Johannes Fues Management auf Zeit in Deutschland
GABLER RESEARCH Schriften zur Unternehmensentwicklung Herausgegeben ...
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Johannes Fues Management auf Zeit in Deutschland
GABLER RESEARCH Schriften zur Unternehmensentwicklung Herausgegeben von Professor Dr. Max J. Ringlstetter
In dieser Schriftenreihe werden aktuelle Forschungsergebnisse im Bereich der Unternehmensentwicklung präsentiert. Die einzelnen Beiträge orientieren sich an Problemen der Führungs- bzw. Managementpraxis. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themenfelder Strategie, Organisation und Humanressourcen-Management.
Johannes Fues
Management auf Zeit in Deutschland Strategische Ansätze zur Professionalisierung Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Max J. Ringlstetter
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Stefanie Loyal Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2261-8
Geleitwort
V
GELEITWORT Die Begriffe Management auf Zeit oder Interim Management stehen für ein Phänomen, das in Deutschland zunehmend an Beachtung gewinnt. Hinweise darauf sind nicht nur ein steigendes Marktvolumen, sondern auch die Herausbildung sichtbarer Marktstrukturen wie beispielsweise die Gründung von Zusammenschlüssen und Verbänden. Dennoch ist der deutsche Markt im Vergleich zu anderen europäischen Märkten, z.B. den Niederlanden, noch relativ wenig entwickelt. Obgleich viele Unternehmen, u.a. durch Krisensituationen, Druck zu Veränderungen ausgesetzt sind, ist Management auf Zeit als Gestaltungsmittel organisationalen Wandels hier noch wenig etabliert. Diese Entwicklungsdefizite dienen dem Verfasser der vorliegenden Arbeit als Ausgangspunkt, weitere Entwicklungspotentiale im Sinne einer „Professionalisierung“ auszuloten. Zentrales inhaltliches Merkmal von Management auf Zeit ist die Ausübung einer Managementaufgabe für eine begrenzte Zeitspanne durch Externe. Konzeptionell wird Management auf Zeit, wie Unternehmens-, Rechtsberatung, Wirtschaftsprüfung u.a., in der vorliegenden Arbeit als spezifische Ausprägung einer sogenannten professionellen Dienstleistung betrachtet. Dieser Zugang fokussiert Wissen, Beziehungskompetenz und Reputation als wesentliche Ressourcen im Rahmen der individuellen Leistungserbringung. Der Verfasser identifiziert im Rahmen seiner Arbeit strategische Ansatzpunkte zur Professionalisierung. Dabei erweist sich der Begriff der Professionalisierung in seiner Verwendung in unterschiedlichen Kontexten als außerordentlich vielschichtig. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird Professionalisierung als Leitidee verschiedener strategischer Ansätze zur Entwicklung des Managements auf Zeit gesehen. Einerseits wird Professionalisierung als Aufbau entsprechender professioneller Ressourcen verstanden. In diesem Sinne wird mit dem Begriff individuelle Professionalität im Sinne von Kompetenz und Motivation bzw. deren Verbesserung verbunden. Andererseits wird der Begriff der Professionalisierung mit der Etablierung entsprechender Marktstrukturen verknüpft. Dabei bezieht sich der Begriff auf Bestrebungen, der Berufsgruppe auf kollektiver Ebene zu mehr Profil und Anerkennung zu verhelfen. Der gewählte Problemzugang erweist sich als anspruchsvoll. Er verdeutlicht die grundlegenden Mechanismen und Herausforderungen von Professionalisierungsbestrebungen in einer fragmentierten Branchenstruktur. Zusammen mit ausgewählten Interviews bietet er allen, die sich wissenschaftlich oder praxisorientiert mit dem Thema Management auf Zeit beschäftigen, interessante Ein- und Ausblicke einer Branche in Bewegung. Ob Management auf Zeit jedoch auf dem Weg zu einem „new professionalism“ ist, bleibt letztlich abzuwarten. Prof. Dr. Max J. Ringlstetter
Vorwort
VII
VORWORT Das Vorwort kommt im Prozeß der Anfertigung einer Dissertation ganz zum Schluß. Dennoch soll der Leser an dieser Stelle keineswegs mit Schilderungen individueller Fährnisse und deren Bewältigung behelligt werden. Auch inhaltlich soll die Arbeit für sich selbst sprechen. Vielmehr soll den Menschen gedankt werden, die auf unterschiedliche Art und Weise wesentliche Beiträge zur Entstehung der vorliegenden Arbeit geleistet oder sie gar erst ermöglicht haben. Zunächst möchte ich Herrn Prof. Dr. Max Ringlstetter danken. Das von ihm geprägte Modell ermöglicht es, das Beste aus Theorie und Praxis zu kombinieren. Seine „Fingerzeige“ als Doktorvater haben die erforderlichen akademischen Leitplanken gesetzt, hinsichtlich Inhalt und Prozeß jedoch auch außergewöhnliche Freiheiten gelassen. Herr Prof. Dr. Thomas Fischer hat die Arbeit als Korreferent trotz wechselnder beruflicher Bezugssysteme nachhaltig unterstützt. Walburga Mosburger ist die schon sprichwörtliche gute Seele des Lehrstuhls. Ihre Unterstützung und Koordination haben die im Rahmen der Dissertation unvermeidliche Bürokratie beherrschbar gemacht. Lennart Koch hat mich mit einer sehr spannenden Branche bekannt gemacht. Er hat eine wesentliche Rolle bei der Wahl des Themengebietes gespielt. Besonderer Dank gilt des Weiteren den Gesprächs- und Interviewpartnern aus verschiedenen Bereichen des Managements auf Zeit, die sich Zeit genommen haben und durch unterschiedliche Perspektiven vielfältige Einblicke in eine Branche in Bewegung gewährt haben. Darüber hinaus danke ich Tim Kampe und Felix Schulze-Borges sowie Prof. Dr. Stephan Kaiser für ihre freundschaftliche Hilfe und geistiges „Sparring“ bei Konzept und Umsetzung der Arbeit. Und Maike Kielhorn danke ich gleich in zweifacher Hinsicht, denn neben Ihrer konzeptionellen Unterstützung kennt sie die Opportunitätskosten der Arbeit nur zu gut. Schlußendlich möchte ich meinen Eltern Dr. Christiane Fues und Dr. Carl-Peter Fues sehr herzlich dafür danken, daß sie diese Arbeit ermöglicht haben. Johannes Fues
Inhaltsverzeichnis
IX
INHALTSVERZEICHNIS GELEITWORT .................................................................................................................V VORWORT ....................................................................................................................VII INHALTSVERZEICHNIS ....................................................................................................IX ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................... XV ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................ XVII EINFÜHRUNG.................................................................................................................. 1 (1) Management auf Zeit als professionelle Dienstleistung ....... 2 (2) Defizite bisheriger akademischer Berücksichtigung von Management auf Zeit ............................................................ 3 (3) Professionalisierung als Leitidee strategischer Entwicklung 5 (4) Methodik und Gang der Untersuchung................................. 6 I. GRUNDLAGEN DES MANAGEMENTS AUF ZEIT .............................................................. 11 I.1.
Terminologische und konzeptionelle Grundlagen ............................ 11 I.1.1
Definitorische Annäherung an den Untersuchungsgegenstand................................................. 12
(1) Bestehende Ansätze einer Definition ................................. 12 (2) Auf dem Weg zu einer Arbeitsdefinition: Differenzierung zentraler und randlicher Aspekte des Managements auf Zeit ........................................................ 14 I.1.2
Einordnung von Management auf Zeit in den Kontext professioneller Dienstleistungen......................................... 17
(1) Dienstleistungen und ihre allgemeinen konstitutiven Merkmale ............................................................................ 18 (2) Professional Services als spezifischer Dienstleistungstyp . 19 (3) Management auf Zeit als professionelle Dienstleistung ..... 29 I.1.3
Abgrenzung des Management auf Zeit gegenüber anderen Arbeits- und Dienstverhältnissen ........................................ 31
(1) Abgrenzung gegenüber alternativen Optionen der Besetzung von Management-Stellen.................................. 31 (2) Abgrenzung gegenüber anderen professionellen Dienstleistungen ................................................................. 37
X
Inhaltsverzeichnis I.1.4
Anmerkungen zum Stand des wissenschaftlichen Diskurses ............................................. 45
I.2.
Der Markt für Management auf Zeit-Dienstleistungen ..................... 48 I.2.1
Historie und bisherige Entwicklung als Hintergrund ........... 49
I.2.2
Beschreibung des Marktes für Management auf ZeitDienstleistungen ................................................................. 50
(1) Angebot von Management auf Zeit..................................... 51 (2) Nachfrage nach Management auf Zeit ............................... 58 (3) Basale Marktdaten zu Volumen und Wachstum ................ 60 I.2.3
Analyse des Marktes für Management auf ZeitDienstleistungen ................................................................. 61
(1) Wettbewerbskräfte auf dem Markt für Management auf Zeit .......................................................... 62 (2) Management auf Zeit als junge Branche............................ 66 I.3.
Zwischenfazit zur Notwendigkeit einer Professionalisierung ........... 69
II. AUF DEM WEG ZUR PROFESSIONALISIERUNG ALS STRATEGISCHEM PROJEKT.............. 71 II.1.
Soziologische Professionalisierungsforschung als Ausgangspunkt 71 II.1.1
Professionen und Professionalität ...................................... 72
(1) Begriffliche Einordnung....................................................... 72 (2) Professionsmodelle und Forschungstraditionen................. 75 (3) Übergreifende Professionsmerkmale ................................. 77 II.1.2
Professionalisierung als Prozeß ......................................... 85
(1) Modelle der Professionalisierung........................................ 87 (2) Konzepte nicht abgeschlossener Professionalisierungsprozesse und professioneller Abstufungen........................................................................ 96 II.1.3
Beitrag der Professionalisierungsforschung – Professionalisierung als Kombination interner und externer Ansatzpunkte ...................................................... 101
II.2.
Professionalisierung aus Sicht des strategischen Managements.. 103 II.2.1
Managementtheoretische Grundlagen zur Professionalisierung.......................................................... 104
(1) Professionalisierung als Strategie .................................... 105
Inhaltsverzeichnis
XI (2) Strukturelle Aspekte von Professionalisierungsstrategien – Organisationen als Loci der Professionalisierung ............ 112
II.2.2
Professionalisierung als kollektive Strategie .................... 113
(1) Kollektive Strategien als Umweghandeln ......................... 114 (2) Professionalisierung als kollektive Veränderung von Marktstrukturen ................................................................. 116 (3) Interorganisationale Aspekte kollektiver Professionalisierungsstrategien........................................ 117 II.2.3
Professionalisierung als individuelle Strategie ................. 128
(1) Professionalität als Ressource ......................................... 128 (2) Intraorganisationale Aspekte individueller Professionalisierungsstrategien........................................ 130 (3) Exkurs: Individuelle Professionalisierungsstrategien in der Unternehmensberatung .................................................... 134 II.2.4
Professionalisierung als Leitidee individueller und kollektiver Strategien......................................................... 139
(1) Interdependenz individueller und kollektiver Professionalisierungsstrategien........................................ 140 (2) Komplementarität individueller und kollektiver Strategien 141 II.3.
Zwischenfazit und Entwurf eines Bezugsrahmens der Professionalisierung als hybrider Strategie .................................... 143
III. ANSÄTZE ZUR PROFESSIONALISIERUNG DES MANAGEMENTS AUF ZEIT .................... 147 III.1.
Exkurs: Bisherige Professionalisierungsbestrebungen der Manager auf Zeit ...................................................................... 147 (1) Unterschiedliche Begriffsverständnisse der Akteure........ 148 (2) Defizite bisheriger Professionalisierungsbemühungen .... 149
III.2.
Herausforderungen der Professionalisierung des Managements auf Zeit .................................................................... 154 III.2.1
Herausforderungen innerhalb der Berufsgruppe.............. 155
(1) Eigensinn als Ausgangspunkt der Betrachtung................ 156 (2) Eigeninteressen interner Anspruchsgruppen zwischen kollektivem Engagement und Freeriding .......................... 157 (3) Eigenlogiken als Ausdruck inhaltlicher Heterogenität des Managements auf Zeit ............................................... 168
XII
Inhaltsverzeichnis III.2.2
Herausforderungen durch Anspruchsgruppen außerhalb der Berufsgruppe............................................. 173
(1) Legitimitätsdefizite gegenüber Wettbewerbern als Ergebnis institutioneller Unsicherheit ............................... 174 (2) Transaktionale Unsicherheit in der Beziehung zu Auftraggebern ................................................................... 179 III.3.
Generische Ansatzpunkte zur Professionalisierung des Managements auf Zeit .................................................................... 183 III.3.1
Nach innen gerichtete Ansatzpunkte einer Professionalisierung.......................................................... 185
(1) Koordination und Definition professioneller Rollen als Ansätze kollektiver Professionalisierungsstrategien ........ 185 (2) Entwicklung professioneller Kompetenz als Ansatz individueller Professionalisierungsstrategien.................... 192 III.3.2
Nach außen gerichtete Ansatzpunkte einer Professionalisierung.......................................................... 196
(1) Aufbau von Legitimität und Vertrauen als Ansätze kollektiver Professionalisierungsstrategien....................... 196 (2) Kommunikation professioneller Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit als Ansätze individueller Professionalisierungsstrategien........................................ 202 III.4.
Zwischenfazit zu Möglichkeiten und Grenzen der Ansätze zur Professionalisierung ................................................................. 207
SCHLUßBETRACHTUNG – MANAGEMENT AUF ZEIT AUF DEM WEG ZU EINEM „NEW PROFESSIONALISM“? ........................................................................................ 209 (1) Zusammenfassung und kritische Würdigung zentraler Ergebnisse ......................................................... 209 (2) Ausblick............................................................................. 211
Inhaltsverzeichnis
XIII
ANHANG .................................................................................................................... 215 Anhang 1: Übersicht Definitionen Management auf Zeit................................. 215 Anhang 2: Verzeichnis der geführten Experteninterviews .............................. 216 Anhang 3: Interviewleitfaden (Beispiel) ........................................................... 217 Anhang 4: Konzentration von Berufsgruppen im Vergleich ............................ 218 LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................. 219
Abbildungsverzeichnis
XV
ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung E-1:
Professionalisierungsbegriff und Bezugsebenen........................... 6
Abbildung E-2:
Übersicht Experteninterviews......................................................... 8
Abbildung E-3:
Struktur der Arbeit ........................................................................ 10
Abbildung I-1:
Zentrale Merkmale des Managements auf Zeit ........................... 16
Abbildung I-2:
Komplexitätsdimensionen von Dienstleistungen.......................... 22
Abbildung I-3:
Professional Service Branchen .................................................... 26
Abbildung I-4:
Typen professioneller Dienstleistungen ....................................... 28
Abbildung I-5:
Merkmale unternehmensinterner Führungskräfte........................ 33
Abbildung I-6:
Übersicht Schätzungen zur Anzahl Manager auf Zeit in
Abbildung I-7:
Phasen der Tätigkeit eines MaZ-Dienstleisters ........................... 54
Abbildung I-8:
Schätzungen Marktvolumen Management auf
Abbildung II-1:
Macht-basiertes Professionalisierungsmodell.............................. 92
Abbildung II-2:
Professionalität als Kontinuum ..................................................... 97
Deutschland.................................................................................. 53
Zeit in Deutschland....................................................................... 60
Abbildung II-3:
Typologie möglicher Professionalisierungsformen ...................... 99
Abbildung II-4:
Einflußwirkung von Professionen............................................... 108
Abbildung II-5:
Organisationstypologie nach Mitgliedsformen ........................... 121
Abbildung II-6:
Professionalisierungsziele und –strategien im Kontext verschiedener Gütertypen .......................................................... 142
Abbildung II-7:
Bezugsrahmen zu Ansätzen einer Professionalisierung des Managements auf Zeit................................................................ 145
Abbildung III-1:
Interim Management Rollen im organisationalen Kontext ......... 191
Abkürzungsverzeichnis
XVII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abs. AÜG BetrVG bspw. BUrlG bzw. d.h. EStG etc. f. bzw. ff. gem. GewStG ggf. i.V.m. IM LFZG MaZ PSF TreuhG TzBfG u.a. u.U. z.B.
Absatz Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz beispielsweise Bundesurlaubsgesetz beziehungsweise das heißt Einkommenssteuergesetz et cetera (und übrige) und folgende gemäß Gewerbesteuergesetz gegebenenfalls in Verbindung mit Interim Management bzw. Interim Manager Lohnfortzahlungsgesetz Management auf Zeit Professional Service Firm Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge unter anderem unter Umständen zum Beispiel
Einführung
1
EINFÜHRUNG Das Betrachtungsobjekt der vorliegenden Arbeit sind Manager auf Zeit. Diese können in einem ersten Zugriff als Manager beschrieben werden, die als externe Dienstleister für eine begrenzte Zeit Führungsaufgaben in Unternehmen versehen. Obgleich Manager auf Zeit als „Geschöpfe des Marktes“ bereits seit über 30 Jahren ein reales Phänomen darstellen, haben sie bislang ein Schattendasein geführt.1 Der relevante Markt ist im Vergleich zu anderen Dienstleistungsmärkten klein, fragmentiert und intransparent.2 Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, daß die Bekanntheit des Managements auf Zeit bislang nicht besonders ausgeprägt ist. Nur langsam gewinnt die Dienstleistung Akzeptanz bei potentiellen Kunden.3 Vor diesem Hintergrund wird eine „Professionalisierung“ als zentrale Herausforderung des Managements auf Zeit betrachtet.4 Mit dem Begriff der Professionalisierung kann dabei zunächst einfach die Vorstellung der Hervorbringung einer hohen Leistungsfähigkeit sowie deren Anerkennung verbunden werden. Der Begriff der Professionalisierung gehört allerdings zu einer Begriffsfamilie, deren Termini in einer Vielzahl unterschiedlicher Kontexte verwendet werden und deren Beliebtheit und begriffliche Präzision in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen.5 Einerseits wird mit dem Begriff individuelle Professionalität im Sinne von Qualifikation und Motivation bzw. deren Verbesserung verbunden.6 Andererseits kann sich der Begriff auch auf Bestrebungen beziehen, einer Berufsgruppe auf kollektiver Ebene zu mehr Profil und Anerkennung zu verhelfen.7 Zudem werden bestimmte Dienstleistungen in einem konzeptionellen Kontext aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften als „professionell“ bezeichnet.8 Angesichts dieser begrifflichen Vielfalt kann die Professionalisierung als Leitidee verschiedener strategischer Ansätze der Entwicklung des Managements auf Zeit gesehen werden. In den folgenden einführenden Überlegungen wird Management auf Zeit zunächst in konzeptioneller Hinsicht als spezifische Ausprägung einer professionellen Dienstleistung dargestellt (1). Angesichts der Dynamik globaler Märkte, der sich Unternehmen gegenübersehen, und der damit einhergehenden Notwendigkeit der
1 2
3 4 5 6 7 8
Vgl. Tiberius (2004a), S. 12, Dreessen (2007), S. 24. Für einen Vergleich zwischen Management auf Zeit, Unternehmensberatung und Personalberatung hinsichtlich der Größe des jeweiligen Marktes in Deutschland, seiner Konzentration und erwarteten Wachstumsraten vgl. zudem Anhang 4. Vgl. Frank (1995), S. 156. In diesem Sinne äußert sich die Mehrheit der im Rahmen der vorliegenden Arbeit interviewten Experten. Vgl. zu unterschiedlichen Begriffsebenen Kyrö (1995), S. 97. Vgl. zu diesem Verständnis bspw. Kaiser et al. (2007), S. 11f. Vgl. bspw. DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005a). Vgl. u.a. Løwendahl (2005), S. 20.
2
Einführung
Flexibilität kann verdeutlicht werden, warum es sich beim Management auf Zeit um ein bedeutsames Betrachtungsobjekt handelt. Anhand vorhandener konzeptioneller und empirischer Defizite kann allerdings gezeigt werden, daß die akademische Berücksichtigung dieser Bedeutung bislang nicht ausreichend gerecht geworden ist (2). In einem weiteren Punkt soll die thematische Ausrichtung sowie das Erkenntnisinteresse der Arbeit hinsichtlich der Professionalisierung des Managements auf Zeit dargestellt werden (3). Eine Erläuterung des Aufbaus der Arbeit sowie ihrer Methodik schließen die Einführung ab (4). (1) Management auf Zeit als professionelle Dienstleistung In Zeiten eines zunehmend globalen Wettbewerbs zeichnet sich das Umfeld vieler Unternehmen durch seine Turbulenz aus.9 Sie stellt Unternehmen vor ein grundsätzliches Dilemma:10 Auf der einen Seite zwingt sie der zunehmend globale Wettbewerb zu großen Anstrengungen zur Steigerung ihrer Effizienz. Auf der anderen Seite sehen sich Unternehmen immer wieder grundlegenden Herausforderungen gegenüber, die sich aus veränderten Anforderungen des Unternehmensumfelds ergeben. Diese fordern den Unternehmen ein großes Maß an numerischer und funktionaler Flexibilität ab, um effektiv reagieren und sich an veränderte Bedingungen anpassen zu können.11 Als eine Option zur Sicherstellung einer ausreichenden Flexibilität wird regelmäßig der Fremdbezug unterschiedlicher Leistungen angesehen. Unternehmen wählen diese Option, um kurzfristig Kapazitäten anzupassen, die nicht dauerhaft benötigt werden, oder um Zugang zu Kompetenzen und Wissen zu erlangen, das innerhalb des Unternehmens nicht verfügbar ist.12 Die Flexibilisierung unternehmerischer Ressourcen, insbesondere der Einkauf personalbezogener Leistungen, hat in verschiedenen Leistungsbereichen in der Vergangenheit unterschiedliche Verbreitung gefunden. Für Aufgaben, die ihren Schwerpunkt in ausführenden Tätigkeiten haben, ist bspw. der Einsatz von Zeitarbeitern zu einer regelmäßigen Praxis geworden.13 Komplexere Aufgabenstellungen hingegen können flexibel durch Anbieter professioneller Dienstleistungen erbracht werden.14 Zu typischen Aufgabenstellungen, die oftmals durch professionelle Dienstleister erbracht werden, gehören bspw. die Analyse und 9 10 11
12 13 14
Vgl. u.a. Duncan (1972), S. 313, Chakravarthy (1997), S. 69, Reijniers/Groß (2007), S. 6 sowie grundsätzlich Emery/Trist (1965), S. 24, Kieser/Walgenbach (2003), S. 428ff. Vgl. Staehle (1999), S. 899. Während sich der Terminus der numerischen Flexibilität auf die Anzahl der Mitarbeiter bezieht, betrifft funktionale Flexibilität den Einsatz der jeweiligen Mitarbeiter. Für weitere Formen der Flexibilität vgl. Kaiser/Roßbach (2003), S. 17. Vgl. Kaiser et al. (2007), S. 29f. Vgl. u.a. Wierlemann (1995), Ditges (2000). Vgl. u.a. Scott (2001), Kriegmeier (2003), Maister (2003), Ringlstetter et al. (2004a).
Einführung
3
Planung komplexer Problemstellungen durch Unternehmensberater.15 Aufgrund der spezifischen Eigenschaften der zugrundeliegenden Aufgabe sind auch Management auf Zeit-Dienstleistungen zu den Professional Services zu zählen. Manager auf Zeit bieten Unternehmen die Möglichkeit, Führungs- und Sonderaufgaben für eine befristete Zeit durch externe Manager wahrnehmen zu lassen. Indes wurde Management auf Zeit als spezifische Ausprägung einer professionellen Dienstleistung im Rahmen diesbezüglicher Betrachtungen bislang kaum thematisiert, wie die folgenden Ausführungen weiter zeigen sollen. (2) Defizite bisheriger akademischer Berücksichtigung von Management auf Zeit Trotz der Relevanz des Managements auf Zeit als Untersuchungsobjekt kann der Grad akademischer Auseinandersetzung und Berücksichtigung bislang als gering bezeichnet werden, da das Thema von akademischen Forschungsbemühungen bislang weitgehend unbeachtet geblieben ist.16 Die Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zum Management auf Zeit ist gering. Dieser defizitäre Befund läßt sich in konzeptioneller und empirischer Hinsicht illustrieren. Konzeptionelle Forschungsdefizite betreffen insbesondere die fehlende Anschlußfähigkeit zu bestehenden Forschungsbereichen. An potentiellen Anschlußthemen besteht indes kein Mangel. So kann sich die Forschung zum Management auf Zeit bspw. grundsätzlich an den Themenfeldern des flexibilitätsorientierten Humanressourcenmanagements, das mit dem Fokus auf Unternehmen primär einer nachfrageorientierten Sicht zuzuordnen ist, oder professioneller Dienstleistungen orientieren, die in Ihrem Fokus auf Dienstleister eher angebotsorientiert sind. Aus der Perspektive nachfragender Unternehmen kann Management auf Zeit als eine Option zur Flexibilisierung aufgefaßt werden. Das Thema der Flexibilität bildet ein zentrales Element unternehmerischer Personalpolitik und steht in diesem Zusammenhang für einen Paradigmenwechsel.17 Während der Aufgabe des Personalwesens ehemals ein relativ statisches Verständnis zugrunde lag, haben Elemente organisationaler Flexibilität auf verschiedenen Ebenen an Bedeutung
15 16 17
Vgl. Niewiem/Richter (2007), S. 57ff. Vgl. Tiberius (2004a), S. 12. Vgl. Sattelberger (1999), S. 59.
4
Einführung
gewonnen.18 Die Flexibilisierung auf Ebene des Managements hat indes bislang in dieser Form nur wenig Beachtung gefunden. Im Dienstleistungskontext kann Management auf Zeit, wie im Rahmen dieser Arbeit noch ausgeführt werden wird, aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften als professionelle Dienstleistung gesehen werden. Diese zeichnen sich durch ein hohes Maß an kundenindividueller Interaktion und Wissen als wesentlichem Input-Faktor aus.19 Professionelle Dienstleistungen haben in den letzten Jahren eine zunehmende Aufmerksamkeit erhalten, gelten jedoch nach wie vor als „underresearched“.20 Ein Schwerpunkt der diesbezüglichen Literatur liegt in der Unterscheidung professioneller Dienstleister gegenüber anderen Branchen und damit in der Betonung der Gemeinsamkeiten unterschiedlicher professioneller Dienstleistungen. Da im Rahmen derartiger Betrachtungen allerdings spezifische Fragestellungen einzelner Märkte aus dem Blickfeld geraten, erscheint es weiterhin notwendig, eine differenzierende Betrachtungsperspektive einzunehmen und Charakteristika und Eigenheiten einzelner Branchen differenziert zu betrachten.21 Eine diesbezügliche Einordnung und Betrachtung des Managements auf Zeit ist bislang allerdings nicht erfolgt, sodaß in diesem Zusammenhang von einem konzeptionellen Forschungsdefizit gesprochen werden kann. Die dargestellten konzeptionellen Lücken finden ihren Niederschlag in empirischen Defiziten hinsichtlich zentraler Fragestellungen des Forschungsgebietes. Diese betreffen beinahe alle Aspekte des relevanten Marktes, d.h. bspw. Motive und Potential der Nachfrage, Struktur und Segmentierung des Angebotes sowie seiner Abgrenzung zu anderen Dienstleistungsmärkten.22 Diese Erkenntnisdefizite führen zu einer Wahrnehmung allgemeiner Intransparenz der fokalen Branche und begründen den Befund eines empirischen Forschungsdefizits. Die dargestellten Forschungsdefizite bilden den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Zum einen können sie als allgemeine Begründung einer Beschäftigung mit dem Thema des Managements auf Zeit dienen. Zum anderen sind auch die
18
19 20
21 22
In diesem Zusammenhang ist auf die gestiegene Bedeutung flexibler Arbeitsbeziehungen im Sinne einer contingent workforce (Barker/Christensen (1998)) sowie der Einsatz externer Experten hinzuweisen. Ihr Pendant findet diese Entwicklung auf Seite der Arbeitnehmer in einer Renaissance der teilweise bohèmehaft verstandenen „neuen Selbständigkeit“, die Selbstverwirklichung und Flexibilität der Sicherheit eines Angestelltenverhältnisses vorzieht, vgl. stellvertretend Management Angels GmbH (2004), S. 16ff., Friebe/Lobo (2006). Vgl. in diesem Sinne u.a. Maister (1997a), S. XV, Løwendahl (1997), S. 20, Ringlstetter et al. (2004b), S. 12f. Vgl. Malos/Campion (2000), S. 749. Neben amerikanischen – primär praxis-orientierten – Veröffentlichungen sind jedoch in jüngerer Vergangenheit auch im deutschsprachigen Raum erste wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen, vgl. u.a. Müller-Stewens (1999), MüllerStewens (2001), Ringlstetter et al. (2004a). Vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 42, Bürger (2005), S. 185. So weisen bspw. die Angaben zur Anzahl der Interim Manager und des realisierten Marktvolumens eine immense Varianz auf, vgl. dazu Abschnitt I.2.2.
Einführung
5
Zielsetzungen der Arbeit vor dem Hintergrund der dargestellten Defizite zu entwickeln. Ein allgemeines Ziel der Arbeit besteht darin, einen Beitrag zur Verbesserung der theoretischen Durchdringung des Sujets zu leisten. Dies geschieht insbesondere mit dem Ziel, eine Anschlußfähigkeit des Managements auf Zeit als realem Phänomen an den Themenbereich der Professional Services sicherzustellen. Die spezielle Zielsetzung der Arbeit liegt jedoch in der Betrachtung der Professionalisierung des Managements auf Zeit, die als zentrale Herausforderung der strategischen Entwicklung wahrgenommen wird. (3) Professionalisierung als Leitidee strategischer Entwicklung Den oben dargestellten Defiziten in der akademischen Berücksichtigung steht die wirtschaftliche Entwicklung des Marktes für Management auf Zeit gegenüber. Im Vergleich zu anderen Dienstleistungsmärkten zeichnet er sich in Deutschland durch seine geringe Größe, Fragmentierung und Intransparenz aus.23 In diesem Sinne zeigt der Markt Charakteristika eines frühen Entwicklungsstadiums. Hinsichtlich seiner weiteren Entwicklung werden von den interviewten Experten übereinstimmend die Herausforderungen einer fehlenden Bekanntheit der Dienstleistung sowie einer nur zögerlich gewährten Akzeptanz genannt. Zudem wird regelmäßig auch mangelndes Vertrauen in die Dienstleistungsqualität einzelner Anbieter angeführt. Angesichts dieser Gemengelage wird im Zusammenhang der strategischen Entwicklung die Notwendigkeit einer Professionalisierung des Managements auf Zeit formuliert, die im Zentrum des Erkenntnisinteresses der Arbeit steht.24 In Anbetracht der eingangs skizzierten Bedeutungsvielfalt bedarf der Begriff der Professionalisierung einer Schärfung und Fundierung. Diese kann zunächst auf die konzeptionellen Grundlagen der soziologischen Berufsforschung zurückgreifen.25 Die Anwendung des Konzeptes der Professionalisierung auf die fokale Berufsgruppe macht jedoch eine Modifizierung und Abstraktion erforderlich, die sich von den konzeptionellen Ursprüngen etablierter Professionen löst. Dabei kann zwischen unterschiedlichen Bezugsebenen des Professionalisierungsbegriffs unterschieden werden (vgl. Abbildung E-1).
23
24
25
Vgl. Bloemer (2003), S. 33f., Forst (2003), S. 5, DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005b). Für einen Vergleich zwischen Management auf Zeit, Unternehmensberatung und Personalberatung hinsichtlich der Größe des jeweiligen Marktes in Deutschland, seiner Konzentration und erwarteten Wachstumsraten vgl. zudem Anhang 4. Vgl. in ähnlichen Zusammenhängen bspw. Kühl (2001), S.3, Groß/Kieser (2006), S. 71. In diesem Sinne äußert sich auch die Mehrheit der im Rahmen der vorliegenden Arbeit interviewten Experten. Vgl. hierzu grundlegend Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 140 sowie die Ausführungen in Abschnitt II.1.
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Einführung
Phänomen
Bezugsebene
Professionalisierung Profession
Professionalität
Branche
Akteur
26
Abbildung E-1: Professionalisierungsbegriff und Bezugsebenen
Die unterschiedlichen Bezugsebenen korrespondieren mit verschiedenen Professionalisierungsstrategien: Kollektive Ansätze der Professionalisierung zielen auf Entwicklungen auf Branchenebene. Individuelle Ansätze zur Professionalisierung zielen auf die strategische Entwicklung einzelner Akteure im Sinne eines Aufbaus professioneller Ressourcen. Dabei geht das Motiv der Professionalisierung jedoch über Einzelstrategien wie bspw. die Realisierung von Wachstum oder die Steigerung der Dienstleistungsqualität hinaus. Bezogen auf die strategische Entwicklung des Managements auf Zeit kann die Professionalisierung als Leitidee verstanden werden, die vielfältige Ansätze zur strategischen Entwicklung umfassen kann.27 Seine inhaltliche Bestimmung findet die Leitidee der Professionalisierung des Managements auf Zeit in der Entwicklung und Etablierung entsprechender Rollen.28 Sie bilden die konzeptionelle Brücke zwischen der Berufsgruppe der Interim Manager und der sie umgebenden Umwelt. Die Professionalisierung des Managements auf Zeit umfaßt nach innen die Findung einer gemeinsamen Identität sowie eines konsistenten Rollenverständnisses als Dienstleister. Nach außen kann der Begriff der Professionalisierung mit der Kommunikation dieser Rollen, d.h. mit der Etablierung korrespondierender Rollenerwartungen in Verbindung gebracht werden. Aufbauend auf dieses Verständnis des Professionalisierungsbegriffes wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu klären sein, welche Mechanismen und Wirkungszusammenhänge die Entwicklung von Managern auf Zeit in Deutschland in Richtung einer Professionalisierung beeinflussen. Somit konkretisiert sich die oben beschriebene Zielsetzung der Arbeit in der Identifizierung solcher Faktoren, die die Entwicklung in Richtung einer Professionalisierung fördern und solcher, die sie hemmen. (4) Methodik und Gang der Untersuchung Die Argumentation der vorliegenden Arbeit ist in erster Linie theoriegeleitet. Sie stützt sich dabei auf die Literatur des Strategischen Managements, insbesondere 26 27 28
Vgl. ähnlich Kyrö (1995), S. 97. Zum Begriff der Leitidee vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995). Zur Theorie der Rollen vgl. stellvertretend Wiswede (1977), S. 14ff.
Einführung
7
des Themenfeldes der Professional Services. Hinsichtlich der Fundierung des Begriffs der Professionalisierung rekurriert sie darüber hinaus aber auch in besonderem Maße auf berufssoziologische Quellen zur Existenz und Entwicklung von Professionen. Insbesondere in einem akademisch noch wenig erschlossenen Themenfeld wie dem des Managements auf Zeit ist es allerdings erforderlich, die Argumentation nicht ausschließlich an bestehender Literatur auszurichten. Aus diesem Grund wurde die Möglichkeit genutzt, die theoretische Argumentation durch verschiedene Interviews mit Akteuren und Wissensträgern des erforschten Feldes zu flankieren und so eine besondere Relevanz und Aktualität sicherzustellen.29 Der Kreis möglicher und interessanter Interviewpartner im sich entwickelnden Feld des Managements auf Zeit muß jedoch grundsätzlich als begrenzt angesehen werden. Die Auswahl der Interviewpartner richtete sich in erster Linie nach der von ihnen ausgeübten Funktion im Markt für Management auf Zeit-Dienstleistungen sowie in dessen relevantem Umfeld. Eine Gruppe von Gesprächspartnern entstammt Institutionen und relevanten Interessenvertretungen. Andere repräsentieren einzelne Unternehmen oder sind selbst als Interim Manager tätig. Der Autor hatte die Möglichkeit, mit den aufgeführten Gesprächspartnern über ihre Einschätzung des Marktes und des sich entwickelnden Berufsbildes des Managers auf Zeit zu sprechen (vgl. Abbildung E-2).30
29
30
Zum Begriff des Experten und des Experteninterviews vermerkt Gläser/Laudel (2004): Experten sind Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen. Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen, vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 10. Für eine vollständige Auflistung der Gesprächspartner vgl. Anhang 2: Verzeichnis der geführten Experteninterviews.
8
Einführung Name des Gesprächspartners
Unternehmen bzw. Institution
Position / Funktion des Gesprächspartners
Eugen M. Angster
Bundesvereinigung Restrukturierung, Sanierung Gründer und Vorsitzender und Interim Management BRSI e.V.
Dr. Vera Bloemer
Dr. Bloemer Consulting
Geschäftsführerin, Autorin
Jens Christophers
Dachgesellschafter Deutscher Interim Manager Gründer und Geschäftsführer DDIM e.V.
Christoph Deinhard
Selbständig
Dr. Pantaleon Fassbender
KPMG Deutsche Aktiengesellschaft
Treuhand-Gesellschaft Director
Dr. Anselm Görres
Arbeitskreis Deutscher Provider AIMP
Interim
Interim Manager
Management Gründer und Vorsitzender
Kai Haake
Bundesverband Deutscher Unternehmensberater Stv. Geschäftsführer BDU e.V.
Dr. Michael F. Keppel
Alvarez & Marsal Deutschland GmbH
Managing Director
Dr. Harald Linné
Boyden Interim Management Deutschland
Managing Partner
Dr. Lutz Mackebrandt
Bundesverband Deutscher Unternehmensberater Vizepräsident BDU e.V.
Arndt Masuch
Kienbaum Executive Consultants GmbH
Berater
Susanna Daniele Niedhof
Heidrick & Struggles Interim Executives GmbH
Partner
Prof. Dr. Jacques Reijniers
Nyenrode Business Universiteit
Lehrstuhlinhaber
Dr. Robert Simon
Roland Berger Strategy Consultants GmbH
Partner
Thomas Stoek
goetzpartners Interim Managers GmbH
Managing Director
Abbildung E-2: Übersicht Experteninterviews
Die geführten Experteninterviews sind methodologisch der qualitativen Sozialforschung zuzurechnen.31 Sie dienten der deskriptiven Erfassung der für die vorliegende Fragestellung relevanten Wissensstände der Befragten. Als sog. problemzentrierte Interviews zeichnen sie sich im Gegensatz zu anderen Interviewtechniken dadurch aus, daß bereits vor der Erhebungsphase zumindest implizit entsprechende Ideen und Gedanken - im vorliegenden Fall zum Thema der Professionalisierung des Managements auf Zeit – entwickelt werden.32 Insbesondere waren die Interviews hilfreich zur Unterstützung bei der Identifizierung der kritischen Faktoren der Professionalisierung und der Validierung theoretischer Konzepte vor dem Hintergrund der realen Abläufe im Markt für Management auf Zeit Dienstleistungen. Problemzentrierte Interviews eignen sich besonders zur theoriegeleiteten Forschung, da sie keinen rein explorativen Charakter besitzen.33 In der Erhebungsphase erlaubt die gewählte Methodik eine hinreichende Flexibilität. Die Gesprächsführung problemorientierter Interviews kann relativ offen gestaltet werden und orientiert sich am natürlichen Gesprächsverlauf.34 Ein zentrales Element derartiger Interviews bildet ein offener, halbstrukturierter 31 32 33 34
Vgl. Bortz/Döring (2003), S. 307ff., Robson (2002), S. 4f. Vgl. Lamnek (1995), S. 38. Vgl. Mayring (1996), S. 52. Eine begriffliche Prägung erfahren problemzentrierte Interviews durch Witzel (1982), Witzel (1985); vgl. u.a. Witzel (1982), S. 72., Mayring (1996), S. 50.
Einführung
9
Interviewleitfaden.35 Sein Inhalt variierte im Rahmen der Erhebung je nach Herkunft und Funktion des Gesprächspartners, orientierte sich jedoch an den zentralen Fragestellungen der vorliegenden Arbeit.36 Im Rahmen einer interpretativen Auswertung konnten die wichtigsten Grundgedanken des jeweiligen Gespräches herausgearbeitet und die Erlebniswelten der Befragten vergleichbar gemacht werden.37 Insgesamt konnte die Erhebungsphase so gestaltet werden, daß sich die Auswahl der Gesprächspartner sowie Anzahl und Zielsetzung der geführten Gespräche iterativ am Sättigungsgrad des Lernprozesses orientierten. Die Vorgehensweise der Arbeit gliedert sich in drei Teile (vgl. Abbildung E-3). Im ersten Teil werden die die konzeptionellen und marktlichen Grundlagen hinsichtlich des Managements auf Zeit als Forschungsthema gelegt. Dabei kann die Notwendigkeit einer Professionalisierung sowohl anhand der Merkmale der fokalen Dienstleistung, als auch anhand der Analyse des Marktes und seiner Entwicklung begründet werden. Der zweite Teil dient der Entwicklung eines Bezugsrahmens zur Professionalisierung des Managements auf Zeit. Dazu wird auf die professionssoziologischen Grundlagen des Professionalisierungsbegriffes rekurriert und dieser vor dem Hintergrund des Strategischen Managements rekonstruiert. Der dritte Teil ist schließlich der Analyse der spezifischen Herauforderungen sowie der Erarbeitung strategischer Ansätze zur Professionalisierung des Managements auf Zeit gewidmet.
35 36 37
Vgl. Mayring (1996), S. 51. Für eine exemplarische Darstellung des im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten Interviewleitfadens vgl. Anhang 3. Vgl. Bortz/Döring (2003), S. 295. Dokumentationen der geführten Interviews liegen dem Autor vor, sie unterliegen auf überwiegenden Wunsch der Interviewten jedoch der Vertraulichkeit.
10
Einführung Einführung I.
Grundlagen des Managements auf Zeit
I.1. Terminologische und konzeptionelle Grundlagen
I.2. Der Markt für Management auf ZeitDienstleistungen
II. AUF DEM WEG ZUR PROFESSIONALISIERUNG ALS STRATEGISCHEM PROJEKT II.1. Soziologische Professionalisierungsforschung als Ausgangspunkt
II.2. Professionalisierung aus Sicht des strategischen Managements
III. ANSÄTZE ZUR PROFESSIONALISIERUNG DES MANAGEMENTS AUF ZEIT III.1. Exkurs: Bisherige Professionalisierungsbestrebungen der Manager auf Zeit III.2. Herausforderungen der Professionalisierung des Managements auf Zeit III.3. Generische Ansatzpunkte zur Professionalisierung des Managements auf Zeit Schlußbetrachtung – Management auf Zeit auf dem Weg zu einem „new professionalism“?
Abbildung E-3: Struktur der Arbeit
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
11
I. GRUNDLAGEN DES MANAGEMENTS AUF ZEIT Manager auf Zeit wurden in der Einführung in einem ersten Zugriff als Manager beschrieben, die als externe Dienstleister für eine begrenzte Zeit Führungsaufgaben in Unternehmen versehen. Dieses grundlegende Verständnis soll im ersten Teil der vorliegenden Arbeit vertieft werden. Im ersten Kapitel werden dazu die terminologischen und konzeptionellen Grundlagen zum Verständnis des Managements auf Zeit gelegt (I.1). Basierend auf einer Gesamtschau bestehender definitorischer Betrachtungen wird eine Arbeitsdefinition des Managements auf Zeit erarbeitet, die sich an den zentralen Merkmalen der Managementaufgabe, des Einsatzes von Externen sowie dessen zeitlicher Begrenzung orientiert. Darauf aufbauend erfolgen eine Einordnung des Untersuchungsgegenstandes in den Kontext professioneller Dienstleistungen sowie seine Abgrenzung gegenüber anderen Arbeits- und Dienstverhältnissen. Allerdings erweist sich die Operationalisierung der konzeptionellen Abgrenzungskriterien insbesondere gegenüber anderen Formen professioneller Dienstleistungen in der Praxis als problematisch. Besonders der Aspekt des Managements zeigt sich in der Praxis als wenig trennscharf hinsichtlich seiner inhaltlichen und hierarchischen Konkretisierung.38 Neben den konzeptionellen Grundlagen des Managements auf Zeit ist es zur Erörterung seiner Professionalisierung erforderlich, ein profundes Verständnis des relevanten Marktes zu entwickeln. Seine Beschreibung und Analyse sind Gegenstand des zweiten Kapitels (I.2). Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf dem deutschen Markt. Wo immer sinnvoll und erforderlich werden jedoch relevante nationale und internationale Vergleichsmaßstäbe herangezogen. Den Abschluß des ersten Teils der Arbeit bildet schließlich eine Betrachtung des Ziels einer Professionalisierung des Managements auf Zeit vor dem Hintergrund der dargestellten konzeptionellen und marktlichen Grundlagen (I.3). Diese wird im Zuge der individuellen und kollektiven strategischen Entwicklung als Notwendigkeit gesehen.
I.1.
Terminologische und konzeptionelle Grundlagen
Der erste Abschnitt des vorliegenden Kapitels legt die terminologischen und konzeptionellen Grundlagen zur Auseinandersetzung mit dem Thema Management auf Zeit. Dazu erfolgt zunächst eine definitorische Annäherung (I.1.1), darauf folgend 38
Vgl. allgemein zu unterschiedlichen Verständnisrichtungen des Managementbegriffs Staehle (1999), S. 72f. Im Kontext des Managements auf Zeit ergeben sich Abgrenzungsprobleme insbesondere zu bestimmten Formen der Unternehmensberatung und der Zeitarbeit, vgl. dazu ausführlich Abschnitt I.1.3.
12
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
wird der Begriff des Managements auf Zeit in den Kontext professioneller Dienstleistungen eingeordnet (I.1.2) sowie gegenüber anderen Arbeits- und Dienstverhältnissen abgegrenzt (I.1.3).39 Den Abschluß des Abschnitts bilden einige Anmerkungen zum Stand der akademischen Auseinandersetzung mit dem Thema Management auf Zeit (I.1.4).
I.1.1
Definitorische Annäherung an den Untersuchungsgegenstand
Obgleich Management auf Zeit in den Führungsetagen deutscher Unternehmen seit annähernd 30 Jahren eine empirische Tatsache darstellt, ist seine Wahrnehmung in Praxis wie Wissenschaft uneinheitlich.40 Dieser Befund kann nicht zuletzt anhand der semantischen Vielfalt verdeutlicht werden, mit der Management auf Zeit in Verbindung gebracht wird. Die unterschiedlichen Begriffe transportieren die verschiedenen Einsatz- bzw. Tätigkeitsschwerpunkte und korrespondieren mit den unterschiedlichen Entwicklungslinien.41 Gemeinsam ist vielen Bezeichnungen eine oftmals heroisierende oder angstvolle Betonung der Schnelligkeit und Dringlichkeit des Einsatzes.42 Die gebräuchlichsten Begriffe sind im Deutschen die Bezeichnungen Management auf Zeit und Interim Management bzw. Interimsmanagement, die grundsätzlich als Synonyme anzusehen sind.43 (1) Bestehende Ansätze einer Definition Eine Annäherung an den Begriff des Managements auf Zeit und dessen Schärfung können sich zunächst an bestehenden Definitionen, insbesondere an deren
39
40 41
42 43
Der breite Raum, der dieser grundlegenden Betrachtung eingeräumt wird, erklärt sich in der Absicht der Arbeit, dem frühen Stadium der wissenschaftlichen Auseinandersetzung Rechnung zu tragen. Für eine Darstellung der historischen Entwicklung vgl. I.2.1 der vorliegenden Arbeit. Gebräuchliche Begriffe neben Management auf Zeit sind u.a.: Interimsmanagement bzw. Interim Management, Führung auf Zeit, Leihmanager, rent a manager, manager for hire, executive temps, contract manager, executive leasing, head-renting, just in time management, locum management, interregnum management, management in demand etc.; vgl. Frank (1995), S. 9. Diese Begriffe sind in ihrer Art praxisorientiert und leben oftmals von beliebten Analogien wie Feuerwehrmann, Retter, Söldner, parachute savior o.ä. Vgl. Frank (1995), S. 9. Trotz eines weitgehend synonymen Gebrauchs soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit der Bezeichnung „Management auf Zeit“ (MaZ) der Vorzug gegeben werden, da er die relevanten Inhalte neutral transportiert und von den in Frage kommenden Begriffen den geringsten Grad vorhandener Prägung aufweist.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
13
Übereinstimmungen und Unterschieden orientieren. Dazu werden die gängigen Definitionen bzw. definitorischen Betrachtungen dargestellt.44 Eine der ersten Definitionen zum Begriff des Managements auf Zeit geht auf Ribbert (1995) zurück. Sie bezeichnet Management auf Zeit bzw. InterimManagement als „den befristeten Einsatz externer Führungskräfte in (…) Unternehmen. Diese werden für Aufgaben des oberen und mittleren Managements mit den notwendigen Kompetenzen und Weisungsbefugnissen ausgestattet, ohne dabei weisungsgebunden zu sein.“45 Mestwerdt (1998) versteht unter Interim Management die „zeitliche begrenzte Integration einer von außen kommenden, erfahrenen Führungspersönlichkeit in eine Unternehmung zur Beseitigung einer Engpaßsituation.“46 Hinsichtlich der Integration in die Unternehmung spricht er von einer vollständigen Einbindung in Aufgaben und Verantwortungshierarchie. Dabei sei ein Interim Manager nicht weisungsgebunden, habe gegenüber unterstellten internen Mitarbeitern jedoch umfassende Weisungsbefugnisse.47 Dieses Verständnis nimmt auch Bloemer (2003) im Rahmen einer aufzählenden Definition wieder auf.48 Schoemakers versteht Interim Management als den vorübergehenden Einsatz hochqualifizierter Manager mit der spezifischen Aufgabe, Kontinuität in einer Organisation sicherzustellen.49 Newman (2002) betrachtet Interim Management als die Leistung (Performance) hochqualifizierter und angesehener Manager (Individuals), die aufgrund ihrer individuellen Erfahrung in besonderer Weise die zeitlich befristeten Anforderungen einer Organisation erfüllen.50 Haag (2004) definiert Interimsmanagement als die „befristete Wahrnehmung einer klar definierten Führungsaufgabe durch einen Interimsmanager bei bzw. in einem Unternehmen.“51 Tiberius (2004) schließlich definiert Interimsmanagement als „ex ante zeitlich befristeten Einsatz einer Person auf einer Managementposition in einer
44
45 46 47 48 49 50 51
Angesichts der begrifflichen Bandbreite des Begriffes findet eine begriffliche Schärfung allerdings dort ihre Grenzen, wo eine zu enge und strikte Definition Gefahr liefe, den Blick auf die Realität zu verengen oder zu verstellen. Vgl. Ribbert (1995), S. 43. Vgl. Mestwerdt (1998), S. 51. Vgl. Mestwerdt (1998), S. 51. Vgl. Bloemer (2003), S. 14 unter Rekurs auf Mestwerdt (1998), S. 51. Eigene Übersetzung der Definition nach Schoemakers (ohne Jahresangabe), zitiert nach Clutterbuck/Dearlove (1999), S. 14. Eigene Übersetzung nach Newman (2002). Haag ist als Urheber dieser Definition zu nennen, für deren Entstehung er jedoch auch Herrn Ludwig Heuse sowie Frau Beatrix Pönitsch (Deutsche Gesellschaft für Personalführung mbH, Düsseldorf) dankt; vgl. Haag (2004), S. 237.
14
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Unternehmung, um einen kurzfristigen Personalbedarf zu decken oder den dispositiven Faktor grundsätzlich zu flexibilisieren“.52 Bruns (2006) führt im Rahmen seiner Arbeit den Aspekt des Wissenstransfers ein. Für ihn ist Management auf Zeit der zeitlich begrenzte Einsatz externen Führungspersonals in einem Unternehmen mit dem Ziel, situationsspezifisches Managementwissen in das Unternehmen zu transferieren und damit Wissenslücken nachhaltig zu schließen.53 Dazu sei ebenfalls eine Übertragung entsprechender Weisungsrechte erforderlich. Die Sammlung der aufgeführten Definitionen fördert verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede zutage, die in der Folge einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. (2) Auf dem Weg zu einer Arbeitsdefinition: Differenzierung zentraler und randlicher Aspekte des Managements auf Zeit Mit Blick auf die Gemeinsamkeiten der im vorigen Punkt aufgeführten Definitionen bilden insbesondere die Themen des Managements bzw. der Führung, der Einsatz von Externen sowie dessen zeitlicher Befristung die zentralen Bereiche des Managements auf Zeit. Das Element des Managements bzw. der Führung ist zentraler Aspekt aller aufgeführten Definitionen. Das Wahrnehmen von Managementaufgaben ist quasi per definitionem Auftrag der Manager auf Zeit. Management ist nach Kirsch (1992, 1997) als professionalisierte Form der Führung zu verstehen.54 Führung ist dabei als ein reales Phänomen der Ausrichtung des Handelns von Individuen und Gruppen auf die Realisation vorgegebener Ziele zu verstehen. Ihre inhaltliche und funktionale Bestimmung finden Management bzw. Führung in der umfassenden Gestaltung des arbeitsteiligen Prozesses der Ressourcentransformation mit dem Ziel einer Vergrößerung der verfügbaren Ressourcenbasis.55 Generische Managementaufgaben bestehen in der Planung, Organisation und Kontrolle. Ausführende Tätigkeiten gehören überwiegend nicht zu den Aufgaben des Managements. Darüber hinaus erweist sich der Begriff des Managements auf Zeit hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausgestaltung jedoch als weitgehend offen.
52 53 54
55
Vgl. Tiberius (2004a), S. 17. Vgl. Bruns (2006), S. 34. Vgl. Kirsch (1992), S. 153ff. Kirsch (1997), S. 176ff. Mit dem Begriff der Professionalisierung verbindet Kirsch im Zusammenhang der Führung die Nutzung von Ideen und Wissen insbesondere der vielfältigen Führungslehre mit dem Ziel, die Führung von Organisationen zu verbessern, vgl. Kirsch et al. (1998), S. 27. Zum Begriff der Professionalisierung im Kontext der vorliegenden Arbeit vgl. Kapitel II. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 31f., Staehle (1999), S. 71, Gabler (1999).
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
15
Ein weiterer zentraler Bereich der aufgeführten Definitionen ist der Aspekt einer zeitlichen Befristung des Einsatzes. Die zeitliche Befristung ergibt sich aus dem mit dem Einsatz des Managers auf Zeit verbundenen besonderen Zweck, der meist von Routineaufgaben innerhalb der Organisation abweicht bzw. über diese hinausgeht.56 Eine konzeptionelle Unschärfe betrifft die Operationalisierung des Merkmals der zeitlichen Befristung. Während die meisten Autoren eine Festlegung vermeiden, reicht die Bandbreite der aufgeführten Einsatzdauer von weniger als sechs Monaten57 bis hin zu einer möglichen Dauer bis zu 18 oder 24 Monaten.58 Hinsichtlich dieser begrenzten Dauer ist eine Differenzierung gegenüber anderen Arbeitsbeziehungen möglich, die – ungeachtet einer Tendenz zur Befristung von Arbeitsbeziehungen – grundsätzlich mit einem längerfristigen Zeithorizont geschlossen werden. Binden sich Interim Manager hingegen langfristig an ein Unternehmen oder nehmen gar den Status eines Angestellten an, so muß ihr Status als externer Dienstleister in Frage gestellt werden.59 Der dritte zentrale Aspekt betrifft den Aspekt des Externen. Manager auf Zeit bleiben während ihres Einsatzes - einer weitreichenden Integration im Zuge der Leistungserbringung zum Trotz – formal außerhalb der Organisation ihrer Kunden. Statt einer arbeitsvertraglichen Regelung kommen meist dienstvertragliche Regelungen zum Einsatz.60 Dabei können unterschiedliche Konstellationen unterschieden werden:61 Eine Möglichkeit besteht in einem reinen zweiseitigen Verhältnis zwischen Manager und Unternehmen. In diesem Fall wird ein Manager als selbständiger freier Dienstnehmer ohne Hinzutreten eines Dritten oder dessen Vermittlung für ein Unternehmen tätig. Eine Abgrenzung gegenüber einer möglichen Arbeitnehmereigenschaft findet insbesondere dergestalt statt, daß die Vertragsgestaltung dem Manager genügend Freiräume für die eigenverantwortliche Gestaltung seiner Tätigkeit und Arbeitszeit läßt. Eine persönliche Abhängigkeit wird in diesem Sinne vermieden.62
56 57 58 59
60
61 62
Vgl. Tiberius (2004a), S. 14. Vgl. Heuse (2004). Vgl. Bloemer (2003), S. 101. Die Möglichkeit, daß Manager auf Zeit ihre Tätigkeit als Einstieg in ein Unternehmen nutzen, besteht, sie entpuppt sich aber in der Realität eher als Vorurteil denn regelmäßige Praxis, vgl. Bloemer (2003), S. 49. Aus diesem Grunde soll sie in der weiteren Betrachtung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Regelung des Dienstverhältnisses erfolgt in Form eines Dienstvertrages gem. §§611 ff. BGB. Er regelt die Verpflichtungen des Dienstnehmers sowie dessen deren Vergütung durch den Dienstberechtigten. Vgl. zu Dienstverträgen von Managern auf Zeit u.a. Ribbert (1995), S. 14, Haag (2004), S. 242. Vgl. Haag (2004), S. 237ff. Persönlich abhängig bzw. unselbständig im Sinne der im Arbeitsrecht geltenden Definition in §84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann.
16
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Eine andere Möglichkeit bildet ein Dreierverhältnis zwischen dem Manager auf Zeit, einer ihn vermittelnden Agentur und dem Unternehmen, bei dem der Manager tatsächlich eingesetzt wird. Zwischen Manager und Unternehmen muß in diesem Fall in der Regel keine direkte Vertragsbeziehung zustande kommen. Die Beziehung zwischen Agentur bzw. Dienstleister und Kundenunternehmen hingegen ist von seiner rechtlichen Natur regelmäßig als freier Dienstvertrag zwischen selbständigen Unternehmen zu qualifizieren. Diese Konstellation wird als holländisches Modell des Managements auf Zeit bezeichnet.63
Managementaufgabe Management auf Zeit
Zeitliche Befristung Einsatz von Externen
Abbildung I-1: Zentrale Merkmale des Managements auf Zeit
Die aufgeführten Aspekte des Managements bzw. der Führung, der zeitlichen Befristung sowie dem Einsatz von Externen bilden gleichsam den Kernbereich des Managements auf Zeit (vgl. Abbildung E-2). Auf Basis der angestellten Betrachtungen soll die folgende Arbeitsdefinition Grundlage der weiteren Arbeit sein: Management auf Zeit bezeichnet die zeitlich begrenzte Wahrnehmung von Managementaufgaben als Dienstleistung durch externe Führungskräfte. Über die aufgeführten zentralen Aspekte hinaus werden in der Literatur im Rahmen einer Annäherung an das Thema des Managements auf Zeit oftmals weitere Themenbereiche aufgeführt. Von einer rein definitorischen Betrachtung sind diese zusätzlichen Aspekte unter anderem deshalb zu trennen, weil die nachstehend schlaglichtartig aufgeführten Merkmale eher deskriptiven denn konstituierenden Charakter haben. Ein erster Themenbereich betrifft die Hintergründe des Einsatzes von Managern auf Zeit. Dieser Bereich umfaßt die theoretische Fundierung einer flexibilitätsorientierten Unternehmensführung sowie eine Klassifizierung qualitativer und
63
64
quantitativer Engpässe, die den Einsatz externer Ressourcen erforderlich macht.64 Ein weiteres, damit verwandtes Themenfeld betrifft die einem Einsatz zugrundeliegenden Motive sowie die Einsatzarten von Management auf Zeit. Als Davon abzugrenzen ist das sog. angelsächsische Modell, das den Fall einer Vermittlung behandelt, nach der es zu einer direkten Vertragsbeziehung zwischen Manager und Kunde kommt, vgl. Christophers (2007), S. 200. Vgl. u.a. Tiberius (2004a), S. 14f.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
17
ein übergreifendes Motiv im Rahmen des Einsatzes von Management auf Zeit kann das Thema des Wandels und seine unternehmerische Handhabung angesehen werden.65 Stereotyphaft lassen sich verschiedene Einsatzformen des Managements auf Zeit unterscheiden.66 Diese umfassen das Management von Krisen, Projekten, sowie die Überbrückung unvorhergesehener Vakanzen.67 Ein weiterer Themenbereich betrifft die Charakteristika des Einsatzes von Managern auf Zeit in Unternehmen. Thematisiert werden insbesondere die Integration des MaZ in die Organisation des Unternehmens sowie die Autorisierung von Weisungsbefugnissen.68 Noch ein weiterer Themenbereich befaßt sich mit den speziellen Eigenschaften und Anforderungen an Manager auf Zeit. Diesbezüglich werden - zumeist biographisch fundiert - die Erfahrung und Kompetenzen von Managern auf Zeit als definitorische Merkmale betrachtet.69 Ein weiterer Aspekt umfaßt den Wissenstransfer im Zuge des Einsatzes von Managern auf Zeit. So führt bspw. Bruns (2006) den Transfer relevanten Managementwissens in die Kundenorganisation als Einsatzzweck externer Manager an.70
Obgleich diese Aspekte nicht dem zentralen Bereich des Managements auf Zeit zuzurechnen sind, verdeutlichen sie dessen thematische Vielfalt. Angesichts dieser Bandbreite bedarf die weitere Annäherung und Differenzierung des Untersuchungsgegenstands der Einordnung in den Kontext professioneller Dienstleistungen.
I.1.2
Einordnung von Management auf Zeit in den Kontext professioneller Dienstleistungen
Im Anschluß an die erfolgte definitorische Annäherung wird Management auf Zeit nachfolgend in einen betriebswirtschaftlichen Kontext eingeordnet. Dabei können grundsätzlich unterschiedliche Perspektiven eingenommen werden: Zum einen kann MaZ aus Nachfragesicht in den Zusammenhang eines flexibilitätsorientierten 65 66 67
68 69 70
Vgl. Eisenberg/Niemann (2004), S. 214. Zur empirischen Bedeutung der einzelnen Einsatzformen vgl. Kapitel I.2 dieser Arbeit. Abweichend von dieser allgemeinen Aufzählung von Einsatzformen differenziert Reijniers (2003c) diese noch einmal nach dem Grad des strategischen Wandels, wobei er nur solche Mandate, die unternehmerische Verantwortung und strategischen Wandel umfassen, als wirkliches Interim Management (true interim management) qualifiziert; vgl. Reijniers (2003c), S. 35f., Reijniers (2006b). Eine derartige Unterscheidung ist grundsätzlich sinnvoll, besitzt jedoch im Zuge einer grundsätzlichen Annäherung an das Thema als ganzes noch keine erhöhte Relevanz. Vgl. Ribbert (1995), S.43, Mestwerdt (1998), S.51, Bruns (2006), S. 34. Vgl. Mestwerdt (1998), S.51, Newman (2002), Vgl. Bruns (2006), S. 34.
18
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Humanressourcenmanagements gebracht werden.71 Zum anderen kann MaZ aus Anbietersicht als besondere Ausprägung einer professionellen Dienstleistung thematisiert werden. Letztere Perspektive soll im Mittelpunkt der weiteren Erörterungen stehen. Die Einordnung von Management auf Zeit als professionelle Dienstleistung erfolgt in drei Schritten: Die Grundlage bildet das Verständnis von Dienstleistungen im allgemeinen sowie ihrer konstitutiven Merkmale (1). Darauf aufbauend weisen zahlreiche Typologisierungen auf die Unterschiedlichkeit einzelner Dienstleistungstypen hin und leisten einen Beitrag zur Beschreibung und Einordnung professioneller Dienstleistungen als besonderem Dienstleistungstyp (2). Abschließend erfolgt eine Einordnung von Management auf Zeit als spezifische Ausprägung einer professionellen Dienstleistung (3). (1) Dienstleistungen und ihre allgemeinen konstitutiven Merkmale Der als „tertiäre Sektor“ bezeichnete Bereich der Dienstleistungen hat in den letzten Jahren insbesondere in den entwickelten Industrieländern zunehmende Bedeutung erfahren.72 Trotz einer Vielzahl an Publikationen in diesem Bereich bleibt jedoch bis dato das Fehlen einer uneingeschränkt konsensfähigen Definition des Dienstleistungsbegriffs festzuhalten.73 Der kleinste Nenner der verschiedenen definitorischen Ansätze und somit das Kernstück einer Dienstleistungsdefinition ist eine Fokussierung auf Dienstleistungen im engsten Sinn, sog. bilaterale personenbezogene Dienstleistungen.74 Ungeachtet von der in der Literatur z.T. kontrovers geführten Diskussion75 lassen sich aus den verschiedenen Definitionsansätzen die folgenden konstitutiven Merkmale extrahieren:76 Die Immaterialität bzw. Intangibilität von Dienstleistungen beschreibt den Umstand, daß diese in Abgrenzung zu Sachgütern nicht physisch präsent sind. Folge dieser Eigenschaft ist die Tatsache, daß Dienstleistungen nicht als ein Gut besessen, sondern uno acto, d.h. im Rahmen einer Aktivität, produziert und
71 72
73 74 75
76
Vgl. dazu u.a. Ribbert (1995), S. 1, Alewell et al. (2005a), S. 1. Die Bedeutung des Dienstleistungssektors spiegelt sich in seinem Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der in entwickelten Industrieländern kontinuierlich steigt und zuletzt über Drittel betrug, vgl. Aharoni (1993), S. 11, Løwendahl (1997), S. 15, Meffert/Bruhn (2006), S. 12f. Zur Messung und Bewertung der Entwicklung des tertiären Sektors im Sinne einer Sektorentheorie vgl. u.a. Corsten (2001), S. 2ff. Vgl. hierzu u.a. Engelhardt et al. (1993), S. 404, Maleri (1997), S. 2, Corsten (2001), S. 30. Vgl. Corsten (2001), S. 30. Die vorliegenden Definitionsvorschläge lassen sich in die drei Gruppen der enumerativen Definitionen, der Negativdefinitionen sowie in den, nach herrschender Meinung wissenschaftlich fruchtbarsten Ansatz der Definition mittels konstitutiver Merkmale. Letzterer erlaubt wiederum die Unterscheidung zwischen potentialorientierten, prozeßorientierten sowie ergebnisorientierten Definitionen, vgl. Corsten (2001), S. 21. Vgl. Corsten (2001), S. 27.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
19
konsumiert werden.77 Keinen Widerspruch bildet jedoch die Tatsache, daß vielfach tangible Faktoren in den Dienstleistungserstellungsprozeß eingehen und somit zu einem tangiblen Ergebnis führen.78 Die Integration externer Faktoren in die Leistungserstellung bezeichnet die Tatsache, daß Dienstleistungen in der Regel durch Einbringung des Kunden bzw. eines seiner Objekte erstellt werden, die aus Sicht des Leistungsanbieters einen externen Faktor darstellen. Diese Kontaktnotwendigkeit bedingt eine - zumindest partielle - Simultaneität von Produktion und Absatz und resultiert im Merkmal der Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen.79 Während diese Merkmale in erster Linie der Abgrenzung von Dienstleistungen gegenüber anderen Wirtschafts- bzw. Sachgütern dienen, sind sie allein noch nicht geeignet, Unterscheidungen einzelner Dienstleistungstypen zu gewährleisten. Bei genauer Analyse fällt auf, daß eine Reihe höchst unterschiedlicher Leistungen unter dem Begriff der Dienstleistung subsummiert werden.80 Die Heterogenität von Dienstleistungen findet ihren Ausdruck in zahlreichen Ansätzen zur Differenzierung und Typologisierung unterschiedlicher Dienstleistungstypen. (2) Professional Services als spezifischer Dienstleistungstyp In der Literatur existiert eine Vielzahl typologisierender Ansätze, um den heterogenen Objektbereich der Dienstleistungen zu systematisieren und seine Teilmengen zu differenzieren. Einen spezifischen Dienstleistungstyp und somit eine Teilmenge der im sog. tertiären Sektor erbrachten Leistungen im allgemeinen bilden die sogenannten Professional Services. Über die gewachsene Bedeutung des tertiären Sektors hinaus sind es insbesondere diese professionellen Dienstleistungen, die zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen.81 Im folgenden soll gezeigt werden, wie sich Professional Services von anderen Dienstleistungen unterscheiden (a). Einen eignen Zugang zu professionellen Dienstleistungen eröffnet ein ressourcentheoretischer Zugang (b). Er erlaubt zudem eine weitere Differenzierung unterschiedlicher professioneller Dienstleistungen (c). (a) Differenzierung von Dienstleistungen nach Typologien: Zur Differenzierung unterschiedlicher Dienstleistungen existiert eine Vielzahl unterschiedlicher
77 78 79 80 81
Vgl. Stauss (1994), S. 219, Bruhn (2006), S. 21f. Vgl. Stauss (1994), S. 219; zur strittigen Frage der Immaterialität vgl. auch Hentschel (1992), S. 25f., Friege (1995), S. 30ff., Corsten (2001), S. 27f. Vgl. Stauss (1994), S. 220. Vgl. Benkenstein/Güthoff (1996), S. 1494. Vgl. Müller-Stewens (1999), S. 11, Ringlstetter et al. (2004b), S. 11, Bürger (2005), S. 13.
20
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Eindimensionale Typologien kennzeichnen professionelle Typologien.82 Dienstleistungen grundsätzlich als investive83, personalintensive84 und überwiegend aperiodische85 Dienstleistungen. Eine weitere Differenzierung kann im Rahmen mehrdimensionaler betriebswirtschaftlicher Ansätze erfolgen.86 Nachfolgend werden einige Ansätze vorgestellt, deren Auswahl nach ihrer Relevanz und Differenzierungskraft hinsichtlich professioneller Dienstleistungen erfolgte. Die Typologisierung nach Vandermerwe (1989) basiert auf einer Differenzierung der Dienstleistungsmerkmale Interaktionsintensität und Intangibilitätsgrad. Dabei kennzeichnen die Autoren solche Dienstleistungen wie beispielsweise Ingenieur-, Beratungs- oder Management-Dienstleistungen als Dienstleistungen mit ausgesprochen hohem Grad an Interaktion und Intangibilität.87 Die Typologisierung nach Fitzgerald (1991) basiert auf der vom Kunden wahrgenommenen Komplexität und trifft dabei eine Einteilung in Mass Services, Service Shops sowie eben Professional Services.88 Meffert (1994) differenziert entlang der Dimensionen Interaktionsgrad und Standardisierungsgrad zwischen Service Shops, Service Factories, Mass Services und schließlich Professional Services, wobei sich letztere durch einen hohen Interaktionsgrad und Individualität auszeichnen.89
82
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86
87
88 89
Die unterschiedlichen Typologien unterscheiden sich u.a. in der Anzahl der verwendeten Dimensionen sowie ihrem wissenschaftlichen Kontext. Die im Rahmen dieser Arbeit erforderliche Auswahl erfolgte in der Bemühung einer Fokussierung auf solche Ansätze, die der Unterscheidung professioneller Dienstleistungen dienen und einen ersten Eindruck ihrer Besonderheiten liefern. Die Begriffe „Professional Services“ und „professionelle Dienstleistungen“ werden in dieser Arbeit als Übersetzung und damit synonym genutzt. Investive Dienstleistungen bzw. producer services sind im Gegensatz zu konsumtiven Dienstleistungen bzw. consumer services solche Leistungen, die von Unternehmen im Rahmen einer Investition nachgefragt und nicht an Endverbraucher distribuiert werden; vgl. Corsten (2001), S. 31f. Personalintensive Dienstleistungen sind im Gegensatz zu maschinenintensiven Dienstleistungen solche Leistungen, deren entscheidender Einsatzfaktor das Human Capital ist, vgl. Corsten (2001), S. 34. Aperiodische Dienstleistungen sind im Gegensatz zu perodischen Dienstleistungen solche Leistungen, deren Nachfrage unregelmäßig und nicht auf Dauer angelegt ist, vgl. Backhaus/Späth (1992), S. 762f. Das Merkmal der Aperiodizität kann jedoch keinesfalls als durchgängig angesehen werden. Ein Beispiel einer professionellen Dienstleistung, deren Nachfrage aufgrund gesetzlicher Vorgaben periodischen Charakter hat, bildet die Wirtschaftsprüfung. Diese bieten aufgrund der höheren Anzahl der angewandten Merkmale eine höhere Differenzierungskraft und sind so in besonderer Weise geeignet, die Besonderheiten professioneller Dienstleistungen zu vermitteln. Die höhere Differenzierungskraft geht mit einer präziseren Zuordnung sowie einer höheren Homogenität innerhalb einzelner Klassen einher, vgl. Corsten (2001), S. 36. Vgl. „sector 4: low goods / higher interaction“. Grundsätzlich kennzeichnen Vandermerwe/Chadwick (1989) den Grad an Intangibilität durch den relative Einsatz tangibler Güter; vgl. Vandermerwe/Chadwick (1989), S. 81ff. Vgl. Fitzgerald et al. (1991), S. 9ff., Silvestro et al. (1992), S. 64f. Vgl. Meffert (1994), S. 524.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
21
Die Typologisierung nach Engelhardt (1993) basiert auf einer Differenzierung der Dimensionen Immaterialität und Integrativität.90 Verschiedene Ausprägungen auf diesen Achsen werden einander jedoch nicht im Sinne eines dichotomen Verständnisses gegenübergestellt. Vielmehr erlaubt ein graduelles Verständnis der Achsen im Sinne eines Kontinuums eine flexible Typologisierung verschiedener Dienstleistungen. Dabei sind die dienstleistungsspezifischen Merkmale bei professionellen Dienstleistungen besonders stark ausgeprägt, d.h. sie zeichnen sich durch ihren besonders integrativen Erstellungsprozeß sowie dessen immaterielles Ergebnis aus. Daher werden sie auch als reine und besonders typische Dienstleistungen beschrieben.91 Charakteristisch für diesen Ansatz ist die Vorstellung von Leistungsbündeln, die die als problematisch empfundene strikte Dichotomie zwischen materiellen und immateriellen Gütern auflöst.92 An ihre Stelle tritt das Konzept sog. Leistungsbündel, d.h. Produkte, die materielle und immaterielle Komponenten kombinieren und gemeinsam unterschiedliche Anteilen materieller und immaterieller Komponenten, die zusammen angeboten werden. Das Bündel kann entlang einer als Kontinuum verstandenen Immaterialitätsachse eingeordnet werden. Damit stellt der Ansatz der Leistungsbündel einen relativ allgemeingültigen und fruchtbaren Ansatz dar.93 Die Typologisierung nach Benkenstein (1996) basiert schließlich auf system- und käufertheoretischen Ansätzen. Dabei identifizieren die Autoren verschiedene Leistungsmerkmale, die eine Differenzierung der Komplexität einer Dienstleistung zulassen.94 Die Komplexitätsdimensionen lauten Individualität, Anzahl der Teilleistungen, Multipersonalität, Heterogenität der Teilleistungen sowie Länge der Erstellungsperiode (vgl. Abbildung I-2). In diesem Zusammenhang charakterisieren sie bspw. die Unternehmensberatung als solche Leistung, die in allen identifizierten Dimensionen eine hohe Merkmalsausprägung entfaltet und damit eine hohe Komplexität besitzt.95
90 91 92 93 94 95
Vgl. Engelhardt et al. (1993), S. 417. Vgl. Stutz (1988), S. 50. Vgl. Meyer (1983), S. 137, Corsten (2001), S. 29, Woratschek (1998), S. 7. Vgl. Corsten (2001), S. 30. Vgl. Benkenstein/Güthoff (1996), S. 1500. Das von Benkenstein/Güthoff (1996) aufgeführte Beispiel der Rechtsberatung darf in diesem Zusammenhang als Beispiel für eine professionelle Dienstleistung angesehen werden bzw. durch andere professionelle Dienstleistungen ersetzt werden, vgl. Bürger (2005), S. 19.
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Anzahl der Teilleistungen
Individualität
Multipersonalität
Geldautomat Restaurant Unternehmensberatung
Länge der Erstellungsperiode
Heterogenität der Teilleistungen
96
Abbildung I-2: Komplexitätsdimensionen von Dienstleistungen
Die dargestellten Ansätze dienen der Typologisierung von Dienstleistungen im allgemeinen. In diesem Sinne liegt ihre Leistung in der Differenzierung von Professional Services gegenüber anderen Dienstleistungen. Ein eigener Zugang zur Charakterisierung professioneller Dienstleistungen hingegen steht im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen. (b) Charakterisierung professioneller Dienstleistungen: Die Problematik des Fehlens einer anerkannten Definition, welches eingangs bereits hinsichtlich des Dienstleistungsbegriffs im allgemeinen Erwähnung fand, stellt sich auch für professionelle Dienstleistungen. Allerdings zeigen die Charakteristika, die professionellen Dienstleistungen in der Literatur zugeordnet werden, ein hohes Maß an Übereinstimmung.97 Unter Rekurs auf Maister (1997) und insbesondere Løwendahl (1997, 2005) können professionelle Dienstleistungen pragmatisch anhand der folgenden Charakteristika definiert werden:98 Hohe Wissensintensität im Rahmen der Dienstleistungserstellung durch „Professionals“ Hoher Grad der Individualität bzw. Anpassungsnotwendigkeit Hoher Grad an Ermessensspielraum und persönlichem Urteil (Discretionary Efforts) im Rahmen der Leistungserstellung Beträchtliche Interaktion mit dem Kunden bzw. der Kundenorganisation Achtung und Anwendung professioneller Normen
96 97 98
Vgl. Benkenstein/Güthoff (1996), S. 1502. Vgl. Bürger (2005), S. 21f. Im Folgenden vgl. Maister (1997a), S. XV, Løwendahl (2005), S. 20.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
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Gemeinsam ist allen definitorischen Annäherungen die Kennzeichnung professioneller Dienstleistungen durch die Intensität des erforderlichen bzw. eingesetzten Wissens sowie die Komplexität der Interaktion zwischen Anbieter und Kunde.99 Auf dieser Basis kann ein ressourcentheoretischer Zugang hinsichtlich der Charakteristika professioneller Dienstleistungen erfolgen: Bürger (2005) charakterisiert Professional Services als solche Leistungen, deren Erbringung und Erfolg in besonderer Weise an die strategischen Ressourcen Wissen, Beziehungen und – als resultierender Größe – Reputation geknüpft ist.100 Wissen kann als die strategische Ressource im Rahmen der Erstellung professioneller Dienstleistungen verstanden werden. Haupteinsatzfaktor im Prozeß der Erstellung professioneller Dienstleistungen ist – in Abgrenzung zu körperlicher Arbeit - die geistige Leistung von Mitarbeitern.101 Darüber jedoch, was genau unter dem Begriff Wissen zu verstehen ist, gehen die Vorstellungen in einzelnen Wissenschaftsdisziplinen auseinander.102 Auch aus der betriebswirtschaftlichen Forschung sind zahlreiche, zum Teil außerordentlich unterschiedliche Wissensdefinitionen hervorgegangen.103 Im Sinne einer Begriffshierarchie stellt Wissen die oberste Stufe einer Systematik dar, derer untere Stufen (in aufsteigender Reihenfolge) Zeichen, Daten und Informationen sind.104 Die Stufen der Hierarchie werden dabei keineswegs als strikt getrennte Welten, denn vielmehr im Sinne eines Kontinuums verstanden werden, in der jede Ebene auf der darunterliegenden aufbaut. Wissen entsteht im Sinne dieses Ansatzes durch die Vernetzung von verschiedenen Informationen. Aufgrund ihres Handlungsbezugs und der umfassenden Rezeption soll die folgende Definition nach Probst/Raub/Romhardt (2003) als Grundlage der weiteren Überlegungen dienen: „Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfaßt sowohl 99
100
101
102 103 104
Ringlstetter et al. (2004b) begründet die hohe Interaktionskomplexität durch eine kundenseitige Fokussierung auf Unternehmen und andere Institutionen, deren interne Komplexität besondere Auswirkungen auf die Leistungserstellung hat, vgl. Ringlstetter et al. (2004b), S. 13. Andere Autoren fassen die Kundengruppe professioneller Dienstleister weiter, vgl. u.a. Løwendahl (1997), S. 17ff. Bezugspunkt des ressourcenorientierten Zugangs zu professionellen Dienstleistungen ist die sog. Professional Service Firm (PSF) (Scott (2001)), die von den zugrundeliegenden Ressourcen abhängig ist. Zur Charakterisierung von Professional Services vgl. Ringlstetter et al. (2004b), S. 11ff., Bürger (2005), S. 22f. Zur Unterscheidung zwischen personalintensiven und maschinenintensiven bzw. zwischen körperlichen und geistigen Dienstleistungen vgl. u.a. Corsten (2001), S. 34, Meffert/Bruhn (2003), S. 42f., Meffert/Bruhn (2006), S. 42f. Vgl. Romhardt (1998), S. 24. Für eine Übersicht ausgewählter Definitionen vgl. Beckmann (1999), S. 3. Der Zusammenhang zwischen den Ebenen der Hierarchie kann als Anreicherungsprozeß dargestellt werden. Durch Syntaxregeln werden Zeichen zu Daten. Setzt man Daten in einen adäquaten Kontext, so werden sie für den Empfänger mit einer bestimmten Bedeutung angereichert und erlangen den Rang von Informationen. Zu einer solchen Vorgehensweise vgl. u.a. Krogh et al. (1994), S. 60, Romhardt (1998), S. 38ff., Bouncken (2001), S. 206.
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit theoretische als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesem jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge.“ (Probst et al. 2003, S. 22)
Seine „Handlungsorientierung“ und „Nützlichkeit“ gereichen dem Wissen zum Charakter einer strategischen Ressource.105 Sie liegen vor, wenn Wissen einen spezifischen Beitrag zu Leistungserstellung und Zielerreichung von Professional Service Firms leistet. Einen derartigen Beitrag leistet Wissen als Ressource insbesondere in Form der Gewährleistung eines relevanten Wissensvorsprungs gegenüber Kunden und Wettbewerbern.106 Anbieter professioneller Dienstleistungen bieten ihren Kunden die Teilhabe an ihrer organisationalen Wissensbasis an, um sie bei der Diagnose ihrer Probleme sowie bei der Lösungsfindung zu unterstützen.107 Das dazu erforderliche und angebotene Wissen umfaßt alle kognitiv-intellektuellen Fähigkeiten wie Fachwissen, Erfahrung und Problemlösungsfähigkeit der Mitarbeiter.108 Neben dem eingesetzten Wissen bildet die Beziehung zu Kunden eine weitere strategische Ressource für Anbieter professioneller Dienstleistungen. Dabei können im Rahmen der Operationalisierung verschiedene Aspekte unterschieden werden. Zum einen kann die Beziehung zu Kunden selbst als Ressource bezeichnet werden, vorausgesetzt daß die Kunden eine angebotene Dienstleistung nutzen. Besondere Komplexität gewinnt der Prozeß der Leistungserstellung bzw. der Integration des Kunden als externem Faktor dadurch, daß die Leistungsobjekte professioneller Dienstleistungen in der Regel nicht einzelne Individuen sind, sondern private Unternehmen und Organisationen sowie öffentliche Institutionen.109 Vor diesem Hintergrund kann im Rahmen professioneller Dienstleistungen zum anderen die Beziehungskompetenz als Ressource bezeichnet werden.110 Sie basiert auf der Fähigkeit, durch „multipersonale Interaktion zum Aufbau, zur Entwicklung und zum Erhalt langangelegter (…) Beziehungen beizutragen.“ (Stahl 1996, S. 230). Die dritte wettbewerbskritische Ressource professioneller Dienstleister bildet schließlich ihre Reputation, die in engem Zusammenhang zu den anderen Ressourcen verstanden werden kann, da sie gleichsam als Spiegel derselben gesehen werden kann. Ihre hohe Bedeutung im Rahmen professioneller Dienstleistungen resultiert aus Immaterialität und Komplexität der Dienstleistung und
105 106 107 108 109 110
Vgl. Romhardt (1998), S. 38. Vgl. Müller-Stewens (1999), S. 20f. Vgl. u.a. Kubr (2002), S. 4. Zum Begriff der Wissensbasis als jenem Wissen, das den Mitgliedern einer Organisation „im Prinzip zur Verfügung steht“ vgl. Pautzke (1989), S. 76. Vgl. Ringlstetter et al. (2004b), S. 13, unter Rückgriff auf Alvesson (1995), S. 1, 7ff. Vgl. Müller-Stewens (1999), S. 21. Vgl. Gouthier/Schmid (2001), S. 234, Bürger (2005), S. 23, 43.
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der damit verbundenen Unsicherheit für Kunden. Angesichts eines geringen Anteils von Sucheigenschaften, die im Vorfeld einer Transaktion zu überprüfen wären, orientieren sich Kunden an der Reputation eines Anbieters und nutzen sie als Qualitätssurrogat.111 Die dargestellte Betrachtung aus einer ressourcentheoretischen Perspektive verdeutlicht abstrakte grundlegende Charakteristika für alle Professional Services. Obgleich sich diese Bezeichnung als Oberbegriff etabliert hat, bleibt festzuhalten, daß sich einzelne professionelle Dienstleistungen durch ihre Heterogenität auszeichnen. Eine weitere Differenzierung innerhalb professioneller Dienstleistungen ist allein aufgrund der dargestellten Merkmale schwierig, da diese abstrakt und wenig trennscharf sind.112 In diesem Zusammenhang sind Bemühungen zu sehen, innerhalb der Menge professioneller Dienstleistungen weitere Differenzierungen vorzunehmen. Diese können auch zur weiteren Einordnung von Management auf Zeit genutzt werden. (c) Differenzierung unterschiedlicher professioneller Dienstleistungen: Die vergangenen Abschnitte folgten der Logik einer fortgesetzten Differenzierung. Nach einer Annäherung an den Begriff der Dienstleistung und ihrer Abgrenzung gegenüber Sachgütern erfolgte eine Unterscheidung zwischen professionellen und anderen Dienstleistungen. Der nächste Abschnitt dient folglich einer weiteren Differenzierung innerhalb der Professional Services. Diese nochmalige Differenzierung erfolgt zum einen mit dem Ziel, der Heterogenität unterschiedlicher Professional Services besser gerecht zu werden, und zum anderen, um Management auf Zeit in diesen Kontext präzise einordnen zu können. Dazu werden nachfolgend einige Ansätze zur Differenzierung und Typologisierung professioneller Dienstleistungen vorgestellt. Der wohl einfachste Weg einer weiteren Differenzierung innerhalb der Obermenge der Professional Services ist die Unterscheidung der etablierten Branchen.113 Einen ersten Zugang bietet die Beobachtung der evidenten Leistungsangebote.114 Løwendahl (2005) illustriert die Vielfalt unterschiedlicher Branchen durch eine
111 112 113
114
In diesem Zusammenhang spricht Luhmann (2005) von Reputation als „Nebencode“ für Richtigkeit, vgl. Luhmann (2005). Vgl. Bürger (2005), S. 24. Hinsichtlich der Unterscheidung der Betrachtungsebene herrscht eine begriffliche Konfusion. Manche Autoren verwenden den Begriff der Branche für die Gesamtheit aller Professional Service Märkte, die sie als Teilbranchen verstehen (u.a. Bürger (2005), S. 25ff.). Nach Auffassung des Autors handelt es sich bei der Klassifizierung professioneller Dienstleistungen jedoch um einen Oberbegriff. Die etablierten Branchen professioneller Dienstleistungen bilden als solche Teilmengen dieser „Überbranche“. Vgl. Bürger (2005), S. 56; „Beobachtung“ bildet eine der einfachsten Formen der Datenerhebung; vgl. Bortz/Döring (2003), S. 240.
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
umfangreiche Aufzählung.115 Scott (2001) gruppiert professionelle Dienstleistungen anhand ihres wirtschaftlichen Volumens und listet sieben Kernbranchen auf (vgl. Abbildung I-3). Investment Banking...........................17% Wirtschaftsprüfung und Steuern........14% Wirtschaftliche Rechtsberatung.........14% Kommunikationsdienstleistungen......12% Management- und IT-Beratung ........... 9% Personalberatung................................ 7% Marktforschung ................................... 2% Sonstige ...........................................25% 116
Abbildung I-3: Professional Service Branchen
Über die beobachtbaren Unterschiede im Leistungsangebot hinaus kann auch eine Differenzierung unterschiedlicher professioneller Dienstleistungen anhand weiterer Kriterien wie bspw. verschiedenartiger Geschäftsmodelle bzw. Vergütungsformen, Nachfragecharakteristika, Prozeß der Auftragsvergabe oder dem Status des organisationalen Lebenszyklus erfolgen.117 Ein konzeptioneller Zugang zur Differenzierung eröffnet sich im Rahmen einer differenzierenden Betrachtung der strategischen Ressourcen professioneller Dienstleister. In diesem Zuge unterscheidet Bürger (2005) zwischen beratungsintensiven und umsetzungsorientierten professionellen Dienstleistungen.118 Diese Klassifizierung basiert auf einer Differenzierung des eingesetzten Wissens und der auftragsspezifischen Beziehung zwischen Dienstleister und Kunden. Hinsichtlich der Art des im Rahmen der Leistungserstellung hauptsächlich eingesetzten Wissens läßt sich eine Unterscheidung zwischen Expert- und Re-UseWissen treffen.119 Expert-Wissen steht für solches Wissen, das im Rahmen des Erstellungsprozesses einer professionellen Dienstleistung vonnöten ist, wenn das Problem des Kunden neuartig und individuell ist und die Lösung, in extremen Fällen sogar die Problemstellung selbst, nicht ex ante bekannt oder planbar ist. Solche
115
116
117 118 119
Die Aufzählung, die auf Interviews mit Führungskräften basiert, umfaßt u.a. Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Berater und Banker bis hin zu Architekten und Designern, Løwendahl (2005), S. 20f. Die Aufstellung von Scott (2001) basiert auf Schätzungen zum Umsatz bzw. Umsatzanteilen einzelner Branchen auf dem globalen Markt professioneller Dienstleistungen. Nach Scott repräsentieren die aufgeführten Branchen einen Anteil von ca. 75%; vgl. Scott (2001), S. 9ff. Vgl. Bürger (2005), S. 56f. Zu Details hinsichtlich Geschäftsmodellen und Vergütungsformen vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 39f. Vgl. Bürger (2005), S. 57f. Vgl. Hansen et al. (1999), S. 109f., Ringlstetter et al. (2004c), S. 40, Bürger (2005), S. 57 sowie in ähnlicher Form Maister (2003), S. 4ff., Løwendahl (2006), S. 5,. Aufgrund der Möglichkeit der Kombination verschiedener Arten technischen Wissens (mixed mode) kann lediglich von schwerpunktmäßigen Nutzung gesprochen werden, vgl. Løwendahl (1992), Løwendahl/Revang (2002), S. 3f.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
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„bösartigen Problemstellungen“ aber können als besonders charakteristisch für bestimmte Professional Services bezeichnet werden.120 Expert Wissen kann nur schwer kodifiziert bzw. nur durch persönliche Interaktion (personalization) transferiert werden.121 Dahingegen steht der Begriff des Re-Use-Wissens für solches Wissen, das im Rahmen weniger komplexer oder neuartiger Problemstellungen zum Einsatz kommt. Es zeichnet sich durch ein gewisses Maß an Standardisierbarkeit und Kodifizierbarkeit aus. Im Zuge der Anwendung kann auf verschiedene „lego“-artige Bausteine zurückgegriffen werden, die nur einer geringen individuellen Anpassung bedürfen.122 Die zweite Dimension der Differenzierung nach Bürger (2005) bildet die Art der auftragsspezifischen Beziehung zwischen Anbieter und seinem Kunden. Während davon auszugehen ist, daß diese „Augenblicke der Wahrheit“ eine allgemeine Herausforderung für professionelle Dienstleister bilden, kann der Natur der Beziehung nach zwischen sog. Sparring- und Jobbing-Beziehungen unterschieden werden:123 Sparring Beziehungen finden ihre Prägung ausgehend vom Grundgedanken, daß Professionals in intensiver Zusammenarbeit mit ihrem Kunden neues Wissen mit dem Ziel einer maßgeschneiderten Problemlösung schaffen. Sie zeichnen sich folgerichtig durch eine intensive Interaktion zwischen Kunde und Professional aus.124 Die Leistungserstellung ist von großer Intensität und gegenseitiger Abhängigkeit geprägt, sodaß sie als reziproker Prozeß gekennzeichnet werden kann. Grundlage der Leistungserstellung ist der Wissensvorsprung des Professional hinsichtlich Problemdefinition und –lösung, häufig im Zusammenhang mit ExpertWissen. Dieses Verhältnis wird als Informationsasymmetrie zwischen Kunde und Professional beschrieben.125 Auch wenn die Professionals in so gearteten Beziehungen häufig eine Führungsrolle im Problemlösungsprozeß einnehmen, sind beide Seiten grundsätzlich als gleichberechtigte Sparrings-Partner zu sehen.126 Die Höhe der Vergütung spielt für die Auswahl von Partnern in Sparringsbeziehungen eine untergeordnete Rolle. Demgegenüber ist die Interaktionsintensität im Rahmen von Jobbing-Beziehungen nicht notwendigerweise so hoch. Sie erfolgt oftmals im Rahmen komplizierter, aber vergleichsweise standardisierter Aufgabenstellungen,
120 121 122 123
124 125 126
Vgl. Ringlstetter et al. (2004b), S. 13. Vgl. Hansen et al. (1999), S. 107ff. Vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 40, Bürger (2005), S. 58. Tordoir (1995) unterscheidet grundsätzlich zwischen Sparring, Jobbing-Beziehungen. Als dritten Beziehungstyp nennt er darüber hinaus Sales-Beziehungen, letztere seien aber im Zusammenhang mit professionellen Dienstleistungen als untypisch anzusehen; vgl. Tordoir (1995), S. 139ff. Vgl. Bürger (2005), S. 60. Vgl. Müller-Stewens (1999), S. 21. Vgl. Poulfelt (1986), S. 83ff., Tordoir (1995), S. 140.
28
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
zu deren Lösung überwiegend Spezialistenwissen erforderlich ist. Die Gestaltung der Vergütung kann ein wichtiger Entscheidungsfaktor sein.127 Die dargestellten Ausprägungen sind stereotyphafte Beschreibungen von Beziehungstypen. Je nach Kundenauftrag können beide Beziehungstypen beobachtbar sein. Jedoch kann in aller Regel davon ausgegangen werden, daß ein Beziehungstyp den Schwerpunkt bildet.128 Auf Basis der dargestellten Überlegungen hinsichtlich des verwendeten Wissens und der Art der leistungsspezifischen Kundenbeziehungen kann eine Klassifizierung professioneller Dienstleistungen vorgenommen werden. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, daß die Ausprägungen der dargestellten Dimensionen eng miteinander korrelieren.129 Professional Services, die durch Sparring-Beziehungen geprägt sind und in denen insbesondere Expert-Wissen zum Einsatz kommt, können als beratungsintensive Dienstleistungen bezeichnet werden.130 Im Gegensatz dazu sind solche Dienstleistungen, bei denen insbesondere Re-Use-Wissen im Rahmen von Jobbing-Beziehungen zum Einsatz kommt, als umsetzungsorientierte Dienstleistungen zu bezeichnen (vgl. Abbildung I-4). Im ersten Fall ist der Bedarf auf Seite des Kunden primär durch eine mangelnde qualitative Problemlösungskompetenz geprägt, in zweiten Fall ist der Bedarf an zusätzlicher Problemlösungskompetenz in quantitativer Hinsicht charakteristisch. Expert
Jobbing
Sparring
Beratungsintensive Professional Services Investment Banking (M&A) Strategieberatung Rechtsberatung Public Relation Beratung Umsetzungsorientierte … Professional Services IT-Beratung Marktforschung Personalberatung Werbung Wirtschaftsprüfung …
Re-Use
131
Abbildung I-4: Typen professioneller Dienstleistungen
127 128
129 130 131
Vgl. Tordoir (1995), S. 142. Diese Hypothese konnte durch eine empirische Untersuchung gestützt werden, die die Verortungsmöglichkeit der überwiegenden Anzahl der Professional Services zu einem der dargestellten Beziehungstypen bestätigte, vgl. Tordoir (1995), S. 145f. Vgl. Bürger (2005), S. 61. Zur Kennzeichnung der Beratungsintensität als spezifischem Merkmal des Leistungserstellungsprozesses vgl. Bürger (2005), S. 62. Verändert übernommen aus Bürger (2005), S. 64.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
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Die dargelegte These der Korrelation zwischen Art des Wissens und Beziehungstyp findet mancherlei Anknüpfungspunkt in der entsprechenden Literatur. Die These ist in gewisser Weise als verwandt anzusehen zur Kompatibilitätsthese von Tordoir (1995). Tordoir postuliert die Notwendigkeit der Korrespondenz zwischen der Art des Kundenbedarfes, d.h. den Motiven des Einsatzes eines professionellen Dienstleisters, und der Beziehung zwischen Kunden und Anbieter, ohne dabei allerdings explizit nach der Art des erforderlichen Wissens zu differenzieren.132 Ist der Bedarf des Kunden menschlicher bzw. managerieller Natur, so können die dazugehörigen Probleme am besten im Rahmen einer Sparring Beziehung gelöst werden. Hat der Kunden hingegen ein eher technisches Problem, so erscheint dessen Lösung im Rahmen einer Jobbing Beziehung sinnvoll. Betrifft die die dargestellte Typenbildung nach Bürger (2005) in erster Linie die Anbieter bzw. die Dienstleistungen selbst, so ist sie komplementär zu entsprechenden Überlegungen von Skaates/Seppänen (2002), die die Kundenseite thematisieren. Dazu treffen sie eine Unterscheidung nach Kundentypen zwischen sog. „Developers“ und „Exploiters“.133 Developers entwickeln ihre Kompetenzen in enger Zusammenarbeit mit Professional Service Firms, das Verhältnis zum Dienstleister ist durch intensive Interaktion und Gegenseitigkeit geprägt. Exploiters hingegen lagern die Entwicklung von Kompetenzen aus und kaufen fertige Problemlösungen ein, der Grad der Interaktion und Gegenseitigkeit ist ceteris paribus geringer einzuschätzen. (3) Management auf Zeit als professionelle Dienstleistung Nach der detaillierten Differenzierung der vergangenen Abschnitte kann Management auf Zeit nun in die vorgestellten Zusammenhänge eingeordnet werden. Grundsätzlich ist Management auf Zeit aufgrund seiner Eigenschaften den Dienstleistungen zuzurechnen. Die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen im allgemeinen, d.h. Intangibilität der Leistung und Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozeß, sind zwanglos gegeben. Ferner gehört Management auf Zeit zur Gruppe der Professional Services. Auch diese Zuordnung fällt vergleichsweise leicht. Die dargestellten Charakteristika professioneller Dienstleistungen, d.h. Wissensintensität und Interaktionskomplexität treffen auf Management auf Zeit in besonderer Weise zu. Das Wissen eines Interim Managers, seine Fähigkeiten und seine Erfahrung sind Voraussetzung, Grundlage und wesentlicher Inputfaktor seiner Leistungserstellung.134 Die Führungsprobleme, die dem Einsatz von Management auf Zeit zugrunde liegen, zeichnen sich durch ihre 132 133 134
Besteht diese Korrespondenz nicht, so besteht nach Tordoir (1995) ein erhöhtes Risiko des Scheiterns, vgl. Tordoir (1995), S. 139. Vgl. Skaates/Seppanen (2002), S. 432. Vgl. u.a. Ribbert (1995), S. 100ff., Bloemer (2003), S. 87f.
30
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
„Bösartigkeit“ aus, die die Planbarkeit des Lösungsprozesses ex ante mitunter deutlich einschränken kann. Obgleich bislang keine definitorische Fassung des für Management auf Zeit-Dienstleistungen relevanten Wissens vorgenommen wurde, kann aufgrund der Beschaffenheit der zu lösenden Probleme in diesem Zusammenhang von Expert-Wissen gesprochen werden. Auch die Komplexität der Beziehung zum Kunden sowie der Unternehmensbezug können bejaht werden. Manager auf Zeit werden im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses stärker als andere professionelle Dienstleister in die Organisation des Kunden integriert. Die direkte Zusammenarbeit mit ihren Kunden und den Mitarbeitern innerhalb des Unternehmens des Kunden sind integraler Bestandteil des Auftrages.135 Nicht zuletzt aufgrund der hierarchischen Stellung der Interim Manager sowie der Art der Zusammenarbeit im Rahmen der Leistungserstellung kann von einer Sparring-Beziehung mit dem auftraggebenden Management gesprochen werden. Innerhalb der Professional Services kann Management auf Zeit aufgrund der Qualität des eingesetzten Expert-Wissens und der Sparring-Beziehung zwischen externem Manager und Kunden grundsätzlich den beratungsintensiven professionellen Dienstleistungen zugeordnet werden.136 Hinsichtlich beider Dimensionen ist einer Besonderheit dieser Dienstleistung Rechnung zu tragen. In der Literatur zu Professional Services stehen oftmals – implizit oder explizit – spezifische Organisationsformen wie bspw. Professional Service Firms im Vordergrund. Manager auf Zeit sind jedoch insbesondere als selbständige Professionals zu berücksichtigen.137 Aus diesem Grund bedürfen entsprechende Konzepte, bspw. der wettbewerbskritischen Ressourcen, einer Ergänzung um eine individuelle, d.h. auf den einzelnen Manager fokussierende Sichtweise.
135
136
137
Für eine Übersicht unterschiedlicher Einsatzformen von Managern auf Zeit vgl. u.a. Ribbert (1995), S. 44ff., Johner-Glamsch (2004a), S. 163ff. sowie Kapitel I.2.2(2) der vorliegenden Arbeit. Weitere beratungsintensive Professional Services sind Investment Banking, Personalberatung, Public relations Beratung Rechtsberatung, Strategieberatung u.a.m, vgl. Bürger (2005), S. 64. Die Einordnung von Management auf Zeit in die Gruppe der beratungsintensiven professionellen Dienstleistungen mag zunächst paradox erscheinen. In Abgrenzung zu anderen professionellen Dienstleistungen (siehe dort) haftet Management auf Zeit in aller Regel die Einschätzung einer besonderen Umsetzungsorientierung an. Zur Klärung dieses Sacherhaltes sind allerdings verschiedene sprachliche Ebenen sauber zu trennen: Während der umgangssprachliche Anspruch der Umsetzungsorientierung insbesondere auch einer Abgrenzung gegenüber der konzeptionellen Arbeit der Unternehmensberatung dient, spiegelt der wissenschaftliche Terminus insbesondere den in hohem Maße interaktiven Prozeß der Leistungserstellung wider. Für eine Betrachtung organisationaler Aspekte des Managements auf Zeit vgl. Abschnitt I.2.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
I.1.3
31
Abgrenzung des Management auf Zeit gegenüber anderen Arbeits- und Dienstverhältnissen
Nach der geleisteten definitorischen Annäherung und Einordnung wird es in den nächsten Abschnitten darum gehen, Management auf Zeit gegenüber anderen Dienst- und Arbeitsverhältnissen abzugrenzen. Eine weitere Differenzierung unterschiedlicher Arbeits- und Dienstverhältnisse kann dabei in Anlehnung an transaktionskostentheoretische Überlegungen (Williamson 1975, Williamson 1985) erfolgen. Analog zu anderen Investitionsgütern ist auch für Managementaufgaben die grundsätzliche Wahl zu treffen, eine Leistung intern zu erbringen (Make) oder sie extern einzukaufen (Buy).138 Demzufolge soll die formale Unternehmenszugehörigkeit als Strukturierungskriterium für die folgenden Ausführungen gelten. Anhand dieses Kriteriums erfolgt zunächst eine Abgrenzung gegenüber alternativen Optionen einer Stellenbesetzung (1), sowie danach eine Abgrenzung gegenüber anderen Formen professioneller Dienstleistungen (2). (1) Abgrenzung gegenüber alternativen Optionen der Besetzung von Management-Stellen Grundlegende Unterschiede zwischen internen und externen Formen der Besetzung von Managementstellen betreffen die Art und Dauer der Bindung zwischen Unternehmen und Manager. Unternehmen wählen eine interne Leistungserstellung (Make), wenn die erforderliche Managementressource langfristig im Unternehmen aufgebaut und gebunden werden soll, weil sie bspw. eine entsprechende Spezifität aufweist und Unsicherheit unterliegt.139 Eine langfristige Stellenbesetzung kann durch eine interne Versetzung erfolgen, wenn innerhalb des Unternehmens entsprechende Ressourcen vorhanden sind. Ist diese nicht möglich, kann die Festanstellung eines Managers angestrebt werden. Hingegen erscheint eine Besetzung durch externe Managementressourcen (Buy) dann angezeigt, wenn die erforderlichen Ressourcen im Unternehmen nicht vorhanden sind und bzw. oder nicht langfristig gebunden werden sollen. Im Rahmen der Abgrenzung dieser grundlegenden Optionen können transaktionsbezogene und inhaltliche Aspekte unterschieden werden. Die Akquisition von Managementressourcen ist mit nicht zu vernachlässigende Transaktionskosten in Form von Such- und Verhandlungskosten verbunden.140 Darüber hinaus unterscheiden sich die unterschiedlichen Formen insbesondere hinsichtlich des 138 139 140
Vgl. Kaiser et al. (2007), S. 142. Vgl. Bruns/Kabst (2005), S. 516. Vgl. Drumm (2005), S. 330. Diesbezüglich kann jedoch keine grundlegende Unterscheidung zwischen den Akquisitionszielen einer Festanstellung und externen Management-Ressourcen getroffen werden.
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
zeitlichen Faktors. Im Falle einer internen Versetzung sowie einer Beauftragung eines Managers auf Zeit sind diese binnen kurzer Frist verfügbar. Diesbezüglich wird Interim Managern der Anspruch zugeschrieben, innerhalb 14 Tagen effektiv zu sein, während regulären Stelleninhabern eine Einarbeitungszeit der sprichwörtlichen „100 Tage“ zugestanden wird.141 Im Rahmen einer inhaltlichen Abgrenzung zwischen internen und externen Formen der Besetzung von Management-Stellen kann zunächst eine weitere Differenzierung hinsichtlich des Managementbegriffs vorgenommen werden. Das Management eines Unternehmens umfaßt in institutioneller Hinsicht den Personenkreis seiner Führungskräfte, dem die Ausübung von Managementaufgaben obliegt.142 Er reicht vom Unternehmer über den Vorstand bis hin zu technischen Führungspositionen wie bspw. eines Meisters.143 Folgt man einer gängigen Einteilung, so lassen sich gem. ihrer hierarchischen Zuordnung die Gruppen der oberen, mittleren und unteren Führungskräfte unterscheiden.144 Das obere Management stellt die Mitglieder des Topmanagements, sie bilden die Unternehmensleitung. Bei Personalgesellschaften sind dies entweder die Unternehmer als Kapitaleigner oder von Ihnen bestellte Vertreter. In Kapitalgesellschaften besetzen die Mitglieder des Topmanagements die Führungsorgane, die die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherstellen. Das mittlere Management kann je nach Unternehmen eine Vielzahl von Hierarchiestufen umfassen.145 U.a. ist die Gruppe der leitenden Angestellten eines Unternehmens zu ihnen zu zählen. Das untere Management bildet in der Regel die Schnittstelle zu den rein ausführend tätigen Mitarbeitern eines Unternehmens.146 Die unteren Führungskräfte kontrollieren und koordinieren die Tätigkeiten der ausführenden Mitarbeiter und gleichen diese mit den durch das Management vorgegebenen Zielen ab. Die genannten Gruppen lassen sich anhand ihrer nachstehend aufgeführten zentralen Merkmale charakterisieren (vgl. Abbildung I-5): Art der Aufgabe 141 142 143 144 145 146
Vertragliche Basis der Unternehmenszugehörigkeit Weisungsbefugnisse bzw. –gebundenheit und arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen Dauer der Unternehmenszugehörigkeit Vergütung der Arbeits- bzw. Dienstleistung Vgl. Bloemer (2003), S. 101. Vgl. Staehle (1999), S. 89. Für eine funktionale Sicht des Managements im Sinne einer professionalisierten Form der Führung vgl. Abschnitt I.1.1. Vgl. Ribbert (1995), S. 8f. Vgl. u.a. Staehle (1999), S. 89. Eine weitergehende Differenzierung soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit bewußt unterbleiben. Vgl. Staehle (1999), S. 89, Ribbert (1995).
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
33
Die Differenzierung der unterschiedlichen Optionen der Arbeits- und Dienstverhältnisse kann ebenfalls anhand dieser zentralen Aspekte erfolgen.147 Sie bilden die Basis für einen Vergleich internen Managements mit externem Management auf Zeit. Obere Führungskräfte Unternehmer
Organmitglied
Art der Aufgabe
Unternehmensleitung
Unternehmensleitung
Basis der Unternehmenszugehörigkeit Weisungsbefugnisse bzw. –gebundenheit
Einsatz Kapital und Dienstvertrag Wissen
Arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen
Keine
Dauer der Unternehmenszugehörigkeit
Unbefristet
Vergütung
Gewinn, Rendite
Umfassende Weisungsbefugnis se, keine Weisungsgebunde nheit
Mittlere Führungskräfte
Untere Führungskräfte
Leitende Angestellte
Mittlere Führungskräfte i.e.S. Aufgaben mit Übersetzung von hoher unternehmensVerantwortung für politischen Zielen Unternehmen und und Mitarbeiter Entscheidungen in Programme, Regeln, Vorgaben Arbeitsvertrag Arbeitsvertrag
Arbeitsvertrag
Umfassende Weisungsbefugnisse, Weisungsgebundenheit u.U. durch vertragliche Regelungen oder Institutionen Nur, falls eindeutige Parallelen zum Arbeitsverhältnis bestehen
Weitreichende Mittlere WeisungsWeisungsbefugnisse und befugnisse, gebundenheit geringe Weisungsgebundenheit
Geringe Weisungsbefugnisse, umfassende Weisungsgebundenheit
Sämtliche Sämtliche ArbeitnehmerArbeitnehmerschutzvorschrften schutzvorschriften mit Ausnahme v. BetrVG, AZO, KSchG unter der Einschränkung von §14 Abs. 2 KschG
Sämtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften
u.U. befristet auf den Zeitraum der Bestellung zum Organmitglied, Möglichkeit der Vertragsverlängerung Einkommen, u.U. Erfolgsbeteiligung
DauerarbeitsDauervertrag, je nach arbeitsvertrag Erleichterung der Kündigung durch §14 Abs. 2 KSchG
Dauerarbeitsvertrag
Koordination und Kontrolle ausführender Bereiche
Einkommen, u.U. Einkommen, u.U. Einkommen, u.U. Erfolgsbeteiligung Erfolgsbeteiligung Erfolgsbeteiligung
148
Abbildung I-5: Merkmale unternehmensinterner Führungskräfte
(a) Art der Aufgabe: Lenkt man den vergleichenden Blick auf die Art der Aufgabe, so ist hier zunächst kein Abgrenzungskriterium zum Management auf Zeit zu finden. In dieser Hinsicht sind Manager auf Zeit und „normale“ Manager dahingehend gleichzusetzen, daß beide in Organisationen Führungsaufgaben übernehmen. Unabhängig von der Frage, für welche Führungsaufgaben der Einsatz externer Manager besonders sinnvoll erscheint, bleibt festzuhalten, daß grundsätzlich jede Managementposition durch einen Manager auf Zeit besetzt werden kann.149 Unterschiede können jedoch in der jeweiligen Situation, die einen Einsatz 147 148
149
Vgl. Ribbert (1995), S. 7. Leicht verändert übernommen von Ribbert (1995), S. 21; aufgrund der hohen praktischen Bedeutung beschränken sich die Ausführungen auf GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Vgl. Ribbert (1995), S. 22.
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
erforderlich macht, sowie den in diesem Kontext erforderlichen Kompetenzen liegen.150 (b) Basis der Unternehmenszugehörigkeit: Eine relativ klare Abgrenzung hingegen erlaubt das formale Kriterium der Unternehmenszugehörigkeit. Der Einsatz eines Managers auf Zeit basiert in der Regel auf einem Dienstvertrag gem. §§611 ff. BGB.151. Dieser kommt, abhängig von der gewählten Konstellation, zwischen dem Unternehmen und dem Manager (Zweierverhältnis) oder zwischen dem Unternehmen und einem Management auf Zeit-Dienstleister zustande, der wiederum den Manager kontrahiert (Dreierverhältnis). Das derart gestaltete Vertragsverhältnis läßt eine klare Abgrenzung zu internen Führungskräften zu. Das Gros der unteren und mittleren Führungskräfte ist mit einem Arbeitsvertrag an das Unternehmen gebunden. Im Gegensatz zu einem Dienstvertrag ist ein Arbeitsvertrag ein auf Dauer geschlossener privatrechtlicher Vertrag, durch den sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zu Leistung unselbständiger Dienste gegen Zahlung einer Vergütung verpflichtet.152 Während dies i.d.R. angestellte Arbeitnehmer sind, wird dieser Status für Interim Manager dadurch vermieden, daß letztere als Selbständige tätig werden. Die Abgrenzung zwischen Interim Managern und Managern in Organpositionen hingegen erfordert unter strukturellen Gesichtspunkten eine gesonderte Betrachtung. Eine Bestellung in organschaftliche Positionen wird regelmäßig durch dienstvertragliche Regelungen gestaltet.153 Sie begründet kein Angestelltenverhältnis.154 Unter Hinzunahme weiterer, ergänzender Kriterien ergeben sich jedoch zuverlässige Abgrenzungsmöglichkeiten. Mögliche Ansatzpunkte sind die inhaltliche Ausgestaltung des Dienstvertrages sowie insbesondere die Dauer der Tätigkeit. (c) Weisungsbefugnisse / -gebundenheit: Das Motiv der Selbständigkeit schlägt sich auch in der Frage Weisungsbefugnisse bzw. –gebundenheit nieder. Im Rahmen ihres jeweiligen Auftrages können Manager auf Zeit weitreichende Weisungsbefugnisse ausüben. Sie selbst jedoch sind relativ frei hinsichtlich ihrer Tätigkeitsgestaltung und Arbeitszeit. Die Leistungserbringung als freier Dienstleister ist durch persönliche, wirtschaftliche und soziale Selbständigkeit und Unabhängigkeit geprägt.155 Die dienstvertraglichen Verpflichtungen orientieren sich nur an den 150 151 152 153
154 155
Vgl. Koepff (2007), S. 131. Vgl. hierzu und zu den nachstehenden Ausführungen auch Abschnitt I.1.1. Vgl. u.a. Brox (1991), S. 5, Drumm (2005), S. 368f. Vgl. Koepff (2007), S. 58. Die Bestellung zum Organ begründet indes eine Rechtsbeziehung, die sich in einer besonderen Haftung des MaZ gegenüber dem Unternehmen niederschlägt. Als Organ haftet der Geschäftsführer bzw. Vorstand der Gesellschaft für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes bzw. die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters; vgl. Schmidt (2002), S. 1077, Haag (2004), S. 249. Vgl. Schmidt (2002), S. 1073. Vgl. Haag (2004), S. 240.
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mit dem Unternehmen vereinbarten Zielen, nicht aber an der Art und Weise ihrer Erreichung.156 Von diesem freien Dienstverhältnis abzugrenzen ist das „unfreie“ Arbeitsverhältnis, in dem die Mehrzahl der Führungskräfte eines Unternehmens steht. Zwar haben auch sie – abhängig von ihrer Hierarchiestufe und Aufgabe – Weisungsbefugnisse gegenüber den angehörigen niedriger Hierarchiestufen, dennoch sind sie arbeitsrechtlich den Arbeitnehmern zuzuordnen und demnach ihrerseits weisungsgebunden. Da der Gesetzgeber für Arbeitnehmer eine allgemeine Schutzbedürftigkeit annimmt, geht deren Status mit umfänglichen gesetzlichen Schutzbestimmungen einher.157 Lediglich leitende Angestellte sind aufgrund ihrer arbeitsgeberähnlichen Funktion von den gesetzlichen Schutzbestimmungen ausgenommen.158 Im Gegensatz dazu sind beim Einsatz von Managern auf Zeit keine arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften zu beachten. Das Fehlen der ansonsten erforderlichen Arbeitgeberpflichten verschafft der Unternehmung ein hohes Maß an Flexibilität.159 (d) Dauer des Einsatzes: Ein weiteres Abgrenzungskriterium besteht in der Dauer des Einsatzes bzw. der Unternehmenszugehörigkeit. In der Praxis besteht Einigkeit, daß ein Manager auf Zeit als Selbständiger zeitlich befristet tätig ist.160 Regelmäßig dauern Mandate von Managern auf Zeit zwischen drei und 18 Monaten.161 Das Arbeitsverhältnis angestellter Arbeitnehmer im unteren und mittleren Management wird im Gegensatz zum Interim Management in der Regel auf Dauer geschlossen.162 Eine Befristung ist nur unter bestimmten, gesetzlich definierten Voraussetzungen möglich.163 Auch wenn ein allgemeiner Trend zu kürzeren Beschäftigungsverhältnissen zu beobachten ist,164 ist diese Entwicklung nicht mit Management auf Zeit in dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Verständnis zu verwechseln, da die übrigen erforderlichen konstitutiven Merkmale nicht erfüllt sind.
156 157
158
159 160 161 162 163 164
Vgl. Ribbert (1995), S. 24. Die relevanten Schutznormen umfassen verfassungsrechtliche Regelungen, Gesetze (z.B. BGB, HBG, BetrVG), Tarifnormen (z.B. das TVG, das eine weitere Konkretisierung durch Tarifvereinbarungen erfährt) und Betriebsvereinbarungen, vgl. u.a. Brox (1991), S. 2ff. Die Arbeitgeberfunktion Leitender Angestellter schlägt sich bspw. in der selbständigen Einstellung bzw. Kündigung von Mitarbeitern nieder. Folglich fallen sie nicht in den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes, das die Zusammenarbeit der Arbeitgeber mit der von den Arbeitnehmern gewählten betrieblichen Interessenvertretung regelt, vgl. §5 Abs. 3 BetrVG. Auf Initiative der leitenden Angestellten kann jedoch ein Sprecherausschuß eingerichtet werden. Er dient als Interessenvertretung und nimmt betriebsratsähnliche Aufgaben war, ist aber im Rahmen der Mitbestimmung schwächer gestellt, vgl. dazu u.a. Sundermann (1992), Sp. 1352f., Welge (1992), Sp. 940. Vgl. Ribbert (1995), S. 24. Vgl. Haag (2004), S. 240. Vgl. Bloemer (2003), S. 101, Heuse (2004). Vgl. Ribbert (1995), S. 16. Vgl. §14 Abs. 1 TzBfG. Vgl. Priddat (2002), S. 72, Haunschild (2004), S. 15ff.
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Auch im Falle von Organmitgliedern des Top-Managements ist eine Abgrenzung hinsichtlich der Dauer des Einsatzes möglich. Wie bereits oben angedeutet erfolgt die Bestellung von Organmitgliedern im Rahmen eines Dienstvertrages, der auf den Zeitraum der Bestellung befristet sein kann.165 Bezüglich seiner Dauer existiert für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften in Deutschland zunächst eine Befristung ihrer Bestellung auf fünf Jahre, deren Verlängerung jedoch ohne weiteres zulässig166 und üblich ist, da die Vertragsparteien grundsätzlich an einer längeren Beziehung interessiert sind.167 Für Geschäftsführer einer GmbH ist eine unbefristete Bestellung möglich. Während also reguläre Organmitglieder oft mit einem relativ offenen Zeithorizont an das Unternehmen gebunden werden,168 ist das Ausscheiden aus dem Unternehmen für Interim Manager von vorneherein ein fester Bestandteil des Dienstverhältnisses.169 (e) Vergütung der Leistung: Die Vergütung von internen und externen Managern richtet sich nach den zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen. Mittlere und untere Führungskräfte erhalten eine Vergütung ihrer Arbeitsleistung in Form eines monatlichen Gehaltes. Zusätzlich steht Arbeitnehmern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen bezahlter Urlaub sowie Sozialleistungen wie bspw. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu.170 Zudem sind weitere Gehaltsbestandteile wie bspw. die Gewährung von Zusatzleistungen auf Basis tarifvertraglicher Regelungen und bzw. oder Betriebsvereinbarungen üblich. Erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile sind in dieser Gruppe eher selten.171 Leitende Angestellte erhalten grundsätzlich die gleichen Vergütungsbestandteile. Ihr Gehalt jedoch richtet sich in der Regel nach der hierarchischen Position und der damit einhergehenden Verantwortung. Deshalb wird das Gehalt leitender Angestellter regelmäßig außertariflich und individuell festgelegt. Zusätzlich ist es üblich, leitenden Angestellten weitere Gehaltskomponenten, bspw. in Form erfolgsabhängiger Zusatzleistungen, zu gewähren. Organmitglieder erhalten ihre Vergütung aus der Erfüllung ihres Dienstvertrages. Aus diesem Einkommen haben sie ihre soziale Absicherung grundsätzlich selbst zu bestreiten. Dennoch ist es mittlerweile üblich, daß Unternehmen freiwillig soziale Zusatzleistungen übernehmen oder eine erfolgsabhängige Vergütung gewähren.172
165 166 167 168
169 170 171 172
Vgl. Chmielewicz (1992), Sp. 2475. Vgl. §84 Abs.1 AktG. Vgl. Koepff (2007), S. 60. Zwar gilt für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften in Deutschland zunächst eine Befristung ihrer Bestellung auf fünf Jahre, diese kann jedoch verlängert werden, vgl. §84 Abs.1 AktG. Für Geschäftsführer einer GmbH ist eine unbefristete Bestellung möglich. Vgl. Gloger (2003), Müller (2003). Vgl. LFZG, BUrlG. Vgl. Ribbert (1995), S. 19. Vgl. Ribbert (1995), S. 20, Rang (2005), S. 14f.
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So sind Gewinnbeteiligungen und sonstige Bezüge für Vorstandsmitglieder in Aktiengesellschaft in den §§ 86 und 87 AktG explizit geregelt. Die Vergütung eines Managers auf Zeit resultiert aus seinem Dienstvertrag. Das Unternehmen zahlt nur für die tatsächlich geleistete Arbeit, zumeist auf der Basis von Tagessätzen.173 Zusätzlich werden die angefallenen Spesen vergütet. Nicht unüblich ist auch eine Vereinbarung hinsichtlich einer erfolgsabhängigen Vergütungskomponente.174 Personalneben- und Zusatzkosten fallen im Gegensatz zur Beschäftigung interner Führungskräfte nicht an.175 Vergleicht man die Gesamtaufwendungen, die mit einer Festanstellung von Managern verbunden sind mit denen, die für den Einsatz eines externen Managers auf Zeit erforderlich sind, so wird einerseits deutlich, daß Manager auf Zeit langfristig bzw. je Periode höhere Kosten verursachen.176 Andererseits ergibt sich aufgrund der geringeren Bindungsintensität und größeren Flexibilität ein Kostenvorteil im Rahmen kurzfristiger Einsätze.177 (2) Abgrenzung gegenüber anderen professionellen Dienstleistungen Neben anderen Formen der Stellenbesetzung ist Management auf Zeit gegenüber anderen Dienstleistungen abzugrenzen. Relevant im Kontext der Abgrenzung erscheinen dabei insbesondere die Dienstleistungen der Unternehmensberatung, der Personalberatung sowie des Personalleasing bzw. der Zeitarbeit.178 Ansatzpunkte zur Differenzierung der unterschiedlichen Dienstleistungen bilden deren beobachtbare Charakteristika.179 (a) Unternehmensberatung: Unternehmensberatungen bilden eine klassische Form professioneller Dienstleistungen, unter denen ihnen mitunter aufgrund spezifischer Leistungsmerkmale gar eine zentrale Position zugeschrieben wird.180 Dennoch existiert keine allgemein anerkannte Definition.181 Im Rahmen dieser Arbeit soll in
173 174 175 176 177 178 179 180 181
Vgl. Frank (1995), S. 76f., Ribbert (1995), S. 25. Vgl. Ribbert (1995), S. 25. Als Ausnahme können solche Organmitglieder angesehen werden, deren Tätigkeit ebenfalls selbstständig erfolgt, vgl. Ribbert (1995), S. 25. Vgl. Bloemer (2003), S. 100f. Für eine exemplarische Vergleichsrechnung vgl. Frank (1995), S. 78, Vgl. dazu u.a. Ribbert (1995), S. 27ff., Frank (1995), S. 68ff., Mestwerdt (1998). Vgl. Bürger (2005), S. 24f. Tordoir (1995) begründet diese Aussage u.a. mit einem hohen Interaktionsgrad im Rahmen der Leistungserstellung, vgl. Tordoir (1995), S. 155; Die Bezeichnung des Unternehmensberaters wird von höchst unterschiedlichen Anbietern geführt. So bezeichnen sich z.B. auch viele andere Dienstleister als Unternehmensberater, deren Leistung jedoch nur zu einem geringen Teil aus Unternehmensberatung im engeren Sinn besteht. Tordoir (1995) nennt als Beispiele Marktforscher, Rechtsanwälte u.a.m.; vgl. Tordoir (1995), S. 156.
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Anlehnung an Greiner/Metzger (1983) unter Unternehmensberatung „die objektive und unabhängige Identifikation und Analyse von Managementproblemen mit anschließender Herleitung einer Lösung sowie bei Bedarf deren Implementierung“ verstanden werden.182 Auch diese Definition ist jedoch - wie zu zeigen sein wird - vor dem Hintergrund der Abgrenzung zu Management auf Zeit einer kritischen Prüfung bzw. Präzisierung zu unterziehen. Zunächst soll jedoch eine weitere Charakterisierung der Unternehmensberatung erfolgen. Kennzeichnend für die Unternehmensberatung ist das spezifische SparringVerhältnis zwischen Unternehmensberater und dem Management auf Kundenseite.183 Dabei treten die Beratungsinhalte zunächst in den Hintergrund, da sie basierend auf den Kundenanforderungen variieren können. Auf Basis der unterschiedlichen Problemstellungen der Kunden kann nach ganzheitlicher und spezialisierter Beratung unterschieden werden.184 Während ganzheitliche Beratungen sich mit den Wechselwirkungen zwischen einzelnen Unternehmensbereichen, Führungsstrukturen und den Führungsprozessen beschäftigen, fokussieren Spezialberatungen bestimmte Teilbereiche in thematischer, funktionaler, geographischer oder anderer Hinsicht.185 Die Basis der Zusammenarbeit zwischen Unternehmensberatung und Kunden bildet der Beratervertrag. Er ist dem Verhältnis nach ein Dienstvertrag und regelt Art, Umfang und Zeithorizont der zu lösenden Aufgabenstellung sowie die Vergütungsmodalitäten.186 Der durch Beratung geschaffene Mehrwert basiert in erster Linie auf dem Transfer professionellen Wissens vom Berater zum Kunden.187 So können Beratungen einen externen Anstoß zur Entwicklung und Innovation von Unternehmen geben oder neue Erfahrungen Wissen und Techniken auf den Kunden transferieren. Ferner kann eine Unternehmensberatung die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen erhöhen, wenn sie zur Bewältigung aperiodischer Aufgaben eingesetzt wird und die diesbezügliche Bindung interner Ressourcen mindert. Auf Basis der dargestellten Charakteristika finden sich in der Literatur vielfältige Kriterien, die der Abgrenzung der Bereiche der Unternehmensberatung und des Managements auf Zeit dienen können. Dazu zählen insbesondere die Abgrenzung nach (Projekt-)Phasen, Befugnissen und eingenommene Rollen sowie den unterschiedlichen Kompetenzen.
182 183 184 185 186 187
Vgl. Greiner/Metzger (1983), S. 7, ähnlich auch Stutz (1988), S. 100, Ringlstetter et al. (2004c), S. 50. Vgl. Tordoir (1995), S. 157. Vgl. Tordoir (1995), S. 157, Bürger (2005), S. 33. Vgl. Wagner (1992), S. 12f., Bürger (2005), S. 33. Vgl. Ribbert (1995), S. 37. Vgl. u.a. Lahti/Beyerlein (2000), S. 71, Gillmann (2001), S. 22, Kipp (2005), S. 65f.; zu den verschiedenen Funktionen der Unternehmensberatung vgl. auch Stutz (1988), S. 90f., Oetinger (2004), S. 72f.
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Phasenmodelle teilen den Lösungsprozeß allgemeiner Managementprobleme in generische Phasen ein und differenzieren nach Konzeptionisierungsphase und Implementierungsphase.188 In der ersten Phase steht die Informationssuche und verdichtung, die Identifizierung und Bewertung von Handlungsoptionen sowie schließlich eine Präsentation und Entscheidung für eine Alternative im Vordergrund. Unternehmensberater dienen der Verbesserung der entscheidungsrelevanten Informationsbasis des Entscheidungsträgers.189 Fokus dieser ersten Phase ist demnach die Willensbildung und Entscheidungsunterstützung. In einer weiteren Phase steht die Implementierung und damit die Willensdurchsetzung und Realisation im Vordergrund. Unternehmensberatung ist dem Aufgabenschwerpunkt nach der ersten Phase zuzuordnen, während Management auf Zeit eher der zweiten Phase zuzuordnen ist.190 Eng mit der gestellten Aufgabe und der Phasenzuordnung verbunden ist die Allokation von Befugnissen. Sie kann als Ergebnis der verschiedenen Rollen betrachtet werden, die Unternehmensberater und externe Manager in Abhängigkeit von ihren Aufgaben einnehmen können. Mit einem Verständnis der Unternehmensberatung als Entscheidungsunterstützung geht der grundsätzliche Verzicht auf formelle Weisungsbefugnisse im Unternehmen des Kunden einher. Im Gegensatz dazu werden Managern auf Zeit mehr oder weniger umfangreiche Weisungsbefugnisse eingeräumt.191 Je nach Art und Umfang der Aufgabe werden Manager auf Zeit mit den entsprechenden Befugnissen ausgestattet, um die vereinbarten Implementierungsaufgaben ausführen zu können. Eng verknüpft mit dem Aspekt der Befugnisse ist eine weiteres Differenzierungsmerkmal: Interim Manager übernehmen oftmals die direkte Verantwortung für Anders als Unternehmensberater übernehmen Interim Manager oftmals das Gelingen oder Nicht-Gelingen ihrer Arbeit.192 Die Ausstattung mit entsprechenden Befugnissen ist dafür Voraussetzung. Eine weitere Dimension, die in der Literatur zur Differenzierung und Abgrenzung zwischen Unternehmensberatung und Management auf Zeit herangezogen wird, ist die Betrachtung der erforderlichen Kompetenzen. Damit geht oftmals eine biographische Betrachtung typischer Lebensläufe einher. Aus ihnen wird deutlich, daß sich die Profile, Lebensläufe und Kompetenzen von Managern auf Zeit und 188 189 190
191 192
Vgl. hierzu u.a. Ribbert (1995), S. 36. Ein derartiges Verständnis generischer Phasen ist schon in der Definition nach Greiner/Metzger (1983) angelegt. Vgl. Ribbert (1995), S. 37. Vgl. Ribbert (1995), S. 39f. Während die oben eingeführte Definition der Unternehmensberatung nach Greiner/Metzger (1983) grundsätzlich auch Maßnahmen der Implementierung umfaßt, herrscht überwiegende Einigkeit, daß dies keineswegs den Schwerpunkt der Unternehmensberatung bildet. So bezeichnet Tordoir (1995) die konditionale Einschränkung hinsichtlich der Implementierung gar als große Stärke der Definition und verdeutlicht damit die Schwerpunktsetzung zugunsten der Konzeptionierungsphase, vgl. Tordoir (1995), S. 157. Vgl. Ribbert (1995), S. 40. Vgl. Frank (1995), S. 72, Ribbert (1995), S. 41.
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Unternehmensberatern mitunter deutlich unterscheiden.193 Auf der einen Seite stehen die Berater, deren Kompetenz in erster Linie auf Fachkompetenz, Expertenwissen und Objektivität beruht.194 Ihr Einsatz erfolgt in Teams, deren pyramidale Struktur einen Leverage-Effekt ermöglicht.195 Auf der anderen Seite stehen externe Manager, deren wettbewerbsrelevante Kompetenzen insbesondere in ihrer persönlichen Erfahrung und Führungskompetenz liegen. Ihr Einsatz erfolgt in der Regel allein.196 Obwohl sich Unternehmensberatung und Management auf Zeit in ihren Schwerpunkten deutlich voneinander abgrenzen lassen, ist die Trennschärfe der getroffenen Abgrenzung in der Praxis kritisch zu bewerten: Insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Ähnlichkeiten, bspw. hinsichtlich zeitlicher Begrenzung des Einsatzes, Vertragsverhältnis und Vergütungsmodalitäten, existieren Graubereiche, die sich einer genauen Grenzziehung entziehen und so eine klare Abgrenzung erschweren.197 Auf der einen Seite leisten Manager auf Zeit im Rahmen ihrer Einsätze notwendigerweise auch konzeptionelle Beiträge und werden als Externe in vielen Unternehmen pauschal als „Berater“ wahrgenommen. Dies kann insbesondere dann gelten, wenn der Einsatz von Managern auf Zeit nicht im Rahmen einer Linienfunktion, sondern in Form einer Projektaufgabe erfolgt.198 Auf der anderen Seite sehen sich Unternehmensberater zunehmend kritischer werdenden Klienten gegenüber, die stärker als früher eine klare Umsetzungsorientierung fordern. Deshalb gehen mehr Berater dazu über, ihr Angebot auf konkrete Umsetzbarkeit auszurichten oder gar selbst deren Implementierung anzubieten.199 In diesem Kontext wird Management auf Zeit zuweilen gar als spezielle Form bzw. Weiterentwicklung der klassischen Unternehmensberatung bezeichnet.200
193 194 195
196
197
198 199 200
Vgl. Golzen (1992), S. 48ff. In diesem Kontext sind Kompetenzen im Sinne von Fähigkeiten (Können) deutlich von Weisungsbefugnissen (Dürfen) abzugrenzen. Vgl. Ribbert (1995), S. 38. Der Begriff des Ressourcen-Leverage steht die Verbesserung der Produktivität der eingesetzten Ressourcen durch deren Kombination, vgl. Hamel/Prahalad (1993), S. 78 sowie im Kontext von Professional Service Firms u.a. Ringlstetter et al. (2004b), S. 15f., Bürger (2005), S. 83ff. „Bei den Beratern schauen sie, ob die Leute fachlich gut sind. Im Interim Management ist das nur die halbe Miete, da gibt es eine viel stärkere Ausrichtung auf den Einzelnen, seine Erfahrung, sein Auftreten. Das macht Skaleneffekte natürlich viel schwieriger.“ (Gesprächspartner im Interview, September 2006). „Wie die Leistung dann genannt wird, ist für Kunden eher sekundär, die Beauftragung ist oftmals auch Ergebnis persönlicher Beziehungen.“ (Gesprächspartner im Interview, Februar 2007). Zu diesbezüglichen Abgrenzungsproblemen vgl. ebenfalls Frank (1995), S. 11, Ribbert (1995), S. 39. Der Einsatz im Rahmen von Projekten bildet eine der häufigsten Einsatzformen von Interim Managern, vgl. Ringlstetter et al. (2007a). Vgl. Schmidt/Vogt (2005). Vgl. Ribbert (1995), S. 35.
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(b) Personalberatung: Den Ausgangspunkt einer Abgrenzung zum Management auf Zeit bildet notwendigerweise eine definitorische Betrachtung der Personalberatung als professionelle Dienstleistung. Insbesondere in der deutsprachigen Literatur wird dabei zwischen einer Personalberatung im weiteren Sinne und der Dienstleistung im engeren Sinne differenziert.201 Personalberatung im weiteren Sinne bezeichnet dabei alle beratenden Aktivitäten, die in den Bereich personalwirtschaftlicher Aufgaben eingeordnet werden können und umfaßt Themen wie Vergütungssysteme, Personalführung, Personalentwicklung etc. Das Verständnis der Personalberatung im engeren Sinne hingegen, das hier im Mittelpunkt der Betrachtung stehen soll, fokussiert die Unterstützung von Kunden bei der Beschaffung von Personal.202 Der Suche und Auswahl der für das jeweilige Unternehmen passenden Fach- und Führungskräfte kommt dabei zentrale Bedeutung zu.203 Ringlstetter et al. (2004) unterscheiden zwei Modi der Personalsuche:204 Auf der einen Seite steht die sogenannte mediengestützte Suche. In diesem Suchmodus werden Kandidaten über verschiedene Kanäle von Printmedien bis hin zu web-basierten Anwendungen gesucht. Auf der anderen Seite steht die sogenannte Direktsuche205 Dabei werden potentielle Kandidaten aktiv und direkt durch die Personalberatung angesprochen.206 Gemeinsam ist beiden Modi das Ziel der Beschaffung von Personal. Die Personalberatung kann folglich durch ihre vermittelnde Aufgabe gekennzeichnet werden.207 Auf Basis dieser kurzen Charakterisierung ist eine Abgrenzung zwischen den professionellen Dienstleistungen der Personalberatung und des Managements auf Zeit evident. Berührungspunkte und Abgrenzungsbedarf ergeben sich insbesondere hinsichtlich der Vermittlung von Management auf Zeit-Dienstleistungen. Gemeinsam ist beiden Dienstleistungen das Ziel, für Unternehmen passende Humanressourcen zu beschaffen. Parallelen sind insbesondere im Bereich der sog. Direktsuche von Führungskräften zu sehen. Dennoch unterschieden sich die Dienstleistungen in zahlreichen Merkmalsdimensionen:
201 202
203 204
205 206 207
Übernommene Aufgabe: Die wohl grundlegendste Unterscheidung findet sich in der Art der Aufgaben, die die Dienstleister für ihre Kunden übernehmen.
Vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 52, Bürger (2005), S. 33f. Hintergrund für diese Fokussierung kann u.a. die praktische Bedeutung sein: Über 80% des Branchenumsatzes werden in der Personalberatung im engeren Sinnen, der Beschaffung von Personal erwirtschaftet; vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 52f. Vgl. Dincher/Gaugler (2002), S. 17. Vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 52; Bürger (2005), S. 34; analog dazu existiert in der angelsächsischen Literatur die Unterscheidung zwischen search consultants und selection consultants, vgl. Snape et al. (1994), S. 24. Im Zusammenhang mit der Direktsuche wird häufig die Synonymen Executive Search oder Headhunting gebraucht; vgl. Leciejewski (1996), S. 11. Vgl. Gazdar (1992), S. 16, Ringlstetter et al. (2004c), S. 53. Vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 40.
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit Personalberatungen verpflichten sich zur Beschaffung und Vorschlag einer passenden Personalressource. Während dieses Vermittlungsgeschäft als Parallele zu einer Management auf Zeit-Agentur angesehen werden kann, unterscheiden sich Management auf Zeit-Dienstleister davon, indem sie über die Personalbeschaffung hinaus gehenden Aufgaben übernehmen.208 Im Rahmen ihrer Tätigkeit verpflichten sie sich zu einer relativ umfassenden Lösung eines Managementproblems für ihre Kunden. Oftmals können zur weiteren Differenzierung auch inhaltliche Merkmale herangezogen werden: Während Management auf Zeit-Aufgaben oftmals mit organisationalem Wandel verbunden sind, fehlt der Personalberatung eine derartige Festlegung. Vermittlungsobjekt: Personalberatungen beschäftigen sich grundsätzlich mit allen von Unternehmen nachgefragten Humanressourcen. Obwohl in der Praxis – nicht zuletzt aus Kostengründen - ein Schwerpunkt in der Beschaffung und im Placement von Führungskräften zu verzeichnen ist, bildet diese einen strukturellen Unterschied zu Management auf Zeit. Diese Dienstleistung beschränkt sich
definitionsgemäß ausschließlich auf Managementpositionen. Zeitliche Aspekte: Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal bilden zeitliche Aspekte. Dies gilt in zweifacher Hinsicht. Zum einen differiert die Reaktionszeit bei der Dienstleistungserstellung. Während es im Rahmen der Personalberatung nicht unüblich ist, daß mitunter ein halbes Jahr von der Beauftragung bis zur Plazierung eines geeigneten Bewerbers vergehen, müssen externe Manager bzw. MaZ-Dienstleister schneller reagieren. Nicht zuletzt aufgrund der mit der Aufgabe einhergehenden Dringlichkeit haben viele Anbieter „NotfallRufnummern“ und verpflichten sich, binnen kurzer Zeit einen geeigneten Kandidaten zu präsentieren. Zum anderen findet sich eine grundlegende Unterscheidung in der Dauer, für die eine Humanressource gesucht wird. Während die Vermittlung einer Personalberatung in der Regel in einem unbefristeten bzw. langfristigen Arbeitsverhältnis mündet, beschränkt sich die Dauer eines Engagements eines externen Managers in der Regel auf maximal 18 Monate.209
Trotz einer Unterscheidung der Dienstleistungen entlang der aufgeführten Abgrenzungsmerkmale ist in der Praxis festzustellen, daß diese für Anbieter nicht immer möglich ist: In zunehmendem Maße drängen Verbund-Anbieter auf den
208 209
Für eine Phasenbeschreibung der Tätigkeit von Personalberatern vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 53. Die Mehrheit der Interim Manager arbeitet weniger als zwölf Monate für einen Arbeitgeber, längere Engagements bilden die Ausnahme, vgl. Forst (2003), S. 39, Ringlstetter et al. (2007a).
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
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Markt, die von der (vermeintlichen) Nähe der Leistungen profitieren wollen und beide Dienstleistungen anbieten.210 (c) Personalleasing bzw. Zeitarbeit: Unter Zeitarbeit versteht man die gewerbsmäßige Überlassung von Arbeitnehmern (Leiharbeitnehmern) von einem darauf spezialisierten Arbeitgeber (Verleiher) an einen anderen Arbeitgeber (Entleiher) zur Erbringung von Arbeitsleistungen.211 Gebräuchlich sind u.a. Synonyme wie Leiharbeit, Personalleasing, Zeitarbeit, Arbeitnehmerüberlassung.212 Zeitarbeit ist in Deutschland Gegenstand spezifischer gesetzlicher Regelungen.213 Der Leiharbeitnehmer untersteht dem Weisungsrecht des Entleihers (Direktionsrecht), ohne daß mit diesem ein Arbeitsverhältnis besteht. Das Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Verleiher beruht auf einem im allgemeinen unbefristeten Leiharbeitsvertrag.214 Als Instrument der Personalanpassung dient es der Flexibilisierung des betrieblichen Personaleinsatzes bei nicht vorhersehbarem oder vorübergehendem Bedarf.215 Vor dem Hintergrund dieser Charakterisierung kann eine Abgrenzung von Management auf Zeit gegenüber Personalleasing erfolgen. Obgleich beide Dienstleistungen den Grundgedanken einer flexiblen Beschaffung personeller Ressourcen teilen, lassen sich mit den gesetzlichen Grundlagen, den Eigenschaften der vermittelten Aufgabe bzw. des Vermittlungsobjektes sowie der Transaktion selbst zahlreiche Merkmale herausstellen, anhand derer sich die beiden Dienstleistungen unterscheiden lassen:216 Die rechtliche Würdigung und gesetzliche Ausgestaltung der beiden Bereiche unterscheidet sich grundlegend: Im Falle des Personalleasings existieren in der Form des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes umfassende gesetzliche Regelungen, die für das Management auf Zeit so nicht vorliegen.217 Als Gründe dieser Gesetzgebung werden in der Regel zwei Themenkomplexe angeführt: Zum einen wird im Falle der Leiharbeitnehmer eine erhöhte Schutzbedürftigkeit
210 211
212 213 214 215 216 217
Vgl. Eisenberg/Niemann (2004), S. 214. Vgl. u.a. Krellmann (1987), S. 5, Gabler (1999); in Abgrenzung dazu bezeichnet man die gelegentliche, nicht gewerbsmäßige Überlassung von Arbeitskräften, die ihre regelmäßige Arbeitsleistung im Betrieb des Verleihers erbringen, als „echte“ Arbeitnehmerüberlassung: vgl. Krellmann (1987), S. 11f. Vgl. Krellmann (1987), S. 5, Ribbert (1995), S. 27. Die rechtliche Grundlage bildet in Deutschland das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Vgl. Becker/Kreikebaum (1982), S. 110ff., Krellmann (1987), S. 11, Ribbert (1995), S. 29f. Vgl. Burda/Kvasnicka (2006), S. 196f.; zu den allgemeinen Vorteilen des Einsatzes von Leiharbeitnehmern vgl. u.a Becker/Kreikebaum (1982), S. 269ff. Vgl. Ribbert (1995), S. 27. Für eine umfassende Darstellung der Geschichte, des Aufbaus und der Charakteristika des AÜG vgl. Krellmann (1987), S. 23ff.
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit gegenüber den Kräften des freien Marktes vorgesehen.218 Einen derartigen Schutz sieht der Gesetzgeber für Interim Manager nicht vor. Gründe für diese geringere Schutzbedürftigkeit können u.a. in der relativ höheren Marktmacht und der relativ größeren Ertragskraft und der damit einhergehenden materiellen Unabhängigkeit des Interim Managers vermutet werden. Zum anderen werden mit einer gesetzlichen Regulierung der Zeitarbeit arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen verfolgt, die sich insbesondere gegen eine übermäßige Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen richten.219
Darüber hinaus unterscheiden sich die Leistungen hinsichtlich der Eigenschaften der vermittelten Aufgabe bzw. des Vermittlungsobjektes: Der Schwerpunkt der im Rahmen des Personalleasings vermittelten Humanressourcen fällt in den Bereich operativer bzw. ausführender Tätigkeiten.220 Gemäß den Ausführungen des Überlassungsvertrags schuldet der Verleiher dem Entleiher die Überlassung eines Mitarbeiters „mittlerer Art und Güte“.221 In Abgrenzung dazu kommen im Rahmen des Managements auf Zeit nur Führungskräfte zum Einsatz, deren Beauftragung auf persönlicher Eignung beruht. Die Natur der Aufgabe macht die Anwendung eines Durchschnittlichkeitskriteriums nicht sinnvoll.222 Die dargestellten unterschiedlichen Eigenschaften des Vermittlungsobjektes zeitigen zahlreiche Unterschiede in der Ausführung der Aufgaben. Leiharbeitnehmer sind voll in die betrieblichen Abläufe des Entleihers integriert und unterliegen dessen Weisungsrecht. Im Gegensatz dazu bewältigen Manager auf Zeit ihre Aufgaben weisungsungebunden. Diese unterschiedlichen Freiheitsgrade bilden ein zentrales Unterscheidungsmerkmal223 Eine letzte Unterscheidung kann hinsichtlich der Transaktion getroffen werden: Die dargestellten Unterschiede der vermittelten Aufgaben sowie hinsichtlich der Eigenschaften des Vermittlungsobjekts finden ihren Niederschlag in den Merkmalen der jeweiligen Transaktion. Aufgrund der dargestellten Merkmale ist anzunehmen, daß Management auf Zeit-Transaktionen im Vergleich zu Maßnahmen des Personalleasings eine höhere Komplexität und eine geringere Frequenz aufweisen. Zudem kann sich die vertragliche Konstellation der Transaktion grundlegend 218 219
220
221 222
223
Zum arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutz von Leiharbeitnehmern vgl. Krellmann (1987), S. 30. Betrug die höchstzulässige Überlassungsdauer in Deutschland gem. AÜG von 1972 zunächst drei Monate, so wurden diese Beschränkungen im Rahmen einer Reihe von Gesetzesnovellen aufgeweicht bzw. abgeschafft, vgl. Vitols (2004), S. 14. Vgl. Becker/Kreikebaum (1982), S. 268. In Ausnahmefällen können jedoch auch Positionen des mittleren Managements Gegenstand des Personalleasings sein. Vor diesem Hintergrund ist eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Zeitarbeit und Management auf Zeit auf Basis hierarchischer Kriterien kritisch zu beurteilen, vgl. Ribbert (1995), S. 28f., 32. Vgl. Frank (1995), S. 70. Das Merkmal der Durchschnittlichkeit findet sich allenfalls im Kontext der Haftung: Manager auf Zeit unterliegen der Verpflichtung zur Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes bzw. der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters; vgl. Schmidt (2002), S. 1077. Vgl. Ribbert (1995), S. 30, 33.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
45
unterscheiden: Im Gegensatz zum Personalleasing muß beim Einsatz eines Managers auf Zeit kein Dienstleister ein- bzw. zwischengeschaltet werden.224 Dieser Unterschied illustriert ein institutionelles Unterscheidungsmerkmal: Während sich Manager auf Zeit durch ihre unternehmerische Selbständigkeit auszeichnen, übernehmen Personaldienstleister für Zeitarbeitnehmer eine volle Arbeitgeberfunktion.225
I.1.4
Anmerkungen zum Stand des wissenschaftlichen Diskurses
Zum Abschluß des konzeptionellen Grundlagenteils dient der folgende Abschnitt einer zwischenfazit-artigen Betrachtung des Forschungsobjektes sowie einer Bewertung der bisher erfolgten relevanten Forschung. Ein zentraler Befund im Rahmen der Untersuchung des Forschungsobjektes ist der geringe Entwicklungsstand des wissenschaftlichen Diskurses. Illustrieren läßt sich dieser Befund durch eine Gesamtschau und Bewertung der vorhandenen Quellenlage. Die vorhandenen Publikationen lassen sich hinsichtlich ihrer jeweiligen Provenienz und Adressaten unterschiedlichen Clustern zuordnen: Zur einer ersten Gruppe sind solche Quellen zu zählen, die das Thema explizit bearbeiten, einer zweiten Gruppe sind hingegen solche zuzuordnen, denen im Rahmen der Bearbeitung indirekte Relevanz zuzusprechen ist. Die Veröffentlichungen, die sich direkt und explizit mit dem Thema des Managements auf Zeit beschäftigen, sind zahlreich. Der überwiegende Anteil dieser Quellen richtet sich jedoch eher an Praktiker.226 Dies gilt für sowohl für die deutsch-, als auch insbesondere für die englischsprachige Literatur. Im Rahmen einer oftmals positivistischen Darstellung fokussieren sie Werdegang und Chancen von Managern auf Zeit aus der Perspektive individueller Manager.227 Die Zahl wissenschaftlicher Quellen ist hingegen vergleichsweise gering.228 Insbesondere in der deutschsprachigen Literatur ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema des Managements auf Zeit noch relativ jung. Obgleich die Thematik seit Mitte der 1990er Jahre auch in Deutschland entdeckt wurde, ist bislang keine fundierte 224 225 226 227
228
Vgl. Wierlemann (1995), S. 11f., 44, Tiberius (2004a), S. 21f. Auch im Falle einer Vermittlung durch Agenturen übernehmen diese für Manager auf Zeit in der Regel nur Vermittlungs- und Beratungsfunktion, vgl. Alewell (2005), S. 18f. Zu den praxisorientierten Beiträgen vgl. stellvertretend Kaufmann (2003), Simms (2003), Kleff (2003). Vgl. stellvertretend Russell (1998), Clutterbuck/Dearlove (1999); bemerkenswert ist die durchweg positivistische Konnotation dieser Quellen im Sinne der „Free Agents“-Perspektive, vgl. Kunda et al. (2002), S. 237f. Die Grenzziehung ist nicht unproblematisch und kann aus diesem Grunde hier nur anhaltsweise bzw. nach angesprochener Zielgruppe gelten.
46
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Auseinandersetzung und zusammenhängende Weiterentwicklung zu erkennen.229 Vielmehr kann in der theoretischen Diskussion ein deutliches Defizit akademischer Durchdringung verzeichnet werden.230 Dieser Befund läßt sich anhand des konzeptionellen Aussagegehaltes der vorliegenden Veröffentlichungen verdeutlichen. Diese sind überwiegend grundlegenden Theoriestufen einer Begriffsbestimmung und Beschreibung des Forschungsgebietes verpflichtet.231 Im Rahmen der Begriffsbildung bzw. Begriffsbestimmung zielen wissenschaftliche Bemühungen grundsätzlich auf die Erarbeitung eines Systems von Begriffen, welches eindeutig ist und das jeweilige Untersuchungsfeld relativ vollständig umspannt. Auf dieser Basis besteht die Aufgabe wissenschaftlicher Beschreibung darin, die Ausprägung entsprechender Realphänomene darzulegen. Diesen Zielen konnten die bisherigen Veröffentlichungen bislang nur eingeschränkt gerecht werden. Auf konzeptioneller Ebene können zwar jedem der vorgestellten Arbeits- und Dienstverhältnisse grundsätzliche Abgrenzungsmerkmale zugeordnet werden. Insbesondere im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Managements auf Zeit zu anderen professionellen Dienstleistungen bleiben jedoch Probleme bestehen. Ihre Gründe sind in den Schnittmengen zu suchen, die „zwischen“ den einzelnen betrachteten Teilmengen in der Praxis festzustellen sind. Im Hinblick auf professionelle Dienstleistungen im allgemeinen weisen verschiedene Autoren gar auf eine Zunahme unterschiedlicher Mischformen und auf einen Trend der Konvergenz hin:232 Im speziellen Zusammenhang der Betrachtung von Management auf Zeit sind diese Graubereiche besonders ausgeprägt. Gründe finden sich in einer strukturellen Unschärfe hinsichtlich folgender Abgrenzungskriterien: Aufgabendefinition: Ein zentrales Abgrenzungsproblem betrifft die Präzisierung der zu erstellenden Dienstleistung. Dies betrifft insbesondere die Abgrenzung zwischen Management auf Zeit und Unternehmensberatung. Während zwischen Konzeption und Umsetzung in der Theorie eine klare Grenze zu ziehen ist, so verlaufen Projekte in der Praxis keineswegs linear, was eine klare Abgrenzung erschweren kann. Im Rahmen der Umsetzung werden oftmals Anpassungen der zuvor beschlossenen Konzepte erforderlich. Dies führt dazu, daß auch die Arbeit externer Manager konzeptionelle, d.h. beratende Komponenten umfaßt.
229 230 231
232
Vgl. dazu u.a. Ribbert (1995), Glamsch (2001). Vgl. Tiberius (2004a), S. 12, Ribbert (1995), S. 4. Nach Wolf (2003) lassen sich verschiedene Stufen der Theoriebildung unterscheiden: In aufsteigender Reihenfolge und Wertigkeit beschreibt und charakterisiert er die Stufen der Begriffsbildung bzw. -bestimmung, der Beschreibung, der Erklärung, der Prognose sowie der Unterbreitung von Gestaltungsvorschlägen aufeinander auf. Diese werden zuweilen auch als Ziele, Zwecke oder Reichweiten von Theorien bezeichnet, vgl. Wolf (2003), S. 7ff. Vgl. u.a. Scott (1998), S. 17.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
47
Führung: Ein weiteres Abgrenzungsproblem betrifft die Operationalisierung des Motivs der Führung. Diese Abgrenzung betrifft insbesondere die Differenzierung zwischen Management auf Zeit und Personalleasing bzw. Zeitarbeit. Erfolgt die Einbindung eines Managers auf Zeit im Rahmen einer regulären (Linien-)Position in der Kundenorganisation, so kann die Frage nach Führungsverantwortung in der Regel leicht beantwortet werden. Erfolgt der Einsatz eines externen Managers hingegen im Rahmen eines Projektes, kann oftmals nicht von einer direkten Führungsverantwortung gesprochen werden. Abgrenzungsprobleme ergeben sich hier insbesondere im Bereich mittlerer Managementpositionen. Eine Differenzierung nach „Führungsebenen“ erweist sich in der Regel jedoch nicht als aussagekräftiges Abgrenzungsmerkmal.233 Dauer des Einsatzes und Unternehmenszugehörigkeit: Ein weiteres Abgrenzungsproblem kann vor dem Hintergrund einer allgemeinen Ökonomisierung und Flexibilisierung von Arbeitsbeziehungen gesehen werden.234 So ist auch die Tätigkeit „regulärer“ Führungskräfte von einer abnehmenden Verweildauer in einzelnen Unternehmen geprägt. Dieses Abgrenzungsproblem kann allerdings aufgrund des relativ kleinen Personenkreises als nachrangig bezeichnet werden.
Diese Abgrenzungsprobleme, die in der Stufe der Begriffsbildung und Abgrenzung zu beachten sind, setzen sich in Defiziten hinsichtlich der Beschreibung des relevanten Feldes fort. Zwar existieren grundlegende qualitative Konzepte, bspw. zu typischen Abläufen des Managements auf Zeit.235 Nicht zuletzt aufgrund der dargestellten Abgrenzungsprobleme besteht jedoch ein allgemeiner Mangel an empirischen Erkenntnissen. Eine valide quantitative Fassung des Komplexes steht somit aus. Neben der geringen Anzahl Quellen wissenschaftlicher Provenienz, die Management auf Zeit direkt thematisieren, existiert eine größere Anzahl von Quellen, denen für die Erörterung des Themas zumindest indirekte Relevanz zugesprochen werden kann. Dazu gehören insbesondere die Literatur zu Professional Services sowie diejenige zum flexibilitätsorientierten Humanressourcenmanagement. Ein konzeptioneller Anschluß ist bislang hingegen kaum gegeben: Die Literatur zum Management und Strategie von Professional Service Firms liefert insbesondere vielfältige konzeptionelle Grundlagen und Rahmenbezüge. Allerdings ist Management auf Zeit in den Aufstellungen der verschiedenen Branchen nicht berücksichtigt.236
233 234 235 236
Vgl. Ribbert (1995), S. 32. Vgl. u.a. Glamsch (2001), S. 22, Haunschild (2004), S. 15f. Vgl. u.a. Ribbert (1995), 32, Reijniers (2003c), S. 55ff. Vgl. u.a. Scott (1998), S. 12.
48
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit Auch Quellen aus dem Bereich des Managements von Humanressourcen sind zumindest indirekt - als relevant zu erachten. Insbesondere die Literatur zum Einsatz von Externen ist zahlreich.237 Jedoch ist der diesbezügliche Diskurs anders gelagert: Der Begriff des Externen ist weit gefaßt und beinhaltet zunächst alle atypischen Anstellungsverhältnisse. Als Hintergrund des Einsatzes wird vorrangig die Flexibilisierung von Humanressourcen gesehen. Erst in neueren Beiträgen finden hochqualifizierte Professionals Eingang in die Betrachtung.238 Der Einsatz externer Führungskräfte steht jedoch bislang nicht im Fokus der Betrachtungen.
Die aufgezeigten Defizite kennzeichnen den gegenwärtigen Entwicklungsstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und machen zudem deutlich, welchen Herausforderungen sich die Forschung zum Thema des Managements auf Zeit stellen muß.
I.2.
Der Markt für Management auf Zeit-Dienstleistungen
Der erste Teil des vorliegenden Kapitels war den terminologischen und konzeptionellen Grundlagen des Managements auf Zeit gewidmet. Das zweite Teilkapitel widmet sich der Praxis und fokussiert den Markt für Management auf ZeitDienstleistungen. Den Anfang dieses Abschnitts bildet ein beschreibender Teil. Dessen Ausgangspunkt bildet eine Betrachtung der historischen Entwicklungslinien des Marktes (I.2.1) sowie seiner gegenwärtigen Struktur (I.2.2). Aufbauend auf der Beschreibung des Marktes erfolgt dessen Analyse (I.2.3). Im Blickpunkt der Beschreibung und Analyse steht der deutsche Markt für Management auf Zeit-Dienstleistungen. Wo immer jedoch erforderlich und geboten, basiert die vorgenommene Bewertung auch auf einem vergleichenden Blick über die Landes- und Branchengrenzen hinaus. Den Abschluß des zweiten Teilkapitels bildet ein Zwischenfazit, das die besondere und charakteristische Struktur des Marktes für Management auf Zeit-Dienstleistungen kennzeichnet und bewertet.
237 238
Vgl. stellvertretend Barker/Christensen (1998), Martin/Nienhüser (2002). Vgl. bspw. Matusik/Hill (1998), Kaiser et al. (2007).
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
I.2.1
49
Historie und bisherige Entwicklung als Hintergrund
Ein erster Zugang zur Entstehung des Marktes für Management auf ZeitDienstleistungen kann unter Einnahme einer deskriptiven, wirtschaftshistorischen Perspektive erfolgen. Management auf Zeit ist in Europa kein gänzlich neues Phänomen. Erste diesbezügliche Entwicklungen verorten viele Autoren in Skandinaven.239 Um Jahre verzögert folgten Angebote in anderen europäischen Ländern. In Deutschland traten ersten Anbieter zu Beginn der 1980er Jahre auf. Häufig wird die Firma Alpha Management, Wiesbaden, als das erste Unternehmen bezeichnet, das Manager auf Zeit auf dem deutschen Markt vermittelt.240 Zur Entwicklung in den Folgejahren existiert keinerlei gesicherte Datenbasis. Als Gründe können thematische Schnittmengen zu umsetzungsorientierten Unternehmensberatungsleistungen sowie insbesondere eine fehlende Dokumentation der Tätigkeit einzelner Manager auf Zeit angeführt werden. 241 Einen signifikanten Entwicklungsschub erfuhr die junge Branche im Zuge der deutschen Wiedervereinigung. Nach dem Untergang des sozialistischen Herrschafts- und Gesellschaftssystems der Deutschen Demokratischen Republik im Osten Deutschlands kam es insbesondere dort zu umfangreichen wirtschaftlichen Umwälzungen. Diese waren in besonderem Maße durch die großangelegte Privatisierung ehemals staatlicher Produktionsmittel geprägt. Durch die wirtschaftlichen Umwälzungen entstand ein großer Bedarf an zusätzlicher Managementkapazität, der auch in großem Umfang durch Manager auf Zeit gedeckt wurde. Allein im Einflußbereich der Treuhandanstalt waren zunächst etwa 8.000 Unternehmen zu privatisieren oder stillzulegen.242 Betroffen waren zahlreiche große Staatskombinate und volkseigene Betriebe mit fast 4 Mio. Beschäftigten. Die Treuhandanstalt setzte zahlreiche Manager auf Zeit ein, die die Unternehmen sowohl im Rahmen der strategischen Umgestaltung, als auch im Rahmen der operativen Prozesse zur Verbesserung ihrer Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit unterstützten. 239 240 241 242
In Schweden existierte bspw. bereits in den 1960er Jahren eine Beratungsgesellschaft, die Interim Management anbot, vgl. Frank (1995), S. 11. Vgl. Frank (1995), S. 12, Bloemer (2003), S. 33. Vgl. Frank (1995), S. 11. Die Treuhandanstalt, kurz auch nur als Treuhand bezeichnet, war eine von der letzten, frei gewählten DDR-Regierung gegründete Einrichtung zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Industrie-, Handelsunternehmen, Landwirtschaft) der DDR. Nach der Wiedervereinigung am 3.Okt. 1990 wurde die Treuhandanstalt in eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt, die dem Bundesfinanzministerium unterstellt war. Als (vorübergehend) größte Holding der Welt hatte sie die Aufgabe, die Volkseigenen Betriebe der DDR nach den Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft zu privatisieren oder stillzulegen und die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern, vgl. §8 TreuhG, Schubert et al. (2006).
50
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Weiteren Zulauf verzeichnete die Branche in Deutschland in der wirtschaftlichen Krise zu Beginn des neuen Jahrtausends. Durch das Scheitern der sog. NewEconomy und der damit verbundenen wirtschaftlichen Krise wurden viele Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen. Im Rahmen struktureller Änderungen veränderte sich der Bedarf an Führungskräften in quantitativer und qualitativer Hinsicht.243 Auf der einen Seite führte die Verschlankung von Unternehmen im Zuge der Krisenbewältigung zu einem verringerten Bedarf an angestellten Führungskräften. Deren Freisetzung resultierte in einer gestiegenen Verfügbarkeit solcher Manager, die fortan eine Tätigkeit als Manager auf Zeit suchten. Auf der anderen Seite veränderte sich der Bedarf an Führungskräften in qualitativer Hinsicht. Die Nachfrage nach externen Managern in dieser Phase kann durch zwei Motive gekennzeichnet werden. Zum einen waren Manager auf Zeit in vielen Unternehmen gefordert, um akute Krisen zu überwinden. Waren Unternehmen dann einmal im Sinne eines Lean Management zurechtgeschrumpft, wurden externe Manager zum anderen oftmals benötigt, um atypische Management Situationen, im allgemeinen Situationen verbunden mit dem Motiv des Wandels, erfolgreich zu bewältigen. Im Hinblick auf die Entwicklung der Branche ist diese Phase in mancherlei Hinsicht ambivalent zu beurteilen, da sich Angebot und Nachfrage externer Managementressourcen oftmals als nicht deckungsgleich erwiesen haben. Für diesen Misfit können verschiedene Gründe angeführt werden: Zum einen haftete den entlassenen Managern zuweilen der Geruch des Scheiterns in ihrer alten Position an. Zum anderen blieb ein Teil jener Manager den Beweis schuldig, Management auf Zeit nicht nur als vorübergehendes Betätigungsfeld im Rahmen der Suche nach einer neuerlichen Festanstellung zu betreiben.244 Zusammen genommen bilden diese Eindrücke den Grundstein für den bisweilen ambivalenten Ruf der Branche und die Ressentiments gegenüber Managern auf Zeit. In der Gesamtschau läßt der Verlauf der Entwicklungsphasen jedoch den Schluß zu, daß in der Vergangenheit insbesondere Phasen wirtschaftlichen Umbruchs den Einsatz von externen Managern begünstigt haben.
I.2.2
Beschreibung des Marktes für Management auf Zeit-Dienstleistungen
Nach der skizzenhaften Beschreibung der Entstehung und Entwicklung des Marktes für Management auf Zeit-Dienstleistungen fokussiert der folgende Abschnitt die 243 244
Vgl. dazu grundsätzlich Ringlstetter (1998), S. 3. „Wir kriegen hier auch immer wieder Anfragen von Managern, die dringend eine Anstellung oder zur Not auch Projekte suchen. Da sind auch gescheiterte Existenzen unterwegs.“ (Gesprächspartner im Internview, Juli 2006).
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
51
heutige Struktur dieses Marktes in Deutschland. Dazu werden die auf dem Markt agierenden Anbieter und ihre Institutionen beschrieben (1). Danach erfolgt eine Deskription der Nachfrager (2) sowie eine Darstellung bestehender Daten zum gegenwärtigen Marktvolumen und –wachstum (3).245 (1) Angebot von Management auf Zeit Das Angebot von Management auf Zeit-Dienstleistungen zeichnet sich durch seine Heterogenität aus. Diese soll in den nachfolgenden Abschnitten durch eine Segmentierung des Marktes nach leistungs- und organisationsspezifischen Merkmalen illustriert werden. Dabei können die unterschiedlichen Segmente anhand ihrer quantitativen Bedeutung bewertet werden.246 Im Rahmen der Darstellung der Angebotsseite sind neben den wirtschaftlichen Akteuren i.e.S. auch unterschiedliche Institutionen zu berücksichtigen. (a) Angebotssegmente und ihre quantitative Bedeutung: Eine Differenzierung der Angebotssegmente kann anhand verschiedener Kriterien erfolgen. Einen Ansatzpunkt bilden organisationale Kriterien. Wurde bislang die organisationale Ausgestaltung der Dienstleistung weitgehend vernachlässigt, so erlangt eine diesbezügliche Differenzierung ihre Bedeutung im Zuge einer Segmentierung des Angebotes an Management auf Zeit-Dienstleistungen. Dabei ist zwischen selbständigen Managern und Dienstleistungsunternehmen zu unterscheiden. Letztere können zudem anhand einer inhaltlichen Differenzierung des Angebotsportfolios unterschieden werden. Auf der einen Seite existieren solche Professional Service Firms, die sich auf die Erbringung oder die Vermittlung von Management auf Zeit spezialisiert haben. Auf der anderen Seite stehen solche Anbieter, die MaZDienstleistungen im Rahmen eines größeren Angebotsportfolios weiterer Dienstleistungen anbieten. (i) Selbständige Manager auf Zeit Die bisherige Annäherung an Management auf Zeit erfolgte unter – impliziter oder expliziter – Annahme der einfachsten Organisationsform. Die meisten Manager auf Zeit in Deutschland agieren als Selbständige. Inhaltlich zählt interim Management zu den als freiberuflich anerkannten Tätigkeiten. Ihre rechtliche Ausgestaltung findet die
245
246
Da die quantitative Erfassung des Marktes nicht im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht, beschränkt sich die vorliegenden Arbeit im Rahmen der Beschreibung des relevanten Marktes auf eine Auswertung und Aufbereitung verschiedener vorhandener Daten (Sekundärforschung). Die bestehenden Daten konnten anhand der durch den Autor geführten Interviews in einen Kontext gesetzt und ggf. ergänzt werden. Dabei ist die Verfügbarkeit und Qualität empirischer Daten für die einzelnen Segmente jedoch höchst unterschiedlich. U.a. aufgrund von Abgrenzungsproblemen liegen nicht für alle Segmente belastbare Daten vor.
52
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Selbständigkeit der Interim Manager in Form von Einzelunternehmen oder Einpersonengesellschaft bzw. Einmanngesellschaft.247 Als Unternehmer „in eigener Sache“ erbringen sie ihre primären Wertschöpfungsaktivitäten, d.h. die Erbringung von Management-Dienstleistungen im engeren Sinne, als auch die zum unterstützenden Bereich zählenden Aktivitäten Projekten in der Regel allein. Dazu sind u.a. Administration, Vertrieb und Marketing vor, während und nach den Projekten zu zählen. Gleichzeitig bietet die Selbständigkeit jedoch ein großes Maß an Flexibilität, die bspw. die Kooperation mit anderen Akteuren und Unternehmen im Rahmen einzelner Projekte und bestimmter Themenstellungen erlaubt. Insbesondere im Rahmen von Vertriebsaktivitäten ist eine weitreichende Vernetzung feststellbar. Diese kann unterschiedliche Formen annehmen. Neben informellen Netzwerken sind dazu auch Kooperationen mit anderen MaZUnternehmen, bspw. Interim Management Providern, zu zählen. Die Bedeutung dieser Organisationsform resultiert aus ihrer Verbreitung. Der bei weitem überwiegende Teil des Markvolumens wird durch Selbständige realisiert.248 Schätzungen zur Zahl der professionellen Manager auf Zeit in Deutschland sind aber – wie alle empirischen Zahlen des relevanten Marktes – rar und ungenau.249 Die verfügbaren Daten weisen eine große Varianz auf: Die Anzahl der Manager wird zwischen einigen Hundert250 bis zu möglicherweise 30.000251 angegeben. In jüngeren Quellen herrscht jedoch Einigkeit, daß die Anzahl der nachhaltig aktiven Manager eher niedriger anzusiedeln ist. Dabei reichen Schätzung jedoch immer noch, je nach Abgrenzung des Personenkreises, von 1.500 – 7.500 Managern (vgl. Abbildung I-2). Die Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager schätzt die Anzahl der Manager aktuell auf etwa 3.300.252
247
248 249 250 251 252
Als Einzelunternehmen kann jede selbstständige Betätigung einer einzelnen natürlichen Person bezeichnet werden, die als Inhaber alleiniger Eigentümer des Unternehmens ist. Dahingegen bezeichnet der Begriff der Einpersonengesellschaft eine Kapitalgesellschaft, bei der alle Geschäftsanteile in einer Hand vereinigt sind, vgl. u.a. Peters et al. (1998), S. 43. Ungeachtet einer Einordnung als Freiberuf unterliegen Interim Manager allerdings bei Gründung einer Kapitalgesellschaft gem. §2 Nr. 2 GewStG der Gewerbesteuerpflicht. Vgl. Ringlstetter et al. (2007a). Vgl. Tiberius (2004a), S. 12. Vgl. Ludwig Heuse GmbH (2007). Vgl. Görres (2003b). Zu diesem Ergebnis kommt eine in Kooperation mit der DDIM erstellte Studie, vgl. Ringlstetter et al. (2007a).
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Autor
Untersuchungszeitraum 253
53
Anzahl Manager
Bloemer (2003)
2003
254
2005
1.500-1.800
255
AIMP (2007)
2006
5.000
DDIM (2007)
2007
3.300
DDIM (2005)
7.500
Abbildung I-6: Übersicht Schätzungen zur Anzahl Manager auf Zeit in Deutschland
Gründe für die unterschiedlichen Schätzungen sind insbesondere in unterschiedlichen Abgrenzungskriterien hinsichtlich des Personenkreises zu suchen. Insbesondere Abgrenzungen bezüglich des Tätigkeitsschwerpunktes oder der „Professionalität“ erweisen sich hinsichtlich ihrer Operationalisierung als problematisch.256 (ii) MaZ Unternehmen Neben selbständigen Managern agieren auf dem Markt für ManagementDienstleistungen auch komplexere Akteure, die sich auf die Erbringung von Management auf Zeit-Dienstleistungen und bzw. oder deren Vermittlung und Verkauf spezialisiert haben. Verschiedene Ausprägungen lassen sich anhand der Schwerpunktsetzung sowie der Integration dieser Leistungskompetenten unterscheiden. Die Vielfalt möglicher Ausprägungen läßt sich anhand zweier Grundtypen darstellen. Auf der einen Seite steht das Geschäftsmodell einer reinen Vermittlung bzw. einer Agentur, das sich durch einen geringen Integrationsgrad zwischen der Management-Dienstleistung i.e.S. und deren Verkauf auszeichnet. Auf der anderen Seite existieren Management auf Zeit-Dienstleister, die auf einen höheren Integrationsgrad dieser beiden Teilbereiche zielen. Das Geschäftsmodell sog. Provider besteht in der Vermittlung von Managern auf Zeit. Als Makler besteht ihre Leistung darin, Management-Ressourcen zu vermitteln, indem sie Manager auf Zeit und Kunden gegen eine Gebühr zusammenzubringen.257 Darüber hinaus werden keine Leistungen erbracht. Der Wert der Leistung kann insbesondere mit der Intransparenz des Marktes erklärt werden, indem Suchkosten reduziert werden.258 Grundlage der Vermittlungsleistung sind demnach 253 254 255 256
257 258
Vgl. Bloemer (2003), S. 34. Vgl. DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005b). Vgl. o.V. (2007). So führt die Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager neben ihrer konservativen Schätzung der Anzahl aktiver Manager weitere geschätzte 7.000 - 8.000 Personen auf, die die Bezeichnung "Interim Management" in ihrer Tätigkeitsbezeichnung führen, aber oftmals eher als Berater oder "arbeitssuchend" einzuschätzen seien, vgl. DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005b). Vgl. Eisenberg/Niemann (2004), S. 213. Zum „Maklergeschäft“ als grundsätzlichem Geschäftsmodell von Dienstleistern vgl. Ringlstetter et al. (2004c), S. 40. Vgl. Eisenberg/Niemann (2004), S. 233.
54
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Kontakte zu Interim Managern, die in einem Pool gesammelt sind. Die Größe der Pools differiert von wenigen Dutzend bis zu mehreren Tausend Kontakten. Damit einher gehen unterschiedliche Vermittlungsphilosophien: Während Anbieter mit kleinen Pools ihren Schwerpunkt auf das persönliche Verhältnis zwischen Vermittler und Manager legen, stützen sich viele Unternehmen mit großen Pools auf eine eher technische Suchprozesse. Zwischen der Größe des Pools und dem tatsächlich realisierten Umsatz eines Providers besteht dabei kein direkter Zusammenhang. Vielmehr besteht bei großen Pools eine faktische Teilung in einen engeren Kreis an Führungskräften, zu denen aufgrund häufiger Einsätze ein enges Verhältnis besteht, sowie einen weiteren Kreis an Managern, die lediglich sporadisch angefragt werden. Während das reine Vermittlungsgeschäft mit der Einsetzung eines Managers auf Zeit endet, ist das Geschäftsmodell von MaZ-Dienstleistern umfassender. Sie erheben den Anspruch, über eine reine Vermittlungstätigkeit hinaus weitere Leistungen zu erbringen. Zentrales Merkmal der Tätigkeit eines MaZ-Dienstleisters ist demnach die Übernahme inhaltlicher Verantwortung für den Einsatz des Managers gegenüber dem Kunden.259 Die erbrachten Leistungen können dabei alle Phasen von der Vorbereitung des Einsatzes eines externen Managers über dessen Begleitung bis hin zum Abschluß und Nachbereitung des Projektes umfassen (vgl. Abbildung I-7).
Aufgabenstellung
Suche
• Analyse der • Suche in eigenem AusgangsPool situation • Suche im Netzwerk • Erstellung eines • Aktive Suche am Aufgabenprofils Markt • Erstellung eines Anforderungsprofils
Eignungsbewertung, Auswahl • Auswahlverfahren • Prüfung Referenzen • Vorschlag und Präsentation von Kandidaten
Umsetzung Auftrag
• Arbeitsbeginn des Interim Managers • Kontinuierliche Begleitung durch Provider
Abschluß
• Beendigung des Engagements • Übergabe an Management
260
Abbildung I-7: Phasen der Tätigkeit eines MaZ-Dienstleisters
Die aufgeführten Grundtypen werden oftmals auch durch die Bezeichnung als angelsächsisches bzw. holländisches Modell gekennzeichnet.261 Die unterschiedlichen Leistungskomponenten schlagen sich in der rechtlichen Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen der Akteure nieder. Das angelsächsische Modell beinhaltet lediglich die reine Vermittlungsleistung, deren Ergebnis eine direkte vertragliche Bindung zwischen Manager und Kunde bildet. Dagegen besteht in Rahmen des holländischen Modells eine dienstvertragliche Beziehung zwischen 259
260 261
Auch wenn der Dienstleister grundsätzlich für eine versprochene Leistung „gerade steht“, verweist Eisenberg auf die Gefahr von Qualitätsproblemen; vgl. Eisenberg/Niemann (2004), S. 225. In Anlehnung an Eisenberg/Niemann (2004), S. 215ff. Vgl. Christophers (2007), S. 200.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
55
Kunden und Dienstleister, der wiederum den Manager an sich bindet.262 Die Beziehung zwischen Dienstleister und Unternehmen ist rechtlich in der Regel in der Form eines freien Dienstvertrages gestaltet.263 Die Leistung besteht in der Übernahme der Verpflichtung zur Erbringung bestimmter Dienstleistungen in den einzelnen Projektphasen. Dies umfaßt die Dienstleistung des Managements auf Zeit im engeren Sinne, die der Dienstleister jedoch nicht selbst, sondern durch den Einsatz eines geeigneten Managers als Erfüllungsgehilfe ableistet.264 Die Beziehung zwischen Dienstleister und einzelnen Managern ist nicht einheitlich geregelt.265 Grundsätzlich kann der einzelne Manager – je nach konkreter Ausgestaltung – Arbeitnehmer, selbständiger Dienstleister oder selbständiger Werkunternehmer sein.266 In der Praxis jedoch dominiert das beidseitige Streben nach Flexibilität und Selbständigkeit. In der Regel haben beide Seiten kein Interesse an einer langfristigen Bindung, weil der Dienstleister nach Abschluß eines Einsatzes – vorbehaltlich eines weiteren Einsatzes – keine weitere Verwendung für den Manager hat. Auch die Manager haben kein Interesse an einer weitergehenden Bindung, beraubten sie sich doch ihren auf dem Modell der Selbständigkeit beruhenden Einkommensmöglichkeiten wie bspw. der eigenständigen Akquisition von Aufträgen. Seinen rechtlichen Niederschlag findet dieses Streben in der Ausgestaltung des Dienstvertrages. Die Dienstleister sind bemüht, den Vertrag hinsichtlich der Selbständigkeit der Manager in ihrer Aufgabenerfüllung so zu gestalten, daß diesen keine klassischen Arbeitnehmereigenschaften zugeschrieben werden können.267 Hinsichtlich der dargestellten Grundtypen zeigen sich in der Praxis vielfältige Zwischen- bzw. Kombinationsformen. Genaue Zuordnungen sind oftmals nur bezogen auf ein Projekt möglich. Die Intensität der Mitwirkung eines MaZDienstleisters im Rahmen des Dienstleistungsprozesses i.e.S. richtet sich u.a. nach dessen Geschäftsmodell und nach den Erfordernissen des jeweiligen Projektes.268
262
263 264 265
266 267
268
Vgl. Christophers (2007), S. 200. Die Konstellation wird als „Dreiecksverhältnis“ bezeichnet, dessen Seiten die Beziehungen Dienstleister - Kunde und Dienstleister – Manager bilden. Zwischen Unternehmen und Manager besteht im Rahmen des holländischen Modells keine direkte Verbindung. Sowohl Manager als auch das Unternehmen stehen ausschließlich mit dem Dienstleister in vertraglicher Beziehung; vgl. u.a. Haag (2004), S. 242. Vgl. Haag (2004), S. 245. Vgl. Haag (2004), S. 245f. Manche Autoren sprechen angesichts einer Vielfalt zum Einsatz kommender Rechtsbeziehungen von erheblicher Rechtsunsicherheit, verwendet werden u.a. die folgenden Bezeichnungen: Beratervertrag, Werkvertrag, freiberufliche Unterstützung, Dienstvertrag, Auftragsübernahme u.a.m.; vgl. Haag (2004), S. 242. Vgl. Haag (2004), S. 243. Feste Bindungen bzw. ein Angestellten-Status, wie sie beispielsweise in Unternehmensberatungen üblich sind, sind aus den aufgeführten Gründen in Deutschland bislang die absolute Ausnahme. Vgl. Eisenberg/Niemann (2004), S. 224.
56
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Die Anzahl der Unternehmen, die Management auf Zeit als ihr Kerngeschäft bezeichnen, ist relativ gering. Die Bandbreite der Schätzungen hinsichtlich der am Markt tätigen professionellen Vermittler und Dienstleister ist nicht zuletzt aufgrund ihrer besseren Beobachtbarkeit geringer. Nach einhelliger Einschätzung sind auf dem deutschen Markt etwa 25 bis 30 spezialisierte Vermittler aktiv und verfügen über Pools von Führungskräften auf Zeit.269 Der Anteil am Branchenumsatz, den Vermittler und Dienstleister auf sich vereinen, wird für Deutschland übereinstimmend mit 10-25% geschätzt.270 (iii) Sonstige
Dienstleistungsunternehmen
als
MaZ-
Anbieter Neben den Anbietern der oben beschriebenen Segmente haben im Zuge der gestiegenen Aufmerksamkeit der Branche in jüngerer Zeit weitere Anbieter den Markt für MaZ-Dienstleistungen betreten. Dazu gehören insbesondere nationale wie internationale Personalberatungs-, Unternehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.271 Das Auftreten dieser Akteure hat insofern zu einer weiteren Steigerung der Heterogenität des Marktes beigetragen, als sich diese etablierten Akteure „benachbarter“ Dienstleistungsfelder in ihrer Struktur und ihrem Geschäftsmodell grundlegend von den bisherigen Akteuren der Branche unterscheiden. Ausmaß und Wirkung des Markteintritts dieser Anbieter auf die Struktur und Entwicklung der Branche ist hingegen noch nicht abschätzbar. Valide Daten zu dem durch dieses Anbietersegment realisierten wirtschaftlichen Volumen liegen noch nicht vor. (b) Übergeordnete Institutionen: Neben den beschriebenen wirtschaftlichen Akteuren i.e.S. kann in der jüngeren Vergangenheit die Entstehung einer weiteren Kategorie beobachtet werden. So ist eine Gruppe von Institutionen entstanden, deren Ziele im Rahmen der vorliegenden Fragestellung besondere Aufmerksamkeit verdienen. In den folgenden Abschnitten sollen die Institutionen anhand ihrer jeweiligen Eckdaten und Charakteristika vorgestellt werden: Die Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager (DDIM) wurde gegen Ende des Jahres 2003 gegründet. Ihre ca. 100 Mitglieder (Stand 10/2007) sind selbständi-
269
270
271
Vgl. Christophers (2007), S. 205. Auch in diesem Kontext werden jedoch z.T. Abgrenzungsprobleme geltend gemacht. Weitere 30 - 40 Gesellschaften stellen sich selbst als "Vermittler" dar, ohne jedoch den Nachweis einer regelmäßigen Geschäftstätigkeit zu beringen. Vgl. u.a. Bloemer (2003), S. 35, Eisenberg/Niemann (2004), S. 214, Christophers (2007), S. 204, ebenso Heuse (2004), Heuse (2006); Heuse weist zudem auf die Bedeutung weiterer Organisationen wie Steuerberater, Personalberater oder Banken als Initiatoren hin. Mindermeinungen gehen jedoch von einem höheren Anteil aus, Grevenkamp (2002) ermittelt im Rahmen einer Befragung einen Anteil von 39% von Einsätzen, die über MaZ-Dienstleister zustande kommen; vgl. Grevenkamp (2002), S. 7. Vgl. Christophers (2007), S. 204.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
57
ge Interim Manager . Seit 2005 arbeitet die Dachgesellschaft zudem im Rahmen einer assoziierten Partnerschaft mit ausgewählten Vermittlungsagenturen zusammen.272 Neben allgemeinen Aufgaben, bspw. der Kommunikation und Interessenvertretung der Mitglieder, konzentriert sich die Dachgesellschaft insbesondere auf eine weitere Entwicklung des Marktes, die Verbesserung der Qualität sowie seiner Professionalisierung.273 Ebenfalls zu den übergeordneten Institutionen zu zählen ist der Arbeitskreis Interim Management Provider e.V. (AIMP). Der Arbeitskreis wurde im Jahre 2004 von einer Reihe auf dem deutschen Markt etablierter Vermittlungsagenturen gegründet. Mittlerweile sind neun Anbieter im Rahmen des Arbeitskreises aktiv (Stand 09/2007). Zu seinen Zielen gehört gem. Satzung neben der Kommunikation gegenüber potentiellen Nachfragern und Öffentlichkeit die Interessenvertretung seiner Mitglieder sowie insbesondere die Verbesserung der Qualität und Professionalität der Branche.274
Zwischen den aufgeführten Vereinigungen bestehen unterschiedliche Beziehungen und teilweise auch persönliche Verknüpfungen. Verschiedene Provider sind beispielsweise gleichzeitig Mitglieder des Arbeitskreises und „Preferred Partner“ der Dachgesellschaft. Folgerichtig existieren verschiedene Ansätze zur Kooperation in bestimmten Themenbereichen mit dem Ziel, das gemeinsame Thema Interim Management in Deutschland „voranzutreiben.“275 Über die aufgeführten branchenspezifischen Vereinigungen hinaus hat das Thema Interim Management weiteren Niederschlag in Institutionen gefunden, die hinsichtlich ihrer Aufgaben und Ziele breiter aufgestellt sind. Mit der Bundesvereinigung für Restrukturierung, Sanierung und Interim Management e.V. (BRSI) agiert eine weitere übergeordnete Institution auf dem deutschen Markt. Seit ihrer Gründung im Jahre 2004 haben sich in ihr Sanierungsexperten, Manager, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Unternehmer und Insolvenzverwalter zusammengeschlossen. Die Ziele der Vereinigung sind im Vergleich zu den vorgenannten Institutionen breiter angelegt. Gleichwohl zielt auch das Handeln der BRSI neben allgemeinen Zielen der Interessenvertretung und Kommunikation auf eine Professionalisierung der an Restrukturierungsprojekten beteiligten Berufsgruppen sowie die Einführung von Qualitätsstandards für Interim-Manager ab.276
272 273 274 275 276
Vgl. DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005a). Vgl. DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005a). Für eine detaillierte Betrachtung des zugrundeliegenden Begriffsverständnisses vgl. Abschnitt III.1. Vgl. AIMP Arbeitskreis Interim Management Provider e.V. (2004). Vgl. Görres (2006). Vgl. BRSI Bundesvereinigung Restrukturierung Sanierung und Interim Management e.V. (2006).
58
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit Auch im Rahmen des Bundes Deutscher Unternehmensberater (BDU) wurde das Thema Interim Management zumindest zeitweise bearbeitet.277 So bestand innerhalb des BDU vorübergehend ein interner Arbeitskreis zum Thema Interim Management.278
Die Berücksichtigung des Interim Managements im Rahmen unterschiedlicher Institutionen kann als Symptom der gestiegenen Aufmerksamkeit und Bedeutung des Marktes verstanden werden. (2) Nachfrage nach Management auf Zeit Zu einem „Geschöpf des Marktes“ wird Interim Management erst durch die dem Angebot gegenüber stehende Nachfrage.279 Zur genaueren Beschreibung der Nachfrage nach Management auf Zeit-Leistungen soll an dieser Stelle eine Betrachtung der Kunden nach Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit (a) sowie der nachgefragten Einsatzformen erfolgen (b). (a) Kunden nach Unternehmensgröße & Branchen: Hinsichtlich der Nachfrage nach Management auf Zeit-Dienstleistungen bilden jene Unternehmen auf dem deutschen Markt die größte Gruppe, die noch keine Erfahrung mit dem Einsatz von Managern auf Zeit gesammelt haben. Mit ca. einem Fünftel hat nur eine Minderheit bislang externe Manager eingesetzt.280 Bei diesen Unternehmen, die Management auf ZeitLeistungen nachfragen, ist kein eindeutiger Schwerpunkt festzustellen. Nachdem ehemals die Branchen der sog. New economy einen Hauptanteil bildeten, sind diese mittlerweile zugunsten klassischer Branchen zurückgewichen, sodaß man von einem Querschnitt deutscher Unternehmen sprechen kann. Annähernd ein Fünftel der Nachfrage stellt der Bereich Investitionsgüter / Maschinenbau, gefolgt von Automotive mit 15% und industriellen Zwischenprodukten mit 10% der Einsätze.281 Bis dato schienen vor allem mittelständische Unternehmen die Nachfrage nach MaZ-Leistungen zu dominieren. Sie nehmen unter jenen, die in der Vergangenheit bereits MaZ-Dienstleistungen eingesetzt haben, den größten Anteil ein.282 Jedoch entwickelt sich MaZ zunehmend auch für große Unternehmen und Konzerne zu
277 278
279 280
281 282
Vgl. Bund Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. (2003). Dieser wurde aufgrund der Tatsache gegründet, daß Interim Management Leistungen auch durch Mitglieder des BDU angeboten wurden. Im Zuge einer zunehmenden Differenzierung der verschiedenen Dienstleistungen wurde dieser aber wieder eingestellt. In diesem Sinne äußerte sich Herr Haake im Interview am 21.08.2006. Vgl. Dreessen (2007), S. 24. Die dazu verfügbaren Zahlen sprechen übereinstimmend von einem Anteil von ca. 20-33%; vgl. Forst (2003), S. 12, Management Angels GmbH (2004), S. 51, Bruns/Kabst (2005), S. 519, Reijniers/Groß (2007), S. 12 unter Rekurs auf eine Online-Umfrage des Unternehmens Bohnert, Groß & Partner, Ratingen. Vgl. Heuse (2004), ähnlich Ringlstetter et al. (2007a). Vgl. Heuse (2000).
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
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einem attraktiven Angebot.283 Ihr Kundenanteil ist in den letzten Jahren auf fast ein Viertel gestiegen.284 (b) Nachgefragte Einsatzformen: Während der Begriff „Management auf Zeit“ zunächst keine inhaltliche Festlegung zu implizieren scheint, lassen sich in Realität und Literatur typische Schwerpunkte ausmachen. Ribbert (1995) identifiziert insbesondere die Einsatzschwerpunkte Krisenmanagement, Stellvertretung sowie Projektmanagement.285 Krisenmanagement: Interim Manager können zur Planung, Steuerung und Kontrolle von Maßnahmen eingesetzt werden, mit deren Hilfe akute Krisen bewältigt werden sollen.286 Dieser Bereich bildet gleichsam den Ursprung des Interim Managements und wird vor allem in Deutschland vorrangig mit dem Untersuchungsgegenstand assoziiert.287
Stellvertretung bei unvorhergesehenen Vakanzen: Gründe können bspw. Krankheit oder Tod des Stelleninhabers, aber auch seine Kündigung sein. In diesem Fall füllen Interim Manager die Stelle, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden und eingearbeitet ist. Projektmanagement: Schließlich können Interim Manager in der Bewältigung außergewöhnlicher, nicht routinisierter unternehmerischer Aufgaben eingesetzt werden.288
Quantitative Belege dieser Ausprägungsschwerpunkte sind relativ schwer zu erbringen. Als Anhaltspunkt kann dennoch eine empirische Erhebung dienen, die fortlaufend von einem deutschen Vermittler durchgeführt wird.289 Demnach gingen im Jahr 2005 fast 34% der Einsätze in den Bereich der Sanierung, Restrukturierung o.ä.290 Über 30% der Einsätze von Interim Managern fielen auf Vakanzen und zusätzlichen Managementbedarf, 18% schließlich resultierten aus Projektaufgaben.291 Unabhängig von der Einsatzform sind die durch Manager auf Zeit besetzten Positionen zunehmend in der obersten Führung der Unternehmen angesiedelt. 292
283 284 285 286 287 288 289 290 291 292
Vgl. Bloemer (2003), S. 34. Diese Aussage bezieht sich auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, vgl. Heuse (2004). Vgl. Ribbert (1995), S. 50ff. Vgl. Ribbert (1995), S. 60. Vgl. Forst (2003), S. 5. Der Handlungsschwerpunkt des Projektmanagements zeigt eine noch im Detail zu betrachtende Schnittmenge zum Handlungsfeld der Unternehmensberatung. Die Ludwig Heuse GmbH befragt seit 2001 Interim Manager nach vielfältigen Parametern zu den von ihnen durchgeführten Projekten. Vgl. Heuse (2006) Vgl. Heuse (2006). In über 40% der untersuchten Einsätze trugen die externen Manager die Gesamtverantwortung, vgl. Hesseling (2006) unter Bezug auf Heuse (2006).
60
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit (3) Basale Marktdaten zu Volumen und Wachstum
Die Unsicherheiten der quantitativen Bewertung von Angebot und Nachfrage finden ihre Fortsetzung auf Ebene des Marktes. Die vorliegenden Schätzungen zum Marktvolumen des deutschen Marktes für Management auf Zeit-Leistungen differieren zum Teil stark. Die erwirtschafteten Honorarumsätze werden von unterschiedlichen Quellen mit einer Spanne von 50 Mio. €293 bis zu 1 Mrd. €294 beziffert. Aktuelle Schätzungen engen die verbleibende Bandbreite weitgehend ein und können als belastbarer eingeschätzt werden (vgl. Abbildung I-8): Autor
Untersuchungszeitraum 295
Bloemer (2003) 296
BDU (2003)
297
Görres (2005)
298
DDIM (2006)
Volumen, Mio. € p.a.
2003
500-700
2004
100
2005
400-800
2006
400-600
299
2005
450
300
2007
489
AIMP (2006)
DDIM (2007)
Abbildung I-8: Schätzungen Marktvolumen Management auf Zeit in Deutschland
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der geschätzten Wachstumsraten. Einigkeit herrscht bei den Beteiligten in der Erwartung eines deutlich schnelleren Wachstums als das der Gesamtwirtschaft. Dennoch weisen auch die diesbezüglichen Angaben eine Spannbreite von 10 - 30% auf.301 Gründe für die zum Teil bemerkenswerten Abweichungen der Schätzungen zu Volumen und Wachstum des Marktes sind in der Varianz der zugrundeliegenden Faktoren zu suchen. Legt man der Berechnung des Markvolumens die folgende, grob vereinfachende Formel zugrunde, so zeigt sich, daß jeder der Faktoren mit Unsicherheit belastet ist:302 Marktvolumen(V ) = Anzahl_ Manager ( X ) * Auslastung (Y ) *Vergütung ( Z )
293 294 295 296 297 298 299 300 301 302
Vgl. o.V. (2003). Vgl. DIS AG (2002). Die Schätzung von Bloemer (2003) basiert auf einer Hochrechnung der Umsätze großer MaZVermittler; vgl. Bloemer (2003), S. 35. Prognose für das Jahr 2004, vgl. Bund Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. (2003). Görres (2005) begründet die Bandbreite seiner Schätzung mit unterschiedlichen Abgrenzungen; vgl. Görres (2005). Vgl. Christophers (2007), S. 204. Die Angabe bezieht sich auf das über Provider realisierte Volumen, vgl. o.V. (2006a). Vgl. Ringlstetter et al. (2007a). Vgl. Ringlstetter et al. (2007a). Zu diesen Problemen in der Quantifizierung der einzelnen Faktoren kommt ein allgemeines Problem der Beschaffung empirischer Daten: Sowohl einzelne Manager, als auch MaZAnbieter zeigen eine große Zurückhaltung, Bilanzen und Statistiken zu veröffentlichen, vgl. Bloemer (2003), S. 12.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
61
Anzahl der Manager: Wie bereits dargestellt, ist eine exakte Bestimmung der Anzahl der Manager auf dem deutschen Markt aufgrund wenig präziser Abgrenzungskriterien wie Tätigkeitsschwerpunkt oder Professionalitätsverständnis nicht unproblematisch. Auslastung: Es liegt in der Natur des Geschäftsmodells, daß die Manager nicht durchgehend beschäftigt sind. Gründe finden sich sowohl auf Angebots-, wie auf Nachfrageseite. Viele Manager, insbesondere ältere Anbieter, beabsichtigen u.U. keinen vollumfänglichen Einsatz. Auf Nachfragerseite sorgen die Charakteristika der Einsatzformen als Überbrückung von Vakanzen oder Krisenmanagement dafür, daß die Nachfrage nicht konstant ist. Entsprechend problematisch kann u.U. die Angabe zur Anzahl „aktiver“ Manager sein. Empirische Studien deuten auf einen Auslastungsfaktor von ca. 60%.303 Vergütung: Die Basis aller aggregierten Betrachtungen zum Branchenvolumen bilden die realisierten Tagessätze. Diese jedoch variieren z.T. stark sowohl zwischen verschiedenen Managern, Einsatzform, als auch im Zeitablauf, da sich u.a. gesamtwirtschaftliche Trends in der realisierbaren Vergütung niederschlagen und Anpassungen erforderlich machen.
I.2.3
Analyse des Marktes für Management auf ZeitDienstleistungen
Anknüpfend an die Beschreibung des Marktes zielt der folgenden Abschnitt auf eine Analyse der beschriebenen Gegebenheiten. Ungeachtet der Vielfalt konzeptioneller Ansätze, die sich u.a. durch ihre unterschiedlichen Perspektiven, Untersuchungsobjekte und Zielsetzungen auszeichnen, existiert in der betriebswirtschaftlichen Forschung kein Modell zur Analyse von Branchenstruktur und –entwicklung, das Ausschließlichkeit für sich beanspruchen kann.304 Ein fundamentales Instrumentarium zur Analyse von Branchen liefern marktorientierte Überlegungen.305 Basierend auf volkswirtschaftlich ausgerichteten Ansätzen der Industrieökonomie (Bain 1956, Bain 1959, Mason 1939 u.a.), gilt das Erkenntnisinteresse marktorientierter Ansätze (Porter 1980, Porter 1985) dem Erfolg einzelner Unternehmen innerhalb einer Branche. Um zu einer aussagekräftigen Analyse des gegenwärtigen Markts in Deutschland zu gelangen, werden in einem ersten Schritt die Wettbewerbskräfte innerhalb der gegenwärtigen Branchenstruktur analysiert und dargestellt (1). Diese Analyse der
303 304 305
Vgl. Heuse (2004). Vgl. Porter (1981), S. 609, Porter (1999), S. 241f., Kyrö (1995), S. 51ff. Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 804f.
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Marktstruktur mündet in eine Untersuchung der Branchensituation und –entwicklung und schließt mit einer Charakterisierung der deutschen Branche für Management auf Zeit-Leistungen als junger Markt (2). (1) Wettbewerbskräfte auf dem Markt für Management auf Zeit Der folgende Abschnitt thematisiert den Wettbewerb auf dem Markt für Management-Dienstleistungen. Im Rahmen marktorientierter Ansätze wird der Wettbewerb innerhalb einer Branche als Ergebnis struktureller Faktoren betrachtet. Gemeinsam bilden die Wettbewerbskräfte die zentralen Determinanten der Wettbewerbsintensität innerhalb der Branche.306 Das wohl bekannteste Modell zur Darstellung und Analyse von Wettbewerbskräften innerhalb einer Branche geht auf Porter (1979, 1980) zurück und bündelt die strukturellen Faktoren in fünf Wettbewerbskräfte.307 Gemäß Porter determinieren die Wettbewerbskräfte der Verhandlungsmacht der Kunden, der Verhandlungsmacht der Lieferanten, die Bedrohung durch Substitutionsprodukten sowie Existenz von Markteintrittsbarrieren gemeinsam die Rivalität unter den bestehenden Unternehmen einer Branche. Da das Modell jedoch auf allgemeine Wirkungszusammenhänge ausgerichtet ist, kann es im Rahmen der vorliegenden Themenstellungen lediglich als Anlehnungspunkt dienen. Im Zuge einer systematischen Analyse des Marktes für Management auf Zeit sind Anpassungen und Erweiterungen an den Untersuchungsgegenstand als Dienstleistungsmarkt erforderlich. Im fokalen Fall sind vor dem Hintergrund des Fehlens klassischer Branchengrenzen insbesondere die Bedeutung der Produktdifferenzierung, situative Faktoren der Nachfrage sowie die Rivalität außerordentlich heterogener Wettbewerber zu beachten. Die Rolle der Lieferanten hingegen ist im Falle selbständiger Manager zu vernachlässigen. (a) Substitutionsprodukte und potentielle Wettbewerber im Lichte durchlässiger Branchengrenzen: Die Analyse einer Branche basiert in der Regel auf deren Definition und Abgrenzung. Den logischen Ausgangspunkt dazu bildet der souveräne Kunde. Nach dem Bedarfsmarktkonzept bilden alle Güter einen Markt, die im Hinblick auf den Verwendungszweck dazu geeignet sind, einen bestimmten Bedarf eines Kunden zu befriedigen und einander somit subjektive Substitute sind:308 Demnach umfaßt der relevante Markt für Management auf Zeit Dienstlei306 307 308
Vgl. Porter (1999), S. 7ff. Vgl. Porter (1979), S. 138ff., Porter (1980), S. 5ff., Porter (1999), S. 25ff. Das Bedarfsmarktkonzept wird in der Regel mit den Arbeiten von Arndt (1958) und Abbott (1973) in Verbindung gebracht. In gleichem Sinne ist das Konzept der subjektiven Austauschbarkeit zu verstehen, vgl. Meffert/Bruhn (2003), S. 211, Meffert/Bruhn (2006), S. 228, ähnlich Porter (1999), S. 27.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
63
stungen sämtliche Leistungen, die die Lösung temporärer Managementaufgaben versprechen und aus Sicht potentieller Kunden als subjektiv austauschbar empfunden werden. Dieser konzeptionellen Abgrenzung stehen jedoch im zu betrachtenden Fall verschiedene Faktoren entgegen. In der Praxis ist ein allgemeiner Trend zur Auflösung traditioneller Branchengrenzen zu erkennen. Insbesondere im Zusammenhang wissensintensiver Dienstleistungen kann von einer konvergenten Entwicklung ehemals unterschiedlicher Branchen gesprochen werden, die eine kundenseitige Erkennung erschweren.309 Dazu kommen im Falle des Untersuchungsobjektes Probleme der Bedarfs- und Leistungsidentifikation, die die konzeptionellen Grenzen der nachfragseitigen Markabgrenzung sichtbar machen.310 Probleme der Bedarfsidentifikation führen dazu, daß potentielle Kunden vorliegende Probleme nicht objektiv erkennen und bewerten können.311 Probleme der Leistungsidentifikation basieren darauf, daß Kunden entweder problemadäquate Angebote des Managements auf Zeit nicht kennen oder diese nicht hinreichend bewerten können.312 Geringe Kenntnisse über vorhandene Lösungsmöglichkeiten bzw. Unterschiede verschiedener professioneller Dienstleistungen seitens potentieller Kunden führen dazu, daß mitunter unterschiedliche professionelle Dienstleistungen relativ undifferenziert als Substitute angesehen werden. Aufgrund dieser Unschärfe werden mitunter auch Leistungen von Unternehmensberatungsoder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als relevante Lösungsoptionen für Managementprobleme angesehen. Begünstigt wird diese kundenseitige Unschärfe durch unterschiedliche Darstellungen der Angebotsseite. Der Begriff des Managements auf Zeit bzw. des Interim Managements ist in Deutschland in keiner Weise geschützt. Markteintrittsbarrieren im klassischen Sinn existieren nicht.313 Die einzige Form der Abgrenzung bietet vielmehr eine Differenzierung des Produkts bzw. der Leistung gegenüber Wettbewerbern. Angesichts dieser Gemengelage kann statt einer „harten“ Branchenabgrenzung von einer „Penetrable Zone“ gesprochen werden, die Einsteiger nutzen, um iterativ zu prüfen, ob ihr Angebot einen entsprechenden Erfolg am Markt realisieren kann.314 (b) Verhandlungsmacht der Kunden: Neben den oben aufgeführten Faktoren kann die Verhandlungsmacht der Kunden zu den strukturellen Determinanten des Marktes 309 310 311
312 313 314
Vgl. Scott (1998), S. 17. Vgl. grundsätzlich Jeschke (2004), S. 165, 169. Damit kann Management auf Zeit beispielhaft für das Charakteristikum beratungsintensiver professioneller Dienstleistungen stehen, die u.U. bereits im Rahmen der Problemdefinition die Hilfe des Dienstleisters erfordern; vgl. I.1.2. Vgl. Stutz (1991), S. 190. Für eine Übersicht struktureller und strategischer Markteintrittsbarrieren vgl. Kühn (1995), Sp. 1759f., Freiling/Reckenfelderbäumer (2004), S. 144. Vgl. im Zusammenhang mit Unternehmensberatungsleistungen Kyrö (1995), S. 189f.
64
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
für MaZ-Dienstleistungen gezählt werden. Der Begriff der Verhandlungsmacht steht für einen Vorteil des Individuums bzw. einer Gruppe gegenüber anderen im Sinne des Vermögens, den Willen bzw. die Position auch gegen Widerstand durchzusetzen.315 Die Verhandlungsmacht von potentiellen Kunden gegenüber Interim Managern findet ihren Niederschlag insbesondere in der Auswahl eines Managern, seiner Vergütung sowie der Ausgestaltung der Einsatzkonditionen. Angesichts der strukturellen Konstellation nachfragender Unternehmen und selbständiger Manager besteht der grundlegende Eindruck eines Käufermarktes.316 Dennoch erscheint eine genauere Differenzierung verschiedener Einsatzszenarien und der diesbezüglichen situativen Faktoren sinnvoll. Die Macht des Kunden hinsichtlich der oben aufgeführten Kriterien kann je nach Szenario deutlich variieren. Die kundenseitigen Entscheidungsprozesse werden insbesondere durch die Dringlichkeit eines Einsatzes und die Zusammensetzung der Entscheidungsgremien maßgeblich beeinflußt. Eine diesbezügliche Hypothese kann lauten, daß die Verhandlungsmacht und Gestaltungsmöglichkeit eines Kunden um so größer sind, je weniger dringend ein Einsatz ist. Umgekehrt ist die Verhandlungsmacht potentieller Kunden um so geringer, je dringender ein Einsatz ist. Das kurze Zeitfenster einer derartig sporadischen Nachfrage stellt dabei für Kunden und Manager auf Zeit eine Herausforderung dar. Die Ursachen für eine hohe Dringlichkeit können dabei vielfältig sein und korrespondieren mit den vorgestellten Einsatzszenarien von Managern auf Zeit von einer unvorhergesehenen Vakanz bis zu einer Unternehmenskrise. Einen besonderen Fall bilden Einsätze aufgrund der Intervention durch Dritte, beispielsweise durch Kapitalgeber im Rahmen eines Sanierungsfalles. Verschärfend wirken in diesem Zusammenhang die spezifischen Eigenschaften des Managements auf Zeit als Dienstleistung: Fehlende Sucheigenschaften verhindern aus Kundensicht ex ante die Beurteilung des Leistungsangebotes. (c) Beziehungen zwischen heterogenen Wettbewerbern: Die Beziehungen zwischen den Akteuren einer Branchen, insbesondere aber ihre Rivalität, sind das Ergebnis struktureller Faktoren.317 Die herrschenden strukturellen Bedingungen auf dem Markt für Management auf Zeit-Dienstleistungen schlagen sich in einer Vielfalt unterschiedlicher vertikaler und horizontaler Beziehungen nieder. Innerhalb dieser Beziehungen lassen sich unterschiedliche Grade der Rivalität nachvollziehen. Wettbewerbskräften in vertikalen Beziehungen kann im Rahmen des Managements auf Zeit nur im Rahmen der netzwerkartigen Beziehungen zwischen 315 316
317
Vgl. ähnlich Weber (1976), S. 28. Aussagen von Akteuren legen den Schluß nah, daß die Wettbewerbsintensität auf dem Markt für Management auf Zeit Dienstleistungen in den letzten Jahren in Deutschland zugenommen hat, vgl. Görres (2003b), Görres (2003a). Vgl. Porter (1999), S. 26ff.
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
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Managern und Agenturen Bedeutung beigemessen werden.318 In der Zusammenarbeit zwischen Interim Managern und MaZ-Dienstleistern und Providern können erstere im Rahmen einzelner Projekte als Lieferanten verstanden werden. Dabei besteht eine grundsätzliche Rivalität hinsichtlich der Bemessung der Provision. Eine machtvolle Position in dieser Frage der Verteilungsrivalität kann ihnen dabei jedoch nur im Einzelfall zugeschrieben werden. Im Rahmen horizontaler Beziehungen ist die Rivalität weitaus ausgeprägter. Die Rivalität der unterschiedlichen Akteure hat verschiedene Facetten. Viele der klassischen Faktoren, die als Gründe für eine gesteigerte Rivalität innerhalb von Branchen genannt werden, treffen im Falle von Interim Management nicht zu.319 Andere hingegen haben im vorliegenden Kontext besondere Relevanz: Zentrales strukturelles Charakteristikum des Wettbewerbs der unterschiedlichen Anbieter ist deren Heterogenität. Wie oben bereits beschrieben, lassen sich die auf dem Markt aktiven Anbieter verschiedenen Gruppen zuordnen: Neben selbständigen Managern auf Zeit, die die überwiegende Mehrheit der Akteure repräsentieren, existieren spezialisierte Dienstleistungsunternehmen verschiedener Ausprägungen sowie solche Dienstleister, deren Angebotsportfolio unter anderem aus Interim Management Leistungen als „Kuppelprodukt“ besteht.320 Die Verschiedenartigkeit dieser Gruppen zeigt sich in einer Reihe von Faktoren. So unterscheiden sich die Anbieter u.a. hinsichtlich ihrer Größe, Organisationsform, regionaler Ausdehnung sowie weiterer Faktoren. Das Nebeneinander von freiberuflichen, nicht organisierten "Einzelkämpfern" bis hin zu "Global Playern", international tätigen Interim Management Provider macht die Heterogenität des Marktes deutlich.321 Angesichts dieser Heterogenität kann in zweierlei Hinsicht von einem Wettbewerb gesprochen werden: Zum einen besteht zwischen den Akteuren ein Wettbewerb im klassischen Sinn um Kunden und Projekte, Umsatz und Gewinn. Dabei wirkt auch das Nebeneinander vertikaler Lieferantenbeziehungen und horizontaler Rivalität als verschärfendes Moment: Selbständige Manager, die in einem Projekt mit Providern zusammenarbeiten, können in anderen Projekten als Wettbewerber auftreten. Zum anderen jedoch kann von einem Wettbewerb unterschiedlicher Verständnisse und Denksysteme gesprochen werden. In diesem Sinne kämpfen unterschiedliche Anbieter(-gruppen) auch um die Deutungshoheit dessen, was Interim Management als Dienstleistung ausmacht bzw. ausmachen soll.
318 319 320
321
Selbständige Manager auf Zeit sind ihre eigenen „Lieferanten“. Klassische industrieökonomische Begründungen für eine hohe Rivalität sind bspw. ein langsames Branchenwachstum oder hohe Austrittsbarrieren, vgl. Porter (1999), S. 26ff. „Es gibt die legitimen Versuche von Unternehmens- und Personalberatungen, die versuchen, Interim Management als Kuppelprodukt anzubieten.“ (Gesprächspartner im Interview, Juli 2006). Vgl. o.V. (2005c).
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit (2) Management auf Zeit als junge Branche
Auf Basis der dargestellten Branchenstruktur und der entsprechenden Wettbewerbskräfte kann von einer Branchenentwicklung gesprochen werden, wenn sich letztere signifikant und nachhaltig ändern. Die Entwicklung von Branchen soll dabei jedoch nicht im Sinne eines linearen Verständnisses betrachtet werden. Vielmehr sind Branchen als vernetzte Systeme zu betrachten, bei denen die evolutionäre Änderung einzelner Strukturelemente eine Reihe von Konsequenzen nach sich ziehen kann.322 Einem evolutionären Verständnis folgend, können unterschiedliche Entwicklungsstände von Branchen dabei mit dem Grundkonzept des Lebenszyklus in Verbindung gebracht werden.323 Die Frage nach der Reife der Branche kann sich an einer Reihe unterschiedlicher Faktoren orientieren: Neben dem Wachstum einer Branche ist insbesondere die Konzentration der Anbieter als Schlüsseldimension zu betrachten.324 Darüber hinaus kann besonders im Kontext von auf Dienstleistungsmärkten die Entstehung von Institutionen als wichtiger Entwicklungsschritt verstanden werden. Bezogen auf die Interim Management Branche entsteht dabei das Bild eines Marktes, der sich durch seine hohen Wachstumserwartungen (a) und eine zersplitterte Struktur (b) auszeichnet. Zudem weisen die Institutionen auf dem Markt noch einen vergleichsweise geringen Etablierungsgrad auf (c). (a) Hohe Wachstumserwartungen: Die Wachstumsraten eines Marktes können in ihrer Höhe und Entwicklung als ein aussagekräftiger Indikator für seine Reife gelten. Dabei gehen hohe Wachstumsraten regelmäßig mit jungen Märkten einher.325 Angesichts der beschriebenen empirischen Probleme bleibt eine Präzisierung der bislang realisierten Wachstumsraten des Marktes für Interim Management schwierig. Die gegenwärtig bestehenden Wachstumsprognosen lassen sich lediglich stichprobenartig anhand der Wachstumserwartungen verschiedener Akteure sowie unter Einbezug externer Faktoren validieren. Mit einer verbleibenden Bandbreite von ca. 10-15% liegt das erwartete Wachstum der Branche demnach weit über dem der deutschen Gesamtwirtschaft.326 Überdurchschnittliche Wachstumserwartungen knüpfen sich insbesondere an das Potential jener Unternehmen, die bislang keine Interim Management-Leistungen nachfragen.327 Eine Plausibilisierung dieser Wachstumserwartung kann Faktoren und Rahmenbedingungen zukünftigen Wachstums als Indiz nehmen. Aufgrund gestiegener Anforderungen an die
322 323 324 325 326 327
Vgl. Porter (1999), S. 241. Vgl. Porter (1999), S. 209ff., Ringlstetter/Kaiser (2004), S. 725. Vgl. ähnlich Porter (1999), S. 248. Vgl. Levitt (1986), 174. Vgl. Abschnitt I.2.2(3). Vgl. Forst (2003), S. 11.
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Flexibilität von Unternehmen und einer damit einhergehender Zunahme zeitlich befristeter Managementaufgaben erwarten alle der im Rahmen dieser Arbeit interviewten Experten eine nachhaltige Steigerung der Nachfrage. Einhergehend mit der Realisierung dieser Wachstumserwartungen wird eine Steigerung der Anzahl der Interim Manager sowie eine verbesserte Auslastung erwartet.328 Die hohen Wachstumserwartungen zeichnen ungeachtet der Dauer von mittlerweile 25 Jahren seit dem ersten Auftritt eines Interim Management-Dienstleisters auf dem deutschen Markt das Bild eines jungen Marktes. Das weitere Wachstum hängt davon ab, ob bzw. inwiefern es den Interim Managern gelingt, Akzeptanz für ihre Dienstleistung zu gewinnen. (b) Geringe Branchenkonzentration: Neben ihrem Wachstum kann die Anbieterkonzentration einer Branche als Kennzeichen ihrer Reife dienen. Die Branchenkonzentration kennzeichnet den Anteil des bzw. der größten Anbieter am gesamten Branchenvolumen. Mit der Entwicklung einer Branche wird im allgemeinen die Erwartung einer Zunahme der Konzentration verbunden.329 Die spezifische Struktur der Interim Management-Branche zeichnet sich indessen durch ihre extreme Fragmentierung aus.330 Zu diesem Befund tragen nicht nur die selbständigen Manager auf Zeit bei, die die Mehrheit der Branche stellen. Als kleinste mögliche Anbieter stehen sie per se für eine strukturelle Fragmentierung. Auch die auf dem Markt tätigen Unternehmen tragen jedoch nicht zu einer signifikanten Konsolidierung bei. Die nach Umsatz und Visibilität großen Unternehmen der Branche sind Agenturen. Auch im von Ihnen vermittelten Geschäft mit einzelnen Managern ist keine wesentliche Konzentration feststellbar. Keiner der Provider kommt über einen einstelligen Marktanteil hinaus.331 Die Gründe für die fehlende Tendenz zur Konzentration und somit für eine starke Fragmentierung sind zahlreich. Viele der in der betriebswirtschaftlichen Literatur genannten Gründe lassen sich auf den Fall des Interim Managements anwenden. So können bspw. das Fehlen wirksamer Eintrittsbarrieren oder Skaleneffekte als Gründe angesehen werden.332 Die Auswirkungen der Fragmentierung des Marktes für Interim Management-Dienstleistungen sind offensichtlich. Das Fehlen großer 328
329
330 331
332
“Es werden immer mehr Manager gebraucht, die bspw. für Private Equity Häuser in ein Unternehmen reingehen, um es schnell zu drehen, d.h. die Rentabilität zu verbessern.“ (Gesprächspartner im Interview, Juli 2006). Vgl. u.a. Deans et al. (2003), S. 4 sowie für einen spezifischen Zugang zur Konzentration professioneller Dienstleistungsmärkte am Beispiel der Wirtschaftsprüfung Marten (1999), S. 105ff. Vgl. Beschreibung in Abschnitt I.2.2(1). Dies kann an einer exemplarischen Rechnung verdeutlicht werden: Wie beschrieben wird das Branchenvolumen auf ca. 500 Mio. € p.a. geschätzt (Stand 2006/2007). Auch die größeren Provider in Deutschland realisieren aber gem. Auskunft von Creditreform lediglich einen Umsatz von weniger als 10 Mio. €. Daraus ergäbe sich ein jeweiliger Marktanteil von max. 2%. Vgl. Porter (1999), S. 243f, 251.
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Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit
Unternehmen trägt zum Eindruck der Intransparenz bei. Dabei spielt die Fragmentierung der Branche eine zentrale Rolle, indem sie eine einheitliche Wahrnehmung seitens der Kunden erschwert. Innerhalb der gegenwärtigen Struktur fällt es den gegenwärtigen Akteuren schwer, ihrem Geschäftsmodell Bekanntheit und Anerkennung zu verschaffen. Diese Nachteile können insbesondere vor dem Hintergrund eines Vergleiches zu benachbarten Branchen verdeutlicht werden. Die Branchen der Unternehmensberatung, Personalberatung und Zeitarbeit verfügen jeweils über große Unternehmen, die dazu beigetragen haben, das jeweilige Geschäftsmodell potentiellen Kunden bekannt und verständlich zu machen.333 (c) Entwicklung von Institutionen: Neben den ökonomischen Akteuren im engeren Sinne verdient im Zusammenhang der Entwicklung professioneller Dienstleistungsmärkte der Aspekt der Institutionalisierung besondere Aufmerksamkeit.334 Der Begriff der Institutionalisierung steht zunächst allgemein für die Schaffung einer Entität als feste Einrichtung.335 Während sich der Begriff der Institutionalisierung allgemeinsprachlich auf den Etablierungsgrad einer Branche hinsichtlich ihrer Abgegrenztheit und Bekanntheit richten kann, kann er im Zusammenhang mit Dienstleistungsmärkten insbesondere mit der Entstehung übergeordneter Institutionen in Verbindung gebracht werden.336 In diesem Kontext dienen Institutionen insbesondere der Koordination und tragen so wesentlich zur Funktion des Marktes bei und ermöglichen seine weitere Entwicklung. Auf dem Markt für Interim Management sind in der jüngeren Vergangenheit entsprechende Institutionen entstanden. Nach innen dienen sie als Plattform der Reflexion und Abstimmung der verschiedenen Akteure. Nach außen versuchen sie, gemeinsam auf eine verbesserte Kommunikation sowie eine strukturelle Veränderung des Marktes hinzuwirken. Institutionen bieten potentiellen Kunden eine von einzelnen Anbietern unabhängige Informationsmöglichkeit und wirken so in Richtung einer Verbesserung der Transparenz. Dem Wirken der beschriebenen Institutionen sind dabei jedoch bislang Grenzen gesetzt. Zu den strukturellen Widrigkeiten im Inneren sind die divergierenden Interessen der unterschiedlichen Akteure zu nennen, die bislang die Entwicklung einer gemeinsamen repräsentativen Organisation verhindert haben, die die Berufsgruppe in legitimer Weise nach außen darstellen und vertreten kann. Diese 333
334 335 336
Beispielhaft sei hier für die Unternehmensberatung auf McKinsey & Company und für die Personalberatung auf Kienbaum Executive Consultants verwiesen sowie für entsprechenden Übersichten auf Lünendonk GmbH (2007b), Lünendonk GmbH (2007a). Vgl. Kaas/Schade (1995), S. 1069. Institutionalisieren: zu einer Institution machen, etwas einen rechtlich einwandfreien Status geben, Institution: feste Einrichtung der Gesellschaft; vgl. o.V. (2006b). Einem neo-institutionalistischen Verständnis folgend steht der Begriff der Institution für soziale Regeln, Senge (2005), S. 120. Berufsständische Organisationen bilden deren strukturelle Manifestation.
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69
Widrigkeiten schlagen sich in einer intransparenten und unkoordinierten Außenansicht des Marktes bzw. der Berufsgruppe nieder. Sie führen dazu, daß die Erfolge dieser Aktivitäten und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung der Branche noch nicht absehbar sind.
I.3.
Zwischenfazit zur Notwendigkeit einer Professionalisierung
Das erste Kapitel der vorliegenden Arbeit hat die konzeptionellen und marktlichen bzw. strategischen Grundlagen des Managements auf Zeit vorgestellt. Dabei konnte der Befund einer gewissen akademischen Vernachlässigung und eines praktischen Entwicklungsdefizits gegenüber anderen professionellen Dienstleistern gestellt werden. Gemeinsam können diese Defizite die Notwendigkeit einer Professionalisierung des Managements auf Zeit begründen. Der Befund einer akademischen Vernachlässigung konnte durch die Bewertung der bisherigen Veröffentlichungen und deren konzeptionellen Aussagegehalt illustriert werden. In der Gesamtsicht lassen sich erste Vermutungen zu den Ursachen formulieren: Nicht zuletzt aufgrund der dargestellten Abgrenzungsprobleme wird Management auf Zeit oftmals als Teil anderer Dienstleistungsmärkte wahrgenommen. Ein inhaltlicher Zusammenhang kann dabei grundsätzlich zu allen Angeboten hergestellt werden, deren Leistungen im Zusammenhang mit dem flexiblen Einsatz von Management- und Humanressourcen zu verstehen sind, d.h. insbesondere zu Unternehmensberatung und Zeitarbeit.337 Gründe für die aufgeführten Abgrenzungsprobleme liegen nicht nur in einer fehlenden oder unvollständigen Operationalisierung von Abgrenzungskriterien. Auch die dargestellte Konvergenz unterschiedlicher professioneller Dienstleistungen spricht dafür, den Markt für Management auf Zeit-Dienstleistungen zumindest im
Zusammenhang mit anderen Märkten zu sehen. Dennoch überwiegen mit den aufgeführten Charakteristika der Dienstleistung sowie der eingesetzten Ressourcen solche Merkmale, die eine grundlegend eigenständige Betrachtung sinnvoll erscheinen lassen.338 Zu dem wenig entwickelten Bild der Dienstleistung tragen ferner die individuellen Laufbahnen der Manager auf Zeit bei. Da Management auf Zeit traditionell eine Beschäftigung für spätere Karrierestufen ist, artikulieren nur wenige Manager vorab den expliziten Wunsch, als Interim Manager zu arbeiten. Diese biographische Emergenz wird von außenstehenden Beobachtern zuweilen als Beliebigkeit
337 338
Vgl. Alewell et al. (2005b), S. 5. Vgl. Frank (1995), S. 162.
70
Teil I: Grundlagen des Managements auf Zeit interpretiert und mag damit einen Grund für die zögerliche Wahrnehmung als eigenständige Dienstleistung darstellen. Ein weiterer Grund für die geringe Beachtung, die dem Thema bislang zuteil geworden ist, kann im relativ geringen Volumen des Marktes sowie seiner Fragmentierung vermutet werden. Insbesondere im Vergleich zu den genannten Vergleichsmärkten der Unternehmensberatung oder der Zeitarbeit ist der fokale Markt klein.
Die dargestellten Defizite hinsichtlich der akademischen Berücksichtigung können in einen engen Zusammenhang mit der strategischen Entwicklung der Dienstleistung gebracht werden. Im Rahmen der Branchenanalyse konnten verschiedene Herausforderungen identifiziert werden, die die weitere Entwicklung hemmen. Zum einen ist das Dienstleistungsangebot als solches bei potentiellen Kunden nur unzureichend bekannt. Zum anderen erschwert die intransparente Struktur der Branche Kunden die Einschätzung der angebotenen Dienstleistungsqualität und die Auswahl von Managern auf Zeit. Vertrauen und Transparenz können aber als zentrale Herausforderungen der weiteren strukturellen Entwicklung der Branche angesehen werden. Die aufgeführten Mängel bzw. Maßnahmen zu ihrer Behebung bilden regelmäßig eine Grundlage für Anstrengungen in Richtung einer Professionalisierung.339 In der Tat stehen verschiedene strategische Manöver der Akteure auf dem Markt für Management auf Zeit unter dem Oberthema einer Professionalisierung.340 Es findet seinen Niederschlag sowohl in der Positionierung einzelner Akteure, als auch in den satzungsgemäßen Zielsetzungen der vorgestellten Institutionen. Obgleich das Thema der Professionalisierung von vielen Akteuren als zentrales Ziel angesehen wird, sind Begriffsverständnis und Inhalte, die damit verbunden werden, außerordentlich vielfältig.341 Folgerichtig ist die Entwicklung einer übergreifenden konzeptionellen Perspektive zum Thema der Professionalisierung Gegenstand des folgenden Abschnittes.
339 340 341
Vgl. u.a. Kühl (2001), S. 3, Groß/Kieser (2006), S. 71. Vgl. u.a. Reijniers (2003a), S. 25ff. „Allgemein gesprochen verbinde ich mit dem Begriff der Professionalisierung das Ziel, daß Unternehmen Interim Management als etwas Positives empfinden.“ (Gesprächspartner im Interview, Juli 2006).
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
71
II. AUF DEM WEG ZUR PROFESSIONALISIERUNG ALS STRATEGISCHEM PROJEKT Anknüpfend an die konzeptionellen und ökonomischen Grundlagen Marktes für Management auf Zeit-Dienstleistungen wendet sich der zweite Teil mit der Professionalisierung von Berufsgruppen dem zentralen konzeptionellen Thema der vorliegenden Arbeit zu. Während Teil I der Arbeit mit der Begründung der Notwendigkeit einer Professionalisierung endete, so wurde dabei jedoch auch deutlich, daß dieser Notwendigkeit kein einheitliches Begriffsverständnis zugrunde liegt. Diese Unschärfe bildet die Ausgangslage für den folgenden Teil der Arbeit. Das erste Kapitel widmet sich einer grundlegenden Schärfung des Begriffes der Professionalisierung sowie den Grundlagen der Professionalisierung als wissenschaftlichem Konzept. Ausgangspunkt der angestellten Betrachtungen ist dabei die soziologische Berufs- und Professionsforschung (II.1). Gerade soziologische Betrachtungen eröffnen eine ganzheitliche Perspektive auf die Entwicklung von Berufsgruppen. Darauffolgend wird der Begriff der Professionalisierung aus der Perspektive der Strategischen Management Forschung betrachtet und weiterentwickelt (II.2). Diese ermöglicht es, den Prozeß der Professionalisierung als strategisches Projekt der Beteiligten zu sehen. Zudem erlaubt eine mikroökonomische Fundierung die Rekonstruktion von Professionalisierungsbestrebungen aus der Perspektive einzelner Akteure. Dementsprechend fokussiert dieser Abschnitt die strategischen und strukturellen Implikationen der Professionalisierungsbestrebungen von Berufsgruppen. Ziel des zweiten Teils der Arbeit ist die Erarbeitung eines strategischen Bezugsrahmens, der auf Basis des erarbeiteten Professionalisierungsverständnisses unterschiedliche Ansätze zur Professionalisierung des Managements auf Zeit darstellt (II.3). Einerseits differenziert dieser Bezugsrahmen nach Wirkungsrichtung der Professionalisierungsbemühungen (intern vs. extern) und strategischem Modus (individuell vs. kollektiv), andererseits dient er der Darstellung des interdependenten und komplementären Zusammenspiels dieser Dimensionen und kennzeichnet Professionalisierungsbestrebungen in diesem Sinne als hybride Strategien.
II.1.
Soziologische Professionalisierungsforschung als Ausgangspunkt
Im ersten Teil dieser Arbeit wurden Management auf Zeit-Dienstleistungen als professionelle Dienstleistungen eingeführt und charakterisiert. Dabei basierte die bisherige Begriffsverwendung im wesentlichen auf dem Unternehmensbezug der
72
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
Dienstleistung sowie der Verwendung spezifischer Ressourcen.342 Darüber hinaus blieb jedoch bislang weitgehend im Dunkeln, worin genau sich die Professionalität begründet und auszeichnet. Dies soll im Folgenden im Rahmen einer wissenschaftlichen „Schärfung“ des Begriffes der Professionalität, die das bisherige Verständnis unter Rekurs auf die soziologische Berufsforschung fundiert und verbreitert, nachgeholt werden. Während der Begriff der Profession einen spezifischen Status, beispielsweise in Abgrenzung zu Berufen im allgemeinen, beschreibt, steht der Begriff der Professionalisierung für den Prozeß, im dessen Verlauf eine Tätigkeit die Stufe einer Profession erlangt.343 Bevor der Prozeß der Professionalisierung eingehender betrachtet wird (II.1.2), soll zunächst der Begriff der Profession bzw. der Professionalität - gleichsam als Ziel von Professionalisierungsprozessen – geschärft werden (II.1.1).
II.1.1 Professionen und Professionalität Um den Begriff der Professionalisierung zu schärfen, erfolgt zunächst eine begriffliche Einordnung der zugrundeliegenden Begriffe der Profession und Professionalität (1). Daran anknüpfend werden unterschiedliche Professionsmodelle und Forschungstraditionen dargestellt (2). Deren Gesamtschau erlaubt die Ableitung übergreifender Professionsmerkmale, die der weiteren Erörterung zugrundegelegt werden können (3). (1) Begriffliche Einordnung Der Begriff der Professionalität bzw. des professionellen Handelns ist in unterschiedlichen Kontexten weit verbreitet. Dabei kann von einem Nebeneinander des alltagssprachlichen Verständnisses (folk concept) und wissenschaftlichen Konzepten gesprochen werden.344 In seiner Verwendung in der Alltagssprache besitzen die aufgeführten Begriffe meist eine positive Konnotation.345 Mit ihm wird in der Regel die Vorstellung einer besonders guten Ausführung einer Tätigkeit durch einen hohen Grad an Fähigkeiten und Fertigkeiten verknüpft.346 Als Basis gilt ein besonderes Maß an relevantem Wissen und Kompetenz.347 Ferner schwingen in 342 343 344 345 346 347
Damit steht der Unternehmensbezug in Abgrenzung zu Dienstleistungen für Endverbraucher, vgl. u.a. Kriegmeier (2003), S. 2, Ringlstetter et al. (2004b), S. 13. Vgl. Siegrist (1990a), S. 177. Vgl. Pavalko (1989), S. 17. Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 139, Svensson (2006), S. 590. Vgl. u.a. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 139f., Stetter (1998), S. 10. Zu dieser Auffassung zur Rezeption von Professionalität gelangt Svensson (2006) auf Basis einer semantischen Studie, vgl. Svensson (2006), S. 588.
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
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diesem Begriffsverständnis Einschätzungen über die zugrundeliegenden individuellen Einstellungen des bzw. der Ausführenden hinsichtlich Sorgfalt und Exzellenz mit.348 Semantisch kann der Begriff der Professionalität auf das lateinische Verb „profiteri“ zurückgeführt werden, dessen Bedeutung („sich bekennen“) erste Anhaltspunkte in Richtung einer inhaltlichen Identität der Professionals als „Bekennende“ liefert.349 Neben dieser, einer individuellen Betrachtungsebene verpflichteten, Perspektive erfährt das Konzept der Professionalität bzw. des professionellen Handelns eine wissenschaftliche Fundierung im Rahmen der soziologischen Berufsforschung.350 Diese spezifiziert das allgemeinsprachliche Grundverständnis in der Erforschung der Abstufungen zwischen Arbeit und Beruf bis hin zur Profession.351 Die Begriffe der Arbeit und des Berufes sind grundsätzlich gefaßt und umschreiben allgemeine Wirkungszusammenhänge.352 Unter Arbeit versteht man im soziologischen Sinne die zielbewußte und sozial durch Institutionen (Bräuche) abgestützte Form der Tätigkeit, mit der Menschen in ihrer Umwelt zu überleben versuchen.353 Während der Begriff der Tätigkeit weit gefaßt ist und sich am wirtschaftlichen Überleben orientiert, beinhaltet der Begriff des Berufs bereits eine gewisse Spezialisierung und Qualifikation des Einzelnen. Er steht für „eine Teilhabe am Wirtschaftsleben und bezeichnet hier eine gewisse Qualifikationsstufe, eine bestimmte Leistungsfähigkeit.“ (Hesse 1968, S. 146f.). Mit ihm verbindet man im allgemeinen die „Spezifizierung, Spezialisierung und Kombination von Leistungen einer Person (…), welche Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- und Erwerbschance ist.“ (Weber 1976, S. 80). Allerdings ist die Qualifikation ggf. begrenzt. Soziale Anerkennung finden diese Berufe nur in bescheidenem Maße.354 Davon abzugrenzen ist der Begriff der Profession, der wesentlich enger und spezifischer gefaßt ist als die obenstehenden Begriffe. Der Begriff der Profession steht für ein gleichsam historisches wie soziologisches Konzept.355 Seinen Ursprung findet das in diesem Zusammenhang gebrauchte Verständnis von Professionen
348 349 350
351 352 353 354 355
Vgl. Maister (1997b), S. 16. Vgl. o.V. (2005a). Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 140; die soziologische Berufsforschung steht dabei für die „Anwendung soziologischer Begriffe und Theorien auf Arbeit und Beruf“, vgl. Daheim (1994), S. 91. Vgl. Stetter (1998), S. 10. Die Klärung der beiden Begriffe erfolgt nur auf terminologischer Ebene, da eine umfassende Diskussion nicht Ziel und Zweck der vorliegenden Arbeit ist. Demnach sind einfache Arbeiten bzw. Jobs ausschließlich auf den Verdienst ausgerichtet, vgl. König (2002), S. 113f. Soziale Anerkennung und Statussymbole beschaffen sich Berufstätige in erster Linie als Käufer und Konsumenten, vgl. Hesse (1968), S. 147. Vgl. Selander (1990), S. 141.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
insbesondere in den historischen Berufsständen der Medizin und der Rechtslehre.356 Als Professionen bezeichnet man Berufe, die u.a. hinsichtlich Erbringer und erbrachter Leistung besondere Charakteristika aufweisen. Die Angehörigen einer Profession gehören einem bestimmten Stand an, der mit einem elitären Status in der Gesellschaft verbunden ist.357 Angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Verständnisrichtungen kann jedoch keineswegs ein eindeutiges Begriffsverständnis ausgemacht werden.358 Vielmehr kann angesichts einer Vielzahl von Verständnisrichtungen von einer grundlegenden Konfusion gesprochen werden. Aufgrund der großen Verbreitung sprechen manche Autoren gar von einem „non-concept“.359 Bevor im weiteren eine genauere Betrachtung des Begriffes bzw. des Konzeptes der Profession erfolgt, sei zunächst im Zwischenschritt eine weitere begriffliche Einordnung hinsichtlich der Übertragung der Begriffe in die Deutsche Sprache vorgenommen. Deren Übersetzung und Verwendung ist im Deutschen nicht unumstritten. 360 Der Begriff der Profession besteht zwar auch im Deutschen, ist dort jedoch keineswegs eindeutig belegt.361 Der Begriff des Professional steht in der deutschen Übersetzung für den Angehörigen einer Profession, inhaltlich u.a. für einen Fachmann, einen sachverständigen Berater, einen Akademiker und Geistesoder Kopfarbeiter.362 Darüber hinaus existieren im Deutschen verschiedene weitere Begriffe, die jedoch weitere, über eine Übersetzung hinausgehende Aspekte implizieren. Dazu sind bspw. die Begriffe der freien bzw. akademischen Berufe zu zählen.363 Der Begriff des freien Berufs leitet sich vom Verständnis des freien Bürgers ab. Als freie Berufe oder Freiberufe werden solche Tätigkeiten bezeichnet, die sich durch ihre persönlich erbrachte geistige Leistung364 und ihre Nichtgewerblichkeit365 auszeichnen.366 In diesen Merkmalen ähnelt demnach der Begriff der
356 357 358
359 360 361 362 363 364 365
Vgl. u.a. Carr-Saunders (1966), S. 3, Larson (1990), S. 26, Burrage (1990), S. 5ff. SchulzeKrüdener (1996), S. 37, Middlehurst/Kennie (1997), S. 51. Vgl. Collins (1990a), S. 15. Für einen Überblick zur Vielfalt unterschiedlicher Verständnisrichtungen und Nutzungen des Professionsbegriffes vgl. u.a. Pavalko (1989), S. 17ff., Svensson (2006), S. 587f. sowie Terhart (1990), S. 152. Vgl. u.a. Larson (1990), S. 44, Gargan (1993), S. 1863f., Freidson (1994), S. 107. Vgl. Stutz (1988), S. 52, unter Bezugnahmen auf Gummesson (1984), S. 74. Schulze-Krüdener (1996), S. 38. Gem. Wörterbuch steht Profession altertümlich für „Beruf, Gewerbe“, vgl. o.V. (2006b). Vgl. Stutz (1988), S. 52. Vgl. u.a. Kairat (1969), Fleischmann (1970). Zu den Merkmalen freier Berufstätigkeit vgl. Fleischmann (1970), S. 22ff., 110. Die Nichtgewerblichkeit findet ihren Ausdruck im mangelnden Gewinnstreben und im besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern, vgl. Fleischmann (1970), S. 45ff. Sie schlägt sich in Deutschland in einer gesonderten steuerlichen Behandlung dahingehend nieder, daß Freiberufler gem. §2 Abs. 1 GewStG i.V.m. §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG keine Gewerbesteuer zahlen müssen.
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
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freien Berufe dem der Profession und wird im Deutschen oftmals als Umschreibung genutzt. Gleichwohl existiert auch in diesem Fall keine eindeutige Begriffsfestlegung. Zudem scheint der Begriff aufgrund seiner Verbindung mit sozialethischen Vorstellungen im Kontext der fokalen Fragestellung wenig fruchtbar.367 Obgleich im Rahmen der Forschung zu Professionen eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze entwickelt wurde (2), können eine Reihe von Merkmalen als gemeinsame übergreifende Charakteristika bezeichnet werden (3). (2) Professionsmodelle und Forschungstraditionen Im Rahmen der Forschung zu Professionen haben sich eine Vielfalt unterschiedlicher Forschungstraditionen und Ansätze entwickelt. In der Folge sollen die wichtigsten der unterschiedlichen Ansätze überblicksartig dargestellt werden. Deren Vielfalt kann dazu anhand unterschiedlicher, zum Teil korrespondierender, Kriterien strukturiert und dargestellt werden: Neben einer Differenzierung der unterschiedlichen Modelle nach inhaltlichen Schwerpunkten kann eine Ordnung nach historischen Denkschulen erfolgen. Beide Perspektiven sollen nachfolgend skizzenhaft betrachtet werden. Folgt man inhaltlichen Differenzierungskriterien, können insbesondere vier Gruppen konventioneller Professionstheorien unterschieden werden:368 Indikatorisch-merkmalstheoretisches Professionsmodell: Im Fokus der sog. Trait Theory bzw. des Attribute Model steht eine überwiegend induktive Suche nach grundlegenden Eigenschaften von Professionen. Deren Differenzierung und
366
367 368 369
Einordnung erfolgt anhand unterschiedlicher Kriterien wie bspw. der zugrundeliegenden Wissensbasis oder der sozialen Anerkennung. Eine wissenschaftliche Basis sowie High Status werden als Voraussetzungen zur Professionalisierung angesehen.369 Funktionalistisches Professionsmodell: Das Erkenntnisinteresse der Functionalist Perspective richtet sich auf die Funktionen von Professionen im Hinblick auf die Gesellschaft. Diese Sichtweise betrachtet die Rolle von Professionen im Kontext
Zu dieser Gruppe werden grundsätzlich selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische oder ähnlich gelagerte Tätigkeiten gezählt. Viele, bei weitem jedoch nicht alle freiberuflichen Tätigkeiten werden in Deutschland durch sog. Standesordnungen geregelt. Niederschlag findet die Freiheit in der nationalen Gesetzgebung, bspw. in der Steuergesetzgebung. §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG enthält eine Liste sog. Katalogberufe aus den Bereichen der Heilberufe, rechts-, steuer- und wirtschaftsberatende, naturwissenschaftliche / technische sowie sprachund informationsvermittelnde Berufe. Neben den Katalogberufen werden jedoch auch ähnliche Berufe gleichermaßen berücksichtigt, auch wenn deren Einordnung im Einzelfall problematisch sein kann. Vgl. Kairat (1969), S. 15. Vgl. u.a. Dewe (1986), S. 163ff., Willmott (1986), S. 5557ff., Koring (1989), S. 54ff., Torstendahl (1990a), S. 44f., Combe/Helsper (2002), S. 9ff., Gray/Clegg (2003), S. 4ff. Vgl. Millerson (1964), S. 10, Kairat (1969), S. 12 Torstendahl (1990a), S. 59.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt der Ausdifferenzierung von Berufen. Professionen bedienen im Rahmen ihrer Leistungserstellung zentrale gesellschaftliche Werte, Rollenvorstellungen und Interessen (u.a. (Durkheim 1957, Etzioni 1969).370. Dazu werden ebenfalls die historischen Veränderungen von Professionen bzw. der sie umgebenden Faktoren im Laufe der Zeit betrachtet. Interaktionstheoretisches Professionsmodell. Die Anhänger der Interactionist Perspective fokussieren die Entwicklung von Professionen aus sich heraus. Dabei stellen sie die soziale Interaktion unterschiedlicher, auch widerstreitender Positionen innerhalb einer Berufsgruppe in den Mittelpunkt. Diese Interaktion des Forderns und Aushandelns (Claim Making) der Arbeitsteilung führt innerhalb des Gefüges von Professionen zu Prozessen der Wandlung und Entstehung neuer Professionen (u.a. Hughes 1958, Freidson 1970). Machttheoretisches Professionsmodell: Die Vertreter machttheoretischer Modelle schließlich stellen die Motivation der Berufsträger vollends in den Mittelpunkt. Aus der Tradition der Chicagoer Schule heraus entsteht der Begriff der Professionalisierungsprojekte (Professional Projects), in deren Zuge Berufsgruppen sich eine exklusive Marktstellung zu sichern suchen (Larson 1977). Professionen dienen als Mittel im kollektiven Kampf um die Kontrolle der entsprechenden Märkte. Die Entwicklung eines Berufs zur Profession wird als Ergebnis eines erfolgreichen Projektes verstanden, in dessen Verlauf es den Berufsangehörigen gelingt, mittels spezialisierten und vermarktbaren Wissens die Kontrolle über einen entsprechenden Markt und den Schutz vor Wettbewerb zu erlangen. Gleichzeitig dient die Profession der Erlangung sozialen Status und Prestiges.371 Die Ansätze dieser Forschungsrichtung thematisieren das professionelle Handeln, genauer, die Strategien, die Professionals im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Anwendung bringen (u.a. Larson 1977, Forsyth/Danisiewicz 1985, Abbott 1988).372
Neben der dargestellten inhaltlichen Differenzierung lassen sich die unterschiedlichen Ansätze gemäß ihrer historischen Abfolge unterschiedlichen Denkschulen zuordnen.373 Wie andere Forschungsfelder scheint auch die Forschung zu Professionen einem gewissen Lebenszyklus zu unterliegen. In diesem Sinne sind mit der klassischen Professionsforschung, der „Revisionist Wave“ sowie der „Post Revisionist Wave“ drei grundsätzliche Phasen soziologischer Professionsforschung
370 371 372 373
Vgl. Goode (1972), S. 158ff. Vgl. u.a. Larson (1977), Larson (1990), Collins (1990a), S. 18f. Vgl. Torstendahl (1990a), S. 59. Davon zu unterscheiden ist eine Einordnung unterschiedlicher Professionen selbst nach den Phasen ihrer historischen Bedeutung. So werden vor-industrielle, industrielle, staatsorientierte, unternehmensorientierte sowie post-industrielle wissensorientierte Professionen unterschieden, vgl. u.a. Middlehurst/Kennie (1997), S. 51.
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
77
zu unterscheiden.374 Die Ursprünge der Diskussion zur Professionalisierung finden sich in der klassischen Professionsforschung, die in der amerikanischen Soziologie der 20er und 30er Jahre geleistet wurde, die die Beschreibung der Merkmale von Professionen sowie deren Funktion für die Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt (u.a. Parsons 1939, Merton 1949, Wilensky 1964). Die Autoren der sog. Revisionist Wave stehen für einen Paradigmenwechsel.375 An die Stelle eigenschaftstheoretischer und funktionalistischer Ansätze treten macht-orientierte Ansätze. Die Professionalisierung wird als Konflikt zur Durchsetzung von Interessen verstanden (u.a. Daheim 1973, Larson 1977, Collins 1979, Berlant 1975, Starr 1995). Die Autoren der sog. Post-Revisionist Wave wiederum öffnen die Betrachtung für unterschiedliche regionale und soziokulturelle Kontexte der Professionalisierung und richten ihr Augenmerk auf die dem Prozeß zugrundeliegenden Faktoren. Insbesondere der Faktor des Wissens und dessen soziale Organisation als relevantes Mittel der Professionalisierung stehen dabei im Mittelpunkt der Betrachtung (u.a. Forsyth/Danisiewicz 1985, Collins 1990a). Somit liefert dieser Betrachtungswinkel wesentliche Anknüpfungspunkte zu einer erklärenden Theorie der Professionalisierung.376 (3) Übergreifende Professionsmerkmale Trotz der dargestellten Vielfalt lassen sich einige Merkmale rekonstruieren, die praktisch in allen Forschungstraditionen als Merkmale der Professionalität angesehen werden.377 Dabei kann eine Unterscheidung getroffen werden zwischen Kerncharakteristika von Professionen und einer Vielzahl derivativer Merkmale.378 Als zentrale Merkmale professionellen Handelns können im Sinne eines übergreifenden Verständnisses insbesondere die systematische Anwendung eines abstrakten Wissensgebietes (a) sowie die Einhaltung eines berufsethischen Service-Ideals (b) angesehen werden.379 Neben diesen zentralen Merkmalen werden verschiedene Merkmale aufgeführt, die als Ableitungen der angeführten zentralen Merkmale verstanden werden können (c). Zu diesen derivativen Merkmalen, die übergreifend als Charakteristika von Professionalität bezeichnet werden, sind die folgenden Aspekte zu zählen:380
374 375 376 377 378 379 380
Vgl. Collins (1990a), S. 11ff., Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 141, Kyrö (1995), S. 105. Vgl. Witz (1992), S. 40f. Vgl. u.a. Evetts (2003), S. 399ff. Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 141. Die weitere Schilderung steht folgerichtig in inhaltlicher Nähe zu Eigenschaftstheorien der Professionen, beschränkt sich aber nicht nur auf diese. Vgl. Goode (1960), S. 903. Vgl. in diesem Sinne Goode (1960), S. 903, Donham (1962), S. 64, Kairat (1969), S. 28. Vgl. zu den im folgenden genannten Kriterien u.a. Blau/Scott (2004), S. 60f., Løwendahl (1997), S. 18, Løwendahl (2005), S. 20, Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 141f.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt eine am Wissensgebiet ausgerichtete und Zulassungsbeschränkungen unterliegende akademische Ausbildung und Schulung mit einer Prüfung zum Nachweis der Kenntnisse Berufsständische Organisation der Profession und die geschlossene Vertretung der Interessen nach außen Bezug der professionellen Tätigkeit zu zentralen gesellschaftlichen Werten
Diese aufgeführten Merkmale sowie deren Differenzierung legen die Basis für eine abschließende Begriffsbestimmung, die den weiteren Erörterungen zugrundegelegt werden soll. Zunächst werden im Folgenden diese übergreifenden Charakteristika einzeln vorgestellt und skizziert. (a) Abstraktes Wissensgebiet: Die Erkenntnis, daß ein mehr oder weniger abstraktes Wissensgebiet die Basis jeder Profession bildet, eint unterschiedliche Professionsdefinitionen.381 Der Begriff des Wissens soll hier wie schon zuvor in einem weiten Begriffsverständnis als Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten gebraucht werden.382 Anders als zuvor ist die Perspektive auf Wissen jedoch eine andere: Als übergreifendes Professionsmerkmal ist Wissen in instrumenteller Weise zu verstehen, dessen Funktion sowohl technisch, als auch symbolisch interpretiert werden kann: Zum einen bildet es die technische Grundlage für die Leistungserstellung der Professionals für ihre Klienten.383 Professionen konzentrieren sich auf die Anwendung von Wissen, häufig in Kombination mit Erfahrung. Ihr Wissen bildet die theoretische Fundierung der zu erbringenden Problemlösung. Die Exklusivität der Wissensnutzung dient dem Wissensvorsprung gegenüber den Kunden sowie der Abgrenzung gegenüber potentiellen Wettbewerbern. Der exklusive Besitz des Professionswissens ist Grundlage für Macht und Einfluß. Diese Funktion entspricht einer ökonomischen Interpretation des Wissens.384 Zum anderen kann die Funktion des Wissens auch in symbolischer Weise interpretiert werden. Diese Interpretation von Professionswissen geht über die praktische Problemlösungskompetenz hinaus.385 Das Wissen einer Profession gereicht ihren Angehörigen demnach dadurch zu gesellschaftlichem Status und Ehren, indem es als ideologische Basis fungiert und in beinahe ritueller Anwendung geeignet ist, Laien zu beeindrucken.386 Insbesondere die klassischen Professionen
381 382 383 384 385
386
Vgl. Torstendahl (1990b), S. 2. Wilensky (1964) bezeichnet das eingesetzte Wissen der Professionals als technical basis einer Profession; vgl. Wilensky (1964), S. 138, 140. Vgl. Probst et al. (2003), S. 17. Vgl. Wilensky (1964), S. 138. Vgl. Torstendahl (1990b). Zur Frage, ob der symbolische Wert des Professionswissens zusätzlich oder getrennt von einer reinen Problemlösungskompetenz zu sehen ist, bestehen verschiedene Positionen. Für eine Gegenüberstellung vgl. Torstendahl (1990b), S. 3f. Vgl. Torstendahl (1990b), S. 3.
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erlangen durch ihr Wissen eine mystische Aura.387 Diese Funktion entspricht einer symbolischen Interpretation des Wissens.388 Um diesen Funktionen allerdings gerecht werden zu können und einer Profession zur Grundlage zu gereichen, muß das zugrundeliegende Professionswissen öffentlich bzw. staatlich anerkannt und rechtlich geschützt sein.389 Diese Eigenschaften deuten in ökonomischer Interpretation auf die marktliche Stellung eines Monopols.390 Diese Professionsgängigkeit setzt bestimmte Eigenschaften des Wissensgebietes voraus. Rechtliche Anerkennung und Schutzmöglichkeiten basieren darauf, daß das Wissensgebiet systematisch angelegt ist und weder zu allgemein, noch zu speziell beschaffen ist. Ist das zur Anwendung kommende Wissen zu allgemein und vage, bleibt ihm öffentliche Anerkennung oftmals versagt. Zudem ist eine Exklusivität rechtlich nicht abzusichern. Beispiele sind insbesondere in den Bereichen „Human-Relations Professions“ wie Sozialarbeit oder Weiterbildung zu sehen. Ist das Wissen hingegen zu spezialisiert, so kann es ebenfalls einer Professionalisierung abträglich sein. Wenn hochspezialisiertes Wissen vollkommen kodifiziert ist und auch von Laien schnell erlernt werden kann, so ist seine Eignung als Professionswissen gering.391 (b) Einhaltung eines Service-Ideals: Neben dem Merkmal des Wissens und den damit verbundenen Aspekten bilden berufsethische Verhaltensnormen ein weiteres zentrales Merkmal von Professionen. Im weiteren zu betrachten sind deren Inhalte sowie Abstufungen hinsichtlich ihrer normativen Bindungskraft. Professionelle Verhaltensnormen bestimmen konformes Verhalten der Professionals. Ihre grundsätzliche Prägung erhalten professionelle Verhaltensnormen durch das Ideal des Dienens (Service-Ideal).392 Dieses steht für eine grundsätzliche Überordnung der Interessen des Klienten über persönliche oder wirtschaftliche Interessen und eine Anerkennung der Grenzen professioneller Expertise.393 Dem grundsätzlichen Ideal folgend existieren eine Reihe unterstützender Hilfsnormen, die das Verhältnis zwischen Professional und Klienten ausgestalten und prägen. Diese Normen können bspw. Sachlichkeit, Objektivität und Unabhängigkeit im Rahmen
387 388 389 390 391 392 393
Vgl. Wilensky (1964), S. 149. Vgl. Collins (1990a), Torstendahl (1990b), S. 3. Vgl. Wilensky (1964), S. 138. Vgl. u.a. Wilensky (1964), S. 148f. Vgl. Gargan (1993), 1864. Vgl. Wilensky (1964), S. 140. Obwohl dieses Ideal in unterschiedlichen Professionen in unterschiedlicher Weise umgesetzt wird und von manchen Autoren kritisch kommentiert wird, kann es als ein zentrales Charakteristikum aller Professionen angesehen werden. Als zentrale Voraussetzung für das Funktionieren der Beziehung zwischen Professional und Kunden geht es über ein bloßes Lippenbekenntnis hinaus, vgl. u.a. Wilensky (1964), S. 140, Løwendahl (1997), S. 20.
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des Vorgehens zur Problemlösung vorgeben.394 Die Gründe für eine derartige Verhaltensnormierung liegen in den Charakteristika der Beziehung zwischen Professional und Kunde. Ihre Zusammenarbeit erfordert Vertrauen, dessen Existenz Voraussetzung für die Integration des Kunden in die Leistungserstellung und somit für den Erfolg einer professionellen Leistungsbeziehung darstellt.395 Dem erforderlichen Vertrauen stehen seitens des Kunden mehrere Faktoren entgegen: Oftmals liegt der Beziehung zwischen Professional und Kunde ein prekäre Lage zugrunde, die den Kunde ist in besonderer Weise verwundbar macht. Sowohl die Erkennung, als auch die Lösung des Problems verlangen besondere Intensität und Offenheit in der Zusammenarbeit, die auch den Austausch möglicherweise vertraulicher Informationen mit einschließt. Könnte ein Kunde nicht auf entsprechende Verhaltensnormen vertrauen, wäre er nicht in der Lage, am Problemlösungsprozeß erfolgreich teilzunehmen.396 Ein weiteres Problem betrifft die Bewertung der Leistungsqualität seitens des Kunden. Aufgrund der beschriebenen Eigenschaften professioneller Leistungen als Vertrauensgüter sowie der charakteristischen Asymmetrie zwischen Professional und Kunde hinsichtlich des relevanten Wissens sind Kunden in der Regel weder vor noch nach Bezug der Leistung in der Lage, die Qualität der entgegengebrachten Leistungen vollumfänglich einzuschätzen.397 Diese besonderen Herausforderungen innerhalb der Leistungsbeziehung zwischen Professionals und Klienten machen das Service Ideal zum Dreh- und Angelpunkt des Anspruchs professionellen Status.398 Gleichzeitig bilden sie die Begründung für die besondere Stellung Professionsangehöriger in der Gesellschaft. Neben dem Wissen sind die Verhaltensnormen eine Begründung für die Autonomie, die den Angehörigen einer Profession zugestanden werden. Neben ihrer inhaltlichen Ausgestaltung ist mit dem Grad ihrer Bindungswirkung eine weitere Dimension professioneller Verhaltensnormen zu berücksichtigen. Diese ist eng an die institutionelle Verankerung und Sanktionierung geknüpft, die im Rahmen staatlicher und nicht-staatlicher Institutionen unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann. Eine basale Form der Kontrolle professioneller Normen kann durch den Markt erfolgen. Allerdings ist die Effektivität dieser Kontrolle an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Eine Sanktionierung durch den Markt kann nur dann erfolgen, wenn die Klienten über ausreichende Informationen verfügen, um die Nichteinhaltung professioneller Normen erkennen zu können. Eine höhere Bindungswirkung erlangen Normen, die von berufsständischen Institutionen gefaßt 394 395 396 397 398
Vgl. Wilensky (1964), S. 140 unter Rekurs auf Parsons (1951), S. 433ff. Vgl. Evetts (2006), S. 515f. Vgl. Wilensky (1964), S. 140. Vgl. Müller-Stewens (1999), S. 21. Vgl. Wilensky (1964), S. 140.
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werden. Die Existenz nicht-staatlicher berufsständischer Institutionen wird in diesem Zusammenhang als eigenes Professionsmerkmal angesehen. Eine ihrer Funktionen kann die Formulierung und ggf. Durchsetzung professioneller Verhaltensnormen sein. Ist ein Ehrenkodex (Code of Ethics) von den Professionsangehörigen verabschiedet, wird seine Einhaltung von den Mitgliedern der Institution selbst kontrolliert. Bei Nichteinhaltung sind Sanktionen wie etwa der Ausschluß aus der Profession möglich. Eine starke Ausprägung der Verbindlichkeit erfahren professionelle Verhaltensnormen durch staatliche Institutionen. Werden Verhaltensnormen in Form von Gesetzen und Verordnungen fixiert, so ist ihre Einhaltung vor Gerichten einklagbar. Bei Nichteinhaltung drohen staatliche Sanktionen. Im Falle staatlicher Institutionen ist der Aspekt der Genese im Sinne der Definition und Formulierung oftmals von der Frage ihrer Durchsetzung zu trennen.399 Eingang in staatliche Gesetz und Verordnungen finden oftmals auch solche Normen, die durch nicht-staatliche Institutionen bzw. in Zusammenarbeit mit ihnen erarbeitet wurden.400 (c) Abgeleitete Merkmale: Neben den übergreifenden Merkmalen existiert eine Vielzahl weiterer Merkmale, die sich aus den erstgenannten ableiten. Dazu sind eine akademische zulassungsbeschränkte und prüfungsbewehrte Ausbildung (i), die Existenz berufsständischer Organisationen (ii) sowie der inhaltliche Bezug professioneller Tätigkeit zu zentralen Werten der Gesellschaft (iii) zu zählen. (i) Akademische Ausbildung und Zulassungsbeschränkung In engem Zusammenhang mit dem Aspekt des Wissens ist dessen akademischer Genese und Distribution - kurz die Frage der Wissenschaft – zu betrachten. Als Bezugswissenschaft besitzt sie für die jeweilige Profession eine handlungsleitende und identitätsstiftende Funktion. Das geteilte Wissen um Problemlösungen bildet die Grundlage für ein gemeinsames Berufsverständnis.401 Im Rahmen einer akademischen Ausbildung, die auf die entsprechende Tätigkeit ausgerichtet ist, wird den zukünftigen Berufsträgern bzw. Professionals das erforderliche Wissen vermittelt. Da akademische Ausbildungen in der Regel mit Zulassungsbeschränkungen und Abschlußprüfungen gekoppelt sind, können sie gleichzeitig die Funktion einer 399 400
401
Vgl. u.a. Beck et al. (1980), S. 81, Schulze-Krüdener (1996), S. 44. Als Beispiel für staatlich fixierte Verhaltensnormen kann die ärztliche Schweigepflicht angesehen werden. Die ärztliche Schweigepflicht wurde bspw. für die Ärzte im Einzugsgebiet der Ärztekammer Nordrhein (NRW) im Rahmen der Berufsordnung fixiert, die die Kammerversammlung aufgrund des Heilberufsgesetzes beschlossen hat. Diese wurde durch einen Erlaß des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie wiederum aufgrund des Heilberufsgesetzes genehmigt und in Kraft gesetzt, vgl. o.V. (1998). Vgl. Torstendahl (1990b), in anderem Zusammenhang auch Terhart (1990).
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Zulassungsvoraussetzung für die Profession einnehmen. Unabhängig vom Modus ihrer Organisation fungieren Zulassungsbeschränkungen als Regulativ für Quantität und Qualität eines Marktes für professionelle Dienstleistungen. (ii) Berufsständische Organisation Ein weiteres in nahezu allen Professionsmodellen anerkanntes Merkmal von Professionen ist die Existenz von berufsständischen Organisationen.402 Als kooperative Organisationsform tragen sie zur Wahrnehmung von Professionen als organisierte Gebilde von Berufsangehörigen bei.403 Berufsständische Organisationen können nach innen und nach außen eine Vielzahl von Funktionen und Rollen ausfüllen mit dem Ziel einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder404. Nach innen gerichtete Funktionen einer berufsständischen Organisation adressieren die Beteiligten innerhalb einer Profession bzw. einer professionellen Branche, d.h. einzelne Professionsangehörige und Unternehmen. Zentrale Aufgaben berufsständischer Organisationen sind dabei die Koordination ihrer Mitglieder sowie die Sicherstellung der Dienstleistungsqualität. Sie tragen zur Entwicklung und Einhaltung von Qualitätsmaßstäben und Verhaltensnormen bei. Schwerpunkte ihres Handels nach innen sind die Wissensvermehrung und Qualifizierung ihrer Mitglieder. Je nach inhaltlicher Ausprägung kann man bei berufsständischen Organisationen für Professionen von study bzw. qualifying associations sprechen.405 Sie organisieren Qualifikationsmaßnahmen und Zulassungsverfahren, die darauf zielen, die Mitglieder gegenüber Unqualifizierten und „Scharlatanen“ abzugrenzen (Keeping out the unqualified).406 Insofern ist im Rahmen des Wirkens professioneller Organisationen von einer kontrollierenden und motivierenden Funktion zu sprechen.407 Sie nehmen in diesem Kontext eine überwiegend konservative Rolle ein.408 Abhängig von der individuellen Ausgestaltung der Selbstverwaltung kann diese Funktion bis hin zur Ausübung von Disziplinargewalt im Rahmen der Durchsetzung professioneller Verhaltensnormen gehen. Die Funktionen berufsständischer Organisationen „nach außen“ richten sich an Akteure außerhalb der jeweiligen Profession bzw. Branche. Dabei können zwei eng 402
403 404 405 406 407 408
Vgl. Kairat (1969), S. 12 unter Rekurs auf Millerson (1964). Die Diskussion der Frage, ob berufsständische Organisationen in erster Linie Merkmal oder Mittel zur Entwicklung von Professionen sind, soll an dieser Stelle zugunsten einer späteren Erörterung zurückgestellt werden. Vgl. Hesse (1968), S. 144, Schulze-Krüdener (1996). Vgl. u.a. Groß/Kieser (2006), S. 78 Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 52 unter Rekurs auf eine Typologie professioneller Verbände von Millerson (1964). Vgl. Caplow (1964), S. 139, S. 39, Løwendahl (1997), S. 18. Zu den Zielen von Berufsorganisationen vgl. Daheim (1970), S. 235. Zu möglichen anderen Rollen professioneller Institutionen vgl. Greenwood et al. (2002), S. 59.
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miteinander verknüpfte Arenen unterschieden werden: Zum einen üben berufsständische Organisationen in Richtung der Öffentlichkeit und des Staates eine politische Funktion aus. Zum anderen wirken sie auf dem Markt, auf dem die entsprechenden professionellen Leistungen ausgetauscht werden und nehmen somit eine wirtschaftliche Funktion wahr.409 Die politische Funktion berufsständischer Organisationen findet ihren Niederschlag insbesondere in der Vertretung der Interessen der Professionsangehörigen mit dem Ziel der Teilnahme an öffentlichen bzw. staatlichen Entscheidungsprozessen.410 Verbänden fällt dabei die Funktion einer berufsexternen Öffentlichkeitsarbeit zu.411 Ziel ist neben einer möglichst weitreichenden Anerkennung außerhalb der Profession insbesondere eine entsprechende Regulierung des relevanten Marktes professioneller Leistungen unter Einbezug der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen der Professionsangehörigen.412 Berufsständische Organisationen können dabei im Sinne eines korporatistischen Arrangements Funktionen des Staates bspw. hinsichtlich der Allokation und Kontrolle professioneller Leistungen übernehmen, für deren Ausübung dieser weniger geeignet ist.413 Dadurch werden professionelle Organisationen zu einer zentralen Institution des gesamtgesellschaftlichen Interessenausgleiches.414 In diesem Sinne wird von berufsständischen Organisationen als privaten Interessenregierungen gesprochen, die dem kollektiven Machtgewinn bzw. -erhalt dienen.415 Eng mit der politischen Funktion verknüpft ist das Wirken berufsständischer Organisationen in der wirtschaftlichen Arena. Betrachtet man ihr Wirken im Rahmen eines basalen Marktmodells, so dienen Berufsverbände insbesondere der Regulierung der internen Konkurrenz sowie der Schaffung einer exklusiven Marktstellung ihrer Mitglieder.416 Insofern kann von einer Professionalisierung als komplexe Marktstrategie der Professionsangehörigen gesprochen werden. 417
409 410
411 412 413
414 415 416 417
Vgl. Daheim (1970), S. 235. Weber (1977) unterscheidet im Kontext der Interessenvertretung die einzelnen Schritte der Interessenaggregation, Interessenselektion, Interessenartikulation, Transformation und schließlich Partizipation am Prozeß der öffentlichen Willensbildung, vgl. Weber (1977), S. 346ff. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 44. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 44. Beispiele solcher Aufgaben sind Qualifikations- und Zulassungsverfahren sein oder die Überlassung der Kontrolle und Disziplinargewalt, vgl. Streeck/Schmitter (1985), S. 151, Bennett (1998), S. 245f. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 28. Vgl. u.a. Collins (1990a), S. 17, Schulze-Krüdener (1996), S. 28. Vgl. Beck et al. (1980), S. 86, Collins (1990a), S. 18f., Schulze-Krüdener (1996), S. 44. Vgl. Beck et al. (1980), S. 81.
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Durch Koordination der Interessen der Professionsangehörigen nach innen und Regulierung nach außen schaffen professionelle Organisationen Marktmacht.418 Professionelle Organisationen stellen somit einen Macht- und Ordnungsfaktor auf Märkten für professionelle Leistungen dar. Dabei können die dargestellten grundsätzlichen politischen und wirtschaftlichen Funktionen berufsständischer Organisationen jedoch hinsichtlich ihrer realen Ausprägungsformen differieren.419 (iii) Bezug zu zentralen gesellschaftlichen Werten Das letzte der zentralen Merkmale von Professionen bildet die Forderung nach einer kollektiven Orientierung professionellen Handels. Mit der Kollektivorientierung einer Profession wird ursprünglich das professionelle Handeln im Dienst der Allgemeinheit beschrieben. Tragen Professionen zur Lösung essentieller Probleme von gesellschaftlicher Bedeutung bei, so dienen sie dem öffentlichen Wohl und der Stabilität der Gesellschaft. Dennoch ist diese Forderung im Rahmen der Betrachtung von Professionsmerkmalen keineswegs unumstritten. Widersprüchliche Auffassungen beziehen sich insbesondere auf das Verhältnis individueller und kollektiver Interessen. Folgt man einem traditionellen Verständnis von Professionen, so dient professionelles Handeln eher kollektiven Interessen denn der Befriedigung privater Interessen der Professionsangehörigen.420 In Abgrenzung zu gewöhnlichen Berufen wird Professionen in diesem Zusammenhang eine überwiegend altruistische, am gesellschaftlichen Wohl orientierte Verhaltensweise zugeschrieben.421 Einer derartigen Normierung wird insbesondere vor dem Hintergrund der individuellen Notlagen, die in der Regel den Hintergrund professionellen Handeln bilden, große Bedeutung eingeräumt.422 Dennoch stößt ein derartiges Verständnis von Professionen, das überwiegend altruistische Motive der Handelnden annimmt, insbesondere bei ökonomisch argumentierenden Autoren auf Widerspruch und Skepsis. So bezeichnet u.a. Kairat (1969) die Kollektivitätsorientierung als ungeeignetes Kriterium für professionelles Handeln.423 Während die inhaltliche Bedeutung professionellen Handelns für die
418 419
420 421 422 423
Diese Wirkung hat ihnen die Kritik eingebracht, sie seien Mittel der Macht- und Besitzstandswahrung, vgl. Hartmann/Hartmann (1982), S. 204ff. Ein prägender Faktor ist die Rolle des Staates, die sich bspw. in der rechtlichen Stellung der berufsständischen Organisation niederschlägt. In diesem Zusammenhang differenziert Freidson (1999) zwischen der Organisation des Staates (hierarchisch vs. koordinierend) sowie dem Modus der Machtausübung (aktiv vs. reaktiv), vgl. Freidson (1999), S. 123 unter Rekurs auf Damaska (1986). Vgl. Hesse (1968), S. 45ff. Vgl. Løwendahl (2005), S. 20. Vgl. Wilensky (1964), S. 140. Vgl. Kairat (1969), S. 28.
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Gesellschaft unbestritten bleibt,424 weisen verschiedene Autoren darauf hin, daß die historisch bedingte Annahme einer uneingeschränkten Kollektivorientierung Naivität gleichkomme. Dagegen setzen sie ein markttheoretisches Verständnis, das Professionen als strategische Handlungsoption ihrer Mitglieder interpretiert, die letztlich wie jede Berufstätigkeit der Erzielung persönlichen Einkommens dient. Dies wird mit einer ökonomischen Logik begründet, der insbesondere selbständige Professionals unterliegen.425 Die diesbezüglichen unterschiedlichen Auffassungen können mit der historischen Entwicklung von Professionen und der diesbezüglichen Forschung in Verbindung gebracht werden. Gerade klassische Professionen wie Medizin und Klerus sind es, die den Ursprung für das Merkmal einer weitgehenden Kollektivorientierung gelegt haben. Allerdings hat sich Betrachtung dieses Merkmals mit der Herausbildung neuer Professionsgruppen sowie durch das Verhalten der Professionsangehörigen im Laufe der Zeit verändert.426 Nach der Herausbildung neuer Professionsgruppen sind Professionen nach verschiedenen Merkmalen zu differenzieren. Neben den klassischen, freien Professionen (Free Professions) sind akademische (Academic Professions), öffentliche (Professions of the Welfare State) sowie wirtschaftliche Professionen (Capital Professions) zu unterscheiden.427 Es darf vermutet werden, daß jeder dieser Professionsgruppen u.a. hinsichtlich ihrer Kollektivorientierung unterschiedlich zu bewerten ist. Die vergangenen Abschnitte dienten einer konzeptionellen Fundierung und akademischen Schärfung des Begriffes der Profession. Auf der Basis unterschiedlicher Forschungstraditionen konnten deren inhaltlicher Vielfalt zum Trotz übergreifende Merkmale des Professionsbegriffes dargestellt werden. Demnach können insbesondere die Anwendung eines systematischen Wissensgebietes sowie die Einhaltung eines professionellen Service-Ideals als zentrale Grundvariablen professionellen Handelns bezeichnet werden.428 Im Sinne einer konzeptionellen Schnittmenge sind es insbesondere diese zentralen Charakteristika, die geeignet sind, eine fruchtbare Basis für die weitere Arbeit darzustellen.
II.1.2 Professionalisierung als Prozeß Während sich die vorangegangenen Abschnitte im Sinne einer statischen Perspektive mit dem Begriff der Profession beschäftigte, ist der folgende Abschnitt 424
425 426 427 428
Die Fähigkeit zur Lösung von Problemen von großer Bedeutsamkeit für zentrale Werte der Gesellschaft bezeichnet Kairat (1969) als eine Grundvariable professionellen Handelns, vgl. Kairat (1969), S. 20. Vgl. Kairat (1969), S. 15ff. Zu den vielfältigen Prozessen der Professionalisierung vgl. Abschnitt II.1.2. Vgl. Brante (1990), S. 81. Vgl. in diesem Sinne Goode (1960), S. 903, Donham (1962), S. 64, Kairat (1969), S. 28.
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mit der Professionalisierung einer dynamischen Perspektive gewidmet. Anknüpfend an die beschriebenen Eigenschaften von Professionen steht der Begriff der Professionalisierung grundsätzlich für den Prozeß, in dessen Verlauf ein Beruf den Status einer Profession erlangt.429 Damit kann er grundsätzlich schlicht für den Prozeß der Herausbildung obengenannter Professionsmerkmale stehen. Dennoch können dem Begriff, wie im Folgenden dargestellt wird, weitergehende konzeptionelle Bedeutungen zugeschrieben werden.430 Wie der Begriff der Professionalität genießt auch die Idee der Professionalisierung eine gewisse allgemeinsprachliche Beliebtheit. Dabei ist eine allgemeine Tendenz unterschiedlicher Berufsgruppen feststellbar, ihre Professionalisierung anzustreben.431 Der weiteren Betrachtung des Begriffs der Professionalisierung ist wiederum eine begriffliche Klärung voranzustellen. Das Konzept der Professionalisierung ist begrifflich gegenüber weiteren Begriffen abzugrenzen. Häufig genutzt, inhaltlich jedoch keineswegs mit dem Begriff der Professionalisierung gleichzusetzen, ist der Begriff der Verwissenschaftlichung (Scientification). Zwar sieht auch der Begriff der Verwissenschaftlichung die Ausarbeitung und möglichst exklusive Beanspruchung einer abstrakten Wissensbasis vor, diese weist aber lediglich instrumentellen Charakter auf.432 Im Gegensatz dazu umfaßt die Nutzung des Wissens im Rahmen des Begriffes der Profession bzw. der Professionalisierung eine sozio-normative Komponente. Diese Erlangung eines sozialen Status unterscheidet die Professionalisierung von der Verwissenschaftlichung, die letztlich im Sinne eines Expertentums zu verstehen ist.433 Die konzeptionelle Vielfalt, die den Umgang mit dem Begriff der Profession prägt, findet ihre Fortsetzung in den Versuchen, den Prozeß der Professionalisierung und seiner Stufen oder Schritte zu spezifizieren.434 Die folgenden Abschnitte dienen der Vorstellung verschiedener Konzepte zur Professionalisierung (1). Erreicht wird eine Professionalisierung im klassischen Sinne gleichwohl nur von wenigen.435 Aus diesem Grunde widmet sich ein weiterer Abschnitt der Betrachtung unterschiedlicher, nicht abgeschlossener Professionalisierungsprozesse bzw. unterschiedlicher Abstufungen von Professionalität (2).
429 430 431
432 433 434 435
Vgl. Siegrist (1990a), S. 177. Für einen Überblick über verschiedene Bedeutungsdimensionen des Begriffes vgl. u.a. Siegrist (1990a), S. 177, Schulze-Krüdener (1996), S. 35f. Zur Heterogenität der unterschiedlichen Berufsgruppen bemerkt Freidson (1970), sie hätten nichts gemeinsam als den Hunger nach Prestige, vgl. Freidson (1970), S. 4, ebenso Wilensky (1964), S. 141, Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 59. Vgl. Terhart (1990), S. 153. Vgl. u.a. Selander (1990), S. 143, Terhart (1990). Vgl. u.a. Gargan (1993), S. 1869. Vgl. Wilensky (1964), S. 141.
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(1) Modelle der Professionalisierung Die konzeptionelle Vielfalt, die den Umgang mit dem Begriff der Profession prägt, findet ihre Fortsetzung in den Versuchen, den Prozeß der Professionalisierung und dessen Stufen oder Schritte zu spezifizieren.436 Dabei besteht bei den Modellen der Professionalisierung ein enger inhaltlicher Zusammenhang zu den verschiedenen korrespondierenden Verständnisrichtungen des Konzepts der Profession. Dabei lassen sich die unterschiedlichen Modelle und Vorstellungen einer Professionalisierung den unterschiedlichen Gruppen zuordnen, die in den folgenden Abschnitten eingehender vorgestellt werden:437 Erstens existieren Phasenmodelle, die sich an der Auswertung historischer Professionalisierungspfade orientieren. Derartig ausgerichtete Autoren betrachten die verschiedenen historischen Phasen von Professionalisierungsprozessen im Sinne einer „Naturgeschichte“.438 Je nach Standort kann die historische Sichtweise der Professionalisierung zudem unterschiedliche Schwerpunkte haben: Insbesondere einem kontinentaleuropäischen Verständnis der Professionalisierung entspringen solche Modelle, die die Rolle des Staates im Rahmen des Prozesses der Professionalisierung in den Mittelpunkt stellen (State centered theories).439 Diese Modelle können in einem engen Zusammenhang mit jenem Verständnis von Professionen gesehen werden, die deren grundlegenden Eigenschaften in den Mittelpunkt stellen (Functionalist view of professionalization).440 Neben diesen beschreibenden Modellen bestehen solche Modelle, die sich auf ein Verständnis der einer Professionalisierung zugrundeliegenden Kausalfaktoren richten. Einen Schwerpunkt bilden dabei Ansätze, die den Aspekt professionellen Wissens betonen (Knowledge oriented theories). Der Prozeß der Professionalisierung wird als Prozeß des Aufbaus, der Vermittlung und des Schutzes eines spezifischen Expertenwissens rekonstruiert. Einen strategischen Schwerpunkt hingegen setzen die politischen und ökonomischen Modelle der Professionalisierung. Diese Modelle interpretieren Professionalisierungsprozesse als strategisches Projekt der beteiligten Berufsgruppen mit dem Ziel, Macht bzw. ökonomischen Erfolg zu erringen (u.a. Freidson 1970, Larson 1977, Abbott 1988, Forsyth/Danisiewicz 1985). Sie fokussieren den Prozeß der Etablierung professionellen Status und dessen Nutzung.
436 437 438 439 440
Vgl. u.a. Gargan (1993), S. 1869. Vgl. u.a. Pavalko (1989), S. 34ff., Abbott (1991), S. 356f., Neal/Morgan (2000), S. 11f., Groß/Kieser (2006), S. 73ff. Vgl. u.a. Wilensky (1964), S. 142, Hughes (1958), S. 133ff., Carr-Saunders et al. (1933) und Caplow (1954). Vgl. u.a. Damaska (1986), Heidenheimer (1989), Neal/Morgan (2000). Vgl. u.a. Durkheim (1957), Etzioni (1969).
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(a) Modelle der historischen Entwicklung: Historische Modelle der Professionalisierung basieren auf der Analyse der Entwicklung etablierter Professionen und richten sich auf eine Ableitung allgemeiner Professionalisierungspfade. Indem sie die Professionalisierung als Prozeß der Herausbildung der entsprechenden Eigenschaften von Professionen verstehen, sind die historischen Modelle in engem Zusammenhang mit Eigenschaftsmodellen zu sehen.441 Im Kontext historischer Entwicklungen werden Professionalisierungsprozesse kurz- bis mittelfristige Zeithorizonte zugeordnet.442 Die prominentesten historischen Modelle der Professionalisierung gehen auf die Arbeiten von Caplow (1954, 1964) und vor allem Wilensky (1964) zurück. Beide Autoren schließen aus der Untersuchung der Entwicklung verschiedener Berufsgruppen auf einen charakteristischen Prozeß der Professionalisierung und leiten eine, wenn auch leicht unterschiedliche, typische Reihenfolge von Professionalisierungsschritten ab.443 Diese beginnt nach Caplow (1954) mit der Gründung einer berufsständischen Organisation, setzt sich im Rahmen der Änderung bzw. Festlegung eines Namens der sich in Professionalisierung befindlichen Gruppe sowie der Entwicklung eines Ethik-Codes fort und manifestiert sich schließlich in der Erreichung gesetzlicher Schutzbestimmungen für die fokale Gruppe. Wilensky (1964) hingegen schließt aus seiner Analyse der Professionalisierungsprozesse verschiedener Berufsgruppen und deren Gemeinsamkeiten den nachstehenden Prozeß einer allgemeinen Professionalisierung: Die jeweilige Beschäftigung erlangt Vollzeitcharakter. Angehörige der Berufsgruppe engagieren sich für die Errichtung spezifischer, ggf. akademischer Trainingsinstitutionen. Angehörige der Berufsgruppe bilden eine professionelle Organisation, die auf eine vertikale Differenzierung gegenüber weniger Qualifizierten sowie eine horizontale Positionierung gegenüber konkurrierenden Berufsgruppen ausgerichtet ist. Mit der Entwicklung exklusiver Ansprüche gehen oftmals verschiedene
Phasen der Selbstfindung (Soul Searching) einher.444 Ferner richtet sich die Organisation der Berufsgruppe auf die Erlangung gesetzlicher Bestimmungen zum Schutz exklusiver Rechte und professionellen Status.
441 442
443
444
Vgl. u.a. Pavalko (1989), S. 19ff., Groß/Kieser (2006), S. 73ff. Siegrist (1990a) unterscheidet im Rahmen historischer Professionalisierungsforschung vier verschiedene Modi struktureller Entwicklungen, die sich auf die Unterschiedlichkeit der Professionen und ihrer jeweiligen Entstehungsbedingungen und –verläufe gründen und sich hinsichtlich ihres Zeithorizontes sowie der Zielgerichtetheit des Professionalisierungsprozesses unterscheiden; vgl. Siegrist (1990a), S. 179f. Vgl. Caplow (1954), S. 139f., Wilensky (1964), S. 142f., Wilensky (1972), S. 200. Beide Untersuchungen basieren auf der Betrachtung entsprechender Entwicklungen in Amerika, u.a. am Beispiel der entwicklung der Wirtschaftsprüfung und Medizin. Vgl. Wilensky (1964), S. 144.
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Die Entwicklung findet ihren Abschluß in der Niederlegung eines formalen EthikCodes, der die aufgeführten Themen interner Differenzierung, Regelungen zum Schutz von Kunden sowie die Einhaltung von Service-Idealen regelt.
Zwischen den dargestellten historischen Modellen von Wilensky und Caplow sind nur geringe Unterschiede feststellbar.445 Zwar differiert die von den Autoren vorgestellte Reihenfolge der einzelnen Ereignisse, Einigkeit aber herrscht hinsichtlich der grundlegenden Logik, daß diese Ereignisse den Prozeß der Professionalisierung konstituieren. Beide Modelle basieren insofern auf dem Eigenschaftsmodell von Professionen, als daß sie als gegeben annehmen, daß der Prozeß der Professionalisierung aus einer Aneignung der verschiedenen Eigenschaften von Professionen besteht. Eine Leistung historischer Professionalisierungsmodelle besteht in der Schaffung eines engen Bezuges des jeweiligen Professionalisierungsprozesses zu seinem zeitlichen und räumlichen bzw. spezifisch gesellschaftlichem Kontext.446 In dieser Hinsicht können verschiedene historische Variationen unterschiedlicher Professionalisierungspfade unterschieden werden. Sie unterscheiden sich insbesondere durch die Rolle des Staates im Rahmen der Formung neuer Professionen. Die unterschiedlichen Rollen, die Staaten im Rahmen von Professionalisierungsprozessen einnehmen können, variieren dabei zwischen einer aktiven vs. reaktiven Machtausübung sowie einer hierarchischen vs. koordinierenden Rolle des Staates.447 Diese Differenzierung spiegelt sich in der Unterscheidung zwischen einem anglo-amerikanischen und einem kontinentalen Verständnis der Professionalisierung.448 Im Mittelpunkt des ersteren steht die Freiheit selbständiger Praktiker, ihre Arbeitsbedingungen zu kontrollieren.449 Dies vollzieht sich in der Bildung einer monopolistisch orientierten Anbietergruppe.450 Sie repräsentiert den Kampf um Bildung einer privaten Herrschaftsform innerhalb von Berufsgruppen, unterstützt durch den Staat, in dessen Interesse die Regulierung des entsprechenden Marktes ist. Dem entgegen steht ein europäischer bzw. kontinentaler Modelltyp, in dessen Mittelpunkt Eliten stehen, die ihr Amt auf akademisches Wissen gründen. Hier steht der Prozeß der Professionalisierung für einen politischen Kampf um Kontrolle in einer elitären bürokratischen Hierarchie. In diesem auch als „Germanic Mode“ bezeichneten Professionalisierungsverständnis
445 446 447 448 449 450
Vgl. Pavalko (1989), S. 35. Vgl. Siegrist (1990a), S. 178. Für eine diesbezügliche Typologie vgl. Freidson (1999), S. 123 unter Rekurs auf Damaska (1986), Freidson (2001), S. 138. Vgl. Collins (1990a), S. 15, ebenso Neal/Morgan (2000), S. 9. „bottom up“-Ansatz, vgl. Neal/Morgan (2000), S. 9. Vgl. Collins (1990a), S. 16f.
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wird dem Staat eine aktive, interventionistische Rolle zugeschrieben.451 Professionalisierungsprozesse werden als „Reform von oben“ realisiert.452 Die unterschiedlichen Ausprägungen der Rolle, die der Staat im Rahmen eines derartig verstandenen Professionalisierungsprozesses einnehmen kann, bilden einen eigenen Teilbereich der kontinental geprägten Professionalisierungstheorie. Hinsichtlich des Umfangs der Intervention und Regulierung unterscheidet Fleischmann (1970) fünf aufeinander aufbauende Gruppen:453
Regulierung der Aus- und Weiterbildung wie oben, jedoch zusätzlich Regulierung des Zugangs in Form einer Lizenzierung
wie oben, jedoch zusätzlich Regulierung in Form eines verbindlichen Verhaltenskodex (code of practice) wie oben, jedoch zusätzlich die Einrichtung einer Kammer als Körperschaft öffentlichen Rechts mit einer verpflichtenden Mitgliedschaft für die Angehörigen der Berufsgruppe Regulierung wie oben, jedoch unter Einbezug gesetzlich vorgeschriebener Verhaltensregeln (rules of conduct)
Wie sind die aufgeführten historischen Modelle nun im Kontext der vorliegenden Fragestellung zu bewerten? Ihr Vorteil liegt in einer klaren empirisch fundierten Analyse.454 Durch die offensichtliche Nähe zur Realität bieten sie die Möglichkeit der Wiedererkennung. Diesen Vorteilen stehen jedoch auch Nachteile gegenüber: Eine Gefahr der historischen Herangehensweise liegt darin, das Thema der Professionalisierung im Rahmen einzelner Fallbetrachtungen zu fragmentierten. Bei der Betrachtung einzelner Fälle kann jedoch der analytische Blick für gemeinsame Linien der Professionalisierungsverläufe verloren gehen.455 Zudem muß die Frage der Übertragbarkeit bzw. Anwendbarkeit von Erkenntnissen auf andere Berufsgruppen und Kontexte gestellt werden. Profession bzw. Professionalisierung sind in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext zu verstehen.456 Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, inwiefern sich marktorientierte Erkenntnisse angelsächsischer Professionalisierungsprozesse auf kontinentaleuropäische Verhältnisse bzw. konkret auf die Situation der fokalen Berufsgruppe übertragen lassen. Auch die Abfolge der Stufen kann in diesem Zusammenhang keinesfalls als eindeutig bezeichnet werden.457 451 452 453 454 455 456 457
„top down“-Ansatz, vgl. Neal/Morgan (2000), S. 9. Vgl. Siegrist (1990b), S. 46. Vgl. Kühn (1962), S. 18, Fleischmann (1970), S. 136f., Neal S. 12. Vgl. Abbott (1991), S. 358. Vgl. Collins (1990a), S. 22. Vgl. Daheim (1992), S. 21. Vgl. Siegrist (1990a), S. 181.
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(b) Wissensorientierte Modelle: Nahmen die beschriebenen historischen Modelle eine beobachtende Perspektive ein, fokussieren die nachfolgenden Professionalisierungsmodelle im Sinne einer verstehenden Perspektive auf die den Professionalisierungsprozessen zugrundeliegenden Faktoren. Gleichzeitig wenden sich derartige Modelle von der Vorstellung einer Professionalisierung als linearem, monolithischem, eindirektionalem und zielgerichteten Prozeß ab.458 Vielmehr öffnen sie sich der Idee verschiedener möglicher Entwicklungsrichtungen von Berufsgruppen.459 Die Professionalisierung wird als komplexer und vielschichtiger sozialer Prozeß verstanden, der vielfältige Subprozesse umfaßt.460 Wissensorientierte Modelle stellen den Aspekt des Wissens als zentralen Faktor der Professionalisierung in den Mittelpunkt.461 Das abstrakte Wissen der Berufsangehörigen wird als Grundlage jeder Professionalisierung angesehen. Dem Wissen selbst, seiner sozio-kulturellen Bewertung und den Strategien der Berufsangehörigen zur Handhabung ihres Wissensgebietes werden im Rahmen der Professionalisierung große Bedeutung beigemessen.462 Folgerichtig wird eine Professionalisierung als Prozeß des Aufbaus, der Vermittlung und des Schutzes spezifischen Expertenwissens rekonstruiert. Als Beispiel einer derartigen Betrachtung kann die Arbeit von Abbott (1988, 1991) aufgeführt werden. Den Prozeß der Professionalisierung macht er an einer Reihe einzelner Ereignisse fest (Events of Professionalization), die im Bezug zum Aufbau und der Kontrolle professionellen Wissens stehen.463 (c) Politische und ökonomische Modelle: Eine weitere Gruppe von Professionalisierungsmodellen fokussieren ökonomische und politische Motive im Rahmen der Professionalisierung. Der Prozeß der Professionalisierung wird als Ergebnis politischer und ökonomischer Faktoren verstanden. Ähnlich wie die wissensorientierten Modelle suchen sie Professionalisierungsprozesse durch ihre zugrundeliegenden Kausalfaktoren zu verstehen. Während politische Modelle Professionalisierungsprozesse als Prozeß des Aufbaus von Macht verstehen (i), fokussieren ökonomische Modelle die Aspekte der Marktstellung und Einkommenserzielung Professionals (ii).
458 459 460 461 462 463
Zur Kritik an eindirektionalen Modellen vgl. Pavalko (1989), S. 38. „…professions move in many directions rather than the single one…“, vgl. Abbott (1991), S. 355. Vgl. Abbott (1991), S. 355, 380. Vgl. u.a. Abbott (1991), S. 357. Vgl. Torstendahl (1990a), S. 59, MacDonald (1995), S. 160. Vgl. Abbott (1991), S. 359.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt (i) Politische Modelle
Politische Modelle rekonstruieren eine Professionalisierung als Prozeß der Durchsetzung von Interessen, der sich letztendlich auf den Erwerb von Macht richtet.464 Im Zuge der Professionalisierung als politischem Prozeß erfolgen Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit relevanten Akteuren und Anspruchsgruppen.465 Die Bedeutung professionellen Wissens wird auf die Begründung des Machtanspruchs reduziert. Es hat damit lediglich instrumentellen Charakter.466 Den Beginn machtbasierter Betrachtungen von Professionalisierungsprozessen markiert die Arbeit von Freidson (1970) zur Professionalisierung am Beispiel der Medizin.467 Das wohl bekannteste der machtorientierten Professionalisierungsmodelle ist jenes nach Forsyth/Danisiewicz (1985). Es legt seinen Augenmerk auf die Aktivitäten einer Berufsgruppe zum Image-Aufbau als Kernbestandteil des Professionalisierungsprozesses, dessen Verlauf in drei Phasen aufgeteilt wird (vgl. Abbildung II-1).468 Client service occupation sources of power Essential Exclusive Complex
Phase 1: Potential
Image building activity
Professional Status
Successful public recognition Autonomy from client Autonomy from employing organization
True professions
Unsuccessful public recognition
Mimic professions
Phase 2: Formation
Client autonomous semi professions Organization autonomous semi professions
Phase 2: Stabilization 469
Abbildung II-1: Macht-basiertes Professionalisierungsmodell
Die erste Phase beschäftigt sich mit dem Potential einer Berufsgruppe im Hinblick auf die Etablierung einer Profession. Das Potential basiert auf den grundlegenden Eigenschaften der jeweiligen Leistung (Predisposing Characteristics of Service). Die machtbegründenden Eigenschaften der zu erbringenden Leistung sind Wichtigkeit, Exklusivität, Komplexität. Erstens muß eine Leistung wichtig, d.h. für den Empfänger von essentieller Bedeutung sein. Zweitens muß die Berufsgruppe die exklusive Kontrolle über die Leistung bzw. das zugrundeliegende Wissen besitzen, d.h. sie besitzt ein wirtschaftliches Monopol. Und drittens muß die Leistung hinreichend 464 465 466 467 468 469
Vgl. Löhnig (2000), S. 39. Vgl. Kipping et al. (2006), S. 5. „Ohne Wissen wäre das Monopol ein Monopol über nichts.“, vgl. Abbott (1991), S. 357. Vgl. Groß/Kieser (2006), S. 75. Vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 63, Pavalko (1989), S. 35. Verändert übernommen aus Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 63.
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komplex sein. Die Komplexität einer Dienstleistung äußert sich bspw. darin, daß ihre Erbringung nicht zu routinisieren ist. Hindernis einer Routine ist u.a. die Notwendigkeit der Anwendung von Spezialwissen in Kombination mit Erfahrung. Zusammen generieren sie ein Restmaß an Unbestimmtheit (Marginal Indetermination).470 Damit trägt das Modell Wissen als dominierender Machtbasis des ausgehenden 20. Jahrhunderts Rechnung.471 Die aufgeführten Eigenschaften bilden die Quellen potentieller Macht. Sie bleiben jedoch unwirksam, wenn sie nicht durch die Berufsgruppe entsprechend kommuniziert und durch die Öffentlichkeit als solche akzeptiert werden. Die Aktivitäten der Berufsgruppe zum Aufbau ihres Images (Image building Activities) sind folglich das zweite Element der ersten Phase und ein Kernaspekt des Modells. Er wird häufig in Verbindung mit übergeordneten Institutionen bzw. berufsständischen Organisationen gebracht. Die zweite Phase fokussiert die Formierung der Profession im engeren Sinne. Wesentliches Thema ist die Aufnahme der entgegengebrachten Images durch die gesellschaftliche Öffentlichkeit und deren Meinungsbildung und Bewertung. Dabei sind mehrere generische Ausgänge der Bestrebungen der Berufsgruppe möglich. Kann die Öffentlichkeit von der Berufsgruppe überzeugt werden, so wird ihr professionelle Autonomie gewährt, sie erlangt den Status einer Profession.472 Der Begriff der Autonomie steht dabei für das Recht, professionelle Entscheidungen ohne externen Druck fällen zu können.473 Quellen sachfremden Drucks können die Klienten, andere Professionsfremde oder die den Professional beschäftigende Organisation sein. Bleibt die Öffentlichkeit jedoch unentschlossen oder ablehnend in der Bewertung der Leistungen der jeweiligen Berufsgruppe, so bleiben ihr Autonomie, Macht, mithin der Status der Profession verwehrt.474 Forsyth/Danisiewicz (1985) prägen für ein Resultat einer derartigen Konstellation den Begriff der Mimic-Professionen.475 Unter ihnen verstehen sie Berufsgruppen, die sich in ihrem Auftreten den Anschein einer Profession zu geben versuchen, indem sie verschiedene Merkmale von Professionen nachahmen. Entscheidendes Differenzierungskriterium ist aber deren Mangel an Macht.476
470 471 472 473 474
475 476
Vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 62. Vgl. Collins (1990a), S. 22. Vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 64. Vgl. Hall (1969), S. 82, Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 60, Pavalko (1989), 25. Obgleich das Modell die Frage öffentlicher Anerkennung strikt dichotom zu beantworten scheint, ist sie vielmehr als Kontinuum zu betrachten, vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 65, Pavalko (1989), S. 37. Vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 64. Zu den Beispielen sog. Mimic-Professionen sind lt. Forsyth/Danisiewicz (1985) u.a. Personalverwaltung und Bestatter zu zählen, vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 64f.
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Die dritte Phase schließlich beinhaltet die Stabilisierung des erreichten professionellen Status. Dabei differenziert das Modell noch einmal zwischen verschiedenen Professionalisierungsgraden anhand der ihnen zugestandenen Macht in Form von Autonomie gegenüber dem Klienten bzw. der professionellen Organisation. Professionen, deren Angehörige Autonomie gegenüber ihren Klienten und der sie beschäftigenden Organisation besitzen, werden als echte Professionen (True Professions) bezeichnet.477 Solche Professionen jedoch, die nur gegenüber einer dieser beiden Gruppen Autonomie besitzen, werden als Semi-Professionen bezeichnet.478 Je nach deren Umfang nutzen die Berufsgruppen bzw. Professionen die ihnen gewährte Macht in dieser Phase zur Stabilisierung des erlangten Images und zum Ausbau ihrer gesellschaftlichen Stellung. In diesem Zuge suchen sie beispielsweise politische Legitimation zu erlangen oder entwickeln einen Verhaltenskodex. (ii) Ökonomische Modelle Ebenfalls in den Kontext kausaler Modelle sind die ökonomischen Ansätze der Professionalisierung einzuordnen. Wie die bereits beschriebenen machtorientierten Ansätze betrachten sie Professionen nicht als unausweichliche Konsequenz gesellschaftlicher Differenzierungsprozesse, sondern verstehen sie vielmehr als Resultat strategischer Professionalisierungsprojekte der jeweiligen Berufsgruppen. Erste Ansätze derartiger Modelle gehen auf die Chicago School (u.a. Hughes 1958, Freidson 1970) zurück. Im Gegensatz zu funktionalistischen Ansätzen und als Kritik zu diesen stellen die Autoren der Chicago School ökonomische und markttheoretische Betrachtungen an. Sie sehen Professionalisierungsbemühungen als systematischen Versuch einer Berufsgruppe, ihre Position im Wettbewerb mit konkurrierenden Gruppen wirtschaftlich und gesellschaftlich zu verbessern.479 Ziel ist es, knappe kulturelle und technische Ressourcen in ein sicheres und institutionalisiertes System sozialer und finanzieller Entlohnung umzuwandeln. Folgerichtig prägt Larson (1977) den Begriff von Professionalisierungsprozessen als Professionalisierungsprojekt (Professionalization Project) der entsprechenden Berufsgruppen.480 Ziel und erfolgreiches Ende eines Professionalisierungsprojektes ist die Erlangung einer monopolartigen Stellung, basierend auf einer offiziell anerkannten Expertise und öffentlicher Glaubwürdigkeit.481 477 478
479 480 481
Vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 65; Beispiele echter Professionen sind Medizin und Jura, vgl. Pavalko (1989), S. 37 Beispiele sog. Semi-Professionen sind Ingenieur- und Erziehungswissenschaften (Autonomie ggü. ihren jeweiligen Kunden) oder Krankenschwestern und Sozialarbeiter (Autonomie ggü. der sie beschäftigenden Organisation), vgl. Pavalko (1989), S. 37. Vgl. MacDonald (1995), S. 4. Vgl. Larson (1977), S. 154. Vgl. Larson (1977), S. 38, MacDonald (1995), S.8f.
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Zur kollektiven Errichtung und Verteidigung eines professionellen Monopols bedarf es der Schließung (Closure) des relevanten Aufgabengebietes gegenüber Wettbewerbern.482 Im Zentrum des Closure-Konzeptes, das in der Tradition Webers zu verstehen ist,483 steht der „Ausschluß“ potentieller Wettbewerber, mithin der Schutz vor freien Marktkräften und die Schaffung einer monopolartigen Stellung.484 Die Schließung bezeichnet demnach die Fähigkeit, ein spezifisches Feld bzw. seine diesbezügliche Gesetzgebung zu regulieren und zu kontrollieren.485 Im Rahmen des Closure-Konzeptes ist dabei hinsichtlich der Richtung der Abgrenzung eine Differenzierung vorzunehmen und zwei Arten von Abgrenzungsstrategien zu unterscheiden. Die eine betrifft die Abgrenzung einer Berufsgruppe gegenüber einer anderen. Im Rahmen einer sog. Demarkationsstrategie (Demarcation Strategy) ist es das Ziel, ihren Tätigkeits- und Einflußbereich gegenüber einer anderen Profession auszudehnen.486 Die andere Abgrenzungsstrategie betrifft die Abgrenzung innerhalb einer Berufsgruppe im Rahmen der Professionalisierungsbestrebungen. Im Rahmen einer sog. Ausschluß-Strategie (Exclusionary Strategy) grenzen sich Teile einer Berufsgruppe gegenüber einer Teilgruppe mit geringerem Status ab. Ziel ist die Erlangung eines Monopols über Fähigkeiten und Wissen. 487 Kairat (1969) kennzeichnet Professionalisierung als zweiseitigen Konflikt, dessen zentrales Problem in der Hervorbringung einer sozial anerkannten hohen Leistungsfähigkeit und –bereitschaft liegt.488 Nach innen steht eine Berufsgruppe vor der Herausforderung, eine gemeinsame professionelle Identität erlangen, die auf einer gemeinsamen professionellen Sozialisation beruht. Nach außen schließlich muß die Anerkennung dieser professionellen Identität durchgesetzt werden. Die Anerkennung ist Grundvoraussetzung für die Bereitschaft zu einer ökonomischen wie sozialen Gegenleistung an die Angehörigen der Berufsgruppe. Wie sind diese politischen und ökonomischen Professionsmodelle zu bewerten? Ihre Bedeutung liegt in der strategischen und ökonomischen Interpretation von Professionalität.489 Dabei berücksichtigen sie allerdings insbesondere die externe Einbindung der Berufsgruppe bzw. ihre Beziehungen zu externen Anspruchsgruppen. Professionelles Wissen bzw. Fähigkeiten dienen nicht nur ihrem unmittelbaren Zweck einer Problemlösung, sondern auch und insbesondere den Interessen der
482 483
484 485 486 487 488 489
Vgl. u.a. Collins (1990b), S. 25, Witz (1992), S. 43. Vgl. u.a. Collins (1990b), S. 24, Witz (1992), S. 43; Weber (1968) stellte den Versuch des Ausschlusses potentieller Wettbewerber anhand externer Merkmale als übliche Maßnahme im Wettbewerb zwischen Gruppen dar, vgl. Weber (1968), S. 342. Vgl. Amark (1990), S. 94, Gargan (1993), S. 1684. Vgl. Witz (1992), S. 44, Kipping et al. (2006), S. 3. Vgl. Witz (1992), S. 46. Vgl. Witz (1992), S. 46, Groß/Kieser (2006), S. 76. Vgl. Kairat (1969), S. 129. Vgl. Torstendahl (1990b), S. 4.
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Berufsgruppe in Form einer gesellschaftlichen Positionierung und entsprechender – monetärer wie sozialer – Vergütung.490 Interne Faktoren der Professionalisierung werden dabei jedoch zuweilen vernachlässigt. Zudem hat eine derartige Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen auch zu Ansätzen eines kritischen Diskurses geführt, der Professionen nicht primär als Berufsgruppen, sonder als Form der Kontrolle beruflicher Aktivitäten konzeptionalisiert.491 (2) Konzepte nicht abgeschlossener Professionalisierungsprozesse und professioneller Abstufungen Die dargestellten Modelle der soziologischen Professionsforschung fokussieren insbesondere die klassischen Professionen, die gemäß einem professionssoziologischen Verständnis voll entwickelt und ausgeprägt sind. Gleichwohl muß die Profession als vollausgebildete Entität als ein Ideal betrachtet werden, das in der Realität nur von einer Minderheit der Berufsgruppen erreicht worden ist bzw. wird.492 Im folgenden Absatz stehen solche Ansätze im Mittelpunkt, die mögliche Abstufungen professioneller Identitäten thematisieren. Gemeinsam ist ihnen der Bezug zu „unvollständigen“ Professionalisierungsprozessen im Sinne unterschiedlicher Varianten professioneller Grenzen (professional marginality).493 Im Kontext der vorliegenden Arbeit dienen sie der Erarbeitung eines erweiterten Verständnisses des Professionalisierungsbegriffes. Einführend ist eine grundlegende Unterscheidung hinsichtlich der Frage vorzunehmen, ob unterschiedliche professionelle Grenzziehungen im Sinne einer Entwicklungsdynamik oder einer Abstufung des Professionalisierungsgrades zu verstehen sind.494 Das an einer Entwicklungsdynamik ausgerichtete Verständnis beschreibt unterschiedliche Ausprägungen der Merkmale von Professionalität. Dabei liegt die implizite Annahme eines einheitlichen Professionalisierungsprozesses bzw. eines einheitlichen Professionalisierungsergebnisses zugrunde (a). Dahingegen fokussiert das Verständnis unterschiedlicher Abstufungen des Professionalisierungsgrades unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten und –potentiale verschiedener Berufsgruppen hinsichtlich ihrer jeweiligen Professionalisierung (b). Letztere sind demnach in enger Verbindung zu den erklärenden Professionalisierungsmodellen zu sehen.
490 491 492 493
494
Vgl. Torstendahl (1990b), S. 4. Vgl. Johnson (1972), S. 26, Beck et al. (1980), S. 81, Freidson (1999), S. 118. Vgl. Wilensky (1972), S. 198, Løwendahl (2005), S. 21. Dieses Konzept geht zurück auf Park und Stoneqist und wurde in der Soziologie zur Analyse einer Reihe höchst diverser Themen genutzt, u.a. kulturelle Assimilation, Migration, intergruppale Konflikte, soziale Mobilität etc., vgl. Pavalko (1989), S. 42. Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 141 unter Rekurs auf die diesbezügliche Abgrenzung bei Daheim (1970) und Hartmann (1972).
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(a) Unterschiedliche Ausprägungen der Professionalität: Eine einfache Möglichkeit der Differenzierung verschiedener Professionalisierungsgrade bieten die Eigenschaftstheorien der Profession.495 Die als charakteristisch erkannten Attribute einer Profession können dabei als Kontinuum verstanden werden. Indem jedem Merkmal eine Wertskala zugeordnet und dessen spezifische Ausprägung bewertet wird, erlauben sie eine Aussage dazu, inwiefern derjenige Beruf dem Idealtyp einer Profession nahekommt bzw. sich davon unterscheidet (vgl. Abbildung II-2).496 Dimensionen
Keine Profession
Profession
• Komplexität des Wissensgebietes • Gesellschaftliche Relevanz • Ausbildung
Wenig komplex
Sehr komplex
• Motivation • Autonomie • Commitment • Gemeinschaft • Verhaltenskodex
Relevant
Nicht relevant Kurz Wenig spezialisiert Sachlich Technische Fertigkeiten Persönliches Einkommen Nicht vorhanden Kurzfristig Schwach Wenig entwickelt
Lang Spezialisiert Symbolisch Kulturelle Prägung Dienen Vorhanden Langfristig Stark Entwickelt
497
Abbildung II-2: Professionalität als Kontinuum
Verschiedene Berufsgruppen können anhand der unterschiedlichen Ausprägungen entlang der aufgeführten Merkmalsdimensionen unterschieden und hinsichtlich ihrer Professionalität differenziert werden. So unterscheiden sich verschiedene Berufsgruppe bspw. hinsichtlich der Verbindlichkeit eines akademischen Ausbildungsabschlusses (obligatorisch oder fakultativ) oder der Verbindlichkeit einer Anwendung von Qualitätssicherungsinstrumenten, bspw. in Form sog. peer reviews.498 Aufgrund ihres inhaltlichen Bezuges lassen sich unterschiedliche Ausprägungen von Professionalitätsmerkmalen auch den unterschiedlichen Phasen historischer Professionalisierungsmodelle zuordnen. Wilensky (1964) unterscheidet verschiedene Berufsgruppe danach, wie weit sie im Prozeß der Professionalisierung fortgeschritten sind.499 In diesem Kontext unterscheidet er neben den alten und voll etablierten Professionen drei weitere Gruppen: Eine Gruppe bilden neue bzw. neuere Professionen, d.h. solche Berufsgruppen, deren Etablierung jüngst erfolgt 495 496 497 498 499
Vgl. dazu II.1.1(3). Vgl. Daheim (1973), S. 236, Løwendahl (1997), S. 25, Löhnig (2000), S. 25f. Verändert übernommen und übersetzt aus Pavalko (1989), S. 29. Vgl. Løwendahl (1997), S. 25. Vgl. Wilensky (1964), S. 141ff., Pavalko (1989), S. 35
98
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
ist.500 Eine weitere Gruppe bilden jene Professionen, deren professionelle Eigenschaften noch nicht ausgeprägt sind, sei es, weil ihre Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist (Professions in Process) oder deren Status als nachhaltig grenzwertig zu bezeichnen ist (Marginal Profession).501 Eine sehr geringe Ausprägung professioneller Merkmale ist schließlich zweifelhaften Berufsgruppen (Doubtful Professions) zuzuordnen, deren Forderung nach professionellem Status in der Regel lediglich ökonomischem Kalkül entspringt.502 (b) Unterschiedliche Professionalisierungspotentiale: Die Differenzierung unterschiedlicher Professionalisierungspotentiale verschiedener Berufsgruppen geht über eine Betrachtung ihrer Merkmale hinaus. Statt einer Beschreibung werden differierende professionelle Abstufungen mit den zugrundeliegenden Faktoren des jeweiligen Professionalisierungsmodells in Verbindung gebracht. Als erklärende Faktoren verschiedener Abstufungen können im Sinne der oben vorgestellten Kausal-Modelle insbesondere wissens- (i) und autonomie-bezogene Einschränkungen (ii) angesehen werden.503 (i) Wissensbezogene Einschränkungen Im Rahmen dieser Arbeit wurde Wissen als grundlegender Faktor von Professionalisierungsprozessen beschrieben. Folglich können unterschiedliche wissensbezogene Einschränkungen als Erklärungen unterschiedlicher Professionalisierungsgrade dienen. Einschränkende Bedingungen können dabei insbesondere in den folgenden Faktoren gesehen werden:
Die Wissensbasis einer Berufsgruppe kann sich aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften im Rahmen der Professionalisierungsbestrebungen als ungeeignet erweisen.504 Wenn das erforderliche Wissen zu allgemein und vage ist, ist seine Wertigkeit im Bezug auf spezifische Probleme für Kunden und Öffentlichkeit schwer zu erkennen. Ist es hingegen zu speziell, technisch und liegt in kodifizierter Form vor, so kann es aufgrund seiner einfachen Erlernbarkeit nicht als Differenzierungskriterium dienen. Beide Konstellationen können zudem einem möglichen rechtlichen Schutz entgegenstehen.
500 501
502 503 504
Als Beispiele dieser Berufsgruppe werden u.a. Wirtschaftsprüfer, Ingenieure oder Krankenhausmanagement genannt, vgl. Wilensky (1964), S. 141f., Pavalko (1989), S. 35. Zu diesen entstehenden bzw. marginalen Professionen können u.a. Sozialarbeiter, Justizangestellte, Tiermediziner und Stadtplaner gezählt werden, vgl. Wilensky (1964), S. 142. Die Tatsache, daß sich diese Wahrnehmung seit dem Erscheinen des Artikels im Jahre 1964 nicht grundlegend verändert hat, verdeutlicht die Langfristigkeit derartiger Entwicklungen. Als Beispiele zweifelhafter Professionalisierungsbestrebungen nennt Wilensky u.a. Werber und Bestatter (sic!), vgl. Wilensky (1964), S. 142. Vgl. in diesem Sinne auch Wilensky (1964), S. 146ff. Vgl. Wilensky (1964), S. 148ff.
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99
Die Professionalisierung einer Berufsgruppe erfordert eine pluralistische Erweiterung und Vertiefung vorhandenen Fachwissens. Demnach kann eine ungenügende Eignung im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen auch auf die fehlende „Neuheit“ des Wissens zurückgeführt werden. Bleiben die Professionalisierungsbestrebungen hingegen dem vorherrschenden Kontext verhaftet und bringen keine neue Ideen ein, so ist lediglich von einer monistischen Erweiterung zu sprechen, die keine valide Professionalisierungsgrundlage
darstellt.505 Neben der konzeptionellen „Neuheit“ des relevanten Wissens einer Berufsgruppe ist auch dessen Wirkungsgrad im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen zu berücksichtigen.506 Nur wenn das Wissen einer Berufgruppe im Verhalten der Professionals wirksam und für Kunden sichtbar wird, kann es im Rahmen von Professionalisierungsbemühungen Relevanz erlangen.
Anhand der Aspekte der Wissenserweiterung, d.h. dem Bezug auf neues Wissen, sowie dem organisatorischen Wirkungsgrad differenziert Kniehl (1997) mögliche Abstufungen von Professionalisierungsbestrebungen (vgl. Abbildung II-3).507 pluralistisch Protoprofessionalisierung
Wissenserweiterung ch Na
Vollentfaltete Professionalisierung
k ltig ha
eit
Scheinprofessionalisierung
monistisch Niedrig (Rollenlernen)
Hoch (Rollenreflexion)
Wirkungsgrad 508
Abbildung II-3: Typologie möglicher Professionalisierungsformen
Von einer vollumfänglichen Professionalisierung kann demnach gesprochen werden, wenn eine kontextübergreifende bzw. pluralistische Wissenserweiterung nachhaltige Wirkung entfaltet.509 Defizitären Professionalisierungsbemühungen
505 506 507 508 509
Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 145, Kniehl (1997), S. 17. Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 144f., Kniehl (1997), S. 16. Vgl. in einem innerorganisationalen Zusammenhang Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 145, Kniehl (1997), S. 16f. Leicht verändert übernommen von Kniehl (1997), S. 16. Vgl. Kniehl (1997), S. 16f.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
hingegen mangelt es an den aufgeführten Merkmalsdimensionen: Findet zwar eine Wissenserweiterung statt, der es jedoch an organisationaler Wirkung mangelt, so kann von einer Proto-Professionalisierung gesprochen werden.510 Ist dem Wissen einer Berufsgruppe hingegen Relevanz zuzubilligen, dem es jedoch an „Neuheit“ mangelt, so kann von einer Scheinprofessionalisierung gesprochen werden. 511 (ii) Autonomiebezogene Einschränkungen Während die in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellten Modelle wissensbezogene Beschränkungen als inhaltliche Kausalfaktoren unterschiedlicher Professionalitätsstufen betrachten, fokussieren strategische Professionalisierungsmodelle den Prozeß der Professionalisierung insbesondere als Macht- bzw. Autonomiegewinnung von Berufsgruppen. Im Kontext der dabei den Berufsangehörigen zugestandenen Autonomie können ebenfalls Differenzierungen verschiedener Professionalisierungsabstufungen vorgenommen werden. Angehörige voller Professionen (true professions) besitzen volle öffentliche Anerkennung sowie hinsichtlich ihrer professionellen Tätigkeit Autonomie sowohl gegenüber ihren Klienten als auch gegenüber einer sie beschäftigenden Organisation.512 Neben diesen wahren Professionen, die eine beidseitige Autonomie erlangt haben, können folgende professionelle Profile differenziert werden:513 Semi-Professionen haben nur eine teilweise Autonomie erlangt, d.h., daß sie entweder frei in ihren Entscheidungen in Richtung ihrer Kunden oder der sie beschäftigenden Organisation sind.514 Als sog. Mimics bezeichnen die Autoren schließlich solche Berufsgruppen, deren Streben nach professioneller Autonomie nicht erfolgreich war und die sich in der Folge dennoch den äußeren Anschein einer Profession zu geben trachten, bspw. durch die Etablierung eines Verhaltenskodex o.ä.515 Von professionellen Berufsgruppen im klassischen Sinn unterscheidet sie allerdings der grundlegende Mangel an Macht.
510
511 512 513
514
515
Vgl. Kniehl (1997), S. 17; andere Autoren sprechen im Hinblick auf den Begriff der ProtoProfessionalisierung allgemein als frühe Form einer Professionalisierung, vgl. Perkmann (2005), S. 6. Vgl. Kniehl (1997), S. 17. Vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 65. Obwohl die Autoren die dichotome Betrachtung Autonomie / Nicht-Autonomie als Risiko ansehen und eingestehen, daß möglicherweise mehr als drei Profile existieren, argumentieren sie, daß diese dennoch die grundlegende konzeptionelle Logik abdeckten und insofern der Realität entsprächen, als die öffentliche Wahrnehmung letztlich doch zu einer gewissen Dichotomie neige; vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 65. Vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 65. Die hier vorgenommene Fokussierung auf den Grad der Autonomie kennzeichnet ein spezielles Verständnis des Begriffes Semi-Professionalität. Wie andere Begriffe des Themenfeldes wird auch dieser Begriff oftmals auch weniger differenziert genutzt, um eine allgemeine Abgrenzung gegenüber klassischen Professionen auszudrücken, vgl. u.a. Marshall (1939), S. 338f. Unter Rekurs auf das evolutionstheoretische Konzept des Mimikry, das zum Tarnen und Täuschen der Umwelt dienen soll, rekonstruieren die Autoren die Versuche, sich den Anschein einer Profession zu geben; vgl. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 64.
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II.1.3 Beitrag der Professionalisierungsforschung – Professionalisierung als Kombination interner und externer Ansatzpunkte Die voranstehenden Abschnitte waren einer wissenschaftlichen Fundierung und Schärfung der Begriffe der Professionalisierung und Profession gewidmet. Die Erörterungen rekurrierten dabei insbesondere auf die Literatur der soziologischen Berufs- und Professionsforschung. Bevor deren Beitrag für die vorliegende Fragestellung hinsichtlich der Ansätze zu einer Professionalisierung subsummiert werden kann, sind zunächst die Anwendbarkeit auf die fokale Berufsgruppe und deren gegenwärtigen Status sowie das Ziel ihrer Professionalisierung vor dem Hintergrund der vorgestellten Modelle zu hinterfragen. Zunächst soll die Frage der Anwendbarkeit geklärt werden. Betrachtet man die fokale Berufsgruppe im Licht der vorgestellten Professionalisierungsmodelle, so ist unstrittig, daß ihr kein Professionsstatus im klassischen Sinn zukommt. Ungeachtet dessen bietet eine professionssoziologische Betrachtung eine geeignete Perspektive, um die von maßgeblichen Akteuren beabsichtige Entwicklung des Berufsfeldes zu betrachten. Sie erlaubt eine Rekonstruktion der vielfältigen strategischen Initiativen der Beteiligten und liefert einen konzeptionellen Rahmen, innerhalb dessen die inhaltliche und prozessuale Entwicklung des Berufsfeldes analysiert werden kann. Ferner kann das konzeptionelle Ziel einer Professionalisierung selbst vor dem Hintergrund der Situation der fokalen Berufsgruppe einer kritischen Würdigung unterzogen bzw. relativiert werden. Der Fokus der professionssoziologischen Literatur hinsichtlich alter und etablierter Professionen provoziert die Frage, inwiefern das Ziel einer berufsständischen Entwicklung in diese Richtung für moderne Berufsgruppen als sinnvoll und zeitgemäß zu bezeichnen ist. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Dynamisierung und Globalisierung der Wirtschaft wird sogar die Eignung von Professionen per se in Frage gestellt.516 Ungeachtet dessen bleibt das Streben nach Professionalisierung als strategisches Ziel von Berufsgruppen bestehen. Dies gilt insbesondere für Angehörige solcher Berufsgruppen, denen eine entsprechende Anerkennung bislang nicht zuteil
516
Vgl. Broadbent et al. (1997b), S. 1f.
102
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
wurde.517 Offen muß jedoch zunächst bleiben, welches Professionalisierungspotential dem interim Management zugeschrieben werden kann. Welchen Beitrag können die Ansätze der soziologischen Professionsforschung nun vor dem Hintergrund der vorliegenden Fragestellung leisten? All ihrer Diversität zum Trotz können sie als fruchtbarer Ausgangspunkt für die weiteren Erörterungen dienen. Sie tragen zu einem grundlegenden, wissenschaftlich geschärften Verständnis des Begriffes der Profession sowie der sie auszeichnenden Charakteristika bei. Die identifizierten übergreifenden Professionsmerkmale können den Ausgangspunkt zu einem abstrakten und erweiterten Verständnis bilden, das im Zusammenhang mit Professionalisierungsbestrebungen junger Berufsgruppen erforderlich erscheint. Gleichzeitig bleiben auch im Rahmen einer erweiterten Perspektive wesentliche Charakteristika professionellen Handelns erhalten.518 Des weiteren ermöglicht diese Literatur einige grundlegende Erkenntnisse hinsichtlich des Prozesses der Professionalisierung von Berufsgruppen. Sie liefert ein grundlegendes Sprachspiel, um deren Situation zu verstehen und zu analysieren. Die verschiedenen Ansätze der professionssoziologischen Literatur vermitteln ein Verständnis der Faktoren, die einer Professionalisierung zugrunde liegen und sie in ihrer Entwicklung und ihrem Ergebnis beeinflussen. Dabei erscheinen bestimmte Teilbereiche besonders geeignet, die Professionalisierungsbestrebungen der Manager auf Zeit im weiteren Verlauf dieser Arbeit zu rekonstruieren: Die politischen und ökonomischen Modelle sind besonders geeignet, um Motivation und Gestaltung von Professionalisierungsprojekten zu erklären. Damit sind sie geeignet, als Grundlage für die im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu klärende Fragestellung zu Professionalisierung von Management auf Zeit zu dienen. Die Konzepte professioneller Abstufungen bzw. nicht abgeschlossener Professionalisierungsprozesse erweisen sich als hilfreich, unterschiedliche Ausprägungen von Professionalität und neuartige Mischformen zu kategorisieren und zu erklären. Dabei kommt ihnen das Verdienst zu, das Begriffsverständnis professionellen Handelns über dasjenige der klassischen Professionsforschung hinaus zu weiten. Damit öffnen sie den Weg zu einer weitergehenden Betrachtung der Professionalisierung des Managements auf Zeit. Sie erlauben eine Rekonstruktion der 517
518
Beide aufgezeigten Aspekte, d.h. die Frage der Anwendbarkeit der professionssoziologischen Literatur im allgemeinen sowie des konzeptionellen Ziels einer Professionalisierung im weiteren Sinn, werden im Zusammenhang mit einer Reihe von Themen- und Berufsfeldern behandelt und positiv bewertet. Die Beispiele für derartige Erörterungen professioneller Projekte sind zahlreich. Dazu zählen u.a. die Pädagogik bzw. Erwachsenenbildung, Management bzw. Humanressourcenmanagement sowie verschiedene professionelle Dienstleistungen, insbesondere die Unternehmensberatung. In jeder dieser Diskussionen fungiert der Begriff der Professionalisierung als strategisches Oberthema für eine Reihe akademischer wie praktischer Initiativen (Wächter (1995a)). Die Literatur zu Professionalisierungsbestrebungen der Unternehmensberatung bildet ein besonders fruchtbares Beispiel (u.a. Kyrö (1995), Kipping/Engwall (2002), Maister (2005), Groß/Kieser (2006)). Vgl. dazu im Kontext der Entwicklung eines Personalmanagements Wächter (1995b), S. 7.
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
103
beobachtbaren Initiativen der Akteure am Markt. Die Abkehr von einem klassischen Verständnis der Professionalisierung schlägt sich nieder in einem erweiterten Verständnis des Professionalisierungsbegriffes, der die Basis für die die weiteren Erörterungen bilden soll. Abstrahiert man die vielfältigen dargestellten Ansätze und Modelle der Professionalisierung und konzentriert sich auf deren gemeinsame Elemente, so kristallisiert sich ein vereinfachtes Verständnis heraus, das als Ausgangspunkt der weiteren Betrachtung dienen mag: Die Professionalisierung kann als Konflikt einer Berufsgruppe verstanden werden.519 Im Rahmen dieses Konfliktes können zwei interdependente Richtungen für Ansätze einer Professionalisierung unterschieden werden:520 Nach innen zielen Professionalisierungsanstrengungen auf die Bereitstellung einer entsprechenden professionellen Leistungsfähigkeit sowie der Bildung einer gemeinsamen beruflichen Identität. Die Leistungsfähigkeit bezieht sich auf die Anwendung eines systematischen Wissensgebietes, das zur Lösung bedeutender Probleme eingesetzt wird. Nach außen zielen sie auf die Anerkennung dieser Attribute durch die relevanten Rollenpartner. Diese Anerkennung soll ihren Niederschlag in der Bereitschaft zu einer ökonomischen wie sozialen Gegenleistung finden. Damit besteht die zentrale Herausforderung der Professionalisierungsbestrebung einer Berufsgruppe in der Hervorbringung einer sozial anerkannten hohen Leistungsfähigkeit und –bereitschaft.
II.2.
Professionalisierung aus Sicht des strategischen Managements
Aufbauend auf bzw. anknüpfend an die Erkenntnisse des vorangegangenen Abschnittes, der die soziologische Professionsforschung als Ausgangspunkt nahm, soll der folgende Abschnitt den Bogen von der soziologischen zu einer strategischen Perspektive spannen, die insbesondere einer ökonomischen bzw. betriebswirtschaftlichen Logik folgt. Der Abschnitt steht demzufolge für einen Perspektiven- und Ebenenwechsel: Waren die einführenden Ausführungen zur Profession und Professionalisierung noch durch deren Betrachtung aus übergeordneter Perspektive geprägt, so nähert sich die Argumentation nun der tatsächlichen Perspektive der an einer Professionalisierung Beteiligten. Dabei kann der abstrakte und in der beschriebenen Weise erweiterte Professionalisierungsbegriff zur Verwendung kommen. Im Sinne der politischen und ökonomischen Konzepte ist die Professiona-
519 520
Vgl. Goode (1960), S. 902, Bucher/Strauss (1961), S. 325, Kairat (1969), S. 128. Vgl. im folgenden Kairat (1969), S. 129f.
104
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
lisierung dabei als strategisches Projekt der Beteiligten einer Berufsgruppe zu verstehen.521 Ein erster Abschnitt ist der grundlegenden Betrachtung von Professionalisierungsbestrebungen aus managementtheoretischer Sicht gewidmet (II.2.1). Neben einer markt- und ressourcentheoretischen Fundierung von Professionalisierungsstrategien erfolgt eine Darstellung struktureller Aspekte von Professionalisierungsbestrebungen. Der weitere Verlauf des Kapitels dient einer eingehenderen Betrachtung der Professionalisierungsstrategien. Dabei wird nach deren Modus zwischen individuellen und kollektiven Professionalisierungsstrategien unterschieden. Kollektive Professionalisierungsstrategien richten sich insbesondere auf eine Veränderung der Marktstruktur. Die relevanten strukturellen Aspekte betreffen die interorganisationale Zusammenarbeit der Akteure innerhalb der Berufsgruppe, insbesondere in der Form berufsständischer Organisationen (II.2.2). Individuelle Professionalisierungsstrategien verstehen Professionalität als Ressource und richten sich auf deren Aufbau. Die entsprechenden strukturellen Aspekte betreffen die intraorganisationale Ausgestaltung von Professional Organizations in Abgrenzung zu traditionellen bürokratischen Organisationen (II.2.3). Ungeachtet der vormals getrennten Betrachtung sind Professionalisierungsbestrebungen im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung als Zusammenspiel individueller und kollektiver Strategien zu verstehen (II.2.4).
II.2.1 Managementtheoretische Grundlagen zur Professionalisierung Im Rahmen der professionssoziologischen Betrachtung wurden verschiedene Forschungstraditionen zu den Konzepten der Profession und Professionalisierung vorgestellt. Den Ausgangspunkt bildete dabei eine übergeordnete, zum Teil kritische Perspektive auf das Thema der Professionalisierung. Der vorliegende Abschnitt wechselt den Blickwinkel, indem er die Sicht der Akteure innerhalb einer Berufsgruppe einnimmt, deren Angehörige sich das Ziel der Professionalisierung gesetzt haben. Dabei kann auf eine Vielzahl verschiedener Professionalisierungsbemühungen unterschiedlichster Gruppen rekurriert werden, die insbesondere in der neueren Literatur thematisiert werden.522
521 522
Vgl. u.a. Larson (1977), S. 154, MacDonald (1995), S. 8f., Groß/Kieser (2006), S. 76ff. Diskutierte Branchen der wirtschaftlichen Sphäre sind u.a. die Unternehmensberatung (vgl. u.a. Groß/Kieser (2006), Kipping et al. (2006), die Wirtschaftsprüfung (u.a. Willmott (1986), Cooper/Robson (2006)) u.a.m. Darüber hinaus werden oftmals Professionalisierungsbestrebungen u.a. von Apothekern (vgl. u.a. Denzin/Mettlin (1968), Pädagogen (vgl. u.a. Harney et al. (1987), Dewe et al. (1992)) sowie vielfältigen weiteren Berufsgruppen diskutiert.
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
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Im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts stehen managementtheoretische Grundlagen von Professionalisierungsbestrebungen. In diesem Zuge erfolgt eine theoretische Fundierung von Professionalisierungsstrategien (1). Dabei wird eine Differenzierung nach marktorientierter bzw. externer und ressourcenorientierter bzw. interner Schwerpunktsetzung vorgenommen. Daran anknüpfend werden inter- und intraorganisationale Aspekte von Professionalisierungsstrategien eingehender erörtert (2). (1) Professionalisierung als Strategie Die Bedeutung einer Professionalisierung wurde im Laufe dieser Arbeit bereits als strategisch eingestuft. Die strategische Bedeutung von Professionalisierungsprojekten wurde hervorgehoben, ohne daß jedoch deutlich wurde, was das „strategische“ einer Professionalisierung eigentlich ausmacht. Dies soll an dieser Stelle nachgeholt werden, indem die strategische Bedeutung im folgenden begründet und weiter ausgeführt wird. Strategien werden von Kirsch (1991) metaphorisch als „Wegbeschreibungen“ bezeichnet, die den Ausgangspunkt, das Ziel und den Weg zum Ausdruck bringen, den ein Unternehmen zur Realisierung seiner Ziele beschreiten will.523 Sie bezeichnen alle geplanten Maßnahmen sowie ungeplante Entscheidungs- und Handlungsmuster, mit denen ein Unternehmen versucht, Erfolgspotentiale zu erschließen. Um allgemeine Wirkungszusammenhänge von Professionen zu verdeutlichen, kann ihre Existenz mit dem Konzept der Erfolgspotentiale in Verbindung gebracht werden. Das „strategische“ einer Professionalisierung, d.h. ihre strategische Bedeutung für die Angehörigen einer Berufsgruppe, begründet sich demnach durch den Einfluß, den eine Profession bzw. deren Schaffung für ihre Erfolgspotentiale hat.524 Zur Begründung von Erfolgspotentialen werden im Rahmen des strategischen Managements zwei grundsätzliche theoretische Blickrichtungen unterschieden: Auf der einen Seite stehen industrieökonomische Ansätze, deren Vertreter eine im Kern marktorientierte bzw. unternehmungsextern ausgerichtete Erklärung der Erzielung von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen liefern. Diese sog. Industrial Organization– Ansätze (insbes. Bain 1956, Bain 1959, Porter 1980) betonen die Umwelt der Unternehmen und gehen davon aus, daß die Gegebenheiten einer Branche maßgeblich für die Erfolgspotentiale eines Unternehmens verantwortlich sind. Auf der anderen Seite stehen die ressourcenorientierten Ansätze (insbes. Wernerfelt 1984, Barney 1986, Barney 1991, Grant 1991, Prahalad/Hamel 1991), deren 523 524
Vgl. Kirsch (1991), S. 301. Für einen umfassenden Überblick verschiedener Strategiebegriffe und -definitionen vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 790. Das strategische besteht in der Beziehung zu den Erfolgspotentialen. Strategisch bedeutet „die Erfolgspotentiale signifikant betreffend“; vgl. Kirsch (1996). S. 17.
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„Inside-Out-Perspektive“ den Gegenpol der extern orientierten „Market-based View“ bzw. der „Outside-In-Perspektive“ der Industrieökonomik darstellt.525 Ihre Vertreter betonen die Wichtigkeit unternehmensinterner Ressourcen für den Wettbewerbserfolg bzw. die Erzielung dauerhafter Renten. Sie gehen davon aus, daß einzigartige Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen die Basis von Wettbewerbsvorteilen bilden.526 Indes besteht keine Notwendigkeit, die dargestellten Ansätze im Sinne einer strikten Dichotomie zu verstehen, da sie mittlerweile im wissenschaftlichen Diskurs als komplementär erachtet werden.527 Auch der Themenkomplex der Professionalisierung kann in beiden Perspektiven, jedoch mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten, betrachtet und rekonstruiert werden kann.528 Die marktorientierten Ansätze erlangen ihre Relevanz insbesondere im Rahmen solcher Betrachtungen, die sich an ein eher klassisches Verständnis der Professionalisierung anlehnen. Professionen bzw. professions-ähnliche Strukturen werden in diesem Zusammenhang als prägendes Element der Marktstruktur betrachtet. Für die Angehörigen einer Berufsgruppe hat die Existenz einer Profession bzw. die Etablierung eines professionellen Status vielfältige Auswirkungen auf allen Ebenen ihrer Tätigkeit. Die Existenz einer Profession bzw. deren Schaffung beeinflußt maßgeblich die Erfolgspotentiale der Akteure. Die entsprechenden Professionalisierungsstrategien haben eine kollektive Prägung (a). Ressourcentheoretische Betrachtungen hingegen erhalten im Rahmen eines modern geprägten Verständnisses der Professionalisierung im Sinne eines „new professionalism“ Aufmerksamkeit. In Abkehr von herkömmlichen professionellen Strukturen wird die Professionalität eines Anbieters bzw. die Zugehörigkeit zu einer Gruppe professioneller Anbieter als Ressource betrachtet, die ihn am Markt gegenüber Dritten differenziert und so strategische Erfolgspotentiale begründet. Die so ausgerichteten Professionalisierungsstrategien sind individuell geprägt (b). Im folgenden werden beide Perspektiven zunächst getrennt dargestellt. Ungeachtet dessen können Professionalisierungsbestrebungen im Sinne eines übergreifenden Verständnisses gerade auch als Zusammenspiel der verschiedenen Perspektiven gesehen werden.529 (a) Professionalisierung aus marktorientierter Sicht: Eine Annäherung an Professionalisierungsbestrebungen unter Betonung einer externen bzw. marktorientierten Perspektive kann eine Vielzahl von Fragestellungen als Ausgangspunkt nehmen. Die Entstehung und Entwicklung von Märkten ist
525 526 527 528 529
Vgl. Rasche/Wolfrum (1994), S. 502. Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 806. Vgl. Mahoney/Pandian (1992), S. 363, Kirsch (1996), S. 169f. Zur Begriffsebenen und Perspektiven vgl. Kyrö (1995), S. 96f. Für eine weitere Erörterung übergreifender Aspekte vgl. Abschnitt II.3 dieser Arbeit.
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Gegenstand einer Reihe unterschiedlicher Disziplinen und Forschungsrichtungen.530 Betrachtet man Professionalisierungsbestrebungen aus der Perspektive der Industrial-Organization-Ansätze, so bilden Professionen einen prägenden Bestandteil der Struktur eines Marktes. Charakteristisch für eine derartige marktorientierte Betrachtung ist das „Structure-Conduct-Performance“-Paradigma. Demzufolge bestimmen die Branchen- bzw. Marktstruktur das Verhalten der Akteure eines Marktes und damit schließlich deren Erfolg. Den Überlegungen der Industrial Organization-Ansätze wird in der Literatur des strategischen Managements Relevanz zugebilligt, da sie ein grundlegendes Instrumentarium zur Analyse einer Branche bereithalten.531 Deren Verständnis kommt im Rahmen der individuellen Strategiegenese besondere Bedeutung zu. Basierend auf den Branchen-Bedingungen thematisieren sie die Handlungsmöglichkeiten einzelner Unternehmen sowie die Beziehungen zwischen Unternehmen innerhalb einer Branche (Meso-Ebene). Insbesondere in neueren Beiträgen wird jedoch keine strikte deterministische Wirkung der Branchenumwelt angenommen. Vielmehr können Marktteilnehmer durch strategische Manöver auch retrograd Einfluß auf ihre Umwelt nehmen und aktiv verändern.532 Eine kollektive Strategie in Richtung einer Professionalisierung bildet ein Beispiel eines derartigen Strebens nach aktiver Veränderung. Zur marktseitigen Begründung der Entstehung von Professionen können nach Dietrich (1997) grundsätzlich zwei, zueinander jedoch komplementäre Perspektiven unterschieden werden: Stehen die Professionalisierungsbestrebungen in erster Linie im Zusammenhang mit den Interessen der Anbieter, die damit eine Erweiterung ihrer Marktmacht verbinden, so ist von einer Frei-Markt-Perspektive (Free Market Perspective) zu sprechen. Ist die Entstehung einer Profession hingegen im Zusammenhang mit Informationsasymmetrien bzw. deren Ausgleich zu sehen, steht die Perspektive des Marktversagens (Market Failure Perspective) im Vordergrund.533 Die Wirkung, die sich aus der Existenz bzw. der Schaffung einer Profession ergibt, manifestiert sich auf allen Ebenen einer Branche (vgl. Abbildung II-4). In der Hauptsache ist das Thema der Professionalisierung jedoch auf einer den einzelnen Akteuren übergeordneten Meso-Ebene zu verorten. Obgleich die Entwicklung durch
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Ökonomische Ansätze verbinden die Entstehung von Märkten mit angebots- oder nachfrageseitigen Entwicklungen, bspw. im Kontext von Innovationen, vgl. Blonski (1993), S. 7ff. Soziologische Ansätze des Neo-Institutionalismus verbinden die Entstehung von Märkten mit einer Institutionalisierung neuer Muster und Regeln, vgl. Garud/van den Ven (1989), S. 318ff., Aldrich/Fiol (1994), S. 645, 647. Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 804f. Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 804 sowie zur Beziehung zwischen Akteuren und Umwelt u.a. Porter (1981), S. 615f., Walz (1994), S. 9, Porter (1999), 245. Vgl. Dietrich/Roberts (1997), S. 17.
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einzelne Personen und Unternehmen sehr wohl zu beeinflussen ist, zählen Existenz bzw. Schaffung einer Profession aus individueller Perspektive zu den Einflüssen der Umwelt.
Profession
Branche
Unternehmen Unternehmen Unternehmen
Geschäftsbereich Unternehmen Unternehmen / Niederlassung
Unternehmen Projekt Unternehmen
Professional Unternehmen Unternehmen
534
Abbildung II-4: Einflußwirkung von Professionen
Der Zusammenhang zwischen einer Professionalisierung und den entsprechenden Erfolgspotentialen soll im folgenden durch eine Betrachtung der Wirkung der Professionalisierung auf den relevanten Märkten fundiert werden. Dies erfolgt anhand des vorgestellten „Structure-Conduct-Performance“-Paradigmas. Die Existenz einer Profession hat – je nach ihrer konkreten Ausprägung – maßgeblichen Einfluß auf die Struktur von Märkten (Structure). Zentrale Merkmale der Marktstruktur sind der Grad der Anbieterkonzentration sowie die Existenz von Markteintrittsbarrieren.535 Aus industrieökonomischer Sicht stellen Professionen einen kartellähnlichen Unvollkommenheitsfaktor dar. Im Gegensatz zu freien Märkten schränken Professionen den Wettbewerb ein, indem sie den Zutritt zum Markt regulieren. Dies geschieht oftmals durch Zulassungsbeschränkungen und den zwingenden Nachweis bestimmter Fähigkeiten. Die Schaffung von entsprechenden Institutionen und die Errichtung formaler Eintrittsbarrieren schützen die Anbieter im Markt und verleihen ihnen eine monopolistische bzw. oligopolistische Stellung.536 Dieser Aspekt findet insbesondere in den machtorientierten Konzepten von Professionen seinen Niederschlag. Der Existenz bzw. dem Fehlen einer Profession kann wesentlicher Einfluß auf das strategische Verhalten der Marktteilnehmer (Conduct) zugeschrieben werden. 534 535 536
Leicht verändert übernommen und übersetzt von Løwendahl (2005), S. 27. Weitere wichtige Faktoren sind bspw. der Grad der Nachfragerkonzentration sowie der Produktdifferenzierung, vgl. Hofmann (1982), S. 18. Vgl. u.a. Johnson (1972), S. 9ff., Gargan (1993), S. 1864, Witz (1992), S. 44.
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Professionen und solche Berufsgruppen, die diesen Status anstreben, agieren oftmals auf Märkten für wissensintensive Dienstleistungen. Diese stellen Vertrauensgüter dar. Der Prozeß der Dienstleistungserbringung basiert auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Anbieter. Gleiches gilt für die Einschätzung der geleisteten Qualität durch den Kunden. Aufgrund der für derartige Dienstleistungen typischen Wissensasymmetrien fällt es Kunden regelmäßig schwer, die Qualität der Leistung adäquat einzuschätzen. Auch an dieser Stelle kommt Professionen eine maßgebliche Rolle zu. Neben der Regulierung des Marktzutritts beeinflussen sie auch den Prozeß der Erbringung einer professionellen Leistung. Die typische Wissensasymmetrie und die situationsbedingte Verletzlichkeit des Kunden schlagen sich in einer individuell wahrgenommen Unsicherheit nieder. In dieser Situation dienen Professionen der Unsicherheitsreduktion in der Beziehung zwischen Klienten und Professionals.537 Diese geschieht oftmals durch die Etablierung diverser Qualitätsstandards sowie eines Verhaltenskodexes, dem sich die Anbieter verpflichten. Damit sorgen sie ebenfalls für eine gewisse Steuerung der Erwartungshaltung auf der Seite der Nachfrager. Schließlich haben Professionen einen signifikanten Einfluß auf das realisierte Marktergebnis (Performance). Dieser Begriff entstammt ursprünglich einer effizienzorientierten Betrachtung von Märkten und beschreibt aus volkswirtschaftlicher Sicht, inwieweit auf dem fokalen relevanten Markt das Ziel bestmöglicher Versorgung erreicht wird.538 Die Beiträge der klassischen Ökonomie gehen davon aus, daß freie und atomistische Märkte ein optimales Ergebnis generieren.539 Betrachtet man Professionalisierungsbestrebungen nach diesen Maßstäben als Marktunvollkommenheit, könnte man sogar auf einen negativen Zusammengang zwischen Professionalisierungsbestrebungen und Marktergebnis schließen. Wenn man die speziellen Bedingungen professioneller Dienstleistungsmärkte berücksichtigt, relativiert sich dieser Schluß jedoch bzw. kehrt sich in sein Gegenteil. Märkte für professionelle Dienstleistungen unterscheiden sich grundsätzlich von den in den klassischen Modellen zugrundeliegenden „Einproduktmärkten“. Die in Frage stehenden professionellen Dienstleistungen sind wissensintensiv und hochgradig differenziert. Sie werden für jeden Kunden individuell angepaßt oder gar angefertigt. Zudem ist eine erfolgreiche Dienstleistungserstellung in besonderem Maße von der Mitwirkung des Kunden und damit von einem hinreichenden Vertrauen zwischen Anbieter und Kunden abhängig. Professionen und die mit ihnen einhergehenden Regulierungen wirken positiv auf das erforderliche Vertrauensverhältnis. In diesem
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539
Vgl. Abbott (1991), S. 358. Die Höhe des Preises und der Gewinne, die Qualitäten, der Output oder der technische Fortschritt sind Beispiele für Marktergebnisdimensionen, vgl. Shepherd/Shepherd (2004), S. 31f. Vgl. Shepherd/Shepherd (2004), S. 31.
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Sinne bewirken sie eine Verringerung der Transaktionskosten und somit eine Verbesserung der Markteffizienz. Damit bilden Professionen - neben dem Markt einen effizienten Organisationsmechanismus für Wissen.540 Diese Besonderheiten von professionellen Dienstleistungsmärkten lassen den Schluß eines positiven Zusammenhanges zwischen Professionalisierungsbemühungen und Marktergebnis zu. Im Kontext dieser Arbeit kann der Aspekt der Marktstruktur um eine dynamische Perspektive der strukturellen Entwicklung eines Marktes und seines Wachstums erweitert werden. Die Verfolgung eines Professionalisierungsprojektes durch eine Berufsgruppe kann durchaus mit einer strukturellen Entwicklung des Marktes in Verbindung gebracht werden. Der aufgezeigte positive Zusammenhang zwischen Professionalisierungsbestrebungen und Marktergebnis legen den Schluß nahe, daß diese auch eine positive Wirkung auf Wachstum und strukturelle Entwicklung einer Branche haben können.541 Professionalisierungsbestrebungen einer Berufsgruppe haben einen signifikanten Einfluß auf die Handlungsmöglichkeiten und Erfolgspotentiale von Unternehmen auf diesen Märkten. Dem Umfang und der Qualität dieses Einflusses nach kann der Frage der Professionalisierung demnach strategische Bedeutung zugemessen werden. Professionalisierungsbestrebungen können als komplexe Marktstrategie bezeichnet werden.542 Ein marktorientiertes Verständnis des Professionalisierungsbegriffes findet seine Umsetzung in kollektiven Professionalisierungsstrategien (vgl. dazu II.2.2). (b) Professionalisierung aus ressourcentheoretischer Sicht: Betrachtet man Professionalisierungsbestrebungen aus ressourcentheoretischer Sicht, so kann ein professionsähnlicher Status bzw. Professionalität als unternehmensinterne strategische Ressource interpretiert werden, die eine wesentliche Grundlage für Wettbewerbserfolg und die Erzielung dauerhafter Renten darstellt. Der ressourcentheoretische Ansatz des strategischen Managements interpretiert Unternehmen als „bundles of resources“ (Penrose 1959).543 Er basiert auf der Annahme, daß nur ganz bestimmte unternehmungsinterne Ressourcen, Unternehmungen in die Lage versetzen, anhaltende Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Diese strategischen Ressourcen müssen besonderen Anforderungen
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542 543
Vgl. Freidson (1999), S. 120, Freidson (2001), S. 8f. Allerdings stehen diesbezügliche Betrachtungen nicht im Mittelpunkt der Arbeit. Ein derartiger Zusammenhang ist schwer nachzuweisen. Angesichts einer Vielfalt wissenschaftlicher Disziplinen, die sich mit der Entwicklung von Märkten beschäftigen, kann lediglich als gesichert gelten, daß deren Entwicklung Ergebnis eines evolutionären Prozesses vielfältiger Faktoren ist, vgl. Porter (1999), S. 241f. Vgl. Beck et al. (1980), S. 81. Vgl. Løwendahl (2005), S. 80.
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entsprechen:544 Sie müssen wertvoll sein, also die Unternehmungseffizienz und effektivität erhöhen, knapp sein, da ansonsten kein Konkurrenzvorteil auf der Grundlage dieser Ressourcen möglich ist, und zudem nicht substituierbar sein, d.h. es dürfen keine Ressourcen existieren, die eine vergleichbare Performance erbringen könnten. Überdies dürfen strategische Ressourcen nicht imitierbar sein. Gemeinsam bilden diese Kriterien die „Barrieren der Imitation.“545 Sind die aufgeführten Bedingungen erfüllt, so sind die Ressourcen geeignet, einen nachhaltigen strategischen Wettbewerbsvorteil für das fokale Unternehmen zu begründen. Aufgabe des strategischen Managements ist es daher, die strategische Ressourcenbasis eines Unternehmens nachhaltig zu sichern und zu verbessern. 546 Kommt man nun auf Basis dieser ressourcentheoretischen Überlegungen zurück zur Betrachtung von Professionalisierungsstrategien, so lassen sich Professionalisierungsstrategien - unter Rekurs auf das im einleitenden Abschnitt dieses Kapitels gewonnene Verständnis des Professionalisierungsbegriffes - als der Aufbau spezifischer strategischer Ressourcen rekonstruieren. Im Rahmen einer Professionalisierung dienen diese dazu, nach innen eine entsprechende Leistungsfähigkeit zu generieren, und nach außen deren Anerkennung gegenüber Klienten durchzusetzen. Professionalisierungsbestrebungen bilden demnach eine besondere Ausprägung der Akkumulation strategischer intangibler Ressourcen. Grundsätzlich können strategische Ressourcen dem gesamten Ressourcenpool eines Unternehmens entstammen.547 Im Zusammenhang mit professionellen Dienstleistern sind aber insbesondere immaterielle Ressourcen von Bedeutung.548 Die zentralen Ressourcen professioneller Dienstleister bilden das Wissen, das im Rahmen der Problemlösung zum Einsatz kommt, die Beziehungen zu Kunden, sowie – als Resultante - die Reputation des Anbieters.549 Diese intangiblen Ressourcen zeichnen sich dadurch aus, daß ihr Einsatz - anders als der vieler tangibler Ressourcen - keiner Abnutzung unterliegt. Vielmehr kann ihr Wert durch Nutzung sogar zunehmen.550 Die strategischen Ressourcen professioneller
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Vgl. u.a. Barney (1991), S. 105ff., Grant (1991), S. 111ff. Das Kriterium der Nicht-Imitierbarkeit basiert im Wesentlichen auf der Historizität von Unternehmungen, der kausalen Ambiguität und der sozialen Komplexität bzw. der Ressourceninterdependenz; vgl. dazu ausführlich Reed/DeFillippi (1990), Knyphausen zu (1993). Vgl. Itami (1987), S. 125, Løwendahl (2005), S. 81. Strategische Ressourcen können sein: „all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness“, vgl. Barney (1991), S. 101. Vgl. Løwendahl (2005), S. 85, 87. Vgl. Gouthier/Schmid (2001), S. 233f. Diesbezüglich wird oftmals eine weitere Differenzierung vorgenommen zwischen den Beziehungen zu Kunden selbst und unternehmensseitigen Fähigkeiten und Kompetenzen, die diese betreffen, vgl. Gouthier/Schmid (2001), S. 234, Ringlstetter et al. (2004b), S. 11ff., Bürger (2005), S. 22f. Vgl. Bamberger/Wrona (1995), S. 7.
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Dienstleister sind in der Regel gut geeignet, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu generieren, da sie oftmals knapp, sozial komplex und damit schwer zu imitieren sind.551 Sie können ausschließlich durch ihre Kombination Wettbewerbsvorteile für professionelle Dienstleister generieren.552 Individuelle Professionalisierungsstrategien können in einem engen Zusammenhang mit diesen kritischen Ressourcen professioneller Dienstleister gesehen werden. Zur Akkumulation strategischer Ressourcen im Sinne einer Professionalisierung bieten sich demnach unterschiedliche Ansatzpunkte: Eine Professionalisierung kann demnach als Aufbau von Wissen, von Beziehungen sowie von Reputation verstanden werden. Diese Ansatzpunkte sind jedoch ebenfalls nicht losgelöst voneinander zu betrachten. Grundsätzlich sind derartig gestaltete Professionalisierungsstrategien primär auf einer individuellen Ebene einzelner Akteure zu verorten. Ein ressourcentheoretisches Verständnis des Professionalisierungsbegriffes findet seinen Niederschlag folglich in individuellen Professionalisierungsstrategien (vgl. dazu II.2.3). (2) Strukturelle Aspekte von Professionalisierungsstrategien – Organisationen als Loci der Professionalisierung Im Rahmen der vorangegangenen Darstellung kollektiver und individueller Professionalisierungsstrategien wurden strukturelle Aspekte bislang weitgehend ausgeklammert. Dennoch kann ein enger Zusammenhang zwischen Professionalisierungsbestrebungen und ihrer Organisation angenommen werden. Letztere bilden die Loci der Professionalisierung.553 Im Rahmen der Erörterung des Zusammenhangs zwischen Profession und Organisation können zwei Ebenen unterschieden werden, die in Korrespondenz zur oben getroffenen Unterscheidung kollektiver und individueller Professionalisierungsstrategien zu verstehen sind:554 Während im Rahmen kollektiver Professionalisierungsstrategien insbesondere interorganisationale Aspekte relevant sind, sind es im Kontext individueller Professionalisierungsstrategien insbesondere Fragen der intraorganisationalen Gestaltung, die in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Interorganisationale Aspekte betreffen die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren innerhalb einer Berufsgruppe. Berufsgruppen werden als Netzwerke oder bzw. als Kollektive betrachtet, deren Akteure ihr gemeinsames, kollektives Handeln
551 552 553
554
Vgl. Hitt et al. (2001), S. 13. Vgl. Bürger (2005), S. 38. Allgemein wird zwischen Strategie und Struktur ein reziproker Zusammenhang angenommen, vgl. grundsätzlich Kutschker/Schmid (2005), S. 548ff. Auf der einen Seite werden Strukturen entlang einer strategischen Zielsetzung gestaltet (structure follows strategy), auf der anderen Seite bilden organisationale Strukturen die Rahmen für die Umsetzung von Strategien. Vgl. dazu Klatetzki/Tacke (2005), S. 11-22.
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auf eine Professionalisierung ausrichten. Die Zusammenarbeit der Akteure kann auf der Basis unterschiedlicher organisatorischer Konditionen erfolgen. Je nach Ausprägung der jeweiligen Rahmenbedingungen kann die Mitarbeit in Organisationen freiwillig oder zwangsweise erfolgen.555 Die wichtigste Ausprägung im Rahmen kollektiver Professionalisierungsstrategien besteht in berufsständischen Organisationen und Verbänden (vgl. II.2.2(3)). Intraorganisationale Aspekte rücken das Verhältnis individueller Professionals und der Organisation, innerhalb derer sie ihre professionellen Leistungen erbringen, in den Mittelpunkt der Betrachtung. Das Verhältnis von Organisation und Profession wird als Spannungsfeld bürokratischer und professioneller Strukturelemente verstanden.556 Die Betrachtung unterschiedlicher organisationaler Archetypen behandelt die Frage, welchen Einfluß unterschiedliche Formen organisationaler Gestaltung auf die individuelle Professionalität haben (insbes. Greenwood/Hinings 1988, Greenwood/Hinings 1993). Intraorganisationale Aspekte rücken insbesondere im Rahmen individueller Professionalisierungsstrategien in den Mittelpunkt der Betrachtung (vgl. II.2.3(2)).
II.2.2 Professionalisierung als kollektive Strategie Die letzten Abschnitte dienten der theoretischen Fundierung von Professionalisierungsstrategien. Im Rahmen einer marktorientierte Betrachtung wurde grundsätzlich verdeutlicht, welche Einflüsse das Projekt einer Professionalisierung auf die Struktur und Entwicklung eines Marktes und damit die marktbasierten Erfolgspotentiale der Akteure hat. Der folgende Abschnitt thematisiert die Frage, wie diese externen Erfolgspotentiale erreicht werden. In diesem Zusammenhang erweisen sich kollektive Strategien als Notwendigkeit (1).557 Sie richten sich auf die kollektive Veränderung der Marktstruktur (2). Abschließend werden die interorganisationalen Aspekte kollektiver Professionalisierungsstrategien erörtert (3). Auf Basis einer allgemeinen Betrachtung der netzwerkartigen Zusammenhang innerhalb einer Branche erfolgt eine Erörterung der Funktion von berufsständischen Institutionen als bedeutsamste strukturelle Manifestation kollektiver Professionalisierungsstrategien.
555 556 557
Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 27f., Klatetzki/Tacke (2005), S. 20f. Vgl. Klatetzki/Tacke (2005), S. 12f. Selander (1990) nutzt im Zusammenhang mit Professionalisierungsbemühungen einer Berufsgruppe den Terminus der assoziative Strategie, um kooperative und kollektive StrategieElemente zu kennzeichnen, vgl. Selander (1990), S. 140.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt (1) Kollektive Strategien als Umweghandeln
Strategien wurden als „Wegbeschreibungen“ bezeichnet, deren primäre Bezugsgröße individuelle Akteure und deren Erfolgspotentiale sind. Beschäftigt man sich jedoch mit der Strategie einer Berufsgruppe, die auf ihre Professionalisierung ausgerichtet ist, so werden grundsätzliche Unterschiede zu diesem Begriffsverständnis sichtbar. Nicht ein einzelner Akteur steht im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern eine Gruppe selbständiger Akteure, die das Ziel einer Professionalisierung verfolgen. Zudem handelt es sich bei einer Professionalisierung um ein Erfolgspotential, dessen Wirkung nicht notwendigerweise auf einen Akteur beschränkt ist. Vielmehr kann die Professionalisierung einer Berufsgruppe als Grundlage eines gemeinsamen Erfolgspotentials angesehen werden. Das individuelle Streben einzelner Angehöriger einer Berufsgruppe in Richtung einer Professionalisierung kann also auch anderen Angehörigen dieser Gruppe zugute kommen. Insofern ist eine Professionalisierung als kollektive Strategie zu bezeichnen. Deren konstituierendes Merkmal ist die Absicht eines Akteurs, (auch) die Erfolgspotentiale anderer Akteure innerhalb eines Kollektivs aufzubauen.558 Eine kollektive Strategie liegt vor, wenn ein Unternehmen Handlungsorientierungen bzw. Prinzipien besitzt, die auf den Aufbau auch fremder Erfolgspotentiale gerichtet sind. Von anderen Formen der Interdependenz innerhalb einer Branche lassen sich kollektive Strategien durch die Merkmale der gleichgerichteten Beeinflussung fremder Erfolgspotentiale sowie deren Intentionalität abgrenzen.559 Innerhalb einer Branche stehen strategische Manöver verschiedener Akteure oftmals in Beziehung zueinander. Dieses Handeln begründet jedoch nicht notwendigerweise die Existenz einer Kooperation, sondern kann eine Vielzahl von Gründen haben oder sogar auf Zufällen beruhen. In einer geschlossenen Branche wirkt sich die Verbesserung der Erfolgspotentiale eines Akteurs ceteris paribus immer negativ auf die Erfolgspotentiale eines oder mehrerer anderer Akteure aus, ohne daß von einer kollektiven Strategie zu sprechen ist. Letztere setzt voraus, daß eine gleichgerichtete, ergo positive Auswirkung auf andere Erfolgspotentiale ausdrückliche Absicht der handelnden Parteien ist.560 Auch die bloße Inkaufnahme positiver externer Effekte innerhalb einer Branche, die oftmals ohnehin nicht ausgeschlossen werden können, kann per se keine 558 559
560
Vgl. Walz (1994), S. 108ff. Da das Handeln eines Akteurs innerhalb des Zusammenhangs einer Branche fast immer Auswirkungen auf die Erfolgspotentiale anderer Akteure hat, ist in zweifacher Hinsicht eine Abgrenzung erforderlich: Weder im Falle zufälliger Effekte innerhalb einer Branche, noch bei in Kauf genommenen externen Effekten soll von kollektiven Strategien gesprochen werden, vgl. Walz (1994), S. 110. Dieser Fall scheint in der Situation des Marktes für Management auf Zeit nicht besonders relevant, da ein derartiger Zusammenhang angesichts nicht vorhandener Branchengrenzen und einer geringen Marktsättigung als unwahrscheinlich anzusehen ist.
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kollektive Strategie begründen. Wenn bspw. ein Management auf Zeit-Anbieter massive Werbung für seine Leistungen macht, kann er nicht verhindern, daß dadurch auch das Dienstleistungsformat bekannter wird und die Nachfrage auch nach den Diensten anderer Management auf Zeit-Anbieter positiv beeinflußt wird. Auch in diesem Fall ist jedoch aufgrund des Mangels an Absicht zur Steigerung anderer Erfolgspotentiale nicht von kollektiven Strategien zu sprechen.561 Die Hintergründe kollektiver Strategien sind nicht im Altruismus der Akteure zu suchen. Der Aufbau fremder Erfolgspotentiale als Ziel kollektiver Strategien ist vielmehr als Umweghandlung zu verstehen. Der Entwicklung von Erfolgspotentialen ist stets auf einen Erfolgsmaßstab ausgerichtet. Dabei kann angenommen werden, daß ein primärer Erfolgsmaßstab ausschließlich Kategorien beinhaltet, die sich auf den individuellen Erfolg beziehen. Zur Wahl kollektiver Strategien besteht lediglich dann Anlaß, wenn bestimmte Anforderungen des primären Erfolgsmaßstabes nur erfüllt werden können, wenn auch die Erfolgspotentiale anderer sozialer Einheiten positiv beeinflußt werden. Liegt diese Voraussetzung vor, kann man von einem sekundären kollektiven Erfolgsmaßstab sprechen.562 Generische Gründe für die Wahl kollektiver Strategien liegen in der Stärkung eigener Wettbewerbsposition nach außen und in der Verminderung des Wettbewerbs innerhalb eines Kollektivs. 563 Der Zusammenschluß von Berufsangehörigen erfolgt vor dem Hintergrund der Erkenntnis, daß die Aufgaben, die im Rahmen einer Professionalisierung anstehen, nicht durchführbar sind, wenn sie der Initiative einzelner überlassen bleiben.564 Das Ziel einer Professionalisierung kann nur durch einen gewissen Grad an Kooperation verschiedener Akteure der Berufsgruppe realisiert werden. Das kollektive Ziel einer Professionalisierung steht also in Instrumentalrelation zur Realisierung individueller Erfolgsmaßstäbe.565 Zu einer Strategie in einem Kollektiv wird eine Professionalisierung erst dann, wenn sich die individuellen verfolgten kollektiven Strategien bezüglich der Frage der Professionalisierung gleichen oder in einem Ergänzungsverhältnis stehen und zusätzlich ein gemeinsames Wissen hinsichtlich der beabsichtigen Wirkung der kollektiven Strategien besteht. In diesem Sinne sind strategische Manöver des Kollektivs als Resultante der einzelnen kollektiven Manöver der einzelnen sozialen Einheiten anzusehen.566
561 562 563 564 565 566
Vgl. Walz (1994), S. 111f. Vgl. Walz (1994), S. 111. Vgl. Walz (1994), S. 2f.. Vgl. Hesse (1968), S. 60. Vgl. Walz (1994), S. 112f. Zum Begriff kollektiver Manöver vgl. Kirsch/Obring (1994), S. 29ff.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt (2) Professionalisierung als kollektive Veränderung von Marktstrukturen
An die gewonnenen Erkenntnisse zu kollektiven Strategien anknüpfend stellt sich die Frage nach deren inhaltlicher Bestimmung im Rahmen einer Professionalisierung. Sie läßt sich aus den zugrundeliegenden Motiven und den mit der Wahl kollektiver Strategien verbundenen Zielen ableiten. Der folgende Abschnitt illustriert, welche Ziele mit kollektiven Strategien im allgemeinen und mit Professionalisierungsbestrebungen im besonderen verfolgt werden. Nach der klassischen Unternehmenstheorie dienen alle unternehmerischen Aktivitäten dem Oberziel einer maximalen Gewinnerzielung.567 Moderne Unternehmenstheorien gehen von einer Vielzahl weiterer Ziele aus, die gemeinsam ein Zielbündel bilden. Professionalisierungsbestrebungen können als ein derartiges Zielbündel gelten. Insbesondere eine im Rahmen von Professionalisierungsbemühungen angestrebte Veränderung der Marktstruktur im Sinne einer Regulierung ist nicht durch einzelne Akteure zu realisieren und erfordert kollektives „Umweghandeln“. Im Sinne des Closure-Konzeptes zielen Differenzierung und ggf. gar Regulierung im Rahmen einer Professionalisierung auf die Erlangung einer exklusiven Marktstellung der Akteure. Durch eine regulative „Schließung“ ihres professionellen Aufgabenbereiches im Rahmen einer kollektiven Strategie können die Angehörigen der jeweiligen Berufsgruppe ihre Wettbewerbsposition grundlegend verbessern und einen Schutz vor den Kräften des freien Marktes erlangen.568 Grundsätzlich kann zwischen einer Regulierung des Marktzuganges (Production of Producers) sowie einer Regulierung der Leistungserstellung selbst unterschieden werden. 569 Eine Differenzierung kann im Zuge einer Regulierung des Marktzutrittes in zweierlei Hinsicht erfolgen: Auf der einen Seite erfolgt eine Differenzierung innerhalb der eigenen Berufsgruppe. Durch die Etablierung entsprechender Bildungs- und Qualitätsanforderungen werden geringer Qualifizierte ausgegrenzt.570 In diesem Kontext haben sich verbandsartige Institutionen bewährt, um Qualitätsmaßstäbe zu etablieren und dadurch eine entsprechende Abgrenzung gegenüber „Scharlatanen“ innerhalb der Berufsgruppe zu etablieren.571 Können diese Anforderungen
567 568 569 570 571
Vgl. Heinen (1966), S. 28f. Vgl. Walz (1994), S. 2f.. Vgl. Abel (1988), S. 176, Kipping et al. (2006), S. 3f. Vgl. Witz (1992), S. 46, Groß/Kieser (2006), S. 76. Als Beispiel kann eine der ältesten professionellen Organisationen dienen: die USamerikanische Association of Consulting Management Engineers (ACME) gründete sich 1929 mit dem ausdrücklichen Ziel, sich von den Scharlatanen in den eigenen Reihen zu differenzieren; vgl. Higdon (1969), S. 22.
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entsprechend formalisiert und gesetzlich fixiert werden, so erlangen sie die Qualität von Markteintrittsbarrieren. Auf der anderen Seite kann im Rahmen kollektiver Strategien eine Differenzierung gegenüber anderen Berufsgruppen erfolgen. Im Sinne einer Demarkationsstrategie verfolgen Berufsgruppen das Ziel, sich einen Bereich möglichst exklusiver Zuständigkeit zu schaffen. Die Legitimität des exklusiven Status basiert auf der professionellen Kompetenz.572 Er bietet Schutz gegenüber dem Wettbewerb durch andere Berufsgruppen. Auch eine derartige Demarkationsstrategie kann durch staatliche Anerkennung fixiert werden. Beispielsweise haben Juristen in Deutschland Funktionen und Verantwortlichkeiten etabliert, die gegen Eindringen anderer Berufsgruppen wie bspw. Unternehmensberatern hoheitlich geschützt sind.573 Neben der Regulierung des Marktzutritts und in engem Zusammenhang dazu steht die Regulierung der Leistungserstellung. Auch hier können im Rahmen kollektiver Strategien weitreichende strategische Ziele verfolgt werden. Die Einführung bestimmter Qualitätsstandards regelt bspw. das individuelle Verhalten der Berufsträger und steuert so die Erwartungshaltung der Kunden sowie deren Qualitätsempfinden. Ferner hat eine derartige Strategie das Ziel, das erforderliche Vertrauen innerhalb potentielle Kundenbeziehungen aufzubauen und zu sichern. (3) Interorganisationale Aspekte kollektiver Professionalisierungsstrategien Die vergangenen Absätze haben Bemühungen um eine Professionalisierung u.a. als eine kollektive Strategie gekennzeichnet. Bislang wurde allerdings weitgehend ausgeklammert, welche interorganisationalen Aspekte im Rahmen des „kollektiven“ zu betrachten sind. Im folgenden Punkt stehen die organisationalen Strukturen innerhalb einer Berufsgruppe im Fokus, die von den Angehörigen einer Berufsgruppe gebildet werden, um eine Professionalisierung zu bewirken. Grundsätzlich können Berufsgruppen als Netzwerke, ggf. gar als Kollektive verstanden werden (a). Auf dieser Basis können kollektive Strategien ein breites Spektrum unterschiedlicher Ausprägungen annehmen.574 Die im Kontext der vorliegenden Arbeit bedeutendste Ausprägung kollektiver Strategien bilden aber schließlich berufsständische Organisationen und Verbände (b). Sie können insofern
572 573 574
Zur Bedeutung von Legitimität als Grund zum Eingehen inter-organisationaler Verbindungen und Netzwerke vgl. Oliver (1990), S. 246 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Groß/Kieser (2006), S. 77 unter Rekurs auf Witz (1992), S. 46. Die klassischen Formen der Kooperation umfassen Kartelle bzw. Kollusionen, Kooptationen, strategische Allianzen sowie schließlich die Gründung von Verbänden, vgl. Walz (1994), S. 118ff.
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als Ausdruck kollektiver Strategien der Beteiligten betrachtet werden, als sie darauf ausgerichtet sind, die Erfolgspotentiale ihrer selbständigen Mitglieder aufzubauen, und konstituieren den Kern kollektiver Strukturen.575 (a) Berufsgruppen als Netzwerke: Die Anbieter einer Branche stehen qua ihres gleichen Unternehmens- und Aufgaben-Umfeldes zwangsläufig in einer mehr oder weniger ausgeprägten Beziehung zueinander. Strategische Manöver eines Anbieters haben in der Regel unmittelbare Auswirkungen auf die anderen Anbieter einer Branche.576 Zudem ergeben sich im Umgang mit den gleichartigen Umwelten vielfältige Möglichkeiten zu Kooperationen. Aufgrund dieser allgemeinen Beziehungen und spezifischen Kooperationspotentiale lassen sich die Anbieter einer Branche als Netzwerke verstehen. Eine weitere Charakterisierung von Berufsgruppen kann demnach anhand des netzwerktheoretischen Instrumentariums erfolgen. Ein grundlegendes Verständnis einer Branche bzw. einer Berufsgruppe im Sinne eines Netzwerkes ist zunächst relativ trivial: Sie können als Netzwerke rechtlich selbständiger Akteure (Knoten) verstanden werden, die in näher zu definierenden Beziehungen kooperativer Natur (Kanten) zueinander stehen.577 Dieses recht allgemeine Verständnis netzwerkartiger Beziehungen innerhalb einer Branche bzw. einer Berufsgruppe erscheint jedoch im Rahmen der Betrachtung von Professionalisierungsbemühungen nicht ausreichend. Insbesondere der gemeinsamen Zielsetzung einer Professionalisierung kann durch die Einführung des Begriffes des Kollektivs eingehender Rechnung getragen werden. Wie der Begriff des Netzwerkes bezeichnet der Begriff des Kollektivs grundsätzlich soziale Systeme, deren Mitglieder in zunächst nicht näher definierten Beziehungen zueinander stehen. Dabei geht der Begriff des Kollektivs jedoch über den des Netzwerkes hinaus. Zwar greifen auch hier die im Rahmen der Betrachtung von Netzwerken gewählten grundsätzlichen Merkmale wie bspw. die rechtliche wie wirtschaftliche Selbständigkeit der Akteure etc.578 Dazu kommen jedoch im Falle von Kollektiven weitere spezifische Eigenschaften: Nach Kirsch (1991) bezeichnet der Begriff des Kollektivs solche sozialen Systeme, die sich durch ein hohes Maß an Integration auszeichnen.579 Von Integration eines sozialen Systems kann gesprochen werden, wenn die Elemente des Systems eine Neigung zur Kooperation, d.h. eine grundlegende
575
576 577 578 579
Vgl. Walz (1994), S. 121. Kollektive Zielsetzungen im Zusammenhang mit Verbandsgründungen können allerdings im Einzelfall durch individuelle Interessen ergänzt werden. Inwiefern dieser Fall für die Professionalisierung des Managements auf Zeit relevant ist, wird in den folgenden Abschnitten noch zu diskutieren sein. Vgl. Walz (1994), S. 108. Vgl. zum vielfältig benutzten Netzwerkbegriff u.a. Thorelli (1986), S. 38, Ghoshal/Bartlett (1990), S. 604, Sydow (1992), S. 79ff. Vgl. Walz (1994), S. 50. Vgl. Kirsch (1991), S. 118.
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Bereitschaft zur Verhaltensbeschränkung zugunsten anderer, aufweisen.580 Während sich Netzwerke lediglich durch ein breites Spektrum möglicher Beziehungen, d.h. durch allgemeine Kooperationspotentiale, zwischen den Beteiligten auszeichnen, spricht man von Kollektiven, wenn diese Kooperationsmöglichkeiten auch genutzt werden. Im Rahmen ihrer Beziehungen realisieren die Mitglieder eines Kollektivs die Potentiale einer Zusammenarbeit.581 Eine inhaltliche Füllung des Integrationsbegriffes kann an gemeinsamen Zielen und Aufgaben der Mitlieder eines sozialen Systems ansetzen, wie sie im Rahmen kollektiver Professionalisierungsbestrebungen bestehen. Wendet man die getroffene Differenzierung auf die vorliegende Fragestellung hinsichtlich von Professionalisierungsbestrebungen an, so können Kollektive als diejenigen Untergruppen einer Branche bzw. einer Berufsgruppe betrachtet werden, die aktiv eine Professionalisierung anstreben. Ob gemeinsame Professionalisierungsbestrebungen letztendlich ein Kollektiv begründen, hängt im Einzelfall von verschiedenen Faktoren ab.582 Dazu ist insbesondere die Intensität der Beziehungen innerhalb einer Berufsgruppe zu zählen. Diese findet ihren Niederschlag in Form der jeweiligen Institutionalisierung. Verfügen auch nicht alle Kollektive über „abgeleitete“ Systeme in Form berufsständischer Institutionen, so können diese doch als Kern kollektiver Strukturen bezeichnet werden.583 (b) Berufsständische Organisationen als Faktor kollektiver Professionalisierung: Im folgenden Abschnitt soll auf Verbände als spezielle Form der Institutionalisierung kollektiver Strategien eingegangen werden. Dabei sollen insbesondere zwei Fragen im Vordergrund stehen: Zum einen wird die Frage zu beantworten sein, welche Formen und Arten von Verbänden im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen relevant sind und wie sich diese unterscheiden. Zum anderen ist zu klären, welche Rolle diese Verbände im Rahmen der Professionalisierung spielen und unter welchen Bedingungen sich diese Rolle entfalten kann. Professionelle Verbände können ihren Funktionen nach als hybrider Organisationstyp bezeichnet werden, da sie Merkmale verschiedener Interessenvertretungen tragen.584 Zum einen fungieren sie, ähnlich einer Gewerkschaft, als allgemeine Interessenvertretung ihrer Berufsgruppe (i), zum anderen bilden sie durch Artikulierung spezifischer professioneller Interessen einen wichtigen Faktor im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen (ii). 580 581 582
583 584
Vgl. Kirsch (1991), S. 118, Ringlstetter (1997), S. 20. Vgl. Kirsch (1992), S. 132 unter Rekurs auf Ringlstetter (1990), S. 3ff. Auch wenn sich verschiedene Akteure das Ziel einer Professionalisierung setzen, begründet dies noch nicht notwendigerweise ein Kollektiv. Von kollektiven Strategien soll in Anlehnung an Walz (1994) nur gesprochen werden, wenn diese (auch) auf den Aufbau fremder Erfolgspotentiale gerichtet sind. vgl. Walz (1994), S. 108f. Vgl. Walz (1994), S. 61f., 121f. unter Rekurs auf Grochla (1959), S. 49f., 175. Vgl. Selander (1990), S. 140.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt (i) Verbände als Interessenvertretungen
Verbände bilden eine Ausprägung kollektiver Strategien, die im Rahmen der vorliegenden Fragestellung besondere Relevanz besitzen.585 Allgemein sind Verbände Vereinigungen von natürlichen oder juristischen Personen. Der Zweck ihrer Existenz ist die Verfolgung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder.586 Über diese erste Annäherung hinaus ist das Verständnis dahingehend zu präzisieren, daß die weiteren Betrachtungen ihren Fokus auf Wirtschaftsverbände legen, die – in Abgrenzung zu anderen Systemen - dem Wirtschaftssystem zuzuordnen sind.587 Eingehender definiert Schwarz (1984) Wirtschaftsverbände wie folgt: „Wirtschaftsverbände sind Formen formaler Organisationen und zwischenbetrieblicher Kooperationen, welche – als Mehrzweckverbände – [ihre Mitglieder] durch besondere Leistungen wie Vertretung von Sonder- oder Teilinteressen im politischen System (…), Verhandlung mit Vereinigungen der ‚Gegenseite’ von Transaktionsbeziehungen (…), Reglementierung und Ordnung des Mitgliederverhaltens, vor allem im innerbetrieblichen Bereich (…), Erstellen von Dienstleistungen (…)bei der Erfüllung wirtschaftlicher und sozio-kultureller und / oder politischer Aufgaben unterstützen. Sie finanzieren sich grundsätzlich durch Beiträge ihrer Mitglieder. Ein wesentlicher Teil der Arbeit wird von Mitgliedern nebenamtlich bzw. ehrenamtlich geleistet.“ (Schwarz 1984, S. 55) Diese grundsätzliche Definition von Wirtschaftsverbänden läßt Raum für vielfältige Differenzierungen. Als Zusammenschlüsse einzelner Akteure sind sie Organisationen zweiter Ordnung.588 Grundlegende Differenzierungskriterien bestehen in der Art der Mitgliedschaft sowie der Zielsetzung des Verbandes. Die Mitgliedschaft bedeutet das Eingehen einer Beziehung zwischen verschiedenen Beteiligten. Die Erörterung der Mitgliedschaft betrifft die Grundlage die Einbindung der Mitglieder in eine Organisation sowie deren Zusammenarbeit untereinander. Als solche ist eine Betrachtung sowohl aus individueller wie aus organisatorischer Sicht sinnvoll.589 Eine der meist rezipierten Betrachtungen dieser beidseitigen Einbindung geht auf Etzioni (1961, 1975) zurück.590 Aus individueller Sicht identifiziert er verschiedene Grundlagen, die Individuen dazu bewegen, sich in 585 586 587 588 589 590
Zum Zusammenhang zwischen Verbänden und Professionalisierung vgl. II.2. Gemeinsame Interessen bilden ein Charakteristikum beinahe aller wirtschaftlich ausgerichteter Organisationen, vgl. Olson (1992), S. 4, Olson (2004), S. 4. Vgl. Schwarz (1984), S. 57ff. Vgl. Walz (1994), S. 50. Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 11. Etzionis Typologie verschiedener Organisationsformen stellt durch das zugrundegelegte Merkmal der Einwilligung (compliance) zwischen Individuum und Organisation ein sehr universelles Konzept dar, vgl. Etzioni (1975), S. 3. Damit lassen sich Aussagen für so heterogene Organisationstypen wie Gefängnisse, Unternehmungen, politische Parteien oder Sportvereine treffen, vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 11.
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einer Organisation zu engagieren. Diese sind Entfremdung, Berechnung oder Moral. Aus Sicht einer Organisation bzw. eines Verbandes ist die Beziehung durch die Frage gekennzeichnet, welche Macht- und Steuerungsmittel zur Verfügung stehen, um auf die Mitglieder einzuwirken. Bei den Macht- und Steuerungsmitteln unterscheidet Etzioni zwischen Zwang, materieller Belohnungsmacht, und normativer Macht. Aus der Kombination dieser Ausprägungen ergibt sich eine Typologie verschiedener Einbindungsmuster, die die Qualität der beidseitigen Beziehung und die Qualität der charakterisieren (vgl. Abbildung II-5).
„compliance“
(Fügsamkeit,
Grundlage des Enga- Entfremdet gements bzw. des Verweilens in der Organisation Macht- und Steuerungsmittel der Organisation
Berechnend
Moralisch
Zwang (coercive power)
Utilitaristischcoerciv (z.B. Schiffsbesatzung auf See)
Normativ-coerciv (z.B. Streitkräfte im Einsatz)
UTILITARISTISCHE ORGANISATION (z.B. Unternehmen)
Utilitaristischnormativ (z.B. Gewerkschaften)
Belohnungsgewalt (remunerative power)
ZWANGSORGANISATION (z.B. geschlossene Anstalten oder Gefängnisse)
Normative Gewalt (normative power)
Einwilligung)
NORMATIVE ORGANISATION (z.B. Kirchen oder politische Vereinigungen)
591
Abbildung II-5: Organisationstypologie nach Mitgliedsformen
Aufgrund ihrer allgemeinen Aussagekraft verdeutlicht die Typisierung nach Etzioni (1961, 1975) die Bandbreite von Organisationstypen und die mit ihnen einhergehenden Bindungsmuster. Einen Erkenntnisgewinn verspricht sie insbesondere dann, wenn man das Problem der Mitgliedschaft für einen Organisationstyp präzisiert. Wendet man diese Typologie auf die Beziehung zwischen Verbänden und ihren Mitgliedern an, ist eine Einordnung in den zwei aufgeführten Perspektiven erforderlich. Die Machtfülle eines Verbandes basiert auf einer Reihe von Faktoren. Grundlegend ist hinsichtlich der externen Rahmenbedingungen die Unterscheidung zwischen Zwangs- und Freiwilligenverbänden.592 In etablierten Professionen bestehen exklusive Standesorganisationen, in denen die Berufsangehörigen Zwangsmitglieder sind. Dieser Zwang kann wirtschaftlich, vor allem aber politisch und rechtlich begründet sein. Für diesen Verbandstypus stehen in Deutschland bspw. die Ärzte-,
591 592
Vgl. Etzioni (1975), S. 12. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 23f.
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Industrie- oder Handelskammern als Körperschaften öffentlichen Rechts. Sie haben eine rechtlich verankerte Stellung und einen speziellen, monopolisierten Betätigungs- und Aktionsradius.593 Aus dieser Konstellation ergeben sich regelmäßig weitgehende Macht- und Steuerungsmittel hinsichtlich der Aufnahme, aber auch des Verhaltens der Mitglieder. Fehlen einem Berufsverband hingegen derlei Zwangsmittel, so ist er darauf angewiesen, seine Mitglieder aus eigener Kraft zu gewinnen und zu halten. Als entscheidender Faktor ist dabei die Belohnungsmacht anzusehen. Die Anreize, die Verbände (potentiellen) Mitgliedern anbieten können, können materieller oder ideeller Natur sein oder auf Solidarität beruhen.594 Mögliche materielle Anreize für Mitglieder von Berufsverbänden liegen insbesondere in der Erbringung von Dienstleistungen.595 Von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit der Frage einer Professionalisierung sind die auf Solidarität beruhenden Anreize. Das in diesem Fall zugrundeliegende Zusammengehörigkeitsgefühl kann als Form einer Interessensolidarität beschrieben werden. Diese Form der Solidarität beruht auf einer situativ begründeten Interessengleichheit der Beteiligten, wie sie sich bspw. aus der Professionalisierungsbestrebungen einer Berufsgruppe ergeben. Der Aspekt persönlicher Güterabwägung im Rahmen eines freiwilligen Engagements in Verbänden leitet zur Perspektive der Mitglieder über. Fehlt ein staatlicher oder sonstiger Zwang zur Mitgliedschaft, so basiert jedes Engagement auf Freiwilligkeit. Diese bedeutet, daß Ein- und Austritt unabhängig und ohne Sanktionen von jedem potentiellen Mitglied zu entscheiden sind.596 Unter diesen Umständen begeben sich rationale Marktteilnehmer nur in eine Mitgliedschaft, wenn sie dadurch geeignete Anreize befriedigt sehen oder sie gemeinsame Interessen zur Mitgliedschaft bewegen. Im individuellen Kalkül der Berufsträger bzw. potentiellen Mitglieder fällt die Entscheidung über eine Mitgliedschaft anhand der Frage, inwiefern eine solche sich lohnt bzw. erforderlich ist, um die Leistungen der jeweiligen Organisation zu erhalten.597 Dennoch ist die Mitgliedschaft in einem Verband aus individueller Sicht durch eine mitunter heterogene Interessenlage gekennzeichnet. Verbände sind – wie andere Organisationen – als Koalitionen mit teilweise übereinstimmenden, teilweise aber durchaus divergierenden Interessen zu verstehen.598 Darin kann ein spezifisches Problem sich entwickelnder Professionen bestehen. Auf der einen Seite herrscht ein gemeinsames und übereinstimmendes Interesse an einer Etablierung und 593 594 595 596 597 598
Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 23. Vgl. Groser (1973), S. 215f. Vgl. Bennett (1998), S. 2552f., Bennett (2000), S. 18. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 24. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 44, Bennett (1998), S. 257f. Vgl. Groser (1973), S. 215.
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Fortentwicklung der Berufsgruppe, mithin einer Professionalisierung. Das Ziel, auf das sich die Interessen richten, und damit der Verbandszweck ist die Professionalisierung der Berufsgruppe.599 Individuelles Engagement basiert auf der Einschätzung, daß ein derartiges Ziel nicht durch Einzelne zu erreichen ist. Nur durch kollektive strategische Manöver sind bspw. einheitliche Qualitätsstandards zu etablieren, um so eine Abgrenzung gegenüber „Scharlatanen“ zu erreichen. 600 Auf der anderen Seite bestehen durchaus konfligierende bzw. konkurrierende Interessen zwischen Mitgliedern und Interessenverbänden. Jede Verbandsarbeit, insbesondere aber der erforderliche Aufbau geeigneter Anreize für (potentielle) Mitglieder, kostet Ressourcen, die von den Mitgliedern aufzubringen sind. Ein Schutz dieser „Investition“ kann sich mitunter jedoch als problematisch erweisen. Die Aufgabe, die sich aus Verbandssicht stellt, lautet im Sinne der Mitglieder in Richtung einer Professionalisierung zu wirken, von dieser Entwicklung jedoch potentielle Trittbrettfahrer (free rider) auszuschließen.601 Dieser Zusammenhang kann sich in Entwicklung befindlichen Verbänden als Dilemma erweisen, das ein strukturelles Wachstumshindernis darstellen kann. Versucht man, das Gesagte über die Beziehung zwischen Beteiligten und Verbänden abschließend in die vorgestellte Typologie nach Etzioni (1961) einzuordnen, so zeigt sich deren überwiegend utilitaristische Natur. Nach einer Differenzierung verlangen indes die unterschiedlichen Macht- und Steuerungsmittel unterschiedlicher Ausprägungen von Verbänden. Sind Professionen bereits in vollem Umfang etabliert, so haben ihre berufsständischen Organisationen im Zuge ihrer Entwicklung regelmäßig eine rechtliche Stellung erlangt, die ihnen umfangreichere und ggf. gar moralische Machtmittel anheim gibt. Abhängig von der individuellen Ausgestaltung der jeweiligen Berufsverbände ist eine Einstufung als utilitarisitisch-koerzive bzw. utilitaristischnormative Organisation möglich.602 Im Rahmen von Bestrebungen der Professionalisierung junger Berufsgruppen muß der Fokus jedoch auf Verbänden liegen, die ein geringeres Maß formaler Macht auf sich vereinen können. Demnach ist hier von utilitaristischen Organisationen zu sprechen. 599
600
601 602
Die Durchsetzung von Professionalisierungsbestrebungen bildet ein Beispiel für die Funktion von Interessengruppen. Allgemein lassen sich Vereinigungen nach ihrer Funktion typologisieren. Neben Zusammenschlüssen aus persönlichen Interessen existieren Zusammenschlüsse aus Betroffenen, Zusammenschlüsse zur Erbringung von Dienstleistungen für andere und Zusammenschlüsse von Vereinigungen; vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 23. Als erfolgreiches Beispiel kann in diesem Zusammenhang das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. aufgeführt werden, dessen Organisationsgrad bei über 87% der Wirtschaftsprüfer liegt, vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (2007). Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 32 unter Rekurs auf die Logik kollektiven Handelns nach Olson (1992), Olson (2004). Zwangsmittel ergeben sich aus der rechtlichen Stellung von Verbänden. So haben die Kammern verschiedener freier Berufe das Recht, den Zugang und die Berufsausübung zu regulieren, vgl. Fleischmann (1970), 136ff.
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Fehlender Zwang bzw. Freiwilligkeit und (zumindest partiell) übereinstimmende Interessen verleihen derlei ausgeprägten Berufsverbänden im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen die Funktion von Interessenverbänden. In ihnen organisieren sich Mitglieder, um arbeitsteilig gemeinsame Interessen im Sinne von Bedürfnissen, Nutzen und Rechtfertigungen zu verwirklichen.603 Sie tun dies innerhalb der sozialen Einheit des Interessenverbandes oder gegenüber anderen Gruppen, Organisationen und Institutionen. Im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen sind durch die Berufsverbände an dieser Stelle insbesondere Staat und Öffentlichkeit zu adressieren. Durch Ihr Wirken nehmen Interessenverbände eine zentrale Funktion im gesellschaftlichen Prozeß des Interessenausgleichs ein. Neben Markt, Staat und Gemeinschaft bilden sie eine zentrale Institution.604 Erhalten sie gar eine staatliche Anerkennung, wie dies im Falle etablierter Professionen der Fall ist, kann man sogar von „privaten Interessenregierungen“ sprechen. Interessenverbände, die zu Interessenregierungen geworden sind, können eine Reihe typischer Defizite des Staates, des Marktes und der Gemeinschaft ausgleichen.605 Im Sinne eines neokorporatistischen Gesellschaftsmodells können sie staatliche Steuerungs- und Kontrollfunktion ergänzen, für die der Staat weniger gut gerüstet ist.606 Politisch entspricht dieses Arrangement dem Subsidiaritätsprinzip, wonach jede Aufgabe soweit möglich dezentral wahrgenommen wird. Ökonomisch läßt sich diese Autonomie mit Effizienzmaßstäben erklären.607 (ii) Verbände und Professionalisierung Zwischen den Bestrebungen zur Professionalisierung einer Berufsgruppe und deren Organisation steht ein enger Zusammenhang. Dieser soll im folgenden Abschnitt vertieft werden. Konzeptionell lassen sich dabei zwei Aspekte unterscheiden: Beachtung verdienen zum einen die grundlegenden Wirkungszusammenhänge zwischen Professionalisierungsbestrebungen und deren Organisation im allgemeinen. Zum anderen sind die unterschiedlichen Ausprägungen, die die Form der Organisation im Verlauf der Entwicklung einer Berufsgruppe annehmen kann, darzustellen und zu diskutieren.608
603 604 605 606 607 608
Vgl. u.a. von Alemann (1987), S. 30. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 28. Vgl. Streeck/Schmitter (1985), S. 151. Vgl. Streeck/Schmitter (1985), S. 151, Schulze-Krüdener (1996), S. 28, Bennett (1998), S. 245f. Vgl. dazu II.2. Vgl. Gargan (1993), S. 1865.
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Zwischen Professionen und organisationalen Strukturen besteht ein enger Zusammenhang, der im folgenden einer genaueren Erörterung bedarf.609 Professionalisierungsbestrebungen manifestieren sich auf interorganisationaler Ebene in Form kollektiver Institutionen. Deren Gründung wird einerseits selbst als typisches und konstitutives Ergebnis von Professionalisierungsbestrebungen angesehen.610 Andererseits scheint die Existenz eines geeigneten Berufsverbandes oftmals eine wichtige Voraussetzung dafür zu sein, daß eine Berufsgruppe das Ziel einer Professionalisierung erreichen kann.611 Dieser Zusammenhang läßt sich an den zentralen Aspekten der Organisation des Wissens und der Macht einer Profession illustrieren. Das Verfügen über ein spezialisiertes Wissen spielt eine zentrale Rolle bei der Definition von Professionen. Der Prozeß der Professionalisierung wird oftmals mit der Entwicklung, Sicherung sowie kontrollierter Verbreitung eines spezifischen abstrakten Wissensgebietes in Verbindung gebracht.612 In diesem Zuge können kollektiven Institutionen als zentrale Instanz auf Branchenebene wichtige Funktionen zukommen. Ein ähnlicher Zusammenhang läßt sich im Hinblick auf machtorientierte Betrachtungen herstellen. Professionalisierungsbestrebungen können - wie oben dargestellt - als Prozeß der Artikulation und Durchsetzung politischer und ökonomischer Interessen gegenüber den relevanten Anspruchsgruppen einer Berufsgruppe rekonstruiert werden. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang der Staat und die relevante Öffentlichkeit. Dabei kann die Organisation der Interessen als eine wesentliche Voraussetzung für den Professionalisierungserfolg einer Berufsgruppe angesehen werden.613 Der Erfolg einer berufsständischen Institution im Rahmen ihrer Bemühungen hängt dabei insbesondere von zwei Faktoren ab. Die Artikulation der berufständischen Interessen kann nur dann gelingen, wenn der Verband die Interessen, bspw. den Anspruch einer Alleinvertretung hinsichtlich des professionellen Aufgabegebietes, in Form einer einheitlichen und verständlichen Position an die relevanten Anspruchsgruppen kommuniziert. Die Durchsetzung der artikulierten Interessen wiederum kann nur dann gelingen, wenn der Verband genug Berufsträger hinter sich versammeln kann, um als relevanter Ansprechpartner angesehen zu werden und den Interessen Nachdruck verleihen zu können. Je mehr Mitglieder eine 609 610 611 612
613
Vgl. Gargan (1993), S. 1865, Gray/Clegg (2003), S. 8. Vgl. Lamnek (1993), S. 22, Schulze-Krüdener (1996), S. 38, 42. Vgl. Millerson (1964), S. 204ff., Goode (1972), S, 157, Hesse (1972), S. 71, Kairat (1969), S. 12. Von dem Abstraktum des Professionswissens und dessen Organisation, das in diesem Zusammenhang im Mittelpunkt steht, ist das Wissen einzelner Professionals und deren organisationaler Einbindung zu unterscheiden. Für die Rollen einzelner Professionals in Organisationen vgl. u.a. Terhart (1990), S. 155ff. sowie Abschnitt II.2. der vorliegenden Arbeit. Vgl. Millerson (1964), S. 204ff., Goode (1972), S, 157, Hesse (1972), S. 71, Kairat (1969), S. 12.
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berufsständische Institution auf sich vereinigen kann, desto größer ist ihre Macht und Schlagkraft.614 Setzt man die dargestellten grundlegenden Wirkungszusammenhänge als gegeben voraus, so beginnt die Organisation einer Professionalisierung mit der Gründung eines Verbandes. Diese setzt jedoch bestimmte Bedingungen innerhalb einer Berufsgruppe voraus. Idealtypisch ist in einem berufssoziologischen Verständnis für die Herausbildung von Berufsorganisationen die folgende Kriterienkombination:615 Die Berufsangehörigen bilden eine dauerhafte Gruppierung. Nach innen haben sich die Mitglieder zu einer gemeinsamen beruflichen Identität und zu einer einheitlichen Rollendefinition zusammengefunden. Sie verbinden gemeinsame Wertvorstellungen. Sie sprechen eine gemeinsame Sprache, die Laien und Außenstehenden nur teilweise zugänglich ist. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, das Handeln ihrer Mitglieder zu kontrollieren. Nach außen grenzen sie sich von ihrer sozialen Umwelt deutlich ab. Sie kontrollieren die Selektion neuer Professionsaspiranten sowie deren beruflichen Sozialisationsprozeß und produzieren so in einem sozialen Sinne die nachfolgende Generation der Profession. Diese Kriterien stellen Faktoren dar, die die Gründung von Berufsverbänden begünstigen, insbesondere die Aspekte der Kontrolle werden jedoch erst durch deren Gründung erreicht bzw. sichergestellt. Nach erstmaliger Gründung eines Berufsverbandes ist dessen weitere Entwicklung eng mit dem Fortschreiten der Professionalisierungsbestrebungen verbunden. Seine Organisation kann sich im zeitlichen Ablauf verändern und verschiedene Ausprägungsformen annehmen. Je nach inhaltlicher Ausrichtung und Grad der Institutionalisierung sind vier verschiedene Grundtypen professioneller Berufsverbände zu unterscheiden:616 Prestige association: Die Mitglieder sehen ihre Mitgliedschaft in erster Linie als Ehre an. Bei der Auswahl ihrer Mitglieder existiert ein Kooptationsrecht, in dessen Rahmen oftmals zwischen unterschiedlichen Graden der Mitgliedschaft unterschieden wird. Beschäftigungsschwerpunkt einer prestige association ist die Qualifizierung ihrer Mitglieder und deren wissenschaftliche Selbstdarstellung durch Kongresse oder Publikationen. Study association: Dieser Typ hat neben der Qualifizierung der Mitglieder insbesondere die Wissensvermehrung auf einem bestimmten Gebiet zum Ziel. Dabei steht er in der Regel allen Interessierten offen. Qualifying association: Neben der Wissensvermittlung und Qualifizierung der Mitglieder ist es primäre Aufgabe des Verbandes, den Zugang zum Beruf zu
614 615 616
Vgl. Hesse (1968), S. 152f. Zu den nachfolgend skizzierten Kriterien vgl. im einzelnen Goode (1972), S. 157f. Vgl. Daheim (1970), S. 232ff. unter Rekurs auf Millerson (1964), S. 32ff.
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kontrollieren. In Wahrnehmung dieser Aufgabe werden Prüfungen abgenommen und bzw. oder Lizenzen vergeben. Hierbei wird oftmals zwischen verschiedenen Graden der Mitgliedschaft bzw. der Qualifikation unterschieden. Weiterhin wirkt die qualifying association bei der Förderung der Forschung und der Organisation der Ausbildung mit. Occupational association: Die sog. occupation association umfaßt schließlich ein relativ breites Aufgabenspektrum. Dabei ist eine Unterscheidung zwischen koordinierenden und protektiven Verbandsaufgaben und –subtypen zu treffen. Koordinierende Verbände vertreten die Interessen hochspezialisierter Professionals und setzen sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Vergütung ein, ohne allerdings gewerkschaftliche Mittel einzusetzen. Protektive Verbände hingegen sind Zusammenschlüsse von Professionals aus einem weitaus größeren Wissensgebiet und versuchen - auch unter Anwendung von gewerkschaftlichen Mitteln – zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Entlohnung beizutragen.
Was die Einstufung hier zu betrachtender Berufsverbänden angeht, gibt es einige grundsätzliche Anhaltspunkte. Im allgemeinen gilt, daß alle Verbandsformen für ihre Mitglieder politische, wirtschaftliche, kontrollierende und motivierende Funktionen wahrzunehmen haben.617 Im Laufe der professionellen Entwicklung kommt es jedoch zu einer Akzentverschiebung unter diesen Funktionen.618 Zu Beginn einer professionellen Entwicklung überwiegt die politische Funktion, gefolgt von der kontrollierenden, motivierenden und wirtschaftlichen Funktion. Dieser Status gering professionalisierter Berufspositionen manifestiert sich regelmäßig in protektiven Verbänden des Typs einer expansiven Gewerkschaft.619 Das verfolgte Ziel ist eine Statusverbesserung hinsichtlich Arbeitsbedingungen, Einkommen etc. Im weiteren Verlauf der Professionalisierungsbemühungen bzw. mit höherem Professionalisierungsgrad vollzieht sich eine Entwicklung. Regelmäßig sind die Verbände in diesem Stadium in Ihrer Organisationsform einer qualifying association oder study association zuzuordnen.620 Je höher der Grad der Professionalisierung eines Berufes ist, desto eher wird die Form der Study Association gewählt.621 Deren dominante Funktion ist die Wissensvermittlung, gefolgt von den Funktionen der Wissensbeschaffung und der Kontrolle der Mitglieder. Erst danach steht die
617 618
619 620 621
Vgl. Daheim (1970), S. 235. Dabei sind die aufgeführtem Ausprägungen der expansiven Gewerkschaft und der Studiergesellschaft als Extrempunkte eines Kontinuums zu verstehen; vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 52. Vgl. Daheim (1970), S. 236; diese sind als Subtyp einer occupational association zu verstehen. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 52. Vgl. Daheim (1970), S. 236.
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kollektive Aktion in Bezug auf die von der Umgebung gebotenen Arbeitsbedingungen.
II.2.3 Professionalisierung als individuelle Strategie Die vorherige Betrachtung kollektiver Professionalisierungsstrategien war fest in eine marktorientierte Perspektive eingebunden. Professionen bzw. professioneller Status wurden unabhängig von ihrer jeweiligen Ausgestaltung als prägendes Element der Marktstruktur dargestellt. Die kollektiven Strategien zugrundeliegende Annahme besteht darin, daß Veränderungen auf der Ebene der Berufsgruppe nur durch kollektive Strategien, nicht jedoch durch Manöver auf Ebene eines einzelnen Akteurs erreicht werden können. Wie im Rahmen der diesbezüglichen Fundierung aufgezeigt, läßt sich das in dieser Arbeit verwendete Verständnis des Professionalisierungsbegriffes durchaus auch auf individuelle Professionalisierungsstrategien anwenden, deren Ziel im Aufbau eines professionsähnlichen Verhältnisses zwischen Dienstleister und Kunde besteht. Individuelle Professionalisierungsstrategien sind in diesem Zusammenhang, einem ressourcentheoretischen Ansatz folgend, als Akkumulation spezifischer strategischer Ressourcen zu verstehen (1). Daran anknüpfend soll erörtert werden, welche intraorganisationalen Aspekte im Rahmen individueller Professionalisierungsstrategien bestehen (2). Im Rahmen eines Exkurses werden die Professionalisierungsstrategien der Unternehmensberatung als Beispiel derartiger Professionalisierungsbestrebungen dargestellt (3). (1) Professionalität als Ressource Wie im Rahmen der ressourcentheoretischen Fundierung dargelegt, läßt sich das in dieser Arbeit verfolgte Verständnis des Professionalisierungsbegriffes auch auf die Situation individueller professioneller Dienstleister übertragen. Das gewonnene abstrakte Verständnis von Professionalisierungsstrategien läßt sich auf individuelle Professionalisierungsstrategien anwenden: Auch diese richten sich darauf, nach innen eine professionelle Leistungsfähigkeit und Identität sicherzustellen, und deren Anerkennung nach außen durchzusetzen. Derartige Professionalisierungsstrategien sind auf die individuelle Erlangung eines professionsähnlichen Status gerichtet und werden mitunter als „New Professionalism“ bezeichnet.622 Folgt man dieser ressourcentheoretischen Rekonstruktion individueller Professionalisierungsstrategien, so stellt sich Professionalität bzw. professioneller Status als eine individuellen Akteuren zuzuordnende Meta-Ressource dar. Rekonstruiert man professionellen Status anhand der bereits dargestellten wettbewerbskritischen Ressourcen 622
Vgl. Groß/Kieser (2006), S. 91.
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professioneller Dienstleister, so lassen sich zu dessen Akkumulation nachfolgend grundlegende Ansatzpunkte herausarbeiten.623 Einen Ansatzpunkt individueller Professionalisierungsstrategien bildet die Akkumulation relevanten Wissens. Dem hier verwendeten Verständnis folgend muß es sich um ein systematisches Wissensgebiet handeln, das Fragen von zentraler Bedeutung für den Kunden betrifft. Die Ressource Wissen bildet die Grundlage für die grundsätzliche professionelle Leistungsfähigkeit eines Anbieters.624 Anbieter folgen verschiedenen Substrategien, um relevantes Wissen zu akquirieren und vorzuhalten. Deren Ziel besteht darin, die erforderliche Problemlösungskompetenz und den erforderlichen Wissensvorsprung gegenüber ihren Kunden sicherzustellen. Auf individueller Ebene kann sich der Begriff professioneller Kompetenz auf den Erwerb entsprechenden Wissens in Form Qualifikationen, Erfahrung sowie Motivation beziehen.625 Da das Wissen in besonderer Weise an die Person des Professionals gebunden ist, besteht die Aufgabe für Dienstleistungsunternehmen in diesem Zusammenhang insbesondere in der Beschaffung geeigneter Professionals. Darüber hinaus kommen verschiedene Maßnahmen zum Einsatz, um die organisationale Wissensbasis durch Weiterbildungsmaßnahmen zu verbessern und zu erhalten. Das Wissen und die Kompetenz eines Anbieters stehen im Zentrum der kundenseitigen Einschätzung seiner Professionalität. Nur wenn ein Anbieter über ausreichendes Wissen verfügt, um die Probleme des Kunden adäquat zu lösen, wird ihm professioneller Status zuerkannt. Dabei stellt sich jedoch das zentrale Problem der Qualitätsbeurteilung durch den Kunden. Je höher Kunden das angebotene Wissen einschätzen, desto mehr sind sie zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit bereit. Einen weiteren Ansatzpunkt individueller Professionalisierungsstrategien im Sinne eines „new professionalism“ bildet der Aufbau persönlicher Beziehungen. Mit dem Verständnis von Beziehungen als Teil der Ressourcenausstattung eines Unternehmens (relational capital) wird eine unternehmensübergreifende Perspektive eingenommen.626 Für den Erfolg einer Professionalisierungsstrategie haben der Aufbau und die Unterhaltung von Beziehungen mit Rollenpartnern essentielle Bedeutung. Die Interaktion liefert den Rollenpartnern persönliche Erfahrungen über Kompetenz und Verhalten des jeweiligen Gegenübers (experience based trust).627. Damit reduzieren sie wiederum Unsicherheit und bilden eine Grundlage für
623
624 625 626 627
Eine Abgrenzung der Professionalisierungsstrategien von allgemeinen Akkumulationsstrategien professioneller Dienstleister kann sich - ungeachtet möglicher Gemeinsamkeiten - an den unterschiedlichen Zielsetzungen orientieren. Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 144. Vgl. in diesem Sinne Kaiser et al. (2007), S. 11. Vgl. Dyer/Singh (1998), S. 660. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 279f.
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nachfolgende Entscheidungen.628 Allerdings können persönliche Bindungen auch mit unterschiedlichen Restriktionen in Beziehung gebracht werden. Zum einen verläuft ihre Entwicklung in der Regel langsam und beschränkt sich auf eine limitierte Anzahl von Personen. Zum anderen können persönliche Beziehungen im Laufe der Zeit zu einer Überbetonung des Vertrauens bei gleichzeitiger Trennung von Kompetenzkriterien führen.629 Dies kann dazu führen, daß Partner aneinander festhalten, obgleich der Markt einen potentiell besser qualifizierten Dienstleister bereithält. Die Reputation eines Akteurs kann auch im Rahmen von Professionalisierungsstrategien als Resultante der beiden erstgenannten professionellen Ressourcen verstanden werden. Seine Reputation spiegelt die Wahrnehmung der Leistung und Professionalität in der Vergangenheit wider, die Kunden für eine Voraussage zukünftigen Verhaltens nutzen.630 Sie bildet demnach die Grundlage der Erwartungen potentieller Kunden hinsichtlich seiner professionellen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit. Dadurch dient sie der Reduzierung der Unsicherheit, der sich der Kunde im Rahmen der Auswahl oder Zusammenarbeit mit professionellen Dienstleistern gegenübersieht. Eine positive Reputation ist Ausdruck des Vertrauens in professionelle Leistungsfähigkeit und kooperatives, vertrauenswürdiges Verhalten. Dieses Vertrauen stellt das Investitionsgut im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen dar. (2) Intraorganisationale Aspekte individueller Professionalisierungsstrategien Im Zusammenhang mit kollektiven Professionalisierungsstrategien standen insbesondere interorganisationale Aspekte im Fokus der Betrachtung. Die Betrachtung bewegte sich auf einer Meso-Ebene. Dahingegen sind im Rahmen der Betrachtung individueller Professionalisierungsstrategien Betrachtungen auf Mikroebene einzubeziehen. Auf dieser Ebene sind besonders intraorganisationale Fragen zu beantworten. Das Erkenntnisinteresse des Abschnittes widmet sich der Frage, in welchem grundsätzlichen Zusammenhang individuelle Professionalisierungsstrategien und strukturelle Aspekte stehen. Dabei ist zu erörtern, in welchem grundsätzlichen Verhältnis Professionalisierungsstrategien und Organisationsgestaltung zueinander stehen (a) und welche spezifischen Eigenschaften professionelle Organisationen gegenüber anderen, bürokratischen Organisationen auszeichnen (b).
628 629 630
Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 279. Uzzi (1997) prägt in diesem Zusammenhang den Begriff der „Overembeddeness“, vgl. Uzzi (1997), S. 59. Vgl. Clark (1993), S. 244, Clark (1995), S. 74.
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(a) Professionen und Organisationen als Spannungsfeld: Das Verhältnis zwischen Professionen und Organisationen hängt von deren jeweiliger Ausgestaltung ab. Im Kontext eines klassischen Verständnisses des Professionsbegriffes auf der einen und einer bürokratischen Organisation auf der anderen Seite wird das Verhältnis oftmals als Spannungsfeld beschrieben.631 Diese Beschreibung findet eine extreme Ausprägung in der These der Unvereinbarkeit von Professionen und bürokratischen Organisationen. Diese wird mit den unterschiedlichen Handlungs- und Zielssystemen begründet, die sich für den einzelnen Professional aus der Mitgliedschaft in diesen unterschiedlichen Referenzsystemen ergeben. Diese stellen den Professional vor widersprüchliche Herausforderungen.632 Traditionelle bürokratische Organisationen zeichnen sich durch ihren hierarchischen Aufbau, klare Kompetenzzuweisungen (Befugnisse) und die Kontrolle standardisierter Prozesse aus.633 Ihre Zielsetzung ist letztlich ökonomisch. Im Widerspruch dazu zeichnen sich professionelle Tätigkeiten durch ihre Autonomie, Nicht-Standardisierbarkeit und eine fehlende administrative Kontrollierbarkeit aus.634 Ihre Zielgröße ist die Einhaltung einer professionellen Berufsethik. Die Unterscheidung dieser Organisationstypen spiegelt sich in den Begriffen der zweckrationalen vs. wertrationalen Organisation wider.635 In dieser Gemengelage werden die verschiedenen Bezugssysteme als Widerspruch gesehen.636 Professionals stellt sich die Frage, welchem System sie sich eher zugehörig und loyal fühlen: Während solche Mitarbeiter, die sich primär der sie umgebenden Organisation zugehörig fühlen, als Locals bezeichnet werden, orientieren sich sog. Cosmopolitans primär an den Vorgaben einer übergeordneten Professionsgruppe.637 Das Bild einer starren Unvereinbarkeit erweist sich jedoch in der Realität als wenig haltbar.638 Vielmehr kann es auch im vorliegenden Zusammenhang um in zweierlei Hinsicht modifiziert werden: Zum einen kann Management auf Zeit als neue bzw. moderne Berufsgruppe nicht mit dem starren Rahmen einer etablierten klassischen Profession gleichgesetzt werden. Aufgrund fehlender Außengrenzen kann die Berufsgruppe der Interim Manager nicht als autonomes soziales System begriffen werden.639 Sie bietet noch keinen vergleichbaren Rahmen hinsichtlich einer gemeinsamen Identität oder verbindlicher Normen. Ihre Angehörigen sind auf den Kontakt zur nicht-professionellen Umwelt angewiesen, um bspw. ihr 631 632 633 634 635 636 637 638 639
Vgl. Terhart (1990), S. 155f., Klatetzki/Tacke (2005), S. 13f. Vgl. u.a. Terhart (1990), S. 155f. Vgl. Weber (1976), S. 551ff., Hall (1967), S. 465, Vahs (2005), S. 24ff. Vgl. u.a. Terhart (1990), S. 155. Vgl. Weber (1976), S. 126ff., Satow (1975), S. 526ff., Terhart (1990), S. 161. Vgl. Hall (1968), S. 92. Vgl. u.a. Løwendahl (2005), S. 26. Vgl. Klatetzki/Tacke (2005), S. 14. Vgl. Kairat (1969), S. 84.
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ökonomisches Einkommen zu sichern. Anders als im Rahmen eines traditionellen Verständnisses angenommen, sind die Angehörigen einer modernen Berufsgruppe im Rahmen dieses Kontaktes keineswegs immer in einer Herrschaftsposition gegenüber ihren Klienten bzw. Rollenpartnern. Unter Berücksichtigung ihrer ökonomischen Abhängigkeit von ihren Klienten kann sich das Machtgefüge umkehren.640 Zum anderen entspricht die organisationale Wirklichkeit nicht bürokratischen Organisationen im Sinne des Weber’schen Bürokratiemodells.641 Die strukturellen Gegebenheiten, innerhalb derer Interim Manager ihre Leistungen erbringen, sind - ungeachtet ihrer in Kapitel I.2 beschriebenen strukturellen Vielfalt auf die Erbringung nicht-standardisierter professioneller Dienstleistungen ausgelegt. Unter den gegebenen Bedingungen kann das Verhältnis zwischen Profession und Organisation im Zusammenhang der fokalen Berufsgruppe durchaus als vereinbar eingeschätzt werden. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, die unterschiedlichen internen und externen Kontexte und unterschiedlichen Ziele professioneller und ökonomischer Natur innerhalb einer Organisation in Einklang zu bringen. Inwiefern professionelle Organisationen dieser Herausforderung genügen und damit in Richtung einer individuellen Professionalisierung wirken können, ist Gegenstand des folgenden Abschnittes. (b) Professionalität in Organisationen: Im vergangenen Abschnitt wurde die im Zusammenhang klassischer Professionen erhobene These der Unvereinbarkeit zwischen Profession und Organisation für den Kontext des Managements auf Zeit als moderner Berufsgruppe abgeschwächt und letztlich als veraltet verworfen. Im folgenden Abschnitt geht es darum, den Zusammenhang intraorganisationaler Aspekte und individueller Professionalisierungsstrategien zu beleuchten. Dabei soll insbesondere die Frage betrachtet werden, wie professionelle Organisationsformen zum Aufbau von Professionalität im hier verstandenen Sinne beitragen bzw. beitragen können. Professionelle Organisationen unterscheiden sich grundlegend von anderen Organisationsformen (u.a. Etzioni 1959, Etzioni 1961, Etzioni 1969, Etzioni 1975, Bucher/Stelling 1969). Ihre Ausrichtung auf die individuelle und flexible Bearbeitung komplexer Einzelfälle schlägt sich in einer Vielfalt spezifischer Eigenschaften professioneller Organisationsformen nieder. Die besondere Stellung der Professionals basiert nicht auf hierarchischer Ordnung, sondern auf ihrer professionellen Kompetenz. Der Autonomie der Professionals entsprechend zeichnen sich professionelle Organisationsformen durch ihre dezentralen
640 641
Vgl. Kairat (1969), S. 97. Statt dessen existieren verschiedene Mischformen, innerhalb derer Professionals unterschiedlichen Graden der Heteronomie ausgesetzt sind, vgl. Scott (1965), S. 66ff.
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Entscheidungsstrukturen aus, die ein selbstbestimmtes Handeln von Professionals strukturell ermöglichen. Die Vielfalt organisationaler Aspekte läßt eine weitere Differenzierung sinnvoll erscheinen. Diese kann sich an den unterschiedlichen Archetypen professioneller Organisationsformen orientieren (Greenwood/Hinings 1988, Greenwood/Hinings 1993).642 Neben selbständigen Professionals lassen sich dabei insbesondere das klassische Partnerschaftsmodell und das sog. Managed Professional Business als Grundformen aufführen, die sich u.a. durch ihre Eigentumsstruktur und Führungssysteme unterscheiden.643 Eine inhaltliche Unterscheidung kann dabei an der Stellung der Professionals sowie insbesondere deren Selbständigkeit ansetzen. Die unterschiedlichen Archetypen bringen unterschiedliche professionelle Rollen und externe Abhängigkeiten mit sich.644 Selbständige Professionals arbeiten als Einzelunternehmer oder engagieren sich im Rahmen einer Partnerschaft. Dahingegen befinden sich Professionals in hierarchisch gegliederten professionellen Organisationen als Angestellte in einer unselbständigen Stellung.645 Ungeachtet der Gemeinsamkeiten, insbesondere ihrer grundlegenden professionellen Ausrichtung vor dem Hintergrund der Abgrenzung zu bürokratischen Organisationsformen, sind den aufgeführten professionellen Organisationsformen jedoch unterschiedliche Voraussetzungen zur Verfolgung von Professionalisierungsstrategien zuzuordnen. Insbesondere individuelle Professionalisierungsstrategien gehen mit Ressourcenanforderungen einher, die hohe Anforderungen an die Ressourcenausstattung eines Akteurs stellen. Aufgrund dieser spezifischen Ausgangslage der Akteure kann eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung einzelner Akteure hinsichtlich der aufgeführten strategischen Modi vermutet werden: Während selbständige Interim Manager sich aufgrund ihrer spezifischen Situation primär im Rahmen kollektiver Strategien engagieren, ist zu vermuten, daß mit zunehmender organisationaler Potenz der Fokus auf individuelle Professionalisierungsstrategien zunimmt.646 Insbesondere etablierte Professional Service Firms sind in der Lage, individuelle Professionalisierungsstrategien zu verfolgen und individuell Anerkennung und Wertschätzung der Leistung ihrer Professionals zu realisieren.
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Der Begriff des Archetyps steht für ein ganzheitliche Betrachtung einer Organisation als Satz von Strukturen und Systemen, die auf spezifischen Ideen und Werten basieren, vgl. Greenwood/Hinings (1993), S. 1052. Für eine Übersicht vgl. bspw. Cooper et al. (1996), S. 626, 630. Vgl. Kairat (1969), S. 84ff. Je nach deren hierarchischen Ausgestaltung können Professionals in einer partnerschaftlichen „Gruppenpraxis“ selbständige oder angestellte Positionen einnehmen, sodaß in diesem Sinne von einem fließenden Übergang zwischen Partnerschaft und professioneller Organisation gesprochen werden kann, vgl. Kairat (1969), S. 86. Vgl. Bennett (2000), S. 22f.
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Zum Abschluß des Abschnittes bleibt die Relevanz der betrachteten intraorganisationalen Faktoren im Kontext der vorliegenden Fragestellung kritisch einzuordnen. Angesichts der gegenwärtigen strukturellen Gegebenheiten der Management auf Zeit-Branche kann die Bedeutung professioneller Organisationsformen noch nicht abschließend beurteilt werden. Während die Entwicklung professioneller Organisationsformen sowie deren Isomorphismus mit der Entwicklung professioneller Dienstleistungsmärkte in Verbindung gebracht wird (DiMaggio/Powell 1983), kann insbesondere die gegenwärtige strukturelle Heterogenität des Marktes als Symptom fehlender Reife verstanden werden.647 Eine grundlegende strukturelle Veränderung im Sinne einer Entstehung professioneller Organisationsformen ist bislang nicht absehbar. Im Rahmen einer Entwicklung der Branche ist jedoch eine weitere Entwicklung im Sinne einer strukturellen Homogenisierung denkbar.648 (3) Exkurs: Individuelle Professionalisierungsstrategien in der Unternehmensberatung Die in der Literatur thematisierten Professionalisierungsbemühungen nennen verschiedene Beispiele individueller Professionalisierungsstrategien. Eine Berufsgruppe, deren Professionalisierungsbestrebungen maßgeblich durch individuelle Professionalisierungsstrategien beeinflußt werden, bildet die Berufsgruppe der Unternehmensberater. Sie zeigt hinsichtlich ihres professionellen Status verschiedene strukturelle Ähnlichkeiten mit der im Rahmen der vorliegenden Arbeit im Fokus stehenden Berufsgruppe der Interim Manager. Daher kann ihr Beispiel als potentielle Referenz für die Professionalisierungsbestrebungen der Interim Manager angesehen werden. Die relevanten strategischen Manöver der Unternehmensberater sollen nachstehend im Rahmen einer exkurshaften CaseBetrachtung skizziert werden. Ihren Ausgangspunkt nahm die Entstehung und Entwicklung der Unternehmensberatung – weitaus früher als das Management auf Zeit - bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Damals begannen die ersten Unternehmensberatungen in den Vereinigten Staaten, Kunden ihre Dienste anzubieten.649 Im Zuge eines zunehmenden Taylorismus verstanden sich Berater damals vornehmlich als Efficiency Experts im Rahmen industrieller Fertigungsverfahren.650 In Deutschland erfuhr die Unternehmensberatung einen wesentlichen Entwicklungsschub nach dem Ende des zweiten Weltkriegs.651
647 648 649 650 651
Vgl. DiMaggio/Powell (1983), S. 148. Vgl. Walz (1994), S. 60. Vgl. McKenna (1995), S. 52. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 271. Vgl. Mohe/Höner (2006), S. 6.
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Betrachtet man die Situation der Unternehmensberatung vor dem Hintergrund eines klassischen Professionsverständnisses, so wird deutlich, daß die Unternehmensberatung – wie das Interim Management - keine etablierte Profession im klassischen Sinne ist.652 Verschiedene institutionelle und strukturelle Merkmale, die im herkömmlichen Sinne mit dem Begriff der Profession verbunden werden, fehlen im Falle der Unternehmensberatung.653 Diese Mängel professionellen Status lassen sich anhand der folgenden Aspekte verdeutlichen:654 Für die Dienstleistungen der Unternehmensberatung existiert in den meisten Ländern keinerlei staatliche Regulierung.655 Dabei wird dem der Unternehmensberatung zugrundeliegenden Wissensgebiet zentrale Bedeutung beigemessen.656 Wie andere wirtschaftliche Berufsgruppen basiert die Unternehmensberatung auf einer Kombination aus theoretischem Wissen, Beherrschen analytischer Methoden und Erfahrung. Das im Rahmen der Unternehmensberatung angewendete Wissen ist relativ heterogen. Es ist bislang weder einheitlich definiert, noch kodifiziert.657 Zusammengenommen ist dieses Wissen zu fragmentiert, flüchtig und unbestimmt, um eine einheitliche Theorie der Unternehmensberatung zu begründen.658 Damit weist es spezifische Eigenschaften auf, die eine Formalisierung und Standardisierung in Organisationen erschweren. Diese wäre aber für eine Regulierung und einen formalen Schutz dringend erforderlich.659
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660 661
Aus dem Fehlen einer Regulierung ergibt sich das Fehlen von institutionellen Eintrittsbarrieren.660 Ohne institutionelle Eintrittsbarrieren zeichnet sich der Markt durch die Vielzahl neuer Markteintritte aus. Dabei spielen auch etablierte Akteure in benachbarten Märkten eine wichtige Rolle. Am Markt für Unternehmensberatung existieren keine starken professionellen Institutionen.661 Vgl. Kühl (2001), S. 3, Groß/Kieser (2006), S. 89f., Kipping et al. (2006), S. 2. Vgl. u.a. Groß/Kieser (2006), Kipping et al. (2006). Die Autoren rekurrieren regelmäßig auf die auch in der vorliegenden Arbeit geschilderte Literatur zu den klassischen Professionen, um hernach die aktuellen Management Herausforderungen in der Unternehmensberatung vor dem Hintergrund der Professionalisierung des Berufsfeldes zu deuten bzw. rekonstruieren, vgl. Kipping et al. (2006), S. 2. Vgl. ähnlich Glückler/Armbrüster (2003), S. 271ff.. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 272. Vgl. Kipping et al. (2006), S. 2 unter Rekurs auf Scarborough (1999), Alvesson, Johansson (2002). Vgl. Engwall/Kipping (2002), S. 4. Vgl. Kipping et al. (2006), S. 2. In Deutschland scheiterte der letzte diesbezügliche Versuch, die Berufsbezeichnung des Unternehmensberaters gesetzlich zu schützen, an der Feststellung mangelnden öffentlichen Interesses, welches die ausschließliche Begründung für eine Einschränkung der Freiheit der Berufswahl darstelle, vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 272 Vgl. u.a. Engwall/Kipping (2002), S. 4. Vgl. Kipping et al. (2006), S. 2 unter Rekurs auf Ackroyd (1996), Leicht, Fennel (2001).
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Die fehlenden Branchengrenzen schlagen sich auch auf die Produkte nieder: Für die angebotenen Beratungsleistungen existieren keine Standards.662
Die aufgeführten Merkmale des Marktes für Unternehmensberatung führen in der Beziehung zwischen Unternehmensberatern und ihren Kunden zu einer strategischen Unsicherheit auf institutioneller und transaktionsbezogener Ebene.663 Unternehmensberater begegnen dieser Herausforderung mit unterschiedlichen kompetitiven Strategien, um in der Beziehung zu (potentiellen) Kunden die Unsicherheit zu reduzieren und hinsichtlich des Vertrauensverhältnisses einen professionsähnlichen Status zu erlangen.664 Rekonstruiert man diesen „new professionalism“ anhand der bereits aufgeführten Ansatzpunkte individueller Professionalisierungsstrategien, so lassen sich verschiedene Komponenten und ihre jeweilige Funktion bezüglich der Vertrauensbildung herausarbeiten:
Unternehmensberater unternehmen signifikante Anstrengungen, um den Kunden relevantes Wissen und Problemlösungskompetenz anbieten zu können. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die hohen Anstrengungen zur Akquisition geeigneter Berater zu verstehen.665 Darüber hinaus investieren Unternehmensberatungen in Weiterbildung und Wissensmanagementsysteme. Das Ziel der Unternehmensberater besteht in diesem Zusammenhang darin, gegenüber dem Kunden einen Wissensvorsprung aufzubauen und zu erhalten. Auch wenn die kundenseitige Kompetenzwahrnehmung oftmals lediglich auf „impression management“ beruht, bildet sie eine grundlegende Voraussetzung für die Einschätzung der Professionalität eines Unternehmensberaters und für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.666 Ein weiterer wesentlicher Bezugspunkt des new professionalism der Unternehmensberater ist der systematische Aufbau von Beziehungen. Eine systematische Gestaltung der Beziehungen ist für Verlauf und Erfolg von Beratungsprojekten von großer Bedeutung.667 Aus Perspektive von Kunden erfüllen diese Beziehungen eine unsicherheitsreduzierende Funktion. Die Erfahrung der Zusammenarbeit in Projekten führt zu gegenseitigem Vertrauen (experience based trust) und erleichtert so nachfolgende Projekte.668 Für die Unternehmensberater ist es insbesondere das gewonnene Vertrauen, das die Bedeutung dieser Kundenbeziehungen ausmacht. Das entgegengebrachte Vertrauen kann als Anerkennung der Professionalität eines Beraters betrachtet
662 663 664 665 666 667 668
Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 274. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 271ff. Vgl. Groß/Kieser (2006), S. 91. Vgl. Bürger (2005), S. 153f. Vgl. Clark/Salaman (1998), S. 19, Groß/Kieser (2006), S. 91f., Vgl. Jeschke (2007), S. 197f. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 285.
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werden. Dessen ökonomische Bedeutung wird anhand ihrer Bedeutung bei Entscheidungen der Projektvergabe deutlich. Viele Kunden verzichten aufgrund bestehender Beziehungen auf eine neuerliche Ausschreibung.669 Unternehmensberatungen akquirieren die Mehrheit neuer Projekte innerhalb bestehender Kundenbeziehungen.670 Schließlich spiegeln sich die Professionalisierungsbemühungen der Unternehmensberater in ihrer Reputation wider. Sie ist Ausdruck der zugestandenen Professionalität und wirkt in Richtung einer Unsicherheitsreduzierung für zukünftige Beziehungen. Hinsichtlich der Quelle der professionellen Reputation kann dabei zwischen einer öffentlichen und einer Netzwerkreputation differenziert werden, die sich hinsichtlich Reichweite und Aussagekraft unterscheiden. Die Frage nach der Existenz einer öffentlichen Reputation läßt eine Unterteilung des deutschen Marktes für Unternehmensberatung in zwei grundsätzliche Gruppen zu:671 Eine nennenswerte öffentliche Reputation kann lediglich großen Beratungsunternehmen zugeschrieben werden, während kleine Beratungsunternehmen andere Mechanismen der Reputation nutzen müssen.672 Im Rahmen der kundenseitigen Auswahlentscheidung kann die öffentliche Reputation einer Unternehmensberatung durchaus als bedeutsam angesehen werden. Sie liefert grundsätzliche Informationen zu Kompetenzschwerpunkten und signalisiert die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, die einer Unternehmensberatungsgesellschaft widerfährt.673 Die getroffene Unterscheidung hinsichtlich der öffentlichen Reputation großer und mittlerer bzw. kleiner Beratungsgesellschaften schlägt sich in den jeweiligen Kundenbeziehungen nieder: Studien belegen, daß die Mehrheit großer Unternehmen große Beratungsunternehmen wählt, kleine wiederum überwiegend zu kleinen Beratungsunternehmen tendieren.674 Dennoch kann die Aussagekraft öffentlicher Reputation hinsichtlich einer konkreten Unsicherheitsreduktion als gering eingestuft werden. Sie liefert nicht zwingend eine valide Vorhersage für die Qualität einer Beratungsleistung.675 Ein geringere Reichweite, dafür jedoch eine bessere Aussagekraft hinsichtlich der Beratungsqualität kann der sog. Netzwerkreputation zugesprochen werden. Basierend auf Empfehlungen in einem bestehenden sozialen Netzwerk von Business Partnern
669 670 671 672 673 674 675
Vgl. Kohr (2000), S. 231. Nach Kaas/Schade (1995) entstammen 60-70% der Aufträge deutscher Unternehmensberater bestehenden Geschäftsbeziehungen, vgl. Kaas/Schade (1995), S. 1082. Vgl. zum folgenden Glückler/Armbrüster (2003), S. 281. Für eine Übersicht der größten Beratungsunternehmen in Deutschland vgl. Lünendonk GmbH (2006). Vgl. u.a. Glückler/Armbrüster (2003), S. 283. Vgl. Walger/Scheller (1998), S. 48. Glückler/Armbrüster (2003) begründet diese kritische Einschätzung durch das Fehlen einer institutionellen Umgebung, auf deren Kontrolle die Wirkung öffentlicher Reputation angewiesen wäre; vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 283.
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liefert sie potentiellen Kunden vertrauenswürdige Informationen über die zu erwartenden Beratungsqualität. Indem vorhandene Vertrauensbeziehungen genutzt werden, können eine größere Marktabdeckung und eine bessere Unsicherheitsreduktion erreicht werden. In Ermangelung einer öffentlichen Reputation kann insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmensberatungen ein starker Fokus auf ihre Netzwerkreputation zugeschrieben werden.676 Die Bedeutung der Netzwerkreputation läßt sich anhand des Stellenwerts von Empfehlungen im Rahmen des Auswahlprozesses illustrieren: Neben eigenen Erfahrungen zur wahrgenommenen Problemlösungskompetenz haben sich Empfehlungen durch andere Manager als herausragende Faktoren der Vertrauensbegründung erwiesen.677 Die dargestellten Ansatzpunkte illustrieren die Anwendung und Wirkung individueller Professionalisierungsstrategien in der Unternehmensberatung. Neben dieser individuellen Wirkung kann die Betrachtung der Unternehmensberatung auch als Beispiel für den Spezialfall struktureller Wirkungen individueller Strategien dienen: Aufgrund der Möglichkeit des Ressourcen-Leverage haben sich in der Unternehmensberatung - anders als im Bereich des Managements auf Zeit - große Unternehmenseinheiten gebildet.678 Diese großen Unternehmensberatungsgesellschaften haben seit Beginn ihres Bestehens einen charakteristischen Weg der Professionalisierung beschritten. Nicht der kollektive Zusammenschluß in Institutionen, sondern das individuelle Unternehmen ist im Fall der Unternehmensberatung als Lokus der Professionalisierung anzusehen. Dabei beschränkt sich deren Wirkung im Sinne einer Professionalisierung nicht auf die professionelle Sozialisierung im Innern. Große Beratungsgesellschaften wie bspw. McKinsey & Company haben eine derartig beherrschende Marktstellung aufgebaut, daß ihnen auch nach außen eine professionalisierende, leuchtturmartige Wirkung zugeschrieben werden kann. So kann ihr Handeln im Sinne einer Externalität die Bekanntheit der Dienstleistung steigern und zur Einführung von Quasi-Standards beitragen.679 Die hier aufgezeigten individuellen Professionalisierungsstrategien der Unternehmensberatung lassen einige Parallelen zur Situation der Interim Manager erkennen. Dennoch existieren auch zahlreiche Unterschiede, die es zu erkennen gilt, um den Anwendungsbereich individueller Professionalisierungsstrategien im
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Vgl. u.a. Meffert (1990), S. 188. Zur Bedeutung von Empfehlungen vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 285f., zur Kompetenz als Auswahlkriterium vgl. Däfler/Rexhausen (1998), S. 16f., Groß/Kieser (2006), S. 91. Zum Begriff des Leverage vgl. Ringlstetter et al. (2004b), S. 15f. Diese sind jedoch mangels einer entsprechenden Zielsetzung zur Generierung kollektiver Erfolgspotentiale nicht als kollektive Strategie zu beschreiben. Zur Definition kollektiver Strategien vgl. Walz (1994), S. 108f.
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Kontext der vorliegenden Arbeit einordnen zu können. Ihrer fehlenden institutionellen Begrenzung zum Trotz ist die Dienstleistung der Unternehmensberatung bereits umfassend etabliert und wird von weiten Teilen potentieller Klienten als professionell und nützlich anerkannt. Dies kann bislang für das Interim Management nur eingeschränkt gelten. Ferner ist die Professionalisierung der Unternehmensberatung durch große Beratungsgesellschaften geprägt, die selbst als Lokus der Professionalisierung agieren und einen entsprechenden Einfluß auf die Gesamtbranche ausüben. Eine derartige Konsolidierung durch einzelne Akteure ist bislang auf die Berufsgruppe der Interim Manager nicht anwendbar. Ein beherrschender Akteur, der die aufgeführten Kriterien erfüllt, ist bislang in der fokalen Berufsgruppe nicht erkennbar.680
II.2.4 Professionalisierung als Leitidee individueller und kollektiver Strategien Im Rahmen dieser Arbeit wurden mit individuellen und kollektiven Professionalisierungsstrategien grundsätzliche Optionen zur Verfolgung von Professionalisierungsstrategien dargestellt, die zunächst getrennt betrachtet wurden. In der Tat geht auch die klassische Management-Literatur letztlich von einer grundsätzlichen Dichotomie wettbewerblicher und kooperativer Maßnahmen aus.681 Indes erscheint eine getrennte Betrachtung nicht ausreichend, um Professionalisierungsstrategien für Interim Manager abzubilden. Im Rahmen einer ganzheitlichen Darstellung ist vielmehr die Frage nach dem prozessualen und inhaltlichen Verhältnis der unterschiedlichen Strategien zueinander zu stellen, deren gemeinsame Leitidee die Professionalisierung bildet. In prozessualer Hinsicht kann der interdependente Zusammenhang im Rahmen der Strategiegenese beleuchtet werden (1), im Rahmen einer inhaltlichen Betrachtung kann der komplementäre Zusammenhang der strategischen Zielsetzungen der Professionalisierung betrachtet werden (2).
680
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„Wir sind alle kleine Firmen.“ (Gesprächspartner im Interview, September 2006). Eine diesbezügliche Entwicklung muß jedoch für die Zukunft keineswegs ausgeschlossen sein. Grundlegende Entwicklungspfade für eine strukturelle Konsolidierung der Branche könnten in der Entwicklung eines großen Akteurs innerhalb der Branche oder dem Eintritt eines großen und etablierten Dienstleisters außerhalb der Branche, bspw. eines Unternehmensberatungshauses, bestehen. Die Beantwortung der Frage jedoch, ob bzw. in welcher Form sich die Branche konsolidiert, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vgl. u.a. Dagnino/Padula (2002), S. 3. Für eine Darstellung der zugrundeliegenden kompetitiven und kooperativen Logiken vgl. Dagnino/Padula (2002), S. 5ff.
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Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt (1) Interdependenz individueller und kollektiver Professionalisierungsstrategien
Eine eingehendere Betrachtung des Zusammenhangs individueller und kollektiver Professionalisierungsstrategien kann am Prozeß der Strategiegenese ansetzen. Deren interdependenter Zusammenhang kann anhand verschiedener Konstellationen illustriert werden. Zum einen beeinflussen individuelle Strategien die Genese kollektiver Strategien. Die Bezugsgröße eines traditionellen Strategiebegriffes ist in der Regel ein individueller Akteur, dessen Intention auf den Aufbau und Schutz seiner individuellen Erfolgspotentiale gerichtet ist. Damit bilden individuelle Akteure und deren Strategien eine wesentliche Grundlage, die der Genese kollektiver Strategien logisch vorgelagert ist. Die Teilnahme an kollektiven Strategien bedarf einer individuellen strategischen Entscheidung dazu.682 Entscheidet sich ein Akteur zur Teilnahme an kollektiven Strategien, bspw. der Mitgliedschaft in einer kollektiven Organisation, so geschieht dies aufgrund des Kalküls, mittels kollektiver Strategien in geeignete Rahmenbedingungen zu investieren. Entscheidet er sich hingegen gegen eine Teilnahme, kann diese vielerlei Gründe haben: Entweder teilt er die im Rahmen kollektiver Strategien von anderen verfolgten strategischen Ziele nicht oder er kommt zu dem Schluß, daß er von den kollektiven Strategien anderer auch profitieren kann, ohne selbst daran teilnehmen zu müssen (Free Rider-Problematik). Zum anderen beeinflussen kollektive Manöver der Akteure innerhalb einer Berufsgruppe individuelle Strategien, indem sie als Umfeldfaktoren in individuelle Erwägungen einfließen. Sie schaffen die Rahmenbedingungen, von denen einzelne Akteure ggf. profitieren und innerhalb derer sie sich positionieren können. Damit stellt diese Konstellation die den kollektiven Professionalisierungsstrategien zugrundeliegende Annahme dar. Zusätzlich zu den aufgeführten Konstellationen kann unter Rekurs auf die geschilderte Professionalisierung der Unternehmensberatung ein Spezialfall in die Erörterungen eingeführt werden. Dieser besteht in der Möglichkeit der Beeinflussung aller Akteure einer Berufsgruppe durch individuelle strategische Manöver eines großen bzw. mächtigen Akteurs. Kann ein individueller Akteur ausreichende Marktmacht auf sich versammeln, können seine individuellen strategischen Manöver die Erfolgspotentiale und Strategien anderer (über die Entscheidung der Teilnahme an kollektiven Strategien hinaus) beeinflussen. Bei ausreichender Marktmacht können auch die strategischen Manöver eines einzelnen Akteurs Auswirkungen auf der kollektiven Ebene der Berufsgruppe haben.
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Vgl. Bennett (2000), S. 18.
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Gemeinsam verdeutlicht die Betrachtung dieser Konstellationen, daß individuelle und kollektive Professionalisierungsstrategien in einem interdependenten Verhältnis zueinander stehen. Im Folgenden geht es darum, deren komplementäres Verhältnis im Kontext der Professionalisierung des Managements auf Zeit zu verdeutlichen. (2) Komplementarität individueller und kollektiver Strategien Neben der prozessualen Interdependenz besteht zwischen individuellen und kollektiven Professionalisierungsstrategien eine inhaltliche Komplementarität. Jede der dargestellten strategischen Paradigmen bildet für sich genommen nur einen Teil der relevanten Realität der Berufsgruppe ab: Auf der einen Seite stehen die Interim Manager in einem Verhältnis allgemeiner Rivalität zueinander. Insbesondere im Bezug auf ihre Professionalisierungsbestrebungen haben die Akteure jedoch auf der anderen Seite, zumindest teilweise, gleichgerichtete Interessen. Dieses Nebeneinander erfordert eine Perspektive, die beiden Strategieelementen im Rahmen einer Professionalisierung gerecht wird. Das Nebeneinander von kooperativen und wettbewerblichen Ansätzen kann mit dem Begriff des Coopetition bezeichnet werden.683 Coopetition bezeichnet das gleichzeitige Agieren zweier oder mehrerer Akteure im Rahmen kompetitiver und kooperativer Beziehungen. Insofern paaren Coopetition-Strategien kompetitive und kooperative Handlungslogiken zur Realisierung (zumindest teilweise) gemeinsamer Interessen.684 Coopetition-Strategien mehrerer Akteure innerhalb eines Netzwerkes bzw. einer Branche werden als besonders komplexe Form des Coopetition bezeichnet.685 Sie finden ihre Begründung in Situationen umfassender interorganisationaler Interdependenz der Akteure.686 Ihre Berechtigung und Anwendung findet sie regelmäßig dort, wo zur Realisierung individueller Interessen gemeinsame Investitionen erforderlich sind, um bspw. neue Märkte zu betreten oder vorhandene zu stimulieren.687 Eine derartige Situation liegt in den Professionalisierungsbestrebungen einer Berufsgruppe vor.
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684
685 686 687
Vgl. Dagnino/Padula (2002), S. 13. Der Begriff der Coopetition-Strategie hat verschiedene Väter. Die Begriffsprägung wird oftmals mit der Person des Gründers des amerikanischen Unternehmens Novell, Raymond Noorda, in Verbindung gebracht, vgl. Dagnino/Padula (2002), S. 4. Ihre wissenschaftliche Fundierung erfuhr die Strategie hingegen in der Spieltheorie, vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 23. Vgl. Bengtsson/Kock (1999), S. 180, Bengtsson/Kock (2000), S. 412, Dagnino/Padula (2002), S. 13. Weniger gebräuchlich sind Synonyme wie „kooperative Wettbewerbsbeziehungen“, vgl. bspw. Dowling/Lechner (1998), S. 86, Henke (2003), S. 7 oder “syncretic rent seeking behaviour”, vgl. Lado et al. (1997), S. 111. Die Komplexität bezieht sich auf die Anzahl der Teilnehmer und Wertschöpfungsstufen, vgl. Dagnino/Padula (2002), S. 14. Vgl. Dagnino/Padula (2002), S. 13f. Vgl. Garraffo (2002), S. 4. Strategische Situationen, der klassischerweise mit CoopetitionStrategien in Verbindung gebracht werden, sind die Entwicklung und Einführung neuer Technologien, vgl. Garraffo (2002), S. 3f.
142
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
Die Verfolgung einer hybriden Strategieform erfordert eine klare Abgrenzung zwischen Bereichen der Zusammenarbeit und des Wettbewerbs.688 Diese Notwendigkeit wird in der wissenschaftlichen Literatur als Grundvoraussetzung für die Verfolgung von Coopetition-Strategien identifiziert.689 Die Identifizierung der diesbezüglichen Bereiche kann sich an der bereits im Rahmen der Herausforderungen eingeführten Klassifizierung öffentlicher Güter orientieren. Ausgehend von der Annahme, daß sich die Ziele unterschiedlicher Professionalisierungsstrategien als Güter rekonstruieren lassen, die sich hinsichtlich der Rivalität ihrer Nutzung sowie durch die Ausschließbarkeit unterscheiden, können unterschiedliche kompetitive und kooperative Elemente einer Professionalisierungsstrategie identifiziert werden (vgl. Abbildung II-6). Konkurrenzprinzip nicht möglich
Allmendegut
Private Güter • Entwicklung professioneller Ressourcen • Individuelle professionelle Lstgs.-fähigkt., Kompetenz • Reputation i.S. individuellen Vertrauens
möglich
Ausschließbarkeit
Ja = Rivalität
individuell
Nein = keine Rivalität Öffentliche Güter • Bekanntheit • Differenziertes Rollenverständnis •…
Externalitäten
Klubgüter • Weiterbildung • Zertifizierung • Dienstleistungen Verband • ….
kollektiv
Professionalisierungsstrategie
Abbildung II-6: Professionalisierungsziele und –strategien im Kontext verschiedener 690
Gütertypen
Aufgrund knapper Ressourcen und der Rationalität der Handelnden ist davon auszugehen, daß die Akteure den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten im Rahmen der Professionalisierung auf solche Ziele bzw. Güter richten, deren Nutzung durch Fremde auszuschließen bzw. einzudämmen ist. Gegenstand individueller Professionalisierungsstrategien ist der Aufbau professioneller Ressourcen, die gemäß der getroffenen Einteilung als private Güter gelten können. Dahingegen richten sich kollektive Professionalisierungsstrategien auf die Erreichung solcher Ziele, bei denen grundsätzlich keine Rivalität besteht. Angesichts einer möglichen Ausnutzung durch Free Rider ist der Schlüssel zu kollektiven Professionalis688 689 690
Vgl. bspw. Panten/Weidt (2001), S. 54f. Vgl. Bengtsson/Kock (1999), S. 182, Bengtsson/Kock (2000), S. 420, Henke (2002), S. 79. Eigene Darstellung unter Rekurs auf ökonomische Güterklassifikation, vgl. grundsätzlich u.a Jansen/Priddat (2007), S. 19.
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
143
ierungsstrategien in einer Ergänzung professioneller Ziele durch sog. Klubgüter zu sehen.
II.3.
Zwischenfazit und Entwurf eines Bezugsrahmens der Professionalisierung als hybrider Strategie
Das zweite Kapitel der vorliegenden Arbeit diente der Erarbeitung der Grundlagen zum Thema der Professionalisierung vor dem Hintergrund entsprechender Bemühungen für das Management auf Zeit. Ausgangspunkt war eine wissenschaftliche Schärfung des in der Alltagssprache vielfältig verwendeten und oftmals mit einer diffusen Bedeutungsvielfalt verbundenen Begriffs der Professionalisierung. Ungeachtet seiner akademischen Schärfung bleibt festzuhalten, daß der Begriff der Professionalisierung letztlich facettenreich bleibt. Der klassische Professionsbegriff erweist sich im Hinblick auf den Kontext des Managements auf Zeit als erweiterungsbedürftig. Im Rahmen der inhaltlichen Entwicklung und Erweiterung des Begriffes haben sich insbesondere politische und ökonomische bzw. strategische Professionalisierungsmodelle als relevant erwiesen. Diese bewahren auf der einen Seite zentrale Elemente professionellen Handelns.691 Zum anderen erweitern sie jedoch die Perspektive um solche Berufe, die nicht den Status einer voll ausgeprägten Profession im klassischen Sinne innehaben, und bereichern das Sprachspiel um diese Fälle.692 Auf Basis einer Gesamtschau der in diesem Kapital vorgestellten Ansätze der Professionalisierungsforschung sowie unter Bezugnahme auf die Perspektive des Strategischen Managements können essentielle Dimensionen des Professionalisierungsbegriffes identifiziert werden (a), die letztendlich aufgrund ihres Zusammenspiels die Darstellung einer Professionalisierung als hybride Strategie begründen (b). (a) Dimensionen des Professionalisierungsbegriffes: In der Gesamtschau der bisherigen Betrachtungen lassen sich verschiedene Dimensionen des Komplexes einer Professionalisierung identifizieren und unterscheiden: Die Merkmalsdimensionen des Bezugsrahmens ergeben sich aus den Dimensionen des gewonnenen Professionalisierungsverständnisses. Auf der einen Seite besteht die Unterscheidung der Wirkungsrichtung unterschiedlicher Ansätze einer Professionalisierung nach außen und nach innen. Auf der anderen Seite steht die Differenzierung des 691 692
Vgl. dazu in ähnlichem Kontext Wächter (1995b), S. 7. Insbesondere jene nicht bzw. teilweise erfolgreichen Professionalisierungsbestrebungen haben den betroffenen Berufsgruppen den Vorwurf eingetragen, letztlich für eine Verwässerung des Konzeptes der Professionalisierung zu stehen; vgl. u.a. Wilensky (1964), Selander (1990), S. 139.
144
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
strategischen Modus unterschiedlicher Ansätze in Form kollektiver und individueller Ansätze. Diese Dimensionen bilden den Bezugsrahmen, der den weiteren Erörterungen zugrunde liegt (vgl. Abbildung II-7). Die Differenzierung interner und externer Handlungsrichtungen entspringt dem erweiterten und modifizierten Verständnis des Professionalisierungsbegriffes und trägt den zentralen Herausforderungen Rechnung, denen die Akteure einer Berufsgruppe im Rahmen ihrer Professionalisierung gegenüberstehen.693 Zum einen bedarf es im Rahmen einer Professionalisierung innerhalb der Berufsgruppe des Aufbaus einer professionellen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. Diese basiert i.d.R. auf der Handhabung eines komplexen Wissensgebietes. Zum anderen besteht eine essentielle Herausforderung darin, dieser Leistung außerhalb der Berufsgruppe eine entsprechende Anerkennung in ökonomischer wie sozialer Hinsicht zu verschaffen. Strategisch zielen die Professionalisierungsbestrebungen der Angehörigen einer Berufsgruppe darauf, einen Status der Exklusivität hinsichtlich ihres Themen- und Wissensbereiches im Sinne einer Abschottung (closure) gegenüber Wettbewerbern zu erreichen.694 Die Unterscheidung zwischen kollektiven und individuellen Professionalisierungsstrategien beruht auf der Perspektive des Strategischen Managements. In diesem Zusammenhang wird die Professionalisierung als strategisches Projekt der Beteiligten rekonstruiert, dessen Ziel in der Entwicklung eines strategischen Wettbewerbsvorteils besteht. Strategische Wettbewerbsvorteile im Rahmen einer Professionalisierung lassen sich – je nach strategischer Blickrichtung – durch marktbzw. ressourcenorientierte Betrachtungen begründen. Die Unterscheidung zwischen individuellen und kollektiven Strategien bezieht sich auf den strategischen Modus, dessen sich die Akteure im Zuge der Verfolgung der Ansatzpunkte in Richtung einer Professionalisierung bedienen. Während kollektive Professionalisierungsstrategien primär mit marktorientierten Betrachtungen in Verbindung gebracht werden können, richten sich individuelle Professionalisierungsstrategien insbesondere auf den Aufbau professioneller Ressourcen.
693 694
Vgl. bspw. Kairat (1969), S. 39ff, 128f. Vgl. ähnlich Selander (1990), S. 139.
145
Extern
Unsicherheitsreduktion durch Aufbau von Legitimität und Vertrauen • Kollektive Öffentlichkeitsarbeit, Auswahl geeigneter Partner • Etablierung geeigneter Rahmenbedingungen
• Kommunikation professioneller Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit • Aufbau von Reputation
Schaffung inhaltlicher und prozessualer Voraussetzungen der Professionalisierung
Intern
Soziologische Professionalisierungsforschung (Kapitel II.1)
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
g un ht ric us s g d lun Mo nd at. Ha Str
• Koordination • Definition professioneller Rollen
Kollektive Ansätze
• Entwicklung professioneller Leistungsfähigkeit • Individuelle Positionierung innerhalb des kollektiven Kontexts
Individuelle Ansätze
Professionalisierung als hybride Strategie
Strategische Managementforschung (Kapitel II.2)
Abbildung II-7: Bezugsrahmen zu Ansätzen einer Professionalisierung des Managements auf Zeit
Die identifizierten Dimensionen und ihre Merkmalsausprägungen erlauben für die weitere Argumentation eine Gesamtsicht sowie eine grundlegende Klassifizierung unterschiedlicher Ansätze zur Professionalisierung. (b) Professionalisierung als hybride Strategie: Die im Rahmen einer Gesamtsicht differenzierten Merkmalsdimensionen können indes nicht unabhängig von einander betrachtet werden. Vielmehr ist das Verhältnis unterschiedlicher Ansätze zur Professionalisierung von inhaltlicher Komplementarität und prozessualer Interdependenz geprägt. Dieser Gesamtzusammenhang läßt sich entlang der identifizierten Merkmalsdimensionen illustrieren. Nach innen und nach außen gerichtete Ansätze einer Professionalisierung stehen in einer engen Wechselwirkung zueinander: Nach innen gerichtete Ansätze einer Professionalisierung können einerseits als inhaltliche Vorbedingung verstanden werden. So können nach außen gerichtete Ansätze einer Professionalisierung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn der im Rahmen der Professionalisierung artikulierte Anspruch auf Differenzierung und Anerkennung durch eine entsprechende professionelle Leistung gerechtfertigt wird. Externe Anerkennung kann andererseits als wesentlicher Faktor interner Abstimmungsprozesse gewertet werden. So ist der Prozeß der internen Abstimmung und Herausbildung einer professionellen Identität und Leistungsfähigkeit eng an die Motivation der Akteure gekoppelt, an kollektiven Maßnahmen mitzuarbeiten. Insbesondere Selbständige
146
Teil II: Professionalisierung als strategisches Projekt
sind jedoch aufgrund ihrer besonderen Preis-Sensitivität in der Regel nur dazu bereit, wenn sie die Leistungen als relevant für potentielle Kunden bewerten.695 Auch kollektive und individuelle Professionalisierungsansätze stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Hinsichtlich des strategischen Modus kann von einem grundlegenden Nebeneinander gesprochen werden. Die strategische Allokation beider Optionen sowie deren Ausgestaltung hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab. Dazu sind neben internen Ressourcen und Fähigkeiten der einzelnen Akteure auch situative Faktoren zu zählen. Das Nebeneinander kollektiver und individueller Strategieelemente kann mit dem Begriff des Coopetition umschrieben werden. Gemeinsam begründen Komplementarität und Interdependenz der unterschiedlichen Ansätze zur Professionalisierung deren Bezeichnung als hybride Strategie.696 Dieses Verständnis der Ansätze einer Professionalisierung sowie deren wesentlicher Merkmale gilt es im Folgenden auf die Professionalisierungsbestrebungen der Akteure des deutschen Marktes für Management auf Zeit anzuwenden.
695 696
Vgl. Bennett (2000), S. 22. Das Adjektiv „hybrid“ betont ein aus unterschiedlichen Arten oder Prozessen zusammengesetztes Ganzes. Gleichwohl wird es im Bereich des Strategischen Managements in verschiedenen Kontexten verwendet. Gebräuchlich ist u.a. die Bezeichnung für die gleichzeitige Verfolgung von Kostenführerschafts- und Differenzierungsstrategien.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
147
III. ANSÄTZE ZUR PROFESSIONALISIERUNG DES MANAGEMENTS AUF ZEIT Der dritte und abschließende Teil der Arbeit führt die vorangegangen Ausführungen, d.h. die Betrachtung des Marktes für Management auf Zeit und die konzeptionellen Erörterungen zur Professionalisierung, zusammen. Dabei werden die zuvor vorgestellten Konzepte der Professionalisierung auf den deutschen Markt für Management auf Zeit angewendet und Ansatzpunkte zu einer Professionalisierung der Dienstleistung aufgezeigt. Die weitere Vorgehensweise ist dabei wie folgt: Zuerst wird der bereits im ersten Kapitel beschriebene Zustand des untersuchten Feldes exkurshaft unter dem Blickwinkel einer Professionalisierung analysiert (III.1). Hierbei zeigt sich, daß den bisherigen Professionalisierungsbestrebungen insbesondere hinsichtlich Koordination innerhalb der Berufsgruppe sowie der externen Anerkennung und Akzeptanz der Dienstleistung deutliche Grenzen gesetzt waren. Im zweiten Kapitel werden die Gründe für den begrenzten Erfolg der bisherigen Professionalisierungsbemühungen analysiert und entsprechende Herausforderungen für weitere Professionalisierungsbestrebungen identifiziert (III.2). Als besondere Herausforderungen innerhalb der Berufsgruppe erweist sich der Eigensinn der Akteure, der die besonders im Rahmen kollektiver Professionalisierungsstrategien erforderliche Abstimmung hinsichtlich einer gemeinsamen Darstellung und Vorgehensweise erschwert. In der Beziehung zu externen Anspruchsgruppen besteht die zentrale Herausforderung der Professionalisierung bislang in der mangelnden Legitimität im Wettbewerb mit anderen Dienstleistern und einem wenig ausgeprägten Vertrauen der Kunden als (potentiellen) Rollenpartnern. Im dritten Kapitel werden schließlich nach innen und nach außen gerichtete Ansatzpunkte aufgezeigt, um diesen Herausforderungen zu begegnen und zur Professionalisierung des Managements auf Zeit beizutragen (III.3).
III.1.
Exkurs: Bisherige Professionalisierungsbestrebungen der Manager auf Zeit
Vor dem Hintergrund des gewonnenen Verständnisses des Professionalisierungsbegriffes und seiner strategischen Aspekte gilt es im folgenden, den Bogen zurück zur fokalen Berufsgruppe der Manager auf Zeit zu schlagen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welche strategischen Manöver in Richtung einer Professionalisierung in der Vergangenheit zu beobachten und welche Grenzen den bisherigen Bemühungen gesetzt waren. Damit legt der Exkurs eine Grundlage zur folgenden Analyse der Herausforderungen.
148
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Versuche, die Tätigkeit des Managements im allgemeinen im Sinne einer Professionalisierung zu betrachten, können bereits seit der Gründung der ersten Business Schools als Ausbildungseinrichtungen für Manager um die Wende zum 20. Jahrhundert verfolgt werden.697 Insbesondere im Kontext eines traditionellen Professionsverständnisses werden diese Bemühungen jedoch überwiegend kritisch bewertet.698 Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, daß einer Professionalisierung des Managements auf Zeit bislang ebenfalls enge Grenzen gesetzt waren. Allerdings befindet sich der Markt für Interim ManagementDienstleistungen derzeit in einem Prozeß grundlegender Entwicklung, der von den interviewten Experten übereinstimmend mit dem Begriff einer Professionalisierung in Verbindung gebracht wird. Bevor der erreichte Status der Professionalisierungsbestrebungen unter besonderer Beachtung ihrer Grenzen erörtert wird (2), ist eine differenzierende Betrachtung des Begriffsverständnisses der Beteiligten sinnvoll und erforderlich (1). (1) Unterschiedliche Begriffsverständnisse der Akteure Angesichts der im Rahmen der konzeptionellen Betrachtung aufgezeigten Vielfalt des Professionalisierungsbegriffs verwundert es nicht, daß auch das Begriffsverständnis der Beteiligten in der Praxis eine große Bandbreite aufweist. Je nach Verständnis werden mit dem Begriff der Professionalisierung verschiedene Inhalte und Ziele verbunden. Dabei können grundsätzlich zwei Verständnisrichtungen bzw. –ebenen unterschieden werden. Auf der einen Seite wird mit dem Begriff der Professionalisierung das Ziel einer allgemeinen Verbesserung der zu leistenden Qualität verbunden. Diese Verständnisrichtung ist primär einer individuellen Sichtweise verhaftet. Dem Bereich dieser Verständnisrichtung sind eine Vielzahl individueller Ziele, bspw. Maßnahmen einer individuellen Differenzierung und Positionierung, zuzurechnen.699 Dieses Professionalisierungsverständnis entspringt dem oftmals geäußerten Empfinden, daß sich einzelne Akteure im Rahmen ihres Marktauftrittes „unprofessionell“ verhalten.
697
698
699
Für die Frage einer Professionalisierung des Managements per se vgl u.a. Lowell (1923), S. 130f., Reed/Anthony (1992), Spender (2007). Anders ist Kirsch et al. (1998) zu verstehen, dessen Verständnis des Professionalisierungsbegriffs sich inhaltlich an der Nutzung von Ideen und Wissen vielfältiger Führungslehren orientiert, vgl. Kirsch et al. (1998), S. 27. „Some occupations will never become professions in the traditional sense, such include business management“, vgl. Goode (1969), S. 267; in gleichem Sinne auch Donham (1962), S. 66. „Professionalisierung ist meiner Meinung nach ein umfassender Begriff. (…) Das Bild, das man im Markt aufbaut, kommt letztlich auf Basis der zugrundeliegenden Prozesse zustande, d.h. der Kundenakquisitionsprozesse, Projektbetreuungsprozesse, Auswahlprozesse der Kandidaten usw.“ (Gesprächspartner im Interview, September 2006).
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
149
Auf der anderen Seite wird mit dem Begriff der Professionalisierung eine strukturelle Veränderung auf Ebene der Berufsgruppe verbunden. Diese Sichtweise ist primär einer kollektiven Betrachtungs- und Handlungsebene zuzuordnen. Ihr sind die Anstrengungen zuzurechnen, Management auf Zeit als Dienstleistungsformat zu etablieren und sich als Berufsgruppe gegenüber anderen Berufsgruppen, bspw. Unternehmens- und Personalberatern, abzugrenzen und zu differenzieren. Ferner sind in diesem Zusammenhang jene Bemühungen zu nennen, für eine hinreichende Transparenz des Marktes zu sorgen. Dieses Begriffsverständnis hat sich u.a. in der Gründung übergeordneter berufsständischer Organisationen niedergeschlagen. Diese Differenzierung verdeutlicht die Bandbreite dessen, was die Angehörigen der Berufsgruppe realiter unter dem Begriff verstehen und welche Ziele sie unter dem Oberbegriff der Professionalisierung verfolgen. (2) Defizite bisheriger Professionalisierungsbemühungen Anknüpfend an die in Kapitel I.2 erstellte Analyse des Marktes können die Struktur des Marktes sowie die relevanten strategischen Manöver der Berufsangehörigen aus dem Blickwinkel einer Professionalisierung betrachtet werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Wirkung der strategischen Manöver und deren Beschränkungen sowie einer zielgerichteten Beurteilung der erreichten Professionalität anhand konzeptioneller Kriterien.700 Seit einigen Jahren lassen sich in dem Markt für Interim Management Bestrebungen in Richtung einer Professionalisierung erkennen. Diese Entwicklung findet – wenn auch in unterschiedlichem Umfang – grundsätzlich in allen europäischen Länder statt.701 Ausgehend von der historischen Entwicklung des Deutschen Marktes haben derartige Bestrebungen hierzulande ungefähr seit dem Jahr 2003 beobachtbar Gestalt angenommen.702 Die Professionalisierungsbemühungen in Deutschland lassen sich an einer Vielzahl kollektiver und individueller strategischer Manöver illustrieren. Ob bzw. in welchem Maße derartige Professionalisierungsbemühungen erfolgreich sind, gilt es im folgenden konzeptionell zu hinterfragen. Das Ergebnis der folgenden Bewertung vorwegnehmend kann festgestellt werden, daß den bisherigen Professionalisierungsbestrebungen der Berufsgruppe der Interim Manager trotz einer Vielzahl strategischer Manöver bislang deutliche Grenzen gesetzt sind. Um die strukturellen Grenzen der bisherigen Bemühungen zu verdeutlichen, kann das erarbeitete Verständnis der Professionalisierung zur
700
701 702
Das Augenmerk liegt auf einer konzeptionellen Beurteilung der Professionalität auf kollektiver Ebene. Keineswegs sollen Aussagen über das individuelle Leistungsvermögen einzelner Berufsangehöriger getroffen werden. Vgl. Reijniers (2003b), S. 21. f „Das Feld des Interim Managements ist seit ungefähr 2003 sichtlich in Bewegung gekommen.“ (Gesprächspartner im Interview, September 2006).
150
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Anwendung kommen, das zwischen internen und einer externen Merkmalsdimensionen unterscheidet. Eine Bewertung kann anhand zweier Vergleichsmaßstäbe erfolgen: Zum einen kann ein Vergleich zu anderen professionellen Dienstleistungsbranchen in Deutschland gezogen werden, zum anderen kann der Status der Professionalität vor dem Hintergrund anderer Ländermärkte für Interim Management beurteilt werden.703 (a) Interne Merkmale: Zu den Entwicklungen, die im Rahmen einer nach innen gerichteten Perspektive zu betrachten sind, gehört insbesondere die erstmalige Gründung von berufsständischen Institutionen. Hier sind insbesondere die beiden Institutionen zu nennen, die sich ausschließlich dem Thema Interim Management widmen, d.h. die Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager (DDIM) als Vereinigung der Interim Manager sowie der Arbeitskreis Interim Management Provider (AIMP) als jene der Provider. In ihren jeweiligen Satzungen nennen sie – ungeachtet möglicherweise unterschiedlicher Verständnisrichtungen – jeweils explizit das Ziel einer Professionalisierung.704 Dieses Ziel suchen sie mit unterschiedlichen Maßnahmen zu realisieren, die den Zielen der Koordination und Differenzierung zugeordnet werden können. Dem Ziel einer Koordination dienen insbesondere zahlreiche Branchentreffen, Foren und sonstige Veranstaltungen. Sie bieten den Berufsangehörigen Möglichkeiten zum Austausch und tragen zu einer zunehmenden Vernetzung innerhalb der Berufsgruppe bei. Als Ergebnis sind die Anfänge einer kohärenten Identität der Berufsgruppe feststellbar. Dies macht sich bspw. am zunehmenden Gebrauch einer einheitlichen Bezeichnung der Berufsgruppe als Interim Manager bemerkbar.705 Neben integrierenden Ansätzen erfolgen unter dem Thema der Professionalisierung auch kollektive wie individuelle Manöver zur Positionierung und Differenzierung gegenüber Wettbewerbern innerhalb der Berufsgruppe. So betreibt insbesondere die DDIM vielfältige Initiativen zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität. Ziel ist
703
704 705
Für einen Vergleich des Professionalisierungsgrades verschiedener Berufsgruppen (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Psychotherapeuten, Mediziner und Unternehmensberater) gegenüber Interim Managern vgl. Reijniers (2003d), S. 233 unter Rekurs auf Kempen 2000. Der Vergleich bezieht sich auf Berufsgruppen in den Niederlanden, die Aussagen sind jedoch nach Meinung des Autors übertragbar. Vgl. AIMP Arbeitskreis Interim Management Provider e.V. (2004), DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005a). „Bis vor einigen Jahren haben die alle nicht miteinander geredet, die kannten sich gar nicht. Das hat sich mittlerweile geändert.“ (Gesprächspartner im Interview, Februar 2007).
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
151
es, die Mitglieder ihrer Institutionen von weiteren, nicht organisierten Angehörigen der Berufsgruppe zu differenzieren.706 Ungeachtet dieser Professionalisierungsansätze ist insbesondere die bisherige Stellung der genannten berufsständischen Institutionen kritisch zu bewerten. Historisch haben derartige Institutionen in verschiedenen Bereichen professioneller Dienstleistungen einen unterschiedlichen Anspruch und Erfolg aufzuweisen.707 Im Falle des Interim Managements unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer rechtlichen Stellung und Organisationsgrades innerhalb der Berufsgruppe fundamental von vergleichbaren Institutionen etablierter Professionen. Die Wirkung der bereits beschriebenen berufsständischen Institutionen blieb bislang auch deshalb begrenzt, weil nur eine Minderheit deutscher Interim Manager in ihnen organisiert und aktiv ist.708 Demnach konnte der Anspruch, eine echte Repräsentanz der Manager auf Zeit zu sein, noch nicht vollends eingelöst werden.709 Der geringe Organisationsgrad kann als wichtiger Faktor dafür angesehen werden, daß bislang keine konsistente Kommunikation der Berufsgruppe nach außen erfolgen konnte. (b) Externe Merkmale: Nach außen gerichtete strategische Professionalisierungsmanöver manifestieren sich – neben der professionellen Leistung der Interim Manager selbst – insbesondere in ihrer Kommunikation. Auf Ebene der Berufsgruppe tragen die genannten Institutionen dem zunehmenden Interesse von Kunden und Öffentlichkeit Rechnung. Dabei kommt ihnen insbesondere die wahrgenommen Unabhängigkeit zugute. Neben der kollektiven richtet sich auch die individuelle Kommunikation vieler Anbieter erkennbar in Richtung einer Professionalisierung. Oftmals werden potentiellen Kunden grundlegende Erklärungen angeboten. Kaum ein Auftritt von Interim Management Anbietern kommt ohne eine allgemeine Sektion aus, in der Management auf Zeit als Dienstleistungsformat erklärt sowie dem individuellen Verständnis von Struktur und Entwicklung der
706
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Die DDIM prüft im Rahmen der Aufnahme die Einhaltung bestimmter Qualitätskriterien, die durch bestimmte „hard skills“ und „soft skills“ operationalisiert werden. Zudem beteiligt sich die DDIM an der Schaffung spezialisierter Weiterbildungsangebote für Interim Manager, vgl. DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005c). Vgl. Løwendahl (1997), S. 18 Die DDIM bildet mit derzeit ca. 100 Mitgliedern die größte Organisation innerhalb der Berufsgruppe (Stand 11/2007). Eine exakte Anteilsberechnung scheitert an einer unzulänglichen Quantifizierung der Grundgesamtheit. Nimmt man für diese Zwecke eine Anzahl von 2000 Interim Managern an, so entspricht die Mitgliederzahl einem Anteil von ca. 5%, vgl. ähnlich auch Ringlstetter et al. (2007a). Auch für den AIMP kann kein grundsätzlicher Vertretungsanspruch abgeleitet werden, da die vertretenen Provider ebenfalls nur einen Bruchteil des geschätzten Branchenvolumens repräsentieren. Der Bund deutscher Unternehmensberater (BDU), der hinsichtlich des rechtlichen Status bzw. der fehlenden rechtlichen Verankerung in der Berufsgruppe der Unternehmensberater mit den entsprechenden Institutionen der Interim Manager vergleichbar ist, kann bezogen auf das Branchenvolumen immerhin einen Vertretungsanspruch für ca. 20% ausweisen (Gesprächspartner im Interview, August 2006).
152
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Branche Ausdruck verliehen wird.710 Ähnlich den kollektiven Manövern zielen derartige individuelle Ansätze auf eine Etablierung von Management auf Zeit als Dienstleistungsformat sowie eine Differenzierung von anderen Anbietern. Auch der Erfolg der nach außen gerichteten Manöver in Richtung einer Professionalisierung ist bislang kritisch zu bewerten. Festmachen läßt sich dies am Maß der Anerkennung, die die Berufsgruppe durch externe Rollenpartner erfährt. Auch wenn sich diese nicht „messen“ läßt, können bspw. die ökonomische Nachfrage und die rechtlichen Rahmenbedingungen als konkludente Merkmale dienen. Eine ökonomische Beurteilung des Marktes für Interim Management kann sich an quantitativen und strukturellen Maßstäben nationaler und internationaler Vergleichsmärkte orientieren.711 Die Nachfrage nach Interim Management Leistungen in europäischen Nachbarländern scheint das realisierte Volumen in Deutschland deutlich zu übertreffen.712 Auch strukturell wird den Märkten der europäischen Nachbarländer ein reiferes Marktstadium zugeschrieben.713 Als nationaler Vergleichsmaßstab können „benachbarte“ professionelle Dienstleistungen dienen. Die Berufsgruppe der Unternehmensberater ist bspw. hinsichtlich ihres rechtlichen Status bzw. dessen fehlender Formalisierung mit der der Manager auf Zeit vergleichbar. Mit Unternehmensberatungsleistungen wird ein vielfach höheres Marktvolumen realisiert. Die Berufsgruppe und die angebotene Leistung besitzen eine weitaus größere Bekanntheit bei (potentiellen) Kunden sowie in der Öffentlichkeit. Diese Faktoren finden ihren Niederschlag im Marktstadium: Die Marktstruktur weist mit einem höheren Konsolidierungsgrad auf einen reifen Markt hin.714 Zusammen betrachtet können die genannten ökonomischen Faktoren als größere professionelle Wertschätzung durch Kunden interpretiert werden. Neben ökonomischen Kenngrößen läßt sich die Anerkennung auch mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, denen die Arbeit einer Berufsgruppe unterliegt, in Verbindung bringen. Professioneller Status bezieht sich regelmäßig auf eine
710
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So präsentiert beispielsweise die Ludwig Heuse GmbH, Kronberg i. Ts., ihr Geschäftsverständnis anhand einer allgemeinen Definition des Begriffs Interim Management, vgl. http://www.interim-management.de. Für eine Beschreibung der grundlegenden ökonomischen Rahmendaten des Marktes für Interim Management Leistungen vgl. Abschnitt I.2. Einen häufig bemühten Vergleich bildet der niederländische Markt. Sowohl absolut, als auch relativ, d.h. bezogen auf das niederländische Bruttosozialprodukt, übertrifft dieser den deutschen Markt, vgl. u.a. Bloemer (2003), S. 35, Reijniers (2006a) Reijniers (2006a) vergleicht die Reife des Marktes und der Berufsgruppe in verschiedenen europäischen Ländern anhand verschiedener Kriterien. Dabei liegt Deutschland hinter (in absteigender Reihenfolge) den Niederlanden, Großbritannien, Belgien und Frankreich, vgl. Reijniers (2006a). Die 15 größten Anbieter in Deutschland realisieren mit über 30% des Marktvolumens einen weitaus höheren Anteil als eine ähnliche Auswahl im extrem fragmentierten Markt für Interim Management, vgl. Anhang 4 (Anhang).
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
153
gesetzliche Anerkennung der Berufsbezeichnung sowie die Stellung berufsständischer Organisationen.715 Der Status der Interim Manager ist in keiner Weise rechtlich verankert. Im Gegensatz zu etablierten Berufen, bspw. den Berufen des Wirtschaftsprüfers oder des Notars, besitzt die Berufsbezeichnung des Interim Managers keine staatliche Anerkennung und demzufolge keinen staatlichen Schutz. Auch der Zugang zum Beruf ist folgerichtig nicht an Kriterien gebunden.716 Ähnliches gilt für den Status der bereits beschriebenen berufsständischen Organisationen der Manager auf Zeit. Im Gegensatz zu den Verbänden etablierter Berufsgruppen, die sich als Körperschaften öffentlichen Rechts auf eine Zwangsmitgliedschaft stützen, beziehen die gegründeten Institutionen für Interim Manager ihre Bedeutung lediglich aus den Mitgliedern, die sie für ein freiwilliges Engagement gewinnen können. Dieser Regelungsmangel findet seine Fortsetzung in der Berufsausübung. Aufgrund ihres Status haben die gegenwärtigen Berufsverbände keine Handhabe, allgemeingültige Standards oder Sanktionen durchzusetzen. Lediglich im Rahmen ihrer Mitgliedschaftsbedingungen können sie für den Kreis der Mitglieder bestimmte Regelungen verlangen. So verpflichten sich bspw. die Mitglieder der DDIM mit der Aufnahme in die Dachgesellschaft zur Einhaltung eines Ehrenkodex.717 Stellt man diese Befunde in den Kontext internationaler wie nationaler Vergleichsmaßstäbe, so ergibt sich ein heterogenes Bild. Hinsichtlich seiner ökonomischen Bedeutung ist das Management auf Zeit in Deutschland wesentlich kleiner als in anderen europäischen Ländern. Kein struktureller Unterschied ist jedoch feststellbar zwischen der rechtlichen Stellung in Deutschland und in den aufgeführten Vergleichsmärkten. In keinem dieser Märkte kann Management auf Zeit die Stellung einer etablierten Profession einnehmen.718 Das Aufzeigen dieser Professionalisierungsdefizite macht deutlich, welche Hürden bislang nicht überwunden werden konnten. Insbesondere die Grenzen der bisherigen Professionalisierungsbemühungen sind es, die den Blick auf die zugrundeliegenden Herausforderungen lenken.
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Vgl. u.a. Fleischmann (1970), S. 43ff. „Jeder kann sich in Deutschland ein Schild an die Tür machen und sich Interim Manager nennen.“ (Gesprächspartner im Interview, Juli 2006). Vgl. DDIM Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V. (2005c). Ein Vergleich mit etablierten Professionen, bspw. Wirtschaftsprüfern, Anwälten oder Notaren, dient ausschließlich dem beschriebenen Zweck des Aufzeigens der Grenzen bisheriger Bemühungen. Ausdrücklich ausgeklammert ist hier zunächst die Frage, ob eine Erreichung des bislang nicht realisierten Status von den Berufsangehörigen beabsichtigt war.
154
III.2.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Herausforderungen der Professionalisierung des Managements auf Zeit
Nachdem in den vorherigen Abschnitten der Status der bisherigen Professionalisierungsbemühungen sowie insbesondere deren Grenzen beschrieben wurden, stellt sich im Folgenden die Frage nach den zugrundeliegenden Faktoren.719 Deren Identifikation und Analyse erlaubt nicht nur eine Erklärung des Professionalisierungsprozesses in seinem bisherigen Verlauf unter besonderem Augenmerk auf dessen Grenzen. Sie läßt ebenfalls Aussagen hinsichtlich der Ansatzpunkte, die im Rahmen zukünftiger Professionalisierungsbestrebungen der Berufsgruppe der Interim Manager in Deutschland zu adressieren sind, zu. Das Streben nach Professionalisierung kann - wie in den vorherigen Abschnitten dargestellt - als ein Versuch der Synchronisation professioneller Leistungsfähigkeit und entsprechender Gegenleistung in ökonomischer wie sozialer Hinsicht verstanden werden.720 Dieser Prozeß der Professionalisierung ist durch vielfältige Konflikte zwischen widerstreitenden Interessen bzw. Interessengruppen gekennzeichnet.721 Dessen grundsätzliche Konfliktlinien sind dabei in dem entwickelten Verständnis des Professionalisierungsbegriffs bereits angelegt. Demnach lassen sich die Herausforderungen generell in solche innerhalb der Berufsgruppe und solche, deren Ursprung außerhalb der Berufsgruppe zu suchen ist, systematisieren.722 Zwischen beiden Dimensionen kann dabei jedoch eine ein enger Zusammenhang angenommen werden. Dieser Zusammenhang spiegelt sich im Konzept der Rollen wieder, deren Theorie in diesem Zusammenhang als zentrales Sprachspiel dienen kann.723 Das Rollenkonzept kann als Bindeglied zwischen der Berufsgruppe der Interim Manager und der umgebenden Umwelt, d.h. insbesondere in der Interaktion mit ihren Kunden verstanden werden.724 Beleuchtet man die Situation der Interim Manager in diesem Sinne, so sind diese Konfliktlinien deutlich erkennbar: Innerhalb der Berufsgruppe besteht die grundlegende Herausforderung darin, mit der professionellen Leistungsfähigkeit und Identität als Dienstleister die inhaltlichen Voraussetzungen professionellen Status zu schaffen. Im Hinblick auf die spezifischen Bedingungen der Berufsgruppe der Interim Manager, insbesondere deren extreme Fragmentierung, ist die inhaltliche 719
720 721 722 723 724
Das Augenmerk der vorliegenden Arbeit liegt dabei insbesondere auf den limitierenden Faktoren. Eine Globalbetrachtung aller einem Professionalisierungsprozeß zugrundeliegenden Faktoren wird vom Autor im Rahmen der vorliegenden Arbeit weder intendiert, noch als sinnvoll erachtet. Vgl. Kairat (1969), S. 128. „No occupation (…) becomes a profession without a struggle“, vgl. Goode (1960), S. 902. Vgl. grundsätzlich Kairat (1969), S. 38, 128. Der Begriff der Rolle bildet ein zentrales Element sozialwissenschaftlicher Organisationstheorien, vgl. u.a. Wiswede (1977), S. 14ff., Staehle (1999), S. 270ff. Vgl. Staehle (1999), S. 273.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
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Herausforderung eng mit einer prozessualen Herausforderung verknüpft: Wie zu zeigen sein wird, erfordern insbesondere kollektive Professionalisierungsansätze als Vorbedingung eine Koordination der internen Akteure und ihrer Interessen. Neben den Angehörigen der Berufsgruppe, d.h. den Interim Managern selbst, sind in diesem Sinne auch die am Markt tätigen Unternehmen und berufsständischen Institutionen als relevante Akteure zu berücksichtigen. Ihr individueller Eigensinn steht dem Erfordernis der Koordination im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen entgegen (III.2.1). Außerhalb der fokalen Berufsgruppe besteht die grundsätzliche Herausforderung darin, der professionellen Leistungsfähigkeit der Interim Manager sowie ihrer Identität als Dienstleister in der Beziehung zu externen Rollenpartnern zu Anerkennung und Akzeptanz zu verhelfen.725 Als zentrale Herausforderung im Rahmen der Professionalisierung besteht dabei die Unsicherheit auf institutioneller und transaktionsbezogener Ebene (III.2.2).
III.2.1 Herausforderungen innerhalb der Berufsgruppe Im Rahmen der Betrachtung derjenigen Herausforderungen einer Professionalisierung, die ihrem Ursprung nach innerhalb der Berufsgruppe zu verorten sind, kann eine Differenzierung zwischen inhaltlichen und prozessualen Aspekten vorgenommen werden. Inhaltliche Herauforderungen bestehen in Definition und Aufbau professioneller Kompetenz als Manager auf Zeit sowie der Erringung einer gemeinsamen beruflichen Identität.726 Wie zu zeigen sein wird, erfordert der Umgang mit diesen inhaltlichen Herausforderungen ein gewisses Maß an Kooperation, bspw. innerhalb berufsständischer Organisationen. Angesichts der strukturellen Bedingungen der fokalen Berufsgruppe, d.h. insbesondere in Abwesenheit einer zentralen Instanz oder eines dominierenden Akteurs, können die Professionalisierungsbestrebungen demnach als prozessuales Problem der dezentralen Koordination betrachtet werden. Entsprechend lassen sich die Herausforderungen innerhalb der Berufsgruppe unter Rekurs auf das EigensinnKonzept als umbrella concept rekonstruieren (1). Dies läßt eine Differenzierung der unterschiedlichen Herausforderungen nach ihrer Grundlage in konfligierende Eigeninteressen (2) und inkommensurable Eigenlogiken (3) zu.
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Vgl. Kairat (1969), S. 39f, Kipping et al. (2006), S. 5. In diesem Zusammenhang weist Kairat (1969) darauf hin, daß im Falle einer noch wenig etablierten Berufsgruppe die Unterscheidung zwischen internen und externen Konkurrenten unklar sein können, vgl. Kairat (1969), S. 40f. Nichtsdestotrotz soll für die folgende Erörterung zunächst eine klare Abgrenzbarkeit der fokalen Berufsgruppe angenommen werden. Vgl. Kairat (1969), S. 128.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung (1) Eigensinn als Ausgangspunkt der Betrachtung
Professionalisierungsbestrebungen der Angehörigen einer Berufsgruppe erfordern ein gewisses Maß an Koordination. Dies gilt insbesondere für die Definition und Umsetzung kollektiver Strategien zur Professionalisierung. In diesem Sinne stellen sich Professionalisierungsbestrebungen als Aufgabe der dezentralen Koordination und Abstimmung der Angehörigen der Berufsgruppe dar. Herausforderungen hinsichtlich der Koordination in einem organisationalen Zusammenhang lassen sich anhand des Konzepts des Eigensinns erfassen und beschreiben.727 Dieses Konzept entstammt ursprünglich einem innerorganisationalen Kontext und systematisiert in einem organisationstheoretischen Kontext solche Eigenschaften einzelner Akteure, die deren dezentrale Koordination hemmen können.728 Eigensinn ist dabei als Produkt inkommensurabler Eigenlogiken und konfligierender Eigeninteressen der Beteiligten zu verstehen. Relevanz entfaltet das Konzept für die vorliegende Arbeit, wenn man es auf interorganisationale Zusammenhänge überträgt. Professionalisierungsbestrebungen stellen sich aus diesem Blickwinkel als Koordinationsaufgaben dar, die daraus bestehen, die Angehörigen einer Berufsgruppe sowie relevante Anspruchsgruppen zu koordinieren und die kollektive Strategie der Professionalisierung zu verfolgen und umzusetzen. Dabei kann es nicht überraschen, daß die verschiedenen Akteure einige gemeinsame, insbesondere aber unterschiedliche Interessen haben, die sie in eigensinniger Weise verfolgen.729 Folgerichtig kann man den Prozeß der Professionalisierung keineswegs als fix betrachten. Vielmehr handelt es sich bei den Professionalisierungsbestrebungen um einen iterativen Prozeß der Abstimmung und Koordination unterschiedlicher Interessen (-gruppen).730 Eine strukturelle Besonderheit der Übertragung des Konzeptes in einen interorganisationalen Zusammenhang besteht darin, daß das Kollektiv einer Berufsgruppe den Extremfall einer dezentralen Koordination darstellt. Die Berufsgruppe besteht aus grundsätzlich vollständig selbständigen Akteuren, deren Koordination dezentral durch sie selbst erfolgt. Eine zentrale Führung besteht innerhalb einer Berufsgruppe prinzipiell nicht.731
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Vgl. Ringlstetter (1995), Ringlstetter (1997). Das Konzept des Eigensinns bezieht sich ursprünglich auf die Teileinheiten eines Konzerns; das Problem des Eigensinns erschwert deren wechselseitige „Selbstabstimmung“; vgl. Ringlstetter (1995), S. 61ff., Ringlstetter (1997), S. 9ff. Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 149. Vgl. Gargan (1993), S. 1874. Damit unterscheidet sich die betrachtete Struktur grundlegend vom ursprünglichen konzeptionellen Zusammenhang innerhalb einer Organisation. Eine Führungsfunktion ist in einer Berufsgruppe grundsätzlich nur in Form gewählter Eliten denkbar, d.h. in Form von Institutionen und Verbänden, die durch die Beteiligten selbst gebildet werden.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
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Die Betrachtung anhand des Eigensinn-Konzeptes empfiehlt sich durch dessen Eignung als Umbrella-concept.732 Als solches zeichnet es sich durch eine ausgeprägte Breite an Perspektiven aus, die die Erfassung und Ordnung unterschiedlichster Phänomene im Rahmen der vorliegenden Forschungsfrage ermöglicht, selbst wenn diese zunächst als wenig verbunden erscheinen.733 In Anwendung des Konzeptes des Eigensinns als umbrella concept auf die vorliegende Fragestellung sind im weiteren die Aspekte des Eigeninteresses sowie der Eigenlogik interner Anspruchsgruppen innerhalb der Berufsgruppe der Interim Manager zu betrachten. (2) Eigeninteressen interner Anspruchsgruppen zwischen kollektivem Engagement und Freeriding Kollektive Professionalisierungsstrategien manifestieren sich in besonderer Weise in berufsständischen Organisationen und Institutionen. Diese bilden einen zentralen Lokus von Professionalisierungsbestrebungen. Ihre Existenz ist allerdings mit einer Reihe von Problemen behaftet. Ohne eine gesetzliche Grundlage besteht ausschließlich die Möglichkeit einer Existenz als utilitaristische Organisation.734 Als solche bewegen sich berufsständische Institutionen in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Machtbasen: Auf der einen Seite besteht die Notwendigkeit, politische Repräsentanz und Momentum dadurch zu generieren, daß viele Mitglieder gewonnen werden. Neben dieser allgemeinen politischen Zielsetzung besteht im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen die Notwendigkeit einer qualitativen Differenzierung. Nur durch Exklusivität und Abgrenzung gegenüber anderen, nicht organisierten Berufsträgern kann der elitäre Anspruch von Legitimität und Professionalität gerechtfertigt werden.735 Dieses Spannungsfeld zwischen Ausgrenzung und Einbindung unterschiedlicher Teilgruppen kann durch den Widerstreit zentrifugaler, d.h. nach außen gerichteter, und zentripetaler, d.h. nach innen gerichteter Kräfte verdeutlicht werden.736 Vor diesem Hintergrund sind die Interessen bzw. das Verhalten der einzelnen Berufsträger im Hinblick auf die
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Zum Begriff des Umbrella-Konzeptes vgl. Hirsch/Levin (1999), S. 200ff. Vgl. Astley (1985), S. 501. Gegenstand der Kritik werden Umbrella-Konzepte allerdings dann, wenn sie Gefahr laufen, durch die Zusammenfassung mannigfaltiger Phänomene unter einem Konzept systematische Unschärfen zu entwickeln, da ursprünglich die einzelnen Phänomene mit unterschiedlichen Theorien erklärt und ungleichen Methoden untersucht wurden, vgl. dazu (in anderem Zusammenhang) Ringlstetter et al. (2007b), S. 151, Kaiser (2007), S. 132. Vgl. Bennett (2000), S. 18. Grundsätzliche Fragen des Managements berufsständischer Organisationen und Verbände sollen im Rahmen der vorliegenden Fragestellung ausgeklammert werden. Insbesondere die Problemfelder der Gründung und Entstehung von Verbänden, deren Erörterung zuweilen breiter Raum eingeräumt wird (vgl. u.a. Reinspach (1994), S. 119ff.), kann angesichts der empirischen Wirklichkeit der Berufsgruppe vernachlässigt werden, vgl. Abschnitt I.2.2. Vgl. Montgomery/Oliver (2007), S. 664f. sowie grundsätzlich Kairat (1969), S. 128.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
strategische Entwicklung dieser Institutionen von großem Interesse. Auf Ebene des einzelnen Professionals, die im Folgenden eingehender betrachtet werden soll, besteht ein Interessenkonflikt zwischen berufspolitischem Engagement und individueller Bedürfnisbefriedigung.737 Der Aspekt des Eigeninteresses bildet eine Komponente organisationalen Eigensinns. Von Eigeninteressen getriebene Akteure folgen eigenen Zielen. Er stellt eine Weiterentwicklung der bereits in der Mikroökonomie angelegten allgemeinen Annahme der individuellen Nutzenmaximierung dar.738 Das muß hingegen nicht notwendigerweise bedeuten, daß diese Akteure „selbstsüchtig“ handeln.739 Abhängig von der jeweiligen Nutzenstruktur können individuelle Eigeninteressen auch zur Verfolgung von Zielen für übergeordnete organisationale Einheiten, d.h. bspw. in kollektiven Institutionen der Berufsgruppe, führen. Bezogen auf den Kontext der Professionalisierungsbemühungen von Interim Managern kommen muß deren Eigeninteressen große Bedeutung beigemessen werden. Angesichts der Abwesenheit verbindlicher institutionaler Strukturen innerhalb der Branche beruht kollektives Engagement auf Freiwilligkeit. Im Rahmen der Professionalisierungsbemühungen muß er entscheiden, inwiefern er seine Ressourcen in den Dienst kollektiver Interessen stellt und sich an kollektiven Prozessen beteiligt. Dabei ist zu untersuchen, in welchem Verhältnis individueller Nutzen und das Ziel der Professionalisierung zueinander stehen bzw. wahrgenommen werden. Nur wenn kollektive Strategien sich mittel- bzw. langfristig in individuellem Nutzen niederschlagen, können kollektive Professionalisierungsstrategien im Sinne eines Umweghandelns Erfolg haben. Wenn allerdings individuelle Interessen in Widerspruch zueinander oder zu einem übergeordneten kollektiven Interesse stehen, können diese konfligierenden Interessen die Koordination und Selbstabstimmung selbständiger Akteure be- bzw. verhindern. Damit können sie zu einem Hindernis für Professionalisierungsbestrebungen einer Berufsgruppe werden. Unabhängig von der spezifischen Ausprägung der Eigeninteressen ist der Modus zu differenzieren, in dem sie zum Ausdruck kommen. Die Akteure können ihre Interessen entweder offen artikulieren oder in verdeckter Form verfolgen.740 Letztere Verhaltensweise bezeichnet Williamson (1990) als Opportunismus.741 Möglich
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„association costs are personal income foregone“, Bennett (2000), S. 22. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 62. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 12. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 12. „(…) die Verfolgung des Eigeninteressen unter Zuhilfenahme von List“, vgl. Williamson (1990), S. 54.
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werden opportunistische Verhaltensweisen durch Informationsdefizite der einzelnen Beteiligten über die Absichten und das Verhalten ihres Gegenübers.742 Diese Aspekte sind im folgenden innerhalb der Berufsgruppe für die Interim Manager selbst (a) und die Provider (b) zu prüfen. Dazu sind jeweils auch die von den Beteiligten gegründeten Institutionen zu berücksichtigen. (a) Interessen der selbständigen Manager: Die folgende Betrachtung stellt das Eigeninteresse der fokalen Berufsangehörigen hinsichtlich des kollektiven Ziels einer Professionalisierung in den Mittelpunkt. Im Fokus stehen dabei die selbständigen Manager, die nach Anzahl und Umsatzvolumen die überwiegende Mehrheit der Berufsgruppe ausmachen. Wie verhalten sich nun die Eigeninteressen der Interim Manager zum Thema der Professionalisierung? Zuerst soll in diesem Kontext das Interessen- und Zielsystem der Manager skizziert werden, bevor mögliche Interessenkonflikte analysiert werden. Hinsichtlich des Profils ihrer Interessen und Eigenschaften unterscheiden sich selbständige Manager signifikant von angestellten Managern.743 Als selbständige Dienstleister stehen Interim Manager prototypisch für das Thema der Ökonomisierung.744 Sie richten ihr Handeln insbesondere an zwei Zielen aus: Zum einen an der der Erreichung ökonomischer Ziele und zum anderen an der Suche nach bzw. dem Erhalt von persönlicher Unabhängigkeit. Die ökonomischen Ziele der Interim Manager beziehen sich auf die Maximierung ihres persönlichen Einkommens, das in der Regel aus den Faktoren des Tagessatzes sowie der Auslastung resultiert.745 Daneben bildet die persönliche Unabhängigkeit ein zentrales Interesse der Manager
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Diese Argumentation rekurriert auf den Principal-Agent-Ansatz. Als Principal wird grundsätzlich derjenige bezeichnet, der das Tun des anderen nicht beobachten kann. Ihm gegenüber ist Agent, wer über einen diskretionären Handlungsspielraum verfügt und mit seinem Tun neben dem eigenen Nutzen auch die Wohlfahrt des Principals beeinflußt, vgl. Spremann (1988), S. 615, 623. Vgl. für eine empirische Fundierung der unterschiedlichen Eigenschaftsprofile u.a. Pauli (2007), Bach et al. (2007), s. 7ff. Glamsch (2001) nutzt das Beispiel der Interim Manager zu Illustration der Ökonomisierung und Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen, vgl. Glamsch (2001), S. 136. Die von Glamsch vorgenommen Verwendung des Begriffs der Ökonomisierung erfolgt primär aus Perspektive des Unternehmens. Gleichwohl läßt sich der Begriff zweifellos auf beide Seiten einer Leistungsbeziehung, d.h. Dienstleistungsnehmer und –geber, anwenden. Das mit Interim Managern in Verbindung gebrachte Stereotyp des erfahrenen Managers, der nicht mehr auf eine materielle Vergütung angewiesen ist, erweist sich in der Praxis als wenig relevant. Tatsächlich existiert nur ein Anbieter (Senior Experten Service SES gGmbH, Bonn), in dessen Vermittlung erfahrene Manager unentgeltlich arbeiten. „Früher waren Interim Manager Leute, die ihre Schäfchen im Trockenen hatten, und noch ein bißchen arbeiten wollten, bspw. um etwas weiterzugeben. Heute ist das anders, heute werden schon viele Jüngere Interim Manager.“ (Gesprächspartner im Interview, Juli 2006).
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
auf Zeit.746 Unabhängigkeit wird von ihnen als Quelle persönlicher Kraft empfunden.747 Das langfristige Arbeitsverhältnis eines Festangestellten wird durch eine kurz- oder mittelfristig angelegte Kunden-Beziehungen ersetzt.748 Für die berufliche Tätigkeit des Interim Managers bedeutet dies, ungehindert von politischen Rücksichtnahmen und persönlichen Karriereinteressen im Kundenunternehmen Lösungen finden und durchsetzen zu können. Neben der beruflichen Dimension bezieht sich der Aspekt der Unabhängigkeit für viele Manager auf Zeit auch auf ihre private Existenz: Im Privaten bedeutet die fehlende Bindung größere Abwechslung und ggf. mehr persönlich gestaltbare Freiräume.749 Auf Basis der knappen Skizze der Eigeninteressen der Manager auf Zeit gilt es zu bestimmen, in welcher Beziehung diese zu übergeordneten Interessen im Rahmen kollektiver Professionalisierungsbestrebungen stehen. Grundsätzlich können die skizzierten Eigeninteressen individueller Manager in jeder Art von Organisation oder Gruppe auf übergeordnete bzw. kollektive Interessen treffen.750 Die weitere Erörterung fokussiert die Eigeninteressen selbständiger Manager mit besonderem Augenmerk auf das kollektive Interesse der Berufsgruppe. Seinen bisher deutlichsten Niederschlag hat das gemeinsame Interesse an der Professionalisierung auf kollektiver Ebene in der Gründung der Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager (DDIM) gefunden.751 Die Arbeit in der Berufsorganisation dient den kollektiven Interessen an einer Professionalisierung der Berufsgruppe und erfolgt grundsätzlich ehrenamtlich.752 Im Gegensatz zur Verfolgung individueller Interessen sind die Tätigkeiten zugunsten einer Professionalisierung nicht geeignet,
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„Viele machen Interim Management, weil sie den höheren Freiheitsgrad für ihr persönliches Leben haben wollen.“ (Gesprächspartner im Interview, Juli 2006). Görres hingegen bezweifelt die Relevanz der Unabhängigkeit für die breite Masse der Interim Manager und bezeichnet ihre Betonung als eine der großen „Lebenslügen“ der Branche, die als Anachronismus aus den jungen Tagen der Branche überdauert habe, vgl. Görres (2006). Vgl. Glamsch (2001), S. 185f. Als Hintergrund mag das folgende Wort dienen: „Ich will mich nicht knechten lassen von einem Arbeitgeber. Ich laß mich lieber von einem Kunden knechten. (…) Da kann man schneller wieder raus“, Zitat aus einem Interview mit einem Manager in Glamsch (2001), S. 187. Die Entscheidung für ihre Form der Tätigkeit wird von selbständigen Interim Manager mit der Suche nach Freiheit und Autonomie begründet, vgl. Galais (2007), S. 29. „Ich nehme mir die Freiheit. (…) Mit Wochenenden und den Zeiten zwischen den Projekten bin ich ca. 150 Tage für meine Familie da. Das kann glaube ich kein DAX-Manager von sich behaupten.“ (Gesprächspartner im Interview, Februar 2007). Eine allgemeine Betrachtung individueller Interessen in Organisationen soll dabei explizit ausgeklammert werden. Dabei fällt es nicht schwer, einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den spezifischen Interessen der Interim Manager und Herausforderungen im Rahmen der Professionalisierung herzustellen: Der Wunsch nach Selbständigkeit kann als ursächlich für die Fragmentierung der Branche und damit für die diesbezüglichen Herausforderung hinsichtlich der Koordination angesehen werden. Zur Beschreibung der DDIM vgl. die Abschnitte I.2. und III.1dieser Arbeit. Obgleich sich die weitere Erörterung nicht auf die Mitglieder der DDIM beschränken soll, kann das Engagement in einer berufsständischen Organisation doch exemplarisch für die Arbeit an den Professionalisierungsbestrebungen der Berufsgruppe gelten.
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unmittelbar persönliches Einkommen oder andere Vorteile für einzelne Manager zu generieren. Dennoch können mit einem entsprechenden Engagement auch individuell zurechenbare Effekte einhergehen. Unstrittig gehört bspw. eine gesteigerte persönliche Bekanntheit zu den Effekten, die mit einem Engagement in einer Berufsorganisation einhergeht.753 Es ist davon auszugehen, daß derartiges zumindest mittelfristig auch zu ökonomisch meßbaren Einkommenseffekten der Akteure führt. Grundsätzlich verweisen diese darauf, im Rahmen der Mitarbeit in der Institution keine direkten und kurzfristigen kommerziellen Interessen zu verfolgen. Dieses Verständnis findet seine Fortsetzung in der Gestaltung der Institutionen, die jeweils darauf Wert legen, überparteilich zu agieren und nicht selbst als Vermittler aufzutreten.754 Damit weisen auf eine Professionalisierung ausgerichtete Manöver - ungeachtet ihrer exakten Definition und Abgrenzung - einen grundsätzlich investiven Charakter auf.755 Angesichts dieser Konstellation bilden Eigeninteressen die Grundlage eines zweifachen Dilemmas: Zum einen besteht ein grundsätzlicher Konflikt zwischen individuellen und kollektiven Interessen der Interim Manager. Dieser Konflikt ist von besonderer Relevanz und Schärfe angesichts der besonderen Begrenzung materieller und zeitlicher Ressourcen, der selbständige Interim Manager ohne eigene Angestellte in besonderer Weise unterliegen. Wird eine Entscheidung zwischen kollektiven und persönlichen Interessen erforderlich, so erfolgt sie oftmals in letzterem Sinne.756 Zum anderen besteht ein grundlegendes Dilemma darin, daß jene Manager, die sich im Rahmen kollektiver Strategien in Richtung einer Professionalisierung der Berufsgruppe engagieren, dieses Investment nicht bzw. nur bedingt gegenüber Trittbrettfahrern schützen können. Ohne einen derartigen Schutz bzw. ohne eine Abgrenzung gegenüber anderen aber erfüllen die Professionalisierungsbestrebungen die Kriterien eines öffentlichen Gutes. Öffentliche Güter zeichnen sich - in Abgrenzung zu Individualgütern - durch die spezifischen Merkmale des nichtrivalisierenden Konsums sowie der Nichtanwendbarkeit des Ausschlußprinzips aus.757 Aufgrund dieser Eigenschaften wird das 753 754
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„Wenn man in die Presse schaut, ist der meistzitierte Name mittlerweile meiner.“ (Gesprächspartner im Interview, Juli 2006). Für den Fall eingehender Anfragen verweisen DDIM und AIMP darauf, daß diese an ihre Mitglieder bzw. Provider weitergeleitet werden (verschiedene Gesprächspartner im Interview, Juli / August 2006. Neben den kollektiven Manövern, die hier im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, werden von den Akteuren auch verschiedene individuelle Manöver in den Kontext der Professionalisierung gesetzt. Dies betrifft zum Beispiel die Frage der Weiterbildung. Gemeinsam ist ihnen, daß auch diese einen investiven Charakter aufweisen. Neben dem Interesse an Einkommenserzielung sind es oftmals berufliches Ethos und Bindung zu bestehenden Kunden, die als Faktoren den Ausschlag für ein individuelles Engagement geben. Vgl. zu den dort “collective consumption goods” genannten Gütern und ihren Eigenschaften vgl. Samuelson (1954), S. 387.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Konzept der Öffentlichen Güter im weiteren Sinne mit der Theorie des Marktversagens in Verbindung gebracht.758 Beide Merkmale treffen auf die Situation der in der DDIM organisierten Manager auf Zeit in Deutschland zu und bezeichnen ihre Situation treffend. Die Dachgesellschaft schafft im Rahmen ihres Handelns, bspw. in Form der Steigerung des Bekanntheitsgrades durch Öffentlichkeitsarbeit, ein öffentliches oder Kollektiv-Gut. Dieses kommt allen Berufsangehörigen ungeachtet der Frage zugute, ob sie sich als Mitglied der Organisation kollektiv engagiert haben oder nicht.759 Die aufgeführten Merkmale der Professionalisierungsbestrebungen als öffentliches oder Kollektiv-Gut führen im Ergebnis dazu, daß die Eigeninteressen einzelner Manager sich in einem Free Rider-Verhalten manifestieren (können). Sie folgen ausschließlich individuellen Interessen und beteiligen sich weder in materieller Form noch mit persönlichem Einsatz an den Professionalisierungsbestrebungen. Derartiges Verhalten ist rational, solange sie davon ausgehen können, daß das Kollektivgut ohnehin bereitgestellt wird und sie daran als Trittbrettfahrer kostenlos partizipieren können. Im Extremfall führt diese Logik kollektiven Handelns zu einer Situation, in der die individuellen Eigeninteressen die Erreichung der kollektiven Ziele grundsätzlich gefährden.760 Ohne Zwang oder geeignete Anreize werden rationale, im Eigeninteresse handelnde Mitglieder einer großen Gruppe demnach tatsächlich nicht so handeln, daß ihr gemeinsames bzw. Gruppeninteresse verwirklicht wird. Diese Situation wird als Olson-Dilemma bezeichnet (Olson 2004). Auf den hier diskutierten Fall der Professionalisierungsbestrebungen angewendet besteht es darin, daß alle Berufsträger auf der einen Seite an der Bereitstellung des Kollektivgutes, d.h. im hier diskutierten Zusammenhang an einer Professionalisierung ihrer Berufsgruppe, interessiert sind. Auf der anderen Seite bedeutet dies nicht notwendigerweise, daß sie sich im Rahmen kollektiver Strategien wie bspw. einer kollektiven Institution engagieren, da sie sich darauf verlassen können, daß andere hinreichend zur Erreichung des kollektiven Ziels beitragen werden. Je größer das Interesse eines Akteurs an der Professionalisierung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß er sich in materieller und persönlicher Weise engagiert. Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß jene Akteure, die nur geringes Interesse an einer Professionalisierung aufbringen und sich entsprechend wenig engagieren, nur
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Vgl. Engelhardt (1989), S. 7f, Jansen/Priddat (2007), S. 19, 29. Diesbezüglich ist eine begriffliche Klarifizierung hinsichtlich des Gebrauchs des Adjektivs „kollektiv“ vorzunehmen: Während sich kollektive Strategien eben dadurch auszeichnen, daß sie (auch) den Aufbau fremder Erfolgspotentiale intendieren (Walz (1994)), zeichnen sich kollektive Güter dadurch aus, daß ihre Nutzung keinerlei Rivalität und Ausschließlichkeit unterliegt. Zu diesem Schluß kommt Olson auf der Grundlage einer gruppentheoretischen Analyse, vgl. Olson (1992), S. 2, 10f., Olson (2004), S. 2, 10f.
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geringe Kosten auf sich nehmen und somit den größten Netto-Nutzen daraus ziehen. In diesem Sinne liegt eine systematische Tendenz der Ausbeutung vor.761 Der Realitätsgehalt dieses Szenarios läßt sich in der Praxis des Interim Managements in Deutschland beobachten. Einem grundsätzlich großen Interesse am Thema der Professionalisierung im allgemeinen und der Arbeit der Dachgesellschaft im besonderen steht nur eine geringe Bereitschaft zu dauerhaftem Engagement und Mitarbeit gegenüber. Angesichts der konfligierender Eigeninteressen der Manager herrscht ein struktureller Mangel an Ressourcen, der eine geeignete Beschäftigung mit dem Thema der Professionalisierung erschwert. Dieses grundlegende Dilemma individueller und kollektiver Interessen kann durch die Entwicklung selektiver Anreize durchbrochen werden. Im Gegensatz zu öffentlichen Gütern kommen sie ausschließlich ausgewählten Akteuren zugute und sind damit geeignet, Engagement im Sinne kollektiver Strategien zu fördern.762 Eine Ausgrenzung aller übrigen Akteure kann unter den gegebenen Bedingungen des Managements auf Zeit nur auf Basis privatrechtlicher Vereinbarungen, bspw. anhand des Kriteriums der Mitgliedschaft in der Dachgesellschaft, erfolgen. Die Ausgestaltung selektiver Anreize kann in negativer und positiver Weise erfolgen. Ein negativer Anreiz könnte in Strafen für Berufsträger bestehen, die sich nicht konform verhalten bzw. in angemessener Weise engagieren. Die Möglichkeiten von Zwangsmitteln sind allerdings im vorliegenden Falle aufgrund fehlender gesetzlicher Legimitation als gering einzustufen. Als utilitaristische Organisationen können Interessenverbände ihre Mitglieder lediglich durch die Gestaltung positiver Anreize zu einem entsprechenden kollektiven Engagement im Rahmen der Professionalisierung bewegen. Eine Möglichkeit positiver selektiver Anreize bietet die Gestaltung von Clubgütern, die die kollektiven Leistungen von Verbänden ergänzen. Deren Wirksamkeit bemißt sich aus dem ihnen beigemessenen Wert. Eine Möglichkeit eines derartigen Club-Gutes bildet bspw. die Lizenzierung von Interim Managern, die bestimmte Anforderungen erfüllen, durch kollektive oder geeignete andere Institutionen. Allerdings haben diese in der Vergangenheit nur begrenzte Wirkung entfalten können, da ihnen seitens einzelner Interim Manager nur ein begrenzter Wert zugeschrieben wurde. Ihre Skepsis gegenüber einer Lizenzierung macht sich an der Frage der Entscheidungsrelevanz für Kunden fest.763 Die Gründe dafür liegen in der Tatsache, daß bspw. Lizenzierungen ihren Wert für individuelle Teilnehmer erst durch eine große Verbreitung am Markt 761
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Diese Tendenz begründet Olson mit einer überproportionalen Belastung derjenigen Gruppenmitglieder mit dem größten Interesse am Kollektivgut, vgl. Olson (1992), S. 27f., Olson (2004), S. 27f. Vgl. Olson (1992), S. 49f., Olson (2004), S. 49f. „Ich habe noch nie erlebt, daß mich ein Kunde nach einem Zertifikat fragt.“ (anonymer Diskussionsteilnehmer im Rahmen des International Interim Management Meeting IIMM, Köln, 15. September 2006), vgl. ebenso Groß/Kieser (2006), S. 91.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
erhalten. Der geringe Organisationsgrad der Branche macht hingegen deutlich, daß eben jene Verbreitung bislang nicht erreicht wurde. Neben dem betrachteten Verhältnis der Eigeninteressen der Interim Manager und dem kollektiven Interesse ihrer Berufsgruppe existieren weitere Spannungsfelder unterschiedlicher Interessen innerhalb der Berufsgruppe, insbesondere in der Beziehung zu Providern. (b) Interessen der Provider: Neben den selbständigen Managern auf Zeit sind die am Markt tätigen Unternehmen zu betrachten. Insbesondere die Gruppe der Provider verfolgt im Rahmen der Professionalisierungsbestrebungen spezifische Interessen, die eine separate Betrachtung erforderlich machen. Die Eigeninteressen individueller Provider beruhen grundsätzlich auf der Tatsache, daß es sich bei diesen - vergleichbar den einzelnen Interim Managern um individuell nutzenmaximierende Wirtschaftssubjekte handelt.764 Auch viele der Provider verfolgen das gemeinsame Ziel einer Branchenentwicklung im Sinne einer Professionalisierung. Diese kollektiven Interessen der Provider haben sich im Engagement in verschiedenen übergeordneten Institutionen niedergeschlagen. Einige Provider haben sich im Jahre 2003 zum Arbeitskreis der Interim Management Provider (AIMP) zusammengeschlossen. Andere haben sich der Gesellschaft der Interim Manager DDIM angeschlossen. In einigen Fällen besteht sogar eine Doppelmitgliedschaft.765 Um potentielle Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Gruppe der Provider und ihre Auswirkung auf eine Professionalisierung des Managements auf Zeit zu analysieren, können zunächst verschiedene Konstellationen unterschieden werden: Zum einen sind –analog zu den betrachteten Interessenkonflikten selbständiger Interim Manager - Konflikte zwischen individuellen und kollektiven Interessen der Provider möglich. Allerdings erlangen diese in der Realität der Provider keine gleichrangige Relevanz. Als Grund kann die geringere Bedeutung der Ressourcenrestriktion bzw. deren Allokation für Unternehmensakteure vermutet werden. Zum anderen bestehen mögliche Interessenkonflikte zwischen Managern auf Zeit und Providern im Rahmen der Professionalisierung. Dies macht in der Gesamtsicht der Berufsgruppe – und hier liegt der Schwerpunkt der Betrachtung die Notwendigkeit der Unterscheidung der Interessen ihrer Subgruppen, d.h. der Interessen der Manager und denen der Provider erforderlich. 764
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Neben dieser grundsätzlichen Gemeinsamkeit zu einzelnen Interim Managern existieren vielfältige Unterschiede. Die Akteure in der Gruppe der Interim Management Provider sind in der Regel Unternehmen. Demnach unterscheiden sie sich von erstgenannten hinsichtlich des Geschäftsmodells, der Unternehmensgröße und -Struktur sowie der zur Verfügung stehenden Ressourcen (vgl. Beschreibung in Abschnitt I.2. der vorliegenden Arbeit). So sind bspw. die Unternehmen AC Alpha Management GmbH, Wiesbaden, butterflymanager GmbH, Kreuzlingen, Greenwell Gleeson GmbH, Frankfurt Mitglied in beiden Organisationen (Stand Dez. 2006).
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
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Im Rahmen der Interessen zwischen den genannten Subgruppen können Gemeinsamkeiten und mögliche Konflikte unterschieden werden. Gemeinsam ist allen Subgruppierungen und den durch sie vertretenen Akteuren das Interesse an einer Entwicklung der Branche und einer Positionierung und Abgrenzung gegenüber Dritten. Bis in die Gegenwart gilt die von maßgeblichen Akteuren vorgebrachte Wahrnehmung, es gebe überwiegend gemeinsame Interessen im Rahmen der Entwicklung der Branche. Diese gemeinsamen Interessen schlagen sich auch auf kollektiver Ebene in einer Reihe kollektiver strategischer Manöver der Akteure nieder. Insbesondere zu Beginn der gegenwärtigen Professionalisierungsepisode gab es gemeinsame Veranstaltungen der beiden Organisationen und der von ihnen vertretenen Akteure mit dem Ziel der Entwicklung einer gemeinsamen Vision der Branche sowie deren konsistenter Kommunikation. Kollektive Interessen äußern sich u.a. im Rahmen strategischer Appelle wie dem Ruf nach der Bildung eines gemeinsamen „Siedlertrecks“, um das „unbesiedelte“ Potential der Branche zu realisieren.766 Derartige Manöver finden ihre Entsprechung in der professionssoziologischen Literatur, die sie in Analogie zur amerikanischen Siedlungsgeschichte als Ausdruck einer sog. „Go-West“-Strategie der Akteure bezeichnet.767 Sie werden als assoziative bzw. kooperative Strategien bezeichnet, die ein charakteristisches Merkmal in frühen Stadien von Professionalisierungsbestrebungen sind. In dieser Phase geht es allen Beteiligten einer Berufsgruppe darum, interne Konflikte zu reduzieren und gemeinsam den Status der Berufsgruppe zu stärken.768 Ihre betriebswirtschaftliche Umsetzung finden derartige Ansätze in Coopetition-Strategien, wie sie von einigen Akteuren der Berufsgruppe verfolgt werden.769 Ungeachtet der aufgeführten gemeinsamen Interessen existieren auf der anderen Seite solche, die die Subgruppen trennen und Interessenkonflikte innerhalb der Berufsgruppe nach sich ziehen. Diese divergierenden Ziele, die im Rahmen des Oberziels der Professionalisierung verfolgt werden, haben ihre Wurzeln in den unterschiedlichen Geschäftsmodellen der Teilgruppierungen, d.h. der ManagementLeistung selbst auf der einen Seite und der Vermittlung bzw. je nach jeweiliger Ausprägung dem Management der Leistung auf der anderen Seite. In den Reihen der Manager werden mit dem Begriff der Professionalisierung insbesondere zwei Aspekte verbunden. Zum einen wünscht man sich eine Entwicklung des Marktes im Sinne einer Etablierung des Dienstleistungsformates und einer Verbesserung der Markteffizienz, um eine bessere Auslastung der Manager und höhere Umsätze zu realisieren. Damit gehen Bemühungen um eine 766 767 768 769
Vgl. Görres (2006). Vgl. Selander (1990), S. 140. Vgl. Selander (1990), S. 142f.. Vgl. u.a. Görres (2005).
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bessere Transparenz der Branche einher, um den Kunden die Suche nach einem zu den jeweiligen Anforderungen passenden Manager zu vereinfachen und damit eine Vorbedingung für einen erfolgreichen Geschäftsabschluß zu schaffen. Zum anderen arbeitet man an einer grundlegenden Verbesserung der Vertrauensbasis in der Kundenbeziehung. Darunter fallen Bemühungen zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität, bspw. durch die Schaffung von Standards sowie Pläne zur Durchführung einer Zertifizierung. Diese Initiativen können eine Basis für eine einheitliche Bewertung der geleisteten Qualität bilden sowie der Präformierung der Kundenerwartung dienen. Ferner sind die Angebote zur spezifischen Weiterbildung für Interim Manager in diesem Zusammenhang zu sehen. Alle Maßnahmen erfolgen mit der Absicht der kollektiven Positionierung innerhalb der Berufsgruppe und Abgrenzung gegenüber Anbietern mit einer als geringer empfundenen Qualität. In den Reihen der Provider hingegen werden dem Thema der Professionalisierung teilweise andere Ziele zugeordnet. Sie verbinden die Professionalisierungsbestrebungen insbesondere mit einer verbesserten Außendarstellung der Branche sowie mit besseren Matching-Prozessen. Obwohl die Provider das Ziel der allgemeinen Entwicklung der Branche teilen, stellen sie besonders das aufgeführte zentrale Anliegen der Interim Manager, d.h. das Streben nach einer Effizienz des Marktes in Form der Bemühungen um Transparenz und Vertrauen, in seiner Berechtigung in Frage. Deren Geschäftsmodell beinhaltet - unabhängig von seiner exakten Ausgestaltung als reine Vermittlung oder Mehrwertdienstleistung - eine Vermittlungsleistung zwischen Angebot und Nachfrage am Markt. Demnach kann es nicht verwundern, daß die Schaffung von Transparenz nicht als primäre Aufgabe des gegründeten Arbeitskreises gesehen wird.770 Und auch die Bewertung der zu leistenden Qualität sowie die Schaffung von Vertrauen der Kunden in diese Qualität der Management-Dienstleistung betreffen direkt die Leistung der Provider. Insofern können diesbezügliche Initiativen der Manager keine Unterstützung der Provider finden. Die Relevanz von Standards, Zertifizierungen oder Weiterbildungsmaßnahmen wird in ihrer Handlungs- und Entscheidungsrelevanz für die Kunden in Frage gestellt.771 Der unterschiedlichen Beurteilung der Markt- und Professionalisierungsdefizite sowie den unterschiedlichen Zielsetzungen im Rahmen der Professionalisierungsbestrebungen liegen systematische Faktoren zugrunde. Es ist Gegenstand ihres Geschäftsmodells der Provider, die beschriebenen Marktdefizite auszugleichen und einen auf die Anforderungen der Kunden passenden und für die Aufgabe geeigneten
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„Die Aufgabe von Verbänden ist nicht, Kunden vor Verwirrung zu schützen. Konkurrenz belebt das Geschäft.“ (Gesprächspartner im Interview, Augzust 2006). “Zertifikate sind nicht das Hauptkriterium für Kunden. Die werden sich immer anschauen, wer die Erfahrungen und den Hintergrund hat, die sie suchen.” (Gesprächspartner im Interview, Februar 2007).
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Manager zu finden. Demzufolge können die Markt- und Professionalisierungsdefizite auch als Geschäftsgrundlage der Tätigkeit der Agenturen als „Vertrauensintermediäre“ verstanden werden.772 Sie bilden die Grundlage der Macht der Agenturen gegenüber den vermittelten Einzelmanagern, deren Einkommen durch die Vermittlungs- und Vertriebsarbeit ermöglicht wird.773 Eine Professionalisierung im Sinne einer verbesserten Transparenz würde demnach die Unabhängigkeit der Interim Manager stärken und den Interessen der Provider systematisch zuwiderlaufen. Eine Illustration dieser betrachteten Situation liefert einmal mehr der Vergleich zur Berufsgruppe der Unternehmensberater. Insbesondere große Beratungsunternehmen haben sich früh den kollektiven Professionalisierungsbestrebungen entzogen, indem sie Professionalisierung und Professionalität auf individueller Ebene definierten. Lokus der Professionalisierung der Unternehmensberatung sind die Beratungsunternehmen selbst: An die Stelle von Professionalität im klassischen Sinne ist eine neue Art des corporate professionalism getreten, der an den Interessen der Unternehmen ausgerichtet ist.774 Relevanz erlangt der Vergleich für die vorliegende Fragestellung durch die Parallelität im Hinblick auf die Beziehung zwischen Professional und beschäftigender bzw. vermittelnder Organisation. Hier wie dort sperren sich Unternehmen gegen kollektive Strategien einer Professionalisierung im klassischen Sinne, da sie im Innenverhältnis zu den Professionals Nachteile für ihre Organisation befürchten.775 Grundsätzlich können Unternehmen kein Interesse an einer zu großen professionellen Unabhängigkeit der Professionals haben. Die Interessenkonflikte zwischen Professionals und Untenehmen innerhalb der Berufsgruppe schlagen sich auch in den unterschiedlichen Institutionen nieder, die die Subgruppierungen vertreten. Bei der Beantwortung der Frage, welchen Einfluß mehrere berufsständische Organisationen auf die Schlagkraft einer kollektiven Interessenvertretung haben, ist jedoch letztlich die Frage maßgeblich, in welcher Beziehung diese zueinander stehen. Grundsätzlich weist bereits die Existenz verschiedener berufsständischer Organisationen innerhalb der Berufsgruppe der Interim Manager auf unterschiedliche Interessen hin.776 Damit ist jedoch nicht gesagt, daß deren Existenz der Verfolgung professioneller Interessen abträglich sein 772 773
774 775 776
Vgl. Koepff (2007), S. 182. Diese grundsätzliche Interessenlage der Agenturen kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß diese gegenwärtig nur einen geringen Anteil am Branchenumsatz realisieren. Auch wenn ihre Macht über Gruppe der Einzelmanager begrenzt ist, gilt das Argument dennoch für jene Projekte, zu denen selbständige Manager schwer Zugang erlangen. Die Gründe dafür, daß Agenturen keinen größeren Umsatzanteil realisieren, liegen insbesondere darin, daß sie nicht genug Anfragen generieren, um mehr Manager „ernähren“ zu können. Vgl. Kipping et al. (2006), S. 19. Vgl. Kubr (2002), 140f., Kipping et al. (2006), S. 2, 16. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 43.
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muß.777 Zum Zwecke einer genaueren Beurteilung sind jedoch zwei Konstellationen zu unterscheiden: Handelt es sich um eine an Sachfragen orientierte Mehrgleisigkeit der Interessenvertretung, muß dies keine negativen Auswirkungen auf die Professionalisierungsbestrebungen haben. Erforderliche Bedingung dafür ist allerdings ein produktives arbeitsteiliges Vorgehen.778 Überwiegt die Konkurrenz zwischen den Institutionen, kommt es zu einer Zersplitterung der Berufsgruppe, die sich nachteilig auf die Schlagkraft der kollektiven Interessenvertretung auswirkt. 779 Eine abschließende Bewertung der Situation in Deutschland erscheint indes nicht möglich. Einerseits bestehen in der Entwicklung des Marktes gemeinsame Interessen. Trotzdem ist über eine Abstimmung von Aktionen nichts bekannt. Andererseits konkurrieren die Institutionen DDIM und AIMP um eine Reihe von Themen. Die aufgezeigten systematischen Interessenkonflikte schlagen sich regelmäßig in einer allgemeinen Konkurrenz um die „Deutungshoheit“ hinsichtlich des Bildes des Berufes und der Berufsgruppe sowie deren Kommunikation nieder. (3) Eigenlogiken als Ausdruck inhaltlicher Heterogenität des Managements auf Zeit Neben den zumindest teilweise konfligierenden Eigeninteressen ist im Rahmen des als umbrella concept genutzten Eigensinn-Konzeptes eine zweite Merkmalsdimension zu berücksichtigen: Die dezentrale Koordination der Akteure im Rahmen ihrer Professionalisierungsbemühungen kann durch ihre inkommensurablen Eigenlogiken erschwert werden. Eigenlogik bezeichnet die einem Akteur eigene Art zu Denken und Schlüsse zu ziehen, mithin seine persönliche Logik. Eigenlogiken verschiedener Akteure entspringen den unterschiedlichen Kontexten bzw. „Lebenswelten“, denen die Akteure entstammen.780 Der Begriff der Inkommensurabilität thematisiert die Frage der (Un-)Vereinbarkeit dieser unterschiedlichen Arten, die Welt wahrzunehmen und zu verstehen (“ways of seeing the world“).781 Sind die Lebenswelten zueinander inkommensurabel, so bedeutet dies vereinfacht, daß sie unvereinbar sind.782 Dahinter steckt die Vorstellung, daß verschiedene Akteure auf Basis ihrer spezifischen Lebenswelten in unterschiedlicher Weise denken, Probleme im 777 778 779 780 781
782
Vgl. Kairat (1969), S. 80. Vgl. Kairat (1969), S. 80. Vgl. MacDonald (1995), S. 109, Schulze-Krüdener (1996), S. 43. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 10 unter Rekurs auf Habermas (1987), S. 182. Vgl. Kuhn (1962), S. 4. Kuhn bezeichnet mit dem aus der Mathematik entlehnten Begriff zunächst metaphorisch die Unvereinbarkeit wissenschaftlicher Paradigmen sowie die damit einhergehenden Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den jeweiligen Wissenschaftlern, vgl. Kuhn (1962), S. 149, Sankey (1994), S. 2. Zeitgleich mit Kuhn gebrauchen auch Feyerabend (1962) und Wieland (1962) den Inkommensurabilitätsbegriff, vgl. Feyerabend (1962), S. 93, Wieland (1962), S. 41ff., Rose (2004), S. 213. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 66.
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individuellen Kontext definieren und darauf aufbauend zu individuelle Lösungen kommen.783 Bezogen auf den Kontext der Kommunikation führt Inkommensurabilität dazu, daß eine Übertragung von Informationen zwischen unterschiedlichen Lebenswelten bzw. Kontexten nicht möglich ist bzw. einem mühsamen Akt des Übersetzens erforderlich macht.784 Gerade im Zusammenhang mit kooperativen Ansätzen jedoch ist die Verständigung der Beteiligten von grundlegender Wichtigkeit. Ohne eine Möglichkeit der Verständigung bzw. eine gemeinsame Sprache sind kooperative Ansätze nicht möglich.785 Die sich aus inkommensurablen Eigenlogiken ergebenden Herausforderungen für kooperative Ansätze lassen sich auf die hier im Fokus stehenden Situation der Professionalisierung anwenden und illustrieren. Im weiteren wird deshalb die Frage im Mittelpunkt stehen, inwiefern inkommensurable Eigenlogiken innerhalb der Berufsgruppe den Professionalisierungsbestrebungen entgegenstehen und insofern einer Übersetzung bedürfen.786 Bevor allerdings die Frage der Auswirkungen der Inkommensurabilität auf die Professionalisierungsbestrebungen erörtert wird (b), soll die Heterogenität als deren Ursache eingehender betrachtet werden (a). (a) Heterogenität als Erklärung unterschiedlicher Eigenlogiken: Die Grundlage inkommensurabler Eigenlogiken einzelner Interim Manager kann in ihren unterschiedlichen Lebens- bzw. Wissenswelten vermutet werden. Eine Annäherung an deren Unterschiede kann sich dabei an den Tätigkeitsfeldern, dem Wissen sowie den unterschiedlichen Karrierepfaden der Manager orientieren. Die Heterogenität des Aufgabenfeldes, das Interim Manager abdecken und das die gesamte Bandbreite aktueller Management-Themen umfaßt, bildet einen ersten Anhaltspunkt inhaltlicher Vielfalt. Der Einsatz von Interim Managern ist nicht auf bestimmte Funktionen, Branchen oder Auftragssituationen beschränkt. Trotz historischer Schwerpunkte in den Aufgabenbereichen Restrukturierung und Krisenmanagement entsteht vielmehr der Eindruck, daß der Einsatzraum für Interim Manager im Zuge der Entwicklung der Branche breiter und heterogener wird.787 Diese Unterschiede schlagen sich in den unterschiedlichen Erfahrungen und
783 784 785
786
787
Vgl. Ringlstetter (1997), S. 10. Vgl. Sankey (1993), S. 760, Sankey (1997), S. 3. Diese Feststellung ist zunächst nicht neu, wenn man Freidson (1999) folgt, der in diesem Zusammenhang u.a. bis auf die biblische Begebenheit des Turmbaus zu Babel rekurriert; vgl. Freidson (1999), S. 117. Die angestellte Betrachtung beschränkt sich auf unterschiedliche Eigenlogiken innerhalb der Berufsgruppe. Damit sollen die unterschiedlichen Lebenswelten externer Anspruchsgruppen, bspw. Wettbewerber und Kunden, keinesfalls negiert werden. Im Verhältnis zu diesen stellen sich Professionalisierungsbestrebungen jedoch ohnehin eher als „struggle“ denn als Frage der Koordination dar, vgl. u.a. Goode (1960), S. 902. Vgl. in diesem Sinne Görres (2006).
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Lebenswelten der Manager nieder, die Manager unterschiedliche Eigenlogiken herausbilden lassen. Einen weiteren fruchtbaren Zugang zur Heterogenität der unterschiedlichen Lebenswelten bietet die Verknüpfung mit dem Aspekt des relevanten Wissens der Berufsgruppe. Der Begriff der Lebenswelt bzw. des Kontextes bezieht sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf den geistigen Ausgangspunkt der Manager. Unterschiedliche Eigenlogiken basieren demnach auf unterschiedlichen Hintergründen hinsichtlich Wissen, Ausbildung und Erfahrung verschiedener Manager. Das zugrundeliegende Wissensgebiet der Interim Manager erweist sich in diesem Sinne in mehrfacher Hinsicht als problematisch. Zunächst hat sich das Wissensgebiet der Berufsgruppe bislang einer genauen Definition und Abgrenzung entzogen. Diese fehlende Fassung schlägt sich unter anderem in der fehlenden Bindung an eine Bezugswissenschaft nieder. Zwar kann von einer relativen Dominanz betriebswirtschaftlicher Inhalte ausgegangen werden, die im Rahmen von Interim Management-Einsätzen Relevanz erlangen.788 Dennoch fehlt eine diesbezügliche klare Ausrichtung, der im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen handlungsanleitende und identitätsstiftende Funktion zugeschrieben werden könnte.789 Die Vielfalt ihrer Aufgaben können die Manager nur bewältigen, indem sie auf spezialisiertes Wissen und Erfahrungen unterschiedlicher Bereiche zurückgreifen. Die Betriebswirtschaftslehre allein vermag den vielfältigen Lebenswelten der Interim Manager nicht gerecht zu werden.790 Eng mit dem Aspekt des Wissens und dessen Erlangung ist die Karriere von Interim Managern zu sehen. Eine diesbezügliche Differenzierung bietet eine dritte Möglichkeit des Zugangs zu unterschiedlichen Lebenswelten von Managern auf Zeit. Während Interim Management in seinen Anfängen eher als emergenter Karriereschritt in der Spätphase der Karriere von Führungskräften war, ist im Zuge der Entwicklung der Branche eine Entwicklung in Richtung einer zunehmenden Intentionalität und jüngerem Eintrittsalter feststellbar.791 Die Unterschiedlichkeit der aufgezeigten Faktoren deuten auf eine außerordentliche Vielfalt der Lebenswelten innerhalb der Berufsgruppe der Interim Manager. Diese Vielfalt kann als Hinweis auf die Existenz inkommensurable Eigenlogiken gedeutet werden. (b) Eigenlogiken als Koordinationshemmnis: Welche Auswirkungen haben nun die inhaltliche Heterogenität und - zumindest teilweise unterschiedlichen - Kontexte der 788 789 790
791
Vgl. Ringlstetter et al. (2007a). Vgl. Gieseke (1988), S. 11. Zudem besitzt die Betriebswirtschaftslehre per se wenig Differenzierungskraft hinsichtlich anderer professioneller Berufsgruppen innerhalb der wirtschaftlichen Sphäre, bspw. den Unternehmensberatern und Wirtschaftsprüfern. Vgl. Görres (2006), Galais (2007), S. 15f., 35.
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Manager auf die Professionalisierungsbestrebungen der Berufsgruppe? Gemeinsame bzw. gleichartige Logiken bilden eine wichtige Voraussetzung, um im Rahmen des Professionalisierungsprozesses eine gegenseitige Verständigung zu ermöglichen und kollektive Ansätze formulieren zu können. Inkommensurable Eigenlogiken hingegen erschweren diesen Prozeß, indem sie einer permanenten Übersetzung bedürfen. Umfang und Stärke der damit einhergehenden Herausforderungen lassen sich anhand der „Qual des Übersetzens“ bestimmen, die zur Verständigung erforderlich ist.792 Auf Basis dieses grundsätzlich negativen Zusammenhanges bleibt sodann die Frage, welchen Einfuß die inkommensurablen Eigenlogiken im Detail haben und inwiefern sie ein Hindernis für den Professionalisierungsprozeß darstellen. Die hemmende Wirkung inkommensurabler Eigenlogiken innerhalb der Berufsgruppe läßt sich anhand bestehender Kommunikationsprobleme der Berufsgruppe im Innern und in ihrer Darstellung nach außen illustrieren. Innerhalb der Berufsgruppe kann das Vorhandensein inkommensurabler Eigenlogiken die zur Koordination erforderliche Kommunikation der Akteure im Rahmen des kollektiven Strebens nach Professionalisierung in vielerlei Hinsicht behindern. Selbst wenn die Akteure also an einem Engagement im Rahmen einer kollektiven Strategie interessiert sind, können unvereinbare Eigenlogiken dazu führen, daß sich die Manager innerhalb der Berufsgruppe schlichtweg „nicht verstehen“. Diese inhaltliche Heterogenität ihrer beruflichen Existenz schlägt sich in einer ausgesprochen schwachen Ausprägung einer gemeinsamen beruflichen Identität nieder. Unvereinbare Eigenlogiken führen zudem zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung der professionellen Wirklichkeit der Berufsgruppe sowie einer Bestimmung dessen, welche Maßnahmen im Rahmen der Professionalisierung anzustreben sind. Auf dieser Basis fällt eine inhaltliche Auseinandersetzung im Sinne einer Professionalisierung schwer. Dies läßt sich anhand einiger exemplarischer Beispiele aus der Praxis der Berufsgruppe, insbesondere der kollektiven Arenen der bereits aufgeführten Organisationen, illustrieren: Bislang sind alle Versuche zur Formulierung allgemeiner Anforderungen an Interim Manager gescheitert. Die Erörterung inhaltlicher Fragen im Rahmen der Professionalisierungsbestrebungen der Berufsgruppe krankt grundlegend daran, daß je nach konkretem beruflichem Aufgabenfeld innerhalb der Berufsgruppe unterschiedliches Wissen als wesentlich erachtet wird. Nur schwer können auf dieser Basis gemeinsame Positionen zur Vermittlung und Sicherung des relevanten 792
Vgl. Kirsch (1984), 716. Im Rahmen einer weiteren Differenzierung unterscheidet Maaßen (1986) die Grade „echter“, d.h. nicht übersetzbarer, „übersetzbarer“ sowie „scheinbarer“, d.h. im Grunde nicht vorhandener Inkommensurabilität, vgl. Maaßen (1986), S. 46f. Im Falle des Managements auf Zeit darf trotz der aufgezeigten Heterogenität aufgrund des gemeinsamen ökonomischen Bezugsystems von einer grundsätzlichen Übersetzbarkeit ausgegangen werden.
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Wissens erarbeitet werden. Die Schaffung einer einheitlichen Wissensbasis bzw. einer einheitlichen Einschätzung seiner Relevanz war angesichts dieser Situation bislang nicht möglich. Die Positionen der anderen sind für die jeweiligen Akteure wechselseitig schlicht nicht nachvollziehbar. Als strittig wird u.a. oftmals die Frage nach der Notwendigkeit eines akademischen Abschlusses bzw. dessen möglicher Substituierbarkeit durch den Nachweis von Berufserfahrung angesehen.793 Ein weiteres Beispiel inkommensurabler Eigenlogiken bildet die Frage der Weiterbildungsmaßnahmen für Interim Manager. Die diesbezügliche Diskussion wird innerhalb der Berufsgruppe kontrovers geführt. Einerseits wird Weiterbildung als Investition in die Dienstleistungsqualität befürwortet. Dies gilt insbesondere für Weiterbildungsangebote, die sich nicht mit unterschiedlichen Management-Inhalten, sondern dem Interim Management per se beschäftigen. Andererseits vertreten manche Akteure eine entgegengesetzte Position, die u.a. mit der Überzeugung begründet wird, daß die zur erfolgreichen Ausübung von Interim Management Mandaten erforderlichen Kompetenz ohnehin nicht gezielt „erlernbar“ sei. Ähnliche Schwierigkeiten inkommensurabler Eigenlogiken zeigen sich in der ebenfalls in der Berufsgruppe kontrovers geführten Diskussion zur Marktabgrenzung. Auf der einen Seite hat sich insbesondere auf Seiten der Provider eine umfassende Sichtweise eingebürgert, die Leistungen einschließt, die originär der Unternehmensberatung und bzw. oder der Personalberatung zuzurechnen wären. Diese Position kann u.a. mit der Lebenswelt der Provider erklärt werden.794 Ihr Geschäft ist die - zunächst relativ inhaltsfreie - Vermittlung von ManagementLeistungen. Damit grenzen sie sich insbesondere von einer als zu eng empfundenen Marktbeschreibung ab, deren Anhänger sich insbesondere in den Reihen einzelner Manager finden. Ihre Lebenswelt ist durch die Notwendigkeit geprägt, sich gegenüber Wettbewerbern zu differenzieren und zu positionieren. Dabei ist ihre Kompetenz in besonderer Weise inhaltlich begründet. Bislang wurden die Lebenswelten und die Interessen innerhalb der Berufsgruppe analytisch getrennt. Gleichwohl läßt sich über ein derartiges Vorgehen vortrefflich streiten.795 In der Tat kann zwischen diesen Dimensionen ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen, der sie nicht zur Gänze unabhängig erscheinen läßt: Inkommensurabilität kann als Vorwand für die Durchsetzung eigener Interessen
793
794
795
Der Standpunkt, daß ein akademischer Abschluß verzichtbar oder wenigstens substituierbar sei, wurde oftmals mit dem Beispiels gestandener Manager begründet, die nachweislichen Markterfolg ohne einen akademischen Abschluß erreicht haben, vgl. zu derartigen Konflikten grundsätzlich Wilensky (1964), S. 144f. Sie manifestierte sich bspw. in einer Debatte hinsichtlich der Abgrenzung und Positionierung auf der Jahresveranstaltung des AIMP, in deren Verlauf Herr Görres sich für einen Abschied von „alten Heldenmythen“ aussprach, vgl. Debatte Görres (2006). Eine abschließende Klärung kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Vgl. jedoch zur Sinnhaftigkeit und den Grenzen einer derartigen analytischen Trennung Ringlstetter (1995), S. 67.
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„mißbraucht“ werden.796 Illustrieren läßt sich dies bspw. an der Interessenkonkurrenz zwischen individueller und kollektiver, berufsgruppenbezogener Positionierung der Interim Manager. Ungeachtet des wenig ausgeprägten Profils des Interim Managements als Dienstleistungsformat versuchen manche Anbietet, sich wiederum auf individueller Ebene gegenüber Wettbewerbern zu differenzieren. Dieses „Sektierertum“ kann als ein Grund der nachhaltigen kommunikativen Verwirrungen angesehen werden, die die Berufsgruppe der Interim Manager umgibt. Damit kann dieser Fall als Beispiel für einen Zusammenhang eigenlogischen Denkens und interessenorientierten Verhaltens dienen, in dem Eigenlogiken zur Durchsetzung eigener Interessen mißbraucht wurden. Diese liefen dabei dem kollektiven Interesse, im vorliegenden Fall an einer klaren Kommunikation hinsichtlich der Existenz und Etablierung einer geschlossenen Berufsgruppe, zuwider.
III.2.2 Herausforderungen durch Anspruchsgruppen außerhalb der Berufsgruppe Professionalisierungsbestrebungen einer Berufsgruppe stehen in einem engen Zusammenhang mit externen Anspruchsgruppen.797 Ihre Bedeutung resultiert aus der Macht und dem Einfluß, die die jeweilige Gruppe zur Artikulation und Durchsetzung ihrer Interessen im Bezug auf die Professionalisierung der fokalen Berufsgruppe aufbieten kann.798 Den Ausgangspunkt aller Erörterungen bilden dabei notwendigerweise potentielle Kunden und Auftraggeber als primäre Rollenpartner. Darüber hinaus hängt die Identifizierung der relevanten Anspruchsgruppen von der Situation der fokalen Berufsgruppe und deren Professionalisierungsprozeß ab.799 Im Rahmen des Professionalisierungsprozesses der Manager auf Zeit erscheint insbesondere eine Berücksichtigung der Gruppen der Kunden und Wettewerber erforderlich zu sein, denen jeweils zentrale Themen zugeordnet werden können.800 Die Beziehung zu Kunden bildet aufgrund deren wirtschaftlicher Macht und der 796 797 798
799
800
Vgl. Ringlstetter (1995), S. 67. Vgl. Goode (1960), S. 902, Collins (1990b), S. 25, Gargan (1993), S. 1863f. Grochla (1995) unterscheidet vier verschiedene Machtgrundlagen: Gesetzlich legitimierte Macht, wirtschaftliche Sanktionsmacht, Expertenmacht und Identifikationsmacht, vgl. Grochla (1995), S. 41f. Beispiele für eine Auswahl unterschiedlicher Anspruchsgruppen finden sich u.a. in der wirtschaftshistorischen Literatur, vgl. u.a. Holldorf (2003) zur Professionalisierung der steuerberatenden Berufe und den dabei relevanten Anspruchgruppen. Innerhalb der unterschiedlichen Anspruchsgruppen ist ein erhebliches Maß an Heterogenität möglich und wahrscheinlich. Zudem kann von einer offiziellen Fixierung der entsprechenden Positionen keine Rede sein. Dennoch kann eine grundsätzliche Gemeinsamkeit hinsichtlich der Interessenlage innerhalb einer Gruppe angenommen werden, vgl. Kairat (1969), S. 39. Zielsetzung der folgenden Erörterungen ist es, die jeweils relevanten Positionen und ihre Auswirkungen schlaglichtartig darzustellen.
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damit verbundenen Bedeutung für den Professionalisierungsprozeß einen zentralen Bezugspunkt. Ihre Einbindung kann als „conditio sine qua non“ bezeichnet werden.801 In der Beziehung zu Kunden besteht das zentrale inhaltliche Anliegen der Professionalisierung in der Reduzierung der transaktionalen Unsicherheit hinsichtlich Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Interim Manager (2). In der Beziehung zu Wettbewerbern hingegen prägt eine institutionelle Unsicherheit das Bild. Vor dem Hintergrund unklarer Branchengrenzen und undefinierter Rollenerwartungen müssen Interim Manager im Wettbewerb mit anderen Dienstleistern, die bereits über ein etabliertes Dienstleistungsformat verfügen und in diesem Rahmen Kundenbeziehungen und Expertenmacht aufgebaut haben, Legitimitätsdefizite in Kauf nehmen (1). Zu den Berufsgruppen, auf die diese Herausforderung in besonderem Maße zutrifft, zählt die Gruppe der Unternehmensberater. Über diese aufgeführten Beziehungen hinaus können ergänzend weitere Herausforderungen in der Beziehung zu anderen Anspruchsgruppen bestehen. In diesem Zusammenhang können insbesondere Staat und Öffentlichkeit genannt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, daß Herausforderungen in der Beziehung zu dieser Anspruchsgruppe weder spezifisch, noch von besonderer Relevanz im vorliegenden Fall sind. Eine staatliche Anerkennung bildet einen grundsätzlichen Weg der Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb.802 Ihr Fehlen ist demnach letztlich eine weitere Facette fehlender Legitimität und kann in diesem Kontext thematisiert werden. (1) Legitimitätsdefizite gegenüber Wettbewerbern als Ergebnis institutioneller Unsicherheit Professionalisierungsbestrebungen können im Rahmen des Wettbewerbs immer als Wettbewerb um Legitimität verstanden werden. Wettbewerber sind immer dann zu betrachten, wenn sie den von der fokalen Berufsgruppe bearbeiteten Problembereich ebenfalls, zumindest teilweise, bearbeiten oder dies beanspruchen.803 In der Beziehung zu Kunden, bzw. genauer im Streben nach Anerkennung ihrer spezifischen professionellen Leistungsfähigkeit durch Kunden stehen die unterschiedlichen Berufsgruppen in einer Wettbewerbsbeziehung zueinander. Als Anbieter einer neuartigen und wenig etablierten Dienstleistung haben Manager auf Zeit einen Nachteil gegenüber Anbietern etablierter Dienstleistungen hinsichtlich der ihnen zugestandenen Legitimität ihres Leistungsangebotes.
801 802 803
Vgl. Kairat (1969), S. 134. Vgl. Kairat (1969), S. 40. Vgl. Kairat (1969), S. 39.
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Im vorliegenden Fall kann ein Wettbewerbsverhältnis grundsätzlich zu all jenen Dienstleistungsformen angenommen werden, die bereits im Rahmen der Abgrenzung betrachtet wurden.804 Aufgrund der thematischen Überlappungen erscheint ein Vergleich zur Unternehmensberatung jedoch besonders aussagekräftig.805 Zwischen beiden Berufsgruppen besteht eine Konkurrenzsituation hinsichtlich der professionellen „Hoheit“ bestimmter Bereiche des Krisenmanagements bzw. der Unternehmenssanierung sowie des Projektmanagements. In dieser Situation haben Unternehmensberater und ihre Institutionen ein systematisches Interesse daran, einer Etablierung des Managements auf Zeit entgegenzuwirken. Der Begriff der Legitimität beschreibt grundsätzlich das einer Entität bzw. Organisation durch die relevante Umwelt zugestandene basale Existenzrecht.806 Legitimität beruht auf einer grundsätzlichen Übereinstimmung der Normen und Werte eines Akteurs und seiner relevanten Umwelt.807 Der Begriff findet in einer Vielzahl unterschiedlicher Kontexte Verwendung.808 Einem strategischen Verständnis folgend kann fehlende Legitimität als Ergebnis institutioneller Unsicherheit verstanden werden.809 Die institutionelle Unsicherheit des Managements auf Zeit ergibt sich aus dem Fehlen von definierten Produkt- und Dienstleistungsstandards, Marktgrenzen und Berufsgruppen.810 Es können unterschiedliche Grundformen organisationaler Legitimität unterschieden werden: Während eine kognitive Legitimität auf der Kenntnis bspw. hinsichtlich eines Dienstleistungsformates basiert, wird mit einer pragmatischen bzw. gar einer sozio-politischen Legitimität eine inhaltliche Einschätzung und Akzeptanz der angebotenen Leistung verbunden.811 (a) Unkenntnis und mangelndes Verständnis des Dienstleistungsformats: Die kognitive Legitimität bezieht sich auf die Kenntnis (cognition) und das Verständnis (comprehensibility) der angebotenen Leistung.812 In beiden Dimensionen kann der Wettbewerbsnachteil des Managements auf Zeit gegenüber der Unternehmensberatung deutlich gemacht werden. Letztere besitzt eine weitaus größere Bekanntheit bei 804 805
806 807 808 809 810 811 812
Vgl. dazu Abschnitt I.1.3(2)). Die diesbezügliche Fokussierung kann mit der Ähnlichkeit der strukturellen Ausgangslage sowie dem besonderen Konkurrenzverhältnis zwischen Management auf Zeit und Unternehmensberatung in der Praxis gerechtfertigt werden. „Legitimation is the process whereby an organization justifies to a peer or superordinate system its right to exist“, vgl. Maurer (1971), S. 361. Vgl. Dowling/Pfeffer (1975), S. 122. Suchman (1995) unterscheidet grundsätzlich zwischen institutionellen und strategischen Verständnisrichtungen, vgl. Suchman (1995), S. 575. Für ein strategisches Verständnis des Begriffes Legitimität vgl. insbes. Dowling/Pfeffer (1975), Pfeffer (1981). Zur Darstellung institutioneller Unsicherheit am Beispiel der Unternehmensberatung vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 271ff., 283. Vgl. Suchman (1995), S. 578ff., Aldrich/Fiol (1994), S. 648. Vgl. Suchman (1995), S. 582.
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potentiellen Auftraggebern sowie in der Öffentlichkeit. Diese Bekanntheit kann in engem Zusammenhang mit der Verbreitung der Nachfrage bzw. mit der Größe des Marktes für Unternehmensberatungsleistungen gesehen werden. Mit einem Jahresvolumen von annähernd zehn Mrd. Euro in Deutschland gehört er zu den größten Märkten professioneller Dienstleistungen.813 Der Markt für Management auf Zeit-Dienstleistungen hingegen ist damit weder hinsichtlich seines Volumens, noch der vermuteten Durchdringung vergleichbar.814 In Deutschland ist bislang zu beobachten, daß ein anhaltend hoher Prozentsatz potentieller Kunden nur zögernd auf das Angebot des Interim Managements eingeht. Mit Bekanntheit und Verbreitung der Unternehmensberatung geht ein grundlegendes Verständnis seitens potentieller Kunden für das entsprechende Dienstleistungsformat einher. Ungeachtet einer relativ großen Bandbreite unterschiedlicher Unternehmensberatungsformen kann eine relativ einheitliche Rollenerwartung angenommen werden, die Unternehmensberatern entgegengebracht wird. Nicht zuletzt die Gründung des Bundesverbandes der Deutschen Unternehmensberater (BDU) hat maßgeblich zur Schärfung des Berufsbildes des Unternehmensberaters und zur Etablierung des Begriffes beigetragen.815 Spätestens seit Ende der 70er Jahre kann von der Erreichung einer vollständigen Legitimation der Unternehmensberatung in Deutschland gesprochen werden.816 Ihre grundsätzliche professionelle Leistungsfähigkeit wird als gegeben angenommen („taken for granted“).817 Im Falle von Management auf Zeit kann hingegen nicht von einem vergleichbaren Status gesprochen werden: Weder besteht eine vergleichbare Bekanntheit, noch verfügen Kunden über eine einheitliche Rollenerwartung hinsichtlich der möglichen Rolle von Interim Managern.818 Im Gegensatz zu mangelnder Kenntnis und damit einem Mangel kognitiver Legitimität thematisieren die beiden folgenden Abschnitte Mängel, die die inhaltliche Akzeptanz des Managements auf Zeit vor dem Hintergrund unterschiedlicher Legitimitätsmaßstäbe betreffen. (b) Skepsis gegenüber dem Nutzen des Managements auf Zeit: Die Einschätzung relevanter Anspruchsgruppen hinsichtlich des instrumentellen Nutzens spiegelt sich
813 814 815 816 817 818
Das genannten Marktvolumen bezieht sich auf das Jahr 2005, vgl. Lünendonk GmbH (2006). Vgl. die Marktbeschreibung in Abschnitt I.2. Vgl. Elfgen/Klaile (1987), S. 151ff. Vgl. Faust (1998), S. 149ff. Zum Begriff vgl. Suchman (1995), S. 583, zur Anwendung auf die Unternehmensberatung vgl. Mohe/Höner (2006), S. 7. Hinsichtlich der Rollenerwartungen unterscheiden sich solche Unternehmen, die bereits Interim Manager eingesetzt haben von solchen, die bislang keine diesbezügliche Erfahrungen gesammelt haben. Grundsätzlich ist die Wahrnehmung von Motiv des Krisenmanagements geprägt, vgl. Forst (2003), S. 15, 49f.
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im Begriff der pragmatischen Legitimität wider.819 Sie orientiert sich demnach an der Einschätzung potentieller Kunden, inwiefern Manager auf Zeit bzw. ihr Dienstleistungsangebot ihren Interessen dienen können. Die Gewährung pragmatischer Legitimität unterstreicht die Bedeutung der Kunden im Rahmen des Legitimationsprozesses neuer Dienstleistungen. Sie enthält eine inhaltliche Aussage zur Akzeptanz der Dienstleistung vor dem relativen Maßstab der Kundeninteressen. Vergleicht man Management auf Zeit und Unternehmensberatung hinsichtlich ihrer pragmatischen Legitimität, so werden deutliche Unterschiede erkennbar. Der Unternehmensberatung wird eine diesbezügliche Legitimität im Sinne einer positiven Wirkung auf die Interessen der Auftraggeber grundsätzlich zuerkannt.820 Das Einschalten externer Berater und Wissensexperten gilt grundsätzlich als Hinweis auf Offenheit und rationalen Umgang mit eigenen Ressourcen, Interessen und Zielen.821 Augrund ihrer elitären Reputation dienen Berater sogar der Legitimation von Entscheidungen ihrer Auftraggeber sowie deren Position per se.822 Angesichts einer kritischen Öffentlichkeit und steigender Ansprüche der Kunden, die insbesondere eine bessere Umsetzbarkeit einfordern, ist die Unternehmensberatung in jüngerer Zeit in eine „Legitimitätskrise“ geraten.823 Im Falle des Managements auf Zeit ist das Bild ungleich gemischter. Eine einheitliche Akzeptanz seitens potentieller Kunden ist schon aufgrund der zögerlichen Nutzung nicht erkennbar. Darüber hinaus haben Interim Manager mit einer Reihe von Vorurteilen zu kämpfen. Mißtrauen macht sich insbesondere an den Fragen der Kompetenz sowie der Unabhängigkeit fest. So wird manchen Interim Managern unterstellt, sie seien nur selbständig, weil sie ihre letzte Position als reguläre Angestellte verloren hätten.824 Demnach seien sie im Rahmen der Tätigkeit als Interim Manager lediglich auf der Suche nach einer neuen Festanstellung und würden folglich primär eigene Interessen verfolgen. Summiert man die beschriebene Gemengelage, kann der Unternehmensberatung trotz der Krise der letzten Jahre ein höheres Legitimationsniveau zugeschrieben werden als dem Management auf Zeit. Das beschriebene Legitimitätsdefizit birgt signifikante Unsicherheit für die Interim Manager. Unternehmensberatern und anderen etablierten Dienstleistern kann aufgrund ihrer Reputation das grundsätzliche Potential zugesprochen werden, auf dem Markt für Management auf Zeit aktiv zu werden und dadurch eine signifikante 819 820
821 822 823 824
Vgl. Suchman (1995), S. 578. Vgl. Mohe/Höner (2006), S. 7f. Die zunehmend kritische Auseinandersetzung mit der Unternehmensberatung (u.a. Leif (2006)) klammert oftmals die Perspektive der Auftraggeber weitgehend aus. Vgl. Eiben et al. (1996), S. 224. Vgl. Faust (2000), S. 78. Vgl. Kipping (2002), S. 269, Mohe/Höner (2006), S. 8. „Die Wahrnehmung ist, daß da viele als Interim Manager arbeiten, nachdem sie - aus welchen Gründen auch immer - freigesetzt worden sind.“ (Gesprächspartner im Interview, September 2006).
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Veränderung des Marktes zu bewirken. Ein Engagement könnte zu einer grundsätzlichen Änderung der Spielregeln sowie der Marktstruktur im Sinne eines bestreitbaren Marktes führen.825 In der Tat hat es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Versuchen auf dem Gebiet des Interim Managements gegeben. Einschränkend kann jedoch festgehalten werden, daß sich bislang keiner der etablierten Akteure benachbarter Dienstleistungsmärkte zu einem strategischen und nachhaltigen Engagement entschieden hat. Begibt man sich auf die Suche nach den zugrundeliegenden Gründen werden unterschiedliche Geschäftslogiken angegeben, die im Ergebnis oftmals dazu führen, daß das Interim Management Geschäft „opportunistisch“ und „nebenbei“ geführt wird. 826 Neben einer ökonomischen Differenzierung besteht eine weitere grundsätzliche Option der Differenzierung gegenüber Wettbewerbern in einer sozio-politischen Anerkennung, bspw. in Form einer entsprechenden Gesetzgebung. (c) Durchlässige Branchengrenzen aufgrund fehlender formaler Anerkennung: Sozio-politische Legitimität bezieht sich auf eine inhaltliche Anerkennung und Akzeptanz einer Organisation bzw. Leistung durch relevante Anspruchsgruppen in Politik und Öffentlichkeit vor dem Hintergrund existierender Werte und Normen.827 Sie wird meßbar in der öffentlichen Anerkennung einer Berufsgruppe und findet ihren Niederschlag in einer formalen professionellen Rahmenordnung, die es Professionsangehörigen erlaubt, den Zugang zur Profession sowie die Ausführung der professionellen Tätigkeit zu regulieren.828 Sofern Staaten einer Berufsgruppe eine derartige Autonomie zugestehen, kann ihnen eine bestimmende Rolle im Rahmen der Legitimierung und Etablierung einer Profession zugeschrieben werden, ihr Fehlen hingegen bedeutet ein Hindernis.829 Management auf Zeit konnte bislang keine politische Anerkennung in der beschriebenen Weise erlangen. Weder Begriff, noch Dienstleistungsformat sind in Deutschland geschützt.830 Dahingehend ist jedoch kein formaler Unterschied zwischen Management auf Zeit und Unternehmensberatung zu erkennen. Obgleich die Unternehmensberatung weitaus verbreiteter ist, hat sie in Deutschland keinen Professionsstatus im klassischen Sinne erlangen können. Insbesondere Versuche, eine gesetzliche Regulierung des Zugangs sowie der Ausführung zu etablieren, sind
825 826
827 828 829 830
Vgl. Baumol (1982), S. 1. „Wir reagieren mit diesem Angebot lediglich auf Anfragen aus dem Markt. In dem Sinne betreiben wir es als opportunistisches Geschäft.“ (Gesprächspartner im Interview, Februar 2007). Zum Begriff der sozio-politischen Legitimität vgl. Aldrich/Fiol (1994), S. 648. Vgl. bspw. Forsyth/Danisiewicz (1985), S. 62f. Vgl. MacDonald (1995), S. 109. „Jeder kann sich in Deutschland ein Schild an die Tür machen und sich Interim Manager nennen.“ (Gesprächspartner im Interview, Juli 2006).
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
179
bislang gescheitert.831 Insbesondere im Vergleich mit anderen professionellen Dienstleistern, wie Wirtschaftprüfern und Steuerberatern, ist ein Regelungsgefälle feststellbar.832 Die Beispiele haben verdeutlicht, daß Herausforderungen im Zusammenhang mit der Erlangung sozio-politischer Anerkennung als Mittel der Differenzierung im Wettbewerb keineswegs spezifisch für die fokale Berufsgruppe sind. Vielmehr sind sie im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen professioneller Dienstleister als generische Aufgabe anzusehen. Angesichts der geschilderten Gemengelage bleibt eine Legitimierung des Managements auf Zeit in Form staatlicher Anerkennung und formaler Rahmenbedingungen auf absehbare Zeit wenig wahrscheinlich. (2) Transaktionale Unsicherheit in der Beziehung zu Auftraggebern Auch in den Beziehungen zwischen Interim Managern und ihren Kunden als zentraler Anspruchsgruppe existieren Herausforderungen, die geeignet sind, einer Professionalisierung entgegenzustehen. Als zentrale Herausforderung erweist sich in diesem Zusammenhang die Unsicherheit, der die Kunden angesichts eines Einsatzes von Interim Managern gegenüberstehen.833 Im Rahmen der Beziehung zu Wettbewerbern wurde bereits der Mangel an institutionellen Rahmenbedingungen und die damit einhergehende institutionelle Unsicherheit thematisiert.834 Diese kann insofern als Prädisposition angesehen werden, als daß keine einheitlichen Maßstäbe existieren, vor deren Hintergrund die Kompetenz oder das Verhalten von Interim Managern zu beurteilen wäre. Zwar können die Rollenerwartungen gegenüber internen Managern oder Unternehmensberatern als Anhaltpunkt dienen, ohne weiteres übertragbar sind sie indes nicht. Die institutionelle Unsicherheit findet ihre Fortsetzung in einer transaktionalen Unsicherheit in der Beziehung zwischen Interim Managern und Kunden.835 Gemeinsam können diese Aspekte strategischer Unsicherheit als Erklärung für die
831 832
833 834 835
Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 272. Eine umfassende Betrachtung der dem unterschiedlichen Formalisierungsgrad zugrundeliegenden Faktoren soll an dieser Stelle ausgeklammert werden. Neben den Eigenschaften des Wissensgebietes, bspw. seinem Formalisierungsgrad, wären in eine umfassende Betrachtung insbesondere politische Faktoren einzubeziehen. Die dabei herrschende Konkurrenzsituation umschreibt ein Gesprächspartner so: „Der Stuhl, den wir eigentlich in Berlin haben sollten, ist besetzt durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer“ (Gesprächspartner im Interview, August 2006). Vgl. Luzio (2006), S. 551. Zum Begriff (im Zusammenhang mit der Unternehmensberatung) vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 271ff. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 275.
180
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
im Rahmen dieser Arbeit bereits beschriebene Zurückhaltung potentieller Kunden angenommen werden. Die von Kunden wahrgenommene transaktionale Unsicherheit in der Beziehung zu Managern auf Zeit bezieht sich insbesondere auf die Aspekte des „Könnens“ und des „Wollens“ externer Manager. Hinsichtlich beider Unsicherheitsaspekte sind Kunden mit Informationsasymmetrien konfrontiert. Während sich das Können auf die Eigenschaften der Leistung bezieht (hidden characteristics), kann dem „Willen“ ein Handlungs- (hidden action) bzw. Absichtsbezug (hidden intention) zugeordnet werden.836 (a) Unsicherheit bei der Bewertung der Kompetenz von Managern auf Zeit: Die Kompetenz eines Interim Managers stellt die inhaltliche Grundlage seines Dienstleistungsangebots dar. Gleichwohl ist ihre Bewertung für den Kunden mit Unsicherheit verbunden. Die zugrundeliegenden Informationsasymmetrien sind in den spezifischen Eigenschaften des Managements auf Zeit als professioneller Dienstleistung sowie der teilweise mangelnden Erfahrung der Kunden mit Management auf Zeit begründet.837 Insbesondere die – zumindest kurzfristige – Unveränderbarkeit sowie die eingeschränkte Beobachtbarkeit und Beurteilbarkeit der Kompetenz von Interim Managern spiegeln sich in der Bezeichnung als hidden characteristic wieder.838 Ungeachtet dieser Unsicherheit ist eine Beurteilung der Kompetenz für Kunden während des gesamten Dienstleistungsprozesses, beginnend mit der Auswahl eines externen Managers bis hin zur der Bewertung während sowie nach dessen Einsatz, von großer Wichtigkeit. Die Unsicherheit der Kunden in der Bewertung der Kompetenz von Interim Managern läßt sich situativ differenzieren. Im Vorfeld eines möglichen Einsatzes stehen Unternehmen vor dem grundsätzlichen Problem, einen passenden Manager für die zu lösende Aufgabe zu finden. Analog zur Auswahl ähnlicher Dienstleister kann dabei die Kompetenz (bzw. deren Reputation) als vorrangiges Auswahlkriterium angenommen werden.839 Weder die Kompetenz, noch die eigentliche Dienstleistungsqualität sind jedoch aufgrund des hohen Anteils an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften sowie des kooperativen Leistungserstellungsprozesses ex ante einzuschätzen. Dieses führt aus Sicht des Auftraggebers zu einem allgemeinen Leistungsrisiko (performance risk).840 Diese allgemeinen Einschätzungsprobleme werden oftmals durch die situativen Bedingungen der Auswahl des Interim Managers verschärft. Der marktseitigen 836 837 838 839 840
Vgl. Schmitz (1997), S. 20. Vgl. Nayyar/Templeton (1991), S. 36. Zu den Merkmalen von hidden characteristics vgl. Schmitz (1997), S. 21. Vgl. im Zusammenhang mit der Auswahl von Unternehmensberatern u.a. Meffert (1990), S. 187f., Kaas/Schade (1995), S. 1075. Vgl. Das/Teng (2001), S. 253f.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
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Intransparenz steht die besondere Situation potentieller Auftraggeber gegenüber. Der Bedarf nach Interim Managern entspringt oftmals einer Situation des – mehr oder weniger krisenhaften – Wandels. Angesichts der Dringlichkeit bleibt der Auswahl eines Managers nur ein geringes Zeitfenster. Zudem sind im Rahmen der Auswahl des Interim Managers oftmals noch Interessen Dritter, bspw. von Kapitalgebern, in eine Entscheidung einzubeziehen.841 Diese Gemengelage resultiert aus Sicht des Auftraggebers in dem Risiko, eine suboptimale Auswahlentscheidung zu treffen (adverse Selektion).842 Selbst während oder gar nach dem Abschluß des Dienstleistungsprozesses lösen sich nicht alle Unsicherheiten. Zwar bieten manche Management-Projekte, bspw. im Falle einer quantifizierbaren Ergebnisverbesserung, Abwendung einer Insolvenz o.ä. gute Voraussetzungen für eine quantitative Ergebnisbewertung. Allerdings finden auch diese Bewertungsmöglichkeiten ihre Grenzen angesichts einer kollaborativen Leistungserstellung, die eine Ermittlung der individuellen Leistungsanteile der Parteien grundlegend erschwert.843 (b) Unsicherheit hinsichtlich des Verhaltens von Managern auf Zeit: Neben der Unsicherheit hinsichtlich der Bewertung der Dienstleistungsqualität bzw. der zugrundeliegenden Kompetenz der Manager besteht für Kunden eine weitere Unsicherheit hinsichtlich deren Verhaltens. Von Unsicherheit im Zusammenhang mit hidden actions kann immer dann gesprochen werden, wenn die Handlungen eines Akteurs nicht beobachtbar sind und das Ergebnis nicht eindeutig den Handlungen eines Akteurs zurechenbar ist.844 Angesichts der Integration von Interim Managern in die Organisation ihrer Kunden kann daraus für diese eine ernste Gefahr erwachsen. Interim Manager haben Zugang zu erfolgskritischem Wissen und anderen Interna. Diese Konstellation macht Kunden für opportunistisches Verhalten des externen Managers anfällig (relational risk).845 Opportunismus muß dabei nicht notwendigerweise die Tatbestandsmerkmale eines rechtswidrigen Verhaltens tragen, das als Bruch bilateraler Verträge zu ahnden wäre.846 Auch unterhalb der Schwelle justiziablen Verhaltens bleibt eine große Bandbreite von Handlungen, die illegitim sein können und der Loyalität gegenüber dem auftraggebenden Unternehmen oder dem Auftraggeber als Person widersprechen. Diese Gemengelage hat sogar dazu
841 842 843 844 845 846
Vgl. Ringlstetter et al. (2007a). Vgl. Schmitz (1997), S. 21. Vgl. u.a. Schröder (2006), S. 41. Zur geringen Verbreitung von Erfolgshonoraren vgl. Kaas/Schade (1995), S. 1080f., Schade (1996), S. 157f. Vgl. Schmitz (1997), S. 23 sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Nayyar (1990), S. 514, Glückler/Armbrüster (2003), S. 275. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 275.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
geführt, daß der Einsatz externer Manager mit einem persönlichen Scheitern der Auftraggeber in Verbindung gebracht wird. 847 (c) Aufbau von Vertrauen als Schlüsselfaktor der Professionalisierung: Angesichts dieser Aspekte institutioneller und transaktionaler Unsicherheit kann der Aufbau von Vertrauen als eine zentrale Herausforderung im Rahmen der Professionalisierung des Managements auf Zeit bezeichnet werden.848 Das Konstrukt des Vertrauens ist Betrachtungsgegenstand einer Vielzahl unterschiedlicher Disziplinen.849 In diesem Zusammenhang kann es nicht verwundern, daß der Begriff des Vertrauens grundsätzlich als relativ vielschichtig und facettenreich bezeichnet werden kann.850 Dies kann auch für den Vertrauensbegriff in der Betriebswirtschaftslehre und der Professionssoziologie gelten.851 Eine einheitliche Definition des Vertrauens existiert angesichts dieser Vielfalt nicht.852 Dennoch kann im Rahmen einer Gesamtschau der unterschiedlichen Perspektiven eine konzeptionelle Schnittmenge ausgemacht werden. Derartig definiert Rousseau (1998) Vertrauen als den Willen, die eigene Verletzbarkeit auf der Basis positiver Erwartungen hinsichtlich der Absichten und des Verhaltens anderer zu akzeptieren.853 Ihre inhaltliche Bestimmung finden diese positiven Erwartungen im Kontext professioneller Dienstleistungen insbesondere in zwei Dimensionen: Zum einen besteht eine Erwartung an die professionelle Leistungsfähigkeit, zum anderen umfaßt sie vor allem Beziehungsaspekte, bspw. die Erwartung der Unterlassung opportunistischen Verhaltens.854 Im Rahmen professioneller Dienstleistungen kann Vertrauen deshalb als zentraler Faktor von Kundenbeziehungen angesehen werden. Seiner Existenz können in der Beziehung zwischen Dienstleistern und Kunden wichtige Funktionen zugeschrieben werden. Angesichts der besonderen Eigenschaften professioneller Dienstleistungen und der damit einhergehenden Aspekte strategischer Unsicherheit ist Vertrauen eine Bedingung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit bzw. Dienstleistungserstellung. Im Kontext fehlender Prüf- bzw. Kontrollmöglichkeiten seitens der Kunden kann
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854
Vgl. Frank (1995), S. 156, Bloemer (2003), S. 48f. Vgl. allgemein Groß/Kieser (2006), S. 72, im Bezug auf Management auf Zeit Goss (1998), S. 46, Christophers (2007), S. 190. Für systematische Darstellungen verschiedener Ansätze vgl. u.a. Bigley/Pearce (1998), S. 409, McEvily et al. (2003), S. 92f. Auf Basis des Fehlens einer einheitlichen Konzeption diagnostizieren Lewis/Weigert (1985) eine „konzeptionelle Verwirrung“, vgl. Lewis/Weigert (1985), S. 975. Vgl. Schmitz (1997), S. 150, Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 103, Luzio (2006), S. 550. Vgl. Das/Teng (2001), S. 255. „Trust is a psychological state comprising the intention to accept vulnerability based upon positive expectations of the intention or behaviour of another.“, vgl. Rousseau et al. (1998), S. 395. Zucker (1986) spricht von gemeinsamen Erwartungen (shared expectations), vgl. Zucker (1986), S. 54. Vgl. Schmitz (1997), S. 159, Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 103.
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Vertrauen in Anlehnung an die Rational-Choice-Theorie als Übertragung von Kontrollrechten interpretiert werden.855 Vertrauen kann gar die wahrgenommen Risiken reduzieren.856 Für Anbieter professioneller Dienstleistungen kann Vertrauen demnach als strategischer Erfolgsfaktor verstanden werden, der entscheidende Bedeutung für den Markterfolg eines Anbieters hat.857 Anknüpfend an die Überlegungen der vorangegangenen Abschnitte zu externen und internen Herauforderungen im Zuge einer Professionalisierung können generische Ansatzpunkte für kollektive und individuelle Professionalisierungsstrategien formuliert werden. Diese können sich an den folgenden Leitfragen orientieren: Die Beziehungen zu externen Anspruchsgruppen bilden den logischen Bezugspunkt der Professionalisierung. In der Beziehung zu potentiellen Kunden wird zu klären sein, welche Ansatzpunkte dem Aufbau institutionellen Vertrauens auf kollektiver Ebene und relationalen Vertrauens in individuellen Beziehungen zwischen Managern auf Zeit und ihren Kunden dienen können.
Im Wettbewerb zu anderen professionellen Dienstleistern gilt es zu erörtern, wie die Manager auf Zeit die Legitimität ihrer Dienstleistung stärken können. Im Rahmen der Beantwortung der obigen Fragen kann die Lösung der betrachteten berufsgruppeninternen Herausforderungen als Vorbedingungen betrachtet werden. Dabei ist zu erörtern, welche Ansätze zur Reduzierung des berufsgruppeninternen Eigensinns denkbar sind. Und schließlich ist zu klären, welche Ansatzpunkte zur Entwicklung professioneller Kompetenz der Interim Manager sowie zu deren Darstellung dienen können.
III.3.
Generische Ansatzpunkte zur Professionalisierung des Managements auf Zeit
Die vorstehenden Ausführungen dieser Arbeit haben die spezifischen Herausforderungen aufgezeigt, denen sich Interim Manager im Rahmen ihrer Professionalisierungsbestrebungen innerhalb und außerhalb ihrer Berufsgruppe gegenübersehen. Daran anknüpfend geht es im folgenden Schlußabschnitt der vorliegenden Arbeit darum, Ansatzpunkte für eine Professionalisierung des Managements auf Zeit darzustellen. 855
856 857
Vgl. Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 103f. Mit dem Begriff der Rational-Choice-Theorie wird meist die Verwendung einer Handlungstheorie assoziiert, die individuelles Verhaltens als Ergebnis eines Maximierungskalküls modelliert, vgl. Coleman (1982), S. 302, Coleman (1990), S. 14, Coleman (1991). Nach Das/Teng (2001) reduziert Vertrauen das wahrgenommene Beziehungsrisiko sowie das allgemeine Performance- bzw. Auswahl-Risiko, vgl. Das/Teng (2001), S. 256ff. Vgl. Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 99.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Bevor das Kapitel in eine genauere Betrachtung der strategischen Ansatzpunkte einer Professionalisierung mündet, gilt es zunächst zu verdeutlichen, wer die Adressaten dieser Ansätze sind. Grundsätzlich richten sich die identifizierten Ansätze an alle Angehörigen der Berufsgruppe der Interim Manager. Eine Fokussierung kann dazu nach inhaltlichen Kriterien erfolgen: Der Fokus der dargestellten Ansätze liegt auf solchen Akteuren, die Interim Management im engeren Sinne als professionelle Dienstleistung selbst erbringen.858 Der Versuche einer weiteren Fokussierung soll an dieser Stelle jedoch aus verschiedenen Gründen unterbleiben. Zum einen sind die Möglichkeiten einer weiteren Differenzierung ohnehin begrenzt. Grundsätzlich ist allen Akteuren ungeachtet der festgestellten Heterogenität eine grundlegende Relevanz im Rahmen der Professionalisierung zuzusprechen.859 Dabei können sich die jeweiligen Professionalisierungsstrategien jedoch grundlegend unterscheiden, da deren Ausgestaltung der Anpassung an die spezifische Situation unterschiedlicher Akteure bedarf. Zum anderen erscheint eine weitere Differenzierung auch angesichts des komplementären Verhältnisses der dargestellten strategischen Elemente wenig fruchtbar. Um eine angemessene Reichweite der dargestellten Ansätze sicherzustellen, wird sich die weitere Erörterung statt dessen auf eine abstrakte Darstellung beschränken, die von einer möglichen Zuordnung zu bestimmten Typen von Akteuren oder Organisationsformen unabhängig bleibt. Die weiteren Erörterungen sollen von der Frage geleitet sein, wer ein hinreichendes Interesse und die erforderlichen Fähigkeiten besitzt, eine Professionalisierung im hier verstandenen Sinne zu gestalten. Gemäß dem erarbeiteten Verständnis können die unterschiedlichen Ansätze in Richtung einer Professionalisierung des Managements auf Zeit im Sinne einer hybriden Strategie verstanden werden. Analog zu den identifizierten Herausforderungen lassen sich die Ansatzpunkte für eine Professionalisierung des Managements auf Zeit nach ihrer Perspektive und Wirkungsrichtung differenzieren. Die nach innen gerichteten Ansatzpunkte zielen auf die Schaffung inhaltlicher wie
858
859
Diesbezüglich erfolgt im Rahmen dieser Arbeit eine Abgrenzung gegenüber solchen Anbietern, die Interim Management nicht im engeren Sinne selbst erbringen, sondern deren Geschäftsmodell in der Vermittlung von Interim Management Dienstleistungen besteht. Damit wird die Arbeit jener auf den Professional zentrierten Sichtweise im Rahmen der professional serviceForschung gerecht, die diesen als „Kronjuwel“ in den Mittelpunkt stellt. Kor/Leblebici (2005) nutzen diesen Begriff zur Beschreibung der Bedeutung der Professionals im Rahmen wissensintensiver Dienstleistungen, vgl. Kor/Leblebici (2005), S. 980. Die breit angelegte Perspektive kann mit der gegenwärtigen Branchensituation erklärt werden (vgl. Abschnitt I.2.). Diese ist durch die Diversität und Heterogenität unterschiedlicher Organisationsformen gekennzeichnet. Eine differenzierende Betrachtung wäre auf Mutmaßungen zu Existenz und Bedeutung unterschiedlicher Formen angewiesen. Die Entwicklung dominanter gleichartiger bzw. isomorpher Organisationsformen ist aktuell jedoch nicht absehbar. Ihr Fehlen kann wiederum als Zeichen des frühen Entwicklungsstadiums der Branche interpretiert werden, vgl. DiMaggio/Powell (1983), S. 148.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
185
prozessualer Voraussetzungen der Professionalisierung des Managements auf Zeit (III.3.1). Einer primär nach außen gerichteten Perspektive kann schließlich die Etablierung von Legitimität sowie der Aufbau von Vertrauen in der Beziehung zu potentiellen Kunden zugeordnet werden (III.3.2). Im Zuge der Detaillierung der internen und externen Ansatzpunkte kann ferner zwischen kooperativen und kompetitiven Ansätzen unterschieden werden. Während kooperative Strategien auf der Ebene einer kollektiven Rahmenordnung ansetzen, dienen individuelle Professionalisierungsstrategien dem Aufbau individueller Professionalitätsmerkmale. Im Rahmen einer strategischen Gesamtsicht sind die unterschiedlichen Ansatzpunkte zur Professionalisierung als einander ergänzende Facetten der Professionalisierung zu verstehen.
III.3.1 Nach innen gerichtete Ansatzpunkte einer Professionalisierung Nach innen gerichtete Professionalisierungsbemühungen schaffen die inhaltlichen und prozessualen Voraussetzungen einer Professionalisierung des Managements auf Zeit. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Fragmentierung der Berufsgruppe bedürfen zentrale Aspekte dabei kollektiver Anstrengungen (1). Ihre inhaltliche Zielsetzung besteht in der kollektiven Definition professioneller Rollen für Interim Manager. In prozessualer Hinsicht ist dazu eine Koordination der Beteiligten erforderlich. Auf individueller Ebene finden nach innen gerichtete Professionalisierungsbestrebungen ihre Zielsetzung in der Entwicklung professioneller Kompetenz (2). Ihr Erwerb kann in einem engen Zusammenhang zu kollektiven Reflexionsprozessen gesehen werden. Gemeinsam bilden die nach innen gerichteten Ansatzpunkte eine logische Vorbedingung für die im weiteren geschilderten Ansatzpunkte der Professionalisierung, die sich primär an externe Anspruchsgruppen richten. (1) Koordination und Definition professioneller Rollen als Ansätze kollektiver Professionalisierungsstrategien Kollektive Manöver von Interim Managern können sich grundsätzlich in unterschiedlichen Kooperationsformen manifestieren, die sich durch verschiedene Grade der Formalisierung und Bindungsintensität und damit einhergehende Möglichkeiten der Koordination auszeichnen. Im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen sind es jedoch insbesondere kollektive Institutionen, die als Lokus der Professionalisie-
186
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
rung die Arena des Zusammenspiels der Akteure bilden.860 Kooperative Ansätze zielen neben der Definition professioneller Rollen und ihrer Merkmale als inhaltlicher Voraussetzung (b) darauf, durch eine Koordination der Akteure eine prozessuale Voraussetzung für Professionalisierungsstrategien zu schaffen (a). (a) Koordination als prozessuale Voraussetzung: Die Professionalisierung des Managements auf Zeit kann im Kontext kollektiver Professionalisierungsstrategien als Aufgabe der dezentralen Koordination verstanden werden.861 Dabei besteht die Notwendigkeit der Bändigung bzw. der Reduzierung des Eigensinns der individuellen Akteure. Der gewählte Zugang des Eigensinns als umbrella concept erweitert die grundsätzlich mikroökonomische Perspektive der vorliegenden Arbeit um eine Betrachtung des kooperativen Zusammenwirkens des Verhaltens unterschiedlicher individueller Akteure, d.h. des Zusammenspiels verschiedener individueller und kollektiver Strategien. Arenen dieses Zusammenspiels sind insbesondere gemeinsame kollektive Institutionen. Nachstehende Ansatzpunkte dienen dem Ziel, grundlegende Koordinationsmechanismen für kollektives Handeln der Manager auf Zeit aufzuzeigen und somit kollektives Engagement systematisch zu begünstigen bzw. zu unterstützen. Dabei können sie den identifizierten Problemfeldern der Eigeninteressen und Eigenlogiken zugeordnet werden. (i) Kollektivierung durch selektive Anreize Das gemeinsame Interesse an einer Professionalisierung des Managements auf Zeit bildet die Grundlagen und Vorbedingung jedes kollektiven Engagements. Ihrer Realisierung steht jedoch das beschriebene Dilemma entgegen, das aus den Eigenschaften als öffentliches Gut folgt. Dieses Dilemma kann im Kontext des Managements auf Zeit dadurch durchbrochen werden, daß die kollektive Zielsetzung der Professionalisierung mit selektiven positiven Anreizen ergänzt und gekoppelt wird. Neben der Erreichung des kollektiven Ziels der Professionalisierung kann der Erhalt exklusiver Leistungen eine grundlegende Motivation zum Engagement in kollektiven Institutionen bilden.862 Individuelle Akteure können nur dann rational und
860
861
862
Diese gehen hinsichtlich des Maßes an Formalisierung, bspw. in Form einer Mitgliedschaft, über allgemeine Netzwerkbeziehungen hinaus. Informelle Netzwerkbeziehungen erscheinen aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Bindungsintensität, fehlenden Formalisierung, Flexibilität und Volatilität im Kontext von Professionalisierungsbestrebungen von eingeschränktem Wert zu sein. Obgleich kein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen verschiedenen Professionalisierungsstrategien und einzelnen Modi der Koordination besteht, kann der Fokus der vorliegenden Arbeit mit den spezifischen Gegebenheiten der fokalen Berufsgruppe begründet werden. Das Fehlen zentraler Instanzen in Form hierarchischer Führung oder faktischer Dominanz, bspw. durch einen etablierten Marktführer, macht die dezentrale Koordination zur Formulierung und Artikulation professioneller Positionen der Manager auf Zeit erforderlich. Vgl. Waarden (1992), S. 531, Bennett (1998), S. 244, Bennett (2000), S. 20f.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
187
nachhaltig im Sinne des kollektiven Professionalisierungsziels handeln, wenn ihr Engagement mittel- bis langfristig durch entsprechende selektive Anreize unterstützt wird. Eine Möglichkeit zur Entwicklung positiver selektiver Anreize besteht in der Schaffung von sog. Club-Gütern. Diese zeichnen sich durch die Anwendbarkeit des Ausschlußprinzips aus, das es ermöglicht, Trittbrettfahrer auszuschließen und ihnen den Nutzen zu verwehren. Relevante Club-Güter lassen sich nach ihrem Bezug zur Wertschöpfungskette des Interim Managements systematisieren: Dem Bereich der primären Wertschöpfungsaktivitäten kann bspw. ein privilegierter Zugang zu Kunden und sonstigen Vertriebskontakten zugeordnet werden, die ihre Grenzen allenfalls in der Unabhängigkeit einer Institution finden. Aus individueller Sicht spielt die stärkere Vernetzung mit anderen Interim Managern und der Zugang zu vertriebsrelevanten Informationen den Hauptgrund zu Engagement und Teilnahme an kollektiven berufsständischen Institutionen.863 Einem sekundären bzw. unterstützenden Bereich der Wertschöpfungsaktivitäten sind u.a. der exklusive Zugang zu Partnern und Informationen zuzuordnen. Diese können bspw. dazu genutzt werden, auch komplexe Aufträge im Rahmen von Wertschöpfungsnetzwerken zu bearbeiten. Zudem können zu diesem Bereich auch Dienstleistungen für Mitglieder wie vergünstigte Versicherungsangebote, Rabatte, soziale Leistungen oder der Bezug von Fachzeitschriften hinzugezählt werden.864 Die angeführte Logik der Leistungsanreize weist einen Weg, Engagement in kollektiven Institutionen durch selektive Anreize zu begünstigen und zu stimulieren. Allerdings gelangen derartige Leistungen dann an ihre Grenzen, wenn sie kollektive Zielsetzungen verwässern und gefährden.865 Zudem sind angesichts ihrer problematischen Quantifizierbarkeit Zweifel angebracht, ob sich die grundlegenden Dilemmata mittels „harter“ Faktoren vollständig lösen lassen. Statt dessen kann „weichen“ Faktoren eine wichtige Rolle im Rahmen einer dezentralen Koordination in kollektiven Institutionen zukommen.866 Dabei kann insbesondere die Schaffung einer gemeinsamen Identität als Interim Manager zur Realisierung sozialer Kohäsion beitragen. (ii) Entwicklung einer kollektiven Identität als Manager auf Zeit Neben konfligierenden Eigeninteressen wurden inkommensurable Eigenlogiken als Herausforderung dezentraler Koordination beschrieben, die im Rahmen kollektiver
863 864 865 866
In diesem Sinne äußerten sich alle zu diesem Thema interviewten Gesprächspartner. Vgl. Schulze-Krüdener (1996), S. 33. Vgl. Bennett (2000), S. 21, Olson (2004), S. 132. Vgl. Bennett (2000), 19 sowie allgemein Ringlstetter (1997), S. 152ff., 161.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Professionalisierungsansätze erforderlich ist. Sie sind Ausdruck unterschiedlicher Lebens- und Arbeitswelten und der daraus resultierenden unterschiedlichen Denkkontexte innerhalb der Berufsgruppe der Interim Manager. Im Zuge kollektiver Professionalisierungsbestrebungen ist aus diesem Grunde die Übersetzung dieser unterschiedlichen Kontexte im Sinne der Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses erforderlich. Dieses gemeinsame Berufsverständnis findet seinen Niederschlag in einer gemeinsamen Identität.867 Der Begriff der Identität beschreibt Wissen und Wertschätzung eines Managers hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Interim Manager.868 Die Existenz bzw. der Aufbau einer gemeinsamen professionellen Identität wird im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen grundsätzlich als erforderliche Vorbedingung angesehen.869 Im Rahmen der folgenden Abschnitte ist zu klären, welche inhaltlichen Ansatzpunkte einer gemeinsamen Identität für das Management auf Zeit existieren und welche prozessualen Ansatzpunkte zur ihrer Etablierung innerhalb der Berufsgruppe beitragen können. Die Entwicklung einer kollektiven Identität der Interim Manager kann sich an ihrem Aufgabenbereich als grundlegendem Kriterium zur Abgrenzung der Berufsgruppe orientieren.870 Dabei kann (und soll) die festgestellte Heterogenität nicht aufgehoben werden. Entscheidend ist vielmehr eine stärkere Betonung der Gemeinsamkeiten und die damit einhergehende Differenzierung gegenüber Dritten. Ein Kern gemeinsamer Identität der Berufsgruppe resultiert aus den zentralen Aspekten des Einsatzes von Interim Managern: Das Dasein als Externe, der Einsatz als Führungskraft bzw. Manager sowie dessen zeitlicher Begrenzung.871 Das Dasein als Externer steht für die inhaltliche Unabhängigkeit der Leistung und für die wirtschaftliche Selbständigkeit der Manager. Der Einsatz als Führungskraft bzw. Manager steht im engen Zusammenhang mit der Führung des jeweiligen Unternehmens. Er entspricht der Wichtigkeit der Aufgabe und gibt den Managern Gelegenheit, ihre Kreativität umzusetzen und
„etwas zu bewegen.“872 Der mehr oder minder schnelle Wechsel verschiedener Aufgaben und Auftraggeber ist in engem Zusammenhang mit den beiden anderen Aspekten zu sehen. Er sichert die Unabhängigkeit der Manager und ermöglicht den Aufbau
867 868 869 870
871 872
Vgl. Gieseke (1988), S. 11. Dieses Verständnis orientiert sich an dem von Tajfel (1972), Tajfel/Turner (1985) geprägten Begriffsverständnis der Sozialen Identitätstheorie, vgl. Tajfel (1972), S. 292. Vgl. u.a. Pavalko (1989), S. 27, Broadbent et al. (1997a), S. 10, Clegg et al. (2007), S. 498. Montgomery/Oliver (2007) unterscheidet als grundsätzliche Typen der Grenzziehung zwischen Aufgabenbereich (domain) und Mitgliedschaft (entry) einer Gruppe, vgl. Montgomery/Oliver (2007), :S. 662. Diese zentralen Aspekte spiegeln die im Rahmen der definitorischen Annäherung identifizierten Gemeinsamkeiten aller Definitionen wider (vgl. I.1.1 dieser Arbeit). Vgl. Galais (2007), S. 14.
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übergreifender Erfahrungswerte. Zudem dient er den Managern als stetige Herausforderung und kann das individuelle Wertgefühl steigern. Gemeinsam bestimmen diese zentralen Aspekte das Wesen der Tätigkeit als Interim Manager und stellen als geteilter Erfahrungsschatz einen gemeinsamen kognitiven Kontext dar. Sie wirken identitätsstiftend und prägen Selbstverständnis und Nimbus der Berufsgruppe.873 Neben der inhaltlichen Bestimmung möglicher Bestandteile einer gemeinsamen Identität besteht eine große Herausforderung im Prozeß der eigentlichen Entwicklung und Etablierung der Identität der Interim Manager. Die Entwicklung und Etablierung ist ein komplexer Prozeß, der sich einem zielgerichteten Beeinflussung Einzelner weitgehend entzieht. Dennoch können grundlegenden Ansatzpunkte kollektiver identity work zur Identitätsfindung und Verbreitung identifiziert werden.874 In beiden Phasen kommt kollektiven Institutionen eine kritische Bedeutung zu. Sie bilden im Rahmen der Identitätsfindung die Arena, in der Reflexion und Diskurs der Berufsgruppe stattfinden können.875 Im Rahmen entsprechender Veranstaltungen können Interim Manager ihre relevanten Wahrnehmungen von Branche und Tätigkeit abgleichen und reflektieren.876 Dieser Prozeß kann als Herausbildung paralleler Selbstbeschreibungen und -kategorisierungen verstanden werden.877 Im Rahmen der Kommunikation der gefundenen Identität an externe Anspruchsgruppen kommt kollektiven Institutionen die Aufgabe zu, eine konsistente Darstellung der gefundenen Identität sicherzustellen. Als zentrale Institution kommt ihnen die Aufgabe zu, bspw. im Rahmen kollektiver Öffentlichkeitsarbeit eine inhaltliche Koordination des öffentlichen Diskurses sicherzustellen.878 (b) Kollektive Definition professioneller Rollen als inhaltliche Voraussetzung: Neben der Schaffung der prozessualen Voraussetzungen einer Professionalisierung in Form der Koordination der Manager auf Zeit zielen nach innen gerichtete kollektive Ansatzpunkte auf die Schaffung inhaltlicher Voraussetzungen einer Professionalisierung des Management auf Zeit. Als zentrale inhaltliche Voraussetzung kann dabei die Definition und Entwicklung professioneller Kompetenz von Interim Managern angesehen werden.879 Allerdings sind die Merkmale professioneller Kompetenz für Manager auf Zeit bislang keineswegs definiert. Zwar existieren zahlreiche 873 874 875 876 877 878 879
Vgl. zum Durchsetzungsfähigkeit und Suche nach Abwechslung als Teil des Selbstbilds von Interim Managern Bach et al. (2007), S. 11f. Vgl. Clegg et al. (2007), S. 501, 508. Vgl. Greenwood et al. (2002), S. 59, 61f. „Man muß sehr klar sagen, was Interim Management ist, und was es nicht ist. Dafür muß man miteinander reden.“ (Gesprächspartner im Interview, Februar 2007). Vgl. Reinspach (1994), S. 125, Hogg/Terry (2000), S. 123. Vgl. dazu eingehender III.3.2(1). Vgl. u.a. Kairat (1969), Forsyth/Danisiewicz (1985). Zur allgemeinen Bedeutung von Wissen im Rahmen der Professionalisierung vgl. II.1.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Merkmalskataloge unterschiedlicher Provenienz.880 Dennoch ist derzeit keine einheitliche Definition dessen auszumachen, worin die professionelle Kompetenz von Interim Managern präzise besteht bzw. bestehen soll. Aus diesem Grunde bedarf es im Rahmen der Professionalisierung des Managements auf Zeit – analog zur beschriebenen Findung einer kollektiven Identität – eines kollektiven Reflexionsprozesses, der eine Definition der als zentral erachteten Kompetenzanforderungen zum Ziel hat. Eine diesbezügliche Definition kann im Kontext der Professionalisierung als Beitrag zur Akademisierung und Theoriebildung (theorization) des Managements auf Zeit verstanden werden und legt damit eine wichtige Grundlage einer weiteren Institutionalisierung.881 Einen fruchtbaren Ansatzpunkt eines kollektiven Reflexionsprozesses zu professionellen Kompetenzprofilen bietet ein Bezug auf die Rollen bzw. Rollensegmente, die die Interaktion von Interim Managern im Kontext des Dienstleistungsprozesses prägen.882 Um im Rahmen einer Professionalisierung Relevanz zu erlangen, sollten Reflexionen zu Rollen von Managern auf Zeit bestimmte Kriterien hinsichtlich der „Neuheit“ des einbezogenen Wissens, der Wirksamkeit im Sinne einer Verhaltensänderung sowie einer gewissen Nachhaltigkeit erfüllen.883 Inwiefern die Erreichung dieser Kriterien in konsistenter Weise sichergestellt werden kann, hängt davon ab, ob es gelingt, einen kollektiven Reflexionsprozeß auf Ebene der Berufsgruppe zu initiieren. Angesichts des Eigensinns der Interim Manager und deren unterschiedlicher Reflexionskontexte kann eine konsistente Professionalisierung des Interim Managements nur gedeihen, wenn es gelingt, dem notwendigen Reflexionsprozeß eine einheitliche Richtung zu geben. Dies kann durch die Einbettung in einen übergreifenden Bezugrahmen geschehen.884 Da die Professionalisierung ihren Bezugspunkt in der Reflexion zu Rollen hat, ist es naheliegend, daß dieser im Kern eine Systematik der zentralen Rollen und Aufgaben enthält, die Interim Manager im Rahmen der Leistungserstellung für den Kunden einnehmen.885 Die zentralen Aufgaben eines Managers auf Zeit können in der Führung einer (Teil-)Organisation, in der Umsetzung von Veränderungsprozessen sowie zu einem
880 881 882 883 884
885
Vgl. u.a. Inkson et al. (2001), S. 273, Bloemer (2003), S. 87ff., Tiberius (2004b), S. 24. Vgl. Greenwood et al. (2002), S. 60. Zum Zusammenhang zwischen Professionalisierungsphänomen und Rollen bzw. Rollenreflexion vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 144, Kniehl (1997), S. 15. Vg. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 144. Im Zusammenhang mit der Sicherstellung einer konsistenten Professionalisierungsentwicklung führt Ringlstetter/Kniehl (1995) neben der Bereitstellung eines übergreifenden Bezugsrahmens die Etablierung einer spezifischen (Problemlösungs-) Philosophie an, die an ersteren anknüpft und diesen im Kontext unterschiedlicher Reflexionskontexte ergänzt, vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 147f. Zum Zusammenhang bzw. zur Unterscheidung der Begriffe Rolle und Aufgabe vgl. u.a. Staehle (1999), S. 274.
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gewissen Grad in der Beratung des Kunden bestehen.886 Dabei können für Interim Manager unterschiedliche prototypische Rollen unterschieden werden, innerhalb derer sich diese Aufgaben(-komponenten) in charakteristischer Weise niederschlagen (vgl. Abbildung III-1):887 Interim Manager i.e.S
Projektmanager
Führungskraft auf Zeit
Berater / Spezialist
Führungskraft
Führungskraft
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Abbildung III-1: Interim Management Rollen im organisationalen Kontext
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Führungskräfte auf Zeit überbrücken Vakanzen für ihre Kunden. Sie übernehmen für begrenzte Zeit Verantwortung für die Abwicklung des „Tagesgeschäftes“, ohne jedoch eine umfangreichere strukturelle Veränderung zu realisieren. Projektmanager lösen für ihre Kunden vorübergehende Sonderaufgaben im Rahmen eines klar festgelegten Zeitraums und setzen diese um. Sie sind oftmals Spezialisten für ganz bestimmte Themenstellungen. Über den Projektauftrag hinaus übernehmen sie jedoch in der Regel keine Führungsaufgaben in der Kundenorganisation. Manager auf Zeit i.e.S. schließlich vereinen die aufgeführten Merkmale der Führung und Veränderung. Sie übernehmen für den Kunden Verantwortung für Führung und Umsetzung in spezifischen Situationen. Ihr Einsatz erfolgt oftmals aufgrund von Krisen, die eine strukturelle Veränderung eines Unternehmens erfordern. Die Rolle des verantwortlichen Krisenmanagers stellt die vielleicht bekannteste Rolle des Managements auf Zeit dar. Sie erreicht in jüngerer Zeit
Abweichend zur in dieser Arbeit verwendeten Nomenklatur verwendet Reijniers (2003c) zur Beschreibung der unterschiedlichen Aufgaben(-komponenten) Management, Change und Consulting den Terminus „roles“, vgl. u.a. Reijniers (2003c), S. 35f. Die folgende Differenzierung unterschiedlicher Rollen erfolgt in Anlehnung an Reijniers (2003c), S. 35f., Reijniers/Groß (2007), S. 10f. Die aufgeführten Rollen von Interim Managern können als Prototypen verstanden werden, deren reale Ausgestaltung Raum für Kombinationen und Mischformen läßt. Verändert übernommen aus Reijniers (2006b).
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eine weitere Öffentlichkeit im Rahmen der Bezeichnung als sog. Chief Restructuring Officer (CRO).889 Die Rolle eines Beraters schließlich beinhaltet grundsätzlich die Erbringung einer Beratungsleistung, bspw. in Form eines Coachings, für den Kunden. Darüber hinaus sieht diese Rolle keine Übernahme von Führungs- oder Umsetzungsverantwortung vor. Angesichts dieser Einschränkungen kann deshalb geschlossen werden, daß der Rolle des Beraters im Kontext des Managements auf Zeit eher ein ergänzender Charakter zukommt.
Die hier prototyphaft aufgeführten Rollen von Interim Managern finden ihren Niederschlag in unterschiedlichen Anforderungs- und Kompetenzprofilen für Manager auf Zeit. Für deren individuellen Erwerb und ihre Entwicklung bilden die kollektiven Reflexionsprozesse einen Ausgangspunkt. (2) Entwicklung professioneller Kompetenz als Ansatz individueller Professionalisierungsstrategien Anknüpfend an die Ergebnisse eines kollektiven Reflexionsprozesses zur Definition professioneller Rollen und korrespondierender Kompetenzprofile von Interim Managern ist die individuelle Entwicklung der entsprechenden Kompetenzen Gegenstand individueller und kompetitiver Ansätze der Professionalisierung. Der Begriff der Kompetenz steht als umfassendes Konstrukt für die Gesamtheit aller kognitiv-intellektuellen Fähigkeiten eines Managers in Form von Wissen, Fähigkeiten, Erfahrungen und ggf. Haltungen, die durch den Interim Manager im Hinblick auf die Erreichung eines Ziels eingesetzt werden können.890 Sie bildet die Grundlage professioneller Leistung, die es dem Manager auf Zeit erlaubt, Lösungen für die individuellen und neuartigen Probleme seiner Kunden zu finden und diese umzusetzen. Im Kontext der beschriebenen Differenzierung professioneller Rollen können verschiedene Bereiche professioneller Kompetenz unterschieden werden. Ein fruchtbarer Ansatz liegt in der Unterscheidung zentraler Bereiche, denen unabhängig von der jeweiligen professionellen Rolle des Managers auf Zeit Bedeutung zukommt, sowie weiterer peripherer Bereiche, deren Bedeutung an
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Zum Begriff des Chief Restructuring Officer (CRO) sowie seiner Einordnung in den Kontext des Managements auf Zeit vgl. Völpel et al. (2006), S. 1, 6ff. Die dort geäußerte These einer „Vermarktungsstrategie“ konnte in den im Rahmen dieser Arbeit geführten Interviews weitgehend bestätigt werden. „Wir haben immer schon mit Freelancern und Interim Managern zusammengearbeitet. (…) Seit 2004/05 ist „CRO“ sicherlich ein Zauberwort, insbesondere der angelsächsischen Wettbewerber.“ (Gesprächspartner im Interview, Februar 2007). Zum Begriff der Kompetenz vgl. u.a. Laske/Habich (2004), Sp. 1007 und die dort zitierte Literatur sowie Ringlstetter et al. (2004b), S. 13. Semantisch kann der Begriff auf das lateinische Verb competere (zusammentreffen, zutreffen) zurückgeführt werden.
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spezifische Rollen eines Interim Managers geknüpft ist. In diesem Sinne kann eine Unterscheidung zwischen Schlüssel- und sonstigen Kompetenzen erfolgen. Schlüsselkompetenzen stehen für alle Fähigkeiten, Einstellungen und Wissenselemente, die in möglichst vielen Inhaltsbereichen von Nutzen sind.891 Sie betreffen zentrale Segmente der Rollen von Interim Managern und können in einem engen Zusammenhang mit dem „interimistischen“ der Arbeit von Interim Managern verstanden werden. Anschaulich verdichtet wird zwischen Fach- bzw. Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz unterschieden:892 Als Fachkompetenz werden alle erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung beruflicher Aufgaben bezeichnet. Dazu gehört das Rezeptwissen von Interim Managern zur Lösung wiederkehrender Fragestellungen.893 Dieses kann Themen der primären Wertschöpfungsstufen eines Kunden wie bspw. die Optimierung von Einkaufs-, Produktions- und Vertriebsprozessen oder auch unterstützende Bereiche wie bspw. die Verbesserung der Finanzierung, des Controllings oder der Informationstechnologie umfassen. Das zentrale Merkmal
professioneller Kompetenz ist in diesem Zusammenhang in der unternehmensübergreifenden Übertragbarkeit zu sehen.894 Methodenkompetenz betrifft die konzeptionellen Problemlösungsfähigkeiten eines Managers, d.h. u.a. seine Fähigkeit, Informationen zu beschaffen, Zusammenhänge zu erkennen sowie handlungsrelevante Konsequenzen abzuleiten. Diesem Bereich sind bspw. die Beherrschung und Anwendung von Lern-, Arbeits- und Kreativitätstechniken sowie Gruppenarbeits-, Entscheidungsund Problemlösungstechniken zuzurechnen.895 Seine Bedeutung im Rahmen des Managements auf Zeit erlangt dieser Kompetenzbereich insbesondere im Zusammenhang mit der Strukturierung von Projekten. Die Sozialkompetenz umfaßt schließlich als dritter Bereich der Schlüsselkompetenzen die Fähigkeiten eines Managers auf Zeit im Umgang mit Auftraggebern, Kunden und Mitarbeitern. Im Rahmen des Managements auf Zeit als „people business“ kommt dieser Kompetenz besondere Bedeutung zu. Da sich Manager binnen kurzer Zeit in neue Organisationen einfinden müssen, ist es von großer
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Vgl. ähnlich Orth (1999), S. 107. Zur Kennzeichnung und systematischen Unterscheidung verschiedener Kompetenzen existieren in der personalwirtschaftlichen und führungstheoretischen Literatur vielfältige Ansätze; vgl. für einen Überblick z.B. Reineke/Sauer (1991), S. 20ff., Nordhaug/Gronhaug (1994), S. 90f., Laske/Habich (2004), Sp. 1008f.Vgl. zu den Begriffen technical, conceptual und social skills im Rahmen des sog. three-skill-Ansatzes Katz (1974), S. 91ff., Katz (1980), S. 8ff., Reineke/Sauer (1991), S. 20ff., Becker (1993), S. 94f., Kaiser (2001), S. 33f. Vgl. Glamsch (2001), S. 149f., Johner-Glamsch (2004b), S. 104f. „Es gibt Dinge, die können sie überall machen. Da ist es wurscht, ob das eine Schokoladenfabrik ist oder ein Bauunternehmen.“ (Interview mit einem Manager auf Zeit in Glamsch (2001), S. 150). Vgl. Ribbert (1995), S. 102ff.
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Notwendigkeit, schnell Beziehungen zu Auftraggebern und Mitarbeitern aufbauen und sich mit ihnen verständigen zu können.896 Im Gegensatz zu den dargestellten Schlüsselkompetenzen sind sonstige Kompetenzen von Interim Managern eher einem peripheren Bereich zuzuordnen. Die Kenntnis bestimmter Branchen oder spezifischer betrieblicher Funktionen erlangt ihre Relevanz im Rahmen entsprechender professioneller Rollen. Sie können in ihren jeweiligen Ausprägungen weitgehend variieren, da die Dienstleistung per se keine inhaltliche Festlegung kennt.897 Im Rahmen des Erwerbs individueller professioneller Kompetenz ergibt sich ein enger inhaltlicher Zusammenhang zum Thema der Personalentwicklung. Diese kann im vorliegenden Kontext als Gesamtheit aller Maßnahmen mit dem Ziel des Aufbaus professioneller Kompetenz und damit dem Aufbau strategischer Erfolgspotentiale gesehen werden. Im Rahmen individueller Professionalisierung werden Manager auf Zeit zu Unternehmern an der eigenen Humanressource.898 Dabei bieten sich ihnen zum Erwerb individueller professioneller Kompetenz unterschiedliche Ansatzpunkte. Im Rahmen der Maßnahmen der individuellen Personalentwicklung der Management auf Zeit Professionals kann zweckmäßigerweise zwischen den Phasen der Ausbildung und weitergehenden Lernphasen bzw. -prozessen unterschieden werden, die gemeinsam die Kompetenz des jeweiligen Managers determinieren.899 Hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Erwerb unterschiedlicher Kompetenzen, namentlich im Sinne der getroffenen Unterscheidung zwischen Fach- und Schlüsselkompetenzen, ist diesen allerdings unterschiedliche Stellenwerte zuzumessen.
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Eine akademische Ausbildung zu ökonomischen Themenstellungen kann als Grundlage professioneller Kompetenz von Interim Managern angesehen werden. Sie vermittelt eine grundlegende fachliche Qualifikation. Zwar existieren keine grundständigen Studienprogramme, die auf die erforderlichen Kompetenzen von Interim Managern ausgerichtet sind. Als naheliegende Bezugswissenschaft kann jedoch die Betriebswirtschaftslehre angesehen werden. Ein betriebswirtschaftliches Studium ist insbesondere auf den Erwerb von Fach- und Methodenwissen zu allgemeinen Fragestellungen des Managements ausgerichtet und vermittelt
Vgl. Glamsch (2001), S. 151, Johner-Glamsch (2004b), S. 110f. Grundsätzlich können alle fachlichen Aufgabenfelder in einer Unternehmung durch Management auf Zeit abgedeckt werden, sofern unternehmerische Belange dies erfordern. Festzuhalten bleibt jedoch in diesem Zusammenhang, daß die Anforderungen an externe Manager in der Regel die an einen dauerhaften Stellinhaber übersteigen. Gründe dafür sind in den besonderen Anforderungen zu suchen, die einen Einsatz externer Manager erforderlich machen. Für eine weitergehende Erörterung dieser Differenzierung vgl. I.1.3(1). Vgl. Ringlstetter (1998), S. 12ff. Vgl. grundsätzlich Drumm (2005), S. 381 sowie im Zusammenhang mit Management auf Zeit u.a. Ribbert (1995), S. 106.
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somit eine grundlegende fachliche Qualifikation. Allein reicht es jedoch keineswegs aus, um die dargestellten Rollen eines Interim Managers ausfüllen zu können. Aus diesem Grunde ist im Zuge der Professionalisierung von Managern auf Zeit die Bedeutung einer anhaltenden persönlichen Weiterentwicklung und kontinuierlicher Lernprozesse mit dem Ziel der weiteren Kompetenzentwicklung über die gesamte Dauer der Karriere hervorzuheben. Diese Ansätze lassen sich nach ihrer Beziehung zum Kerntätigkeitsbereich von Managern auf Zeit systematisieren. Abseits der Tätigkeit im engeren Sinne, d.h. „off the job“ außerhalb von Projektaufträgen, besteht die Möglichkeit zur klassischen Weiterbildung im Sinne eines Lernens durch synthetische Erfahrungen.900 Weiterbildungsangebote eröffnen vielfältige Möglichkeiten, gezielt fachliche und methodische Themen aufzubauen oder aufzufrischen. Mittlerweile existieren erste Angebote, die den Anspruch erheben, auf Interim Manager zugeschnitten zu sein.901 Grundsätzlich können jedoch alle Weiterbildungsangebote relevant sein, die die als zentral identifizierten Themen des Managements auf Zeit betreffen. Eine Herausforderung besteht dabei jedoch jeweils darin, solche Themen zu wählen, die Relevanz für Kunden besitzen und einen Transfer zu realen Problemstellungen zulassen. Angesichts der Einschränkungen der angeführten Ansatzpunkte besteht der wohl wichtigste Ansatzpunkt zur Entwicklung professioneller Kompetenz von Interim Managern „on the job“, d.h. im Rahmen ihrer Projekttätigkeit selbst. In ihrer Gesamtheit bilden die Projekte die Quelle der Erfahrung und der Reputation von Managern. In diesem Bewußtsein kann eine potentialorientierte Auswahl von Projekten einen kontinuierlichen Lernprozeß relevanter Erfahrungen sicherstellen und damit die Grundlage einer nachhaltigen professionellen Entwicklung von Interim Managern legen. Die dabei gesammelten persönlichen Erfahrungen sind als implizites Wissen nicht bzw. schwer kodifizierbar und an die Person des Managers gebunden.902 Im Kontext der Professionalisierung bildet der Aufbau individueller Kompetenz die Grundlage des Kundenvertrauens. Insbesondere in der Zweckrationalität von Geschäftsbeziehungen bildet die wahrgenommene Kompetenz einen zentralen Faktor der Auswahlentscheidung von Kunden.903 Hinsichtlich ihres Aufbaus ist jedoch einschränkend zu festzustellen, daß die aufgeführten Kompetenzbereiche ihre Wirkung im Rahmen der professionellen Dienstleistungserstellung nur im 900 901 902
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Vgl. Kaiser (2001), S. 90. o.V. (2005b). Implizites Wissen ist im Gegensatz zu explizitem Wissen stark personen- und kontextgebunden. Der Begriff des impliziten Wissen geht auf den ungarischen Biologen und Philosophen Michael Polanyi zurück, vgl. Polanyi (1967), S. 4. Vgl. Däfler, S. 16ff., Groß/Kieser (2006), S. 91, in diesem Sinne ebenfalls Koepff (2007), S. 86.
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Verbund entfalten.904 Dabei bieten einige Bereiche professioneller Kompetenz jedoch nur in eingeschränkter Weise die Möglichkeit eines zielgerichteten Aufbaus und Erlernens. Dazu kann insbesondere die Sozialkompetenz gezählt werden. Dieser Umstand erklärt die Tatsache, daß manche Interim Manager zu einer Mystifizierung der „Persönlichkeit“ im Sinne eines Glaubens an ihre besondere Erfolgsrelevanz tendieren.905
III.3.2 Nach außen gerichtete Ansatzpunkte einer Professionalisierung Während die nach innen gerichteten Ansätze im Rahmen des Gesamtprozesses der Schaffung inhaltlicher und prozessualer Voraussetzungen dienen, finden die Professionalisierungsbestrebungen des Managements auf Zeit ihren Zweck in den Beziehungen zu externen Anspruchsgruppen. Nach außen gerichtete Ansätze zur Professionalisierung adressieren insbesondere die Interaktion mit Kunden im Rahmen des Dienstleistungsprozesses des Managements auf Zeit. Ihr Ziel besteht in einer allgemeinen Reduzierung der Unsicherheit. Ansätze kollektiver Professionalisierung setzen dabei auf den Aufbau von Legitimität durch gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit sowie die Entwicklung institutionellen Vertrauens durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen (1). Ansätze individueller Professionalität manifestieren sich in der vertrauensbildenden Ausgestaltung des Dienstleistungsprozesses sowie im Aufbau einer professionellen Reputation (2). (1) Aufbau von Legitimität und Vertrauen als Ansätze kollektiver Professionalisierungsstrategien Nach außen gerichtete, kollektive Ansätze zur Professionalisierung des Managements auf Zeit haben in der Beziehung zu Kunden ihren zentralen Bezugspunkt. Dabei können Professionalisierungsbestrebungen jedoch nicht auf Informations- und Kommunikationsprobleme reduziert werden.906 Vor dem Hintergrund des Wettbewerbs mit Anbietern ähnlicher Dienstleistungen zielt die Professionalisierung des Managements auf Zeit zunächst auf dessen Etablierung als Dienstleistungsformat. Im Mittelpunkt stehen dabei insbesondere die Aspekte des Aufbaus einer grundlegenden Legitimität (a) sowie der Schaffung kollektiver institutioneller Rahmenbedingungen zur Genese von Vertrauen (b). 904 905
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Vgl. Reineke/Sauer (1991), 26. Vgl. Johner-Glamsch (2004b), S. 99. Eine derartige Bewertung kann im Sinne einer Eigenschaftstheorie der Führung verstanden werden, die den Erfolg von Führung in einen engen Zusammenhang mit der Person des Führenden stellt, vgl. Drumm (2005), S. 515. Vgl. Kairat (1969), S. 74.
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(a) Etablierung des Dienstleistungsformates durch den Aufbau von Legitimität: Insbesondere vor dem Hintergrund des Wettbewerbs mit Anbietern ähnlicher Dienstleistungen zielt die Professionalisierung des Managements auf Zeit darauf, die Legitimität der Dienstleistung in den Augen potentieller Kunden sicherzustellen und aufzubauen. Ansatzpunkte eines aktiven Aufbaus von Legitimität bieten gemäß dem im Rahmen der vorliegenden Arbeit getroffenen Verständnis die Steigerung der Kenntnis und des Verständnisses des Leistungsangebotes sowie einer grundsätzliche Wertschätzung seitens potentieller Kunden und Rollenpartner.907 Zur Erreichung dieser Ziele im Sinne eines aktiven Aufbaus von Legitimität bieten sich unterschiedliche Ansatzpunkte der Beeinflussung potentieller Rollenpartner an:908 Zum einen kann eine Beeinflussung durch die Berufsgruppe selbst erfolgen. Durch kollektive Öffentlichkeitsarbeit können Bekanntheit und Verständnis des Leistungsangebotes von Managern auf Zeit wesentlich verbessert werden. Im Rahmen der dazu erforderliche Koordination können kollektive Institutionen eine wesentliche Rolle spielen.909 Ihnen kommt als zentrale Instanz die Aufgabe zu, die professionelle Identität sowie die professionellen Rollen von Interim Managern in konsistenter Weise zu vermitteln. Zudem wird kollektiven Institutionen von potentiellen Kunden eine größere Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit zugestanden. Kollektive Öffentlichkeitsarbeit kann sich der Mittel allgemeiner Werbung, bspw. durch die Herausgabe von Broschüren oder Anzeigen in Tagesoder Fachzeitschriften, bedienen. Besonders geeignet im Rahmen der Professionalisierung sind jedoch indirekte Formen der Öffentlichkeitsarbeit, d.h. Veröffentlichungen von redaktionellen Artikeln, Studien und Büchern durch Mitglieder. Auch die Vermittlung von Auftritten bei geeigneten Vortragsveranstaltungen, Kongressen und Seminaren können einen wertvollen Beitrag zum Verständnis potentieller Kunden leisten.910 Neben einer Kommunikation durch Angehörige der Berufsgruppe selbst kann zum anderen eine Einbindung strategischer Partner, bspw. akademische Institutionen und Kunden, erfolgen. Ihnen kann insbesondere im Kontext der Bewertung der Leistung entsprechender Einfluß beigemessen werden. Gemeinsam dienen diese Ansätze einem verbesserten Verständnis (i) sowie einer gesteigerten Wertschätzung seitens potentieller Kunden (ii).
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Zu den verschiedenen Facetten und Abstufungen des Legitimitätsbegriffes vgl. u.a. Aldrich/Fiol (1994), S. 645ff., Suchman (1995), S. 577ff. Ein aktiver Aufbau von Legitimität kann im Rahmen eines strategischen Verständnis des Begriffes verstanden werden, vgl. Pfeffer (1981), Suchman (1995); neben aktiven Strategien einer Legitimation, die im vorliegenden Fall von besonderer Relevanz sind, werden in der Literatur Passiv- und Vermeidungsstrategien genannt, vgl. u.a. Oliver (1991), 152, Suchman (1995), S. 600, Mohe/Höner (2006), S. 13ff. Vgl. Greenwood et al. (2002), S. 61. Vgl. in ähnlichem Kontext Barchewitz/Armbrüster (2004), S. 69f.
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Teil III: Ansätze zur Professionalisierung (i) Kenntnis und Verständnis der Dienstleistung
Grundlegender Ansatzpunkt zur Legitimität und damit zur Professionalisierung Managements auf Zeit ist notwendigerweise eine grundlegende Kenntnis angebotenen Dienstleistung seitens potentieller Kunden. Demnach hängt Erreichung einer kognitiven Legitimität eng mit einer weiteren Steigerung
des der die der
Bekanntheit von Management auf Zeit zusammen. Eine Steigerung der Bekanntheit ist im Rahmen der Professionalisierung des Managements auf Zeit hingegen nur von eingeschränktem Wert, wenn sie nicht mit einem gleichermaßen verbesserten Verständnis des Dienstleistungsangebotes einhergeht. Kunden sind potentielle Rollenpartner. Ihr Verständnis des Dienstleistungsangebotes kann in enger Verbindung mit dem Aufbau konsistenter Rollenerwartungen betrachtet werden. Diese können in zweierlei Hinsicht einer Etablierung des Managements auf Zeit als Dienstleistungsformat dienen. Zum einen dient die Kommunikation der bereits innerhalb der Berufsgruppe identifizierten und definierten Rollen der Erklärung der professionellen Leistung gegenüber potentiellen Kunden. Zum anderen kann in diesem Zuge auch eine Schärfung und Differenzierung gegenüber konkurrierenden Angeboten erreicht werden. Diese kann in zwei Richtungen erfolgen. Eine horizontale Differenzierung grenzt die Leistung des Managements auf Zeit gegenüber anderen konkurrierenden Dienstleistungsangeboten, bspw. der Unternehmensberatung, ab. In vertikaler Hinsicht hingegen kann eine Schärfung innerhalb der Berufsgruppe erfolgen.911 Diese zielt auf eine Abgrenzung von Management auf Zeit Professionals gegenüber anderen Anbietern, denen u.U. eine geringere Kompetenz und Dienstleistungsqualität zugeschrieben wird. (ii) Wertschätzung der Dienstleistung Ein verbessertes Verständnis des Managements auf Zeit als Dienstleistungsformat sowie konsistente Rollenerwartungen bilden die Grundlage für eine Bewertung des Interim Managements durch potentielle Kunden. Um Kunden mit dem potentiellen Nutzen und Wertbeitrag der angebotenen Interim Management Leistungen vertraut zu machen, bedarf es zusätzlicher Kommunikation. Ein derartiges Marketing der Wertbildung richtet sich insbesondere auf eine verbesserte Nutzenzuweisung.912 Aufgrund des engen Bezugs zu individuellen Kundeninteressen kann vom Aufbau pragmatischer Legitimität gesprochen werden.913 Diese orientiert sich am erwarteten Nutzen, der mit der Beauftragung von Managern auf Zeit verbunden ist. Das Marketing der Wertbildung bedarf aufgrund der hohen Komplexität und Erklärungsbedürftigkeit der angebotenen Interim Management Leistungen 911 912 913
Vgl. Kairat (1969), S. 60ff. Vgl. Miethe (2000), S. 13ff. am Beispiel der Organisationsentwicklung. Vgl. Suchman (1995), S. 578.
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persönlicher Kommunikation, bspw. in Form eigener Vortragsveranstaltungen und Seminare.914 Dabei kann der Wahl des Teilnehmerkreises besondere Bedeutung zukommen. Hinsichtlich der Darstellung des durch Management auf Zeit generierten Nutzens erscheint es nicht zweckmäßig, diesen nur durch Angehörige der Berufsgruppe zu kommunizieren. Bei einer als zu offensiv empfundenen Darstellung droht ein gegenteiliger Effekt: Versuchen Manager auf Zeit offensichtlich, ihre Legitimation zu steigern, kann dies paradoxerweise neues Mißtrauen in die Kompetenz und damit Legitimationsverluste generieren (self-promoter’s paradox).915 Der Grund dafür liegt darin, daß die Beteuerung von Kompetenz in einem reziproken Verhältnis zu deren tatsächlicher Existenz gesehen wird. Ein Durchbrechen dieses drohenden Teufelskreises kann durch die Einbindung geeigneter strategischer Partner gewährleistet werden, denen im Rahmen des Prozesses der Meinungsbildung Einfluß zugesprochen werden kann.916 Dazu können bspw. Kooperationen mit Referenzkunden oder eine Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen, d.h. mit Universitäten und Weiterbildungsinstitutionen dienen.917 Eine weitere grundsätzliche Option bildet die Einbindung staatlicher Institutionen in den Prozeß der Professionalisierung. Der Erfolg von Lobbyarbeit mit dem Ziel einer staatlichen Regulierung muß jedoch vor dem Hintergrund der begrenzten Bedeutung der Berufsgruppe im gesamtwirtschaftlichen Kontext als beschränkt eingeschätzt werden. (b) Aufbau von institutionellem Vertrauen durch die Gestaltung geeigneter Rahmenbedingungen: Neben Legitimität ist es insbesondere der Aufbau von Vertrauen in der Beziehung zu potentiellen Kunden, der eine zentrale Aufgabe im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen bildet. Auf kollektiver Ebene zielen Professionalisierungsansätze auf den Aufbau institutionellen Vertrauens. Institutionelles Vertrauen zeichnet sich gegenüber anderen Vertrauensarten durch sein spezifisches Bezugsobjekt aus: Im Gegensatz zu solchem Vertrauen, das Managern auf Zeit persönlich entgegengebracht wird (personal trust), wird institutionelles Vertrauen (institutional-based trust) bzw. Systemvertrauen (system trust) als unpersönlich bezeichnet.918 An die Stelle persönlicher Bezugsobjekte treten abstrakte Institutionen bzw. soziale Systeme als Quelle des Vertrauens.919 Im Kontext der fokalen Berufsgruppe, insbesondere angesichts ihrer bislang wenig
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Vgl. Jeschke (2004), S. 168. Vgl. Jones/Pittman (1982), S. 243, Ashforth/Gibbs (1990), S. 186, Mohe/Höner (2006), S. 16. Vgl. Oliver (1991), S. 152, 157f., Mohe/Höner (2006), S. 13f. Ansatzpunkte zur Kooperation mit Hochschulen können gemeinsame Forschungsvorhaben zu bestimmten Fragestellungen oder die Schaffung geeigneter Bildungsangebote sein; vgl. dazu allgemein Ringlstetter/Kaiser (2002), S. 77ff. Vgl. Schmitz (1997), S. 163, Luzio (2006), S. 554. Vgl. u.a. Luzio (2004), S. 7f.
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ausgeprägten institutionellen Professionalitätsmerkmale, kann der Begriff der Institution relativ weit gefaßt werden. Im Sinne des Neo-Institutionalismus können Institutionen als soziale Regeln verstanden werden, die innerhalb organisationaler Prozesse auf eine dauerhafte, verbindliche und maßgebliche Beeinflussung menschlichen Verhaltens zielen.920 Diesem Begriffsverständnis folgend sind auch Standards, Normen und Regeln als Institutionen zu bezeichnen.921 Deren Formalisierung bildet einen üblichen Bestandteil der Entwicklung neuer Märkte.922 Sie kann in zweierlei Hinsicht als Vertrauensquelle fungieren: Einerseits wirken formale Standards und Normen innerhalb gewisser Grenzen in Richtung einer weiteren Vereinheitlichung der kundenseitigen Kompetenzanforderungen und Rollenerwartungen an Manager auf Zeit.923 Andererseits wirken sie normierend und stabilisierend auf das auftragsbezogene Verhalten der Manager auf Zeit. Im Rahmen der Betrachtung institutioneller Ansatzpunkte kann zwischen einer inhaltlichen Dimension sowie deren Kontrolle und ggf. Durchsetzung unterschieden werden. Ansatzpunkte einer inhaltlichen Formalisierung bieten die Normierung der Kompetenz der Interim Manager sowie deren auftragsbezogenen Verhaltens. Eine Formalisierung der Kompetenz von Interim Managern schlägt sich in einheitlichen Anforderungen an ihr Wissen und ihre Erfahrung nieder. Als Nachweis können bspw. Zeugnisse als Beleg entsprechender Aus- und Weiterbildungsstufen dienen. Einheitliche Anforderungen bieten die Möglichkeit einer grundlegenden Aussage zur Gruppenzugehörigkeit. Im Kontext des Fehlens einheitlicher und verbindlicher Regelungen können die formulierten Anforderungen als Zulassungssubstitute fungieren. Inhaltliche Anforderungen an die Kompetenz von Interim Managern sind insofern geeignet, Vertrauen zu generieren, als sie Kunden eine Bewertungsgrundlage geben und so die Bewertung von Kompetenz erleichtern. Neben der Formalisierung von Kompetenzanforderungen bildet die Normierung des auftragsbezogenen Verhaltens der Manager auf Zeit einen Ansatz zur Professionalisierung. Eine Normierung des Verhaltens kann die relationale Unsicherheit für Unternehmen in der Beziehung zu externen Managern verringern, indem es die Rollenerwartungen der Kunden vereinheitlicht und defektivem Verhalten seitens der Interim Manager entgegenwirkt. Seinen Niederschlag finden entsprechende Verhaltensnormen in einem Verhaltenskodex. Eine umfassende Möglichkeit zum Nachweis von Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit bildet die Angabe detaillierter
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Vgl. Senge (2005), S. 120, Senge (2006), S. 35 unter Rekurs auf Luhmann (1996), S. 111ff. Vgl. Brunsson/Jacobsson (2002), S. 8. Vgl. DiMaggio/Powell (1983), S. 155 sowie im Kontext professioneller Dienstleistungen Glückler/Armbrüster (2003), S. 275. Vgl. Schmitz (1997), S. 163, 187ff. und die dort zitierte Literatur. Einen inhaltlichen Ausgangspunkt bilden dabei die Erörterungen zur Definition der professionellen Leistungsfähigkeit von Interim Managern (vgl. Abschnitt III.3.1(2)).
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Referenzen, die es potentiellen Kunden erlauben, die gemachten Angaben von Interim Managern mit den Erfahrungen von Referenzgebern abzugleichen. Neben der Formulierung inhaltlicher Ansatzpunkte einer Normierung kommt insbesondere der Frage der Kontrolle besondere Bedeutung zu. Die Wirksamkeit von Normen und Regeln im Sinne der Generierung von Vertrauen besteht nur, wenn deren Einhaltung sichergestellt werden kann. Die Funktionsfähigkeit systemimmanenter Kontrollmöglichkeiten bildet die Grundlage möglichen Systemvertrauens.924 Die Kontrolle und Durchsetzbarkeit von Normen steht in einem engen Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Institutionen. Während im Rahmen von Professionalisierungsbestrebungen grundsätzlich verschiedene Institutionen in Frage kommen können, erweisen sich im vorliegenden Fall des Managements auf Zeit angesichts fehlender staatlicher Regelungen lediglich kollektive Normen und bilaterale Verträge als relevant.925 Deren Durchsetzbarkeit in einem gerichtlichen Sinne muß angesichts der Komplexität von Management auf Zeit-Dienstleistungen als zweifelhaft erachtet werden.926 Aufgrund ihrer großen Bedeutung für Management auf Zeit-Anbieter kann jedoch der Reputation eine über fixierte Regeln hinausgehende disziplinierende Wirkung zugeschrieben werden.927 Der selbstregulierende Charakter dieses Reputationsmechanismus ermöglicht eine effektive Kontrolle im Rahmen von Markbeziehungen. Eine positive bzw. negative Sanktionierung durch Kunden setzt jedoch notwendigerweise voraus, daß diese die getroffenen Regelungen kennen und im Rahmen ihrer individuellen Auswahlentscheidung als relevant erachten. Um die Wirksamkeit von Qualitätsnormen sicherzustellen, können kollektive Anstrengungen deshalb daran ansetzen, die Transparenz des Marktes für Kunden zu verbessern. Eine derartige Verbesserung läßt sich ökonomisch als Verbesserung der Markteffizienz im Sinne einer Reduzierung der Such- und Kontrollkosten verstehen. In diesem Zusammenhang können einzelne Akteure und berufsständische Institutionen unterschiedliche Funktionen einnehmen:
Eine Verringerung der Suchkosten können kollektive Institutionen durch die zentrale Bereitstellung von Informationen erreichen. Mittels einer zentralen Datenbank können sie Kunden bspw. die Gelegenheit geben, nach gewünschten Kompetenzen und räumlicher sowie zeitlicher Verfügbarkeit von Interim Managern zu suchen. Damit können sie die Auffindbarkeit ihrer Mitglieder steigern und Darstellung ihrer Kompetenz verbessern. Der Einsatz moderner Informationsmedien hilft Angebot und Nachfrage effizient abzugleichen.
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Vgl. Luhmann (1989), S. 65 sowie im Kontext professioneller Dienstleistungen Schmitz (1997), S. 164. Vgl. Clark (1993), S. 246f. Vgl. in diesem Sinne Schade (1996), S. 138f. Vgl. Klein (1985), S. 595.
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Gleichzeitig bildet eine derartige Darstellungsmöglichkeit einen selektiven Anreiz zur Teilnahme an kollektiven Institutionen. Eine weitere Verbesserung der Markteffizienz kann durch die Verringerung der Kontrollkosten erreicht werden. So kann bspw. der Aufbau eines umfassenden Feedback- und Referenzsystems Kunden die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit eines potentiellen Vertragspartners erleichtern. Auf Basis detaillierter Informationen zu Kompetenz und Verhalten eines Managers in vergangenen Projekten können sie die gemachten Angaben mit den Erfahrungen von Referenzgebern abgleichen, die als „Vertrauensintermediäre“ fungieren.928 Ihre Aussage ist besonders aussagekräftig, weil sie bereits auf persönliche Erfahrung mit dem Manager zurückblicken können und hinsichtlich nachfolgender Projekte eine unabhängige Position einnehmen.929 Zur Klärung strittiger Fragen können kollektive Institutionen die Rolle einer Schlichtungsstelle einnehmen. Als sog. trilateral governance stehen sie den Vertragsparteien beratend zur Seite.930 Im Vergleich mit staatlichen Gerichten wird entsprechenden fachspezifischen Gremien eine Sachkenntnis und Flexibilität zugesprochen.
Der Aufbau institutionellen Vertrauens in Form von Normen und Regeln steht in einem engen Zusammenhang mit der Entstehung von Vertrauen auf individueller Ebene. Diese sind geeignet, den Aufbau individuellen Vertrauens zu begünstigen und zu kanalisieren. (2) Kommunikation professioneller Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit als Ansätze individueller Professionalisierungsstrategien Neben den erörterten kollektiven Ansatzpunkten des Aufbaus von Legitimität und institutionellem Vertrauen bedarf es zur Professionalisierung des Managements auf Zeit auch individueller Ansätze. Während auf einer kollektiven Ebene relevante Rahmenbedingungen geschaffen werden, richten sich die individuellen Maßnahmen auf den Aufbau individueller Professionalität in der Beziehung zwischen Interim Management Professionals und Kunden. Wie im Rahmen dieser Arbeit bereits dargestellt wurde, sind die Beziehungen zwischen Interim Managern und Kunden in zweierlei Hinsicht Gegenstand von 928 929
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Zum Begriff vgl. Granovetter (1973), S. 1372, 1374, Coleman (1990), S. 180ff. sowie (in anderem Zusammenhang) Koepff (2007), S. 182ff. In dieser Unabhängigkeit liegt ein struktureller Unterschied zu gegenwärtigen Geschäftsmodellen professioneller Dienstleister, die eine Vermittlung von Interim Managern anbieten. Ihre Grenzen finden derartige Referenzen ggf. lediglich in der Vertraulichkeit von kunden- und projektbezogener Daten. Vgl. Williamson (1996), S. 181.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
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Informations- und Unsicherheitsproblemen: Zum einen besteht für Kunden eine systematische Unsicherheit hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, zum anderen bezüglich einer ausreichenden Leistungsbereitschaft eines Interim Managers.931 Bezugsobjekte des Vertrauens können folgerichtig die professionelle Kompetenz eines Managers als Leistungspotential sowie sein professionelles Verhalten im Sinne der Kooperation und des Verzichts auf opportunistische Verhaltensweisen im Rahmen des Dienstleistungsprozesses sein. Das Ziel individueller Ansätze zur Professionalisierung besteht demnach darin, in beiderlei Hinsicht Vertrauen aufzubauen. Ansatzpunkte zum Aufbau diesbezüglichen Vertrauens lassen sich nach ihrem jeweiligen Bezug zur Beziehung zwischen Managern auf Zeit und ihren Kunden differenzieren. Der Ebene direkter Beziehungen ist die Ausgestaltung des Dienstleistungsprozesses in ihren Phasen der Anbahnung, Durchführung sowie dessen Nachbereitung zuzuordnen (a). Einer beziehungsübergreifenden Ebene hingegen ist der Aufbau einer professionellen Reputation zuzuordnen (b). (a) Ausgestaltung des Dienstleistungsprozesses: Ausgangspunkt der folgenden Erörterungen ist die Annahme, daß der Interaktion zwischen Professionals und Kunden im Rahmen der Entwicklung von Vertrauen im Bereich wissensintensiver Dienstleistungen besondere Bedeutung zukommt. Die Quelle des Vertrauens ist der Interaktionsprozeß selbst (process-based trust).932 Er bietet Kunden eine valide Grundlage zur Beurteilung der angebotenen Leistung und damit zur Reduzierung von Unsicherheit. Aus der persönlichen Erfahrung entsteht Vertrauen (experiencebased trust).933 Deshalb steht zunächst der Dienstleistungskontakt (service encounter) als Gesamtheit aller Interaktionsprozesse zwischen Kunden und Interim Managern im Mittelpunkt der Betrachtung.934 Die Ausgestaltung des Dienstleistungsprozesses als Ansatz individueller Professionalisierung zielt auf die Schaffung von relationalem Vertrauen in die jeweilige professionelle Leistungsfähigkeit und – bereitschaft von Interim Managern. Dazu bieten sich unterschiedliche Ansatzpunkte entlang der Phasen der Projektanbahnung, -durchführung und -nachbereitung. Die Anbahnung und Vorbereitung von Projekten beruht auf einem grundlegenden Verständnis und einer positiven Werteinschätzung der Kunden gegenüber der angebotenen Leistung. Inwiefern auf individueller Ebene ein Marketing der Wertbildung erforderlich ist, hängt vom Kenntnisstand potentieller Kunden ab. Ggf. kann dabei an kollektive Marketingmaßnahmen angeknüpft werden, in deren Zuge Kunden durch allgemeine Öffentlichkeitsarbeit, aber auch in Seminaren und 931 932 933 934
Vgl. u.a. Das/Teng (2001), S. 253f., Glückler/Armbrüster (2003), S. 275ff., Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 102. Vgl. Zucker (1986), S. 60f., Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 104. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 279. Vgl. Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 106.
204
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
Workshops der grundlegende Nutzen des Dienstleistungsformats nahegebracht wird. Auf dieser Basis zielen individuelle Ansatzpunkte auf die Kommunikation individueller Professionalität. Inhaltlich basiert diese Kommunikation auf einer entsprechenden Selbstdarstellung, die den jeweiligen Akteur als legitimen Angehörigen der Berufsgruppe der Interim Manager ausweist. Neben der eigentlichen Kompetenz des jeweiligen Managers beruht die Kommunikation individueller Professionalität insbesondere auf einer Trennung zwischen „Darbietungen auf der Bühne“ und solchen „hinter den Kulissen“.935 Ergänzend können geeignete tangible Elemente als Symbole der Professionalität (symbols of professionalism) genutzt werden und die Kommunikation individueller Professionalität unterstützen.936 Eine professionelle Selbstdarstellung allein vermag jedoch die empfundene Unsicherheit potentieller Kunden nicht nachhaltig zu reduzieren, da ihre Glaubwürdigkeit ohne den Abgleich mit Dritten nicht nachvollziehbar ist. In diesem Sinne kommt persönlichen Netzwerken große Bedeutung zu.937 Referenzen und Empfehlungen erlauben es Kunden, die Glaubwürdigkeit der proklamierten Professionalität zu beurteilen und reduzieren damit die diesbezügliche Unsicherheit. Auch in der Phase der Projektdurchführung bestehen verschiedene Ansatzpunkte, um die Risiken für Kunden zu reduzieren und die zugeschriebene Professionalität zu erhöhen. Eine Schlüsselrolle nehmen dabei die Vertragsgestaltung sowie das Projektmanagement ein.938 Zum Zwecke einer Risikoreduzierung können im Rahmen der Vertragsgestaltung bspw. Vor- bzw. Testprojekte vereinbart werden. Zudem kann die Ausgestaltung des Dienstleistungsvertrages zur detaillierten Darstellung von Leistungskomponenten, Honorarzahlungen sowie der rechtlichen Absicherung im Fall von Konflikten genutzt werden.939 Diese Maßnahmen werden durch ein geeignetes Projektmanagement unterstützt. Eine enge Abstimmung mit dem Kunden sowie die Vereinbarung entsprechender Kontrollinstanzen und –zeitpunkte, bspw. in Form von Lenkungsausschüssen, sind geeignet, die wahrgenommene Unsicherheit hinsichtlich der Gefahr opportunistischen Verhaltens zu reduzieren und die Transparenz des Projektes hinsichtlich Vorgehensweise und Ergebnis zu verbessern.940 Individuelle Professionalisierungsanstrengungen enden nicht mit dem Abschluß einzelner Projekte. Sie umfassen traditionelle Aufgaben der Projektnachbereitung, bspw. der Kontrolle der Nachhaltigkeit der getroffenen Maßnahmen sowie der 935 936
937 938 939 940
Vgl. Giddens (1990), S. 109f., Alvesson (1994), S. 558, Clark/Salaman (1998), S. 27. Vgl. Robertson et al. (2003), S. 841. Die Bandbreite entsprechender Symbolik ist dabei beinahe unbegrenzt. Sie kann neben angemessener Kleidung oder repräsentativer Räumlichkeiten auch hochwertige Arbeitsgerätschaften umfassen. Vgl. Jeschke (2004), S. 167. Vgl. Jeschke (2004), S. 168. Vgl. Schade (1996), S. 144f. Vgl. Schade (1998), S. 1839.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
205
Kundenzufriedenheit, die sich ihrem Schwerpunkt nach auf den Aufbau langfristiger und stabiler Beziehungen zu einzelnen Kunden richten.941 Durch einen nachhaltigen Kontakt zu ehemaligen Kunden können Interim Manager nicht nur Folgeaufträge generieren, sondern sie signalisieren durch den Kontakt auch ihre anhaltende Verantwortung für das Projekt und dessen realisierte Ergebnisse. Darüber hinaus zielen Professionalisierungsbestrebungen jedoch auf eine kundenübergreifende Ebene. Die Übertragung erarbeiteten Vertrauens und professionellen Status zwischen verschiedenen Kunden läßt professionelle Reputation entstehen.942 (b) Aufbau professioneller Reputation: Während der Aufbau erfahrungsbasierten Vertrauens auf einzelne Interaktionen beschränkt bleibt, richtet sich der Aufbau von Reputation an einen weiteren Kreis potentieller Kunden. Die Bedeutung der Reputation von Interim Management Professionals folgt aus den Charakteristika des Marktes sowie des Produktes. Der Aufbau individueller professioneller Reputation dient der Reduzierung der Unsicherheit, denen sich Kunden bei der Beurteilung der angebotenen Dienstleistungsqualität gegenüber sehen. Der Begriff der Reputation steht für die Wahrnehmung professioneller Leistung in der Vergangenheit, die Kunden für eine Voraussage zukünftigen Verhaltens nutzen.943 Die professionelle Reputation eines Akteurs spiegelt demnach die Erwartungen potentieller Kunden hinsichtlich seiner Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit wider. Eine positive Reputation ist Ausdruck des Vertrauens in professionelle Leistungsfähigkeit sowie kooperatives, vertrauenswürdiges Verhalten. Im Rahmen der Darstellung unterschiedlicher Ansatzpunkte zum Aufbau professioneller Reputation können verschiedene Arten der Reputation unterschieden werden. In diesem Sinne beschreiben Glückler/Armbrüster (2003) - neben direkten Erfahrungen von Kunden - öffentliche Reputation und Netzwerkreputation (networked reputation) als wichtigste soziale Institutionen zur Unsicherheitsreduktion.944 Die öffentliche Reputation beschreibt die in der Öffentlichkeit bzw. in einem breiteren Kundenkreis wahrgenommene Leistung eines Professionals. Sie besteht aus solchen Informationen, die allen Marktteilnehmern – beispielsweise über die Medien – zur Verfügung steht. Ansatzpunkte zur Etablierung einer öffentlichen Reputation können bspw. individuelle Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation mit dem Ziel der Markenbildung sein.945 Aus verschiedenen Gründen kann die Bedeutung öffentlicher Reputation im Kontext des Interim Managements als begrenzt gelten. Zunächst sorgt sie für eine erste Differenzierung zwischen solchen Akteuren, denen der Aufbau einer öffentlichen Reputation gelungen ist, und anderen 941 942 943 944 945
Vgl. Jeschke (2004), S. 168, Jeschke (2007), S. 210 Vgl. Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 109. Vgl. Clark (1993), S. 244, Clark (1995), S. 74. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 278ff. Zur Markenbildung als Investition in Kundenvertrauen vgl. Groß/Kieser (2006), S. 91f.
206
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
– insbesondere kleinen – Anbietern, denen dies nicht gelungen ist. Dabei überwiegt jedoch der Anteil kleiner Anbieter in der fragmentierten Marktstruktur des Managements auf Zeit bei weitem. Zudem liefert sie, falls vorhanden, grundsätzliche Informationen über Kompetenzbereiche. Darüber hinaus bietet die öffentliche Reputation jedoch keine verläßliche Information zur Servicequalität, die geeignet wäre, die kundenseitige Unsicherheit signifikant zu reduzieren. Die im Rahmen öffentlicher Reputation transportieren Informationen sind zu allgemein und vage, um valide Aussagen zur professionellen Leistungsfähigkeit eines Anbieters treffen zu können.946 Von größerer Bedeutung als der Aufbau einer öffentlichen Reputation können im Zusammenhang der Professionalisierung des Managements auf Zeit Ansätze in Richtung des Aufbaus von Netzwerkreputation (networked reputation) angesehen werden. Der Begriff der Netzwerkreputation bezeichnet die Reputation professioneller Anbieter, die aus Empfehlungen innerhalb ihres Netzwerkes resultiert.947 Sie ist das Ergebnis von Word of mouth-Effekten.948 Der Aufbau einer Netzwerkreputation bietet hinsichtlich Reichweite und Glaubwürdigkeit eine hervorragende Möglichkeit der Vertrauensbegründung.949 Der Aufbau von Netzwerkreputation steht in engem Zusammenhang mit dem individuellen Netzwerk von Interim Managern. Innerhalb des relevanten Netzwerks können unterschiedliche Akteure unterschieden werden. Zentrale Bedeutung kommt bestehenden Kunden zu. Die Kommunikation zwischen Kunden über ihre Erfahrungen, insbesondere in Form von Empfehlungen und Referenzen, läßt die Reputation eines Managers auf Zeit entstehen und reduziert die Unsicherheit gegenüber neuen Kunden.950 Neben Kunden können andere Partner Bestandteile des Netzwerkes sein. So können auch die Zusammenarbeit mit anderen Interim Managern, Interim Management Providern oder Unternehmensberatungen und eine Kooperation mit akademischen Institutionen, bspw. als Lehrbeauftragter oder im Rahmen von Forschungsprojekten, zum Aufbau einer entsprechenden Netzwerkreputation beitragen.
946 947 948 949
950
Vgl. Maister (1997a), S. 129, Glückler/Armbrüster (2003), S. 279. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 280. Vgl. Barchewitz/Armbrüster (2007), S. 221. Während die aufgeführten Möglichkeiten der Vertrauensbildung – persönliche Erfahrungen und öffentliche Reputation – einen Trade-off zwischen Reichweite und Verhaltenssicherheit beschreiben, beschreitet die Netzwerkreputation einen hybriden Weg, der geeignet ist, die Nachteile der anderen Formen der Vertrauensgewinnung für Kunden und Anbieter auszugleichen. Der Aufbau von Netzwerkreputation bietet eine größere Reichweite bei gleichbleibender Glaubwürdigkeit; vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 280. Vgl. Kaiser/Ringlstetter (2006), S. 109, Jeschke (2007), S. 204.
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
III.4.
207
Zwischenfazit zu Möglichkeiten und Grenzen der Ansätze zur Professionalisierung
Der abschließende Teil der vorliegenden Arbeit war der Darstellung der Herausforderungen im Zuge der Professionalisierung des Managements auf Zeit sowie einer Darstellung entsprechender Ansatzpunkte gewidmet. Dabei wurde nach dem Lokus der Herausforderung bzw. der Richtung des Ansatzes zwischen berufsgruppeninternen und –externen Themenbereichen unterschieden. Nach innen gerichtete Ansätze einer Professionalisierung schaffen die prozessualen und inhaltlichen Voraussetzungen einer Professionalisierung. Die Bändigung des Eigensinns der Akteure ermöglicht die dezentrale Koordination, die zur kollektiven Definition professioneller Rollen und Kompetenzprofile erforderlich ist. Nach außen gerichtete Ansätze zur Professionalisierung des Managements auf Zeit zielen auf eine allgemeine Reduzierung der Unsicherheit in der Beziehung zu externen Anspruchsgruppen. Auf kollektiver Ebene konnten Ansätze zum Aufbau von Legitimität gegenüber Wettbewerbern und zur Entwicklung institutionellen Vertrauens aufgezeigt werden. Individuelle Ansätze zielen auf den Aufbau individuellen Vertrauens in die Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit einzelner Interim Manager. In diesem Zusammenhang wurden Ansätze zur Kommunikation entsprechender Eigenschaften und zum Aufbau einer professionellen Reputation entwickelt. Bislang wurde im Rahmen der Betrachtung der unterschiedlichen Ansätze in Richtung einer Professionalisierung des Managements auf Zeit die Frage nach deren möglicher Wirksamkeit und ihrer potentiellen Erfolge weitgehend ausgeklammert. Ungeachtet ihrer grundlegenden Wirkung in Richtung einer Professionalisierung des Managements auf Zeit können die dargestellten Ansätze allerdings nicht als unbegrenzt wirksame „Allheilmittel“ betrachtet werden. Vielmehr ist im Rahmen einer kritischen Würdigung auch auf die Grenzen der dargestellten Ansätze hinzuweisen. Diese resultieren aus solchen Themenbereichen, die sich einer direkten Beeinflussung einzelner Akteure entziehen, d.h. insbesondere der Koordination verschiedener Akteure im Rahmen kollektiver Strategien sowie die Beziehung zu anderen Anspruchsgruppen. Die aufgezeigten Ansätze zur Koordination innerhalb der Berufsgruppe im Rahmen kollektiver Ansätze zur Professionalisierung finden ihren Grenzen insbesondere in ihrer Verbindlichkeit. Der Aufbau einer gemeinsamen Identität ist bspw. ein weicher Faktor, der sich der Meßbarkeit und Kontrolle Einzelner weitgehend entzieht. Ähnliches kann für die dargestellte Einführung kollektiver Rahmenbedingungen gelten. Innerhalb der gegenwärtigen Branchenstruktur ist deren Wirksamkeit solange kritisch zu bewerten, wie weder eine effektive Kontrolle vereinbarter Kriterien, noch eine Sanktionierung bei Nichteinhaltung sichergestellt
208
Teil III: Ansätze zur Professionalisierung
werden kann.951 Angesichts der Fragmentierung der Berufsgruppe kann eine solche Kontrollfunktion nur durch den einen effizienten und transparenten Markt realisiert werden. Weitere Grenzen der aufgeführten Ansätze zur Professionalisierung betreffen die Interaktion mit externen Anspruchsgruppen. Ohnehin können Prozesse wie der Aufbau von Vertrauen und Legitimität niemals als abgeschlossen betrachtet werden.952 Über die Beurteilung der Wirksamkeit einzelner Ansätze zur Professionalisierung hinaus wird es im Rahmen der Schlußbetrachtung um eine Beurteilung der Professionalisierung des Managements auf Zeit als Gesamtprozeß gehen.
951
952
Vertrauen in Systeme ist immer ein Vertrauen in die Kontrolle und Sanktionierung von Systemen, vgl. Luhmann (1989), S. 65 sowie im Kontext professioneller Dienstleistungen Schmitz (1997), S. 164. Vgl. Gargan (1993), S. 1874.
Schlußbetrachtung
209
SCHLUßBETRACHTUNG – MANAGEMENT
AUF
ZEIT
AUF DEM
WEG
ZU EINEM
„NEW PROFESSIONALISM“? In der vorliegenden Arbeit wurde Management auf Zeit als spezifische Ausprägung einer professionellen Dienstleistung dargestellt. Zudem wurden Ansätze zu seiner Professionalisierung aufgezeigt. Im Folgenden sollen die zentralen Ergebnisse der Untersuchung noch einmal in konzentrierter Form dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen werden (1). Daran anschließend soll der Ausblick genutzt werden, um den Blick in die mögliche Zukunft des Managements auf Zeit zu richten sowie mögliche Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsbemühungen in diesem Themenfeld aufzuzeigen (2). (1) Zusammenfassung und kritische Würdigung zentraler Ergebnisse (a) Zusammenfassung zentraler Ergebnisse: Im ersten Teil der Arbeit wurden die Grundlagen des Managements auf Zeit erarbeitet. Konzeptionell wurde Management auf Zeit in diesem Zusammenhang als spezifische Ausprägung einer sog. professionellen Dienstleistung betrachtet, deren zentrale Merkmale die Ausübung einer Managementaufgabe für eine begrenzte Zeitspanne durch Externe sind. Im Rahmen der Betrachtung des relevanten Marktes konnten mit der strukturellen Heterogenität sowie einer extremen Fragmentierung der Anbieter wesentliche Merkmale eines jungen Marktes aufgezeigt werden. Eine scharfe Abgrenzung des Marktes ist indes nur auf konzeptioneller Ebene möglich. Angesichts einer noch wenig ausgeprägten Profilierung bestehen in der Praxis Überschneidungen zu anderen professionellen Dienstleistungen, insbesondere zu Teilbereichen der Unternehmensberatung. Die diesbezüglichen Abgrenzungsprobleme sind somit als Teil der Auseinandersetzung mit dem Thema des Managements auf Zeit zu sehen. Die Intransparenz des Marktes wurde neben den Merkmalen der fokalen Dienstleistung selbst als eine Begründung für die Notwendigkeit einer Professionalisierung identifiziert. Die Erarbeitung eines umfassenden Verständnisses des Professionalisierungsbegriffs war Gegenstand des zweiten Teils der Arbeit. Unter Rekurs auf berufssoziologische Literatur zu Professionen und Professionalisierungsprozessen sowie einer Einordnung aus Perspektive des Strategischen Managements wurde ein Bezugsrahmen erarbeitet. Dieser dient einer Gesamtsicht und klassifiziert unterschiedliche Ansätze zur Professionalisierung entlang der Dimensionen ihrer primären Wirkungsrichtung (intern vs. extern) und ihres strategischen Modus (individuell vs. kollektiv). Der dritte Teil der Arbeit war schließlich der Analyse der Herausforderungen im Rahmen der Professionalisierung des Managements auf Zeit sowie generischer
210
Schlußbetrachtung
Ansätze zur Handhabung derselben gewidmet. Dabei wurde zwischen nach innen und nach außen gerichteten Ansätzen der Professionalisierung differenziert. Die nach innen gerichteten Ansätze schaffen prozessuale und inhaltliche Voraussetzungen zur Professionalisierung des Interim Managements. Auf kollektiver Ebene bedarf es im Rahmen der Professionalisierungsbestrebungen der Koordination der Akteure. Durch eine Ergänzung kollektiver Zielsetzungen durch selektive Anreize sowie durch die Schaffung einer gemeinsamen Identität kann auf eine Reduzierung des Eigensinns hingewirkt und kollektives Engagement begünstigt werden. Das Ziel kollektiver Reflexionsprozesse besteht in der Definition professioneller Rollen von Interim Managern, die als Grundlage kundenseitiger Rollenerwartungen und Kompetenzanforderungen dienen können. Auf individueller Ebene sind Professionalisierungsbestrebungen an den
Aufbau entsprechender professioneller Kompetenz geknüpft. Die nach außen gerichteten Ansätze richten sich auf den Aufbau von Legitimität gegenüber Wettbewerbern und dem Aufbau von Vertrauen in der Beziehung zu Kunden. Auf kollektiver Ebene zielen sie darauf, Kenntnis und Wertschätzung im Rahmen gemeinsamer Kommunikationsmaßnahmen zu verbessern sowie durch den Aufbau geeigneter Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Markteffizienz beizutragen. Individuelle Ansätze zur Professionalisierung bezwecken vor allem die Darstellung individueller Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit.
Die unterschiedlichen Ansatzpunkte stehen in einem komplementären und interdependenten Verhältnis zueinander. Ihre jeweilige Ausgestaltung und ist Gegenstand der Anpassung an die spezifischen Gegebenheiten des jeweiligen Akteurs. Gemeinsam bilden sie die Bestandteile der Professionalisierung als hybrider Strategie. (b) Kritische Würdigung: Ungeachtet der allgemeinen Wirksamkeit der im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigten Ansätze zur Professionalisierung des Managements auf Zeit ist im Zuge einer kritischen Würdigung auf mögliche Probleme ihrer Umsetzung einzugehen. Im Rahmen einer differenzierten Betrachtung einzelner Ansätze zur Professionalisierung konnte bereits deutlich gemacht werden, daß sich bestimmte Faktoren, bspw. die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und durch potentielle Kunden, der zielgerichteten Einflußnahme einzelner Akteure entziehen. Von der Argumentation ausgeklammert wurden solche Aspekte, deren Auflösbarkeit unabhängig von den dargestellten Ansätzen zur Professionalisierung kritisch beurteilt werden muß. Die Abwägung zwischen professionellen und ökonomischen Interessen bleibt auf individueller Ebene ohne verbindliche Rahmenbedingungen grundsätzlich nicht lösbar. Dies gilt insbesondere für selbständige Interim Manager, die letztlich
Schlußbetrachtung
211
wirtschaftlich von ihren Auftraggebern abhängig sind.953 Auch ein professioneller Verband ist diesbezüglich als Interessenvertretung seiner Mitglieder keineswegs vollkommen unabhängig. Dennoch können ihm die Schaffung wesentlicher Handlungsvoraussetzungen zugeschrieben werden.
An verschiedenen Stellen der Arbeit wurden auf die strukturelle Heterogenität der unterschiedlichen Anbieter von Management auf Zeit-Dienstleistungen hingewiesen. Dabei wurde die gegenwärtige Struktur als Datum akzeptiert. Möglichkeiten einer zukünftigen strukturellen Entwicklung der Akteure wurden aufgrund ihres spekulativen Gehalts hingegen nicht in die Betrachtungen einbezogen. Nichtsdestotrotz kann einer möglichen Organisationsentwicklung von Interim Management Anbietern, bspw. im Sinne einer Verbreitung von Partnerschaften und der Bildung größerer Einheiten, eine positive Wirkung auf den Prozeß der Professionalisierung zugeschrieben werden. Eine derartige Entwicklung ist jedoch bislang trotz verschiedener Ansätze nicht nachhaltig erkennbar.954 Auf dieser Basis erscheint keine gesicherte Aussage über die zukünftige Entwicklung möglich. Insofern wurde der beschriebene Weg hier auch nicht weiter verfolgt. Im Rahmen der konzeptionellen Betrachtungen wurde auf die Bedeutung professionellen Wissens sowie einer exklusiven Bezugswissenschaft für die Professionalisierung einer Berufsgruppe hingewiesen. Eine derartige akademische Bindung ist im Falle des Managements auf Zeit wenig ausgeprägt und fokussiert. Nicht zuletzt aufgrund der breiten Anlage des Themengebietes stieße der Versuch einer Monopolisierung relevanten Management-Wissens schnell an seine Grenzen.
Diese Einschränkungen verdeutlichen die Grenzen der angestellten Betrachtungen und fließen in den abschließenden Ausblick ein. (2) Ausblick Nach dem Rückblick auf die zentralen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit soll ein abschließender Blick auf die mögliche weitere Entwicklung des Managements auf Zeit sowie der diesbezüglichen akademischen Auseinandersetzung geworfen werden. (a) Die Zukunft des Managements auf Zeit: Ist Management auf Zeit auf dem Weg, eine moderne Profession zu werden? Ungeachtet der dargestellten Professionalisierungsstrategien läßt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Auf der einen
953 954
Vgl. Kairat (1969), S. 94. Nichtsdestotrotz wurde diese auch im Rahmen der Interviews erörtert, in deren Zuge die grundsätzliche Möglichkeit angestellter Interim Manager grundsätzlich bejaht wurde. „Das [Angestelltenverhältnis] ist im Grunde immer eine Frage des Geldes.“ (Gesprächspartner im Interview, September 2006).
212
Schlußbetrachtung
Seite weisen einige Faktoren in Richtung einer weiteren Verbreitung, Entwicklung und schließlich einer Professionalisierung. Neben der strategischen Absicht der Angehörigen der Berufsgruppe beruht das Potential insbesondere auf einem grundlegenden Bedarf nach flexiblen Managementressourcen. Auf der anderen Seite ist der weitere Entwicklungsprozeß von einer Vielzahl unterschiedlicher externer Faktoren abhängig, die z.T. aufgrund ihrer fehlenden Beeinflußbarkeit im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausgeklammert wurden. Solange insbesondere strukturelle Hemmnisse der Professionalisierung, bspw. die Fragmentierung der Branche und die damit einhergehende Intransparenz, bestehen bleiben, sind deren Erfolgaussichten ungewiß. Vor diesem Hintergrund will die vorliegende Arbeit keine Prognose hinsichtlich möglicher Szenarien der zukünftigen Entwicklung des Managements auf Zeit abgegeben. Die dargestellten Ansatzpunkte sind vielmehr im Sinne grundsätzlicher Wenn-Dann-Aussagen zu verstehen, die bei entsprechender Umsetzung geeignet sind, ihre Wirkung in Richtung einer Professionalisierung zu entfalten. Wenn es den Akteuren gelingt, die Ansatzpunkte zur Professionalisierung zu realisieren und in diesem Rahmen nachgefragte Volumen nachhaltig zu steigern, bestehen gute Chancen, daß sich die Branche in diesem Zuge auch strukturell verändert. Die identifizierten Ansatzpunkte, bspw. der Aufbau von Legitimität und Vertrauen, stehen dabei jedoch für Prozesse, die niemals als abgeschlossen zu betrachten sind.955 Somit bleibt die zukünftige Entwicklung des Managements auf Zeit abzuwarten. (b) Ansatzpunkte für weitere Forschungsbemühungen: Mit dem Themengebiet der Professionalisierung des Managements auf Zeit wurde ein breites und umfassendes Themengebiet bearbeitet, das grundlegende Fragen der strategischen Entwicklung des relevanten Marktes und seiner Akteure adressiert und gleichsam als Oberthema einer Vielzahl unterschiedlicher Entwicklungen und strategischer Manöver aufgefaßt kann. Die diesbezügliche Themenstellung bringt es allerdings mit sich, daß nicht alle der berührten Teilaspekte detailliert behandelt werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen weitere Forschungsbemühungen fruchtbar und notwendig: Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine weitgehend auf die Anbieterseite ausgerichtete Perspektive eingenommen. Indes bedürfen vielfältige Aspekte der Nachfrage nach externen Managementressourcen, insbesondere die zugrundeliegenden Motive potentieller Kunden sowie das Verhalten im Rahmen der Suche und Auswahl von Interim Managern, einer vertieften Betrachtung. In diesem Zusammenhang ist die Entwicklung des Klientenverhaltens im Sinne einer „Klientenprofessionalisierung“ denkbar.956
955 956
Vgl. Gargan (1993), S. 1874. Vgl. Mohe (2003).
Schlußbetrachtung
213
Ungeachtet der festgestellten inhaltlichen Heterogenität des Managements auf Zeit wurde die Dienstleistung im Rahmen der Arbeit gesamthaft betrachtet. Nichtsdestotrotz kann es sinnvoll sein, einzelne Bereiche des Interim Managements detaillierter zu betrachten, um ggf. der Bedeutung verschiedener Bereiche im Rahmen der Profilierung der Dienstleistung gerecht zu werden.957
Neben den aufgeführten Themenbereichen muß ein weiteres Ziel zukünftiger Forschungsbemühungen in der Verbesserung der quantitativen Erfassung des Forschungsfeldes bestehen. Durch quantitative Forschung können Konzepte und Thesen, bspw. zur Entwicklung des Marktes für Interim Management, letztlich einer empirischen Überprüfung unterzogen werden.
957
Als Beispiel derartig ausgerichteter Forschungsbemühungen können Veröffentlichungen zum Einsatz von Interim Managern im Rahmen von Restrukturierungsprojekten genannt werden, vgl. u.a. Völpel et al. (2006), Pauli (2007).
Anhang
215
ANHANG Anhang 1: Übersicht Definitionen Management auf Zeit Autor (Jahr) Bruns (2006)
Definition
Interim Management is the temporary transfer of external leadership personnel into an enterprise, with the objective to transfer situation-specific management know-how into the enterprise, and to eliminate the qualitative deficit of knowhow not only temporary. They will be equipped with the necessary competence and authority to give instructions for tasks in the upper and middle management (Bruns 2006. S. 34) Tiberius Interimsmanagement bezeichnet den ex ante zeitlich befristeten Einsatz einer (2004) Person auf einer Managementposition in einer Unternehmung, um einen kurzfristigen Personalbedarf zu decken oder den dispositiven Faktor grundsätzlich zu flexibilisieren (Tiberius 2004a, S. 17) Haag (2004) Interimsmanagement ist die „befristete Wahrnehmung einer klar definierten Führungsaufgabe durch einen Interimsmanager bei bzw. in einem Unternehmen.“ (Haag 2004, S. 237) Newman Interim Management: The performance of professional and well-regarded (2002) individuals, well qualified by recent and relevant practical experience, in meeting the specific needs that exist within a company (...) and when it is likely that these needs will exist for a finite period of time only (Newman 2002, S. 14) SchoemaInterim Management is the temporary placement of highly qualified managers kers (ohne with the specific task of ensuring continuity within an organization (aus Datum) Clutterbuck/Dearlove 1999, S. 14) Mestwerdt Unter Interim Management wird die zeitlich begrenzte Integration einer von (1998) außen kommenden, erfahrenen Führungspersönlichkeit in eine Unternehmung zur Beseitigung einer Engpaßsituation verstanden. Der Interim Manager wird während dieser Zeit vollständig in die Aufgaben und Verantwortungshierarchie der Unternehmung eingebunden, wobei er in der Wahl seiner Vorgehensweise zur Lösung der Aufgabe nicht weisungsgebunden ist. Gegenüber internen Mitarbeitern, die ihm unterstellt sind, hat er umfassende Weisungsbefugnisse (Mestwerdt 1998, S. 51) Ribbert Als “Management auf Zeit” bzw. „Interim-Management“ bezeichnet man den (1995) befristeten Einsatz externer Führungskräfte in die Unternehmen. Diese werden für Aufgaben des oberen und mittleren Managements mit den notwendigen Kompetenzen und Weisungsbefugnissen ausgestattet, ohne dabei weisungsgebundenen zu sein (Ribbert 1995, S. 43) Anhang 1: Übersicht Definitionen Management auf Zeit
216
Anhang
Anhang 2: Verzeichnis der geführten Experteninterviews Name des Gesprächspartners
Unternehmen bzw. Institution
Eugen M. Angster
Bundesvereinigung Restrukturierung, Sanierung und Interim Management BRSI e.V. Dr. Bloemer Consulting
Dr. Vera Bloemer Jens Christophers Christoph Deinhard Dr. Pantaleon Fassbender Dr. Anselm Görres Kai Haake Dr. Michael F. Keppel Dr. Harald Linné Dr. Lutz Mackebrandt Arndt Masuch Susanna Daniele Niedhof Prof. Dr. Jacques Reijniers Dr. Robert Simon
Dachgesellschafter Deutscher Interim Manager DDIM e.V. Selbständig KPMG Deutsche TreuhandGesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arbeitskreis Deutscher Interim Management Provider AIMP Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. Alvarez & Marsal Deutschland GmbH Boyden Interim Management Deutschland Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. Kienbaum Executive Consultants GmbH Heidrick & Struggles Interim Executives GmbH Nyenrode Business Universiteit
Position / Funktion des Gesprächspartners
Jahr
Ort
Gründer und Vorsitzender
2006
Telefoninterview
Geschäftsführerin, Autorin Gründer und Geschäftsführer Interim Manager
2007
Frankfurt
2006
Münster
2007
Director
2007
Ingolstadt Frankfurt
Gründer und Vorsitzender Stv. Geschäftsführer
2006
München
2006
Managing Director
2007
Managing Partner
2006
Telefoninterview Düsseldorf München
Vizepräsident
2006
Berater
2007
Partner
2007
Lehrstuhlinhaber
2006
Roland Berger Strategy Partner Consultants GmbH Thomas Stoek goetzpartners Interim Managers Managing Director GmbH Anhang 2: Verzeichnis der geführten Experteninterviews
2007 2007
Telefoninterview Telefoninterview Telefoninterview Telefoninterview Bamberg Telefoninterview
Anhang
217
Anhang 3: Interviewleitfaden (Beispiel) Die Fragen zum Markt dienen zum Abgleich der wirtschaftlichen Grundlagen und dem Ausgleich der schwierigen empirischen Grundlage
Wie hoch schätzen Sie die Anzahl der aktiven Manager auf Zeit auf dem deutschen Markt?
Wie viele Provider sind in Deutschland aktiv?
Wie grenzen Sie den diese bzw. den Markt ab?
Wie sind die Interim Management-Angebote anderer Anbieter, bspw. Personalberatungen und Unternehmensberatungen zu bewerten? Welches dieser Angebote war in der Vergangenheit erfolgreich?
Wie bewerten Sie die Aktivitäten internationaler Anbieter auf dem deutschen Markt?
Wie stark beurteilen Sie den direkten Wettbewerb innerhalb der Branche?
An Provider: Wie schätzen Sie Ihre Position im nationalen Wettbewerb ein?
Gibt es einen Marktführer unter den Providern, wenn ja, welchen? Nach welchen Kriterien ist er Marktführer?
Wie hat sich das Branchenvolumen in den letzten Jahren entwickelt?
Was sind in Ihrer Wahrnehmung die hauptsächlichen Wachstumshindernisse?
Gibt es zentrale Trends im Markt?
Die Fragen der Professionalisierung dienen der Klärung des Ablauf und des Erfolges der Professionalisierung als strategischem bzw. politischen Projekt
Was verbinden Sie mit dem Begriff der Professionalisierung?
Welche Ziele verbinden Sie mit dem Begriff der Professionalisierung (Markteintrittsbarrieren, Qualitätskontrolle, Transparenz o.ä.)?
Wie beurteilen Sie die Kundenwahrnehmung der Branche hinsichtlich Qualität und Transparenz o.ä.? Inwiefern ist die Professionalisierung kundengetrieben?
Welche konkreten Maßnahmen in Richtung einer Professionalisierung wurden gestartet, welche waren erfolgreich (Eintrittsbarrieren, Verhaltenskodex, Qualitätsstandards bzw. –maßtäbe etc.)? Wie bewerten Sie die auftretenden Turbulenzen?
Wer sind die Adressaten der Professionalisierung, an wen richten sich die getroffenen Maßnahmen der Professionalisierung (Manager, Organisationen / Provider, Kunden, Staat)?
Wer sind die maßgeblichen Akteure der bisherigen Professionalisierungsbestrebungen? Wie würden Sie deren Verhältnis beschreiben?
Welche Interessen verfolgen die unterschiedlichen Akteure? Welche gemeinsamen Interessen sehen Sie im Rahmen der Professionalisierungsbestrebungen? Gibt es Koalitionen (bspw. zwischen verschiedenen Gruppen), wenn ja, in welcher Form? Welche Konflikte / Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Gruppen oder Institutionen gab es bislang?
Anhang 3: Exemplarische Darstellung des verwendeten Interviewleitfadens
218
Anhang
Anhang 4: Konzentration von Berufsgruppen im Vergleich Marktanteil TOP15 Unternehmen 60,00%
50,00%
Personaldienstleister
5.500 40,00%
Management Beratung
7.800
30,00%
20,00% 700 10,00%
Management auf Zeit
0,00% -10%
-5%
0%
5%
10%
15%
Branchenwachstum
958
Anhang 4: Konzentration von Berufsgruppen im Vergleich
958
Eigene Berechnung auf Basis von Lünendonk (2004), BDU (2004), Bloemer (2003), S. 35.
Literaturverzeichnis
219
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