheitsorientierte Unternehmen somit eher in der Lage sein, explorative Innovation zu betreiben.
633 634
635 636 637
Vgl. Thompson 2003, S. 96 ff. Innovations-Champions sind Personen, die ein persönliches Risiko auf sich nehmen, um organisationale Hindernisse auf dem Weg zu Innovationen zu überwinden. Vgl. Shane 1994, S. 397. Vgl. Shane 1994, S. 401. Vgl. Eliasson/Davidsson 2003, o. P. Vgl. Stevenson 1999, S. 12 f.
110
Herleitung der Hypothesen
Gelegenheitsorientierte Unternehmen unterscheiden sich von administrativ ausgerichteten Unternehmen nicht nur darin, dass sie einen größeren Raum an Gelegenheiten betrachten, auch weisen sie – wie bereits in Abschnitt 3.2.2 dargestellt – ein anderes Investmentverhalten auf und unterscheiden sich in der Art des Commitments in der Verfolgung von Gelegenheiten und Initiativen. Während administrativ ausgerichtete Unternehmen sich starr an den geplanten Ablauf und die zu Projektbeginn festgelegten Produktcharakteristika halten, tendieren gelegenheitsorientierte Unternehmen dazu, Investments und Commitments schrittweise vorzunehmen und sind so in der Lage, auf Änderungen der situativen Bedingungen flexibel mit Anpassungen und Verbesserungen zu reagieren.638 Es ist somit davon auszugehen, dass sie auf Änderungen der Kundenbedürfnisse schnell mit exploitativen Innovationen reagieren. Darüber hinaus haben ELIASSON, WIKLUND und DAVIDSSON empirisch festgestellt, dass die Gelegenheitsorientierung entrepreneuriale, innovative Ressourcenneukombinationen im SCHUMPETERschen Sinne639 und somit neue Initiativen sowohl zur Einführung neuer Produkte mit dem Ziel neue Märkte zu eröffnen, als auch zur Verfeinerung bestehender Prozesse mit dem Ziel, bestehende Kunden besser bedienen, fördert.640 Somit ist abschließend festzuhalten, dass davon auszugehen ist, dass die Gelegenheitsorientierung sowohl explorative als auch exploitative Innovation fördert. Hypothese 10a: Mit dem Grad der Gelegenheitsorientierung des Unternehmens steigt dessen Engagement in Exploration. Hypothese 10b: Mit dem Grad der Gelegenheitsorientierung des Unternehmens steigt dessen Engagement in Exploitation.
638 639 640
Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 955. Vgl. zu dem SCHUMPETERschen Innovationsverständnis Schumpeter 1911/1934, S. 64 ff. Vgl. Eliasson/Wiklund/Davidsson 2002, o.P.
Empirische Untersuchung
111
5 Empirische Untersuchung Wie bereits in den einleitenden Worten dieser Arbeit erwähnt, sollte sich realwissenschaftliche Forschung nicht in der Entwicklung theoretischer Konzepte und Modelle erschöpfen, sondern immer auch eine möglichst hohe Übereinstimmung ihrer theoretischen Konstruktionen mit der Realität suchen.641 Daher erfolgt in diesem Kapitel die empirische Überprüfung der zur Beantwortung der Forschungsfragen dieser Arbeit642 erstellten theoretischen Konstruktionen, wie sie in Kapitel 3 in einem Forschungsmodell zusammengeführt und in Kapitel 4 in ein Hypothesensystem überführt wurden. Abbildung 9 stellt die Einordnung des Kapitels in den Gesamtzusammenhang der Arbeit sowie dessen grundlegende Inhalte und zu erwartenden Teilergebnisse dar. Abbildung 9 Einordnung von Kapitel 5 in den Gang der Arbeit Kapitel 1
Einleitung
Kapitel 2
Theoretischer Bezugsrahmen
Kapitel 3
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Kapitel 4
Herleitung der Hypothesen
Kapitel 5
Empirische Untersuchung
• Grundlagen der empirischen Untersuchung • Vorbereitung der Datenerhebung • Durchführung der Erhebung und Datenaufbereitung • Auswertung der empirischen Untersuchung
Kapitel 6
641 642
Empirische Befunde
Diskussion, Konklusion und Ausblick
Vgl. Abschnitt 1.3. Vgl. auch Fritz 1995, S. 93. Vgl. Abschnitt 1.2.
112
Empirische Untersuchung
In den nachfolgenden Unterabschnitten werden dazu zunächst konzeptionelle und methodische Grundlagen der empirischen Überprüfung geschaffen643 und anschließend die Vorbereitung,644 Durchführung645 und Auswertung646 der Untersuchung dargestellt. 5.1 Grundlagen der empirischen Untersuchung In diesem Abschnitt zu den grundlegenden konzeptionellen und methodischen Aspekten der empirischen Untersuchung wird zunächst die Wahl der Kausalanalyse als zentrales Datenanalyseverfahren begründet.647 Anschließend wird herausgestellt, warum für diese Arbeit eine kovarianzbasierende Kausalanalyse die geeignete Wahl darstellt.648 Weiterhin wird offengelegt, warum in dieser Arbeit als Schätzverfahren der Maximum-Likelihood-Algorithmus gewählt wird.649 Abschließend wird erläutert, unter welchen Gesichtspunkten Kausalmodelle evaluiert werden sollten und welche der in der Literatur hervorgegangenen Gütemaße in dieser Arbeit Anwendung finden.650 5.1.1 Zur Wahl der Kausalanalyse als zentrales Datenanalyseverfahren Seit den 1970er Jahren hat die Analyse von Strukturgleichungsmodellen651 bei der Erforschung komplexer Wirkungszusammenhänge in der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung immer stärkere Verbreitung gefunden und sich zu einem Quasi-Standard entwickelt.652 HOMBURG und KLARMANN charakterisieren die Kausalanalyse als „sicherlich diejenige multivariate Methode, die die empirische betriebswirtschaftliche Forschung in den letzten ca. 20 Jahren am stärksten 643 644 645 646 647 648 649 650 651 652
Vgl. Abschnitt 5.1. Vgl. Abschnitt 5.2. Vgl. Abschnitt 5.3. Vgl. Abschnitt 5.4 Vgl. Abschnitt 5.1.1. Vgl. Abschnitt 5.1.2. Vgl. Abschnitt 5.1.4. Vgl. Abschnitt 5.1.4. Synonym werden in der Literatur auch die Begriffe Kausalanalyse oder Pfadanalyse verwendet. Vgl. Förster/Fritz/Silberer/Raffée 1984, S. 346; Bollen 1989, S. 4 ff.; Baumgartner/Homburg 1996, S. 139; Steenkamp/Baumgartner 2000, S. 195 f.; Bliemel/Eggert/Fassott/Henseler 2005, S. 10; Fassott/Eggert 2005, S. 32; Kline 2005, S. 18; Williams/Edwards/Vandenberg 2003, S. 903 f.; Homburg/Klarmann 2006, S. 72; Giere/Wirtz/Schilke 2006, S. 678; Homburg/Pflesser/ Klarmann 2008, S. 547.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
113
geprägt hat.“653 Dieser Entwicklung zugrunde liegt im Wesentlichen die besondere Leistungsfähigkeit der Kausalanalyse durch die Zusammenführung zweier Forschungstraditionen.654 Die Kausalanalyse verknüpft die Strukturgleichungsmodelle aus der Ökonometrie zur Analyse von komplexen Abhängigkeitsstrukturen zwischen direkt messbaren (manifesten) Variablen mit der Faktorenanalyse aus der Psychometrie zur Messung nicht beobachtbarer (latenter) Konstrukte.655 In der Verbindung regressions- und faktoranalytischer Ansätze erlaubt es die Kausalanalyse daher, pfadanalytische Modellierungen mit latenten Variablen656 vorzunehmen und auf der Grundlage von empirisch gemessenen Varianzen und Kovarianzen von Indikatorvariablen durch Parameterschätzung Rückschlüsse auf Abhängigkeitsbeziehungen zwischen zugrunde liegenden latenten Variablen zu ziehen.657 Somit stellt die Strukturgleichungsanalyse eine leistungsfähige Generalisierung früherer statistischer Methoden dar und wird daher auch bezeichnet als ein Beispiel für „a second generation of multivariate analysis.“658 Strukturgleichungsmodellansätze offenbaren eine enorme Leistungskraft und erlauben zusammengefasst:659
653 654 655 656
657
658 659
x
die explizite Berücksichtigung von Messfehlern,
x
die Messung von latenten Variablen mithilfe mehrerer Indikatoren,
x
die simultane Berücksichtigung von manifesten und latenten Variablen,
Homburg/Klarmann 2006, S. 727. Vgl. Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 549; Chin 1998a, S. vii. Vgl. Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 549. Als latente Variablen modellierte theoretische Konstrukte werden durch verschiedene manifeste Variablen (auch Items, Indikatoren) operationalisiert. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 710. Vgl. Homburg 1989, S. 2. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung Kausalanalyse nicht unproblematisch ist, da die Anwendung des Verfahrens in der Regel keine Rückschlüsse auf tatsächliche Kausalität zulässt. Vgl. Scholderer/Balderjahn/Paulssen 2006, S. 640 f. Vgl. dazu auch Abschnitt 6.4. Vgl. Fornell 1987, S. 408. Vgl. auch Fornell 1982, S. 1. Vgl. Fornell 1982, S. 3 f.; Fornell 1987, S. 411; Bollen 1989, S. 20; Medsker/Williams/Holahan 1994, S. 439 ff.; Homburg/Dobratz 1998, S. 450; Shook/Ketchen/Hult/Kacmar 2004, S. 397 ff.; Goerzen/Beamish 2005, S. 339; Kline 2005, S. 9 f.; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 706.
114
Empirische Untersuchung x
den Einbezug multipler exogener und endogener Variablen in die Analyse,
x
die simultane Betrachtung mehrerer kausaler Beziehungen zwischen verschiedenen Variablen, wobei eine abhängige Variable der einen Kausalbeziehung gleichzeitig eine unabhängige Variable einer anderen Beziehung sein kann,
x
den Vergleich verschiedener, konkurrierender Modelle und
x
die Durchführung statistischer Tests von theoretischen Überlegungen vor dem Hintergrund der empirischen Datenlage (d. h. eine konfirmatorische Anwendung).
Insbesondere wenn latente Variablen innerhalb komplexer Kausalstrukturen untersucht werden sollen, wird die Anwendung von Strukturgleichungsmodellen empfohlen.660 HAIR, BLACK, BABIN, ANDERSON und TATHAM kommen in ihrer Betrachtung der Leistungsfähigkeit von Strukturgleichungsmodellansätzen zu dem Schluss: „It is the best multivariate procedure for testing both the construct validity and theoretical relationships among a set of concepts represented by multiple measures variables.”661 Aufgrund der dargestellten Charakteristika ist festzuhalten, dass sich Strukturgleichungsmodelle besonders zur empirischen Analyse der im Rahmen dieser Untersuchung relevanten Fragestellungen eignen. Zunächst ist eine Reihe der im Mittelpunkt stehenden Variablen von latenter Natur; diese sollten mit mehreren Indikatoren gemessen werden.662 Neben latenten Variablen werden in dieser Arbeit simultan manifeste Variablen betrachtet.663 Darüber hinaus sollen komplexe Kausalstrukturen untersucht werden, bei denen es notwendig ist, mehrere 660 661 662
663
Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2008, S. 15 f. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 703. Vgl. Abschnitt 5.2.3. Vgl. zur Thematik latenter Variablen und ihrer Messung ausführlich Churchill 1979, S. 64 ff. Vgl. Kapitel 4 und Abschnitt 5.2.3.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
115
Beziehungen zwischen den Konstrukten gleichzeitig zu untersuchen.664 Weiterhin werden in dieser Arbeit konkurrierende Modelle miteinander verglichen.665 Vor diesem Hintergrund soll der Strukturgleichungsmodellansatz für diese empirische Untersuchung als Hauptanalyseinstrument werden.666 5.1.2 Zur Wahl der kovarianzbasierten Kausalanalyse Bezüglich der Schätzung der Parameter von Kausalmodellen können zwei alternative Prinzipien der Parameterschätzung zum Einsatz kommen: die kovarianzbasierte667 und die varianzbasierte668 Parameterschätzung.669 Die Kovarianzstrukturanalyse ist aus der psychometrischen Forschung hervorgegangen und geht bis auf einen Beitrag von SPEARMAN670 aus dem Jahr 1904 zurück.671 Im Rahmen der kovarianzbasierenden Parameterschätzung werden die Modellparameter simultan so geschätzt, dass eine Diskrepanzfunktion, die die Distanz zwischen empirischer und vom Modell implizierter Kovarianzmatrix der Indikatoren misst, minimiert wird, wobei die Nullhypothese geprüft werden soll, ob die empirische der modelltheoretischen Kovarianzmatrix entspricht.672 Dementsprechend werden die Parameter der Gleichungsmodelle derart gewählt, dass die modelltheoretische eine möglichst gute Annäherung an die empirische Kovarianzmatrix darstellt.673
664 665 666
667
668 669
670 671
672
673
Vgl. Kapitel 4. Vgl. Kapitel 4. Für eine ausführlichere Erläuterung von Strukturgleichungsmodellen sei exemplarisch auf die Arbeiten verwiesen von Bollen 1989; Hoyle 1995; Byrne 2001; Kline 2005; Hair/Black/ Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 705 ff. In der Literatur werden ebenfalls die Bezeichnungen Kovarianzstrukturanalyse, LISREL-Ansatz oder kovarianzerklärendes Verfahren verwendet. In der Literatur wird ebenfalls die Bezeichnung PLS-Ansatz verwendet. Vgl. Rigdon 1998, S. 252 f.; Bliemel/Eggert/Fassott/Henseler 2005, S. 10; Scholderer/Balderjahn 2005, S. 87 ff.; Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 35; Homburg/Klarmann 2006, S. 734. Vgl. den Beitrag von Spearman 1904. Vgl. Scholderer/Balderjahn 2005, S. 88 f. Vorangetrieben wurde der kovarianzbasierte Ansatz maßgeblich durch die Arbeiten von Jöreskog 1970; Bentler/Weeks 1980; Bagozzi 1980; Jöreskog/Sörbom 1988; Bollen 1989. Vgl. Homburg/Hildebrandt 1998, S. 17; Fassott 2005, S. 26. Vgl. dazu exemplarisch die Darstellung zur Parameterschätzung bei Bollen 1989, S. 104 ff. Vgl. Betzin/Henseler 2005, S. 50.
116
Empirische Untersuchung
Im Rahmen der varianzbasierten Parameterschätzung beschränken sich die entsprechenden Algorithmen immer nur auf Teilmodelle, unter der Annahme, dass die übrigen Modellparameter bereits bekannt sind.674 Dabei wird die erklärte Varianz der abhängigen Variablen im Strukturmodell maximiert.675 Bei varianzbasierten Ansätzen existiert daher eine entsprechende globale Zielfunktion wie die weiter oben erwähnte Nullhypothese nicht; hingegen zielen sie auf eine bestmögliche Reproduktion der tatsächlichen Datenstruktur, d. h. der Indikatorwerte, ab.676 Dazu werden zunächst iterativ konkrete Schätzwerte für die latenten Konstrukte als gewichtete Linearkombinationen aus den Indikatoren generiert, bevor die auf diese Weise berechneten Werte in einem zweiten Schritt herangezogen werden, um die Parameter in den Gleichungssystemen zu schätzen.677 Vor dem Hintergrund der spezifischen Charakteristika von Kovarianz- und Varianzstrukturanalyse ergeben sich deutliche Unterschiede im Hinblick auf die Anwendungsmöglichkeiten der beiden Verfahren. In jüngeren Verfahrensvergleichen attestieren Autoren wie HOMBURG und KLARMANN678 oder SCHOLDERER und BALDERJAHN679 der kovarianzbasierten Kausalanalyse das höhere Leistungspotential und empfehlen ihren Einsatz als Regelfall in der betriebswirtschaftlichen Forschung. Dennoch sollte eine Entscheidung für oder gegen ein Verfahren auf der Basis einer intensiven Auseinandersetzung mit den differenzierenden Eigenschaften der beiden Verfahren getroffen werden.680 Als strukturierte Entscheidungshilfe zur Beantwortung der Frage, unter welchen Umständen sich ein varianz- oder ein kovarianzbasiertes Verfahren besser zur 674 675 676 677
678
679
680
Vgl. Fornell/Cha 1994, S. 52 ff. Vgl. Betzin/Henseler 2005, S. 49 ff. Vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 44. Vgl. Lohmöller 1989, S. 29 f. Ausführlicher dargestellt wird der Ansatz der Varianzstrukturanalyse beispielsweise bei Wold 1985; Lohmöller 1989; Barclay/Higgins/Thompson 1995; Chin 1998b; Chin/Newsted 1999. Wörtlich schreiben HOMBURG und KLARMANN: „Insgesamt weist die kovarianzerklärende Kausalanalyse das deutlich höhere Leistungspotential auf. Ihr Einsatz sollte deshalb der Regelfall im Rahmen der empirischen betriebswirtschaftlichen Forschung sein.“ Homburg/Klarmann 2006, S. 734. Wörtlich schreiben SCHOLDERER und BALDERJAHN: „PLS sollte nach unserer Auffassung insofern nur eingesetzt werden, wenn ein Einsatz von LISREL definitiv nicht möglich ist.“ Scholderer/Balderjahn 2006, S. 67. Vgl. Hermann/Huber/Kressmann 2006, S. 34; Giere/Wirtz/Schilke 2006, S. 685; Eberl 2006, S. 651; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham, S. 878 ff.; Scholderer/Balderjahn 2005, S. 98; Chin/ Newsted 1999, S. 336.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
117
Modellanalyse eignet, stellt Tabelle 1, in Anlehnung an HOMBURG und KLAR681 MANN, die zentralen Eigenschaften der beiden Verfahren gegenüber. Tabelle 1 Vergleich zwischen Verfahren der Analyse von Strukturgleichungsmodellen682 Eignung der varianzerklärenden Kausalanalyse (z. B. PLS-Graph, SmartPLS)
Eignung der kovarianzerklärenden Kausalanalyse (z. B. LISREL, EQS, AMOS, Mplus)
Ziel der Datenanalyse Konfirmatorische Überprüfung von Theorien Explorative Entwicklung von Theorien
Problematisch, da Prüfung der globalen Modellgüte eingeschränkt Problematisch, da Prüfung der globalen Modellgüte eingeschränkt
Prognose abhängiger Variablen
Ja
Ja, aber Parameter nicht zur Prognose optimiert
Großer Modellumfang
Ja
Eher nicht, bei sehr großen Modellen häufiger Instabilitäten
Reflektive Messmodelle
Ja
Ja
Formative Messmodelle
Ja
Ja, unter kleineren Einschränkungen möglich
Mediierte Effekte
Problematisch
Ja
Latenter Interaktionen
Ja
Ja
Mehrgruppenanalyse
Eingeschränkt möglich
Ja
Ja
Sehr problematisch
Ja
Ja, allgemein robust gegen Abweichungen von multivariater Normalität
Konsistenz der Schätzer
Nein, nur bei sehr hoher Zahl der Indikatoren
Ja
Messfehlerbereinigte Schätzung
Nein
Ja, bei reflektiv gemessenen Konstrukten
Ja Ja
Modelleigenschaften
Datengrundlage Kleine Stichproben (n < 100) Nicht normal verteilte Indikatorvariablen Angestrebte Ergebnisgenauigkeit
Güteüberprüfung Lokal
Ja, inferenzstatistische Tests über Resampling-Verfahren möglich
Global
Eingeschränkt möglich
681
682
Ja, inferenzstatistische Tests problemlos möglich Ja, große Vielfalt an globalen Gütemaßen
Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 735. Eine ähnliche Gegenüberstellung ist zu finden bei Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 44. Vgl. für einen detaillierten, systematischen Vergleich auch Scholderer/Balderjahn 2006 sowie Chin/Newsted 1999. In Anlehnung an Homburg/Klarmann 2006, S. 735
118
Empirische Untersuchung
Besteht das Ziel der Datenanalyse in der Überprüfung und Entwicklung von Theorien zu komplexen Wirkungszusammenhängen, so wird der kovarianzbasierten Kausalanalyse eine deutlich bessere Eignung zugeschrieben.683 Demgegenüber eignet sich die varianzbasierte Kausalanalyse besser als Instrument der Prognose.684 Mit Bezug auf die Modelleigenschaften besteht ein Vorteil der kovarianzbasierten Kausalanalyse darin, dass mediierte Effekte präzise geschätzt werden können,685 wohingegen unter Verwendung eines varianzbasierten Verfahrens aufgrund der partiellen Schätzung im PLS-Ansatz mediierte Effekte nicht präzise geschätzt werden können, da insbesondere nicht eindeutig entschieden werden kann, ob eine vollständige Mediation vorliegt oder nicht.686 Die varianzbasierte Kausalanalyse zeichnet sich im Vergleich dadurch aus, dass sie kaum empirischen Restriktionen im Hinblick auf die Modellgröße unterliegt und kaum Anforderungen an die Datengrundlage stellt.687 Vor allem kann sie – anders als die kovarianzbasierte Kausalanalyse – auch bei sehr kleinen Stichproben (mit weniger als 100 Fällen) adäquat zum Einsatz kommen.688 Ein weiterer Vorteil von varianzbasierten Verfahren besteht in der problemlosen Einbindung formativ erhobener Variablen,689 während dies bei kovarianzbasierten Verfahren nur mit – wenngleich kleinen – Einschränkungen möglich ist.690 Deutliche Nachteile der varianzerklärenden Kausalanalyse zeigen sich jedoch im Hinblick auf die Ergebnisgenauigkeit.691 So sind Partial-Least-Squares-(PLS)-Schätzer im Allgemeinen nicht konsistent692 und auch bei reflektiven Konstrukten nicht 683
684 685
686 687 688 689 690 691 692
Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 734; Scholderer/Balderjahn 2006, S. 67; Fassott 2005, S. 26. Damit im Einklang beschreiben BARCLAY, HIGGINS und THOMPSON die kovarianzbasierte Kausalanalyse als „closer to the model, more confirmatory, and more model analytic.“ Barclay/ Higgins/Thompson 1995, S. 302. Vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 45; Chin/Newsted 1999, S. 336. Vgl. James/Mulaik/Brett 2006, S. 242; Scholderer/Balderjahn 2006, S. 64. Bei der Analyse mediierter Effekte werden kausale Ketten modelliert. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 730. Von einem mediierten Effekt ist zu sprechen, wenn eine Variable eine andere Variable über die Beeinflussung einer dritten Variable beeinflusst. Vgl. ebd., S. 730. Vgl. Scholderer/Balderjahn 2006, S. 64, McDonald 1996, S. 252 f. Vgl. Fornell/Bookstein 1982, S. 449; Homburg/Klarmann 2006, S. 728 ff. Vgl. Chin/Newsted 1999, S. 335 f. Vgl. Chin/Newsted 1999, S. 336; Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 34. Vgl. Eberl 2006, S. 59; Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 44; Homburg/Klarmann 2006, S. 731 f. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 734; Temme/Kreis 2005, S. 207. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 734. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sie die Eigenschaft der consistency at large besitzen, worunter zu verstehen ist, dass die Schätzer genauer werden, wenn die Stichprobe und die Zahl der Indikatoren jeweils wachsen. Vgl. McDonald 1996, S. 248.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
119
messfehlerkorrigiert.693 Ein weiterer – durchaus als zentral anzusehender – Nachteil der varianzerklärenden Verfahren besteht in der im Vergleich zu kovarianzerklärenden Verfahren eingeschränkten Verfügbarkeit aussagekräftiger globaler Gütekriterien.694 So weisen HOMBURG und KLARMANN darauf hin, dass nur auf der Grundlage kovarianzbasierter Schätzungen fehlspezifizierte Modelle (z. B. Modelle, in denen ein wichtiger struktureller Pfad fehlt) als solche erkannt werden können.695 Vor dem Hintergrund dieser Anwendungsempfehlungen ist festzuhalten, dass sich eine kovarianzbasierte Kausalanalyse besonders zur empirischen Analyse der im Rahmen dieser Untersuchung relevanten Fragestellungen eignet. Wie in Abschnitt 1.2 erläutert, besteht ein zentrales Anliegen dieser Forschungsarbeit in der Überprüfung der theoriebasierten Hypothesen bezüglich der Wirkungsbeziehungen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen; somit liegt ein bedeutendes Ziel der Untersuchung im Theorietest. Weiterhin besteht eines der zentralen Forschungsanliegen in der Überprüfung eines mediierten Effektes. Ferner beinhaltet das Forschungsmodell, wie die Operationalisierungen in Abschnitt 5.2.3 zeigen werden, keine formativ erhobenen Variablen. Darüber hinaus konnten im Rahmen der in Abschnitt 5.3 ausführlich beschriebenen Datenerhebung 228 Rückläufer erzielt werden, sodass eine für Kovarianzstrukturanalysen ausreichend große Stichprobe vorliegt.696 Schließlich wird in Abschnitt 5.4.1.1 gezeigt werden, dass keine extreme Verletzung der Normalverteilungsannahme vorliegt. Vor dem Hintergrund der dargestellten Charakteristika dieser Arbeit wird im Rahmen der weiteren Analyse der kovarianzbasierte Ansatz verfolgt. 693 694
695 696
Vgl. Scholderer/Balderjahn 2006, S. 61. Vgl. zu den globalen Gütemaßen kovarianzerklärender Verfahren Abschnitt 5.1.4 und die dort angegebenen Arbeiten. Vgl. für ein globales Gütemaß im PLS-Ansatz Tenenhaus/Esposito Vinzi/Chatelin/Lauro 2005, S. 173. Vgl. zur Diskussion der Aussagekraft auch Homburg/ Klarmann 2006, S. 734; Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 44. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 734. Die minimale Schätzgröße richtet sich wesentlich nach der Wahl des Schätzalgorithmus. Wie in Abschnitt 5.1.3 gezeigt werden wird, findet in dieser Arbeit der Maximum-LikelihoodAlgorithmus Anwendung. Bezüglich der minimalen Stichprobengröße für eine Anwendung kovarianzbasierter Verfahren auf Basis des Maximum-Likelihood-Algorithmus wird in der Literatur in der Regel eine Mindestgröße von 100 empfohlen, wenngleich ein Stichprobenumfang von 200 als wünschenswert betrachtet wird. Vgl. exemplarisch Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 44; Balderjahn 2008, S. 268. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2008, S. 15 f.; Hair/Black/ Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 742.
120
Empirische Untersuchung
Auf die formale und rein deskriptive Darstellung eines vollständigen Strukturgleichungsmodells sowie der Teilmodelle Strukturmodell und Messmodell bzw. der entsprechenden Gleichungssysteme wird an dieser Stelle aufgrund des geringen Mehrwertes für die vorliegende Arbeit verzichtet. Ausführliche und ansprechende Darstellungen sind unter anderem in den Übersichtswerken von BACK697 HAUS, ERICHSON, PLINKE und WEIBER, HAIR, BLACK, BABIN, ANDERSON und 698 TATHAM sowie HOMBURG, PFLESSER und KLARMANN699 zu finden. 5.1.3 Zur Wahl des Schätzverfahrens Wie bereits in Abschnitt 5.1.2 erwähnt, wird im Rahmen der kovarianzbasierten Kausalanalyse iterativ eine modelltheoretische Korrelationsmatrix so geschätzt, dass sie eine möglichst gute Annäherung an die empirische Korrelationsmatrix erfährt. Zu der Lösung dieses komplexen Optimierungsproblems können verschiedene Schätzalgorithmen, die sich bezüglich statistischer Eigenschaften, der zugrunde liegenden Annahmen und ihrer Leistungsfähigkeit unterscheiden, verwendet werden.700 Zu den üblichen Verfahren gehören:701
697 698 699 700
701
x
die Maximum-Likelihood-Methode (maximum likelihood (ML)),
x
die Methode der ungewichteten kleinsten Quadrate (unweighted least squares (ULS)),
x
die Methode der verallgemeinerten kleinsten Quadrate (generalized least squares (GLS)),
x
die Methode der skalenunabhängigen kleinsten Quadrate (scale free least squares (SLS)) und
x
die Methode der asymptotisch verteilungsfreien Schätzer (asymptotical distribution free (ADF)).
Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006, S. 359 ff. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 705 ff. Vgl. Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 547 ff. Einen Überblick über die verschiedenen Parameterschätzverfahren geben beispielsweise Browne 1984, S. 62 ff.; Bollen 1989, S. 104 ff.; Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006, S. 368 ff.; Kline 2005, S. 158 ff.; Arbuckle 2007, S. 581 ff. Vgl. dazu die in der letzten Fußnote genannten Arbeiten.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
121
Die Selektion eines geeigneten Schätzalgorithmus orientiert sich in der Regel an den folgenden Kriterien:702 x
Vorliegen einer Multinormalverteilung,
x
Skaleninvarianz der Diskrepanzfunktion,703
x
erforderliche Stichprobengröße und
x
Verfügbarkeit von Inferenzstatistiken.
Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Ausprägungen der zuvor genannten Kriterien für die verschiedenen Schätzverfahren. Tabelle 2 Anforderungen und Eigenschaften verschiedener Schätzverfahren im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen704 Kriterium
ML
GLS
ULS
SLS
ADF
Annahme einer Multinormalverteilung
Ja
Ja
Nein
Nein
Nein
Skaleninvarianz
Ja
Ja
Nein
Ja
Ja
Stichprobengröße
> 100 (besser > 200)
> 100
> 100
> 100
> 1,5p(p+1)
Inferenzstatistiken
Ja
Ja
Nein
Nein
Ja
Die wohl am häufigsten verwendete Methode im Rahmen strukturgleichungsmodellbasierter Analysen ist die ML-Methode.705 Der Literatur ist zu entnehmen, 702 703
704
705
Vgl. Adler 1996, S. 191 ff.; Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006, S. 369 f. Eine Schätzmethode ist skaleninvariant, wenn das Minimum der Diskrepanzfunktion von der Skalierung der Messvariablen unabhängig ist. Vgl. Jöreskog 1978, S. 446. In Anlehnung an Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006, S. 371. Die angegebene Stichprobengröße für das ADF-Schätzverfahren gilt für den Fall von p 12 manifester Variablen. Bei p < 12 genügt ein Stichprobenumfang von n 200. Vgl. Jöreskog/Sörbom 1989, S. 21. In der Literatur wird allerdings darauf hingewiesen, dass eine Schätzung nach diesem Verfahren erst ab Stichprobengrößen von 1000 und mehr Ergebnisse liefert, die bei nicht-normal verteilten Ausgangsdaten ML-Schätzungen an Präzision erreichen oder sogar übertreffen. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 736; Olsson/Foss/Troye 2000, S. 557 f.; Hu/Bentler/Kano 1992, S. 356. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 735 f.; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 741; Homburg/Sütterlin 1990, S. 186.
122
Empirische Untersuchung
dass die ML-Methode – bei Erfüllung der in Tabelle 2 dargelegten Anforderungen, insbesondere in Bezug auf die Multinormalverteilung – die präzisesten Schätzer liefert.706 Wie zahlreiche Simulationsstudien gezeigt haben, führen jedoch auch (moderate) Abweichungen von der multivariaten Normalverteilung höchstens zu einer geringen Verzerrung der geschätzten Parameter.707 Wie in Abschnitt 5.3.2 bzw. Abschnitt 5.4.1.1 dargestellt werden wird, sind die Voraussetzungen bezüglich der zugrunde liegenden Verteilung und der Stichprobengröße in der vorliegenden Untersuchung als grundsätzlich erfüllt zu betrachten. Vor diesem Hintergrund empfehlen HOMBURG und KLARMANN den Einsatz einer ML-basierten Schätzung.708 Daher findet in dieser Untersuchung die ML-Methode Anwendung. Wie soeben dargestellt wurde, sind die Parameterschätzungen der ML-Schätzung kaum von einer Verletzung der multivariaten Normalverteilung betroffen, jedoch wird für diesen Fall im Hinblick auf die Teststatistiken in der Literatur darauf hingewiesen, dass Standardfehler in der Regel unterschätzt und die 2-Teststatistik überschätzt wird.709 Ebenfalls wird darauf hingewiesen, dass vor diesem Hintergrund mit zunehmender Abweichung von einer multivariaten Normalverteilung auch die Gefahr steigt, dass der Forscher versucht ist, unsachgemäße Modellanpassungen vorzunehmen, die in anderen Studien nicht repliziert werden können.710 Wenngleich ebenfalls darauf hingewiesen wird, dass nur wenige Probleme zu erwarten sind, wenn – wie in der vorliegenden Arbeit711 – die Schiefe der meisten Indikatorvariablen kleiner |2| und ihre Wölbung kleiner |7| ist,712 sollen in dieser Untersuchung trotzdem verteilungsfreie Testverfahren angewendet werden, um Verzerrungen durch nicht-vollständig normalverteilte Daten zu verhindern. 706
707
708 709 710 711 712
Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006, S. 371; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 743. Vgl. die Arbeiten von Lei/Lomax 2005; Olsson/Foss/Breivik 2004; Boomsma/Hoogland 2001; Olsson/Foss/Troye/Howell 2000; Benson/Fleishman 1994. Vgl. dazu auch Hair/Black/Babin/ Anderson/Tatham 2006, S. 743; Homburg/Klarmann 2006, S. 736. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 736. Vgl. Muthén/Kaplan 1985, S. 187; Nevitt/Hancock 2001, S. 354. Vgl. West/Finch/Curran 1995, S. 73. Vgl. Abschnitt 5.4.1.1. Vgl. Bühner 2006, S. 251; Curran/West/Finch 1996, S. 26; West/Finch/Curran 1995, S. 74.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
123
Um derartige Verzerrungen zu vermeiden, werden neben der Verwendung eines Schätzers, der keine oder nur geringe Verteilungsannahmen voraussetzt,713 in der Literatur im Wesentlichen drei Lösungsvorschläge genannt:714 x
Normalisierung der Daten durch Transformation und Anwendung des ML-Schätzers,
x
Verwendung des ML-Schätzers mit Korrekturverfahren sowie
x
Verwendung des ML-Schätzers und Durchführung eines nichtparametrischen Bootstrapping.
Vielerorts wird bei nicht-vollständig normalverteilten Daten das BootstrappingVerfahren715 empfohlen, um das Signifikanzniveau der Parameterschätzungen zu überprüfen.716 Während in der Literatur grundsätzlich auch die Verwendung eines ML-Schätzers mit Korrekturverfahren als geeignetes Vorgehen angesehen wird, wird aufgrund der durch eine Transformation der Daten mitunter entstehenden Probleme von dem Vorgehen der Normalisierung und anschließender Anwendung des ML-Schätzers abgeraten.717 Für diese Arbeit erscheint das Bootstrap-Verfahren, bei dem wiederholt Stichproben mit Zurücklegen aus den Daten gezogen und für jede so generierte Auswahl die Modellparameter geschätzt und später kombiniert werden,718 als geeignet. Da es die Schätzungen allein auf Basis der Sample-Daten vornimmt, liegen diesem Verfahren keine statistischen Annahmen bezüglich der Grundgesamtheit 713
714 715
716
717
718
Wie bereits thematisiert wurde, stellt eine Schätzung nach einem deraertigen Verfahren für diese Arbeit keine sinnvolle Option dar, da eine solche Schätzung erst ab Stichprobengrößen von 1000 und mehr Ergebnisse liefert, die bei nicht-normal verteilten Ausgangsdaten ML-Schätzungen an Präzision erreichen oder sogar übertreffen. Vgl. Hu/Bentler/Kano 1992, S. 356; Curran/West/ Finch 1996, S. 21, Olsson/Foss/Troye/Howell 2000, S. 578. Vgl. Kline 2005, S. 194 ff. Das Bootstrapping-Verfahren wurde maßgeblich durch EFRON und Kollegen entwickelt und vorangetrieben. Vgl. exemplarisch Efron 1979; Efron/Gong 1983; Efron/Tibshirani 1993. Vgl. Bühner 2006, S. 251; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 1 f.; West/Finch/Curran 1995, S. 66 f.; Yung/Bentler 1996, S. 196 ff.; Byrne 2001, S. 270. Vgl. Kline 2005, S. 50 f., und die dort angegebenen Probleme infolge derartiger Datentransformationen. Vgl. West/Finch/Curran 1995, S. 66; Byrne 2001, S. 269; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 1.
124
Empirische Untersuchung
zugrunde.719 Ferner kann die Stabilität der Modellanpassung überprüft werden, indem durch Resimulation eine Prüfverteilung für den errechneten Modellfit ermittelt und anschließend getestet wird, inwieweit die modellimplizierte Verteilung von der Populationsstatistik abweicht.720 Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zur Bestimmung der Signifikanzniveaus von Parameterschätzungen für die Beziehungen zwischen den Konstrukten die Bootstrapping-Routine mit 200 Resamples durchgeführt. Wenngleich sich in der Literatur der Begriff LISREL-Ansatz als Synonym für die Kovarianzstrukturanalyse etabliert hat, steht für die Analyse kovarianzbasierter Modelle heutzutage neben LISREL (linear structural relationships)721 eine Reihe von ausgereiften und leistungsfähigen Softwarepaketen zur Verfügung.722 Neben LISREL gehören EQS (equation system),723 Mplus724 sowie AMOS (analysis of moment structures)725 zu den derzeit bekanntesten Paketen.726 Für die vorliegende Untersuchung wurde das Softwarepaket AMOS des Herstellers SPSS verwendet, das in der (Lehrbuch-)Literatur mittlerweile eine ähnliche Verbreitung wie LISREL aufweist.727 Die Verbreitung von AMOS wird mitunter durch die enge Bindung an das Statistikprogrammpaket SPSS Statistics gefördert, aus dem AMOS Datenmatrizen analysieren und mit dem es Ergebnisse austauschen kann.728 AMOS ist in der Lage, die Vorteile, die zur Wahl einer 719 720 721 722 723 724 725 726
727
728
Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 2. Vgl. Reinecke 2005, S. 17. Vgl. dazu auch die Arbeit von Bollen/Stine 1992. Zu LISREL siehe ausführlich Byrne 1998; Jöreskog/Sörbom 1998. Vgl. Reinecke 2005, S. 367 ff. Zu EQS siehe ausführlich Byrne 1994; Homburg/Sütterlin 1990, S. 181 ff. Zu Mplus siehe ausführlich Muthén/Muthén 2007. Zu AMOS siehe ausführlich Arbuckle 2007. Diese Softwarepakete finden Erwähnung unter anderem in den Beiträgen von Reinecke 2005, S. 367 ff.; Homburg/Klarmann 2006, S. 735 sowie Giere/Wirtz/Schilke 2006, S. 648. So greifen BACKHAUS, ERICHSON, PLINKE und WEIBER seit der 10. Auflage des Lehrbuchs zu multivariaten Analysemethoden zur Behandlung von Strukturgleichungsmodellen auf das Softwarepaket AMOS und nicht mehr auf LISREL zurück. Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2008, S. 16. Darüber hinaus schreibt BALDERJAHN in seiner Diskussion varianzbasierter- und kovarianzbasierter Verfahren nicht von dem LISREL-Ansatz, sondern verwendet den Ausdruck LISREL/AMOS. Vgl. Balderjahn 2008, S. 268. Ferner sagt REINECKE in seinem Softwareüberblick AMOS eine ähnliche Verbreitung wie EQS und LISREL vorher. Vgl. Reinecke 2005, S. 378. Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2008, S. 16.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
125
kovarianzbasierten Kausalanalyse geführt haben, umzusetzen.729 Ebenfalls in AMOS problemlos möglich ist die Verwendung des ML-Schätzers in Kombination mit der Durchführung eines nicht-parametrischen Bootstrapping; dabei ist in AMOS in Abgrenzung zu anderen Programmen ein auf Resimulation basierendes Verfahren implementiert, mit dem die Stabilität der Modellanpassung überprüft werden kann.730 Zur Berechnung der konfirmatorischen Faktorenanalyse und der Strukturgleichungsmodelle wird somit das Softwarepaket AMOS in der aktuellen Version 17 verwendet.731 5.1.4 Zur Gütebeurteilung von Kausalmodellen Ein zentrales Problem der Anwendung der Kausalanalyse ist die Gütebeurteilung und somit die Beantwortung der Fragen, ob ein angenommenes Modell in hinreichendem Umfang mit einem vorliegenden Datensatz konsistent ist732 und somit inwieweit das spezifizierte Modell geeignet ist, die Assoziationen zwischen den beobachteten Variablen zu beschreiben.733 Die Gütebeurteilung ist aufgrund der komplexen Struktur von Kausalmodellen nicht mit einfachen Ja/Nein-Kriterien zu bewältigen, vielmehr muss eine Reihe von interdependenten Messzahlen beurteilt werden, die unterschiedliche Facetten des Gütebegriffs fokussieren.734 Dieser Abschnitt hat zum Zweck die grundlegenden Kategorien der Maße zur Gütebeurteilung darzustellen und auf einer fundierten Basis diejenigen Maße zu identifizieren, die in dieser Arbeit Anwendung finden sollen.735 Bei der Evaluation von Kausalmodellen kann zwischen einer Beurteilung auf Messmodellebene und einer Beurteilung auf Strukturmodellebene unterschieden werden.736 Während auf Messmodellebene die noch näher zu beschreibenden 729 730 731 732 733 734 735
736
Vgl. Abschnitt 5.1.1 sowie Abschnitt 5.1.2. Vgl. Reinecke 2005, S. 17. Vgl. zu AMOS auch die Besprechung von Miles 2000. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 162. Vgl. Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 560. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 162. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Modelle mit reflektiven Indikatoren, da – wie die Ausführungen zur Operationalisierung in Abschnitt 5.2.3 zeigen werden – in dieser Arbeit ausschließlich reflektive Messmodelle Verwendung finden. Zur Gütebeurteilung formativer Messmodelle sei exemplarisch verwiesen auf Fassott/Eggert 2005, S. 40 ff. Vgl. Bagozzi 1981, S. 376; Anderson/Gerbing 1982, S. 453; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 881.
126
Empirische Untersuchung
Aspekte Reliabilität und Validität im Vordergrund stehen, wird sich auf der Strukturmodellebene vornehmlich der Analyse der Strukturbeziehungen in Form der Parameterschätzer für die Pfadbeziehung sowie dem Vergleich verschiedener Modelle gewidmet.737 Wie bereits im letzten Absatz angedeutet, wird die Qualität der Erfassung eines Konstruktes durch die Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) bestimmt.738 Dabei kann Reliabilit als „degree to which measures are free from error and therefore yield consistent results“739 definiert werden. Reliabilität bezieht sich auf den Grad, zu dem Messungen frei von zufälligen Fehlern sind.740 Von einer hohen Reliabilität eines Messinstruments kann dementsprechend dann ausgegangen werden, wenn ein wesentlicher Anteil der Varianz durch die Assoziation mit dem Faktor erklärt wird und der Einfluss von Messfehlervariablen somit gering ist.741 Validität kann als „degree to which instruments truly measure the constructs which they are intended to measure“742 definiert werden. Folglich 737
738
739 740 741 742
Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 756. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass neben der Reliabilität und der Validität die Objektivität das dritte Gütekriterium der klassischen Mess- bzw. Testtheorie darstellt. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 195. Ein Test bzw. Fragebogen ist dann objektiv, wenn verschiedene Forscher bei denselben Forschungsobjekten dieselben Ergebnisse erzielen, d. h. ein objektiver Test ist vom Forscher unabhängig. Vgl. Bortz/Döring, 2006, S. 195. Unterschieden werden kann zwischen den Unternehmen Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität. Vgl. Lienert/Raatz 1998, S. 7 f.; Bortz/Döring 2006, S. 195. Durch den Einsatz eines standardisierten Online-Fragebogens nimmt der Forscher in der vorliegenden Arbeit keinen spezifischen Einfluss auf die Antworten der Befragten. Der Fragebogen umfasst nahezu ausschließlich vorgegebene Antwortmöglichkeiten in Form von Ratingskalen. Die Eingaben der Probanden werden automatisiert in elektronischer Form erfasst. Individuelle Ergebnisse müssen nicht interpretiert werden. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Standardisierung hinsichtlich aller drei Unterformen (Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität) ist in dieser Arbeit von dem Vorliegen von Objektivität auszugehen. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 195 f. Da es sich bei der Objektivität in einem quantitativen Forschungsansatz unter Verwendung eines standardisierten Tests nicht um ein empirisch zu prüfendes Kriterium handelt, wird in den folgenden Ausführungen nicht weiter darauf eingegangen. Vgl. dazu auch Bortz/Döring 2006, S. 196. Vgl. Jacoby 1978, S. 91; Churchill 1979, S. 65; Peter 1979, S. 6; Hildebrandt 1984, S. 41 f.; Homburg/Giering 1996, S. 6 f., Homburg/Baumgartner 1996, S. 6. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass sich diese und die folgenden Ausführungen auf reflektive Indikatoren beziehen. Dieses Vorgehen erscheint angemessen, da wie in Abschnitt 5.2.3 dargestellt werden wird, in dieser Arbeit ausschließlich reflektive Operationalisierungen Anwendung finden. Vgl. Peter 1979, S. 6. Vgl. Peter/Churchill 1986, S. 4. Vgl. Peter 1979, S. 7. Vgl. ebd., S. 6.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
127
bezeichnet Validität den Grad der konzeptionellen Richtigkeit einer Messung.743 Es wird somit die Frage adressiert, inwieweit das Messverfahren wirklich misst, was es messen soll.744 Während Reliabilität also die Abwesenheit von Zufallsfehlern fordert, setzt Validität die Freiheit von systematischen Fehlern in der Messung voraus.745 Somit stellt die Reliabilität eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Validität dar.746 Ausgehend von der grundlegenden Definition der Validität werden in der Literatur zahlreiche Facetten des Validitätsbegriffs diskutiert.747 Im Wesentlichen lassen sich vier Validitätsarten unterscheiden:748
743 744 745 746 747
748
749 750 751 752
x
Inhaltsvalidität: Sie adressiert den Grad, zu dem die Variablen eines Messmodells für den inhaltlich-semantischen Bereich des Konstrukts repräsentativ sind und die konstruierten Indikatoren alle Bedeutungsinhalte und Facetten des Konstrukts abbilden.749
x
Konvergenzvalidität: Mit der Konvergenzvalidität wird der Grad der Übereinstimmung von zwei oder mehreren unterschiedlichen Messungen desselben theoretischen Konzepts adressiert.750 Das Kriterium der Konvergenzvalidität setzt voraus, dass die dem latenten Konstrukt zugeordneten Indikatoren eine hinreichend starke Beziehung zueinander besitzen, d. h. es setzt voraus, dass die Indikatoren homogen und hochkorreliert sind.751
x
Diskriminanzvalidität: Sie bezieht sich auf den Grad, zu dem sich distinkte Konstrukte unterscheiden.752 Hinsichtlich der Diskrimanzvalidität
Vgl. Churchill 1979, S. 65. Vgl. Heeler/Ray 1972, S. 361. Vgl. Churchill 1979, S. 65 f. Vgl. Carmines/Zeller 1979, S. 13; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 712. Vgl. Jacoby 1978, S. 91 f.; Carmines/Zeller 1979, S. 17 f.; Bagozzi 1980, S. 114 f.; Hildebrandt 1984, S. 42 f. Vgl. zu dieser Einschätzung exemplarisch Homburg/Giering 1996, S. 7; Hair/Black/Babin/ Anderson/Tatham 2006, S. 137; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 279. Vgl. Bohrnstedt 1970, S. 92; Carmines/Zeller 1979, S. 20. Vgl. Peter 1981, S. 136; Bagozzi/Phillips 1982, S. 468. Vgl. Campbell/Fiske 1959, S. 82; Straub 1989, S. 151. Vgl. Bagozzi/Phillips 1982, S. 469.
128
Empirische Untersuchung wird in der Regel gefordert, dass die Assoziation zwischen den Indikatoren desselben latenten Konstrukts größer als die Assoziation zwischen Indikatoren distinkter Konstrukte sein soll.753 x
Nomologische Validität: Die nomologische Validität bezieht sich auf den Grad, zu dem vorhergesagte Beziehungen eines Konstrukts zu anderen Konstrukten, die aus einem übergeordneten theoretischen Rahmen abgeleitet werden, bestätigt werden können.754 Sie liegt ansatzweise dann vor, wenn die postulierte Abhängigkeit zwischen dem betrachteten Konstrukt und anderen Konstrukten empirisch belegt werden kann.755
Nachfolgend werden zunächst die zur Beurteilung von Reliabilität und Validität existierenden Gütemaße vorgestellt und hinsichtlich ihrer Eignung für die vorliegende Untersuchung diskutiert. Bei der Gütebeurteilung wird heute zwischen Verfahren der ersten und Verfahren der zweiten Generation unterschieden.756 Erstere basieren auf frühen Ansätzen der Psychometrie,757 während Letztere sich insbesondere durch die konfirmatorische Faktorenanalyse charakterisieren und aus zahlreichen Gesichtspunkten leistungsstärker als die herkömmlichen Methoden sind.758 In der Literatur wird empfohlen, eine Verknüpfung der Verfahren beider Generationen anzustreben.759 Um ein möglichst vollständiges Bild der Reliabilität und Validität zu zeichnen, wird dieser Empfehlung in der vorliegenden Arbeit gefolgt.
753 754 755
756 757 758 759
Vgl. Baozzi/Yi/Phillips 1991, S. 425. Vgl. Bagozzi 1982, S. 14. Vgl. Peter 1981, S. 135; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 279. Im Rahmen dieser Arbeit wird damit im Einklang von dem Vorliegen eines ausreichenden Maßes nomologischer Validität ausgegangen, wenn die vorhergesagten Beziehungen zwischen den Konstrukten empirisch gestützt werden, weshalb in den folgenden Ausführungen nicht weiter darauf eingegangen wird. Vgl. zu diesem Vorgehen Hair/Black/Anderson/Tatham 2006, S. 811. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8. Vgl. den programmatischen Beitrag von Churchill 1979. Vgl. Fornell 1982, S. 1 ff. Vgl. Gerbing/Anderson 1988, S. 189; Homburg/Giering 1996, S. 8 f.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
129
Zunächst werden mit CRONBACHs Alpha, den Item-to-Total-Korrelationen und der explorativen Faktorenanalyse Ansätze der ersten Generation diskutiert. Mit den Prüfschritten CRONBACHs Alpha und Item-to-Total-Korrelationen wird eine erste Prüfung der Indikatoren vorgenommen. CRONBACHs Alpha ist ein Maß für die Reliabilität einer Gruppe von Indikatoren, die einen Faktor messen,760 und stellt heute die Standardmethode zur Schätzung der internen Konsistenz dar.761 Als Maß spiegelt es den Mittelwert aller Korrelationen, die sich ergeben, wenn die dem Faktor zugeordneten Indikatoren auf jede mögliche Art in zwei Hälften geteilt und die Summe der jeweils resultierenden Variablenhälften anschließend miteinander korreliert werden, wider.762 Der Wertebereich von Alpha reicht hierbei von 0 bis 1, wobei ein höherer Wert eine höhere Reliabilität anzeigt.763 In der betriebswirtschaftlichen Literatur gilt ein Mindestwert von 0,6 als notwendig und ein Wert von 0,7 als erstrebenswert.764 Die Item-to-Total-Korrelationen reflektieren die einzelnen Indikatoren in ihrer Trennschärfe und messen deren singuläre Korrelation mit der Summe aller Indikatoren, die demselben Faktor zugerechnet werden.765 Die korrigierte Item-toTotal-Korrelation ist die part-whole-korrigierte Trennschärfe und bezeichnet somit die Korrelation eines Indikators mit der Summe der verbleibenden Indikatoren, nachdem der betrachtete Indikator selbst entfernt worden ist.766 Diese wird
760 761
762
763 764
765 766
Vgl. Gerbing/Anderson 1988, S. 190; Churchill 1979, S. 68; Nunnally 1978, S. 245. Vgl. Bühner 2006, S. 132. Die Aussagekraft des CRONBACHschen Alphas wird jedoch durch verschiedene Nachteile beeinträchtigt. Erstens ist eine inferenzstatistische Beurteilung des Koeffizienten nicht möglich. Vgl. Cortina 1993, S. 101. Zweitens hängt die Höhe des Koeffizienten in der Regel positiv von der Anzahl der Koeffizienten ab. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8. BÜHNER weist jedoch darauf hin, dass negativ mit den anderen Items korrelierende Indikatoren durchaus auch zu einer Reduktion des CRONBACHschen Alphas führen können. Vgl. Bühner 2006, S. 132. Drittens unterstellt der Koeffizient, dass alle Indikatoren eines Faktors die gleiche Reliabilität aufweisen. Vgl. Gerbing/Anderson 1988, S. 190. Vgl. Carmines/Zeller 1979, S. 45. Zur formalen Bestimmung des CRONBACHschen Alphas sei auf Cronbach 1951 verwiesen. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8. Vgl. zur Diskussion und einer Übersicht von Empfehlungen Peterson 1994. Wenngleich basierend auf NUNNALLY in der Regel ein Wert von 0,7 angestrebt wird, gelten insbesondere bei neu entwickelten Messinstrumenten oder bei wenigen Indikatoren Werte von 0,6 ebenfalls als akzeptabel. Vgl. auch Nunnally 1978, S. 245. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8. Vgl. Vgl. Norusis 1993, S. 146; Bühner 2006, S. 145.
130
Empirische Untersuchung
in der vorliegenden Arbeit betrachtet.767 Geringe Trennschärfen von Indikatoren zeugen von einer höheren Heterogenität im Faktor, was sich negativ auf die Reliabilität im Sinne von CRONBACHs Alpha auswirkt.768 Wenngleich BÜHNER betont, dass es keine feste Untergrenze gibt, ab der Indikatoren nicht mehr berücksichtigt werden sollten, da eine derartige Grenze davon abhängt, wie homogen oder heterogen eine Skala sein soll,769 sind in der Literatur Empfehlungen für eine Untergrenze zu finden, ab der davon ausgegangen werden sollte, dass ein einzelner Indikator etwas anderes als die Skala als Ganzes misst. Derartige Empfehlungen schwanken bei möglichen Trennschärfen von 0 bis 1 zwischen den Werten 0,3 und 0,5.770 In der Forschungspraxis werden die Item-to-TotalKorrelationen als Eliminationskriterium für Indikatoren angewendet.771 Wenn keine inhaltlichen Überlegungen dagegen sprechen, empfiehlt CHURCHILL für den Fall, dass ein Faktor einen unbefriedigenden Wert bezüglich CRONBACHs Alpha aufweist, die zugehörige Indikatorvariable mit der niedrigsten Item-toTotal-Korrelation zu eliminieren, da sich dadurch seine Reliabilität in der Regel steigern lässt.772 Bei reflektiven Operationalisierungen, wie sie in dieser Arbeit ausschließlich Verwendung finden,773 wird eine derartige Eliminierung als unproblematisch beschrieben, da die Indikatoren prinzipiell austauschbare Messungen der latenten Variablen darstellen.774 Anschließend wird im Einklang mit den Empfehlungen in der Literatur die explorative Faktorenanalyse (EFA) zweckentfremdet, indem mit ihr überprüft wird, ob im Rahmen der Faktorenextraktion wirklich nur ein Faktor ermittelt werden kann, da nur in diesem Fall ein sinnvolles Maß konvergenter Validität gegeben
767
768 769 770
771 772 773 774
Vgl. Bühner 2006, S. 145 f. Auf den Zusatz ‚korrigiert‘ wird aufgrund der besseren Lesbarkeit nachfolgend verzichtet. Vgl. Bühner 2006, S. 146. Vgl. ebd., S. 147. So legt PALLANT einen kritischen Wert von 0,3 nahe. Vgl. Pallant 2005, S. 92. HOMBURG und GIERING verwenden einen exemplarischen Wert von 0,4. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 12. Ein Wert von 0,5 ist zu finden bei Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 137 sowie Bearden/ Netemeyer/Teel 1989, S. 475. Vgl. Bühner 2006, S. 146 f. Vgl. Churchill 1979, S. 68. Vgl. Abschnitt 5.2.3. Vgl. Bollen/Lennox, 1991, S. 308.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
131
sein kann.775 In diesem Zusammenhang fordern HOMBURG und GIERING, dass durch diesen einen extrahierten Faktor mindestens 50 % der Varianz der zugehörigen Indikatoren erklärt werden kann.776 Häufig wird an dieser Stelle die Hauptkomponentenanalyse (PCA für englisch principal component analysis) eingesetzt,777 obwohl diese ungeeignet ist, da sie keine faktorenanalytische Methode im eigentlichen Sinn darstellt778 und sie weder die Messfehlervarianz noch die spezifische Varianz der Indikatoren berücksichtigt, was zu einer Überschätzung der Faktorladungen führt.779 Um dieser Kritik zu begegnen, wird, wie in der Literatur für die Zwecke dieser Arbeit empfohlen, eine Hauptachsenanalyse verwendet.780 Allerdings führt diese in der Regel zu niedrigeren Ladungen, weshalb zum Zwecke der Vergleichbarkeit mit anderen Arbeiten ebenfalls ein Wert für die erklärte Varianz nach der Hauptkomponentenanalyse angegeben wird. Als unterer Grenzwert werden vor dem Hintergrund praktischer Signifikanz häufig Ladungen von 0,3 bis 0,4 angesehen.781 In diesem Zusammenhang weisen HAIR, BLACK, BABIN, ANDERSON und TATHAM darüber hinaus auf die statistische Signifikanz hin, wobei festzuhalten ist, dass die zur statistischen Signifikanz benötigten Ladungen von der Stichprobenzahl abhängen.782 Vor dem Hintergrund einer Stichprobenzahl von 228 in dieser Studie wäre interpoliert bei einer Ladung von 0,37 von statistischer Signifikanz auszugehen.783
775
776 777 778 779 780
781 782 783
Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 12; Gerbing/Anderson 1988, S. 186. Dabei wird das von BACKHAUS, ERICHSON, PLINKE und WEIBER empfohlene Kaiser-Kriterium verwendet, nach dem die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren der Anzahl der Faktoren mit Eigenwerten größer eins entspricht. Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2008, S. 353. BÜHNER empfiehlt das KaiserKriterium insbesondere für den Fall, dass der Merkmalsbereich sehr differenziert aufgegliedert werden soll, was in den im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführten Faktorenanalysen der Fall ist. Vgl. Bühner 2006, S. 211. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 12. Vgl. Hildebrandt/Temme 2006, S. 624 und die dort angegebenen Quellen. Vgl. Bühner 2006, S. 194. Vgl. Hildebrandt/Temme 2006, S. 624. Vgl. die Empfehlungen bei Bühner 2006, S. 210; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 122. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 12; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 127 f. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 128. Zur Bestimmung dieses Wertes siehe Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 128.
132
Empirische Untersuchung
Die Durchführung einer exploratorischen Faktorenanalyse setzt jedoch die Eignung der Daten für eine Faktorenanalyse, die sich maßgeblich in der Korrelationsmatrix widerspiegelt, voraus.784 Zur Überprüfung der Eignung werden in der Regel das Kaiser-Meyer-Olkin-(KMO-)Kriterium sowie BARTLETTs Test auf Sphärizität vorgeschlagen.785 Der KMO-Koeffizient gibt an, zu welchem Ausmaß die Ausgangsvariablen zusammengehören, und kann damit als Beleg dafür herangezogen werden, ob eine Faktorenanalyse sinnvoll ist oder nicht.786 In der Regel werden bei einem Wertebereich von 0 bis 1 Werte von unter 0,5 als untragbar und Werte von 0,6 oder höher als wünschenswert erachtet.787 BARTLETTs Test überprüft die Hypothese, dass die Stichprobe einer Grundgesamtheit entstammt, in der die Variablen unkorreliert sind.788 Wenn der Test signifikant wird, sind die Indikatoren korreliert und somit für die Durchführung einer Faktorenanalyse geeignet.789 CRONBACHs Alpha, die Item-to-Total-Korrelationen sowie die explorativen Faktorenanalyse zählen zu den Ansätzen der ersten Generation zur Beurteilung von Reliabilität und Validität.790 Die Beurteilung eines Messmodells anhand der Ansätze der ersten Generation weist jedoch einige gravierende Nachteile auf.791 Zunächst sind in diesem Zusammenhang die teilweise sehr restriktiven Annahmen zu nennen, die diesen Kriterien in der Regel zugrunde liegen.792 Exemplarisch sei hier auf die Ausführungen zu CRONBACHs Alpha weiter vorne in diesem Abschnitt verwiesen, in denen dargelegt wurde, dass dieses unterstellt, dass alle Indikatoren die gleiche Reliabilität aufweisen.793 Eine differenzierte Analyse der einzelnen Indikatoren im Hinblick auf die jeweils zugrunde liegenden Messfeh784 785
786 787
788 789 790 791
792 793
Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2008, S. 333; Bühner 2006, S. 206 ff. Vgl. Bühner 2006, S. 210. Vgl. auch die Empfehlung von Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2008, S. 383. Vgl. Kaiser 1970, S. 404 f.; Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2008, S. 336. Vgl. Kaiser 1970, S. 405; Kaiser/Rice 1974, S. 111 ff.; Cureton/D’Agostino 1983, S. 389 ff.; Bühner 2006, S. 210. Vgl. Dziuban/Shirkey 1974, S. 358 ff. Vgl. Bühner 2006, S. 207; Dziuban/Shirkey 1974, S. 358 ff. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8. Vgl. Bagozzi/Yi/Phillips 1991, S. 421; Gerbing/Anderson 1988, S. 186 ff.; Bagozzi/Phillips 1982, S. 459 ff. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 9. Vgl. Gerbing/Anderson 1988, S. 190.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
133
lereinflüsse ist mittels der Methoden der ersten Generation nicht möglich.794 Ein zweiter bedeutender Kritikpunkt ist auf die Beurteilung von Validitätsaspekten gerichtet, die bei den Methoden der ersten Generation im Wesentlichen auf Faustregeln und nicht auf inferenzstatistischen Prüfungen basiert.795 Bezüglich dieser Schwachstellen erweist sich der Einsatz der konfirmatorischen Faktorenanalyse (KFA) als überlegen.796 Die konfirmatorische Faktorenanalyse unterscheidet sich von der explorativen Faktorenanalyse dadurch, dass in ihrem Rahmen a priori Hypothesen über die den Items zugrunde liegende Faktorenstruktur formuliert werden, die es dann mit Hilfe der erhobenen Daten zu überprüfen gilt.797 Vorhandene Erkenntnisse und theoretische Überlegungen können somit explizit in die empirische Analyse einfließen. Darüber hinaus eröffnen sie die Möglichkeit des Testens auf Signifikanz einzelner Modellparamater sowie ein aussagekräftiges Spektrum an Gütemaßen der empirischen Forschung einen größeren Aussagengehalt im Hinblick auf Reliabilitäts- und Validitätsaspekte.798 Die Überlegenheit der konfirmatorischen Faktorenanalyse spiegelt sich auch in den Empfehlungen zur Beurteilung von Kausalmodellen wider. HOMBURG und BAUMGARTNER haben einen Überblick über die Gütebeurteilung von Kausalmodellen erstellt, der ausschließlich auf den Verfahren der zweiten Generation aufbaut.799 Die konfirmatorische Faktorenanalyse, die das Messmodell der Kausalanalyse behandelt, kann im Zusammenhang mit der Messung eines Konstruktes wie folgt ausgedrückt werden: ݔൌ Ȧ כɌ Ɂ
794
795 796
797 798 799
Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8. Mit Verweis auf die weiter oben geführte Diskussion zu der Wahl der Extraktionsmethode bei der explorativen Faktorenanalyse sei angemerkt, dass bei einer Abkehr von dem klassischen Verfahren der Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation zugunsten beispielsweise der Maximum-Likelihood-Faktorenanalyse mit einer der ItemKonstellation entsprechenden Rotation dieser Kritikpunkt im Hinblick auf die explorative Faktorenanalyse zu entschärfen ist. Vgl. Gerbing/Anderson 1988, S. 189. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 274; Gerbing/Anderson 1988, S. 186; Bagozzi/ Phillips 1982, S. 477. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 9. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 274. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 165.
134
Empirische Untersuchung
Dabei stellen ݔden Vektor der Indikatorvariablen, Ȧ die Matrix der Faktorladungen, Ɍ den Vektor der latenten Faktoren und Ɂ den Vektor der Messfehler bei der Erfassung der Indikatoren dar.800 Diese Gleichung wird an dieser Stelle dargestellt, um auf ein grundsätzliches Problem derartiger Modelle im Hinblick auf die Evaluation von Reliabilität und Validität hinzuweisen. In der Gleichung wird nur ein Fehlervektor berücksichtigt, was bedeutet, dass eine Unterscheidung zwischen systematischen und zufälligen Fehlern nicht stattfindet. Wie HOMBURG und GIERING hervorheben, impliziert dies, dass eine klare Trennung von Reliabilität (kein Zufallsfehler der Messung) und Validität (überhaupt kein Messfehler) in diesem Zusammenhang nicht immer möglich ist.801 Trotz dieser Einschränkung stellt die konfirmatorische Faktorenanalyse ein mächtiges Instrument zur Modellbeurteilung dar. Diese Beurteilung erfolgt auf der Grundlage einer Vielzahl verschiedener Kriterien, die eine differenzierte Analyse der Güte des Modells bzw. einzelner Bestandteile aus unterschiedlichen Perspektiven erlaubt. In der Regel beginnt die Modellbeurteilung mit der globalen Beurteilung, wobei die Frage beantwortet wird, inwieweit das Modell als Ganzes konsistent mit den Datenstrukturen ist, bevor anschließend die Güte lokaler Modellbestandteile beurteilt wird.802 Zu diesem Zweck werden globale und lokale Anpassungsmaße unterschieden, die HOMBURG und BAUMGARTNER in ihrer Bestandsaufnahme der Beurteilung von Kausalmodellen in verschiedene Kategorien weiter differenzieren.803 Wenngleich sich in der Literatur bisher kein bestimmtes Set von zu kombinierenden Indizes herausgebildet hat, wird empfohlen, Fit-Indizes verschiedener Kategorien zu verwenden, da auf diese Weise unterschiedliche Informationen über den Modellfit gewonnen werden können.804 Um ein möglichst genaues Bild des Modellfits zu zeichnen, werden in dieser Arbeit Indizes aus allen Bereichen verwendet. Abbildung 10 zeigt die grundlegenden Kategorien der Anpassungsmaße.
800 801 802 803 804
Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 9; Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006, S. 350 f. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 9. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 283. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 165. Vgl. Bühner 2006, S. 255 ff.; Beauducel/Wittmann 2005, S. 73.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
135
Abbildung 10 Anpassungsmaße zur Beurteilung des Modellfits805 Anpassungsmaße
Globale Anpassungsmaße
Stand-AloneAnpassungsmaße
Inferenzstatistische Anpassungsmaße
Lokale Anpassungsmaße
relative Anpassungsmaße
Deskriptive Anpassungsmaße
Deskriptive Anpassungsmaße, die Freiheitsgrade nicht berücksichtigen
Inkrementelle Anpassungsmaße
Inkrementelle Anpassungsmaße, die Freiheitsgrade nicht berücksichtigen
Inkrementelle Anpassungsmaße, die Freiheitsgrade berücksichtigen
Deskriptive Anpassungsmaße, die Freiheitsgrade berücksichtigen
Nachfolgend werden die verschiedenen Kategorien von Anpassungsmaßen sowie die in dieser Arbeit verwendeten konkreten Indizes kurz dargestellt. Wie bereits beschrieben, sind globale und lokale Anpassungsmaße voneinander zu unterscheiden. Die globalen Gütemaße lassen sich wiederum in so genannte StandAlone-Anpassungsmaße und inkrementelle Anpassungsmaße einteilen.806 Bei Letzteren erfolgt die Beurteilung des relevanten Modells nicht isoliert, sondern in Relation zu einem Basismodell, dem so genannten Nullmodell, das keine Informationen enthält.807 Aus dieser Kategorie wird in der Literatur überwiegend der Comparative-Fit-Index (CFI) empfohlen,808 der die Verbesserung der Anpas805 806 807 808
In Anlehnung an Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 284; Homburg/Baumgartner 1995, S. 165. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 165. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 284. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 749; Bühner 2006, S. 255. In einigen Werken wird in Ergänzung der Normed-Fit-Index (NFI) empfohlen, da dieser im Gegensatz zum CFI die Freiheitsgrade nicht berücksichtigt und somit eine zusätzliche Information über die Güte des Modells liefern kann. Allerdings wird in der Literatur von der Verwendung des NFI abgeraten, da zu wenige Parameter in seine Berechnung eingehen, seine Werte direkt vom Stichprobenumfang abhängig sind und er im Gegensatz zu anderen inkrementellen Maßen die Modellkomplexität nicht adäquat berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit der NFI nicht verwendet. Vgl. zur Empfehlung des NFI beispielsweise Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 284. Vgl. zur Kritik Marsh/Balla/Hau 1996, S. 345; Bühner 2006, S. 255; Hair/Black/Babin/ Anderson/Tatham 2006, S. 749; Bentler 1990, S. 238. Vgl. zum NFI und seiner formalen Darstellung Bentler/Bonett 1980, S. 599.
136
Empirische Untersuchung
sungsgüte beim Übergang von dem Nullmodell zum relevanten Modell misst und die Freiheitsgrade berücksichtigt.809 Der CFI ist moderat sensitiv gegenüber einfacher Modellfehlspezifikation, sehr sensitiv gegenüber komplexer Modellspezifikation und gering sensitiv gegenüber Verteilungsverletzungen und Stichprobengröße.810 Der CFI ist normiert auf Werte zwischen 0 und 1. Werte ab 0,9 gelten üblicherweise als Zeichen für eine akzeptable Modellgüte, Werte über 0,95 als gut.811 Hinsichtlich der Stand-Alone-Anpassungsmaße lassen sich inferenzstatistische und deskriptive Maße voneinander abgrenzen.812 Bei inferenzstatistischen Anpassungsmaßen erfolgt die Beurteilung des Modells durch einen statistischen Signifikanztest.813 Empfohlen werden in dieser Kategorie in der Regel die 2-Teststatistik und der RMSEA (root mean squared error of approximation).814 Der 2-Test prüft die absolute Richtigkeit eines Modells, was kritisch zu sehen ist, da die Zielsetzung empirischer Forschung in der Regel eher eine möglichst gute Approximation der Realität als deren exakte Reproduktion darstellt.815 Trotz dieser und anderer Kritik am Modelltest müssen – wie BÜHNER es ausdrückt – der 2-Wert und der p-Wert immer angegeben werden, denn ein nicht signifikanter 2-Wert zeigt an, ob ein Modell einen exakten Modellfit aufweist.816 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Nichtvorliegen einer multivariaten Normalverteilung die 2-Teststatistik beeinflusst. Da-
809
810 811
812 813 814
815
816
Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 168. Für eine detailliertere und formale Darstellung des CFI sei verwiesen auf Bentler 1990, S. 238 ff. Vgl. Bühner 2006, S. 257. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 284; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 749; Bühner 2006, S. 751 ff.; Beauducel/Wittmann 2005, S. 71 f. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 165. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285. Vgl. Beauducel/Wittmann 2005, S. 71 ff.; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285; Weston/ Gore 2006, S. 743. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 284. Diese Aussage spiegelt die in der Literatur überwiegend vertretene Sichtweise wider, dass empirische Modell immer Vereinfachungen oder sparsame Repräsentationen der Realität darstellen, und daher ein näherungsweiser Modell-Fit ausreicht und eine Betrachtung der Fit-Indizes jenseits der 2-Teststatistik sinnvoll ist. Vgl. Cheung/Rensvold 2002, S. 234 f. Vgl. Bühner 2006, S. 253. Vgl. zur Kritik Homburg/Baumgartner 1995, S. 166 sowie die dort angeführten Arbeiten. Eine differenziertere und formale Darstellung der 2-Teststatistik ist ebenfalls dort zu finden.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
137
her wird empfohlen, den MARDIA-Test817 durchzuführen, um die Verletzung der multivariaten Normalverteilung zu identifizieren, und anschließend den BOLLENSTINE-Bootstrap „to correct for the standard error and fit statistic bias […] due to the non-normal data“818 und dessen p-Wert zu interpretieren. Der Kritik am 2-Test bezüglich der Zielsetzung empirischer Forschung begegnet der RMSEA, mit dem getestet wird, ob das Modell die Realität möglichst gut approximiert.819 Es handelt sich dabei um einen so genannten Badness-of-Fit-Index, der angibt, wie schlecht ein Modell die Daten beschreibt, weshalb hier ein hoher Wert für einen schlechten Modellfit steht.820 Bei einer Stichprobengröße von unter 250, wie in der vorliegenden Arbeit, sollte der RMSEA-Wert 0,08 nicht übersteigen, bei größeren Stichproben wird ein konservativerer Wert von 0,06 zugrunde gelegt,821 wenngleich in der Literatur mitunter auch bereits ein Wert, der 0,10 nicht überschreitet, als akzeptabel angesehen wird.822 Die Bedeutung des RMSEA wird darüber hinaus in der Aussage deutlich, dass auf der Basis eines RMSEA von nicht größer als 0,05 von dem Vorliegen eines näherungsweisen Modellfit ausgegangen werden kann, was in AMOS ferner mit dem Test PCLOSE geprüft werden kann.823 Der RMSEA ist sehr sensitiv gegenüber fehlspezifizierten Ladungen, moderat sensitiv gegenüber einfacher Modellfehlspezifikation und sehr sensitiv gegenüber komplexer Modellfehlspezifikation und verwirft bei kleinen Stichproben zu oft richtige Modelle, weshalb in diesen Fällen die oben beschriebene Anpassung des Grenzwertes empfohlen wird.824 Durch deskriptive Anpassungsmaße wird die Beurteilung der Güte der Datenreproduktion des Modells durch Vorgabe von Mindeststandards (Erfahrungswerte)
817 818 819 820
821 822
823
824
Vgl. zum MARDIA-Test Mardia 1970, S. 519 ff. Vgl. Enders, 2005, S. 620. Vgl. zum BOLLEN-STINE-Bootstrap Bollen/Stine 1992, S. 205 ff. Vgl. Steiger 1990, S. 177. Vgl. Bühner 2006, S. 255. Eine differenziertere und formale Darstellung des RMSEA ist ebenfalls dort zu finden. Vgl. Bühner 2006, S. 256. Vgl. die Empfehlungen bei Browne/Cudeck 1993, S. 144; MacCallum/Browne/Sagawara 1996, S. 130 ff. Dabei ist anzumerken, dass HU und BENTLER für den strengeren Grenzwert 0,06 plädieren. Vgl. Hu/Bentler 1999, S. 27. Vgl. zu dieser Interpretation und für eine Darstellung des Tests Browne/Cudeck 1993, S. 146 f.; Bühner 2006, S. 258. Vgl. Bühner 2006, S. 258.
138
Empirische Untersuchung
möglich.825 Hier lassen sich Anpassungsmaße unterscheiden, die Freiheitsgrade nicht berücksichtigen, und solche, die sie – und damit die Parameterzahl des Modells – berücksichtigen.826 Empfohlen werden in dieser Kategorie in der Regel der SRMR (standardized root mean residual) und das Verhältnis aus 2-Wert und der Anzahl der Freiheitsgrade 2/df.827 Der SRMR kennzeichnet die mittlere Abweichung der Residualkorrelationsmatrix.828 In dieser Matrix finden sich die gemittelten Abweichungen der beobachteten von der implizierten VarianzKovarianzmatrix.829 Der SRMR zeigt Fehlspezifikationen im Strukturmodell an (z. B. fehlspezifizierte Faktorkorrelationen), berücksichtigt nicht die Modellkomplexität, ist sensitiv gegenüber einfacher Modellfehlspezifikation, moderat sensitiv gegenüber komplexer Modellfehlspezifikation und weist eine geringe Sensitivität gegenüber der Stichprobengröße auf.830 Als akzeptabel gelten in der Regel Werte, die 0,10 nicht übersteigen, während Werte, die nicht größer als 0,05 sind, als gut gelten.831 Als komplementäres deskriptives Anpassungsmaß wird häufig, wie bereits weiter oben angekündigt, das Verhältnis aus 2-Wert und der Anzahl der Freiheitsgrade 2/df verwendet. HOMBURG, KLARMANN und PFLESSER geben an, dass der 2/df-Wert nicht größer als 3 sein sollte.832 Neben Stand-Alone-Anpassungsmaße und inkrementelle Anpassungsmaße stellen HAIR, BLACK, BABIN, ANDERSON und TATHAM eine dritte Gruppe von Ma825 826 827
828 829
830 831
832
Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 165. Vgl. Weston/Gore 2006, S. 748; Beauducel/Wittmann 2005, S. 41; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285. Mitunter werden in der Literatur als deskriptive Anpassungsmaße noch der Goodness-of-Fit-Index (GFI) und der Adjusted-Goodness-of-Fit-Index (AGFI) empfohlen, wovon aufgrund mehrerer jüngerer Simulationsstudien, die ernste Zweifel an der Leistungsfähigkeit dieser Anpassungsmaße geweckt haben, Abstand zu nehmen ist. Vgl. zu dieser Empfehlung exemplarisch Bühner 2006, S. 255; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 286; Hu/Bentler 1999, S. 5. Exemplarisch sei ebenfalls verwiesen auf die Simulationsstudien von Shama/Mukherjee/ Kumar/Dillon 2005, Fan/Wang/Thompson 1999 sowie Hu/Bentler 1999. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285. Vgl. ebd., S. 285. Eine differenzierte und formale Darstellung des SRMR ist ebenfalls dort zu finden. Vgl. Bühner 2006, S. 256 f. Vgl. Weston/Gore 2006, S. 743; Bühner 2006, S. 256; Hu/Bentler 1999, S. 27; Homburg/ Pflesser/Klarmann 2008, S. 565. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 286. In der Literatur sind allerdings auch strengere Vorgaben wie beispielsweise ein Wert von 2,5 zu finden. Vgl. exemplarisch Backhaus/Erichson/ Plinke/Weiber 2006, S. 382.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
139
ßen, die die Parsimonie eines Modells betrachten, und in Fällen relevant werden, in denen mehrere konkurrierende Modelle miteinander verglichen werden sollen.833 Da in dieser Arbeit konkurrierende Modelle miteinander verglichen werden sollen, findet ebenfalls die Gruppe von Anpassungsmaßen Berücksichtigung, die die Parsimonie eines Modells betrachtet.834 Diese Maße stellen keine Anpassungsmaße im eigentlichen Sinne dar, vielmehr sind sie als Modellselektionskriterien zu verstehen.835 HOMBURG und BAUMGARTNER bezeichnen diese Maße als relative globale Anpassungsmaße.836 Aus der Auswahl der verschiedenen Parsimonie-Maße wird in der Literatur der PCFI (parsimony comparative fit index) empfohlen.837 Der PCFI unterscheidet sich von dem CFI dadurch, dass er das Ausmaß des Modell-Fits pro geschätztem Koeffizienten repräsentiert.838 Dadurch wird es möglich, eine Überanpassung des Modells mit Pfaden, die nur marginale Zugewinne im Model-Fit bedingen, zu identifizieren.839 In der Folge lassen sich Aussagen darüber treffen, ob Unterschiede im Model-Fit lediglich der höheren oder niedrigeren Modellkomplexität zugeschrieben werden und nicht interpretierbare Effekte der exogenen Variablen repräsentieren. Wenngleich zu konstatieren ist, dass der Parsimonie-Fit-Wert eines Modells nahezu ausschließlich im Vergleich zu einem entsprechenden Wert eines alternativen Modells interpretiert werden sollte, ist darauf hinzuweisen, dass Parsimonie-Werte allgemein niedrigere Werte ihre Pendants, die die Parsimonie nicht berücksichtigen, annehmen. So schreiben MULAIK, JAMES, VAN ALSTINE, BENNETT, LIND und STILWELL, dass Werte von Parsimonie-Fit-Indices in den 0,50ern nicht unüblich sind.840 833
834
835 836 837
838 839 840
Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 745 ff. Vgl. auch Homburg/Baumgartner 1995, S. 166. Vgl. auch Abbildung 10. Vgl. für eine ausführliche Darstellung und Diskussion parsimoniebasierter Fit-Indices Williams/ Holahan 1994, S. 161 ff. sowie Mulaik/James/van Alstine/Bennett/Lind/Stilwell 1989, S. 430ff. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 166. Vgl. ebd., S. 165. Vgl. Byrne 2001, S. 84 und die dort angegebenen Arbeiten. Die Auswahl des PCFI im Vergleich zum PNFI (parsimony normed fit index) oder PGFI (parsimony goodness of fit index) basiert auf derselben Kritik, die gegenüber den respektiven Maßen NFI und GFI bereits weiter vorne vorgebracht wurde. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 710. Vgl. ebd., S. 710. Vgl. Mulaik/James/van Alstine/Bennett/Lind/Stilwell 1989, S. 439.
140
Empirische Untersuchung
Lokale Anpassungsmaße beziehen sich entweder auf einzelne Indikatoren oder auf einzelne Konstrukte der konfirmatorischen Faktorenanalyse.841 Wie bei den globalen Gütemaßen existiert eine Reihe von verschiedenen Maßen, die unterschiedliche Informationen hinsichtlich der Reliabilität und Validität geben können. Nachfolgend werden die in dieser Arbeit verwendeten lokalen Gütemaße kurz dargestellt. Die Indikatorreliabilität gibt an, welcher Anteil der Varianz des Indikators durch den zugrunde liegenden Faktor erklärt wird. Je höher die Indikatorreliabilität ausfällt, desto positiver ist die Qualität der Messung des Konstruktes durch den Indikator zu beurteilen. Häufig wird für die auf das Intervall [0,1] normierte Indikatorreliabilität ein Mindestwert von 0,4 gefordert,842 wenngleich HAIR, BLACK, BABIN, ANDERSON und TATHAM auch Werte von 0,25 als akzeptabel erachten.843 Zusätzlich wird anhand des t-Wertes, dem Quotienten aus der geschätzten Faktorladung und dem Standardfehler der Schätzung, überprüft, ob die Faktorladung eines jeden Indikators statistisch signifikant ist.844 Größerer Bedeutung als den Aussagen über einzelne Indikatoren ist der Beurteilung der Faktoren beizumessen.845 Um festzustellen, wie gut eine latente Variable durch alle ihr zugeordneten Indikatoren gemessen wird, werden in der Regel die Faktorreliabilität (FR bzw. CR für englisch construct reliability oder respektive composite reliability) und die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) herangezogen.846 Die Faktorreliabilität ist als Maß der internen Konsistenz – wie auch CRONBACHs Alpha – ein Maß für die Reliabilität eines Konstrukts, berücksichtigt jedoch im Gegensatz zur Gleichgewichtung bei CRONBACHs Alpha die tatsächliche Faktorladung.847 Die Faktorreliabilität kann Werte zwischen 0 und 1 841 842 843
844 845 846 847
Vgl. Homburg/Klarrmann/Pflesser 2008, S. 286. Vgl. Bagozzi/Baumgartner 1994, S. 402; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 288. HAIR, BLACK, BABIN, ANDERSON und TATHAM messen der Interpretation der Indikatorreliabilität weniger Bedeutung bei und fokussieren an ihrer Stelle die Größe der Faktorladungen. Unterschreiten die standardisierten Faktorladungen 0,5 nicht, gelten sie als akzeptabel, ab Werten von 0,7 gelten sie als ideal. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Interpretation der Faktorladungen zu demselben Ergebnis führt, wie die Betrachtung der Indikatorreliabilitäten, da die Indikatorreliabilität in einem kongenerischen Messmodell lediglich eine Funktion der Faktorladung darstellt. Dieser Logik folgend ergeben sich die oben angeführten Grenzwerte. Vgl. Hair/ Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 777 bzw. S. 796. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 777. Vgl. Bagozzi/Baumgartner 1994, S. 402; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 286. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 286. Für eine differenzierte und formale Darstellung sei auf Fornell/Larcker 1981, S. 45 verwiesen.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
141
annehmen, wobei Werte größer als 0,6 in der Literatur als akzeptabel angesehen werden.848 Die durchschnittlich erfasste Varianz gibt für den Faktor an, wie groß der Erklärungsanteil der Varianz der dem Faktor zugewiesenen Indikatoren im Durchschnitt ist.849 Hohe Werte gelten unter Reliabilitätsgesichtspunkten als erstrebenswert850 und lassen auf eine hohe Qualität der Messung im Sinne der Konvergenzvalidität schließen.851 Wie der letzte Satz bereit angedeutet hat, können die Faktorreliabilität und die durchschnittlich erfasste Varianz neben ihrer Funktion im Rahmen der Reliabilitätsbeurteilung – zusammen mit dem ebenfalls bereits dargestellten Signifikanztest der Faktorladungen – auch als Prüfgrößen für die Konvergenzvalidität der dem Konstrukt zugeordneten Indikatoren verwendet werden.852 Nach dem Kriterium der Konvergenzvalidität sollten die Faktorladungen ausreichend groß und signifikant sein.853 Für eine vollständige Reliabilitäts- und Validitätsbetrachtung des Messmodells ist es zudem notwendig, die Diskriminanzvalidität der einzelnen Konstrukte zu analysieren.854 Hierzu dient in dieser Arbeit zunächst das FORNELL-LARCKERKriterium, das gegenüber dem 2-Differenztest ein deutlich strengeres Kriterium darstellt.855 Nach FORNELL und LARCKER kann nur dann von Diskriminanzvalidität ausgegangen werden, wenn für jedes Paar von Konstrukten eines Messmodells gilt, dass die durchschnittlich erfassten Varianzen der Konstrukte jeweils größer sind als die quadrierten Korrelationen zwischen diesen beiden Konstrukten.856 Bezüglich der Höhe der Korrelationen zwischen den Faktoren empfehlen TABACHNIK und FIDELL in diesem Kontext zusätzlich einen kritischen Wert von
848
849 850
851 852 853 854 855 856
Vgl. Bagozzi/Yi 1988, S. 82; Homburg/Baumgartner 1995, S. 172. Mitunter ist in der Literatur ebenfalls ein strengerer Wert in Höhe von 0,7 zu finden. Vgl. exemplarisch Nunnally 1978, S. 245. Vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 45 f. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 11. In der Regel wird ein Schwellenwert von 0,5 empfohlen. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 777. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 287. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 11. Vgl. auch Bagozzi/Yi/Phillips 1991, S. 434. Vgl. Hildebrandt 1984, S. 46. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 11. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 287; Homburg/Giering 1996, S. 11. Vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46.
142
Empirische Untersuchung
0,7, den die Korrelationen nicht überschreiten sollten.857 Zusätzlich wird in der Literatur empfohlen, erneut die bereits zu Beginn dieses Abschnitts zum Zwecke der Überprüfung der Eindimensionalität dargestellte explorative Faktorenanalyse zu zweckentfremden, indem mit ihr überprüft wird, inwieweit die vermutete Faktorenstruktur und die angenommenen Beziehungen zwischen Indikatoren und Konstrukten in einer Analyse mit sämtlichen Indikatoren der exogenen und endogenen latenten Multi-Item-Variablen wiedererkannt wird.858 Durch dieses Vorgehen lässt sich ein erhöhter Erkenntnisgewinn erzielen, da im Gegensatz zu der exklusiven Durchführung einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, bei der lediglich die Güte der a priori postulierten Konstruktzahl und -struktur bewertet wird, die explorative Faktorenanalyse auf der Basis der zugrunde liegenden Daten eine Konstruktkonstellation erzeugt, die die Datenbasis am besten widerspiegelt.859 Sollte nicht die theoretisch hergeleitete Struktur identifiziert bzw. wiedererkannt werden, ist von einer Fehlspezifikation auszugehen.860 Vor dem Hintergrund der in Kapitel 4 unterstellten Wirkungsbeziehungen zwischen exogenen und endogenen latenten Variablen und den in Abschnitt 3.2.3 diskutierten möglichen Korrelationen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung erscheint es notwendig, die strenge Promax-Rotation zu verwenden.861 Eine Zusammenfassung der für diese Arbeit relevanten Reliabilitätskriterien sowie die maßgeblichen Schwellenwerte der explorativen und der konfirmatorischen Faktorenanalyse ist in Tabelle 3 dargestellt. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine vollständige Erfüllung aller definierten Anspruchsniveaus nicht erforderlich ist und im Allgemeinen geringfügige Verletzungen einzelner Kriterien als akzeptabel angesehen werden können und nicht zu einer Ablehnung
857
858 859
860 861
Vgl. Tabachnik/Fidell 2007, S. 90. Eine Überschreitung dieses Wertes würde ebenfalls auf ernsthafte Multikollinearität hindeuten. Vgl. Tabachnik/Fidell 2007, S. 88 ff.; Backhaus/ Erichson/Plinke/Weiber 2006, S. 89. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 13. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 773 f. Vgl. zur Faktorenanalyse ausführlich die Arbeit von Überla 1971. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 13. Vgl. Bühner 2006, 203 ff. Trotz der Adäquatheit der obliquen Rotation empfiehlt BÜHNER die Durchführung einer zusätzlichen Faktorenanalyse mit orthogonaler Rotation, da – wenn beide Verfahren zu derselben Faktorenzuordnung gelangen – von Methodeninvarianz auszugehen ist, was für eine sehr stabile Faktorenstruktur spricht. Vgl. Bühner 2006, S. 206.
Grundlagen der empirischen Untersuchung
143
des Modells führen.862 Insbesondere das Unterschreiten einzelner lokaler Anpassungsmaße sollte laut HOMBURG, PFLESSER und KLARMANN nicht automatisch zu einer Ablehnung des untersuchten Modells führen.863 Tabelle 3 Basisgerüst zur Modellbeurteilung Forschungspragmatische Schwellenwerte (konservative Werte in Klammern)
Kriterium Verfahren der ersten Generation Cronbachs Alpha
0,6 (bzw. 0,7)
Item-to-Total-Korrelation Explorative Faktorenanalyse für jeden Faktor
0,3 (bzw. 0,5) 1 extrahierter Faktor, erklärte Varianz 0,5, Faktorladungen 0,3 (bzw. 0,4) für praktische Relevanz bzw. 0,37 (stichprobenabhängig) für statistische Signifikanz
Explorative Faktorenanalyse mit allen Faktoren
Wiedererkennung der angenommenen Faktorenstruktur
Verfahren der zweiten Generation Lokale Gütemaße Indikatorreliabilitäten für jeden Indikator
0,25 (bzw. 0,4)
Faktorreliabilitäten für jeden Faktor
0,6 (bzw. 0,7)
Faktorladungen
0,5 (bzw. 0,7)
Signifikanz der Faktorladungen (einseitiger Test auf 5 % Niveau)
t 1,645
Durchschnittlich erfasste Varianz für jeden Faktor
0,5 DEV eines jeden Faktors ist größer als die quadrierte Korrelation mit einem jeden anderen Faktor
Fornell-Larcker-Kriterium Globale Gütemaße 2/df
3 (bzw. 2,5) 0,1 (bzw. 0,05)
SRMR RMSEA
0,08 (bzw. 0,05, zusammen mit einem nicht signifikanten PCLOSE-Test besteht dann ein näherungsweiser Fit)
CFI PCFI
862 863
0,9 (bzw. 0,95) ( 0,5, der Wert sollte eher im Vergleich interpretiert werden)
Vgl. Homburg 1998, S. 71. Vgl. Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 564.
144
Empirische Untersuchung
Auf die (positive) Gütebeurteilung auf Messmodellebene folgt,864 wie bereits zu Beginn des Abschnitts angekündigt, in einer weiteren Analysephase die Evaluation des Strukturmodells. Neben der Sicherstellung der Validität des Strukturmodells stehen in dieser Phase die Überprüfung der hypothetischen Beziehungen und der Vergleich alternativer Modeller im Fokus der Betrachtung. Auf Strukturmodellebene ist das Augenmerk auf die globalen Gütekriterien der zweiten Generation gerichtet,865 für die bei sehr komplexen Strukturmodellen etwas weniger restriktive Grenzwerte zugrunde gelegt werden sollten.866 Im Anschluss sollte ein Vergleich des postulierten Modells mit alternativen Modellen erfolgen.867 Im Rahmen genesteter Modelle868 kann der 2-Differenztest zum Einsatz kommen, empfohlen wird und für nicht-genestete Modelle notwendig ist allerdings eine vergleichende Betrachtung verschiedener Fit-Indizes.869 Wie bereits weiter vorne in diesem Abschnitt diskutiert, stellt insbesondere der PCFI als relativer globaler Fit-Index ein wichtiges Modellselektionskriterium dar.870
864
865 866 867
868
869
870
„Realize that if the measurement model has not survived its test of validity […, a valid test of the structural relationships] cannot be performed.” Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 756. Diese Aussage macht deutlich, dass ohne eine positive Gütebeurteilung auf Messmodellebene keine valide Evaluation des Strukturmodells erfolgen kann. Vgl. auch Bagozzi 1981, S. 376; Anderson/Gerbing 1982, S. 453; Mulaik/James 1995, S. 135 f. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 756. Vgl. Marsh/Hau/Wen 2004, S. 320 ff.; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 753. Vgl. Hoyle/Panter 1995, S. 171; Weston/Gore 2006, S. 719; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 753. Vgl. zum Modellvergleich ausführlich Burnham/Anderson 2002. „A model is nested within another model if it contains the same number of variables and can be formed from the other model by altering the relationships.” Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 753. Ein genesteter Modellvergleich bezeichnet somit einen Vergleich zwischen Alternativmodellen, die dieselben Konstrukte, aber unterschiedliche Beziehungen zwischen diesen Konstrukten beinhalten. Vgl. Weston/Gore 2006, S. 746; Hair, Black, Babin, Anderson und Tatham 2006, S. 753; Kline 2005, S. 182 f. Wenngleich dies auch für jede andere Modellspezifikation bzw. -modifikation zutrifft, ist im Kontext der Modellvergleiche auf die folgende Anmerkung von HAIR, BLACK, BABIN, ANDERSON und TATHAM hinzuweisen: „The pursuit of better fit at the expense of testing a true model is not a good trade-off.“ Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 756. Die Aussage stellt heraus, dass das Ziel einer Modellspezifikation in der besten Annäherung an die zu testende Theorie und nicht in einem möglichst hohen Modell-Fit besteht. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass insbesondere inhaltlich plausibel interpretierbare Unterschiede nicht gewürdigt und angemessen diskutiert werden sollten.
Vorbereitung der Datenerhebung
145
Darüber hinaus sind die Strukturbeziehungen zu analysieren. Eine explikative Hypothese ist dann nicht abzulehnen, wenn der Parameterschätzer für die Pfadbeziehung871 x
statistisch signifikant ist,
x
in die postulierte Richtung weist und
x
nichttrivial ist (d. h. der standardisierte Pfad erreicht eine gewisse Höhe).
Abschließend kann noch eine Interpretation der Schätzungen für den Anteil der durch die exogenen Variablen erklärten Varianz der endogenen Variablen (R2) erfolgen.872 Da es bei der Anwendung der Kausalanalyse in der Regel – und so auch in dieser Untersuchung – um die Prüfung bestimmter Zusammenhänge zwischen latenten Variablen und nicht um eine möglichst vollständige Erklärung der jeweiligen endogenen Variablen geht, sollte die erklärte Varianz der endogenen Variable zwar zur Kenntnis genommen, hier aber keine Mindestanforderung vorgegeben werden.873 5.2 Vorbereitung der Datenerhebung Nachdem in Abschnitt 5.1 ein Rahmenwerk für die empirische Untersuchung geschaffen wurde, richtet sich der Fokus dieses Abschnitts auf die Vorbereitung der empirischen Untersuchung. Dabei widmet sich Abschnitt 5.2.1 zunächst der Identifikation der Grundgesamtheit für die Datenerhebung, bevor in Abschnitt 5.2.2 dargelegt wird, welche Methode zur Datenerhebung eingesetzt wird. Abschließend werden in Abschnitt 5.2.3 die einzelnen Konstrukte des Untersuchungsmodells operationalisiert. 5.2.1 Identifikation der Grundgesamtheit zur Datenerhebung In den einführenden Worten des Kapitels 5 wurde hervorgehoben, dass realwissenschaftliche Forschung nach einer möglichst hohen Übereinstimmung ihrer 871 872 873
Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 757. Vgl. ebd., S. 758. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 172; Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 565.
146
Empirische Untersuchung
theoretischen Konstruktionen mit der Realität streben sollte. Wenngleich damit zunächst die Bedeutung einer empirischen Überprüfung der theoretisch hergeleiteten Konzepte und Modelle betont wird, ist dieser Forderung ebenfalls zu entnehmen, dass die empirische Überprüfung im einem Rahmen stattfinden sollte, der die Realität, für die die erstellten Konstruktionen einen Erkenntnisgewinn liefern sollen, adäquat widerspiegelt. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Abschnitt eine Datenbasis identifiziert, die das in Abschnitt 2.1 definierte Forschungsobjekt möglichst gut reflektiert. Zur Hypothesenprüfung wurden adoleszente Unternehmen der Informations- und Kommunikationsbranche (IKT) befragt, da in dieser Branche Unsicherheit, Dynamik, Wandel und Fortschritt inhärent sind874 und unter derartig geprägten Umweltbedingungen das Engagement in Innovation, innovationsbasiertes Venturing und strategische Erneuerung, kurz organisationales Entrepreneurship, einen kritischen Erfolgsfaktor darstellt,875 und diese Branche somit ein geeignetes Feld für die Untersuchung von Unterschieden im entrepreneurialen Denken und Verhalten sowie dem davon ausgehenden Einfluss auf organisationale Leistung darstellt. Als Datenquelle wurde die Hoppenstedt-Firmendatenbank herangezogen.876 Diese bietet ausführliche Profile für die etwa 250.000 bedeutendsten Unternehmen Deutschlands.877 Die Klassifikation der Wirtschaftszweige in dieser Datenbank beruht auf der NACE (Nomenclature Générale des Activités Économique).878 Die Auswahl von 250.000 Unternehmen wurde – ausgehend 874
875
876
877
878
Vgl. Hitt/Keats/DeMarie 1998, S. 25; Amit/Zott 2001, S. 493; Kollmann/Stöckmann 2007, S. 591; Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen, o. P. Vgl. Khandwalla 1976/77, S. 21 ff.; Miller 1983, S. 785 ff.; Covin/Slevin 1991, S. 11 f.; Zahra 1993b, S. 319 f.; Tushman/O’Reilly 1996, S. 8 ff.; Lumpkin/Dess 1996, S. 152. Die Hoppenstedt-Firmendatenbank findet immer wieder Verwendung in wissenschaftlichen Arbeiten. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit umfassen die Arbeiten von Klein/Astrachan/ Smyrnios 2005; Giere 2007; Schilke 2007. Insgesamt beinhaltet die Hoppenstedt-Firmendatenbank Daten zu etwa vier Millionen Unternehmen und bildet damit nach eigenen Angaben die deutsche Unternehmenslandschaft nahezu komplett ab. Vgl. Hoppenstedt 2009b, o. P. Nicht der Gruppe der 250.000 bedeutendsten Unternehmen gehören Einzelunternehmer, Kleinstunternehmen sowie die Unternehmen mit weniger als 1 Million Euro Jahresumsatz und weniger als 10 Beschäftigten an. Vgl. Hoppenstedt 2009a, o. P. Vgl. Statistisches Bundesamt 2009, o. P.
Vorbereitung der Datenerhebung
147
von der auf dem NACE-Schlüssel basierenden Branchenkennziffer 72 (Datenverarbeitung und Datenbanken) – auf Unternehmen beschränkt, die dem Branchenumfeld Information und Telekommunikation primär oder sekundär zuzurechnen sind.879 Mit Blick auf das zugrunde liegende Forschungsobjekt wurde ein weiterer Fokus auf Unternehmen gelegt, die zum Zeitpunkt der Untersuchung ein Alter zwischen 2 und 12 Jahren (Jahrgänge 1995 bis 2005) aufwiesen.880 Die Beschränkung hinsichtlich Jahresumsatz, Mitarbeiterzahl und Unternehmensalter sichert die Adäquanz mit dem Forschungsobjekt, da in dessen Sinne unangemessene Unternehmen (z. B. Einzelunternehmer, die Webseiten gestalten, um damit ausschließlich ihren Lebensunterhalt zu bestreiten) ausgeschlossen sind und nur Unternehmen, die bereits eine erste erfolgreiche Bewährung im Markt hinter sich, aber noch nicht die Reife eines etablierten Unternehmens erreicht haben, eingeschlossen sind. Der Vorteil dieser Datenbasis besteht darin, dass im Hinblick auf die zu untersuchenden Beziehungen zwischen den Konstrukten adoleszente Unternehmen als bessere Indikatoren als etablierte Unternehmen angesehen werden können, da sie noch nicht solche hierarchiebedingten administrativen Systeme ausgeprägt haben, die die Erreichung von Innovationszielen fördern oder verhindern können, die dann die Beziehungen zwischen den Modellkonstrukten verdecken können.881 Etwa 4.500 Unternehmen in der Datenbank entsprechen den oben genannten Kriterien. Diese Unternehmen bilden die Grundgesamtheit, auf die sich die vorliegende Untersuchung bezieht.
879
880
881
Diese Auswahl inkludiert die Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, Rundfunk- und Nachrichtentechnik, Fernmeldedienste, Datenverarbeitung einschließlich der Entwicklung und Beratung sowie IKT-nahe Medien-, Verlags- und Werbungsunternehmen. Dieselbe Branchenkennziffer legt HERR seiner Studie in der IKT-Branche zugrunde. Vgl. Herr 2007, S. 210. Vgl. Abschnitt 2.1.1. Vgl. in diesem Kontext ergänzend die Ausführungen von Bantel 1998, S. 207. Vgl. Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 647.
148
Empirische Untersuchung
5.2.2 Methode der Datenerhebung Aufgrund der adressierten Fragestellung oder der fehlenden Verfügbarkeit archivierter Daten muss die betriebswirtschaftliche Forschung zur Gewinnung der für die Analysen benötigten Daten oftmals auf die Befragung oder Beobachtung von Personen aus den Untersuchungsobjekten zurückgreifen.882 Da die vorliegende Studie beispielsweise die organisationale Haltung zum Entrepreneurship abfragt,883 und nicht davon auszugehen ist, dass derartige Informationen in den zu untersuchenden Unternehmen mit dem benötigten Spezifikationsgrad in Form sekundärstatistischer Daten zur Verfügung stehen, ist in der vorliegenden Arbeit eine primärstatistische Datenerhebung unabdingbar.884 Wenngleich die Primärerhebung im Zentrum der Untersuchung steht, wird in dieser Arbeit auch auf sekundärstatistische Daten zurückgegriffen, um die Primärerhebung vorzubereiten, zu ergänzen und die erhobenen Daten weiter zu qualifizieren.885 Im Rahmen der Primärerhebung gilt es, eine Datenerhebungsmethode zu wählen, die sich hinsichtlich der zu untersuchenden Fragestellung, des Feldzugangs sowie der zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten am besten dazu eignet, die erforderlichen Informationen zu sammeln.886 Zumeist wird in der empirischen Sozialforschung zwischen Befragungen, Beobachtungen und nonreaktiven Verfahren887 unterschieden.888 Die Befragung stellt die in den empirischen Sozialwissenschaften am häufigsten angewandte Datenerhebungsmethode dar889 und wird auch dieser Arbeit zugrunde gelegt, da die Methode der Beobachtung un882 883 884
885
886 887
888
889
Vgl. Kumar/Stern/Anderson 1993, S. 1633 f. Vgl. Abschnitt 3.2. Dies entspricht dem üblichen Vorgehen in Arbeiten zum organisationalen Entrepreneurship. Vgl. Walter/Auer/Ritter 2006, S. 560; Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 774. Vgl. zum Einsatz sekundärstatistischer Daten exemplarisch die Abschnitte 5.2.3.5, 5.3.1 und 5.4.2.2. Vgl. Nienhüser/Krins 2005, S. 32 ff. BORTZ und DÖRING weisen darauf hin, dass nonreaktive Verfahren häufig als Sonderformen der Beobachtung aufgefasst werden; tatsächlich beinhalten diese Verfahren entweder verdeckte Beobachtungen, die keine Störung der natürlichen Situation hervorrufen, oder indirekte Beobachtungen, die menschliches Erleben aus Rückständen, Spuren und Dokumenten (z. B. Dokumentenanalyse) erschließen. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 325 f. Vgl. Nienhüser/Krins 2005, S. 86 f. Vgl. dazu auch Bortz/Döring 2006, S. 137 ff.; Diekmann 2006, S. 434. Vgl. die Artikelauswertung und Ausführungen von Diekmann 2006, S. 435 f. Vgl. dazu auch Bortz/Döring 2006, S. 236.
Vorbereitung der Datenerhebung
149
verhältnismäßig zeitintensiv ist und sich, wie sich in der Vergangenheit bereits gezeigt hat, der Großteil der Unternehmen nicht in der benötigten Intensität zu einer Beobachtung bereit findet.890 Die gleichen Argumente sprechen gegen den Einsatz verdeckter Beobachtungen als nonreaktives Verfahren. Im Falle indirekter, nonreaktiver Techniken, wie beispielsweise der Dokumentenanalyse, erscheint es darüber hinaus fraglich, ob die für diese Studie benötigten Informationen in entsprechender Form vorzufinden sind. Unterscheiden lassen sich dabei schriftliche Befragungen über Fragebögen und mündliche Befragungen in Form von Interviews.891 Die schriftliche bietet gegenüber der mündlichen Befragung eine Reihe von forschungsökonomischen und methodischen Vorteilen, auf die nachfolgend kurz eingegangen werden soll:892
890 891
892
893
x
Bei identischem Ressourceneinsatz können bei einer schriftlichen Befragung mehr Erhebungseinheiten als mithilfe mündlicher Interviews angesprochen werden.
x
Die Asynchronität der Fragebogenuntersuchung ermöglicht es dem Befragungsteilnehmer, den Zeitpunkt, zu dem er den Fragebogen ausfüllt, frei zu bestimmen sowie die Beantwortung zu unterbrechen und fortzusetzen. Auf diese Weise kann, insbesondere bei schwer erreichbaren oder viel beschäftigten Befragungsteilnehmern, die Wahrscheinlichkeit, Auskünfte zu erhalten, erhöht werden.893
x
Ein standardisierter Fragebogen mit präzise formulierten und strukturierten Untersuchungsfragen mit klaren Antwortmöglichkeiten erlaubt bei gegebener zeitlicher Belastung der Befragungsteilnehmer die Erhebung eines größeren Informationsvolumens als bei mündlichen Interviews.
Vgl. Möller 1983, S. 40 f. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 236; Diekmann 2006, S. 437. Vgl. zu den spezifischen Charakteristika der beiden Ergebungsarten ausführlich Bortz/Döring 2006, S. 237 ff. Vgl. Scheuch 1962, S. 167; Selltiz/Jahoda/Deutsch/Cook 1972, S. 11 f.; Kanuk/Berenson 1975, S. 440; Hafermalz 1976, S. 22 f.; Hippler 1988, S. 244; Fritz 1995, S. 94; Berekoven/Eckert/ Ellenrieder 2001, S. 113; Bortz/Döring 2006, S. 237 ff. Vgl. Kanuk/Berenson 1975, S. 440.
150
Empirische Untersuchung x
Aufgrund der bereits beschriebenen Standardisierung von Fragebögen ist die Vergleichbarkeit von Erhebungsdaten tendenziell höher als bei mündlichen Interviews.
x
Bei schriftlichen Befragungen in Form von Fragebögen wird der Effekt, der von der Präsenz des Interviewers und dessen Verhalten bei mündlichen Befragungen auf das Antwortverhalten der Zielperson ausgeht, ausgeschaltet. Insbesondere bei Fragen, die die Beurteilung des Unternehmenserfolgs adressieren,894 wird die Elimination dieses Verzerrungsaspektes als wichtig angesehen.895
Als Vorteil eines mündlichen Interviews im Vergleich zur schriftlichen Befragung wird in der Literatur häufig angeführt, dass bei Verständnisproblemen jederzeit Rückfragen gestellt werden können und die generelle Gefahr von Kommunikationsproblemen niedriger ist.896 Da diesem Problem, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, jedoch adäquat begegnet werden kann, wird vor dem Hintergrund der Vorteile der schriftlichen Befragung dieser Erhebungsansatz in der vorliegenden Arbeit gewählt. Um Kommunikationsproblemen vorzubeugen, wurde zum einen bei der Formulierung der Fragen auf eine leicht verständliche und klare Sprache geachtet.897 Zum anderen wurden die einzelnen Indikatoren im Rahmen eines Pretests auf Verständlichkeit geprüft. Um dennoch auftretenden Kommunikationsproblemen während der Bearbeitung zu begegnen, wurden eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse angegeben, die es den Befragungsteilnehmern ermöglichte, Rückfragen zu stellen.
894 895 896 897
Vgl. zum Einsatz derartiger Fragen in dieser Arbeit Abschnitt 5.2.3.5. Vgl. Bungard/Lück 1974, S. 73; Hippler 1988, S. 244. Vgl. Kanuk/Berenson 1975, S. 440; Hafermalz 1976, S. 23 ff.; Fritz 1995, S. 95 ff. Vgl. Friedrichs 1990, S. 238.
Vorbereitung der Datenerhebung
151
Die schriftliche Befragung wurde in der vorliegenden Untersuchung in Form einer Online-Befragung durchgeführt.898 Aus dieser Vorgehensweise ergeben sich zusätzliche Vorteile:899
898
899
x
Aus einer forschungsökonomischen Perspektive ist festzuhalten, dass der finanzielle Aufwand im Vergleich zu einer paper and pencilBefragung deutlich geringer ist und es in kürzester Zeit möglich ist, den Fragebogen einer Vielzahl von potenziellen Teilnehmern zugänglich zu machen.
x
Durch die Darbietung des Online-Fragebogens in Kombination mit der Integration von E-Mail-Rückmeldungskanälen kann dem weiter oben diskutierten Kommunikationsproblem leichter und ohne Medienbruch begegnet werden.
x
Es besteht die Möglichkeit, Prozessabfolgen und Auswertungsprozeduren in die Umfrage so zu integrieren, dass dem Befragungsteilnehmer in Abhängigkeit gegebener Antworten entsprechende Folgefragen präsentiert werden und direkt nach der Eingabe von Daten Rückmeldungen oder bereits erste Ergebnisse automatisch generiert werden können.
x
In der Regel können Fehleingaben leichter als bei schriftlichen Befragungen korrigiert werden, was sich positiv auf Zufriedenheit der Probanden und die Antwortqualität auswirkt.
BORTZ und DÖRING sowie DIEKMANN betonen, dass alternativ zu postalischen Befragungen immer häufiger computervermittelte Befragungen durchgeführt werden. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 260; Diekmann 2006, S. 520. Für detaillierte Darstellungen computervermittelter Befragungen vgl. Bortz/Döring 2006, S. 260 f. sowie Diekmann 2006, S. 520 ff. Vgl. dazu auch die Arbeiten von Theobald/Dreyer/Starsetzki 2001; Kuckertz/Lomberg 2007. Vgl. für einen Methodenüberblick den Beitrag von Couper/Coutts 2006. Für die Online-Befragung wurde die Befragungssoftware EFS Survey von Globalpark im Rahmen des Unipark-Programms eingesetzt. Vgl. Globalpark 2009, o. P. Vgl. Schmidt 1997, S. 274; Grossnickle/Raskin 2001, S. 140 ff.; Batinic 2001a, S. 13; Bandilla 2002, S. 1 ff.; Grether 2003, S. 212 ff.; Ferrando/Lorenzo-Seva 2005, S. 193 ff.; Bortz/Döring 2006, S. 260 f.
152
Empirische Untersuchung x
Die automatisierte Speicherung der Antworten in elektronischer Form beugt Übertragungsfehlern in der Vorbereitung der empirischen Analyse vor.
x
Es besteht die Möglichkeit, das Responseproblem hinsichtlich einzelner fehlender Werte zu zu reduzieren oder gar auszuschließen, indem einzelne oder alle Antworten als obligatorisch festgelegt werden.
Empirische Vergleichsstudien belegen, dass Online-Befragungen und paper-andpencil-Befragungen hinsichtlich Reliabilität und Validität vergleichbare Ergebnisse erzielen900 und sich Mutmaßungen darüber, dass Personen bei OnlineUmfragen besonders häufig Falschangaben machen, nicht bestätigen lassen.901 Dennoch bergen Online-Befragungen spezifische Gefahren und, jedoch vornehmlich bei unreflektierter oder unsachgemäßer Anwendung,902 auch Nachteile,903 wobei die Kritik im Wesentlichen auf die mögliche Selbstselektion der Befragungsteilnehmer904 und dem damit einhergehenden Verstoß gegen die probabilistische Stichprobenkonstruktion905 einerseits und auf die exklusive Erreichbarkeit von Personen, die das Internet nutzen,906 was im Hinblick auf Repräsentativitätsüberlegungen unter Umständen als problematisch zu beurteilen ist, andererseits, zielt.907 Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit können auch die beiden oben genannten Probleme von Online-Befragungen entkräftet werden. Da die Umfrage nicht der Netzöffentlichkeit präsentiert, sondern ihre Webadresse nur gezielt den in das Sample gezogenen Individuen per Einladungs-E-Mail bekannt gemacht wurde, 900 901 902 903
904 905
906 907
Vgl. Batinic 2001b, S. 130, und die in diesem Beitrag diskutierten Studien. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 261. Vgl. Schmidt 1997, S. 274. Vgl. die Übersichten bei Schmidt 1997, S. 274 ff.; Ferrando/Lorenzo-Seva 2005, S. 193; Bortz/ Döring 2006, S. 260 f. Vgl. Hewson/Vogel 1996, S. 189. In probabilistischen Stichproben erfolgt die Stichprobengenerierung aus der Population in einer Weise, dass die Elemente die gleiche (oder zumindest eine bekannte) Auswahlwahrscheinlichkeit haben, wobei derartig generierte Stichproben im Hinblick auf die Generalisierbarkeit (das Schließen von einem Stichprobenergebnis auf die Population) von wesentlich höherer Aussagekraft als nichtprobabilistische Stichproben sind. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 402. Vgl. Ferrando/Lorenzo-Seva 2005, S. 193. Vgl. zu dieser Einschätzung beispielsweise Bortz/Döring 2006, S. 260 f.
Vorbereitung der Datenerhebung
153
und der Fragebogen ferner mit einem Zugangscode versehen wurde, womit nur den intendierten Personen Zugang gewährt wurde, entspricht die vorliegende Studie den Anforderungen an eine probabilistische Stichprobenkonstruktion.908 Hinsichtlich der Kritik, dass per Online-Befragung nur Personen erreicht werden können, die das Internet aktiv nutzen und ferner Internetaversion zu einer Teilnahmeverweigerung führt, ist festzuhalten, dass die Grundgesamtheit aus Unternehmen aus der Informations- und Kommunikationsbranche besteht909 und – wie im weiteren Verlauf dieses Abschnitts herausgestellt werden wird – Mitglieder deren oberster Führungsebenen befragt werden. Da diese Personen in ihrem geschäftlichen Alltag mit IKT-Instrumenten Kontakt haben, ist davon auszugehen, dass keine Verzerrung durch mangelnden Zugang zum Internet oder Internetaversion vorliegt.910 Die Personen aus den Untersuchungsobjekten, auf die zur Befragung zurückgegriffen wird, werden als Informanten bezeichnet, da diese nicht aufgefordert sind, sich zu persönlichen Einstellungen, Meinungen oder Verhaltensweisen zu äußern, sondern angehalten sind, generalisierbare Aussagen über das Unternehmen zu tätigen.911 Die Auswahl der Informanten erfolgt dabei nicht nach Maßgabe der Repräsentativität für das Unternehmen in einem statistischen Sinn, sondern bewusst unter der Prämisse, dass Personen ausgewählt werden, die über einen umfassenden Kenntnisstand im Hinblick auf den zu untersuchenden Sachverhalt verfügen und darüber hinaus die Berechtigung und die Absicht haben, über diesen Sachverhalt entsprechend Auskunft zu geben.912 Bezeichnet werden diese Personen auch im deutschen Sprachraum in der Regel als Key Informants.913 Dieses Vorgehen findet in zahlreichen empirischen Arbeiten auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre Anwendung914 und wird auch in der 908 909 910
911 912 913
914
Vgl. zu dieser Einschätzung und zu der Vorgehensempfehlung Bortz/Döring 2006, S. 257. Vgl. Abschnitt 5.2.1. Vgl. zu dieser Annahme auch das von BORTZ und DÖRING angeführte Beispiel einer einschlägigen Online-Umfrage. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 261. Vgl. Campbell 1955, S. 339. Vgl. Kumar/Stern/Anderson 1993, S. 1634. Vgl. Phillips 1981, S. 396; Bagozzi/Yi/Phillips 1991, S. 423; Kumar/Stern/Anderson 1993, S. 1634; Hurrle/Kieser 2005, S. 584. Vgl. die Überblicke bei Bagozzi/Yi/Phillips 1991, S. 423 und Hurrle/Kieser 2005, S. 585. In der jüngeren Vergangenheit wird dieser Ansatz beispielsweise verfolgt in den Arbeiten von Walter/ Auer/Ritter 2006; Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006; Giere 2007.
154
Empirische Untersuchung
deutlichen Mehrheit der Arbeiten zur entrepreneurialen Orientierung verwendet.915 Wie andere Forschungsmethoden wird auch der Einsatz des KeyInformant-Ansatzes in der Literatur kritisiert.916 So kann durch die Befragung der Key Informants durch deren subjektive Bewertung ein systematischer Messfehler durch Verzerrungen entstehen, der in der Literatur als Informant Bias bezeichnet wird.917 Wesentliche Ursachen für das Auftreten eines Informant Bias bestehen in Motiven, beschränkter Informationsverarbeitungskapazität sowie der subjektiven Wahrnehmung der Informanten.918 Doch auch Kritiker befürworten den Einsatz dieses Ansatzes, „[w]enn in einem ‚befriedigenden‘ Umfang Maßnahmen zur Sicherstellung von Validität und Reliabilität ergriffen werden.“919 Vor diesem Hintergrund wird der Key-Informant-Ansatz in dieser Arbeit eingesetzt; dabei werden sowohl ex ante Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Reduzierung von Verzerrungen ergriffen, als auch ex post das Ausmaß des KeyInformant-Bias analysiert. So wurde zunächst Augenmerk auf eine hohe Qualität der Frageformulierung, die die Fehlleitung kognitiver Prozesse verhindert, gelegt.920 Ebenfalls wurde den Informanten bereits im Anschreiben mitgeteilt, dass die Studie ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dient und die Auswertung streng vertraulich erfolgt, um eine Verzerrung zu sozial erwünschten oder strategischen Antworten zu vermeiden.921 Um Effekte, die sich aus der Abfolge der Indikatoren ergeben, zu reduzieren, schlagen SALANCIK und PFEFFER vor, zunächst die Indikatoren für die unabhängigen Größen und dann die Indikatoren für die abhängigen Größen zu erfassen.922 Diesem Vorschlag folgend, werden die Angaben zum Unternehmenserfolg erst am Ende abgefragt. Ferner wurden für diese Untersuchung als Key Informants Personen der obersten Führungsebe-
915 916 917
918 919 920
921
922
Vgl. dazu die Meta-Analyse von Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 778. Vgl. Ernst 2003, S. 1249 ff.; Hurrle/Kieser 2005, S. 585 ff. Vgl. Campbell/Fiske 1959, S. 81 ff.; Bagozzi/Yi/Phillips 1991, S. 424; Kumar/Stern/Anderson 1993, S. 1634. Vgl. Ernst 2001, S. 87; Ernst 2003, S. 1250. Hurrle/Kieser 2005, S. 598, Hervorhebungen im Original. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 888; Hurrle/Kieser 2005, S. 598 sowie die in beiden Arbeiten angegebenen Quellen für eine Übersicht der dabei zu berücksichtigenden Aspekte. Vgl. zu dieser Empfehlung Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 888. Vgl. zu der dahinter stehenden Problematik Bortz/Döring 2006, S. 231 ff. Vgl. Salancik/Pfeffer 1977, 447 ff.
Vorbereitung der Datenerhebung
155
nen923 zur Teilnahme aufgefordert, da nur bei diesen Personen davon ausgegangen werden kann, dass sie mit allen Aspekten des Unternehmens hinreichend gut vertraut und befugt sind, um die Fragen zu den einzelnen Facetten der Untersuchung kompetent beantworten zu können.924 Ferner gilt es in der Forschung zur entrepreneurialen Orientierung als etabliert, die oberste Führungsebenen zu befragen, um Aussagen über Entrepreneurship in dem Unternehmen zu erhalten.925 Den Übergang zur Analyse eines potenziellen Informant Bias stellt die Möglichkeit dar, zur Bestätigung der Angaben des Informanten auf einen zweiten Informanten oder sekundärstatistische Daten zurückzugreifen.926 Da ein derartiges Vorgehen vor dem Hintergrund der weiter oben getätigten Überlegungen bezüglich der Reliabilität und Validität der Informantendaten als äußerst förderlich zu beurteilen ist,927 wird in dieser Arbeit eine Bekräftigung der Informantendaten durch sekundärstatistische Daten vorgenommen.928 Dieses Verfahren wird gewählt, da einerseits in den Unternehmensprofilen in der HoppenstedtFirmendatenbank für eine Bestätigung der Angaben des Informanten sinnvolle Daten verfügbar sind929 und sich andererseits in vergangenen Studien mitunter gezeigt hat, dass die Vorstellung, ihre Angaben durch einen zweiten Informanten überprüfen zu lassen, bei den Informanten Ablehnung hervorruft.930
923
924
925 926 927 928
929 930
Hierbei handelt es sich in den überwiegenden Fällen um den Geschäftsführer bzw. die Geschäftsführerin, wobei die konkrete Bezeichnung in Abhängigkeit der Rechtsform und der Unternehmensstruktur variiert. Wie bereits weiter oben angedeutet, stellt die Kompetenz der Befragten eine notwendige Bedingung für ein unverzerrtes Antwortverhalten dar. Vgl. Ernst 2001, S. 87. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 776. Vgl. Kumar/Stern/Anderson 1993, S. 1633; Pennings 1973, S. 686. Vgl. Kumar/Stern/Anderson 1993, S. 1633; Pennings 1973, S. 686 ff. Ein vergleichbares Vorgehen wählen im EO-Kontext in der jüngeren Vergangenheit beispielsweise Stam/Elfring 2008, S. 102 f. Vgl. Abschnitt 5.2.1. Vgl. Lee/Lee/Pennings 2001, S. 625; Giere 2007, S. 163.
156
Empirische Untersuchung
Bezüglich des Ausmaßes des Informant Bias soll im Vorgriff und mit Verweis auf die ausführliche Analyse in Abschnitt 5.4.1.2 bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass diese Untersuchung keiner signifikanten Verzerrung in Form eines Informant Bias unterliegt. 5.2.3 Operationalisierung der Konstrukte des Untersuchungsmodells Die Operationalisierung von theoretischen Konstrukten stellt eine Voraussetzung für die Analyse von Wirkungsrelationen zwischen den Konstrukten im Rahmen der Kausalanalyse dar.931 Im Rahmen der Operationalisierung werden theoretische Konstrukte messbar gemacht, indem diese unter Zuhilfenahme von Korrespondenzregeln mit konkret beobachtbaren Sachverhalten in Verbindung gebracht werden.932 Bevor in den Abschnitten 5.2.3.3 bis 5.2.3.6 die Operationalisierung der theoretischen Konstrukte des vorliegenden Untersuchungsmodells behandelt wird, werden in Abschnitt 5.2.3.1 für diese Arbeit relevante theoretische, konzeptionelle und methodische Grundlagen der Operationalisierung und in Abschnitt 5.2.3.2 auf der konkreten Operationalisierung beruhende Überlegungen zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse, die im Rahmen dieser Untersuchung gewonnen werden, mit der internationalen Forschung in diesem Bereich dargestellt. 5.2.3.1
Theoretische, konzeptionelle und methodische Grundlagen der Operationalisierung
In diesem Abschnitt stehen theoretische, konzeptionelle und methodische Grundlagen der Operationalisierung von Konstrukten im Vordergrund, die die Entwicklung des Erhebungsinstrumentes in den Abschnitten 5.2.3.3 bis 5.2.3.6 determinieren. In dieser Arbeit finden, wie die folgenden Abschnitte zeigen werden, neben manifesten, also direkt beobachtbaren Variablen, auch latente Variablen, die sich einer direkten Messung durch Beobachtung entziehen, Verwendung.933 Im Falle latenter Variablen erfolgt eine indirekte Messung über manifeste Variablen, die 931 932 933
Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 735. Vgl. Schnell/Hill/Esser 2008, S. 129 ff. Vgl. zur Unterscheidung manifester und latenter Variablen exemplarisch Schnell/Hill/Esser 2008, S. 131.
Vorbereitung der Datenerhebung
157
das eigentlich zu messende Konstrukt repräsentieren, wobei die zugrunde liegende latente Variable in der Regel über mehrere, manifeste Variablen dargestellt wird.934 Die Forderung, nicht nur einen, sondern multiple Indikatoren zur Messung des latenten Konstrukts heranzuziehen, ergibt sich insbesondere im Fall der Kausalanalyse aus dem Umstand, dass Messungen über nur einen Indikator „ignore unreliability of measurement, which is one of the problems SEM was specifically designed to circumvent.“935 Ebenfalls ist die Identifikation des Modells als Voraussetzung für eine sinnvolle Parameterschätzung im Rahmen der Kausalanalyse eng an die Anzahl der verwendeten Indikatoren gekoppelt.936 Soll die Messung eines Konstrukts mit Hilfe der konfirmatorischen Faktorenanalyse untersucht werden, lassen sich bei unkorrelierten Messfehlern drei Fälle unterscheiden:937
934 935
936
937
x
Hat ein Konstrukt vier oder mehr Indikatoren, ist das Modell überidentifiziert, d. h. die Kovarianzmatrix enthält mehr Elemente als Modellparamater zu schätzen sind. Eine eindeutige Schätzung der Modellparameter ist in diesem Fall möglich und im Rahmen der Gütebeurteilung können alle gängigen lokalen und globalen Gütemaße eingesetzt werden.
x
Hat ein Konstrukt genau drei Indikatoren, ist das Modell exakt identifiziert, d. h. die Anzahl der Elemente in der Kovarianzmatrix entspricht der Anzahl der zu schätzenden Parameter. Eine eindeutige Schätzung der Modellparameter ist auch in diesem Fall möglich. Da ein derartiges Modell jedoch keine Freiheitsgrade hat und daher die durch das Modell implizierte Kovarianzmatrix perfekt die empirische Kovarianzmatrix
Vgl. zur Thematik latenter Variablen und ihrer Messung ausführlich Churchill 1979, S. 64 ff. Baumgartner/Homburg 1996, S. 144. Wie in den folgenden Ausführungen noch gezeigt werden wird, kommt insbesondere im Falle formativer Operationalisierungen noch der Aspekt hinzu, dass ein einzelner Indikator dem komplexen Sachverhalt der zugrunde liegenden latenten Variable nicht gerecht werden würde. Vgl. Bollen/Lennox 1991, S. 308. Eine Variable kann jedoch ausreichen, wenn es sich eindeutige, direkt beobachtbare bzw. messbare Inhalte, wie beispielsweise Alter, handelt. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 711 ff. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 783 f. Hierbei geht es um die Frage, ob die Datengrundlage genügend Informationen zur eindeutigen Schätzung der Parameter enthält. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 281. Vgl. Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 281 f. sowie für eine ausführliche Behandlung der Identifikationsproblematik Brown 2006, S. 62 ff.
158
Empirische Untersuchung reproduziert, können in diesem Fall keine globalen Anpassungsmaße zur Gütebeurteilung herangezogen werden. x
Hat das Konstrukt zwei Indikatoren, ist das Modell nicht identifiziert, d. h. die Anzahl der Elemente in der Kovarianzmatrix unterschreitet die Anzahl der zu schätzenden Parameter. In diesem Fall ist eine isolierte konfirmatorische Faktorenanalyse für ein derartiges Konstrukt nicht durchführbar, jedoch ist eine derartige Analyse im Konstruktverbund, d. h. mit einem weiteren Konstrukt mit zwei Indikatoren, möglich.
Soll die Messung mehrerer Konstrukte in einem gemeinsamen Modell untersucht werden, ist ein derartiges Modell immer identifiziert, wenn jedes der einbezogenen Konstrukte mindestens zwei Indikatoren hat, kein Indikator auf mehr als ein Konstrukt lädt und die Konstrukte frei miteinander korrelieren können.938 Vor diesem Hintergrund kann festgehalten werden, dass eine Operationalisierung mit vier oder mehr Indikatoren im Hinblick auf die Beurteilbarkeit der Anpassungsgüte als wünschenswert erscheint, jedoch weder aus messtheoretischer Sicht, noch zur technischen Durchführung der Analysen dieser Arbeit notwendig ist, weshalb in dieser Arbeit auch Konstrukte mit zwei oder drei Indikatoren operationalisiert werden. Ebenfalls ist im Rahmen der Planung der Operationalisierung die Form der Abfrage der Indikatorvariablen zu diskutieren. Die in der Untersuchung nachfolgend angewendeten Faktoren- und Strukturgleichungsanalyseverfahren setzen zumindest intervallskalierte Daten voraus.939 Eine Verletzung dieser Voraussetzung kann zu einer Unterschätzung von Korrelationen, Faktorladungen, Standardfehlern sowie zu hohen Werten für die 2-Teststatistik führen.940 Die in der betriebswirtschaftlichen Forschung häufig herangezogenen Ratingskalen dürfen nach der Meinung von Forschungspragmatikern, sofern äquidistant, als quasimetrisch betrachtet werden.941 Ferner zeigen verschiedene Studien, dass die entsprechenden Verzerrungen bei der Verwendung von fünf oder mehr Kategorien 938 939 940 941
Vgl. Bollen 1989, S. 238 ff. Vgl. Bagozzi 1981, S. 380; Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2005, S. 331. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 733, und die dort angegebenen Arbeiten. Vgl. Bortz 2005, S. 25 ff.
Vorbereitung der Datenerhebung
159
in der Regel vernachlässigbar sind,942 besonders dann, wenn die Verteilung der Indikatoren höchstens moderat von der Normalverteilung abweicht.943 Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird in der Literatur empfohlen, einfach die gängigen Verfahren für kontinuierlich skalierte Verfahren anzuwenden.944 Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegenden Arbeit zur Erfassung von Multi-ItemKonstrukten Ratingskalen mit fünf Skalenpunkten verwendet. Keine Frage der technischen Durchführbarkeit, sondern eine Frage der inhaltlichen Korrektheit ist die adäquate Bildung der Korrespondenzregeln. Vor dem Hintergrund einer Vielzahl an fehlspezifizierten Messmodellen im Rahmen der Kovarianzstrukturanalyse auch in international führenden Journalen,945 widmet sich dieser Abschnitt ebenfalls der Diskussion der Richtung der Korrespondenzregeln im Rahmen der Operationalisierung zur Sicherstellung einer adäquaten Messung in dieser Arbeit. Dabei spielt insbesondere die Unterscheidung zwischen reflektiven und formativen Messmodellen eine wichtige Rolle.946 Reflektiven Konstrukten liegt die Annahme zugrunde, dass die Ausprägungen der Indikatoren durch die latente Variable verursacht werden, weshalb in diesem Zusammenhang in der englischsprachigen Literatur auch von effect indicators gesprochen wird.947 Durch die Zuweisung mehrerer Indikatoren zu einer latenten Variable können messfehlerbedingte Verzerrungen in einzelnen Indikatoren aufgefangen werden.948 Der allen Indikatoren gemeinsame Anteil der Varianz wird als Maß für die tatsächliche, messfehlerbereinigte Varianz der theoretischen Variable interpretiert.949 In einem reflektiven Messmodell sollten alle Indikatoren stark miteinander korrelieren, da sie in ihrem Wesen prinzipiell austauschba942
943 944 945 946
947
948 949
Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 733. Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Studien von Bollen/Barb 1981; Johnson/Creech 1983. Vgl. Green/Akey/Fleming/Hershberger/Marquis 1997, S. 108 ff. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 733; Finney/DiStefano 2006, S. 299. Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 199. Vgl. Bollen/Lennox 1991, S. 305 ff.; Homburg/Giering 1996, S. 6; Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 269; Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 199; Fassott/Eggert 2005, S. 31. Vgl. Bollen/Lennox 1991, S. 306; Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 269. Für eine formale Darstellung reflektiver Messmodelle sei verwiesen auf Edwards/Bagozzi 2000, S. 161; Fassott/ Eggert 2005, S. 36. Vgl. Homburg/Dobratz 1998, S. 450. Vgl. Fassott/Eggert 2005, S. 37.
160
Empirische Untersuchung
re Messungen des latenten Konstrukts darstellen.950 Der Charakter eines zugrunde liegenden theoretischen Konstrukts wird durch die Entfernung eines Indikators demnach nicht maßgeblich verändert.951 Hingegen basieren formative Konstrukte auf der Annahme, dass die Indikatoren einen Effekt auf das theoretische Konstrukt ausüben und es damit verursachen, weshalb in diesem Zusammenhang auch häufig von causal indicators gesprochen wird.952 Die einzelnen Indikatoren stellen unterschiedliche definierende Eigenschaften des latenten Konstrukts dar, sodass sie nicht ohne weiteres austauschbar sind und eine ex post Eliminierung gering korrelierter Indikatoren aus messtheoretischer Sicht weder sinnvoll noch vertretbar ist.953 Ändert sich der Wert eines Indikators, ändert sich zwar notwendigerweise auch der Wert der latenten Variablen, jedoch können die übrigen Indikatoren davon unbeeinflusst bleiben.954 Wie bereits zu Beginn dieses Abschnitts dargestellt wurde, gelangt eine Studie von JARVIS, MACKIENZIE und PODSAKOFF zu dem Ergebnis, dass eine Vielzahl von Publikationen auch in internationalen Top-Journalen fehlspezifizierte Modelle aufweist.955 Ferner zeigen die Autoren in einer Monte-Carlo-Simulation auf, dass mit der Fehlspezifikation erhebliche Verzerrungen der Parameterschätzungen im Strukturmodell einhergehen.956 Eine bedeutende Ursache für die Fehlspezifikation ist darin zu sehen, dass einige Forscher reflektive statt formativer Messmodelle unterstellen, ohne die Korrektheit ihrer Annahme zu überprüfen.957 In dieser Arbeit wird zur Vermeidung einer Fehlspezifikation und der damit verbundenen Verzerrungen der Parameterschätzungen die Auswahlentscheidung 950 951 952
953
954 955 956 957
Vgl. Bollen/Lennox 1991, S. 308. Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 271; Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 201. Vgl. MacCallum/Browne 1993, S. 533. Für eine formale Darstellung formativer Messmodelle sei verwiesen auf Bollen/Lennox 1991, S. 306; Fassott/Eggert 2005, S. 38 f. Vgl. Bollen/Lennox 1991, S. 308; Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 201. Für formative Messmodelle gelten die in Abschnitt 5.1.4 dargestellten Gütekriterien daher mitunter nicht. Vgl. dazu auch Homburg/Giering 1996, S. 6. Für die Beurteilung formativer Messmodelle sei verwiesen auf Fassott/Eggert 2005, S. 40 ff. Vgl. Bollen 1984, S. 377; Chin/Newsted 1999, S. 310; Fassott/Eggert 2005, S. 38. Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 199. Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 199. Vgl. dazu auch Law/Wong 1999, S. 143 ff. Vgl. Balderjahn 2008, S. 268; Bollen 1989, S. 65.
Vorbereitung der Datenerhebung
161
für die Richtung der Korrespondenzregeln für jedes Konstrukt systematisch auf der Basis eines für diesen Zweck entwickelten Fragenkatalogs, dargestellt in Tabelle 4, getroffen.958 Tabelle 4 Fragenkatalog zur Selektion der geeigneten Korrespondenzregeln959 Reflektives Messmodell Formatives Messmodell Sind die Indikatoren definierende Charakteristika oder Manifestationen der latenten Variablen? Würden Änderungen in der Ausprägung der Indikatoren eine Veränderung der latenten Variablen verursachen? Würden Änderungen in der Ausprägung der latenten Variablen eine Veränderung der Indikatoren verursachen? Haben die Indikatoren den gleichen bzw. einen ähnlichen Inhalt oder beziehen sich auf ein gemeinsames Thema? Würde die Elimination eines Indikators den konzeptionellen Inhalt der latenten Variablen verändern? Sind Änderungen in der Ausprägung eines Indikators verbunden mit gleichgerichteten Änderungen der übrigen Indikatoren? Haben die Indikatoren dieselben Antezedenzien und Konsequenzen?
Manifestationen
Definierende Charakteristika
Nein
Ja
Ja
Nein
Ja
Nicht erforderlich
Nein
Möglich
Ja
Nicht erforderlich
Ja
Nicht erforderlich
HERRMANN, HUBER und KRESSMANN stellen heraus, dass sich letztendlich alle diese Fragen auf die Frage der Kausalität zwischen Indikator und latenter Variable verdichten lassen und aus der Kausalität die übrigen in dem Fragenkatalog angesprochenen Eigenschaften folgen.960 Dennoch dient, wie FASSOTT hervorhebt, die Benutzung des gesamten Fragenkatalogs der Absicherung der Kausalitätsrichtung, da es durchaus möglich ist, dass auf einzelne Fragen keine eindeutige Antwort gegeben werden kann.961 5.2.3.2
Zur Vergleichbarkeit dieser Untersuchung mit der internationalen Diskussion
Um die in dieser Arbeit angestrebte Einreihung in die bisherige Forschungstradition, die Vergleichbarkeit mit den Forschungsergebnissen der Vergangenheit und somit letztendlich die Leistung eines Beitrags zum Fortschritt des Forschungs958
959 960 961
Vgl. zur Empfehlung dieses Vorgehens exemplarisch Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 203; Fassott/Eggert 2005, S. 43; Fassott 2006, S. 71. In Anlehnung an Fassott 2006, S. 71. Vgl. auch Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 203. Vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 47. Vgl. Fassott 2006, S. 71 f.
162
Empirische Untersuchung
feldes des organisationalen Entrepreneurships zu ermöglichen, orientiert sich die nachfolgende Operationalisierung – wann immer möglich – an bereits existierenden Konstruktbeschreibungen. Vor dem Hintergrund, dass der Großteil der Studien zum organisationalen Entrepreneurship im anglo-amerikanischen Raum durchgeführt wurde,962 ist der in der Literatur zu findende Hinweis, dass die Übertragung von Konstruktbeschreibungen in andere Sprachen und ihre Anwendung in anderen kulturellen Kontexten, insbesondere im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen, problematisch sein kann,963 von Relevanz für diese Arbeit. Im Hinblick auf die Forschung zum Entrepreneurship im organisationalen Kontext kann dieser Sorge entgegengestellt werden, dass zunächst KNIGHT, der die Dimensionalität des Messinstrumentes zur entrepreneurialen Orientierung in einer Studie mit englisch- und französischsprachigen Managern kanadischer Unternehmen untersucht, festhält, dass sich das Messinstrument als geeignet herausgestellt hat „in both English and French with regard to consistency and pattern of factor structure.“964 Darüber hinaus haben KREISER, MARINO und WEAVER die Eignung der Skala zur entrepreneurialen Orientierung in sechs Ländern965 aus drei Kontinenten getestet und keine wesentlichen Unterschiede festgestellt und empfehlen daher einen Einsatz der Skala zur Forschung „on the topic of international entrepreneurship.“966 Da sich die zur Erforschung des organisationalen Entrepreneurships erstellten Skalen in unterschiedlichen Sprachen und unterschiedlichen Kulturen bewährt und ihr Einsatz zu ländervergleichenden Studien empfohlen wird, wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass die Entlehnung der anglo-amerikanisch geprägten Messinstrumente ein adäquates Vorgehen darstellt und im Umkehrschluss ebenfalls davon auszugehen ist, dass durch den Umstand, dass die Untersuchung in Deutschland und in deutscher Sprache durchgeführt wird, von kritischen Ergebnisverzerrungen nicht auszugehen und es plausibel erscheint anzunehmen, dass sich die gewonnenen Erkenntnisse in die internationale Forschung eingliedern lassen. 962 963
964 965
966
Vgl. dazu die Übersicht von Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 768 ff. Vgl. exemplarisch Davis/Douglas/Silk 1981, S. 98 ff.; Sekaran/Martin 1982, S. 51 ff. Vgl. dazu auch Knight 1997, S. 215. Knight 1997, S. 221. Bei den Ländern handelt es sich um Australien, Finnland, Mexiko, Niederlande, Norwegen und Schweden. Kreiser/Marino/Weaver 2002, S. 88.
Vorbereitung der Datenerhebung 5.2.3.3
163
Operationalisierung der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung
Es ist evident, dass – aufgrund der vorgenommenen inhaltlichen Erweiterung des Konzepts der entrepreneurialen Orientierung um die Gelegenheitsorientierung – keine allgemein akzeptierte Skala zur Messung der sechsdimensionalen entrepreneurialen Orientierung existiert und somit ein neues Messinstrument entwickelt werden muss. Den Empfehlungen in der Literatur zur Fragebogenkonstruktion folgend967 sowie die bereits in Abschnitt 5.2.3.2 angesprochene Eingliederung der in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse in die internationale Diskussion anstrebend, wird in der vorliegenden Arbeit nicht einfach ein neues Set an Fragen konstruiert, vielmehr werden bereits existente und bewährte Operationalisierungen als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Instrumentes herangezogen. Als Ausgangspunkt für die Skalenentwicklung dient die populäre, neun Items umfassende und die Dimensionen Innovativität, Risikoorientierung und Proaktivität abdeckende MILLER/COVIN und SLEVIN (MCS)-EO-Skala.968 Diese Skala wird in ihre konstituierenden Dimensionen zerlegt und um geeignete Konstrukte bzw. Indikatoren aus der Literatur erweitert, um die zusätzlichen Dimensionen Autonomie, Wettbewerbsaggressivität und Gelegenheitsorientierung zu erfassen. In die Entwicklung der finalen Skalen fließen ebenfalls Kritiken an und Kommentare zu der MCS-Skala, denen in der Literatur starke Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, ein.969
967 968
969
Vgl. exemplarisch Bortz/Döring 2006, S. 253. Vgl. exemplarisch Covin/Slevin 1989; Covin/Green/Slevin 2006. Auf eine differenzierte Darstellung der Entwicklungsgeschichte der MCS-Skala und ihrer Teildimensionen wird an dieser Stelle verzichtet. Hierzu sei beispielsweise verwiesen auf Davis 2007, S. 28 ff. Bis heute beinhaltet nahezu jede veröffentlichte Studie, die sich mit EO befasst, einen Bezug zu der MCS-Skala. Vgl. den Status-Quo-Artikel von Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 767. Vgl. zu der Verbreitung der MCS-Skala insbesondere auch Wiklund 1999, S. 38; Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 953 sowie Davis 2007, S. 1 f. Vgl. dazu auch Abschnitt 3.2. Kritik an sowie Kommentare zu der MCS-Skala sind insbesondere den Beiträgen von Brown/Davidsson/Wiklund 2001 sowie Lumpkin/Dess 2001 zu entnehmen. Berücksichtigt werden Kritiken und Kommentare, die in Arbeiten zum Status Quo oder in Metaanalysen aufgegriffen oder die Verwendung der MCS-Skala nachhaltig beeinflusst haben. Exemplarisch für Arbei-
164
Empirische Untersuchung
Die folgenden Paragraphen stellen die letztendlich im Fragebogen verwendeten Skalen und die durchgeführten Anpassungen gegenüber der MCS-Skala dar. Die entsprechenden Wortlaute der Indikatoren werden im Rahmen der Gütebeurteilung auf Faktorebene in Abschnitt 5.4.2.2 dargestellt. Diesem Abschnitt ist ebenfalls zu entnehmen, welche Indikatoren eliminiert werden mussten und aus welchen Items sich die Dimensionen letztendlich zusammensetzen. Die drei Items, die die Risikoorientierung reflektieren, wurden – abgesehen von der Übersetzung in die deutsche Sprache – unverändert aus der MCS-Skala übernommen. Ebenso wurden die drei Indikatoren, die Innovativität messen, beibehalten.970 Hinsichtlich der Messung der Proaktivität durch die MCS-Skala wird in der Literatur hervorgehoben, dass diese Dimension betreffend der ItemInhalte und der Faktorenstruktur ambigue ist971 und dass das Item, das Leben und leben lassen und Wettbewerber aus dem Markt drängen gegenüberstellt, eher Wettbewerbsaggressivität als die intendierte Proaktivität misst.972 In Übereinstimmung mit Publikationen der jüngeren Vergangenheit wird dieses Item nicht zur Messung von Proaktivität verwendet, sondern durch ein Item ersetzt, dass das Streben nach einer Pionierstrategie dem Streben nach einer Folgerstrategie gegenüberstellt.973 Wie von LUMPKIN und DESS vorgeschlagen, bildet das aus der Proaktivitätsskala entfernte Item den ersten Indikator für die Wettbewerbsaggressivität.974 Die Skala für Wettbewerbsaggressivität von LUMPKIN und DESS enthält darüber hinaus ein zweites Item, das ebenfalls übernommen wurde.975 Nicht aus der MCS-Skala abgeleitet werden konnten Items für die Messung der Autonomie. Ebenfalls existierte zum Zeitpunkt der Erstellung des in dieser Ar-
970
971 972
973 974 975
ten, die bestehende Kritiken und Kommentare aufgreifen und diskutieren, sei verwiesen auf Covin/Green/Slevin 2006, Stam/Elfring 2008 und Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das etablierte Messinstrument zur Innovativität zwei Items beinhaltet, die vergangenes Verhalten messen. Da jedoch aus dem Verhalten in der Vergangenheit durchaus auf eine Haltung des Unternehmens zu schließen ist und um die Vergleichbarkeit mit bisherigen Forschungsergebnissen zu gewährleisten, werden die Indikatoren beibehalten. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 954. Vgl. auch Lumpkin/Dess 1996, S. 147. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 433; Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 961. Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Konzeptualisierung der Proaktivität in Abschnitt 3.2.1. Vgl. Stam/Elfring 2008, S. 102; Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 961. Vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 439. Vgl. ebd., S. 439.
Vorbereitung der Datenerhebung
165
beit verwendeten Messinstrumentes und der Datenerhebung keine im Kontext der Forschung zur entrepreneurialen Orientierung anerkannte Skala.976 Um Autonomie als wichtige Komponente der theoretischen Konstruktion der entrepreneurialen Orientierung dennoch zu messen, wurden fünf Indikatoren aus der benachbarten Organisations- und Arbeitsforschung, namentlich aus den Arbeiten von SPREITZER,977 SHANE, VENKATARAMAN und MACMILLAN,978 DEWAR, WHETTEN und BOJE,979 sowie HAGE und AIKEN,980 abgeleitet. Ebenfalls nicht Bestandteil der MCS-Skala ist das Konstrukt Gelegenheitsorientierung. Allerdings existiert dafür ein 3-Item-Messinstrument von BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND, das übernommen wird. Als Skalentyp wurde für alle Items, die die Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung reflektieren, semantische Differentiale gewählt. Dies entspricht dem Vorgehen der ursprünglichen MCS-Skala und stellt die überwiegend verbreitete Vorgehensweise dar.981 Auch inhaltslogisch überzeugt die Gegenüberstellung der zwei Aussagen, die entweder eine eher entrepreneuriale oder eher administrative Orientierung widerspiegeln gegenüber der Teilung jedes semantischen Differentials in zwei LIKERT-Skalen, wie es in der Literatur mitunter auch vorzufinden ist,982 da – wie der Konzeptualisierung der entrepreneurialen Orientierung zu entnehmen ist – eine Organisation nicht beide Orientierungen gleichzeitig aufweisen kann.983 Mit fünf Skalenstufen wurde ein Differenzierungsgrad gewählt, bei dem von einer ausreichenden Differenzierungsfähigkeit ausgegangen werden kann, ohne dass die Differenzierungskapazität der Urteilenden über976
977 978 979 980 981 982
983
Vgl. Lumpkin/Cogliser/Schneider 2009, S. 48. Neben dieser Feststellung enthält die Arbeit von LUMPKIN, COGLISER und SCHNEIDER ebenfalls einen Vorschlag zur Messung von Autonomie im Kontext der entrepreneurialen Orientierung. Lumpkin/Cogliser/Schneider 2009, S. 57. Wenngleich der Beitrag erst nach Abschluss der Datenerhebung dieser Arbeit erschien und daher bei der Erstellung des Messinstrumentes nicht berücksichtigt werden konnte, ist festzuhalten, dass einiger Unterschiede zum Trotz eine deutliche inhaltliche Übereinstimmung der beiden Skalen existiert, die die Verwendung der in dieser Arbeit gewählten Operationalisierung unterstützt. Vgl. Spreitzer 1995. Vgl. Shane/Venkataraman/MacMillan 1995. Vgl. Dewar/Whetten/Boje 1980. Vgl. Hage/Aiken 1967. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 767. Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Arbeit von Harms 2004. Vgl. dazu auch Rauch/ Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 767. Vgl. Abschnitt 3.2.1.
166
Empirische Untersuchung
schritten wird.984 Um die Effekte der Akquieszenz, d. h. der inhaltsunabhängigen Zustimmungstendenz, zu verringern, wurden einige Indikatoren revers kodiert.985 Hinsichtlich der Richtung der Korrespondenzbeziehungen führt ein systematischer Durchlauf durch den dafür entwickelten Fragenbogen986 zu dem Ergebnis, dass alle Konstrukte reflektiv sind, wobei es sich um eine Einschätzung handelt, die in der Forschung zur entrepreneurialen Orientierung geteilt wird.987 5.2.3.4
Operationalisierung explorativer und exploitativer Innovationen
Für die Messung explorativer und exploitativer Innovationen existiert bis zum heutigen Zeitpunkt noch kein allgemein akzeptiertes Instrument.988 Aufgrund der wachsenden Popularität und der umfassenden Anwendbarkeit der Zwillingskonzepte hat die Literatur eine Vielzahl verschiedener Operationalisierungen für Exploration und Exploitation hervorgebracht.989 Während die Eignung dieser Operationalisierungen im Kontext der jeweils durchgeführten Studie unzweifelhaft sinnvoll erscheint, mangelt es diesen Operationalisierungen in der Regel an Generalisierbarkeit und folglich Anwendbarkeit außerhalb ihrer spezifischen Kontexte.990 Darüber hinaus ist die Übereinstimmung der empirischen Anwendungsversuche mit der konzeptionellen Definition nach MARCH991 oftmals zumindest fragwürdig.992
984 985
986 987
988 989
990 991 992
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 180 ff. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 884. Ebenso verfahren beispielsweise Jansen/van den Bosch/Volberda 2006, S. 1672. Vgl. Tabelle 4. Vgl. dazu die Ausführungen von Stetz/Howell/Stewart/Blair/Fottler 2000, o.P.; Covin/Green/ Slevin 2006, S. 79 ff. Vgl. Uotila/Maula/Keil 2007, S. 6. Exemplarisch seien hier die Arbeiten von Hill/Birkinshaw 2008; Sidhu/Commandeur/Volberda 2007; Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006; Jansen/van den Bosch/Volberda 2006; He/Wong 2004; Katila/Ahuja, 2002; McGrath, 2001; Rosenkopf/Nerkar 2001; Bierle/Chakrabarti 1996 genannt. Vgl. Uotila/Maula/Keil 2007, S. 6. Vgl. Abschnitt 3.3. Vgl. Gupta/Smith/Shalley 2006, S. 694 f.
Vorbereitung der Datenerhebung
167
Vor diesem Hintergrund wurden eigene Skalen basierend auf angepassten Items existierender Skalen993 entwickelt, die im Einklang mit der Basisdefinition von MARCH und der dieser Arbeit zugrunde liegenden Interpretation explorativer und exploitativer Innovationen stehen.994 Im Ergebnis stehen sechs Indikatoren für explorative Innovation und drei Indikatoren für exploitative Innovation.995 Für Exploration und Exploitation wurden fünf-stufige LIKERT-Skalen verwendet. Dies entspricht dem üblichen Vorgehen in diesem Bereich.996 Ebenfalls wurde damit die Empfehlung von PODSAKOFF, MACKENZIE, LEE und PODSAKOFF zur Reduzierung des Common Method Bias997 umgesetzt, die darin besteht, innerhalb einer Befragung Skalenanker und -format zu variieren.998 Ferner ist an dieser Stelle zu konstatieren, dass die Analyse der Richtung der Korrespondenzregeln zu dem Ergebnis führt, dass die Konstrukte reflektiver Natur sind, was ebenfalls der vorherrschenden Einschätzung in diesem Themenfeld entspricht.999 5.2.3.5
Operationalisierung der Performance
In der Literatur wird empfohlen, verschiedene Maße einzusetzen, um den Facettenreichtum der Unternehmensperformance zu erfassen.1000 Hinsichtlich der Auswahl adäquater Maße zur Erfassung der Performance jüngerer, adoleszenter Unternehmen wird in der Literatur ferner darauf hingewiesen, dass ihre individuellen, also in der Population mitunter deutlich divergierenden Ziele, Berücksich993
994 995 996 997 998
999 1000
Insbesondere sind hier die Messinstrumente von JANSEN, VAN DEN BOSCH und VOLBERDA sowie LUBATKIN, SIMSEK, LING und VEIGA 2006 zu nennen. Doch können auch diese nicht unverändert übernommen werden. So weist das Messinstrument von JANSEN und Kollegen beispielsweise einen spezifischen Fokus auf Geschäftseinheiten auf und das Instrument von LUBATKIN und Kollegen vermischt Verhaltens- und Einstellungsmaße, was im Rahmen dieser Arbeit unpassend erscheint. Vgl. die Arbeiten von Jansen/van den Bosch/Volberda 2006; Lubatkin/Simsek/Ling/ Veiga 2006. Vgl. zur Problematik der Vermischung von Verhaltens- und Einstellungsmaßen auch Abschnitt 2.2.2. Vgl. Abschnitt 3.3.1. Der Wortlaut der letztendlich verwendeten Indikatoren ist in Abschnitt 5.4.2.2 dargestellt. Verwiesen sei hier auf die im letzten Paragraphen genannten Arbeiten. Vgl. zum Common Method Bias ausführlich Abschnitt 5.4.1.2. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 884. Die Variation besteht beispielsweise in der Verwendung von semantischen Differentialen für die entrepreneuriale Orientierung und LIKERT-Skalen für Exploration und Exploitation. Verwiesen sei hier auf die im letzten Paragraphen genannten Arbeiten. Vgl. Gupta/Govindarajan 1984, S. 33 f.; Chandler/Hanks 1993, S. 391 f.; Wiklund/Shepherd 2005, S. 80; Stam/Elfring 2008, S. 102.
168
Empirische Untersuchung
tigung finden sollen1001 und darüber hinaus, dass die exklusive Betrachtung finanzieller Erfolgsgrößen für Unternehmen in dieser Lebenszyklusphase nicht sinnvoll ist.1002 Um die spezifischen Ziele des Unternehmens adäquat zu berücksichtigen, beispielsweise könnte ein Unternehmen langfristiges Wachstum statt kurzfristiger Profitabilität anstreben,1003 wird Performance in dieser Arbeit mit multiplen Maßen mit einem Instrument gemessen, das auf GUPTA und GOVINDARAJAN zurückgeht,1004 und in der Entrepreneurshipforschung sehr oft Verwendung findet.1005 Dabei werden die Informanten zunächst gebeten, auf einer fünf-stufigen LIKERT-Skala dazu Stellung zu nehmen, wie wichtig verschiedene Performancemaße, die sich auf die gegenwärtige Leistung oder das Wachstum beziehen sowie finanzieller oder nicht-finanzieller Natur sind.1006 Auf einer zweiten fünf-stufigen LIKERT-Skala werden die Informanten dann aufgefordert, zu bewerten, wie zufrieden sie mit der Leistung des Unternehmens bezüglich der verschiedenen Kriterien sind. Anschließend werden die Zufriedenheitswerte mit den Werten der Wichtigkeit gewichtet und normiert. Im Ergebnis entsteht ein gewichteter Performance-Index, der die spezifische Zielsetzung des Unternehmens zur Bewertung der Leistung berücksichtigt. In der Literatur wird die Adäquatheit solcher subjektiven Maße hervorgehoben, da diese hohe Reliabilität und Validität aufweisen, und besonders nützlich sind, wenn auch nicht-finanzielle Performancedimensionen erfasst werden sollen.1007 Kritisiert werden sie für mögliche, bewusste oder unbewusste Verzerrungen durch den Antwortenden.1008 Sekundärstatistische, objektive Performancemaße werden als besonders sinnvoll zur Einschätzung der finanziellen Performance angesehen und sind weniger anfällig für Verzerrungen im Sinne des Informant
1001 1002 1003 1004 1005 1006
1007 1008
Vgl. Wiklund/Shepherd 2005, S. 80. Vgl. Zahra 1996c, S. 294. Vgl. Zahra 1991, S. 259 ff.; Wiklund 1999, S. 40. Vgl. Gupta/Govindarajan 1984, S. 34. Vgl. exemplarisch Covin/Prescott/Slevin 1990; Covin/Slevin 1990; Sapienza/Grimm 1997. Hierzu zählen Absatz, Marktanteil, Gewinn, Cash Flow, Return on Investment, Kundenzufriedenheit, Anpassungs-/Wettbewerbsfähigkeit, Möglichkeit des eigenfinanzierten Unternehmenswachstums, Absatzwachstum und Marktanteilswachstum. Vgl. zu dieser Auswahl Wiklund/ Shepherd 2003a, S. 1311; Herr 2006, S. 306; Kollmann/Herr/Kuckertz 2008, S. 660. Vgl. Dess/Robinson 1984, S. 271; Chandler/Hanks 1993, S. 392; Stam/Elfring 2008, S. 102. Vgl. Chandler/Hanks 1993, S. 395.
Vorbereitung der Datenerhebung
169
oder Common Method Bias.1009 Als Manko solcher objektiver Performancemaße wird jedoch angeführt, dass diese oftmals nicht, nur unvollständig oder nur sehr schwer beschafft werden können, ohne Kontext (z. B. Branche) kaum interpretierbar sind und im Falle jüngerer Unternehmen – wie bereits weiter oben beschrieben – nur von begrenzter Aussagekraft sind.1010 Vor diesem Hintergrund und der Feststellung in der Metaanalyse von RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE, dass – in der Forschung zur entrepreneurialen Orientierung – nicht von einer Inflation der Höhe der Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance durch selbstberichtete Erfolgsmaße und an dieser Stelle nicht von einem Common Method Bias auszugehen ist,1011 steht der Verwendung des weiter oben beschriebenen, üblichen subjektiven Maßes nichts im Wege.1012 5.2.3.6
Operationalisierung der Kontrollvariablen
Lassen sich schon vor der Untersuchung Variablen identifizieren, die zwar nicht im konkreten Forschungsinteresse stehen, die abhängigen Variablen vermutlich aber ebenfalls beeinflussen, wird in der Literatur empfohlen, diese Variablen neben den Variablen, deren Wirkungsbeziehungen überprüft werden sollen, ebenfalls mitzuerheben, um bei der Analyse die abhängigen Variablen bezüglich dieser Kontrollvariablen zu bereinigen, indem der Einfluss dieser Variablen herauspartialisiert wird.1013 In der vorliegenden Arbeit ist – wie die folgenden Ausführungen kurz zeigen werden – davon auszugehen, dass das Alter des Unternehmens sowie dessen Größe die abhängigen Variablen beeinflusst. Da diese Einflüsse außerhalb des in Abschnitts 1.2 dargelegten Forschungsinteresses stehen, werden diese Größen als Kontrollvariablen in die Untersuchung aufgenommen, um die von ihnen verursachte Varianz zu quantifizieren und um diesen Einfluss herauszupartialisieren.
1009 1010 1011
1012 1013
Vgl. Stam/Elfring 2008, S. 102. Vgl. Covin/Prescott/Slevin 1990, S. 492 f.; Chandler/Hanks 1993, S. 391 ff. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 777 f. Trotz dieser grundsätzlichen Feststellung erfolgt in dieser Arbeit, wie bereits thematisiert, eine differenzierte Auseinandersetzung mit einem möglichen Common Method Bias in Abschnitt 5.4.1.2. Vgl. zu diesem Schluss auch Covin/Prescott/Slevin 1990, S. 493. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 544 f.
170
Empirische Untersuchung
Im Hinblick auf die Unternehmensgröße geht aus der Literatur einerseits hervor, dass größere Unternehmen mehr Ressourcen, wie beispielsweise kreative Mitarbeiter, für Innovationsaktivitäten bereitstellen können.1014 Andererseits sind kleinere Unternehmen flexibler, was ihnen erlaubt, sich schneller zu wandeln und Marktchancen schneller zu kapitalisieren.1015 Ferner wird hervorgehoben, dass größere Unternehmen verstärkt dem Einfluss organisationaler Trägheit unterliegen und Schwierigkeiten haben, Wandel sowohl im Hinblick auf Ressourcen als auch im Hinblick auf Umweltbedingungen effektiv zu verarbeiten.1016 Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit die Größe des Unternehmens als Kontrollvariable aufgenommen. Als Proxy zur Bestimmung der Unternehmensgröße wird die Anzahl der Mitarbeiter im Geschäftsjahr 2007 gewählt. Der Rückgriff auf die Mitarbeiterzahl zur Bestimmung der Unternehmensgröße gilt als die in der empirischen Forschung am weitesten verbreitete Vorgehensweise.1017 Aufgrund einer Abweichung von der Normalverteilung wurde die Variable logarithmiert, bevor sie in das Modell aufgenommen wurde.1018 Als zweite Kontrollvariable wurde das Alter der Unternehmung in Form der seit der Unternehmensgründung vergangenen Jahre mit in das Modell aufgenommen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass aus der Literatur hervorgeht, dass das Alter die Exploration und Exploitation von Wissen beeinflussen kann.1019 Alterseffekte können positiv aufgrund größerer Erfahrung oder negativ aufgrund institutioneller Routinen und Normen, die organisationale Trägheit verursachen,1020
1014 1015 1016 1017
1018
1019 1020
Vgl. Hannan/Freeman 1989, S. 244 ff. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 776. Vgl. Hannan/Freeman 1989, S. 66 ff. Vgl. Brynjolfsson/Malone/Gurbaxani/Kambil 1994, S. 1629. Ebenfalls wird sich der Unternehmensgröße anhand der Mitarbeiterzahl genähert in dem Beitrag zum Status Quo der Forschung zur entrepreneurialen Orientierung von Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 776. Im Fall der Unternehmensgröße ist eine Abweichung von der Normalverteilung nicht selten und ihre Transformation zur Annäherung an die Normalverteilung gängige Forschungspraxis. Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Arbeiten von Ling/Simsek/Lubatkin/Veiga 2008; Stam/Elfring 2008. Vgl. zu dieser Transformation Tabachnick/Fidell 2007, S. 86 ff. Vgl. Autio/Sapienza/Almeida 2000, S. 909 ff. Vgl. Tushman/O’Reilly 1996, S. 19.
Durchführung der Datenerhebung und Aufbereitung der Daten
171
sowie einer Tendenz älterer Unternehmen externen Wandel und Entwicklungen aus dem Blick zu verlieren,1021 sein. Durch objektive Daten aus der Hoppenstedt-Firmendatenbank konnten die Informatenangaben zu den Kontrollvariablen erhärtet werden. Für Subsample von 190 bzw. 189 der 228 Unternehmen in der Stichprobe lagen sowohl Informantenangaben als auch Datenbankdaten zu Unternehmensalter bzw. -größe vor. Signifikante Korrelationen zwischen der Informantenangabe und dem Datenbankwert sowohl im Hinblick auf das Alter (r = 0,81; p < 0,001), als auch im Hinblick auf die Größe (r = 0,83; p < 0,001) bestätigen die Validität und somit die Verwendbarkeit der Informantenangaben. 5.3 Durchführung der Datenerhebung und Aufbereitung der Daten Korrespondierend mit dem Rahmenwerk für die empirische Untersuchung, das in Abschnitt 5.1 erstellt wurde, diente Abschnitt 5.2 der Vorbereitung der Datenerhebung. Auf dieser Basis aufbauend widmen sich die Ausführungen in diesem Abschnitt der Durchführung der empirischen Untersuchung und somit der Schaffung einer Datengrundlage für die nachfolgende Auswertung in Abschnitt 5.4. Dabei richtet sich das Augenmerk zunächst in Abschnitt 5.3.1 auf die Darstellung des Vorgehens bei der Datenerhebung, bevor in Abschnitt 5.3.2 der Rücklauf und die Aufbereitung der Daten thematisiert wird. 5.3.1 Vorgehen bei der Datenerhebung In Abschnitt 5.2.1 wurde festgestellt, dass etwa 4.500 Unternehmen den Kriterien hinsichtlich des Forschungsobjektes entsprechen. Diese Unternehmen bilden konsequenterweise die Auswahlbasis dieser Forschungsarbeit. Um eine für die geplanten Analyseverfahren ausreichend hohe Datenbasis zu erhalten,1022 wurde aus der Auswahlbasis zufällig eine Stichprobe von 900 Unternehmen gezogen. Wie bereits in Abschnitt 5.2.1 dargestellt, wurde die in diesem Abschnitt im Vordergrund stehende Primärerhebung durch sekundärstatistische Daten der Hoppenstedt-Firmendatenbank vorbereitet. So sind in den Profilen der Unter1021 1022
Vgl. Sørensen/Stuart 2000, S. 81 ff. Vgl. zu den Anforderungen Abschnitt 5.1.
172
Empirische Untersuchung
nehmen in der Regel neben den bereits thematisierten Angaben NACESchlüssel, Gründungsjahr, Mitarbeiterzahl und Jahresumsatz auch weitere für diese Arbeit relevante Daten, wie beispielsweise Ansprechpartner der obersten Führungsebenen, Anschriften, E-Mail-Adressen und Telefonnummern enthalten.1023 BORTZ und DÖRING heben die Bedeutung eines hohen Fragebogenrücklaufs hervor, wenn, wie in der empirischen Sozialforschung die Regel, nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich antwortende und nichtantwortentende Personen systematisch im Bezug auf die untersuchten Merkmale unterscheiden.1024 Folglich wird eine möglichst hohe Rücklaufquote angestrebt. Dazu wurden die Empfehlungen von BORTZ und DÖRING zur Erreichung einer hohen Rücklaufquote in schriftlichen Befragungen, wie nachfolgend dargestellt, angewendet und erweitert.1025 Die Unternehmen in der Stichprobe wurden im Winter 2007/2008 telefonisch kontaktiert. Zunächst wurde versucht, sich mit dem Key Informant1026 verbinden zu lassen.1027 In dem Gespräch wurden das Forschungsvorhaben und insbesondere das Forschungsobjekt kurz vorgestellt, um sowohl das Interesse des Probanden zu wecken als auch um sicherzustellen, dass nicht den Kriterien entsprechende Unternehmen nicht zur Beantwortung des Fragebogens aufgefordert werden. In dem Gespräch wurde zur Steigerung der Motivation zur Teilnahme einerseits um Unterstützung in dem Forschungsprojekt gebeten und andererseits ein Anreiz zur Teilnahme gesetzt, indem eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse in Aussicht gestellt wurde. Ferner wurde zugesichert, dass die Studie ausschließlich wissenschaftlichen Forschungszwecken dient und die Datenauswertung streng vertraulich erfolgt. Sofern Bereitschaft zu einer Teilnahme bestand, wurde an den Key Informant eine personalisierte E-Mail adressiert. Diese E-Mail enthielt neben dem Link zur Webadresse der Befragung inkl. Zugangscode eine schriftliche Wiederholung der oben beschriebenen Zusagen, 1023 1024 1025 1026 1027
Vgl. Hoppenstedt 2009b, o. P. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 257. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 256 ff., sowie die dort angegebenen Quellen. Vgl. Abschnitt 5.2.2. Konnte kein telefonischer Kontakt mit dem Key Informant selbst hergestellt werden, wurde alternativ das vorbereitende Telefonat mit dem aktuellen Gesprächspartner geführt, um zu erreichen, dass dem Key Informant eine personalisierte Einladungs-E-Mail zugesendet werden kann.
Durchführung der Datenerhebung und Aufbereitung der Daten
173
weitere Informationen zum Forschungsvorhaben und dessen Bedeutung sowie zur Bedeutung der Teilnahme des angesprochenen Informanten für das Gelingen des Forschungsprojekts, Informationen zur befragenden Institution, zur voraussichtlichen Dauer der Befragung und der Ankündigung, dass bei Nichtteilnahme eine erneute Ansprache in der Zukunft erfolgt. Eine Anleitung zum Ausfüllen der einzelnen Fragebogenbestandteile war in die anschließende OnlineBefragung integriert. Nach in der Regel etwa einer Woche wurde eine Erinnerungs-E-Mail mit einem erneuten Antwortappell an diejenigen Informanten verschickt, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht teilgenommen oder die Befragung abgebrochen hatten. Eine zweite, vergleichbare Erinnerungs-Mail wurde in der Regel etwa nach einer weiteren Woche versendet. 5.3.2 Rücklauf und Datenaufbereitung Von den ursprünglich 900 Unternehmen in der Stichprobe erwiesen sich 118 Unternehmen als nicht kontaktierbar, da sich die Unternehmen in der Zwischenzeit aus dem Markt zurückgezogen haben oder ihre Kontaktdaten erloschen waren und nicht rekonstruiert werden konnten. Von den erreichten 782 Unternehmen zeigten 98 Unternehmen in dem Telefonat kein Interesse an einer Partizipation an dem Forschungsprojekt, so dass keine Einladungs-E-Mail versendet wurde. Diese Unternehmen wurden als Nichtantworter gewertet. 228 verwertbare Fragebögen1028 gingen bis zum 21.03.2008 ein. Bezogen auf die 782 erreichbaren Unternehmen ergab sich somit ein Rücklauf von 29,28 %. Diese Rücklaufquote ist als äußerst zufriedenstellend zu bewerten. Diese Einschätzung beruht zunächst auf der Feststellung, dass bei schriftlichen Befragungen typischerweise
1028
In dieser Zahl nicht enthalten sind die Teilnehmer, die zwar dem Link in der Einladungs-E-Mail gefolgt sind, die Fragebogenbearbeitung dann aber frühzeitig, d. h. vor der Beantwortung der für diese Arbeit relevanten abhängigen Variablen, abgebrochen haben. Vgl. zur Problematik fehlender Werte in abhängigen Variablen und zu der Empfehlung der Elimination entsprechender Fälle Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 56. Da ein Großteil der Fragen obligatorisch zu beantworten war, mussten keine weiteren Fälle aufgrund einer großen Anzahl fehlender Werte in einzelnen Fällen eliminiert werden. Vgl. zu entsprechenden Empfehlungen Roth/Switzer 1995, S. 1010; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 55. In dieser Zahl ebenfalls nicht enthalten sind Fälle, bei denen sich ex post herausstellte, dass sie die Sample-Kriterien, beispielsweise im Hinblick auf das Unternehmensalter, nicht erfüllen.
174
Empirische Untersuchung
Rücklaufquoten zwischen 5 und 30 % zu erwarten sind.1029 Für ein entrepreneurship-orientiertes Umfeld mit organisationalen Fragestellungen identifiziert GÜTTLER erreichte Rücklaufquoten zwischen 10 und 25 %.1030 Zusätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass in dieser Erhebung mitunter sehr sensible und vertrauliche Informationen abgefragt1031 und Personen der obersten Führungsebenen befragt wurden, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie besonders wenig Zeit für nicht direkt unternehmensbezogene Aktivitäten haben.1032 Neben den bereits zu Beginn dieses Abschnitts diskutierten komplett fehlenden Datensätzen sind auch Rückläufer mit einzelnen fehlenden Werten Teil des Responseproblems.1033 Fehlende Daten aufgrund unvollständig ausgefüllter Fragebögen sind ein häufig in Erscheinung tretendes Problem bei empirischen Untersuchungen.1034 Wie bereits in Abschnitt 5.2.2 beschrieben, wurde, um die Anzahl der fehlenden Werte und damit das Responseproblem zu minimieren, ein Großteil der Antworten als obligatorisch festgelegt; jedoch wurde den Informanten freigestellt, auf Fragen zu sensitiven Angaben zum Unternehmen, wie beispielsweise die absolute Höhe des Unternehmensumsatzes, zu antworten.1035 In den Daten der vorliegenden Studie fehlen insgesamt lediglich 0,70 % der Werte,1036 was vor dem weiter oben beschriebenen Hintergrund des Charakters der abgefragten Information und der befragten Personen, als unbedenklicher Wert ange1029
1030 1031 1032
1033
1034 1035
1036
Vgl. Meffert 1992, S. 202. Siehe dazu auch Kühn/Fankhauser 1996, S. 69; Dillmann 2000, S. 323; Klassen/Jacobs 2001, S. 720; Bourke/Fielder 2003, S. 16 f. Vgl. Güttler 2009, S. 155. Dazu zählen insbesondere Informationen zum Unternehmenserfolg. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass bei dieser Personengruppe deutlich niedrigere Rücklaufquoten als bei sonstigen Mitarbeitern eines Unternehmens zu erwarten sind. Vgl. Bartholomew/Smith 2006, S. 85; Baruch 1999, S. 431. Für eine Metaanalyse zu Rücklaufquoten von Umfragen, die an das Topmanagement von Organisationen gerichtet sind Cycyota/Harrison 2006, S. 133 ff. Vgl. Craig/McCann 1978, S. 285; Little/Rubin 2002, S. 5. Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 49; Schnell/Hill/Esser 2008, S. 469. Vgl. Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 49; Graham/Schafer 1999, S. 1. Vor dem Hintergrund des Ausbleibens kritischer Rückmeldungen auf die Pflichtfragen seitens der Probanden und der hohen Rücklaufquote, die ebenfalls auf keine generelle Antwortverweigerung schließen lässt, ist von keiner Verzerrung durch dieses Vorgehen auszugehen. Der Datenbegriff umfasst an dieser Stelle die in der Operationalisierung in Abschnitt 5.2.3 beschriebenen Indikatoren sowie den Unternehmensumsatz, der zur Eindordnung des Unternehmens erhoben wurde. Vgl. Abschnitt 5.2.1.
Durchführung der Datenerhebung und Aufbereitung der Daten
175
sehen werden kann.1037 Ferner zeigt LITTLEs MCAR-Test1038 an, dass die fehlenden Werte absolut zufällig fehlen.1039 Gründe für das Fehlen von Daten können im Allgemeinen vielfältig sein:1040 So kann der Umfang der Umfrage und die daraus resultierende Belastung des Key Informants unterschätzt worden sein. Fehlende Werte können ebenfalls auf das Erhebungsinstrument zurückzuführen und beispielsweise durch unklare Fragen, unpassende Antworten oder mangelnder Übersichtlichkeit bedingt sein. Auch die Key Informants können aus exemplarischen Gründen wie mangelnde Aufmerksamkeit, Scham, mangelndes Wissen oder unzureichende Antwortmotivation fehlende Werte verursachen. Auch die Dateneingabe, -aufbereitung und auswertung können, beispielsweise in Form von Codierungs- oder Übertragungsfehlern, als mögliche Ursache in Frage kommen. Abschließend seien sonstige Fehlerquellen, wie beispielweise Datenverlust durch technische Probleme, Fehler der Post, Problem mit dem Faxgerät) als mögliche Ursache fehlender Werte genannt. Durch ein sorgfältig ausgearbeitetes Untersuchungsdesign wurde bereits im Vorfeld dieser Erhebung eine Reduktion derartiger Ursachen und somit von fehlenden Werten angestrebt.1041 Exemplarisch seien die folgenden Maßnahmen aus den Abschnitten 5.2.1 und 5.2.2 in Erinnerung gerufen: Es wurde sichergestellt, dass der Kreis der befragten Key Informants sowohl die notwendige Kompetenz 1037
1038
1039
1040 1041
CRAIG und MCCANN berichten in ihrem Überblick zwischen 2,9 und 8 % fehlende Werte. Vgl. Craig/McCann 1978, S. 286. Mit 4 % berichtet in der jüngeren Vergangenheit WOLFF in einem vergleichbareb Umfeld einen Wert. Vgl. Wolff 2008, S. 229. SCHAFER beschreibt weniger als 5 % fehlende Werte als niedrig und unproblematisch für neuere Ersetzungsverfahren. Vgl. Schafer 1999, S. 7. Vgl. dazu auch Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 49 ff. Die Abkürzung MCAR steht für missing completely at random und beschreibt als eines von drei Mustern neben missing at random (MAR) und missing not at random (MNAR) einen rein zufälligen Antwortausfall, während im Falle von MAR der Datenausfall zumindest durch andere beobachtete Variablen erklärt werden kann und MNAR gar einen systematischen Antwortausfall darstellt. Vgl. dazu die Arbeiten von Rubin 1976; Little/Rubin 2002. Vgl. für eine detaillierte Darstellung des Tests die Arbeit von Little 1988. 2 = 224,647; df =231, p = 0,605. Es sei angemerkt, dass sich sowohl das Ergebnis des MCARTests als auch der Anteil der fehlenden Werte auf die relevante Gesamtheit der in der durchgeführten Erhebung gewonnenen und nicht nur auf die in den Modellen dieser Arbeit analysierten Daten beziehen und damit ein vollständigeres Bild des Responseproblems gezeichnet wird. Vgl. Schnell 1986, S. 24 und zu den folgenden Gründen Schnell 1986, S. 24 ff. Vgl. dazu die Abschnitte 5.2.1 und 5.2.2.
176
Empirische Untersuchung
als auch eine ausreichende Motivation zur Beantwortung der Fragen aufweist. Es wurde ein Online-Fragebogen eingesetzt und die von dem Probanden eingegeben Daten wurden elektronisch gespeichert. Bei der Entwicklung des Fragebogens wurde darauf geachtet, keine missverständlichen Fragen oder ungebräuchlichen Redewendungen zu verwenden. Da mitunter äußerst sensitive Fragen erhoben wurden, wurde den Probadenden zur Vermeidung von Antwortverweigerung strikte Anonymität und Vertraulichkeit der Datenauswertung zugesichert. Wenngleich Prozeduren, wie die vorgenannten, dazu beitragen, dass sich die Anzahl der fehlenden Werte deutlich reduziert, betrachten HAIR, BLACK, BABIN, ANDERSON und TATHAM fehlende Daten als „a fact of life in multivariate analysis.”1042 An derselben Stelle weisen sie darauf hin, dass fehlende Daten, wenn mit ihnen nicht adäquat umgegangen wird, eine Beeinträchtigung der Generalisierbarkeit der Resultate bedingen.1043 An dieser Stelle ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die herkömmlichen, multivariaten Analyseverfahren vollständiges Datenmaterial voraussetzen, um zu interpretierbaren Ergebnissen zu gelangen.1044 Die Herstellung eines vollständigen Datensatzes ist daher als unerlässlich zu betrachten. Als Verfahren zur Herstellung vollständiger Datensätze werden in der Literatur im Wesentlichen die Elimination von Datensätzen oder die Ersetzung fehlender Werte vorgeschlagen.1045 Die Elimination aller Datensätze mit einzelnen fehlenden Daten reduziert nicht nur die Größe des Datensatzes, sondern verzerrt diesen ebenfalls1046, sodass nicht nur die Genauigkeit der Schätzungen, sondern auch die Aussagekraft des Kausalmodells negativ beeinflusst werden würden.1047 Aufgrund dieser Verzerrungen und des insgesamt als hoch zu beurteilenden Informationsverlustes erfolgt zur Herstellung eines vollständigen Datensatzes in dieser Arbeit nicht die Eliminati-
1042 1043 1044 1045 1046 1047
Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 49. Vgl. Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 49. Vgl. dazu auch Schnell/Hill/Esser 2008, S. 469. Vgl. Rässler 2000, S. 67. Vgl. Roth/Switzer/Switzer 1999, S. 211 ff.; Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 49. Vgl. Rubin 2004, S. 1; Schnell/Hill/Esser 2008, S. 468. Vgl. Rässler 2000, S. 67.
Auswertung der empirischen Untersuchung
177
on von Datensätzen mit einzelnen fehlenden Daten, sondern in Übereinstimmung mit Empfehlungen aus der Literatur eine Ersetzung der fehlenden Daten.1048 Wenngleich mittlerweile mächtige Imputationsverfahren existieren,1049 die fehlende Werte auf der Basis der Daten im Datensatz schätzen und die Datenlücken mit diesen geschätzten Werten vervollständigen,1050 kann in dieser Arbeit auf derartige Schätzverfahren und dabei nicht auszuschließende Verzerrungen verzichtet werden,1051 da einzelne fehlende Werte durch die in der HoppenstedtDatenbank zur Verfügung stehenden Werte,1052 die als verlässlich anzusehen sind, wie die signifikanten Korrelationen zwischen den Informantenangaben und den sekundärstatistischen Daten zeigen,1053 ersetzt werden konnten. 5.4 Auswertung der empirischen Untersuchung Aufbauend auf dem Rahmenwerk der empirischen Untersuchung1054 und der geschaffenen Datenbasis1055 erfolgt in diesem Abschnitt die Auswertung der Daten. Die Auswertung ist unterteilt in verschiedene Stufen, die nachfolgend kurz vorgestellt werden. Zunächst erfolgt in Abschnitt 5.4.1 eine Beurteilung der Datenbasis, in der das Vorliegen von Normalverteilung1056 sowie verschiedener Verzerrungen1057 überprüft wird. Nach dieser Feststellung der Eignung der Datenbasis für die weiteren Analysen wird der von ANDERSON und GERBING emp-
1048
1049
1050 1051
1052 1053
1054 1055 1056 1057
Vgl. zu dieser Empfehlung exemplarisch Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 49 ff.; Enders 2001, S. 353 f.; Rässler 2000, S. 64. Dem Vergleich von Verfahren zur Elimination und denen zur Ersetzung dient der Beitrag von Roth/Switzer/Switzer 1999. Auf eine ausführliche, generelle Darstellung dieser Verfahren soll an dieser Stelle verzichtet werden. Für ansprechende Übersichten sei verwiesen auf Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 58 ff., sowie Roth/Switzer/Switzer 1999, S. 211 ff. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 58. Für eine ausführliche Diskussion der Vor- und Nachteile verschiedener Verfahrens sei verwiesen auf Allison 2003, S. 547 ff.; Schafer/Graham 2002, S. 155 ff.; Roth/Switzer/Switzer 1999, S. 211 ff. Vgl. zu den verfügbaren Daten Abschnitt 5.2.1. Vgl. dazu Abschnitt 5.2.3.6. Ebenfalls besteht eine signifikante Korrelation zwischen den Informanten- und Datenbankangaben hinsichtlich der dritten in der Datenbank verfügbaren Information zum Unternehmensumsatz von 0,624 (p < 0,001) für das verfügbare Subsample von 101 Unternehmen. Vgl. Abschnitt 5.1. Vgl. Abschnitt 5.3 sowie die vorbereitenden Aktivitäten in Abschnitt 5.2. Vgl. Abschnitt 5.4.1.1. Vgl. Abschnitt 5.4.1.2.
178
Empirische Untersuchung
fohlene Zwei-Schritt-Ansatz zur Strukturgleichungsmodellierung1058 angewendet, der von vielen Forschern empfohlen1059 und entsprechend auch in verschiedenen Arbeiten der jüngeren Vergangenheit Anwendung findet.1060 In dem ersten Schritt werden auf Messmodellebene mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse anhand der Datenbasis die Güte des Gesamtmodells sowie die individuellen Eigenschaften der verschiedenen Konstrukte überprüft.1061 In dem zweiten Schritt werden auf Strukturmodellebene verschiedene im Einklang mit den theoretischen Überlegungen stehende,1062 genestete und nicht-genestete Modelle mit dem Ziel kontrastiert, das Modell zu identifizieren, dass die beobachtete Kovarianz zwischen den exogenen und endogenen Konstrukten am besten erklärt,1063 und die strukturellen bzw. hypothetischen Dependenzbeziehungen evaluiert. Neben der somit erfolgenden Überprüfung der auf den Forschungsfragen dieser Arbeit aufbauenden Hypothesen erfolgt in diesem Abschnitt1064 ferner die Betrachtung der deskriptiven Statistiken und Korrelationen der Variablen. Die Ergebnisse werden in Kapitel 6 anschließend diskutiert und im Hinblick auf wissenschaftliche und praktische Implikationen untersucht. 5.4.1 Beurteilung der Verwertbarkeit der Datenbasis Dieser Abschnitt dient der Beurteilung der Verwertbarkeit der Datenbasis, da die Ergebnisqualität kausalanalytischer Untersuchungen aufgrund der Komplexität des Verfahrens von einer Vielzahl von stichproben- und datenbedingten Einflussfaktoren abhängt.1065 In diesem Rahmen erfolgt in Abschnitt 5.4.1.1 zu1058 1059
1060
1061
1062
1063
1064 1065
Vgl. Anderson/Gerbing 1988, S. 411 ff. Vgl. exemplarisch Hoyle/Panter 1995, S. 171; Medsker/Williams/Holahan 2004, S. 448; Hair/ Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 756. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.4. Explizit wird diesem Ansatz beispielsweise gefolgt in den Arbeiten von Lubatkin/Simsek/Ling/ Veiga 2006 und Ling/Simsek/Lubatkin/Veiga 2008. Vgl. Abschnitt 5.4.2. Vgl. erläuternd Anderson/Gerbing 1998, S. 418. Bereits in Abschnitt 5.1.4 wurde dargelegt, dass ein nicht akzeptables Ergebnis dieser Beurteilung weitere Analyseschritte ausschließt. An dieser Stelle soll insbesondere auf die in Kapitel 3 gewonnenen Erkenntnisse verwiesen werden. Vgl. Abschnitt 5.4.3. Vgl. erläuternd Anderson/Gerbing 1998, S. 418 und Abschnitt 5.1.4. Mit der zusätzlichen Berücksichtigung nicht-genesteter Modelle wird der Ansatz von ANDERSON und GERING erweitert, um einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Vgl. Abschnitt 5.4.3. Vgl. Backhaus/Blechschmidt/Eisenbeiß 2006, S. 711.
Auswertung der empirischen Untersuchung
179
nächst eine Überprüfung der Normalverteilungsannahme, bevor in Abschnitt 5.4.1.2 auf der Basis gängiger Quellen für Verzerrungen (Nonresponse Bias, Informant Bias sowie Common Method Bias) die Unverzerrtheit der erhaltenen Antworten überprüft wird. 5.4.1.1
Untersuchung auf Normalverteilung
Wie bereits in Abschnitt 5.1.3 thematisiert wurde, setzt eine Reihe der in dieser Arbeit zum Einsatz kommenden statistischen Schätz- und Testverfahren eine multivariate Normalverteilung voraus. Vor diesem Hintergrund dient dieser Abschnitt der Analyse hinsichtlich des Vorliegens einer Normalverteilung der Rohdaten. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass eine multivariate Normalverteilung der Daten nur schwer zu prüfen ist.1066 Eine notwendige Voraussetzung für eine multivariate Normalverteilung besteht darin, dass jede einzelne Indikatorvariable einer einfachen Normalverteilung folgt.1067 Zur Untersuchung der univariaten Normalverteilung wurden für jede relevante Indikatorvariable die Histogramme und Normal-Probability-Plots (auch Q-Q-Plots) analysiert und die absoluten Werte für Schiefe und Kurtosis überprüft, womit der Empfehlung in der Literatur nachgekommen wird, graphische Analysen und statistische Tests zu kombinieren.1068 Die Betrachtung der Histogramme und Normal-ProbabilityPlots sowie die Durchführung statistischer Tests führen zu der Erkenntnis, dass die Verteilungen der Variablen weitestgehend, wenn auch nicht exakt, einer Normalverteilung entsprechen und die absoluten Werte für Schiefe und Kurtosis bei allen Indikatoren unter den Grenzwerten von |2| für die Schiefe und |7| für die Kurtosis liegen.1069 Vor diesem Hintergrund kann hinsichtlich der univariaten 1066 1067 1068 1069
Vgl. Pedhazur/Schmelkin 1991, S. 650; Kline 2005, S. 49. Vgl. Pedhazur/Schmelkin 1991, S. 650. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 82. Vgl. für die angegebenen Schwellenwerte für Schiefe und Kurtosis 2006, S. 251; Curran/West/Finch 1996, S. 26; West/Finch/Curran 1995, S. 74. Zur Interpretation von Histogrammen und Normal-Probability-Plots sei verwiesen auf Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 81 f. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die große Mehrheit der in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen erhobenen Daten nicht vollständig normalverteilt ist. Vgl. Curran/West/Finch 1996, S. 16; Scholderer/Balderjahn 2005, S. 91; Marcoulides 2006, S. iv; Balderjahn 2008, S. 268. Ferner argumentieren CURRAN, WEST und FINCH, dass von der Tatsache, dass die Daten nicht vollständig normalverteilt sind, kaum Probleme ausgehen, wenn keine extreme Verletzung der Normalverteilung vorliegt. Vgl. Curran/West/Finch 1996, S. 26; West/Finch/Curran 1995, S. 74. Im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit der Anwendung statisti-
180
Empirische Untersuchung
Normalverteilung geschlossen werden, dass kein schwerwiegender Verstoß gegen die Normalverteilungsannahme vorliegt. Wenngleich die Feststellung der univariaten Normalverteilung für alle Indikatoren für die Durchführbarkeit der anschließenden Analysen in der Regel als ausreichend anzusehen ist,1070 soll in dieser Arbeit mit Hilfe des MARDIA-Tests1071 das Vorliegen einer multivariaten Normalverteilung geprüft werden,1072 obgleich im letzten Paragraphen die mit der Interpretation eines derartigen Signifikanztests verbundene Problematik dargestellt wurde. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass auf die Feststellung der Verletzung der multivariaten Normalverteilung (c. r. = 7,808; p < 0,001) hin, die damit verbundene Verzerrung des ²Tests1073 korrigiert werden kann, indem der BOLLEN-STINE-Bootstrap eingesetzt und dessen p-Wert interpretiert wird1074 und damit eine erhöhte Ergebnisgenauigkeit erzielt werden kann.1075
1070 1071
1072
1073 1074 1075
scher Signifikanztests argumentiert KLINE, dass derartige Tests auf Normalverteilung in vielen Fällen nicht sinnvoll erscheinen, da bereits eine leichte Abweichung von der Normalverteilung zu statistisch signifikanten Ergebnissen führen kann. Vgl. Kline 2005, S. 50. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung dargestellten Verfahren auch nicht um statistische Normalverteilungstests i. e. S. Vielmehr sollen die Analysen überprüfen, ob die Abweichung von der Normalverteilung schwerwiegend ist. Berücksichtigt wurde an dieser Stelle die logarithmierte Unternehmensgröße, da die Variable vor der Transformation merklich von der Normalverteilung, wenn auch nicht extrem, abwich. So ist festzuhalten, dass die Abweichung hinsichtlich Schiefe und Wölbung unter den, beispielsweise von KLINE vertretenen, weniger konservativen Grenzwerten von drei bzw. zehn lag. Vgl. Kline 2005, S. 50. Im Fall der Unternehmensgröße ist eine Abweichung von der Normalität nicht selten und ihre Transformation zur Annäherung an die Normalverteilung gängige Forschungspraxis. Exemplarisch sei hier verwiesen auf die Arbeiten von Stam/Elfring 2008; Ling/Simsek/Lubatkin/Veiga 2008. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.3. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 80. Für eine ausführliche Darstellung dieses Tests sei verwiesen auf Mardia 1970. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.4. Vgl. zu einer entsprechenden Empfehlung Byrne 2001, S. 268; Bühner 2006, S. 251; Backhaus/ Blechschmidt/Eisenbeiß 2006, S. 715. Vgl. zu dieser Verzerrung Abschnitt 5.1.4. Vgl. Enders 2005, S. 620. Vgl. Bühner 2006, S. 251. Vgl. dazu auch Backhaus/Blechschmidt/Eisenbeiß 2006, S. 715.
Auswertung der empirischen Untersuchung 5.4.1.2
181
Untersuchung auf Verzerrungen
Die Verallgemeinerung von stichprobenbasierten Ergebnissen erfordert eine weitestgehende Unverzerrtheit der erhaltenen Antworten.1076 In diesem Abschnitt wird die Datenbasis im Hinblick auf die diese Arbeit potenziell bedrohenden Quellen für Verzerrungen Nonresponse Bias, Informant Bias sowie Common Method Bias untersucht.1077 Dem Nonresponse Bias liegt die Überlegung zugrunde, dass substantielle sowie systematische Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern1078 der Befragung nicht ausgeschlossen werden können, wobei derartige Unterschiede dazu führen würden, dass die erhaltenen Daten nicht verallgemeinerbar wären.1079 Als ideales Vorgehen, um dem Nonresponse Bias zu begegnen bzw. dessen Ausmaß zu bewerten, wird in der Literatur eine gezielte und direkte Nachbefragung der Nichtantworter gesehen,1080 was jedoch im Rahmen dieser Untersuchung als wenig erfolgversprechendes Vorgehen einzustufen ist, da ein Großteil der Nichtantworter ihre Nichtteilnahme mit einem Mangel an Zeit für Tätigkeiten, die nicht direkt zur Wertschöpfung beitragen, bzw. mit dem Hinweis, dass die Unternehmung generell nicht an Umfragen teilnimmt, begründet, sodass von einer äußerst niedrigen Teilnahmebereitschaft bei einer derartigen Nacherhebung auszugehen ist.1081
1076 1077
1078
1079
1080 1081
Vgl. Dillmann 1991, S. 227; Krosnick 1999, S. 539. Dieselben Verzerrungen erachtet beispielsweise GÜTTLER im Rahmen einer ähnlich gelagerten Arbeit als bedeutsam. Vgl. Güttler 2009, S. 159 f. Vgl. zu Survey Biases allgemein Groves 2004, S. 9 ff. Unter Nichtteilnehmern sind an dieser Stelle die Unternehmen zu verstehen, die zwar zu einer Teilnahme aufgefordert wurden, sich aber nicht bereit erklärt haben, an der Befragung teilzunehmen, oder den Fragebogen nicht ausgefüllt haben. Vgl. dazu Abschnitt 5.3.2. Vgl. Armstrong/Overton 1977, S. 396; Viswesvarab/Barrick/Ones 1993, S. 551; TomaskovicDevey/Leiter/Thompson 1994, S. 439 ff. Vgl. Kanuk/Berenson 1975, S. 448; Hafermalz 1976, S. 170. Vgl. zu dieser Einschätzung die Analyse von Tomaskovic-Devey/Leiter/Thompson 1994, S. 445 f. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 5.3.2 und die Metaanalyse zu Befragungen im Topmanagement von Cycyota/Harrison 2006, S. 133 ff.
182
Empirische Untersuchung
Stattdessen wird zur Bewertung des Nonresponse Bias im Rahmen dieser Arbeit auf alternative Vorgehensweisen zurückgegriffen, die nachfolgend dargestellt werden. In einer ersten Annäherung an das Problem wurden die Gründe einer Nichtteilnahme analysiert. Wie bereits im letzten Paragraphen angedeutet, begründete der Großteil der Nichtteilnehmer in dem einführenden Telefongespräch oder in der anschließenden E-Mail-Korrespondenz ihre Antwortverweigerung mit einer generellen Teilnahmeverweigerung an Umfragen bzw. einem Mangel an Zeit für Tätigkeiten, die nicht unmittelbar zur Wertschöpfung beitragen.1082 Nicht als Begründung angeführt wurden im Gegensatz dazu inhaltliche (wie beispielsweise ein mangelndes Interesse an den Themen der Befragung) oder methodische (wie beispielsweise die Sorge um die Datensicherheit bei einer Onlinebefragung) Aspekte, womit nicht von themen- oder methodenbedingten Selektionseffekten ausgegangen wird, die auf einen Nonresponse Bias schließen lassen. Darüber hinaus wurde in einer weiteren Annäherung an das Problem Früh- und Spätantworter miteinander verglichen, was eine gängige Vorgehensweise zur Identifikation des Nonresponse Bias darstellt1083 und auf der Annahme basiert, dass die relativ spät antwortenden Teilnehmer Nichtteilnehmern ähnlich sind.1084 Unterscheiden sich die Früh- und Spätantworter nicht signifikant, wird davon ausgegangen, dass dies auch auf die Nichtantworter zutrifft und eine Verzerrung durch Nichtantworter somit unwahrscheinlich ist.1085 Vor diesem Hintergrund wurde der Datensatz auf der Basis der Rücklaufzeit1086 in drei Gruppen geteilt und die erste Gruppe mit der letzten Gruppe vergli-
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1083
1084
1085 1086
Begründungen dieser Art sind bei einer Befragung von Mitgliedern der obersten Führungsebenen zu erwarten, wie Erfahrungsberichte, die in der Literatur im Hinblick auf die Befragung von derartigen Personengruppen berichtet werden. Vgl. Bartholomew/Smith 2006, S. 85; Baruch 1999, S. 431. Vgl. dazu auch die Abschnitte 5.2.2 und 5.3.1. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 260. In der jüngeren Vergangenheit wurde diese Vorgehensweise beispielsweise angewendet von Keh/Nguyen/Ng 2007, S. 599; Green/Covin/Slevin 2008, S. 364. Vgl. Kanuk/Berenson 1975, S. 449; Armstrong/Overton 1977, S. 397. Diese Annahme wird in der Literatur mitunter skeptisch gesehen. Vgl. Binder/Sieber/Angst 1979, S. 67 ff. Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 260. Die Rücklaufzeit lässt sich mit der zur Befragung eingesetzten Software präzise ermitteln, da dort sowohl der Zeitpunkt der Einladung, als auch der Zeitpunkt der Bearbeitung erfasst wird.
Auswertung der empirischen Untersuchung
183
chen.1087 t-Tests1088 ergaben, dass nur bei 1 der 51 (1,96 %) Indikatoren signifikante Unterschiede auf dem 5 %-Niveau existieren, womit von einem zufälligen Auftreten dieser Unterschiede auszugehen ist. Dies lässt – zusammen mit der ersten Annäherung – darauf schließen, dass in dieser Arbeit nicht von einer kritischen Verzerrung durch die Nichtantworter auszugehen ist. Eine weitere Quelle für potenzielle Verzerrungen, der Informant Bias, basiert auf der Überlegung, dass die subjektive Wahrnehmung bzw. Einschätzung des Informanten von den tatsächlich vorliegenden Gegebenheiten abweichen kann, wobei derartige Unterschiede dazu führen würden, dass auf der Basis der von den Informanten erhaltenen Antworten keine Verallgemeinerung auf das dahinter stehende Unternehmen möglich ist.1089 Bereits in Abschnitt 5.2.2 wurde darauf hingewiesen, dass zur Begegnung dieser Verzerrung sowohl ex ante Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Reduzierung von Verzerrungen ergriffen werden sollten, als auch ex post das Ausmaß des Informant Bias analysiert werden sollte, und es wurden geeignete Maßnahmen dazu vorgestellt. In Abschnitt 5.2.2 wurde ebenfalls dargestellt, welche konkreten Maßnahmen ergriffen wurden, die das Auftreten derartiger Verzerrungen verhindern bzw. reduzieren sollten. Die Ausführungen dieses Abschnitts beziehen sich daher auf die ex post Beurteilung des Ausmaßes des Informant Bias.
1087
1088
1089
Neben den bereits im Rahmen der Operationalisierung in Abschnitt 5.2.3 dargestellten Variablen wurde ebenfalls die Angabe zum absoluten Umsatz an dieser Stelle einbezogen, auch wenn diese nicht Modellbestandteil ist, da sie im Rahmen der Validierung der Informantenangaben Verwendung findet. Gegenüber dem einfachen Vergleich von Früh- und Spätantwortern ist die Gegenüberstellung der beiden Extremgruppen von drei Gruppen strenger, da die sich theoretisch sehr ähnlichen Antworter mit mittlerer Bearbeitungszeit nicht berücksichtigt werden. Ein ähnliches Vorgehen wählt in der jüngeren Vergangenheit beispielsweise Giere 2007, S. 178. Wie in Abschnitt 5.4.1.1 dargelegt wurde, liegt in dieser Untersuchung eine annähernde Normalverteilung der einzelnen Indikatoren vor, weshalb der t-Test, der darüber hinaus als robust einzuschätzen ist, für den Vergleich von Früh- und Spätantwortern eingesetzt wurde. Vgl. zum t-Test Wooldridge 2006, S. 126 ff. In der jüngeren Vergangenheit wurden t-Tests für vergleichbare Zwecke beispielsweise eingesetzt von Keh/Nguyen/Ng 2007, S. 599; Green/Covin/Slevin 2008, S. 364. Vgl. zu dieser Annahme und für potenzielle Ursachen derartiger Abweichungen Kumar/Stern/ Anderson 1993, S. 1634, die dort referenzierten Arbeiten sowie zum Key-Informant-Ansatz ausführlich Abschnitt 5.2.2.
184
Empirische Untersuchung
Dazu werden die Informantenangaben sekundärstatistischen Daten gegenübergestellt, wobei eine statistisch signifikante Korrelation zwischen erhobenen und sekundärstatistischen Daten die Adäquatheit der Informantenangaben bekräftigt.1090 Wie bereits in den Abschnitten 5.2.3.6 und 5.3.2 dargestellt wurde, lagen für Subsample von 190 bzw. 191 bzw. 101 Unternehmen Daten zu Unternehmensalter bzw. -größe (wiederum wurde an dieser Stelle als Proxy die Anzahl der Mitarbeiter verwendet) bzw. -umsatz sowohl Informantenangaben als auch sekundärstatistische Daten aus der Hoppenstedt-Firmendatenbank vor. Signifikante Korrelationen zwischen erhobenen Informantendaten mit den objektiven Daten in der Datenbank in allen drei Fällen (Unternehmensalter: r = 0,81; p < 0,001; Unternehmensgröße: r = 0,83; p < 0,001; Unternehmensumsatz: r = 0,62; p < 0,001) bekräftigt den Gehalt der Informantenantworten und somit deren Verwendbarkeit im Rahmen dieser Arbeit. Es ist somit zu konstatieren, dass von einer kritischen Verzerrung im Sinne des Informant Bias in der vorliegenden Arbeit nicht auszugehen ist. Eine weitere potenzielle Quelle für Verzerrungen besteht in dem Common Method Bias und somit in der grundsätzlichen Gefahr, dass die ermittelten Zusammenhänge nicht ausschließlich den relevanten Modellvariablen zuzuschreiben sind, sondern sich aus Effekten des Erhebungsdesigns ergeben können.1091 Werden, wie in der vorliegenden Arbeit, unabhängige und abhängige Variablen bei einem Informanten gemessen, kann nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass sich ergebende Korrelationsmuster auch auf kognitive Vorgänge beim Informanten, wie beispielsweise implizite Theorien oder Konsistenzbestrebungen, zurückzuführen sind und nicht auf tatsächlichen Zusammenhängen zwischen den Variablen basieren.1092 Wenn das geäußerte Antwortmuster des Informanten auf derartigen kognitiven Vorgängen beruht, liegt ein Methodeneffekt vor.1093 Wenngleich die empirische Evidenz darauf hindeutet, dass die durch den Com-
1090 1091
1092 1093
Vgl. zu diesem Vorgehen Stam/Elfring 2008, S. 102. Vgl. zu dieser Annahme und für eine Übersicht über potenzielle Verzerrungsursachen Podsakoff/ MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 879 ff. Vgl. Podsakoff/Organ 1986, S. 532 ff.; Homburg/Klarmann 2006, S. 733. Vgl. Backhaus/Blechschmidt/Eisenbeiß 2006, S. 714.
Auswertung der empirischen Untersuchung
185
mon Method Bias entstehenden Verzerrungen eher gering sind,1094 sollten dennoch Maßnahmen ergriffen werden, die derartige Effekte ausschließen.1095 Dieser Empfehlung folgend, wurden, wie auch schon hinsichtlich des Informant Bias, verschiedene Methoden eingesetzt, um den Common Method Bias ex ante zu verhindern bzw. zu reduzieren und ex post das Ausmaß zu analysieren.1096 Über die bereits in Abschnitt 5.2.2 thematisierte Umsetzung der Empfehlungen zur Gestaltung des Erhebungsdesigns und des Fragebogens (Zusicherung der Anonymität, Reihenfolge der Fragen, etc.) wurden, wie von PODSAKOFF, MACKENZIE, LEE und PODSAKOFF vorgeschlagen, innerhalb des Fragebogens verschiedene Fragenformate und Skalenanker verwendet,1097 da dies die Wahrscheinlichkeit verringert, dass die zwischen den Konstrukten beobachtete Kovariation das Resultat einer Konsistenz in den Skaleneigenschaften darstellt, statt das Ergebnis der Inhalte der Items zu sein.1098 Ferner beinhaltet der Fragebogen revers kodierte Indikatoren, um die Effekte der Akquieszenz, der inhaltsunabhängigen Zustimmungstendenz, zu verringern.1099 Um ex post das Ausmaß des Common Method Bias zu beurteilen, wurden, der Empfehlung des Einsatzes mehrerer statistischer Kontrollen von PODSAKOFF, MACKENZIE, LEE und PODSAKOFF nachkommend,1100 insgesamt drei Analysen durchgeführt. Im Mittelpunkt der Analysen steht die Frage des Vorliegens problematischer Common Method Variance, einer durch die Methode verursachten Verzerrungsvarianz.1101 Eine erste Annäherung besteht in HARMANs SingleFactor Test, bei dem die relevanten Variablen bzw. Indikatoren ebenfalls einer explorativen Faktorenanalyse unterzogen werden, bei der jedoch die unrotierte 1094
1095 1096 1097
1098
1099
1100 1101
Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 733 und die dort angegebenen Quellen. SPECTOR verweist dieses Phänomen sogar in den Bereich der modernen Mythen. Vgl. Spector 2006, S. 221. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 733. Ein vergleichbares Vorgehen wählen Ling/Simsek/Lubatkin/Veiga 2008, S. 576. Insbesondere sei hier auf die Verwendung einer Fünf-Stufen-LIKERT-Skala für die Fragen zu explorativer und exploitativer Innovation in Abgrenzung zu den fünf-stufigen semantischen Differentialen für die Fragen zur entrepreneurialen Orientierung hingewiesen. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 884. Ebenso verfahren beispielsweise Ling/Simsek/Lubatkin/Veiga 2008, S. 576. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 884. Ebenso verfahren beispielsweise Jansen/van den Bosch/Volberda 2006, S. 1672. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 888 ff. Vgl. Podsakoff/Organ 1986, S. 533.
186
Empirische Untersuchung
Lösung betrachtet wird.1102 Zur Verneinung problematischer Common Method Variance soll erstens mehr als ein Faktor extrahiert werden und zweitens soll kein einzelner Faktor die Mehrheit der Varianz erklären.1103 Wie nach der bereits durchgeführten Faktorenanalyse, die im letzten Paragraphen beschrieben wurde, zu erwarten war, wurden mehrere Faktoren extrahiert. Die verschiedenen Faktoren bzw. Indikatoren erklärten 55,69 % der Gesamtvarianz und kein einzelner Faktor erklärte mehr als 15,41 % der Varianz. Somit ist nicht von einem substantiellen Einfluss der Common Method Variance auszugehen. Die zweite, ebenfalls von PODSAKOFF, MACKENZIE, LEE und PODSAKOFF vorgeschlagene Annäherung basiert auf einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, in der es zugelassen wird, dass jeder Modellindikator nicht nur auf das theoretischintendierte Konstrukt, sondern zusätzlich auf einen latenten Methodenfaktor, der die Common Method Variance erfasst, lädt.1104 Das Ergebnis der konfirmatorischen Faktorenanalyse zeigt sowohl, dass sich die ursprünglichen Beziehungen zwischen Indikatoren und ihren intendierten Konstrukten und die Beziehungen zwischen den einzelnen Konstrukten kaum ändern, als auch, dass keine Ladung auf den Methodenfaktor den kritischen Wert von 0,501105 erreicht, sodass wenngleich einzelne Ladungen signifikant sind auch hinsichtlich dieser Annäherung nicht von einer kritischen Verzerrung im Sinne eines Common Method Bias nicht auszugehen ist.1106 Von besonderer Bedeutung ist als dritte Annäherung an die Verneinung einer methodischen Verzerrung die bereits in diesem Abschnitt durchgeführte Analyse hinsichtlich der Korrelationen zwischen den erhobenen Antworten des Informanten und den sekundärstatistischen Daten. Die signifikanten Korrelationen, insbesondere im Falle des die Performance widerspiegelnde Umsatzes, dessen Höhe zudem im Fragebogen erst später als die exogenen Variablen abgefragt wurde, deuten an, dass das geäußerte Antwortmuster den wahren Antworten entspricht, 1102 1103 1104
1105 1106
Vgl. Podsakoff/Organ 1986, S. 536. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 889. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 894. Der Test in dieser Arbeit nur bedingt aussagekräftig, da die letztendlich abhängige Variable nicht als latente Variable mit mehreren Indikatoren, sondern in Form eines gewichteten Index erfasst wird. Vgl. Abschnitt 5.2.3.5. Vgl. Abschnitt 5.1.4. Vgl. dazu auch Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 897 ff.
Auswertung der empirischen Untersuchung
187
und nicht auf dem Versuch basiert, konsistent im Sinne der vermuteten kausalen Zusammenhänge zu antworten, womit nicht von einem Methodeneffekt auszugehen ist.1107 Nach Abschluss der Beurteilung der verschiedenen Quellen von Verzerrungen ist somit zu konstatieren, dass keine gravierenden Verzerrungen die nachfolgend dargestellten Resultate sowie die darauf basierenden Konklusionen beeinflussen. 5.4.2 Gütebeurteilung auf Messmodellebene Wie bereits in Abschnitt 5.1.4 diskutiert wurde, kann, ohne eine vorherige positive Gütebeurteilung auf Messmodellebene, keine valide Überprüfung der strukturellen bzw. hypothetischen Dependenzbeziehungen erfolgen. Vor diesem Hintergrund werden, wie bereits in den einleitenden Worten des Abschnitts 5.4 erwähnt, im ersten Schritt des von ANDERSON und GERBING empfohlenen ZweiSchritt-Ansatzes zur Strukturgleichungsmodellierung1108 zunächst in Abschnitt 5.4.2.1 die Güte des measurement models1109 bewertet und anschließend in Abschnitt 5.4.2.2 im Hinblick auf Reliabilitäts- und Validitätsüberlegungen die Eigenschaften der einzelnen Konstrukte und das Zusammenspiel der verschiedenen Konstrukte im Sinne der Diskriminanzvalidität evaluiert. 5.4.2.1
Gütebeurteilung auf Gesamtmodellebene
Wie bereits in den einleitenden Worten des letzten Abschnitts thematisiert, stellt die positive Beurteilung des Gesamtmodells eine notwendige Voraussetzung für die Fortsetzung des Analyseprozesses dar. Wie in Abschnitt 5.1.4 diskutiert wurde, kann diese Evaluation nicht mit einfachen Ja/Nein-Kriterien bewältigt 1107 1108 1109
Vgl. Backhaus/Blechschmidt/Eisenbeiß 2006, S. 714. Vgl. Anderson/Gerbing 1988, S. 411 ff. In Abgrenzung zu der Verwendung des Begriffs Messmodell als inhärenter Bestandteil des Strukturgleichungsmodells bezieht sich der Terminus measurement model an dieser Stelle explizit auf ein KFA-Modell zur Überprüfung der der Messung zugrunde liegenden Annahmen. Vgl. Mulaik/James 1995, S. 135. In diesem Modell lädt jeder Indikator auf genau ein intendiertes Konstrukt und es wird erlaubt, dass jedes Konstrukt mit jedem anderen Konstrukt des Gesamtmodells korreliert. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 756. Wenn dieses Modell keinen zufriedenstellenden Fit aufweist, kann keine Analyse des Strukturmodells erfolgen. Vgl. Mulaik/James 1995, S. 135. Vgl. für die Darstellung eines vollständigen Strukturgleichungsmodells exemplarisch Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006, S. 359 ff. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.2.
188
Empirische Untersuchung
werden; vielmehr wird im Rahmen der Beurteilung auf die ebenfalls dort dargestellte Reihe von interdependenten Messzahlen zurückgegriffen, die unterschiedliche Facetten des Gütebegriffs fokussieren. FRITZ weist in diesem Kontext darauf hin, dass ein Modell auf jeden Fall abzulehnen ist, wenn die Globalkriterien keine zufriedenstellende Anpassung des Modells als Ganzes an die empirischen Daten signalisieren, da in einem derartigen Fall auch einzelne Modellkomponenten nicht interpretierbar sind, selbst wenn lokale Kriterien ihre positive Güte scheinbar nahelegen, da aufgrund des ganzheitlichen Charakters der Kausalanalyse die einzelnen Modellkomponenten nicht isoliert, sondern nur im Kontext des Gesamtmodells zuverlässig bestimmt werden.1110 Die Analyse des Modells anhand der in Abschnitt 5.1.4 behandelten globalen Kriterien signalisiert eine hohe Anpassungsgüte der Modellstruktur.1111 Wenngleich die 2-Teststatistik (²(272) = 393,79, Bollen-Stine-Bootstrap p = 0,02) keinen exakten Modellfit anzeigt, bestätigt der RMSEA von 0,04 in Kombination mit einem nichtsignifikanten PCLOSE p = 0,83 das Vorliegen eines näherungsweisen Fits. Auch die Werte für den CFI (0,94) und den SRMR (0,05) sowie der 2/df-Wert (1,45) erfüllen klar die Konventionen. Insbesondere vor dem Hintergrund der mit 272 Freiheitsgraden relativ hohen Modellkomplexität stellt dies eine beachtliche Anpassungsgüte dar, die eine Fortführung der Analysen ohne Einschränkung befürwortet. 5.4.2.2
Gütebeurteilung auf Teilmodell- bzw. Faktorebene
Wenngleich das KFA-Gesamtmodell eine beachtliche Anpassungsgüte offenbart1112 und sich weite Teile der Forschungspraxis mit einer derartigen Globalanalyse begnügen,1113 sollen nachfolgend – basierend auf den in Abschnitt 5.1.4 dargestellten Überlegungen zur Reliabilität und Validität – die Eigenschaften der 1110 1111
1112 1113
Vgl. Fritz 1995, S. 141. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.4. Wie bereits in Abschnitt 5.1.4 begründet, kann sich im Rahmen der Beurteilung des Messmodells die Notwendigkeit ergeben, das Messmodell zu modifizieren. In dieser Arbeit wird der Auffassung von HOMBURG und BAUMGARTNER gefolgt, dass derartige Modifikationen vor der Evaluation des Gesamtmodells erfolgen sollen. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 175. Die folgenden Ausführungen beziehen sich somit auf das finale Messmodell, das notwendige Modifikationen bereits berücksichtigt. Vgl. zu den Modifikationen insbesondere Abschnitt 5.4.2.2. Vgl. Abschnitt 5.4.2.1. Vgl. Fritz 1995, S. 141.
Auswertung der empirischen Untersuchung
189
einzelnen Konstrukte und das Zusammenspiel der Konstrukte evaluiert werden, da selbst bei einer guten Gesamtanpassung einzelne Komponenten eines Kausalmodells nur unzureichend bestimmt sein können.1114 Wenngleich die in diesem Abschnitt zum Einsatz kommenden Kriterien und ihre Interpretation in Abschnitt 5.1.4 bereits ausführlich thematisiert wurden, soll an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die dort angegebenen Schwellenwerte nicht als unumstößliche Falsifikationskriterien verstanden werden dürfen, die Verletzung einzelner Gütekriterien nicht zur Ablehnung des Modells führen sollte und, wenngleich in der Forschungspraxis verbreitet,1115 auf Modifikationsstrategien, die auf ein optimales data fitting abzielen und dabei inhaltliche Überlegungen vernachlässigen, verzichtet werden sollte. So weisen HOMBURG und KLARMANN explizit darauf hin, dass inhaltliche Validität das entscheidende Kriterium bei der Evaluation von Messinstrumenten darstellt.1116 Damit im Einklang wird beispielsweise empfohlen, inhaltlich als bedeutsam identifizierte Indikatoren beizubehalten, auch wenn diese die Konstruktreliabilität negativ beeinflussen.1117 Im Folgenden werden zunächst die in dieser Untersuchung verwendeten Konstrukte anhand des vorliegenden Datensatzes daraufhin untersucht, inwieweit die zur Anwendung kommenden Messgrößen tatsächlich zur Messung der zugrunde liegenden Konstrukte herangezogen werden können. Dies erfolgt in Form einer Analyse der Teilmodelle vor dem Hintergrund der Reliabilität und Validität. Neben den Kriterien der ersten Generation werden dazu ebenfalls die lokalen und globalen1118 Gütemaße der zweiten Generation analysiert, da diese in Ergänzung zu der bereits positiv erfolgten Bewertung der Konsistenz des Gesamtmodells auf der Basis der globalen Kriterien die Qualität einzelner Faktoren bzw. Teilstrukturen erfassen.1119 1114 1115 1116 1117 1118
1119
Vgl. Jöreskog/Sörbom 1988, S. 44. Vgl. die Kritik von Fritz 1995, S. 143. Vgl. Homburg/Klarmann 2006, S. 732. Vgl. Little/Lindenberger/Nesselroade 1999, S. 192 ff. Im Rahmen der Gütebeurteilung auf Faktorebene können globale Gütemaße lediglich für überidentifizierte Konstrukte berechnet werden, da nur bei vier oder mehr Indikatoren Freiheitsgrade vorliegen und sich sonst globale Kriterien nicht mehr interpretieren lassen bzw. bedeutungslos werden. Vgl. Anderson/Gerbing/Hunter 1987, S. 434 f.; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 282. Vgl. auch Abschnitt 5.2.3.1. Vgl. Fritz 1995, S. 135 ff. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.4.
190
Empirische Untersuchung
Risikoneigung wurde als Dimension der entrepreneurialen Orientierung in Abschnitt 3.2.1 eingehend dargestellt. In Abschnitt 5.2.3.3 wurde die Entstehung der die Risikoneigung widerspiegelnden drei Indikatoren, die unverändert aus der Literatur übernommen werden konnten, dargestellt. In Abbildung 11 sind die zu einer Beurteilung von Reliabilität und Konvergenzvalidität relevanten faktorbezogenen Kriterien dargestellt.1120 Die Beurteilung der Diskriminanzvalidität der in dieser Arbeit verwendeten Konstrukte erfolgt am Ende dieses Abschnitts nach der isolierten Betrachtung der einzelnen Konstrukte. Wenngleich die Indikatoren der Risikoneigung in der Regel im Verbund mit den anderen Items der entrepreneurialen Orientierung betrachtet werden,1121 führt, wie die in Abbildung 11 dargestellten Ergebnisse zeigen, auch die isolierte Betrachtung der Güte des Faktors Risikoneigung zu einem mehr als zufriedenstellenden Resultat. Die konservativeren Anforderungen bezüglich CRONBACHs Alpha und der Faktorreliabilität werden deutlich übertroffen. Die Item-to-TotalKorrelationen liegen ebenfalls deutlich über den idealen Anforderungen. Im Rahmen der einfaktoriellen Faktorenanalyse1122 wurde ein Faktor extrahiert, der sowohl nach der Hauptachsen- als auch nach einer Hauptkomponentenanalyse genug Varianz erklärt. Nach beiden Methoden zeigen die zugehörigen Faktorladungen hinsichtlich der praktischen als auch der statistischen Signifikanz sehr zufriedenstellende Ergebnisse. Indikatorreliabilitäten und Faktorladungen der KFA liegen alle im Bereich der konservativeren Grenzwerte. Sämtliche Faktorladungen sind darüber hinaus statistisch signifikant.1123 Die durchschnittlich erfasste Varianz liegt klar über dem angestrebten Wert. Da keine Indikatoren eliminiert wurden, besteht ferner kein Grund zum Zweifel an der Inhaltsvalidität. Abschließend ist zu konstatieren, dass der Faktor Risikoorientierung ohne Zweifel für die weitere Analyse geeignet ist. 1120
1121 1122
1123
Die Gütebeurteilung erfolgt auf der Basis des so genannten measurement models. Vgl. dazu auch die einleitenden Worte in Abschnitt 5.4.2 und Abschnitt 5.4.2.1. Vgl. Abschnitt 5.2.3.3. Der KMO-Koeffizient bestätigt, genauso wie die vorliegende Signifikanz des BARTLETT-Tests auf Sphärizität, die Eignung der Itemauswahl für eine Faktorenanalyse. Für einen Indikator kann kein t-Wert angegeben werden, da dessen Regressionsgewicht zur Standardisierung der Varianz des Konstrukts fix auf 1 gesetzt wird. Da als Referenzindikator in dieser Arbeit jedoch immer der Indikator mit der höchsten Faktorladung gewählt wird, besteht kein Zweifel daran, dass auch dieser einen signifikanten Wert erreichen würde.
Auswertung der empirischen Untersuchung
191
Abbildung 11 Gütebeurteilung des Faktors Risikoneigung Risikoneigung Indikatoren
Item-to-TotalKorrelation
Faktorladung (PCA)
Faktorladung (EFA )
Wir tendieren vorrangig zu wenig riskanten Projekten (mit normalen RISK1 und sicheren Erträgen). vs. Wir tendieren vorrangig zu stark riskanten Projekten (mit der Chance auf sehr hohe Erträge).
0,65
0,85
0,75
Wir agieren vorsichtig und schrittweise. vs. Wir agieren mutig und in großem Umfang.
0,71
0,88
0,87
0,59
0,81
0,67
RISK2
Unter Unsicherheit handeln wir abwartend, um die Wahrscheinlichkeit
RISK3 eines Verlusts zu minimieren. vs. Unter Unsicherheit handeln wir kühn, um die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns zu maximieren.
Deskriptive Beurteilungskennzahl Cronbachs Alpha
0,80
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse Kayser-Meyer-Olkin-Kriterium
0,69
Anzahl extrahierter Faktoren
1
Erklärte Varianz (PCA)
71,66 %
Erklärte Varianz (EFA )
58,37 %
Lokale Anpassungsmaße Indikatoren
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
RISK1
0,57
10,65
RISK2
0,74
RISK3
0,45
Faktorreliabilität
Faktorladung (KFA)
0,86
--(Referenzindikator)
Risikoneigung
9,73 0,81
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,58
Die Rolle der Innovativität im Rahmen der entrepreneurialen Orientierung wurde in Abschnitt 3.2.1 eingehend erläutert. In Abschnitt 5.2.3.3 wurde dargestellt, dass die latente Variable Innovativität drei Indikatoren umfasst, die unverändert aus der Literatur übernommen werden konnten. Anders als im Falle der Risikoneigung resultiert die multidimensionale Betrachtung der entrepreneurialen Orientierung hinsichtlich der vorgeschlagenen Innovativitätsitems in der Erkenntnis, dass Innovativität nicht mit allen in der MCS-Skala enthaltenen Indikatoren1124 gemessen werden sollte, da – wie bereits 1124
Vgl. zur MCS-Skala Abschnitt 5.2.3.3.
192
Empirische Untersuchung
in dem Beitrag zur Skalenentwicklung von BROWN, DAVIDSSON und WIK1125 – eines der drei Items in einer explorativen Faktorenanalyse einen eigenen Faktor bildet und daher – der Empfehlung BROWN, DAVIDSSON und WIK1126 LUND folgend – eliminiert wird.
LUND
Abbildung 12 Gütebeurteilung des Faktors Innovativität Innovativität Item-to-Total- Faktorladung Faktorladung Korrelation (PCA) (EFA )
Indikatoren In den letzten drei Jahren (oder kürzer, falls jünger) hat unser Unternehmen
INNO1 kaum neue Produktlinien vermarktet. vs. In den letzten drei Jahren (oder kürzer, falls jünger) hat unser Unternehmen viele neue Produktlinien vermarktet. Änderungen unseres Produktportfolios in den letzten drei Jahren waren INNO2 gering. vs. Änderungen unseres Produktportfolios in den letzten drei Jahren waren tiefgreifend.
0,73
0,93
0,86
0,73
0,93
0,86
Deskriptive Beurteilungskennzahl Cronbachs Alpha
0,85
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse Kayser-Meyer-Olkin-Kriterium
0,50
Anzahl extrahierter Faktoren
1
Erklärte Varianz (PCA)
86,66 %
Erklärte Varianz (EFA)
73,24 %
Lokale Anpassungsmaße Indikatoren
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
INNO1
0,64
9,87
INNO2
0,84
Faktorreliabilität
Faktorladung (KFA)
Innovativität
--(Referenzindikator)
0,85
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,74
Nach der Elimination dieses Items1127 zeigt der Faktor Innovativität – wie in Abbildung 12 dargestellt – eine absolut zufriedenstellende Güte. CRONBACHs Alpha und die Faktorreliabilität übersteigen auch die konservativeren Grenzwerte. Die Item-to-Total-Korrelationen liegen ebenfalls über den gewünschten An1125 1126 1127
Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 961. Vgl. ebd., S. 961. Bei dem eliminierten Item handelte es sich um ‚Wir setzen vorrangig auf das Marketing für anerkannte und bewährte Produkte‘ vs. ‚Wir setzen vorrangig auf Innovation, F&E und Technologieführerschaft‘.
Auswertung der empirischen Untersuchung
193
forderungen. Im Rahmen der einfaktoriellen Faktorenanalyse1128 wurde, wie gefordert, ein Faktor extrahiert. Sowohl nach der Hauptachsen- als auch nach einer Hauptkomponentenanalyse wird ausreichend Varianz erklärt und die zugehörigen Faktorladungen sind praktisch und statistisch signifikant. Die Indikatorreliabilitäten und Faktorladungen der KFA übersteigen auch die konservativeren Grenzwerte. Sämtliche Faktorladungen sind darüber hinaus statistisch signifikant. Auch liegt die durchschnittlich erfasste Varianz klar über dem angestrebten Wert. Hinsichtlich der Inhaltsvalidität ist festzuhalten, dass der Faktor auch nach der Elimination eines Items die hinter der Konzeptualisierung stehende Grundidee von Innovativität in einem ausreichenden Maße widerspiegelt.1129 Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass sich die Messung für die weitere Analyse eignet. Die Rolle der Proaktivität im Rahmen der entrepreneurialen Orientierung wurde in Abschnitt 3.2.1 eingehend thematisiert. In Abschnitt 5.2.3.3 wurde dargestellt, dass eines der drei Items des ursprünglichen Messinstruments im Einklang mit Empfehlungen der jüngeren Vergangenheit ausgetauscht wurde. Wie ebenfalls dort dargestellt, wurde das neu entstandene Messinstrument zwar auch schon mit Erfolg Bewährungsproben ausgesetzt, jedoch nur in begrenztem Ausmaß, sodass den Ergebnissen der Eignungsprüfung hohe Beachtung zu schenken ist. Wie erhofft, zeigt auch das modifizierte Messinstrument der Proaktivität, wie Abbildung 13 zu entnehmen, eine überzeugende Güte. Hinsichtlich CRONBACHs Alpha und der Faktorreliabilität werden die Schwellenwerte in hohem Maße übertroffen. Auch die Item-to-Total-Korrelationen liegen klar über den gewünschten Anforderungen. Durch die einfaktorielle Faktorenanalyse1130 wurde ein Faktor extrahiert, der nach beiden verwendeten Methoden ausreichend Varianz erklärt. Jeweils zeigen auch die zugehörigen Faktorladungen äußerst zufriedenstellende Resultate. Indikatorreliabilitäten und Faktorladungen der KFA übersteigen die Grenzwerte mitunter sehr deutlich. Ebenfalls sind die Faktorla1128
1129 1130
Der in Abbildung 12 dargestellte KMO-Koeffizient bestätigt, genauso wie die vorliegende Signifikanz von BARTLETTs Test, die Eignung der Itemauswahl für eine Faktorenanalyse. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 961 ff. Die Erfüllung des KMO-Kriteriums bestätigt in Übereinstimmung mit der Signifikanz des BARTLETT-Tests die Eignung der Itemauswahl für eine Faktorenanalyse.
194
Empirische Untersuchung
dungen statistisch signifikant. Da keine Indikatoren eliminiert wurden, ist ferner keine Einschränkung der Inhaltsvalidität anzunehmen. Die durchschnittlich erfasste Varianz liegt ebenfalls deutlich über dem Grenzwert. Somit ist abschließend zu konstatieren, dass der Faktor Proaktivität bedenkenlos für die weitere Analyse geeignet ist. Abbildung 13 Gütebeurteilung des Faktors Proaktivität Proaktivität Indikatoren
Item-to-TotalKorrelation
Faktorladung (PCA)
Faktorladung (EFA )
0,64
0,84
0,72
0,72
0,89
0,91
0,58
0,80
0,64
Üblicherweise reagieren wir nur auf die Aktionen unserer
PROA1 Wettbewerber. vs. Üblicherweise initiieren wir die Aktionen, auf die unsere Wettbewerber dann reagieren. Nur selten sind wir das erste Unternehmen, das ein neues Produkt oder PROA2 eine neue Technologie einführt. vs. Häufig sind wir das erste Unternehmen, das ein neues Produkt oder eine neue Technologie einführt. Unter Unsicherheit handeln wir abwartend, um die Wahrscheinlichkeit PROA3 eines Verlusts zu minimieren. vs. Unter Unsicherheit handeln wir kühn, um die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns zu maximieren.
Deskriptive Beurteilungskennzahl Cronbachs Alpha
0,79
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse Kayser-Meyer-Olkin-Kriterium
0,67
Anzahl extrahierter Faktoren
1
Erklärte Varianz (PCA)
71,24 %
Erklärte Varianz (EFA)
58,61 %
Lokale Anpassungsmaße Indikatoren
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
PROA1
0,54
11,27
PROA2
0,76
PROA3
0,45
Faktorreliabilität
Faktorladung (KFA)
0,87
--(Referenzindikator)
Proaktivität
9,75 0,81
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,59
Die Wettbewerbsaggressivität wurde als Dimension der entrepreneurialen Orientierung in Abschnitt 3.2.1 ausführlich vorgestellt. In Abschnitt 5.2.3.3 wurde dargestellt, dass die von LUMPKIN und DESS vorgeschlagene Operationalisierung unverändert verwendet wird.
Auswertung der empirischen Untersuchung
195
Abbildung 14 Gütebeurteilung des Faktors Wettbewerbsaggressivität Wettbewerbsaggressivität Indikatoren
Item-to-TotalKorrelation
Faktorladung (PCA)
Faktorladung (EFA)
AGGR1
Wir versuchen Konflikte mit Konkurrenten zu vermeiden. vs. Wir sind sehr aggressiv und wetteifernd gegenüber Konkurrenten.
0,67
0,92
0,82
AGGR2
Wir vertreten die Einstellung „leben und leben lassen. vs. Wir versuchen Wettbewerber aus dem Markt zu drängen.
0,67
0,92
0,82
Deskriptive Beurteilungskennzahl Cronbachs Alpha
0,81
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse Kayser-Meyer-Olkin-Kriterium
0,50
Anzahl extrahierter Faktoren
1
Erklärte Varianz (PCA)
83,67 %
Erklärte Varianz (EFA)
67,26 %
Lokale Anpassungsmaße Indikatoren
Indikatorreliabilität
AGGR1
0,82
AGGR2
0,56
Faktorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Faktorladung (KFA)
--(Referenzindikator)
6,54 0,81
Durchschnittlich erfasste Varianz
Wettbewerbsaggressivität
0,69
Das Messinstrument zur Wettbewerbsaggressivität zeigt, wie Abbildung 14 zu entnehmen ist, eine überzeugende Güte. Auch die konservativeren Grenzwerte hinsichtlich CRONBACHs Alpha und der Faktorreliabilität werden deutlich übertroffen. Ebenfalls übersteigen die Item-to-Total-Korrelationen die Schwellenwerte klar. Bei beiden einfaktoriellen Faktorenanalysen1131 wurde jeweils ein Faktor extrahiert, der genug Varianz erklärt; die zugehörigen Faktorladungen sind ebenfalls als äußerst zufriedenstellend anzusehen. Hinsichtlich der Indikatorreliabilitäten und Faktorladungen der KFA werden auch die konservativeren Grenzwerte mitunter sehr deutlich übertroffen. Die Faktorladungen sind statistisch signifikant. Die durchschnittlich erfasste Varianz liegt, wie die anderen zuvor genannten Werte, klar über den kritischen Werten. Da keine Indikatoren eliminiert wur1131
Der KMO-Koeffizient bestätigt, genauso wie die vorliegende Signifikanz von BARTLETTs Tests, die Eignung der Indikatorenauswahl für eine Faktorenanalyse.
196
Empirische Untersuchung
den, ist ferner keine Einschränkung der Inhaltsvalidität anzunehmen, sodass festgehalten werden kann, dass der Faktor Wettbewerbsaggressivität in dieser Form für die weitere Analyse zweifelsfrei verwendet werden kann. Abbildung 15 Gütebeurteilung des Faktors Autonomie Autonomie Item-to-Total- Faktorladung Faktorladung (PCA) (EFA) Korrelation
Indikatoren Unsere Mitarbeiter sollen eigenverantwortlich handeln. vs. In unserem
AUTO1 Unternehmen muss jedes Zwischenergebnis dem Vorgesetzten vorgelegt und freigegeben werden. Wir erlauben unseren Mitarbeitern, ihr Vorgehen bei der Arbeit selbst zu AUTO2 bestimmen. vs. Wir geben vor, wie unsere Mitarbeiter ihre Aufgaben zu erledigen haben. Unsere Mitarbeiter haben Zugriff auf sämtliche Informationen der Firma, die zu AUTO3 ihrer Aufgabenerfüllung beitragen. vs. Wir geben nur sehr begrenzt Informationen an unsere Mitarbeiter - auch wenn es die Aufgabenerfüllung beeinträchtigt. Wir ermutigen unsere Mitarbeiter, Verbesserungspotenziale eigenständig AUTO4 umzusetzen. vs. Änderungen der Arbeitsabläufe werden nur von der übergeordneten Hierarchiestufe initiiert.
0,64
0,83
0,79
0,47
0,70
0,57
0,55
0,77
0,66
0,49
0,72
0,59
Deskriptive Beurteilungskennzahl Cronbachs Alpha
0,74
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse Kayser-Meyer-Olkin-Kriterium
0,75
Anzahl extrahierter Faktoren
1
Erklärte Varianz (PCA)
57,01 %
Erklärte Varianz (EFA)
43,48 %
Lokale Anpassungsmaße Indikatoren
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
AUTO1
0,58
AUTO2
0,35
7,49
AUTO3
0,45
7,88
AUTO4
0,37
7,61
Faktorladung (KFA)
--(Referenzindikator)
Autonomie
Faktorreliabilität
0,75
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,43
Die Autonomie der Mitarbeiter wurde als Dimension der entrepreneurialen Orientierung bereits in Abschnitt 3.2.1 ausführlich dargestellt. In Abschnitt 5.2.3.3 wurde erläutert, dass im Rahmen der Forschung zum organisationalen Entrepreneurship kein geeignetes Messinstrument zu identifizieren war, sodass fünf Indi-
Auswertung der empirischen Untersuchung
197
katoren aus der Literatur zusammengestellt wurden, die geeignet erschienen, die Autonomie der Mitarbeiter im Sinne der Konzeptionalisierung zu messen. Diese Indikatoren sehen sich in dieser Arbeit einer ersten Bewährung ausgesetzt. Das neue Messinstrument zur Autonomie der Mitarbeiter zeigt, nachdem ein Indikator1132 entfernt wurde, der sich negativ auf die Reliabilität und Konvergenzvalidität des Konstruktes auswirkte und für eine hohe Inhaltsvalidität im Sinne der Konzeptionalisierung nicht benötigt wurde, zufriedenstellende Werte.1133 CRONBACHs Alpha und die Faktorreliabilität liegen sogar über dem konservativeren Wert. Die Item-to-Total-Korrelationen liegen ebenfalls über den geforderten Grenzwerten. Im Rahmen der einfaktoriellen Faktorenanalyse1134 wurde, wie gefordert, ein Faktor extrahiert. Sowohl in der Hauptachsen- als auch in der Hauptkomponentenanalyse laden alle Indikatoren ausreichend hoch auf das zugrunde liegende Konstrukt, allerdings liegt der erklärte Varianzanteil nach der Hauptachsenanalyse etwas unter dem geforderten Wert, während dieser Wert nach der Hauptkomponentenanalyse deutlich übertroffen wird. Die Indikatorreliabilitäten und damit im Zusammenhang stehend die Faktorladungen übersteigen ebenfalls die geforderten Mindestwerte deutlich. Alle Faktorladungen sind darüber hinaus statistisch signifikant. Die auf der ML-Methode basierende durchschnittlich erfasste Varianz liegt etwas unter dem wünschenswerten Wert von 0,5, was jedoch eher für die Weiterentwicklung des Messinstruments interessant ist, als dass es zum Anlass genommen werden sollte, das Messinstrument in dieser Arbeit abzulehnen.1135 Die Eignung des Messinstrumentes trotz der Unterschreitung einzelner Gütekriterien wird ferner durch die 1132
1133 1134
1135
Bei dem eliminierten Item handelte es sich um ‚Wir legen die Tätigkeitsbereiche so fest, dass jeder Mitarbeiter einen bewussten Beitrag für die Firma leistet‘ vs. ‚Wir legen die Tätigkeitsbereiche nur nach Effizienzkriterien fest‘. Vgl. Abbildung 15. Die Höhe des KMO-Koeffizienten bestätigt, genauso wie die vorliegende Signifikanz des BARTLETT-Tests, die Eignung der Indikatorenauswahl für eine Faktorenanalyse. Bereits weiter vorne in diesem Abschnitt und ausführlich in Abschnitt 5.1.4 wurde darauf hingewiesen, dass weder ein gesamtes Modell noch ein Messinstrument verworfen werden sollte, nur weil vereinzelt Schwellenwerte lokaler Gütekriterien unterschritten werden. Vgl. dazu auch Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 564. Damit im Einklang akzeptieren HOMBURG und BAUMGARTNER in ihrem Artikel zu Anwendungsempfehlungen der Beurteilung von Kausalmodellen ohne besondere Hervorhebung eine DEV von 0,45, weshalb auch der vorliegende Wert nicht als beunruhigend interpretiert werden sollte. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 173.
198
Empirische Untersuchung
sehr guten Werte der globalen Gütemaße (²(2) = 2,039, n. s., 2/df = 1,020, CFI = 1,00, RMSEA = 0,01, SRMR = 0,02) untermauert.1136 Ebenfalls ist die Inhaltsvalidität im Hinblick auf die Konzeptualisierung absolut gegeben. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich um ein neu entwickeltes Messinstrument handelt, kann somit konstatiert werden, dass die Messung für die weitere Analyse adäquat ist. Die Gelegenheitsorientierung wurde als zusätzliche Dimension der entrepreneurialen Orientierung in Abschnitt 3.2.2 ausführlich vorgestellt. In Abschnitt 5.2.3.3 wurde die Entstehung der drei Indikatoren, die unverändert aus der Literatur übernommen werden konnten, erläutert. Die in Abbildung 16 dargestellten Ergebnisse lassen keinen Zweifel an der Eignung des Instruments zu. Die Schwellenwerte bezüglich CRONBACHs Alpha und der Faktorreliabilität werden deutlich übertroffen. Die Item-to-TotalKorrelationen übersteigen ebenfalls deutlich die gewünschten Anforderungen. Im Rahmen der einfaktoriellen Faktorenanalyse1137 wurde ein Faktor extrahiert, der sowohl nach der Hauptachsen-, als auch durch eine Hauptkomponentenanalyse genug Varianz erklärt. Nach beiden Methoden zeigen die zugehörigen Faktorladungen sehr zufriedenstellende Ergebnisse. Indikatorreliabilitäten und Faktorladungen der KFA treffen oder übersteigen alle die konservativeren Grenzwerte. Sämtliche Faktorladungen sind darüber hinaus statistisch signifikant. Die DEV liegt klar über dem angestrebten Wert. Da keine Indikatoren eliminiert wurden, besteht ferner kein Grund zum Zweifel an der Inhaltsvalidität. Abschließend ist zu konstatieren, dass der Faktor Gelegenheitsorientierung ohne Zweifel für die weitere Analyse geeignet ist.
1136 1137
Vgl. zu einer vergleichbaren Argumention Krohmer 1999, S. 160ff. Vgl. auch Homburg 1998, S. 80. Der KMO-Koeffizient bestätigt, genauso wie die vorliegende Signifikanz des BARTLETT-Tests, die Eignung der Indikatorenauswahl für eine Faktorenanalyse.
Auswertung der empirischen Untersuchung
199
Abbildung 16 Gütebeurteilung des Faktors Gelegenheitsorientierung Gelegenheitsorientierung Indikatoren
Item-to-TotalKorrelation
Faktorladung (PCA)
Faktorladung (EFA)
0,60
0,82
0,70
0,62
0,83
0,73
0,65
0,85
0,79
Die Frage, wie wir vorhandene Ressourcen bestmöglich nutzen GELE1 können, bestimmt unser strategisches Handeln. vs. Die Suche nach Marktchancen mit großen Erträgen treibt unser strategisches Handeln. Für uns sind nur Gelegenheiten interessant, die zu unserer GELE2 Ressourcenausstattung passen. vs. Für uns ist jede Gelegenheit mit großem Ertragspotenzial interessant.
GELE3
Unsere Ressourcenausstattung bestimmt unsere Geschäftsstrategien. vs. Marktchancen bestimmen unsere Geschäftsstrategien.
Deskriptive Beurteilungskennzahl Cronbachs Alpha
0,78
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse Kayser-Meyer-Olkin-Kriterium
0,70
Anzahl extrahierter Faktoren
1
Erklärte Varianz (PCA)
69,88 %
Erklärte Varianz (EFA)
55,00 %
Lokale Anpassungsmaße Indikatoren
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
GELE1
0,53
9,34
GELE2
0,48
9,67
GELE3
0,63
Faktorreliabilität
Faktorladung (KFA)
0,70
Gelegenheitsorientierung
--(Referenzindikator)
0,78
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,55
Das Konzept der explorativen Innovation wurde in Abschnitt 3.3 bereits ausführlich dargestellt. In Abschnitt 5.2.3.4 wurde erläutert, dass in der Literatur kein allgemein akzeptiertes und somit uneingeschränkt geeignetes Messinstrument zu identifizieren war, sodass sechs Indikatoren aus der Literatur zusammengestellt wurden, die geeignet erschienen, Exploration im Sinne der Konzeptionalisierung zu messen. Diese Indikatoren sehen sich in dieser Zusammenstellung in der vorliegenden Arbeit einer ersten Bewährung ausgesetzt.
200
Empirische Untersuchung Abbildung 17 Gütebeurteilung des Faktors explorative Innovation Explorative Innovation Indikatoren
Item-to-TotalKorrelation
Faktorladung (PCA)
Faktorladung (EFA)
PLOR1
Wir sind immer offen für Herausforderungen, die über unser bisheriges Angebot hinausgehen.
0,49
0,72
0,60
PLOR2
Wir suchen immer wieder aktiv nach neuen Gelegenheiten in neuen Märkten.
0,53
0,75
0,65
PLOR3
Wir experimentieren immer wieder mit neuen Produkten in bestehenden Märkten.
0,56
0,77
0,69
PLOR4
Wir entwickeln fortwährend kreative Wege, um Kundenbedürfnisse zu befriedigen.
0,47
0,70
0,57
Deskriptive Beurteilungskennzahl Cronbachs Alpha
0,71
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse Kayser-Meyer-Olkin-Kriterium
0,74
Anzahl extrahierter Faktoren
1
Erklärte Varianz (PCA)
54,45 %
Erklärte Varianz (EFA)
39,48 %
Lokale Anpassungsmaße Indikatoren
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
PLOR1
0,35
6,96
PLOR2
0,41
7,77
PLOR3
0,49
---
PLOR4
0,33
Faktorreliabilität
Faktorladung (KFA)
Explorative Innovation
(Referenzindikator)
6,99 0,72
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,39
Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, ist die Güte des Faktors Exploration, nachdem zwei Indikatoren entfernt wurden,1138 die sich negativ auf die Reliabilität und Konvergenzvalidität des Konstruktes auswirkten und für eine hohe Inhaltsvalidität im Sinne der Konzeptionalisierung nicht benötigt wurden, akzeptabel für die weitere Untersuchung, wenngleich einzelne Gütekriterien 1138
Bei den eliminierten Items handelt es sich um ‚Wir entwickeln immer wieder neue und innovative Produkte‘ sowie ‚Wir adressieren fortlaufend neue Kundengruppen‘.
Auswertung der empirischen Untersuchung
201
unterschritten werden.1139 So ist zunächst festzuhalten, dass CRONBACHs Alpha und die Faktorreliabilität auch die konservativeren Grenzwerte übersteigen. Ebenfalls liegen die Item-to-Total-Korrelationen über den geforderten Mindestanforderungen. Im Rahmen der einfaktoriellen Faktorenanalyse1140 wurde ferner, wie gefordert, ein Faktor extrahiert. Wenngleich der Schwellenwert der erklärten Varianz gemäß der Hauptkomponentenanalyse überschritten wird, ist zu erkennen, dass der erklärte Varianzanteil nach der Hauptachsenanalyse merklich zu niedrig ausfällt.1141 Klar positiv ist wiederum festzuhalten, dass alle Indikatoren ausreichend hoch auf das zugrunde liegende Konstrukt laden. Die Indikatorreliabilitäten und damit im Zusammenhang stehend die Faktorladungen übersteigen ebenfalls die geforderten Schwellenwerte. Darüber hinaus sind sämtliche Faktorladungen statistisch signifikant. Jedoch ist zu diskutieren, ob auf der Basis der auf der ML-Methode basierenden durchschnittlich erfassten Varianz, die merklich unter dem Schwellenwert von 0,5 liegt,1142 ein weiterer Indikator eliminiert werden sollte.1143 Wie bereits dargestellt, sollte – den Empfehlungen in der Literatur folgend – auf die Nichterfüllung einzelner Gütemaße, wenn der Großteil der weiteren Gütemaße erfüllt ist, weder eine Ablehnung des Konstrukts insgesamt noch zwangsläufig eine Elimination von Indikatoren erfolgen.1144 Da die Elimination eines weiteren Indikators an dieser Stelle zu einer Einschränkung der Inhaltsvalidität führen würde, werden trotz der niedrigen erklärten Varianzen alle hier aufgezeigten Indikatoren verwendet.1145 Die Entscheidung zur Beibehaltung der dargestellten Indikatoren ist, nicht nur unter inhaltlichen Gesichtspunk1139 1140
1141
1142
1143
1144 1145
Vgl. Abbildung 17. Der in Abbildung 17 dargestellte KMO-Koeffizient bestätigt, genauso wie die vorliegende Signifikanz von BARTLETTs Test, die Eignung der Itemauswahl für eine Faktorenanalyse. Vgl. zu der Bedeutung dieser Unterschreitung die nachfolgende Diskussion zur DEV dieses Konstruktes. Wenngleich die Unterschreitung bei einer DEV von 0,39 nicht mehr als unwesentlich zu interpretieren ist, finden vergleichbare Werte in Forschungsarbeiten immer wieder Akzeptanz, weswegen dieser Wert auch in der Arbeit nicht als Eliminationskriterium eingesetzt wird. Vgl. exemplarisch Krohmer 1999, S. 162; Kröger 2007, S. 130 f. Der Unterschreitung der Schwellenwerte könnte gemäß der von HOMBURG und GIERING vorgeschlagenen Vorgehensweise zur Optimierung des Messmodells mit einer Elimination von einem weiteren Indikator begegnet werden. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 12 ff. Vgl. Abschnitt 5.1.4. Vgl. auch Fritz 1995, S. 141 ff. Dass inhaltliche Validität letztendlich das entscheidende Gütekriterium darstellt, wird in der Literatur immer wieder hervorgehoben. Vgl. neben den Ausführungen in Abschnitt 5.1.4 exemplarisch Hildebrandt/Temme 2006, S. 622f.; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 279.
202
Empirische Untersuchung
ten trotz der Unterschreitung einzelner Gütekriterien als zulässig anzusehen, da angesichts der sehr guten Werte der globalen Gütemaße (²(2) = 3,262, n. s., 2/df = 1,631, CFI = 0,99, RMSEA = 0,05, SRMR = 0,02) das Gesamtbild der Gütebeurteilung positiv ausfällt. 1146 Abschließend ist somit zu konstatieren, dass der Faktor Exploration wie dargestellt in die weitere Analyse eingehen kann. Das Konzept der exploitativen Innovation wurde in Abschnitt 3.3 bereits ausführlich dargestellt. Darüber hinaus wurde in Abschnitt 5.2.3.4 erläutert, dass in der Literatur kein uneingeschränkt geeignetes Messinstrument zu identifizieren war, sodass drei Indikatoren aus der Literatur zusammengestellt wurden, die geeignet erschienen, Exploitation im Sinne der Konzeptionalisierung zu messen. Diese Indikatoren werden in dieser Zusammenstellung in der vorliegenden Studie einer ersten Bewährung ausgesetzt. Vor dem Hintergrund der in Abbildung 18 dargestellten Ergebnisse ist die Güte des Faktors Exploitation als ausreichend zu bezeichnen. Zunächst ist festzustellen, dass CRONBACHs Alpha und die Faktorreliabilität die Mindestwerte übertreffen, wenngleich beide nicht den gewünschten Schwellenwert von 0,7 erreichen.1147 Die Item-to-Total-Korrelationen liegen deutlich über den geforderten Mindestanforderungen. Im Rahmen der einfaktoriellen Faktorenanalyse1148 wurde, wie gefordert, ein Faktor extrahiert. In der Schätzung der Hauptachsenanalyse laden alle Indikatoren ausreichend hoch auf das zugrunde liegende Konstrukt, wenngleich der dabei erklärte Varianzanteil unter dem geforderten Wert liegt. Nach der Methode der Hauptkomponentenanalyse wird der Schwellenwert jedoch deutlich übertroffen. Alle Faktorladungen sind statistisch signifikant. Die 1146
1147
1148
Vgl. zu einem vergleichbaren Vorgehen mit ähnlicher Argumention Krohmer 1999, S. 160ff. Vgl. auch Homburg 1998, S. 80. Vgl. Wie bereits in Abschnitt 5.1.4 dargestellt, gelten für beide Gütemaße bei neu entwickelten Messinstrumenten oder bei wenigen Indikatoren, was in diesem Fall beides zutrifft, auch Werte von 0,6 als akzeptabel. Werte zwischen 0,6 und 0,7 werden in der Forschungspraxis immer wieder als reliabel angenommen. So wird in dem Beitrag zur Skalenentwicklung im Bereich des entrepreneurialen Managements von BROWN, WIKLUND und DAVIDSSON im Hinblick auf CRONBACHs Alpha ebenfalls ein Wert niedriger als 0,7 akzeptiert. Vgl. Brown/ Wiklund/Davidsson 2001, S. 963. Auch BARRINGER und BLUEDORN berichten und akzeptieren in ihrer Studie im EO-Kontext Alphas unter 0,7. Vgl. Barringer/Bluedorn 1999, S. 429 f. Die Erfüllung des KMO-Kriteriums bestätigt, genauso wie die vorliegende Signifikanz von BARTLETTs Test, die Eignung der Itemauswahl für die Faktorenanalyse.
Auswertung der empirischen Untersuchung
203
Indikatorreliabilitäten und die Faktorladungen übersteigen die geforderten Mindestwerte. Die durchschnittlich erfasste Varianz nach der ML-Schätzung liegt merklich unter dem Schwellenwert. Wie bereits dargestellt, erfolgt – in Einklang mit Empfehlungen in der Literatur – wegen der Nichterfüllung einzelner Gütemaße – weder eine Ablehnung des Konstrukts insgesamt noch eine Elimination eines weiteren Indikators, insbesondere nicht da dies zu einer Einschränkung der Inhaltsvalidität führen würde, sodass das Konstrukt unverändert beibehalten wird und die Messung wie dargestellt in die weitere Analyse eingeht.1149 Abbildung 18 Gütebeurteilung des Faktors exploitative Innovation Exploitative Innovation Indikatoren
Item-to-TotalKorrelation
Faktorladung (PCA)
Faktorladung (EFA)
0,40
0,71
0,51
0,47
0,78
0,63
0,49
0,79
0,69
PLOI1 Wir verfeinern fortlaufend die Effizienz unserer Leistungserstellung. PLOI2
Wir reduzieren fortwährend die Kosten der Leistungserstellung ohne Qualitätseinbußen.
PLOI3 Wir erhöhen fortlaufend die Automatisierung der Leistungserstellung. Deskriptive Beurteilungskennzahl Cronbachs Alpha
0,63
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse Kayser-Meyer-Olkin-Kriterium
0,64
Anzahl extrahierter Faktoren
1
Erklärte Varianz (PCA)
58,11 %
Erklärte Varianz (EFA)
37,86 %
Lokale Anpassungsmaße Indikatoren
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
PLOI1
0,27
5,32
PLOI2
0,34
5,93
PLOI3
0,53
Faktorreliabilität
1149
Faktorladung (KFA)
0,58
Exploitative Innovation
--(Referenzindikator)
0,64
Durchschnittlich erfasste Varianz
Vgl. dazu die Argumentation zum vergleichbaren Fall der explorativen Innovation.
0,38
204
Empirische Untersuchung
Weitere Teilmodelle dieser Arbeit bestehen in der Performance, dem Unternehmensalter sowie der Unternehmensgröße. Da es sich im Falle der Größe und des Alters des Unternehmens um Single-Item-Measures und im Falle der Performance um einen gewichteten Performanceindex handelt und sich deren Güte nicht mit den in diesem Abschnitt verwendeten Kriterien erfassen lässt, ihre Validität jedoch dennoch überprüft werden soll, wurden die Werte zu Unternehmensgröße und -alter – wie bereits in Abschnitt 5.2.3.6 dargestellt – zu objektiven, neutralen Daten aus der Hoppenstedt-Datenbank in Beziehung gesetzt, was, wie bereits dargestellt, ein in der Literatur anerkanntes Verfahren zur Sicherstellung der Validität darstellt.1150 Im Hinblick auf die Performance wurde – wie in Abschnitt 5.3.2 beschrieben – die Informantenangabe zu dem absoluten Umsatz mit dem entsprechenden Datenbankmaß in Beziehung gesetzt. Ihre signifikante Korrelation reduziert gleichfalls die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der subjektiven Performancemaße. Die in den jeweiligen Abschnitten berichteten signifikanten Korrelationen untermauern somit die Validität der im Modell verwendeten Maße. Die bisher in diesem Abschnitt berichteten Ergebnisse zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die einzelnen Messinstrumente in einer individuellen Betrachtung eine ausreichende Güte aufweisen. Bevor die verwendeten Maße jedoch für die Überprüfung der hypothetisierten Beziehungen akzeptiert werden können, ist es im Rahmen einer vollständigen Reliabilitäts- und Validitätsbetrachtung notwendig, die Diskriminanzvalidität der einzelnen Konstrukte zu analysieren. Wie in Abschnitt 5.1.4 dargelegt, wird dazu neben einer Interpretation der bivariaten Korrelationen zwischen den Konstrukten das strenge FORNELL-LARCKERKriterium herangezogen. Ergänzend wird eine explorative Faktorenanalyse mit sämtlichen Multi-Item-Variablen eingesetzt, um zu überprüfen, ob die durch die EFA erzeugte und somit die Datenbasis am besten widerspiegelnde Konstruktkonstellation mit der im Rahmen der KFA a priori postulierten Konstruktzahl und -struktur identisch ist.1151
1150
1151
Für eine Anwendung in der jüngeren Vergangenheit sei exemplarisch auf den Beitrag von Stam/ Elfring 2008 verwiesen. Vgl. dazu ebenfalls Abschnitt 5.1.4.
Auswertung der empirischen Untersuchung
205
Tabelle 5 stellt die durchschnittlichen Varianzen der Multi-Item-Konstrukte dem Quadrat ihrer jeweils höchsten Korrelation mit einem anderen Faktor gegenüber, um die Erfüllung des FORNELL-LARCKER-Kriteriums zu überprüfen. Es ist zu erkennen, dass das Kriterium für jedes Konstrukt erfüllt ist, womit von dem Vorliegen von Diskriminanzvalidität auszugehen ist. Tabelle 5 FORNELL-LARCKER-Kriterium Faktor
Höchste Korrelation Quadrat der mit anderem Faktor höchsten Korrelation
Durchschnittlich erfasste Varianz
Risikoneigung
0,45
0,20
0,58
Innovativität
0,58
0,34
0,74
Proaktivität
0,52
0,27
0,59
Wettbewerbsaggressivität
0,43
0,19
0,69
Autonomie
0,26
0,07
0,43
0,53
0,28
0,55
0,58
0,34
0,39
0,43
0,18
0,38
Gelegenheitsorientierung Explorative Innovation Exploitative Innovation
Den ebenfalls in Tabelle 5 dargestellten höchsten Korrelationen zwischen den Konstrukten ist ebenfalls zu entnehmen, dass keine Korrelation den kritischen Wert von 0,70 überschreitet, was sowohl als weiterer Hinweis auf das Vorliegen von Diskriminanzvalidität sowie als Indiz gegen das Vorliegen von Multikollinearität zu werten ist.1152
1152
Vgl. Abschnitt 5.1.4. Vgl. exemplarisch Tabachnik/Fidell 2007, S. 88 ff.
206
Empirische Untersuchung Tabelle 6 Explorative Faktorenanalyse aller Multi-Item-Variablen
Item RISK1 RISK2 RISK3 AUTO1 AUTO2 AUTO3 AUTO4 GELE1 GELE2 GELE3 PROA1 PROA2 PROA3 PLOR1 PLOR2 PLOR3 PLOR4 INNO1 INNO2 AGGR1 AGGR2 PLOI1 PLOI2 PLOI3
Faktor 1 0,743 0,898 0,670
2
3
4
5
6
7
8
0,804 0,537 0,640 0,629 0,615 0,744 0,746 0,873 0,779 0,484 0,555 0,656 0,653 0,555 0,874 0,842 0,798 0,844 0,500 0,691 0,608
Die Überprüfung der Diskriminanzvalidität abschließend erfolgt die Durchführung einer explorativen Faktorenanalyse in Form einer Hauptachsenanalyse – zunächst mit der obliquen Promax-Rotation, die für, wie im vorliegenden Fall,1153 miteinander korrelierende Faktoren anzuwenden ist. Trotz der Adäquatheit der obliquen Rotation wird anschließend eine zusätzliche Faktorenanalyse 1153
Vgl. dazu auch Abschnitt 5.4.3.1.
Auswertung der empirischen Untersuchung
207
mit orthogonaler Rotation durchgeführt, da – wenn beide Verfahren zu derselben Faktorenzuordnung gelangen – von Methodeninvarianz auszugehen ist, was für eine sehr stabile Faktorenstruktur spricht.1154 Tabelle 61155 ist zu entnehmen, dass die durch die explorative Faktorenanalyse erzeugte und somit die Datenbasis am besten widerspiegelnde Konstruktkonstellation mit der im Rahmen der a priori postulierten Struktur hinsichtlich Konstruktzahl und -struktur identisch ist.1156 Ferner sind alle Ladungen statistisch und praktisch signifikant. Signifikante Nebenladungen existieren nicht.1157 Nicht dargestellt aber ebenfalls durchgeführt wurde eine EFA mit orthogonaler Varimax-Rotation, die zu der derselben Konstruktzahl und -struktur gelangt, was für eine sehr stabile Faktorenstruktur spricht. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die explorative Faktorenanalyse das Vorliegen von Diskriminanzvalidität bekräftigt. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Güteevaluation auf Faktor- bzw. Teilmodellebene ist abschließend zu konstatieren, dass von ausreichend reliablen und validen Messungen auszugehen ist, die zusammen mit dem positiven Urteil hinsichtlich der Gesamtmodellgüte in Abschnitt 5.4.2.1 eine Evaluation der strukturellen Beziehungen in den Folgeabschnitten erlauben. 5.4.3 Deskriptive Statistiken, Modellvergleiche und Hypothesenprüfung Auf die positive Gütebeurteilung auf Messmodellebene folgt, wie bereits in den einleitenden Worten des Abschnitts 5.4 angekündigt, in einer weiteren Analysephase die Evaluation des Strukturmodells. Wie bereits in Abschnitt 5.1.4 erläutert, ist auf Strukturmodellebene das Augenmerk auf die globalen Gütekriterien der zweiten Generation gerichtet.1158 ANDERSON und GERBING empfehlen in ihrem Zwei-Schritt-Ansatz zur Strukturgleichungsmodellierung neben der Sicherstellung der Validität des Strukturmodells und der Überprüfung der strukturellen bzw. hypothetischen Dependenzbeziehungen in dieser zweiten Phase ebenfalls den Vergleich alternativer Modelle 1154 1155 1156 1157 1158
Vgl. Abschnitt 5.1.4. Bei den dargestellten Werten handelt es sich um die Werte der Mustermatrix. Ladungen ohne Bedeutsamkeit sind in der Tabelle unterdrückt. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.4.3.1. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 756.
208
Empirische Untersuchung
mit dem Ziel, das Modell zu identifizieren, dass die beobachtete Kovarianz zwischen den exogenen und endogenen Konstrukten am besten erklärt.1159 Vor dem Hintergrund der dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungsfragen,1160 der theoretischen Überlegungen in den Kapiteln 2 und 3 sowie den darauf aufbauend formulierten Forschungshypothesen1161 dient die Durchführung von Modellvergleichen ebenfalls explizit der Evaluation von Forschungshypothesen1162 und Beantwortung der entsprechenden Forschungsfragen.1163 In Erweiterung des Ansatzes von ANDERSON und GERBING werden dabei nicht nur genestete Modelle miteinander verglichen, vielmehr werden zur Erzielung eines möglichst umfassenden Erkenntnisgewinns ebenfalls nicht-genestete Modelle mit in den Vergleich aufgenommen.1164 Während die Evaluation der Güte von Modellen, in denen keine Effekte auf andere Variablen untersucht werden sollen (z. B. Messinstrumente), üblicherweise ausschließlich auf der Basis des Modellfits erfolgt,1165 erscheint es – aufbauend auf Empfehlungen in der Literatur – sinnvoll, Modelle mit explizierten Einflüssen auf abhängige Variablen anhand von bis zu drei Kriterien zu evaluieren und zu vergleichen:1166 x
Modellfit,
x
Höhe und Signifikanz der standardisierten Pfade,
x
Höhe der erklärten Varianz in den endogenen Variablen (als Indikator eines substantiellen Beitrags im Sinne praktischer Relevanz).
Ebenfalls Bestandteil dieses Abschnitts ist die Betrachtung der deskriptiven Statistiken und Korrelationen der Variablen dieser Arbeit als Grundlage für die weiteren Untersuchungen. 1159 1160 1161 1162 1163 1164 1165 1166
Vgl. Anderson/Gerbing 1998, S. 411 ff. Vgl. dazu auch die Abschnitte 5.1.4 und 5.4. Vgl. Abschnitt 1.2. Vgl. Kapitel 4. Hier seien die Hypothesen 1a, 1b und 2 genannt. Vgl. Kapitel 4. Vgl. Abschnitt 1.2. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.4. Vgl. für eine derartige Verfahrensanwendung exemplarisch Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 655. Vgl. Bollen 1989, S. 256 ff.; Jöreskog 1993, S. 294 ff.; Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 758. Dasselbe Vorgehen wählen in der jüngeren Vergangenheit Lubatkin/Simsek/Ling/ Veiga 2006, S. 662 ff.
Auswertung der empirischen Untersuchung 5.4.3.1
209
Deskriptive Statistiken und Korrelationen
Tabelle 7 beinhaltet die Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der Variablen dieser Arbeit. Es ist zunächst festzuhalten, dass die Unternehmen im Mittel über 43,69 (s = 38,86) Mitarbeiter verfügen und 8,07 (s = 2,37) Jahre alt sind. Im Vorgriff auf die Diskussion der Ergebnisse ist festzuhalten, dass es sich bei den Teilnehmern der Befragung um Vertreter von Unternehmen handelt, die älter und größer als Start-ups, aber noch nicht als große, etablierte Unternehmen anzusehen sind, was die Übereinstimmung der Datengrundlagen mit dem intendierten Forschungsobjekt untermauert.1167 Aus der Korrelationsmatrix ist abzulesen, dass die Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung mitunter relativ hoch miteinander korrelieren, was im Einklang mit den Studienergebnissen zur EO in der Vergangenheit steht.1168 Tabelle 7 Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der Variablen 2
3
s 0,63
2. Explorative Innovation**
3,94
0,68
3. Exploitative Innovation**
3,66
0,71
0,34
0,43
4. Risikoneigung*
2,90
0,78
0,03
0,44
0,15
5. Innovativität *
3,87
0,99
0,17
0,58
0,26
0,35
6. Proaktivität *
3,58
0,78
0,20
0,52
0,30
0,44
0,49
7. Wettbewerbsaggressivität *
2,96
0,98
0,16
0,43
0,30
0,26
0,31
8. Autonomie *
4,39
0,57
0,26
0,22
-0,11
-0,11
0,14
0,13
9. Gelegenheitsorientierung*
3,30
0,99
0,02
0,47
0,33
0,45
0,53
0,43
0,40
10. Unternehmensalter (Jahre)
8,07
2,37
-0,04
-0,09
0,04
-0,22
-0,15
-0,11
-0,08
0,05
-0,12
43,69
38,86
0,21
0,07
0,13
0,18
0,12
0,05
0,11
-0,09
0,18
1. Performance
11. Unternehmensgröße (Mitarbeiter)
1
4
8
M 3,54
Variable
5
6
7
9
10
0,30
0,43 -0,03 -0,08
0,04
N = 228. * Die Skala reflektiert Orientierung von 1 = stark administrativ bis 5 = stark entrepreneurial. ** Die Skala reflektiert Aktivität von 1 = stark nicht-innovativ bis 5 = stark innovativ. Korrelationen ab | 0,13 | sind signifikant auf dem Level 0,05 (zweiseitig). Korrelationen ab | 0,18 | sind signifikant auf dem Level 0,01 (zweiseitig). Korrelationen ab | 0,22 | sind signifikant auf dem Level 0,001 (zweiseitig).
1167 1168
Vgl. Abschnitt 2.1. In ihrer Metanalyse charakterisieren RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE Werte der Korrelationen zwischen den Dimensionen bis r = 0,75 als durchaus üblich. Vgl. Rauch/Wiklund/ Lumpkin/Frese 2009, S. 764, und die dort genannten Arbeiten.
210 5.4.3.2
Empirische Untersuchung Evaluation der Dimensionalität der entrepreneurialen Orientierung
Zunächst soll an dieser Stelle Forschungsfrage 1 und somit die Frage, wie eine entrepreneuriale Orientierung zu konzeptualisieren ist, adressiert werden. Aufbauend auf den theoretischen Überlegungen in Abschnitt 3.2 sind drei Varianten zu unterscheiden. Die erste Variante basiert auf der klassischen EOKonzeptualisierung von COVIN und SLEVIN und umfasst die drei Dimensionen Risikoneigung, Innovativität und Proaktivität.1169 Variante 2 trägt der Kritik an dem klassischen Konzept Rechnung und berücksichtigt – LUMPKIN und DESS folgend – die zwei zusätzlichen Dimensionen Autonomie und Wettbewerbsaggressivität.1170 Letztendlich wird dieser fünf-dimensionale Ansatz in einer dritten Variante – aufbauend auf der Kritik an der mangelnden expliziten Berücksichtigung der Einstellung zu unternehmerischen Gelegenheiten – um die sechste Dimension Gelegenheitsorientierung erweitert.1171 Während die Überlegenheit des fünf-dimensionalen Ansatzes gegenüber dem drei-dimensionalen Ansatz sowie die des sechs-dimensionalen Ansatzes gegenüber dem fünf-dimensionalen Ansatz theoretisch-argumentativ bereits in Abschnitt 3.2 angedeutet und in Abschnitt 4.1 in Form der Hypothesen 1a und 1b expliziert wurde, erfolgt in diesem Abschnitt die empirische Überprüfung dieser Annahmen. Dazu werden nachfolgend zunächst die drei Varianten hinsichtlich der Güte der jeweiligen Messinstrumente vergleichend evaluiert. Aus den in Tabelle 8 dargestellten Ergebnissen geht hervor, dass bereits die drei-dimensionale Variante auf der Basis der relevanten globalen Gütekriterien eine positive Eignung aufweist. Ebenfalls ist festzustellen, dass Variante 2 der Variante 1 hinsichtlich aller Kriterien mit Ausnahme des CFI überlegen ist. Diese Ausnahme darf jedoch nicht überbewertet werden, da der PCFI anzeigt, dass unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Modellkomplexitäten der Modellfit von Variante 2 als überlegen im Vergleich zu Variante 1 anzusehen ist. Somit ist zu konstatieren, dass Hypothese 1a nicht abzulehnen ist. Die Überlegenheit hinsichtlich aller angewendeten Gütekriterien von Variante 3 im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Varianten sowie der nur bei dieser Variante vorliegende direkte Modellfit, der aus dem nicht 1169 1170 1171
Vgl. Abschnitt 3.2.2. Vgl. zu der Kritik und der Erweiterung Abschnitt 3.2.1. Vgl. Abschnitt 3.2.2.
Auswertung der empirischen Untersuchung
211
signifikanten Bootstrap-p abzuleiten ist, unterstützt darüber hinaus Hypothese 1b. Bereits jetzt ist somit festzuhalten, dass die Hypothesen 1a und 1b nicht abzulehnen sind. Tabelle 8 Vergleich der Güte verschiedener Varianten der Erfassung einer entrepreneurialen Orientierung Variante
df
2
2/df
Bootstrap-p
CFI
RMSEA
SRMR
PCFI
1. Drei Dimensionen: Risikoneigung, Innovativität, Proaktivität
17
40,453***
2,380
0,020
0,967
0,078
0,055
0,587
2. Fünf Dimensionen: Risikoneigung, Innovativität, Proaktivität, Autonomie, Wettbewerbsaggressivität
67
106,906***
1,596
0,045
0,964
0,051
0,051
0,710
3. Sechs Dimensionen: Risikoneigung, Innovativität, Proaktivität, Autonomie, Wettbewerbsaggressivität, Gelegenheitsorientierung
104
146,615**
1,410
0,065
0,969
0,042
0,050
0,741
N = 228. ** p < 0,01 *** p < 0,001
Um jedoch darüber hinausgehend einen weiteren Erklärungsbeitrag zu erzielen, werden die drei Varianten nachfolgend hinsichtlich ihrer Effekte auf abhängige Variablen, namentlich explorative sowie exploitative Innovation und Performance, bei denen davon auszugehen ist, dass ihre Erklärung von hoher Bedeutung in diesem Forschungsstrang ist,1172 geprüft, um ihren Erklärungsbeitrag im Sinne praktischer Relevanz aufzuzeigen. Tabelle 9 zeigt anschaulich die Ergebnisse. Es ist festzustellen, dass die drei-dimensionale Interpretation der entrepreneurialen Orientierung in einem Modell, das ausschließlich die direkten Wirkungsbeziehungen berücksichtigt, in der Lage ist, 6 % der Varianz der Unternehmensperformance, 44 % der Varianz explorativer Innovation und 10 % der Varianz exploitativer Innovation zu erklären. Eine vergleichende Betrachtung des Erklärungsbeitrags der fünf-dimensionalen Variante im Bezug zu der dreidimensionalen Interpretation führt zu dem Ergebnis, dass diese mit 11 % Va1172
Vgl. die Abschnitte 2.2.1, 2.2.2 und Kapitel 3.
212
Empirische Untersuchung
rianzerklärung der Unternehmensperformance (R2 = 0,05 im Vergleich zu Variante 1), 47 % Varianzerklärung explorativer Innovation (R2 = 0,03) und 15 % Varianzerklärung exploitativer Innovation (R2 = 0,05) in der Lage ist, zusätzliche Varianz zu erklären. Die Nichtablehnung von Hypothese 1a wird vor diesem Hintergrund weiter untermauert. Der Vergleich zwischen den Varianten 3 und 2 offenbart zunächst, dass sich zwar mit 11 % die Varianzerklärung hinsichtlich Performance (R2 = 0,00) nicht weiter erhöht, jedoch ist vergleichend festzustellen, dass der Modellfit der sechs-dimensionalen deutlich besser ist, als der Fit der fünf-dimensionalen Variante. Neben der im Vergleich höheren Güte der sechsdimensionalen Variante wird ihre hohe praktische Relevanz durch die Berücksichtigung der Erklärungsmächtigkeit hinsichtlich explorativer Innovation von 48 % (R2 = 0,01) und 18 % (R2 = 0,03) hinsichtlich explorativer Innovation, die im Vergleich zu Variante 2 steigt, verdeutlicht. Somit wird die Nichtablehnung von Hypothese 1b auch hinsichtlich der praktischen Relevanz weiter untermauert. Vor diesem Hintergrund wird für die folgenden Analysen die sechsdimensionale Interpretation der entrepreneurialen Orientierung verwendet. Tabelle 9 Effekte unterschiedlicher Varianten der entrepreneurialen Orientierung auf verschiedene abhängige Variablen Variante
df
2
2/df Bootstrap-p
CFI
RMSEA
SRMR
PCFI
R2 R2 R2 Exploration Exploitation Performance
1. Drei Dimensionen
48
91,818***
1,913
0,010
0,955
0,063
0,050
0,695
0,44
2. Fünf Dimensionen
120
183,328***
1,528
0,035
0,954
0,048
0,052
0,748
0,47
3. Sechs Dimensionen
168
250,453***
1,491
0,025
0,950
0,046
0,052
0,760
0,48
1. Drei Dimensionen
38
68,750***
1,809
0,010
0,963
0,060
0,053
0,665
0,10
2. Fünf Dimensionen
104
157,199***
1,512
0,030
0,957
0,047
0,051
0,731
0,15
3. Sechs Dimensionen
149
214,113***
1,437
0,040
0,957
0,044
0,051
0,750
0,18
1. Drei Dimensionen
22
54,195***
2,463
0,005
0,956
0,008
0,053
0,584
0,06
2. Fünf Dimensionen
76
125,872***
1,656
0,025
0,956
0,054
0,050
0,692
0,11
115
165,753***
1,441
0,040
0,964
0,044
0,049
0,724
0,11
3. Sechs Dimensionen N = 228. *** p < 0,001
Auswertung der empirischen Untersuchung 5.4.3.3
213
Evaluation der mediierenden Effekte
Zur Adressierung der Hypothese 2 und der zugrunde liegenden Forschungsfrage 2 wird erneut ein Modellvergleich durchgeführt.1173 Insgesamt werden an dieser Stelle zwölf Modelle (jeweils vier pro dimensionaler Interpretation) miteinander verglichen. Um die durch Einflüsse, die außerhalb des Forschungsinteresses dieser Arbeit liegen, erklärte Varianz zu reduzieren, wird als erstes Modell jeweils eine Variante in den Vergleich aufgenommen, die ausschließlich die beiden Kontrollvariablen Größe und Alter als exogene Variablen enthält.1174 Die zweite Modellvariante ergänzt jeweils die hypothetisierten Beziehungen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und explorativen und exploitativen Innovationen sowie die Beziehungen der Letzeren zu Unternehmensperformance. In Modellvariante 3 werden – Variante 2 ergänzend – zusätzlich direkte Beziehungen zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance zugelassen. Zur Überprüfung der Hypothese 2 werden diese Modelle mit Modellvariante 4 verglichen, die – in einer klassischen Sichtweise – ausschließlich die direkte Beziehung zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und Performance betrachtet. Um eine Verzerrung der Gütemessung aufgrund mangelnder Parsimonie zu vermeiden und eine Vergleichbarkeit mit bereits durchgeführten Analysen dieser Beziehung sicherzustellen, werden die unverbundenen Variablen Exploration und Exploitation in dieser Variante entfernt.
1173 1174
Ein vergleichbares Vorgehen wählen Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 662 ff. Die beiden Kontrollvariablen bilden ebenfalls feste Bestandteile der weiteren, erweiterten Modelle, um ihren Einfluss aus den Effekten der im Interesse dieser Untersuchung stehenden exogenen Variablen herauszupartialisieren. Auf diese Weise wird vermieden, dass Effekte fälschlicherweise den im Interesse dieser Untersuchung stehenden Variablen zugeschrieben werden und ihr Einfluss auf die abhängigen Variablen zu Unrecht überschätzt wird, was insbesondere im Hinblick auf die Evaluation der Höhe und Signifikanz der Pfade in Abschnitt 5.4.3.4 von Bedeutung ist. Die Berücksichtigung von Kontrollvariablen trägt somit zu einem unverfälschteren Ergebnis bei. Vgl. Abschnitt 5.2.3.6.
214
Empirische Untersuchung
Die Ergebnisse sind in Tabelle 10 dargestellt. Die Kontrollvariablen, als einzige exogene Variablen in Modellvariante 1, erklären jeweils nur 1 % der Varianz von Exploration, 2 % von Exploitation sowie nur 5 % der Varianz der Unternehmensperformance, was die Annahme unterstützt, dass weitere Variablen und die hypothetisierten Beziehungen zur Erhöhung der erklärten Varianz hinzugezogen werden sollten. Ebenfalls indiziert der bemerkenswert schlechte Fit des Modells den Bedarf an zusätzlicher Erklärung der abhängigen Variablen.1175 Modellvariante 2 und somit die Hinzunahme der hypothetisierten Beziehungen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und explorativen und exploitativen Innovationen sowie zwischen den Letzeren und Performance, resultiert in jeder der drei dimensionalen Interpretationen in einer signifikanten 2-Differenz (p < 0,001) und insgesamt in einer deutlichen Erhöhung des Modellfits, der nun zweifelsohne als zufriedenstellend zu bezeichnen ist, sowie in einem gestiegenen Ausmaß der erklärten Varianzen aller drei abhängigen Variablen. Modellvariante 3, die zusätzlich direkte Effekte zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und Performance zulässt, ist der höher beschränkten Modellvariante 2 hinsichtlich der erklärten Varianz der Performance ebenfalls in allen drei multidimensionalen Interpretationen überlegen, wenngleich sich die Zugewinne zwischen den Interpretationen unterscheiden. Dass signifikante Unterschiede zwischen den Interpretationen existieren, wird ebenfalls durch die Unterschiede in der Signifikanz der 2-Differenz deutlich. An dieser Stelle ist somit bereits die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung zwischen den verschiedenen dimensionalen Interpretationen zu erkennen, was die folgenden Ausführungen bekräftigen werden.
1175
Es ist anzuerkennen, dass an dieser Stelle – zur Durchführung der anschließenden Modellvergleiche – mit der Berücksichtigung der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung gegen das Streben nach Parsimonie verstoßen wird. Vor diesem Hintergrund wurde ein weiteres Modell gerechnet, in dem die unverbundenen Variablen entfernt wurden, was jedoch zu vergleichbar schlechten Kennzahlen der Modellgüte geführt hat.
df
2
Bootstrap-p 2/df
1,434
0,954
0,044
0,753
8 3
df
2 vs. 1 132,176*** 14 3 vs. 2 23,790*** 6
2 vs. 1 129,233*** 12 3 vs. 2 17,543** 5
2 vs. 1 116,393*** 3 vs. 2 4,883
2
0,01 0,49 0,49
0,01 0,49 0,49
0,01 0,46 0,47
0,02 0,18 0,19
0,02 0,17 0,18
0,02 0,13 0,13
0,17
0,05 0,15 0,29
0,16
0,05 0,16 0,26
0,10
0,05 0,16 0,19
R2 R2 R2 Exploration Exploitation Performance
N = 228. Modellvariante 1 enthält nur die Kontrollvariablen. Modellvariante 2 enthält die Kontrollvariablen und Effekte der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation sowie von Exploration und Exploitation auf Performance. Modellvariante 3 enthält die Kontrollvariablen und Effekte der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation, von Exploration und Exploitation auf Performance sowie der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf Performance. Modellvariante 4 enthält die Kontrollvariablen und Effekte der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf Performance (Exploration und Exploitation sind in dieser Variante ausgeschlossen). Als Kontrollvariablen sind Unternehmensgröße und -alter erfasst. Die Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung umfassen in der drei-dimensionalen Interpretation Risikoneigung, Innovativität, Proaktivität. In der fünf-dimensionalen Interpretation sind zusätzlich Wettbewerbsaggressivität und Autonomie enthalten. Die sechs-dimensionale Interpretation beinhaltet zusätzlich Gelegenheitsorientierung. ** p < 0,01 *** p < 0,001
0,030
0,063
215,115***
Modellvariante 4:
150
0,125 0,066 0,063
0,743 0,761 0,753
0,728
0,065
0,668
Sechs-dimensionale Interpretation der entrepreneurialen Orientierung: Modellvariante 1: 306 582,836*** 0,005 1,905 0,852 0,063 450,660*** 0,010 1,543 0,915 0,049 Modellvariante 2: 292 426,870*** 0,010 1,493 0,925 0,047 Modellvariante 3: 286
0,942
0,730 0,754 0,744
2,128
0,128 0,066 0,063
0,010
0,076
82,982***
0,070
39
0,697 0,728 0,711
PCFI Vergleich
Fünf-dimensionale Interpretation der entrepreneurialen Orientierung: Modellvariante 1: 239 486,685*** 0,005 2,036 0,843 0,068 357,462*** 0,010 1,575 0,917 0,050 Modellvariante 2: 227 339,919*** 0,010 1,531 0,925 0,048 Modellvariante 3: 222 Modellvariante 4: 105 171,571*** 0,015 1,634 0,943 0,053
Modellvariante 4:
0,149 0,068 0,067
CFI RMSEA SRMR
Drei-dimensionale Interpretation der entrepreneurialen Orientierung: Modellvariante 1: 129 328,468*** 0,005 2,546 0,827 0,083 212,075*** 0,005 1,753 0,921 0,058 Modellvariante 2: 121 207,192*** 0,005 1,756 0,923 0,058 Modellvariante 3: 118
Modell
Auswertung der empirischen Untersuchung 215
Tabelle 10 Vergleich der Gesamtmodellvarianten
216
Empirische Untersuchung
Hinsichtlich Modellvariante 4 ist zunächst festzuhalten, dass die Evaluation keinen Zweifel an der grundsätzlichen Legitimität der exklusiven Betrachtung der direkten Beziehungen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und Performance bedingt, was im Einklang mit den Ausführungen zum ressourcenbasierten Ansatz in Abschnitt 2.2.1 steht. Der Modellfit ist in allen dimensionalen Interpretationen mehr als zufriedenstellend und im Vergleich zu Modellvariante 1 erklären die Dimensionen der entre-preneurialen Orientierung in allen Modellen der Variante 4 eine deutlich höhere Menge an Varianz der Unternehmensperformance, wenngleich merkliche Unterschiede zwischen den Interpretationen zu erkennen sind, die die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der dimensionalen Interpretationen weiter untermauert. Im Hinblick auf die Hypothese 2 ist vor dem Hintergrund der praktischen Relevanz der Untersuchung zunächst zu konstatieren, dass die Ergänzung von Exploration und Exploitation und somit einer gleichzeitigen Berücksichtigung von direkten Effekten der entrepreneurialen Orientierung und indirekten Effekten über Exploration und Exploitation (Modellvariante 3) dazu führt, dass sich die erklärte Varianz in der Performance, wie postuliert, im Vergleich zu der exklusiven Betrachtung direkter Effekte (Modellvariante 4) erhöht. Wird der durch die Kontrollvariablen erklärte Beitrag von 5 % separiert, ist den Ergebnissen in allen dimensionalen Interpretationen in etwa eine Verdopplung der Erklärungsmächtigkeit zu entnehmen, was die Annahme der Hypothese 2 deutlich untermauert. Hinsichtlich der Modellgüte ist ergänzend festzuhalten, dass sich das Gros der Gütekriterien, insbesondere unter Berücksichtigung der verschiedenen Modellkomplexitäten in Form des PCFI, nur marginal voneinander unterscheiden. Dennoch lässt sich erkennen, dass in der Tendenz Variante 4 der Variante 3 bei weniger Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung unterlegen und bei mehr Dimensionen überlegen ist,1176 woraus wiederum die Notwendigkeit einer Differenzierung abzuleiten ist. Wenngleich die bisherigen Ergebnisse Unterschiede zwischen den dimensionalen Interpretationen in deren Wirkungsweisen bereits nahelegen, werden diese Unterschiede bei dem Vergleich von ausschließlich direkten Effekten (Modellva1176
Da es sich nicht um genestete Modelle handelt, ist die 2-Differenz nicht zu interpretieren.
Auswertung der empirischen Untersuchung
217
riante 4) und ausschließlich indirekten Effekten über Exploration und Exploitation (Modellvariante 2) explizit. Während in der drei-dimensionalen Interpretation der entrepreneurialen Orientierung in Variante 2 deutlich mehr Varianz als in Variante 4 erklärt wird, ist die erklärte Varianz bei fünf Dimensionen identisch und bei sechs Dimensionen sind die direkten Effekte den indirekten sogar überlegen.1177 Wenngleich dadurch die Gültigkeit der Hypothese 2 aufgrund der in ihr explizierten Berücksichtigung von direkten und indirekten Effekten nur marginal tangiert wird, offenbaren die Ergebnisse deutliche Unterschiede in den Wirkungsweisen der klassischen drei-dimensionalen Interpretation der entrepreneurialen Orientierung nach COVIN und SLEVIN und den fünf- bzw. sechsdimensionalen Interpretationen,1178 auf die in der Diskussion der Ergebnisse in Abschnitt 6.1 einzugehen ist. 5.4.3.4
Evaluation der Effekte der exogenen auf die endogenen Variablen
In diesem Abschnitt steht, verknüpft mit der Forschungsfrage 2, die Evaluation der Hypothesen 3a und 3b, 4 sowie 5a bis 10b und somit die Beziehungen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und explorativen und exploitativen Innovationen sowie zwischen letzteren und Performance im Vordergrund. Dazu werden die Höhe und die Signifikanz eines jeden einzelnen hypothetisierten Pfades analysiert. Die Überprüfung erfolgt auf der Basis des Modells 4.1179 Zum einen handelt es sich dabei um das Modell, das – im Einklang mit der Theorie – die tatsächlichen Beziehungen am besten widerspiegelt und zum anderen erlaubt es – bei simultaner Schätzung – die Evaluation der direkten Pfade zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance in Ergänzung zu den hypothetisierten Pfaden, was zu einem zusätzlichen Erkenntnisgewinn führt. Die Analyse zeigt, dass sowohl Exploration (0,22, p < 0,05) als auch Exploitation (0,33, p < 0,001) signifikant positive Effekte auf Unternehmensperformance ausüben, was bedeutet, dass die Hypothesen 3a und 3b nicht abgelehnt werden können. Ferner wirken, wie angenommen, Risikoneigung (0,19, p < 0,05), Inno1177 1178 1179
Diese Feststellung trifft in der Tendenz auch auf die Modellfits zu. Vgl. dazu die Abschnitte 3.2.1 und 3.2.2. Vgl. 5.4.3.3.
218
Empirische Untersuchung
vativität (0,30, p < 0,01), Proaktivität (0,19, p < 0,05), Autonomie (0,18, p < 0,05) und Gelegenheitsorientierung (0,15, p < 0,101180) positiv auf explorative Innovation, weshalb die Hypothesen 5a, 6a, 7a, 9a, und 10a ebenfalls nicht abgelehnt werden können. Abzulehnen ist jedoch die Hypothese 8a, da Wettbewerbsaggressivität zwar eine positive Pfadbeziehung zu Exploration aufweist, diese jedoch nicht signifikant ist. Hinsichtlich der Analyse der Einflüsse auf exploitative Innovation zeigt sich, dass, wie postuliert, Proaktivität (0,18, p < 0,10), Wettbewerbsaggressivität (0,13, p < 0,10) und Gelegenheitsorientierung (0,19, p < 0,10), einen positiven und Autonomie (-0,12, p < 0,10) einen negativen Einfluss auf exploitative Innovation haben, weshalb die Hypothesen 5b, 7b, 8b und 9b nicht abgelehnt werden können. Nicht durch die Daten bestätigt werden die Hypothesen 5b und 6b, da weder die postulierte negative Pfadbeziehung zwischen Risikoneigung und Exploitation noch die postulierte positive Pfadbeziehung zwischen Innovativität und Exploitation signifikant sind. Abbildung 19 fasst die Ergebnisse anschaulich zusammen. Im Hinblick auf die Erzielung eines möglichst umfassenden Erkenntnisgewinns und vor dem Hintergrund des in Hypothese 2 formulierten nicht möglichen Ausschlusses von direkten Effekten der entrepreneurialen Orientierung und Performance seien an dieser Stelle diese direkten Beziehungen kurz behandelt. Ein signifikant positiver Einfluss auf Performance geht von Autonomie aus (0,24, p < 0,05). Ferner weist die Gelegenheitsorientierung einen signifikant negativen Einfluss auf (-0,23, p < 0,05). Auch diese in gewissem Maß explorativ erzielten Ergebnisse werden in Kapitel 6 noch einmal aufgegriffen. Wie nicht zuletzt Abbildung 19 verdeutlicht, unterscheiden sich, wie in Hypothese 4 postuliert, die Effekte der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung hinsichtlich der explorativen Innovation mitunter deutlich von den Effekten auf exploitative Innovation. Es ist zu erkennen, dass sich nicht nur die Stärke der Effekte, sondern mitunter auch die Richtung der Beeinflussung unterscheidet. 1180
Es sei darauf hingewiesen, dass ein Signifikanzniveau von 0,10 in der Literatur, wenngleich es als weniger konservativ anzusehen ist, grundsätzlich akzeptiert wird, um relevante Beeinflussungen nicht zu vernachlässigen. Vgl. Hair/Black/Babin/Anderson/Tatham 2006, S. 174 ff. Vgl. für eine Anwendung im Feld der Forschung zu Corporate Entrepreneurship exemplarisch die Arbeit von Schmelter 2009.
Auswertung der empirischen Untersuchung
219
Vor diesem Hintergrund ist die den Hypothesen 5a bis 10b übergeordnete Hypothese 4 nicht abzulehnen. Abbildung 19 Pfadbeziehungen zwischen den Faktoren Orientierung
Verhalten
Ergebnis
H5 a (+) b (-) -0,07
-0,01
0,05
0,05
0,24*
Risikoneigung
Innovativität
Proaktivität
Wettbewerbsaggressivität
Autonomie
0,19* -0,08 H6 a (+) b (+) 0,30** 0,08
Exploration
H7 a (+) b (+) 0,19* 0,18†
H3 a (+) b (+)
H8 a (+) b (+)
0,22* 0,33***
Performance
0,07 0,13† H9 a (+) b (-) 0,18* -0,12†
Exploitation
H10 a (+) b (+) -0,23*
Gelegenheitsorientierung
0,15† 0,19†
N = 228. Dargestellt sind standardisierte Pfade. Zur übersichtlicheren Darstellung wird ein vereinfachtes Modell ohne Indikatoren, Fehlerterme, Kontrollvariablen sowie Korrelationen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung dargestellt. † p < 0,10 * p < 0,05 ** p < 0,01 *** p < 0,001
Diskussion, Konklusion und Ausblick
221
6 Diskussion, Konklusion und Ausblick Mit den Themen Implikationen für die Unternehmensperformance, Interrelationen mit weiteren Variablen sowie Konzeptualisierung und Operationalisierung der entrepreneurialen Orientierung an sich adressiert diese Arbeit bedeutende Wissensschranken der Forschung zur entrepreneurialen Orientierung.1181 Mit den im Rahmen der empirischen Untersuchung gewonnenen Ergebnissen1182 besteht nun die Möglichkeit, die Übereinstimmung der in dieser Arbeit entwickelten theoretischen Konstruktionen1183 mit der Realität zu diskutieren, eine Bewertung der Ergebnisse vor dem Hintergrund der zu beantworteten Forschungsfragen1184 vorzunehmen und daraus Implikationen zu deduzieren. Abbildung 20 Einordnung von Kapitel 6 in den Gang der Arbeit Kapitel 1
Einleitung
Kapitel 2
Theoretischer Bezugsrahmen
Kapitel 3
Entwicklung des Untersuchungsmodells
Kapitel 4
Herleitung der Hypothesen
Kapitel 5
Empirische Untersuchung
Kapitel 6
Diskussion, Konklusion und Ausblick
• Diskussion und Bewertung der Ergebnisse • Implikationen für die wissenschaftliche Forschung und die unternehmerische Praxis • Limitationen und zukünftige Forschung
1181
1182 1183 1184
Implikationen für Forschung und Praxis sowie Ansätze für zukünftige Forschung
Vgl. zu dem besonderen Stellenwert dieser drei Themenbereiche Wiklund/Shepherd 2005, S. 71; Covin/Green/Slevin 2006, S. 79 ff.; Davis 2007, S. 2 f.; Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 778 ff. Vgl. auch Abschnitt 1.2. Vgl. Kapitel 5. Vgl. dazu insbesondere Abschnitt 3.4. Vgl. zu den Forschungsfragen Abschnitt 1.2.
222
Diskussion, Konklusion und Ausblick
Zu diesem Zweck gliedert sich das abschließende Kapitel in vier Teile. Zunächst werden in Abschnitt 6.1 die wesentlichen Ergebnisse dargestellt und im Hinblick auf die Forschungsfragen und die abgeleiteten Hypothesen bewertet. Daraus werden in Abschnitt 6.2 dann Implikationen für die wissenschaftliche Forschung deduziert. Ebenfalls liefert diese Arbeit zahlreiche relevante Implikationen für die unternehmerische Praxis, die in Abschnitt 6.3 behandelt werden. Die Arbeit schließt mit Abschnitt 6.4 und somit der Diskussion der Limitationen dieser Studie und der Identifikation von Ansatzpunkten für zukünftige Forschung. Abbildung 20 stellt die Einordnung des Kapitels in den Gesamtzusammenhang der Arbeit sowie dessen grundlegende Inhalte und die zu erwartenden Teilergebnisse dar. 6.1 Diskussion und Bewertung der Ergebnisse hinsichtlich der Forschungsfragen Vor dem Hintergrund der in den einleitenden Worten von Kapitel 6 aufgeführten Wissensgrenzen wurden übergeordnet zwei Forschungsfragen entwickelt.1185 Mit der ersten Frage wurde die entrepreneuriale Orientierung an sich adressiert. Konkret wurde die Frage formuliert: Wie ist eine entrepreneuriale Orientierung adäquat zu konzeptualisieren und wie ist sie entsprechend zu operationalisieren? Die zweite Frage adressierte vor dem Hintergrund einer potentiellen Orientierung-Verhaltens-Lücke die Implikationen der Integration expliziten entrepreneurialen Verhaltens in die Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Unternehmensperformance. Um diese Fragen zu adressieren, wurde auf die kovarianzbasierende Strukturgleichungsmodellierung zurückgegriffen, da diese die Schätzung multipler Assoziationen, Modellvergleiche sowie die Überprüfung mediierender Einflüsse erlaubt.1186 Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage wurden aufbauend auf einer ausführlichen Betrachtung bestehender Forschungsergebnisse zwei Hypothesen formuliert. So wurde zunächst postuliert, dass ein Modell, das die Autonomie der Mitarbeiter und die Wettbewerbsaggressivität als zusätzliche Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung berücksichtigt, einem Modell, das nur die Dimensi1185 1186
Vgl. dazu auch Abschnitt 1.2. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 5.1.
Diskussion und Bewertung der Ergebnisse hinsichtlich der Forschungsfragen 223 onen Innovativität, Risikoneigung und Proaktivität berücksichtigt, überlegen ist (Hypothese 1a). Weiterhin wurde postuliert, dass ein Modell, das die Gelegenheitsorientierung als zusätzliche Dimension der entrepreneurialen Orientierung berücksichtigt, einem Modell, dass nur die Dimensionen Innovativität, Risikoneigung, Proaktivität, Autonomie der Mitarbeiter und Wettbewerbsaggressivität berücksichtigt, überlegen ist (Hypothese 1b). Überprüft wurden diese Hypothesen zunächst auf der Basis eines Vergleichs der globalen Gütemaße der drei-, fünf- und sechs-dimensionalen Messinstrumente. Es zeigte sich, dass das sechsdimensionale Modell gegenüber den beiden anderen Modellen und das fünfgegenüber dem drei-dimensionalen Ansatz überlegen ist, womit Hypothese 1a und 1b nicht abgelehnt werden konnten. Der anschließende Vergleich der Höhe der erklärten Varianz in den verschiedenen endogenen Variablen Exploration, Exploitation und Performance offenbarte ferner, dass der fünf-dimensionale dem drei-dimensionalen Ansatz hinsichtlich der Erklärungsmächtigkeit in allen drei Fällen überlegen ist. Dies führt zu dem Schluss, dass die zusätzliche Berücksichtigung der beiden Dimensionen Autonomie und Wettbewerbsaggressivität dazu beitragen kann, den Einfluss, den eine entrepreneuriale Grundhaltung auf die Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit adoleszenter Unternehmen haben kann, besser zu erklären, wenngleich erst die Diskussion der individuellen Beziehungen im weiteren Verlauf Aufschluss über die Richtung und Stärke der einzelnen Einflüsse geben kann. Die Hinzunahme der Gelegenheitsorientierung erhöhte die Erklärungsmächtigkeit einer entrepreneurialen Haltung im Hinblick auf explorative und exploitative Innovationen weiter. Hinsichtlich der Erklärung von Performanceunterschieden zeigte sich jedoch keine weitere Zunahme gegenüber dem fünf-dimensionalen Ansatz. Wenngleich dies vor dem Hintergrund eines erhöhten Modellfits und der bisher dargestellten Resultate nicht an der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der Berücksichtigung dieser zusätzlichen Dimension zweifeln lässt, deutet dieses Ergebnis jedoch an, dass der Einfluss einer Gelegenheitsorientierung auf die Performance nicht trivial ist, wie die folgenden Ausführungen untermauern werden. Im Hinblick auf die zweite Forschungsfrage wurde – vor dem theoretisch hergeleiteten Hintergrund, dass die Zwillingskonzepte Exploration und Exploitation als Indikatoren für konkretes entrepreneuriales Verhalten in adoleszenten Unter-
224
Diskussion, Konklusion und Ausblick
nehmen betrachtet werden können – zunächst in Hypothese 2 postuliert, dass ein Model, das explorative und exploitative Innovationen als mediierende Variablen enthält, einem Modell überlegen ist, das nur den direkten Einfluss der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf die Unternehmensperformance berücksichtigt. Die Hypothesenprüfung auf der Basis von Modellvergleichen offenbarte, dass das Modell, das die Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung direkt und indirekt über Exploration und Exploitation auf die Performance wirken lässt, dem Modell, das ausschließlich direkte Effekte zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und der Performance berücksichtigt, überlegen ist. Vor dem Hintergrund der Betrachtung der erklärten Varianz als Indikator der praktischen Relevanz ist somit festzuhalten, dass, wie aus den Ausführungen zum ressourcenbasierten Ansatz aus der Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese abzuleiten ist und in Hypothese 2 expliziert wurde, die Kontrolle für explorative und exploitative Innovationen und somit die Sicherstellung der Transformation der entrepreneurialen Orientierung in adäquates entrepreneuriales Verhalten die Erklärungsmächtigkeit des organisationalen Entrepreneurships erhöht. Eine differenzierte Betrachtung, insbesondere unter Berücksichtigung eines Vergleichs ausschließlich direkter Effekte zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance versus ausschließlich indirekter Effekte über Exploration und Exploitation, offenbarte deutliche Unterschiede in der Wirkungsweise der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung. So konnte im Bezug auf die klassischen drei Dimensionen Risikoneigung, Innovativität und Proaktivität nach COVIN und SLEVIN – in Übereinstimmung mit der Kritik an der EinstellungsVerhaltens-Hypothese und der in Abschnitt 3.2.1 diskutierten Kritik an der in der Regel unreflektierten Gleichsetzung von entrepreneurialer Orientierung und entrepreneurialem Verhalten – identifiziert werden, dass sich ihre Wirkungen im Wesentlichen über tatsächliche Innovationsaktivität entfalten. Wie bereits in Hypothese 2 mit dem Rückgriff auf den ressourcenbasierten Ansatz und die dort unterstellte positive Beeinflussung der Performance durch eine spezifische Ausgestaltung der Organisation angedeutet, scheinen die zusätzlichen Dimensionen Wettbewerbsaggressivität und insbesondere Autonomie und Gelegenheitsorientierung starke direkte bzw. nicht in dieser Arbeit erfasste indirekte Effekte jen-
Diskussion und Bewertung der Ergebnisse hinsichtlich der Forschungsfragen 225 seits tatsächlichem entrepreneurialen Verhaltens in Form von Innovationen aufzuweisen. So scheint die Mutmaßung aus Hypothese 2 bekräftigt, dass – wie der Personalforschung entnommen werden kann – ein hohes Ausmaß der dem Mitarbeiter zugestandenen Autonomie, wie es mit einer entrepreneurialen Orientierung assoziiert wird, hohe Arbeitsqualität und Arbeitseffektivität fördert,1187 und dabei auch von einer positiven Beeinflussung der Unternehmensleistung insgesamt ausgegangen werden kann. Die nachfolgende Diskussion der individuellen Effekte wird dies noch einmal aufgreifen. Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass das Modell, das sowohl direkte als auch indirekte Effekte zulässt, Performance in allen dimensionalen Interpretationen am besten erklärt. Wird der Einfluss der Kontrollvariablen herauspartialisiert, zeigt sich im Vergleich des kombinierten mit dem direkten Modell in etwa eine Verdopplung der erklärten Varianz. Um vor dem Hintergrund von Forschungsfrage 2 einen möglichst umfassenden Erkenntnisgewinn zu erzielen, wurden die individuellen Effekte zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung und Exploration sowie Exploitation und zwischen den letzteren und Performance untersucht. Die Hypothesen 3a und 3b und die dort unterstellten positiven Einflüsse explorativer und exploitativer Innovationen auf Performance untermauern die Bedeutung dieser entrepreneurialen Aktivitäten für organisationalen Erfolg. Diese theoretisierten Beziehungen wurden durch die empirischen Ergebnisse gestützt. So wirken sowohl explorative als auch exploitative Innovationen signifikant positiv auf die Unternehmensleistung. Dabei zeigen die Ergebnisse, dass der Einfluss auf die Performance von Exploitation höher als der von Exploration ist. Im Hinblick auf das verwendete Forschungsdesign, in dem die exogenen und endogenen Variablen zu demselben Zeitpunkt gemessen wurden, erscheint dieses Resultat wenig überraschend. So stellt MARCH heraus, dass „returns to exploitation are systematically more certain, sooner, and closer than are the returns to exploration.“1188 Ferner heben LUBATKIN, SIMSEK, LING und VEIGA hervor, dass die Ergebnisse explorativer Innovationen zur Realisation mitunter Jahre benötigen.1189 Da die Effekte explorativer Innovation zur Materialisierung eine gewisse Zeit benötigen mögen, 1187 1188 1189
Vgl. Hackman 1977, S. 129. Vgl. dazu auch den Beitrag von Hackman/Oldham 1975. Vgl. March 2003, S. 5. Vgl. Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 652.
226
Diskussion, Konklusion und Ausblick
könnte – im Vorgriff auf die Identifikation von Ansatzpunkten zukünftiger Forschung – ein Längsschnittdesign, in dem Exploration und Exploitation zu einer bestimmten Zeit und die Performance eine gewisse Zeit später gemessen werden, zusätzliche Einblicke in den langfristigen Einfluss von Exploitation und insbesondere Exploration geben. Die vergangenen Abschnitte haben verdeutlicht, dass explorative und exploitative Innovationen als konkretes entrepreneuriales Verhalten einen bedeutenden Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausüben. Ebenfalls wurde bereits aufgezeigt, dass eine entrepreneuriale Orientierung eine bedeutende Antezedens dieser beiden Aktivitäten darstellt. Doch hat die Analyse des Einflusses der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation offenbart, dass explorative Innovation ‚nur‘ zu 48 % und exploitative Innovation ‚nur‘ zu 18 % erklärt werden können,1190 was in Übereinstimmung mit den Hypothesen 4 sowie 5a bis 10b auf eine nicht triviale Dependenzbeziehung hindeutet. Ferner liegen, wie bereits diskutiert, Einflüsse der entreprenerialen Orientierung auf die Performance jenseits der indirekten Beeinflussung über das in dieser Arbeit erfasste entrepreneuriale Verhalten vor. Vor diesem Hintergrund erfolgt nachfolgend eine Diskussion der individuellen Beziehungen zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung, Exploration, Exploitation und Performance. Die Ergebnisse zeigen, dass Risikoneigung, Innovativität, Proaktivität, Autonomie und Gelegenheitsorientierung positiv auf Exploration wirken. Mit Exploitation sind Proaktivität, Wettbewerbsaggressivität und Gelegenheitsorientierung positiv und Autonomie negativ assoziiert. Dies macht deutlich, dass ein großer Teil der Beziehungen somit wie hypothetisiert zu akzeptieren ist, während Ausnahmen diskutiert werden müssen. Zunächst ist der nichtsignifikante negative Effekt der Risikoneigung auf Exploitation zu thematisieren. Eine Erklärung besteht darin, dass, anders als angenommen, risikoreiche, informelle und spontane Entscheidungen exploitative Innovationen nicht unbedingt verhindern müssen, da der Informationsbedarf und die Notwendigkeit einer intensiven Analyse mit der Komplexität und der Neuartigkeit der Initiative variieren.1191 Da exploitative 1190 1191
Vgl. Tabelle 9. Vgl. Keller 1994, S. 175; Cardinal 2001, S. 21.
Diskussion und Bewertung der Ergebnisse hinsichtlich der Forschungsfragen 227 Innovationen, wie kleinere Anpassungen oder Verbesserungen an bestehenden Prozessen, oftmals unkompliziert und intuitiv durchführbar sind und der Informations- und Analysebedarf daher niedrig ist,1192 verhindert der Verzicht auf gründliche Analysen nicht die Durchführung derartiger Innovationen. Insbesondere im vorliegenden Falle kleinerer, jüngerer Unternehmen mit einer überschaubaren Anzahl an Produkten und Prozessen und wenig komplexen Prozeduren,1193 erscheint diese Argumentation zutreffend. Darüber hinaus ist anzuerkennen, dass auch die Einführung exploitativer Innovationen das Risiko des Scheiterns oder zumindest negativer Effekte hinsichtlich Zuverlässigkeit, Rechenschaftsfähigkeit und Reproduzierbarkeit mit sich bringt.1194 Risiko-averse Unternehmen könnten somit jede Art von Neuerung und somit auch exploitative Innovation vermeiden.1195 Ebenfalls wurde festgestellt, dass Wettbewerbsaggressivität zwar exploitative aber nicht explorative Innovation fördert. Mit Blick auf die Definition von Wettbewerbsaggressivität als ausschließlich auf die Auseinandersetzung mit Konkurrenten gerichtete Einstellung1196 erscheint es möglich, dass sich wettbewerbsaggressive Unternehmen engstirnig auf das Übertrumpfen der Wettbewerber ausrichten, somit deren Stärken und Schwächen im Vergleich zu den eigenen als Ausgangspunkt für die Entwicklung vergleichsweise besserer Lösungen nehmen, was zu exploitativer Innovation führt. Auf der Strecke bleibt dabei jedoch die explorative Innovation, also die Entwicklung von Produkten, die keinen Bezug zu existierenden Produkten aufweisen und für Kunden und Märkte fundamental neu sind. Vor diesem Hintergrund und unter zusätzlicher Berücksichtigung der begrenzten Ressourcen, unter denen die adoleszenten Unternehmen in dieser Stichprobe vermutlich leiden,1197 erscheint es annehmbar, dass wettbewerbsaggressive Unternehmen ihre knappen Ressourcen in exploitative statt in explorative Innovation investieren. Entgegen gerichtet könnte die Argumentation beginnen, die betrachtet, warum Innovativität zwar Exploration, aber nicht Exploitation fördert. Bereits in den begründenden Ausführungen zu den entsprechenden Hypothesen 6a und 6b wurde hervorgehoben, dass der Lite1192 1193 1194 1195 1196 1197
Vgl. Cardinal 2001, S. 21. Vgl. Abschnitt 2.1.1. Vgl. Hannan/Freeman 1984, S. 153 ff. Vgl. Hughes/Morgan 2007, S. 653. Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. Abschnitt 2.1.1. Vgl. auch Gruber 2004a, S. 81.
228
Diskussion, Konklusion und Ausblick
ratur hinsichtlich des Innovativitätsstrebens eine Tendenz zu eher Exploration als Exploitation zu entnehmen ist. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der vermutlich begrenzten Ressourcen der adoleszenten Unternehmen in dieser Stichprobe erscheint es annehmbar, dass innovative Unternehmen ihre knappen Ressourcen eher in Exploration statt in Exploitation investieren. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass in Unternehmen, die durch hohe Innovativität geprägt sind, häufig Ideen produziert werden, die in hohem Maße idealistisch, neuartig und losgelöst von bekanntem Wissen sind. Explorative Innovation mag dadurch zweifelsohne gefördert werden. Die auf eine Erhöhung der Zuverlässigkeit, Rechenschaftsfähigkeit und Reproduzierbarkeit1198 zielenden und in der Regel kurzfristig umzusetzenden exploitativen Innovationen mögen davon jedoch nicht profitieren. Unter Berücksichtigung der Operationalisierung von Innovativität erscheint noch ein weiterer Ansatz plausibel. Die Items, die Innovativität messen, sind durch Veränderungen in Produkten charakterisiert, was im Einklang mit den Ergebnissen explorativer Innovation in Form von neuartigen ProduktMarkt-Kombinationen steht, jedoch nicht explizit die mit exploitativer Innovation in erster Linie verbundene Verbesserung der Leistungserstellung addressiert. Zweifelsohne ist zukünftige Forschung notwendig, um die Rolle der Innovativität weiter zu elaborieren. Wie die dargestellten Ergebnisse und ihre Diskussion verdeutlichen, unterscheiden sich, wie in Hypothese 4 postuliert, die Effekte der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung hinsichtlich der explorativen Innovation mitunter deutlich von den Effekten auf exploitative Innovation. Es ist zu erkennen, dass sich nicht nur die Stärke der Effekte sondern mitunter auch die Richtung der Beeinflussung unterscheidet. Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen für die Verfolgung von Entwicklungszielen des Unternehmens, auf die in den Implikationen für Wissenschaft und Praxis ausführlich eingegangen werden wird. Diesen Teil abschließend soll noch kurz auf die identifizierten Beziehungen der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf Performance jenseits des Einflusses, der über entrepreneuriales Verhalten erfolgt, eingegangen werden. Wie bereits vermutet und in diesem Abschnitt bereits begründend diskutiert, 1198
Vgl. Hannan/Freeman 1984, S. 153 ff.
Implikationen für die wissenschaftliche Forschung
229
weist die Autonomie neben den Einflüssen über Exploration und Exploitation auch noch einen positiven direkten Effekt auf. Darüber hinaus existiert nur noch ein weiterer direkter Effekt. Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, wirkt eine Gelegenheitsorientierung über Exploration und Exploitation positiv auf die Performance. Darüber hinaus weist sie einen negativen, direkten Effekt auf die Performance auf, was anhand des folgenden Gedankenspiels erklärt werden kann. So erscheint es intuitiv nachvollziehbar, dass das Geld und die Zeit, die für die extensive Suche nach entrepreneurialen Gelegenheiten, wie sie mit einer Gelegenheitsorientierung verbunden ist, verbraucht wird, sofern sie nicht zu komplett neuen Produkten, neuen Arten der Kundenbefriedigung oder einer Verbesserung von bestehenden Erzeugnissen oder Prozessen führt, verloren ist. Zu negativer Performance führt neben den möglichen verlorenen Investitionen innerhalb des Suchprozesses bei knappen Ressourcen ebenfalls die Zeit, die der oder die Mitarbeiter nicht mit effektiven Aufgaben verbracht haben. Die Nichttrivialität der Erfolgswirkung der Gelegenheitsorientierung wurde bereits zu Beginn dieses Abschnitts thematisiert. Eine weitere Analyse ihrer Effekte sollte in zukünftigen Studien zweifelsohne erfolgen. 6.2 Implikationen für die wissenschaftliche Forschung Die Theoriebildung und -prüfung resultieren in interessanten und relevanten Erkenntnissen, die zu verschiedenen Bereichen der wissenschaftlichen Diskussion beitragen. Wie bereits in den einleitenden Worten dieser Arbeit1199 und des Kapitels 6 dargestellt, strebte die vorliegende Forschungsarbeit Fortschritte in drei dominierenden Forschungssträngen im Bereich entrepreneuriale Orientierung Implikationen für die Unternehmensperformance, Interrelationen mit weiteren Variablen sowie Konzeptualisierung und Operationalisierung der entrepreneurialen Orientierung an sich und ferner einen Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Effektivität einer solchen Orientierung und ihrer Resultate für adoleszente Unternehmen an. Im Hinblick auf die Konzeptualisierung der entrepreneurialen Orientierung wurden aktuelle Kritiken aufgegriffen, die besagen, dass das klassische, drei1199
Vgl. insbesondere Abschnitt 1.2.
230
Diskussion, Konklusion und Ausblick
dimensionale EO-Konstrukt nicht umfassend genug sei.1200 Aufbauend auf Empfehlungen in der Literatur wurden dem Konstrukt zunächst die zwei von LUMPKIN und DESS vorgeschlagenen Dimensionen Wettbewerbsaggressivität und Autonomie1201 hinzugefügt sowie mit der Gelegenheitsorientierung eine weitere Dimension in der Literatur identifiziert, deren konzeptioneller Fit deduziert wurde. Die Verwendung kovarianzbasierender Strukturgleichungsmodellierung als Analyseverfahren ermöglichte auf der Basis von Modellvergleichen ohne und mit abhängigen Variablen eine Evaluation der Güte der verschiedenen Dimensionen und ihrer praktischen Relevanz. Die Ergebnisse hinsichtlich der Güte der verschiedenen Messmodelle untermauert, dass sowohl die fünf- als auch die sechs-dimensionale Variante nicht nur konzeptionell, sondern auch empirisch sehr gut passen, wobei vergleichend betrachtet die sechs-dimensionale den besten und die drei-dimensionale Variante den schlechtesten Fit aufweist. Die zusätzliche Betrachtung drei relevanter abhängiger Variablen untermauert zunächst die Position von LUMPKIN und DESS, dass ihre Erweiterung besser geeignet sei, entrepreneuriale Resultate zu erklären1202 und legt ebenfalls nahe, dass die Gelegenheitsorientierung in der Lage ist, den Erklärungsbeitrag einer entrepreneurialen Orientierung zu erhöhen. Um die entrepreneuriale Orientierung und ihre Effekte auf abhängige Variablen möglichst umfassend und adäquat zu erfassen, ist für zukünftige Forschungsarbeiten somit zu empfehlen, neben den drei Dimensionen Innovativität, Risikoneigung und Proaktivität drei weitere Dimensionen in Form von Wettbewerbsaggressivität, Autonomie und Gelegenheitsorientierung zu verwenden. Zu berücksichtigen ist dabei – im Vorgriff auf spätere Ausführungen in diesem Abschnitt – jedoch, dass die zusätzlichen Dimensionen trotz ihres theoretischen und empirischen Fits das Wesen des Konstruktes insofern ändern, als dass von ihnen vorrangig direkte Effekte auf Performance auszugehen scheinen, während es für die klassischen Dimensionen nach COVIN und SLEVIN von grundsätzlicher Bedeutung zu sein scheint, dass die durch sie charakterisierte Orientierung in entsprechendes entrepreneuriales Verhalten überführt wird, um Performance zu beeinflussen. 1200
1201 1202
Vgl. zu dieser Kritik und dem nachfolgend vorgeschlagenen Lösungsansatz die Abschnitte 3.2.1, 3.2.2 und 4.1. Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. auch Lumpkin/Dess 1996, S. 138 ff. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 139 f.
Implikationen für die wissenschaftliche Forschung
231
Im Hinblick auf die Erklärung von Performanceunterschieden wird in dieser Arbeit die entrepreneuriale Orientierung um die mediierenden Faktoren explorative und exploitative Innovationen, die – wie bereits dargestellt – geeignet sind, tatsächliches entrepreneuriales Verhalten zu erfassen, erweitert.1203 Dies geschieht auf der theoretischen Basis der Kritik an der Einstellungs-VerhaltensHypothese,1204 nach der davon auszugehen ist, dass entrepreneuriale Orientierung nicht zwangsläufig zu entrepreneurialem Verhalten führt, und dass eine Orientierung, die nicht in adäquates Verhalten überführt wird, die Erklärungsmächtigkeit von organisationalem Entrepreneurship einschränkt.1205 Es zeigt sich, dass ein Modell, das sowohl direkte als auch indirekte Beziehungen zwischen der entrepreneurialen Orientierung und Performance zulässt, den exklusiv indirekten und den exklusiv direkten Modellvarianten, unabhängig von der Anzahl der Dimensionen (3, 5 oder 6) der entrepreneurialen Orientierung überlegen ist, womit bereits jetzt zu konstatieren ist, dass von der Kontrolle für tatsächliches entrepreneuriales Verhalten ein Beitrag für die zukünftige wissenschaftliche Forschung und die Interpretation bisheriger Forschungsergebnisse, wie die folgenden Ausführungen noch differenzierter zeigen werden, ausgeht. Ein Vergleich zwischen Modellvarianten, die nur exklusiv direkte oder nur exklusiv indirekte Beziehungen über Exploration und Exploitation zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance zulassen, zeichnet ein differenziertes Bild, das – hinsichtlich der Interpretation – eine Unterscheidung auf der Basis des Charakters und der Anzahl der Dimensionen entrepreneurialer Orientierung erfordert. Es hat sich gezeigt, dass sich – im Falle der klassischen drei Dimensionen der Orientierung Risikoneigung, Innovativität und Proaktivität – die Erklärungsmächtigkeit deutlich erhöht, wenn entrepreneuriales Verhalten den Einfluss auf Performance mediiert. Dieses Ergebnis spiegelt die Kritik an der in der Literatur zu organisationalem Entrepreneurship in der Regel vernachlässigten Differenzierung zwischen Orientierung und Verhalten sowie die Kritik an der Einstellungs-Verhaltens-Hypothese wider. Auf der Basis dieser Erkenntnis können 1203 1204 1205
Vgl. die Abschnitte 1.2 und 3.3.3. Vgl. Abschnitt 2.2.2. Vgl. die Abschnitte 1.2 und 3.3.3.
232
Diskussion, Konklusion und Ausblick
unterschiedliche und widersprüchliche Befunde zu den Performanceimplikationen des organisationalen Entrepreneurships1206 neu bewertet werden, da nicht signifikante Beziehungen darauf beruhen könnten, dass trotz einer entsprechenden Einstellung kein entrepreneuriales Handeln, das eine Performanceänderung bedingen könnte, stattgefunden hat. Bei einer breiteren Interpretation der entrepreneurialen Orientierung in Form der zusätzlichen Berücksichtigung der weiteren Dimensionen Wettbewerbsaggressivität, Autonomie und Gelegenheitsorientierung ist diese Feststellung jedoch zumindest in Teilen zu revidieren, da unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Dimensionen das indirekte dem direkten Modell nicht mehr überlegen (fünf Dimensionen) oder sogar unterlegen (sechs Dimensionen) ist. Zwar weisen diese zusätzlichen Dimensionen ebenfalls signifikante Beziehungen zu Exploration und Exploitation auf, jedoch scheint von ihnen eine wesentliche Beeinflussung der Performance jenseits entrepreneurialen Handelns auszugehen. Diese Feststellung steht im Einklang mit der Feststellung im letzten Absatz und der Aussage von WIKLUND, dass eine entrepreneuriale Unternehmensausrichtung zwei Komponenten umfasst: eine Komponente, die über entrepreneuriales Verhalten wirkt und eine, die mit keiner Aktivität in diesem Sinne assoziiert ist.1207 Jedoch ist, was durchaus im Einklang mit den Ausführungen zum ressourcenbasierten Ansatz steht,1208 auch mit der letzeren Komponente ein Einfluss auf Performance und somit ein Einfluss jenseits entrepreneurialer Aktivität verbunden, da, wie bereits dargestellt, Aspekte der entrepreneurialen Orientierung, wie exemplarisch die Autonomie der Mitarbeiter, unter anderem zu höherer individueller Arbeitszufriedenheit und -effektivität motivieren können, was wiederum zu höherer Unternehmensperformance beitragen kann.1209 Das Ergebnis, dass die Gelegenheitsorientierung zwar über Exploration und Exploitation positiv auf die Performance wirkt, daneben aber noch ein direkter negativer Einfluss besteht, sollte die zukünftige Forschung motivieren, die Rolle dieses Bestandteils einer entrepreneurialen Ausrichtung in zukünftigen Arbeiten weiter zu elaborieren. Ferner ist – trotz des bereits dargestellten grundsätzlichen theoretischen und empirischen Fits der fünf- bzw. sechs1206 1207 1208 1209
Vgl. die Abschnitte 1.2 und 3.2.1. Vgl. Wiklund 1998, S. 233. Vgl. Abschnitt 2.2.1. Vgl. Hypothese 2 in Abschnitt 4.4.
Implikationen für die wissenschaftliche Forschung
233
dimensionalen Interpretation der entrepreneurialen Orientierung im Hinblick auf Implikationen – für die wissenschaftliche Forschung festzuhalten, dass, wenn Performanceunterschiede erklärt werden sollen, eine differenzierte, die verschiedenen Wirkungsweisen berücksichtigende Analyse sinnvoll erscheint. Die Erkenntnisse der letzten beiden Absätze machen deutlich, dass eine entrepreneuriale Orientierung nicht, obwohl dies, wie bereits diskutiert, in der Literatur häufiger zu beobachten ist, mit konkreter entrepreneurialer Aktivität in bestehenden Unternehmen in Form der Neukombination von Ressourcen im SCHUMPETERschen Sinne1210 als auch in Form des von LUMPKIN und DESS als „essential act of entrepreneurship“1211 bezeichneten „new entry,“1212 also dem Eintritt in neue bzw. der Schaffung von neuen Produkt-Markt-Kombinationen, verwechselt bzw. gleichgesetzt werden darf, wenngleich die relativ hohen Beziehungen zwischen Orientierung und Verhalten in dieser Studie nahelegen, dass die Konzepte stark miteinander verbunden sind. Es ist somit abschließend zu konstatieren, dass diese Ergebnisse die Validität von entrepreneurialer Orientierung als alleiniges Maß zur Erklärung der Implikationen organisationalen Entrepreneurships im Hinblick auf organisationale Resultate, wie insbesondere Performance, anfechten. Nicht angezweifelt werden sollte allerdings, dass die entrepreneuriale Orientierung eine bedeutende Rolle hinsichtlich der Beeinflussung entrepreneurialer Resultate, wie Exploration oder Exploitation, spielt, da sie „a firm’s organization toward entrepreneurship”1213 erfasst. Wie bereits angedeutet, zeigt diese Arbeit, dass die entrepreneuriale Orientierung einen substantiellen Anteil der Varianz sowohl von Exploration als auch von Exploitation erklärt. Ein deutlicher Unterschied zwischen der erklärten Varianz der Exploration und der der Exploitation spiegelt einen von LUMPKIN und DESS unterstellten „normative bias“ entrepreneurialer Unternehmen zu Exploration wider, was bedeutet, dass derartige Un1210
1211 1212 1213
Vgl. zu dem SCHUMPETERschen Innovationsverständnis Schumpeter 1911/1934, S. 64 ff. Vgl. auch Moran/Ghoshal 1999, S. 392 f. Lumpkin/Dess 1996, S. 136. Lumpkin/Dess 1996, S. 136. Wiklund/Shepherd 2003a, S. 1310.
234
Diskussion, Konklusion und Ausblick
ternehmen „implicitly favor the need for exploration and adaptation over the short-term needs for the efficient allocation of a firm’s existing resource base.”1214 Ferner besteht, wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, in der modularen Betrachtung von entrepreneurialer Orientierung und entrepreneurialem Verhalten an sich bereits ein eigenständiger Mehrwert der Konzeptualisierung dieser Arbeit, da sie eine weiter differenzierte Betrachtung auf das Gesamtgebilde organisationales Entrepreneurship und dessen Implikationen für die Unternehmensperformance ermöglicht. Neben der Analyse von Haupteffekten zwischen Einstellung, Verhalten und Performance ermöglicht die modulare Betrachtungsweise ebenfalls eine im Vergleich zu existenten Studien differenziertere Analyse moderierender Effekte unter der wissenschaftstheoretischen Leitidee des situativen Ansatzes,1215 womit ein weiterer Beitrag für die Erforschung von Interrelationen mit weiteren Variablen verbunden ist.1216 So verweisen LUMPKIN und DESS in ihrem Kontingenzmodell beispielsweise auf einen moderierenden Einfluss der Organisationsstruktur auf die Wirkungsbeziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance.1217 Die zur Erfassung von Entrepreneurship auf organisationaler Ebene in dieser Arbeit vorgenommene Unterscheidung von einer entrepreneurialen Haltung und entrepreneurialem Verhalten ermöglicht die Fragestellung, ob eine spezifische Ausgestaltung der Organisationsstruktur nicht eher die Transformation der entrepreneurialen Orientierung in entsprechendes Verhalten fördert oder behindert, als dass die Organisationsstruktur den Einfluss von Entrepreneurship auf Performance unmittelbar beeinflusst, wenngleich davon auszugehen ist, dass der angedeutete Einfluss auf die erste Beziehung mittelbar natürlich auch auf die 1214 1215
1216
1217
Dess/Lumpkin, 2005a, S. 154. Als richtungsweisend für die Entwicklung des situativen Ansatzes gelten die Arbeiten von Blau 1955; Caplow 1956; Woodward 1958; Burns/Stalker 1966; Rushing 1966; Child 1970; 1972; Pugh/Hickson/Hinings/Turner 1969. Im deutschsprachigen Raum wurde der Terminus situativer Ansatz von STAEHLE eingeführt. Vgl. Staehle 1973, S. 63 ff. Einen ansprechenden, ausführlichen Überblick über den situativen Ansatz allgemein, die Kritik an dem Ansatz und Weiterentwicklungen gibt Kieser 2006, S. 215 ff. Vgl. Abschnitt 1.2. Vgl. zu dem Aufruf zu mehr Forschung in diesem Gebiet auch Rauch/ Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 778 ff.; Wiklund/Shepherd 2005, S. 71. Vgl. Lumpkin/Dess 1996, S. 155 f.
Implikationen für die wissenschaftliche Forschung
235
Performance wirkt. Auch hinsichtlich des häufig untersuchten Einflusses der Unternehmensumwelt auf die Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance könnte vor diesem Hintergrund ein Erkenntnisgewinn erzielt werden, wenn analysiert wird, inwieweit einerseits ein spezifisches entrepreneuriales Verhalten unter verschiedenen Umweltbedingungen unterschiedlich effektiv ist oder andererseits unter bestimmten Umweltbedingungen eine entrepreneuriale Orientierung eher in explorative Innovation oder in exploitative Innovation umgewandelt wird.1218 Die modularisierte Betrachtungsweise auf organisationales Entrepreneurship ermöglicht zusammen mit der multidimensionalen Interpretation der entrepreneurialen Orientierung ein weiter differenziertes Verständnis der Effekte der entrepreneurialen Orientierung, wie auch die nachfolgende Betrachtung der individuellen Beziehungen zwischen Einstellung, Verhalten und Performance untermauert. Wie die Analyse der individuellen Beziehungen der einzelnen Dimensionen auf die abhängigen Variablen zeigt, unterscheiden sich die Dimensionen hinsichtlich ihrer Wirkung deutlich und mitunter nicht nur in der Stärke, sondern auch in der Richtung ihrer Effekte. Dieses Ergebnis unterstützt den Mehrwert einer multidimensionalen Perspektive auf die entrepreneuriale Orientierung im Sinne eines möglichst umfassenden Verständnisses ihrer Implikationen, da eine unidimensionale, aggregierte Betrachtung durch sich ausgleichende Effekte tatsächliche Beziehungen wahrscheinlich verdeckt hätte.1219 Die individuellen Ergebnisse zeigen, dass Risikoneigung, Innovativität, Proaktivität, Autonomie und Gelegenheitsorientierung positiv auf Exploration wirken. Mit Exploitation sind Proaktivität, Wettbewerbsaggressivität und Gelegenheitsorientierung positiv und Autonomie negativ assoziiert, was neben der bereits erfolgten Bestätigung der Vermutung in der Literatur, dass die Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung unterschiedlich auf abhängige Variablen wirken,1220 den bereits erwähnten 1218
1219 1220
Die Relevanz einer Unterscheidung zwischen moderierenden Effekten hinsichtlich der Beziehungen von Exploration und Exploitation zu vorgelagerten und nachgelagerten Faktoren zeigen Raisch/Birkinshaw 2008, S. 394 f. Vgl. dazu auch die Diskussion verschiedener Sichten in Abschnitt 3.2.3. Vgl. zu dieser Annahme insbesondere die Abschnitte 3.2.3 und 4.4.
236
Diskussion, Konklusion und Ausblick
normativen Bias hinsichtlich Exploration weiter bekräftigt. Dabei ist jedoch zu erkennen, dass mit Ausnahme der Autonomie keine entgegengesetzten Effekte zu erwarten sind. Wenngleich es einer differenzierten Auseinandersetzung mit den konkreten Entwicklungszielen des Unternehmens bedarf, worauf in den Implikationen für die unternehmerische Praxis in Abschnitt 6.3 ausführlich eingegangen wird, zeigt sich, dass adoleszente Unternehmen um die liabilities of newness zu überwinden, was durch exploitative Innovation maßgeblich forciert wird, nicht unbedingt auf die Nutzung der assets of newness verzichten müssen. Da lediglich die Autonomie von der entrepreneurialen Orientierung widersprüchlich beeinflusst wird, kann eine differenzierte Ausgestaltung der einzelnen anderen Dimensionen derart erfolgen, dass ein adoleszentes Unternehmen, die den entrepreneurialen Spirit, verkörpert durch eine hohe entrepreneuriale Orientierung, beibehält, nicht unbedingt Effizienz und Reproduzierbarkeit einbüßt. In Abschnitt 3.3.1 wurde betont, dass die Zwillingskonzepte Exploration und Exploitation der Forschung zum strategischen Management entlehnt sind. Die theoretischen und praktischen Ergebnisse liefern auch für dieses Forschungsfeld Beiträge. So wird der Forderung nach mehr Forschung zu den Antezedenzien von Exploration, Exploitation und Ambidexterität nachgekommen,1221 indem die Einflüsse der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf Exploration und Exploitation untersucht werden. Die Ergebnisse unterstützen die These von MARCH, dass widersprüchliche organisationale Antezedenzien für Exploration und Exploitation benötigt werden.1222 Diese Feststellung hat enorme Auswirkungen auf Überlegungen zur Durchführbarkeit der verschiedenen Arten von Ambidexterität, auf die aufgrund ihrer hohen praktischen Relevanz und zur Vermeidung von Redundanz im Rahmen der praktisichen Implikationen in Abschnitt 6.3 ausführlich eingegangen wird. Ebenfalls stellen RAISCH und BIRKINSHAW heraus, dass – trotz der anwachsenden Anzahl von Studien, die sich mit dem Engagement in Exploration und Exploitation auseinandersetzen – mehr empirische Belege für ihre Effekte auf Un-
1221 1222
Vgl. zu diesem Aufruf den Beitrag zum Status quo von Raisch/Birkinshaw 2008, S. 397. Vgl. auch zu dieser Feststellung Raisch/Birkinshaw 2008, S. 397 ff.
Implikationen für die unternehmerische Praxis
237
ternehmensperformance benötigt werden.1223 Die vorliegende Studie trägt mit einer Untersuchung der Einflüsse explorativer und exploitativer Innovationen auf die Performance zu einem Fortschreiten der Literatur bei. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass beide Innovationsaktivitäten einen signifikant positiven Effekt auf die Unternehmensperformance haben und sie zusammen eine substantielle Menge an Varianz der Performance erklären, was die Annahmen in der Literatur bekräftigt. Dabei offenbaren die Ergebnisse, dass Exploitation einen stärkeren Effekt auf die Performance als Exploration ausübt. Da die Innovationsaktivitäten und Performance zur selben Zeit gemessen wurden, unterstreichen diese Ergebnisse die Annahme, dass mit Erträgen exploitativer Innovation früher gerechnet werden kann, als mit Rückflüssen aus explorativer Innovation.1224 Dieses Resultat hat nicht nur Implikationen für die Interpretation der Ergebnisse von Forschungsarbeiten zu den individuellen Effekten von Exploration und Exploitation, sondern vermag auch die zukünftige Erforschung der Effekte der Ausbalancierung dieser beiden Aktivitäten auf Performance beeinflussen. 6.3 Implikationen für die unternehmerische Praxis Über die Implikationen für die wissenschaftliche Forschung hinaus ist ebenfalls zu konstatieren, dass die vorliegende Studie zahlreiche relevante Implikationen für die unternehmerische Praxis liefert. Bereits in den einleitenden Worten dieser Arbeit wurde als einer der angestrebte Beiträge die Beantwortung der Frage hervorgehoben, ob die Bewahrung des entrepreneurialen Spirits und die Aufrechterhaltung entrepreneurialer Verhaltensweisen förderlich im Hinblick auf das organisationale Überleben bzw. die organisationale Performance ist.1225 Hinsichtlich dieser Frage ist aus dieser Arbeit und zunächst speziell aus dem Ergebnis, dass sowohl explorative als auch exploitative Innovation positive Effekte auf die Unternehmensperformance ausüben, abzuleiten, dass Unternehmen zur Erreichung dauerhaften und nachhaltigen Erfolgs sowohl exploitative Innovation und somit immer wieder kleinere Verbesserungen an bestehenden Prozessen, Technologien und Konzepten durchführen sollten, die zu Effizienzsteigerung, Kosten1223 1224 1225
Vgl. March 1996, S. 278. Vgl. exemplarisch March 2003, S. 5. Vgl. Abschnitt 1.2.
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Diskussion, Konklusion und Ausblick
reduktion oder besserer Befriedigung von bekannten Kundenbedürfnissen führen, und sich gleichfalls in explorativer Innovation engagieren und somit fundamentale Neuerungen realisieren sollten, die neue Produkte, Märkte und Technologien entstehen lassen und latente Bedürfnisse von Kunden bedienen. Dabei ist den Ergebnissen der empirischen Überprüfung in einer differenzierteren Sichtweise zu entnehmen, dass der Einfluss exploitativer Innovation auf die aktuelle Performance stärker als der Einfluss explorativer Innovation ist. Aus diesem Ergebnis sollte jedoch nicht abgeleitet werden, dass das Engagement in explorative Innovation zu vernachlässigen ist, da theoretische Überlegungen zeigen, dass die Erträge explorativer Innovation sich in der Zukunft verstärken bzw. erst in der Zukunft wirksam werden1226 und für den langfristigen Erfolg notwendig sind.1227 Vor diesem Hintergrund stellt sich aus praktischer Sicht die Frage, ob bzw. wie Unternehmen hohe Niveaus des Engagements in explorative und exploitative Innovationen erreichen können. Aufbauend auf bisherigen Studien, die den Einfluss organisationaler Charakteristika auf explorative und exploitative Innovationen analysiert haben, fokussiert diese Arbeit den Einfluss einer entrepreneurialen Orientierung, also einer entrepreneurialen Unternehmensausrichtung. In Übereinstimmung mit vergleichbaren Studien1228 liefert die vorliegende Arbeit das aus unternehmerischer Sicht problematische Ergebnis, dass sich der Einfluss dieser organisationalen Charakteristika auf explorative Innovation und exploitative Innovation hinsichtlich des Ausmaßes und mitunter sogar der Richtung unterscheidet. So fördern Risikoneigung, Innovativität, Proaktivität, Wettbewerbsaggressivität, Autonomie der Mitarbeiter und Gelegenheitsorientierung explorative Innovation. Jedoch fördern nur Proaktivität und Gelegenheitsorientierung ebenfalls auch sowie Wettbewerbsaggressivität exklusiv exploitative Innovation, während Autonomie exploitative Innovation sogar hemmt. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass eine entrepreneuriale Orientierung kein universeller Katalysator für die Prosperität des Unternehmens ist. Andererseits ist diesem Ergebnis ebenfalls zu entnehmen, dass die Verabschiedung von dem entrepreneurialen 1226 1227 1228
Vgl. auch March 2003, S. 5. Vgl. Levinthal/March 1993, S. 105. Vgl. Abschnitt 4.4.
Implikationen für die unternehmerische Praxis
239
Spirit die Fortschrittsfähigkeit des Unternehmens gefährden kann und auch hinsichtlich des kurzfristigen Ertragsstrebens nicht unbedingt zu bevorzugen ist. Unternehmen sollten folglich zwischen den verschiedenen Bestandteilen einer entrepreneurialen Orientierung differenzieren und abwägen, welche einzelnen Merkmale sie forcieren oder unterdrücken. So kann Unternehmen vor diesem Hintergrund einerseits geraten werden, die Bestandteile einer entrepreneurialen Orientierung, die nicht nur die eine Innovationsart fördern, sondern ebenfalls auch die andere positiv oder zumindest nicht negativ beeinflussen, zu forcieren. Andererseits sollten Elemente mit entgegengesetzten Wirkungen in Abhängigkeit der aktuellen Unternehmens- bzw. Entwicklungsziele ausgerichtet werden. So könnte eine intendierte tiefere Penetration bestehender Märkte und somit Exploitation zu der Entscheidung für ein niedrigeres Autonomieniveau führen, während das Ziel einer Eröffnung neuer Märkte und somit Exploration mit einem höheren Autonomieniveau einhergeht. Neben der Feststellung dieser Arbeit, dass sowohl Exploration als auch Exploitation zu überlegener Performance beitragen, ist der Literatur, wie bereits diskutiert, die weitere Herausforderung für Unternehmen zu entnehmen, dass eine Balance zwischen diesen Aktivitäten erstrebenswert erscheint, um sowohl die gegenwärtige als auch die zukünftige Lebensfähigkeit zu sichern.1229 Das bereits im letzten Absatz diskutierte Ergebnis, dass Autonomie zwar Exploration fördert, Exploitation aber verhindert, scheint dem Bestreben der Balance zuwiderzulaufen und Unternehmen zu einem Trade-off zwischen den Aktivitäten zu zwingen. Ein für junge und vor allem kleinere Unternehmen naheliegender Ansatz besteht in dem Streben nach kontextueller Ambidexterität.1230 Gemäß diesem Ansatz teilen die Unternehmensmitglieder ihre Arbeitszeit in die Schaffung von Wert im Tagesgeschäft und dessen Optimierung (Exploitation) und in die Entwicklung zukunftsgerichteter Erfolgspotentiale (Exploration). In Abhängigkeit des den Individuen eingeräumten Grades an Autonomie folgt daraus entweder die Vernachlässigung der Exploration oder der Exploitation. Vor dem Hintergrund der Existenz weiterer Möglichkeiten zur Erreichung einer Balance ist jedoch festzuhalten, dass beide Aktivitäten trotz der kontradiktorischen Effekte 1229 1230
Vgl. Abschnitt 3.3.2. Vgl. Kollmann/Kuckertz/Stöckmann im Erscheinen, o. P.
240
Diskussion, Konklusion und Ausblick
von Autonomie miteinander vereinbart werden können.1231 Gemäß dem Ansatz der strukturellen Ambidexterität könnten Unternehmen Exploration und Exploitation strukturell auf verschiedene Abteilungen oder auch Individuen aufteilen, denen entsprechend ihrer Aufgaben unterschiedliche Niveaus von Autonomie eingeräumt, oder allgemeiner, in denen unterschiedlich entrepreneurial ausgeprägte Orientierungen verfolgt werden. Um diesen Ansatz zu verfolgen, erscheint es allerdings notwendig, dass das Unternehmen über ausreichend Mitarbeiter verfügt, sodass Explorationen die Durchführung des Tagesgeschäftes nicht gefährden. Darüber hinaus kann nach dem Ansatz des punktualistischen Equilibriums in einer langfristigen Perspektive eine Balance ebenfalls durch ein periodisches Durchlaufen von Phasen der Exploration und Exploitation, die von unterschiedlichen Niveaus entrepreneurialer Orientierung begleitet werden, entstehen.1232 Während in Phasen der Exploitation den individuellen Unternehmensmitgliedern nur ein niedriges Maß an Autonomie zugestanden wird, werden die Individuen in Phasen intendierter Exploration zu mehr Autonomie motiviert. In den einleitenden Worten dieses Abschnitts wurde nicht nur die Frage nach dem erstrebenswerten Ausmaß des entrepreneurialen Verhaltens, sondern ausdrücklich auch nach dem Ausmaß der entrepreneurialen Orientierung an sich gestellt. Dieser Überlegung liegt zugrunde, dass die mit einer entrepreneurialen Orientierung verbundenen Attribute der Organisationsgestaltung neben dem Einfluss auf entrepreneuriales Verhalten durchaus Einfluss auf davon unabhängige Einflussfaktoren organisationaler Performance haben können. Wie die empirischen Ergebnisse dieser Studie zeigen, beeinflusst die Autonomie der Mitarbeiter Performance nicht nur indirekt über das Ausmaß und die Art der Innovation, sondern auch direkt. Erklären lässt sich dies beispielsweise auf der Basis von Studienergebnissen, die zeigen, dass ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung zu höherer individueller Leistung motivieren kann, die sich dann wiederum auch positiv auf die Unternehmensleistung auswirkt. Ferner wurde festgestellt, dass – wenn ein hohes Ausmaß an Gelegenheitsorientierung 1231 1232
Vgl. für eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Ansätze zur Balance Abschnitt 3.3.2. Dieser Möglichkeit liegt zugrunde, dass Orientierungen bzw. Einstellungen im Vergleich zu beispielsweise Persönlichkeitsmerkmalen dynamischer und weniger stabil sind und somit im Zeitverlauf durchaus geändert werden können. Vgl. Robinson/Stimpson/Huefner/Hunt 1991, S. 18. Vgl. dazu auch Abschnitt 2.2.2 sowie Dockery/Bedeian 1989, S. 13.
Implikationen für die unternehmerische Praxis
241
angestrebt wird – sichergestellt werden sollte, dass sie zu konkreten Innovationsaktivitäten, insbesondere Exploration, führt, da der Einfluss der Gelegenheitsorientierung, die nicht zu entrepreneurialem Verhalten führt, negativ ist. Derartigen Effekten sollten sich Unternehmen bei der Aufstellung der Organisation bewusst sein. Wenngleich, wie im letzten Absatz diskutiert, einzelne Bestandteile einer entrepreneurialen Orientierung direkt erfolgswirksam sind, ist abschließend noch einmal hervorzuheben, dass die Ergebnisse dieser Arbeit die Bedeutung der Sicherstellung der Umsetzung der Orientierung in entrepreneuriales Verhalten betonen, um den höchstmöglichen Nutzen aus einer derartigen Unternehmensausrichtung zu generieren. Kurz und prägnant ließe sich diese Erkenntnis mit dem aus der Beratersprache bekannten Aufruf ‚Walk the talk‘ zusammenfassen. Ferner ist zu konstatieren, dass es für adoleszente Unternehmen durchaus möglich ist, die liabilities of newness zu überwinden, was durch exploitative Innovation gefördert wird, ohne die assets of newness, also den entrepreneurialen Spirit, verkörpert durch eine entrepreneuriale Grundhaltung im Unternehmen und aufrechterhalten durch Engagement in explorative Innovationen, aufzugeben, und damit überdurchschnittlichen Erfolg zu generieren. Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, sind hinsichtlich der Ausgestaltung der Ausrichtung dabei die spezifischen Einflüsse der verschiedenen Dimensionen sowie die konkreten Entwicklungsziele des Unternehmens zu berücksichtigen. Die soeben dargestellten Beiträge für die Praxis dieser Studie helfen Entscheidern in Unternehmen, ihre Organisation unter der Prämisse der PerformanceMaximierung allgemein sowie ausgerichtet auf spezifische Entwicklungsziele zu führen. Doch ist die Tragweite der Beiträge dieser Arbeit nicht nur auf die Unternehmensführung selbst beschränkt. So können die entwickelten Skalen und Zusammenhänge zwischen Orientierung, Verhalten und Leistung beispielsweise auch Kapitalgeber bei der Evaluation der Überlebens- und Fortschrittsfähigkeit des Unternehmens unterstützen.
242
Diskussion, Konklusion und Ausblick
6.4 Limitationen der Studie und Ansatzpunkte für weitere Forschung Dieser Abschnitt dient zum einen der Diskussion der verschiedenen Limitationen dieser Studie, deren Adressierung in zukünftigen Arbeiten zu einem weiteren wissenschaftlichen Fortschritt und praktischen Erkenntnisgewinn führen kann. Zum anderen eröffnen die Diskussionen und die Ergebnisse dieser Arbeit weitere vielversprechende Forschungsfelder, von denen einige aufgrund ihrer hohen Relevanz in diesem Abschnitt ebenfalls expliziert werden sollen. Zunächst ist festzuhalten, dass die Sammlung der Daten für die abhängigen und die unabhängigen Variablen im Rahmen derselben Umfrage durchgeführt wurde, was eine Verzerrung im Sinne des Common Method Bias verursacht haben könnte. Ebenfalls wurde in dieser Arbeit pro Unternehmen jeweils nur ein Key Informant befragt, was zu einem Single Informant Bias geführt haben könnte, wenngleich dieses als das übliche Vorgehen in der Entrepreneurship-Forschung zu betrachten ist.1233 Bereits in den Abschnitten zur Vorbereitung der empirischen Untersuchung wurde darauf hingewiesen, dass auf verschiedene Arten, wie beispielsweise durch die Wahl eines adäquaten Key Informants in Form der geschäftsführenden Person im Unternehmen, von der angenommen werden kann, dass sie verlässliche Aussagen über das Unternehmen machen kann, ex ante angestrebt wurde, derartige Verzerrungen zu reduzieren oder auszuschließen.1234 Darüber hinaus wurden, den Empfehlungen der Literatur folgend, ex post verschiedene Verfahren angewendet, um das Ausmaß der Verzerrungen zu evaluieren.1235 Wie bereits ausführlich dargestellt, bekräftigt die signifikante Übereinstimmung der Informantenangaben mit objektiven, sekundärstatistischen Daten aus der Hoppenstedt-Datenbank die Validität und somit Verwendbarkeit der Informantenangaben. Ferner wurden, der Empfehlung des Einsatzes mehrerer statistischer Kontrollen von PODSAKOFF, MACKENZIE, LEE und PODSAKOFF nachkommend,1236 verschiedene Analysen durchgeführt, um ex post das Ausmaß 1233 1234
1235
1236
Vgl. Walter/Auer/Ritter 2006, S. 560. Vgl. zu den durchgeführten Maßnahmen sowie für eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit insbesondere Abschnitt 5.2.2. Vgl. zu den durchgeführten Maßnahmen sowie für eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit insbesondere Abschnitt 5.4.1.2. Vgl. Podsakoff/MacKenzie/Lee/Podsakoff 2003, S. 888 ff.
Limitationen der Studie und Ansatzpunkte für weitere Forschung
243
des Common Method Bias zu beurteilen, deren Ergebnisse allesamt nahelegen, dass von keiner bedeutenden Verzerrung der Ergebnisse auszugehen ist.1237 Zusammengenommen legen die durchgeführten Prozeduren nahe, dass von keiner kritischen Bedrohung in Form des Single Informant Bias oder des Common Method Bias auszugehen ist. Dennoch könnte die Befragung mehrerer Individuen pro Unternehmen beispielsweise Aufschluss über Dissonanzen in der Ausrichtung oder Auslegung der unternehmerischen Orientierung geben oder, insbesondere wenn Mitglieder verschiedener Hierarchiestufen befragt würden, Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob die durch die oberste Führungsebene vorgegebene Orientierung von unterstellten Ebenen wie intendiert interpretiert wird oder gar bewusst, beispielsweise aufgrund einer anderen subjektiven Einschätzung der Situation oder einer höheren Vertrautheit mit Teilprozessen, divergent verfolgt wird. Ergiebig könnte dabei der Einsatz von Methoden der qualitativen Forschung sein und damit verbunden statt der Fokussierung auf die Erklärung von Zusammenhängen eine Adressierung der zugrunde liegenden Begründungen sowie eine Nutzung der Freiheiten des explorativen Erkenntnisstrebens.1238 Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die in dieser Arbeit Verwendung findenden Querschnittsdaten kausale Rückschlüsse auf das longitudinale Zusammenspiel zwischen den Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung, explorativen und exploitativen Innovationen sowie Unternehmensperformance nicht zulassen. In dieser Arbeit wird unterstellt, dass die Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung Antezedenzien explorativer sowie exploitativer Innovation darstellen und die Unternehmensleistung von den zuvor genannten Variablen beeinflusst wird. Da das Zusammenspiel dieser Variablen als äußerst dynamisch einzuschätzen ist, können andersgeartete Zusammenhänge nicht ausgeschlossen werden.1239 Beispielsweise kann die Erwirtschaftung hoher finanzieller Erträge zu dem Aufbau 1237 1238
1239
Vgl. ausführlich Abschnitt 5.4.1.2. Vgl. für eine ansprechende Gegenüberstellung quantitativer und qualitativer Forschung sowie für eine Darstellung der Möglichkeiten qualitativer Forschung Bortz/Döring 2006, S. 296 ff. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Walter/Auer/Ritter 2006, S. 560. Dabei ist anzumerken, dass auch WALTER, AUER und RITTER sowie das Gros der Arbeiten in diesem Feld entrepreneuriale Orientierung als unabhängige und Performance als abhängige Variable analysieren. Vgl. Walter/ Auer/Ritter 2006, S. 560. Vgl. dazu auch die aufgeführten Studien bei Rauch/Wiklund/Lumpkin/ Frese 2009, S. 768 ff.
244
Diskussion, Konklusion und Ausblick
von organisationalem Slack, also dem Aufbau von nicht zur Erledigung des Tagesgeschäfts benötigten Ressourcen führen, was dann eine höhere organisationale Flexibilität und dabei das Experimentieren mit neuen Möglichkeiten, also entrepreneuriales Handeln, forcieren kann.1240 Unter zusätzlicher Berücksichtigung der bereits diskutierten Feststellung, dass insbesondere das Streben nach explorativer Innovation zur Materialisierung und vor allem zur Kapitalisierung Zeit benötigt, kann davon ausgegangen werden, dass Längsschnittdesigns, in denen die entrepreneuriale Orientierung, die explorative und exploitative Innovationsaktivitäten sowie die Performance zu verschiedenen Zeiten gemessen werden, in der Lage sind, das Wissen über die kausalen Zusammenhänge zu vertiefen. Zweifellos angebracht ist die Verwendung eines gewichteten Performancemaßes in dieser Studie zur Berücksichtigung der individuellen, also in der Population mitunter deutlich divergierenden Ziele jüngerer, adoleszenter Unternehmen,1241 für die darüber hinaus die exklusive Betrachtung finanzieller Erfolgsgrößen explizit als nicht adäquat betrachtet wird.1242 Wenngleich die Metaanalyse von RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE die Verwendung dieses Maßes unterstützend zeigt, dass weder signifikante Unterschiede des Einflusses von entrepreneurialer Orientierung auf finanzielle im Vergleich zu nicht-finanziellen Erfolgsgrößen noch hinsichtlich des Einflusses auf die Profitabilität im Vergleich zum Wachstum existieren,1243 ist nicht vollkommen auszuschließen, dass das aggregierte Maß Unterschiede in der Erfolgswirksamkeit der entrepreneurialen Orientierung bzw. des entrepreneurialen Verhaltens maskiert, sodass zukünftige Forschung danach streben könnte, unterschiedliche Effekte auf die verschiedenen Maße des Wachstums sowie des finanziellen oder nicht-finanziellen Erfolges zu identifizieren. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass im Rahmen dieser Studie adoleszente Unternehmen in Deutschland, die in der IKT-Branche aktiv sind, untersucht wurden. Es ist evident, dass die Fokussierung zur Kontrolle industrie-, länder- und 1240 1241 1242 1243
Vgl. Nohria/Gulati 1996, S. 1245; Zahra 2005, S. 44. Vgl. Wiklund/Shepherd 2005, S. 80. Vgl. Zahra 1996c, S. 294. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 777 f.
Limitationen der Studie und Ansatzpunkte für weitere Forschung
245
reifegradspezifischer Unterschiede, die andernfalls signifikante Effekte in den untersuchten Wirkungsbeziehungen maskieren hätten können, hilfreich ist. Es ist allerdings die Frage zu stellen, inwieweit dieser Forschungsrahmen die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränkt. Wie bereits in den einleitenden Worten dieser Forschungsarbeit herausgestellt wurde, strebt die vorliegende Arbeit eine Einreihung in die bisherige Forschungstradition und somit die Leistung eines Beitrags zum Fortschritt des Forschungsfeldes des organisationalen Entrepreneurships an, für die eine länderübergreifende Generalisierbarkeit wertvoll erscheint. Aus der in Abschnitt 5.2.3.2 dazu geführten Diskussion sowie aus der Metastudie von RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE, die keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Beziehung zwischen entrepreneurialer Orientierung und Performance auf verschiedenen Kontinenten identifizieren konnten, ist davon auszugehen, dass die vorliegenden Ergebnisse durchaus auf andere Länder übertragbar sind. Wie vergangene Studien zeigen, variiert die Art, wie Innovationen gemanagt werden, zwischen verschiedenen Branchen aufgrund der divergierenden Anforderungen des Wettbewerbs in diesen Branchen.1244 Vor diesem Hintergrund soll keine alle Branchen umfassende Generalisierbarkeit der Ergebnisse unterstellt werden. Vergangene Studien legen allerdings nahe, dass Unternehmen in Branchen, die einer ähnlich hohen Dynamik unterliegen, ähnlich von entrepreneurialen Initiativen profitieren.1245 Wenngleich diese Annahme natürlich in zukünftigen Studien weiteren Bewährungen auszuzusetzen ist, legt diese Feststellung nahe, davon auszugehen, dass die Ergebnisse dieser Arbeit auch für andere Branchen, die als High-Tech-Branche zu betrachten sind,1246 wie beispielsweise Biotechnologie oder Pharmazie, Gültigkeit besitzen. Darüber hinaus erscheint es als interessante empirisch zu prüfende Frage, inwieweit die Ergebnisse auch auf Unternehmen in anderen Entwicklungsstadien sowie auf Unternehmen mit wesentlich abweichender Größe oder anderem Alter zutreffen. Die Literatur legt beispielsweise nahe, dass größere, etabliertere Unternehmen über größere Mengen von Slack-Ressourcen sowie über elaborierte hierarchische, 1244 1245 1246
Vgl. Zahra 1996b, S. 190; Zahra/Bogner 1999, S. 135. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 776. RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE betrachten Computersoftware und -hardware, Biotechnologie, Elektrik und Elektronik, Pharmazie und neue Energie als High-Tech-Branchen. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 776.
246
Diskussion, Konklusion und Ausblick
administrative Systeme verfügen, was Innovationsaktivität fördern oder behindern kann.1247 Andererseits kommt die Metanalyse von RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE in dieser Hinsicht zu keinem eindeutigen Ergebnis.1248 Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass diese Frage eine spannende Gelegenheit für zukünftige vergleichende Forschung darstellt. In dieser Arbeit wurde zur Messung einer entrepreneurialen Unternehmensausrichtung auf das etablierte EO-Konstrukt zurückgegriffen, was trotz seiner enormen Popularität nicht unbestritten ist.1249 Dem Vorwurf, dass dieses Instrument nicht umfangreich genug sei und vor allem nicht explizit die Wahrnehmung unternehmerischer Gelegenheiten berücksichtigt,1250 wird in der Arbeit begegnet, indem das klassische Konstrukt um eine weitere, STEVENSONs gelegenheitsorientiertem Management entlehnte, Dimension ergänzt wird.1251 Vor dem Hintergrund des in dieser Arbeit herausgestellten konzeptionellen und empirischen Fits mit den etablierteren Dimensionen kann zukünftigen Arbeiten zur Erlangung eines möglichst umfassenden Bildes der Orientierung des Unternehmens empfohlen werden, die Gelegenheitsorientierung ebenfalls zu erfassen. Wenngleich die Analyse der Ausgestaltung der entrepreneurialen Orientierung nicht zwangsläufig in Kombination mit abhängigen Variablen erfolgen muss, sollten zukünftige Forschungsarbeiten die in dieser Arbeit identifizierten nichttrivialen Effekte der Gelegenheitsorientierung weiter elaborieren. Hinsichtlich der Operationalisierung der entrepreneurialen Orientierung zeigte sich – wie auch bei BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND1252 – ferner, dass die in der MCS-Skala zur Messung der Innovativität vorgeschlagenen Items verschiedene Faktoren bilden, was mitunter damit im Zusammenhang stehen könnte, dass die Skala die aktuelle Haltung mit vergangenem Verhalten vermischt.1253 Wenngleich bei einer Abkehr von der etablierten MCS-Skala mit einer Reduktion der Vergleichbarkeit mit vorangegangenen Studienergebnissen auszugehen ist, kann in der Entwicklung 1247 1248 1249 1250 1251 1252 1253
Vgl. Lubatkin/Simsek/Ling/Veiga 2006, S. 647. Vgl. auch Nohria/Gulati 1996, S. 1245. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009, S. 776. Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. Abschnitt 3.2.2. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.2.2. Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 961. Vgl. Wiklund 1999, S. 38. Vgl. auch Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 954.
Limitationen der Studie und Ansatzpunkte für weitere Forschung
247
einer neuen, bereinigten Skala ein relevantes und interessantes Forschungsfeld zukünftiger Arbeiten gesehen werden. Wie bereits in der Diskussion ausführlich thematisiert, wurden in dieser – trotz der Bestätigung der grundsätzlichen Einflüsse einer entrepreneurialen Orientierung auf explorative und exploitative Innovationen sowie, wenngleich im Wesentlichen indirekt, auf Unternehmensperformance – einige Hypothesen zurückgewiesen. Die aus der Zurückweisung der Hypothesen und ihrer Diskussion gewonnenen explorativen Erkenntnisse sind zweifellos einer weiteren Theorieprüfung zu unterziehen. Ebenfalls müssen die bestätigten Hypothesen auch in zukünftigen Arbeiten dem Versuch einer Falsifizierung standhalten, damit von einer Gültigkeit der abgeleiteten theoretischen Aussagen ausgegangen werden darf. Sowohl die bestätigenden Befunde zu den Hypothesen zu unterschiedlichen Einflüssen als auch die Zurückweisung einzelner gleichgerichteter Effekte der Dimensionen der entrepreneurialen Orientierung auf abhängige Variablen unterstützen die hohe Aussagekraft einer multidimensionalen Auslegung der entrepreneurialen Orientierung, womit der Aufruf zu einem zukünftig häufigeren Einsatz1254 dieser differenzierteren Sichtweise auf die entrepreneuriale Orientierung in weiteren Forschungsarbeiten einhergeht. Weitere Ansätze zukünftiger Forschung ergeben sich ebenfalls aus der bereits dargestellten Differenzierung zwischen entrepreneurialer Orientierung und entrepreneurialem Verhalten und der somit modularen Betrachtung des Gesamtgebildes organisationales Entrepreneurship und dessen Implikationen für die Unternehmensperformance. Bereits in den Implikationen für die wissenschaftliche Forschung wurde herausgestellt, dass es auf diese Weise möglich wird, zu unterscheiden, ob ein situativer Faktor Einfluss auf die Effektivität von entrepreneurialem Verhalten oder auf die Überführung einer entrepreneurialen Orientierung in entsprechendes Verhalten hat.1255 Vor diesem Hintergrund könnte zukünftige Forschung die Wirkung bereits identifizierter Moderatoren ausdifferenzieren oder neue – beispielsweise spezifisch auf die Überführung von Einstellung in 1254
1255
RAUCH, WIKLUND, LUMPKIN und FRESE betonen, dass bis zum heutigen Zeitpunkt kaum Studien die Effekte der Dimensionen individuell untersucht haben. Vgl. Rauch/Wiklund/Lumpkin/ Frese 2009, S. 778. Vgl. Abschnitt 6.2.
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Diskussion, Konklusion und Ausblick
Verhalten gerichtete – moderierende Effekte analysieren.1256 Neben den ebenfalls bereits in Abschnitt 6.2 angeregten Analysen der formalen Organisationsstruktur und verschiedener Charakteristika der externen Unternehmensumwelt könnte beispielsweise, wie der Diskussion dieser Arbeit und der Literatur zu entnehmen ist, die Verfügbarkeit von Ressourcen allgemein sowie insbesondere von organisationalem Slack die Durchführbarkeit von Exploration, Exploitation sowie Ambidexterität beeinflussen.1257 Es ist festzuhalten, dass in diesem Bereich viel Spielraum für aufschlussreiche zukünftige Forschung besteht. Mit der Betrachtung der entrepreneurialen Orientierung lag der Fokus dieser Arbeit auf kulturellen organisationalen Charakteristika und ihrem Einfluss auf Unternehmensaktivitäten und -ergebnisse.1258 Wie der Literatur zu entnehmen ist, existieren auf einer aggregierten Sichtweise mit der Struktur und (Management-)Systemen zwei weitere Ebenen der Organisationsgestaltung,1259 die ebenfalls einen Einfluss auf abhängige Variablen wie explorative Innovation, exploitative Innovation oder Performance ausüben können,1260 sodass deren zukünftige Analyse sowie die Analyse moderierender oder mediierender Effekte zwischen Einflussfaktoren verschiedener Ebenen, die Forschung bezüglich der Antezedenzien explorativer und exploitativer Innovationen erweitern kann.1261 Bereits in Abschnitt 3.2.2 wurden verschiedene Elemente des entrepreneurialen Managements nach STEVENSON diskutiert, deren nähere Betrachtung offen legt, dass der Faktor Managementstruktur auf den strukturellen organisationalen Aufbau und der Faktor Entlohnungsphilosophie auf Anreizsysteme für Mitarbeiter abzielt, sodass festzuhalten ist, dass es bereits Ansätze zur Erfassung entrepreneurialer Strukturen und Systeme gibt, die zukünftige Arbeiten nutzen sowie ausbauen können. BROWN, DAVIDSSON und WIKLUND zeigen darüber hinaus, dass Ele1256
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Zu entnehmen sind potentielle Moderatoren beispielsweise den Übersichtsartikeln von Raisch/Birkinshaw 2008 und Rauch/Wiklund/Lumpkin/Frese 2009. Vgl. neben Abschnitt 6.2 exemplarisch Stam/Elfring 2007, S. 98; Raisch/Birkinshaw 2008, S. 395, sowie die dort angegebenen Arbeiten. Vgl. Abschnitt 3.2. Vgl. exemplarisch Bamberger/Wrona 2004, S. 216; Staehle 1999, S. 793. Vgl. dazu exemplarisch die Beiräge von Brown/Davidsson/Wiklund 2001; Gibson/Birkinshaw 2004; Jansen/van den Bosch/Volberda 2006. Vgl. zu verschiedenen strukturellen Facetten, die im Feld explorativer und exploitativer Innovation eine Rolle spielen können, exemplarisch den Beitrag von Jansen/van den Bosch/Volberda 2006.
Limitationen der Studie und Ansatzpunkte für weitere Forschung
249
mente des entrepreneurialen Managements komplementär zu der entrepreneurialen Orientierung verwendet werden können,1262 sodass zukünftigen Arbeiten zur Erfassung eines breiteren Spektrums einer entrepreneurialen Organisationsgestaltung die parallele Verwendung der Messinstrumente nach MIL1263 LER, COVIN und SLEVIN sowie nach STEVENSON empfohlen werden kann. Neben der Betrachtung moderierender oder mediierender Zusammenhänge zwischen verschiedenen Elementen der Organisationsgestaltung könnte ebenfalls die Betrachtung von Zusammenhängen mit diversen Strategievariablen weitere, interessante Einsichten gewähren.1264 Wenngleich diese Arbeit gezeigt hat, dass nicht alle Ansätze zur Balance vor dem Hintergrund ihrer mitunter unterschiedlichen Antezedenzien in einem adoleszenten Unternehmen unter Entrepreneurship-Gesichtspunkten etabliert werden können, könnte es zur weiteren Entwicklung der strategischen Managementforschung im Bereich Ambidexterität beitragen, die Performanceimplikationen der verschiedenen Ansätze zur Balance zu evaluieren. Da eine Berücksichtigung des Ansatzes des punktualistischen Equilibriums nur im zeitlichen Verlauf möglich erscheint, ist mit diesem Forschungsaufruf wiederum der Ruf nach Längsschnittstudien verbunden, die es darüber hinaus ermöglichen würden, Veränderungen in der Balance zwischen Exploration und Exploitation, beispielsweise in Abhängigkeit des Reifestadiums des Unternehmens, intensiv zu betrachten. Wie bereits in den einleitenden Worten dieser Arbeit erwähnt wurde, wird neben der in dieser Arbeit fokussierten Analyse der entrepreneurialen Orientierung als unabhängige Variable mit ihren resultierenden Forschungsfeldern ebenfalls die Betrachtung der Antezedenzien entrepreneurialen Orientierung in der Literatur als bedeutendes Forschungsfeld erachtet.1265 Wenngleich in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Arbeiten in diesem Bereich erschienen sind,1266 bestehen in diesem Feld zweifelsohne weitere, interessante Forschungsgelegenheiten. 1262 1263 1264 1265 1266
Vgl. Brown/Davidsson/Wiklund 2001, S. 965. Vgl. zu den Messinstrumenten die Abschnitte 3.2.1, 3.2.2 und 5.2.3.3. Einen Einblick in diese relevante Schnittstelle liefert der Beitrag von Dess/Lumpkin/McGee 1999. Vgl. Abschnitt 1.2. Exemplarisch seien hier die Arbeiten von Green/Covin/Slevin 2008 oder Schmelter 2009 genannt.
250
Diskussion, Konklusion und Ausblick
Diese Arbeit hat im Einklang mit der bestehenden Literatur verdeutlicht, dass es – wenngleich die vorgeschlagene Analyseebene für Corporate Entrepreneurship die Organisation ist1267 – ohne kreative Initiativen individueller Unternehmensmitglieder kaum zu Entrepreneurship auf organisationaler Ebene kommen wird.1268 Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht nur aus wissenschaftlicher, sondern auch aus praktischer Sicht sinnvoll, die entrepreneuriale Orientierung von Individuen zu untersuchen, um entrepreneuriale Aktivität vorhersagen und beispielsweise Positionen im Unternehmen adäquat besetzen zu können. Vielversprechend erscheint in diesem Kontext die Frage, ob eine individuelle Orientierung in Analogie zu der organisationalen entrepreneurialen Orientierung zu identifizieren und wie diese mit entrepreneurialen Resultaten verbunden ist.1269
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Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. auch Covin/Slevin 1991, S. 7. Vgl. Abschnitt 3.2.1. Vgl. auch Burgelman 1984, S. 156; Russell/Russell 1992, S. 648; Russell 1999, S. 79. Erste Beiträge zu diesem Themenfeld liefern beispielsweise die Arbeiten von Robinson/ Stimpson/Huefner/Hunt 1991; Krueger 2005; Kollmann/Christofor/Kuckertz 2007; Christofor 2008; Kollmann/Lomberg/Stöckmann 2009.
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