Holger Roschk Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung
GABLER RESEARCH
Holger Roschk
Gerechtigkeit bei der Besch...
52 downloads
1703 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Holger Roschk Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung
GABLER RESEARCH
Holger Roschk
Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung Der moderierende Einfluss von Kunden- und Situationsmerkmalen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Katja Gelbrich
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Ilmenau, 2011
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Jutta Hinrichsen Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2922-8
Geleitwort Das Verhalten von Kunden nach einer Beschwerde ist ein in der einschlägigen Marketingliteratur und -praxis hoch aktuelles Thema. Denn Beschwerdefälle gehören zu den sogenannten kritischen Situationen einer Kunden-Anbieter-Beziehung, die maßgeblich darüber entscheiden, wie der Kunde die Qualität dieser Beziehung wahrnimmt und ob er dem Anbieter treu bleibt („Moments of truth“). Es besteht sogar die Möglichkeit, dass Kunden nach einer sehr erfolgreichen Beschwerdebehandlung zufriedener sind als solche Kunden, die gar kein negatives Erlebnis – also auch keinen Grund zur Beschwerde – hatten. Angesichts dieses als „Service Recovery Paradox“ bekannten Phänomens stehen Unternehmen vor der Aufgabe, Beschwerden zufriedenstellend zu behandeln. In der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass zufriedenstellend „fair“ bedeutet, und es werden drei Fairnessdimensionen unterschieden: distributive, prozedurale und interaktionale Gerechtigkeit. Die vorliegende Arbeit untersucht, inwieweit Kunden- (Alter, Geschlecht) und Situationsmerkmale (Fehlerausmaß, Fehlertyp) den Einfluss dieser drei Gerechtigkeitsdimensionen auf die Nachbeschwerdezufriedenheit beeinflussen (= Moderatoreffekt). Diese Fragestellung ist aus folgenden Gründen hochgradig relevant: •
Zielgruppen- und situationsspezifisches Marketing gilt– im Gegensatz zum Massenmarketing – als Erfolgsfaktor von Unternehmen. Die Arbeit untersucht, wie eine zielgruppenund situationsspezifische Beschwerdebehandlung aussehen sollte.
•
Alle vier Moderatoren lassen sich – etwa im Gegensatz zu psychografischen (z.B. Einstellungen) oder anderen soziodemografischen Merkmalen des Kunden (z.B. Familienstand)– leicht identifizieren. Somit lässt sich Zielgruppen- und situationsspezifisches Marketing mit überschaubarem Aufwand implementieren. Der moderierende Einfluss der genannten Variablen wurde noch nicht – bzw. nicht mit Blick auf die drei Gerechtigkeitsdimensionen– untersucht.
•
Herr Roschk weist in seiner Arbeit sowohl theoretisch als auch empirisch überzeugend die Kontextabhängigkeit der Beschwerdebehandlung nach. Damit schließt die Arbeit eine wichtige Forschungslücke, vermag sie doch die divergierenden Befunde zur Wichtigkeit der drei Gerechtigkeitsdimensionen zu erklären. Marketingpraktiker können aus der Arbeit lernen, sich nicht nur auf generelle Maßnahmen zur Beschwerdebehandlung zu verlassen. Vielmehr gilt es, die Unternehmensreaktion zielgruppen- und situationsspezifisch zu gestalten.
Ilmenau, im Februar 2011
Prof. Dr. Katja Gelbrich Technische Universität Ilmenau Fachgebiet Marketing
Vorwort Auch wenn am Ende nur ein Autorenname auf dieser Dissertation steht, existiert eine Reihe von Personen, die an „Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung“ mitgewirkt haben. Ihnen möchte ich sehr herzlich danken. Dazu gehört zu allererst meine Doktormutter Frau Professor Dr. Katja Gelbrich vom Fachgebiet für Marketing an der Technischen Universität Ilmenau. So wie man nur den Gipfel des Eisberges sieht, verbirgt sich hinter solch einer Arbeit meist ein langer und steiniger Weg. Zum Beschreiten dieses Weges hätte ich mir mit ihr keine bessere Lehrerin und Begleiterin vorstellen können. Sie unterstützte und förderte mich mit so viel Energie und Ausgeglichenheit, wie man es sich nicht besser wünschen könnte.
Bedanken möchte ich mich des Weiteren bei meinem Zweitgutachter Professor Dr. Norbert Bach. Trotz hoher Arbeitsbelastung erklärte er sich sofort bereit, das Gutachten zu übernehmen. Gerade für das Schreiben solch einer Arbeit ist es gut zu wissen, dass sie vor einer scharfsinnigen und eingehenden Prüfung Bestand haben muss. Ich hatte immer das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Hierfür möchte ich mich herzlich bedanken.
Dank gilt auch meinen Eltern. Sie ließen mir stets die Freiheit, meine Entscheidungen eigenständig zu treffen, um so meinen Weg zu finden und zu beschreiten. Die Rückendeckung, die sie mir auf diesem Weg mitgaben, möchte ich nicht missen. Habt Dank hierfür!
Außerdem halfen mir Jana Müller und Katharina Hutter. Ihre kritischen und aufschlussreichen Kommentare berücksichtigte ich dankbar. Sie gaben mir den nötigen Abstand, um nicht „betriebsblind“ zu werden. Auch die sehr guten Zuarbeiten von Jana Müller waren mir eine große Hilfe. Dafür herzlichen Dank! Ich möchte mich auch bei meiner geschätzten Kollegin Britta Sattler für die vielen kleinen Dinge bedanken, die den Weg etwas ebneten und weniger lang vorkommen ließen.
Ilmenau, im Februar 2011
Holger Roschk Technische Universität Ilmenau Fachgebiet Marketing
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................... XV Abbildungsverzeichnis .........................................................................................................XVII Tabellenverzeichnis ...............................................................................................................XIX Zusammenfassung .................................................................................................................XXI
1
2
Einleitung ........................................................................................................................... 1 1.1
Beschwerdebehandlung als wichtiges Forschungsfeld ..............................................1
1.2
Kunden- und Situationsmerkmale als vernachlässigte Kontextvariablen.................. 4
1.3
Ziel und Gang der Arbeit ...........................................................................................6
Theoretische Grundlagen und Modellgenese..................................................................9 2.1
Überblick und Vorgehen............................................................................................9
2.2
Unternehmensreaktionen auf Beschwerden.............................................................11 2.2.1 Überblick...................................................................................................... 11 2.2.2 Kompensation .............................................................................................. 12 2.2.3 Adäquate Organisationsstruktur................................................................... 14 2.2.4 Zuvorkommendes Mitarbeiterverhalten.......................................................15
2.3
Gerechtigkeitswahrnehmung ...................................................................................16 2.3.1 Einführung.................................................................................................... 16 2.3.2 Distributive Gerechtigkeit............................................................................18 2.3.2.1 Grundgedanke ................................................................................18 2.3.2.2 Ressourcen .....................................................................................19 2.3.2.3 Akteure........................................................................................... 21 2.3.2.4 Verteilungsheuristiken ...................................................................23 2.3.2.5 Zusammenfassung.......................................................................... 26 2.3.3 Prozedurale Gerechtigkeit............................................................................27
X
Inhaltsverzeichnis
2.3.3.1 Abgrenzung zur distributiven Gerechtigkeit ................................. 27 2.3.3.2 Kontrollmodell von Thibaut & Walker (1975) ............................. 29 2.3.3.3 Prozesselemente und -kriterien nach Leventhal (1976, 1980) ...... 32 2.3.3.4 Self-Interest-Modell von Lind & Tyler (1988).............................. 36 2.3.3.5 Zusammenführung der Prozesskriterien........................................ 38 2.3.3.6 Auswahl der wichtigsten Prozesskriterien..................................... 40 2.3.4 Interaktionale Gerechtigkeit ........................................................................ 41 2.3.4.1 Einführung ..................................................................................... 41 2.3.4.2 Kriterien einer fairen Interaktion................................................... 44 2.3.4.3 Auswahl der wichtigsten Interaktionskriterien.............................. 45 2.3.5 Interdependenzen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen ..................... 46 2.3.6 Gerechtigkeitsdimensionen als Proxy-Variable der Unternehmensreaktionen ............................................................................. 48 2.4
Zufriedenheit nach der Beschwerde ........................................................................ 50 2.4.1 Confirmation/Disconfirmation-Paradigma .................................................. 50 2.4.2 Confirmation/Disconfirmation-Paradigma vs. Gerechtigkeit...................... 52 2.4.3 Transaktionsspezifische und kumulative Zufriedenheit .............................. 54 2.4.4 Zufriedenheit und Gerechtigkeitsdimensionen............................................ 56
2.5
Verhaltensabsichten................................................................................................. 59 2.5.1 Wiederkauf .................................................................................................. 59 2.5.2 Positive Mundpropaganda ........................................................................... 61 2.5.3 Verhaltensabsichten und Zufriedenheit ....................................................... 63
3
Moderatoren .................................................................................................................... 65 3.1
Arten von Kontextvariablen .................................................................................... 65 3.1.1 Definition..................................................................................................... 65 3.1.2 Kundenmerkmale......................................................................................... 65 3.1.3 Situationsmerkmale ..................................................................................... 69 3.1.4 Unternehmensmerkmale .............................................................................. 72 3.1.5 Kontextvariablen im theoretischen Gerüst der Arbeit ................................. 73
3.2
Alter ......................................................................................................................... 76 3.2.1 Drei Arten des Alterns ................................................................................. 76 3.2.1.1 Einführung ..................................................................................... 76
Inhaltsverzeichnis
XI 3.2.1.2 Biologischer Alterungsprozess ...................................................... 77 3.2.1.3 Psychologischer Alterungsprozess................................................. 77 3.2.1.4 Sozialer Alterungsprozess..............................................................79 3.2.1.5 Zusammenfassung.......................................................................... 80
3.2.2 Hypothesen................................................................................................... 81 3.2.2.1 Distributive Gerechtigkeit und Alter..............................................81 3.2.2.2 Prozedurale Gerechtigkeit und Alter..............................................83 3.2.2.3 Interaktionale Gerechtigkeit und Alter .......................................... 85 3.3
Geschlecht................................................................................................................86 3.3.1 Erklärungsansätze geschlechtsspezifischer Persönlichkeitsmuster..............86 3.3.1.1 Einführung ..................................................................................... 86 3.3.1.2 Biologischer Erklärungsansatz.......................................................87 3.3.1.3 Psychologischer Erklärungsansatz................................................. 89 3.3.1.4 Soziologischer Erklärungsansatz ...................................................90 3.3.1.5 Zusammenfassung.......................................................................... 93 3.3.2 Hypothesen................................................................................................... 94 3.3.2.1 Distributive Gerechtigkeit und Geschlecht ....................................94 3.3.2.2 Prozedurale Gerechtigkeit und Geschlecht ....................................95 3.3.2.3 Interaktionale Gerechtigkeit und Geschlecht.................................96
3.4
Fehlerausmaß ...........................................................................................................98 3.4.1 Überblick...................................................................................................... 98 3.4.2 Unterbewertung eines hohen Fehlerausmaßes ............................................. 98 3.4.3 Überbewertung eines hohen Fehlerausmaßes ............................................101 3.4.4 Hypothesen................................................................................................. 103 3.4.4.1 Distributive Gerechtigkeit und Fehlerausmaß .............................103 3.4.4.2 Prozedurale Gerechtigkeit und Fehlerausmaß ............................. 104 3.4.4.3 Interaktionale Gerechtigkeit und Fehlerausmaß ..........................105
3.5
Fehlertyp ................................................................................................................ 106 3.5.1 Überblick.................................................................................................... 106 3.5.2 Resource-Exchange-Theorie ......................................................................107 3.5.3 Hypothesen................................................................................................. 109
3.6
Zusammenfassung der Hypothesen .......................................................................111
XII 4
Inhaltsverzeichnis
Empirische Untersuchung............................................................................................ 113 4.1
Theoretische Einführung in Strukturgleichungsmodelle....................................... 113 4.1.1 Prinzip........................................................................................................ 113 4.1.1.1 Einführung und Vorteile.............................................................. 113 4.1.1.2 Aufbau in Mess- und Strukturmodell .......................................... 114 4.1.2 Lokale Güte des Messmodells ................................................................... 116 4.1.2.1 Validitätskonzepte ....................................................................... 116 4.1.2.2 Reliabilitätsmaße ......................................................................... 118 4.1.2.3 Fornell-Larcker-Kriterium und Ȥ²-Differenzentest...................... 120 4.1.3 Lokale Gütekriterien des Strukturmodells................................................. 120 4.1.3.1 Bestätigtes Beziehungsgeflecht ................................................... 120 4.1.3.2 Quadrierte multiple Korrelation .................................................. 121 4.1.4 Globale Gütekriterien ................................................................................ 122 4.1.5 Zusammenfassung ..................................................................................... 123
4.2
Steckbrief der Studie ............................................................................................. 124 4.2.1 Untersuchungsdesign, Datensammlung und Stichprobe ........................... 124 4.2.2 Operationalisierung der Variablen............................................................. 127 4.2.2.1 Moderatorvariablen ..................................................................... 127 4.2.2.2 Unabhängige und abhängige Variablen....................................... 131 4.2.2.3 Kontrollvariablen......................................................................... 132 4.2.3 Analysevorgehen ....................................................................................... 133 4.2.3.1 Ablauf Güteprüfung..................................................................... 133 4.2.3.2 Mehrgruppenvergleich................................................................. 136
4.3
Güteprüfung........................................................................................................... 140 4.3.1 Lokale Güte Messmodell ........................................................................... 140 4.3.2 Lokale Güte Strukturmodell ...................................................................... 144 4.3.3 Globale Güte CFA und Untersuchungsmodell .......................................... 145
4.4
Ergebnisse Mehrgruppenvergleich ........................................................................ 147 4.4.1 Alter ........................................................................................................... 147 4.4.1.1 Test auf Skaleninvarianz ............................................................. 147 4.4.1.2 Hypothesenprüfung ..................................................................... 147 4.4.2 Geschlecht.................................................................................................. 150 4.4.2.1 Test auf Skaleninvarianz ............................................................. 150
Inhaltsverzeichnis
XIII 4.4.2.2 Hypothesenprüfung...................................................................... 150
4.4.3 Fehlerausmaß .............................................................................................152 4.4.3.1 Test auf Skaleninvarianz..............................................................152 4.4.3.2 Hypothesenprüfung...................................................................... 152 4.4.4 Fehlertyp .................................................................................................... 154 4.4.4.1 Test auf Skaleninvarianz..............................................................154 4.4.4.2 Hypothesenprüfung...................................................................... 155 4.4.5 Zusammenfassung...................................................................................... 157 5
Diskussion....................................................................................................................... 159 5.1
Implikationen für die Forschung............................................................................159 5.1.1 Gerechtigkeitsdimensionen ........................................................................ 159 5.1.2 Kontextvariablen ........................................................................................160 5.1.3 Kontrollvariablen .......................................................................................164
5.2
Handlungsempfehlungen für die Praxis.................................................................165 5.2.1 Einführung.................................................................................................. 165 5.2.1.1 Generelle vs. Kunden- und situationsspezifische Maßnahmen ... 165 5.2.1.2 Beschwerdebehandlung als Prozess.............................................165 5.2.2 Generelle Handlungsfelder.........................................................................167 5.2.2.1 Ergebnisorientierte Maßnahmen ..................................................167 5.2.2.2 Prozessorientierte Maßnahmen ....................................................175 5.2.2.3 Interaktionsorientierte Maßnahmen .............................................177 5.2.3 Kundenbezogene Maßnahmen ...................................................................181 5.2.3.1 Erfassung von Alter und Geschlecht des Kunden........................181 5.2.3.2 Altersgerechte Beschwerdeannahmeprozesse..............................182 5.2.3.3 Altersgerechte Kommunikation ...................................................186 5.2.3.4 Geschlechtsspezifische Kompensationshöhe...............................188 5.2.3.5 Geschlechtsspezifische Prozesspriorität ......................................189 5.2.4 Situationsbezogene Maßnahmen................................................................ 190 5.2.4.1 Erfassung von Fehlerausmaß und Fehlertyp des Beschwerdefalls ...........................................................................190 5.2.4.2 Anpassung der Prozesse an das Fehlerausmaß ............................191 5.2.4.3 Anpassung der Kommunikation an das Fehlerausmaß ................193 5.2.4.4 Anpassung der Kompensationshöhe an den Fehlertyp ................195
XIV
Inhaltsverzeichnis
5.2.4.5 Anpassung der Prozesse an den Fehlertyp .................................. 196 5.2.5 Zusammenfassung ..................................................................................... 197 5.3
Grenzen der Untersuchung und zukünftige Forschung ......................................... 199 5.3.1 Gerechtigkeitswahrnehmung ..................................................................... 199 5.3.2 Kontextvariablen........................................................................................ 201
Anhang ................................................................................................................................... 205 Literaturverzeichnis ............................................................................................................... 209
Abkürzungsverzeichnis B2B
.............
Business to Business
B2C
.............
Business to Consumer
CA
.............
Cronbach’s Į
CFA
.............
confirmatory factor analysis
CFI
.............
comparative fit index
DEV
.............
durchschnittlich erfasste Varianz
DVD
.............
Digital Versatile Disc
df
.............
degrees of freedom
IR
.............
Indikatorreliabilität
FR
.............
Faktorreliabilität
o. V.
.............
ohne Verfasser
QMK
.............
quadrierte multiple Korrelation
RMSEA
.............
root mean square error of approximation
TLC
.............
Taxi & Limousine Commission
TLI
.............
Tucker-Lewis index
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Untersuchungsgegenstand und Gang der Arbeit ...........................................................3 Abb. 2: Theoretisches Gerüst der Arbeit ....................................................................................9 Abb. 3: Überblick über Unternehmensreaktionen auf Beschwerden .......................................12 Abb. 4: Ressourcenaustausch im Beschwerdefall ....................................................................20 Abb. 5: Verteilung der Entscheidungskontrolle .......................................................................30 Abb. 6: Gerechtigkeitsdimensionen und Unternehmensreaktionen .........................................49 Abb. 7: C/D-Paradigma ............................................................................................................ 51 Abb. 8: Transaktionsspezifische Zufriedenheit und Gerechtigkeitsdimensionen .................... 57 Abb. 9: Abgrenzung von Wiederkauf zu verwandten Konzepten............................................60 Abb. 10: Konzeptionelle Unterscheidung der Mundpropagandaaktivitäten ............................62 Abb. 11: Entstehungszeitpunkte positiver und negativer Mundpropaganda............................63 Abb. 12: Verhaltensabsichten und transaktionsspezifische Zufriedenheit...............................64 Abb. 13: Überblick über Kundenmerkmale .............................................................................66 Abb. 14: Determinanten des Fehlerausmaßes ..........................................................................70 Abb. 15: Theoretisches Gerüst der Arbeit, erweitert um Kontextvariablen.............................74 Abb. 16: Prospekt Theorie........................................................................................................ 99 Abb. 17: Konvexe Verlustfunktion im Beschwerdefall .........................................................100 Abb. 18: Disappointment-Theorie.......................................................................................... 101 Abb. 19: Konkave Verlustfunktion im Beschwerdefall .........................................................102 Abb. 20: Ressourcenkategorien im zweidimensionalen Raum .............................................. 108 Abb. 21: Zusammenfassung der Hypothesen .........................................................................111 Abb. 22: Schematischer Aufbau eines Strukturgleichungsmodells ....................................... 114 Abb. 23: Konstruktvalidität .................................................................................................... 116 Abb. 24: Deskriptive Statistiken zur Stichprobe .................................................................... 127 Abb. 25: Verteilung Fehlerausmaß.........................................................................................129 Abb. 26: Schematischer Aufbau einer konfirmatorischen Faktorenanalyse ..........................134 Abb. 27: Aufbau Untersuchungsmodell ................................................................................. 135 Abb. 28: Beispiel zur Skaleninvarianz ...................................................................................137 Abb. 29: Beispiel zum Ȥ²-Differenzentest ..............................................................................139 Abb. 30: Ergebnisse Untersuchungsmodell ...........................................................................144 Abb. 31: Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell nach Alter................................................. 148 Abb. 32: Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell nach Geschlecht .......................................151 Abb. 33: Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell nach Fehlerausmaß ..................................153
XVIII
Abbildungsverzeichnis
Abb. 34: Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell nach Fehlertyp ......................................... 155 Abb. 35: Beschwerdebehandlung als Prozess........................................................................ 166 Abb. 36: Effektstärken einer einfachen Kompensation und einer Überkompensation im Vergleich................................................................................................................. 171 Abb. 37: Beschwerdeformular der New York City TLC....................................................... 184 Abb. 38: Beschwerdebehandlung bei Lovefilm..................................................................... 185 Abb. 39: Beschwerdebehandlung als Gnadenakt................................................................... 200
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Häufigkeit verschiedener Beziehungskonstellationen in der Nachbeschwerdeforschung...........................................................................................22 Tab. 2: Zusammenfassung distributive Gerechtigkeit..............................................................26 Tab. 3: Prozesselemente und -kriterien nach Leventhal (1976, 1980) .....................................32 Tab. 4: Übersicht über die Prozesskriterien .............................................................................38 Tab. 5: Auswahl der wichtigsten Prozesskriterien ...................................................................40 Tab. 6: Auswahl der wichtigsten Interaktionskriterien ............................................................ 45 Tab. 7: C/D-Paradigma vs. Gerechtigkeit ................................................................................52 Tab. 8: Betrachtungsebenen der Zufriedenheit ........................................................................54 Tab. 9: Gegenüberstellung von Fehlertyp und Beschwerdegrund ...........................................71 Tab. 10: Zusammenfassung der Konsequenzen von Alterungsprozessen................................81 Tab. 11: Rollenbilder der Frau und des Mannes in der Werbung ............................................91 Tab. 12: Zusammenfassung Persönlichkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen...... 94 Tab. 13: Gütemaße Strukturgleichungsmodell....................................................................... 124 Tab. 14: Quotenvergleich zwischen der Stichprobe und der Bevölkerung ............................128 Tab. 15: Beispielhafte Ergebnis- und Prozessfehler............................................................... 130 Tab. 16: Indikatoren und Messgüte ........................................................................................ 141 Tab. 17: Fornell-Larcker-Kriterium .......................................................................................143 Tab. 18: Globale Güte CFA und Untersuchungsmodell ........................................................ 146 Tab. 19: Test auf Skaleninvarianz zwischen jungen und alten Probanden ............................147 Tab. 20: Ergebnisse der Hypothesenprüfung zum Alter ........................................................ 149 Tab. 21: Test auf Skaleninvarianz zwischen Frauen und Männern........................................150 Tab. 22: Ergebnisse der Hypothesenprüfung zum Geschlecht...............................................151 Tab. 23: Test auf Skaleninvarianz bei geringem vs. hohem Fehlerausmaß ...........................152 Tab. 24: Ergebnisse der Hypothesenprüfung zum Fehlerausmaß ..........................................154 Tab. 25: Test auf Skaleninvarianz bei Ergebnis- vs Prozessfehlern ......................................155 Tab. 26: Ergebnisse der Hypothesenprüfung zum Fehlertyp .................................................156 Tab. 27: Zusammenfassung der Ergebnisse der Hypothesenprüfung ....................................157 Tab. 28: Kategorisierung monetärer und geldwerter Kompensationsformen ........................ 168 Tab. 29: Werte und Alter........................................................................................................ 187 Tab. 30: Zusammenfassung Handlungsempfehlungen........................................................... 198 Tab. 31: Symbole und deren Kennzeichnung in Strukturgleichungsmodellen ...................... 205 Tab. 32: Fragebogen ............................................................................................................... 207
Zusammenfassung Egal wie sehr Unternehmen versuchen, Fehler zu verhindern, in letzter Instanz sind sie unvermeidbar. Fehler sorgen für unzufriedene Kunden, die sich nicht selten bei dem Unternehmen beschweren. Die Forschung zum Verhalten nach der Beschwerde beschäftigt sich daher mit der Frage, wie Unternehmen adäquat auf Beschwerden reagieren sollten, um Beschwerdeführer wieder zufriedenzustellen. Als einschlägiger Ansatz gilt in diesem Forschungsstrang die Gerechtigkeitstheorie, um zu erklären, dass eine als fair empfundene Unternehmensreaktion zu Zufriedenheit führt. Die Fairness der Beschwerdebehandlung nehmen Menschen auf drei Dimensionen wahr: distributiv (ergebnisbezogen), prozedural (prozessbezogen) und interaktional (bezogen auf den zwischenmenschlichen Umgang). Ein grundlegendes Problem des derzeitigen Forschungsstands besteht allerdings darin, dass hinsichtlich der Einflussstärke einzelner Gerechtigkeitsdimensionen auf die Nachbeschwerdezufriedenheit divergente Befunde beobachtet werden. Einerseits zeigen empirische Befunde, dass die distributive Gerechtigkeit den stärksten Einfluss auf die Nachbeschwerdezufriedenheit besitzt. Andererseits finden sich ebenso viele empirische Belege dafür, dass die prozedurale oder die interaktionale Gerechtigkeit den stärksten Effekt aufweisen.
Eine Ursache für die divergenten Befunde besteht darin, dass die Beschwerdebehandlung von ihrem Kontext abhängt. Von den im Nachbeschwerdeverhalten analysierten Kontextvariablen sind Alter und Geschlecht als Kundenmerkmale sowie Fehlerausmaß und Fehlertyp als Situationsmerkmale besonders relevant. Allerdings wurden sie bislang nicht als Moderatoren untersucht, um die variierenden Effektstärken zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen und der Nachbeschwerdezufriedenheit zu erklären. Die vorliegende Arbeit geht daher folgender Forschungsfrage nach: In welchem Ausmaß beeinflussen die Kundenmerkmale Alter und Geschlecht sowie die Situationsmerkmale Fehlerausmaß und Fehlertyp die positive Wirkung der distributiven, prozeduralen und interaktionalen Gerechtigkeit auf die Nachbeschwerdezufriedenheit?
Um die Forschungsfrage zu beantworten, werden zwölf Hypothesen hergeleitet (z. B. ist bei älteren Beschwerdeführern die positive Wirkungsbeziehung zwischen der distributiven Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei jüngeren Beschwerdeführern). Die Hypothesen werden empirisch mit Hilfe von Strukturgleichungsmodellen überprüft. Grundlage dafür ist eine nach Alter und Geschlecht repräsentative schriftliche Be-
XXII
Zusammenfassung
fragung von 337 deutschen Konsumenten, die ihr zuletzt vorgefallenes Beschwerdeereignis evaluieren sollten (retrospective experience sampling). Die Ergebnisse sind in folgender Tabelle dargestellt.
Moderatoren Alter Unabhängige Variable
jung
Distributive Gerechtigkeit Prozedurale Gerechtigkeit Interaktionale Gerechtigkeit
Geschlecht alt
Männer b)
| z
z
Frauen
Fehlerausmaß gering
a)
| z
z
hoch
Fehlertyp Prozess- Ergebfehler nisfehler
|
z z
Abhängige Variable
z z
Nachbeschwerdezufriedenheit
|
z bestätigt | nicht bestätigt Lesebeispiele: a) Der positive Einfluss der distributiven Gerechtigkeit auf die Nachbeschwerdezufriedenheit ist bei Männern stärker als bei Frauen – Hypothese hat sich bestätigt. b) Der positive Einfluss der distributiven Gerechtigkeit auf die Nachbeschwerdezufriedenheit ist bei älteren Menschen stärker als bei jüngeren Menschen – Hypothese hat sich nicht bestätigt.
Insgesamt können acht der zwölf Hypothesen bestätigt werden. Auf Basis dieser Befunde diskutiert der Autor Implikationen für die Forschung. Des Weiteren gibt er Handlungsempfehlungen für die Praxis. Dies sind zunächst generelle Empfehlungen, die eine faire Unternehmensreaktion sicherstellen sollen. Darüber hinaus entwickelt der Autor kundenspezfische (d. h. von Alters und Geschlecht abhängige) und situationsspezifische (d. h. von Fehlerausmaß und Fehlertyp abhängige) Maßnahmen, um die Beschwerdebehandlung auf den individuellen Problemfall zuschneiden zu können. Die Arbeit schließt mit Vorschlägen für die weitere Forschung.
1
Einleitung
1.1
Beschwerdebehandlung als wichtiges Forschungsfeld
Die Literatur zum Verhalten nach der Beschwerde beschäftigt sich mit der Frage, wie Unternehmen auf Beschwerden reagieren sollten und welche Reaktionen damit bei den Kunden ausgelöst werden. Für dieses Forschungsfeld gibt es zwei leitende Motive. Ein Motiv besteht darin, dass Produkt- und Servicefehler – egal wie sehr Unternehmen versuchen, diese zu verhindern – in letzter Instanz unvermeidbar und unkontrollierbar sind, da Fehlbarkeit in der Natur des Menschen liegt (vgl. Mattila & Patterson 2004a, S. 336). Des Weiteren können Unternehmen unmöglich alle externen, den Leistungserstellungsprozess störenden Einflüsse kontrollieren (vgl. Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 263). So fallen Flüge aus oder verspäten sich womöglich, weil ein Eisregen den Start verhindert (vgl. Hart, Heskett & Sasser 1990, S. 148).
Das zweite Motiv ergibt sich aus den Reaktionsmöglichkeiten der Kunden auf einen Fehler. Dabei lassen sich drei Handlungsalternativen unterscheiden (vgl. Hirschmann 1970): Die Kunden kaufen weiterhin bei dem Unternehmen ein (loyalty), beenden die Beziehung zu dem Unternehmen (exit) oder äußern ihren Unmut über den entstandenen Service- oder Produktfehler gegenüber Drittinstitutionen, Menschen in ihrem sozialen Umfeld oder dem betreffenden Unternehmen (voice). Von diesen Reaktionsmöglichkeiten versetzt einzig die letzte, nämlich die Beschwerde des Kunden gegenüber dem Unternehmen, das Unternehmen in die Lage, den Fehler zu beheben und dem Kunden adäquat zu antworten. Für Unternehmen stellen Beschwerden daher eine zweite Chance dar, die Kundenbeziehung aufrechtzuerhalten, um negative Referenzen zu verhindern sowie eine trotz Loyalität vorhandene Unzufriedenheit zu vermeiden. Nutzen Unternehmen die gewährte Chance erfolgreich, vermögen sie, wie folgendes Beispiel zeigt, die Kundenbeziehung in einem kritischen Moment zu retten und sogar in einem Ausmaß zu festigen, als wäre der Fehler nie aufgetreten:
Service-Exzellenz im Ferienressort Med Cancún Urlaubsreisende auf dem Weg von New York ins mexikanische Cancún hatten nichts als Probleme mit ihrem Flug. Sie starteten mit 6 Stunden Verspätung, landeten zweimal ungeplant zwischen, kreisten noch 30 Minuten über ihrem Zielflughafen, bis sie schließlich mit insgesamt 10 Stunden Verspätung 2 Uhr nachts landeten. Durch die lange Verspätung waren außerdem alle Essens- und Trinkvorräte aufgebraucht. Die Landung war so hart, H. Roschk, Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung, DOI 10.1007/978-3-8349-6222-5_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
1 Einleitung
dass Sauerstoffmasken und Gepäck aus den oberen Verstauungsräumen herabfielen. Während das Flugzeug zum Ankunftsgate rollte, waren die Passagiere hungrig, verstimmt und sich darin einig, dass ihr Urlaub ruiniert war, noch bevor er überhaupt angefangen hatte. Ein Anwalt an Board notierte bereits Namen und Adressen der Flugpassagiere. Silvio de Bortoli, Geschäftsführer des Ferienressorts Med Cancún, hörte von der beschwerlichen Reise und organisierte Snacks, Erfrischungsgetränke und Musik, um die gestressten Gäste am Flughafen mit der Hälfte seines Personals in Empfang zu nehmen. Den Gästen wurde ihr Gepäck abgenommen, und ein Chauffeur fuhr sie in ihr Feriendomizil. Dort wartete bereits ein großzügiger Mitternachtsschmaus mit Liveband und Champagner auf sie. Das Hotelpersonal organisierte eine Party mit den anderen Gästen, die die Neuankömmlinge herzlich begrüßten. Die Gäste feierten mit der Belegschaft bis zum Sonnenaufgang. Viele Gäste sagten im Nachhinein, dass sie seit langem nicht mehr so viel Spaß hatten. (vgl. Hart, Heskett & Sasser 1990, S. 148 f.)
Empirische Befunde bestätigen dieses so genannte Beschwerdeparadoxon: Eine erfolgreiche Beschwerdebehandlung hebt die Zufriedenheit der Kunden, die Wiederkaufabsicht und die positive Mundpropaganda auf ein Niveau, welches dem einer fehlerfreien Leistung entspricht (vgl. De Matos, Henrique & Rossi 2007, S. 66; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365 f.; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 69). Schöpfen die Unternehmen also ihre Möglichkeiten im Rahmen der Beschwerdebehandlung aus, müssen sie keine negativen Verhaltenskonsequenzen der Konsumenten befürchten. Bleiben die Unternehmen hingegen hinter ihren Möglichkeiten zurück und schlägt die Wiedergutmachung fehl, ist dies ein gewichtiger Grund für Kunden, den Anbieter zu wechseln (vgl. Keaveney 1995, S. 78).
Angesichts dieser Erkenntnisse hat sich die Nachbeschwerdeforschung als wichtiges Forschungsfeld im Marketing etabliert. Es gilt als gesichert, dass die Unternehmensreaktion auf eine Beschwerde (z. B. Kompensation des entstandenen Schadens) eine Kausalkette von drei Kundenreaktionen einleitet (vgl. Abb. 1). Zunächst beurteilen die Kunden die Unternehmensreaktion dahingehend, ob sie diese als fair empfinden (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358). Eine als fair wahrgenommene Unternehmensreaktion erhöht die Nachbeschwerdezufriedenheit, welche wiederum Ursache für positive Verhaltensabsichten wie Wiederkauf und positive Mundpropaganda ist (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 246; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 69).
1 Einleitung
3
Kap. 2
Distributive Gerechtigkeit Unternehmensreaktion
Verhaltensabsichten
Prozedurale Gerechtigkeit
NachbeschwerdeZufriedenheit
z.B. Kompensation
Wiederkauf Positive Mundpropaganda
Interaktionale Gerechtigkeit Kap. 3
Moderatoren Kundenmerkmale
Situationsmerkmale
? ?
? ?
Alter Geschlecht
Fehlerausmaß Fehlertyp Kap. 4
Bisherige Forschung Vorliegende Arbeit
Abb. 1: Untersuchungsgegenstand und Gang der Arbeit
Im Rahmen dieses Konzepts gilt die Gerechtigkeitstheorie als einschlägiger Ansatz, um die Entstehung der Nachbeschwerdezufriedenheit zu erklären. Danach streben Individuen in der Beschwerdesituation nach einem gerechten Ausgleich ihrer Interessen (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 357). Dabei nehmen Menschen Fairness auf drei Dimensionen wahr: distributive (ergebnisbezogen), prozedurale (prozessbezogen) und interaktionale Gerechtigkeit (bezogen auf den zwischenmenschlichen Umgang) (vgl. Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 264). Ein grundlegendes Problem des derzeitigen Forschungsstands besteht allerdings darin, dass hinsichtlich der Einflussstärke einzelner Gerechtigkeitsdimensionen auf die Nachbeschwerdezufriedenheit divergente Befunde beobachtet werden (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 246; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 69). Einerseits zeigen empirische Befunde, dass die empfundene Fairness bezüglich des Ergebnisses der Beschwerdebehandlung (distributive Gerechtigkeit) den stärksten Einfluss auf die Nachbeschwerdezufriedenheit besitzt (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 105; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 272; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 366). Andererseits finden sich ebenso viele empirische Belege dafür, dass die empfundene Fairness in Bezug auf den durchlaufenen Prozess der Beschwerdebearbeitung (prozedurale Gerechtigkeit) oder das Verhalten der Unternehmensmitarbeiter (interaktionale Gerechtigkeit)
4
1 Einleitung
den stärksten Effekt ausübt (vgl. del Rio-Lanza, Vazquez-Casielles & Diaz-Martin 2009, S. 778; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 69; Vorhees & Brady 2005, S. 199).
1.2
Kunden- und Situationsmerkmale als vernachlässigte Kontextvariablen
Eine Ursache für die divergenten Befunde mag darin bestehen, dass die Beschwerdebehandlung von ihrem Kontext abhängt (z. B. Gelbrich & Roschk 2010b; Mattila & Patterson 2004a, S. 341; Webster & Sundaram 1998, S. 156). Der Kontext einer Beschwerde wird durch die Eigenschaften des Kunden (z. B. Geschlecht, Landeskultur) und die Situation (z. B. Fehlerausmaß) geprägt (vgl. McColl-Kennedy, Daus & Sparks 2003; Mattila & Patterson 2004a; Smith, Bolton & Wagner 1999). Solche Kontextvariablen können die Kundenreaktion auf die Beschwerdebehandlung verstärken oder abschwächen. Sie werden dann als Moderatorvariablen bezeichnet, weil sie die Beziehungsstärke zwischen zwei anderen Variablen verändern (vgl. Baron & Kenny 1986, S. 1174). So besitzt etwa die Kompensation in westlichen Ländern wie den USA einen stärkeren positiven Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung als in ostasiatischen Ländern wie Malaysia– die Landeskultur moderiert also die Beziehungsstärke zwischen Kompensationshöhe und Nachbeschwerdezufriedenheit (vgl. Mattila & Patterson 2004b, S. 202.).
Bislang wurde eine Reihe von Kontextvariablen untersucht (z. B. Landeskultur, Fehlerhäufigkeit). Davon sind Alter und Geschlecht als Kundenmerkmale besonders relevant, weil die Unternehmensmitarbeiter diese Variablen unmittelbar im Kundenkontakt erkennen. Darüber hinaus hat sich in anderen Forschungszweigen gezeigt, dass sie das Verhalten von Konsumenten entscheidend beeinflussen.
Dem Alter wird bspw. bei der Erklärung der Informationsverarbeitung im Konsumkontext große Aufmerksamkeit geschenkt (z. B. Phillips & Sterntahl 1977). So unterscheiden sich jüngere von älteren Konsumenten dahingehend, dass sie Informationen besser verarbeiten (vgl. Cole & Houston 1987, S. 62). Ebenso lassen sich Unterschiede in der Entscheidungsfindung (z. B. Simcock, Sudbury & Wright 2006) oder im Kaufverhalten (z. B. Tongren 1988) feststellen. Ältere Menschen bauen stärker auf ihre Erfahrungswerte und haben generell mehr Zeit als Jüngere (vgl. Zuzanek 2005, S. 52). Das Alter als Moderatorvariable im Rahmen des Nachbeschwerdeverhaltens zu untersuchen ist wichtig, da Unternehmen beide Zielgruppen ansprechen müssen: zum einen die jüngeren Kunden, die ihre Präferenzen noch ausbilden,
1 Einleitung
5
und zum anderen ältere Kunden, die eine größere Kaufkraft haben und deren Zahl in Industrieländern stetig zunimmt (vgl. Phillips & Stanton 2004, S. 8). So wird in Deutschland der Anteil der über 50-Jährigen von 39 % im Jahr 2008 auf 48 % im Jahr 2020 ansteigen. Indes geht der Anteil der 20- bis unter 50-Jährigen im gleichen Zeitraum von 42 % auf 36 % zurück (vgl. DeStatis 2009, S. 17).
Auch das Geschlecht bildet in anderen Forschungsbereichen einen wichtigen Untersuchungsgegenstand. Mit Blick auf die Informationsverarbeitung neigen Männer im Vergleich zu Frauen dazu, Informationen zweck- und zielorientierter aufzunehmen und zu verarbeiten. Hingegen selektieren und verarbeiten Frauen tendenziell stärker als Männer Informationen, die in Relation zu anderen Personen stehen (vgl. Carlson 1971, S. 270 f.; Iacobucci & Ostrom 1993, S. 281). So schätzen Frauen im Dienstleistungskontakt ein Lächeln des Mitarbeiters mehr als Männer (vgl. Mattila, Grandey & Fisk 2003, S. 140). Wenngleich Geschlechterstereotype als überholt gelten mögen, so existieren sie innerhalb der Gesellschaft nach wie vor. Dies zeigt sich darin, dass Frauen in der Werbung, die als Spiegel der Gesellschaft gilt, häufiger als Männer in häuslicher Umgebung und in Beziehung mit anderen Personen gezeigt werden (vgl. Eisend 2010, S. 431).
Von den bislang untersuchten Kontextvariablen sind neben Alter und Geschlecht auch das Fehlerausmaß und der Fehlertyp als Situationsmerkmale besonders relevant. Beide Kontextvariablen sind spezifisch für das Nachbeschwerdeverhalten, und Unternehmen können sie sich vergleichsweise einfach aus der jeweiligen Situation erschließen. Außerdem vermögen sowohl Fehlerausmaß als auch Fehlertyp kundenindividuelle Erwartungen an die Beschwerdebehandlung zu wecken.
Wenn Fehler auftreten, dann gleichen sie sich nur selten in ihrem Ausmaß, da dieses u. a. vom Umfang der individuellen Konsequenzen abhängt (vgl. Webster & Sundaram 1998, S. 155). So kann z. B. ein defekter Beamer für den einen Kunden ein geringes Problem darstellen, weil er ihn aktuell nicht benötigt. Für einen anderen Kunden bedeutet dies jedoch, dass er sein Lieblingssportereignis nicht sehen kann. Fehler unterschiedlichen Ausmaßes wecken folglich auch verschiedene Erwartungen an die Beschwerdebehandlung. So ist es womöglich dem ersten Beamerbesitzer gleichgültig, wie lange die Reparatur dauert, weil er den Beamer gerade nicht benötigt, wohingegen der andere Beamerbesitzer eine schnelle Problemlösung wünscht, um das Sportereignis verfolgen zu können.
6
1 Einleitung
Fehler unterscheiden sich nicht nur nach ihrem Ausmaß, sondern auch nach ihrem Typ. Es wird zwischen Ergebnisfehlern, bei denen die Kernleistung beeinträchtigt ist (z. B. versalzenes Steak im Restaurant), und Prozessfehlern, bei denen die Art und Weise der Leistungserbringung nicht den Vorstellungen der Kunden genügt (z. B. unhöfliche Bedienung), getrennt. Mit beiden Fehlertypen gehen auch unterschiedliche Erwartungen an die Beschwerdebehandlung einher. Im Falle eines Ergebnisfehlers (versalzenes Steak) möchte der Restaurantbesucher womöglich sein Steak erneut zubereitet bekommen. Im Falle eines Prozessfehlers (unhöfliche Bedienung) erwartet der Kunde vermutlich, dass ihm fortan mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358).
Allerdings wurden die vier Kontextvariablen im Rahmen des Nachbeschwerdeverhaltens bislang zumeist nicht als Moderatoren untersucht. Vielmehr wurde der Frage nachgegangen, ob sie die eine oder andere Variable im theoretischen Gerüst direkt beeinflussen, z. B.: „Kaufen Frauen eher bei dem Anbieter wieder ein als Männer?“ (vgl. Estelami 2000, S. 297; Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 137; Kolodinsky 1993, S. 201). Die wenigen Untersuchungen, die Moderationseffekte analysieren, betrachten nicht explizit die Gerechtigkeitswahrnehmung (z. B. Richard & Adrien 1995, S. 91 f.), erfassen die Gerechtigkeitsdimensionen nicht differenziert genug (z. B. Karande, Magnini & Tam 2007, S. 189; Weun, Beatty & Jones 2004, S. 138) oder erforschen Moderationseffekte an anderer Stelle des in Abb. 1 dargestellten Modells (z. B. Homburg, Fürst & Koschate 2010, S. 267; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365 f.).
1.3
Ziel und Gang der Arbeit
Vor diesem Hintergrund besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit darin, die moderierende Wirkung der vier Kontextvariablen Alter, Geschlecht, Fehlerausmaß und Fehlertyp auf die Beziehungen zwischen den drei Gerechtigkeitsdimensionen und der Nachbeschwerdezufriedenheit zu untersuchen (vgl. Abb. 1). Es wird also analysiert, wie wichtig jede der drei Gerechtigkeitsdimensionen bei welcher Untergruppe (z. B. jung vs. alt) ist, um die Nachbeschwerdezufriedenheit zu erklären. Die Forschungsfrage, die es zu beantworten gilt, lautet:
In welchem Ausmaß moderieren die vier Kontextvariablen Alter, Geschlecht, Fehlerausmaß und Fehlertyp die Stärke der positiven Wirkung der distributiven, der prozeduralen und der interaktionalen Gerechtigkeit auf die Nachbeschwerdezufriedenheit?
1 Einleitung
7
Aus Forschungssicht wird dazu beigetragen, die heterogenen Befunde zu der Wichtigkeit einzelner Gerechtigkeitsdimensionen besser zu verstehen. Die Untersuchung dieser Forschungsfrage hat maßgebliche Konsequenzen für die Unternehmenspraxis. Unternehmen erfahren, wie sie ihre Wiedergutmachungsstrategie auf die Beschwerdeführer (Alter, Geschlecht) sowie auf die spezifische Beschwerdesituation (Fehlerausmaß, Fehlertyp) zuschneiden können.
Im Einzelnen gliedert sich die Arbeit wie folgt. In Kapitel 2 wird das theoretische Gerüst der Arbeit entwickelt. Ihm liegt die Kausalkette von Kundenreaktionen zugrunde, die durch die Beschwerdebehandlung (Unternehmensreaktion) ausgelöst wird: „Gerechtigkeitswahrnehmung ĺ Nachbeschwerdezufriedenheit ĺ Verhaltensabsichten“. Der Schwerpunkt der theoretischen Ausführungen zum Stand der Forschung liegt auf der Gerechtigkeitswahrnehmung. Es wird erläutert, nach welchen Kriterien Menschen ein distributives, ein prozedurales und ein interaktionales Gerechtigkeitsurteil fällen. Dabei bilden einschlägige Ansätze und Theorien die Grundlage der theoretischen Abhandlungen. Diskutiert werden u. a. die Equity-Theory (vgl. Adams 1963, 1965) zur distributiven Gerechtigkeit, das Kontrollmodell von Thibaut & Walker (1975) zur prozeduralen Gerechtigkeit und die einschlägige empirische Arbeit von Bies & Moag (1986) zur interaktionalen Gerechtigkeit.
In Kapitel 3 wird das Gerüst der Arbeit um den Einfluss der Kontextvariablen erweitert. Das Kapitel vermittelt die theoretischen Hintergründe zu den vier interessierenden Kontextvariablen Alter, Geschlecht, Fehlerausmaß und Fehlertyp. Dabei werden Alterungsprozesse und die Entwicklung geschlechtsspezifischer Persönlichkeitsmuster jeweils aus biologischer, psychologischer und soziologischer Sicht diskutiert. Im Rahmen des Fehlerausmaßes erweisen sich sowohl die Prospekt-Theorie (vgl. Kahnemann & Tversky 1979) als auch die Disappointment-Theorie (vgl. Loomes & Sudgen 1986) als geeigneter Bezugspunkt. Prinzipien der Resource-Exchange-Theorie (vgl. Foa & Foa 1974) stellen bei der Variablen des Fehlertyps den Kern der theoretischen Ausführungen dar. Darauf aufbauend werden Hypothesen zum Einfluss der vier Kontextvariablen auf die Wirkungsbeziehungen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen und der Nachbeschwerdezufriedenheit formuliert.
In Kapitel 4 werden die aufgestellten Hypothesen in einer eigenen empirischen Untersuchung überprüft. Das Kapitel widmet sich daher zunächst der methodischen Beschreibung der zur Anwendung kommenden Strukturgleichungsmodelle. In diesem Rahmen vermitteln detaillierte Ausführungen zum Prinzip und zur Güteprüfung von Strukturgleichungsmodellen die not-
8
1 Einleitung
wendigen statistischen Wissensbausteine. Im Fortgang des Kapitels werden der Untersuchungsaufbau der Studie, die Ergebnisse der Güteprüfung sowie der Hypothesenprüfung dargestellt.
In Kapitel 5 werden Implikationen für die Forschung gegeben. Des Weiteren werden aus den Ergebnissen ausführliche und konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet. Diese Handlungsempfehlungen beziehen sich auf generelle Möglichkeiten und auf kundenspezifische sowie situationsspezifische Handlungsoptionen, um eine zufriedenstellende Beschwerdebearbeitung sicherzustellen. Aus der kritischen Würdigung der Grenzen dieser Arbeit eröffnen sich Felder für die zukünftige Forschung.
2
Theoretische Grundlagen und Modellgenese
2.1
Überblick und Vorgehen
Das theoretische Gerüst umfasst die vier im Nachbeschwerdeverhalten einschlägig untersuchten Elemente: Unternehmensreaktion, Gerechtigkeitswahrnehmung, Nachbeschwerdezufriedenheit, Verhaltensabsichten (vgl. Orsinger, Valentini & de Angelis 2010, S. 170; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358). Die Unternehmensreaktion (z. B. Kompensation des entstandenen Schadens) fördert die kundenseitige Gerechtigkeitswahrnehmung (z. B. distributive Gerechtigkeit – ist das Ergebnis der Beschwerde fair?). Eine als fair empfundene Unternehmensreaktion führt zu Nachbeschwerdezufriedenheit, welche wiederum die Verhaltensabsichten (z. B. Wiederkauf) positiv beeinflusst (vgl. Liao 2007, S. 482; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 246). In den Kapiteln 2.2 bis 2.5 werden die theoretischen Grundlagen zu den jeweiligen Modellelementen vermittelt und ihre kausale Verknüpfung anhand der beiden metaanalytischen Befunde von Orsingher, Valentini & de Angelis (2010) sowie Gelbrich & Roschk (2010b) diskutiert (vgl. Abb. 2).
Kundenreaktion
Unternehmensreaktion Kap. 2.2
Gerechtigkeitswahrnehmung Kap. 2.3
Kompensation
Distributive Gerechtigkeit
Adäquate Organisationsstruktur
Prozedurale Gerechtigkeit
Zuvorkommendes Mitarbeiterverhalten
Interaktionale Gerechtigkeit
Nachbeschwerdezufriedenheit
Verhaltensabsichten
Kap. 2.4
Kap. 2.5 Wiederkauf
Zufriedenheit (transaktionsspezifisch) Positive Mundpropaganda
Modellelement ist nicht Bestandteil von Kap. 4 Modellelement ist Bestandteil von Kap. 4
Abb. 2: Theoretisches Gerüst der Arbeit
Das theoretische Gerüst berücksichtigt die typischen im Nachbeschwerdeverhalten untersuchten Konstrukte. Daneben existieren weitere Konstrukte wie Vertrauen und Emotionen, die weitaus weniger häufig Gegenstand empirischer Untersuchungen sind (z. B. de Ruyter & Wetzels 2000; del Río-Lanza, Vázquez-Casielles & Díaz-Martín 2009). Sie werden jedoch aus den folgenden Gründen nicht weiter betrachtet werden. Das Vertrauen der Kunden in den H. Roschk, Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung, DOI 10.1007/978-3-8349-6222-5_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
10
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Anbieter nimmt eine zweideutige Stellung im kausalen Beziehungsgeflecht von Abb. 2 ein. So wird Vertrauen einerseits als Verhaltensabsicht angesehen, die auf gleicher Ebene mit dem Wiederkauf steht (vgl. Kau & Loh 2006, S. 107; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 61). Andererseits wird Vertrauen als kausale Ursache des Wiederkaufs behandelt (vgl. Kim, Kim & Kim 2009, S. 58).
Außerdem wird mit dem Vertrauen der Kunden in den Anbieter als Antezedenz der Verhaltensabsichten nicht notwendigerweise die Erklärungskraft des Modells erhöht. So sind Kim, Kim & Kim (2009, S. 58) in der Lage, mit Vertrauen und Nachbeschwerdezufriedenheit 53 % der Varianz der Wiederkaufabsicht zu erklären. Meta-analytisch erreichen Gelbrich & Roschk (2010b) einen vergleichbaren Wert von 50 %, ohne dass Vertrauen berücksichtigt wird. Es lässt sich also keine deutliche Steigerung der Erklärungskraft des Modells erwarten, wenn Vertrauen in das Untersuchungsdesign integriert wird.
Die durch die Beschwerdebehandlung hervorgerufenen Emotionen (z. B. Ärger, Freude) besitzen eine ähnlich diffuse Stellung im Beziehungsgeflecht wie Vertrauen. Der Grund hierfür liegt in unterschiedlichen theoretischen Ansätzen. Auf der einen Seite werden Zufriedenheit und Emotionen als konzeptionell verschiedene Konstrukte angesehen, welche nebeneinander koexistieren und miteinander interagieren (vgl. Westbrook & Oliver 1991, S. 89). Demnach führen Emotionen zu Zufriedenheit. In der Forschung zum Verhalten nach der Beschwerde schlägt sich diese Sichtweise darin nieder, dass Emotionen als Erklärung für die Entstehung von Zufriedenheit herangezogen werden (vgl. del Río-Lanza, Vázquez-Casielles & DíazMartín 2009, S. 778; Schoefer 2008, S. 215). Das bedeutet, dass die Nachbeschwerdezufriedenheit als kausale Folge von Emotionen interpretiert wird und an sich nicht als Emotion zu verstehen ist.
Auf der anderen Seite wird Zufriedenheit als ein emotionaler Zustand an sich verstanden (vgl. Nyer 1997, S. 299). Zufriedenheit kann demnach über bestimmte Emotionen wie z. B. Freude gemessen werden, weil sie zwangsläufige Begleiterscheinungen von Zufriedenheit sind (vgl. Cadotte et al. 1987, S. 307 f.; Plutchik 1980). Basierend auf dieser Sichtweise werden im Nachbeschwerdeverhalten Emotionen als Äquivalent der Nachbeschwerdezufriedenheit behandelt (vgl. Chebat & Slusarczyk 2005, S. 669; DeWitt, Nguyen & Marshall 2008, S. 271), d. h., Zufriedenheit stellt einen emotionalen Zustand an sich dar. Aufgrund dieser konzeptionellen Kontroverse und der daraus resultierenden unklaren Stellung von Emotionen entweder
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
11
als Ursache oder als Äquivalent von Zufriedenheit ist durch die Integration von Emotionen in das Modell kein substantieller Informationszugewinn zu erwarten.
2.2
Unternehmensreaktionen auf Beschwerden
2.2.1
Überblick
Die Reaktion des Unternehmens auf eine Kundenbeschwerde ist definiert als die beobachtbaren Handlungen des Unternehmens. Gemeint ist also das tatsächliche Verhalten des Unternehmens oder seiner Mitarbeiter (vgl. Davidow 2003a, S. 232).
Die Bandbreite der untersuchten Unternehmensreaktionen lässt sich sowohl in drei (vgl. Estelami 2000; Gelbrich & Roschk 2010b) als auch in sechs Kategorien (vgl. Davidow 2000, S. 474, 2003a, S. 232) zusammenfassen (vgl. Abb. 3). Auch wenn sechs Kategorien ein differenzierteres Spektrum der Unternehmensreaktionen abdecken, geht die Arbeit von einem dreikategorialen Ansatz aus (vgl. Estelami 2000; Gelbrich & Roschk 2010b). Dafür sprechen zwei Gründe:
Die drei Reaktionsmöglichkeiten bilden übergeordnete Kategorien der sechs Unternehmensreaktionen von Davidow (2000, 2003a). Dadurch lassen sich die sechs Reaktionsfelder auf drei verdichten, ohne dass wichtige Unternehmensreaktionen vernachlässigt werden. Weiter erlaubt die dreikategoriale Lösung, dass jeder Unternehmensreaktion genau eine Gerechtigkeitsdimension zugeordnet wird. Dadurch können – wie später gezeigt wird (vgl. Kap. 2.3.6) – die Gerechtigkeitsdimensionen als Approximation der tatsächlichen Unternehmensreaktion verwendet werden. Ein Überblick über die Reaktionsformen gibt Abb. 3.
12
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Gelbrich & Roschk (2010)
Davidow (2003a)
Ausprägungsformen und ausgewählte empirische Studien
Kompensation: ... ist der monetäre (z. B. 50 η Rabatt), geldwerte (z. B. Produktumtausch) oder psychologische (z. B. Entschuldigung) Nutzen, den der Kunde als Reaktion des Unternehmens auf seine Beschwerde erhält.
Entschädigung
?
Entschuldigung
Monetäre Entschädigungen, z. B. Rabatte, Rückerstattung des Kaufpreises Blodgett, Hill λ Tax (1997); Bonifield λ Cole (2008); Chang (2008); Mattila (2006); Mattila λ Patterson (2004a); Megehee (1994); Weun, Beatty λ Jones (2004)
?
Geldwerte Entschädigungen, z. B. Gutscheine, Produktumtausch, Angebot einer höherwertigen Leistung Blodgett λ Tax (1993); Bradley λ Sparks (2009); Hui λ Au (2001); Mattila (2006); Mattila, Cho λ Rho (2009); McCollough, Berry λ Yadav (2000)
?
Entschuldigung, z. B. Unternehmen entschuldigt sich Ok, Back λ Shanklin (2006); Smith, Bolton λ Wagner (1999); Wirtz λ Mattila (2004)
Adäquate Organisationsstruktur: ... ist die unternehmensseitige Beschwerdepolitik, Prozesse und Strukturen, die die Beschwerdebearbeitung fördern.
Einfachheit
?
Einfachheit, z. B. Richtlinien, Kunde muss nicht auf Ansprechpartner warten Blodgett, Hill λ Tax (1997); Homburg λ Fürst (2005); Maxham III λ Netemeyer (2003); Ok, Back λ Shanklin (2006)
Schnelligkeit
?
Schnelligkeit, z. B. zügige Problemblösung, Lösungswunsch wird erfragt, geringe Anzahl an Korrespondenzen Karande, Magnini λ Tam (2007); Au, Hui λ Leung (2001); Hui λ Au (2001); Ok, Back λ Shanklin (2006); Smith, Bolto, λ Wagner (1999)
Zuvorkommende Mitarbeiterverhalten: ... ist die interpersonale Kommunikation zwischen Beschwerdeführer und Unternehmensvertreter, welche charakterisiert ist durch einen respektvollen Umgang mit dem Kunden, der Anteilnahme an seinem Problem und eine Erklärung, warum der Fehler auftrat.
Aufmerksamkeit
?
Glaubwürdigkeit
Aufmerksamkeit, z. B. Respekt, Freundlichkeit, Höflichkeit, Geduld, Empathie Blodgett, Hill λ Tax (1997); Clopton, Stoddard λ Clay (2001);Hocutt, Chakraborty λ Mowen (1997); McCollough, Berry λ Yadav (2000); Sparks λ McColl-Kennedy (1998)
?
Glaubwürdigkeit, z. B. Retrospektive und prospektive Erklärungen Mattila λ Patterson (2004a); Ok, Back λ Shanklin (2006); Shapiro et al. (2006)
Abb. 3: Überblick über Unternehmensreaktionen auf Beschwerden
2.2.2
Kompensation
Die Kompensation ist definiert als monetärer (z. B. 50 % Rabatt), geldwerter (z. B. Produktumtausch) oder psychologischer (z. B. Entschuldigung) Nutzen, den der Kunde als Reaktion des Unternehmens auf seine Beschwerde erhält (vgl. Estelami 2000, S. 296; Gelbrich & Roschk 2010b). Auch Davidow (2003a, S. 232) stellt bei seiner Definition von Kompensation allgemein auf das Beschwerdeergebnis für den Kunden ab. Für eine klare begriffliche Abgrenzung fallen unter monetäre und geldwerte Vorteile auch tangible bzw. materielle Entschädigungen. Dabei werden die Begriffe tangibel und materiell synonym verwendet.
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
13
Die Kompensation ist nicht wie bei anderen Autoren (vgl. Bonifield & Cole 2008, S. 571) explizit auf monetäre oder geldwerte Leistungen beschränkt. Denn die Definition umfasst auch intangible Beschwerdeergebnisse wie z. B. eine Entschuldigung, die als psychologische Kompensation verstanden werden kann (vgl. Davidow 2000, S. 477). Einige Studien im Nachbeschwerdeverhalten folgen dieser Zuordnung nicht; sie sehen die Entschuldigung vielmehr als Teil eines zuvorkommenden Mitarbeiterverhaltens (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 192; McCollough, Berry & Yadav 2000, S. 130). Demgegenüber steht allerdings eine erhebliche Zahl an Studien, welche die Entschuldigung als Teil der Kompensation behandeln (vgl. Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 142; Mattila & Patterson 2004a, S. 339; Mount & Mattila 2000, S. 518; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 67; Webster & Sundaram 1998, S. 157).
Theoretisch lässt sich die Zuordnung der Entschuldigung zu der Kompensation wie folgt begründen. Durch den Beschwerdevorfall entsteht den Beschwerdeführern ein sozialer Verlust z. B. in Form verlorener Zeit oder entstandenen Ärgers. Dadurch ist die Beziehung zum Unternehmen nicht mehr ausgewogen. Eine Entschuldigung kompensiert diesen sozialen Verlust und gleicht die Beziehung in zweifacher Weise wieder aus. Zum einen bringt der verursachende Schuldige (z. B. Verkäufer) mit einer Entschuldigung seinen ebenso erlittenen sozialen Verlust in Form von Leid und Unwohlsein zum Ausdruck. Somit haben beide Parteien und nicht nur die Kunden einen Verlust erfahren. Zum anderen kompensiert eine Entschuldigung den sozialen Verlust, indem durch das Schuldeingeständnis die Wertschätzung der Kunden gesteigert wird (vgl. Bramel, Taub & Blum 1968, S. 390; Walster, Berscheid & Walster 1973, S. 163). Insofern soll auch im Folgenden die Entschuldigung als eine Kompensationsform angesehen werden.
Die Summe der als Wiedergutmachung erbrachten monetären und geldwerten Leistungen bestimmt die Höhe der Kompensation. Dies wirft die Frage nach der optimalen Kompensationshöhe auf (vgl. Boshoff 1997, S. 115; Gelbrich & Roschk 2010a; Gilly & Hansen 1985, S. 13). Es wird diskutiert, ob eine Wiedergutmachung in Höhe des Fehlerausmaßes (einfache Kompensation) ausreicht oder aber ob Unternehmen eine einfache Kompensation mit einer zusätzlichen Wiedergutmachung, die über das Fehlerausmaß hinausgeht (Überkompensation), kombinieren sollten. Die Kunden wären somit nach dem Fehler bessergestellt als vorher. Eine aktuelle Meta-Analyse belegt, dass eine Überkompensation nur noch marginal die Zufriedenheitswerte über den Effekt einer einfachen Kompensation hinaus erhöht. Die einfache Kom-
14
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
pensation besitzt somit im Vergleich zur Überkompensation den weitaus stärkeren Effekt auf die Nachbeschwerdezufriedenheit (vgl. Gelbrich & Roschk 2010a).
Anstelle der Überkompensation besteht auch die Möglichkeit, eine einfache Kompensation mit einer Entschuldigung zu verbinden. Diese verstärkt den positiven Effekt der Kompensation auf die Nachbeschwerdezufriedenheit (vgl. Goodwin & Ross 1992, S. 157). Außerdem belegen empirische Studien einheitlich, dass eine Entschuldigung unabhängig von der Kompensation zu Zufriedenheit führt (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365; Wirtz & Mattila 2004, S. 158). Sie beruhigt die aufgebrachten Kunden und mindert vergeltende Verhaltensreaktionen (z. B. negative Mundpropaganda) der Kunden (vgl. Gelbrich 2010, S. 575).
2.2.3
Adäquate Organisationsstruktur
Die adäquate Organisationsstruktur wird definiert als die unternehmensseitige Beschwerdepolitik, Prozesse und Strukturen, die die Beschwerdebearbeitung fördern (vgl. Estelami 2000, S. 296; Gelbrich & Roschk 2010b). Damit umfasst die Organisationsstruktur die beiden Handlungsfelder Einfachheit und Schnelligkeit nach Davidow (2000, 2003a). Eine einfache Beschwerdebehandlung zeichnet sich dadurch aus, dass die unternehmensseitigen Rahmenbedingungen (z. B. Beschwerdeannahmeprozesse) derart ausgestaltet sind, dass die Beschwerden für die Kunden problemlos abgewickelt werden. Schnelligkeit beschreibt, dass die Unternehmen die Beschwerden in angemessener Zeit bearbeiten.
Die konkret untersuchten Reaktionsformen, um eine Beschwerde einfach und schnell zu lösen, sind vielfältig (vgl. Abb. 3). Unternehmensseitige Gestaltungsräume, um eine aus Kundensicht einfache Beschwerdeabwicklung zu gewährleisten, bestehen zunächst darin, den Kunden einen direkten Zugang zu den Beschwerdeeinrichtungen zu ermöglichen. Darunter wird bspw. verstanden, dass Kunden ihre Beschwerde aufgeben können, ohne auf den Geschäftsführer zu warten (vgl. Ok, Back & Shanklin 2006, S. 24). Wenn die Kunden das Geschäft am nächsten Tag erneut aufsuchen müssten, dann würde womöglich der zusätzliche Aufwand die mögliche Gutschrift überwiegen (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68). Auch Richtlinien helfen Unternehmen bei der Beschwerdebearbeitung (vgl. Homburg & Fürst 2005). In ihnen können Aufgabenverteilung und Fristen geregelt sein, um die Unternehmensmitarbeiter in die Lage zu versetzen, Beschwerden unkompliziert zu bearbeiten. Dabei müssen Mitarbeiter lernen, dass Beschwerden zum normalen Tagesgeschäft gehören (vgl.
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
15
Bowen & Johnsten 1999, S. 126). Eine dementsprechend verantwortungsvolle Beschwerdebehandlung fördert die positive Kundenwahrnehmung (vgl. Hocutt, Bowers & Donavan 2006, S. 203). Aus Kundensicht besteht die einfachste Lösung im Idealfall darin, dass die Mitarbeiter die Beschwerdebehandlung selbst initiieren, ohne dass die Kunden den Anstoß hierzu geben (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 359). Als ein weiteres Gestaltungsfeld fördert ein faires Arbeitsverhältnis zwischen den Unternehmen und ihren Mitarbeitern eine einfache Beschwerdeabwicklung für die Kunden. Die Mitarbeiter gehen dann bereitwilliger mit Beschwerden um und lösen diese verantwortungsvoll (vgl. Maxham III & Netemeyer 2003, S. 56 f.).
Neben einer einfachen Beschwerdeabwicklung sollte das Problem schnell gelöst werden (vgl. Mattila & Mount 2003, S. 140).Was als eine zügige Problemlösung wahrgenommen wird, hängt jedoch von der Subjektivität der Betroffenen und von der jeweiligen Situation ab. Wird z. B. ein sehr schwerwiegendes Problem überaus schnell gelöst, entstehen womöglich Zweifel an der Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit der Beschwerdebehandlung (vgl. Davidow 2003a, S. 234). Unternehmen können ein Problem unverzüglich beheben, indem die Kunden direkt nach ihrem Lösungswunsch gefragt werden (vgl. Karande, Magnini & Tam 2007, S. 192). Eine langwierige Beschwerdeabwicklung besteht aus Kundensicht, wenn die Beschwerdeführer die Beschwerdebehandlung unter besonderem zusätzlichen Aufwand (z. B. hartnäckiges und mehrmaliges Nachhaken beim Anbieter) einzufordern haben. In diesem Zusammenhang zeigen Davidow & Leigh (1998, S. 97), dass die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung mit zunehmender Anzahl an Telefon- und E-Mail-Korrespondenzen sinkt.
2.2.4
Zuvorkommendes Mitarbeiterverhalten
Ein zuvorkommendes Mitarbeiterverhalten zeichnet sich durch Eigenschaften wie Höflichkeit, Aufmerksamkeit und Anteilnahme aus (vgl. Estelami 2000, S. 296). In Anlehnung an Gelbrich & Roschk (2010b) wird diese Unternehmensreaktion als die interpersonale Kommunikation zwischen Beschwerdeführer und Unternehmensvertreter definiert, welche charakterisiert ist durch einen respektvollen Umgang mit dem Kunden, der Anteilnahme an seinem Problem und eine Erklärung, warum der Fehler auftrat (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b). Davidow (2000, 2003a) unterscheidet zwei Reaktionsformen, die dem zuvorkommenden Mitarbeiterverhalten zugerechnet werden können: die Aufmerksamkeit, die den Kunden entgegengebracht wird, sowie die Glaubwürdigkeit, die sich darin ausdrückt, dass die Kunden eine
16
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Erklärung für die den Fehlerumstand erhalten. Beide Handlungsfelder finden sich in obiger Definition wieder. So stellt die Aufmerksamkeit eine Möglichkeit dar, Respekt zu erweisen oder Anteil zu nehmen, und eine Erklärung kann den Kunden verstehen helfen, warum es zu dem Fehler kam.
Konkret lassen sich die beiden Reaktionsformen Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit wie folgt beschreiben. Aufmerksamkeit drückt sich darin aus, dass die Mitarbeiter respektvoll, freundlich und höflich auftreten. Gleichfalls zeugt ein geduldiger Umgang von Achtung gegenüber den Kunden. Des Weiteren vermitteln die Mitarbeiter Aufmerksamkeit, indem sie Anteil am Unbehagen der Kunden nehmen und auf diese Weise offen für deren Wünsche und Belange sind. Sie hören den Beschwerdeführern zu und bringen ihnen Empathie entgegen. Die Unternehmensvertreter sollten sich somit in die Situation der Beschwerdeführer hineinversetzen und das Problem aus Kundensicht betrachten können (vgl. Abb. 3).
Glaubwürdigkeit können Unternehmen kommunizieren, indem sie eine Erklärung für das Problem geben. So helfen retrospektive und prospektive Erklärungen den Kunden, die Situation besser einzuschätzen. Retrospektive Erklärungen versorgen die Kunden mit Informationen, warum ein Fehler auftrat und warum das Unternehmen ihn nicht vermeiden konnte (vgl. Davidow 2003a, S. 232; Mattila 2006, S. 423). Sie ermöglichen den Beschwerdeführern, sich in den Schuldigen (das Unternehmen) hineinzuversetzen, wodurch Ärger und vergeltende Verhaltensabsichten gegenüber dem Unternehmen gemildert werden (vgl. Gelbrich 2010, S. 575). Prospektive Erklärungen liefern den Kunden Informationen darüber, was die Firmen unternehmen werden, um derartige Fehler in Zukunft zu vermeiden, bzw. wenn das nicht möglich ist, warum der Fehler weniger schlimm ist, als es zunächst scheint. Prospektive Erklärungen beschwichtigen die Beschwerdeführer und mindern Gefühle der Hilflosigkeit nach einem Servicefehler (vgl. Gelbrich 2010, S. 575).
2.3
Gerechtigkeitswahrnehmung
2.3.1
Einführung
Die Kunden nehmen die Unternehmensreaktion subjektiv und individuell wahr. Hierfür fällen sie ein Gerechtigkeitsurteil in dem Sinne, dass sie die Reaktion des Unternehmens als fair empfinden oder nicht. Deshalb ist die Gerechtigkeitswahrnehmung – und nicht die Unterneh-
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
17
mensreaktion an sich – ausschlaggebend für die Nachbeschwerdezufriedenheit (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358).
Die Bedeutung des Begriffs Gerechtigkeit wird sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft, insbesondere der Philosophie, heftig diskutiert und lässt sich wie folgt umreißen: Gerechtigkeit wird im Bereich der menschlichen Beziehungen überall da gefordert, wo widerstreitende Interessen aufeinandertreffen und einen Ausgleich erfahren müssen. Hierbei kann es sich um die Verteilung knapper natürlicher Ressourcen (z. B. Rohstoffe, Geld), Leistungen, die Mitmenschen bereitstellen (z. B. Fürsorge, Anerkennung), oder aber auch um die Unparteilichkeit der Justiz handeln. Gerechtigkeit wird als geschuldete Sozialmoral mit dem Rang des elementar höchsten Kriteriums allen Zusammenlebens angesehen. Dabei versteht sich Sozialmoral als eine normative Bewertung mit dem Ziel, das Gemeinwohl einer Gruppe und im Idealfall das Wohl eines jeden Einzelnen innerhalb der Gruppe zu maximieren. Geschuldet ist sie deshalb, weil Gerechtigkeit verlangt werden kann. Wohingegen Tugendpflichten wie etwa Wohltätigkeit (z. B. Spenden) nur erbeten werden können (vgl. Höffe 2007, S. 28).
Gerechtigkeit lässt sich sowohl aus einem objektiven als auch einem subjektiven Blickwinkel betrachten. Wird ein objektiver Maßstab zu Grunde gelegt, soll Gerechtigkeit anhand normativer oder objektiver Kriterien (z. B. alle Menschen sind gleich) beurteilt werden (vgl. Lind & Tyer 1988, S. 3). Von subjektiver Gerechtigkeit wird gesprochen, wenn das Interesse darin besteht, Gerechtigkeit aus Sicht der Personen heraus zu beschreiben, die sie erfahren (vgl. Lind & Tyler 1988, S. 3 f.). Das ist häufig in der sozialpsychologischen und sozialwirtschaftlichen Forschung der Fall, wenn das Interesse wie in der vorliegenden Arbeit z. B. darin besteht, das individuelle Kundenverhalten zu erklären. Aus diesem Grund werden nachfolgend die Gerechtigkeitsdimensionen (auch Fairnessdimensionen) aus individueller, subjektiver Sicht heraus diskutiert, um herauszustellen, was Kunden im Nachbeschwerdeverhalten als fair bzw. gerecht empfinden.
In neueren Studien bilden die Gerechtigkeitsdimensionen den dominierenden Ansatz, um die Nachbeschwerdezufriedenheit zu erklären (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 241; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 264). Üblicherweise werden drei Gerechtigkeitsdimensionen unterschieden: die distributive Gerechtigkeit, die prozedurale Gerechtigkeit und die interaktionale Gerechtigkeit (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 61 ff.). Die distributive Gerechtigkeit beschreibt, inwiefern die Beschwerdeführer das Ergebnis als fair
18
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
empfinden. Die Prozesse, die zu dem Beschwerdeergebnis führen, sind Gegenstand der prozeduralen Gerechtigkeit. Die interaktionale Gerechtigkeit drückt aus, ob die Kunden die Beschwerdebehandlung auf zwischenmenschlicher Ebene als fair empfinden (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 357).
Die Kapitel 2.3.2 bis 2.3.6 sind wie folgt strukturiert: •
Die theoretischen Hintergründe zu der distributiven, der prozeduralen sowie der interaktionalen Gerechtigkeit entstammen der Sozialpsychologie und wurden nicht explizit für eine Anwendung im Rahmen des Konsumentenverhaltens konzipiert (z. B. Thibaut & Walker 1975). Aus diesem Grund werden in den drei Kapiteln zur distributiven (Kap. 2.3.2), prozeduralen (Kap. 2.3.3) und interaktionalen Gerechtigkeit (Kap. 2.3.4) die originären sozialpsychologischen Ansätze diskutiert und auf das Nachbeschwerdeverhalten übertragen.
•
Des Weiteren sollen Interdependenzen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen diskutiert werden. Es existieren Gründe, die sowohl für die Unabhängigkeit der drei Gerechtigkeitsdimensionen voneinander als auch für ihre Abhängigkeit sprechen (vgl. Kap. 2.3.5).
•
Darüber hinaus wird in Kapitel 2.3.6 diskutiert, welche Unternehmensreaktion welche Gerechtigkeitsdimension beeinflusst. An dieser Stelle wird gezeigt, dass die Gerechtigkeitsdimensionen als Proxy-Variable für die Unternehmensreaktionen fungieren können.
2.3.2
Distributive Gerechtigkeit
2.3.2.1
Grundgedanke
Die Beschwerdebehandlung stellt ein Austauschverhältnis zwischen Kunden und Unternehmen dar (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 357). In diesem Austauschverhältnis bemängeln zunächst die Beschwerdeführer eine fehlerhafte Leistung, um daraufhin einen Ausgleich zu erhalten. Die Bandbreite der Beschwerdegründe reicht von einfachen Produktdefekten über einen zu langsamen Service bis hin zu unaufmerksamem und unfreundlichem Personal (vgl. Estelami 2000, S. 293; Kelley, Hoffman & Davis 1993, S. 434 ff.). Bei der Beschwerdebehandlung werden also Leistungen verteilt, für die eine faire Distribution (distributive Gerechtigkeit) gefunden werden muss. Seit dem ersten Ansatz von Homans (1961) sind zahlreiche weitere Konzepte und Theorien zur distributiven Gerechtigkeit u. a. von Adams (1963, 1965), Walster, Walster & Berscheid (1978) oder Deutsch (1985) entstanden. Alle Ansätze beschäf-
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
19
tigen sich mit der Frage, wonach Individuen die Fairness einer Verteilung beurteilen. Folgendes Experiment veranschaulicht eine Situation, welche Individuen im Sinne der distributiven Gerechtigkeit als unfair empfinden:
Distributive Gerechtigkeit in einer Buchhaltungsabteilung In einer Buchhaltungsabteilung arbeiten zwei Gruppen von Buchhaltern: Hauptbuchhalter und fachangestellte Buchhalter. Beide Angestelltengruppen beziehen das gleiche Lohnentgelt. Die Hauptbuchhalter sind jedoch erfahrener und übernehmen verantwortungsvollere Aufgaben als die fachangestellten Buchhalter. Die Hauptbuchhalter empfinden die Situation als unfair. Denn sie bringen mehr Erfahrungswissen sowie eine größere Verantwortungsübernahme bei gleichem Gehalt in die Beziehung ein. Individuen streben danach, solch einen unausgewogenen und als unfair empfundenen Zustand aufzuheben. Aus diesem Grund beschwerten sich die Hauptbuchhalter sowohl bei der Geschäftsführung als auch bei ihrer Gewerkschaft, um für eine bessere Bezahlung einzutreten. (vgl. Homans 1974, S. 242 ff.)
Die Ansätze von Homans (1974) und Adams (1963, 1965) beziehen sich zunächst nur auf Unternehmens-Mitarbeiter-Beziehungen. Später wurden sie auf ganz unterschiedliche Domänen des täglichen Lebens, wie bspw. die intime Beziehung zwischen zwei Lebenspartnern, erweitert (vgl. Walster, Walster & Berscheid 1978, S. 143). Alle Ansätze zu der distributiven Gerechtigkeit verbinden drei Elemente, die aufeinander aufbauen. Es werden (1) Ressourcen (z. B. Lohnentgelt) in einem Austauschprozess verteilt, an dem (2) zwei oder mehrere Akteure (z. B. Hauptbuchhalter und Unternehmen) beteiligt sind. Die Akteure verwenden (3) bestimmte Verteilungsheuristiken (z. B. nach dem Wert der geleisteten Beiträge), um so die Distributionsfairness zu bewerten (vgl. Cohen 1987, S. 20 f.).
2.3.2.2
Ressourcen
Ohne zu verteilende Ressourcen entfiele der Beurteilungsgegenstand und es entstünde keine Situation der Ungerechtigkeit (vgl. Deutsch 1985, S. 32). Sie stellen also den Ausgangspunkt der distributiven Gerechtigkeit dar. Die Wiedergutmachungsformen im Beschwerdefall korrespondieren mit den sechs allgemeinen Ressourcenkategorien nach Foa & Foa (1974, 1980) (vgl. Abb. 4).
20
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Kunde
Unternehmen Tangible Gütera): Produktumtauschb) Geld: Rückerstattung des Kaufpreises, Rabatte Dienstleistungen: Wiederholte Autoreparatur Zuwendung: Entschuldigung / Bedauern über den Fehler Status: Korrekte Anrede des Kunden Informationen: Außerordentlicher Vertragswechsel
a) Allgemeine Ressourcenkategorie nach Foa λ Foa (1974, 1980) b) Beispielhafte Ressource, die im Falle eines Fehlers ausgetauscht werden kann. Abb. 4: Ressourcenaustausch im Beschwerdefall
Tangible Güter werden ausgetauscht, wenn die Kunden im Umtausch gegen ein defektes Produkt ein funktionsfähiges Produkt erhalten (z. B. Hocutt, Chakraborty & Mowen 1997, S. 459). Geld kann durch die Rückerstattung des Kaufpreises gezahlt werden (z. B. Chang 2008, S. 323) und geldwerte Vorteile können durch Rabatte oder Gutscheine gewährt werden (z. B. Bonifield & Cole 2008, S. 571; McCollough, Berry & Yadav 2000, S. 129 f.). Dienstleistungen als Kompensationsform treten dann auf, wenn z. B. das Unternehmen die Autoreparatur wiederholt (vgl. Webster & Sundaram 1998, S. 155) oder der Kunde ein neues Steak erhält, weil das ursprüngliche schlecht zubereitet wurde (vgl. Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 142). Zuwendung wird den Beschwerdeführern zuteil, wenn sich die Mitarbeiter entschuldigen oder ihr Bedauern über den Fehler äußern und sie Anteil am Unbehagen der Kunden nehmen (vgl. McCollough, Berry & Yadav 2000, S. 130; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365). Der Status als Ressource spielt z. B. dann eine Rolle, wenn die Kunden Wert auf eine korrekte Anrede legen. Dies kann z. B. der vergessene Doktortitel sein oder auch, wenn die Kunden im Schriftverkehr falsch mit Frau bzw. Herr angeschrieben werden. Wenn fehlerhafte Informationen ausgetauscht werden (z. B. der Kunde erhält eine falsche Auskunft über den abzuschließenden Handyvertrag), dann besitzen die Beschwerdeführer ein Anrecht darauf, dass die daraus entstehenden Konsequenzen revidiert werden (z. B. außerordentlicher Vertragswechsel) (vgl. Kelley, Hoffman & Davis 1993, S. 443).
Ungerechtigkeit im Sinne der Distribution kann dann entstehen, wenn ungleiche Ressourcen ausgetauscht werden. Foa & Foa (1980, S. 84) argumentieren, dass z. B. die Vergütung von Liebe mit Geld als unfair empfunden werden kann. Solch ein Angebot verletzt die Selbstachtung des Offerierenden. Derjenige, der Geld im Austausch anbietet, wird eine arglistige Liebe
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
21
und somit weniger Wert für sein Geld erhalten. Menschen empfinden es also womöglich als ungerecht, die soziale Ressource Liebe auf eine Ebene mit der monetären Ressource Geld zu stellen. Im Nachbeschwerdeverhalten zeigen Smith, Bolton & Wagner (1999, S. 368), dass Fehlern, die aufgrund eines unfreundlichen Hotelpersonals entstehen, effektiver mit einer Entschuldigung als mit einer monetären Entschädigung begegnet wird. Der soziale Verlust, hervorgerufen durch das unfreundliche Hotelpersonal, wird also eher durch eine ebenfalls soziale Ressource (Entschuldigung) ausgeglichen als durch eine monetäre Entschädigung.
2.3.2.3
Akteure
Die Ressourcen werden mindestens zwischen zwei Akteuren ausgetauscht, welche üblicherweise als natürliche Personen auftreten. Als wichtigste Eigenschaft der Akteure muss eine Grenze zwischen ihnen bestehen. Diese Grenze muss es der einen Partei ermöglichen, die andere Partei von dem Ressourcenzugang auszuschließen. Wäre dieses Kriterium nicht erfüllt, erlangten beide Parteien unbegrenzten Zugriff auf die Ressource, wodurch kein Ausgleich geschaffen werden müsste und der Verteilungsprozess hinfällig würde (vgl. Cohen 1987, S. 22).
Im Nachbeschwerdeverhalten können die beiden am Austausch beteiligten Akteure in Beschwerdeführer (z. B. Kunden) und Anspruchsinstitutionen (z. B. Unternehmen) unterschieden werden (vgl. Gilly & Hansen 1985, S. 5). Es ist offensichtlich, dass die Anspruchsinstitutionen die Beschwerdeführer von ihren Ressourcen ausschließen können. Wäre dies nicht der Fall, würden sich durch den unbegrenzten Ressourcenzugang beider Parteien die Notwendigkeit einer Beschwerde und die resultierende Beschwerdebehandlung erübrigen. Die Kunden würden sich z. B. nicht über einen defekten Monitor beschweren, wenn sie sich aus dem Lager des Unternehmens einen neuen beschaffen könnten.
Die Interaktion zwischen den Akteuren gestaltet sich wie folgt: Die Kunden beschweren sich bei den Unternehmen (z. B. bei dem Restaurant über eine lauwarme Speise) und machen auf diese Art und Weise einen Anspruch (z. B. heiße Speise) geltend. Die Unternehmen reagieren, indem sie den Beschwerdeführern einen Teil ihrer Ressourcen (z. B. Speise wird neu zubereitet) zur Verfügung stellen (z. B. Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 142). Im Nachbeschwerdeverhalten werden als Beschwerdeführer vorrangig Privatkunden (Customer) sowie Unternehmen (Business) und als Anspruchsinstitutionen Unternehmen (B) und öffentliche Institutionen
22
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
(Public Sector) vorrangig untersucht (vgl. Gilly & Hansen 1985, S. 12; Homburg & Fürst 2005, S. 106; Nel et al. 2000, S. 12). Tab. 1 stellt die sich daraus ergebenden Beziehungen sowie die Häufigkeit, mit der die jeweiligen Beziehungen analysiert werden, dar.
Anspruchsinstitutionen
Beschwerdeführer
Kunden (C)
Unternehmen (B)
Unternehmen (B)
Öffentliche Institutionen (PS)
B vs. C > 90 %a) (z. B. Gilly & Gelb 1982)
PS vs. C <5% (z. B. Nel et al. 2000)
B vs. B <5% (z. B. Durvasula, Lysonski & Mehta 2000)
PS vs. B
a) geschätzte Häufigkeit basierend auf Gelbrich & Roschk (2008; 2010b), mit der die jeweilige Beziehungskonstellation in Forschungsstudien untersucht wird. Tab. 1: Häufigkeit verschiedener Beziehungskonstellationen in der Nachbeschwerdeforschung
Seit den ersten Aufsätzen liegt der Fokus empirischer Studien vor allem auf Beschwerdevorfällen zwischen Kunden und Unternehmen (B vs. C) (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b; Gilly & Gelb 1982). Weitaus seltener werden der B- vs. B-Bereich oder PS- vs. C-Beziehungen untersucht (z. B. Durvasula, Lysonski & Mehta 2000; Nel et al. 2000). Es existiert keine bekannte Studie, die Beziehungen zwischen öffentlichen Institutionen und Unternehmen (PS vs. B) betrachtet. Grundsätzlich sind auch weitere Beziehungskombinationen, z. B. eine öffentliche Institution beschwert sich bei einem Unternehmen, denkbar (B vs. PS). Solche Beziehungskonstellationen wurden allerdings in keiner bislang bekannten Studie untersucht. Dieser Umstand könnte darauf zurückzuführen sein, dass es äußerst schwierig ist, Daten für Beziehungskonstellationen wie PS vs. B oder B vs. PS in ausreichendem Umfang zu erheben, weil solche Beschwerdevorfälle vergleichsweise selten auftreten. Darüber hinaus gestaltet sich der Forschungszugang zu Unternehmen und öffentlichen Institutionen weitaus schwieriger als zu privaten Konsumenten.
Neben Beschwerdeführern und Anspruchsinstitutionen können weitere Drittparteien, wie etwa der Markt selbst oder Institutionen, die Verteilungsentscheidung beeinflussen (vgl. Homans 1961, S. 246). Estelami (2000, S. 287 f.) argumentiert, dass ein hoher Konkurrenzdruck, hervorgerufen durch eine Vielzahl an Marktteilnehmern, zu einer kundenfreundlicheren Verteilungsentscheidung durch das Unternehmen führen kann. Indirekt besteht auch die Möglichkeit, dass das Unternehmen als institutionelle Drittpartei über interne Rahmenbedingungen,
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
23
wie z. B. Richtlinien zur Beschwerdebearbeitung oder ein faires Arbeitsverhältnis, das Beschwerdeergebnis begünstigen und somit die Nachbeschwerdezufriedenheit fördern kann (vgl. Maxham III & Netemeyer 2003, S. 56 f.; Homburg & Fürst 2005, S. 105).
2.3.2.4
Verteilungsheuristiken
Damit die Akteure ein Fairnessurteil über die Ressourcenallokation fällen können, müssen sie – basierend auf einer Verteilungsheuristik – einschätzen, welche Menge an Ressourcen jeder Partei zusteht. Eine konkrete Ausgestaltung einer Verteilungsheuristik wird im Eingangsbeispiel deutlich. Die Hauptbuchhalter fühlen sich unfair bezahlt, weil sie mehr Wissen und Erfahrung in ihre Tätigkeit einbringen als die fachangestellten Buchhalter, jedoch das gleiche Gehalt wie ihre fachangestellten Kollegen erhalten (vgl. Homans 1974, S. 242 ff.). Die Unfairness aus Sicht der Hauptbuchhalter entsteht, weil sie eine Entlohnung entsprechend dem Wert ihrer geleisteten Beiträge als fair ansehen. Diese Verteilungsheuristik wird als equity bezeichnet (vgl. Adams 1965). Neben equity wurden noch weitere Verteilungsheuristiken (z. B. Vergütung der Leistung nach dem Marktwert) vorgeschlagen, von denen insbesondere zwei in der einschlägigen Literatur Beachtung finden: Need und Equality (vgl. Deutsch 1975, S. 137; Lerner 1974, S. 549; Sampson 1975, S. 48). Nachfolgend werden die drei Verteilungsregeln equity, need und equality vorgestellt und aus Sicht der Beschwerdeführer dargestellt.
Insbesondere die ersten Arbeiten zur distributiven Gerechtigkeit u. a. von Adams (1963, 1965) rekurrieren auf die Equity-Heuristik, weshalb sie vielfach als eigenständige EquityTheorie Einzug in die Forschung hält (z. B. Gilly & Hansen 1985, S. 7; Oliver & Swan 1989b, S. 373). Wie eingangs bereits angesprochen, bedeutet equity (im dt. als „Gleichwertigkeit“ oder „Beitragsprinzip“ bezeichnet), dass die Ressourcen, die den Akteuren zustehen, dem Wert ihrer geleisteten Beiträge entsprechen (vgl. Hohm, Hansen & Geisler 2006, S. 819). Der Wert der Beiträge wird durch das Verhältnis der eigenen Outputs zu den eigenen Inputs gemessen. Ist das Verhältnis größer (kleiner) als das einer Vergleichsgruppe, stehen den Individuen auch mehr (weniger) Ressourcen zu (vgl. Walster, Berscheid & Walster 1973, S. 152). Formel 1 bildet die Equity-Heuristik arithmetisch ab.
24
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
OA
=
OB
IA O I A B
(1)
IB ... ... ... ...
Outputs Inputs Person A Person B
Übertragen auf den Beschwerdefall entsteht durch den Fehler ein Ungleichgewicht zu Lasten der Kunden. Ihre Outputs (z. B. Steak im Restaurantbesuch) werden durch den Fehler (z. B. schlecht zubereitet) geschmälert. Dadurch wird ihr Output-Input-Verhältnis kleiner als das der Unternehmen. Ein Ungleichgewicht entsteht, welches sie aufheben möchten. Sie empfinden daher eine Verteilung als fair, die solch einen unausgewogenen Zustand wieder ausgleicht. Damit das ursprüngliche Output-Input-Verhältnis wiederhergestellt wird, müssen also Unternehmen eine Wiedergutmachung in Höhe des Fehlerausmaßes gewähren. Dies kann im Restaurantbeispiel dadurch geschehen, dass der Gast einen Rabatt auf seine Essensrechnung erhält oder ihm ein neues Steak zubereitet wird.
An dieser Lösung kann kritisiert werden, dass der Gast diese Verteilung dennoch als unfair empfinden kann, weil dadurch ein Ungleichgewicht zu Lasten des Restaurants entsteht. Denn das Restaurant kommt für die gesamte Schadenshöhe auf. Dadurch entstehen ihm zusätzliche Inputs, weil es das Steak neu zubereitet oder einen Rabatt gewährt. Allerdings empfinden Konsumenten eine solche Übervorteilung als weniger unfair, als wenn sie selber benachteiligt werden (vgl. Walster, Walster & Berscheid 1978, S. 139). Außerdem könnte der Gast eine Entschädigung in Höhe des Fehlerausmaßes rechtfertigen, indem er seine Inputs ebenfalls aufwertet. Dabei können die Inputs – ebenso wie die Outputs – jegliche Form annehmen, sind also nicht auf monetäre Werte beschränkt (vgl. Alexander 2002, S. 225 f.; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 240). So kann der Gast seine Inputs bspw. aufwerten, indem er Freunden das Restaurant weiterempfiehlt oder das Restaurant wieder besucht (vgl. Formel 2).
OA Der Kunde besucht das Restaurant wieder und empfiehlt es weiter. O I A B
... ... ... ...
Outputs Inputs Person A Person B
IA
=
OB IB
Das Steak wird erneut zubereitet oder der Kunde erhält einen Rabatt.
(2)
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
25
Nach der Distributionsheuristik need (im dt. als „Bedürfnis“ bezeichnet) würden die Ressourcen entsprechend dem individuellen Bedürfnis der Akteure verteilt werden (vgl. Deutsch 1985, S. 33). Demnach werden im Beschwerdefall die Kunden versuchen, ihr persönliches Wohlergehen zu maximieren und kein Interesse daran hegen, die Unternehmen zu übervorteilen. Das Beschwerdeergebnis wird also dann als fair beurteilt, wenn die Kunden nach der Beschwerdebehandlung nicht schlechter gestellt sind als vorher (vgl. Gelbrich & Roschk 2010a). So zeigen Gelbrich & Roschk (2010a), dass Beschwerdeführer vorrangig danach streben, den erlittenen Verlust ersetzt zu bekommen. Wenn also die Kunden nur teilweise für den Fehler entschädigt werden, dann entsteht Unzufriedenheit (vgl. Gilly & Hansen 1985, S. 15). Wird die Distributionsheuristik Need auf das obige Restaurantbeispiel übertragen, würde der Gast wie auch bei der Equity-Heuristik eine Verteilung als fair empfinden, die seinen Schaden ausgleicht. Solch eine Wiedergutmachungsleistung kann das Unternehmen dem Restaurantgast z. B. in Form eines Rabattes auf die Restaurantrechnung oder in Form eines erneut zubereiteten Steaks anbieten.
Equality (im dt. als „Gleichheit“ bezeichnet) bedeutet, dass allen anderen vergleichbaren Akteuren, die in einer ähnlichen Austauschbeziehung zu einer Anspruchsinstitution stehen, die gleiche Menge der zu verteilenden Ressourcen zusteht (vgl. Deutsch 1985, S. 31; Lerner 1974, S. 549). Die Akteure vergleichen also ihre erhaltenen Wiedergutmachungen untereinander. Solche self-other comparisons treten häufig bei Preisvergleichen auf und werden daher im Rahmen der Preisbildung untersucht (z. B. Tsai & Lee 2006). Self-other comparisons können dazu führen, dass Unfairness entsteht, weil ein anderer Akteur ein besseres Ergebnis erzielt hat (z. B. Ein Akteur bezahlte einen niedrigeren Preis für ein Produkt oder bekam eine höhere Wiedergutmachung). Eine mögliche Verhaltenskonsequenz solch einer wahrgenommenen Unfairness besteht z. B. darin, dass die Kunden die Beziehung zum Unternehmen abbrechen (vgl. Xia, Monroe & Cox 2004, S. 8).
Wird die Equality-Heuristik auf das obige Restaurantbeispiel übertragen, gestaltet sich die Situation wie folgt: Alle Gäste, deren Speisen nicht ihren Vorstellungen entsprechen, wollen gleichbehandelt werden. Wenn also ein Gast als Wiedergutmachung eine neu zubereitete Speise erhält, stünde dies jedem der Gäste zu. Zwei Praxisbeispiele zeigen, dass die Distributionsheuristik Equality auch in der Praxis wichtig ist. So versprach Kaufland eine Zeitlang seinen Kunden einen Einkaufsgutschein im Wert von 2,50 €, wenn sie länger als fünf Minuten an der Kasse warten mussten. Auch Ikea wirbt derzeit mit einem Zeitversprechen. Müssen
26
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
die Kunden länger als fünf Minuten an der Kasse warten, erhalten sie einen kostenlosen Kaffee. Unabhängig davon, wie lange die Beschwerdeführer über die fünf Minuten hinaus tatsächlich warten, werden sie alle gleich behandelt. Alle Kunden erhalten bei Kaufland einen Einkaufsgutschein im Wert von 2,50 € und bekommen bei Ikea einen Kaffee geschenkt.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass nach den Verteilungsheuristiken equity und need die Beschwerdeführer die Wiedergutmachung dann als fair empfinden, wenn sie der Schadenshöhe entspricht. Dabei gilt es zu beachten, dass nach der Verteilungsheuristik equality die Kunden nicht weniger erhalten als das, was andere Kunden als Wiedergutmachung angeboten bekommen.
2.3.2.5
Zusammenfassung
Tab. 2 fasst die theoretischen Aussagen zur distributiven Gerechtigkeit und ihre Anwendung auf das Nachbeschwerdeverhalten zusammen. Distributive Gerechtigkeit im Nachbeschwerdeverhalten wird wie folgt definiert: Der Kunde empfindet das Wiedergutmachungsangebot des Unternehmens z. B. in Form einer materiellen Leistung oder einer Entschuldigung als fair, wenn es in seiner Höhe dem Fehlerausmaß entspricht und er dadurch nicht schlechter als vergleichbare Beschwerdeführer behandelt wird.
Betrachtungsebene
Ausgestaltung im Nachbeschwerdeverhalten
Ressourcen, die ausgetauscht werden:
1 2 3 4 5 6
Tangible Güter: z. B. Produktumtausch Geld: z. B. Rückerstattung Kaufpreis, Rabatte Dienstleistungen: z. B. wiederholte Autoreparatur Zuwendung: z. B. Entschuldigung, Bedauern über den Fehler Status: z. B. Korrekte Anrede der Kunden Informationen: z. B. außerordentlicher Vertragswechsel
Akteure, die beteiligt sind:
• •
Austauschparteien: Kunden und Unternehmen Drittparteien: das Unternehmen oder der Markt
Verteilungsheuristiken, anhand derer die Allokation beurteilt wird:
• • •
Equity: Kompensation in Höhe des Fehlerausmaßes Need: Kompensation in Höhe des Fehlerausmaßes Equality: Gleiche Kompensation in allen vergleichbaren Beschwerdefällen
Tab. 2: Zusammenfassung distributive Gerechtigkeit
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
2.3.3
Prozedurale Gerechtigkeit
2.3.3.1
Abgrenzung zur distributiven Gerechtigkeit
27
Chronologisch nach den ersten Ansätzen zur distributiven Gerechtigkeit von Homans (1961) und Adams (1965) wurden die ersten Theorien zur prozeduralen Gerechtigkeit entwickelt (vgl. Thibaut & Walker 1975; Lind & Tyler 1988). Das folgende Beispiel veranschaulicht den Unterschied zwischen der distributiven und der prozeduralen Gerechtigkeit und warum die Notwendigkeit besteht, prozedurale Fairness zu untersuchen.
Verkehrssünder in Chicago Ende der 1980er Jahre Im Chicago Ende der 1980er Jahre vertraten Richter oft die Sichtweise, dass Verkehrssünder schon durch das bloße Erscheinen vor Gericht genug bestraft werden, weil sie den Lohn eines gesamten Arbeitstages verlieren. Jene Fälle werden meist ohne Anhörung eingestellt und nicht weiter erfolgt. Aus Sicht der Betroffenen ist das ein zufriedenstellendes Ergebnis. Zwar verlieren sie den Lohn für einen Tag Arbeit, aber sie müssen kein Bußgeld bezahlen, gehen nicht ins Gefängnis und erhalten auch keinen Eintrag in das Strafregister. Dennoch zeigt sich in Interviews, dass viele der Betroffenen das Gericht trotz des vorteilhaften Ergebnisses unzufrieden verlassen. Eines Tages erschien eine Frau mit Fotos, die beweisen sollten, dass das Schild, wonach sie an der betreffenden Stelle nicht wenden durfte, nicht klar einsehbar war. Nachdem ihr Fall ohne Anhörung eingestellt wurde (ein Sieg für sie!), war sie in höchstem Maße verärgert und unzufrieden. Sie verlieh ihrem Unmut Ausdruck in einigen weniger schmeichelhaften Bemerkungen über den Richter. (Vgl. Lind & Tyler 1988, S. 2; Tyler 1988)
Ergebnisbezogene Konstrukte, wie die distributive Gerechtigkeit, können die Unzufriedenheit der Frau trotz des zufriedenstellenden Resultats nicht erklären. Aus einer prozessbezogenen Perspektive fällt dies jedoch leicht. Denn ihre starke Unzufriedenheit resultierte daraus, dass der Freispruch nicht aufgrund eines Prozesses zustande kam, welcher ihrer Vorstellung von einer ordentlichen gerichtlichen Anhörung entspricht (vgl. Lind & Tyler 1988, S. 2).
Das Konzept der prozeduralen Gerechtigkeit bezieht sich auf Verfahrenskomponenten wie Regeln, Richtlinien, Art und Weise der Abläufe sowie die zeitliche Planung, die dem Allokationsprozess (distributive Gerechtigkeit) zu Grunde liegen (vgl. Deutsch 1985, S. 35; Griffeth & Gaertner 2001, S. 1020; Leventhal 1980, S. 35). Der wesentliche Unterschied zwischen
28
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
beiden Ansätzen besteht darin, dass sich die distributive Gerechtigkeit auf den Inhalt einer Entscheidung bezieht, wohingegen die prozedurale Gerechtigkeit das Augenmerk auf den Prozess der Entscheidungsfindung legt (vgl. Greenberg 1993, S. 84).
Im wissenschaftlichen Diskurs besteht durchaus Uneinigkeit darüber, ob Ungerechtigkeit eher durch den an der Allokationsentscheidung beteiligten Prozess hervorgerufen wird oder durch das Ergebnis der Entscheidung selbst. Einerseits kann die Meinung vertreten werden, dass distributive Fairnessbeurteilungen wichtiger sind als prozedurale (vgl. Leventhal 1980, S. 49). Andererseits zeigen obiges Beispiel sowie empirische Befunde genau das Gegenteil (vgl. Folger & Greenberg 1985, S. 176; Lind & Tyler 1988, S. 135). Demnach sind Personen eher gewillt, eine Verteilungsentscheidung anzunehmen, wenn diese durch faire Prozesse gefällt wird (vgl. Colquitt et al. 2001, S. 434).
Mit Blick auf das Nachbeschwerdeverhalten lässt sich eine ähnliche Divergenz der Befunde feststellen. So kommen Smith, Bolton & Wagner (1999, S. 366) zu dem Ergebnis, dass die distributive Gerechtigkeit einen stärkeren Einfluss auf die Nachbeschwerdezufriedenheit besitzt als die prozedurale Gerechtigkeit. Dem stehen die Befunde von bspw. del Rio-Lanza, Vazquez-Casielles & Diaz-Martin (2009, S. 778) gegenüber, die das Gegenteil beobachten. Hier besitzt die prozedurale Gerechtigkeit einen stärkeren Einfluss auf die Nachbeschwerdezufriedenheit als die distributive Gerechtigkeit.
Auch wenn im Hinblick auf die relative Wichtigkeit beider Gerechtigkeitsdimensionen die Ergebnisse divergieren, besteht Einigkeit darüber, dass prozedurale Gerechtigkeitsaspekte zum Verständnis individueller Verhaltensmuster beitragen. Es existieren drei einschlägige theoretische Ansätze, und zwar von Thibaut & Walker (1975, 1978), Leventhal (1976, 1980) sowie Lind & Tyler (1988). Aus ihnen lassen sich verschiedene Fairnesskriterien ableiten, anhand derer Menschen beurteilen, ob sie einen Prozess als gerecht empfinden. Diese werden zunächst in den folgenden drei Kapiteln 2.3.3.2, 2.3.3.3 und 2.3.3.4 vorgestellt. Die herausgearbeiteten Fairnesskriterien werden im Anschluss daran zusammengefasst und die für diese Arbeit relevanten Kriterien extrahiert.
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
2.3.3.2
29
Kontrollmodell von Thibaut & Walker (1975)
Ursprünglich entwickelten Thibaut & Walker (1975) ihr Kontrollmodell für Rechtsstreitigkeiten. Allerdings betonen sie ausdrücklich, dass ihre Theorie ebenso auf alle anderen denkbaren Lebensbereiche übertragen werden kann (vgl. Thibaut & Walker 1978, S. 541). Der Kerngedanke im Modell zur prozeduralen Gerechtigkeit von Thibaut & Walker (1975) besteht darin, dass die Entscheidungskontrolle zwischen den streitenden Parteien und einer externen Drittpartei verteilt wird. Der Grad der Kontrolle bestimmt schließlich, wer befähigt wird, eine bindende Ressourcenverteilung festzulegen. Im Ergebnis verschiedener Experimente zeigt sich, dass die Probanden jene Formen der Entscheidungsfindung präferieren, bei denen ein Teil der Entscheidungskontrolle an eine Drittpartei abgegeben wird. Hierunter fallen das Schiedsgericht, das Streitgespräch und die Vermittlung. Beim Schiedsgericht wird die Entscheidung letztlich durch die Drittpartei autonom gefällt, die streitenden Parteien besitzen jedoch ein Mitspracherecht. Beim Streitgespräch kann die Entscheidung zwischen den drei gleichberechtigten Parteien nur einstimmig getroffen werden. Bei einer Vermittlung steht die Drittpartei lediglich beratend zur Seite und die Entscheidung muss durch die streitenden Parteien getroffen werden. Eher gemieden werden die Formen, bei denen entweder die gesamte Entscheidungshoheit ausschließlich bei den streitenden Parteien (d. h. Verhandlung: es existiert keine Drittpartei) oder der Drittpartei selbst (d. h. Autokratie: die streitenden Parteien besitzen gar kein Mitspracherecht) liegt (vgl. Thibaut & Walker 1975, S. 16, 118). Folglich streben die streitenden Parteien danach, einen Teil der Entscheidungshoheit zu behalten. Demnach werden Menschen dann einen Prozess als fair beurteilen, wenn sie einen Teil der Entscheidungskontrolle für sich beanspruchen können.
Als erstes Prozesskriterium einer fairen Beschwerdebehandlung lässt sich also die kundenseitige Kontrolle festhalten. Darüber hinaus belegen verschiedene Forschungsarbeiten, dass mit einem empfundenen Kontrollverlust Gefühle wie Furcht, Angst und Ärger einhergehen (vgl. Hui & Bateson 1991, S. 180; Staub, Tursky & Schwartz 1971, S. 159). Es entsteht Unzufriedenheit mit dem Dienstleistungskontakt (vgl. Chang 2008, S. 325) und die Kaufabsicht sinkt (vgl. Rompay et al. 2008, S. 328).
Der Wunsch der streitenden Parteien, einen gewissen Teil der Entscheidungshoheit auf sich zu vereinen, wird durch drei äußere Umstände bestimmt: Interessenkonformität, Schnelligkeit und Individualität (vgl. Thibaut & Walker 1975, S. 15). Interessenkonformität bedeutet, dass
30
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
beide Parteien um eine Entscheidung kämpfen, von der letztlich auch beide profitieren. (Im Unterschied dazu profitiert in einer interessenkonkurrierenden Situation nur eine Partei.) Schnelligkeit meint, dass die Entscheidung unverzüglich gefällt wird, wodurch kein zeitlicher Engpass bei den Akteuren entsteht. Individualität besagt, dass kein Referenzpunkt bzw. Vergleichsstandard existiert, anhand dessen die Entscheidung objektiv beurteilt werden kann. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Probanden die Entscheidungshoheit behalten und eine Drittpartei nicht einbeziehen wollen, wenn es sich (1) um eine interessenkonforme Situation handelt, (2) die Entscheidung schnell getroffen wird und (3) eine individuelle Lösung angestrebt wird, bei der kein Vergleichsstandard existiert (vgl. Thibaut & Walker 1975, S. 15). Abb. 5 veranschaulicht den Sachverhalt grafisch.
Interessenkonformität
interessenkonkurrierend
vs.
interessenkonform
Schnelligkeit
langsam
vs.
schnell
Individualität
objektiv anhand Vergleichsstandard
vs.
individuell Entscheidungskontrolle
Vollständig bei Drittpartei: z. B. staatliche Gerichtsbarkeit, Verbraucherschutzorganisationen
Vollständig bei Akteuren: Beschwerdeführer und Unternehmen
Abb. 5: Verteilung der Entscheidungskontrolle Quelle: in Anlehnung an Thibaut & Walker (1975, S. 15)
Übertragen auf den Beschwerdefall gestaltet sich die Situation wie folgt (vgl. Abb. 5): Das Ausmaß der Entscheidungskontrolle kann vollständig bei einer Drittpartei liegen. Für den Beschwerdefall kommen hierfür die staatliche Gerichtsbarkeit (z. B. wenn die Beschwerdeführer ihre Ansprüche gerichtlich durchsetzen möchten) oder Verbraucherschutzorganisationen (welche die Beschwerdeführer unterstützen, ihre Ansprüche gegen das Unternehmen geltend zu machen) in Frage. Auf dem gegenüberliegenden Punkt des Kontinuums liegt die Entscheidungskontrolle vollständig bei den Akteuren, d. h. bei Beschwerdeführern und Unternehmen.
Individuen werden das linke Ende des Kontinuums meiden und daher als unfair empfinden, weil der Einbezug von Drittparteien keinen wünschenswerten Zustand darstellt. So erwägen Kunden nur bei größter Unzufriedenheit, Drittparteien zur Konfliktlösung mit hinzuzuziehen
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
31
(vgl. Gilly & Hansen 1985, S. 15). Der im Beschwerdefall anzustrebende Zustand auf dem Kontinuum ist daher rechts. Damit sich die Kunden dort befinden und folglich den Prozess als fair wahrnehmen, gilt es für Unternehmen den Beschwerdebehandlungsprozess derart zu gestalten, dass dieser die drei Kriterien Interessenkonformität, Schnelligkeit und Individualität erfüllt.
Ein Prozesskriterium einer fairen Beschwerdebehandlung besteht also in der Interessenkonformität. Sparks & McColl-Kennedy (1998, S. 159) zeigen, dass die Absicht, im Interesse des Kunden zu handeln, sich positiv auf die Zufriedenheit mit den Prozessen der Entscheidungsfindung auswirkt. Interessenkonformität können Unternehmen dadurch kommunizieren, dass sie den Beschwerdeführern gegenüber eine kooperative Haltung einnehmen. Die Kunden empfinden vermutlich also dann den Beschwerdebehandlungsprozess als fair, wenn sie den Eindruck haben, dass die Unternehmen in ihrem Interesse handeln.
Ein weiteres Prozesskriterium ist die Schnelligkeit. Es existieren verschiedene Gründe, warum Kunden im Beschwerdefall eine möglichst schnelle Entscheidung anstreben. So sorgt die Ungewissheit über das Ergebnis für Unbehagen. Ein anderer Grund besteht womöglich darin, dass die Kunden die Leistungen dringend benötigen (z. B. möchte ein Beschwerdeführer in der nächsten Woche mit dem reparierten Auto in den Urlaub fahren) (vgl. Webster & Sundaram 1998, S. 155; Wood 2008, S. 317). Daher wird wahrscheinlich eine schnelle Reaktion als fairer empfunden als eine langsame Reaktion der Unternehmen. Dass die empfundene Geschwindigkeit der Problemlösung ein Kriterium darstellt, anhand derer Kunden die Prozessfairness bewerten, lassen zudem verschiedene empirische Befunde vermuten. So zeigen u. a. Blodgett, Hill & Tax (1997, S. 197) sowie Smith, Bolton & Wagner (1999, S. 366), dass sich die tatsächliche Reaktionsgeschwindigkeit eines Unternehmens positiv auf die prozedurale Gerechtigkeit auswirkt.
Das letzte Prozesskriterium stellt die Individualität der Entscheidungsfindung dar. Demnach werden Kunden wahrscheinlich einen Prozess, der eine individuelle Lösung ermöglicht, als fair ansehen. Empirisch stützen z. B. Tax, Brown & Chandrashekaran (1998, S. 68) diese Annahme. Sie belegen, dass Kunden die empfundene Flexibilität des Unternehmens, wodurch ein individueller Prozess überhaupt erst ermöglicht wird, als ein Kriterium bei der Fairnessbeurteilung der Prozesse heranziehen. Auch bei Dienstleistungskontakten generell zeigt sich,
32
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
dass Kunden zufrieden mit dem Anbieter sind, wenn er ihre individuellen Bedürfnisse erfüllt (vgl. Bitner, Booms & Tetreault 1990, S. 75).
Zusammenfassend lassen sich basierend auf Thibaut & Walker (1975) vier Kriterien ableiten, anhand derer Kunden den Prozess der Beschwerdebearbeitung als fair beurteilen: Kontrolle, Interessenkonformität, Schnelligkeit und Individualität.
2.3.3.3
Prozesselemente und -kriterien nach Leventhal (1976, 1980)
Leventhal (1980) stellt ein komplexes theoretisches Modell auf, wie Menschen die prozedurale Gerechtigkeit von Verteilungsentscheidungen in Austauschsituationen wahrnehmen. Sein Modell bezieht sich nicht ausschließlich auf einen Anwendungskontext (z. B. Gerichtsprozesse), sondern betrachtet allgemein zugrunde liegende Prozesse von Distributionsentscheidungen, die bspw. von der Verteilung von Forschungsgeldern bis hin zu Beförderungsentscheidungen in Unternehmen reichen können. Nach Leventhal (1976, 1980) besteht ein Entscheidungsprozess aus sieben Elementen (z. B. Akteure im Entscheidungsprozess), die Individuen anhand von sechs Prozesskriterien (z. B. Vorurteilsfreiheit der Entscheidungsträger) beurteilen (vgl. Tab. 3).
nach Leventhal (1976, 1980)
im Nachbeschwerdeverhalten
Prozesselemente
1 2 3 4 5 6 7
Akteure Prozesswissen Informationssammlung Entscheidungsstrukturen Berufungsinstanz Sicherheitsrichtlinien Änderungsmechanismen
Kunde und Unternehmen Kenntnis der Kunden über den Beschwerdeablauf Z. B. bequeme Problemschilderung Z. B. Wahl über verschiedene Kompensationsarten Erneute Beschwerde über missglückte Wiedergutmachung Z. B. Schuldeingeständnis des Unternehmens Z. B. pro-aktives Mitarbeiterverhalten
Prozesskriterien
•
Konsistenz
•
Gleiche Beschwerdeprozesse über Personen und Zeit
•
Vorurteilsfreiheit
•
Vorurteilsfreiheit gegenüber den Beschwerdeführern
•
Exaktheit
•
Umfassender Informationsaustausch zum Fehlerauftritt
•
Korrigierbarkeit
•
Beschwerde über die ursprüngliche Wiedergutmachunga)
•
Repräsentativität
•
Kunde stellt seine Sicht der Dinge dar (Prozesskontrolle)
•
Ethik
•
Wiedergutmachungsversuch muss ethisch vertretbar sein
a) Das Prozesskriterium Korrigierbarkeit wird aufgrund mangelnder Unterscheidungskraft im Beschwerdefall nicht weiter betrachtet. Tab. 3: Prozesselemente und -kriterien nach Leventhal (1976, 1980)
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
33
Die sieben Elemente eines Prozesses sind nach Leventhal (1980, S. 35 f.) wie folgt definiert: Im Entscheidungsprozess müssen zunächst (1) die Akteure festgelegt werden. Diese können gewählt oder durch übergeordnete Mächte am Entscheidungsprozess beteiligt werden. Im nächsten Schritt müssen an die potenziellen Leistungsempfänger die (2) Prozessregeln kommuniziert werden, an denen sich der Prozessablauf orientiert. Danach gilt es, die entscheidungsrelevanten (3) Informationen zu sammeln und zu bewerten. Weiterhin muss (4) die Entscheidungsstruktur, d. h. wer darf worüber entscheiden, festgelegt werden. Der Entscheidungsprozess umfasst (5) eine Berufungsinstanz, welche die Möglichkeit einräumt, eine nicht zufriedenstellende Entscheidung anzufechten und ggf. eine Wiedergutmachung zu verlangen. (6) Sicherheitsrichtlinien oder Gewährleistungsmaßnahmen dienen dazu, dass die Akteure ihrer Entscheidungsverantwortung mit Ehrlichkeit und Integrität nachkommen und nicht durch opportunistisches Verhalten zweifelhafte Entscheidungen treffen. (7) Änderungsmechanismen bieten die Möglichkeit, Prozesse anzupassen und unfaire Situationen zu korrigieren. Somit regulieren sie den Allokationsprozess über die Zeit hinweg selbständig.
Alle sieben Elemente finden sich wie beschrieben oder in leicht abgewandelter Form auch bei einer Beschwerdebearbeitung wieder (vgl. Tab. 3). Als (1) Akteure fungieren in der Regel die Unternehmen sowie die Beschwerdeführer (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b). Hinsichtlich (2) des Prozesswissens zeigen Tax, Brown & Chandrashekaren (1998, S. 68), dass Konsumenten über den Beschwerdeprozess aufgeklärt sein wollen. Zusätzlich möchten Kunden (3) die Informationen über den Fehler bequem an das Unternehmen übermitteln und nicht das Problem mehrmals auf verschiedenen Hierarchiestufen schildern müssen (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68). Die (4) Entscheidungsstrukturen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Entscheidungsgewalt tendenziell eher auf Unternehmensseite liegt. Kundenseitig kann z. B. der Beschwerdeführer durch das Unternehmen vor die Wahl zwischen verschiedenen Wiedergutmachungsangeboten gestellt werden (vgl. Chang 2008). Eine (5) Berufungsinstanz existiert auch im Beschwerdefall, da sich die Kunden im Zweifelsfall ein zweites Mal beschweren können. Unternehmen sollten jedoch dringend versuchen, beim ersten Mal das Problem zufriedenstellend zu lösen. Denn bei einem erneuten Fehler können Unternehmen trotz aller Anstrengung nicht die Zufriedenheitswerte einer fehlerfreien Transaktion wieder erreichen, wie dies beim ersten Mal noch möglich wäre (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002b, S. 64). Auch bei der Beschwerdebearbeitung können die Kunden erwarten, dass die Entscheidung über die Beschwerdelösung mit (6) Integrität getroffen wird. So zeigen Goodwin & Ross (1989, S. 87 ff.), dass in Fällen, in denen die Schuldfrage hinsichtlich der Fehler-
34
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
ursache unklar ist, Unternehmen die Schuld eingestehen sollten, wodurch die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung steigt. (7) Änderungsmechanismen wie pro-aktives Mitarbeiterverhalten (z. B. kontinuierliches Erkennen und Ausbessern von Schwachstellen im Beschwerdeprozess) tragen zu einer erfolgreichen Beschwerdebearbeitung bei (vgl. de Jong & de Ruyter 2004, S. 478).
Im Nachbeschwerdeverhalten finden sich also alle von Leventhal (1980) definierten Prozesselemente wieder, weshalb im nächsten Schritt untersucht werden kann, welche Kriterien Individuen heranziehen, um zu beurteilen, ob sie einen Beschwerdeprozess als fair empfinden. Leventhal (1976, S. 231 f., 1980, S. 40 ff.) unterscheidet sechs allgemeine Prozesskriterien, aus denen Individuen eine Auswahl treffen können, um die Fairness eines Prozesses zu beurteilen. Welche Kriterien davon für das Nachbeschwerdeverhalten relevant sind, wird im Folgenden diskutiert (vgl. Tab. 3). •
Prozesse werden als fair beurteilt, wenn sie konsistent über die Individuen und über die Zeit hinweg ablaufen. Im Falle einer Beschwerdebearbeitung bedeutet dies, dass die Entscheidung über die Lösung des Problems kundenübergreifend und im Zeitablauf durch die gleichen Prozesse gefällt werden. In einer konsistenten Beschwerdebehandlung über Zeit und Personen hinweg spiegelt sich der Gleichheitsgrundsatz aus der distributiven Gerechtigkeit wider (vgl. Deutsch 1985, S. 31). Insofern ist davon auszugehen, dass Kunden wünschen, ihre Beschwerde mit der gleicher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit behandelt zu wissen, wie sie anderen Kunden zuteil wird.
•
Das Kriterium Vorurteilsfreiheit beschreibt, dass die Entscheidungsfindung nicht durch Vorurteile getrübt sein darf. Für die Beschwerdebearbeitung folgt daraus, dass Unternehmen gegenüber den Kunden nicht vorurteilsbehaftet auftreten und ihnen bspw. unterstellen, sie hätten den Fehler verursacht. Ein unzufriedener Beschwerdeführer drückt es wie folgt aus: „Ich selbst wurde beschuldigt, für den Fehler verantwortlich zu sein“ (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68).
•
Prozesse einer Entscheidungsfindung sollten auf exakten und möglichst umfassenden Informationen beruhen. Das beinhaltet die sorgfältige sowie präzise Informationssammlung und -nutzung zwischen Kunden und Unternehmen. Entsprechend sollten im Beschwerdefall den Unternehmen möglichst umfassende Informationen zum Fehler vorliegen. Allerdings besteht an dieser Stelle auch die Gefahr, dass die Allokation ineffizient wird. Das kann dadurch geschehen, dass z. B. Unternehmen unnötig viele Informationen für einen
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
35
verhältnismäßig kleinen Fehler sammeln. Dies verlangsamt und erschwert die Beschwerdebearbeitung. •
Die Entscheidungsfindung kann auch nach dem Kriterium der Korrigierbarkeit bewertet werden. Demnach muss die Möglichkeit bestehen, Entscheidungen zu revidieren. Im Beschwerdefall muss also für die Kunden die Möglichkeit existieren, sich wiederum über die erfolglose Unternehmensreaktion zu beschweren. Da die Kunden sich dann bereits in einem Revisionsprozess befinden, ist davon auszugehen, dass sie den Prozess in der Regel noch einmal durch eine Beschwerde über die missglückte Wiedergutmachung initiieren und durchlaufen können. Folglich werden die Kunden bei der Fairnessbeurteilung des Prozesses diesem Kriterium kaum Bedeutung beimessen, da sie es als gegeben voraussetzen. Das Prozesskriterium Korrigierbarkeit wird daher nicht weiter betrachtet.
•
Die Repräsentativität besagt, dass alle relevanten Meinungen für die Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Für das Nachbeschwerdeverhalten bedeutet dies insbesondere, dass die Kunden die Möglichkeit besitzen, ihre Sichtweise darzustellen. Indem die Kunden den Unternehmen alle notwendigen Informationen zukommen lassen können, erhalten sie Kontrolle über den Prozess. So zeigen McColl-Kennedy, Daus & Sparks (2003, S. 73), dass die kundenseitige Möglichkeit, das Problem zu schildern, sich positiv auf die wahrgenommenen Bemühungen des Unternehmensvertreters auswirkt. Prozesskontrolle ist ein wichtiges Kriterium, anhand dessen die Beschwerdeführer einen Prozess als fair beurteilen (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68).
•
Zuletzt sollte der Prozess die moralischen und ethischen Wertvorstellungen der beteiligten Individuen erfüllen. Dass dieses Kriterium auch im Nachbeschwerdeverhalten eine Rolle spielt, zeigt Alexander (2002, S. 232). Demnach bewerten Probanden die Qualität der Beschwerdebehandlung höher, wenn der Wiedergutmachungsversuch im Einklang mit den eigenen moralischen und ethischen Wertvorstellungen steht
Insgesamt bleiben folgende fünf Kriterien für eine faire Beschwerdebearbeitung nach Leventhal (1976, 1980) festzuhalten: (1) Prozesse müssen konsistent über Personen und Zeit hinweg ablaufen, (2) nicht durch Vorurteile zu Lasten der Kunden getrübt sein, (3) auf exakten Informationen beruhen, (4) den Beschwerdeführern durch das Schildern eigener Ansichten Prozesskontrolle geben und (5) sich an den ethischen Wertvorstellungen einer Gesellschaft orientieren (vgl. Tab. 3).
36 2.3.3.4
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Self-Interest-Modell von Lind & Tyler (1988)
Lind & Tyler (1988, S. 222 ff.) gehen von der Annahme aus, dass Menschen in der Interaktion mit anderen Menschen ihren persönlichen Nutzen maximieren wollen, und übertragen diese Sichtweise auf die prozedurale Gerechtigkeit. Hierbei entsteht jedoch ein Problem. Wenn lediglich der Nutzen im Sinne des Ergebnisses einer Austauschbeziehung (distributive Gerechtigkeit) maximiert wird, welche Motivation besitzen dann die Individuen, Prozesse zu betrachten?
Die Antwort liegt in den Motiven, aus denen sich Individuen in Gruppen zusammenschließen. Individuen bilden seit jeher Gemeinschaften, weil sie annehmen, langfristig im Kollektiv mehr erreichen zu können als auf sich alleine gestellt, auch wenn sie dabei kurzfristig Kompromisse eingehen müssen (vgl. Aronson, Wilson & Akert 2004, S. 320; Baumeister & Leary 1995, S. 499). Eine Möglichkeit für Individuen, den langfristigen Nutzen sicherzustellen, besteht in fairen Prozessen, mit denen Entscheidungen getroffen werden. Gerechte Prozesse geben Gruppenmitgliedern die Gewissheit, dass sie, auch wenn sie zum aktuellen Zeitpunkt ihre eigenen Interessen zu Gunsten anderer Gruppenmitglieder zurückstellen müssen, diese zu einem späteren Zeitpunkt gleichermaßen durchsetzen und so ihren langfristige Nutzen maximieren können. Insgesamt werden dadurch Entscheidungen vereinfacht, weil nicht bei jeder einzelnen Entscheidung die Bedürfnisse eines jeden Gruppenmitglieds berücksichtigt werden müssen. Dadurch lassen sich Konflikte vermeiden und Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft harmonischer gestalten (vgl. Lind & Tyler 1988, S. 223).
Prozedurale Gerechtigkeit im Modell von Lind & Tyler (1988, S. 226) wird primär von vier Kriterien bestimmt: (1) individuelle Vorteilhaftigkeit der Prozesse, (2) Ausmaß der Kontrolle über das zu erwartende Ergebnis, (3) Fairness der Ergebnisse durch die Prozesse und (4) die Konsistenz, mit der die Prozesse über Individuen und Zeit hinweg angewendet werden. Entsprechend der Grundannahme des Modells von nutzenoptimierenden Individuen bevorzugen Menschen also Prozesse, die entweder direkt ihren Nutzen maximieren (Punkt 1) oder mit denen sie die Möglichkeit besitzen, zumindest indirekt entsprechende Gewinne abzusichern (Punkt 2). Müssen Kompromisse zugunsten des langfristigen Nutzens eingegangen werden, dann erwarten die Individuen zumindest, dass die Ressourcen gerecht verteilt werden (Punkt 3). Die Gruppenmitglieder streben zudem nach Prozessen, die Konflikte vermeiden, um so die Harmonie in der Gruppe aufrechtzuerhalten. Denn Individuen können durch den
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
37
Gruppenerhalt einen höheren Nutzen erwarten als auf sich alleine gestellt. Harmonie wird erreicht, indem Prozesse einheitlich für alle Mitglieder des Kollektivs gelten (Punkt 4). Da letztendlich die persönliche Nutzenmaximierung das vorrangige Fairnesskriterium ist, entspricht die relative Wichtigkeit der einzelnen Punkte ihrer angesprochenen Reihenfolge. So werden die Gruppenmitglieder einen Prozess bevorzugen, der für sie den Nutzen maximiert, wenngleich dieser Prozess nicht über alle Gruppenmitglieder hinweg konsistent angewendet werden kann.
Für das Nachbeschwerdeverhalten sind insbesondere die Punkte (1) und (2) relevant. Im Hinblick auf (1) die individuelle Vorteilhaftigkeit werden Beschwerdeführer den Prozess als fair empfinden, wenn er zur individuell gewünschten Kompensation führt. Je mehr (2) Kontrolle den Kunden im Prozess der Beschwerdebearbeitung zuteil wird, desto eher vermögen sie ihre Interessen durchzusetzen. Folglich werden die Kunden mit steigendem Maß der Kontrolle über das zu erwartende Beschwerdeergebnis den Prozess als zunehmend fair bewerten. Können die Kunden bspw. zwischen verschiedenen Wiedergutmachungsangeboten des Unternehmens wählen, so steigt die empfundene Kontrolle im Beschwerdeprozess, wodurch wiederum die Beschwerdebehandlung zufriedenstellender bewertet wird (vgl. Chang 2008, S. 325).
Die Forderung, dass der Prozess (3) zu einer gerechten Allokation führt sowie (4) konsistent angewendet wird, tritt im Beschwerdefall dann auf, wenn die Interessen eines jeden einzelnen Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden können. Solche Situationen entstehen, wenn bspw. Effizienzgründe verhindern, dass jede Beschwerde individuell behandelt wird. Dies ist z. B. im weiter oben beschriebenen Kauflandbeispiel der Fall. Kaufland versprach jedem Konsumenten einen Einkaufsgutschein im Wert von 2,50 €, musste er länger als fünf Minuten an der Kasse warten. Diese Form der Beschwerdebehandlung würde laut Theorie als fair wahrgenommen, weil sie zu einer gerechten Allokation führt (Gleichbehandlung der Kunden durch einheitlichen Gutscheinwert) und weil sie konsistent über alle Personen hinweg angewendet wird (gleicher Anspruch auf den Gutschein für alle Kunden).
38 2.3.3.5
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Zusammenführung der Prozesskriterien
Die 13 aus den prozeduralen Gerechtigkeitstheorien entwickelten Kriterien, anhand derer Kunden den Beschwerdeprozess als fair wahrnehmen, lassen sich aufgrund inhaltlicher Überschneidungen zu acht Prozesskriterien verdichten (vgl. Tab. 4).
Prozesskriterium Entscheidungskontrolle
Thibaut & Walker (1975) Kundenseitige Kontrolle über die Entscheidungsfindung
Prozesskontrolle
Leventhal (1976, 1980)
Lind & Tyler (1988) Ausmaß der Kontrolle über das zu erwartende Ergebnis
Repräsentativität (Prozesskontrolle)
Interessenkonformität
Interessenkonformität zwischen beiden Parteien
Schnelligkeit
Schnelligkeit der Konfliktlösung
Individualität / Konsistenz
Individualität
Individuelle Vorteilhaftigkeit
Konsistenz der Prozesse über Personen und Zeit
Konsistenz der Prozesse über Personen und Zeit Prozess führt zu einer fairen Allokation
Vorurteilsfreiheit
Vorurteilsfreiheit
Exaktheit der Informationen
Exaktheit der Informationen
Ethik
Ethik Tab. 4: Übersicht über die Prozesskriterien
Das erste Prozesskriterium ist die Entscheidungskontrolle, die die Beschwerdeführer in einem Prozess besitzen. Die Entscheidungskontrolle beschreibt die Möglichkeit des Beschwerdeführers, aktiv an der Entscheidung mitzuwirken, z. B. indem er einen Vorschlag für eine gewünschte Problemlösung unterbreitet (vgl. Karande, Magnini & Tam 2007, S. 192; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 63). Sie umfasst somit das Prozesskriterium nach Thibaut & Walker (1975, 1978), wonach die Beschwerdeführer danach streben, einen Teil der Kontrolle über die Entscheidungshoheit zu besitzen. Die Entscheidungskontrolle gibt dem Kunden die Möglichkeit, das zu erwartende Ergebnis zu beeinflussen, wie es von Lind & Tyler (1988) gefordert wird.
Die Prozesskontrolle umfasst zweitens die Freiheit, eigene Sichtweisen im Entscheidungsprozess zu kommunizieren und somit kontrollierend auf den Prozess einzuwirken (vgl. Folger & Greenberg 1985, S. 154). Hierunter fällt die nach Leventhal (1976, 1980) geforderte Reprä-
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
39
sentativität, wonach alle relevanten Meinungen berücksichtigt werden müssen. Ebenfalls wird dadurch den Individuen ermöglicht, im Sinne von Lind & Tyler (1988) Kontrolle über das zu erwartende Ergebnis zu erlangen.
Interessenkonformität als drittes Prozesskriterium beschreibt, inwiefern gemeinsame Interessen zwischen Kunden und Unternehmen bestehen (vgl. Thibaut & Walker 1975, 1978). Kann der Beschwerdeführer seine Interessen im Prozess wahren, wird er diesen folglich als für ihn vorteilhaft ansehen. Insofern umfasst die Interessenkonformität die von Lind & Tyler (1988) geforderte individuelle Vorteilhaftigkeit.
Ein Prozess wird viertens als fair wahrgenommen, wenn er schnell bzw. in angemessener Zeit abläuft (vgl. Thibaut & Walker 1975). Dabei ist zu beachten, dass die absolute Geschwindigkeit nicht in jedem Falle ausschlaggebend ist. So könnte bspw. ein sehr schnell ablaufender Prozess bei einem großen Fehlerausmaß Zweifel an der Korrektheit und Gewissenhaftigkeit der Problemlösung entstehen lassen (vgl. Davidow 2003a, S. 234).
Individualität (vgl. Thibaut & Walker 1975) und Konsistenz über Personen hinweg (vgl. Leventhal 1976, 1980; Lind & Tyler 1988) bilden fünftens zwei Extrempunke des gleichen Kontinuums. Entweder wird die Beschwerde individuell oder über alle Personen hinweg gleich behandelt. Beschwerdeführer werden tendenziell nach einer individuellen Beschwerdebehandlung streben, um ihre persönlichen Interessen durchzusetzen. Das Schema wird unterbrochen, wenn z. B. ein unverhältnismäßig hoher Aufwand eine individuelle Beschwerdebehandlung verhindert. Dann werden die Beschwerdeführer nach einer über verschiedene Personen hinweg konsistenten Beschwerdebearbeitung streben, um alle gleichzubehandeln und im Ergebnis gleichzustellen (vgl. Lind & Tyler 1988). Ein über die Zeit hinweg konsistenter Prozess bedeutet, dass der Kunde den Beschwerdeprozess als fair empfindet, wenn er bei unterschiedlichen Beschwerden sowohl zum Zeitpunkt t1 als auch zum Zeitpunkt t2 gleich behandelt wird.
Die letzten drei Kriterien entstammen dem Ansatz von Leventhal (1976, 1980), wonach eine Beschwerde sechstens gerecht behandelt wird, wenn keine Vorurteile zu Lasten der Kunden existieren. Ein Prozess wird siebentens als fair empfunden, wenn er auf exakten und vollständigen Informationen beruht. Der Prozess sollte sich achtens an moralischen und ethischen
40
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Wertvorstellungen ausrichten. Verstößt die Beschwerdebehandlung dagegen, wird sie nicht als fair beurteilt (vgl. Leventhal 1976, 1980).
2.3.3.6
Auswahl der wichtigsten Prozesskriterien
In der Forschung zum Nachbeschwerdeverhalten besitzen die Fairnesskriterien eine Doppelfunktion. Sie stellen sowohl Merkmale eines fairen Prozesses als auch Messindikatoren des Konstrukts prozedurale Gerechtigkeit dar (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 63 ff.). Aus beiden Funktionen ergibt sich, dass die Prozesskritierien nicht als distributive oder interaktionale Merkmale missinterpretiert werden dürfen. Anderenfalls wäre es nicht möglich, die einzelnen Gerechtigkeitsdimensionen eindeutig voneinander abzugrenzen. Deshalb wird in der Forschung zum Nachbeschwerdeverhalten üblicherweise eine Auswahl an Prozesskriterien analysiert (z. B. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195; Chebat & Slusarczyk 2005, S. 668; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 269). Diesem Vorgehen folgend werden aus sämtlichen, bislang entwickelten Prozesskriterien diejenigen selektiert, die in die weitere Untersuchung einfließen (vgl. Tab. 5). Die Auswahl orientiert sich dabei daran, dass die Prozesskriterien keine Redundanz zu der distributiven und der interaktionalen Gerechtigkeit aufweisen.
Prozesskriterium Entscheidungskontrolle
Kurzbeschreibung …bringt die Möglichkeit zum Ausdruck, aktiv auf das Ergebnis der Beschwerdebearbeitung einzuwirken.
Prozesskontrolle
…versetzt den Beschwerdeführer in die Lage, aktiv auf den Prozess der Beschwerdebearbeitung einzuwirken.
Interessenkonformität
…ist das Ausmaß gemeinsamer Interessen von Kunde und Unternehmen.
Schnelligkeit
…beschreibt die wahrgenommene Geschwindigkeit, mit der das Unternehmen auf die Beschwerde reagiert.
Individualität / Konsistenz
…bilden zwei Extrempunkte eines Kontinuums, wonach die Beschwerde entweder individuell oder konsistent für alle Kunden und im Zeitablauf gelöst wird.
Vorurteilsfreiheit
…meint, dass unternehmensseitig keine Vorurteile zu Lasten der Kundenbedürfnisse bestehen.
Exaktheit der Informationen
…besagt, dass der Beschwerdeprozess auf exakten und vollständigen Informationen beruht.
Ethik
…umschreibt, dass der Beschwerdeprozess den moralischen und ethischen Wertvorstellungen der beteiligten Akteure entspricht. Tab. 5: Auswahl der wichtigsten Prozesskriterien
Einbezogen
5
5
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
41
Von der weiteren Betrachtung werden ausgeschlossen: Entscheidungskontrolle, Interessenkonformität, Individualität / Konsistenz, Vorurteilsfreiheit, Exaktheit der Informationen und Ethik. Entscheidungskontrolle und Interessenkonformität erlauben es den Kunden, das Beschwerdeergebnis unmittelbar zu beeinflussen. Insofern besteht hier eine ungewollte Überschneidung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der distributiven Gerechtigkeit. Vorurteilsfreiheit umfasst einen Teilaspekt der interaktionalen Gerechtigkeit, wonach das Unternehmen dem Kunden mit Anstand, welcher Vorurteilsfreiheit einschließt, begegnen sollte. Die genannten Kriterien werden zudem nur selten im Nachbeschwerdeverhalten verwendet, um die prozedurale Gerechtigkeit zu messen (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 110; Kim, Kim & Kim 2009, S. 55). Ferner werden die Kriterien Individualität / Konsistenz, Exaktheit der Informationen sowie Ethik verworfen, da sie in der einschlägigen Forschung kaum Beachtung für die Operationalisierung der prozeduralen Gerechtigkeit finden (z. B. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 269).
Einbezogen werden die Prozesskontrolle (Möglichkeit des Beschwerdeführers, eigene Sichtweisen in den Prozess einzubringen) und die wahrgenommene Schnelligkeit. Beide Kriterien bilden einen wichtigen Bestandteil in den theoretischen Ansätzen zur prozeduralen Gerechtigkeit und werden einschlägig im Nachbeschwerdeverhalten herangezogen, um die prozedurale Gerechtigkeit zu operationalisieren (vgl. Chebat & Slusarczyk 2005, S. 668; Folger & Greenberg 1985, S. 154 ff.; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 269; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 73).
2.3.4
Interaktionale Gerechtigkeit
2.3.4.1
Einführung
Chronologisch nach den ersten Ansätzen zur prozeduralen und zur distributiven Gerechtigkeit (vgl. Homans 1961; Thibaut & Walker 1975) wurden Ende der 1980er Jahre die Ansätze zur interaktionalen Gerechtigkeit entwickelt. Den Ausgangspunkt hierfür bildeten empirische Befunde, welche die zwischenmenschliche Seite von Austauschbeziehungen in den Vordergrund stellten. Diese Beobachtungen konnten somit nicht mehr allein mit der empfundenen prozeduralen sowie der distributiven Fairness erklärt werden, weil ihnen der zwischenmenschliche Fokus fehlt. Wurden bspw. Personen danach gefragt, was ihrer Meinung nach eine unfaire Situation auszeichnet, nannten sie Aspekte wie rücksichtsloses, unhöfliches Ver-
42
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
halten oder eine mangelnde Beachtungen der Gefühle anderer (vgl. Messick et al. 1985, S. 493; Mikula, Petrik & Tanzer 1990, S. 141). Der Bereichsgeschäftsführer eines Fortune500-Unternehmens beschreibt den fairen Umgang mit seinen Mitarbeitern vor allem aus zwischenmenschlicher Perspektive:
Ein faires Management „Als Manager musste ich schon viele schwierige Entscheidungen treffen. Auch wenn ich in meinen Entscheidungen nicht immer richtig liege, versuche ich fair zu sein. In zwanzig Jahren als Manager habe ich so viel gelernt, dass „fair“ zu sein bedeutet, den Menschen mit Respekt gegenüberzutreten. Zum Beispiel erkläre ich meinen Mitarbeitern, warum ich das getan habe, was ich tat. Sogar als Geschäftsführer meines Geschäftsbereiches begründe ich meine Entscheidungen. Ich denke, dass das ein Teil meiner moralischen Pflicht als Manager darstellt.“ Aus einem Interview mit dem Bereichsgeschäftsführer eines Fortune-500-Unternehmens (vgl. Bies & Shapiro 1987, S. 200)
Interpersonale Elemente einer Beziehung stehen ebenso im Blickfeld der Mitarbeiter. In einer Befragung wurden Mitarbeiter eines Unternehmens gebeten, ihre Bedenken aufzulisten, die bei der Einführung von Arbeitsgruppen, die autonom arbeiten und sich selbst verwalten, entstehen. Sie nannten z. B. Zweifel, ob danach die Kollegen untereinander noch gleichgestellt seien, der Respekt füreinander bewahrt werde oder Raum erhalten bleibe, unbefangen seine Sichtweisen äußern zu können (vgl. Kirkman et al. 1996, S. 57).
Solche Beobachtungen führten dazu, dass Austauschbeziehungen durch eine weitere Gerechtigkeitsdimension erklärt werden können – die interaktionale Gerechtigkeit. Während die distributive und die prozedurale Gerechtigkeit die Struktur einer Austauschbeziehung, wie z. B. die Regeln und Verfahrensweisen, wonach knappe Ressourcen verteilt werden, abbilden, erfasst die interaktionale Gerechtigkeit die interpersonale Dimension einer Beziehung (vgl. Greenberg 1993, S. 80). Die interaktionale Gerechtigkeit beschreibt also, als wie fair die Parteien eine Austauschbeziehung im Hinblick auf den zwischenmenschlichen Umgang empfinden. Konkret beinhaltet dies z. B. den Respekt oder die Ehrlichkeit, welche die Parteien sich entgegenbringen (vgl. Bies & Moag 1986, S. 51).
Dass die interaktionale Gerechtigkeit auch nachweislich das Verhalten von Individuen erklärt, veranschaulichen folgende Befunde. Werden Ressourcen verteilt (distributive Gerechtigkeit),
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
43
zeigen Befragte häufig die Tendenz, einen größeren Anteil für sich selbst als fair anzusehen. Dieses Phänomen wird als egocentric bias bezeichnet. Nehmen die Akteure eine Verteilung auch auf zwischenmenschlicher Ebene als fair wahr (interaktionale Gerechtigkeit) mildert dies den egocentric bias (vgl. Leung, Tong & Ho 2004, S. 405). In diesem Zusammenhang wurde beobachtet, dass für den Zeitraum einer befristeten Gehaltskürzung zwar die Bagatelldiebstähle zunehmen; der Anstieg der Bagatelldiebstahlsrate kann jedoch durch eine faire Kommunikation der Gehaltskürzung (interaktionale Gerechtigkeit) reduziert werden.
Bagatelldiebstähle im Unternehmen Bagatelldiebstähle werden von Unternehmensmitarbeitern als Reaktion auf eine Unterbezahlung beobachtet. In einem Feldexperiment wurde untersucht, ob eine hohe interaktionale Gerechtigkeit das Diebstahlverhalten der Mitarbeiter mildern kann. Untersuchungsgegenstand waren die Angestellten und Maschinenarbeiter dreier Fertigungsstätten eines Unternehmens. Die Firma war gezwungen, aufgrund unerwartet verlorener Vertragsverhandlungen die Gehälter in zwei der Fertigungsstätten für 10 Wochen um 15 % zu kürzen. Da die Arbeitsbelastung aber gleich blieb, entstand eine Situation, in der die Mitarbeiter unterbezahlt wurden. Experimentell wurde manipuliert, wie die Gehaltskürzung kommuniziert wurde. Zufällig ausgewählte Mitarbeiter in der einen Fabrik erhielten eine sehr ausführliche Erklärung und Begründung, warum die Gehaltskürzung notwendig war. Außerdem wurde Mitgefühl für die unangenehme Situation deutlich ausgedrückt (hohe interaktionale Gerechtigkeit). Zufällig ausgewählte Mitarbeiter in der zweiten Fabrik erhielten lediglich eine knappe Erklärung mit Begründung für die Gehaltskürzung. Mitgefühl wurde nur im nötigsten Rahmen gezeigt (geringe interaktionale Gerechtigkeit). Im Ergebnis zeigte sich, dass die Bagatelldiebstahlsrate (gemessen als Anteil des Schwundes am Gesamtwarenbestand) in der Gruppe geringer interaktionaler Gerechtigkeit 8 % betrug. In der Gruppe hoher interaktionaler Gerechtigkeit ergab sich ein Wert von 4 %. Beide Werte unterscheiden sich signifikant voneinander. Nachdem die Gehaltskürzung überstanden war, pendelten sich die Werte wieder auf den Normalwert von 3 % ein. (Vgl. Greenberg 1990, S. 562 ff.)
Es existieren verschiedene Kriterien, wonach Individuen eine Austauschbeziehung auf zwischenmenschlicher Ebene als fair empfinden. Welche das im Allgemeinen und im Speziellen für das Nachbeschwerdeverhalten sind, wird im folgenden Kapitel geklärt.
44 2.3.4.2
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Kriterien einer fairen Interaktion
In ihrem einschlägigen Artikel identifizieren Bies & Moag (1986, S. 47 ff.) vier Fairnesskriterien, wonach Individuen die interaktionale Gerechtigkeit bewerten. Diese sind Aufrichtigkeit, Respekt, Anstand und Rechtfertigung. Diese vier Kriterien können in der sozialpsychologischen Forschung als gesichert angesehen werden (vgl. Colquitt 2001, S. 389).
Aufrichtigkeit beschreibt, dass die Kommunikation in einer ehrlichen Weise erfolgt. Darunter fällt, dass die eine Partei nicht versucht, die andere durch irreführende oder verschleiernde Informationen zu täuschen. Auch sollen sich beide Parteien offen gegenübertreten und nichts voreinander verbergen. In einer Befragung über Beschwerdevorfälle berichtete z. B. ein/e Kunde/in: „Sie belogen mich über die kostenlose Pepsi und wollten mir auch keine genaue Erklärung geben, warum meine Pizza erst so spät gebacken wurde“ (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68).
Ein fairer zwischenmenschlicher Umgang zeichnet sich weiterhin durch Respekt aus. Das bedeutet, dass grobes, unhöfliches oder aggressives Verhalten vermieden wird. Die Beschwerdeführer empfinden einen höflichen und respektvollen Umgang als fair (vgl. Blodgett & Tax 1993, S. 105; Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 197). Respekt drückt sich in den Worten eines Befragten wie folgt aus: „Der Kundendienst war sehr geduldig. Sie kümmerten sich um mich“ (vgl. Estelami 2000, S. 295).
Anstand beschreibt in der Interaktion von Individuen, dass keine unpassenden Bemerkungen sowie vorurteilsbelastete Aussagen gemacht werden. Unpassende Bemerkungen im Falle einer Beschwerde können z. B. sein „Sie sagten mir, es steht mein Wort gegen ihres“ (vgl. Estelami 2000, S. 295). Eine vorurteilsfreie Beschwerdebehandlung bedeutet z. B., dass die Kunden nicht per se beschuldigt werden, für das Problem verantwortlich zu sein (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68).
In der Interaktion zwischen Individuen allgemein wird unter Rechtfertigung verstanden, dass für ein unpassend erscheinendes Verhalten (z. B. unnötig langes Warten) eine Erklärung oder Begründung gegeben wird. Im Nachbeschwerdeverhalten nehmen die Beschwerdeführer z. B. eine Erklärung oder eine Begründung für den Fehlerauftritt als fair wahr (vgl. Mattila 2006, S. 424; Mattila & Patterson 2004a, S. 341).
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
2.3.4.3
45
Auswahl der wichtigsten Interaktionskriterien
Wie auch bei der prozeduralen Gerechtigkeit soll im Folgenden eine Auswahl der wichtigsten Interaktionskriterien getroffen werden, um die interaktionale Gerechtigkeit eindeutig von den anderen beiden Gerechtigkeitsdimensionen abzugrenzen (vgl. Tab. 6).
Interaktionskriterium Interaktionale Gerechtigkeit Aufrichtigkeit
Kurzbeschreibung
Einbezogen
…beschreibt, dass die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde auf ehrliche Weise erfolgt.
(5)
Respekt
…umfasst die Freundlichkeit, Höflichkeit und den Respekt, mit denen der Unternehmensmitarbeiter dem Kunden begegnet.
5
Anstand
…besagt, dass das Unternehmen dem Kunden vorurteilsfrei begegnet und gesellschaftliche Umgangsformen wahrt.
(5)
Rechtfertigung
…bringt das Unternehmen zum Ausdruck, indem es eine Erklärung oder Begründung für die Umstände des Beschwerdefalls bietet.
(5)
Tab. 6: Auswahl der wichtigsten Interaktionskriterien
Vorrangig wird auf das Interaktionskriterium Respekt Bezug genommen. Hierfür existieren verschiedene Gründe. Respekt ist im Unterschied zu Aufrichtigkeit, Anstand sowie Rechtfertigung stärker personenbezogen. Denn Aufrichtigkeit, Anstand sowie Rechtfertigung beschreiben ebenfalls qualitative Eigenschaften des Informationsaustauschs zwischen Kunden und Unternehmen, weshalb sie von Kunden womöglich auch als Prozesselement interpretiert werden (vgl. Greenberg 1993, S. 83). Respekt besitzt darüber hinaus den Vorteil, als Kriterium auch die persönliche Ebene von Aufrichtigkeit, Anstand und Rechtfertigung einzuschließen. Denn ein respektvoller Umgang auf persönlicher Ebene wird ohne eine aufrichtige Kommunikation, anständiges Auftreten und eine Rechtfertigung für den Fehlerumstand nicht möglich sein. Zudem bildet Respekt im Nachbeschwerdeverhalten den Kern, auf den zahlreiche Studien abstellen, wenn sie die interaktionale Gerechtigkeit erheben (z. B. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195; del Río-Lanza, Vázquez-Casielles & Díaz-Martín 2009, S. 780; McCollough, Berry & Yadav 2000, S. 130).
Mitunter wird auch eine vierte Gerechtigkeitsdimension genannt. Sowohl die interaktionale Gerechtigkeit (z. B. aufrichtige Kommunikation) als auch die prozedurale Gerechtigkeit (z. B. Exaktheit der Informationen) erfassen Elemente des Informationsaustauschs. In einer zusätzlichen Dimension, die als informationale Gerechtigkeit bezeichnet wird (z. B. Mattila 2006,
46
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
S. 423), könnten diese Elemente extrahiert und Überschneidungen ausgeschlossen werden. Allerdings spricht gegen diese Lösung, dass auch die neue Dimension informationale Gerechtigkeit sich nicht eindeutig abgrenzen lässt. Denn die informationale Gerechtigkeit zeichnet sich z. B. durch eine ehrliche Kommunikation aus (vgl. Colquitt 2001, S. 389). Allerdings dürfte es kaum möglich sein, jemandem mit Respekt und Wertschätzung ohne Ehrlichkeit gegenüberzutreten. Daher soll von dieser Variante kein Gebrauch gemacht werden.
2.3.5
Interdependenzen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen
In der Gerechtigkeitsforschung besteht ein Diskurs darüber, ob sich distributive, prozedurale und interaktionale Fairnessbeurteilungen gegenseitig beeinflussen. Zum einen wird die Meinung vertreten, dass die drei Dimensionen voneinander abhängig sind. Das hat zur Folge, dass Menschen nicht derart zwischen den drei Gerechtigkeitsaspekten differenzieren, wie es der Theorie nach der Fall sein müsste, sondern sie begreifen Fairness im Extremfall als ein Phänomen. Zum anderen wird der Standpunkt vertreten, dass die Gerechtigkeitsdimensionen weitestgehend unabhängig voneinander sind und somit getrennte Phänomene darstellen (vgl. Colquitt 2001, S. 386 f.; Folger 1987, S. 150 f.; Greenberg 1993, S. 86; Liao 2007, S. 477). Für beide Sichtweisen finden sich theoretische sowie empirische Belege.
Theoretisch können zwischen der distributiven und der prozeduralen Gerechtigkeit zwei Abhängigkeitsbeziehungen unterschieden werden. So kann die prozedurale Gerechtigkeit ein unfaires Ergebnis (distributive Gerechtigkeit) besonders unfair erscheinen lassen, indem die Vorstellung geschaffen wird, ein faireres Ergebnis wäre unter akzeptableren Prozessen möglich gewesen (vgl. Folger 1987, S. 150). Ein Beispiel hierfür ist: Ein Angeklagter, bei dem die Polizei die Schuld vermutet, wird im ersten Fall aufgrund eines Verfahrensfehlers freigesprochen und im zweiten Fall aufgrund einer ordentlichen Gerichtsverhandlung. Tendenziell würde man den Freispruch, wenn man von der Schuld überzeugt ist, im zweiten Fall als weniger unfair beurteilen als im ersten Fall, wo der Freispruch aufgrund eines Verfahrensfehlers zustande kam.
Eine weitere Abhängigkeitsbeziehung zwischen der distributiven und der prozeduralen Gerechtigkeit besteht darin, dass ein Prozess, der zu einem fairen Ergebnis führt, tendenziell als gerechter beurteilt wird als ein Prozess, der in einem unfairen Resultat mündet (vgl. Folger 1987, S. 150). Ein Prozess wird also dann als fair empfunden, wenn er den persönlichen Nut-
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
47
zen fördert (vgl. Lind & Tyler 1988, S. 226). Die subjektive Logik, die dahinter steht, ist folgende: „Ich finde das gerecht, was mir persönlich etwas bringt.“ In diesem Sinne wurde auch beobachtet, dass Menschen das eigene Verhalten als fairer beurteilen als das Verhalten anderer Menschen (vgl. Messick et al. 1985, S. 480).
Theoretisch lässt sich auch eine Abhängigkeitsbeziehung zwischen der interaktionalen und den anderen beiden Gerechtigkeitsdimensionen unterstellen. So kann eine sensible (faire) Interaktion Menschen ein besseres Gefühl auch bei einem unfairen Prozess oder Ergebnis geben (vgl. Colquitt 2001, S. 386). Umgekehrt belegen McCollough, Berry & Yadav (2000, S. 131), dass eine unhöfliche, respektlose Interaktion den Wert eines fairen Ergebnisses schmälert. Insofern scheint es ebenso möglich, dass eine unfaire Interaktion den Wert eines fairen Prozesses mindert.
Empirisch zeigt sich die Interdependenz der einzelnen Dimensionen sowohl in der Sozialpsychologie als auch im Nachbeschwerdeverhalten. So berichtet Tyler (1984, S. 63) bei gerichtlichen Anhörungen zu Verkehrsvergehen und Kavaliersdelikten eine Korrelation zwischen der distributiven und der prozeduralen Gerechtigkeit von 0,77. Im Nachbeschwerdeverhalten erhalten Orsinger, Valentini & de Angelis (2010, S. 179) sowie Gelbrich & Roschk (2010b) meta-analytisch Korrelationen zwischen 0,55 und 0,61 für die Beziehungen zwischen den drei Gerechtigkeitsdimensionen. Werte deutlich darüber (über 0,7 bzw. 0,8) finden sich z. B. bei Liao (2007, S. 481) und Davidow (2003b, S. 74).
Für die Unabhängigkeit zwischen den einzelnen Gerechtigkeitsdimensionen spricht inhaltlich folgendes Argument. Wenn selbst der fairste Prozess und die fairste Interaktion dazu führen können, dass ein Ergebnis als unfair wahrgenommen wird, so müssen Kriterien zur Ergebnisbeurteilung existieren, die unabhängig von der prozeduralen und der interaktionalen Gerechtigkeit sind. Die Gerechtigkeitsdimensionen können sich nicht gegenseitig definieren (vgl. Folger 1987, S. 150 f.). Empirisch lässt sich die Unabhängigkeit der Gerechtigkeitsdimensionen damit belegen, dass z. B. in Experimenten die distributive, die prozedurale und die interaktionale Gerechtigkeit unabhängig voneinander manipuliert und auch entsprechend wahrgenommen werden (z. B. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 197; Thibaut & Walker 1975). Außerdem besitzen die verschiedenen Fairnessdimensionen unterschiedliche Konsequenzen sowohl im Nachbeschwerdeverhalten als auch in der Organisationspsychologie, was ebenfalls für ihre Trennung spricht (vgl. Colquitt 2001, S. 397; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 246).
48
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Für die vorliegende Arbeit sind also aufgrund der Interdependenzen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen Korrelationen zwischen den Dimensionen zu erwarten. Da zahlreiche empirische Studien die Gerechtigkeitsdimensionen getrennt betrachten (z. B. Ambrose, Hess & Ganesan 2007; Homburg & Fürst 2005; Maxham III & Netemeyer 2002a), dürften die Korrelationen in einem angemessenen Rahmen liegen. Ihnen kann mit geeigneten statistischen Methoden Rechnung getragen werden (vgl. Kap. 4.2.3.1; Grewal, Cote & Baumgartner 2004, S. 524; Maruyama 1998, S. 21 ff.).
2.3.6
Gerechtigkeitsdimensionen als Proxy-Variable der Unternehmensreaktionen
Die Kunden beurteilen die Unternehmensreaktionen Kompensation, zuvorkommendes Mitarbeiterverhalten und organisationale Rahmenbedingungen anhand der drei Gerechtigkeitsdimensionen. Diese subjektive Wahrnehmung (Gerechtigkeitswahrnehmung) – und nicht die Unternehmensreaktion an sich – entscheidet über die Nachbeschwerdezufriedenheit und somit über das weitere Verhalten der Kunden (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358). So zeigt die bisherige Forschung, dass die Gerechtigkeitsdimensionen die Nachbeschwerdezufriedenheit besser erklären als die Unternehmensreaktionen. Sowohl durch verschiedene Einzelstudien als auch meta-analytisch konnte eine vollständige Mediatorrolle der Gerechtigkeitsdimensionen für die Beziehung „Unternehmensreaktionen ĺ Nachbeschwerdezufriedenheit“ belegt werden (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b; Karande, Magnini & Tam 2007, S. 196; Maxham III & Netemeyer 2003, S. 57; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 364). Eine vollständige Mediation bedeutet, dass die Gerechtigkeitsdimensionen die Beziehungen zwischen den Unternehmensreaktionen und der Nachbeschwerdezufriedenheit vollständig erklären. Somit gilt die Kausalkette „Unternehmensreaktionen ĺ Gerechtigkeitsdimensionen ĺ Nachbeschwerdezufriedenheit“, bei der keine direkten Wirkungsbeziehungen von den Unternehmensreaktionen zu der Nachbeschwerdezufriedenheit bestehen (vgl. Baron & Kenny 1984, S. 1176). Demnach ist eine als fair empfundene Unternehmensreaktion eine notwendige Bedingung für deren zufriedenheitsstiftende Wirkung und zugleich eine Antezedenz der Nachbeschwerdezufriedenheit.
In der Forschung gilt darüber hinaus als etabliert, dass zwischen den Unternehmensreaktionen und den Gerechtigkeitsdimensionen ein Beziehungsgeflecht besteht. In diesem Beziehungsgeflecht beeinflusst die Unternehmensreaktion die jeweils korrespondierende Gerechtigkeitsdimension positiv. So fördert die Kompensation die distributive Gerechtigkeit, das zuvorkom-
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
49
mende Mitarbeiterverhalten die interaktionale Gerechtigkeit und die Organisationsstruktur die prozedurale Gerechtigkeit (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 197; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365 ff.). Des Weiteren bestehen Überschneidungseffekte. So fördert z. B. die Kompensation ebenfalls die prozedurale Gerechtigkeit (vgl. McCollough, Berry & Yadav 2000, S. 130). Solche Effekte überraschen nicht. Denn wie weiter oben beschrieben, ist es sehr wahrscheinlich, dass Kunden eine ihren Bedürfnissen entsprechende Kompensation als fair im Ergebnis beurteilen, aber auch gleichzeitig den zugrunde liegenden Prozess als fair empfinden (vgl. Folger 1987, S. 150).
Empirisch belegen Gelbrich & Roschk (2010b), dass in diesem Beziehungsgeflecht die Gerechtigkeitsdimensionen eine gute Approximation für die Unternehmensreaktionen darstellen. Denn die jeweiligen Gerechtigkeitsdimensionen (z. B. distributive Gerechtigkeit) werden am stärksten von den korrespondierenden Unternehmensreaktionen (z. B. Kompensation) positiv beeinflusst (vgl. Abb. 6):
Unternehmensreaktion
Gerechtigkeitswahrnehmung
Kompensation
β = 0,53 β = 0,30** β = 0,22**
Distributive Gerechtigkeit
Organisationsstruktur
β = 0,12** β = 0,51 β = 0,14**
Prozedurale Gerechtigkeit
Zuvorkommendes Mitarbeiterverhalten
β = 0,45* β = 0,42** β = 0,51
Interaktionale Gerechtigkeit
Alle standardisierten Pfadkoeffizienten sind in der Reihenfolge der jeweiligen Unternehmensreaktionen angegeben und signifikant auf dem Niveau p < 0,001. * Der Pfadkoeffizient ist signifikant mit p < 0,01 kleiner als der jeweils stärkste Pfadkoeffizient in der Gruppe. ** Der Pfadkoeffizient ist signifikant mit p < 0,001 kleiner als der jeweils stärkste Pfadkoeffizient in der Gruppe. Lesebeispiel: Der Einfluss der Kompensation auf die distributive Gerechtigkeit beträgt β = 0,53 und ist signifikant mit p < 0,001 größer als der Effekt der organisationalen Rahmenbedingungen auf die distributive Gerechtigkeit.
Abb. 6: Gerechtigkeitsdimensionen und Unternehmensreaktionen Quelle: Gelbrich & Roschk (2010b)
50
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Der Einfluss der Kompensation auf die distributive Gerechtigkeit (ȕ = 0,53) ist stärker als der Effekt der Organisationsstruktur (ȕ = 0,30; p < 0,001)1 und des zuvorkommenden Mitarbeiterverhaltens (ȕ = 0,22; p < 0,001). Die Organisationsstruktur ist ein stärkerer Prädiktor für die prozedurale Gerechtigkeit (ȕ = 0,51) als die Kompensation (ȕ = 0,12; p < 0,001) und das zuvorkommende Mitarbeiterverhalten (ȕ = 0,14; p < 0,001). Das zuvorkommende Mitarbeiterverhalten beeinflusst wirksamer die interaktionale Gerechtigkeit (ȕ = 0,59) als die Kompensation (ȕ = 0,45; p < 0,01) und die Organisationsstruktur (ȕ = 0,42; p < 0,001). Indem stets der stärkste Einfluss von der Unternehmensreaktion zu der korrespondierenden Gerechtigkeitsdimension ausgeht, werden folglich die einzelnen Unternehmensreaktionen gut durch die jeweiligen Gerechtigkeitsdimensionen approximiert (vgl. zu einem ähnlichen Problem Perdue & Summers 1996, S. 322 f.).
Da das Ziel der Arbeit darin besteht, Moderationseffekte auf die Beziehungen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen und der Nachbeschwerdezufriedenheit zu untersuchen, werden die Unternehmensreaktionen von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Die Gerechtigkeitsdimensionen werden als Proxy-Variable der Unternehmensreaktionen angesehen. Die bisherigen empirischen Befunde legitimieren dieses Vorgehen. So erklären die Gerechtigkeitsdimensionen die Nachbeschwerdezufriedenheit besser als die Unternehmensreaktionen und sie können als Approximation der Unternehmensreaktionen gelten.
2.4
Zufriedenheit nach der Beschwerde
2.4.1
Confirmation/Disconfirmation-Paradigma
Zufriedenheit wird als Ergebnis eines kognitiven Bewertungsprozesses verstanden (vgl. Day 1977, S. 149; Tse & Wilton 1988, S. 204; Westbrook & Oliver 1991, S. 84). Die Kunden vergleichen dabei die erwartete und erhaltene Leistung. Oliver (1980, 1981) entwickelte maßgeblich diese Form der Zufriedenheitsbildung. Sie wurde bekannt als das ExpectationDisconfirmation-Modell bzw. als Confirmation/Disconfirmation-Paradigma (C/D-Paradigma).
1
Die Notation ist an dieser Stelle wie folgt zu lesen: Der erste Wert gibt die Einflussstärke der Organisationsstruktur auf die distributive Gerechtigkeit an. Der zweite Wert gibt die Irrtumswahrscheinlichkeit p an, mit der die Einflussstärke der Organisationsstruktur kleiner ist als die der Kompensation.
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
51
Nach dem C/D-Paradigma bauen Konsumenten vor dem Kauf eine Erwartungshaltung gegenüber dem Produkt auf. Im anschließenden Gebrauch oder Konsum nehmen sie die tatsächliche Leistung des Produktes wahr. Abb. 7 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Erwartungshaltung und der tatsächlichen Leistung. Übertrifft das Produkt die Erwartungen (Ist > Soll), dann spricht man von positiver disconfirmation, und es entsteht Zufriedenheit. Bleibt es hinter den Erwartungen zurück (Ist < Soll), dann spricht man von negativer disconfirmation; sie führt zu Unzufriedenheit. Erfüllt es die Erwartung (Ist = Soll), so wird dieser Zustand als simple confirmation bezeichnet, und es entsteht ebenfalls Zufriedenheit (vgl. Oliver & DeSarbo 1988, S. 495).
Tatsächliche Leistung
Ist > Soll
Ist = Soll
Erwartete Leistung Ist < Soll
positive disconfirmation
simple confirmation
Zufriedenheit
negative disconfirmation
Unzufriedenheit
Abb. 7: C/D-Paradigma
Angewandt auf den Nachbeschwerdekontext formen Kunden Erwartungen über die Art und Weise der Beschwerdebehandlung, die anschließend durch die Unternehmensreaktion übertroffen (positive disconfirmation), bestätigt (simple confirmation) oder nicht erfüllt werden (negative disconfirmation). Bestätigt oder übertrifft die Unternehmensreaktion die Erwartungen, entsteht Nachbeschwerdezufriedenheit. Bleibt sie hinter den Erwartungen zurück, führt dies zu Unzufriedenheit (vgl. Dröge & Halstead 1991, S. 320; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 363). Eine hohe Erwartungshaltung besitzt somit einen negativen Einfluss auf die Nachbeschwerdezufriedenheit (vgl. McCollough, Berry & Yadav 2000, S. 127).
52 2.4.2
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Confirmation/Disconfirmation-Paradigma vs. Gerechtigkeit
Bislang wurde ausschließlich die Fairnesswahrnehmung als Antezedenz der Nachbeschwerdezufriedenheit besprochen. Einen konkurrierenden Ansatz stellt das C/D-Paradigma dar, welches sich von der Fairnessbeurteilung konzeptionell unterscheidet (vgl. Oliver & Swan 1989a, S. 32). Tab. 7 stellt die Unterschiede zwischen beiden kognitiven Bewertungsprozessen dar.
C/D-Paradigma
Gerechtigkeit
Bezugsobjekt der Bewertung
Derselbe Sachverhalt, bei dem erwartete mit tatsächlicher Leistung verglichen wird.
Unterschiedliche Sachverhalte werden in Relation zueinander gesetzt.
Berücksichtigung eigener Inputs
Eigene Inputs werden eher nicht berücksichtigt.
Eigene Inputs können berücksichtigt werden.
Besitzt die höchste Erklärungskraft…
…bei Produkten.
… in zwischenmenschlichen Interaktionen.
Tab. 7: C/D-Paradigma vs. Gerechtigkeit
Beide Ansätze verbindet, dass eine kognitive Bewertung auf Basis zweier oder mehrerer Beobachtungen getroffen wird. Der zentrale Unterschied besteht jedoch darin, dass sich bei dem C/D-Paradigma die Beobachtungen auf ein und denselben Sachverhalt beziehen, wohingegen bei einer Fairnessbeurteilung unterschiedliche Sachverhalte in Relation zueinander gesetzt werden (vgl. Oliver 1997, S. 208 f.). Am Beispiel einer Kompensationsleistung für eine verspätete Autoreparatur würden die Kunden nach dem C/D-Paradigma den erwarteten Kompensationsbetrag (z. B. 50-€-Gutschrift) mit der tatsächlichen Kompensationsleistung (z. B. 60-€Gutschrift) vergleichen. Es ginge hier ausschließlich um die Kompensationsleistung. Soll die angebotene Kompensation im Hinblick darauf bewertet werden, ob die Kunden sie als fair empfinden, existiert keine Erwartungshaltung. Die Kunden würden die erhaltene Kompensationsleistung (z. B. 60-€-Gutschrift) anhand eines anderen Referenzpunktes bewerten. Dieser kann z. B. die verursachten Unannehmlichkeiten sein (z. B. aufgrund der Verspätung kann der Urlaub erst zwei Tage später beginnen).
Daraus ergibt sich unmittelbar, dass bei dem C/D-Paradigma lediglich die Ergebnisse (der erhaltene Kompensationsbetrag) eine Rolle spielen, wohingegen eigene Aufwendungen eher unbeachtet bleiben. Bei einer Gerechtigkeitsbeurteilung können ebenso eigene Inputs als Referenzpunkte der Bewertung dienen. Ist der Kunde bspw. schon langjähriger Kunde bei der
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
53
Werkstatt, wird ihm möglicherweise eine Beschwerdebehandlung, die auch alle anderen Kunden erhalten, unfair erscheinen (vgl. Adams 1965; Oliver 1997, S. 209).
Empirisch wurde nachgewiesen, dass beide Konzepte geeignet sind, um die Zufriedenheit im Allgemeinen und die Nachbeschwerdezufriedenheit im Speziellen zu erklären (vgl. Martíneztur et al. 2006, S. 111; Oliver & Swan 1989b, S. 381; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365). Allerdings beobachten Oliver & Swan (1989a, S. 32), dass eine faire Austauschbeziehung einen stärkeren Einfluss auf die Zufriedenheit besitzt, als wenn die Erwartungen erfüllt werden (Disconfirmation). Ausgedrückt in standardisierten Regressionskoeffizienten misst der Einfluss des Konstruktes disconfirmation auf die Zufriedenheit einen ȕ-Wert von 0,34, wohingegen der Einfluss der distributiven Gerechtigkeit auf die Zufriedenheit einen ȕ-Wert von 0,68 annimmt (vgl. Oliver & Swan 1989a, S. 32). Die Befunde werden damit erklärt, dass die wahrgenommene Fairness maßgeblich die Zufriedenheit in zwischenmenschlichen Interaktionen beeinflusst, während Disconfirmation primär die Zufriedenheit mit einem Produkt zu erklären vermag. Denn die Kunden werden sich nicht durch ein Produkt unfair behandelt fühlen können (vgl. Oliver 1997, S. 210). Im Umkehrschluss wird es für die Kunden schwer sein, Erwartungen über die zahlreichen Facetten einer zwischenmenschlichen Interaktion zu bilden, die anschließend erfüllt werden können oder auch nicht.
Das gleiche Phänomen wurde in der Forschung zum Nachbeschwerdeverhalten beobachtet. Die standardisierten Regressionskoeffizienten der distributiven, der prozeduralen und der interaktionalen Gerechtigkeiten sind in Summe und zum Teil einzeln größer als der Regressionskoeffizient des Konstrukts Disconfirmation (vgl. Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 272; Varela-Neira, Vazques-Casielles & Iglesias-Argüelles 2008, S. 505). Zudem zeigen Smith, Bolton & Wagner (1999, S. 365) sowie Smith & Bolton (2002, S. 15), dass die drei Gerechtigkeitsdimensionen 50 % bis über 60 % der Varianz der Nachbeschwerdezufriedenheit erklären, wohingegen Disconfirmation lediglich 17 % und weniger erreicht. Die Ergebnisse verwundern nicht, da sich eine Beschwerdesituation durch eine starke zwischenmenschliche Interaktion auszeichnet (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68). Die Nachbeschwerdezufriedenheit wird folglich primär durch die Gerechtigkeitsdimensionen erklärt, wohingegen dem C/D-Paradigma keine bedeutsame Rolle zukommt. Daher wird das C/D-Paradigma in der vorliegenden Arbeit ausgeschlossen.
54 2.4.3
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
Transaktionsspezifische und kumulative Zufriedenheit
In der Zufriedenheitsforschung werden verschiedene Messebenen von Zufriedenheit unterschieden (vgl. Tab. 8). Die Spannweite reicht dabei von einer Mikroebene, auf der es um das Zufriedenheitsurteil einzelner Konsumenten geht, bis hin zu einer Makroebene, auf der es um das aggregierte Zufriedenheitsurteil aller Konsumenten einer Firma (z. B. durchschnittliche Kundenzufriedenheit), eines gesamten Industriezweiges (z. B. Konsumklima) oder einer Gesellschaft (z. B. psychologisches Wohlbefinden) geht (vgl. Anderson 1994, S. 22 f.; Anderson & Fornell 1994, S. 243 ff.; Fournier & Mick 1999, S. 15; Palmatier et al. 2006, S. 137).
Betrachtungsebene
Zufriedenheitskonzept
Zufriedenheit im Nachbeschwerdeverhalten
Mikroebene – Zufriedenheit eines Individuums Eine einzige Beobachtung
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung
Summe bisheriger Erfahrungen
Kumulative Zufriedenheit
Zufriedenheit mit dem Produkt oder dem Unternehmen
Makroebene – aggregierte Zufriedenheit mehrerer Individuen einer/eines… Firma
Durchschnittliche Kundenzufriedenheit
Durchschnittliche Zufriedenheit aller Beschwerdeführer
Industriezweig
Konsumklima
Kundenzufriedenheitsbarometer
Gesellschaft
Psychologisches Wohlbefinden
Kundenzufriedenheitsbarometer
Tab. 8: Betrachtungsebenen der Zufriedenheit
Das Hauptaugenmerk der Zufriedenheitsforschung liegt auf der Mikroebene, d. h. der Zufriedenheit eines einzelnen Konsumenten. Auf dieser Ebene können zwei Stufen unterschieden werden. Auf der kleinsten Betrachtungsebene umfasst die Kundenzufriedenheit eine einzige Beobachtung, ein Ereignis oder einen Dienstleistungskontakt, wie z. B. die Zufriedenheit mit der Bedienung am vorangegangenen Abend. Sie wird als transaktionsspezifische Zufriedenheit bezeichnet (vgl. Bitner & Hubbert 1994, S. 76; Olsen & Johnson 2003, S. 185). Auf einem höheren Abstraktionslevel steht die aggregierte Zufriedenheit der Konsumenten im Mittelpunkt. Sie bezieht sich auf die Leistung des Anbieters insgesamt und berücksichtigt alle bisherigen mit ihm gemachten Erfahrungen (vgl. Johnson, Anderson & Fornell 1995, S. 699). Zum Beispiel besitzt ein Kunde ein Lieblingsrestaurant, welches er ein- bis zweimal pro Monat aufsucht. Diese Form der aggregierten Zufriedenheit wird als kumulative Zufriedenheit bezeichnet (vgl. Oliver 1997, S. 15 f.).
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
55
Auch im Nachbeschwerdeverhalten lassen sich beide Stufen der Mikroebene, auf denen die Zufriedenheit gemessen wird, wiederfinden. Einerseits wird die Nachbeschwerdezufriedenheit definiert als Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung (vgl. Maxham III & Netemeyer 2003, S. 60; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 64). Diese Definition fällt unter das Konzept der transaktionsspezifischen Zufriedenheit. Im Nachbeschwerdeverhalten wird darunter das Zufriedenheitsurteil über die konkrete Beschwerdebehandlung nach einem Fehler verstanden. Eine beispielhafte Fragestellung, um die transaktionsspezifische Zufriedenheit zu messen, lautet: „Wie zufrieden sind Sie mit der Beschwerdebehandlung des Unternehmens?“ (vgl. Mattila & Patterson 2004b, S. 199).
Andererseits wird die Nachbeschwerdezufriedenheit als ein Gesamturteil über das Produkt bzw. den Service (z. B. Worsfold, Worsfold & Bradley 2007, S. 2503) oder über das Unternehmen (z. B. McColl-Kennedy, Daus & Sparks 2003, S. 72) nach einer Beschwerdebehandlung verstanden. Diese Definition fällt unter das Konzept der kumulativen Zufriedenheit. Kumulative Zufriedenheit besitzt einen additiven Charakter. Das bedeutet, dass in das Zufriedenheitsurteil sowohl die konkret erlebte Beschwerdebehandlung als auch alle anderen vorangegangenen Erfahrungen, die die Kunden bis zum Zeitpunkt der Beschwerdebehandlung gesammelt haben, eingehen. Ein typischer Indikator, um kumulative Zufriedenheit zu messen, lautet: „Insgesamt bin ich mit den Erfahrungen, die ich mit dem Anbieter gemacht habe, zufrieden“ (vgl. Maxham III & Netemeyer 2003, S. 60).
Die transaktionsspezifische Zufriedenheit stellt also ein Urteil über den Vorfall einer einzigen Beschwerdebehandlung dar, wohingegen bei der kumulativen Zufriedenheit ein umfassenderes Urteil über das gesamte Unternehmen gefällt wird. Empirische Studien belegen, dass beide Zufriedenheitskonstrukte nicht nur konzeptionell verschieden sind, sondern auch tatsächlich als unterschiedliche Sachverhalte aus Kundensicht wahrgenommen werden (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 105; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 246).
Auf der Makroebene wird das aggregierte Zufriedenheitsurteil über mehrere Kunden untersucht (vgl. Oliver 1997, S. 15 f.). Auf Firmenebene wäre dies die durchschnittliche Beschwerdezufriedenheit aller Beschwerdeführer in einem festgelegten Untersuchungszeitraum. Unternehmen können diese Zahl als internes Erfolgsmaß für ihr Beschwerdemanagement verwenden (vgl. Stauss 2006, S. 413). Auf Industrie- und Gesellschaftsebene können verschiedene Kundenbarometer Aufschluss über die Entwicklung des Beschwerdeaufkommens
56
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
und der Zufriedenheit geben (vgl. Andreassen 2000, S. 163). Auch öffentliche Einrichtungen, wie z. B. die kanadische Verkehrsbehörde, sammeln Informationen zum Beschwerdeaufkommen und untersuchen, ob diese zufriedenstellend gelöst wurden (vgl. Grégoire & Fisher 2008, S. 251).
Die vorliegende Arbeit betrachtet ausschließlich die transaktionsspezifische Zufriedenheit (d. h. die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung), um das individuelle Verhalten auf eine Unternehmensreaktion zu erklären. Denn die transaktionsspezifische Zufriedenheit geht aufgrund ihrer Natur der kumulativen Zufriedenheit voraus. Die Gerechtigkeitswahrnehmung führt folglich zunächst zu einem transaktionsspezifischen Zufriedenheitsurteil, welches wiederum in die kumulative Zufriedenheit einfließt (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 105).
2.4.4
Zufriedenheit und Gerechtigkeitsdimensionen
Im Untersuchungsmodell (vgl. Abb. 2) steht die Zufriedenheit zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen und den Verhaltensabsichten, d. h. sie mediiert die Beziehung „Gerechtigkeitsdimensionen ĺ Verhaltensabsichten“. Empirisch weisen Maxham III & Netemeyer (2002a, S. 245) für die transaktionsspezifische sowie für die kumulative Zufriedenheit eine partielle Mediatorrolle nach. Somit besitzen die Gerechtigkeitsdimensionen neben der indirekten Wirkung über beide Zufriedenheitskonstrukte noch einen direkten Einfluss auf die Verhaltensabsichten (vgl. Baron & Kenny 1984, S. 1176). Meta-analytisch belegen die Ergebnisse von Gelbrich & Roschk (2010b) eine vollständige Mediation beider Zufriedenheitskonstrukte. Ferner weisen Wirtz & Mattila (2004, S. 159) nach, dass die Nachbeschwerdezufriedenheit vollständig die Beziehung zwischen den Unternehmensreaktionen und der Nachbeschwerdezufriedenheit mediiert. Insgesamt wird also bestätigt, dass die transaktionsspezifische Zufriedenheit eine Konsequenz der Gerechtigkeitswahrnehmung und eine Antezedenz der Verhaltensabsichten darstellt.
Die überwiegende Studienzahl belegt einen positiven Einfluss der drei Gerechtigkeitsdimensionen auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit. Wird also die Beschwerdebehandlung als fair wahrgenommen, entsteht Zufriedenheit. Allerdings variieren die Studienergebnisse stark im Hinblick auf die absolute Stärke des Zusammenhangs. So werden standardisierte Regressionskoeffizienten von 0,19 bis 0,80 für die Beziehung „distributive Gerechtigkeit ĺ transaktionsspezifische Zufriedenheit“ beobachtet (vgl. del Rio-Lanza, Vazquez-Casielles &
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
57
Diaz-Martin 2009, S. 778; Weun, Beatty & Jones 2004, S. 138). Gleichfalls divergieren die Befunde hinsichtlich der relativen Wichtigkeit der Gerechtigkeitsdimensionen. So besitzt bei Kim, Kim & Kim (2009, S. 58) die distributive Gerechtigkeit die stärkste positive Wirkung auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit, wohingegen sie bei Schöfer (2008, S. 215) den geringsten Effekt aufweist. Studienübergreifend berichten Orsingher, Valentini & de Angelis (2010, S. 181) sowie Gelbrich & Roschk (2010b) folgende in Abb. 8 dargestellte Werte.
Gerechtigkeitswahrnehmung
Distributive Gerechtigkeit
β = 0,45a) b, c) β = 0,54
Prozedurale Gerechtigkeit
β = 0,09 β = 0,11ns
Interaktionale Gerechtigkeit
β = 0,25 β = 0,12ns
Nachbeschwerdezufriedenheit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit (R² = 0,47)b)
Alle standardisierten Pfadkoeffizienten sind signifikant auf dem Niveau p < 0,01, sofern nicht anders angegeben (ns = nicht signifikant). a) Wert der Studie von Orsinger, Valentini, & de Angelis (2010) b) Wert der Studie von Gelbrich & Roschk (2010b) c) Der Einfluss der distributiven Gerechtigkeit ist signifikant größer als der Effekt der prozeduralen Gerechtigkeit (p < 0,001) und der interaktionalen Gerechtigkeit (p < 0,001).
Abb. 8: Transaktionsspezifische Zufriedenheit und Gerechtigkeitsdimensionen
Nach Orsinger, Valentini & de Angelis (2010, S. 181) beeinflussen alle drei Gerechtigkeitsdimensionen die transaktionsspezifische Zufriedenheit signifikant. Dabei besitzt die distributive Gerechtigkeit mit einem ȕ-Wert von 0,45 den stärksten Einfluss. Der Effekt von der prozeduralen Gerechtigkeit und der interaktionalen Gerechtigkeit ist weniger hoch mit ȕ-Werten von 0,09 respektive 0,25. Gelbrich & Roschk (2010b) erhalten folgende Ergebnisse: Die distributive Gerechtigkeit beeinflusst die transaktionsspezifische Zufriedenheit mit einem Wert von 0,54 signifikant. Für die prozedurale Gerechtigkeit und die interaktionale Gerechtigkeit ermitteln sie ȕ-Werte von 0,11 respektive 0,12, die jedoch nicht signifikant sind. Die distributive Gerechtigkeit besitzt einen signifikant größeren Einfluss als die anderen beiden Gerech-
58
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
tigkeitsdimensionen. Alle drei Gerechtigkeitsdimensionen wiederum erklären 47 % der Varianz der transaktionsspezifischen Zufriedenheit.
Die nicht signifikanten Befunde der prozeduralen und der interaktionalen Gerechtigkeit in der Studie von Gelbrich & Roschk (2010b) überraschen. Denn sie widersprechen der MetaAnalyse von Orsingher, Valentini & de Angelis (2010, S. 181) sowie zahlreichen Einzelbefunden, die einen signifikanten Effekt beobachten (vgl. Mattila 2001, S. 588; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 275; Schoefer 2008, S. 15). Die Unterschiede zu den Einzelbefunden können durch methodische Besonderheiten erklärt werden, wodurch die realen Effekte der prozeduralen und der interaktionalen Gerechtigkeit tendenziell unterschätzt werden (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b). So zeigt sich in Experimenten, dass die ȕ-Werte der interaktionalen und der prozeduralen Gerechtigkeit kleiner sind als in Umfragen. Folglich scheinen Experimente weniger gut geeignet zu sein, um subtile Facetten wie bequeme Prozesse (prozedurale Gerechtigkeit) oder eine freundliche, respektvolle Behandlung (interaktionale Gerechtigkeit) realitätsgetreu abzubilden. Da in die Analyse sowohl experimentelle Beobachtungen als auch Umfragen integriert wurden, bleibt zu vermuten, dass die Effekte der prozeduralen sowie der interaktionalen Gerechtigkeit tendenziell unterschätzt werden.
Diese Begründung trifft auf jede Meta-Analyse zu und erklärt nicht, warum Orsingher, Valentini & de Angelis (2010) signifikante Effekte der prozeduralen und der interaktionalen Gerechtigkeit auf die Nachbeschwerdezufriedenheit beobachten. Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass Orsingher, Valentini & De Angelis (2010) keine Werte für etwaige geschätzte Korrelationen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen angeben. Daher bleibt zu vermuten, dass sie diese nicht berücksichtigen. Würden diese Korrelationen in der Studie von Gelbrich & Roschk (2010b) vernachlässigt werden, erhielte man ebenfalls signifikante Pfade von der prozeduralen und der interaktionalen Gerechtigkeit zu der Nachbeschwerdezufriedenheit.
Ungeachtet der methodischen Unterschiede zwischen Orsingher, Valentini & de Angelis (2010) und Gelbrich & Roschk (2010b) stimmen beide Studien dahingehend überein, dass sowohl die prozedurale als auch die interaktionale Gerechtigkeit einen vergleichsweise geringen Einfluss haben. Trotz des schwachen Einflusses beider Gerechtigkeitsdimensionen dürfen sie nicht vernachlässigt werden. Denn sie besitzen eine einschlägige theoretische Relevanz. Beide meta-analytischen Befunde stellen geschätzte Mittelwerte dar, von denen Abweichun-
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
59
gen nach oben sowie nach unten existieren. Jene Abweichungen gilt es im Zuge dieser Arbeit mittels verschiedener Moderatorvariablen zu erklären. So besitzt z. B. im Strukturgleichungsmodell von del Rio-Lanza, Vazquez-Casielles & Diaz-Martin (2009, S. 778) die prozedurale Gerechtigkeit (ȕ = 0,43) im Vergleich zur distributiven und interaktionalen Gerechtigkeit den stärksten Einfluss auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit.2 Zusammenfassend kristallisiert sich über beide meta-analytischen Befunde die distributive Gerechtigkeit als stärkster Prädiktor der transaktionsspezifischen Zufriedenheit heraus. Dahinter reihen sich die anderen beiden Gerechtigkeitsdimensionen ein.
2.5
Verhaltensabsichten
2.5.1
Wiederkauf
Obwohl die Nachbeschwerdezufriedenheit eine wichtige Variable in der Kausalkette der Kundenreaktionen ist, bildet sie nicht ihr Ende. Ihr folgen die Verhaltensabsichten der Kunden. Die beiden wichtigsten Verhaltensabsichten, die schon seit langer Zeit in der Forschung zum Nachbeschwerdeverhalten diskutiert werden, sind der Wiederkauf und die positive Mundpropaganda (vgl. Gilly & Gelb 1982, S. 326; TARP 1981, S. 14). Das Kundenverhalten wird in der Regel als Absicht gemessen. Es wird also nicht erhoben, ob die Kunden tatsächlich wieder bei dem Unternehmen gekauft haben. Stattdessen werden die Kunde gefragt, für wie wahrscheinlich sie es halten, wieder Leistungen des Unternehmens zu erwerben. Das gleiche gilt für die positive Mundpropaganda (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 252). Wird im Folgenden vom Kundenverhalten gesprochen, so ist stets die Absicht gemeint, falls nicht ausdrücklich anders angegeben.
Synonyme für den Wiederkauf finden sich in Formulierungen wie „das Geschäft wieder aufsuchen“,„zu einem Konkurrenten abwandern“, oder „Leistungen des Anbieters erneut bzw. weiterhin nutzen“ (vgl. Bonifield & Cole 2008, S. 575; Kim, Kim & Kim 2009, S. 57; Mattila & Mount 2003, S. 141). Am häufigsten wird der Begriff Wiederkauf verwendet, worunter die Absicht verstanden wird, erneut Produkte oder Dienstleistungen von dem jeweiligen Anbieter zu beziehen (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195; Davidow 2000, S. 481; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 252). Es soll also ein erneuter Konsumvorgang beim gleichen Anbieter in absehbarer Zeit nach dem Beschwerdevorfall zustande kommen. Der Wiederkauf muss zu 2
Korrelationen wurden explizit berücksichtigt und geschätzt.
60
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
verwandten Konstrukten wie Loyalität und Commitment abgegrenzt werden (vgl. Abb. 9), die weniger häufig untersucht werden (z. B. DeWitt, Nguyen & Marshall 2008, S. 271; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 61).
Wiederkauf Loyalität Affektive Komponente
+
Verhaltenskomponente
Commitment
Abb. 9: Abgrenzung von Wiederkauf zu verwandten Konzepten
Verschiedene Studien untersuchen die Loyalität zu dem Unternehmen bzw. dem Anbieter nach dem Beschwerdevorfall (z. B. de Jong & de Ruyter 2004, S. 465; Webster & Sundaram 1998, S. 156). Dabei wird Loyalität weiter gefasst als der Wiederkauf an sich. Loyalität umfasst sowohl eine konative (Verhaltens-)Komponente als auch eine affektive (gefühlsmäßige) Komponente (vgl. Day 1969, S. 34 f.; DeWitt, Nguyen & Marshall 2008, S. 271; Oliver 1999, S. 35). Die konative Komponente drückt aus, dass die Kunden weiterhin Leistungen des Anbieters beziehen würden. Insofern spiegelt der Wiederkauf die konative Komponente der Loyalität wider (vgl. DeWitt, Nguyen & Marshall 2008, S. 279). Andere Autoren gehen sogar so weit, nicht nur den Wiederkauf, sondern ein dem Unternehmen allgemein wohlwollendes Verhalten, welches sich bspw. in Empfehlungen gegenüber Freunden und Bekannten ausdrückt (vgl. Webster & Sundaram 1998, S. 156), der Loyalität zuzurechnen. Der Wiederkauf erfasst jedoch nicht die affektive Komponente. Diese drückt den inneren Wunsch eines Kunden aus, dem Unternehmen treu zu sein (vgl. Day 1969, S. 35; Dick & Basu 1994, S. 100). Somit bleiben die Kunden nicht nur aufgrund mangelnder Alternativen, sondern aufgrund ihrer inneren Gesinnung, Verbundenheit bzw. ihrem Zugehörigkeitsgefühl bei dem Unternehmen.
Das Commitment der Kunden manifestiert sich in dem nachhaltigen Wunsch, die Beziehung zu dem Anbieter aufrechtzuerhalten (vgl. Morgan & Hunt 1994, S. 23; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 64). Es drückt somit die affektive (gefühlsmäßige) Komponente der Loyalität aus, wohingegen der Wiederkauf die konative (Verhaltens-)Komponente der
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
61
Loyalität betrifft (vgl. DeWitt, Nguyen & Marshall 2008, S. 271; Shankar, Smith, and Rangaswamy 2003, S. 154 f.). Im Commitment der Kunden spiegelt sich die Identifikation mit und das Involvment in das Unternehmen wider. In diesem Sinne identifizieren sich loyale Kunden mit den Zielen des Unternehmens, sind an dem unternehmerischen Wohlergehen interessiert, handeln im Interesse des Unternehmens (z. B. empfiehlt es weiter) und möchten weiterhin ein Teil des Unternehmens bleiben (vgl. Kelley & Davis 1994, S. 54).
Es ist bekannt, dass eine Absicht nicht notwendigerweise auch das entsprechende Verhalten nach sich zieht (vgl. Ajzen & Fishbein 1980). Das tatsächliche Wiederkaufverhalten wird von zwei Studien untersucht. In der ersten Studie berichten Chebat & Slusarczyk (2005, S. 669), dass eine als fair wahrgenommene Unternehmensreaktion auf eine Beschwerde sehr wohl die Abwanderung von Bankkunden zu einem anderen Institut verhindert. In der zweiten Studie untersuchen Gilly & Gelb (1982, S. 326) den Einfluss der transaktionsspezifischen Zufriedenheit auf den tatsächlichen Wiederkauf bei Kunden einer Ölgesellschaft. Sie beobachten, dass der Anteil der Kunden, die wieder Leistungen des Unternehmens in Anspruch nehmen, von 62 % bei der Gruppe der sehr unzufriedenen Kunden bis zu 90 % bei der Gruppe der zufriedenen Kunden reicht. Auch wenn zumeist lediglich die Absichten gemessen werden, zeigen die Befunde deutlich, dass diese dem tatsächlichen Verhalten entsprechen.
2.5.2
Positive Mundpropaganda
Neben dem Wiederkauf werden die Mundpropagandaaktivitäten der Kunden im Nachbeschwerdeverhalten intensiv diskutiert (z. B. Davidow 2000; Kim, Kim & Kim 2009). Konzeptionell umfasst die Mundpropaganda sowohl die Wahrscheinlichkeit, mit der Informationen verbreitet werden, als auch die Valenz (Wertigkeit) der Informationen. Die Verbreitung der Mundpropaganda misst, wie wahrscheinlich es ist, dass die Kunden über das Beschwerdeereignis berichten, oder es wird gefragt, wie vielen Personen sie schon von dem Ereignis bzw. dem Unternehmen erzählt haben (vgl. Blodgett, Granbois & Walters 1993, S. 415; Davidow 2003b, S. 68). Demgegenüber beschreibt die Valenz der Mundpropaganda ausschließlich die Wertigkeit der weitergegebenen Informationen (z. B. war das Essen gut oder schlecht in dem Restaurant?). Es wird vorausgesetzt, dass über den Beschwerdevorfall berichtet wird. Im Fokus der Untersuchung steht dann, ob sich die Kunden positiv oder negativ äußern würden (vgl. Davidow 2000, S. 481, 2003b, S. 68). Im Nachbeschwerdeverhalten werden häufig beide Konstrukte miteinander kombiniert. Daraus entstehen positive und negative Mundpropa-
62
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
ganda (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195; Maxham III & Netemeyer 2003, S. 60) (vgl. Abb. 10).
Positive Mundpropaganda
+
Valenz der Mundpropaganda
Verbreitungswahrscheinlichkeit
Negative Mundpropaganda
Abb. 10: Konzeptionelle Unterscheidung der Mundpropagandaaktivitäten
Positive Mundpropaganda beschreibt also die Wahrscheinlichkeit, mit der Kunden wohlwollende Informationen über ein Unternehmen weitergeben. Dazu gehört, dass die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens z. B. an Freunde, Familie oder Bekannte weiterempfohlen werden (vgl. Maxham III & Netemeyer 2003, S. 60). Die positive Mundpropaganda wird als eine wichtige Verhaltenskonsequenz in der Forschung zum Nachbeschwerdeverhalten intensiv diskutiert (z. B. Kim, Kim & Kim 2009). Für Unternehmen ist eine positive Mundpropaganda ein wichtiges Instrument der Neukundengewinnung, da Kunden Informationen, die sie von Freunden zugetragen bekommen, als glaubwürdiger beurteilen als jene, die sie über Werbung aufnehmen (vgl. Richins 1983a, S. 69). Positive Mundpropaganda ist von Unternehmen schwerer zu erlangen, weil Kunden deutlich häufiger über negative als über positive Erfahrungen reden (vgl. TARP 1981, S. 14). Deshalb ist es umso wichtiger, positive Mundpropaganda zu fördern.
Negative Mundpropaganda beschreibt die Wahrscheinlichkeit der Kunden, negative Informationen über ein Unternehmen zu verbreiten und anderen Personen abzuraten, Produkte des Unternehmens zu kaufen oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195). Einige Forscher sehen negative und positive Mundpropaganda als gegenüberliegenden Punkte eines Kontinuums an (z. B. Kau & Loh 2006, S. 106). Obwohl das für die Valenz einer Empfehlung stimmen mag, schließen sich positive und negative Mundpropaganda nicht gegenseitig aus. So können Kunden sowohl positive als auch negative Dinge über ein Unternehmen berichten (vgl. Blodgett & Anderson 2000, S. 330).
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
63
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich ausschließlich auf die positive Mundpropaganda, weil nur sie eindeutig als Konsequenz des Beschwerdebehandlung identifiziert werden kann (vgl. Abb. 11). Blodgett & Anderson (2000, S. 329 f.) belegen, dass positive Mundpropaganda nur bei einer erfolgreichen Beschwerdebehandlung entsteht. Kunden sprechen nicht positiv über ein Unternehmen, wenn sie sich nicht beschweren oder das Unternehmen noch nicht reagiert hat. Der bestehende Fehler und die fehlende Wiedergutmachung des Unternehmens verhindern, dass die Kunden das Unternehmen weiterempfehlen. Im Gegensatz dazu verbreiten Kunden negative Informationen über den Fehler einerseits vor – oder anstelle – der Beschwerdebehandlung durch das Unternehmen sowie andererseits infolge eines fehlgeschlagenen Wiedergutmachungsversuchs (vgl. Blodgett & Anderson 2000, S. 328 f.). Im ersten Fall kann die entstandene negative Mundpropaganda nicht der erfolglosen Beschwerdebehandlung zugeschrieben werden, weil (noch) keine Beschwerde geäußert wurde und somit keine Unternehmensreaktion hätte folgen können. Wird die negative Mundpropaganda in einer Umfrage retrospektiv erhoben (z. B. Schoefer & Diamantopoulos 2008), kann folglich nicht eindeutig festgestellt werden, ob die negative Mundpropaganda als Konsequenz der Unternehmensreaktion oder des aufgetretenen Fehlers entsteht. Die positive Mundpropaganda wird indes nur bei einer erfolgreichen Beschwerdebehandlung verbreitet und kann somit eindeutig auf die Unternehmensreaktion zurückgeführt werden (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b).
Negative Mundpropaganda
positive Mundpropaganda Zeit Fehler
(Beschwerde)
Beschwerdebehandlung
Abb. 11: Entstehungszeitpunkte positiver und negativer Mundpropaganda
2.5.3
Verhaltensabsichten und Zufriedenheit
In der allgemeinen Zufriedenheitsforschung gelten sowohl der Wiederkauf als auch die positive Mundpropaganda als wesentliche Verhaltenskonsequenzen der Zufriedenheit (vgl. Oliver 1997, S. 27). Im Nachbeschwerdeverhalten werden studienübergreifend folgende Effekte zwi-
64
2 Theoretische Grundlagen und Modellgenese
schen der transaktionsspezifischen Zufriedenheit und den beiden Verhaltensabsichten Wiederkauf und positive Mundpropaganda beobachtet (vgl. Abb. 12).
Nachbeschwerdezufriedenheit
Verhaltensabsichten
β = nsa) β = 0,30b)c)
Wiederkauf
β = 0,53 β = 0,53
Positive Mundpropaganda
Transaktionsspezifische Zufriedenheit (R² = 0,47)b)
Alle standardisierten Pfadkoeffizienten sind signifikant auf dem Niveau p < 0,01, sofern nicht anders angegeben (ns = nicht signifikant). a) Wert der Studie von Orsinger, Valentini & de Angelis (2010) b) Wert der Studie von Gelbrich & Roschk (2010b) c) Der Einfluss der transaktionsspezfischen Zufriedenheit auf die positive Mundpropaganda ist signifikant größer als der Effekt auf den Wiederkauf (p < 0,001).
Abb. 12: Verhaltensabsichten und transaktionsspezifische Zufriedenheit
Nach Orsinger, Valentini & de Angelis (2010, S. 181) beeinflusst die transaktionsspezifische Zufriedenheit den Wiederkauf nicht und fördert die positive Mundpropaganda mit einem ȕWert von 0,53. Gelbrich & Roschk (2010b) berichten folgende Ergebnisse: Die transaktionsspezifische Zufriedenheit besitzt einen positiven Einfluss auf den Wiederkauf und die positive Mundpropaganda. Die ȕ-Werte betragen jeweils 0,30 und 0,53 für den Wiederkauf und die positive Mundpropaganda. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass der Einfluss der transaktionsspezifischen Zufriedenheit auf die positive Mundpropaganda signifikant größer (p < 0,001) ist als auf den Wiederkauf.
Zusammenfassend bilden der Wiederkauf und die positive Mundpropaganda den Abschluss der Kausalkette „Gerechtigkeitsdimensionen ĺ transaktionsspezifische Zufriedenheit ĺ Verhaltensabsichten“, die durch die Unternehmensreaktion auf eine Beschwerde initiiert wird.
3
Moderatoren
3.1
Arten von Kontextvariablen
3.1.1
Definition
In der Forschung zum Nachbeschwerdeverhalten werden unter Kontextvariablen jene externen Variablen verstanden, die sich neben den Unternehmensreaktionen auf das Nachbeschwerdeverhalten (Gerechtigkeitswahrnehmung, transaktionsspezifische und kumulative Unzufriedenheit, Verhaltensabsichten) auswirken. Sie beeinflussen einzelne Konstrukte des Nachbeschwerdeverhaltens sowohl direkt (z. B. „Sind jüngere Menschen zufriedener mit der Beschwerdebehandlung als ältere Menschen?“) als auch in Form von Moderationseffekten (z. B. „Besitzt die Kompensation einen stärkeren positiven Effekt in westlichen als in östlichen Kulturen auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit?“) (vgl. Mattila & Patterson 2004b, S. 202; Smith & Bolton 2002, S. 15). Kontextvariablen kennzeichnen das Umfeld, in das sich die Beschwerdebehandlung einbettet (vgl. Davidow 2003a, S. 246). Sie können in drei Gruppen eingeteilt werden: Kundenmerkmale (z. B. Alter), Situationsmerkmale (z. B. Fehlerausmaß) und Unternehmensmerkmale (z. B. Branche).
In den folgenden drei Abschnitten (Kap. 3.1.2 bis Kap. 3.1.4) werden die Kontextvariablen erläutert. Im abschließenden Kap. 3.1.5 wird geklärt, welche Stellung einzelne Kunden-, Situations- und Unternehmensmerkmale im theoretischen Gerüst der Arbeit einnehmen.
3.1.2
Kundenmerkmale
Abb. 13 stellt die in der Nachbeschwerdeforschung untersuchten kundenspezifischen Merkmale im Überblick dar. Sie können in soziodemografische und psychografische Charakteristika unterschieden werden. Zu den soziodemografischen Merkmalen gehören Alter, Geschlecht, Kultur, Bildungsstufe, Einkommenssituation und Familienstand (vgl. Homburg, Fürst & Koschate 2010, S. 267; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 264).
H. Roschk, Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung, DOI 10.1007/978-3-8349-6222-5_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
66
3 Moderatoren
Kundenmerkmale
Soziodemografisch
Psychografisch
Alter
Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung
Geschlecht
Einstellung zum Beschweren
Kultur Bildungsstufe Einkommenssituation Familienstand
Abb. 13: Überblick über Kundenmerkmale
Das Alter wird in der Forschung zum Nachbeschwerdeverhalten ausschließlich als chronologisches Alter erfasst und misst somit die Anzahl der gelebten Jahre seit der Geburt (vgl. Barak & Schiffman 1981, S. 602; Bruhn 1982, S. 195; Hennig-Thurau 1999, S. 228). Es muss jedoch beachtet werden, dass der Alterungsprozess von Individuum zu Individuum variieren kann, da Personen gleichen Alters nicht zwingend die gleichen Erfahrungen teilen oder den gleichen Alterungsprozess durchlaufen (vgl. Moschis 1994, S. 195). Aus diesem Grund findet sich neben dem chronologischen Alter in der Verhaltensforschung auch das kognitive Alter. Das kognitive Alter (auch subjektives oder selbstwahrgenommenes Alter genannt) lässt sich am einfachsten mit dem Ausdruck „man ist so alt, wie man sich fühlt“ erklären, denn es beschreibt, wie alt sich eine Person fühlt, in welche Altersgruppe sie sich selbst einordnet und wie alt sie gern wäre, unabhängig von ihrem tatsächlichen Alter (vgl. Settersten & Mayer 1997, S. 241). Studien zum kognitiven Alter zeigen beispielsweise, dass sich Menschen im Erwachsenenalter aufgrund einer guten gesundheitlichen Verfassung in der Regel jünger fühlen (vgl. Barak & Schiffman 1981, S. 604). Demgegenüber stufen sich junge Menschen (bis zu einem Alter von etwa 25,5 Jahren) kognitiv häufig als älter ein, da sie mit einem höheren
3 Moderatoren
67
Alter mehr Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit verbinden (vgl. Galambos, Turner & Tilton-Weaver 2005, S. 550).
Das Geschlecht wird ebenso wie das Alter entweder biologisch oder psychologisch definiert. Das biologische Geschlecht äußert sich in der Summe körperlicher Merkmale mit eindeutig weiblicher bzw. männlicher Ausprägung (vgl. Pschyrembel 2007, S. 590). Die Forschung zum Nachbeschwerdeverhalten stellt ausschließlich auf das biologische Geschlecht ab (z. B. Kolodinsky 1993, S. 201; McColl-Kennedy, Daus & Sparks 2003, S. 71 f.). Das psychologische Geschlecht, auch empfundenes Geschlecht, ergibt sich aus der individuellen subjektiven Selbstwahrnehmung, die eine (mehr oder weniger) eindeutige Zuordnung erlaubt (vgl. Pschyrembel 2007, S. 590). Studien zum psychologischen Geschlecht belegen, dass ein Teil typischer weiblicher und männlicher Verhaltensmuster (z. B. Spielen mit Puppen und Autos im Kindesalter) durch die Erziehung der Eltern entstehen können (vgl. Weinraub et al. 1984, S. 1499). Da jeder Mensch einen anderen Sozialisationsprozess durchläuft, müssen Frauen und Männer nicht zwangsläufig die gleichen Eigenschaften teilen.
Hinsichtlich Alter und Geschlecht wird in der folgenden empirischen Erhebung auf das chronologische und nicht das kognitive Alter sowie auf das biologische und nicht das psychologische Geschlecht abgestellt. Denn gegenüber der aufwändigen Erfassung des kognitiven Alters und des psychologischen Geschlechts stellen das chronologische Alter und das biologische Geschlecht leicht zu erhebende Variablen dar, welche die Konsumenten so segmentieren, dass sie problemlos und effizient erreicht werden (vgl. Gwinner & Stephens 2001, S. 1045).
Studien, die die Kultur analysieren, messen diese einerseits als Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation (z. B. Deutschland vs. USA) (z. B. Mattila & Patterson 2004a, S. 341, 2004b, S. 200; Hui & Au 2001, S. 169). Andererseits wird Kultur anhand der Ausprägung von verschiedenen Kulturdimensionen erfasst. So meiden Mitglieder eines Kulturkreises (z. B. Deutschland) neue und unsichere Situationen, wohingegen in anderen Kulturkreisen (z. B. USA) solche Situationen eher Zuspruch finden (vgl. House et al. 2004, S. 602 ff.). Hierbei wird dann untersucht, inwiefern sich die Kulturdimension Unsicherheitsvermeidung und nicht die Länderzugehörigkeit auf den interessierenden Beobachtungsgegenstand auswirkt (vgl. Patterson, Cowley, Prasongsukarn 2006, S. 270 ff.).
68
3 Moderatoren
Bildungsstufe, Einkommenssituation und Familienstand sind weitere Variablen, die in der Marketingforschung zur Segmentierung von Kundengruppen herangezogen werden (vgl. Berekoven, Ekert & Ellenrieder 2006, S. 244 f.). Die Bildungsstufe erfasst das Bildungsniveau. Dieses wird anhand des höchsten Bildungsabschlusses der befragten Person gemessen. Eine hohe Bildungsstufe (nach beruflichem Bildungsabschluss) würde dann einem Universitätsabsolventen und eine niedrigere einem Auszubildenden bescheinigt werden (vgl. DeStatis 2010a; Homburg, Fürst & Koschate 2009, S. 20). Die Einkommenssituation wird vorrangig über das jährliche Haushaltsjahresbruttoeinkommen gemessen (vgl. Kolodinsky 1992, S. 38; 1993, S. 201). Des Weiteren kann hinsichtlich des Familienstands unterschieden werden, ob die befragte Person alleine lebt oder wie viele Personen dem Haushalt angehören (vgl. Bruhn 1982, S. 115; Kolodinsky 1992, S. 38).
Zu den im Nachbeschwerdeverhalten untersuchten psychografischen Merkmalen gehören die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung und die Einstellung zum Beschweren. Die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung gibt in einem engeren Sinn an, wie viel Erfahrung die Kunden mit dem Unternehmen haben, und wird üblicherweise anhand der Anzahl der Jahre gemessen, mit denen sie bereits eine Beziehung zu dem Unternehmen unterhalten (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 364; Vorhees, Brady & Horowitz 2006, S. 518). Im weiteren Sinn werden hierzu Elemente der Beziehungsqualität gezählt. So wird zusätzlich erfasst, ob die vergangenen Erfahrungen positiv oder negativ waren (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 74), die Beschwerdeführer loyal dem Unternehmen gegenüber eingestellt sind (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 364) oder sie ihm vertrauen (vgl. Grégoire & Fisher 2008, S. 251). In der vorliegenden Arbeit wird die Langfristigkeit einer Geschäftsbeziehung im engeren Sinne verstanden, um explizit die Dauer der Geschäftsbeziehung zu erfassen. Problematisch an dem weit gefassten Verständnis gestaltet sich der Umstand, dass neue Kunden möglicherweise übereilt Loyalität und Vertrauen aufbauen, weil sie vom Produkt begeistert sind, welche sie dann im Falle eines Fehlers rasch wieder verlieren würden. Das Loyalitäts- und Vertrauensurteil solcher Kunden wäre folglich verzerrt. Zudem soll der Wiederkauf als Teilaspekt der Loyalität als Zielgröße betrachtet werden und kann deshalb nicht gleichzeitig eine Einflussgröße darstellen.
Unter der Einstellung gegenüber Beschwerden wird die generelle, von einer Unzufriedenheitssituation unabhängige Überzeugung der Kunden vom Nutzen einer Beschwerdeführerschaft verstanden (vgl. Singh & Widing II 1991, S. 36). Eine beispielhafte Aussage, um die
3 Moderatoren
69
Einstellung zum Beschweren zu messen lautet: „Normalerweise beschwere ich mich nur ungern bei einem Anbieter, egal wie schlecht der Service/das Produkt ist“ (vgl. Richins 1983b, S. 81). Die Einstellung zum Beschweren wird häufig untersucht, wenn es darum geht, herauszufinden, wann und unter welchen Umständen sich Konsumenten beschweren (Forschungszweig Beschwerdeverhalten). Dabei wurde einheitlich bestätigt, dass sich Kunden mit einer beschwerdezuträglichen Einstellung eher beschweren als jene, die eine Abneigung gegen Beschwerden besitzen (vgl. Bearden & Crocket 1981, S. 261; Bodey & Grace 2006, S. 183; Meffert & Bruhn 1981, S. 607; Singh & Wilkes 1996, S. 351). Als erlernbares Verhalten unterstützen positive Beschwerdeerfahrungen eine beschwerdegesonnene Einstellungsentwicklung (vgl. Richins 1982, S. 505). Infolgedessen wird im Nachbeschwerdeverhalten ebenfalls die Beschwerdeeinstellung betrachtet, um mögliche verzerrende Einflüsse auszuschließen. So kann angenommen werden, dass bei einer beschwerdezuträglichen Einstellung die Kunden die Beschwerdebehandlung als fairer wahrnehmen und infolgedessen zufriedener sind (vgl. Blodgett, Granbois & Walters 1993, S. 405; Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195).
3.1.3
Situationsmerkmale
Die vier Kontextvariablen Fehlerausmaß, Fehlertyp, Beschwerdegrund und Fehlerhäufigkeit beschreiben die Situation der Beschwerdebehandlung. Unter dem Fehlerausmaß versteht man, als wie schwerwiegend sich der aufgetretene Fehler subjektiv für den Kunden darstellt (vgl. Mattila 2001, S. 585). Das Fehlerausmaß drückt also den durch den Kunden wahrgenommenen Verlust aus (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 360).
Der empfundene Schaden kann sich im Ausmaß der finanziellen Einbußen (z. B. Produktpreis) niederschlagen (vgl. Conlon & Murray 1996, S. 1051; Gilly & Gelb 1982, S. 326). Der wahrgenommene Verlust kann aber auch von der individuellen Wichtigkeit der Leistung abhängen (vgl. Abb. 14). Eine Dienstleistung wie z. B. die termingerechte Autoreparatur mag im finanziellen Ausmaß weniger dramatisch sein. Für den Kunden A besitzt sie jedoch eine große Bedeutung, weil er am nächsten Tag mit der Familie in den Urlaub fahren möchte, wohingegen Kunde B dem leidenschaftslos gegenübersteht, ob er das Auto zum vereinbarten Termin oder einen Tag später wieder bekommt, weil er es zur betreffenden Zeit ohnehin nicht benötigt (vgl. Webster & Sundaram 1998, S. 155). In diesem Fall bemisst sich die Bedeutung der Leistung an dem Umfang möglicher Konsequenzen, die sich aus dem Fehler ergeben. Die Wichtigkeit des Konsumvorgangs wächst außerdem mit dem Involvement der Kunden (vgl.
70
3 Moderatoren
Hoffman & Kelley 2000, S. 427). Je stärker sich die Beschwerdeführer mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung auseinandersetzen, sei es aufgrund der Freude oder der Funktionalität der Nutzung oder aufgrund stark maßgeschneiderter Lösungen, desto höher ist Bedeutung des Produkts bzw. der Dienstleistung für sie (vgl. Bearden & Oliver 1985, S. 227; Blodgett, Wakefield & Barnes 1995, S. 34).
Fehlerausmaß (wahrgenommener Verlust)
Finanzielle Einbußen
Individuelle Wichtigkeit Umfang der Konsequenzen Höhe des Involvements
Abb. 14: Determinanten des Fehlerausmaßes
Neben dem Ausmaß werden Fehler anhand ihres Typs (Art des Fehlers) unterschieden. Eine gängige Einteilung besteht in der Unterscheidung zwischen Ergebnis- und Prozessfehlern. Bei einem Ergebnisfehler wird die Kernleistung nicht erbracht oder ist beeinträchtigt (z. B. überbuchter Flug). Ergebnisfehler beziehen sich folglich auf den Leistungsgegenstand, das Was der Leistung. Prozessfehler beschreiben die Art und Weise, also das Wie der Leistungserbringung (z. B. unfreundliches Flugpersonal) gegenüber dem Kunden (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358).
Eine ähnliche Typologie wird verwendet, um Beschwerden nach ihrem Grund zu systematisieren. Es wird dann zwischen monetären (mit dem Fehler geht ein monetärer Verlust einher) und nicht-monetären Beschwerdevorfällen (durch den Fehler entstehen keine monetären Konsequenzen für den Kunden) unterschieden (vgl. Gilly & Gelb 1982, S. 324). Beschwerdegrund und Fehlertyp ähneln sich, unterscheiden sich jedoch, wie in Tab. 9 anhand eines Beispiels dargestellt.
3 Moderatoren
71 Fehlertyp
Monetär
Ergebnisfehler
Prozessfehler
Fall I:
Fall II:
Der abgelenkte Koch des Restaurants versalzt das Steak.
Die liebenswerte, jedoch ungeschickte Bedienung verschüttet versehentlich Wein auf die Hose des Kunden.
Fall III:
Fall IV:
Der Koch kann die gewünschte Vorspeise nicht mehr zubereiten, weil ihm die Zutaten fehlen.
Eine andere schlecht gelaunte Kellnerin des Restaurants behandelt den Kunden unfreundlich.
Beschwerdegrund Nicht-monetär
Tab. 9: Gegenüberstellung von Fehlertyp und Beschwerdegrund
In den Fällen I und III versagt jeweils die Kernleistung (zubereitete Speise). Der Fehler liegt hier in der Herstellung der Speisen, also im Ergebnis (schlechtes Steak, nicht mehr vorhandene Vorspeise). Demgegenüber stellt in den Fällen II und IV nicht die eigentliche Leistung das Problem dar, sondern die Art und Weise, wie diese erbracht wird (liebenswert ungeschickt, unfreundlich). Fall I und Fall II bilden monetäre Fehler ab, da entweder die Kernleistung Einbußen erfährt (es wird für ein gelungenes Steak bezahlt) oder die Hose des Kunden schmutzig wird (Kosten für die Reinigung). Die Fälle III und IV beinhalten keinen finanziellen Nachteil des Kunden. Einerseits kann schlichtweg die gewünschte Leistung nicht erbracht werden (nicht vorhandene Vorspeise), wofür jedoch auch kein Geld verlangt wird. Andererseits ärgert sich der Kunde womöglich über die unfreundliche Bedienung, ein finanzieller Verlust entsteht ihm jedoch nicht.
Die Fehlerhäufigkeit kann als weitere problembezogene Kontextvariable genannt werden. Maxham III & Netemeyer (2002b, S. 63 f.) berichten, dass Kunden nach einem zweiten Dienstleistungsfehler schwerer wieder zufriedenzustellen sind als beim ersten Fehler. Sie beobachten, dass die Zufriedenheit der Kunden nach dem ersten Fehler noch Werte von vor dem Fehlerauftritt annehmen kann, nicht jedoch nach dem zweiten Fehler.
72 3.1.4
3 Moderatoren
Unternehmensmerkmale
Als Unternehmensmerkmale werden die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde, der Sektor, die Branche und die Wechselbarrieren genannt. Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde beschreibt die subjektive Einschätzung der Kunden darüber, inwiefern der Anbieter ohne weitere Auseinandersetzungen gewillt ist, das Problem zu lösen (vgl. Day et al. 1981, S. 95). Eine beispielhafte Fragestellung, um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu messen, lautet: „Das Geschäft ermuntert seine Kunden dazu, Produkte, mit denen sie nicht zufrieden sind, zurückzugeben“ (vgl. Blodgett, Granbois & Walters 1993, S. 414). Eine auf früheren Erfahrungen basierende Grundzufriedenheit mit den Leistungen des Anbieters erleichtert den Kunden die Entscheidung für eine Beschwerde (vgl. Ping 1993, S. 335 ff.). Die Konsumenten schätzen dann die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde höher ein. Es gilt als gesichert, dass eine hohe eher als eine niedrige Erfolgswahrscheinlichkeit dazu führt, dass sich unzufriedene Konsumenten beschweren (vgl. Blodgett & Anderson 2000, S. 330; Day et al. 1981, S. 98; Richins 1983a, S. 71). Deshalb wird davon ausgegangen, dass auch die Erfolgswahrscheinlichkeit als Kontextvariable das Nachbeschwerdeverhalten beeinflusst (vgl. Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 137, 143). So kann bspw. angenommen werden, dass bei einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit Kunden weniger Unsicherheit verspüren, die die Beurteilung der Beschwerdebehandlung belastet. Infolgedessen nimmt der Kunde die Beschwerdebehandlung als fairer wahr und ist zufriedener mit ihr (vgl. Blodgett, Granbois & Walter 1993, S. 421).
Sektor und Branche bilden zwei Kontextvariablen, die sich auf das industrielle Umfeld beziehen, in dem Unternehmen tätig sind. Hinsichtlich des Sektors werden Unternehmen nach der Art ihrer Leistungen, d. h. Dienstleistung vs. Produkt, sowie nach dem Kundenstamm, d. h. B2B vs. B2C, unterschieden (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 97). Mit Blick auf die Branche stellen einige Untersuchungen konkret auf das Restaurant- oder das Hotelgewerbe ab (vgl. Smith, Bolton & Wagner). Auch der Personenluftverkehr sowie Banken stehen im Interesse empirischer Studien (z. B. Casado-Díaz, Más-Ruiz, Kasper 2007; Chebat & Slusarczyk 2005; Duffy, Miller & Bexley 2006). Ebenso fällt die Unterscheidung zwischen Online- vs. OfflineBeschwerdebehandlungen in diese Rubrik (z. B. Harris et al. 2006; Holloway, Wang & Parish 2005).
Zum unternehmensseitigen Umfeld zählen auch Wechselbarrieren. Sie können als die Kosten in Form von finanziellem, psychologischem oder zeitlichem Aufwand für die Konsumenten
3 Moderatoren
73
beschrieben werden, die aus einem Anbieterwechsel resultieren (vgl. Hoffman & Kelley 2000, S. 426). Valenzuela, Pearson & Epworth (2005, S. 253) belegen, dass positive Wechselbarrieren, wobei die Kunden die Beziehung zum Unternehmen aufrechterhalten möchten, zu einer besseren Beurteilung der Unternehmensreaktion führen. Negative Wechselbarrieren wiederum, die den Kunden zwingen, die Beziehung zum Unternehmen aufrechtzuerhalten (z. B. Systemumstellung), besitzen keinen Einfluss.
3.1.5
Kontextvariablen im theoretischen Gerüst der Arbeit
In der vorliegenden Arbeit besitzen die Kontextvariablen zwei Funktionen. Sie fließen entweder als Moderator- oder als Kontrollvariablen in das theoretische Gerüst der Arbeit ein (vgl. Abb. 15). Als Moderatorvariablen verfolgen sie das in Kap 1.3 dargelegte Ziel dieser Arbeit. Sie erklären die variierende Einflussstärke der einzelnen Gerechtigkeitsdimensionen auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit. Moderatorvariablen beeinflussen die Stärke (abschwächend vs. verstärkend) der Wirkungsbeziehungen zwischen den drei Gerechtigkeitsdimensionen und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit (vgl. Baron & Kenny 1986, S. 1174).3 Es wäre dann z. B. zu vermuten, dass der positive Effekt der distributiven Gerechtigkeit auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit im Alter verstärkt wird. Die gleiche empfundene distributive Fairness führt bei älteren Menschen also zu einer größeren Zufriedenheit als bei jüngeren Beschwerdeführern. Inhaltlich beschreibt die Einflussstärke somit die Wichtigkeit bzw. die Bedeutung, die einer Variablen beigemessen wird (vgl. Berekoven, Eckert & Ellenrieder 2006, S. 213). Als Kontrollvariablen erfüllen die Kontextvariablen die Aufgabe, äußere Einflüsse zu erfassen. Solche Effekte können die Ergebnisse verzerren, was entsprechend zu berücksichtigen ist (vgl. Mattila & Patterson 2004a, S. 341; Vorhees, Brady & Horowitz 2006, S. 518).
3
Eine Moderatorvariable kann auch die Richtung (positiv vs. negativ) beeinflussen. In der vorliegenden Arbeit tritt dieser Fall jedoch nicht auf. Es wird stets davon ausgegangen, dass sich die Gerechtigkeitsdimensionen positiv auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit auswirken und die Moderatorvariablen Alter, Geschlecht, Fehlerausmaß und Fehlertyp die Stärke der Beziehung beeinflussen.
74
3 Moderatoren
Gerechtigkeitswahrnehmung
Nachbeschwerdezufriedenheit
Verhaltensabsichten
Distributive Gerechtigkeit
Wiederkauf
Prozedurale Gerechtigkeit
Zufriedenheit (transaktionsspezifisch)
Interaktionale Gerechtigkeit
Positive Mundpropaganda
Moderatoren Kundenmerkmale ? ?
Alter Geschlecht
Situationsmerkmale ? ?
Fehlerausmaß Fehlertyp
Kontrollvariablen Kundenmerkmale ? ? ?
Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung Einstellung zum Beschweren Kultur
Unternehmensmerkmale ? ?
Erfolgswahrscheinlichkeit Sektor
Abb. 15: Theoretisches Gerüst der Arbeit, erweitert um Kontextvariablen
Als Moderatorvariablen werden die Kundenmerkmale Alter und Geschlecht sowie die Situationsmerkmale Fehlerausmaß und Fehlertyp berücksichtigt. Die Kundenmerkmale Alter und Geschlecht (z. B. McColl-Kennedy, Sparks & Daus 2003; Smith & Bolton 2002, S. 13) besitzen eine große Relevanz, weil sich in anderen Forschungsbereichen gezeigt hat, dass Alter und Geschlecht das Verhalten entscheidend beeinflussen. Dem Alter wird bspw. bei der Erklärung der Informationsverarbeitung im Konsumkontext große Aufmerksamkeit geschenkt (z. B. Phillips & Sterntahl 1977). So können jüngere Konsumenten Informationen besser verarbeiten als Ältere. Auch lassen sich Unterschiede in der Entscheidungsfindung feststellen. So baut die Entscheidungsfindung älterer Menschen stärker auf Erfahrungswissen (z. B. Simcock, Sudbury & Wright 2006) als Jüngere (vgl. Zuzanek 2005, S. 52). Dem Geschlecht wird große Aufmerksamkeit geschenkt, wenn es z. B. darum geht, herauszufinden, welche Geschlechterstereotype in der Gesellschaft verankert sind. Auch wenn diese als überholt gelten mögen, so existieren sie dennoch. Dies zeigt sich u. a. darin, dass Frauen in der Werbung, die als Spiegel der Gesellschaft gilt, häufiger als Männer in häuslicher Umgebung und in Beziehung zu anderen Personen gezeigt werden (vgl. Eisend 2010, S. 431). Gegenüber anderen Kundenmerkmalen wie z. B. dem Bildungsstand besitzen Alter und Geschlecht außerdem den Vorteil, dass die Unternehmensmitarbeiter beide Variablen problemlos aus der Beschwerdesituation ohne zusätzliche Informationsquellen (z. B. Kundendatenbank) erschließen können.
3 Moderatoren
75
Die Situationsmerkmale Fehlerausmaß und Fehlertyp sind besonders relevant, weil sie die kundenindividuellen Erwartungen an die Beschwerdebehandlung entscheidend beeinflussen können. So werden Kunden bei schwerwiegenden Fehlern ein größeres Risiko und mehr Unsicherheit verspüren als bei geringfügigen Fehlern. Infolgedessen erwarten sie eine Beschwerdebehandlung (z. B. zügige Reaktion des Unternehmens), die gerade diese Unsicherheit und das Risiko über das Ergebnis abbaut. Das Fehlerausmaß gilt daher als eine einschlägige Kontextvariable im Nachbeschwerdeverhalten und wird häufig untersucht (vgl. Gilly & Gelb 1982; Smith, Bolton & Wagner 1999; Webster & Sundaram 1998). Auch dem Fehlertyp wird große Beachtung beigemessen (vgl. Ambrose, Hess & Ganeson 2007, S. 28). Denn ein Ergebnisfehler (z. B. versalzenes Steak) wird andere Erwartungen an die Beschwerdebehandlung wecken als ein Prozessfehler (z. B. unfreundliche Bedienung im Restaurant).
Als Kontrollvariablen werden die drei Kundenmerkmale Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren und Kultur berücksichtigt. Für alle drei Variablen wurde einschlägig bestätigt, dass sie das Nachbeschwerdeverhalten beeinflussen können. So erhöht eine lange Beziehung zum Unternehmen die Wiederkaufwahrscheinlichkeit und führt möglicherweise ebenfalls zu höheren Zufriedenheitswerten (vgl. Vorhees, Brady & Horowitz 2006, S. 522). Kunden mit einer beschwerdezuträglichen Einstellung schätzen die Beschwerdebehandlung als fairer ein, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass sie auch zufriedener mit der Beschwerdebehandlung sind (vgl. Blodgett, Granbois & Walter 1993, S. 421). Der Kulturkreis, aus der der Beschwerdeführer kommt, spielt ebenfalls eine Rolle. So schätzen z. B. Menschen aus den USA eine Kompensation höher ein als Menschen aus Malaysia (vgl. Mattila & Patterson 2004a, S. 341). Auch andere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Kultur die Beziehungen zwischen Unternehmensreaktion und Kundenreaktion beeinflusst (vgl. Hui & Au 2001, S. 166 ff.; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 270 f.).
Des Weiteren werden als Kontrollvariablen die beiden Unternehmensmerkmale Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde und Sektor in die Untersuchung einbezogen. Denn für beide Variablen existieren empirische Belege, wonach sie einen Effekt auf das Nachbeschwerdeverhalten besitzen. So schätzen Kunden mit einer hohen subjektiv empfundenen Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde die Beschwerdebehandlung als fairer ein (vgl. Blodgett, Granbois & Walter 1993, S. 421). Folglich ist davon auszugehen, dass sie auch zufriedener mit der Beschwerdebehandlung sind als Kunden, die die Erfolgswahrscheinlichkeit als gering einstufen. Hinsichtlich des Sektors bzw. der Branche des Unternehmens treten ebenfalls Unter-
76
3 Moderatoren
schiede der Gerechtigkeitswahrnehmung in Abhängigkeit davon auf, ob das Unternehmen auf dem B2B- oder dem B2C-Markt agiert (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 106).
Der Einfluss der Kontrollvariablen wird auf zwei verschiedenen Wegen kontrolliert. Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren und Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde werden in der Untersuchung als eigenständige Variablen mit erhoben. Dieses Vorgehen erlaubt es, sie als unabhängige Variablen in das Analysemodell zu integrieren, um so ihren Einfluss herauszurechnen (vgl. Ambrose, Hess & Ganesan 2007, S. 29). Kultur und Sektor werden kontrolliert, indem beide Variablen konstant gehalten werden. Auf diese Art und Weise variieren sie nicht und können infolgedessen auch keine Streuung der abhängigen Variablen verursachen bzw. diese erklären.
3.2
Alter
3.2.1
Drei Arten des Alterns
3.2.1.1
Einführung
Als adäquater theoretischer Bezugsrahmen erscheinen die traditionellen Alterstheorien als die meistgenutzten Ansätze in der Marketingforschung und insbesondere dem Konsumentenverhalten (vgl. Grégoire 2003; Mathur & Moschis 2005). Demnach altert der Mensch in biologischer, psychologischer und sozialer Hinsicht. Jede Facette des Alterns erklärt bestimmte Aspekte des Alterungsprozesses sowie des altersbedingten Verhaltens (vgl. Barak & Schiffmann 1981, S. 602 f.; Birren 1973, S. 18). Obwohl nachstehend die drei Formen des Alterns getrennt betrachtet werden, wird von einer starken Interdependenz zwischen den drei Alterskomponenten ausgegangen (vgl. Grégoire 2003, S. 20). Anschließend werden im Hypothesenteil die diskutierten Facetten des biologischen, psychologischen und sozialen Alterns herangezogen, um herzuleiten, wie das Alter die Wirkungsbeziehungen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit beeinflusst.
3 Moderatoren
3.2.1.2
77
Biologischer Alterungsprozess
Altern versteht sich in biologischer Hinsicht als die Veränderung der funktionalen Leistungsfähigkeit des Menschen durch Zell- und Gewebeveränderungen. Das biologische System verschlechtert sich. Die Krankheits- und Sterbewahrscheinlichkeit des menschlichen Organismus nimmt zu. Mit anderen Worten spiegelt das Alter die Gesundheit und körperliche Leistungsfähigkeit eines Menschen wider (vgl. Moschis 1994, S. 195).
Der biologische Alterungsprozess bringt einen Rückgang sensorischer Fähigkeiten mit sich. Auch die kognitiven Fähigkeiten lassen nach, wodurch insgesamt die Kommunikation und die Wahrnehmung beeinträchtigt werden (vgl. Rousseau, Lamson & Rogers 1998, S. 647). Daraus erwachsen für ältere Menschen andere Bedürfnisse hinsichtlich nachgefragter Produkte und Dienstleistungen. So wandeln sich z. B. die Präferenzen der Ernährungsweise hin zu Gerichten für Diabetiker, der Kosmetikbedarf orientiert sich stärker an Anti-Aging-Produkten und es werden Dienstleistungen nachgefragt, die bei eingeschränkter Mobilität Unterstützung bieten, wie z. B. Apothekenlieferservice (vgl. Moschis 1994, S. 196).
Die biologischen Veränderungen beeinflussen das psychologische und das soziale Altern. Das wird daran erkennbar, dass bspw. Erkrankungen das Selbstbild eines Menschen (psychologisches Altern) nachteilig beeinflussen und einen Rückzug aus der Gemeinschaft (soziales Altern) verursachen können (vgl. Atchley 1987, S. 237; Herzog et al. 1988, S. 117 f.).
3.2.1.3
Psychologischer Alterungsprozess
Der psychologische Alterungsprozess wird anhand der Entwicklung und Veränderung der Informationsverarbeitung, der Persönlichkeit und der Emotionen beschrieben (vgl. Grégoire 2003, S. 21; Lepisto 1985, S. 47 f.). Altersbedingte Veränderungen der Informationsverarbeitung werden häufig im Kontext der Marketing- und Konsumentenverhaltensforschung untersucht (vgl. Cole & Geath 1990; Cole & Houston 1987; Law, Hawkins & Craik 1998; Phillips & Sternthal 1977). Mit zunehmendem Alter nimmt die Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit ab. Unübersichtliche oder komplexe Sachverhalte können ältere Menschen schneller überfordern. Dieser Umstand wird dadurch verstärkt, dass sich ältere Menschen leichter ablenken lassen. Schlüsselinformationen werden unkonzentrierter aufgenommen und oberflächlicher verarbeitet (vgl. Brünner 1997, S. 91 ff.). So fällt es Menschen mit zunehmendem Alter
78
3 Moderatoren
schwerer, zwischen relevanten und irrelevanten Informationen zu unterscheiden (vgl. Rabbitt 1965, S. 237).
Ein weiteres altersbedingtes Phänomen besteht in einer verschlechterten Informationsverarbeitung im Gedächtnis (Kodierung, Speicherung und Abruf der Informationen) (vgl. Cole & Houston 1987, S. 62). Wenngleich unterschiedliche Meinungen darüber existieren, ob ältere Menschen Schwierigkeiten beim Abruf der Informationen haben oder ob die Probleme nicht eher bei der Kodierung und Speicherung liegen, besteht insgesamt Einigkeit darüber, dass sich das Informationsverarbeitungstempo mit zunehmendem Alter verringert (vgl. Cole & Houston 1987, S. 62; Kermis 1984, S. 214). Philips & Sternthal (1977, S. 450) gehen davon aus, dass die Defizite im Lernen und in der Informationsverarbeitung ab einem Alter von ungefähr 45 Jahren auftreten. Sie argumentieren jedoch, dass ältere Menschen diesen Nachteil durch ihre höhere Lebenserfahrung ausgleichen. Dadurch können ältere Menschen routinierter mit kritischen Situationen umgehen. Sie setzen sich pro-aktiv mit dem Problem auseinander, betrachten es aus verschiedenen Perspektiven und versuchen es letztendlich durch eine logische Analyse zu beseitigen. Im Gegensatz dazu meiden Jugendliche und junge Erwachsene eher das Problem, indem sie versuchen, es zu umgehen, selektiv betrachten oder gar leugnen (vgl. Blanchard-Fields, Chen & Norris 1997, S. 686).
Im Laufe des Lebens entwickelt und verändert sich nicht nur die Informationsverarbeitung, sondern auch die Persönlichkeit eines Menschen. Es wird davon ausgegangen, dass eine Person in ständiger Wechselwirkung mit ihrer Umwelt steht. Sie formt ihre Umwelt und wird gleichermaßen von ihr geprägt (vgl. Srivastava et al. 2003, S. 1042). So übernehmen Menschen z. B. mehr Verantwortung, wenn sie im jungen Erwachsenenalter in die Arbeitswelt eintreten und eine Partnerschaft eingehen. Das führt letztendlich dazu, dass Menschen bereits im frühen Erwachsenenalter gewissenhafter werden, was sich im Laufe des Alters weiter steigert (vgl. Srivastava et al. 2003, S. 1046). Warr, Miles & Platts (2001, S. 177) kommen zu dem Ergebnis, dass Menschen mit zunehmendem Alter gewissenhafter, bescheidener und konventioneller werden. Sie zeigen sich zudem umsichtiger, verständnisvoller und hilfsbereiter im Umgang mit anderen Menschen.
Neben Veränderungen der Informationsverarbeitung und der Persönlichkeit werden altersbedingte Veränderungen auch im Hinblick auf die erlebten Emotionen beobachtet. Emotionen werden als mentaler Zustand, der sich aus der kognitiven Bewertung eines Sachverhaltes er-
3 Moderatoren
79
gibt und gewöhnlich mit einer konkreten Handlungstendenz einhergeht, verstanden (vgl. Lazarus 1991, S. 39). Menschen unterschiedlichen Alters erleben Emotionen auf verschiedene Art und Weise (vgl. Gross et al. 1997, S. 593 f.). Für die folgenden Ausführungen ist es hilfreich, zwischen dem Erregungsniveau (Stärke einer Emotion) und ihrer Valenz (positiv oder negativ) zu unterscheiden (vgl. Filipp & Schmidt 1995, S. 477): •
Über die Stärke emotionaler Reaktionen im Alter herrscht weitestgehend Einigkeit. So wird angenommen, dass mit zunehmendem Alter eine verminderte Intensität der erlebten Emotionen einhergeht. Die geringere Intensität wird darauf zurückgeführt, dass der Mensch mit zunehmendem Alter weniger stimulierenden Ereignissen gegenübersteht und Habitualisierungsprozesse einsetzen. Bedeutsame Erfahrungen haben also im Laufe des Lebens zu einer gewissen emotionalen „Abstumpfung“ geführt (vgl. Gross et al. 1997, S. 593 f.; Levenson, Carstensen & Gottman 1994, S. 62).
•
Daneben steht die Frage, ob durch altersbedingte Beeinträchtigungen die spätere Lebensphase verstärkt durch negative Emotionen geprägt wird. Nicht selten existiert das stereotype Vorurteil des unzufriedenen und griesgrämigen alten Menschen. Empirische Ergebnisse widerlegen dieses Vorurteil. Ältere Menschen zeigen ein geringeres Maß an negativen Emotionen (vgl. Charles, Reynolds & Gatz 2001, S. 144) und weisen ein höheres Maß an positiven Emotionen auf (vgl. Gross et al. 1997, S. 595). Lawton, Kleban & Dean (1993, S. 174) gehen sogar davon aus, dass ältere Menschen insgesamt zufriedener sind, und belegen, dass sie weniger von negativen Emotionen berichten.
3.2.1.4
Sozialer Alterungsprozess
Neben biologischen und psychologischen Aspekten wird der Alterungsprozess außerdem von der Gesellschaft und dem sozialen Umfeld geprägt. Das soziale Altern bezieht sich auf die Veränderungen von sozialen Beziehungen innerhalb relevanter Gruppen (z. B. Familie, Freunde) und auf die Veränderungen von verschiedenen Rollen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens einnimmt (z. B. Mutter / Vater, Arbeitskollegin / Arbeitskollege, Ehefrau / mann) (vgl. Mathur & Moschis 2005, S. 972). Für die vorliegende Arbeit stehen das sich wechselnde Rollenbewusstsein und die damit einhergehende Zeitverfügbarkeit im Blickpunkt.
Veränderungen des Rollenbewusstseins sind oft mit wichtigen Ereignissen im sozialen Umfeld, wie z. B. dem Eintritt in die Arbeitswelt, dem Umzug, der Heirat oder der Geburt von Kindern, verbunden (vgl. Bost et al. 2002, S. 517 ff.; Ertel, Glymour & Berkman 2009, S. 76).
80
3 Moderatoren
Die sozialen Rollen und Verpflichtungen ändern sich im Laufe dieser Lebensphasen und mit ihnen die Zeitverfügbarkeit. Deshalb erfährt, wertet, plant oder schätzt jeder Mensch Zeit auf seine eigene Art und Weise (vgl. Guy, Rittenburg & Hawes 1994, S. 37). Zwischen der Zeitverfügbarkeit und dem Alter existiert eine bipolare Kurve. Demnach verfügen jugendliche und alte Menschen über die meiste freie Zeit, wohingegen die mittlere Altersschicht die wenigste Freizeit besitzt. Die Zeitknappheit im mittleren Alter (ca. 35 bis 44 Jahre) resultiert hauptsächlich aus dem angesammelten Zeitdruck von Berufsleben und Familie. Davon besonders betroffen sind berufstätige, verheiratete Frauen und Männer mit kleinen Kindern, weil sie mehrere Rollen (z. B. Mutter / Vater, Ehepartner(in), Arbeitskollegin / Arbeitskollege) einnehmen und die daran geknüpften Erwartungen erfüllen müssen (vgl. Zuzanek 2005, S. 52).
Menschen im höheren Erwachsenenalter verlieren einen Teil dieser sozialen Rollen durch einschneidende Lebensereignisse, wie den Eintritt in den Ruhestand oder den Tod des Ehepartners. Infolgedessen ergeben sich neue zeitliche Freiräume, die es zu gestalten gilt. Dabei ist davon auszugehen, dass Menschen auch im späteren Lebensabschnitt den Aktivitäten nachgehen, die sie bereits ihr Leben lang praktiziert haben, wie bspw. Wandern, Gartenarbeit oder Reisen. An sich ist es nicht das Alter, welches die Menschen an ihren Freizeitaktivitäten hindert, sondern vielmehr physische Restriktionen, die ihren Gesundheitszustand beeinträchtigen (vgl. Szmigin & Carrigan 2001, S. 1101). So berichten bisherige Studien zum Zeitverhalten von Konsumenten auch, dass ältere Konsumenten mehr frei verfügbare Zeit besitzen und so auch mehr Zeit beim Einkaufen verbringen (vgl. Simcock, Sudbury & Wright 2006, S. 361; Tongren 1988, S. 142). Demgegenüber verspüren jüngere Konsumenten mehr Zeitdruck, der sich ebenfalls auf ihr Einkaufsverhalten auswirkt, was zu häufigen Impulskäufen führt (vgl. Simcock, Sudbury & Wright 2006, S. 361).
3.2.1.5
Zusammenfassung
Tab. 10 gibt einen Überblick über die betrachteten Alterungsprozesse und ihrer Konsequenzen. Zudem ist angegeben, bei welchen Hypothesen die besprochenen Altersunterschiede eine Rolle spielen (vgl. Kap. 3.2.2).
3 Moderatoren
81
Alterungsprozessa)
Konsequenzena)
Relevant fürb)
Biologisches Altern Sensorischen Fähigkeiten nehmen ab.
Verständnis, Kommunikation und Wahrnehmung werden mit steigendem Alter beeinträchtigt.
H1b
Es entstehen Defizite in der Informationsverarbeitung, die durch einen reicheren Erfahrungsschatz kompensiert werden.
Das Informationsverarbeitungstempo, die Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit nehmen ab. Komplexe Sachverhalte überfordern und Probleme werden pro-aktiv gelöst.
H1a H1b H1c
Die Persönlichkeit entwickelt sich aufgrund von Veränderungen in der sozialen Umwelt.
Menschen werden gewissenhafter, bescheidener, konventioneller, umsichtiger, verständnisvoller und hilfsbereiter.
H1a H1c
Habitualisierungsprozesse nehmen zu.
Emotionen werden weniger intensiv empfunden. Emotionen tragen stärker positiven Charakter.
H1a
Junge und alte Menschen besitzen die meiste freie Zeit, wohingegen Menschen mittleren Alters die wenigste freie Zeit besitzen.
H1b
Psychologisches Altern
Soziales Altern Veränderung der sozialen Rollen führt zu unterschiedlicher Zeitverfügbarkeit.
a) Die Richtungsangaben gelten stets für zunehmendes Alter, sofern nicht anders angegeben. b) H1a, H1b und H1c stehen für die Hypothesen zur Wirkung der a) distributiven, b) prozeduralen und c) interaktionalen Gerechtigkeit auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit in Abhängigkeit des Alters. Tab. 10: Zusammenfassung der Konsequenzen von Alterungsprozessen
3.2.2
Hypothesen
3.2.2.1
Distributive Gerechtigkeit und Alter
Die distributive Gerechtigkeit beschreibt, wie fair die Beschwerdeführer das Endergebnis der Beschwerdebehandlung durch das Unternehmen im Hinblick auf die verteilten Ressourcen empfinden. Die distributive Gerechtigkeit wird durch eine Kompensation seitens des Unternehmens gefördert und spiegelt das Bedürfnis der Kunden wieder, entschädigt zu werden (vgl. Bonifield & Cole 2008, S. 572; Kelley, Hoffman & Davis 1993, S. 439). Die distributive Gerechtigkeit stellt eine Kernvoraussetzung für die transaktionsspezifische Zufriedenheit dar, denn sie besitzt im Vergleich zu den anderen beiden Gerechtigkeitsdimensionen den stärksten Einfluss auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit. Zwischen der wahrgenommenen distributiven Gerechtigkeit und der Nachbeschwerdezufriedenheit besteht ein positiver Zusammenhang. Je fairer die Kunden den Wiedergutmachungsversuch des Unternehmens empfinden, desto zufriedener sind sie mit der Beschwerdebehandlung (vgl. Maxham III & Netemey-
82
3 Moderatoren
er 2002a, S. 246; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 69). Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der positive Effekt der distributiven Gerechtigkeit auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit im Alter verstärkt wird. Ältere Menschen legen also einen größeren Wert auf das Ergebnis der Beschwerdebehandlung. Es lassen sich mehrere Gründe aus dem psychologischen Alterungsprozess anführen, die diese Annahme unterstützen.
Ältere Menschen setzen sich mit Problemen eher pro-aktiv auseinander, versuchen, es zu analysieren, logisch zu durchdringen und schließlich zu lösen. Das führt dazu, dass sie sich auf die Problemlösung fokussieren (vgl. Blanchard-Fields, Chen & Norris 1997, S. 686). Im Falle einer Beschwerde wäre dies das Ergebnis der Wiedergutmachungsbemühungen. Es bleibt also anzunehmen, dass für ältere Menschen das Ergebnis einer Beschwerde tendenziell eine größere Bedeutung für das Zufriedenheitsurteil besitzt als für jüngere Menschen.
Wenn ältere Menschen einem Problem pro-aktiv begegnen, verlassen sie sich dabei stärker auf ihre Erfahrungen (vgl. Philips & Sternthal 1977, S. 450). Es muss davon ausgegangen werden, dass sie schon allein aufgrund ihrer bisherigen Lebensdauer mehr Beschwerden geäußert haben und deshalb auch auf mehr Erfahrungen bei der Beschwerdebehandlung zurückgreifen können. Ihr reicherer Erfahrungsschatz gibt ihnen bei der Einschätzung der Fairness eines Ergebnisses mehr Sicherheit und lässt sie wissen, was ein realistisches und faires Wiedergutmachungsangebot ist, mit dem sie zufrieden sein können. Deshalb ist zu vermuten, dass ältere im Vergleich zu jüngeren Menschen hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung mehr Wert auf das Beschwerdeergebnis legen, weil sie es aufgrund ihres reicheren Erfahrungsschatzes besser beurteilen können.
Weiterhin bringt der psychologische Alterungsprozess eine Veränderung der Persönlichkeit mit sich. So zeigen sich ältere Menschen bescheidener und verständnisvoller (vgl. Warr, Miles & Platts 2001, S. 177). In einem verwandten Forschungszweig der Organisationspsychologie berichten Nylander & Hakonen (2007), dass ältere Angestellte ihr Gehalt als fairer und zufriedenstellender empfinden als ihre jüngeren Kollegen und das, obwohl das Gehalt in den untersuchten Altersgruppen in etwa gleich hoch war. Mit Blick auf das Nachbeschwerdeverhalten würde dies bedeuten, dass ältere Menschen das gleiche wahrgenommene Ergebnis stärker zufriedenerstellt als jüngere Menschen.
3 Moderatoren
83
Zuletzt werden mit zunehmendem Alter Emotionen, insbesondere negative, weniger intensiv und nachhaltig erlebt (vgl. Gross et al. 1997, S. 593 ff.). In Bezug auf das Nachbeschwerdeverhalten werden somit auch die aus einem Fehler resultierenden negativen Emotionen weniger stark empfunden. Deshalb dürfte auch die Beschwerdebeurteilung bei älteren Menschen nüchterner, weil weniger stark von negativen Emotionen geprägt, sein und somit das Ergebnis objektiver eingeschätzt werden als bei jüngeren Menschen. Folglich gewinnt das Beschwerdeergebnis für sie an Bedeutung und besitzt einen stärkeren Einfluss auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit.
Aus den vorangegangenen Überlegungen lässt sich folgende Hypothese ableiten:
H1a: Bei älteren Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der distributiven Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei jüngeren Beschwerdeführern.
3.2.2.2
Prozedurale Gerechtigkeit und Alter
Die prozedurale Gerechtigkeit spiegelt allgemein wider, inwiefern die Kunden die Vorgehensweise und die Methoden der Ressourcenallokation, als fair empfinden (vgl. Folger & Greenberg 1985, S. 143). Im Falle einer Beschwerdebehandlung wird sie durch folgende zwei Kriterien erfasst: die wahrgenommene Schnelligkeit sowie die Gelegenheit der Kunden, ihre Sichtweise des Problems darzulegen (vgl. Chebat & Slusarczyk 2005, S. 668; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68). Die prozedurale Gerechtigkeit beeinflusst die transaktionsspezifische Zufriedenheit positiv (vgl. del Rio-Lanza, Vazquez-Casielles & Diaz-Martin 2009). Je fairer die Beschwerdeführer die Prozesse wahrnehmen, desto zufriedener sind sie mit der Beschwerdebehandlung. Es wird angenommen, dass sich der positive Effekt der prozeduralen Gerechtigkeit auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit mit zunehmendem Alter abschwächt. Hierfür existieren zwei Gründe, die sich aus dem Alterungsprozess ergeben.
Menschen nehmen erstens im Laufe ihres Lebens unterschiedliche soziale Rollen (soziales Altern) ein (vgl. Mathur & Moschis 2005, S. 972). Vor allem jüngere Menschen stehen unter einem gewissen Zeitdruck, weil sie erst relativ kurze Zeit im Berufsleben stehen (z. B. Etablierung im Unternehmen) und häufig auch eine Familie aufbauen möchten (z. B. Fürsorge für kleine Kinder) (vgl. Zuzanek 2005, S. 52 f.). Folglich bleibt anzunehmen, dass jüngere Men-
84
3 Moderatoren
schen besonders einen schnellen Service und eine rasche Beschwerdebearbeitung schätzen. Hinzu kommt, dass die jüngere Generation in einer schnelllebigen Zeit aufwuchs, welche geprägt ist durch Termindruck und zeitorientierte Serviceangebote wie z. B. 24-Stunden Banking oder auch Fastfood-Restaurants. Ihre Zeitwahrnehmung unterscheidet sich von der der älteren Generation. Letztere wuchs in einer weniger automatisierten Zeit auf, betrachtet Wartezeiten und Verspätungen daher weniger kritisch (vgl. Blizzard 2005).
Im Alter nehmen zweitens die sensorischen Fähigkeiten ab (biologisches Altern) und es kommt zu Defiziten in der Informationsverarbeitung (psychologisches Altern). Dadurch werden die kognitive Leistung sowie die Kommunikation beeinträchtigt (vgl. Brünner 1997, S. 91 ff.; Cole & Houston 1987, S. 62). Folglich könnten ältere Konsumenten eine zügige Wiedergutmachung als undurchsichtig empfinden. Womöglich fürchten sie, die Kontrolle über die Situation zu verlieren, weil sie für sie zu komplex ist. Demgegenüber fällt es jüngeren Beschwerdeführern leichter, einer schnellen Beschwerdebehandlung zu folgen und zu gegebener Zeit ihre Sichtweise des Problems zu schildern.
Ähnliche Effekte werden empirisch im Rahmen der Fairness im Arbeitsumfeld beobachtet. Terpstra & Honoree (2003, S. 70) untersuchen die prozedurale Gerechtigkeit bei der Festlegung des Arbeitsentgeltes. Sie zeigen, dass die wahrgenommene Fairness der Verfahren, die zur Festlegung des Arbeitsentgeltes führen (prozedurale Gerechtigkeit), für die älteren Angestellten von geringerer Bedeutung sind als für ihre jüngeren Kollegen und damit bei Ersteren schwächer auf die Zufriedenheit wirken.
Aus obigen Überlegungen ergibt sich folgende Hypothese:
H1b: Bei älteren Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei jüngeren Beschwerdeführern.
3 Moderatoren
3.2.2.3
85
Interaktionale Gerechtigkeit und Alter
Die interaktionale Gerechtigkeit beschreibt, inwiefern die Kunden die Beschwerdebehandlung durch das Unternehmen auf zwischenmenschlicher Ebene als fair empfinden (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 241). Sie zeichnet sich durch ein höfliches, freundliches und respektvolles Auftreten des Servicepersonals aus, welches Interesse für die Probleme der Kunden zeigt (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 62). Nehmen die Beschwerdeführer die Interaktion mit dem Unternehmen als fair wahr, entsteht Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung. Zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit besteht also ein positiver Zusammenhang (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 366). Es wird davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Alter der positive Effekt der interaktionalen Gerechtigkeit auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit verstärkt wird. Theoretisch lassen sich zwei Argumente des psychologischen Alterungsprozesses anführen, die diesen Sachverhalt begründen.
Ein Argument besteht darin, dass mit steigendem Alter Defizite der Informationsverarbeitung einhergehen. Das Informationsverarbeitungstempo, die Aufmerksamkeit und die Aufnahmefähigkeit nehmen ab (vgl. Philips & Sternthal 1977, S. 450; Salthouse 2000, S. 45). Deshalb wünschen sich ältere Menschen mehr Zuwendung und einen freundlicheren sowie respektvolleren Umgang. Im Gastronomiebereich berichten Fu & Parks (2001, S. 331), dass ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren mehr Wert auf die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit der Bedienung legen. Im Einzelhandel beklagen Ältere beim Einkauf zu wenig Inter-esse und Geduld seitens des Servicepersonals und erwarten, respektvoller und kompetenter behandelt zu werden (vgl. Lambert 1979, S. 44).
Zudem kann vermutet werden, dass ältere Menschen, die empirischen Erhebungen zufolge selbst umsichtiger, verständnisvoller und hilfsbereiter werden, dasselbe Verhalten auch von ihren Mitmenschen erwarten (vgl. Warr, Miles & Platts 2001, S. 177). Dementsprechend empfinden sie die persönliche Ansprache und Bedienung durch den Verkäufer nicht als unangenehm oder aufdringlich. Vielmehr erwarten sie eine persönliche Betreuung und nehmen sie dankbar an (vgl. Brünner 1997, S. 210). Die Kommunikation mit dem Unternehmensvertreter hilft älteren Menschen bei einer zunehmend schweren Informationssuche, weil sie größere Schwierigkeiten haben, zwischen relevanten und irrelevanten Informationen klar zu differenzieren (vgl. Rabbit 1975, S. 237). Empirisch zeigen Mattila, Karjaluoto & Pento (2003, S.
86
3 Moderatoren
521), dass ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren bei Bankgeschäften verstärkt Wert auf einen persönlichen Ansprechpartner sowie eine Beratung legen. Viele nutzen kein Onlinebanking, weil ihnen dort genau das fehlt und sie deshalb einen höheren Grad an Unsicherheit verspüren.
Basierend auf obiger Darstellung wird folgende Hypothese aufgestellt:
H1c: Bei älteren Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei jüngeren Beschwerdeführern.
3.3
Geschlecht
3.3.1
Erklärungsansätze geschlechtsspezifischer Persönlichkeitsmuster
3.3.1.1
Einführung
Zahlreiche Ansätze und Theorien erklären Wesensunterschiede zwischen Frauen und Männern (z. B. Buss 1995; Epstein 1988; Levy & Fivush 1993), die, wie auch bei der Altersforschung, entsprechend ihrer Ausrichtung in biologisch-, psychologisch- und sozialorientierte Theorien gruppiert werden können (vgl. Bandura 1999, S. 154). Jede Ausrichtung erklärt dabei bestimmte Unterschiede z. B. in Verhalten, Kognition oder Emotion von Männern und Frauen. Auch wenn biologische, psychologische und soziale Unterschiede vielfach getrennt betrachtet werden, wird dennoch von einer starken Interdependenz zwischen den drei Komponenten ausgegangen (vgl. Bussey & Bandura 1999, S. 683 ff.).
Im englischen Sprachgebrauch wird zuweilen zwischen den Begriffen Sex und Gender unterschieden. Sex bezieht sich hierbei auf das biologische Geschlecht (z. B. Buss & Schmitt 1993, S. 205), wohingegen sich Gender auf eine psychologische und soziologische Organisation des Geschlechts bezieht (z. B. Epstein 1988, S. 5 f.). Im Folgenden wird begrifflich nicht zwischen Sex und Gender unterschieden. Es wird einheitlich von Geschlecht gesprochen, um sowohl biologische als auch psychologische und soziale Unterschiede zwischen Männern und Frauen auszudrücken. Denn durch die starke Interdependenz zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Erklärungsansätzen für die Entwicklung geschlechtsspezifischer Per-
3 Moderatoren
87
sönlichkeitsmuster ist eine begriffliche Unterscheidung zwischen Sex und Gender unzweckmäßig und auch nur schwer möglich (vgl. Zellerhoff 2001, S. 9 f.). Geschlecht muss daher als eine übergeordnete kulturelle Kategorie interpretiert werden, die über die rein dichotome, biologische Unterscheidung von Frau und Mann hinausgeht (vgl. Epstein 1988, S. 6 f.; Gerson 1990, S. 303; West & Zimmerman 1991, S. 15 f.).
3.3.1.2
Biologischer Erklärungsansatz
Die biologischen Erklärungsansätze besitzen einen wichtigen Stellenwert in der Erforschung von Geschlechterunterschieden (vgl. Bussey & Bandura 1999, S. 676). Im Prinzip versuchen biologische Ansätze, Eigenheiten von Frauen und Männern mittels der unterschiedlichen Rollen, die sie im Fortpflanzungprozess einnehmen, zu erklären (vgl. Buss 1995; Trivers 1972). Dabei spielen neben dem vorrangig betrachteten Verhalten im Fortpflanzungsprozess auch anatomische Gegebenheiten beider Geschlechter eine Rolle (vgl. Buss & Schmitt 1993). Der biologische Erklärungsansatz und die damit einhergehenden Probleme lassen sich anhand folgender Argumentation veranschaulichen.
Den Ausgangspunkt bilden angestammte Verhaltensmuster. Mit deren Hilfe wird z. B. die Partnerwahl von Frauen und Männern begründet. Der Theorie zufolge würden Frauen weniger Männer als Sexualpartner auswählen, von denen sie sich jedoch langfristig Fürsorge erhoffen, weil Frauen das Kind austragen und für seine Entwicklung in den ersten Jahren nach der Geburt sorgen müssen. Demgegenüber würden Männer versuchen, die Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft und somit das Fortbestehen zu maximieren, indem sie nach vielen Frauen streben, die ihrer Vorstellung von Attraktivität und Gesundheit entsprechen (vgl. Bussey & Bandura 1999, S. 679). Hinweise auf die Attraktivität und Gesundheit einer Frau erhalten Männer aus der physischen Erscheinung (z. B. volle Lippen, weiche Haut, glänzendes Haar), ihrem Verhalten (z. B. aktiv, lebhaft) und ihrer sozialen Reputation (z. B. das Wissen von anderen über ihren Gesundheitszustand) (vgl. Buss & Schmitt 1993, S. 204 f.). Den Interessenkonflikt, dass Männer eher nach mehr und Frauen nach weniger Sexualpartnern streben, lösen – so die Theorie – Männer mit einer aggressiven dominanten Haltung der Frau gegenüber. Den Männern kommt dabei eine kräftemäßige Überlegenheit zu Gute (vgl. Smuts 1992, S. 1 ff.; 1995, S. 5 ff.).
88
3 Moderatoren
Mit Blick auf die Anzahl der Sexualpartner existieren einerseits Argumente, welche die Theorie unterstützen. So streben Männer nach eigener Angabe im Durchschnitt nach 18 und Frauen nach vier bis fünf unterschiedlichen Sexualpartnern (vgl. Buss & Schmitt 1993, S. 210). Dagegen sprechen andererseits folgende zwei Argumente. Absichten entsprechen nicht zwangsläufig dem Verhalten. So berichtet Wiederman (1997, S. 171), dass in der Altersgruppe der unter 40-Jährigen der gleiche Anteil an Frauen und Männern Erfahrungen mit außerehelichen sexuellen Affären besitzt. Das Verlangen nach mehr bzw. weniger Sexualpartnern wird hier also nicht bestätigt. Darüber hinaus wird die grundlegendere Frage aufgeworfen, wie aus biologischer Sicht sinkende Geburtenraten und die weite Verbreitung von Verhütungsmitteln in Industrieländern erklärt werden können, wo damit doch die Grundmotivation im Fortpflanzungsverhalten beider Geschlechter komplett konterkariert wird (vgl. Bussey & Bandura 1999, S. 680).
Auch im Hinblick auf die Aggressivität von Männern und den empfundenen Emotionen geraten biologisch orientierte Theorien in Erklärungsnot. Für die Ansätze, wonach Männer ein höheres Aggressivitätsniveau besitzen als Frauen, sprechen z. B. höhere Raten an Tötungsdelikten unter Männern als unter Frauen (vgl. Archer 1996, S. 914). Dem stehen jedoch folgende drei Argumente gegenüber. •
Biologisch orientierte Theorien vermögen nicht kurzfristige Schwankungen in den Tötungsdelikten erklären, die vielmehr etwa aufgrund von Drogenkriegen als durch den Kampf um den Sexualpartner entstehen (vgl. Blumstein 1995, S. 11).
•
Geschlechtsspezifische Unterschiede im Aggressionsverhalten sind mehr eine Frage der Definition. So zeigen Männer zwar eine stärkere Neigung zur physischen Aggression (z. B. jemanden anderen verletzen bis hin zu töten), wohingegen Frauen stärker dazu neigen, indirekte Aggression (z. B. Lästern, boshafte Gerüchte verbreiten, soziale Unterdrückung) einzusetzen (vgl. Kenrick, Neuberg & Cialdini 2007, S. 333).
•
Da Männer als aggressiver gelten, könnte ebenso vermutet werden, dass sie Emotionen insgesamt stärker empfinden als Frauen. Allerdings erleben Frauen und Männer ihre Emotionen gleichermaßen intensiv (vgl. Fabes & Martin 1991, S. 537).
Es ließen sich noch weitere Beispiele anführen, die Probleme der biologischen Ansätze aufzeigen.4 Insgesamt kann man den biologischen Erklärungsansätzen jedoch nicht die Daseins-
4
Es wird z. B. davon ausgegangen, dass Männer einen besseren Orientierungssinn besitzen als Frauen. Allerdings liegt das weniger an biologisch begründeten Tatsachen als vielmehr etwa daran, ob Frauen und Männer
3 Moderatoren
89
berechtigung absprechen. Vielmehr ist Vorsicht vor einer zu einseitigen Interpretation geboten. Zusammenfassend erscheint es sehr viel wahrscheinlicher, dass die Natur den Menschen mit biologischen Unterschieden und Potenzialen, jedoch nicht mit klaren Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensmustern ausgestattet hat (vgl. Bussey & Bandura 1999, S. 683). Vielmehr gestalten Sozialisationsprozesse die Persönlichkeit und das Verhalten. So führen Lebensstile wie Karriereorientiertheit dazu, dass der Zeitpunkt, um Kinder aufzuziehen, zunehmend weiter nach hinten geschoben wird. Des Weiteren sind in Gesellschaften, die interpersonale Aggressivität verurteilen, nach Gleichberechtigung streben und Frauen respektvoll behandeln, sexuelle Übergriffe rar (vgl. Sanday 1981, S. 23, 2007, S. 69). Ebenso kann dem Sozialisationsprozess zugeschrieben werden, dass Frauen ihre Emotionen offener zeigen als Männer (vgl. Fabes & Martin 1991, S. 537; LaFrance & Banaji 1992, S. 183 f.). Zusammenfassend sehen sich die biologischen Erklärungsansätze heftiger Kritik ausgesetzt. Letztlich ergeben sich daher keine verlässlichen Ansatzpunkte, die sich marketingspezifisch im Hinblick auf das (Nach-)Beschwerdeverhalten von Kunden verwerten ließen. Deshalb soll im Folgenden vorrangig Wert auf die psychologischen und sozialen Ansätze gelegt werden, die Unterschiede im Wesen von Frauen und Männern aufzeigen und erklären.
3.3.1.3
Psychologischer Erklärungsansatz
Zu den psychologisch orientierten Ansätzen kann die Gender-Schema-Theorie gezählt werden. Menschen entwickeln durch die Interaktion mit ihrer Umwelt gedankliche Muster darüber, was eine Frau bzw. einen Mann auszeichnet. Werden diese Muster erst einmal angenommen, wird davon ausgegangen, dass sie entsprechend den herausgebildeten Vorgaben die Denkweise sowie das Handeln beeinflussen (vgl. Levy & Fivush 1993, S. 132; Martin 1995, S. 728; Martin & Halverson 1981, S. 1120). Es existieren jedoch zwei Probleme. Die Theorie klärt nicht, wie typische geschlechtsbezogene Merkmale abstrahiert und in gedankliche Schemata übersetzt werden (vgl. Bussy & Bandura 1999, S. 678). Und es mangelt an einschlägigen empirischen Ergebnissen, die belegen, dass das Wissen um das eigene Geschlecht als Motivation im Kindesalter dazu führt, dass die Schemata angenommen und umgesetzt werden. So zeigen Kinder Präferenzen für typische Jungen- bzw. Mädchenaktivitäten, noch bevor sie einen eigenen Sinn für Geschlechterunterschiede entwickeln (vgl. Blakemore, Larue
als Kinder viel im Freien spielten und so in jungen Jahren einen guten Orientierungssinn entwickeln konnten (vgl. Fausto-Sterling 1992, S. 35).
90
3 Moderatoren
& Olejnik 1979, S. 339 f.; Martin 1993, S. 191; Perry, White & Perry 1984, S. 2118 f.; Weinraub et al. 1984, S. 1499).
Trotz der Schwächen des Modells ließen sich geschlechtsspezifische Denkmuster nachweisen (vgl. Carter & Levy 1988, S. 790; Ruble & Martin 1998, S. 942). Mit ihnen können Geschlechtsunterschiede wie etwa in der Informationsverarbeitung erklärt werden. Menschen nehmen Informationen aus ihrer Umwelt auf verschiedene Art und Weise auf und verarbeiten diese. Es wird zwischen zwei Typen unterschieden: agentic und communal. Im ersten Fall (agentic) werden die Informationen aus der Umwelt selektiert, die dem augenblicklichen Zweck dienen und dabei helfen, das derzeitige Ziel zu erreichen. Im zweiten Fall (communal) werden die Informationen aus der Umwelt holistischer aufgenommen und verarbeitet, um sowohl einzelne als auch mehrere Bezugsobjekte zu berücksichtigen, was dazu führen kann, dass sozialen Beziehungen mehr Beachtung geschenkt wird (vgl. Meyers-Levy 1989, S. 243).
Mit Blick auf typische Denkmuster zeichnen sich Männer dadurch aus, dass sie im Vergleich zu Frauen Informationen zweck- und zielorientierter aufnehmen und verarbeiten (agentic). Hingegen selektieren und verarbeiten Frauen stärker als Männer Informationen, die in Relation zu anderen Personen stehen (communal) (vgl. Carlson 1971, S. 270 f.; Helgesen 1990, S. 19 ff.; Oakley 2000, S. 325; Rosener 1990, S. 120 ff.). Empirisch berichten Iacobucci & Ostrom (1993, S. 281), dass sich diese Denkmuster in der Beurteilung von Dienstleistungen niederschlagen. So achten Männer tendenziell stärker auf die Kernleistung (z. B. Essen im Restaurant), wohingegen sich Frauen eher auf die periphere Leistung, sprich die Beziehung zum Anbieter (z. B. Bedienung), konzentrieren.
3.3.1.4
Soziologischer Erklärungsansatz
Sozialorientierte Theorien gehen davon aus, dass gesellschaftliche Strukturen Geschlechterunterschiede determinieren (vgl. Berger, Rosenholtz & Zelditch 1980, S. 492; Epstein 1988, S. 99 ff.). Demnach bilden sich in einer Gesellschaft sozial typische Vorstellungen darüber, was das Wesen von Männern und Frauen ausmacht. Diese Stereotype formen die selektive Wahrnehmung, Beurteilung und den Umgang beider Geschlechter in der Weise, dass die ursprünglichen Stereotype wiederum bestätigt werden. Somit stellen Stereotype sich selbst erfüllende Prophezeiungen dar. Sie werden durch Eltern, Bezugspersonen (Freunde) oder Medien im Erziehungs- und Sozialisationsprozess an die Kinder der Gesellschaft weitergegeben
3 Moderatoren
91
(vgl. Bussey & Bandura 1999, S. 683 ff.; Geis 1993, S. 9 ff.). Soziale Stereotype stellen dabei keineswegs absolute Aussagen, sondern vielmehr Tendenzen dar.
Solche sozial begründbaren Stereotype lassen sich auch im Verhalten von Wirtschaftssubjekten beobachten. Typische Beispiele hierfür sind Erkenntnisse aus der Werbewirkungsforschung, der Organisationspsychologie und der Dienstleistungsforschung. In der Werbewirkungsforschung gilt Werbung als Spiegel der Gesellschaft. Sie gibt damit bildlich Auskunft über die in einer Gesellschaft verankerten Stereotype (vgl. Albers-Miller & Gelb 1996, S. 68; Eisend 2010, S. 436). Eisend (2010) analysiert meta-analytisch die Darstellung von Frau und Mann in der Werbung. Die Ergebnisse sind in Tab. 11 dargestellt.
Rollenvariable
Ausprägung Rollenvariable 1. Kategorie 2. Kategorie
Rolle
In Relation zu anderen
95 % Konfidenzintervallb) Quotenverhältnisa) Untere Grenze Obere Grenze
Autonom
4,15
2,81
4,99
Umgebung
Häusliche Umgebung
Arbeitsumfeld
3,69
3,10
4,38
Produkttyp
Haushaltsprodukte
Andere Produkte
2,18
1,83
2,58
Argumentationsstil
Subjektiv / nicht wissenschaftlich
Sachlich / wissenschaftlich
1,47
1,18
1,83
a) Lesebeispiel: Frauen werden 4,15-mal häufiger in Relation zu anderen Personen gezeigt als Männer. b) Lesebeispiel: Das Quotenverhältnis liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % im Bereich von 2,81 bis 4,99. Frauen werden mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit 2,81-mal bis 4,99-mal häufiger in Relation zu anderen Personen gezeigt als Männer. Tab. 11: Rollenbilder der Frau und des Mannes in der Werbung Quelle: Eisend (2010, S. 431)
Das Quotenverhältnis (vgl. Tab. 11) stellt ein Zusammenhangsmaß zwischen zwei kategorialen Variablen (hier: Geschlecht und jeweilige Rollenvariable) dar. Inhaltlich beschreibt es, wievielmal häufiger Frauen in der ersten Kategorie zu sehen sind als Männer. Demnach werden Frauen drei- bis viermal häufiger in Relation zu anderen Personen (vs. autonom) und in häuslicher Umgebung (vs. Arbeitsumfeld) gezeigt als Männer. Frauen in der Werbung benutzen doppelt so häufig Haushaltsprodukte wie z. B. Lebensmittel oder Reinigungsmittel (vs. andere Produkte) und argumentieren 1,5-mal häufiger subjektiv / nicht wissenschaftlich (vs. sachlich / wissenschaftlich).
Das Konfidenzintervall (vgl. Tab. 11) beschreibt, innerhalb welcher Grenzen sich mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit die Quotenverhältniswerte befinden, wenn eine andere, zufällig gewählte Stichprobe untersucht würde. Für alle Rollenvariablen befinden sich die unteren
92
3 Moderatoren
Grenzwerte des Konfidenzintervalls über 1. Daraus folgt, dass die beobachteten Quotenverhältnisse keine zufälligen Ergebnisse darstellen, sondern statistisch gesicherte Tendenzen aufzeigen. Frauen werden also mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit häufiger als Männer in Relation zu anderen, in häuslicher Umgebung, bei der Nutzung von Haushaltsprodukten und mit einem subjektiven Argumentationsstil portraitiert. Damit wird eine eindeutige Stereotypisierung der Frau und des Mannes in der Werbung belegt.
Soziale Stereotype finden sich auch im Bereich der Organisationspsychologie. In der Organisationspsychologie wird u. a. die gesellschaftliche Wahrnehmung der Frau als Führungsperson in einem Unternehmen untersucht. Mit Blick auf die geforderten Führungsfähigkeiten lässt sich die gesellschaftliche Wahrnehmung anhand folgender meta-analytischer Befunde beschreiben (vgl. Eagly, Karau & Makhijani 1995, S. 137): Grundsätzlich werden Frauen und Männer als gleich gute Führungskräfte eingeschätzt. Dabei gilt jedoch, dass Frauen als bessere Vorgesetzte in typisch weiblichen Positionen beurteilt werden in dem Sinne, dass diese Positionen Fähigkeiten wie kooperatives Handeln und einen einvernehmlichen Umgang mit anderen Menschen fordern (z. B. Leiterin einer Forschungsgruppe). Männer werden als Führungspersonen favorisiert, wenn es sich um typisch männliche Positionen handelt in dem Sinne, dass diese Positionen Delegations- und Steuerungsfähigkeiten verlangen (z. B. Vorgesetzte im Militärdienst).
Im Hinblick auf den ausgeübten Führungsstil kommen Eagly, Makhijani & Klonsky (1992, S. 16) meta-analytisch zu folgenden Ergebnissen: Folgen Frauen einem stereotypen weiblichen Führungsstil, d. h. demokratisch und beziehungsorientiert, werden sie besser beurteilt (z. B. Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten), als wenn sie nach einem stereotypen männlichen Führungsstil, d. h. autokratisch und zielorientiert, handeln. Im Gegensatz dazu findet sich dieses Muster nicht bei männlichen Vorgesetzten wieder. Führen Männer demokratisch und beziehungsorientiert, so werden sie nicht schlechter beurteilt. Hier wird deutlich, dass Männer in ihrem Führungsstil tendenziell mehr Freiräume genießen, ohne eine negative Wahrnehmung befürchten zu müssen.
Geschlechterstereotype können nicht nur in der Werbewirkungsforschung und der Organsiationspsychologie, sondern auch in der Dienstleistungsforschung beobachtet werden. In der Dienstleistungsforschung unterscheiden sich Frauen von Männern hinsichtlich ihres Verhaltens im Dienstleistungskontakt. So gelten Frauen tendenziell als eher prozessbezogen und
3 Moderatoren
93
Männer als eher ergebnisbezogen (vgl. Major & Deaux 1982, S. 63; Sweeney & McFarlin 1998, S. 83 ff.; Veroff, McClelland & Ruhland 1975, S. 184 ff.). Frauen achten demnach mehr auf interpersonale Aspekte einer Beziehung, wie etwa eine freundliche Behandlung durch den Unternehmensmitarbeiter. In diesem Zusammenhang zeigen Mattila, Grandey & Fisk (2003, S. 140), dass Frauen im Dienstleistungskontakt ein Lächeln mehr schätzen als Männer. Männer legen andererseits mehr Wert auf das Ergebnis einer Beziehung. Sie sind also stärker fokussiert, ihre unmittelbaren Ziele zu erreichen. So besitzen nichtergebnisbezogene Elemente, wie das Lächeln des Mitarbeiters, weniger starke positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit mit dem Dienstleistungskontakt als bei Frauen (vgl. Mattila, Grandey & Fisk 2003, S. 140).
3.3.1.5
Zusammenfassung
Zusammenfassend sind Menschen einerseits intrinsisch motiviert, sich mit dem eigenen Geschlecht zu identifizieren (psychologischer Erklärungsansatz). Andererseits forciert auch extern die Gesellschaft ein bestimmtes Rollenverhalten (soziologischer Erklärungsansatz). Biologische Charakteristika, wie etwa das Austragen des Kindes während der Schwangerschaft, tragen dazu bei, dass bestimmte Rollenvorstellungen sowohl in die eigenen Denkmuster als auch in die Gesellschaft projiziert werden. Tab. 12 gibt einen Überblick über die besprochenen Erklärungsansätze geschlechtsspezifischer Persönlichkeitsmuster und ihrer Konsequenzen. Außerdem ist angegeben, für welche Hypothese die diskutierten Geschlechterunterschiede im Folgenden relevant sind (vgl. Kap. 3.3.2).
Persönlichkeitsmuster
Konsequenzen
Relevant füra)
Biologisch Frauen und Männer besitzen von Natur aus unterschiedliche Potenziale, um bestimmte Persönlichkeitsmuster auszubilden, jedoch keine vordefinierten Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensmuster.
Sozialisationsprozesse gestalten die Persönlichkeit und das Verhalten. Unterschiede entstehen demnach vorrangig aus psychologischer und sozialer Sicht.
nicht relevant
Männer neigen dazu, die Informationen aus der Umwelt aufzunehmen, die dem augenblicklichen Zweck und Ziel dienen, wohingegen Frauen eher die Informationen selektieren, die in Relation zu anderen Individuen stehen.
H2a H2c
Psychologisch Geschlechtsspezifische Denkmuster erklären, warum Frauen und Männer Informationen verschieden aufnehmen und verarbeiten.
94
3 Moderatoren
Persönlichkeitsmuster
Konsequenzen
Relevant füra)
Sozial Die Gesellschaft formt Stereotype von Frauen und Männern, die dann als Verhaltensrichtlinien an die Nachfahren weitergegeben werden, sodass sich die ursprünglichen Stereotype bestätigen (selbst erfüllende Prophezeiungen). Gesellschaftliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern können im Hinblick auf die Darstellung in der Werbung, die zugeschriebenen Führungseigenschaften und das Verhalten im Dienstleistungskontakt beobachtet werden.
Frauen werden in der Werbung u. a. häufiger in Beziehung zu anderen Personen und in häuslicher Umgebung gezeigt, Männer häufiger allein und am Arbeitsplatz.
H2c
Es werden geschlechtsstereotype Führungsfähigkeiten (Frauen: Kooperationsbereitschaft; Männer: Delegationsfähigkeiten) und -stile (Frauen: demokratisch, beziehungsorientiert; Männer: autokratisch, zielorientiert) bevorzugt.
H2a H2c
Frauen achten im Dienstleistungskontakt mehr auf interpersonale Aspekte einer Beziehung, wohingegen Männer eher ergebnisbezogen sind.
H2a H2b H2c
a) H2a, H2b und H2c stehen für die Hypothesen zur Wirkung der a) distributiven, b) prozeduralen und c) interaktionalen Gerechtigkeit auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit in Abhängigkeit des Geschlechts. Tab. 12: Zusammenfassung Persönlichkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen
3.3.2
Hypothesen
3.3.2.1
Distributive Gerechtigkeit und Geschlecht
Die distributive Gerechtigkeit beschreibt, als wie fair Beschwerdeführer das Ergebnis der Beschwerdebehandlung empfinden, und beeinflusst die Nachbeschwerdezufriedenheit positiv (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 357). Es wird davon ausgegangen, dass der positive Effekt bei Frauen schwächer als bei Männern ist. Hierfür existieren zwei Gründe, die in den psychologischen und den sozialen Unterschieden zwischen beiden Geschlechtern liegen. Im Hinblick auf die psychologischen Unterschiede neigen Frauen dazu, Informationen aus ihrer Umwelt zu selektieren und zu verarbeiten, die sich auf andere Menschen beziehen. Männer hingegen nehmen tendenziell eher die Informationen auf, die der augenblicklichen Zielerfüllung dienen (vgl. Iacobucci & Ostrom 1993, S. 281; Meyers-Levy 1989, S. 243). Folglich werden Frauen bei der Beschwerdebehandlung weniger stark als Männer ergebnisbezogene Informationen in ihr Zufriedenheitsurteil einfließen lassen. Somit stehen Frauen im Vergleich zu Männern dem Ergebnis neutraler gegenüber.
Soziale Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern hinsichtlich des Führungsstils sowie des Verhaltens im Dienstleistungskontakt lassen ebenfalls vermuten, dass Frauen neutraler gegenüber dem Ergebnis eingestellt sind als Männer. In der stereotypen Vorstellung der Gesell-
3 Moderatoren
95
schaft zum Führungsverhalten gelten Frauen im Vergleich zu Männern als weniger ziel- und ergebnisorientiert (vgl. Eagly, Makhijani & Klonsky 1992, S. 16). Auch im Dienstleistungskontakt wird davon ausgegangen, dass Frauen die Leistung des Unternehmens eher aus einer beziehungsorientierten Sicht bewerten (vgl. Major & Deaux 1982, S. 63; Mattila, Grandey & Fisk 2003, S. 140). Frauen legen also tendenziell weniger Wert auf die Kernleistung. Im Falle der Beschwerdebehandlung kann davon ausgegangen werden, dass das Ergebnis der Wiedergutmachungsbemühungen die Kernleistung darstellt, weil die distributive Gerechtigkeit den stärksten Einfluss auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit besitzt.
Auch Tata (2000, S. 261) belegt die starke Ergebnisfokussierung von Männern. So beurteilen Männer die Fairness einer Gehaltserhöhung vorrangig aus distributiver Sicht. Frauen besitzen eine ausgewogenere Perspektive in dem Sinne, dass sie die distributive Gerechtigkeit nicht überbewerten. Es wird folgende Hypothese vorgeschlagen:
H2a: Bei weiblichen Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der distributiven Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei männlichen Beschwerdeführern.
3.3.2.2
Prozedurale Gerechtigkeit und Geschlecht
Ein aus prozeduraler Sicht fairer Prozess zeichnet sich dadurch aus, dass er in angemessener Zeit abläuft und den Beschwerdeführern Kontrolle über den Prozess gibt, indem ihnen die Möglichkeit geboten wird, ihre eigenen Sichtweisen über den Fehler zu äußern (vgl. Chebat & Slusarczyk 2005, S. 668; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68). Soziale Stereotype des Führungsstils und Unterschiede hinsichtlich der Beurteilung von Dienstleistungskontakten lassen vermuten, dass Frauen mehr Wert auf die prozedurale Gerechtigkeit legen als Männer.
So werden Frauen mit einem stereotypen weiblichen Führungsstil und stereotypen weiblichen Führungsfähigkeiten in Verbindung gebracht. Darunter wird verstanden, dass Frauen mehr Wert auf Gruppenharmonie legen. Sie erreichen das, indem sie z. B. demokratischer agieren (vgl. Eagly, Karau & Makhijani 1995, S. 137; Eagly, Makhijani & Klonsky 1992, S. 16). Weibliche Führungskräfte legen demnach mehr Wert auf faire Prozesse, indem sie durch ein Mitspracherecht den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, kontrollierend an Entscheidungen mitzuwirken (vgl. Eagly & Johnson 1990, S. 236). Folglich kann auch im Nachbeschwerde-
96
3 Moderatoren
verhalten erwartet werden, dass Frauen einen stärkeren Wert darauf legen, ihre Sichtweise äußern zu können, weil sie so kontrollierend auf den Beschwerdeprozess einwirken können.
Frauen bewerten im Vergleich zu Männern auch den Dienstleistungskontakt eher aus prozessbezogener Sicht (vgl. Major & Deaux 1982, S. 63; Mattila, Grandey & Fisk 2003, S. 140). Für sie steht folglich nicht die Kernleistung, sprich das Ergebnis, im Vordergrund. Im Falle einer Beschwerde kann davon ausgegangen werden, dass zu den prozessbezogenen Elementen der Wiedergutmachung die Schnelligkeit zählt. Frauen ist es im Vergleich zu den Männern also vermutlich wichtiger, dass die Beschwerdebehandlung in einer angemessenen Zeit vollzogen wird (prozedurale Gerechtigkeit).
Zusätzlich zu den sozialen Unterschieden im Führungsstil und im Dienstleistungskontakt existieren in der Gerechtigkeitsforschung weitere Belege, die die stärkere Prozessorientierung von Frauen stützen. So belegen Sweeney & McFarlin (1998, S. 83 ff.) empirisch, dass die prozedurale Gerechtigkeit bei Frauen einen stärkeren Einfluss auf die Loyalität zum Arbeitgeber besitzt als bei Männern. Demgegenüber legen Männer mehr Wert als Frauen auf die distributive Gerechtigkeit. In diesem Zusammenhang berichten auch Hack & Lammers (2000, S. 207) von einer stärkeren Prozessorientierung der Frauen. So nehmen Frauen ein ungerechtes Ergebnis eher an, wenn es durch faire Prozesse gefällt wird, als wenn unfaire Prozesse angewendet werden. Männer folgen nicht dieser Differenzierung. Insgesamt scheinen also Frauen sensibler auf faire Prozesse zu reagieren als Männer.
Aufgrund der vorangegangenen Diskussion wird folgende Hypothese aufgestellt:
H2b: Bei weiblichen Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei männlichen Beschwerdeführern.
3.3.2.3
Interaktionale Gerechtigkeit und Geschlecht
Die interaktionale Gerechtigkeit beschreibt, wie fair Beschwerdeführer den zwischenmenschlichen Umgang zwischen ihnen und einem Unternehmen beurteilen. Dazu gehört, wie höflich, freundlich und respektvoll die Mitarbeiter den Beschwerdeführern begegnen (vgl. Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 264). Es wird davon ausgegangen, dass Frauen mehr Wert
3 Moderatoren
97
auf eine faire Interaktion legen als Männer. Hierfür existieren zwei Gründe, die sich aus den psychologischen und sozialen Unterschieden zwischen Männern und Frauen ergeben.
Aus psychologischer Sicht tendieren Frauen im Unterschied zu Männern stärker dazu, Informationen zu selektieren, aufzunehmen und zu verarbeiten, die in Relation zu anderen Personen stehen (vgl. Iacobucci & Ostrom 1993, S. 281; Meyers-Levy 1989, S. 243). Bei Frauen wird die Wahrnehmung einer Situation daher stärker durch die vorherrschenden Beziehungen geprägt. Folglich kann für den Beschwerdefall davon ausgegangen werden, dass Frauen die Beschwerdebehandlung stärker aus Beziehungssicht bewerten. Dementsprechend wird die interaktionale Gerechtigkeit einen stärkeren Einfluss auf ihr Zufriedenheitsurteil besitzen, als dies bei Männern der Fall ist.
Aus sozialer Sicht wird den Frauen eine stärkere Beziehungsorientierung zugesprochen. Insbesondere in der Werbung werden sie weitaus häufiger als Männer in Relation zu anderen Personen gezeigt. Auch zeugen gesellige Bilder in der Werbung wie Häuslichkeit, Lebensmittelprodukte und eine subjektive Argumentationsstruktur stereotyp vom Beziehungswesen, als welches Frauen nach wie vor gelten (vgl. Eisend 2010, S. 431). Dies wird auch in andere Domänen des täglichen Lebens hineingetragen. So zeichnet sich ein stereotyper weiblicher Führungsstil durch Gruppenharmonie sowie Sorge um das Mitarbeiterwohl aus. Als stereotype weibliche Führungsfähigkeit gilt Kooperationsbereitschaft (vgl. Eagly & Johnson 1990, S. 236; Eagly, Karau & Makhijani 1995, S. 137). Wenn für Frauen im Dienstleistungskontakt weiche Faktoren wie z. B. das Lächeln des Mitarbeiters eine größere Rolle spielen als für Männer (vgl. Mattila, Grandey & Fisk 2003, S. 140), kann man dies als weiteres Indiz für eine tendenziell stärkere Beziehungsorientierung deuten.
Aufgrund der vorangegangenen Diskussion ergibt sich folgende Hypothese:
H2c: Bei weiblichen Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei männlichen Beschwerdeführern.
98
3 Moderatoren
3.4
Fehlerausmaß
3.4.1
Überblick
Das Fehlerausmaß beschreibt, wie schwerwiegend die Kunden den aufgetretenen Fehler wahrnehmen (vgl. Mattila 2001, S. 585). Es spiegelt sozusagen den von den Beschwerdeführern empfundenen Schaden wider (vgl. Gilly & Gelb 1982, S. 326; Hoffman & Kelley 2000, S. 427; Webster & Sundaram 1998, S. 155).
Das Fehlerausmaß kann als Stimulus aufgefasst werden, der auf die Beschwerdeführer einwirkt (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 360). Oft kommt es bei der Wahrnehmung von Stimuli zu Verzerrungen. Sie können durch ein Individuum unter- oder überproportional wahrgenommen werden. Eine unterproportionale Wahrnehmung bedeutet, dass der Reiz als schwächer empfunden wird, als er in der Realität ist. Solch eine Fehlinterpretation entsteht z. B. bei der Einschätzung der Lichtstärke, die meist als geringer wie die tatsächliche Lichtintensität empfunden wird. Eine überproportionale Wahrnehmung bedeutet, dass die empfundene Reizintensität stärker empfunden wird, als sie in Wirklichkeit ist. Solch eine Wahrnehmungsverzerrung tritt bspw. bei dem Gewicht von Objekten auf, die tendenziell schwerer eingeschätzt werden, als sie tatsächlich sind (vgl. Stevens 1957, S. 167). Auch im Beschwerdefall kann– wie nachfolgend dargestellt– das Fehlerausmaß zu einer verzerrten Wahrnehmung führen und die Effektstärke der einzelnen Gerechtigkeitsdimensionen beeinflussen.
3.4.2
Unterbewertung eines hohen Fehlerausmaßes
Die Prospekt-Theorie (vgl. Kahnemann & Tversky 1979, S. 279) geht von einer Unterbewertung großer Stimuli aus. Im Marketing ließ sich dieser Effekt bei der Preiswahrnehmung nachweisen (vgl. Chang & Chiou 2007; Dehaene & Marques 2002). Hier wird, empirisch bestätigt, davon ausgegangen, dass Menschen den Stimulus Preisänderung unterproportional wahrnehmen. Sie reagieren auf die gleiche absolute Preisänderung bei einem niedrigeren Ausgangspreis stärker als bei einem hohen (vgl. Monroe 1973, S. 75). Die Prospekt-Theorie eignet sich für das Nachbeschwerdeverhalten (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 360). Denn sie erlaubt die Trennung zwischen Verlusten und Gewinnen, wie sie im Falle eines Fehlers und dessen Wiedergutmachung entstehen (vgl. Gelbrich & Roschk 2010a). Nach der Prospekt-Theorie (dargestellt in Abb. 16) hängt das individuelle Verhalten vom Wert (w) empfun-
3 Moderatoren
99
dener Verluste (v) und Gewinne (g) ab, die durch eine Entscheidung entstehen. Verluste sind negative und Gewinne positive Abweichungen von einem Referenzpunkt. Der Referenzpunkt bildet einen Anhaltspunkt, der beschreibt, was Menschen tatsächlich verlieren bzw. erhalten oder was sie erwarten einzubüßen bzw. zu gewinnen.
Wert (w) w(g)
Verlust (v)
Gewinn (g) Referenzpunkt
w(v)
Abb. 16: Prospekt Theorie Quelle: Kahnemann & Tversky (1979, S. 279)
Die Unterbewertung großer Stimuli in der Prospekt-Theorie wird grafisch durch die konvexe Verlustfunktion w(v) und die konkave Gewinnfunktion w(g) deutlich. Mit steigendem Verlust bzw. Gewinn sinkt ihr Anstieg. Demnach ist der Wert eines Verlustes bzw. Gewinns von 10 € bei einem Produkt, welches 50 € kostet, größer als bei einem Produkt, dessen Anschaffungspreis bei 1000 € liegt. Die Prospekt-Theorie beschreibt weiterhin die Verlustaversion von Menschen. Verlustaversion meint, dass Menschen Verluste als gravierender empfinden als Gewinne in der gleichen Höhe. Grafisch wird dies an der flachen Gewinnkurve im Vergleich zu der steilen Verlustkurve deutlich.
Die Prospekt-Theorie kann wie folgt auf den Beschwerdefall übertragen werden (vgl. Abb. 17). Der Referenzpunkt ist im Beschwerdefall die fehlerfreie Situation, von der Kunden in der Regel ausgehen (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 360). Hierbei treten keine Verluste (v) oder Gewinne (g) auf, weshalb sie mit einem Wert von 0 % auf der horizontalen Achse dargestellt ist. Gewinne und Verluste entstehen im Beschwerdefall als Saldo von Fehlerausmaß und Wiedergutmachung. Das Gewinnintervall wird an dieser Stelle nicht weiter
100
3 Moderatoren
betrachtet, da Kunden nur in den seltensten Fällen eine Überkompensation erhalten und so nach dem Fehler bessergestellt wären als vorher (vgl. Gelbrich & Roschk 2010a; Hoffmann, Kelley & Davis 1993, S. 439). Die Wertefunktion (w) wird durch die Zufriedenheit mit den Verlusten und Gewinnen beschrieben (vertikale Achse).
Wert (w) / Zufriedenheit
Großer (gr) Fehler (maximaler Verlust)
Kleiner (kl) Fehler Verlust (v)
Gewinn (g) 100 %
0%
wgr (v )
wkl (v )
w(v)
Abb. 17: Konvexe Verlustfunktion im Beschwerdefall
Mit Fehlerauftritt und darauf folgender Beschwerde entsteht eine negative Abweichung von dem ursprünglichen Referenzpunkt der fehlerfreien Situation. Die Beschwerdeführer fallen in das Verlustintervall und sind unzufrieden. Je nach Schweregrad des Fehlers befinden sich die Kunden auf einem Punkt im Verlustintervall. Im Extremfall entsteht ein Verlust von 100 %, d. h. der Schaden ist maximal und die Leistung unbrauchbar. Eine faire Beschwerdebehandlung bewegt die Kunden auf der horizontalen Achse nach rechts zum ursprünglichen Referenzpunkt einer fehlerfreien Situation. Der Anstieg der mittleren Verlustkurve w′(v) , die vom Fehlerpunkt bis zum Referenzpunkt überwunden wird, entspricht der Einflussstärke, die eine faire Unternehmensreaktion auf die Zufriedenheit besitzt.5 Da der Anstieg der mittleren Verlustkurve für kleine Fehler steiler als für große Fehler ist wkl′ (v) > w gr′ (v) , besitzt eine faire
Unternehmensreaktion im Falle einer konvexen Verlustfunktion bei kleinen Fehlern einen stärkeren Einfluss auf die Zufriedenheit als bei großen Fehlern.6 5
6
Die Logik ist analog zum Funktionsverlauf einer Regressionsanalyse, bei der der (standardisierte) Anstieg der Funktionsgeraden die Einflussstärke (ȕ) angibt, mit der eine unabhängige Variable auf die abhängige Variable wirkt. Dies trifft auch für den Fall zu, dass der Referenzpunkt nicht erreicht wird. Denn in diesem Fall wäre sowohl die mittlere Verlustkurve für kleine als auch für große Fehler flacher.
3 Moderatoren
3.4.3
101
Überbewertung eines hohen Fehlerausmaßes
So wie die Prospekt-Theorie von einer Unterbewertung großer Stimuli ausgeht, könnte ebenso vermutet werden, dass große Stimuli überschätzt werden. Von einem umgekehrt S-förmigen Funktionsverlauf (Überschätzung großer Stimuli) geht die Disappointment-Theorie (vgl. Loomes & Sudgen 1986) aus. Diese Annahme ist in der Marketingforschung durchaus gebräuchlich. So unterstellen verschiedene Arbeiten, die den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Loyalität untersuchen, einen umgekehrt S-förmigen Zusammenhang. Demnach wäre die Kundenloyalität am geringsten bzw. am höchsten an den jeweiligen Extrempunkten der Zufriedenheit; dazwischen existiert ein für die Kunden indifferenter Bereich (vgl. Anderson & Mittal 2000, S. 114; Coyne 1989, S. 73; Hennig-Thurau, Klee & Langer 1999, S. 126). Die Disappointment-Theorie ist in Abb. 18 dargestellt.
Emotionsnutzen D(u(xt) - u(xe)) Freude
u(xt) - u(xe)
Enttäuschung
u(xt) = Nutzen des tatsächlichen Resultats u(xe) = Nutzen des erwarteten Resultats
Abb. 18: Disappointment-Theorie Quelle: Loomes & Sudgen (1986, S. 274)
Nach der Disappointment-Theorie hängt das individuelle Verhalten vom Emotionsnutzen einer Entscheidung ab. Der Emotionsnutzen eines Resultats x bestimmt sich daraus, ob der tatsächliche Nutzen u(xt) größer oder kleiner als der erwartete Nutzen u(xe) ist. Bleibt der tatsächliche Nutzen hinter dem erwarteten Nutzen zurück, entsteht Enttäuschung (negativer Emotionsnutzen). Übertrifft der tatsächliche Nutzen den erwarteten Nutzen, empfinden die Kunden Freude (positiver Emotionsnutzen). Für den Emotionsnutzens D(u(xe) – u(xt)) wird ein umgekehrt S-förmiger Verlauf, d. h. konkav im Enttäuschungsintervall und konvex im Freudeintervall, unterstellt. Es liegt hier die Annahme zugrunde, dass die Intensität von Ent-
102
3 Moderatoren
täuschung und Freude in den Extrembereichen zunimmt (vgl. Loomes & Sudgen 1986, S. 274).
Es ist davon auszugehen, dass bei einem Fehler der Nutzen des tatsächlichen hinter dem des erwarteten Resultats zurückbleibt. Dadurch fallen die Kunden zum Fehlerauftritt in das Enttäuschungsintervall. Smith & Bolton (2002, S. 12) zeigen, dass ein Fehler häufig negative Emotionen wie eben Ärger oder Enttäuschung bei den Beschwerdeführern auslöst. Insofern scheint es angemessen, im Beschwerdefall anstelle des S-förmigen Kurvenverlaufs der Prospekt-Theorie auch einen umgekehrt S-förmigen Funktionsverlauf zu unterstellen. Es ergibt sich dann die in Abb. 19 dargestellte Situation.
Wert (w) / Zufriedenheit
Großer (gr) Fehler (maximaler Verlust) Kleiner (kl) Fehler Verlust (v)
Gewinn (g) 100 %
wkl (v )
0%
wgr (v )
w(v)
Abb. 19: Konkave Verlustfunktion im Beschwerdefall
Die ehemals konvexe Kurve des Verlustintervalls besitzt jetzt eine konkave Form (vgl. Abb. 19). Durch einen Fehler fallen die Kunden in das Verlustintervall. Eine faire Beschwerdebehandlung bewegt sie anschließend auf der horizontalen Achse nach rechts auf das Ausgangsniveau. Die Effektstärke ergibt sich wiederum aus dem Anstieg der mittleren Verlustfunktion w′(v) vom Fehler- bis zum Referenzpunkt. Da in diesem Fall die Kurve einen konkaven Verlauf nimmt, ist der Anstieg der mittleren Verlustfunktion bei einem geringfügigen Fehler kleiner als bei einem schwerwiegenden Fehler wkl′ (v) < w gr′ (v) . Demnach wäre der Effekt einer fairen Beschwerdebehandlung auf die Zufriedenheit bei einem geringen Fehler schwächer als bei einem großen. Welche Annahme (konvexe oder konkave Verlustfunktion) im Beschwer-
3 Moderatoren
103
defall die wahrscheinlichere ist, hängt davon ab, welche Gerechtigkeitsdimension betrachtet wird.
3.4.4
Hypothesen
3.4.4.1
Distributive Gerechtigkeit und Fehlerausmaß
In Situationen, in denen Ressourcen verteilt werden, wurde beobachtet, dass Individuen einer Wahrnehmungsverzerrung unterliegen. So empfinden sie z. B. einen eigenen Vorteil als weniger unfair, als wenn dieser Vorteil einem anderen zuteil wird (vgl. Diekmann et al. 1997, S. 1071). Die Wahrnehmungsverzerrung hinsichtlich der Begünstigung der eigenen Person wird als egocentric bias bezeichnet (vgl. Leung, Tong & Ho 2004, S. 405; Ross & Sicoly 1979, S. 323 f.). Insbesondere in Verhandlungssituationen, in denen beide Parteien im Wettbewerb zueinander stehen, zeigen Verhandlungsführer häufig eine übersteigert egozentrische Perspektive. So beanspruchen sie einen Großteil der Ressourcen für sich und empfinden dies als fair (vgl. Bazerman & Neale 1992, S. 19 f.).
Die distributive Gerechtigkeit beschreibt die individuelle Fairness hinsichtlich des Ergebnisses eines Austauschprozesses (vgl. Deutsch 1985, S. 31). Mit Blick auf den egocentric bias wurde gezeigt, dass Menschen bei einer benachteiligenden Behandlung mehr Unwohlsein als bei einer Begünstigung empfinden (vgl. Walster, Walster & Berscheid 1978, S. 139). Auch sehen Individuen Handlungen, die ihr Ergebnis maximieren, als gerechtfertigt an, wohingegen sie das gleiche Verhalten bei anderen Beteiligten als unfair wahrnehmen (vgl. Liebrand, Messick & Wolters 1986, S. 592). Der egocentric bias führt letztlich dazu, dass die eigenen Leistungen im Austauschprozess überschätzt werden.
Weil der egocentric bias Menschen ihre eigenen Leistungen überschätzen lässt, wird für den Ressourcenverlust im Beschwerdefall die Verlustfunktion aus der Disappointment-Theorie (Überbewertung von Stimuli) unterstellt. Die Funktion besitzt einen konkaven Verlauf. Sie fällt also mit zunehmendem Fehlerausmaß immer steiler ab. Der konkave Kurvenverlauf führt dazu, dass Individuen ihren Ressourcenverlust im Beschwerdefall überproportional stark empfinden. Dies gilt umso mehr, je größer das Fehlerausmaß ist. Insgesamt nehmen also Beschwerdeführer den Ressourcenverlust kleiner Fehler als geringfügig wahr, wenngleich sie den Verlust etwas überbewerten. Demgegenüber fallen schwerwiegende Ressourcenverluste
104
3 Moderatoren
umso gravierender ins Gewicht. Folglich werden die Kunden bei kleineren Fehlern weniger Wert auf die distributive Gerechtigkeit legen als bei großen Fehlern. Daraus folgt:
H3a: Bei einem hohen Fehlerausmaß ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der distributiven Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei einem geringen Fehlerausmaß.
3.4.4.2
Prozedurale Gerechtigkeit und Fehlerausmaß
Die prozedurale Gerechtigkeit beschreibt, wie fair die Kunden die Prozesse der Beschwerdebehandlung im Hinblick auf die Schnelligkeit und Kontrolle beurteilen (vgl. Chebat & Slusarczyk 2005, S. 668; Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68). Bei einem Großteil der Beschwerden, die von Kunden geäußert werden, sehen die Kunden die Fehlerursache auf Unternehmensseite (vgl. Richins 1983a, S. 73). Da der Fehler auf Unternehmensseite auftritt, kann in der Regel also auch nur das Unternehmen den Fehler beheben. Im Extremfall (und bei Ausschluss des Rechtsweges) entzieht sich die Wiedergutmachung vollständig dem Einfluss der Kunden. Die Beschwerdeführer streben jedoch nach Kontrolle bei der Beschwerdebehandlung, indem sie bspw. ihre Sicht der Dinge schildern wollen (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68). Auch eine Reaktion der Unternehmen in angemessener Zeit gibt den Kunden die Gewissheit, dass sie beachtet werden. Bei der Beschwerdebehandlung existiert also eine sehr asymmetrische Verteilung der Kontrolle zu Lasten der Konsumenten.
Ein wahrgenommener Kontrollverlust besitzt gravierende Auswirkungen. Dadurch werden Gefühle wie Furcht, Angst und Ärger hervorgerufen (vgl. Hui & Bateson 1991, S. 180). Menschen fällt es schwerer, mit Situationen umzugehen, die sie nicht kontrollieren können (vgl. Staub, Tursky & Schwartz 1971, S. 157). So wird durch einen Kontrollverlust auch die Fähigkeit zur Stressbewältigung reduziert, was das Risiko von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen erhöht (vgl. Rodin 1986, S. 139). Kontrollverlust führt also zu einem Zustand höchsten Unwohlseins.
Weil ein Kontrollverlust derart gravierende Effekte besitzt, wird für den Beschwerdeprozess die Verlustfunktion aus der Disappointment-Theorie (Überbewertung von Stimuli) unterstellt. Die Verlustfunktion besitzt einen konkaven Verlauf: Mit zunehmendem Fehlerausmaß fällt die Funktion immer mehr ab. Der konkave Kurvenverlauf lässt Beschwerdeführer unvorteil-
3 Moderatoren
105
hafte Prozesse bei geringen Fehlern vergleichsweise leicht verkraften. Die Beschwerdeführer legen keinen ungewöhnlich großen Wert auf Kontrolle, da sie selbst bei einem Scheitern der Wiedergutmachung nur in geringem Ausmaß betroffen wären. Im Gegensatz dazu führt der konkave Kurvenverlauf der Disappointment-Theorie dazu, dass unvorteilhafte Prozesse bei schwerwiegenden Fehlern überbewertet werden. Die Beschwerdeführer würden dann also durch die gravierenden Auswirkungen, die ein Kontrollverlust mit sich bringt, überproportional stark nach Kontrolle streben. Aus diesem Grund wird folgende Hypothese aufgestellt:
H3b: Bei einem hohen Fehlerausmaß ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei einem geringen Fehlerausmaß.
3.4.4.3
Interaktionale Gerechtigkeit und Fehlerausmaß
Eine faire Interaktion zeichnet sich durch Respekt, Freundlichkeit und Interesse gegenüber den Kunden aus (vgl. Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 264). Sowohl die distributive als auch die prozedurale Gerechtigkeit besitzen einen klaren Ergebnisfokus dergestalt, dass entweder das Ergebnis oder die Prozesse, die zu dem Ergebnis führen, als fair bewertet werden. Im Gegensatz dazu ist die interaktionale Gerechtigkeit vom Ergebnis losgelöst (vgl. Greenberg 1993, S. 80).
Für die Interaktion im Beschwerdefall wird angenommen, dass die Kunden eine Verlustfunktion analog der Prospekt-Theorie besitzen. Solch eine Verlustfunktion hat einen konvexen Verlauf: Sie ist steil bei kleinen Fehlern und flach bei schwerwiegenden Fehlern. Demnach wäre der Effekt der interaktionalen Gerechtigkeit auf die Zufriedenheit bei einem geringen Fehler stärker als bei einem schwerwiegenden. Bei kleinen Fehlern rückt vermutlich das Ergebnis der Beschwerde eher in den Hintergrund, da eine fehlgeschlagene Wiedergutmachung keine große Auswirkung besitzt (vgl. Garrett 1999, S. 32). Menschen achten womöglich dann mehr auf die Interaktion mit dem Mitarbeiter. So nehmen Kunden im Dienstleistungskontakt sehr subtile Facetten wie die Ehrlichkeit eines Lächelns durch den Unternehmensmitarbeiter wahr. Ein ernst gemeintes Lächeln führt zu höheren Zufriedenheitswerten als ein oberflächliches Lächeln (vgl. Hennig-Thurau et al. 2006, S. 68). Es können also bereits Kleinigkeiten im zwischenmenschlichen Umgang dazu führen, dass die Beschwerdeführer unzufrieden mit der Beschwerdebehandlung werden.
106
3 Moderatoren
Demgegenüber wird aufgrund des konvexen Kurvenverlaufs aus der Prospekt-Theorie die interaktionale Gerechtigkeit bei einem hohen Fehlerausmaß (flacher Kurvenverlauf) eine eher untergeordnete Rolle spielen. Denn die Beschwerdeführer sind vermutlich vorrangig daran interessiert, ihren Verlust wieder auszugleichen. Die starke Ergebnisorientierung der Beschwerdeführer zeigt sich nicht zuletzt daran, dass selbst eine Kompensation über die Schadenshöhe hinaus noch einen positiven Einfluss auf die Nachbeschwerdezufriedenheit besitzt (vgl. Gelbrich & Roschk 2010a). Zudem überschattet der Ärger, der durch einen großen Fehler entsteht, den Wunsch nach einer überaus freundlichen Kommunikation. So zeigen Smith & Bolton (2002, S. 15), dass bei emotional negativ belasteten Wiedergutmachungsversuchen die interaktionale Gerechtigkeit einen geringeren Einfluss hat als bei emotionsneutralen Beschwerdesituationen. Folglich dürfte bei schwerwiegenden Fehlern eine freundliche und respektvolle Interaktion weniger als bei geringfügigen Fehlern vermisst werden:
H3c: Bei einem hohen Fehlerausmaß ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei einem geringen Fehlerausmaß.
3.5
Fehlertyp
3.5.1
Überblick
Der Fehlertyp beschreibt, ob ein Ergebnis- (beeinträchtigte Kernleistung: lauwarme Speise) oder Prozessfehler (ungenügende Art und Weise der Leistungserbringung: unfreundliche Bedienung) vorliegt. Abhängig von dem Fehlertyp erfahren Kunden unterschiedliche Ressourcenverluste. So gehen mit Ergebnisfehlern häufig materielle Verluste wie z. B. Geld und mit Prozessfehlern häufig soziale Verluste wie z. B. Respekt und Wertschätzung einher (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358).
Durch den Austausch ungleicher Ressourcen kann Ungerechtigkeit entstehen. Foa & Foa (1980, S. 84) argumentieren, dass z. B. Liebe nicht mit Geld erkauft werden kann. Solch ein Tauschhandel verletzt die Selbstachtung, desjenigen der Zuwendung spendet. Infolgedessen wird derjenige, der Geld im Austausch anbietet, eine arglistige Liebe und somit weniger Wert für sein Geld erhalten. Menschen empfinden es also womöglich als unfair, wenn die soziale Ressource Liebe mit der monetären Ressource Geld aufgewogen wird.
3 Moderatoren
107
Wenn Menschen ein Gerechtigkeitsurteil bilden, berücksichtigen sie dabei also auch, ob die ausgetauschten Ressourcentypen einander entsprechen (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 368). In den folgenden Kapiteln werden zunächst die theoretischen Grundlagen zum Ressourcenaustausch (vgl. Kap. 3.5.2) vermittelt. Darauf aufbauend werden die Hypothesen zum Fehlertyp hergleitet (vgl. Kap. 3.5.3).
3.5.2
Resource-Exchange-Theorie
Individuen bevorzugen den Austausch gleicher oder ähnlicher Ressourcen (vgl. Brinberg & Wood 1983, S. 335). Foa & Foa (1974, S. 80 ff.) entwickelten eine Resource-ExchangeTheorie, welche aus psychologischer Sicht versucht, die austauschbaren Ressourcen zu kategorisieren und ihre zugrunde liegende Struktur zu beschreiben. Unter Ressourcen werden all jene Dinge verstanden, die von einer Person auf eine andere übertragen werden können (vgl. Foa & Foa 1976, S. 101). Es wird zwischen sechs Ressourcenkategorien unterschieden (vgl. Donnenworth & Foa 1974, S. 786).7 •
Zuwendung – ein Ausdruck herzlicher, liebevoller Aufmerksamkeit, Zuneigung oder Behaglichkeit;
•
Status– ein Werturteil über ein hohes oder niedriges Prestige, Ansehen oder Achtung;
•
Informationen– jede Form eines Ratschlages, einer Anweisung, Meinung oder Auskunft;
•
Geld– ein geldlicher oder geldwerter Gegenstand, der einen Austauschwert besitzt;
•
Güter– Produkte oder Objekte jedweder Art;
•
Dienstleistungen – Aktivitäten an der Person oder Tätigkeiten, die personenbezogen verrichtet werden.
Die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit der Ressourcen lässt sich anhand von zwei Dimensionen messen. Die erste Dimension Partikularismus beschreibt, inwiefern die überlassene Ressource durch die am Austausch beteiligten Personen beeinflusst wird. Dabei wird zwischen zwei Ausprägungen unterschieden. Ressourcen sind entweder stark personengebunden, d. h. partikulär (z. B. Zuwendung), oder losgelöst von den Individuen, d. h. universell (z. B. Geld). Die zweite Dimension Konkretheit beschreibt Form oder Typus, in der die Ressourcen ihren charakteristischen Ausdruck finden. Ressourcen sind in diesem Sinne entweder abstrakt, d. h.
7
Das Konzept Zeit wird als Faktor angesehen, der andere Ressourcen beeinflussen kann (z. B. als Knappheitsgrad). An sich wird Zeit jedoch nicht als Ressource verstanden, da Zeit nicht von einer Person auf eine andere übertragen werden kann (vgl. Brinberg & Wood 1983, S. 330).
108
3 Moderatoren
wenig gegenständlich (z. B. Informationen), oder sehr konkret, d. h. greifbar (z. B. Güter) (vgl. Foa & Foa 1974, S. 80 ff.).
Verschiedene Autoren (vgl. Brinberg & Castell 1982, S. 267; Turner, Foa & Foa 1971, S. 176) belegen allgemein und Brinberg & Wood (1983, S. 333) speziell für den Marketingkontext empirisch, dass Menschen die Ressourcen entlang beider Dimensionen Partikularismus und Konkretheit differenzieren. Daraus ergibt sich folgende Ordnung im zweidimensionalen Raum (vgl. Abb. 20):
partikulär Zuwendung
1,0 Status 0,5
Informationen konkret
abstrakt -1,0
-0,5
0,5
1,0
Güter -0,5 Geld Dienstleistungen -1,0 universell Abb. 20: Ressourcenkategorien im zweidimensionalen Raum Quelle: auf Basis von Brinberg & Wood (1983, S. 333)
Als sehr partikulär werden die Ressourcen Zuwendung und Status wahrgenommen. Informationen und Güter sind auf dieser Dimension vergleichsweise neutral, und als universell werden Geld und Dienstleistungen eingestuft. Güter stellen sehr greifbare Ressourcen dar. Zuwendung, Geld und Dienstleistungen streuen um den neutralen Mittelpunkt dieser Dimension. Informationen stellen abstrakte Ressourcen dar. Status kann als konkrete sowie wenig gegenständliche Ressource aufgefasst werden. Diese Anordnung der Ressourcen widerspricht in
3 Moderatoren
109
zwei Punkten der Anordnung, die laut Theorie zu erwarten gewesen wäre. Dienstleistungen würden demnach einen stärkeren partikulären Charakter tragen und Status wäre eine rein abstrakte Ressource.
Insgesamt zeigt sich jedoch, dass Menschen unterschiedliche Ressourcen stark differenzieren und als unterschiedlich empfinden. So stellen Zuwendung und Geld auf der Partikularismusdimension zwei völlig gegensätzliche Ressourcen dar. Brinberg & Wood (1983, S. 335) bestätigen weiter die Kernaussage der Theorie, wonach Personen danach streben, gleiche oder ähnliche Ressourcen auszutauschen.
Resource-Exchange-Prinzipien werden auch in anderen Bereichen der Forschung erfolgreich angewendet und diskutiert. So begründen Rosenbaum & Massiah (2007, S. 258), warum Kunden, denen von anderen Kunden im Ladengeschäft geholfen wird, dieses damit vergelten, dass sie dem Unternehmen gegenüber kooperativ eingestellt sind und es bspw. weiterempfehlen. Auch in der Organisationsforschung werden Resource-Exchange-Prinzipien diskutiert, um besser auf Kundenbedürfnisse eingehen zu können (vgl. Griesinger 1990, S. 482 f.)
3.5.3
Hypothesen
Im Hinblick auf die Resource-Exchange-Theorie geht mit dem Fehler ein Ressourcenverlust einher. Dieser kann unterschiedliche Kategorien umfassen. So ist bspw. das Produkt fehlerbehaftet (Kategorie: Güter) oder der Kunde wird unfreundlich behandelt (Kategorie: Zuwendung). Laut Theorie differenzieren Menschen zwischen den unterschiedlichen Ressourcenverlusten. So nehmen sie den Produktfehler als eine universelle Ressource wahr, wohingegen die Unfreundlichkeit des Personals stark partikulär, d. h. auf sich selbst bezogen empfunden wird (vgl. Brinberg & Wood 1983, S. 335; Foa & Foa 1974, S. 82). Deshalb werden Kunden eine Wiedergutmachung mit den gleichen oder ähnlichen Ressourcen präferieren, die ihnen durch den Fehler entzogen wurden (Ressourcenkongruenz): Der Produktfehler wird ausgebessert bzw. ersetzt (Güter) und die unfreundliche Bedienung entschuldigt sich höflich (Zuwendung).
Bei einem Fehler geht in der Regel ein Bündel an Ressourcen verloren. Abhängig vom Fehlertyp stehen jedoch unterschiedliche Ressourcenverluste im Vordergrund, wodurch die relative Wichtigkeit einzelner Gerechtigkeitsdimensionen variiert. Ein Ergebnisfehler führt zu einer beeinträchtigten oder defekten Kernleistung (z. B. kaltes Steak, überbuchter Flug). So-
110
3 Moderatoren
mit erfüllt das Produkt oder die Dienstleistung den vorbestimmten Zweck nicht ordnungsgemäß (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358). Die Beurteilung eines Ergebnisfehlers wird aufgrund der bevorzugten Ressourcenkongruenz vorrangig durch die distributive Gerechtigkeit geprägt sein. Denn sie umfasst gerade, als wie fair die Beschwerdeführer die Ressourcenallokation des Wiedergutmachungsversuchs empfinden (vgl. Deutsch 1985, S. 34). Dazu zählt, ob das Produkt umgetauscht, die Dienstleistung ausgebessert oder eine finanzielle bzw. geldwerte Entschädigung gegeben wird (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 68). Deshalb wird folgende Hypothese aufgestellt:
H4a: Bei einem Ergebnisfehler ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der distributiven Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei Prozessfehlern.
Ein Prozessfehler führt dazu, dass die Art und Weise der Leistungserbringung nicht dem gewünschten Standard entspricht. Der dadurch hervorgerufene Ressourcenverlust betrifft folglich weniger die Kernleistung als vielmehr periphere Leistungselemente (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358). So verspätet sich der Flug, das reparierte Auto steht nicht zu dem gewünschten Zeitpunkt bereit (vgl. McCollough, Berry & Yadav 2000, S. 126; Webster & Sundaram 1998, S. 155) oder die Bedienung behandelt den Gast unfreundlich (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 192). Die Beschwerdeführer beurteilen die Wiedergutmachung dann wiederum aufgrund der angestrebten Ressourcenkongruenz vorrangig anhand der prozeduralen und interaktionalen Gerechtigkeit. Denn ein als fair empfundener Prozess läuft in angemessener Zeit ab und eine faire Interaktion zeichnet sich durch Respekt und Freundlichkeit aus (vgl. Bies & Moag 1986, S. 47 ff.; Leventhal 1980, S. 35).
Aus den vorangegangenen Überlegungen ergeben sich folgende Hypothesen:
H4b: Bei einem Ergebnisfehler ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei Prozessfehlern.
H4c: Bei einem Ergebnisfehler ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei Prozessfehlern.
3 Moderatoren
3.6
111
Zusammenfassung der Hypothesen
Abb. 21 fasst die aufgestellten Hypothesen zusammen.
Hypothese Alter
H1a
Distributive Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei älteren Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der distributiven Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei jüngeren Beschwerdeführern.
H1b
Prozedurale Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei älteren Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei jüngeren Beschwerdeführern.
H1c
Interaktionale Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei älteren Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei jüngeren Beschwerdeführern.
H2a
Distributive Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei weiblichen Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei männlichen Beschwerdeführern.
H2b
Prozedurale Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei weiblichen Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei männlichen Beschwerdeführern.
H2c
Interaktionale Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei weiblichen Beschwerdeführern ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei männlichen Beschwerdeführern.
H3a
Distributive Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei einem hohen Fehlerausmaß ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der distributiven Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei einem geringen Fehlerausmaß.
H3b
Prozedurale Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei einem hohen Fehlerausmaß ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei einem geringen Fehlerausmaß..
H3c
Interaktionale Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei einem hohen Fehlerausmaß ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei einem geringen Fehler.
H4a
Distributive Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei einem Ergebnisfehler ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der distributiven Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit stärker als bei Prozessfehlern.
H4b
Prozedurale Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei einem Ergebnisfehler ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der prozeduralen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei Prozessfehlern.
H4c
Interaktionale Gerechtigkeit
Transaktionsspezifische Zufriedenheit
Bei einem Ergebnisfehler ist die positive Wirkungsbeziehung zwischen der interaktionalen Gerechtigkeit und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit schwächer als bei Prozessfehlern.
a)
Geschlecht
Fehlerausmaß
Fehlertypb)
positive Wirkungsbeziehung zwischen der unabhängigen Variablen und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit a) Richtung: Frauen = 1, Männer = 0 b) Richtung: Ergebnisfehler = 1, Prozessfehler = 0
Abb. 21: Zusammenfassung der Hypothesen
4
Empirische Untersuchung
4.1
Theoretische Einführung in Strukturgleichungsmodelle
4.1.1
Prinzip
4.1.1.1
Einführung und Vorteile
Das Untersuchungsmodell unterstellt Kausalbeziehungen zwischen nicht direkt beobachtbaren Phänomenen (z. B. distributive Gerechtigkeit), die durch verschiedene Indikatoren gemessen werden. Nicht beobachtbare Phänomene werden in der sozialwissenschaftlichen Literatur üblicherweise als Konstrukte bezeichnet (vgl. Iacobucci 1996, S. 279 ff.). Für die Überprüfung der Hypothesen, die Beziehungen zwischen Konstrukten unterstellen, bieten sich so genannte Strukturgleichungsmodelle an, die auch als Kausalanalyse bezeichnet werden (vgl. Bagozzi & Baumgartner 1996, S. 387 ff.; Homburg & Baumgartner 1995b, S. 1091 ff.). Strukturgleichungsmodelle lassen sich durch verschiedene Softwarelösungen berechnen. Hierzu zählen LISREL (vgl. Jöreskog & Sörbom 2006), AMOS (vgl. Arbuckle 2006), EQS (vgl. Bentler 1995), EZPath (vgl. Steiger 1989). Im Rahmen dieser Arbeit wird das in der Forschungspraxis häufig genutzte AMOS (Version 16.0) verwendet (vgl. Coulter 2009, S. 149; Kline 1998a, S. 344).
Strukturgleichungsmodelle sind ein in der Forschung beliebtes Verfahren, das auch in Bezug auf das Nachbeschwerdeverhalten eingesetzt wird. Diese Modelle kommen häufig dann zur Anwendung, wenn es darum geht, komplexe Abhängigkeitsbeziehungen in Form einer Kausalkette mit mehreren unabhängigen und abhängigen Variablen wie im vorliegenden Untersuchungsdesign zu prüfen (z. B. DeWitt, Nguyen & Marshall 2008, S. 273; Geyskens, Steenkamp & Kumar 1999, S. 229; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 244). Sie bieten gegenüber einer Regressionsanalyse drei für die Arbeit relevante Vorteile: •
Strukturgleichungsmodelle heben die bei der Regressionsanalyse strenge Forderung nach Unabhängigkeit der Regressoren (Multikollinearität) auf (vgl. Grewal, Cote & Baumgartner 2004, S. 524; Maruyama 1998, S. 21 ff.). Damit erlauben sie, den bei den Gerechtigkeitsdimensionen zu erwartenden Interdependenzen (Korrelationen) Rechnung zu tragen. Ferner berücksichtigen sie explizit Messfehler, während Regressionsanalysen davon ausgehen, dass die Variablen ohne Fehler gemessen werden. Als Konsequenz daraus gelten
H. Roschk, Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung, DOI 10.1007/978-3-8349-6222-5_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
114
4 Empirische Untersuchung
Strukturgleichungsmodelle gegenüber Regressionsanalysen als die präziseren Verfahren (vgl. Bagozzi 1996, S. 365). •
Strukturgleichungsmodelle prüfen das gesamte Beziehungsgeflecht gleichzeitig. Dadurch kann in einem Zug die Wirkung eines Moderators auf sämtliche Beziehungen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit getestet werden (vgl. Kap. 4.2.3.2).
•
Indem das gesamte Modell geprüft wird, erlauben Strukturgleichungsmodelle eine Beurteilung der nomologischen Validität. Konstrukte sind nomologisch valide, wenn sie sich in ein Netzwerk anderer Konstrukte einbetten, mit denen sie in einem theoretischen Zusammenhang stehen (vgl. Kap. 4.1.2.1).
4.1.1.2
Aufbau in Mess- und Strukturmodell
Abb. 22 stellt beispielhaft ein Strukturgleichungsmodell dar. Vereinfacht ausgedrückt bilden Strukturgleichungsmodelle eine Kombination aus Faktoren- (Messmodell) und Regressionsanalysen (Strukturmodell).
Messmodell der latent exogenen Variablen
δ1
x1
λ11
δ2
x2
λ21
ξ1
γ11
ε1
ε2
ε3
ε4
y1
y2
y3
y4
λ11
λ21
λ32
λ42
φ21 δ3
x3
δ4
x4
λ32 ξ2
η1
β21
γ12 ζ1
λ42
η2 ζ2
Messmodell der latent endogenen Variablen Strukturmodell
Abb. 22: Schematischer Aufbau eines Strukturgleichungsmodells Quelle: Gelbrich (2007, S. 157)
Die nicht beobachtbaren Konstrukte entsprechen Faktoren und heißen latente Variablen. Gemessen werden sie mit Hilfe von Indikatoren (x, y). Die Indikatoren werden direkt beobachtet
4 Empirische Untersuchung
115
bzw. gemessen, d. h. sie sind manifest. Die unabhängigen Variablen sind vergleichbar mit den Prädiktoren einer Regressionsanalyse und heißen latent exogene Variablen. In Abb. 22 werden sie durch ein Ksi (ȟ) repräsentiert. Die abhängigen Variablen ähneln den Kriteriumsvariablen einer Regressionsanalyse und werden im Modell erklärt. Sie werden latent endogene Variablen genannt und durch ein Eta (Ș) gekennzeichnet. Delta (į), Epsilon (İ) und Zeta (ȗ) bezeichnen die Fehlerterme der Indikatoren sowie der latent endogenen Variablen (vgl. Backhaus et al. 2006, S. 338 ff.; Homburg & Baumgartner 1995a, S. 163 f.).
Neben den Fehlertermen und den Varianzen für die latenten Variablen gilt es, eine Reihe weiterer Parameter zu schätzen: •
Lambda (Ȝ) bezeichnet die Faktorladungen der Indikatorvariablen auf die latente Variable.
•
Phi (ij) stellt die Kovarianz zwischen latenten exogenen Variablen dar. Mit ihrer Hilfe
Sie werden im Rahmen des Messmodells geschätzt.
können Korrelationen zwischen den unabhängigen Variablen modelliert werden. •
Gamma (Ȗ) und Beta (ȕ) bezeichnen die Pfadkoeffizienten zwischen den latenten Variablen und sind vergleichbar mit den Regressionskoeffizienten. Erstere geben den Zusammenhang zwischen latent exogenen und latent endogenen Variablen an, wohingegen letztere die Beziehungen zwischen latent endogenen Variablen kennzeichnen. Sie werden im Rahmen des Strukturmodells geschätzt (vgl. Bagozzi 1996, S. 390).
Tab. 31 (siehe Anhang) fasst die Kennzeichnung und die zugehörigen Modellelemente zusammen. Das Prinzip der Modellschätzung besteht vereinfacht darin, die Modellparameter so zu schätzen, dass die empirisch beobachtete Varianz-Kovarianz-matrix, die sich aus den erhobenen Indikatoren ergibt, möglichst gut durch das aufgestellte Modell reproduziert werden kann. Es wird also versucht, die Diskrepanz zwischen der modelltheoretischen und der empirischen Varianz-Kovarianz-Matrix zu minimieren (vgl. Homburg & Baumgartner 1995a, S. 163). Aus diesem Grund trägt die Analyse auch den Namen Kovarianzstrukturanalyse (vgl. Backhaus et al. 2006, S. 348 ff.). Aufgrund der Komplexität der Modelle und der Vielfalt der geschätzten Parameter existiert eine Reihe von Gütekriterien, die sich lokal auf das Mess- und das Strukturmodell beziehen oder die globale Güte des Strukturgleichungsmodells erfassen.
116
4 Empirische Untersuchung
4.1.2
Lokale Güte des Messmodells
4.1.2.1
Validitätskonzepte
Bei der Anwendung von Strukturgleichungsmodellen muss die Validität der verwendeten Indikatoren, sprich des Messmodells, sichergestellt werden. Unter Validität ist die Gültigkeit einer Messung zu verstehen (vgl. Neibecker 2001, S. 1717). Das Messmodell muss vier Validitätskonzepten genügen: Inhaltsvalidität, Kriteriumsvalidität, Diskriminanzvalidität und nomologische Validität (vgl. Abb. 23). Zusammen bilden sie die Konstruktvalidität. Es handelt sich dabei um das Ausmaß, mit dem eine Skala (Indikatorbatterie) das Konzept misst, welches es vorgibt zu messen (vgl. Cook & Campbell 1979, S. 64).
Konstruktvalidität
Inhaltsvalidität
Konvergenzvalidität
Diskriminanzvalidität
Nomologische Validität
Fornell-LarckerKriterium χ²-Differenzentest
Struktur des Untersuchungsmodells bestätigt sich
Theorie
Indikator
Etablierte Skalen verwenden
Cronbach’s α Indikatorreliabilität Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
Abb. 23: Konstruktvalidität Quelle: Gelbrich (2007, S. 175), modifiziert
Nach der Inhaltsvalidität müssen die verwendeten Indikatoren, welche ein Konstrukt messen, inhaltlich logisch, plausibel und angemessen sein. Modellbestandteile sollten dementsprechend theoriegeleitet operationalisiert werden und nicht auf ad hoc zusammengestellte Indikatoren zurückgreifen. Insofern ist anzuraten, dass etablierte Skalen genutzt werden, welche die betrachteten Konstrukte messen (vgl. Neibecker 2001, S. 1717 f.).
4 Empirische Untersuchung
117
Konvergenzvalidität fordert, dass die Indikatoren eine hohe Faktorladung mit der zu messenden latenten Variable aufweisen. Sie wird deshalb auch als Unidimensionalität bezeichnet. In anderen Worten weisen die Indikatoren eine hohe Korrelation miteinander auf. Die Konvergenzvalidität gibt somit Auskunft über die interne Konsistenz einer Skala (vgl. Gerbing & Anderson 1988, S. 186; Homburg & Giering 1996, S. 7). Die interne Konsistenz einer Skala wird üblicherweise durch eine Reliabilitätskennzahl wie das Cronbach’s Į gemessen (vgl. Cronbach 1951). Dabei ist zu beachten, dass Cronbach’s Į mit steigender Indikatorzahl ebenfalls zunimmt. Wird folglich einem Konstrukt eine unidimensionale Struktur unterstellt und mittels vieler Indikatoren gemessen (z. B. Loyalität), kann es eine hohe Reliabilität aufweisen, obwohl es nicht unidimensional ist, weil die jeweiligen Indikatoren z. B. in zwei Dimensionen (Wiederkaufabsicht oder positive Mundpropaganda) zerfallen würden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, mehrere Reliabilitätskennzahlen zur Messung der internen Konsistenz zu verwenden und Konstrukte mit einer angemessenen Anzahl an Indikatoren zu operationalisieren (vgl. Gerbing & Anderson 1988, S. 190). Im Falle eines Strukturgleichungsmodells werden neben Cronbach’s Į die Faktorreliabilität, die Indikatorreliabilität und die durchschnittlich erfasste Varianz als Gütekriterien genutzt, um die Konvergenzvalidität zu erfassen (vgl. Bagozzi & Baumgartner 1996, S. 402; Homburg & Fürst 2005, S. 109).
Nach der Diskriminanzvalidität dürfen die Indikatoren nur auf das zu messende Konstrukt und nicht auf andere Konstrukte laden. Sie beschreibt also das Ausmaß, mit dem sich die Messung verschiedener Konstrukte voneinander unterscheiden, und lässt sich treffend mit den Worten umschreiben „Hat ein Konstrukt mit den ihm zugeordneten Indikatoren mehr gemeinsam als mit den anderen Indikatoren?“ (vgl. Bagozzi & Phillips 1982, S. 469). Um die Diskriminanzvalidität zu prüfen, wird in der Regel das Fornell-Larcker-Kriterium verwendet. Demnach müssen die Indikatoren, die einem Konstrukt zugeordnet sind, stärker untereinander korrelieren als mit den Indikatoren der jeweils anderen Konstrukte (vgl. Fornell & Larcker 1981, S. 46). Ein weniger strenges Kriterium kann mit dem Ȥ²-Differenzentest untersucht werden, wonach gefordert wird, dass die Konstrukte mit einem Wert signifikant kleiner 1 korrelieren, d.h. die Konstrukte unterscheiden sich voneinander (vgl. Homburg & Giering 1996, S. 11).
Nomologische Validität des Messmodells liegt vor, wenn sich ein Konstrukt in ein Netzwerk anderer Konstrukte einbettet, mit denen es in einem theoretischen Zusammenhang steht. Hierfür können so genannte Außenkriterien erhoben werden. Sie dienen als Referenzpunkt, mit dem die betrachteten Konstrukte in einem theoretischen Zusammenhang stehen (vgl. Gerbing
118
4 Empirische Untersuchung
& Anderson 1988, S. 186). Übertragen auf den vorliegenden Analysefall stellen Wiederkauf und positive Mundpropaganda zwei Außenkriterien für die transaktionsspezifische Zufriedenheit dar. Nomologische Validität liegt vor, wenn die Struktur des Untersuchungsmodells bestätigt werden kann. Im vorliegenden Analysefall würde sie sich in einem bestätigten Beziehungsgeflecht zeigen, wonach die Gerechtigkeitsdimensionen positiv auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit wirken, und diese wiederum den Wiederkauf und die positive Mundpropaganda fördert. Nomologische Validität stellt zwar eine Anforderung an das Messmodell dar, wird aber aufgrund der strukturellen Verflechtung mit anderen Modellelementen im Rahmen der lokalen Güte des Strukturmodells geprüft.
4.1.2.2
Reliabilitätsmaße
Die Konvergenzvalidität jedes Konstrukts lässt sich anhand des Cronbach’s Į, der Indikatorreliabilität, der Faktorreliabilität (FR) und der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) prüfen. Cronbach’s Į misst die durchschnittliche Inter-Item-Korrelation. Es wird also der Durchschnitt über die Korrelationen aller Indikatorenpaare eines Konstruktes ermittelt. Die Berechnung ist vereinfacht in Formel 3 dargestellt (vgl. Gerbing & Anderson 1988, S. 190). Cronbach’s Į liegt zwischen 0 und 1. Als Faustregel hat sich ein Schwellwert von 0,7 etabliert, über dem Į liegen sollte (vgl. Nunnally 1978, S. 245). Zuweilen werden in der Forschungsliteratur auch kleinere Werte (> 0,6) beobachtet (vgl. Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 143; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 268).
Cronbach’s α =
p(r ) 1 + ( p - 1)r
(3)
p ... Anzahl der Indikatoren r ... Durchschnittliche Korrelation zwischen den Indikatoren
Die Indikatorreliabilität (IR) prüft, ob jede latente Variable die ihr zugeordneten Indikatoren hinreichend gut abbildet. Die Indikatorreliabilität gibt also den Varianzanteil des Indikators an, der durch das zugrunde liegende Konstrukte erklärt wird. Die Maßzahl ist auf das Intervall [0, 1] normiert. Für die Indikatoren wird häufig ein Wert von mindestens 0,4 gefordert. Ihre Berechnung ist in Formel 4 dargestellt (vgl. Bagozzi & Baumgartner 1996, S. 402; Homburg & Baumgartner 1995a, S. 170).
4 Empirische Untersuchung
IR(xi) =
l ij2 f jj
119
(4)
l ij2 f jj + q ii
λij ... geschätzte Faktorladung fjj ... geschätzte Varianz der latenten Variablen θii ... geschätzte Varianz des zugehörigen Messfehlers
Die Faktorreliabilität gibt Auskunft darüber, wie gut die Indikatoren in Summe die latente Variable, welche auch als Faktor bezeichnet wird, messen. Im Englischen wird sie als Composite Reliability oder Construct Reliability bezeichnet. Die Faktorreliabilität liegt zwischen 0 und 1, wobei Werte größer 0,6 gefordert werden. Sie berechnet sich für jede einzelne latente Variable mit den ihr zugeordneten Indikatoren nach Formel 5 wie folgt (vgl. Bagozzi & Baumgartner 1996, S. 402; Homburg & Baumgartner 1995a, S. 170):
2
æ ö ç å l ij2 ÷ f jj i è ø FR(ξj) = 2 æ 2 ö ç å l ij ÷ f jj + å q ii i è i ø
(5)
λij ... geschätzte Faktorladung fjj ... geschätzte Varianz der latenten Variablen θii ... geschätzte Varianz des zugehörigen Messfehlers
Als abschließendes Gütemaß wird die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV), im Englischen als Average Variance Extracted bezeichnet, verwendet. Sie gibt Auskunft darüber, wie viel durchschnittliche Varianz das Konstrukt an seinen Indikatoren erklärt (vgl. Fornell & Larcker 1981, S. 46). Ihre Berechnung ist in Formel 6 dargestellt (vgl. Homburg & Baumgartner 1995a, S. 170). Die Maßzahl kann wiederum Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei sie mindestens 0,5 betragen sollte (vgl. Bagozzi & Yi 1988, S. 80).
120
4 Empirische Untersuchung
ål f 2 ij
DEV(ξj) =
i 2 ij
ål f i
jj
jj
(6)
+ å q ii i
λij ... geschätzte Faktorladung fjj ... geschätzte Varianz der latenten Variablen θii ... geschätzte Varianz des zugehörigen Messfehlers
4.1.2.3
Fornell-Larcker-Kriterium und Ȥ²-Differenzentest
Diskriminanzvalidität nach dem Fornell-Larcker-Kriterium liegt vor, wenn die durchschnittlich erfasste Varianz eines Konstrukts größer ist als die quadrierte Korrelation mit allen anderen Konstrukten. Das Kriterium wird durch Formel 7 beschrieben und ist erfüllt, wenn der Formelausdruck größer 1 ist. Das Fornell-Larcker-Kriterium wird in der Regel dem Ȥ²Differenzentest vorgezogen, da es ein strengeres Kriterium darstellt (vgl. Homburg & Giering 1996, S. 11). Der Ȥ²-Differenzentest prüft, ob die Korrelation zwischen zwei Konstrukten im Messmodell signifikant kleiner 1 ist, um so nachzuweisen, dass sich beide Konstrukte voneinander unterscheiden und somit Diskriminanzvalidität vorliegt (vgl. Bagozzi 1996, S. 330; Bagozzi & Yi 1988, S. 78). Der Ȥ²-Differenzentest kann für verschiedene Fragestellungen im Rahmen der Strukturgleichungsmodelle eingesetzt werden und ist ausführlich in Kap. 4.2.3.2 beschrieben.
Fornell-Larcker-Kriterium:
DEV
jij2
>1
(7)
j ij ... Korrelation der latenten Variable i mit der latenten Variable j
4.1.3
Lokale Gütekriterien des Strukturmodells
4.1.3.1
Bestätigtes Beziehungsgeflecht
Die nomologische Validität kann erfasst werden, indem sich die unterstellten Beziehungen zwischen den latenten Variablen bestätigen. Bestätigt werden die unterstellten Wirkungsbeziehungen, wenn sie nicht zufällig auftreten und in die vorhergesagte Richtung weisen. Deshalb wird für jeden Pfadkoeffizienten zwischen zwei latenten Variablen die Nullhypothese
4 Empirische Untersuchung
121
getestet, dass dieser null entspricht (vgl. Arbuckle 2006, S. 34). Ein Pfadkoeffizient mit dem Wert Null besagt, dass kein Einfluss zwischen den latenten Variablen besteht. Wird die Nullhypothese mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p 0,05 verworfen, ist der Nachweis erbracht, dass die Wirkungsbeziehung nicht zufällig auftritt.
Vielfach besteht der Untersuchungsgegenstand gerade darin, Wirkungsbeziehungen zwischen einzelnen Konstrukten nachzuweisen, wodurch eine nicht gewollte Interdependenz zwischen Güte und Ergebnissen entsteht. Das Modell wäre also dann als nomologisch valide zu beurteilen, wenn die Ergebnisse den Vorhersagen entsprechen. Im vorliegenden Fall besteht dieses Problem jedoch nicht, da das Interesse darin besteht, Moderationseffekte auf ein etabliertes Beziehungsgeflecht zu untersuchen und nicht das Beziehungsgeflecht um weitere Konstrukte zu erweitern. Die Konstrukte wären folglich dann als nomologisch valide zu beurteilen, wenn statistisch gesicherte positive Wirkungsbeziehungen von den Gerechtigkeitsdimensionen auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit sowie von der transaktionsspezifischen Zufriedenheit auf die Verhaltensabsichten bestehen.
4.1.3.2
Quadrierte multiple Korrelation
Die quadrierte multiple Korrelation (QMK) der latent endogenen Variablen misst ebenfalls die Güte des Strukturmodells. Sie gibt Auskunft über den Anteil der erklärten Varianz durch die latent exogenen Variablen (vgl. Jöreskog & Sörbom 1982, S. 407). Somit ist diese Maßzahl mit dem Bestimmtheitsmaß der Regressionsanalyse vergleichbar und berechnet sich nach Formel 8 wie folgt:
QMK(ηj) = 1 -
var(z j ) var(h j )
(8)
var(ηj) ... geschätzte Varianz der endogenen Variable j var(ζj) ... geschätzte Varianz der Fehlervariablen j
Nach Homburg & Baumgartner (1995a, S. 172) sollte ein Modell mindestens 40 % der latenten endogenen Variablen erklären können (QMK > 0,4). Abstand von dieser Forderung nehmen sie, wenn das Ziel der Untersuchung vorrangig darin besteht, Kausalbeziehungen zu un-
122
4 Empirische Untersuchung
tersuchen und nicht die latent endogenen Variablen möglichst gut erklären zu wollen. Insgesamt kann also das Kriterium als etwaiger Richtwert angesehen werden.
4.1.4
Globale Gütekriterien
Die bisherigen Gütekriterien beziehen sich jeweils nur auf einen Modellausschnitt, das Messmodell oder das Strukturmodell. Daneben existieren noch zahlreiche weitere Maßzahlen, die die Güte eines Strukturgleichungsmodells insgesamt messen (z. B. der comparative fit index). Welche Maßzahlen herangezogen werden sollten, um die Güte zu prüfen, ist umstritten. Jaccard & Wan (1986, S. 86 ff.) sowie Kline (1998b, S. 130) empfehlen, mindestens drei bis vier zu nutzen. Die in der Literatur mit am häufigsten verwendeten Maße sind (z. B. Ambrose, Hess & Ganesan 2007, S. 28; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 245; Vorhees, Brady & Horowitz 2006, S. 521): Ȥ²-Statistik, Ȥ²-Anpassungstest, Ȥ²-Wert je Freiheitsgrad, comparative fit index, Tucker-Lewis index und root mean square error of approximation. Sie sollen auch in der vorliegenden Untersuchung angewendet werden. Eine tabellarische Übersicht über alle Gütekriterien und deren Funktion findet sich in Kap. 4.1.5. Die absolute Ȥ²-Statistik ist ein „Schlechtheitsmaß“. Je größer der Ȥ²-Wert ausfällt, umso schlechter bildet das Modell die Realität ab (vgl. Bagozzi 1996, S. 325). Ein nicht signifikantes Ergebnis des Ȥ²-Anpassungstests bedeutet, dass das Modell die Realität richtig abbildet. Da ein Hypothesengebilde die Realität in der Regel nur annähernd abbilden kann, wird die Aussagekraft des Ȥ²-Tests häufig in Frage gestellt (vgl. Homburg & Baumgartner 1995a, S. 166). Des Weiteren wird der Test kritisiert, weil er von der Stichprobengröße abhängt. Bei großen Stichproben neigt er fast immer zu signifikanten Werten, wohingegen er bei kleinen Stichproben eher nicht signifikante Werte ausgibt (vgl. Bagozzi & Yi 1988, S. 77). Alternativ wird daher häufig die Ȥ² je Freiheitsgrad (Ȥ²/df)-Statistik verwendet. Sie berechnet sich aus dem Ȥ²Wert geteilt durch die Anzahl der Freiheitsgrade im Modell. Dieser Wert ist weniger anfällig für die Stichprobengröße und sollte kleiner 2 bzw. 3 sein (vgl. Colquitt 2001, S. 292; Kline 1998b, S. 128; Ullman 2001, S. 721).
Der wohl am häufigsten genutzte comparative fit index (CFI) und auch der Tucker-Lewis index (TLI) sind weitestgehend unabhängig von der Stichprobengröße (vgl. Fan, Thompson & Wang 1999, S. 73; Marsh, Balla & McDonald 1988, S. 408). CFI und TLI vergleichen das vorhandene Modell mit einem Nullmodell, welches davon ausgeht, dass die Indikatorvariab-
4 Empirische Untersuchung
123
len und so auch die latenten Variablen nicht korrelieren. In Ergänzung zum CFI „bestraft“ der TLI komplexe Modelle, die z. B. mehr Konstrukte besitzen (vgl. Bagozzi & Baumgartner 1996, S. 400; Marsh, Balla & McDonald 1988, S. 408). Beide Maße nehmen Werte zwischen 0 und 1 an, wobei sie einen Wert von mindestens 0,9 erreichen sollten (vgl. Homburg & Baumgartner 1995, S. 168). Ein CFI-Wert von 0,9 bedeutet, dass 90 % der Kovarianz innerhalb der Daten sich durch das Modell replizieren lassen.
Der Vergleich mit dem Nullmodell, welches das ungünstigste denkbare Modell darstellt (maximaler Ȥ²-Wert), lässt in der Regel das eigene Modell gut erscheinen. Daher hat sich neben dem CFI und dem TLI der root mean square error of approximation (RMSEA) als weiteres Gütemaß etabliert. Im Gegensatz zum Ȥ²-Test, der die absolute Richtigkeit des Modells prüft, misst der RMSEA, ob das unterstellte Beziehungsgefüge die Realität gut approximiert. Der RMSEA ist weitestgehend unabhängig von der Stichprobengröße (vgl. Fan, Thompson & Wang 1999, S. 72). Werte von 0,05 zeigen eine hohe Modellgüte an. Bei Werten von 0,08 wird immerhin noch von einer akzeptablen Modellgüte gesprochen (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 102; Schumacker & Lomax 2004, S. 82).
4.1.5
Zusammenfassung
Tab. 13 fasst abschließend die beschriebenen Gütekriterien und ihre Funktion im Rahmen der Strukturgleichungsmodelle zusammen.
Gütekriterium
Abkürzung
Funktion
Gütebereich
Lokale Güte Messmodell Etablierte Indikatoren
Inhaltsvalidität
Cronbach’s Į
Į
Indikatorreliabilität
IR
Faktorreliabilität
FR
Durchschnittliche erfasste Varianz
DEV
Fornell-Larcker-Kriterium Ȥ²-Differenzentest
> 0,7 Konvergenzvalidität des Messmodells
> 0,4
Diskriminanzvalidität des Messmodells
DEV/ij² > 1
Nomologische Validität
p 0,05
Güte Strukturmodell
> 0,4
> 0,6 > 0,5
p 0,05
Lokale Güte Strukturmodell Bestätigtes Beziehungsgeflecht Quadrierte multiple Korrelation
QMK
124
4 Empirische Untersuchung
Gütekriterium
Abkürzung
Funktion
Gütebereich
Globale Gütekriterien Ȥ²-Wert
Ȥ²
Ȥ²-Anpassungstest
p
Ȥ²-Wert je Freiheitsgrad
Ȥ²/df
Comparative fit index
CFI
Tucker-Lewis index
TLI
> 0,90
Root mean square error of approximation
RMSEA
< 0,08
Minimal 0,05 Globale Güte Strukturgleichungsmodell
< 2 oder 3 > 0,90
Tab. 13: Gütemaße Strukturgleichungsmodell
4.2
Steckbrief der Studie
4.2.1
Untersuchungsdesign, Datensammlung und Stichprobe
Die Daten wurden mittels einer schriftlichen Befragung erhoben. Die Teilnehmer sollten in einem Fragebogen (siehe Tab. 32 im Anhang) ihr zuletzt vorgefallenes Beschwerdeerlebnis evaluieren (retrospective experience sampling). Diese Form des Untersuchungsdesigns wird häufig in der Forschung zum Verhalten nach der Beschwerde genutzt, wenn der Einfluss der Gerechtigkeitsdimensionen auf die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung untersucht werden soll (z. B. Ambrose, Hess & Ganesan 2007, S. 26; Davidow 2000, S. 479).
Der Fragebogen bestand aus zwei Teilen (vgl. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 66). Im ersten Teil wurden die Befragten aufgefordert, sich an das letzte Vorkommnis zu erinnern, bei dem sie unzufrieden mit einem Produkt waren und sich infolgedessen bei dem Anbieter beschwerten. Sie sollten den Fehler des Produkts bzw. der Dienstleistung kurz erläutern und darlegen, welche Reaktionen und Anstrengungen der Anbieter unternahm, um das Problem zu lösen. Durch die Wiedergabe des Vorfalls sollten sich die Befragten noch einmal kritisch mit den Einzelheiten des Beschwerdeerlebnisses auseinandersetzen, um anhand dessen die Beschwerdebehandlung gründlicher zu beurteilen. Auf diese Weise konnten Informationen zum Fehlertyp, zum Sektor (Dienstleistung vs. Produkt) und zur Branche (z. B. Hotel) gesammelt werden.
Im zweiten Teil des Fragebogens sollte die Beschwerdebehandlung beurteilt werden. Hierfür beantworteten die Umfrageteilnehmer eine Reihe strukturierter Fragen, welche die Gerechtigkeitswahrnehmung (distributive, prozedurale und interaktionale Gerechtigkeit), die transakti-
4 Empirische Untersuchung
125
onsspezifische Zufriedenheit, die Verhaltensabsichten (Wiederkauf, positive Mundpropaganda) und das Fehlerausmaß sowie die Kontrollvariablen (Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Erfolgsaussichten der Beschwerde und Einstellung zum Beschweren) messen. Sie sind in Kap. 4.3.1 genauer beschrieben. Abschließend wurden soziodemografische Merkmale erhoben. Diese umfassen Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und die derzeitige berufliche Tätigkeit des Probanden.
Die Stichprobe zur Datensammlung wurde anhand des Quota-Verfahrens ausgewählt. Bei dem Quota-Verfahren werden einige offenkundige Merkmale, die für die Befragung relevant sind und deren Grundgesamtheit der Forscher kennt, als Auswahlkriterien für die Stichprobenermittlung gewählt (vgl. Berekhoven, Eckert & Ellenrieder 2006, S. 55). Da in der vorliegenden Untersuchung das Alter sowie das Geschlecht zwei ausschlaggebende Kriterien darstellen, ermöglicht das Verfahren ein repräsentatives Abbild der Alters- und Geschlechtsverteilung der Grundgesamtheit in der Stichprobe. Dementsprechend wurde die prozentuale Alters- und Geschlechterverteilung in Deutschland auf die Stichprobe übertragen (vgl. Kap. 4.2.2.1). Auf der Grundlage dieser Verteilung wurden Quotenpläne erstellt, die das gewünschte Alter und Geschlecht der Befragungsteilnehmer beinhalteten, um im Hinblick auf die prozentuale Alters- und Geschlechtsverteilung der deutschen Bevölkerung zu entsprechen. Marketingstudenten der TU-Ilmenau hatten im Rahmen einer Lehrveranstaltung die Aufgabe, den Fragebogen von jeweils drei Personen beantworten zu lassen, welche die entsprechenden Alters- und Geschlechtsvorgaben des Quotenplans erfüllten. 480 Fragebögen wurden ausgegeben. Von diesen wurden 422 zurückgesandt, was einer Responserate von 88 % entspricht. Fragebögen mit fehlenden Werten, d. h. unbeantworteten Fragen, wurden aussortiert, sodass 337 Fragebögen für die Auswertung geeignet waren. Dies entspricht 70 % der ursprünglich ausgegebenen Fragebögen.
Abb. 24 zeigt die Zusammensetzung der Stichprobe. Mit Blick auf den höchsten Bildungsabschluss geben 4,2 % den Hauptschulabschluss, 22,3 % den Realschulabschluss und 23,7 % das Abitur an. 25,5 % besitzen ein Hochschulabschluss, 14,5 % eine weitere berufliche Ausbildung und 8,1 % tragen den Meistertitel ihres Gewerbes (Sonstiges: 1,8 %). Der Großteil der Befragten (41,8 %) befindet sich mit Blick auf die derzeitige Tätigkeit in einem Angestelltenverhältnis. 20,2 % sind aus dem Berufsleben ausgeschieden und beziehen Rente (Pensionisten). Die drittgrößte Berufsgruppe bilden die Arbeiter mit 9,8 %. Dahinter kommen in Reihenfolge Studenten (8,3 %), Auszubildende (7,1 %), Hausfrauen/Hausmänner (5,6 %) und
126
4 Empirische Untersuchung
Beamte (4,7 %). Die wenigsten Menschen sind selbständig (2,4 %). Mit Blick auf den Sektor betreffen 65,9 % der berichteten Beschwerdevorfälle ein Produkt und 34,1 % eine Dienstleistung. Die am häufigsten vertretenen Industriezweige sind der Einzelhandel (50,1 %), gefolgt vom Versandhandel (11,6 %), dem Gastronomiegewerbe (11,0 %) und der Telekommunikationsbranche (9,2 %). In den restlichen 18,1 % wurden unter anderem Probleme mit der Autoreparatur, dem Autohaus, der Bank oder der Hotelunterkunft genannt.
Höchste r Bildungsabschluss (in %) 30 25,5 23,7
22,3 20
14,5 8,0
10 4,2
1,8
M
H oc h
So ns ti g es
ei ste r
un g A us bi ld
sc hu lst ud iu m
A bi tu r
ul a lsc h Re a
H au pt sc h
ul ab sc
hl u
ss
bs ch lu ss
0
Derzeitiger be rufliche r Status (in %)
41,8 40
20,2 20 9,8
8,3
7,1
5,6
4,7
2,4
Fortsetzung auf Folgeseite
di g bs tst än
m
te r Se l
Be a
u/ m
an n
er H
au sf ra
t A
us z
ub ild en
St ud en
rb ei te r A
sio ni st Pe n
A
ng e
ste llt e
r
0
4 Empirische Untersuchung
127 Fortsetzung
Se ktor de s Be schwe rde vorfalls (in %) 75
Ve rtre te ne Industrie z we ige (in %) 60
65,9
50,1
50
40
34,1 25
18,1
20 11,6
0
11,0
9,2
ns ti g e So
ie
un ik at io n
le ko m m
as tr o no m
Te
G
er
an de l V
Ei nz el h
Dienstleistung
sa nd ha nd el
0
Produkt
Abb. 24: Deskriptive Statistiken zur Stichprobe
Bei der Zusammensetzung der Stichprobe fällt auf, dass zwei Personengruppen überrepräsentiert sind. 48,8 % der Befragten besitzen als höchsten Bildungsabschluss das Abitur oder ein Hochschulstudium, und 41,1 % der Probanden arbeiten in einem Angestelltenverhältnis. Dieses Ungleichgewicht verzerrt jedoch nicht die Ergebnisse. Mittels des Kruskal-Wallis-(H-)Tests wurde überprüft, ob sich die einzelnen Bildungsstufen und Berufsgruppen im Antwortverhalten voneinander unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen, dass die einzelnen Untergruppen im Durchschnitt keine signifikant höheren oder niedrigeren Werte für die Gerechtigkeitswahrnehmung, die transaktionsspezifische Zufriedenheit oder die Verhaltensabsichten angeben.
4.2.2
Operationalisierung der Variablen
4.2.2.1
Moderatorvariablen
Als kundenseitige Eigenschaften werden Alter sowie Geschlecht als Moderatorvariablen untersucht. Das Alter ist ein chronologisches Maß und misst die Anzahl der gelebten Jahre seit der Geburt. Das Geschlecht wurde dichotom über die beiden Ausprägungen weiblich und männlich abgefragt. Beide Variablen wurden quotiert und sollen die Alters- und Geschlechterverteilung der deutschen Bevölkerung widerspiegeln. Tab. 14 stellt die prozentuale Altersund Geschlechterverteilung in der Stichprobe mit der Verteilung der deutschen Bevölkerung gegenüber.
128
4 Empirische Untersuchung
Geschlecht Altersgruppe
Betrachtungsgegenstand
Weiblich
Männlich
18 bis 39 Jahre
Summe
Dt. Bevölkerung Stichprobe Abweichung
15,9 18,1 +2,3
16,5 16,9 +0,4
32,4 35,0 +2,7
40 bis 59 Jahre
Dt. Bevölkerung Stichprobe Abweichung
18,1 16,3 –1,8
18,1 17,5 –0,6
36,2 33,8 –2,4
Ab 60 Jahre
Dt. Bevölkerung Stichprobe Abweichung
17,8 16,0 –1,8
13,8 15,1 +1,3
31,6 31,1 –0,5
Summe
Dt. Bevölkerung Stichprobe Abweichung
51,8 50,4 –1,4
48,4 49,5 +1,1
100,2 99,9 –0,3
Alle Angaben in %. Aufgrund von Rundungsfehlern summieren sich die Werte nicht exakt zu 100,0 % auf. Tab. 14: Quotenvergleich zwischen der Stichprobe und der Bevölkerung
Mit Blick auf die Altersverteilung sind in der Stichprobe 35,0 % der Befragten 18 bis 39 Jahre, 33,8 % 40 bis 59 Jahre und 31,1 % mindestens 60 Jahre alt. Der Anteil der Frauen beträgt in der Stichprobe 50,4 % und der der Männer 49,5 %. Die Werte summieren sich aufgrund von Rundungsfehlern nicht exakt zu 100 %.
Im Vergleich zur deutschen Bevölkerung ist in der Stichprobe die jüngere Altersgruppe der 18- bis 39-jährigen in Summe prozentual etwas stärker vertreten als in der Grundgesamtheit der deutschen Bevölkerung (+2,7 %). Die mittlere Altersgruppe der 40- bis 59-jährigen wird durch die Stichprobe insgesamt leicht unterrepräsentiert (–2,4 %). Bei den Befragten ab 60 Jahren kommen marginal weniger Frauen (–1,8 %) und mehr Männer (+1,3 %) als in der deutschen Bevölkerung vor. Frauen sind im Vergleich zur deutschen Bevölkerung seltener vertreten (–1,4 %), wohingegen Männer leicht überrepräsentiert sind (+1,1 %). Die Abweichung der Stichprobenverteilung von der Grundgesamt ist nicht signifikant. Ein Ȥ²-Test (Ȥ²[2] = 2,77)8 ergibt einen p-Wert von 0,25. Demnach wird die deutsche Bevölkerung, bezogen auf die Alters- und die Geschlechterverteilung, abgesehen von kleineren Abweichungen, gut durch die Stichprobe repräsentiert.
Der Einfluss der Moderatorvariablen wird anhand eines Mehrgruppenvergleichs getestet. Im vorliegenden Fall werden für einzelne Ausprägungen des Moderators Geschlecht (Männer vs. 8
Die Notation ist wie folgt zu lesen. Der Ȥ²-Wert beträgt 2,77. In eckigen Klammern steht die Anzahl der Freiheitsgrade (df): 2.
4 Empirische Untersuchung
129
Frauen) separate Strukturmodelle geschätzt. Auf diese Weise wird getestet, inwiefern die Moderatorvariable Geschlecht die einzelnen Pfadstärken beeinflusst (vgl. ausführlicher Kap. 4.2.3.2). In der Stichprobe sind 170 Frauen und 167 Männer vertreten. Das Alter als metrisch skalierte Variable wird daher am Mittelwert von 46 Jahren dichotomisiert (Mittelwertsplit) (vgl. Menon & Dubé 2007, S. 273). Daraus entstehen in etwa zwei gleich große Altersgruppen: eine junge (< 46 Jahre) und eine ältere ( 46 Jahre). Die junge Gruppe umfasst 153 und die Ältere 184 Probanden.
Als den Beschwerdefall beschreibende Moderatoren werden Fehlerausmaß und Fehlertyp untersucht. Die Probanden beantworteten drei Fragen zum Fehlerausmaß. Die Indikatoren wurden auf einer siebenstufigen Likert-Skala gemessen mit den Endpunkten „1 – stimme überhaupt nicht zu“ und „7 – stimme vollkommen zu“. Die Indikatoren lehnen sich an Craighead (2004, S. 320) sowie Hess, Ganesan & Klein (2003, S. 143) an. Die drei Items messen den durch den Kunden wahrgenommenen Verlust. Nach der Theorie wird der wahrgenommene Verlust durch das Ausmaß finanzieller Einbußen, den Umfang möglicher Konsequenzen und das Involvement des Kunden bestimmt (vgl. Gilly & Gelb 1982, S. 326; Hoffman & Kelley 2000, S. 427; Webster & Sundaram 1998, S. 155). Diese sind im Fragebogen anhand des Schweregrads des Problems (finanzielle Einbußen), des Umfangs entstandener Unannehmlichkeiten (Konsequenzen) sowie der Bedeutung des Fehlers (Involvement) operationalisiert. Ein Beispielindikator lautet: „Wenn ein solches Problem auftritt und der Anbieter es nicht behebt, dann bringt das erhebliche Unannehmlichkeiten mit sich.“ Der genaue Wortlaut, sowie die Messgüte der Indikatoren bzw. des Konstrukts sind in Kap. 4.3.1 beschrieben. Das Konstrukt Fehlerausmaß ergibt sich als Mittelwert über die drei Indikatoren (vgl. Priluck & Lala 2009, S. 50). Die Verteilung ist als Histogramm in Abb. 25 dargestellt.
in %
ȝgering = 3,96
ȝgesamt = 5,51
ȝhoch = 6,53
30 30% 20 20% 10 10% 0 0% 1 - stimme überhaupt nicht zu
2
3
4
5
Abb. 25: Verteilung Fehlerausmaß
6
7 - stimme vollkommen zu
130
4 Empirische Untersuchung
Der Mittelwert beträgt 5,51. Analog der Variable Alter wird ein Mittelwertsplit genutzt, um zwei Gruppen zu erhalten. Die Mittelwerte beider Teilgruppen betragen für die Gruppe mit geringen Fehlerausmaß 3,96 (n = 134) und für die Gruppen mit hohem Fehlerausmaß 6,53 (n = 203).
Die Variable Fehlertyp unterscheidet die aufgetretenen Probleme nach Ergebnis- und Prozessfehlern. Die von den Probanden erfahrenen Fehler wurden anhand ihrer Beschreibung aus dem ersten Teil des Fragebogens entweder als Ergebnis- oder Prozessfehler klassifiziert (vgl. Ambrose, Hess & Ganesan 2007, S. 28). Ergebnisfehler zeichnen sich dadurch aus, dass die Kernleistung nicht erbracht wird oder beeinträchtigt ist. Prozessfehler hingegen beschreiben eine mangelnde Art und Weise der Leistungserbringung (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 358). Tab. 15 stellt einige geschilderte Probleme für beide Fehlertypen dar. Von den 337 beschriebenen Problemen ließen sich 234 eindeutig als Ergebnis- und 53 als Prozessfehler identifizieren. In 50 Fällen war die Zuordnung nicht eindeutig, da das geschilderte Problem Eigenschaften sowohl von Ergebnis- als auch von Prozessfehlern umfasste (z. B. „Bei einem Restaurantbesuch wurde das falsche Essen geliefert und die richtige Bestellung ließ nach der Beschwerde über eine Stunde auf sich warten.“) und folglich für diesen Teil der Analyse ausgeschlossen wurde.
Ergebnisfehler
Prozessfehler
„Der Pizzaservice lieferte die falsche Pizza.“
„Beim Tina-Turner-Konzert war die Baraufteilung schlecht und man musste ewig auf die Getränke warten.“
„Beim Kauf eines Neuwagens stellte sich im Nachhinein heraus, dass dieser nicht mehr fabrikneu war, sondern bereits drei Jahre auf dem Hof des Händlers gestanden hatte (Gebrauchtauto). Der Verkäufer zeigte kein Entgegenkommen, sodass die Sache gerichtlich zu meinen Gunsten entschieden werden musste.“
„Am nächsten Tag ging ich früher, um das Auto von der Werkstatt zu holen, und erfuhr, dass es nicht bereitsteht. Auf meine Frage, warum ich nicht informiert wurde, sagte man mir, morgen könnte ich das Auto auf jeden Fall abholen und es würde auch Bescheid gegeben werden, sollte etwas dazwischen kommen. Abermals stand das Auto nicht bereit und ich wurde wieder nicht darüber informiert.“
„Der Baumwollpullover ging trotz richtigen Waschens auf die Hälfte der ursprünglichen Größe ein.“
„Bei einem Restaurantbesuch kam erst unsere Bestellung über eine Stunde nicht und auf die Rechnung mussten wir wiederum eine Stunde warten. Wir haben dann am Tresen bezahlt.“
„Ich hatte keinen Zugriff auf den Online-Account meiner Bank. Der Bankangestellte war sehr geduldig und vertröstete mich mehrere Male.“
„Beim Einlösen eines Gutscheins in einem Café war es dem Chef angeblich nicht möglich, den Gutschein aufzuteilen, obwohl mein Rechnungsbetrag mit rund 15 € nur die Hälfte des Gutscheins betrug. Das Personal zeigte sich völlig unkooperativ.
Tab. 15: Beispielhafte Ergebnis- und Prozessfehler
4 Empirische Untersuchung
4.2.2.2
131
Unabhängige und abhängige Variablen
Die nachfolgend beschriebenen Konstrukte, die die unabhängigen und abhängigen Variablen sowie die Kontrollvariablen im Modell bilden, wurden über Multi-Item-Skalen operationalisiert. Sofern nicht anders angegeben, wurden die Items auf einer siebenstufigen Likert-Skala gemessen mit den Endpunkten „1– stimme überhaupt nicht zu“ und „7– stimme vollkommen zu“ (siehe zum genauen Wortlaut sowie zur Güte aller Indikatoren Tab. 16, S. 141).
Die drei Gerechtigkeitsdimensionen bilden im vorliegenden Modell die unabhängigen Variablen. Sie beeinflussen die transaktionsspezifische Zufriedenheit. Die distributive Gerechtigkeit wird durch drei Indikatoren gemessen. Sie entsprechen den von Smith, Bolton & Wagner (1999, S. 363) sowie den von Maxham III & Netemeyer (2002a, S. 251) verwendeten Items. Sie messen die individuell empfundene Fairness mit dem Wiedergutmachungsangebot, das den Kunden seitens der Unternehmen offeriert wurde. Die Kunden legen bei der Beurteilung verschiedene Verteilungsheuristiken, wie etwa need (Bedürfnis) oder equality (Gleichheit) oder eine willkürliche Kombination daraus zugrunde (vgl. Leventhal 1980, S. 31). Diese werden implizit berücksichtigt, indem allgemein nach der Fairness des Ergebnisses und nicht speziell nach den verschiedenen Verteilungsheuristiken gefragt wird. Ein Beispielindikator lautet: „Ich habe eine faire Wiedergutmachung erhalten.“
Die prozedurale Gerechtigkeit wird mittels dreier Indikatoren gemessen, die sich an Maxham III & Netemeyer (2002a, S. 251), Tax, Brown & Chandrashekaren (1998, S. 73) sowie an Smith, Bolton & Wagner (1999, S. 363) anlehnen. Die Items messen die beiden für die Arbeit relevanten Prozesskriterien Schnelligkeit und Prozesskontrolle. Schnelligkeit meint hier, dass das Problem in einem adäquaten Zeitrahmen gelöst wird. Prozesskontrolle beschreibt die Möglichkeit der Kunden, durch die Äußerung ihrer eigenen Sicht auf die Dinge regulierend in den Beschwerdeprozess einzugreifen. Ein Beispielindikator hierfür ist: „Ich hatte Gelegenheit, meine Sichtweise des Problems zu schildern.“
Die interaktionale Gerechtigkeit wird ebenfalls anhand von drei Indikatoren gemessen, die von Blodgett, Hill & Tax (1997, S. 195) sowie Colquitt (2001, S. 389) stammen. Die interaktionale Gerechtigkeit beschreibt die Fairness im zwischenmenschlichen Umgang der Unternehmensvertreter mit den Kunden. Die Indikatoren messen daher die empfundene Höflichkeit sowie den respektvollen Umgang. Ein Beispielitem lautet: „Ich wurde respektvoll behandelt.“
132
4 Empirische Untersuchung
Die transaktionsspezifische Zufriedenheit sowie die beiden Verhaltensabsichten Wiederkauf und positive Mundpropaganda stellen die abhängigen Variablen im Untersuchungsmodell dar. Die transaktionsspezifische Zufriedenheit wird in Anlehnung an Homburg & Fürst (2005, S. 111) und Maxham III & Netemeyer (2002a, S. 252) durch drei Indikatoren gemessen. Dabei gilt es zu beachten, dass die Items die Zufriedenheit mit der Transaktion, also der Beschwerdebehandlung, erfassen und nicht etwa ein kumulatives Zufriedenheitsurteil wie die Zufriedenheit mit dem Produkt oder dem Unternehmen erheben. „Meiner Meinung nach hat mir der Anbieter eine zufriedenstellende Problemlösung angeboten“, stellt ein solches Item dar, das die transaktionsspezifische Zufriedenheit erfasst.
Der Wiederkauf wird, wie häufig in der Marketingforschung, als Absicht gemessen und kann daher problemlos ebenfalls über eine Multi-Item-Skala abgefragt werden. Die drei Indikatoren, die den Wiederkauf messen, orientieren sich dabei an Maxham III & Netemeyer (2002a, S. 252) und an Zeithaml, Berry & Parasuraman (1996, S. 38). Sie erfragen, für wie wahrscheinlich es die Kunden halten, in Zukunft wieder bei dem Anbieter zu kaufen, und werden z. B. durch folgenden Indikator gemessen: „Ich beabsichtige, in der nächsten Zeit wieder bei diesem Anbieter zu kaufen.“
Als zweite Verhaltensabsicht wird die positive Mundpropaganda mittels vier Indikatoren erhoben, die in ähnlicher Weise bei Maxham III & Netemeyer (2003, S. 60) und Zeithaml, Berry & Parasuraman (1996, S. 38) verwendet wurden. Die positive Mundpropaganda beschreibt die Absicht, sich in günstiger Weise gegenüber Dritten über diesen Anbieter zu äußern. Dies kann die konkrete Form annehmen, dass die Kunden den Anbieter Freunden weiterempfehlen. Ein Beispielindikator, der die positive Mundpropaganda misst, lautet: „Ich würde Freunde und Verwandte dazu ermuntern, bei diesem Anbieter zu kaufen.“
4.2.2.3
Kontrollvariablen
In die Untersuchung fließen als Kontrollvariablen ein: Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren und Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde. Die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung wird durch zwei Indikatoren gemessen, die sich bei Smith, Bolton & Wagner (1999, S. 364) sowie Voorhees, Brady & Horowitz (2006, S. 518) wiederfinden. Beide Indikatoren erfassen die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung im engeren Sinne. Es wird also gemessen, wie viel Erfahrung die Beschwerdeführer mit dem Anbieter
4 Empirische Untersuchung
133
besitzen. Der erste Indikator misst dies über die Dauer der Beziehung (Anzahl der Jahre), die die Befragten zum Unternehmen unterhalten. Er ist somit keine Likert-Skala. Der zweite Indikator („Ich habe sehr viel Erfahrung mit dem Anbieter“) ergänzt den ersten Indikator, indem er das Erfahrungswissen mit dem Anbieter auf einer siebenstufigen Likert-Skala erfasst.
Die Einstellung zum Beschweren beschreibt die generelle, von einer Unzufriedenheitssituation unabhängige Überzeugung der Kunden vom Nutzen einer Beschwerde (vgl. Singh & Widing II 1991, S. 36). Sie wird durch drei Indikatoren gemessen, die sich an Blodgett, Hill & Tax (1997, S. 195) sowie an Richins (1983b, S. 81) orientieren. Ein Beispielindikator lautet: „Normalerweise beschwere ich mich nur ungern bei einem Anbieter, egal wie schlecht der Service / das Produkt ist.“ Daraus wird ersichtlich, dass von der Unzufriedenheit mit dem schlechten Service oder dem Produkt abstrahiert und die generelle Einstellung vom Nutzen einer Beschwerdeführerschaft abgefragt wird.
Mit einer Beschwerde werden bestimmte Erfolgsaussichten verbunden. Sie beschreiben, für wie wahrscheinlich es die Kunden halten, dass der Anbieter ohne weitere Auseinandersetzungen gewillt ist, das Problem zu lösen (vgl. Day et al. 1981, S. 95). Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde wird über zwei Indikatoren gemessen, die Blodgett, Granbois & Walters (1993, S. 414) sowie Hess, Gensan & Klein (2003, S. 143) entstammen. Die Indikatoren messen die subjektiv empfundene Wahrscheinlichkeit, dass die Unternehmen das Problem beheben. Ein Beispielindikator ist: „Als das Problem auftrat, war ich zuversichtlich, dass der Anbieter das Produkt umtauschen, mir einen Ersatz bieten oder das Produkt reparieren würde.“
4.2.3
Analysevorgehen
4.2.3.1
Ablauf Güteprüfung
Im ersten Schritt wird die Güte des Messmodells mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (engl. confirmatory factor analysis), kurz CFA, überprüft. Vom Prinzip her ist die CFA ein normales Strukturgleichungsmodell. Es wird als ein solches gerechnet und auch die globalen Gütekriterien können für die CFA ermittelt und angegeben werden. Die CFA besitzt jedoch einen speziellen Aufbau, welcher sie von einem typischen Strukturgleichungsmodell, bestehend aus Mess- und Strukturmodell, unterscheidet (vgl. Abb. 22 und zum schematischen Aufbau Abb. 26). Bei der CFA wird lediglich das Messmodell modelliert. Die Kausalbezie-
134
4 Empirische Untersuchung
hungen zwischen den einzelnen Konstrukten, die sonst das Strukturgleichungsmodell bilden würden, existieren nicht. Sie werden ersetzt durch Korrelationen zwischen den Konstrukten (vgl. Bagozzi, Yi & Phillips 1991, S. 430; Ullman 2001, S. 734).
δ1
x1
λ11
δ2
x2
λ21
δ3
x3
λ31
ξ1
φ21 δ4
x4
λ42
δ5
x5
λ52
δ6
x6
λ62
φ31
ξ2
φ32 δ7
x7
λ73
δ8
x8
λ83
δ9
x9
λ93
ξ3
Abb. 26: Schematischer Aufbau einer konfirmatorischen Faktorenanalyse
Modelliert werden alle Multi-Item-Konstrukte, die in das Untersuchungsdesign einfließen. Neben den Modellelementen wie den Gerechtigkeitsdimensionen, der transaktionsspezifischen Zufriedenheit und den Verhaltensabsichten werden daher auch die Kontrollvariablen Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren und Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde sowie die Moderatorvariable Fehlerausmaß in die CFA eingeschlossen.
Mittels der CFA werden alle lokalen Gütemaße des Messmodells berechnet (z. B. Indikatorreliabilität) außer dem Cronbach’s Į, welches separat berechnet werden muss. Auch das FornellLarcker-Kriterium und der Ȥ²-Differenzentest zur Überprüfung der Diskriminanzvalidität werden im Rahmen des CFA-Modells bestimmt. Nach dem Fornell-Larcker-Kriterium muss die durchschnittlich erfasste Varianz bspw. für das Konstrukt ȟ1 größer sein als die quadrierten Korrelationen ij31 und ij21 zu allen anderen Konstrukten. Das Fornell-Larcker-Kriterium ist erfüllt, wenn dies für alle Konstrukte gilt. Diskriminanzvalidität nach dem Ȥ²-
4 Empirische Untersuchung
135
Differenzentest liegt vor, wenn nachweislich jede Korrelation, d. h. ij21, ij31, ij32, signifikant kleiner 1 ist.
Nachdem die Güte des Messmodells beurteilt wurde, gilt es im zweiten Schritt das Untersuchungsmodell zu schätzen und die Güte des Strukturmodells zu überprüfen (vgl. Abb. 27). Die zu erwartenden Korrelationen zwischen den drei Gerechtigkeitsdimensionen werden durch ij21, ij31, ij32 explizit im Modell zugelassen und geschätzt (vgl. del Rio-Lanza, VazquezCasielles & Diaz-Martin 2009, S. 778; Maxham III & Netemeyer 2002, S. 241). Die Kontrollvariablen fließen als unabhängige Variablen in die Modellschätzung ein (vgl. Ambrose, Hess & Ganesan 2007, S. 29). Abb. 27 stellt das zu schätzende Strukturgleichungsmodell vereinfacht ohne Messmodell dar.
Distributive Gerechtigkeit (ξ1)
γ11
φ21
β21 Prozedurale Gerechtigkeit (ξ2)
φ31
γ12 γ13
φ32
Transaktionsspezifische Zufriedenheit (η1)
Wiederkauf (η2)
β31
Interaktionale Gerechtigkeit (ξ3)
Positive Mundpropaganda (η3)
Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung Einstellung zum Beschweren Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde
Modellvariable Kontrollvariable
Abb. 27: Aufbau Untersuchungsmodell
Im dritten Schritt wird abschließend die globale Güte der konfirmatorischen Faktorenanalyse sowie des Untersuchungsmodells geprüft. Dies ist wichtig, da die globalen Gütekriterien die lokalen Kriterien ergänzen (vgl. Homburg & Baumgartner 1995, S. 171 ff.). So kann zwar in der CFA das Modell lokal eine hohe Güte aufweisen, global spiegeln die Daten des Untersuchungsmodells jedoch die Realität schlecht wider. Der Fall einer hohen lokalen und einer ge-
136
4 Empirische Untersuchung
ringen globalen Güte tritt z. B. auf, wenn die Konstrukte durch die CFA korrekt gemessen werden (hohe lokale Güte), der Anwender aber wichtige Zusammenhänge im Untersuchungsmodell nicht modelliert oder gar falsche Kausalitätsrichtungen unterstellt (geringe globale Güte). Denn die CFA erlaubt keine Aussagen dazu, wie gut z. B. die unterstellten Kausalbeziehungen die Realität widerspiegeln.
4.2.3.2
Mehrgruppenvergleich
Für die Hypothesenprüfung wird das Untersuchungsmodell aus Abb. 27 als Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell geschätzt. Dabei werden alle Parameter des Untersuchungsmodells für jede Ausprägung des zu testenden Moderators separat geschätzt (vgl. Arbuckle 2006, S. 163 ff.; Jaccard & Wan 1996, S. 23 ff.). Zum Moderator Geschlecht gibt die Analyse z. B. zwei Pfadkoeffizienten für die Beziehung „distributive Gerechtigkeit ĺ transaktionsspezifische Zufriedenheit“ aus – einen für die Gruppe der Frauen und einen für die Gruppe der Männer. Auf diese Art und Weise wird ein Modell geschätzt, das separate Werte je Gruppe für alle zu schätzenden Parameter (z. B. Pfadkoeffizienten, Faktorladungen) des Modells berechnet. Damit können die Hypothesen in zwei Schritten überprüft werden. Im ersten Schritt muss auf Skaleninvarianz (gleiche Faktorladungen zwischen den Gruppen) getestet werden. Im zweiten Schritt werden dann im skaleninvarianten Modell die Hypothesen überprüft (unterschiedliche Pfadkoeffizienten zwischen den Gruppen). Sowohl für den Test auf Skaleninvarianz als auch für die Hypothesenprüfung wird der Ȥ²-Differenzentest verwendet (vgl. Jaccard & Wan 1996, S. 23 ff.; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 267; Steenkamp & Baumgartner 1998, S. 80).
Skaleninvarianz besagt, dass die Faktorladungen über beide Gruppen hinweg gleich groß sein müssen (vgl. Steenkamp & Baumgartner 1998, S. 80). In beiden Gruppen muss demnach das Gleiche gemessen werden. Denn, liegt keine Skaleninvarianz vor, kann ein vermeintlicher Unterschied in den Pfadkoeffizienten nicht durch eine Moderatorvariable erklärt werden. Der beobachtete Unterschied rührt dann womöglich daher, dass zwei unterschiedliche Sachverhalte gemessen wurden (unterschiedliche Faktorladungen). Ein Beispiel veranschaulicht Skaleninvarianz (vgl. Abb. 28).
4 Empirische Untersuchung
137
Gesamte Stichprobe
Tierliebe zu Hunden
0,5 Tierliebe
Tierliebe zu Katzen
γ = 0,30
Monatliche Lebenshaltungskosten
0,5
Gruppe: Frauen Tierliebe zu Hunden
1,0 Tierliebe
Tierliebe zu Katzen
γ = 0,50
Monatliche Lebenshaltungskosten
0,0
Gruppe: Männer
Tierliebe zu Hunden
0,0 Tierliebe
Tierliebe zu Katzen
γ = 0,10
Monatliche Lebenshaltungskosten
1,0
Die Abbildung ist vereinfacht ohne Fehlerterme dargestellt. Die monatlichen Lebenshaltungskosten seien hier als manifeste (direkt beobachtete) Variable gemessen. Abb. 28: Beispiel zur Skaleninvarianz
Der Forscher möchte das Konstrukt Tierliebe über zwei Indikatoren, die Tierliebe zu Hunden und die Tierliebe zu Katzen, messen. In der Gesamtstichprobe laden beide Indikatoren auf das Konstrukt Tierliebe mit einem Wert von 0,5. Unterteilt der Forscher die Stichprobe nach Geschlecht, beobachtet er, dass bei den Frauen der Indikator Tierliebe zu Hunden mit einem Wert von 1 und der Indikator Tierliebe zu Katzen mit einem Wert von 0 auf das Konstrukt Tierliebe lädt. Bei den Männern beobachtet er das Gegenteil. Hier lädt der Indikator Tierliebe zu Hunden mit einem Wert von 0 und der Indikator Tierliebe zu Katzen mit einem Wert von 1 auf das Konstrukt. Skaleninvarianz liegt nicht vor.
Für die Untersuchung hat das zur Folge, dass inhaltlich bei den Frauen nicht das Konstrukt Tierliebe gemessen wird, sondern die Tierliebe zu Hunden und bei den Männern die Tierliebe zu Katzen. Analysiert der Forscher bspw. weiter den Einfluss der Tierliebe auf die monatlichen Lebenshaltungskosten des Tierbesitzers (Ȗ = 0,30) beobachtet er möglicherweise einen Moderationseffekt von Geschlecht dergestalt, dass die Tierliebe bei Frauen einen stärkeren
138
4 Empirische Untersuchung
Effekt auf die Lebenshaltungskosten besitzt (Ȗ = 0,50) als bei Männern (Ȗ = 0,10). Tatsächlich liegt womöglich gar kein Moderationseffekt vor, sondern der Unterschied der Pfadkoeffizienten geht darauf zurück, dass in beiden Stichproben nicht das Gleiche gemessen wird. Frauen besitzen eine größere Zuneigung zu Hunden, weshalb sie tendenziell Hunde als Haustiere bevorzugen würden. Hunde als größere Tiere werden z. B. mehr Futter als Katzen benötigen, weshalb diese teurer in den Unterhaltskosten sind als Katzen und sich demzufolge zu einem größeren Teil in den Lebenshaltungskosten des Tierbesitzers niederschlagen. Sowohl für den Test auf Skaleninvarianz als auch bei der Hypothesenprüfung wird der Ȥ²Differenzentest verwendet. Der Ȥ²-Differenzentest kann dazu genutzt werden, zu testen, ob sich die geschätzten Modellparameter (z. B. Faktorladungen, Pfadkoeffizienten) über zwei oder mehrere Gruppen hinweg unterscheiden (vgl. Jaccard & Wan 1996, S. 23 ff.). Im Falle des Tests auf Skaleninvarianz sind die Faktorladungen auf Gruppenunterschiede und im Falle der Hypothesenprüfung die Pfadkoeffizienten zu testen. Im Prinzip vergleicht der Ȥ²-Differenzentest die Güter zweier Modelle anhand der Differenz der Ȥ²-Statistik. Die einzige Voraussetzung, die der Test besitzt, besteht darin, dass die zu vergleichenden Modelle strukturgleich sind. Es werden also zwei Modelle verglichen, die die gleichen latenten Variablen mit den zugehörigen Indikatoren besitzen. Unterschiede können z. B. in den vermuteten Pfadstärken bestehen.9 Der Forscher könnte mit dem Ȥ²-Differenzentest ein Modell 1, in welchem zwei unabhängige Variablen einen unterschiedlichen Einfluss auf eine dritte Variable ausüben, mit einem Modell vergleichen, in welchem die beiden unabhängigen Variablen den gleichen Einfluss auf die abhängige Variable besitzen (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 244). Die Anwendung des Ȥ²-Differenzentests sei an nachfolgendem Beispiel veranschaulicht. Es soll überprüft werden, ob sich der Pfadkoeffizient von A auf B zwischen den beiden Gruppen Frauen und Männer signifikant unterscheidet. Skaleninvarianz als Voraussetzung sei erfüllt und ließe sich nach dem gleichen Schema überprüfen. Es wird in drei Schritten vorgegangen (vgl. Abb. 29):
9
Auf diese Weise können auch unterschiedliche Verknüpfungen zwischen den latenten Variablen getestet werden. Denn keine Beziehung zwischen zwei Variablen entspricht dem Extremfall, dass die Pfadstärke 0 beträgt.
4 Empirische Untersuchung
139
1. Schritt λFrauen = λMänner* A
γFrauen = 0,25 γMänner = 0,75
B
χ² = 50 df = 20
2. Schritt λFrauen = λMänner* A
γFrauen = x γMänner = x
B
χ² = 55 df = 21
3. Schritt Δχ² = 5 Δdf = 1
p = 0,025 (H0: Beide Modelle bilden die Realität gleich gut ab)
*Die jeweiligen Faktorladungen der Indikatoren sind für beide Gruppen auf den gleichen Wert restringiert (Skaleninvarianz). Die Abbildung ist vereinfacht ohne Fehlerterme dargestellt.
Abb. 29: Beispiel zum Ȥ²-Differenzentest
•
Im ersten Schritt wird das Modell wie gehabt geschätzt. Wir erhalten für unser Beispiel, in dem der Einfluss von Variable A auf B sowohl für Frauen als auch für Männer berechnet wird, einen Ȥ²-Wert von 50 bei 20 Freiheitsgraden. Der Pfadkoeffizient Ȗ beträgt für die Gruppe der Frauen 0,75 und für die Männer 0,25.
•
Im nächsten Schritt wird ein zweites Modell geschätzt, indem der Pfadkoeffizient von Variable A auf B über beide Gruppen auf den gleichen Wert restringiert (gleichgesetzt) ist. Damit wird bei der Modellberechnung die Prämisse gesetzt, dass der Pfadkoeffizient von Variable A auf B für beide Gruppen gleich groß ist. Der Pfadkoeffizient darf nun also nicht mehr frei zwischen den Gruppen variieren. Wir erhalten einen Ȥ²-Wert von 55 bei 21 Freiheitsgraden10.
•
Im dritten Schritt wird die Differenz aus beiden Ȥ²-Werten sowie der Freiheitsgrade ermittelt. Sie beträgt 5 bei 1 Freiheitsgrad. Da die Differenz der Ȥ²-Werte ebenfalls Ȥ²-verteilt ist, kann aus der Ȥ²-Verteilung die Irrtumswahrscheinlichkeit dafür abgelesen werden, dass beide Modelle die Realität gleich gut abbilden (Nullhypothese) (vgl. Bagozzi, Yi & Phillips 1991, S. 431; Jaccard & Wan 1996, S. 28). Die Irrtumswahrscheinlichkeit p beträgt 0,025 (¨Ȥ²[1] = 5). Da p < 0,05, kann die Nullhypothese verworfen werden.
10
Die Anzahl der Freiheitsgrade erhöht sich um eins, da anstelle von zwei nur noch ein Pfadkoeffizient für beide Gruppen geschätzt werden muss.
140
4 Empirische Untersuchung
Damit wurde gezeigt, dass das restringierte Modell (2. Modell) die Realität signifikant schlechter widerspiegelt als das unrestringierte Modell (1. Modell). Somit bildet das Modell, in dem die Pfadkoeffizienten zwischen beiden Gruppen frei variieren, die Realität besser ab als das Modell, in welchem sie gleich groß sind. Daraus folgt, dass der Einfluss von Variable A auf B in beiden Gruppen unterschiedlich groß ist und vom Geschlecht abhängt, sprich moderiert wird.
4.3
Güteprüfung
4.3.1
Lokale Güte Messmodell
Die Konvergenzvalidität des Messmodells wird anhand der Indikatorreliabilität (IR), des Cronbach’s Į (CA), der Faktorreliabilität (FR) (vgl. Tab. 16) sowie der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) (vgl. Tab. 17) beurteilt. Die Indikatorreliabilität sollte mindestens einen Wert von 0,4 annehmen (vgl. Bagozzi & Baumgartner 1996, S. 402). Bis auf zwei Ausnahmen weisen alle Items Werte von 0,4 und darüber auf. Die zwei Ausnahmen sind der dritte Indikator der prozeduralen Gerechtigkeit („Ich hatte Gelegenheit, meine Sichtweise des Problems zu schildern“) und der erste Indikator der Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung („Wie viele Jahre sind Sie schon Kunde bei diesem Anbieter?“) mit Werten von 0,18 und 0,26. Die Minimalanforderung, dass alle Indikatoren signifikant auf die ihnen zugehörigen Konstrukte laden, ist jedoch erfüllt (vgl. Bagozzi, Yi & Phillips 1991, S. 431). Die p-Werte betragen für alle Items < 0,001.
Konstrukt und Indikatorena)
IR (> 0,4)
Distributive Gerechtigkeit (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 251; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 363) • Ich habe eine faire Wiedergutmachung erhalten. • Ich habe das bekommen, was mir zusteht. • Das Ergebnis meiner Beschwerde war angemessen.
0,68 0,86 0,91
Prozedurale Gerechtigkeit (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 251; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 363; Tax, Brown & Chandrashekaren 1998, S. 73) • Meine Beschwerde wurde in einer angemessenen Zeit bearbeitet. • Mein Problem wurde zügig bearbeitet. • Ich hatte Gelegenheit, meine Sichtweise des Problems zu schildern.
0,94 0,95 0,18
Interaktionale Gerechtigkeit (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195; Colquitt 2001, S. 389) • Ich wurde höflich behandelt. • Ich wurde respektvoll behandelt.
0,92 0,92
CA (> 0,7)
FR (> 0,6)
0,93
0,93
0,82
0,92
0,95
0,95
4 Empirische Untersuchung
141 IR (> 0,4)
Konstrukt und Indikatorena) • Das Service-Personal kümmerte sich gut um mich. Transaktionsspezifische Zufriedenheit (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 111; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 252) • Der Kontakt mit dem Anbieter im Zusammenhang mit meiner Beschwerde war eine positive Erfahrung. • Ich war mit der Beschwerdebehandlung des Unternehmens zufrieden. • Meiner Meinung nach hat mir der Anbieter eine zufriedenstellende Problemlösung angeboten. Wiederkauf (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 252; Zeithaml, Berry & Parasuraman 1996, S. 38) • Ich werde in Zukunft mehr bei diesem Anbieter kaufen. • Ich beabsichtige, in der nächsten Zeit wieder bei diesem Anbieter zu kaufen. • In Zukunft werde ich öfter von diesem Anbieter kaufen. Positive Mundpropaganda (vgl. Maxham III & Netemeyer 2003, S. 60; Zeithaml, Berry & Parasuraman 1996, S. 38) • Ich würde mich gegenüber anderen positiv über diesen Anbieter äußern. • Ich würde anderen diesen Anbieter empfehlen. • Ich würde Freunde und Verwandte dazu ermuntern, bei diesem Anbieter zu kaufen. • Ich habe mich gegenüber Freunden und Verwandten positiv über diesen Anbieter geäußert. Fehlerausmaß (vgl. Craighead 2004, S. 320; Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 143) • Das aufgetretene Problem ist bedeutend. • Das aufgetretene Problem ist schwerwiegend. • Wenn ein solches Problem auftritt und der Anbieter es nicht behebt, dann bringt dies erhebliche Unannehmlichkeiten mit sich. Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 364; Voorhees, Brady & Horowitz 2006, S. 518) • Wie viele Jahre sind Sie schon Kunde bei diesem Anbieter?b) • Ich habe sehr viel Erfahrung mit dem Anbieter. Einstellung zum Beschweren (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195; Richins 1983b, S. 81) • Normalerweise beschwere ich mich nur ungern bei einem Anbieter, egal wie schlecht der Service/das Produkt ist. • Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ein nichtzufriedenstellendes Produkt zurückgebe, ist geringer als bei den meisten Menschen, die ich kenne. • Wenn ein defektes Produkt günstig war, dann ist es wahrscheinlicher, dass ich es behalte, als dass ich einen Ersatz oder Umtausch verlange. Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde (vgl. Blodgett, Granbois & Walters 1993, S. 414; Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 143) • Als das Problem auftrat, war ich zuversichtlich, dass der Anbieter das Produkt umtauschen, mir einen Ersatz bieten oder das Produkt reparieren würde. • Ich habe erwartet, dass der Anbieter alles in seiner Macht Stehende versucht, um das Problem zu lösen.
CA (> 0,7)
FR (> 0,6)
0,95
0,95
0,92
0,92
0,97
0,97
0,83
0,85
0,66c)
0,74c)
0,78
0,78
0,65
0,66
0,74
0,85 0,90 0,83
0,83 0,71 0,87
0,91 0,94 0,90 0,82
0,66 0,87 0,42
0,26 0,95
0,54 0,72 0,41
0,55 0,42
IR … Indikatorreliabilität, CA … Cronbach’s Į, FR … Faktorreliabilität, in Klammern die geforderten Schwellwerte. a) Sofern nicht anders angegeben, wurden die Indikatoren auf siebenstufigen Likert-Skalen mit den Endpunkten „1 – stimme überhaupt nicht zu“ und „7 – stimme vollkommen zu“ gemessen. b) Gemessen mit der Anzahl der Jahre. c) Basierend auf standardisierten Werten, da die Indikatoren verschieden dimensioniert sind.
Tab. 16: Indikatoren und Messgüte
142
4 Empirische Untersuchung
Das Cronbach’s Į sollte je Konstrukt im Idealfall größer 0,7 sein, jedoch nicht kleiner als 0,6 (vgl. Hess, Ganesan & Klein 2003, S. 143; Nunnally 1978, S. 245). Die Werte besitzen im vorliegenden Fall eine Spannweite von 0,65 für die Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde bis zu 0,97 für die positive Mundpropaganda und liegen somit im geforderten Bereich. Die Gerechtigkeitsdimensionen, die transaktionsspezifische Zufriedenheit, die Verhaltensabsichten und das Fehlerausmaß besitzen einheitlich sehr gute Werte von größer 0,8, wohingegen die Kontrollvariablen Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren und Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde etwas schlechter mit akzeptablen bis guten Werten zwischen 0,65 und 0,8 abschneiden.
Für die Faktorreliabilität sollte die Grenze von 0,6 nicht unterschritten werden (vgl. Homburg & Baumgartner 1995a, S. 170). Keines der erhobenen Konstrukte besitzt einen Wert von kleiner 0,6, womit auch diese Anforderung erfüllt wird. Die Gerechtigkeitsdimensionen, die transaktionsspezifische Zufriedenheit und die Verhaltensabsichten weisen ausgezeichnete Werte von größer 0,9 auf. Leicht darunter liegt das Fehlerausmaß mit einer Faktorreliabilität von 0,85. Die Kontrollvariablen bewegen sich auf einem akzeptablen bis guten Niveau von 0,6 bis 0,8.
Die durchschnittlich erfasste Varianz (vgl. Tab. 17) sollte je Konstrukte größer 0,5 sein (vgl. Bagozzi & Yi 1988, S. 80). Auch hier zeigt sich, dass die Gerechtigkeitsdimensionen, die transaktionsspezifische Zufriedenheit und die Verhaltensabsichten sehr gute Werte von 0,79 und höher annehmen. Das Fehlerausmaß besitzt einen Wert von 0,66. Die Kontrollvariablen Einstellung zum Beschweren und Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde weisen jeweils Werte von 0,55 und 0,49 auf und liegen somit im Grenzbereich von 0,5. Einzig die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung liegt mit einem Wert von 0,31 unter dem geforderten Niveau von 0,5. Insgesamt können die vier Kriterien Indikatorreliabilität, Cronbachs Į, Faktorreliablität und durchschnittlich erfasste Varianz bis auf vereinzelte Ausnahmen als erfüllt angesehen werden. Nach Homburg & Baumgartner (1995a, S. 172) muss das Messmodell nicht unbedingt allen vier Kriterien vollständig genügen, sodass einzelne Ausnahmen unproblematisch sind. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass Konvergenzvalidität des Messmodells vorliegt.
4 Empirische Untersuchung
143
Die Diskriminanzvalidität des Messmodells wird mittels des Fornell-Larcker-Kriteriums und des Ȥ²-Differenzentests überprüft. Die Ergebnisse sind in Tab. 17 dargestellt. Nach dem Fornell-Larcker-Kriterium muss die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) einer Variablen größer sein als die quadrierten Korrelationen (ij²) zu allen anderen Variablen (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 244). Die quadrierten Korrelationen zwischen den Variablen befinden sich in der unteren Dreiecksmatrix von Tab. 17 (Leserichtung: in der Zeile horizontal bis zur Hauptdiagonalen danach in der Spalte vertikal). Für alle Variablen gilt, dass die durchschnittlich erfasste Varianz einer Variablen größer ist als die Korrelationen mit allen anderen Konstrukten. Das Fornell-Larcker-Kriterium ist somit erfüllt.
DEV
b)
DG
PG
Quadrierte Korrelation (ij²) / ¨Ȥ² a) IG TZ WK pMP FA LFG
EB
EWB
560,2 435,2
93,9 296,5
82,3
1 524,8 403,8 631,1
586,7 438,1
94,1 296,4
92,0
1 463,1 650,0
769,7 439,5
94,2 296,5
82,2
521,3 441,2 104,5 296,6
94,8
1
300,2 437,5
77,2 295,7
82,8
0,58
0,64
1 437,7
84,7 296,4
81,6
0,00
0,00
0,00
0,00
1
94,6 274,9
86,1
0,02
0,02
0,03
0,19
0,14
0,00
1
94,6
83,7
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,06
0,00
1
88,7
0,05
0,02
0,05
0,04
0,05
0,06
0,01
0,04
0,00
1
Distributive Gerechtigkeit (DG)
0,81
Prozedurale Gerechtigkeit (PG)
0,81
0,42
Interaktionale Gerechtigkeit (IG)
0,86
0,35
0,42
Transaktionsspezifische Zufriedenheit (TZ)
0,86
0,70
0,64
0,56
Wiederkauf (WK)
0,79
0,29
0,27
0,21
0,44
Positive Mundpropaganda (pMP)
0,89
0,42
0,36
0,34
Fehlerausmaß (FA)
0,66
0,02
0,00
Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung (LFG)
0,31
0,03
Einstellung zum Beschweren (EB)
0,55
Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde (EWB)
0,49
1 540,1 602,7 242,6 580,4
1 478,1
a) In der unteren Dreiecksmatrix stehen die quadrierten Korrelationen zwischen den Variablen. In der oberen Dreiecksmatrix befinden sich die ¨Ȥ²-Werte des Ȥ²-Differenzentests. Alle Werte sind auf dem Niveau p < 0,001 (¨Ȥ²[1] > 10,84) signifikant. b) DEV … durchschnittlich erfasste Varianz Tab. 17: Fornell-Larcker-Kriterium
Zur Prüfung der Diskriminanzvalidität wird auch der Ȥ²-Differenzentest verwendet (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 102). Hierfür wird die Korrelation eines jeden Variablenpaars nacheinander auf 1 restringiert und mit dem Ausgangsmodell der konfirmatorischen Faktorenanalyse verglichen. Ist das jeweilige restringierte Modell signifikant schlechter als das
144
4 Empirische Untersuchung
Ausgangsmodell (¨Ȥ²[1] > 3,84, p = 0,05) zeigt dies, dass die Korrelation zwischen den beiden Variablen signifikant kleiner 1 ist und sich somit die Variablen voneinander unterscheiden (vgl. Bagozzi 1996, S. 330; Bagozzi & Yi 1988, S. 78). Die Ergebnisse sind in Tab. 17 in der oberen Dreiecksmatrix dargestellt. Die Werte geben die Erhöhung des Ȥ²-Wertes des Ausgangsmodells an, wird die Korrelation des jeweiligen Variablenpaars auf 1 restringiert. In allen Fällen verschlechtert sich das Ausgangsmodell signifikant (¨Ȥ²[1] > 10,84, p < 0,001). Somit liegt auch Diskriminanzvalidität nach dem Ȥ²-Differenzentest vor.
Zusammenfassend erfüllt das Messmodell die geforderten Gütekriterien. Das Modell kann sowohl im Hinblick auf Konvergenzvalidität als auch Diskriminanzvalidität als valide beurteilt werden.
4.3.2
Lokale Güte Strukturmodell
Nomologische Validität liegt vor, wenn das unterstellte Beziehungsgeflecht des Strukturmodells bestätigt wird. Abb. 30 zeigt die Ergebnisse der Parameterschätzung für das Strukturmodell. Die distributive Gerechtigkeit (Ȗ11 = 0,48, p < 0,001), die prozedurale Gerechtigkeit (Ȗ12 = 0,32, p < 0,001) und die interaktionale Gerechtigkeit (Ȗ13 = 0,26, p < 0,001) beeinflussen positiv die transaktionsspezifische Zufriedenheit. Die transaktionsspezifische Zufriedenheit wiederum fördert die Verhaltensabsichten Wiederkauf (ȕ21 = 0,60, p < 0,001) und positive Mundpropaganda (ȕ31 = 0,73, p < 0,001).
Distributive Gerechtigkeit (ξ1)
γ1
1
=
0,
48
φ21 = 0,65 Prozedurale Gerechtigkeit (ξ2)
φ31 = 0,59
γ12 = 0,32
φ32 = 0,64 Interaktionale Gerechtigkeit (ξ3)
β 21 = Transaktionsspezifische Zufriedenheit (η1 = 0,85)
6
= 3
2 0,
0,60
β31 = 0,73
γ1
Wiederkauf (η2 = 0,77)
Positive Mundpropaganda (η3 = 0,78)
Alle Werte sind auf dem Niveau p < 0,001 signifikant. Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren, Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde werden als Kontrollvariablen berücksichtigt, sind jedoch aus Einfachheitsgründen nicht dargestellt. γ, β = standardisierte Pfadkoeffizienten φ = Korrelation zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen η = erklärte Varianz der abhängigen Variablen
Abb. 30: Ergebnisse Untersuchungsmodell
4 Empirische Untersuchung
145
Erwartungsgemäß korrelieren die Gerechtigkeitsdimensionen signifikant (p < 0,001) untereinander. Die Korrelationen betragen 0,65 für „distributive Gerechtigkeit ļ prozedurale Gerechtigkeit“, 0,59 für „distributive Gerechtigkeit ļ interaktionale Gerechtigkeit“ und 0,64 für „prozedurale Gerechtigkeit ļ interaktionale Gerechtigkeit“. Insgesamt wird damit die in der Nachbeschwerdeforschung etablierte Kausalkette „Gerechtigkeitsdimensionen ĺ Zufriedenheit ĺ Verhaltensabsichten“ bestätigt (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a). Die untersuchten Konstrukte können somit als nomologisch valide beurteilt werden. Von den untersuchten Kontrollvariablen besitzt lediglich die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung einen positiven signifikanten Einfluss auf den Wiederkauf (Ȗ = 0,62; p < 0,001) und die positive Mundpropaganda (Ȗ = 0,47; p < 0,001).
Neben dem bestätigten Beziehungsgeflecht geben die quadrierten multiplen Korrelationen (erklärte Varianz der abhängigen Variablen) Aufschluss über die Güte des Strukturmodells. Sie sollten mindestens 0,4 betragen. Diese Anforderung ist erfüllt. Das Modell erklärt mit (ohne) Kontrollvariablen 85 % (84 %) der Varianz der transaktionsspezifischen Zufriedenheit, 77 % (46 %) des Wiederkaufs und 78 % (60 %) der positiven Mundpropaganda.
4.3.3
Globale Güte CFA und Untersuchungsmodell
Die globalen Gütemaße für die konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) und für das Untersuchungsmodell (UM) sowie die jeweiligen Schwellenwerte stellt Tab. 18 gegenüber. Sie geben Aufschluss über die Güte der gerechneten Strukturgleichungsmodelle insgesamt. Für die konfirmatorische Faktorenanalyse fällt der Ȥ²-Anpassungstest signifikant (Ȥ²[332] = 736,80; p < 0,001) aus. Hier wird ein nicht signifikanter Wert gefordert. Da der Ȥ²-Anpassungstest aufgrund seiner großen Teststärke bei großen Stichproben fast immer signifikant wird, ist dieses Ergebnis zu erwarten gewesen (vgl. Bagozzi & Yi 1988, S. 77; Homburg & Baumgartner 1995a, S. 166). So werden ebenfalls signifikant Ergebnisse des Ȥ²-Anpassungstests auch in anderen Studien beobachtet, die ähnlich große Stichproben von n = 337 untersuchen (vgl. Ambrose, Hess & Ganesan 2007, S. 230; Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 245). Eine bessere Aussagekraft ermöglicht der Ȥ²-Wert je Freiheitsgrad. Dieser beträgt 2,22 und liegt somit zwar knapp über dem unteren Schwellenwert von zwei jedoch unter dem Wert von drei. Der comparative fit index liegt mit 0,96 über der Grenze von 0,90. Auch der Tucker-Lewis index fällt mit 0,95 in den geforderten Gütebereich von > 0,90. Der root mean square error of approximation weist einen Wert von 0,060 auf, der kleiner als 0,080 ist. Insgesamt erfüllt also
146
4 Empirische Untersuchung
die CFA die an sie gestellten globalen Gütekriterien und kann als zufriedenstellend beurteilt werden.
Gütemaß Ȥ²-Wert
Abkürzung Ȥ²
CFA 736,82
UMa) 762,43
Gütebereich minimal
Freiheitsgrade
df
332
282
—
Ȥ²-Anpassungstest
p
< 0,001
< 0,001
0,05
Ȥ²-Wert je Freiheitsgrad
Ȥ²/df
2,22
2,70
< 2 oder 3
Comparative fit index
CFI
0,96
0,95
> 0,90
Tucker-Lewis index
TLI
0,95
0,94
> 0,90
RMSEA
0,060
0,071
< 0,080
Root mean square error of approximation a) UM = Untersuchungsmodell
Tab. 18: Globale Güte CFA und Untersuchungsmodell
Ähnliche Werte besitzt das Untersuchungsmodell (vgl. Tab. 18). Wie auch bei der konfirmatorischen Faktorenanalyse fällt aufgrund der großen Stichprobengröße (n = 337) der Ȥ²Anpassungstest signifikant (Ȥ²[282] = 762,43; p < 0,001) aus. Der Ȥ²-Wert je Freiheitsgrad beträgt für das Untersuchungsmodell akzeptable 2,70. Er befindet sich somit relativ nah an der Grenze zu drei. Sowohl der comparative fit index als auch der Tucker-Lewis index liegen mit guten Werten von jeweils 0,95 und 0,94 im geforderten Bereich > 0,90. Der root mean square error of approximation beträgt für das Untersuchungsmodell akzeptable 0,071 und befindet sich recht nah an der Grenze zu 0,080. Insgesamt werden die Gütekriterien erfüllt. Die akzeptablen Werte für Ȥ²-Wert je Freiheitsgrad und root mean square error of approximation lassen darauf schließen, dass ein Mehrgruppenmodell, in welchem die Moderationseinflüsse berücksichtigt werden, die Realität möglicherweise besser abzubilden vermag.
Zusammenfassend kann die Modellgüte des Strukturgleichungsmodells einschließlich des Messmodells und des Strukturmodells als zufriedenstellend beurteilt werden. Das Messmodell genügt den Anforderungen der Konvergenz- sowie der Diskriminanzvalidität. Im Rahmen des Strukturmodells wurde gezeigt, dass sich die Konstrukte in ein Netzwerk eingliedern (nomologische Validität) und die abhängigen Variablen sehr gut erklärt werden. Die globalen Gütekriterien befinden sich schließlich auf einem guten bis akzeptablen Niveau, sodass im nächsten Schritt die Mehrgruppenvergleiche mit der Hypothesenprüfung durchgeführt werden können.
4 Empirische Untersuchung
4.4
Ergebnisse Mehrgruppenvergleich
4.4.1
Alter
4.4.1.1
Test auf Skaleninvarianz
147
Tab. 19 zeigt die Ergebnisse des Tests auf Skaleninvarianz für das Mehrgruppenmodell mit den beiden Gruppen Jung und Alt. Das unrestringierte Modell, indem die Faktorladungen zwischen den Gruppen frei variieren dürfen, besitzt einen Ȥ²-Wert von 1106,24 bei 564 Freiheitsgraden. Das skaleninvariante Modell, in dem die Faktorladungen zwischen beiden Gruppen auf den gleichen Wert fixiert sind, weist einen Ȥ²-Wert von 1122,08 bei 581 Freiheitsgraden auf. Die Differenz ist nicht signifikant (¨Ȥ²[17] = 15,84; p = 0,535). Skaleninvarianz liegt also vor. Das bedeutet, dass in beiden Gruppen Jung und Alt das Gleiche gemessen wird.
Unrestringiertes Modell
Ȥ² 1106,24
df 564
Skaleninvariantes Modell
1122,08
581
15,84
17
Differenz
p
0,535
Tab. 19: Test auf Skaleninvarianz zwischen jungen und alten Probanden
4.4.1.2
Hypothesenprüfung
Das skaleninvariante Mehrgruppenmodell ist in Abb. 31 und die Ergebnisse der Hypothesenprüfung sind in Tab. 20 dargestellt. Die Gütekriterien für das Mehrgruppenmodell befinden sich auf einem guten Niveau. Die globalen Gütemaße betragen: Ȥ²[581] = 1122,08; p < 0,001;
Ȥ²/df = 1,93; CFI = 0,94; TLI = 0,93; RMSEA = 0,053. Das Modell erklärt 58 % (Wiederkauf: Gruppe Jung) bis 87 % (transaktionsspezifische Zufriedenheit: Gruppe Jung) der Varianz der abhängigen Variablen.
148
4 Empirische Untersuchung
Distributive Gerechtigkeit (ξ1)
γ11
J
=0
,41
γ11
A
Prozedurale Gerechtigkeit (ξ2)
Interaktionale Gerechtigkeit (ξ3)
7
=0
,51
γ12J = 0,44 γ12A = 0,25*
*
,32
= 3J
3A 9 γ1 0,1
=0
Transaktionsspezifische Zufriedenheit η1J = 0,87 η1A = 0,85
9 = 0,5
β 21J β31 = J
β 21A
0,70 β31
A
= 0,6
= 0,7
γ1
9
Wiederkauf η2J = 0,58 η3J = 0,82
Positive Mundpropaganda η3J = 0,64 η3A = 0,85
Alle Werte sind auf dem Niveau p < 0,001 signifikant. Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren, Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde werden als Kontrollvariablen berücksichtigt, sind jedoch aus Einfachheitsgründen nicht dargestellt. * Pfadkoeffizienten unterscheiden sich auf dem Niveau p ≤0,05. ** Pfadkoeffizienten unterscheiden sich auf dem Niveau p ≤ 0,01. γ, β = standardisierte Pfadkoeffizienten η = erklärte Varianz der abhängigen Variablen J, A = Gruppe: Jung (J) und Alt (A)
Abb. 31: Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell nach Alter
In der jungen Altersgruppe beeinflusst die distributive Gerechtigkeit die transaktionsspezifische Zufriedenheit mit einem Wert von Ȗ11J = 0,41 (p < 0,001) positiv. Für die älteren Probanden beträgt der Wert Ȗ11A = 0,51 (p < 0,001) (vgl. Abb. 31). Der Unterschied ist nicht signifikant (¨Ȥ²[1] = 2,54; p = 0,111) (vgl. Tab. 20). Hypothese H1a wird daher nicht bestätigt. Immerhin stimmt die beobachtete Richtung der Moderationsbeziehung mit der zuvor aufgestellten Vermutung überein, dass die distributive Gerechtigkeit bei den älteren Befragten einen stärkeren Effekt auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit besitzt als bei den Jüngeren. Die prozedurale Gerechtigkeit beeinflusst unter den jüngeren Probanden (Ȗ12J = 0,44; p < 0,001) die transaktionsspezifische Zufriedenheit stärker als unter den älteren Befragungsteilnehmern (Ȗ12A = 0,25; p < 0,001). Beide Pfadkoeffizienten unterscheiden sich signifikant (¨Ȥ²[1] = 4,13; p = 0,042). Hypothese H1b wird somit bestätigt. Die interaktionale Gerechtigkeit prognostiziert die transaktionsspezifische Zufriedenheit in der jüngeren Gruppe (Ȗ13J = 0,19; p < 0,001) schlechter als in der älteren Gruppe (Ȗ13A = 0,32; p < 0,001). Der Unterschied beider Pfadkoeffizienten ist ebenfalls signifikant (¨Ȥ²[1] = 4,14; p = 0,042), womit die Ergebnisse Hypothese H1c bestätigen.
4 Empirische Untersuchung
149 Pfadkoeffizient Ȗ Jung Alt 0,41 0,51
Unabhängige Variablea) Distributive Gerechtigkeit
Hypotheseb) H1a (+)
Prozedurale Gerechtigkeit
H1b (–)
0,44
0,25
4,13
0,042
Interaktionale Gerechtigkeit
H1c (+)
0,19
0,32
4,14
0,042
¨Ȥ²[1] 2,54
p 0,111
a) Abhängige Variable: transaktionsspezifische Zufriedenheit b) Der Einfluss der unabhängigen Variable auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit ist laut Hypothese in der zweiten Gruppe (hier: Alt) größer (+) bzw. kleiner (–) als in der ersten Gruppe (hier: Jung). Tab. 20: Ergebnisse der Hypothesenprüfung zum Alter
Weiterführend sind folgende Befunde zu nennen: Die transaktionsspezifische Zufriedenheit besitzt bei den älteren Befragungsteilnehmern (ȕ21A = 0,67; p < 0,001) einen stärkeren Effekt auf den Wiederkauf als bei den jüngeren (ȕ21J = 0,59; p < 0,001). Der Unterschied ist schwach signifikant und verfehlt knapp die 5 %-Grenze (¨Ȥ²[1] = 3,63; p = 0,057). Die Pfadkoeffizienten zwischen der transaktionsspezifischen Zufriedenheit und der positiven Mundpropaganda (ȕ31J = 0,70; ȕ31A = 0,79; p < 0,001) unterscheiden sich hingegen nicht signifikant voneinander (¨Ȥ²[1] = 1,21; p = 0,272).
Mit Blick auf die Kontrollvariablen fördert, wie im Ausgangsmodell, eine lange Geschäftsbeziehung den Wiederkauf (ȖJ = 0,38; ȖA = 0,61; p < 0,001) und die positive Mundpropaganda (ȖJ = 0,25; ȖA = 0,49; p < 0,001). Der Altersunterschied der jeweiligen Pfadkoeffizienten ist sowohl für den Wiederkauf (¨Ȥ²[1] = 3,07; p = 0,080) als auch für die positive Mundpropaganda (¨Ȥ²[1] = 3,00; p = 0,083) schwach signifikant.11 Darüber hinaus besitzt die Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde bei der jüngeren Altersgruppe einen positiven signifikanten Einfluss auf den Wiederkauf (ȖJ = 0,22; p = 0,020) und die positive Mundpropaganda (ȖJ = 0,19; p = 0,022). Bei den älteren Befragungsteilnehmern bestehen diese Beziehungen nicht. Die Pfadkoeffizienten für den Einfluss der Erfolgswahrscheinlichkeit auf den Wiederkauf (¨Ȥ²[1] = 5,09; p = 0,024) und die positive Mundpropaganda (¨Ȥ²[1] = 4,97; p = 0,026) sind in der jüngeren Gruppe signifikant größer als in der Älteren. Weitere signifikante Einflüsse der Kontrollvariablen sowie Moderationseffekte des Alters bestehen nicht.
11
Ergänzend hierzu fördert in der jüngeren Gruppe eine langfristige Geschäftsbeziehung die transaktionsspezifische Zufriedenheit (ȖJ = 0,11; p < 0,016) – in der älteren nicht. Auch für diese Beziehung lässt sich nur ein schwach signifikanter Moderationseffekt des Alters feststellen (¨Ȥ²[1] = 3,397; p = 0,065).
150
4 Empirische Untersuchung
4.4.2
Geschlecht
4.4.2.1
Test auf Skaleninvarianz
In Tab. 21 sind die Ergebnisse für den Test auf Skaleninvarianz des Mehrgruppenmodells mit den beiden Gruppen Frauen und Männer dargestellt. Der Ȥ²-Wert beträgt für das unrestringierte Modell, in dem die Faktorladungen zwischen den Gruppen frei variieren, 1094,38 bei 56612 Freiheitsgraden. Das skaleninvariante Modell, in dem die Faktorladungen zwischen beiden Gruppen auf den gleichen Wert fixiert sind, besitzt einen Ȥ²-Wert von 1115,36 bei 583 Freiheitsgraden. Die Differenz ist nicht signifikant (¨Ȥ²[17] = 20,98; p = 0,227). Folglich ist die Voraussetzung der Skaleninvarianz erfüllt.
Unrestringiertes Modell
Ȥ² 1094,38
df 566
Skaleninvariantes Modell
1115,36
583
20,98
17
Differenz
p
0,227
Tab. 21: Test auf Skaleninvarianz zwischen Frauen und Männern
4.4.2.2
Hypothesenprüfung
Die Ergebnisse der Parameterschätzung für das skaleninvariante Mehrgruppenmodell gibt Abb. 32 wieder. Die Ergebnisse der Hypothesenprüfung finden sich in Tab. 22. Die Gütekriterien für das Mehrgruppenmodell befinden sich auf einem zufriedenstellenden Niveau. Die globalen Gütemaße betragen: Ȥ²[583] = 1115,36; p < 0,001; Ȥ²/df = 1,91; CFI = 0,94; TLI = 0,93; RMSEA = 0,052. Im Modell werden 52 % (Wiederkauf: Gruppe Frauen) bis 86 % (transaktionsspezifische Zufriedenheit: Gruppe Frauen) der Varianz der abhängigen Variablen erklärt.
12
Die Anzahl der Freiheitsgrade von 566 weicht hier von der Anzahl im Altersmodell mit 564 um zwei ab. Das liegt daran, dass die Fehlervarianz des zweiten Indikators für die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde negativ geschätzt wird. Solch eine negative Varianz bezeichnet man als „Heywood-Fall“. Er tritt häufig dann auf, wenn, wie hier, die latente Variable durch zwei Indikatoren operationalisiert wird. Das Problem lässt sich lösen, indem die entsprechende Fehlervarianz auf einen Wert nahe null restringiert wird (hier 0,1) (vgl. Rindskopf 1983, S. 81). Dadurch steigen die Freiheitsgrade um 2. Dies gilt auch für das Modell zum Fehlerausmaß.
4 Empirische Untersuchung
Distributive Gerechtigkeit (ξ1)
151
γ11
M
=0
,57
γ11
F
Prozedurale Gerechtigkeit (ξ2)
=0
,40
*
γ12M = 0,25 γ12F = 0,39*
24*
,
γ 13F ,25
γ 13M
Interaktionale Gerechtigkeit (ξ3)
=0
Transaktionsspezifische Zufriedenheit η1M = 0,84 η1F = 0,86
β 21M β31 M
5 = 0,5
β 21F =
0,66
Wiederkauf η2M = 0,82 η3F = 0,52
= 0,7
5 β 31
F
= 0,7
9
=0
Positive Mundpropaganda η3M = 0,80 η3F = 0,62
Alle Werte sind auf dem Niveau p < 0,001 signifikant. Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren, Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde werden als Kontrollvariablen berücksichtigt, sind jedoch aus Einfachheitsgründen nicht dargestellt. * Pfadkoeffizienten unterscheiden sich auf dem Niveau p ≤0,05. ** Pfadkoeffizienten unterscheiden sich auf dem Niveau p ≤ 0,01. γ, β = standardisierte Pfadkoeffizienten η = erklärte Varianz der abhängigen Variablen M, F = Gruppe: Männer (M) und Frauen (F)
Abb. 32: Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell nach Geschlecht
Bei den Männern wirkt die distributive Gerechtigkeit auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit positiv mit einem Wert von Ȗ11M = 0,57 (p < 0,001). Für die Frauen beträgt der entsprechende Pfadkoeffizient Ȗ11F = 0,40 (p < 0,001) (vgl. Abb. 32). Beide Pfadkoeffizienten unterscheiden sich signifikant (¨Ȥ²[1] = 4,85; p = 0,028) (vgl. Tab. 22). Folglich unterstützen die Daten die Hypothese H2a. Die prozedurale Gerechtigkeit fördert in der Gruppe der Frauen (Ȗ12F = 0,39; p < 0,001) stärker die transaktionsspezifische Zufriedenheit als in der Gruppe der Männer (Ȗ12M = 0,25; p < 0,001). Dieser Unterschied ist ebenfalls signifikant (¨Ȥ²[1] = 5,14; p = 0,023). Hypothese H2b wird bestätigt.
Pfadkoeffizient Ȗ Männer Frauen 0,57 0,40
Unabhängige Variablea) Distributive Gerechtigkeit
Hypotheseb) H2a (–)
Prozedurale Gerechtigkeit
H2b (+)
0,25
Interaktionale Gerechtigkeit
H2c (+)
0,25
¨Ȥ²[1] 4,85
p 0,028
0,39
5,14
0,023
0,24
0,00
0,975
a) Abhängige Variable: transaktionsspezifische Zufriedenheit b) Der Einfluss der unabhängigen Variable auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit ist laut Hypothese in der zweiten Gruppe (hier: Frauen) größer (+) bzw. kleiner (–) als in der ersten Gruppe (hier: Männer). Tab. 22: Ergebnisse der Hypothesenprüfung zum Geschlecht
Die interaktionale Gerechtigkeit beeinflusst positiv die transaktionsspezifische Zufriedenheit bei den Männern mit einem Wert von Ȗ13M = 0,25 (p < 0,001) und bei den Frauen mit einem Wert von Ȗ13F = 0,24 (p < 0,001). Die Pfadkoeffizienten unterscheiden sich nicht signifikant
152
4 Empirische Untersuchung
(¨Ȥ²[1] = 0,00; p = 0,975). Somit unterstützen die Daten Hypothese H2c nicht. Sie muss folglich abgelehnt werden.
Mit Blick auf die Kontrollvariablen begünstigt, wie im Ausgangsmodell, eine lange Geschäftsbeziehung den Wiederkauf (ȖM = 0,69; ȖF = 0,29; p < 0,001) und die positive Mundpropaganda (ȖM = 0,46; ȖF = 0,25; p < 0,001). Die Pfadkoeffizienten beider Gruppen unterscheiden sich sowohl für den Einfluss auf den Wiederkauf (¨Ȥ²[1] = 7,99; p = 0,005) als auch für den Effekt auf die positive Mundpropaganda (¨Ȥ²[1] = 7,59; p = 0,006) signifikant. Weitere signifikante Einflüsse der Kontrollvariablen auf die Modellvariablen existieren nicht.
4.4.3
Fehlerausmaß
4.4.3.1
Test auf Skaleninvarianz
Die Ergebnisse des Tests auf Skaleninvarianz für das Mehrgruppenmodell mit den beiden Gruppen geringes Fehlerausmaß und hohes Fehlerausmaß zeigt Tab. 23. Im unrestringierten Modell dürfen die Faktorladungen zwischen den Gruppen frei variieren. Der Ȥ²-Wert beträgt für dieses Modell 1156,56 bei 566 Freiheitsgraden. Der Ȥ²-Wert für das skaleninvariante Modell, bei dem entsprechend die Faktorladungen zwischen beiden Gruppen auf den gleichen Wert festgelegt sind, beträgt 1169,41 bei 583 Freiheitsgraden. Es liegt Skaleninvarianz vor, da sich beide Werte nicht signifikant unterscheiden (¨Ȥ²[17] = 12,85; p = 0,746).
Unrestringiertes Modell
Ȥ² 1156,56
df 566
Skaleninvariantes Modell
1169,41
583
12,85
17
Differenz
p
0,746
Tab. 23: Test auf Skaleninvarianz bei geringem vs. hohem Fehlerausmaß
4.4.3.2
Hypothesenprüfung
Abb. 33 zeigt das skaleninvariante Mehrgruppenmodell und Tab. 24 die Ergebnisse der Hypothesenprüfung. Die Gütekriterien für das Mehrgruppenmodell befinden sich auf einem zufriedenstellenden Niveau. Die globalen Gütemaße betragen: Ȥ²[583] = 1169,41; p < 0,001; Ȥ²/df = 2,01; CFI = 0,93; TLI = 0,93; RMSEA = 0,055. Es werden 62 % (Wiederkauf: Gruppe gerin-
4 Empirische Untersuchung
153
ges Fehlerausmaß) bis 87 % (transaktionsspezifische Zufriedenheit: Gruppe hohes Fehlerausmaß) der Varianz der abhängigen Modellvariablen erklärt.
Distributive Gerechtigkeit (ξ1)
γ11
G
=0
,42
γ11
H
Prozedurale Gerechtigkeit (ξ2)
,50
γ12G = 0,21 γ12H = 0,40*
* 17*
,
γ 13H ,40
5
=0
=0
Transaktionsspezifische Zufriedenheit η1G = 0,82 η1H = 0,87
β 21G β31 G
5 = 0,5
β 21H
= 0,6
= 0,7
1 β 31
H
= 0,7
6
=0 G
Interaktionale Gerechtigkeit (ξ3)
Wiederkauf η2G = 0,62 η3H = 0,78
γ 13
Positive Mundpropaganda η3G = 0,65 η3H = 0,82
Alle Werte sind auf dem Niveau p < 0,001 signifikant. Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren, Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde werden als Kontrollvariablen berücksichtigt, sind jedoch aus Einfachheitsgründen nicht dargestellt. * Pfadkoeffizienten unterscheiden sich auf dem Niveau p ≤0,05. ** Pfadkoeffizienten unterscheiden sich auf dem Niveau p ≤ 0,01. γ, β = standardisierte Pfadkoeffizienten η = erklärte Varianz der abhängigen Variablen G, H = Gruppe: geringes Fehlerausmaß (G) und hohes Fehlerausmaß (H)
Abb. 33: Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell nach Fehlerausmaß
Bei einem geringen Fehlerausmaß fördert die distributive Gerechtigkeit die transaktionsspezifische Zufriedenheit mit einem Wert von Ȗ11G = 0,42 (p < 0,001). Liegt ein hohes Fehlerausmaß vor, beträgt der entsprechende Wert Ȗ11H = 0,50 (p < 0,001) (vgl. Abb. 33). Beide Pfadkoeffizienten unterscheiden sich nicht signifikant voneinander (¨Ȥ²[1] = 0,85; p = 0,356) (vgl. Tab. 24). Hypothese H3a wird somit nicht bestätigt. Zumindest stimmt die beobachtete Richtung des Moderationseffekts mit der vorhergesagten überein: Die distributive Gerechtigkeit besitzt bei einem hohen Fehlerausmaß einen stärkeren Effekt auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit als bei einem geringen Fehlerausmaß. Die prozedurale Gerechtigkeit besitzt bei einem hohen Fehlerausmaß (Ȗ12H = 0,40; p < 0,001) einen stärkeren Effekt auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit als bei einem geringen Fehlerausmaß (Ȗ12G = 0,21; p < 0,001). Der Unterschied in den Pfadkoeffizienten ist signifikant (¨Ȥ²[1] = 4,07; p = 0,044). Somit wird Hypothese H3b bestätigt. Die interaktionale Gerechtigkeit beeinflusst die transaktionsspezifische Zufriedenheit bei einem hohen Fehlerausmaß (Ȗ13H = 0,17; p < 0,001) weniger stark als bei einem geringen Fehlerausmaß (Ȗ13G = 0,40; p < 0,001). Die Pfadkoeffizienten unterscheiden sich hier abermals signifikant voneinander (¨Ȥ²[1] = 7,83; p = 0,005), womit die Ergebnisse Hypothese H3c bestätigen.
154
4 Empirische Untersuchung
Unabhängige Variablea) Distributive Gerechtigkeit
Hypotheseb) H3a (+)
Pfadkoeffizient Ȗ Geringes Hohes Fehlerausmaß Fehlerausmaß 0,42 0,50
¨Ȥ²[1] 0,85
p 0,356
Prozedurale Gerechtigkeit
H3b (+)
0,21
0,40
4,07
0,044
Interaktionale Gerechtigkeit
H3c (–)
0,40
0,17
7,83
0,005
a) Abhängige Variable: transaktionsspezifische Zufriedenheit b) Der Einfluss der unabhängigen Variable auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit ist laut Hypothese in der zweiten Gruppe (hier: hohes Fehlerausmaß) größer (+) bzw. kleiner (–) als in der ersten Gruppe (hier: geringes Fehlerausmaß). Tab. 24: Ergebnisse der Hypothesenprüfung zum Fehlerausmaß
Folgende weitere Ergebnisse sind zu nennen. Eine langfristige Beziehung zum Unternehmen führt sowohl bei einem geringen als auch bei einem hohen Fehlerausmaß zu einem Wiederkauf (ȖG = 0,55; ȖH = 0,59; p < 0,001) und zu positiver Mundpropaganda (ȖG = 0,35;
ȖH = 0,48; p < 0,001). Sowohl für die Beziehung „Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung ĺ Wiederkauf“ (¨Ȥ²[1] = 4,65; p = 0,031) als auch für „Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung ĺ positive Mundpropaganda“ (¨Ȥ²[1] = 7,54; p = 0,006) unterscheiden sich die Pfadkoeffizienten signifikant voneinander.
Darüber hinaus fördert in der Gruppe geringes Fehlerausmaß die Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde die positive Mundpropaganda (ȖG = 0,19; p < 0,010). Bei einem hohen Fehlerausmaß ist dies nicht der Fall (ȖH = 0,00; p = 0,952). Beide Pfadkoeffizienten unterscheiden sich schwach signifikant voneinander (¨Ȥ²[1] = 3,04; p = 0,081). Neben den berichteten Ergebnissen wurden keine weiteren signifikanten Effekte beobachtet.
4.4.4
Fehlertyp
4.4.4.1
Test auf Skaleninvarianz
Die Ergebnisse des Tests auf Skaleninvarianz für das Mehrgruppenmodell mit den beiden Gruppen Prozess- und Ergebnisfehler sind in Tab. 25 dargestellt. Das unrestringierte Modell, wonach die Faktorladungen zwischen beiden Gruppen frei variieren, weist einen Ȥ²-Wert von 1011,06 bei 564 Freiheitsgraden auf. Im skaleninvarianten Modell, in dem die Faktorladungen zwischen beiden Gruppen auf den gleichen Wert restringiert sind, wird ein Ȥ²-Wert von 1030,48 bei 581 Freiheitsgraden beobachtet. Die Differenz ist nicht signifikant (¨Ȥ²[17] = 19,42; p = 0,305). Skaleninvarianz liegt vor.
4 Empirische Untersuchung
155
Unrestringiertes Modell
Ȥ² 1011,06
df 564
Skaleninvariantes Modell
1030,48
581
19,42
17
Differenz
p
0,305
Tab. 25: Test auf Skaleninvarianz bei Ergebnis- vs Prozessfehlern
4.4.4.2
Hypothesenprüfung
Abb. 34 stellt die Ergebnisse der Parameterschätzung für das skaleninvariante Mehrgruppenmodell mit den beiden Gruppen Prozess- und Ergebnisfehler dar. In Tab. 26 finden sich die zugehörigen Ergebnisse der Hypothesenprüfung. Die Gütekriterien für das Mehrgruppenmodell befinden sich auf einem guten Niveau. Die globalen Gütemaße betragen: Ȥ²[583] = 1030,48; p < 0,001; Ȥ²/df = 1,77; CFI = 0,94; TLI = 0,93; RMSEA = 0,052. Das Modell erklärt 65 % (Wiederkauf: Gruppe Ergebnisfehler) bis 89 % (transaktionsspezifische Zufriedenheit: Gruppe Ergebnisfehler; positive Mundpropaganda: Gruppe Prozessfehler) der Varianz der abhängigen Modellvariablen.
Distributive Gerechtigkeit (ξ1)
γ11
P
=0
,16
γ11
E
Prozedurale Gerechtigkeit (ξ2)
,53
**
γ12P = 0,55 γ12E = 0,28*
,27
3E 3 γ1
Interaktionale Gerechtigkeit (ξ3)
=0
γ
13P
,3 =0
=0
Transaktionsspezifische Zufriedenheit η1P = 0,79 η1E = 0,89
0,57 β 21E = 0,56 β 21P = β31 P = 0,62 β31 E = 0,72
Wiederkauf η2P = 0,88 η3E = 0,65
Positive Mundpropaganda η3P = 0,89 η3E = 0,71
Alle Werte sind auf dem Niveau p < 0,001 signifikant. Die einzige Ausnahme stellt γ11P dar, wo p = 0,068 ist. Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren, Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde werden als Kontrollvariablen berücksichtigt, sind jedoch aus Einfachheitsgründen nicht dargestellt. * Pfadkoeffizienten unterscheiden sich auf dem Niveau p ≤0,05. ** Pfadkoeffizienten unterscheiden sich auf dem Niveau p ≤ 0,01. γ, β = standardisierte Pfadkoeffizienten η = erklärte Varianz der abhängigen Variablen P, E = Gruppe: Prozessfehler (P) und Ergebnisfehler (E)
Abb. 34: Mehrgruppenstrukturgleichungsmodell nach Fehlertyp
Bei einem Prozessfehler besitzt die distributive Gerechtigkeit einen geringen Einfluss auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit mit einem Wert von Ȗ11P = 0,16, der mit p = 0,068 lediglich schwach signifikant ist. Bei einem Ergebnisfehler wirkt die distributive Gerechtigkeit stark auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit mit einem Wert von Ȗ11E = 0,53 (p < 0,001)
156
4 Empirische Untersuchung
(vgl. Abb. 34). Beide Pfadkoeffizienten unterscheiden sich signifikant voneinander (¨Ȥ²[1] = 12,54; p < 0,001) (vgl. Tab. 26). Die Ergebnisse bestätigen also H4a. Die prozedurale Gerechtigkeit fördert die transaktionsspezifische Zufriedenheit bei einem Ergebnisfehler (Ȗ12E = 0,28; p < 0,001) weniger stark als bei einem Prozessfehler (Ȗ12P = 0,55; p < 0,001). Die Pfadkoeffizienten unterscheiden sich ebenfalls signifikant voneinander (¨Ȥ²[1] = 4,52; p = 0,034). Somit wird Hypothese H4b bestätigt.
Die interaktionale Gerechtigkeit fördert die transaktionsspezifische Zufriedenheit bei einem Prozessfehler (Ȗ13P = 0,33; p < 0,001) und einem Ergebnisfehler (Ȗ13E = 0,27; p < 0,001) in etwa gleich stark. Wie die geringe Differenz der Pfadkoeffizienten bereits vermuten lässt, fällt der zugehörige Ȥ²-Differenztest nicht signifikant aus (¨Ȥ²[1] = 0,13; p = 0,717). Hypothese H4c wird folglich verworfen.
Pfadkoeffizient Ȗ Prozessfehler Ergebnisfehler 0,16 0,53
Unabhängige Variablea) Distributive Gerechtigkeit
Hypotheseb) H4a (+)
Prozedurale Gerechtigkeit
H4b (–)
0,55
Interaktionale Gerechtigkeit
H4c (–)
0,33
¨Ȥ²[1] 12,54
p < 0,001
0,28
4,52
0,034
0,27
0,13
0,717
a) Abhängige Variable: transaktionsspezifische Zufriedenheit b) Der Einfluss der unabhängigen Variable auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit ist laut Hypothese in der zweiten Gruppe (hier: Ergebnisfehler) größer (+) bzw. kleiner (–) als in der ersten Gruppe (hier: Prozessfehler). Tab. 26: Ergebnisse der Hypothesenprüfung zum Fehlertyp
Die Ergebnisse zu den Kontrollvariablen gestalten sich wie folgt: Im Falle eines Ergebnisfehlers führt eine lange Beziehung zu einer höheren transaktionsspezifischen Zufriedenheit (ȖE = 0,08; p < 0,027), nicht jedoch im Falle eines Prozessfehlers (ȖP = 0,02; p = 0,790). Beide Pfadkoeffizienten unterscheiden sich nicht signifikant voneinander (¨Ȥ²[1] = 0,03; p = 0,862). Die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung fördert in beiden Gruppen den Wiederkauf (ȖP = 0,75; ȖE = 0,52; p < 0,05) und die positiver Mundpropaganda (ȖP = 0,68; ȖE = 0,37; p < 0,05). Für den Zusammenhang „Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung ĺ Wiederkauf“ kann ein Moderationseffekt nachgewiesen werden (¨Ȥ²[1] = 6,30; p = 0,012). Für die Wirkungsbeziehung „Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung ĺ positive Mundpropaganda“ kann keine zulässige Ȥ²-Veränderung (> 0) bestimmt werden, weil der Ȥ²-Wert im restringierten Modell kleiner wird, obwohl er ansteigen müsste. Dadurch wird die Differenz kleiner 0, wofür die Ȥ²-Statistik nicht definiert ist. Dies liegt möglicherweise an einer Inkon-
4 Empirische Untersuchung
157
sistenz in der Datenmatrix. In diesem Zusammenhang erscheint es ebenso unschlüssig, dass im Falle eines Ergebnisfehlers eine erfolgversprechende Beschwerde (ȖE = –0,08; p = 0,015) und im Falle eines Prozessfehlers eine beschwerdefördernde Einstellung (ȖP = –0,20; p = 0,011) die transaktionsspezifische Zufriedenheit verringern. Weitere signifikante Einflüsse und Moderationseffekte des Fehlertyps existieren nicht.
4.4.5
Zusammenfassung
Insgesamt werden 8 der 12 Hypothesen bestätigt. Tab. 27 zeigt, wie sich in Abhängigkeit des jeweiligen Moderators die Wirkung der einzelnen Gerechtigkeitsdimension auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit verstärkt oder abschwächt. Dabei ist die jeweilige Untergruppe markiert (z. B. Alter: Gruppe Alt), bei welcher der Einfluss der unabhängigen Variable (z. B. distributive Gerechtigkeit) auf die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung (transaktionsspezifische Zufriedenheit) laut Hypothese stärker ist. Ein (nicht) ausgefüllter Kreis zeigt eine (nicht) bestätigte Hypothese an.
Moderatoren Alter Unabhängige Variable
jung
Distributive Gerechtigkeit Prozedurale Gerechtigkeit Interaktionale Gerechtigkeit
Geschlecht alt
| z
Männer b)
Frauen
Fehlerausmaß gering
a)
Fehlertyp Prozess- Ergebfehler nisfehler
|
z
z z
hoch
|
z z
z
Abhängige Variable Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung
z |
(transaktionsspezifische Zufriedenheit)
z bestätigt | nicht bestätigt Lesebeispiele: a) Der positive Einfluss der distributiven Gerechtigkeit auf die Nachbeschwerdezufriedenheit ist bei Männern stärker als bei Frauen – Hypothese hat sich bestätigt. b) Der positive Einfluss der distributiven Gerechtigkeit auf die Nachbeschwerdezufriedenheit ist bei älteren Menschen stärker als bei jüngeren Menschen – Hypothese hat sich nicht bestätigt.
Tab. 27: Zusammenfassung der Ergebnisse der Hypothesenprüfung
5
Diskussion
5.1
Implikationen für die Forschung
5.1.1
Gerechtigkeitsdimensionen
Der Forschungsbeitrag der vorliegenden Arbeit besteht darin, die divergierenden Befunde zur Einflussstärke der Gerechtigkeitsdimensionen auf die Nachbeschwerdezufriedenheit mittels verschiedener Kontextvariablen zu erklären. Es wurde theoretisch und empirisch belegt, dass die vier Variablen Alter, Geschlecht, Fehlerausmaß und Fehlertyp die Beziehungen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit (d. h. Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung) moderieren. Aus den Ergebnissen resultieren Implikationen für die Forschung, die in den folgenden drei Abschnitten für die Gerechtigkeitsdimensionen, die Kontextvariablen und die Kontrollvariablen diskutiert werden.
Wie auch in anderen Studien zeigen sich in den vorliegenden Daten hohe Korrelationen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen (z. B. Davidow 2003b, S. 74; Liao 2007, S. 481). Das bedeutet, dass die Gerechtigkeitsdimensionen voneinander abhängen. Forscher können diesem Umstand durch die Verwendung geeigneter statistische Methoden, wie z. B. der Strukturgleichungsmodelle, Rechnung tragen (z. B. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 244). Sie erlauben es, Korrelationen zwischen den unabhängigen Variablen zu modellieren, und heben somit die strenge Forderung nach Unabhängigkeit der Prädiktoren in der Regressionsanalyse auf (vgl. Grewal, Cote & Baumgartner 2004, S. 524; Maruyama 1998, S. 21 ff.). Ist der Forscher nicht auf die Unterscheidung zwischen den einzelnen Gerechtigkeitsdimensionen angewiesen, bestünde eine zweite Möglichkeit darin, die Gerechtigkeitswahrnehmung als ein so genanntes second order construct zu modellieren. Hierbei wären die drei Gerechtigkeitsdimensionen im Prinzip Indikatoren, die auf das übergeordnete Konstrukt wahrgenommene Gerechtigkeit laden (vgl. DeWitt, Nguyen & Marshall 2008, S. 270; Liao 2007, S. 482). Der Nachteil dieses Vorgehens besteht jedoch darin, dass keine differenzierten Aussagen zu den Antezedenzen oder Konsequenzen einzelner Gerechtigkeitsdimensionen getroffen werden können.
H. Roschk, Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung, DOI 10.1007/978-3-8349-6222-5_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
160
5.1.2
5 Diskussion
Kontextvariablen
Für die Variable Alter zeigen die Ergebnisse, dass ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren weniger Wert auf die prozedurale Gerechtigkeit (H1b) und mehr Wert auf die interaktionale Gerechtigkeit (H1c) legen, wenn sie ihr Zufriedenheitsurteil über die Beschwerdebehandlung fällen. Menschen unterschiedlichen Alters beurteilen also die Beschwerdebehandlung unter verschiedenen Gesichtspunkten. Jüngeren Beschwerdeführern sind zügige Prozesse, die ein höchstmögliches Maß an Kontrolle erlauben, wichtiger als älteren Studienteilnehmern. Demgegenüber legen ältere Kunden im Vergleich zu den jüngeren mehr Wert auf einen respektvollen und höflichen zwischenmenschlichen Umgang des Personals.
Nicht bestätigt wurde die Hypothese H1a, wonach die distributive Gerechtigkeit mit zunehmendem Alter an Einfluss gewinnt. Eine mögliche Erklärung besteht in dem Einfluss der Emotionen auf die Wahrnehmung. Ältere Beschwerdeführer können die Beschwerdebehandlung im Vergleich zu jüngeren objektiver beurteilen, weil sie durch den Fehler ausgelöste negative Emotionen weniger intensiv und nachhaltig erleben (vgl. Charles, Reynolds & Gatz 2001, S. 144; Gross et al. 1997, S. 593 f.). Ursprünglich wurde angenommen, dass ältere Kunden die distributive Gerechtigkeit daher sachlicher beurteilen und diese deshalb einen stärkeren Effekt auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit besitzt. Vermutlich führt jedoch die realistischere Einschätzung der Beschwerdesituation dazu, dass sich das Augenmerk der Kunden von der distributiven Gerechtigkeit auf die interaktionale Gerechtigkeit verschiebt. Die Ergebnisse von Smith & Bolton (2002, S. 15) zeigen, dass Menschen, die die Beschwerdesituation objektiv wahrnehmen, weniger Wert auf die distributive als auf die interaktionale Gerechtigkeit legen als emotional reagierende Beschwerdeführer.
Mit Blick auf das Geschlecht wurde empirisch bestätigt, dass bei Frauen im Vergleich zu Männern die distributive Gerechtigkeit eine schwächere (H2a) und die prozedurale Gerechtigkeit eine stärkere (H2b) Wirkung auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit besitzt. An dieser Stelle sei noch einmal hervorgehoben, dass die Unterschiede relativer und nicht absoluter Natur sind. Beide Gruppen legen sowohl Wert auf das Ergebnis als auch auf die Prozesse. Männer nehmen jedoch eine vergleichsweise stärker ergebnisorientierte Sicht bei der Beurteilung der Beschwerdebehandlung ein. Frauen wiederum beurteilen die Beschwerdebehandlung aus einer eher prozessorientierten Perspektive.
5 Diskussion
161
Nicht bestätigt wurde Hypothese H2c, wonach Frauen in ihrem Zufriedenheitsurteil über die Beschwerdebehandlung mehr Wert auf die interaktionale Gerechtigkeit legen als Männer. Die theoretische Herleitung dieser Hypothese fußt im Wesentlichen auf dem gesellschaftlichen Stereotyp, welches Frauen als stärker beziehungsorientiert beschreibt. Allerdings bedürfen Menschen unabhängig vom Geschlecht sozialer Beziehungen für ein ausgeglichenes Dasein (vgl. Baumeister & Leary 1995, S. 508 f.; Kenrick, Neuberg & Cialdini 2007, S. 229). Soziale Isolation begünstigt unlogischem und irrationales Verhalten (vgl. Baumeister et al. 2005, S. 589; Twenge, Catanese & Baumeister 2002, S. 606). In einem Experiment wurde gezeigt, dass Studenten, die aus einer sozialen Gruppe ausgeschlossen wurden, ähnliche Gehirnaktivitäten wie im Falle physischer Schmerzen aufwiesen (vgl. Eisenberger, Lieberman & Williams 2003, S. 290).
Soziale Beziehungen erfüllen eine wichtige Aufgabe. Menschen schöpfen aus ihnen emotionale Unterstützung, um z.B. in Krisensituationen Kummer oder Trauer besser verarbeiten zu können. Unterschiede zwischen Frauen und Männern liegen hier jedoch eher in der Gestaltung ihrer sozialen Umgebung. So schaffen sich Männer eher ein soziales Umfeld, welches stärker als bei Frauen durch Wettstreit und Status geprägt ist. Frauen legen mehr Wert auf Harmonie und einen größeren sozialen Rückhalt (vgl. Kenrick, Neuberg & Cialdini 2007, S. 232). Obwohl der Eindruck entstehen mag, dass Männer weniger harmoniebedürftig sind als Frauen, zeigt sich, dass in romantischen Beziehungen Frauen streitsüchtiger sind als Männer (vgl. Suh et al. 2004, S. 51). Dessen ungeachtet stellen soziale Beziehungen für beide Geschlechter einen wichtigen Bestandteil ihres Lebens dar. Eine unfreundliche und respektlose Interaktion (z. B. Unaufmerksamkeit) des Unternehmens wird also von Frauen wie von Männern gleichermaßen als persönlicher Affront empfunden.
Das Fehlerausmaß moderiert zwei der drei Beziehungen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen und der transaktionsspezifischen Zufriedenheit. Empirisch wurde bestätigt, dass die Probanden bei einem hohen Fehlerausmaß mehr Wert auf die prozedurale Gerechtigkeit (H3b) und weniger Wert auf die interaktionale Gerechtigkeit (H3c) legen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich der Beurteilungsschwerpunkt der Beschwerdeführer verschiebt. Ist bei einem geringen Fehler noch die interaktionale Gerechtigkeit wichtiger als die prozedurale, gestaltet sich die Situation bei einem hohen Fehlerausmaß genau umgekehrt. Hier erwarten die Kunden, dass das Problem in einer angemessenen Zeit und mit einem Mitspracherecht
162
5 Diskussion
gelöst wird. Eine faire Interaktion wird grundsätzlich gewünscht, besitzt jedoch eine nachrangige Bedeutung.
Nicht bestätigt wurde Hypothese H3a, wonach der positive Einfluss der distributiven Gerechtigkeit bei einem hohen Fehlerausmaß größer ist als bei einem geringen. Eine Erklärung mag darin bestehen, dass sich Kunden beschweren, weil sie einen unliebsamen Zustand verändern möchten (vgl. Singh & Wilkes 1996, S. 351). Die Beschwerdeführer machen die Unternehmen auf einen Leistungsfehler aufmerksam, damit die Unternehmen im Ergebnis der Beschwerde den Fehler beheben. Folglich steht unabhängig vom Fehlerausmaß, also gleichermaßen für geringe und schwerwiegende Fehler, das korrigierte Ergebnis im Mittelpunkt der Beschwerdeführung und somit auch der Beschwerdebeurteilung.
Eine weitere Erklärung könnte darin liegen, dass der Mittelwert des wahrgenommenen Fehlerausmaßes für die Gruppe, die einen geringen Fehler berichtete, 3,96 beträgt. Der Wert ist, gemessen am Mittelpunkt der siebenstufigen Skala, welcher 4 beträgt, vergleichsweise hoch. Daraus folgt, dass selbst in der Gruppe mit weniger gravierenden Fehlern die berichteten Probleme noch ein relativ hohes Fehlerausmaß besitzen. Der Kontrast zur Gruppe, die Probleme mit einem hohen Fehlerausmaß angab, wird dadurch geschmälert. Folglich wurde zwar ein Effekt beobachtet, dessen Wirkungsrichtung H3a unterstützt, in seinem Ausmaß jedoch zu klein ist, um statistisch signifikant zu sein.
Mit Bezug auf den Fehlertyp wurde gezeigt, dass dieser die Wirkung der distributiven und der prozeduralen Gerechtigkeit moderiert. Die distributive Gerechtigkeit besitzt bei Ergebnisfehlern einen größeren Effekt auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit als bei Prozessfehlern (H4a). Bei der prozeduralen Gerechtigkeit ist der Effekt genau umgekehrt. Diese besitzt bei Prozessfehlern einen stärkeren Einfluss auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit als bei Ergebnisfehlern (H4b). Damit bestätigen sich die Aussagen der Resource-Exchange-Theorie, wonach Menschen danach streben, Ressourcen gleicher Art auszutauschen. Beschwerdeführer legen im Falle eines Ergebnisfehlers (d. h. die Kernleistung versagt) mehr Wert auf eine faire Wiedergutmachung, die ihnen den materiellen Schaden, den sie durch den Fehler erlitten haben, ersetzt. Im Falle eines Prozessfehlers (d. h. beeinträchtigte Art und Weise der Leistungserbringung) streben Kunden stärker danach, dass der Prozessschaden (z. B. lange Wartezeit) durch einen sehr guten Folgeprozess ausgeglichen wird (z. B. schnellere Bearbeitung des Kundenanliegens).
5 Diskussion
163
Nicht bestätigt werden konnte Hypothese H4c, wonach die interaktionale Gerechtigkeit bei Prozessfehlern einen stärkeren Effekt auf die transaktionsspezifische Zufriedenheit besitzt als bei Ergebnisfehlern. Eine Ursache liegt vermutlich darin, dass die geringe Zahl der geschilderten Prozessfehler sich zumeist auf fehlerhafte formale Abläufe (z. B. lange Wartezeit auf das Essen im Restaurant, verspätete Versandlieferung) beziehen. Probleme auf zwischenmenschlicher Ebene (z. B. unfreundliches Personal) wurden eher selten genannt.
Für die Forschung beinhalten die Ergebnisse zwei Implikationen: In Forschungsstudien sollte auf die Stichprobenzusammensetzung geachtet werden. Häufig werden Studenten als convenience sample genommen (z. B. Davidow 2003b, S. 72; Hui & Au 2001, S. 165; Mattila & Cranage 2005, S. 273). Studenten stellen jedoch nur einen spezifischen und insbesondere den jüngeren Teil einer Bevölkerung dar. Die Ergebnisse dürfen daher nicht auf die gesamte Bevölkerung übertragen werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, ein verzerrtes Bild der Realität wiederzugeben, sodass etwa im Hinblick auf das vorliegende Thema die relative Wichtigkeit der interaktionalen und der prozeduralen Gerechtigkeit falsch eingeschätzt wird (z. B. Davidow 2003b, S. 77). Gleichfalls sollten Forscher darauf achten, dass Frauen und Männer zu gleichen Teilen in der Stichprobe vertreten sind. Dies ist in der einschlägigen Forschung nicht immer gegeben. So weist z. B. die Stichprobe von Ambrose, Hess & Ganesan (2007, S. 26) 1,5 mal mehr Frauen als Männer auf. Ein weitaus stärkeres Ungleichgewicht findet sich z. B. bei Blodgett & Tax (1993, S. 104), deren Stichprobe fast ausschließlich Frauen umfasst (86 %), oder auch bei Blodgett & Anderson (2000, S. 324), die ebenfalls primär Frauen untersuchen. Auf diese Weise kann es dazu kommen, dass die Wirkung der distributiven Gerechtigkeit unterschätzt und die der prozeduralen Gerechtigkeit überschätzt wird. Die relative Wichtigkeit einzelner Gerechtigkeitsdimensionen sollte also stets vor dem Hintergrund der vorliegenden Stichprobe betrachtet werden. Werden Studienergebnisse auf den Durchschnitt der Bevölkerung übertragen, dann sollte dies nur dann geschehen, wenn ein repräsentatives Abbild untersucht wurde.
Des Weiteren ist beim Design experimenteller Untersuchungen zum vorliegenden Thema darauf zu achten, welches Fehlerausmaß und welcher Fehlertyp in dem Szenario beschrieben werden. So ist aufgrund der Ergebnisse zu erwarten, dass bei Prozessfehlern prozessorientierte Maßnahmen (z. B. schnelle Reaktion) einen stärkeren Effekt als ergebnisorientierte Maßnahmen (Kompensation) auf die Zufriedenheit besitzen (z. B. Wirtz & Mattila 2004, S. 156). Denn bei Prozessfehlern beurteilen Probanden die Beschwerde stärker unter Prozessgesichts-
164
5 Diskussion
punkten, als dies bei Ergebnisfehlern der Fall wäre. Umgekehrt werden bei Ergebnisfehlern ergebnisorientierte Maßnahmen einen stärkeren Effekt als prozessorientierte besitzen (z. B. Boshoff 1997, S. 121). Forscher können dem Problem begegnen, indem sie beispielsweise den gleichen Effekt einmal bei einem Ergebnisfehler und einmal bei einem Prozessfehler untersuchen (z. B. Bonifield & Cole 2008). Aus den gleichen Gründen sollte das dargestellte Fehlerausmaß sorgfältig gewählt und bei der Interpretation der beobachteten Ergebnisse berücksichtigt werden. So schwankt das in Experimenten verwendete Fehlerausmaß am Beispiel des Produktpreises kleinerer Produkte, im Wert von zwei bis fünf $ (vgl. Garrett 1999, S. 32), bis hin zu Flugverspätungen um einen ganzen Tag, für die ein Gutschein bis zu 400 $ gewährt wird (vgl. Bonifield & Cole 2008, S. 572). Das Fehlerausmaß wird darüber hinaus auch von dem Involvement sowie dem Umfang möglicher Konsequenzen bestimmt (vgl. Hoffman & Kelley 2000, S. 427; Webster & Sundaram 1998, S. 155)
5.1.3
Kontrollvariablen
Die Untersuchung berücksichtigt die Effekte der drei Kontrollvariablen Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung, Einstellung zum Beschweren und Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde auf die abhängigen Untersuchungsvariablen. Dabei besitzt die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung in allen Teilgruppen einen positiven Einfluss auf die Verhaltensabsichten Wiederkauf und positive Mundpropaganda. Auch die Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde beeinflusst in verschiedenen Gruppen (z. B. Mehrgruppenvergleich Alter: Gruppe Jung) die Verhaltensabsichten positiv. Kein Einfluss wurde für die Einstellung zum Beschweren beobachtet. Forscher sollten daher in ihren Untersuchungen den Einfluss der Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung sowie der Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde kontrollieren. Der Einbezug von Kontrollvariablen ist in der Forschungspraxis nicht immer der Fall. In verschiedenen Untersuchungen werden Kontrollvariablen nicht berücksichtigt (z. B. Chebat & Slusarczyk 2005; DeWitt, Nguyen & Marshall 2008). Dies führt dazu, dass Effekte verzerrt werden können. Ein Einfluss, den der Forscher von Variable A auf Z beobachtet, entsteht womöglich, weil Variable C auf A und Z wirkt. Tatsächlich besitzt Variable A auf Z keinen Einfluss. Dieses Problem wird als omitted variables bias bezeichnet (vgl. Kenny, Kashy & Bolger 1998, S. 262). Kein nennenswerter Einfluss geht von der Einstellung zum Beschweren aus und spielt daher als Kontrollvariable in der Forschung zum Verhalten nach der Beschwerde eine weniger ausschlaggebende Rolle.
5 Diskussion
5.2
Handlungsempfehlungen für die Praxis
5.2.1
Einführung
5.2.1.1
Generelle vs. kunden- und situationsspezifische Maßnahmen
165
Die Ergebnisse zeigen, dass alle drei Gerechtigkeitsdimensionen, d. h. die distributive, die prozedurale sowie die interaktionale Gerechtigkeit, die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung fördern (transaktionsspezifische Zufriedenheit). Diese Wirkungsbeziehungen gelten unabhängig von den Moderationseffekten der Variablen Alter, Geschlecht, Fehlerausmaß und Fehlertyp. Das Ziel für Unternehmen sollte daher im ersten Schritt sein, fair zu reagieren. Für Marketingmanager gilt es daher, zunächst generelle Maßnahmen vorzunehmen, um die Kunden unter allen Umständen wieder zufriedenzustellen. Denn zufriedene Kunden empfehlen das Unternehmen weiter (positive Mundpropaganda) und kaufen wieder bei dem Anbieter ein (Wiederkauf) (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002a, S. 246).
Im zweiten Schritt sollten Unternehmen ihre Reaktion auf den Kunden und die Situation zuschneiden. Die Ergebnisse der Hypothesenprüfung zeigen, dass je nach Alter, Geschlecht, Fehlerausmaß oder Fehlertyp die Beschwerdeführer Wert auf andere Gerechtigkeitsdimensionen legen. So sind z. B. faire Prozesse für Kunden, die sich über einen großen Fehler beschweren, wichtiger als für Kunden, die lediglich geringere Mängel beanstanden. In solchen Fällen (hohes Fehlerausmaß) sollten Unternehmen die Ressourcen primär für einen fairen Beschwerdeprozess einzusetzen, d. h. situationsspezifisch gestalten. Eine kunden- und situationsspezifische Reaktion hilft, begrenzte Ressourcen, wie Zeitverfügbarkeit, Geld und Personal, gezielter und damit wirkungsvoller einzusetzen. Insbesondere bei älteren Konsumenten, bei denen die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung einen stärkeren positiven Effekt auf den Wiederkauf besitzt, scheint sich eine solche Strategie auszuzahlen.
5.2.1.2
Beschwerdebehandlung als Prozess
In Forschung und Praxis wird eine Vielzahl unterschiedlicher Unternehmensreaktionen (z. B. Entschuldigung) und Maßnahmen (z. B. complaint ownership) im Beschwerdefall diskutiert. Um die Reaktionsformen zu strukturieren, hilft es, wenn die Beschwerdebehandlung nicht als punktuelle Reaktion, sondern als ein Prozess – bestehend aus der Beschwerdeannahme, Be-
166
5 Diskussion
schwerdebearbeitung und Beschwerdereaktion – verstanden wird (vgl. Stauss 2006, S. 82 ff.). Ein Kunde beschwert sich bei der Kellnerin z. B. darüber, dass sein Essen lauwarm ist. Die Kellnerin reagiert freundlich und bedankt sich für den Hinweis (Beschwerdeannahme). Sie nimmt die Speise wieder mit, damit der Koch sie erneut zubereitet (Beschwerdebearbeitung). Anschließend serviert die Kellnerin die neu zubereitete Speise und entschuldigt sich beim Gast für die Unannehmlichkeiten (Beschwerdereaktion). In jeder der einzelnen Prozessphasen steht eine andere Gerechtigkeitsdimension im Vordergrund (vgl. Abb. 35).
Beschwerdeannahme
Beschwerdebearbeitung
Distributive Gerechtigkeit Prozedurale Gerechtigkeit
R
Interaktionale Gerechtigkeit
R
R
Beschwerdereaktion
R
? ? ?
Kompensationsform Kompensationshöhe Entschuldigung
R
? ? ? ? ?
Antizipieren von Beschwerden Empowerment Richtlinien Complaint ownership Informations- und Kommunikationssysteme
R
? ? ?
Professionelles Beschwerdegespräch Schulung von Mitarbeiterqualifikationen Vorbeugung von Burn-Out-Syndromen
Abb. 35: Beschwerdebehandlung als Prozess
Die distributive Gerechtigkeit spielt vorrangig bei der Beschwerdereaktion eine Rolle. Aus Forschungssicht besteht Einigkeit, dass eine Kompensation des entstandenen Schadens (z. B. Neuzubereitung der Speise und Entschuldigung über den Fehler) die distributive Gerechtigkeit fördert und so die Kunden wieder zufriedenstellt (z. B. Bonifield & Cole 2008, S. 572; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365). Aus Unternehmenssicht ergeben sich drei relevante Fragestellungen, die in Kap. 5.2.2.1 beantwortet werden: (1) Welche Form der Kompensation sollte gewährt werden? (2) Wie hoch sollte die Kompensation ausfallen? (3) Sollen und können sich die Mitarbeiter stets entschuldigen?
Die prozedurale Gerechtigkeit ist in allen drei Phasen der Beschwerdebehandlung wichtig. Denn ein Prozess wird als fair empfunden, wenn er in einer angemessenen Zeit abläuft und die Kunden die notwendige Kontrolle erhalten, um an der Beschwerdebehandlung mitzuwirken (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 197; Karande, Magnini & Tam 2007, S. 192). Dies trifft für alle drei Phasen zu. In Kap. 5.2.2.2 werden daher verschiedene fundierte Konzepte
5 Diskussion
167
aus der Forschung (Antizipieren der Beschwerden durch die Mitarbeiter, empowerment, Richtlinien) und der Praxis (complaint ownership, Informations- und Kommunikationssysteme) diskutiert, die einen fairen Prozess im Sinne von Schnelligkeit und Kontrolle sicherstellen.
Die interaktionale Gerechtigkeit spielt dann eine Rolle, wenn es zum direkten Kontakt mit dem Kunden kommt. Das ist einerseits bei der Beschwerdeannahme der Fall, da Beschwerden häufig mündlich vorgetragen werden (vgl. Customer Care Alliance 2003, S. 14). Das ist andererseits bei der Beschwerdereaktion der Fall, wenn die Unternehmen den Kunden die Lösung mitteilen. Eine faire Interaktion zeichnet sich dadurch aus, dass die Mitarbeiter den Kunden gegenüber höflich und respektvoll auftreten und sich um das Problem kümmern (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 195; Weun, Beatty & Jones 2004, S. 138). Aus Unternehmenssicht bedeutet dies, dass Maßnahmen getroffen werden müssen, die die Mitarbeiter in die Lage versetzen, professionell auf Beschwerden zu reagieren. Vielversprechende Maßnahmen, die in Kap. 5.2.2.3 diskutiert werden, sind: die Führung eines professionellen Beschwerdegesprächs, Training von Mitarbeiterqualifikationen (z. B. Sozialkompetenz) und Vorbeugung von Burn out-Syndromen (z. B. psychologische Unterstützung).
5.2.2
Generelle Handlungsfelder
5.2.2.1
Ergebnisorientierte Maßnahmen
Die Ergebnisse zeigen, dass Kunden ein faires Ergebnis ihrer Beschwerde erwarten. Einschlägige Studien belegen, dass eine Kompensation des entstandenen Schadens die distributive Gerechtigkeit fördert (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 197; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365). Unter Kompensation wird jede Form monetären (z. B. Rückerstattung des Kaufpreises), geldwerten (z. B. Gutschein) und psychologischen Nutzens (z. B. Entschuldigung) für den Kunden verstanden (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b). Die drei für Unternehmen relevanten Fragestellungen, die nachfolgend beantwortet werden, lauten: (1) Welche Form der Kompensation sollte gewährt werden? (2) Wie hoch sollte die Kompensation ausfallen? (3) Sollen und können sich die Mitarbeiter stets entschuldigen?
168
5 Diskussion
1. Welche Form der Kompensation sollte gewährt werden?
Unternehmen können aus einer ganzen Bandbreite an Kompensationsarten wählen. Insgesamt lassen sich sieben tangible Kompensationsformen identifizieren (z. B. Estelami 2000, S. 294 ff.; Mattila, Cho & Rho 2009, S. 128; McCollough, Berry & Yadav 2000, S. 129 f.). Unternehmen müssen sich für eine Form (oder eine Kombination) entscheiden. Eine adäquate Kompensation hängt davon ab, ob die fehlerhafte Leistung für die Kunden noch von Nutzen ist und ob eine monetäre oder eine geldwerte Entschädigung gezahlt werden soll (vgl. Tab. 28).
Die fehlerhafte Leistung ist für die Kunden… … noch von Nutzen Monetäre Kompensation
Rabatt auf die ursprüngliche Leistung, z. B. 20 % auf das Souvenir.
… wertlos Rückerstattung des Kaufpreises, z. B. der bezahlte Preis für das kaputte Objektiv wird dem Kunden zurückgezahlt.
Rabatt auf andere zukünftige Leistung: • Das gleiche Leistungsangebot in der Zukunft, z. B. 10 % Rabatt auf die nächste Kleiderreinigung. • Eine andere Leistung in der Zukunft, z. B. 10 % auf ein anderes Kleidungsstück. Geldwerte Kompensation
Gutscheine, z. B. Kinobesucher erhält einen Gutschein über ein alkoholfreies Getränk, weil der Sitzplatz im Kino schmutzig ist.
Produktumtausch bzw. Dienstleistung wird erneut ausgeführt, z. B. Kunde erhält ein neues Objektiv, Autoreparatur wird wiederholt. Höherwertige Leistung, z. B. Fluggast wird von der Economy-Class auf die BusinessClass heraufgestuft.
Tab. 28: Kategorisierung monetärer und geldwerter Kompensationsformen
Zuerst muss geklärt werden, ob die Leistung für die Kunden noch Nutzen stiftet oder ob sie für sie wertlos geworden ist. Besitzt das Produkt oder der Service für die Kunden noch Wert (z. B. Kratzer auf dem USB-Stick oder schmutziger Sitzplatz im Kino), sollten Unternehmen eine monetäre Kompensation in Form eines Rabattes auf die ursprüngliche Leistung oder auf eine andere Leistung gewähren. Alternativ können sie die Kunden kompensieren, indem sie ihnen einen Gutschein anbieten. Der Rabatt auf die ursprüngliche Leistung erscheint dann angemessen, wenn kein Wiederkauf oder Cross-Selling zu erwarten sind (z. B. Kauf eines Souvenirs am Urlaubsort). Kaufen die Kunden vermutlich wieder bei dem Unternehmen ein, kann ein Rabatt auf die gleiche Leistung in der Zukunft gewährt werden (z. B. 10 % Rabatt auf die nächste Kleiderreinigung), um den Wiederkauf zu fördern. Alternativ können Unternehmen Rabatte auf eine andere Leistung in der Zukunft geben (z. B. 10 % Rabatt auf ein
5 Diskussion
169
anderes Kleidungsstück), um Cross-Selling zu begünstigen. Eine geldwerte Kompensationsmöglichkeit bilden Gutscheine für andere Produkte oder Dienstleistungen (z. B. erhält der Kunde ein alkoholfreies Getränk kostenlos, weil der Sitzplatz im Kino schmutzig ist).
Rabatte oder Gutscheine auf eine andere als die ursprüngliche Leistung können auch dann als Kompensationsformen genutzt werden, wenn der Kunde keinen rechtlichen Anspruch darauf erheben kann oder interne Richtlinien keinen Rabatt auf die verkaufte Leistung gestatten (z. B. der Kunde hat den Beleg für die gekaufte Jacke verloren). Dies birgt jedoch die Gefahr, dass der Effekt der Kompensation verpufft, wenn die Kunden keinen weiteren Bedarf an anderen Leistungen des Unternehmens aufweisen (z. B. der Kunde benötigt keine weiteren Kleidungsstücke, der Kinobesucher ist nicht durstig). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die Beschwerdeführer die Wiedergutmachungsform als aufdringlich empfinden, da das Unternehmen sie mit dem Gutschein zu einem erneuten Kauf drängt (Lock-in-Effekt). Das wiederum kann zu einer Reaktanz des Kunden gegenüber der Kompensation führen, die somit ihre Wirkung verliert (vgl. Stauss 2006, S. 240).
Die beschriebenen Kompensationsformen erlauben den Kunden, das Produkt oder den Service auch weiterhin zu nutzen. Jedoch existieren auch zahlreiche Situationen, in denen das Produkt oder der Service durch den Fehler seinen gesamten Wert für die Kunden verliert (z. B. kaputtes Objektiv, erfolglose Autoreparatur). In solchen Fällen können die Unternehmen zwischen anderen Formen der monetären (Rückerstattung des Kaufpreises) oder geldwerten Kompensation (Produktumtausch, Aufstufung auf eine höherwertige Leistung) wählen. Bezüglich der monetären Kosten, die die Unternehmen tragen, gleichen sich die Rückerstattung des Kaufpreises (Kunde erhält das Geld für das kaputte Objektiv zurück, er muss die Autoreparatur nicht bezahlen) und der Produktumtausch (z. B. Kunde erhält neues Objektiv, das Auto wird noch einmal repariert). Unternehmen sollten jedoch einen Umtausch favorisieren, weil er die Möglichkeit bietet, die Kunden von dem Produkt zu überzeugen, wohingegen Unternehmen die Kunden möglicherweise verlieren, wenn sie den Kaufpreis zurückerstatten. Sind die Kunden vom Produkt jedoch so enttäuscht, dass sie es schlichtweg nicht mehr wollen, kann ein aufgezwungener Umtausch kundenseitige Reaktanz und negativer Mundpropaganda zur Folge haben. Daher sollten Unternehmen grundsätzlich einen Umtausch des Produktes anstreben, aber gegebenenfalls die Kunden entscheiden lassen, was sie präferieren– einen Umtausch oder die Rückerstattung des Kaufpreises (vgl. Stauss 2006, S. 240). Können die Kunden die Form der Beschwerdebehandlung bestimmen, erhöht dies die kundenseitig wahrgenommene Kon-
170
5 Diskussion
trolle über den Beschwerdeprozess (vgl. Chang 2008, S. 325). Sie stellt eine wichtige Eigenschaft dar, damit die Kunden den Prozess der Beschwerdebehandlung als fair empfinden und Zufriedenheit entsteht (vgl. Lind & Tyler 1988, S. 226; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365).
Unter bestimmten Umständen sind weder die Rückerstattung des Kaufpreises noch der Umtausch adäquate Kompensationsformen. Solche Fälle treten dann auf, wenn z. B. die ursprüngliche Leistung nicht mehr verfügbar ist (z. B. überbuchtes Hotel, eine neue Produktversion wurde auf den Markt gebracht und die alte wird nicht mehr produziert), die Kunden jedoch auf die Leistung angewiesen sind (z. B. Hotelgast kommt spät in der Nacht an und benötigt ein Zimmer). Die Unternehmen können dann den Beschwerdeführern eine höherwertige Leistung anbieten, ohne den höheren Preis dafür zu verlangen. Der Hotelgast übernachtet dann in einer Senior Suite anstelle der Junior Suite oder der Kunde erhält die neue Produktversion anstelle der alten. Allerdings muss das Unternehmen dabei selbst für die zusätzlichen Kosten des höherwertigen Produkts aufkommen. Andererseits hilft diese Strategie, möglicherweise ungenutzte Kapazitäten auszulasten (z. B. Senior Suite ist nicht ausgebucht). Ferner stellt die Heraufstufung auf eine höherwertige Leistung eine effektive Option für Unternehmen in Premium-Segmenten dar, denn hier erwarten die Kunden eine hervorragende Beschwerdebehandlung (vgl. Kelley & Davis 1994, S. 58).
2. Wie hoch sollte die Kompensation ausfallen?
Nachdem Unternehmen sich für eine Kompensationsform entschieden haben, gilt es, eine adäquate Kompensationshöhe zu finden. Die Kompensationshöhe sollte grundsätzlich der Schadenshöhe entsprechen. Der Kunde sollte also von seiner Vermögensposition her so gestellt werden, als wäre der Fehler nicht aufgetreten (vgl. Gelbrich & Roschk 2010a). Dabei gilt: Kann der Schaden nicht vollständig ersetzt werden, wirkt jede Kompensationshöhe also auch eine teilweise Kompensation des entstandenen Schadens positiver auf die Kundenzufriedenheit als gar keine Kompensation (vgl. Goodwin & Ross 1992, S. 160).
Unternehmen besitzen außer der einfachen Kompensation in Schadenshöhe (= 100 %) die Möglichkeit, den Beschwerdeführern eine zusätzliche Kompensation über die Schadenshöhe hinaus (> 100 %) zu gewähren. Diese Form der Kompensation wird als Überkompensation bezeichnet (vgl. Gelbrich & Roschk 2010a). Als Beispiel würde der Kunde, dessen Schuhe
5 Diskussion
171
bereits nach zwei Monaten Tragezeit kaputt sind, ein neues paar Schuhe (einfache Kompensation) und zusätzlich einen Preisnachlass auf ein anderes paar Schuhe (Überkompensation) erhalten. Eine Überkompensation setzt somit eine einfache Kompensation, d. h. die Wiedergutmachung des Schadens, voraus. Sie besitzt zwei Vorteile. So zeigt eine Meta-Analyse von Gelbrich & Roschk (2010a), dass die Überkompensation die Zufriedenheitswerte – wenn auch nur in geringem Maß (0,32) – über den vergleichsweise starken Effekt einer einfachen Kompensation hinaus erhöht (0,82) (vgl. Abb. 36).
Zufriedenheit
1
0,32
0,84 1
Kompensationshöhe 0η (keine Kompensation)
100 η (einfache Kompensation)
> 100 η (Überkompensation)
Der Anstieg beider Geraden in den Intervallen für die einfache Kompensation und für die Überkompensation entspricht dem Verhältnis der zugehörigen Effektstärken (maßstabsgetreue Abbildung). Abb. 36: Effektstärken einer einfachen Kompensation und einer Überkompensation im Vergleich
Ein weiterer Vorteil der Überkompensation besteht darin, dass das ursprüngliche Bedürfnis, den Fehler auszugleichen, bereits erfüllt ist. Dadurch kann das Unternehmen die Möglichkeit ergreifen, dem Kunden eine Wiedergutmachung in einer Form zu gewähren, wie es dem Unternehmen die Möglichkeit einräumt, den Kunden erneut von seiner Leistung zu überzeugen. So könnte es z. B. einen Gutschein für eine zukünftige Leistung ausstellen oder eine kostenlose Leistung anbieten. In beiden Fällen kann sich das Unternehmen noch einmal beweisen, was z. B. bei einer rein finanziellen Entschädigung nicht der Fall wäre. Dabei gilt zu beachten, dass egal, welche Kompensationsform das Unternehmen wählt, sie für den Kunden von Nutzen sein muss.
172
5 Diskussion
Ein solches Vorgehen sei an einem Beispiel veranschaulicht. Ein Beschwerdeführer aus der vorliegenden Untersuchung schilderte folgenden Restaurantbesuch:
Medium, durch oder englisch? „Ich war zweimal in einem Restaurant essen. Beide Male bestellte ich mir als Hauptspeise ein Steak, medium gebraten. Beim ersten Essen war alles vorzüglich. Beim zweiten Mal war das Steak durchgebraten. Ich beschwerte mich bei der Kellnerin und bekam das Steak erneut zubereitet. Allerdings war es diesmal wieder durch und nicht einmal die Kroketten wurden neu zubereitet. Letztendlich aß ich auf und wies auf das Problem nochmals hin. Die Kellnerin wurde laut und diskutierte mit mir über medium, durch und englisch.“
Zunächst versagte die Beschwerdebehandlung in zweierlei Hinsicht. So entsprach die einfache Kompensation (das neu zubereitete Gericht) nicht den Kundenwünschen, obwohl hier die Notwendigkeit besteht, die Leistung korrekt zu erbringen (vgl. Maxham III & Netemeyer 2002b). Auch darf die Kellnerin die Situation nicht derart eskalieren lassen. Entgegen der Falldarstellung wäre im ersten Schritt eine effektive Reaktion gewesen, das Essen erneut zuzubereiten nicht nur das Steak. Des Weiteren muss die Bedienung freundlich und höflich bleiben.
Im zweiten Schritt könnte die Kellnerin eine zusätzliche Überkompensation anbieten, um die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, dass der Kunde erneut in dem Restaurant isst oder seine positiven Erfahrungen weitergibt. Hierfür wären bspw. ein Gutschein für den nächsten Besuch oder ein gratis Nachtisch geeignet. In beiden Fällen kann das Restaurant durch eine gute Leistung erneut überzeugen. Sind beide Kompensationsformen für den Kunden nicht von Nutzen, weil er z. B. nur zu Besuch in der Stadt ist und keinen Hunger mehr hat, kann das Unternehmen ihm letztendlich einen Rabatt auf die Rechnung anbieten.
Obwohl eine Überkompensation nachweislich das Zufriedenheitsniveau erhöht und Unternehmen in die Lage versetzt, die Kunden erneut von der Leistung zu überzeugen, gehen mit ihr zwei entscheidende Nachteile einher. Für Unternehmen entsteht dadurch ein nicht zu verachtender finanzieller Mehraufwand, dessen Nutzen zwar empirisch belegt ist, aber vergleichsweise gering ausfällt. Unternehmen und Beschwerdeabteilungen dürften tendenziell ein begrenztes Budget besitzen, wodurch andere Maßnahmen (z. B. eine zusätzliche Schu-
5 Diskussion
173
lungseinheit für Mitarbeiter) unter Umständen eine bessere Verwendung knapper Ressourcen darstellen können.
Zudem besteht die Gefahr, dass bei einem zu freizügigen Umgang mit der Überkompensation bei Beschwerdeführern das Gefühl erweckt wird, sie zu bestechen. Ein Beschwerdeführer aus der vorliegenden Untersuchung schrieb als Schilderung des Beschwerdevorfalls:
Eine „besänftigende“ Wiedergutmachung „Ich bestellte zum Valentinstag bei einem Internetanbieter einen Strauß Blumen. Ich war jedoch nicht zufrieden mit der Qualität der Blumen und beschwerte mich daraufhin. Der Strauß wurde ausgetauscht. Außerdem erhielt ich einen extra Gutschein im Wert von 10 €, um mich zu besänftigen.“
Aus theoretischer Sicht sind negative Reaktionen auf eine Überkompensation nachvollziehbar. Denn Menschen streben nach ausgewogenen Beziehungen im Sinne ausgeglichener Input-Output-Relationen beider Seiten (vgl. Adams 1965). Durch eine Überkompensation profitiert der Kunde jedoch überproportional. Die Beziehung ist nicht mehr ausgeglichen. In solchen Fällen kann Unbehagen entstehen (vgl. Jaques 1961, S. 136), was sich letztlich sogar negativ auf die Beurteilung des Dienstleistungskontaktes auswirken kann (vgl. Estelami & De Maeyer 2002, S. 205). Um negative Auswirkungen einer Überkompensation zu vermeiden, sollte aus Fairnessgesichtspunkten die Überkompensation daher eine Entschädigung für die mit der Äußerung einer Beschwerde entstehenden Unnahnämlichkeiten in Form von zusätzlichem Zeitaufwand, psychologischem Stress und finanziellen Mehrkosten (z. B. für die erneute Anfahrt) darstellen (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 51).
Insgesamt sollten Unternehmen abwägen, ob es sich lohnt, zusätzliche Ressourcen für eine Überkompensation einzusetzen. Wenn sich Unternehmen entschließen, eine Überkompensation anzubieten, dann empfiehlt es sich, dass diese einen eher symbolischen Charakter trägt und nicht zu hoch ausfällt. Wenngleich also generell vorsichtig mit einer Überkompensation umzugehen ist, kann sie doch für bestimmte Kundentypen (vgl. Kap. 5.2.3.4) und Fehlerausmaße sinnvoll sein (vgl. Kap. 5.2.4.4).
174
5 Diskussion
3. Soll und kann sich der Mitarbeiter stets entschuldigen?
Zusätzlich zu der bislang diskutierten materiellen Entschädigung, besitzen Unternehmen die Möglichkeit, den Kunden eine psychologische, immaterielle Entschädigung – eine Entschuldigung – zu geben. Es wurde einschlägig bestätigt, dass eine Entschuldigung die distributive Gerechtigkeit fördert (Liao 2007, S. 481; Mattila & Cranage 2005, S. 274; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 365). Dennoch muss darauf geachtet werden, dass sich die Mitarbeiter auf die richtige Art und Weise und zum richtigen Zeitpunkt entschuldigen. Wird eine Entschuldigung falsch betont, kann es leicht passieren, dass sie missverstanden als Hohn interpretiert wird. Verschlimmert wird solch eine Situation noch, wenn der Kunde keine Entschuldigung erwartet, sondern vielmehr einen materiellen Ersatz für den entstandenen Schaden fordert (vgl. Gelbrich & Roschk 2010b).
In der Praxis jedoch entschuldigen sich nur wenige Unternehmen. So ergab eine Umfrage der Customer Care Alliance (2003, S. 19), dass lediglich 5 % der Beschwerdeführer eine Entschuldigung erhalten haben. Die Gründe für den geringen Anteil liegen womöglich darin, dass Unternehmensmitarbeiter eine Entschuldigung als Fehlereingeständnis ihrerseits verstehen, obwohl sie selbst nicht den Fehler begangen haben. Weiter gibt der Unternehmensmitarbeiter bei einer Entschuldigung seine Eigenständigkeit auf. Er macht sich selbst vom Kunden abhängig. Denn dieser besitzt, indem er dem Unternehmensmitarbeiter verzeiht, die Möglichkeit, die Beziehung wieder auszugleichen (vgl. Walster, Berscheid & Walster 1973, S. 163). Deshalb bringt eine Entschuldigung stets ein hohes psychologisches Risiko sowie eine große psychologische Anstrengung mit sich. Unternehmensmitarbeiter müssen dementsprechend geschult werden, dass trotz des Risikos eine Entschuldigung hilft, zu verhindern, dass kritische Situationen eskalieren. Dadurch können Konflikte einfacher gelöst und unangenehme Diskussionen vermieden werden. Solche Diskussionen implizieren für den Mitarbeiter einen hohen Stressfaktor, weil sie Hilflosigkeit und Frustration auslösen (vgl. Bowen & Johnston 1999, S. 126).
Zusammenfassend lässt sich die Empfehlung geben, dass Mitarbeiter sich entschuldigen sollten, weil eine Entschuldigung positive Kundenreaktionen auslöst. Sie fördert die distributive Gerechtigkeit und mit ihr die Nachbeschwerdezufriedenheit. Allerdings werden sich Mitarbeiter nicht bei jedem Kunden entschuldigen können. Denn in manchen Fällen trifft das Unternehmen keine Schuld, weil die Kunden selbst oder äußere Umstände für den Fehler verant-
5 Diskussion
175
wortlich sind. Dann sollten die Mitarbeiter zumindest das Problem bedauern, um den Ärger anzuerkennen, den die Kunden durch das Problem hatten. Bei unklarer Fehlerzuschreibung empfiehlt es sich, dass die Unternehmen die Schuld anerkennen, weil dadurch die Zufriedenheit steigt (vgl. Goodwin & Ross 1989, S. 87 ff.).
5.2.2.2
Prozessorientierte Maßnahmen
Neben dem Ergebnis führen faire Prozesse zu Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung. Ein Prozess wird als fair empfunden, wenn er in angemessener Zeit abläuft (vgl. Blodgett, Hill & Tax 1997, S. 197; Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 366). Hierfür gilt es, die unternehmensinternen Prozesse zur Beschwerdeabwicklung aus Kundensicht einfach und bequem zu gestalten. Im Rahmen der Beschwerdeannahme haben sich hierfür in der Praxis das Prinzip des complaint ownerships sowie die Unterstützung durch verschiedene Informations- und Kommunikationssysteme bewährt. Nach dem Prinzip des complaint ownerships ist diejenige Person im Unternehmen für ein Kundenproblem verantwortlich, der es zuerst zugetragen wird oder zuerst auffällt. Die Person übernimmt ab diesem Zeitpunkt die Verantwortung, dass die Beschwerde erfasst und bearbeitet wird. Sie hat somit das „Eigentum“ an der Beschwerde erworben. Fällt das Problem in den fachlichen Zuständigkeitsbereich des complaint owners, ist dieser dafür zuständig, es zu lösen. Ist dies nicht der Fall, muss er dafür Sorge tragen, dass es an einen fach- und entscheidungskompetenten Mitarbeiter weitergeleitet und von diesem bearbeitet wird (vgl. Stauss 2006, S. 142).
Informations- und Kommunikationssysteme helfen, unternehmensinterne Prozesse zu unterstützen, um rasch auf Beschwerden reagieren zu können. Das Telefonsystem von Federal Express stellt hierfür ein mustergültiges Beispiel dar. Es verbindet 15 Kundenkontaktcenter miteinander und leitet Anrufe praktisch ohne Zeitverzögerung zum nächsten freien Mitarbeiter weiter. Das erlaubt den Mitarbeitern, den Anruf innerhalb von zwei Rufzeichen entgegenzunehmen. Die Abbruchrate der eingehenden Anrufe beträgt 0,005 % bei über 290 000 Anrufen täglich. Eingehende abgebrochene Anrufe speichert das System, sodass die Mitarbeiter zurückrufen und ihre Unterstützung anbieten können (vgl. Berry & Parasuaraman 1991, S. 49).
Sowohl das Prinzip des complaint ownerships als auch die Unterstützung durch Informationsund Kommunikationssysteme besitzen neben einer aus Kundensicht schnellen und einfachen Beschwerdeannahme positive Nebeneffekte. Einerseits wird dadurch die Anzahl der Kunden-
176
5 Diskussion
kontakte mit dem Unternehmen verringert. Eine hohe Kontaktzahl, wenn sich z. B. der Kunde erst umständlich bis zum richtigen Ansprechpartner durchfragen muss, verringert die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung (vgl. Customer Care Alliance 2003, S. 16; Davidow & Leigh 1998, S. 97). Andererseits erlauben beide Maßnahmen den Kunden einen direkten Zugang zu den Beschwerdeeinrichtungen. Dadurch werden Beschwerdeäußerungen gefördert (vgl. Day et al. 1981, S. 91; Richins 1983a, S. 74) und die wahrgenommene Fairness des Beschwerdeprozesses steigt (vgl. Ok, Back & Shanklin 2006, S. 26).
Eine aus Forschungssicht weitere Möglichkeit der bequemem und schnellen Beschwerdeannahme, besteht darin, Beschwerden zu antizipieren. Unternehmensmitarbeiter leiten dann die Beschwerdebehandlung ein, noch bevor der Kunde das Problem gemeldet hat. Smith, Bolton & Wagner (1999, S. 367) zeigen, dass eine unternehmensseitig eingeleitete Beschwerdebehandlung die prozedurale Gerechtigkeit erhöht. Auch Coulter (2009, S. 151) bestätigt die Ergebnisse. In der Praxis finden sich solche Maßnahmen z. B. im Personenluftverkehr statt, wenn die Passagiere bei Verspätungen automatisch umgebucht werden oder Verpflegungsgutscheine erhalten. Ferner zeigen de Jong & de Ruyter (2004, S. 478) dass ein pro-aktives Verhalten im Rahmen der Beschwerdebearbeitung (z. B. das teaminterne Streben nach innovativen und alternativen Lösungen) die Nutzungsintensität der angebotenen Dienstleistung erhöht.
Die Beschwerdebehandlung sollte über alle drei Phasen Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung und Beschwerdereaktion möglichst schnell ablaufen. Hierfür eignet sich das Konzept des empowerments. Dabei geht es darum, den Mitarbeitern im Kundenkontakt mehr Entscheidungsrecht zukommen zu lassen und ihnen mehr Handlungsspielraum zu übertragen (vgl. Brymer 1999, S. 59). Federal Express erlaubt z. B. seinen Mitarbeitern, bis zu 100 $ für die Lösung eines Beschwerdevorfalls auszugeben. Dabei kostet eine durchschnittliche Federal-Express-Transaktion lediglich 16 $ (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 49). Einen Schritt weiter geht sogar die Hotelkette Ritz-Carlton. Die Mitarbeiter dürfen bis zu 2 000 $ ausgeben, um ein Problem zu lösen. Zwar wird der gesamte Geldbetrag nur in den seltensten Fällen benötigt, er gibt jedoch den Mitarbeitern die nötige Rückendeckung, um Beschwerden selbstbewusst und couragiert zu begegnen und sie selbstständig und schnell zu lösen (vgl. Zeithaml & Bitner 2003, S. 202). Empirisch zeigen Sparks, Bradley & Callan (1997, S. 485), dass empowerment die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung und ebenfalls die wahrgenommene
5 Diskussion
177
Dienstleistungsqualität steigert. Ebenso versetzt es die Mitarbeiter dadurch eher in die Lage, von sich aus die Beschwerdebehandlung einzuleiten.
Neben einer raschen Beschwerdebehandlung gilt es auch, dem Kunden Kontrolle über den Prozess der Beschwerdebehandlung zu geben. Kontrolle stellt einen wichtigen Teilaspekt der prozeduralen Gerechtigkeit dar (vgl. Lind & Tyler 1988, S. 226), denn mit Kontrollverlust gehen bei Menschen Gefühle der Panik und Hilflosigkeit einher (vgl. Hui & Bateson 1991, S. 180). Unternehmen besitzen verschiedene Wege, Kunden Kontrolle bei der Beschwerdebehandlung zu einzuräumen, die sie in Richtlinien festhalten können. Bereits die Möglichkeit, dass Kunden ihre Situation frei schildern und ihren Unmut kundtun können, fördert die prozedurale Gerechtigkeit (vgl. Au, Hui & Leung 2001, S. 360; Hui & Au 2001, S. 166). Auch die einfache Frage des Service-Mitarbeiters, was das Unternehmen tun kann, um die Situation zu bereinigen, erhöht die prozedurale Gerechtigkeit (vgl. Karande, Magnini & Tam 2007, S. 195). Ebenso führt die Wahl zwischen verschiedenen Kompensationsformen zu einer höheren wahrgenommenen Prozesskontrolle durch den Kunden (vgl. Chang 2008, S. 325). Richtlinien bieten den Vorteil, dass sie konkrete Handlungsempfehlungen für Mitarbeiter darstellen, an denen sie sich orientieren können. So wurde empirisch belegt, dass unternehmensseitige Richtlinien die kundenseitige Gerechtigkeitswahrnehmung der Beschwerdebehandlung fördern (vgl. Homburg & Fürst 2005, S. 105).
5.2.2.3
Interaktionsorientierte Maßnahmen
Für die Kunden stellt die Reaktion der Unternehmen und insbesondere die erste Reaktion der Mitarbeiter eine Art Schlüsselerlebnis dar (vgl. Berry and Parasuraman 1991, S. 37; Stauss 2006, S. 141). Die meisten Beschwerden werden mündlich oder telefonisch gegenüber einem Mitarbeiter im Kundenkontakt geäußert (vgl. Customer Care Alliance 2003, S. 14). Dem Verhalten der Mitarbeiter kommt daher eine entscheidende Rolle zu. Denn sie bilden das Sprachrohr der Unternehmen. Die Ergebnisse der vorangegangenen empirischen Studie zeigen, dass eine faire Interaktion die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung positiv beeinflusst. Kunden legen also Wert darauf, freundlich, höflich und respektvoll von den Mitarbeitern behandelt zu werden.
Nicht selten entsteht eine besonders starke Verärgerung der Kunden erst während der Beschwerdebearbeitung. Zornige Kunden werden sozusagen vom Unternehmen selbst produ-
178
5 Diskussion
ziert. Häufig tragen Beschwerdeführer ihr Anliegen ruhig und sachlich vor. Werden sie jedoch lakonisch abgewiesen, erhalten sie falsche Informationen oder werden sie von einem Ansprechpartner zum nächsten verwiesen, dann entstehen extremer Ärger und Zorn (vgl. Stauss 2006, S. 485). Folgendes Beispiel illustriert, wie eine Beschwerdesituation eskalieren kann.
Eine endgültige Entscheidung Der leitende Mitarbeiter der Forschungsabteilung einer großen Pharmafirma – Chemiker, Prototyp des rational denkenden Menschen – lässt bei einem bekannten Hersteller ein Analysegerät kaufen. Ungefähr drei Monate später fällt das Gerät aus. Aber defekt ist nur ein kleines Bauteil im Wert von rund drei €. Auf die Reklamation hin kommt vom Hersteller ein Brief des zuständigen Ingenieurs. Darin erhebt er den Vorwurf, das Gerät sei vermutlich falsch bedient worden, seine Firma treffe also keine Schuld. Das anschließende Erwiderungsschreiben bleibt unbeantwortet. Dafür geben sich in drei Telefongesprächen drei Experten des Herstellers überheblich und unsensibel. Nun platzt dem Forschungsleiter der Kragen. Er gibt Anweisung, bei diesem Hersteller nie mehr zu kaufen. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen und bei der Entscheidung ist es dann endgültig geblieben. (Vgl. Scheerer 1994, S. 10)
Mitarbeiter im Kundenkontakt, die täglich mit Beschwerden konfrontiert werden, sehen sich einer hohen psychologischen Belastung ausgesetzt (vgl. Bowen & Johnston 1999, S. 122 ff.). Unternehmen müssen daher die internen Rahmenbedingungen derart gestalten, dass sie die Mitarbeiter unterstützen und fördern. Drei vielversprechende Ansatzpunkte sind die folgenden: Führung eines professionellen Beschwerdegesprächs, Schulung von Mitarbeiterqualifikationen (z. B. Sozialkompetenz) und Vorbeugung des Burn-out-Syndroms (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 47 ff.; Stauss 2006, S. 489).
Mitarbeiter sollten bestimmte Verhaltensregeln im Beschwerdegespräch mit Kunden beherzigen, um so eine aus deren Sicht faire Interaktion herbeizuführen. Die Regeln beziehen sich auf die fünf Phasen eines typischen Beschwerdegesprächs (vgl. Dietze 1997, S. 27 ff.; Haeske 2001, S. 85 ff.): •
In der Begrüßungsphase gilt es zunächst, den Kunden offen und freundlich gegenüberzutreten. Gesprächsbereitschaft sollte signalisiert werden und das Prinzip des complaint ownerships hier zur Anwendung kommen. Nach diesem Prinzip muss sich fortan der Mitar-
5 Diskussion
179
beiter, der die Beschwerde entgegennimmt, um das Problem kümmern oder die weitere Bearbeitung sicherstellen. •
In der Aggressionsabbauphase schildern die Kunden ihr Anliegen ausführlich. Die Mitarbeiter können, indem sie Zuwendung zeigen, einen angenehmen zwischenmenschlichen Umgang kommunizieren (vgl. Hocutt, Bowers & Donavan 2006, S. 203). In der Aggressionsabbauphase geht es also zunächst darum, den Beschwerdeführern Raum zu geben, ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen. Hierfür ist es notwendig, dass die Mitarbeiter die Beschwerdeführer ausreden lassen und ihnen aufmerksam zuhören. Auch können sie aktiv den Ärger über den entstandenen Fehler mindern. So zeigen Bonifield & Cole (2008, S. 570), dass Vergleiche zu ähnlich gestalteten Situationen mit schwerwiegenderen Konsequenzen (z. B. „Es hätte noch viel schlimmer kommen können, stellen Sie sich doch nur einmal vor, dass… “) den Ärger über den entstandenen Fehler verringern (downward counterfactual thinking). Nicht selten passiert es in dieser Phase, dass Beschwerdeführer die Mitarbeiter persönlich angreifen. Unter keinen Umständen dürfen Mitarbeiter in gleicher Weise reagieren.
•
Das Ziel der Konfliktbereinigungsphase besteht darin, das Gespräch auf eine Sachebene zu bringen. Hierfür sollten alle wichtigen Punkte des Sachverhalts sowohl aus Kundensicht als auch aus Sicht der Mitarbeiter zur weiteren Bearbeitung vollständig angesprochen werden. Außerdem sollte vermieden werden, dass andere Mitarbeiter oder Abteilungen beschuldigt werden, etwa mit Worten wie „Das passiert denen ständig“. Erhalten Kunden dadurch den Eindruck, dass der gleiche Fehler wiederholt auftritt, senkt dies die Zufriedenheit sowie die Wiederkaufabsicht der Kunden (vgl. Blodgett, Granbois & Walters 1993, S. 421; Bitner 1990, S. 77).
•
Kann das Gespräch auf der Sachebene fortgesetzt werden, muss in der anschließenden Problemlösungsphase den Beschwerdeführern eine zufriedenstellende Lösung angeboten werden. Falls die Unternehmen die Kundenwünsche aufgrund zu hoher Erwartungen nicht realisieren können, sollten die Service-Mitarbeiter die Erwartungshaltung abbauen. Findet sich im ersten Kontakt keine Lösung, sollten die Mitarbeiter dem Kunden einen Rückruf anbieten oder ein erneutes Gespräch vorschlagen, um in einer stressfreieren Umgebung eine Lösung zu finden.
•
In der fünften und abschließenden Gesprächsphase, der Abspannphase, wird das Gespräch mit den Kunden beendet. Die Mitarbeiter sollten sicherstellen, dass die Kunden das Lösungsangebot verstanden und akzeptiert haben.
180
5 Diskussion
Auch wenn Mitarbeiter wissen, wie ein professionelles Beschwerdegespräch aussieht, besteht die eigentliche Herausforderung darin, dieses umzusetzen. Während einige Mitarbeiter sich in selbstverständlicher Weise freundlich, höflich, einfühlsam, respektvoll und verständnisvoll verhalten, sind viele, vielleicht sogar die meisten dazu nicht in der Lage (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 47). Damit die Mitarbeiter professionell mit Beschwerden umgehen können, bedarf es daher intensiver Schulung bestimmter Mitarbeiterqualifikationen (vgl. Hart, Heskett & Sasser 1990, S. 154). Dabei können vier Qualifikationen unterschieden werden (vgl. Berry & Parasuarman 1991, S. 48; Stauss 2006, S. 489 ff.): •
Die Serviceorientierung beschreibt die Bereitschaft und den Wunsch, sich um die Belange und Probleme der Kunden zu kümmern. Dazu gehören auch das Streben, seine Aufgaben exzellent zu erfüllen, und die starke Motivation, sich zu engagieren, um das Problem bestmöglich aus der Welt zu schaffen.
•
Die Unternehmensmitarbeiter sollten zudem Fach- und Methodenkompetenz besitzen. Kenntnisse der internen Prozesse und Methoden sind wichtig, um alle relevanten Informationen zu dem Beschwerdefall zu dokumentieren und die folgende Bearbeitung sicherzustellen. Fachkompetenz ist unerlässlich für eine reibungslose Kommunikation mit den jeweiligen Fachabteilungen oder für die Behebung des Defekts vor Ort (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 48; Stauss 2006, S. 491).
•
Unter Sozialkompetenz wird im Beschwerdefall die Fähigkeit einer Person verstanden, die Situation und die Beschwerdeführer richtig einzuschätzen. Sozialkompetenz ermöglicht es den Mitarbeitern, sich in die Lage der Kunden zu versetzen und ihre Sicht der Dinge zu verstehen. So können sie im Gespräch auf den Kern der Sache vordringen und störende äußere Einflüsse ausschließen. Zur Sozialkompetenz wird auch die Kommunikationsfähigkeit gezählt, die es den Mitarbeitern erlaubt, die Auswirkungen ihres eigenen Verhaltens auf den Interaktionspartner richtig einzuschätzen. Sie können gezielt mit Hilfe von verbalen (z. B. Wortwahl) sowie nonverbalen Instrumenten (z. B. Mimik, Ton, Gestik) auf die Beschwerdeführer einwirken (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 48). Auch die Kreativität kann im weiteren Sinne zur Sozialkompetenz gezählt werden. Denn Beschwerdefälle sind nur selten Routineaufgaben und verlangen daher nach kreativen Lösungen.
•
Des Weiteren wird von Mitarbeitern ein hohes Maß an emotionaler Kompetenz gefordert. Beschwerdeführer empfinden zum Teil starke negative Emotionen wie Ärger oder Wut (vgl. Smith & Bolton 2002, S. 12). Selbst wenn sie ihr Anliegen ruhig und sachlich vortragen, kann davon ausgegangen werden, dass sie durch den Fehler emotional negativ berührt sind. Der sensible Umgang der Mitarbeiter mit den Kunden in solch einer Situation
5 Diskussion
181
erfordert ein hohes Maß an emotionaler Arbeit. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, regulierend auf die eigenen Gefühle einzuwirken, um so einen in der Situation gewünschten Gefühlsausdruck hervorzurufen (vgl. Nerdinger 2001, S. 159 ff.). Hennig-Thurau et al. (2006, S. 68) zeigen bspw., dass emotionale Arbeit in Form eines ehrlichen Lächelns zu höheren Zufriedenheitswerten im Dienstleistungskontakt führt, als wenn das Lächeln aufgesetzt wirkt.
Beschwerdemitarbeiter leisten intensive Gefühlsarbeit. Sie müssen Konfliktsituationen bewältigen, indem sie verständnisvoll auf die Gefühle der anderen eingehen, dabei aber ihre eigenen Gefühle permanent unterdrücken. Gerade diese Mitarbeiter sind gefährdet, Überlastung bis hin zum so genannten Burn-out-Syndrom, einem Zustand emotionaler Erschöpfung, zu erleiden. Daraus wiederum resultiert eine seelische und emotionale Abstumpfung, die zu einem gleichgültigen Auftreten gegenüber den Kunden führt (vgl. Stauss 2006, S. 511). Um dem vorzubeugen, sollten Unternehmen Maßnahmen ergreifen, die ihren Mitarbeitern die nötige psychologische Unterstützung gewährt. Dies beginnt damit, dass Vorgesetzte ihre Mitarbeiter so behandeln, wie sie es sich von ihren Mitarbeitern im Umgang mit Beschwerdeführern wünschen (vgl. Bowen & Johnston 1999). So zeigen Maxham III & Netemeyer (2003, S. 56), dass ein als angenehm empfundenes Arbeitsverhältnis zu einem besseren Umgang der Mitarbeiter mit Beschwerden führt, indem sie über ihre eigentliche Rolle im Tagesgeschäft hinauswachsen. Kundenseitig wird dann die Unternehmensreaktion im Sinne der distributiven, prozeduralen und interaktionalen Gerechtigkeit als fairer wahrgenommen. Kurse zu Stressbewältigung, Gruppendiskussionen unter Mitarbeitern mit den gleichen arbeitsbezogenen Problemen sowie Fitness- oder Hobbyräume stellen weitere Möglichkeiten dar, Spannungen abzubauen (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 50).
5.2.3
Kundenbezogene Maßnahmen
5.2.3.1
Erfassung von Alter und Geschlecht des Kunden
Sowohl Alter als auch Geschlecht beeinflussen, welches Gewicht jeder Gerechtigkeitsdimension beigemessen wird, wenn die Kunden ihr Zufriedenheitsurteil über die Beschwerdebehandlung bilden. Damit Unternehmen die Beschwerdebehandlung an den einzelnen Kunden anpassen können, müssen sie zu jedem Beschwerdevorfall Alter und Geschlecht der Beschwerdeführer kennen. Beide Variablen ergeben sich aus dem unmittelbaren Kundenkontakt.
182
5 Diskussion
Für die Zuordnung des Alters kommt es nicht auf eine exakte Angabe an. Eine etwaige Einschätzung der Service-Mitarbeiter dahingehend, ob es sich um einen jüngeren oder älteren Kunden handelt, reicht aus. Unternehmen können als Hilfestellung für die Einschätzung des Alters selbst eine Altersgrenze festlegen. In der vorliegenden Studie wurde die Stichprobe bei einem Alter von 45 Jahren getrennt, weil davon ausgegangen wird, dass ab dieser Grenze der psychologische Alterungsprozess (z. B. Defizite in der Informationsverarbeitung) einsetzt. Je nach Altersstruktur und sozialen Umständen (z. B. vorhandene Freizeit) des Kundenstamms erscheinen aber auch Werte deutlich darüber oder darunter möglich.
Das Geschlecht können die Mitarbeiter, welche die Beschwerde entgegennehmen, wie das Alter einfach anhand des Kundenkontakts erfassen. Wenn die Beschwerde telefonisch geäußert wird, lässt sich anhand der Stimmlage und des Namens erkennen, ob es sich um einen weiblichen oder männlichen Gesprächspartner handelt.
In vielen Fällen können die Mitarbeiter das der Beschwerde zugrunde liegende Problem nicht sofort lösen. Es empfiehlt sich dann, die Informationen zum Alter und Geschlecht entweder schriftlich über ein Beschwerdeformular zu vermerken oder elektronisch z. B. in einer Beschwerdedatenbank zu speichern (vgl. Stauss 2006, S. 147). Die schriftliche oder elektronische Datenerfassung besitzt zudem den Vorteil, dass zusätzliche wichtige Informationen für die weitere Bearbeitung hinterlegt werden können. Solche Informationen sind z. B. die Telefonnummer der Kunden für eventuelle Rückfragen oder ihre Adresse, um sie schriftlich über den Stand der Beschwerdebearbeitung zu informieren.
5.2.3.2
Altersgerechte Beschwerdeannahmeprozesse
Empirisch wurde in dieser Untersuchung nachgewiesen, dass jüngere im Vergleich zu älteren Konsumenten mehr Wert auf die prozedurale Gerechtigkeit legen (H1b). Es empfiehlt sich daher, dass Unternehmen die Beschwerden jüngerer Konsumenten über das Internet annehmen. Ältere Konsumenten werden diesen Weg tendenziell meiden und ihre Beschwerden eher im direkten Kundenkontakt, also mündlich oder telefonisch vorbringen wollen.
5 Diskussion
183
Die Beschwerdeannahme über das Internet verspricht Zeitersparnisse (prozedurale Gerechtigkeit) sowohl für den Kunden, der bequem von zu Hause aus die Beschwerde aufgeben kann, als auch für das Unternehmen, welches kein Kundengespräch führen muss, um die relevanten Beschwerdeinformationen aufzunehmen. Im Idealfall können Beschwerden durch geeignete Softwarelösungen gleich weiterbearbeitet und die zugrunde liegenden Probleme entsprechend gelöst werden, um damit eine möglichst kurze Durchlaufzeit der Beschwerde zu realisieren. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass jüngeren Menschen die Interaktion mit einem Unternehmensvertreter weniger wichtig ist als älteren Menschen. Insofern stellt das Internet ein geeignetes Medium dar, welches der jüngeren Zielgruppe die notwendige Interaktion bei geringem kommunikativen Aufwand gewährt. Für ältere Personen ist das Internet jedoch tendenziell weniger geeignet. Zwar bietet es gerade für sie die Möglichkeit, eingeschränkte Mobilität (können oder wollen z. B. nicht mehr Auto fahren) zu kompensieren (vgl. McMellon & Schiffman 2000, S. 139), allerdings wird es nur von wenigen älteren Menschen tatsächlich genutzt. In Deutschland machen lediglich 33 % der über 54-Jährigen vom Internet Gebrauch, wohingegen der Anteil in den jüngeren Altersgruppen 84 % bis 94 % beträgt (vgl. DeStatis 2010b).
Anhand zweier Praxisbeispiele der New York City Taxi & Limousine Commission (TLC) sowie des Internet DVD-Verleihers Lovefilm soll gezeigt werden, wie solch ein internetbasiertes System umgesetzt werden kann. Die New York City TLC ist verantwortlich für die Lizenzierung und Reglementierung der 50 000 Taxen und Limousinen sowie ihrer ca. 100 000 Fahrer in New York City (vgl. Stauss 2006, S. 178). Auf der Homepage www.nyc.gov/taxi gelangen die Beschwerdeführer unter dem Navigationspunkt „passengers information“ zu dem Link „submit a consumer complaint“, von wo an sie Schritt für Schritt durch den Beschwerdeprozess geführt werden. Nachdem sie die grundsätzliche Adressatengruppe sowie das aufgetretene Problem ausgewählt haben, folgt eine Frage, ob sie persönlich oder telefonisch zu ihrer Beschwerde Stellung nehmen möchten. Anschließend gelangen die Fahrgäste zu folgendem Beschwerdeformular (vgl. Abb. 37):
184
5 Diskussion
Abb. 37: Beschwerdeformular der New York City TLC Quelle: New York City TLC (2010)
Im ersten Schritt wird der Beschwerdeführer um Informationen darüber gebeten, was (unhöflicher Fahrer), bei welchem Unternehmen und an welchem Tag vorfiel. Im zweiten Schritt werden Informationen zum Ort des Geschehens, also darüber erfragt, wo der Zwischenfall passierte. Im dritten Schritt geben die Beschwerdeführer Informationen über ihre Person, also darüber, wer sich beschwert. Im vierten und letzten Schritt werden die Angaben an die New York City TLC zur Weiterverarbeitung übertragen.
Kunden können bei dem DVD-Verleiher Lovefilm DVDs über das Internet ausleihen. Das funktioniert so, dass sie im Internet angeben, welche Filme sie sehen möchten. Diese werden dann per Post an den Kunden verschickt. Mittels des beiliegenden Rücksendeumschlags senden sie die Filme schließlich wieder zurück. Treten Probleme mit den DVDs auf (z. B. falsche DVD wurde zugesandt), können die Kunden diese über ein internes System melden. Den Link hierfür finden die Nutzer leicht bei der Statusübersicht über die ausgeliehenen DVDs. Die
5 Diskussion
185
Problemkategorien sind vorgegeben. Sie decken die gesamte Bandbreite möglicher Vorfälle ab. Diese reichen vom DVD-Zustand (z. B. „Die DVD kam zerbrochen an oder lässt sich nicht abspielen“) über Transportprobleme (z. B. „Ich habe die falsche DVD erhalten“) bis hin zu anderen Problemen („Ich habe aus Versehen die falsche DVD zurückgeschickt“). Je nachdem, welches Problem die Kunden angeben, gelangen sie im nächsten Schritt bereits zur Beschwerdebearbeitung. Wählt ein Kunde z. B. aus, dass die DVD zerbrochen war oder sich nicht abspielen lässt, kann er entscheiden, ob er einen Ersatz möchte oder nicht. Außerdem wird an dieser Stelle den Kunden mitgeteilt, dass ihnen die neue DVD als Wiedergutmachung zugesandt wird („Sie erhalten diesen Titel als Zusatz“), sodass ihnen keine Nachteile aus dem Fehler entstehen (vgl. Abb. 38).
Abb. 38: Beschwerdebehandlung bei Lovefilm Quelle: Lovefilm (2010)
186
5 Diskussion
Der Vorgang kann unmittelbar, nachdem die Beschwerde geäußert wurde, durch das Versandsystem weiterbearbeitet werden. Die zerbrochene DVD wird an die Qualitätssicherungsabteilung weitergeleitet und die Ersatz-DVD an die Kunden verschickt. Auf diese Weise wird die Beschwerde in kürzest möglicher Zeit bis zur Problemlösung bearbeitet, ohne dass es einer Kommunikation mit den Mitarbeitern bedarf.
Egal wie das Beschwerdemanagementsystem online gestaltet wird, Unternehmen müssen dabei auf zwei Sachverhalte achten: Zunächst sollten die Kunden die Möglichkeit haben, den Vorfall zu schildern (Prozesskriterium der prozeduralen Gerechtigkeit). Dies kann durch ein Eingabefeld auf der Beschwerdeseite realisiert werden. Außerdem gilt es zu beachten, dass das Internet nicht der alleinige Beschwerdekanal bleiben kann, auch wenn das Unternehmen das Gros des Beschwerdeaufkommens elektronisch erfasst und abwickelt. So sollten Unternehmen ergänzend zum Internet einen weiteren Beschwerdekanal anbieten, um Probleme jedweder Art zu lösen, für die es einer direkten Kommunikation mit dem Anbieter bedarf. Dies können besonders komplexe Probleme sein (z. B. der Kunde ist umgezogen und die DVD wurde an die alte Adresse verschickt) oder aufgetretene Fehler, die nicht durch ein standardisiertes System erfasst bzw. bearbeitet werden können (z. B. fehlerhafte Rechnung).
5.2.3.3
Altersgerechte Kommunikation
Ältere Menschen legen im Vergleich zu jüngeren mehr Wert auf einen fairen zwischenmenschlichen Umgang im Beschwerdefall (H1c). Unternehmen können eine altersgerechte Kommunikation auf verschiedene Weise umsetzen.
Eine Möglichkeit besteht darin, dass sich der Mitarbeiter mit dem älteren Beschwerdeführer in eine ruhigere Umgebung zurückzieht. Die Fortführung des Beschwerdegesprächs in einer Ruhezone erfüllt zudem einen weiteren Zweck. Ältere Menschen verarbeiten Informationen tendenziell langsamer als jüngere. Das Informationsverarbeitungstempo sinkt mit zunehmendem Alter (vgl. Cole & Houston 1987, S. 62; Philips & Sternthal 1977, S. 450). Zudem nehmen Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit ab. Unübersichtliche oder komplexe Sachverhalte überfordern ältere Menschen schneller. Dieser Umstand wird dadurch verstärkt, dass sich ältere Menschen leicht ablenken lassen. Schlüsselinformationen werden unkonzentrierter aufgenommen und oberflächlicher verarbeitet (vgl. Brünner 1997, S. 91 ff.). Des Weiteren fällt es Menschen mit zunehmendem Alter schwerer, zwischen relevanten und irrelevanten
5 Diskussion
187
Informationen zu unterscheiden (vgl. Rabbitt 1965, S. 237). In einer ruhigeren Umgebung können die Mitarbeiter diesem Umstand weitaus besser Rechnung tragen. Die Ruhezone versetzt die Mitarbeiter in eine günstigere Lage, den Fortgang der Beschwerdebehandlung ausführlicher zu erläutern, die Problemlösung klar und deutlich zu kommunizieren sowie die wichtigsten Informationen zu wiederholen und gegebenenfalls festzuhalten.
Es besteht die Möglichkeit, die Mitarbeiter durch spezielle Trainingsmaßnahmen für die Wünsche und Belange der älteren Zielgruppe zu sensibilisieren. Auf diese Weise werden Mitarbeiter auf die spezifischen Bedürfnisse bzw. Probleme (z. B. zu kleine Schrift in der Packungsbeilage) oder auch Wertvorstellungen älterer Menschen vorbereitet. Sie erfahren, worauf sie im Umgang achten müssen (z. B. Sachverhalte langsamer, dafür deutlicher vortragen und erklären). Ältere Menschen sind bspw. weniger innovativ als jüngere (vgl. Warr, Miles & Platts 2001, S. 174). In der technischen Konsumgüterindustrie erscheint es daher sinnvoll, älteren Menschen nicht unbedingt das aktuelle auf dem Markt befindliche Produkt als Ersatz für das defekte Produkt zu empfehlen. Es ist womöglich fehleranfälliger, da die letzte Entwicklungsstufe sich noch nicht im Markt bewähren konnte. Somit wäre es vorteilhafter, den Kunden als Wiedergutmachung ein Produkt aus der etablierten Produktgeneration anzubieten, welche als zuverlässig gilt und weniger Kompatibilitätsprobleme verursacht. Eine Aufstellung von Werten, die die Mitarbeiter bei der Beschwerdebehandlung kommunizieren können und die in einem spezifischen Zusammenhang mit dem Alter einer Person stehen, findet sich in Tab. 29.
Werte, die positiv mit dem Alter zusammenhängen Erfolg durch Anpassung / Regeln befolgen (Frauen)
Werte, die negativ mit dem Alter zusammenhängen Entscheidungsfreudigkeit
Gewissenhaftigkeit
Zielerreichung
Gesundheit / Wohlbefinden
Innovativ / Streben nach Veränderungen
Guten Eindruck vermitteln
Kontaktfreudigkeit
Konventionell / Traditionell
Kompromisslosigkeit
Vorausplanung (Männer)
Anerkennung durch soziale Präsenz
Toleranz
Streben nach Abwechslung
Verantwortungsgefühl Überzeugen Anderer Männer und Frauen zeigen die gleiche Tendenz. Ist dies nicht der Fall, ist in Klammern angegeben, ob der Zusammenhang nur für Frauen oder nur für Männer gilt. Tab. 29: Werte und Alter Quelle: basierend auf Warr, Miles & Platts (2001, S. 173 f.)
188
5 Diskussion
Ältere Menschen sind demnach z. B. gewissenhafter und schätzen Verantwortungsgefühl. Für ältere Menschen weniger wichtige Werte sind z. B. Entscheidungsfreudigkeit und Kompromisslosigkeit. Im Beschwerdegespräch können so die Mitarbeiter gezielt kommunizieren und hervorheben, dass sie sich des Problems annehmen (Verantwortungsgefühl) und ihm gewissenhaft nachgehen. Eine Lösung muss nicht unbedingt den ursprünglichen Vorstellungen der Beschwerdeführer entsprechen (Kompromissfähigkeit). Die Mitarbeiter können den Beschwerdeführern bei bestimmten Wahlmöglichkeiten unter Umständen auch eine Entscheidung abnehmen, indem sie kommunizieren, dass sie sich nach Abwägung aller Vor- und Nachteile an ihrer Stelle für die erste Wahlalternative entscheiden würden (geringere Entscheidungsfreudigkeit).
Die Ergebnisse zeigen ferner, dass ältere Menschen tendenziell eine höhere Neigung aufweisen, wieder bei dem gleichen Anbieter zu kaufen. Aus Unternehmenssicht lohnen daher Mehraufwendungen nicht nur aufgrund einer effizienteren Reaktion. Sie zahlen sich auch direkt dadurch aus, dass ältere Menschen stärker als jüngere geneigt sind, dem Unternehmen gegenüber loyal zu bleiben.
5.2.3.4
Geschlechtsspezifische Kompensationshöhe
Die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Studie zeigen, dass Männer mehr Wert auf die distributive Gerechtigkeit legen als Frauen, wenn sie ihr Zufriedenheitsurteil über die Beschwerdebehandlung bilden (H2a). Männer beurteilen also die Beschwerdebehandlung aus einer stärker ergebnisorientierten Sicht als Frauen und messen somit dem Beschwerdeergebnis mehr Bedeutung bei. Obwohl es sich empfiehlt, mit einer Überkompensation (> 100 %) zusätzlich zur einfachen Kompensation (= 100 %) zurückhaltend umzugehen, scheint sie für Unternehmen mit (überwiegend) männlicher Zielgruppe eine erfolgversprechende Maßnahme. Für Unternehmen, die auf Märkten mit (überwiegend) weiblicher Zielgruppe agieren, ist die Überkompensation eine weniger geeignete Beschwerdebehandlungsmaßnahme und sollte besser durch andere Alternativen ersetzt werden.
Solch eine Alternative könnte wie folgt aussehen: Wird unterstellt, dass der größere Effekt der distributiven Gerechtigkeit auf die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung bei Männern primär auf einer materiellen, bei Frauen aber auf einer nicht-materiellen Kompensation beruht, so erscheint für Frauen eine Überkompensation in Form einer Entschuldigung (psycho-
5 Diskussion
189
logische Kompensation) als Gegenstück zur materiellen Überkompensation bei Männern als geeignet. Mit einer Entschuldigung gehen für das Personal jedoch gewisse psychologische Belastungen einher. Deshalb wird sich der Unternehmensangehörige nicht bei jedem Beschwerdeführer entschuldigen können und wollen. Die Mitarbeiter differenzieren so im Zweifel, bei wem sie welche Form des Mehraufwands aufbringen. Bei Frauen kann dies ein psychologischer Mehraufwand in Form einer Entschuldigung, bei Männern ein materieller Mehraufwand z. B. in Form eines zusätzlichen Gutscheins sein.
5.2.3.5
Geschlechtsspezifische Prozesspriorität
Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen mehr Wert auf die Prozesse der Beschwerdebehandlung legen als Männer (H2b). Prinzipiell sollten die Anliegen beider Anspruchsgruppen rasch und mit der Möglichkeit, den Kunden zu Wort kommen zu lassen, bearbeitet werden. Im Falle von Engpässen in der Beschwerdebearbeitung sollten Unternehmen jedoch die Anliegen von Frauen mit Priorität behandeln, um bei dieser Zielgruppe einen schnellen Durchlauf zu gewährleisten. Männer zeigen sich tendenziell geduldiger.
Es existieren vielfältige Gründe für das Entstehen von Kapazitätsengpässen bei der Beschwerdeabwicklung. So kann ein besonders hohes Beschwerdeaufkommen z. B. durch einen systematischen Produktionsfehler (z. B. fehlerhafte Charge wurde ausgeliefert) hervorgerufen werden. Automobilrückrufaktionen (z. B. von Toyota zum Start des Lexus in den USA) sind bekannte Beispiele hierfür (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 51 f.). Praktisch jeder große Hersteller wie Opel, Volkswagen, Renault oder Mercedes, um nur einige zu nennen, mussten seit 2001 Autos zurückrufen. Bei Opel bspw. waren seither über 350 000 Kunden betroffen (vgl. o. V. 2009). Aber nicht nur im produzierenden Gewerbe, sondern auch im Dienstleistungsbereich können Fehler große Auswirkungen besitzen. So führt etwa in einem Versandhaus ein einfacher Datenbankfehler, der alle aktuell zu beliefernden Kunden als Kunden, die etwas zurückschicken wollen, markiert, zu erheblichen Problemen. Engpässe entstehen auch durch ein starkes Saisongeschäft, z. B. für die Konsumgüterindustrie in der Weihnachtszeit oder für Reiseveranstalter zu den Urlaubszeiten im Sommer und Winter. Auch eine schlechte Medienpräsenz durch einzelne Vorfälle, wie z. B. die Vorwürfe der Kinderarbeit bei Adidas oder die Ölkrise bei BP, vermögen eine Beschwerdewelle auszulösen (vgl. o. V. 2010a; o. V. 2010b). Ein Personalengpass in der Beschwerdeabteilung kann auch durch Krankheitswellen, Ausscheiden der Mitarbeiter oder durch ein starkes Unternehmenswachstum entstehen.
190
5 Diskussion
5.2.4
Situationsbezogene Maßnahmen
5.2.4.1
Erfassung von Fehlerausmaß und Fehlertyp des Beschwerdefalls
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit belegen, dass sowohl Fehlerausmaß als auch Fehlertyp die Wichtigkeit der einzelnen Gerechtigkeitsdimensionen für das Zufriedenheitsurteil über die Beschwerdebehandlung beeinflussen. Daher gilt es, wie schon bei Alter und Geschlecht, Fehlerausmaß und Fehlertyp aus der Situation zu erschließen, um auf dieser Grundlage die Beschwerdebehandlung situationsgerecht zu gestalten. Das Fehlerausmaß müssen die Mitarbeiter dabei anhand des Gesprächs bei der Beschwerdeannahme abschätzen, wozu sie für die weitere interne Verarbeitung z. B. eine einfache fünfstufige Rating-Skala nutzen können. Hierbei geht es lediglich um eine etwaige Orientierung darüber, ob das Fehlerausmaß als gering, mittel oder hoch einzustufen ist. Wichtig für die Mitarbeiter, die die Einschätzung treffen, ist, dass das Ausmaß der Verärgerung nur ein Indiz für das Fehlerausmaß darstellt. Die Beschwerde über einen gravierenden Fehler kann ruhig und sachlich vorgetragen werden, während ein vergleichsweise geringfügiger Fehler mit starken negativen Emotionen verbunden sein kann. Das tatsächliche Fehlerausmaß kann anhand des Umfangs finanzieller Verluste, des Ausmaßes der Konsequenzen sowie des Involvements der Kunden bestimmt werden. Weil der Umfang finanzieller Verluste relativ einfach und objektiv (z. B. Höhe des Produktschadens) zu ermitteln ist, können durch das Unternehmen klare Grenzwerte für die Bestimmung des Fehlerausmaßes festgelegt werden.
Wie das Fehlerausmaß müssen die Beschwerdemitarbeiter auch den Fehlertyp aus der Schilderung des Beschwerdefalls erschließen. Die Unternehmen können dabei entscheiden, ob ihnen eine grobe Einteilung in Prozess- und Ergebnisfehler ausreicht. Alternativ kann diese Einteilung verfeinert werden, indem ein Fehlerkatalog mit dem häufigsten Beschwerden und den zugehörigen Problemlösungen erstellt wird. Die Mitarbeiter zeigen durch Ankreuzen auf dem Beschwerdeformular, welches Problem vorliegt, sodass dann unternehmensintern die entsprechenden Schritte zur Problemlösung eingeleitet werden. Unabhängig davon, wie feingliedrig die Fehlerkategorien erfasst werden, müssen sie eindeutig definiert und klar voneinander abgrenzbar sein (vgl. Stauss 2006, S. 162).
5 Diskussion
5.2.4.2
191
Anpassung der Prozesse an das Fehlerausmaß
Nach den vorliegenden Studienergebnissen gewinnt die prozedurale Gerechtigkeit bei einem hohen Fehlerausmaß an Bedeutung. Bei geringen Fehlern ist sie weniger wichtig für das Zufriedenheitsurteil der Beschwerdeführer über die Beschwerdebehandlung (H3b). Im Folgenden werden drei prozessorientierte Maßnahmen vorgeschlagen, durch die Unternehmen die Beschwerdebehandlung an das Fehlerausmaß anpassen können.
Fehler sollten nach ihrem Ausmaß priorisiert werden. Probleme mit hohem Fehlerausmaß haben folglich Vorrang gegenüber geringfügigen Fehlern. Folgendes Beispiel veranschaulicht eine Situation, in der aufgrund eines hohen Fehlerausmaßes die Beschwerdebehandlung oberste Priorität besitzt und präventiv eingeleitet wird. Der Problemfall wird einem Sachbearbeiter zugetragen, der sich fortan vorrangig um die Lösung und Koordination dieses Problems kümmert:
Ein defektes Cockpitfenster Aufgrund eines defekten Cockpitfensters kann der Flug, organisiert durch den Reiseveranstalters Thomas Cook, von Punta Cana (Dominikanische Republik) nicht planmäßig starten und erreicht seinen Zielort München erst mit 25 Stunden Verspätung. Vor Ort werden gemäß den gesetzlichen Vorschriften Catering-Maßnahmen ergriffen. Als sich abzeichnet, dass der Abflug über die Nacht hinaus verzögert sein wird, werden den Fluggästen weiter angemessene Unterkünfte zur Verfügung gestellt. Die Mitarbeiter vor Ort tun alles, um den nicht geplanten, weiteren Aufenthalt in Punta Cana für die Passagiere so angenehm wie möglich zu gestalten. Gleichzeitig werden alle relevanten Informationen über den Vorfall sowie über bereits ergriffene Maßnahmen per Telex an die zentrale Kundenbetreuung von Thomas Cook in Deutschland weitergeleitet. Dort übernimmt ein dem Ereignis zugeteilter Sachbearbeiter die zentrale Verantwortung für die weitergehende Recherche des Vorgangs und die Bearbeitung der zu erwartenden Beschwerden über die Flugverspätung. Grundlage für die Recherche bilden Informationen aus der Verkehrszentrale, aus dem Cabin Report und dem Handling Irregularity Report, der eine Kurzbeschreibung des Problems und der ergriffenen Maßnahmen enthält. Bezüglich der Beschwerdereaktionen trifft der Bearbeiter eine Entscheidung über die zu gewährenden Kompensationsleistungen auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften und der mit der Fluggesellschaft abgestimmten Kulanzleistungen für aufgetretene Verspätungen. Auch bereitet er ein einheitliches Schreiben vor, das den Fluggast im Falle einer Beschwerde über die Hintergründe der Flugverspätung informiert, die Wiedergutmachungsleistung konkretisiert und eventuelle rechtliche Ansprüche klärt.
192
5 Diskussion
Indem das Unternehmen Thomas Cook bereits mit dem Fehlerauftritt reagiert, erhalten die Fluggäste im Falle der Beschwerde eine schnelle und einheitliche Reaktion, da der Sachverhalt bereits durch einen Mitarbeiter aufbereitet und nachrecherchiert wurde. Da ein einheitliches Beschwerdemanagementsystem verwendet wird, kann jeder Mitarbeiter den Stand der Beschwerdebearbeitung einsehen. Dadurch werden aus Unternehmenssicht kostspielige Doppelauszahlungen vermieden in Fällen, wo sich z. B. Kunden sowohl direkt bei der Fluggesellschaft als auch bei ihrem Reiseveranstalter Thomas Cook beschweren. (Vgl. Stauss 2006, S. 188 f.)
Eine weitere Möglichkeit zur Prozessadaption besteht darin, das empowerment an das Fehlerausmaß anzupassen. Insbesondere bei gravierenden Fehlern ist es erstrebenswert, dass Mitarbeiter eine größere Handlungs- und Entscheidungsautonomie besitzen. Denn oft verlangen außergewöhnliche Probleme auch drastische Maßnahmen, die nicht durch standardisierte Beschwerdebearbeitungsprozesse abgedeckt sind, wie es bei geringen Fehlern der Fall sein sollte (vgl. Hart, Heskett & Sasser 1990, S. 149 ff.).Es wird daher vorgeschlagen, das empowerment (d. h. Handlungs- und Entscheidungsautonomie) eines Mitarbeiters an das Fehlerausmaß zu knüpfen. Bei Federal Express besitzen bspw. die Mitarbeiter einen Budgetrahmen von 100 $, über den sie frei verfügen können, um eine Beschwerde zu regeln (vgl. Berry & Parasuraman 1991, S. 49). Im Falle eines hohen Fehlerausmaßes könnte der Verfügungsrahmen z. B. auf 500 $ erweitert werden. Das empowerment gibt den Mitarbeitern die Möglichkeit, über ihre eigentliche Rolle im Tagesgeschäft hinauszuwachsen. Ein solches Extra-Rollenverhalten ist aus Unternehmenssicht erstrebenswert. Denn es fördert die Gerechtigkeitswahrnehmung der Beschwerdebehandlung (vgl. Maxham III & Netemeyer 2003, S. 57). Das ExtraRollenverhalten und mit ihm das empowerment bedürfen aber auch der Unterstützung der jeweiligen Team- oder Abteilungsleiter. Diese müssen vor allem bei schweren Fehlern den Mitarbeitern den notwendigen Rückhalt geben, was Inhalt spezieller Trainings sein kann.
Einen per se höheren Verfügungsrahmen auch für kleinere Fehler einzuführen, birgt die Gefahr des Missbrauchs. Insofern sollte davon Abstand genommen werden. Bei großen Fehlern könnten Unternehmen bspw. den Zugriff auf den erweiterten Budgetrahmen einzelfallabhängig an die Zustimmung des Vorgesetzten knüpfen, um eine Kontrollinstanz einzurichten. Gleichfalls könnte der Verfügungsrahmen an die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit geknüpft werden. Es erscheint sinnvoll, mit Beschwerden von hohem Fehlerausmaß eher Mitarbeitern zu betrauen, die aufgrund einer langen Unternehmenszugehörigkeit mehr Erfahrungs-
5 Diskussion
193
wissen mitbringen und durch eine gefestigte Stellung im Unternehmen größeren Handlungsund Entscheidungsspielraum besitzen.
Schließlich können Unternehmen einem hohen Fehlerausmaß Rechnung tragen, indem sie die Kunden vorab über die Problemlösung informieren. Schwerwiegende Probleme lassen sich nicht immer in dem Zeitrahmen lösen, wie ihn sich Kunden vorstellen. Die Zustimmung durch höhere Unternehmensinstanzen oder die Koordination mit anderen Abteilungen sind beispielhafte Gründe, warum der Problemlösungsprozess länger dauern kann, als es von außen notwendig erscheinen mag. Ein vorgezogenes Leistungsversprechen in Form von Vorabinformationen zur Problemlösung und dem Bearbeitungsstand bewirkt, dass Konsumenten sich ein Bild über die zu erwartende Leistung machen können. Diese gedankliche Vorstellung von der bevorstehenden Leistung wirkt sich bereits positiv auf die Zufriedenheit aus (vgl. MacInnis & Price 1987). Im Beschwerdefall wird also bereits das Versprechen einer Kompensation eine positive Wirkung auf den Konsumenten entfalten und seine Zufriedenheit steigern. Es ist wahrscheinlich, dass dadurch ebenfalls negative Mundpropaganda abgewendet werden kann, die bereits mit Fehlerauftritt entsteht (vgl. Blodgett & Anderson 2000, S. 327; Blodgett, Wakefield & Barnes 1995, S. 33).
Für Beschwerden aufgrund eines geringen Fehlers erscheint dieses Vorgehen wenig zweckdienlich. Denn kleinere Probleme sollten schnellstmöglich bearbeitet werden und durch standardisierte Beschwerdebearbeitungsprozesse abgedeckt sein, sodass ein zusätzlicher Koordinationsaufwand entbehrlich ist. Zudem stellt jeder zusätzliche Kundenkontakt aus Unternehmenssicht Kosten dar, z. B. in Form gebundener Personalressourcen. Nicht zuletzt tragen Portokosten für Briefe oder Telefongebühren zu den Kontaktkosten bei. Insgesamt entspricht bei kleinen Fehlern der Aufwand, der durch einen zusätzlichen Kundenkontakt entsteht, nicht dem daraus resultierenden Nutzen.
5.2.4.3
Anpassung der Kommunikation an das Fehlerausmaß
Die vorliegenden Studienergebnisse belegen, dass Menschen bei einem geringen Fehlerausmaß größeren Wert auf einen fairen zwischenmenschlichen Umgang legen als bei einem großen Fehlerausmaß (H3c). Eine faire Interaktion zeichnet sich durch ein professionelles Beschwerdegespräch aus, in dem Höflichkeit, Freundlichkeit und Respekt vermittelt werden. Im Folgenden wird begründet, warum Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen wie
194
5 Diskussion
z. B. Empathie dabei grundsätzlich und unabhängig von allen Trainingsmaßnahmen in der Beschwerdesituation leichter auf die Kunden eingehen können. Deshalb sollten Unternehmen solche Mitarbeiter eher für die Beschwerdebearbeitung geringerer Fehler (normales Tagesgeschäft in der Beschwerdeabteilung) einsetzen. Menschen, die bspw. kein Gefühl für eine sensible Kommunikation besitzen, jedoch über ein sehr umfassendes Fachwissen und einen weit reichenden Erfahrungsschatz verfügen, sind eher geeignet, große Probleme zügig zu lösen, wo die Problemlösung an sich die Herausforderung darstellt.
Den Kern der Argumentation bildet die Tatsache, dass manche Menschen von sich aus eine natürliche Neigung haben, auf Menschen einzugehen. Wie auch in anderen Forschungsbereichen muss also zwischen der Persönlichkeitseigenschaft (z. B. Empathie) und der Reaktion in einer spezifischen Situation (z. B. einfühlsames Verhalten) unterschieden werden. Diese Trennung lässt sich gut anhand der Emotion Angst veranschaulichen. So ist bei manchen Menschen die Neigung, ängstlich zu sein, stark in der Persönlichkeit verankert. Es wird von trait anxiety gesprochen. Solche Menschen empfinden mehr und öfter Angst in einer bedrohlichen Situation (state anxiety). Allerdings ist das Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit keine Situationsreaktion auf einen bedrohlichen Stimulus (vgl. Zuckerman 1976, S. 133 f.). Die Persönlichkeitseigenschaft trait anxiety und die Reaktion in der Situation state anxiety werden daher als zwei getrennte Konzepte betrachtet (vgl. Vigneau & Cormier 2008, S. 280).
Empathie als Persönlichkeitsmerkmal (trait) hilft also, in einer konkreten Situation das eigene Verhalten (state) gezielt auf die Gefühlsregungen des Gegenübers einzustellen (vgl. Brown et al. 2010, S. 205). Das Persönlichkeitsmerkmal und das situative Verhalten stellen hierbei wie auch bei den Emotionen zwei getrennte Sachverhalte dar. Persönlichkeitseigenschaften können insgesamt als die gefestigte Disposition eines Individuums verstanden werden, welche im Zuge der Erfahrungen des bisherigen Lebens entwickelt wurden (vgl. Izard 1991, S. 17; Lazarus 1991, S. 46 f.). Daraus folgt, dass Trainingsmaßnahmen nicht die Persönlichkeitseigenschaften grundsätzlich verändern können, die einen Mitarbeiter für die eine oder andere Aufgabe prädestiniert. Trainingsmaßnahmen sind demgegenüber sehr wohl in der Lage, ein gewünschtes Situationsverhalten zu stimulieren– dies umso mehr bei Menschen, die eine natürliche Disposition dazu mitbringen. Daraus ergeben sich für Unternehmen zwei Konsequenzen.
Trainingsmaßnahmen zum Verhalten gegenüber Beschwerdeführern sollten differenziert werden. Grundlagenkenntnisse können allen Mitarbeitern vermittelt werden. Einige werden diese
5 Diskussion
195
besser umsetzen können als andere. Alle Mitarbeiter wissen jedoch, wie sie sich im Beschwerdefall verhalten müssen. Weiterführende Schulungen können die Sozial- und Emotionalkompetenz schärfen, um einfühlsam, freundlich, respektvoll auf aufgewühlte oder sehr verärgerte Kunden zu reagieren. Diese weiterführenden Schulungen sollten dann nur denjenigen Mitarbeitern zuteil werden, die die notwendigen Persönlichkeitsvoraussetzungen mitbringen.
Zusätzlich zu den Trainingsmaßnahmen sollten Mitarbeiter entsprechend ihrer Persönlichkeit in der Beschwerdeabteilung eingesetzt werden. Im operativen Geschäft, wo vor allem kleinere Fehler mit standardisierten Lösungen abgewickelt werden und die interaktionale Gerechtigkeit im Vordergrund steht, sollten jene Mitarbeiter zum Zuge kommen, deren Persönlichkeit (Empathie) es ihnen erlaubt, intuitiv angemessen auf den Kunden zu reagieren oder auf ihn zuzugehen. Gleichfalls werden Mitarbeiter benötigt, die aufgrund ihrer Fach- und Methodenkompetenz diffizile (technische) Probleme lösen können. Hat bspw. ein Neuwagenbesitzer ein Problem mit dem Motor seines Wagens, das auch die Händlerwerkstatt nicht zu beheben vermag, so kann nur ein Spezialist des Herstellers das Motorenproblem lösen. Von ihm kann kaum erwartet werden, dass er zugleich mit der nötigen Emotional- und Sozialkompetenz gezielt auf den Beschwerdeführer eingeht. Seine Schwerpunkte liegen auf dem technischen Verständnis. Bei einem hohen Fehlerausmaß ist die interaktionale Gerechtigkeit zudem weniger bedeutsam als bei einem geringen. Sollte der Spezialist dennoch mit einem sehr aufgebrachten Kunden konfrontiert werden (weil es Rückfragen zum Problem gibt), kann er durch einen Mitarbeiter mit der nötigen Sozial- und Emotionalkompetenz verstärkt werden. Beide treten zusammen als Team auf.
5.2.4.4
Anpassung der Kompensationshöhe an den Fehlertyp
Nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung legen Beschwerdeführer im Falle eines Ergebnisfehlers, also einer Beeinträchtigung der Kernleistung, mehr Wert auf die distributive Gerechtigkeit als bei Prozessfehlern, bei denen die Art der Leistungserbringung mangelhaft ist (H4a). Beschwerdeführer sind im Falle eines Ergebnisfehlers letztlich vorrangig daran interessiert, dann auch ein faires Resultat zu erhalten. Unternehmen müssen folglich eine zunächst schlechte durch eine sehr gute Ergebnisleistung im Zuge der Beschwerdebehandlung wieder ausgleichen. In diesem Fall bietet es sich an, den Kunden zusätzlich zur einfachen Kompensation in Schadenshöhe (= 100 %) eine Überkompensation (> 100 %) zu gewähren.
196
5 Diskussion
Die Unternehmen zeigen damit, dass sie trotz der schwachen ursprünglichen Leistung ergebnisorientiert arbeiten und demzufolge auch nicht daran interessiert sein können, dass solche Fehler in Zukunft wieder geschehen.
Liegt ein Prozessfehler vor (z. B. lange Wartezeit), ist die distributive Gerechtigkeit weniger wichtig als bei einem Ergebnisfehler (z. B. versalzene Speise im Restaurant). Daher erscheint eine Überkompensation bei einem Prozessfehler wenig zweckdienlich. Die Kunden hegen kein gesteigertes Interesse an dem Ergebnis der Beschwerdebehandlung und werden somit auch die zusätzlichen Wiedergutmachungsanstrengungen einer Überkompensation nicht entsprechend würdigen.
5.2.4.5
Anpassung der Prozesse an den Fehlertyp
Im Falle eines Prozessfehlers (Art und Weise der Leistungserstellung) legen Beschwerdeführer mehr Wert auf die prozedurale Gerechtigkeit als im Falle eines Ergebnisfehlers (fehlerhafte Kernleistung) (H4b). Für Unternehmen bedeutet dies, dass vor allem eine verzögerte Leistungserstellung nach der Beschwerde schnellstmöglich nachgeholt wird. Beschwerden aufgrund von Prozessfehlern im betrieblichen Leistungserstellungsprozess sollten dementsprechend mit Priorität behandelt werden.
Ferner lässt sich aus den Befunden ableiten, dass es für Unternehmen im Allgemeinen gilt, einen unbefriedigenden Prozess (ursprüngliche, fehlerhafte Leistung) durch einen sehr guten Folgeprozess (Beschwerdebehandlung) auszugleichen. Die Unternehmen müssen die Vorstellung einer schlechten Prozessorientierung, die durch den Fehler und die folgende Beschwerde entsteht, im zweiten Versuch zerstreuen. Folgendes Beispiel zeigt, wie Flugbegleiter bei einer Verspätung prozessorientiert reagieren:
Hungrige Kinder Das Flugzeug startete aufgrund von schlechtem Wetter mit mehreren Stunden Verspätung. Die Fluggäste waren hungrig, insbesondere die kleinen Kinder. Als das Flugzeug in der Luft war, wendeten sich die Flugbegleiter an die Passagiere: „Vielen Dank für Ihre Geduld. Jetzt wo wir unterwegs sind, bringen wir Ihnen gleich freies Essen und Getränke. Wir haben noch einige sehr hungrige Kinder an Bord. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir sie gerne zuerst bedienen.“
5 Diskussion
197
Die Passagiere stimmten alle zu und applaudierten. Denn alle wussten, hungrige und schreiende Kinder würden die gesamte Situation nur viel schlimmer machen, als sie ohnehin schon war. (Vgl. Zeithaml & Bitner 2003, S. 202)
5.2.5
Zusammenfassung
Tab. 30 gibt einen abschließenden Überblick über die vorgestellten Maßnahmen und darüber, in welche Phase(n) des Beschwerdebehandlungsprozesses sie fallen, d. h. in die Beschwerdeannahme (A) und / oder die Beschwerdebearbeitung (B) und / oder die Beschwerdereaktion (R). Im ersten Schritt wurden allgemein gültige Maßnahmen aufgezeigt, welche die distributive, die prozedurale und die interaktionale Gerechtigkeit fördern, um so den Kunden eine zufriedenstellende Beschwerdebehandlung zu bieten. Im zweiten Schritt galt es, aus jenen generellen Handlungsfeldern kunden- und situationsspezifische Maßnahmen abzuleiten.
Distributive Gerechtigkeit
Prozedurale Gerechtigkeit
Interaktionale Gerechtigkeit
• Das Prinzip complaint ownership für die Beschwerdeannahme.
• Professionelle Führung eines freundlichen und höflichen Beschwerdegesprächs. A B R
Generelle Maßnahmen • 100 %ige Kompensation der entstandenen Schadenshöhe. A B R
• Kompensationsform sollte dem Kundenwunsch entsprechen. A B R
• Nach Möglichkeit aufrichtige Entschuldigung des Mitarbeiters A B R
A B R
• Informations- und Kommunikationssysteme, um schnelle Prozesse bei der Beschwerdeabwicklung zu gewährleisten. A B R
• Training von Mitarbeiterqualifikationen wie z. B. Sozialkompetenz. A B R
• Antizipieren von Beschwerden, um schneller reagieren zu können. A B R
• Vorbeugung von Burn-outSyndromen bei den Mitarbeitern (z. B. psychologische Unterstützung, Hobbyräume, Gruppendiskussionen). A B R
• empowerment (Handlungs- und Entscheidungsautonomie) der Mitarbeiter z. B. durch finanziellen Spielraum. A B R • Kundenseitige Kontrollmöglichkeiten in Richtlinien zur Beschwerdebearbeitung verankern z. B. durch Wahl der Kompensationsform. A B R
Kundenspezifische Maßnahmen • H1a: Nicht bestätigt.
• H1b: Die Beschwerdeannahme ist
• H1c: Mitarbeiterqualifikation und
198
5 Diskussion
Distributive Gerechtigkeit
Prozedurale Gerechtigkeit insb. bei jüngeren Kunden über das Internet möglich. A B R
• H2a: Ergänzend zur 100 %igen Kompensation: Überkompensation bei Männern, aufrichtige Entschuldigung bei Frauen. A B R
• H2b: Bei drohendem Verzug wegen hohen Beschwerdeaufkommens Frauen priorisieren.
Interaktionale Gerechtigkeit Trainings zu Bedürfnissen älterer Kunden. A B R • H2c: Nicht bestätigt.
A B R
Situationsspezifische Maßnahmen • H3a: Nicht bestätigt.
• H3b: Fehler mit hohem Ausmaß priorisieren, größeres empowerment der Mitarbeiter und Ausblick auf Kompensation geben. A B R
• H4a: Ergebnisfehler durch Kompensation / Überkompensation beheben. A B R
• H4b: Prozessfehler, durch außerordentlich guten Prozess ausgleichen. A B R
• H3c: Von Natur aus empathische Mitarbeiter verstärkt bei geringen Fehlern einsetzen und weiterführende Schulungen zur Stärkung der emotionalen und sozialen Kompetenz anbieten. A B R • H1a: Nicht bestätigt.
Für jede Maßnahme ist grau unterlegt, in welche der drei Phase(n) des Beschwerdebehandlungsprozesses Beschwerdeannahme (A) und / oder Beschwerdebearbeitung (B) und / oder Beschwerdereaktion (R) sie vorrangig fällt. Tab. 30: Zusammenfassung Handlungsempfehlungen
Dabei sollten die einzelnen Maßnahmen nicht losgelöst voneinander, sondern als ein Bündel betrachtet werden. Denn sie beeinflussen sich gegenseitig. Das empowerment bspw. unterstützt die Unternehmensmitarbeiter, indem es ihnen die notwendige Handlungs- und Entscheidungsbefugnis einräumt, um gezielt auf Beschwerden reagieren zu können. Damit wird psychischen Belastungen vorgebeugt. Spannungen werden abgebaut, die entstehen, wenn Unternehmensmitarbeiter Verantwortung gegenüber den Kunden tragen, jedoch nicht die notwendige Handlungs- und Entscheidungsautonomie besitzen, um dieser Verantwortung nachzukommen. Zudem trägt das empowerment der Mitarbeiter zu einer individuelleren Lösung des Problems bei, als wenn dieses durch die Beschwerdeabteilung bearbeitet wird. So aber werden die Unternehmensmitarbeiter im unmittelbaren Kontakt zum Kunden in die Lage versetzt, gezielt auf den einzelnen Kunden und seinen Lösungswunsch einzugehen.
Weiterhin sollten die Maßnahmen nicht auf einen Anwendungsfall beschränkt werden. Vielmehr stellen sie Möglichkeiten dar, die Ergebnisleistungen, Prozesse und Kundenkontakte generell zu optimieren. In diesem Sinne können z. B. besonders einfühlsame Unternehmensmitarbeiter auch verstärkt im Kontakt mit älteren Kunden eingesetzt werden, denen persönliche Zuwendung und eine faire Behandlung tendenziell mehr bedeutet als jüngeren Kunden. Analog zu Geschlecht, Fehlerausmaß und Fehlertyp besteht im Hinblick auf das Alter auch
5 Diskussion
199
die Option, bei Kapazitätsengpässen Beschwerden von jüngeren Menschen bevorzugt zu behandeln, weil sie größeren Wert auf zügige Prozesse legen als ältere.
5.3
Grenzen der Untersuchung und zukünftige Forschung
5.3.1
Gerechtigkeitswahrnehmung
Die vorliegende Arbeit weist Grenzen auf, aus denen sich wiederum Ansätze für zukünftige Forschungsarbeiten ergeben. So wurde die Gerechtigkeitswahrnehmung als Proxy-Variable der Unternehmensreaktionen betrachtet, denn die subjektive Wahrnehmung der Realität und nicht die tatsächliche Handlung bedingt das individuelle Verhalten (vgl. Griffin & Ross 1991, S. 320; Oliver 1997, S. 198). Künftige Forschungsarbeiten könnten sich dieser Diskrepanz aus tatsächlicher Unternehmensreaktion und deren kundenseitiger Wahrnehmung widmen. Es wäre denkbar, dass z. B. der Ärger über den Fehler die Kompensationsleistung des Unternehmens aus Kundensicht geringwertiger erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist. Solche Erkenntnisse geben Aufschluss darüber, wie Unternehmen ihre Beschwerdemaßnahmen einsetzen können, um Wahrnehmungsverzerrungen zu vermeiden.
Wie auch in anderen Studien wurden hohe Korrelationen zwischen den einzelnen Gerechtigkeitsdimensionen beobachtet (vgl. Davidow 2003b, S. 74; Liao 2007, S. 481). Dies deutet auf Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Dimensionen hin. Eine unmittelbare Folge davon sind Interaktionswirkungen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen auf die Nachbeschwerdezufriedenheit (z. B. Tax, Brown & Chandrashekaran 1998, S. 69). McCollough, Berry & Yadav (2000, S. 131) beobachten, dass die Kombination aus hoher distributiver und niedriger interaktionaler Gerechtigkeit zu niedrigeren Zufriedenheitswerten führt, als wenn beide Gerechtigkeitsdimensionen auf einem mittleren Niveau liegen. Dies bedeutet, dass beide Gerechtigkeitsdimensionen nicht unabhängig voneinander wahrgenommen werden. Konsumenten empfinden die sehr faire distributive Behandlung als unaufrichtig, wenn sie dabei unhöflich behandelt werden und anders herum. Ein mögliches Beispiel dafür wäre, dass ein Unternehmen dem Konsumenten erklärt, einen Preisnachlass aus Kulanzgründen zu gewähren, dem Kunden aber gleichzeitig ein Fehlverhalten zu Last legt. So entsteht der Eindruck, dass das Unternehmen dem Kunden lediglich in einem Gnadenakt mehr als notwendig entgegenkommt. Folgendes Schreiben verdeutlicht dies beispielhaft:
200
5 Diskussion
Sehr geehrter Herr ... (Name), wir bestätigen den Erhalt Ihres Schreibens vom ... (Datum), in dem Sie einen kleineren Transportschaden an dem von uns am ... (Datum) gelieferten Möbel beanstanden.1 Laut unseren Geschäftsbedingungen hätten Sie diesen Schaden sofort unseren Kollegen von der Auslieferung melden und auf dem Lieferschein ausdrücklich vermerken lassen müssen. Sie aber haben mit Ihrer Unterschrift den ordnungsgemäßen Erhalt der Möbel in einwandfreien Zustand bestätigt. So sehr wir auch bedauern, dass Sie mit der von uns gelieferten Ware unzufrieden sind, haben wir doch im Nachhinein keine Möglichkeit, die Ursache für den von Ihnen angesprochenen Schaden festzustellen.2 Obwohl aus den oben genannten Gründen also kein Anspruch auf Minderung besteht, sind wir entgegenkommenderweise bereit, Ihnen einen Preisnachlass in Höhe von 50 € einzuräumen.3 Wir möchten allerdings noch einmal darauf hinweisen, dass es sich dabei um eine Entscheidung im Rahmen unserer Kulanz handelt, zu der wir eigentlich nicht verpflichtet wären. Wir hoffen, Sie sind mit dieser Regelung einverstanden.4 Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift) 1) Der erste Satz klingt unpersönlich und arrogant. Der Erhalt des Briefes wird lediglich “bestätigt”. Es wird kein Dank ausgesprochen, für die Mühe, die sich der Kunde gemacht hat, die Beschwerde zu formulieren, auch wenn der Kunde in seinem Brief vielleicht etwas überreagiert hat. 2) Anschließend wird der Empfänger des Briefes massiv geschulmeistert. Nicht nur, dass sich der Kunde über den Transportschaden an seinen Einrichtungsgegenständen ärgert, nun muss er sich sogar noch vorwerfen lassen, sich falsch verhalten zu haben. 3) Dass sich das Unternehmen dennoch zu einem kleinen Preisnachlass bereit erklärt, wird zwar als Maßnahme der Kulanz dargestellt, klingt in dem zitierten Brief aber doch eher wie ein Gnadenakt, mit dem man einen nervenden Kunden ruhigstellen möchte. 4) Der letzte Satz erscheint besonders kühn. “Wir hoffen, Sie sind mit dieser Regelung einverstanden.” Die Möglichkeit, dass der Kunde nicht mit dem Angebot einverstanden ist, zog das Unternehmen anscheinend gar nicht in Betracht. Es setzt damit dem Kunden sprichwörtlich die Pistole auf die Brust und stellt ihn vor die Wahl, entweder er akzeptiert oder lässt es bleiben und erhält eben keinen Preisnachlass.
Abb. 39: Beschwerdebehandlung als Gnadenakt Quelle: Rütten & Moritz (1997, S. 26 f.)
Zukünftige Forschungsarbeiten könnten die Natur der Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen genauer untersuchen, um unter anderem Aufschluss darüber zu erhalten, unter welchen Bedingungen Individuen ein differenziertes Gerechtigkeitsurteil anhand mehrerer Dimensionen fällen und wann sie lediglich ein Globalurteil bilden.
In der vorliegenden Studie wird nicht differenziert, welche Distributionsregel (equity, need, equality) oder welche Kombination aus diesen die Beschwerdeführer bei der Beurteilung des Ergebnisses der Beschwerdebehandlung zu Grunde legen. Zukünftige Studien könnten Aufschluss darüber geben, in welchen Situationen es für Beschwerdeführer wichtiger ist, dass alle
5 Diskussion
201
Kunden gleich behandelt werden (equality) als dass die Ergebnisse deren individuellem Bedürfnis entsprechen (need). Denn in vielen Fällen, entspricht der Aufwand für eine individuelle Beschwerdebehandlung nicht dem daraus resultierendem Nutzen. Dies ist häufig dann der Fall, wenn eine Vielzahl von Kunden bedient werden muss und die Kompensationsleistungen sich absolut gesehen auf einem geringen Niveau befinden.
Die Operationalisierung der prozeduralen Gerechtigkeit bildet nicht alle Facetten eines fairen Prozesses ab. Der Fokus liegt auf den häufig genutzten Kriterien Schnelligkeit und der Möglichkeit für den Kunden, kontrollierend in den Prozess der Beschwerdebehandlung einzugreifen (vgl. Chebat & Slusarczyk 2005, S. 668; Karande, Magnini & Tam 2007, S. 201; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006, S. 269). Zukünftige Studien sollten einerseits weitere prozedurale Fairnessaspekte, wie z. B. wahrgenommene Interessenkonformität, Entscheidungskontrolle oder Vorurteilsfreiheit, in die Operationalisierung der prozeduralen Gerechtigkeit einbeziehen (vgl. Thibaut & Walker 1975). Andererseits können zukünftige Forschungsarbeiten potenzielle neue Unternehmensreaktionen aus diesen Fairnesskriterien ableiten und ihren Einfluss auf die Kundenreaktion untersuchen. Chang (2008) zeigt bspw., dass die Wahl der Wiedergutmachungsform die wahrgenommene Kontrolle erhöht. Ebenso scheint es wahrscheinlich, dass Interessenkonformität zwischen Unternehmen und Kunden, Transparenz des Beschwerdebehandlungsprozess oder die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit dem complaint owner die wahrgenommene Kontrolle und damit die prozedurale Gerechtigkeit fördern.
5.3.2
Kontextvariablen
Der moderierende Einfluss der Kontextvariable Alter wurde lediglich auf zwei Stufen (jung vs. alt) untersucht. In zukünftigen Studien wäre es denkbar, eine feingliedrigere Gruppierung in drei oder vier Altersgruppen vorzunehmen, um die unterschiedlichen Lebensphasen junges Erwachsenenalter, spätes Erwachsenenalter und Ruhestand genauer abbilden zu können (vgl. Zuzanek 2005, S. 52). Dadurch wäre es möglich, die Handlungsempfehlungen an Unternehmen für die jeweilige Altersgruppe zu präzisieren. Da die Zielgruppe der meisten Unternehmen sowohl Frauen als auch Männer umfasst, stellt sich die Frage, inwiefern eine differenzierte Behandlung beider Geschlechter wissentlich geduldet wird. Gerade in einer Gesellschaft, die nach Gleichbehandlung strebt, könnte das Wissen um eine differenzierte Beschwerdebearbeitung zu Akzeptanzproblemen führen. Zukünfti-
202
5 Diskussion
ge Studien könnten daher untersuchen, inwiefern eine Gleichbehandlung beider Geschlechter trotz unterschiedlicher Bedürfnisse angestrebt wird oder nicht.
Probanden der Studie gaben tendenziell Fehler von hohem Ausmaß an und selbst bei der Gruppe mit geringerem Fehlerausmaß lagen noch relativ große Fehler vor. Dies könnte erstens daran liegen, dass durch das Design der Umfrage, wonach die Probanden ein vergangenes Beschwerdeereignis schildern sollten, eher größere als kleinere Fehler erinnert wurden. Zweitens könnte es sein, dass die Fehler als tendenziell gravierender eingeschätzt wurden, als sie tatsächlich waren. So neigen Menschen dazu, Verluste als schwerwiegender zu empfinden als Gewinne in gleicher Höhe (vgl. Kahnemann & Tversky 1979, S. 279). Forscher sollten daher in zukünftigen Studien das Fehlerausmaß mittels eines Szenarioexperiments manipulieren. Szenarioexperimente erlauben, das Fehlerausmaß gezielt zu gestalten und so sicherzustellen, dass in der einen Gruppe die Reaktionen zu einem geringen Fehlerausmaß und in der anderen Gruppe die Reaktionen zu einem hohen Fehlerausmaß erfasst werden (vgl. Smith, Bolton & Wagner 1999, S. 362).
Die Variable Fehlertyp unterscheidet zwischen Ergebnis- und Prozessfehlern. Für zukünftige Studien wäre es denkbar, dieses Schema auf bspw. vier Fehlertypen zu erweitern: finanzieller Fehler, materieller Fehler, Zeitverlust und Interaktionsfehler (z. B. unhöfliche Bedienung). Unternehmen würden dadurch in Erfahrung bringen, wie sie auf einen jeweiligen Fehler zu reagieren hätten. So wäre es denkbar, dass es bereits ausreicht, wenn sich die unhöfliche Bedienung für diesen (Interaktions-)Fehler entschuldigt. Womöglich prägte ein negativer Vorfall ihren Tag. Erhält der Gast dann zusätzlich einen Rabatt auf seine Restaurantrechnung, könnte er dies als unangemessene Begünstigung empfinden. Er fühlt sich schuldig.
Untersucht wurden Moderationseffekte der Kontextvariablen auf die Wirkungsstärke der Gerechtigkeitsdimensionen. Nicht analysiert wurde, wie die Kontextvariablen in Kombination die Einflussstärke der Gerechtigkeitsdimensionen auf die Nachbeschwerdezufriedenheit moderieren – so genannte three-way interactions (vgl. Jaccard & Wan 1996, S. 62). Es stellt sich also die Frage, welcher Moderationseffekt bei gegenläufigen Tendenzen überwiegt. So legen z. B. Männer im Vergleich zu Frauen weniger Wert auf faire Prozesse. Faire Prozesse wiederum sind bei großen Fehlern wichtiger als bei geringen. Beschwert sich ein Mann über einen großen Fehler, existieren verschiedene Alternativen, wie sich beide gegenläufigen Moderationseffekte verhalten. Eine Möglichkeit wäre, dass sie sich gegenseitig auslöschen. Eine ande-
5 Diskussion
203
re Möglichkeit besteht darin, dass der Moderationseffekt des Geschlechts lediglich für kleine Fehler gilt und bei großen Fehlern beide Geschlechter gleich viel Wert auf faire Prozesse legen. Die Analyse solcher Effekte könnte Gegenstand zukünftiger Forschungsarbeiten sein.
Aus einer Vielzahl an Kontextvariablen wurden insgesamt vier ausgewählt. Weitere Kontextvariablen, deren Einfluss auf die Gerechtigkeitswirkung wahrscheinlich erscheint, sind z. B. Wechselbarrieren (vgl. Valenzuela, Pearson & Epworth 2005) oder Online- vs. OfflineBeschwerdebehandlung (vgl. Harris et al. 2006; Holloway & Beatty 2003). Insbesondere kulturelle Einflüsse könnten eine Rolle spielen (vgl. Mattila & Patterson 2004a; Patterson, Cowley & Prasongsukarn 2006). So wird bspw. eine individuelle Beschwerdebehandlung in westlichen Kulturkreisen als fair gelten (vgl. Lind & Tyler 1988, S. 226), in östlichen Kulturkreisen, die Wert auf Konformität legen, könnte eine individuelle Beschwerdebehandlung hingegen als unfair empfunden werden.
Anhang Symbol
Bedeutung
Ș
Eta
Latent endogene Variable
ȟ
Ksi
Latent exogene Variable
y
Indikator für latent endogene Variable
x
Indikator für latent exogene Variable
İ
Epsilon
Messfehler von y
į
Delta
Messfehler von x
ȗ
Zeta
Messfehler latent endogene Variable
Ȝ
Lambda
Pfadkoeffizient zwischen latenter Variable und zugehörigem Indikator
Ȗ
Gamma
Pfadkoeffizient zwischen latent exogener und latent endogener Variable
ȕ
Beta
Pfadkoeffizient zwischen latent endogenen Variablen
ij
Phi
Kovarianz zwischen latent exogenen Variablen Tab. 31: Symbole und deren Kennzeichnung in Strukturgleichungsmodellen
Frage Schilderung des Problemfalls Erinnern Sie sich bitte an das letzte Vorkommnis, bei dem Sie unzufrieden mit einem Produkt oder Service waren (z. B. Bekleidungskauf oder Restaurantbesuch) und sich daher bei dem entsprechenden Anbieter beschwert haben. Beschreiben Sie bitte kurz: • den Fehler des Produkts / Services und • die Reaktion bzw. Anstrengungen des Anbieters, um das Problem zu lösen. Distributive Gerechtigkeit Ich habe eine faire Wiedergutmachung erhalten. Ich habe das bekommen, was mir zusteht. Das Ergebnis meiner Beschwerde war angemessen. Prozedurale Gerechtigkeit Meine Beschwerde wurde in einer angemessenen Zeit bearbeitet. Mein Problem wurde zügig bearbeitet.
Antwortmöglichkeiten " _____________ (offene Frage)
Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme
1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7
Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme
H. Roschk, Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung, DOI 10.1007/978-3-8349-6222-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
206
Anhang
Frage Ich hatte Gelegenheit, meine Sichtweise des Problems zu schildern. Interaktionale Gerechtigkeit Ich wurde höflich behandelt. Ich wurde respektvoll behandelt. Das Service-Personal kümmerte sich gut um mich. Transaktionsspezifische Zufriedenheit Der Kontakt mit dem Anbieter im Zusammenhang mit meiner Beschwerde war eine positive Erfahrung. Ich war mit der Beschwerdebehandlung des Unternehmens zufrieden. Meiner Meinung nach hat mir der Anbieter eine zufriedenstellende Problemlösung angeboten. Wiederkauf Ich werde in Zukunft mehr bei diesem Anbieter kaufen. Ich beabsichtige, in der nächsten Zeit wieder bei diesem Anbieter zu kaufen. In Zukunft werde ich öfter von diesem Anbieter kaufen. Positive Mundpropaganda Ich würde mich gegenüber anderen positiv über diesen Anbieter äußern. Ich würde anderen diesen Anbieter empfehlen. Ich würde Freunde und Verwandte dazu ermuntern, bei diesem Anbieter zu kaufen. Ich habe mich gegenüber Freunden und Verwandten positiv über diesen Anbieter geäußert. Fehlerausmaß Das aufgetretene Problem ist bedeutend. Das aufgetretene Problem ist schwerwiegend. Wenn ein solches Problem auftritt und der Anbieter es nicht behebt, dann bringt dies erhebliche Unannehmlichkeiten mit sich. Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung Wie viele Jahre sind Sie schon Kunde bei diesem Anbieter? Ich habe sehr viel Erfahrung mit dem Anbieter. Einstellung zum Beschweren Normalerweise beschwere ich mich nur ungern bei einem Anbieter, egal wie schlecht der Service/das Produkt ist.
Antwortmöglichkeiten überhaupt nicht zu Stimme 1 2 3 4 5 6 7 überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu
Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu
Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu Stimme überhaupt nicht zu
1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7
vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu
Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu
Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu Stimme vollkommen zu
" _____________ Jahre Stimme überhaupt nicht zu
1 2 3 4 5 6 7
Stimme vollkommen zu
Stimme überhaupt nicht zu
1 2 3 4 5 6 7
Stimme vollkommen zu
Anhang
207
Frage Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ein nicht zufriedenstellendes Produkt zurückgebe, ist geringer als bei den meisten Menschen, die ich kenne. Wenn ein defektes Produkt günstig war, dann ist es wahrscheinlicher, dass ich es behalte, als dass ich einen Ersatz oder Umtausch verlange. Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde Als das Problem auftrat, war ich zuversichtlich, dass der Anbieter das Produkt umtauschen, mir einen Ersatz bieten oder das Produkt reparieren würde. Ich habe erwartet, dass der Anbieter alles in seiner Macht Stehende versucht, um das Problem zu lösen.
Antwortmöglichkeiten Stimme überhaupt nicht zu
1 2 3 4 5 6 7
Stimme vollkommen zu
Stimme überhaupt nicht zu
1 2 3 4 5 6 7
Stimme vollkommen zu
Stimme überhaupt nicht zu
1 2 3 4 5 6 7
Stimme vollkommen zu
Stimme überhaupt nicht zu
1 2 3 4 5 6 7
Stimme vollkommen zu
Alter Wie alt sind Sie?
" _____________ Jahre
Geschlecht Sind Sie?
weiblich
männlich
Hauptschulabschluss
Realschulabschluss
Abitur
Sonstiges
Ausbildung
Meister
Hochschulstudium
Arbeiter/in
Angestellte/r
Beamte/r
Student/in
Hausfrau/mann
Auszubildende/r
Pensionist/in
Bildungsabschluss Welchen höchsten Bildungsabschluss haben Sie?
Derzeitige berufliche Tätigkeit Welche(n) Beruf/Tätigkeit üben Sie aus?
Tab. 32: Fragebogen
Literaturverzeichnis Adams, Stacy J. (1963), Toward an Understandig of Inequity, Journal of Abnormal and Social Psychology, 67, 422-36. ----(1965), Inequity in Social Exchange, in Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 2, Leonard Berkowitz, Hrsg. New York, NY: Academic Press, 267-99. Ajzen, Icek & Martin Fishbein (1980), Understanding Attitudes and Predicting Social Behavior. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall. Albers-Miller, Nancy D. & Betsy D. Gelb (1996), Business Advertising Appeals as a Mirror of Cultural Dimensions: A Study of Eleven Countries, Journal of Advertising, 25, 57-70. Alexander, Elizabeth C. (2002), Consumer Reactions to Unethical Service Recovery, Journal of Business Ethics, 36 (3), 223-37. Ambrose, Maureen, Ronald L. Hess & Shankar Ganesan (2007), The Relationship between Justice and Attitudes: An Examination of Justice Effects on Event and System-Related Attitudes, Organizational Behavior & Human Decision Processes, 103 (1), 21-36. Anderson, Eugene W. (1994), Cross-Category Variation in Customer Satisfaction and Retention, Marketing Letters, 5 (1), 19-30. Anderson, Eugene W. & Claes Fornell (1994), A Customer Satisfaction Research Prospectus, in Service Quality: New Directions in Theory and Practice, Roland T. Rust & Richard L. Oliver, Hrsg. Thousand Oaks, CA: Sage Publications, 241-68. Anderson, Eugene W. & Vikas Mittal (2000), Strengthening the Satisfaction-Profit Chain, Journal of Service Research, 3 (2), 107-20. Andreassen, Tor W. (2000), Antecedents to Satisfaction with Service Recovery, European Journal of Marketing, 34 (1/2), 156-75. Arbuckle, James L. (2006), Amos 7.0 User's Guide. Chicago, IL: SPSS, Inc. Archer, John (1996), Sex Differences in Social Behavior, American Psychologist, 51 (9), 909-17. Aronson, Elliot, Timothy D. Wilson & Robin M. Akert (2004), Sozialpsychologie. München: Pearson. Atchley, Robert C. (1987), Aging: Continuity and Change. Belmont, CA: Wadsworth Publishing. Au, Kevin, Michael K. Hui & Kwok Leung (2001), Who Should Be Responsible? Effects of Voice and Compensation on Responsibility Attribution, Perceived Justice, and Post-Complaint Behaviors Across Cultures, The International Journal of Conflict Management, 12 (4), 350-64. Backhaus, Klaus, Bernd Erichson, Wulff Plinke & Rolf Weiber (2006), Multivariate Analysemethoden: Eine Anwendungsorientierte Einführung. Berlin: Springer. Bagozzi, Richard P. (1996), Structural Equation Models in Marketing Research: Basic Principles, in Principles of Marketing Research, reprinted, Richard P. Bagozzi, Hrsg. Cambridge, MA: Blackwell, 317-85.
H. Roschk, Gerechtigkeit bei der Beschwerdebehandlung, DOI 10.1007/978-3-8349-6222-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
210
Literaturverzeichnis
Bagozzi, Richard P. & Hans Baumgartner (1996), The Evaluation of Structual Equation Models and Hypothesis Testing, in Principles of Marketing Research, reprinted, Richard P. Bagozzi, Hrsg. Cambridge: Blackwell, 386-422. Bagozzi, Richard P. & Lynn W. Phillips (1982), Representing and Testing Organizational Theories: A Holistic Construal, Administrative Science Quarterly, 27 (3), 459-89. Bagozzi, Richard P. & Youjae Yi (1988), On the Evaluation of Structural Equation Models, Journal of the Academy of Marketing Science, 16 (Spring), 74-94. Bagozzi, Richard P., Youjae Yi & Lynn W. Phillips (1991), Assessing Construct Validity in Organizational Research, Administrative Science Quarterly, 36 (3), 421-58. Bandura, Albert (1999), Social Cognitive Theory of Personality, in Handbook of Personality: Theory and Research, Vol. 2nd edition, Lawrence A. Pervin & Oliver P. John, Hrsg. New York, NY: Guilford Press, 15496. Barak, Benny & Leon G. Schiffman (1981), Cognitive Age: A Nonchronological Age Variable, Advances in Consumer Research, 8 (1), 602-6. Baron, Reuben M. & David A. Kenny (1986), The Moderator-Mediator Variable Distinction in Social Psychological Research: Conceptual, Strategic, and Statistical Considerations, Journal of Personality and Social Psychology, 51 (6), 1173-82. Baumeister, Roy F. & Mark R. Leary (1995), The Need to Belong: Desire for Interpersonal Attachments as a Fundamental Human Motivation, Psychological Bulletin, 117 (3), 497-529. Baumeister, Roy F., C. N. DeWall, Natalie J. Ciarocco & Jean M. Twenge (2005), Social Exclusion Impairs Self-Regulation, Journal of Personality and Social Psychology, 88 (4), 589-604. Bazerman, Max H. & Margaret A. Neale (1992), Negotiating Rationally. New York, NY: The Free Press. Bearden, William O. & Melissa Crockett (1981), Self-Monitoring, Norms, and Attitudes as Influences on Consumer Complaining, Journal of Business Research, 9 (3), 255-66. Bearden, William O. & Richard L. Oliver (1985), The Role of Public and Private Complaining in Satisfaction with Problems Resolution, Journal of Consumer Affairs, 19 (2), 222-40. Bentler, P. M. (1995), EQS Structural Equations Program Manual. Encino, CA: Multivariate Software. Berekoven, Ludwig, Werner Eckert & Peter Ellenrieder (2006), Marktforschung: Methodische Grundlagen und Praktische Anwendungen. Wiesbaden: Gabler. Berger, Joseph, Susan J. Rosenholtz & Morris Zelditch (1980), Status Organizing Processes, Annual Review of Sociology, 6, 508. Berry, Leonard L. & A. Parasuraman (1991), Marketing Services - Competing through Quality. New York, NY: The Free Press. Bies, Robert J. & Joseph S. Moag (1986), Interactional Justice: Communication Criteria of Faimess, in Research on Negotiation in Organizations, Vol. 1, Roy J. Lewicki, Blair H. Sheppard & Max H. Bazerman, Hrsg. Greenwich, CT: JAI Press, 43-55.
Literaturverzeichnis
211
Bies, Robert J. & Debra L. Shapiro (1987), Interactional Fairness Judgments: The Influence of Causal Accounts, Social Justice Research, 1 (2), 199-218. Birren, James E. (1973), Principles of Research on Aging, in Handbook of Aging and the Individual, James E. Birren, Hrsg. Chicago, IL: The University of Chicago Press, 3-42. Bitner, Mary J. (1990), Evaluating Service Encounters: The Effects of Physical Surroundings and Employee Responses, Journal of Marketing, 54 (2), 69-82. Bitner, Mary J., Bernard H. Booms & Mary S. Tetreault (1990), The Service Encounter: Diagnosing Favorable and Unfavorable Incidents, Journal of Marketing, 54 (1), 71-84. Bitner, Mary J. & Amy R. Hubbert (1994), Encounter Satisfaction Versus Overall Satisfaction Versus Quality, in Service Quality: New Directions in Theory and Practice, Roland T. Rust & Richard L. Oliver, Hrsg. Thousand Oaks, CA: Sage Publications, 72-94. Blakemore, Judith E. O., Asenath A. LaRue & Antony B. Olejnik (1979), Sex-Appropriate Toy Preference and the Ability to Cenceptualize Toys as Sex-Role Related, Developmental Psychology, 15, 339-40. Blanchard-Fields, Fredda, Yiwei Chen & Lisa Norris (1997), Everyday Problem Solving Across the Adult Life Span: Influence of Domain Specificity and Cognitive Appraisal, Psychology and Aging, 12, 684-93. Blizzard, Rick (2005), Do Younger Patients Want Fries with their ER Service? http://www.gallup.com/poll/ 14569/Younger-Patients-Want-Fries-Their-Service.aspx, 17.08.2010. Blodgett, Jeffrey G. & Ronald D. Anderson (2000), A Bayesian Network Model of the Consumer Complaint Process, Journal of Service Research, 2 (4), 321-38. Blodgett, Jeffrey G., Donald H. Granbois & Rockney G. Walters (1993), The Effects of Perceived Justice on Complainants' Negative Word-of-Mouth Behavior and Repatronage Intentions, Journal of Retailing, 69 (4), 399-428. Blodgett, Jeffrey G., Donna J. Hill & Stephen S. Tax (1997), The Effects of Distributive, Procedural, and Interactional Justice on Postcomplaint Behavior, Journal of Retailing, 73 (2), 185-210. Blodgett, Jeffrey G. & Stephen S. Tax (1993), The Effects of Distributive and Interactional Justice on Complainants’ Repatronage Intentions and Negative Word-of-Mouth Intentions, Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, 6, 100-10. Blodgett, Jeffrey G., Kirk L. Wakefield & James H. Barnes (1995), The Effects of Customer Service on Consumer Complaining Behavior, Journal of Services Marketing, 9 (4), 31-42. Blumstein, Alfred (1995), Youth Violence, Guns, and the Illicit-Drug Industry, The Journal of Criminal Law & Criminology, 86, 10-36. Bodey, Kelli & Debra Grace (2006), Segmenting Service 'Complainers' and 'Non-Complainers' on the Basis of Consumer Characteristics, Journal of Services Marketing, 20 (3), 178-87. Bonifield, Carolyn & Catherine A. Cole (2008), Better Him than Me: Social Comparison Theory and Service Recovery, Journal of the Academy of Marketing Science, 36 (Winter), 565-77.
212
Literaturverzeichnis
Boshoff, Christo (1997), An Experimental Study of Service Recovery Options, International Journal of Service Industry Management, 8 (2), 110-30. Bost, Kelly K., Martha J. Cox, Margaret R. Burchinal & Chris Payne (2002), Structural and Supportive Changes in Couples' Family and Friendship Networks Across the Transition to Parenthood, Journal of Marriage and Family, 64, 517-31. Bowen, David E. & Robert Johnston (1999), Internal Service Recovery: Developing a New Construct, International Journal of Service Industry Management, 10 (2), 118-31. Bradley, Graham L. & Beverley A. Sparks (2009), Dealing with Service Failures: The use of Explanations, Journal of Travel & Tourism Marketing, 26, 129-43. Bramel, Dana, Barry Taub & Barbara Blum (1968), An Observer's Reaction to the Suffering of His Enemy, Journal of Personality and Social Psychology, 8, 384-92. Brinberg, David & Pat Castell (1982), A Resource Exchange Theory Approach to Interpersonal Interactions: A Test of Foa's Theory, Journal of Personality and Social Psychology, 43 (2), 260-9. Brinberg, David & Ronald Wood (1983), A Resource Exchange Theory Analysis of Consumer Behavior, Journal of Consumer Research, 10, 330-8. Brown, Todd A., John A. Sautter, Levente Littvay, Alberta C. Sautter & Brennen Bearnes (2010), Ethics and Personality: Empathy and Narcissism as Moderators of Ethical Decision Making in Business Students, Journal of Education for Business, 85 (March), 203-8. Bruhn, Manfred (1982), Konsumentenzufriedenheit und Beschwerden: Erklärungsansätze und Ergebnisse einer Empirischen Untersuchung in Ausgewählten Konsumbereichen. Frankfurt am Main: Peter Lang. Brünner, Björn O. (1997), Die Zielgruppe Senioren: Eine Interdisziplinäre Analyse der Älteren Konsumenten. Frankfurt am Main: Peter Lang. Brymer, Robert A. (1991), Employee Empowerment: A Guest-Driven Leadership Strategy, Cornell Hotel & Restaurant Administration Quarterly, 32 (1), 58-68. Buss, David M. (1995), Psychological Sex Differences, American Psychologist, 50 (3), 164-8. Buss, David M. & David P. Schmitt (1993), Sexual Strategies Theory: An Evolutionary Perspective on Human Mating, Psychologival Review, 100, 204-32. Bussey, Kay & Albert Bandura (1999), Social Cognitive Theory of Gender Development and Differentiation, Psychologival Review, 106, 676-713. Cadotte, Ernest R., Robert B. Woodruff & Roger L. Jenkins (1987), Expectations and Norms in Models of Consumer Satisfaction, Journal of Marketing Research, 24, 305-14. Carlson, Rae (1971), Sex Differences in Ego Functioning: Exploratory Studies of Agency and Communion, Journal of Consulting and Clinical Psychology, 37, 267-77. Carter, Bruce D. & Gary D. Levy (1988), Cognitive Aspects of Early Sex-Role Development: The Influence of Gender Schemas on Preschoolers' Memories and Preferences Ofr Se-Typed Toys and Activities, Child Development, 59, 782-92.
Literaturverzeichnis
213
Casado-Díaz, Ana, Francisco J. Más-Ruiz & Hans Kasper (2007), Explaining Satisfaction in Double Deviation Scenarios: The Effects of Anger and Distributive Justice, International Journal of Bank Marketing, 25 (5), 292-314. Chang, Chia-Chi (2008), Choice, Perceived Control, and Customer Satisfaction: The Psychology of Online Service Recovery, CyberPsychology & Behavior, 11 (3), 321-8. Chang, Ming-Hsu & Wen-Bin Chiou (2007), Psychophysical Methods in Study of Consumers' Perceived Price Change for Food Products, Psychological Reports, 100, 643-52. Charles, Susan T., Chandra A. Reynolds & Margaret Gatz (2001), Age-Related Differences and Change in Positive and Negative Affect Over 23 Years, Journal of Personality and Social Psychology, 80 (1), 136-51. Chebat, Jean-Charles & Witold Slusarczyk (2005), How Emotions Mediate the Effects of Perceived Justice on Loyalty in Service Recovery Situations: An Empirical Study, Journal of Business Research, 58 (5), 664-73. Clopton, Stephen W., James E. Stoddard & Jennifer W. Clay (2001), Salesperson Characteristics Affecting Consumer Complaint Responses, Journal of Consumer Behaviour, 1 (2), 124-39. Cohen, Ronald L. (1987), Distributive Justice: Theory and Research, Social Justice Research, 1, 19-40. Cole, Catherine A. & Gary J. Gaeth (1990), Cognitive and Age-Related Differences in the Ability to use Nutritional Information in a Complex Environment, Journal of Marketing Research, 27 (May), 175-84. Cole, Catherine A. & Michael J. Houston (1987), Encoding and Media Effects on Consumer Learning Deficiencies in the Elderly, Journal of Marketing Research, 24, 55-63. Colquitt, Jason A. (2001), On the Dimensionality of Organizational Justice: A Construct Validation of a Measure, Journal of Applied Psychology, 86 (3), 386-400. Colquitt, Jason A., Michael J. Wesson, Christopher O. L. H. Porter, Donald E. Conlon & K. Yee Ng (2001), Justice at the Millennium: A Meta-Analytic Review of 25 Years of Organizational Justice Research, Journal of Applied Psychology, 86 (3), 425-45. Conlon, Donald E. & Noel M. Murray (1996), Customer Perceptions of Corporate Responses to Product Complaints: The Role of Explanations, Academy of Management Journal, 39 (4), 1040-56. Cook, Thomas D. & Donald T. Campbell (1979), Quasi-Experimentation: Design & Analysis Issues for Field Settings. Chicago, IL: McNally. Coulter, Keith S. (2009), Enough is enough! Or is it? Factors that Impact Switching Intentions in Extended Travel Service Transactions, Journal of Travel & Tourism Marketing, 26 (2), 144-55. Coyne, Kevin (1989), Beyond Service Fads – Meaningful Strategies for the Real World, Sloan Management Review, 30 (Summer), 69-76. Craighead, Christopher W., Kirk R. Karwan & Janis L. Miller (2004), The Effects of Severity of Failure and Customer Loyalty on Service Recovery Strategies, Production & Operations Management, 13 (Winter), 307-21.
214
Literaturverzeichnis
Cronbach, Lee J. (1951), Coefficient Alpha and the Internal Structure of Tests, Psychometrika, 16 (September), 297-334. Customer Care Alliance (2003), Customer Care - the Multibillion Dollar Sinkhole, http://www.ccareall.org/, 17.08.2010. Davidow, Moshe (2000), The Bottom Line Impact of Organizational Responses to Customer Complaints, Journal of Hospitality and Tourism Research, 24, 473-90. ----(2003a), Organizational Responses to Customer Complaints: What Works and what Doesn't, Journal of Service Research, 5 (February), 225-50. ----(2003b), Have You Heard the Word? the Effect of Word of Mouth on Perceived Justice, Satisfaction and Repurchase Intentions Following Complaint Handling, Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, 16, 67-81. Davidow, Moshe & James H. Leigh (1998), The Effects of Organizational Complaint Responses on Consumer Satisfaction, Word of Mouth Activity and Repurchase Intentions, Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, 11, 91-102. Day, George S. (1969), A Two-Dimensional Concept of Brand Loyalty, Journal of Advertising Research, 9 (3), 29-35. Day, Ralph L. (1977), Extending the Concept of Consumer Satisfaction, in Advances in Consumer Research, Vol. 4 (1), William D. Perreault, Hrsg. Atlanta: Association for Consumer Research, 149-54. Day, Ralph L., Klaus Grabicke, Thomas Schaetzle & Fritz Staubach (1981), The Hidden Agenda of Consumer Complaining, Journal of Retailing, 57 (3), 86-106. de Jong, Ad & Ko de Ruyter (2004), Adaptive Versus Proactive Behavior in Service Recovery: The Role of Self-Managing Teams, Decision Sciences, 35 (3), 457-91. de Matos, Celso A., Jorge L. Henrique & Carlos A. Vargas Rossi (2007), Service Recovery Paradox: A MetaAnalysis, Journal of Service Research, 10 (August), 60-77. de Ruyter, Ko & Martin Wetzels (2000), Customer Equity Considerations in Service Recovery: A CrossIndustry Perspective, International Journal of Service Industry Management, 11 (1), 91-108. Dehaene, Stanislas & J. F. Marques (2002), Cognitive Euroscience: Scalar Variability in Price Estimation and the Cognitive Consequences of Switching to the Euro, Quarterly Journal of Experimental Psychology, 55, 705-31. del Río-Lanza, Ana B., Rodolfo Vázquez-Casielles & Ana M. Díaz-Martín (2009), Satisfaction with Service Recovery: Perceived Justice and Emotional Responses, Journal of Business Research, 62, 775-81. DeStatis (2009), Bevölkerung Deutschlands bis 2060: 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden. ----(2010a), Bildungsstand: Bevölkerung 2008 nach Bildungsabschluss und Altersgruppen in Deutschland, http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/BildungForschung
Literaturverzeichnis
215
Kultur/Bildungsstand/Tabellen/Content100/BildungsabschlussAlterBB,templateId=renderPrint.psml, 17.08.2010. ----(2010b), Fast 70 % der Bevölkerung ab Zehn Jahren Nutzen das Internet, http://www.destatis.de/jetspeed/ portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2007/11/PD07__486__63931,templateId=render Print.psml, 17.08.2010. Deutsch, Morton (1975), Equity, Equality, and Need: What Determines which Value Will be Used as the Basis of Distributive Justice? Journal of Social Issues, 31 (3), 137-49. ----(1985), Distributive Justice: A Social-Psychological Perspective. New Haven, CT: Yale University Press. DeWitt, Tom, Doan T. Nguyen & Roger Marshall (2008), Exploring Customer Loyalty Following Service Recovery: The Mediating Effects of Trust and Emotions, Journal of Service Research, 10 (February), 269-81. Dick, Alan S. & Kunal Basu (1994), Customer Loyalty: Toward an Integrated Conceptual Framework, Journal of the Academy of Marketing Science, 22 (Spring), 99-113. Diekmann, Kristina A., Steven M. Samuels, Lee Ross & Max H. Bazerman (1997), Self-Interest and Fairness in Problems of Resource Allocation: Allocators Versus Recipients, Journal of Personality and Social Psychology, 72 (5), 1061-74. Dietze, Ulrich (1997), Reklamationen als Chance Nutzen. Landsberg am Lech: Verlag Moderne Industrie. Donnenwerth, Gregory V. & Uriel G. Foa (1974), Effect of Resource Class on Retaliation to Injustice in Interpersonal Exchange, Journal of Personality and Social Psychology, 29 (6), 785-93. Dröge, Cornelia & Diane Halstead (1991), Postpurchase Hierarchies of Effects: The Antecedents and Consequences of Satisfaction for Complainers Versus Non-Complainers, International Journal of Research in Marketing, 8 (4), 315-28. Duffy, Jo A. M., John M. Miller & James B. Bexley (2006), Banking Customers' Varied Reactions to Service Recovery Strategies, International Journal of Bank Marketing, 24 (2/3), 112-32. Durvasula, Srinivas, Steven Lysonski & Subhash C. Mehta (2000), Business-to-Business Marketing: Service Recovery and Customer Satisfaction Issues with Ocean Shipping Lines, European Journal of Marketing, 34 (3/4), 433-52. Eagly, Alice H. & Blair T. Johnson (1990), Gender and Leadership Style: A Meta-Analysis, Psychological Bulletin, 108 (2), 233-56. Eagly, Alice H., Steven J. Karau & Mona G. Makhijani (1995), Gender and the Effectiveness of Leaders: A Meta-Analysis, , Psychological Bulletin, 117 (1), 125-45. Eagly, Alice H., Mona G. Makhijani & Bruce G. Klonsky (1992), Gender and the Evaluation of Leaders: A Meta-Analysis, Psychological Bulletin, 111 (1), 3-22. Eisenberger, Naomi I., Matthew D. Lieberman & Kipling D. Williams (2003), Does Rejection Hurt? an fMRI Study of Social Exclusion, Science, 302, 290-2.
216
Literaturverzeichnis
Eisend, Martin (2010), A Meta-Analysis of Gender Roles in Advertising, Journal of the Academy of Marketing Science, 38 (Fall), 418-40. Epstein, Cynthia F. (1988), Deceptive Distinctions: Sex, Gender, and the Social Order. New Haven: Yale University Press. Ertel, Karen A., M. M. Glymour & Lisa F. Berkman (2009), Social Networks and Health: A Life Course Perspective Integrating Observational and Experimental Evidence, Journal of Social & Personal Relationships, 26 (1), 73-92. Estelami, Hooman (2000), Competitive and Procedural Determinants of Delight and Disappointment in Consumer Complaint Outcomes, Journal of Service Research, 2 (February), 285-300. Estelami, Hooman & Peter De Maeyer (2002), Customer Reactions to Service Provider Overgenerosity, Journal of Service Research, 4 (February), 205-16. Fabes, Richard A. & Carol L. Martin (1991), Gender and Age Stereotypes of Emotionality, Personality and Social Psychology Bulletin, 17, 532-40. Fan, Xitao, Bruce Thompson & Lin Wang (1999), Effects of Sample Size, Estimation Methods, and Model Specification on Structural Equation Modeling Fit Indexes, Structural Equation Modeling, 6, 56-83. Fausto-Sterling, Anne (1992), Myths of Gender: Biological Theories about Women and Men. New York, NY: Basic Books. Filipp, Sigrun-Heide & Katharina Schmidt (1995), Mittleres und Höheres Erwachsenenalter: Emotionalität im Alter, in Entwicklungspsychologie, Rolf Oerter & Leo Montada, Hrsg. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 476-81. Foa, Edna B. & Uriel G. Foa (1980), Resource Exchange: Interpersonal Behavior as Exchange, in Social Exchange: Advances in Theory and Research, Kenneth J. Gergen, Martin S. Greenberg & Richard H. Willis, Hrsg. New York, NY: Plenum, 77-94. ----(1976), Ressource Theory of Social Exchange, in Contemporary Topics in Social Psychology, John W. Thibaut, Janet T. Spence & Robert C. Carson, Hrsg. Morristown, NJ: General Learning Press, 99-134. Foa, Uriel G. & Edna B. Foa (1974), Societal Structures of the Mind. Springfield, Illinois: Charles C Thomas. Folger, Robert (1987), Distributive and Procedural Justice in the Workplace, Social Justice Research, 1, 143-59. Folger, Robert & Jerald Greenberg (1985), Procedural Justice: An Interpretive Analysis of Personnel Systems, Research in Personnel and Human Resources Management, 3, 141-83. Fornell, Claes & David F. Larcker (1981), Evaluating Structural Equation Models with Unobservable Variables and Measurement Error, Journal of Marketing Research, 18 (1), 39-50. Fournier, Susan & David G. Mick (1999), Rediscovering Satisfaction, Journal of Marketing, 63 (October), 5-23. Fu, Yao-Yi & Sara C. Parks (2001), The Relationship between Restaurant Service Quality and Consumer Loyalty among the Elderly, Journal of Hospitality & Tourism Research, 25 (August), 320-36.
Literaturverzeichnis
217
Galambos, Nancy L., Pamela K. Turner & Lauree C. Tilton-Weaver (2005), Chronological and Subjective Age in Emerging Adulthood, Journal of Adolescent Research, 20 (September), 538-56. Garrett, Dennis E. (1999), The Effectiveness of Compensation Given to Complaining Consumers: Is More Better? Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, 12, 26-34. Geis, Florence L. (1993), Self-Fulfilling Prophecies: A Social Psychological View of Gender, in The Psychology of Gender, Anne E. Beall and Robert J. Sternberg, Hrsg. New York, NY: Guilford Press, 9-54. Gelbrich, Katja (2007), Innovation und Emotion. Die Funktion von Furcht und Hoffnung im Adoptionsprozess einer Technologischen Neuheit für die Kunststoffbranche. Göttingen: Cuvillier Verlag. ----(2010), Anger, Frustration, and Helplessness After Service Failure: Coping Strategies and Effective Informational Support, Journal of the Academy of Marketing Science, 58 (5), 567-85. Gelbrich, Katja & Holger Roschk (2008), An Overview Over Post-Complaint Behavior, in Enhancing Knowledge Development in Marketing: 2008 AMA Educator's Proceedings, James R. Brown & Rajiv P. Dant, Hrsg. Chicago, IL: American Marketing Association, 203-15. ----(2010a), Do Complainants Appreciate Overcompensation? A Meta-Analysis on the Effect of Simple Compensation Versus Overcompensation on Post-Complaint Satisfaction, Marketing Letters, online first, DOI 10.1007/s11002-010-9101-6. ----(2010b), A Meta-Analysis of Organizational Complaint Handling and Customer Responses, Journal of Service Research, online first. Gerbing, David W. & James C. Anderson (1988), An Updated Paradigm for Scale Development Incorporating Unidimensionality and its Assessment, Journal of Marketing Research, 25 (2), 186-92. Gerson, Kathleen (1990), Continuing Controversies in the Sociology of Gender, Sociological Forum, 5, 301-10. Geyskens, Inge, Jan-Benedict E. M. Steenkamp & Nirmalya Kumar (1999), A Meta-Analysis of Satisfaction in Marketing Channel Relationships, Journal of Marketing Research, 36 (May), 223-38. Gilly, Mary C. & Betsy D. Gelb (1982), Post-Purchase Consumer Processes and the Complaining Consumer, Journal of Consumer Research, 9 (December), 323-8. Gilly, Mary C. & Richard W. Hansen (1985), Consumer Complaint Handing as a Strategic Marketing Tool, Journal of Consumer Marketing, 2 (4), 5-16. Goodwin, Cathy & Ivan Ross (1989), Salient Dimensions of Perceived Fairness in Resolution of Service Complaints, Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, 2, 87-98. ----(1992), Consumer Responses to Service Failures: Influence of Procedural and Interactional Fairness Perceptions, Journal of Business Research, 25 (2), 149-63. Greenberg, Jerald (1990), Employee Theft as a Reaction to Underpayment Inequity: The Hidden Cost of Pay Cuts, Journal of Applied Psychology, 75, 561-8.
218
Literaturverzeichnis
----(1993), The Social Side of Fairness: Interpersonal and Informational Classes of Organizational Justice, in Justice in the Workplace: Approaching Fairness in Human Resource Management, Russel Cropanzano, Hrsg. Hillsdale, NJ: Erlbaum, 79-103. Grégoire, Yany & Robert J. Fisher (2008), Customer Betrayal and Retaliation: When Your Best Customers Become Your Worst Enemies, Journal of the Academy of Marketing Science, 36 (Summer), 247-61. Grégoire, Yany (2003), The Impact of Aging on Consumer Responses: What do we Know? Advances in Consumer Research, 30 (1), 19-26. Grewal, Rajdeep, Joseph A. Cote & Hans Baumgartner (2004), Multicollinearity and Measurement Error in Structural Equation Models: Implications for Theory Testing, Marketing Science, 23 (4), 519-29 Griesinger, Donald W. (1990), The Human Side of Economic Organization, Academy of Management Review, 15 (3), 478-99. Griffeth, Rodger W. & Stefan Gaertner (2001), A Role for Equity Theory in the Turnover Process: An Empirical Test, Journal of Applied Social Psychology, 31 (5), 1017-37. Griffin, Dale W. & Lee Ross (1991), Subjective Construal, Social Inference, and Human Misunderstanding, Advances in Experimental Social Psychology, 24, 319-59. Gross, James J., Laura L. Carstensen, Jeanne Tsai, Carina G. Skorpen & Angie Y. C. Hsu (1997), Emotion and Aging:Experience, Expression, and Control, Psychology and Aging, 12, 590-9. Guy, Bonnie S., Terri L. Rittenburg & Douglass K. Hawes (1994), Dimensions and Characteristics of Time Perceptions and Perspectives among Older Consumers, Psychology & Marketing, 11 (Jan), 35-56. Gwinner, Kevin P. & Nancy Stephens (2001), Testing the Implied Mediational Role of Cognitive Age, Psychology & Marketing, 18 (10), 1031-48. Hack, Andreas & Frauke Lammers (2009), Gender as a Moderator of the Fair Process Effect, Social Psychology, 40, 202-11. Haeske, Udo (2001), Beschwerden und Reklamationen Managen. Weinheim: Beltz Verlag. Harris, Katherine E., Dhruv Grewal, Lois A. Mohr & Kenneth L. Bernhardt (2006), Consumer Responses to Service Recovery Strategies: The Moderating Role of Online Versus Offline Environment, Journal of Business Research, 59 (4), 425-31. Hart, Christopher W. L., James L. Heskett & W. E. Sasser Jr. (1990), The Profitable Art of Service Recovery, Harvard Business Review, 68 (4), 148-56. Helgesen, Sally (1990), The Female Advantage: Women's Ways of Leadership. New York, NY: Doubleday. Hennig-Thurau, Thorsten, Markus Groth, Michael Paul & Dwayne D. Gremler (2006), Are all Smiles Created Equal? how Emotional Contagion and Emotional Labor Affect Service Relationships, Journal of Marketing, 70 (July), 58-73. Hennig-Thurau, Thorsten, Alexander Klee & Markus F. Langer (1999), Das Relationship Quality-Modell zur Erklärung von Kundenbindung: Einordnung und Empirische Überprüfung, Zeitschrift Für Betriebswirtschaft, 67, 111-32.
Literaturverzeichnis
219
Herzog, A. R., Nancy H. Fultz, Bruce M. Brock, Morton B. Brown & Ananias C. Diokno (1988), Urinary Incontinence and Psychological Distress among Older Adults, Psychology and Aging, 3, 115-21. Hess Jr., Ronald L., Shankar Ganesan & Noreen M. Klein (2003), Service Failure and Recovery: The Impact of Relationship Factors on Customer Satisfaction, Journal of the Academy of Marketing Science, 31 (2), 12745. Hirschman, Albert O. (1970), Exit, Voice, and Loyalty: Responses to Decline in Firms, Organizations, and States. Cambridge, MA: Harvard Univ. Press. Hocutt, Mary A., Michael R. Bowers & D. T. Donavan (2006), The Art of Service Recovery: Fact Or Fiction? Journal of Services Marketing, 20 (3), 199-207. Hocutt, Mary A., Goutam Charkraborty & John C. Mowen (1997), The Impact of Perceived Justice on Customer Satisfaction and Intention to Complain in a Service Recovery, Advances in Consumer Research, 24 (1), 457-63. Höffe, Otfried (2007), Gerechtigkeit: Eine Philosophische Einführung. München: C.H. Beck. Hoffman, K. D. & Scott W. Kelley (2000), Perceived Justice Needs and Recovery Evaluation: A Contingency Approach, European Journal of Marketing, 34 (3/4), 418-32. Hohm, Dirk, Ursula Hansen & Sonia Geisler (2006), Ethische Implikationen einer Kundenwertorientierten Marktbearbeitung, in Kundenwert: Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Umsetzung, Vol. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Bernd Günter & Sabrina Helm, Hrsg. Wiesbaden: Gabler, 801-21. Holloway, Betsy B. & Sharon E. Beatty (2003), Service Failure in Online Retailing, Journal of Service Research, 6 (1), 92-105. Holloway, Betsy B., Sijun Wang & Janet T. Parish (2005), The Role of Cumulative Online Purchasing Experience in Service Recovery Management, Journal of Interactive Marketing, 19 (3), 54-66. Homans, George C. (1961), Social Behavior: Its Elementary Forms. New York, NY: Harcourt, Brace & World. ----(1974), Social Behavior: Its Elementary Forms. New York, NY: Harcourt Brace Jovanovich. Homburg, Christian & Hans Baumgartner (1995a), Beurteilung Von Kausalmodellen: Bestandsaufnahme Und Anwendungsempfehlungen, Marketing ZFP, 17, 162-76. ----(1995b), Die Kausalanalyse als Instrument Der Marketingforschung, Zeitschrift Für Betriebswirtschaft, 65, 1091-108. Homburg, Christian, Andreas Fürst & Nicole Koschate (2010), On the Importance of Complaint Handling Design: A Multi-Level Analysis of the Impact in Specific Complaint Situations, Journal of the Academy of Marketing Science, 38 (Summer), 265-87. Homburg, Christian & Andreas Fürst (2005), How Organizational Complaint Handling Drives Customer Loyalty: An Analysis of the Mechanistic and the Organic Approach, Journal of Marketing, 69 (July), 95-114. Homburg, Christian & Annette Giering (1996), Konzeptualisierung und Operationalisierung Komplexer Konstrukte. Ein Leitfaden für die Marketingforschung, Marketing ZFP, 18, 5-25.
220
Literaturverzeichnis
House, Robert J., Paul J. Hanges, Mansour Javidan, Peter W. Dorfman & Vipin Gupta (Hrsg.) (2004), Culture, Leadership, and Organizations: The GLOBE Study of 62 Societies. Thousand Oaks, CA: Sage Publications. Hui, Michael K. & Kevin Au (2001), Justice Perceptions of Complaint-Handling: A Cross-Cultural Comparison between PRC and Canadian Customers, Journal of Business Research, 52, 161-73. Hui, Michael K. & John E. G. Bateson (1991), Perceived Control and the Effects of Crowding and Consumer Choice on the Service Experience, Journal of Consumer Research, 18 (2), 174-84. Iacobucci, Dawn (1996), Classic Factor Analysis, in Principles of Marketing Research, Richard P. Bagozzi, Hrsg. Cambridge, MA: Blackwell, 279-316. Iacobucci, Dawn & Amy Ostrom (1993), Gender Differences in the Impact of Core and Relational Aspects of Services on the Evaluation of Service Encounters, Journal of Consumer Psychology (Lawrence Erlbaum Associates), 2 (3), 257-86. Izard, Carroll E. (1991), The Psychology of Emotions. New York, NY: Plenum Press. Jaccard, James & Choi K. Wan (1986), LISREL Approaches to Interaction Effects in Multiple Regression. Thousand Oaks, CA: Sage Publications. Jaques, Elliot (1961), Equitable Payment. New York, NY: Wiley. Johnson, Michael D., Eugene W. Anderson & Claes Fornell (1995), Rational and Adaptive Performance Expectations in a Customer Satisfaction Framework, Journal of Consumer Research, 21 (March), 695-707. Jöreskog, Karl G. & Dag Sörbom (1982), Recent Developments in Structural Equation Modeling, Journal of Marketing Research, 19 (4), 404-16. Jöreskog, Karl G. & Dag Sörbom (2006), LISREL 8.8 for Windows [Computer Software]. Lincolnwood, IL: Scientific Software International, Inc. Kahneman, Daniel & Amos Tversky (1979), Prospect Theory: An Analysis of Decision Under Risk, Econometrica, 47 (March), 263-91. Karande, Kiran, Vincent P. Magnini & Leona Tam (2007), Recovery Voice and Satisfaction After Service Failure: An Experimental Investigation of Mediating and Moderating Factors, Journal of Service Research, 10 (November), 187-203. Kau, Ah-Keng & Elizabeth Wan-Yiun Loh (2006), The Effects of Service Recovery on Consumer Satisfaction: A Comparison between Complainants and Non-Complainants, Journal of Services Marketing, 20 (2), 10111. Keaveney, Susan M. (1995), Customer Switching Behavior in Service Industries: An Exploratory Study, Journal of Marketing, 59 (2), 71-82. Kelley, Scott W. & Mark A. Davis (1994), Antecedents to Customer Expectations for Service Recovery, Journal of the Academy of Marketing Science, 22 (1), 52-61. Kelley, Scott W., K. D. Hoffman & Mark A. Davis (1993), A Typology of Retail Failures and Recoveries, Journal of Retailing, 69 (4), 429-52.
Literaturverzeichnis
221
Kenny, David A., Deborah A. Kashy & Niall Bolger (1998), Data Analysis in Social Psychology, in Handbook of Social Psychology, Daniel T. Gilbert, Susan T. Fiske & Gardner Lindzey, Hrsg. New York, NY: McGraw-Hill, 233-65. Kenrick, Douglas T., Steven L. Neuberg & Robert B. Cialdini (2007), Social Psychology: Goals in Interaction. Boston, MA: Pearson. Kermis, Marguerite D. (1984), The Psychology of Human Aging: Theory, Research and Practice. Boston, MA: Allyn and Bacon. Kim, Taegoo, Woo G. Kim & Hong-Bumm Kim (2009), The Effects of Perceived Justice on Recovery Satisfaction, Trust, Word-of-Mouth, and Revisit Intention in Upscale Hotels, Tourism Management, 30, 51-62. Kirkman, Bradley L., Debra L. Shapiro, Luke Novelli & Jeanne M. Brett (1996), Employee Concerns regarding Self-Managing Work Teams: A Multidimensional Justice Perspective, Social Justice Research, 9, 46-67. Kline, Rex B. (1998a), Software Review: Software Programs for Structural Equation Modeling: Amos, EQS, and LISREL, Journal of Psychoeducational Assessment, 16, 343-64. ----(1998b), Principles and Practice of Structure Equation Modeling. New York, NY: Guilford Press. Kolodinsky, Jane (1992), A System for Estimating Complaints, Complaint Resolution and Subsequent Purchases of Professional and Personal Services, Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, 5, 36-44. ----(1993), Complaints, Redress, and Subsequent Purchases of Medical Services by Dissatisfied Consumers, Journal of Consumer Policy, 16, 193-214. LaFrance, Marianne & Mahzarin Banaji (1992), Toward a Reconsideration of the Gender-Emotion Relationship, in Emotion and Social Behavior, Vol. 14, Margaret S. Clark, Hrsg. Newbury Park: Sage Publications, 178201. Lambert, Zarrel V. (1979), An Investigation of Older Consumers' Unmet Needs and Wants at the Retail Level, Journal of Retailing, 55 (Winter), 35-57. Law, Sharmistha, Scott A. Hawkins & Fergus I. M. Craik (1998), Repetition-Induced Belief in the Elderly: Rehabilitating Age-Related Memory Deficits, Journal of Consumer Research, 25 (2), 91-107. Lawton, Powell M., Morton H. Kleban & Jennifer Dean (1993), Affect and Age: Cross-Sectional Comparisons of Structure and Prevalence, Psychology and Aging, 8, 165-75. Lazarus, Richard S. (1991), Emotion and Adaptation. New York, NY: Oxford University Press. Lepisto, Lawrence R. (1985), A Life-Span Perspective of Consumer Behavior, Advances in Consumer Research, 12 (1), 47-52. Lerner, Melvin J. (1974), The Justice Motive: Equity and Parity among Children, Journal of Personality and Social Psychology, 29, 539-50. Leung, Kwok, Kwok-Kit Tong & Sauna S. Ho (2004), Effects of Interactional Justice on Egocentric Bias in Resource Allocation Decisions, Journal of Applied Psychology, 89, 405-15.
222
Literaturverzeichnis
Levenson, Robert W., Laura L. Carstensen & John M. Gottman (1994), The Influence of Age and Gender on Affect, Physiology, and their Interrelations: A Study of Long-Term Marriages, Journal of Personality and Social Psychology, 67, 56-68. Leventhal, Gerald S. (1976), Fairness in Social Relationships, in Contemporary Topics in Social Psychology, John W. Thibaut, Janet T. Spence, and Robert C. Carson, Hrsg. Morristown, NJ: General Learning Press, 211-39. ----(1980), What should be done with Equity Theory? New Approaches to the Study of Fairness in Social Relationships, in Social Exchange: Advances in Theory and Research, Kenneth J. Gergen, Martin S. Greenberg, and Richard H. Willis, Hrsg. New York, NY: Plenum Press, 27-55. Levy, Gary D. & Robyn Fivush (1993), Scripts and Gender: A New Approach for Examining Gender-Role Development, Developmental Review, 13, 126-46. Liao, Hui (2007), Do it Right this Time: The Role of Employee Service Recovery Performance in CustomerPerceived Justice and Customer Loyalty After Service Failures, Journal of Applied Psychology, 92 (2), 475-89. Liebrand, Wim B. G., David M. Messick & Fred J. M. Wolters (1986), Why we are Fairer than Others: A CrossCultural Replication and Extension, Journal of Experiment Social Psychology, 22, 590-604. Lind, Edgar A. & Tom R. Tyler (1988), The Social Psychology of Procedural Justice. New York, NY: Plenum Press. Loomes, Graham & Robert Sugden (1986), Disappointment and Dynamic Consistency in Choice Under Uncertainty, Review of Economic Studies, 53, 271-82. Lovefilm (2010), Beschwerdebehandlung bei Lovefilm, http://www.lovefilm.de/account/report_problems.html, 17.08.2010. MacInnis, Deborah J. & Linda L. Price (1987), The Role of Imagery in Information Processing: Review and Extensions, Journal of Consumer Research, 13 (4), 473-91. Major, Brenda & Kay Deaux (1982), Individual Differences in Justice Behavior, in Equity and Justice in Social Behavior, Jerald Greenberg, Hrsg. New York, NY: Academic Press, 43-76. Marsh, Herbert W., John R. Balla & Roderick P. McDonald (1988), Goodness-of-Fit Indexes in Confirmatory Factor Analysis: The Effect of Sample Size, Psychological Bulletin, 103, 391-410. Martin, Carol L. (1993), New Directions for Investigating Children's Gender Knowledge, Developmental Review, 13, 184-204. ----(1995), Stereotypes about Children with Traditional and Nontraditional Gender Roles, Sex Roles, 33, 727-51. Martin, Carol L. & Charles F. Halverson (1981), A Schematic Processing Model of Sex Typing and Stereotyping in Children, Child Development, 52, 1119-34. Martínez-Tur, Vicente, José M. Peiró, José Ramos & Carolina Moliner (2006), Justice Perceptions as Predictors of Customer Satisfaction: The Impact of Distributive, Procedural, and Interactional Justice, Journal of Applied Social Psychology, 36 (1), 100-19.
Literaturverzeichnis
223
Maruyama, Geoffrey G. (1998), Basics of Structual Equation Modeling. Thousand Oaks, CA: Sage Publications. Mathur, Anil & George P. Moschis (2005), Antecedents of Cognitive Age: A Replication and Extension, Psychology & Marketing, 22 (12), 969-94. Mattila, Anna S. (2001), The Effectiveness of Service Recovery in a Multi-Industry Setting, Journal of Services Marketing, 15 (6), 583. ----(2006), The Power of Explanations in Mitigating the Ill-Effects of Service Failures, Journal of Services Marketing, 20 (6/7), 422-8. Mattila, Anna S., Wonae Cho & Heejung Ro (2009), The Joint Effects of Service Failure Mode, Recovery Effort, and Gender on Customers' Post-Recovery Satisfaction, Journal of Travel & Tourism Marketing, 26, 120-8. Mattila, Anna S. & David Cranage (2005), The Impact of Choice on Fairness in the Context of Service Recovery, Journal of Services Marketing, 19, 271-9. Mattila, Anna S., Alicia A. Grandey & Glenda M. Fisk (2003), The Interplay of Gender and Affective Tone in Service Encounter Satisfaction, Journal of Service Research, 6, 136-43. Mattila, Anna S. & Daniel J. Mount (2003), The Impact of Selected Customer Characteristics and Response Time on E-Complaint Satisfaction and Return Intent, International Journal of Hospitality Management, 22, 135-45. Mattila, Anna S. & Paul G. Patterson (2004a), Service Recovery and Fairness Perceptions in Collectivist and Individualist Contexts, Journal of Service Research, 6 (May), 336-46. ----(2004b), The Impact of Culture on Consumers' Perceptions of Service Recovery Efforts, Journal of Retailing, 80 (3), 196-206. Mattila, Minna, Heikki Karjaluoto & Tapio Pento (2003), Internet Banking Adoption among Mature Customers: Early Majority Or Laggards? Journal of Services Marketing, 17, 514-28. Maxham III, James G. & Richard G. Netemeyer (2002a), Modeling Customer Perceptions of Complaint Handling Over Time: The Effects of Perceived Justice on Satisfaction and Intent, Journal of Retailing, 78 (4), 239-52. ----(2002b), A Longitudinal Study of Complaining Customers' Evaluations of Multiple Service Failures and Recovery Efforts, Journal of Marketing, 66 (October), 57-71. ----(2003), Firms Reap what they Sow: The Effects of Shared Values and Perceived Organizational Justice on Customers' Evaluations of Complaint Handling, Journal of Marketing, 67 (January), 46-62. McColl-Kennedy, Janet R., Catherine S. Daus & Beverley A. Sparks (2003), The Role of Gender in Reactions to Service Failure and Recovery, Journal of Service Research, 6 (August), 66-82. McCollough, Michael A., Leonard L. Berry & Manjit S. Yadav (2000), An Empirical Investigation of Customer Satisfaction After Service Failure and Recovery, Journal of Service Research, 3 (November), 121-37.
224
Literaturverzeichnis
McMellon, Charles A. & Leon G. Schiffman (2000), Cybersenior Mobility: Why some Older Consumers may be Adopting the Internet, Advances in Consumer Research, 27 (1), 139-44. Meffert, Heribert & Manfred Bruhn (1981), Beschwerdeverhalten und Zufriedenheit von Konsumenten, Die Betriebswirtschaft, 41 (4), 597-613. Megehee, Carol (1994), Effects of Experience and Restitution in Service Failure Recovery, in Enhancing Knowledge Development in Marketing: Proceedings of the 1994 AMA Summer Educators’ Conference, Ravi Achrol & Andrew Mitchell, Hrsg. Chicago: American Marketing Association, 210-16. Menon, Kalyani & Laurette Dubé (2007), The Effect of Emotional Provider Support on Angry Versus Anxious Consumers, International Journal of Research in Marketing, 24 (3), 268-75. Messick, David M., Suzanne Bloom, Janet P. Boldizar & Charles D. Samuelson (1985), Why we are Fairer than Others, Journal of Experiment Social Psychology, 21, 480-500. Meyers-Levy, Joan (1989), Gender Differences in Information Processing: A Selectivity Interpretation, in Cognitive and Affective Responses to Advertising: Annual Advertising and Consumer Psychology Conference, Patricia Cafferata, Hrsg. Lexington, MA: Lexington Books, 219-60. Mikula, Gerold, Birgit Petri & Norbert Tanzer (1990), What People Regard as Unjust: Types and Structures of Everyday Experiences of Injustice, European Journal of Social Psychology, 20, 133-49. Monroe, Kent B. (1973), Buyers' Subjective Perceptions of Price, Journal of Marketing Research, 10 (February), 70-80. Morgan, Robert M. & Shelby D. Hunt (1994), The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, Journal of Marketing, 58 (3), 20. Moschis, George P. (1994), Consumer Behavior in Later Life: Multidisciplinary Contributions and Implications for Research, Journal of the Academy of Marketing Science, 22 (Summer), 195. Mount, Daniel J. & Anna Mattila (2000), The Final Opportunity: The Effectiveness of a Customer Relations Call Center in Recovering Hotel Guests, Journal of Hospitality & Tourism Research, 24 (November), 514-25. Neibecker, Bruno (2001), Validität, in Vahlens Großes Marketing Lexikon, Vol. 2. Auflage, H. Diller, Hrsg. München: Vahlen, 1717-8. Nel, Deon, Tom Athron, Leyland F. Pitt & Michael T. Ewing (2000), Customer Evaluations of Service Complaint Experiences in the Public Sector, Journal of Nonprofit & Public Sector Marketing, 7 (3), 3. Nerdinger, Friedmann W. (2001), Zur Psychologie der Dienstleistung: Theoretische und Empirische Studien zu einem Wirtschaftspsychologischem Forschungsgebiet. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. New York City TLC (2010), Beschwerdeformular der New York City TLC, http://www.nyc.gov/html/tlc/html/ passenger/sub_consumer_compl.shtml, 17.08.2010. Nunnally, Jum C. (1978), Psychometric Theory. New York, NY: McGraw-Hill. Nyer, Prashanth U. (1997), A Study of the Relationships between Cognitive Appraisals and Consumption Emotions, Journal of the Academy of Marketing Science, 25 (Fall), 296-304.
Literaturverzeichnis
225
Nylander, Minna & Anu Hakonen (2007), Satisfaction with Total Rewards, Pay, and Perceived Distributive Justice - Age Related Differences, Working Paper, Research Program of Rewarding, Laboratory of Work Psychology and Leadership. o.V. (2009), Opel-Autos Wurden Besonders Oft Zurückgerufen, http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518, 644263,00.html, 17.08.2010. ----(2010a), Adidas, http://de.wikipedia.org/wiki/Adidas, 17.08.2010. ----(2010b), 'A Whale' Bringt's Nicht,), http://www.n-tv.de/panorama/A-Whale-bringt-s-nicht-article1079 206.html, 17.08.2010. Oakley, Judith G. (2000), Gender-Based Barriers to Senior Management Positions: Understanding the Scarcity of Female CEOs, Journal of Business Ethics, 27 (4), 321-34. Ok, Chihyung, Ki-Joon Back & Carol W. Shanklin (2006), Service Recovery Paradox: Implications from an Experimental Study in a Restaurant Setting, Journal of Hospitality & Leisure Marketing, 14 (3), 17-33. Oliver, Richard L. (1980), A Cognitive Model of the Antecedents and Consequences of Satisfaction Decisions, Journal of Marketing Research, 17 (November), 460-9. ----(1981), Measurement and Evaluation of Satisfaction Processes in Retail Settings, Journal of Retailing, 57 (3), 25-48. ----(1997), Satisfaction: A Behavioral Perspective on the Consumer. Boston, MA: McGraw-Hill. ----(1999), Whence Consumer Loyalty? Journal of Marketing, 63 (4), 33-44. Oliver, Richard L. & Wayne S. DeSarbo (1988), Response Determinants in Satisfaction Judgments, Journal of Consumer Research, 14 (March), 495-507. Oliver, Richard L. & John E. Swan (1989a), Consumer Perceptions of Interpersonal Equity and Satisfaction in Transactions: A Field Survey Approach, Journal of Marketing, 53 (2), 21-35. ----(1989b), Equity and Disconfirmation Perceptions as Influences on Merchant and Product Satisfaction, Journal of Consumer Research, 16 (3), 372. Olsen, Line L. & Michael D. Johnson (2003), Service Equity, Satisfaction, and Loyalty: From TransactionSpecific to Cumulative Evaluations, Journal of Service Research, 5 (February), 184-95. Orsingher, Chiara, Sara Valentini & Matteo de Angelis (2010), A Meta-Analysis of Satisfaction with Complaint Handling in Services, Journal of the Academy of Marketing Science, 38 (Spring), 169-86. Palmatier, Robert W., Rajiv P. Dant, Dhruv Grewal & Kenneth R. Evans (2006), Factors Influencing the Effectiveness of Relationship Marketing: A Meta-Analysis, Journal of Marketing, 70 (October), 136-53. Patterson, Paul G., Elizabeth Cowley & Kriengsin Prasongsukarn (2006), Service Failure Recovery: The Moderating Impact of Individual-Level Cultural Value Orientation on Perceptions of Justice, International Journal of Research in Marketing, 23 (3), 263-77. Perdue, Barbara C. & John O. Summers (1986), Checking the Success of Manipulations in Marketing Experiments, Journal of Marketing Research, 23 (4), 317-26.
226
Literaturverzeichnis
Perry, David G., Adam J. White & Louise C. Perry (1984), Does Early Sex Typing Result from Children's Attempts to Match their Behavior to Sex Role Stereotypes? Child Development, 55, 2114-21. Phillips, Diane M. & John L. Stanton (2004), Age-Related Differences in Advertising: Recall and Persuasion, Journal of Targeting, Measurement & Analysis for Marketing, 13, 7-20. Phillips, Lynn W. & Brian Sternthal (1977), Age Differences in Information Processing: A Perspective on the Aged Consumer, Journal of Marketing Research, 14, 444-57. Ping, Robert A. J. (1993), The Effects of Satisfaction and Structural Constraints on Retailer Exiting, Voice, Loyalty, Opportunism, and Neglect, Journal of Retailing, 69 (3), 320-52. Plutchik, Robert (1980), A General Psychoevolutionary Theory of Emotions, in Theories of Emotion, Robert Plutchik and Henry Kellermann, Hrsg. New York, NY: Academic Press, 3-33. Priluck, Randi & Vishal Lala (2009), The Impact of the Recovery Paradox on Retailer-Customer Relationships, Managing Service Quality, 19, 42-59. Pschyrembel (2007), Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. Berlin: Walter de Gruyter. Rabbit, Patrick (1965), An Age-Decrement in the Ability to Ignore Irrelevant Information, The Journals of Gerontology, 20, 233-8. Richard, Michael D. & C. M. Adrian (1995), A Segmentation Model of Consumer satisfaction/dissatisfaction with the Complain-Resolution Process, International Review of Retail, Distribution & Consumer Research, 5, 79-98. Richins, Marsha L. (1982), An Investigation of Consumers' Attitudes Toward Complaining, Advances in Consumer Research, 9 (1), 502-6. ----(1983a), Negative Word-of-Mouth by Dissatisfied Consumers: A Pilot Study, Journal of Marketing, 47 (Winter), 68-78. ----(1983b), An Analysis of Consumer Interaction Styles in the Marketplace, Journal of Consumer Research, 10 (1), 73-82. Rindskopf, David (1983), Parameterizing Inequality Constraints on Unique Variances in Linear Structural Models, Psychometrika, 48 (1), 73-83. Rodin, Judith (1986), Health, Control, and Aging, in The Psychology of Control and Aging, Margret M. Baltes & Paul B. Baltes, Hrsg. Hillsdale, NJ: Lawrence Earlbaum Associates, 139-65. Rompay, Thomas J. L. v., Mirjam Galetzka, Ad T. H. Pruyn & Jaime M. Garcia (2008), Human and Spatial Dimensions of Retail Density: Revisiting the Role of Perceived Control, Psychology & Marketing, 25 (4), 319-35. Rosenbaum, Mark S. & Carolyn A. Massiah (2007), When Customers Receive Support from Other Customers, Journal of Service Research, 9 (3), 257-70. Rosener, Judy B. (1990), Ways Women Lead, Harvard Business Review, 68 (Nov), 119-25.
Literaturverzeichnis
227
Ross, Michael & Fiore Sicoly (1979), Egocentric Biases in Availability and Attribution, Journal of Personality and Social Psychology, 37 (3), 322-36. Rousseau, Gabriel K., Nina Lamson & Wendy A. Rogers (1998), Designing Warnings to Compensate for AgeRelated Changes in Perceptual and Cognitive Abilities, Psychology & Marketing, 15 (7), 643-62. Ruble, Diane N. & Carol L. Martin (1998), Gender Development, in Handbook of Child Psychology, Band 3: Social, Emotionaland Personality Development, Vol. 5th edition, Nancy Eisenberg, Hrsg. New York, NY: Wiley, 933-1015. Rütten, Elisabeth & Kurt Moritz (1997), Reklamationen: So Versöhnen Sie Ihre Kunden. Augsburg: Verlag Wirtschaft, Recht und Steuern. Salthouse, Timothy A. (2000), Aging and Measures of Processing Speed, Biological Psychology, 54, 35-54. Sampson, Edward E. (1975), On Justice as Equality, Journal of Social Issues, 31, 45-64. Sanday, Peggy R. (1981), The Socio-Cultural Context of Rape: A Cross-Cultural Study, Journal of Social Issues, 37, 5-27. Scheerer, Harald (1994), Kundengefühle sind Tatsache, Harvard Business Manager, 2, 9-13. Schoefer, Klaus (2008), The Role of Cognition and Affect in the Formation of Customer Satisfaction Judgements Concerning Service Recovery Encounters, Journal of Consumer Behaviour, 7 (May), 210-21. Schoefer, Klaus & Adamantios Diamantopoulos (2008), The Role of Emotions in Translating Perceptions of (in)Justice into Postcomplaint Behavioral Responses, Journal of Service Research, 11 (1), 91-103. Schumacker, Randall E. & Richard G. Lomax (2004), A Beginner's Guide to Structural Equation Modeling. Mahwah, NJ: Lawrence Earlbaum Associates. Settersten, Jr. Richard A. & Karl U. Mayer (1997), The Measurement of Age, Age Structuring, and the Life Course, Annual Review of Sociology, 23 (1), 233-61. Shankar, Venkatesh, Amy K. Smith & Arvind Rangaswamy (2003), Customer Satisfaction and Loyalty in Online and Offline Environments, International Journal of Research in Marketing, 20 (2), 153-75. Shapiro, Terri, Jennifer M. Nieman-Gonder, Nicole A. Andreoli & Darlene Trimarco-Beta (2006), An Experimental Investigation of Justice-Based Service Recovery on Customer Satisfaction, Loyalty, and Word-ofMouth Intentions, Psychological Reports, 99 (3), 864-78. Simcock, Peter, Lynn Sudbury & Gillian Wright (2006), Age, Perceived Risk and Satisfaction in Consumer Decision Making: A Review and Extension, Journal of Marketing Management, 22, 355-77. Singh, Jagdip & Robert E. Widing II (1991), What Occurs Once Consumers Complain? European Journal of Marketing, 25 (5), 30-46. Singh, Jagdip & Robert E. Wilkes (1996), When Consumers Complain: A Path Analysis of the Key Antecedents of Consumer Complaint Response Estimates, Journal of the Academy of Marketing Science, 24 (4), 350-65. ----(2002), The Effect of Customers' Emotional Responses to Service Failures on their Recovery Effort Evaluations and Satisfaction Judgments, Journal of the Academy of Marketing Science, 30 (1), 5-23.
228
Literaturverzeichnis
Smith, Amy K., Ruth N. Bolton & Janet Wagner (1999), A Model of Customer Satisfaction with Service Encounters Involving Failure and Recovery, Journal of Marketing Research, 36 (August), 356-72. Smuts, Barbara (1992), Male Aggression Against Women, Human Nature: An Interdisciplinary Biosocial Perspective, 3, 1-44. ----(1995), The Evolutionary Origins of Patriarchy, Human Nature: An Interdisciplinary Biosocial Perspective, 6, 1-32. Sparks, Beverley A. & Janet R. McColl-Kennedy (1998), The Application of Procedural Justice Principles to Service Recovery Attempts: Outcomes for Customer Satisfaction, Advances in Consumer Research, 25 (1), 156-61. Sparks, Beverly A., Graham L. Bradley & Victor J. Callan (1997), The Impact of Staff Empowerment and Communication Style on Customer Evaluations: The Special Case of Service Failure, Psychology & Marketing, 14 (5), 475-93. Srivastava, Sanjay, Oliver P. John, Samuel D. Gosling & Jeff Potter (2003), Development of Personality in Early and Middle Adulthood: Set Like Plaster Or Persistent Change? Journal of Personality and Social Psychology, 84, 1041-53. Staub, Ervin, Bernard Tursky & Gary E. Schwartz (1971), Self-Control and Predictiability: Their Effects on Reactions to Aversive Stimulation, Journal of Personality and Social Psychology, 18, 157-62. Stauss, Bernd & Wolfgang Seidel (2006), Beschwerdemanagment: Unzufriedene Kunden als Profitable Zielgruppe. München: Hanser. Steenkamp, Jan-Benedict E. M. & Hans Baumgartner (1998), Assessing Measurement Invariance in CrossNational Consumer Research, Journal of Consumer Research, 25 (1), 78-90. Steiger, James H. (1989), EzPATH. Causal Modeling. Evanston, IL. Stevens, Stanley S. (1957), On the Psychophysical Law, The Psychological Review, 64, 153-81. Suh, Eun J., D. S. Moskowitz, Marc A. Fournier & David C. Zuroff (2004), Gender and Relationships: Influences on Agentic and Communal Behaviors, Personal Relationships, 11 (1), 41-60. Sweeney, Paul D., Dean B. McFarlin (1997), Process and Outcome: Gender Differences in the Assessment of Justice, Journal of Organizational Behavior, 18 (1), 83-98. Szmigin, Isabelle & Marylyn Carrigan (2001), Time, Consumption, and the Older Consumer: An Interpretive Study of the Cognitively Young, Psychology & Marketing, 18 (10), 1091-116. TARP (1981), Measuring the Grapevine — Consumer Response and Word of Mouth. Atlanta, GA: Coca Cola. Tata, Jasmine (2000), Influence of Role and Gender on the use of Distributive Versus Procedural Justice Principles, Journal of Psychology, 134 (3), 261-8. Tax, Stephen S., Stephen W. Brown & Murali Chandrashekaran (1998), Customer Evaluations of Service Complaint Experiences: Implications for Relationship Marketing, Journal of Marketing, 62 (April), 60-76.
Literaturverzeichnis
229
Terpstra, David E. & Andre L. Honoree (2003), The Relative Importance of External,Internal, Individual and Procedural Equity to Pay Satisfaction: Procedural Equity may be More Important to Employees than Organizations Believe, Compensation & Benefits Review, 35 (Nov), 67-74. Thibaut, John & Laurens Walker (1975), Procedural Justice: A Psychological Analysis. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates. ----(1978), A Theory of Procedure, California Law Review, 66, 540-66. Tongren, Hale N. (1988), Determinant Behavior Characteristics of Older Consumers, Journal of Consumer Affairs, 22 (Summer), 136-57. Trivers, Robert L. (1972), Parental Investment and Sexual Selection, in Sexual Selection and the Descent of Man 1871-1971, Bernard Campbell, Hrsg. Chicago, IL: Aldine, 136-79. Tsai, Dungchun & Hsiao-Ching Lee (2007), Will You Care when You Pay More? The Negative Side of Targeted Promotions, Journal of Product & Brand Management, 16 (7): 481-91. Tse, David K. & Peter C. Wilton (1988), Models of Consumer Satisfaction Formation: An Extension, Journal of Marketing Research, 25 (2), 204-12. Turner, Jim L., Edna B. Foa & Uriel G. Foa (1971), Interpersonal Reinforcers: Classification, Interrelationship, and some Differential Properties, Journal of Personality and Social Psychology, 19 (2), 168-80. Twenge, Jean M., Kathleen R. Catanese & Roy F. Baumeister (2002), Social Exclusion Causes Self-Defeating Behavior, Journal of Personality and Social Psychology, 83 (3), 606-15. Tyler, Tom R. (1984), The Role of Perceived Injustice in Defendants' Evaluations of their Courtroom Experience, Law & Society Review, 18, 51-74. ----(1988), What is Procedural Justice?: Criteria used by Citizenz to Assess the Fairness of Legal Procedures, Law & Society Review, 22, 102-35. Ullman, Jodie B. (2001), Structural Equation Modeling, in Multivariate Statistics, Vol. 4th edition, Barbara G. Tabachnick and Linda S. Fidell, Hrsg. Boston, MA: Allyn and Bacon, 653-771. Valenzuela, Fredy, David Pearson & Roger Epworth (2005), Influence of Switching Barriers on Service Recovery Evaluation, Journal of Services Research, Special Issue (December), 239-57. Varela-Neira, Concepción, Rodolfo Vázquez-Casielles & Víctor Iglesias-Argüelles (2008), The Influence of Emotions on Customer's Cognitive Evaluations and Satisfaction in a Service Failure and Recovery Context, Service Industries Journal, 28 (May), 497-512. Veroff, Joseph, Lou McClelland & David Ruhland (1975), Varieties of Achievement Motivation, in Women and Achievement: Social and Motivational Analyses, Martha T. Mednick, Sandra S. Tangri, and Lois N. W. Hoffman, Hrsg. New York, NY: Wiley, 172-205. Vigneau, François & Stéphanie Cormier (2008), The Factor Structure of the State-Trait Anxiety Inventory: An Alternative View, Journal of Personality Assessment, 90 (May), 280-5.
230
Literaturverzeichnis
Voorhees, Clay M. & Michael K. Brady (2005), A Service Perspective on the Drivers of Complaint Intentions, Journal of Service Research, 8 (November), 192-204. Voorhees, Clay M., Michael K. Brady & David M. Horowitz (2006), A Voice from the Silent Masses: An Exploratory and Comparative Analysis of Noncomplainers, Journal of the Academy of Marketing Science, 34 (4), 513-27. Walster, Elaine, Ellen Berscheid & G. W. Walster (1973), New Directions in Equity Research, Journal of Personality and Social Psychology, 25, 151-76. Walster, Elaine, G. W. Walster & Ellen Berscheid (1978), Equity: Theory and Research. Boston, MA: Allyn and Bacon. Warr, Peter, Anthony Miles & Conall Platts (2001), Age and Personality in the British Population between 16 and 64 Years, Journal of Occupational & Organizational Psychology, 74 (2), 165-99. Webster, Cynthia & D. S. Sundaram (1998), Service Consumption Criticality in Failure Recovery, Journal of Business Research, 41 (2), 153-9. Weinraub, Marsha, Lynda P. Clemens, Alan Sockloff, Teresa Ethridge, Edward Gracely & Barbara Myers (1984), The Development of Sex Role Stereotypes in the Third Year: Relationships to Gender Labeling, Gender Identity, Sex-Typed Toy Preference, and Family Characteristics, Child Development, 55, 1493-503. West, Condace & Don H. Zimmerman (1991), Doing Gender, in The Social Construction of Gender, Judith Lorber and Susan A. Farrell, Hrsg. Newbury Park: Sage Publications, 13-37. Westbrook, Robert A. & Richard L. Oliver (1991), The Dimensionality of Consumption Emotion Patterns and Consumer Satisfaction, Journal of Consumer Research, 18, 84-91. Weun, Seungoog, Sharon E. Beatty & Michael A. Jones (2004), The Impact of Service Failure Severity on Service Recovery Evaluations and Post-Recovery Relationships, Journal of Services Marketing, 18 (2), 13346. Wiederman, Michael W. (1997), Extramarital Sex: Prevalence and Correlates in a National Survey, The Journal of Sex Research, 34, 167-74. Wirtz, Jochen & Anna S. Mattila (2004), Consumer Responses to Compensation, Speed of Recovery and Apology After a Service Failure, International Journal of Service Industry Management, 15 (2), 150-66. Wood, John (2008), The Effect of Buyers' Perceptions of Environmental Uncertainty on Satisfaction and Loyalty, Journal of Marketing Theory & Practice, 16 (Fall), 309-20. Worsfold, Kate, Jennifer Worsfold & Graham Bradley (2007), Interactive Effects of Proactive and Reactive Service Recovery Strategies: The Case of Rapport and Compensation, Journal of Applied Social Psychology, 37 (11), 2496-517. Xia, Lan, Kent B. Monroe & Jennifer L. Cox (2004), The Price is Unfair! A Conceptual Framework of Price Fairness Perceptions, Journal of Marketing, 68 (4), 1-15. Zeithaml, Valarie A., Leonard L. Berry & A. Parasuraman (1996), The Behavioral Consequences of Service Quality, Journal of Marketing, 60 (2), 31-46.
Literaturverzeichnis
231
Zeithaml, Valarie A. & Mary J. Bitner (2003), Services Marketing: Integrating Customer Focus Across the Firm. New York, NY: McGraw-Hill. Zellerhoff, Claudia (2001), Geschlechtsbezogene Produktpositionierung. Dissertation, Berlin. Zuckerman, Marvin (1976), General and Situation-Specific Traits and States. New Approaches to Assessment of Anxiety and Other Constructs, in Emotions and Anxiety: New Concepts, Methods, and Applications, Marvin Zuckerman & Charles D. Spielberger, Hrsg. Oxford: Erlbaum, 133-74. Zuzanek, Jiri (2005), Canada, in Free Time and Leisure Participation: International Perspectives, Grant Cushman, Anthony J. Veal & Jiri Zuzanek, eds. Wallingford: CABI, 41-60.