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Einführung
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Passarge, E. : Taschenatlas der Genetik (ISBN 3-13-759502-9) © 2004 Georg Thieme Verlag, Stuttgart
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Einführung
Die Bezeichnung Genetik schlug 1906 der englische Biologe William Bateson (1861 – 1926) für eine neue biologische Wissenschaftsrichtung vor, als deren Hauptziele er die Untersuchung der Gesetzmäßigkeiten von Erblichkeit (Heredity) und Variation nannte. Mit dem Begriff Erblichkeit bezog sich Bateson auf die Ähnlichkeit zwischen genealogisch verwandten Organismen, mit dem Begriff Variation auf die Unterschiede. Bateson hatte die Bedeutung der im Jahr 1900 von Correns, Tschermak und DeVries wieder entdeckten Mendelschen Gesetzmäßigkeiten besonders klar erkannt, auch für den Menschen. Der Augustinermönch Gregor Mendel (1822 – 1884) hatte 1865 durch Züchtungsexperimente im Klostergarten Brünn an der Gartenerbse gezeigt, dass Vererbung auf definierten, voneinander unabhängigen, einzelnen Faktoren beruht (vgl. Brink & Styles, 1965; Mayr, 1982). Ihre Weitergabe an die nächste Pflanzengeneration und die Verteilung verschiedener Merkmale unterliegen bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die allgemeine Gültigkeit haben. Jeder Faktor ist für ein bestimmtes Merkmal verantwortlich. Der dänische Biologe Wilhelm Johannsen (1857 – 1927) führte 1909 dafür die Bezeichnung Gen ein.
Bis etwa 1902 bestanden keine Beziehungen zwischen Erkenntnissen durch genetische Analyse und der Lehre von den Zellen, der Zytologie (Dunn, 1965; Sturtevant, 1965). Chromosomen in Mitose (Flemming 1879) und Meiose (Strasburger 1888) wurden beobachtet und der Begriff Chromosom geprägt (Waldeyer 1888), aber funktionelle Beziehungen zwischen Chromosomen und Genen wurden nicht vermutet. Eine Ausnahme bilden die vorausschauenden Bemerkungen von Theodor Boveri (1862 – 1915) und Walter S. Sutton (1877 – 1916) über die Individualität von Chromosomen (1902). Ab etwa 1902 wurden die Mendelschen Gesetzmäßigkeiten bei Tieren, Pflanzen und auch beim Menschen systematisch analysiert. Bateson und Saunders führten 1902 den Begriff allelomorph für variante Formen eines genetischen Faktors ein (später Allel genannt). Gleiche Allelomorphe bezeichneten sie als homozygot, verschiedene als heterozygot. Auch Erkrankungen beim Menschen wurden als erblich bedingt erkannt. Eine Form von Kurzfingrigkeit (Brachydaktylie Typ A1, McKusick-Nr. 112500) wurde 1903 als erstes autosomal dominant erbliches Merkmal von W. C. Farabee (Ph. D. Thesis Harvard Univ.) in einer großen Sippe aus Pennsylvania beschrieben (Haws & McKusick, 1963).
Genetische Individualität
Johann Gregor Mendel
Der englische Internist Archibald Garrod (1857 – 1936) ist der erste Arzt, der die Bedeutung der Mendelschen Gesetzmäßigkeiten für Krankheiten des Menschen erkennt. Er zeigt zwischen 1901 und 1909 in Zusammenarbeit mit W. Bateson für vier angeborene Stoffwechsel-Krankheiten (Alkaptonurie, Albinismus, Cystinurie, Pentosurie), dass sie autosomal rezessiv erblich sind (A. Garrod: Inborn Errors of Metabolism, 1909). Aber darüber hinaus stellt Garrod die Erkenntnis in den Mittelpunkt, dass auch nicht zu Krankheiten führende individuelle biochemische Unterschiede zwischen Individuen eine genetische Grundlage haben. Im Zusammenhang mit seiner Beschreibung von Alkaptonurie (Lancet ii: 1484 – 1486, 1901) hat Garrod, die Idee einer biochemischen Individualität des Menschen gefasst und darüber einen intensiven Briefwechsel mit Batson geführt. In einem Brief vom 11. Januar 1902 schreibt Archibald Garrod an William Bateson „. . . I believe that no two individuals are exactly alike chemically any more than structurally“ (Bearn, 1993, S. 61).
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Einführung Die sich in diesem Konzept offenbarende Verbindung von genetischen und biochemischen Erkenntnissen war jedoch der Zeit voraus. Die umfassende Bedeutung für die genetisch determinierte Individualität des Menschen wurde nicht erkannt. Garrod fasste seine Vorstellungen in einer 1931 erschienenen Monographie mit dem Titel „The Inborn Factors in Disease“ zusammen. Sie fand kein Echo; es fehlten die biochemischen und genetischen Voraussetzungen, um den Beitrag genetischer Komponenten zu den Ursachen von Krankheiten zu erfassen (Bearn, 1993; Childs, 1999). Heute haben sich Erkenntnisse über die genetische Individualität des Menschen in nicht erwartetem Umfang bestätigt. Das individuelle Makeup eines Genoms kann dazu führen, dass es zu bestimmten Krankheiten disponiert. Individuelle genetische Unterschiede sind das Ziel neuer Therapieverfahren mit speziell entwickelten Pharmaka, die auf hohe Effizienz bei minimalem Risiko von Nebenwirkungen zielen (Pharmokogenetik, Pharmakogenomik, vgl. Evans & McLeod, 2003).
Klassische Genetik zwischen 1910 und 1940 Genetik als eigenes Wissenschaftsgebiet beginnt 1910 an der Columbia University New York mit der Einführung der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) durch Thomas H. Morgan (1866 – 1945), Calvin B. Bridges (1889 – 1938), A. H. Sturtevant (1891 – 1970) und H. J. Muller (1890 – 1967). Die sich anschließenden mehrjährigen systematischen genetischen Studien an Drosophila führen zu der Erkenntnis, dass Gene linear auf Chromosomen angeordnet sind (Dunn, 1965; Sturtevant, 1965; Whitehouse, 1973). Die erste genetische Karte erstellt A. H. Sturtevant 1913 für sechs X-chromosomale Gene (noch als Faktoren bezeichnet und nicht Karte [map] genannt). Die Untersuchungen der Morgan-Schule begründet die Chromosomentheorie der Vererbung (Morgan, Sturtevant, Muller, Bridges, The Mechanism of Mendelian Inheritance, 1915). Erstaunlicherweise werden jedoch noch bis in die 20er-Jahre hinein die grundlegenden Beziehungen zwischen Chromosomen und Vererbung verkannt. Selbst E. B. Wilson (1856 – 1939) in seinem zuerst 1896 erschienenen einflussreichen Buch The Cell in Development and Heredity bezieht sich in der dritten Auflage 1925 auf das Gen als „hypothetical elementary entity“.
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Thomas Hunt Morgan Der englische Mathematiker Hardy und der Stuttgarter Arzt Weinberg erkannten 1908 die Konsequenzen der Mendelschen Gesetzmäßigkeiten für die genetische Struktur einer Population. Genetische Überlegungen wurden mit Erfolg in die Tier- und Pflanzenzucht eingeführt. Am Ende der ersten drei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts, bis etwa 1930, war Genetik als neues Gebiet der Biologie etabliert. Jedoch fehlte eine Vorstellung von der Natur eines Gens; dessen Struktur und Funktion waren unbekannt. Dass Gene nicht unveränderlich sind, hatte H. de Vries (1848 – 1935) bereits im Jahr 1901 erkannt. Er führte für die Veränderbarkeit die Bezeichnung Mutation ein. H. J. Muller bestimmte 1927 die spontane Mutationsrate bei Drosophila und wies nach, dass Mutationen durch Röntgenstrahlen induziert werden können. C. Auerbach und J. M. Robson (1941) sowie unabhängig F. Oehlkers (1943) wiesen dies auch für bestimmte chemische Substanzen nach. Jedoch blieb unklar, was eine Mutation ist, solange die materielle Grundlage der genetischen Informationsübertragung unbekannt war.
Moderne Genetik zwischen 1940 und 1953 Vermutlich den ersten Versuch, direkte Information über das Gen zu gewinnen, unternahmen
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Einführung
M. Delbrück, N. W. Timofeeff und K. G. Zimmer (1935), indem sie die Größe eines Gens aus der Häufigkeit bestimmen wollten, mit der es durch zunehmende Dosen von Röntgenstrahlen inaktiviert wird („Treffer-Theorie“). Neue Ansätze führen ab 1940 zu neuen Erkenntnissen, die als Vorläufer der molekularen Genetik gelten können. Zum ersten Mal wird eine enge Beziehung zwischen genetischen und biochemischen Vorgängen entsprechend dem Garrodschen Konzept des Inborn Error of Metabolism erkennbar, als 1941 Beadle und Tatum bei einem Pilz (Neurospora crassa) nachweisen, dass jeweils ein Gen für die Bildung eines bestimmten Enzyms verantwortlich ist („ein Gen – ein Enzym“). Der Nachweis genetischer Rekombination bei Bakterien (Lederberg und Tatum, 1946) und Viren (Delbrück und Bailey, 1947), sowie die Beobachtung spontaner Mutationen bei bakteriellen Viren (Bakteriophagen) durch Hershey (1947) führen zu einer systematischen genetischen Analyse von Mikroorganismen mit ähnlich großen Auswirkungen für die Entwicklung der Genetik wie die Analyse von Drosophila 35 Jahre zuvor (Cairns, Stent & Watson, 1966). Ein 1944 erscheinendes einflussreiches, kleines Buch mit dem Titel „What is Life?“ des Physikers Erwin Schrödinger diskutiert die Struktur eines Gens als großes Molekül mit der Fähigkeit zu diskontinuierlicher Veränderung aus Atomen, die zu einem isomeren Molekül führen („ . . .the structure of a gene to be that of a huge molecule . . .“, S. 60). Zu dieser Zeit wird die Aufklärung der Molekularbiologie der Gene ein zentrales Thema der Genetik (Übersicht bei Stent & Calendar, 1978).
Genetik und DNA Es war ein bedeutsamer Fortschritt, als 1944 Avery, MacLeod und McCarty am Rockefeller Institute in New York nachwiesen, dass eine chemisch relativ einfache, langkettige Nukleinsäure (Desoxyribonukleinsäure, DNS, oder in der angelsächsischen Abkürzung DNA) Träger genetischer Information sein muss. Avery und Mitarbeiter wiesen nach, dass DNA das 1928 von F. Griffith beobachtete „transformierende Prinzip“ ist, das genetische Veränderungen bei Bakterien bestimmter Pneumokokkenstämme bewirkt (Dubos, 1976; McCarty, 1985). Nachdem A. D. Hershey und M. Chase 1952 bewiesen hatten, dass genetische Information ausschließlich in DNA enthalten ist, steht
die Struktur von DNA endgültig im Mittelpunkt.
Oswald T. Avery Diese Frage wurde Anfang 1953 auf höchst elegante Weise von James D. Watson, einem 24 Jahre alten amerikanischen Stipendiaten, und einem 36 Jahre alten englischen Physiker, Francis H. Crick, am Cavendish Laboratory der Universität Cambridge gelöst (The double helix – 50 years. Nature 421: 395 – 453, 2003). In einer am 25. April 1953 in Nature erschienenen Arbeit von einer dreiviertel Seite (A structure for deoxyribonucleic acid, Nature 171: 737 – 738, 1953) beschreiben Watson und Crick die Struktur der DNA als Doppelhelix. Im Gegensatz zu früheren Vorstellungen liegen im Watson-CrickModell Nukleotid-Basen innen, jeweils ein Purin gegenüber einem Pyrimidin und durch Wasserstoff-Brücken verbunden. Außen verläuft ein langkettiges Gerüst aus miteinander verbundenen Zucker-(Deoxyribose) und Phosphat-Molekülen. Die entscheidende Erkenntnis liegt darin, dass die Basenpaare innen liegen. Sie wurde gewonnen durch die Konstruktion eines Modells auf der Grundlage röntgen-kristallographischer Ergebnisse an DNA von Rosalind Franklin und Maurice Wilkins, die von ste-
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Einführung reochemischen Überlegungen ausgingen. Die grundlegende genetische Bedeutung der daraus abgeleiteten helikalen Struktur war den Autoren sehr klar, erkennbar an der Formulierung des letzten Satzes der Arbeit vom 25. April 1953 („it has not escaped our notice that the specific pairing we have postulated immediately suggests a copying mechanism for the genetic material“). In einer weiteren Arbeit, am 30. Mai 1953, diskutieren Watson und Crick genetische Konsequenzen der neuen DNA-Struktur und weisen daruf hin, dass jede Kette als Vorlage für die Bildung einer neuen Kette dienen kann, und dass Mutationen durch Einbau einer falschen Base entstehen können (J. D. Watson & F. H. C. Crick: Genetical implications of the structure of DNA, Nature 171: 964 – 967, 1953). Nach der Aufklärung der Struktur der DNA vor 50 Jahren verging zwar fast ein Jahrzehnt, bis DNA regelmäßig im Titel von wissenschaftlichen Arbeiten auftrat, aber zweifellos wurde 1953 ein neues Zeitalter der Biologie begründet, und zwar das der molekularen Biologie und Genetik. Stent (1981) hat die Bedeutung mit einem anderen umwälzenden, ein neues Zeitalter begründenden historischen Ereignis verglichen, der Eroberung von Konstantinopel 500 Jahre zuvor, am 29. Mai 1453. Watson (1968) und Crick (1988), haben die Entdeckung der DNA-Struktur auf sehr unterschiedliche Weise eindrucksvoll beschrieben, Judson (1996) hat sie im Detail dokumentiert.
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ten Organismen kommen in homologen Chromosomenpaaren vor, eines von der Mutter, das andere vom Vater (beim Menschen 23 Paare). Während die Anzahl und Größe bei verschiedenen Organismen variiert, ist die Gesamtmenge
DNA structure 1953
Gene Ein Gen entspricht einer Informationseinheit wie ein Satz in einem Text. Gene sind im Zellkern linear in Chromosomen angeordnet. Jedes Gen hat eine definierte Position (Genlocus) und eine individuelle Struktur und Funktion. Gene höherer Organismen bestehen aus Abschnitten mit codierender Information (Exons) und Abschnitten ohne codierende Information (Introns). Sie variieren in ihrer Größe, von einigen Tausend bis zu über einer Million NukleotidBasen (Snyder & Gerstein, 2003). Gene unterscheiden sich nach Anzahl und Größe der Exons, sowie vorgeschalteten Abschnitten, die ihre Aktivität festlegen (regulatorische DNASequenzen). Chromosomen sind während der Zellteilung im Lichtmikroskop sichtbare Strukturen aus DNA und speziellen Proteinen (Miller & Therman, 2001). Chromosomen bei eukaryo-
Watson (links) und Crick (rechts) am 21. Mai 1953 in Cambridge (Photographie von Anthony Barrington Brown, Nature 421: 417, 2003)
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der DNA und die Anzahl der Gene innerhalb bestimmter Klassen von Organismen gleich. Der lineare Text der genetischen Informationen eines Gens ist in der Sequenz der Bausteine der DNA codiert und nicht direkt lesbar. Die codierende Sequenz muss zunächst in ein Molekül ähnlicher Struktur umgeschrieben werden (Transkription). Dieses Molekül, RNA, enthält als Zucker Ribose (Ribonukleinsäure, abgekürzt RNS oder RNA, analog der DNA, s. oben). Aus diesem Molekül werden die nicht codierenden Abschnitte (Introns) durch spezielle Enzyme entfernt und die codierenden Abschnitte (Exons) zusammengefügt (ein als Spleißen bezeichneter Vorgang). Dadurch entsteht BotenRNA (mRNA, messenger RNA). Sie dient als Vorlage für die Übersetzung der Sequenz der mRNA-Bausteine in eine dem Code entsprechende Sequenz von Aminosäuren (Translation). Abhängig von der organisatorischen Komplexität eines Organismus schwankt die Zahl der Gene von wenigen wie bei Viren und mehreren Tausend bei Bakterien (4289 Gene bei Escherichia coli), 6241 Gene in Zellen der Bäckerhefe, 13 601 bei Drosophila, 18 424 bei einem Wurm (dem Nematoden C. elegans) und etwa 30 000 Genen beim Menschen. Da viele Gene Teil eines bestimmten Funktionskreises sind, kann man sie Gruppen zuordnen, die als Gen-Familien bezeichnet werden. Es wird geschätzt, dass die Gene des Menschen etwa 1000 Familien bilden. Sie sind während der Evolution aus einer ursprünglich kleinen Zahl hervorgegangen. Die Gesamtheit aller Gene und der DNA einer Zelle wird als Genom bezeichnet, die Gesamtheit aller Proteine als Proteom. Die korrespondierenden Wissenschaftsgebiete sind Genomik und Proteomik. Die Größe eines Genoms wird in Zahl der Nukleotid-Basen ausgedrückt.
Ein unheilvoller Irrweg: Eugenik Die Unkenntnis der Struktur und Wirkungsweise von Genen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat zu einer unheilvollen Entwicklung beigetragen. Unter dem 1863 von Francis Galton (1822 – 1911) geprägten Begriff „Eugenik“ wurde ab 1907 in zahlreichen Ländern diskutiert, wie vermeintlich der Anteil „guter“ Gene erhöht und der „schlechter“ Gene vermindert werden könne und zu Krankheiten führende Mutationen ausgemerzt werden könnten. In England wurde 1907 die British
Education Society, in den USA 1910 das Eugenics Record Office in Cold Spring Harbor gegründet. Zwischen 1907 und 1960 wurden in den USA ca. 60 000 vorwiegend junge Frauen auf der Grundlage entsprechender Gesetze in 32 Staaten zwangssterilisiert. Jedoch kritisierten ab 1930 führende Genetiker wie J. B. S. Haldane, L. Hogben und L. Penrose, sowie 1935 die American Neurological Society die wissenschaftliche Grundlage. Im Jahr 1935 hatten mehrere Länder (Dänemark, Deutschland, Schweiz, Norwegen, Schweden und Alberta, Canada) durch Eugenik begründete Gesetze zur Sterilisierung eingeführt. Am schlimmsten jedoch entwickelte sich die Situation im nationalsozialistischen Deutschland. Das Gesetz „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 führte direkt zur gesetzlich verankerten Diskriminierung von Erkrankten, die tatsächlich oder vermeintlich an einer Erbkrankheit litten. Im ersten Jahr wurden 80 000 Menschen zwangssterilisiert, insgesamt bis zum Ende der Schreckensherrschaft 400 000. Viele Millionen Menschen, vor allem jüdischer Herkunft, Zigeuner und Menschen mit geistiger Behinderung wurden unter diesem Gesetz mit eugenischem Vorwand ermordet. Von der moralischen Verwerflichkeit des damaligen politischen Systems und dieser Anwendung abgesehen, gab es keine einzige wissenschaftliche Grundlage, um gesetzliche Bestimmungen mit dieser Zielsetzung zu erlassen (weiterführende Angaben bei Müller-Hill, 1984; Becker, 1988; Weatherall, 1991; Vogel & Motulsky, 1997). Im Lichte heutiger Kenntnis ist erwiesen, dass genetisch bedingte Krankheiten nicht generell vermieden werden können. Menschen können nicht in „erbgesunde“ und „erbkranke“ eingeteilt werden. Das Genom jedes Menschen trägt die Anlage zu bestimmten Krankheiten bei ihm selbst oder bei den Kindern. Eine genetisch bedingte Krankheit kann grundsätzlich in jeder Familie unvorhersehbar durch neue Mutation oder durch unerkennbar bei beiden Eltern vorliegende Mutationen auftreten. Kranke gehören zu unserer Gesellschaft. Sie dürfen nicht diskriminiert werden. Die zögerliche und viel zu späte Auseinandersetzung mit den von zahlreichen Ärzten und Anthropologen geförderten kriminellen Handlungen an Kranken hat die Entwicklung der modernen Humangenetik in Deutschland bis weit in die 60er-Jahre behin-
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Einführung dert. Dies hat dazu beigetragen, dass noch heute den Fortschritten der Genetik Skepsis entgegengebracht wird.
Genetischer Code Für jede der 20 Aminosäuren, die von lebenden Organismen genutzt werden, existiert ein im Jahr 1966 vollständig aufgeklärter genetischer Code. Er besteht aus einer spezifischen Reihenfolge von drei Nukleotid-Basen. DNA ist ein Read-Only Memory Speicher des genetischen Informationssystems. Im Gegensatz zum binären System aus Reihen der Ziffern Eins und Null, wie es in Computern genutzt wird („bits“, die zu acht binären Stellen als „bytes“ zusammengefasst werden), besteht der genetische Code der lebendigen Welt aus einem quaternären System von vier Nukleotid-Basen, deren chemischer Name mit den Buchstaben A, C, G und T beginnt (siehe Teil I, Grundlagen). Bei dem quaternären Code, wie er in lebendigen Zellen vorkommt bestehen die Bytes (als „Quytes“ bezeichnet, The Economist in Survey of the Human Genome, July 1, 2000) aus drei Nukleotid-Basen, z. B. dem Triplet-Code ACG. Der linearen Sequenz der Aminosäuren eines Proteins entspricht eine korrespondierende Sequenz in der DNA (genetischer Code). Die Sequenzierung von Insulin (Feststellung der Sequenz der Aminosäuren) durch F. Sanger (1955) und Hämoglobin im Jahr 1957 durch V. Ingram bewiesen, dass ein Protein aus einer definierten Abfolge von Aminosäuren besteht. Da Proteinsynthese im Cytoplasma stattfindet, DNA sich jedoch im Zellkern befindet, konnte DNA nicht unmittelbar die Proteinsynthese steuern. Es zeigte sich, dass DNA zunächst in ein chemisch ähnliches Boten-Molekül (Ribonukleinsäure, RNA) überschrieben wird (Crick, Barnett, Brenner, Watts-Tobin, 1961), das als Vorlage für die vorgesehene Sequenz von Aminosäuren dient. Die Aufklärung des genetischen Code folgte in den Jahren 1963 bis 1966 (Nirenberg, Mathaei, Ochoa, Benzer, Khorana und andere). Ausführliche Darstellungen der Entwicklung und persönliche Rückblicke finden sich unter anderem bei Chargaff (1978), Stent (1981), Watson & Tooze (1981), Brown (1992), Judson (1996), Lander & Weinberg (2000), Watson (2000). Der genetische Code ist universell und wird von allen lebenden Zellen verwendet, einschließlich der Pflanzen, Bakterien und Viren. Geneti-
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sche Information generell entspricht einem Text und kann in einem Computer gut gespeichert werden. Tatsächlich existieren viele Datenbanken mit genetischer Sequenzinformation.
Methodische Voraussetzungen für die weitere Entwicklung ab 1953 Wie Biologie und Naturwissenschaften ist Genetik ein von der Entwicklung neuer Methoden geprägtes Fach. Da sich direkte Untersuchungen am Menschen verbieten, wurden aus methodischen Gründen vor 1949 keine wesentlichen genetischen Erkenntnisse primär am Menschen gewonnen. Wesentliche Fortschritte verdankt die Genetik den in den 50er- und 60er-Jahren erarbeiteten biochemischen und immunologischen Grundlagen (Biochemische Genetik, Immungenetik). Dazu gehörten zuverlässige, aber relativ einfache Verfahren für die Trennung komplexer Moleküle durch verschiedene Formen der Elektrophorese, DNA-Synthese in vitro (Kornberg, 1956), immunologischen Methoden und anderen. Vor allem die Entwicklung von Methoden der Zellkultur war eine entscheidende Voraussetzung für die genetische Analyse beim Menschen. Pontecorvo führte 1958 die genetische Analyse von eukaryoten Zellen in Kultur ein (somatische Zellgenetik). Insbesondere die genetische Analyse von fusionierten Zellen in der Kultur (Zellhybridisierung, G. Barski, B. Ephrussi, 1961; W. Szybalski & E. H. Szybalska, 1962) und die Entwicklung eines Zellkulturmediums zur Selektion bestimmter mutanter Zellen in Kultur (HAT Medium, J. Littlefield, 1964) förderten die Entwicklung der Genetik bei Säugetieren mit zunehmender Bedeutung für den Menschen. An Bakterien und Viren gewonnene Erkenntnisse konnten nunmehr an Zellen höherer Organismen geprüft werden. Ein hereditärer Stoffwechseldefekt (Galactosämie) wurde 1961 zum ersten Mal in Zellkulturen nachgewiesen (Krooth). Die Feststellung der richtigen Chromosomenzahl des Menschen 1956 (unabhängig durch Tjio & Levan und Ford & Hamerton), die Einführung von Lymphocytenkulturen zur Analyse von Chromosomen (Hungerford et al., 1960), sowie die Beschreibung des Replikationsmusters der Chromosomen des Menschen (J. German, 1962) waren weitere grundlegende Voraussetzungen für die Entwicklung einer modernen Genetik des Menschen (Humange-
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netik). Die seit 1971 mögliche individuelle Identifizierung aller Chromosomen des Menschen durch spezifische Färbung (Zech) legte die Grundlage für die Kartierung von Genen. Dies wurde insbesondere durch die 1986 eingeführte Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung gefördert.
Molekulare Genetik Moderne Genetik ist molekulare Genetik. Sie hat sich auf der Grundlage der direkten Analyse von DNA ab ca. 1970 rasch entwickelt. Die Entdeckung eines neuen Enzymkomplexes, Reverse Transkriptase, bei RNA-Viren (Retroviren) im Jahr 1970 unabhängig durch H. Temin und D. Baltimore, erschütterte das bis dahin gültige Dogma, dass der Weg der genetischen Information ausschließlich von DNA zu RNA und von dort zum Genprodukt (Protein) führt. RNA-Viren bilden DNA aus RNA. Mittels reverser Transkriptase kann man aus dem RNA-Transkript eines aktiven Gens komplementäre, dem Gen entsprechende DNA (cDNA) gewinnen und dadurch Rückschlüsse auf die Struktur und Funktion des betreffenden Gens erhalten. Die Entdeckung spezifischer Enzyme (RestriktionsEndonukleasen) in Bakterien, die DNA an definierten Stellen schneiden, bildet die Grundlage der rekombinanten DNA-Technik (W. Arber, 1969; D. Nathans & H. O. Smith, 1971). Mit ihrer Hilfe kann DNA reproduzierbar in Fragmente definierter Größe zerlegt werden. Zahlreiche Methoden zur Vervielfältigung (Klonierung) von DNA in verschiedenen zellgebundenen Vektoren, künstlichen Chromosomen und zellfreien Systemen wurden entwickelt. Durch eine Kombination von Methoden der Zellkultur und der spezifischen Identifizierung einzelner Abschnitte von Chromosomen des Menschen und im Vergleich mit anderen Organismen wurde ab 1980 eine rasch zunehmende Zahl von Genen kartiert (einer definierten chromosomalen Region zugeordnet). Gene konnten allein aus der Kenntnis ihrer chromosomalen Lage identifiziert werden (Positionsklonierung). In anderen Fällen dient Information über ein bereits identifiziertes Gen mit ähnlicher Funktion als Basis (Kandidaten-Gen Klonierung). Die 1977 beschriebenen Methoden der Sequenzierung von DNA (F. Sanger; Maxam & Gilbert, 1977) wurden Ende der 80er-Jahre durch automatisierte Verfahren ersetzt, die eine Sequenzierung großer Abschnitte in kurzer Zeit erlauben.
Dies gipfelte in der im April 2003 abgeschlossenen Sequenzierung des Genoms des Menschen (s. unten, Humangenom-Projekt). Die raschen Fortschritte in der Kenntnis des Genoms bei verschiedenen Organismen haben früher bestehende Grenzen in der genetischen Analyse verschiedener Organismen mit einer Einteilung in Sparten wie Drosophila-Genetik, Säugetiergenetik, Hefegenetik, Bakteriengenetik etc. weitgehend aufgehoben.
Gene und Evolution Gene mit denselben oder ähnlichen Funktionen bei verschiedenen Lebewesen ähneln sich, weil sie durch ihre Evolution verwandt sind (Dobzhansky, 1970; Mayr, 1982; Stebbins, 1982; Neel, 1994; Lander & Weinberg, 2000). Alle lebenden Organismen sind miteinander in unterschiedlichen Graden verwandt, weil ihre Gene verwandt sind. Wie für Lebewesen wird auch für ihre Gene eine Herkunft von einem gemeinsamen Vorläufer während der Evolution angenommen. Der Abstand kann in geschätzten Zeitabschnitten oder in der Zahl von Trennungsschritten ausgedrückt werden. Die ersten lebenden Zellen dürften vor etwa 3,5 Milliarden Jahren aufgetreten sein, unter Bedingungen, die in den Einzelheiten unklar sind. Wesentliche, spezielle Funktionen sind in der Regel nur einmal entstanden und werden in mehr oder weniger abgewandelter Form von allen Lebewesen verwendet. Deshalb erkennen wir für fundamentale Funktionen die benötigten Genstrukturen bei vielen verschiedenen Organismen wieder, wie Hefen, Insekten, Würmern, Vertebraten, Säugetieren, sogar Pflanzen, z. B. für Funktionen während des Zellzyklus oder der embryonalen Entwicklung und Differenzierung. Gene mit fundamentaler Bedeutung tolerieren keine ihre Funktion beeinträchtigenden Änderungen (Mutationen). Alle lebenden Organismen besitzen mehrere Systeme, die Fehler in der Integrität der DNA und der Gene erkennen und reparieren können (DNA-Reparatur). Es existieren Mechanismen, die eine Zelle durch programmierten Zelltod (Apoptose) opfern, wenn ein Schaden nicht erfolgreich behoben werden kann. Gene, die in gleicher oder ähnlicher Struktur bei verschiedenen Organismen vorkommen, bezeichnet man als evolutionär konserviert. Anders als die wichtigen Strukturen, die in der Evolution konserviert wurden, unterscheiden
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Einführung sich DNA-Sequenzen ohne oder von geringer Bedeutung zwischen Individuen der gleichen Spezies. Individuelle Unterschiede sind häufig (genetischer Polymorphismus). In der Abfolge der Nukleotid-Basen findet sich mindestens einmal auf 600 Basenpaare der DNA des Menschen ein Unterschied zwischen zwei Individuen (SNP, Single Nucleotide Polymorphism, Einzelnukleotid-Polymorphismus, Sachidanandam et al., 2001). Daneben existieren viele andere Formen von DNA-Polymorphismus. Sie spiegeln die genetische Grundlage für die Einzigartigkeit jedes Individuums wider. Auch im Stoffwechsel existieren individuelle genetische Unterschiede in der Effizienz von chemischen Reaktionen. Dies kann in einer individuellen Neigung zu bestimmten Krankheiten oder einem relativen Schutz resultieren (Childs, 1999). Entscheidend für das tatsächliche Auftreten einer Krankheit sind andere, zusätzliche Faktoren wie Umwelteinflüsse. In bemerkenswerten Arbeiten beschrieb Barbara McClintock (1950 – 1953) bei der MaisPflanze (Zea mays) mutierbare Loci und Effekte auf den Phänotyp bei Mais durch ein Gen, das gar nicht an der Stelle der Mutation lag. Es übte gewissermaßen eine Fernwirkung aus. Mehr noch, bestimmte Gene konnten ihre Positionen ändern und an anderen Stellen Mutationen verursachen. McClintock bezeichnete diese Gruppe von Genen als „kontrollierende Elemente“, die nach ihrer Wirkung auf andere Gene und die verursachte Mutation unterschieden werden können. Lange blieben diese Arbeiten weitgehend unberücksichtigt (Fox Keller, 1983; Fedoroff & Botstein, 1992). Dreißig Jahre später, in ihrer Nobelpreis-Vorlesung 1983 (The significance of responses of the genome to challenge, Science 226: 792 – 801, 1984), hatte sich dies geändert. Wir wissen heute, dass das Genom nicht einer zementierten Einheit gleicht („Erbgut“), sondern wegen der darin enthaltenen beweglichen genetischen Elemente dynamisch ist und evolutionären Umordnungen unterworfen ist (Dawkins, 1989). Eine neue Klasse von Mutationen beim Menschen wurde 1991 entdeckt: Expansion von Trinukloetid-Repeats („dynamische Mutationen“). Sie können zu derzeit etwa fünfzehn bekannten hereditären Krankheiten des Zentralnervensystems führen.
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Der Mensch (Homo sapiens) Lebewesen bevölkern die Welt in den verschiedensten Formen, bestehend aus grob geschätzt 1,5 bis 30 Millionen Tierarten (Spezies). Die Biodiversität ist das Ergebnis der Evolution und erlaubt jeder Art eine unterschiedliche Nutzung von Ressourcen. Vorstufen der Artenbildung sind Subspezies oder Rassen. Da der Mensch, Homo sapiens, außer in der Arktis und Antarktis auf allen Kontinenten in Populationen mit unterschiedlichen äußeren Merkmalen beheimatet ist, hat man früher fälschlicherweise auch beim Menschen die Existenz von Rassen angenommen. Genetische Erkenntnisse der letzten vierzig Jahre haben jedoch ergeben, dass Homo sapiens eine evolutionär junge und relativ homogene Spezies ist. Die beobachtbaren Unterschiede sind buchstäblich äußerlich und auf Farbe der Haut, Augen und Haare, sowie Aspekte der Form des Gesichts und Skeletts beschränkt. Diese Merkmale sind eine evolutionär bedingte genetische Anpassung an klimatische Unterschiede der Kontinente. Es gilt als gesichert, dass der Mensch und der Schimpanse einen gemeinsamen Vorfahren haben, der vor ca. 6 – 7 Millionen Jahren in Afrika gelebt hat. Vor etwa fünf Millionen Jahren entwickelten Vorläufer des Menschen in Ostafrika den aufrechten Gang, begünstigt oder erzwungen von Veränderungen des Klimas mit der Bildung großer Landflächen. Systematischer Werkzeuggebrauch begann vor 2,6 Millionen Jahren (Homo habilis) und vor zwei Millionen Jahren verließen Vorfahren des Menschen Afrika (Homo erectus). Steinwerkzeuge aus dieser Zeit und etwas jünger sind an verschiedenen Stellen gefunden worden (Israel, Java, China, Südspanien). Nach allen bisher verfügbaren Funden entstanden dem heutigen Menschen ähnliche Hominae (Homo sapiens) vor ca. 200 000 Jahren in Afrika (Streit, 1995; White et al., 2003). Von dort wanderte er vor ca. 100 000 Jahren nach Nordosten und verbreitete sich allmählich in alle Kontinente, zunächst nach Europa und Asien, von dort über die Landenge der heutigen Beringsee nach Amerika. Von Asien aus gelangten Menschen über See nach Ozeanien und Australien, einer Theorie zufolge vielleicht auch von Südamerika aus. Vor etwa 10 000 Jahren begann der Mensch in einer als neolithische Revolution bezeichneten Epoche in verschiedenen Regionen der Erde
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Einführung
mit dem Anbau von Pflanzen und Domistikation von Tieren (Diamond & Belwood, 2003). Unter dem Einfluss einer regionalen Anpassung an das Klima und geographisch isoliert, entwickelten sich ethnisch und linguistisch verschiedene Gruppen. Von den genetischen Unterschieden entfallen ca. 85 – 95 % auf Unterschiede zwischen den Individuen derselben Gruppe, nur ca. 15 – 5% auf Unterschiede zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen (Rosenberg et al., 2002). Im Gegensatz dazu unterscheiden sich Gruppen von anderen Primaten genetisch erheblich mehr als der Mensch. Quantitativ ähnelt das Genom des Menschen dem des Schimpansen zu etwa 99 % (Pääbo, 2001).
Humangenetik Mit der Gründung der American Society of Human Genetics, einer neuen Zeitschrift, American Journal of Human Genetics, und dem Erscheinen des ersten modernen Lehrbuchs der Humangenetik, Curt Stern’s Principles of Human Genetics im Jahre 1949, beginnt die Entwicklung einer neuen, wissenschaftlich begründeten Orientierung der Genetik auf den Menschen, der Humangenetik. Zwei wegweisende Entdeckungen 1949 und 1952 lenkten das Interesse auf die Genetik des Menschen und deren medizinische Aspekte (Medizinische Genetik). Dies war der Nachweis, dass Sichelzellanämie erblich ist (Neel, 1949) und auf einer molekular definierten Veränderung von normalem Hämoglobin beruht (Pauling, Itano, Singer und Wells, 1949). Carl F. Cori und Gerty T. Cori beschrieben 1952 den ersten Enzymdefekt beim Menschen als Ursache einer hereditären StoffwechselKrankheit beim Menschen: Glykogen-Speicherkrankheit Typ I oder von Gierke-Krankheit als Folge von Glucose-6-Phosphatase-Defizienz in der Leber. Zwar war die Entdeckung der normalen Chromosomenzahl im Jahr 1956 zunächst ohne Widerhall geblieben, aber die Beschreibung der ersten Chromosomenaberrationen beim Menschen 1959 (Trisomie 21 als Ursache von Down-Syndrom [damals noch Mongolismus genannt] durch J. Lejeune, M. Gautier, R. Turpin; ein fehlendes Chromosom beim Turner-Syndrom [45,X0] durch Ford et al. 1959; ein zusätzliches X-Chromosom beim Klinefelter-Syndrom [47,XXY] durch Jacobs & Strong 1959) begründeten ein neues Gebiet, der Cytogenetik.
Aus ihrer weiteren Entwicklung während der folgenden 30 Jahre folgten die Grundlagen für die Kartierung von Genen auf Chromosomen. Die Beobachtung, dass Individuen mit nur einem X-Chromosom weiblich, aber Individuen mit einem Y-Chromosom unabhängig von der Zahl der X-Chromosomen männlich sind, bewies, dass das Y-Chromosom bei Säugetieren eine zentrale Rolle für die Entwicklung des männlichen Geschlechts spielt. Neue Krankheitsbilder durch numerische Chromosomenaberration wurden 1960 beschrieben: Trisomie 13 durch Patau et al., Trisomie 18 durch Edwards et al.. Veränderungen der normalen Struktur von Chromsomen als Ursache zuvor unbekannter Krankheiten durch partiellen Verlust (Deletion) eines Chromosomenabschnitts wurden 1963 und 1964 beschrieben: Partielle Deletion des kurzen Armes von Chromosom 5 durch Lejeune et al. 1963 beim Cri-du-Chat-Syndrom und partielle Deletion des kurzen Armes von Chromosom 4 (unabhängig durch Wolf, 1964 und Hirschhorn, 1964) beim Wolf-Hirschhorn-Syndrom. Beziehungen zwischen Chromosomenveränderungen und Tumoren wurden 1960 zuerst von Nowell & Hungerford als eine charakteristische Strukturveränderung eines Chromosoms in Knochenmarkzellen (Philadelphia-Chromosom) bei Patienten mit einer Chronisch Myeloischen Leukämie beschrieben. Instabilität des Genoms, sichtbar als Brüche in Metaphase-Chromosomen, als Krankheitsursache wurde zuerst 1964 beobachtet (German; Schroeder). Seither hat die systematische Analyse genetisch bedingter Krankheiten mit molekulargenetischen Methoden in früher nie geahntem Umfang neue Erkenntnisse über die normale Funktion vieler Gene des Menschen und anderen Organismen geliefert. Die Genetik des Menschen (Humangenetik) ist in der Gesamtheit der Kenntnisse heute weiter vorangeschritten als bei jeder anderen Spezies. Humangenetik hat sich zu einem eigenständigen Fach entwickelt, mit einer Basis in der Medizin einerseits und der Biologie andererseits. Innerhalb der Humangenetik können zahlreiche Fachrichtungen unterschieden werden, wie z. B. Molekulare Humangenetik, Biochemische Genetik, Immungenetik, Somatische Zellgenetik, Cytogenetik, Klinische Genetik, Populationsgenetik, Teratologie und Mutagenese und andere. Maßgeblich zur Systematisierung und
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Einführung Entwicklung der Medizinischen Genetik beigetragen hat der 1966 eingeführte Katalog der nach den Mendelschen Gesetzmäßigkeiten vererbten Phänotypen beim Menschen durch Victor A. McKusick 1966 (gegenwärtig in der 12. Auflage, McKusick, 1998). Ein guter Überblick zur Entwicklung des Faches Humangenetik findet sich bei Vogel & Motulsky (1997), McKusick (1992 und 2002) sowie Rimoin et al. (2002). Stichwortartige Angaben finden sich in der chronologischen Zeittafel am Ende dieser Einführung.
Genetik und Medizin Die meisten Krankheitsprozesse können als Folge der Interaktion von Umwelteinflüssen mit individuellen genetischen Gegebenheiten des betreffenden Individuums aufgefasst werden. Eine Erkrankung ist genetisch bedingt, wenn sie vorwiegend oder ausschließlich durch Störungen im genetischen Programm von Zellen und Geweben verursacht wird. Mehr als 3000 definierte Erkrankungen sind bekannt, die eine monogen durch eine einzelne Mutation verursacht werden, von mehr als 1000 ist die genaue molekulargenetische Ursache bekannt (McKusick, 1998 und Online-Ausgabe OMIM: www.ncbi.nlm.nih.gov/Omim). Monogen versursachte Krankheiten sind so verschieden wie die genetische Information in den entsprechenden Genen. Sie werden nach den Mendelschen Gesetzmäßigkeiten vererbt und gehen auf eine strukturelle Veränderung eines Gens zurück. Zwischen rein endogenen (genetischen) und umweltbedingten Ursachen von Krankheiten gibt es ein breites Spektrum von
genetisch bedingter Prädisposition und auslösender Faktoren (multifaktoriell bedingte Erkrankungen). Viele relativ häufige, chronisch verlaufende Erkrankungen gehören zu dieser wichtigen Kategorie, z. B. erhöhter Blutdruck, erhöhte Blutfette, Diabetes mellitus, Gicht, psychiatrische Erkrankungen, bestimmte angeborene Fehlbildungen. Weitere Kategorien genetisch bedingter Krankheiten sind nicht-hereditäre Störungen in Körperzellen (verschiedene Formen von Krebs) und Chromosomenaberrationen (vgl. Weatherall, 1991; Lindsten & Pattersson, 1991; Childs, 1999; Rimoin et al., 2002; Scriver et al., 2001; Miller & Therman, 2001; Peltonen & McKusick, 2001). Genetisch bedingte Krankheiten sind keine Randgruppe der Medizin, sondern stellen einen wesentlichen Anteil aller Krankheitsursachen. Etwa ein Drittel aller stationären Aufnahmen im Kindesalter gehen auf Erkrankungen und Entwicklungsstörungen mit zumindest teilweiser genetischer Ursache zurück (Weatherall, 1991). Die Gesamthäufigkeit genetisch bedingter Erkrankungen der verschiedenen Kategorien wird auf etwa 3,5 – 5 % der Bevölkerung geschätzt (vgl. Tabelle).
Das Humangenom-Projekt Eine neue Ära der biomedizinischen Forschung begann 1990 mit dem international konzipierten Humangenom-Projekt (HGP, s. Teil II. Genomik). Angeführt von den National Institutes of Health (NIH) und dem U.S. Department of Energy (DOE) der USA wurden für einen auf 15 Jahre angelegten Plan zur Sequenzierung des Genoms des Menschen 3 Milliarden U.S.-Dollar
Tabelle 1 Geschätzte Häufigkeit von genetisch bedingten Krankheitsursachen Genetische Kategorie von Krankheit
Häufigkeit auf 1000
Monogen
4,5 – 15
Autosomal dominant
gesamt 2 – 9,5
Autosomal rezessive
2 – 3,5
X-chromosomal
0,5 – 2
11
Chromosomenaberrationen
5–7
Somatische Mutationen bei Tumoren
250
Angeborene Fehlbildungen
10 – 40
Multifaktoriell bedingt
praktisch alle anderen
(Daten modifiziert nach Weatherall, 1991)
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Einführung
bereitgestellt. Später bestand das HGP aus 20 Zentren in 6 Ländern (USA, England, Frankreich, Deutschland, Japan und China). Der größte Teil der Daten wurde an fünf Zentren gewonnen („5 G“): Sanger Centre Cambridge, DOE, sowie drei NIH-zugeordnete Zentren am Baylor Medical College Houston, Washington University St. Louis, Whitehead Institute Cambridge, Massachusetts. Bereits vorzeitig, im Februar 2001, wurde von zwei unabhängig und mit verschiedenem Ansatz arbeitenden Gruppen wesentliche vorläufige Ergebnisse (Draft) vorgelegt (International Human Genome Sequencing Consortium, 2001; Venter et al., 2001). Nur durch die Möglichkeit, ab 1997 automatisierte Verfahren zur DNA-Sequenzierung einzusetzen, konnte das Ziel überhaupt erreicht werden. Auch wenn große Teile der (3 ×109) Nukleotid-Basenpaare der DNA des Genoms des Menschen auf nicht-codierende Abschnitte entfällt, ist die Aufgabe gewaltig, etwa vergleichbar mit der Dechiffrierung eines Texts aus einzelnen Buchstaben von 1 mm Breite über eine Distanz von 3000 km (Lander & Weinberg, 2000; Brown, 2002). Die Sequenzierung wurde im April 2003 im Wesentlichen beendet (Pennisi, 2003), aber zahlreiche andere Aufgaben verbleiben für die „postgenomische Ära“ (Collins et al., 2003 a; 2003 b). Dazu zählen Funktionelle Genomik, Proteomik (Analyse aller Proteine), Analyse des Transkriptoms (Gesamtheit der mRNA-Expression des gesamten Genoms, vgl. Caron et al., 2001), Kartierung aller SNPs (Single Nucleotide Polymorphism) und anderes (Cooper, 2003). Ähnliche Programme existieren für andere Organismen, vor allem auch für wichtige Nutzpflanzen wie Reis, Mais, sowie für Mikroorganismen. Aus der Kenntnis der Sequenz des Genoms zahlreicher Bakterien und Parasiten erhofft man sich neue Ansätze für die Entwicklung neuer, spezifischer Verfahren in Diagnostik und Therapie (Green, 2001; Collins et al., 2003 b). Das Genom des Menschen enthält zahlreiche Abschnitte, die auf eine in der Evolution entstandene Duplikation zurückgeführt werden können (segmentale Duplikationen). Wenn diese nahe beieinander liegen, kann es durch ungenaue homologe Paarung zu Verlust (Deletion) oder Duplikation eines Abschnitts führen und dadurch eine Krankheit auslösen („genomische Krankheit“, Emmanuel & Shaikh, 2001; Guttmacher & Collins, 2002; Passarge, 2003).
Die abgeschlossene Sequenzierung des Genoms des Menschen bedeutet keineswegs, dass die Funktion aller Gene bekannt wäre. Eine auch noch so vollständige Kenntnis der Gene des Menschen wird das Wesen des Menschen nicht erklären können.
Ethische und soziale Aspekte Die Möglichkeit, durch genetische Untersuchungen zu Ergebnissen mit weit reichenden Folgen zu gelangen, wirft eine Reihe von Fragen für die ethische und soziale Bewertung auf. Auch das HGP widmete sich von Beginn an den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten. Dies ist ein wichtiger Teil des HGP im Hinblick auf die weit reichenden Konsequenzen des schon bestehenden und noch zu erwartenden Wissens über die Gene und das Genom des Menschen. Hier können nur einige Aspekte angesprochen werden. Dazu zählt die Frage der Vertraulichkeit und Zuverlässigkeit genetischer Daten. Mittels genetischer Tests (prädiktiver genetischer Test) kann unter individuell gegebenen Umständen lange vor dem zu erwartenden Zeitraum der Manifestation einer Krankheit geprüft werden, ob sie eintreten werden wird oder nicht. In vielen Fällen ist diese Aussage jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Dies ist eine neue Situation, auf die weder Ärzte noch untersuchte Personen vorbereitet sind. Wie wird entschieden, ob ein prädiktiver genetischer Test im besten Interesse der untersuchten Person ist? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Testergebnis? Wie werden die Daten verwendet? Ist Vertraulichkeit gewährleistet? Insbesondere bei Minderjährigen ist größte Zurückhaltung gegenüber genetischen Tests geboten (Clarke, 1998). Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften (z. B. Deutsche Gesellschaft für Humangenetik, Europäische Gesellschaft für Humangenetik, sowie die entsprechenden Fachgesellschaften in den USA und in Großbritannien) vertreten den Standpunkt, dass jede Untersuchung nur nach individueller kompetenter ärztlicher und genetischer Beratung durchgeführt werden sollte (Harper & Clarke, 1997; Holtzman & Watson, 1997). Die Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat in der Mitteilung 2 im Jahr 2003 zu Fragen der prädiktiven genetischen Diagnostik Stellung genommen; darauf sei hier verwiesen (Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 2003).
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Zeittafel zur Entwicklung der Genetik
Zeittafel zur Entwicklung der Genetik Die folgende Zeittafel enthält Erkenntnisse, die wesentlich zur wissenschaftlichen Entwicklung der Genetik beigetragen haben, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. 1543 Andreas Vesalius (1514 – 1564), De humani coporis fabrica libri septi 1665 Robert Hooke (1635 – 1703) beobachtet Zellen und prägt den Begriff Zelle 1628 William Harvey (1578 – 1657), Exercitio Anatomica de Motu Cordis et Sanguinis in Animalibus 1761 Giovanni Battista Morgagni (1682 – 1771), De Sedibus et Causis Morborum per Anatomen Indagatis 1763 Theorem von Thomas Bayes 1833 Robert Brown beobachtet in Pflanzenzellen einen Kern (Zellkern) 1839 Zellen als Grundlage lebender Organismen (M. J. Schleiden, T. Schwann) 1859 Charles Darwin, On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or The Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life begründet die Evolutionstheorie 1865 Gregor Mendel, Versuche über Pflanzenhybriden beschreibt Vererbung durch bestimmte „Faktoren“, die sich entweder dominant oder rezessiv verhalten 1869 „Nuclein“, ein neues, saures und Phosphor enthaltendes, langes Molekül (F. Miescher) 1879 Chromosomen in Mitose, Begriff Chromatin (W. Flemming) 1882 Mitose (W. Flemming) 1883 Quantitative Aspekte der Heredität (F. Galton) 1884 Prophase, Metaphase, Anaphase Stadien der Mitose (E. Strasburger) 1888 Chromosom als Begriff geprägt (W. Waldeyer) 1889 „Nukleinsäure“ als Begriff eingeführt (R. Altmann) 1892 „Virus“ als Begriff eingeführt (R. Ivanowski)
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1897 Enzym entdeckt (E. Büchner) 1900 Mendels Entdeckungen werden erkannt (H. de Vries, E. Tschermak, K. Correns, unabhängig) ABO-Blutgruppensystem (K. Landsteiner) 1901 Eine Erkrankung des Menschen (Alkaptonurie) wird autosomal rezessiv vererbt (A. Garrod, W. Bateson) 1902 Individualität von Chromosomen (T. Boveri) Beziehungen zwischen Chromosomen und den Mendelschen Faktoren (W. Sutton) Begriffe allelomorph, homozygot, heterozygot (W. Bateson & E. R. Saunders) Vererbung der Fellfarbe bei der Maus (L. Cuenot) ´ Geschlechtschromosomen (C. E. McClung) 1903 Autosomal dominante Vererbung beim Menschen (Brachydaktylie Typ 1 A, W. C. Farabee) 1905 Meiose (Farmer & Moore) 1906 Genetik als Bezeichnung für ein neues Wissenschaftsgebiet (W. Bateson) 1907 Erste Gewebekultur aus Nervengewebe bei Amphibien (Ross Granville Harrison) 1908 Populationsgenetik (G. H. Hardy, W. Weinberg, unabhängig) 1909 Inborn Errors of Metabolism (A. Garrod) Begriffe Gen, Genotyp, Phänotyp eingeführt (W. Johannsen) Chiasmabildung in der Meiose (F. A. Janssens) Erster Inzuchtstamm der Maus, DBA (C. Little) 1910 Beginn der Drosophila-Genetik (T. H. Morgan) Erste Mutation, weiße Augen bei Drosophila melanogaster 1911 Sarcoma Virus (Peyton Rous) 1912 Crossing-over (Morgan & Cattell) Genetische Kopplung (Morgan & Lynch) Erste Gen-Karte, X-chromosomale Loci bei Drosophila (A. H. Sturtevant) 1913 Non-disjunction (C. B. Bridges) Cytologische Beobachtung der zufälligen Verteilung von Chromosomen (E. E. Carothers) Langzeitkultur 30 Jahre aus Hühnerherz (Alexis Carrel)
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Zeittafel zur Entwicklung der Genetik
1915 Gene auf Chromosomen (Chromosomentheorie der Vererbung, T. H. Morgan, A. H., Sturtevant, H. J., Muller, C. B. Bridges) 1922 Charakteristische Phänotypen von verschiedenen Trisomien bei der Pflanze Datura stramonium (A. F. Blakeslee)
1949 Sichelzellanämie, eine genetisch bedingte molekulare Krankheit (J. M. Neel; L. Pauling) Veränderungen in Hämoglobin gehäuft in Malariagebieten (J. B. S. Haldane) X-Chromatin (M. L. Barr & L. F. Bertram) 1950 Nukleotid-Basenrelation (E. Chargaff)
1924 Blutgruppengenetik (F. Bernstein) Statistische Analyse (R. A. Fisher)
1951 Mobile genetische Elemente bei Mais (Zea mays) (B. McClintock)
1925 Australopithecus africanus in Taung, Südafrika (Raymond Dart)
1952 Gene bestehen aus DNA (A. D. Hershey & M. Chase) Plasmide (J. Lederberg) Transduktion bei Bakterien (N. Zinder) Erster Enzymdefekt beim Menschen (C. F. Cori & G. T. Cori) Erste Kopplungsgruppe beim Menschen (J. Mohr) Chromosomenanalyse (Colchicin und hypotone Behandlung, T. C. Hsu & C. M. Pomerat) Exogene Faktoren als Ursache für angeborene Fehlbildungen (J. Warkany)
1926 Enzyme sind Proteine (J. B. Sumner) 1927 Mutation durch Röntgenstrahlen (H. J. Muller) Genetische Drift (S. Wright) 1928 Euchromatin/Heterochromatin (E. Heitz) Genetische Transformation bei Pneumokokken (F. Griffith) 1933 Stammbaumanalyse (J. B. S. Haldane, F. Hogben, R. A. Fisher, F. Lenz, F. Bernstein) Polytäne Chromosomen (E. Heitz & H. Bauer; T. S. Painter) 1935 Erste cytogenetische Karte bei Drosophila (C. B. Bridges) Somatisches Crossing-over (C. Stern) Erster Versuch, die Größe eines Gens zu bestimmen (M. Delbrück, N. W. Timofeef, ´ K. G. Zimmer) 1937 Maus H2 Genlocus (P. Gorer) 1940 Polymorphismus (E. B. Ford) Rhesus-Blutgruppe (K. Landsteiner & A. S. Wiener) 1941 Evolution durch Genduplikation (E. B. Lewis) Genetische Kontrolle biochemischer Reaktionen (G. W. Beadle & L. Tatum) Mutationen durch Senfgas (C. Auerbach) 1944 DNA als materielle Grundlage genetischer Information (O. T. Avery, C. M. MacLeod, M. McCarty) E. Schrödinger, What is Life? The Physical Aspecst of the Living Cell. 1946 Genetische Rekombination bei Bakterien (J. Lederberg & L. Tatum) Genetische Rekombination bei Viren (M. Delbrück & L. H. Bailey; A. D. Hershey)
1953 DNA-Struktur (J. D. Watson & F. H. C. Crick; R. Franklin, M. Wilkins) Nicht-Mendelsche Vererbung (B. Ephrussi) Zellzyklus (Howard & Pelc) Diätbehandlung bei Phenylketonurie (H. Bickel) 1954 DNA-Repair (H. J. Muller) Leukozyten-Drumsticks (Davidson & Smith) Turner-Syndrom ist X-Chromatin negativ (P. E. Polani) 1955 Aminosäure-Sequenz von Insulin (F. Sanger) Lysosomen (C. de Duve) Buccalsmear (Moore, Barr, Marberger) Feinstruktur eines Gens und genetische Karte beim Phagen T4 (S. Benzer) 1956 46 Chromosomen beim Menschen (Tjio & Levan; Ford & Hamerton) DNA-Synthese in vitro (A. Kornberg) Genetische Heterogenität (Fraser, Harris) 1957 Aminosäure-Sequenz von Hämoglobin (V. M. Ingram) Cistron, die kleinste nicht-rekombinante Einheit eines Gens (S. Benzer)
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Zeittafel zur Entwicklung der Genetik Genetische Komplementation (Fincham) DNA-Replikation ist semikonservativ (Meselson & Stahl, Taylor, Delbrück, Stent) Genetische Analyse von Strahlenwirkung beim Menschen (Neel & Schull) 1958 Somatische Zellgenetik (Pontecorvo) Ribosomen (Roberts, Dintzis) HLA-Antigene (Dausset) Klonierung einzelner Zellen (Sanford, Puck) Synaptonemaler Komplex in der Meiose (Moses) 1959 Erste Chromosomenaberrationen beim Menschen: Trisomie 21 (Lejeune, Gautier, Turpin); Turner-Syndrom 45,X0 (Jacobs & Strong); Klinefelter-Syndrom: 47,XXY (Ford et al.) DNA-Polymersase isoliert (A. Kornberg) Isoenzyme (E. S. Vesell, C. L. Markert) Pharmakogenetik (A. G. Motulsky, F. Vogel) 1960 Philadelphia-Chromosom (Nowell & Hungerford) Phytohämagglutinin-stimulierte Lymphocytenkulturen (Nowell, Moorhead, Hungerford) 1961 Genetischer Code in Triplets (Crick, Brenner, Barnett, Watts-Tobin) Entzifferung des genetischen Codes (Nirenberg, Mathaei, Ochoa) X-Chromosom-Inaktivierung (M. F. Lyon; 1962 Bender, Russell, Ohno) Genregulation, Operon (Jacob & Monod) Galactosämie in Zellkultur (Krooth) Zellhybridisierung (Barski, Ephrussi) Thalidomid-Embryopathie (Lenz, McBride) 1962 Blutgruppe Xg, eine X-chromosomale Blutgruppe beim Menschen (Mann, Race, Sanger) PKU-Screening (Guthrie, Bickel) Molekulare Charakterisierung von Immunglobulinen (Edelman, Franklin) Identifizierung von Chromosomen durch 3H-Autoradiographie (J. German, O. J. Miller) Replicon (Jacob & Brenner) Begriff Codon für ein Triplet aufeinander folgender Nukleotid-Basen (S. Brenner)
17
1963 Lysosomale Speicherkrankheiten (C. de Duve) Erste Krankheit durch autosomale Deletion (Cri-du-chat-Syndrom, J. Lejeune) 1964 Excisionsreparatur (Setlow) MLC-Test (Bach & Hirschhorn; Bain & Lowenstein) Mikrolymphotoxizitätstest (Terasaki & McClelland) Selektives Nährmedium HAT für Zellkultur (Littlefield) Spontane Chromosomeninstabilität (German, Schroeder) Zellfusion in Kultur (W. Szybalski & E. K. Szybalska; Harris & Watkins) Zellkultur aus Zellen aus der Amnionflüssigkeit (H. P. Klinger) Nachweis hereditärer Erkrankungen in Zellkulturen (Danes, Bearn, Krooth, Mellman) Populationscytogenetik (Court Brown) Fetale Chromosomenaberrationen bei spontanen Aborten (Carr, Benirschke) 1965 Somatisches Crossing-over in Zellkulturen des Menschen (J. German) Begrenzte Lebensspanne von Fibroblasten in Kultur (Hayflick & Moorhead) 1966 Genetischer Code vollständig aufgeklärt Katalog Mendelscher Merkmale beim Menschen (McKusick) 1968 Restriktionsenzym aus E. coli (Linn & Arber; Meselson & Yuan) Repetitive DNA (Britten & Kohne) Biochemische Grundlage der ABO-Blutgruppensubstanzen (Watkins) DNA-Excisions-Repairdefekt bei Xeroderma pigmentosum (Cleaver) HLA-D das stärkste Histokompatibilitätssystem (Ceppellini, Amos) Erste Zuordnung eines autosomalen Genlocus beim Menschen (Donahue, McKusick) Synthese eines Gens in vitro (Khorana) 1970 Reverse Transkriptase (Baltimore; Temin, unabhängig) Restriktionsenzym aus Haemophilus influenzae (H. O. Smith & K. W. Wilcox) Syntänie bezeichnet alle Genloci auf einem Chromosom (J. H. Renwick) Enzymdefekte bei lysosomalen Speicherkrankheiten (E. Neufeld, A. Dorfman)
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Zeittafel zur Entwicklung der Genetik Chromosomenidentifizierung durch Bandenfärbung (L. Zech, T. Caspersson) Y-Chromatin (Pearson, Bobrow, Vosa) Thymustransplantation bei Immundefizienz (van Bekkum)
1971 Zweitreffer-Theorie bei Retinoblastom (A. G. Knudson) 1972 Hohe durchschnittliche Heterozygotie (Harris & Hopkinson; Lewontin) Assoziation von HLA-Antigenen und Krankheiten 1973 Rezeptordefekte in der Ätiologie genetischer Defekte, genetische Hyperlipidämien (Brown & Goldstein; Motulsky,) Nachweis von Schwesterchromatidaustausch mit BrdU (S. A. Latt) Philadelphia-Chromosom als Translokation (J. D. Rowley) 1974 Chromatinstruktur, Nukleosom (Kornberg, Olins & Olins) Doppelte Erkennung von fremden Antigen und HLA-Antigen bei T-Lymphozyten (P. C. Doherty, R. M. Zinkernagel) Erste Klonierung eines eukaryoten DNA Segments, das einer bestimmten chromosomalen Region zugeordnet wird (D. S. Hogness) 1975 Asilomar-Konferenz über mögliche Folgen der rekombinanten DNA-Techniken Erste Protein-Signal-Sequenz identifiziert (G. Blobel) Southern-Blot-Hybridisierung (E. Southern) Monoklonale Antikörper (Köhler & Milstein) 1976 Überlappende Gene beim Phagen ¤ 174 (Barell, Air, Hutchison) Erste transgene Maus (R. Jaenisch) Genloci kartiert auf jedem Autosom des Menschen (Baltimore-Konferenz) 1977 Gene bestehen aus codierenden und nicht-codierenden DNA-Abschnitten („split genes“, R. J. Roberts; P. A. Sharp, unabhängig) Erstes rekombinantes DNA-Molekül, das Säugetier-DNA enthält Methoden zur Sequenzierung von DNA (Sanger, Maxam & Gilbert) Röntgendiffraktionsanalyse von Nukleosomen (Finch et al.)
1978
g -Globulin-Genstruktur (Leder, Weissmann, Tilghman u. a.) Begriffe Exon und Intron (W. Gilbert) Mechanismus der Transposition bei Bakterien Herstellung von Somatostatin mittels rekombinanter DNA „Chromosome walking“ zum Auffinden von Genen
1979 Erste Diagnostik mittels DNA Techniken (Y. H. Kan) 1980 Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus (D. Botstein, R. White, M. Skolnick, R. Davies) Gene für die embryonale Entwicklung von Drosophila (C. Nüsslein-Volhard & E. Wieschaus) 1981 Sequenzierung des mitochondrialen Genoms des Menschen (Anderson et al.) 1982 Tumor-Suppressor-Gene (H. P. Klinger) Prionen (infektiöse, Proteinartige Partikel) als Auslöser für einige chronisch progressive Erkrankungen des zentralen Nervensystems (Kuru, Scrapie, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) (S. B. Prusiner) 1983 Zelluläre Onkogene (H. E. Varmus u. a.) HIV-Virus (L. Montagnier, R. Gallo) 1984 Lokalisierung des Gens für Chorea Huntington (Gusella) Identifizierung des T-Zellrezeptors (Tonegawa) Variable DNA-Sequenzen als „Genetischer Fingerabdruck“ (A. Jeffreys) Helicobacter pylori (B. Marshall) 1985 Polymerase-Kettenreaktion (Mullis, Saiki) Charakterisierung des Gens für Gerinnungsfaktor VIII (Gitschier) Sequenzierung des AIDS-Virus Lokalisierung des Gens für Cystische Fibrose Hypervariable DNA-Abschnitte Genomisches Imprinting bei der Maus (B. Cattanach) 1986 Klonierung von Genen des Menschen beginnt Erste Strukturanalyse eines menschlichen Gens aufgrund der chromosomalen Lage, Positionsklonierung (RoyerPokora et al.) RNA als katalytisches Enzym (T. Cech)
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Zeittafel zur Entwicklung der Genetik
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1987 Struktur eines HLA-Moleküls (Björkman, Strominger et al.) Klonierung des Gens für DuchenneMuskeldystrophie (R. G. Worton, L. M. Kunkel, A. P. Monaco) Knockout-Maus (M. Capecchi) Genetische Karte, Genom des Menschen (H. Donis-Keller et al.) Mitochondriale DNA und Evolution des Menschen (R. L. Cann, M. Stoneking, A. C. Wilson)
1995 Sequenz eines frei lebenden Bakteriums, Haemophilus influenzae Master-Gen für das Auge bei Wirbeltieren (small-eye, W. J. Gehring) STS-Karte des Genoms des Menschen (T. J. Hudson et al.)
1988 Beginn des Humangenom-Projekts Erfolgreiche Gentherapie in vitro Molekulare Struktur von Telomeren am Ende von Chromosomen (E. Blackburn und andere)
1997 Sequenz von E. coli (F. R. Blattner et al.) und Helicobacter pylori (J. F. Tomb et al.) Klon eines Säugetiers (das Schaf Dolly) durch Transfer eines adulten ZellNukleus in eine enukleierte Oozyte (Wilmut) Embryonale Stammzellen
1989 Hox-Gene (Homeobox-Gene) Klonierung einer definierten Region aus einem Chromosom des Menschen durch Mikrosezierung (Lüdecke, Senger, Claussen, Horsthemke)
1996 Sequenzierung des Genoms von Bäckerhefe S. cerevisiae (A. Goffeau et al.) Genom-Karte der Maus mit über 7000 Markern (E. S. Lander)
1998 Sequenz des Genoms des Nematoden C. elegans (C. elegans Consortium)
1990 Hinweise auf ein defektes, familiären Brustkrebs verursachendes Gen (MaryClaire King)
1999 Sequenz von Chromosom 22, das erste beim Menschen Kristallstruktur von Ribosomen
1991 Klonierung der Gene für Cystische Fibrose und für Duchenne-Muskeldystrophie Odorantrezeptor-Multigen-Familie (Buck & Axel) Komplette Sequenz eines Chromosoms bei Hefe Mikrosatelliten als polymorphe DNAMarker
2000 Sequenz des Genoms von Drosophila melanogaster, der Pflanze Arabidopsis thaliana, eines Pflanzen-Pathogens (Xylella fastidiosa) Erster Entwurf für die komplette Sequenz des Genoms des Menschen RNA-Interferenz (RNAi)
1992 Trinukleotid-Expansion als neue Klasse von krankheitsauslösenden Mutationen Hochauflösende Karte von DNA-Markern auf Chromosomen des Menschen Zentrum für die X-chromosomale Inaktivierung identifiziert p53-Knockout-Maus (O. Smithies) 1993 Klonierung des Gens für Chorea Huntington 1994 Physikalische Karte des menschlichen Genoms in hoher Auflösung Mutationen im Fibroblasten Wachstumsfaktor-Rezeptor als Ursache für Achondroplasie und andere Erkrankungen Identifikation der Gene BRCA1 BRCA2 bei Brustkrebs
2001 Sequenz des Genoms des Menschen, Homo sapiens als Entwurf (draft) 2002 Genom-Sequenz von Reis (Oryza sativa), J. Yu, S. A. Goff et al. Sahelanthropos tchadiensis 6 – 7 Millionen Jahr alt (Brunel et al.) Sequenz der Maus Mus musculus als Entwurf (draft) Sequenz des Malaria-Parasiten Plasmodium falciparum und des Überträgers Anopheles gambiae 2003 Vollständige Sequenz des Genoms des Menschen Homo sapiens idaltu, ` ein 160 000 Jahre alter Fund in Awash, Äthiopien Sequenz des Y-Chromosoms des Menschen (D. C. Page u. Mitarb.)
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Literaturhinweise zur Zeittafel
Literaturhinweise zur Zeittafel Die Angaben in der Zeittafel stützen sich auf persönliche Notizen aus einer Vielzahl von Quellen über einen Zeitraum von 30 Jahren. Besondere Bedeutung hatten folgende Literaturstellen: Dunn, L. C.: A Short History of Genetics. McGraw-Hill, New York, 1965. The New Encyclopaedia Britannica, 15th ed., 1995. King, R. C., Stansfield, W. D.: A Dictionary of Genetics. 6th ed. Oxford University Press, Oxford, 2002. Lander, E. S., Weinberg, R. A.: Genomics. A journey to the center of biology. Science 287:
1777 – 1782, 2000 (weiterführende Information unter http://www.britannica.com im „Science channel“). McKusick, V. A.: Human genetics: The last 35 years. Am. J. Hum. Geneti. 50: 663 – 670, 1992. Stent, G., Calendar, R.: Molecular Genetics. An Introductory Narrative. 2nd ed. W. H. Freeman, San Francisco, 1978. Sturtevant, A. H.: A History of Genetics. Harper & Row, New York, 1965. Vogel, F., Motulsky, A. G.: Human Genetics. 3rd ed., Springer, Heidelberg – New York, 1997. Whitehouse, H. K. L.: Towards an Understanding of the Mechanism of Heredity. 3rd ed., Edward Arnold, London, 1973.
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Molekulare Grundlagen
Die Zelle und ihre Bestandteile
C. Zellplasma-Membran
Zellen sind die kleinsten strukturellen und funktionellen Einheiten eines vielzelligen Organismus. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Zellen von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren sind das Ergebnis von Anpassung während der Evolution. Man kann Zellen mit prokaryotem und Zellen mit eukaryotem Bauplan unterscheiden. Prokaryote Zellen haben keinen Zellkern. Dazu gehören alle Bakterien und Blaugrün-Algen. Pflanzen und Tiere, sowie echte Algen, Pilze und Protozoen bestehen aus eukaryoten Zellen mit einem Zellkern.
Um die Integrität der Zelle zu sichern, muss sie das unkontrollierten Ein- und Ausströmen von Wasser und anderen Molekülen verhindern. Dies wird durch die Plasmamembran erreicht. Sie besteht aus einer wasserdichten Phospholipid-Doppelschicht. Die Plasmamembran enthält zahlreiche funktionell wichtige Moleküle. Sie durchdringen die Lipid-Doppelschicht einoder mehrmals. Nach ihren Aufgaben kann man verschiedene Typen von Membranproteinen unterscheiden: 1. Proteine, die als Transportkanäle fungieren; 2. Strukturproteine, die für die Stabilität sorgen; 3. Rezeptormoleküle, die für die Annahme und Weiterleitung von Signalen in das Zellinnere, einschließlich GapJunction-Proteinen, sowie 4. Moleküle mit enzymatischen Funktionen, die durch extrazelluläre Signale aktiviert und als Katalysator für intrazelluläre chemische Reaktionen dienen (Abb. nach Alberts et al., 1998).
A. Eukaryote Zelle Eukaryote Zellen bestehen aus Cytoplasma und einem Zellkern. Sie werden von einer Plasmamembran umschlossen. Das Cytoplasma enthält ein komplexes System innerer Membranen, die zelluläre Strukturen (Organellen) bilden. Wichtige Organellen sind die Mitochondrien (in denen wichtige energieliefernde chemische Reaktionen ablaufen), das endoplasmatische Retikulum (bestehend aus einer Serie von Membranen, in denen Glycoproteine und Lipide gebildet werden), Golgi-Apparat (für bestimmte Transportfunktionen), Peroxisomen für die Bildung bzw. den Abbau bestimmter Substanzen. Eukaryote Zellen enthalten Lysosomen, in denen der Abbau zahlreicher Proteine, Nukleinsäuren und Lipide stattfindet. Das Cytoplasma enthält ein Cytoskelett aus verschiedenen fibrösen Proteinen, die der Zelle Stabilität verleihen. Centriolen sind kleine zylindrische Partikel aus Mikrotubuli, die eine wichtige Rolle bei der Zellteilung spielen. Ribosomen sind der Ort der Synthese von Proteinen.
B. Zellkern Der eukaryote Zellkern (Nukleus) enthält die genetische Information. Er ist von der inneren und der äußeren Membran umschlossen, die Poren für den Transport von Stoffen zwischen Zellkern und Cytoplasma enthält. Der Zellkern enthält einen Nukleolus und eine fibröse Matrix mit verschiedenen DNA-Proteinkomplexen. Im Nukleolus wird der größte Teil der ribosomalen RNA synthetisiert. Die im Zellkern liegenden Chromosomen sind nur als diffuses Gerüst (Chromatin) sichtbar.
D. Vergleich einer Zelle bei Tier und Pflanze Zellen von Tieren und Pflanzen ähneln sich in vielen Merkmalen. Ein wesentlicher Unterschied ist die Anwesenheit von Chloroplasten für die Photosynthese in Pflanzenzellen. Pflanzenzellen sind von einer starren Wand aus Cellulose und anderen polymeren Molekülen umgeben und enthalten Vakuolen als Reservoir für Wasser, Ionen, Zucker, stickstoffhaltige Verbindungen oder Abfallprodukte. Vakuolen sind von einer semipermeablen Membran umschlossen, die Wasser durchlässt, aber nicht die in der Vakuole eingeschlossenen anderen Moleküle. Durch Wassereintritt erweitert sich die Vakuole und erzeugt hydrostatischen Druck (Turgor) innerhalb der Zelle. (Abb. nach J. D. Watson et al., Molecular Biology of the Cell, 3rd ed., 1987 und C. de Duve, 1986). Alberts, B. et al.: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Celi. Garland Publishing Co., New York, 1998. de Duve, C.: A Guided Tour of the Living Cell. Vol. I and 11. Scientific American Books, Inc., New York, 1984. Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology (with an animated CD-ROM). 4th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 2000.
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Die Zelle und ihre Bestandteile Zellkern
Plasmamembran
innere äußere Membran nukleäre Poren
Chromatin
Lysosom
Golgi-Apparat
Nucleolus
Nucleolus Mitochondrium
Centriole
Peroxisom
Cytoskelett
Ribosomen Endoplasmatisches Retikulum Cytoplasma
A. Eukaryote Zelle
3 – 10 mm
B. Zellkern
extrazellulärer Raum
Transport aus ein
Verbindungen
Rezeptoren
Enzyme
LipidDoppelmembran
Signale
Cytoplasma
Reaktion
C. Zellplasma-Membran Zellwand Centriole
Vakuole
Plasmamembran Mitochondrium Cytosol Nucleus Chromosomen Endoplasmatisches Retikulum Golgi-Apparat Lysosom Filamentöses Cytoskelett
Chloroplast
10 – 30 mm
1. Tierzelle D. Vergleich einer Zelle bei Tier und Pflanze
10 – 100 mm
2. Pflanzenzelle
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Molekulare Grundlagen
Wichtige chemische Funktionsgruppen und Molekülbindungen Nahezu 99% des Gewichts einer lebenden Zelle wird von nur vier Elementen gebildet, Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Stickstoff (N) und Sauerstoff (O). Der Anteil von H-Atomen beträgt fast 50%, von Kohlenstoff und Sauerstoff etwa 25%. Vom Wasser abgesehen (etwa 70% des Gewichts einer Zelle) sind praktisch alle Komponenten Kohlenstoff-Verbindungen. Kohlenstoff ist ein kleines Atom mit vier Elektronenhüllen, das vier starke kovalente Bindungen mit anderen Atomen eingehen kann. Die wichtigste chemische Eigenschaft von Kohlenstoff ist, dass es eine Verbindung mit anderen Kohlenstoff-Atomen eingehen kann. Dadurch können unter Bildung von Ketten und Ringen große komplexe Moleküle mit spezifischen biologischen Eigenschaften gebildet werden.
A. Verbindungen von Wasserstoff (H), Sauerstoff (O) und Kohlenstoff (C) Vier einfache Kombinationen dieser Atome kommen häufig in biologisch wichtigen Molekülen vor: Hydroxy (–OH), Methyl (–CH3), Carboxy (–COOH), sowie Carbonyl-Gruppen (Aldehyd- und Keto-Gruppen) und AlkoholGruppen. Sie verleihen einem Molekül charakteristische chemische Eigenschaften und Verbindungsmöglichkeiten.
B. Säuren und Ester Viele biologische Substanzen enthalten eine Kohlenstoff-Wasserstoff-Verbindung (C–O) mit schwach sauren oder basischen (alkalischen) Eigenschaften. Der Grad der Azidität wird durch den pH-Wert ausgedrückt, der die Konzentration von H+-Ionen einer Lösung angibt, nämlich von 10–1 (pH = 1, stark sauer) bis 10–14 (pH = 14, stark alkalisch). Reines Wasser enthält 10–7 mol H+ pro Liter (pH = 7.0). Als Ester bezeichnet man die Verbindung von zwei Kohlenstoff-Atomen über ein Sauerstoff-Atom. Ester findet man häufig in Lipid- und Phosphat-Verbindungen.
vor allem in Proteinen (Eiweißstoffen). Eine überragende Bedeutung haben Aminosäuren (vgl. S. 30). Sie stellen die Untereinheiten der Proteine (Eiweißstoffe) dar. Alle Proteine haben eine spezifische Aufgabe im biologischen Funktionsablauf, z. B. Insulin oder Schilddrüsenhormon.
D. Phosphat-Verbindungen Eine wichtige biologische Rolle spielen Phosphat-Ionen-Verbindungen. Anorganisches Phosphat, H3PO4 kann stabile Phosphat-IonenVerbindungen bilden. Zwischen einem Phosphat und einer freien Hydroxy-Gruppe können sich Phosphatester bilden. Phosphat-Verbindungen spielen in energiereichen Molekülen und zahlreichen Makromolekülen eine wichtige Rolle, weil sie Energie speichern können.
E. Schwefel-Verbindungen Schwefel kann bestimmte Moleküle miteinander verbinden, in dem aus einer SulfhydrilGruppe (–SH) eine Disulfid-Brücke (–S–S–) wird. Schwefel ist u. a. Bestandteil von zwei Aminosäuren (Cystein und Methionin) und einigen Zuckerresten und Polysacchariden. Disulfid-Brücken haben in vielen komplexen Molekülen eine wichtige Funktion für die Stabilisierung und Aufrechterhaltung einer bestimmten dreidimensionalen Funktion. Alberts, B. et al.: Molekularbiologie der Zelle. 4. Aufl., Whiley Weinheim, 2002. Koolman, J., Röhm, K.-H.: Taschenatlas der Biochemie, 3. Aufl., Thieme, Stuttgart – New York, 2003. Stryer, L.: Biochemistry. 4th ed., W. H. Freeman, New York, 1995.
C. Kohlenstoff-StickstoffVerbindungen (C–N) Wichtig sind C–N Verbindungen. Als AminoGruppen, Amine oder Amid-Verbindungen kommen sie in sehr vielen Molekülen vor, wie
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Wichtige chemische Funktionsgruppen und Molekülbindungen
H
(
C
H
H
O
O
C H ( CH3)
OH
C
COOH)
C O
C OH
H
OH
H
HydroxyMethylCarboxylAldehydKetoAlkoholA.Funktionelle Gruppen mit Wasserstoff (H), Sauerstoff (O) und Kohlenstoff (C)
O
O H+
C
H
C
+
C O–
OH Proton
Säure
H H+-Ion
Amin
positive Ladung
O
O
C
COOH
C
C
OH
COOH
C
C
+ HO C
C
O
Hydroxysäure
C
+ H2O O
OH
Ketosäure
N H+
C
H
Base
H C
H + H+
N
Ester
Alkohol
C
Esterbindung
B. Säuren und Ester
O
O + H 2N
C
C
C
OH
N
C
COOH
H +H
3N
C
COO–
CarboxyH R R Gruppe Amino- SeitenGruppe kette Aminosäuren in wässriger
N C H
Säure Amin
α-C-Atom
H
H
+ H 2O
Amid
Aminosäure
Lösung pH 7 sind ionisiert
C. Kohlenstoff-Stickstoff-Bindungen (C–N)
O
O P O– (
C
P)
O
O
P OH + HO
P
O
O–
(
C
O
P)
S H Sulfhydril-Gruppe
Phosphat-Ester
Phosphat-Gruppe
–
P O–
OH
O
O
O
O– –
Bildung von Diphosphat
O
O
O
P O
P O–
–
–
O ( O
O + H2O P
P)
D. Phosphat-Gruppierungen
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S S Disulfid-Brücke E. SchwefelBindungen
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Molekulare Grundlagen
Kohlenhydrate Kohlenhydrate in verschiedenen chemischen Formen von Zuckern und ihre Abkömmlinge bilden eine für die Genetik wichtige Gruppe von Biomolekülen. Sie stellen das Grundgerüst von DNA und RNA. Kohlenhydrate sind neben Nukleinsäuren, Lipiden und Proteinen eine der vier wichtigen Klassen von Biomolekülen. Ihre wesentlichen Funktionen lassen sich drei Bereichen zuordnen: 1. Energielieferanten und -verwahrung, 2. Strukturelement von DNA und RNA, den informationstragenden Molekülen (vgl. S. 30 und 38), 3. Strukturelement der Wand der Zellen von Bakterien und Pflanzen. Kohlenhydrate sind oft mit Proteinen und Lipiden verbunden. Als Polysaccharide sind Kohlenhydrate wichtige Strukturelemente der Zellwand von Tieren, Bakterien und Pflanzen. Sie sind Teil von Strukturen an der Oberfläche von Zellen (Rezeptoren), die für die Übermittlung von Signalen von Zelle zu Zelle wichtig sind. Ihre Fähigkeit zu Bindungen mit zahlreichen Proteinen und Lipiden machen Kohlenhydrate zu einer wichtigen Komponente.
A. Monosaccharide
9
§
O ) oder H Ketone ( ¤ C = 0) mit zwei oder mehr HydroxyGruppen [allgemeine Strukturformel (CH2O)n]. Die Aldehyd- oder Keton-Gruppe kann mit der Hydroxy-Gruppe reagieren und einen Ring bilden. Das ist bei Zuckern mit sechs oder fünf CAtomen meist der Fall (Hexosen und Pentosen). Die C-Atome werden nummeriert. Die D- und die L-Formen von Zuckern sind spiegelbildliche Isomere des gesamten Moleküls. In der Natur kommen die D-(dextro)-Formen vor. Innerhalb dieser Formen gibt es g - und ( § -Formen als Stereoisomere. Die C-Atome in den zyklischen Formen von Zuckern sind nicht planar angeordnet, sondern dreidimensional in einer Sessel- oder Bootform. Die g -D-Glucopyranose-Konfiguration (Glucose) ist die wesentliche, weil alle axialen Positionen von H-Atomen eingenommen werden. Die Anordnung der Hydroxy-Gruppen kann verschieden sein, so dass Stereoisomere wie z. B. Mannose oder Galactose entstehen. Monosaccharide sind Aldehyde (– C
B. Disaccharide
Hydroxy-Gruppe verbunden sein. Sucrose und Lactose sind häufig vorkommende Disaccharide.
C. Zuckerabkömmlinge Wenn bestimmte Hydroxy-Gruppen durch andere Gruppen ersetzt werden, entstehen Zuckerabkömmlinge. Diese kommen vor allem in Polysacchariden vor. Bei einer großen Gruppe genetisch bedingter Krankheiten können komplexe Polysaccharide infolge fehlender oder eingeschränkter Funktion von Enzymen nicht abgebaut werden (Mucopolysaccharidosen, Mucolipidosen, vgl. S. 338 – 341).
D. Polysaccharide Kurze (Oligosaccharide) und lange Ketten von Zucker und Zuckerabkömmlingen (Polysaccharide) bilden wichtige Strukturelemente der Zelle. Komplexe Oligosaccharide mit Bindung an Proteine oder Lipide sind Teil von Zelloberflächenstrukturen, z. B. Blutgruppen-Antigenen.
Beispiele für hereditäre Krankheiten im Kohlenhydrat-Stoffwechsel Diabetes mellitus. Eine durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel charakterisierte heterogene Gruppe von Störungen mit komplexen klinischen und genetischen Merkmalen. Störungen des Fructose-Metabolismus. Es sind drei genetische Störungen bekannt: die benigne Fruktosurie, die hereditäre Fruktoseintoleranz mit Hypoglykämie und Emesis, und der hereditäre Fruktose-1,6-bisphosphat-Mangel mit Hypoglykämie, Apnoe, Lactat-Azidose, und häufig mit letalem Ausgang bei Neugeborenen. Glykogenspeicherkrankheiten. Eine Gruppe von Störungen des Glykogen-Stoffwechsels, die sich in ihrer klinischen Erscheinung und den beteiligten Genen und Enzymen unterscheiden. Galactose-Metabolismus. Es gibt drei verschiedene genetische Störungen mit akuten Zuständen und Langzeiteffekten. Gilbert-Barness, E., Barness, L.: Metabolic Diseases. Foundations of Clinical Management, Genetics, and Pathology. Eaton Publishing, Natick, MA 01760, USA, 2000. Scriver, C. R., Beaudet, A. L., Sly, W. S., Valle, D., editors: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
Dies sind Verbindungen von zwei Zuckerresten. Sie können über eine § -Hydroxy- oder eine g -
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27
Kohlenhydrate
6
O OH
H 5C C
6
CH2OH
H OH
H
4 HO C3
C1
C
H OH
4 HO C3
C2 H
H
CH2OH
H 5C
O H C2
C
H
OH H OH α-D-Glucose
H OH β-D-Glucose
CH2OH HO
C
C1
H
O H
HO C
C
C OH
OH H L-Glucose
Stereoisomere
H
CH2OH
HO
H
HO
H
H O
CH2OH
HO OH
OH
H
H Glucose
H
HO
6 CH OH 2 1 HOCH2 H 5 O H O OH
2
1
H
O
CH2 OH 4
H
H OH
H
H
C
OH
H 1
H
O 4
H
OH
H OH
H
CH2 OH O OH
O OH OH
OH
H
HO OH
NH2 Glucosamin
CH2 OH O OH
O H OH
1
H
OH OH
β-glycosidische Bindung
H
HO NH N-AcetylGlucosamin
C
O
CH3
Lactose (Galactose-β-1.4-Glucose)
C. Abkömmlinge von Zuckern
O OH
O
an Verzweigungen α-1.6-Bindung
OH β-hydroxy B. Disaccharide
H
HO
CH2 OH
O
OH OH
Glucuronsäure
Sucrose (Glucose-α-1, 2-Fructose)
O
H Galactose Stereoisomere von Glucose
5
HO
H
H
HO
H
O
H
CH OH O HO3 3 4 6 2 2 H OH H HO Glucose Fructose α-glycosidische Bindung
HO
H
CH2OH
H OH
H Mannose
A. Monosaccharide
4
OH
HO O
alle anderen α-1.4-Bindungen
α-hydroxy
D. Polysaccharide
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28
Molekulare Grundlagen
Lipide (Fette) Lipide kommen in großen Molekülen (Makromolekülen) vor. Sie bilden eine wichtige Komponente von Membranen und Vorläufern wichtiger anderer Biomoleküle wie Steroide für die Bildung von Hormonen und anderen Molekülen zur Übermittlung interzellulärer Signale. Neben Fettsäuren sind vor allem Verbindungen mit Kohlenhydraten (Glycolipide), PhosphatGruppen (Phospholipide) und anderen Molekülen wichtig. Eine besondere Eigenschaft ist ihre ausgesprochene Polarität mit einer hydrophilen (wasseranziehenden) und einer hydrophoben (wasserabstoßenden) Region. Dies macht Lipide für die Abgrenzung von Zellen nach außen (Zellmembran) besonders geeignet.
A. Fettsäuren Fettsäuren sind Carboxy-Säuren mit unterschiedlich langen Hydrocarbon-Ketten. Sie sind polar mit einem hydrophilen (–COOH) und einem hydrophoben Ende (–CH2-CH3) und unterscheiden sich nach Kettenlänge und Grad der Sättigung der Seitenkette. Wenn eine oder mehr Doppelbindungen vorkommen, nennt man die Fettsäure ungesättigt. Die Doppelbindung macht die Seitenkette relativ starr und verursacht einen Knick. Fettsäuren bilden das Grundgerüst vieler wichtiger Makromoleküle. Die freie Carboxy-Gruppe (–COOH) einer Fettsäure ist ionisiert (–COO–).
B. Lipide Durch Verbindung von Fettsäuren untereinander oder mit anderen Molekülgruppen entstehen Lipide. Sie sind als wasserunlösliche (hydrophobe) Moleküle nur in organischen Verbindungen löslich. Die Carboxy-Gruppe kann eine Ester- und Alkohol-Verbindung eingehen. Triglyceride sind Fettsäure-Verbindungen mit Glycerin. Glycolipide in der Verbindung mit Zuckerresten und Phospholipide in der Verbindung mit Phosphat-Gruppen und Alkoholabkömmlingen sind die Strukturgrundlage wichtiger Makromoleküle. Ihr intrazellulärer Abbau erfordert die Anwesenheit zahlreicher Enzyme, für deren Störung es eine genetische Grundlage gibt und die zu zahlreichen genetisch bedingten Krankheiten führen.
Sphingolipide sind eine wichtige Gruppe von Molekülen in biologischen Membranen. Aus Sphingosin entstehen Sphingomyelin und Ganglioside. Ganglioside machen 6% der Lipide im Zentralnervensystem aus. Durch eine Reihe von Enzymen werden sie abgebaut. Genetisch bedingte Störungen im Abbau führen zu schweren Erkrankungen, z. B. Tay-Sachs-Krankheit durch defekten Abbau von Gangliosid GM2 (Mangel an g -N-Acetylhexosaminidase).
C. Lipidaggregate Fettsäuren können aufgrund ihrer bipolaren Eigenschaften in Wasser Lipidaggregate bilden. Die hydrophilen Enden stehen in Verbindung mit der wässrigen Umgebung, die hydrophoben Enden ragen aus der Wasserfläche heraus und bilden einen Oberflächenfilm. In Wasser bilden sie eine nach innen abgeschlossene trockene Mizelle. Phospholipide und Glycolipide können zweischichtige Membranen bilden (Lipidmembran-Bilayer). Diese sind das grundlegende Strukturelement von Zellmembranen und schützen die Zelle vor von außen eindringenden Molekülen in wässriger Lösung.
D. Andere Lipide: Steroide Steroide sind komplexe Ringstrukturen aus Abkömmlingen von relativ einfachen Molekülen, z. B. Cholesterol. Sie sind die strukturelle Grundlage zahlreicher Hormone (Steroidhormone). Hormone sind signalübertragende Moleküle mit hoher Spezifität der Funktion.
Beispiele für genetisch bedingte Krankheiten im Lipoprotein- und LipidStoffwechsel Scriver et al. (2001) beschreiben mehrere Gruppen von Erkrankungen. Die wichtigsten Beispiele sind die Familiäre Hypercholesterolämie (s. S. 342), der Familiäre Lipoprotein-Lipase-Mangel, Dysbetalipoproteinämie und Störungen des High-Density-Lipoproteins (HDL). Gilbert-Barness, E., Barness, L.: Metabolic Diseases. Foundations of Clinical Management, Genetics, and Pathology. Eaton Publishing, Natick, MA 01760, USA, 2000. Scriver, C. R., Beaudet, A. L., Sly, W. S., Valle, D., editors: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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Lipide (Fette)
hydrophil
–
COOH
O
CH2
C
–
COOH
O
CH2
O C
O
CH2 CH
starre Doppelbindung verursacht einen Knick
CH
CH2 CH2
CH2
CH3
CH2
hydrophob
CH3
1. Gesättigte Fettsäuren
2. Ungesättigte Fettsäuren
A. Fettsäuren
O
O
C
C
O C
Ester
O C
N H
Zucker
O
H C
HN
OH
OH
C
C
H
HC
OH
H 2C
OH
H 2C
C
O
O HC
Glycerin kann Fettsäuren zu Lipiden verbinden
O
C O
H 2C
O
C Triglyceride
Fettsäuren
Glycerin
H2 C
OH
Alkohol
O O
P
O
–
Phosphat
O
H
Glycerol
C O
Glycolipide
hydrophob
Phospholipide
Fettsäuren
Amid
H 2C
B. Lipide
Oberflächenfilm
Mizelle
C. Lipidaggregate
zweischichtige Lipidmembran (Bilayer)
HO D. Andere Lipide: Steroide
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Cholesterol
29
30
Molekulare Grundlagen
Nukleotide und Nukleinsäuren Nukleotide sind die Untereinheiten von DNA und RNA, den Trägermolekülen der genetischen Information (vgl. S. 36). Abkömmlinge von Nukleotiden sind an der Biosynthese zahlreicher Moleküle beteiligt, sind Überträger von Energie, Teile wesentlicher Co-Enzyme und regulieren zahlreiche Stoffwechselfunktionen. Nukleotide bestehen aus drei prinzipiellen Bausteinen: Phosphaten, Zucker, Pyrimidin- oder Purin-Basen.
A. Phosphat-Gruppen Phosphat-Gruppen können allein (Monophosphat), zu zweit (Diphosphat) oder zu dritt (Triphosphat) auftreten. Ihre CH2-Gruppe ist normalerweise an eine Hydroxy-Gruppe des CAtoms in Position 5 eines aus fünf C-Atomen bestehenden Zuckers (Pentose) gebunden.
B. Zuckerreste Die Zuckerreste in Nukleotiden leiten sich entweder von Ribose (in Ribonukleinsäure, RNA) oder von Deoxyribose (in Deoxyribonukleinsäure, DNA) ab (Ribonukleosid bzw. Deoxyribonukleosid).
C. Nukleotidbasen von Pyrimidin Cytosin (C), Thymin (T) und Uracil (U) sind die drei Nukleotidbasen von Pyrimidin. Sie unterscheiden sich durch ihre Seitenketten (–NH2 an C4 von Cytosin, –CH3 in C5 von Thymin, O an C4 von Uracil) und An- bzw. Abwesenheit einer Doppelbindung zwischen N3 und C4 von Cytosin.
D. Nukleotidbasen von Purin Adenin (A) und Guanin (G) sind die beiden Nukleotidbasen von Purin. Sie unterscheiden sich durch Seitenketten und eine Doppelbindung (zwischen N1 und C6).
E. Nukleosid Ein Nukleosid ist die Verbindung eines Zuckerrestes (Ribose oder Deoxyribose) und einer Nukleotidbase. Die Verbindung erfolgt zwischen dem C-Atom in Position 1 des Zuckers (wie in Verbindungen zwischen Zuckern) und einem N-Atom der Base (N-glycosidische Bindung). Die Nukleoside der verschiedenen Basen werden danach benannt, ob sie ein Ribonukleosid oder ein Deoxyribonukleosid sind, z. B. Adenosin bzw. Deoxyadenosin, Guanosin bzw. Deoxy-
guanosin, Uridin (kommt nur als Ribonukleosid vor), Cytidin bzw. Deoxycytidin. Thymidin kommt nur als Deoxynukleosid vor.
F. Nukleotid Ein Nukleotid ist eine Verbindung eines aus fünf C-Atomen bestehenden Zuckerrestes (Ribose oder Deoxyribose) mit einer Nukleotidbase (Pyrimidin- oder Purin-Base) mit einer PhosphatGruppe. Die Nukleotide der einzelnen Basen werden wie folgt bezeichnet: Adenylat (AMP, Adenylatmonophosphat), Guanylat (GMP), Uridylat (UMP), Cytidylat (CMP) für die Ribonukleotide (5'-Monophosphate) und Deoxyadenylat (dAMP), Deoxyguanylat (dGMP), Deoxythymidylat (dTMP), und Deoxycytidylat (dCMP).
G. Nukleinsäuren Nukleinsäuren entstehen durch Verbindung von Nukleotiden mittels einer PhosphodiesterBrücke zwischen dem 3'-C-Atom eines Nukleosids und dem 5'-C-Atom des nächsten. Die lineare Abfolge (Sequenz) von Nukleotiden wird normalerweise in 5'- nach 3'-Richtung unter Verwendung der Abkürzungen der jeweiligen Nukleotidbasen angegeben. Zum Beispiel bedeutet ATCG eine Sequenz von Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und Guanin (G) in 5'- nach 3'-Richtung.
Beispiele für genetisch bedingte Krankheiten im Purin- und PyrimidinStoffwechsel Hyperurikämie und Gicht. Eine Gruppe von Störungen des Purin-Stoffwechsels, die zu erhöhtem Plasma-Spiegel von Harnsäure führt und dadurch klinische Erscheinungen auslöst. Lesch-Nyhan-Syndrom. Eine variable, meist schwere infantile X-chromosomale Erbkrankheit mit neurologischen Symptomen und Nierenversagen durch extremen Mangel der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase. Adenosin-Deaminase-Mangel. Eine heterogene Gruppe von Störungen die zu schwerer infantiler Immuninsuffizienz führen. Es existieren verschiedene autosomal rezessive und X-chromosomale Typen. Gilbert-Barness, E., Barness, L.: Metabolic Diseases. Foundations of Clinical Management, Genetics, and Pathology. Eaton Publishing, Natick, MA 01760, USA, 2000. Scriver, C. R., Beaudet, A. L., Sly, W. S., Valle, D., editors: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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31
Nukleotide und Nukleinsäuren
O –
O
–
Monophosphat
O –
HOCH2
P O CH2
O
O
O –
O
H C C H
C H HC
HO
OH
HO
β-D-Ribose
P O CH2
P O O
–
O
P O
P O P O CH2
O–
O–
O O–
C
O
C
N
H
H
H
O
C
N C
N
C C
H
H
O
N C
N C
H 2N
N
3 2
H
C
5
H
N H
Pyrimidin
Purin 6
7
1N
7
5
N
4
N
8
2
N 3
H
D. Nukleotidbasen von Purin
NH2 Base
C5
O
N-glycoC 1 sidische
4
H 3
Bindung
2
Zucker
–
O P O CH2 O
5
N
O
N
–
Phosphat
N O
N
P O CH2 O
O 3
Base
H H HO OH Zucker (Ribose)
O –
O P O O CH2
5
N O
3
E. Nukleosid E. (Base und Zucker)
F. Nukleotid F. (Base + Zucker + Phosphat)
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6
N 1
N 8 N C C H C C H 2 N 4 N9 3 H 1
5
N
Adenin (A)
NH2
N C
C
4
H
Uracil (U)
6
C
C
H
Guanin (G)
C
C N
H
C
2
O CH3
Cytosin (C) Thymin (T) C. Nukleotidbasen von Pyrimidin
H
H
B. Zuckerreste (Pentose)
H
O
C
1
3
O
C
O
Triphosphat
NH2 N
C
4
A. Phosphat-Gruppen
C
H
C H
Diphosphat
O O
OH
O
β-D-Deoxyribose 5
–
HOCH2
OH
O
C H HC
G. Nukleinsäuren
32
Molekulare Grundlagen
Aminosäuren Aminosäuren sind die grundlegenden Struktureinheiten von Proteinen (Eiweißkörpern). Eine Aminosäure besteht aus einer Amino-Gruppe (–NH2) an einem Ende, einer Carboxy-Gruppe (–COOH) am anderen, einem Wasserstoff-Atom (–H) und einer variablen Seitenkette. Die Seitenketten bestimmen die Eigenschaften einer Aminosäure. Aminosäuren verhalten sich in neutraler Lösung ionisiert, weil die AminoGruppe ein Proton erhält (–NH3+) und die Carboxy-Gruppe dissoziiert (–COO–). Aminosäuren können danach unterschieden werden, ob sie neutral oder nicht neutral (basisch oder sauer) sind, und ob sie eine nicht-polare oder eine polare Seitenkette enthalten.
A. Neutrale Aminosäuren, nicht-polare Seitenketten Die einfachsten Aminosäuren haben eine einfache aliphatische Seitenkette. Bei Glycin ist dies nur ein Wasserstoff-Atom (–H), bei Alanin nur eine Methyl-Gruppe (–CH3). Valin, Leucin und Isoleucin sind hydrophob (wasserabstoßend). Prolin hat zwar eine aliphatische Seitenkette, aber im Gegensatz zu anderen Aminosäuren ist diese sowohl mit der Amino-Gruppe als auch dem zentralen Kohlenstoff-Atom verbunden, so dass eine ringförmige Struktur entsteht. Aromatische Seitenketten haben Phenylalanin (eine Phenyl-Gruppe über eine MethylenGruppe [–CH2–] verbunden) und Tryptophan (ein Indolring über eine Methylen-Gruppe verbunden). Diese Aminosäuren sind sehr hydrophob. Zwei Aminosäuren enthalten ein Schwefel-Atom (S). Bei Cystein ist dies über eine Sulfhydryl-Gruppe (–SH), bei Methionin über eine Thioether-Verbindung (–S–CH3). Beide sind hydrophob. Die Sulfhydryl-Gruppe in Cystein ist sehr reaktiv und bildet Disulfid-Bindungen (–S–S–). Diese spielen eine wichtige Rolle für die Stabilität und dreidimensionale Form von Proteinen.
B. Neutrale Aminosäuren, polare Seitenketten Serin, Threonin und Tyrosin enthalten aliphatische Hydroxy-Gruppen (–OH). Sie sind somit hydroxylierte Formen von Glycin, Alanin und Phenylalanin. Die Hydroxy-Gruppe macht sie hydrophil und reaktiver als diese. Asparagin und Glutamin enthalten eine Amino-Gruppe
und eine Amid-Gruppe. Bei physiologischem pH sind ihre Seitenketten negativ geladen.
C. Nicht-neutrale Aminosäuren Diese Aminosäuren enthalten entweder zwei ionisierte Amino-Gruppen (basisch) oder zwei Carboxy-Gruppen (sauer). Basisch (positiv geladen) sind Arginin, Lysin und Histidin. Histidin mit einem Imidazol-Ring kann ungeladen oder positiv geladen sein, je nach Umgebung. Es findet sich häufig im reaktivem Zentrum eines Proteins, in dem es wechselnde Bindungen eingeht (z. B. im Bereich der Sauerstoff-Bindungsstelle von Hämoglobin). Asparaginsäure und Glutaminsäure enthalten zwei Carboxy-Gruppen (–COOH) und sind deshalb in der Regel sauer. Insgesamt haben sieben der 20 Aminosäuren leicht ionisierbare Seitenketten, die hohe Reaktivität verleihen (Asn, Glu, His, Cys, Tyr, Lys, Arg). Neben den hier gezeigten 20 Aminosäuren existieren zwei weitere Aminosäuren, Selencystein und Pyrrolysin (S. 50).
Genetisch bedingte Krankheiten im Aminosäure-Stoffwechsel Die Aminosäuren Glycin, Phenylalanin, Tyrosin, Histidin, Prolin, Lysin und die verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin sind an verschiedenen Störungen beteiligt, die durch Anstieg oder Abfall ihres Plasmaspiegels zu toxisch-metabolischen Syndromen führen. Phenylketonurie. Störungen der PhenylalaninHydroxylierung führen zu vom Schweregrad abhängigen variablen klinischen Symptomen. Verursacht werden sie durch ein breites Spektrum von Mutationen im verantwortlichen Gen. Ahornsirupkrankheit. Eine rezessiv erbliche Stoffwechselkrankheit infolge Mangel der verzweigtkettigen- § -Ketosäuren-Decarboxylase. Dies führt zu einer Akkumulation von Leucin, Isoleucin und Valin. Die klassische schwere Verlaufsform führt zu schweren Hirnschäden bei Neugeborenen. Gilbert-Barness, E., Barness, L.: Metabolic Diseases. Foundations of Clinical Management, Genetics, and Pathology. Eaton Publishing, Natick, MA 01760, USA, 2000. Scriver, C. R., Beaudet, A. L., Sly, W. S., Valle, D., editors: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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33
Aminosäuren
COO –
COO –
+
+
H 3N C H
H 3N C H
H
COO – +
H 3N C H
CH3
COO +
H 3N
–
COO
–
+
C H
H 3N C H
CH CH3
CH2
CH CH2
CH3
CH CH3
CH3 CH3
CH3 Alanin Ala (A)
Glycin Gly (G)
Valin Val (V)
COO – COO
+
–
H 3N C H
H 3N C
H 2N
Prolin Pro (P)
Phenylalanin Phe (F)
H CH CH2 CH C NH
Tryptophan Trp (W)
Isoleucin Ile (I)
COO–
COO– +
CH2
+
Leucin Leu (L)
+
COO– +
H 3N C H
H 3N C H
CH2
CH2
SH
CH2 S CH3
Cystein Cys (C)
Methionin Met (M)
A. Neutrale Aminosäuren, nicht-polare Seitenketten
COO–
COO –
H 3N C H
+
H 3N C H
CH2OH
COO–
COO–
+
+
H 3N C H
CHOH
+
H 3N C H
CH2
CH3
H 2N
COO – +
H 3N C H
CH2
CH2
C
CH2
O H 2N
OH Tyrosin Tyr (Y)
Threonin Thr (T)
Serin Ser (S)
Asparagin Asn (N)
C
O
Glutamin Gln (Q)
B. Neutrale Aminosäuren, polare Seitenketten COO
–
+
1. basisch (positiv geladen)
H 3N C H CH2
H 2N
COO
CH2
CH2
NH
CH2 +
Arginin Arg (R)
+
H 3N C H CH2
NH2
COO
+
CH2
C
–
CH2
Lysin Lys (K)
H 3N C
–
H
2. sauer (negativ geladen) COO
H 3N C H CH2
CH2
COO–
N +
NH3
–
+
–
H 3N C H CH2 CH2 COO–
N H
Histdin His (H)
COO +
Asparaginsäure Asp (D)
C. Nicht-neutrale Aminosäuren
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Glutaminsäure Glu (E)
34
Molekulare Grundlagen
Proteine Proteine sind an praktisch allen chemischen Vorgängen im lebenden Organismus beteiligt. Ihre universelle Bedeutung zeigt sich darin, dass sie als Enzyme chemische Reaktionen in lebenden Zellen steuern. Ohne enzymatische Katalyse würden die beteiligten Makromoleküle spontan nicht reagieren. Alle Enzyme sind das Produkt eines oder mehrerer Gene. Viele genetisch bedingte Krankheiten beruhen auf inaktiven oder fehlenden Enzymen infolge eines defekten Gens. Proteine dienen zum Transport von kleinen Molekülen, Ionen oder Metallen. Zum Beispiel transportiert das Protein Hämoglobin Sauerstoff oder Ferritin Eisen. Proteine haben wichtige Funktionen für die Teilung von Zellen beim Wachstum und die Differenzierung von Zellen und Geweben. Sie steuern die Koordination von Bewegung durch Regulation von Muskelzellen, sowie die Bildung und Übermittlung von Impulsen in und zwischen den Nervenzellen. Sie bewirken die Homöostase des Blutes (Blutgerinnung) und die Immunabwehr. Sie übernehmen mechanische Aufgaben in Haut, Knochen, Blutgefäßen und anderes mehr. Entsprechend der Vielzahl ihrer Aufgaben kommen sie in höchst unterschiedlichen Formen, Größen und biochemischen Eigenschaften vor. Ihr Grundmuster folgt indessen einigen relativ einfachen Prinzipien. Jedes Protein besteht aus Aminosäuren, die in spezifischer Abfolge miteinander verknüpft sind.
A. Verknüpfung von Aminosäuren (Peptidbindung) Aminosäuren als Grundeinheiten von Proteinen können sehr leicht infolge ihrer dipolaren Ionisierung (Zwitterion) miteinander verknüpft werden. Die Carboxy-Gruppe einer Aminosäure wird mit der Amino-Gruppe der nächsten verbunden (Peptidbindung), manchmal auch Amidbindung genannt. Viele, durch Peptidbindung verbundene, Aminosäuren bilden eine Polypeptid-Kette. Jede Polypeptid-Kette hat eine definierte Richtung, die durch die AminoGruppe (–NH2) am einen und die CarboxyGruppe (–COOH) am anderen Ende definiert ist.
B. Primärstruktur eines Proteins
eine genau definierte Aminosäure-Sequenz besitzt. Aus der Aminosäure-Sequenz ergeben sich viele Informationen über Funktion und evolutionären Ursprung eines Proteins. Die Primärstruktur eines Proteins ist seine eindimensionale Aminosäure-Sequenz. Wie bei vielen anderen Proteinen wird auch Insulin aus verschiedenen Vorstufen synthetisiert: Präproinsulin besteht aus 110 Aminosäuren, einschließlich 24 Aminosäuren einer Signal-Sequenz am Ende des Proteins. Diese Signal-Sequenz dient nur zum Transport des Moleküls an die richtige Stelle in der Zelle. Sie wird dann abgespalten und es entsteht Proinsulin. Dies wird durch Abspalten des C-Peptids (connecting peptide), welches aus den Aminosäuren 31–65 besteht, in Insulin verwandelt. Die Aminosäuren 1–30 bilden die B-Kette; die verbleibenden Aminosäuren 66–86 bilden die A-Kette. Die A- und die B-Kette werden durch zwei Disulfid-Brücken zwischen je zwei Cysteinen an Position 7 und 20 der A-Kette und Position 7 und 19 der B-Kette verbunden. Die A-Kette enthält eine weitere Disulfid-Brücke zwischen den Aminosäuren 6 und 11.
C. Sekundärstruktur-Einheiten, die § Helix und das g -Faltblatt Zwei Ausgangseinheiten von Gesamt-Proteinen sind die § -Helix und das g -Faltblatt. Tafel C zeigt die schematische Zeichnung einer § -Helix zwischen zwei g -Faltblättern, was dann g § g Einheit genannt wird (Abb. nach Stryer, 1995).
D. Tertiärstruktur des Insulins Alle funktionellen Proteine besitzen eine genau definierte Tertiärstruktur. Sie ergibt sich durch die Sequenz der Aminosäuren und ihre physikochemischen Eigenschaften. Die Quartärstruktur ist eine spezifische dreidimensionale räumliche Anordnung des Proteins mit seinen Untereinheiten und Kontaktstellen. Die korrekte Quartärstruktur ist für die Funktion des Proteins unerlässlich (Abb. nach Koolman & Röhm, 2003). Koolman, J., Röhm, K.-H.: Taschenatlas der Biochemie, 3. Aufl., Thieme, Stuttgart–New York 2003. Stryer, L.: Biochemistry, 4th ed., W. H. Freeman, New York, 1995.
Die Entschlüsselung der kompletten Aminosäure-Sequenz des Insulins durch F. Sanger (1955) zeigte zum ersten Mal, dass ein Protein
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35
Proteine
Peptidbindung
H +H
H
O
3N C
C
+H
+
3N
O–
R1
H O
O +H
C C
Aminosäure 1
3N
R
Aminosäure 2
H O
H O
C C 1
O–
R2
H O
1
2
R
3
H R
H R
O
N
C C
H
2 O– R (+ H2O)
bilden ein Peptid
H O
H
O
+ H 2N C C N C C N C C N C C N C Amino-Ende (NH2)
H
4
5
H R
CarboxyEnde (COOH)
C
H R
OH
Peptid aus fünf Aminosäuren (Pentapeptid)
H O
H O
H O
β-Faltblatt
N C C N C C N C C H R1
H R2
H R3
β-Faltblatt
A. Verknüpfung von Aminosäuren (Peptidbindung)
NH3
1
24 25
Met
Ala Phe
110 Entfernen der LeaderSequenz
LeaderSequenz
Asn
COO
α-Helix
Präproinsulin
Proinsulin
1
30 31
65 66
86
Phe
Leu Glu
Arg Gly
Asn
1
30
A-Kette
COO
C-Peptid entfernt
C. Sekundäre Struktureinheiten, die α-Helix und das β-Faltblatt
1
21
NH3
und Phe Leu B-Kette
Insulin
S
NH3
NH3
Gly Asn A-Kette Ketten durch Disulfid-Brücken verbunden
S
1 21 -GIVEQC CASVCSLYQLENYCN-COO S
S
S
S
NH3
C-Peptid
1 30 -FVNQHLCGSHLVE A l Y LVCGERGFFYTPKT-COO
OOC
B-Kette
Insulin-Sequenz B. Primärstruktur eines Proteins
D. Insulin: Tertiärstruktur
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36
Molekulare Grundlagen
DNA als Träger genetischer Information Als Friedrich Miescher 1869 DNA als neue, saure, phosphathaltige hochmolekulare Substanz („Nuclein“) beschrieb, konnte man ihre tatsächliche biologische Bedeutung nicht abschätzen. Zu einfach erschien ihre Struktur, um für komplexe biologische Funktionen geeignet zu sein. Den Begriff „Nukleinsäure“ führte Richard Altmann 1889 ein. Eine zufällige, aber genaue Beobachtung durch Fred Griffith (1928) und gezielte, präzise Untersuchungen von Oswald Avery und Mitarbeitern (1944) zeigten, dass DNA Träger genetischer Information ist.
A. Die Beobachtungen von Griffith 1928 machte der englische Mikrobiologe Fred Griffith eine bemerkenswerte Beobachtung. Bei der Untersuchung verschiedener Stämme von Pneumokokken stellte er fest, dass mit Stamm S (Smooth) injizierte Mäuse getötet wurden (1). Mit Stamm R (Rough) injizierte Tiere dagegen überlebten (2). Wenn er den tödlichen S-Stamm durch Hitze inaktivierte, hatte dies keine Folgen und das Tier überlebte (3). Überraschenderweise erzielte eine Mischung des nicht tödlichen R-Stammes und des hitzeinaktivierten S-Stammes eine tödliche Wirkung wie der S-Stamm (4). Im Blut der Tiere fand er normale lebende Pneumokokken vom SStamm. Offenbar waren Zellen des R-Stammes in Zellen des S-Stammes übergegangen (transformiert). Dieses überraschende Ergebnis konnte zunächst nicht erklärt werden und wurde mit Skepsis aufgenommen. Eine Beziehung zur Genetik war nicht erkennbar.
B. Das transformierende Prinzip ist DNA Die Befunde von F. Griffith bilden die Grundlage für Untersuchungen von O. T. Avery, C. M. MacLeod und M. J. McCarty (1944). Avery und Mitarbeiter am Rockefeller-Institut in New York klärten die chemische Grundlage des transformierenden Prinzips. Aus Kulturen eines SStammes (1) stellten sie einen Extrakt aus aufgelösten Zellen (zellfreier Extrakt) her (2). Obwohl sämtliche Proteine, Lipide und Polysaccharide entfernt waren, blieben die Fähigkeit zur Transformation von Pneumokokken des RStammes in Pneumokokken des S-Stammes erhalten (transformierendes Prinzip) (3).
Nach weiteren Untersuchungen stellten Avery und Mitarbeiter fest, dass dies allein auf DNA zurückzuführen war. Also musste DNA die entsprechende genetische Information enthalten. Dies erklärte die Beobachtung von Griffith. Die Hitze-Inaktivierung hatte die DNA des Bakterien-Chromosoms intakt gelassen. Deshalb konnte ein Abschnitt des Chromosoms mit dem für die Bildung der Hülle verantwortlichen Gen (S-Gen) aus der zerstörten S-Zelle freigesetzt und während der anschließenden Kultivierung in einige R-Zellen aufgenommen werden. Nach Einbau des S-Gens in deren DNA wurde eine RZelle in eine S-Zelle transformiert (4). (Abb. in A und B nach Stent & Calendar, 1978).
C. Genetische Information wird nur von DNA übertragen Der endgültige Beweis, dass DNA und kein anderes Molekül genetische Information überträgt, erbrachten 1952 A. D. Hershey und M. Chase. Sie markierten das Hüllprotein von Bakteriophagen mit radioaktivem Schwefel (35S) und DNA mit radioaktivem Phosphor (32P). Bei der Infektion von Bakterien mit markierten Bakteriophagen gelangte lediglich 32P (DNA) in die Zelle, nicht aber 35S (Hüllprotein). Da anschließend in der Zelle vollständige neue Phagenpartikel gebildet werden konnten, war erwiesen, dass ausschließlich DNA Träger der für die Bildung neuen Phagenpartikel einschließlich Hüllprotein erforderlichen genetischen Information ist. Nun war Struktur und Funktion von DNA zu klären. Die Gene aller Zellen und einiger Viren bestehen aus DNA, einem fadenähnlichen langkettigen Molekül. Avery, O. T., MacLeod, C. M., McCarty, M.: Studies on the chemical nature of the substance inducing transformation of pneumococcal types. J. Exp. Med. 79: 137–158, 1944. Griffith, F., The significance of pneumoccocal types. J. Hyg. 27: 113–159, 1928. Hershey, A. D., Chase. M.: Independent functions of viral protein and nucleic acid in growth of bacteriophage. J. Gen. Physiol. 36: 39–56, 1952. Judson, M. F.: The Eigth Day of Creation. Makers of the Revolution in Biology. Expanded Edition. Cold Spring Harbor Laboratory Press, New York, 1996. McCarty, M.: The Transforming Principle. Discovering that Genres are made of DNA. W. W. Norton & Co., New York–London, 1985. Stent, G. S., Calendar, R.: Molecular Genetics. An Introductory Narrative. 2nd ed. W. H. Freeman, San Francisco, 1978.
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37
DNA als Träger genetischer Information
1.
Pneumokokken-S-Stamm
tot
3.
2.
R-Stamm
S-Stamm
lebt
hitze-inaktiviert
lebt
4. R-Stamm
S-Stamm
hitzeinaktiviert
tot
A. Die Beobachtung von Griffith 1.
2.
3. Lyse, Präzipitation
R-Stamm in Kultur zellfreier Extrakt
S-Stamm in Kultur
4.
Auftreten einiger S-Zellen in der Kultur (Transformation)
zellfreier Extrakt
Hülle S-Gen Chromosom
S-Zelle
Hitze
S-Gen S-Hülle
R-Zelle
S-Zelle zerstört, DNA-Fragmente bleiben erhalten
Aufnahme von DNA-Fragment mit S-Gen
Transformation einer R-Zelle in eine S-Zelle
B. Das transformierende Prinzip ist DNA Phagen-DNA 32P-markiert
35S bleibt draußen
Hülle 35S-markiert
Phage
nur 32P (DNA) gelangt in die Bakterienzelle
C. Genetische Information wird nur von DNA übertragen
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Bildung neuer Phagen
38
Molekulare Grundlagen
DNA und ihre Bausteine Die Information für die Entwicklung und spezifischen Funktionen von Zellen und Geweben ist in den Genen niedergelegt. Ein Gen ist ein nach Funktion und Struktur definierbarer Teil der genetischen Information. Gene liegen auf Chromosomen im Kern der Zelle. Sie bestehen aus einem komplexen langkettigen Molekül, Deoxyribonukleinsäure (DNS). Im Folgenden werden die Bausteine dieses Moleküls vorgestellt, das wie international üblich DNA abgekürzt wird. DNA ist eine Nukleinsäure. Ihre chemischen Bausteine sind Nukleotidbasen, ein Zucker (Deoxyribose) und Phosphatreste. Sie bestimmen die dreidimensionale Struktur der DNA, aus der sich ihre funktionelle Bedeutung ergibt.
A. Nukleotidbasen DNA enthält Purin und Pyrimidin als Nukleotidbasen. Zwei Arten von Purin kommen vor: Adenin (A) und Guanin (G), und zwei Arten von Pyrimidin: Thymin (T) und Cytosin (C). Die Nukleotidbasen sind Teil einer Untereinheit der DNA, einem Nukleotid. Es besteht aus einer der vier Nukleotidbasen, einem Zucker (Deoxyribose) und einer Phosphat-Gruppe. Das Stickstoff-Atom in Position 9 eines Purins bzw. das Stickstoff-Atom in Position 1 eines Pyrimidins ist mit dem Kohlenstoff in Position 1 des Zukkerrestes verbunden (N-glycosidische Bindung). Ribonukleinsäure (RNS, oder international übliche Abkürzung RNA) unterscheidet sich von DNA in zweierlei Hinsicht. RNA enthält als Zucker Ribose (enthält im Gegensatz zu Deoxyribose eine Hydroxy-Gruppe am KohlenstoffAtom in Position 2) und Uracil (U) anstelle Thymin. Uracil enthält keine Methyl-Gruppe in Position C5.
einander. Die Hydroxy-Gruppen an Position C5 (5') eines Zuckerrestes ist über eine Phosphodiester-Brücke mit der Hydroxy-Gruppe des nächsten Zuckerrestes in Position C3 (3') verbunden. Deshalb hat das eine Ende eine 5'-OHGruppe (5'-Ende bzw. 3'-Ende). Nach Konvention wird die Sequenz von DNA-Nukleotidbasen in 5'- nach 3'-Richtung geschrieben.
C. Räumliche Beziehung Die chemische Struktur der Nukleotidbasen bedingt eine definierte räumliche Beziehung. Einem Purin (Adenin oder Guanin) liegt stets ein Pyrimidin (Thymin oder Cytosin) gegenüber. Zwischen Cytosin und Guanin werden drei, zwischen Thymin und Adenin zwei Wasserstoff-Brücken gebildet. Nur Guanin und Cytosin oder Adenin und Thymin können gegenüber liegen (komplementäre Basenpaare G–C und A–T). Andere räumliche Beziehungen sind normalerweise nicht möglich.
D. Doppelstrang DNA bildet einen Doppelstrang. Infolge der räumlichen Beziehungen der innen liegenden Nukleotidbasen liegen sich stets ein Cytosin und ein Guanin bzw. ein Thymin und ein Adenin gegenüber. Die Sequenz der Nukleotidbasen eines Stranges der DNA (in 5'- nach 3'-Richtung) entspricht komplementär der Nukleotidbasensequenz (oder einfach Basensequenz) des anderen Stranges in 3'- nach 5'-Richtung. Die Spezifität der Basenpaarung ist das wichtigste strukturelle Merkmal der DNA. Alberts, B. et al: Molekularbiologie der Zelle, 4. Aufl., Wiley–VCH, Weinheim, 2002. Koolman, J., Röhm, K.-H.: Taschenatlas der Biochemie, 3. Aufl., Thieme, Stuttgart–Ney York, 2003. Stryer, L.: Biochemistry, 4th ed., W. H. Freeman, New York, 1995.
B. Nukleotidkette DNA ist ein Polymer von DeoxyribonukleotidEinheiten. Die Nukleotidkette entsteht durch Verbindung der Hydroxy-Gruppe eines Zuckers über eine Phosphat-Verbindung zum nächsten Zuckerrest. Die über die Phosphat-Gruppen miteinander verbundenen Zuckerreste bilden den invariablen Teil der DNA. Variabel ist die Sequenz der Nukleotidbasen A, T, C und G. Eine DNA-Nukleotidkette ist polar. Die Polarität beruht auf der Verbindung der Zuckerreste unter-
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39
DNA und ihre Bausteine NH2 6 1N 2C
H
C
Cytosin
N
C
N9
4
3
2C
H
Guanin (G) Pyrimidin
O Thymin (T)
C
H C
O
C
CH3
5
C
3
HN 2
CH
N1 6
O
H
C
Uracil (U)
4
C N1
CH 6
H
3
N 2
O
C
C
N
O
2.90 Å
H
H N
3.00 Å
H
N H
C C
C
N
C
H
C N N
zwei Wasserstoff-Brücken C. Räumliche Beziehungen 5'-Ende
NH2 4
C C
N C
5
CH
O
tte Ke
2
4
H
r zu
3
HN
N
Adenin
H3C
O
H
C
C N
C
N
N
Thymin
N9
4
3
H
drei Wasserstoff-Brücken
8
CH
C C
N
zu
N
C
N
H
2.90 Å
O
rK et te 5
C
HN H2N
7
O
te et rK zu
O 1 6C
H
3.00 Å
N
N C
2.90 Å
N
C C
H C
H
Adenin (A)
H
H
8
CH
C
N
Guanin
7
5
zu rK et te
Purine
3'-Ende
5
CH
N1
CH 6
H
Cytosin (C) A. Nukleotidbasen 5'-Ende
O– O P O CH2 O O– O–
Base
H
O P O CH2 O O– O–
Base
H
O P O CH2 O O– O–
Base
H
O P O CH2 O O–
B. DNA-Nukleotid-Kette
OH H
Base 3'-Ende 3'-Ende
D. Doppelsträngige DNA
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5'-Ende
40
Molekulare Grundlagen
DNA-Struktur James D. Watson und Francis H. Crick erkannten 1953, dass DNA aus einer Doppelhelix bestehen muss. Diese Struktur erklärt die beiden wichtigen funktionellen Aspekte, Replikation und genetische Informationsübertragung. Diese Erkenntnis gilt als Grundlage für die Entwicklung der modernen Genetik. Durch sie werden Genstruktur und -funktion molekular verständlich.
A. DNA-Doppelhelix Die Doppelhelix ist das charakteristische Strukturmerkmal von DNA. Die beiden helikalen Polynukleotidketten sind um eine gemeinsame Achse umeinander gewunden. Innen liegen die Nukleotidbasenpaare (oder einfach Basenpaare, bp), entweder A–T oder G–C. Der Durchmesser der Helix ist 20 Å. Benachbarte Basen liegen 3,4 Å auseinander. Die helikale Struktur wiederholt sich in Abständen von 34 Å oder alle 10 Basenpaare. Wegen der festgelegten räumlichen Beziehung der sich innen gegenüberliegenden Nukleotidbasen sind die beiden Ketten der Doppelhelix exakt komplementär. Die hier gezeigte Form ist die sog. B-Form (B-DNA). Unter bestimmten Voraussetzungen kann DNA auch andere helikale Formen annehmen (Z-DNA, A-DNA, vgl. S. 42).
B. Replikation Da die sich in der Doppelhelix gegenüberliegenden Nukleotidketten strikt komplementär sind, kann nach Öffnung jede als Vorlage (Templat) für die Bildung (Replikation) einer neuen dienen. DNA-Replikation ist semikonservativ, d. h. eine Strang wird gänzlich neugebildet, einer bleibt erhalten.
C. Denaturierung und Renaturierung Die nicht kovalenten Wasserstoff-Brücken zwischen den Nukleotidbasenpaaren sind schwach. Dennoch ist DNA unter physiologischen Temperaturen stabil, weil es ein sehr langes Molekül ist. Durch relativ schwache chemische Einwirkung (z. B. Alkali, Formamid oder Urea) oder vorsichtiges Erhitzen können die beiden komplementären Stränge getrennt werden (Denaturierung). Die entstehenden Einzelstrangmoleküle sind relativ stabil. Komplementäre Einzelstränge können sich bei Abkühlung wieder zum doppelsträngigen Molekül verei-
nen (Renaturierung). Nicht komplementäre Einzelstränge vereinen sich nicht. Dies ist die Grundlage einer wichtigen Erkennungsmethode von Nukleinsäuren: hat man einen Einzelstrang definierter Herkunft, so kann man prüfen, mit welchem anderen Einzelstrang er sich verbindet (hybridisiert). Die Hybridisierung von komplementären Abschnitten von DNA ist ein wichtiges Prinzip bei der Analyse von Genen.
D. Genetische Informationsübertragung Genetische Information besteht in der Abfolge von Nukleotidbasenpaaren (A–T bzw. G–C). Die Sequenz von jeweils drei Basenpaaren bedeutet ein Codewort (Codon) für eine Aminosäure. Ihre Sequenz bestimmt eine entsprechende Sequenz von Aminosäuren. Diese bilden ein Polypeptid (Genprodukt). Die Sequenz der Nukleotidbasen wird zunächst von dem einen DNA-Strang in 3'- nach 5'-Richtung in ein weiteres informationstragendes Molekül (mRNA, Messenger- oder Boten-RNA) übertragen (Transkription). Danach wird die Nukleotidbasensequenz der mRNA in eine der Abfolge der Codons entsprechende Sequenz von Aminosäuren übertragen (Translation). Ein Gen kann als ein Abschnitt in der DNA definiert werden, der für die Bildung eines Polypeptids verantwortlich ist (ein Gen – ein Polypeptid). Ein oder mehrere Polypeptide bilden ein Protein. Deshalb können mehrere Gene an der Bildung eines Proteins beteiligt sein. Crick, F.: What Mad Pursuit. A Personal View of Scientific Discovery. Basic Books, Inc., New York, 1988. Judson, H. F.: The Eighth Day Creation. Makers of the Revolution in Biology. Expanded Edition. Cold Spring Harbor Laboratory Press, New York, 1996. Stent, G. S., ed.: The Double Helix. Weidenfeld & Nicolson, London 1981. Watson, J. D.: The Double Helix. A Personal Account of the Structure of DNA. Atheneum, New York, 1968. Watson, J. D., Crick, F. H. C.: Molecular structure of nucleic acid. Nature 171: 737–738, 1953. Watson, J. D., Crick, F. H. C.: Genetic implications of the structure of DNA. Nature 171: 964–967, 1953. Wilkins, M. F. H., Stokes, A. R., Wilson, H. R.: Molecular structure of DNA. Nature 171: 738–740, 1953.
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DNA-Struktur 3'
G A T A G
C
T
A G
5'
A--T T--A G--C G--C G--C A--T G--C G--C T--A C--G
C
C
3'
5'
3'
5'
Hitze, NaOH erzeugt Einzelstrang Denaturierung 5'
T A G C T
A
G C
A--T T--A G--C G--C G--C A--T G--C G--C T--A C--G
C G
A T T A
3'
A. DNA-Doppelhelix A--T T---G C--G C--G G--C A---G C--G A--T T--A C---G A T A T
T C--G G--C C--G G---T G--C C--G A--T A-3' 5' B. Replikation
A
G
C
G
C
G
C
A
T
G
C
G
C
T
A
C
G
3'
5'
Abkühlung Renaturierung
5'
C. Denaturierung und Renaturierung 5'
5'
A C--G G--C C--G G---T G--C C--G A--T A-3'
T
T
DNAmRNA Matrize Codon Protein Start A--T T A 3' MethT-A U 1 ionin --G C G C--G C G C G C--G 2 Glycin G C G--C A U A---G G C 3 Serin C--G G C T A A--T IsoT--A A U 4 leucin C-G C C G --G C--G C G 5 Glycin G C G--C C--G C G G C G-6 Alanin T A --T C G G--C G C C--G 7 Alanin T A A--T T A A-C G --G 8 Serin G C G--C 5 Transkription Translation 5' 3 3'
Aminosäuren-Sequenz
3'
3'
A
5'
D. Genetische Informationsübertragung
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Molekulare Grundlagen
Alternative DNA-Strukturen
C. Übergang von B-DNA nach Z-DNA
DNA kann neben der üblichen, von Watson und Crick beschriebenen Struktur (B-DNA-Form) verschiedene andere helikale Formen annehmen (A-DNA, Z-DNA). Unter physiologischen Bedingungen kommt DNA in prokaryoten und eukaryoten Genomen als B-DNA vor. Die Existenz alternativer Formen belegt jedoch, dass DNA ein ungewöhnlich flexibles und dynamisches Molekül ist.
B-DNA ist eine perfekte reguläre Doppelhelix mit der Ausnahme, dass die gegenüberliegenden Basenpaare nicht exakt in der gleichen Ebene liegen. Sie sind propellerartig verdreht. Dadurch kann DNA leicht gebogen werden, ohne dass sich die lokale Struktur wesentlich ändert. In Z-DNA folgt das Zucker-Phosphatgerüst einem ausgesprochenen Zickzackmuster. Z-DNA hat nur eine einzige Furche mit einer größeren Dichte negativ geladener Moleküle. Z-DNA kommt in vivo in begrenzten Abschnitten vor. Ein aus GC-Paaren bestehender Abschnitt kann in Z-DNA überführt werden, in dem die Basen um 180° gedreht werden. Normalerweise ist Z-DNA thermodynamisch relativ unstabil. Der Übergang zur Z-Form ist jedoch erleichtert, wenn das Cytosin in Position 5 (C-5) methyliert ist. Die Modifikation von DNA durch Methylierung von Cytosin ist in bestimmten Bereichen der DNA bei Eukaryoten häufig. Es gibt spezifisch an Z-DNA-bindende Proteine, aber ihre Bedeutung für die Regulation der Transkription ist unklar.
A. Drei Formen von DNA Die DNA-Doppelhelix kommt nicht in einer einzigen Struktur vor, sondern stellt eine Strukturfamilie mit verschiedenen Typen dar. Die ursprünglich von Watson und Crick 1953 ermittelte klassische Form ist die der B-DNA. Das wesentliche Strukturmerkmal der B-DNA ist die Bildung von zwei Furchen, einer großen Furche (major groove) und einer kleinen Furche (minor groove). In der Natur kommen mindestens zwei weitere alternative Formen der DNADoppelhelix vor, Z-DNA und die seltene A-DNA. Während B-DNA eine rechtshändige Helix bildet, zeigt Z-DNA eine linkshändige Konformation. Dies führt dazu, dass die Abstände zwischen den Basenpaaren größer sind (0,77 nm) als in B-DNA und einen Zickzackkurs nehmen (dies hat zur Bezeichnung Z-DNA geführt). Die seltene A-DNA existiert nur im dehydrierten Zustand und unterscheidet sich in der von der B-Form durch Drehung der Perpendikularachse der Helix um 20 Grad. A-DNA hat eine tiefe große Furche und eine flache kleine Furche.
(Abb. nach Watson et al., 1987). Watson, J. D., et al.: Molecular Biology of the Gene, 3rd edition, 1987. Rich, A., S. Zhang: Z-DNA: the long road to biological function. Nature Rev. Genet. 4: 566–572, 2003. Stryer, L.: Biochemistry, 4th ed., W. H. Freeman, New York, 1995.
B. Große und kleine Furche Die Basenpaarung in DNA (Adenin-Thymin bzw. Guanin-Cytosin) führt zur Bildung einer großen und einer kleinen Furche, weil die glycosidischen Bindungen an die Deoxyribose (dRib) nicht diametral gegenüberliegen. In BDNA liegen die Purin- und Pyrimidin-Ringe 0.34 nm auseinander. DNA hat die zehn Basenpaare pro Windung der Doppelhelix. Der Abstand von einer vollständigen Windung zur anderen beträgt 3.4 nm. Dadurch entstehen lokalisierte Kurven in der Helix. Daraus resultieren eine etwas größere und ein etwas kleinere Furche.
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Alternative DNA-Strukturen
große Furche
kleine Furche
Adenin - Thymin große Furche
B-DNA kleine Furche
Guanin - Cytosin
Z-DNA
A-DNA
A. Drei Formen von DNA
Basenpaarung in DNA
5'
C6
C8
3'
C1' C1'
Propeller-artige Verdrehung
T G
C C
3' G
5' G
3'
C
B kleine Furche
5' G
C
B
0.34 nm
3.4 nm
A
Z
große Furche B
Doppelstrang B. Große und kleine Furche in B-DNA
C. Übergang von B-DNA nach Z-DNA
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Molekulare Grundlagen
DNA-Replikation Die Aufklärung der DNA-Struktur durch J. D. Watson und F. H. C. Crick (1953) veranlasste die Autoren zu dem Hinweis, „es ist uns nicht entgangen, dass diese Struktur einen Mechanismus für die genetische Replikation nahe legt“, ein damals ungelöstes Problem. DNA-Replikation ist biochemisch komplex, aber genetisch relativ einfach. Die Synthese von DNA erfordert ein streng koordiniertes Zusammenwirken vieler Proteine. Im E. coli-Bakterium werden die beiden neuen DNA-Stränge mit einer Geschwindigkeit von ca. 1000 Nukleotiden pro Sekunde zusammengesetzt. Wichtige Enzyme sind Polymerasen für die Synthese, Helicasen zur Trennung der beiden Stränge für die Bildung der Replikationsgabel, Primasen für den Beginn an der richtigen Stelle, Initiationsproteine zur Erkennung der Replikationsstelle, sowie Proteine zur Wiederherstellung der Doppelhelix. Der gesamte Komplex wird Replisom genannt.
A. Prokaryote Replikation beginnt an einer Stelle In prokaryoten Zellen beginnt die Replikation an einer festgelegten Stelle (origin of replication, ORI) des ringförmigen Bakterien-Chromosoms (1). Von hier wird neue DNA in beiden Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit gebildet bis die DNA verdoppelt und zwei Chromosomen entstanden sind. Replikation kann autoradiographisch sichtbar gemacht werden, indem die neu replizierte DNA mit Tritium (3H)-haltigen Thymidin markiert wird (2).
B. Eukaryote Replikation beginnt an mehreren Stellen DNA-Synthese findet in eukaryoten Zellen in einer definierten Phase des Zellzyklus statt (SPhase). Dies würde sehr lange dauern, wenn sie nur an einem Punkt beginnen würde. Tatsächlich beginnt die Replikation eukaryoter DNA an zahlreichen Stellen (Replikons) (1). Sie schreitet von jedem Replikon aus in beiden Richtungen fort bis benachbarte Replikons ineinander übergehen (2) und die gesamte DNA verdoppelt ist (3). Das elektronenmikroskopische Bild zeigt Replikons an vier Stellen (4).
C. Replikationsschema Die Bildung neuer DNA ist nur in 5'-nach 3'Richtung möglich, weil das nächste Nukleotid
nur am 3'-OH-Ende der wachsenden Kette angeheftet werden kann. Am 5'-Ende des anderen Strangs dagegen wird der neue DNA-Strang zwar auch in 5'-nach 3'-Richtung gebildet, aber abschnittweise in Fragmenten. Dies bedeutet eine Schwierigkeit am Ende eines Chromosoms (Telomer, vgl. S. 162).
D. Replikationsgabel An der Replikationsgabel dient jeder der beiden DNA-Stränge als Vorlage für die Synthese neuer DNA. Zuvor muss die Windung der Doppelhelix durch ein Enzymsystem (Topoisomerasen) im Bereich der Replikationsgabel entwunden werden. Da die Elternstränge antiparallel sind, kann die DNA-Replikation nur an einem DNA-Strang (5'-nach 3'-Richtung) kontinuierlich erfolgen (führender Strang). Entlang des 3'-nach 5'-Strangs (nachfolgender Strang, lagging strand) wird die neue DNA zunächst in kleinen Abschnitten von ca. 1000–2000 Basen bei Prokaryoten, 200 bei Eukaryoten (OkazakiFragmente) gebildet. In diesem Strang ist für den Beginn der Replikation ein kurzes Stück RNA als Primer erforderlich. Dies wird durch eine RNA-Polymerase (Primase) gebildet. Der RNA-Primer wird anschließend entfernt, mittels Polymerase I die Lücke durch DNA ersetzt und abschließend die DNA-Fragmente durch DNA-Ligase verbunden. Das für DNA-Synthese verantwortliche Enzym (DNA-Polymerase III) ist komplex und besteht aus mehreren Untereinheiten. Für den führenden und den nachfolgenden Strang existieren bei Eukaryoten verschiedene Enzyme. Während der Replikation werden mittels eines komplexen Proof-Reading-Mechanismus Fehler eliminiert, der falsch eingebaute Basen wieder entfernt und durch die richtigen ersetzt. Cairns, J.: The bacterial chromosome and its manner of replication as seen by autoradiography. J. Mol. Biol. 6: 208–213, 1963. Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology, 4th ed. Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 2000. Marx, J.: How DNA replication originates. Science 270: 1585–1587, 1995. Meselson, M., Stahl, F. W.: The replication of DNA in Escherichia coli. Proc. Natl. Acad. Sci. 44: 671–682, 1958. Watson, J. D. et al.: Molecular Biology of the Gene, 3 rd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1987.
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DNA-Replikation
DNADoppelhelix
neue DNA neue DNA
1. DNA-Replikation im 2. Prokaryote Replikation 1. Bakterien-Chromosom 2. im Autoradiogramm bei E. coli (J. Cairns) A. Prokaryote Replikation beginnt an einer Stelle DNADoppelhelix
Replikationsbeginn
neue DNA
1. Bildung 1. von Replikons 2. Ausbreitung 2. der Replikons neuer DNAStrang
3. Replikation beendet B. Eukaryote Replikation beginnt an mehreren Stellen 5’ 3’
3’ 5’
DNADoppelstrang
5’
3’
3’
5’
Replikation beginnt
4. Eukaryote Replikation im EM (D.S. Hogness) führender DNA-Strang (neu) 3’ 5’
Doppelhelix entwinden 5’ 3’
3’ 5’
5’
5’
5’ 5’
3’ 5’
Replikation in 5´ 3´ Richtung
DNAPolymerase III
5’
RNA-Primer
3’ 3’
3’
Topoisomerase 5’
3’
3’ 5’
5’ Replikation
3’ beendet
3’
5’
C. Replikationsschema
Primer entfernen
5’ 5’
OkazakiFragmente
D. Replikationsgabel
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3’
Lücke mit DNA gefüllt 5’
3’ 5’ nachfolgender DNA-Strang (neu)
46
Molekulare Grundlagen
Die Übertragung genetischer Information: Transkription und Translation Die in der DNA niedergelegte genetische Information muss in ein Polypeptid mit spezifischer Struktur und Funktion (Genprodukt) umgesetzt werden. DNA dient jedoch nicht direkt als Vorlage. Die Abfolge der Basenpaare in DNA wird zunächst in ein die Information übertragendes Botenmolekül aus RNA übertragen (Transkription). Dieses dient anschließend als Vorlage für das Genprodukt (Translation). Die Abfolge von Aminosäuren des gebildeten Polypeptids entspricht der Abfolge der Codons in der DNA.
A. Transkription Transkription ist die Überschreibung der Nukleotid-Sequenz eines Strangs der DNA-Doppelhelix in ein komplementäres Molekül aus RNA (Messenger-RNA, mRNA, Boten-RNA). Die DNA-Doppel-Helix wird zuvor geöffnet. Die Codierung erfolgt immer nur in einem DNAStrang (Sinnstrang). Als Vorlage (Matrize) für die Transkription in RNA dient die komplementäre Sequenz des Gegenstrangs. Dieser wird in 3'- nach 5'-Richtung gelesen. Die RNA-Synthese erfolgt in 5'- nach 3'-Richtung. Die RNA hat deshalb dieselbe Orientierung wie der codierende DNA-Strang. Die Transkription erfolgt enzymatisch durch einen Komplex von Enzymen (RNA-Polymerase, vgl. S. 188).
B. Translation Translation ist die Umsetzung der NukleotidBasensequenz der mRNA in eine entsprechende Sequenz von Aminosäuren. Dies geschieht durch Zwischenschaltung einer weiteren Klasse von RNA, der Transfer-RNA (tRNA). Für jede Aminosäure gibt es eine eigene tRNA mit einem Bereich, der komplementär zum Codon der mRNA ist (Anticodon). Das Anticodon CCG der tRNA für Glycin passt zum mRNA-Codon GGC. Zu dem gezeigten Beispiel kann deshalb an dieser Stelle nur Glycin angehängt werden. Die Codons 1, 2, 3 und 4 der mRNA sind in die Aminosäure-Sequenz Methionin (Met), Glycin (Gly), Serin (Ser) und Isoleucin (Ile) übersetzt etc. Als 5 und 6 werden Glycin und Alanin (Ala) folgen. Codon 1 ist stets AUG (Start-Codon).
C. Stadien der Translation Translation (Proteinsynthese) findet bei Eukaryoten außerhalb des Zellkerns im Cytoplasma in den Ribosomen statt. Ribosomen bestehen aus Untereinheiten zahlreicher assoziierter Proteine und RNA-Moleküle (ribosomale RNA, rRNA, Seite 186). Die Translation beginnt mit der Initiation (1) eines durch Bildung aus mRNA, Ribosom und tRNA bestehenden Initiationskomplexes. Dazu sind eine Reihe von Initiationsfaktoren (IF1, IF2, IF3 etc.) erforderlich. Dann folgt die Elongation (2). Es wird eine weitere durch das nächste Codon festgelegte Aminosäure angeheftet. Es kommt zu einem Elongationszyklus, der aus drei Phasen besteht: Codon-Erkennung, Peptidbindung zum nächsten Aminosäure-Rest und Weiterbewegung (Translokation) des Ribosoms um drei Nukleotide in 3'-Richtung der mRNA. Translation endet mit der Termination (3), wenn eines von drei StopCodons (UAA, UGA oder UAG) in der mRNA erreicht wird. Die gebildete Polypeptid-Kette verlässt das Ribosom, das in seine Untereinheiten dissoziiert. Die hier gezeigten Stadien sind in ihrem biochemischen Ablauf stark vereinfacht.
D. Struktur von Transfer-RNA (tRNA) Die Transfer-RNA hat eine charakteristische, einem Kleeblatt ähnliche Struktur, dargestellt an Phenylalanin-tRNA in Hefe (1). In drei Bereichen bestehen einsträngige Schleifen, in vier Bereichen ist sie doppelsträngig. Die dreidimensionale Struktur (2) ist komplex und lässt verschiedene Bereiche unterscheiden, wie die Erkennungsstelle der tRNA für das Codon der mRNA (Anticodon) und die Bindungsstelle für die jeweilige Aminosäure (Akzeptorstamm) am 3'-Ende (Akzeptorende). Brenner, S., Jacob, F., Meselson, M.: An unstable intermediate carrying information from genes to ribosomes for protein synthesis. Nature 190: 576–581, 1961. Ibba, M., Söll, D.: Quality control mechanisms during translation. Science 286: 1893–1897, 1999. Watson J. D. et al.: Molecular Biology of the Gene. 3rd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1987.
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Die Übertragung genetischer Information: Transkription und Translation mRNA 5'
3' Transkription
3' DNA-Doppelhelix
3'
Schließung
5'
Öffnung
Glycin
Serin
Isoleucin
Glycin
Alanin tRNA
Methionin
tRNA
A. Transkription
Polypeptidkette
C C G C G U A U G G G C U C C A U C G G C G C A G C A A G C 1
5'
2
3
4
5
6
7
8
Codons
B. Translation
3' mRNA
Ribosom 5' A U G
GGC
UCC
UAC
GGC
UCC
AUG
CCG
AGG
AGG
Met
Met Gly
Ser
Phe Leu Ser
1. Initiation C. Stadien der Translation
5'-Ende
G A C U C G G
C C G G A U U U
C U C C A G
UG UG
A G G G U C
A C U GA A
U
U A G 3'
3. Termination
T-Stamm
A 3'-Ende C C A C G modifizierte C Nukleotide U U A A U C G A C A C
UCC
T-Schleife
54
Akzeptorstamm 76
64 4
72 D-Schleife
69
7
20
12
G
G A
1. Kleeblatt1. struktur
2. Elongation
A
G A GC
Schleife 1
CUG
C
Schleife 3
Variable Schleife 44 Anticodonstamm
Schleife 2 A
Anticodon
D. Struktur von Transfer-RNA (t-RNA)
Anticodonschleife
38 32
2. Dreidimensionale Struktur
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Akzeptorende
D-Stamm
26
Anticodon
3'
48
Molekulare Grundlagen
Gene und Mutation Die durch die Doppelhelix-Struktur der DNA ermöglichte Weitergabe der genetischen Information an die Tochterzellen geschieht während der Replikation. Die bei der Transkription und Translation verwendete Information ist in einzelnen Einheiten niedergelegt, den Genen. Der Begriff Gen wurde 1909 von dem dänischen Biologen Wilhelm Johannsen geprägt. Bis zu der Erkenntnis, dass Gene aus DNA bestehen, wurden sie etwas abstrakt als „Faktoren“ bezeichnet. Dies ließ die Frage offen, wie Änderungen (Mutationen, s. S. 70) strukturell erklärt werden können. Die Entdeckung von Mutationen bei Bakterien und Viren trug wesentlich zum Verständnis der molekularen Grundlagen von Mutationen bei.
A. Transkription bei Prokaryoten und Eukaryoten Transkription unterscheidet sich bei kernlosen einzelligen Organismen wie Bakterien (Prokaryoten, 1) und vielzelligen Organismen (Eukaryoten, 2) mit einem Zellkern. Bei Prokaryoten wird eine mRNA gebildet, die unmittelbar als Vorlage zur Bildung eines Genprodukts dient. Die Sequenzen von DNA und mRNA entsprechen sich in strikter 1:1-Beziehung, d. h. sie sind colinear zueinander. Das Transkript dient direkt als mRNA. Die Translation beginnt noch bevor die Transkription beendet ist. Bei eukaryoten Zellen dagegen wird zunächst ein primäres Transkript aus RNA gebildet (vorläufige mRNA). Dies ist erst eine Vorstufe zur endgültigen mRNA. Diese entsteht durch Entfernung nichtcodierender Anteile aus dem primären Transkript, bevor sie den Zellkern verlässt und als Vorlage für die Bildung eines Polypeptids dient. Der Grund für diesen wichtigen Unterschied ist die Aufeinanderfolge funktionell verwandter Gene bei Prokaryoten und die Anwesenheit nicht-codierender Abschnitte (Introns) in den Genen von Eukaryoten (vgl. S. 52).
B. DNA und Mutation Codierende DNA und das entsprechende Polypeptid sind colinear (Yanofsky et al., 1964). Eine Änderung (Mutation) der DNA-Basensequenz kann zu einem anderen Codon führen. Die Position der daraus resultierenden Änderung der Sequenz der Aminosäuren entspricht der Posi-
tion der Mutation (1). A zeigt das Gen für das Protein Tryptophan-Synthetase A des Bakteriums E. coli und Mutationen an vier Positionen. An Position 22 ist Phenylalanin (Phe) durch Leucin (Leu) ersetzt, an Position 49 Glutaminsäure (Glu) durch Glutamin (Gln), an Position 177 Leu durch Arginin (Arg). Jede Mutation hat eine definierte Position. Ob sie zum Einbau einer anderen Aminosäure führt, hängt davon ab, ob das entsprechende Codon geändert wurde oder nicht. Verschiedene Mutationen sind an einer Stelle (einem Codon) möglich (2). An Position 211 wurden zwei verschiedene Mutationen beobachtet, Glycin (Gly) nach Arginin (Arg) bzw. Gly nach Glutaminsäure (Glu). Codon 211 ist normalerweise (im Wildtyp) GGA und codiert für Glycin (3). Eine Mutation GGA nach AGA führt zum Codon für Arginin, eine andere nach GAA zum Codon für Glutaminsäure (4).
C. Mutationstypen Grundsätzlich gibt es drei Typen von Mutationen: 1. Substitution (Austausch), 2. Deletion (Verlust), 3. Insertion (Einschub). Bei einer Substitution hängen die Folgen davon ab, ob ein Codon verändert wurde oder nicht. Bei einer Substitution werden Transition (Austausch eines Purins bzw. Pyrimidins gegen ein anderes) und Tranversion (Austausch eines Purins gegen ein Pyrimidin oder umgekehrt) unterschieden. Während eine Substitution keine Auswirkung auf den Leserahmen hat (Missense-Mutation), wird durch eine Deletion oder Insertion der Leserahmen verschoben, so dass in der Regel die anschließenden Sequenzen kein funktionelles Genprodukt codieren (Nonsense-Mutation). Alberts, B. et al.: Molecular Biology of the Cell. 3rd ed. Garland Publishing, New York, 1994. Alberts, B. et al.: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell. Garland Publishing, New York, 1998. Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed. Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 2000. Watson, J. D. et al.: Molecular Biology of the Gene, 3rd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1987. Yanofsky, C. et al.: On the colinearity of gene structure and protein structure. Proc. Nat. Acad. Sci. USA 51: 261–272, 1964.
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Gene und Mutation
Zellmembran DNA 3'
Zellkern 3'
5' Cytoplasma
5'
3'
primäres Transkript Transport
mRNA Ribosomen
3'
5'
Polypeptid
5'
1. Prokaryot
2. Eukaryot
A. Transkription und Translation bei Prokaryoten und Eukaryoten DNA
5'
3' COOH
NH2
Polypeptid
Wildtyp
22 Phe
49 Glu
177 Leu
Mutante
Leu
Gln
Arg
267
211 Gly Arg
Glu
1. Definierte Position jeder Mutation 2. Verschiedene Mutationen eines Codons
B. DNA und Mutation
A T
T A
G C
G C
C G
T A
Wildtyp
A T
T A
T A
G C
C G
T A
Substitution
G
210
T A
G C
C G
T A
A T
T A
A T
G C
G C
C. Mutationstypen
Deletion
C G
T Insertion A
A
A
211
212
Glycin
3. Wildtyp A T
G
G
A
G
A
A
211
211
Arginin
Glutaminsäure
4. Verschiedene Mutationen
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Molekulare Grundlagen
Genetischer Code Der genetische Code sind die biologischen Regeln, nach denen die Sequenz von NukleotidBasenpaaren der DNA in eine ihrer Sequenz entsprechende Abfolge von Aminosäuren übertragen wird. Ein Code-Wort für die Aminosäure besteht aus der Sequenz von drei Nukleotid-Basenpaaren (Triplet-Codon). Der genetische Code enthält ferner Sequenzen für den Beginn (Start-Codon) und für das Ende der codierenden Region (Stop-Codon). Der genetische Code ist universal; die gleichen Codons werden von verschiedenen Organismen benutzt.
A. Genetischer Code in mRNA für alle Aminosäuren Ein Codon entspricht jeweils einer Aminosäure. In jedem Codon ist die erste, die zweite und die dritte Base definiert. Beispielsweise gibt es für die Codierung der Aminosäure Phenylalanin zwei Möglichkeiten: UUU und UUC oder für die Aminosäure Serin sechs Möglichkeiten: UCU, UCC, UCA, UCG, sowie AGU und AGC. Der genetische Code ist redundant, weil viele Aminosäuren durch mehr als ein Codon festgelegt werden. Die größte Variation liegt in der dritten Position (am 3'-Ende des Triplets). Der genetische Code war 1966 aufgeklärt, im Wesentlichen dank der Erkenntnis, dass man mRNA ein Überträger der Information zwischen Genen und Proteinen war. Zugefügte mRNA konnte in Bakterien direkt in entsprechende Proteine umgesetzt werden. Synthetische RNA-Polymere wie Polyuridylat (PolyU), Polyadenylat (PolyA) und Polycytidylat (PolyC) konnten in Extrakten von E. coli-Bakterien in Poly-Phenylalanin, Poly-Lysin und Poly-Prolin übersetzt werden. Dies bewies, dass UUU für Phenylalanin, AAA für Lysin und CCC für Prolin codieren muss. Durch weitere Experimente mit gemischten Polymeren verschiedener Anteile von zwei oder drei Nukleotiden konnte der genetische Code für sämtliche Aminosäuren und sämtliche Nukleotid-Zusammensetzungen aufgeklärt werden.
B. Alphabetischer Code Zur Angabe von Aminosäure-Sequenzen werden ein aus nur einem Buchstaben bestehende Abkürzungen verwendet („alphabetischer Code“).
Das Start-Codon ist AUG (Methionin). Stop-Codons sind UAA, UAG und UGA. Die einzigen Aminosäuren, die nur durch ein einziges Codon festgelegt werden konnten, sind Methionin (AUG) und Tryptophan (UGG). Zwei kürzlich entdeckte, Nichtstandard-Aminosäuren, Selencystein und Pyrrolysin, werden bei einigen Organismen (Eubakteria, Archea) durch die bei Eukaryoten als Stopcodons fungierenden RNA-Triplets UGA bzw. UAG codiert. Man nimmt an, dass dadurch die Decodierung von Sequenzen jenseits eines Stopcodons erleichtert wird (Atkins & Gesteland, 2002).
C. Offener Leserahmen Ein Abschnitt einer Nukleotid-Sequenz kann einem von drei Leserahmen entsprechen (z. B. A, B. oder C), jedoch nur einer ist richtig (offener Leserahmen). In dem gezeigten Beispiel werden die Leserahmen B und C nach 3 bzw. 5 Codons durch ein Stop-Codon unterbrochen. Sie können deshalb nicht als Leserahmen einer codierenden Sequenz dienen. Dagegen muss A der richtige Leserahmen sein. Er beginnt mit dem Start-Codon AUG und ergibt eine Sequenz ohne Stop-Codons („offener Leserahmen“). Also muss dies der richtige Leserahmen sein.
D. Codierung durch ähnliche Nukleotid-Sequenzen Infolge der Redundanz des genetischen Codes ist es möglich, dass etwas verschiedene Nukleotid-Sequenzen dieselbe Aminosäure-Sequenz codieren. Allerdings sind die Unterschiede auf ein oder maximal zwei Positionen des jeweiligen Triplet-Codons beschränkt. Alberts, B. et al.: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell. Garland Publishing, New York, 1998. Atkins, J. F., Gesteland, R.: The 22nd amino acid. Science 296: 1413–1414, 2002. Crick, F. H. C. et al: General nature of the genetic code for proteins. Nature 192: 1227–1232, 1961. Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed. Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 2000. Rosenthal, N.: DNA and the genetic code. New Eng. J. Med. 331: 39–41, 1995. Singer, M., Berg. P.: Genes and Genomes: a changing perspective. Blackwell Scientific Publications, Oxford-London, 1991.
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Genetischer Code
Nukleotidbase Erste
Zweite
Dritte
Uracil (U)
Cytosin (C)
Adenin (A)
Guanin (G)
F Phenylalanin (Phe) F Phenylalanin (Phe) L Leucin (Leu) L Leucin (Leu)
S Serin (Ser) S Serin (Ser) S Serin (Ser) S Serin (Ser)
Y Tyrosin (Tyr) Y Tyrosin (Tyr)
C Cystein (Cys) C Cystein (Cys)
Stop-Codon Stop-Codon
Stop-Codon W Tryptophan (Trp)
U C A G
Cytosin (C)
L Leucin (Leu) L Leucin (Leu) L Leucin (Leu) L Leucin (Leu)
P Prolin (Pro) P Prolin (Pro) P Prolin (Pro) P Prolin (Pro)
H Histidin (His) H Histidin (His) Q Glutamin (Gln) Q Glutamin (Gln)
R Arginin (Arg) R Arginin (Arg) R Arginin (Arg) R Arginin (Arg)
U C A G
Adenin (A)
I Isoleucin (Ile) I Isoleucin (Ile) I Isoleucin (Ile) Start (Methionin)
T Threonin (Thr) T Threonin (Thr) T Threonin (Thr) T Threonin (Thr)
N Asparagin (Asn) N Asparagin (Asn) K Lysin (Lys) K Lysin (Lys)
S Serin (Ser) S Serin (Ser) R Arginin (Arg) R Arginin (Arg)
U C A G
Guanin (G)
V Valin (Val) V Valin (Val) V Valin (Val) V Valin (Val)
A Alanin (Ala) A Alanin (Ala) A Alanin (Ala) A Alanin (Ala)
D Asparaginsäure (Asp) D Asparaginsäure (Asp) E Glutaminsäure (Glu) E Glutaminsäure (Glu)
G Glycin (Gly) G Glycin (Gly) G Glycin (Gly) G Glycin (Gly)
U C A G
Uracil (U)
A. Genetischer Code für alle Aminosäuren in mRNA Start
AUG
F (Phe)
Stop
UAA UAG UGA
UUU UUC
G (Gly)
GGU GGC GGG GGA
A (Ala)
C (Cys)
GCU GCC GCG GCA UGU UGC
D (Asp)
GAU GAC
E (Glu)
GAG GAA
L (Leu)
CUU CUC CUG CUA UUG UUA
R (Arg)
M (Met)
AUG
S (Ser)
H (His)
CAU CAC
N (Asn)
AAU AAC
I (Ile)
AUU AUC AUA
P (Pro)
CCU CCC CCG CCA
AAG AAA
Q (Gln)
K (Lys)
CGU CGC CGG CAA AGG AGA UCU UCC UCG UCA AGU AGC
T (Thr)
CAG CAA
ACU ACC ACG ACA
V (Val)
GUU GUC GUG GUA
W (Trp)
UGG
Y (Tyr)
UAU UAC
B (Asx)
Asn oder Asp
Z (Glx)
Gln oder Glu
B. Alphabetischer Code CAGUCUAUGGCAAAUAAGGUAGACCAU A B C
met ala asn lys val asp his tyr gly lys stop
UUA
CCU
AUU
AAA
AAA
CGG
Leu
Pro
Ile
Lys
Lys
Arg
CUG
CCG
AUA
AAG
AAG
CGA
leu trp glu ile arg stop
C. Offener Leserahmen
D. Codierung durch mehrere D. Nukleotid-Sequenzen
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Molekulare Grundlagen
Struktur Eukaryoter Gene Eukaryote Gene bestehen aus codierenden und nicht-codierenden DNA-Segmenten, Exons und Introns. Auf den ersten Blick scheint es eine unnötige Last zu sein, DNA ohne offensichtliche Funktion in den Genen zu behalten. Man hat aber erkannt, dass dies in der Evolution offenbar einen Vorteil hat. Teile verschiedener Gene sind in der Evolution an neuen chromosomalen Standorten neu angeordnet worden. Daraus sind neue Gene aus Teilen der vorher existierenden Gene entstanden.
A. Exons und Introns Im Jahre 1977 stellte sich überraschenderweise heraus, dass die DNA in eukaryoten Genen länger ist als die entsprechende mRNA. Der Grund dafür ist, dass bestimmte Teile der ursprünglich transkribierten primären RNA vor der Translation entfernt werden. Elektromikroskopische Aufnahme zeigen, dass die DNA und ihr korrespondierendes Transkript (RNA) unterschiedlich lang sind (1). Wenn die mRNA und der komplementäre DNA-Einzelstrang hybridisieren, entstehen Schleifen aus Einzelstrang-DNA, weil die mRNA nur mit bestimmten Teilen der Einzelstrang-DNA hybridisiert. In (2) sieht man sieben dieser Schleifen (A–G) und acht hybridisierte Teile (1–7, sowie den Startteil L). Von insgesamt 7700 Basenpaaren dieses Gens (3) hybridisieren nur 1825 mit der mRNA. Die Segmente, die hybridisieren, nennt man Exons. Die ursprünglich transkribierten DNA-Teile, die dann aus dem primären Transkript entfernt werden, werden als Introns bezeichnet. Die Größe und Anordnung der Exons und Introns ist für jedes eukaryote Gen charakteristisch (Exon/Intron-Struktur). (Elektronenmikroskopische Aufnahme aus Watson et al., 1987.)
B. Intervenierende DNA-Sequenzen (Introns) Bei Prokaryoten ist DNA mit mRNA colinear und enthält keine Introns (1). Bei Eukaryoten ist reife mRNA nur zu bestimmten Abschnitten der DNA komplementär, weil die DNA Introns enthält (2). (Abb. Nach Stryer, 1995.)
C. Struktur eukaryoter Gene Die Exons und Introns werden in 5'-3'-Richtung des codierenden Strangs nummeriert. Sowohl Exons als auch Introns werden zunächst in eine
Vorläufer-RNA (primäre RNA) transkribiert. Das erste und letzte Exon enthalten üblicherweise Sequenzen, die nicht für die Translation vorgesehen sind. Sie werden als 5'-untranslated-region (5'-UTR) in Exon 1 und 3'-UTR am 3'-Ende des letzten Exons bezeichnet. Die nicht-codierenden Abschnitte (Introns) werden aus dem primären Transkript entfernt und die Exons auf beiden Seiten miteinander verbunden. Diesen Prozess nennt man Splicing. Das Splicing muss äußerst präzise vonstatten gehen, um ungewollte Veränderungen im Leseraster zu vermeiden. Introns beginnen immer mit den Nukleotiden GT im 5'-3'-Strang (GU in der RNA) und enden mit AG. Die mit GT beginnende Sequenz am 5'-Ende des Introns nennt man Splice-Donorstelle. Das 3'-Ende, das mit AG endet, nennt man Splice-Akzeptorstelle. Die reife mRNA wird modifiziert, indem am 5'-Ende eine stabilisierende Struktur (CAP) angefügt wird und am 3'-Ende viele Adenine angehängt werden (Polyadenylierung, s. S. 196).
D. Splice-Weg bei GU-AG-Introns RNA-Splicing ist ein komplexer Prozess, der durch ein großes, RNA-enthaltendes Protein vermittelt, das Spliceosom. Dies besteht aus fünf Arten kleiner nukleärer RNA-Moleküle (snRNA) und mehr als 50 Proteinen (kleine nukleäre Riboprotein-Partikel). Der prinzipielle Vorgang beim Spleißen besteht aus autokatalytischer Spaltung am 5'-Ende des Introns. Dies resultiert in einer Lariat-Bildung, einer vorübergehenden intermediären Struktur, die durch Verbindung des 5'-Terminus (GU) mit der Base (A) im Intron entsteht (Verzweigungsstelle). Der nächste Schritt besteht aus einer Spaltung am 3'-Ende. Dies setzt die Lariat-Formation frei, die anschließend abgebaut wird. Gleichzeitig wird das Exon zur rechten mit dem zur linken verbunden (gespleißt). Die Verzweigungsstelle identifiziert exakt das 3'-Ende im Bereich der Akzeptorstelle (etwa 18–40 Nukleotide in 5'Richtung). (Abb. nach Strachan & Read, 1999). Lewin, B.: Genes VII. Oxford Univ. Press, Oxford, 2000. Strachan, T., Read A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999. Stryer, L.: Biochemistry, 4th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 1995. Watson, J. D. et al.: Molecular Biology of the Gene, 3rd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1987.
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Struktur Eukaryoter Gene 1.
DuplexDNA mRNA
1. keine Introns (Prokaryote) 2.
6 A 1 3 C D F 5'
L
1 2 A
47
2 3 4
4
E
7
E
F
EinzelstrangDNA
3'
5
5 6
B C D
mRNA
7
EinzelstrangDNA
G
185
129 143 51 118 156 7700 Basenpaare (bp)
1043
2. mit Introns (Eukaryote) B. Intervenierende DNA-Sequenzen (Introns)
A. Exons und Introns
DNA
Promotor 5' UTR
Intron
DuplexDNA
G
B
DNA
3.
RNA Poly-(A)Schwanz
Exon 1
Intron 1 GT AG
5'
Primäres Transkript GU
Exon 2 GT
Intron 2 AG
3' UTR
Exon 3
3'
RNA
AG
GU
AG Splicing A A A...Poly (A)
C. Eukaryote Gen-Struktur
mRNA
Splice Stellle GU Donor
5'
Splice Stellle A
AG Akzeptor
UG
Hydroxyl-Spaltung am 3'-Ende und Lariat-Bildung
A
5'
3'
AG
3'
U 5'
3'
Gespleißte mRNA D. Splice-Weg bei GU – AG Introns
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G
A
AG
degradiert
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Molekulare Grundlagen
DNA-Sequenzierung Die Kenntnis der Nukleotid-Sequenz eines Gens enthält wichtige Informationen über seine Struktur, Funktion und seine evolutionsgeschichtlichen Beziehungen. Deshalb hatte die Entwicklung relativ einfacher Methoden der DNA-Sequenzierung in den 70er Jahren großen Einfluss auf die molekulare Analyse von Genen. Es wurden zwei prinzipielle Methoden der DNA-Sequenzierung entwickelt: eine chemische (A. M. Maxam und W. Gilbert, 1977) und eine enzymatische (F. Sanger, 1981). Hier werden die zugrunde liegenden Prinzipien dargestellt.
A. Sequenzierung durch chemische Einwirkung Diese Methode beruht auf DNA-basenspezifischer Spaltung durch bestimmte Chemikalien. Ein Doppel- oder Einzelstrang, der sequenziert werden soll, wird weiter verarbeitet, um einen DNA-Einzelstrang zu erhalten, der mit radioaktiven Isotopen am 5'-Ende markiert ist (1). Dieser DNA-Strang wird mit je einem von vier Chemikalien behandelt, entsprechend vier Reaktionen, je eine für jede der vier Nukleotidbasen. In jedem der vier Reaktionsgefäße entsteht ein Gemisch von DNA-Fragmenten unterschiedlicher Größe. Hier wird die Reaktion vom Dimethyl-Sulfat (DMS) mit Guanin (G) gezeigt. Dimethyl-Sulfat methyliert den Purinring von Guanin. Durch Verwendung einer begrenzten Konzentration von DMS wird im Durchschnitt nur ein G-Nukleotid pro DNA-Strang methyliert (hier an vier verschieden Positionen gezeigt, 2). Wird nun eine zweite Chemikalie, Piperidin, hinzugefügt, wird der Purinring entfernt und die DNA an der Phosphodiester-Brücke oberhalb der depurinierten Stelle gespalten. Dies resultiert in markierten Fragmenten definierter Größe, abhängig von den Positionen der G in der zu sequenzierenden DNA (3). Ähnliche Reaktionen werden für die anderen drei Basen durchgeführt (A, T und C, hier nicht gezeigt). Die vier Reaktionsgemische (4) werden anschließend in getrennten Bahnen durch eine Polyamidgel-Elektrophorese aufgetrennt (5). Jede der vier Bahnen repräsentiert eine der vier Basen G, A, T, oder C. Das kleinste Fragment wandert in der Elektrophorese am weitesten, das nächstgrößere ein Stückchen weniger, etc. Man kann dann die Sequenz in entgegengesetz-
ter Richtung zur „Wanderung“ ablesen, und erhält so die Sequenz in 5'-3'-Richtung. In dem gezeigten Beispiel ist dies die Sequenz TAGTCGCAGTACCGTA (6).
B. Sequenzierung durch Kettenabbruch Diese Methode beruht auf dem Prinzip, dass die DNA-Synthese abgebrochen wird, wenn anstelle eines normalen Deoxynukleotids (dATP, dTTP, dGTP, dCTP) ein Dideoxynukleotid (ddATP, ddTTP, ddGTP, ddCTP) eingebaut wird. Ein Dideoxynukleotid (ddNTP) ist ein Analogen zum normalen dNTP, jedoch fehlt ihm eine Hydroxyl-Gruppe am 3'-Kohlenstoff-Atom. Dadurch ist keine Bindung zwischen dem 3'-Kohlenstoff-Atom und dem nächsten Nukleotid möglich, wenn ein ddNTP eingebaut wird. Dies bricht die Synthese des neuen Strangs an dieser Stelle ab. Das zu sequenzierende DNA-Fragment muss ein Einzelstrang sein (1). Die DNASynthese wird mit einem Primer und einem der vier ddNTPs gestartet (2), die mit 32P in der Phosphat-Gruppe markiert sind. Hier ist ein Beispiel eines Kettenabbruchs mit ddATP gezeigt. Überall wo ein Adenin (A) in der Sequenz vorkommt, verursacht das ddATP einen Abbruch des neu synthetisierten Stranges (3). Dadurch entstehen DNA-Fragmente unterschiedlicher Größe – entsprechend der Position von Adenin in dem zu sequenzierenden Fragment. Die vier parallelen Reaktionen (4) ergeben eine Ansammlung von DNA-Fragmenten bestimmter Größe, je nach der Position der Nukleotide, an der die Neusynthese abgebrochen wurde. Die Fragmente werden jetzt wie bei der chemischen Methode in einer Gelelektrophorese aufgetrennt (5). Ein Beispiel für ein Sequenzier-Gel ist zwischen den Tafeln A und B gezeigt. Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed., 2002. Bios Scientific Publ., Oxford. Rosenthal, N.: Fine structure of a gene – DNA sequencing. New Eng. J. Med. 332: 589–591, 1995. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, 1999.
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55
DNA-Sequenzierung 3'
5'
G A T T A C G C A T C A T 1. DNA zu sequenzieren
1. DNA zu sequenzieren
3'
5'
T A G T C G C A G T A C C GTA
Primer
2. Markierter Einzelstrang
Synthese (markierte DNA)
2. Beginn der Synthese
Dimethylsulfat CH3
G
G
G
G
G
G
T A
3'
CH3
G
G
G
G
G
G
G
G
5'
T A
3'
CH3
G
T A
3'
CH3
5'
G
5'
(gleiche basenspezifische Reaktionen für C, G, und A)
3. Teilweise gespalten
3. Abbruch bei A
Piperidin
DNA-Polymerase I, dATP, dTTP, dGTP, dCTP ddGTP
4. Markierte Fragmente 3
4
G
G+A
T+C
C
Leserichtung
Wanderung
5. Vier Reaktionsgefäße
GA T C
A T G C C A T G A C G C T G A T
ddCTP
4. Vier parallele Reaktionen Wanderung
2
ddTTP
G
A
T
C
Leserichtung
1
ddATP
G A T T A C G C A T C
6. Gel-Elektrophorese (Sequenzier-Gel) 7. Sequenz ermittelt
5. Visualisierung der Sequenz durch Polyacrylamid Gel-Elektrophorese und Autoradiographie
A. Sequenzierung durch chem. Degradation
B. Sequenzierung durch Kettenabbruch
TAGTCGCAGTACCGTA
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Molekulare Grundlagen
Automatisierte DNA-Sequenzierung Die Sequenzierung langer Abschnitte von DNA, insbesondere eines ganzen Genoms, erfordert die Anwendung automatisierter Verfahren. Diese wurden in den 80er Jahren entwickelt und sind heute die Grundlage für zahlreiche auf dem Markt erhältliche DNA-Sequenziergeräte. Sie basieren auf basenspezifischer FluoreszenzMarkierung und entsprechenden Erkennungssystemen. Dabei wird die Fluoreszenz-Markierung direkt oder indirekt verwendet. Direkte fluoreszenzmarkierte Moleküle werden als Fluorophore bezeichnet. Dies sind Moleküle, die bei Exposition durch ultraviolettes Licht einer spezifischen Wellenlänge bestimmte sichtbare Farben ausstrahlen. Bei der DNA-Sequenzierung verwendete Fluorophore sind z. B. Fluorescein, das eine blasse grüne Farbe bei Exposition mit UV-Licht von 494 nm abgibt. Andere Fluorochrome sind Rhodamin (rot bei 555 nm) oder Aminomethylcumarinsäure (blau bei 399 nm). Eine Kombination verschiedener Fluorochrome resultiert in einer vierten Farbe. Auf diese Weise kann jede vier DNA-Nukleotidbasen spezifisch und unterschiedlich gefärbt werden. Andere Verfahren beruhen auf PCR-amplifizierten Produkten (Thermalzyklus-Sequenzierung, s. Teil B). Bei der Pyro-Sequenzierung wird die Reihenfolge der vier Dideoxynukleotid-Triphosphate (dNTPs, d. h. dATP, dTTP, dCTP und dGTP, vgl. S. 54) in einem neu synthetisierten DNAStrang mittels chemisch induzierter Illumineszenz durch Freisetzung des Phyrophosphat des dNTP festgestellt. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass keine Elektrophorese oder eine andere Form der Fragmenttrennung erforderlich ist. Hier wird das Prinzip der automatisierten DNASequenzierung (A) und das der Thermal-Sequenzierung (B) gezeigt.
A. Automatisierte DNA-Sequenzierung (Prinzip) Dies erfordert vier Fluorophore, eins für jede der vier DNA-Nukleotidbasen. Das von ihnen ausgehende Fluoreszenzsignal wird an einem fixierten Punkt registriert, wenn die DNA-Fragmente im Mikrobereich durch eine Kapillare wandern. Der Abbruch der DNA-Synthese durch die Anwesenheit des jeweiligen Nukleotids wird durch Dedeoxynukleotide (ddNTP) bewirkt (s. S. 54). Da jedes dNTP spezifisch fluoreszenzmarkiert ist, kann ihre Sequenz an
einer entsprechenden Farbsequenz erkannt werden. Hier ist ddATP grün, ddCTP blau, ddGTP orange und ddTTP rot fluoreszierend (1). Überall, wo in die neue DNA-Kette ein ddATP eingebaut wird, führt dies zum Kettenbruch an einem Adenin (A) und löst im Detektor eine durch Laser induzierte grüne Fluoreszenz aus (2). In den Sequenzierkapillaren wird die Sequenz automatisch abgelesen (3), computerisiert aufgezeichnet und anschließend als Serie von farbig markierten Peaks sichtbar gemacht (4). Diese entsprechen der ermittelten DNA-Sequenz. Moderne Sequenzgeräte haben 96 Kanäle und können gleichzeitig 96 Sequenzen in einem Lauf von etwa zwei Stunden analysieren, mehrere tausend Basenpaare pro Tag (Abb. nach Brown, 2002; Strachan & Read, 1999).
B. Thermalzyklus-Sequenzierung Dieses Verfahren hat zwei Vorteile. Es kann doppelsträngige DNA anstatt einzelsträngiger verwendet. Deshalb wird sehr wenig DNA als Vorlage für eine Neusynthese benötigt, so dass die Ausgangs-DNA nicht kloniert werden muss. Die zu sequenzierende DNA wird amplifiziert. Die Reaktion wird ähnlich durchgeführt wie bei der Amplifizierung mittels PCR (vgl. S. 66). Abweichend wird jedoch nur ein Primer verwendet (bei größeren Fragmenten von etwa mehr als 750 bp werden interne Primer benötigt, 1). Deshalb wird die DNA linear amplifiziert und nicht exponentiell wie bei PCR sonst üblich. Jede Reaktion enthält ein Dedeoxynukleotid (ddNTP), um die Reaktion basenspezifisch zu beenden (2). Dadurch entsteht eine Ansammlung von Fragmenten unterschiedlicher Größe, die von der Position des jeweiligen Nukleotids bestimmt wird (3). Daraus kann nach zahlreichen Zyklen, elektrophoretischer Auftrennung und Identifizierung ihre Sequenz ermittelt werden (4). Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Rosenthal, N.: Fine structure of a gene – DNA sequencing. New Eng. J. Med. 332: 589–591, 1995. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999. Wilson, R. K., et al.: Development of an automated procedure for fluorescent DNA sequencing. Genomics 6: 626–636, 1990.
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57
Automatisierte DNA-Sequenzierung ddATP
ddCTP
ddGTP
ddTTP
1. ddNTPs jede mit verschiedenem fluoreszierendem Farbstoff A G T C G A
Elektrophorese, Anordnung nach Größe, Laser-Detektion der basenspezifischen Farbstoffe, ComputerRegistration
2. Sequenzierungreaktionen
A G T CG A G A T G C T
Positionen
5
10
15
etc
4. Automatischer Ausdruck der Sequenzen
Laser
Detektor
Sequenz ablesen
3. Automatische Sequenzierung in Kapillaren A. Automatische DNA-Sequenzierung (Prinzip) Vektor-DNA
DNA zu sequenzieren
Vektor-DNA
3'
1.
5' Universeller Primer Interne Primer
2. Verschiedene Typen von Primern für die Sequenzierung durch Kettenabbruch Templat-DNA (Doppelstrang) Dideoxynukleotide hinzufügen (hier ddATP)
3. Thermal-Zyklus-Sequenzierung ddA
Dasselbe mit anderen ddNTPs
ddA ddA 4. Abgebrochene DNA-Stränge B. Thermal-Zyklus-Sequenzierung
viele Zyklen, Elektrophorese, Identifizierung
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58
Molekulare Grundlagen
DNA-Klonierung Um für eine molekulargenetische Untersuchung eine ausreichende Menge einer spezifischen DNA-Sequenz zu erhalten, muss diese selektiv amplifiziert werden. Dies wird durch die DNA-Klonierung erreicht, mit der man eine homologe Menge von DNA-Fragmenten aus einem Gemisch verschiedener DNA-Fragmente oder aus dem kompletten Genom produzieren kann. Hierbei werden Verfahren benötigt, um die gesuchte DNA-Abschnitte im Genom zu identifizieren, diese von der übrigen DNA zu trennen und sie selektiv zu vervielfältigen (klonieren). Zur Identifizierung der korrekten DNAFragmente nutzt man die komplementäre Einzelstrang-Hybridisierung. Ein kurzer Abschnitt Einzelstrang-DNA (eine Sonde) aus der zu untersuchenden Sequenz wird nach der Denaturierung mit der komplementären Sequenz hybridisiert. Nachdem die hybridisierte Sequenz von der restlichen DNA getrennt wurde, kann sie jetzt kloniert werden. Die selektierten DNASequenzen können grundsätzlich auf zwei Wegen amplifiziert werden: in Zellen (zellbasierte Klonierung) oder durch zellfreie Klonierung (s. PCR).
A. Zellbasierte Klonierung Die zellbasierte Klonierung benötigt vier initiale Schritte. Als erstes muss von der benötigten DNA, (Target-DNA) durch Aufspaltung mittels eines Restriktionsenzyms eine Sammlung verschiedener DNA-Fragmente gewonnen werden (in der Darstellung mit 1, 2 und 3 bezeichnet). Da die Fragmente durch die Spaltung der Restriktionsenzyme entstanden sind, haben sie kurze Einzelstrang-Enden mit einer spezifischen Sequenz und können so mit anderen Fragmenten verbunden werden, die durch dasselbe Restriktionsenzym entstanden sind. Die Fragmente, die in Schritt 1 entstanden sind, werden mit Fragmenten verbunden, die den Ursprung der Replikation eines Replikons enthalten (Replikations-Origin, OR), was sie zur Replikation befähigt (2). Zusätzlich können auch verschiedene Marker angehängt werden, wie hier gezeigt DNA-Sequenzen, die ein Antibiotika-Resistenz-Gen enthalten. Die rekombinanten DNA-Moleküle werden in aufnehmende Zellen (Host Cells) transferiert (Bakterien- oder Hefezellen). Hier können sich die rekombinanten Moleküle unabhängig von dem Host-Cell-
Genom vervielfältigen (3). Normalerweise nehmen Host-Cells nur eine fremde DNA auf (unter Umständen können es auch mehr sein). Die Host Cells, die durch rekombinante (fremde) DNA transformiert wurden, werden in Kulturen angezüchtet und vermehrt (4). Die selektive Anzüchtung eines Zell-Klons ermöglicht die Isolation eines rekombinanten DNA-Moleküls (5). Nach weiterer Vermehrung wird eine homologe Population von rekombinanten DNAMolekülen erreicht (6). Eine Sammlung von verschiedenen Fragmenten klonierter DNA wird Klon-Bibliothek genannt (7, vgl. DNA-Bibliotheken S. 62). Bei der zellbasierten Klonierung werden die rekombinante DNA-enthaltenden Moleküle als Vektormoleküle bezeichnet (Abbildung nach Strachan & Read, 1999).
B. Ein Plasmidvektor (pBR322) zur Klonierung Es wird ein früher häufig verwendeter Plasmidvektor (pBR322) gezeigt. Dieses Plasmid enthält Schnittstellen für die Restriktionsenzyme Pst I, EcoRI und SalI, sowie Gene für Ampicillinund Tetracyclin-Resistenz (1). Wird ein fremdes DNA-Fragment nach Aufschneiden mit EcoRI eingebaut, so bleiben Tetracyclin- und Ampicilin-Resistenz erhalten (2). Schneidet man mit dem Enzym PstI, so verschwindet die Ampicillin-Resistenz (das Bakterium wird Ampicillinempfindlich), aber die Tetracyclin-Resistenz bleibt erhalten. Verwendet man das Enzym SalI, so verschwindet die Tetracyclin-Resistenz (das Bakterium wird Tetracyclin-empfindlich), aber die Ampicillin-Resistenz bleibt erhalten. Dies ist die Grundlage für die Selektion von Bakterien, die rekombinante Plasmide mit dem gesuchten DNA-Fragment aufgenommen haben. Die Klonierung in Plasmiden (Bakterien) hat an Bedeutung verloren, seit künstliche Hefechromosomen (YACs) zur Verfügung stehen (vgl. S. 92). Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed., Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Scientific Publishers, Oxford, 1999.
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59
DNA-Klonierung
1
2
1 Rekombination mit DNA, die replizieren kann
2 3
Selektierbarer Marker OR
2
(Vektor-DNA)
Fragmente der Ziel-DNA
OR (Origin of Replication)
OR
1
3
OR
3
2
OR
Rekombinante DNA 4
Transfer in Wirtszellen
3 1 1 2
3
Propagierung
3+2
Zellkultur, Markerselektion
1
1
2
3
3+2
Wirtszellen transformiert durch rekombinante DNA
Selektives Wachstum von transformierten Zellen Isolierung 5
6
7 Aufbau einer Sammlung aller klonierten DNA Fragmente (Klon-Bibliothek)
Rekombinante DNA Klone (Fragment 1) Auswahl einer Kultur A. Zellbasierte DNA-Klonierung Ampicillin-Resistenz Eco R I
Tetracyclin- und Ampicillin-resistent
TetracyclinResistenz Eco R I SaI I
Tetracyclin-resistent Ampicillin-empfindlich
Pst I
Ori
SaI I Beginn der Replikation
1. Gene für Antibiotika-Resistenz
Tetracyclin-empfindlich Ampicillin-resistent
2. Veränderte Antibiotika-Resistenz
B. Ein Plasmidvektor (pBR 322) zur Klonierung
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Pst I
60
Molekulare Grundlagen
cDNA-Klonierung cDNA ist ein Abschnitt einsträngiger DNA, der komplementär zur mRNA eines codierten DNAAbschnittes oder eines ganzen Gens ist. Man kann sie als Sonde für das entsprechende Gen verwenden, indem man die Komplementarität durch DNA/DNA-Hybridisierung ausnutzt. Ist das Gen an einer entsprechenden Stelle durch strukturelle Umordnungen, z. B. Deletion verändert, so kann man zwischen normaler und veränderter DNA unterscheiden. Deshalb hat die Präparation und Klonierung von cDNA große Bedeutung. Aus der Sequenz von cDNA lassen sich wesentliche Rückschlüsse auf ein Gen und das Genprodukt ziehen.
A. Präparation von cDNA cDNA wird aus mRNA präpariert. Man muss deshalb von einem Gewebe ausgehen, in welchem das Gen transkribiert wird und mRNA in ausreichender Menge vorkommt. Zunächst wird mRNA isoliert. Bevor das Enzym Reverse Transkriptase aus mRNA eine komplementäre DNA (cDNA) bilden kann, muss zuvor ein Primer angefügt werden. Da mRNA am 3'-Ende Poly-A enthält, kann man einen Primer aus Poly-T anfügen, von dem aus durch das Enzym Reverse Transkriptase cDNA in 5'- nach 3'-Richtung gebildet wird. Dann wird die RNA mittels Alkali entfernt. Die cDNA dient als Vorlage für die Bildung eines neuen DNA-Strangs. Dafür ist das Enzym DNA-Polymerase erforderlich. Das Ergebnis ist ein DNA-Doppelstrang, dessen einer Strang komplementär zur ursprünglichen mRNA ist. An diese DNA werden Einzelsequenzen (Linker) angehängt, die komplementär zu den Einzelstrang-Enden des zu verwendenden Restriktionsenzyms sind. Mit diesem Enzym wird der Vektor, z. B. ein Plasmid geschnitten, um die cDNA zur Klonierung einzubauen.
AATT und TTAA). Nach Einbau eines solchen Fragments entsteht ein rekombinantes Plasmid. Bakterien, die rekombinante Plasmide aufgenommen haben, müssen sich von Bakterien unterscheiden, die keine Plasmide aufgenommen haben. Das ist dadurch möglich, dass das verwendete Plasmid ein Gen für eine Antibiotika-Resistenz enthält, z. B. Ampicillin-Resistenz (AmpR) vgl. S. 58). Dadurch ist eine Selektion für Bakterien möglich, die das rekombinante Plasmid aufgenommen haben. Der Nachweis dafür erfolgt durch die Veränderung eines Gens ( g -Galactosidase) durch das Insert.
C. cDNA-Klonierung Es werden nur Bakterien Ampicillin-resistent, die ein rekombinantes Plasmid aufgenommen haben. Rekombinante Plasmide, die das Gen für Ampicillin-Resistenz enthalten, transformieren Ampicillin-empfindliche Bakterien zu Ampicillin-resistenten Bakterien. In einem Ampicillinhaltigen Medium wachsen nur Bakterien, die das rekombinante Plasmid mit dem gewünschten DNA-Fragment enthalten. Durch weitere Vermehrung in diesen Bakterien kann es beliebig vervielfältigt (kloniert) werden, bis man genügend Material für die vorgesehenen Untersuchungen hat. Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed., Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Watson, J. D., et al.: Moleculare Biology of the Gene, 3rd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1987.
B. Vektor für die cDNA-Klonierung Da nur ein geringer Anteil der Plasmide FremdDNA aufnimmt, muss für Bakterien selektioniert werden, die rekombinante Plasmide enthalten. Die DNA des Plasmids wird mit einem Restriktionsenzym eingeschnitten und die ringförmige Plasmid-DNA geöffnet. Dadurch entstehen an beiden Enden kurze, einsträngige DNA-Sequenzen, die komplementär zu der zuvor angefügten einsträngigen Sequenz (Linker) des zu klonierenden DNA-Fragments sind (z. B.
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cDNA-Klonierung Ausgangsgewebe mit exprimiertem Gen mRNA
5'
Ampicillin-Resistenz-Gen (Amp+)
AAAAAA 3' Oligo(dT)-Primer hinzufügen
KlonierungsVector
AAAAAA 3' TTTTTT
5'
DNA-Synthese
Reverse Transkriptase 5' 3'
neue DNA
Amp+
Poly(A) Schwanz
AAAAAA 3' T T T T T T 5'
kein DNA-Insert (nichtrekombinant)
Rekombinanter Vektor
mehrere spezifische Restriktionsstellen
DNA-Insert
lac Z' Gen
Ribonuklease degradiert die meiste RNA
5' 3'
3'
T T T T T T 5'
β-Galactosidase aktiv
β-Galactosidase inaktiv
Kolonie blau
Kolonie blass
Synthese des zweiten Strangs durch DNA Polymerase I 5' 3'
3'
T T T T T T 5'
Wachstum in Amp+haltigem Medium, Konstruktion einer Klon-Bibliothek
zweiter Strang wird ergänzt 5' 3'
cDNA
AAAAAA 3' T T T T T T 5'
B. Klonierungs-Vektoren
A. Präparation von cDNA (Schema)
AA TTA
A TT A
TT AA
TT A
rekombinanter Plasmid (AmpR)
Wachstum transformierter Bakterien in Ampicillinhaltigem Medium
Aufnahme in Bakterien
Bakterien mit rekombinantem Plasmid sind Ampicillin-resistent
C. cDNA-Klonierung
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Bakterien ohne rekombinanten Plasmid sind Ampcillinempfindlich und wachsen nicht
62
Molekulare Grundlagen
DNA-Bibliotheken Eine DNA-Bibliothek ist eine Ansammlung von DNA-Fragmenten, die in ihrer Gesamtheit das Genom repräsentieren, also das gesuchte Gen und die gesamte übrige DNA. Sie ist Ausgangspunkt für die Klonierung eines Gens, dessen chromosomale Lage nicht bekannt ist. Nach Verdauung der Gesamt-DNA mit einem Restriktionsenzym werden die entstandenen Fragmente in einen Vektor eingebracht und in Bakterien vermehrt. Eine ausreichende Zahl Klone muss vorliegen, damit jeder Abschnitt mindestens einmal vertreten ist. Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Bibliotheken: aus genomischer DNA und aus cDNA.
A. Bibliothek aus genomischer DNA Klone genomischer DNA sind Kopien von DNAFragmenten aus allen Chromosomen (1). Sie enthalten codierende und nicht-codierende Sequenzen. Mittels Restriktionsenzymen wird die genomische DNA in viele Fragmente gespalten (2). Diese werden in einen Vektor eingebaut, z. B. in DNA von Phagen (3) und in Bakterien vermehrt (4). Die Gesamtkollektion rekombinanter DNA-Moleküle, die alle DNA-Sequenzen einer Spezies oder eines Individuums enthält, nennt man eine genomische Bibliothek.
B. cDNA-Bibliothek cDNA ist komplementäre DNA. Sie wird mittels des Enzyms Reverse Transkriptase aus mRNA gebildet (vgl. S. 60). Im Gegensatz zu einer genomischen Bibliothek, die zwar vollständig ist, aber codierende und nicht-codierende DNA enthält, besteht eine cDNA-Bibliothek nur aus codierenden DNA-Sequenzen. Diese Spezifität bietet gegenüber der genomischen DNA erhebliche Vorteile. Dies setzt jedoch voraus, dass man über mRNA verfügt. Man kann sie deshalb nur aus den Zellen gewinnen, in denen das entsprechende Gen transkribiert wird, d. h. mRNA gebildet wird. Aus der bei der Transkription gebildeten RNA (primäres Transkript) wird durch das bei eukaryoten Organismen übliche RNA-Splicing mRNA gebildet (vgl. S. 52). Daraus wird mittels Reverser Transkriptase komplementäre DNA (cDNA) synthetisiert. Die cDNA dient als Vorlage zur Synthese eines komplementären DNAStrangs, so dass vollständige doppelsträngige DNA entsteht (cDNA-Klone). Ihre Sequenz ent-
spricht den codierenden Sequenzen des Genabschnitts. Deshalb kann man sie gut als Sonden verwenden (cDNA-Sonden). Die anschließenden Schritte, Einbau in einen Vektor und Vermehrung in Bakterien, entsprechen dem Vorgehen bei Erstellung einer genomischen Bibliothek. Da cDNA-Klone nur aus codierenden Regionen eines aktiven (mRNA bildenden) Gens gewonnen werden können, unterscheiden sich cDNAKlone verschiedener Gewebe je nach genetischer Aktivität. Weil cDNA-Klone den codierenden Sequenzen eines Gens entsprechen (Exons) und keine Sequenzen aus nicht-codierenden Teilen (Introns) enthalten, ist klonierte cDNA bevorzugtes Ausgangsmaterial, wenn man durch Analyse eines Gens nähere Kenntnis über das Genprodukt erhalten möchte. Aus klonierter und sequenzierter DNA kann man die Sequenz der Aminosäuren eines Proteins ableiten. Ein anderes Ziel wäre die Herstellung eines Proteins in großen Mengen, indem das klonierte Gen in Bakterien oder Hefezellen exprimiert wird.
C. Screening einer DNA-Bibliothek Bakterien, die einen Vektor aufgenommen haben, werden in einer Petrischale auf Agar angezüchtet. Dort bilden sie Kolonien (1). Dann wird mit einer Membran ein Abklatsch-Abdruck erstellt (2) und die an der Membran haftende DNA mit einer alkalischen Lösung denaturiert (3). Die DNA der gesuchten DNA-Fragmente wird mit einer radioaktiv (oder anderen) markierten Sonde identifiziert (4). Nach der Hybridisierung wird die Position der gesuchten Kolonien auf der Membran sichtbar (5). Dadurch kann man den im Abdruck markierten Stellen die entsprechenden Kolonien in der Petrischale zuordnen. Diese enthalten das gesuchte Fragment aus der DNA-Bibliothek und können in Bakterien weiter vervielfältigt (kloniert) werden (6). Auf diese Weise kann das DNA-Fragment angereichert werden, so dass für die weitere Untersuchung genügend Material zur Verfügung steht. Rosenthal, N.: Stalking the gene – DNA libraries. New Eng. J. Med. 331: 599–600. 1994. Watson, J. D. et al.: Recombinant DNA. 2nd ed. Scientific American Books, New York, 1992.
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DNA-Bibliotheken Genomische DNA
Genomische DNA Gen A
Gen A
Gen B
Gen B
1
1
Spaltung mit RestriktionsEnzym
Transkription 2
2
RNASplicing Klonierung (multiple Fragmente)
3 Reverse Transkription und Klonierung
3 4
Genomische DNA-Klone in einer genomischen Bibliothek
DNA-Klone in einer cDNA-Bibliothek
A. Genomische DNA-Bibliothek
B. cDNA-Bibliothek
Filterpapier 1
Bakterienkultur mit rekombinanten Plasmiden
2
Transfer auf Filterpapier
3
Bakterienlyse, Denaturierung DNA Hybridisierung mit markierter Sonde
6
Identifizierte Kolonien aufnehmen und testen
5
Position der identifizierten Kolonien
C. Screening einer DNA-Bibliothek
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4
Identifizierung von Kolonien mit Klonen, die hybridisiert haben
63
64
Molekulare Grundlagen
Restriktionsanalyse mittels Southern-Blot-Verfahren Restriktionsendonukleasen sind Enzyme, die definierte DNA-Sequenzen spalten. Sie werden oft vereinfacht Restriktionsenzyme genannt. Da jedes Enzym die DNA nur an seiner spezifischen Erkennungssequenz spaltet, kann die gesamte DNA einer kernhaltigen Zelle eines Individuums auf reproduzierbare Weise in gut zu handhabende Stücke definierter Größe zerteilt werden. Einzelne Fragmente können dann ausgewählt, in geeignete Vektoren aufgenommen, vervielfältigt (kloniert) und untersucht werden. Durch die ungleiche Verteilung der Erkennungsstellen unterscheiden sich die Fragmente in ihrer Größe. Die Ausgangsansammlung der DNA-Fragmente wird nach ihrer Größe sortiert. Zwei Verfahren erkennen die gesuchten DNAoder RNA-Fragmente, nachdem sie in der Elektrophorese nach ihrer Größe aufgetrennt wurden: die Southern-Blot-Hybridisierung für die DNA (benannt nach E. Southern aus Edinburgh, der diese Methode 1975 entwickelte) und die Northern-Blot-Hybridisierung für RNA (Wortspiel auf Southern-Blot). Der Immunoblot (Western-Blot) erkennt Proteine in einem antikörperbasierten Verfahren.
A. Southern-Blot-Verfahren zur Identifizierung eines Gens Ausgangspunkt der Analyse ist Gesamt-DNA (1). Die DNA wird isoliert und mit Restriktionsenzym gespalten (2). In einem dieser zunächst noch nicht identifizierten Fragmente (3) befindet sich das gesuchte Gen oder Teil des Gens. In einem elektrischen Feld (Elektrophorese) werden die Fragmente in einem Gel (meist Agarose) nach Größe sortiert (4). Je kleiner ein Fragment, desto rascher läuft es, je größer, desto langsamer. Dann folgt der eigentliche Southern-Blot; die im Gel enthaltenen DNA-Fragmente werden auf eine Membran aus Nitrocellulose oder Nylon übertragen (5). Dort wird die DNA mit Alkali denaturiert (einsträngig gemacht) und unter Einwirkung mäßiger Hitze (ca. 80°C) oder UV-Vernetzung auf der Membran befestigt. Anschließend wird mit einer Sonde aus komplementärer einsträngiger DNA (genomische DNA oder cDNA) aus dem Gen inkubiert (6). Die Sonde hybridisiert nur mit dem gesuchten, komplementären Fragment, nicht mit anderen.
Da die Sonde markiert ist (meist radioaktiv 32P, aber unter bestimmten Voraussetzungen auch nicht-radioaktiv markiert), kann das gesuchte Fragment mit einem auf die Membran gelegten Röntgenfilm identifiziert werden, wo es nach Entwicklung des Films (Autoradiogramm) als schwarzes Band erscheint (7). Die der Position entsprechende Größe wird bei der Elektrophorese durch mitgelaufene DNA-Fragmente bekannter Größe bestimmt.
B. RestriktionsfragmentLängenpolymorphismus (RFLP) Etwa alle 100 Basenpaare unterscheidet sich die Nukleotidsequenz eines DNA-Abschnitts verschiedener Individuen (DNA-Polymorphismus). Deshalb kann die Erkennungssequenz eines Restriktionsenzyms auf einem Chromosom vorhanden sein, auf dem anderen aber nicht. In diesem Fall unterscheidet sich die Größe eines Restriktionsfragments (RestriktionsfragmentLängenpolymorphismus, RFLP). Ein Beispiel wird an zwei 5 kb (5000 Basenpaare) langen DNA-Abschnitten gezeigt. In dem einen ist die mittlere Schnittstelle vorhanden (Allel 1), in dem anderen (Allel 2) fehlt sie. Im SouthernBlot kann man unterscheiden, ob ein Individuum an dieser Stelle homozygot 1-1 (zwei Allele 1, kein 5 kb-Fragment), heterozygot 1-2 (je ein Allel 1 und 2) oder homozygot 2-2 (zwei Allele 2) ist. Läge eine gesuchte Mutation auf dem 5 kb-Fragment, so würde dieses die Mutation anzeigen bzw. bei Abwesenheit auf das Fehlen der Mutation hindeuten. Es ist wichtig zu verstehen, dass die RFLP-Analyse selbst mit der Mutation nichts zu tun hat. Sie unterscheidet einfach DNA-Fragmente verschiedener Größe aus der gleichen Region. Diese können als Marker verwendet werden oder um Allele in der Segregations-Analyse zu unterscheiden (s. S. 130). Zusätzlich zu den RFLPs können andere Polymorphismen durch die Southern-Blot-Hybridisierung erkannt werden, obwohl die PCR-Analyse von Mikrosatelliten heute immer häufiger genutzt wird (s. S. 68). Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed., Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Housman, D.: Human DNA polymorphism. New Engl. J. Med. 332: 318–320, 1995. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers. Oxford, 1999.
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65
Restriktionsanalyse mittels Southern-Blot-Verfahren
große Fragmente
Migration
gesuchtes Gen
kleine Fragmente
1. Gesamt-DNA
2. Verdauung mit 2. Restriktionsenzym
3. Gel-Elektrophorese Denaturierung in Alkali
6. Identifizierung des Fragments und Hybridisierung mit der Sonde
5. Hybridisierung mit markierter DNA-Sonde (Einzelstrang)
4. Übertragung auf Membran (Nylon oder Nitrocellulose)
A. Southern-Blot-Hybridisierung Allel 2
polymorphe-Stelle
Allel 1 3 kb
2 kb
5 kb
Sonde 3 kb
Sonde
2 kb
5 kb
zwei Fragmente Individuen mit zwei Allelen 1
ein Fragment Individuen mit einem Allel 1 und einem Allel 2
Individuen mit zwei Allelen 2
5 kb
3 kb 2 kb 1–1 homozygot
1–2 heterozygot
B. Restriktionsfragment-Längenpolymorphismus (RFLP)
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2–2 homozygot
66
Molekulare Grundlagen
Restriktionskartierung Restriktionsendonukleasen (Restriktionsenzyme) sind DNA-schneidende Enzyme. Jedes Enzym erkennt eine spezifische Sequenz von 4–8 (meist 6) Nukleotiden (Schnittstelle). Es spaltet DNA in Fragmente, deren Größe vom Vorkommen der Schnittstellen abhängt.
A. Spezifische Erkennungssequenzen Dargestellt wird, wie drei häufig verwendete Restriktionsenzyme schneiden, EcoRI, HindIII und HpaI. EcoI und HindIII schneiden „palindromisch“, d. h. die Schnittstelle liegt asymmetrisch um eine Achse, an der spiegelbildlich komplementäre einsträngige DNA-Abschnitte entstehen. Diese stimmen mit der des gegenüberliegenden Strangs in Gegenrichtung überein. Sie können deshalb mit einem DNA-Fragment verbunden werden, dessen Enden komplementäre einsträngige Einzelstrangsequenzen enthält. HpaI schneidet beide DNA-Stränge so, dass keine einsträngigen Enden entstehen.
B. Beispiele für Restriktionsenzyme Es werden die Erkennungssequenzen einiger Restriktionsenzyme gezeigt. Die Namen der Enzyme sind vom Bakterium abgeleitet, in dem sie vorkommen, z. B. EcoRI von Escherichia coli Restriktionsenzym I etc. Einige Enzyme haben eine Schnittstelle mit eingeschränkter Spezifität. Bei HindII genügt es, dass die beiden mittleren Nukleotide ein Pyrimidin bzw. Purin sind (GTPyPuAC), aber es ist gleichgültig, ob dies Thymin (T) oder Cytosin (C) bzw. Adenin (A) oder Guanin (G) ist.
C. Restriktionsfragmente
D. Bestimmung der Lage von Schnittstellen Da die Größe der Fragmente die relative Lage der Schnittstellen widerspiegelt, kann man dies zur Charakterisierung eines DNA-Abschnitts verwenden (Restriktionskarte). Entstehen auf einem DNA-Abschnitt von 10 kb Länge nach Einwirkung von zwei Enzymen A und B drei Fragmente von 2 kb, 3 kb und 5 kb Größe, kann man die relative Lage der Schnittstellen feststellen, indem man in einem weiteren Experiment nur Enzym A bzw. nur Enzym B einwirken lässt. Wenn Enzym A zwei Fragmente von 3 kb und 7 kb, Enzym B zwei Fragmente von 2 kb und 8 kb entstehen lässt, müssen die beiden Schnittstellen von Enzym A und B 5 kb auseinanderliegen. Links von der Schnittstelle von Enzym A liegen 3 kb, rechts von der Schnittstelle von Enzym B 2 kb (1 kb entspricht 1000 Basenpaaren).
E. Restriktionskarte Ein gegebener DNA-Abschnitt kann durch das Verteilungsmuster der Schnittstellen charakterisiert werden. Im gezeigten Beispiel ist ein DNA-Abschnitt durch Verteilung der Schnittstellen für die Enzyme E (EcoRI) und H (HindIII) gekennzeichnet. Zwischen den einzelnen Schnittstellen liegen definierte Abstände, die durch die Größe der Fragmente nach Verdauung mit dem Enzym definiert werden. Eine Restriktionskarte ist eine lineare Sequenz von Schnittstellen mit definierten Abständen entlang der DNA. Die Restriktionskartierung hat erhebliche Bedeutung in der Medizinischen Genetik und in der Evolutionsforschung.
In einem gegebenen DNA-Abschnitt kommen Erkennungssequenzen eines Restriktionsenzyms unterschiedlich häufig vor. Dadurch sind die Schnittstellen verschieden weit voneinander entfernt. Es entstehen nach Verdauung mit einem Restriktionsenzym verschieden große DNA-Fragmente (Restriktionsfragmente). Ein Restriktionsenzym spaltet jeden Abschnitt DNA in eine Serie von DNA-Fragmenten charakteristischer Größe. Einige Restriktionsenzyme haben nur selten vorkommende Erkennungssequenzen, so dass sie nur selten schneiden und sehr große Fragmente bilden.
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67
Restriktionskartierung 5'
3'
GAA T TC CT T AAG
3'
Erkennungssequenz SymmetrieSchnitt achse
5'
1. Erkennungsstellen eines Restriktionsenzyms DNA spalten 5'
3'
AAT TC G G CT TAA
3'
Einzelstrang
5' 3'
3' 5'
GG CC CC GG
3. Erkennungsstelle von HaeIII 5' 3'
GG CC
3' 5'
CC GG
Mikrobe
5'
GAA T TC CT T AAG
EcoRI
Escherichia coli KY 13
5'
GTPy PuAC CAPu Py TG
HindII
Haemophilus influenzae Rd
5'
AAG CTT T TC GAA
HindIII
Haemophilus influenzae Rd
5’
GTT AAC CAA T TG
HpaI
Haemophilus parainfluenzae
5'
CC GG GG CC
HpaII
Haemophilus aphrophilus
5'
GG CC CC GG
HaeIII
Haemophilus aegyptius
5'
2. Fragmente mit Einzelstrang-Enden
Enzym
4. stumpf endende Fragmente
B. Beispiele für Restriktionsenzyme
A. Spaltung durch Restriktionsnuklease 5’
3’ GAA T TC
GA A T T C
GAA T TC
CT T AAG
CT T AAG
CT T AAG
3’
5’
Schnittstellen für EcoR I
5’
3’ G
G
AAT TC G
CT TAA
AATTC
CT TAA
G
G
AATTC
CT TAA
3’ DNA-Fragmente verschiedener Größe
C. Restriktionsfragmente
Experiment: Einwirkung von zwei Enzymen A und B an einem DNA-Abschnitt nur Enzym A
Enzym A und B 2 kb
3 kb 3 kb
nur Enzym B
5 kb A
2 kb A
8 kb B
3 kb
Interpretation:
7 kb
5 kb
2 kb
D. Bestimmung der Lage von Schnittstellen E
H
H
E
H
E H
E. Restriktionskarte
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E
G
5’
68
Molekulare Grundlagen
DNA-Amplifikation (PolymeraseKettenreaktion, PCR) Die Einführung (im Jahr 1985) einer zellfreien Methode zur Vervielfältigung von DNA-Fragmenten hat die molekularbiologische Analyse von DNA ebenso nachhaltig beeinflusst wie die DNA-Sequenzierung (vgl. S. 54–57). Im Gegensatz zu den verschiedenen Methoden zur Klonierung (Vervielfältigung) von DNA (vgl. S. 58–61) werden keine Zellen und Vektoren verwendet. Das Verfahren wird PCR (polymerase chain reaction) genannt, weil es sich um eine Serie aufeinander folgender, wiederkehrender, von DNA-Polymerase gesteuerter DNASyntheseschritte handelt. Ausgehend von einem ausgewählten Abschnitt eines DNA-Moleküls, wird dieser wiederholte Male kopiert und auf etwa 105 Exemplare des Ausgangsmoleküls angereichert, entsprechend einer Vermehrung (Amplifikation) von wenigen Nanogramm DNA auf mehrere Picogramm. Das Ergebnis einer PCR kann auf verschiedene Weise analysiert werden, meistens mittels einer Agarose-GelElektrophorese. Diese zeigt ein einziges Band entsprechend der Größe des vervielfältigten DNA-Fragments. Als Alternative oder zusätzlich kann das PCR-Produkt auch sequenziert werden. PCR ist eine extrem empfindliche Reaktion, die leicht durch Kontamination mit unverwünschter DNA gestört werden kann.
A. Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) Ausgangsmaterial für eine PCR ist ein DNAFragment von etwa 5 bis maximal 40 kb Größe, zwei Oligonukleotide (etwa 15–25 Nukleotide) als Primer für die DNA-Synthese, DNA-Polymerase und Nukleotide. Die Primer müssen komplementär zu den beiden 3'-Enden der zu amplifizierenden DNA (Ziel-DNA) sein, um anheften zu können. Deshalb muss die Sequenz an beiden Enden der DNA bekannt sein. Die DNA wird nicht durch zelluläre Enzyme synthetisiert, sondern durch eine gereinigte thermostabile DNA-Polymerase aus dem Bakterium Thermophilus aquaticus (Taq), das bei Temperaturen von 70–75°C überleben kann. Eine PCR besteht aus drei sich etwa 25–30-mal wiederholenden Zyklen von DNA-Synthesen: 1. Denaturierung des zu amplifizierenden DNAFragments bei etwa 93–95°C, 2. Anheftung der Primer zur DNA-Synthese bei 50–60°C, 3. Taq-
Polymerase-gesteuerte DNA-Synthese bei 70–75°C. Nach dem ersten Zyklus werden neue DNA-Stränge gebildet, die länger als die ZielDNA sind, weil die Synthese an den 3'-Enden zufällig und variabel endet (gezeigt als rote Pfeile nach Zyklus 1). Jedoch bereits nach Zyklus 2 enden die neuen DNA-Stränge am 5'- und 3'-Ende an den Anheftungsstellen der Primer, so dass die neue DNA der Ziel-DNA entspricht. Jeder Zyklus dauert etwa 3–5 Minuten in einem eigens dafür konstruierten Gerät (Thermozykler) und verdoppelt die vorhandene DNA. Nach etwa 25 Zyklen endet die Kettenreaktion durch Mangel an einer der Komponenten der Reaktion. Aus einem Ausgangsmolekül entstehen etwa 105 Exemplare.
B. RT-PCR Ausgangsmaterial für die Nukleotidsequenz der für eine PCR benötigten Primer kann partielle Sequenzinformation von einem Teil eines Proteins oder eines RNA sein (Reverse Transkriptions-PCR, RT-PCR). Aus der teilweise bekannten Aminosäuren-Sequenz kann die entsprechende Sequenz der beiden Oligonukleotidpaare (in Leserichtung, sense, und entgegen der Leserichtung, antisense) abgeleitet werden (1). Diese werden in der korrekten Sequenz synthetisiert und als Primer für die PCR verwendet. Aus einer Ansammlung verschiedener RNA-Moleküle, z. B. von einem exprimierten Gen (vgl. S. 188–203), kann mittels Reverser Transkriptase (RT) komplementäre DNA (cDNA, vgl. S. 60) gebildet werden (2). Diese dient als Vorlage für die DNA-Synthese bei einer PCR. Das Sense-Oligonukleotid und das Antisense-Oligonukleotid werden als Primer für die PCR verwendet (3). Diese Vorgehensweise ist besonders vorteilhaft, wenn die Exon/Intron-Struktur (vgl. S. 52) eines Gens nicht genau bekannt ist. Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Erlich, H. A., Arnheim, N.: Genetic analysis with the polymerase chain reaction. Ann. Rev. Genet. 26: 479–506, 1992. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios. Scientific Publishers, Oxford, 1999. Volkenandt, M., Löhr, M., Dicker, A. P.: Gen-Amplification durch Polymerase-Kettenreaktion. Dtsch. Med. Wschr. 17: 670–676, 1990. White, T. J., Arnheim, N., Erlich, H. A.: The polymerase chain reaction. Trends Genet. 5: 185–189, 1989.
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69
DNA-Amplifikation (Polymerase-Kettenreaktion, PCR)
3' 5'
Primer
5'
5' 3'
DNA Synthese 3' 5'
AS-Sequenz (teilweise) eines Proteins
5'
Primer
5'
neue DNA 5' 3'
5'
Komplementäre DNA-Einzelstränge als Vorlage zur DNA-Synthese
SenseOligonukleotide
AntisenseOligonukleotide
1.
3' 5'
verschiedene RNAs
DNA zu amplifizieren
AAAA AAAA AAAA 5' 3'
Denaturierung
3' 5'
Reverse Transkriptase + Oligo(dT)
3' 5'
Zyklus 1 Primer neue DNA
DNASynthese 3' 5'
Primer 5' 3'
5' 3' 3' 5'
3' 5'
AAAA TTTT
cDNA
AAAA TTTT
cDNA
AAAA TTTT
cDNA
Alkalische Hydrolyse 3' 5'
cDNA
2.
Zyklus 2
Sense-Oligonukleotide als Primer 5' 3' 3' 5'
3' 5'
5' 3' 3' 5'
5' 3' 3' 5'
3' 5'
3' 5'
3' 5'
3' 5'
Zyklus 3
5' 3'
5' 3'
Denaturierung
neue DNA
5' 3'
5' 3'
5' 3'
neue DNA
5' 3'
5' 3'
5' 3'
usw. ca. 25 Zyklen produzieren ~105 Kopien
A. Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
Antisense-Oligonukleotid als Primer neue DNA
5' 3'
3.
weitere, spezifische Amplifizierung der neuen DNA
B. RT-PCR
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70
Molekulare Grundlagen
Veränderungen in der DNA Als man erkannte, dass Veränderungen (Mutationen) der DNA spontan auftreten (T. H. Morgan, 1910) oder durch Röntgenstrahlen induziert werden können (H. J. Müller, 1927), wurde die Mutationstheorie der Vererbung ein Eckpfeiler der frühen Genetik. Gene wurden als mutationsfähige Einheiten definiert. Jedoch blieb die Frage ungelöst, woran Gene bestehen und was Mutationen wirklich sind. Die Erforschung der Mutationen ist aus vielen Gründen wichtig. Mutationen verursachen Erkrankungen, die alle Formen von Krebs einschließen. Sie können durch Chemikalien und Strahlung ausgelöst werden. Somit stellen sie eine Verbindung zwischen Vererbung und Umwelt dar.
A. Fehler bei der Replikation Voraussetzung für eine fehlerfreie Replikation ist die exakte Erkennung und der Einbau der richtigen, komplementären Nukleotidbase von der DNA-Vorlage. Fehler in der Replikation treten etwa mit einer Häufigkeit von 1 zu 105 auf. Diese Mutationsrate wird durch einen Korrekturlesemechanismus (proofreading) auf etwa 1 zu 107 bis 109 reduziert. Tritt vor der nächsten Zellteilung ein Fehler bei der Replikation auf (hier bezogen auf die erste Teilung nach der Mutation) – wird z. B. – wie hier beim 5. Basenpaar ein Cytosin (C, gezeigt in rot) anstelle eines Adenins (A) eingebaut – dann wird die daraus resultierende falsche Paarung (Mismatch) in den meisten Fällen erkannt und repariert (vgl. DNA-Reparatur S. 82). Bleibt jedoch der Fehler unentdeckt und verbleibt in der Basenleiter, so endet die nächste (zweite) Teilung mit einem mutierten Molekül. Dieses enthält ein CG anstelle eines AT an dieser Position. Diese Mutation wird jetzt an alle Tochterzellen weitergegeben (vererbt). Abhängig von der Lokalisation der Mutation, innerhalb oder außerhalb einer codierenden Region (Exons), ergeben sich entsprechende funktionelle Konsequenzen aus der Veränderung.
B. Mutagene Veränderung eines Nukleotids Eine Mutation kann auftreten, wenn eine strukturelle Veränderung eines Nukleotids seine Basenbindungseigenschaften verändert. Da sich das veränderte Nukleotid normalerweise in einem Strang der Ausgangs-DNA befindet, kann
dies zum Einbau einer falschen Base, z. B. eines C (in rot gezeigt) anstelle eines T führen (wie hier an Position 5 gezeigt). Dies hat zur Folge, dass nach der nächsten Replikation zwei mutierte DNA-Moleküle in den Tochtersträngen vorliegen.
C. Replikationsverschiebung Ein anderer Mutationsmechanismus beruht nicht auf der Veränderung eines einzelnen Nukleotids, sondern auf falscher Ausrichtung zwischen allelischer und nicht-allelischer DNA während der Replikation (slippage). Wenn der Vorlagenstrang kurze Tandem-Wiederholungen enthält, zum Beispiel CA-Wiederholungen wie sie in Mikrosatelliten vorkommen (vgl. DNA Polymorphismus S. 74 und Teil II, Genomik), können der neu replizierte Strang und der Vorlagenstrang gegeneinander verschoben sein. Bei Replikations- oder Polymerase-Verschiebung, welche zu falschen Paarungen von Wiederholungen führen, können manche Wiederholungen doppelt oder gar nicht kopiert werden, abhängig von der Richtung der Verschiebung. Man kann im Hinblick auf den neu replizierten Strang zwischen Vorwärtsverschiebung (forward slippage, wie hier gezeigt) und Rückwärtsverschiebung (backward slippage) unterscheiden. Wenn der neue Strang nach vorne verrutscht (in Synthese-Richtung), bleiben am Elternstrang einige ungepaarte Basen übrig. Dies führt zu einer Insertion. Ein Shift in die Gegenrichtung führt zu einer Deletion. Die Instabilität von Mikrosatelliten ist ein typisches Merkmal des erblichen nicht-polypösen Coloncarcinoms (HNPCC). Mehrere Gene (z. B. auf Chromosom 2p15-22 und 3p21.3 lokalisiert) sind bekannt, in denen instabile Mikrosatelliten zu HNPCC führen. Etwa 15% aller kolorektalen Carcinome, Magen- und Endometriumcarcinome zeigen diese Mikrosatelliteninstabilität. Man muss die Replikationsverschiebung von ungleichen Crossing-over während der Meiose (vgl. S. 98) unterscheiden. Brown, T. A.: Genomes 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Lewin, B.: Genes VII. Oxford University Press, Oxford, 2000. Strachan, T. A., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 1999. Vogel, F., Rathenberg, R.: Spontaneous mutation in man. Adv. Hum. Genet. 5: 223–318, 1975.
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Veränderungen in der DNA Anfangssequenz
erste Teilung
CCTGAGGAG GGACTCCTC normal
CCTGAGGAG
zweite Teilung CCTGAGGAG GGACTCCTC normal
CCTGAGGAG GGACTCCTC normal
Mutation
GGACTCCTC
CCTGCGGAG CCTGCGGAG
G G A CG C C T C mutantes Molekül
G G A CT C C T C
CCTGAGGAG GGACTCCTC normal
A. Fehler in der Replikation führen zu einer Mutation CCTGAGGAG GGACTCCTC normal
CCTGAGGAG CCTGGGGAG
GGACCCCTC verändertes Nukleotid
CCTGGGGAG
GGACCCCTC
GGACCCCTC
CCTGGGGAG
mutantes Molekül
Mutation
GGACCCCTC mutantes Molekül
B. Mutagene Veränderung eines Nukleotids führt zu Mismatch und einer Mutation
normal
CACACACACA
CACACACA GTGTGTGTGT GTGTGTGT
CACACACA GTGTGTGT Vorwärtsverschiebung verursacht Insertion
C. Replikationsverschiebung
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Insertion
CACACACA GTGTGTGT Deletion Rückwärtsverschiebung verursacht Deletion
71
72
Molekulare Grundlagen
Mutationen durch verschiedene Basen-Modifikationen Mutationen entstehen durch chemische oder physikalische Einwirkungen, die zu Basen-Modifikationen führen. Chemische Substanzen, die in der Lage sind solche Veränderungen zu induzieren, nennt man Mutagene. Spontane Oxidation, Hydrolyse, unkontrollierte Methylierung, Alkylierung und ultraviolette Strahlung verursachen Veränderungen der Nukleotidbasen. Einige DNA-reaktive Chemikalien ändern die chemische Struktur der Nukleotidbase oder entfernen eine Base.
A. Deaminierung und Methylierung Cytosin, Adenin und Guanin enthalten eine Amino-Gruppe. Wird diese entfernt (deaminiert), so entsteht eine veränderte Base mit einem anderen Basenpaarungsmuster. Salpetersäure entfernt typischerweise die AminoGruppe. Dies geschieht aber auch spontan mit einer Häufigkeit von 100 Basen pro Genom pro Tag (Alberts et al., 1994, p. 245). Bei der Deaminierung von Cytosin wird die Amino-Gruppe in Position 4 entfernt (1). Das dadurch entstehende Molekül ist Uracil (2). Diese paart jedoch mit Adenin anstatt mit Guanin. Normalerweise wird diese Veränderung durch die Uracil-DNAGlycolase repariert. Deaminierung in der RNA tritt bei der RNA-Editierung auf (s. Expression der Gene). Die Methylierung des KohlenstoffAtoms an Position 5 des Cytosins, ergibt 5-Methyl-Cytosin, mit einer Methyl-Gruppe an Position 5 (3). Durch Deaminierung von 5-MethylCytosin (4) entsteht Thymin (ein SauerstoffAtom an Position 4 anstelle der AminoGruppe). Diese Mutation wird nicht repariert, da es sich bei Thymin um eine natürlich vorkommende Base handelt. Adenin (5) kann zu Hypoxanthin deaminiert werden (6). Die daraus resultierende Änderung führt dazu, dass bei der nächsten Replikation ein Cytosin anstelle eines Thymins eingebaut wird.
B. Depurinierung Ungefähr 5000 Purinbasen (Adenin und Guanin) gehen in jeder Zelle pro Tag durch thermische Fluktuationen verloren. Depurination erfolgt durch die hydrolytische Spaltung der NGlycosyl-Bindung zwischen der Deoxyribose und dem Stickstoff des Guanins an Position 9. Es resultiert ein depurinierter Zucker. Wird der
Verlust eines Basenpaares nicht rechtzeitig repariert (vgl. DNA-Reparatur S. 80), kommt es nach der nächsten Replikation zur Deletion.
C. Alkylierung Unter Alkylierung versteht man das Einfügen einer Methyl- oder Ethyl-Gruppe in ein Molekül. Bei der Alkylierung des Guanins wird die Wasserstoffbrücken-Bindung des SauerstoffAtoms an Position 6 aufgebrochen und eine Methyl-Gruppe eingefügt. Dadurch entsteht 6Methylguanin, das nur zwei Wasserstoff-Brücken bilden kann. Infolgedessen wird bei der Replikation an dieser Stelle Thymin anstatt Cytosin eingebaut (Cytosin-nach-Thymin-Transition, C 1 T). Als Ergebnis findet sich im mutierten Tochtermolekül Thymin und nicht Cytosin. Wichtige alkylierende Stoffe sind EthylnitrosoHarnstoff (ENU), Ethylmethan-sulfonat (EMS), Dimethylnitrosamin, und N-Methylnitro-N-nitrosoguanin.
D. Nukleotidbasen-Analoga Basen-Analoga sind Purine oder Pyrimidine, die den regulären DNA-Nukleotiden so ähnlich sind, dass sie bei der Replikation anstelle der richtigen Nukleotidbase eingebaut werden. 5Bromodeoxyuridin ist ein Analogon für Thymin. Es enthält anstelle der Methyl-Gruppe an Position 5 ein Brom-Atom. Die Anwesenheit des Brom-Atoms verursacht ungenaue oder falsche Basenpaarung.
E. UV-induzierte Thymin-Dimere Ultraviolette Strahlung einer Wellenlänge von 260 nm verursacht kovalente Bindungen zwischen benachbarten Thymin-Resten an den Kohlenstoff-Atomen 5 und 6. Geschieht dies innerhalb eines Gens, werden Replikation und Transkription gestört. Eine andere wichtige UVinduzierte Veränderung ist eine kovalente Bindung zwischen dem Kohlenstoff-Atom in Position 4 und 6 zweier benachbarter Nukleotide, das 4-6 Photoprodukt (hier nicht gezeigt). (Abbildungen nach Lewin, 2000). Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Lewin, B.: Genes VII. Oxford Univ. Press, Oxford, 2000. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999.
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73
Mutationen durch verschiedene Basen-Modifikationen Cytosin
1
2 Uracil
N3 2
Zum Zucker
O
C
NH2
3
C
N O
C
CH3
5C
N H
CH
H
4
U G
C
N
N HC
C N
C C
N
Deaminierung
CH
HC
N
N
C
Zucker
6
HC N
Zucker
C
N CH N
C
1
N
N
H P
CH2
N
H NH2
N
O
Depurinierung
normal
B. Depurinierung
N
CH
N Zucker
Guanin
C C
C N H
O H
O
H N C C N N
C
C
N
CH
N Zucker
H
Ultraviolett-Irradiation bildet Thymin-Dimer mit konvalenten Bindungen und ändert die DNA-Struktur. Korrektur durch DNA-Repair OH O
O
O H 3C
N N
P
H 3C
N
Thymin O
N
O
H 3C
O
O N
N N
C
C
N
Br
BrdU
2
G C
N
D. Basenanalog
2 CH2
H
H N C C N
O
Deletion
P
1
H
HC
Zucker
A T
P
C N
HC
A. Deaminierung und Methylierung O
G C Adenin
O
Veränderung in ein Basenanalog
H C
H T
mutant
CH3
G T
CH3
entstehende DNA-Veränderung: mutant A T
H
paart mit Thymin
G C
Thymin
Zucker
5
C
H
O C
N
N
H N
G C
H
C
C
CH3
T A
C
N
C
Alkylierung
O
H
N
H
N
6
C. Alkylierung von Guanin
6 Hypoxanthin
NH2
H
entstehende DNA-Veränderung:
falsches Basenpaar
5 Adenin
Wasser- O stoffBrücken C
N
C
CH3
H keine
C
paart mit Cytosin
A T
5
C G
3
C
6
H
C H CH3 C Deaminierung N C CH O N
2
C G
C N
5-Methylcytosin Thymidin entstehende DNA-Veränderung: mutant 1
6-Methyl-Guanin
N
H N
O
4
Guanin
O
oxidative O Deaminierung C C H 4 CH N CH 5 Deaminierung 1 6 CH C CH (Nitrosamid) N O N H H Methylierung (effiziente am 5'-Kohlenstoff Reparatur)
NH2
O
ThyminDimer
N
Thymin
G C
Verlust von Basen führt zu Deletion nach der nächsten Replikation
DNA-ZuckerposphatGerüst
E. UV-Licht-induzierte-Thymin-Dimere
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O
74
Molekulare Grundlagen
DNA-Polymorphismus Als Polymorphismus (viele Formen) bezeichnet man das Auftreten varianter Formen des Genotyps oder Phänotyps (vgl. S. 146). Hier wird Polymorphismus auf DNA-Ebene dargestellt. Die DNA-Basensequenz des Genoms ist nicht bei allen Individuen identisch. Vielmehr unterscheidet sich die Basenabfolge an zahlreichen Positionen. Es gibt verschiedene Typen von DNA-Polymorphismus. Man unterscheidet eine einzelne Nukleotidbase und Unterschiede in der Abfolge mehrerer Basen.
A. Einzel-Nukleotid-Polymorphismus (SNP) Bei dieser Form (single nucleotide polymorphism, SNP) betrifft der Unterschied eine einzelne Nukleotidbase, z. B. die Anwesenheit eines Adenins (A) in einem Allel (Allel 1) und die Anwesenheit eines Guanins (G) an der gleichen Position des anderen Allels (Allel 2). (1). SNPs können durch Sequenzierung relativ leicht nachgewiesen werden. Etwa alle 600 Basenpaare findet sich ein SNP, etwa 1.8 Millionen im gesamten Genom des Menschen. Mit ihrer Hilfe kann jeder Abschnitt sequenzierter DNA individuell definiert werden. Eine weitere Form eines DNA-Polymorphismus infolge Unterschiede in der Basenabfolge ist der Restriktions-Fragment-Längenpolymorphismus (2). Es entstehen verschieden große DNAFragmente, die im Southern-Blot unterschieden werden können (vgl. S. 64). Da dieses Verfahren aufwendiger ist als der direkte Nachweis von SNPs, wird es nicht mehr generell angewandt.
B. Kurze Sequenz-LängenPolymorphismen (SSLP) Diese Art von DNA-Polymorphismus ist durch individuelle Unterschiede in der Zahl kleiner Tandem-Wiederholungen gekennzeichnet (short sequence length polymorphism, SSLP). Eine häufige Form sind einfache Tandem-Wiederholungen (short tandem repeats, STR), z. B. eine dreifache Wiederholung der beiden Basen Cytosin und Adenin, CACACA, in einem Allel (hier als Allel 1 bezeichnet) und fünffache Wiederholung, CACACACACA, in dem anderen Allel (hier Allel 2). Diese Art von Polymorphismus wird als Mikrosatellit bezeichnet (1). Bei einer größeren Anzahl von Tandem-Wiederholungen (Repeats) von 20–200 Basenpaaren (bp) spricht
man von Minisatelliten oder variabler Zahl von Tandem-Wiederholungen (2, VNTR, variable number tandem repeats).
C. Nachweis von SNP durch Oligonukleotid-Hybridisierung Oligonukleotide sind kurze DNA-Fragmente von etwa 20 Nukleotiden. Jedes einsträngige Oligonukleotid hybridisiert vollständig mit einem einsträngigen DNA-Abschnitt von exakt komplementärer Sequenz. Bereits ein einziger Unterschied führt zu weniger vollständiger Hybridisierung. Dies kann nachgewiesen werden (S. 392).
D. Detektion von STR durch PCR Kurze Tandem-Wiederholungen (short tandem repeats, STR) können mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR, vgl. S. 68) leicht nachgewiesen werden. In der Abbildung D besteht an gegebener Position das eine Allel (als 1 bezeichnet) aus drei Wiederholungen, CACACA, und das andere (als 2 bezeichnet) aus 5 Wiederholungen CACACACACA. Der Größenunterschied kann leicht nachgewiesen werden.
E. CEPH-Familien DNA von Familienmitgliedern über drei Generationen und großen Familien mit mindestens acht Kindern steht am Centre Jean Dausset in Paris zur Verfügung (ursprünglich Centre pour l’Etude du Polymorphisme Humain (CEPH). Jede CEPH-Familie besteht aus vier Großeltern, zwei Eltern und acht Kindern. Die vier großelterlichen Allele im Stammbaum links oben wurden als A und B (beim Großvater) und C und D (bei der Großmutter) bezeichnet. In dem gezeigten Beispiel unterscheiden sie sich durch unterschiedlich große DNA-Fragmente am untersuchten polymorphen Locus. Allel A entspricht dem größten Fragment und wandert in der schematisch gezeigten Gel-Elektrophorese am langsamsten und liegt deshalb am weitesten oben nahe des Startpunkts, B ist etwas kleiner, C noch kleiner und D am kleinsten. Diese Unterschiede erlauben eine präzise Festlegung des Genotyps jedes Individuums in dieser Familie. Brown, T. A.: Genomes 2nd ed. Bios Scientific Publ. Oxford, 2002. Collins, F. S., Guyer, M. S., Chakravarti, A.: Variations on a theme: cataloguing human DNA sequence variation. Science 282: 682–689, 1998. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999.
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DNA-Polymorphismus
Allel 1
TA C G A G C TA
Allel 1
CACACA
Allel 2
TA C G G G C TA
Allel 2
CACACACACA
75
3 Repeats 5 Repeats
1. EinzelstrangNukleotid-Polymorphismus (SNP)
1. Einfacher Tandem-Repeat (STR) Microsatellit
Allel 1
G A AT T C
Allel 1
G AT T T C
Allel 2
Restriktionsstelle
Allel 2
jede Repeat-Einheit mit 20 – 200 bp
keine Restriktionsstelle
2. Restriktionsfragment-LängenPolymorphismus (RFLP)
2. Variable Number Tandem Repeat (VNTR) Minisatellit
A. Einzelstrang-NukleotidPolymorphismus (SNP)
B. Kurze Sequenz-LängenPolymorphismen (SSLP)
Oligonukleotid
AT G C T C G AT
Allel 1
CACACA
TA C G A G C TA
Allel 2
CACACACACA
Stabiles Hybrid gibt Signal
Amplizierung durch PCR, Elektrophorese
Mismatch
AT G C T C G AT TA C G G G C TA Unstabiles Hybrid gibt kein Signal Allel 1
C. Detektion von SNP durch OligonukleotidHybridisierung
AB
Allel 2
D. Detektion von STR durch PCR
CD
BC
AD Allele
CC BC
BD
AB AC AB
AB
CD BD
CD
A B C D Allele A, B, C, D am Marker Locus zeigen alle möglichen paarweisen Kombinationen E. CEPH-Familien
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76
Molekulare Grundlagen
Rekombination Genetische Rekombination ist ein Austausch zwischen zwei sich entsprechenden DNA-Molekülen (allgemeine oder homologe Rekombination). Rekombination verleiht dem Genom Flexibilität. Ohne Rekombination würden die Gene jedes einzelnen Chromosoms in ihrer spezifischen Position verbleiben. Durch Rekombination können unvorteilhafte Mutationen eliminiert und vorteilhafte Mutationen erhalten werden. Rekombination muss zwischen zwei sich exakt entsprechenden Bereichen stattfinden (homologe Rekombination). Nur dies stellt sicher, dass keine Basenpaare verloren gehen oder hinzugefügt werden. Damit sie ihre Funktion behalten, müssen die neu kombinierten (rekombinierten) DNA-Stränge ihre Ausgangsstruktur behalten. Man kann zwei Modelle der Rekombination unterscheiden: (1) die generalisierte oder homologe Rekombination, die bei Eukaryoten in der Meiose auftritt (s. Seite 98), und (2) eine ortsspezifische (site-specific) Rekombination. Wir betrachten hier zunächst die homologe Rekombination, eine komplexe biochemische Reaktion zwischen zwei DNA-Doppelsträngen. Auf die dazu benötigten Enzyme wird nicht eingegangen. Die homologe Rekombination kann auf zwei Wegen ausgelöst werden, durch Bruch eines DNA-Einzelstranges oder eines DNA-Doppelstranges.
A. Rekombination durch EinzelstrangBrüche Dieses Modell geht davon aus, dass der Prozess mit einem Bruch an der korrespondierenden Stelle eines der homologen DNA-Stränge (dieselbe Sequenz verschiedenen parentalen Ursprungs) beginnt (1). Durch ein Einzelstrang spaltendes Enzym (Endonuklease) wird an homologer Stelle jedes Moleküls ein Strang geöffnet (2). Dies erlaubt dem freien Ende des geöffneten Stranges sich mit dem freien Ende des anderen Moleküls zu verbinden (EinzelstrangAustausch, 3). Die Rekombinationsstelle bewegt sich anschließend entlang der beiden Duplexmoleküle (branch migration, 4). Dies ist wichtig, weil dadurch sichergestellt wird, dass ein Austausch (Crossing-over) zwischen der Duplex-DNA (die beiden Stränge verschiedener elterlicher Herkunft) und Schließen der Lücke (6), resultiert ein reziprok-rekombinantes Mo-
lekül (7). Rekombination, die DNA-Duplexe einschließen, erfordern erhebliche topologische (räumliche) Veränderungen, z. B. muss das Molekül frei drehbar sein und anschließend wieder in die Ausgangsstruktur gebracht werden (Holliday Model, vorgeschlagen von R. Holliday, 1964). Dieses Modell hat eine ungelöste Schwierigkeit: Wie wird sichergestellt, dass der Einzelstrang-Einschnitt (s. Schritt 2 oben) exakt an der gleichen Stelle in beiden DoppelhelixDNA-Moleküle entsteht?
B. Rekombination initiiert durch Doppelstrang-Brüche Dieses Modell für Rekombination basiert auf einem initialen Doppelstrang-Bruch in einem der homologen DNA-Moleküle. Beide Stränge wurden von einer Endonuklease gespalten (1). Jeweils am 3'-Ende wird die Lücke durch eine Exonuklease vergrößert, welche die 5'-Enden im Bereich des ursprünglichen DoppelstrangBruchs vergrößert (2). Eines der freien 3'-Enden verbindet sich mit einem homologen Strang des anderen Moleküls (3). Dabei entsteht eine D-Schleife (displacement loop). Diese D-Schleife wird durch Reparatur-Synthese vom 3'-Ende her verlängert, bis die gesamte Lücke im Empfänger-Molekül geschlossen ist (4). Der verdrängte Strang verbindet sich mit der komplementären homologen Einzelstrang-Sequenz des Empfängerstrangs und schließt die Lücke (5). DNA-Reparatur-Synthese schließt die verbleibende Lücke (6). Die Integrität der beiden DNA-Moleküle wird bei diesem Modell durch zweifache Einzelstrang-Reparatur-Synthese wiederhergestellt. In Gegensatz zum Einzelstrang-Austausch-Modell, entsteht beim Doppelstrang-Modell in der gesamten Region rekombinante HeteroduplexDNA (7). Ein offensichtlicher Nachteil ist der zeitweise Verlust von Information in der Lücke nach der initialen Spaltung. Der permanente Verlust der Information wird durch die Möglichkeit der Resynthese vom anderen Duplex verhindert (Abbildungen nach Lewin, 2000). Alberts, B. et al.: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell. Garland Publishing, New York, 1998. Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Holliday, R.: A mechanism for gene conversion in fungi. Genet. Res. 5: 282–304, 1964. Lewin, B.: Genes VII. Oxford Univ. Press, Oxford, 2000.
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Rekombination 1 DNA-Duplex-Paar
1 DNA-Duplex-Paar, Doppelstrangbruch in einem Molekül
1
ein Elternstrang
1
2
2
3
3 4
4
anderer Elternstrang 2 Einschnitt in homologen Paaren
2 Bruch vergrößert bis zum Gap mit 3'-Enden 1
5'
2
3'
3
5'
4
3'
3' 5' 3' 5'
5' 3'
3 3'-Ende des anderen Duplex
3 Einzelstrangaustausch 1 2
D loop
3 4
4 DNA-Synthese vom 3'-Ende
4 Branch-Migration 1 2 3 4
5 3'-Ende verdrängt einen Strang
5 Einschnitt in anderen Strängen 1 2 3 4
6 DNA-Synthese vom anderem 3'-Ende
6 Crossover zwischen Duplex-DNA 1 2 3 4
7 Reziproker Einzelstrangaustausch
7 Reziproke rekombinante Moleküle 1
3
2
4
3
1 2
4
Heteroduplex DNA
A. Rekombination initiiert durch Einzelstrangbrüche
77
Rekombinante Heteroduplex DNA
B. Rekombination initiiert durch Doppelstrangbrüche
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3' 5'
78
Molekulare Grundlagen
Transposition Neben der homologen Rekombination kann das Genom durch mobile DNA-Sequenzen verändert werden. Diese werden als bewegliche Elemente (transposable elements) oder Transposons bezeichnet. Es handelt sich um verschiedene Klassen unterschiedlicher DNA-Sequenzen. Transposons könnten bei den in der Evolution auftretenden Veränderungen eines Genom eine Rolle gespielt haben. In manchen Fällen können sie Krankheiten auslösen, wenn sie in funktionierende Gene eingefügt werden. Drei Beispiele werden im folgenden Text dargestellt: Insertionssequenzen (IS), Transposons (Tn) und Transposition von Retroelementen durch einen RNA-Vektor.
A. Insertionsequenzen (IS) und Transposons (Tn) Die einfachsten Transposons (Tn) werden als Insertionsequenzen (IS) bezeichnet. Sie sind autonome Einheiten, die für ein Protein (Transposase) codieren (Transposase-Gen), das für die Transposition benötigt wird. Die Transposition findet an einer durch die Sequenz im Genom definierten Stelle statt (Ziel-DNA, hier 5 Basenpaare als ATGCA gezeigt, 1). Bei der Transposition wird die Zielsequenz des Wirtgenoms verdoppelt (Target repeat, 2). Da sie in der gleichen Richtung angeordnet sind, werden sie als kurze direkte Wiederholungen (short direct repeats) bezeichnet. Die Bezeichnung „direkt“ bezieht sich auf zwei durch Duplikation entstandene Sequenzen, welche die gleiche Richtung beibehalten haben. Sie markieren die Stelle, an der ein Transposon in das Wirtsgenom eingebaut wird (3). Die Insertionssequenz (IS) selbst hat umgedrehte Wiederholungen (inverted repeats) mit einer konstanten Länge von meistens 9 bp, die an beiden Enden mit den Zielsequenzen verbunden werden. Sie definieren die Enden einer IS und sind so charakteristisch, dass sie als Nachweis einer Transposition dienen können. Die Länge einer IS variiert je nach ihrem Typ zwischen ca. 700–1500 bp (man unterscheidet verschiedene Typen, IS1, IS2, IS3, IS4, IS10R und andere). Jedes Transposon enthält eine einzelne codierende Region, das Transposase-Gen. Es codiert für ein Enzym, Transposase, das für die Integration der mobilen Sequenz verantwortlich ist. Man kann sie danach unterschei-
den, ob sie von direkten Wiederholungen (direct repeats, d. h. in gleicher Richtung, 3) oder von umgedrehten Wiederholungen (inverted repeats, d. h. in Gegenrichtung) flankiert werden (4). Die Häufigkeit von Transposition liegt bei etwa 10–3 bis 10–4 pro Element pro Generation (Lewin, 2000, S. 459).
B. Replikative und nicht-replikative Transposition Bei der replikativen Transposition (1) verbleibt das ursprüngliche Transposon (Tn) an seiner Stelle (Donor) und erzeugt durch Replikation eine Kopie von sich selbst. Diese wird an einer anderen Stelle (Target-Stelle) in das Wirtsgenom eingefügt (Empfänger). Auf diese Weise kommt es zu einer Vermehrung der Transposons im Genom. Diese Art der Transposition erfordert zwei Enzymaktivitäten: eine Transposase an den Enden des Original-Transposons und eine Resolvase an den Kopien. Bei der nicht-replikativen Transposition (2) wird das gesamte Transposon (Donor) direkt an einer anderen Stelle integriert.
C. Transposition von Retroelementen Retrotransposition setzt die Synthese einer RNA-Kopie des eingefügten Retroelements voraus. Darauf folgt Reverse Transkription bis zur Polyadenin-Sequenz im langen terminalen Repeat am 3'-Ende (3' long terminal repeat, 3' LTR). Hier werden drei wichtige Klassen von Transposons bei Säugern gezeigt. Endogene Retroviren (1) sind Sequenzen, die Retroviren ähneln, aber keine neuen Zellen infizieren können und auf ein Genom beschränkt sind. Bei Retrotransposition durch nicht-virale Transposons (2) fehlen die LTRs und meist auch andere Teile eines Retrovirus. Jedoch enthalten beide Typen Reverse Transkriptase dass sie zur unabhängigen Transposition befähigt sind. Eine dritte Klasse der Transposition durch Retroelemente sind verarbeitete Pseudogene (processed pseudogenes, 3). Ihnen fehlt Reverse Transkriptase, so dass ihnen keine unabhängige Transposition möglich ist. Brown, T. A.: Genomes, 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Lewin, B.: Genes VII. Oxford Univ. Press, Oxford, 2000. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1996.
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Transposition Wirts-DNA
Zielbereich
1
AT G C A TA C G T Insertionssequenzen (IS) 700 – 1500 bp
Invertierte Repeats an beiden Enden
Transposase Gen Zielbereich
Transposase Gen
Zielbereich
AT G C A TA C G T
2
AT G C A TA C G T Invertierte Repeats (9 bp)
(4 – 10bp)
Transposon (Tn) mit anderen Genen 3
und direkten Repeats an beiden Enden
4
mit invertierten Repeats an beiden Enden A. Insertionssequenzen (IS) und Transposons (Tn) Donor 1
Empfänger
Tn
Target Stelle
1 Endogenes Retrovirus
LTR
Reverse Transkriptase
LTR
replikativ
2 Retrotransposon AAAAAAAA TTTTTTTT
2
Donor
Empfänger 3 Prozessiertes Pseudogen nicht-replikativ
AAAAAA TTTTTT
kurze Repeats im Zielbereich
B. Replikative und nicht-replikative Transposition
kurze Repeats im Zielbereich
C. Transposition von Retroelementen
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Molekulare Grundlagen
Trinukleotid-Repeat Expansion Das menschliche Genom enthält Tandem-Repeats (Tandem-Wiederholungen) von Trinukleotiden. Normalerweise treten sie in Gruppen von 5–30 Wiederholungen auf. Wenn ihre Anzahl jedoch eine bestimmte Schwelle überschreitet, und sie innerhalb oder nahe bei Genen liegen, verursachen sie eine Reihe von wichtigen Krankheiten. Verschiedene Typen von Trinukleotid-Repeat-Expansion (Verlängerungen) bilden eine Klasse von instabilen Mutationen. Sie sind bisher nur beim Menschen beobachtet worden. Trinukleotid-Repeats werden nach ihrer Lokalisation in Hinblick auf das beteiligte Gen unterschieden.
A. Verschiedene Typen der Trinukleotid-Repeat-Expansion Bei einer Reihe von neurologischen Krankheitsbildern sind abnorm expandierte CAG-Repeats Teil der codierenden Region eines Gens (1). CAG-Repeats codieren für Glutamine (polyglutamin tracts). Trinukleotid-Repeats kommen auch in nicht-codierten Regionen eines Gens vor (2). Häufig sind dies CGG- und GCC-Repeats (3). Sie können sich zu drastisch vergrößerter Anzahl ausdehnen, so dass Trinukleotid-Repeat-Expansionen von 1000 und mehr Repeats auftreten können. In der Anfangsphase führt dies meist nicht zu klinisch sichtbaren Zeichen einer Erkrankung, stellt aber eine Prädisposition für erhöhte Repeat-Expansion bei den Nachkommen eines Merkmalträgers dar (als Prämutation bezeichnet).
B. Instabile Trinukleotid-Repeats bei verschiedenen Erkrankungen Durch Expansion von Trinukleotid-Repeats bedingten Krankheiten können nach Typ des Trinukleotid-Repeats und der Lokalisation in dem betroffenen Gen unterschieden werden. Allein ist gemeinsam, dass sie das zentrale oder periphere Nervensystem betreffen. Trinukleotid-Erkrankungen vom Typ I sind durch eine CAG-Trinukleotid-Expansion innerhalb der codierenden Region eines Gens charakterisiert. Das für Glutamin (Gln) codierende Triplet (CAG) besteht normalerweise aus etwa 20 Triplets. Bei einer Erkrankung mit Trinukleotid-Repeat-Verlängerung enthält das Protein eine abnorm gesteigerte Anzahl von Glutaminen (z. B. bei Chorea Huntington, vgl. S. 378). Diese Krankheits-
gruppe wird als Polyglutamin-Störungen bezeichnet. Trinukleotid-Krankheiten vom Typ II sind charakterisiert durch Expansion von CTG, GAA, GCC oder CGG Trinukleotid-Repeats außerhalb der codierenden Regionen (Exons) des betroffenen Gens. Die expandierten Repeats können am 5'-Ende (z. B. GCC wie beim Fragilen-X-Syndrom Typ A, FRAXA) oder am 3'-Ende (z. B. CGG beim Fragilen-X-Syndrom Typ E, FRAXE) oder in einem Intron liegen (z. B. CTG bei Friedreichscher Ataxie). Ein kurzer Überblick dieser Störungen befindet sich auf S. 378 – 381.
C. Prinzip der Labordiagnostik instabiler Trinukleotid-Repeats Bei der Labordiagnostik vergleicht man die Größe der Trinukleotid-Repeats der beiden Allele des zu untersuchenden Gens. Die Darstellung zeigt schematisch 11 Testergebnisse; jede repräsentiert eine untersuchte Person: drei normale Kontrollpersonen mit normalen Befunden in Reihe 1–3, drei erkrankte Personen in den Reihen 4–6, sowie eine Familie mit einem erkrankten Vater (Reihe 7), einem erkrankten Sohn (10), der gesunden Mutter (11) und zwei weiteren gesunden Kindern (Sohn 8 und Tochter 9). Ganz links aufgetragen sind die Größenmarker für die Zahl der vorhandenen Trinukleotide. Es sind jeweils die beiden Allele als ein Band sichtbar. Bei den erkrankten Personen liegt das Band oberhalb der Grenze im Bereich expandierter Allele (in der Praxis sind die Banden verwaschener, da die Größen der Repeats von Zelle zu Zelle verschieden sind). Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999. Warren, S. T.: The expanding world of trinucleotide repeats. Science 271: 1374–1375, 1996. Rosenberg, R. N.: DNA-triplet repeats and neurologic disease. New Eng. J. Med. 335: 1222–1224, 1996. Zoghbi, H. Y.: Spinocerebellar ataxia and other disorders of trinucleotide repeats, pp. 913–920. In: Principles of Molecular Medicine, J. C. Jameson, ed. Humana Press, Totowa, NJ, 1998.
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Trinukleotid-Repeat Expansion
CAGCAG
(CAG)n
CAGCAG
n = 5 – 35
CAGCAG
CAG(CAG)nCAG
CAGCAG
n = 20 – >300
1 Polyglutamin (CAG) Expansion in codierenden Regionen
CGGCGG
CGGCGG
(CGG)n n = 6 – 50
CGGCGG
CGG(CGG)nCGG
CGGCGG
n = 50 – 1000
2 Trinukleotid-Expansion (CGG oder CTG) in nicht-codierenden Regionen
A. Verschiedene Typen von Trinukleotid-Repeat Expansion CGG
GAA
CAG (Gln)
CTG
AUG
AUG
start
stop
Exon FRAXA Mentale Retardierung
CGG
Intron
Exon
Friedreichsche Ataxia
Exon
Intron
Chorea Huntington Spinale-bulbäre muskuläre Atrophie Spinocerebelläre Ataxie 1 Andere neurologische Krankheiten
Intron FRAXE Mentale Retardierung, andere
Myotone Dystrophie
B. Unstabile Trinukleotide-Repeats bei verschiedenen Krankheiten Drei normale Kontrollpersonen 1
2
3
Drei erkrankte Personen 4
5
6
7
8
9
75 60
10
11
45 30 15
C. Prinzip der Labordiagnose bei unstabiler Trinukleotid-Repeat-Expansion
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Normal
Anzahl Trinukleotide Repeats
90
Expandierte Allele
Größen Marker
82
Molekulare Grundlagen
Reparatur von DNA-Schäden Da Fehler bei der Replikation unvermeidbar sind, hat sich durch Evolution ein breites Spektrum an DNA-Reparatur-Genen sowohl bei Eukaryoten als auch Prokaryoten entwickelt. Man kann folgende Typen von DNA-Reparatur unterscheiden: (1) Reparatur durch Exzision (es werden beschädigte DNA-Stellen entfernt, z. B. Thymin-Dimere), (2) Reparatur eines Mismatch vgl. S. 70), (3) Reparatur UV-induzierter Schäden während der Replikation, (4) transkriptionsgebundene Reparatur in aktiven Genen.
A. Nukleotid-Exzision Ein durch Ultraviolett-Strahlung beschädigter DNA-Strang ist verformt. Dies wird durch drei Proteine erkannt, die UvrA, UvrB und UvrC-Endonukleasen bei Prokaryoten bzw. die homologen Proteine XPA, XPB und XPC in menschlichen Zellen. Sie bilden einen Proteinkomplex und schneiden den beschädigten DNA-Strang jeweils vor und hinter dem Schaden (ca. 12 bis 13 Nukleotide bei Prokaryoten, ca. 27 bis 29 Nukleotide bei Eukaryoten). Der geschädigte DNA-Strang wird durch einen Exonuklease-Protein-Komplex gespalten und entfernt. Durch DNA-ReparaturSynthese wird das fehlende Stück ersetzt und die Lücke durch eine DNA-Ligase geschlossen (der tatsächlich ablaufende Vorgang ist komplex).
B. Mismatch-Reparatur Bei der Mismatch-Reparatur (Repair) wird eine falsche Basenpaarung (Mismatch) korrigiert. Das Mismatch-Reparatur-Protein MutS bei Prokaryoten bzw. das homologe Protein hMSH2 beim Menschen bindet an die Stelle mit der falsch gepaarten Base. Weitere Proteine spalten und entfernen den die falsche Base enthaltenden DNAStrang. Durch DNA-Synthese und DNA-Polymerase III wird der entfernte, defekte DNA-Strang durch neue DNA mit einer richtigen Basenpaarung ersetzt. Es benötigt dafür drei ReparaturProteine, MutH, MutL und MutS. Ihre Homologe beim Menschen sind hMSH1, hMLH1 und hMSH1. Mutationen in einem dieser Gene führen durch den Defekt des Mismatch-Reparatur-Systems zu bestimmten Formen von Krebs (Nichtpolypöses Coloncarcinom).
C. UV-induzierte DNA-Schäden Geschädigte DNA wird durch ein kooperierendes System verschiedener spezifischer Proteine
mittels Nukleotid-Exzisions-Reparatur (NER) repariert (beim Menschen XPA-G, sowie andere). Durch große, auf den Schaden folgende Abschnitte (in 3'-Richtung des neuen Stranges) wird die Replikation (vgl. S. 44) blockiert. Der nachfolgende Strang ist nicht so stark betroffen, weil die Okazaki-Fragmente des neu synthetisierten Stranges auch hinter der beschädigten Stelle gebildet werden können (als kleine blaue Pfeile gezeigt). Jedoch würde dies ohne Reparatur zu einer asymmetrischen Replikationsgabel führen. Eine variante Form (XPV) erlaubt semikonservative Replikation von zuvor geschädigten DNA-Abschnitten im Matrizenstrang (template, S. 44). Durch Mutation inaktiviertes XPVProtein wird die postreplikative Reparatur verhindert, so dass verschieden große, nicht replizierte Abschnitte verbleiben (sog. Error-prone bypass, fehler-gesteuerte Umgehung).
D. Doppelstrang-Reparatur Doppelstrang-Schäden entstehen meist durch + -Strahlung. Ein wichtiger Reparatur-Weg beim Menschen benötigt drei Proteine, die durch die Gene ATM, BRCA1 und BRCA2 codiert sind. Ihre Namen leiten sich von den Krankheiten ab, die durch Mutationen in einem dieser Gene entstehen (s. S. 318 und 312). ATM codiert für eine Protein-Kinase und wird als Reaktion auf einen DNA-Schaden aktiviert (1). Die aktivierte Form phosphorylisiert BRCA1 an den spezifischen Stellen (2). Durch homologe Rekombination in Kooperation mit BRCA2 und mRAD51 (das Säugetier-Homolog des RecA Reparatur-Protein bei E. coli) wird RAD2 induziert und der DNA-Doppelstrang-Bruch repariert (3). Das phosphorylierte BRCA2 kann auch an der Transkription und der transkriptionsgebundenen DNA-Reparatur beteiligt sein (4). (Abb. nach Ventikaraman, 1999). Bootsma, D. et al.: Nucleotide excision repair syndromes: Xeroderma pigmentosum. Cockayne syndrome, and trichothiodystrophy, p. 211–237. In: The Genetic Basis of Human Cancer, B. Vogelstein & K. W. Kinzler, editors, 2nd ed. McGraw-Hill, New York, 2002. D’Andrea, A. D. D., Grompe, M.: The Fanconi anaemia/ BRCA pathway. Nature Rev. Cancer 3: 23–34, 2003. Masutani, C., et al.: The XPV (xeroderma pigmentosum variant) gene encodes human DNA polymerase. Nature 399: 700–704, 1999. Ventikaraman A. R.: Breast cancer genes and DNA repair. Science 286: 1100–1101, 1999. Wood, R. D. et al.: Human repair genes. Science 291: 1284–1289, 2002.
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Reparatur von DNA-Schäden 5'
3'
3'
5'
UV
geschädigte DNA repariert durch XPA-G
Replikation
83
Schaden durch TT-Dimer 3' 5'
geschädigte DNA
führender Strang DNAReplikation blockiert
5' 3'
Schaden UvrABC/XPABC erkennt geschädigte DNA und schneidet DNA
Entfernung des geschädigten Stranges (12–13 Nukleotide bei Prokaryoten, 27–29 Nukleotide bei Eukaryoten)
neue DNA
Reparatur durch XPV
3' 5'
nachfolgender Strang
repariert, Synthese fortgesetzt
XPV-Mutation nicht replizierte DNA, langer Abschnitt
ExzisionsNuklease-Komplex
kurz
Ligase schließt Lücke Fehler-erzeugende Reparatur, Mutagenese, Carcinogenese
A. Exzisionsreparatur (Schema) 5'
Mismatch T
3'
C. Replikationsreparatur UV-geschädigter DNA
Neuer Strang 3'
Transkriptionsregulation
5'
G
Alter Strang MutS/hMSH2 bindet an falsch gepaarte Basenpaare T G
DNA
RNA-Polymerase II RNA
BRCA1 phosphoryliert 4
2
P
DNA gespalten, Strang mit falschem T entfernt
MutL/hMLH1 MutH/hMSH1 T
1
G
P
P
BRCA1 ATM-Kinase Aktivierung
BRCA2 3
RAD51 RAD2
Doppelstrang bricht DNA-Synthese durch DNA-Polymerase III
reparierter Strang C G
B. Mismatch Repair (Schema)
homologe DNA-Stränge
DNA-Reparatur durch homologe Rekombination
homologe Reparatur
D. Doppelstrang-Reparatur durch homologe Rekombination
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Molekulare Grundlagen
Xeroderma Pigmentosum Xeroderma pigmentosum (XP, MIM 278700-80) ist eine Gruppe genetisch bedingter Erkrankungen der Haut infolge besonderer Empfindlichkeit gegen ultraviolettes Licht. Dies äußert sich in trockener und pigmentierter Haut in den exponierten Bereichen („trockene pigmentierte Haut“, daher der Name, F. von Hebra & M. Kaposi, 1874). Zusätzlich besteht in den exponierten Bereichen eine Neigung zu Hauttumoren. Die Ursache sind verschiedene genetische Defekte in der DNA-Reparatur. Relativ häufig ist defekte Exzisionsreparatur infolge verminderter Aktivität der Endonuklease. Daneben gibt es andere Enzymsysteme, die Änderungen der DNA erkennen und sie entfernen oder rückgängig machen können.
A. Klinischer Phänotyp Die Hautveränderungen sind auf UV-exponierte Bereiche beschränkt (1 und 2). Es ist deshalb wichtig, Patienten vor UV-Einstrahlung zu schützen. Von besonderer Bedeutung ist das Auftreten multipler Hauttumoren in den exponierten Bereichen (3). Diese können bereits im Kindes- und frühen Jugendalter auftreten. Die Art der Tumoren entspricht dem Spektrum, wie sie nach langdauernder UV-Exposition auch bei Gesunden vorkommen können.
B. Zellulärer Phänotyp Die UV-Empfindlichkeit kann im Zellkulturen in vitro nachgewiesen werden. Bestrahlt man Zellkulturen aus Fibroblasten der Haut von Patienten mit UV-Licht, so zeigen sie dosis-abhängig eine verminderte Überlebensrate im Vergleich zu normalen Zellen (1). Man kann verschiedene Grade der UV-Empfindlichkeit unterscheiden. Da bei der Exzisionsreparatur ein kurzes Stück neuer DNA gebildet wird, lässt sich dies nachweisen, indem man Zellen in Anwesenheit von 3H-Thymidin kultiviert und UVStrahlen aussetzt. Anschließend lässt sich über dem Zellkern die durch DNA-Reparatur bedingte DNA-Synthese autoradiographisch nachweisen. Durch den Einbau von 3H-Thymidin in die neue DNA werden diese Bereiche der DNA radioaktiv punktuell markiert (2). Im Gegensatz dazu zeigen Xeroderma-(XP)-Zellen eine stark verminderte oder fast fehlende Reparatur-Synthese. (Photographie von Dirk Bootsma, Rotterdam überlassen).
C. Genetische Komplementation in Zellhybriden Fusioniert man Zellen (Zellhybride) aus Hautzellen (Fibroblasten) in Kultur von Patienten (XP) und Normalpersonen und exponiert mit UV-Licht, so wird der zelluläre XP-Phänotyp korrigiert (1). Hybridzellen von verschiedenen Formen von XP zeigen normale DNA-Synthese (2). Dies wird dadurch erklärt, dass verschiedene Reparaturdefekte gegenseitig korrigiert werden können. Haben die mutanten Zellen den gleichen Defekt (3), so können sie sich nicht korrigieren; sie gehören derselben Komplementationsgruppe an (4). Gegenwärtig sind 7 Komplementationsgruppen von Xeroderma bekannt (XPA-XPG). Sie unterscheiden sich klinisch nach Schweregrad. Jede Komplementationsgruppe beruht auf einer Mutation an einem anderen Genlocus. Die meisten Gene sind kloniert und zeigen Homologie mit Reparatur-Genen bei anderen Organismen, wie Bakterien und Hefe. Berneburg, M. et al.: UV damage causes uncontrolled DNA breakage in cells from patients with combined features of XP-D and Cockayne syndrome. Embo J. 19: 1157–1166, 2000. Bootsma, D. A., Hoeijmakers, J. H.: The genetic basis of xeroderma pigmentosum. Ann. Gen ´ et. ´ 34: 143–150, 1991. Bootsma, D. et al.: Nucleotide excision repair syndromes: Xeroderma pigmentosum, Cockayne syndrome, and trichothiodystrophy. pp. 211–237. In: The Genetic Basis of Human Cancer, 2nd ed., B. Vogelstein & K. W. Kinzler, eds. McGraw-Hill, New York, 2002. Cleaver, J. E., et al.: A summary of mutations in the UVsensitive disorders: xeroderma pigmentosum, Cockayne syndrome, and trichothiodystrophy. Hum. Mutat. 14: 9–22, 1999. Cleaver, J. E.: Common pathways for ultraviolet skin carcinogenesis in the repair and replication defective groups of xeroderma pigmentosum. J. Dermatol. Sci. 23: 1–11, 2000. de Boer, J., Hoeijmakers, J. H.: Nucleotide excision repair and human syndromes. Carcinogenesis 21: 453–460, 2000. Hanawalt, P. C.: Transcription-coupled repair and human diseases. Science 266: 1957–1958, 1994. Sancar, A.: Mechanisms of DNS excision repair. Science 266: 1954–1956, 1994. Taylor, E. M. et al.: Xeroderma pigmentosum and trichothiodystrophy are associated with different mutations in the XPD (ERCC2). Proc. Natl. Acad. Sci. 94: 8658–8663, 1997.
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Xeroderma Pigmentosum
1. 2. A. Xeroderma pigmentosum: Klinischer Phänotyp
3.
Überlebende Zellen
1.0 XP-A 0.1
normal
XP-D
Xp
0.01
Heterokaryon XP-A/XP-D
XP-D Dosis/UV-Licht
1. UV-Empfindlichkeit B. Zellulärer Phänotyp Korrektur
Fusion
1. normale Zelle
2. Komplementation nach Fusion von XP-A und XP-D-Zellen
(verschiedene Komplementationsgruppen)
Fusion
Fusion
2. XP-Zelle
(gleiche Komplementationsgruppe)
XP-A
4.
3. XP-B
XP-A
XP-A
keine Korrektur
C. Genetische Komplementation in Zellhybriden definiert Komplementationsgruppen
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Eukaryote Zellen
Hefe: Eukaryote Zellen mit diploider und mit haploider Phase Hefen sind einzellige, eukaryote Pilze mit einem Genom, das aus linearen Chromosomen besteht, die innerhalb eines Nukleus liegen. Etwa 40 verschiedene Arten von Hefe sind bekannt. Die Bäcker-Hefe, Saccharomyces cerevisiae, besteht aus Zellen von rund 3 ? m Durchmesser, die sich unter guten Ernährungsbedingungen alle 90 Minuten teilen können. Hefezellen treten in drei verschiedenen Zelltypen auf, entweder als diploide Zelle oder als einer von zwei Typen haploider Zellen, genannt a und § . Die genetischen Mechanismen, die den jeweiligen Zelltyp bestimmen, sind ein Modell für die Determination von differenzierten Zellen bei höheren Organismen. Das haploide Genom von S. cerevisiae besteht aus 1,4×107 DNA Basenpaaren in 16 Chromosomen und enthält etwa 6200 Gene (Goffeau et al., 1996). Die Proteine können folgenden Funktionen zugeordnet werden: Transkription und Translation 750 (13%), biochemischer Metabolismus 650 (11%), Aufrechterhaltung der Zellstruktur 250 (4%), DNA-Metabolismus 175 (3%), Energieproduktion und -speicherung 175 (3%) und Transport 250 (4%). Das Genom von S. cerevisiae ist, im Gegensatz zu anderen eukaryoten Genomen mit etwa einem Gen pro 2 kb DNA sehr kompakt (zum Vergleich: Drosophila ein Gen pro 9 kb, Mensch ein Gen pro 100 kb). Etwa die Hälfte aller der als defekt bekannten Proteine bei menschlichen Erbkrankheiten zeigen Ähnlichkeiten mit der Aminosäure-Sequenz eines Proteins bei Hefe.
A. Der Lebenszyklus von Hefe Zwei haploide Hefe-Zellen mit gegensätzlichem Paarungstyp können verschmelzen und eine diploide Zelle bilden. Die Paarung wird durch ein kleines, sezerniertes, als Pheromon oder Paarungsfaktor genanntes Polypeptid eingeleitet. Ein Oberflächenrezeptor auf der Zelle erkennt das vom entgegengesetzten Paarungstypen freigesetzte Pheromon. Die Bindung des a- bzw. § Faktors an den Rezeptor löst intrazellulär eine Abfolge (Kaskade) von Reaktionen aus, die in Aktivierung bzw. Inaktivierung von den Zelltyp determinierenden Genen führen. Zell-Rezeptoren vom Typ a binden nur das Pheromon vom Typ § , Zell-Rezeptoren vom Typ § nur den a-Faktor. Die Paarung und die darauf folgende Teilung durch
Mitose (vgl. S. 96) treten jedoch nur unter guten Wachstumsbedingungen ein. Die mitotische Zellteilung bei S. cerevisiae führt durch Knospung zu zwei verschieden großen Tochterzellen. Es fehlt die G2-Phase der Mitose. Unter schlechten Ernährungsbedingungen tritt eine diploide Hefezelle in eine andere Art von Zellteilung ein, die Meiose (vgl. S. 98). Dabei werden vier haploide Sporen gebildet (Sporulation), zwei vom Typ a und zwei vom Typ § .
B. PaarungstypDeterminationswechsel Eine normale haploide Hefezelle wechselt in jeder Generation ihren Paarungstyp. Der Wechsel des Paarungstyps (Paarungstyp-Determinationswechsel) wird durch einen von einer HOEndonuklease an spezifischer Stelle bewirkten Doppelstrang-Bruch der DNA eingeleitet.
C. Kassettenmodell der PaarungstypDetermination Drei Genloci in der Nähe des Centromers (cen) von Chromosom III regulieren bei S. cerevisiae den Wechsel des Paarungstyps. Der zentrale Locus ist MAT (Paarungstyp-Locus). Er wird von den Loci HML § (links) und HMRa (rechts) flankiert. Nur der MAT-Locus ist aktiv und wird in mRNA transkribiert. Zwei „stille“ (silenced, d. h. inaktive) Kopien von Genen für die entsprechenden Transkriptionsfaktoren befinden sich an den beiden Loci HML und HMR. Der Wechsel des Paarungstyp wird durch ein Kassettenmodell erklärt. Dabei werden die DNA-Sequenzen am HML § - oder am HMRa-Locus auf den MAT-Locus übertragen. Befindet sich am MAT-Locus die Sequenz des HML § -Locus, so erhält die Zelle die Spezifität § . Befindet sich am MAT-Locus die Sequenz des HMRa, so entspricht die Zelle dem Typ a. Zugleich wird der jeweils entgegengesetzte Paarungstyp unterdrückt. Die Unterdrückung (Repression) hängt von stillliegenden Sequenzen (silence sequences) ab. Die bei Hefe beobachtete Stilllegung (Silencing) bestimmter Gene findet sich bei vielzelligen eukaryoten Organismen während der Embryonalentwicklung. Botstein, D., Chervitz, S. A., Cherry, J. M.: Yeast as a model organism. Science 277: 1259–1260, 1997. Goffeau, A. et al.: Life with 6000 genes. Science 274: 562–567, 1996. Haber, J. E.: A locus control region regulates yeast recombination. Trends Genet. 14: 317–321, 1998. Lodish H. et al., Molecular Cell Biology, 4th ed. W. A. Freeman, New York, 2000.
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Hefe: Eukaryote Zellen mit diploider und mit haploider Phase
Haploider Zyklus
Haploider Zyklus
a Zelle
α Zelle haploid
haploid
a
α
α-Faktor bindet an a-Rezeptor
a-Faktor bindet an α-Rezeptor
Paarung
S. pombe
S. cerevisiae
a α
a α Zellteilung
a α
Zellteilung
a α
a α Knospung (keine G2-Phase)
Diploid
a α
arretiert in G1-Phase
Sporulation
vier haploide Sporen a
α
A. Lebenszyklus von Hefe mit einer haploiden und einer diploiden Phase Chromosom III α
Still HMLα
Spore
Aktiv MATa
Still HMRa
a
a
α cen
Knospung
α
Paarungstyp a
Wechsel
Teilung Wechsel des Paarungstyps
Still HMLα
α
α
kein Wechsel
HO Gen
a
Aktiv MATα
α
α
a Paarungstyp α wechselt zu a
kein Wechsel (selten)
α
Still HMRα
Teilung Still HMLα
α Wechsel
a
a Wechsel
B. Paarungstyp-Determinationswechsel
α
Aktiv MATa
a
α cen
Still HMRα
a Paarungstyp a
C. Kassettenmodell für Paarungstypwechsel
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88
Eukaryote Zellen
Paarungstyp-Determination in Hefezellen und Hefe-Zwei-ZellHybrid-System Der Wechsel vom haploiden zum diploiden Zustand und andere grundlegende zelluläre Merkmale machen Hefezellen zu einem Modell für die Analyse entsprechender intrazellulärer Signale bei vielzelligen eukaryoten Organismen. Die Steuerung zur Bildung zahlreicher verschiedener Zelltypen bei höheren Organismen dürfte evolutionär aus den relativ einfachen Mechanismen hervorgegangen sein, die bei Hefe den Zelltyp determinieren. Hefezellen eignen sich für eine Analyse der funktionellen Beziehung von Proteinen (HefeZwei-Hybrid-Systeme).
A. Regulation der Zellspezifität bei S. cerevisiae Jede der drei Zelltypen bei Hefe exprimiert zellspezifische Gene. Dies resultiert in verschiedenen Kombinationen von DNA-bindenden Proteinen, die ihrerseits die Zelltyp-Spezifikation festlegen. Haploide Zellen vom Typ a bilden ein von DNA-Sequenzen am MAT-Locus codierten regulatorisches Protein a1, haploide Zellen vom Typ § bilden zwei regulatorische Proteine, § 1 und § 2 mit unterschiedlicher Wirkung. Protein a1 hat keine Wirkung in a-Zellen, wird aber in diploiden Zellen wichtig. In § -Zellen aktiviert Protein § 1 als Transkriptionsaktivator § -spezifische Gene, während § 2 als Transkriptions-Repressor a-spezifische Gene unterdrückt. In beiden Fällen resultiert eine Aktivierung haploidspezifischer Gene, die dem jeweiligen Zelltyp entsprechen. Nach der Fusion von zwei haploiden Zellen entsteht durch die Kombination der regulatorischen Proteine a1, § 1 und § 2 ein gänzlich anderes Muster von Aktivitäten. § 2 inaktiviert a-spezifische Gene, und in Kombination mit § 1 inaktiviert es jetzt auch § -spezifische Gene. Die Kombination von § 2 und a1 inaktiviert haploid-spezifische Gene generell. Das Prinzip besteht darin, dass jede der drei Zelltypen durch eine spezifische Kombination von Transkriptionsfaktoren determiniert wird, die entweder als Aktivatoren oder Repressoren wirken, je nach spezifischen regulatorischen Sequenzen, an die sie binden. Dieses System vom wechselseitiger Aktivierung und Inaktivierung ist charakteristisch für zahlreiche geneti-
sche Steuerungsprozesse bei vielzelligen Organismen.
B. Hefe-Zwei-Hybrid-System Wenn man wissen möchte, mit welchen Genen ein bisher nicht bekanntes Gen in funktioneller Beziehung steht, kann man dies anhand DNAbindender Proteine prüfen. Dazu bedient man sich des Prinzips des Zwei-Hybrid-Systems. Dies besteht aus zwei Komponenten eines Transkriptionsfaktors (Hybrid 1 und 2). Die eine Komponente (in Hybrid 1) besteht aus der DNA-bindenden Domäne und dem zu prüfenden Protein X als „Köder“. Die andere Komponente (Hybrid 2) besteht aus der Aktivierenden Domäne mit einem als „Beute“ bezeichneten Protein Y. Hybrid 1 kann zwar an DNA binden, ist aber inaktiv; Hybrid 2 ist zwar aktiv, kann aber nicht an DNA binden. Dies zeigt sich daran, dass ein Reporter-Gen (z. B. leu2 oder lacZ) nicht transkribiert wird und inaktiv bleibt. Erst wenn das zu untersuchende Protein funktionsfähig ist und durch Verbindung von Hybrid 1 und 2 den Transkriptionsfaktor aktiviert, tritt eine Reaktion ein. Dies wird durch Transkription des Reporter-Gens nachgewiesen. Die Fusion der beiden Hybrid-Komponenten wird in Hefezellen vom Typ a und Typ § nach deren Fusion bewirkt. (Abbildung nach Oliver, 2000, und F. Kaiser, Essen, persönl. Mitteilung). Li, T., et al.: Crystal structure of the MATa1/MAT2 homeodomain heterodimer bound to DNA. Science 270: 262–269, 1995. Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 2000. Oliver, S.: Guilt-by-association goes global. News & Views. Nature 403: 601–603, 2000. Park, S. H., Zarringpar, A., Lim, W. A.: Rewiring MAP kinase pathways using alternative scaffold assembly mechanisms. Science 299: 1061–1064, 2003. Ptashne, M., Gann, A.: Imposing specificity on kinases. Science 299: 1025–1027, 2003. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999. Uetz, P., et al.: A comprehensive analysis of proteinprotein interaction in Saccharomyces cerevisiae. Nature 403: 623–627, 2000 (http://www.curatools. curagen.com).
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Paarungstyp-Determination in Hefezellen und Hefe-Zwei-Zell-Hybrid-System
Expression und Regulation von Genen für Paarungstyp
MatTyp
MAT Locus
ohne Effekt
a1
aktiviert
haploid
α1 α
α2
inaktiviert
haploid
α2 a/α
andere Gene
(mating type)
haploid
a
89
inaktiviert
α1
a-spezifisch
aktiv
α-spezifisch
inaktiv
haploid-spezifisch
aktiv
α-spezifisch
aktiv
a-spezifisch
inaktiv
haploid-spezifisch
aktiv
a-spezifisch α-spezifisch
inaktiv
inaktiviert
a1
haploid-spezifisch gemeinsam
A. Genetische Regulation des MAT-Locus bei Hefe Köder Protein X
Hybrid 1
DNA-bindende Domäne
LexA-Operator Hefechromosom a-Zelle
keine Transkription DNA Reporter Gene: leu2, lacZ
Protein Y (Beute) Aktivierende Domäne
Hybrid 2
keine Transkription DNA
LexA-Operator Hefechromosom α-Zelle
Transkriptionsfaktor aktiviert
Transkription LexA-Operator Zwei-Hybrid-Zelle
B. Hefe-Zweizell-Hybrid-System
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DNA
90
Eukaryote Zellen
Funktionelle Elemente in Hefechromosomen In einem Chromosom (vgl. S. 160) können verschiedene Elemente unterschieden werden, die für die normale Funktion unerlässlich sind. Aus Hefechromosomen sind funktionelle DNA-Sequenzen isoliert und charakterisiert worden. Diese sind für Replikation und normale Verteilung der Chromosomen in der Mitose (mitotische Segregation) erforderlich. Da sie auf demselben Chromosom liegen, bezeichnet man sie als cis-Elemente (im Gegensatz zu trans auf gegenüberliegenden Chromosomen). Sie sind genetisch stabil und können in vitro mit DNA beliebiger Herkunft zu in Hefezellen stabilen künstlichen Chromosomen verknüpft werden (vgl. S. 92). Drei Arten von funktionellen DNA-Sequenzen sind bekannt: autonom replizierende Sequenzen (ARS), centromere Sequenzen (CEN) und telemere Sequenzen (TEL). Alle eukaryoten Chromosomen enthalten diese funktionellen Elemente, aber in Hefechromosomen lässt sich dies besonders gut nachweisen.
A. Autonom replizierende Sequenzen (ARS) Replikation verläuft in zwei Richtungen (bidirektional). Die ARS entsprechen den Replikationsstartpunkten in Chromosomen. Ihre funktionelle Bedeutung ist durch ein Transformationsexperiment erkennbar. Eine mutante Hefezelle (z. B. mit der Unfähigkeit, Leucin zu bilden, Leu–) kann durch Transfektion mit klonierten Plasmiden, die das Gen für Leucin-Bildung (Leu) enthalten, in eine Leucin-bildende (Leu+) Zelle transformiert werden (1). Jedoch bleiben die Tochterzellen Leucin-abhängig (Leu–), weil das Plasmid nicht replizieren kann. Enthält das Plasmid dagegen neben dem Leu-Gen autonom replizierende Sequenzen (ARS), so bleiben ein kleiner Teil der Tochterzellen Leu+, weil Plasmidreplikation stattgefunden hat (2). Jedoch bleiben die meisten Tochterzellen Leu–, weil die mitotische Verteilung (Segregation) defekt ist.
Dies beweist, dass CEN-Sequenzen für die normale Verteilung von Chromosomen in der Mitose (vgl. S. 96) erforderlich sind. Die centromeren Sequenzen in verschiedenen Hefechromosomen sind ähnlich, aber nicht identisch. Sie enthalten drei Elemente von insgesamt etwa 220 Basenpaaren (bp), die in allen Centromeren vorkommen. Element I ist eine konservierte Sequenz von 8 bp, Element II ist AT-reich und hat ca. 80 bp, Element III hat etwa 25 bp. Dieser Abschnitt ist nuklease-geschützt und für die mitotische Stabilität sehr wichtig.
C. Telomere Sequenzen (TEL) Liegt das Plasmid im Gegensatz zu Tafelteil B jedoch linear vor, so kommt es zwar zur Transformation (1), aber das Plasmid repliziert nicht (2). Heftet man an das Plasmid an beiden Enden telomere Sequenzen (TEL) an (3), so folgt auf die Transformation der Hefezellen nach Aufnahme des Plasmids (4) eine normale Replikation und Mitose (5). Diese Beobachtungen beweisen, dass für die normale Funktion eines Chromosomes (vgl. S. 60) autonom replizionale Sequenzen (Startpunkte der Replikation), centromere Sequenzen und telomere Sequenzen (vgl. S. 92) erforderlich sind. Mittels dieser funktionellen Elemente (ARS, CEN, TEL) kann man künstliche Hefechromosomen (Artificial Yeast Chromosomes, YAC) herstellen. (Abbildungen nach Lodish et al., 2000) Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology, 4th ed., Scientific American Books, W. H. Freeman & Co. New York, S. 329, 2000. Traut, W.: Chromosomen. Klassische und molekulare Cytogenetik. Springer-Verlag Heidelberg, S. 148, 1991.
B. Centromere Sequenzen (CEN) Enthält die Plasmid-DNA (1) neben dem Gen für Leucin (Leu) und den autonom replizierenden Sequenzen (ARS) auch Sequenzen aus dem Centromer (CEN) des Hefechromosoms, so findet normale mitotische Segregation statt (2).
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91
Funktionelle Elemente in Hefechromosomen 1.
Plasmid mit Gen für Leucin aus Hefe
Leu
2.
Leu ARS
Plasmid mit Leu-Gen und autonom replizierenden Sequenzen
1.
Leu CEN ARS
Plasmid mit centromeren Sequenzen aus Hefechromosom
Aufnahme in Leu--Zelle
Leu- Zelle wird Leu+
Leu
Leu
Leu
CEN
ARS ARS
keine Replikation
2.
mitotische Segregation fehlerhaft
mitotische Segregation normal
Leu
Leu
Leu CEN
ARS
CEN
ARS
kein Wachstum (Plasmid repliziert nicht)
Wachstum einiger Zellen (5 – 20%)
kein Wachstum
Wachstum fast aller Zellen (>90%)
A. Autonom replizierende Sequenzen (ARS) Lineares Plasmid CEN
Leu
ARS
B. Centromere Sequenzen (CEN)
3. Lineares Plasmid mit telomeren Sequenzen ARS
CEN
Leu
TEL
ARS
TEL
4.
1.
u
S
AR
L TE
L
TE
ARS
Le
CEN CEN
Leu
2 5. Replikation und mitotische Segregation
u Le
TE
L
u
S AR
TE
S AR
L TE
L
C. Telomere Sequenzen (TEL)
TE
kein Wachstum (Plasmid repliziert nicht)
CEN
Le
CEN
Wachstum normal
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L
92
Eukaryote Zellen
Künstliche Hefechromosomen Die Kartierung komplexer und großer Genome, etwa des Menschen mit 3 Milliarden Basenpaaren, wäre nicht möglich, wenn man nur über klonierte Fragmente von einigen Dutzend bis einigen Tausend Basenpaaren verfügt (bei Cosmiden etwa bis zu 50 kb). Große Entfernungen können nicht überbrückt werden, weil zwischen den übersprungenen Abschnitten nicht klonierbare DNA-Abschnitte liegen. Da eine physikalische Kartierung dieser Abschnitte nicht möglich ist, hat man sich um die Entwicklung von Vektoren zur Klonierung großer DNAFragmente bemüht. Man kann künstliche Chromosomen aus Hefe (YAC, Yeast Artificial Chromosome) konstruieren. Diese können ein DNA-Fragment von etwa 100–1000 kb aufnehmen. Da sie während des Wachstums stabil sind, stellen sie ein wichtiges Instrument für die Genkartierung dar.
A. Konstruktion künstlicher Hefechromosomen (YACs) Ausgangspunkt ist ein linearer Vektor. Dieser besteht aus telomeren Sequenzen (TEL) und selektierbaren Markern, hier Leucin (LEU) und Tryptophan (TRP), dem Ausgangspunkt für die Replikation (autonom replizierende Sequenzen, ARS), sowie einem Centromer (CEN). Der Vektor wird aufgeschnitten und das zu vermehrende DNA-Fragment (fremde DNA) eingebaut. Die Kapazität eines YAC beträgt etwa 750 kb. Anschließend kann die eingebaute DNA in Hefezellen in einem YAC kloniert und amplifiziert werden. Auf diese Weise kann eine YAC-Bibliothek erstellt werden, die in übersehbarer Weise das gesamte Genom eines komplexen Organismus enthält. Daraus kann eine physikalische Karte aus großen und überlappenden DNAFragmenten (contigs) erstellt werden. In zunehmendem Maße werden auch künstliche Säugetier-Chromosomen entwickelt (Mammalian Artificial Chromosome, MAC). In diesem Falle besteht ein Arm aus einem YAC mit einem selektierbaren Marker, Replikationsbeginn und Telomer, die mit Fragmenten der SäugetierDNA mit zugehörigem Telomer verbunden werden. Neben künstlichen Hefechromosomen (YACs) spielen ähnlich konstruierte künstliche Bakterienchromosomen (BACs) eine große Rolle bei der Genomanalyse. Auch künstliche Chromoso-
men aus DNA des Menschen wurden konstruiert.
B. YAC-Vektormodifikation Auf verschiedene Weise können YACs modifiziert werden. Sequenzen können eingebaut werden, mit deren Hilfe die beiden Enden des YAC als Plasmide in E. coli zurückgewonnen werden können (1). Voraussetzung ist der Einbau von Plasmidsequenzen mit selektierbaren Markern (2), hier für Ampicillin-Resistenz (Amp.R) und Neomycin-Resistenz (NeoR), sowie dem Beginn der Plasmidreplikation (ORI). Nach Verdauung mit einem geeigneten Restriktionsenzym entstehen Fragmente der eingebauten Fremd-DNA, sowie der beiden Vektorarme (3). Nach Zirkularisierung und Aufnahme in E. coli kann für hybride Plasmide (4) mit den selektiven Markern (AmpR und NeoR) selektioniert werden (5). Die Verwendung von YACs hat die genetische Analyse großer Genome erheblich vereinfacht. Während eine komplette Genombibliothek des Menschen etwa 500000 Klone aus Lambda Phagenvektoren erfordert, reduziert sich die Anzahl der Klone bei einer YAC-Bibliothek aus 150 kb DNA-Fragmenten auf etwa 60000. (Abbildungen nach Schlessinger, 1990) Burke, D. T.: Cloning of large segments of exogenous DNA into yeast by means of artificial chromosome vectors. Science 236: 806–812, 1987. Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology, 4th ed. Scientific American Books. W. H. Freeman & Co., New York, 2000. Schlessinger, D.: Yeast artifical chromosomes: tools for mapping and analysis of complex genomes. Trends Genet. 6: 248–258, 1990.
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Künstliche Hefechromosomen
TEL
LEU
ARS
CEN
Linearer Vektor TEL
LEU
TRP
TEL
TRP
TEL
Schneiden (Restriktionsenzym)
ARS
CEN
Vektorarm
Vektorarm fremde DNA
Einbau
LEU
TEL
ARS
CEN
TRP
TEL
YAC (Yeast Artificial Chromosome) A. Konstruktion künstlicher Chromosomen (YAC) zur Klonierung und Kartierung
1.
TEL
TEL Einbau von Plasmidsequenzen
YAC
ORI
AmpR
NeoR ORI
TEL
TEL Verdauung mit Restriktionsenzym
2. TEL
TEL
3.
4.
Selektion für AmpR
5.
Zirkularisieren, Aufnahme in E. coli NeoR AmpR
"Linker End-Klon”
"Rechter End-Klon”
B. YAC-Vektormodifikation
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Selektion für NeoR
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Eukaryote Zellen
Zellzyklus-Kontrolle Eukaryote Zellen durchlaufen eine geordnete Serie von zyklischen Phasen. Die Zeit von einer Zellteilung bis zur nächsten wird Zellzyklus genannt. Der Zellzyklus hat dabei zwei Hauptphasen, die Interphase und die Mitose. Die Interphase wird unterschieden in drei spezielle Phasen: G1 (Gap 1), S (DNA Synthese), und G2 (Gap 2). Kontrollmechanismen, bestehend aus zahlreichen, interagierenden Proteinen, führen die Zelle durch den Zellzyklus.
A. Zellteilungszyklus bei der Hefe Bäcker-Hefe (S. cerevisiae) teilt sich durch Mitose und formt dabei eine große und eine kleine Tochterzelle. Da sich eine mikrotubuläre mitotische Spindel sehr früh während der S-Phase bildet, gibt es praktisch keine G2-Phase (1). Im Gegensatz dazu bildet Spalthefe (S. pombe) gegen Ende der G2-Phase eine mitotische Spindel innerhalb des Nukleus, schreitet dann in der Mitose voran und bildet zwei gleichgroße Tochterzellen (2). Im Gegensatz zu Wirbeltierzellen bleibt die äußere Membran des Nukleus während der Mitose intakt. Der Eintritt in die jeweils nächste Phase des Zellzyklus wird von bestimmten Mechanismen kontrolliert (Checkpoints). Ein wichtiger allgemeiner Regulator ist cdc2 (cell division cycle) bei S. pombe (3). Er regelt den Übergang von der G0-Phase in die G1-Phase. Ohne die cdc2-Aktivität (cdc2-Mutante) resultiert eine Verzögerung des Zellzyklus und der Eintritt in die Mitose wird verhindert. Gesteigerte cdc2-Aktivität (Dominante Mutation cdcD) hingegen resultiert in einer zu frühen Mitose mit zu kleinen Zellen (wee Phänotyp, vom Schottischen Wort für „klein“). Normalerweise hat eine Hefezelle drei Optionen: (a) den Zellzyklus anzuhalten, wenn die Zelle zu klein oder das Nahrungsangebot zu gering ist, (b) sich zu paaren (s. S. 88) oder (c) in die Mitose einzutreten (Abbildung modifiziert nach Lodish et al., 2000).
B. Zellzyklus-Kontrollsysteme Der eukaryote Zellzyklus wird durch Zellzyklus-„Motoren“, einem Satz interagierender Proteine vorangetrieben, den Cyklin-abhängigen Kinasen (Cdks). Ein wichtiges Mitglied dieser Familie von Proteinen ist cdc2 (auch Cdk1 genannt). Andere Proteine agieren als geschwindigkeitsbestimmende Schritte im fortschreitenden Zellzyklus. Sie können den Ablauf
an definierten Stadien des Zellzyklus unterbrechen (Checkpoints). Dies ist ein wichtiger Mechanismus, um die Reparatur eines Schadens zu ermöglichen (vgl. DNA-Reparatur, S. 82), oder eine nicht reparierbare Zelle an der weiteren Teilung zu hindern. Über Rezeptoren an der Zelloberfläche einwirkende Wachstumsfaktoren (Mitogene) setzen eine intrazelluläre Signaltransduktion in Gang und veranlassen die Zelle dazu, die G1-Phase zu durchlaufen und in die S-Phase einzutreten. Die wichtigsten Vertreter sind als Cycline D (Cycline vom Typ D1, D2, D3) bezeichnete Proteine. Diese assoziieren mit Cdk-Proteinen (cdk4 und 6) und aktivieren diese. Andere, durch einen DNA-Schaden aktivierte Proteine können einen Stop in der G1-Phase bewirken. Wichtige Vertreter sind das p53 Protein (vgl. S. 306), ATM (vgl. S. 318), NBS, p21 und andere. Ist eines dieser Proteine durch eine Mutation des entsprechenden Gen inaktiviert, so verliert die Zelle für den Fall eines Schadens in ihrer DNA die Möglichkeit, den Eintritt in die S-Phase bis zur erfolgreichen Reparatur zu verzögern. Sobald die Zelle den G1-Restriktionspunkt vor Eintritt in die S-Phase erreicht, wird das Cyclin E unwirksam und die Zelle kann in die SPhase eintreten. Dies wird von zahlreichen anderen Aktivitäten begleitet, wie Bindung von Cyclin A an Cdk2 und Phosphorylierung des RBProteins (Retinoblastom Protein, s. S. 314) initiiert. Eintritt in die G2-Phase bindet cdc2 (Cdk1) an mitotische Cycline A und B und aktiviert diese Bildung des Mitose-fördernden Faktors MPF (mitosis promoting factor). Während der Mitose sind Cyclin A und B inaktiv, und es wird ein Anaphase-fördernder Komplex gebildet (Details hier nicht gezeigt). Sobald die Mitose beendet ist, wird Cdc2 bei der Hefe durch den S-Phase-Inhibitor Sic1 inaktiviert. Zur gleichen Zeit wird das Retinoblastom Protein-(RB) inaktiviert. Erst wenn Kontrollen durch Feedback-Mechanismen die Integrität des Genoms bestätigt haben, kann die Zelle in die nächste Phase des Zellzyklus eintreten. Hartwell, L., Weinert, T.: Checkpoints: Controls that ensure the order of cell cycle events. Science 246: 629–634, 1989. Lodish, H., et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed. Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 2000. Nurse, P.: A long twentieth century of the cell cycle and beyond. Cell 100: 71–78, 2000.
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Zellzyklus-Kontrolle
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Spindelpol
G1
S
Mitose
Start Checkpoint DNA Checkpoint 1. Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae)
G1
S
Mitose-Eintritt Checkpoint
G2
Start Checkpoint
Mitose Mitose-Eintritt Checkpoint
DNA Checkpoint für unreplizierte DNA
2. Spalthefe (Schizosaccharomyces pombe)
cdc2+ Wildtyp
cdc- Mutante
cdcD Mutante (wee Phänotyp)
3. Effekt von cdc2 in S. pombe A. Zellteilungszyklus-Modelle in Hefe Wachstumsfaktoren
DNAp53 Aktivierung Schaden
SignalTransduktion
Rezeptoren
G1
G0 cdc2 inaktiv (Inhibitor Sic1)
Cycline D
ass o
andere Gene (z.B. ATM, NBS, p 21)
zie r
e n
RB dephosphoryliert
dk it c
M Anaphase
fördender Komplex 1h 3–4h cdc2 bindet an mitotische Cycline A/B (MPF)
variable Länge abhängig vom Zelltyp 6–8h
cdc2 bindet an G1-Cyclin aktiviert
RB phosphoryliert
on
r tu ara rep
G2
Replikations
Mitose Checkpoint
Zellzyklus arretiert
m
M Cycline degradiert
DNA
i at lik p e R
S B. Zellzyklus-Kontrollsysteme
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Restriktionspunkt vor Eintritt in S
G1-Cyclin (E) degradiert
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Eukaryote Zellen
Zellteilung: Mitose Fadenähnliche Strukturen in sich teilenden Zellen wurden erstmals 1879 von Flemming beobachtet. Er führte die Bezeichnung Mitosis für die Teilung von Zellen ein. Auch die longitudinale Teilung von Chromosomen während der Mitose hat Flemming beobachtet. Strasburger prägte 1884 die Begriffe Prophase, Metaphase und Anaphase für die verschiedenen Stadien der Zellteilung. Das Ergebnis einer Mitose sind zwei genetisch identische Tochterzellen.
A. Mitose Beim Übergang von der Interphase zur Mitose werden die Chromosomen als längliche Fäden von 3–7 ? m Länge im Lichtmikroskop (vgl. S. 164) sichtbar (Prophase). Jedes Chromosom ist an einer bestimmten Stelle der Kernmembran angeheftet und erscheint in der frühen Prophase als Doppelstruktur (Schwesterchromatiden). Dies ist das Resultat der zuvor abgelaufenen DNA-Synthese. Die Chromosomen werden während der späten Prophase durch Kontraktion dicker und kürzer (chromosomale Kondensation). In der späten Prophase verschwindet die Kernmembran und die Metaphase beginnt. Zu diesem Zeitpunkt wird die Mitosespindel als dünne Fäden sichtbar. Sie beginnt an zwei polartigen Strukturen (Centriolen). Die Chromosomen ordnen sich in der Äquatorialebene an, aber es findet keine Paarung von homologen Chromosomen statt. In der späten Metaphase, beim Übergang in die Anaphase, teilen sich die Chromosomen auch im Bereich des Centromers. Je ein Chromatid wandert zum entgegengesetzten Pol. Dies leitet die Telophase ein. Sie beginnt mit der Bildung einer Kernmembran. Dann teilt sich auch das Cytoplasma (Cytokinese). In der Interphase sind die Chromosomen als Chromatin bezeichnete (Flemming 1879), mit Kernfarbstoffen anfärbbare Strukturen im Zellkern.
B. Metaphase-Chromosom Für die in die Mitose sichtbaren gut anfärbbaren fädigen Strukturen prägte Waldeyer (1888) den Begriff Chromosom. Ein MetaphaseChromosom besteht aus zwei Chromatiden (Schwesterchromatiden), zwei oder gegebenenfalls einem Chromosomenarm (bestehend aus den Schwesterchromatiden), einer Region an beiden Enden der Chromatiden (Telomer),
sowie einem Bereich, in dem die beiden Schwesterchromatiden zusammenhängen (Centromer). Der Ansatzpunkt der Mitosespindel ist das Kinetochor. Condensin-Proteine bilden einen Komplex aus fünf Untereinheiten während der Mitose. Dies gewährleistet die kompakte Form der Chromosomen während der Mitose. Condensin (Cnd) ist nach neuen Erkenntnissen auch für die Chromosomen in der Interphase wichtig. Es verhindert den Eintritt in die Mitose, wenn die DNA-Replikation nicht erfolgreich beendet ist, z. B. infolge eines DNA-Schadens (Aono et al., 2002).
C. Zellzyklus Eukaryote Zellen durchlaufen einen Zyklus von Zellteilungen (Zellzyklus). Jede Zellteilung beginnt in eukaryoten Zellen mit einer etwa 8stündigen Phase der DNA-Synthese (S-Phase). Auf sie folgt eine etwa 4-stündige Phase (G2). In der G2-Phase (GAP-2) ist das gesamte Genom verdoppelt. Die Mitose (M) dauert bei eukaryoten Zellen etwa eine Stunde (vgl. A). Daran schließt sich eine zeitlich sehr variable Phase G1 an (Interphase). Sie entspricht der normalen funktionellen Phase. Zellen, die sich nicht mehr teilen, befinden sich in der G0-Phase. Jede Zelle muss über ein „Gedächtnis“ verfügen, ob sie sich in G1 oder in G2 befindet, weil eine Teilung der Chromosomen vor ihrer Verdopplung letal wäre. Alle Phasen des Zellzyklus werden durch spezielle Proteine reguliert, die in verschiedenen Zellteilungszyklus-Genen (cell division cycle, cdc) codiert werden. Aono, N., et al.: Cnd2 has dual roles in mitotic condensation and interphase. Nature 417: 197–202, 2002. Karsenti, E., Vernos, I.: The mitotic spindle: A selfmade machine. Science 294: 543–547, 2001. Koshland, D.: Mitosis. Back to the basics. Cell 77: 951–954, 1994. Nurse, P.: The incredible life and times of biological cells. Science 289: 1711–1716, 2000. Sharp, D. J., Rogers, G. C., Scholey, J. H.: Microtubule motors in mitosis. Nature 407: 41–47, 2000. Whitehouse, H. L. K.: Towards the Understanding of the Mechanism of Heredity. 3rd ed., Edward Arnold, London, 1973.
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Zellteilung: Mitose Mitotische Zellen
Diploide Zelle
Plasmamembran Kernmembran Homologes ChromosomenPaar (in der Interphase nicht sichtbar)
Interphase
Chromosomen verdoppelt (Schwesterchromatiden)
Prophase
Chromosomen verdickt und verkürzt
Zentriole Mitosespindel
Anaphase
Metaphase Chromosomen in Äquatorialebene angeordnet
Chromatid Telomer
Telophase Cytokinese
Centromer Kinetochor
B. Metaphase-Chromosom M
frühe Interphase
M G2
G1 S
Interphase
(Chromosomen nicht sichtbar)
A. Mitose
C. Zellzyklus
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Eukaryote Zellen
Meiose (Reifeteilung)
B. Meiose II
Abweichend von der Teilung von Körperzellen findet bei der Bildung von Keimzellen eine besondere Art von Zellteilung statt. Strasburger führte dafür 1884 die Bezeichnung Meiose (Reduktionsteilung oder Reifeteilung) ein. Meiose unterscheidet sich von der Mitose in zytologischer und genetischer Hinsicht grundlegend. Erstens, es paaren sich homologe Chromosomen. Zweitens, es kommt zwischen homologen Chromosomenpaaren regelmäßig zu einem Austausch (Crossing-over). Dies resultiert in Chromosomenabschnitten mit neuer Zusammensetzung (genetische Rekombination). Drittens, der Chromosomensatz wird in einer zweiten Zellteilung halbiert (Meiose I). Deshalb sind die aus dieser Teilung entstehenden Tochterzellen haploid (Reduktionsteilung). Meiose ist zellulär und biochemisch ein komplexer Vorgang. Der zytologisch beobachtbare Ablauf der Meiose und die resultierenden genetischen Folgen korrespondieren zeitlich nicht genau. Der jeweilige genetische Vorgang ist meist erst in einer darauf folgenden Phase zytologisch manifest.
Die Meiose II besteht aus einer Längsteilung der verdoppelten Chromosomen (Chromatiden) und einer weiteren Zellteilung. Jede Tochterzelle erhält je ein Chromosom eines Chromosomenpaares und ist deshalb haploid. Durch die in der Prophase I erfolgte Rekombination unterscheiden sich die Chromosomen der resultierenden haploiden Zellen von den Chromosomen der Ausgangszelle. In einigen Abschnitten ist durch den Austausch zwischen homologen Chromosomen eine neuartige Zusammensetzung entstanden. Deshalb sind die Tochterzellen im Gegensatz zur Mitose mit der Ausgangszelle genetisch nicht identisch. Auf jedem Chromosomen kann man rekombinante und nicht-rekombinante Abschnitte unterscheiden. Die dafür relevanten genetischen Vorgänge spielen sich in der Prophase der Meiose I ab (vgl. S. 100). Die Verteilung der Chromosomen in der Meiose erklärt die Segregation (Trennung oder Aufspaltung) von Merkmalen gemäß den Mendelschen Gesetzmäßigkeiten (1:1 Aufspaltung, vgl. S. 116). Rekombination ist der auffälligste Vorgang bei der Meiose. Jedoch gibt es auch mitotische Rekombination, u. a. bei der DNA-Reparatur. Als Gen-Konversion wird ein einseitiger, nicht reziproker Austausch bezeichnet. Dabei geht ein Allel zugunsten eines anderen verloren. Die molekularen Mechanismen der Rekombination sind komplex.
A. Meiose I Eine vollständige Meiose besteht aus zwei Zellteilungen, Meiose I und Meiose II. Die relevanten genetischen Vorgänge (genetische Rekombination durch Crossing-over) finden in der Meiose I statt. Die Meiose beginnt mit DNA-Replikation. Zunächst werden die Chromosomen in der späten Interphase nur als fädige Strukturen sichtbar, wie in der Mitose. Zu Beginn der Prophase I sind die Chromosomen verdoppelt, aber dies wird erst in einer späteren Phase der Prophase I sichtbar (vgl. S. 96). Danach wird auch die homologe Paarung von Chromosomen sichtbar. Dies ermöglicht einen Austausch zwischen homologen Chromosomenpaaren (Crossing-over) durch Aneinanderlagerung von homologen Chromatiden (Chiasmabildung). Das Ergebnis des Crossing-over ist ein Austausch zwischen zwei Chromatiden homologer Chromosomen (genetische Rekombination). Dieser Austausch ist erfolgt, wenn die Zelle in die Metaphase I eintritt. Durch Wanderung der homologen Chromosomen zu entgegengesetzten Polen wird die Anaphase I eingeleitet.
Carpenter, A. T. C.: Chiasma function. Cell 77: 959–962, 1994. McKim, K. S., Hawley, R. S.: Chromosomal control of meiotic cell division. Science 270: 1595–1601, 1995. Moens, P. B., ed.: Meiosis. Academic Press, New York, 1987. Whitehouse, L. H. K.: Towards the Understanding of the Mechanism of Heredity. 3rd ed. Edward Arnold, London, 1973. Zickler, D., Kleckner, N.: Meiotic chromosomes: Integrating structure and function. Ann. Rev. Genet. 33: 603–754, 1999.
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Meiose (Reifeteilung)
DNAReplikation
Interphase
Chromosomen verdoppelt
Prophase I
Paarung homologer Chromosomen
Austausch zwischen homologen Chromosomenpaaren (Crossingover)
Anaphase I
Metaphase I
Tochterzellen
Meiose (erste Teilung)
Homologe Paare in verschiedenen Zellen
Meiose II (zweite Teilung)
Vier haploide Zellen (Gameten)
rekombinant nicht rekombinant
A. Meiose
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Eukaryote Zellen
Crossing-over in der Prophase I
C. Chiasma
Die Prophase der Meiose I ist ein komplexer Vorgang, in der wichtige zytologische und genetische Vorgänge ablaufen. In dieser Phase kommt es regelmäßig zu einem Austausch zwischen homologen Chromosomen durch Crossing-over. Dies resultiert in neu kombinierten Chromosomenabschnitten (genetische Rekombination, S. 76).
Bei der Bildung eines Chiasmas können sich verschiedene Chromatiden eines homologen Chromosomenpaares aneinander lagern. Die Chiasmabildung ist die zytologische Voraussetzung für Crossing-over und ist wichtig für die abschließende Trennung (Segregation) der Chromosomen. Das Centromer (Cen) hat eine wichtige Funktion für die Paarung von Chromosomen.
A. Prophase der Meiose I Die Prophase der Meiose durchläuft eine Reihe von Stadien, die schematisch voneinander abgegrenzt werden können, auch wenn sie kontinuierlich ablaufen. Im Stadium des Leptotän werden Chromosomen erstmals als feine fädenartige Strukturen sichtbar (es wird nur ein Chromosomenpaar schematisch gezeigt). Im Zygotän sieht man, dass Chromosomen paarweise angeordnet sind. Teilweise sind sie aneinander angelagert (Bildung von Synapsen). Zu diesem Zeitpunkt ist jedes Chromosom bereits verdoppelt und besteht aus zwei Chromatiden, die im Centromer zusammengehalten werden (jedes Chromatid enthält eine DNADoppelhelix). Die durch Synapsen zusammenhängenden Chromosomen werden als Bivalent bezeichnet. Im Stadium des Pachytän sind die Bivalente verdickt und verkürzt. Im Diplotän trennen sich die beiden homologen Chromosomen, bleiben aber zunächst in einigen Bereichen miteinander verbunden. Erst in dem darauf folgenden Stadium des Diplotän trennt sich jedes Chromosomenpaar weitgehend, vor allem im Bereich des Centromers, bis auf eine oder mehrere distal gelegene Kontaktstellen (Chiasmata). Im letzten Stadium der Prophase I, der Diakinese sind die Chromosomen weit auseinander gewichen und hängen nur noch distal zusammen. Die Chiasmata haben sich distal verlagert (Terminalisation). Mit dem Ende der Diakinese verschwindet die Nuklearmembran und die Zelle tritt in die Metaphase I ein.
D. Genetische Rekombination durch Crossing-over Durch Crossing-over entstehen neu kombinierte Chromosomenabschnitte (Rekombination). Man kann deshalb rekombinante und nicht-rekombinante Chromosomenabschnitte unterscheiden.
E. Pachytän und Diakinese im Photo In einer lichtmikroskopischen Photographie sind die Chromosomen in Pachytän als Bivalente gut sichtbar (a). In der Diakinese (b) sieht man, dass sie sich weitgehend getrennt haben (Photographien aus E. Therman: Human Chromosomes. Structure and Behavior, Second Edition. Springer-Verlag Heidelberg–New York, 1986). Für Untersuchungen in der Meiose werden heute meist elektronenmikroskopische Aufnahmen verwendet. Eine auffällige Struktur im Pachytän bilden das X- und Y-Chromosom. Sie erscheinen End-zuEnd aneinander gelagert. Tatsächlich ist ein kurzer Abschnitt des kurzen Armes im Bereich homologer Sequenzen gepaart (pseudoautosomale Region, vgl. S. 370). Kitajima, T. S. et al.: Distinct cohesin complexes organize meiotic chromosome domains. Science 300: 1152–1155, 2003. Whitehouse, L. H. K.: Towards the Understanding of the Mechanism of Heredity. 3rd ed. Edward Arnold, London, 1973.
B. Synaptonemaler Komplex Kurz vor Beginn des Pachytän-Stadiums lagern sich homologe Chromosomen eng aneinander und bilden einen synaptonemalen Komplex. Dies ist die Voraussetzung für Crossing-over und daraus folgender Rekombination (Abb. nach J. D. Watson et al., Molecular Biology of the Gene, 3rd, 1987).
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Crossing-over in der Prophase I
Leptotän
Zygotän
Pachytän
Diplotän
Diakinese
A. Prophase der Meiose I Chromatid 1 Chromatid 2
Chromatid 3 Chromatid 4 Interphase
Leptotän Zygotän
Pachytän
Diplotän
Diakinese
B. Synaptonemaler Komplex 1+3
Chromatid 1 Chromatid 2 Cen Chromatid 3 Chromatid 4
2+4
C. Chiasma
2+3
A
a
A
A
a
a
A
a
A
a
A
a
A
a
B
b
B
B
b
b
B
b
B
b
B
b
B
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c
C
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c
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C
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C
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c
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d
D
D
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d
E
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e
E
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e
E
E
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e
C
c
D. Genetische Rekombination durch Crossing-over
a E. Pachytän und Diakinese im Photo
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Rekombination
b
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Eukaryote Zellen
Bildung der Gameten Die Bildung der Keimzellen (Gameten) findet in Keimdrüsen (Gonaden) statt. Dies ist im weiblichen Geschlecht die Oogenese (Bildung von Eizellen) und im männlichen Geschlecht die Spermatogenese (Bildung von Spermatozoen). Die in der Embryonalentwicklung in die Gonaden eingewanderten primordialen Keimzellen vermehren sich durch mitotische Teilung. Die eigentliche Bildung der Keimzellen (Gametogenese) beginnt mit der Meiose. Die in der Meiose stattfindenden Zellteilungen unterscheiden sich in Ablauf und Ergebnis im weiblichen und männlichen Geschlecht.
A. Spermatogenese Durch wiederholte mitotische Zellteilungen entstehen diploide Spermatogonien. Mit Beginn der Pubertät beginnen Zellen mit der Differenzierung in primäre Spermatocyten. Diese Zellen beginnen mit der ersten meiotischen Zellteilung. Aus jedem primären Spermatocyten werden nach Abschluss der Meiose I zwei sekundäre Spermatocyten, jeder mit einem haploiden Satz duplizierter Chromosomen (Rekombination wird hier nicht gezeigt). Jedes Chromosom besteht aus zwei Schwesterchromatiden, die im Verlauf der Meiose II getrennt werden. Jede der beiden sekundären Spermatocyten teilt sich ein zweites Mal (Meiose II). Insgesamt bildet somit jeder primäre Spermatocyt vier Spermatiden, jeder mit einem haploiden Satz Chromosomen. Die Spermatiden differenzieren in reife Spermatozoen. Spermatogenese ist im männlichen Geschlecht ein kontinuierlich ablaufender Vorgang. Zwischen Differenzierung in einen primären Spermatocyt bei Eintritt in die Meiose I und der Bildung der reifen Spermatozoen liegen beim Menschen etwa sechs Wochen.
B. Oogenese Zunächst vermehren sich im Ovar die eingewanderten Keimzellen durch wiederholte Mitosen (Bildung von Oogonien). Etwa vier Wochen vor der Geburt (beim Menschen) beginnt im weiblichen Geschlecht die Meiose I. Es werden primäre Oocyten gebildet. Jedoch wird die Meiose I in einem als Diktyotän bezeichneten Stadium der Prophase arretiert. In diesem Stadium verharrt die primäre Oocyte bis zur Ovulation.
Im weiblichen Geschlecht findet sowohl in der Meiose I als auch der Meiose II eine asymmetrische Teilung des Cytoplasmas statt. Das Ergebnis sind zwei ungleich große Zellen, eine sekundäre Oocyte und eine als Polkörperchen bezeichnete kleine Zelle. Durch Teilung der sekundären Oocyte während der Meiose II entsteht die haploide Eizelle. Wiederum ist die Zellteilung ungleich: es entsteht nur eine Eizelle und ein weiteres Polkörperchen. In der sekundären Oocyte besteht jedes Chromosom noch aus zwei Schwesterchromatiden. Diese trennen sich erst in der darauf folgenden Zellteilung (Meiose II). Die Polkörperchen degenerieren. Bei den meisten Wirbeltieren wird die Reifung der sekundären Oocyte in der Meiose II arretiert. Erst bei der Ovulation wird die sekundäre Oocyte aus dem Ovar freigegeben und, falls Fertilisation eintritt, die Meiose vollständig beendet. Die maximale Anzahl von Keimzellen im Ovar des menschlichen Fetus um den 5. Monat beträgt 6.8×106. Dies ist bei der Geburt auf 2×106 reduziert und bei der Pubertät auf etwa 200000. Davon kommen etwa 400 zur Ovulation. Die lange Phase zwischen Meiose I und Ovulation ist vermutlich ein ursächlicher Faktor bei der häufigeren Fehlverteilung homologer Chromosomen bei älteren Müttern (Connor & Ferguson-Smith, 1993). Oogenese und Spermatogenese unterscheiden sich bezüglich der Zahl der Zellteilungen. Bei der Oogenese treten etwa 22 Teilungen ein. Demgegenüber kommt es bei der Spermatogenese zu etwa 380 Teilungen bei einem Mann von 30 Jahren, 610 bei einem Mann von 40 Jahren. Die insgesamt etwa 25fach höhere Anzahl von Zellteilungen mit der entsprechenden Anzahl von DNA-Replikationen wird als Ursache für die höhere Mutationsrate bei der Spermatogenese gegenüber der Oogenese angesehen, vor allem mit zunehmenden väterlichen Alter (Crow, 2000). Connor, J. M., Ferguson-Smith, M. A.: Essential Medical Genetics, 4th ed. Blackwell Scientific, London, 1993. Crow, J. F.: The origins, patterns and implications of human spontaneous mutation. Nature Rev. Genet. 1: 40–47, 2000. Hurst, L. D., Ellegren, H.: Sex biases in the mutation rate. Trends Genet. 14: 446–452, 1998.
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Bildung der Gameten männlich (XY)
weiblich (XX)
Primordiale Keimzellen
Einwanderung in Gonaden Ovar
Testis
Mitosen
Mitosen
Spermatogonien
Oogonien
Meiose I
Meiose I
Primäre Oocyte
Primärer Spermatocyt
Meiose I arretiert in Prophase
Sekundäre Spermatocyten
Diktiotän
Reifung
Meiose II
Primäre Oocyte gereift Spermatiden
Fortsetzung Meiose I
Differenzierung Polkörper I
Sekundäre Oocyte Meiose II
Polkörper II Eizelle
Reife Spermatozoen
A. Spermatogenese
B. Oogenese
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Eukaryote Zellen
Zellkultur Zellen von Tieren und Pflanzen können außerhalb des Körpers als Kultur aus Zellen in vitro (im Glas, d. h. in einer Zellkultur) leben und sich vermehren. Sie benötigen dazu ein Medium bei 37°C in einer richtigen Konzentration von Sauerstoff und Kohlendioxid enthaltenen Atmosphäre. Das Nährmedium muss verschiedene Vitamine, Zucker, Salze, die essentiellen Aminosäuren, Glutamin und Cystein sowie Serum enthalten. Zellkulturen, zuerst 1913 für längere Zeit kultiviert (A. Carrel), werden seit etwa 1965 für genetische Untersuchungen verwendet (Somazellgenetik). Zellen in Kultur sind üblicherweise einfache mesenchymale Zellen (Fibroblasten) ohne Differenzierung in spezielle Zellen. Differenzierte Zellen, z. B. Muskelzellen oder Nervenzellen, können nur unter speziellen Bedingungen kultiviert werden. Die meisten Zellen wachsen am Boden des Kulturgefäßes angeheftet (Adhäsionskultur). Zellen in Kultur haben eine begrenzte Lebensspanne (Hayflick & Moorhead, 1961; s. Hayflick, 1997). Gelegentlich gewinnen Zellen in Kultur die Fähigkeit zu permanenter Proliferation, meistens wenn sie aus Tumorzellen stammen. Daraus können permanente Zellinien mit relativ homogener Zellpopulation entstehen.
A. Haut-Fibroblasten-Kultur Um eine Kultur zu beginnen, entnimmt man unter sterilen Bedingungen ein Stückchen Haut (2×4 mm) oberhalb der Kapillarschicht, schneidet es in kleine Stücke und bringt sie in ein Kulturgefäß. Nach etwa 8–14 Tagen beginnen neue Zellen (Fibroblasten) vom Rand der Hautstückchen (in der Photographie links) aus zu wachsen und sich zu vermehren (rechte Hälfte der Photographie). Sobald der Boden des Gefäßes von einer Schicht von Zellen bedeckt ist, teilen sich die Zellen nicht mehr. Dies wird als Kontaktinhibition bezeichnet (bei Tumorzellen besteht keine Kontaktinhibition). Die Zellen können weiter vermehrt werden, indem man sie in ein oder mehrere neue Kulturgefäße bringt (bezeichnet als Anlegen einer Subkultur).
gangszellen („elterliche Zellen“) zwei verschiedene Zelltypen A und B, z. B. eine ohne die Fähigkeit Thymidinkinase zu bilden (TK–) als A (1) und eine ohne Aktivität des Enzyms Hypoxanthin-Phosphoribosyl-Transferase (HGPRT–) als B (2), so ergeben sich folgende Konsequenzen: Bei gemeinsamer Kultivierung (Ko-Kultivierung, 3) fusioniert ein (kleiner) Anteil der Zellen vom gegensätzlichen Typ A und Typ B (4). Bei Kultivierung in einem Hypoxanthin, Aminopterin und Thymidin (HAT) enthaltenden selektivem Nährmedium können die nichtfusionierten Zellen (5) und fusionierte Zellen vom selben Typ nicht überleben, wohl aber die ein Heterokaryon-bildende fusionierte Zelle (6), aus denen die Hybridzellen mit zwei verschiedenen Chromosomensätzen hervorgehen (7). Im weiteren Verlauf der Kultivierung verlieren die Hybridzellen nacheinander einzelne Chromosomen bis sie nur noch ein Chromosom einer der elterlichen Zellen enthalten (8). Unterschiedliche genetische Merkmale können mit An- und Abwesenheit eines verbliebenen Chromosoms korreliert werden.
C. Strahlenhybride Wenn man Zellen, z. B. menschlicher Herkunft, einer hohen letalen Dosis von Röntgenstrahlen (ca. 3–8 Gy) aussetzt (1), werden die Chromosomen in kleine Fragmente zerlegt. Solche Zellen können nicht überleben, aber mit einer intakten Zelle fusionieren (2) und Zellhybride bilden (Strahlenhybride, 3). Bestehen die Zellhybriden aus Thymidinkinase-defizienten (TK–) Nagetierzellen, so können die Hybridzellen im HAT-Medium selektioniert werden (s. Teil B). Auf diese Weise kann eine Ansammlung vieler kleiner DNA-Fragmente (meistens etwa 5–10 Mb Größe) in Hybridzellen gewonnen werden (Radiationshybrid Panel, 4). Dies kann für weitere Untersuchungen verwendet werden (Radiationshybridkarte). Hayflick, L.: Mortality and immortality at the cellular level. Biochemistry 62: 1180–1190, 1997. McCarthy, L.: Whole genome radiation hybrid mapping. Trends Genet. 12: 491–493, 1996.
B. Hybridzellen für Studien Einige Zellen in einer Kultur fusionieren, wenn man dem Nährmedium Polyethylen-Glycol oder Sendai-Virus beifügt. Wählt man als Aus-
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Zellkultur
Stückchen Haut (2 x 4 mm)
105
aussprossende Fibroblasten in Kulturgefäß bringen
zerkleinert
Subkultur Monolayer
A. Haut-Fibroblasten-Kultur 1. Zellkultur Typ A TK-
2. Zellkultur Typ B HPRT3. Ko-Kultivierung
4.
5.
A
5. B
stirbt ab
nicht fusioniert
fusionierte Zellen
nicht fusioniert
7. 8.
stirbt ab
Heterokaryon
6.
Kultur
Selektives Medium HAT
Hybridzelle enthält zwei verschiedene Chromosomensätze
Zellen unterscheiden sich durch verbleibende Chromosomen
B. Hybridzellen für genetische Analyse 1. Kern einer irradiierten Zelle vom Menschen
4. Randomisierte Selektion humaner DNA-Fragmente
3.
ChromosomenFragmente
Zellfusion
Kultur in selektivem Medium
2. intakte Chromosomen in nicht irradiierter Zelle (Tierzellen TK-)
C. Radiations-Hybridzellen
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Radiationshybrid Panel
106
Mitochondriale Genetik
Genetisch gesteuerte energieliefernde Vorgänge in Mitochondrien
Energie ist an Phosphat gebunden und wird zum Beispiel bei der Muskelkontraktur freigesetzt.
Eukaryote Organismen enthalten essentielle genetische Information außerhalb der DNA des Nukleus in extrachromosomalen Genomen. Die Mitochondrien aller Eukaryoten und die Chloroplasten grüner Pflanzen und Algen enthalten cytoplasmatische DNA-Moleküle (mitochondriale DNA, mtDNA). Als solche werden sie ausschließlich maternal in nicht-Mendelscher Weise vererbt. Mitochondrien und Chloroplasten sind der Ort wichtiger, energieliefernder Prozesse und Photosynthese. Im Gegensatz zur nukleären DNA ist das Genom in Mitochondrien und Chloroplasten ringförmig. Jede eukaryote Zelle enthält etwa 103 bis 104 DNA-Moleküle. Die Gene der mtDNA codiern für 13 Proteine der Atmungskette, Untereinheiten des ATPase und NADH-Dehydrogenase-Komplex sowie 22 andere Gene für Transfer-RNA (tRNA) und zwei rRNAs. Zahlreiche Erkrankungen infolge Mutation und Deletion in der mtDNA beim Menschen sind bekannt.
C. Elektronentransfer in der inneren mitochondrialen Membran
A. Prinzipielle Vorgänge im Mitochondrium Der wesentliche energiekonservierende Prozess in Mitochondrien ist oxidative Phosphorylierung. Aus der Verbrennung von Kohlenhydraten, Fetten und anderen Nahrungsmitteln werden durch Oxidation zunächst einfache Energieträger wie NADH und FADH2 gewonnen (Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid in der reduzierten Form und Flavin-Adenin-Dinukleotid in der reduzierten Form). Durch eine Serie von biochemischen Reaktionen in der inneren Membran von Mitochondrien (Atmungskette) wird aus Adenosin-Diphosphat (ADP) durch oxidative Phosphorylierung Adenosin-Triphophat (ATP) als Energieträger gebildet.
Das Genom von Mitochondrien und Chloroplasten enthält Gene für die Bildung der verschiedenen Komponenten der Atmungskette und der oxidativen Phosphorylierung. Drei Enzymkomplexe steuern den Elektronentransfer, der NADH-Dehydrogenase-Komplex, der b-c1Komplex und der Cytochrom-Oxidase-Komplex. Zwischengeschaltet sind Quinonabkömmlinge (Q) wie Ubiquinon und Cytochrom c. Der Elektronentransport führt zur Bildung von Protonen (H+). Diese führen durch Umwandlung von ADP und Pi (Phosphor) zur Bildung von ATP (Oxidative Phosphorylierung). ATP stellt ein Phosphat-gebundenes Reservoir von Energie dar, das für alle biologischen Systeme als Energielieferant dient. Dies macht verständlich, weshalb genetische Defekte in Mitochondrien sich in erster Linie als Erkrankungen mit reduzierter Muskelkraft und anderen degenerativen Erscheinungen manifestieren. (Abbildungen nach B. Alberts et al., 1998) Alberts, B., et al.: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell. Garland Publishing, New York, 1998. Johns, D. R.: Mitochondrial DNA and disease. New Eng. J. Med. 333: 638–644, 1995. Kogelnik, A. M., et al.: MITOMAP: a human mitochondrial genome database – 1998 update. Nucl. Acids Res. 26: 112–115, 1998. MITOMAP: A human mitochondrial genome database: Center for Molecular Medicine, Emory University, Atlanta, GA, USA, 2000. (Website www.gen.emory.edu/mitomap.html) Turnball, D. M., Lighttowlers, R. N.: An essential guide to mtDNA maintenance. Nature Genet. 18: 199–200, 1998.
B. Oxidative Phosphorylierung (OXPHOS) in Mitochondrien Adenosin-Triphosphat (ATP) nimmt die zentrale Rolle im Energieaustausch biologischer Systeme ein. ATP ist ein Nukleotid, das aus Adenin, einer Ribose und einer Triphosphat-Einheit besteht. Es ist energiereich, weil die Triphosphat-Einheit zwei Phospho-Anhydrid-Bindungen enthält. Durch Hydrolyse von ATP zu ADP wird Energie frei. Die in ATP enthaltene freie
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107
Genetisch gesteuerte energieliefernde Vorgänge in Mitochondrien Pyruvat
äußere Membran
Fettsäuren
AcetylCoA CitronensäureZyklus
CO2
CO2
ADP+Pi
innere Membran
2 H2O
O2
NADH
ADP+Pi ATP
ATP
e-
O2
Mitochondrium
Oxidative Phosphorylierung (Energieproduktion)
H+ Atmungskette (Elektronentransfer)
A. Prinzipielle Vorgänge im Mitochondrium Ausgangsenergie NADH + H + + 1/2 O2
ADP+Pi
NAD + H2O
Energieumwandlung
Phosphat-Lieferant
ATP +
H2O
Phosphat-gebundene hohe Energie in Adenosintriphosphat
Adenosintriphosphat (ATP)
B. Oxidative Phosphorylierung (OXPHOS) in Mitochondrien Elektrochemischer Protonentransport zur Bildung von ATP H+
H+
Q
H+
IntraMembranRaum
C Innere Membran
e Ubiquinon NADH + H +
NAD +
NADH-DehydrogenaseKomplex
Cytochrom c
+
2H +1/2 O2
b – c1-Komplex
C. Elektronentransfer in der inneren mitochondrialen Membran
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H2O
MatrixRaum
CytochromOxidase-Komplex
108
Mitochondriale Genetik
Das Genom in Chloroplasten und Mitochondrien Chloroplasten höherer Pflanzen und Mitochondrien eukaryoter Zellen enthalten ein Genom aus zirkulärer DNA. Zwischen dem Genom in Chloroplasten und Mitochondrien besteht eine Homologie von etwa 12 000 Basenpaaren (12 kb). Ferner finden sich homologe Regionen in nukleärer DNA. Es wird deshalb angenommen, dass evolutionäre Beziehungen zwischen der DNA in Chloroplasten, Mitochondrien und nukleärer DNA existieren.
A. Gene in Chloroplasten eines Mooses (Leberblümchen, Marchantia polymorpha) Das Genom in Chloroplasten ist sehr groß, 121 kb in einem Moos (Leberblümchen) und 155 kb in der Tabakpflanze. Dennoch ist die Organisation ihrer Gene sehr ähnlich und ihre Gesamtzahl praktisch identisch. Der Proteinsynthese-Apparat hat gewisse Ähnlichkeiten mit Bakterien. Viele der ribosomalen Proteine sind homolog zu denen in E. coli. Gene im Chloroplasten-Genom enthalten Introns. Jede Zelle enthält etwa 20–40 Chloroplasten mit jeweils 20–40 Kopien der ctDNA. Darunter befinden sich in jeweils zwei Exemplare für die vier Gene für ribosomale RNAs (16S-rRNA, 23S-rRNA, 4,5S-rRNA und 5S-rRNA). Die Gene für ribosomale RNA finden sich in zwei DNA-Abschnitten mit umgekehrter Orientierung (Inverted Repeats), die charakteristisch für das ChloroplastenGenom sind. Zwischen den beiden inverted repeats liegt ein Abschnitt von kurzen Einzelkopien von etwa 18–19 kb Größe. Das Genom von Chloroplasten enthält genetische Information
für etwa 30 tRNAs und etwa 50 Proteine. Die Proteine gehören dem Photosystem I (2 Gene), dem Photosystem II (7 Gene), dem Cytochromsystem (3 Gene) und dem H+-ATPase-System (6 Gene) an. Auf NADH-Dehydrogenase entfallen 6 Gene, Ferridoxin 3 Gene, Ribulose 1 Gen. 29 Gene sind bisher nicht identifiziert (Angaben nach B. Lewin, 2000).
B. Mitochondriale Gene in Hefe (C. cerevisiae) Das mitochondriale Genom von S. cerevisiae ist groß (120 kb) und enthält Introns. Es enthält Gene für die tRNAs, die Atmungskette (Cytochromoxidase 1, 2 und 3, sowie Cytochrom b), für 15S- und 21S-rRNA, sowie für die Untereinheiten 6, 8 und 9 des ATPase-Systems. Das Genom in Mitochondrien von Hefe ist bemerkenswert wegen der ansonsten nicht üblichen Trennung von Genen für ribosomale RNA. Das Gen für 21S-rRNA enthält ein Intron. Etwa 25% des mitochondrialen Genoms von Hefe enthält AT-reiche DNA ohne codierende Funktion. Der genetische Code des mitochondrialen Genoms unterscheidet sich vom universalen Code in nukleärer DNA durch unterschiedliche Verwendung einiger Codons. Das nukleäre Stopcodon UGA codiert in Mitochondrien für Tryptophan, während umgekehrt die nukleären Codons für Arginin (AGA und AGG) in Mitochondrien von Säugetieren als Stopcodon fungieren. (Abbildungen nach Alberts et al., 1994) Alberts, B., et al.: Molecular Biology of the Cell. 3rd ed. Garland Publishing, New York, 1994. Alberts, B., et al.: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell. Garland Publishing, New York, 1998. Lewin, B.: Genes VII. Oxford Univ. Press, Oxford, 2000.
Unterschiede im genetischen Code des mitochondrialen Genoms gegenüber dem universellen Code nukleärer DNA Codon
UGA AUA CUA AGA AGA
_
nukleäre DNA
mitochondriale Genome Säugetiere
Drosophilia
Hefen
Pflanzen
Stop Ile Leu
Trp Met Leu
Trp Met Leu
Trp Met Thr
Stop Ile Leu
Arg
Stop
Ser
Arg
Arg
(nach B. Alberts et al., Molecular Biology of the Cell, 3rd edition, 1994)
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109
Das Genom in Chloroplasten und Mitochondrien NADH-Dehydro gen ase
ribosomale-RNA Transfer-RNA Photosysteme 23S-rRNA
ATP-Synthetase RNA-Polymerase NADH-Dehydrogenase
23S-rRNA
16S-rRNA
16S-rRNA
Inverted Repeats RNA-Polymerase
tRNAs
121024 Basenpaare
ATPSynthetase
ase het ynt P-S T A
Photosystem 2 tRNAs
RNA-Polymerase Photosystem 2
tRNAs tRNAs
Photosystem 1
Photosystem 2
A. Gene in Chloroplasten eines Moos (Lebermoos, Marchantia polymorpha) versch iede ne tRN As
21S- rRNA
Intron ATP-Synthetase 9
CytochromOxidase 2 CytochromOxidase 3
In trons
Cytochrom b
120 680 Basenpaare 6 241 Gene 4 383 Genfamilien
tRNA
tRNAs
ATP-Synthetase 6
I n tr o n s
ATP-Synthetase 8
C yt
o ch
r o m -O
xidase 1
B. Mitochondriale Gene in Hefe (C. cerevisiae)
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15S-rRNA
110
Mitochondriale Genetik
Das mitochondriale Genom des Menschen
C. Evolutionäre Beziehungen mitochondrialer Genome
Das mitochondriale Genom bei Säugetieren ist klein und kompakt. Es enthält keine Introns und in einigen Bereichen überlappen Gene, so dass praktisch jedes Basenpaar einem Gen angehört. Das mitochondriale Genom des Menschen und der Maus ist sequenziert und enthält weitreichende Homologien. Mit einer Größe von etwa 16,5 kb ist es erheblich kleiner als das bei Hefen.
Mitochondriale DNA hat eine etwa 10fach höhere Mutationsrate als nukleäre DNA. Mutationen treten durch der OXPHOS beteiligte reaktive Sauerstoff-Moleküle auf (vgl. S. 106). Diese akkumulieren, da eine effektive DNA-Reparatur und DNA-schützende Histone fehlen. Zum Zeitpunkt der Geburt sind die meisten mtDNA-Moleküle noch identisch (Homoplasmie); später unterscheiden sie sich jedoch aufgrund von in verschiedenen Mitochondrien angesammelten Mutationen (Heteroplasmie). Mitochondrien entwickelten sich vermutlich aus eigenständigen Organismen, die in die Zelle integriert wurden. Sie replizieren, transkribieren und übersetzen ihre DNA unabhängig von der nukleären DNA. Da Mitochondrien nur in Oocyten, aber nicht bzw. nur wenige in Spermatocyten vorhanden sind, können ihre Gene nur durch die Mutter vererbt werden (maternale Vererbung). Deshalb kann dies für die Untersuchung evolutionärer Verwandtschaftsverhältnisse benutzt werden. Durch einen Vergleich von mtDNA-Varianten kann ein evolutionärer Stammbaum von verwandten Populationen aufgrund der Sequenzunterschiede rekonstruiert werden. Jede variante Form eines mtDNA-Moleküls stellt einen Haplotyp dar, dessen Entstehung durch Vergleich zurückverfolgt werden kann (vgl. S. 242).
A. Mitochondriale Gene beim Menschen Jedes Mitochondrium enthält 2–10 DNA-Moleküle. Das mitochondriale Genom des Menschen enthält 13 Protein-codierende Regionen: Gene für den Cytochrom c-Oxidase-Komplex (Untereinheit 1, 2 und 3), für Cytochrom b, sowie für die Untereinheiten 6 und 8 des ATPase-Komplexes. Im Gegensatz zu Hefe enthält mitochondriale DNA von Säugetieren 7 Untereinheiten für NADH-Dehydrogenase (ND1 bis ND6). Insgesamt 60% der mitochondrialen codierenden Kapazität entfällt auf die 7 Untereinheiten von NADH-Reduktase (ND). Im Dichtegradienten kann ein schwerer (H, heavy) und ein leichter Einzelstrang (L) unterschieden werden. Die meisten Gene finden sich auf dem H-Strang. Der L-Strang codiert für ein Protein (ADH-Untereinheit 6) und 14 tRNAs. Vom H-Strang werden zwei RNAs transkribiert, eine kurze für die rRNAs und eine lange als mRNA und für die meisten tRNAs. Vom L-Strang wird ein einziges Transkript gemacht. Vom L-Strang wird nur ein 7S-RNA-Transkript im Uhrzeigersinn in der Nähe des Replikationsbeginns (ORI) gebildet (in der Abb. nicht gezeigt).
B. Kooperation zwischen mitochondrialem und nukleärem Genom Einige mitochondriale Proteine sind Aggregate von Genprodukten nukleärer und mitochondrialer Gene. Diese Genprodukte werden nach nukleärer Transkription und cytoplasmatischer Translation in die Mitochondrien transportiert. Dort bilden sie funktionelle Proteine aus Untereinheiten mitochondrialer und nukleärer Genprodukte. Deshalb treten einige mitochondrialbedingte genetische Erkrankungen mit Mendelschem Erbgang auf, während rein mitochondrial bedingte Erkrankungen ausschließlich maternal vererbt werden.
Anderson, S., et al.: Sequence and organization of the human mitochondrial genome. Nature 290: 457–474, 1981. Chinnery, P. F.: Searching for nuclear-mitochondrial genes. Trends Genet. 19: 60–62, 2003. Lang, B. F., et al.: Mitochondrial genome evolution and the origin of eukaryotes. Ann. Rev. Genet. 33: 351–397, 1999. Singer, M., Berg, P.: Genes and Genomes. Blackwell Scientific Publishers, Oxford, 1991. Suomalainen, A., et al.: An autosomal locus predisposing to deletions of mitochondrial DNA. Nature Genet. 9: 146–151, 1995. MITOMAP: A human mitochondrial genome database: (http://www.gen.emory.edu/mitomap.html) Center for Molecular Medicine, Emory University, Atlanta, GA, USA, 2000. Wallace, D. C.: Mitochondrial diseases: genotype versus phenotype. Trends Genet. 9: 128–133, 1993. Wallace, D. C.: Mitochondrial DNA sequence variation in human evolution and disease. Proc. Nat. Acad. Sci. 91: 8739–8746, 1994. Wallace, D. C.: Mitochondrial diseases in man and mice. Science 283: 1482–1488, 1999.
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Das mitochondriale Genom des Menschen
Phe-tRNA
Thr-tRNA D-Schleife
m ro
Val-tRNA
12S-rRNA
b
16 Sr
A RN
Cy to ch
ORI
Pro-tRNA Glu-tRNA ND 5
Leu-tRNA
ND 6
ND 1 L-Strang
H-Strang
16 569 Basenpaare
Ile-tRNA
Gln-tRNA
f-Met-tRNA
Ala-tRNA Asn-tRNA Cys-tRNA Tyr-tRNA ORI Ser-tRNA
Leu-tRNA Ser-tRNA His-tRNA
Trp-tRNA
ase
1
ND 4
ND 2
ATP-Synthetase Untereinheit 6
Asp-tRNA
om
Arg-tRNA ND 3 Cy Gly-tRNA to ch rom c -Ox id a s e 3
c -O
xid
ND 4L
r Cytoch
om
c- O
xid
as
e 2 toc Cy
hr
Lys-tRNA
ATP-Synthetase Untereinheit 8
A. Mitochondriale Gene beim Menschen (mt DNA) Zellkern Protein aus Untereinheiten mitochondrialer und nukleärer Genprodukte
DNA Transkription
DNA
RNA
Transkription
DNA im Zellkern
Verarbeitung mRNA
RNA
Translation
Translation Genprodukt
Mitochondrium
B. Kooperation zwischen mitochondrialem B. und nukleärem Genom
DNA in Mitochondrien
DNA in Chloroplasten
C. Evolutionäre Beziehungen des C. mitochondrialen Genoms
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111
112
Mitochondriale Genetik
Mitochondriale Erkrankungen beim Menschen Die mitochondriale Funktion kann durch Genveränderungen gestört werden, die eines oder mehrere Proteine der Atmungskette oder eine der tRNAs oder rRNAs betreffen. Zusätzlich kann auch noch auf vielfältige Weise die Interaktion zwischen dem mitochondrialen und dem nukleären Genen gestört sein. Das klinische Spektrum und das Alter bei Beginn der Krankheit variieren beträchtlich. Vor allem Organe mit einem hohen Energiebedarf sind besonders anfällig. Dies sind vor allem das Gehirn (es verbraucht 20% der Gesamtenergie des Körpers), Herz, Skelettmuskel, Augen, Ohren, Pankreas und die Nieren.
A. Mutationen und Deletionen in mitochondrialer DNA des Menschen Eine Reihe charakteristischer Erkrankungen treten infolge unabhängig an gleicher Position entstandener Veränderungen in der mtDNA. Für einige Beispiele ist unter Verwendung der Abkürzung der Krankheit aus der Tabelle die Nukleotidposition gezeigt, z. B. LHON (Lebersche Hereditäre Opticus-Neuropathie) an Position 11778 bzw. 3460 oder eine wichtige Form von Schwerhörigkeit mit gesteigerter Empfindlichkeit gegen Aminoglykoside (StreptomycinAbkömmlinge) an Position 1555 infolge Aus-
tausch eines Adenin (A) durch ein Guanin (G). Die Abbildung A und die Tabelle zeigen Beispiele von wichtigen Mutationen und Deletionen. (Abb. nach Wallace, 1999; MITOMAP; sowie Marie T. Lott und D. C. Wallace, persönliche Mitteilung, 2000).
B. Mütterliche Vererbung Erbliche mitochondriale Erkrankungen werden nur über die mütterliche Linie vererbt.
C. Heteroplasmie für mitochondriale Mutationen Häufiger als eine germinale Mutation finden sich Mutationen oder Deletionen in Mitochondrien auf einzelne Gewebe beschränkt (mitochondriale Cytopathie). In diesen Fällen enthalten die Zellen einen unterschiedlichen Anteil betroffener Mitochondrien (Heteroplasmie). Der Anteil gestörter Mitochondrien wechselt nach wiederholten Zellteilungen. Dies trägt zu der erheblichen Variabilität mitochondrialer Erkrankungen bei. Chinnery, P. F., et al.: Mitochondrial genetics. J. Med. Genet. 36: 425–436, 1999. Chinnery, P. F., Turnbull, D. M.: The epidemiology and treatment of mitochondrial diseases. J. med. Genet. 106: 94–101, 2001. Estivill, X., et al.: Familial progressive sensorineural deafness is mainly due to the mtDNA: A 1555 G and is enhanced by treatment with aminoglycosides. Am. J. Hum. Genet. 62: 27–35, 1998.
Beispiele für Krankheiten infolge Mutationen oder Deletionen in mitochrondrialer DNA Abkürzung
MIM-Nr.
Name
KSS
530000
LHON MELAS MERRF MMC NARP CEOP MNGIE PEAR ADMIMY
535000 540000 545000 590050 551500 555000 550900 557000 157640 550000
Kearns-Sayre Syndrom (Ophthalmoplegie, Pigmentdegeneration der Retina und Cardiomyopathie) Leber Hereditäre Opticus Neuropathie Encephalomyopathien, Lactic Acidose mit Schlaganfall Myoclonie Epilepsie und ragged red fibers Mitochondriale Myopathie und Cardiomyopathie Neurogene Muskelschwäche mit Ataxie und Retinitis pigmentosa Chronische externe Ophthalmoplegie Myoneurogastrointestinale Pseudoobstruction, Encephalopathie Pearson Syndrom (Knochenmark- und Pankreasversagen)
Keine Keine Keine
515000 580000 520000
Autosomal dominante mitochondriale Myopathie mit mitochondrialer Deletion in der D-Schleife (Typ Zeviani) Chloramphenicol induzierte Toxizität Streptomycin-induzierte Ototoxizität (A1555G Mutation) Diabetes mellitus – Schwerhörigkeit
MIM: Mendelian Inheritance in Man, McKusick’s Catalog of Human Genes and Genetic Disorders. 12th ed., Johns Hopkins University Press, Baltimore, 1998; MITOMAP (S. 110); and http://www.mips.biochem.mpg.de/proj/medgen/ mitop/
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Mitochondriale Erkrankungen beim Menschen
10.4 kb Deletion
D loop Region T
cyt b
F H
P
12 S rRNA V
P
ND6
0/16569 PL
E
ND5
16 S rRNA
A1555G Taubheit
L
MELAS (3243) MMC (3260) LHON (3460)
5 kb Deletion
I
Q
L S H
LHON (11778)
OL
ND4 NARP (8993
ND4L R
CO I K
Komplex I-Gene (NADH-Dehydrogenase)
A N
W
S
ND3 G CO III Typen von Genen
Y
MERRF (8344)
C
M
A Ala, C Cys, D Asp, E Glu, F Phe, G Gly, H His, I Ile, K Lys, L Leu, M Met, N Asn, P Pro, Q Gln, R Arg, S Ser, T Thr, V Val, W Trp, Y Tyr
D
CO II
6 8 ATP-Synthetase
io Reg
De let ion en
7.4 kb Deletion
Abkürzungen für Aminosäuren bei tRNAs:
Deletionslimit
OH
Reg ion s eltener Deletionen
Deletionslimit
113
fi g äu nh
er
Komplex V-Gene (ATP-Synthetase)
Komplex III-Gene (Ubiquinon: Cytochrom cOxidoreduktase) Komplex IV-Gene (Cytochrom c-Oxidase)
Transfer RNA-Gene Ribosomale RNA-Gene
A. Mutationen und Deletionen in mitochondrialer DNA des Menschen Zelle
Mitochondrien Mutation Zellteilung
Zellteilung
B. Maternale Vererbung einer B. mitochondrialen Erkrankung
C. Heteroplasmie für mitochondriale C. Mutationen
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114
Formale Genetik
Die Mendelschen Merkmale Im Jahre 1865 veröffentlichte der Augustinerpater Gregor Mendel in den Berichten der Naturgeschichtlichen Vereinigung von Brünn bemerkenswerte Untersuchungen, die aber bis 1900 praktisch nicht beachtet wurden. In der „Versuche über Pflanzenhybriden“ genannten Arbeit legt Mendel dar, dass bestimmte Merkmale der Gartenerbse (Pisum sativum) als unveränderte Merkmale unabhängig voneinander vererbt werden. Dabei beobachtete Mendel bestimmte Regelmäßigkeiten im Auftreten bzw. Nichtauftreten einzelner Merkmale in aufeinander folgenden Generationen. Hier wird die Pflanze und die beobachteten Merkmale vorgestellt.
A. Die von Mendel untersuchte Pflanze (Psium sativum) Die Pflanze, eine Erbse, besteht aus Stamm, Blättern, Blüte und Hülsen. In den Blüten kann man den (weiblichen) Stempel (der die Narbe, den Griffel und den Fruchtknoten enthält) und den (männlichen) Staubfaden, der die Staubbeutel und Fäden enthält, unterscheiden. Die Gartenerbse vermehrt sich normalerweise durch Selbstbefruchtung. Pollen aus dem Staubbeutel können auf die Samenanlagen derselben Blüte fallen. Andererseits ist es relativ einfach, Kreuzbefruchtung durchzuführen. Mendel öffnete dazu eine Blüte und entfernte die Staubbeutel, bevor Pollen austreten konnten und verwendete stattdessen Pollen einer anderen Blüte. Die fertige Hülse enthält die Samen, aus denen sich neue Pflanzen entwickeln.
B. Die beobachteten Merkmale (Phänotypen) Mendel beobachtete insgesamt 7 charakteristische Merkmale: (1) Große und kleine Pflanzen, (2) Axiale und endständige Blüten und Hülsen entlang der Pflanze, (3) grüne und gelbe Hülsen, (4) volle und geschrumpfte Form der Hülsen, (5) die Form der Samen, (6) die Farbe der Samen und (7) die Farbe der Samenhüllen. Mendel beobachtete, dass die Vererbung jedes Merkmalpaares unabhängig von der des anderen Merkmalpaares war. Die Vererbung unabhängiger Merkmale in bestimmten Gesetzmäßigkeiten ist Mendels wesentliche Erkenntnis. Dies war eine grundlegend neue Einsicht in die Vorgänge bei der Vererbung. Sie wich deutlich
von den damals vorherrschenden Vorstellungen über Vererbung ab. Dies hat dazu beigetragen, dass ihre Bedeutung zunächst nicht erkannt wurde. Wir wissen heute, dass genetisch determinierte Merkmale nur dann unabhängig vererbt werden (segregieren), wenn sie auf verschiedenen Chromosomen liegen oder wenn sie auf demselben Chromosom weit genug voneinander entfernt liegen, um jedes Mal durch Rekombination voneinander getrennt zu werden (d. h., wenn keine genetische Kopplung vorliegt, vgl. S. 126). Dies ist für die von Mendel untersuchten Gene der Fall. Einige dieser Gene sind in den vergangenen Jahren näher charakterisiert und kloniert worden.
C. Abweichungen von den Mendelschen Gesetzmäßigkeiten Nicht immer treten Mendelsche Merkmale in den erwarteten Proportionen auf (vgl. S. 116). Durch das Phänomen des Meiotischen Drive kann ein Merkmal viel häufiger auftreten als das andere. Beispiele sind t-Komplex der Maus (etwa 99% der Nachkommen von heterozygoten t/+ männlichen Mäusen sind ebenfalls heterozygot anstatt 50%) und Segregation Distorter (SD) bei Drosophila. 1993 wurde eine Mauspopulation in Sibirien beschrieben, bei der 85% bzw. 65% der Nachkommen heterozygoter Eltern ebenfalls heterozygot für eine Inversion sind. Homozygotie für die Inversion führt zu reduzierter Fitness und bedeutet einen selektiven Nachteil. Die Verschiebung war nicht das Ergebnis frühembryonalen Absterbens. Möglicherweise sind Abweichungen von den Mendelschen Gesetzmäßigkeiten häufiger als bisher angenommen. Eine weitere Abweichung entsteht durch Genomisches Imprinting (vgl. S. 208) und Keimzell-Mosaike. Brink, R. A., Styles, E. D.: Heritage from Mendel. Univ. of Wisconsin Press, Madison, 1967. Corcos, A. F., Monaghan, F. V.: Gregor Mendel’s Experiments on Plant Hybrids. Rutgers Univ. Press, New Brunswick, 1993. Mendel, G.: Versuche über Pflanzenhybriden. Verh. naturf. Ver. Brünn 4: 3–47, 1866. Pomiankowski, A., Hurst, D. L.: Siberian mice upset Mendel. Nature 363: 396–397, 1993. Weiling, F.: Johann Gregor Mendel: Der Mensch und Forscher. II. Teil. Der Ablauf der Pisum Versuche nach der Darstellung. Med. Genetik. 2: 208–222, 1993.
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115
Die Mendelschen Merkmale
Staubbeutel
Schiffchen Narbe
Kelchblatt
Griffel Samenanlage Fruchtknoten
Blüte Samen
Pflanze
Hülse
A. Die Erbsenpflanze (Pisum sativum)
1
Hülsen
3
grün
1
gelb
4 voll
geschrumpft
Pflanze groß
Pflanze klein
Samen
2
2
5
rund
runzelig
6
gelb
grün
7
Samenhülle grau (Blüte violett)
Blätter und Hülsen axial
weiß (Blüte weiß) Blüten und Hülsen endständig
B. Die beobachteten Merkmale (Phänotypen)
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116
Formale Genetik
Aufspaltung (Segregation) Mendelscher Merkmale Mendel beobachtete die verschiedenen Merkmale der Erbsenpflanze und verfolgte ihr Auftreten in aufeinander folgenden Generationen. Dabei stellten sich bestimmte Gesetzmäßigkeiten heraus (Mendelsche Gesetzmäßigkeiten bzw. sog. Mendelsche Gesetze).
A. Segregation dominanter und rezessiver Merkmale In zwei verschiedenen Experimenten beobachtete Mendel die Form der Samen (glatt bzw. runzlig) und die Farbe (gelb bzw. grün). Wenn er Pflanzen der elterlichen (parentalen) Generation P kreuzte, also glatt × runzlig bzw. gelb × grün, so beobachtete er in der ersten Filial(Tochter-) Generation F1, dass alle Samen glatt bzw. gelb waren. Die den beiden Merkmalen rund und runzlig zugrunde liegenden genetischen Grundlagen werden als Allele bezeichnet. Sie sind verschiedene Erscheinungsformen desselben Gens (von Mendel als „Faktor“ bezeichnet, weil der Begriff Gen noch unbekannt war). Ebenso entsteht das Merkmalspaar gelb und grün durch verschiedene Allele (am selben Genlocus). Nach einer weiteren Generation durch die bei der Erbse übliche Selbstbefruchtung traten in der F2-Generation die in der elterlichen Generation beobachteten Merkmale wieder auf (glatt bzw. runzlig und grün bzw. gelb). Unter insgesamt 7324 Samen des einen Experiments fanden sich 5474 mit glatten und 1850 mit runzligen Samen. Dies entsprach einem Verhältnis 3:1. Im Experiment mit unterschiedlichen Farben (gelb bzw. grün) beobachtete Mendel in der F2-Generation unter insgesamt 8023 Samen 6022 mit gelber Farbe und 2001 mit grüner Farbe, wiederum entsprechend im Verhältnis 3:1. Das in der F1-Generation allein zu beobachtende Merkmal (rund bzw. gelb) nannte Mendel dominant, das in der F1-Generation nicht erscheinende Merkmal (runzlig bzw. grün) nannte er rezessiv. Diese Aufspaltung (Segregation) eines dominanten und rezessiven Merkmalpaares im Verhältnis 3:1 wird als erstes Mendelsches Gesetz bezeichnet.
B. Rückkreuzung einer F1Hybridpflanze mit einer Elternpflanze Wenn Mendel die F1-Hybridpflanze mit der Elternpflanze des rezessiven Merkmals rückkreuzte (1), traten in der nächsten Generation die beiden Merkmale im Verhältnis 1:1 auf (106 runde gegenüber 102 runzligen). Dies wird als zweites Mendelsches Gesetz bezeichnet. Die Interpretation (2) dieses Experiments, Rückkreuzung einer F1-Hybridpflanze mit der Elternpflanze, wird dadurch erklärt, dass unterschiedliche Keimzellen (Gameten) gebildet werden. Die F1-Hybridpflanze (rund) enthält zwei Merkmale, eines für rund (R, dominant über runzlig, r) und eines für runzlig (r, rezessiv gegenüber rund, R). Diese Pflanze ist mischerbig (heterozygot) und kann deshalb zwei Arten von Gameten bilden (R und r). Die andere Pflanze dagegen ist reinerbig (homozygot) für runzlig (r). Sie kann nur eine Art von Gameten bilden (r, runzlig). Die Hälfte der Nachkommen der mischerbigen Pflanze erhält das dominante Merkmal (R, rund), die andere Hälfte das rezessive Merkmal (r, runzlig). Es resultiert eine Verteilung der beobachteten Merkmale im Verhältnis von 1:1 oder jeweils 50%. Das beobachtete Merkmal wird als Phänotyp (Erscheinungsbild) bezeichnet. Die Zusammensetzung der beiden Faktoren (Gene) R und r (Rr) bzw. (rr) wird als Genotyp bezeichnet. Die alternativen Formen eines Merkmals (hier rund bzw. runzlig) bezeichnet man als Allele. Sie sind das Ergebnis unterschiedlicher genetischer Informationen an einem Genlocus. Unterscheiden sich die Allele, so ist der Genotyp heterozygot, sind sie gleich, so ist er homozygot (diese Aussage bezieht sich jeweils nur auf einen Genlocus). Corcos, A. F. & Monaghan, F. V.: Gregor Mendel’s Experiments on Plant Hybrids. Rutgers Univ. Press, New Brunswick, 1993. Weiling, F.: Johann Gregor Mendel. Der Mensch und Forscher. II. Teil. Der Ablauf der Pisum Versuche nach der Darstellung. Med. Genetik 2: 208–222, 1993.
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Aufspaltung (Segregation) Mendelscher Merkmale Generation
P rund
gelb
runzelig
grün
Kreuzung F1 alle gelb (dominant
alle rund (dominant Selbstbefruchtung
F2
rund
runzelig
grün
gelb
5474 3
1850 1
2001 1
6022 3
:
:
A. Segregation dominanter und recessiver Merkmale F1-Hybrid
Elternpflanze r
Rr rund
runzelig
R
r
Gameten
r
r
Rr
r
rund
runzelig
heterozygot
homozygot
106 1
102 1
R (rund) dominant
r (runzelig) recessiv
1. Experiment
:
2. Interpretation
B. Rückkreuzung einer F1-Hybridpflanze mit einer Elternpflanze
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Formale Genetik
Verteilung von zwei unabhängigen Merkmalspaaren (Allelen) In einem weiteren Experiment beobachtete Mendel, dass zwei verschiedene Merkmale unabhängig voneinander vererbt werden. Jedes Merkmalspaar zeigt die gleiche 3:1-Verteilung des dominanten über das rezessive Merkmal in der F2-Generation wie er es zuvor beobachtet hatte. Die Aufspaltung der beiden Merkmalspaare ergab jedoch wiederum bestimmte Gesetzmäßigkeiten.
A. Unabhängige Verteilung von zwei Merkmalen Mendel untersuchte in einem Experiment die Kreuzung des Merkmalspaares rund/runzlig und gelb/grün. Kreuzte er Pflanzen mit runden und gelben Samen mit solchen mit runzligen und grünen Samen, so traten in der F1-Generation nur runde und gelbe Samen auf. Dies entsprach durchaus dem ursprünglichen Experiment, wie auf S. 115 gezeigt. Von 556 Pflanzen der F2-Generation (zweite Generation) traten die beiden Merkmalspaare in folgender Häufigkeit auf: 315 Samen gelb und rund, 108 gelb und grün, 101 grün und rund, 32 grün und runzlig, entsprechend einem Aufspaltungsverhältnis von 9:3:3:1. Dies wird als drittes Mendelsches Gesetz bezeichnet.
B. Interpretation der Beobachtung Kennzeichnen wir das dominante Allel gelb mit dem Großbuchstaben G und das rezessive Allel grün mit dem Kleinbuchstaben g, sowie von einem anderen Gen das dominante Allel rund mit dem Großbuchstaben R und das rezessive Allel runzlig mit dem Kleinbuchstaben r, so ergibt ihre Kombination neun verschiedene Möglichkeiten (s. unten). Das beobachtbare Merkmal gelb oder grün bzw. rund oder runzlig ist der Phänotyp (Erscheinungsbild). Er ist das Ergebnis des jeweils vorliegen Genotyps. Dies ist die jeweilige Kombination der den Phänoty bestimmenden Faktoren (Allele). Ein Allel wird als dominant bezeichnet, wenn es für sich allein den Phänotyp bestimmen kann (G, gelb, und R, runzlig), unabhängig davon, welches andere Allel auch vorhanden ist. Ein Allel wird als rezessiv bezeichnet, wenn zwei Allele vom selben Typ vorliegen müssen, um den Phänotyp zu bestimmen (gg bzw. rr). Liegen zwei gleiche Allele vor (GG oder gg bzw. RR oder rr), so ist
der Ort homozygot (reinerbig), unterscheiden sie sich (Gr bzw Rr), so ist der Ort heterozygot (mischerbig, früher auch hybrid genannt). Die zu erwartenden Genotypen der beiden unabhängigen Merkmalspaare G/g und R/r sind: GGRR, GRGr und GrGR, GRgR und gRGR, GRgr und grGR, sowie GrgR und gRGr (alle 9 gelb und rund), drei gelbe und runzlige (Grgr, GrGr und grGr), drei grüne und runde (gRgr, gRgR, grgR) und einmal grün und runzlig (grgr). Die Verteilung (Aufspaltung) der beiden Merkmalspaare gelb/grün und rund/runzlig ist das Ergebnis der unterschiedlichen Ausstattung der Gameten. Diese enthalten nur jeweils eines der beiden Allele der beiden Gene, d. h. entweder G oder g, sowie entweder R oder r. Das in B gezeigte Quadrat (Punnettsches Quadrat, benannt nach einem Genetiker zu Anfang des 20. Jahrhunderts) zeigt außen die vier in den Gameten möglichen Genotypen (GR, Gr, gR und gr). Innerhalb des Quadrats sind die möglichen Genotypen, die in der Zygote nach der Befruchtung gebildet werden können. Das bei der Rückkreuzung beobachtete Verhältnis des dominanten Merkmals gelb (G) zum rezessiven Merkmal grün (g) beträgt 12:4 oder 3:1 (vgl. S. 116). Auch das Verhältnis des dominanten Merkmals rund gegenüber runzlig beträgt 3:1 wie für die Segregation bei der Rückkreuzung zu erwarten. Die Bedeutung der Entdeckung von Gregor Mendel liegt vor allem in der quantitativen Auswertung der Ergebnisse (er zählte die Zahl der Pflanzen mit dem jeweiligen Phänotyp) und der richtigen Interpretation. Er leitete aus den quantitativen Zahlen ab, dass Vererbung auf einzelnen, definierbaren Faktoren (Mendel verwendete diesen Ausdruck für Allele) beruhen muss. Damit zeigte er zum ersten Mal, dass Vererbung analytischen Verfahren grundsätzlich zugänglich ist. Die von Mendel beobachteten Zahlen entsprechen den statistisch zu erwartenden so gut, dass der Genetiker R. A. Fisher darauf hingewiesen hat, dass Mendel seine Ergebnisse den erwartenden Zahlen angeglichen haben könnte. Mendels bahnbrechende Arbeit von 1865 wurde erst ab 1900 in der Wissenschaft beachtet. Griffiths, A. J. F., Miller, J. H., Suzuki, D. T., Lewontin, R. C., Gelbart, W. M.: An Introduction to Genetic Analysis. 7th ed. (mit CD-ROM und 39 dem Text zugeordneten Animationen), W. H. Freeman, New York, 2000.
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Verteilung von zwei unabhängigen Merkmalspaaren (Allelen)
rund gelb (homozygot)
P
runzelig grün (homozygot)
rund/runzelig gelb/grün (heterozygot)
F1
F2
315
108
:
9
3
101
:
:
3
32
1
A. Unabhängige Verteilung von zwei Merkmalen
GRGR
GRGr
GRgR
GR
GrGr
GRgr
Gr
GrGR
GrgR
Grgr
gRGR
gRGr
grGR
gRgR
gR
grGr
gRgr
grgR
gr E i z e l l e n
grgr
Gameten
Gr
gR
gr P o l l e n
B. Interpretation der Beobachtung
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GR
119
120
Formale Genetik
Phänotyp und Genotyp Die formalgenetische Analyse wird in einem Stammbaum dargestellt (Stammbaumanalyse). Ein beobachtetes Merkmal wird als Phänotyp bezeichnet. Als Genotyp bezeichnet man die dem Phänotyp zugrunde liegende genetische Information (s. u.).
A. Symbole zur Aufzeichnung eines Stammbaumes Die dargestellten Symbole zeigen ein verbreitetes Schema zur Aufzeichnung eines Stammbaumes. Männliche Individuen werden als Quadrat, weibliche Individuen als Kreis gezeigt. Individuen nicht bekannten Geschlechts (z. B. wegen unzulänglicher Information) werden mit einem über Eck stehenden Quadrat gekennzeichnet. In der Medizinischen Genetik sollte der Grad der Zuverlässigkeit der Feststellung eines Phänotyps, z. B. Anwesenheit einer Krankheit, angegeben werden. Eine Reihe von weiteren Symbolen werden verwendet, z. B. für heterozygote weibliche bei X-chromosomalem Erbgang (vgl. S. 124).
B. Genotyp und Phänotyp Die Begriffe Genotyp und Phänotyp beziehen sich auf die genetische Information an jeweils einem Genlocus. Dies ist der Ort auf einem Chromosom, an dem die genetische Information für das jeweilige Merkmal liegt. Unterschiedliche Formen der genetischen Information an einem Genlocus werden als Allele bezeichnet. Bei diploiden Organismen, also allen Tieren und vielen Pflanzen, gibt es bei zwei Allelen drei mögliche Genotypen: (1) homozygot für ein Merkmal, (2) heterozygot für zwei verschiedene Merkmale (Allele) und (3) homozygot für das andere Merkmal. Allele können danach unterschieden werden, ob sie im heterozygoten Zustand oder nur im homozygoten Zustand erkannt werden können. Können sie im heterozygoten Zustand erkannt werden, bezeichnet man sie als dominant. Können sie nur im homozygoten Zustand erkannt werden, sind sie rezessiv. Die Begriffe dominant und rezessiv sind ein Attribut der Beobachtungsgenauigkeit und auf molekularer Ebene nicht anwendbar. Wenn im heterozygoten Zustand beide Allele nebeneinander beobachtbar sind, bezeichnet man sie als co-dominant (z. B. Allele A und B des Blutgruppen-
systems AB0; Null ist rezessiv gegenüber A und B). Bei mehr als zwei Allelen an einem Genlocus kann es entsprechend mehr Genotypen geben. Bei drei Allelen sind es sechs Genotypen, z. B. beim AB0-Blutgruppensystem AA, A0 (beide Phänotyp A), BB, B0 (beide Phänotyp B), AB und 00 (tatsächlich gibt es mehr als drei Allele im AB0-System).
Genetische Beratung Genetische Beratung ist ein Kommunikationsprozess, der sich auf die Diagnose und das mögliche Auftreten einer genetisch bedingten Erkrankung in einer Familie und weiteren Verwandten bezieht. Auf der Grundlage einer gesicherten Diagnose wird das individuelle Risiko für eine Erkrankung für die ratsuchende Person selbst oder deren Kinder ermittelt. Das Ziel der genetischen Beratung ist eine umfassende Information der Ratsuchenden unter Berücksichtigung aller Entscheidungsmöglichkeiten, Krankheitsverlauf, Betreuung und Behandlung. Ärztliche Schweigepflicht und Datenschutz sind zu beachten. Der Berater trifft keine Entscheidung. Bei der genetischen Beratung unterscheidet man Patienten und Ratsuchende, weil es häufig nicht der Patient ist, der eine Information wünscht, sondern Familienmitglieder, z. B. Eltern oder Geschwister. Als Index-Patient (oder Proposita bei weiblichen bzw. Propositus bei männlichen Individuen) wird der Patient bezeichnet, durch den die Aufmerksamkeit des Untersuchers auf das jeweilige Problem gelenkt wurde. Kompetente ärztliche (genetische) Beratung ist eine unverzichtbare Voraussetzung vor Durchführung jeder genetischen Laboruntersuchung. Dies gilt insbesondere bei prädiktiver DNA-Diagnostik zur Feststellung eines möglichen Krankheitsrisikos bevor Zeichen der Manifestation der entsprechenden Krankheit feststellbar sind. Harper, P. S.: Practical Genetic Counselling, 5th ed. Butterworth-Heinemann, Oxford, 1998.
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Phänotyp und Genotyp
Vater
Tochter
Mutter
Sohn
Geschlecht unbekannt
Tochter Sohn erkrankt (vollständig dokumentiert)
Schwangerschaft
wahrscheinlich erkrankt (unvollständig dokumentiert)
Elterliche Blutsverwandtschaft
Fehlgeburt
vielleicht erkrankt (nicht dokumentiert)
heterozygot weiblich
A. Symbole zur Aufzeichnung eines Stammbaums
Zwei Allele blau bl und rot r an einem Genlocus:
Genotyp homozygot heterozygot blau blau/rot
homozygot rot
blau/blau
blau/rot
Phänotyp
blau dominant über rot rot recessiv gegenüber blau
blau recessiv gegenüber rot rot dominant über blau
B. Genotyp und Phänotyp
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rot/rot
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Formale Genetik
Segregation elterlicher Genotypen Die Verteilung (Segregation) elterlicher Genotypen bei den Nachkommen hängt von den allelen Kombinationen bei den Eltern ab. Sie beziehen sich jeweils auf einen gegebenen Genlocus. Abhängig von der chromosomalen Lokalisation eines Genlocus können autosomale (Genlocus) auf einem Autosom (beim Menschen die Chromosomen 1–22, vgl. S. 166) und X-chromosomale Vererbung (Genlocus auf dem X-Chromosom) unterschieden werden. Für Gene auf dem X-Chromosom ist es nicht wichtig, zwischen dominant und rezessiv zu unterscheiden (s. unten). Gene auf dem Y-Chromosom werden immer vom Vater auf alle Söhne übertragen. Da das Y-Chromosom nur wenige Gene enthält, kann man Y-chromosomale Vererbung vernachlässigen. Die Mendelschen Gesetzmäßigkeiten geben die erwartete Kombination von Allelen bei den Nachkommen eines Elternpaares an.
A. Mögliche Paarungskombination der Genotypen bei zwei Allelen Für zwei Allele an einem Genlocus gibt es sechs mögliche Kombinationen elterlicher Genotypen. Hier werden zwei Allele gezeigt, blau (bl) und rot (r). Blau sei dominant über rot. Bei drei elterlichen Genotyp-Kombinationen (1, 3, 4) zeigt keiner der Eltern das rezessive Allel rot. An drei elterlichen Kombinationen (2, 5, 6) sind Eltern beteiligt, die das rezessive Allel manifestieren, weil sie homozygot sind. Daraus folgen bestimmte Gesetzmäßigkeiten für die Verteilung der Genotypen und Phänotypen bei den Nachkommen der Eltern. Das Verteilungsmuster der Genotypen und Phänotypen bei den Nachkommen der Eltern wird in Abbildung B gezeigt. Bei diesen Beispielen ist das Geschlecht der beiden Eltern jeweils untereinander austauschbar.
B. Verteilungsmuster bei den Nachkommen für Eltern mit zwei Allelen A und a
rozygot (Aa der Vater) und der andere Elternteil homozygot (aa die Mutter). Die Verteilung der zu beobachteten Genotypen bei den Nachkommen steht im Verhältnis 1:1, d. h., sie beträgt jeweils 50% (0.50) für heterozygot Aa und 50% (0.50) für homozygot aa. Wenn beide Eltern heterozygot Aa (Paarungstyp 3) sind, stehen die Proportionen der zu erwartenden Genotypen der Nachkommen im Verhältnis 1:2:1 (AA, Aa, aa). Jeweils 25% (0.25) der Nachkommen werden homozygot AA sein, 50% (0.50) heterozygot Aa und 0,25% (0.25) homozygot aa. Sind beide Eltern homozygot für verschiedene Allele, so sind sämtliche Nachkommen heterozygot.
C. Phänotypen und Genotypen bei den Nachkommen von Eltern bei einem dominant erblichen Allel Ein dominantes Allel (beim Vater, A) ist bei 50% der Nachkommen zu erwarten. Sind beide Eltern heterozygot, werden 25% der Nachkommen homozygot aa sein. Sind beide Eltern homozygot für das dominante Allel A bzw. das rezessive Allel a, so sind sämtliche Nachkommen obligat heterozygot (d. h., sie müssen heterozygot sein). Es sei betont, dass es sich um prozentual zu erwartende Verteilungen der Genotypen handelt. Bei geringer Kinderzahl kann die tatsächlich auftretende Verteilung von der erwarteten abweichen. Erwartete Verteilung der Genotypen bei den Eltern mit verschiedenen Kombinationen von Genotypen für ein dominantes Allel A und ein rezessives Allel a Eltern
Nachkommen
Verteilung
AA×AA AA×Aa Aa×Aa AA×aa Aa×aa aa×aa
AA AA, Aa AA, Aa, aa*) Aa Aa, aa aa
1 1:1 1:2:1*) 1 1:1 1
*) dominanter Phänotyp gegenüber rezessiv 3:1
Bei drei elterlichen Paarungstypen für zwei Allele A (dominant über a) und a (rezessiv gegenüber A) gibt es drei Kombinationen, die zur Segregation (Aufspaltung) der Allele bei den Nachkommen führen. Diese entsprechen den in A gezeigten elterlichen Kombinationen 1, 2 und 3. Beim Paarungstyp 1 ist einer der Eltern hete-
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Segregation elterlicher Genotypen
1.
2.
bl/bl
bl/
4.
3.
bl/
r/
5.
bl/bl
bl/bl
bl/
bl/
r/
r/
6.
bl/bl
r/
A. Mögliche Paarungskombinationen der Genotypen für zwei Allele (bl dominant über r) Aa
aa
Aa
aa
1 : (50%) 0.5
1 (50%) 0.5
Aa
AA
Aa
Aa
1 : (25%) 0.25
aa
Aa
2 : (50%) 0.5
AA
aa
Aa
Aa
1 (25%) 0.25
(100%) 1.0
B. Verteilungsmuster bei den Nachkommen von Eltern mit zwei Allelen A und a Aa
aa
Aa
aa
Aa
AA
Aa
Aa
Aa
aa
C. Phänotypen und Genotypen bei den Nachkommen von Eltern mit einem Allel A dominant über a
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AA
aa
Aa
Aa
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Formale Genetik
Monogene Vererbung Ein Allelenpaar A (dominant) und a (rezessiv) kann in drei Erbgängen auftreten, autosomal dominant, autosomal rezessiv und X-chromosomal. In der Medizinischen Genetik ist es üblich, aufeinander folgende Generationen mit römischen Zahlen zu bezeichnen. Innerhalb einer Generation werden die erfassten Individuen mit fortlaufenden arabischen Zeichen gekennzeichnet. Man kann einzelne Individuen auch mit nicht überlappenden Zahlenkombinationen festlegen, etwa für Computerberechnungen.
A. Vererbungsmuster in Stammbäumen mit einem autosomal dominanten Merkmal Erkrankte Individuen folgen unmittelbar aufeinander und betreffen sowohl das männliche wie das weibliche Geschlecht. Das Merkmal tritt nicht bei den Nachkommen nicht erkrankter Individuen auf. Die erwartete Aufspaltung erkrankter und nicht erkrankter Nachkommen eines erkrankten Individuums beträgt 50% (0,50). Die Stammbäume 2 und 3 zeigen eine neue Mutation in Generation II.
B. Vererbungsmuster in Stammbäumen mit einem autosomal rezessiven Merkmal Das Merkmal tritt bei Geschwistern beiderlei Geschlechts auf. Die Elternpaare II-3 und II-4 von Stammbaum 1, I-1 und I-2 von Stammbaum 2, sowie III-1 und III-2 von Stammbaum 3 sind obligat heterozygot. In Stammbaum 3 lässt sich die Homozygotie des erkrankten Kindes auf gemeinsame Vorfahren zurückführen, da sie Cousin und Cousine ersten Grades sind. Elterliche Blutverwandtschaft (Consanguinität) zwischen III-1 und III-2 wird durch einen Doppelstrich angezeigt.
ten aus (Haldanesche Regel). Neue Mutationen bei weiblichen Individuen kommen vor (4), sind aber weniger eindeutig zu erkennen. Stammbaum 1 zeigt die Verteilung der drei elterlichen X-Chromosomen (eins vom Vater, zwei von der Mutter) bei den Nachkommen. Der typische X-chromosomale Erbgang (5) ist leicht erkennbar. Erkrankte männliche Individuen treten in aufeinanderfolgenden Generationen auf, jeweils verbunden über die weibliche Linie (das Stammbaummuster entspricht dem Bewegungsmuster des Springers beim Schachspiel). Eine Vater-Sohn-Übertragung eines X-chromosomalen Erbgangs ist nicht möglich, weil der Sohn vom Vater nicht das X- sondern das Y-Chromosom erbt. Ein X-chromosomales Merkmal tritt bei den Nachkommen eines nicht erkrankten männlichen Individuums nicht wieder auf. Weibliche Heterozygote, die aufgrund der Verteilung von Phänotyp und Genotyp heterozygot sein müssen, bezeichnet man als obligat heterozygot. Wer das Merkmal tragen kann, aber nicht tragen muss, ist fakultativ heterozygot (z. B. III-5 und IV-2). Die Unterscheidung von dominanten und rezessiven Merkmalen spielt bei der Xchromosomalen Vererbung eine untergeordnete Rolle, weil im männlichen Geschlecht in jedem Falle eine Manifestation eintritt. Griffiths, A. J. F., et al.: An Introduction to Genetic Analysis. 7th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 2000. Harper, P. S.: Practical Genetic Counselling. 5th ed. Butterworth-Heinemann, Oxford, 1998. Vogel, F., Motulsky, A. G.: Human Genetics. Problems and Approaches. 3rd ed. Springer Verlag. Heidelberg – New York, 1997.
C. X-chromosomale Vererbung Da männliche Individuen nur ein X-Chromosom haben, muss bei Töchtern ein X-Chromosom vom Vater stammen, das andere von der Mutter (1). Söhne (XY) können entweder das eine oder das andere X-Chromosom von der Mutter erhalten, Töchter stets das eine X-Chromosom vom Vater (2). Relativ hoch ist der Anteil neuer Mutationen (3). Bei schweren Erkrankungen machen sie ein Drittel der Erkrank-
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Monogene Vererbung
1 1
I 1
II
2
1
III
2
3
2
3
4
2
5
4
3
5
neue Mutation
erkrankt männlich, weiblich
neue Mutation
nicht erkrankt männlich, weiblich
A. Vererbungsmuster in Stammbäumen mit einem autosomal dominanten Merkmal 1
I 1
II
2
3
1
III
1
2
2
3
4
2
4
3
IV B. Vererbungsmuster in Stammbäumen mit einem autosomal recessiven Merkmal
1 XY
3
I
neue Mutation oder heterozygot
5
XX II neue Mutation
4 XY
XX XY
XY
XX
IV
2
XX
III
neue Mutation
V XY
XX
XY
XX erkrankt männlich (hemizygot)
C. X-chromosomale Vererbung
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nicht erkrankt weiblich , Genträgerin (heterozygot)
126
Formale Genetik
Kopplung und Rekombination Als Kopplung bezeichnet man die gemeinsame Vererbung von zwei oder mehr Genen. Dies ist möglich, wenn ihre Loci relativ nahe beieinander auf demselben Chromosom liegen. Je näher sie beieinander liegen, desto häufiger werden sie gemeinsam (gekoppelt) vererbt. Rekombination führt zur Bildung einer neuen Kombination von gekoppelten Genen durch Crossingover zwischen den Loci (Bruch und Wiederverbindung in der Meiose, vgl. S. 100). Kopplung bezieht sich nicht auf bestimmte Allele, sondern auf Genloci. Im Gegensatz zu Kopplung wird die gemeinsame Vererbung von Allelen an verschiedenen Genloci als Assoziation bezeichnet. Geschieht dies häufiger oder seltener als nach der individuellen Häufigkeit der beteiligten Allele zu erwarten wäre, so spricht man von Kopplungsungleichgewicht (Kopplungs-Disäquilibrium, S. 140).
A. Rekombination durch Crossing-over Es hängt vom zytologischen Vorgang (1) in der Meiose ab, ob benachbarte Gene auf demselben elterlichen Chromosom verbleiben oder getrennt werden. Tritt zwischen den beiden Genloci A und B mit den Allelen A und a bzw. B und b kein Crossing-over ein, so bleiben sie auf demselben Chromosom zusammen (gekoppelt). Die in der Meiose gebildeten Gameten sind in diesem Fall nicht rekombinant und entsprechend den elterlichen Chromosomen. Tritt dagegen Crossing-over zwischen den beiden Genloci ein, so sind die gebildeten Gameten in Bezug auf diese beiden Genloci rekombinant. Der zytologische Vorgang (1) spiegelt sich im genetischen Ergebnis wider (2). Für zwei auf demselben Chromosom benachbart liegende Genloci A und B gibt es zwei Möglichkeiten des genetischen Ergebnisses: Nicht rekombinant (Gameten entsprechen dem elterlichen Genotyp) und rekombinant (neue Kombination). Die beiden Möglichkeiten können allerdings nur dann unterschieden werden, wenn der elterliche Genotyp heterozygot ist (Aa bzw. Bb).
autosomal dominante Mutation dar, der zu einem bestimmten Phänotyp führt, z. B. einer autosomal dominant erblichen Krankheit. Betroffen sind der Vater und drei Kinder (rote Symbole im Stammbaum). Der andere Locus (A) ist ein benachbarter Markerlocus. Alle drei Erkrankten haben vom Vater sowohl das mutante Allel B als auch das Markerallel A geerbt. Die drei nicht erkrankten Individuen haben vom Vater das normale Allel b und das Markerallel a geerbt. Das väterliche Allel a zeigt die Abwesenheit der Mutation (Allel B). Es ist keine Rekombination eingetreten (1). In Situation 2 ist bei zwei Individuen (markiert) Rekombination aufgetreten. Dadurch hat ein erkranktes Individuum vom Vater die Allele a und B geerbt, anstatt A und B. Ein nicht erkranktes Individuum hat das Allel A und das Allel b geerbt. Voraussetzung für die Unterscheidung der väterlichen Genotypen ist Heterozygotie an den Loci beim Vater. Im vorliegenden Fall liegen die beiden Allele A und b auf dem einen und die Allele a und B auf dem anderen väterlichen Chromosom (in cis-Position). Es wäre auch möglich, dass beim Vater das Allel A auf dem einen und das Allel B auf dem anderen Chromosom liegt (in trans-Position). Diese beiden Möglichkeiten stellen zwei verschiedene Kopplungsphasen dar. Die Erkennung von Rekombination gegenüber Nicht-Rekombination setzt die Kenntnis der elterlichen Kopplungsphase voraus.
Anwendung in der Diagnostik Segregationsanalyse gekoppelter Gene wird in der genetischen Diagnostik verwendet um Aufschluss über die mögliche An- oder Abwesenheit einer Mutation zu erhalten, die direkt nicht nachgewiesen werden kann (indirekte DNA-Diagnostik). Man vergleicht innerhalb einer Familie die Genotypen der Erkrankten mit denen der nicht Erkrankten wie in Teil B gezeigt. Voraussetzung ist allerdings eine korrekte Zuordnung des Phänotyps (Krankheit) zum untersuchten Genlocus. Dies kann in der Praxis schwierig oder unmöglich sein (vgl. S. 390).
B. Kopplung eines Krankheitslocus mit einem Markerlocus Gezeigt wird die Segregation von zwei gekoppelten Genloci in einer Familie. Es gibt zwei Möglichkeiten: 1. Keine Rekombination und 2. Rekombination. Der eine Locus (B) stellt eine
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Kopplung und Rekombination
1. Cytologischer Vorgang Elterliche Chromosomen
2. Genetisches Ergebnis
A
Elterlicher Genotyp (heterozygot Aa und Bb)
B
a
b
A
a
Locus A
B
b
Locus B
Meiose ohne Crossing-over
neue DNAmit Crossing-over
A
B
A
B
a
b
a
b
Meiose
A
a
A
a
B
b
b
B
Gameten Gameten 1 2
A
B
a
b
3
A
b
a
B
4
nicht rekombinant
rekombinant (neu)
nicht rekombinant (entspricht dem elterlichen Genotyp)
rekombinant
A. Rekombination durch Crossing-over 1. Keine Rekombination Markerlocus A
a
A
A
Krankheitslocus B
b
b
b
a
A
A
A
a
A
a
A
A
A
A
A
b
b
B
b
b
b
b
b
B
b
B
b
2. Mit Rekombination Markerlocus A Krankheitslocus
B
a
A
A
b
b
b
a
A
A
A
a
A
A
A
a
A
A
A
b
b
B
b
b
b
b
b
B
b
B
b
rekombinant
B. Kopplung eines Genlocus mit autosomal dominanter Mutation (B) B. mit Markerlocus (A)
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128
Formale Genetik
Genetische Entfernung von zwei Genloci Je näher zwei Genloci auf demselben Chromosom benachbart liegen, desto häufiger werden sie gemeinsam vererbt (genetische Kopplung), und je weiter sie auseinander liegen, desto häufiger werden sie durch Rekombination getrennt. Dabei beträgt der Höchstwert beobachtbarer Rekombination 50% (0,5). Dies entspricht der erwarteten Häufigkeit infolge getrennter Vererbung auf verschiedenen Chromosomen. Zwischen sehr weit auseinander liegenden Genloci auf demselben Chromosomen tritt deshalb praktisch immer Rekombination ein. Für näher beieinander liegende Genloci spiegelt die Rekombinationshäufigkeit die relative Entfernung der Loci wider. Die relative Entfernung zweier Genloci kann deshalb durch die genetische Rekombinationshäufigkeit angegeben werden (im Gegensatz zur physikalischen Entfernung, die durch die Anzahl der dazwischen liegenden DNA-Basenpaare angegeben wird, vgl. S. 224). Syntänie (J. H. Renwick, 1971) bezeichnet die Lokalisation von Genloci auf demselben Chromosom ohne Aussage über Kopplung. Der Ausdruck Syntänie bezieht also ausdrücklich auch weit entfernt liegende, nicht gekoppelte Loci auf demselben Chromosom ein.
A. Rekombinationshäufigkeit als Ausdruck der Entfernung von zwei Loci Zwei benachbarte Genloci A und B können bei den Nachkommen rekombinant und nicht-rekombinant auftreten (vgl. S. 124). Ist einer der Eltern heterozygot an zwei gekoppelten Loci mit den Allelen Aa und Bb, so kann bei den Nachkommen durch Rekombination Homozygotie für Locus A (1) bzw. für Locus B (2) entstehen. Die beobachtete Rekombinationshäufigkeit zwischen Locus A und Locus B (3%) entspricht ihrer Entfernung. Man sagt, dass diese beiden Loci 0.03 Rekombinationseinheiten (3 cM) entfernt sind. Eine Rekombinationseinheit ist ein Centi-Morgan (cM). Eine Rekombinationshäufigkeit von 1% (0.01) entspricht 1 cM. Die Bezeichnung Morgan geht auf den amerikanischen Genetiker zurück, der 1911 erstmals Rekombination und Kopplung bei Drosophila beschrieben hat. Seinerzeit war die Beobachtung von Kopplung und Rekombina-
tion ein wesentliches Argument dafür, dass Gene linear entlang der Chromosomen angeordnet sind.
B. Ermittlung der relativen Entfernung und Reihenfolge von drei Genloci durch Feststellung der Rekombinationshäufigkeit Nicht nur die relative Entfernung, sondern auch die Reihenfolge von Genloci kann durch Vergleich ihrer Rekombinationshäufigkeiten ermittelt werden. Im vorliegenden Beispiel soll die Reihenfolge von drei Genloci A, B, und C unbekannter Entfernung ermittelt von jeweils zwei Genloci (Locus A von Locus B, Locus B von Locus C, Locus A von Locus C) feststellen (1). In der experimentellen Genetik verwendet man dafür bestimmte Kreuzungsversuche. Als Testkreuzungen eignen sich verschiedene elterliche Genotypen. Es wird jeweils ein homozygoter elterlicher Genotyp mit einem anderen gekreuzt. Die beobachteten Rekombinationshäufigkeiten (2) geben die relativen Entfernungen der drei Loci untereinander an. Im vorliegenden Beispiel beträgt die Entfernung von Locus A zu Locus C 0.08 (8%), die Entfernung von Locus B und Locus C 0.23 (23%) und die Entfernung zwischen A und B 0.31 (31%). Daraus ergibt sich mit der Entfernung 0.08 zwischen A und C sowie 0.23 zwischen C und B die Reihenfolge AC-B (3). Diese Art der indirekten Feststellung der Reihenfolge von Genloci in der klassischen experimentellen Genetik wird heute durch direkte Methoden der rekombinanten DNA-Technik ersetzt.
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129
Genetische Entfernung von zwei Genloci
Eltern
1
2
A
A
A
a
B
B
B
b
Nachkommen 1 A B
2 A
A B
b
3%
3 A
a
A
a
B
B
b
B
b
A
rekombinant
4
a
97%
B
nicht rekombinant
3%
(0.03
Die Rekombinationshäufigkeit der Loci A und B (3%) entspricht ihrer Entfernung A. Rekombinationshäufigkeit als Ausdruck der Entfernung zweier Loci
1. Genloci A, B, C unbekannter Entfernung A
B
C
2. Testkreuzungen homozygoter elterlicher Genotypen ab
AB AB
Ab
bA
AC ab
AC
31% rekombinant
Ac
ac aC
bc
BC ac
BC
Bc
cB
bc
23% rekombinant
8% rekombinant
3. Relative Entfernung
A
0.08
0.23
C 0.31
B. Ermittlung der relativen Entfernung und Reihenfolge von drei Genloci durch B. Feststellung der Rekombinationshäufigkeit
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B
130
Formale Genetik
Segregationsanalyse mittels genetischer Marker Individuelle Unterschiede in der Sequenz der DNA-Nukleotidbasen (DNA-Polymorphismen, vgl. S. 74) können als genetische Marker dienen, um indirekt Informationen über die An- oder Abwesenheit einer krankheitsauslösenden Mutation zu erhalten. Eine Voraussetzung ist, dass der Krankheitslocus und der Markerlocus nahe genug beieinander liegen (d. h. gekoppelt sind). Die auf demselben Chromosomenabschnitt liegenden Allele mehrerer Markerloci werden als Haplotyp bezeichnet. Im Folgenden werden Beispiele für eine Analyse eines Markerlocus mit zwei Allelen (1 und 2) in einer Familie bei erkrankten und nicht erkrankten Eltern und Geschwistern bei den drei Erbgängen vorgestellt. Dabei wird die Möglichkeit einer Rekombination berücksichtigt, um zu demonstrieren, dass der ermittelte Genotyp am Markerlocus nur dann richtig interpretiert werden kann, wenn keine Rekombination stattgefunden hat. Die schematischen Zeichnungen repräsentieren die Verteilung von zwei Allelen am Markerlocus durch ein elektrophoretisches Muster. Tatsächlich kann die Markeranalyse auch ohne Elektrophorese mittels PCR-Produkten (Untersuchung mittels PolymerasekettenReaktion, vgl. S. 68) durchgeführt werden. Außerdem haben genetische Marker wie Mikrosatelliten (vgl. S. 74) meist etwa 4–8 Allele pro Locus, so dass Heterozygotie der Regelfall ist.
A. Autosomal dominant Oben ist der Stammbaum, darunter ein Schema des Southern-Blot des darüber befindlichen Individuums. In dem Stammbaum ohne Rekombination (1) sind die Mutter (Individuum 2) und zwei Kinder (Individuum 4 und 5) erkrankt. Die Mutter ist heterozygot für zwei Allele 1 und 2. Der Vater ist homozygot für das Allelel 2. Alle Erkrankten in diesem Stammbaum haben das Allel 1, alle nicht-erkrankten Individuen nicht. Allel 1 muss die Mutation tragen. In Familie 2 hat Rekombination stattgefunden (2). Der erkrankte Vater (Individuum 1) ist heterozygot ebenso wie das erkrankte Kind (Individuum 4). Jedoch hat ein nicht erkranktes Kind (Individuum 5) das Allel 1. Es muss deshalb eine Rekombination eingetreten sein. Die Häufigkeit von Rekombination entspricht der Häufigkeit einer falschen Zuordnung.
B. Autosomal rezessiv Die beiden erkrankten Individuen im Stammbaum links (Individuum 4 und Individuum 7) haben von beiden Eltern ein Allel 1 geerbt. Zwei der nicht erkrankten Geschwister (Individuum 5 und Individuum 6) haben ein von der Mutter stammendes Allel 2. Da dieses Allel bei den Erkrankten nicht vorkommt, kann es nicht die Mutation tragen. Das mütterliche Allel 1 muss die Mutation anzeigen. In dem auf der rechten Seite gezeigten Stammbaum sind beide Eltern heterozygot (1–2). Die beiden erkrankten Kinder (3 und 5) sind homozygot. Es findet sich eine Rekombination bei Individuum 6. Dieses Kind ist nicht erkrankt, obwohl es homozygot für Allel 2 ist, wie die beiden erkrankten Geschwister (Individuum 3 und Individuum 5).
C. X-chromosomal Die weiblichen Individuen 2 und 6 müssen heterozygot (obligat heterozygot) für die Mutation sein. Drei erkrankte männliche Individuen (5, 8, 10) sind hemizygot für Allel 1. Dieses Allel repräsentiert also die Mutation. Alle nicht erkrankten männlichen Individuen sind hemizygot für Allel 2. Allerdings muss bei Individuum 13 eine Rekombination eingetreten sein. Individuum 9 ist homozygot für Allel 2. Deshalb ist sie nicht heterozygot für die Mutation. Individuum 12 ist heterozygot, also Trägerin der Mutation. Die hier im Schema gezeigten Beispiele sind typisch für das Vorgehen bei der indirekten DNADiagnostik von genetisch bedingten Krankheiten. Beaudet, A. L.: Genetics and disease, pp. 365–394. In: Harrison’s Principles of Internal Medicine. 14th ed. A. S. Fauci, et al., eds. McGraw-Hill, New York, 1998. Harper, P. S.: Practical Genetic Counselling. 5th ed. Butterworth-Heinemann, London, 1998. Korf, B.: Molecular diagnosis. New Eng. J. Med. 332: 1218–1220 and 1499–1502, 1995. Muller, R. F., Young, I. D.: Emery’s Elements of Medical Genetics. 10th ed. Harcourt Brace-Churchill Livingstone, Edinburgh, 1998. Richards, C. S., Ward, P. A.: Molecular diagnostic testing. pp. 83–88. In: Principle of Molecular Medicine. J. L. Jameson, ed. Humana Press, Totowa, New Jersey, 1998.
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131
Segregationsanalyse mittels genetischer Marker 1. Keine Rekombination 1
2
3
2. Mit Rekombination
4
5
6
7
8
1
2
3
1-2
1-1
4
5
6
1-2
1-1
Allel 1 2
2-2
1-2
2-2
1-2
1-2
2-2
2-2
2-2
1-1 1-2
rekombinant
A. Autosomal dominant 1
2
3
4
5
6
7
1
2
3
4
5
6
7
Allel 1 2
1-1 1-2 1-2 1-1 B. Autosomal recessiv 1
1-2 1-2
1-1
1-2
1-2 2-2
1-1
2-2 2-2 1-2 rekombinant
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
1-2
2-2
2
1
1-2
2
1
2-2
1
2
1-2
Allel 1 2
2
2
rekombinant
C. X-chromosomal
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132
Formale Genetik
Kopplungsanalyse Kopplungsanalyse ist ein Test, um festzustellen, ob zwei oder mehr Genloci nahe beieinander auf demselben Chromosom (DNA-Abschnitt) liegen (d. h. gekoppelt sind). Zur Durchführung benötigt man Daten über die untersuchten Loci von einer möglichst großen Anzahl von Familien (Eltern und Kinder, möglichst auch Großeltern und Geschwister). Dabei muss man feststellen, wie häufig Rekombination eingetreten ist und wie häufig nicht. Daraus kann man die Rekombinationshäufigkeit (Rekombinationsfraktion) feststellen. Die Durchführung einer Kopplungsanalyse ist ein statistisches Verfahren für die Ermittlung der Wahrscheinlichkeit, dass die beobachteten Zahlen tatsächlich durch Kopplung erklärt werden können und nicht durch zufälliges Abweichen vom Vererbungsmuster vorgetäuscht sind. Dafür stehen zahlreiche, komplexe, computergestützte Methoden zur Verfügung (s. Literaturhinweise). Drei grundsätzliche Situationen kommen häufig vor: (i) Kopplungsanalyse von zwei Loci, z. B. ein Krankheitslocus und ein Markerlocus, (ii) Kopplungsanalyse mehrerer Loci (MultilocusAnalyse), (iii) Kopplungsanalyse für das gesamte Genom (Genom Scan) mittels einer Vielzahl von polymorphen DNA-Markern (Mikrosatelliten), die über alle Chromosomen in ausreichender Dichte verteilt sind. Die durch genetische Kopplung ermittelte Entfernung von Genloci (genetische Distanz) wird in CentiMorgan ausgedrückt (cM, benannt nach Thomas H. Morgan, dem Begründer der Genetik durch Untersuchung der Taufliege Drosophila melanogaster). Ein von Wert 1.0 cM entspricht einer Rekombinationshäufigkeit von 0.01%.
A. LOD Scores Kopplung von zwei Genloci wird angenommen, wenn die Wahrscheinlichkeit von Kopplung gegenüber Nicht-Kopplung 1000fach größer ist. Dies entspricht einem Verhältnis von 1000:1 (103 :1). Als Logarithmus ausgedrückt beträgt dies 3.0. Diese Zahl wird als LOD score bezeichnet (abgeleitet aus engl. Logarithm of the Odds). Odds bezeichnet beim Wetten das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit zu gewinnen gegenüber nicht zu gewinnen. Für die Ermittlung des LOD Score wird auf Kopplung bei verschiedenen Rekombinationsfraktionen (Häu-
figkeiten) geprüft, z. B. bei X 0.05 (kleiner als 0,5% Rekombinationshäufigkeit), bei 0.05, bei 0.10 (10%) etc. Ab 0.50 liegen die Loci entweder auf verschiedenen Chromosomen oder so weit auseinander, dass sie regelmäßig durch Rekombination getrennt werden. Die Tabelle in A zeigt (vereinfacht) die LOD Score bei Rekombinationsfraktionen von weniger als 0.05 (Zeile a), bei 0.15 (b und c), sowie bei 0.20 (d). Ein LOD Score von 3 wird nur in Zeile a ( X 0.05 Rekombinationshäufigkeit, d. h. hohe Wahrscheinlichkeit für enge Kopplung) und Zeile b erreicht (bei 0.15 nicht enge Kopplung), während in Zeile c und d nur ein maximaler LOD Score von 1.6 bzw. 0.3 erreicht wird. Hier wird Kopplung nicht angenommen. (Tatsächlich werden LOD Scoren viel genauer berechnet als hier dargestellt und ein maximaler LOD Score von 3.0 wird nur als Ausnahme von Kopplung betrachtet).
B. LOD-Score-Kurven für verschiedene Rekombinationsfraktionen Das Diagramm zeigt (vereinfacht) die Verteilung der LOD Scores bei verschiedenen Rekombinationsfraktionen (Häufigkeiten) der in der Tabelle in Feld A oben enthaltenen Werte.
C. Multilocus-Analyse Infolge der Verfügbarkeit von zahlreichen polymorphen DNA-Markern werden meistens zahlreiche Loci gegeneinander auf Kopplung geprüft werden können (Multilocus-Analyse). Dabei kann Information über die Anordnung (Reihenfolge) der Loci gewonnen werden (ausgedrückt als Lokalisations-Score). Hier wird das Ergebnis für einen bisher unbekannten Locus im Vergleich zu vier Markerloci A, B und C, und D gezeigt. Jeder Gipfel spiegelt Kopplung wider. Der unbekannte Locus hat einen Gipfel zwischen B und C. Dies zeigt, dass der unbekannte Locus wahrscheinlich zwischen den Markerloci B und C liegt. (Abbildungen modifiziert nach Emery, 1986). Byerley, W. F.: Genetic linkage revisited. Nature 340: 340–341, 1989. Emery, A. E. H.: Methodology in Medical Genetics. 2nd ed. Churchill Livingstone, Edinburgh, 1986. Ott, J.: Analysis of Human Genetic Linkage. Johns Hopkins University Press, Baltimore, 1991. Terwilliger, J., Ott, J.: Handbook for Human Genetic Linkage. Johns Hopkins University Press. Baltimore, 1994.
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Kopplungsanalyse
133
Rekombinationsfraktion
a
<0.05
0.05
0.10
0.15
0.20
0.30
3
0.7
0.3
0.2
0.01
0
0
0.1
3
0.2
0
0.2
0.7
1.6
1.0
0
0
0.1
0.2
0.3
0.2
b c
0
d
0.35
0.40
0.45
0.1
0.1
0
0.50
A. LOD Scores
3.0
LOD Score
2.5
2.0
b
a
1.5
1.0
c 0.5
d 0.05
0.10
0.15
0.20 0.25 0.30 Rekombinationsfraktion
0.35
0.40
0.45
B. LOD Score Kurven für verschiedene Rekombinationsfraktionen
Lokalisations-Score
30 20 10 0 -10 -15
Markerloci
C. Multilocus Analyse
A
B
C
D
wahrscheinliche Lage des unbekannten Locus
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0.50
134
Formale Genetik
Quantitative Unterschiede genetischer Merkmale Viele genetisch bedingte Merkmale sind nur quantitativ fassbar (z, B. durch ein Messergebnis, das sich nicht sehr von anderen unterscheidet), nicht durch eindeutige qualitative Definition. Die auch ihnen zugrunde liegenden genetischen Gesetzmäßigkeiten sind nicht als Mendelsche Erbgänge erkennbar. Dazu gehören beim Menschen unter anderem Körperhöhe, Augen-, Haut- und Haarfarbe, Verhaltensmuster, Lernfähigkeit, Blutdruck oder eine Neigung zu bestimmten Krankheiten etc. Auch bei Tieren und Pflanzen treten quantitativ definierbare genetisch bedingte Merkmale auf. Der englische Genetiker Francis Galton (1822–1911) führte 1883 für den Versuch einer genetischen Analyse komplexer, quantitativ definierter Merkmale den Begriff „Quantitative Genetik“ ein. Der Genetiker und Mathematiker R. A. Fisher und andere führten ab 1918 neue Methoden zur Analyse in der quantitativen Genetik ein. Hier werden einige Prinzipien der Erfassung quantitativ determinierter Merkmale abgeleitet.
A. Länge der Sprossachse bei Nicotiana longiflora nach Kreuzung unterschiedlicher Elternpflanzen Die Länge der Sprossachse der Tabakpflanze (Nicotiniana longiflora) ist quantitativ genetisch bedingt. Dies wurde bewiesen, indem man Pflanzen der Elterngeneration (P) mit einer durchschnittlichen Länge der Sprossachse von 40 cm (links im Bild oben) mit Pflanzen von durchschnittlich 90 cm Sprossachse (oben rechts) kreuzt. In der nächsten Generation (F1) zeigen die Pflanzen eine Verteilung der Sprosslänge, die länger als die bei den Eltern mit kurzer Sprossachse, aber kürzer als die der Eltern mit langer Sprossachse sind. Nach einer weiteren Generation (F2) ist die Sprossachsenlänge breiter nach kurz und lang verteilt als in der vorhergesehenen F1-Generation. Züchtet man Pflanzen der F2-Generation mit kurzer mittlerer und langer Sprossachse, so entstehen in der darauf folgenden Generation (F3) drei unterschiedliche Verteilungen der Länge: kurz 40–60 cm, mittlere Länge (50–70 cm) und lang (70–85 cm). Dies lässt sich durch eine unterschiedliche Verteilung einer nicht bekannten Anzahl von Genen erklären, durch welche die
Länge determiniert wird. (Abbildung modifiziert nach Ayala & Kieger, 1984).
B. Häufigkeitsverteilung in der F2Generation bei unterschiedlicher Anzahl von beteiligten Genloci Die in Tafelteil A gezeigten Beobachtungen werden verständlich, wenn man sie auf die mutmaßliche Anzahl beteiligter Genloci bezieht. An einem einzigen Genlocus wäre die Situation einfach, wenn man der Elterngeneration (P) nur ein Genpaar (zwei verschiedene Allele A und a) unterstellt, die jeweils homozygot aa und AA vorliegen. Dies kann man jedoch ausschließen, weil weder die F1-Generation aus einem einzigen Typ Aa noch die F2-Generation aus drei Typen (im Verhältnis 1:2:1 verteilt) besteht, sondern einer Verteilung entsprechen. Nimmt man zwei Genpaare (zwei Genloci mit je zwei Allelen) an, aabb und AABB, so würden in der F2-Generation immerhin fünf Typen resultieren. Bei drei Genpaaren (drei Loci mit Homozygotie aabbcc und AABBCC) würden in der F2-Generation sieben Typen zu erwarten sein. Dies würde sich der beobachteten Verteilung nähern. Bei beliebig vielen Loci wäre im Wesentlichen eine Verteilung mit nur minimalen Unterschieden feststellbar. Ein Genlocus, der zu einem quantitativ fassbaren Merkmal beiträgt (engl. Trait, ein beobachtbarer Teil eines Phänotyps), wird als QTL bezeichnet (Quantitative Trait Locus). Die Analyse von QTLs hat große Bedeutung für die Analyse komplexer Krankheiten, z. B. des Herzkreislauf, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, psychiatrische Erkrankungen, genetische Grundlagen von Verhaltensweisen, kognitive und intellektuelle Fähigkeiten etc. Ayala, F. J., Kiger, J. A.: Modern Genetics 2nd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1984. Burns, G. W., Bottinger, P. J.: The Science of Genetics. 6th ed. Macmillan Publ. Co., New York – London, 1989. Griffiths, A. J. F., et al.: An Introduction to Genetic Analysis, 5th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 2000. King, R., Rotter, J., Motulski, A. G., eds.: The Genetic Basis of Common Disorders. 2nd ed. Oxford Univ. Press, Oxford 2002. Vogel, F., Motulsky, A. G.: Human Genetics and Approaches. 3rd ed. Springer Verlag, Heidelberg – New York, 1997.
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135
Quantitative Unterschiede genetischer Merkmale 30
40
60
50
70
80
100
90
70
Anteil in %
60
Elterngeneration (P)
50 40 30 20
Länge des Sprosses
ca. 40 mm
10
ca. 90 mm
F1-Generation
F2-Generation
F3-Generation Eltern (Durchschnitt)
Eltern kurz
Eltern lang
A. Länge der Sprossachse bei Nicotiana longiflora nach der Kreuzung unterschiedlicher Elternpflanzen Anzahl Genpaare
1 aa
2 AA
3
aabb
AABB
aabbcc
4 AABBCC
aa.....
AA....
P
Aa
AaBb
AaBbCc
6 16
20 15 64 15 64 64 6 6 64 1 1 64 64 64
Aa....
F1
2 4
F2 ohne Umweltvariation
1 4
1 4
1 16
4 16
4 16 1 16
F2 mit Umweltvariation
B. Häufigkeitsverteilung in der F2-Generation bei unterschiedlicher Anzahl von Genloci
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136
Formale Genetik
Normalverteilung und multifaktorielles Schwellenwertmodell Quantitativ definierte genetische Merkmale treten in der Tier- und Pflanzenwelt weit verbreitet auf. Ihre Analyse, vor allem in Hinblick auf Erkrankungen beim Menschen, erfordert ein breitgefächertes Repertoire computergestützter statistischer Methoden. Hier kann nur ein vereinfachter Teilaspekt zur Verdeutlichung einiger Grundprinzipien dargestellt werden.
A. Normalverteilung eines quantitativen Merkmals Wenn man die quantitativ gewonnenen Daten aus einer Population (z. B. Körperhöhe oder Blutdruck) in einem Diagramm in der Abszisse (X-Achse) und die beobachtete Anzahl in der Ordinate (Y-Achse) aufträgt, so entspricht in der Regel die aus der Verteilung der Häufigkeiten resultierende Kurve der Form einer Gaussschen Glockenkurve (Normalverteilung). Sie kann durch den Mittelwert x¯ in zwei Hälften a und b geteilt werden (1). Berücksichtigt man eine Standardabweichung (s) nach links (–1s) und eine nach rechts (+1s), so erhält man zwei weitere Flächen, c auf der linken Seite und d auf der rechten Seite. Die Felder a und b umfassen je 34, 13% der Gesamtfläche unter der Kurve (2). Bei drei Standardabweichungen (2s und 3s) entstehen außen zwei weitere Felder, e und f (3). Die zugrunde liegenden statistischen Grundlagen sind im rechten Feld von Tafelteil A dargestellt (nach Burns & Bottino, 1989, Seite 372ff.). Der Mittelwert (x) ¯ ergibt sich aus dem Quotient der Summe der individuellen Einzelmessungen ( Ł x) und der Anzahl der Individuen (n) (Formel 1). Zahlreiche Einzelmessungen ergeben die Summe der Häufigkeiten fx( Ł fx) in Formel 2. Die Varianz der Population ( * 2) ist ein Ausdruck der Variabilität (Formel 3). Sie ist definiert als das Quadrat der Summe ( Ł ) aller individuellen Einzelmessungen (x) minus des Durchschnittswertes der Population ( ? ), geteilt durch die Anzahl der Individuen (N) (Formel 3). Da es sich jedoch häufig um Stichproben aus einer Population handelt, können Mittelwert und die Gesamtzahl der Individuen meistens nicht direkt ermittelt werden. Statt Einzelmessungen wird die Varianz der Stichprobe (S2) geschätzt (Formel 4). Dabei wird das Quadrat der Summe der individuellen Messungen (x) minus des
Mittelwertes (x) ¯ durch die Gesamtzahl der Messungen (n) geteilt. Da die Anzahl der unabhängigen Messungen als n –1 definiert ist, wird mit einem Korrekturfaktor (n/n –1) multipliziert. Daraus wird die Standardabweichung S ermittelt (Formel 6).
B. Multifaktorielles Schwellenwertmodell Man kann die Neigung (Suszeptibilität) zu einer bestimmten Krankheit mit einer kontinuierlichen Verteilung im Sinne der Gaussschen Normalverteilung interpretieren. Der Schwellenwert trennt die Population in Erkrankte und Nicht-Erkrankte (1). Bei Verwandten 1. Grades (Eltern und Geschwister) ist der Anteil der Erkrankten höher (2) als bei Verwandten 2. Grades (z. B. Cousins, 3). Allgemein ausgedrückt, ist die Krankheitsneigung bei Verwandten 1. Grades um die Hälfte des Mittelwertes verschoben, bei Verwandten 2. Grades um ein Viertel des Mittelwertes.
C. Unterschiedlicher Schwellenwert Bei einigen multifaktoriell bedingten Erkrankungen sind das männliche und das weibliche Geschlecht unterschiedlich häufig betroffen. Sind beispielsweise weibliche Individuen in der Bevölkerung seltener betroffen (1), so kann sich der Anteil erkrankter Verwandter unterscheiden, je nachdem, ob es sich um Verwandte (1. Grades) eines männlichen Patienten (bezeichnet als Proband, 2) oder eines weiblichen Probanden (3) handelt. Wenn der Anteil erkrankter Verwandter eines weiblichen Probanden größer ist (3) als der eines männlichen Probanden (2), so wird diese zunächst paradox erscheinende Beobachtung als Hinweis interpretiert, dass für die Manifestation der Erkrankung bei weiblichen Individuen (die in der Bevölkerung seltener betroffen sind), ein höherer Anteil krankheitsrelevanter genetischer Faktoren vorliegt als in dem seltener betroffenen. Dies wird auch als Carter-Effekt bezeichnet, nach dem englischen Humangenetiker Cedric O. Carter benannt, der dies 1962 beschrieben hat. Burns, G. W., Bottino, P. J.: The Science of Genetics. 6th ed. Macmillan Publishing Co., New York, 1989. Falconer, D. S.: Introduction to Quantitative Genetics. 2nd ed., Longman, London, 1981. Vogel, F., Motulsky, A. G.: Human Genetics-Problems and Approaches. 3nd ed. Springer Verlag, Heidelberg – New York, 1997.
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137
Normalverteilung und multifaktorielles Schwellenwertmodell
1. a
1
x =
∑x n
2
x =
∑fx n
3
σ2 =
∑ (x - µ)2 N
(Varianz)
4
s2 =
∑ (x - x)2 n
n n-1
5
s2 =
∑ (x - x )2 (n - 1)
6
s =
∑f (x - x )2 n-1
b x
2 c
a
b
-1s
d +1s
3 e
c
a
-3s -2s -1s
b
d
f
x +1s +2s +3s
(Durchschnitt)
(Standardabweichung)
A. Normalverteilung der Häufigkeit eines Merkmals
Häufigkeit
Schwellenwert Anteil erkrankter Individuen
1 Häufigkeit
1
Krankheitsneigung
2
Bevölkerung
Krankheitsneigung
2
Bevölkerung
Verwandte ersten Grades eines männlichen Probanden
Verwandte ersten Grades 1/2 x
3
3
Bevölkerung
Verwandte ersten Grades eines weiblichen Probanden
Verwandte zweiten Grades 1/4 x X
B. Multifaktorielles Schwellenwertmodell
C. Unterschiedlicher Schwellenwert
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138
Formale Genetik
Verteilung von Genen in einer Population Eine Population kann durch die Verteilung von Genen, d. h. die Häufigkeit von Allelen an verschiedenen Genloci definiert werden. Das Gebiet der Populationsgenetik beschäftigt sich mit den Gesetzmäßigkeiten und den Faktoren, welche die Häufigkeit von Allelen verändern bzw. aufrechterhalten.
A. Erwartete Häufigkeit von Genotypen bei den Kindern von Eltern mit verschiedenen Paarungstypen Wie auf S. 122 gezeigt, sind bei einem Genlocus mit zwei Allelen (ein dominant erbliches Allel A und ein rezessiv erbliches Allel a) sechs Paarungstypen möglich (1–6). Wenn einer der Eltern homozygot und einer der Eltern heterozygot ist, wie in den Paarungstypen 2 und 4, resultiert eine 1:1 Verteilung der Genotypen bei den Nachkommen (Genotypen 0.5 AA und 0.5 Aa). Sind beide Eltern heterozygot (Paarungstyp 3), so treten bei ihren Kindern drei Genotypen im Verhältnis 1:2:1 auf (0.5 AA, 0.5 Aa und 0.5 aa). Bei den Paarungstypen 1, 5 und 6 tritt bei den Kindern ein einziger Genotyp auf.
B. Allelen-Häufigkeit Die Häufigkeit (Frequenz), mit der ein Allel in einer Population an einem gegebenen Genlocus vertreten ist, bezeichnet man als Allelen-Häufigkeit (auch Genfrequenz genannt). Gibt es für einen Genlocus zwei mögliche Allele A und a, so können folgende Genotypen auftreten: AA, oder Aa, oder aa. Die Häufigkeit, mit der eine dieser Konstellationen (AA bzw. aa homozygot oder Aa heterozygot) auftritt, hängt von der Häufigkeit der beiden Allele in der Bevölkerung ab. Die Häufigkeit des einen Allels, z. B. A, wird als p bezeichnet, die des anderen, z. B. a als q. Die Häufigkeit der beiden Allele zusammen ist 100% (oder als 1.0 ausgedrückt). Dementsprechend gilt p + q = 1. Beträgt beispielsweise die Häufigkeit p des Allels A 0.6 (60%), so ist die Häufigkeit q des Allels a 0.4 (40%). Daraus ergibt sich eine Häufigkeit der Genotypen von 0.36 für AA, 2×0.24 (= 0.48) Aa und 0.16 für aa (2). Da an jedem Genlocus nur zwei Möglichkeiten gegeben sind, nämlich AA oder Aa oder aa, ergibt sich für die Häufigkeit der beiden Allele in einer Population eine einfache Binomialbeziehung: (p + q)2= 1.
Der Ausdruck p2 entspricht der Häufigkeit der Genotypen AA, der Ausdruck 2pq entspricht der Häufigkeit Heterozygoten Aa und q2 sind die Homozygoten aa. Aus der Kenntnis der Häufigkeit eines der Genotypen kann man auf die Allelen-Häufigkeit schließen. Kennt man nur die Homozygoten an (z. B. weil sie durch eine autosomal rezessiv erbliche Krankheit beobachtbar sind), so würde q2 der Krankheitshäufigkeit entsprechen. Aus p = 1–q lässt sich die Häufigkeit der Heterozygoten (2pq) und der homozygot Normalen (p2) ermitteln. Anwendung in der genetischen Beratung. Dies kann in der genetischen Beratung angewendet werden, wenn das Risiko für eigene Kinder für nicht erkrankte Geschwister eines Patienten ermittelt werden soll, bei dem eine autosomal rezessiv erbliche Erkrankung vorliegt (der Patient ist homozygot aa für ein mutantes Allel a). Die Wahrscheinlichkeit, selbst heterozygot (Aa) zu sein, beträgt 2⁄3 (66,66% oder 0.66). Dieses ist abgeleitet aus der Tatsache, nicht selbst erkrankt zu sein, so dass die Mendelsche Segregation 1:2:1 (vgl. S. 142) auf 1:2 reduziert wird (2⁄3 Aa heterozygot, 1⁄3 AA homozygot normal, da aa homozygot entfällt). Das Risiko, einen heterozygoten Partner (Aa) zu treffen, hängt von der Häufigkeit q des mutanten Allels a in der Population ab. Dies kann in der Beziehung p2+ 2pq + q2 aus der Krankheitshäufigkeit q2 abgeleitet werden (2pq entspricht den Heterozygoten Aa, p2 den Homozygoten AA s. oben). Beträgt die Krankheitshäufigkeit z. B. einmal auf 10000 (1⁄10000), so wäre q 1⁄100. Demnach wäre p = 0.99 oder vereinfacht 1. Die Heterozygotenhäufigkeit leitet sich aus 2pq ab (2×1× 1⁄100) und wäre 1⁄50 (0,5%). Das statistische Risiko für ein erkranktes Kind wäre 2⁄3 × 1⁄50 × 1⁄4, d. h. 1⁄300 (0,33%). Dies wäre zwar deutlich höher als das Bevölkerungsrisiko von 1/10000 (0,01%), läge aber im Bereich des ohnehin bei allen anzunehmenden Risikos. Sofern ein genetischer Heterozygotentest existiert, würde man ihn meistens anwenden. Griffiths, A. J. F. et al.: Introduction to Genetic Analysis, 7th ed., Freeman & Co, New York, 2000. Harper, P. S.: Practical Genetic Counseling. 5th ed., Butterworth-Heinemann, Oxford, 1998. Mueller, R. F. & Young, I. D.: Emery’s Elements of Medical Genetics, 11th ed., Churchill-Livingstone, Edinburgh, 2001.
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Verteilung von Genen in einer Population
AA
1
Genotyp
AA AA
AA
Aa
AA
Aa
Aa
Aa
2
3 AA
Aa
Aa
bei den Eltern
bei den Nachkommen
AA und AA
1.0 AA
AA und Aa
0.50 AA 0.50 Aa
Aa und Aa
0.25 AA 0.50 Aa 0.25 aa
Aa und aa
0.50 Aa 0.50 aa
AA und aa
1.0 Aa
aa und aa
1.0 aa
aa
Aa
aa
4 Aa
aa
AA
aa
139
5 Aa aa
aa
6 aa
A. Erwartete Häufigkeit von Genotypen bei den Kindern von Eltern mit verschiedenen A. Paarungstypen Eltern
0.5 A
0.5 a
0.5 A
AA 0.2
Aa 0.25
0.5 a
Aa 0.25
aa 0.25
1
A = 0.60
a = 0.40
A 0.6
0.3 6
0.2 4
p
a 0.4
0.24 Aa
0.16 aa
q
2 Kinder p = 0.50 (Häufigkeit von A) q = 0.50 (Häufigkeit von a)
B. Allelen-Häufigkeit
q p p2 + 2 pq + q2 = 1 0.36 + 0.48 + 0.16 = 1.0 (AA) (Aa) (aa)
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Formale Genetik
Hardy-Weinberg-Äquilibrium Wenn ein Allel im homozygoten oder ggf. auch heterozygoten Zustand zu einer schweren Erkrankung führt, die durch Schwere und Zeitpunkt ihres Auftretens das betroffene Individuum an der Fortpflanzung hindert, entsteht ein selektiver Nachteil für dieses Individuum. Deshalb würde man annehmen, dass im Laufe der Zeit das mutante Allel aus der Population wieder verschwindet. Dies ist jedoch aufgrund bestimmter Gesetzmäßigkeiten nicht der Fall. Vielmehr kommt es zu einem Gleichgewicht der Häufigkeiten, deren Gesetzmäßigkeit und Bedingungen 1908 von dem englischen Mathematiker Hardy und dem Stuttgarter Arzt Weinberg erstmals geklärt wurden (Hardy-Weinberg-Äquilibriumsprinzip).
A. Die Allelen-Häufigkeit bleibt konstant (Hardy-Weinberg-Prinzip) Ein im homozygoten Zustand zu einer schweren Erkrankung führendes Allel (hier genannt Allel a) findet sich in einer Population überwiegend unentdeckbar im heterozygoten Zustand. Nur die Homozygoten (aa) fallen durch Erkrankung auf. Die Häufigkeit der drei Genotypen ergibt sich aus der Binomialbeziehung (p + q)2= 1, wobei p der Häufigkeit des Allels A und q der Häufigkeit des Allels a entspricht. Die in jeder Generation durch Erkrankung bei Homozygoten (aa) ausscheidenden Allele werden durch neue Mutation ersetzt. Zwischen dem Ausscheiden durch Krankheit und der Mutationshäufigkeit kommt es zu einem Gleichgewicht.
B. Einige die Allelen-Häufigkeit beeinflussende Faktoren Das Gleichgewichtsprinzip nach Hardy-Weinberg setzt voraus, dass die Population ausreichend groß ist und die möglichen Paarungstypen entsprechend der Häufigkeit der Allele vorkommen. Selektion für ein Allel (z. B. bei Heterozygoten gegenüber Homozygoten) führt zu einer Erhöhung der entsprechenden AllelenHäufigkeit. Die Häufigkeit eines Allels kann durch nicht zufällige Paarung verschoben werden. Treten bestimmte Paarungstypen bevorzugt auf (assortative Paarung), so kann es zu einer Verschiebung der Häufigkeit des entsprechenden Allels kommen. Das Hardy-WeinbergÄquilibriumsprinzip setzt deshalb zufällige Paarung (Panmixie) voraus.
In einer kleinen Population kann sich durch zufällige Fluktuation der Anteil der Genotypen verschieben (genetische Drift). Ein in einer Population nicht vorhandenes oder seltenes Allel kann durch Wanderung (Migration) in die Population eingeführt werden und sich anschließend bei Vergrößerung der Population ausbreiten (Gründereffekt). (Photographie-Ausschnitt aus „Coney Island, 1938, Photograph by Weegee“, hilma hilcox, Fotofolio).
Nach dem Hardy-Weinberg-Prinzip entspricht die Häufigkeit der Kombinationen von Allelen gekoppelter Loci ihrer individuellen Häufigkeit. Abweichend kann jedoch eine bestimmte Kombination bevorzugt auftreten, z. B. ein Krankheitslocus bevorzugt gekoppelt mit einem bestimmten Allel. Dies wird als Kopplungs-Ungleichgewicht (engl. Linkage disequilibrium) bezeichnet. (Zum Beispiel treten Mutationen am CF-Locus (Cystische Fibrose, vgl. S. 260) oder Hämoglobin-Mutationen (vgl. S. 326) bevorzugt assoziiert mit bestimmten Allelen von gekoppelten Marker-Loci auf (Haplotypen). Die bevorzugte Assoziation bestimmter Allele an gekoppelten Loci kann mehrere Gründe haben. Ein bei monogenen Krankheiten häufiger Grund ist Gründereffekt. Die ursprüngliche (ancestrale) Mutation ist in einem bestimmten Haplotyp aufgetreten, der zufällig in der Population vorkam, und danach aufgrund der engen Kopplung ohne Rekombination über viele Generationen vererbt worden. Cavalli-Sforza, L. L., Bodmer, W. F.: The Genetics of Human Populations. W. H. Freeman & Co., San Francisco, 1971. Cavalli-Sforza, L. L., Menozzi, P., Piazza, A.: The History and Geography of Human Genes. Princeton Univ. Press. Princeton, New Jersey, 1994. Eriksson, A. W., et al., eds.: Population Structure and Genetic Disorders. Academic Press, London, 1980. Jorde, L.: Linkage disequilibrium and the search for complex diseases. Genome Res. 10: 1435–1444, 2000. Kimura, M., Ohta, T.: Theoretical Aspects of Population Genetics. Princeton Univ. Press, Princeton, New Jersey, 1971. Kruglyak, L.: Prospects of whole-genome linkage disequilibrium mapping of common disease genes. Nature Genet. 22: 139–144, 1999. Terwilliger, J., Ott, J.: Handbook for Human Genetic Linkage. Johns Hopkins Univ. Press, Baltimore, 1994. Vogel, F., Motulsky, A. G.: Human Genetics. Problems and Approaches, 3rd ed. Springer Verlag, Heidelberg – New York, 1997.
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Hardy-Weinberg-Äquilibrium
Die aus einer Population
A
A
durch schwere Erkrankung bei Homozygoten aa
Aa
ausscheidenden Allele a a
a
werden durch neue Mutation ersetzt.
Aa
Es besteht ein Gleichgewicht.
neu durch Mutation scheiden aus durch Krankheit
aa Homozygote
Genotypen Homozygote AA Heterozygote Aa Homozygote aa
Häufigkeit p2 2pq q2
A. Konstante Allelen-Häufigkeit (Hardy-Weinberg-Äquilibrium)
Selektion für Heterozygote erhöht q
Nicht zufällige Paarung verschiebt Anteil p und q
Änderung der Mutationshäufigkeit erhöht q
Zufällige Fluktuation in einer kleinen Population verschiebt Anteil p und q
B. Einige die Allelen-Häufigkeit beeinflussende Faktoren
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Formale Genetik
Genetische Folgen von Blutsverwandtschaft Konsanguinität (elterliche Blutsverwandtschaft, „vom selben Blut“) erhöht für blutsverwandte Eltern im Vergleich zu nicht verwandten Eltern die Wahrscheinlichkeit, dass beide heterozygot für ein Allel sind, das vor einer bestimmten Anzahl von Generationen bei einem der gemeinsamen Vorfahren (Ancestor) vorgekommen ist. Diese bei jedem der Eltern vorhandenen Allele sind infolge ihrer gemeinsamen Herkunft identisch. Dies wird als Identität durch gemeinsame Herkunft bezeichnet (engl. Identity by descent, IBD).
A. Einfache Typen von Konsanguinität Der Verwandtschaftsgrad (engl. Coefficient of Relatedness, r) gibt an, wie viele Gene die beiden Eltern gemeinsam haben. Der höchst mögliche Verwandtschaftsgrad von r = 1⁄2 besteht bei einer in Geschwisterverbindung und einer Eltern-Kind-Verbindung (1). Dies wird als Inzest bezeichnet, resultiert in dem höchst möglichen Risiko und ist in allen menschlichen Gesellschaften geächtet und illegal. Die Wahrscheinlichkeit von Homozygotie für ein Allel durch IDB beträgt 1⁄4 (25% bzw. 0.25), weil nur je ein Generationsschritt erforderlich ist [(1⁄2)2]. Diese Wahrscheinlichkeit wird als Inzuchtkoeffizient, F, bezeichnet. Das gelbe Feld oben rechts zeigt den kurzen Weg von den beiden gemeinsamen Vorfahren, A und B, über die Geschwister als Eltern, C und D, zum Kind, E, ist. Es sind von A über C nach E nur zwei Schritte [(1⁄2)2= 1⁄4]. Auch von B über D nach E sind es nur zwei Schritte. Cousin und Cousine 1. Grades haben 1⁄8 ihrer Gene gemeinsam (r = 1⁄8), weil sie gemeinsame Großeltern haben (2). Das gelbe Feld rechts zeigt den Weg von den Großeltern, A und B, zu deren Kindern, C und D, zum Cousin, G, und der Cousine, H, und von G und H zu deren Kind, I. Von A über C und G nach I sind es drei Schritte [(1⁄2)3= 1⁄8], ebenso von A über D und H nach I entsprechend zusammen 1⁄64. Da aber der Weg auch von anderen Ancestor, B, ausgegangen sein kann, muss diese Möglichkeit durch Addition berücksichtigt werden. Das Gesamtrisiko erhöht sich deshalb auf 1⁄32 (1⁄64 + 1⁄64). Bei einer Onkel-Nichten-Verbindung (3) ist der Verwandtschaftsgrad r = 1⁄4. Zum Kind, G, gibt es vom Ancestor A nach G zwei Schritte über C
und drei Schritte über D und F, insgesamt fünf [(1⁄2)5= 1⁄32], ebenso von B nach G über C, sowie über D und F. Das Gesamtrisiko beträgt 1⁄16. Bei einer genetischen Beratung kann man folgende Zahlen für das Risiko für schwere Erkrankungen bei Kindern von blutsverwandten Eltern zugrundelegen: bei Inzest ca. 30%, Cousinen 1. Grades ca. 3%, Cousinen 2. Grades ca. 1% (Harper, 1998). Von Inzest abgesehen, ist demnach das absolute Risiko nicht als sehr hoch anzusehen, wenn man berücksichtigt, dass auch für ein Kind nicht verwandter Eltern ein Risiko von 0.5 bis 1% angenommen werden muss. In verschiedenen Bevölkerungen treten Heiraten von Cousine und Cousin 1. Grades unterschiedlich auf, in Europa und Nordamerika unter 1%. In einigen geographisch oder sozial isolierten Populationen kann der Anteil hoch sein, z. B. in bestimmten Gegenden einiger Länder wie Ägypten ca. 45%, Türkei 15%, Indien 11–24%, Japan 8% (Vogel & Motulsky, 1997).
B. Identität durch gemeinsame Herkunft (IBD) Die Probabilität (Wahrscheinlichkeit) von Homozygotie durch Abstammung von einem (oder mehreren) gemeinsamen Vorfahren wird ermittelt, indem man die Gesamtzahl der Schritte von der Generation eines Ancestors zu der Generation eines möglicherweise durch IBD homozygoten Individuum bestimmt. Betrachten wir von den vier möglichen Allelen an einem bestimmten Genlocus bei den Vorfahren (Großeltern von III und IV) und bezeichnen sie als A und B bei I, sowie C und D bei IV. Der Weg des Allels A von I zu III entspricht zwei Generationsschritten von je 1⁄2 (1⁄2)2 und ebenso der von I zu IV. Da es sich um kombinierte Wahrscheinlichkeiten handelt, entspricht dies dem Produkt der einzelnen Schritte, d. h. (1⁄2)2 ×(1⁄2)2 oder 1⁄16. Da man nicht weiß, von welchem der beiden Vorfahren I und II ein Allel bei V homozygot durch IBD auftreten kann, muss man auch den Weg von dem anderen Ancestor (II) berücksichtigen. Bittles, A. H., Neel, J. V.: The costs of human inbreeding and their implications for variations at the DNA level. Nature Genet. 8: 117–121, 1994. Harper, P. S.: Practical Genetic Counselling. 5th ed. Butterworth-Heinemann, Oxford, 1998. Vogel, F., Motulsky, A. G.: Human Genetics. Problems and Approaches. 3rd ed. Springer Verlag, Heidelberg – New York, 1997.
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Genetische Folgen von Blutsverwandtschaft
A
1 2
1 2
r=1/2
B
1 2
1 2
C
D 1 2
1 2
E
1. Geschwister-Verbindung A
B
C
D
r=1/8
H
G I 2. Cousinen-Verbindung ersten Grades A
B
C
D
r=1/4
F G
3. Onkel-Nichten-Verbindung A. Einfache Typen von Blutsverwandtschaft
1 2
I
II
A, B
C, D 1 2
A, C oder D 1 2
A, C oder D 1 2
A, ...
I
III
=
1 2 2
I
IV
=
1 2 2
I
III and IV
=
1 4 2
=
1 2
III and IV
A, ... III
IV V AA
IBD :
1 4 1 4 2 + 2
V
2
x 1 = 1 2 16
Probabilität für Homozygotie durch gleichen Ursprung
B. Inzuchtkoeffizient (F) durch gleiche Herkunft (identity by descent, IBD)
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Formale Genetik
Zwillinge Man unterscheidet Zwillinge danach, ob sie aus einer einzigen befruchteten Eizelle (monozygot, MZ) oder aus zwei Eizellen (dizygot, DZ) entstanden sind. Monozygote Zwillinge sind genetisch identisch, dizygote Zwillinge sind genetisch verwandt wie Geschwister. Beim Menschen tritt eine Zwillingsschwangerschaft mit einer Häufigkeit von etwa 1:80 auf, meistens dizygot. Monozygote Zwillinge treten mit einer weitgehend konstanten Häufigkeit von 4 auf 1000 Geburten auf, während die Häufigkeit dizygoter Zwillinge in verschiedenen Populationen unterschiedlich ist, etwa 6 auf 1000 bei Europäern, etwa 1 auf 100 bei Afroamerikanern, und bis zu 4% in Teilen von Nigeria (Harper, 1998). Nach der Geburt von dizygoten Zwillingen tritt bei einer folgenden Schwangerschaft erneut DZ mit einer Wahrscheinlichkeit von 1,7% auf. Ein Vergleich genetischer Merkmale von monozygoten und dizygoten Zwillingen kann unter bestimmten Voraussetzungen Aufschluss darüber geben, welcher Anteil eines Phänotyp genetisch determiniert ist. Für eindeutig monogen determinierte Phänotypen ist dies weniger bedeutsam, aber für komplexe, quantitativ definierte Merkmale, z. B. Verhaltensweisen, kognitive Fähigkeiten etc. Überwiegend zeigt sich, dass auch getrennt aufgewachsene monozygote Zwillinge sich hinsichtlich vieler Merkmale wie Persönlichkeit, Sozialverhalten, Temperament, Lernverhalten, Interessen etc. hinreichend ähnlich sind, dass die Annahme einer genetischen Grundlage nahe liegt. In einer großen Studie getrennt aufgewachsener Zwillinge wurden etwa 70% mentaler Fähigkeiten als hauptsächlich genetisch determiniert angesehen (Bouchard et al., 1990).
A. Typen von Zwillingen Monozygote Zwillinge entstehen durch Trennung in sehr frühen Stadien der Entwicklung. Sie haben stets eine gemeinsame Plazenta (monoplazentar). Sie können in zwei Amnionhöhlen (diamnial) oder in einer gemeinsamen Amnionhöhle liegen (monoamnial). Zweieiige (dizygote) Zwillinge (DZ) haben eine eigene Amnionhöhle (diamnial). Sie können eine eigene Plazenta (diplazentar) oder eine gemeinsame Plazenta besitzen.
B. Pathologische Zustände bei monozygoten Zwillingen Eine unvollständige Trennung (sog. Siamesische Zwillinge) oder Verbindung des Blutkreislaufs führen zu krankhaften Zuständen bei monozygoten Zwillingen. Eine verhältnismäßig häufige Form der unvollständigen Trennung sind in verschiedenem Ausmaß im Bereich des Brustkorbs zusammengewachsene Zwillinge (Thoracopagus) (1). Der Blutkreislauf von Zwillingen kann durch die gemeinsame Plazenta verbunden sein (Bildung eines Shunt) (2). Dies kann dazu führen, dass ein Zwilling weniger Blut erhält oder sogar ausblutet. Besonders schwere Fehlbildungen entstehen durch unvollständig ausgebildete Organe, z. B. ohne Herz (Acardius) (3). Sollte ein Zwilling schon in einer sehr frühen Phase der Schwangerschaft versterben, kann er bei der Geburt des anderen nicht mehr bemerkbar sein (sog. Verschwundener Zwilling, vanishing twin).
C. Konkordanz oder Diskordanz Wenn Zwillinge das gleiche Merkmal aufweisen, bezeichnet man sie als konkordant, wenn sie sich unterscheiden, als diskordant. Der Vergleich der Konkordanz lässt Rückschlüsse auf den relativen Anteil genetischer Faktoren bei den Ursachen zu.
D. Biochemische Unterschiede Aufgrund genetischer Unterschiede werden zahlreiche Medikamente unterschiedlich rasch abgebaut, wie zum Beispiel die Ausscheidungsrate von c-Phenylbutazon. Die Substanz wird bei monozygoten Zwillingen mit identischer Rate ausgeschieden, während sich dizygote Zwillinge wie Geschwister unterscheiden. Bouchard, T. J., et al.: Sources of human psychological differences: The Minnesota study of twins reared apart. Science 250: 223–228, 1990. Bossma, D., Busjahn, A., Peltonen, L.: Classical twin studies and beyond. Nature Rev. Genet. 3: 872–882, 2002. Connor, J. M., Ferguson-Smith, M. A.: Essential Medical Genetics, 3rd ed. Blackwell Scientific Publishers, Oxford, 1991. Phelan, M. C.: Twins. pp. 1047–1079. In: Human Malformations and Related Anomalies. Vol. II. Stevenson, R. E., Hall, J. G., Goodman, R. M., eds. Oxford Monographs on Medical Genetics 37: 1047–1079, Oxford Univ. Press, Oxford, 1993.
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Zwillinge Eineiige Zwillinge (monozygot, MZ)
Zweieiige Zwillinge (dizygot, DZ)
Plazenta
monoplazentar, monoamnial
monoplazentar, diamnial
diplazentar, diamnial
monoplazentar, diamnial
A. Typen von Zwillingen
1. Thoracopagus
2. MZ durch Shunt verbunden
3. Acardius
B. Pathologische Zustände bei monozygoten Zwillingen
MZ
Hüftluxation
DZ
Phenylbutazon-Konzentration im Plasma
monozygot Gaumenspalte
Gallensteine Psoriasis Allergien Herzgefäßkrankheit Körperhöhe Blutdruck 0
25
50
75
100 80 60 40
S.A. F.M.
Ja.T. Jo.T.
A.M. S.M.
20 10 8 6 4 2 100 80 60 40 20 10
100%
1 3 5 7 9 11 13
1 3 5 7 9 11 13
Tage
Tage
(Angaben nach Connor & Ferguson-Smith, 1991)
C. Konkordanz einiger Merkmale bei C. eineiigen (MZ) und zweieiigen (DZ) Zwillingen
dizygot
P.G. J.G.
D. Ausscheidungsrate von D. Phenylbutazon (nach Vesell)
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Formale Genetik
Polymorphismus In der Natur kommen Lebewesen derselben Art vielgestaltig (polymorph) vor. Diese Unterschiede sind genetisch bedingt. An vielen Genloci kommen zwei oder mehr Allele vor. Als genetischer Polymorphismus wird das Vorkommen in einer Population von zwei oder mehr genetisch determinierten alternativen Phänotypen durch verschiedene Allele definiert, wobei die seltenste Form nicht allein durch wiederholte Mutation aufrechterhalten werden kann. Ein Genlocus wird als polymorph bezeichnet, wenn das oder die seltenen Allele eine Häufigkeit von mindestens 0.01 (1%) haben und demzufolge Heterozygote für dieses Allel mit einer Häufigkeit von mehr als 2% vorkommen. Genetischer Polymorphismus kann auf mehreren Ebenen beobachtet werden: DNA (vgl. S. 74), Chromosomen (vgl. S. 166), metabolisch (biochemisch, vgl. S. 148) und auf der Ebene des Phänotyps, wie hier vorgestellt.
A. Polymorphismus des Phänotyps Ein eindrucksvolles Beispiel für Polymorphismus des Phänotyps ist das Farbmuster auf den Deckflügeln des asiatischen Marienkäfers (Harmonia axyridis) (1). In dem von Sibirien bis Japan reichenden Verbreitungsgebiet können verschiedene Varianten unterschieden werden (F. J. Ayala, 1978). Die verschiedenen Farbkombinationen werden auf unterschiedliche Varianten desselben Gens zurückgeführt. Bei der kalifornischen Königsschlange (Lampropeltis getulus californiae) (2) kommen innerhalb der gleichen Art derart verschiedene Farbmuster vor, dass man annehmen könnte, es handle sich um verschiedene Arten.
B. Polymorphismus in Beziehung zu Umweltbedingungen Ein Polymorphismus wird als neutral bezeichnet, wenn die Anwesenheit oder Abwesenheit eines bestimmten Allels keinen Vor- oder Nachteil bedeutet. Nicht selten stellt ein Polymorphismus jedoch einen Vorteil für die Population dar. In einer polymorphen Population finden sich mit größerer Wahrscheinlichkeit Individuen, die auf bestimmte Umweltbedingungen oder ihre Änderung besser vorbereitet sind, als wenn genetische Einförmigkeit besteht. Die meisten Lebewesen zeigen geographische Vari-
ation, d. h. es bestehen Unterschiede in der Häufigkeit von Allelen zwischen Populationen derselben Art in verschiedenen Gebieten. Die Unterschiede können graduell sein und eine Adaptation an Umweltbedingungen widerspiegeln. So zeigt die Schafgarbe (Yarrow plant) an den Hängen der Sierra Nevada in Kalifornien in zunehmender Höhe des Gebirges eine niedrigere durchschnittliche Pflanzenhöhe (1). Durch den Vergleich des Wachstums von Pflanzen, deren Samen aus verschiedenen Höhen gewonnen wurden und in einem Garten zur Aussaat gebracht wurden, ließ sich zeigen, dass die durchschnittliche Größe der Pflanzen in den verschiedenen Höhenbereichen genetisch determiniert ist (Abbildung nach N. A. Campbell, Biology, 1990). Eines der beeindruckendsten Beispiele für polymorphe Farbmuster bietet der Birkenspanner Biston betularia in England (2). In der Nähe von Liverpool wurden bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts zwei Arten beobachtet, eine häufige hellgraue (typica) und eine seltene dunkle (carbonaria). Man nahm an, dass die dunkle Art deshalb selten war, weil sie auf der hellen Rinde von Birken leicht zu sehen war und ungetarnt von Feinden leicht entdeckt werde konnte. Gegen Ende des Jahrhunderts war die helle Art selten und die dunkle häufig. Man führte das auf Umweltverschmutzung infolge zunehmender Industrialisierung zurück, in der die hellen Rinden und Flechten durch dunkle ersetzt wurden. Als nach 1950 die Umweltverschmutzung zurückging und der Hintergrund wieder hell wurde, erschien die helle Form wieder häufiger. Dies wäre ein besonders eindrucksvolles Beispiel für genetische Auslese durch Anpassung an Umweltbedingungen. Leider sind Zweifel an diesem schönen Beispiel vorgebracht worden (Majerus, 1998), die aber ihrerseits angezweifelt werden (Science, 9. August 2002, S. 940; Nature, 4. Juli 2002, S. 19). Ayala, F. J.: Mechanisms of evolution. Scient. Amer. 329: 48–61, September 1978. Campbell, N. A.: Biology. 2nd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co. Menlo Park, California, 1990. Lewontin, R.: Adaptation. Scient. Amer. 239: 156–169, September 1978. Majerus, M. E. N.: Melanism: Evolution in Action. Oxford Univ. Press, Oxford, 1998.
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Polymorphismus
2. Kalifornische Königsschlange 2. Lampropeltis getulus californiae
1. Asiatischer Marienkäfer Harmonia axyridis A. Polymorphismus des Phänotyps
durchschnittliche Pflanzenhöhe (cm)
100
50
0
Höhe
3000 2000 1000
Sierra Nevada Gebirge
Plateau
0
1. Schafgarbe in der Sierra Nevada
2. Birkenspanner Biston betularia, 2. helle und dunkle Form
B. Polymorphismus in Beziehung zu Umweltbedingungen
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Formale Genetik
Biochemischer Polymorphismus
C. Häufigkeit von Polymorphismus
Vor Einführung der molekulargenetischen Untersuchungsmöglichkeiten ab etwa 1970, konnte biochemischer (metabolischer) Polymorphismus nur mittels biochemischer Methoden untersucht werden. Bereits ab Anfang des 20. Jahrhunderts hat Archibald Garrod auf die biochemische (genetische) Individualität des Menschen nachgewiesen (Bearn, 1993). Die in dieser Tafel vorgestellten Beispiele belegen die Vielfältigkeit von biochemischem Polymorphismus und dessen weite Verbreitung. Alle Unterschiede sind Folge eines individuellen Unterschieds auf DNA-Ebene.
Bei einer Stunde der durchschnittlichen Heterozygotie (1) fanden sich bei Drosophila willistoni bei 180 Genloci 17,7% heterozygot. Die durchschnittliche Heterozygotie ist der Anteil heterozygoter Individuen in der Population, bezogen auf die Anzahl der analysierten Loci. Man bestimmt dies durch Addition des Anteils der Heterozygoten pro Gesamtzahl der Individuen pro Genlocus. Den besten Eindruck in die enorme Häufigkeit von Polymorphismus gibt die direkte Analyse von DNA. In einigen Bereichen des Genoms finden sich hypervariable Regionen. Hier findet man nach Einwirkung eines Restriktionsenzyms ein individuell unterschiedliches Muster verschieden großer DNAFragmente. In (2) wird ein Polymorphismus bei 16 Individuen an einem Locus in der Nähe der H-Kette der Immunglobulin-J-Region gezeigt (R. White et al., Cold Spring Harb. Symp. 51:29, 1986). Hypervariable Regionen führen zu einem für jeden Menschen individuellen Muster (DNA-Fingerprinting).
A. Nachweis durch Gel-Elektrophorese Den Polymorphismus eines Proteins (Genprodukt) kann man durch Gel-Elektrophorese feststellen, wenn die varianten Formen sich durch Einbau einer Aminosäure mit unterschiedlicher elektrischer Ladung unterscheiden. In diesem Fall können die allelen Formen eines Genprodukts durch unterschiedliche Laufgeschwindigkeit in einem elektrischen Feld unterschieden werden. Besteht ein Genprodukt aus zwei Untereinheiten (dimeres Protein), so treten bei heterozygoten Individuen drei Banden auf. Ein Polymorphismus, der nicht zu einer Änderung der elektrischen Ladung führt, kann mit dieser Methode nicht erkannt werden. Deshalb führt die Analyse der Häufigkeit von Polymorphismen an Genprodukten zu einer Unterschätzung.
B. Polymorphismen von Genprodukten Für drei typische Genprodukte, die Enzyme Phosphogluco-Mutase, Malat-Dehydrogenase und Saure Phosphatase bei verschiedenen Drosophila-Arten ließ sich zeigen, dass Polymorphismus häufig ist. In 1, 2 und 3 wird von 12 Taufliegen jeweils eine Stärke-Gel-Elektrophorese gezeigt, die für das jeweilige Protein spezifisch angefärbt wurde. Es zeigen sich bei der Phosphogluco-Mutase (1) unterschiedliche Laufgeschwindigkeiten, etwa bei den homozygoten Individuen gegenüber den Heterozygoten (2, 4 und 10). Die Malat-Dehydrogenase (2) ist ein dimeres Protein, so dass heterozygote Individuen (4, 5, 6, 8) drei Bände zeigen. Bei der Sauren Phosphatase (3) entsteht ein komplexes Muster, weil es sich um vier Allele handelt (Darstellung nach Ayala und Kiger, 1984).
D. Genetische Vielfalt und Evolution Eine Population aus genetisch relativ homogenen Individuen ist sich verändernden Umweltbedingungen weniger gut angepasst als eine genetisch vielfältige Art. Es werden zwei Populationen von Drosophila serrata verglichen, die bei begrenztem Nahrungs- und Raumangebot 25 Generationen lang getrennt in geschlossenen Flaschen gehalten wurden. Die eine bestand aus einer Rasse, die andere aus einer Kreuzung von zwei Rassen. Die Population mit der größeren genetischen Vielfalt war an die Umweltbedingungen besser angepasst; die Anzahl überlebender Individuen war am Ende des Experiments größer als bei der homogenen Rasse (Diagramm nach Ayala & Kieger, 1984). Ayala, F. J., Kieger, J. A.: Modern Genetics. 2nd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1984. Beaudet, A. L., et al.: Genetics, biochemistry, and molecular bases of variant human phenotypes. pp. 3–45. In: C. R. Scriver, et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGrawHill, New York, 2001. Bearn, A.: Archibald Garrod and the Individuality of Man. Clarendon Press, Oxford, 1993. White, R., et al.: Construction of human genetic linkage images. I. Progress and perspectives. Cold Spring Harbor Symp. Quant Biol. 51: 29, 1986.
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Biochemischer Polymorphismus 30
-
20 % Loci
Laufrichtung
25
15 10 5
+
1
2
3
4
5
6 0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40 4 48 52 56 60 6 68
homozygot homozygot heterozygot heterozygot
% Heterozygote bei Drosophila willistoni
1. Hohe durchschnittliche Heterozygotie 1. (17.7 % bei 180 Loci)
A. Erkennen von Polymorphismus A. durch Gel-Elektrophorese
1
*2
3
* 4
5
6
7
8
*
9 10 11 12
1.Phosphogluco-Mutase bei Drosophila 1. pseudoobscura
Größe DNA-Fragmente
kb GrößenMarker 4.4 3.3 polymorphe Banden
2.3 2.1
invariable Banden
1.1
1 2 3 4 5 6 7 8 9 1011 12 13141516
2
3
7
* 8
2. DNA-Polymorphismus beim 2. Menschen (16 Individuen) 9 10 11 12
2. Malat-Dehydrogenase bei Drosophila 2. equinoxialis
*1
2
*3 * 4
5
*6
7
8
* 9
10 11 12
3. Saure Phosphatase bei Drosophila 3. equinoxialis
*
C. Häufigkeit von Polymorphismus Zwei Populationen von Drosophila serrata Zahl der Fliegen (in Tausend)
1
* * * 4 5 6
4 aus Kreuzung von zwei Rassen 3 2 eine Rasse
1 0
0
70
140
( = Heterozygote Fruchtfliegen)
B. Nachweis von Polymorphismus B. an Genprodukten
210 280 Tage
350
420
Begrenztes Nahrungs- und Raumangebot
D. Genetische Vielfalt und Evolution
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490
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Formale Genetik
Unterschiedliche geographische Verteilung von Genen Innerhalb einer Art treten Allele eines Genlocus in verschiedenen geographischen Regionen mit unterschiedlicher Häufigkeit auf. Dies kann entweder das Ergebnis zufälliger Häufigkeitsunterschiede sein (genetische Drift) oder das Ergebnis von Selektion. Selektion heißt, dass ein Allel gegenüber einem anderen einen Vorteil für das betreffende Individuum bedeutet (selektiver Vorteil), weil es die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht. Ein selektiver Nachteil bedeutet das Gegenteil (selektiver Druck).
A. Unterschiedliche Häufigkeit von genetisch bedingten Krankheiten Genetisch bedingte Erkrankungen beim Menschen (Erbkrankheiten) kommen in verschiedenen Gebieten der Erde unterschiedlich häufig vor. Es gibt keine grundsätzlichen Unterschiede in der Häufigkeit genetisch bedingter Erkrankungen beim Menschen, aber geographische bzw. ethnische Unterschiede. Beispiel: Die Verteilung der Großeltern von Erkrankten mit drei autosomal rezessiv erblichen Erkrankungen in Finnland. Die Häufung (Clustering) für die drei Erkrankungen ist verschieden, weil die Mutation in verschiedenen Regionen Finnlands aufgetreten ist: Für die angeborene flache Hornhaut im Westen des Landes (1), für den finnischen Typ der angeborenen Nephrose (eine schwere Nierenkrankheit) in südlichen Landesteilen (2) und für die Diastrophe Skelettdysplasie in anderen südlichen Landesteilen (3). In diesen Fällen gibt es keine Anhaltspunkte für einen selektiven Vorteil des mutanten Allels. Die unterschiedliche Verteilung spiegelt lediglich Ort und relativen Zeitpunkt der Mutation wider. Die Mutationen müssen nach der Besiedlung Finnlands entstanden sein, weil sie in Finnland ungewöhnlich häufig sind. Sie sind nicht ein generelles genetisches Merkmal der finnischen Bevölkerung. Ähnliche Beispiele finden sich in vielen anderen Gegenden der Welt und in anderen Populationen.
B. Selektiver Vorteil von Heterozygoten (Beispiel: Malaria) Malaria ist die häufigste parasitäre Krankheit des Menschen. Jährlich erkranken weltweit 500 Millionen Menschen und 2–3 Millionen sterben als Folge der Infestation mit Plasmodium
falciparum. Die Erkrankung tritt in den tropischen Verbreitungsgebieten der die Plasmodien übertragenden Mücke Anopheles gambiae auf, am häufigsten in Subsahara Afrika (1). Bei Heterozygoten für eine Mutation in einem der Gene für Hämoglobin verläuft Malaria weniger schwer (vgl. Abschnitt über Hämoglobin, S. 320 f.). Dies ist besonders auffällig für die Verbreitung von Mutationen, die im homozygoten Zustand zu Sichelzellanämie (2) und verschiedenen Formen von Thalassämien führen (3). Dies sind bei Homozygoten auftretende schwere Erkrankungen (vgl. S. 324 – 333). Da in den Malaria-Gebieten Heterozygote einen Vorteil gegenüber normal Homozygoten genießen, stellt Heterozygotie für eine Hämoglobin-Mutation einen selektiven Vorteil dar. Die Sichelzell-Mutation ist mindestens viermal in verschiedenen tropischen Gebieten aufgetreten und hat sich wegen des selektiven Vorteils der Heterozygoten in der jeweiligen Population ausgebreitet (Anmerkung: Auch in tropischen Gebieten von Mittelamerika und Südamerika tritt Malaria auf). Auch für Heterozygote einer X-chromosomalen Mutation im Glucose-Stoffwechsel, Glucose-6Phophosphat-Dehydrogenase (G6PD), genießen einen relativen Schutz gegen Malaria. Ihre Verbreitung ähnelt der Verbreitung von Malaria (4). Der Begriff selektiver Vorteil bezieht sich auf die Probabilität, eigene Gene an die nächste Generation weitergeben zu können (reproduktive Fitness). Viel häufiger als beim Beispiel Malaria ist ein selektiver Vorteil gering und deshalb nicht leicht zu erkennen. Die Sequenzierung des Genoms von Plasmodium falciparum und des Vektors Anopheles gambiae weckt Hoffnungen auf neue Ansätze zur Entwicklung von Therapie und Prävention von Malaria. Cavalli-Sforza, L. L., Menozzi, P., Piazza, A.: The History and Geography of Human Genes. Princeton Univ. Press. Princeton, 1994. Gardner, M. J. et al.: Genome sequence of the human malaria parasite Plasmodium falciparum, Nature 419: 498–519, 2002. Holt, R. A.: The genome sequence of the malaria mosquito Anopheles gambiae. Science 298: 129–149, 2002. Norio, R., Nevanlinna, H. R., Perheentupa, J.: Hereditary diseases in Finland. Ann. Clin. Res. 5: 109–141, 1973. Norio, R.: The Finnish disease heritage. III: the individual diseases. Hum. Genet. 112: 470–526, 2003. Weatherall, D. J., Clegg, J. B.: Thalassaemia – a global public health problem. Nature Med. 2: 847–849, 1996.
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Unterschiedliche geographische Verteilung von Genen
1. Angeborene flache Hornhaut
2. Angeborene Nephrose
3. Diastrophe Skelettdysplasie
A. Unterschiedliche Häufigkeit von Erbkrankheiten, z.B. in Finnland
1. Malaria
3. Thalassämie (verschiedene Formen)
2. Sichelzellanämie
4. Glucose-6-Phosphat2. Dehydrogenase-Mangel
B. Selektiver Vorteil von Heterozygoten
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Chromosomen
Nukleosomen Die DNA höherer Organismen (Eukaryoten) ist im Zellkern in Chromosomen (wörtl. „farbige Fäden“, Waldeyer 1888) in enger Verbindung mit kernspezifischen Proteinen untergebracht (Histonproteine oder Histone). Nur während der Zellteilung sind Chromosomen aufgrund einer kompakten Struktur individuell erkennbar. Während der Interphase bilden sie eine scheinbar diffuse, mit Kernfarbstoffen anfärbbare Masse, das Chromatin. Da die Gesamtlänge der DNA des Genoms von Säugetieren etwa zweimal 1 Meter beträgt, aber während der Mitose beim Menschen eine Gesamtlänge aller Chromosomen von nur etwa 115 ? m zur Verfügung steht, ist eine enge Verpackung um etwa das 10000fache notwendig. Dies geschieht in diskreten Struktureinheiten, den Nukleosomen.
A. DNA und Histone Histonproteine (meistens als Histone bezeichnet) können wegen eines hohen Anteils positiv geladener Aminosäuren (Lysin und Arginin) stabil an die negativ geladene DNA binden. Histone bilden ein Grundgerüst (genannt Nukleosom, s. u.), um das die DNA herumgewunden ist. Dabei liegen innen die AT-reichen Abschnitte der kleinen Furche in besonders enger Beziehung zum Nukleosom (der Grad der Biegung ist ausgeprägter als hier gezeigt). Histone sind entsprechend ihrer wichtigen Rolle für eine geordnete Anordnung der DNA evolutionär hoch konserviert. (Abb. nach Watson et al., 1987).
B. Nukleosomen An DNA gebundene Histone bestehen aus vier Typen, genannt H2A, H2B, H3 und H4. Ein Nukleosom besteht aus einem Oktamer von insgesamt acht Histonen, je zwei H2A, H2B, H3 und H4 in definierter räumlicher Anordnung und ca. 11 nm Durchmesser und 6 nm Höhe. Etwa 165 Basenpaare DNA sind außen in zwei Windungen um ein Nukleosom herumgewunden. Dies resultiert in einem ca. 5–10fachen Verpakkungsgrad (die Abbildung in B ist nicht maßstabsgetreu). Jedes Nukleosom ist mit seinem Nachbarn durch einen kurzen Abschnitt DNA (Linker) von 10–80 bp verbunden. Ein weiteres Histon, H1, bindet an den DNA-Linker.
C. Dreidimensionale Struktur eines Nukleosoms Die Feinstruktur des Nukleosoms bei einer Auflösung von 2.8 Angström zeigt die außen liegende DNA-Doppelhelix und das innen liegende Oktamer des Nukleosoms mit den vier Typen von Histonen in vier verschiedenen Farben (Abb. aus Luger et al., 1997, mit freundlicher Genehmigung von T. J. Richmond).
D. Chromatinstrukturen Eine Serie vieler aufeinander folgender Nukleosomen bilden eine fadenförmige Struktur von ca. 30 nm Durchmesser, entsprechend einem 50fachen Verpackungsgrad. In der Struktur von Chromatin kann man dichte (eng gefaltet), relativ aufgelockerte (teilweise gefaltet) und aufgelockerte (ungefaltete) Zustände unterscheiden. Nach Entfernung aus dem Zellkern sind Nukleosomen in isotonen Puffern elektronenmikroskopisch als fadenförmige Strukturen sichtbar, als dichte (300–500 A, oben), weniger dichte (250 A, Mitte) und lockere (100 A) Strukturen („Perlen auf einer Schnur“) (Abb. Mitte nach B. Albert et al., 1994; Photos von Thoma & Koller, 1979).
E. Verschiedene Chromatinabschnitte Nukleosomen bilden Aggregate von relativ eng gepackten Einheiten. Die dazwischen liegende verbindende DNA (Linker) bindet H1-Histonproteine. (Abb. nach B. Alberts et al., 1994). Alberts, B., et al.: Molecular Biology of the Cell. 3rd ed. Garland Publishing, New York, 1994. Felsenfeld, G. & Groudine, M.: Controlling the double helix. Nature 421: 448–453, 2003. Kornberg, R. D., Lorch, Y.: Twenty-five years of the nucleosome, fundamental particle of the eukaryote chromosome. Cell 98: 285–294, 1999. Luger, K., et al.: Crystal structure of the nucleosome core particle at 2.8 Å resolution. Nature 389: 251–260, 1997. Thoma, F., Koller, Th., Klug, A.: Involvement of histone H1 in the organization of the nucleosome and of the salt dependent superstructures of chromatin. J. Cell Biol. 83: 403–427, 1979. Watson, J. D., et al.: Molecular Biology of the Gene. 3rd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1987.
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Nukleosomen kleine Furchen außen: CG-reich
153
DNA-Doppelhelix
DNA kleine Furchen innen: AT-reich Histon-Kern eines Nukeosoms
A. DNA und Histon
H2A
H2B
H3
H4
H4
H3
H2B
H2A
B. Nukleosom 30 nm
gefaltet
teilweise gefaltet
DIA
H2A
H2B
H3
H4
C. Dreidimensionale Struktur eines Nukleosoms
Histon H1
ungefaltet DNA 10 nm
D. Chromatin-Strukturen Nukleosom
sequenzspezifische DNA-bindende Proteine
E. Chromatin-Abschnitt
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30 nm
154
Chromosomen
DNA in Chromosomen DNA und die mit ihr assoziierten Histonproteine befinden sich in den Chromosomen. Diese sind während der Zellteilung lichtmikroskopisch individuell unterscheidbar. Während der Interphase bilden sie das Chromatin des Zellkerns. Darin ist DNA mit den Nukleosomen in verschiedenen Stufen verpackt.
A. DNA im Metaphase-Chromosom In Teil D der vorhergehenden Tafel wurde die prinzipielle Struktur der 30-nm-Chromatinfaser gezeigt. Um die endgültige Verpackungsstufe von etwa 1:10000 zu erreichen, müssen weitere Stufen hinzukommen. Man nimmt an, dass die 30-nm-Faser in weitere Schleifen organisiert ist. Verfolgen wir die verschiedenen Stufen der Verpackung von DNA in einem Zoom von der molekularen Ebene zum Chromosom in der Metaphase. Ein Abschnitt von etwa fünf Windungen der DNA-Doppelhelix (2 nm Breite) entfällt in dem gezeigten Bild auf einen kleinen Abschnitt zwischen zwei Nukleosomen (je 11 nm breit). Ein drei Nukleosomen-enthaltener Abschnitt bildet einen kleinen Teil des 30nm-Chromatinfadens mit eng gepackten Nukleosomen. Dieser entspricht einem kleinen Teil eines Chromosoms in entspannter Form (lockeres Chromatin, 300 nm Durchmesser). Durch weitere Verdichtung (bezeichnet als Kondensation des Chromatin) entsteht ein verdickter Abschnitt von kondensiertem Chromatin von 700 nm Durchmesser. Dieser bildet einen kleinen Abschnitt in einem Chromatid (vgl. S. 165) eines Metaphase-Chromosoms (1400 nm). In diesem Modell sind die Beziehungen von DNA und Nukleosomen am besten geklärt. An Chromosomen der Metaphase kann man euchromatische und heterochromatische Abschnitte unterscheiden. Die enge Verpackung von DNA in Chromatin hat funktionelle Bedeutung. Der Doppelstrang kann nicht geöffnet werden, so dass keine Transkription stattfinden kann. Deshalb ist die Unterscheidung von besonders eng verpackter DNA in Heterochromatin und weniger eng verpackter DNA in Euchromatin bedeutsam, auch wenn der Unterschied in den meisten Fällen gradueller Natur ist. In Heterochromatin befindliche DNA kann nicht transkribiert werden. Wird transkribierte DNA (ein aktives Gen) ex-
perimentell in die Nähe von Heterochromatin gebracht, so wird sie inaktiviert. Eine Änderung der Aktivität eines Gens (Genexpression) durch Positionsänderung wird als Positionseffekt bezeichnet. Im Gegensatz dazu kann die in Euchromatin befindliche DNA transkribiert werden. Chromosomen in der Interphase können definierten Domänen zugeordnet werden (vgl. Cremer & Cremer, 2001). Die beiden Schwesterchromatiden können durch differentielle Färbung unterschiedlich dargestellt werden. Man kultiviert Zellen für zwei Replikationen (entsprechend zwei Zellteilungen) in Anwesenheit von 5-Bromdeoxyuridin. Dadurch wird dieses Basenanalog bei der ersten Replikation in den neuen DNA-Strang in beide Chromatiden eingebaut. Bei der zweiten Replikation wird in einem Chromatid auch der zweite DNA-Strang substituiert. Dieses Chromatid färbt sich schwächer als das zur Hälfte substituierte. Es resultiert eine longitudinale, harlekin-ähnliche unterschiedlich helle Anfärbung der beiden Schwesterchromatiden. Ein Austausch zwischen den Chromatiden ist deutlich sichtbar (Schwesterchromatid-Austausch, SCE) (vgl. S. 318). Alberts, et al.: Molecular Biology of the Cell. 3rd ed. Garland Publishing, New York, 1994. Cremer, T. & Cremer, C.: Chromosome territories, nuclear architecture, and gene regulation in mammalian cells. Nature Rev. Genet. 2: 292–301, 2001. Tyler-Smith, C., Willard, H. F.: Mammalian chromosome structure. Curr. Opin. Genet. Dev. 3: 390–397, 1993.
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30 nm-ChromatinFaden mit Nukleosomen
2 nm
verdickter Abschnitt eines MetaphaseChromosoms
700 nm
MetaphaseChromosom
1400 nm
Teil eines ChromosomenAbschnitts
11 nm
ChromatinAbschnitt
30 nm
Ausschnitt aus DNA-Doppelhelix
155
300 nm
DNA in Chromosomen
A. DNA im Metaphase-Chromosom
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Chromosomen
Bandenmuster in Chromosomen: Polytäne Chromosomen In Zellen der Speicheldrüsen von Insekten sind Chromatinstrukturen als einzelne schleifenartige Domänen lichtmikroskopisch sichtbar. Diese Zellen und die darin befindlichen Chromosomen sind durch vorhergehende DNA-Synthese ohne Zellteilung enorm vergrößert. Sie enthalten deshalb etwa tausendmal mehr DNA als in einer normalen Zelle. Die mehrfachen Kopien der homologen Chromosomen bleiben in diesen Zellen Seite an Seite und bilden ein riesiges polytänes Chromosom. Würden die vielfachen Kopien eines polytänen Chromosoms nicht Seite an Seite vorliegen, sondern als einzelne Chromosomen, würde man dies als Polyploidie bezeichnen. Da es einen direkten Übergang von polytänen zu polyploiden Chromosomen gibt, dürften polytäne Chromsomen grundsätzlich der Struktur eines normalen Chromosoms entsprechen. Polytäne Chromosomen sind im Lichtmikroskop gut sichtbar, weil sie so groß sind und präzise aneinandergelagert sind. Das für jeden Chromosomenabschnitt charakteristische Muster individueller Bänder (Bandenmuster) eignet sich für die räumliche Zuordnung von Genen (Genkartierung). Mit ihrer Hilfe wurde von Sturtevant 1913 die erste Genkarte erstellt.
A. Polytäne Chromosomen in Speicheldrüsen von DrosophilaLarven Polytäne Chromosomen zeigen im Lichtmikroskop gut erkennbare Muster von alternierenden dunklen und hellen Bändern. Die hellen Bänder werden als Interbanden (interbands) bezeichnet. Ein polytänes Chromosom resultiert aus der Replikation in 10 Zyklen ohne Trennung in Tochterchromosomen. Es handelt sich somit um 1.024 (210) identische Chromatidstränge, die strikt Seite an Seite liegen. Etwa 85% der DNA in polytänen Chromosomen entfällt auf Bänder und etwa 15% auf Interbanden. Das Chromatin in den dunkel gefärbten Bändern ist viel stärker kondensiert als das Chromatin in Interbanden. Dies ist auf eine besonders hohe Rate an Faltung zurückzuführen. Je nach Größe enthält ein individuelles Band zwischen 3000 und 300000 Nukleotidbasenpaaren. Insgesamt enthält das Drosophila-Genom etwa 5000 Bänder und die gleiche Anzahl Inter-
bänder. Diese sind nummeriert, so dass eine polytäne Chromsomenkarte existiert. Ein Ausschnitt eines polytänen Chromosoms aus Drosophila-Speicheldrüsen im Lichtmikroskop zeigt das charakteristische Bandenmuster. Diese dunkel gefärbten Bänder sind das Ergebnis der Chromatinkondensation der Interphase. Sie müssen von dem nur in Metaphase nach besonderer Färbetechnik sichtbaren Bandenmuster des Karyotyps eukaryoter Organismen unterschieden werden (vgl. S. 166). Stark anfärbbare Chromosomenabschnitte entsprechen einem hohen Verpackungsgrad und sind genetisch nicht aktiv (Heterochromatin), Abschnitte mit aufgelockerter Struktur sind weniger deutlich anfärbbar und entsprechen Abschnitten mit genetischer Aktivität (Euchromatin). (Abb. links nach T. S. Painter, J. Hered. 25: 465–476, 1934; rechts Photographie von Joseph G. Gall, aus B. Alberts et al., 1994, S. 348).
B. Funktionszustände in polytänen Chromosomen Polytäne Chromosomen bilden Strukturen, die Funktionszuständen entsprechen. So treten in polytänen Chromosomen von Drosophila während der Larvenentwicklung in zeitlich abgestufter Weise eine Serie von Ausstülpungen (Puffs) auf (1). Chromosomenpuffs sind dekondensierte, ausgedehnte Abschnitte, die aktiven chromosomalen Regionen mit Transkription entsprechen. Durch Einbau markierter RNA lässt sich nachweisen, dass in diesen Bereichen RNA-Synthese stattfindet, ein Zeichen von Genaktivität. Der zeitliche und örtliche Ablauf der Transkription, lichtmikroskopisch sichtbar als Puffs und nachweisbar durch Einbau radioaktiv markierter RNA, spiegelt die verschiedenen Stadien der Larvenentwicklung wider (2). (Abb. in Teil 1 von Michael Ashburner in B. Alberts et al., 1994, S. 350, in Teil 2 von Jose Bonner, in Lewin, 2000, S. 559). Alberts, et al.: Molecular Biology of the Cell. 3rd ed. Garland Publishing, New York, 1994. Lewin, B.: Genes VII. Oxford Univ. Press, Oxford, 2000. Sturtevant, A. H.: The linear arrangement of six sex-linked factors in Drosophila, as shown by their mode of association. J. Exp. Zool. 14: 43–59, 1913. Watson, J. D., et al.: Molecular Biology of the Gene. 3rd ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1987.
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Bandenmuster in Chromosomen: Polytäne Chromosomen
rechter Arm von Chromosom 3
X-Chromosom Chromosom 4 normale Mitose homologe Chromosomen getrennt
Chromocenter
linker Arm von Chromosom 2 rechter Arm von Chromosom 2
linker Arm von Chromosom 3
20 µm
20 µm
A. Polytäne Chromosomen in Speicheldrüsen von Drosophila-Larven
Ausschnitt
Einbau von markierter RNA
0
8
Stunden
15
22
1. Bildung von Puffs (Pfeile)
2. Nachweis von Gen-Aktivität
B. Funktionszustände in polytänen Chromosomen
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Chromosomen
DNA in LampenbürstenChromosomen Normalerweise ist die Verpackung von Chromatin im Interphase-Kern zu dicht, als dass die einzelnen Chromatinfäden direkt sichtbar werden. Eine Ausnahme machen Chromosomen in der Interphase einiger Zellen. Dazu gehören in der Meiose gepaarte Chromosomen in unreifen Oocyten von Amphibien. Ihre Chromosomen zeigen RNA-Synthese und bilden ungewöhnliche Chromatin-Schleifen. Sie sind mit neu transkribierter RNA bedeckt und in dichte RNA-Proteinkomplexe verpackt. Diese sind als so genannte Lampenbürsten-Chromosomen im Lichtmikroskop sichtbar.
A. Chromosomenstruktur in Amphibien-Oocyten (Lampenbürsten-Chromosomen)
charakteristische Strukturen aus insgesamt vier Chromatiden. Lampenbürsten-Chromosomen zeichnen sich durch eine besonders hohe RNA-Transkriptionsrate aus. Die meisten RNA-Transkripte sind länger als an den anderen Chromosomen. (Abbildungsschema nach B. Alberts et al., 1994; Photographie von J. G. Gall, 1956, in Lewin, 2000, S. 556). Alberts, B., et al.: Molecular Biology of the Cell, 3rd ed. 1994. Callan, H. G.: Lampbrush chromosomes. Proc. Royal Soc. Lond. (Biol.) 214: 417–448, 1982. Gall, J. G.: On the submicroscopic structure of chromosomes. Brookhaven Symp. Biol. 8: 17–32, 1956. Lewin, B.: Genes VII. Oxford Univ. Press, Oxford, 2000. Traut, W.: Chromosomen. Klassische und molekulare Cytogenetik. Springer Heidelberg, 1991.
Die in der Meiose gepaarten Chromosomen der Oocyten (1) bestehen aus zahlreichen, entlang einer Achse angeordneten Chromatinschleifen (2). An verschiedenen Stellen ist die Chiasmabildung sichtbar. Jeder Abschnitt eines Lampenbürsten-Chromosoms besteht aus einer Serie von Chromatinschleifen, die von einer Achse ausgehen. Dort findet sich eine verdickte Struktur, das Chromomer. Jede Chromatinschleife enthält stets die gleiche DNA-Sequenz und formt sich mit Wachstum der Oocyte in gleicher, wiederkehrender Weise. Jede Schleife entspricht einer bestimmten Einheit von entfaltetem Chromatin, das entknäuelt und transkriptionell aktiv ist. Jede Zelle enthält vier Kopien einer Schleife, zwei pro Chromosom (4Strangstruktur). Transkription findet entweder entlang einer ganzen Schleife oder an Teilen einer Schleife statt. Chromatinschleifen eines Chromosoms sind spiegelbildlich doppelte Strukturen (3). Jede entspricht der Schleife eines Schwesterchromatids. Die Chromosomeren am Ursprungsort der Schleifen bestehen aus verdichtetem Chromatin, während die Chromatinschleife nicht verdichtet ist. LampenbürstenChromosomen in Amphibien-Oocyten sind im Verhältnis zu mitotischen Chromosomen ungewöhnlich groß (ca. 400 ? m lang gegenüber höchstens 10 ? m), wie in der lichtmikroskopischen Photographie (Phasenkontrastaufnahme) gezeigt (4). Nach der DNA-Replikation zu Beginn der Meiose sind die homologen Chromosomenpaare aneinandergelagert und bilden
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DNA in Lampenbürsten-Chromosomen
0.5 mm
1. Gepaarte Lampenbürsten-Chromosomen
Chromomer
Chromatin-Schleife
ChromatinSchleife
10 µm
2. Vergrößerter Ausschnitt aus einem Chromosom
0.1 mm
Chromomer aus verdichtetem Chromatin
3. Ausschnitt aus einer Schleife des Chromosoms
4. Photographie von Lampenbürsten-Chromosomen
A. Chromosomen-Struktur in Amphibien-Oocyten "Lampenbürsten-Chromosomen"
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Chromosomen
Korrelation von Struktur und Funktion in Chromosomen
D. Konstitutives Heterochromatin (CBänder) im Bereich des Centromers
In einem Chromosom lassen sich verschiedene Bereiche unterschiedlicher Struktur und Funktion unterscheiden. Das Centromer hat eine chromosomen-spezifische Struktur. Das Centromer ist Ansatzpunkt der Mikrotubuli der Mitosespindel (Kinetochor). Das Telomer an den Enden enthält keine Gene und hat eine besondere Struktur.
Im Bereich des Centromers lässt sich das konstitutive Heterochromatin spezifisch anfärben (C-Band). Auch die distale Hälfte des langen Arms des Y-Chromosoms ist C-Band positiv. Das centromere Heterochromatin in Chromosom 1, 9 und 16 beim Menschen, sowie der lange Arm des Y-Chromosoms sind polymorph. Individuen können sich in der Länge des heterochromatischen Abschnitts in einem oder mehreren dieser Bereiche unterscheiden (aus A. S. Verma und A. Babu).
A. Heterochromatin und Euchromatin Emil Heitz beobachtete 1928, dass bestimmte Teile von Chromosomen eines Moos (Pellia epiphylla) auch während der Interphase verdichtet und stark anfärbbar bleiben, wie Chromosomen sonst nur in der Mitose. Er nannte diese Strukturen Heterochromatin, im Gegensatz zu dem in der späten Telophase und anschließenden Interphase unsichtbar werdenden Euchromatin. Funktionell wird Heterochromatin definiert als Bereich, in dem wenig oder keine Gene liegen und sich repetitive DNA-Sequenzen befinden. Gelangen aktive Gene in die Nähe von Heterochromatin, so werden sie in der Regel inaktiviert (Positionseffekt-Variegation) (Abb. aus E. Heitz, 1928).
B. Markante Bereiche eines Chromosoms Centromer und Telomer enthalten repetitive DNA-Sequenzen. Sie sind evolutionär konserviert, weil sie für die Stabilität des Chromosoms wichtig sind. Der zwischen Telomer und Centromer liegende Abschnitt besteht aus Trypsinresistenten dunklen G-Bändern. In den G-hellen Bereichen bildet die DNA Schleifen, in denen Protein-codierende Gene liegen. Die DNASchleifen sind mittels besonderer Anheftungsstellen mit einer Protein-Matrix verbunden.
E. Funktionelle Merkmale im Bereich von Euchromatin Die hellen und dunklen G-Bänder unterscheiden sich in funktioneller Hinsicht. Ein durchschnittliches G-Band enthält rund 1,5 Mb DNA. (Daten nach Bickmore & Sumner, 1989). Bickmore, W. A. & Sumner, A. T.: Mammalian chromosome banding: an expression of genome organization. Trends Genet. 5: 144–148, 1989. Heitz, E.: Das Heterochromatin der Moose. J Jahrb. Wiss. Bot. 69: 762–818. 1928. Passarge, E.: Emil Heitz and the concept of heterochromatin: Longitudinal chromosome differentiation was recognized fifty years ago. Am. J. Hum. Genet. 31: 106–115, 1979. Manuelidis, L.: View of metaphase chromosomes. Science 250: 1533–1540, 1990. Pluta, A. F., et al.: The centomere: Hub of chromosomal activities. Science 270: 1591–1594, 1995. Schueler et al.: Genomic and genetic definition of a functional human centromere. Science 294: 109–115, 2001. Verma, A. S., Babu, A.: Human Chromosomes. Pergamon Press, New York, 1989.
C. Modell eines Chromosomenabschnitts in Interphase In einem dreidimensionalen Modell eines Chromosomenabschnitts sieht man das konstitutive Heterochromatin (C-Band) im Bereich des Centromers sehr dicht gewunden. Das Euchromatin ist in den hellen G-Bändern relativ leicht, in den dunklen G-Bändern etwas enger verpackt (mit freundlicher Genehmigung der Autorin L. Manuelidis, Copyright 1990 by the AAAS).
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Korrelation von Struktur und Funktion in Chromosomen
Telomer
Protein-Matrix
161
DNASchleifen
G hell G dunkel Ausschnitt
Centromer MatrixAnheftungsstellen
A. Heterochromatin und Euchromatin
Centromer
700 nm 250 nm
Telomer
Centromer
B. Markante Bereiche eines Chromosoms
C-Band
G-hell
G-dunkel
60 nm
C. Modell eines ChromosomenC. Abschnitts in Interphase
D. Constitutives Heterochromatin (C-Bänder) D. im Bereich des Centromers
helle G-Bänder
dunkle G-Bänder
– GC-reich – Fluoreszenz mit G-spezifischen Fluorchromen, z.B. Olivomycin früh replizierend – Gen-reich – Alu Repeats – SINE-Repeats (short interspersed repetitive MDNA-Sequences) – Z-DNA Konformation möglich
– AT-reich – Fluoreszenz mit AT-spezifischen Fluorchromen, z.B. Quinacrin – spät replizierend – Gen-arm – LINE-Repeats M(long interspersed repetitive Sequences) – HMG-1 Nicht Histon-Proteine an AT-reiche Abschnitte gebunden – Minisatelliten
E. Funktionelle Merkmale im Bereich von Euchromatin
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Chromosomen
Das Telomer: Eine besondere Struktur am Ende eines Chromosoms Im Gegensatz zu den ringförmigen Chromosomen von Bakterien, Plasmiden und Mitochondrien-DNA ist die DNA von Eukaryoten linear. Beide Enden sind durch spezialisierte Regionen das Telomer, an jedem Ende versiegelt. Durch sie wird das eine Chromosom zusätzlich stabilisiert.
A. Replikationsprobleme am Ende linearer DNA Da die DNA-Synthese nur von 5'- nach 3'-Richtung verläuft, unterscheiden sich die beiden Elternstränge bezüglich ihrer Verwendbarkeit. Während der 3'- nach 5'-Strang nach Anheften eines Primers direkt als Vorlage dienen kann (Vorwärtsstrang), erfolgt die Synthese am anderen Strang (dem Rückwärtsstrang, 5' nach 3', engl. lagging strand) nur in kleinen Schritten, den Okazaki-Fragmenten (vgl. DNA Replikation, S. 44). Etwa 8–12 Basen vor jedem der beiden Enden kann die DNA-Polymerase die Synthese nicht fortsetzen, weil hinter diesem Punkt der benötigte Primer nicht ansetzen kann. Es verbleibt an jedem 5'-Ende eine Lücke durch nicht-replizierte DNA. Deshalb gehen bei jeder Replikation 8–10 Nukleotide am Ende eines Chromosoms verloren. Einige Organismen kompensieren in jedem Zyklus diesen Verlust durch das Anfügen telomeren Repeats an die Chromosomenenden.
B. G-reiche repetitive Sequenzen im Telomer-Bereich Die DNA in den Telomeren besteht aus G-reichen Tandem-Sequenzen (5'-TTAGGG-3' bei Vertebraten, 5'-TGTGGG-3' bei Hefen, 5'TTGGGG-3' bei Protozoen). Der G-Strang-Überhang führt zur Ausbildung einer haarnadelartigen Umfaltung, die einen wichtigen Schutz des Telomers darstellt (s. C.).
C. Telomerase-Aktivität und Stabilisierung durch eine Schleife Das Telomer hat zwei Besonderheiten: in bestimmten Zellen eine Telomerase-Aktivität, um die replikationsbedingten Nukleotidverluste an den Chromosomenenden zu kompensieren und eine telomere DNA-Schleife zur Stabilisierung der Chromosomenenden. Telomerase ist eine
Reverse Transkriptase, bestehend aus Proteinen und etwa 450 RNA-Nukleotiden. Am 3'-Ende besteht ein Überhang einzelsträngiger telomerer DNA von etwa 12–16 Nukleotiden (1). Mittels Telomerase werden neue Nukleotide am 3'Ende angeheftet (2). Telomerase findet sich jedoch nicht in differenzierten Zellen, so dass sich die Telomeren in diesen Zellen bei jeder Replikation an den beiden Enden eines Chromosoms verkürzen. Obwohl am Telomer ein einzelsträngiger Überhang am 5'- nach 3'-Ende besteht, verhalten sich isolierte Telomerfragmente nicht wie Einzelstrang-DNA: Der Grund liegt in einer komplexen Schleifenbildung (3). Griffith et al. (1999) haben gezeigt, dass telomere DuplexDNA eine Schleife bildet (telomere Schleife, tloop). Sie verhindert das „sticky end“-Problem. Die Bildung der t-Schleife wird durch zwei verwandte Proteine vermittelt, TRF 1 (telomeric repeat-binding factor 1) und TRF2. Diese Proteine binden an die Telomer-Repeats von Säugetieren. Die Bildung der t-Schleife folgt auf Synthese neuer DNA, die den komplementären Strang verdrängt (d-Schleife, engl. displacement loop, ähnlich wie bei Rekombination durch Bruch in doppelsträngiger DNA, s. S. 76).
D. Allgemeine Struktur eines Telomers In den terminalen 6 bis 10 kb eines Chromosoms können telomere Sequenzen und Telomer-assoziierte Sequenzen unterschieden werden (1). In den Telomer-assoziierten Sequenzen finden sich autonom replizierende Sequenzen (ARS). Die telomeren Sequenzen bestehen aus etwa 250 bis 1500 G-reichen Repeats (ca. 9 kb). Sie sind innerhalb einer Spezies hoch konserviert (2). Für Protozoen und Hefen ist die Telomerase-Aktivität lebenswichtig, bei Säugetieren hingegen findet man sie hauptsächlich in Keimzellen, jedoch nicht in somatischen Zellen. Im Gegensatz zu normalen Zellen, haben viele Tumorzellen eine Telomerase-Aktivität. Blackburn, E. H.: Telomere states and cell fate. Nature 408: 53–56, 2000. Buys, C. H. C. M.: Telomeres, telomerase and cancer. New Eng. I. Med. 342: 1282–1283, 2000. Griffith, J. D., et al.: Mammalian telomeres end in a large duplex loop. Cell 97: 503–514, 1999. Shay, J. W.: At the end of the millenium, a view of the end. Nature Genet. 23: 382–383, 1999.
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Das Telomer: Eine besondere Struktur am Ende eines Chromosoms Start DNADoppelstrang
Vorlage
Ende
5' 3'
5' Replikation (immer in 5' 3'Orientierung) 3'
5'
3' Neue DNA (Okazaki-Fragmente) neuer Strang Vorlage
12 – 16 Nukleotide einzelsträngig
5'
3'
5'
3'
1. Einzelsträngiges Telomer-Ende
Neusynthese
5' Primer
3'
5' 3'
Primer
3'
3'
5'
3'
5'
T T A GGG T T A A U C C C A AU C C
A
3'
C
RNA-Templat für Telomerase (15 – 22 Basen)
5'
2. Zufügen von Nukleotiden am 3'-Ende
Primer entfernt
t-loop
5'
3'
3'
5'
Telomere-RepeatFaktoren
d-loop
5' 3' 3'
5'
5' Lücke bleibt 3'
3'
Gap 5' an den 5'-Enden bleibt eine Lücke, die nicht geschlossen werden kann, weil der Primer fehlt
A. Replikationsproblem am Ende linearer DNA
5' Cen
3'
Duplex-DNA paar
( T T A GG G)n
Repeats
G-strang hängt über 3'
5'
B. Telomere DNA hat G-reiche repetitive Repeats am 3'-Ende
Duplex DNA paart
3. DNA-Duplex-Schleifen-Bildung (t-loop) 3'
Lücke geschlossen
neue DNA
3'
5' Lücke schließen
3'
Cen
C. DNA-Duplex-Schleifen-Bildung im Telomer von Säugetieren ca. 9 kb
1. Bereich für Gene zum Centromer
Telomer-assoziierte Sequenzen
telomere Sequenzen ( T T A G G G )n
ARS
ARS
n = 250 – 1500
2. Beispiele für telomere Repeats Protozoa
z.B. Tetrahymena-Mikrochromosomen 5' – TTGGGG – 3'
Hefe
z.B. Saccharomyces 5' – TGTGGGG – 3'
Vertebraten
5' – TTAGGG – 3'
allgemein
5' – (T/A)1-4(G)1-8 – 3' (Telomer nach rechts)
D. Allgemeine Struktur eines Telomers
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Chromosomen
Metaphase-Chromosomen Die Metaphase ist eine kurze Episode im Dasein eines Chromosoms, in dieser Zeit aber ist es am besten für Untersuchungen zugänglich. Es ist kompakt, gut von der Umgebung abgegrenzt, leicht mit Kernfarbstoffen anfärbbar und relativ robust gegen präparative Verfahren zur lichtmikroskopischen oder elektronenmikroskopischen Untersuchung. Zwar verdanken wir elektronenmikroskopischen Befunde wesentliche Erkenntnisse über Chromosomen, das wichtigste Untersuchungsinstrument ist das Lichtmikroskop. Jedes Chromosom in der Metaphase hat eine individuell determinierte äußerliche Struktur. Folgende Parameter gehören zur Charakterisierung eines Chromosoms: relative und absolute Länge (beim Menschen 3–7 ? m), Position des Centromers, Bandenmuster (Verteilung und Breite experimentell induzierbarer quer angeordneter Bänder unterschiedlicher Typen je nach Präparation und Färbung), individuelle polymorphe Bereiche.
A. Histon-freies Chromosom im Elektronenmikroskop Wenn man aus Chromosomen die Histone entfernt, wird im Elektronenmikroskop das Skelett eines Chromosoms sichtbar (1). Dies ist von zahlreichen dunkel anfärbbaren Fäden umgeben. Bei höherer Vergrößerung (2) zeigt sich, dass es sich um einen einzigen durchgehenden Faden handelt. Er entspricht der DNA-Doppelhelix. (Photographien: Paulson & Laemmli, 1977).
B. Metaphase-Chromosomen des Menschen im Lichtmikroskop Bei etwa 1000facher Vergrößerung im Lichtmikroskop sind die Metaphase-Chromosomen des Menschen und anderer Wirbeltiere als einzelne stäbchenartige Strukturen gut erkennbar. Gezeigt wird eine Metaphase in etwa 2800facher Vergrößerung. Die Chromosomen unterscheiden sich in Länge, Anordnung und Breite der quer verlaufenden hellen und dunklen Bänder (Bandenmuster), sowie Ansatzpunkt der Spindel (Centromer), der als Verschmälerung erkennbar ist. Im Stadium der Prometaphase sind Chromosomen länger als in der Metaphase und zeigen mehr Bänder. Deshalb werden für bestimmte Zwecke Chromosomen in Prometaphase untersucht.
C. Typen von MetaphaseChromosomen Je nach Lage des Centromers (Ansatzpunkt der Spindel bei der Mitose) kann man submetacentrische, metacentrische, akrocentrische und telocentrische Chromosomen unterscheiden. Das Centromer teilt submetacentrische Chromosomen in einen kurzen Arm (p-Arm) und einen langen Arm (q). Bei metacentrischen Chromosomen sind der kurze und der lange Arm etwa gleich. Akrocentrische Chromosomen tragen am Ende des kurzen Armes als Satelliten bezeichnete verdickte Anhängsel (nicht zu verwechseln mit Satelliten-DNA). Ihre Größe ist für jedes akrocentrische Chromosom eines Individuums verschieden (chromosomaler Polymorphismus).
D. Einfache Strukturabberation Eine funktionell relevante Abweichung von der normalen Struktur bezeichnet man als Strukturabberation. Diese ist von einem chromosomalen Polymorphismus zu unterscheiden. Verlust (Deletion) und Duplikation (Verdopplung) eines bestimmten Abschnitts kommen vor. Eine Deletion kann an einem Ende des Chromosoms eingetreten sein (terminale Deletion) oder den mittleren Abschnitt eines Chromosoms betreffen (interstitielle Deletion). Eine terminale Deletion setzt einen Bruch, eine interstitielle Deletion zwei Brüche voraus. Als Duplikation bezeichnet man einen Abschnitt, der verdoppelt ist. In Metaphase-Chromosomen sieht man die Aberration in beiden Chromatiden, weil sie in der Regel vor der S-Phase eingetreten ist. Deletion und Duplikation stellen gegensätzliche, in mancher Beziehung komplementäre Aberrationen der Chromosomenstruktur dar. Miller, O. J. & Therman, E.: Human Chromosomes. 4th ed. Springer, Heidelberg-Berlin, 2001. Paulson, J. R., Laemmli, U. K.: The structure of histonedepleted metaphase chromosomes. Cell 12: 817–828, 1977. Rooney, D. E., Czepulkowski, B. H., eds.: Human Cytogenetics. A Practical Approach. Vol. I. Constitutional Analysis. 2nd ed. The Practical Approach Series. IRL Press, Oxford, 1992.
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Metaphase-Chromosomen
2 µm
2 µm
1
2
A. Histon-freies Chromosom im Elektronenmikroskop
ca. 7 µm
B. Metaphase-Chromosomen B. des Menschen Chromatid
kurzer Arm (p) Centromer (cen)
p cen
langer Arm (q)
submetacentrisch Satelliten
verloren
q
metacentrisch
terminal
interstitiell
verloren
Deletion
p
ein Abschnitt verdoppelt
cen q
akrocentrisch telocentrisch C. Typen von Metaphase-Chromosomen
Duplikation D. Einfache Typen von Strukturaberration
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Chromosomen
Karyotyp Die Gesamtheit aller Chromosomen in Metaphase wird als Karyotyp bezeichnet. Dieser Begriff kann sich auf ein Individuum oder eine Spezies von Lebewesen beziehen. Die formale Präsentation von Chromosomen nach definierten Kriterien ist ein Karyogramm. Ein Ideogramm ist die stilisierte Darstellung eines Karyogramms. Es besteht aus einer festgelegten Anordnung von homologen Chromosomenpaaren. Der Karyotyp ist charakteristisch für jede Spezies. Er ist das Ergebnis von Chromosomenumordnungen, die während der Evolution aufgetreten sind. Die evolutionären Beziehungen verschiedener Spezies spiegeln sich in Ähnlichkeiten und Unterschieden der Struktur und Zahl ihrer Chromosomen wider.
A. Karyotyp des Menschen Der Mensch (Homo sapiens) hat 22 Chromosomenpaare (Autosomen) und zuzüglich entweder zwei X-Chromosomen im weiblichen Geschlecht oder ein X- und ein Y-Chromosom im männlichen Geschlecht (Karyotyp 46,XX bzw. 46,XY). Die Karyotypformel gibt die Gesamtzahl aller vorhandenen Chromosomen vor dem Komma an, nach dem Komma wird die Zusammensetzung der Geschlechtschromosomen angegeben. Die 22 Chromosomenpaare (Autosomen) des Menschen sind in sieben Gruppen (A–G) eingeteilt.
B. Karyotyp der Maus (Mus musculus) Der Standardkaryotyp der Maus besteht aus 19 Chromosomenpaaren, sowie dem X- und dem Y-Chromosom. Alle Chromosomen sind telocentrisch mit Ausnahme des X- und YChromosoms und sie sind vergleichbarer Größe (1). Sie unterscheiden sich jedoch durch das für jedes Chromosomenpaar charakteristische Bandenmuster und sind deshalb individuell identifizierbar. In bestimmten Mäusestämmen kann es Varianten des Karyotyps geben (2). Diese Varianten sind aus der Fusion von bestimmten Chromosomen entstanden. In dem hier gezeigten Beispiel entsprechen lediglich die Chromosomenpaare 1, 15 19 und X dem Standard-Karyotyp, während die anderen aus Fusions-Chromosomen bestehen, z. B. Chromosom 4 und 2, Chromosom 8 und 3 etc. Strukturelle Umordnungen des Karyotyps sind eine Folge der Trennung verschiedener Spezies in
der Evolution. (Abbildung aus W. Traut, 1991; Photographien von H. Winking, Lübeck).
C. Durchfluss-Cytometrie zur Chromosomenbestimmung Infolge ihrer verschiedenen Länge können Metaphasen-Chromosomen auch in einem auf Durchfluss-Cytometrie beruhenden Karyotyp dargestellt werden. Bei dieser Methode geben angefärbte, an einer Laser-Lichtquelle vorbei geführte einzelne Chromosomen ein ihrer Größe entsprechendes Signal. Zwar gibt es Überlappungen, wie z. B. zwischen den in der Größe ähnlichen Chromosomen 9–12 oder bei Chromosom 1 und 2, aber insgesamt ergibt sich auf der jeweiligen Chromosomengröße beruhendes Verteilungsmuster von Lichtimpulsen. Das X-Chromosom liegt in der Größe etwa zwischen Chromosom 8 und 7, das Y-Chromosom entspricht in der Regel der Größe eines Chromosom 22, doch kann es erhebliche Größenunterschiede des Y-Chromosoms geben. Wegen des technischen Aufwandes und Unschärfen in der Auflösung wird die Durchfluss-Cytometrie in der praktischen Diagnostik jedoch wenig verwendet. Für bestimmte Zielsetzungen hat sie jedoch Vorteile. (Abbildung aus J. M. Connor & M. A. Ferguson-Smith 1991). Buckle, V. J., Kearney, L: New methods in cytogenetics. Curr. Opin. Genet. Develop. 4: 374–382, 1994. Connor, J. M., Ferguson-Smith, M. A.: Essential Medical Genetics. 3rd ed. Blackwell Scientific Publications, London, 1991. Miller, O. J., Therman, E.: Human Chromosomes. 4th ed., Springer, New York, 2001. Traut, W.: Chromosomen. Klassische und molekulare Cytogenetik. Springer, Heidelberg, 1991.
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Karyotyp
1
2 A
6
7
13
14 D
19
20
3
4
5 B
8
9 C
10
15
11
16
12
17 E
18
oder F
21
G
22 XX =
XY =
A. Karyotyp des Menschen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
XY
1. Standard B. Karyotyp der Maus (Mus musculus)
4 2
8 3
7 6
13 5
12 10
14 9
18 11
17 16
1
15
19
XX
2. Variante aus einer Population 2. mit Fusionschromosomen
9-12
9-12 22,Y
22 19 20
19 21
18 17 14 13 20 16 15 16
8
X
21 7
6 54 3
1. normal weiblich C. Durchfluß-Cytometrie-Karyotyp
21
17 18 1614 15 13
7
8 X
2. normal männlich
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65 43
21
168
Chromosomen
G- und R-Bandenmuster von Metaphase-Chromosomen des Menschen Je nach Präparation und Färbeverfahren kann man in Chromosomen der Metaphase bzw. Prometaphase im Lichtmikroskop helle und dunkle Bänder unterscheiden. Jedes Chromosomenpaar und jeder Chromosomenabschnitt von ausreichender Länge lässt ein charakteristisches, für das jeweilige Chromosom spezifisches Banden-Muster erkennen. Die grundlegenden Typen sind G-Bänder (Giemsa-Färbung-induziert) und R-Bänder (Reverse-Bänder). Ein in der Praxis gleichfalls angewandtes fluoreszenz-mikroskopisches Verfahren erzeugt Quinacrin-induzierte Bänder (Q-Bänder). Ihr Muster entspricht dem der G-Bänder. Seite 175 und 177 zeigen Photographien menschlicher Metaphase-Chromosomen mit Darstellung der G-Bänder (links) bzw. der R-Bänder (rechts). Innen befindet sich jeweils ein Diagramm des Chromosoms mit G- bzw. R-Banden-Muster. Beginnend am Centromer ist jedes Chromosom in distaler Richtung in definierte Regionen und Bänder eingeteilt. Die in der Photographie dunklen Bänder sind im Diagramm schwarz, helle Bänder sind weiß dargestellt. Lediglich die Nummerierung nach dem G-Banden-System ist angegeben. Etwa 550 individuell unterscheidbare Bänder im haploiden Chromosomensatz sind in der Abbildung erkennbar (550-Banden-Stadium).
A. Metaphase-Chromsomen des Menschen (Paar 1–22, X und Y) Die 22 Autosomenpaare (1–22) werden in 7 Gruppen eingeteilt. Die Chromosomen 1–3 bilden die Gruppe A (Chromosom 1 und 3 sind metazentrisch, Chromosom 2 ist submetazentrisch), die Chromosomen 4 und 5 bilden die Gruppe B, 6–12 die Gruppe C usw. Die akrozentrischen Chromosomen des Menschen gehören den Gruppen D und G an. Die Chromosomen der Gruppe F sind metazentrisch. Die Möglichkeit der Identifizierung jeder Chromosomenregion und vieler Bänder erlaubt die Festlegung von Bruchpunkten und die Angabe der Lokalisation von Genen nach Region und Bandnummer auf jedem Chromosom. Lässt sich ein Band in guten Präparaten nochmals unterscheiden, so wird durch Verwendung der Dezimale eine Auffächerung erreicht. Z. B. werden aus Band 31 die Bänder 31.1, 31.2 und 31.3. [Bildnachweis: Die Abb. S. 175 und 177 entsprechen Abb. 5 aus ISCN 1995). Die G-gebänderten Photographien stammen aus Francke, 1981 und die R-gebänderten Photographien aus Camargo und Cervenka, 1982. Camargo, M., Cervenka, J.: Am J. Hum. Genet. 34: 757–780, 1982. Francke, U., Cytogenet. Cell Genet. 31: 24–32, 1981. Mitelman, F., ed.: ISCN 1995, An International System for Human Cytogentic Nomenclature. Cytogenetics and Cell Genetics, Karger, Basel, 1995.
Wesentliche Arten von Chromosomenbändern Bänderungsmethode
Typs
Trypsin-induzierte Giemsa-Färbung G AT-spezifische Fluorochrome (Qui- Q nacrin, Hoechst 33258) Reverse Bänder Centromer-Färbung Bromdeoxyuridin (BrdU) für zwei Zellzyklen Distamycin A-DAPI
R C SCE
Silbernitrat-Färbung
NOR
Giemsa 11
G11
DA/ DAPI
Prinzipielle Aussage unterscheidet helle und dunkle Bänder helle Fluoreszenz im Bereich dunkler G-Bänder, einiger Centromer-Bereiche, distaler langer Arm des Y-Chromosom umgekehrt wie G Centromer-Bereich dunkel angefärbt Differentielle Färbung der Schwesterchromatiden (Sister Chromatid Exchanges) Helle Fluoreszenz im kurzen Arm von Chromosom 15, sowie im Bereich des Centromers von 1, 9, 16, distaler langer Arm Y. kurzer Arm aller akrozentrischen Chromosomen Centromer von Chromosom 11
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G- und R-Bandenmuster von Metaphase-Chromosomen des Menschen Gruppe A 25.2
36.2 35 33 31.3 31.1
16 14 12
21 13.2
Centromer
12 14.3
12
13.1 13.3 22 24 26.1
22
22 24
24.3
31
G-Bänder
26 24.3 22 21 14.1 12
22
32.2
32.3 34
42.2
37.2
R-Bänder
1
28
2
3
Gruppe B 15.3 15.1 13
15.2 14 13.2
13.1 21.2
12 13.2 14 21 23.1
24 26 28 31.2 32 34
31.2 33.2 35.2
4
5 Gruppe C
24 22.1 21.2 12 12 14 16.3 22.1 23.2 25.2 26
6 23 21 12 12 21.1
14 12.3 21.1
22.2 31 33 34.2
22.2 23.3 25.1 26.2
9
10
21 14 12 11.22 21.1
23.2 21.2 12 11.22
31.1 31.3 33 35
22.2 23 24.2
7
8
21.1
15.4 14 12 12 13.4 14.3
13.2 12.1 12 13.2 21.1
23.2 24.2
23 24.2
11
12
A. Metaphase-Chromosomen des Menschen (Paar 1 – 12)
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Chromosomen
Bezeichnung von Chromosomenaberrationen Die folgende Liste enthält die Schreibweise der wichtigsten Typen von Chromosomenaberrationen beim Menschen entsprechend dem
46,XX 46,XY 47,XXY 47,XY,+21
International System for Human Cytogenetic Nomenclature (ISCN 1995).
normaler weiblicher Karyotyp mit 46 Chromosomen (zwei X-Chromosomen) normaler männlicher Karyotyp mit 46 Chromosomen (X- und Y-Chromosom) Karyotyp mit 47 Chromosomen (zwei X-Chromosomen, ein Y-Chromosom) Karyotyp mit 47 Chromosomen (X- und Y-Chromosom) und einem zusätzlichen Chromosom 21 (Trisomie 21)
13p 13q 13q14 13q14.2
kurzer Arm von Chromosom 13 langer Arm von Chromosom 13 Region 1, Band 4 des langen Arms von Chromosom 13 Subband 2 von 13q14
2q– del(2) del(2)(q21 1 qter)
Verkürzung des langen Arms von Chromosom 2 Deletion in Chromosom 2 Deletion in Chromosom 2 von Region 2, Band 1 (2q21) des langen Arms bis zum Ende (Telomer) des langen Arms (qter) Inversion von Chromosom 4 Inversion von Chromosom 4, 4p11 bis 4q21 (perizentrische Inversion) Duplikation in Chromosom 1 invertierte Duplikation in Chromosom 1 invertierte Duplikation der Banden p23 bis p24 in Chromosom 2 ringförmiges Chromosom 13 (impliziert Deletion) Isochromosom für den langen Arm eines X-Chromosoms dizentrisches Y-Chromosom isodizentrisches X reziproke Translokation zwischen einem Chromosom 2 und einem Chromosom 5 reziproke Translokation zwischen einem Chromosom 2 und einem Chromosom 5; dabei wurde der lange Arm von 2 verkürzt und der von 5 verlängert reziproke Translokation mit den Buchpunkten in q21 von Chromosom 2 und q31 von Chromosom 5 von Chromosom 2 abgeleitetes (,derivatives‘) Chromosom Translokation vom Typ der zentrischen Fusion, aus dem langen Arm eines Chromosom 13 und eines Chromosom 14. Es resultiert ein einziges Chromosom, deshalb kein Semikolon. Insertion in Chromosom 5 fra(X)(q27.3)X-Chromosom mit einer brüchigen Stelle an Position q27.3
inv(4) inv(4)(p11q21) dup(1) inv dup(1) inv dup(2) (p23 1 24) r(13) i(Xq) dic(Y) idic(X) t(2;5) t(2q–;5q+)
t(2;5)(q21;q31) der(2) t(13q14q)
ins(5) fra(X)(q27.3)
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Bezeichnung von Chromosomenaberrationen
Gruppe D 13 11.2 12.2 14.2 21.3 31 33
13
13 11.2 12 21 23
13 11.2
31 32.2
25 26.2
14
15
14 21.1 22.2
Gruppe E
13.2 12
12
13.31
12.2 21 23
21.2 22 24
12.1 21.2 22
16
17
18
Gruppe F
13.2 12
12
13.2 13.4
12 13.2
19
20
Gruppe G 13
13 11.2 21 22.2
12.1 13.2
21
22 Geschlechtschromosomen
22.2 21.3 11.3 12 21.1 21.3 23 25 27
11.3
X
Y
11.22 12
A. Metaphase-Chromosomen des Menschen (Paar 13 – 22, X und Y)
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Chromosomen
Chromosomenanalyse Da Chromosomen nur im Stadium der Metaphase, und unter besonderen Voraussetzungen auch in der Prometaphase, als einzelne Strukturen nach entsprechender Präparation im Lichtmikroskop sichtbar sind, erfordert jede Chromosomenanalyse Zellen in Teilung. In vivo enthalten nur Zellen des Knochenmarks einen ausreichenden Anteil mitotischer Zellen. Alle Verfahren zur Untersuchung von Chromosomen in Mitose erfordern eine Kultivierung geeigneter Zellen (Kultur). Das gängigste Verfahren ist die Präparation von Chromosomen aus Blutzellen nach vorhergehender Kultivierung. Die aus dem peripheren Blut gewonnenen Lymphocyten werden in einem Nährmedium durch Phytohämagglutinin zum Wachstum angeregt. Da sich Lymphocyten in der Kultur nur wenige Male teilen können, ist jede Untersuchung nur einmal möglich. Jedoch kann man eine Lymphocytenkultur mit Epstein-Barr-Virus zu einer lymphoblastoiden Zelllinie transformieren. Diese Zellen teilen sich so oft, dass wiederholte Male Material für Untersuchungen zur Verfügung steht. Daneben können Fibroblasten aus einem Stückchen Haut in einer Zellkultur vermehrt und anschließend analysiert werden (vgl. S. 104). Dieses Verfahren ist jedoch aufwendiger und dauert länger, so dass es bestimmten Fragestellungen vorbehalten ist.
A. Chromosomenanalyse aus Blut Für die Zellkultur kann entweder peripheres Blut direkt oder aus dem peripheren Blut isolierte Lymphocyten verwendet werden. Als Ausgangsmaterial benötigt man ca. 2–5 ml peripheres Blut. Das Blut muss durch in der Spritze befindliches Heparin ungerinnbar gemacht werden (der Anteil Heparin zu Blut beträgt etwa 1:20). Eine geeignete Menge peripheren Blutes oder isolierter Lymphocyten wird in ein Röhrchen mit Nährmedium gebracht. Die Stimulierung zur Mitose geschieht üblicherweise mit Phytohämagglutinin, einem aus Pflanzen gewonnenen Polysaccharid, das unspezifisch B-Lymphocyten zur Teilung stimuliert. Die Kultur zur Zellvermehrung erfordert etwa 72 Stunden bei 37 °C. Lymphocytenkulturen bilden eine Suspensionskultur. Die Zellkultur wird durch Zugabe eines ColchicinDerivats (Colcemid) in geeigneter Konzentration für ca. zwei Stunden beendet. Colcemid
unterbricht die Mitose im Stadium der Metaphase, so dass es zu einer relativen Anreicherung von Zellen in Metaphase kommt. Auf die Zellkultur folgt die Präparation. Sie besteht aus Zentrifugation, Aufnahme des Zellsediments in leicht hypoosmotischem Kaliumchlorid (0,075 molare Lösung und Inkubation für ca. 20 Minuten, gefolgt von erneuter Zentrifugation). Das anschließend gewonnene Zellsediment wird in Fixativ aufgenommen. Die Fixierlösung besteht aus einem Gemisch von Methylalkohol und Eisessig im Verhältnis 3:1. Üblicherweise wird das Fixativ durch anschließende Zentrifugation zwei- bis dreimal gewechselt. Danach können die fixierten Zellen in eine Pipette aufgenommen und auf einen Objektträger aufgetropft werden. Nach dem Färben des Präparats wird der Objektträger unter einem Deckglas eingedeckt. Nach der Präparation beginnt die Analyse. Zunächst werden geeignete Metaphasen im Mikroskop bei ca. 100facher Vergrößerung aufgesucht und anschließend bei etwa 1.250facher Vergrößerung analysiert. Bei der direkten Analyse im Mikroskop wird die Chromosomenzahl und die An- bzw. Abwesenheit aller Chromosomen und erkennbarer Chromosomenabschnitte analysiert. Wegen präparativ bedingter Abweichungen von der normalen Chromosomenzahl und gelegentlich auch -struktur reicht die Analyse einer einzigen Zelle nicht aus. Je nach Fragestellung müssen zwischen 5 und 100 Metaphasen analysiert werden, meist 10–15. Einige Metaphasen werden im Mikroskop photographiert und anschließend ausgeschnitten (Karyotypieren). Auf diese Weise kann aus einer photographierten Metaphase der Karyotyp erstellt werden. Der Zeitaufwand für eine Chromosomenanalyse ist je nach Fragestellung variabel, liegt aber bei durchschnittlich 3–4 Stunden. Die Analyse und Karyotypierung kann durch Computer-Verfahren abgekürzt werden. Miller, O. J., Therman, E.: Human chromosomes. 4th ed., Springer, New York, 2001. Therman, E., Susman, M.: Human Chromosomes. Structure, Behavior, and Effects. 3rd ed. Springer, New York-Heidelberg, 1993. Verma, R. S., Babu, A.: Human Chromosomes, Manual of basic techniques. Pergamon Press, New York, 1989.
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Chromosomenanalyse
Zellkultur peripheres Blut
Phytohämagglutinin (Mitose-Stimulierung)
Präparation Colcemid ca. 2 h
Lymphocyten
Zentrifugation
Zellvermehrung ca. 72 h Nährmedium
Zellsediment Kaliumchlorid hypoosmotisch ca. 20 min Zentrifugation
Aufnahme in Pipette
Zentrifugation
Fixativ
Auftropfen auf Objektträger Färben
Zellsediment
Eindecken Deckglas
Erhitzen
Präparat
Objektträger Färbekuvette
Analyse
Mikroskopieren
Photographieren und Ausschneiden oder Computeranalyse
Karyotyp
Metaphase im Mikroskop
A. Chromosomen-Analyse aus Blut
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Chromosomen
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) Der Begriff Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) umfasst eine Vielzahl von varianten Untersuchungsmöglichkeiten. Dabei werden konventionelle Chromosomenuntersuchungen und molekulargenetische Verfahren kombiniert (molekulare Cytogenetik). FISH-Untersuchungen basieren auf der Möglichkeit, eine DNASonde mit komplementären DNA-Sequenzen chromosomenspezifisch direkt (in situ) auf dem Objektträger zu hybridisieren. Dies ist sowohl in der Metaphase als auch in der Interphase möglich. Durch eine FISH-Untersuchung kann man Informationen gewinnen, die eine ortsspezifische Zuordnung zu der jeweiligen chromosomalen Region erlauben. Das Auflösungsvermögen einer FISH-Untersuchung ist gut; etwa 12×107 Basenpaare können erfasst werden.
A. Prinzip der in-situ-Hybridisierung Zellen in Metaphase oder Interphase werden auf einem Objektträger fixiert und denaturiert. Dadurch wird die doppelsträngige DNA (1a) in Einzelstrang-DNA überführt (2). Die Hybridisierung erfolgt mit einer Biotinmarkierten komplementären DNA (1) auf dem Chromosomen- oder Interphasepräparat (3). Ihre Lokalisation wird mittels eines primären Antikörpers gegen Biotin sichtbar gemacht, der mit einem Fluorochrom verbunden ist (4), z. B. Fluoreszein-Isothiocyanat (FITC). Da das primäre Signal nur schwach ist, wird ein sekundärer Antikörper (z. B. Avidin) angeheftet, der mit Biotin verbunden ist (5). An den sekundären Antikörper kann ein weiterer primärer Antikörper angeheftet werden. Dies führt zur Verstärkung des Signals (6), das lichtmikroskopisch nachgewiesen werden kann.
B. FISH in Metaphase und Interphase Die Philadelphia-Translokation bei Chronisch Myeloischer Leukämie (vgl. S. 316), eine reziproke Translokation zwischen einem Chromosom 9 (langer Arm 9q) und einem Chromosom 22 (langer Arm 22q), kann sowohl in der Metaphase als auch in der Interphase nachgewiesen werden. Das Schema (1) zeigt nur die Translokation eines Teiles des langen Armes eines Chromosom 22 (22q) auf den langen Arm eines Chromosom 9 (9q). Die reziproke Verla-
gerung eines kleinen Teils von 9q auf 22q ist hier nicht gezeigt. Mit einer DNA-Sonde aus Sequenzen von Chromosom 22 (dargestellt als helles gelbes Band) erhält man normalerweise zwei Signale, eines über jedem Chromosom 22. Bei Verwendung einer den Bruchpunkt überspannenden Sonde, entsteht ein zusätzliches Signal im distalen Ende des langen Armes eines Chromosom 9 (hier befinden sich die mit der Sonde hybridisierenden komplementären Sequenzen). Entsprechend sind in der Metaphase (2) und der Interphase (3) jeweils drei Signale sichtbar, zwei über jedem der Chromosomen 22 und eines über dem beteiligten Chromosom 9. (Photographien aus Lengauer et al., 1992, freundlicherweise von T. Cremer überlassen).
C. Nachweis einer Translokation Dies zeigt eine Translokation von einem Teil des langen Armes eines Chromosom 8 auf den kurzen Arm eines Chromosom 4 bei einer Patientin mit Langer-Giedeon-Syndrom. Die Hybridisierung erfolgte mit einem 170 kb YAC, der den Translokationsbruchpunkt im Bereich 8q24 überspannt. Es resultieren drei fluoreszierende Signale: über dem normalen Chromosom 8 (Pfeil), dem auf Chromosom 4 translocierten Teil von 8q24 (offener Pfeil) und den auf Chromosom 8 verbliebenen Sequenzen (Pfeilspitze). Die Chromosomen 4 und 8 wurden mit alphoiden Sonden hybridisiert, die spezifisch für den Centromerbereich sind (Präparat H. J. Lüdecke, Essen).
D. Telomer-Sequenzen in MetaphaseChromosomen In situ-Hybridisierung mit telomeren Sequenzen (vgl. S. 190) des Menschen zeigt am Ende jedes Chromosoms (Telomer) über jedem Chromatid zwei Signale (Photographie von Dr. Robert K. Moyzes, Los Alamos National Laboratory, mit freundlicher Erlaubnis des Autors, aus Spektrum der Wissenschaft, Seite 52, Oktober 1991). Lengauer, C., et al.: Metaphase and interphase cytogenics with Alu-PCR-amplified yeast artificial chromosome clones containing the BCR gene and the proto-oncogenes c-raf-1, c-fms, and c.erbV-2. Cancer Research 25: 2590–2596, 1992. Tkachuk, D. C. et al.: Detection of bcr-abl fusion in chronic in myelogenous leukemia by in situ hybridization. Science 250: 559–562, 1990.
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Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) 1a DNA-
Chromosomen auf Denaturierung Objektträger
Doppelstrang
1
Sonde für gesuchten Bereich
2. Einzelstrang
Markierung mit Biotin
Hybridisierung in situ
3. Primärer Antikörper mit Fluorochrom
Fluoreszenz Fluorochrom
Verstärktes Fluoreszenz-Signal
4. Sekundärer Antikörper mit Biotin Amplifikation des Signals durch Anheften eines weiteren primären Antikörpers
5.
6.
A. Prinzip der Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH) Metaphase normal
Interphase 22
9
22 Ph1
22 9q+
22q9q+
22q- 22 9 9q+ Philadelphia-Translokation
1.
22
2.
9q+
22q- 22
3.
22q9q+ 22 oder
B. Nachweis der Philadelphia-Translokation bei Chronisch Myeloischer Leukämie
der 8 der 4 8 4
C. Translokation 4;8
D. Telomer-Sequenzen in Metaphase-Chromosomen
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Chromosomen
Vielfarb-ChromosomenIdentifizierung Bei der Analyse mit konventionellen Methoden ist die Auflösung durch die Größe unterscheidbarer Bänder und ihre Ähnlichkeiten in verschiedenen Chromosomen begrenzt. Der kleinste, mit dem Lichtmikroskop sichtbare chromosomale Abschnitt in einer Metaphase beträgt selbst bei hochauflösendem Bandenmuster ca. 5–10 Mio. Basenpaare DNA.. Ein solcher Abschnitt kann immerhin 10–50 Gene enthalten, deren Funktion betroffen sein könnte. Alle Verfahren zur spezifischen Identifizierung von konventionell, nicht fassbaren Chromosomenveränderungen nutzen die individuellen Unterschiede in den DNA-Sequenzen jedes Chromosoms aus. Eine Reihe verschiedener Methoden wurden entwickelt, um mittels computergestützter Analyse unterschiedliche Farbimages jedes Chromosomenpaares zu erhalten („chromosome painting“). Zahlreiche Methoden und Modifikationen existieren, z. B. die Verwendung von künstlich verlängerter DNA oder Chromatinfäden („Fiber FISH“). Bei der vergleichenden Genomhybridisierung (Comparative Genome Hybridization, CGH) werden quantitative Unterschiede infolge Verlust oder Zunahme (Amplifikation) durch Vergleich eines Kontrollgenoms mit einem Testgenom erfasst, z. B. eine Metaphase. Zwei besonders effektive Verfahren zur spezifischen Identifizierung kleiner Chromosomenumordnungen werden nachfolgend illustriert: die Multicolor-Fluorescenz-in-situ-Hybridisierung (M-FISH) und die Spektral-Karyotypisierung (SKY).
A. Multiplex-FISH Dieses Verfahren (M-FISH, Speicher et al., 1996) verwendet Serien von chromosomenspezifischen DNA-Sonden. Diese sind in YAC-Klonen (yeast artifical chromosomes) enthalten und mit einem DNA-bindenden Fluoreszenzfarbstoff markiert. Diese werden mit denaturierter DNA in Metaphase-Chromosomen hybridisiert. Für jedes Chromosom wird computergestützt eine spezifische Farbe erzeugt, die dieses Chromosomenpaar identifiziert und von allen anderen unterscheidet. Die Analyse erfolgt lichtmikroskopisch mit Epifluoreszenz-Mikroskopie unter Verwendung einer Fernsehkamera (charge-coupled device camera, CCD). Aus fünf
verschiedenen Farbträgern (Fluophoren) können 24 Farbtöne für jedes der Chromosomen (beim Menschen 1–22, X und Y) als ComputerFalschfarben abgeleitet werden. (Photographien freundlicherweise von Drs. S. Uhrig und M. Speichert, München, überlassen).
B. Spektral-Karyotypisierung Die Spektral-Karyotypisierung (SKY, Schröck et al., 1996) verbindet die Fourier-Spektroskopie, CCD-Imaging und die optische Mikroskopie. Die Emissionsspektren aller Punkte der Probe werden simultan im sichtbaren und im Infrarot-Bereich gemessen. Durch ihre Kombination von 24 spezifischen Farbsonden für jedes Chromosom werden nach der Denaturierung mit Metaphase-Chromosomen hybridisiert. Die Emissionsspektren der individuellen Kombinationen von Fluophoren werden in ein Spektrum sichtbarer Farben verwandelt. Dabei werden rote, grüne und blaue Farben der spezifischen Wellenlänge der Fluoreszenz zugeordnet. Der computergenerierte Spektral-Karyotyp beruht auf spezifischen Falschfarben für jedes Chromosom. Die Spektral-Karyotypisierung hat eine große Bandbreite von diagnostischen Anwendungen bei der Analyse von konstitutionellen strukturellen Chromosomenabberationen und der Tumorcytogenetik (Photographien freundlicherweise von Prof. Dr. Evelin Schröck, Dresden, überlassen). Haaf, T., Ward, D. C.: High resolution ordering of YAC contigs using extended chromatin and chromosomes. Hum. Mol. Genet. 3: 629–633, 1994. Heiskanen, M., Peltonen, L., Palotie, A.: Visual mapping by high resolution FISH. Trends Genet. 12: 379–384, 1996. Lichter, P.: Multicolor FISHing: what’s the catch? Trends Genet. 13: 475–479, 1997. Ried, T., et al.: Chromosome painting: a useful art. Hum. Mol. Genet. 7: 1619–1626, 1998. Schröck, E., et al.: Multicolor spectral karyotyping of human chromosomes. Science 273: 494–497, 1996. Speicher, M. R., Ballard, S. G., Ward, D. C.: Karyotyping human chromosomes by combinatorial multi-fluor FISH. Nature Genet. 12: 368–375, 1996. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999. Uhrig, S., et al.: Multiplex-FISH for pre- and postnatal diagnostic application. Am. J. Hum. Genet. 65: 448–462, 1999.
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Vielfarb-Chromosomen-Identifizierung
1
6
2
7
13
14
19
20
3
8
4
9
15
21
5
10
11
12
16
17
18
22
x
y
A . Karyogramm mittels Multicolor Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung
I Chromosomen in 24 Farben
Spectracube verbunden mit einem Epifluoreszenz-Mikroskop
γ
x
Metaphase Chromosomen in 24 Farben B. Spektral-Karyotypisierung
Karyogramm in Chromosomen-spezifischen Farben
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Chromosomen
Numerische Chromosomenaberrationen
C. Entstehung von Trisomie und Monosomie
Abweichungen eines einzelnen Chromosomenpaares von der normalen Zahl werden als Aneuploidie bezeichnet. Numerische Chromosomenaberrationen kommen beim Menschen etwa einmal auf 400 Neugeborene vor. Abweichungen der Chromosomenzahlen entstehen durch Fehlverteilung (Non-disjunction) in der Meiose I oder II (meiotische Non-disjunction). Bei meiotischer Non-disjunction findet sich die Aberration in sämtlichen Zellen eines Organismus. Entsprechend der beiden meiotischen Teilungen kann Non-disjunction in Meiose I oder in Meiose II unterschieden werden (vgl. S. 98). Mitotische Fehlverteilung führt nur in einem Teil der Zellen zu einer Aberration(chromosomales Mosaik).
Das Ergebnis der aus zwei Zellteilungen (nicht gezeigt) bestehenden Meiose (vgl. S. 98) ist normalerweise eine normale Verteilung und ein haploider Chromosomensatz. Durch Fehlverteilung (Non-disjunction entweder in der Meiose I oder in der Meiose II) entsteht eine Gamete mit einem zusätzlichen Chromosom und eine mit einem fehlenden Chromosom. Nach der Fertilisation enthält die Zygote dann ein Chromosom dreifach (Trisomie) bzw. ein Chromosom nur einfach (Monosomie). Fehlverteilung kann in der Oogenese (maternale Non-disjunction) oder in der Spermatogenese (paternale Non-disjunction) eintreten.
A. Triploidie Triploidie bezeichnet eine Abweichung aller Chromosomen von der normalen Zahl. Jedes Chromosom liegt dreifach anstatt wie üblich paarweise vor. Bei der Tetraploidie liegt jedes Chromosom vierfach vor. Triploidie entsteht formal dadurch, dass entweder eine abnorme Oocyte mit doppeltem (46, XX) Chromosomensatz anstelle des haploiden Chromosomensatzes (23, X) gebildet wird. Nach der Fertilisation durch ein normales Spermatozoon entsteht eine Triploidie (69, XXX oder 69, XXY) mütterlicher Herkunft. In diesem Fall ist jedes Chromosom von der mütterlichen Seite doppelt vorhanden. Wenn Triploidie in der Spermatogenese entsteht, resultiert ein abnormes Spermatozoon, das nicht einen haploiden Chromosomensatz enthält wie normal, sondern einen diploiden (46, XY). In diesem Fall ist die Triploidie (69, XXY) väterlicher Herkunft (vgl. S. 386). Eine weitere Ursache einer Triploidie kann die gleichzeitige Befruchtung einer Eizelle durch zwei normale Spermien sein (Dispermie).
B. Aneuploidie
D. Beim Menschen vorkommende Abweichungen der Chromosomenzahl Beim Menschen kommen folgende autosomale Trisomien vor: Trisomie 13 mit einer Häufigkeit von 1 auf 5000 Neugeborene vor. Trisomie 18 mit 1 auf 3000 und Trisomie 21 mit etwa 1 auf 650 Neugeborene (1). Ein zusätzliches X- oder Y-Chromosom (2) ist mit je ca. 1 auf 800 Neugeborene viel häufiger als autosomale Trisomie. Im Gegensatz zu den autosomalen Trisomien führt dies jedoch nicht zu einem definierten klinischen Bild und macht sich bei Tripel X (47, XXX) oder mit zusätzlichem Y-Chromosom (47, XYY) überhaupt nicht bemerkbar. Dagegen führt Monosomie X (3) zum Krankheitsbild des Turner-Syndroms (vgl. S. 386). Ein zusätzliches X-Chromosom (XXY) bei Männern führt zum Klinefelter-Syndrom (S. 386). Miller, O. L., Therman, E.: Human Chromosomes. 4th ed., Springer, New York–Berlin, 2001. Therman, E. & Susman, M.: Human Chromosomes. Structure, Behavior, and Effects. 3rd ed. Springer, Heidelberg, 1993. Traut, W.: Chromosomen. Klassische und molekulare Genetik. Springer, Heidelberg, 1991.
Bei einer Trisomie (1) ist nur ein Chromosom dreifach vorhanden, alle anderen Chromosomenpaare sind normal. Selten sind zwei verschiedene Trisomien und verschiedene Chromosomenpaare (doppelte Aneuploidie). Fehlt ein Chromosom eines Chromosomenpaares, so bezeichnet man dies als Monosomie (2).
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Numerische Chromosomenaberrationen Entstehung von Triploidie Oocyte abnorm
Spermatozoon normal
Oocyte normal
+ 46, XX
A. Triploidie (alle Chromosomen dreifach)
Spermtozoon abnorm
+ 23, X oder 23, Y
69, XXX oder 69, XXY mütterliche Herkunft
23, X
46, XY
69, XXY väterliche Herkunft
1. Autosomale Trisomie Trisomie 13 ca. 1 : 5000
Trisomie 18 ca. 1 : 3000
1. Trisomie
Trisomie 21 ca. 1 : 650
2. Monosomie 2. Zusätzliches X- oder Y-Chromosom
B. Aneuploidie
Meiose normale Verteilung
Meiose
XXX
ca. 1 : 800
XXY
ca. 1 : 800
XYY
ca. 1 : 800
Fehlverteilung (Non-disjunction)
3. Monosomie X C. Entstehung von Trisomie und Monosomie
ca. 1 : 3000
D. Beim Menschen vorkommende D. Abweichungen der Chromosomenzahl
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Chromosomen
Translokation Als Translokation bezeichnet man den Austausch von Chromosomenteilen. Eine Translokation kann durch zentrische Fusion von zwei akrozentrischen Chromosomen (Robertsonsche Translokation) oder durch Austausch zwischen zwei Chromosomen entstehen (reziproke Translokation). Bei zentrischer Fusion sind zwei ganze Chromosomen beteiligt, bei einer reziproken Translokation nur Teile von zwei Chromosomen ausgetauscht. Bei einer Translokation ist die Bestimmung des Bruchpunktes in jedem der beteiligten Chromosomen wichtig.
A. Zentrische Fusion von akrozentrischen Chromosomen Chromosom 14 und Chromosom 21 (1) sind am häufigsten an einer Fusion beteiligt (ca. 1 auf 1000 Neugeborene). Durch die Fusion entsteht ein aus dem langen Arm von Chromosom 14 (14q) bestehendes Chromosom 21 (21q) und dem langen Arm von Chromosom, t14q21q (2). Der satellitentragende kurze Arm beider Chromosomen geht verloren, aber dies ist unbedeutend. Bei der Bildung der Keimzellen (Gameten) kann es zu Abweichungen von der normalen Chromosomenzahl kommen (3). Da sich in der Meiose Chromosom 14 und Chromosom 21 paaren, können folgende mögliche Gameten gebildet werden: Chromosom 14 allein (kein Chromosom 21), ein Chromosom 14 und ein Chromosom 21 (normal), das mit Chromosom 21 fusionierte Chromosom 14 (balanziert) oder das Fusionschromosom und ein Chromosom 21 (insgesamt zwei Chromosomen 21). Nach der Fertilisation enthält die entsprechende Zygote entweder nur ein Chromosom 21 (nicht lebensfähige Monosomie 21), einen normalen Chromosomensatz, das Fusionschromosom (balanzierter Chromosomensatz) oder eine Gamete mit insgesamt drei Chromosomen 21 (Trisomie 21). Im letzten Falle resultiert das Krankheitsbild des Down-Syndroms (früher genannt Mongolismus).
balanziert). Träger einer reziproken Translokation können jedoch Gameten mit unbalanziertem Chromosomensatz bilden. In der Meiose nehmen die an einer reziproken Translokation beteiligten Chromosomenpaare wie üblich an der homologen Paarung in der Meiose I teil. Dabei bildet sich eine charakteristische Quadriradial-Struktur. Je ein an der Translokation nicht beteiligtes Chromosom paart sich mit dem an der Translokation beteiligten homologen Partner. Dies führt im translozierten Bereich zu seiner Abwinklung. Durch Trennung (Segregation) der vier beteiligten Chromosomen können mehrere Möglichkeiten auftreten. Bei alternierender Segregation erhält eine Gamete die beiden normalen Chromosomen und die andere die an der Translokation beteiligten Chromosomen, d. h. sie ist balanziert. Bei der nicht alternierenden Segregation (benachbarte Chromosomen, adjacent) gelangen die beiden Chromosomen links in eine Gamete und die beiden Chromosomen rechts in die andere Gamete (adjacent-1). Bei der anderen Möglichkeit gelangen die Chromosomen oben in eine Gamete und die Chromosomen unten in die andere (adjacent-2). Das Ergebnis ist jeweils eine unbalanzierte Verteilung der beteiligten Chromosomenabschnitte. Zum Beispiel enthalten Gameten nach Segregation adjacent2 eine partielle Duplikation des rot markierten Chromosomenanteils und eine partielle Defizienz des blau markierten Chromosomenanteils (linkes Chromosomenpaar) bzw. eine partielle Duplikation des blau markierten Anteils und eine partielle Defizienz des rot markierten Anteils (Duplikation/Defizienz). Daraus resultieren verschiedene Arten von Störungen, je nach beteiligten Chromosomenabschnitten. Miller, O. L., Therman, E.: Human Chromosomes. 4th ed., Springer, New York, Berlin, 2001.
B. Reziproke Translokation Eine reziproke Translokation ist der Austausch von Chromosomenmaterial zwischen zwei Chromosomen. Da bei einer reziproken Translokation meist kein chromosomales Material verloren geht oder hinzukommt, führt sie nicht zu klinischen Ausfallerscheinungen (d. h. sie ist
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Translokation
1. normal
2. zentrische Fusion t (14q 21q) 21
14 14
21
t
14
3. mögliche Gameten bei t (14q 21q)
21
21
21
14
14 14
14
kein Chromosom 21
t
21 normal
n a c h
F e r t i l i s a t i o n
normal
Monosomie 21
(nicht lebensfähig)
21 zwei Chromosomen 21
balanciert
Trisomie 21
normal
(Down-Syndrom)
A. Zentrische Fusion von akrozentrischen Chromosomen 1
2 3
4
2
4
1
3 Meiose
normal
reciproke Translokation
alternierend 2
1 4
normal
adjacent-1 2 3
balanciert
adjacent-2
1
2 4
3
unbalanciert
B. Reziproke Translokation
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1 4
3
182
Chromosomen
Chromosomen-Strukturaberrationen Strukturveränderungen von Chromosomen können nach cytologischen Typen und Auswirkung auf den Phänotyp klassifiziert werden. Die wesentlichen cytologischen Typen sind Translokation (Austausch), Deletion (Verlust). Inversion, Insertion (Einschub), Isochromosom (s.u.), dizentrisches Chromosom (s. u.), Ringchromosom (s. u.). Nach ihrer Auswirkung kann unterschieden werden, ob sie balanziert oder nicht balanziert sind. Bei balanzierter Umordnung ist kein chromosomales Material verloren gegangen oder hinzugekommen. Unbalanziert bedeutet, dass chromosomales Material hinzugekommen ist (partielle Duplikation) oder verloren gegangen ist (partielle Defizienz). Einfache Typen von Strukturaberrationen wie Deletion und Duplikation sind auf S. 164 und 388 gezeigt.
A. Inversion Eine Inversion ist eine Richtungsänderung eines Chromosomenabschnitts um 180 Grad. Jede Inversion setzt einen Bruch in zwei verschiedenen Bereichen voraus, gefolgt von einer Wiederverbindung des invertierten Abschnitts. Je nach Beteiligung des Centromers kann eine perizentrische Inversion (das Centromer liegt im Bereich der Inversion) und eine parazentrische Inversion unterschieden werden.
B. Folgen von Crossing-over im Bereich einer Inversion Im Bereich einer Inversion bildet sich bei der homologen Paarung in der Meiose eine Inversionsschleife (1). Wenn der invertierte Abschnitt relativ groß ist, kann es in diesem Bereich der Inversion zu einem Crossing-over kommen (2). In den Tochterzellen kann dadurch in einem Chromosom eine Duplikation (z. B. für den Abschnitt A und B) sowie eine Defizienz (für den Abschnitt F) bestehen (3), während das andere Chromosom eine Defizienz für den Abschnitt A und B, sowie eine Duplikation für F aufweist (4). Diese Chromosomenabschnitte sind nicht balanziert (Aneusomie durch Rekombination).
Armen (2) oder aus zwei kurzen Armen besteht (3). Zugleich fehlt jeweils der andere Arm.
D. Dizentrisches Chromosom Ein dizentrisches Chromosom enthält zwei Centromere. Es ist instabil, weil es bei der Mitose zerreißen und ungleich auf die beiden Tochterzellen verteilt werden kann.
E. Ringchromosom Ein Ringchromosom entsteht nach zwei Brüchen und nach Wiedervereinigung der beiden Enden. Die distalen Abschnitte gehen verloren. Deshalb ist ein Ringchromosom unbalanziert.
F. Folgen eines Ringchromosoms Ein Ringchromosom ist instabil, weil es in der Prophase der Mitose zu einem Buch mit Wiedervereinigung („Crossing-over“) der Chromatiden und dadurch zu Schwierigkeiten kommen kann. In der Metaphase und Telophase entsteht dann ein großes ringförmiges Chromosom mit zwei Centromeren. Da sich in der Anaphase die Centromere in verschiedene Richtung bewegen, zerreißt der Ring. Geschieht dies nicht streng symmetrisch, so resultieren Tochterzellen, in denen bestimmte Abschnitte fehlen (Defizienz) oder verdoppelt sind (Duplikation). Im gezeigten Beispiel entsteht eine Tochterzelle mit einer Defizienz für Abschnitt 4 und eine Tochterzelle mit einer Duplikation für Abschnitt 4. Nicht selten geht ein Ringchromosom gänzlich verloren und es entsteht eine Monosomie. Miller, O. L., Therman, E.: Human Chromosomes. 4th ed., Springer, New York, Berlin, 2001.
C. Isochromosom Ein Isochromosom entsteht, wenn ein normales Chromosom (1) sich nicht longitudinal, sondern quer geteilt hat, so dass es aus zwei langen
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183
Chromosomen-Strukturaberrationen
Verlust
1. Pericentrisch
180º
Vereinigung
Zwei Brüche
Ringchromosom Verlust
2. Paracentrisch
180º
A. Inversion
E. Ringchromosom
D
Ruhephase
D C
Centromer E
B
F
A
B
F
2
se
2
ha
F
ap
B
2. Crossing-over zwischen C und D
3
r re
A
4
3. Duplikation A, B/Defizienz F F
C
D
E
ze
B
g
E
F
3
Ri n
D
Metaphase und Telophase
4
3
3 3
3
4
2
CEN CEN p
q
2 C. Isochromosom
p
3
D. Dicentrisches D. Chromosom
2 1
5
Tochterzellen 1
1
1
4
1
5
p
q
5
Centromeren in verschiedene Richtung
B. Folgen von Crossing-over im Bereich B. einer Inversion CEN
1
5
1
5
5
5 2
2
a
4 4
4 2
4. Defizienz A, B/Duplikation F
q
3
2
2
b
2
4
An
A
a
5
3 Crossing-over
1
5
n
F
1
ti
B
C
2
4 4
3 3
3
E
A
B
2
5
1
5
Prophase E
A
2
1
5
1
4
D
C
CEN 1
5
D
Crossing-over C
1
E
A
1. Inversionsschleife
Prophase
iß
C
3
Defizienz 4
4 3
b
4 Duplikation 4
F. Folgen eines Ringchromosoms
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184
Chromosomen
Molekularcytogenetische Analyse Strukturelle Chromosomenumordnungen treten bei Kindern mit einer geistigen Entwicklungsstörung mit einer Häufigkeit von etwa 0.7–2.4 pro 1000 auf. Kleine überzählige Chromosomen werden bei einer von 2500 Pränataldiagnosen beobachtet. In beiden Situationen müssen das oder die betroffenen Chromosom(en) identifiziert werden, um richtige Rückschlüsse auf die Ursache ziehen zu können. Viele kleine Veränderungen entgehen einer konventionellen Chromosomenanalyse. Der Anteil identifizierter Aberrationen wird durch molekularcytogenetische Untersuchung mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) deutlich erhöht. Die folgenden Abschnitte beschreiben drei Beispiele für das hohe Auflösungsvermögen bei der Diagnostik mittels Multikolor-Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (M-FISH).
A. Derivatives Chromosom mit zusätzlichem Material Im konventionellen G-gebänderten Karyogramm (links) sind keine Veränderungen erkennbar. Das Multiplex-FISH-Karygramm auf der rechten Seite zeigt jedoch ein schmales zusätzliches Band am distalen Ende des langen Armes eines Chromosom 1 (1q, gekennzeichnet mit einem Pfeil). Aus einer Analyse der Eltern konnte abgeleitet werden, dass dieses zusätzliche Material ursprünglich von einem Chromosom 12 stammt. Die Bruchpunkte konnten auf dem Chromosom 1 in Region 4, Band 3 (1q43) und auf Chromosom 12 in Region 1, Band 3.3 (12q13.3) festgelegt werden [Karyotyp 46,XX,der(1)t(1;12)(1;12)(q43;p13.3)].
C. Zusätzliches derivatives Chromosom Ein derivatives Chromosom ist ein unvollständiges Chromosom, das von einem anderen Chromosom stammt. In der Metaphase (links) und im Karyogramm (rechts) sieht man ein kleines zusätzliches akrozentrisches Chromosom mit Satelliten und roter Fluoreszenz neben dem Chromosomenpaar 21 (Pfeil). Weitere Untersuchungen bestätigen, dass das zusätzliche Chromosom aus dem Centromer eines Chromosom 21 und zusätzlichem Material eines Chromosom 18 (rote Fluoreszenz) besteht. Es liegt ein chromosomal unbalanzierter Chromosomensatz vor (partielle Trisomie 18). (Alle Photographien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Drs. Sabine Uhrig und Michael Speicher, München). Chudoba, I., et al.: High resolution multicolorbanding: A new technique for refined FISH analysis of human chromosomes. Cytogenet. Cell Genet. 84: 156–160, 1999. Crolla, J. A.: FISH and molecular studies of autosomal supernumerary marker chromosomes excluding those derived from chromosome 15. II. Review of the literature. Am. J. Med. Genet. 75: 367–381, 1998. Haddad, R. R., et al.: Identification of de novo chromosomal markers and derivatives by spectral karyotyping. Hum. Genet. 103: 619–625, 1998. Jalal, S. M., Law, M. E.: Utility of multicolor fluorescent in situ hybridization in clinical cytogenetics. Genetics in Medicine 1: 181–186, 1999. Uhrig, S., et al.: Multiplex-FISH for pre- and postnatal diagnostic application. Am. J. Hum. Genet. 65: 448–462, 1999. Viersbach, R., et al.: Delineation of supernumerary marker chromosomes in 38 patients. Am. J. Med. Genet. 76: 351–358, 1998.
B. Zusätzliches isodizentrisches Chromosom Bei diesem Beispiel sieht ein zusätzliches kleines Chromosom in der Metaphase links (heller Pfeil in der Mitte der Metaphase). In dem entsprechenden Karyogramm (rechts) zeigt sich, dass das zusätzliche kleine Chromosom hellblau gefärbt ist wie Chromosom 15 (waagrechter Pfeil). Durch weitere Untersuchungen konnte dieses Chromosom als kleines isodizentrisches (zwei Centromeren enthaltendes) Chromosom mit einer Duplikation des proximalen langen Armes in Bereich 15q11 (Region 1, Band 1 des langen Armes, 15q) identifiziert werden [Karyotyp 47,XY,+psu idic(15)(q11)].
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Molekularcytogenetische Analyse
1
2
3
6
7
8
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14
15
19
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?
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5
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17
18
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14
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x
y
19
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4
9
21
5
10
11
12
16
17
18
22
x
y
A. Derivatives Chromosom 1 mit zusätzlichem Material (Pfeil): 46,XX, der (1)t(1;12)(q43;p13.3)
1
2
3
6
7
8
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15
19
20
4
9
21
10
5
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12
16
17
18
22
x
y
B. Zusätzliches isodicentrisches Chromosom 15 (Pfeil): 47,XY,+psu idic(15)(q11)
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2
3
6
7
8
13
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15
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4
5
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12
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x
y
22
C. Zusätzliches derivatives Chromosom 21 (Pfeil): 47,XX,+der(21)t(18;21)(p11.2;q11.1)
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186
Regulation von Genen
Zellkern und ribosomale RNA Die in den codierenden DNA-Sequenzen der Gene niedergelegte Information wird zur Bildung von Proteinen (S. 34) genutzt (Proteinsynthese). Welche Proteine gebildet werden, hängt vom Zelltyp und Entwicklungstadium ab. Die differenzierte Auswahl wird von komplexen intrazellulären Vorgängen gesteuert, durch die Gene an- und abgeschaltet werden (Genexpression). Der Zellkern ist das Zentrum der Steuerung der Proteinsynthese, obwohl weitere wichtige Schritte im Zytoplasma erfolgen.
A. Zellkern und Proteinsynthese Transkription und Verarbeitung des primären Transkripts (RNA-Splicing) findet im Zellkern statt. Zur Stabilisierung ist die RNA im Zellkern an nukleäre, RNA-bindende Proteine gebunden. Die fertige RNA wird dann aus dem Zellkern ausgeschleust und dient im Zytoplasma bei der Translation als Vorlage für die Bildung eines Polypeptids. Voraussetzung für die Translation ist die Bindung von mRNA an Ribosomen. Ribosomen sind komplexe Proteine, die aus zahlreichen Untereinheiten zusammengesetzt sind, die ihrerseits das Ergebnis individueller Gene sind (ribosomale Gene).
B. Nukleolus und Synthese von Ribosomen Der Nukleolus ist eine morphologisch und funktionell spezifische Region im Zellkern. Hier werden große Proteinkomplexe, die Ribosomen, gebildet. Die Nachricht der RNA wird mit Hilfe der Ribosomen entschlüsselt und in die vorgegebene Reihenfolge von Aminosäuren übersetzt (Translation). Ribosomen bestehen aus etwa 50 verschiedenen Proteinen und mehreren RNA-Molekülen, den ribosomalen RNAs (rRNA). Das Zytoplasma einer eukaryoten Zelle enthält mehrere Millionen Ribosomen. In einer eukaroyten Zelle werden Vorstufen (Untereinheiten) der Ribosomen im Nukleolus gebildet, einer eigenen Struktur des Zellkerns. Der Nukleolus enthält Schleifen von DNA bestimmter Chromosomenregionen (Nukleolus-organisierende Region) mit Genen (rRNA-Gene), die durch RNA-Polymerase-I transkribiert werden. Zuerst wird ein 45S-rRNA-Vorläufer (13.000 Nukleotide) gebildet und in ein großes Ribonukleo-Protein aus ribosomalen Proteinen und wieder verwendeten RNA- und Proteinmolekü-
len zusammengefügt. Daraus entsteht in mehreren Schritten die kleine und die große Untereinheit. Diese werden aus dem Zellkern in das Zytoplasma transportiert und zu funktionellen Ribosomen aktiviert (die komplexen biochemischen Vorgänge sind in der Abb. nicht dargestellt). Die kleine Untereinheit enthält 18SrRNA (2000 Nukleotide), die große 5.8S-, 5Sund 28S-RNA (S, Svedberg Einheit, ist der Sedimentationskoeffizient. Er entspricht einer nicht additiven Größenangabe bei der Ultrazentrifugation). Dies entspricht 160 (5.8S) bzw. 5000 Nukleotiden (28S). Die 5S-rRNA (120 Nukleotide) wird getrennt von RNA-Polymerase-III transkribiert.
C. Struktur und Bestandteile von Ribosomen Ribosomen sind die Zentren der Proteinsynthese. Prokaryoten haben 70S Ribosomen (2.5 Millionen Molekulargewicht), bestehend aus zwei Untereinheiten 50S (1.6 Mio) und 30S (0.9 Mio). Die 50S-Untereinheit besteht ihrerseits wieder aus einem großen (23S, etwa 2900 Nukleotide) und einem kleinen (5S, etwa 120 Nukleotide) rRNA-Anteil. Ferner enthält sie 34 weitere Proteine. Die 30S-Untereinheit enthält eine große 16S-rRNA und 21 weitere Proteine. Während die 50S-Untereinheit Peptidyltransferase-Aktivität aufweist, ist die 30S-Untereinheit der Ort der Entschlüsselung der in der Boten-RNA (mRNA) enthaltenen Information. Die 30S-Untereinheit verfügt über einen Korrekturlese-Mechanismus. Bei Eukaryoten ist das Ribosom größer (80S, entsprechend etwa 4.2 MDa), bestehend aus einer 60S- und einer 40SUntereinheit. Diese enthalten eine Ansammlung von verschiedenen rRNAs und Proteine. (Abb. modiziert nach B. Alberts et al., 1994). Agalarov, S. C., et al.: Structure of the S15, S6, S18-rRNA complex: assembly of the 30S ribosome central domain. Science 288: 107–112, 2000. Alberts, B., et al.: Molecular Biology of the Cell. 3rd ed. Garland Publishing, New York, 1994. Alberts, B., et al: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell. Garland Publishing, New York, 1998. Ban, N., et al.: Placement of protein and RNA structures into a 5 Å-resolution map of the 50S ribosomal subunit. Nature 400: 841–847, 1999. Garrett, R.: Mechanics of the ribosome. Nature 400: 811–812, 1999. Wimberly, B. T., et al.: Structure of the 30S ribosomal subunit. Nature 407: 327–339, 2000.
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187
Zellkern und ribosomale RNA
Zelle
Zellkern (Nucleus) ZellplasmaMembran
Cytoplasma
Nukleolus
Cytoplasma
Nukleus
rRNA-Gen Transkription 45S-rRNAVorläufer
DNA Transkription nukleäre RNAbindende Proteine
großes RibonukleoProteinPartikel
ribosomale Proteine
RNASplicing
RNA und Proteine
5S-rRNA
RNA-Transport
kleine Untereinheit
große Untereinheit
Translation
Ribosomen Polypeptid
5.8S5S28S-
18S-rRNA 40S-Untereinheit
A. Zellkern und Protein-Synthese
RNA
60S-Untereinheit
B. Nukleolus und Synthese von Ribosomen Eukaryote
Prokaryote Ribosom
Ribosom
MW 2.5 Mio
MW 4.2 Mio 70S
1.6 Mio
80S
2.8 Mio
0.9 Mio 50S
1.4 Mio 60S
30S rRNA
5S und 34 Proteine
23S
40S
rRNA
16S und 21 Proteine
5S
28S
und ca. 50 Proteine
C. Schema der Struktur und Komponenten von Ribosomen
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5.8S
18S
und ca. 33 Proteine
188
Regulation von Genen
Transkription Die Transkription eines Stranges der DNA in ein komplementäres RNA-Molekül ist die erste Phase der Decodierung der genetischen Information eines aktiven Gens (exprimiertes Gen). Transkription wird durch zahlreiche, an bestimmte Abschnitte der DNA-bindende Proteine gesteuert (Transkriptionsfaktoren). Diese bilden einen Transkriptionskomplex. Obwohl es einige Unterschiede in der Transkription bei Prokaryoten und Eukaryoten gibt, sind die grundlegenden Prozesse gleich. Die Transkription wird von RNA-Polymerase katalysiert. Die RNA-Polymerase beim Bakterium E. coli besteht aus fünf Untereinheiten (zwei § , zwei g und eine * ). Sie werden von eigenen Genen codiert. RNA-Polymerase bei Eukaryoten ist komplex, bestehend aus drei Enzymen, die jeweils von verschiedenen Genen codiert werden.
A. Transkription durch RNAPolymerase Die Transkription beginnt mit der Erkennung spezifischer DNA-Sequenzen durch RNA-Polymerase (1). An dieser Stelle öffnet sich die Doppelhelix und die RNA-Synthese beginnt (Initiation). Dieser Vorgang (2) wird durch Verlängerung fortgesetzt (Elongation). Während die Polymerase an der DNA entlang wandert, wird mRNA synthetisiert (in 3'- nach 5'-Richtung). Transkribierte DNA windet sich hinter der Polymerase wieder zur Doppelhelix auf. Durch ein Stop-Codon am Ende signalisiert, wird die RNA von der DNA entfernt (3). Das durch Transkription entstandene RNA-Moleküle (primäres Transkript) ist unstabil. Bei Prokaryoten ist dies mit der Boten-RNA (mRNA) identisch. Deshalb schließt sich die Translation sofort an. Bei Eukaryoten wird das primäre Transkript in einer Serie komplexer Vorgänge zu mRNA verarbeitet (S. 52). Bei Eukaryoten bilden drei verschiedene Arten von RNA-Polymerase drei verschiedene Arten von RNA. Die RNA-Polymerisierungsrate beträgt etwa 30 Nukleotide pro Sekunde, entsprechend etwa 3 Minuten für 5000 Nukleotide. Alle Vorgänge werden durch ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Enzyme vermittelt.
B. Polymerase-Bindungsstelle
Polymerase einen Transkriptionskomplex bestehend aus zahlreichen Proteinen (Transkriptionsfaktoren).
C. Promotor der Transkription Der Promotor besteht aus spezifischen DNA-Sequenzen. Ihre Sequenz ist bei allen Lebewesen identisch. Deshalb bezeichnet man diese als evolutionär konserviert (auch als KonsensusSequenzen bezeichnet). Zwei kurze KonsensusSequenzen kennzeichnen den Promotor bei Prokaryoten. Einer besteht aus der Sequenz TTGACA, die 35 Nukleotide (bzw. Basenpaare, bp) in 5'-Richtung („stromaufwärts“) von der Startstelle entfernt liegt. Der andere, TATATT (auch „TATA-Box“ genannt), liegt 10 Nukleotide von der Startstelle des Gens entfernt. Bei Eukaryoten existieren zusätzliche genregulierende DNA-Sequenzen in erheblichem Abstand vom Startpunkt der Transkription.
D. Eine Transkriptionseinheit Die Transkription beginnt an einer definierten Stelle oberhalb (am 5'-Ende) eines Gens, am Promotor. Am 3'-Ende wird die Polymerase wieder entfernt (Terminator). Sowohl der Start als auch das Ende der Transkription ist genau definiert. Alle an der Bildung der RNA beteiligten Komponenten werden in ihrer Gesamtheit als Transkriptionseinheit bezeichnet.
E. Identifizierung eines Gens durch Bestimmung des Startpunktes der Transkription Man kann ein aktives Gen am Startpunkt der Transkription erkennen. Dazu hybridisiert man durch Transkription gebildete RNA mit komplementärer Einzelstrang-DNA. S1-DNA-Endonuklease schneidet Einzelstrang-DNA, verschont aber den DNA/RNA-Hybridstrang. Wenn man anschließend die RNA wieder entfernt, steht DNA des geprüften Bereichs zur weiteren Analyse zur Verfügung. Alberts, B., et al.: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell. Garland Publishing, New York, 1998. Lodish, H., et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed. Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 2000. Rosenthal, N. Regulation of gene expression. N Eng. J. Med. 331: 931–933, 1994.
An der Bindungsstelle der spezifischen DNASequenzen (Promotor-Sequenzen) bildet RNA-
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Transkription RNA-Polymerase
DNA-Doppelhelix
RNA-Polymerase bindet an DNA-Doppelhelix und beginnt mit Entwindung
Bindung
Entfernung
Beginn der RNA-Synthese
1. Initiation
5'
3' mRNA
Promotor
Start RNA-Synthese vom 3' 5' DNA-Strang
DNA wieder aufgewunden
Terminator
Ende
D. Eine Transkriptionseinheit DNA-Doppelhelix
mRNA
mRNA- Polymerase wandert entlang der DNA
Transkription
2. Elongation
RNA komplementärer DNAEinzelstrang
RNA- Polymerase von DNA entfernt
5'
Hybridisierung
3'
Primärtranskript (instabil)
3. Termination A. Transkription durch RNA-Polymerase
S1-Nuklease
aufwinden
3'
5' mRNA
DNA zur Analyse, z.B. Sequenzieren entwinden
B. Polymerase-Bindungsstelle DNA
EinzelstrangDNA abgebaut
Entfernung der RNA
DNA
E. Bestimmung des Startpunktes E. der Transkription Startpunkt
-35
-10
TTGACA
+1
TATAAT Konsensus-Sequenzen
10 bp 35 bp
C. Promotor der Transkription
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Transkription
190
Regulation von Genen
Kontrolle von Genexpression bei Bakterien durch Induktion Die Regulierung der Expression von Genen gehört zu den fundamentalen Aufgaben bei prokaryoten und eukaryoten Organismen. Prokaryote Organismen sind auf rasche Anpassung an rasch wechselnde äußere Bedingungen angewiesen. Üblicherweise im Nährmedium nicht vorhandene Substanzen müssen bei Angebot nicht selbst synthetisiert werden. Umgekehrt müssen fehlende Substanzen durch eigene Synthese ausgeglichen werden. Die Kontrolle der Genexpression erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Häufig sind es regulatorische Proteine, die entweder als Repressor (Unterdrückung der RNA-Polymerase-Aktivität) oder als Aktivator (Induzierung der RNA-Polymerase-Aktivität) wirken. Die Kontrolle wird dadurch erleichtert, dass bei Prokaryoten Gene für verwandte Funktionen meist zusammenliegen und deshalb gemeinsam kontrolliert werden können (Operon).
A. Induktion von Enzymen bei Bakterien Die Anwesenheit bestimmter Substanzen im Nährmedium führt bei Bakterien zu einer Induktion von Enzymen für die Verwertung der betreffenden Substanz. Ein Beispiel bei Echerichia coli (E. coli) ist die durch Lactose induzierte Aktivierung von drei Enzymen für Lactose-Abbau. Nach Zugabe von Lactose zum Nährmedium kommt es binnen etwa 10 Minuten zu einer mehrfachen Steigerung der Enzyme g -Galactosidase , g -Galactosid-Permease und g -GlactosidTransacetylase (1). g -Galactosidase ist das Lactose-spaltende Enzym, durch das Lactose in Galactose und Glucose gespalten wird (2).
B. Das Lactose-Operon bei E. coli Eine Serie von koordiniert regulierten Genen bezeichnet man als Operon (ein 1961 von Jacob und Monod eingeführter Begriff). Drei Strukturgene codieren für die Bildung der Lactoseabbauenden Enzyme (Gene Lac Z, Lac Y und Lac A und bilden das Lactose-Operon (Lac operon). Diese drei Gene werden von einem Promotor am 5'-Ende reguliert und von einer gemeinsamen mRNA transkribiert (polycistronisches Transkript). Normalerweise ist die Aktivität sehr gering, weil die Bildung von Lac mRNA durch einen Lac-Repressor verhindert wird.
Dieser ist das Genprodukt des Lac I RegulatorGens. E. coli kann Lactose als einzige Quelle für Kohlenstoff und Energie verwenden, weil in kurzer Zeit große Mengen g -Galactosidase gebildet werden können.
C. Kontrolle des Lac-Operon Die Kontrolle der drei Strukturgene des LacOperon, Lac Z, Lac Y und Lac A, geschieht durch Bindung eines Repressor-Proteins an die Promotor-/Operator-Region (P-O). Durch die Bindung des Repressors an die P-O Region wird die Bindung von RNA-Polymerase an die PromotorRegion verhindert und die Transkription blokkiert (1). Deshalb werden die drei Genprodukte nicht gebildet. Die Aktivierung des Lac-Operons erfolgt durch Bindung des Repressors (2). g -Galactoside binden an eine der Repressor-Untereinheiten und inaktivieren den Repressor. RNAPolymerase kann an die Promotor-Region binden und es erfolgt die Transkription.
D. Genregulierende NukleotidSequenzen des Lac-Operon Die Aktivität eines Gens wird durch regulative Proteine gesteuert, die an bestimmte Stellen der DNA binden. Der Promotor besteht aus DNA-Sequenzen, die RNA-Polymerase binden. Der nur bei Prokaryoten vorkommende Operator besteht aus spezifischen DNA-Sequenzen, die an den Repressor binden (Erkennungssequenz). Der Repressor des Lac-Operon (lac-Repressor) war das erste dieser Proteine, das isoliert werden konnte (1966, Gilbert und Müller-Hill). Der lac-Repressor ist ein Tetramer mit identischen 37-kDa-Untereinheiten. Jede hat eine Bindungsstelle für den Induktor (engl. inducer). In Abwesenheit des Induktor bindet der Repressor eng an die Operator-Region der DNA und verhindert dadurch die Transkription. Die Erkennungssequenz des Repressors besteht aus einer kurzen, 28 Basenpaare umfassenden Nukleotid-Sequenz, die in einer Symmetrieachse angeordnet sind (in der Abb. mit gleichen Farben unterlegt). Symmetrische Entsprechungen sind ein wichtiges Prinzip der DNA-Protein-Interaktion zur Steuerung der Transkription. Diese Genregulierenden Proteine können an ihren DNA-Erkennungssequenzen unterschieden werden. (Abb. nach Stryer, 1995). Stryer, L.: Biochemistry, 4th ed. W. H. Freeman, New York, 1995.
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Aktivität
Kontrolle von Genexpression bei Bakterien durch Induktion
Lactose Enzyme für Lactose-Verwertung
β-Galactosidase
Lactose
Galactose 0
5
10
15
Zeit (min) 1. Induktion durch Lactose
Glucose
20
2. Enzymatische Lactose-Spaltung
A. Induktion von Enzymen bei Bakterien Lactose-Operon (lac) Kontrollstellen
RegulatorGen
lac i
P - O
Repressor
Promotor/ Operator
DNA
5'
mRNA
3'
Drei Strukturgene
lac Z
lac Y lac mRNA
5'
lac-Repressor
DNA
lac A
β-Galactosidase
3'
β-GalactosidPermease
β-GalactosidTransacetylase
B. Das Lactose-Operon bei E. coli lac i
P - O
lac Z
lac Y
lac A
P-O
lac i
lac Z
lac Y
lac A
Transkription Repressor
RNA-Polymerase und Transkription blockiert
Repressor
Inaktiv
β-Galactosid
1. Gen-Inaktivierung durch einen Repressor
2. Inaktivierung durch Bindung des Repressors
C. Kontrolle des Lac-Operon Promotor
Operator
lac Z CAP-cAMP Bindungsstelle
RNA-PolymeraseBindungsstelle
RepressorBindungsstelle
5'
T G T G T G G A AT T G T G A C G G ATA A C A AT T T C A C A C A
3'
3'
A C A C A C C T TA A C A C T G C C TAT T G T TA A A G T G T G T
5'
Erkennungssequenz für den lac-Repressor D. Nukleotid-Sequenz des Lac-Operators
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192
Regulation von Genen
Kontrolle von Genexpression bei Bakterien durch Repression Wenn ein Gen normalerweise exprimiert wird (aktiv ist), bezeichnet man dies als konstitutiv. Je nach An- oder Abwesenheit einer bestimmten Substanz im Nährmedium von Bakterien, kann die Expression schwanken. Ein wichtiger Mechanismus ist die Kontrolle der Transkription durch ein Signal, das die Transkription bzw. Translation beenden kann (Terminationssignal). Es liegt zwischen Promotor und dem Anfang des ersten Strukturgens und wird als Attenuator bezeichnet (Abschwächung der Translation).
A. Regulation der Synthese einer Aminosäure bei E. coli Bakterien bilden Tryptophan, wenn es im Nährmedium nicht vorhanden ist (1). Wenn Tryptophan dem Nährmedium zugefügt wird, reduzieren die Zellen binnen etwa 10 Minuten die Aktivität der Enzyme für Tryptophan-Biosynthese (2).
B. Biosynthese von Tryptophan Die Bildung von Tryptophan aus Chorismarsäure erfolgt über vier Zwischenstufen in fünf Schritten, gesteuert durch fünf Enzymaktivitäten. Sie werden von fünf Genen codiert (Tryp EA) (CdRP = Carboxyphenyl-Amino-Deoxyribulose-Phosphat).
C. Tryptophan-Operon bei E. coli Das Tryptophan-Operon bei E. coli besteht aus diesen fünf Genen und regulierenden Sequenzen. Dazu gehören Promotor und Operator, eine Leader-Sequenz (Leitsequenz) und AttenuatorSequenzen. Die Translation der fünf Strukturgene erfolgt von einer durchgehenden trp-Operon mRNA. In dieser sind Leitsequenzen vorgeschaltet, die von den L-Sequenzen codiert werden. Die Attenuator-Sequenzen sind Teil der LSequenzen.
D. Die Rolle des Attenuators Die Abschwächung (Attenuation) der Expression des Tryptophan-Operators wird von einer Sequenz von etwa 100–140 Basenpaaren nach Beginn der Transkription (in 3'-Richtung) kontrolliert. Bei Anwesenheit von Tryptophan wird der trp-mRNA-Leader im Bereich einer Attenuator-Sequenz abgebrochen (1). Bei Abwesenheit von Tryptophan wird die Translation fort-
gesetzt. Das trp-Leader-Peptid enthält zwei Tryptophan-Reste (2). Dies führt bei Tryptophan-Mangel zu einer Verzögerung der Translation und Abschwächung eines Stop-Signals.
E. Abschwächung des trp-Operons Das Tryptophan-Operon ist ein gutes Beispiel, wie sich die Bakterienzelle kurzfristig den Bedürfnissen anpassen kann, je nachdem, ob Tryptophan vorhanden ist oder nicht. Dies geschieht durch einen als Abschwächung (Attenuation) bezeichneten Prozess. Dabei wird ein Stopcodon durch Änderung der RNA-Struktur (Konformationsänderung) aufgehoben. Eine trp-mRNA-Leader-Region kann alternativ aus zwei verschiedenen Basenpaar-Konformationen bestehen. Die eine erlaubt eine Transkription, die andere nicht. Bei Anwesenheit von Tryptophan (1) können die Ribosomen die mRNA rasch durchlaufen und das komplette Leader-Peptid synthetisieren. An zwei Positionen (10 und 11) befinden sich zwei Codons für Tryptophan (UGG). Das Ribosom folgt der RNAPolymerase dicht entlang der mRNA. In zwei von vier Bereichen kann sich im Bereich komplementärer Sequenzen durch Rückfaltung eine doppelsträngige RNA-Struktur bilden (zwischen 3 und 4). Das in der Terminator-Schleife liegende Stopcodon ist wirksam und beendet die Transkription. Bei Tryptophan-Mangel (2) dagegen verbleibt das Ribosom infolge eines Mangels an Tryptophanyl-tRNA etwas länger. Dadurch bildet sich eine andere RNA-Konformation mit doppelsträngigem Bereich zwischen 2 und 3 (statt 3 und 4). Dies bewirkt eine Aufhebung des Stopcodons, so dass die Transkription fortgesetzt werden kann. (Abb. modifiziert nach Stryer, 1995). Lodish, H., et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed., Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 2000. Stryer, L.: Biochemistry. 4th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 1995. Yanofsky, C., Konan, K. V., Sarsero, J. P.: Some novel transcription attenuation mechanisms used by bacteria. Biochemie 78: 1017–1024, 1996.
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193
Kontrolle von Genexpression bei Bakterien durch Repression
Tryptophan
Chorismat
Aktivität
Enzyme für TryptophanBiosynthese
Anthranilat
Prephenat
Tryptophan 0
5
10 Zeit (min)
15
Phenylalanin
Tyrosin
20
1. Verminderung der Tryptophan-Bildung 2. Bildung von Tryptophan A. Einfluss auf die Bildung der Aminosäure Tryptophan bei E. coli Stoffwechselweg: Chorismat
Anthranilat
Enzym:
AnthranilatSynthetase
Gene:
trpE
Phosphoribosyl (-Anthranilat)
CdRP
Indol-Gycerol
Indol-GycerolPhosphatSynthetase
TryptophanSynthetase
trpD
trpB
trpC
L-Tryptophan
trpA
B. Biosynthese von Tryptophan durch fünf Enzymaktivitäten und fünf Gene Attenuator
Promotor
Fünf Strukturgene
L Operator
trpE
trpD
Leader-Sequenzen
5'
trpC
trpB
trpA
Trp Operon mRNA
3'
Translation trp-Leader mRNA
C. Tryptophan-Operon bei E. coli Promotor
Attenuator
trp-Leader mRNA
Fortsetzung bei Abwesenheit von Tryptophan
1. D. Die Rolle des Attenuators Tryptophan vorhanden 10
mRNA Leader
1.
Ende der Transkription
2
11
Trp Trp UGG UGG
1 2 3 4 5 6 7 AUG AAA GCA AUU UUC GUA CUG Met Lys Ala Ile Phe Val Leu
Ende bei Anwesenheit von Tryptophan
1 Ribosom
2.
8 9 10 11 12 13 14 15 AAA GGU UGG UGG CGC ACU UCC UGA Lys Gly Trp Trp Arg Thr Ser Stop Das trp-Leader-Peptid enthält zwei Trp-Reste
Tryptophan-Mangel 10
UGG UGG 3
4
Stammbildung Stop
Transkription fortgesetzt
11
1
2
3
4
Ribosom verlangsamt an Trp Codons kein Stop
2.
E. Regulation der Transkription durch den Tryptophan Operon bei E. coli
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194
Regulation von Genen
Transkriptionskontrolle
C. RNA-Polymerase-Promotor
Transkription wird durch Bindung sequenzspezifischer DNA-bindender Proteine (Transskriptionsfaktoren) im Bereich des Promotors und anderen Sequenzen außerhalb der eigentlichen regulierenden Region (Enhancer) gesteuert. Zwar unterscheiden sich Prokaryoten und Eukaryoten in zahlreichen Einzelheiten, aber das Grundprinzip ist gleich. Man unterscheidet allgemeine Transkriptionsfaktoren und zellspezifische Transkriptionsfaktoren, die signalabhängig sind.
Eukaryote Zellen enthalten drei RNA-Polymerasen (Pol I, Pol II und Pol III) mit jeweils einer eigenen Promotor-Region. Pol II ist für die Synthese von RNA als Vorläufer der Boten-RNA (mRNA) verantwortlich und macht 20–40% der zellulären Aktivität aus. Sie bindet an den RNAPolymerase-II-Promotor (1). Pol I synthetisiert ribosomale RNA (rRNA) im Nukleolus und macht 50–70% der zellulären Aktivität aus. Der RNA-Polymerase I Promotor (2) besteht aus zwei Bereichen, einem Kontrollelement etwa 170–180 Basenpaaren stromaufwärts (upstream control element, UCE) und einem anderen, als Kernpromotor bezeichneten UCE, 20–45 bp stromaufwärts. Zwei weitere Faktoren, UBFI und UBF2, binden an diese Regionen. Pol III ist für die Synthese von Transfer-RNA (tRNA), sowie 5S-rRNAs und kleine RNAs verantwortlich. Der Promotor für Pol III (3) besteht aus mehreren Regionen, die sich stromaufwärts (5'-Richtung) und stromabwärts (3'-Richtung) des transkribierten Bereiches befinden. An diesen Promotor binden drei wesentliche Transkriptionsfaktoren, TFIIIA (ein Zinkfingerprotein, S. 200), TFIIIB (ein TATA-bindendes Protein) und TFIIIC. Die unterschiedliche Struktur der Promotor für die drei RNA-Polymerasen spiegelt die ausgesprochene Spezifität der Kontrolle der Transkription wider (Abb. modifiziert nach Lewin, 2000).
A. Promotor-Region bei Prokaryoten Die Spezifität der DNA-Sequenzen der Promotor-Region lässt sich aus der Intensität der Transkription ableiten. Im Bereich der Konsensus-Sequenzen von 35 und 10 Basenpaare, die oberhalb (in 5'-Richtung, „stromaufwärts“) der Startstelle für Transkription (1) liegen, reduzieren fast alle Änderungen (Mutationen) der Sequenz die Transkription oder heben sie ganz auf. Dagegen ist Transkription durch Änderungen der Sequenz außerhalb der Promotor-Region nicht beeinträchtigt (2). (Abb. modifiziert nach Watson et al., 1987).
B. Allgemeine Transkriptionsfaktoren Man unterscheidet allgemeine und genspezifische Transkriptionsfaktoren (TF), je nach dem, ob sie generell für alle Gene oder spezifisch für ein bestimmtes Gen wirksam sind. Die Aktivierung der RNA-Polymerase-II (Pol II) für die Transkription der meisten eukaryoten Gene erfordert die Bildung eines Initiationskomplex am Promotor. Dieser ist durch kurze Sequenzen von T-A- und A-T-Basenpaaren gekennzeichnet (sog. TATA-Box) 25 Basenpaare stromaufwärts (1). Zunächst binden zwei Proteine, TFIID und TBP (TATA-bindendes Protein) (2). Nachdem der nächste Transkriptionsfaktor, TFIIB, daran gebunden ist (3), können weitere Proteine an den Transkriptionskomplex binden, TFIIH, TFIIE, TFIIF, der dazu führt, dass Pol II an den Promotor bindet (4). Polymerase II (Pol II) wird durch eine Untereinheit von TFIIH phosphoryliert und dadurch aktiviert (5), so dass die Transkription beginnen kann. Andere Aktivitäten von TFIIH, eine Proteinkinase, betreffen eine Helikase, um die DNA-Doppelhelix aufzuwinden. (Abb. modifiziert nach Alberts et al., 1994).
Alberts, B., et al.: Molecular Biology of the Cell. 3rd ed. Garland Publishing Co., New York, 1994: Chapter 8, p. 365. Brivanlou, A. H., Darnell, J. E., jr.: Signal transduction and the control of gene expression. Science 295: 813–818, 2002. Lewin, B.: Genes VII. Oxford Univ. Press, Oxford, 2000: Chapter 28, p. 811. Watson et al.: Molecular Biology of the Gene. 4th ed., Benjamin/Cummings, Menlo Park, CA., 1987.
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195
Transkriptionskontrolle Promotor-Region 5' 3'
1.
3'
TA G T G TAT T G A C AT G ATA G A A G C A C T C TA C TATAT T C T C A ATA G G T C C A C G AT C A C ATA A C T G T A C TAT C T T C G T G A G AT G ATATA A G A G T TAT C C A G G T G C -10 Sequenz
-35 Sequenz
5'
5' 3'
mRNA
Startstelle für Transkription
A G T TA G T G TAT T G A C AT G ATA G A A G C A C T C TA C TATAT T C T C A ATA G G T C C A C G G 5'
3'
normale Transkription
GT
AT A
C G T
CG
wenig Transkription
G CG
GCAG T A
CA
keine Transkription
AT
TC
C AT
2. Effekt von Mutationen in der Promotor-Region auf die Transkriptionsrate A. Promotor-Region bei Prokaryoten Codierender Strang
PromotorRegion
Beginn der Transkription
5'
1.
3'
TFIID und TBP binden an TATA
3'
1. RNA-Polymerase-II-Promotor 3'
TATA SL1
Pol I
SL1 UFB1
TFIID
UFB1
Transcr.
5'
5'
3'
TFIIH, TFIIE, TFIIF, Pol II
TFIIB H
TFIID
E
5'
3'
3'
stromaufwärts Hauptpromoter Ribos. Kontrollelement -45 to -20 Gene (UCE) -180 to -170
2. RNA-Polymerase-I-Promotor ist zweigeteilt
TFIIF
4.
Transkription (tRNAs, 5s rRNAs, small RNAs)
Pol II
TFIIH phosphoryliert Pol II Transkription TFIID
5'
5.
Transkription Polypeptide
Promotor
TFIIB bindet an TFIID
3.
RNA-Polymerase II
5'
TATA –25bp
5'
2.
TFIID c Komplex
TF IIIB, TF IIIA
TF IIIC
TF IIIC
5'
3'
Pol III
3'
interne Promotor
Pol II P
P
P
P
Polymerase II aktiviert B. Zusammenwirken von Transkriptionsfaktoren
3. RNA-Polymerase-III-Promotor sind stromaufwärts und stromabwärts C. RNA-Polymerase-Promotor
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196
Regulation von Genen
Transkriptionskontrolle bei Eukaryoten Im Gegensatz zu Prokaryoten codiert ein Gen für ein einziges Polypeptid (monocistronische Transkriptionseinheit). Anders als bei Prokaryoten dient Messenger-RNA nicht direkt als Vorlage zur Translation. Vielmehr finden außer Intron-Splicing (vgl. S. 52) wesentliche Modifikationen an beiden Enden statt.
A. Prototyp der Struktur eines eukaryoten Gens Ein Struktur-Gen ist ein Gen, das für ein Genprodukt mit einer spezifischen Struktur codiert. Es lässt sich in die an der Transkription beteiligten Abschnitte (Transkriptionseinheit) und regulatorische Sequenzen unterteilen. Regulatorische Sequenzen finden sich sowohl oberhalb (in 5'-Richtung), als auch unterhalb (in 3'-Richtung) des Gens. Zusätzlich können Introns interne regulatorische Sequenzen enthalten. Die regulatorischen Sequenzen können zum Teil sehr weit oberhalb des Gens liegen. Gemeinsam mit dem Promotor (vgl. S. 198) sind sie für die Kontrolle der Transkription erforderlich.
Durch Einwirkung von Guanosin-7-MethylTransferase wird Guanosin über eine Triphosphat-Brücke mit der ersten und zweiten Ribose der vorläufigen mRNA-Kette verbunden. Das Guanosin ist in Position 7 methyliert, ebenso wie die beiden ersten Ribose-Reste der beginnenden RNA-Kette. Mit Ausnahme der mRNAs, die von DNA-Viren transkribiert werden, enthält eukaryote mRNA gewöhnlich eine einzige Protein-codierende Sequenz (monocistronischer Messenger).
D. Polyadenylierung am 3'-Ende Eukaryote Terminationssignale sind bisher weniger gut bekannt als die Regulation der Genaktivität am 5'-Ende. Eukaryote primäre Transkripte werden kurz hinter der Sequenz AAAUAA durch eine spezifische Endonuclease gespalten. Anschließend werden durch eine Poly-A-Polymerase etwa 100–250 AdeninReste am 3'-Ende des Transkripts angeheftet (Polyadenylierung). Das Poly-A-Ende bindet an ein Protein. Lediglich mRNAs, die für HistonProteine codierten, besitzen keinen Poly-A-Terminus (Abb. nach Singer & Berg, 1991). Singer, M., Berg, P.: Genes & Genomes, Blackwell Scientific, Oxford, 1991.
B. Prototyp einer fertigen eukaryoten mRNA Die fertige eukaryote mRNA entsteht durch Verarbeitung einer vorläufigen RNA durch Entfernen von Introns, Hinzufügen einer 5'-Kappe (Cap) am 5'-Ende und Hinzufügen von zahlreichen Adenin-Resten am 3'-Ende (Polyadenylierung). Vor dem Startsignal (AUG) für die Translation findet sich eine nicht codierende Sequenz (5'-Leader). Jenseits des Stopsignals für Translation (UAA) findet sich eine Trailer-Sequenz am 3'-Ende. Sowohl das Hinzufügen der Kappe, als auch die Polyadenylierung ist das Ergebnis von enzymatischen Reaktionen.
C. 7-Methyl-Guanosin-Kappe (Cap) Die Translation eukaryoter mRNA ist ähnlich wie die der prokaryoten mRNA, mit drei deutlichen Unterschieden (1) Transkription und Translation finden bei Eukaryoten an verschiedenen Orten der Zelle statt, (2) Transkription findet im Zellkern und Translation im Zytoplasma statt, (3) die 5'- und 3'-Enden der eukaryoten mRNA haben besondere Strukturen. Die Struktur am 5'-Ende wird Kappe genannt (Cap).
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Transkriptionskontrolle bei Eukaryoten
Transkriptionseinheit
mRNA-Start +1
Exon 1
Exon 2 Exon 3 Intron 1 Intron 2
Exon 4 Intron 3 mRNA-Ende
Promotor 5'
3'
3'
5' Regulatorische Regionen oberhalb
5'-Leader
3'-Trailer
Interne regulatorische Regionen
Regulatorische Regionen unterhalb
A. Prototyp eines eukaryoten Struktur-Gens 5'
Cap Kappe (M7-Gppp)
Start
Stop
AUG
UAA
3'
AAAAA....A nicht codierend
nicht codierend
für ein Polypeptid codierend
Poly A-Ende
B. Prototyp einer fertigen eukaryoten mRNA RNA-Polymerase DNA-Vorlage 5' Cap
mRNA
AAUAAA Spaltung durch spezifische Endonuclease
ATP
Polyadenylierung durch Poly A-Polymerase
PPi 5' AAUAAA Cap
C. 7-Methyl-Guanosin-Kappe (Cap)
D. Polyadenylierung am 3'-Ende
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AAAA
3' AA OH
ca. 100 - 250 Adenin-Reste
198
Regulation von Genen
Regulation der Genexpression bei Eukaryoten
C. Weit reichende Genaktivierung durch Enhancer
Der Begriff Genexpression bezieht sich auf den gesamten Vorgang der Decodierung einer genetischen Information in ein entsprechendes Protein eines aktiven Gens. Während einzellige Organismen wie Bakterien oder Hefe sich unmittelbar den Bedingungen in der Umwelt durch reversiblen Wechsel in der Expression bestimmter Gene anpassen können (vgl. vorhergehende Seiten), müssen multizelluläre Organismen zahlreiche Gene mit Funktion in verschiedenen Entwicklungswegen kontrollieren. Präzise regulierte Genexpression ist eine Voraussetzung für den geordneten Ablauf aller Lebensvorgänge und der Differenzierung von Zellen und Geweben. Dabei kommt ein Wechselspiel von exprimierten (aktiven) und supprimierten (unterdrückten, d. h. inaktiven) Genen zustande.
Enhancer (Verstärkerelemente) sind eukaryote transkriptionskontrollierende Regionen. Sie wirken aus der Entfernung und können 50 kb und weiter entfernt von der codierenden Region liegen. Sie sind meist etwa 50 bis 200 Basenpaare lang und enthalten Bindungsstellen für mehrere Transkriptionsfaktoren. Im Gegensatz zum Promotor kann ein Enhancer in beiden Richtungen wirken. Der Enhancer bindet an ein oder mehrere Aktivatorproteine. Durch Konformationsänderung (Schleifenbildung) der DNA gelangt das Aktivatorprotein in die Nähe eines Transkriptionsfaktors und aktiviert diesen, so dass die Transkription beginnen kann. Man unterscheidet cis-agierende (auf dem selben DNA-Strang) und trans-agierende (auf einem anderen Strang) Kontrollelemente (Abb. vereinfacht nach Alberts et al., 1998).
A. Ebenen der Kontrolle der Expression eukaryoter Gene
D. Alternatives Spleissen
Schematisch gesehen können vier Ebenen der Kontrolle unterschieden werden. Die erste und bei weitem wichtigste ist die primäre Kontrolle der Transkription (Entscheidung darüber, ob DNA in RNA umgeschrieben wird). Als nächstes kann die Verarbeitung des primären Transkripts kontrolliert werden, z. B. durch unterschiedliches Spleissen. Als weitere Ebenen können Kontrolle der Translation (mRNA Bearbeitung, Editing) und Kontrolle auf der Ebene des Genprodukts unterschieden werden (postranslationale Modifikation, z. B. bei Insulin, S. 34 u. 346).
B. RNA-Bearbeitung (RNA-Editing) Hier wird mRNA modifiziert. Ein Beispiel ist Apoliprotein-B im Fettstoffwechsel. Das Gen codiert für ein Genprodukt von 4536 Aminosäuren, das in der Leber synthetisiert und in das periphere Blut zum Transport von Lipiden abgegeben wird. Im Darm dagegen entsteht eine verkürzte Form des Genprodukts, Apo B84, aus 2152 Aminosäuren. Dies resultiert aus einer Modifikation von Cytidin in Codon 2153 (CAA, Glutamin) durch Deaminierung in der Darmwand zu Uridin (UAA). Dies ist ein Stopcodon und unterbricht die Transkription, so dass ein verkürztes Protein (Apo B-84) mit anderer Funktion gebildet wird (Abb. modifiziert nach Stryer, 1995, S. 860).
Das primäre Transkript eukaryoter Zellen kann auf verschiedene Weise gespleisst werden. Das Ergebnis sind mehrere alternative Ausgaben der mRNA. Ein Beispiel ist unterschiedliches Spleissen des primären Transkripts des Calcitonin-Gens in der Schilddrüse und im Hypothalamus. In der Schilddrüse sind Exons 1–4 exprimiert, aber nicht Exons 5 und 6. Im Hypothalamus dagegen sind Exons 1–3 und 5–6 exprimiert. Alternatives Spleissen kommt bei etwa 40–60% der Gene des Menschen vor (Modrek & Lee, 2002). Es verleiht dem eukaryoten Genom eine enorme physiologische und ökonomische Flexibilität, weil ein Gen als Vorlage zahlreicher, funktionell fein abgestufter Genprodukte dienen kann. Alberts, B., et al: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell, Garland Publishing Co., New York, 1998. Blackwood E. M., Kadonga J. F.: Going the distance: A current view of enhancer action. Science 281: 60–63, 1998. Modrek, B., Lee, C.: A genomic view of alternative splicing. Nature Genet. 30: 13–19, 2002. Stryer, L.: Biochemistry. 4th ed. W. H. Freeman & Co, New York, 1995.
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199
Regulation der Genexpression bei Eukaryoten 1
Apo B-100
Gln CAA
Cytosol 5' primäre mRNA
DNA
Nukleus
UAA
5'
3'
2152
B. RNA Bearbeitung Aktivatorprotein
Transkription Startpunkt
5'
3' Enhancer
mRNA
Promotor Bindung eines Aktivatorproteins an den Transkriptionskomplex
Translationskontrolle (mRNA Bearbeitung)
Enhancer Aktivatorprotein Transkriptionsfaktoren
Kontrolle der Proteinaktivität aktiv
3' Cytosin-Deaminierung durch intestinale Deaminase
Apo B-84
Verarbeitungskontrolle (alternatives Splicing)
Protein
Translation
stop 1
Transkriptionkontrolle Primäres Transkript
4536
inaktiv
A. Ebenen der Kontrolle eukaryoter Gen-Expression
Transkription
Promotor mit Transkriptionsfaktoren und RNA Polymerase II
C. Weitreichende Gen-Aktivierung durch einen Enhancer
Calcitonin-Gen 5'
Exon 1
Exon 2
Exon 3
Primäres RNA-Transkript 5'
1
2
1
2
3
Exon 5
4
5
3
mRNA C-Zellen in der Schilddrüse 5'
Exon 4
RNA-Verarbeitung 4
3'
5'
3'
6
3'
im Hypothalamus 1
2
Translation Calcitonin
Exon 6
Transkription
3
5
6
Translation
verschiedene Genprodukte
D. Alternatives RNA-Splicing
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CGRP (Calcitonin gene-related peptide)
3'
200
Regulation von Genen
DNA-bindende Proteine Regulatorische DNA-Sequenzen interagieren mit Proteinen. Sie können spezifische DNA-Sequenzen erkennen, da die Oberfläche des Proteins exakt und sequenzspezifisch an DNA bindet. Man kann drei Gruppen von regulatorischen DNA-Sequenzen unterscheiden: (1) Sequenzen, die den genauen Beginn der Translation festlegen; (2) DNA-Sequenzen, die das Ende regulieren oder terminieren; (3) DNA-Sequenzen in der Nähe des Promotors, die spezifischen Einfluss auf die Genaktivität haben (Repressoren, Aktivatoren, Enhancer und andere).
A. Bindung eines regulatorischen Proteins an DNA Genregulatorische Proteine können DNA-Sequenzen erkennen, ohne dass die WasserstoffBrückenbindungen der Helix geöffnet werden müssen. Jedes Basenpaar stellt ein spezielles Muster eines H-Brücken-Donors (im Beispiel rot gezeigt) und eines H-Brücken-Akzeptors dar (im Beispiel grün). Diese Proteine erkennen die große Furche der DNA, wo die Bindung stattfindet. Die Abb. zeigt einen Kontakt eines Asparagins (Asn) eines genregulatorischen Proteins mit der DNA-Base Adenin (A). Ein typischer Oberflächen-zu-Oberflächen-Kontakt betrifft ca. 10–20 dieser Interaktionen, jeder mit einer anderen Aminosäure (Abb. modifiziert nach Alberts et al., 1998, S. 276).
B. Eine > -Helix fügt sich in die große Furche einer Operator-DNA Ein Teil des Proteins, eine § -Helix (die sequenzlesende oder Erkennungs-Helix) fügt sich in die große Furche der DNA. Hier wird die Sequenz Q-Q-Q-S-T (Glutamin Q, Serin S, Threonin T) als die Erkennungssequenz des Bakteriophagen434-Repressors in der Bindung an spezifischen Basen der Operator-DNA gezeigt (Abb. modifiziert nach Lodish et al., 2000, S. 351).
C. Zinkfingermotiv Eine Gruppe von genregulierenden Proteinen wird als Zinkfinger bezeichnet, weil sie Zink enthalten und strukturell Fingern ähneln. Sie sind an wichtigen Funktionen während der embryonalen Entwicklung und der Differenzierung beteiligt. Das Zinkfingermotiv besteht aus einem Zink-Atom, das mit vier Aminosäuren einer Polypeptidkette verbunden ist. Im Schema
(C, links) ist die Verbindung zu zwei Histidinund zwei Cystein-Resten dargestellt. Die dreidimensionale Struktur auf der rechten Seite besteht aus einem antiparallelen g -Faltblatt (Aminosäuren 1–10), einer § -Helix (Aminosäuren 12–24) und der Verbindung zum ZinkAtom. (Abb. modifiziert nach Alberts et al., 1994, S. 410).
D. Zinkfingerprotein-Bindung an DNA Jedes Protein erkennt eine spezifische DNA-Sequenz. Da die Anzahl der Zinkatome variiert werden kann, zeigt dieser Typ von DNA-Bindungen eine große Flexibilität (Abb. modifiziert nach Alberts et al., 1994).
E. Hormon-Response-Element Bestimmte DNA-bindende Proteine sind Signalmoleküle. Hier findet der Signalempfang über einen Rezeptor im Inneren der Zelle statt. Zu dieser Gruppe gehören Steroidhormone. Sie aktivieren die DNA-bindende Domäne eines Proteins und lösen dadurch ein Signal aus, das zu Transkription des kontrollierten Gens führt. Die auf das Signal reagierenden DNA-Sequenzen werden als Hormon-Response-Element (HRE, Hormon-Antwort-Element) bezeichnet. Die Abb. zeigt den dimeren Glucocorticoid-Rezeptor als HRE. In jeder der beiden Untereinheiten ist ein Zink-Atom zur Stabilisierung an vier Cystein-Seitenketten an Position 443 und 440, sowie 460 und 457 gebunden (1). Das Skelettmodel (2) zeigt die Bindung des dimeren Proteins (braun oder blau unten) an zwei Bereichen der Doppelhelix (große Furchen). Das dreidimensionale Modell (3) zeigt wie exakt jedes Dimers des Proteins (braun und blau) in die DNA passt (dargestellt in rot und grün). (Abb. modifiziert nach Stryer, 1995, S. 1002). Alberts, B., et al.: Molecular Biology of the Cell, 3rd ed. Garland Publishing Co., New York, 1994. Alberts, B., et al.: Essential Cell Biology, Garland Publishing Co., New York, 1998. Lodish, H., et al.: Molecular Cell Biology, 4th ed. Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 2000. Stryer, L.: Biochemistry. 4th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 1995.
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201
DNA-bindende Proteine
DNA-bindendes Protein
Asn
große Furche
Donor CH3
T
H
CH2 C H O N
N H
N
N
N
A
Q
H
Q
N
O
H
R
K V
H
23
3
C
Zn
Q
K
1 Y
B. Eine α-Helix fügt sich in die große Furche der Operator-DNA 25
NH2
HOOC His 23
C L
E
S L
R
A
S
His 19
F 10
S K
V
Zn
E 12
12
D. Ein Zinkfinger-Protein bindet an DNA
Cys 443
Cys 440
Zn
Cys 457
2.
3.
E. Bindung an ein Response-Element
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Cys 3
1 H2N
Zn
C. Zinkfingermotiv
1.
Cys 6 Zn
6 C
H 19 R
Cys 460
T
zum Zucker
kleine Furche
A. Bindung eines regulativen Proteins an DNA 25 N
S
N
zum Zucker
HOOC
Q
H Akzeptor
H HN
O
10
202
Regulation von Genen
Andere Transkriptionsaktivatoren Transkriptionsaktivatoren sind dimere Proteine mit definierten funktionellen Domänen, einer DNA-bindenden Domäne und einer aktivierenden Domäne. Die DNA-bindende Domäne interagiert mit spezifischen, regulativen DNA-Sequenzen (vgl. S. 200). Die aktivierende Domäne interagiert mit anderen Proteinen und initiiert Transkription. Transkriptionsaktivatoren sind Teil des Initiationskomplex und stimulieren die Bindung des allgemeinen Transkriptionsfaktors IID (TFIID) an den Promotor (vgl. S. 194). In ihrer Gesamtheit bilden Transkriptionsaktivatoren eine zweite Ebene der Transkriptionskontrolle.
A. Leucin-Zipper-Motiv Dies ist ein Prinzip regulativer DNA-bindender Proteine mit einer charakteristischen Struktur, die einem Reißverschluss (Zipper) ähnelt. Das DNA-Bindungsmotiv besteht aus zwei § -Helices eines dimeren Proteins, das viele Kontakte mit der DNA bildet. Die beiden Helices klammern an Doppelhelix wie zwei Wäscheklammern an eine Wäscheleine (1), die von sich periodisch wiederholenden Leucin-Resten reißverschlussartig zusammengehalten werden. Man kann Homodimere aus zwei verschiedenen Proteinen (2 und 3) und Heterodimere (4) aus zwei verschiedenen Proteinen unterscheiden. Diese drei Motive werden bei Eukaryoten zur Expressionskontrolle tausender von Genen verwendet. Die Fähigkeit zur Bildung von Heterodimeren resultiert in einem breiten Spektrum von Spezifitäten (kombinatorische Kontrolle). Ein dem Leucin-Zipper-Motiv verwandtes DNA-bindendes Motiv ist das Helix-Schleifen-Helix (Helix-Loop-Helix, HLH)-Motiv. Es besteht aus einer kurzen und einer langen § Helix, die durch eine flexible Schleife (loop) des Proteins verbunden sind (hier nicht gezeigt). (Abb. modifiziert nach Alberts et al., 1994).
dende Proteine (Transkriptionsfaktoren) des Promotors und leiten die Transkription ein.
C. Nachweis eines proteinbindenden Bereichs der DNA Das Prinzip dieser früher zur Erkennung eines bisher nicht bekannten Gens wichtigen Verfahren besteht darin, einen DNA-Proteinkomplex von freier DNA zu unterscheiden. Beim Bandshift-Nachweis wird in einer Gel-Elektrophorese ihre unterschiedliche Laufgeschwindigkeit festgestellt (Bandshift, 1). Beim Nachweis protein bindender DNA-Bereiche durch so genannte Fußspuren (footprint) wird DNA mittels des Enzyms DNAse I geschnitten und in kleine Fragmente unterschiedlicher Größe zerlegt, die mittels Elektrophorese nachgewiesen werden können. Im Bereich eines Polymerase-Promotor-Komplex jedoch treten keine Fragmente auf (2), weil hier die DNA vor DNAse geschützt ist. In diesem Bereich fehlen Fragmente (Fußspur). Alberts, B., et al.: Molecular Biology of the Cell, 3rd ed. Garland Publishing Co., New York, 1994. Alberts, B., et al.: Essential Cell Biology. Garland Publishing, Co., New York, 1998. Lodish, H., et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed. Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 1999.
B. Aktivierung durch SteroidhormonBindung Wie auf S. 198 gezeigt, entfalten Enhancer (Verstärkerelemente) ihre Wirkung über weite Strecken, wenn sie durch ein Steroidhormon aktiviert werden. Ein durch das passende Hormon (hohe Bindungsspezifität beachten) aktivierter Enhancer aktiviert seinerseits DNA-bin-
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203
Andere Transkriptionsaktivatoren
1.
DNA
2.
3.
4.
Homodimere
Heterodimer
A. Leucin-Zipper-Dimer Inaktives Gen
Startpunkt für Transkription
DNA Enhancer
keine mRNA
Promotor
Hormon-RezeptorKomplex
Startpunkt für Transkription
Aktives Gen DNA Promotor aktiviert
Aktivierter Enhancer
mRNA
B. Aktivierung durch Steroidhormon-Bindung Freie DNA
DNA-ProteinKomplex
PolymerasePromotor-Komplex
DNA-Fragmente getrennt, nach Größe sortiert
Einschnitt durch DNAse I
schnell
langsam
fehlendes Band im Bereich der Bindung (“Footprint”)
markierte DNA
Wanderungsgeschwindigkeit in der Gel-Elektrophorese
1. Banden-Shift-Test
Richtung
groß
klein
2. DNA-Footprinting
C. Nachweis einer proteinbindenden Stelle in der DNA
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Gel-Elektrophorese
204
Regulation von Genen
Inhibitoren der Transkription und Translation Eine Reihe von natürlichen und künstlichen Stoffen können Transkription oder Translation hemmen. Sie können als Antibiotika zur Behandlung von Infektionen oder in der Krebsbehandlung verwendet werden. Zwar sind die meisten Substanzen unspezifisch und deshalb zur Behandlung nicht geeignet. Einige jedoch sind sehr spezifisch und deshalb für das Verständnis von Transkription und Translation oder therapeutisch wichtig. Grundsätzlich kann man unterscheiden, ob der Angriffspunkt in der Transkription oder in der Translation liegt.
A. Interkalierung von DNA Interkalierende Substanzen schieben sich in die DNA-Doppelhelix. Dadurch verhindern sie die Bildung neuer RNA sowohl in prokaryoten als auch in eukaryoten Zellen. Ein Beispiel ist Actinomycin D, ein polypeptidhaltiges Antibiotikum aus einer Art von Streptomyces-Bakterien. Es besteht aus zwei gleichen Seitenketten mit je drei Aminosäuren, sowie Sarcosin und L-Methyl-Valin, die durch einen Phenoxazon-Ring verbunden sind (1). Auf Grund dieser symmetrischen Struktur kann sich der PhenoxazonRing zwischen zwei benachbarte GC-Basenpaare schieben (2, Seitenansicht; 3, Sicht von oben). Die symmetrische Struktur von Actinomycin D entspricht der Symmetrie einer spezifischen Basensequenz in DNA wie bei einigen anderen DNA-bindenden Proteinen auch.
C. Inhibitoren der Protein-Synthese Zahlreiche in der Natur vorkommende oder künstlich hergestellte Substanzen inhibieren Protein-Synthese, weil sie die Transkription oder bestimmte Phasen der Translation hemmen. Einige haben klinische Bedeutung als Antibiotika, andere haben toxikologische Bedeutung. Ein Beispiel für die Spezifität einiger Inhibitoren ist § -Amanitin, ein bizyklisches Octapeptid des Knollenblätterpilzes (Amanita phalloidis). Es bindet in sehr niedriger Konzentration an RNA-Polymerase II und blockiert dadurch die Bildung von vorläufiger mRNA in Eukaryoten. Dagegen ist RNA-Polymerase I unempfindlich gegen dieses Toxin und Polymerase III bindet nur in höheren Konzentrationen. (Angaben nach Singer & Berg, 1991.) Singer, M., Berg, P.: Genes & Genomes. Blackwell Scientific, Oxford, 1991. Stryer, L.: Biochemistry, 4th ed., W. H. Freeman, New York, 1995.
B. Abbruch der PolypeptidkettenVerlängerung Das Antibiotikum Puromycin repräsentiert einen Mechanismus zur Inhibition der Translation durch Imitation eines biologisches Moleküls. Puromycin (gewonnen aus Streptomyces alboninger) ist ein Analog des Aminoacyl-Endes einer Aminoacyl-tRNA. Wenn Puromycin anstelle von Peptidyl-tRNA bei der Translation (S. 46) in die wachsende Polypeptidkette eingebaut wird, verhindert dies den Eintritt der Aminacyl-tRNA. Das stattdessen gebildete PeptidylPuromycin enthält jedoch kein Codon wie normale tRNA und verlässt das Ribosom. An dieser Stelle wird die Polypeptidkette abgebrochen und die Synthese vorzeitig beendet. (Abb. modifiziert nach Singer & Berg, 1991).
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Inhibitoren der Transkription und Translation
205
Ribosom L-Methylvalin Sarcosin L-Prolin D-Valin L-Threonin
PhenoxazonRing
PeptidylPuromycin
1. Actinomycin D
Puromycin an der A-Stelle
Peptidyl-tRNA an der P-Stelle
B. Puromycin imitiert eine Aminoacyl-tRNA
C
G
C G
G C
G
C
2. Seitenansicht
3. Sicht von oben
A. Interkalierender Einbau von Actinomycin D zwischen ein GC-Basenpaar Bei Prokaryoten (Beispiele) : Actinomycin
Bindung zwischen benachbarten G - C Basen in DNA (Interkalation)
Chloramphenicol
inhibiert Peptidyltransferase des 70S-Ribosoms
Erythromycin
bindet an 50S-Partikel und verhindert Bildung des 70S-Ribosoms
Neomycin
bindet an die 30S-ribosomale Untereinheit und inhibiert die Bindung einer tRNA
Puromycin
vorzeitige Kettentermination
Rifamycin
inhibiert RNA-Synthese durch Bindung an die β-Untereinheit des RNA-Polymerase Holoenzyms
Streptomycin
wie Erythromycin
Tetracyclin
inhibiert die Bindung von tRNA an die 30S-ribosomale Untereinheit
Bei Eukaryoten (Beispiele) : α-Amanitin
inhibiert Polymerase II
Chloramphenicol
inhibiert Peptidyltransferase von mitochondrialen Ribosomen
Cycloheximid
inhibiert Peptidyltransferase
Diphterietoxin
inhibiert Initiationsfaktor 2 und Translokation
C. Inhibitoren der Protein-Synthese
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206
Regulation von Genen
DNA-Methylierung
C. De-novo-Methylierung
Methylierung von DNA an Cytosin-Resten spielt eine wichtige Rolle bei der Genregulation, vor allem bei der normalen embryonalen Entwicklung. Genomisches Imprinting (S. 208), X-Chromosom-Inaktivierung (S. 210), Chromatin-Modifikationen und die Inaktivierung endogener Retroviren hängen vom Erstellen und Erhalten passender Methylierungsmuster ab. DNA-Methylierung ist genspezifisch und tritt im gesamten Genom auf. Sie wird durch ein System von Enzymen vermittelt: Methlytransferasen. Man kann nach ihrer Grundfunktion zwei Arten von Methyltransferasen unterscheiden: Erhaltungsund de novo-Methylierung.
Bei diesem Typ der DNA-Methylierung werden Methyl-Gruppen an neuen Positionen in beide DNA-Strängen eingefügt. Zwei Gene für Methyltransferasen mit überlappenden Funktionen bei der globalen Remethylierung sind bekannt: Dnmt3a und Dnmt3b. Unmethylierte DNA (1) wird durch diese Enzyme (2) in ortsund gewebespezifischer Weise methyliert (3). Gezielte homozygote Zerstörung der Dnmt3aund Dnmt3b-Gene bei Mäusen führt zu schweren Entwicklungsstörungen. Homozygote Doppelmutanten sterben vor Tag 11.5 ihrer 21 Tage dauernden embryonalen Entwicklung.
A. Erhaltungsmethylierung Diese Form der Methylierung ist verantwortlich für die Methylierung neu synthetisierter DNAStränge nach der Replikation und Zellteilung. Methylierte Bereiche der parentalen (elterlichen) DNA (1) dienen nach der Replikation als Vorlage für die korrekte Methylierung der beiden Tochterstränge (2). Dadurch wird das ursprüngliche Methylierungsmuster wiederhergestellt (3). Als Resultat sind die beiden Tochterstränge an genau denselben Stellen methyliert wie die parentale DNA. Das für diese Funktion verantwortliche Enzym ist Dnmt1 (DNAMethylase 1). Dass seine Funktion essentiell ist, kann man daraus ableiten, dass Mäuse ohne dieses Enzym infolge einer Demethylierung ihres gesamten Genoms sterben.
B. Erkennung eines methylierten DNASegments Bestimmte Restriktionsenzyme spalten die DNA nicht, wenn ihre Erkennungssequenz methyliert ist (1). Zum Beispiel spaltet das Enzym HpaII DNA nur, wenn seine Erkennungssequenz 5'-CCGG-3' nicht methyliert ist (2). Das Enzym MspI erkennt dieselbe 5'-CCGG-3'-Sequenz, spaltet DNA an der entsprechenden Stelle aber immer, unabhängig davon, ob sie methyliert ist oder nicht. Wenn man bei einer Untersuchung beide Enzyme verwendet, resultiert ein unterschiedliches Muster von DNA-Fragmenten im Southern-Blot (S. 64), weil HpaII im Gegensatz zu MspI an bestimmten Stellen nicht schneidet und dadurch ein größeres DNA-Fragment entsteht. Dieser Unterschied erlaubt Rückschlüsse auf das Methylierungsmuster des untersuchten Bereichs der DNA.
D. Das DNMT3B-Gen des Menschen Mutationen des humanen Gens DNMT3B, das für Typ 3b de-novo-Methyltransferase codiert, verursachen ein besonderes Krankheitsbild, das ICF-Syndrom (Immundefizienz-Centromere Instabilität, Gesichts(Facial)-Anomalien, McKusick-Katalog Nr. 242860). Das Centromer der Chromosomen 1, 9 und 16 ist instabil. Das humane DNMT3B-Gen besteht aus 23 Exons, die 47 kb genomische DNA umfassen (1). Sechs dieser Exons sind alternativem Splicing unterworfen. Das Protein (2) besteht aus 845 Aminosäuren mit 5 DNA-methyltransferase Leitmotiven (I, IV, V, IX, X) am C-terminalen Ende. Die Pfeile zeigen sechs verschiedene Mutationen. Bei der Mutation an Position 809 (3) wird das Codon 809 durch den Austausch eines Adenin (A) durch ein Guanin (G) von GAC (Asp) zu GGC (Gly) verändert. Beide Eltern sind heterozygot für diese Mutation. Bird, A: DNA methylation de novo. Science 286: 2287–2288, 1999. Hansen, R. S., et al.: DNMT3B DNA methyltransferase gene is mutated in the ICF immunodeficiency syndrome. Proc. Nat. Acad. Sci. 96: 14412–14417, 1999. Okano, M., et al.: DNA Methyltransferases Dnmt3a and Dnmt3b are essential for de novo methylation and mammalian development. Cell 99: 247–257, 1999. Reik, W., Kelsey, G., Walter, J.: Dissecting de novo methylation. Nature Genet. 23: 380–382, 1999. Robertson, K. D., Wolffe, A. P.: DNA methylation in health and disease. Nature Rev. Genet. 1: 11–19, 2000. Xu, G., Bestor, T., et al.: Chromosome instability and immunodeficiency syndrome caused by mutations in a DNA methyltransferase gene. Nature 402: 187–191, 1999.
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207
DNA-Methylierung
5'
3'
CH3
CH3
CH3
CG GC
CG GC
CG GC
CH3
CH3
nicht methyliert
3' 5' 3'
5'
CH3
CG GC
3'
CG GC
3'
CH3
CH3
(Methylationssensitiv)
CH3
CG GC
3'
CG GC
5' 3'
5'
CG GC
CG GC
CH3
5'
5'
CH3
5'
3'
CH3
CG GC
CG GC
CG GC
CH3
3'
3'
CH3
CH3
CG GC
CG GC
CG GC
3'
C CGG GGC C
C C GG G G C C 5'
gespalten
gespalten
gespalten
C C GG GG C C
C C GG GG C C
C C GG GG C C 5'
3'
CH3
5'
3'
3'
5'
2. Methylierung Dnmt 3a
3'
CH3
5'
5'
CH3
3'
3. Beide Tochterstränge methyliert
1B 2 3
45
Dnmt 3b
CH3
CH3
CH3
CH3
3' 5'
CH3
orts-spezifisch und gewebsspezifisch
3.
C. DNA-Methylierung de novo
A. Wiederherstellung der Methylierung 1A
C C GG GG C C
1. nicht methylierte DNA
5'
CH3
CH3
Exons
nicht gespalten
B. Erkennung eines methyl. DNA-Abschnitts
CH3
CH3
5'
3. MspI
CH3
CH3
3'
2. HpaII
Dnmt 1
3'
C CGG GGC C
3'
2. Replikation
5'
C CGG GGC C
1. Restriktionsenzym Erkennungssequenz
Neue Stränge nicht methyliert 5'
CH3 C CGG GGC C CH3
CH3
1. Methylierte Stellen in DNA
5'
nicht methyliert
methyliert
6 7
8
10 12 14 16 18 9 11 13 15 17 19
20
21 22
23
2800 UAG
1. DNMT3B Gen 53
5 kb
655 656
718 809 810
1
845 PWWP Domaine
I
IV VI
Aktiviert Target Cytosin
Patient
IX X Organisiert DNA bindende Domaine
Eltern
ACAGGCGTG Gly809
ACAG G CGTG A
Methylierungsreaktion 2. Protein (Schema) mit Mutation an sechs Stellen
Kontrolle
D. DNMT3B Gen des Menschen und Mutationen
3. Mutation D809G
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ACAGACGTG Asp
208
Regulation von Genen
Genomisches Imprinting Die Zygote von Säugetieren muss mit einem vollständigen Satz von Chromosomen mütterlicher und väterlicher Herkunft ausgestattet werden, um sich normal entwickeln zu können. Der Grund hierfür liegt in einer elternspezifischen Expression von bestimmten Genen. Das Genom enthält definierte Regionen, in denen nur die mütterlichen Gene exprimiert werden, nicht jedoch die väterlichen und umgekehrt. Diese vom elterlichen Ursprung abhängige allelen-spezifische Genexpression ist das Ergebnis von Genomischen Imprinting (Genomische Prägung). Genomisches Imprinting ist eine wichtige Ursache für bestimmte Erkrankungen beim Menschen (S. 382).
A. Die Wichtigkeit von zwei verschiedenen elterlichen Genomen Entfernt man einer normalen diploiden Zygote (1) den weibliche Pronukleus und ersetzt ihn durch einen männlichen Pronukleus, so entsteht eine androgenetische Zygote (2). In den meisten Fällen findet keine Präimplantation statt, der Fetus wird nicht gebildet und die Frucht stirbt früh in der Embryonalentwicklung ab (3). Ersetzt man den männliche Pronukleus durch einen weiblichen (4), so erscheint die gynogenetische Zygote zunächst normal. Etwa 85% erreichen die Präimplantation. Danach jedoch bleiben die extra-embryonalen Gewebe unterentwickelt und die Implantation wird nicht abgeschlossen. Der Embryo entwickelt sich etwa bis zum 40 Somiten-Stadium normal, stirbt dann aber ab. (Abb. modifiziert nach Sapienza & Hall, 1995).
B. Die Entwicklung menschlicher Embryonen hängt von der Anwesenheit eines mütterlichen und eines väterlichen Genoms ab Eine natürlich vorkommende androgenetische Zygote beim Menschen ist die Hydatidiforme Mole (1). Dies ist eine abnormale Plazenta, die zwei Sätze väterlicher Chromosomen, aber keine mütterlichen enthält. Es entwickelt sich kein Embryo, obwohl Implantation stattgefunden hat. Das Plazentagewebe entwickelt Zysten (2). Wenn nur mütterliche Chromosomen vorliegen, so entwickeln sich ovarielle Teratome, die verschiedene fetale Gewebe enthalten (3). Bei dieser natürlich vorkommenden gynogene-
tischen Zygote entwickelt sich keine Plazenta. Bei Triploidie, einer relativ häufigen, letalen Chromosomenstörung (S. 386), wird bei einem zusätzlichen mütterlichen Chromosomensatz (47,XXX) eine extreme Hypoplasie der Plazenta und des Fetus beobachtet (4). Bei zusätzlichem väterlichen Chromosomensatz (47,XXY oder 47,XYY) beobachtet man eine hypertrope Plazenta mit Bild einer Hydatidiformen Mole. (Photographien freundlicherweise von Prof. Helga Rehder, Marburg, überlassen).
C. Genomisches Imprinting wird in der frühen embryonischen Entwicklung etabliert Das in somatischen Zellen vorliegende ImprintMuster (1) wird durch alle mitotischen Zellteilungen hindurch beibehalten. In primordialen Keimzellen jedoch wird das Imprint-Muster gelöscht (2). Während der Gametogenese wird das Imprinting wieder hergestellt (3). In der männlichen Keimbahn erhalten alle Gameten das männliche Imprint-Muster und in der weiblichen alle das weibliche Imprint-Muster. Nach der Befruchtung ist so das korrekte Imprinting in der Zygote vorhanden (4). Es wird durch alle folgenden Zellteilungen hindurch unter der Kontrolle eines regionalen Imprinting-Zentrums beibehalten. Das Imprint-Muster ist das Ergebnis unterschiedlicher DNA-Methylierung. Nicht exprimierte Gene in einem dem Imprinting unterliegenden Bereich sind methyliert. Dies kann diagnostisch verwendet werden (Methylierungstest bei Verdacht auf Prader-Willi-Syndrom, S. 382). Barlow, D. P.: Gametic imprinting in mammals, Science 270: 1610–1613, 1995. Horsthemke, B.: Genomisches Imprinting beim Menschen: Grundlagen und klinische Relevanz. Biospektrum 4: 23–26, 1998. Morrison, I. M., Reeve, A. E.: Catalogue of imprinted genes and parent-of-origin effects in humans and animals. Hum. Mol. Genet. 7: 1599–1609, 1998. Reik, W., Surani, A., eds.: Genomic Imprinting. IRL Press at Oxford University Press, Oxford, 1997. Sapienza, C., Hall, J. G.: Genetic imprinting in human disease. pp. 437–458. In: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 7th ed. C. R. Scriver, et al., eds. McGraw-Hill, New York, 1995. Surani, A.: Imprinting and the initiation of gene silencing. Cell 93: 309–312, 1998.
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209
Genomisches Imprinting
früh letal
2 Fetus fehlt oder zu klein
Präimplantation misslingt meistens
Androgen
normale
1 Diploide Zygote
Entwicklung
extraembryonale Gewebe
3
Fetus normal
Präimplantation
Normal
letal etwas später
4
Fetus normal bis zum 40 Somiten Stadium
Präimplantation normal, extra-embryonale Gewebe unterentwickelt
Gynogen
A. Zwei verschiedene elterliche Gewebegenome sind wichtig zwei paternale Genome
1. Hydatidiforme Mole
zwei maternale Genome
3. Ovarielles Teratom
2. Hydatidiforme Mole
4. Triploidie 69, XXX
B. Embryonale Entwicklung hängt von maternalen und paternalen Genomen ab 1.
P
somatische Zellen männlich XX und XY P
2.
P Paternal
M
Inaktiv
Aktiv
Aktiv
Inaktiv
P
M Maternal
weiblich M
M
Imprint gelöscht
primordiale Keimzellen P
M
3. Gameten P
M
4. Zygote C. Genomisches Imprinting der frühen Embryonal-Entwicklung
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Imprint wiederhergestellt Imprint permanent etabliert
210
Regulation von Genen
X-Chromosom-Inaktivierung Der größte Teil der Gene (etwa 2500 beim Menschen) auf einem der beiden X-Chromosomen ist inaktiv. Die Inaktivierung, entweder des XChromosomes väterlicher Herkunft oder des anderen, der mütterlichen Herkunft, erfolgt randomisiert (nach Zufall) und bleibt zeitlebens festgelegt. Die Inaktivierung, zuerst 1961 von Mary F. Lyon postuliert, wird durch ein Gen, XIST (Xinactivation-specific transcript) induziert. Das Genprodukt ist nicht-codierende RNA, die im Zellkern eng assoziiert mit dem inaktiven XChromosom als Teil eines XIST-RNA-Komplexes bleibt. Dies ist lichtmikroskopisch als X-Chromatin (Barr-Körperchen) sichtbar. Die molekulare Grundlage der X-Inaktivierung ist die DNAMethylierung. Die Inaktivierung geht von einem Zentrum (Inactivation Center) im proximalen langen Arm des X-Chromosoms (Xq13) aus.
A. X-Chromatin Barr und Bertram beobachteten 1949 im Zellkern von Nervenzellen weiblicher Katzen eine färbbare Struktur im Interphasekern (1 und 3), nicht jedoch bei männlichen Tieren (2). Ähnliche Strukturen fanden sich bei anderen weiblichen Säugetieren, u. a. beim Menschen als Trommelschlegel in Leukocyten des peripheren Blutes (4), als randständiges Körperchen im Zellkern von Fibroblasten und in Zellkernen der Mundschleimhaut (5). Da es sich dabei um eines der beiden X-Chromosomen handelt, wird es als X-Chromatin bezeichnet (Abb. 1–3 aus M. L. Barr & E. G. Bertram, 1949).
B. Schema der X-Inaktivierung Eines der beiden X-Chromosomen wird in der frühen Embryonalzeit (beim Menschen etwa um Tag 21) inaktiviert. Die Inaktivierung betrifft entweder das X-Chromosom mütterlicher (XM) oder väterlicher Herkunft (XP). Die Inaktivierung bleibt in allen Tochterzellen stabil.
C. Mosaik des Expressionsmusters Weibliche Körperzellen bilden ein Mosaik aus Zellen mit inaktiviertem väterlichen und inaktiviertem mütterlichem X-Chromosom. Dies kann bei Heterozygoten sichtbar sein, z. B. bei Allelen für zwei verschiedene Fellfarben bei der Maus (1) oder für eine Mutation, hier beim Menschen (2 und 3). Die Maus zeigt ein Mosaik heller und dunkler Flecken.
Fingerabdrücke bei einer Frau, die heterozygot für X-chromosomale Hypohidrotische Ektodermaldysplasie ist, finden sich Areale mit normalen Schweißporen (kleine schwarze Punkte) und Areale ohne oder mit verminderter Anzahl von Schweißporen wie bei Erkrankten. In Zellkulturen von weiblichen Heterozygoten für Xchromosomalen Mangel des Enzyms Hypoxanthin-Phosphoribosyltransferase (HGPRT) finden sich Gruppen von Zellen mit (+) und ohne HGPRT-Aktivität (–), aber keine Mischform (Abb. in 1 aus Thompson, 1965; in 2 aus Passarge & Fries, 1973; in 3 aus Migeon 1971, mit freundlicher Genehmigung).
D. Ausnahmen von der X-Inaktivierung Etwa 10–15% von 250 untersuchten Genen auf dem X-Chromosom des Menschen sind von der Inaktivierung ausgenommen. Es handelt sich überwiegend um Gene auf dem kurzen Arm. Diese Region ist evolutionär jünger als die anderen.
D. Das X-Inaktivierungsprofil Bei einer systematischen Analyse des Profils der Inaktivierung in den verschiedenen Regionen des X-Chromosoms, zeigten Carrel et al. (1999), dass die meisten nicht aktivierten Gene auf dem kurzen Arm liegen. Die eckigen Symbole oben rechts stellen Gene im Bereich der pseudo-autosomalen Region dar. (Abb. modifiziert nach Carrel et al., 1999). Barr, M. L., Bertram, E. G.: Nature 163: 676–677, 1949. Brockdorf, N.: X-chromosome inactivation: closing in on proteins that bind Xist RNA. Trends Genet, 18: 362–368, 2002. Carrel, L. et al.: A firstgeneration X inactivation profile of the human X chromosome, Proc. Nat. Acad. Sci. 96: 14440–14444, 1999. Migeon, B. R.: Am. J. Hum. Genet. 23: 199–200, 1971. Passarge, E., Fries, E.: Nature New Biol. 245: 58–59, 1973. Thompson, M. W.: Canad. J. Genet. Cytol. 7: 202-213, 1965. Willard, H. F.: The sex chromosomes and X chromosome inactivation. In: Scriver, C. R. et al., editors. The Molecular and Metabolic Bases of Inherited Disease, 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001.
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211
X-Chromosom-Inaktivierung
Zygote XP XM
Blastocyste
1
2
XP XM
frühembryonale X-ChromosomInaktivierung
3
Inaktivierung zufällig und irreversibel
XP
XP
XM XP
XM
XM
XP
XM
"P"-aktiv-"P"
4 A. X-Chromatin
adultes X-chromosomales Mosaik
5
P
P M
P
XM
XP
"M"-aktiv-"M"
M M
M
XP
XP
P P
P
M M
B. Schema der X-Inaktivierung
2. 1. C. Mosaikmuster der Gen-Expression
3.
ANT3 XE7 MIC2 ARSD ARSE GS1 STS KAL XG59 ZFX TIMP1 DXS423E
DFFRX UBE1 PCTK1 XE169
ALD
inaktiviert
WI12682
10Mb
IL9R
D. Ausnahmen der X-Inaktivierung
nicht inaktiviert
RPS4X
E. X-Inaktivierungsprofil
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Regulation von Genen
Gezielte Inaktivierung eines Gens bei der transgenen Maus Wenn man die Funktion eines Gens verstehen will, muss man dessen biologische Wirkung im lebenden Organismus kennen. Während dies bei haploiden Organismen wie Hefen und Bakterien relativ leicht möglich ist, stößt dies bei diploiden Organismen mit großen und komplexen Genomen auf unüberwindbare Schwierigkeiten. Jedoch ist es möglich, experimentell ein Gen außerhalb des Körpers (in vitro) in Zellen auszuschalten oder einzuführen, die Teil der Keimbahn sind. Organismen, in deren Genom ein Gen eingeführt oder gezielt ausgeschaltet wurde, werden als transgen bezeichnet (transgene Organismen). Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, (i) Ersatz eines Gens, (ii) Inaktivierung eines Gens („knock-out“), oder (iii) Hinzufügen eines Gens („knock-in“).
A. Eine transgene Maus nach gezielter Ausschaltung eines Gens (Knock-out-Maus) Embryonale Stammzellen (ES) aus einer Blastozyste einer Maus, die heterozygot für eine Mutation des zu untersuchenden Gens ist, werden 3.5 Tage nach der Befruchtung isoliert (1) und in eine Zellkultur transferiert. Hier vermehren sie sich auf einer Schicht letal bestrahlter Zellen, die selbst nicht wachsen können (Feeder Layer, 2). DNA aus dem gesuchten Gen wird durch Transfektion eingeführt (Aufnahme von DNA in lebende Zellen). Als Marker zur späteren Unterscheidung verwendet man DNA von einer Maus, die homozygot für eine andere Fellfarbe ist (hier schwarz). Da die eingeführte DNA nur selten in das gesuchte Gen integriert wird (1%), müssen rekombinante Zellen (mit der gewünschten neuen Kombination) selektiv vermehrt werden (3). Diese Zellen werden in einen anderen frühen Embryo (4.5 Tage, Blastocoel) eingeführt (4). Dieser wird teilweise aus den rekombinanten Stammzellen gebildet (5) und in den Uterus einer scheinschwangeren Maus eingepflanzt (6). Nach der Geburt kann man die transgenen Mäuse, die aus den normalen und rekombinanten Zellen bestehen (Chimären) an den schwarzen Flecken im Fell identifizieren (7). Durch Paarung mit einem homozygot weißen Partner (8) kann man Mäuse züchten, die heterozygot für eine Mutation in dem gesuchten Gen sind (9). Durch ihre weitere
Züchtung kann man Mäuse erhalten, die homozygot für das mutante Allel sind (Knock-outMaus) und man kann den Funktionsausfall beobachten (bei früher Letalität oft nur bei Embryonen). (Abb. nach Alberts et al., 1998).
B. Isolierung von rekombinanten embryonalen Stammzellen Da die meisten Zellen keine DNA aufnehmen (etwa 99%) und in den übrigen meistens nichthomologe Rekombination stattgefunden hat (etwa 103 –104-mal häufiger), müssen die wenigen „richtigen“ Zellen gefunden und vermehrt werden. Ihre Isolierung erfordert eine positive und eine negative Selektion. Bei der positiven Selektion können sich zunächst nur rekombinante Zellen vermehren. In einem weiteren Schritt werden durch negative Selektion die nicht-homolog rekombinanten Zellen eliminiert. In das DNA-Fragment mit homologen Sequenzen aus dem Ziel-Gen (1, in blau) wird ein Bakterien-Gen eingeschleust, durch das die Zelle resistent gegen Neomycin (neoR) wird (2). Diesem DNA-Vektor (Überträger) wird zusätzlich das Gen Thymidinkinase (tk+) des Herpessimplex-Virus hinzugefügt (grün, 3). Zunächst nehmen alle Zellen den Vektor auf, an zufälligen Stellen (4) und (selten) im gesuchten Gen (5). Zellen mit zufälligem Einbau (6) können von den gesuchten mit Einbau im Ziel-Gen (7) durch Kultivierung im selektiven Nährmedium unterschieden werden. Die positive Selektion für rekombinante Zellen beruht darauf, dass diese das neoR-Gen aufgenommen haben und deshalb resistent gegen Neomycin sind, aber nur, wenn sie DNA an zufälligen Stellen integriert haben (8). Ebenso sind alle Zellen empfindlich gegen Neomycin, die nicht rekombinant sind. Im Gegensatz dazu enthalten Zellen nach homologer Rekombination das virale tk+Gen nicht (7). Sie sind deshalb resistent gegen Ganciclovir (9). (Abb. modifiziert nach Lodish et al., 2000, S. 285). Alberts, B. et al.: Essential Cell Biology. An Introduction to the Molecular Biology of the Cell. Garland Publishing Co., New York, 1998. Capecchi, M. R.: Targeted gene replacement. Scient. Amer., March 1994, pp. 52–59. Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology, 4th ed. Scientific American Books, F. H. Freeman & Co., New York, 2000. Majzoub, J. A., Muglia, L. J.: Knockout mice. Molecular Medicine. New Eng. J. Med. 334: 904–907, 1996.
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Gezielte Inaktivierung eines Gens (Knock-out) bei der transgenen Maus Maus Blastocyste
1.
1. DNA kloniert aus dem zu untersuchendem Gen
Embryonale Stammzellen (ES) Feeder 2. Layer Einführung von target DNA (von homozygoten Mäusen für schwarze Fellfarbe)
3.
embryonale Stammzellen (ES) in Kultur
Aufnahme von der homologen Stelle ist selten
bakterielles Gen mit Resistanz gegen Neomycin neoR 2. Virus tk+-Gen hinzufügen tk+
neoR 3.
Rekombinante ES-Zellen auswählen und vermehren
Gen Replacement Vektor
Rekombinante ES-Zellen in verschiedene frühe Embryonen übertragen
4.
Rekombinante ES-Zellen in frühe Embryonen integriert
213
einführen in ES-Zellen
4. nicht- homologe Rekombination
5. homologe Rekombination
Vektor
Vektor
5. Transfer in pseudoschwangere Maus (weiß)
anderes Gen
ES-DNA
Ziel-Gen
6. Geburt einiger schwarzer und weißer chimärer Mäuse
7.
8.
6. Einbau nach Zufall
Transgene Mäuse mit rekombinanten ES-Zellen
Zellkultur Selektives Medium enthält Neomycin und Ganciclovir
Verpaarung chimärer Mäuse mit homozygoten weißen
8. andere 9. Heterozygote schwarze Mäuse enthalten das mutante Allel
A. Transgene Mäuse aus ES-Zellen mit einem zerstörten Gen
7. Einbau in das Ziel-Gen (selten)
Zellen sterben
9.
neue Zellen mit dem zerstörten Gen vermehren sich
B. Doppelselektion für ES-Zellen mit den zerstörten Genen
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Regulation von Genen
Genabschaltung durch RNAInterferenz (RNAi) Genabschaltung (Silencing) durch RNA-Interferenz (RNAi) ist ein 1998 entdecktes biologisches Phänomen, das in der Inaktivierung eines oder mehrerer Gene resultiert. Es wird durch kurze interferierende RNA (siRNA, short interfering RNA) bewirkt. Dies sind kleine, doppelsträngige RNA-Moleküle (dsRNA) von 21 bis 23 Basenpaaren (MikroRNAs, miRNAs) mit hoher Spezifität für die Nukleotid-Sequenz des Zielmoleküls, mRNA. siRNA-Moleküle assoziieren mit Helikase- und Nuklease-Molekülen und bilden den RNA-induzierten Silencing Complex (RISC). Dies resultiert in Stilllegung (Silencing) des betreffenden Gens nach der Transkription (posttranskriptionales Silencing bzw. Stilllegung). RNAi wird als natürlicher Abwehrmechanismus gegen endogene Parasiten und exogene pathogene Nukleinsäuren angesehen. Kurze interferierende RNA ist ein neues, wichtiges Werkzeug zur Analyse von Genfunktion und zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden gegen Virusinfektionen, z. B. gegen das Humane Immunodefizienz-Virus (HIV) und andere Viren. Das Genom des Menschen enthält etwa 200–255 Gene für Mikro-RNAs (Lim et al., 2003).
A. Kurze interferierende RNA (siRNA) Kurze interferierende RNA (short interfering RNA, siRNA) besteht typischerweise aus RNAMolekülen von 21–23 Nukleotiden, die ein zweisträngiges Duplexmolekül von 19 Basenpaaren bilden. An den beiden 3'-Enden besteht ein Überhang von zwei Basen.
B. RNA-induzierter Silencing Complex Kurze interferierende RNA interagiert mit einer Helikase (lila Kreis) und Nuklease (rotes Oval). Diese bilden den RNA-induzierten Silencing Complex (RISC) (stilllegender Komplex, hier nur schematisch dargestellt). Dieser Komplex kann durch die Helikase-Aktivität doppelsträngige RNA entwinden, so dass einzelsträngige RNA in diesem Bereich entsteht. Dieses Enzymsystem wird als „Dicer“ bezeichnet, abgeleitet von einem Haushaltsgerät, das Gemüse oder Fleisch in kleine Stücke zerschneidet. Dicer ist bisher nur bei Pflanzen und bei Drosophila nachgewiesen. Differenzierte Säugetierzellen enthalten keinen Dicer.
C. Posttranskriptionales Gen Silencing Das Zielmolekül einer posttranskriptionalen Geninaktivierung (silencing) ist mRNA (1) in typischer Struktur mit Cap- und Poly-A-Ende (vgl. S. 196). Durch die Helikase-Aktivität des RISC (s. o.) wird siRNA mittels Energiegewinn von ATP in ADP entwunden (2). Der entstehende einzelsträngige Abschnitt der siRNA kann danach sequenzspezifisch als AntisenseRNA an die mRNA binden (3). Die Nuklease-Aktivität des RISC spaltet die benachbarte Einzelstrang-RNA (rote Pfeile). Die aus der Degradation resultierenden mRNA-Bruchstücke werden durch zelluläre Nukleasen rasch abgebaut (4). Durch die Zerstörung der mRNA wird das entsprechende Gen inaktiviert (postranskriptionales gene silencing, PTGS).
D. Degradation doppelsträngiger RNA Dicer besteht aus einem komplexen Molekül mit Endonuklease- und Helikase-Aktivität (RNase-III-Helikase), die doppelsträngige RNA (1) spalten kann. Der Dicer-Komplex (hier nur schematisch gezeigt) bindet an dsRNA (2). Die Helikase-Aktivität entwindet die dsRNA und die RNA-Endonuklease-Aktivität (RNAse-TypIII-Enzyme) spaltet die RNA (3). Dadurch entsteht siRNA (4). Der Vorgang verläuft also, schematisch gesehen, in zwei Schritten: Zunächst Degradierung der dsRNA, dann die dadurch entstehende Bildung von siRNA. (Abb. modifiziert nach McManus & Sharp, 2002, und Kitabwalla & Ruprecht, 2002). Cerutti, H.: RNA interference: traveling in the cell and gaining functions? Trends Genet. 19: 39–46, 2003. Elbashir, S. M. et al.: Duplexes of 21-nucleotide RNAs mediate RNA interference in mammalian cells. Nature 411: 494–498, 2001. Fire, A. et al.: Potent and specific genetic interference by double-stranded RNA in Caenorhabditis elegans. Nature 391: 806–811, 1998. Hannon, G. J.: RNA interference. Nature 418: 244–251, 2002. Kitabwalla, M., Ruprecht, R. M.: RNA interference – A new weapon against HIV and beyond. New Eng. J. Med. 347: 1364–1367, 2002. Lim, L. P. et al.: Vertebrate microRNA genes. Science 299: 1540, 2003. McManus, M. T., Sharp, P. A.: Gene silencing in mammals by small interfering RNAs. Nature Rev. Genet. 3: 737–747, 2002. Martens, H., Nellen, W.: Epigenetisches Genesilencing: RNA Interferenz und Antisense RNA. Biospektrum 8: 351–354, 2002.
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Genabschaltung durch RNA-Interferenz (RNAi) RNA Duplex (19 Nukleotide)
Helicase
5'
3'
5'
3'
5'
3'
2 Nukleotide Überhang
siRNA
3'
5'
2 Nukleotide Überhang
Nuklease B. RNA-induzierter Silencing Komplex (RISC)
A. Kurze interferierende RNA (siRNA)
1
1
Ziel mRNA
Doppelsträngige mRNA (dsRNA) AAAAA
ATP
2
Risc
ADP
Helicase 2
Helicase
Dicer (in Pflanzen und bei Drosophila)
RNA Endonuklease siRNA in Risc entwindet durch Helicase
Dicer degradiert dsRNA und bildet siRNA 3
3
Ziel mRNA AAAAA
Nuklease spaltet mRNA
siRNA Antisense Strang bindet an mRNA zelluläre RNA Nukleasen
4
4
siRNA mRNA Degradation durch zelluläre Nukleasen C. Posttranskriptionales Gen Silencing (PTGS)
D.Degradation doppelsträngiger RNA (dsRNA) durch Dicer
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Genomik
Genomik, die Analyse der Organisation von Genomen Das Genom ist definiert als die Gesamtheit aller biologischen Informationen und DNA-enthaltenen Strukturen im Zellkern, entweder eines Individuums oder eines Spezies. Der Begriff Genomik (engl. Genomics) wurde im Jahr 1987 von V. A. McKusick und F. H. Ruddle auf Empfehlung von T. H. Roderick vom Jackson Laboratory, Bar Harbor, Maine, eingeführt und eine neue Zeitschrift wurde ebenfalls so benannt. Der Begriff Genomik ist weiter gefasst als Genetik, weil er sich nicht nur auf Gene bezieht, sondern viele biologische Funktionen einbezieht, die mit DNA und dem Zellkern in Beziehung stehen. Unter funktioneller Genomik versteht man die Gesamtheit aller funktionellen Aspekte des Genoms. Eine Schlüsselstellung nimmt die Sequenzierung aller DNA-Nukleotid-Basenpaare eines Genoms ein. Eine Vielzahl von Genomen von Mikroorganismen (Hefen, Bakterien und Viren), sowie höherer Organismen und Pflanzen sind in den letzten fünf Jahren sequenziert worden. Hier werden am Beispiel von zwei Prokaryoten, einem Bakteriophagen und einem Bakterium, einige Prinzipien der prokaryoten Genomstruktur vorgestellt.
A. Das kleine Genom eines Bakteriophagen Bakteriophagen sind Viren, die sich in Bakterien mit Hilfe bakterieller zellulärer Funktionen vermehren. Bakteriophagen bestehen aus einem kleinen, ringförmigen Genom aus DNA, einer Hülle (Capsid) bestehend aus spezifischen Proteinen und Anheftungsmechanismen. Eines der kleinsten Bakteriophagen ist ¤ X174. Es hat ein kleines Genom von 5386 Nukleotidbasen in Einzelstrang-DNA und 10 Genen. Das Genom ist so kompakt aufgebaut, dass die wenigen Gene teilweise überlappen. Dadurch kann die DNA-Sequenz optimal ausgenutzt werden.
B. Überlappende Gene beim Phagen ¤ X174 Zum Beispiel überlappen die Gene E (codiert für ein Protein, das die Bakterienwand auflösen kann) und D (codiert für die Bildung des Capsids). So liegt das Startcodon (ATG) von Gen E in Gen D, indem A und T Teil des Codons für Thyrosin in Gen D sind und dass G Teil des
nächsten Codons GGT (Glycin) von Gen D ist. Das Stopcodon von Gen E (TGA) entspricht Teilen der Codons (Valin) und ATG (Methionin) von Gen D.
C. Ringförmige Struktur des Genoms von Bakterien Die meisten Bakterien haben ein Genom aus ringförmiger DNA. Escherichia coli ist ein normalerweise symbiotischer Bewohner des Darmes von Säugetieren einschließlich des Menschen. Das Genom von E. coli besteht aus 4 639 221 Basenpaaren (4639 kb oder 4.6 Mb) mit 4289 proteincodierenden Genen (vgl. S. 220). Eine Besonderheit prokaryoter Genome sind Operons. Ein Operon ist eine Serie funktionell ähnlicher Gene, die für Proteine eines bestimmten Stoffwechselweges codieren (vgl. Lactose- und Tryptophan-Operon, S. 190 u. 192). Die Abbildung zeigt vier Operons, die für Lactose, Galactose, Tryptophan und für Histidin. Drei sind auf dem einen DNA-Strang codiert, Histidin auf dem anderen in Gegenrichtung. Etwa ein Viertel aller Gene von E. coli sind in 75 verschiedenen Operons organisiert. Im Gegensatz zur Eukaryoten kommen bei Prokaryoten Gene nur in einfacher Kopie vor, ausgenommen die Gene für ribosomale RNA. Dies erlaubt Bakterien, ihren Proteingehalt bei der Zellteilung rasch (alle 20–30 Minuten) zu verdoppeln. (Abb. modifiziert nach Watson et al., 1987). Adams, M. D., et al.: The genome sequence of Drosophila melanogaster. Science 287: 285–2195, 2000. Blattner, F. R. et al.: The complete sequence of Escherichia coli K-12. Science 277: 1453–1474, 1997. Brent, R.: Genomic biology. Cell 100: 169–183, 2000. Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Fraser, C. M., Eisen, J. A., Sulzberg, S. L.: Microbial genome sequencing. Nature 406: 799–803, 2000. Lander, E. S., Weinberg, R. A.: Genomics: Journey to the center of biology. Science 287: 1777–1782, 2000. McKusick, V. A., Ruddle, F. H.: Genomics, a new name and a new journal. Genomics 1: 1–3, 1987. Sanger, F., et al.: Complete sequence of the bacteriophage ¤ X174. Nature 265: 687–695, 1977. Watson, J. D., et al., eds.: Molecular Biology of the Gene. Vol. I, 4th ed. Benjamin/Cummings Publishing Co., Menlo Park, California, 1987. Website Bakterielle Genome: (www.tigr.org/tdb/mdb/ mdbinprogress.html).
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Genomik, die Analyse der Organisation von Genomen A stoppt DNA-Synthese der Wirtszelle
Start der DNA-Synthese
Bildung von Einzelstrang-DNA A B
A
CapsidSpikeProtein (minor)
Transkriptionsrichtung
H
5386 Nukleotide DNA-Einzelstrang 10 Gene (A–J) CapsidSpikeProtein (major)
Capsid-Bildung
C
DNA-Reifung
D
Capsid-Bildung
E
Lysis der Wirtszelle
mRNA
G
J DNA-Verpackung im Capsid F
Capsid-Protein
A. Genom des Bakteriophagen φX174 Gen E
Start Met
Val
Lys
G T T T A T G G T A Gen D
Val
Tyr
Stop
G A A G G A G T G A T G
Gly
B. Überlappende Gene bei
Glu
Glu
Gly
Val
Met
φX174 A
Methionin DNA Polymerase I ORI
B/E A C
(Replikationsbeginn) 80 D
70 A–H: Gene für rRNA Beispiele für DNA-ReparaturGene C. Genom von Escherichia coli
0
90
LactoseOperon H
recA
A B Tryptophan- C Operon D E O 5 Gene
40 G
3 Gene
4 Gene GalactoseOperon λ Integrationsstelle
10
20 4,639,221 bp (4700 kb) 4289 Protein-codierende Gene 30 115 RNA Gene
60
Y Z O P
50 uvrC Endonuclease Histidin-Operon 9 Gene
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220
Genomik
Die komplette Sequenz des Genoms von Escherichia coli Die Beschreibung der kompletten Sequenz des Genoms von E. coli Stamm K-12 im Jahr 1997 (Blattner et al., 1997) mit einer vollständigen Karte der 4289 proteincodierenden Gene – bei einem insgesamt 4 639 221 Basenpaare enthaltenen Genom – wird hier als ein Beispiel von vielen sequenzierten Genomen von Mikroorganismen gezeigt (komplette Information verfügbar bei Entrez Genomes unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ unter Suchbegriff „sequenced microorganisms“). Aus der Kenntnis der Sequenz eines Genoms wie diesem, können wesentliche biologische Informationen abgeleitet werden, wie Genregulation, Operons, mobile genetische Elemente, repetitive Sequenzen, metabolische Funktionen und Homologien im Vergleich mit der Sequenz anderer Organismen.
A. Generelle Struktur und Vergleich mit anderen Genomsequenzen Die Abbildung zeigt einen kleinen Bereich von etwa 80 kb aus dem gesamten Genom, wie es in der Originalveröffentlichung beschrieben wurde. Die Basenpaare Nummer 3 310 000 bis etwa 3 345 000 stehen in der ersten Reihe (oben) und 3 339 000 bis 4 025 000 in der zweiten Reihe unten. Auf der obersten doppelten Linie werden Gene von E. coli gezeigt, die entweder auf dem einen oder anderen Strang der DNA liegen. Darunter werden Operons und Promotor, sowie fünf andere, bereits komplettierte Genome zum Vergleich gezeigt. Der CAI (Codon Adaption Index) spiegelt den bevorzugten Codongebrauch eines Organismus wider. Die Gene liegen eng beieinander; ihre durchschnittliche Entfernung beträgt nur 118 bp. Die proteincodierenden Gene (87.8 % des Genoms) können in 22 funktionelle Gruppen eingeteilt werden (s. Farbcode zur Genfunktion unten in der Abbildung). Unter diesen Genen gibt es 45 mit einer bekannten regulatorischen Funktion (1.05 % des Genoms); 243 Gene sind dem Energie-Metabolismus zugeordnet (5,67 %); 115 Gene für DNA-Replikation, Rekombination und Reparatur (2.68 %); 255 Gene für die Transkription, RNA-Synthese und Metabolismus (5,94 %); 182 Gene für die Translation (4.24 %); 131 Gene für die Aminosäuren-Biosynthese und Metabolismus (3.06 %); und 58 Gene für
die Nukleotid-Biosynthese und Metabolismus (1.35 %). Homologien zwischen Proteinen von E. coli und anderen sequenzierten Mikroorganismen konnte bei 1703 Proteinen von H. influenzae und 468 Proteinen von Mycoplasma genitalium gefunden werden. Hefe (S. cerevisiae) besitzt 5885 Proteine, die denen von E. coli gleichen. Etwa 60 % der Proteine von E. coli haben kein vergleichbares Gegenstück in anderen Prokaryoten, deren Genom bis 1997 entschlüsselt wurde. Wie viele Gene braucht ein Mikroorganismus? Das kleinste bekannte, zelluläre Genom ist das von Mycoplasma genitalium, das nur 480 proteincodierende und 37 RNA-Gene in 580 kb DNA enthält. Jedoch sind nicht alle dieser Gene essentiell. Hutchinson et al. (1999) ermittelten durch globale Transposon Mutagenese, dass 1354 von 2209 Insertionen in Genen nicht letal für den Organismus waren. Dies hieße, dass etwa 265–350 der 480 Gene unter Laborbedingungen essentiell sind. Die limitierte metabolische Kapazität von M. genitalium wird durch eine größere Abhängigkeit vom Molekültransport aus der extrazellulären Umgebung in die Zelle kompensiert und der hauptsächlich durch ABC-Transporter. Ein ABC-Transporter ist ein heterotrimeres Transportsystem aus spezifischen ligandenbindenden Untereinheiten, einer Permease und einem ATP-bindenden Protein. Die Gesamtheit aller für einen Organismus notwendigen Proteinfamilien, werden als Proteom bezeichnet, das entsprechende Wissenschaftsgebiet als Proteomik. Da viele Gene benötigt werden, um verschiedene Proteine einer bestimmten metabolischen Reaktion oder eines Signalwegs zu codieren, werden Gene mit verwandten Funktionen Genfamilien zugeordnet. (Abb. modifiziert nach der kompletten Genkarte, Blattner et al. 1997). Blattner, F. R., et al.: The complete genome sequence of Escherichia coli K-12. Science 277: 1453–1474, 1997. Hutchison, C. A., III., et al.: Global transposon mutagenesis and a minimal mycoplasma genome. Science 286: 2165–2169, 1999. Wren, B. W.: Microbial genome analysis: insights into virulence, host adaptation and evolution. Nature Rev. Genet. 1: 30–39, 2000.
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Die komplette Sequenz des Genoms von Escherichia coli argG
mrsA hflB
dacB
ispB rpmA
rpoN
arcB
221
gltB
Gene Operons Promotors PB Stellen Haemophilus Synechocystis Mycoplasma Methanococcus Saccharomyces Beste E. coli hits log (E. coli hits) CAI 3,310,000 bp cyaA dapF
uvrD corA
pldA
pldB
udp
ubiB Gene Operons Promotors PB Stellen Haemophilus Synechocystis Mycoplasma Methanococcus Saccharomyces Beste E. coli hits log (E. coli hits) CAI
Gen-Funktionen:
4,000,000 bp
regulatorische Funktion putative regulatorische Proteine Zellstruktur putative Membran-Proteine putative strukturelle Proteine Phagen, Tranposons, Plasmide Transport und Bindungsproteine putative Transportproteine Energie-Metabolismus putative Chaperone putative Enzyme andere bekannte Gene
DNA-Replikation, Rekombination, Modifikation und Reparatur Transkription, RNA-Synthese, Metabolismus und Modifikation Translation und posttranslationale Proteinmodifikation Zellprozesse (einschl. Adaption und Protektion) Biosynthese von Cofaktoren, prosthetische Gruppen und Transport Nukleotid-Biosynthese und Metabolismus Aminosäuren-Biosynthese und Metabolismus Fettsäuren und Phospholipid-Metabolismus Zentraler intermediärer Metabolismus Kohlenstoff-Katabolismus hypothetische, nicht klassifizierte, unbekannte Gene tRNAs, rRNAs, und versch. RNAs
A. Vollständige Sequenz des Escherichia coli Genoms (ausgewählte Region von ca. 80 kb)
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Genomik
Das Genom eines Plasmids eines multiresistenten Corynebakteriums Plasmide sind doppelsträngige, zirkuläre DNAMoleküle in Bakterien, die aber getrennt von den bakteriellen Chromosomen existieren. Sie replizieren sich selbst und befinden sich in einem symbiotischen oder parasitären Verhältnis zur Wirtszelle. Die Anzahl der Plasmide pro Bakterium variiert zwischen wenigen bis zu tausenden. Ihre Größe reicht von wenigen tausend Basenpaaren bis zu mehreren 100 kb. Plasmide bedeuten normalerweise einen Vorteil für die Wirtszelle, weil sie häufig Gene enthalten, die für Enzyme codieren, die Antibiotika inaktivieren. Medikamentenresistente Plasmide stellen eine große Gefahr für eine erfolgreiche Antibiotika-Therapie dar. Eine Antibiotika-Resistenz kann sich sehr rasch innerhalb einer Bakterienpopulation verbreiten, weil viele Plasmide Gene enthalten, die für Proteine codieren, die einen Transfer von Plasmid-Genen zwischen Bakterien über makromolekulare Röhren (Pilus) ermöglichen. Das folgende Beispiel zeigt den Ursprung und die Evolution eines multiresistenten Plasmids aus DNA-Abschnitten verschiedener Bakterien mit sehr unterschiedlicher Herkunft wie Bakterien des Bodens, von Pflanzen und Tieren sowie eines Humanpathogens.
A. Das multiresistente Plasmid pTP10 Ein 51 409 bp großes Plasmid des multirestenten gram-positiven Corynebacterium striatum Stamm M82B enthält Gene zur Codierung von Proteinen, die sein Wirtsbakterium resistent gegen 16 antimikrobielle Substanzen aus sechs strukturellen Klassen macht (Tauch et al., 2000). Dies ist das größte, bisher sequenzierte Plasmid. Die Abbildung zeigt innen fünf Bereiche des ringförmigen Genoms für vier plasmidcodierte Antibiotika-Resistenzen: (i) für Erythromycin (Em) aus dem humanpathogenen Corynebacterium diphteriae, (ii) für Tetracyclin (Tc), die auch Oxacillin-Resistenz enthält aus einer chromosomalen Region von Mycobacterium tuberculosis, (iii) für eine plasmidcodierte Chloramphenicol-Resistenz (Cm) aus dem Erdbakterium Corynebacterium glutamicum, sowie (iv) eine plasmidcodierte Aminoglykosid-Resistenz gegen Kanamycin (Km), Neomycin, Lividomycin, Paramomycin und Ribostamycin aus dem Fisch-pathogenen Pasteurella piscicidia.
Zusätzlich enthält das Plasmid fünf Transposons und vier Insertionssequenzen (IS1249, IS1513, IS1250 und IS26) an acht verschiedenen Stellen. Insgesamt wurden acht genetisch verschiedene DNA-Abschnitte mit verschiedener evolutionärer Herkunft identifiziert.
B. Die genetische Karte des Plasmid pTP10 Das Plasmid pTP10 des gram-positiven, opportunistischen, humanpathogenen Corynebacterium striatum Stamm M82B hat 47 offene Leserahmen (open reading frames, ORFs). Sie können elf verschiedenen DNA-Abschnitten zugeordnet werden (I, II, VIIb, III, VIIa, VIII, IVa, Va, VI, IVb und VIIc). Abschnitt I (grün) besteht aus fünf ORFs, die das zusammengesetzte Resistenz-Transposon Tn5432 enthalten. Die Insertionssequenz IS1249b (ORF1) und IS1249 a (ORF5) flankieren die Genregion der Erythromycin-Resistenz ermCX (ORF3) und ermLP (ORF4). Eine identische Kopie von IS1249 erscheint nochmals in ORF29 (Segment VIII). ORF3, die zentrale Region von Tn5432 codiert für eine 23S-rRNAMethyltransferase. Diese Region ist praktisch identisch mit der Genregion für die Antibiotika-Resistenz (Erythromycin, Clindamycin) des Plasmids pNG2 aus dem Bakterium C. diphtheriae S601. Abschnitt II (ORFs 6–14, gezeigt in rosa), das sich weiter stromabwärts von Tn5432 befindet, enthält die Tetracyclin-Resistenzgene tetA (ORF 6) und tetB (ORF 7). Dieser Abschnitt (ORF 6–14) ähnelt sehr einer Region in einem Mykobakterien-Chromosom (M. smegmatis), in der ATP-bindende Kassetten (ABC)-Transporter identifiziert wurden. Die aufeinander folgenden Gene tetA und tetB vermitteln eine Resistenz gegen das g -Laktam-Antibiotikum Oxacillin. (Abb. modifiziert aus Tauch et al., 2000, mit freundlicher Genehmigung. Ich danke Professor Alfred Pühler, Universität Bielefeld, für die Bereitstellung der Bilder und seinen Rat). Tauch, A., Krieft, S., Kalinowski, J., Pühler, A.: The 41,409-bp R-plasmid pTP10 from the multiresistant clinical isolate Corynebacterium striatum M82B is composed of DNA segments initially identified in soil bacteria and in plant, animal, and human pathogens. Mol. Gen. Genet., 263: 1–11, 2000.
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223
Das Genom eines Plasmids eines multiresistenten Corynebakteriums
IS 1513
Corynebacterium glutamicum
Corynebacterium glutamicum
Cm
Mycobacterium tuberculosis
Escherichia coli (repA)
Tc
Em
IS 1249
Cm
IS 1249
Corynebacterium diphtheriae
IS 1250
Corynebacterium (repB) Corynebacterium glutamicum
Km
IS 1249
Erwinia amylovora
Corynebacterium glutamicum
IS 1250
Erwinia amylovora
Erwinia amylovora Pasteurella piscicida
IS 26
IS 26
A. Multiresistenter Plasmid pTP10 Tn5432 ISCx1
IS1249b
1 kb IS1249a
ORF1
ORF2
ORF3 ORF4 ORF5
ORF6
ORF7
ORF8
ORF9
ORF10
tnp1249b
tnpCX
ermCX ermLP tnp1249a
tetA
tetB
ybhB
pyrD
IppL
I
II
Tn5564
IS1513 ORF10 ORF11 IppL
ORF12 ORF13 ORF14
bacA
cysA
ytpA
II
ORF15 ORF16 ORF17 ORF18
3’-end
ytpB
ytpCF
tn5564
cmx(A)
cml(A)
VIIb
ORF21
repA
VIIa
ORF2627 42-bp ORF28
ytpG ytpH
Tn5715 IS26R
repB
ORF23
3’-end
ytpD
ytpEF
Tn5717
VIII
Tn5716
ORF24 ORF25 tnp1250b
Tn5716 IS1250a
ORF30 ORF31 ORF32 3’-end ORF33 cml(B) cmx(B)
IVa
tnpNF
strBF
ORF34 ORF353’-end
tnp1250a
Tn5717
ytpF
VIII
strB
strA tnpRF
Va
IS26L
ORF36 ORF37 ORF38 ORF39 tnp26R
ORF29 tnp1249c
gcrR
VIIa IS 1250b
IS1249c iterons
ytpC
III
iterons ORF22
gcrY
ORF19 ORF20
tnp1513
aphA1-IAB tnp26L
VI
tnpR
ORF40 tnpA
Vb
3’-end ORF 4142 ORF4344 tnpCF gcrG gcrF gcrE gcrD
IVb
B. Genetische Karte des Plasmid pTP10
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ORF45 ORF46 ORF47 gcrC
VIIc
gcrB
gcrA
224
Genomik
Genom-Kartierung Eine Genom-Karte ist die lineare Darstellung von genomischen Meilensteinen (landmarks; Gene und polymorphe DNA-Marker, S. 74). Die Kartierung des Genoms ähnelt in gewisser Weise der Kartierung eines neuen Kontinents. Eine genetische Karte stellt die Position von Genen relativ zueinander dar, ermittelt durch die Häufigkeit von Rekombination zwischen Genloci auf demselben Chromosom in messbarer Entfernung (vgl. Kopplungsanalyse, S. 132). Die erste genetische Karte wurde 1913 von A. H. Sturtevant im Rahmen der ersten systematischen genetischen Untersuchungen über Genloci bei Drosophila melanogaster vorgestellt, begründet durch T. M. Morgan. Im Gegensatz dazu gibt eine physikalische Karte die exakte Position von Genloci und ihre Entfernung in Basenpaaren an. Zahlreiche Methoden existieren für die Erstellung einer physikalischen Karte. Da mit dem Abschluss der vollständigen Sequenz des Genoms des Menschen im April 2003 von jedem Gen im Genom die genaue chronische Position bekannt ist, werden die Verfahren zur Kartierung des Genoms an Bedeutung verlieren. In dieser Tafel werden einige Prinzipien schematisch dargestellt, die auch weiterhin für das Verständnis bedeutsam bleiben werden.
A. Genetische und physikalische Karten Eine physikalische Karte gibt die Position eines Genlocus und die Entfernung zu anderen Genen auf demselben Chromosom in absoluten Werten an, ausgedrückt in Basenpaaren und bezogen auf die Positionsangaben entlang eines Chromosoms. Die genetische Karte gibt die relative Position von Genloci in Rekombinationseinheiten an, ausgedrückt in centiMorgan(cM). Ein cM entspricht einer Rekombinationshäufigkeit von 1 %. Da Rekombination in Oocyten fast doppelt so häufig eintritt als in Spermatocyten, ist die genetische Karte im weiblichen Geschlecht um etwa 40 % länger. Jeder Genlocus hat eine offizielle Bezeichnung mit festgelegter Abkürzung. Es handelt sich zumeist um Genloci (Marker-Loci), denen ein erblicher DNA-Polymorphismus zugrunde liegt. Sie werden mit dem Buchstaben D (für DNA), der Nummer des Chromosoms und der Nummer des Markers bezeichnet, z. B. D1S77 (Abb. nach J. D. Watson et al., 1992).
B. STS-Kartierung aus einer KlonBibliothek STS (Sequence tagged sites) sind kurze Abschnitte sequenzierter DNA (60–1000 bp) mit bekannter Position. Man beginnt (schematisch) mit einer Bibliothek aus DNA-Klonen, von denen jeder Klon durch polymorphe Marker charakterisiert ist, z. B. verschiedenen Restriktionsstellen, hier bezeichnet als A bis I (1). Diese werden in eine überlappende Ansammlung in der von der zugrunde liegenden Sequenz bestimmten Reihenfolge gebracht, so dass eine lineare Karte entsteht (3). Einzelne Bereiche werden teilweise sequenziert. Diese bilden eine Serie von kartierten STS bekannter Position.
C. EST-Kartierung Bei diesem Vorgehen wird eine Ansammlung verschiedener cDNAs (1) mit genomischer DNA hybridisiert (2) und teilweise sequenziert (3). Dies sind expressed sequence tags (EST, sequenzierte Bereiche aus exprimierten Genen). Sie können ihrer jeweiligen chromosomalen Position zugordnet werden (EST-Karte). Collins, F. S.: Shattuck Lecture-Medical and societal consequences of the human genome project. New Eng. J. Med. 341: 28–37, 1999. Green, E. D.: The human genome project and its impact on the study of human disease, p. 259–298. In: Scriver, C. R., et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001. Sturtevant, A. H.: The linear arrangement of six sex-linked factors in Drosophila, as shown by their mode of association. J. Exp. Zool. 14: 43–59, 1913. Watson, J. D., et al.: Recombinant DNA. 2nd ed. Scientific American Books, W. H. Freeman & Co., New York, 1992.
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225
Genom-Kartierung Chromosom 1
weiblich
MarkerLoci
männlich
Bibliothek aus klonierten DNA-Fragmenten mit verschiedenen Restriktionsstellen A – I CD
AB HI
0
FG
BC GH
DE
EF
1. Klon-Bibliothek 50 36 35 34
100
34 32 150 31
22
200
21 13 11 11
250
12 21
300
22 23 24 25
350
31 400 32 41 42
450
D1Z2 D1S77 D1S49 D1S50 D1S43/D1S47 PND D1S71 D1S56 ALPL FUCA1 RH D1S63 D1S7 D1S57 MYCL GLUT1 D1S5 D1S21 D1S17 D1S19 PGM1 D1S22 ACADM D1S16 F3 D1S12 AMY2B D1S14 D1S73 D1S11 TSHB/NGFB D1S13 D1Z5 MUC1 SPTA1 CRP ATP1A2 APOA2 D1S104 D1S61 AT3 LAMB2 F13B D1S53 REN CR1/CR2/DAF D1S70 D1S81 D1S48 D1S103 D1S74 D1S8 D1S102 D1S68
Überlappende Fragmente in einem Contig anordnen
A
B 0
50
C C
F D
E
D
E
2. Klon Contig
A
B
H G
B
C
I
H
G
F
kartieren
D
E
F
G
H
I
100
Teile der überlappenden Klone sequenzieren
3. Karte 150
A
B
TAGCAT... 200
C
D
E
F
G
H
I
GTGCA...
CTACG...
TTAGC...
4. Sequence Tagged Sites (STS) B. STS-Kartierung aus einer Klon-Bibliothek
250
1
2
3
4
n
1. Anordnung verschiedener cDNAs 300 cM
4
Hybridisierung mit genomischer DNA 2 3 4
1
2. Genomische DNA TACGG...
ACGAT... GCTAT...
GTACC...
3. Expressed Sequence Tags (EST) Position auf einem Chromosom ermitteln
cM
A. Physikalische und genetische Genkarte
4. Chromosom und ESTs C. EST-Kartierung
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226
Genomik
Das Genom bei verschiedenen Organismen Das Genom besteht aus DNA und allen zugehörigen Proteinen. Bei Prokaryoten ist es klein, meistens etwa 4–6 Mb (Millionen Basenpaare) und besteht eng verpackt weitgehend aus Genen (durchschnittliche Zahl 4–5000). Das Genom einiger Bakterien ist deutlich kleiner, wie z. B. Mycoplasma genitalium (0.58 Mb) mit nur 500 Genen. Die Größe des Genoms von Eukaryoten spiegelt deren Komplexität wider und ist entsprechend größer, etwa zwischen 12 Mb (Hefe) und Mensch 3200 Mb. Bei Pflanzen kann das Genom Größen bis zu 120 000 Mb erreichen. Eukaryote Genome enthalten zwischen knapp 6000 und etwa 30 000 Genen (Hefe bzw. Mensch). Von vielen wichtigen Organismen ist die Sequenz des Genoms bekannt: (www.ncbi.nlm.nih.gov/Entrez/Genome/ org.html). Zwei grundsätzliche Verfahren zur Sequenzierung eines Genoms können unterschieden werden: Klon-für-Klon (clone-by-clone)-Sequenzierung und das so genannte Shotgun-Verfahren. Beim ersten werden individuelle DNAKlone mit bekannter Position zueinander in der richtigen Reihenfolge angeordnet und sequenziert. Die „Shotgun“-Methode zerkleinert das Genom zunächst in Millionen von Fragmenten mit unbekannter Position zueinander und sequenziert sie. Die individuellen sequenzierten DNA-Klone werden anschließend mittels Hochleistungscomputer in die richtige Reihenfolge gebracht. Die beiden Verfahren ergänzen sich gegenseitig.
A. Unterschiedliche Größen von Genomen Das nukleäre Genom (im Zellkern) verschiedener Organismen unterscheidet sich in Größe und Komplexität. Das Genom des Menschen beträgt 3.2 Milliarden Nukleotid-Basenpaare (3.2 ×109 bp oder 3200 Mb), aufgeteilt auf 24 lineare DNA-Moleküle in den Chromosomen, das kürzeste 50 Millionen und das längste 260 Millionen bp. (Demgegenüber ist das mitochondriale Genom mit 16 569 bp sehr klein, vgl. S. 110). 3.2 Milliarden Basenpaare entspricht einer Länge von 3200 km aneinander gereihter Buchstaben von je 1 mm Breite.
Bei der Analyse eines Genoms werden verschiedene Kloniervektoren mit möglichst großer Kapazität benötigt. Künstliche Hefechromosomen (YACs) und künstliche Bakterienchromosomen (BACs) werden deshalb bevorzugt gegenüber den früher benutzten viel kleineren Bakteriophagen und Cosmiden verwendet (ein Q -Phagen-Vektor mit der Cos-Stelle, d. h. mit Einzelstrang-DNA an beiden Enden, so dass sie miteinander verknüpft werden können, abgeleitet von cohesive, single-stranded ends). (Abb. modifiziert nach Green, 2001).
B. Auflösungsstufen innerhalb eines Genoms Vom Chromosom (1) bis zur Sequenz (5) kann man verschiedene Ebenen der Auflösung zoomartig unterscheiden. Aus einem Chromosom gewinnt man klonierte DNA-Fragmente zunächst unbekannter Zuordnung (2). Da jedes Fragment durch bestimmte Marker individuell charakterisiert wird, kann man sie entsprechend ihrer Abfolge anordnen (3), in einem Contig, abgeleitet von contiguous sequence), daraus eine physikalische Karte erstellen (4) und schließlich die Sequenz bestimmen (5).
C. Anordnen überlappender DNAKlone Bei diesem Vorgehen werden Fragmente (DNAKlone) aus aneinander grenzenden chromosomalen Bereichen (schematisch gezeigt als A bis E, 1) mit Sonden aus den verschiedenen Bereichen identifiziert und zum benachbarten, teilweise überlappenden Klon in Beziehung gesetzt. So kann man mit Sonde A den benachbarten Klon 2 identifizieren, mit Sonde B den teilweise überlappenden Klon C usw. bis alle überlappenden Klone ihrer chromosomalen Position entsprechend angeordnet sind (2). Dieses Vorgehen wird als Chromsomengehen („chromosome walking“) bezeichnet. Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 2002. Green, E. D.: The human genome project and its impact on the study of human disease, pp. 259–298. In: Scriver, C. R., et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999.
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227
Das Genom bei verschiedenen Organismen
menschliches Chromosom (durchschnittl.) 130 x 106 bp (130Mb)
Mensch 3.2 x 109 bp
kleinstes sichtbares Chromosomenband 2 – 3 x 106 bp (duchschnittlich 5 -10 Mb) (50 – 100 Gene) Arabidopsis 130 x 106 bp (130 Mb) Klonierungsvektoren:
Drosophila 180 x 106 bp
YAC~1.4 x 106 bp (1.4 Mb) Nematode 97 x 106 bp
BAC~0.5 x 106 bp (0.5 Mb) (500 kb)
Hefe12 x 106 bp
Bakteriophage 25 kb
E. coli 4.6 x 106 bp
Cosmid 40 kb
A. Göße verschiedener Genome und Klonierungsvektoren
3. Anordnung (Contig)
1. Chromosom
4. Karte 2. Klonierte DNA-Fragmente
5. Sequenz
B. Auflösungsebenen innerhalb eines Genoms A
B
AGCGCTGAATCACAGTTA
C
D
E
1. Genomische DNA
A
Klon 1 Sonde A erkennt den angrenzenden Klon 2 B
Klon 2 Sonde B C
Klon 3 Sonde C D
Klon 4 Sonde D
2. Fünf überlappende Klone C. Anordnung überlappender DNA-Klone
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Klon5 E
228
Genomik
Organisation des Genoms bei Eukaryoten
C. Long Interspersed Nukleäre Elemente (LINEs)
Das Genom des Menschen kann als typisch für das Genom bei anderen eukaryoten Organismen angesehen werden. Das Genom von höheren Organismen enthält deutlich mehr DNA als dies für die Zahl ihrer Gene nötig wäre. Der größte Teil der DNA besteht aus sich wiederholenden (repetitiven) DNA-Sequenzen ohne codierende Funktion.
Lange eingestreute Repeatsequenzen (LINEs) bestehen aus bis zu 6500 bp langen repetitiven Sequenzen. Sie können einen oder zwei offene Leserahmen (open reading frames, ORFs) besitzen (1). Am 5'- und am 3'-Ende besitzen sie eine nicht translatierte Region (untranslated region, 5'-UTR und 3'-UTR). Meistens jedoch sind sie abgekürzt und enthalten nur einen oder keinen ORF (2). LINE-Elemente entstanden wahrscheinlich durch Transposition (S. 76). Säugetier-Genome enthalten etwa 20 000–60 000 Exemplare von LINE-Sequenzen. Das wesentliche LINE-Element im humane Genom ist die L1-Sequenz, ein Abschnitt mit einer Größe von bis zu 6,4 kb. Ungefähr 100 000 L1-Elemente sind über das gesamte humane Genom verstreut. Wenn eines dieser Elemente in ein Gen eingefügt wird, kann dies zu einer genetisch bedingten Krankheit führen (z. B. Hämophilie, S. 350).
A. Die Komponenten des nukleären Genoms des Menschen Nur 30 % der DNA (900 Mb) steht in Beziehung zu Genen, während 70 % (2100 Mb) auf Regionen außerhalb von Genen entfallen (extragen). Der Anteil codierender DNA in den Genen entspricht nur 3 % (90 Mb) der gesamten Menge an DNA. Charakteristische Typen repetitiver DNA sind Tandemrepeats. Es werden verschiedene Typen unterschieden: klassische Satelliten DNA, Minisatelliten und Mikrosatelliten. Zusammen entsprechen sie etwa 14 % der gesamten DNA (420 Mb). Mehr als die Hälfte der DNA des Menschen (56 %) besteht aus eingestreuten Repeats (engl. Interspersed repeats). Die wichtigsten Typen sind lange terminale eingestreute Wiederholungen, LINEs (long interspersed nuclear elements), SINEs (short interspersed nuclear elements) und Transposons (Abb. modifiziert aus Strachan & Read, 1999).
B. Satelliten-DNA Wenn fraktionierte, humane DNA in einem Cäsiumchlorid-Dichtegradienten zentrifugiert wird, bildet der Hauptteil der DNA (1) ein Band bei einer Dichte von 1,701 g cm–3. Drei weitere Banden (Satelliten) entstehen bei 1.687, bei 1.6932, sowie bei 1.697 g cm–3. Sie sind weniger dicht, da ihr CG-Anteil sich von dem der HauptDNA unterscheidet. Man unterscheidet klassische Satelliten-DNA (2), die aus Repeats von je 100–6500 bp besteht, Minisatelliten (3) aus 10–100 bp Repeats und Mikrosatelliten aus 2–10 bp Repeats (4). Mikrosatelliten sind die häufigste Form der repetitiven DNA. Ihre generelle Struktur lautet (CA)n wobei n etwa 2–10 bp beträgt. Das humane Genom enthält etwa 50 000–100 000 polymorphe (CA)n-Blöcke.
D. Short Interspersed Nukleäre Elemente (SINEs) Kurze eingestreute Repeatsequenzen (SINEs) bestehen aus mittellangen, repetitiven Segmenten mit ähnlicher Nukleotid-Sequenz und einer durchschnittlichen Größe von 300 bp. Die häufigste SINE-Sequenz beim Menschen ist die Alu-Familie (Alu-Sequenz). Mit über 1 Million Exemplaren machen Alu-Sequenzen etwa 3 bis 6 % des gesamten Genoms beim Menschen aus. Eine Alu-Sequenz besteht aus zwei 130 bp großen Tandemverdoppelungen mit A-reichen Abschnitten dazwischen. Das 3'-Ende („rechte Seite“) enthält eine Insertion von 32 bp. Brown, T. A.: Genomes 2nd ed. Bios Scientific Publ., Oxford, 2002. Kazazian, H. H. Jr.: An estimated frequency of endogenous insertinal mutations in humans. Nature Genet. 22: 130, 1999. Kazazian, H. H. Jr.: L1 retrotransposons shape the mammalian genome. Science 289: 1152–1153, 2000. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999.
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229
Organisation des Genoms bei Eukaryoten
Genom des Menschen 3000 Mb Extragene DNA 2100 Mb
Gene und genähnliche Sequenzen 900 Mb
30% 30 0% 70 70% 0%
Codierende DNA 90 Mb ~40 000 Gene Pseudogene
nichtcodierende DNA 810 Mb
Introns, leaders, trailers
Repetitive DNA 420 Mb
GenFragmente
Tandem wiederholte DNA
Satelliten Minisatelliten Mikrosatelliten DNA DNA DNA
Singulär und in niedriger Anzahl 1680 Mb
eingestreute Repeats
LTR Elemente
LINEs
SINEs
DNATransposons
zunehmende CsCI Konzentration
A. Die Komponenten des nuklearen Genoms des Menschen 5' UTR
ORF1
ORF2
3' UTR
g · cm–3
5'
1.600
1. normale Länge von LINE1 (6.1 kb)
1.687 1.693 1.697 1.700
DNA Satelliten Hauptband
5'
3'
5' UTR
ORF2
3'
2. abgekürzte LINEs 1.800
1. Cäsiumchlorid-Dichtegradient
2. Klassische Satelliten DNA (100-6500 bp Repeats)
5' UTR
5'
120
5'
135
1. SINE
B. Satelliten-DNA
294
3'
GC-reich Insertion 32bp
5' 4. Mikrosatelliten DNA (CA)n Repeats (n = 2-10 bp)
3'
C. Long Interspersed Nuclear Elements (LINEs)
GC-reich A-reich 3. Minisatelliten DNA (20-100 bp Repeats)
3' UTR
AAAA
130 bp
AAAA
160 bp
2. Alu Dimere D. Short Interspersed Nuclear Elements (SINEs)
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3'
230
Genomik
Identifizierung eines Gens Identifizierung eines Gens bedeutet, über folgende Informationen zu verfügen: mindestens die chromosomale Position und die Struktur (Anzahl und Größe von Exons und Introns) zu kennen, abgeleitet aus der Kenntnis der Exons, ferner die Größe des Transkripts, darüber hinaus Sequenzinformation des Transkripts (aus cDNA) oder genomischer DNA (teilweise oder komplett), Expressionsmuster in verschiedenen Geweben, Rückschlüsse auf die normale Funktion durch Vergleich mit Genen ähnlicher Struktur und Sequenz, Beobachtung von Ausfallerscheinungen bei Mutationen. Für einen Vergleich mit anderen Genen stehen zahlreiche Datenbanken zur Verfügung (vgl. S. 232). Ein Gen wird schrittweise identifiziert. Ein bereits identifiziertes Gen kann direkt auf Hinweise einer krankheitsauslösenden Veränderung untersucht werden. Ausgangspunkt ist stets eine möglichst präzise Erkennung des Phänotyps, ggf. ein bestimmtes Krankheitsbild unter Berücksichtigung ursächlicher Heterogenität.
A. Verschiedene Ansätze zur Identifizierung eines Gens mit krankheitsauslösender Veränderung Mehrere Ansätze ausgehend vom Phänotyp sind möglich. Dies bedeutet eine möglichst präzise Zuordnung zur richtigen Ursachengruppe. Dabei muss mit der Möglichkeit ursächlicher (genetischer) Heterogenität gerechnet werden. Darunter versteht man die Beobachtung, dass ein Phänotyp (Krankheit) verschiedene Ursachen haben kann, z. B. durch verschiedene Mutationen in ein und demselben Gen (allelische Heterogenität) oder Mutationen an verschiedenen Genloci (Locus-Heterogenität). Dies kann in der Praxis eine unüberwindliche Schwierigkeit darstellen. Ein Gen kann nicht in einem Schritt als Ganzes identifiziert werden. Man muss es klonieren, d. h. zahlreiche Fragmente aus dem Gen vermehren. Man kann (i) mit der chromosomalen Position beginnen (positonelle oder Positionsklonierung, ein besonders erfolgreiches Vorgehen), (ii) mit bekannten Aspekten der Funktion (funktionelle Klonierung) oder (iii) ausgehend von einem anderen bekannten Gen mit ähnlicher Position oder Funktion (Kandidaten-GenKlonierung). Je nach Ausgangslage, kann man sich dem gesuchten Gen durch weitere Schritte
nähern (in Abbildungsteil A schematisch gezeigt) und schließlich durch Nachweis einer Mutation verifizieren. Am Ende stehen Kenntnis der Position, Funktion und Bedeutung einer Mutation, die von einem Polymorphismus unterschieden werden muss.
B. Prinzipielle Schritte bei der Identifizierung eines Gens Der erste Schritt beginnt mit den medizinischen Informationen über die Krankheit und das etwaige Auftreten bei anderen Familienmitgliedern und endet mit einer nachgewiesenen Mutation. Hier werden als Ausgangspunkt zwar die drei Erbgänge genannt, aber in der Praxis kann man meistens nicht den Erbgang eindeutig erkennen. In diesem Fall ist die klinische Diagnose maßgebend. Dabei muss zwischen monogener und multifaktorieller Vererbung unterschieden werden, was ebenfalls schwierig sein kann. Für eine molekulargenetische Untersuchung nach erfolgter genetischer Beratung, benötigt man neben klinischen Daten und Blutproben für die DNA-Untersuchung (10 ml EDTA-Blut) von Patienten ggf. auch die von Eltern und Geschwistern (1). Die weiteren Schritte folgen aufeinander wie schematisch dargestellt: (2) Kartierung auf einer chromosomalen Region (in der Praxis oft eine aufwendige Untersuchung), (3) Einengung auf einen begrenzten Bereich, (4) Anlegen einer Ansammlung überlappender Fragmente aus dem Bereich (Contig von überlappenden Klonen, vgl. S. 226), (5) Feinkartierung mittels polymorpher DNA-Marker mit bekannter Position, (6) Isolierung von Genen aus dem Bereich, (7) Mutationsanalyse mit Nachweis einer Mutation und Ausschluss von Genen ohne Mutation, (8) Identifizierung des ursächlich verantwortlichen Gens nach Größe, Struktur, Transkript, Expressionmuster, Vergleich mit anderen Organismen („Zoo-Blot“, S. 234) und anderen Merkmalen. Ballabio, A.: The rise and fall of positional cloning? Nature Genet. 3: 277, 1993. Brown, T. A.: Genomes 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxvford, 2002. Green, E. D., The human genome project and its impact on the study of human disease, pp. 255–298. In: Scriver, C. R., et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001.
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231
Identifizierung eines Gens
Phänotyp (Krankheit) Positionelle Klonierung
Funktionelle Klonierung
Kandidaten Klonierung
Karte
Funktion
Gen
Gen
Gen
Karte
Mutation
Mutation
Mutation
Funktion
Karte
Funktion
A. Verschiedene Möglichkeiten der Gen-Identifizierung
1. Gruppe von Familien mit derselben Krankheit
Autosomal recessiv
oder Autosomal dominant
Isolierung von DNA von
oder X-chromosomal
Patienten und Verwandten
2. Zuordnnung zu einer ChromosomenRegion 3. verfeinerte Kartenposition 4. Contig von überlappenden Klonen 5. verfeinerte Kartenposition der Marker
6. Isolierung von Genen
7. MutationsAnalyse
8. GenIdentifizierung
Mutation nur bei Patienten
Struktur, Größe
keine
keine
Transkript
Expressionsmuster
Sequenz
Funktion
B. Grundsätzliche Schritte der Gen-Identifizierung
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Ausschluss
Zoo-Blot
232
Genomik
Das Humangenom-Projekt Das Humangenom-Projekt (HGP) ist eine seit 1990 bestehende internationale Organisation zur vollständigen Erforschung des Genoms des Menschen. Im Vordergrund stand dessen am 14. April 2003 offiziell verkündete nahezu vollständige Sequenzierung (99.99 %) der codierenden Abschnitte, nachdem zwei Jahre zuvor eine als Rohfassung bezeichnete Version in den Zeitschriften Nature und in Science erschienen war. Teilnehmer sind 20 Zentren in USA, England, Frankreich, Japan, China, Deutschland. Deutschland hat sich erst später, im Jahr 1996, dem HGP angeschlossen (Informationen über das Deutsche Humangenom-Projekt unter www.dhgp.de). Die Führung haben „die Fünf Großen“, vier in den USA (National Center for Human Genome Research mit Baylor University, Houston, Washington University, St. Louis, und Whitehead Institute, Boston) und das Sanger Centre in England. Auf diese fünf entfallen etwa 85 % der Daten. Als Zentrale agiert das United States National Human Genome Research Institute (NHGRI: http://www.nhgri. nih.gov/). Zusätzlich nehmen auch noch einige private Organisationen teil. Die Human Genome Organisation (HUGO), eine internationale Organisation, ist bei vielen Aspekten eingebunden. Das HPG umfasst verschiedene Ansätze, jede auf ein bestimmtes Ziel gerichtet. Zunehmend rückt jetzt die Analyse funktioneller Zusammenhänge in den Vordergrund (funktionelle Genomik).
A. Das Humangenom-Projekt (HGP) online Alle Informationen über das HumangenomProjekt sind im Internet zugänglich. Die gegenüberliegende Seite zeigt den online-Zugang zu Informationen über die Hauptgebiete, das HGP selbst, Gene und Krankheiten, Genkarten, Datenbanken, Lehre und das Genomen von zahlreichen anderen Organismen.
Ethische, rechtliche und soziale Aspekte
bezogener Daten und Fairness bei der Gewinnung und Anwendung genetischer Daten für den Einzelnen gewährleistet werden kann und wie aus genetischen Daten resultierende Diskriminierung verhindert wird. Sie beinhaltet weiter die Anwendung genetischer Methoden in der Klinischen Diagnostik, bei forensischen Untersuchungen, und andere verwandte Zusammenhänge.
Medizinische Implikationen Das Humangenom-Projekt hat weitreichende Folgen für die Theorie und Praxis der Medizin. Die Kenntnis der Struktur und Funktion menschlicher Gene führt zu einem besseren Verständnis von Krankheiten, wie z. B. hohe Präzision bei der Diagnostik, der korrekten Beurteilung von genetischen Risiken und der Entwicklung neuer Formen von Therapien. Wichtige Informationen über Krankheits-verursachende menschliche Gene verdanken wir der Entschlüsselung des Genoms von Modellorganismen wie der Maus, Hefe (S. 86), C. elegans (S. 280), Drosophila. Von 289 Genen des Menschen, die an der Ursache einer Krankheit beteiligt sind, haben 177 (62 %) ein homologes Gegenstück bei Drosophila (Rubin et al., 2000). Collins, F. S., Green, E. D., Guttmacher, E. A. et al.: A vision for the future of genomics research. Nature 422: 835–847, 2003a. Collins, F. S., Morgan, M., Patrinos, A.: The human genome project: lessons from largescale biology. Science 300: 286–290, 2003b. International Human Genome Sequencing Consortium: Initial sequencing and analysis of the human genome. Nature 409: 860–921, 2001. Passarge, E.: The human genome and disease. Chapter 2 (mit Websites) in: Molecular Nuclear Medicine, L. E. Feinendegen et al., editors, Springer Verlag, Heidelberg – New York, p. 31–37, 2003. Rubin, G. M. et al.: Comparative genomics of the eukaryotes. Science 287: 2204–2215, 2000. Venter, J. C. et al.: The sequence of the human genome. Science 291: 1304–1351, 2001. Wolfsberg, T. G. et al.: A user’s guide to the human genome. Nature Genet. 32: Suppl. September 2002, p. 4–79. New Human Genome Website: (http://www.ncbi. nlm.nih.gov/genome/central)
Von Anfang an waren die ethischen, rechtlichen und sozialen Folgen des Humangenom-Projekts ein wichtiger Bestandteil. Etwa 3 % des gesamten Budgets entfallen auf das ELSI-Forschungsprogramm. Dazu gehört vor allem, wie Vertraulichkeit in der Verwendung personen-
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Das Humangenom-Projekt
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The Human Genome Project (HGP) Online information http://www.nhgri.nih.gov/ The National Center for Human Genome Research über das HGP
Gene und Krankheiten
http://www.nhgri.nih.gov/HGP/ Identifizierung aller Gene des Menschen Sequenzierung der DNA Informationsspeicher Funktion ethische und soziale Aspekte Deutsches Humangenomprojekt http://www.dhgp.de
Genkarte des menschlichen Genoms
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/disease/ Human Genome Krankheitsdiagnosen genetische Beratung genetische Testverfahren Information über Krankheiten bei OMIM Informtionsquelle Mendelian Inheritance in Man http://www3.ncbi.nlm.nih.gov/Omim/
Chromosomen finden
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/genemap99
http://www.ornl.gov/hgmis/launchpad
chromosomale Lokalisation von Genen krankheitsauslösende Gene genetische Marker Transkriptionskarte Literatur
Information über jedes Chromosom des Menschen krankheitsauslösende Gene Verbindungen zu OMIM und anderen Datenbanken
Netzwerke von Datenbasen http://www.ncbi.nlm.nih.gov/Database/ index/html Genbank Pubmed OMIM
European Molecular Laboratory The Sanger centre viele andere
Ausbildung in Genetik http://www.kume.edu/gec/the University of Kansas Medical Center Informationen über das HGP Lehrmittel Netzwerke Bibliothek und Literatur
Genome von anderen Organismen http://www.ncbi.nlm.nih.gov/Entrez/Genome/org.html Bakterien Phagen Plasmide Hefe Caenorhabditis elegans Drosophila melanogaster Arabidopsis thaliana und andere Pflanzen Plasmodium falciparum Maus u. a. A. Das Humangenomprojekt (HGP) und dazugehörige Online Information
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Genomik
Identifizierung eines codierenden DNA-Abschnitts Für die Identifizierung eines gesuchten Gens existieren zahlreiche Methoden, ohne dass größere Abschnitte von DNA sequenziert werden müssen. Hier werden einige Beispiele vorgestellt.
A. Mikrosektion von Chromosomen Wenn die chromosomale Lage des gesuchten Gens bekannt ist, kann dieser Bereich mittels Mikrosektion aus Metaphase-Chromosomen herausgeschnitten werden (Pfeile). Dies hat den Vorteil, dass alle anderen chromosomalen Abschnitte eliminiert sind. Allerdings ist dieses erstmals von B. Horsthemke und Mitarbeitern angewandte Verfahren (Lüdecke et al., 1989) sehr aufwendig (Photo aus K. Buiting et al., Genomics 6: 521–527, 1990).
B. Artifizielle Hefechromosomen (YACs) Große DNA-Fragmente (200–300 kb) können in Hefezellen vermehrt werden. Sie werden in künstliche Hefechromosomen (Yeast artificial chromosome, YAC, v. S. 92) aufgenommen und darin vermehrt. Die Photographie zeigt eine Transverse Alternierende Feld-Elektrophorese (TAFE) mit neun Bahnen, die nach EthidiumBromid-Färbung sechs (Bahn 2–7) verschieden große Fragmente enthalten. Sie entsprechen den natürlichen Hefechromosomen. In jeder Bahn findet sich ein zusätzliches Fragment, das einem artifiziellen Hefechromosom entspricht, mit einem gelben Punkt markiert, unterste Bande in Bahn 2 (YAC9), dritte Bande von unten in Bahn 3, 4 und 6 (YAC41, YAC45, YAC51), sowie unterste Bande in Bahn 7 (YAC52). In Bahn 5 wird YAC50 von einem Hefechromosom maskiert (3. Fragment von unten). Bahn 1 ist der Maßstab für die Größe der Fragmente (Präparat von K. Buiting und B. Horsthemke, Essen).
schnitten und gemeinsam mit dem genomischen Fragment exprimiert (Exon Trapping). Aus der mRNA wird cDNA gebildet und mittels PCR vermehrt. Anschließend kann das gefangene Exon sequenziert oder anderweitig charakterisiert werden (Abb. nach K. E. Davis und A. P. Read, 1992).
D. Single Strand Conformation Polymorphismus (SSCP) Der Einzelstrang Konformations-Polymorphismus stellt eine gute Suchmethode zum Nachweis einer Mutation dar, ohne zunächst sequenzieren zu müssen. Das Verfahren beruht auf dem Nachweis eines durch eine Mutation veränderten DNA-Polymorphismus. Man prüft, ob denaturierte DNA-Abschnitte (EinzelstrangDNA) gleicher Herkunft sich in der Laufgeschwindigkeit in einer Polyacrylamid-Gelelektrophorese unter verschiedenen Bedingungen wie Änderung der Temperatur, des pH, etc. unterscheiden. Durch eine Basensubstitution resultiert unter Umständen ein Unterschied in der räumlichen Anordnung (Konformation) des DNA-Abschnitts und einem Mobilitätsunterschied (Bahn 4, Pfeil, Polyacrylamidgel-Elektrophorese und Silberfärbung, D. Lohmann, Essen).
E. „Zoo-Blot“ Die Kreuzhybridisierung von DNA über Spezies-Grenzen hinweg („Zoo-Blot“) ist ein Indiz für codierende Sequenzen, weil Gene bei verschiedenen Organismen ähnliche Struktur haben. (Präparat von K. Buiting, Essen) Davies, K. E., & Read, A. P.: Molecular Basis of Inherited Disease. 2nd ed., IRL-Press, Oxford 1992. Lüdecke, H. J., Senger, G., Claussen, U., Horsthemke, B.: Cloning defined regions of the human genome by microdissection of banded chromosomes and enzymatic amplification. Nature 338: 348–350, 1989.
C. Exon-Trapping In einem unbekannten Abschnitt DNA kann ein Gen daran erkannt werden, dass codierende Segmente (Exons) vorkommen. Deshalb sucht man nach Exons. Das genomische Fragment wird in einen Vektor cloniert, der aus einem starken Promotor- sowie einem Reporter-Gen besteht. Durch die Donor- und Akzeptor-SpliceSignale wird ein vorhandenes Exon herausge-
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Identifizierung eines codierenden DNA-Abschnitts
p 1 1
11 11
21
q 2
22
26 1. Mobilitätsunterschied
YAC 52
YAC 51
YAC 50
YAC 45
YAC 9
YAC 41
l-con
A. Mikrosezierung eines Metaphase-Chromosoms
DNADoppelstrang
G C
A T
Denaturierung Einzelstrang
G
kb
A
850 700 630
Konformationsunterschied
G
A
Elektrophorese unter verschiedenen Bedingungen
460 290
Mobilitätsunterschied
2. DNA-Fragmente mit einem Unterschied D. Single Strand Conformation PolyD. morphismus (SSCP)
B. Artifizielle Hefechromosomen B. (YACs) in Pulsfeld-Gel-Elektrophorese Vektor
Genomisches Fragment Exon
Promotor
Reporter-Gen Einbau in Vektor
Transkription
Prüfung auf Anwesenheit homologer, codierender Sequenzen bei verschiedenen Organismen Hund Kalb Schaf Maus Ratte kb
Exon
Primer mRNA
9.6 7.8
Vektor-Expression Exon
AAAA cDNA-Synthese und PCR
Exon
2.2 2.0 1.9
Klonierung und Sequenzierung des gefangenen Exons
Exon
CCGTAACAGT C. Exon-Trapping
E. "Zoo-Blot"
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Genomik
Mobile DNA Bewegliche (mobile) DNA sind mäßig repetitive DNA-Sequenzen (einige hundert bis tausend Basenpaare) im Genom von Bakterien und Plasmiden, sowie von Tieren und höheren Pflanzen. Man unterscheidet Insertionssequenzen (IS) und Transposons (Tn). Sie werden durch Transposition (S. 78) kopiert und an einer neuen Stelle in das Genom eingefügt. Sie haben selber keine bekannte biologische Funktion, können aber zu einer Umordnung an der Stelle führen, wo sie sich einfügen. Bewegliche Elemente bei Eukaryoten wurden zuerst ab 1948 in einer Serie systematischer, bahnbrechender Untersuchungen von Barbara McClintock bei der Pflanze Mais (Zea mays) beobachtet und als mobile genetische Elemente oder „jumping genes“ bezeichnet. Lange blieb die molekulare Grundlage unklar und ihre Existenz umstritten. Ihr Nachweis bei vielen Eukaryoten hat ein neues, dynamisches Konzept des eukaryoten Genoms vermittelt, das stark mit jeder statischen Vorstellung kontrastiert.
A. Stabile und unstabile Mutationen bei Mais McClintock beobachtete stabile Mutationen (z. B. lila Maiskörner) und in einigen Körnern feine oder etwas gröbere pigmentierte Flecken (Variegation) durch unstabile Mutation.
B. Mutation durch Transposition Durch ein Gen am C-Locus wird ein lila gefärbtes Pigment in Zellen des Aleurons des Maiskorns gebildet. Durch ein bewegliches Element (Ds) wird der Genlocus inaktiviert und das Maiskorn farblos. Wird Ds durch Transposition entfernt, so wird die Funktion wiederhergestellt und es treten kleine pigmentierte Flecken auf (Abb. in A und B aus Fedoroff, 1984).
C. Insertion und Entfernung eines beweglichen Elements Activator (Ac-Locus) nannte McClintock ein Element, das ein anderes, Dissociation (DS), aktivieren konnte und einen Bruch im Chromosom verursachte (1). Während Ac nicht auf fremde Hilfe angewiesen ist (autonome Transposition), vermag sich Ds nur unter dem Einfluss von Ac an eine andere Stelle im Chromosom zu bewegen (nicht-autonome Transposition). Die Inaktivierung des C-Locus erfolgt durch Insertion
von Ds (2). Unter dem Einfluss von Ac wird in einem Teil der Zellen Ds entfernt und die normale Funktion des C-Locus wiederhergestellt. Erfolgt die Transposition früh in der Entwicklung, sind die pigmentierten Flecken relativ groß, erfolgt sie spät, sind die Flecken klein.
D. Transposition bei Bakterien Die molekulare Grundlage mobiler Elemente wurde zuerst bei E. coli aufgeklärt, als bestimmte Mutationen als Ergebnis einer Insertion von einer DNA-Sequenz von etwa 1–2 kb in ein Gen nachgewiesen wurden (Insertionssequenzen, IS). Transposition eines IS-Elements ist selten, ca. einmal auf 105 –107 Bakterienzellen pro Generation. Neben IS-Elementen können Bakterien größere und komplexere mobile genetische Elemente enthalten: Transposons (Tn). Diese können ein Gen enthalten, z. B. für Chloramphenicol bei Tn9 von E. coli. Die Insertion erfolgt an einer Integrationsstelle (1) und erfordert einen Bruch (2) mit anschließender Integration (3). An beiden Enden trägt jedes ISElement bzw. Transposon umgekehrte Wiederholungssequenzen (inverted repeats), deren Länge und Basenabfolge für verschiedene ISund Tn-Elemente charakteristisch ist. Eine E. coli-Zelle enthält im Durchschnitt etwa 10 Kopien solcher Sequenzen. Auch bei Hefe, Drosophila und anderen eukaryoten Zellen sind sie nachgewiesen. (Abb. nach Lewin, 2000). Fedoroff, N. V.: Transposable genetic elements in maize. Sci. Am. 250: 65–74, December 1984. Fedoroff, N. V.: Maize transposable elements. Perspect. Biol. Med. 35: 2–19, 1991. Fedoroff, N. V., Botstein, D., eds.: The Dynamic Genome: Barbara McClintock’s Ideas in the Century of Genetics. Cold Spring Harbor Laboratory Press, New York, 1992. Fox-Keller, E.: A Feeling for the Organism: The Life and Work of Barbara McClintock. W. H. Freeman & Co., San Francisco, 1983. Lewin, B.: Genes VII. Oxford University Press, Oxford 2000. McClintock, B.: Introduction of instability at selected loci in maize. Genetics 38: 579–599, 1953. McClintock, B.: Controlling genetic elements. Brookhaven Symp. Biol. 8: 58–74, 1955. McClintock, B.: The significance of responses of the genome to challenge. Science 226: 792–801, 1984. Schwartz, R. S.: Jumping genes. New Engl. J. Med. 332: 941–944, 1995.
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Mobile DNA
Lila Pigmentbildung am C-Locus
Inaktivierung durch bewegliches Element Ds
Entfernung von Ds aus einigen Zellen durch Ac
B. Effekt von Mutation und Transposition Ac
Ds
Ac
Ac
Ds
DNA Ac
Ds
Bruch im Chromosom
Transposition (autonom)
Transposition (nicht autonom)
1. Zwei bewegliche Elemente: Activator (Ac) und 1. Dissociation (Ds) Ds
Stabile Mutation (lila Pigment)
Variegation durch unstabile Mutation (feine Flecken)
A. Stabile und unstabile A. Mutation bei Mais
Ds
C-Locus
normal
Ac
C-Locus intakt
mutant
2. Transposition von Ds
entfernt Ds
einzelne Zellen normal
C. Insertion und Entfernung von Ds Integrationsstelle
1.
DNA
T T A G A A T C
5' 3'
3' 5'
Transposon Bruch
123456789 123456789
987654321 987654321
Inverted Repeat
2.
T T A G A A T C
5' DNA 3'
3' 5'
Inverted Repeat (9 bp)
Bruch
Integration 3.
DNA T TAG 123456789 AATC 123456789 Direct Repeat
Inverted Repeat
987654321T TAG 987654321AATC Transposon
Inverted Repeat
D. Transposon bei Bakterien
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Direct Repeat
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Genomik
Evolution von Genen und Genomen Gene und Genome verschiedener Organismen, wie sie heute existieren, stellen das Ergebnis von Ereignissen dar, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Die klassische Evolutionstheorie, wie sie 1859 von Charles Darwin formuliert wurde, beruht auf der begründeten Annahme, dass (i) alle heute lebenden Organismen aus in der Vergangenheit lebenden Organismen entstanden sind; dass (ii) alle früher lebenden Organismen sich von den heutigen unterscheiden; dass (iii) die Veränderungen mehr oder weniger allmählich eingetreten sind; dass (iv) die Veränderungen zu unterschiedlichen Organismen führen, bei der die Anzahl der Ahnen niedriger ist als die der heute existierenden; und dass (v) sich alle Veränderungen aus Umständen ergeben, die zum Teil noch heute bestehen und analysiert werden können. Aus den feststellbaren Unterschieden bzw. Ähnlichkeiten kann zwischen verschiedenen Spezies die Herkunft von einem gemeinsamen Vorläufer rekonstruiert werden.
A. Evolution von Genen durch Duplikation S. Ohno hat dargelegt, dass in der Evolution Duplikationen eingetreten sein müssen: von einzelnen Genen, von Genteilen (Exons), Teilen des Genoms (subgenomische Duplikationen) oder selten Duplikation des gesamten Genoms. Die Duplikation eines Gens vermindert den Selektionsdruck, weil nach einer Duplikation eines der beiden Gene Mutationen toleriert, ohne dass die ursprüngliche Funktion eingeschränkt wird. Die Voraussetzung allerdings ist eine eigene regulatorische Kontrolle des duplizierten Gens. (Abb. nach Strachan & Read, 1999).
B. Evolution von Genen durch Austausch von Exons Die Exon/Intron-Struktur von eukaryoten Genen verleiht ihnen eine große evolutionäre Vielseitigkeit. Neue Gene können aus Teilen bereits bestehender Gene entstehen. Das Schema zeigt die Bildung eines neuen Gens mit neuen codierenden Eigenschaften aus einem Exon eines Gens, zwei Exons eines anderen Gens und einem Exon eines dritten Gens. Dies wird als „Exon Shuffling“ bezeichnet. In dem neuen Gen werden die Exons in einen neuen Kontext gesetzt und funktionelle Eigenschaften werden
neu kombiniert (Abb. nach Strachan & Read, 1999).
C. Evolution von Chromosomen Bei der Bildung neuer Arten von Lebewesen (Speziation) wird die Struktur und die Zahl der Chromosomen umgeordnet. Entsprechend der engen evolutionären Beziehung sind die Chromosomen der Primaten ausgesprochen ähnlich. Das menschliche Chromosom 2 scheint aus einer Fusion von zwei Chromosomen bei den Primaten (rote Pfeile) entstanden zu sein. Beim Gorilla enthält der distale lange Arm zusätzliches Material (roter Pfeil). Das Chromosom 3 des Orang Utans unterscheidet sich von dem des Menschen und der anderen Primaten durch eine perizentrische Inversion und zusätzliches chromosomales Material an beiden Enden (rote Pfeile). (Abb. nach Yunis & Prakash, 1982).
D. Rekonstruktion eines evolutionären Stammbaums Eine evolutionäre Beziehung kann durch die Rekonstruktion von in der Vergangenheit liegenden Ereignissen nachgewiesen werden. Auf dem Weg vom ursprünglichen Gen (1) können unterschiedliche Ereignisse unterschieden werden (hier werden schematisch zwei gezeigt). Gene oder nicht-allele chromosomale Segmente oder DNA-Sequenzen werden als paralog bezeichnet (2), wenn sie innerhalb einer Spezies durch eine Duplikation entstanden sind (z. B. die beiden § -Globin-Loci beim Menschen, vgl. S. 322). Wenn sie vor der Trennung in verschiedenen Spezies entstanden sind, werden sie als ortholog bezeichnet (z. B. die § -Globinund g -Globin-Gene der Säugetiere, vgl. S. 322). Cavalli-Sforza, L. L., Menozzi, P., Piazza, A.: The History and Geography of Human Genes. Princeton Univ. Press, Princeton, New Jersey, 1994. Jacob, F.: Evolution and tinkering. Science 196: 1161–1166, 1977. Ohno, S.: Evolution by Gene Duplication. Springer Verlag, Heidelberg, 1970. Rosenberg, L. H., Livingstone, K.: Chromosomal speciation in primates. Science 300: 267–268, 2003. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics, 2nd ed. Bios Scientific Publishers, Oxford, 1999. Yunis, J. J., Prakash, O.: The origin of man: A chromosomal pictorial legacy. Science 215: 1525–1530, 1982.
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Evolution von Genen und Genomen Ancestrales Gen
Starker selektiver Druck (wenig Mutationen akkumulieren) A1
A
A2 Duplikation
langsam
A1 mit ursprünglicher Funktion
schnell
Pseudogen ψA ohne Funktion A2 mit vorteilhafter ähnlicher Funktion
Sequenz Divergenz
kein oder reduzierter selektiver Druck (Mutationen akkumulieren) A. Gen-Evolution durch Duplikation
Teil von Gen 3 (1 Exon)
Teil von Gen 2 (3 Exons)
Teil von Gen 1 (3 Exons)
Neues Gen mit Exons aus drei verschiedenen Genen und neuer Funktion B. Gen-Evolution durch Exon-Shuffling M
C
G
O
M
C
G
O
Ancestrale Gene Ereignis 1
2 2
Ereignis 2
p 1
1. Drei durch Evolution verwandte Gene (Gen-Stammbaum)
1
Innerhalb einer Species
1
Zwischen verschiedenen, aber verwandten Species
1
2
q 2
A
B
C
Paraloge Gene (nach Duplikation)
3
A
B
C
Orthologe Gene (nach Speziation)
Chromosom 3 Chromosom 2 C. Evolution von Chromosomen
M = Mensch C = Schimpanse G = Gorilla O = Orang Utan
2. Homologie von Genen durch Evolution zwischen verschiedenen, aber verwandten Species D. Rekonstruktion eines evolutionären Stammbaums
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240
Genomik
Vergleichende Genomik Man kann das Genom verschiedener Organismen auf verschiedenen Ebenen vergleichen. Am anschaulichsten ist ein Vergleich chromosomaler Abschnitte und der darauf lokalisierten Gene. Hier werden als Beispiele die Ähnlichkeit eines Chromosoms des Menschen mit den entsprechenden colinearen Abschnitten bei drei Säugetieren das X-Chromosom bei Mensch und Maus, sowie das X- und das YChromosom des Menschen illustriert.
A. Ähnliche Anordnung von Genloci bei Säugetieren Die gleiche Anordnung homologer Gene bei Säugetieren wird hier für Chromosom 1 des Menschen und colineare Abschnitte von Chromosomen bei der Maus, der Katze und der Kuh dargestellt. Zwischen Mensch und Maus bestehen drei große Blöcke in der Anordnung übereinstimmender Gene, einen übereinstimmenden Abschnitt mit der Katze und vier kleine mit der Kuh (Abb. nach O’Brien, 1993). Ein Vergleich der DNA-Sequenz von Mensch und Maus zeigt, dass 342 colineare Abschnitte existieren, entsprechend mehr als 90 % dieser Genome. Dies kann auf 295 chromosomale Rearrangements zurückgeführt werden.
B. Vergleich des X-Chromosoms bei Mensch und Maus Obwohl sich morphologisch das X-Chromosom von Mensch und Maus deutlich unterscheidet, wird eine auf gemeinsamer evolutionärer Abkunft beruhende Ähnlichkeit erkennbar, wenn man begrenzte chromosomale Abschnitte vergleicht. Fünf Abschnitte 1–5 (gezeigt in fünf Farben) unterscheiden sich zwar in der Anordnung, aber innerhalb jedes Abschnitts ist die Reihenfolge der dort lokalisierten Gene gleich
(Daten aus Lavale & Boyd, 1993). Die seit der Trennung von einem gemeinsamen Vorläufer von Mensch und Maus vergangene Zeit wird auf etwa 75 Millionen Jahre geschätzt.
C. Homologien zwischen X- und YChromosom des Menschen Während das X-Chromosom in Struktur dem ursprünglichen Chromosom entspricht, ist bei Säugetieren ein kleines, auf die Geschlechtsdetermination (vgl. S. 370) beschränktes kleines Y-Chromosom mit nur wenigen Genen geworden (Skaletsky et al., 2003). Dennoch können mehrere homologe Abschnitte identifiziert werden (hier als I–V bezeichnet). Der gen-freie Bereich des langen Armes des Y-Chromosoms ist gelb markiert (Abb. modifiziert nach Wolf et al., 1992). Lavale, S. H., Boyd, Y.: Novel sequences conserved on the human and mouse X chromosomes. Genomics 15: 483–491, 1993. Mouse Genome Sequencing Consortium: Initial sequencing and comperative analysis of the mouse genome. Nature 420: 520–562, 2002. O’Brien, S. J., et al.: Anchored references loci for comparative genome mappings in mammals. Nature Genet. 3: 103–112, 1993. Rubin, G. M., et al.: Comparative genomics of the eukaryotes. Science 287: 2204–2215, 2000. Skaletsky, H. et al.: The male-specific region of the human Y chromosome is a mosaic of discrete sequence classes. Nature 423: 825–837, 2003. Wolf, U., Schempp, W., Scherer, G.: Molecular biology of the human Y chromosome. Rev. Physiol. Biochem. Pharmacol. 121: 148–213, 1992.
Vergleichende Genomik: Anzahl der Gene und Gen-Familien (Kern-Proteom) bei vier Modellorganismen Organismus
Anzahl Gene
Gen-Familien
Gen-Duplikationen
H. influenzae (Bakterium) S. cerevisiae (Hefe) C. elegans (Nematode) Drosophila (Insekt)
1 709 6 241 18 424 13 601
1425 4383 9453 8065
284 1858 8971 5536
(Daten aus Rubin et al., 2000)
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Vergleichende Genomik Chromosom 1 Mensch 36.3 36.2 36.1
p
35 34.3 34.2 33 32.3 32.2 32.1 31.3 31.2 31.1
Maus ENO1 GNB1 PGD PND FGR LCK FUCA1
Katze Kuh 4 C1
U1
p
PMP1 AMY1,2 NGFB NRAS
21 13.3 13.2 13.1 12 11.1 11
3 U6
q
12
q
22.3 22.2 22.1
U17
MYCL1 JUN
22.3 22.2 22.1
X-Chromosom Mensch
21.3 21.2 21.1 11.4 11.3 11.23 11.22 11.21 11.1 11.1 11.2 12 13 21.1 21.2 21.3
Maus AMG STS CSF2RA GLRA2 ZFX POLA DMD OTC MAOA ARAF1
Katze Kuh X
X XY 19 X X
AR PGK1
PLP GLA
22.1 22.2 22.3 23 24 25
21.1 21.2 21.3 22 23 24 25
GBA APOA2 PFKM ABL2 AT3
31
HPRT F9
26 27
1
5 U1
G6PD1 GABRA3 F8C
28
167 cM
LAMB2 CR2 REN
32.1 32.2 32.3 41 42.1 42.2 42.3 43 43 4
249 cM
AGT
8
NID
13
p
23 Loci
3 1
AMG PDHA1 ZFX DMD OTC SYN1 Centromere
4
TFM
Centromere
1
2 3 4
PGK1 PLP 2
Man
G6PD
Otc Syn1 Hprt G6pd Dmd Zfx Tfm Pgk-1 Plp
HPRT 5
I
22.3 22.2 22.1
A. Vergleich von Genloci bei Mensch, Maus, Katze und Kuh 5
19 Loci
Pdha-1
q
21.3 21.2 21.1 11.4 11.3 11.23 11.22 11.21 11.1 11.1 11.2 12 13 21.1 21.2 21.3
I III
11.32 p 11.31 11.2 11.1 11.1 11.21 11.22 q 11.23
III
22.1 22.2 22.3 23 24
IV V
12
II Y
25 26 27
II
28
Amg
X
Mouse
B. X-Chromosom des Menschen und der Maus
IV V
C. Sequenzhomologien des X- und Y-Chromosoms des Menschen
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242
Genomik
Evolution des Menschen Der Mensch, Homo sapiens, gehört zur Familie der Hominidae. In dieser Familie bilden sie als Homininae die einzig lebende Art. Vergleichende Untersuchungen menschlicher Populationen verschiedener geographischer und ethnischer Herkunft zeigen, dass der Mensch genetisch eine relativ homogene, evolutionär junge Spezies ist. Genetische Unterschiede bestehen zu 80–95 % zwischen einzelnen Individuen und nur 5–15 % interkontinental zwischen verschiedenen Gruppen. Ursprung des heutigen Menschen liegt in Afrika vor etwa 100–200 000 Jahren. Von hier aus verbreiteten sich anatomisch moderne Vertreter von H. sapiens vor etwa 40–60 000 Jahren nach Europa, Ozeanien und Asien, und vor ca. 15–35 000 Jahren über eine damals noch bestehende Landbrücke von Asien nach Amerika.
A. Der Stammbaum der Hominiden Die ältesten Überreste eines hominiden Skeletts in Ostafrika werden einem Vertreter des ausgestorbenen Genus Australopithecus zugeordnet. Ein noch älterer, wenngleich noch umstrittener Fund wurde 2002 etwa 2500 km westlich im Bereich des heutigen Tschad beschrieben und als Sahelanthropos tchadiensis bezeichnet (Brunel et al., 2002). Er wird auf 6–7 Millionen Jahre datiert, nicht lange nach dem letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse. Mehrere andere hominide Arten nicht geklärter Beziehungen entstanden während des Pliocän vor 5,3 bis 1,6 Millionen Jahren. Bipedaler Gang entstand vor etwa vier Millionen Jahren und war von einem dramatischen Anstieg des Gehirnvolumens und anatomischen Veränderungen des Pharynx begleitet. Dies ermöglichte die Entwicklung von Sprache (Übersicht bei Caroll, 2003).
B. Die geographische Verteilung Es werden zwei Hypothesen hinsichtlich des Ursprungs des modernen Menschen diskutiert. Nach der einen verlief die Evolution multiregional und die Vorfahren des modernen Menschen wären zu verschiedenen Zeiten in verschiedene geographische Regionen der Welt ausgewandert. Nach der anderen Hypothese hat sich der moderne Mensch vor 50 000–100 000 Jahren aus Ostafrika über den
mittleren Osten nach Europa und Asien ausgebreitet („Out of Africa“). (Abb. nach Wehner & Gehring, 1995).
C. Beziehungen zum Neandertaler Zwischen Menschen bestehen durchschnittlich 10 Unterschiede in der Sequenz mitochondrialer DNA, zwischen Mensch und Schimpanse 55, sowie zwischen Mensch und Neandertaler 28 Unterschiede. Proben von Neandertaler mtDNA von zwei 2000 km entfernt liegenden Orten, der Feldhofer Höhle im Neandertal und in der Höhle von Mezmaiskaya im nördlichen Kaukasus zeigten untereinander nur 3,48 % Sequenzunterschiede. Man geht davon aus, dass der moderne Mensch und der Neandertaler ohne reproduktiven Austausch von Genen coexistiert (Abb. modifiziert nach Krings et al., 1997).
D. Rekonstruktion durch mitochondriale DNA Genetische Studien unterstützen die „Out-ofAfrica“-Hypothese. Eine Untersuchung von 147 Individuen aus Afrika, Asien, Australien, Neu Guinea und Europa als Vertreter des modernen Menschen erlaubte die Rekonstruktion eines phylogenetischen Stammbaums des Menschen (Cann et al., 1987). Der ancestrale Ausgangstyp wurde als 200 000 Jahre alt geschätzt (Abb. nach Cann et al., 1987). Brunel, M. et al.: A new hominid from upper miocene of Chad, Central Africa. Nature 418: 145–151, 2002. Cann, R. L., Stoneking, M., Wilson, A. C.: Mitochondrial DNA and human evolution. Nature 325: 31–36, 1987. Caroll, S. B.: Genetics and the making of Homo sapiens. Nature 422: 849–857, 2003. Klein, I., Takahara, N.: Where do we come from? The Molecular Evidence for Human Descent. Springer, Berlin–Heidelberg–New York, 2002. Krings, M., et al.: Neanderthal DNA sequences and the origin of modern humans. Cell 90: 19–30, 1997. Krings, M. et al.: Neanderthal mtDNA diversity. Nature Genet. 26: 144–146, 2000. Ovchinnikov, I. V., et al.: Molecular analysis of Neanderthal DNA from the northern Caucasus. Nature 404: 490–493, 2000. Tattersall, I., Matternes, J. H.: Once we were not alone. Sci. Am. 282: 38–44, 2000. Wehner, R., Gehring, W.: Zoologie. 23nd ed. Thieme Verlag, Stuttgart, 1995.
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243
Millionen Jahre
Heute
6 Milliarden weltweit heute
?
H. neanderthalensis H. heidelbergensis H. antecessor
% mit DNA Paare
Evolution des Menschen 20
MenschMenschNeandertaler Schimpanse
10 5 0
H. erectus
-1
MenschMensch
15
10
20
30
40
50
60
Anzahl der Unterschiede
1. Paarweise mtDNA-Sequenz-Unterschiede ausgestorben P. boisei P. robustus
Neandertal
3.5% Divergenz
H. ergaster H. habilis
Feldhofer Mezmaiskaya
Moderner Mensch
-2 A. rudolfensis A. garhi P. aethiopicus A. africanus
2. Phylogenetischer Baum
-3 A. afarensis
A. bahrelghazali
C. Beziehungen der mtDNA-Sequenz zwischen Mensch und Neandertaler 70
60
aufrechter Gang entsteht -4
80 Australopithecus anamensis
50
Ardipethicus ramidus 90 40
-5 6-7 Millionen Jahre bis zum letzten gemeinsamen Ancestor von Hominiden und anderen Primaten
A. Der hominide Familienstammbaum mit unklaren Beziehungen
100
Afrika Asien Australien Neu Guinea Europa
110
30
20
120 10
Ancestor 130
1 Australopithecus H. habilis
H. erectus H. sapiens
B. Geographische Verteilung einiger wichtiger hominider Funde
0
0.2
0.4
0.6
Sequenz-Divergenz (%)
0.6
0.4
0.2
0
Sequenz-Divergenz (%)
D. Stammbaum-Rekonstruktion durch mtDNA-Evolution des modernen Menschen
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244
Genomik
Analyse des Genoms mittels Mikroarrays (DNA-Chips) Ein Mikroarray (sog. DNA-Chip) ist eine Ansammlung von Oligonukleotiden oder anderen DNA-Proben (z. B. DNA-Klone), die auf einer feinen gegitterten Oberfläche fixiert sind. Mit einer Reihe von varianten Methoden kann das Expressionsmuster einer Serie von Genen analysiert werden, wie es sich in der cDNA oder mRNA darstellt (Expressions-Screening). Ein anderes wichtiges Ziel sind die Erkennung von DNA-Sequenzvarianten, SNPs (single nucleotide polymorphisms, d. h. interindividuelle Sequenzvarianten der DNA zwischen verschiedenen Individuen, S. 74). Beide Ziele haben große Bedeutung für die Erkennung von möglicher individueller Disposition zu bestimmten Krankheiten oder Reaktion auf pharmakologische Substanzen. Die Vorteile der Anwendung von Mikroarrays in Forschung und Diagnostik sind mannigfaltig: simultane large-scale-Analyse von tausenden von Genen auf einmal, Automation, kleine Probengröße und eine einfache Handhabung. Viele Firmen bieten hochgradig leistungsfähige High-density-Mikroarrays an, auf denen 300 000 DNA-Proben auf kleinem Raum untergebracht werden können (z. B. auf Trägern, genannt Chips von nur 1,28 cm×1,28 cm Größe). Zahlreiche Varianten existieren, die auf zwei grundlegende Formen von DNA-Mikroarrays zurückgeführt werden können: (i) Mikroarrays von vorher vorbereiteten DNA-Klonen oder PCR-Produkten, die auf der Oberfläche als enges Netz in zwei-dimensionalen linearen Koordinaten untergebracht werden; (ii) Mikroarrays aus Oligonukleotiden, die in situ auf einer passenden Oberfläche synthetisiert werden.
A. Profil der Genexpression durch cDNA-Analyse auf Mikroarray Dies zeigt einen Mikroarray mit 1500 unterschiedlichen cDNA-Molekülen des menschlichen X-Chromosoms. Die cDNAs wurden aus lymphoblastoiden Zellen eines normalen Mannes (XY) und einer normalen Frau (XX) gewonnen. Die cDNA von Männern wurden mit Fluorochrom Cy3 (grün) und die cDNA von Frauen mit Cy5 (rot) markiert. Die Inaktivierung der meisten Gene auf einem der beiden X-Chromosomen führt zu einem 1 :1-Verhältnis der exprimierten X-chromosomalen Gene in XY- und
XX-Zellen. Das gelbe Signal an den meisten Stellen resultiert aus der Überlagerung von rot fluoreszierenden (weiblichen) und grün fluoreszierenden (männlichen) Signalen aufgrund der gleichen Expression in den meisten Zellen. Eine Ausnahme stellt das die X-Chromosom-Inaktivierung steuernde XIST-Gen dar (S. 210). Dieses Gen wird nur im inaktiven X-Chromosom exprimiert. cDNA aus dem XIST-Gen leuchtet rot auf, weil es nicht im männlichen X-Chromosom exprimiert und deshalb nicht von einem grünen Signal überlagert wird (Photographie freundlicherweise überlassen von G. M. Wieczorek, U. Nuber und H. H. Ropers, Max-Planck-Institut für Molekulargenetik, Berlin).
B. Expressionsmuster von Genen aus menschlichen Krebszellinien In einer Studie von 60 Zellinien aus verschiedenen Formen von Tumoren haben Ross et al. (2000) das Expressionsmuster von etwa 8000 Genen untersucht. Es konnte eine erkennbare Beziehung zwischen den Expressionsmustern und der Herkunft des jeweiligen Gewebes nachgewiesen werden. Tafelteil 1 zeigt ein Dendrogramm (Stammbaum verschiedener Zellinien) des Expressionsmusters von Zellinien aus bösartigen Tumoren verschiedener Gewebe. Es wurde aus 1161 cDNAs in 64 Zellinien gewonnen und lässt Gruppierungen verschiedener Gewebstypen erkennen. Tafelteil 2 zeigt die Darstellung von Daten in Mikroarrays. Dafür wurde Cy5-markierte cDNA (rot) aus cDNA von Tumorzellen mit Cy3-markierter cDNA (grün) aus normalen Kontrollzellen verglichen. Die Säulen (1161 Gene) und die Reihen (60 Zellinien) zeigen rote Bereiche, die gegenüber den Kontrollen auf erhöhte Genexpression hinweisen. Beobachtungen dieser Art erlauben eine Aussage über Anwesenheit und Zustand von Tumorzellen anhand des Expressionsmusters, sowie gegebenenfalls die Beurteilung eines Behandlungseffekts (Abb. modifiziert nach Ross et al. 2000, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Nature Genetics). Ross, D. T., et al.: Systematic variation in gene expression patterns in human cancer cell lines. Nature Genet. 24: 227–235, 2000. The Chipping Forecast II. Supplement to Nature Genetics 32, pp. 461–552, December 2002.
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Analyse des Genoms mittels Mikroarrays (DNA-Chips)
245
XIST Expression
A. Gen-Expressionsprofil durch cDNA-Array
-1.00
Tumortypen Brust Prostata Lunge, kleinzellig
-0.60 -0.20 0-20 0.60
Hs578T SF-268 SF-539 SNB-75 BT-549 SF-295 HOP-62 U251 SNB-19 NCI-H226 UO-31 ACHN RXF-393 786-0 CAKI-1 A498 TK-10 LOXIMVI ADR-RES OVCAR-8 SN12C HOP-92 MDA-B OVCAR-5 PC-3 OVCAR-4 OVCAR-3 IGROV1 SK-OV-3 DU-145 EKVX A549 NCI-H460 CCRF-CEM MOLT-4 HL-60 SR K562 K562 K562 RPMI-8226 HCC-2998 KM12 COLO 205 HT-29 HCT-15 SW-620 MCF7 MCF7 MCF7 T-47D HCT-116 NCI-H322M NCI-H23 NCI-H522 SK-MEL28 UACC-257 MALME-3M M-14 UACC-62 SK-MEL-2 MDA-N MDA-MB435 SK-MEL-5
1.00
CNS
Niere
Ovar
Leukämie
Colon
Melanom
1. Zelllinen-Dendrogramm b. Epithel-Cluster
c. Melanom-Cluster
d. CNS Cluster
Zelllinien
a. Leukämie-Cluster
1161 Gene 2. Microarray-Daten B. Gen-Expressions-Muster in Zelllinien aus Tumoren des Menschen
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248
Zellkommunikation
Zelluläre Signalübertragung Die Zellen eines multizellulären Organismus müssen sich untereinander verständigen. Die zugrunde liegenden zellphysiologischen und biochemischen Mechanismen sind komplex. Aus genetischer Sicht können dagegen einige gut verständliche Prinzipien der Signalübertragung herausgearbeitet werden. Die Signale werden mittels spezieller Moleküle von einer signalgebenden Zelle auf eine signalempfangene Zielzelle übertragen, die über einen entsprechenden Rezeptor auf der Zelloberfläche oder im Inneren der Zelle verfügt. Der Rezeptor ist ein Protein, das ein Signalmolekül (als Ligand bezeichnet) spezifisch und in niedriger Konzentration (typischerweise bei 10–8 M oder weniger) bindet. Dabei wird eine Signalform in eine andere überführt bis eine spezifische Zellreaktion ausgelöst wird (Signaltransduktion). Man kann intrazelluläre und interzelluläre Signale zwischen Zellen unterscheiden. Die Zelloberflächen-Rezeptoren können drei Klassen zugeordnet werden: (i) Rezeptoren, die intrazellulär eine enzymatische Reaktion auslösen, (ii) Rezeptoren, die spezielle Proteine, G-Proteine, aktivieren und (iii) Rezeptoren, die an Ionenkanäle gebunden sind (s. folgende Seiten).
A. Intrazelluläre Signalwege Signalmoleküle lösen eine Serie aufeinander folgender intrazellulärer Reaktionen aus (Signalkaskade). Eine wichtige Gruppe sind Wachstumsfaktoren (1). Ihr Name deutet auf enge Beziehungen zur Kontrolle von Zellteilung, Differenzierung und Wachstum. Der Signalweg beginnt mit spezifischer Bindung an den Rezeptor (2). Dies aktiviert ein innen an der Zellmembran liegendes, das Signal weiterleitendes Protein, (3, Transduktor). Als Mittelsmänner fungieren Moleküle, zweite Boten (second messengers), die aus spezifischen Proteinen stammen und durch Phosphorylierung aktiviert werden (4). Im Gegensatz dazu können einige Signalmoleküle die Plasmamembran durchqueren. Dazu gehören Hormone (5), die mittels eines Rezeptors in die Zelle gelangen und ohne Zwischenstufen direkt an einen intrazellulären Rezeptor binden (7). In beiden Fällen werden Transkriptionsfaktoren im Zellkern aktiviert (8), wenngleich meistens wiederum über eine Signalkette (hier nicht gezeigt). Bevor Transkription und Translation mit der Bildung
eines spezifischen Proteins für die jeweilige biologische Funktion beginnt, folgen eine Serie von Reaktionen zur Erkennung von Schäden an der DNA und gegebenenfalls Reparatur (9, vgl. S. 82) sowie eine Zellzykluskontrolle (10, vgl. S. 94). Bei fehlendem Erfolg wird die Zelle mittels Apoptose zum kontrollierten Zelltod veranlasst (11, vgl. S. 280). (Abb. modifiziert nach Lodish et al., 2000).
B. Rezeptor-Tyrosinkinasen Eine wichtige Gruppe sind Rezeptoren an der Zelloberfläche, die intrazellulär Seitenketten aus Tyrosin spezieller Proteine durch Phosophorylierung aktivieren. Sie werden als Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTK) bezeichnet und bilden eine große, evolutionär verwandte Gruppe (Genfamilie). An den RTK-Rezeptormolekülen kann man verschiedene strukturell und funktionell definierte Domänen unterscheiden: extrazelluläre, den Liganden (Signalmolekül) bindende Domänen, eine Transmembrandomäne, und die intrazelluläre Tyrosinkinase-Domäne. Hier werden fünf Typen und ein von einem Virus benutzter Rezeptor vorgestellt: der Epidermale Wachstumsfaktor (EGFR), der Insulinrezptor (IR), drei Typen von FibroblastenWachstumsfaktoren (FGFR 1, 2 und 3), von Blutplättchen abgeleiteter Wachstumsfaktor (PDGFR, platelet-derived growth faktor), RETRezeptor, sowie ein virales Onkogen (v-erb B). Mehrere dieser Rezeptoren bestehen aus extrazellulären Domänen mit Motiven, die auch bei anderen Molekülen vorkommen, z. B. Cysteinreiche Domänen (EGFR, IR), Immunglobulinähnliche Domänen (FGFR, PDGFR) oder Cadherin-ähnliche und Cystein-reiche Domänen (RET). Mutationen in Genen dieser Rezeptormolekül-Familien resultieren in wichtigen Krankheiten mit unterschiedlichen Manifestationen. Lodish, H., et al.: Molecular Cell biology (with an animated CD-ROM). 4th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 2000. Mapping Cellular Signaling. Science 296: 1557–1752, 2002. Muenke, M., et al.: Fibroblast growth factor receptorrelated skeletal disorders: craniosynostosis and dwarfism syndromes, pp. 1029–1048, In: J. L. Jameson, ed., Principles of Molecular Medicine, Humana Press, Totowa, New Jersey, 1998. Science’s Signal Transduction Knowledge Environment (STKE). Website: (www.stke.org).
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Zelluläre Signalübertragung
1
Wachstumsfaktoren
Rezeptoren
2
Bindung
Rezeptoren
Aktivierung 3 SignalTransduktionsProteine
EffektorRegion inaktiv
Plasma Membran
Cytoplasma
4 Second Messengers (phosphorylierte Proteine) 8 Transkriptionsfaktoren Aktivierung
Nukleus
5 Hormone
6
Intranukleäre 7 Rezeptoren 9 DNA-Schaden Erkennung und Reparatursysteme
DNA
10 Zellzyklus-Kontrolle Transkription 11 Apoptose (Zelltod)
RNA mRNA
Protein
Translation
Funktion
A. Wesentliche intrazelluläre Funktionen kontrollieren das Zellwachstum
EGFR
IR
FGFR N
PDGFR
1
2
3
N
N
N
N Ig5
N
C
C
Ig3 Ig2
C
757 C
N
Virales Oncogen (v-erb B)
N Plasmamembran
cys
Ig3 Ig2
Ig4
Ig3 Ig2
754
951 C
Ig1
Ig3
Intrazelluläre TyrosinKinase
Ig1
β
C
RET cys Cadherin-ähnlich
C
N -s-s-
Ig1
-s-s-
Ig2
α
N -s-sβ
Immunglobulin-ähnlich
α
Ig1
Transmembran
cys-reich
Extrazellulär, LigandenBindung
1
cys-reich
Domänen:
cys
N
748 C
C
B. Rezeptor-Tyrosin-Kinase-Familie
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C
C
250
Zellkommunikation
Typen von ZelloberflächenRezeptoren Spezifische Rezeptoren an Oberflächen von Zellen (bzw. im Nukleus oder Cytosol) vermitteln Signale in Zellen und die funktionelle Antwort. Die Grundstruktur ihrer Gene ist ähnlich, weil sie sich von einer relativ kleinen Gruppe ancestraler Gene ableiten. Durch die Bindung des Liganden an den Rezeptor wird eine Serie von Reaktionen ausgelöst, welche die Funktion der Zelle ändern. Rezeptoren mit direkter und indirekter Liganden-Wirkung können unterschieden werden.
A. Zelloberflächen-Rezeptoren mit direkter Wirkung des Liganden Bestimmte Liganden lösen ein Signal direkt und rasch aus. Dazu gehören Liganden-aktivierte Ionenkanäle (1), Proteinkinasen (2, vgl. S. 248) zur Beendigung eines Signals (3, Tyrosin-Phosphatase) und Guanylat-Cyclase (4). In Liganden-aktivierten Ionenkanälen (1) wird durch die Bindung des Liganden an den Rezeptor eine Konformationsänderung des RezeptorProteins bewirkt. Dies führt zur Öffnung eines Ionen-spezifischen Kanals im Protein selbst. Es resultiert ein Ionendurchfluss, der die elektrische Ladung der Zellmembran ändert. Bei Rezeptoren mit Liganden-aktivierter Proteinkinase (2) wird ein Substrat-Protein aktiviert. Die meisten Proteinkinasen phosphorylieren Tyrosin (Tyrosinkinase), Serin oder Threonin durch Übertragung eines Phosphat-Restes von Adenosin-Triphosphat (ATP), das dadurch in Adenosin-Diphosphat (ADP) überführt wird. Andere Rezeptoren vermitteln eine Abtrennung von Phosphat von einer phosphorylierten Tyrosin-Seitenkette durch eine PhosphataseAktivität (3). Guanylat-Cyclase (4) bewirkt nach Bindung des Liganden die Bildung von zyklischem Guanosin-Monophosphat (cGMP) aus Guanosin-Triphosphat (GTP). Das cGMP wirkt als zweiter Bote und vermittelt die rasche Änderung der Aktivität von Enzymen oder nicht-enzymatischen Proteinen. Die Entfernung oder Degradation des Liganden reduziert den Spiegel des zweiten Boten und beendet die Reaktion (Abb. nach J. Darnell, H. Lodish, D. Baltimore, Molecular Cell Biology, 2nd ed., 1990).
B. Freie Signalmoleküle mit rasch wirksamer Funktion in der Entfernung Spezialisierte Zellen scheiden freie Signalmoleküle aus, die in der Peripherie oder lokal wirken. Dementsprechend unterscheidet man endokrine Signalmoleküle (Hormone) mit distanter Wirkung und parakrine Signale in der unmittelbaren Umgebung. Wichtige Beispiele für als Liganden wirkende Hormone sind Aminosäuren-Derivate, Abkömmlinge von Arachidonsäure, sowie eine große Zahl von Peptid-Hormonen. Adrenalin, Noradrenalin und Histamine wirken sehr rasch und unmittelbar. Peptidhormone wie Insulin oder Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) werden zunächst als ein vorläufiges Polypeptid gebildet, das durch spezifische Proteasen in aktive Moleküle gespalten wird. (Verwendete Abkürzungen: ACTH = Adrenocorticotropes Hormon, FSH = Follikel-stimmulierendes Hormon, LH = Luteinisierendes Hormon, TSH = Thyreoid-stimulierendes Hormon) (Angaben in der Tabelle nach J. Darnell, H. Lodish, D. Baltimore: Molecular Cell Biology, 2nd edition, Scientific American Books, New York, 1990.)
C. Indirekte Ligandenwirkung über Zelloberflächen-Rezeptoren Die meisten Signalmoleküle (Liganden) wirken indirekt. Das Prinzip besteht darin, dass ein Rezeptorprotein (R) und ein Effektorprotein (E) (1) durch die Bindung des Liganden nacheinander aktiviert werden, zunächst das direkt angelagerte Protein (2), dann das Effektorprotein (3). Dadurch wird ein Enzymkomplex aktiviert (4). Dies führt zur Bildung eines zweiten Botenmoleküls (second messager), z. B. zyklisches Adenosin-Monophosphat (cAMP, vgl. S. 252) oder andere, wie den durch membrangebundene Phospholipase C aktivierten Signalweg mit Bildung von Inositol-Triphosphat (InositolPhospholipid-Signalweg). Alberts, B. et al.: Molecular Biology of the Cell. 4th ed. Garland Publishing C., New York, 2002. Lodish, H. et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed. W. H. Freeman, New York, 2000. Watson, J. D., et al.: Recombinant DNA. 2nd ed. Scientific American Books, New York, 1992.
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Typen von Zelloberflächen-Rezeptoren
extrazellulär
LigandenBindungsstelle
Ligand gebunden
Ligand
251
Beispiele für Liganden:
Aminosäure-Derivate
RezeptorProtein
intrazellulär
Adrenalin Noradrenalin Histamin
Ionendurchfluss
1. Liganden-aktivierter Ionenkanal
Derivate von Arachidonsäure: Prostaglandine ATP Substrat-Protein
phosphoryliert
P
ADP
2. Proteinkinase Peptidhormone:
O
P
SubstratProtein
phosphorylierte TyrosinSeitenkette
ProteinTyrosinP Phosphatase durch Ligand aktiviert
Glucagon Insulin Gastrin Secretin Cholecystokinin ACTH FSH LH TSH Parathyreoidhormon Vasopressin TSH-releasing Hormon LH-releasing Hormon
OH
3. Protein-Tyrosin-Phosphatase
GTP
4. Guanylat-Cyclase
cGMP
B. Hormone mit sofort wirksamer B. Zellreaktion
A. Zelloberflächen-Rezeptoren mit direkter A. Liganden-Wirkung Ligand
R G
E
1.
2.
Rezeptor- G-Protein Effektor Protein inaktiv inaktiv
3. aktiviert
inaktiv
Bildung eines z.B. cAMP zweiten Boten Inositol-Triphosphat 1,2-Diacylglycerol
4. C. Zelloberflächen-Rezeptoren mit indirekter Liganden-Wirkung
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aktiviertes G-Protein zum Effektor
aktiviert durch G-Protein
252
Zellkommunikation
G-Protein-vermittelte Signalübertragung G-Proteine sind eine große Gruppe verschiedener intrazellulärer Signalmoleküle. Ihr Name leitet sich aus der Tatsache ab, dass sie an zwei alternierende Formen eines Nukleotids gebunden sind: an Guanosin-Diphosphat (GDP) im Ruhestand, an Guanosin-5'-Triphosphat (GTP) im aktivierten Zustand. G-Proteine gehören zwei Klassen an: trimere G-Proteine (aus drei Teilen bestehend) und monomere Proteine, genannt Ras-Proteine. Ein trimeres G-Proteine besteht aus drei Untereinheiten, genannt § , g , und + . Bindung eines Liganden (Signalmolekül) an den extrazellulären Rezeptor löst eine Serie von intrazellulären Vorgängen aus, die zu Phosphorylierung spezifischer Substratproteine führen (Phosphorylierungskaskade). Dies resultiert in weiteren zellulären Reaktionen, wie Änderung der Expression von Genen, Aktivierung metabolischer Enzyme oder Veränderungen im Cytoskelett. Entfernung einer PhosphatGruppe (Dephosphorylierung) inaktiviert das G-Protein.
A. Signalübertragung durch GTPbindendes Schalterprotein Der Rezeptor wird durch die spezifische Bindung des Liganden an den Rezeptor aktiviert, z. B. durch ein Hormon. Dies aktiviert das GProtein und veranlasst einen Austausch von GDP durch GTP an der § -Untereinheit des dadurch aktivierten G-Proteins. Das G-Protein zerfällt in die durch Bindung an GTP aktivierte § -Untereinheit (G § ) und in einen g + -Komplex. Es resultiert eine Wirkung auf ein die Signalkette fortsetzendes Protein (Effektorprotein). Üblicherweise nach wenigen Sekunden wird das Signal durch Inaktivierung des G-Proteins abgeschaltet. Dies geschieht über eine moleküleigene GTP-hydrolysierende Aktivität (GTPase) der § -Untereinheit. Nach Hydrolysierung von GTP in GDP vereinigt sich die § -Untereinheit wieder mit dem g + -Komplex zu einem inaktiven G-Protein. Es gibt mindestens 16 verschiedene § -Untereinheiten, 5 g - und 7 + -Untereinheiten. Mutationen in den entsprechenden Genen führen zu zahlreichen Krankheiten beim Menschen infolge eines genetisch defekten G-Proteins oder G-Proteinrezeptors (Clapham, 1993). Choleratoxin verändert die aktivierte § -Untereinheit,
so dass diese GTP nicht hydrolysieren kann und dauernd aktiv bleibt. Dies resultiert in Verlust von Wasser und Natrium-Ionen im Darm. Dies zeigt, wie wichtig die Ausschaltmechanismen bei Signalübertragung sind.
B. Hormone als Liganden für GProteinrezeptoren Hormone sind eine große Gruppe aktivierender Signalmoleküle mit sehr verschiedenen Funktionen. Sie werden drei wesentlichen Kategorien zugeordnet: (i) kleine lipophile Moleküle, die durch die Zellplasma-Membran diffundieren und an intrazelluläre Rezeptoren binden können, (ii) größere hydrophile und (iii) lipophile Moleküle, die an Rezeptoren an der Zelloberfläche binden. Vier wichtige Gruppen von Rezeptor-abhängigen Hormonen sind Abkömmlinge von Aminosäuren wie die Katecholaminhormone Adrenalin und Noradrenalin, Polypeptid-Hormone wie Glucagon (3.5 kD) oder Insulin (6 kD), Steroidhormone wie Cortison oder das Fettsäure-Derivat Prostaglandin A2, die cAMP aktivieren (Teil C).
C. cAMP als spezifisches Signalmolekül Zahlreiche Hormone wirken als extrazelluläre Signale zwischen Zellen (erster Botenstoff) über G-Protein-vermittelte Rezeptoren und beeinflussen die Aktivität von Adenylat-Cyclase, ein 120-kD in die Zellmembran integriertes Molekül. Dies ändert abrupt die Konzentration (um das 10fache) eines weiteren Botenstoffs (second messenger) innerhalb der Zelle, das zyklische Adenosin-Monophophosphat (cAMP).
D. Aktivierung von cAMP durch stimulatorische G-Protein (Gs) Nach Bildung des Hormon-Rezeptor-Komplex mit Aktivierung des G-Proteins durch GTP (1), bindet die aktivierte § -Untereinheit (Gs) an Adenylat-Cyclase (2). Dies aktiviert die Adenylat-Cyclase (3) und bewirkt die Umsetzung von ATP in cAMP. Durch GTPase-Aktivität wird Gs rasch inaktiviert (Bildung von GDP) und das Signal beendet. Alberts, B. et al.: Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie. Wiley-VCH, Weinheim–New York, 1999. Clapham, D. E.: Mutations in G protein-linked receptors: novel insights on disease. Cell 75: 1237–1239, 1993.
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G-Protein-vermittelte Signalübertragung Hormon
H Rezeptor
Lipid-Doppelschicht
H
Rezeptor
Rezeptor β
G-Protein inaktiv
β
G-Protein aktiv (Gs)
GTP
Bindung an G-Protein
α
γ
α
γ
Hormon-Rezeptor-Komplex
H Rezeptor β
α
Inaktivierung von Gα (GTPase)
Wirkung auf Effektorprotein
α
γ
Aktivierung von Gα
GDP
A. Stimulatorisches G-Protein (Gs) und Hormon-Rezeptor-Komplex Adrenalin
Phosphodiesterase
Adenylat-Cyclase
(Aminosäure-Derivat)
Adenin
Glucagon
Adenin
Adenin
(Polypeptid)
P
Cortisol (Steroid)
Prostaglandin A2
P
P
Ribose
Adenosintriphosphat (ATP)
(Fettsäure-Derivat)
B. Vier Hormonklassen
P
Zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP)
H
Rezeptor
Rezeptor
β
β
α
γ G-Protein
Ribose Adenosinmonophosphat (AMP)
C. Bildung und Hydrolyse von cAMP
Effektorprotein z.B. Adenylat-Cyclase
H
P
Ribose
γ
α Gs
GTP
1. G-Protein bindet an Hormon-Rezeptor1. Komplex
2. G-Protein aktiviert H
Rezeptor
Rezeptor β γ β
γ
α
GDP
4. G-Protein inaktiviert
α
ATP
cAMP
Gs inaktiviert durch GTPase
3. Effektorprotein aktiviert
D. G-Protein-Zyklus zur Aktivierung von Adenylat-Cyclase
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Physiologische Wirkung
254
Zellkommunikation
Membranproteine als Signalrezeptoren Transmembranproteine sind amphipathisch, d. h. sie bestehen aus hydrophilen und hydrophoben Regionen. Ihre generelle Struktur ist evolutionär konserviert, d. h. alle bestehenden Varianten gehen auf ein ancestrales Ursprungsmolekül zurück. Hier werden als Beispiele zwei Ionenkanäle, ein aus einem weit verbreiteten, aus sieben transmembranen Anteilen (Domänen) bestehenden Strukturmotiv eines Rezeptors, sowie ein aus zwei verschiedenen Untereinheiten bestehendes transmembranes Rezeptorprotein für einen Neurotransmitter vorgestellt.
A. Ionenkanäle Durch Ionenkanäle wird der Eintritt bzw. der Austritt von Ionen als Teil einer Signalfunktion gesteuert. Ionenkanäle sind selektiv für bestimmte Ionen. Durchmesser und Form bestimmen die Ionenselektivität. Sie können mittels einer Formänderung des Proteins geöffnet und geschlossen werden. Der Ionendurchfluss ändert die an der Membran anliegende elektrische Spannung und verursacht ein für die Signalfunktion wichtiges Membranpotential. Ionenkanäle werden durch Änderung des Membranpotentials spannungsreguliert (engl. voltage-gated). Das einfachste Modell ist der Kalium-Kanal (1, K+). Er besteht aus sechs transmembranen Domänen mit intrazellulär liegenden Amino(NH2) und Carboxy (COOH)-Enden. Entscheidend für den Ionendurchfluss ist die polare Aminosäuren enthaltende vierte Domäne mit positiver elektrischer Ladung. Ein komplexerer, aus viel solchen Molekülen aufgebauter Ionenkanal ist für den Durchfluss von Natrium-Ionen (Na+) zuständig (2, Natriumkanal). Die vier Domänen des Natrium-Kanals liegen im geschlossenen Zustand eng aneinander (3), so dass ein Unterschied im Membranpotential außerhalb und innerhalb der Zelle gewährleistet ist. Die Öffnung (4) erlaubt den Durchfluss von Natrium-Ionen und eine Umkehrung des Membranpotentials als Teil der Signalübertragung (Abb. modifiziert nach Watson et al., 1992).
B. Sieben-Helix-Struktur als Beispiel für Signalrezeptoren
ist indirekte Signalübertragung. Hier übernimmt ein transmembranes Protein nur den ersten Schritt der Signalübertragung. Dann folgen weitere Schritte. Ein besonders häufig verbreitetes Strukturmotiv sind transmembrane Proteine mit sieben in der Plasmamembran gelegenen Anteilen in Form einer § -Helix. Dieses Beispiel zeigt die Grundstruktur des g -adrenergen Rezeptors. Das Amino-Ende liegt extrazellulär, das Carboxy-Ende intrazellulär. Auf der intrazellulären Seite finden sich Bindungsstellen an andere Moleküle, die für die Signalübertragung von Bedeutung sind. Das Sieben-HelixMotiv ist die charakteristische Struktur G-Protein-gebundener Rezeptoren. Bei Hefe dienen sie dazu, die Pheromone der Paarungstypen zu entdecken, bei höheren Organismen bilden sie die Grundlage für die Übertragung von Signalen durch Licht, Geruchsstoffe und Geschmack (Abb. nach L. Stryer, 1995).
C. Ein Liganden-kontrollierter Ionenkanal als Neurotransmitter Im Gegensatz zu spannungsregulierten Kanälen gibt es von Liganden kontrollierte Ionenkanäle. Dazu gehören einige häufige Neurotransmitter wie Acetylcholin, Glutamat, + -Aminobuttersäure und Glycin. Man unterscheidet erregende (Acetylcholin, Glutamat) und hemmende Neurotransmitter ( + -Aminobuttersäure, Glycin). Ein Beispiel für eine hemmende Wirkung ist + -Aminobuttersäure (GABA). Im intrazellulären Anteil einer Untereinheit ( g ) liegt die Stelle für Phosphorylierung einer cAMP-abhängigen Proteinkinase für die Weiterleitung des Signals. Durch Bindung an GABA wird dieser Rezeptor geöffnet. Barbiturate und bestimmte Beruhigungsmittel wie Valium binden an GABA-regulierte Cl–-Kanäle und machen Nervenzellen empfindlicher gegen die hemmende Wirkung von GABA (Abb. modifiziert nach Watson et al., 1992). Alberts, B.: Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie. Wiley-VCH, Weinheim – New York, 1999. Stryer, L.: Biochemistry. 4th ed. W. H. Freeman, New York, 1995. Watson, J. D. et al.: Recombinant DNA. 2nd ed., Scientific American Books, New York, 1992. Yellen, G. et al.: The voltage-gated potassium channels and their relatives. Nature 419: 35–42, 2003 (mit Sonderteil: Ion Channels: Structure and Function).
Häufiger als direkte Übertragung von Ionen oder Liganden-gesteuerte Impulsübertragung
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255
Membranproteine als Signalrezeptoren extrazellulär
1 2 3 intrazellulär
5 6
NH2
COOH
1. Transmembran-Struktur mit einer Domäne (K -Kanal)
1 2 3
5 6
1 2 3
5 6
1 2 3
5 6
1 2 3
NH2
3. Kanal geschlossen
5 6
COOH
I
II
III
IV
2. mit vier Domänen (Na -Kanal)
4. Kanal offen
A. Transmembran-Struktur von Volt-gesteuerten Ionenkanälen Oligosaccharid NH3
extrazellulär
intrazellulär
COO
B. Sieben-Helix-Struktur bei G-Protein gesteuerten Transmembran-Signalüberträgern NH3
NH3 COO
extrazellulär
COO
P
intrazellulär α
Phosphorylierungsstelle für cAMP-abhängige Protein-Kinase
β
C. Rezeptor mit zwei transmembranen Proteinketten α und β
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256
Zellkommunikation
Signaltransmission in Nervenzellen In Nervenzellen hat der richtige Empfang und die Weiterleitung von Signalen eine besondere Bedeutung. Entsprechend groß ist die Vielfalt der Signalmoleküle (als Neurotransmitter bezeichnet) und ihrer Rezeptoren. Einige spannungsregulierte Kanäle (Ca2+-Kanäle) wandeln an Nervenendigungen (Synapsen) elektrische Signale in chemische Signale um. In anderen wird ein elektrisches Signal in ein chemisches umgewandelt. Sowohl zwischen Nervenzellen als auch zwischen Nervenzellen und Muskelzellen bestehen spezielle Kontaktstellen, genannt Synapsen. Rezeptoren können funktionell danach unterschieden werden, ob ihre Funktion direkt oder indirekt ist. Hier wird die Wirkung von Acetylcholin als Beispiel für einen erregenden Neurotransmitter und die genetische Grundlage des Acetylcholin-Rezeptors vorgestellt.
A. Acetylcholin als Neurotransmitter Acetylcholin wirkt an cholinergen Synapsen. Dadurch wird ein elektrisches Signal als Impuls an der Synapse zwischen zwei Nervenzellen oder einer Nerven- und einer Muskelzelle (motorische Endplatte) übertragen. Acetylcholin führt zu einer postsynaptischen Depolarisierung durch Abgabe von Kalium-Ionen (K+) und Aufnahme von Natrium-Ionen (Na+). Dieser Vorgang wird von einem Acetylcholin-Rezeptor gesteuert (Abb. modifiziert nach Watson et al., 1992).
B. Acetylcholin-Rezeptor Der Acetylcholin-Rezeptor besteht aus zwei genetisch und funktionell verschiedenen Typen. Pharmakologisch können sie nach der Wirkung auf Nicotin bzw. Muscarin unterschieden werden. Der Nicotin-empfindliche AcetylcholinRezeptor ist ein Ionenkanal für Kalium bzw. Natrium. Er besteht aus fünf Untereinheiten, zwei § , einer g , einer + und einer ˇ (1). Acetylcholin bindet als Ligand an die beiden § -Untereinheiten. Jede Untereinheit besteht aus vier transmembranen Anteilen (2). Jede Untereinheit wird von einem Gen codiert (3), dessen Struktur und Nukleotid-Basensequenz ähnlich ist. Der Liganden-geöffnete Ionenkanal ist ein Beispiel für den direkten Transport ohne Zwischenübertragung. Eine Mutation in der zweiten transmembranen Region verändert die Io-
nenselektivität von Kationen zu Anionen (Galzi et al., 1992). Der Muscarin-empfindliche Acetylcholin-Rezeptor ist ein aus sieben transmembranen Untereinheiten bestehendes Protein (4). Da die Polypeptid-Kette in den sieben transmembranen Abschnitten in Form einer § -Helix vorliegt, spricht man von einem Sieben-Helix-Transmembran-Protein. Das Amino-Ende (NH2) liegt extrazellulär, das Carboxy-Ende (COOH) liegt intrazellulär. Die transmembranen Anteile sind durch je drei intrazelluläre und extrazelluläre Polypeptidschleifen verbunden (4). Entsprechend der Lokalisation und des relativen Anteils hydrophiler und hydrophober Aminosäuren lassen sich am Gesamtprotein verschiedene Domänen unterscheiden (5). Das Amino-Ende und das Carboxy-Ende bilden je eine Domäne. Die intrazellulär gelegenen (a–c) und die extrazellulär gelegenen verbindenden Anteile (d–f) bilden eigene Domänen. Die in der Plasmamembran gelegenen transmembranen Domänen (1–7) bestehen vorwiegend aus hydrophoben Aminosäuren. Die Struktur des Genprodukts entspricht der generellen Struktur des Gens (6). Die verschiedenen Domänen werden von individuellen Exons codiert. Die NukleotidBasensequenz ähnelt sich innerhalb funktionell ähnlicher Domänen. Ein Sieben-Helix-Transmembran-Protein kommt bei vielen Rezeptoren vor. Die generelle Struktur des Gens bzw. des Genprodukts sind sehr ähnlich, aber sie unterscheiden sich in der Spezifität der Bindung an funktionell relevante andere Moleküle (G-Proteine). Sie spielen nicht nur eine Rolle als Neurotransmitter, sondern auch bei der Übertragung von Licht- und Geruchs- sowie Geschmacksempfindung. Alberts, B.: Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie. Wiley-VCH, Weinheim – New York, 1999. Galzi,I.-L. et al.: Mutations in the channel domain of a neuronal nicotinic receptor convert ion selectivity from cationic to anionic. Nature 359: 500–505, 1992. Watson, J. D., Gilman, M., Witkowski, J., Zoller, M.: Recombinant DNA. 2nd ed. W. H. Freeman, Scientific American Books, New York, 1992.
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257
Nervenimpuls
Signaltransmission in Nervenzellen
präsynaptisch
Acetylcholin +
K+
+
- ++ + + + + ++ - - - - - K + hoch Na + niedrig postsynaptisch
Na +
polarisiert
depolarisiert
Cholinerge Synapse (Nerv/Nerv oder Nerv/Muskel) A. Acetylcholin als Neurotransmitter Zwei Typen von Acetylcholin-Rezeptoren Kationenspezifischer Kanal im Muskel von Vertebraten (Nicotin-empfindlich) 1. Acetylcholin 1. bindet an 1. α-Untereinheiten 1. (Liganden1. Bindung)
Sieben-Helix-Transmembranprotein an G-Proteine gekoppelt (Muscarin-empfindlich)
Kationen K +, Na + ) d b
a
extrazellulär
d
NH2
3
4.
g
1
2
e 5
4
f
6
7
intrazellulär a
5. 2. Jede Unter2. einheit hat vier 2. transmembrane 2. Anteile
A
COOH b
c
1 a 2 d 3 b 4 e 5 c 6 f 7 A B a-c d- f 1-7
B
Amino-Ende Carboxy-Ende intrazelluläre Domänen extrazelluläre Domänen transmembrane Domänen (hydrophob)
6. Genstruktur (Schema) 3. Ein Gen für 3. jede Untereinheit: 2 für 1 für 1 für 1 für
α-Untereinheiten β-Untereinheit γ-Untereinheit δ-Untereinheit
Exons
5' A
Introns
1 a 2 d 3 b 4 e 5 c 6 f 7
Die verschiedenen Domänen werden von individuellen Exons codiert
B. Acetylcholin-Rezeptor
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3' B
258
Zellkommunikation
Genetische Defekte in Ionenkanälen: Beispiel Herzarrhythmie
B. Verschiedene molekulare Formen des QT-Syndroms
ein weiteres Aktionspotential kann aufgebaut werden. Zwei Formen, LQT1 (2) und LQT2 (3) betreffen Phase 3. LQT1 resultiert von Mutationen in einem Gen, KVLQT1, das für einen spannungsregulierten Kalium-Kanal codiert und zu verzögerter Phase 3 führt. Etwa die Hälfte der Patienten mit QT-Syndrom entfallen auf diesen Typ. Das Gen für LQT2 (3), HERG, codiert für ein Transmembran-Protein, das einen anderen wichtigen Kalium-Kanal bildet und ebenfalls an der Repolarisation in Phase 3 beteiligt ist (HERG steht für human-ether-r-go-go, einem homologen Gen bei Drosophila. LQT3 (4) beruht auf einem defekten Natrium-Kanal-Protein, das in Phase 0 nicht vollständig inaktiviert wird. Es besteht aus vier Untereinheiten mit je sechs transmembranen Bereichen, die intrazellulär mehrere Phosphat-Bindungsstellen enthalten. LQT3, LQT5 und LQT6 entstehen durch Mutationen in anderen Ionenkanälen. Im Gegensatz zu diesen Formen ist bei LQT4 ein Calcium-Ionentransporter-Protein betroffen, Ankyrin-B (Mohler et al., 2003). Ankyrin verbindet Spectrin und Band 3-Protein, einen Anionentransporter der Erythrozytenmembran (S. 358). (Abb. modifiziert aus Ackerman & Clapham, 1997).
LQT existiert in mehreren ätiologisch (genetisch) und pathophysiologisch verschiedenen Formen. Es ist wichtig sie zu unterscheiden, weil sich pharmakologische Therapie und Prognose unterscheiden. Das verlängerte QT-Intervall im EKG kann verschiedene Gründe haben. Es kann das Aktionspotential des Herzens verlängert sein (1). Ein normales Potential dauert etwa 300 ms (Phase 1 und 2). Danach fällt das Plateau des kardialen Membranpotentials rasch ab (Phase 3). In Phase 0 wird die Zelle rasch depolarisiert und
Ackerman, M. J., Clapham, D. D.: Ion channels – Basic science and clinical disease. New Eng. J. Med. 336: 1575–1586, 1997. Keating, M T., Sanguinetti, M. C.: Molecular and cellular mechanisms of cardiac arrhythmias. Cell 104: 569–580, 2001. Mohler, P. J. et al.: Ankyrin-B mutations cause type 4 long-QT cardia arrhythmia and sudden cardiac death. Nature 421: 634–639, 2003. Schulze-Bahr, E., et al.: The long-QT syndrome. Current status of molecular mechanisms. Z. Kardiol. 88: 245–254, 1999. Viskin, S.: Long QT syndromes and torsades de pointes. Lancet 354: 1625–1633, 1999.
Mehr als 20 verschiedene Störungen durch fehlerhafte Ionenkanal-Proteine infolge von Genmutationen sind bekannt (Ackerman & Clapham, 1997). Hier wird das verlängerte QT-Syndrom, eine ätiologisch heterogene Gruppe hereditärer Herzarrhythmien vorgestellt. Durch plötzlichen Herztod, ausgelöst durch eine unerwartet auftretende Arrhythmie, sterben in den USA jährlich 300 000 Menschen.
A. Verlängertes QT-Syndrom, eine genetisch bedingte Arrhythmie des Herzens Das kongenitale QT-Syndrom ist gekennzeichnet durch ein verlängertes QT-Intervall im EKG (mehr als 460 ms, korrigiert auf die Herzfrequenz), plötzliches Aussetzen von Herzschlägen (Synkopen), gelegentliches Auftreten einer Serie von schnellen Herzschlägen (torsades de pointes), sowie bei Kindern und Jugendlichen ein erhöhtes Risiko für plötzlichen Tod durch Kammerflimmern.
Beispiele für Krankheiten durch genetische Defekte in Ionenkanälen Krankheit
Ionenkanal-Gen
Genlocus
Vererbung
Cystische Fibrose LQT-Syndrom (mindestens 6 Typen) Maligne Hyperthermie
Chlorid, CFTR s. Tafelteil A
7q31
autosomal rezessiv autosomal dominant
Muskel Ca2+ Muskel Na+
19q12.1 17q23–25
autosomal dominant autosomal dominant
Mehr als 18 weitere Krankheiten (Daten aus Ackerman & Clapham, 1997)
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259
Genetische Defekte in Ionenkanälen: Beispiel Herzarrhythmie
Romano-Ward-Syndrom (Langes-QT-Syndrom)
Verlängertes QT Interval im Elektrokardiogramm Synkope verlängertes QT
plötzlicher Tod autosomal dominant sechs Gene beteiligt (LQT1 - LQT6)
Torsade de pointes
Type
Locus
Gen
LQT1
11p15.5
KCNQ1 (KVLQT1)
LQT2
7q35-36
HERG
LQT3
3p21-24
SCNA5
LQT4
4q25-27
Ankyrin-B
LQT5
21q22.1
KCNE1
LQT6
21q21.1
KCNE2
Long-QT und Taubheit (Jervell und Lange-Nielsen) durch allele Mutationen von LQT1 und LQT5 (autosomal rezessiv) 2. Elektrokardiogramm 3. Genetik
1. Wesentliche Merkmale
A. Langes-QT-Syndrom, eine genetische bedingte kardiale Arrhythmie +47mV 1
verlängertes kardiales Aktionspotential
2
3
0
Strommesspunkt
4 –85mV
Normal 0
100
200
300
400
500
Millisekunden
1. Erhöhte Dauer des kardialen Aktionspotentials LQT3 (3q21-24)
SCN5A=Na
ψψ
II
III
LQT1 (11p15.5)
ψ
IV
Zellmembran
C 581
N 1
N 1
∆KPQ
P
KvLQT1=IKs
C 2016
2. Volt-aktivierter K-Kanal verzögert in Phase 3 ψ
LQT2 (7q35-36)
P P
P P
N 1
HERG=IKr
C 1159
3. Volt-aktivierter K-Kanal verzögert 4. Na-Kanal nicht vollständig inaktiviert in Phase 3 während der Phase 0 B. Verschiedene molekulare Typen des Langen-QT-Syndroms
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260
Zellkommunikation
Defekter Chlorid-Ionenkanal: Cystische Fibrose Cystische Fibrose (CF, im deutschen Sprachraum auch Mukoviszidose genannt) ist eine variable Multisystem-Erkrankung infolge Mutationen in einem Gen, CFTR, das für ein den transmembranen Durchfluss von Chlorid-Ionen regulierendes Protein codiert (CF transmembrane conduction regulator gene). Cystische Fibrose ist mit einer Häufigkeit von etwa 1 auf 2500 Neugeborene die häufigste autosomal rezessiv erbliche Krankheit in Populationen europäischer Herkunft (Häufigkeit von Heterozygoten 1:25). Mehr als 800 verschiedene Mutationen mit unterschiedlichen Auswirkungen sind bekannt, jedoch sind nur 5–6 Mutationen für etwa 85–90 % aller Erkrankungen verantwortlich. Die weite Verbreitung von Mutationen ist möglicherweise auf einen relativen Schutz von Heterozygoten vor Cholera zurückzuführen.
A. Medizinische Aspekte Die Erkrankung betrifft vor allem das Bronchialsystem mit zäher Schleimbildung und häufigen Infektionen. Auch der Magen-Darm-Kanal kann durch Störungen des Pankreas betroffen sein. Pankreas-Insuffizienz tritt bei eta 85 % der Patienten auf. Daneben gibt es relativ leichte Verlaufsformen infolge verschiedener Mutationen. Etwa 5–10 % Neugeborener mit Cystischer Fibrose entwickeln eine schwere intestinale Obstruktion (Mekonium-Ileus). Bei etwa 2–5 % ist die Leber beteiligt. Männliche Individuen sind praktisch immer infertil, häufig auch weibliche Individuen. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei etwa 20–30 Jahren. Ein hoher Anteil infertiler Männer mit Fehlen der Samenleiter ist heterozygot für eine CF-Mutation.
B. Identifizierung des CFTR-Gens durch Positionsklonierung Das Gen wurde 1989 aufgrund der Kenntnis seiner chromosomalen Position auf dem langen Arm von Chromosom 7 (7q31.3) isoliert. Nach Lokalisierung des Genlocus wurde zunächst ein DNA-Abschnitt von etwa 1.5 Mb (Megabasen, entsprechend etwa 1500 kb) isoliert. Durch eine Kombination von Chromosomenwalking und Chromosomenjumping von einer Serie flankierenden polymorpher Marker-Loci ausgehend (z. B. Locus D7S340 proximal und D7S424 distal) wurde ein Abschnitt von etwa 250 kb
isoliert und hier liegende Kandidaten-Gene für CF geprüft.
C. Das CFTR-Gen und das Protein Das CF-Gen ist sehr groß (1, 250 kb) und codiert in 27 Exons (die letzten drei nicht gezeigt) für ein 6.5 kb Transkript (2), von dem ein Protein von 1480 Aminosäuren gebildet wird. Vom Transkript werden nach alternativem Spleißen mehrere variante Genprodukte gebildet. Das aus 1480 Aminosäuren bestehende membrangebundene CFTR-Protein (3) hat mehrere funktionell bedeutsame Domänen: zwei nukleotidbindende Regionen (entsprechend Exons 9–12) und im Carboxy-Ende (Exons 19/20–23), eine regulatorische Region (R) entsprechend Exons 12–14 a, sowie zwei transmembrane Domänen mit je sechs transmembranen Schleifen (Exons 3–7 und 14 b–18). Die erste nukleotidbindende Region (NBD1) stellt die Verbindung zur cAMP-regulierten Aktivität des Chlorid-Ionenkanals. Die R-Region enthält Bindungsstellen für Proteinkinase A- und Proteinkinase CPhosphorylierung. Das breite Spektrum beobachteter Mutationen besteht aus Missense- und Nonsense-Mutationen, Splice-Mutationen und Deletionen. Die häufigste Mutation (bei ca. 65–70 % der Patienten) ist eine Deletion von drei Nukleotiden an Position 508, die für Phenylalanin ( ¿ F508) im Bereich der ersten Nukleotid-Bindungsstelle codieren. Sie hat die schwersten Auswirkungen. Andere wichtige Mutationen sind G542X (2,4 %), G551D (1,6 %), N1303K (1,3 %) und W1282X (1,2 %). (Anmerkung zur Bezeichnung: der erste Buchstabe steht für die normale Aminosäure, der letzte für die durch die Mutation substituierte Aminosäure, X für Stopcodon, die Zahl für die Nukleotid-Position.) Als Folge von Mutationen werden
fünf funktionelle Klassen unterschieden: (i) kein funktionelles Protein, (ii) Blockierung der Proteinverarbeitung, (iii) eingeschränkte Regulationsfähigkeit, (iv) eingeschränkte ChloridKanalfunktion, (v) verminderte Proteinmenge. Das Gen ist vorwiegend in epithelialen Zellen exprimiert. Rosenstein, B. J., Zeitline, P. C.: Cystic fibrosis. Lancet 351: 277–282, 1998. Website für Informationen: (www.genet. sickkids.on.ca/cftr), Children’s Hospital Toronto. Welsh, M. J. et al.: Cystic fibrosis, pp. 5121–5188. In: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., C. R. Scriver et al., eds. McGraw-Hill, New York, 2001.
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Defekter Chlorid-Ionenkanal: Cystische Fibrose
Cystische Fibrose (Mucoviscidose) Schwere, fortschreitende Erkrankung des Bronchialsystems und Magen-Darm-Kanals Gestörte Funktion eines Chlor-Ionenkanals durch Mutationen eines Gens Autosomal recessiv Genlocus 7q31.3 Kranheitshäufigkeit ca. 1:2000 Heterozygote-Häufigkeit ca. 1:22 Mutation Delta F508 bei ca. 70%
A. Cystische Fibrose, die häufigste autosomal recessiv erbliche Krankheit in Europa Teil von Chromosom 7 Centromer
Marker-Loci MET
21.2
D7S15
21.3 22 31.1 31.2
D7S340
CF KandidatenGene
CF
31.3 32
D7S424
D7S8 Telomer
ca. 1500 kb
Chromosomale Lokalisierung
Long Range Restriktionskarte
CF-Gen
Evolutionäre Konservierung Vergleich Patienten und Kontrollen Exon/Intron-Struktur Sequenzierung Expression
ca. 250 kb Chromosome walking and jumping
Klonierung
Identifizierung und Charakterisierung
B. Positionelle Klonierung des Gens für Cystische Fibrose (CF) 1 2 3
4
5 6a 6b
7
8
9 10 11 12
13
14a 14b 15 16 17a 17b 18
19
20 21 22 23 24
5' ca. 250 kb
1. CF-Gen 1 2 3
4
5 6a 6b
7
8
NH2 transmembrane
2. cDNA
9
10 11 12
*
Nukleotidbindende
13
(Introns nicht maßstabsgerecht)
14a14b 15 16 17a 17b 18 19
20 21 22 23 24
3. Protein CFTR
Exons COOH
regulatorisch (R)
transmembrane
Nukleotidbindende
Domänen
CHO außen Zellmembran
CHO
NH2
Exons 3'
Mutation DF508
*
R
NBD1
C. CF-Gen und CFTR-Protein
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COOH NBD2
innen
262
Sinneswahrnehmung
Rhodopsin, ein Lichtrezeptor
C. Lichtkaskade
Bei allen vielzelligen Lebewesen, insbesondere bei Wirbeltieren und Säugetieren haben sich in der Evolution spezielle Sinnesorgane mit spezifischen Rezeptoren zur Wahrnehmung und reaktiven Verarbeitung von Licht, Geräuschen, Geschmack und Duftstoffen gebildet. Die Netzhaut (Retina) des Menschen enthält zwei Typen von Photorezeptoren, 110 Millionen Stäbchenzellen (engl. rods) für Sehen im Dunkeln und 6 Millionen Zapfenzellen (engl. cones) zum Farbsehen im Hellen. Eine zentrale Rolle spielt ein lichtempfindliches Protein in Stäbchenzellen, Rhodopsin. Dieses Rezeptormolekül kann auf geringe Lichtreize von selbst nur einem Photon messbar reagieren und sich durch Adaptation an Unterschiede in der Lichtintensität gewöhnen. Auf den ersten Reiz folgt eine Serie aufeinander reagierender Signalreaktionen, die Lichtkaskade, die in einer kognitiven Reaktion des Gehirns enden. Hier wird dargestellt nach welchen Prinzipien Licht absorbiert und das dadurch ausgelöste Signal übernommen und weitergeleitet wird.
Bei schwachen Lichtverhältnissen muss das Signal verstärkt werden, bei hellem Licht muss es um mehr als das 10 000fache gedrosselt werden (Adaptation). Dies geschieht in den Photorezeptorzellen der Lichtkaskade. Photoerregtes Rhodopsin löst binnen 20 Millisekunden eine Serie enzymatischer Vorgänge aus (Lichtkaskade). Als erstes wird durch photoerregtes Rhodopsin ein Signal übertragendes Protein des Sehvorgangs, Transducin, aktiviert. Transducin gehört zur G-Protein-Familie, d. h. es kann eine inaktive GDP- und eine aktive GTP-Form annehmen. GTP aktiviert Phosphodiesterase. Diese hydrolysiert sehr schnell cGMP. Dadurch wird im Cytosol der cGMP-Spiegel erniedrigt. Dies führt zu einer Schließung von Natrium-Ionen-Kanälen. Unmittelbar danach wird Phosphodiesterase durch einen G-Protein-Zyklus inaktiviert.
A. Stäbchenförmige Photorezeptorzelle in der Netzhaut Eine Stäbchenzelle besteht aus einem äußeren Segment mit Photorezeptor-Bereich und einem inneren Segment aus Zellkern, Cytoplasma und endoplasmatischem Retikulum, Golgi-Apparat und Mitochondrien. Das äußere Segment enthält etwa 1000 Scheiben mit Rhodopsin-Molekülen in der Membran. In der Peripherie sind die etwa 16 nm dicken Scheiben durch das Protein Peripherin gefaltet (Abb. nach L. Stryer, 1995).
B. Photo-Erregung George Wald und Mitarbeiter entdeckten 1958, dass 11-cis-Retinal (1) durch Licht in all-transRetinal (2) sehr schnell isomerisiert wird, aber im Dunkeln praktisch überhaupt nicht. Die lichtbewirkte Strukturveränderung ist so groß, dass eine atomare Bewegung entsteht, die einen verlässlichen und reproduzierbaren Nervenimpuls auslösen kann. Das Absorptionsspektrum von Rhodopsin (3) stimmt mit dem Sonnenspektrum überein, bei einem Optimum um 500 nm Wellenlänge. Obwohl Vertebraten, Arthropoden und Mollusken anatomisch ganz verschiedene Augentypen besitzen, verwenden alle drei Stämme 11-cis-Retinal bei der Photo-Erregung.
D. Rhodopsin, das Lichtrezeptormolekül Rhodopsin ist ein Sieben-Helix transmembranes Protein mit Bindungsstellen für funktionell wichtige Moleküle wie Transducin, RhodopsinKinase und Arrestin auf der cytosolischen Seite. Die Bindungsstelle des lichtempfindlichen Moleküls (Chromophor) ist Lysin in Position 296 der siebten transmembranen Domäne. Die lichtabsorbierende Gruppe besteht aus 11-cis-Retinal. Das Amino-Ende von Rhodopsin befindet sich im Scheibenzwischenraum, das CarboxyEnde auf der cytosolischen Seite.
E. cGMP, der wesentliche Transmitter von Lichtsignalen Die lichtaktivierte § -Untereinheit des G-Proteins Transducin in den äußeren Segmenten aktiviert eine cGMP-spezifische Phosphodiesterase. Dies schließt die cGMP-regulierten Natrium-Kanäle. Dadurch wird die Membran vorübergehend hyperpolarisiert. Das chemische Signal wird in ein für die Nervenleitung geeignetes elektrisches Signal umgewandelt, das als Nervenimpuls an das Gehirn weitergeleitet wird. (Abbildungen nach Stryer, 1995). Palczewski, K., et al.: Crystal structure of rhodopsin: A G protein-coupled receptor. Science 289: 739–745, 2000. Stryer, L.: Biochemistry. 4th ed. W. H. Freeman, New York, 1995.
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Rhodopsin, ein Lichtrezeptor
H3C
Plasmamembran
2 3
CH3 1
9
11
4
13
CH3
H 3C
11-cis-Retinal
Scheiben enthalten Rhodopsin
Licht
12
10
8
5
Cytoplasma äußeres Segment (Photorezeptor)
CH3
7
6
14 15
O
1.
C
H
Rhodopsin photoerregt
Licht Transducin aktiviert
Peripherin H3C
ca. 40 µm
Scheibenzwischenraum
inneres Segment (Signaltransfer)
CH3
CH3
O
CH3
C H
CH3
all-trans-Retinal
2.
Mitochondrien GolgiApparat ER
Extinktionskoeffizient (104 cm -1M-1)
Zellkern
Synapse
3. Signal
A. Stäbchenzelle
2
Na+-Kanäle geschlossen 400 500 600 Wellenlänge
B. Photo-Erregung
4.5 nm
Cytosolische Seite
D. Rhodopsin
Hydrolyse von cGMP cGMP-Spiegel im Cytosol erniedrigt
4
Bindungsstellen für Transducin, Rhodopsin-Kinase und Arrestin
Scheibenzwischenraum
Phosphodiesterase aktiviert
Isomerisierung von 11-cis-Retinal zur all-trans-Form durch ein Photon
1µ
Signal C. Lichtkaskade
äußeres Segment Na +
Na +
Na +
Na +
Na +
cGMP-Moleküle Na + im Cytosol
Licht
CH 3 H 3C
263
*
R = Rhodopsin photoerregt
CH 3 CH 3
H 3C
C O
cGMP erniedrigt
H
R
*
R
*
R
*
11-cis-RetinalChromophor (Lys 296)
Na+-Kanäle geschlossen MembranHyperpolarisierung Nervenimpuls
E. cGMP als Transmitter des Sehvorgangs
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264
Sinneswahrnehmung
Mutationen in Rhodopsin als Ursache von Sehverlust Genetisch verursachte Veränderungen des Rhodopsin-Rezeptormoleküls führen zu fortschreitendem Sehverlust bis zu Blindheit. Sie bilden eine häufige, ursächlich heterogene Krankheitsgruppe, die unter dem Begriff Retinitis pigmentosa (RP) zusammengefasst wird. Der auf eine Entzündung schließende Name ist nicht ganz richtig, wird aber aus historisch gewachsener Gewöhnung anstelle von Retinopathie verwendet. Zahlreiche Mutationen in verschiedenen, an der Lichtkaskade beteiligten Genen stellen vielfältige Ursachen dar. Mutationen in mehr als 20 Genen führen zu Retinitis pigmentosa mit unterschiedlichem Manifestationsalter und unterschiedlicher Verlaufsform. Die Unterscheidung der verschiedenen genetischen Kategorien ist wichtig, weil es autosomal dominant, autosomal rezessiv und X-chromosomal erbliche Typen von RP gibt. Hier wird ein kurzer Überblick über einige ausgewählte Mutationen im Rhodopsin vermittelt.
A. Genetische Heterogenität von Retinitis pigmentosa Die verschiedenen genetischen Typen von Retinitis pigmentosa ähneln sich im Phänotyp (klinisches Erscheinungsbild). Der Augenhintergrund (Fundus) zeigt bei der ophthalmoskopischen Untersuchung deutliche Veränderungen des normalen Musters der Pigmentierung der Netzhaut infolge des die Stäbchenzellen enthaltenen Pigmentepithels. Es entwickeln sich im Verlauf der Krankheit zunehmend Areale mit zu viel und zu wenig Pigment (Hyper- und Hypopigmentierung). Die Papille (Austrittsort des Sehnerven) ist wachsgelb verfärbt. Der Sehverlust vor allem bei schwachem Licht (Nachtblindheit), schreitet von der Peripherie zum Zentrum je nach Form der Erkrankung unterschiedlich rasch voran bis schließlich nur noch ein sehr enges zentrales Sehfeld verbleibt (Photographie von E. Zrenner, Tübingen).
B. Punktmutationen in Rhodopsin Hier wird die erste, 1990 beschriebene Punktmutation (Dryja et al., 1990) als eine von vielen heute bekannten vorgestellt. Die Mutation besteht aus einer Transversion von Cytosin nach Adenin in Codon 23. Dadurch wird das Codon CCC für Prolin (Pro) in CAC für Histidin (His) ge-
ändert. Da Prolin in Position 23 bei mehr als 10 verwandten G-Proteinrezeptoren vorkommt, muss es für die normale Funktion sehr wichtig sein (Abb. modifiziert nach Dryja et al., 1990).
C. Mutationen im Rhodopsin Der Genlocus für Rhodopsin (RHO) liegt beim Menschen im langen Arm vom Chromosom 3, Region 2, Band 1.4 (3q21.4). Dominant erbliche und autosomal rezessiv erbliche Mutationen sind nachgewiesen. Die meisten führen zu einem Austausch einer Aminosäure, doch treten auch Deletionen auf. An 38 der 348 Aminosäuren von Rhodopsin liegt bei Vertebraten in verschiedenen Positionen eine identische (invariante) Aminosäure vor. Daneben sind mehrere Genloci bekannt, die zur autosomal rezessiv erblichen Retinitis pigmentosa führen, eine Mutation im Gen für Peripherin, im kurzen Arm von Chromosom 6 des Menschen (6p) und ein Locus in der centromeren Region von Chromosom 8. Weitere Photorezeptor-Gene als Krankheitsursache infolge Mutationen sind die § - und g -Untereinheit (cGMP) von Phosphodiesterase (PDE).
D. Nachweis einer Punktmutation Dies ist ein Beispiel für den direkten Nachweis bzw. Ausschluss einer Punktmutation durch Anwendung allelenspezifischer Oligonukleotide (S. 392). In einem Stammbaum mit 13 erkrankten Individuen in drei Generationen wurde die in Tafelteil B gezeigte Mutation in Codon 23 (Austausch des normalen Prolin durch Histidin) untersucht (1) (Dryja et al., 1990). Die Symbole für betroffene Individuen sind grau unterlegt, männliche als Quadrat, weibliche als Kreis. Durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR, S. 68) haben Dryja et al. (1990) die Mutation in amplifizierten Fragmenten aus Exon 1 nachgewiesen (2). Alle erkrankten Individuen gaben ein Hybridisierungssignal (2) (II2 und III-4 wurden nicht untersucht). Nicht-Erkrankte gaben mit „RP“-Oligomer kein Signal. (Abb. modifiziert nach Dryja et al., 1990.) Dryja, T. P.: Retinitis pigmentosa, pp. 5903–5933. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001. Dryja, T. P., et al.: A point mutation of the rhodopsin gene in one form of retinitis pigmentosa. Nature 343: 364–366, 1990. Rivolta, C., et al.: Retinitis pigmentosa and allied diseases: numerous diseases, genes, and inheritance patterns. Hum. Mol. Genet. 11: 1219–1227, 2002.
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265
Mutationen in Rhodopsin als Ursache von Sehverlust
Eine Krankheitsgruppe mit hereditärer Pigmentdegeneration
Häufigkeit der verschiedenen Vererbungsformen ca. 25% ca. 20% ca. 28% ca. 47% ca. 47%
Nachtblindheit Fortschreitender Sehverlust bis Blindheit
normal CT AG C
autosomal dominant autosomal recessiv X-chromosomal Erbgang im Einzelfall unklar
A Tyr 20 T G A Glu 21 G
Häufigkeit ca. 1:3500
C
Wichtige diagnostische Zeichen
T Phe 22
Augenhintergrund Gefäßverengung Wachsgelbe Papille Makulaveränderungen Reflexverbreiterung Pigment-EpithelVeränderungen ElektroretinogrammVeränderungen
T C
C
C Pro 23
A His
C
C
C G Ser 24 A
Sekundäre Erscheinungen im vorderen Augenabschnitt Glaskörperveränderungen Linsentrübung (Katarakt) Kurzsichtigkeit (Myopie)
Typischer Augenhintergrund mit Pigmentveränderungen, engen Gefäßen und wachsgelber Papille
C G Arg 25 C A
A. Retinitis pigmentosa
B. Punktmutation in Codon 23
del
348
= invariante Aminosäuren bei = verschiedenen Vertebraten
Cytoplasma des äußeren Segments
C OO
H
= Retinal-Bindungsstelle = Punktmutationen
Transmembrane Domänen
= Deletionen
*
*
= Punktmutation bei autosomal = recessiver RP = gt tt Intron 4-Donor = Splicestellen-Mutation
Scheibenzwischenraum
23
Pro NH2
mutan CTAG
autosomal dominanter * bei Retinitis pigmentosa
1
C. Mutationen im Rhodopsin 1
I 1
II III
1
2
2
3
3 4
4
5
5 6 7
6 7
8
8
9
2
1.
9 10 11 12 13 14 15 16
10
17
11
2.
1. Stammbaum mit autosomal dominanter 1. Retinitis pigmentosa infolge Mutation 1. in Codon 23 2. Autoradiogramm der Hybridisierung von 2. amplifizierten DNA-Fragmenten im Be2. reich von Codon 23 mit dem Oligomer 2. 3'-CATGAGCTTCACCGACGCA-5' für 2. die mutante Sequenz
D. Nachweis der Mutation in Codon 23 durch Oligonukleotide nach PCR
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266
Sinneswahrnehmung
Photorezeptoren für Farbensehen Vor über 200 Jahren hat Thomas Young (1802) angenommen, dass der Mensch Farben durch Vermittlung von drei Klassen von Zapfenzellen in der Netzhaut wahrnehmen kann. Dies hat sich eineinhalbhundert Jahre später durch den Nachweis von drei Rezeptormolekülen bestätigt. Jeweils ein Rhodopsin-Photopigmentrezeptor absorbiert eine bestimmte Wellenlänge, blau, grün und rot. Mutationen in einem der für die Codierung der Photorezeptormoleküle zuständigen Gene führen zu eingeschränkter oder fehlender Farbempfindung.
A. Gene für Farbrezeptormoleküle Das Gen für den Blau-Rezeptor ist autosomal, die Gene für Grün- und Rot-Rezeptor sind Xchromosomal. Das Absorptionsspektrum der drei Rezeptoren zeigt beim Menschen ein Maximum von 426 nm für blau, etwa 530 für grün und etwa 550 nm für rot. Für den Rot-Rezeptor existiert ein kürzlich entdeckter Polymorphismus für zwei etwas unterschiedliche Absorptionsmaxima bei 552 und 557 nm.
B. Evolution der Gene für Photorezeptoren Die Gene für Photorezeptoren sind aus einem ancestralen Gen (Ur-Gen) hervorgegangen. Das Rhodopsin-Transducin-Paar findet sich bei Wirbellosen und ist mindestens 700 Millionen Jahre alt. Der Blau-Rezeptor ist fast so alt wie Rhodopsin, ca. 500 Millionen Jahre. Die Trennung in je einen Rezeptor für grün und rot dürfte erst vor etwa 30 Millionen Jahren nach der Trennung von Altwelt- und Neuwelt-Affen entstanden sein, weil nur Mensch und AltweltAffen drei Zapfenpigmente besitzen, NeuweltAffen aber nur zwei.
C. Strukturelle Ähnlichkeit der Photorezeptormoleküle J. Nathans und Mitarbeiter haben 1986 die Gene für Farb-Photorezeptoren charakterisiert und evolutionär bedingte Ähnlichkeiten der Struktur festgestellt, vor allem zwischen Grünund Rot-Rezeptor-Genen (Abb. nach Nathans et al., 1986).
D. Polymorphe Variante im Rezeptor für Rot A. G. Motulsky und Mitarbeiter (Winderickx et al., 1992) haben im Rot-Rezeptor in drei Bereichen des Gens variante Codons nachgewiesen (1). Bei 60 % der untersuchten männlichen Individuen fand sich in Position 180 Serin und bei 40 % Alanin. An Position 230 betraf der Polymorphismus Isoleucin (Ile) und Threonin (Thr), an Position 233 Alanin (Ala) und Serin (Ser) (2). Durch Farbmisch-Testverfahren nach Raleigh ließen sich Unterschiede in der Rot-Farbwahrnehmung feststellen (3).
E. Einschränkung der Rot-GrünFarbwahrnehmung Eingeschränkte bzw. fehlende Unterscheidung von rot und grün („Rot-Grün-Blindheit“) ist häufig. Etwa 8 % aller Männer können sie schwer oder nicht unterscheiden. Der Grund liegt in strukturellen Veränderungen der Gene für Rot- und Grün-Rezeptoren. Ein Gen für Rotund ein bis drei für Grün-Absorption liegen eng beieinander auf dem langen Arm des X-Chromosoms (1). Wegen der Ähnlichkeit der Sequenz dieser Gene kommt es nicht selten zu ungleichem Crossing-over (2). Intergen resultiert Verlust (Grün-Blindheit) bzw. Duplikation, intragen ein Hybridgen (Rot-Blindheit). Vollständiger Verlust der Funktion der Zapfenzellen resultiert in fehlender Farbwahrnehmung (Achromatopsie, MIM 216900, im Englischen als „Day Blindness“ bezeichnet). Motulsky, A. G., Deeb, S. S.: Color vision and its genetic defects, pp. 5955–5976. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001. Nathans, J., Thomas, D., Hogness, D. S.: Molecular genetics of human color vision: the genes encoding blue, green, and red pigments. Science 232: 193–202, 1986. Winderickx, J., et al.: Polymorphism in red photopigment underlies variation in colour matching. Nature 356: 431–433, 1992. Wissinger, B., Sharpe, L. T.: New aspects of an old theme: The genetic basis of human color vision. Am. J. Hum. Genet. 63: 1257–1262, 1998.
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Photorezeptoren für Farbensehen autosomal blau
X-chromosomal ro grün
530
COOH
552 557
Absorption
426
cytosolisch
500 Wellenlänge
extrazellulär
600
A. Gene für Photorezeptor-Proteine A. in Zapfen Zeit
Ancestrales Gen
NH2
1. Blau/Rhodopsin 75%
2. Grün/Rhodopsin 41%
3. Grün/Blau 44%
4. Grün/Rot 96%
Alter/Jahre ca. 700 Mio ca. 500 Mio ca. 30 Mio
Rhodopsin
blau
grün
ro
B. Evolution der Gene für B. Sehpigment-Photorezeptoren
C. Strukturähnlichkeit der Sehpigmente
Chromophor (Lys 296)
12 1.
Anzahl Individuen
1. Normale Anordnung der Rot- und Grün-Gene
Aminosäure-Position 1 2 3 180 230 233 Häufigkeit
2.
Ser
Ile
Ala
Ala
Ile
Ala
0.36
Ala
Thr
Ser
0.02
Ser
Thr
Ser
0.02
Mütterliche Chromosomen
b
a
ungleiches Crossing-over a intergen b intragen
0.60 Grün-Blindheit normal Rot-Blindheit
10
Rot-Grün-Blindheit Rot-Grün-Blindheit
5
Rot-Blindheit 1 0.400
3.
3
0.44
0.480
0.520
0.560
Mischungsmittelpunkt rot/rot und grün
D. Polymorphismus im Photorezeptor Rot
Deletion
2. Beispiele für verschiedene Folgen von 2. ungleichem Crossing-over E. Normales und gestörtes Rot-Grün-Sehen
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268
Sinneswahrnehmung
Genetische Grundlagen von Schwerhörigkeit und Taubheit Schallwellen bestimmter Frequenzbereiche werden von höheren Lebewesen durch spezielle Mechanismen aufgenommen und in für die Nervenleitung geeignete Signale umgewandelt. Mehr als 90 Genloci mit mehr als 30 identifizierten Genen codieren im Innenohr für ein gut aufeinander abgestimmtes Ensemble von Proteinen, die durch Schallwellen ausgelöste Signale aufnehmen, verstärken, nach Frequenz (Tonhöhe) unterscheiden und verarbeiten. Der Funktionsausfall eines der spezifischen, am Hörprozess beteiligten Proteine resultiert in angeborener Taubheit oder frühkindlicher Schwerhörigkeit. Dies tritt etwa einmal auf 1000 Neugeborene auf. In den meisten Fällen liegt eine genetische Ursache vor, überwiegend monogene Formen (ca. 10–15 % autosomal dominant, 75–80 % autosomal rezessiv und 1–3 % X-chromosomal) sowie ca. 5–8 % durch Mutationen in mitochondrialer DNA. Die verschiedenen Typen der monogen bedingten Taubheit bzw. Schwerhörigkeit werden nach einem am Erbgang orientierten Abkürzungssystem bezeichnet: DFNA1, DFNA2 etc. für autosomal dominante Formen; DFNB1, DFNB2 etc. für autosomal rezessive Formen, und DFN1, DFN2 etc. für X-chromosomale Formen.
A. Die wesentlichen Teile des Ohres Schallwellen gelangen durch den äußeren Gehörgang zum Trommelfell im Mittelohr. Dort werden Vibrationen ausgelöst und mit Hilfe einer Kette aus drei beweglichen Gehörknöchelchen (Hammer, Ambos und Steigbügel; Malleus, Incus, Stapes) verstärkt und durch die Paukenhöhle in das Innenohr geleitet (1). In der Cochlea des Innenohrs (2) verarbeiten spezialisierte Sinneszellen die eintreffenden Schallwellen zu zellulären Informationen, die nach Durchlaufen einer Signalkette durch den Hörnerven zum Gehirn geleitet werden.
B. Die Cochlea Die hier schematisch im Querschnitt gezeigte Cochlea ist ein im Felsenbein gelegenes System schneckenförmig übereinander angeordneter Gänge (Ductus cochlearis, Schneckengang), welches das Cortische Organ enthält. Eintreffende Schallwellen werden über spezielle Rezeptorzellen weitergeleitet und in zur Nerven-
leitung geeignete elektrische Signale umgewandelt. Eingebettet in Stützzellen liegen drei Reihen von ca. 32 000 speziellen Rezeptorzellen, die äußeren Haarzellen, und die inneren Haarzellen. Eine zellfreie Tectorialmembran liegt auf den Haarzellen. Der mittlere Gang, Scala media, der Cochlea ist ein mit einer Flüssigkeit (Endolymphe) gefülltes geschlossenes System. Durch Schallwellen hervorgerufene Vibrationen resultieren frequenzabhängig zu Auslenkungen der Tectorialmembran und der haarförmigen Fortsätze der Haarzellen und lösen spezifische Signale aus. Die Endolymphe enthält eine hohe Konzentration an Kalium-Ionen, die in einem Recycling-System wieder in die Endolymphe gelangen.
C. Die äußeren Haarzellen Die äußeren Haarzellen tragen Stereozilien in abgestufter Länge. Darin befinden sich zur Kontraktion geeignete Moleküle, z. B. das Myosin Typ 7A. Die Spitzen sind durch Tip-Links verbunden. In den Haarzellen werden die durch Schall ausgelösten Vibrationen der Tectorialmembran durch Öffnung von Ionenkanälen zunächst in chemische Signale umgewandelt und danach an den Synapsen als elektrische Impulse an den Hörnerven vermittelt. Eine besondere Rolle beim anschließenden Recycling spielen ein Kalium-Kanal (KCNQ4) und Gap Junctions (vor allem Connexin 26).
D. Zu Hörverlust beim Menschen führende Mutationen Die am Hörprozess beteiligten Gene codieren für ein breites Spektrum verschiedener Proteine wie Transmembranproteine, Transkriptionsfaktoren, Gap Junction, Ionenkanäle, das Cytoskelett und Zellpolarität regulierende Proteine oder für die Cochlea spezifische Proteine und andere. Sie sind nur im Hörorgan exprimiert (Abbildungsteile A–C modifiziert nach Willems, 2000.) Kubisch, C.: Erbliche Hörstörungen im Kindesalter. Med. Genet. 13: 155–160, 2001. Morton, C. M.: Genetics, genomics and gene discovery in the auditory system. Hum. Mol. Genet. 11: 1229–1240, 2002. Petit, C., et al.: Hereditary hearing loss, pp. 6281–6328. In: Scriver et al., editors. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGrawHill, New York, 2001. Willems, P. J.: Genetic causes of hearing loss. New Engl. J. Med. 342: 1101–1109, 2000.
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Genetische Grundlagen von Schwerhörigkeit und Taubheit äußeres Ohr Ohrmuschel
Mittelohr Malleus
Innerohr
Stapes Incus
Semizirkuläre Kanäle
Vestibular Akusticus Nerv Nerv
Cochlea
Cochlear Nerv
äußerer Ohrkanal
Trommelfell Eustachische Tube zur Nasenhöhle
Gleichgewichtskontrolle
1. Querschnitt durch das menschliche Ohr A. Die wesentlichen Teile des Ohres
2. Inneres Ohr
Scala vestibuli mit Perilymphe
Stria vascularis
TectorialMembran
Reissner’sche Membran
Hören
Actin Stereocilien
Tip links Scala media mit Endolymphe
Innere Haar Zelle
CuticularPlatte
KaliumIonen
Spirallimbus
Nucleus
KaliumKanal (KCNQ4)
Synaptische Vesicel
äußere Haarzellen
Cochlear Nerv
Spirales Ligament Basalmembran
Stützzellen
Stützzellen
ConnexinKanal (Cx26)
Scala tympani mit Perilymphe
B. Die Cochlea
C. Äußere Haarzelle
1
2
DFNAZ 1p34
Connexin31 KCNQ4 DFN89 2p23
DFNA7 1q22
DFNA16 2q24
9
DFNB7
DFNB7 B11 9q13-21
DFNB19 18p11
5
6
DFNA6 (4p16)
DFNB15 3q21-25
10
DFNA1 Diaphanous A15 POWF3 Sq31
11
DFNB18 11p14
12
DFNA8 DFNA11 Myosin 7A DFNA11 DFNB2 α-Tectorin DFNB21 7q13 11q22-24
18
Myosin15
4
DFNB6 3p14-21
DFNB12 10q21
17 DFNB3 17p11
3
7
8
Otoferlin
19
DFNA13 6p21
DFNA5 7p15
ICERE-i
DFNA10 6q23
DFNB4 B07 7q31
Prestin Pendrin
13 DFNB1 Connexin26 DFNA3 13q12
20
21
14 DFNA9 14q12 DFNB4 14q12
DFNA4 19q13
15
22
X DFN6 xp22
DFNB8 DFNB10 21q22
DFNA17 22q
DFN3 Xq21 DFN2 Xq22
D. Chromosomale Location von relevanten Genen für Hörstörungen (Auswahl)
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16
p Stereocilin q
COCH DFNB16 15q21
DFNB14 19p13
p q
p q POU3F4
Y
270
Sinneswahrnehmung
Rezeptoren für Duftstoffe
C. Olfaktorisches Rezeptorprotein
Wirbeltiere können tausende von einzelnen Duftstoffen unterscheiden. Die entsprechenden Rezeptoren werden von Genen codiert, die einer der größten bekannten Multi-Gen-Familie angehören. Sie sind exklusiv in spezifischen Odorantrezeptoren (OR) in Epithelzellen der Nasenschleimhaut exprimiert. Sie machen bei Säugetieren etwa 1 % des Genoms und 3–5 % aller Gene aus. Fische haben etwa 100 OR-Gene, die Maus etwa 1350 an 40 verschiedenen chromosomalen Positionen mit je 1–100 Genen, der Mensch etwa 950 OR-Gene; es funktionieren nur etwa 350, mehr als 60 % sind beim Menschen zu Pseudogenen degeneriert. Durch segmentale Duplikationen hat sich diese Gen-Familie im Genom der Säugetiere ausgebreitet, so dass sich das Spektrum unterscheidbarer Duftstoffe entsprechend verbreitert hat. In einigen Fällen kann ein Unterschied von nur einer Aminosäure im Duftstoff wahrgenommen werden (Young & Trask, 2002, mit Angaben zu OR-Datenbasen und Nomenklatur). Die Rezeptormoleküle sind Sieben-Helix-Transmembranproteine, die in der Evolution bei Insekten, Würmern und Wirbeltieren unabhängig entstanden sind.
Dieses transmembrane Protein hat ein charakteristisches Sieben-Helix-Motiv Odorantrezeptoren enthalten zahlreiche variable Aminosäuren, besonders in der 4. und 5. TransmembranDomäne (IV und V).
A. Olfaktorische Nervenzellen in der Schleimhaut der Nasenhöhle Das periphere olfaktorische Neuroepithel der Nasenschleimhaut besteht aus drei Zelltypen: Basalzellen der Basalmembran, olfaktorische sensorische Nervenzellen und Stützzellen. Das Axon der Neuronen führt zum Bulbus olafactorius; olfaktorische Zilien reichen in die muköse Membran zum Lumen hin, wo die Rezeptoren mit Duftstoffen in Kontakt treten können.
B. Odorant-spezifischer Rezeptor Jeder Rezeptor in den Zilien der mukösen Membran bindet spezifisch nur einen Duftstoff (Odorant). Das Rezeptormolekül ist ein transmembranes Protein (stimulatorisches GTP-bindendes Protein, G-Protein, S. 252). Es wird durch Bindung an einen Duftstoff aktiviert, indem die § -Untereinheit, bezeichnet als Gs[olf], durch Bildung von GTP aktiviert wird. Dieser Vorgang aktiviert die Adenylat-Cyclase. Es wird cAMP freigesetzt und ein cAMP-regulierter Natrium-Ionenkanal wird kurzzeitig geöffnet. Dadurch löst sich ein nervenleitfähiges elektrisches Signal aus.
D. Exklusive Gen-Expression im Odorantrezeptor Jedes sensorische Neuron des olfaktorischen Systems exprimiert nur ein Allel und jedes der zahlreichen Gene ist exklusiv nur in wenigen Neuronen exprimiert. Ngai et al. (1993) haben im olfaktorischen Neuroepithel des Wels (cat fish, Ictalurus punctatus) nachgewiesen, dass nur 0.5–2 % der Neuronen mit einer gegebenen DNA-Sonden hybridisieren. In dem hier gezeigten Beispiel hybridisiert die Rezeptorsonde 202 mit zwei Neuronen (1, schwarze Markierung) und Sonde 32 nur mit einer (2). Diese durch ortsspezifische Bindung an einen bestimmten Duftstoff definierte topologische Position jedes Neurons wird dem Gehirn übermittelt und in eine sinnvolle Reaktion eingeleitet (Abb. nach Ngai et al., 1993).
E. Subfamilien innerhalb der OdorantRezeptor-Multigen-Familie Odorant-Rezeptor-Proteine weisen evolutionär konservierte Anteile auf, aber in anderen sind sie variabel. Hier werden die von 10 cDNA Klonen (F2, F3 etc.) aus verschiedenen Rezeptoren abgeleiteten Aminosäure-Sequenzen verglichen (1). Konservierte Aminosäuren sind gelb unterlegt, variable nicht. Selbst innerhalb einer Subfamilie von sechs verwandten Rezeptorproteinen finden sich neben den zu erwartenden homologen Sequenzen (gelb) viele variable Bereiche (2). Dies spiegelt die Vielfältigkeit wider, eine große Zahl verschiedener Duftstoffe unterscheiden zu können (Abb. nach Buck & Axel, 1991; Ngai et al., 1993). Buck, L., Axel, R.: A novel multigene family may encode odorant receptors: a molecular basis for odor recognition. Cell 65: 175–187, 1991. Ngai, J., et al.: The family of genes encoding odorant receptors in the channel catfish. Cell 72: 657–666, 1993. Young, J. M., Trask, B. J.: The sense of smell: genomics of vertebrate odorant receptors. Hum. Mol. Genet. 11: 1153–1160, 2002.
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271
Rezeptoren für Duftstoffe extrazellulär
Odorant
cAMPgesteuerter Ionenkanal
Adenylat-Cyclase
Rezeptor γ Gs(olf)
β α
α GTP
GDP
cAMP Na
intrazellulär
ATP
+
cAMP
B. Odor-spezifischer Transmembran-Rezeptor B. und GTP-bindendes Protein [Gs(olf)] variable Aminosäuren
extrazellulär NH2
Basalmembran
sieben transmembrane Domänen
zum Bulbus olfactorius Basalzelle
I
Axon
II
III
IV
V
VI
VII
Sensorisches Neuron Stützzelle Olfaktorische Cilien Lumen
Nasenschleimhaut
A. Olfaktorische Nervenzellen in A. der Nasenschleimhaut
C. Olfaktorisches Rezeptor-Protein cDNAKlone F2 F3 F5 F6 F7 F8 F12 F13 F23 F24
1. Rezeptor 202-Sonde
COOH
intrazellulär
RVN E F L ND H LNE QVV E HVN E F P SH F P SH F P SH F L ND HE I E
Transmembrane Domäne V V I F I V V S L F L V L P F A L I I MSYV L V I Y F T L V L L A T V P L AG I F Y SY F L M I L T E GA V VMV T P F V C I L I SY I L V S F G I A F C V I L GS CG I TL V SYA L V I F VMGG I I L V I P F V L I I V SYV L T MH L V P V I L A A I S L S G I L Y SY F L I MN L V P VM L A A I S F S G I L Y SY F L I MN L V P VM L A A I S F S G I L Y SY F V I M Y F A L V L L A VV P L L G I L Y S Y S M I I L V L A A F N L I S S L L VVL V SY L
RIVS S I L K V P S SQG I Y K KIVS S I CA I S SVHG K Y K HITCAV L R V S S P R GGWK YI I T T I I K I P SAR G R H R RIVS S I L K V P SAR G I R K KIVS S I R SM S SVQG K Y K KIVS S I HS I S TVQG K Y K KIVS S I R S V S SVK G K Y K KIVS S I RA I S TVQG K Y K F IL I A I L RMNSA E G R R K
1. Variable Aminosäuren-Sequenz
2. Rezeptor 32-Sonde
25 µm
D. Zuordnung von OlfaktorD. Rezeptor RNA zu Neuronen
F12 F13 F8 I12 F23 F3
F PSH F PSH F PSH F PSH F L ND F L ND
L I M N L V P VM L A A I I S F S G I L Y S Y F L I M N L V P VM L A A I I S F S G I L Y S Y F L T M H L V P V I L A A I I S L S GI LY S Y F L I M N L V P VM L G A I I S L S G I L Y S Y F V I M Y F A L V L L A VVV P L L G I L Y S Y S LV I Y F T L V L L A T VV P L A G I FY S Y F
K IV S S I H S I S T VQ G K Y K K IV S S I R S V S S V K G K Y K K IV S S I R S M S S VQ G K Y K K IV S S V R S I S S VQ G K H K K IV S S I R A I S T VQ G K Y K K IV S S I C A I S S V H G K Y K
2. Homologie innerhalb von Subfamilien E. Subfamilien innerhalb der Multigen-Familie
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272
Sinneswahrnehmung
Geschmacksrezeptoren Gen-Familien bei Säugetieren Neben dem olfaktorischen System haben Säugetiere zwei weitere chemosensorische Systeme entwickelt: Geschmacksrezeptoren und Pheromonrezeptoren. Auf dieser Grundlage können fünf prinzipielle Geschmackstypen wahrgenommen werden: salzig, sauer, bitter, süß und umami (der Geschmack von Monosodium Glutamat, das in der asiatischen Küche verwendet wird). Salzig und sauer wirken direkt mittels Na+- und H+-Ionen-Einstrom an spezialisierten Membrankanälen. Im Gegensatz dazu benötigen die Geschmacksrichtungen „bitter“, „süß“ und „umami“ spezifische Rezeptoren. Diese werden von G-Protein assoziierten Signalwegen vermittelt. Eine zuverlässige Unterscheidung von Geschmack bedeutet ebenso wie die in den vorhergehenden Abschnitten beschriebenen sensorischen Funktionen einen lebenswichtigen Vorteil.
A. Chemosensorisches Epithel Die Mund- und Nasenhöhle von Säugetieren ist mit drei verschiedenen chemosensorischen Epithelien ausgekleidet: (i) dem hauptsächlichen olfaktorischen Epithel der Riechschleimhaut, (ii) das Sinnesepithel für Geschmack auf den Geschmacksknospen der Zunge, dem weichen Gaumen und der Epiglottis sowie (iii) das Vomeronasale Organ, auch Jacobsonsches Organ genannt, eine tubuläre Struktur im Nasenseptum mit Sinneszellen für die Wahrnehmung von Pheromonen. Der Bulbus olfactorius überträgt Signale zu einem speziellen Areal des Gehirns (Riechkortex). Der zusätzliche Bulbus olfactorius überträgt Signale vom Vomeronasalen Organ in Bereiche der Amygdala und des Hypothalamus.
B. Das chemosensorische System Die Rezeptorzellen gehören drei molekular definierten Systemen an (1–3). Jedes Neuron exprimiert eines der olfaktorischen Rezeptorgene und sendet ein Axon zu den zwischengeschalteten Neuronen (Mitralzellen), die das Signal weiterleiten. Die Olfaktorrezeptoren bestehen aus speziellen G-Proteinen, Golf, bis zu 1000 Molekülen (1). Das sensorische System für bitteren Geschmack (2) verbindet Rezeptorzellen in den Geschmacksknospen über Axone von Neuronen mit dem Gehirn. Es sind zwei Arten von Geschmacksrezeptoren beschrieben: T2R
(Gustductin) mit 50–80 Genen, zwei T1R (T1R1 und T1R2). Zwei Arten von Rezeptoren für Pheromone (V1Rs und V2Rs, 3) werden von 30–50 bzw. mehr als 100 Genen codiert. Pheromone sind Signalmoleküle, die das Verhalten anderer Individuen der gleichen Art beeinflussen können (vgl. § - und a-Pheromon-induzierte Paarungstyp-Determination bei Hefe, S. 88).
C. Gen-Familien Die Gene der Geschmacksrezeptoren T1R1 und T1R2 werden in Untergruppen exprimiert. Die Abbildung zeigt Aminosäure-Sequenzen von 23 verschiedenen T2-Rezeptoren (T2Rs) der ersten bis zur dritten transmembranen Domäne (TM1-3) von Menschen (h), Maus (m), Ratte (r). Dunkelblau markiert sind Bereiche, in denen mindestens die Hälfte der Sequenzen identisch sind. In den hellblau unterlegten Bereichen finden sich teilweise konservierte Sequenzen, die übrigen sind variable Sequenzen. Dies spiegelt das breite Spektrum der Bindungsfähigkeit vieler strukturell verschiedener Liganden wider. Die T2R-Gene liegen eng beisammen und sind auf nur einige wenige Chromosomen verteilt (beim Menschen auf Chromosom 5, 7 und 12; bei der Maus auf Chromosom 6 und 15).
D. Expression mehrerer Geschmacksrezeptor-Gene in derselben Zelle Im Gegensatz zu den Rezeptorzellen des olfaktorischen Systems exprimieren die Rezeptorzellen für bitteren Geschmack mehrere verschiedene T2R-Rezeptoren. DNA-Sonden aus T2R hybridisieren mit mehreren Zellen (1, als dunkle Areale sichtbar). Doppelmarkierte Fluoreszenz-in-situ-Hybidisierung (T2R-3 grün, 2 und T2R-7 in rot, 3) zeigt, dass verschiedene Rezeptorgene in derselben Rezeptorzelle exprimiert werden. Eine einzelne Rezeptorzelle kann auf mehrere Bitterstoffe reagieren, dafür aber geringe Konzentrationen mit hoher Sensivität erkennen. (Abb. modifiziert nach Dulac, 2000 und Adler et al., 2000). Adler, E., et al.: A novel family of mammalian taste receptors. Cell 100: 693–702, 2000. Buck, L. B.: The molecular architecture of odor and pheromone sensing in mammals. Cell 100: 611–618, 2000. Dulac, C.: The physiology of taste, vintage 2000. Cell 100: 607–610, 2000. Zhang, Y., et al.: Coding of sweet, bitter, and umami tastes: Different receptor cells sharing similar signaling pathways. Cell 112: 293–301, 2003.
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273
Geschmacksrezeptoren Gen-Familien bei Säugetieren
MOE
MitralZellen
Pheromon-Rezeptoren
AOB Geschmacksrezeptoren
MitralZellen
Petrosal geniculate
Accessorischer Bulbus olfactorius
Hirnstamm
Odorant-Rezeptoren
Vomeronasales Organ
MOB
Geschmacksknospe
Bulbus olfactorius
VNO
Zelluläre Verbindungen
Sensorisches Schmeckepithel
A. Chemosensorisches Epithel der Säugetiere
Moleküle ORs(-1000) Golf, CNGC
T2Rs (50-80) TIR2 V1Rs (30-50) Gustducin TIR1 V2R (-100)
2. Sensorisches Ge- 3. Vomeronasales 1. Olfaktorisches schmackssystem System System B. Das chemosensorische System der Säugetiere
TM1
TM2
C. Geschmacksrezeptor-Gen-Familie
2. T2R-7
1. Zehn T2R Sonden
3. T2R-3
D. Expression zahlreicher Geschmacksrezeptor-Gene in derselben Zelle
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TM3
274
Embryonalentwicklung
Entwicklungsmutanten bei Drosophila melanogaster Die genetische Analyse von Mutanten der Embryonalentwicklung der Fruchtfliege, Drosophila melanogaster, hat wichtige Einsichten für das Verständnis der genetischen Steuerung von Entwicklungsvorgängen geliefert. Gene in der Embryonalentwicklung bestimmen unter anderem die anterior-posteriore und dorsal-ventrale Orientierung des Embryos, der Gliedmaßen und bei Insekten die Flügel etc. Dadurch erhält jede Zelle eine eigene Spezifität, die kommunikativ mit Zellen der Umgebung die Bildung eines Gewebes bzw. Organsystems steuert. Die frühen embryonalen Entwicklungsphasen sehr verschiedener Lebewesen werden von sehr ähnlichen Genen gesteuert.
A. Segmentaufbau der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) Die Entwicklung der Fruchtfliege von der befruchteten Eizelle zum erwachsenen Tier dauert neun Tage. Sie resultiert in einem segmental aufgebauten Körper. Die Larven schlüpfen nach einem Tag, durchlaufen definierte Stadien der embryonalen Entwicklung und bilden nach fünf Tagen eine Puppe, aus der durch Metamorphose das erwachsene Tier von etwa 2 mm Länge hervorgeht. Es besteht aus einem Kopf mit drei Segmenten (C1-3), drei Thorax-Segmenten (T1-3) und acht Abdominal-Segmenten (A1-8). Der Segmentaufbau ist in der Larve vorgegeben und sichtbar. Insgesamt 14 Parasegmente (P1-14) entsprechen jeweils der letzten Hälfte eines und der ersten Hälfte des nächsten Segments.
B. Embryonal letale Mutanten Embryonale letale Mutanten werden durch geeignete Kreuzungen sichtbar gemacht. Heterozygote Fliegen (A/a) für eine embryonal letale Mutante (a) haben ein Viertel homozygote Nachkommen (aa) für das mutante Allel (1). Wenn eine Mutation durch mütterlichen Effekt vorliegt, tritt die letale Mutante bei einem Viertel der Nachkommen von weiblichen Homozygoten (bb) auf (2). Mütterliche Gene codieren für frühe Genprodukte, welche die Polarität des Embryos determinieren (mütterliche EffektGene).
C. Beispiele für Entwicklungsmutanten Entwicklungsmutanten bei Drosophila melanogaster können verschiedenen hierarchisch geordneten Gen-Klassen zugeordnet werden. Die normale Larve (Wildtyp) besteht aus drei Kopf-, drei Thorax-Segmenten, acht Abdominal-Segmenten und dem Schwanzende (1). Eine Mutation mit anteriorem maternalem Effekt, bicoid, führt zur Entwicklung einer Larve ohne Kopf oder Thorax (2). Mutanten der GapGene führen zu Lücken (gaps) im segmentalen Aufbau der Larve. Bei der Krüppel-Mutante (3) fehlen alle thorakalen und die abdominalen Segmente 1–5, bei Knirps (4) die abdominalen Segmente 1–6. Gap-Gene legen das Grundmuster des Segmentaufbaus fest. Die Gene der Paar-Regel (pair rule) bestimmen die Zuordnung von Zellen zu den 14 Parasegmenten. Ihre Mutationen betreffen jedes zweite Segment. Bei even-skipped (5) fehlen alle geradzahligen Parasegmente. Bei Mutation des Gens fushi tarazu (6) werden nicht genügend Segmente gebildet (Fushi tarazu heißt auf Japanisch zu wenig Segmente). Segment-Polaritäts-Gene bestimmen die Polarität der Segmente (7). Homeotische Selektor-Gene (8) bestimmen das endgültige Schicksal jedes Segments. Bei der Mutante Antennapedia (Ant) wird die normalerweise kurz unterhalb des Auges ansetzende Antenne durch ein Bein ersetzt (homeotisches Bein). (Abb. modifiziert nach Watson et al., 1992.) Gehring, W. J., et al.: Homeodomain-DNA recognition. Cell 78: 211–223, 1994. Kenyon, C.: If birds can fly, why can’t we? Homeotic genes and evolution. Cell 78: 175–180, 1994. Lawrence, P. A.: The Making of a Fly. The Genetics of Animal Design. Blackwell Scientific, Oxford, 1992. Lodish, H., et al.: Molecular Biology of the Cell. 4th ed. W. H. Freeman, New York, 2000. Nüsslein-Volhard, C., Frohnhöfer, H. G., Lehmann, R.: Determination of anterior-posterior polarity in Drosophila. Science 238: 1675–1681, 1987. Watson, J. D., et al.: Recombinant DNA. 2nd ed. W. H. Freeman, Scientific American Books, 1992. Wolpert, W.: Principles of Development. Oxford University Press, Oxford, 1998 (deutsche Ausgabe unter dem Titel Entwicklungsgenetik bei Spektrum Akademischer Verlag erschienen).
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Entwicklungsmutanten bei Drosophila melanogaster Drosophila melanogaster
1. T1
Thorax
Kopf
Adult
T2 T3 A1 A2 A3 A4
A5
C1
2
1
Abdomen 3
2
1
3
4
5
6
7
8
Wildtyp
normale Larve A6 A7 A8
7
8
6
5
5
6
7
8
2.
C2 C3
bicoid (bcd): kein Kopf oder Thorax C1-3 Segmente
T1-3
Parasegmente
1-3 4-6
Kopf
7-14
6-8
(Kr
3.
1 12
345
Anteriorer maternaler Effekt
Abdomen
A1-8
Krüppel (kr): alle thorakalen und die abdominalen Segmente 1-5 fehlen
Larve
GenKlasse
2
3
Gap (Lücke)
4.
6 7 8 9 10 11 12 13 14
Knirps (kni): abdominale Segmente 1-6 fehlen
A. Segmentaufbau der Fruchtfliege A. (Drosophila melanogaster)
5.
Aa
Heterozygot
Heterozygot
even-skipped (eve): alle geradzahligen Parasegmente fehlen Aa
Paar-Regel (pair-rule)
6. fushi tarazu (ftz): nicht genügend Segmente; beeinflußt von anderen Genen AA
Aa
Aa
aa letal
1. Embryonal letale Mutanten
7.
SegmentPolarität
gooseberry (gb) : die Hälfte jedes zweiten Segments fehlt und wird spiegelbildlich ersetzt Bb
Bb
normal
Auge Antenne
Antennapedia
BB
Bb
Bb
Nachkommen normal
bb Nachkommen embryonal letal
Mundbereich
Homeotische Gene
8.
2. Letale Mutanten durch mütterlichen Effekt
Homeotisches Bein
B. Embryonal letale Mutanten
C. Beispiele für Entwicklungsmutanten
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276
Embryonalentwicklung
Musterbildung in der Embryonalentwicklung
terhalb einer bestimmten Schwelle aktiviert die Transkription.
Bei vielzelligen Organismen wird früh in der Embryonalentwicklung entschieden, welche Aufgabe eine Zelle übernehmen soll. Dies wird von einem System von Genen gesteuert, die in ihrer Funktion hierarchisch angeordnet sind und nacheinander zeit- und ortsspezifisch exprimiert werden. Früh werden die Grundlagen des Bauplans gelegt: die anterior-posteriore Achse mit späterer Bildung von Kopf und Gehirn bzw. Körperende, dorsal-ventrale Orientierung, Extremitäten und bei Insekten die Flügel. Die frühe Embryonalentwicklung verläuft bei Insekten (Drosophila) und Säugetieren (Mensch und Maus) nach ähnlichen Mustern. Es existieren zahlreiche Signalwege, um die Bestimmung jeder Zelle und ihre nachbarschaftlichen Beziehungen festzulegen. Die verantwortlichen Gene sind in der Evolution wegen ihrer funktionellen Bedeutung weitgehend unverändert geblieben (konserviert).
B. Die Bithorax-Mutante
A. Hierarchie von Entwicklungs-Genen Drei Klassen mütterlicher Gene bestimmen die frühe Entwicklung in verschiedenen Regionen des Embryos: (i) anterior (Kopf und Thorax), (ii) posterior (Abdomen), (iii) terminal (extreme anterior und posteriore Regionen am Kopf- und Körperende). Im Ei abgelegte mRNAs und Proteine mütterlicher Herkunft bestimmen regionale Unterschiede entlang der Längsachse. Ein Gradient der Konzentration bestimmter Proteine induziert die weiteren Schritte der Entwicklung. Ein in dieser Weise wirkendes Molekül wird als Morphogen bezeichnet und stellt ein wichtiges Prinzip der genetischen Steuerung der Embryogenese dar. Ein Morphogen für die anteriore Orientierung des frühen Drosophila-Embryos ist der Transkriptionsfaktor Bicoid (codiert vom mütterlichen Gen bcd). Am posterioren Pol wirkt das Nanos-Protein konzentrationsabhängig als Suppressor der Translation von Hunchback-mRNA. Durch den Gradienten von Bicoid und Nanos wird etwa zwei Stunden nach der Fertilisation die Transkription von Lücken-Genen veranlasst, Hunchback, Knirps und Krüppel. Die anteriore Grenze der Expression von Krüppel wird vom Gradienten des Hunchback-Proteins bestimmt. Eine hohe Konzentration unterdrückt KrüppelTranskription, eine niedrige Konzentration un-
Mutationen in Selektor-Genen resultieren in der Entwicklung von Organen an falscher Stelle, z. B. einem Bein statt einer Antenne (Homeosis). Deshalb werden sie als homeotische Gene bezeichnet. Die Bithorax-Mutante von Drosophila trägt zwei Thorax-Segmente mit Flügeln. (Photographie aus Lawrence, 1992, nach E. B. Lewis.)
C. Struktur des Antennapedia-Gens Das Selektor-Gen Antennapedia (Antp) determiniert das vierte Parasegment; Mutanten bilden ein Paar Beine statt Antennen. Es ist ein Homeobox-Gen (abgekürzt Hox). Diese für die Embryonalentwicklung wichtige Gruppe enthält einen Bereich evolutionär konservierter Sequenzen. Das Antp-Gen enthält hochkonservierte Sequenzen, eine Homeobox. Dieser Bereich codiert für etwa 60 Aminosäuren mit vier Domänen eines helikalen Proteins mit DNAbindenden Eigenschaften. Hox-Gene codieren für Transkriptionsfaktoren (S. 196 ff.).
D. Hox-Gene bei Drosophila und Maus Hox-Gene sind nach Funktion angeordnet (Gen-Cluster). Sie werden von anterior nach posterior in gegebener Reihenfolge exprimiert. Hox-Gene finden sich bei Drosophila und Vertebraten in weitgehend übereinstimmender Anordnung und Funktion (Hox-Gen-Cluster). Den einzelnen Genen des Antennapedia(ANT)Komplex mit fünf Genen (labial, lab; proboscis, pb; deformed, dfd; sex combs reduced, scr; antennapedia, antp), sowie des Bithorax-Komplex, entsprechen bei der Maus die Gene des Hox-2Clusters (mit Ziffern bezeichnet).
E. Homeobox-Gene bei Säugetieren Durch zwei Duplikationen sind in der Evolution bei Säugetieren vier Hox-Gen-Cluster entstanden. Sie spiegeln weitgehend ihre Herkunft von Drosophila wider. (Abb. modifiziert nach Lawrence, 1992 und Gehring et al., 1990). Lawrence, P. A.: The Making of a Fly. The Genetics of Animal Design. Blackwell Scientific, Oxford, 1992. Wolpert, L., et al.: Entwicklungsbiologie. Spektrum Verlag, Heidelberg – Berlin, 1999.
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Musterbildung in der Embryonalentwicklung Anterior
Gradient Mütterlicher mRNA
Posterior
bicoid (bcd)
nanos (nos)
Antennapedia-Gen Exons 1 2 DNA
3
4
Antennapedia-Protein
NH2
COOH
Translation und Wirkung auf Gap-Gene Expressionsbereiche
Krüppel Knirps
Hunchback
12
345
6 7 8 9 10 11 12 13 14
Gap-Gene bestimmen örtliches Muster
ftz
eve
Festlegen der Substruktur der Segmente
Homeo-Box 5 6 7 8
Homeo-Domäne Aminosäuren 1-10
11-21 Helix I
28-39 Helix II
41-52 53-59 Helix III Helix IV
C. Struktur des Antennapedia-Gens mit C. Homeo-Box Posterior Iab pb Dfd Scr Antp Ubx abd-A Abd-B
Anterior Drosophila ANT-C/BX-C
Maus Hox-2 Cluster Großhirn
2.9 2.8 2.6 2.1 2.2
2.3 2.4 2.5
Mittelhirn Hirnstamm Neuralrohr
embryonales Neuroectoderm 2.8
ANT UBX
Selektor-Gene bestimmen die weitere Entwicklung
2.7 2.6 2.1
Expression von Hox-2-Genen in der embryonalen Entwicklung des Gehirns der Maus
2.2 2.3 2.4 2.5
A. Hierarchie von EntwicklungsA. Genen
D. Homeotische Gene bei Drosophila D. und Hox-Gene bei der Maus Drosophila Homeo-Gene Abd-B abd-A Ubx
An Scr Dfd pb lab
Maus (Hox-1) Mensch (HOX-1)
1.7
1.1
1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
A9
A7
A6 A5 A4 A2 A1
Chromosom 3 Chromosom 6 Chromosom 7
Weitere Gen-Cluster beim Menschen: HOX-2 auf Chromosom 17q21-22 (Maus Chromosom 11) HOX-3 auf Chromosom 12q11-21 (Maus Chromosom 15) HOX-4 auf Chromosom 2q31-37 (Maus Chromosom 4)
B. Bithorax-Mutation
E. Homeobox-Gene (HOX)
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Embryonalentwicklung
Entwicklungsgenetik bei einem Vertebraten: Der Zebrafisch Der Zebrafisch (Zebrabärbling, Danio rerio) ist der erste Vertebrat der vollständig auf systematische Mutation hin untersucht worden ist. Die während der Embryonalentwicklung beobachteten Mutationen betreffen die frühe Entwicklung, die dorsoventrale Orientierung, Bildung von Notochord und der Somiten, das Gehirn und die neurale Entwicklung, die Augen, die Ohren, die inneren Organe, die Blutbildung und andere Bereiche.
A. Stadien der Embryonalentwicklung beim Zebrafisch Das Zebrafischembryo ist durchsichtig und kann mit Hilfe eines Dissektionsmikroskops bei 80facher Vergrößerung leicht untersucht werden. Etwa 29 Stunden nach der Befruchtung (1, Pharyngula-Phase) sind neben den Hauptanteilen des Gehirns, dem Vorderhirn, dem Mittelhirn und dem Endhirn auch das Neuralrohr, einige Somiten und die Grundplatte deutlich zu erkennen. Nach 48 Stunden (2, Schlüpfphase) beginnt die Pigmentierung und Strukturen wie die Flossen, die Augen, das Gehirn und das Herz werden sichtbar. Nach fünf Tagen (3, schwimmende Larve) beginnen sich die Umrisse des Fisches abzuzeichnen.
B. Induzierte Mutagenese Die Mutationen werden systematisch chemisch induziert. Ausgewachsene Fische (P) werden für ein Kreuzungsprotokoll benutzt, bei dem männliche Fische 3-mal für je eine Stunde pro Woche mit 3 mM Ethylnitroso-Harnstoff (ENU) in wässriger Lösung behandelt werden. Mutagenisierte Männchen werden mit WildtypWeibchen (+/+) gekreuzt. Die erste Generation dieser Kreuzung (F1) ist heterozygot für die induzierte genetische Mutation (+/m). Die nächste Generation (F2) entsteht aus der Paarung mit Geschwistertieren (+/+ oder +/m). Die Mutation m findet sich bei 50 % der F2-Fische. Auf diese Weise haben Haffter et al. (1996) 4264 Mutationen identifiziert.
zwischen den Somiten. Im Gegensatz zum Wildtyp mit einer normal segmentierten Wirbelsäule (1) finden sich bei fss-Mutanten dorsal und ventral verschiedene Unregelmäßigkeiten (2).
D. Der Phänotyp einer Mutation des Gehirns (no isthmus, noi) Dies ist eine von über 60 bekannten Mutationen, bei denen das zentrale Nervensystem und das Rückenmark betroffen sind (Haffter et al., 1996; Brand et al. 1996). Die no isthmus (noi)Mutation betrifft die Abgrenzung von Mittelhirn und Endhirn. Normale Embryos im 24–48Stunden-Pharyngula-Stadium zeigen eine deutliche Einschnürung zwischen Mittel- und Endhirn, die bei noi-Mutanten fehlt. Zusätzlich unterbleibt bei mutanten Fischen die Ausbildung des Kleinhirns, das normalerweise aus dem posterioren Teil entsteht. Brand et al. (1996) untersuchten die Expression von zwei Genen in dieser Region: engrailed (eng) und wingless (wnt1), beides bei Drosophila bekannte homologe Gene). Nach 28 Stunden zeigen normale frühe Embryos (wt) eine deutliche Expression von eng im Bereich zwischen dem Mittelhirn und dem Endhirn (zwei dunkel gefärbte Bereiche in der Mitte), die bei noi-Embryos fehlen. Auch bei Embryos im späteren Acht-Somiten-Stadium unterscheidet sich die Expression von engrailed und wingless, wie ein Marker für die Rhombomeren 3 und 5, Krox20RNA, zeigt. Die normale Wnt1-Expression (sichtbar als deutlich abgrenzbares dunkles Segment) im mittleren Hindbrain (MHB) fehlt bei Mutanten. Dodd, A., et al.: Zebrafish: bridging the gap between development and disease. Hum. Mol. Genet. 9: 2443–2449, 2000. Brand, M., et al.: Mutations in zebrafish genes affecting the formation of the boundary between midbrain and hindbrain. Development 123: 179–190, 1996. Haffter, P., et al.: The identification of genes with unique and essential functions in the development of the zebrafish, Danio rerio. Development 123: 1–36, 1996.
C. Der Phänotyp einer Mutation des Skeletts (fused somites, fss) Fische mit einer fss-Mutation zeigen 72 Stunden nach Befruchtung eine abnorme Segmentierung der Wirbelsäule mit gestörten Grenzen
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279
Entwicklungsgenetik bei einem Vertebraten: Der Zebrafisch Neuralrohr
hinteres Gehirn
Notochord
Somiten
ENUExposition von Spermatogonien
P
Mittelgehirn Frontalhirn
Auge
F1
1. 29 Std. Pharyngula Phase Neurocoel
+/+
+/m
Horizontales Myoseptum Familien
F2
Herz
2. 48 Std. Ausschlüpf-Phase +/+ oder +/m
Ohr Auge Leber Schwimmblase Darm
3. 5 Tage, schwimmende Larvae A. Embryo-Stadien untersucht
F3 +/+
+/+
+/+
+/m
zufällige Paarungen
+/m +/+ +/m +/m 25% mutante Nachkommen
B. Induzierte Mutagenese Dorsal
Ventral
1. Wildtyp
2. fss Mutante C. Skeletale Phänotypen bei fused somites (fss) Mutationen
Wildtyp
Wildtyp
Engrailed-positiv
Eng/Krox 20
Mutant
Mutant
noi-negativ
Wildtyp
Wnt 1 Expression normal
Eng-negativ
D. Mittelgehirn-Mutation no isthmus (noi)
Mutant
Wnt1 Expression bei MHB aufgehoben
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280
Embryonalentwicklung
Entwicklungsprogramm für einzelne Zellen (C. elegans) Bei einem kleinen, im Erdreich lebenden Wurm, dem Nematoden Caenorhabditis elegans wurde in den vergangenen zwanzig Jahren das Entwicklungsprogramm jeder einzelnen Zelle bestimmt. Dieser Organismus ist ein 1965 von Sydney Brenner eingeführtes Modell für eine genetische Analyse im Hinblick auf ihre Differenzierung während der Ontogenese. Dies hat wesentliche Einblicke in die Interaktion genetischer, anatomischer und physiologischer Merkmale und Herkunft jedes Zelltyps vermittelt, die bei höheren Tieren einer Analyse entzogen sind.
A. Caenorhabditis elegans C. elegans ist ein kleiner, durchsichtiger Wurm von etwa 1 mm Länge und einem Lebenszyklus von etwa drei Tagen. Der Bauplan besteht aus einem bilateral symmetrisch langgestreckten Körper aus Nerven, Muskel, Haut und Darm (Abbildung aus W. B. Wood 1998, nach Sulston und Horvitz 1977). Er existiert in zwei Geschlechtern, als Zwitter (Hermaphrodit) und männlich. Hermaphroditen produzieren Oocyten und Spermien, und können mittels Selbstfertilisation reproduzieren. Der erwachsene hermaphroditische Wurm hat 959 somatische Zellkerne, der erwachsene männliche Wurm 1031. Es kommen 1000 bis 2000 Keimzellen hinzu. Die Nukleotidbasen-Sequenz des 97-Mb großen Genoms von C. elegans wurde 1998 ermittelt. Es enthält 19 099 Gene, davon etwa 12 000 zunächst ohne bekannte Funktion. Auf codierende DNA entfällt 27 % des Genoms und auf Introns 26 %. Etwa 32 % der codierenden Sequenzen ähneln dem Menschen. Bei etwa 70 % der beim Menschen bekannten Proteine findet sich ein homologes Protein bei C. elegans. Die größten Gruppen sind Transmembran-Rezeptoren (790), vor allem Chemorezeptoren, Transkriptionsfaktoren vom Zinkfinger-Typ (480, vgl. S. 200) und Proteine mit Proteinkinase-Funktion (S. 250 ff.).
B. Herkunft jeder einzelnen Zelle Es lässt sich der Entwicklungsweg jeder einzelnen Zelle verfolgen. Alle Gewebe entstehen aus sechs Gründerzellen. 302 von 959 sind Nervenzellen. Mit Ausnahme der Zellen des Darms und der Keimbahn stammen differenzierte Ge-
webe von verschiedenen Gründerzellen ab. Zellen gleicher Funktion sind nicht unbedingt verwandt, andererseits können Zellen mit verschiedener Funktion gleicher Herkunft sein. Genetisch determinierte Regeln bestimmen an jeder Verzweigung das weitere Schicksal der beiden Tochterzellen.
C. Mutationen in Genen der Entwicklungskontrolle Durch Analyse von Ethylmethansulfonat-induzierten Punktmutationen konnten viele Entwicklungskontroll-Gene identifiziert werden. Einige Mutanten bestimmen einen falschen Zelltyp (z. B. Z statt B), andere fällen die Entscheidung auf einer zu frühen oder zu späten Stufe (Teilungsmutanten), z. B. zweimal C statt B und C.
D. Programmierter Zelltod (Apoptose) Im Laufe der Embryoentwicklung von C. elegans stirbt eine von acht somatischen Zellen regelhaft zu einem definierten Zeitpunkt und Verzweigungsort ab (1). Die Photographien (2) zeigen einen Zelltod (Zelle P11.aap) im Ablauf von etwa 40 Minuten (aus Wood 1998, nach Sulston und Horvitz 1977). Mutanten, die den programmierten Zelltod verhindern, können zu schwerwiegenden Störungen führen. Die Gene ced-3 und ced-4 induzieren bei C. elegans Apoptose. Das Gen ced-9 bei C. elegans verhindert Apoptose. Veränderungen in einem zu ced-9 homologen Gen beim Menschen, BCL-2 auf Chromosom 18, lösen einen bösartigen Tumor in B-Lymphocyten des Immunsystems aus (Follikuläres Lymphom), weil in einem bestimmten Stadium der Zelldifferenzierung der programmierte Zelltod nicht eintritt (Abb. nach Wood et al., 1998). The C. elegans Sequencing Consortium: Genome sequence for the nematode C. elegans: A platform for investigating biology. Science 282: 2012–2018, 1998. Culetto, E., Sattelle, D. B.: A role for Caenorhabditis elegans in understanding the function and interactions of human disease genes. Hum. Mol. Genet. 9: 869–878, 2000. Jorgensen, E. M., Mange, S. E.: The art and design of genetic screens: Caenorhabditis elegans. Nature Rev. Genet. 3: 356–369, 2002. W. B. Wood and the Community of C. elegans Researchers: The Nematode Caenorhabditis elegans. Monograph 17, Cold Spring Harbor, New York, 1998.
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281
Entwicklungsprogramm für einzelne Zellen (C. elegans) 1.2 mm
Hermaphrodit Pharynx
Darm Ovar
Oviduct Oocyten Uterus Eier Vulva
Rectum
Anus
Männlich Darm
Pharynx
Testis
Vas deferens
Kloake
Fächer
A. Caenorhabditis elegans Zygote
6 Gründerzellen: AB, MS, E, C, D, P4
P1 AB
P2 MS
E
P3
C D
Nervensystem Vorderer Pharynx Hypodermis
Muskulatur Hinterer Pharynx Gonaden somatischer Teil
Darm
Neuronen Hypodermis Muskel
B. Embryonale Herkunft der einzelnen Zellen normal
Selektionsmutante für falschen Zelltyp
A
Teilungsmutante für falsche Zellinie
A
A 2.
B
C
D
Z
E
C
D
C
E
D
C
E
D
C. Mutationen in EntwicklungskontrollC. Genen
X
E
X
1. D. Programmierter Zelltod (X)
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P4 Keimbahn
282
Embryonalentwicklung
Embryonale Gene bei einem Pflanzenembryo Blütenpflanzen unterscheiden sich in der endgültigen Form erheblich, aber in der Embryonalphase durchlaufen sie ähnliche Stadien, die den Bauplan bestimmen. Ein wichtiges Modell für die genetische Analyse bei Pflanzen ist die Ackerschmalwand, Arabidopsis thaliana. Sie ist klein, hat eine kurze Generationszeit und hat ein relativ kleines Genom von 130 Mb (130×106 Basenpaare), dessen Sequenz entschlüsselt ist. Drei Klassen von Genen mit zahlreichen Allelen determinieren die Organisation des Pflanzenembryos entlang einer Achse.
A. Normale Entwicklung und Aufbau Der grundlegende Bauplan lässt sich aus der Überlagerung eines axialen und eines radialen Musters verstehen. Bevor der Keimling gebildet ist, lassen sich ein Octant-Stadium, ein Globular-Stadium und ein herzförmiges Stadium unterscheiden. Die Regionen A', C' und B' im Octant-Stadium entsprechen den Regionen A, C und B im sog. Herz-Stadium. Region A bildet die Kotelydonen und das Meristem, C die Hypokotyl-Region und B die Wurzel. Der Keimling besteht aus einer Reihe von identifizierbaren Strukturen einschließlich Gefäßen (v), äußerer Epidermis (e), Short Meristem (s), Kotelydonen (c) und Hypokotyl (h). Im Herzstadium ist der prinzipielle Aufbau der Pflanze vorgegeben.
B. Deletionen im apicalen-basalen Muster Die Mutanten wurden durch 0.3 % Ethylmethansulfonat induziert. Durch Komplementationsanalyse ermittelten Mayer et al. (1991) Mutanten in drei Bereichen des Pflanzenaufbaus: apikal, zentral und basal. Apical-basale Deletionen können mehrere Gene betreffen, die jeweils zu einem charakteristischen Phänotyp führen: Apicale Deletion (Gurke), zentrale Deletion (Fackel), basale Deletion (Monopteros) und terminale Deletetion (Gnom).
D. Phänotyp embryonaler Mutanten Die vier mutanten Phänotypen im apical-basalen Muster sind Gurke (9 Allele), Fackel (5 Allele), Monopteros (11 Allele) und Gnom (15 Allele) (vgl. Tafelteil B). Deletionen im radialen Muster führen zum Phänotyp Keule (9 Allele) und Knolle (2 Allele). Mutanten der Form sind Fass (12 Allele), Knopf (6 Allele) und Mickey (8 Allele) (Abb. aus U. Mayer et al., 1991). Das monopteros-Gen (mp) ist offenbar ein für die apicale-basale Entwicklung besonders wichtiges Gen. Jedoch hat es auch indirekte Wirkung auf die räumliche Anordnung der apicalen Strukturen. Für die Entwicklung der Wurzel wird es nicht benötigt (Berleth & Jürgens, 1993). Berleth, T., Jürgens, G.: The role of the monopteros gene in organising the basal body region of the Arabidopsis embryo. Development 118: 575–587, 1993. Jürgens, G.: Memorizing the floral ABC. Nature 386: 17, 1997. Lin, X., et al.: Sequence and analysis of chromosome 2 of the plant Arabidopsis thaliana. Nature 402: 761–768, 1999. Mayer, U., et al.: Mutations affecting body organization in the Arabidopsis embryo. Nature 353: 402–407, 1991. Pelaz, S., et al.: B and C floral organ identity functions require SEPALLATA MADS-box genes. Nature 405: 200–203, 2000. Sommerville, C., Sommerville, S.: Plant functional genomics. Science 285: 380–383, 1999. Sommerville, C., Koornneef, M.: A fortunate choice: the history of Arabidopsis as a model plant. Nature Rev. Genet. 3: 883–889, 2002. The Arabidopsis Genome Initiative: Analysis of the genome sequence of the flowering plant Arabidopsis thaliana. Nature 408: 796–815, 2000.
C. Wildtyp Der normale Aufbau von Arabidopsis resultiert aus Bildung von Mustern (apicale-basale und radiale Orientierung) und Morphogenese durch unterschiedliche Zellformen, sowie regional verschiedene Zellteilungen.
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Embryonale Gene bei einem Pflanzenembryo Region der Deletion
A C B
Octant
Mutanter Phänotyp
Gene
apical
Gurke
central
Fackel
A C B
Herz
S e g v
Monopteros basal
C h
terminal v
Keimling
A. Normale Entwicklung A. und Aufbau
Gurke
Gnom
B. Deletionen im apical-basalen B. Muster
Fackel
C. Wildtyp
Monopteros Apical - basale Deletionen
Knolle Keule Radiale Deletionen
Fass
Knopf Form-Mutanten
D. Phänotyp embryonaler Mutanten
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Gnom
Mickey
283
284
Immunsystem
Komponenten des Immunsystems Vielzellige Organismen müssen sich eindringender einzelliger Mikroorganismen erwehren. Unter diesem selektiven Druck haben Wirbeltiere in der Evolution ein effektives Abwehrsystem entwickelt, das Immunsystem. Es muss rasch und präzise sein und fremde von eigenen Zellen zuverlässig unterscheiden. Das Immunsystem besteht aus zahlreichen Komponenten. Herausragende Bedeutung haben zwei Klassen von Zelltypen, Lymphocyten vom B-Typ (B-Zellen) und vom T-Typ (T-Zellen). Sie verfügen über die Fähigkeit, kooperativ ein enormes Repertoire verschiedener, spezifischer Moleküle (Antikörper) zu bilden. Diese können fremde Zellen und Proteine (Antigene) erkennen, an spezifische Rezeptoren binden (Antigen-Antikörper-Bindung) und infizierte eigene Zellen gezielt zerstören. Zusätzlich haben sie Gedächtnisfunktionen zur Wiedererkennung. Die erforderliche genetische Unterschiedlichkeit wird durch Immunsystem-spezifische somatische Rekombination und Mutation während komplexer Differenzierungsschritte der Zellen und ihrer Effektormoleküle erreicht.
A. Lymphatische Organe Das Immunsystem besteht aus Lymphocyten des peripheren Blutes und lymphatischen Organen (lymphoide Gewebe). Die primären lymphoiden Gewebe sind Thymus und Knochenmark. Sekundäre lymphoide Gewebe sind Lymphknoten in verschiedenen Bereichen des Körpers, vor allem im Nasen-Rachenraum, Achselhöhlen, Leistenbeugen und Darm.
B. Lymphocyten und Immunantwort Der Mensch hat 1010 Lymphocyten. Sie sind die Träger der Immunantwort. Ist die normale Immunantwort einer Maus nach Gabe eines Antigens (Fremdorganismus, fremde Molekülstruktur) durch Röntgenstrahlen einer bestimmten Dosis zerstört (das Immunsystem ist besonders strahlenempfindlich), so kann dies durch Lymphocyten einer genetisch identischen (bei Inzuchtstämmen) unbestrahlten Maus wiederhergestellt werden. Die Übertragung anderer Zellen vermag dies nicht.
Thymus, daher die Bezeichnung T-Zelle. B-Zellen differenzieren in verschiedenen Stadien bei Säugetieren im Knochenmark (bone marrow), bei Vögeln in der Bursa Fabricii (daher die Bezeichnung B-Zelle). Weitere Differenzierungsschritte erfolgen in Lymphknoten (T-Zellen) und der Milz (B-Zellen). T-Zellen und B-Zellen kooperieren miteinander sowie mit einem weiteren genetischen System, dem MHC (S. 292).
D. Zelluläre und humorale Antwort Die erste Phase der durch ein Antigen ausgelösten Immunantwort besteht aus rascher Proliferation von B-Zellen (humorale Immunantwort). Sie bilden gegen das Antigen gerichtete freie Antikörper (Immunglobuline). Die humorale Immunantwort kann aber bereits in Körperzellen eingedrungene Fremdorganismen nicht erfassen. Dies obliegt der zellulären Immunantwort.
E. Antikörper: Molekulare Grundstruktur Das prinzipielle Strukturmotiv eines Antikörpermoleküls ist ein Y-förmiges Protein aus zwei schweren Ketten (H-Kette) und zwei leichten Ketten (L-Kette). Sie werden durch DisulfidBindungen zusammengehalten. L-Kette und HKette bestehen aus variablen und konstanten Bereichen (Aminosäuren-Sequenzen).
F. Antigen-Antikörper-Bindung Im Bereich der Antigen-Bindungsstelle wird das Antigenmolekül fest gebunden. Drei hypervariable Regionen unterscheiden sich in der Aminosäuren-Sequenz von einem Molekül zum anderen. Dies führt dazu, dass ein breites Spektrum von verschiedenen Antigenmolekülen gebunden werden kann (Abbildungen modifiziert nach Alberts et al., 1994). Abbas, A. K., Lichtman, A. H., Pober, J. S.: Cellular and Molecular Immunology, 3rd ed. W. B. Saunders Company, Philadelphia, 1997. Alberts, B., et al.: Molecular Biology of the Cell. 4th ed. Garland Publ., New York, 2002. Nossal, G. J.: The double helix and immunology. Nature 421: 440–444, 2003. Schwartz, R. S.: Diversity of the immune repertoire and immunoregulation. New Eng. J. Med. 348: 1017–1026, 2003.
C. T-Zellen und B-Zellen T-Zellen durchlaufen während der Embryonalund Fetalentwicklung eine Differenzierung im
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Komponenten des Immunsystems sekundäre lymphoide Gewebe
primäre lymphoide Gewebe
T-Zellen
B-Zellen Antigen: Bakterien Vire Pilze Fremdprotein
Lymphknoten Thymus
Milz
Lymphknoten
Kooperation
Knochenmark
zellulär
humoral
Lymphknoten
freie Antikörper
A. Lymphatische Organe
D. Zelluläre und humorale Immunantwort
Antigen
Immunantwort
NH2
NH2 variable Bereiche
Bestrahlung L-Kette
Antigen
C konstante Bereiche
H-Kette
Antigen
Immunantwort
C
keine Immunantwort
COOH
Lymphocyten
B. Lymphocyten und Immunantwort
E. Antikörpermolekül (Grundstruktur)
Thymus
Antigen-Bindungsstelle 1
Stammzelle
drei hypervariable Regionen
2
T-Zelle
3
B-Zelle Bursa Fabricii bei Vögeln Knochenmark
Säugetiere
C. T-Zellen und B-Zellen
lymphoide Gewebe
H-Kette
L-Kette
F. Antigen-Antikörper-Bindung
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286
Immunsystem
Immunglobin-Moleküle Immunglobuline (Ig) sind die Effektor-Moleküle des Immunsystems. Sie sind entweder membrangebunden an der Zelloberfläche (für die zelluläre Immunantwort) oder freie Antikörper (für die humorale Immunantwort). Ihre enorme Diversität von ca. 107 –109 verschiedenen Varianten befähigen sie zur Bindung an entsprechend viele Varianten von Antigenen. Je ein Vertreter verschiedener Gruppen von Genen codieren für eine gegebene Variante eines Ig-Moleküls. Nur eines der beiden Allele wird exprimiert (bezeichnet als allelische Exklusion).
A. Immunglobulin G (IgG) Dies ist der Prototyp eines Immunglobulin-Moleküls. Es wird von Abkömmlingen der BLymphcyten produziert, den Plasmazellen. Das Molekül besteht aus zwei schweren und zwei leichten Ketten (H-Ketten bzw. L-Ketten, abgeleitet von heavy und light nach dem Atomgewicht). Jede H-Kette besteht aus drei Regionen mit konstanter Sequenz von Aminosäuren (CH1, CH2, CH3 aus je 110 Aminosäuren, CH3 am Carboxy-Ende, C) und einer variablen Region (VH aus 109 Aminosäuren am Amino-Ende, N) mit variabler, für jedes Molekül eigenen Sequenz von Aminosäuren (insgesamt 446). Jede L-Kette besteht aus einer konstanten und einer variablen Region (CL und CV) mit 214 Aminosäuren, davon ebenfalls 109 in der variablen Region. Die variable Region der H-Ketten und der LKetten enthalten die Bindungsstelle für ein Antigen mit drei hypervariablen Regionen (CDRs, complementarity-determining regions). Die Hund die L-Ketten sind an drei definierten Stellen durch Disulfid-Brücken verbunden (-S-S-). Zwischen der konstanten Region 1 (CH1) und 2 (CH2) befindet sich eine Scharnierregion (engl. Hinge), die dem Molekül Beweglichkeit verleiht, so dass der Winkel zwischen den beiden Schenkeln des Y eines nicht-membrangebundenen Immunglobulins frei verändert werden kann (die Abb. ist schematisiert eindimensional; das Molekül hat eine hier nicht gezeigte präzise dreidimensionale Struktur). L-Ketten kommen in zwei Varianten vor, Kappa und Lambda (L O und Q ), codiert von verschiedenen Genen. Antikörpermoleküle kommen in verschiedenen, als Isotypen bezeichneten Klassen vor: IgA, IgD, IgE, IgG und IgM, die in ver-
wandte Subtypen eingeteilt werden, z. B. IgG1, IgG2, IgG3. Sie unterscheiden sich durch die konstanten Regionen der H-Ketten (C § bei IgA, C ˇ bei IgD, C 4 bei IgE). IgM ist ein sehr großes Molekül aus fünf IgG-Untereinheiten. Es kann im Gegensatz zu den anderen nicht durch die Plazenta in den Fetalkreislauf gelangen.
B. T-Zellrezeptor (TCR) Der Antigenrezeptor an der Oberfläche der TZellen ist ein Heterodimer aus kovalent gebundenen Polypeptid-Ketten, einer § - und einer g Kette. Die g -Kette ist geringfügig größer. Die konstante Region der § - und g -Ketten (C) besteht aus je etwa 140–180 Aminosäuren, die von vier Exons, entsprechend vier Domänen codiert werden. Die variable Region (V) besteht aus 102–109 Aminosäuren und enthält drei hypervariable Regionen, wie das ImmunglobulinMolekül. Ferner gibt es T-Zellrezeptor + - und ˇ Gene. Der TCR ˇ -Locus liegt beim Menschen auf Chromosom 14 innerhalb der Loci für TCR § und + , für TCR g auf Chromosom 13.
C. Gene für Ig-Moleküle Die einzelnen Domänen eines Immunglobulins werden von Sequenzen aus Serien von verschiedenen Genen codiert. Die variable (VL) und die konstante Domäne (CL) der leichten LKetten wird von je einer genetischen Region der entsprechenden L-Kette codiert. Beim Menschen und bei der Maus codieren in der embryonalen DNA eine Region für zahlreiche Gene der H-Kette und je eine Region für die Bildung der beiden L-Ketten (Kappa und Lambda). Diese Gen-Regionen liegen auf verschiedenen Chromosomen, beim Menschen für die H-Kette auf dem langen Arm von Chromosom 14 (14q32), für die Kappa-Kette auf dem kurzen Arm von Chromosom 2 (2p12) und für die Lambda-Kette auf dem langen Arm von Chromosom 22 (22q11). Bei der Maus liegen sie auf Chromosom 14 (H-Kette), Chromosom 6 (Kappa) und Chromosom 16 (Lambda). Abbas, A. K., Lichtman, A. H., Pober, J. S.: Cellular and Molecular Immunology. 3rd ed. Saunders, Philadelphia, 1997. Delves, P. J., Roitt, I. M.: The immune system. Two parts. New Eng. J. Med. 343: 37–49 and 108–117, 2000. Nossal, G. J.: The double helix and immunology. Nature 421: 440–444, 2003. Schwartz, R. S.: Diversity of the immune repertoire and immunoregulation. New Eng. J. Med. 348: 1017–1026, 2003.
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Immunglobin-Moleküle AntigenBindungsbereich VL
N N S
S
N
CDR
N
S
S
S
S
C C
S
S
S
S
S
S
S
S
CL
S
S
S
S
S
S
VH
L-Ketten
CH1
Gelenk
CH2
S
S
S
S
β-Kette
S
S
S
S
Hypervariable Regionen
N
N α-Kette
S
S
S
S
S
S
S
S
V
V extrazellulär
CH3
S
S
S
S
C
S
C
C
S
ZellplasmaMembran
C
H-Ketten
B. T-Zellrezeptor
A. Immunglobulin G VL
Gene für L-Ketten
C
C
intrazellulär
CL Gene für H-Kette
AntigenBindungsstelle
VH
VL
CH1
CL
VH CH1
S S
CH2
CH3 IgG
C. Die verschiedenen Domänen eines Immunglobulin-Moleküls werden von C. verschiedenen Genen codiert
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H CH2
CH3
288
Immunsystem
DNA-Rearrangement in Immunglobulin-Loci Die für Immunglobulin-Moleküle codierenden Gene sind bei allen untersuchten Lebewesen in ähnlicher Weise in drei Gruppen (für die HKette und die beiden L-Ketten) auf verschiedenen Chromosomen angeordnet. Sie erstrecken sich über 1000–2000 kb (Kilobasen, 1–2 Millionen Basenpaare) genomischer DNA. Jedes Gen besteht aus einer für jede Region gegebenen Anzahl codierender Abschnitte. Für jede Kette wird nach Zufall eines der vorhandenen Abschnitte durch Rekombination mit einem der anderen verknüpft. Da dies im Gegensatz zur Meiose in somatischen Zellen (Körperzellen) stattfindet, wird dieser Vorgang als somatische Rekombination bezeichnet. Dies geschieht während der Differenzierung der B-Lymphocyten und der T-Lymphocyten. Die Folge ist ein großes Repertoire von Zellen mit einem für jede Zelle spezifischen Genotyp. Antikörperund T-Zellrezeptor-Diversität wird nach folgenden Prinzipien erzeugt: (i) unterschiedliche Zusammensetzung der H- und der L-Ketten, (ii) DNA-Rearrangements durch somatische Rekombination, (iii) somatische Mutation in den drei hypervariablen Regionen. Hier wird das Prinzip der DNA-Rearrangements durch somatische Rekombination am Beispiel einer H-Kette eines IgM-Moleküls vorgestellt. Für die L-Ketten und den T-Zellrezeptor erfolgt dies in gleicher Weise.
A. Somatische Rekombination bei der Bildung von ImmunglobulinMolekülen Gene für die verschiedenen Regionen eines Immunglobulin-Moleküls liegen in genomischer DNA (auch als embryonale DNA bezeichnet) vor. Die Regionen einer hier als Beispiel gezeigten H-Kette werden aus verschiedenen codierenden Anteilen (Exons) zusammengefügt. Für die variable Region sind dies etwa 100–200 im 5'-Bereich liegende Exons der V-Region von je 300 Basenpaaren (gezeigt als V1–Vn), die durch unterschiedlich lange Abschnitte nichtcodierender DNA getrennt sind. Jedes Exon hat am 5'-Ende 60–90 bp Signal-Sequenzen, Leader-Sequenz (L) für die richtige Wegfindung zum endoplasmatischen Retikulum und für die Initiation der Translation. Zwölf Diversitäts-Abschnitte (D1–D12, nur beim H-Ketten-Locus),
sowie Joining-Abschnitte, hier dargestellt als J1–J4 aus sechs funktionalen und drei Pseudogenen. In unterschiedlichen Abständen liegen im 3'-Bereich die Gene für die konstanten Regionen. Sie sind hintereinander tandemartig für jede Spezies charakteristisch angeordnet (hier nur C ? und C ˇ gezeigt). Durch somatische Rekombination in Lymphocyten-DNA werden die D- und die J-Abschnitte zusammengefügt (D-J-Verknüpfung). Darauf wird, ebenfalls durch somatische Rekombination, eines der Exons des V-Gens (hier als V1 bezeichnet) mit einem der D-Abschnitte verknüpft (V-D-J-Verknüpfung). Die auf diese Weise umgeordnete DNA wird transkribiert, das primäre Transkript durch RNA-Spleissen verarbeitet (hier gezeigt: J2–J4, sowie C ˇ entfernt). Die dadurch entstandene mRNA wird translatiert und das resultierende Polypeptid durch das Leaderpeptid (L) an seinen Zielort geleitet. Durch weitere, posttranslationale Verarbeitung wie Entfernen des Leaderpeptids und Zufügen von Zuckerresten (Glycosylierung) entsteht die reife H-Kette. Nach diesem Prinzip werden auch die L-Ketten (sie haben keine DAbschnitte) und der T-Zellrezeptor hergestellt. Die freie Rekombination der einzelnen Abschnitte ergibt allein für die H-Kette etwa 10 000–40 000 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. In jeder Zelle ist nur eine verwirklicht, exprimiert von nur einem der beiden Allele. Abbas, A. K., Lichtmann, A. H., Pober, J. S.: Cellular and Molecular Immunology. 3rd ed. W. B. Saunders, Philadelphia, 1997. Nossal, G. J.: The double helix and immunology. Nature 421: 440–444, 2003. Schwartz, R. S.: Diversity of the immune repertoire and immunoregulation. New Eng. J. Med. 348: 1017–1026, 2003.
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DNA-Rearrangement in Immunglobulin-Loci
L1
V1
Ln
Vn
D1-D12
J1-J4
Cδ
Cµ
5'
Embryonale DNA
D - J-Verknüpfung
Rearrangement in Lymphocyten-DNA L1
V1
Ln
Vn
D1 D2 J1
Cδ
Cµ
J2-J4
5'
3'
V- D- J -Verknüpfung
L1
V1
D2 J1
Cδ
Cµ
J2-J4
5'
3'
Transkription
5'
L1
V1
D2 J1
J2-J4
Primäres RNA-Transkript
Cδ
Cµ
3'
RNA-Verarbeitung (Splicing)
L1
V1
D2 J1
mRNA
Cµ AAA
Translation
L
V
D J
C
Polypeptid
Verarbeitung, Glycosylierung des Proteins V
D J
C
H-Kette
A. Somatische Rekombination bei der Bildung von Immunglobulin-Molekülen
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3'
290
Immunsystem
Mechanismen der Umordnung der Immunglobulin-Gene Die aus somatischer Rekombination resultierende Umordnung der verschiedenen codierenden Abschnitte der Ig-Gene in LymphocytenDNA geschieht mittels koordinierter Aktivitäten von Lymphocyten-spezifischen Rekombinasen und zahlreichen an der DNA-Reparatur beteiligten Proteinen. Die Rekombinasen schneiden die DNA an spezifischen Erkennungssequenzen. Diese befinden sich am 3'Ende jedes Exons der variablen Sequenzen (VRegion) und am 5'-Ende jedes J-Abschnitts, sowie an beiden Seiten jedes D-Abschnitts (vgl. S. 288). Mutationen in einem für die Rekombinan codierenden Gen, z. B. einem der beiden Gene (RAG-1 und RAG-2), führen zu mangelnder Immunkompetenz, die in einer lebensbedrohlichen Immundefizienz-Krankheit resultiert.
A. DNA-Erkennungssequenzen für Rekombination in Immun-Genen Die Erkennungssequenzen sind nicht-codierende, aber hochkonservierte DNA-Abschnitte von 7 Basenpaaren (Heptamer) bzw. 9 Basenpaaren (Nonamer). Sie sind durch einen Spacer (Platzhalter) von 23 Basenpaaren bzw. 12 Basenpaaren in genau festgelegtem Abstand getrennt. Stromaufwärts (5'-Richtung) und stromabwärts (3'-Richtung) eines D-Segments hat der Spacer eine Länge von je 12 Basenpaaren. Das für Ig-Moleküle und TCR-Rezeptor charakteristische Rearrangement zwischen benachbarten Signalsequenzen ist offenbar nur möglich, wenn die dazwischenliegenden Spacer (Platzhalter) unterschiedlich lang sind, d. h. 12 bzw. 23 Basenpaare betragen (sog. 12/23Regel). Bei der Bildung einer H-Kette findet eine nicht-homologe Paarung des Heptamers eines D-Segments und eines J-Segments statt. Durch Rekombination kommt es zur Verknüpfung eines D-Segments und eines J-Segments (D-J-Verknüpfung). Im Bereich der Spacer von 12 bzw. 23 Basenpaaren, sowie der gesamten dazwischenliegenden DNA kommt es zu einer Schleifenbildung. Durch Herausschneiden der zwischen dem jeweiligen D- und J-Segment liegenden DNA werden ein D-Segment und ein JSegment verknüpft. Durch Paarung und Rekombination der Erkennungssequenzen am 5'Ende des DJ-Segments und der Erkennungsse-
quenzen am 3'-Ende eines V-Gens kommt es zur Verknüpfung eines V-Segments mit dem DJ-Segment. In analoger Weise verläuft die Rekombination von Genen für die Bildung des TZellrezeptors (vgl. S. 294) (Abb. modifiziert nach Abbas et al., 1997).
B. Kombinatorische Diversität des Antikörper-Repertoire Drei wesentliche Mechanismen erzeugen die ungeheure Zahl von verschiedenen Ausgaben von Immunglobulinen (H- und L-Ketten) sowie des T-Zellrezeptors (TCR, bestehend aus zwei Typen mit je zwei Unterheiten § und g bzw. + und ˇ ): (i) Somatische Rekombination verschiedener Gen-Abschnitte (Exons) in Lymphocyten-DNA, (ii) Diversität in den verbindenden Abschnitten in den V-, D- und J-Genen (Juvtional Diversity), (iii) verschiedene Kombinationen von H-Ketten und der beiden Typen von L-Ketten der Immunglobuline. Die Junctionale Diversität wird durch zwei Mechanismen erzeugt, die den Effekt einer somatischen Mutation haben: ungenaue DNA-Verknüpfung zwischen V und D, und zufälliges Hinzufügen von Nukleotiden. Beides führt entweder zum Einbau einer varianten Aminosäure oder verschiebt das Leseraster und wird nicht exprimiert. Angesichts der großen Zahl entstehender Moleküle spielt das keine Rolle. Die Gesamtdiversität in Immunglobulinen und T-Zellrezeptoren beträgt 1018 kombinatorische Möglichkeiten. (Daten und Tabelle nach Abbas et al., 1997; Davies & P. J. Bjorkman, 1988.) Abbas, A. K., Lichtman, A. H., Pober, J. S.: Cellular and Molecular Immunology. 3rd ed. W. B. Saunders, Philadelphia, 1997. Agrawal, A., Schaz, D. G.: RAG1 and RAG2 form a stable postcleavage synaptic complex with DNA containing signal end in V(D)J recombination. Cell. 89: 43–53, 1997. Davies, M. M., Bjorkman, P. J.: T-cell receptor antigen genes and T-cell recognition. Nature 334: 395–402, 1988.
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Mechanismen der Umordnung der Immunglobulin-Gene
codierende DNA
nicht codierende DNA Nonamer
Heptamer
7
V
Erkennungssequenzen
ACAAAAACC TGT T T T TGG
CACAGTG GT GTCAC
9
23bp Spacer
codierende DNA 9
nicht codierende DNA 7
12bp
7
D
Spacer
Spacer
Rekombination
D 7
J
D
J D-J-Verknüpfung
12 9
7
J
Rekombination
7
23
codierende DNA 23bp
9
V
9
12bp
J
D 7
7
23
12
9
9
9
V/D-J-Verknüpfung V
J
D
A. DNA-Erkennungssequenzen für Rekombination Mechanismen
Immunglobulin H-Kette L-Ketten
Variable Abschnitte
250 – 1000
Anzahl D-Segmente
250
TCRαβ
TCRγδ
α
β
γ
δ
75
25
7
10
12
0
0
2
0
2
Anzahl J-Segmente
4
4
50
12
2
2
Variable Segment-Kombination
65 000 – 250 000 ca.1011
Gesamtdiversität
1825 ca.1016
B. Genetische Diversität in Immunglobulin- und T-Zellrezeptor-Genen
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70 ca.1018
292
Immunsystem
Die MHC-Region Die MHC-Region (major histocompatiblity complex; großer GewebsunverträglichkeitsKomplex) ist eine Region zahlreicher, polymorpher Gene (mit jeweils 10–50 oder mehr Allelen pro Locus). Diese Region erstreckt sich über 3500 kb DNA auf dem kurzen Arm von Chromosom 6 des Menschen und Chromosom 17 der Maus. Die in nur kurzen Abschnitten eng beieinander liegenden Genloci (enge genetische Kopplung, S. 126) werden drei verschiedenen Klassen zugeordnet, Klasse-I, II, und III. Die Genprodukte der Klasse I- und Klasse-IIMHC-Gene spielen eine zentrale Rolle in der Immunantwort. Sie sind Zelloberflächenrezeptoren aus heterodimeren (zwei ungleichen) Molekülen. Nur mit ihrer Hilfe können TLymphocyten freie oder lösliche, an MHC-Moleküle gebundene Peptide erkennen, die aus einem Antigen stammen.
A. Struktur des MHC-Komplex Die MHC-Loci der Klasse I codieren beim Menschen für die HLA-A (abgeleitet von der ursprünglichen Bezeichnung Human Leukocyte Antigen), HLA-B, HLA-C (sowie weitere Typen) Zelloberflächenproteine, bei der Maus für das H2-System, bestehend aus D- und L-Genen, sowie einer getrennt lokalisierten Gruppe K in Richtung des Centromers oberhalb der KlasseII-Genregion. Die MHC-Loci der Klasse II bestehen aus dem HLA-D-System mit drei Abschnitten DP, DQ und DR. Dies entspricht bei der Maus der I-Region (I-A und I-E, Buchstabe großes I, nicht römisch I). Zwischen Klasse I und Klasse II liegen Gene der Klasse III. Sie gehören dem Complement-System und anderen Funktonsbereichen an, die nicht direkt an der Immunantwort beteiligt sind.
B. Genomische Organisation der MHCLoci Die MHC-Klasse-II-Moleküle sind Zelloberflächen-Glykoproteine mit einer § - und einer g Kette von 32 bzw. 28 kD, die von mindestens 7 A-Genen und 16 B-Genen codiert werden. Ihre Exon-Intron-Organisation ist ähnlich. Sie werden verschiedenen Gruppen zugeordnet: DP, DQ und DR mit weiteren Subregionen. Hier wird nur eine begrenzte Auswahl gezeigt, AGene als § und B-Gene als g . Bei den Klassen-IGenloci gibt es neben HLA-A, -B und -C zahlrei-
che weitere Loci (bis HLA-H). Die Gene der Klasse I und Klasse II haben bis zu 150 verschiedene Allele. Keine anderen Gene sind derart polymorph. Nur einige der Loci der Klasse III sind hier gezeigt wie TNF (Tumor-Nekrosefaktor) und LT (Lymphotoxin), Mitglieder einer Rezeptor-Familie, und andere nicht an der Immunantwort beteiligte Loci. Die sich über 3500 kb erstreckende MHC-Region entspricht in der genetischen Entfernung etwa 4 cM (Centimorgan, entsprechend 4 % Rekombinationshäufigkeit zwischen beiden Enden).
C. Struktur der Klasse I und Klasse II-MHC-Moleküle Die Moleküle der Klasse I bestehen aus zwei verschiedenen Polypeptid-Ketten, einer MHCcodierten § -Kette und einer assoziierten, nicht MHC-codierten g -Kette (Beta-2-Mikroglobulin). Die § -Kette besteht im extrazellulären Anteil aus drei Domänen, § 3, § 2 und § 1 von je etwa 90 Aminosäureresten. § 1 und § 2 bilden die hochpolymorphe Peptid-bindende Region, § 3 und g 2-Mikroglobulin entsprechen strukturell einer Immunglobulin-ähnlichen Region. Die Aufdeckung der Kristallstruktur der KlasseI-MHC-Moleküle hat gezeigt, dass § 1 und § 2 interagieren und eine Art Plattform von achtsträngigen, g -gefalteten Proteinen bilden. Die zwischen § 1 und § 2 entstehende Spalte (25 Å×10 Å×11 Å) kann ein aus 10 bis 20 Aminosäuren bestehendes Proteinfragment binden. MHC-Moleküle der Klasse II bestehen aus zwei Polypeptid-Ketten § und g mit je zwei Domänen, § 1 und § 2 bzw. g 1 und g 2 von etwa 90 Aminosäure-Resten und einer transmembranen Region aus etwa 25 Aminosäure-Resten. Wie bei den Molekülen der Klasse I ist die Peptid-bindende Region ( § 1 bzw. g 1) hochpolymorph. Im Gegensatz zur g 1 Domäne enthält § 1 keine Disulfid-Brücke. Abbas, A. K., Lichtman, A. H., Pober, J. S.: Cellular and Molecular Immunology. 3rd ed. W. B. Saunders, Philadelphia, 1997. Klein, J. & Sato, A.: Advances in immunology. The HLA system. New Engl. J. Med. 343: 702–709 (part I) and 782–786, 2000. Trowsdale, L.: Genomic structure and function in the MHC. Trend Genet. 9: 117–122, 1993.
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Die MHC-Region
MHC-Loci Klasse II DP
Klasse III
DQ
DR
I-A
I-E
Klasse I HLA B
C
A
Mensch
Klasse I
H2
K
Maus
D
zum Centromer
L
zum Telomer
Zellulär definierte Antigene
Serologisch definierte Antigene
Komplementund andere Gen-Loci
A. Grundstruktur der MHC-Genkomplexe bei Mensch und Maus Klasse III
Klasse II DP
DZ DO DX
DQ
Klasse I
TNF LT B C
DR
A
Mensch β α β α α β β α βα β β β α 1000 kb
Klasse I
Klasse II
K2 K
Maus
I-A
β
βα
Klasse I I-E
TNF LT D L
β ββα
Cytokine
100 kb
B. Genomische Organisation der MHC-Loci
S
α3
Peptidbindende Region
a1
α2 S
N N
S
S
S
S
C
C
α-Kette MHC-Molekül
β2-Mikroglobulin
Immunglobulinähnliche Region
α1
β1
S
extrazellulär
S S
α2
S
S
S
S
S
C
C
α
β-Kette
β2
Transmembrane Region Cytoplasmatische Region
Klasse I C. MHC-Moleküle der Klasse I und Klasse II
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MHC-Molekül
Klasse II intrazellulär
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Immunsystem
T-Zellrezeptoren T-Lymphocyten enthalten ein membrangebundenes Protein als Rezeptor mit hoher Spezifität zur Erkennung fremder Antigene und Moleküle des MHC-Komplex, den T-Zellrezeptor (TCR). Der T-Zellrezeptor besteht aus einem Komplex mehrerer integraler Plasmamembranproteine. Im Gegensatz zu B-Zellen erkennen T-Zellen nur Fragmente von Fremdprotein-Antigenen. Zudem sind sie physikalisch mit dem MHCKomplex der Antigen-präsentierenden Zellen verbunden. Während der Reifung von T-Zellen im Thymus werden die T-Zell-Genabschnitte rekombiniert und in einer definierten Reihenfolge aneinandergelagert (somatische Rekombination, ähnlich wie bei der Bildung von Immunglobulinen, s. S. 288).
A. Organisation der T-ZellrezeptorGene beim Menschen Drei Loci codieren für vier Ketten, TCR g auf Chromosom 7 (bei der Maus Chromosom 6), TCR § und TCR ˇ auf Chromosom 14 (bei der Maus auf Chromosom 14), sowie TCR + auf Chromosom 7 (bei der Maus Chromosom 13). Jeder TCR-Locus besteht aus variablen (V), verbindenden (J, joining) und konstanten (C, constant) Genen, sowie beim g -Locus zusätzlich Diversitäts (D)-Gene. Der ˇ -Locus liegt ungewöhnlicherweise im § -Locus zwischen den Vund den D-Loci. In genomischer DNA bestehen die Gene für die g -Kette des T-Zellrezeptors aus etwa 75–100 variablen Anteilen (V g ), D-Segmenten (D g 1, D g 2), Joining-Segmenten (J g 1, J g 2), sowie konstanten Segmenten (C g 1, C g 2). Die genomische Organisation der Gene für die § - und ˇ -Kette, sowie die + -Kette ist ähnlich. Während der T-Lymphocytenreifung werden durch somatische Rekombination verschiedene Abschnitte verknüpft wie bei der Bildung der Immunglobuline. Die genomische Organisation bei Mensch und Maus ist sehr ähnlich. In einer gegebenen T-Zelle wird nur einer der beiden § Kettenloci und nur einer der beiden g -Kettenloci funktionell rearrangiert und exprimiert (allelische Exklusion). Wie bei der Bildung der Immunglobulingene tragen verschiedene Mechanismen zur Erzeugung von Diversität von TZellrezeptor-Genen bei.
B. T-Zellrezeptor-Bindung an fremdes Peptid und MHC-Moleküle T-Lymphocyten differenzieren im Thymus zu verschiedenen Typen. Sie werden nach der jeweiligen Spezifität ihrer an der Zelloberfläche vorhandenen Membranproteine klassifiziert und mit der Bezeichnung CD (cluster of differentiation) und einer Nummer versehen. Zwei wichtige Klassen sind cytolytische T-Zellen (sie zerstören virusinfizierte Zellen, Tumorzellen, nicht-kompatible fremde Zellen, „Killerzellen“) und Helfer-T-Zellen (sie stimulieren die Proliferation von B-Lymphocyten). Der T-Zellrezeptor hat die Aufgabe, ein fremdes Protein (Antigen) aufgrund der Spezifität der Aminosäure-Sequenz des variablen Teils zu binden. Dies geschieht nicht frei, sondern nur wenn das Antigen an ein MHC-Molekül gebunden ist und angeboten wird (Antigen-präsentierende Zelle). An dem Vorgang sind andere Membranproteine beteiligt: CD3 und ein Co-Rezeptor, entweder CD8 oder CD4. Sie bilden zusammen einen TCRKomplex. CD3 ist ein aus vier Untereinheiten bestehendes Molekül; CD8 ist ein dimeres Membranprotein aus zwei § - oder einer § - und einer g -Kette und CD4 ist ein monomeres Membranprotein. T-Zellen, die CD8 exprimieren (CD8+), binden an MHC-Klasse-I-Moleküle (1). CD4 exprimierende T-Zellen (CD4+) binden an MHC-Klasse-II-Moleküle (2). Diese beiden Typen entsprechen den „Killerzellen“ (1) bzw. Helferzellen (2). CD4 und CD8 haben zwei grundsätzliche Funktionen, Zelladhäsion und frühe Signaltransduktion nach Erkennen des MHC-Komplex. (Abb. schematisiert modifiziert nach Abbas et al., 1997). Abbas, A.. K., Lichtman, A. H., Pober, J. S.: Cellular and Molecular Immunology. 3rd ed. W. B. Saunders, Philadelphia, 1997. Amadou, C., et al.: Localization of new genes and markers to the distal part of the human major histocompatibility complex (MHC) region and comparison with the mouse: new insights into the evolution of mammalian genomes. Genomics 26: 9–20, 1995. Fugger, L., et al.: The role of human major histocompatibility complex (HLA) genes in disease. pp 311–341., In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001.
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T-Zellrezeptoren
TCR-β-Ketten-Locus (Chromosom 7) L1
Ln
Vβ1
Vβn
Dβ1
Jβ1
Cβ1
Dβ1
J β2
Cβ2
5'
3'
TCR-α, δ-Ketten-Locus (Chromosom 14) L1
Vα1
(n = ~50-100) Ln Vαn
Jα (~50-100)
Cα
5'
3'
L1 5'
Vδ1
L2
Vδ2
L3
Vδ3
Dδ1
Jδ1
Dδ2
Jδ3
Cδ
L4
V δ4
3'
Jd2
TCR-g-Ketten-Locus (Chromosom 7) L1
Vγ1
Ln
(n = 8) Vγn
Jγ1
Cγ1
Jγ2
Cγ2
5'
3'
A. T-Zellrezeptor-Gene (TCR) beim Menschen CD8
TCR
CD3
CD4 TCR
CD3
Antigen
Antigen
MHC-Klasse I
MHC-Klasse II
β2m
Zielzelle (z.B. Virus-infizierte Zelle)
Antigen-präsentierende Zelle (z.B. Makrophagen)
1. T-Lymphocyt ("Killerzelle")
2. T-Lymphocyt ("Helferzelle")
B. T-Zellrezeptor-Bindung an Antigen und MHC-Oberflächenproteine
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Immunsystem
Die Immunglobulin-SuperGenfamilie Eine Super-Genfamilie ist eine große Gruppe funktionell verschiedener Gene, für die aufgrund struktureller Ähnlichkeiten ein gemeinsamer Ursprung von einem ancestralen (Vorläufer) Gen angenommen werden muss. Die Immunglobulin-(Ig)-Super-Genfamilie bildet eine besonders große Gruppe mit sehr unterschiedlichen Funktionen ihrer Proteine. Alle enthalten mindestens ein charakteristisches IgMotiv, viele auch mehr als eines. Dies ist die durch zwei Disulfid-Brücken schleifenähnlich geformte Region von 70–110 Aminosäuren. Alle stellen eine Variation über ein Thema (Ig) dar. Sie sind ein besonders eindrucksvoller Beleg für die Evolution von Genen aus einem einfachen Vorläufer, aus dem sich die heute existierenden Formen mit verschiedenen Funktionen entwickelt haben. Die Ig-Super-Genfamilie ist dadurch gekennzeichnet, dass ihre Genprodukte Membranproteine mit besonderer Befähigung zur Bindung an andere Moleküle sind. So finden wir sie in vielerlei Funktionen im Immunsystem, aber darüber hinaus bei anderen Zelloberflächen-Rezeptoren, bei Molekülen der Zelladhäsion etc.
A. Grundstruktur der Moleküle der IgSuper-Genfamilie Die hier schematisch gezeigten Vertreter repräsentieren zentrale Moleküle des Immunsystems (1), zusätzliche Moleküle des Immunsystem (2) und in der Zelloberfläche verankerte Membranproteine (3) unterschiedlicher Funktion außerhalb des Immunsystems. In der ersten Reihe (1) sind Immunglobulin G (IgG), TZellrezeptor (TCR) und die Klasse I und Klasse II des MHC-Komplex gut wiederzuerkennen. Sie bestehen jeweils aus konstanten (C) und variablen (V) Regionen. In der zweiten Reihe (2) sehen wir ein Adhäsionsmolekül von T-Zellen (CD2), ein mit dem T-Zellrezeptor assoziiertes Signalmolekül (CD3), ein an MHC-Klasse-IIbindendes Adhäsions- und Signaltransduktions-Molekül von T-Zellen (CD4), ein an MHCKlasse-I-bindendes Adhäsions- und Signaltransduktions-Molekül von T-Zellen (CD8) und einen Rezeptor an Thymocyten, einem Vorläufer der T-Zellen. Weitere Mitglieder der Ig-Superfamilie (3) sind Fc-Rezeptor II (FcRII), PolyImmunglobulin-Rezeptor (p-IgR), der Antikör-
per durch die Membran von Epithelzellen transportiert sowie NCAM (Neuralzell-Adhäsionsmolekül) und PDGFR (Platelet Derived Growth Factor Receptor) (3) (Abb. nach Hunkapillar & Hood, 1989).
B. Evolution der Ig-Super-Genfamilie Das ursprüngliche (ancestrale) Gen hat mutmaßlich für ein Zelloberflächen-Rezeptormolekül codiert. Nach einer angenommenen Verdopplung hat eines der beiden Gene die Fähigkeit zur Bildung einer varianten Region (V) entwickelt, das andere, konstante (C) nicht. Ein solches ursprüngliches Gen könnte wie das Gen für Thymosin (Thy-1) und Poly-Ig-Rezeptor ausgesehen haben. In diesen Gen-Familien, sowie in den Genen des MHC-Komplex findet keine somatische Rekombination statt. Die Gene des MHC-Komplex dürften sich gleichfalls von gemeinsamen Vorstufen herleiten. Eine Besonderheit ist die somatische Rekombination in Vorstufen der Immunglobuline, der Gene des T-Zellrezeptors und dem ihm ähnlichen Adhäsionsmolekül CD8. Die Möglichkeit zur Bildung zahlreicher Moleküle mit Bindung an fremde Proteine zur Einleitung einer Immunabwehr hat unbestreitbar so enorme Vorteile, dass sich unter dem selektiven Druck von ihrerseits sich anpassenden Mikroorganismen diese Vielfalt von Molekülen durch Gen-Evolution hat bilden können (Abb. nach Hood et al., 1985). Abbas, A.. K., Lichtman, A. H., Pober, J. S.: Cellular and Molecular Immunology. 3rd ed. W. B. Saunders, Philadelphia, 1997. Hood, L., Kronenberg, M., Hunkapillar, T.: T-cell antigen receptors and the immunoglobin supergene family. Cell 40: 225–229, 1985. Hunkapillar, T., Hood, L.: Diversity of the immunoglobulin gene superfamily. Adv. Immunol. 44: 1–63, 1989. Klein, J., Takahara, N.: Where do we come from? The Molecular Evidence for Human Descent. Springer, Berlin – Heidelberg – New York, 2002. Shiina, T., et al.: Molecular dynamics of MHC genesis unraveled by sequence analysis of the 1,796,938-bp HLA class I region. Proc. Nat. Acad. Sci. 96: 13 282–13 287, 1999.
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Die Immunglobulin-Super-Genfamilie N N
IgG
V
V
TCR
C
Klasse I MHC
Klasse II MHC
a
NN
C N N α (δ)
β (γ) V
C
N C
C
C C
C
C C
CD2
N
CD3γ(d,e)
CD8
V
C β
1.
C C
C
CD4
N
α C
β2
Thy-1
V
?
N
N N
?
H
?
C
C
FcRII N H
C
C
N
p-IgR
H
V
H
V
H
V
H
N
2.
C N
NCAM
H
PDGFR
H H
H
V
H
V C
C
N V
V
V
?
C
C
C
3.
A. Grundstruktur von Proteinen der Immunglobulin-Supergen-Familie primordialer Zelloberflächen-Rezeptor V
C MHC
somatische Rekombination in Lymphocyten V D J C
Thy -1
Poly-IgRezeptor
k l H Immunglobuline
Klasse β2m IIα
Klasse Klasse IIβ I
V
V V
α β γ δ CD8 T-Zellrezeptoren
V
C C
V
V
V
C
V
C
β (γ) V V
V
α
α (δ)
C
B. Evolution der Gene der Immunglobulin-Supergen-Familie
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α C
C β
C
β2m
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Immunsystem
Hereditäre und erworbene Immundefizienz-Krankheiten Eine Mutation in einem der für die Funktion des Immunsystems notwendigen Gene resultiert in einer der großen Zahl von primären (genetisch bedingten oder hereditären) Immundefizienz-Krankheiten. Durch Chromosomentranslokationen entstandene Bruchpunkte in Genen des Immunsystems können bösartige Tumoren des Immunsystems auslösen, z. B. verschiedene Typen von Lymphomen. Hier wird beispielhaft die genetische Grundlage einiger wichtiger primärer Immundefizienz-Krankheiten und ein vereinfachtes Schema der erworbenen Immunschwäche AIDS vorgestellt.
A. Beispiele für Hereditäre Immundefizienz-Krankheiten Die schwere kombinierte ImmundefizienzKrankheit (SCID, severe combined immune deficiency) ist ein Beispiel für eine Gruppe autosomal rezessiv und X-chromosomal erblicher Krankheiten infolge Unterbrechung der B-Zell und der T-Zelldifferenzierung, mit entsprechend schweren, dem Leben nicht zu vereinbarenden Folgen. Die erste bei Menschen erkannte hereditäre Immundefizienz-Krankheit ist die X-chromosomale Agammaglobulinämie Typ Bruton (MIM 300300), benannt nach dem Entdecker Ogden Bruton im Jahr 1952. Die Differenzierung von Prä-B-Lymphocyten in reife B-Zellen ist durch Mutation in einem für eine Tyrosin-Kinase codierenden Gen, BTK, auf dem X-Chromosom (Xq22) blockiert. Betroffene Individuen können keine oder zu wenig Immunglobuline bilden. Weiter peripher im Differenzierungsweg finden sich andere in der Manifestation weniger schwere variable Krankheiten. Entsprechend ihrer Bedeutung für die zelluläre Immunität, führt der Ausfall der T-Lymphocytenfunktion zu schweren Erkrankungen. Bei Thymusaplasie oder -hypoplasie (fehlender oder zu kleiner Thymus) resultiert ein charakteristisches Krankheitsbild, das DiGeorge-Syndrom (MIM 188400), das von zahlreichen anderen Manifestationen begleitet ist, weil außer dem Thymus auch die Nebenschilddrüse betroffen sein kann (Hypocalciämie), Das DiGeorge-Syndrom ist Teil eines breiten Spektrums verschiedener, ursächlich verwandter Erkrankungen, die auf verschieden große Deletionen im langen Arm von Chromosom 22 zurückgeführt werden.
B. Erworbene Immunschwäche AIDS Die seit zwanzig Jahren weltweit dramatisch zunehmende erworbene Immunschwäche AIDS (aquired immune deficiency disease) mit über 40 Millionen infizierten Menschen beruht auf einer Infektion mit dem HIV-Virus (Humanes Immundefizienz Virus Typ 1). Nach derzeitiger Lage muss bis zum Jahr 2010 mit weiteren 45 Millionen Infizierten gerechnet werden, wenn nicht Abhilfe geschaffen wird (The Economist, 17 May, 2003). Das vorwiegend in Westafrika auftretende HIV-2 hat etwa eine Million Menschen infiziert. Diese Viren infizieren selektiv T-Lymphocyten, die CD4 exprimieren. Die Virus-Hüllproteine gp120, ein transmembranes Glykoprotein bindet mit hoher Affinität an den CD4-Rezeptor der Oberfläche einer T-Zelle und benutzt diesen zum Eintritt in die Zelle. Danach wird das Virusgenom aus RNA mittels reverser Transkriptase in DNA umgeschrieben, die Provirus-DNA in die DNA der Wirtszelle, das durch das viruscodierte Enzym Intergrase integriert wird. Hier kann die VirusDNA mit der DNA der Zelle repliziert werden und neue Viruspartikel können gebildet werden. Diese werden freigesetzt und infizieren weitere Zellen; die infizierte Zelle stirbt ab. Alternativ kann das Virus einige Zeit nicht transkribiert in der Zelle verbleiben (latentes Stadium). Der Eintritt des Virus in die T-Zelle wird durch ein weiteres Virus-Hüllprotein gp41 unterstützt. Dies ist abhängig von Co-Rezeptoren an der Oberfläche der Zielzelle, CCR5 und CXR4 (hier nicht gezeigt). Variante Formen dieser Rezeptoren verleihen einen Schutz gegen HIV-Infektion, weil sie den Eintritt des Virus erschweren. United Nations Programme on HIV/AIDS Website: (www.UN-AIDS.org/hivaidsinfo/documents-html). Belmont, J. W., Puck, J. M.: T cell and combined immunodeficiency disorders, pp. 4751–4783. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Buckley, R. H.: Primary immunodeficiency diseases due to defects in lymphocytes. New Eng. J. Med. 343: 1313–1324, 2000. Conley, M. E.: Antibody deficiencies, pp. 4731–4750. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molekular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGrawHill, New York, 2001. Hahn, B. H., et al.: AIDS as a zoonosis: scientific and public health implications. Science 287: 607–614, 2000. Schwartländer, B., Garnett, G., Anderson, R.: AIDS in a new millenium. Science 289: 64–67, 2000.
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299
Hereditäre und erworbene Immundefizienz-Krankheiten Stammzelle
Schwere kombinierte Immundefizienz, SCID Vorläufer der B-Zellen
Vorläufer der T-Zellen
Prä B-Zelle
Unreife T-Zelle
X-chromosomale Agammaglobulinämie Fehlen des Thymus
Reife B-Zelle
DiGeorge -Syndrom Differenzierung
Isotyp-Wechsel
Variable Immundefizienz
Isolierter Ig-IsotypMangel, z.B. IgA
Reife T-Zelle
Defekte in T-ZellAktivierung und Funktion mangelnde Antikörperbildung
A. Beispiele für hereditäre Immundefizienz-Krankheiten HIV-1-Virus
Proliferation und Effektor-Funktion
Bindung von gp120 an CD4-Rezeptor
Virus-GenomAufnahme
Zellkern
gp120
VirusGenom (RNA)
CD4+- T-Zelle
Reverse Transkriptase
Ausschleusung Virusproduktion
ProvirusDNA integriert infizierte Zelle
Neue infektiöse Virionen
Aktivierung der Virusproduktion ProvirusDNA nicht integriert abgetötete Zelle
latent infizierte Zelle
B. Beispiel für erworbene Immundefizienz: HIV-1-Infektion
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300
Entstehung von Tumoren
Einfluss von Wachstumsfaktoren auf die Zellteilung Die Entwicklung und Differenzierung, sowie die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen erfordert eine genaue Regulierung von Zeitpunkt und Ort von Zellteilungen. Multizelluläre Organismen verfügen über ein breites Repertoire von genetisch gesteuerten Mechanismen zur Kontrolle von Zellteilung und Gewebsproliferation. In ihrer Gesamtheit werden sie als Wachstumsfaktoren bezeichnet. Jeder Wachstumsfaktor hat einen spezifischen Rezeptor an der Zelloberfläche. Bindung an den Rezeptor leitet eine Zellteilung ein oder blockiert sie.
A. Kontrolle der Zellteilung durch Wachstumsfaktoren Grundsätzlich kann die Zellteilung (Mitose) durch Stimulierung oder Inhibition kontrolliert werden. Unterbleibt die Stimulierung bzw. findet aktive Inhibition statt, so tritt keine Mitose ein. Wachstumsfaktoren wirken nicht nur spezifisch auf bestimmte Arten von Zellen, sondern auch zu definierten Phasen des Zellzyklus. Der stimulierenden Wirkung kann eine antagonistische Wirkung gegenübergestellt werden. Ein dritter, bei der Entstehung eines Tumors grundsätzlich verantwortlicher Faktor ist die Inhibition von Apoptose (programmierter Zelltod). Wenn Zellen nicht zu vorgegebener Zeit und am richtigen Ort absterben, kann dies zu einem Tumor führen. Ein Beispiel ist das Follikuläre B-Zell-Lymphom. Dieser Tumor kann in den meisten Fällen auf eine Translokation t (14; 18) mit Bruchpunkt in einem Gen, BCL-2, auf Chromosom 18q21 zurückgeführt werden.
B. Aktivierung eines Wachstumsrezeptors Mehr als 40 verschiedene Tyrosin-Protein-Kinasen sind bekannt (vgl. S. 248). Sie können zwei Kategorien zugeordnet werden: in der Plasmamembran verankerte, wie EGFR, und im Cytoplasma lokalisierte wie Src (ein zelluläres Signalprotein, c-Src). Ein Wachstumsfaktor-Rezeptor wird durch spezifische extrazelluläre Bindung an den Wachstumsfaktor aktiviert. Dies aktiviert ein Substratprotein.
C. PDGF-Rezeptor-Kinasen Der von Thrombocyten abgeleitete Wachstumsfaktor (Platelet-derived growth factor,
PDGF) wird von Blutplättchen bei der Blutgerinnung freigesetzt. Er wirkt als Mitogen bei mesenchymalen Zellen in Kultur. Der PDGF-Rezeptor kann zahlreiche für die Kontrolle der Zellteilung relevante Signalproteine aktivieren wie Ras-Proteine (s. Teil D), Src, ein 60-kd membranassoziiertes signalübertragendes Tyrosin-Kinase-Protein ohne extrazellulären Anteil. Es wird normalerweise durch reversible Phosphorylierung reguliert. Nichtreguliertes Src-Protein ohne Tyrosinase-Aktivität fördert abnorme Proliferation der betroffenen Zellen. Phospholipase C ist ein membrangebundenes Enzym, das weitere Schritte initiiert.
D. Ras-Proteine als Signaltransduktoren Eine zentrale Rolle als Signalüberträger nehmen die Ras-Proteine ein. Sie gehören zur Gruppe der GTP-bindenden-Proteine (an einen Guanosyl-Rest bindendes Protein mit Signalüberträgerfunktion, vgl. S. 252). Die Bindung des Wachstumsfaktors, z. B. PDGF, aktiviert das Ras-Protein durch Bildung von GTP (Guanosyltriphosphat) und löst ein zeitlich begrenztes Signal aus, das die Zellteilung einleitet. Die physiologisch erforderliche zeitliche Begrenzung resultiert aus Inaktivierung von Ras durch ein GTPase-aktivierendes Protein (GAP), das GTP in GDP überführt. Durch Mutation des RasProteins oder von GAP kann die zeitliche Begrenzung des zellteilungsstimulierenden Signals aufgehoben werden. Es resultiert ein aktiver Zustand mit unkontrollierter Zellteilung und kann zu einem (bösartigen) Tumor führen. Mehrere definierte Mutationen in den verantwortlichen Genen sind bekannt. Hahn, W. V., Weinberg, R. A.: Rules for making human tumor cells. New Eng. J. Med. 347: 1593–1603, 2002. Lengauer, C., Kinzler, K. W., Vogelstein, B.: Genetic instabilities in human cancers. Nature 396: 643–649, 1998. Park, M.: Oncogenes: Genetic abnormalities of cell growth, pp. 645–664. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001. Passarge, E.: Tumorerkrankungen – Einführung aus genetischer Sicht. S. 3–12. In: Hereditäre Tumorerkrankungen. D. Ganten & K. Ruckpaul, Herausg. Springer, Berlin – Heidelberg, 2001. Rudin, C. M., Thompson, C. B.: Apoptosis and cancer, pp. 631–643. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Vogelstein, B., Kinzler, K. W., eds.: The Genetic Basis of Human Cancer. 2nd ed. McGraw-Hill, New York, 2002.
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301
Einfluss von Wachstumsfaktoren auf die Zellteilung
Wichtige Wachstumsfaktoren und Antagonisten: Mitose
Stimulierung
Mitose
Inhibition
1. G0 G1 Epidermaler Wachstumsfaktor (EGF) Nerven-Wachstumsfaktor (NGF) Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF) Platelet Derived Growth Factor (PDGF) 2. G1 S Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor (IGF-1)
Stimulierung der Zellteilung durch Wachstumsfaktoren, Inhibition durch Antagonisten
3. Antagonisten Transformierender Wachstumsfaktor β (TGFβ) Tumor-Nekrosefaktor (TNF)
A. Kontrolle der Zellteilung durch Wachstumsfaktoren EGF
EGF-Rezeptor
PDGF
Bindung
Rezeptor Plasmamembran
Src
Tyrosin-Kinase Substratprotein inaktiv
Substratprotein aktiviert
Ras
Zahlreiche andere
B. Aktivierung eines Wachstumsfaktor-Rezeptors
C. PDGF-Rezeptor-Kinasen wirken C. auf zahlreiche Substrate
Wachstumsfaktor z.B. PDGF
Ras
Effektor inaktiv
Ras
inaktiv GDP
aktiv Aktivierung
Phospholipase C
normal
aktiv (zeitlich begrenzt)
GTP
Mutationen bleibt aktiv Zellteilung
GTPase aktivierendes Protein (GAP)
D. Ras-Proteine als Signalüberträger
inaktiv
unkontrolliert
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kontrolliert
302
Entstehung von Tumoren
Tumor-Suppressor-Gene Gene, in denen Veränderungen zur Entstehung von Tumoren beitragen, können drei Kategorien zugeordnet werden: erbliche oder nicht-erbliche (somatische) Mutationen in Tumor-Suppressor-Genen, aktivierende Mutationen in Proto-Onkogenen (vgl. S. 286), sowie Gene der DNA-Reparatursysteme mit einer eher indirekten Rolle bei der Tumorinitiation und -progression. Ein Tumor-Suppressor-Gen entfaltet seine Wirkung, wenn beide Allele des Locus ihre Funktion verlieren. Dies setzt zwei Ereignisse voraus, die zeitlich verschieden eintreten. Ein funktionelles Allel unterdrückt die Entstehung des Tumors (vergleichbar der Bremse bei einem Fahrzeug). Jedoch prädisponiert der erste Funktionsverlust eines Allels die betroffene Zelle für den Eintritt eines zweiten Ereignis, welches das andere Allel inaktivieren kann und dadurch den Beginn des Tumors auslöst. Mehr als 20 TumorSuppressor-Gene sind lokalisiert und identifiziert. Bei den meisten Tumoren müssen gen-verändernde Ereignisse in mehreren Genen eintreten bevor ein Tumor entsteht.
A. Zwei inaktivierende Ereignisse in einem Tumor-Suppressor-Gen Die beiden Allele eines Tumor-SuppressorGens werden durch zwei Ereignisse inaktiviert. Das erste Ereignis kann eine der zahlreichen möglichen Typen von Punktmutation sein: DNA-Nukleotid-Basensubstitution (MissenseMutation) oder zur Rasterverschiebung führende Deletion (Verlust) oder Insertion (Einschub) eines oder mehrerer Nukleotide, oder große Deletionen bis zum Verlust des gesamten Gens (Non-sense-Mutation). Wenn das zweite Ereignis nicht eintritt, entwickelt sich kein Tumor. Eine Vielzahl von Mechanismen kann zum Funktionsausfall des anderen Allels führen: Zweite Mutation, somatische [mitotische] Rekombination, Genkonversion (Umwandlung eines Allels in ein anderes durch ungleichen genetischen Austausch) oder Verlust des den Locus tragenden Chromosomen durch Fehlverteilung (Non-disjunction) in der Mitose.
B. Verlust von Heterozygotie (LOH) in Tumorzellen
Allels (Ereignis 2) mittels Southern-Blot-Analyse nachgewiesen werden. Im Gegensatz zu somatischen Zellen (Blut) zeigen Tumorzellen den Verlust eines Allels (Verlust von Heterozygotie, LOH). Das verbliebene Allel muss durch eine Mutation verändert sein. Durch Nachweis von LOH kann das mutante Allel identifiziert werden. LOH hat diagnostische Bedeutung und ist ein Hinweis auf die Existenz eines TumorSuppressor-Gens.
C. Somatische und KeimbahnMutation Die erste Mutation in einem Suppressor-Gen kann entweder bereits in der Zygote vorliegen (germinale Mutation, d. h. Keimzell-Mutation durch Transmission von einem betroffenen Elternteil oder durch neue Mutation) oder in einer einzelnen Zelle des entsprechenden Gewebes auftreten (somatische Mutation). Durch den Funktionsverlust eines Allels (entsprechend Ereignis 1 in A) ist die Zelle für einen Tumor prädisponiert. Bei einer germinalen Mutation sind alle Zellen prädisponiert. Der Tumor beginnt nach Verlust der Funktion des anderen Allels. Bei der somatischen Mutation tritt der Tumor sporadisch (nicht hereditär) auf. Bei der hereditären Form infolge Keimzell-Mutation ist die Tumorneigung familiär mit autosomal dominantem Erbgang.
D. Beispiele für Tumor-SuppressorGene Mehr als 20 Tumor-Suppressor-Gene sind nach chromosomaler Lage und Typ des beteiligten Gens bekannt. Diese Gene gehören verschiedenen Signalwegen an. Hier sind nur einige Genloci und der von Veränderungen ausgelöste Typ des Tumors aufgelistet (Einzelheiten bei Fearon, 2002; Ganten & Ruckpaul, 2001). Fearon, E. R.: Tumor-Suppressor genes, pp. 665–674. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGrawHill, New York, 2001. Ganten, D., Ruckpaul, K., Herausg.: Molekularmedizinische Grundlagen von hereditären Tumorerkrankungen. Springer, Berlin – Heidelberg, 2001. Vogelstein, B., Kinzler, K. W., eds: The Genetic Basis of Human Cancer. 2nd ed. McGraw-Hill, New York, 2002.
Bei Individuen, die heterozygot an dem untersuchten Genlocus sind, kann der Verlust eines
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Tumor-Suppressor-Gene Allel 1
Southern-Blot
Allel 2 Blut normal
Tumor
Allel 1
Kontrolle der Zellproliferation (gewebespezifisch)
Allel 2
verloren (Ereignis 2)
Ereignis 1 Mutation
Sonde für Tumor-prädisponierendes Gen
B. Verlust von Heterozygotie im Tumor
Tumor-Suppression Ereignis 2
Transmission
Zygote +/-
+/+ somatische Mutation Mitotische Rekombination, Genkonversion
Verlust durch Non-disjunction
germinale Mutation
+/Prädisponierte Zelle
oder
Funktionsverlust beider Allele
Tumorzelle
Tumor
Tumor
A. Tumor-Suppressor-Gen Chromosomale Lokalisation
Neue Mutation
sporadisch
hereditär
C. Somatische und germinale Mutation Tumor-Typ
1p
Melanom; Neuroblastom, andere
1q
Brustkrebs (eine Form)
3p
Nierenzellcarcinom; von Hippel-Lindau-Krankheit
5q
Familiäre Polyposis coli, Coloncarcinom
9p
Familiäres Melanom
9q
Blasencarcinom
10q
Astrocytom, MEN Typ 2
11p
Wilms-Tumor und andere
13q
Retinoblastom; Osteosarcom
17p
Coloncarcinom und andere
17q
Neurofibromatose Typ 1
18q
Coloncarcinom
22q
Neurofibromatose Typ 2; Meningiom
D. Beispiele für Tumor-Suppressor-Gene
(Verlust von Heterozygotie nachweisbar)
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Entstehung von Tumoren
Zelluläre Onkogene Onkogene sind veränderte Formen von zellulären Genen mit der genauen, aber meistens nicht verwendeten Bezeichnung Proto-Onkogene. Sie sind entscheidend an der Kontrolle von Zellproliferation und -differenzierung durch Interaktion mit Wachstumsfaktoren und membrangebundenen Rezeptormolekülen beteiligt. Ihr funktionelles Hauptmerkmal besteht darin, dass sie durch Aktivierung bereits eines Allels tumorauslösend in die Kontrolle der Zellproliferation eingreifen können (sie wirken analog des Gaspedals, nicht der Bremse). Ursprünglich wurde diese Gruppe von Genen als veränderte Formen von Genen isoliert, die von RNA-Tumorviren stammten; als Gruppe bezeichnet mit v-onc (onkogenes, d. h. tumorauslösendes Gen eines Virus, im Gegensatz zu den zellulären Onkogenen, c-onc).
die Expression zu gesteigerter Aktivität ändern. Ein wichtiges Beispiel für eine Punktmutation betrifft Codon 12 oder 63 des H-Ras-Gens (GTPase), 1979 eines der ersten Proto-Onkogene, die entdeckt wurden. Durch eine Translokation kann ein inaktives zelluläres Proto-Onkogen durch Juxtaposition (Aneinanderlagerung) an ein aktives Gen re-aktiviert werden (s. Park, 2002). Gen-Amplifikation ist eine häufige Begleiterscheinung bestimmter Tumoren (s. Hogarty & Brodeur, 2002) und können cytogenetisch als zusätzliche kleine extrachromosomale Fragmente (double-minute chromosomes, dmins) oder als homogen färbende Regionen (HSRs, homogenously staining regions) lichtmikroskopisch sichtbar sein. Die häufigsten amplifizierten Onkogene sind Mitglieder der Genfamilien MYC, RAS, EGFR, FGF und Gene der Zellzykluskontrolle (CDK4, MDM2, CCND1, CCNE).
A. Vergleich eines zellulären Onkogens mit einem viralen Onkogen
C. Beispiele für zelluläre Onkogene und beteiligte Proteine
Dieses Beispiel zeigt den Unterschied zwischen einem zellulären Onkogen (c-src) und einem ähnlichen Onkogen, das von einem Virus stammt (v-src). Das einen Weichteil-Tumor (Sarkom, src) bei Hühnern (nicht beim Menschen) auslösende Virus ist ein typisches Retrovirus und enthält ein Genom aus RNA, das für drei Gene oder Gruppen von Genen codiert: gag (group-specific-antigen), pol (Polymerase) und env (Hüllprotein, envelope). Ein zelluläres Onkogen (c-src) besteht aus Exons und Introns in definierter Struktur und Sequenz. Das Virus enthält Teile des zellulären Onkogens (c-src). Das Rous-Sarkom-Virus induziert bei Hühnern einen bösartigen Tumor (ein Sarkom), wie zuerst 1911 von Peyton Rous beobachtet wurde. Da viele zelluläre Onkogene auch in einer veränderten viralen Form bekannt sind, nimmt man an, dass Viren Teile des jeweiligen zellulären Onkogens in ihr Genom integriert haben. Virus-induzierte Tumoren sind vor allem bei Hühnern, Nagetieren und Katzen bekannt. Beim Menschen spielen sie keine besondere Rolle bei der Auslösung von Tumoren.
Zelluläre Onkogene lassen sich auf der Grundlage ihrer drei wesentlichen biochemischen Wirkungsmechanismen verstehen. (i) Phosphorylierung von Proteinen eines Signalweges (z. B. von Tyrosin-, Serin- und Threonin-Resten durch ATP, (ii) Signaltransduktion durch GTPasen (z. B. die Ras-Proteine), (iii) Wirkung als nukleäres Protein im Zellkern bei der Kontrolle von DNA-Replikation im Zellzyklus. In der Tabelle sind ausgewählte Beispiele der über 80 zellulären Onkogene (c-onc) und der über 30 Retrovirus-induzierten Tumoren (vonc) gegenübergestellt (Einzelheiten bei Park, 2001, 2002: Lodish et al., 2000).
B. Onkogen-Aktivierung
Hogarty, M. D., Brodeur, G. M.: Gene amplification in human cancers: Biological and clinical significance, pp. 115–128. In: The Genetic Basis of Human Cancer. 2nd ed., B. Vogelstein & K. W. Kinzler, eds. McGraw-Hill, New York, 2002. Lodish, H., et al.: Molecular Cell Biology. 4th ed. 2000. Park, M.: Oncogenes, pp. 645–664. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Park, M.: Oncogenes, pp. 177–196. In: The Genetic Basis of Human Cancer. 2nd ed., B. Vogelstein & K. W. Kinzler, eds. McGraw-Hill, New York, 2002.
Die Aktivierung von zellulären Onkogenen ist durch wenige prinzipielle Mechanismen möglich. Dazu gehören Punktmutation, Translokation und Gen-Amplifikation. Alle drei können
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Zelluläre Onkogene Virus-Genom (RNA)
Retrovirus gag Exons 1
pol 2
env
3
4
5
Zelluläre DNA Introns
1
2
3
4
Rous-SarkomVirus
5
v-src
A. Zelluläres und virales Onkogen
Zelluläres Onkogen (c-src) Virales Onkogen
Zelluläres Onkogen DNA
genetische Veränderung Punktmutation
Translokation
normale Kontrolle der Zellteilung
gestörte Kontrolle der Zellteilung
normale Proliferation
vermehrte Proliferation
normales Wachstum
Tumor
Amplifikation
B. Mechanismen der Onkogen-Aktivierung Onkogen
Tumorentstehung durch c-onc v-onc
Funktion
sis
Eine Form von PDGF
abl
Tyrosin-Proteinkinase
Simian Sarkoma Chronisch Myeloische Leukämie
AbelsonMäuse-Leukämie
fes
Tyrosin-Proteinkinase
erbB
Epidermaler Wachstumsfaktor
Katzen-Sarkom
src
Membran-gebundene Proteinkinase
Ha-ras Ki-ras N-ras
Membran-gebundene G-Proteine mit GTPase-Aktivität
fos
Transkriptionsfaktor AP1
myb
Nukleäres Protein
Leukämien
Hühner-Myeloblastose
myc
Nukleäres Protein
Leukämien
Hühner-Myelocytose
N-myc
Nukleäres Protein
Neuroblastom
Mamma-Carcinom Ovarial-Carcinom
Erythroblastose bei Hühnern Rous-HühnerSarkom
verschiedene Carcinome, Neuroblastom
Harvey-Mäuse-Sarkom Kirsten-Mäuse-Sarkom HühnerOsteosarkom
C. Beispiele für zelluläre Onkogene und ihre Proteine
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Entstehung von Tumoren
Das p53-Protein, Hüter des Genoms
B. Keimbahn-Mutationen in p53
Das vom TP53-Gen codierte p53 Protein (benannt nach seinem Molekulargewicht) ist ein nukleäres Phosphorprotein. Es hat als wichtigster Kontrolleur des Zellzyklus zentrale Aufgaben in der Erhaltung der Integrität des Genoms und bei der Erkennung und Beseitigung von Schäden an der DNA („Hüter des Genoms“, Lane, 1992). p53 ist ein Transkriptionsfaktor, aber unter normalen Bedingungen ist dieses Protein nicht aktiv und wird mit Hilfe eines anderen Proteins, Mdm2, mit einer kurzen Halbwertszeit von 20 Minuten bis 2 Stunden rasch abgebaut. Tritt jedoch ein Schaden an der DNA ein, zieht die Zelle die Notbremse indem sie p53 durch Phosphorylierung mittels Checkpoint-Kinasen wie ATM-Kinasen (ATM-Protein, mutiert bei Ataxia-telangiectatica, S. 318) und DNA-abhängiger Protein-Kinase aktiviert. Bei etwa der Hälfte aller Tumoren treten somatische Mutationen im TP53-Gen auf. Eine Keimbahn-Mutation führt zu einer schweren Krankheit mit drastisch erhöhter Disposition für das Auftreten zahlreicher bösartiger Tumoren (LiFraumeni-Syndrom).
1969 identifizierten F. P. Li und J. F. Fraumeni Familien mit mehreren an verschiedenen Tumoren erkrankten Mitgliedern, vor allem früh auftretende Tumoren der Brust, des Gehirns, Knochens (Osteosarkom), Lunge, Pankreas, Nebenniere oder Weichteil-Sarkome. Dies entsprach einer von T. Lynch beobachteten familiären Häufung mit autosomal dominantem Erbgang, Li-Fraumeni-Syndrom genannt (MIM 114480). Im Beispiel eines Familienstammbaums (1, D. Malkin, Science 250: 1233–1238, 1990) findet sich bei sechs Individuen (I-1, II-2, II-3, III-1, III-2 und III-5) in Codon 248 eine CGG (Arg) nach TGG (Tryptophan)-Mutation. Sie sind deshalb von einem hohen Tumorrisiko bedroht, während dies für III-3 und III-4 ausgeschlossen werden kann. Der Nachweis einer Mutation bedeutet nicht, dass in jedem Fall Tumoren auftreten, wie ein Individuum in Generation I (I-1) trotz nachgewiesener Mutation (mt) zeigt. Die Art der Tumoren ist über zahlreiche Gewebe und Organe verteilt (2). Bei einer Untergruppe mit einer varianten Form der Erkrankung ist p53 nicht betroffen.
A. Das p53-Protein des Menschen Das TP53-Gen liegt auf dem kurzen Arm von Chromosom 17 in Region 1, Band 3 (17p13), erstreckt sich über etwa 20 kb und enthält 11 Exons. Das 2.8 kb Transkript wird in ein 53kD nukleäres Phosphoprotein mit 393 Aminosäuren translatiert. Das Protein enthält fünf von Xenopus (Amphibia) bis zum Menschen konservierte Domänen (I–V), die essentiell für die normale Funktion sind. Bindungsstellen an Proteine des SV40-Virus spiegeln die ursprüngliche Identifizierung des p53 in SV40-transformierten Zellen wider. Mutationen treten bevorzugt in den sequenzspezifischen DNA-bindenden Bereichen auf. Sechs hochkonservierte Aminosäuren sind besonders häufig von Mutationen betroffen: Arginin an Position 175, 248, 249, 273 und 282, sowie Glycin an Position 245 (G245). Die meisten Mutationen resultieren aus Substitution (Missense), doch kommen auch Deletionen und Insertionen vor. Knock-out-Mäuse entwickeln sich normal, bilden jedoch frühzeitig multiple Tumoren. Benzpyren-induzierte Mutationen in Kulturen von Bronchialepithel treten vor allem in Codons 175, 248 und 275 auf (Abb. modifiziert nach Lodish et al., 2000).
C. Modell der Funktion von p53 Infolge des normalerweise inaktiven p53 kann die Zelle den Zellzyklus normal durchlaufen (1). Tritt jedoch ein Schaden an der DNA ein (2), so wird p53 aktiviert. Die Zelle wird in G1 oder G2 arretiert und erhält Zeit für die Reparatur. Ist dies erfolgreich, kann sie den Zellzyklus fortsetzen. Ist dies nicht erfolgreich, wird die Zelle dem programmierten Zelltod (Apoptose) überantwortet. Mutantes p53 kann die zentrale Aufgabe nicht erfüllen und Zellen teilen sich trotz Schäden an der DNA. Die auf diese Weise multiplizierten Schäden führen zu späteren Zeiten zu Tumoren (Abb. modifiziert nach D. P. Lane, 1992). Hanahan, D., Weinberg, R. A.: The hallmarks of cancer. Cell 100: 57–70, 2000. Lane, D. P.: p53, guardian of the genome. Nature 358: 15–16, 1992. Lodish, H., et al.: Molecular Cell Biology (with an animated CD-ROM). 4th ed. W. H. Freeman & Co., New York, 2000. Malkin, D.: The Li-Fraumeni syndrome, pp. 387–401. In: Vogelstein, B., Kinzler, K. W., eds., 2nd ed. The Genetic Basis of Human Cancer. McGraw-Hill, New York, 2002.
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Das p53-Protein, Hüter des Genoms Mutations Cluster in konservierten Regionen II – V
R248 R175
1
G245
100
R273
R249
Aminosäure 393
R282
200
300
N
C
Konservierte Regionen I – V
I
II
III
IV
V
TranskriptionsSequenz-spezifische DNA Bindung aktivierung SV440 E6, E1b SV40 MDM2Bindung Virus Protein Bindung A. Das menschliche p53-Protein Funktionale Domänen
1
I
2
Andere Tumoren möglich: Lunge, Prostata, Pankreas, Colon, Lymphon, Melanom
mt
1
II
2
3
mt
III
1
2
mt mt
4
5
mt
3
N
4
N
mt= Mutation mt= vorhanden
N
Tetramerisierungsdomäne
Gehirn 12% WeichteilSarcom 12% Brustkrebs 25% Nebennierenrinde 1%
5
Mutation in Codon 248: CGG TGG mt (Arg) (Trp)
Knochen 6% (Osteosarcom)
N= Mutation N= nicht vorhanden
2. Verteilung der Tumoren
1. Autosomal dominanter Erbgang
Nicht-spezifische DNA-Interaktion
Knochenmark 6% (Leukämie)
B. Familiäre multiple Tumoren durch Mutationen des p53-Gens (Li-Fraumeni-Syndrom) Go p53 inaktiv
G1
S
G2 Mitose
1. Normal p53 aktiv
Schaden
normale Zellproliferation
DNA-Reparatur erfolgreich
Arrest der geschädigten Zelle
nicht erfolgreich
Mitose
Tumor
Zelltod (Apoptosis)
p53 mutant geschädigte Zelle
mutante Zellen Mitose Schaden verdoppelt
2. DNA-Schaden
defekte Mitose (Aneuploidie)
C. Modell der Funktion des p53-Gens
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Tumor
308
Entstehung von Tumoren
Neurofibromatose Neurofibromatosen sind klinisch und genetisch unterschiedliche, autosomal dominant erbliche Erkrankungen, die zu gutartigen und bösartigen Tumoren des Nervensystems prädisponieren. Zahlreiche verschiedene Formen sind bekannt. Am wichtigsten sind Neurofibromatose 1 (NF1, von Recklinghausen-Krankheit, MIM 162200) und Neurofibromatose 2 (NF2, MIM 101000).
A. Wesentliche Merkmale von NF1 NF1 ist sehr variabel. Lisch-Knötchen der Iris (1) bei mehr als 90 % der Patienten, Cafe-au´ lait-Flecken (2) (als beweisend gelten mehr als 5 Flecken von mehr als 2 cm Durchmesser) bei mehr als 95 % und multiple Neurofibrome (3) bei mehr als 90 % der Patienten sind die wichtigsten Merkmale. Daneben können verschiedene Skelettanomalien (Skoliose bei etwa 30 %, Pseudoarthrose bei etwa 3 %) auftreten. Bei etwa 3–5 % treten bösartige Tumoren des Nervensystems auf.
B. Das NF1-Gen Dieses Gen wurde 1989 mittels Positionsklonierung auf Chromosom 17q11.2 identifiziert. Entscheidend war die Analyse von zwei Patienten mit einer Translokation [t(1;17) und t(17;22)], deren Bruchpunkte auf 17q11.2 in einem 600 kb großen NruI-Restriktionsfragment in einem Abstand von 50 kb lokalisiert wurden. Eine in 5'Richtung liegende CpG-Insel (CG-reiche Abschnitte stromaufwärts vieler Gene), CpG-1, ergab einen der weiteren Anhaltspunkte für das Gen. Das NF1-Gen erstreckt sich mit 79 Exons in einem Leserahmen von 8454 Nukleotiden über 350 kb genomischer DNA. Das Transkript besteht aus 11–13 kb RNA. Drei Gene (OMGP, EVI2B, EVI2A liegen in einem Intron auf dem gegenüberliegenden DNA-Strang des NF1-Gens. (Abb. modifiziert nach Claudio & Rouleau, 1998).
C. Neurofibromin, das Genprodukt Das NF1-Gen codiert für ein Genprodukt von 2818 Aminosäuren. Dieses große Protein enthält eine Domäne zwischen Aminosäure 840 und 1200, die einem GTPase-aktivierenden Protein entspricht. Die Homologie erstreckt sich auf ein Genprodukt IRA1 (Inhibitor of Ras-Mutanten) von Hefe (S. cerevisiae). Es wird diskutiert, dass Neurofibromin als Tumor-Suppressor durch
Herunterregulierung des GTPase (GAP)-aktivierenden p21-ras-Proto-Onkogens wirkt. Durch alternatives Spleißen entstehen mehrere Isoformen von Neurofibromin mit unterschiedlicher Expression in verschiedenen Geweben. (Abb. modifiziert nach Xu et al., Cell 62: 599–608, 1990).
D. Neurofibromatose 2-Gen (NF2) Neurofibromatose 2 (NF2) ist eine von NF1 zu unterscheidende autosomal dominant erbliche Krankheit mit einer Häufigkeit von 1 auf 40 000 Individuen infolge einer Mutation (hohe Mutationsrate, neue Mutation bei ca. 50 %) im NF2-Gen auf Chromosom 22q12. Verschiedene Tumoren des Vestibularnerven (bilaterales Schwannom) und anderer intracranialer (Meningiom), spinaler und peripherer Nerven kennzeichnen die Krankheit. Das NF2 wurde 1993 in einem Cosmid-Contig regional kartierter YAC-Klone identifiziert. Die Analyse der Bruchpunkte von zwei Patienten mit einer intragenen Deletion (Del1 und Del2, schwarze Pfeile) und mehrere CpG-Inseln führten zu fünf Genen, von den eines NF2 war. Dieses Gen wird in drei verschieden große mRNAs von 2.6, 4.4 und 7 kb transkribiert. Das NF2-Genprodukt existiert in zwei wesentlichen Isoformen. Das Genprodukt, genannt Schwannomin (alternative Bezeichnung Merlin, abgeleitet von Moezin-Ezrin-Radixin-ähnlichen Proteinen), gehört zur Familie der 4.1 Cytoskelett-assoziierten Proteine, die für die Stabilität der Zellmembran und Zellform wichtig sind (vgl. S. 358). Carey, J. C., Viskochil, D. H.: Neurofibromatosis Type 1: a model condition for the study of the molecular basis of variable expressivity in human disorders. Am. J. Med. Genet. (Semin. Med. Genet.) 89: 7–13, 1999. Claudio, J. O., Rouleau, G. A.: Neurofibromatosis type 1 and type 2, pp. 963–970. In: Principles of Molecular Medicine, J. L. Jameson, ed. Humana Press, Totowa, NJ, 1998. Gutmann, D. H., Collins, F.S.: Neurofibromatosis 1, pp. 877–896. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Krone, W., Kehrer-Sawatzki, H.: Neurofibomatosen. S. 88–234. In: Hereditäre Tumorerkrankungen. D. Ganten & K. Ruckpaul, Herausg. Springer, Berlin – Heidelberg, 2001. MacCollin, M., Gusella, J.: Neurofibromatosis 2, pp. 897–906. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Riccardi, V. M., Eichner, J. E.: Neurofibromatosis. Phenotype, Natural History and Pathogenesis. 2nd ed., Johns Hopkins University Press, Baltimore, 1992.
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309
Neurofibromatose
Neurofibromatose 1 (NF1)
(von Recklinghausen-Krankheit)
Autosomal dominant Häufigkeit 1 auf 3000 Genlocus auf 17q11.2 Café-au-lait-Flecken Lisch-Knötchen in der Iris Multiple Neurofibrome Skelettanomalien Prädisposition zu Tumoren des Nervenystems ca. 50% neue Mutationen
1. Lisch-Knötchen
2. Café-au-lait-Fleck A. Wesentliche Merkmale von Neurofibromatose 1 NF1 Gen (79 Exons, 350 kb)
NruI
Centromer
3. Neurofibrome
Chromosomenregion 17q11.2 (600 kb NruI Fragment) CpG-1 t(1;17) t(17;-22) CpG-2 CpG-3 50 kb Drei zusätzliche Gene
NruI Telomer
OMGP EVI2B EVI2A
1 Exon
79
B. Neurofibromatose Gen NF1 auf Chromosom 17q11.2 500
NF1 Peptid Humanes GAPa (GTPase-aktivierendes Protein)
1150
Hefe IRA1
840
1200
700
1047
1500
1880
2060
2818
Aminosäuren
Homologe Genprodukte
2725 2938
GAP-Homologie
C. NF1-Genprodukt (Neurofibromin)
Regionalkarte des NF2-Locus auf Chromosom 22 200
500
100
450
Centromer
kb Telomer
Contigs von DNA-Fragmenten –1 –2 CpG CpG
Del 2 Deletion 1 –3 Cp-3G
Gen
EWS
GAR22
NEHF
NF2
MTMR3
90 kb C13
D. Neurofibromatose Gen NF2 auf Chromosom 22q12.1
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C16
310
Entstehung von Tumoren
Familiäre Polyposis coli
C. Das APC-Gen und Mutationen
Bösartige Tumoren des Dickdarms (Colon) und Rektums (Colorectale Tumoren) treten bei etwa 5 % der Bevölkerung als die zweithäufigste Todesursache durch Krebs auf. Sie entwickeln sich aus einer Serie aufeinander folgender klinischer und histopathologischer Stadien, die mit Mutationen in verschiedenen, an der Ursache beteiligten Genen verglichen werden können. Die Mutationen sind meistens auf den Tumor beschränkt (somatische Mutationen), jedoch bei etwa 5–15 % der Patienten liegt eine Keimbahn-Mutation in einem wichtigen Gen vor. Kinzler & Vogelstein (1997) haben drei Kategorien von krebsprädisponierenden Genen vorgeschlagen: „Caretakers“, „Gatekeepers“ (das FAP-Gen mit direkter Kontrolle der Zellteilung in Epithelzellen des Colon) und „Landscaper“ (Gene, die durch abnorme Stromazellen zu neoplastischer Veränderung des darüberliegenden Epithels führen).
Von den 15 Exons des aus 8535 Basenpaaren bestehenden großen Gens treten Mutationen gehäuft in dem großen, aus 6579 bp bestehenden Exon 15 auf. Die meisten Mutationen im APC-Gen verkürzen das aus 2843 Aminosäuren bestehende APC-Protein (nachweisbar durch den Proteintrunkationstest). Das APC-Protein hat mehrere funktionell relevante Domänen: Am N-Terminus ab Aminosäure 1 bis 171 Wiederholungen von je 7 Aminosäuren (Heptad repeats) für die Dimerisierung des Proteins, Catenin-bindende Repeats zwischen Codons 1021 und 1170, sowie 1324 und 2075, Phosphoylierungsstellen und andere. Teilweise kann diese funktionelle Differenzierung mit der Position der Mutation und den klinischen Auswirkungen korreliert werden. Die in Teil A, Bild 3 gezeigte Veränderung der Netzhaut tritt auf, wenn Codons zwischen Position etwa 500 und 1400 betroffen sind.
A. Polyposis coli und Colon-Carcinom
D. Indirekte DNA-Diagnostik bei FAP
Familiäre Polyposis coli (FAP) ist eine autosomal dominant erbliche Erkrankung. Im späten Kindes- und frühen Erwachsenenalter entwickeln sich bis zu 1000 und mehr Polypen in der Schleimhaut des Dickdarms (Colon) (1). Jeder Polyp kann sich zu einem Colon-Carcinom entwickeln (2). Frühzeitige Erkennung dieses Risikos ist wichtig. Bei etwa 80 % der Erkrankten finden sich in der Netzhaut kleine, das Sehvermögen nicht beeinträchtigende angeborener Hypertrophien (3). (Photo 1 und 2 von Prof. U. Pfeifer, Institut für Pathologie der Universität Bonn; Photo 3 aus W. Friedl et al., Dtsch. Ärztebl. 88: B-851, 1991, mit freundlicher Genehmigung der Autoren).
Gekoppelte DNA-Marker (RFLPs) in der Nähe des APC-Locus (1) erlauben eine indirekte DNA-Diagnostik. Die Allele von drei flankierenden Markerpaaren (K, k und E, e auf der centromeren Seite und A, a auf der distalen Seite) bilden jeweils einen Haplotyp, z. B. e-K-a oder Ek-a bei Individuum I-1 im Stammbaum (2). Der die Mutation tragende Haplotyp muss e-K-a sein. Da sein Sohn (III-2) diesen Haplotyp geerbt hat, besteht für ihn ein Krankheitsrisiko.
B. Mutationen Von den über 15 bekannten Genen sind acht in der Tabelle aufgelistet. Davon sind vier genetische Veränderungen in folgenden Genen besonders häufig: Aktivierung von RAS-Onkogenen (bei 50 %; beteiligt an G-Protein Signaltransduktion, s. S. 252) und Inaktivierung von drei Tumor-Suppressor-Genen auf Chromosom 5q, 17p und 18q. Das Gen auf 5q ist das APC-Gen (Adenomatöse Polyposis coli), das bei über 80 % sporadischer Colon-Carcinome beteiligt ist.
(Daten von W. Friedl, Bonn).
E. Mehrere Mutationen bei der Entstehung des Colon-Carcinoms Die Tumor-Entstehung durchläuft mehrere Stadien. Ausgangspunkt ist eine somatische oder eine germinale Mutation im APC-Gen. Nach Verlust des anderen Allels (LOH) bildet sich ein Adenom mit verminderter Zelldifferenzierung und Polypen. Mutationen in anderen Genen führen zum Übergang in ein Carcinom (Abb. nach Fearon & Vogelstein, 1990). Fearon, E. R., Vogelstein, B.: A genetic model for colorectal tumorigenesis. Cell 61: 759–767, 1990. Kinzler, K. W., Vogelstein, B.: Cancer-susceptibility genes: Gatekeepers and caretakers. Nature 386: 761–763, 1997. Lynch, H. T., de la Chapelle, A.: Hereditary colorectal cancer. New Eng. J. Med. 348: 919–932, 2003.
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311
Familiäre Polyposis coli
1. 2. A. Polyposis coli und Colon-Carcinom McKusick Nr.
3.
Erkrankung/Betroffenes Gen
Genlocus
190110
Colorectales Adenom/Carcinom (KRAS1)
6p12-11
190070
Colorectales Adenom/Carcinom (KRAS2)
12p12
114500
Isoliertes Colon-Carcinom (somatische Mutation im APC-Gen)
5q21
175100
Familiäre Adenomatöse Polyposis coli (germinale Mutation im APC- Gen)
5q21
175100
APC mit anderen Tumoren: Gardner-Syndrom (allelisch)
5q21
159350
DNA-Sequenzen mutiert in Colon-Carcinom (MCC)
5q21-22
191170
p53-Gen (identisch mit McKusick *120460)
17p12-13
120470
Colorectal-Carcinom betroffenes Gen (DCC)
18q21.3
B. Mutationen an verschiedenen Genloci bei Polyposis coli und Colon-Carcinom cDNA Exons
1
2
1 APC Protein
135
1
45
3
4 422
5
6 7 8 645
9
933
9a 10 11 12 13
14
15
1236
1548 1743
1958
412
516
652
15
15
8535 bp 1000
2843 Aminosäuren
2000
= Splice-Mutanten C. APC-Gen (Schema) und Verteilung von Mutationen ( ) 1.
5 cM 1 cM
p
11
2 I
APC Locus
e K a
APC
Chromosom 5
15 14 13
Marker: K, k / E, e A, a
II 12 13 14 15 21
q
mutanter Haplotyp
Zweites Ereignis (LOH)
E k a E k a
III
2
1
e k a
1
kein Risiko
Mutationen in anderen Genen p53 Ras MCC DCC
Vermehrte Zellteilung Zellen der Darmschleimhaut
1
e K a
22 23 31 32 33 34 35
D. Indirekte DNA-Diagnostik bei FAP Erste Mutation im APC-Gen
E k a
2
2
Risiko Metastasen
Invasion durch die Basalmembran
Adenom, Polypenbildung
E. Mehrere Mutationen bei der Entstehung des Colon-Carcinoms
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e K a
Carcinom
e k a
e k a e k a
312
Entstehung von Tumoren
Für Brustkrebs disponierende Gene Brustkrebs ist mit einem Anteil von mehr als 30 % eine der häufigsten Formen von Krebs. Weltweit erkranken fast eine Million Frauen pro Jahr. Unter den zahlreichen Risikofaktoren deutet eine bei etwa 15–20 % erkrankter Frauen beobachtete familiäre Häufung auf eine genetische Komponente. Mutationen in zwei 1994 und 1995 identifizierten Genen, BRCA1 und BRCA2, führen bei etwa 5 % zu einer autosomal dominant erblichen Form von Brustkrebs, häufig bilateral und zusätzlich auch Ovarialkrebs. Diese Gene sind Teil eines komplexen Netzwerks von Genen, die den Zellzyklus und DNAReparatur regulieren. Das individuelle Krankheitsrisiko ist auch bei Nachweis einer Mutation in vielen Fällen nur schwer zu beurteilen. Andere Gene und nicht-genetische Faktoren sind an den Ursachen beteiligt.
A. Das Brustkrebs-Suszeptibilitäts-Gen BRCA1 Das BRCA1-Gen liegt auf dem langen Arm von Chromosom 17, Region 2, Band 1.1 (17q21.1), enthält 24 Exons und umfasst 80 kb genomische DNA (1). Das 7.8-kb mRNA-Transkript wird in ein Protein mit 1863 Aminosäuren translatiert. Bemerkenswert groß ist Exon 11 mit 3.4 kb und 60 % der codierenden Sequenzen dieses Gens. Hier finden sich 55 % aller Mutationen. Die übrigen Mutationen sind gleichmäßig über das Gen verteilt, so dass einfache Suchprogramme schwierig sind. Insgesamt sind mehr als 500 Sequenzvarianten beschrieben, darunter auch nicht krankheitsrelevante Polymorphismen. Etwa 30 % der Mutationen sind Missense, die anderen resultieren in einem verkürzten oder fehlenden Protein durch Deletionen, Spleiß-Mutationen, sowie einige Mutationen in nicht-codierenden Regionen. Die beiden häufigsten sind eine Deletion von Adenin (A) und Guanin (G) an der Nukleotidposition 185 (185delAG) und eine Insertion von Cytosin an Position 5382 (5382insC). Diese Mutationen finden sich bei 8 bzw. 1.2 pro 1000 Individuen in der Ashkenazi jüdischen Bevölkerungsgruppe. Das 220-kD Protein (2) hat mehrere funktionell relevante Domänen. Dies sind am aminoterminalen Ende (N)-Regionen im Bereich von Codon 1 bis 101, die an andere Proteine binden können, wie BARD1, ein regulatives Protein mit
Zinkfinger-Motiv (S. 200) und einem Aktivatorprotein, BAP1, zwei nukleäre Lokalisierungssignale (NLS), für Interaktion mit p53-Protein, dem DNA-Reparaturprotein RAD51.
B. Das Brustkrebs-Suszeptibilitäts-Gen BRCA2 Das BRCA2-Gen auf Chromosom 13q12 (1) enthält 27 Exons mit einem zum nicht-translatierten 5'-Ende gehörenden Exon 1, umfasst 70 kb genomischer DNA, und codiert für ein 10.4 kb mRNA-Transkript. Ähnlich wie im BRCA1-Gen, ist Exon 11 groß (5 kb), auch Exon 10 ist mit 1 kb groß. Mehr als 500 verschiedene Varianten im BRCA2-Gen sind nachgewiesen, die sich wie bei BRCA1 über die gesamte codierende Region verteilen. Bei vielen kann bisher nicht sicher zwischen polymorpher Variante und krankheitsauslösender Mutation unterschieden werden. Eine Ausnahme macht eine Deletion eines Thymins an Position 6174 in Exon 11 mit einer Prävalenz von 1.2 % bei Ashkenazi jüdischen Bevölkerungsgruppen. Etwa 80 % der Mutationen führen durch kleine Deletionen oder Insertionen zu einem verkürzten oder fehlenden Protein. Das BRCA2-Protein (2) ist mit einem Molekulargewicht von 384 kD und 3418 Aminosäuren sehr groß. Funktionell relevante Domänen sind eine Region zwischen Codon 18 und 105 für transkriptionale Aktivierung, RAD51-Interaktion (Codon 987–2112) mit einem Bereich von Wiederholungen von 30–80 Aminosäuren (BRC Repeats), ein möglicherweise besonders zu Ovarialkrebs disponierender Bereich, sowie ein nukleäres Lokalisationssignal (NLS). BRCA2 ist an DNA-Reparatur von Doppelstrangbrüchen und anderen wichtigen Funktionen beteiligt. (Abb. modifiziert nach Welcsh et al., 2000). Couch, F. J., Weber, B. L.: Breast cancer, pp. 999–1031. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGrawHill, New York, 2001. Wagner, T. et al.: Hereditärer Brust- und Eierstockkrebs. S. 257–281. In: Hereditäre Tumorerkrankungen, D. Ganten & K. Ruckpaul, Herausg. SpringerVerlag, Berlin – Heidelberg, 2001. Welcsh, P. L., Owens,K. N., King, M. C.: Insights into the functions of BRCA1 and BRCA2. Trends Genet: 16: 69–74, 2000.
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313
Für Brustkrebs disponierende Gene (185delAG) 10%
55% in Exon 11
(5382insC)
BRCA1 5' Gen
3'
(nur Exons gezeigt)
1 – 10
11 (3.4 kb)
12 – 24
Exons
17q21.1; ~80kb genomische DNA; 7.8 kb mRNA 1. Verteilung und relative Häufigkeit von Mutationen 1
Aminosäure1863
BRCA1 N Protein wesentliche funktionale Domainen
2.
C
NLS p53 RAD51-Bindung RING RB Finger RAD50interagiert Bindung mit BARD1 und BAP1 als Transkriptionfaktor
transkriptionale Aktivierung DNA-Reparatur
A. Das Brustkrebs Suszeptibilitäts-Gen BRCA1 Verteilung der Mutationen
BRCA2 Gen 5' (nur Exons gezeigt)
6174 delT Ashkenazi
ATG Start
TAA Stop 3'
1–9
10
11 (5 kb)
12 – 26
27 Exons
13q12; ~70 kb genomische DNA; 10.4 kb mRNA 1. Amino säure 3418
BRC-Repeats BRCA2 N Protein wesentliche funktionale Domainen
C
transkriptionale Aktivierung
NLS
RAD51-Bindung Ovarcarcinom Susceptibilität
2. B. Das Brustkrebs Suszeptibilitäts-Gen BRCA2
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314
Entstehung von Tumoren
Retinoblastom
C. Das RB1-Gen und das Protein pRB
Retinoblastom (MIM 180200) ist ein von noch nicht endgültig differenzierten Zellen der Retina (Retinoblasten in der Netzhaut) ausgehender Tumor in einem oder beiden Augen. Er tritt bei Neugeborenen, im Säuglingsalter und bei Kindern bis zu etwa fünf Jahren (nur sehr selten) mit einer weltweit gleichen Häufigkeit von 1 auf 15 000 auf. Der Tumor beginnt, wenn beide Allele des Tumor-Suppressor-Gens RB1 auf Chromosom 13q14.2 durch zwei unabhängige, zeitlich verschiedene Mutationsereignisse inaktiviert worden ist (Zweischritt-Mutationsmodell nach Knudson, 1971). Somatische Mutationen sind für etwa 60 % der Erkrankungen verantwortlich, ca. 30 % durch neue Mutation überwiegend väterlicher Herkunft und ca. 10 % durch Transmission von einem der Eltern. Die Penetranz der erblichen Retinoblastome beträgt durchschnittlich 90 %, aber dies kann je nach Typ der Mutation zwischen 25 % und X 99 % variieren. Etwa 70 % der für die Prädisposition verantwortlichen Keimbahn-Mutationen führen zu einem vorzeitigen Stopcodon. Bei 18 % der Nukleotid-Substitutionen, vor allem an Spleißstellen, resultiert eine Verschiebung des Leserasters. Nur 10 % der Substitutionen sind Missense-Mutationen. Kleine Deletionen und Insertionen machen bis zu 26 % der Mutationen aus. Bei etwa 65 % der Tumoren kann der Verlust von Heterozygotie (LOH) nachgewiesen werden.
Das Gen hat 27 Exons (1) in 183 kb genomischer DNA mit Introns von sehr variabler Größe. Der codierende Bereich (2) hat Exons unterschiedlicher Größe. Das Gen wird in eine 4.7-kb mRNA transkribiert. Das 110-kD Genprodukt ist ein Phosphoprotein (3) mit 928 Aminosäuren und wichtigen Funktionen bei der Regulierung des Zellzyklus (vgl. S. 94). Es wird beim Eintritt in die S-Phase an über 10 Serin- und Theronin-Resten phosphoryliert (gezeigt als P in grünen Kreisen). In der C-terminalen Hälfte finden sich funktionell relevante Domänen (A, B, C) mit Bindungsstellen für andere Proteine und ein nukleäres Lokalisierungssignal (NLS).
A. Phänotyp Retinoblastom kann ein oder beide Augen betreffen und in frühen Stadien einen weißen Schimmer („Katzenauge“) hervorrufen (1), häufig auch rasch auftretenden Strabismus (Schielstellung). Tumoren, infolge somatischer Mutation, treten in einem Auge von einem Tumorherd ausgehend (2, unifocal) auf. Infolge Keimbahn-Mutation treten Tumoren in einem, aber meistens in beiden Augen auf (multifocal). Der Tumor wächst rasch in das Innere des Auges (3), aber Metastasen treten in frühen Stadien nicht auf.
B. Der Retinoblastom-Locus Es ist nur ein Genlocus auf Chromosom 13q14.2 bekannt, der zuerst durch kleine, aber lichtmikroskopisch noch sichtbare interstitielle Deletionen regional kartiert wurde.
D. Prinzip der DNA-Diagnostik Die molekulargenetische Diagnostik kann zwischen hereditären und nicht-hereditären Formen der Krankheit unterscheiden. Bei etwa 3–5 % kann eine interstitielle Deletion lichtmikroskopisch nachgewiesen werden (1). In allen anderen Fällen wird eine indirekte DNA-Untersuchung mittels Segregationsanalyse gekoppelter polymorpher DNA-Marker (2) oder eine direkte DNA-Analyse mit Nachweis einer krankheitsausläsenden Mutation durchgeführt (3 und 4). Die elterlichen Haplotypen a und b beim Vater, sowie c und d bei der Mutter bestehen aus je drei Markern mit verschiedenen Allelen (mit Ziffern definiert), die den RB1-Locus flankieren. Das erkrankte Kind hat die elterlichen Haplotypen a und c, die Schwester b und c. In Tumormaterial fand sich nur der väterliche Haplotyp a als mutationstragend. Da die Schwester diesen Haplotyp nicht geerbt hat, besteht für sie mit hoher Wahrscheinlichkeit kein erhöhtes Tumorrisiko. Die Tafelteile 3 und 4 zeigen eine Familie mit einem erkrankten Kind (II-2) und einer erkrankten Mutter (I-2). Beide haben eine C- nach T-Transition (CAA, Glutamin nach TAA, Stopcodon) in Codon 575. Die Schwester (II-1) hat diese Mutation nicht, so dass für sie ein erhöhtes Tumorrisiko ausgeschlossen werden kann (Befunde von D. Lohmann, Essen). Lohmann, D., Horsthemke, B., Bornfeld, N.: Retinoblastom. S. 23–41. In: Hereditäre Tumorerkrankungen. D. Ganten & K. Ruckpaul, Herausg. Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, 2001. Lohmann, D.: RB-Mutationsdatenbank: (www.d-lohmann.de/Rb/mutations.html). Lohmann, D. R.: RB1 gene mutations in retinoblastoma. Hum. Mutat. 14: 283–288, 1999.
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315
Retinoblastom
1. „Katzenauge” A. Phänotyp
2. Tumor in der Netzhaut
1 2
13 12
p
11 1 12 2 3 13 14 21
q
3 6
7
3. Großer Tumor im Auge
17
18
27
1. Exon/Intron Struktur
1 2 3 1 2 3
RB1 (13q14.2)
1
2
10 kb
3 4 6 7 8 9 10
13
17 18 19 20 2122 23 25 27
2. Codierende Regionen (27 Exons)
22 31 32 33 34
100 bp
A
B
C
NLS
1
3. pRB Protein
B. Retinoblastoma-Locus B. auf Chromosom 13
C. Retinoblastom-Gen RB1 und das pRB-Protein I
1
2
erkrankt
3. II
1
G A T C Normal
Deletion
928 Aminosäuren
phosphorylierte Stellen
2
G A T C
erkrankt
G A T C
Normal Deletion
1. Interstitielle Deletion 1 a
3 3 3 2
b
a
3 3 3 2
c
2 1 2 1
d
2 2 3 3
1
II
2
c
2 2 3 3
3 2 2 2
2
Tumor a
3 3 3 2
D13S284 RBi2 RB1.20 D13S262
intragen
I
b
2 1 2 1
c
2 2 3 3
2. Haplotyp-Analyse D. Diagnostisches Prinzip
3'
3'
3'
A C T A A T/C A A A
A C T A A C A A A
A C T A A T/C A A A
5'
5' Codon 575
5'
5'
A A A C A ATC A
3' 5'
Glutamin
C T Transversion
Stop
normal (wt)
Mutation
mutant
4. Sequenz-Analyse
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A A ATA ATC A
3'
316
Entstehung von Tumoren
Genveränderungen durch Chromosomentranslokationen Etwa 50 verschiedene Typen von Tumoren des hämatopoietischen Systems (Leukämien und Lymphome) entstehen durch Aktivierung eines Proto-Onkogens durch eine Chromosomentranslokation in einer Vorläuferzelle (Look, 2002). Bei vielen Leukämien wird durch die Translokation ein Transkriptionsfaktor (vgl. S. 200) oder eine Tyrosin-Rezeptor-Kinase (vgl. S. 248) an ein anderes Gen angelagert, so dass ein aus Teilen beider Gene codiertes chimäres Protein mit onkogenen (krebsauslösenden) Eigenschaften entsteht. Bei vielen Lymphonen gerät ein nicht aktives Gen unter Kontrolle eines aktiven Promotors oder Enhancers eines der Immunglobulin- oder T-Zellrezeptor-Gene (vgl. S. 294). Chronisch Myeloische Leukämie (CML) ist ein aus einer Zelle des Knochenmarks entstehender Blutkrebs des Erwachsenenalters. Die Erkrankung verläuft chronisch. Zwischenzeitlich und zuletzt geht sie in akute Krisen über. In Zellen des Knochenmarks findet sich in wechselnder Häufigkeit ein als Philadelphia-Chromosom (Ph1, nach dem Entdeckungsort) bezeichnetes Cromosom 22 mit verkürztem langen Arm (22q–). Alle veränderten Zellen entstehen aus einer Vorläuferzelle durch klonale Evolution (Nowell & Hungerford, 1960; Nowell, 1976).
A. Das Ph1-Chromosom bei verschiedenen Formen von Leukämie Chronisch Myeloische Leukämie tritt vorwiegend bei Erwachsenen auf, bei denen in einem variablen Anteil der Zellen des Knochenmarks ein Philadelphia-Chromosom nachgewiesen werden kann. Jedoch tritt das Ph1-Chromosom auch bei 3–5 % von Kindern, bei denen CML selten ist, und bei 30–40 % Erwachsener mit Akuter Lymphocytärer Leukämie (ALL) auf.
B. Die Ph1-Translokation Das Philadelphia-Chromosom entsteht durch reziproke Translokation zwischen Chromosom 22 und Chromosom 9. Etwa gut die Hälfte des langen Arms eines Chromosom 22 ist an den langen Arm eines Chromosom 9 verlagert. Ein kleiner, lichtmikroskopisch nicht sichtbarer Abschnitt des distalen langen Arms eines Chromosom 9 (9q34) ist an das Chromosom 22 transloziert.
C. Fusion von zwei Genen Durch die Translokation werden eine TyrosinKinase, das ABL-Proto-Onkogen auf Chromosom 9 (Name abgeleitet vom viralen Abelson Onkogen) mit einem Gen BCR auf Chromosom 22 fusioniert. Die Lage der Bruchpunkte bestimmt die resultierenden Auswirkungen. Bei CML sind die Bruchpunkte bei verschiedenen Patienten auf eine kleine Region von 5800 Basenpaaren beschränkt (breakpoint cluster, brc), während sie bei ALL über einen weiten Bereich am 5'-Ende des BCR-Gens verteilt sind. Im ABL-Gen auf dem distalen langen Arm von Chromosom 9 verteilen sich die Bruchpunkte über 180 000 Basenpaare in dem großen Intron 1 (150 kb) und den angrenzenden Exons 1 b und 1 a. Durch die Ph1-Translokation fusionieren etwa zwei Drittel des BCR- und der größte Teil des ABL-Gens.
D. Genfusion führt zu veränderten Transkripten und Genprodukten Das ABL-Gen codiert durch alternatives Splicing für mRNA-Transkripte von 7 kb (Exon 1 b, 2–11) bzw. 6 kb (Exon 1 a, 2–11), das für ein Protein von ca. 145 000 Molekulargewicht (p145abl) codiert. Durch Fusion der beiden Gene bei CML entsteht ein 8,5 kb mRNA Transkript, das für ein Fusionsprotein von 210 000 Molekulargewicht (p210bcr/abl) codiert. Bei der akuten Form der Leukämie (ALL) resultiert ein Transkript, das für ein Fusionsprotein von 190 000 Molekulargewicht (p190bcr/abl) codiert. Während das normale Protein niedrige TyrosinaseAktivität hat, haben die Fusionsproteine eine erhöhte Aktivität. Dies führt zu gesteigerter Teilung der betroffenen Zellen und Tumorbildung. Bartram, C. R. et al.: Translocation of c-abl oncogene correlates with the presence of a Philadelphia chromosome in chronic myelocytic leukaemia. Nature 306: 277–280, 1983. Faderl, S., et al.: The biology of chronic myeloid leukemia. New Eng. J. Med. 341: 164–172, 1999. Look, A. T.: Genes altered by chromosomal translocations in leukemias and lymphomas. pp. 57–92. In. The Genetic Basis of Human Cancer. 2nd ed., B. Vogelstein & W. K. Kinzler, eds. McGraw-Hill, New York, 2002.
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317
Genveränderungen durch Chromosomentranslokationen
Chronisch Myeloische Leukämie (CML)
Andere Ph1-positive akute Leukämien
Myelocyten im peripheren Blut vermehrt Anfänglich chronischer Verlauf Erwachsene betroffen Ursprung aus einer myeloischen Zelle Bei ca 90% ein Philadelphia-Chromosom (Ph1) (Translokation 22q nach 9q) Schlechte Prognose, wenn Ph1-negativ
Lymphocyten oder Myelocyten vermehrt Akuter Verlauf 20% Erwachsene mit ALL Ph1-positiv 2% Erwachsene mit AML Ph1-positiv 5% Kinder mit ALL Ph1-positiv Philadelphia-Translokation wie bei CML Schlechte Prognose, wenn Ph1-positiv
A. Philadelphia-Translokation (Ph1) bei verschiedenen Formen von Leukämie 22 Bruchpunkt 22q11
4
23 1 cen 1
cen 11 12 1 13 2
9
9q+
Bruchpunkt 9q34
1
22
3
3
22q-
2 1
1 3 4
Ph1
Translokation 22q nach 9q
Translokation 9q nach 22q
B. Ph1-Translokation [t(9;22) (q34;q11)] Chromosom 22: BCR-Gen (130 kb) Exon 1-20 1 2 3
4 5 6 7 8 9 10-14 15
Chromosom 9: ABL-Gen (280 kb) Exon 1b-11 1b
20
5'
3'
8 9 10 11 3'
BruchpunktRegion bei CML 5.8 kb
BruchpunktRegion bei ALL
1a 2 3 4 5 6 7
5' BruchpunktRegion 180 kb
Centromer Fusion 1
4 5 6 7 8 9 10 11 1b
2 3
1a 2 3 4 5 6 7
8 9 10 11
5'
3' Philadelphia-Chromosom: bcr/abl-Gen fusioniert
C. Ph1-Translokation führt zur Fusion von zwei Genen
1b 2-11
mRNA
Protein 7 kb
abl 1a 2-11 normal
10/11 2-11 bcr/abl 1 Fusion bcr bei CML
bcr/abl 1 2 2-11 Fusion bei ALL bcr
P145abl
6 kb
8.5 kb
abl
7 kb abl
D. Die Genfusion führt zu veränderten Transkripten und Genprodukten
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bcr/abl
P210
bcr/abl
P190
318
Entstehung von Tumoren
Genomische Instabilität: BloomSyndrom, Fanconi-Anämie, Ataxiatelangiectatica Bei einer Reihe hereditärer Krankheiten treten als Begleiterscheinung Zeichen von Instabilität des Genoms auf. Bei einigen ist dies lichtmikroskopisch als Brüche und Umordnungen in Chromosomen während der Metaphase sichtbar. Hier werden die drei zuerst auf klinischer und chromosomaler Ebene beschriebenen klassischen Instabilitätskrankheiten vorgestellt.
A. Bloom-Syndrom (BLM) Diese 1954 von D. Bloom beschriebene Krankheit (MIM 210900) ist selten (235 Patienten dokumentiert). BLM ist gekennzeichnet durch prä- und postnatalen Kleinwuchs, Neigung zu im Kindes- und jungen Erwachsenenalter auftretenden Tumoren verschiedener Typen, Neigung zu Infektionen und anderen Zeichen (1). Der klinische (2) und der zelluläre Phänotyp (3) ist charakteristisch. Chromosomen in Metaphase (3) zeigen eine spontan auf das 10fache erhöhte Rate eines Austausch zwischen zwei Schwesterchromatiden. Auch andere Zeichen chromosomaler Instabilität wie Brüche und Austausch zwischen homologen Chromosomen finden sich. Das Bloom-Syndrom wird durch Mutationen im BLM-Gens auf Chromosom 15q26.1 verursacht. Die 4437-bp cDNA codiert für ein 4.5 kb RNA-Transkript, das in ein aus 1417 Aminosäuren bestehendes Protein der RecQ-Familie der DNA-Helikasen translatiert wird. Die Mutation bei Ashkenazi (BLMAsh) besteht aus einer Deletion von 6 bp und einer Insertion von 7 bp an Nukleotidposition 2281.
B. Fanconi-Anämie (FANC) Diese 1927 von G. Fanconi beschriebene Krankheit (FA, MIM 227650) ist heterogen und besteht aus mindestens acht verschiedenen genetischen Typen, die klinisch nicht unterscheidbar sind. Der variable Phänotyp (1) besteht aus der Kombination von Wachstumsverzögerung (2) mit angeborenen Fehlbildungen, vor allem des Skelettsystems (3) und der Nieren, und einem meistens im Kinderalter beginnenden Versagen des Knochenmarks (Pancytopenie), sowie der Neigung zu Tumoren. Zellen in Kultur sind empfindlich gegen DNA-kreuzvernetzende Chemikalien wie Diepoxybutan. Gegenwärtig
sind acht Typen definiert, FA-A, -B, -C, -D1, -D2, -E, -F, -G). Mehrere dieser Gene sind identifiziert. Die von den Genen für Typ A, C, E, F und G codierten Proteine bilden im Rahmen der durch einen DNA-Schaden ausgelösten Reaktionen im Zellkern einen Multiprotein-Komplex zur Beseitigung von DNA-Schäden mit Proteinen des Fanconi-Anämie BRCA-Signalweges.
C. Ataxia-telangiectatica (ATM) Diese 1958 von Boder & Sedgwick beschriebene Krankheit (ATM, MIM 208900) besteht aus einer variablen, sich im Kindesalter entwickelnden Kombination von neurologischen Störungen (cerebelläer Ataxie infolge Degeneration der Purkinye-Zellen) und Immundefekten infolge unterentwickeltem Thymus (1). Besonders charakteristisch sind Gefäßerweiterungen in der Bindehaut des Auges (2). Bei 95 % ist das Serum § -Fetoprotein erhöht. Es besteht eine Neigung zu Tumoren lymphoider Zellen und eine erhöhte zelluläre Empfindlichkeit gegen Röntgenstrahlen selbst in diagnostischer Dosis. In einem Teil der Zellen finden sich charakteristische Translokationen (3) mit Bruchpunkten in 7p14, 7q35, 14q11–12 und 14q32. Das ATM-Gen auf 11q23.1 und das Genprodukt sind sehr groß: 66 Exons in 150 kb genomischer DNA, ein in allen Geweben nachweisbares 350 kD Protein mit 3056 Aminosäuren aus der Familie der Proteinkinasen, translatiert von einem 13-kb alternativ gespleißten Transkript. Das ATMProtein reagiert auf DNA-Doppelstrangbrüche, phosphoryliert das p53-Protein (vgl. S. 306) und andere. Es hat eine zentrale Rolle bei der Interaktion mit zahlreichen anderen, nachgeordnet an Zellzykluskontrolle und DNA-Reparatur beteiligten Proteinen. Es wird angenommen, dass Heterozygote gegenüber anderen ein ca. 5fach erhöhtes Risiko für Brustkrebs haben. Auerbach, A. D., Buchwald, M., Joenje, H.: Fanconi anemia, pp. 289–306; In: B. Vogelstein, K. W. Kinzler, eds., The Genetic Basis of Human Cancer. 2nd ed.; McGraw-Hill, New York, 2002. Gatti, R.: Ataxia telangiectasia, pp. 239–266; In: B. Vogelstein, K. W. Kinzler, eds., The Genetic Basis of Human Cancer. 2nd ed.; McGraw-Hill, New York, 2002. German, J., Ellis, N. A.: Bloom syndrome, pp. 267–288; In: B. Vogelstein, K. W. Kinzler, eds., The Genetic Basis of Human Cancer. 2nd ed.; McGraw-Hill, New York, 2002. D’Andrea, A. D. D., Grompe, M.: The Fanconi anaemia/ BRCA pathway. Nature Rev. Cancer 3: 23–34, 2003. Tischkowitz, M. D., Hodgson, S. V.: Fanconi anaemia. J. med. Genet. 40: 1–10, 2003.
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319
Genomische Instabilität: Bloom-Syndrom, Fanconi-Anämie, Ataxia-telangiectatica
Bloom-Syndrom Ausgeprägte intrauterine und postnatale Wachstumsverzögerung Chromosomale Instabilität Neigung zu Leukämien, Lymphomen und anderen Tumoren Immundefekte Sonnenlicht-induziertes Erythem im Gesicht Hypo- und Hyperpigmentierte Hautflecken Autosomal recessiv Genlocus auf Chromosom 15q26.1 1. Wesentliche Merkmale
2. Phänotyp
a
c
b
SCE erhöht
SCE normal
Bloom-Syndrom
Normale Kontrolle
3. Erhöhte Rate von Schwesterchromatid-Austausch (SCE)
A. Bloom-Syndrom (BS) Fanconi-Anämie Wachstumsverzögerung Skelettdefekte (z.B. Radius und Daumen) Knochenmarkversagen Skelett- u. Nierenfehlbildungen Lokalisierte Pigmentveränderungen Autosomal recessiv Acht Genloci 1. Wesentliche Merkmale
2. Phänotyp
3. Daumenhypoplasie
B. Fanconi-Anämie (FA) Ataxia-telangiectatica Cerebelläre Ataxie Immundefekte Telangiektasien der Conjunctivae Neigung zu Tumoren (Lymphom, Leukämie) Extreme Strahlenempfindlichkeit Autosomal recessiv Genlocus 11q23.1 1. Wesentliche Merkmale
7 2. Telangiectasien
C. Ataxia-telangiectatica (AT)
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14
3. Translokation 7q;14p
320
Hämoglobin
Hämoglobin
B. Hämoglobin bei Thalassämien
Das im Jahr 1862 von Hoppe-Seyler als Hämoglobin (Hb) bezeichnete Molekül ist das wichtigste Sauerstoff-bindende Protein. Es besteht aus einem tetrameren Molekül, genannt Globin, mit je zwei verschiedenen Untereinheiten (als Ketten bezeichnet). Jede Kette enthält ein Ferroporphyrin-Molekül, genannt Häm, das Sauerstoff binden kann. In Erythrozyten nimmt es unter fein abgestuften physiologischen Bedingungen Sauerstoff in der Lunge auf und gibt ihn in peripheren Geweben wieder ab. Hämoglobin ist infolge der Existenz von verschiedenen Typen besonders gut an die Unterschiede der Sauerstoff-Konzentration vor und nach der Geburt angepasst. Das Hämoglobin des Menschen ist das erste Protein, dessen dreidimensionale Struktur 1984 von M. Perutz u. Mitarb. in hoher Auflösung von mehr als 2.7 Å beschrieben wurde. Die für Globin codierenden Gene sind die ersten, deren molekulare Struktur seit 1979 bekannt ist. Mehr als 750 genetische Varianten in der Struktur von Hämoglobin sind bekannt, viele davon als Ursache schwerer Krankheiten.
Thalassämien sind eine Gruppe genetisch bedingter Störungen der Synthese von Hämoglobin. Sie betreffen die g -Kette ( g -Thalassämien) oder die § -Kette ( § -Thalassämien). Thalassämien führen zu unterschiedlicher Bildungsrate von Globinen, was unstabile Hämoglobine zur Folge hat. Hämoglobine aus vier identischen Ketten sind unstabil (HbH aus vier g -Ketten, Hb Bart’s aus vier + -Ketten).
A. Typen von Hämoglobin Jedes Hämoglobin besteht aus je zwei verschiedenen Ketten, die zwei Gruppen angehören, § mit 141 Aminosäuren und g mit 146 Aminosäuren. Weitere Ketten, + und ˇ (Gamma und Delta) gehören zur Beta-Gruppe. Das normale Hb nach der Geburt, HbA (adultes Hb), besteht aus zwei § - und zwei g -Ketten ( § 2 g 2). Das während der Fetalzeit vorhandene fetale Hb (HbF) besteht aus zwei § - und zwei + -Ketten ( § 2 + 2). Es gibt zwei bis auf eine Aminosäure identische Gamma-Kette, + A und + G. Daneben gibt es in geringer Menge ein zusätzliches HbA2 aus zwei § - und zwei g -Ketten. Ferner gibt es drei nur in der Embryonalzeit (beim Menschen etwa bis zur 9. Woche) vorhandene embryonale Hämoglobine. Das eine, als Hb Gower 1 bezeichnet (nach dem Entdeckungsort Gower Street in London), besteht aus zwei zur Alpha-Gruppe gehörenden ´ (zeta)-Ketten und zwei zur BetaGruppe gehörenden 4 -Ketten ( ´ 2 4 2). Das zweite, Gower 2, besteht aus zwei Alpha- und zwei Epsilon-Ketten ( § 2 4 2). Das dritte, Hb Portland, besteht aus zwei Zeta- und zwei Gamma-Ketten ( ´ 2 + 2).
C. Evolution der Hämoglobine Alle Typen von Hämoglobin sind in der Evolution durch wiederholte Duplikationen von Genen aus einem einkettigen Sauerstoff-bindenden Molekül hervorgegangen, dem in Muskelzellen verwendeten Myoglobin. Myoglobin hat nur eine Sauerstoff-Bindungsstelle. Jeder Trennung liegt eine Duplikation eines VorläuferGens und anschließender getrennter Entwicklung unter eigener Kontrolle der Gen-Regulation zugrunde.
D. Globin-Synthese während der Ontogenese Die verschiedenen Globin-Ketten werden zu definierten Zeiten vor und nach der Schwangerschaft in bestimmten Zellen und Organen gebildet. Für die embryonalen Hämoglobine werden etwa zwischen der 3. und 9. Schwangerschaftswoche die Zeta- und Epsilon-Kette gebildet, zugleich auch die Alpha-Kette, gefolgt von der Gamma-Kette. Erst vor der Geburt beginnt die Synthese der Beta- und in geringen Mengen auch der Delta-Kette. Die Synthese der Gamma-Kette geht nach der Geburt deutlich zurück. Nur die Alpha-Kette wird während der Schwangerschaft und nach der Geburt gebildet. Der Ort der Blutbildung (Hämatopoiese) wechselt ebenfalls zu verschiedenen Phasen der Pränatalentwicklung. (Abbildungen in Teil A und B nach Lehmann & Huntsman, 1974; Teil D. nach F. Hecht in Weatherall et al., 2001). Lehmann, H., Huntsman, R. G.: Man’s Haemoglobins, North-Holland, Amsterdam, 1974. Weatherall, D. J., et al.: The hemoglobinopathies, pp: 4571–4636. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw Hill, New York, 2001.
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Hämoglobin
β
α
γ
δ Myoglobin O2-Bindungsstelle
A
α2β2
α2γ2
F
A2
α2δ2
A. Hämoglobintypen
β
β
α
α
β-Thalassämien: Effekt auf HbA
Hämoglobin A α2β2
α2γ2
betroffen
α2δ2
nicht betroffen 1100 Millionen Jahre
α-Thalassämien: Effekt auf alle
500
α2β2
α2γ2
α2δ2 200 100 40
β4
γ4
Myoglobin
δ4
B. Hämoglobine bei Thalassämien Zelltyp
Anteil Gesamtglobinsynthese (%)
Makrozyt
Dottersack
δ Aγ Gγ ε
Normozyt
Milz
Leber
50
β
C. Evolution von Hämoglobin
Megaloblast
Ort der Erythropoese
α
30
Knochenmark
α β
40 30
γ
20 ξ ε
10
δ 0
6
12
18
24
30
Pränatales Alter (Wochen)
36
0 Geburt
6
12
18
24
30
36
Postnatales Alter (Wochen)
D. Globin-Bildung in der Ontogenese
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42 48
322
Hämoglobin
Hämoglobin-Gene Sechs Gene codieren für die sechs Typen von Globin-Ketten. Sie sind in zwei Gruppen auf verschiedenen Chromosomen lokalisiert. Fünf der Beta-Gruppe ( g , + G, + A, ˇ , 4 ) auf Chromosom 11 und drei der Alpha-Gruppe auf Chromosom 16 (zwei § und ´ ) des Menschen. Ihre Anordnung entspricht ihrer Expression zu verschiedenen Stadien der Entwicklung vor und nach der Geburt. Als Folge ihrer Evolution durch Duplikation sind Struktur und Nukleotid-Sequenz der Gene innerhalb der beiden Cluster sehr ähnlich. Deshalb kommt ungleiches Crossing-over zwischen den eng benachbarten (gekoppelten) Genen innerhalb der jeweiligen Gruppe vor. Dies resultiert in Störungen der Globin-Synthese.
A. Gene der I -Globin- und der > Globin-Gruppe (Hämoglobin-Gene) Diese Gene liegen beim Menschen in zwei Gruppen (Cluster) auf dem kurzen Arm von Chromosom 11 in Region 1, Band 5.5 (11p15.5) und dem kurzen Arm von Chromosom 16 (16p13.11) über einen Bereich von 60 000 Basenpaaren (60 kb) (1). Vorgeschaltet am 5'Ende liegt eine erythroidspezifische (nur in Vorläuferzellen der Erythrozyten vorkommende) 20-kb g -Locus-kontrollierende Region ( g -LCR). Dadurch wird eine gewebsspezifische Expression hoher Aktivität der nachgeschalteten Gene erreicht (eine ähnliche Region bis 40 kb stromaufwärts der § -Gruppe ist hier nicht gezeigt). Die Globin-Gene werden entwicklungsspezifisch exprimiert: zuerst 4 und ´ der Beta- bzw. Alpha-Gruppe, dann + und § , zuletzt g und ˇ . Die beiden Gamma-Gene unterscheiden sich nur in Codon 136: das eine codiert für Glycin ( + G), das andere für Alanin ( + A). In beiden Gen-Clustern kommen Pseudogene vor: n g , sowie drei in der Alpha-Gruppe ( n ´ und zwei n § ). Pseudogene enthalten inaktivierende Veränderungen wie Deletionen. Sie werden aufgrund ihrer strukturellen Homologie mit den benachbarten Genen als Relikte evolutionärer Veränderungen innerhalb der GlobinGencluster aufgefasst. Ein weiteres Gen, Theta ( D 1), enthält zwar keine inaktivierenden Veränderungen, bildet aber kein Protein. Alle Globin-Gene haben die gleiche Exon-/Intron-Struktur (2). Die g -ähnlichen Gene sind 1.6 kb groß und haben 146 Codons in drei
Exons von je 30, 73 und 41 bp Länge, unterbrochen von zwei Introns (ursprüngliche Bezeichnung intervenierende Sequenzen, IVS1 und IVS2) von 122–130 und 850–900 bp. Die § ähnlichen Gene sind mit 0.8 kb etwa halb so groß, haben 141 Codons in drei Exons von 31, 73 und 41 bp, unterbrochen von zwei Introns, von denen Intron 2 mit knapp 200 bp erheblich kleiner ist als bei den g -ähnlichen Genen. Die Introns der Globin-Gene unterscheiden sich in der Länge (das kleinste ist mit 117 bp Intron 1 der § -Gene, das größte ist Intron 1 des ´ -Gens mit 1264 bp), aber sie liegen bei allen GlobinGenen an gleicher Stelle im Verhältnis zu den codierenden Sequenzen. Die hier gezeigte normale Struktur kommt bei einigen Individuen in varianter Form vor, z. B. zusätzliche ´ -, § - und + -Loci ohne phänotypischen Effekt. Ein einzelnes § -Gen ist in tropischen Ländern sehr häufig, weil dies offenbar ein selektiver Vorteil in Malaria-Gebieten ist (vgl. S. 150).
B. Teritärstruktur der I -Globin-Kette Die dreidimensionalen Strukturen von Myoglobin, sowie der Hämoglobin § - und - g -Ketten sind sehr ähnlich, obwohl ihre AminosäurenSequenz in nur 24 von 141 Positionen übereinstimmt. Durch die Struktur wird die innen liegende sauerstoffbindende Region geschützt (gezeigt als blaue Ellipse mit dem ein EisenAtom [rot markiert] enthaltenden Häm).
C. Domänen der Globin-Moleküle Bei jedem Globin können drei funktionell relevante Domänen unterschieden werden. Sie werden von den drei Exons codiert, bei den g ähnlichen die Aminosäuren 1–30 und 105–146 in den beiden außen liegenden Domänen und 31–104 der innen liegenden Domänen. Außen liegen vorwiegend hydrophile Aminosäuren, die das Molekül geschmeidig machen für die Verformung in kleinen Blutkapillaren. Innen liegen hydrophobe Aminosäuren. Antonarakis, S. E., Kazazian, H. H. Jr., Orkin, S. H.: DNA polymorphism and molecular pathology of the human globin gene clusters. Hum. Genet. 69: 1–14, 1985. Kim, A. J.: An abundant erythroid protein that stabilizes free § -haemoglobin. Nature 417: 758–763, 2002. Thein, S. L., Rochette, J.: Disorders of hemoglobin structure and synthesis, pp. 179 – 190. In: J. L. Jameson, ed., Principles of Molecular Medicine. Humana Press, Totowa, New Jersey, 1998. Weatherall, D. J., Clegg, J. B.: Genetic disorders of hemoglobin. Semin. Hematol. 36: 2 – 37, 1999.
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Hämoglobin-Gene 1. β-LCR 5
ε
1
γG
ψβ1
γA
β
δ
5'
3'
Chromosom 11: β-Globin-Gene ζ
α2
ψζ ψα2 ψα1
5'
α1
θ1 3'
Pseudogene
0 10 Chromosom 16: α-Globin-Gene
20
30
40
50
60
2. 1 30 31 β-Globinb-Gen
104
105
Exon 1
Exon 2
1 31 32 α-Globina-Gen
Codons 146
850 – 900 bp
5'
3'
Intron 2
99
100
kb
Exon 3
141 Codons
5'
3' Exon Exon11 Exon Exon 22 0
200
Exon Exon 33
400
600
800
1000
1200
1400
1600 bp
A. Hämoglobin-Gene
50 60
20
30 31
110 120
10
30 70
104
40
1
130 90 100
80 1
140
B. Tertiärstruktur der β-Globin-Kette
105 146
146 C. Drei Domänen der β-Kette
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324
Hämoglobin
Sichelzell-Anämie Sichelzell-Anämie ist eine in tropischen Ländern, vor allem in Afrika, weit verbreitete schwere Krankheit. Sie entsteht bei Homozygoten für eine Mutation im g -Globin-Gen (Hb S, Sichelzell-Hämoglobin). Dies ist die erste Mutation beim Menschen, deren molekulare Natur und Auswirkung auf das Genprodukt entdeckt und von Pauling 1949 als molekulare Krankheit bezeichnet wurde. Durch den Austausch einer außen liegenden hydrophilen Aminosäure gegen eine hydrophobe verliert das Molekül seine normalen physiko-chemischen Eigenschaften. Hb S ist die wichtigste der über 750 bekannten Strukturvarianten von Hämoglobin.
A. Sichelzellen: durch Hämoglobin S verformte Erythrozyten Der Name der im Jahr 1910 von Herrick beschriebenen Krankheit leitet sich von einer sichelartigen Verformung der roten Blutzellen ab. Im Gegensatz zum normalen Blut (1), in einem Ausstrich auf einem Objektträger aufgetragen, findet sich bei Erkrankten eine sichelartige Verformung der Erythrozyten (2) infolge einer Polymerisierung von Hb-Molekülen, durch die intrazelluläre Fäden entstehen. In akuten Schüben entstehen Sichelzellkrisen (3) mit besonders hohem Anteil betroffener Zellen und schweren klinischen Auswirkungen (Photographien aus Lehmann & Huntsman, 1974).
B. Folgen einer Mutation: SichelzellAnämie Eine Punktmutation im g -Gen (Genotyp) erklärt die Krankheitserscheinungen (Phänotyp). In Codon 6 (GAG) ist das mittlere Nukleotid, Adenin (A), durch ein Thymin (T) ausgetauscht (GTG). Vernon Ingram hat im Jahr 1956 nachgewiesen, dass in die bei HbA normalerweise an dieser Stelle der g -Kette liegende Aminosäure Glutaminsäure (Glu, Kurzbezeichnung E, vgl. S. 50) Sichelzell-Hämoglobin (HbS) durch Valin (Val, V) ersetzt ist. Dieser eine, 1956 von Ingram festgestellte Unterschied macht HbS durch die hier nicht passende Struktur des hydrophoben Glycins (vgl. S. 32) weniger wasserlöslich, allerdings mit der Neigung zu kristalliner Ausfällung und Bildung von Sichelzellen, die kleine Kapillaren verstopfen können. Es resultieren Sauerstoff-Defizit und Auflösung der defekten Erythrozyten (Hämolyse) mit einer Serie weite-
rer Folgeerscheinungen wie schematisch dargestellt.
C. Seletionsvorteil von Heterozygoten für HbS in Malariagebieten Sichelzell-Anämie ist autosomal rezessiv erblich (Neel, 1949). Erkrankte sind homozygot für HbS (Genotyp SS). Heterozygote bilden normales HbA und HbS (Genotyp AS), sind aber nicht erkrankt (Sichelzell Trait). Die Anwesenheit von HbS bei Heterozygoten führt zu verminderter Vermehrungsfähigkeit der Malaria verursachenden Parasiten (Plasmodium falciparum als wichtigster neben anderen). Der resultierende Nachteil für Parasiten bedeutet einen selektiven Vorteil bei HbA/HbS-Heterozygoten; sie erkranken weniger häufig und weniger schwer an Malaria als HbA/HbA-Homozygote. Aus diesem Grund ist die HbS-Mutation in Malaria-Gebieten, vor allem in Afrika, viel häufiger als in malariafreien Gebieten. Benachteiligt sind Homozygote (AA und SS). Sie erkranken an Malaria (AA) bzw. Sichelzell-Anämie (SS), aber die Population als Ganzes hat einen Vorteil. Dies ist das am besten bekannte Beispiel für die Selektion eines mutanten Allels durch Vorteil eines bestimmten Genotyps gegenüber anderen (vgl. S. 150). Die HbS-Mutation ist mindestens viermal unabhängig in verschiedenen Gebieten von Afrika entstanden. Ashley-Koch, A., Yang, Q., Olney, R. S.: Sickle hemoglobin (HbS) allele and sickle cell disease: a HuGE review. Am. J. Epidemiol. 15: 839–845, 2000. Herrick, J. B.: Peculiar elongated and sickle-shaped red blood cells corpuscles in a case of severe anemia. Arch. Intern. Med. 6: 517–521, 1910. Ingram, V. M.: Spezific chemical difference between the globins of normal and sickle-cell anaemia haemglobin. Nature 178: 792–794, 1956. Lehmann, H., Huntsman, R. G.: Man’s Haemoglobins. North-Holland, Amsterdam, 1974. Neel, J. V.: The inheritance of sickle cell anemia. Science 110: 64–66, 1949. Old, J.: Hemoglobinopathies and thalassemias, pp. 1861–1898. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002. Pauling, L., Itano, H. A., Singer, S. J., Wells, I. G.: Sickle cell anemia, a molecular disease. Science 110: 543–548, 1949. Weatherall, D. J. et al.: The hemoglobinopathies, pp. 4571–4636. In: C. R. Scriver, et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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Sichelzell-Anämie
1. normales Blutbild
2. Sichelzellen
3. Sichelkrise
A. Sichelzellen: durch Hämoglobin S verformte Erythrocyten Lernbehinderung
Mutation in Codon 6 von β-Globin GAG (Glu)
GTG (Val)
Hämoglobin A
Hämoglobin S
normal löslich
weniger löslich, kristallisiert
Erythrocyten
häufig krank
Gehirn betroffen
Infektionen
Herzversagen
Sauerstoffmangel
Anämie
kleine Arterien und Sichelzelle normal Kapillaren verstopft B. Folgen einer Mutation: Sichelzell-Anämie Erythrocyt
Homozygote HbA/HbA
Malaria-Infektion
Vermehrung der Parasiten
Malaria-Infektion
Heterozygote HbS/HbA
Tod
wenig oder keine Vermehrung der Parasiten
Leberschaden
Hämolyse
Malaria
Freisetzung
keine oder leichte Malaria keine Sichelzell-Anämie
keine Malaria Sichelzell-Anämie Homozygote HbS/HbS
Sichelzellen
C. Selektionsvorteil von Heterozygoten für HbS in Malaria-Gebieten
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Hämoglobin
Struktur-verändernde Mutationen in Hämoglobin Drei Klassen von Mutationen in HämoglobinGenen resultieren in Hämoglobin-Krankheiten durch (i) Veränderungen der Struktur einer Globin-Kette, (ii) verminderte Syntheserate eines Globins (Thalassämien, vgl. S. 328), und (iii) Defekte im Wechsel von fetalem Hämoglobin (HbF) zum adulten Hämoglobin (HbA) nach der Geburt (Hereditäre Persistenz von fetalem Hämoglobin (vgl. S. 330). Nach der Entdeckung von Sichelzell-Hämoglobin (HbS) durch einen elektrophoretisch nachweisbaren Unterschied gegenüber HbA (Pauling et al., 1949) wurden die mutanten Globine zunächst alphabetisch benannt (z. B. HbC, HbD, HbE etc.). Als das Alphabet erschöpft war, wurden diverse Bezeichnungen verwendet, vor allem nach dem Ort der Entdeckung und anderen nicht generell vereinbarten Kriterien. Besonders die zu Krankheiten führenden Mutanten der über 750 bekannten Hämoglobin-Strukturvarianten tragen die Namen vieler Orte der Welt.
A. Punktmutationen in Hämoglobin Hier wird der aus einer Mutation in zehn verschiedenen Codons im g -Globin resultierende Austausch von Aminosäuren und deren prinzipielle Auswirkung auf die Funktion gezeigt. An zwei Stellen sind zwei verschiedene Mutationen ausgewiesen: in Codon 6 die bekannte Sichelzell-Mutation (Glutaminsäure nach Valin), sowie Glu nach Lysin (HbC) mit anderen klinischen Erscheinungen; in Codon 63 Histidin nach Arginin (Hb Zürich) und Histidin nach Tyrosin (Hb Saskatoon). Histidin (His) an Position 63 ist für die physiologisch reversible Sauerstoff-Bindung essentiell. Austausch von His beeinträchtigt dies und führt zur Bildung von Met-Hämoglobin mit zu starker Sauerstoff-Bindung. Die hier schematisch dargestellten Mutationen stehen stellvertretend für über 300 in g Globin und über 100 in § -Globin.
B. Deletion durch ungleiches Crossingover innerhalb eines Genes Durch ausgeprägte Sequenzhomologie bestimmter Bereiche der Globin-Gene kann es bei der Meiose zu nicht-homologer Paarung und ungleichem Crossing-over z. B. im Bereich von Codon 90–94 des einen DNA-Strangs und Co-
don 95–98 des anderen kommen. Dies erklärt die Deletion von Codon 91–95 bei Hämoglobin Gun Hill.
C. Ungleiches Crossing-over zwischen ähnlichen Genen Die durch gemeinsame Evolution erklärte Sequenzhomologie der g -Globin-ähnlichen Gene kann zu ungleichem Crossing-over im Bereich der beiden + -Globin-Gene ( + A und + G) des ˇ Globins und des g -Globin-Gens führen. Das bekannteste Beispiel ist die partielle Deletion des ˇ - und des g -Locus ( ˇ - g -Fusion) bei Hämoglobin Lepore bzw. die entsprechende Duplikation von ˇ / g -Sequenzen bei Hämoglobin Anti-Lepore.
D. Unstabiles Hämoglobin durch Kettenverlängerung Die Stabilität des tetrameren Hämoglobin-Moleküls wird gestört, wenn eine der Ketten zu lang ist. Beim Hämoglobin Cranston (HbCr) (1) führt eine Insertion von zwei Nukleotidbasen (Adenin und Guanin) in Position 1 und 2 von Codon 145 (Tyrosin) zu einer Verschiebung des Leserasters. Dies verändert das folgende StopCodon UAA in ACU, dem RNA-Codon für Threonin (Thr). Dadurch werden die normalerweise nicht translatierten Sequenzen nach dem StopCodon in ein Polypeptid übersetzt, das 11 Aminosäuren länger ist und erst an Position 157 endet. Beim Hämoglobin Constant Spring (2) resultiert die Kettenverlängerung aus einer Mutation im Stop-Codon UAA im § -Globin nach CAA, das für Glutamin (Gln) codiert (Transversion von Thymin nach Cytosin). Die normalerweise hinter dem Stop-Codon liegenden Sequenzen werden transkribiert und in ein um 31 Aminosäuren längeres Peptid übersetzt. Es gibt eine Reihe anderer Kettenverlängerungsmutanten durch ähnliche Mechanismen, wie Hämoglobin Ikaria ( § -Kette mit 172 Aminosäure-Resten). Old, J.: Hemoglobinopathies and thalassemias, pp. 1861–1898. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London–Edinburgh, 2002. Weatherall, D. J. et al.: The hemoglobinopathies, pp. 4571–4636. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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Struktur-verändernde Mutationen in Hämoglobin Codon-Nummer im β-Globin-Gen 6 23 26 63 97 98 121 145 146 Glu Val Glu His Glu Val Glu Tyr His
Wesentliche Auswirkungen bei Homozygoten
HbS
Val
Sichelzell-Anämie
HbC
Lys
Hämolytische Anämie mit Sichel-Phänomen unstabiles Hämoglobin
Mutantes Hämoglobin
Hb Freiburg
Deletion
HbE
Lys
Hb Zürich
Arg
Hb Saskatoon
Tyr
Hb Malmö
Methämoglobin-Bildung
His
Polycythämie
Hb Köln
Met
HbO (Arab)
Methämoglobin-Bildung Lys
Hb Osler
Asp
A. Beispiele für Punktmutationen des β-Globin-Gens (10 von 310 gezeigt) ß-Globin-Sequenzen Codons 89 90 Strang 1 AGT GTG
91
92
93
9
95
96
CTG
CAC
TGT
GAC
AAG
CTG
Strang 2
AAG
CTG
CAC
GTG
95
96
97
98
β-Globin-Gene
ungleiches Crossing-over AGT
zwischen Codon 90 und 96
90
96
97
98
GTG
CTG
CAC
GTG
Hb Gun Hill γG
B. Deletion durch ungleiches Crossing-over B. innerhalb eines Gens
HbCr
144 Lys AAG
145 Tyr UAU
146 His CAC
Stop UAA
AAG Lys
AG U Ser
AUC Ile
ACU Thr
Insertion
δ
β
γG
γA
δ
β
Crossing-over
ungleiches
Deletion Codon 91- 95
β-Globin HbA
γA
γG
γG
γA
δβ
γA
δ
δβ
Hb Lepore β
Hb AntiLepore
C. Ungleiches Crossing-over C. zwischen ähnlichen Genen
nicht translatiert GCU
CGC
AAG Lys
CUC Leu
etc. GCU Ala
157 UUC Phe
UAU Tyr
UAA Stop
Rasterverschiebung hebt Stop-Codon nach Position 146 auf
1. Hämoglobin Cranston: Kettenverlängerung durch Rasterverschiebung α-Globin HbA
141 Arg CGU
nicht translatiert Stop UAA
HbConstant Spring CGU C AA Arg Gln 142 Mutation T C
GCU
GGA
GCC
GUC
UUU
GAA
UAA
AGU
CUG
Poly
GCU Ala 143
GGA Gly 144
GCC Ala 145
GUC Val 170
UUU Phe 171
GAA Glu 172
UAA Stop
AGU
CUG
Poly A
2. Hämoglobin Constant Spring: Kettenverlängerung durch Mutation im Stop-Codon D. Unstabiles Hämoglobin durch Kettenverlängerung
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328
Hämoglobin
Thalassämien Thalassämien sind eine heterogene Gruppe erheblicher Krankheiten infolge fehlender oder reduzierter Synthese einer oder mehrerer GlobinKetten von Hämoglobin. Nach der ersten klinischen Beschreibung durch Cooley und Lee (Trans. Am. Pediatr. Soc. 37: 29, 1927) folgten erst 30 Jahre später die entscheidenden Erkenntnisse dank der Fortschritte der genetischen Grundlagen nach dem Vorschlag von Ingram und Stretton, dass zwei Haupttypen ( § und g -Thalassämien) existieren (Nature 184: 1903, 1959). Dies wurde 1966 von Weatherall et al. experimentell bestätigt (Nature 208: 1061, 1966). Heute wissen wir durch Untersuchungen mit den Techniken der rekombinanten DNA, dass Thalassämien eine extrem heterogene Krankheitsgruppe mit einem breiten Spektrum klinischer Manifestation darstellt. Sie sind aufgrund ihrer weiten Verbreitung in tropischen Ländern mit Malaria die häufigsten monogen bedingten Krankheiten beim Menschen. Ihr ursprünglich häufiges Vorkommen in Ländern des Mittelmeeres hat zu der aus dem griechischen Wort Thalassa (Meer) abgeleiteten Bezeichnung geführt. Jedoch gerade in diesen Ländern ist die Häufigkeit durch präventive Pränataldiagnostik in den letzten zwanzig Jahren deutlich zurückgegangen, im Gegensatz zu vielen Ländern in Asien, Afrika und Südamerika.
A. Thalassämie, eine chronische Anämie Thalassämie ist eine chronische Anämie. Die Blutbildung findet unphysiologisch auch extramedullär (außerhalb des Knochenmarks) in der Leber und Milz statt und führt zur Vergrößerung dieser Organe, gefolgt von vielen weiteren Manifestationen einer Blutarmut. In schweren Fällen sind regelmäßige Bluttransfusionen erforderlich. Thalassämien werden klassifiziert nach Typ der betroffenen Globin-Kette ( § -Thal, g -Thal, ˇ g -Thal sind am häufigsten) und danach, ob keine oder eine verminderte Synthese stattfindet ( g 0 bzw. g +). (Photographien aus Weatherall & Clegg, 1981).
B. I - und > -Thalassämien Die Tafel zeigt ein vereinfachtes Schema der g Thalassämien (1) und der § -Thalassämien (2). Im Gegensatz zu den stets schwer erkrankten Homozygoten sind Heterozygote nicht oder nur
sehr leicht erkrankt. Bei den § -Thalassämien muss man beachten, dass zwei nahe beieinander liegende § -Globin-Gene einen Haplotyp bilden, so dass insgesamt sechs verschiedene Genotypen möglich sind. Der Funktionsausfall von drei oder allen vier § -Genen führt bald nach der Geburt oder während der 30.–40. Schwangerschaftswoche zum Tod (schwere HbH-Krankheit; Hydrops fetalis mit Hb Bart’s, + 4, vgl. S. 320).
C. I -Thalassämien durch verschiedene Mutationen Alle Typen von Mutationen sind vertreten, wie hier am Beispiel von g -Thalassämien illustriert wird.
D. Verschiedene Haplotypen bei Thalassämie-Mutationen DNA-Polymorphismen an benachbarten (gekoppelten) Loci eines bestimmten DNA-Abschnitts treten normalerweise in derselben Präsenz ihrer Allele als Haplotypen auf, weil sie nur selten durch Rekombination auf verschiedene Chromosomen verteilt werden (Kopplungsungleichgewicht, vgl. S. 140). Jeder Haplotyp ist durch eine Serie polymorpher DNA-Marker charakterisiert. Das Beispiel zeigt sieben durch fünf Restriktions-Enzyme nachweisbare variante (polymorphe) Stellen in den g -ähnlichen Genen (rote Pfeile). Mit ihrer Hilfe können fünf verschiedene Haplotypen unterschieden werden (A–E). Jeder Haplotyp ist durch ein spezifisches Muster anwesender (+) oder fehlender (–) Restriktionsstellen (Erkennungssequenzen, vgl. S. 66) gekennzeichnet. (Daten und Abb. in Teil C und D nach Antonarakis et al., 1985). Antonarakis, S. E., Kazazian, H. H. Jr., Orkin, S. H.: DNA polymorphism and molecular pathology of the human globin gene clusters: Hum. Genet. 69: 1–14, 1985. Malaria Insight. Nature 415: 669–715, 2002. Olivieri, N. F.: The thalassemias. New Eng. J. Med. 341: 99–109, 1999. Weatherall, D. J., Clegg, J. B.: The Thalassemia Syndromes. 4th ed., Oxford, 2001. Weatherall, D. J., Provan, A. B.: Red cells 1: inherited anaemias. Lancet 355: 1169–1175, 2000. Weatherall, D. J. et al.: The hemoglobinopathies, pp. 4571–4636. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Weatherall, D. J.: Phenotype-genotype relationships in monogenic disease: Lessons from the thalassaemias. Natur Rev. Genet. 2: 245–255, 2001.
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329
Thalassämien Verschiedene Formen von Thalassämien: α: Verminderte Synthese von α-Globin β: Verminderte Synthese von β-Globin δβ: Verminderte Synthese von δ- und β-Globin
chronische Anämie
unstabiles Hämoglobin
A. Thalassämie, eine chronische Anämie 1. β-Thalassämie
2. α-Thalassämie
Genotyp + – (+) (+) (+) (+) + – – – oder (+) –
Phänotyp
β˚ heterozygot
Genotyp
Thalassämia minor (asymptomatisch)
β+ heterozygot β+ homozygot
Thalassämia intermedia (nicht transfusionsabhängig)
β˚ heterozygot β˚ homozygot (b˚-Thalassämie)
Thalassämia major (transfusionsabhängig)
β+/β˚ homozygot (β+-Thalassämie)
Phänotyp
α α
α α
normal
α α
– α
"Stiller Überträger" (normal)
– α
– α (thal-1)
α α
– (thal-2) –
α –
– –
HbH-Krankheit (HbH = b4)
– –
– –
Hydrops fetalis
Thalassämie
B. β-Thalassämie und α-Thalassämie β-Globin-Gen
Exon 1
Exon 2
Intron 2
Exon 3
5'
3' Intron 1
= verminderte Transkription = RNA-Verarbeitung gestört = Rasterverschiebung oder = Nonsense-Mutation = Polyadenylierung gestört
C. β-Thalassämie durch verschiedene Mutationen β-Globin-ähnliche Gene
ε
Schnittstellen:
δ
β
γG
γA
ψβ1
HincII
HindIII
HindIII
HincII
TaqI
AvaII
+ – – – +
– + + + –
– + – – –
– – + + –
– + + + –
+ + + – +
ψβ2
BamHI
Häufigkeit Haplotyp 47% 17% 8% 1% 12%
A B C D E
D. Haplotypen durch polymorphe Schnittstellen im β-Globin Gen-Cluster
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+ + – + –
330
Hämoglobin
Hereditäre Persistenz von Fetalhämoglobin Unter der Bezeichnung Hereditäre Persistenz von Fetalhämoglobin (HPFH) wird eine heterogene Gruppe von Thalassämien vom Typ g und ˇ g in milder Ausprägung zusammengefasst. Hier wird eine eingeschränkte Synthese von g -Globin durch Bildung von + -Globin kompensiert. In einigen Fällen ist HbF das einzige Hämoglobin der g -Gruppe. Drei Gruppen werden unterschieden: (i) Deletion der ˇ - und der g -Gene einschließlich Sequenzen in 3'-Richtung dieser Gene bei gleichzeitiger Expression eines oder beider Gamma-Gene + G und + A nach der Geburt (5–25 % HbF), (ii) Punktmutationen in Promotor-Regionen eines Gamma-Gens mit erhöhter Expression dieses Gens, (iii) eine weitere heterogene Gruppe von Krankheiten mit erhöhter Konzentration von HbF im Erwachsenenalter.
A. Große Deletionen im I -Globin-GenCluster Diese als ( ˇ g )0-HPFH bezeichnete Gruppe wird durch große Deletionen von ca. 45–100 kb verursacht. Die Deletionen betreffen das ˇ - und das g -Gen. Homozygote haben 100 % HbF, sind aber klinisch relativ milde mit HB-Werten um 15 g/dl erkrankt. Die einzelnen Typen treten vor allem in Afrika auf, einige auch in Indien, China und Südostasien. Sie ähneln klinisch den ˇ g -Thalassämien.
B. Hereditäre Persistenz von HbF durch Mutationen im Promotor Diese Gruppe wird durch Punktmutationen verursacht. Diese treten in relativ großer Entfernung zwischen 100 und 200 Basenpaaren in 5'-Richtung vom Transkriptionsbeginn auf. Dies belegt, wie weit regulierende Sequenzen vom Gen entfernt sein können. Zwar sind die hoch-konservierten Sequenzen CACCC, CCAAT oder ATAAA nicht betroffen, aber die Zahl der beobachteten Mutationen zeigt die Bedeutung der übrigen, nicht-codierenden Sequenzen (long range transcription control). (Abb. nach Gelehrter & Collins, 1990).
C. Häufige Mutationen von I -Thalassämien in verschiedenen Populationen
370 000 Homozygote mit einer schweren Hämoglobin-Krankheit werden jedes Jahr geboren. Die einzelnen Mutationen treten in verschiedenen Gegenden unterschiedlich häufig auf. Die Tabelle zeigt neun Beispiele für häufige Mutationen mit typischer geographischer Verteilung. Oft ist eine bestimmte Mutation vorherrschend in der betreffenden Region. Dies erleichtert Suchprogramme auf Bevölkerungsebene. Hämoglobin-Krankheiten bei Homozygoten sind in diesen Gegenden drängende Probleme des Gesundheitswesens. Wesentliche Anteile entfallen auf g -Thalassämien in Asien (über 60 Millionen), § 0-Thalassämien in Asien (30 Millionen), HbE/ g -Thalassämie in Asien (84 Millionen) sowie Sichelzell-Heterozygote in Afrika (50 Millionen), Indien, Karibik, USA (etwa 10 Millionen). Malaria ist der populationsgenetische Grund für die weite Verbreitung von HämoglobinKrankheiten. J. B. S. Haldane hat 1949 vermutet, dass Individuen vor Malaria relativ geschützt sind, wenn sie heterozygot für eine Störung der Erythrozyten sind (Hereditas 1, Suppl. 35: 267, 1949). Malaria ist eine schwere Krankheit mit hoher Mortalität und Morbidität. Etwa 500 Millionen Menschen, fast 10 % der Weltbevölkerung leiden an Malaria, mit 1 Million Toter jährlich. Malaria ist die führende Todesursache bei Kindern in Afrika und Südostasien. Hier stirbt alle 40 Sekunden ein Kind, ca. 2000 täglich. In Ländern mit endemischer Malaria ist diese Krankheit ein wesentliche Hemmnis der wirtschaftlichen Entwicklung (durchschnittliches Wachstum des Bruttosozialprodukts in den Jahren 1965–1990 von 0,4 % gegenüber 2,3 % in malariafreien Ländern (Sachs & Malaney, 2002). Gelehrter, T. D., Collins, F.: Principles of Medical Genetics. Williams & Wilkins, Baltimore, 1990. Greenwood, B., Mutabinga, T.: Malaria in 2002. Nature 415: 670–672, 2002. Old, J.: Hemoglobinopathies and thalassemias, pp. 1861–1898. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London–Edinburgh, 2002. Sachs, J., Malaney, P.: The economic and social burden of malaria. Nature 415: 680–685, 2002.
Hämoglobin-Krankheiten sind die häufigsten monogenen Krankheiten beim Menschen. Etwa
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331
Hereditäre Persistenz von Fetalhämoglobin
ψβ
γA
γG
δ
β
5'
3'
ca 100 kb
1 HPFH
Afroamerikaner
ca 100 kb
2
Ghana
ca 45 kb
3
Indien ca 100 kb
China ca 15 kb
δβ-Thalassämie
Sizilien ca 100 kb
Spanien
A. Große Deletionen im β-Globin-Cluster -202 -198 -196
-175
-158
-117
translatiert
5'
3'
CACCC
CCAAT
CCAAT
ATAAA
konservierte regulative Sequenzen
B. Mutationen in nicht-codierenden Sequenzen im Promotor-Bereich der B. γ-Globin-Gene führen zu Hereditärer Persistenz von Fetal-Hämoglobin (HPFH)
β-thal Mutation Intron 1 (110 G Codon 39 (C
Häufigkeit
Typ
Mittelmeer
β+
27%
Mittelmeer
β˚
39%
Afroamerikaner
β+
35%
G)
T)
TATA-Box (-29 A
Ethnische Gruppe
A)
26%
Afroamerikaner
β+
36%
Indien
β+
Partielle Deletion (619 nt)
36%
Indien
β˚
Codon 71-72 Rasterverschiebung
49%
China
β˚
38%
China
β˚
häufig
SO Asien, China
β˚
Poly A (T
C)
Intron 1 (5 G
Intron 2 (654 C
C)
T)
Codon 41/42-CTTT
C. Häufige Mutationen bei β-Thalassämie in verschiedenen Populationen
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332
Hämoglobin
DNA-Analyse bei HämoglobinKrankheiten Bei Hämoglobin-Krankheiten wurden ab 1979 die neuen Techniken der rekombinanten DNAAnalyse zu diagnostischen Zwecken zuerst eingesetzt. Damals war man auf Verfahren angewiesen, die eine Mutation indirekt nachweisen. Auch heute noch ist dieser Ansatz geeignet, die Anwendung molekularer Methoden zur Bestimmung eines Krankheitsrisikos zu erklären. Hier werden drei Beispiele illustriert, wie durch Restriktionsanalyse mittels Southern-Blot (vgl. S. 64) eine Deletion bzw. eine Punktmutation nachgewiesen und der individuelle Genotyp bestimmt werden kann.
A. Nachweis einer Deletion eines Hämoglobin- > -Gens Dieses Beispiel zeigt den Nachweis einer Deletion im Bereich der beiden Alpha-Gene § 1 und § 2. Der untersuchte Bereich ist ein Restriktionsfragment von 14,5 kb Größe, das von der Erkennungssequenz (Restriktionsstelle) eines Restriktionsenzym begrenzt ist (rote Pfeile). Die Sonde erfasst Sequenzen des § 2-Gens (1). Durch die Deletion ist das normale 14,5-kbDNA-Fragment auf 10,5 kb verkleinert (2). Das Ziel der Untersuchung besteht darin, zwischen drei Möglichkeiten (3) zu unterscheiden, die hier den Genotyp eines Individuums bestimmen: (i) zwei normale 14,5-kb-Fragmente (homozygot normal), (ii) ein 14,5-kb-Fragment und ein die Deletion anzeigendes 10,5-kb-Fragment (heterozygot), (iii) zwei 10,5-kg-Fragmente mit der Deletion (homozygot defekt, und dadurch krankheitsauslösend zu einer § Thalassämie führend). Durch die unterschiedliche Größe des normalen (14,5 kb) und des die Deletion tragenden kleineren Fragments (10,5 kb) entsteht im Southern-Blot ein Muster, das diese drei Möglichkeiten klar unterscheidet. Erkrankte sind homozygot für die Deletion (–/–). Für die nicht erkrankten Familienmitglieder kann innerhalb der Familie der Genotyp (+/+ normal oder +/– heterozygot) ermittelt und das genetische Risiko nach den Mendelschen Gesetzmäßigkeiten bestimmt werden.
Unterschied in der Anwesenheit bzw. Abwesenheit einer Restriktionsschnittstelle. Bei Anwesenheit entstehen zwei Fragmente von 7 kb und 6 kb, bei Abwesenheit ein Fragment von 13 kb (1). Mit einer Sonde aus komplementären Sequenzen des 7-kb-Fragments kann geprüft werden, welche Fragmentgröße vorliegt (2). Zeigt das Ergebnis, dass ein Erkrankter nur ein 13-kb-Fragment trägt (aber nicht 7 kb), ist damit erwiesen, dass die Mutation auf dem 13kb-Fragment liegen muss, weil er homozygot für die Mutation ist (3). Die Fragmentgrößen im Souther-Blot-Muster unterscheiden die drei möglichen Genotypen (4).
C. Nachweis einer Punktmutation durch geänderte Restriktionsstelle Durch eine Mutation kann eine Schnittstelle geändert werden. Zum Beispiel geht bei der Sichelzell-Mutation im g -Gen von Hämoglobin (vgl. S. 324) in Codon 6 des g -Gens (1) eine Schnittstelle für das Enzym MstII (CCTNAGG statt CCTNTGG) verloren, weil das A (Adenin) durch T (Thymin) ersetzt worden ist (2). Während in diesem Bereich das normale Allel ( g A) ein 1,15 kb großes Fragment nach MstII Verdauung erzeugt, eliminiert die Mutation die mittlere Schnittstelle, und es entsteht ein 1,35 kb großes Fragment. Das 1,35-kb-Fragment im Southern-Blot zeigt (3) die Anwesenheit der Sichelzell-Mutation ( g S). Dadurch können homozygot normale Individuen (AA), Heterozygote (AS) und Homozygote für die Sichelzell-Mutation (SS) eindeutig unterschieden werden. Eine präzise Genotyp-Diagnose ist möglich. Housman, D.: Human DNA polymorphism. N. Eng. J. Med. 332: 318–320, 1995. Weatherall, D. J.: The New Genetics and Clinical Practice. 3rd ed., pp. 261–273. Oxford University Press, Oxford, 1991.
B. Indirekter Nachweis einer Mutation Hier wird das die Mutation tragende Allel vom normalen Allel durch einen DNA-Polymorphismus unterschieden. Das Beispiel zeigt einen
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DNA-Analyse bei Hämoglobin-Krankheiten 7 kb
14.5 kb α2
α1
13 kb
Sonde für α 1
Deletion
1.
1.
6 kb
Sonde
7 kb
10.5 kb
13 kb
2. a1
a2
14.5 kb normal 14.5 kb normal
2.
Mutation
14.5 kb normal
7 kb
normal
7 kb
normal
7 kb
10.5 kb Deletion
10.5 kb Deletion 10.5 kb Deletion
3. Drei mögliche Genotypen 14.5 kb
normal (α α)
normal
13 kb
Mutation
13 kb
Mutation
13 kb
Mutation
3. Drei mögliche Genotypen
14.5 kb 10.5 kb
10.5 kb
heterozygot (α/-)
homozygot (-/-)
homozygot für 7 kb (normal)
heterozygot 7 kb/13kb
homozygot für 13 kb (Mutation)
4. Southern-Blot-Muster
4. Southern-Blot-Muster
A. Direkter Nachweis einer partiellen A. Deletion
B. Indirekter Nachweis einer Mutation B. durch RFLP-Analyse
Mst II Schnittstellen ( C C T N A G G )
5´
homozygot heterozygothomozygot normal mutant 3´
1.15 kb
normales Gen ( β A )
1.
1.35 kb 1.15 kb
5´ 1.35 kb
S mutiertes Gen ( β )
3´
2. Durch Mutation geht eine Schnittstelle verloren
AS SS AA 3. Southern-Blot-Muster
C. Nachweis einer Punktmutation durch geänderte Schnittstelle
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Peroxisomen und Lysosomen
Störungen der PeroxisomenBiogenese Peroxisomen sind kleine runde Organellen von etwa 0,1–1,0 ? m Durchmesser (etwas kleiner als Mitochondrien) in nahezu allen eukaryoten Zellen. Sie sind von einer einschichten Membran umschlossen. Die granuläre Matrix im Inneren enthält mehr als 50 Matrixenzyme. Diese sind an zahlreichen metabolischen Reaktionen beteiligt wie g -Oxidation von Fettsäuren, Biosynthese von Phospholipiden, Gallensäuren und anderen. Ihr Name leitet sich von Wasserstoffperoxid ab, das intermediär bei einigen der Reaktionen entsteht. Die Biogenese von Peroxisomen besteht aus komplexen biochemischen Vorgängen mit Synthese von Matrixproteinen (Peroxine) im Cytoplasma und Rezeptor-vermittelten Import in das Peroxisom. Dies wird von bisher 23 identifiziert PEX-Genen kontrolliert, von denen 15 beim Menschen bekannt sind. Krankheiten infolge gestörter Peroxisomen-Biosynthese sind durch schwere klinische Manifestationen in zahlreichen Organen gekennzeichnet. Sie können 14 Komplementationsgruppen (Definition vgl. S. 84 und Glossar) zugeordnet werden.
A. Biochemische Vorgänge in Peroxisomen Biochemische Vorgänge in Peroxisomen können zahlreichen Funktionen zugeordnet werden. Die elektronenmikroskopische Aufnahme (1) zeigt Peroxisomen in der Leber der Ratte. Die dunkel gefärbten streifigen Strukturen im Inneren bestehen aus Uraten (Peroxisomen enthalten ein Enzym, das Harnsäure oxidiert). Die Funktionen von Peroxisomen (2) können danach unterschieden werden, ob Stoffe abgebaut (katabole Wirkung) oder gebildet werden (anabole Wirkung). Zwei biochemische Reaktionen sind besonders wichtig, eine peroxisomale Atmungskette und g -Oxidation sehr langkettiger Fettsäuren. In der peroxisomalen Atmungskette (3) wirken bestimmte Oxidasen und Catalase zusammen. Spezifische Substrate der Oxidasen sind organische Metabolite des IntermediärStoffwechsels. Durch g -Oxidation (4) werden sehr langkettige Fettsäuren in einem Zyklus von vier enzymatischen Reaktionen abgebaut. Im Vergleich zur Atmungskette in Mitochondrien ist die Oxidation in Peroxisomen hinsicht-
lich der gewonnenen Energie ziemlich ineffektiv. Während in Mitochondrien die freie Energie überwiegend in Form von ATP (Adenosintriphosphat) erhalten bleibt, wird sie in Peroxisomen weitgehend in Wärme überführt. Peroxisomen sind wahrscheinlich eine sehr frühe Anpassung lebender Organismen an Sauerstoff (Photographie aus de Duve, 1986).
B. Peroximale Krankheiten Sechs der zahlreichen Erkrankungen mit ihrer McKusick-Nummer (MIM) sind hier aufgelistet (Einzelheiten bei Gould et al., 2001).
C. Cerebro-Hepato-Renales-Syndrom Typ Zellweger Diese 1967 als eigenständig erkannte autosomal rezessiv erbliche Krankheit wurde 1992 als ersten den peroxisomalen Krankheiten zugeordnet. Sie ist ein Vertreter einer schweren Form dieser Krankheitsgruppe. Sie besteht aus einem charakteristischen Gesichtsausdruck (1–4), extremer Muskelschwäche (5) und einer Reihe von Begleiterscheinungen, wie röntgenologisch sichtbaren Kalkablagerungen über Gelenken (6), Nierencysten (7, 8), Linsen- und Hornhauttrübung und anderem. Die schwere Form der Erkrankung (Typ Zellweger) führt in der Regel innerhalb des ersten Lebensjahres zum Tode (Photos 1–5 aus: E. Passarge & J. J. McAdams, 1967). de Duve, C.: Die Zelle. Expedition in die Grundstruktur des Lebens. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg, 1986. Gould, S. J., Raymond, G. V., Valle, D.: The peroxisome biogenesis disorders, pp. 3181–3217. In: C. R. Scriver et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Passarge, E., McAdams, A. J.: Cerebro-hepatorenal syndrome. A newly recognized hereditary disorder of multiple congenital defects, including sudanophilic leukodystrophy, cirrhosis of the liver, and polycystic kidneys. J. Pediat. 71: 691–702, 1967. Shimozawa, N., et al.: A human gene responsible for Zellweger syndrome that affects peroxisome assembly. Science 255: 1132–1255, 1992. Wanders, R. J. A., Barth, P. G., Heymans, H. S. A.: Peroxisomal disorders, pp. 2752–2787. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London – Edinburgh, 2002. Peroxisomen Information, Johns Hopkins University (D. Valle): (www.peroxisome.org)
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Störungen der Peroxisomen-Biogenese O2
0.5 µm
Oxidasen
O2
R-H2
H2O2 R
R: D- u. L-Aminosäuren Hydroxy-Säuren Purine, Urate, Oxalat Polyamine Fettsäure-Derivate
Catalase R'-H2
2 H2O und Wärme R'
R': Ethanol Methanol Nitrite Quinone Formate
3. Peroxisomale Atmungskette Sehr langkettige Fettsäuren (mehr als 12 C)
1.Peroxisomen in einer Zelle der Rattenleber
1. Synthetase
a) katabol H2O2-betreffende zelluläre Respiration b-Oxidation von langkettigen Fettsäuren, Prostaglandinen, Cholesterol-Seitenketten u.a. Purine, Urate Pipecolsäure, Dicarboxysäuren Ethanol, Methanol
2. Funktionen von Peroxisomen
2.Oxidase
4. Thiolase
b) anabol Phospholipide (Plasmalogen) Cholesterol, Gallensäuren Gluconeogenese Glyoxalat-Transaminierung
AcylCoA
AcylCoA
3. Hydratase, Dehydrogenase
KetoacylCoA Acetyl-CoA
Peroxisom
4. β-Oxidation
A. Biochemische Reaktionen in Peroxisomen 214100 Cerebro-Hepato-Renales Sydrom Zellweger 202370 Neonatale Adrenoleukodystrophie 266510 infantile Refsum-Krankheit
239400 Hyperpipecolsäure-Acidämie 215100 Rhizomele Chondrodysplasia punctata 259900 Primäre Hyperoxalurie Typ I und andere
B. Peroxisomale Krankheiten
1.
2.
5.
3. 4. 7. C. Cerebro-Hepato-Renales Syndrom Typ Zellweger
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6.
8.
336
Peroxisomen und Lysosomen
Lysosomen Lysosomen sind membranumhüllte cytoplasmatische Organellen mit einem Durchmesser von 0,05–0,5 ? m. Sie enthalten ein breites Spektrum bei saurem Milieu (pH um 5) aktiver hydrolytischer Enzyme (Hydrolasen), wie Glycosidasen, Sulfatasen, Phosphatasen, Lipasen, Phospholipasen, Proteasen und Nukleasen (lysosomale Enzyme). Lysosomale Enzyme werden in ein Lysosom mittels eines Erkennungssignals (Mannose-6-Phosphat) und eines zugehörigen Rezeptors aufgenommen.
A. Rezeptor-vermittelte Endocytose und Lysosomen-Bildung Abzubauende extrazelluläre Moleküle werden von der Zelle durch Endocytose aufgenommen. Zunächst werden die aufzunehmenden Moleküle an spezifische Zelloberflächen-Rezeptoren gebunden (Rezeptor-vermittelte Endocytose). Die beladenen Rezeptoren werden in einer Einstülpung der Plasmamembran (StachelsaumGrübchen, coated pit) konzentriert. Dies trennt sich von der Plasmamembran und bildet ein membranumschlossenes cytoplasmatisches Kompartment (Stachelsaum-Vesikel, coated vesicle). Nicht nur Hormone, Wachstumsfaktoren und Energie-liefernde Proteine, auch zahlreiche Viren und Toxine gelangen durch Rezeptor-vermittelte Endocytose in die Zelle (vgl. S. 342). Der Stachelsaum besteht aus einem Netzwerk eines trimeren Proteins, Clathrin. Die ClathrinHülle geht innerhalb der Zelle rasch verloren und es bildet sich ein Endosom, das mit Membranvesikeln aus dem Golgi-Apparat fusioniert und größere endosomale Kompartments bildet. Hier werden Rezeptoren von den Liganden getrennt und in Membran-Vesikeln wieder zur Zelloberfläche befördert (Rezeptor-Recycling). Auch Teile der Membran werden wiederverwendet. Die Liganden gelangen in einen multivesikulären Körper (Endolysosom). Hydrolasen (lysosomale Enzyme) werden vom Golgi-Apparat in Clathrin-umhüllten Vesikeln zum Endolysosom transportiert, nachdem sie mit einem Erkennungssignal (Mannose-6-Phosphat-Rezeptor) ausgestattet wurden. Es gibt verschiedene Klassen von Endolysosomen, die sich nach relativem Säuregehalt, Rezeptorbestand, biochemischer Zusammensetzung und morphologischer Erscheinung und anderen Merkmalen unterscheiden. Das saure Milieu in den Lysoso-
men wird durch eine in der Membran liegende Wasserstoff-Pumpe aufrechterhalten, die ATP hydrolysiert und mit der dabei gewonnenen Energie H+-Ionen in das Lysosom befördert.
B. Mannose-6-Phosphat-Rezeptoren Zwei Rezeptoren vermiteln die Aufnahme von Hydrolasen in das Endolysosom. Dies sind membrangebundene Proteine von 275 bzw. 46 kD, die Mannose-6-Phosphat (Man-6-P) binden. Sie bestehen aus drei strukturell unterscheidbaren Domänen: eine N-terminale extrazelluläre, eine transmembrane und eine C-terminale cytoplasmatische Domäne. Ihr Größenunterschied beruht auf einer unterschiedlichen Anzahl ähnlicher repetitiver Elemente, 15 in dem großen und eine in dem kleinen Rezeptor. Der große Rezeptor ist Kationen-unabhängig (CI-MPR, cation-independent Mannose-Phosphat-Rezeptor), während der kleine Kationen benötigt (CD-MPR, cation-dependent). Die beiden Man-6-P-Rezeptoren dürften durch Duplikation aus einem gemeinsamen Vorläufer hervorgegangen sein.
C. Biosynthese des Mannose-6Phosphat-Erkennungssignals Zwei Enzyme sind entscheidend für die Bildung des Mannose-6-Phosphat-Erkennungssignals, eine Phosphotransferase und eine Phosphoglycosidase. Das Phosphat wird von Uridin-Diphosphat-N-Acetylglucosamin (UDP-GlcNAc) geliefert (Uridin-5'-Diphosphat-N-acetylglucosamin-Glycoprotein-N-acetyl-glucosaminylPhosphotransferase). Durch ein zweites Enzym wird das N-Acetylglucosamin wieder abgespalten und der Phosphat-Rest in der Mannose in Position 6 zurückgelassen (N-Acetylglucosamin-1-Phosphodiester-N-acetyl-glucosaminidase) (Abb. nach D. D. Sabatini und M. B. Adesnik, 2001 und C. de Duve, 1984; relative Größe der einzelnen Strukturen zueinander nicht maßstabsgerecht). de Duve, C.: A Guided Tour of the Living Cell. Vol. I and II. Scientific American Books, Inc., New York, 1984 (deutsche Ausgabe Verlag Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg, 1986). Sabatini, D. D., Adesnik, M. B.: The biogenesis of membranes and organelles, pp. 433–521. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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Lysosomen Plasmamembran-Rezeptoren
Moleküle aufzunehmen
Endocytose
außen Plasmamembran
Lysosom
StachelsaumGrübchen (coated pit) innen
Hydrolytischer Abbau von Molekülen durch Iysosomale Enzyme Multivesikulärer (Hydrolasen) Körper (Endolysosom)
RezeptorRecycling
StachelsaumVesikel (coated vesicle) Endosom
MembranRecycling
Trennung von Rezeptor und Ligand
Einschleusung von Hydrolasen
Transport von Hydrolasen MembranVesikel
Hydrolasen
Mannose-6-P Rezeptor zurück
Mannose-6-PRezeptor
Golgi-Apparat A. Rezeptor-vermittelte Endocytose und Lysosomen-Bildung CI-MPR
(Kationen-unabhängig)
Mannose
NH2 Signal-Sequenz 40 149 155 145 154 140 157 142 144 141 148 134 154 101 142 151 23 154
CH2OH OH
Bindung an lysosomales Enzym P -O-CH2 OH
R U
U
GlcNAc- P -O-CH2
O R
CD-MPR (Kationen-abhängig) NH2
OH
O R
H2O GlcNAcPhosphoglycosidase
Mannose-6- P Rest an lysosomalem Protein
GlcNAc P -O-CH2 OH
cytoplasmatische Domäne
B. Mannose-6-PhosphatB. Rezeptoren (MPR)
P
OH
OH
transmembrane Domäne
OH
O OH O R
C. Biosynthese des MannoseC. 6-Phosphat-Erkennungssignals
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-GlcNAc
O
Signal-Sequenz
COOH
P P
GlcNAcPhosphotransferase
Mannose-6-PhosphatErkennungssignal
COOH
O
OH
GlycoproteinRest R
O OH
OH
20 164 19 68
O OH
338
Peroxisomen und Lysosomen
Krankheiten durch Enzymdefekte in Lysosomen
den und verursachen die Einschlusskörperchen.
Lysosomale Krankheiten entstehen durch genetisch bedingte Störungen von 10 Enzymen, die in Lysosomen schrittweise hochmolekulare Substanzen (Glycosaminoglycane) abbauen. Glycosaminoglycane sind extrazelluläre Zuckerketten, die an interzellulärer Signalübertragung beteiligt sind. Bei genetisch bedingtem Fehlen der Funktion eines der Enzyme wird der Abbau unterbrochen. Die verbleibenden Moleküle akkumulieren in den Lysosomen und werden hier gespeichert. Die resultierenden 11 Krankheiten (Mucopolysaccharid-Speicherkrankheiten, MPS) infolge lysosomaler Enzymdefekte unterscheiden sich nach genetischen, biochemischen und klinischen Merkmalen. Ihre klinischen Zeichen sowie biochemische und zelluläre Manifestation resultieren aus der Spezifität des jeweiligen Enzyms im lysosomalen Stoffwechsel. Infolge des jeweiligen Enzymdefekts werden nicht normal abgebaute Makromoleküle gespeichert (Speicherkrankheiten). Dies geschieht unterschiedlich schnell, so dass jede Erkrankung einen eigenen, charakteristischen, fortschreitenden Krankheitsverlauf hat. Zwölf Krankheitsgruppen infolge genetisch bedingter Störungen spezifischer lysosomaler Funktionen mit je etwa drei bis zehn individuell definierten Erkrankungen sind bekannt.
B. Abbau von Heparan-Sulfat durch lysosomale Enzyme
A. Defekte der EnzymPhosphorylierung: I-Cell-Krankheit
Gilbert-Barness, E., Barness, L.: Metabolic Diseases. Foundations of Clinical Management, Genetics, and Pathology. Eaton Publishing, Natick, Massachusets, 2000. Kornfeld, S., Sly, W. S.: I-cell disease and Pseudo-Hurler polydystrophy: Disorders of lysosomal enzyme phosphorylation and localization, pp. 3469–3482. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGrawHill, New York, 2001. Neufeld, E. F., Muenzer, J.: The mucopolysaccharidoses, pp. 3421–3468. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Spranger, J.: Mucopolysaccharidoses, pp. 2666–2676. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London – Edinburgh, 2002.
Diese im Jahr 1967 entdeckte Krankheit ist nach charakteristischen Einschlusskörperchen (Inclusion bodies, I-cell disease) in Fibroblastenkulturen benannt (1, 2). Patienten entwickeln während des ersten und zweiten Lebensjahres ein vergröbert erscheinendes Gesicht (3), schwere psychomotorische Entwicklungsstörungen und andere Zeichen ähnlich der Hurlerschen Krankheit (vgl. S. 340). Die autosomal rezessive Krankheit gehört zur Gruppe der Mucolipidosen (Mucolipidose Typ II, MIM 252500). Sie entsteht bei Homozygoten für eine Mutation im Gen für die Phosphotransferase zur Bildung des Mannose-6-Phosphat-Erkennungssignals (vgl. S. 336) auf Chromosom 4. Durch den resultierenden Enzymdefekt können Hydrolasen wegen des fehlenden Erkennungssignals (Mannose-6-Phosphat-Rezeptor vgl. S. 336) nicht in Lysosomen aufgenommen wer-
Heparan-Sulfat ist eines von mehreren Glycosaminoglycanen (neben Dermatan-Sulfat, Keratan-Sulfat und Chondroitin-Sulfat). Glycosaminoglycane sind hochmolekulare Zuckerabkömmlinge, die mit verschiedenen anderen Molekülen wie Sulfaten oder N-Acetyl-AminoSeitenketten bestückt sind. Sie werden schrittweise in Lysosomen durch konzertierte Aktion von 10 verschiedenen Enzymen abgebaut. Die Abbildung zeigt den schrittweisen Abbau von Heparan-Sulfat durch acht Enzyme. Jedes Enzym vollzieht den nächsten Abbauschritt nur dann, wenn das vorhergehende seine Arbeit erledigt hat, z. B. die Abspaltung von Sulfat-Resten durch Iduronat-Sulfatase als erstem Schritt. Im Abbau von Heparan-Sulfat können Enzymdefekte sieben verschiedene Krankheiten verursachen: MPS Typ II (Hunter-Syndrom), MPS I (Hurler-Syndrom), MPS IIIA, IIIB, IIIC, IIID (Sanfilippo-Syndrom) und MPS VII (Sly-Syndrom). Die Krankheitsmerkmale der vier genetisch und biochemisch verschiedenen Formen von MPS IV können nicht unterschieden werden. Alle werden autosomal rezessiv vererbt, ausgenommen der X-chromosomale Typ II (Hunter).
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Krankheiten durch Enzymdefekte in Lysosomen
IduronatSulfatase
MPS II
α-LIduronidase
MPS I
1. Normale Fibroblastenkultur HeparanN-Sulfatase
MPS IIIA
Acyl-CoA Acetyl-Transferase
MPS IIIC
α-N-AcetylGlucosaminidase
MPS IIIB
2. Fibroblastenkultur bei I-cell Krankheit Glucuronat-Sulfatase
kein Defekt bekannt
β-Glucuronidase
MPS VII
N-Acetylglucosamin-6-Sulfatase MPS IIID H
3. Patient mit I-cell Krankheit A. Defekte Aufnahme von Enzymen in A. Lysosomen: I-cell Krankheit
B. Abbau von Heparansulfat durch B. acht lysosomale Enzyme
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340
Peroxisomen und Lysosomen
MucopolysaccharidSpeicherkrankheiten Mucopolysaccharid-Speicherkrankheiten (Mucopolysaccharidosen, MPS) sind eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von lysosomalen Speicherkrankheiten aufgrund unterschiedlicher Enzymdefekte im Abbau von Mucopolysacchariden (Glycosamino-Glycanen). Bis auf Mucopolysaccharid-Speicherkrankheit Typ II (Hunter) sind alle autosomal rezessiv erblich. Allen Formen ist gemeinsam, dass sie sich aus einem für jede Form typischen Manifestationsalter langsam fortschreitend zu einem meistens gut erkennbaren Phänotyp entwickeln.
A. Hurlersche Krankheit (MPS Typ I) Anfänglich praktisch unauffällig, zeigen sich frühe Krankheitszeichen im Alter von zwei Jahren durch eine zunehmende Vergröberung der Gesichtszüge, geistige Entwicklungsstörung, eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit, vergrö-
ßerte Leber, Nabelbruch und andere Zeichen. Im Röntgenbild zeigt sich eine Vergröberung der Strukturen (Dysostosis multiplex).
B. Hunter-Syndrom (MPS II) Diese Form der Mucopolysaccharidose ist Xchromosomal erblich. Gezeigt werden vier Cousins aus einem Stammbaum. Die Krankheit ähnelt klinisch der MPS Typ I, verläuft aber langsamer. (Photographien aus E. Passarge, et al., 1974). McKusick, V. A.: Mendelian Inheritance in Man. 12th ed. 1998. Neufeld, E. F., Muenzer, J.: The mucopolysaccharidoses, pp. 3421–3452. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Passarge, E., et al.: Krankheiten infolge genetischer Defekte im lysosomalen Mucopolysaccharid-Abbau. Dtsch Med Wschr. 99: 144–158, 1974. Spranger, J.: Mucopolysaccharidoses, pp. 2666–2676. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002.
Klassifikation der Mucopolysaccharid-Speicherkrankheiten (MPS) MPS-Typ
Enzymdefekt
IH (Hurler)
§ -L-Iduronidase
IS (Scheie)
§ -L-Iduronidase
II (Hunter) (X-chromosomal) III (Sanfilippo) A B C D IV (Morquio) A B
Iduronat-sulfatase
wesentliche Manifestationen Dysostosis multiplex, schwere Entwicklungsstörung Hornhauttrübung u. a. Steife Gelenke, Hornhauttrübung, normale geistige Entwicklung Dysostosis multiplex, keine Hornhauttrübung
Heparan N-sulfatase § -N-Acetylglucosaminidase Acetyl-CoA: § -glucoaminid-Acetyltransferase N-Acetylglucosamin-6-sulfatase
Schwere psychomotorische Entwicklungsstörung beginnend um das 6.–8. Lebensjahr, relativ geringe somatische Erscheinungen
Galactose-6-sulfatase g -Galactosidase
Hornhauttrübung, schwere Skelettveränderungen, Minderwuchs, Odontoid-Hypoplasie, normale geistige Entwicklung
N-Acetylgalactosamin-4-sulfatase (Arylsulfatase B) g -Glucuronidase
Dysostosis multiplex, Hornhauttrübung, normale geistige Entwicklung Dysostosis multiplex, Hornhauttrübung
VI (Maroteaux-Lamy)
VII (Sly)
(nach V.A. McKusick: Mendelian Inheritance in Man, 12th ed., 1998)
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Mucopolysaccharid-Speicherkrankheiten
8 Wochen
7 Monate
21/4 Jahre
33/4 Jahre
Dysostosis multiplex
Gelenkkontraktionen
= männlich
5 Jahre
8 Jahre
A. Mucopolysaccharid-Speicherkrankheit Typ I (Hurler)
41/2 Jahre
10 Jahre
= weiblich
= Hunter-Syndrom
X-Chromosomaler Erbgang
13 Jahre
B. Mucopolysaccharid-Speicherkrankheit Typ II (Hunter)
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21 Jahre
341
342
Peroxisomen und Lysosomen
Familiäre Hypercholesterolämie Familiäre Hypercholesterolämie (FH) ist eine hereditäre Störung infolge erhöhter Plasmakonzentration von LDL (Low Density Lipoprotein). Die Aufklärung ihrer molekularen Entstehung durch Goldstein, Motulsky, Brown und Mitarbeiter 1973–1986 hat wesentlich zum Verständnis des Lipidstoffwechsels beigetragen. Cholesterol und Triacylglycerole werden in Form von Lipoproteinpartikeln transportiert. Die Proteinkomponenten dienen dazu, die hydrophoben Lipide löslich zu machen, da sie auf bestimmte Zellen gerichtete Signale sind. Lipoproteine werden nach ihrer Dichte klassifiziert, z. B. LDL (low density), HDL (high density); VLDL (very low density). Sie bestehen aus einem Kern von hydrophoben Lipiden, der von polaren Lipiden und einem Apoprotein umgeben ist. Neben FH gibt es weitere HypercholesterolämieKrankheiten (Goldstein&Brown, 2001).
A. Phänotyp Dies ist eine autosomal dominant erbliche Krankheit (MIM 143890), die vor allem bei Homozygoten zu schweren Manifestationen durch Cholesterol-Ablagerung in vielen Geweben führt (1). Die mit einer Häufigkeit von 1 auf 500 bei Heterozygoten und 1 auf 1 Million bei Homozygoten auftretende Krankheit ist durch deutlich erhöhte Konzentration von Cholesterol im Plasma gekennzeichnet (2). Entscheidend für die Pathogenese ist eine Verminderung der Zahl der LDL-Rezeptoren pro Zelle um ca. 50 % bei Heterozygoten und praktisch Null bei Homozygoten (3). In Sehnen und zwischen den Fingern bilden sich Xanthome durch Cholesterol-Ablagerung (4), im äußeren Rand der Iris ein heller Ring (Arcus lipoides, 5) als sichtbare Zeichen einer ausgeprägten Atherosklerose, die in jungem Alter zu Herzinfarkt durch verschlossene Gefäße führt. Die Lebenserwartung bei Homozygoten beträgt etwa 5 bis 20 Jahre, bei Heterozygoten etwa 40 bis 60 Jahre. (Graphik in 2 und 3 aus Goldstein et al., 2001; Photographien in 4 und 5 eigene Beobachtungen).
B. LDL-Rezeptor Das LDL-Rezeptorprotein des Menschen wird von einem aus 18 Exons bestehenden Gen von etwa 45 kb Größe auf dem kurzen Arm von Chromosom 19 19p13.1–13.3 codiert. Etwa die Hälfte der 5.3 kb großen mRNA besteht im 3'Bereich aus einer nicht translatierten Region,
die zweieinhalb Exemplare der Alu-Familie mittelrepetitiver DNA enthält (S. 228). Zahlreiche Exons stammen evolutionär von Exons in anderen Genen ab, ein klarer Fall von Exon Shuffling (S. 238). Das 160-kD-Protein bsteht aus 839 Aminosäuren, die entsprechend der Exons unterschiedlichen Domänen angehören. Das Protein ist über einen breiten Fächer von Lebewesen weit entfernter evolutionärer Herkunft konserviert, am ausgeprägsten in den cytoplasmatischen Anteilen (z. B. 90 % identisch innerhalb der Säugetiere; 79 % identisch zwischen Mensch und Haifisch). Dies spricht dafür, dass ein LDL-Rezeptor bereits vor 450 Millionen Jahren existierte. Der LDL-Rezeptor bindet zwei Proteinliganden, das Apolipoprotein B100 (apo B-100), ein 514-kD-Glycoprotein in LDL, und apo E, ein 34-kD-Protein in anderen Lipoproteinen. Fibroblasten des Menschen in Kultur bilden bis zu 20 000–50 000 LDL-Rezeptoren pro Zelle. (Abb. nach Hobbs et al., 1990).
C. LDL-Rezeptor-vermittelte Endocytose LDL wird in die Zelle durch Endocytose aufgenommen. Die elektronenmikroskopischen Bilder zeigen zwei Stadien der Endocytose. (Photographien aus Andersen et al., 1977).
D. Homologie des LDL-Rezeptors mit anderen Proteinen Der LDL-Rezeptor ist Mitglied einer Familie von anderen Rezeptor-Molekülen und Plasmaproteinen des Blutgerinnungssystems. Die Domänen in der zellnahen, proximalen Hälfte sind homolog zu den Immunglobulin-ähnlichen Domänen des Epidermalen Wachstumsfaktors (EGF, vgl. S. 248). Anderson, R. G. W., Brown, M. S., Goldstein, J. L.: Cell 10: 351, 1977. Brown, M. S., Goldstein, J. L.: A receptor-mediated pathway for cholesterol homeostasis. Science 232: 34–47, 1986. Goldstein, J. L., Brown, M. S., Hobbs, H. H.: Familial hypercholesterolemia, pp. 2863–2913. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001. Goldstein, J. G., Brown, M. S.: The cholesterol quartett. Science 292: 1310–1312, 2001. Hobbs, H. H., et al.: The LDL receptor locus in familial hypercholesterolemia: Mutational analysis. Ann. Rev. Genet. 24: 133–170, 1990.
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Familiäre Hypercholesterolämie – – – – – –
Low Density Lipoprotein (LDL) und Cholesterol im Blutplasma erhöht Frühzeitige Arteriosklerose Xanthoma in Haut und Sehnen Verminderte Lebenserwartung Autosomal dominant Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen
1. Allgemeine Merkmale
5'
1
Signal-Region
2 3 4 5 6
Bindungsbereich
7 8 9 10 11 12 13 14
1000
Plasma Cholesterol (mg/dl)
Exons
800
600
Wachstumsfaktor
Kohlenhydrate
15
200
Membranbindung
16 17
400
Cytoplasma
18
FH Homozygote
FH Heterozygote
3' Normal
0
2. Hypercholesterolämie
343
Cystein
B. LDL-Rezeptor 1 µm
Anzahl Rezeptoren
2.00 1.00 0.50
0.10 0.05
FH Homozygote
FH Heterozygote
Normal
0.02
3. LDL-Rezeptoren vermindert
a Stachelsaum-Grübchen a (Coated pit)
b Endocytisches Vesikel
Elektronenmikrographien von Fibroblasten in Kultur,die LDLMoleküle aufnehmen (schwarze Punkte, sichtbar gemacht durch Bindung an Ferritin).
C. Rezeptor-vermittelte Endocytose von LDL I II III - V VI VII A B
LDLRezeptor
4. Xanthom-Bildung
C
Plasmamembran
EGFWachstumsfaktor
Factor IX Factor X Protein C
5. Arcus lipoides A. Familiäre Hypercholesterolämie
Complement C9
D. Homologie mit anderen Proteinen
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Plasmaproteine
344
Peroxisomen und Lysosomen
Mutationen im LDL-Rezeptor LDL transportiert Cholesterol, das für die Biosynthese von Steroidhormonen benötigt wird. Die systematische Analyse von verschiedenen Mutationen bei Familiärer Hypercholesterolämie hat wesentlich zur Kenntnis des LDL-Rezeptors und seiner Bedeutung für den Cholesterol-Stoffwechsel beigetragen.
A. Intrazelluläre Rezeptor-Synthese Fünf Klassen von Mutationen markieren den intrazellulären Weg des Rezeptors, der ein Recycling einschließt. Klasse 1 Mutationen verhindern die Synthese von Rezeptorprotein im Endoplasmatischen Retikulum (ER), bezeichnet als Null-Mutanten, R0 ; Klasse 2 blockieren teilweise oder gänzlich den Transport zwischen ER und Golgi-Apparat; Klasse 3 sind Rezeptorproteine, ohne Bindungsfähigkeit; Klasse 4 können binden, akkumulieren aber nicht im Stachelgrübchen (coated pit, s. vorige Seite) und werden nicht in die Zelle aufgenommen; Klasse 5 können den Liganden (Apo-100 bzw. Apo-E) nicht vom Rezeptor trennen und in das Endosom liefern (Recycling-Mutanten). Nicht alle beobachteten mutanten Allele können diesen Klassen eindeutig zugeordnet werden. Normalerweise werden im Endosom Rezeptor und Ligand getrennt, der Rezeptor in einem Recycling wieder zur Zelloberfläche gebracht und LDL in ein Lysosom aufgenommen. Dort wird LDL in freies Cholesterol und Aminosäuren zerlegt. Das freie Cholesterol aktiviert das Enzym Acetyl-CoA-Cholesterol-Transferase (ACAT) und wird durch dieses verestert. Das normalerweise für die intrazelluläre Cholesterol-Synthese zuständige Enzym 3-Hydroxy-3-methylglutarylCoA-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase) wird durch exogen aufgenommenes LDL in der Aktivität heruntergestuft. Ferner vermindert dieses Enzym die LDL-Rezeptor-Synthese. Durch Defekte in der LDL-Rezeptorfunktion wird diese Kontrolle außer Kraft gesetzt und permanent zuviel intrazelluläres Cholesterol gebildet.
B. Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen und ihre funktionelle Auswirkung Über 400 Mutationen sind bekannt. Davon sind 16 % Deletionen, Insertionen und Umordnungen, die so groß sind, dass sie im Southern-Blot leicht erkannt werden können (Varret et al., 1998; Goldstein et al., 2001, www.umd.necker.fr
und www.ucl.ac.uk/fh/). Etwa 68 % sind Missense-Mutationen. Die Mutationen sind über das ganze Gen verteilt, einschließlich Mutationen im Promotor, aber viele sind in den Exons 2–6 (Liganden-Bindung), Exons 7–14 (EGF-Wachstumsfaktor-ähnlich) und Exon 17 (Transmembrane Domäne) konzentriert.
C. Nachweis einer Punktmutation Diese Abbildung zeigt den Nachweis einer Punktmutation mit Bestätigung durch teilweise Sequenzierung. Es handelt sich um eine Mutation in Exon 9, durch die in Codon 408 zufällig eine Erkennungstelle für das Restriktionsenzym NlaIII (CATG) entstanden ist (durch Austausch eines Guanins, G, durch ein Adenin, A). Auf dieser Grundlage erfolgt die Diagnostik in mehreren Schritten. Zunächst wird Exon 9 nach Anheftung der beiden Primer, P1 am 5'-Ende und P2 am 3'-Ende, mittels Polymerase-Kettenreaktion amplifiziert (PCR, vgl. S. 68). Das normale Allel hat keine NlaIII-Erkennungsstelle und wird nach Restriktionsanalyse mit diesem Enzym als 222-bp-Fragment nachgewiesen. Im mutanten Allel dagegen schneidet das Enzym an der durch die Mutation entstandenen Erkennungsstelle. Dadurch entstehen zwei Fragmente von 126 bp und 96 bp Größe (1). Die molekulargenetische Diagnose wird durch DNA-Untersuchung einer Blutprobe (10 ml EDTA-Blut) von Mitgliedern einer Familie mit zwei Erkrankten (Mutter und Tochter, 1 und 3) (2). Die elektrophoretische Auftrennung zeigt bei den beiden Erkrankten neben dem normalen Allel (222 Basenpaare) zwei zusätzliche Fragmente von 126 bp und 96 bp Größe. Diese repräsentieren das mutante Allel. Die teilweise Sequenzierung (3) zeigt in Codon 408 bei den Erkrankten neben dem normalen GTG (Valin) ein zusätzliches Band (Adenin, A, durch Kreis markiert), entsprechend dem mutanten Codon ATG (Methionin). (Photographie von H. Schuster, Max-Delbrück-Zentrum Berlin). Goldstein, J. L., Brown, M. S, Hobbs, H. H.: Familial hypercholesterolemia, pp. 2863–2913, In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001. Südhof, T. C., et al.: The LDL receptor gene: a mosaic of exons shared with different proteins. Science 228: 815–822, 1985.
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345
Mutationen im LDL-Rezeptor
2
Golgi-Apparat
"Coated Vesicle"
1
HMG-CoA-Reduktase LDL-Rezeptor
LDL 4
ACAT
3 "Coated Pit"
Endosom
ER
5
freies Cholesterol
Cholesterol-Ester
Aminosäuren
Zirkulierendes Vesikel
A. Intrazellulärer LDL-Rezeptor-Stoffwechsel und fünf Mutationsklassen Alu repeats 6 kb >10 kb Exons 1
Deletionen 4 kb
3 bp
2
12 bp
8 kb
3
5
4
Insertionen 4 kb
Punktmutationen 5.5 kb
5 kb
6
7
8
9
11 12
10
13 14
7.8 kb 15
16
17
18
5'
3' SignalSequenz
LigandenBindung
EGF-Vorläufer Homologie
1
2
keine Bindung
keine mRNA
Zuckerketten
TransCytomembran plasmaTeil tischer Teil
3
4
kein Effekt
kein Recycling
kein intrazellulärer Transport
5
keine keine Membran- InterAnheftung nalisierung
B. Verschiedene Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen und ihre funktionelle Auswirkung 2
1
5 kb
3 45 6 789 10 11 12 13 14 15
Exons
T 1
P1
407
N
408
3
P2
222 bp 126 bp
M
96 bp 409
normal 5' A A C G T G G T C
3'
A A C AT G G T C
3'
mutant 5'
2
222 bp
Exon 9
1.
1617 18
NIaIII
1
2
3
C T G G 408 Val/Met T G/A 222 C 407 A 126 A 96 409
4
4
2.
C. Punktmutation im LDL-Rezeptor-Gen
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3.
G
C
A
346
Homeostase
Diabetes mellitus Diabetes mellitus ist eine heterogene Gruppe von mehr als 60 individuell definierten Krankheiten mit erhöhter Konzentration von Glucose im Blut ( G 126 mg/dl im nüchternen Zustand nach zweimaliger Bestimmung). Nach der Pathogenese werden zwei Klassen unterschieden, Typ 1 und Typ 2. Diabetes Typ 1 (IDDM, Insulin-dependent Diabetes mellitus) ist eine komplexe Störung der Immunoregulation der Insulin-Bildung, die infolge Zerstörung von BetaZellen im Pankreas zu Insulin-Mangel führt. Bei Typ 2 (NIDDM, Nicht Insulin-dependent) stehen zwei physiologische Defekte im Vordergrund: g -Zelldysfunktion des Pankreas (Insulin-Resistenz) in Verbindung mit reduzierter Insulin-Sekretion. Diabetes mellitus ist mit einer Erkrankungsrate von 1–2 % eine der häufigsten Krankheiten der Welt. Über 90 % der Erkrankungen betreffen Typ 2. Dieser Typ tritt im Gegensatz zu Typ 1 eine Neigung zu familär gehäuft auf, so dass eine genetische Komponente unter den Ursachen anzunehmen ist.
A. Insulin-Bildung Insulin wird in mehreren Schritten in den BetaZellen des Pankreas gebildet. Es wird beim Menschen von einem auf dem kurzen Arm von Chromosom 11 (11p15.5) liegenden Gen aus 1430 Basenpaaren in zwei Exons codiert. Das Gen enthält am 5'-Ende eine Signalsequenz und weiter stromaufwärts (in 5'-Richtung) einen für g -Zellen spezifischen Enhancer. Das primäre RNA-Transkript wird in typischer Weise verarbeitet und in als PräPro-Insulin bezeichnetes Peptid übersetzt. Durch postranslationale Modifizierung (Entfernung des Signalpeptids, Verbindung von A- und B-Kette durch Disulfid-Brücken, danach Entfernung des CPeptids) entsteht das fertige Insulin-Molekül aus 51 Aminosäuren und 5.5 kD Molekulargewicht (vgl. S. 34).
B. Insulin-Rezeptor Die Wirkung von Insulin wird durch Bindung an einen spezifischen Rezeptor eingeleitet. Der Insulin-Rezeptor ist ein membrangebundenes Glycoprotein, das vor allem in Zellen exprimiert ist, die auf Insulin reagieren, z. B. in Hepatozyten, Adipozyten und Muskelzellen und anderen. Der Insulin-Rezeptor besteht aus einem heterotetrameren Molekül aus zwei § - und zwei g -Ketten.
Nur die Beta-Kette ist in der Zellmembran verankert. Autoantikörper erkennen vor allem die immunogene Region der Alpha-Kette (Aminosäuren 450–601). Insulin-Bindung führt zu einer Kaskade von zahlreichen Reaktionen, die in drei Phasen gegliedert werden können. Fünf Klassen von Mutationen im Insulin-Rezeptor führen zu fehlender Insulin-Wirkung (InsulinResistenz) mit zahlreichen verschiedenen Krankheitsbildern (Taylor, 2001).
C. Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 Kritisch für den normalen Glucose-Stoffwechsel ist eine Balance zwischen exogenem Glucose-Angebot und g -Zellfunktion im Pankreas. Diabetes Typ 1 entsteht in der Mehrzahl der Fälle auf einem Hintergrund genetischer Suszeptibilität durch äußere Faktoren, wie bestimmte Virusinfektionen. Diabetes Typ 2 geht weitgehend auf genetische Faktoren zurück. Abgesehen von einer bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftretenden autosomal dominant erblichen Form handelt es sich jedoch nicht um eine monogen bedingte Erkrankung. Monozygote Zwillinge sind konkordant für Typ 2 zu etwa 40–50 % und für Typ 1 etwa 25 %, gegenüber einem Risiko von weniger als 10 % für Typ 1 bei Verwandten ersten Grades (etwa 2–7 % je nach Verwandtschaftsverhältnis und Erkrankungsalter).
D. Einfluss von bestimmten Allelen der HLA-D-Region An den Ursachen von Diabetes mellitus Typ1 sind bestimmte Allele der Klasse 2 des MHCSystems (vgl. S. 292) beteiligt. Vor allem HLADR3 und DR4 begünstigen die Krankheit. Andere Allele wie HLA-DR2 verleihen einen relativen Schutz. Die tatsächliche Situation ist wesentlich komplexer als hier gezeigt. Bell, G. I., Polonsky, K. S.: Diabetes mellitus and genetically programmed defects in g -cell function. Nature 414: 788–791, 2002. Raffel, L. J., Rotter, J. I.: Diabetes mellitus, pp. 2231–2276. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002. Schwartz, M. W., et al.: Leptin- and insulin-receptor signalling. Nature 404: 663, 2000. Taylor, S. I.: Insulin action, insulin resistance, and type 2 diabetes mellitus, pp. 1433–1469. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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347
Diabetes mellitus β-zellL spezifischer 5' Enhancer Signal-Sequenz
Exon 1
InsulinBindungsbereich
AAAA α
Splicing
mRNA 1
1 C-Peptid
1 63 1
63
Aminosäuren 21 COOH A-Kette
Entfernung des Signalpeptids, Verknüpfung der A- und B-Kette 1
30 s s
21 A Pro-Insulin
Translation 1
30
B s s
B s s
Entfernung des C-Peptids
C-Peptid
HOOC
Bindung von Insulin
COOH
TyrosinkinaseRegion
innen
30
β
s s
Phosphorylierung von Tyrosin
β
A 1 Insulin
21
A. Insulin-Bildung
intrazelluläres Signal
B. Insulin-Rezeptor
äußere Faktoren (z.B. Virus) Genotyp (HLA-D u.a.) Autoimmunität
α
außen
B-Kette PräPro-Insulin 1
NH2
Transkription
Cap
NH2
NH2
3'
primäres Transkript Signalpeptid
Insulin-Gen
Exon 2
Nahrung
Nahrungsüberangebot Übergewicht verminderte Aktivität
Glucose vermehrt im Blut
Alter
β-Zellen
β-Zellen (Pankreas)
β-Zellen
zerstört
normal
normal oder vermindert
absoluter Insulin-Mangel
Insulin-Bildung normal
Insulin-Bildung unzureichend
Diabetes Typ I
Glucose-Spiegel normal
(nicht insulin-abhängig)
(insulin-abhängig)
Genetische Faktoren Insulin/InsulinRezeptor defekt Insulin unwirksam (Insulin-Resistenz)
Diabetes Typ II
C. Diabetes mellitus MHC-Gene Klasse I (Mensch) HLA
DP B2
A2
B1
DN DO A1
A
B
DPw1 DPw2 DPw3 DPw4 DPw5 DPw6
DPB2, DPA2, DRB2 sind Pseudogene
DQ B2
A2
B1
DR A1
DQw1 DQw2 DQw3 DQw4 DQw5 DQw6 DQw7 DQw8 DQw9
B1
B2
DR1 DR2 DR3 DR4 DR5 DRw6 DR7 DRw8 DR9 DRw10 etc.
D. Einfluss von Genen der HLA-D Region
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B3
A
Gene Klasse II u. III
protektiver Effekt
Susceptibilität für Diabetes Typ I
348
Homeostase
Protease-Inhibitor > 1-Antitrypsin § 1-Antitrypsin ( § 1-AT) ist der wesentliche Protease-Inhibitor im Blut-Plasma. Es bindet mit einem breiten Spektrum von Proteasen, wie Elastase, Trypsin, Chemotrypsin, Thrombin und bakteriellen Proteasen. Die wichtigste physiologische Wirkung ist Inhibition der Leukocyten-Elastase, eine Protease, die Elastin der Alveolarwand in den Lungenbläschen abbaut. Defizienz von § 1-Antitrypsin führt zu fortschreitender Zerstörung der Lungenbläschen (Alveolen), obstruktivem Lungenemphysem und einer Form von Hepatitis bei Neugeborenen. Zahlreiche, 1964 zuerst beschriebene genetisch bedingte Defekte in dem für die Bildung von § 1-AT zuständigen Gen führen zu schweren Krankheiten vor allem der Lunge und der Leber.
A. > 1-Antitrypsin ( > 1-AT) § 1-AT ist ein aus einer Polypeptidkette von 394 Aminosäuren bestehendes Glycoprotein von 52 kD mit über 70 verschiedenen genetischen Varianten. Es wirkt als Inhibitor eines breiten Spektrums von Serin-Proteasen. Es wird von einem Gen aus 5 Exons und 10 200 Basenpaaren (10.2 kb) auf Chromosom 14q32.1 codiert.
B. > 1-Antitrypsin-Mangel Mangel an § 1-AT führt zu chronisch obstruktiver Lungenkrankheit und verschiedenen anderen Manifestationen (MIM 107400). Das Röntgenbild zeigt ein durch die Zerstörung von Alveolen des Lungengewebe verursachtes Emphysem als große dunkle Felder über beiden Lungen (Photographie von Prof. N. Konietzko, Essen, überlassen). Die normale intraalveoläre Konzentration von § 1-AT ist bei Erkrankten mit einem mutanten Genotyp deutlich vermindert. Durch intravenöse Gabe von § 1-AT kann dies gebessert werden. § 1-AT-Mangel führt vor allem bei Rauchern zu schweren Schäden. Rauchen beeinflusst den Verlauf der Krankheit erheblich. Raucher mit zwei mutanten Allelen (PI*ZZ, s. unten) haben eine 50 %-ige Überlebenschance bis zum 40. Lebensjahr gegenüber 63 Jahren bei Nichtrauchern. Auch bei Heterozygoten für eines der mutanten Allele ist das Risiko durch Rauchen deutlich erhöht.
C. > 1-Antitrypsin: Protein, Gen und wichtige Mutationen Das aus 395 Aminosäuren bestehende § 1-AT wird vorwiegend in der Leber gebildet; in geringen Mengen auch in der Niere, Lunge und im Darm. Drei Oligosaccharid-Seitenketten sind an Asparagin-Reste in Position 46, 83 und 247 angeheftet. Ein Methionin und Serin an Position 358 und 359 sind wichtige für die funktionelle Aktivität (reaktive Stelle). Viele genetische Varianten (PI) existieren. Das Standard-Allel wird nach der Nomenklatur als PI*M bezeichnet. Klinische Bedeutung haben vor allem drei mutante Allele: PI*Z, PI*M mit zahlreichen Untertypen, PI*P, PI*S. § 1-AT ist sehr empfindlich gegen oxidierende Substanzen. Mehrere polymorphe Erkennungssequenzen für Restriktionsenzyme sind über das Gen verteilt (A=AvaII, B=BglII, M=MaeIII, sowie EcoRI und BamH1 wie angezeigt).
D. Synthese von > 1-Antitrypsin Das § 1-AT-Gen wird in Leberzellen (Hepatocyten) exprimiert und über den Golgi-Apparat aus der Zelle ausgeschleust (Sekretion). Die ZMutante führt zu einer Aggregation in der Leberzelle, so dass zu wenig Protein ausgeschleust wird. Die S-Mutante führt zu vorzeitiger Degradation. Etwa 18 % von Kindern mit dem PI-Typ ZZ entwickeln Zeichen einer Lebererkrankung, in einigen Fällen unter den Erscheinungen einer neonatalen Hepatitis.
E. Reaktives Zentrum § 1-Antitrypsin ist Mitglied einer Familie von Protease-Inhibitoren, die vor allem im reaktiven Zentrum ausgeprägte Homologie zeigen. Oxidierende Substanzen haben einen inhibierenden Effekt und inaktivieren das Molekül. Bemerkenswert ist die Mutation PIPITTSBURGH (Arginin anstatt Methionin an Position 358). Durch diese Mutation wird § 1-AT ein effektiver Hemmer von Thrombin. Cox, D. W.: § 1-Antitrypsin deficiency, pp. 5559–5584. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGrawHill, New York, 2001. Kueppers, F., Briscoe, W. A., Bearn, A. G.: Hereditary deficiency of serum alpha 1-antitrypsin. Science 146: 1678–1679, 1964. Owen, M. C., et al.: Mutation of antitrypsin to antithrombin: § 1-antitrypsin Pittsburgh (358 1 Arg), a fatal bleeding disorder. N. Engl. J. Med. 309: 694–698, 1983.
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Protease-Inhibitor > 1-Antitrypsin 8
α1-AT (mg) in Alveolarflüssigkeit
Funktion: hauptsächlicher Plasma-ProteaseInhibitor, vor allem von Elastase im Bronchialsystem der Lunge Gen-Produkt: 52 kDa Glycoprotein 12% CarbohydratAnteil Gen: 10.2 kb Gen, 5 Exons Genlocus 14q32.1
6
4
2
normal
A. α1-Antitrypsin
B. α1-Antitrypsin-Mangel
46
83 101
20
mutant
nach Therapie
Genotypen
Oligosaccharid-Seitenketten 1
349
Reaktive Stelle
213
232
256 247 26
342358 359
376
39
Glu Met Ser
Glu
NH2
COOH Asn
Asn
Arg
Glu Val
α1-Antitrypsin
Klinisch wichtige Mutanten Exons
Eco RI
1
Cys Asn Asp Glu
GTG
GAT GAA
GAG
ATG
GCG Ala
GTT GTA VAL Val
AAG Lys
AGG Arg
Pi (Z)
Pi (P)
Pi (S)
Pi (Z)
Pi (Pittsburgh)
Pi (M1) 2
Eco RI
3
4
5
Eco RI
5'
3'
Gen
B
B
MA
S
B
1 kb
Bam HI
Bam HI
C. α1-Antitrypsin: Protein, Gen und wichtige Mutanten Hepatocyt
α1-AT-Gen in Leberzellen Transkription mRNA Translation
Aggregation in der Leberzelle
Z-Mutante
Reaktives Zentrum 1
Anheften der OligosaccharidKetten
393-398
Degradation
normal
Defizienz
D. Synthese von α1-Antitrypsin
432
Antithrombin III 1
33
358-363
α1-AT Substrat
S-Mutante
GolgiApparat Sekretion
Defizienz
58 Aminosäuren
α1-Antitrypsin Pi (Pittsburgh) Antithrombin III α1-Antichymotrypsin α1-Antitrypsin (Maus)
Met Ser Ile
Pro Pro Glu
Arg Ser Ile
Pro Pro Glu
Arg Ser Leu Asn Pro Asn Leu Ser Ala Leu Val
...
Tyr
...
Ser Met Pro Pro
Elastase Thrombin Thrombin Chymotrypsin Elastase
E. Reaktives Zentrum von Protease-Inhibitoren
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394
350
Homeostase
Blutgerinnungsfaktor VIII und Hämophilie Hämostase (Abdichten eines verletzten Blutgefäß zur Beendigung einer Blutung) erfordert zahlreiche Plasmaproteine. Sie wirken in einer Kaskade sich nacheinander aktivierender Blutgerinnungsfaktoren, die mit römischen Zahlen I–XIII bezeichnet werden, sowie weiteren zellulären Proteinen und zugehöriger Co-Faktoren (Übersicht bei Ginsburg, 2002). Bei jeder Stufe der Koagulationskaskade wird ein inaktiver Faktor durch den vorhergehenden aktiviert, der dann seinerseits den nächsten aktiviert bis am Schluss das Gefäß durch einen Pfropf aus Fibrin verschlossen wird. Mutationen in Genen für die an der Hämostase beteiligten Proteine führen zu abnorm verlängerter Blutungszeit oder spontan auftretender Koagulation (Thrombose). Beides führt zu verschiedenen Krankheiten mit erheblicher medizinischer Bedeutung. Hier wird exemplarisch einer der Faktoren, Faktor VIII, wegen seiner besonderen Bedeutung vorgestellt. Mutationen im Gen, das für Faktor VIII codiert, sind die Ursache einer der häufigsten X-chromosomalen Krankheiten, der Bluterkrankheit Hämophilie A (Häufigkeit ca. 1 auf 5000 männliche Neugeborene).
A. X-chromosomaler Erbgang von Hämophilie A Unter der neuen Bezeichnung Hämophilie legte F. Hopff in einer medizinischen Dissertation im Jahr 1828 in Würzburg eine Beschreibung von vier erkrankten Brüdern vor. Diese Krankheit, Hämophilie A (MIM 306700) ist die klassische Bluterkrankheit und eine weltweit wichtige Krankheitsursache mit erhöhter Todesrate. Sie wird bereits im Talmud erwähnt und wurde vor Beschreibung der Mendelschen Gesetzmäßigkeiten korrekt als X-chromosomal erbliches Merkmal beschrieben. Das klassische Beispiel für den X-chromosomalen Erbgang von Hämophilie A sind mehr als zehn erkrankte männliche Mitglieder in verwandten Zweigen von Königshäusern in Europa. Neben Hämophilie A gibt es eine verwandte Erkrankung, Hämophilie B infolge Faktor-IX-Mangel (MIM 306900).
B. Blutgerinnungsfaktor VIII Der durch Thrombin aktivierte Faktor VIII besteht aus 5 Untereinheiten (A1, A2, A3, C1, C2), die durch Calcium-Ionen zusammengehalten
werden (1). Das inaktive Faktor VIII-Protein (2) enthält drei Domänen (A, B, C). Das Gen für Faktor VIII (3) liegt im distalen langen Arm des XChromosoms des Menschen in Region 2, Band 8 (Xq28). Es besteht aus 26 Exons und erstreckt sich über 186 000 Basenpaare (186 kb), entsprechend etwa 0,1 %. Bemerkenswert an dem Gen ist das große Exon 14 von 3106 Basenpaaren, das für die B-Domäne codiert und ein großes Intron von 32 000 Basenpaaren zwischen Exon 22 und 23. Die molekulare Pathologie von Hämophilie A besteht aus zwei wesentlichen Gruppen, (i) Unterbrechung des Gens in Intron 22 durch Inversion nach homologer Rekombination zwischen zwei in Intron 22 auf dem Gegenstrang gelegenen Genen unbekannter Funktion und zwei distal (in Richtung Telomer) gelegenen homologen Genen bei 42 % der Patienten, (ii) Punktmutationen bestehend aus 17 % kleinen Deletionen und Insertionen mit Rasterverschiebung, Nonsense-Mutationen (14 %) und Missense-Mutationen (15 %), Mutationen an Spleißstellen (4 %) und einigen anderen, einschließlich unbekannten. Bei der milden Form von Hämophilie A findet man mit 86 % einen hohen Anteil von Missense-Mutationen. Für die molekulargenetische Diagnostik von Hämophilie A können variante Schnittstellen von Restriktionsenzymen (RFLP’s, RestriktionsFragment-Längenpolymorphismus) verwendet werden (4). Eine variante Schnittstelle (B*) für das Restriktionsenzym Bcl 1 erzeugt im Bereich von Exon 17 und 18 bei Anwesenheit ein Fragment von 879 Basenpaaren und ein Fragment von 286 Basenpaaren, bei Abwesenheit ein einziges Fragment von 1165 bp. Dies kann für eine RFLP-Diagnostik verwendet werden (5).
C. Schweregrad und Faktor-VIIIAktivität Abhängig von der Art der Mutation tritt Hämophilie A in abgestuften Schweregraden auf. Ginsburg, D.: Hemophilias and other disorders of hemostasis, pp. 1926–1958. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London – Edinburgh, 2002. Gitschier, J., et al.: Detection and sequence of mutations in the factor VIII gene of haemophiliacs. Nature 315: 427–430, 1985. Mannucci, P. M., Tuddenham, E. G. D.: The hemophilias – from royal genes to gene therapy. New Eng. J. Med. 344: 1773–1779, 2001.
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351
Blutgerinnungsfaktor VIII und Hämophilie
Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha
I
Queen Victoria
Prinz Heinrich von Battenberg
II Ludwig v. Hessen
Alice
III
Heinrich von Preussen
Irene Alexandra Frederick
Leopold Duke of Albany
Nikolaus II
Beatrice
Alice
lo Go
nza
Al v. Sfonso pa nie n
Ru p
rec ht
Olg a Tat ian a Ma ria An ast asi a Ale xis
Sig
Wa ld
em ar ism un d He inr ich
IV
A. X-Chromosomaler Erbgang von Hämophilie A 50,000 A1 A3
1. Aktivierter Faktor VIII
43,000 A2
Ca2 C1 C2 73,000 Aktivierung durch Thrombin
1
A1
NH2
A2
B
A3
2332 Aminosäuren
C1 C2
COOH
2. Faktor VIII 1
23 4 5 6
7 8 9 10 11 12 13
14
15 16 17 18 19 20 21 22
23 24 25
26
Exons
5'
3' 10 kb
3. Gen
I
2 1
RFLP im Bereich von Exon 17 und 18 17
1
2
3
II Hämophilie A
1 2
III
18 1165 bp
Bcl I
879 bp
4. RFLP
Bcl I
286 bp Bcl I
879 bp Mutation-tragendes Fragment
variante Schnittstelle
5. RFLP-Diagnostik
B. Blutgerinnungsfaktor VIII
Faktor VIII-Aktivität Hämophilie A
unter 2%
2 - 10%
10 - 30%
Schweregrad
Spontane Blutung in Gelenke, Muskel, innere Organe
Blutung nach geringem Trauma, manchmal spontan
Blutung nach Trauma
Anteil Patienten
48%
31%
21%
C. Schweregrad von Hämophilie A und Faktor VIII-Aktivität
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352
Homeostase
Blutungskrankheit von Willebrand Erbliche Störungen in der Funktion eines komplexen multimeren Glycoproteins im Blutplasma, in Blutplättchen (Thrombozyten) und im subendothelialen Bindegewebe (von Willebrand-Faktor, vWF) verursachen eine heterogene Gruppe von Krankheiten mit Blutungsneigung. Sie werden unter der Bezeichnung von Willebrand-Krankheit (MIM 193400) zusammengefasst. Diese 1926 von Erik von Willebrand bei einer großen Familie auf den Åland Inseln im Bottnischen Meerbusen beschriebene Blutungskrankheit ist die häufigste beim Menschen, etwa doppelt so häufig wie Hämophilie A. Sie unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von Hämophilie: sie wird nicht X-chromosomal vererbt, sondern besteht aus zahlreichen autosomal dominant und autosomal rezessiv erblichen Typen. Blutungen betreffen nicht die Gelenke, sondern mukokutane Gewerbe, die Blutungszeit ist verlängert, aber die Koagulationszeit ist normal. Der von Willebrand-Faktor hat zwei grundlegende biologische Funktionen: er bindet an spezifische Rezeptoren an der Oberfläche von Thrombocyten und subendothelialem Bindegewebe, und bildet eine Brücke zwischen Thrombocyten und dem Bereich einer Gefäßverletzung. Des weiteren bindet es an Gerinnungsfaktor VIII und stabilisiert ihn. Mangel an vWF führt zu verminderter oder fehlender Thrombocyten-Adhäsion und zusätzlich einer sekundären Defizienz von Faktor VIII (von Willebrand-Krankheit oder von Willebrand-Jürgens-Syndrom).
A. Grundstruktur des von WillebrandFaktors Der vWF wird in Megakaryozyten und Endothelzellen in einer Serie von komplexen Schritten gebildet, codiert von einem großen (ca. 180 kb) Gen mit 52 Exons auf Chromosom 12p13. Die vWF-cDNA (1) besteht aus ca. 8700 Basenpaaren und hat zahlreiche polymorphe Restriktionsstellen (rote Pfeile). Das primäre Translationsprodukt ist PräPro-vW-Faktor (2), ein aus fünf unterscheidbaren Typen sich wiederholender Domänen (A, B, C, D, CK) einem bestehenden Polypeptid von 2813 Aminosäuren mit einem Signalpeptid von 22 Aminosäuren am Amino-Ende. Bindungsstellen für diverse Moleküle spiegeln die komplexen biologischen Funktionen des vWF wider. Ungleich
verteilt, enthält das Molekül an 234 von 2813 Aminosäuren (8.3 %) Cystein-Reste (3) und zahlreiche Oligosaccharid-Seitenketten (4). Die verschiedenen Domänen sind vermutlich das Ergebnis von Duplikation aus Teilen verschiedener anderer Gene durch Exon Shuffling (vgl. S. 238). Bei Vertebraten finden sich 22 Proteine aus 6 Protein Superfamilien mit Homologien zu vWF-A-Domänen (Sadler, 2001).
B. Biosynthese des von WillebrandFaktors Das zunächst von der vWF-mRNA translatierte PräPro-Peptid (s. oben) gelangt mit Hilfe des Signalpeptids in das Lumen des Endoplasmatischen Retikulums. Nach der Entfernung des Signalpeptids heften sich zwei Pro-vWF-Einheiten mittels zahlreicher Disulfid-Brücken aneinander und bilden ein Pro-vWF-Dimer. Dadurch werden die Carboxy-Enden miteinander verbunden und es bildet sich eine im reifen vWF wiederholende Einheit, das Protomer. Die ProvWF-Dimeren werden in den Golgi-Apparat transportiert und dabei das Pro-vWF (vW-Antigen II) entfernt. Reifes vWF und vW-Antigen-II werden in Endothelzellen im Weibel-PaladeKörper gelagert. Multimere vWF-Einheiten werden durch multiple Disulfid-Brücken zwischen den Untereinheiten gebildet.
C. Klassifikation der von WillebrandKrankheiten Mit einer Häufigkeit von ca. 1 auf 800–1000 ist die vW-Krankheit die häufigste Blutungskrankheit. Blutungsneigung in mukokutanem Gewebe bei normaler Thrombozytenzahl sollte den Verdacht auf diese Diagnose lenken. Die Klassifikation dieser großen Krankheitsgruppe unterscheidet drei Grundtypen je nach Konzentration von vWF im Plasma, Auswirkung auf Faktor VIII und Multimer-Struktur. Die meisten werden autosomal dominant vererbt (AD), jedoch existieren autosomal rezessive Typen (AR). Typ I ist mit 70 % der häufigste, stellt aber seinerseits eine heterogene Gruppe dar. (Abb. und Daten nach Sadler, 2001). Manusco, D. J., et al.: Structure of the gene for human von Willebrand factor. J. Biol. Chem. 264: 19 514–19 527, 1989. Sadler, J. E.: Von Willebrand disease, pp. 4415–4431. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGrawHill, New York, 2001.
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Blutungskrankheit von Willebrand N
1. cDNA
N B
S
N
N
S
NS
5'
3'
0 1 N=Ncol B=Bam HI
2 S=Sac I
3
4
Heparin Faktor VIII
2. PräPro-vWF
5
D1
D1
D2
-22 1
7
Heparin, Ristocetin +Thrombocyten
D3
A1
A2
A3
RGDS D4
742
Signalpeptid
vW Antigen II
8
kb
Thrombin +Thrombocyten
Collagen
RGD
Signalpeptid H2N
6
?
Bindungsstellen
Prä Pro-vW
COOH C1 C2 CK B1 B2 B3 2813 Aminosäuren
Reife Untereinheit
Pro-vW
3. Verteilung von Cystein A. von Willebrand-cDNA und PräPro-Peptid
4. Verteilung von Oligosacchariden
vWF mRNA vWAgII
vWF
Signalpeptid
PräPro-vWF
Endoplasmatisches Retikulum
Signalpeptid entfernt
Pro-vWF Dimer
–(S-S)– Golgi WeibelPalade
vWAgII entfernt, vWF
–(S-S)–
S S
vWF Multimer S S
–(S-S)–
Bindung an Faktor VIII –(S-S)– ThrombocytenAdhäsion
B. Biosynthese des von Willebrand-Faktors (vWF) von Willebrand-Krankheit
vWF-Antigen
Faktor VIII
Multimer-Struktur
AD
vermindert
vermindert
normal
IIA
AD
vermindert oder normal
vermindert oder normal
große und intermediäre fehlen
IIB
AD
vermindert oder normal
vermindert oder normal
große fehlen im Plasma, normal in Thrombocyten
IIC
AR
vermindert oder normal
vermindert oder normal
große fehlen im Plasma und in Thrombocyten
IID
AD
normal
normal
große fehlen
IIE
AD
vermindert
normal
große fehlen
III
AR
fehlt
deutlich vermindert
fehlt
Typ I
Genetik
C. Klassifikation der von Willebrand-Krankheiten
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354
Homeostase
Cytochrom-P450-Gene (CYP) Unter dem Oberbegriff Cytochrom-P450-System (CYP) wird eine große Gruppe von Genen und die von ihnen codierten Enzyme mit mannigfaltigen Funktionen zusammengefasst. Cytochrom-P450-Enzyme sind die wesentlichen Proteine in der Leber mit gemischter Funktion als Monooxygenasen. Sie bilden den letzten Schritt der elektronen-transportierenden Kette in Mikrosomen der Leber und Mitochondrien der Nebennierenrinde. Verschiedene Typen katalysieren den Abbau einer Vielzahl verschiedener Substrate, darunter viele in der pharmakologischen Therapie verwendete Substanzen. Ihr Name leitet sich von Pigment (ein Eisen-haltiges Hämoprotein, Cytochrom) und dessen maximaler Absorption von Licht bei 450 nm Wellenlänge nach Reduktion durch Kohlenmonoxid ab.
A. Cytochrom P450 Das Cytochrom P450-System (1) besteht aus oxidierenden Enzymen (gemischte Monooxygenasen). Sie stellen die erste Phase der Detoxifikation (Entgiftung) dar. Das Substrat (RH) wird unter Verwendung von atmosphärischem Sauerstoff (O2) zu ROH oxidiert, wobei Wasser (H2O) entsteht. Eine Reduktase liefert Wasserstoff (H+) entweder aus NADPH oder NADH. Es ist für P450-Enzyme (2) charakteristisch, dass häufig ein einzelnes chemisches Substrat von mehreren P450-Enzymen abgebaut wird oder ein einzelnes P450-Protein eine Reihe strukturell verschiedener chemischer Substanzen oxidiert. Die Enzyme der Phase I und Phase II müssen gut aufeinander abgestimmt sein, weil gelegentlich in den ersten Stadien der Phase II toxische Zwischenprodukte mit unerwünschten Nebenwirkungen entstehen.
B. Debrisoquin-Abbau durch CYP2D6 Debrisoquin ist ein Isoquinolin-Carboxamidin, das bei der Behandlung des Bluthochdrucks verwendet wurde, bis sich herausstellte, dass rund 5–10 % der Bevölkerung mit schweren Nebenwirkungen reagieren. Auch eine Reihe anderer Pharmaka, wie g -adrenerge Blocker, Antiarrhythmika, Antidepressiva und andere Substanzen werden durch Debrisoquin-4-Hydroxylase abgebaut. Individuen mit einem langsamen Abbau zeigen ein erhöhtes Verhältnis von Debrisoquin-4-Hydrodebrisoquin. Das Enzym
wird durch das CYP2D 6-Gen codiert. Durch aberrantes Splicing entsteht eine Prä-mRNA, die bei den Varianten noch ein Intron enthält (F. J. Gonzalez et al., 1988).
C. Die CYP-Gen-Superfamilie Die CYP-Gene bilden eine große Familie von Genen (Gen-Superfamilie) mit ähnlicher Struktur und Funktion. Sie unterscheiden sich in Substrat-Spezifität, Expressionsmuster in verschiedenen Geweben, Induzierbarkeit durch bestimmte chemische und pharmakologisch verwendete Substanzen und andere Merkmale. Zum Beispiel ist die P450I-Familie (MIM 124060), bestehend aus CYPA1 und CYPA2, am Abbau von Phenacetin beteiligt bzw. durch Dioxin induzierbar. Die P450II-Familie (MIM 124030) besteht aus fünf Subfamilien, bezeichnet als A-E (CYP2A, CYP2B etc.) mit verschiedenen metabolischen Spezifitäten. Einige Gen-Familien sind durch Steroidhormone induzierbar, wie CYP17 und CYP21. Gonzales und Nebert haben einen evolutionären Stammbaum von einem ancestralen Gen vor rund 1500–2000 Millionen Jahren bis zu der heute bestehenden Vielfalt rekonstruiert. Es wird angenommen, dass sich vor allem die CYP-2-Familie unter dem Einfluss von toxischen Substanzen entwickelt hat, die sich in Pflanzen befinden und vom Tierorganismus entgiftet werden müssen. Mindestens 30 Gen-Duplikationen und GenKonversionen haben zu einem ungewöhnlich vielfältigen Repertoire an CYP-Genen geführt. (Abb. nach Gonzales et al., 1988, und Gonzales & Nebert, 1990). Gonzalez, F. J., et al.: Characterization of the common genetic defect in humans deficient in debrisoquine metabolism. Nature 331: 442–446, 1988. Gonzalez, F. J., Nebert D. W.: Evolution of the P450 gene superfamily: animal-plant „warfare“, molecular drive, and human genetic differences in drug oxidation. Trends Genet. 6: 182–186, 1990. Nebert, D. W., Russell, D. W.: Clinical importance of the cytochromes P450. Lancet 360: 1155–1162, 2002. Nebert, D. W., Jorge-Nebert, L. F.: Pharmacogenetics and pharmacogenomics, pp. 590–631. In: Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinborgh, 2002.
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Cytochrom-P450-Gene (CYP)
Endoplasmatisches Reticulum
1. Monooxygenasen
2. P450-Enzyme
Reduktase NADPH NADH
Aliphatische Oxidierung Aromatische Hydroxylierung N-Dealkylierung O-Dealkylierung S-Dealkylierung Oxidative Deaminierung Sulfoxid-Bildung N-Oxidierung N-Hydroxylierung Oxidative Dehalogenierung Reduktive Dehalogenierung
NADP NAD
H2O
O2 RH
ROH
H Monooxygenase
viele verschiedene Substrate
Phase II weiterer Abbau und Ausscheidung
Phase I
A. Cytochrom P450-System
Anzahl Personen
1. Debrisoquin-Polymorphismus 25
2. P450-db1-Gen (CYP2D) 1
langsamer Abbau
20
2
3
4
5
6
7
8
9
5'
Exons 3'
15 prä-mRNA
10 5
Intro 6
normal -1.0 0 1.0 2.0 log10 Verhältnis Debrisoquin/4-Hydrodebrisoquin
Varianten durch alternatives Splicing
B. Debrisoquin-Metabolismus 2000 1600 1200 800 Mio Jahre
400
heute
1
2
Intro 5
2E 2C 2B 2A 2D
17 21 3
CYPA2 CYPA1 CYP2E CYP2C CYP2B CYP2A CYPDB1 CYPDB2 CYP17 CYP21B CYP21A CYP3
6 4
4A 4B
11
11A 11B
Dioxin-induzierbar Phenacetin O-Deethylase Ethanol-induzierbar Phentoin-Hydroxylierung Phenobarbital-induzierbar Debrisoquin-Hydroxylierung Steroid-17α-Hydroxylase Steroid-21-Hydroxylase Steroid-21-Hydroxylase (Pseudogen) Steroid- und Glucocorticoid-induzierbar, Nifedipin-Oxidase
CYP
26 LI CI
CYP11A CYP11B1
Steroid-11β-Hydroxylase
LI
Hefe
CIA1
Pseudomonas
C. CYP-Gen Superfamilie (Cytochrom P450-Gene)
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Homeostase
Pharmakogenetik Auf der Grundlage neuer Erkenntnisse in den 50iger Jahren prägten Motulsky und Vogel 1957 bzw. 1959 den Begriff Pharmakogenetik für ein neues Wissenschaftsgebiet, das Pharmakologie und Humangenetik inhaltlich zusammenführt. Heute umfasst dies ein zentrales Anliegen der Medizin und Biologie, das sich auf viele individuelle, genetisch determinierte Reaktionen von Pharmaka bezieht (Übersicht bei Weinshilboum, 2003). Wenn eine Reaktion auf eine pharmazeutische Substanz von der erwarteten Norm abweicht, trifft dies Patient und Arzt meistens unerwartet. Rasch potenziert sich die schlechte Lage durch Zeitverlust und fehlende Information. Hier werden zwei Beispiele für genetisch determinierte, adverse, lebensbedrohliche Reaktionen während der Narkose und eine tabellarische Übersicht über einige genetisch bedingte Reaktionen auf Pharmaka vorgestellt.
A. Maligne Hyperthermie (MH) Maligne Hyperthermie (MIM 145600, 154275, 180901) ist eine seltene, schwere, lebensbedrohliche Komplikation während der Narkose bei Verwendung von Halothan. Sie ist durch Muskelsteife, sich rasch erhöhende Körpertemperatur und Tachykardie gekennzeichnet. Sie hat eine Mortalität von 70–80 %, wenn sie nicht sofort behandelt wird. Auf ihre genetische Grundlage haben Denborough und Lovell 1960 aufmerksam gemacht. MH ist beim Menschen ein autosomal dominant erbliches Merkmal. MH ist ätiologisch heterogen und besteht aus zahlreichen Unterformen. Bei maligner Hyperthermie wird die normale Depolarisierung durch aktivierte Calcium-Kanäle an der motorischen Endplatte zwischen Nervenende und Muskelzelle drastisch gesteigert und es gelangt zuviel ionisiertes Calcium in das Sarkoplasma von Muskelzellen (1). Die Freisetzung von Calcium wird von einem Rezeptor gesteuert, der nach einem Pflanzenalkaloid benannt ist, Ryanodin-Rezeptor. Mutationen im zuständigen Gen, RYR1, auf Chromosom 19q13.1 sind die Ursache bei etwa der Hälfte der Fälle von MH (2) und lösen die klinischen Erscheinungen (3, 4) als autosomal dominant erbliches Merkmal aus (5). Der Phänotyp wird von anderen Genloci auf Chromosom 3, 7 und 17 beeinflusst.
B. Variation in ButyrylcholinesteraseAktivität Butyrylcholinesterase (BchE), früher als Pseudocholinesterase bezeichnet, hydrolysiert Butyrylcholin rascher als Acetylcholinesterase. Die biologische Funktion ist nicht bekannt. Die Entdeckung von genetisch determinierten Varianten in der Enzymaktivität durch La Du und Kalow Mitte der 50er Jahre ebneten den Weg zur Entwicklung der Pharmakogenetik. Medizinische Bedeutung haben bestimmte polymorphe Varianten im BCHE1-Gen (MIM 177400). Sie können im homozygoten Zustand zu langanhaltender Atemlähmung durch muskel-relaxierende Mittel wie Suxamethonium führen. Das normale Allel wird als U (usual) bezeichnet. Allele Formen mit verminderter Enzymaktivität sind die A-Variante (atypisch Dibucainresistent), K-Variante (66 % Aktivität), S (stille Allele ohne Aktivität), F (Fluorid-resistent) mit jeweils mehreren Allelen. Allein durch Bestimmung der Enzymaktivität können bedrohte Personen (in der Graphik rot markiert) nicht sicher erkannt werden. Man kann sie jedoch nach Dibucain-Einwirkung erkennen. (Abb. nach H. Harris: The Principles of Human Biochemical Genetics, 2nd edition. North-Holland Publishing Company, Amsterdam, 1975).
C. Beispiele für genetisch bedingte adverse Reaktion auf Pharmaka Die Tabelle zeigt sieben praktisch wichtige Beispiele für das breite Spektrum möglicher adverser Reaktionen, die durch bestimmte Pharmaka auf der Grundlage einer individuellen genetischen Prädiposition ausgelöst werden können. Denborough, M.: Malignant hyperthermia. Lancet 352: 1131–1136, 1998. Evans, W. E., McLeod, H. L.: Pharmacogenomics – Drug disposition, drug targets, and side effects. New Eng. J. Med. 348: 538–549, 2003. Nebert, D. W., Jorge-Nebert, L. F.: Pharmacogenetics and pharmacogenomics, pp. 590–631. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London–Edinburgh, 2002. Roses, A. D.: Pharmacogenetics and the practice of medicine. Nature 405: 857–865, 2000. Weinshilboum, R.: Inheritance and drug response. New Eng. J. Med. 348: 529–537, 2003.
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357
Pharmakogenetik Nervenimpuls
3. gesteigerte Empfindlichkeit gegen Halothan u.a. Anästhetika
Ca2 Nervenende
Acetylcholin
Muskelzelle
Ca2
Na
Nerv-Muskel-Endplatte
AcetylcholinRezeptor RyanodinCalciumRezeptor Kanal gesteuert Sarcoplasmatisches Reticulum
2.
4. Erscheinungen Muskelspasmen Hyperthermie Acidose Herzstillstand
5. autosomal dominant
Mutation im Rezeptor
1. Aktivierte Calcium-Kanäle an der 1. aktivierten Nerv-Muskel-Endplatte
10 5
Anzahl
Anzahl Personen
A. Maligne Hyperthermie durch Dysregulation eines Calcium-Kanals in Muskelzellen
0
Relative Aktivität (%)
5
100
0
10 20 30 40 50 60 70 Relative Aktivität (%) nach Dibucain-Einwirkung
80
B. Serum-Pseudocholinesterase-Defizienz Defekt
Entscheidende Verbindung
Klinische Auswirkung
Häufigkeit
Pathogenese
Genetik
CumarinResistenz
Cumarin (Warfarin)
unwirksame Antikoagulationsbehandlung
seltener als ca. 1:80 000
erhöhte VitaminK-Affinität infolge Enzym- oder Rezeptordefekt
autosomal dominant
IsoniazidÜberempfindlichkeit
Isoniazid, Sulfamethazin, Phenelzin, Hydralazin u.a.
Polyneuritis, lupusähnliche Reaktion
bei ca. 50%
verminderte Aktivität von Leber Isoniazid-Acetylase
autosomal recessiv
Isoniazid- Unwirksamkeit
Isoniazid, Sulfamethazin, Phenelzin, Hydralazin u.a.
fehlende antituberkulöse Wirkung
vermehrte INHAusscheidung
autosomal dominant
Glucose-6phosphatDehydrogenase (G6PD)Defizienz
Sulfonamide, AntimalariaPräparate, Nitrofurantoin, Vicia faba u.a.
Hämolyse
selten bei Europäern, häufig in Afrika und Asien
G6PD-Defizienz in Erythrocyten
X-chromosomal (zahlreiche mutante Formen)
Hämoglobin Zürich
Sulfonamide
Hämolyse
selten
autosomal dominant
Hämoglobin H
Sulfonamide
Hämolyse
selten
unstabiles Hämoglobin durch Punktmutation im β-Globin (Arginin statt Histidin in Position 63) unstabiles Hämoglobin aus 4 β-Ketten infolge Deletion der α-Loci
Glaukom beim Erwachsenen (best. Formen)
Corticoide
Glaukom
häufig
unbekannt
fraglich autosomal dominant
C. Beispiele für genetisch bedingte Reaktion auf Pharmaka
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autosomal dominant
358
Zell- und Gewebestruktur
Cytoskelett-Proteine in Erythrozyten Das Cytoskelett ist ein intrazelluläres System von Proteinen mit fadenähnlicher Struktur. Die drei wesentlichen Typen sind Mikrofilamente (7,9 nm Durchmesser), Intermediäre Filamente (10 nm) und Mikrotubuli (24 nm). Sie bestehen aus wohlgeordneten Polymeren, die aus kleinen Untereinheiten aufgebaut sind. Ein mittelgroßes Protein, Actin, aus 375 Aminosäuren ist das wesentliche Cytoskelett-Protein (0,5 ×109 Moleküle) mit einem Anteil von 1–5 % aller Zellproteine in Muskelzellen von 10 %. Das Actin-Cytoskelett ist in Bündel und Netzwerke geordnet. Diese sind untereinander und mit der Zellmembran durch kreuzvernetzende Proteine verbunden. Auf diese Weise verleihen sie einer Zelle ihre vorgesehene Form und Beweglichkeit. Actin-vernetzende Proteine gehören einer evolutionär konservierten Genfamilie aus mehreren Gruppen an. An Erythrozyten und Muskelzellen werden besonders extreme Anforderungen gestellt. Sie werden in dieser und den nächsten Tafeln im Hinblick auf wichtige genetisch bedingte Krankheiten vorgestellt.
A. Normale und abnorme Formen von Erythrozyten Während seiner 4-monatigen Lebensdauer wandert ein Erythrozyt etwa 500 000-mal durch den Kreislauf und legt dabei eine Strecke von vielen hundert Kilometern zurück. Jedes Mal muss er sich beim Passieren kleiner Kapillaren verformen und danach wieder die normale Form zurückgewinnen. Dies ist nur durch ein effektives System von Proteinen möglich, das die Erythrozyten-Zellmembran und das Cytoskelett miteinander verbindet. Genetische Defekte in verschiedenen Cytoskelett-Proteinen führen zu charakteristischen Verformungen von Erythrozyten: Als Ellipse (Elliptozyt), als Kugel (Sphärozyt), eine mundartige Verformung (Stomatozyt) und stechapfelähnliche Form mit spitzen Ausläufern (Acanthozyt). Die jeweiligen Formen können Defekten verschiedener Proteine zugeordnet werden (Scanning-Elektronenmikroskopische Abb. aus Davies & Lux, 1989).
B. Proteine der ErythrozytenZellmembran Die Zellmembran von Erythrozyten besteht zu etwa gleichen Teilen aus Proteinen und Lipiden (hauptsächlich Phospholipide und Cholesterol). Entlang der inneren Plasmaschicht bilden
membrangebundene und intrazelluläre Proteine ein Netzwerk. Die wichtigsten sind (i) als Glycophorine bezeichnete Transmembran-Proteine; sie bestehen aus vier Typen A–D und enthalten hohe Anteile von Polysacchariden (Sialinsäure), Erythrozyt-Antigenen und anderen Rezeptoren, (ii) Spectrin, das wesentliche Erythrozyt-Skelettprotein (50–75 % der Zellmasse) aus zwei langen Polypeptidketten ( § und g ) ähnlicher Struktur, aber verschiedener Funktion, (iii) Ankyrin, das Spectrin an die innere Membran heftet, (iv) Proteine 4.2 und 4.1 mit Hilfsfunktionen, (v) Adducin zur Unterstützung der Bindung von Spectrin an Actin (Abb. nach Luna & Hitt, 1992).
C. Struktur von Spectrin Spectrin besteht aus zwei langen Ketten, einer § -Kette von 260 kD und einer g -Kette von 225 kD. Jede Kette besteht aus 20 ( § -Kette) bzw. 18 Untereinheiten ( g -Kette) von je 106 Aminosäure-Resten. Jede Untereinheit enthält in gegenläufiger Richtung eine drei-strängige § -Helix-Proteinstruktur. Untereinheit 10 und Untereinheit 20 der § -Kette besteht aus 5 anstatt 3 parallelen Ketten. Die einzelnen Untereinheiten werden verschiedenen Domänen zugeordnet.
C. Hereditäre Erythrozyten-Defekte Die Proteine der Erythrozyten-Membran können mittels SDS-PAGE (Sodium-DodecylsulfatPolyacryamid-Gel-Elektrophorese) und anschließender Färbung aufgetrennt und sichtbar gemacht werden wie hier im Schema gezeigt. Eine Reihe hereditärer Krankheiten entstehen durch Mutationen in Genen, die für diese Proteine codieren: mehrere Formen von Elliptozytose (MIM 130500), Sphärozytose (MIM 182900), Acanthozytose (MIM 109270), Stomatozytose (MIM 185000). Verschiedene Defekte im gleichen Protein können zu verschiedenen Phänotypen führen, wie z. B. Elliptozytose durch einen Defekt in § -Spectrin bzw. in Protein 4.1. Davies, K. A., Lux, S. E.: Hereditary disorders of the red cell membrane skeleton. Trends Genet. 5: 222–227, 1989. Luna, E. J., Hit, A. L.: Cytoskeleton plasma membrane interactions. Science 258: 955–964, 1992. Tse, W. T., Lux, S. E.: Hereditary spherocytosis and hereditary elliptocytosis, pp. 4665–4727. In: C. R. Scriver, et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001.
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359
Cytoskelett-Proteine in Erythrozyten
7µ
Glycophorin C
Anionen-Kanal (Band 3)
PlasmaMembran
Ankyrin 4.2
4.1
4.1
Spectrin Tropomodulin
Adducin Normaler Erythrocyt
α-Kette
β-Kette 4.9
Tropomyosin
Actin
B. Proteine der Erythrocyten-Membran 2
N
3
C
1
a
1
b Elliptocyt
2
4
3
5
6
7
9
8
11
10
12 13 14
15
16 17 18
19 20 1
18
1. Spectrin
Domänen I-V αI
αN βC
αII
αIII
αIV
α
C
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
PP PP
18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
βI
βII
βIII
N
βIV
Domänen I - IV Sphärocyt
2. Spectrin-Untereinheiten
AnkyrinBindungsstelle
Actin- und Protein 4.1Bindungsstellen
C. α- und β-Spectrin Band
Stomatocyt
Acanthocyt
A. Erythrocyten
SDS-Gel
Protein
Chromosomale Lokalisation
Erkrankung
1 2
αSpectrin βAnkyrin
1q 22-25 14q 23-24 8p 11-21
3
AnionenKanal Protein 4.1 Protein 4.2
17
Acanthocytose
4.1 4.2
1q 22-25
Elliptocytose-2
5
Actin
6
Glycerolaldehyd-3P-Dehydrogenase
7
Tropomyosin (nichtmuskel)
7p ter-q22 12p 13
1q 31-41
D. Skelett-Proteine in Erythrocyten
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Elliptocytose-1 Sphärocytose-2 Sphärocytose-1
Stomatocytose
360
Zell- und Gewebestruktur
Hereditäre Muskelkrankheiten Skelettmuskeln enthalten ein Netzwerk zahlreicher Proteine, die eine Kontraktion oder Tension ermöglichen. Die wichtigsten sind Actin und Myosin. Unterstützt werden sie von zahlreichen Proteinen, die in der Zellmembran von Muskelzellen verankert sind. Mutationen in den zuständigen Genen führen zu einer großen Gruppe unterschiedlicher erblicher Muskelkrankheiten. Da eine Degeneration und Verlust von Muskelzellen und bestimmten Muskelgruppen ihr Hauptmerkmal ist, werden sie unter der Sammelbezeichnung Muskeldystrophien zusammengefasst. Eine zentrale Rolle spielt eine Ansammlung verschiedener Proteine in der Membran von Muskelzellen, der Dystrophin-Glycan-(Glucoprotein)-Komplex.
A. Der Dystrophin-Glycan-Komplex Dies ist ein in der Zellmembran (Sarkolemm) von Muskelzellen gelegener großer Komplex von sechs Proteinen: Dystroglycane und Sarcoglycane. Sie sind mit anderen Proteinen im Inneren der Muskelzelle (Sarkoplasma) und außerhalb verbunden. Das wichtigste intrazelluläre Protein ist Dystrophin, ein großes längliches Protein (175 nm) mit spezifischer Struktur aus zwei Ketten, das mit dem Cytoskelett-Protein F-Actin und anderen Proteinen verbunden ist. Der Dystrophin-Glycoprotein-Komplex verleiht der Muskelzelle die erforderliche Flexibilität bei der Kontraktion und Relaxion. Der Dystroglycan-Komplex besteht aus dem großen § Dystroglycan (156 kD, auch Adhalin genannt) und g -Dystroglycan (43 kD), die proteolytisch aus einem gemeinsamen Vorläufermolekül hervorgehen. g -Dystroglycan hat eine transmembrane Domäne und ist außerhalb der Sarkolemms mit § -Dystoglycan verbunden. Vier für Muskelzellen spezifische Proteine, Sarkoglycane ( § , g , + , ˇ ) sind an der Stabilisierung der Verbindung von g -Dystroglycan zu Dystrophin beteiligt. § -Dystroglycan ist außerhalb der Zelle stark glycosyliert und bindet an die § 2-Laminin-Untereinheit von Merosin (Laminin-2) der extrazellulären Matrix aus Collagen, Fibronectin, Laminin und Proteoglycanen. Beispiele für hereditäre Muskelkrankheiten sind angeborene autosomal rezessiv erbliche Muskeldystrophien vom Beckengürtel-Typ 2 (MIM 253600) mit verschiedenen Unterformen, je nach betroffenem Protein, sowie die wichtige im Kin-
des- und Jugendalter auftretenden Muskeldystrophien vom Typ Duchenne und Typ Becker (MIM 310200).
B. Modell des Dystrophin-Proteins Dystrophin ist mit einem Molekulargewicht von 427 kDa und 3685 Aminosäuren das größte Mitglied der Spectrin-Superfamilie. Es besteht aus vier charakteristischen Domänen: (1) Actin-bindende Domäne, (2) Tripel-Helix-Abschnitten wie Spectrin, (3) Cystein-reicher Domäne und (4) C-terminaler Domäne (Abb. aus M. Koenig et al., 1988). Dystrophin existiert in mehreren Isoformen, von denen einige bevorzugt im Gehirn exprimiert werden.
C. Das Dystrophin-Gen Dieses Gen liegt beim Menschen auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms (Xp21) (1). Distal (zum Telomer) liegt das Gen für Glycerolkinase (MIM 307030) und proximal (zum Centromer) liegen weitere krankheitsrelevante Gene, CGD (Chronische Granulomatöse Immunkrankheit, MIM 306400) und Retinitis pigmentosa Typ 3 (MIM 312610) sowie der mit CGD assoziierte McLeod-Phänotyp des Kell-Blutgruppensystems (Xk-Locus, MIM 314850). Das DystrophinGen wurde 1988 durch Positionsklonierung identifiziert (2). Es hat 79 Exons und ist mit 2,3 Millionen Basenpaaren das größte Gen beim Menschen. Die 13,9 kb große cDNA codiert für ein 427-kD-Cytoskelett Protein mit 3685 Aminosäuren, genannt Dystrophin.
D. Verteilung von Deletionen Bei etwa 60 % der Patienten mit Muskeldystrophie Typ Duchenne (MIM 310200) liegt eine intragene Deletion und bei 6 % eine partielle Duplikation vor. Zwei Bereiche sind bevorzugt von Deletionen betroffen (sog. Hotspot), eine im 5'Bereich der ersten 20 Exons und eine im mittleren Bereich zwischen Exon 45 und 54. Daneben gibt es Punktmutationen (Daten für die Abb. von Prof. C. R. Müller-Reible, Würzburg). Ahu, A. W., Kunkel, L. M.: The structural and functional diversity of dystrophin. Nature Genet. 3: 283–291, 1993. Koenig, M., Monaco, A. P., Kunkel, L. M.: The complete sequence of dystrophin predicts a rod-shaped cytoskeletal protein. Cell 53: 219–228, 1988. Worton, R.: Muscular dystrophies: diseases of the dystrophin-glycoprotein complex. Science 270: 755–756, 1995.
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361
Hereditäre Muskelkrankheiten Laminin-α2 Kette (Merosin)
Laminin-2
α 50 kDa Sarcoglycane β 43 kDa γ 35 kDa δ 35 kDa δ
Beckengürtel Typ 2 D Beckengürtel Typ 2 E Beckengürtel Typ 2 C Beckengürtel Typ 2 F
γ1
β1
Typen verschiedener Congenitaler Muskeldystrophien (6q22-23):
γ
β
α-Dystroglycan 156 kDa (Adhalin) extrazellulär
α β-Dystroglycan 43kD
Sarcospan
Plasma Membran einer Muskelzelle (Sarcolemm)
extrazelluläre Matrix
25kD
Duchenne/Becker (Xp21.1)
α β1
Dystrophin
C-Terminus Dystrobrevin
N-Terminus
Syntrophin
F-Actin
A. Der Dystrophin-Glycan-Komplex in der Plasma-Membran von Muskelzellen Actin-bindende Domäne
intrazellulär (Sarcoplasma)
Cystein-reiche C-terminale Domäne Domäne
Tripelhelix-Segmente 125 nm
NH2
COOH
B. Modell des Dystrophin-Moleküls Glycerol- Duchenne- Septische Retinitis kinase- MuskelGranupigmentosa Mangel dystrophie lomatose McLeod(DMD) (CGD) Syndrom
22
Xp
21
3 2 1
11
Cen
Dystrophin-Gen
(Duchenne-Muskeldystrophie, DMD)
Exon 1
ca. 2300 kb
Exon 79
Xq
1. X-Chromosom C. Das Dystrophin-Gen
2. Exon/intron Struktur und Größe
70 60 50 40 30 20 10 0 1
6
11
16
21
26
31
36
41
46
51
56
D. Verteilung der Deletionen im Dystrophin-Gen
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61
66
71
76 Exons
362
Zell- und Gewebestruktur
Muskeldystrophie Typ Duchenne Die Muskeldystrophien vom Typ Duchenne und Typ Becker (MIM 310200) sind mit insgesamt 1 auf 3000 männliche Neugeborene die beiden häufigsten X-chromosomalen Muskeldystrophien infolge Mutationen im Dystrophin-Gen (DMD). Sie unterscheiden sich durch den wesentlich schwereren Verlauf bei Typ Duchenne und durch ein eingeschränkt funktionelles Dystrophin-Protein beim milderen Typ Becker. Bei etwa 60 % findet man bei der molekulargenetischen Diagnostik eine intragene Deletion, bei 6 % eine Duplikation. Die bei etwa 33 % vorliegenden Punktmutationen sind oft nicht nachweisbar; dies erfordert zusätzliche RNA-basierte Untersuchungen mittels Reverser Transkriptase-Polymerase-Kettenreation (RTPCR, vgl. S. 68). Eine Datenbank an der Universität Leiden enthält mehr als 260 Varianten im DMD-Gen, von denen über 75 % als krankheitsauslösend beurteilt werden (www.dmd.nl). Bei etwa einem Drittel der Patienten mit Typ Duchenne liegt eine neue Mutation vor (Mutationsrate 3,5–10,5 ×105 pro Generation). Etwa 8 % weibliche Heterozygote zeigen milde klinische Zeichen. Dies wird auf einen zufällig höheren Anteil inaktivierter X-Chromosomen mit dem normalen Allel zurückgeführt (vgl. X-Inaktivierung, S. 210). Bei der Mutter eines Patienten mit DMD kann der fehlende Nachweis einer Mutation bei der DNA-Analyse durch Keimbahn-Mosaik vorgetäuscht werden.
A. Klinische Zeichen Diese im Jahr 1852 zuerst von Edward Meryon in England beschriebene und 1861 von Guillaume Duchenne in Paris genau dokumentierte Muskelkrankheit befällt Jungen nach unauffällig verlaufenden ersten 2–3 Lebensjahren. Infolge voranschreitender Muskelschwäche können sie etwa ab dem 9.–12. Lebensjahr nicht mehr gehen und sterben durchschnittlich mit 17 Jahren. Charakteristische klinische Zeichen sind: Lumarlordose und scheinbare Hypertrophie der ansonsten schlaffen Waden (1). Sie erheben sich vom Boden in einer Serie sich abstützender langsamer Bewegungen, bezeichnet als Gowersches Zeichen (2). Beim Typ Becker können Erkrankte etwa bis zum 16. Lebensjahr gehen; jedoch beginnt diese Erkrankung bei einigen Patienten früher. Molekulargenetisch unterscheiden sich die beiden Typen
durch erhaltenen Leserahmen nach einer Deletion bei Typ Becker und dadurch bedingte erhaltene Teilfunktion des Dystrophin-Proteins und verschobenen Leserahmen bei Typ Duchenne (Abb. von Duchenne, 1861 und Gower, 1879; aus Emery, 1993).
B. Dystrophin in Muskelzellen Das normalerweise in der Plasmamembran von Muskelzellen vorhandene, mittels spezifischer Färbungen nachweisbare Dystrophin (1) fehlt bei Patienten (2). Bei weiblichen Heterozygoten zeigt sich eine mosaikartige Verteilung von Muskelzellen mit normalem und defektem Dystrophin (3) als Ergebnis der unterschiedlichen Inaktivierung des einen oder des anderen X-Chromosoms (Photographien von Dr. R. Gold, Neurologische Klinik der Universität Würzburg).
C. Diagnostik Das Beispiel zeigt eine Familie mit drei erkrankten Individuen (rote Quadrate, II-3, III-1 und III-2), von denen II-3 nicht mehr lebt. Die beiden lebenden Erkrankten haben in der Southern-Blot-Analyse (TaqI unter Verwendung der Sonde L1.28 am Locus DXS7) das Allel 1 gemeinsam, jeweils geerbt von ihrer Mutter (II-1 bzw. II-2). Das Allel 1 muß demzufolge die Mutation tragen. II-5 ist heterozygot (2-1), aber ihre beiden Söhne (III-3 und III-4) sind nicht erkrankt, obwohl sie Allel 1 geerbt haben. Hier muss Rekombination zwischen Krankheitslocus (DMD) und Markerlocus (DXS7) eingetreten sein. Zur Vermeidung von Unsicherheit durch Rekombination verwendet man zunehmend Marker aus dem Gen selber (Daten von Priv.Doz. Dr. C. R. Müller-Reible, Institut für Humangenetik der Universität Würzburg).
D. Andere Formen von hereditären Muskeldystrophien Aus der großen Gruppe erblicher Muskeldystrophien werden Beispiele tabellarisch erfasst. Emery, A. E. H.: Duchenne Muscular Dystrophy. 2nd ed., Oxford University Press, Oxford, 1993. Emery, A. E. H.: Duchenne and other X-linked muscular dystrophies. Pp. 3266–3284. In: D. L. Rimoin, Connor, J. M., Pyeritz, R. E., Korf, B. K., eds.: Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London–Edinburgh, 2002.
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Muskeldystrophie Typ Duchenne
363
1. Normales Dystrophin
1. Wadenhypertrophie 1. und Lordose
2. Erschwertes Aufstehen 2. (Gowersches Zeichen)
A. Klinische Zeichen bei Duchenne-Muskeldystrophie I
1
rekombinant
2 1
II
2 1
III Allel 1 Allel 2 (2
2. Dystrophin-Mangel
2-1 2-1 1
3
4
5
2
2-1 1
3
2
6 4
1 2-1 1 2-2
= DMD-Patient = obligate Überträgerin C. Untersuchung einer Familie mit DMD C. mittels DNA-Marker Erkrankung
3. Areale mit Dystrophin-Mangel 3. bei weiblichen Heterozygoten B. Dystrophin-Analyse B. in Muskelzellen
Chromosomale Lage
McKusick Nr.
Xp21.2 Xp21.2 Xq28
310200 310200 310300
19q13 4q35-qter 14q11.2-13
160900 158900 164300
13q12 14q11.2-13 15q15-q22 u.a.
253700 253800 253600
X-chromosomal: Muskeldystrophie Duchenne Muskeldystrophie Becker (allelisch mit DMD) Muskeldystrophie Emery-Dreifuss
Autosomal dominant: Myotone Dystrophie Facioskapulo-Humerale Dystrophie Okulo-Pharyngeale Muskeldystrophie
Autosomal recessiv: Duchenne-ähnliche Muskeldystrophie Congenitale Muskeldystrophie Typ Fukuyama Beckengürtel-Muskeldystrophie
D. Wichtige Formen von erblicher Muskeldystrophie beim Menschen
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364
Zell- und Gewebestruktur
Collagen-Moleküle
A. Allgemeine Collagen-Struktur
Collagen ist eine Gruppe von 20 oder mehr Proteinen mit strukturellen Merkmalen und physikochemischen Eigenschaften, die ihnen eine besondere mechanische Belastbarkeit verleihen. Sie erhalten Form, Elastizität und Festigkeit von Haut, Knochen, Sehnen, Blutgefäßen, Basalmembranen oder mesenchymalen Stützgeweben innerer Organe. Collagen-Proteine bestehen aus einer Tripelhelix von drei umeinander gewundenen langen Ketten. Die für ihre Bildung zuständigen Gene bilden eine aus mehr als 30 Mitgliedern bestehende MultiGen-Familie. Collagen ist bei Säugetieren das häufigste Protein, entsprechend etwa ein Viertel des normalen Körpergewichts. Collagen bildet miteinander verknüpfte, unlösliche Fäden (Fibrillen) von ungewöhnlicher Stärke. Ein Faden von 1 Millimeter Durchmesser hält eine Belastung von 10 kg. Nach ihrer Struktur können sechs Klassen von Collagen mit den zugehörigen Genen unterschieden werden: (1) Fibrilläre Collagene Typ I Typ II, Typ III, Typ V, Typ XI; (2) BasalmembranCollagene oder Typ IV (sechs Gene COL4A1–A6); (3) Fibrillen-assoziierte Collagene Typ IX, Typ XXII, Typ XIV; (4) Netzwerk-bildende Collagene Typ VIII und Typ X; (5) Collagene von Mikrofibrillen Typ VI; (6) langkettige Collagene von verankernden Fibrillen Typ VI. Genetische Störungen in Genen für Collagen führen zu Krankheiten mit unterschiedlicher Manifestation in Stützgeweben (Byers, 2001).
Collagen hat eine einfache periodische Aminosäure-Sequenz (1). Jede dritte Aminosäure ist Glycin (Gly). Dazwischen liegen Prolin und Lysin bzw. Hydroxy-Prolin und Hydroxy-Lysin. Das generelle Strukturmotiv (2) ist (Gly-X-Y)n. Drei Ketten von Collagen bilden eine Tripel-Helix (3). Bei Collagen Typ I besteht sie aus zwei identischen § -Ketten ( § 1) und einer § -Kette ( § 2). Aus Procollagen (4) entsteht Tropo-Collagen (5). Tropo-Collagen-Moleküle sind über die zahlreichen hydroxylierten Prolin- und LysinReste miteinander verknüpft: Collagen-Fibrille (6). Jede Fibrille besteht aus diagonal angeordneten Tropo-Collagen-Molekülen (7). CollagenFibrillen sind im Elektronenmikroskop (8) als Querstreifung sichtbar (Photographie aus L. Stryer, 1995).
B. Prototyp eines Gens für Collagen Das Procollagen-Molekül wird von einem Gen mit 52 Exons codiert. Der translatierte Teil von Exon 1 (85 Basenpaare) codiert für ein für die Sekretion erforderliches Signal-Peptid.
C. Exons und Domänenstruktur von Procollagen Typ > 1(I) Die 52 Exons des COL1A1-Gens entsprechen den verschiedenen Domänen (A bis G) von Procollagen- § 1(I). Byers, P. H.: Disorders of collagen synthesis and structure, pp. 5241–5285. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001.
Beispiele für Collagene mit Bedeutung für genetisch bedingte Krankheiten Typ
Molekülstruktur
Gen
Genlocus
Krankheit
MIM
I
[ § 1(I)2 § 2(II)]
II
[ § 1(II)3]
COL1A1 COL1A2 COL2A1
17q21–22 7q22 12q13.1
120150 130000 108300 183900 200600
III IV
[ § 1(III)3] [ § 1(IV) § 2(IV)] und andere
COL3A1 COL4A1,A2 A3,A4 A5,A6
2q31 13q34 2q36 Xq22
Osteogenesis imperfecta Ehlers-Danlos-Syndrom Stickler-Syndrom, Spondylo-Epiphys.Dysplasie, Achondrogenesis, Andere Ehler-Danlos-Syndrom IV
V
[ § 1(V)2 § 2(V)]
COL5A1 COL5A2
9q34.2 2q31
Alport-Syndrom autosomal Alport-Syndrom X-chrom. Ehlers-Danlos-Syndrom I + II
(Daten aus Byers, 2001; McKusick, Mendelian Inheritance in Man, MIM, 1998)
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225350 203780 301050 104200 301050 130000
365
Collagen-Moleküle 1. Aminosäuren-Sequenz: Glycin
Prolin
Hydroxyprolin
Glycin
Prolin
Hydroxyprolin
Glycin
Prolin
Hydroxyprolin
2. generell: Gly
X Y
Gly
X Y
Gly
X Y
Gly
X Y
Gly
X Y
3. Collagen-Tripelhelix:
4. Procollagen: 300 nm
N-terminale Peptide α1 α1 α2
C-terminale Peptide
Procollagen-Peptidasen
5. Tropo-Collagen Abspaltung
Abspaltung Verknüpfung
6. Collagen-Fibrille:
7. Strukturschema der Fibrille
8. Fibrillen im EM
A. Collagen-Aufbau Start-Codon
N-Peptid
1
(Gly-X-Y)n
1B
2
6
7
213
17
69
45
C-terminales Peptid 48
49
Stop-Codon
50
51
52
188
243
144
Exons
5' 156 85
Exons für Tripelhelix Anzahl
5
99
162
108
45 238
273
bp
3'
(Gly-X-Y-)5 (Gly-X-Y)6 (Gly-X-Y)11 (Gly-X-Y)18 (Gly-X-Y)12
5
23
5
1
8
B. Prototyp eines Gens (COL2A1) für Procollagen Typ II (α1[II]) COL1A1-Gen 1
7
48
52 Exons
5'
5'
3'
NH2
A pro αl (1)
B
CD
E (Tripelhelix)
N-terminales Peptid
F ca. 1 kb
Signalpeptid
C. Gen-Struktur und Procollagen Typ α 1 (I)
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G
C-terminales Peptid
COOH Domänen
3'
366
Zell- und Gewebestruktur
Osteogenesis imperfecta Osteogenesis imperfecta (OI) (GlasknochenKrankheit) ist eine heterogene Gruppe klinisch und genetisch verschiedener Krankheitstypen mit einer Gesamthäufigkeit von mindestens 1:10 000 Individuen. Spontan auftretende Knochenbrüche, Verformung von Knochen, Minderwuchs, defekte Zahnbildung (Dentinogenesis imperfecta), Schwerhörigkeit durch gestörte Bildung der Gehörknöchel, blaue Skleren (die dünner als normal ausgebildete Bindehaut des Auges führt zu nach blauverschobener Lichtbrechung) treten bei verschiedenen in unterschiedlicher Ausprägung und Schweregrad auf, je nach Art der Mutation. OI ist bei einer ägyptischen Mumie und in einem Skelett aus dem 7. Jahrhundert in England nachgewiesen (zitiert von Byers, 1993). Bei den meisten Erkrankten ist Collagen Typ I defekt infolge einer autosomal dominanten Mutation im Gen COLA1 oder COLA2. Der Anteil neuer Mutationen ist hoch. Mutation als Keimbahn-Mosaik ist verschiedentlich nachgewiesen.
A. Molekulare Grundlagen von Osteogenesis imperfecta Die Art der Mutation kann graduelle Unterschiede im Funktionsausfall von Collagen Typ I erklären. Gegenüber der Norm (1) kann durch Mutation im COL1A1-Gen die § -Kette von Collagen Typ I zwar qualitativ normal, aber in verminderter Menge gebildet werden (2). Dies führt zu einer relativ milden Form von OI. Wenn jedoch infolge einer Mutation qualitativ defektes Collagen gebildet wird (3), resultieren erhebliche Auswirkungen. Die abnormen Collagen-Moleküle verhindern die Bildung einer normalen Fibrillenstruktur (Abb. nach Wenstrup et al., 1990).
B. Mutation und Phänotyp Die Lokalisation der Mutation im Gen beeinflusst den Phänotyp. Generell sind Mutationen im 3'-Bereich des Gens schwerwiegender als im 5'-Bereich (Positionseffekt). Mutationen der pro § 1(I)-Kette sind schwerer als in der pro § 2(I)-Kette (Ketteneffekt). Insbesondere eine Substitution des für die richtige Bildung der Tripel-Helix unerlässlichen Glycin durch eine größere Aminosäure führt zu schweren Störungen (Größeneffekt). Verschiedene Muta-
tionen kommen vor, wie Deletion, Mutation im Promotor und Enhancer sowie Splicing-Mutanten. Das Codon für die in Collagen häufig vorkommende Aminosäure Lysin (AAG, AAA) wird durch Substitution des ersten Adenin durch ein Thymin leicht in ein Stop-Codon verwandelt (TAG bzw. TAA), so dass ein zu kurzes, instabiles Procollagen gebildet wird. Bei Splicing-Mutanten werden Exons übersprungen (fehlende Exons, Exon-Skipping) (Abb. aus P. H. Byers, 1990).
C. Verschiedene Phänotypen Nach Schweregrad und Verlauf werden vier Typen von OI (Sillence Klassifikation) unterschieden: Typ I (klassische OI mit blauen Skleren und Knochenbrüchen) Typ II (perinatal letal), Typ III (progressive Knochenverformung), Typ IV (milde Verformung, helle Skleren). Drei Röntgenbilder zeigen eine verhältnismäßig leichte, für den Patienten aber dennoch sehr hinderliche Verformung im Schienbein und Wadenbein (1) bei OI Typ IV, die schwere Verformung im Schienbein und Wadenbein bei OI Typ III (2) und die deutlich verdickten und verkürzten Röhrenknochen bei letaler OI Typ II (3). Die Einteilung des Phänotyps in vier Gruppen (Typ I–IV) hat sich klinisch im großen und ganzen bewährt. Kürzlich beschrieben F. H. Glorieux et al. (J. Bone Min. Res. 17: 30–38, 2002) zwei neue Typen von OI mit Zeichen von Osteomalazie (Typ V) und hyperplastischer Callusbildung (Typ VI). Byers, P. H.: Brittle bones – fragile molecules: disorders of collagen gene structure and expression. Trends Genet. 6: 293–300, 1990. Byers, P. H.: Osteogenesis imperfecta, pp. 137–350. In: P. M. Broyce, B. Steinmann, eds., Connective Tissue and Its Heritable Disorders. Wiley-Liss, New York, 1993 (neue Auflage 2002). Byers, P. H.: Disorders of collagen synthesis and structure, pp. 5441–5285. In: C. R. Scriver, et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001. Chu, M.-L., Prockop, D. J.: Collagen gene structure, pp. 149–165. In: P. M. Broyce, B. Steinmann, eds., Connective Tissue and Its Heritable Disorders. Wiley-Liss, New York, 1993 (neue Auflage 2002). Kocher, M. S., Shapiro, F.: Osteogenesis imperfecta. J. Am. Acad. Orthop. Surg. 6: 225–236, 1998. Wenstrup, R. J., et al.: Distinct biochemical phenotypes predict clinical severity in non-lethal variants of osteogenesis imperfecta. Am. J. Hum. Genet. 46: 975–982, 1990.
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Osteogenesis imperfecta
367
pro α1(I) Procollagen
pro α1(I) pro α2(I)
1. Normal pro α1(I)
normal (Menge vermindert)
pro α2(I) pro α2(I) (degradiert)
2. Verminderte Synthese von Procollagen a1(I) pro α1(I) normal pro α1(I) pro α2(I)
1. Leichte Verformung (OI Typ IV)
normal
mutant
defekt
normal
defekt Mutation im pro a1(I)-Gen
pro α1(I) pro α1(I) pro α2(I)
normal
normal
normal
2. Schwere Verformung (OI Typ III)
mutant
defekt
Mutation im pro α2(I)-Gen
3. Defektes Procollagen infolge Mutation A. Molekulare Mechanismen bei Osteogenesis Die Lage von Mutationen beeinflusst den Phänotyp leicht
8
17
fehlende Exons 30
schwer 14
letal COL1A1 5
10
20
25
COL1A2
4 30 35 40
28
letal leicht
47
27
9
11
12
33
45
50
1 kb 2 kb
21
13
B. Mutationen und Phänotyp
3. Letale Form (OI Typ II) C. Verschiedene Formen von C. Osteogenesis imperfecta
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368
Zell- und Gewebestruktur
Molekulare Grundlagen der Knochenbildung Das Skelett entwickelt sich aus mesenchymalen Zellen, die sich aus Vorläuferzellen in drei spezielle Typen von Zellen differenzieren: (i) Chondrozyten zur Knorpelbildung, (ii) Osteozyten zur Knochenbildung und (iii) Osteoklasten zum Knochenabbau. Osteoblasten produzieren die meisten Proteine für die extrazelluläre Matrix und kontrollieren die Mineralisierung. Osteoblasten differenzieren unter Kontrolle einer Reihe von Osteoblasten-spezifischen Transkriptionsfaktoren (OSF). Eine zentrale Rolle spielt ein 1997 identifizierter Regulator der Osteoblasten-Differenzierung, der Transkriptionsfaktor Cbfa1 (Core-binding factor 1). Mutationen im Cbfa1-Gen der Maus und im homologen Gen CBFA1 beim Menschen führen zu charakteristischen Defekten der Knochenbildung.
A. Auswirkung von Cbfa1-Mutationen auf das Skelett Gezielte Inaktivierung beider Allele des Cbfa1Gens auf Chromosom 17 der Maus verursacht im homozygoten Zustand (–/–) schwere Defekte der Knochenbildung. Bei normalen Mäusen färbt sich normaler, calcifizierter Knochen des Skeletts mit Alizarin rot an (1, +/+). Bei einer Cbfa1-Knockout-Maus dagegen ist kein calcifizierter Knochen nachweisbar und das Skelett blau gefärbt (2, –/–), weil es nur aus Knorpel besteht. Bei der Untersuchung des Humerus können die drei möglichen Genotypen (+/+ normal; +/– heterozygot; –/– homozygot mutant) im Phänotyp eindeutig als normal (3), als Knochenhypoplasie bei Heterozygoten (4) fehlende Knochenbildung (5) unterschieden werden.
B. Heterozygote Cbfa1-Mutation Der Schädel einer normalen Maus (+/+) am Tag 17,5 der Fetalentwicklung (31⁄2 Tage vor der Geburt) zeigt normale, rotgefärbte Knochen (1) im Gegensatz zu einer heterozygoten (+/–) Maus (2) mit deutlich verminderter Knochenbildung (Knorpel blau gefärbt). Die normale Verknöcherung der Clavicula (Schlüsselbein, Pfeil) bei normal Homozygoten (+/+) ist bei Heterozygoten (+/–) aufgehoben und nur eine rudimentäre Clavicula nachweisbar (Pfeile). Dieser Phänotyp bei der Maus entspricht einer genetisch bedingten Krankheit beim Menschen (s. Teil C).
C. Cleidocraniale Dysplasie Dies ist eine autosomal dominant erbliche Skelettstörung beim Menschen (MIM 119600). Die wesentlichen Merkmale sind kleine oder fehlende Claviculae (1), schmaler Thorax (2) und verminderte Ossifizierung des Schädels (3). Zusätzliche Zeichen können eingeschränkte Ossifikation in anderen Skelettbereichen und verminderte Körperhöhe sein.
D. Das CBFA1-Gen des Menschen Das CBFA1-Gen (core-binding factor 1) des Menschen liegt auf Chromosom 6p21 und hat 7 Exons mit alternativen Spleiß-Stellen. Es hat im 5'-Bereich zwei Promotoren (P1, P1) mit zwei Initionsstellen für Transkription (zwei Pfeile). Mehrere funktionell relevante Domänen können unterschieden werden: Runt-Domänen mit Homologie zu einer anderen GenFamilie, Nukleäres Lokalisierungs-Signal (NLS) und Aktivierungs-Domänen. Exon 6 wird alternativ gespleißt, so dass Isoformen mit und ohne Exon 6 vorkommen. Neben OsteoblastenDifferenzierung hat CBFA1 auch regulatorische Funktionen bei der Chondrozyten-Differenzierung während der enchondralen Knochenbildung. Mutationen sind in allen Teilen des Gens gefunden worden und alle führen zu deutlich verminderter Bildung von Genprodukt (Mutation mit Funktionsverlust; loss-of-function). (Abbildungen in A, B und C3 freundlicherweise von Prof. Stefan Mundlos, Charite´ Berlin überlassen; Photographie in C1 Beobachtung von Prof. J. Warkany, Cincinnati.) Mundlos, S.: Cleidocranial dysplasia: clinical and molecular genetics. J. med. Genet. 36: 177–182, 1999. Mundlos, S., et al.: Mutations involving the transcription factor CBFA1 cause cleidocranial dysplasia. Cell 89: 773–779, 1997. Zou, G., et al.: CBFA1 mutation analysis and functional correlation with phenotypic variability in cleidocranial dysplasia. Hum. Mol. Genet. 8: 2311–2316, 1999.
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369
Molekulare Grundlagen der Knochenbildung
–/–
+/+ –/–
+/+
+/–
1. Normales Skelett
2. Homozygote Mutante, 3. Normaler keine Knochenbildung Humerus
4. Hypoplasie
A. Effekt von homozygoten Cbfa1-Mutationen im Maus-Skelett
+/–
+/+ 1. Normaler Schädel
+/–
+/+
2. Fehlende Ossifizierung
5. Fehlende Knochenentwicklung
3. Normaler Thorax
4. Fehlende Schlüsselbeine
B. Heterozygote Mäuse für eine Mutation im Cbfa1 Gen
1. Fehlende Claviculae
2. Enger Thorax und fehlende Claviculae im Röntgenbild C. Cleidocraniale Dysplasie beim Menschen
5’
Promotor 1
Promotor 2
P1
P2
0
Runt Domänen 1
2
NLS 3
3. Fehlende Schädelverknöcherung
Aktivierungs- und Repressions- Domänen 4
D. Das CBFA1-Gen des Menschen
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5
6
7
3’
370
Sex-Determination und Differenzierung
Sex-Determination Genetisch kontrollierte, frühe Phasen der Entwicklung entscheiden darüber, in welches Geschlecht ein Embryo sich entwickeln wird (SexDetermination) und wie dies entweder zu dem einen oder dem anderen Geschlecht führen soll (Sex-Differenzierung). Dies erfordert eine Serie aufeinander folgender, genetisch kontrollierter binärer Entscheidungen in bestimmten Zellen und Geweben. Die chromosomale Basis ist bei Drosophila und Säugetieren ähnlich, zwei XChromosomen (XX, weiblich) versus einem Xund einem Y-Chromosom (XY, männlich). Jedoch unterscheiden sich die der Sex-Determination zugrunde liegenden Mechanismen. Hier wird das Prinzip bei Säugetieren vorgestellt.
A. Die Rolle des Y-Chromosoms Anfang der 40iger Jahre, mitten im Krieg, stellt der französische Embryologe Alfred Jost in Paris fest, dass sich nach Entfernung der Testes bei männlichen Feten bei Kaninchen weibliche, aber nicht männliche Tiere entwickeln. Dies ist der erste Hinweis auf die kritische Rolle des fetalen Testis für die männliche Geschlechtsdifferenzierung. Bei zwei beim Menschen bekannten Störungen der Geschlechtsentwicklung findet sich im Jahr 1959 ein vergleichbar überraschender Befund: weibliche Individuen mit Turner-Syndrom haben nur ein X-Chromsom (X0; Ford et al., 1959), männliche Individuen mit Klinefelter-Syndrom haben ein zusätzlichen X-Chromosom (XXY; Jacobs & Strong, 1959). Dies ist der erste Hinweis auf die kritische Rolle des Y-Chromosoms. Turner-Syndrom ist eine 1938 von Ullrich und 1942 von Turner beschriebene Erkrankung mit unvollständiger Geschlechtsentwicklung und variabel auftretenden angeborenen Fehlbildungen (vgl. S. 386). Klinefelter-Syndrom ist eine 1942 beschriebene Störung der Geschlechtsentwicklung im männlichen Geschlecht mit Infertilität und verschiedenen assoziierten auffälligen körperlichen Merkmalen (vgl. S. 386).
B. Die geschlechtsdeterminierende Region des Y-Chromosoms Beobachtungen von männlichen Individuen mit unterschiedlich großem Verlust von Teilen des Y-Chromosoms haben gezeigt, dass nicht das gesamte Y-Chromosom für die männliche Geschlechtsdetermination notwendig ist (1).
Durch molekulare Untersuchungen sind sieben Intervalle zwischen Telomer des kurzen Armes und einen proximalen Teil des langen Armes eingegrenzt (2). Hier musste die Region mit dem Testisdeterminierenden Faktor (TDF) lokalisiert sein. Die anschließende Feinkartierung auf dem kurzen Arm des Y-Chromosoms (3) zeigte, dass eine Region von 3500 Y-spezifischer Basenpaare (35 kb) für die männliche Geschlechtsdetermination notwendig ist. Diese Region wird als SRY bezeichnet (sex-related Y, vgl. Skaletsky et al., 2003). Im distalen Teil, etwa 2500 Basenpaare bis zum Telomer liegt eine Region, in der regelmäßig eine Rekombination mit einer homologen Region des XChromosoms eintritt (pseudoautosomale Region, PAR). Die SRY-Region ist Y-spezifisch. SRY ist Teil einer Kette von regulierenden Genen.
C. Männliche Entwicklung einer weiblichen Maus mit Sry-Region Den experimenellen Nachweis der funktionellen Bedeutung der Sry-Region erbrachten Koopman und Lovell-Badge 1991 bei einer transgenen weiblichen Maus mit zwei X-Chromosomen. Nach Insertion der Y-spezifischen Region Sry in embryonale Stammzellen (vgl. S. 212) bei einer XX-Maus entwickelte sich diese in eine phänotypisch männliche Maus. (Abb. aus Koopman et al., 1991).
D. Sry-Expression während der Gonadenentwicklung Die Expression von Sry ist bei der Maus auf ein kurzes Zeitfenster zwischen Tag 10.5 und 12.5 der Embryonalentwicklung beschränkt. In dieser Zeit wird die Entwicklung der indifferenten Gonaden in Testes (Hoden) induziert. Danach bleibt Sry abgeschaltet. (Daten nach Koopman & Gubbay, 1991). Graves, J. A. M.: The rise and fall of SRY. Trends Genet. 18: 259–264, 2002. Koopman, P., et al.: Male development of chromosomally female mice transgenic for Sry. Nature 351: 117–121, 1991. Scherer, G. & Schmid, M., eds. Genes and Mechanisms in Vertebrate Sex Determination. Birkhäuser, Basel, 2001. Skaletsky, H. et al.: The male-specific region of the human Y chromosome is a mosaic of discrete sequence classes. Nature 423: 825 – 837, 2003
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371
Sex-Determination
Kein Y-Chromosom vorhanden 45, XO
Y-Chromosom vorhanden
46, XX
46, XY
47, XXY
nur ein X-Chromosom
zusätzliches X-Chromosom
Turner-Syndrom weiblich
normal weiblich
Klinefelter-Syndrom männlich
normal männlich
A. Determination des männliches Phänotyps durch das Y-Chromosom Loci: DXYS14
0 500
1
P
11.32 11.31 11.2
Centromer
P
q
12
1. Y-Chromosom
3 4A
CEN
4B
6
1000 CSF2RA 1500
2500
q 7 1A1
2. Pseudoautosomale 2. Region (PAR) 2. und Intervall 1-7
Phänotyp männlich
vorhanden
2000
5
11.21 11.22 11.23
2
Entfernung in kb
PAR
100
1A2
200
1B
300
MIC2 SRY 35 kb RPS4Y
nicht vorhanden oder Mutation
ZFY
Phänotyp weiblich
1C
3. PAR und Intervall IA - IB
B. Sex-determinierende Region SRY auf dem Y-Chromosom Embryo (Maus) GonadenEntwicklung (Testis) SryExpression XY normal männlich
–
–
++
++
+
–
9.5
10.5
11.5
12.5
13.5
XX mit Sry-Gen (männlich)
C. Männliche Entwicklung einer D. transgenen XX-Maus mit Sry-Gen
Alter (Tage nach Konzeption)
D. Sry-Expression während der C. embryonalen Gonaden-Entwicklung
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372
Sex-Determination und Differenzierung
Geschlechtsdifferenzierung Nach der Fertilisation ist vorgegeben, dass sich eine Zygote mit zwei X-Chromosomen (XX) weiblich, eine mit einem X- und einem Y-Chromosom (XY) männlich entwickeln wird. Die Differenzierung verläuft unter Kontrolle zahlreicher Gene nach einem zeitlich und örtlich festgelegten Plan. Ausgehend von einem undifferenzierten Stadium wird durch eine Serie binärer Entscheidungsschritte die weitere Entwicklung gesteuert, bis der auf mehreren Ebenen definierte Phänotyp vollendet ist. Die beteiligten Gene codieren für Transkriptionsfaktoren oder Steroidhormone, die hierarchisch geordnet an vorgegebener Stelle die nächste Phase der Entwicklung einleiten. Das Hormongesteuerte System der Säugetiere ist so geschaltet, dass bei Ausbleiben des Induktionssignals für den nächsten Schritt die Entwicklung den weiblichen Weg nimmt.
A. Geschlechtsdifferenzierung aus indifferenten Anlagen Der Phänotyp männlich oder weiblich wird primär auf drei anatomisch definierten Ebenen festgelegt: (1) Gonaden, (2) Ausführungsgänge für die Gameten, (3) äußere anatomische Strukturen des Genitales. Jeweils ausgehend von einem indifferenten Stadium, das die künftige, aber bereits festgelegte Entwicklung nicht erkennen lässt, entwickeln sich erst die Gonaden (1), dann die Ausführungsgänge (2), danach das äußere Genitale (3). Nach Einwanderung primordialer Keimzellen in die zunächst undifferenzierten Gonaden lassen sich etwa gegen Ende der sechsten Schwangerschaftswoche beim Menschen ein innerer Anteil (Medulla) und ein äußerer Anteil (Cortex) unterscheiden. Bei Anwesenheit eines normalen Y-Chromosoms entsteht etwa in der 10. Schwangerschaftswoche durch Einfluss eines Testes-determinierenden Faktors (TDF) der frühembryonale Testis. Fehlt ein Y-Chromosom oder TDF (SRY), so entwickelt sich ein Ovar. Die Wolffschen Gänge, die Vorläufer der männlichen Ausführungsgänge (Samenleiter, Samenbläschen und Prostata) entwickeln sich unter dem Einfluss von Testosteron, einem vom fetalen Testis gebildeten männlichen Steroid-Hormon. Zugleich werden die Müllerschen Gänge, die Vorläufer von Tuben, Uterus, oberer Anteil der Vagina, durch ein Hormon unterdrückt (Müllerscher Inhibititionsfaktor, MIF).
Die Müllerschen Gänge entwickeln sich unter dem Einfluss von Estradiol (vom Ovar gebildet), während die Wolffschen Gänge in der Abwesenheit von Testosteron oder der Unwirksamkeit von Testosteron degenerieren. Das äußere Genitale (3) differenziert sich beim Menschen erst relativ spät, etwa ab der 20. Woche. Entscheidend für die Ausprägung des äußeren männlichen Genitales ist ein Derivat des männlich induzierenden Testosteron, das 5-Dihydrotestosteron, das durch enzymatische Einwirkung einer 5 § -Reduktase aus Testosteron entsteht.
B. Zeitlich geordnete Entwicklungsschritte der Geschlechtsdifferenzierung Nach Einwanderung der primordialen Keimzellen in die undifferenzierten Gonaden entwickelt sich bei Anwesenheit eines Y-Chromosoms unter Einfluss des Testes-determinierenden Faktors (TDF) ein frühembryonaler Testis. Liegt ein Y-Chromosom nicht vor, oder fehlt die SRY-Region oder ist durch eine Mutation verändert, so wird kein Testis gebildet. In diesem Falle unterbleiben die weiteren Entwicklungsschritte der Wolffschen Gänge. Bei Abwesenheit eines YChromosoms entsteht aus der undifferenzierten Gonade ein Ovar. In diesem Fall degenerieren die Wolffschen Gänge, und die Müllerschen Gänge differenzieren in Tuben, Uterus und oberen Anteil der Vagina. Testosteron hat prägende Wirkung auf das Zentralnervensystem („Brain imprinting“). Man nimmt an, dass dies die Voraussetzung für die im späteren Leben auftretende psychische Geschlechtszuordnung darstellt. Bei der Mehrzahl der genetisch bedingten Störungen der Geschlechtsdifferenzierung stimmen die Differenzierungsebenen nicht überein (Pseudohermaphroditismus). Beim echten Hermaphroditismus (z. B. beim Vorliegen von Zellen mit einem XY- und einem XX-Chromosomensatz) existieren männliche und weibliche Strukturen nebeneinander. Goodfellow, P. N. et al.: SRY and primary sex-reversal syndromes, pp. 1213–1221. In: C. R. Scriver et al., ed., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Passarge, E.: Geschlechtsdifferenzierung. S. 139–151. In: Reproduktionsmedizin. G. Bettendorf & M. Breckwoldt, Herausg. G. Fischer Verlag, Stuttgart, 1989. Wilson, J. D., Griffin, J. E.: Disorders of sexual differentiation, pp. 2119–2131. In: A. S. Fauci, et al., eds., Harrison’s Principles and Practice of Internal Medicine. 14th ed., McGraw-Hill, New York, 1998.
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373
Geschlechtsdifferenzierung Cortex undifferenzierte Gonade
Estradiol Müllersche Gänge
Ovar XX
XX oder XY
Medulla
XY
Ovar
MIF
Gonaden
inhibiert Müllersche Gänge
Wolffsche Gänge indifferentes Stadium
Rezeptor Testis
indifferentes Stadium
Uterus Vagina
Müllersche Gänge
Wirkung
1. Gonaden
Tuben
XX
Testis
XY
Samenblasen Prostata
2. Ausführungsgänge
Testosteron
XX indifferente Stadien
Differenzierung
XY
Sinus urogenitalis
3. Äußeres Genitale Einfluss von Dihydrotestosteron A. Indifferente Anlagen der Geschlechtsdifferenzierung Differenzierungsebene gonadal
genetisch
anatomisch
psychisch
Ovar XX
weiblich
kein testisdeterminierender Faktor
Müllersche Gänge
Undifferenzierte Gonaden
Primordiale Keimzellen
Wolffsche- und Müllersche-Gänge nebeneinander
Sinus urogenitalis Wolffsche Gänge
Inhibition durch MIF
SRY
XY
Testosteron
männlich
(TDF)
Testis TFM-RezeptorLocus
Dihydrotestosteron
TFM-Rezeptor
"Brain imprinting"
Zygote
Geburt
4.
6.
7.
13.
16.
Zeit (Schwangerschaftswochen)
B. Zeitlicher Verlauf der Geschlechtsdifferenzierung
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19.
Kindheit Pubertät
374
Sex-Determination und Differenzierung
Genetische Störungen der Geschlechtsentwicklung Die Klassifikation genetisch bedingter Störungen der Geschlechtsentwicklung berücksichtigt die verschiedenen örtlich und zeitlich abgestuften Entwicklungsvorgänge und die sie steuernden Mechanismen. Die richtige Zuordnung des grundlegenden Defekts ist die Voraussetzung für eine richtige Diagnose und Behandlung.
A. Geschlechtsumkehr durch Verlagerung der SRY-Region Das seltene Vorkommen von männlichen Individuen mit zwei X-Chromosomen („XX-Männer“) und weiblichen Individuen mit X- und YChromosom („XY-Frauen“) stellen zwei Gruppen von Störungen dar, die durch Verlagerung der SRY-Region an eine nicht vorgesehene chromosomal Position zustande kommt. Normalerweise verbleiben bei der Meiose (vgl. S. 98) die Y-spezifischen Sequenzen mit der SRY-Region auf dem Y-Chromosom, weil homologe Paarung und Rekombination durch Crossing-over zwischen X- und Y-Chromosom nur in der pseudoautosomalen Region stattfindet (1). Jedoch kann durch Crossing-over im Bereich Y-spezifischer Regionen die SRY-Region verlagert werden (2). Sie findet sich danach fälschlicherweise auf dem X-Chromosom oder fehlt auf dem Y-Chromosom. Im ersten Fall induziert sie eine männliche Entwicklung bei XXIndividuen; im zweiten Fall fehlt die durch SRY induzierte männliche Entwicklung. In beiden Fällen resultiert jedoch keine vollständige Umkehr der Geschlechtsentwicklung, weil nachfolgende Entwicklungsschritte nicht angepasst sind. Anstelle einer Verlagerung kann ein Funktionsausfall von SRY durch Mutation ausgelöst werden.
B. Mutationen im SRY-Gen Das SRY-Gen besteht aus einem Exon, von dem eine 1.1-kb-mRNA transkribiert wird. Das SRYProtein besteht aus 240 Aminosäuren mit einer DNA-bindenden Domäne, die als HMG-Box bezeichnet wird und homolog zu anderen DNAbindenden Proteinen ist. Der Name ist abgeleitet von einer während der elektrophoretischen Auftrennung beobachteten hohen Beweglichkeit (high mobility group, HMG). Die SRY-HMG Box umfasst Codons 58 bis 137. Diese 79 funktionell offenbar wichtigen Aminosäuren sind von
den meisten Mutationen betroffen. Hier werden 14 Mutationen als Beispiele gezeigt (rote Pfeile). Die meisten Mutationen treten neu auf, einige aber auch familär. Durch Stopcodons (X) und Rasterverschiebung nach Deletionen kann kein funktionsfähiges Protein gebildet werden. Die Folge ist die Unterbrechung eines entscheidenden Schrittes der männlichen Fetalentwicklung mit unvollständig ausgebildeten weiblichen Phänotyp bei einem XY-Individuum. SRY ist zwar ein Gen mit zentraler, Y-spezifischer Funktion, aber es ist eingebunden in vorgeschaltete Gene (SF-1, WT1, Lim-1 und andere) und nachgeordnete Gene (SOX9, DMRT1, WNT4 und andere). (Abb. nach Wolf et al., 1992).
C. Androgen-Rezeptor Die männlichen Gonaden (Testes) bilden das primäre männliche Geschlechtshormon, das Steroid Testosteron (1). Es kann jedoch nur über einen intrazellulären Rezeptor wirken, den Androgen-Rezeptor. Dieser Rezeptor, ein Protein von 919 Aminosäuren, wird von einem X-chromosomalen Gen auf Xq11–12 Gen von 90 kb und 8 Exons codiert. Die DNA-bindende Domäne entspricht Exons 2 und 3, die Androgenbindende Domäne den Exons 4–8. Durch die Wirkung des Enzyms § -Reduktase entsteht ein weiteres androgen wirkendes Hormon, Dihydrotestosteron, unter dessen Einfluss sich das äußere Genitale männlich entwickelt. Mutationen im Androgen-Rezeptor führen zu einer als Testikuläre Feminisierung (TFM) bezeichneten Störung (MIM 313700). Der Phänotyp (2) ist weiblich, weil infolge des Rezeptordefekts keine androgene Wirkung eintritt und die weiteren männlichen Differenzierungsschritte ausbleiben. Individuen mit TFM haben XY-Chromosomen, Testes und normal männliche oder sogar leicht erhöhte Testosteronwerte, aber alle anderen Schritte der Differenzierung sind ausgeblieben. Ein breites Spektrum von Mutationen im Androgen-Rezeptor verursacht verschiedene Formen von TFM von vollständiger bis zu partieller Ausprägung. Griffin, J. E. et al.: The androgen resistance syndromes: Steroid 5 § -reductase 2 deficiency, testicular feminization, and related disorders. Pp. 4117–4116. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Wolf, U., Schempp, W., Scherer, G.: Molecular biology of the human Y-chromosome. Rev. Physiol. Biochem. Pharmacol. 121: 148–213, 1992.
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Sex-Determination und Differenzierung
Störungen der AndrogenBiosynthese Testosteron und das in peripheren Zielgeweben (äußeres Genitale) entstehende Derivat 5-Dihydrotestosteron sind die beiden für die normale männliche Geschlechtsdifferenzierung verantwortlichen Steroidhormone. Ihre Biosynthese aus Cholesterol in der Nebennierenrinde wird unter Kontrolle des Adrenocorticotropen Hormons (ACTH) von fünf bzw. sechs enzymatischen Umwandlungen katalysiert: (i) Cholesterol-20,22-Desmolase, (ii) 3 g -HydroxysteroidDehydrogenase, (iii) 17 § -Hydroxylase, (iv) 17,20-Lyase, (v) 17 g -Hydroxysteroid-Dehydrogenase, (vi) 5 § -Reduktase. Genetische bedingter Mangel eines der Enzyme infolge Mutation in dem zuständigen Gen resultiert in einer der verschiedenen Formen unvollständiger männlicher Geschlechtsentwicklung (männlicher Pseudohermaphroditismus). Aldosteron und Cortisol werden aus Progesteron bzw. 17-OHProgesteron durch anschließende enzymatische Umwandlungen katalysiert: (i) 21-Hydroxylase, (ii) 11 g -Hydroxylase und Aldosteron durch zwei weitere Schritte. Eine genetische bedingte Defizienz von 21-Hydroxylase führt zu Cortisol-Mangel. Sie hat wegen ihrer Häufigkeit und Behandlungsfähigkeit praktische Bedeutung. Die resultierende Erkrankung wird als Nebennierenrinden-Hyperplasie Typ III oder Adrenogenitales Syndrom (MIM 201910) bezeichnet.
A. Klinischer Phänotyp und Genetik Das Adrenogenitale Syndrom manifestiert sich äußerlich vor allem bei Mädchen bei der Geburt mit Zeichen eines eher männlich erscheinenden Genitales (Virilisierung, 1). Wichtige weitere Zeichen sind Vergrößerung der Nebennieren (2), variabel (nicht immer) auftretender lebensbedrohlicher Salzverlust infolge CortisolMangel (3), autosomal rezessive Vererbung (4) und vorzeitiger Abschluss des Längenwachstums durch Androgen-induzierte Schließung der Knorpel-Knochengrenze der langen Röhrenknochen (5). Neben der klassischen Form mit einer Häufigkeit von etwa 1 auf 5000 gibt es zahlreiche Unterformen, von denen einige erst später im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter auftreten und schwer erkennbar sind. Behandlung mit Cortison verhindert Salzverlust und postnatale Folgen der Virilisierung.
B. Biochemischer Defekt Die verminderte Aktivität von adrenaler 21-Hydroxylase, einem mikrosomalen Cytochrom P450 (vgl. S. 354), erklärt die Pathogenese. Der resultierende Mangel an Deoxycorticosteron unterbricht die normale negative Rückkopplung durch Cortisol auf das ACTH-System. Infolgedessen wird die hypophysäre ACTH-Sekretion erhöht und die Nebennierenrinde zur kompensatorischen Synthese von Vorläufern von Cortisol und Androgenen vor dem biochemischen Block veranlasst. Dies führt zu der Vergrößerung der Nebennieren und der unerwünschten, überzogenen hormonal induzierten Vermännlichung.
C. Genlocus und Genstruktur Zwei Gene, CYP21 (frühere Bezeichnung 21B) und CYP21P (21A) liegen in der MHC-Region als Klasse III-Gene des HLA-Systems (vgl S. 292). Jweils in 5'-Richtung liegen die Gene für die Complement-Proteine C4A und C4B. CYP21P ist ein Pseudogen. Die tandemartige Anordnung von je zwei strukturell ähnlichen Genen erleichtert ungenaue homologe Paarung während der Meiose und ungleiches Crossing-over mit daraus resultierender Deletion in dem einen DNA-Strang und Duplikation in dem gegenüberliegenden Strang.
D. Molekulargenetische Analyse Der Phänotyp (Schweregrad) hängt weitgehend von der Art der vorliegenden Mutationen ab. Duplikation ist in der Regel mit einer milden Ausprägung assoziiert (Übersicht bei New & Wilson, 2002). Die Abb. in Teil D zeigt eine Southern-Blot-Analyse (1). Das 3.7-kb-Fragment repräsentiert das codierende CYP21-Gen (21-OHB). Das Schema zeigt sechs verschiedene Muster, 1. normal, 2. ein Schema der Deletion je eines der Gene als Kontrolle, 3. eine homozygote Deletion des Pseudogens CYP21P (21A), 4. eine zu AGS führende homozygote Deletion von CYP21 (21B), 5. eine heterozygote Deletion von CYP21 in 5 und 6. eine Duplikation von CYP21. (Abb. in D modifiziert nach Maria I. New, New York). Donohoue, P. A. et al.: Congenital adrenal hyperplasia. Pp. 4077–4115. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. New, M. I., Wilson, R. C.: Genetic disorders of the adrenal gland, pp. 2277–2314. In: D. L. Rimoin et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002.
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Störungen der Androgen-Biosynthese
Nebennieren vergrößert
100
Nieren
1.
2. 50
NebennierenrindenHyperplasie
ab
Pränatale Virilisierung
cd
Cortisol-Mangel Salzverlust 3.
4.
ac
ad
bc
bd
10 cm
5.
A. Klinischer Phänotyp und formale Genetik Progesteron
21A C4A GLO DP DQ DR C2 Bf
Verminderte Aktivität von 21-Hydroxylase (CYP21B) 21
Centromer
II
C4A Deoxycortisol vermindert
C4B 21B B C A
III
21-OH A
C4B
I 21-OH B
Pseudogen 1 2
3 4 5 6
7
8 9 10 Exons
17-OH-Progesteron vermehrt 0 B. Biochemischer Defekt 1. Southern-Blot-Muster nach TaqI-Verdauung
TaqI-Fragmente
1
2
3
4
5
6kb
C. Genlocus und Genstruktur
Normal
21OH-AGen
21OH-BGen
Deletion Deletion CYP21A CYP21B bei AGS
Hetero- Duplikation nichtzygot klassische Form
3.7 kb 3.2 kb CYP21B (exprimiertes Gen) CYP21A (Pseudogen) 2. Genstruktur
1
2
3
4
D. Molekulargenetische Analyse
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5
6
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Atypische genetische Mechanismen
Krankheiten durch Unstabile Trinukleotid-Wiederholungen Seit 1991 ist bei einigen genetischen Krankheiten eine neue, zuvor gänzlich unbekannte Ursache bekannt geworden: eine Ausdehnung von Trinukleotid-Wiederholungen (Triplett-Krankheiten). Trinukleotid-Repeats sind Wiederholungen von drei Nukleotiden an definierter Stelle des betreffenden Gens (vgl. S. 80).
A. Krankheiten Es werden zwei Typen unterschieden: Typ I infolge Expansion eines Glutamin-codierenden CAG-Repeats in einem Polyglutamin-Trakt (Polyglutamin-Krankheiten wie Chorea Huntington und fünf Typen (1-3, 6 und 7) einer Spinocerebellären Ataxie [MIM 180385, 183090 u. a.] und Typ II mit Repeat-Expansion in nicht-codierenden Regionen eines Gens. Von 15 bekannten Krankheiten infolge Expansion der Trinukleotid-Repeats sind hier die grundlegenden Merkmale von vier Vertretern aufgelistet. Die 1968 von Kennedy und Stefanis beschriebene Spino-bulbäre Muskelatrophie (MIM 311320) ist eine in der dritten bis fünften Lebensdekade beginnende progressive Atrophie im Beckenund Schulterbereich mit Zeichen verminderter Androgen-Wirkung (Gynäkomastie, Infertilität) als Folge des betroffenen Gens SBMA (Pinsky et al., 2001). Die CAG-(Glutamin)-Expansion liegt in Exon 1 des Androgen-Rezeptor-Gens.
B. Chorea Huntington Diese 1872 von George Huntington beschriebene autosomal dominant erbliche schwere, unaufhaltsam fortschreitende neurodegenerative Krankheit (1, MIM 143100) beginnt meistens um das 40. Lebensjahr (Spanne 20–60 Jahre). Zunehmend verliert der Erkrankte sämtliche motorische und intellektuelle Fähigkeiten bis die Erkrankung 15–20 Jahre nach Beginn tödlich endet. Das Gen HD liegt im distalen Ende des kurzen Armes von Chromosom 4 (4p16.3), flankiert von 4S127 und 4S125 und anderen polymorphen Markern (2). Es erstreckt sich über 200 kb und hat 67 Exons. Von zwei Transkripten von 10.3 und 13.6 kb wird das Genprodukt Huntingtin von 3144 Aminosäuren (348 kD) ohne Homologie zu anderen bekannten Proteinen translatiert. Grundlage der Mutation in diesem Gen ist eine Expansion des für Glutamin codierenden CAG-Triplett in Co-
don 18 (Polyglutamin-Trakt). Die Expansion kann diagnostisch nachgewiesen werden (3). In dem hier gezeigten Beispiel haben drei Erkrankte, ein Vater (bezeichnet als 2) und zwei Kinder (bezeichnet als 1 und 4) neben dem normalen Repeat (untere Hälfte der Abbildung) ein expandiertes Repeat (obere Hälfte). (Photographie aus C. Zühlke et al., Hum. Mol. Genet. 2: 1467–1469, 1993; von Prof. W. Engel, Göttingen, überlassen).
Die CAG-Expansion kann lange vor den ersten Symptomen molekular nachgewiesen werden (prädiktive DNA-Diagnostik). Diese Möglichkeit verlangt von nicht erkrankten Verwandten (meistens die Kinder) eines Erkrankten die schwierige Entscheidung, ob sie die Kenntnis des 50 %igen Krankheitsrisiko durch die Gewissheit ersetzen wollen, ob die Krankheit kommen wird oder nicht. Dies kann nur individuell nach genetischer Beratung entschieden werden.
C. Myotone Dystrophie Diese 1909 von Steinert, Batten und 1912 von Curschmann beschriebene Form einer Muskeldystrophie (MD) mit verschiedenen anderen Manifestionen ist (1) die häufigste des Erwachsenenalters. Beteiligung der Gesichtsmuskeln erzeugt ein starr erscheinendes Gesicht (2) neben Linsentrübungen (Katarakt) und Haarverlust (Alopecie). Bei Kinder von erkrankten Müttern kann eine angeborene früh infantile Form der Erkrankung auftreten. Grundlage der Krankheit ist ein expandiertes und unstabiles Trinukleotid-Repeat (CTG)n in einer nichttranslatierten Region 3' im DMPK-Gens (3). Das Schema (4) zeigt im Vergleich zu einer Kontrolle und einem 16-kb-Marker bei drei Erkrankten, die dem Schweregrad entsprechende Zunahme der Größe der DNA-Fragmente bei einer Southern-Blot-Analyse (Daten von Harley et al., 1992). Hayden, M. R., Kremer, B.: Huntington Disease, pp. 5677–5701. In: C. R. Scriver et al., eds.: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed. McGraw-Hill, New York, 2001. Harley, H. G. et al.: Unstable DNA sequence in myotonic dystrophy. Lancet 339: 1125–1130, 1992. Harper, P. S., Johnson, K.: Myotonic dystrophy, pp. 5525–5550. In: C. R. Scriver et al., eds., The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001. Pinsky, L., et al.: Spinobular muscular atrophy. Pp. 4147–4157. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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Krankheiten durch Unstabile Trinukleotid-Wiederholungen
Krankheit
Gen
Normale Mutantes Anzahl Allel
Chromosom
Chorea Huntington
CH
1:10 000
(CAG)n
11-34
42-100
4p16.3
Fragiles X-Syndrom
FMR1
1:2 000
(CGG)n
10-50
52-500
Xq27.3
Myotone Dystrophie
MDY1
1:8 000
(CTG)n
5-35
50-200
19q13.3
Spino-bulbäre Muskelatrophie (Kennedy)
SBMA
<1:50 000
(CTG)n
11-31
40-65
Xq11-12
Häufigkeit
Trinucleotid
A. Genetische Erkrankungen mit erhöhter Anzahl von Trinucleotiden Schwere fortschreitende Erkrankung des Nervensystems Verlust motorischer und intellektueller Kontrolle Erkrankungsbeginn ca. 25. - 60. Lebensjahr Autosomal dominant CAG-Repeat vergrößert Prädiktive Diagnostik möglich, aber problematisch
1. Hauptmerkmale
Linsentrübung, Alopecie, Variable Expression, Autosomal dominant, CTG-Repeat vergrößert
1. Hauptmerkmale
2. Phänotyp
D4S142 D4S90
16.3 16.2
D4S111 D4S115 D4S168 D4S113 D4S98 D4S43
16.1 Chromosom 4 kurzer Arm (4p)
Muskelschwäche, Myotonie, Starres Gesicht,
15.3 15.2 15.1
D4S95 D4S127 D4S125 D4S126 D4S10
14 13
erkrankt (n = 50-200) Prämutation n = (35-50) normal (n = 5-35) 5'
MDY1-Gen
(CTG)n
3'
3. Expandiertes CTG-Repeat 3. bei Myotoner Dystrophie
12
2. Lokalisation des Gens
Kontrolle
Huntington-Gen 2 1
kb
3
Erkrankte leicht
schwer
congenital
+ 1kb
+ 2.5 kb
+ 4 kb
4 16
Expandiertes (CAG)n Repeat bei Chorea Huntington (n = 42-100)
10 9 Normales (CAG)n Repeat (n = 11-34)
3. Diagnostischer Test B. Chorea Huntington
Schema eines Southern-Blot am Genlocus D19S95 (Sonde pBB0.7)
Kontrolle
4. Korrelation mit Schweregrad C. Myotone Dystrophie (MDY1)
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380
Atypische genetische Mechanismen
Fragiles X-Syndrom Fragiles X-Syndrom (MIM 309550) ist eine Xchromosomal dominante Form einer variablen Form von geistiger Entwicklungsstörung mit assoziierten äußeren Zeichen. Infolge reduzierter Penetranz und der Existenz einer molekular definierten Prämutation weicht der X-chromosomale Erbgang in vielen Familien vom klassischen Muster ab. Die Erkrankung beruht auf einer Expansion eines instabilen Trinukleotids, CGG, im 5' nicht-translatierten (5'-UTR) Teil von Exon 1 des FMR1-Gens (fragile X mental retardation gene 1) auf dem distalen langen Arm des X-Chromosoms (Xq27.3) gehört. Das normale Allel hat durchschnittlich 30 (6–60) CGG Wiederholungen, erkrankte Individuen haben über 230 Repeats mit einem Durchschnitt von 780. Nicht Erkrankte mit einer Prämutation haben 60–200 Repeats. Zusätzlich sind die CGGRepeats bei der vollen Mutation methyliert. Dies trägt zur transkriptionellen Stilllegung des Gens bei. Die Häufigkeit wird heute auf etwa 1 auf 4500 männliche Individuen geschätzt. Diese Form der mentalen Retardierung ist eine der häufigsten unter den mehr als 90 definierten Formen einer X-chromosomalen geistigen Retardierung (Übersicht bei Sutherland et al., 2002). Nicht erkrankte Träger einer FMR1-Prämutation findet man bei etwa 1 auf 1000 männliche und 1 auf 400 weibliche Individuen.
A. Phänotyp Typische Zeichen bei den meisten Patienten sind ein länglich erscheinendes Gesicht (65–80 %), große Ohren (65–78 %) und manchmal ein breites Kinn. (Photographien aus E. Passarge & A. Schmidt, Issues and Reviews in Teratology 3: 95–133, 1985). Nach der Pubertät ist Makroorchismus (vergrößerte Hoden) charakteristisch. Überstreckbare Gelenke und Mitraklappenprolaps können als Zeichen einer allgemeinen Bindegewebsschwäche auftreten. Das Verhalten ist von Hyperaktivität, Ängstlichkeit bei einigen, Aggressivität bei anderen und anderen Zeichen gestörter Sozialadaptation geprägt. Die intellektuelle Entwicklungsfähigkeit ist deutlich eingeschränkt. Der durchschnittliche IQ liegt bei 80–90.
B. Brüchige Stelle Xq27.3 Die Erkrankung bezieht ihren Namen von einer in Metaphase-Chromosomen sichtbaren Veren-
gung (fragile site) im distalen langen Arm des X-Chromosoms (rote Pfeile). Dieses Phänomen muss im Folsäure-armen Medium induziert werden. Der cytogenetische Nachweis ist nicht zuverlässig. Die molekulare Untersuchung der Triplett-Expansion ist Grundlage der Labordiagnostik.
C. Molekulargenetische Diagnostik Southern-Blot-Analyse (S. 64) und PCR-Methoden (S. 68) sind die Grundlage der molekularen Diagnostik. Bei dem hier gezeigten Beispiel einer Drei-Generationen-Familie (1) mit zwei Erkrankten (rote Quadrate, mehr als 200 Tripletts) können normale Individuen (weiße Kreise weiblich, weiße Quadrate männlich, jeweils 10–29 Tripletts) und Träger einer Prämutation (graue Symbole mit darunter angegebener Anzahl von Tripletts) unterschieden werden. Das Triplett (CGG)n liegt im nicht-translatierten Teil von Exon 1 des aus 17 Exons bestehenden FMR1-Gen (2). Bei der molekulargenetischen Untersuchung mittels Southern-Blot-Analyse (3) können die drei Genotypen klar unterschieden werden. In der hier gezeigten Familie ist jeder der untersuchten sechs Personen der Befund in der unter jeder Person angeordneten Bahn 1–6 der Elektrophorese dargestellt, zuzüglich einer Bahn 7 für eine Kontrolle. Nach Verdauung mit dem Restriktionsenzym HindIII und Hybridisierung mit der Sonde Ox1.1 (P. Steinbach, Ulm) sind die Tripletts als schwarz gefärbte Bänder sichtbar. Kleine Fragment (S, short) liegen unten im Normalbereich bzw. dem einer Prämutation entsprechenden Bereich. Expandierte Tripletts vergrößern die Fragment (L, long). Der Erkrankte hat infolge der Instabilität der expandierten Bereiche mehrere große Fragmente (Bahn 1). Etwa die Hälfte weiblicher Individuen mit einem solchen Befund manifestieren eine eingeschränkte intellektuelle Entwicklung. (Befunde und Photographie freundlicherweise von Prof. P. Steinbach, Ulm, überlassen). Sutherland, G. R. et al.: Fragile X syndrome and other causes of X-linked mental handicap. Pp. 2801– 2826. In: D. L. Rimoin, et al., eds. Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002. Warren, T., Sherman, S. L.: The fragile X syndrome. Pp. 1257–1289. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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381
Fragiles X-Syndrom
a
A. Phänotyp
b
a
c
b
d
c
d
B. Brüchige Stelle Xq27.3
1
I 22/2 II
2
3
82
29/8
22/8
4
Normaler männlicher Überträger
Patient Heterozygot normal
10
>200 18% Penetranz
1
2
3
4
5
III >200 76% Penetranz
22
22/7
22/16
7
6
Kontrolle
L L L L
= normal (keine Mutation) = Prämutation ohne Phänotyp-Effekt = erkrankt (fraX-Syndrom)
Prämutation
S S S S
normal
Zahlen unter den Symbolen entsprechen der Anzahl CGG-Trinucleotide am FMR1-Locus
1. Variable Anzahl von CGG-Repeats
n = 10-50 normal 5'
expandierter Bereich
3. Untersuchung einer Familie 3. mit fraX-Syndrom n = 50-100 Prämutation
n = über 200 bei Erkrankten
(CGG)n
FMR1-Gen 2. Anzahl CGG-Repeats bei Mutation und Prämutation C. Expandiertes CGG-Repeat bei Fragilem X-Syndrom
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3'
382
Atypische genetische Mechanismen
Krankheiten durch Imprinting-Defekte Zwei Erkrankungen werden durch Störungen des Imprinting in einer Region von 2 Mb (2 Millionen Basenpaare) im proximalen langen Arm von Chromosom 14 (14q11–13) verursacht, das Prader-Willi-Syndrom und das Angelman-Syndrom.
A. Zwei Syndrome In den 70er Jahren wurde eine kleine, interstitielle Deletion (1) eines kleinen Abschnitts von Region 1, Band 1 bis Band 3 von Chromosom 15 (del 15q11–13) bei Prader-Willi-Syndrom und Angelman-Syndrom beschrieben. Bei PraderWilli-Syndrom betrifft die Deletion immer das Chromosom 15 väterlicher Herkunft (2); bei Angelman-Syndrom immer das Chromosom mütterlicher Herkunft (3). Prader-Willi-Syndrom (PWS; MIM 176270) ist eine 1956 von Prader, Labhart und Willi (Schweiz. med. Wschr. 86: 1260–1261, 1956) beschriebene neurogenetische Krankheit mit sehr verschiedenen Manifestationen in den ersten zwei und den späteren Lebensjahren. Im Säuglingsalter stehen ausgeprägte Muskelhypotonie, erschwerte Nahrungsaufnahme und zunehmend Zeichen einer verzögerten psychomotorischen Entwicklung im Vordergrund. Etwa ab dem 2.–3. Lebensjahr setzt eine gestörte Appetitregulation mit vermehrter Nahrungsaufnahme ein, die zu teilweise exzessiver Adipositas mit enormer Gewichtszunahme führen kann. Angelman-Syndrom (AS; MIM 105830) ist eine 1965 von H. Angelman (Develop. Med. Child. Neurol. 7: 681–688, 1965) beschriebene schwere neurogenetische Krankheit mit geistiger und motorischer Retardierung, fehlender Sprachentwicklung, kleinem Kopf, Neigung zu einem der Situation nicht angepassten Lachen, abnormes EEG mit Neigung zu Krampfanfällen und anderen Störungen.
B. Elterliche Herkunft der Deletion Das Schema von zwei Southern-Blot-Analysen zeigt den Verlust eines Allels väterlicher Herkunft bei PWS (pat; Allel 3) und eines Allels mütterlicher Herkunft bei Angelman-Syndrom (mat; Allel 1).
C. Uniparentale Disomie (UPD) Das Schema zeigt zwei verschiedene Formen von UPD. Bei Isodisomie (1) hat in dem gezeigten Beispiel ein Kind zwei Allele 1 von der Mut-
ter geerbt und ist homozygot 1-1; Bei Heterodisomie (2) das Kind zwei verschiedene Allele von der Mutter geerbt (Allel 1 und Allel 2).
D. Effekt von Deletion und UPD Deletion und uniparentale Disomie (UPD) haben den gleichen Effekt. Eine de-novo-Deletion der chromosomalen Region 15q11–13 ist in etwa 70 % der Fälle die Ursache für beide Erkrankungen. Eine maternale UPD findet man bei 29 % der Patienten mit PWS; eine paternale UPD bei 1–3 % der Patienten mit Angelman-Syndrom. Entscheidend bei AS ist das UBE3A-Gen (E6-AP Ubiquitin-Protein Ligase). Es ist im Gehirn nur vom mütterlichen Allel exprimiert. In diesem Gen kann bei 10–15 % von Patienten mit AS eine Mutation nachgewiesen werden; bei den restlichen 10–15 % ist der Defekt ungeklärt. Bei etwa 1 % der Patienten mit PWS und 2–4 % mit AS findet man einen Imprinting-Fehler. Obwohl die Chromosomen 15 biparentaler Herkunft sind, hat das väterliche Chromosom 15 solcher Patienten mit PWS eine mütterliche Prägung, während bei Patienten mit AS eine väterliche Prägung vorliegt. Deletionen im Imprinting-Zentrum und Mutationen im UBE3AGen können familiär auftreten. In diesem Fall besteht für den (nicht erkrankten) Träger ein Risiko von 50 % für ein Kind mit Prader-WilliSyndrom bzw. Angelman-Syndrom.
E. Genetische Karte von 15q11–13 Die Prader-Willi-Region erstreckt sich über 1–1.5 Millionen Basenpaare und bezieht mehrere auf dem Allel väterlicher Herkunft exprimierte Gene ein. Dies ist eine stark vereinfachte Wiedergabe der genetischen Karte der dem Imprinting unterliegenden Region 15q11–13. Die Transkriptionsrichtung ist mit Pfeilen gezeigt. Drei wiederholt beobachtete Bruchpunkte von Translokationen sind angezeigt. Das Imprinting-Zentrum hat eine zweiteilige Struktur. Verlust des centromeren Teil führt zu AS, Verlust des telomeren Teils zu PWS. (Daten für die Abb. in Teil E von Dr. Karin Buiting, Essen). Buiting, K. et al.: Epimutations in Prader-Willi und Angelman syndromes: A molecular study of 136 patients with an imprinting defect. Am J. Hum. Genet. 72: 571–577, 2003. Gillessen-Kaesbach, G., Buiting, K., Hortsthemke, B.: Prader-Willi-Syndrom und Angelman-Syndrom, S. 93–103. In: Neurogenetik. Molekulargenetische Diagnostik neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen, O. Rieß & L. Schöls, Herausg. Kohlhammer, Stuttgart, 2002.
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383
Krankheiten durch Imprinting-Defekte Chromosom 15
p1
11 11
1
paternal Deletion maternal
21
q
22
2
26 2. Prader-Willi-Syndrom 1. Interstitielle Deletion 15q11-13 A. Zwei Syndrome der gleichen chromosomalen Region
3. Angelman-Syndrom
Prader-Willi-Syndrom (PWS) Angelman-Syndrom (AS)
SouthernAllel Blot
Allel
mat
1
Allel 1 Allel 2 Allel 3
B. Elterliche Herkunft der Deletion = inaktives Gen
AS
drei Bruchpunkt Cluster Regionen
mat. pat. AS
PWS
1 2
1-2
1-2
paternale Expression
MKRN3 Gen (ZNF127)
AS
NDN
mat.
mat.
pat.
pat.
Unimat. parentale mat. Disomie
pat.
Prader-Willi-Syndrom
3-3
Marker Locus D15518
Deletion
pat.
Magel2
D15563 (PW71)
Imprinting Center
SNRPN 3
Angelman-Syndrom
D. Effekt von Deletion und UPD
1-1
zum Centromer
maternale Expression
normal PWS
1-2
2-3
1. Isodisomie 2. Heterodisomie C. Uniparentale Disomie (UPD)
Deletion
= aktives Gen
3
IPW UBE3A zum Telomer
E. Chromosomale Region 15q11-13
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PWS Region ~1–1.5 Mb
pat.
3
PWS
1 2
2
384
Karyotyp/Phänotyp-Beziehung
Autosomale Trisomien Der Karyotyp, ein 1924 von Levitzky geprägter Begriff für die Gesamtheit aller Chromosomen eines Individuums bzw. einer Zelle während der Metaphase der Mitose, besteht aus der für jede Spezies charakteristischen Zahl von Chromosomen, die in unterschiedlich gut unterscheidbare homologe Paare eingeteilt werden können (vgl. S. 166).
A. Trisomien beim Stechapfel (Datura stramonium) Alfred Blakeslee 1922 beobachtete an der Pflanze Stechapfel (Dature stramonium), dass jedes einzelne von 12 Chromosomen in Überzahl (Trisomie) einen spezifischen Phänotyp hervorruft. Dies bewies endgültig, dass sich Chromosomen inhaltlich (genetisch) unterscheiden (Abb. aus Blakeslee, 1922).
B. Autosomale Trisomien bei der Maus In einer Serie wegweisender Untersuchungen ermittelten Alfred Gropp und Mitarbeiter in Lübeck die phänotypischen Auswirkungen verschiedener Trisomien und Monosomien auf die Embryonalentwicklung der Maus. Nachdem sich zuvor erwiesen hatte, dass die meisten Trisomien embryonal letal sind, konnte für jede Trisomie ein eigenes Muster an Fehlbildungen und intrauteriner Überlebenszeit festgestellt werden (1). Nur Trisomie 19 war mit dem Leben bis zur Geburt vereinbar. Besonders früh starben Embryonen mit Monosomien. Alle trisomen Embryonen waren zu klein (2) und hatten ein zu kleines Gehirn mit unterschiedlichen Fehlbildungen (3) (Abb. aus Gropp, 1982; Photographien von H. Winking, Lübeck).
C. Autosomale Trisomien beim Menschen Bis zur Geburt überlebensfähig ist beim Menschen nur die Trisomie für die Chromosomen 21, 18 und 13. Diese drei Trisomien haben einen charakteristischen Phänotyp. Die erste, beim Menschen 1959 von J. Lejeune, M. Gauthier und R. Turpin in Paris beschriebene Chromosomenanomalie ist Trisomie 21. Sie führt zu dem 1866 von Langdon Down beschriebenen charakteristischen Krankheitsbild, dem Down-Syndrom (1). Der Phänotyp wird vor allem auf trisome Imbalance der Region zwischen 21q22.1 und 21q22.3 zurückgeführt. Die beiden anderen Trisomien (2, 3) sind durch Edwards et al. und Pätau et al. (1960) bekannt geworden, obwohl es eine dem Phänotyp von Trisomie 13 entsprechende Beschreibung von Thomas Bartholin aus dem Jahr 1657 gibt („Monstrum sine oculis“).
D. Nondisjunction als Ursache von Trisomie Die Häufigkeit von Trisomie 21 nimmt ab etwa dem 35. Lebensjahr der Mutter rasch zu (1), so wie Trisomie 13, Trisomie 18 und ein zusätzliches X-Chromosom auch. Der grundsätzliche Mechanismus ist Nondisjunction (2) während der ersten oder der zweiten Zellteilung in der Meiose (vgl. S. 98). Blakeslee, A. F.: Variation in Datura due to changes in chromosome number. Am. Naturalist 56: 16–31, 1922. Tolmie, J. L.: Down syndrome and other autosomal trisomies. Pp. 1129–1183. In: D. L. Rimoin, D. L. et al., eds.: Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002.
Einige wesentliche Merkmale der autosomalen Trisomien Merkmal
Trisomie 21
Häufigkeit ca. 1:600 Erkennungszeichen „Mongoloides“ Gesicht, Muskel-Hypotonie, variabel verschiedene Fehlbildungen
Mortalität im Ersten Lebensjahr
ca. 25 %
Trisomie 18
Trisomie 13
ca. 1:5000 kleines Gesicht, erhöhter Muskel-Tonus, typische Handhaltung mit Zeigefinger über dem dritten Finger, niedriges Geburtsgewicht G 90 %
ca. 1:8000 Lippen-Kiefer-Gaumendefekt, Fehlende/kleine Augen, Kopfhautdefekt, Muskeltonus erhöht
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G 90 %
385
Autosomale Trisomien
Fetalentwicklung
Normal
1 Rolled
2 Glossy
3 Buckling
4 Elongate
Trisomien Nr. 12
3,7,9,17 2,15
Monosomien
1,6,10 13,14 16, 18 4, 8, 11
Fetale Mortalität
normal
Maus
19
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Zeit (Tage) Implantation Geburt 5 Echinus
7 8 6 Cocklebur Microcarpic Reduced
9 Poinsettia
10 Spinach
11 Globe
Trisomie 12
Trisomie 19 Kontrolle
2. Embryo der Maus
3. Gehirn
B. Trisomien bei der Maus
2. Trisomie 18
3. Trisomie 13
Nondisjunction
1:50 Häufigkeit
Kontrolle
12 Ilex
A. Trisomie beim Stechapfel A. (Datura stramonium)
1. Trisomie 21 C. Trisomien beim Menschen
1. Entwicklungsverlauf von Trisomien
Meiose I
1:100 Meiose II
Nondisjunction
1:500 Fertilisation 1:1000 20
25 30 35 40 Mütterliches Alter (Jahre)
45 1+1+1
Zygoten mit Trisomie
1. Trisomie 21 bei Lebendgeborenen 2. Fehlverteilung eines Chromosoms D. Non-disjunction als Ursache von Trisomie
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2+1
386
Karyotyp/Phänotyp-Beziehung
Andere numerische Chromosomenaberrationen Neben autosomalen Trisomien gibt es eine Reihe weiterer Abweichungen von der normalen Chromosomenzahl. Sie betreffen entweder den gesamten Chromosomensatz (Triploidie und Tetraploidie), sowie X-Chromosom oder YChromosom. Numerische Abweichungen in der Anzahl X- und Y-Chromosomenaberrationen machen etwa die Hälfte aller Chromosomenabberationen beim Menschen aus (Gesamthäufigkeit etwa 1:400).
A. Triploidie Triploidie ist eine der häufigsten Chromosmenaberrationen beim Menschen (1). Sie ist meist auf die Befruchtung einer Eizelle durch zwei Spermatozoen zurückzuführen (Dispermie). Triploidie führt meistens während der ersten vier Monate der Embryonalentwicklung zu einer spontanen Fehlgeburt. Der Fetus weist zahlreiche schwere Fehlbildungen auf (2), u. a. des Herzens, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Skelettdefekte und anderes. Beim triploiden Chromosomensatz (3) kann unterschieden werden, ob zwei Chromosomensätze mütterlicher oder väterlicher Herkunft sind.
B. Monosomie X beim Turner-Syndrom Von 40 Zygoten mit Monosomie X entwickelt sich nur eine bis zur Geburt. Das Spektrum des Phänotyps ist sehr breit. Im Fetalstadium finden sich durch Lymphoedem im Kopf- und Halsbereich entstandene so genannte Nackenblasen (1). Angeborene Herzdefekte, vor allem der Aorta, und Fehlbildungen der Nieren sind häufig. Ein wichtiger Bestandteil der Erkrankung ist die fehlende Funktion der Ovarien, die lediglich als bindegewebige Stränge ausgebildet sind. Stets besteht ein Minderwuchs (durchschnittliche Erwachsenengröße etwa 150 cm). Beim Neugeborenen können Restzustände des Lymphoedems als Flügelfell im Bereich des Halses (Pterygium colli) bestehen (Krankheitsbild des Ullrich-Turner-Syndroms). Jedoch kann das Erscheinungsbild gering ausgeprägt sein (2). Sehr häufig besteht keine reine Monosomie, sondern ein chromosomales Mosaik von normalen Zellen (46,XX), oder ein strukturell verändertes X-Chromosom (Deletion des kurzen Armes, Isochromosoms des langen oder kurzen Arm, Ringchromosom u. a.).
C. Zusätzliches X- oder Y-Chromosom Drei Situationen durch ein zusätzliches X- oder Y-Chromosom treten mit je etwa 1 auf 800–1000 Neugeborene relativ häufig auf: zwei im männlichen Geschlecht (XXY; XYY) und eines im weiblichen Geschlecht (XXX). Der XXY ist die Ursache des Klinefelter-Syndroms (unvollständig ausgebildeter männlicher Phänotyp, Testosteron-Mangel durch zu kleine Testes, keine oder geringe Spermatogenese. Hochwuchs häufig). Bei XYY und XXX resultiert kein äußerlich erkennbarer Phänotyp. Bei einigen Individuen mit XYY kommt es zu Schwierigkeiten in der sozialen Adaptation. XXX-Individuen sind unauffällig, jedoch sind Sprach- und Lernfähigkeit bei vielen Mädchen eingeschränkt. Wenn mehr als ein X-Chromosom vorhanden ist (XXXX; XXXXX; XXYY; XXXY; XXXXY) resultieren deutliche Störungen der intellektuellen Entwicklungsfähigkeit.
D. Chromosomenaberrationen bei Spontanaborten Etwa 10–50 % aller Schwangerschaften beim Menschen enden mit einer spontan auftretenden Fehlgeburt ohne erkennbare Ursachen. Bei etwa 50–60 % der während der 8. bis 14. Woche der Schwangerschaft eintretenden Fehlgeburten kann beim Fetus eine Aneuploidie nachgewiesen werden. Das Spektrum der beobachteten Chromosomenaberration ist breit. Vor allem treten Trisomien auf; Monosomien führen offenbar sehr früh, bereits vor oder bald nach der Inplantation zu Verlust der Schwangerschaft und werden bei Untersuchung von fetalen Gewebe ab der 8. Schwangerschaftswoche nicht mehr erfasst. Die häufigste Aberration ist Trisomie 16 bei gut 30 %, gefolgt von Trisomien der Chromosomen 15, 22 und 21. Allenson, J. E., Graham, G. E.: Sex chromosome abnormalities. Pp. 1184–1201. In: Rimoin, D. L., Connor, J. M., Pyeritz, R. E., Korf, B. K., eds.: Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002. Schinzel, A.: Catalogue of Unbalanced Chromosome Aberrations in Man, 2nd ed. W. de Gruyter, Berlin, 2001. Schreck, R., Silverman, N.: Fetal loss. Pp. 982–997. In: Rimoin, D. L., Connor, J. M., Pyeritz, R. E., Korf, B. K., eds.: Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002.
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Andere numerische Chromosomenaberrationen
Triploidie
1.
- Häufigste Chromoso- menaberration (15%) - bei Feten nach sponta- ner Fehlgeburt - Schwere Wachstums- retardierung, frühe - Letalität - Gelegentlich lebend- geboren mit schweren - Fehlbildungen - Dispermie häufigste - Ursache
2.
3.
1
2
6
7
8
13
14
15
19
3
4
9
20
5
X
10
11
12
16
17
18
21
22
Y
A. Triploidie
1.
2.
3.
B. Monosomie X (Turner-Syndrom; 45, XO)
1. XXY
2. XYY
3. XXX
Anteil (%)
C. Zusätzliches X- oder Y-Chromosom
4.9
5
7.7 32.3
Anteil autosomaler Trisomien bei 669 trisomen Feten nach spontaner Fehlgeburt
4.6
9.4 10.2 5.1
4.6
4.0 3.9
4 3
2.7
2.5
1
0.6
0.2
0.0
1
2
3
4
2.7 2.0
2
5
1.0
0.5
6
0.3
7
8
0.6
0.2
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Trisome Chromosomen
D. Breites Spektrum von Chromosomenaberrationen bei menschlichen Feten
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388
Karyotyp/Phänotyp-Beziehung
Strukturaberrationen von Chromosomen Lichtmikroskopisch sichtbares Fehlen (Deletion) oder Verdopplung (Duplikation) eines Teils eines Chromosoms führt zu einer Imbalance der normalen Expression der betroffenen Gene (vgl. S. 182).
A. Cri-du-Chat-Syndrom (5p-) Lejeune und Mitarbeiter in Paris beschrieben 1963 ein neues Krankheitsbild bei Kindern mit einer partiellen Deletion des Arms eines Chromosom 5 (5p-) und verzögerter geistiger und körperlicher Entwicklung. Erkrankte Kinder fielen im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter durch ein lang gezogenes, hohes wimmerndes Schreien auf, das dem eines Kätzchens ähnelt (Cri-du-Chat, Katzenschrei). Der Kätzchenähnliche Schrei verliert sich meist im Laufe der ersten beiden Lebensjahre. Auch der Phänotyp wandelt sich mit zunehmendem Alter. Bei etwa 15 % der Patienten liegt eine Translokation eines Chromosom 5 vor. In diesem Falle besteht ein erhöhtes Risiko für das erneute Auftreten der Erkrankung.
B. Wolf-Hirschhorn-Syndrom (4p-) U. Wolf und K. Hirschhorn beschrieben unabhängig 1964 ein neues Krankheitsbild bei partieller Deletion des kurzen Armes eines Chromosom 4 (4p-). Patienten zeigten eine ausgeprägte körperliche und geistige Entwicklungsverzögerung in Verbindung mit einem charakteristischen Phänotyp (1,2) sowie Fehlbildungen, wie Spaltbildung im Gesichtsbereich, Skalpdefekten, Hypospadie, angeborenen Herzdefekten. Die Deletion ist meist de novo. Die Deletion kann bei einigen Patienten nur molekulargenetisch nachgewiesen werden. Das Schema (3) zeigt eine vereinfachte Karte der distalen Region 4p16 mit mehreren Genen und polymorphen Markern. Für den Phänotyp als wichtig wird die als WHSCR (Wolf-Hirschhorn critical region) bezeichnete Region angesehen.
C. Mikrodeletions-Syndrome In vielen Fällen ist die Deletion so klein, dass sie lichtmikroskopisch nicht erkannt wird und relativ wenige, benachbart liegende Genloci erfasst (Mikrodeletions-Syndrome; Contiguous Gene Syndromes; Gengruppen-Syndrome). Von den etwa 20 etablierten Mikrodeletions-
Syndromen werden hier drei Beispiele vorgestellt. Das 1961 und 1962 von Williams und von Beuren beschriebene Syndrom (1, MIM 194050) ist von einem charakteristischen Gesicht und Verhaltensmuster geprägt, assoziiert mit supravalvulärer Aortenstenose (bei 50 %) und gestörter visuell-motorischer Integrationsfähigkeit. Die 1.5 Mb Deletion erfasst das Elastin-Gen (ELN, MIM 130160), LIM-Kinase 1 und andere. Mit einem breiten Spektrum von Manifestationen sind die relativ häufigen Deletionen im Bereich 22q11 assoziiert (2). Dazu zählen DiGeorge-Syndrom (MIM 188400; Hauptmerkmale: Thymushypoplasie, Immundefekte, Hypocalciämie, Defekte des Aortenbogens u. a., DiGeorge, 1968) und das klinisch teilweise überlappende Velocardiale Syndrom (MIM 192430). Das 1963 beschriebene Rubinstein-Taybi-Syndrom (3, MIM 180849) besteht aus einem charakteristischen Gesicht, verbreiterten Daumen und Großzehen, geistiger Entwicklungsretardierung und anderen Manifestationen. Bei etwa 12 % lässt sich eine Deletion im kurzen Arm eines Chromosom 16 (16p13.3) nachweisen, bei anderen eine Mutation im Gen CBP (cAMP-response element [CRE] bindendes Protein, CREB).
D. Phänotyp bei verschiedenen Altersstufen Bei vielen genetisch bedingten Krankheiten entwickelt sich der äußerlich erkennbare Phänotyp während verschiedener Alterstufen. Hier wird ein Beispiel für eine Karyotyp-PhänotypBeziehung für eine partielle Duplikation von Chromosom 5 bei drei Geschwistern vorgestellt. Die Duplikation von 5q33 bis zum Telomer ist das Ergebnis einer elterlichen reziproken Translokation. Bei einem Fetus der 22. Schwangerschaftswoche (1), einem Säugling von 5 Monaten (2) und einem Kind von 8 Jahren (3) findet sich ein ähnliches Gesicht. Postnatal lag eine schwere psychomotorische Entwickungsverzögerung vor. (Abb. aus Passarge et al. Teratology 25: 221–225, 1982). Schinzel, A.: Catalogue of Unbalanced Chromosome Aberrations in Man. 2nd ed. W. de Gruyter, Berlin, 2001. Spinner, N. B., Emmanuel, B. S.: Deletions and other structural abnormalities of autosomes. Pp. 1202– 1236. In: D. L. Rimoin et al., eds.: Emery and Rinoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th., Churchill-Livingstone, London-Edinburgh, 2002.
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389
Strukturaberrationen von Chromosomen
7 Tage alt 9 Monate A. Deletion 5p–: Cri-du-chat-Syndrom
3 Jahre
6 Jahre
cen
1. 11/4 Jahre alt 2. 4 Jahre alt B. Deletion 4p–: Wolf–Hirschhorn-Syndrom
WHSCR
ZNF141
IDUA
FGFR3 D4S113
D4S166
D4S43
D4S182
Chromosom 4
tel
3. Schema der physischen Karte von 4p16
3. Rubinstein–Taybi-Syndrom 2. Del22q11 1. Williams–Beuren C. Andere Mikrodeletions-Syndrome (Beispiele)
1. Fetus: 22 Wochen 2. 5 Monate 3. 8 Jahre D. Phänotyp einer Duplikation 5q bei verschiedenen Altersstufen
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390
Einführung in die Genetische Diagnostik
Prinzipien der Genetischen Diagnostik Die richtige Erkennung einer genetisch bedingten Krankheit erfordert koordiniertes Vorgehen in mehreren Schritten. Die Aufgabe beginnt mit der Analyse des Phänotyps (alle klinischen Aspekte einschließlich Anamnese und laboratoriumsdiagnostischer Befunde) und des Stammbaummusters unter Berücksichtigung differentialdiagnostischer Erwägungen. Dabei muss die Möglichkeit einer ätiologischen (genetischen) Heterogenität der Erkrankung stets bedacht werden: was nach klinischer Manifestation wie eine einheitliche Krankheit erscheinen mag, können in Wirklichkeit mehrere verschiedene genetische Typen mit verschiedenen genetischen Ursachen und verschiedenen Erbgängen sein. Zur Diagnose gehört eine fundierte Beurteilung des Risikos für das Auftreten der betreffenden Krankheit bei anderen, nicht erkrankten Familienmitgliedern oder Kindern des Patienten.
A. Genetische Diagnostik als Mehrschrittvorgang Das Prinzip besteht aus einer Abfolge von binären Entscheidungsschritten. Man prüft, ob der Phänotyp, die Gesamtheit aller Manifestationen und Laborbefunde einem wiedererkennbaren Muster entspricht oder nicht. Dies ist meistens die schwerste Frage und sie kann auch nicht immer sicher beantwortet werden. Wenn nein, ist dennoch eine empirisch gestützte Einschätzung des genetischen Risikos möglich. Eine wichtige Ebene der Betrachtung ist die Frage, um welche Kategorie einer genetisch bedingten Krankheit es sich handeln mag, monogen (verursacht durch Veränderung eines einzelnen Gens), komplex oder multigen (interaktive Beteiligung meherer Gene und nicht-genetischer Faktoren), aneuploide Störungen durch Chromosomenaberrationen. Für alle monogen bedingten Krankheiten muss grundsätzlich das Klassifikationsystem nach Genen und genetischen Krankheiten von McKusick zu Rate gezogen werden (McKusick, Mendelian Inheritance in Man [MIM], 1998, mit dem Online-Zugang OMIM: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/Omim), sowie andere bei OMIM angebotene frei zugängliche Online-Informationen und Referenzwerke wie Rimoin et al., (2002); Scriver et al., (2001), Jones (1997) und die der jeweiligen Krankheitsgruppe oder dem Organsystem entsprechenden Bücher und Zeitschriften wie sie z. B. in diesem Buch zitiert werden.
B. Genotypisierung durch PCRVerfahren Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR, vgl. S. 68) ist ein weit verbreitetes Verfahren bei der direkten und indirekten DNA-Diagnostik. Das Schema zeigt das Prinzip einer indirekten DNADiagnostik zur Feststellung des Genotyps an der untersuchten Stelle mittels eines polymorphen Markers. Die willkürlich als Allel 1 und Allel 2 bezeichneten DNA-Abschnitte unterscheiden sich durch Fehlen (Allel 1) und Anwesenheit einer polymorphen Stelle (RestriktionsErkennungsstelle oder Einzelnukleotid-Polymorphismus, SNP, vgl. S. 74). Nach Amplifikation können die beiden Allele an ihrer Größe (a für Allel 1 bzw. b und c für Allel 2) unterscheiden und die drei möglichen Genotypen ermittelt werden.
C. Protein-Trunkationstest Bei diesem Text werden Mutationen erfasst, welche die Synthese des Proteins durch Verschiebung des Leserasters, verändertes Spleißen oder Nonsense-Mutation vorzeitig beenden (truncation). Das Schema zeigt das normale Protein und drei mutante, verkürzte Proteine. Von dem untersuchen Gen wird mRNA isoliert und in einem in-vitro-Translationssystem die Größe bestimmt. Mit einem Protein-Trunkationstest können vor allem heterozygote Mutationen bei autosomal dominanten Erkrankungen erkannt werden, wie zum Beispiel Familiäre Adenomatöse Polypose (FAP, vgl. S. 310). Neben den beiden hier dem Prinzip nach illustrierten Verfahren gibt es viele andere. Aase, J. M.: Diagnostic Dysmorphology. Plenum Medical Book Company, New York, 1990. Beaudet, A. L.: Genetics and disease, pp. 365–395. In: Fauci, A. S., et al., eds., Harrison’s Principles of Internal Medicine. 14th ed. McGraw-Hill, New York, 1998. Jones, K. L.: Smith’s Recognizable Patterns of Human Malformation. 5th ed. W. B. Saunders, Philadelphia, 1997. McKusick, V. A.: Mendelian Inheritance in Man. A Catalog of Human Genes and Genetic Disorders. 12th ed. Johns Hopkins University Press, Baltimore, 1998. Passarge, E.: Genetik, S. 5–56. In: Klinische Pathophysiologie, 8. Aufl., W. Siegenthaler, Herausg. Thieme Stuttgart-New York, 2001. Rimoin, D. L. et al., eds.: Emery and Rimoin’s Principles and Practice of Medical Genetics. 4th ed., ChurchillLivingstone, London-Edinburgh, 2002. Scriver, C. R. et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGraw-Hill, New York, 2001.
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391
Prinzipien der Genetischen Diagnostik
Phänotyp (Klinische Manifestation) Muster erkennbar
diagnostische Sackgasse
Nein
empirische Risikoschätzung
Ja Krankheitskategorie; genetische Heterogenität monogen
komplex, multigen empirische Risikoschätzung
Gen kartiert
Gen identifiziert
definitive Diagnose präzise Risikobestimmung
Nein Nein
Ja
Chromosomenanalyse
Mendelsches Vererbungsmuster bestimmt das Risiko
Nein
Ja
Aneuploidie, Aneusomie
familiäres Vorkommen
definitive molekulare Diagnose
Ja
indirekte DNA-Analyse
präzise Risikobestimmung
mutanter Haplotyp identifiziert
genetische Beratung A. Genetische Diagnose, ein Mehrschrittverfahren a
Allel 1 5' 3'
3' 5'
Primer b
Allel 2 5' 3'
Primer
c
Primer 3' 5'
Primer
Genprodukt
normales Protein
Mutante A
verkürzte Proteine durch Nonsense Mutation
Mutante B Mutante C
variante Restriktionsstelle vorhanden
Isolierung von mRNA cDNA-Präparation
Amplifizierung
reverse Transkriptions-PCR PCR-Produkte mit Restriktionsenzym spalten
amplifizierte DNA In vitro-Translation
Gel-Elektrophorese Typisierungsergebnis für Allele 1 und 2 a 1–1 Homozygot
a b c
1–2 Heterozygot
Größenbestimmung b c
2–2 Homozygot
B. Genotyp-Analyse durch PCR-Typisierung
normal
A
B
C Gel-Elektrophorese
C. Protein-Trunkationstest (Schema)
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mutant
392
Einführung in die Genetische Diagnostik
Nachweis von Mutationen ohne Sequenzierung Da der Nachweis einer Mutation durch Sequenzierung auch mit den modernen SequenzierAutomaten aufwendig und kostspielig ist, werden verschiedene Verfahren zur Mutationssuche vorgeschaltet. Mit ihrer Hilfe werden einzelne Bereiche vor allem eines großen Gens indirekt auf Hinweise einer Mutation voruntersucht. Von den zahlreichen Verfahren wird hier das Prinzip von drei bewährten Vorgehensweisen schematisch illustriert. Dies sind Allelenspezifische Oligonukleotid-Hybdridisierung (ASO), Denaturierende Gradienten Gel-Elektrophorese (DGGE) und Ribonuklease-A-Spaltung.
A. Allelen-spezifische OligonukleotidHybridisierung Bei diesem Verfahren wird der durch eine Mutation entstandene Unterschied geprüft. Das Prinzip beruht darauf, dass kurze DNA-Abschnitte von ca. 15–20 Nukleotiden (Oligonukleotide) nur dann vollständig hybridisieren, wenn sie vollständig komplementär sind (vgl. S. 40). Das Schema zeigt das normale Allel (1) und das mutante Allel (2) mit dem einen durch die Mutation entstandenen Unterschied in einem Nukleotid. Das dem normalen Allel exakt komplementäre Oligonukleotid 1 hybridisiert deshalb vollständig (3), im Gegensatz zu dem mutanten Allel (4), das zu unvollständiger Hybridisierung (Mismatch) führt. Umgekehrt hybridisiert ein mit dem mutanten Allel komplementäres Oligonukleotid 2 mit diesem vollständig (5), aber nicht mit dem normalen Allel (6). Das Testergebnis (7) zeigt die resultierenden Befunde. Durch die radioaktiv oder fluoreszenz-markierten Oligonukleotide entsteht nur ein Signal, wenn sie hybridisiert haben. Dadurch können das mutante und das normale Allel unterschieden werden.
B. Denaturierende Gradienten GelElektrophorese (DGGE)
dig komplementäre DNA-Stränge (sie hat einen niedrigeren Schmelzpunkt). Bringt man normale DNA (Kontrolle) und DNA mit der Mutation in ein Gel mit einem Gradienten zunehmender Konzentration von Formamid (Denaturierungsgel), so lassen sich mutante und normale DNA anschließend im Southern-Blot unterscheiden. Während die normale DNA zunächst stabil bleibt und erst bei einer höheren Konzentration von Formamid dissoziiert und nicht mehr weiter wandert, denaturiert mutante DNA früher, so dass sie weniger weit wandert.
C. Nachweis einer Punktmutation durch Ribonuklease-A-Spaltung Dieses Verfahren beruht darauf, dass normalerweise ein DNA-Strang vollständig mit mRNA aus diesem Bereich hybridisiert. Vollständig hybridisierte DNA und mRNA sind vor der Einwirkung des RNA-spaltenden Enzyms Ribonuklease A geschützt. Die Hybridisierung ist im Bereich einer Mutation unvollständig. An dieser Stelle wird mRNA von Ribonuklease A (RNase A) gespalten. Dies kann im SouthernBlot nachgewiesen werden. Es entstehen zwei Fragmente, die zusammen der Größe des vollständig hybridisierenden Fragments entsprechen (600 Basenpaare [bp] bzw. 400 und 200 bp). Beaudet, A. L., et al.: Genetics, biochemistry, and molecular bases of variant human phenotypes. Pp. 3–45. In: C. R. Scriver et al., eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. 8th ed., McGrawHill, New York. 2001. Caskey, C. T.: Disease diagnosis by recombinant DNA methods. Science 236: 1223–1229, 1987. Dean, M.: Resolving DNA mutations. Nature Genet. 9: 103–104, 1995. Mashal, R. D., Koontz, J., Sklar, J.: Detection of mutations by cleavage of DNA heteroduplexes with bacteriophage resolvases. Nature Genet. 9: 177–183, 1995. Strachan, T., Read, A. P.: Human Molecular Genetics. 2nd ed., Bios Medical Publishers, Oxford, 1999.
Dieses Verfahren beruht auf dem Nachweis eines Unterschieds in der Stabilität eines DNAAbschnitts mit und ohne Mutation. Während doppelsträngige DNA einer Kontrollperson vollständig komplementär ist (Homoduplex), kommt es bei Vorliegen einer Mutation zu einem Mismatch in diesem Bereich (Heteroduplex). Diese DNA ist weniger stabil als vollstän-
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Nachweis von Mutationen ohne Sequenzierung
1. normal
G
2. Mutation
A
3. normal
G C
4. Mutation
Oligonukleotid 1 hybridisiert
A C
5. Mutation
393
Oligonukleotid 1 hybridisiert unvollständig
A T Oligonukleotid 2 hybridisiert
6. normal
G T
7. Testergebnis 7. bei Dot-Blot 7. Analyse
Markierte Sonden
Oligonukleotid 2 hybridisiert unvollständig
Mutation homozygot
Kontrolle
heterozygot
homozygot
Oligonukleotid 1 Oligonukleotid 2 A. Allelen-spezifische Oligonukleotid-Hybridisierung
A
DNA-Kontrolle (Homoduplex)
T G
Mutation (Heteroduplex)
T
40% mutante DNA (unstabil)
DNA-Einzelstrang
U
mRNA (markiert)
G
Mutation
U
mRNA (unvollständig hybridisiert)
RNAse (schneidet mRNA Einzelstrang) 0%
normale DNA (stabil)
A
80%
B. Denaturierende Gradienten Gel-Elektrophorese (DGGE)
Denaturierungs-Gel enthält Formamid 0-80%
600 bp 400 bp 200 bp normal
mutant
C. Nachweis einer Punktmutation durch B. Ribonuklease-A-Spaltung
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394
Pathologische Anatomie des Humanen Genoms
Genloci für Krankheiten des Menschen Zwei Werke der Renaissance, die 1543 von Andreas Vesalius (1514–1564) erschienenen sieben Bücher De humani coporis fabrica libri septi (die „Fabrica“) und die 1761 erschienene Kausalanalyse De Sedibus et Causis Morborum per Anatomen Indagatis von Giovanni Battista Morgagni (1682–1771) gelten als Grundlage der normalen und pathologischen Anatomie und Wegbereiter der modernen Medizin. Unter der Bezeichnung „The Morbid Anatomy of the Human Genome“ hat Victor A. McKusick, Johns Hopkins University Baltimore, seit 1966 die durch die Kartierung von Genen und der rekombinanten DNA-Techniken geschaffenen neuartigen Erkenntnismöglichkeiten über die Beziehungen von Ursachen von Krankheiten und dem Genom des Menschen zusammengefasst (McKusick, 1998, und freier Online-Zugang unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ Omim). In der Tat hat während der letzten 50 Jahre seit Aufklärung der DoppelhelixStruktur der DNA ein durchaus vergleichbar neues Zeitalter für das Verständnis der Ursachen von Krankheiten für die Medizin und Biologie begonnen. Nirgends ist der Fortschritt der Kenntnisse über Gene und des Genom des Menschen besser dokumentiert als im McKusick-Katalog von Genen und Krankheiten des Menschen (MIM, Mendelian Inheritance of Man), der in 12 Auflagen seit 1966 erschienen ist. Dieses Werk besteht aus einem kommentierten Katalog aller zu einem gegebenen Zeitpunkt bekannten Genloci, ihrer Allele und krankheitsauslösenden Mutationen. Jeder Genlocus ist mit einer eigenen sechsstelligen Nummer versehen, Untergruppen ggf. durch Dezimalstellen. An der ersten Ziffer kann man erkennen, welcher grundlegenden Kategorie ein Merkmal oder eine Krankheit angehört: autosomal dominant (1), autosomal rezessiv (2), Xchromosomal (3), Y-chromosomal (4), mito-
chondrial (5). Eintragungen ab 1994 beginnen mit der Ziffer 6. An der Zahl der Eintragungen der Gesamtzahl der erfassten, bekannten Genloci lässt sich der rasche Zuwachs an Wissen leicht ablesen: 1487 in der ersten Auflage 1966, 1545 in der zweiten 1968. Etwa alle 15 Jahre hat sich die Zahl verdoppelt (3368 in der 6. Auflage 1983; 5710 in der 10. Auflage 1992; 8587 in der 12. Auflage 1998; über 10 000 Ende 1998). Gegenwärtig sind es 14 534 (12. Juni 2003). Von ca. 1600 Krankheiten sind die Art der Mutation und die von ihr ausgehenden pathogenetischen Veränderungen und ihre Rolle für die Manifestation der Krankheit im Detail aufgeklärt. Die Wichtigkeit der systematischen Erfassung von Genloci, normalen und mutanten Allelen für das Verständnis der Ursachen monogener Erkrankungen kann nicht überschätzt werden. Für die Genetik in der Medizin entspricht es in seiner Bedeutung dem periodischen System der chemischen Elemente von Dimitrij I. Mendelyev von 1869 oder dem „Chronologisch-thematischen Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Wolfgang Amade´ Mozarts“ 1862 durch Ludwig Alois Ferdinand Köchel. Die folgenden fünf Tafeln zeigen eine Anzahl ausgewählter Beispiele für kartierte Genloci, an denen krankheitsauslösende Mutationen bekannt sind, mit der ungefähren Position für jedes der 24 Chromosomen. Die tatsächlich verfügbaren Informationen sind in gedruckter Form nicht mehr darstellbar. Der Leser sei auf die Online-Ausgabe OMIM verwiesen. Childs, B.: Genetic Medicine. Johns Hopkins Univ. Press, Baltimore, 1999. McKusick, V. A.: Mendelian Inheritance in Man. Catalog of Human Genes and Genetic Disorders. 12th ed. Johns Hopkins Univ. Press, Baltimore, 1998. Online Version OMIM at: (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ Omim/). Peltonen, L., McKusick, V. A.: Dissecting human disease in the postgenomic era. Science 291: 1224–1229, 2001.
Anzahl der Einträge in OMIM nach Genloci und Phänotypen Typ
autosomal
X-chromosomal
Y-chromosomal
mitochondrial
Genloci Beschriebene Phänotypen
10 150 1 224
551 100
41 0
37 23
(Daten aus OMIM am 12. Juni 2003 bei www.ncbi.nlm.nih.gov/Omim/)
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Genloci für Krankheiten des Menschen Elliptocytose Typ 1 Bartter-Syndrom Infantile Hypophosphatasie Fucosidose Porphyria cutanea tarda Hepatoerythropoetische Porphyrie Galactose-Epimerase-Defizienz Infantile Ceroid-Lipofuscinose, neuronaler Typ 1 Complement 8-Defizienz I und II Acyl-CoA-Dehydrogenase-Defizienz Ahornsirup-Krankheit Typ II Achromatopsie
36
3 p
34 32 31
2 1 1
22 21 13 12
Gaucher-Krankheit Phosphokinase-Defizienz Familiäre komb. Hyperlipidämie Elliptocytose-2/recessive Sphärocytose Antithrombin III-Defizienz Spinale Muskelatrophie Typ Charcot-Marie-Tooth Typ Ib Crigler-Najjar-Syndrom
21 2
q
23 24 25 31
3 32 41 4
42 44
1
2 p
ACTH-Defizienz Aniridie Typ 1 Hereditäres nicht-polypöses Colonca. Typ 1 Hyperbetalipoproteinämie Apolipoprotein B-100-Defekt Beckengürtelmuskeldystrophie Typ 2 B Hereditäres nicht polypöses Colonca Typ 5 Thyreoid-Jod-PeroxidaseDefizienz Carbamyl-PhosphatSynthetase-I-Defizienz Nephronophthise, juvenile Ectodermale Dysplasie
25 24 22 16
1
13 12 11 11
1
12 14 21
2 q
Faktor V-Defizienz Zonuläre pulverisierende Cataract Septische Granulomatose Glycogenose Typ VII Faktor XIII B-Defizienz Usher-Syndrom Typ 2 Chediak-Higashi-Syndrom Ig 42
Protein C-Defizienz
22
Xeroderma pigmentosum Komplement-Gruppe B
24
Ehlers-Danlos-Syndrom IV Familiäres Aortenaneurysma
31
Hereditäres nicht-polypöses Colonca Typ 3
32
Amyotrophe Lateralsklerose
3
Cerebrotendinöse Xanthomatose
34 36 37
2
Erkrankungen von besonderer Bedeutung: allelische Formen autosomal dominant durch chromosomale 16 Umstrukturierung bedingt autosomal recessiv
2
von Hippel-Lindau-Syndrom Fanconi-Anämie Typ D2 Schilddrüsenhormon-Resistenz Xeroderma pigmentosum Typ C kleinzelliges Bronchialcarcinom Pseudo-Zellweger-Syndrom Hereditäres nicht-polypöses Coloncarcinom Typ 2 GM1-Gangliosidose Morquio-Syndrom Typ B Epidermolysis bullosa dystrophica Nierenzellcarcinom Glykogenspeicherkrankheit Typ 4
25 24 21
p
14 1 12 11 1
13 21
q 2
24 26 29
3
Protein S-Defizienz Glutathion-Peroxidase-Defizienz Orotsäure-Acidämie Propionsäure-Acidämie Typ B Cerebelläre Ataxie (eine Form) 3q23 Atransferrinämie Hereditäre Hypercoerulo-Plasminämie Retinitis pigmentosa Typ 5 Succhrose-Intoleranz B-Zell Lymphom Alkaptonurie
395
p
1
1 13 21 24 26 28
q
31 3
Waardenburg-Syndrom Typ I
Chorea Huntington Achondroplasie Crouzon-Syndrom Hypochondroplasie Mucopolysaccharidose Typ I (Hurler/Scheie) PKU infolge DihydropteridinReductase-Defizienz
15 13
2
Alport-Syndrom
32 35 4
Analbuminämie Alpha-Fetoprotein-Defizienz Polycystische Nierenkrankheit Typ III Dentinogenesis imperfecta Typ I Mucolipidose Typ II und III Rieger-Syndrom Aspartylglucosaminurie C3b-Inaktivator-Defizienz Dysfibrinogenämie Interleukin 2-Defizienz Sklerotylose Anteriore segmentale mesenchymale Dysgenesie Pseudohypoaldosteronismus Facioscapulohumerale Muskeldystrophie Faktor XI-Defizienz
A. Genloci für Krankheiten auf dem Genom des Menschen (Chromosom 1-4)
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Pathologische Anatomie des Humanen Genoms
15
Defizienz Complement 6, 7 und 9 Primordialer Minderwuchs Typ Laron Mucopolysaccharidose Typ VI Spinale Muskelatrophie (mehrere Typen) β-Hexosaminidase-Defizienz; GM2-Gangliosidose Typ Sandhoff Adenomatöse Polyposis coli Gardner-Syndrom Colorectales Carcinom MCC Suszeptibilität gegen Diphtherie-Toxin Cortisol-Resistenz Schwerhörigkeit (unter ca. 8000 Hz) Beckengürtel-Muskeldystrophie Typ 1A Bronchialasthma Mandibulo-Faciale Dysostose Diastrophe Dysplasie Faktor XII-Defizienz Craniosynostose Typ 2
11 13 14 q 2
21 23 31
3
25
Hirschsprung’sche Krankheit (ein Typ) (5p13.1)
p 1 14 13
1
33 35
2
22 21
p
1 12 12 1
q
15 16 21 22
0
24 25 27
6
p
21 15
1 13 11 1 11 2
21 22
q
Megabasen (Mb)
100
Craniosynostose Saethre-Chotzen Craniopolysyndaktylie Typ Greig Phospho-Glycerat-Mutase-Defizienz
22
31 3 36
7
Muskeldystrophie (Merosindefizienz) Argininämie Vitelline Makula-Dystrophie Plasminogen-Defizienz Typ I und II
2
5
2
Faktor XIII A-Defizienz Ahornsirupkrankheit-3 Spinocerebelläre Ataxie-1 Fanconi-Anämie Typ E Vorhofseptum-Defekt (eine Form) Defizienz Complement 2 und 4 21-Hydroxylase-Defizienz Cleidocraniale Dysplasie Juvenile myoklone Epilepsie Hämochromatose Methylmalon-Acidurie Retinitis pigmentosa (Peripherin-Defekt) Okulärer Albinismus
Brachydaktylie Typ A1
Argininosuccinin-Acidurie Septische Granulomatose (NCF-1) Zellweger-Syndrom Mucopolysaccharidose VII Ectrodactylie Syndrom Typ 1 Ehlers-Danlos-Syndrom Typ VII Osteogenesis imperfecta (Col1A2) Cutis laxa (Neonataler Marfanoider Typ) Hereditäres nicht-polypöses Coloncancer Typ 4 Cystische Fibrose Hämochromatose Trypsinogen-Defizienz Tritan-Farbblindheit Smith-Lemli-Opitz-Syndrom Hereditäre Persistenz von FetalHämoglobin (eine Form) Holoprosencephalie Typ 3 3-Hydroxyacyl-CoA-DehydrogenaseDefizienz
p
Hyperlipoproteinämie Typ I Glutathion-ReduktaseDefizienz Plasminogen-AktivatorDefizienz Werner-Syndrom
23 2 22 12 11 11 1 12 13 1
21
q 2
22 23 24
8
Sphärocytose Typ 2 Retinitis pigmentosa Typ 1 11-β-Hydroxylase-Defizienz Adenocarcinom Colon Typ 3 Multiple Exostosen Tricho-Rhino-Phalangeales Syndrom Typ 1 Langer-Giedion-Syndrom Acrodermatitis enteropathica Burkitt-Lymphom Epidermolysis bullosa Typ Ogna Atypische vitelliforme Makula-Dystrophie Hereditäre Hypothyreose
A. Genloci für Krankheiten auf dem Genom des Menschen (Chromosom 5-8)
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Genloci für Krankheiten des Menschen
Malignes cutanes Melanom α-Interferon-Defizienz Galactosämie
24 2 p
21 1 13 1 12
q
2
21 22 31
3 34 9
15 p 1 14 12 11 12 1 13 q
14 22 2 23
11
p 1
1
11 12 14
q
2 21 22 31 3 32 34
13
Friedreich'sche Ataxie Fructose-Intoleranz Amyloidose, Finnischer Typ Citrullinämie Fanconi-Anämie Typ C Basalzellnävus-Syndrom (eine Form) Akute hepatische Porphyrie Brachydaktylie Typ B Nagel-Patella-Syndrom Adenylat-Kinase-Defizienz Xeroderma pigmentosum Typ 1 Familiäre Dysautonomie Complement 5-Defizienz Tuberöse Sklerose Typ 1 Chronische Myeloische Leukämie Niemann-Pick-Krankheit Typ A u. B Rhabdomyosarcom Fanconi-Anämie Typ F Beckwith-Wiedemann-Syndrom Diabetes mellitus Typ II (MODY) Hypoparathyreodismus (AR,AD) β-Hämoglobinopathien Wilms-Tumor Typ 2 Wilms-Tumor-Aniridie-Komplex Aniridie Typ 2 Acatalasämie Hypoprothrombinämie Hereditäres Angioödem Multiple Endokrine Neoplasie Typ 1 Glycogenose Typ McArdle Albinismus (eine Form) Tuberöse Sklerose Typ 2 Ataxia-telangiectatica Pyruvat-Carboxylase-Defizienz Epidermolysis bullosa dystrophica Akute intermittierende Porphyrie Hypertriglyceridämie Amyloidose Typ Iowa BRCA 2 Fanconi-Anmie Typ D1 Muskeldystrohie Beckengliedertyp 2C (13q12) Retinoblastom Osteosarcom Morbus Wilson Hirchsprung’sche Krankheit Typ2 Postaxiale Polydaktylie Typ A2 Propionacidämie Typ A Gerinnungsfaktor VII-Defizienz Gerinnungsfaktor X-Defizienz
Hämolytische Anämie infolge Hexokinase-Defizienz
15 p1
Cockayne-Syndrom
12
Medulläres Schilddrüsen-Ca. Multiple Endokrine Neoplasie-2 Multiple Endokrine Neoplasie-3 Intestinale Aganglionose Hirschsprung Metachromatische Leukodystrophie (SAP-1-Defizienz) Morbus Gaucher (variante Form) Cholesterylester-Speicherkrankheit (Wolman) Chorioid-Gyrat Atrophie mit Ornithinämie Glioblastom Medulloblastom Congenitale Erythropoietische Porphyrie Pankreas-Lipase-Defizienz
11 1
397
11 21
q 2 23 25 10
Complement-C1r/C1s-Defizienz Triosephosphat-IsomeraseDefizienz von Willebrand-Krankheit
13 p 1 12 11
Colorectales Carcinom Epidermolysis bullosa simplex Prämature Osteoarthrose Arthroophthalmopathie (Stickler) Typ 1 Spondyloepiphysäre Dysplasie (Congenital und Typ Kniest) Achondrogenesis Typ Langer-Saldino B-Zell Non-Hodgkin Lymphom Mucopolysaccharidose Typ IIID Tuberöse Sklerose Typ 3 Holt-Oram-Syndrom Noonan-Syndrom Phenylketonurie
12 1 13 q
21 2 24 12
p 1 11 1 12 q
21 2 22 24 3
31 32
14
Usher-Syndrom Typ 1A Hypertrophe Cardiomyopathie NucleosidphosphorylaseDefizienz Galactosylceramid-Lipidose Elliptocytose (β-Spectrin-Defekt) Sphärocytose Typ 1 Alpha-1-Antitrypsin-Defizienz Hereditäres nicht-polypöses Coloncarcinom Transcortin-Defizienz Porphyria variegata Spinocerebelläre Ataxie Typ 3
A. Genloci für Krankheiten auf dem Genom des Menschen (Chromosom 9-14)
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398
p 1 1
Pathologische Anatomie des Humanen Genoms
11 11
21
q 2
22
26
15
Prader-Willi-Syndrom Angelman-Syndrom Albinismus Typ 2 Isovalerianacidämie Beckengürtel-Muskeldystrophie (eine Form) Hereditäres nicht polypöses Coloncancer Typ7 Marfan Syndrom Dyslexie Typ 1 (15q21) GM2-Gangliosidose (Tay-Sachs) Glutaracidurie Typ 2 Tyrosinämie Typ 1 Bloom-Syndrom
Hämoglobinopathien infolge Mutationen in den Globin α-Genen Familiäres mediterranes Fieber Tuberöse Sklerose Typ2 Rubinstein-Taybi-Syndrom Polycystische Nierenerkrankung Typ I Congenitale Myopathie Typ Batten-Turner
13 1 12 11
p
1 11 12
q
2 23 24
16
Tyrosinämie Typ 2 Fanconi-Anämie Typ A
Miller-Dieker-Syndrom Colorectales Carcinom/ Li-Fraumeni-Syndrom (p53-Gen) Spinale Muskelatrophie Typ 1a Smith-Magenis-Syndrom 13 p
1
11
1 11 q
21 2 22 24 25
17
17-Ketosteroid-Reduktase-Defizienz Neurofibromatose Typ 1 Epidermolysis bullosa simplex Acetyl-CoA-Carboxylase-Defizienz BRCA1 Galactokinase-Defizienz Ehlers-Danlos-Syndrom Typ 7 Osteogenesis imperfecta/COL1A2) Acanthocytose (eine Form) Elliptocytose, Malaysischer/ Melanesischer Typ Campomele Dysplasie Thrombasthenie Typ Glanzmann Glycogenose Typ 2 (Pompe) Wachstumshormon-Defizienz Periodische hyperkalämische Paralyse Paramyotonia congenita Myotonia congenita
Insulinresistenter Diabetes mellitus mit Acanthosis nigricans Multiple epiphysäre Dysplasie Typ1 Complement 3-Defizienz Schwere kombinierte Immundefizienz Hirschsprung’sche Krankheit (ein Typ) Familiäre Hypercholesterolämie Mannosidose
p 1 13 12 q 1 13
19
Central Core Myopathie Glucosephosphat-IsomeraseDefizienz Suszeptibilität gegen Poliomyelitis Hyperlipoproteinämie Typ IB und 3 Maligne Hyperthermie Myotone Dystrophie
p 1 11
Plasmin-Inhibitor-Defizienz Niemann-Pick Typ C
11
Familiäre amyloidoische Neuropathie (mehrere Typen) Amyotrophe Lateralsklerose (eine Form) Colorectales Carcinom
1 q
12
21 2 22
18
Neurohypophysärer Diabetes insipidus Creutzfelt-Jakob-Krankheit Gerstmann-SträusslerKrankheit Cerebrale amyloide Angiopathie Allagille-Syndrom
13 p 1
11 11
q 1 13
20
Diabetes mellitus Typ 2 (MODY, eine Form) Brachydaktylie Typ C Schwere kombinierte Immundefizienz infolge Adenosin-DeaminaseDefizienz Pseudohypoparathyreoidismus Typ 1a
A. Genloci für Krankheiten auf dem Genom des Menschen (Chromosom 15-20)
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Genloci für Krankheiten des Menschen
p 1
Amelogenesis imperfecta Steroid-Sufatase-Defizienz (Ichthyose) Kallmann-Syndrom Chondrodysplasia punctata Hypophosphatämie Oculärer Albinismus Typ 1 Retinoschisis Nebennierenrinden-Hypoplasie (Glycerol-Kinase-Defizienz) Septische Granulomatose Retinis pigmentosa-3 Muskeldystrophie Typ Duchenne Muskeldystrophie Typ Becker Ornithin-Transcarbamylase-Defizienz Norrie-Syndrom Retinitis pigmentosa-2 Incontinentia pigmenti Wiskott-Aldrich-Syndrom Menkes-Syndrom
Amyotrophe Lateralsklerose (eine Form) Cerebro-arteriale Amyloidose (niederländ. Typ) Alzheimer-Krankheit (eine autosomal dominante Form)
12 11
q 2 21
*
Homocystinurie (Vitamin B6abhängige und nicht-abhängige Form)
22
21
Hämolytische Anämie infolge von Phosphofructokinase-Defizienz Progressive MyoclonusEpilepsie
22 2 p
*
21
*
*
1 11 Cat eye-Syndrom
p 1
DiGeorge-Syndrom Velocardiofaciales Syndrom α-N-Acetylgalactosaminidase-Defizienz Glutathioninurie BCR-chromosomale Region für Chronische Myeloische Leukämie
12 11
q 2 13
22
Neuroepitheliom Ewing-Sarcom DebrisoquinÜberempfindlichkeit Susceptibilität für Parkinsonismus Neurofibromatose Typ 2 (Acusticusneurinom) Meningiom Glucose/GalactoseMalabsorption Transcobalamin-II-Defizienz Metachromatische Leukodystrophie)
*
11 1 12 13
XY-Gonadendysgenesie (Mutationen im Testisdeterminierenden Faktor) Geschlechtsumkehr (XY females infolge Mutation im SRY-Gen) Männliche Infertilität (Deletion)
11 q 1 12
Y
TFM-Androgen-Rezeptordefekte Aarskog-Syndrom Phospho-Gluco-Kinase-Defizienz Hypohidrotische Ektodermale Dysplasie Agammaglobulinämie Typ Bruton Spinale und bulbäre Muskelatrophie (Typ Kennedy) Spinale Muskelatrophie Choroideremie Spastische Paraplegie, X-chromosomale Form Schwerhörigkeit infolge Stapes-Fixation Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit Hereditäre Nephritis (Alport-Syndrom) Fabry-Krankheit Lowe-Syndrom Hyper-IgM-Imundefizienz Lesch-Nyhan-Syndrom Albinismus-Taubheit-Syndrom Hämophilie B Fragiles X-Syndrom Typ A Mucopolysaccharidose Typ II (Hunter) Nephrogener Diabetes insipidus Adrenoleukodystrophie Hämophilie A Rot-Grün-Blindheit Dyskeratosis congenita Muskeldystrophie Typ Emery-Dreifuss Rett-Syndrom G6PD-Defizienz Oto-Palato-Digitales Syndrom Typ I
*
21
*
q 22 23 2
*
24 25 26
*
27 28
p 1 11
*
(auf 250% vergr.)
X
*
*
*
* *
*relativ häufig
A. Genloci für Krankheiten auf dem Genom des Menschen (Chromosom 21, 22, X, Y)
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*
400
Pathologische Anatomie des Humanen Genoms
Genloci für monogene Krankheiten des Menschen: (alphabetische Liste zu den Karten auf Seite 395–399) Aarskog-Syndrom (X-Chr.) Acanthocytose (eine Form) (Chr. 17) Acatalasämie (Chr. 11) Acetyl-CoA-Carboxylase-Defizienz (Chr. 17) Achondroplasie (Chr. 4) Acrodermatitis enteropathica (Chr. 8) ACTH-Defizienz (Chr. 2) Acyl-CoA-Dehydrogenase-Defizienz (Chr. 1) Adenocarcinom Colon Typ 3 (Chr. 8) Adenylat-Kinase-Defizienz (Chr. 9) Adrenoleukodystrophie (X-Chr.) Ahornsirup-Krankheit Typ 2 (Chr. 1) Ahornsirupkrankheit Typ 3 (Chr. 6) Akute hepatische Porphyrie (Chr. 9) Akute intermittierende Porphyrie (Chr. 11) Alagille-Syndrom (Chr. 20) Albinismus (eine Form) (Chr. 11) Albinismus Typ 2 (Chr. 15) Albinismus-Taubheit-Syndrom (X-Chr.) Alkaptonurie (Chr. 3) Alpha-1-Antitrypsin-Defizienz (Chr. 14) Alpha-Fetoprotein-Defizienz (Chr. 4) § -Interferon-Defizienz (Chr. 9) Alport-Syndrom (Chr. 2) Alzheimer Krankheit (eine Form) (Chr. 21) Amelogenesis imperfecta (X-Chr.) Amyloidose Typ Iowa (Chr. 11) Amyloidose, Finnischer Typ (Chr. 9) Amyotrophe Lateralsklerose, eine Form (Chr. 2) Amyotrophe Lateralsklerose, eine Form (Chr. 18) Amyotrophe Lateralsklerose, eine Form (Chr. 21) § N-Acetylgalactosaminidase Defizienz (Chr. 22) Analbuminämie (Chr. 4) Angelman-Syndrom (Chr. 15) Aniridie Typ 1 (Chr. 2) Aniridie Typ 2 (Chr. 11) Anteriore segmentale mesenchymale Dysgenesie (Chr. 4) Antithrombin III-Defizienz (Chr. 1) Apolipoprotein B-100 Defekt (Chr. 2) Argininämie (Chr. 6) Argininosucchinin-Acidurie (Chr. 7) Arthroophthalmopathie (Stickler-Syndrom) (Chr. 12)
Aspartylglucosaminurie (Chr. 4) Ataxia-telangiectatica (Chr. 11) Atransferrinämie (Chr. 3) Atypische vitelliforme Makula-Dystrophie (Chr. 8) g -Hämoglobinopathien (Chr. 11) g -Hexosaminidase-Defizienz; GM2-Gangliosidose Typ Sandhoff (Chr. 5) Basalzellnävus-Syndrom, eine Form (Chr. 9) BCR-chromosomale Region für Chronische Myeloische Leukämie (Chr. 22) Beckengürtel-Muskeldystrophie (Chr. 5) Beckengürtel-Muskeldystrophie (eine Form) (Chr. 15) Beckengürtel-Muskeldystrophie Typ 2 B (Chr. 2) Beckwith-Wiedemann-Syndrom (Chr. 11) Bloom-Syndrom (Chr. 15) Brachydaktylie Typ A1 (Chr. 5) Brachydaktylie Typ B (Chr. 9) Brachydaktylie Typ C (Chr. 20) BRCA1, Brustkrebs (Chr. 17) BRCA2, Brustkrebs (Chr. 13) Bronchialasthma (Chr. 5) Burkitt-Lymphom (Chr. 8) B-Zell Lymphom (Chr. 3) B-Zell Non-Hodgkin Lymphom (Chr. 12) C3b-Inaktivator-Defizienz (Chr. 4) Campomele Dysplasie (Chr. 17) Carbamyl-Phosphat-Synthetase-I-Defizienz (Chr. 2) Cat eye-Syndrom (Chr. 22) Central Core Myopathie (Chr. 19) Cerebelläre Ataxie, eine Form (Chr. 3) Cerebro-arteriale Amyloidose (niederländischer Typ) (Chr. 21) Cerebrotendinöse Xanthomatose (Chr. 2) Chediak-Higashi-Syndrom (Chr. 1) Cholesterylester-Speicherkrankheit (Wolman) (Chr. 10) Chorea Huntington (Chr. 4) Choroideremie (X-Chr.) Chorioid-Gyrat-Atrophie mit Ornithinämie (Chr. 10) Chrondrodysplasia punctata (X-Chr.) Chronische Myeloische Leukämie (Chr. 9) Citrullinämie (Chr. 9) Cleidocraniale Dysplasie (Chr. 6) Cockayne-Syndrom (Chr. 10) Colon-Carcinom Typ 1 (Chr. 2) Colorectales Carcinom (Chr. 5) Colorectales Carcinom (Chr. 12) Colorectales Carcinom/Li-Fraumeni-Syndrom (Chr. 17)
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Genloci für Krankheiten auf Chromosomen des Menschen Complement 2 und 4 – (Defizienz Chr. 6) Complement 6, 7 und 9 – Defizienz (Chr. 5) Complement-3-Defizienz (Chr. 19) Complement 5-Defizienz (Chr. 9) Complement-8-Defizienz I und II (Chr. 1) Complement-C1r/C1s-Defizienz (Chr. 12) Congenitale Erythropoietische Porphyrie (Chr. 10) Congenitale Myopathie Typ Batten-Turner (Chr. 16) Cortisol-Resistenz (Chr. 5) Craniopolysyndaktylie Typ Greig (Chr. 7) Craniosynostose Saethre-Chotzen (Chr. 7) Craniosynostose Typ 2 (Chr. 5) Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (Chr. 20) Crigler-Najjar-Syndrom (Chr. 1) Crouzon-Syndrom (Chr. 4) Cutis laxa (Neonataler Marfanoider Typ) (Chr. 7) Cystische Fibrose (Chr. 7) Debrisoquine-Überempfindlichkeit (Chr. 22) Dentinogenesis imperfecta Typ 1 (Chr. 4) Diabetes Mellitus Typ MODY (Chr. 11) Diabetes Mellitus Typ MODY (eine Form) (Chr. 20) Diabetes mellitus neonatal (Chr. 7) Diastrophe Dysplasie (Chr. 5) DiGeorge-Syndrom (Chr. 22) Dysfibrinogenämie (Chr. 4) Dyskeratosis congenita (X-Chr.) Dyslexie Typ 1 (Chr. 15) Ehlers-Danlos-Syndrom Typ 4 (Chr. 2) Ehlers-Danlos-Syndrom Typ 7 (Chr. 7) Ehlers-Danlos-Syndrom Typ 7 A1 (Chr. 17) Ektodermale Dysplasie, autosomale Form (Chr. 2) Ektrodactylie Typ 1 (Chr. 7) Elliptocytose ( g -Spectrin-Defekt) (Chr. 14) Elliptocytose Typ 1 (Chr. 1) Elliptocytose, Malayisch/Melanesischer Typ (Chr. 17) Elliptocytose-2/recessive Sphärocytose (Chr. 1) Epidermolysis bullosa dystrophica (Chr. 11) Epidermolysis bullosa dystrophica (Chr. 3) Epidermolysis bullosa simplex (Chr. 12) Epidermolysis bullosa simplex (Chr. 17) Epidermolysis bullosa Typ Ogna (Chr. 8) Ewing-Sarcom (Chr. 22) Fabry-Krankheit (X-Chr.) Facioscapulohumerale Muskeldystrophie (Chr. 4) Faktor V-Defizienz (Chr. 1) Faktor XI-Defizienz (Chr. 4)
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Faktor XII-Defizienz (Chr. 5) Faktor XIII B-Defizienz (Chr. 1) Faktor XIIIa-Defizienz (Chr. 6) Familiäre amyloidoische Neuropathie (mehrere Typen) (Chr. 18) Familiäre Dysautonomie (Chr. 9) Familiäre Hypercholesterolämie (Chr. 19) Familiäre Polyposis coli (Chr. 5) Familiäres Aortenaneurysma (Chr. 2) Familiäres mediterranes Fieber (Chr. 16) Fanconi-Anämie Typ A (Chr. 16), Typ C (Chr. 9), Typ D1 (Chr. 13), Typ D2 (Chr. 3), Typ E (Chr. 6), Typ F (Chr. 11) Fanconi-Anämie Typ 1 (Chr. 20) Fragiles X-Syndrom (X-Chr.) Friedreich’sche Ataxie (Chr. 9) Fructose-Intoleranz (Chr. 9) Fucosidose (Chr. 1) G6PD-Defizienz (X-Chr.) Galactokinase-Defizienz (Chr. 17) Galactose Epimerase-Defizienz (Chr. 1) Galactosylceramid-Lipidose (Chr. 14) Galactosämie (Chr. 9) Gardner-Syndrom (Chr. 5) Gaucher Krankheit (Chr. 1) Gerinnungsfaktor VII-Defizienz (Chr. 13) Gerinnungsfaktor X-Defizienz (Chr. 13) Gerstmann-Sträussler-Krankheit (Chr. 20) Geschlechtsumkehr (XY females infolge Mutationen im SRY-Gen) (Y-Chr.) Glioblastom Medulloblastom (Chr. 10) Glucose/Galactose-Malabsorption (Chr. 22) Glucosephosphat-Isomerase-Defizienz (Chr. 19) Glutaracidurie Typ 2 (Chr. 15) Glutathion-Peroxidase-Defizienz (Chr. 3) Glutathion-Reduktase-Defizienz (Chr. 8) Glutathioninurie (Chr. 22) Glycogenose Typ VII (Chr. 1) Glycogenose Typ 2 (Pompe) (Chr. 17) Glycogenose Typ McArdle (Chr. 11) GM1-Gangliosidose (Chr. 3) GM2-Gangliosidose (Tay-Sachs) (Chr. 15) Hämochromatose (Chr. 6) Hämochromatose (Chr. 7) Hämoglobinopathien infolge Mutation (Chr. 16) Hämolytische Anämie infolge Hexokinase-Defizienz (Chr. 10) Hämolytische Anämie infolge Phosphofructokinase-Defizienz (Chr. 21) Hämophilie A (X-Chr.) Hämophilie B (X-Chr.)
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Pathologische Anatomie des Humanen Genoms
Hepatoerythropoetische Porphyrie (Chr. 1) Hereditäre angeborene Hypothyreose (Chr. 8) Hereditäre Hypercoerulo-Plasminämie (Chr. 3) Hereditäre Nephritis (Alport-Syndrom) (X-Chr.) Hereditäre Persistenz von Fetal-Hemoglobin (eine Form) (Chr. 7) Hereditäres Angioödem (Chr. 11) Hereditäres nicht polypöses Colon-Carcinom Typ 2 (Chr. 3), Typ 3 (Chr. 2), Typ 5 (Chr. 2), Typ 4 (Chr. 7), Typ 7 (Chr. 15) Hirschsprungsche Krankheit, (Chr. 5, 11, 13, 19) Holoprosencephalie Typ 3 (Chr. 7) Holt-Oram-Syndrom (Chr. 12) Homocystinurie (B6-responsive und B6-nichtresponsive Form) (Chr. 21) 3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase-Defizienz (Chr. 7) 11- g -Hydroxylase-Defizienz (Chr. 8) 21-Hydroxylase-Defizienz (Chr. 6) Hyper-IgM-Immundefizienz (X-Chr.) Hyperbetalipoproteinämie (Chr. 2) Hyperlipoproteinämie Typ 1 (Chr. 8) Hyperlipoproteinämie Typ 1 B (Chr. 19) Hyperlipoproteinämie Typ 3 (Chr. 19) Hypertriglyceridämie (Chr. 11) Hypertrophe Cardiomyopathie (Chr. 14) Hypochondroplasie (Chr. 4) Hypohidrotische Ectodermale Dysplasie (X-Chr.) Hypoparathyreoidismus (Chr. 11) Dysplasie (X-Chr.) Hypophosphatämie (X-Chr.) Hypoprothrombinämie (Chr. 11) Immundefizienz, schwere kombinierte (Chr. 19) Immundefizienz infolge ADA-Defizienz (Chr. 20) Infantile Ceroid-Lipofuscionose, neuronaler Typ 1 (Chr. 1) Infantile Hypophosphatasie (Chr. 1) Insulinresistenter Diabetes mellitus mit Acanthosis nigricans (Chr. 19) Interleukin 2-Defizienz (Chr. 4) Intestinale Aganglionose (Hirschsprung) (Chr. 10) Isovaleriacidämie (Chr. 15) Juvenile myoklone Epilepsie (Chr. 6) Kallmann-Syndrom (X-Chr.) 17-Ketosteroid Reduktase-Defizienz (Chr. 17) Kleinzelliges Bronchialcarcinom (Chr. 3) Langer-Giedion Syndrom (Chr. 8) Lesch-Nyhan-Syndrom (X-Chr.)
Lowe-Syndrom (X-Chr.) Maligne Hyperthermie (Chr. 19) Malignes cutanes Melanom (Chr. 9) Mandibulo-Faciale Dysostose (FranceschettiKlein-Syndrom) (Chr. 5) Mannosidose (Chr. 19) Marfan-Syndrom (Chr. 15) Medulläres Schilddrüsen-Carcinom (Chr. 10) Meningiom (Chr. 22) Menkes-Syndrom (X-Chr.) Metachromatische Leukodystrophie (Chr. 22) Metachromatische Leukodystrophie (SAP-1Defizienz) (Chr. 10) Methylmalonsäure-Acidurie (Chr. 6) Miller-Dieker-Syndrom (Chr. 17) Morbus Gaucher (Chr. 10) Morbus Wilson (Chr. 13) Morquio Syndrom Typ B (Chr. 3) Mucolipidose Typ II und Typ III (Chr. 4) Mucopolysaccharidose Typ II (X-Chr.) Mucopolysaccharidose Typ I (Hurler/Scheie) (Chr. 4) Mucopolysaccharidose Typ VI (MaroteauxLamy) (Chr. 5) Mucopolysaccharidose Typ VII (Chr. 7) Multiple Endokrine Neoplasie Typ 1 (Chr. 11) Multiple Endokrine Neoplasie Typ 2 (Chr. 10) Multiple Endokrine Neoplasie Typ 3 (Chr. 10) Multiple epiphysäre Dysplasie Typ 1 (Chr. 19) Multiple Exostosen (Chr. 8) Muskeldystrophie Typ Becker (X-Chr.) Muskeldystrophie Typ Duchenne (X-Chr.) Muskeldystrophie Typ Emery-Dreifuss (X-Chr.) Muskeldystrophie (Merosindefizienz) (Chr. 6) Muskeldystrophie Beckengliedertyp 2 C (Chr. 13) Myotone Dystrophie (Chr. 19) Myotonia congenita (Chr. 17) Myotubuläre Myopathie (X-Chr.) Nagel-Patella-Syndrom (Chr. 9) Nebennierenrindenhypoplasie mit GlycerolKinase-Defizienz (X-Chr.) Nephrogener Diabetes insipidus (X-Chr.) Nephronophthise, juvenile (Chr. 2) Neuroepitheliom (Chr. 22) Neurofibromatose Typ 1 (Chr. 17) Neurofibromatose Typ 2 (Acusticus-Neurinom) (Chr. 22) Neurohypophysärer Diabetes insipidus (Chr. 20) Niemann-Pick-Krankheit Typ A u. B (Chr. 11) Niemann-Pick-Krankheit Typ C (Chr. 18) Nierenzellcarcinom (Chr. 3)
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Genloci für Krankheiten auf Chromosomen des Menschen Noonan-Syndrom (Chr. 12) Norrie-Syndrom (X-Chr.) Nucleosid-Phosphorylase-Defizienz (Chr. 14) Okulärer Albinismus (X-Chr.) OkulärerAlbinismus (Chr. 6) Ornithin-Transcarbamylase-Defizienz (X-Chr.) Orotsäure-Acidämie (Chr. 3) Osteogenesis imperfecta (Chr. 17) Osteogenesis imperfecta (COL1A2) (Chr. 7) Osteosarcom (Chr. 13) Oto-Palato-Digitales Syndrom Typ I (X-Chr.) Pankreas-Lipase-Defizienz (Chr. 10) Paramyotonia congenita (Chr. 17) Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit (X-Chr.) Periodische hyperkalämische Paralyse (Chr. 17) Phenylketonurie (PKU) (Chr. 12) Phospho-Gluco-Kinase-Defizienz (X-Chr.) Phospho-Glycerat-Mutase-Defizienz (Chr. 7) Phosphokinase-Defizienz (Chr. 1) PKU infolge Dihydropteridin-Reductase-Defizienz (Chr. 4) Plasmin-Inhibitor-Defizienz (Chr. 18) Plasminogen-Aktivator-Defizienz (Chr. 8) Plasminogen-Defizienz Typ I & II (Chr. 6) Polycystische Nierenerkrankung (Typ 1) (Chr. 16) Polycystische Nierenerkrankung Typ 3 (Chr. 4) Porphyria cutanea tarda (Chr. 1) Porphyria variegata (Chr. 14) Postaxiale Polydaktylie Typ A2 (Chr. 13) Prader-Willi-Syndrom (Chr. 15) Primordialer Minderwuchs Typ Laron (Chr. 5) Progressive Myoclonus-Epilepsie (Chr. 21) Propionacidämie Typ A (Chr. 13) Propionsäure-Acidämie Typ B (Chr. 3) Protein C-Defizienz (Chr. 2) Protein S-Defizienz (Chr. 3) Pseudo-Zellweger-Syndrom (Chr. 3) Pseudohypoaldosteronismus (Chr. 4) Pseudohypoparathyreoidismus Typ 1 a (Chr. 20) Retinitis pigmentosa Typ 2 (X-Chr.) Retinitis pigmentosa Typ 3 (X-Chr.) Retinitis pigmentosa (Peripherin-Defekt) (Chr. 6) Retinitis pigmentosa Typ 1 (Chr. 8) Retinitis pigmentosa Typ 5 (Chr. 3) Retinoblastom (Chr. 13) Retinoschisis (X-Chr.) Rett-Syndrom (X-Chr.) Rhabdomyosarcom (Chr. 11) Rieger-Syndrom (Chr. 4)
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Rot-Grün-Blindheit (X-Chr.) Rubinstein-Taybi-Syndrom (Chr. 16) Schilddrüsenhormon-Resistenz (Chr. 3) Schwerhörigkeit (unterer Frequenzbereich) (Chr. 5) Schwerhörigkeit infolge Stapes-Fixation (XChr.) Septische Granulomatose (NCF-1) (Chr. 7) Septische Granulomatose (NCF-2 Defizienz) (Chr. 1) Septische Granulomatose (X-Chr.) Sklerotylose (Chr. 4) Smith-Lemli-Opitz-Syndrom (Chr. 7) Smith-Magenis-Syndrom (Chr. 17) Spastische Paraplegie (X-chromosomale Form) (X-Chr.) Sphärocytose Typ 1 (Chr. 14) Sphärocytose Typ 2 (Chr. 8) Spinale Muskelatrophie (X-Chr.) Spinale Muskelatrophie Typ 1 a (Chr. 17) Spinale Muskelatrophie Typ Charcot-MarieTooth Typ 1 b (Chr. 1) Spinale Muskelatrophie Werdnig-Hoffmann und andere Typen (Chr. 5) Spinale-bulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy (X-Chr.) Spinocerebelläre Ataxie Typ 1 (Chr. 6) Spinocerebelläre Ataxie Typ 3 (Chr. 14) Spondyloepiphysäre Dysplasie (Congenitaler Typ) (Chr. 12) Spondyloepiphysäre Dysplasie (Typ Kniest) (Chr. 12) Steroid-Sulfatase-Defizienz (Ichthyose) (XChr.) Sucrose-Intoleranz (Chr. 3) Susceptibilität für Parkinsonismus (Chr. 22) Susceptibilität gegen Diphtherie-Toxin (Chr. 5) Susceptibilität gegen Poliomyelitis (Chr. 19) T-Zell-Leukämie/Lymphom (Chr. 14) TFM-Androgen-Rezeptordefekte (X-Chr.) Thrombasthenie Typ Glanzmann (Chr. 17) Thyreoid-Jod-Peroxidase-Defizienz (Chr. 2) Transcobalamin II-Defizienz (Chr. 22) Transcortin-Defizienz (Chr. 14) Tricho-Rhino-Phalangeales Syndrom Typ 1 (Chr. 8) Triosephosphat-Isomerase-Defizienz (Chr. 12) Tritan-Farbblindheit (Chr. 7) Trypsinogen-Defizienz (Chr. 7) Tuberöse Sclerose Typ 1 (Chr. 9) Tuberöse Sclerose eine Form (Chr. 11) Tuberöse Sclerose Typ 2 (Chr. 16) Tuberöse Sclerose Typ 3 (Chr. 12)
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Pathologische Anatomie des Humanen Genoms
Tyrosinämie Typ 2 (Chr. 16) Tyrosinämie Typ 1 (Chr. 15) Usher Syndrom Typ 1 (Chr. 14) Usher-Syndrom Typ 2 (Chr. 1) Van der Woude-Syndrom (Chr. 1) Velocardiofaciales Syndrom (Chr. 22) Vitelline Makula-Dystrophie (Chr. 6) von Hippel-Lindau-Syndrom (Chr. 3) Von Willebrand-Krankheit (Chr. 12) Vorhofseptum-Defekt (eine Form) (Chr. 6) Waardenburg Syndrom Typ 1 (Chr. 2) Wachstumshormon-Defizienz (Chr. 17) Werner Syndrome (Chr. 8)
Wilms-Tumor Typ 2 (Chr. 11) Wilms-Tumor-Aniridie-Komplex (Chr. 11) Xeroderma pigmentosum KomplementationsGruppe B (Chr. 2) Xeroderma pigmentosum Typ 1 (Chr. 9) XY-Gonaden-Dysgenesie (Y-Chr) Zellweger-Syndrom (Chr. 7) Zerebrale amyloide Angiopathie (Chr. 20) Zonuläre pulverisierende Cataract (Chr. 1) Hinweis: bei zahlreichen Erkrankungen existieren ähnliche Formen an anderen Loci, manchmal mit anderem Erbgang
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Allgemeine Literatur
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Glossar Definitionen von Begriffen der Genetik acentrisch – Bezieht sich auf ein Chromosom oder ein Chromatid ohne Centromer. acrocentrisch (White, 1945) – Bezieht sich auf ein Chromosom, dessen Centromer sehr nahe am Ende liegt und das Chromosom in einen langen und einen extrem kurzen Arm teilt. Aktive Stelle – Eine für die Funktion eines Proteins wichtiger Bereich. Alkyl-Gruppe – Kovalent verbundene Kohlenstoff- und Wasserstoff-Atome, wie in Methyloder Ethyl-Gruppen. Allel (Johannsen, 1909) oder Allelomorph (Bateson & Saunders, 1902) – Eine oder mehr alternative Formen eines Gens am selben Genlocus. Alu-Sequenzen – Eine Familie von etwa 300 Basenpaaren sequenzverwandter DNA-Abschnitte, die in etwa 1 Million Kopien im Genom des Menschen vorkommen (enthalten die Erkennungssequenz für das Alu-Restriktionsenzym). Amber Codon – Stopcodon UAG. Ames-Test – Ein Mutagenitäts-Test in einer Mischung von Rattenleber und mutanten Bakterien. Aminoacyl tRNA – Eine Transfer-RNA, die eine Aminosäure trägt. Amplifikation – Herstellung zusätzlicher Exemplare von DNA-Sequenzen (vgl. Genamplifikation). Anaphase, die (Strasburger, 1884) – Stadium der Mitose oder Meiose I oder II. Gekennzeichnet durch Bewegung der homologen Chromosomen in Richtung auf die gegenüberliegenden Pole der Zellteilungsspindel.
antwort mit Produktion von Antikörpern auslöst und/oder mit (diesen) Antikörpern spezifisch reagieren kann (Antigen-Antikörper-Reaktion). Antikörper – Ein Protein, das als Immunantwort spezifisch mit einem Antigen reagieren kann. Antisense-DNA – Ein DNA-Strang, der invers komplementär zu mRNA ist und als Vorlage (Templat) bei der Transkription dient. Antisense-RNA – Ein RNA-Strang, der invers komplementär zu mRNA ist. Apoptose – Programmierter Zelltod. Australopithecus – Genus der fossilen Hominidae aus Eurasien. Aufrechter Gang, Gehirngröße zwischen modernen Menschen und anderen modernen Primaten. Lebte vor ca. 4 – 5 Millionen Jahren. Autoradiographie (Lacassagne & Lattes, 1924) – Photographischer Nachweis der An- oder Abwesenheit einer durch den Stoffwechsel in Gewebe oder Zellen eingebauten radioaktiven Substanz. Durch engen Kontakt mit einem auf das Präparat montierten photographischen Film oder einer Emulsion kann die Verteilung der radioaktiv markierten Substanz z. B. im Gewebe oder der Zelle oder im Metaphase-Chromosom nachgewiesen werden. Autosom (Montgomery, 1906) – Alle Chromosomen mit Ausnahme der Geschlechtschromosomen X und Y. Autosomal bezieht sich auf Gene und Chromosomenteile, die auf den Autosomen liegen. auxotroph (Ryan & Lederberg, 1946) – Zellen oder Zellstämme, deren Wachstum von der Anwesenheit einer bestimmten Substanz im Nährmedium abhängt. Bakteriophage – Ein Virus, das Bakterien infiziert.
Aneusomie – Abweichung von der normalen Anwesenheit homologer Chromosomenabschnitte. Aneusomie durch Rekombination bedeutet die Erzeugung von Duplikation/Defizienz nach Crossing-over im Bereich einer Inversion.
Bandenmuster – Spezielle Anfärbung von Chromosomen, die zu quer zur Längsachse liegenden hell oder dunkel anfärbbaren Chromosomenabschnitten führen. Jeder Chromosomenabschnitt homologer Chromosomen zeigt ein für das betreffende Chromosom in Verteilung und Größe spezifisches Bandenmuster, das zur spezifischen Identifizierung dieser Chromosomenabschnitte dienen kann.
Antigen – Eine Substanz, die aufgrund ihrer molekularen Oberflächenstruktur eine Immun-
Der Begriff wurde ursprünglich von Painter 1939 für das lineare Muster stark und schwach
aneuploid (Täckholm, 1922) oder Aneuploidie, die – Abweichung von der normalen Zahl der Chromosomen.
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Glossar gefärbter Bänder in polytänen Chromosomen bestimmter Diptera (Mücken, Fliegen) eingeführt. Jedes Band ist im Verhältnis zu den benachbarten Bändern definiert. Die dazwischen liegenden Areale sind Interbanden. Barr-Körperchen – X-Chromatin (frühere Bezeichnung: Geschlechtschromatin, Barr & Bertram, 1949). Basenpaar – Zwei in der DNA gegenüberliegende Purin- oder Pyrimidinbasen. Bimodale Verteilung – Häufigkeitsverteilung eines Merkmals in einer Population mit zwei Gipfeln (peaks). Genetisch häufig ein Hinweis auf zwei verschiedene Phänotypen. Bivalent (Haecker, 1892) – Paarungskonfiguration von zwei homologen Chromosomen während der ersten meiotischen Teilung. Die Zahl der Bivalente entspricht in der Regel der Hälfte der normalen Chromosomenzahl in diploiden somatischen Zellen. Bivalente sind die cytogenetische Voraussetzung für Crossing-over. Bei der Meiose einer trisomen Zelle bildet sich ein Trivalent des trisomen Chromosoms. cAMP – Zyklisches Adenosin-Monophosphat, zweiter Boten bei der zellulären Signalübertragung. CAT-Box – Eine regulative DNA-Sequenz im 5'Bereich eines eukaryoten Gens, an die Transkriptionenfaktoren binden können. cDNA – Komplementäre DNA, die von dem Enzym Reverse Transkriptase von einer RNA als Vorlage synthetisiert wird. Centimorgan (cM) – Eine Einheit der genetischen Entfernung von gekoppelten Genloci. Entspricht einer Rekombinationshäufigkeit von 1 % (etwa 1 Mb [Megabase, 1 Miobp]). Centromer (Waldeyer, 1903) – Chromosomenregion, an der während der Mitose oder Meiose die Spindelfasern ansetzen. Chaperon – Ein Protein, das mithilft, ein anderes Protein zu falten. Chiasma (Janssens, 1909) – Cytologisch erkennbarer Bereich des Crossing-over im Bivalent. Bei einigen Organismen bewegen sich die Chiasmata während des späten Diplotäns und der Diakinese (vgl. Meiose) gegen die Enden der Chromosomen (Terminalisation der Chiasmata). Die durchschnittliche Zahl der Chiasmen
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in autosomalen Bivalenten beim Mann liegt bei 52, bei der Frau geringer. Die erste Bestimmung der Chiasmenzahl beim Mann wurde 1956 in der Arbeit beschrieben, die die normale Chromosomenzahl des Menschen bestätigte (C. E. Ford und J. L. Hamerton, Nature 178: 1020, 1956). Chimäre (Winkler, 1907) – Ein Individuum oder Gewebe, das aus Zellen verschiedenen Genotyps präzygoter Herkunft besteht. Chromatid, das (McClung, 1900) – Während der frühen Prophase und Metaphase der Mitose und zwischen Diplotän und zweiter Metaphase der Meiose sichtbare longitudinale Untereinheiten von Chromosomen, die vom Centromer zusammengehalten werden. Schwesterchromatiden sind die beiden aus ein und demselben Chromosom durch Replikation entstandenen Chromatiden, im Gegensatz zu NichtSchwesterchromatiden, die von homologen Chromosomen abstammen. Nach Teilung des Centromers in der Anaphase spricht man nicht mehr von Chromatiden, sondern von Tochter-Chromosomen. Ein Chromatidbruch oder eine Chromosomenaberration vom Chromatid-Typ betrifft nur eines der beiden Schwesterchromatiden. Er ist nach der DNA-Replikation in der S-Phase (vergl. Zellzyklus) entstanden. Ein vor der S-Phase eingetretener Bruch betrifft beide Chromatiden und wird als Isolocus-Aberration bezeichnet (IsoChromatidbruch). Chromatin (Flemming, 1882) – Das Material, aus dem Chromosomen bestehen: DNA, basische chromosomale Proteine (Histone), nichthistone chromosomale Proteine, geringe Mengen RNA in Interphasekernen, angeordnet in bestimmten Strukturen. Chromomer (Wilson, 1896) – Jede der linear angeordneten Verdichtungen, die in der meiotischen, unter Umständen auch mitotischen Prophase sichtbar sind. Chromomeren sind in chromosomen-spezifischen Mustern angeordnet. Chromosom (Waldeyer, 1888) – Die aus Chromatin bestehenden, in der Kernteilung als faden- oder stäbchenartige Körper sichtbaren Träger der Gene. Polytäne Chromosomen (Koltzhoff, 1934, Bauer, 1935): bezieht sich auf eine spezielle Form von Chromosomen in den Spei-
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Glossar
cheldrüsen einiger Diptera-Larven (Mücken, Fliegen).
Contig (Contiguous sequences) – Ein Abschnitt überlappender Nukleotid-Sequenzen.
Cis/trans (Haldane, 1941) – Bezeichnet in Analogie zur chemischen Isomerie die Position von Genen auf homologen Chromosomen bei doppelten Heterozygoten (heterozygot an zwei benachbarten Genloci). Wenn zwei bestimmte Allele, z. B. Mutanten, benachbart auf demselben homologen Chromosom liegen, befinden sie sich in cis-Position. Wenn sie auf verschiedenen homologen Chromosomen gegenüberliegen, befinden sie sich in trans-Position. Beim cis/trans Test (Lewis, 1951; Benzer, 1957) wird durch einen genetischen Test (genetische Komplementation) geprüft, ob sich zwei mutante Gene in cis- oder trans-Position befinden. Im Zusammenhang mit dem Begriff der genetischen Kopplung sind die Ausdrücke cis und trans analog den Bezeichnungen coupling und repulsion (s. dort).
coupling (Bateson, Saunders, Punnett, 1905) – cis-Konfiguration (s. dort) bei doppelt Heterozygoten.
Cistron (Benzer, 1955) – Eine funktionelle Einheit der Genwirkung, wie sie sich im cis/transTest darstellt. Wenn der Phänotyp bei Allelen in cis-Position mutant ist und die Allele sich nicht ergänzen (genetische Komplementation) bezeichnet man dies als allele Mutanten vom selben Cistron. Wenn sie sich ergänzen (komplementieren), werden sie als nicht-allelisch bezeichnet. Diese Definition von Benzer ist später ergänzt worden (Fincham, 1959). Danach wird ein Cistron heute als ein Abschnitt DNA bezeichnet, der für ein einheitliches Genprodukt codiert. Innerhalb eines Cistrons komplementieren sich Mutationen in trans-Position nicht. Funktionell ist der Ausdruck Cistron deshalb mit Gen gleichzusetzen. Codon (Crick, 1963) – Sequenz von drei Nukleotiden (ein Triplet) im DNA oder RNA, die für eine bestimmte Aminosäure oder das Terminalisationssignal einer Aminosäure-Sequenz codiert. Concatemer – Assoziation von DNA-Molekülen mit komplementären Enden. Consanguinität – Blutsverwandtschaft. Zwei oder mehr Individuen werden als consanguin (blutsverwandt) bezeichnet, wenn für ihre Eltern ein oder mehr gemeinsame Vorfahren nachgewiesen oder wahrscheinlich gemacht werden können. Ein quantitativer Ausdruck von Blutsverwandtschaft ist der Inzuchtkoeffizient (s. dort).
Cosmid – Ein Plasmid, das außer den für die Vermehrung notwendigen Teilen die cos-Stelle des Phagen Lambda trägt. Dient als Klonierungsvektor für DNA-Fragmente bis 40 kb. Crossing-over (Morgan & Cattell, 1912) – Der Austausch genetischer Information zwischen zwei homologen Chromosomen durch Chiasmabildung (s. dort) im Diplotän-Stadium der Meiose I zu genetischer Rekombination zwischen benachbarten (gekoppelten) Genloci führt. Neben meiotischen Crossing-over gibt es somatisches Crossing-over (Stern, 1936) in der Mitose somatischer Zellen. Ungleiches Crossingover (Sturtevant, 1925) bezeichnet eine Verschiebung des reziproken Austausch zwischen homologen DNA-Abschnitten. Er führt zu strukturell veränderten DNA-Abschnitten bzw. Chromosomen mit einer Duplikation in dem einen und einer Deletion in dem anderen. Cyclin – Ein Protein des Zellzyklus. Cytokin – Ein kleines freies Molekül, das an einen Zelloberflächen-Rezeptor bindet und Zellproliferation als Teil der Immunantwort auslöst. Dalton – Einheit des Atomgewichts. Ein Dalton entspricht 1⁄12 der Masse des C12-Atoms, 1.9924 ×10–23 g. Defizienz (Bridges, 1917) – Im genetischen Sinn eine strukturelle Veränderung mit Verlust eines Chromosomenabschnitts (vgl. Deletion). Häufig entsteht eine Defizienz komplementär zu einer Duplikation (s. dort), z. B. durch ungleiches Crossing-over (s. dort), Crossing-over im Bereich einer Inversion (s. dort) oder bei einem Ring-Chromosom (s. dort). In diesem Falle spricht man von Defizienz/Duplikation. Deletion (Painter & Muller, 1929) – Verlust eines Chromosomen- oder DNA-Abschnitts. Denaturierung von DNA – Doppelstrang-DNA in Einzelstrang-DNA überführen (vgl. Renaturierung). Diakinese (Haecker, 1897) – Ein Stadium in der späten Prophase I der Meiose.
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Glossar dicentrisch (Darlington, 1937) – Ein strukturell verändertes Chromosom mit zwei Centromeren.
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Domäne – Ein bestimmter Teil eines Proteins, der eine definierbare Funktion zukommt.
diploid (Strasburger, 1905) – Zellen oder Organismen, die zwei homologe Chromosomensätze besitzen, einen väterlichen (paternären) und einen mütterlichen (maternalen) Ursprungs.
dominant (Mendel, 1865) – Ein Gen bzw. ein Allel, das im heterozygoten Zustand eine definierbare Wirkung auf den Phänotyp zeigt. Die Begriffe „Dominanz“ und „Rezessivität“ beziehen sich jeweils nur auf die Genwirkung an einem gegebenen Genlocus. Dies ist durch die Beobachtungsgenauigkeit beeinflusst. Zwei Allele, deren Genwirkung im heterozygoten Zustand nebeneinander fassbar ist, werden als codominant bezeichnet. Auf der Ebene der DNA sind allele Gene an den beiden homologen Loci co-dominant.
Diplotän – Ein Stadium der Prophase I der Meiose.
dominant-negativ – Eine dominante Mutation, die einen krankhaften Phänotyp auslöst.
Diskordanz – Nicht-Identität in Bezug auf ein Merkmal, z. B. eine Krankheit bei Zwillingen.
Dosiskompensation – Ein Mechanismus, der eine unterschiedliche Expression von Genen ausgleicht, z. B. bei Säugetieren die Gene auf den beiden X-Chromosomen gegenüber Zellen mit nur einem X-Chromosom.
Dictiotän – Ein Stadium, das die meiotische Prophase in Säugetieroocyten unterbricht. Beim Menschen erreichen Oocyten das Dictiotän etwa 4 Wochen vor der Geburt und verbleiben darin bis zur Fortsetzung der Meiose in der Ovulation.
Disomie, uniparentale (UPD) – Anwesenheit von zwei Chromosomen von einem der Eltern (vgl. Isodisomie und Heterodisomie). Dispermie – Eintritt von zwei Spermatozoen in eine Eizelle. dizygot – Zweieiige Zwillinge, entstanden aus zwei Zygoten im Gegensatz zu monozygoten (eineiigen) Zwillingen. D loop – Displacement loop. Verdrängung eines DNA-Strangs durch einen anderen. DNA (Deoxyribonukleinsäure) – Das Molekül mit der primären genetischen Information, die als lineare Sequenz von je drei zusammengehörigen Nukleotiden (Triplet) niedergelegt ist (vgl. Codon). Satelliten-DNA (sDNA) (Sueoka, 1961; Britten & Kohne, 1968) – sDNA unterscheidet sich von der Haupt-DNA in ihrer Basen-Zusammensetzung. Bei der Dichtegradienten-Zentrifugation in Cäsiumchlorid erscheint sie als getrennte Bande (Satellit) von der Haupt-DNA, weil infolge veränderter Basen-Zusammensetzung, d. h. infolge verschiedenen Gewichts, ihre Basenpaare unterschiedliche Dichte haben. In Eukaryoten kann man entweder leichte (AT-reiche) oder schwere (GC-reiche) Satelliten-DNA unterscheiden. DNA-Polymerase – Ein DNA synthetisierendes Enzym. Benötigt einen Primer aus RNA oder komplementärer DNA, um zu beginnen.
Drift, genetische (Wright, 1921) – Zufällige Veränderungen der Genfrequenz in einer Population. Relevant vor allem in kleinen Populationen, wo zufällig Unterschiede in der Fortpflanzungshäufigkeit eines bestimmten Allels die Frequenz dieses Allels verändern können. Unter Umständen kann es gänzlich aus der Population verschwinden (Verlust) oder bei sämtlichen Individuen der Population vorhanden sein (Fixation). Duplikation (Bridges, 1919) – Strukturelle Chromosomenveränderung, die zu einer Verdopplung eines Chromosomenabschnittes oder einzelner Nukleotidenpaare führt. Duplikation von Genen (Genduplikation) hat in der Evolution der Eukaryoten eine wesentliche Rolle gespielt. Elektrophorese (Tiselius, 1937) – Trennung von Molekülen mit unterschiedlicher elektrischer Ladung und Molekulargewicht durch Nachweis unterschiedlicher Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld. Als Träger werden Substanzen in Gelform wie Stärke, Agarose, Acrylamid etc. verwendet. Weitere Unterschiede können durch Modifikation zweidimensionale Elektrophorese (elektrisches Feld bei der zweiten Wanderung um 90° gedreht) oder Wanderungsstopp am isoelektrischen Punkt (isoelektrisches Focussieren) erhoben werden.
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Glossar
Elongation – Hinzufügen einer Aminosäure bei der Translation.
nem zu oxidierenden Molekül an ein anderes, zu reduzierendes Molekül);
Elongationsfaktor – Eines der Proteine, die mit Ribosomen assoziiert sind und die Elongation steuern; EF bei Prokaryoten, eEF bei Eukaryoten.
(4) Isomerisation durch Isomerasen (Umgruppierung der Position eines Atoms oder Aktionsgruppen innerhalb eines Moleküls);
Endocytose – Ein Vorgang, bei dem Proteine an der Oberfläche von Zellen durch Einstülpung aufgenommen werden (vgl. Exocytose). Endonuklease – Eine heterogene Gruppe von Enzymen, die einen Abbau von Nukleinsäuren durch Spaltung der Polynukleotid-Kette herbeiführen können. Endoplasmatisches Retikulum – Ein komplexes Membransystem im Cytoplasma, assoziiert mit Ribosomen und der Proteinsynthese. Endoreduplikation (Levan & Hauschka, 1953) – Chromosomenreduplikation während der Interphase ohne eigentliche Mitose. Endoreduplizierte Chromosomen können in der Metaphase daran erkannt werden, dass sie aus vier nebeneinander liegenden Chromatiden bestehen, die von zwei eng benachbarten Centromeren zusammengehalten werden. Enhancer – Ein cis-regulatorisches DNA-Segment, das Bindungsstellen für Transkriptionsfaktoren enthält. Ein Enhancer wirkt in unterschiedlicher Entfernung zum Promotor. Er steigert die Transkription meist sehr deutlich (um das ca. 10fache). Enzym (E. Büchner 1897) – Ein Protein, das eine bestimmte chemische Reaktion katalysiert. Enzyme bestehen aus einem Protein-Anteil (ApoEnzym), der für die Spezifität verantwortlich ist und einem Nicht-Protein-Anteil (Co-Enzym), der für die Aktivität erforderlich ist. Enzyme binden sich an die Substrate, die im Gefolge der Reaktion metabolisch verändert werden oder sich mit anderen Substanzen verbinden. Die meisten der enzymatisch katalysierten chemischen Reaktionen lassen sich in 5 Klassen einteilen: (1) Hydrolyse (Aufspaltung unter Zufügung von H2O) durch Hydrolasen; (2) Übertragung von Molekülgruppen durch Transferasen von einem Donor an ein RezeptorMolekül; (3) Oxidation und Reduktion durch Oxidasen und Reduktasen (Transfer von einem oder mehr Elektronen oder Wasserstoff-Atomen von ei-
(5) Kondensation kovalente (Bindung von zwei Molekülen zur Bildung eines neuen Moleküls) durch Ligasen (Synthetasen). (6) Nicht-hydrolytische Spaltung unter Bildung einer Doppelbindung bzw. Anlagerung einer Gruppe an eine Doppelbindung durch Lyasen. Epigenese – Bezeichnet Vorgänge, die eine Änderung des Phänotyps ohne entsprechende Änderung des Genotyps bewirken. Episom (Jacob & Wollman, 1958) – Ein Plasmid (s. dort), das entweder selbständig im Cytoplasma oder im Genom des Bakterienwirts integriert existieren kann. Epistasis (Bateson, 1907) – Interaktion von Genen am gleichen Genlocus (allelisch) oder an verschiedenen Genloci (nicht-allelisch), die zu veränderter phänotypischer Expression führt. Epitop – Teil eines Antigens, das an den Antikörper bindet. EST (expressed sequence tag) – Ein cDNA-Abschnitt, der teilweise sequenziert ist und dadurch eine Markierung (tag) aufweist. Euchromatin (Heitz, 1928) – Chromosomen oder chromosomale Abschnitte, deren Anfärbbarkeit dem normalen Zellzyklus entspricht, d. h., dass sie in der Interphase nicht mehr durch besondere Anfärbbarkeit differenziert werden können (vgl. Heterochromatin). Euchromatin entspricht dem genetisch aktiven, nicht kondensiertem Anteil im Chromatin von Interphasekernen. eukaryot (Chatton, 1925) – Pflanzen und Tiere mit Zellen, die einen Chromosomen enthaltenden Nukleus haben, der sich durch Mitose oder Meiose teilt (im Gegensatz zu prokaryoten Viren, Bakterien oder Blaualgen, die diese Merkmale der eukaryoten genetischen Organisation nicht haben). euploid (Täckholm, 1922) – Zellen, Gewebe oder Individuen mit dem kompletten normalen Chromosomensatz, der für die jeweilige Spezies charakteristisch ist (vgl. aneuploid, heteroploid oder polyploid).
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Glossar Exocytose – Ein Vorgang, bei dem Proteine durch die Zellmembran nach außen abgegeben werden (vgl. Endocytose). Exon (Gilbert, 1978) – Ein Abschnitt codierender DNA (vgl. Intron). Exonuklease – Enzyme, die Nukleinsäuren nur vom freien Ende her degradieren (vgl. Endonukleasen). Expression – Bezieht sich auf die Genwirkung des Allels an einem gegebenen Genlocus. Wenn eine Genwirkung vorhanden ist, sagt man, das betreffende Allel werde exprimiert. Expressivität (Vogt, 1926) – Bezieht sich auf die Art oder das Ausmaß der phänotypischen Expression des Gens oder Genotyps. Bei fehlender Expressivität eines vorhandenen Allels spricht man von fehlender Penetranz (vgl. dort). Exzisions-Reparatur – Reparatur großer Abschnitte geschädigter DNA; ca. 14 Nukleotide bei Prokaryoten, 30 Nukleotide bei Eukaryoten. Fibroblast – Zell-Typ im Bindegewebe. Außerhalb des Körpers in vitro auf dem Boden von Kulturgefäßen im geeigneten Nährmedium anzüchtbar (Fibroblastenkultur). Fingerprint, genetischer – Ein charakteristisches Muster von Fragmenten aus DNA oder Proteinen. DNA-Fingerprints dienen zur Personen-spezifischen Identifizierung. Fitness, biologische – Bezeichnet die Wahrscheinlichkeit in Werten zwischen 0,0 und 1,0, dass Gene an die nächste Generation weitergegeben werden. Innerhalb eines gegebenen Genotyps und einer gegebenen Umwelt wird biologische (oder reproduktive) Fitness durch Überlebensrate und Fertilität bestimmt. Gamet(e) (Strasburger, 1877) – Keimzellen, entweder Spermatozoen (männlich) oder Ovum (weiblich). Bei Säugetieren ist das männliche Geschlecht heterogametisch (XY) und das weibliche Geschlecht homogametisch (XX). Bei Vögeln ist das weibliche Geschlecht heterogametisch (ZW) und das männliche homogametisch (ZZ). Gen (Johannsen, 1909) – Ein Erbfaktor, der eine einzelne Einheit hereditären Materials bildet. Es entspricht einem Abschnitt DNA, der für die Synthese einer einzelnen Polypeptidkette codiert (vgl. Cistron).
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Genaktivität – Genetische Aktivität eines Gens. Genamplifikation (Brown & David, 1968) – Selektive Produktion von multiplen Genkopien ohne proportionale Zunahme anderer Gene. Genbank – Eine Sammlung klonierter DNAFragmente, die in ihrer Gesamtheit ein Genom repräsentieren (gene library). Gen-Cluster (Demerec & Hartman, 1959) – Eine Gruppe von zwei oder mehreren benachbarten Genen ähnlicher Funktion, z. B. HLA-System oder Immunglobulin-Gene. Gendosis – Verhältnis der Zahl der funktionellen (exprimierten) Gene innerhalb eines Genoms. Gen-Duplikation – s. Duplikation. Gen-Flow (Berdsell, 1950) – Ausbreitung von Genen von einer Population zu einer anderen. Gen-Frequenz – Der Anteil eines bestimmten Allels in der Gesamtheit der Allele an einen gegebenen Genlocus in einer Population (Allelenhäufigkeit). Gen-Karte (gene map) – Die Position von Genloci auf Chromosomen. Gen-Konversion (Winkler 1930; Lindegren 1953) – Nicht-reziproker Transfer von genetischer Information zwischen homologen DNAAbschnitten infolge nicht exakt homologer Paarung. Gen-Locus (Morgan, Sturtevant, Muller, Bridges, 1915) – Die Position eines Gens auf einem Chromosom oder innerhalb einer Kopplungsgruppe (s. dort). Genetischer Marker – Ein erbliches genetisches Merkmal, das zur Markierung benachbarter Genloci dient. Genetik (Bateson, 1906) – Die Wissenschaft von Vererbung und hereditär begründbarer Unterschiedlichkeit der Organismen; abgeleitet von gr. genesis (Entstehung, Ursprung). Genom (Winkler, 1920) – Das gesamte genetische Material einer Zelle oder eines Individuums, meistens bezogen auf den haploiden Chromosomensatz. Genomik – Wissenschaftsgebiet, das sich mit der Analyse des Genoms befasst (vgl. Teil II). Genom-Scan – Eine Untersuchung des gesamten Genoms mit polymorphen Markern, um gekoppelte Loci zu finden.
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Glossar
Genotyp (Johannsen, 1909) – Die gesamte genetische Information eines Individuums oder einer Zelle (vgl. Phänotyp). germinal – Bezogen auf Keimzellen, im Gegensatz zu somatisch. Golgi-Apparat – Membranen in der Nähe des endoplasmatischen Retikulum, die an der Glycosylierung und Transport von Proteinen zu verschiedenen Bereichen innerhalb der Zelle beteiligt sind. G-Protein – Ein Guanin-bindendes trimeres Protein, das in der Plasmamembran liegt und als erste Stufe eines Signalweges dient. Gyrase – Eine Topoisomerase, die DNA entwinden kann. G6PD – Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase. Haldanesche Regel (Haldane 1935) – Bezieht sich auf den Anteil neuer Mutationen bei schweren X-chromosomalen Krankheiten, bei denen der Erkrankte keine eigenen Kinder haben kann, z. B. Muskeldystrophie Duchenne. In diesem Fall gehen ein Drittel aller Erkrankungen auf eine neue Mutation zurück, zwei Drittel auf Heterozygotie der Mütter. haploid (Strasburger, 1905) – Zellen oder Individuen mit einem einfachen Chromosomensatz; Gameten sind haploid. Haploinsuffizienz – Bezeichnet ein diploides Gen, das im haploiden Zustand nicht den normalen Phänotyp bewirken kann. Haplotyp (Ceppellini et al. 1967) – Eine Kombination von Allelen an zwei oder mehreren eng gekoppelten Genloci auf demselben Chromosom, z. B. beim HLA-System (s. dort). Helicase – Ein Enzym, das DNA entwindet und wieder aufwindet. Helix-Loop-Helix – Ein Strukturmotiv bei DNAbindenden Proteinen wie Transkriptionsfaktoren. hemizygot – Bezieht sich auf Gene und Genloci, die nur einmal im Genotyp vorhanden sind, z. B. auf dem X-Chromosom in männlichen Zellen (XY). Heterodisomie – Anwesenheit von zwei verschiedenen Chromosomen von einem der Eltern (vgl. Isodisomie). Heritabilität (Lush, 1950; Falconer, 1960) – Das Verhältnis additiver genetischer Varianz zur ge-
samten phänotypischen Varianz. Heritabilität ist kein einzelnes Merkmal, sondern wird durch die Interaktion genetischer und nicht-genetischer Faktoren in einer Population geprägt. Sie entsteht nicht einfach durch Teilung phänotypischer Varianz in genotypische und nichtgenotypische Anteile. Die Heritabilität für verschiedene Erkrankungen kann aus Nomogrammen ermittelt werden, die die Krankheitshäufigkeit bei Verwandten 1. Grades unter der Bevölkerung enthalten. Die Aussagekraft der Heritabilität und ihrer Anwendung ist aber umstritten, weil sie methodisch Populationen mit vergleichbarer Varianz vergleicht, was aber meistens nicht der Fall ist. Übersichten finden sich unter anderem bei: D. S. Falconer: Introduction to Quantitative Genetics, Oliver & Boyd, Edinburgh 1960: L. L. Cavalli-Sforza & W. F. Bodmer: The Genetics of Human Populations, W. H. Freeman & Co., San Francisco, 1971. Heterochromatin (Heitz, 1928) – Chromosomen oder Chromosomenabschnitte, die im Gegensatz zu Euchromatin (s. dort) während der Interphase, der frühen Prophase und späten Telophase als anfärbbare kompakte Strukturen sichtbar bleiben. Heterochromatin entspricht genetisch nicht oder wenig aktiven Chromosomenabschnitten oder Chromosomen. Es kann konstitutives und fakultatives Heterochromatin unterschieden werden (Brown, 1966). Ein Beispiel für fakultatives Heterochromatin ist das heterochromatische X-Chromosom in somatischen Zellen weiblicher Säugetiere, das durch X-Inaktivierung entsteht. Ein Beispiel für konstitutives Heterochromatin ist das centrische Heterochromatin an den Centromeren, das durch C-Bänder dargestellt werden kann. Heteroduplex – Ein doppelsträngiges DNA-Molekül mit einer nicht-komplementären Region. heterogametisch (Wilson, 1910) – Wenn zwei verschiedene Arten von Gameten (s. dort) gebildet werden z. B. X und Y bei Säugetieren. Heterogenität, genetische (H. Harris, 1953; F. C. Fraser, 1956) – Wenn einem einheitlich erscheinenden Phänotyp zwei oder mehr verschiedene Genotypen zugrunde liegen. Heterokaryon (Ephrussi & Weiss, 1965; Harris & Watkins, 1965; Okada & Murayama, 1965) – Bi- oder multinukleäre Zelle mit mindestens
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zwei genotypisch verschiedenen Zellkernen gleicher oder verschiedener Spezies.
ner Spezies (Zellhybridisierung) in der somatischen Zellgenetik.
heteroploid (Winkler, 1916) – Einzelne Zellen oder Gewebe, die vom normalen euploiden Zustand in unterschiedlicher Weise abweichen. Eine gleichbleibende Abweichung ist aneuploid.
Identity-by-Descent – Bezeichnet Homozygotie von Allelen, die gleicher Herkunft sind.
Heterosis (Shull, 1911) – Superiorität heterozygoter Genotypen gegenüber Homozygoten bei Pflanzen und Tieren. heterozygot (Bateson & Saunders, 1902) – Anwesenheit zweier verschiedener Allele am gleichen Genlocus homologer Chromosomen (vgl. homozygot). Hfr-Zelle – Ein Bakterium, das DNA-Sequenzen enthält, die mit großer Häufigkeit DNA durch Konjugation auf andere Bakterien überträgt. HGPRT – Hypoxanthin-Guanin-Phospho-Ribosyl-Transferase. Ein Enzym aus dem Purinstoffwechsel, das beim Lesch-Nyhan-Syndrom inaktiv ist. Histokompatibilität – Gewebeverträglichkeit. Determiniert vom Histokompatibilitätskomplex MHC. Histon (Kossel, 1884) – Basische chromosomale Proteine in Chromosomen von Eukaryoten. HLA – Human Leukocyte Antigen System A (Dausset, Terasaki 1954).
Immunglobulin – Ein antigen-bindendes Molekül des Immunsystems. Imprinting, genomisches – Unterschiedliche Expression eines Allels oder chromosomalen Abschnitts je nach elterlicher Herkunft. In-frame-Mutation – Eine Mutation, die den Leserahmen nicht verändert, z. B. durch eine Substitution. Das Ergebnis ist eine Missense-Mutation. Das Gegenteil ist eine out-of-frame Mutation (Non-sense-Mutation), die den Leserahmen verändert und meistens an einem zufällig auftretenden Stopcodon zu vorzeitigem Ende der Transkription führt. Initiationsfaktor – Ein an der Proteinsynthese beteiligtes Protein; IF bei Prokaryoten, eIF bei Eukaryoten. Insertion – Eingeschobenes chromosomales Material nicht-homologer Herkunft in Chromosomen (vgl. Translokation). In silico – Genetische Daten im Computer. Interkalierend – Eine chemische Substanz, die sich zwischen Nukleotid-Basen der DNA einschieben kann. Interphase – Ein Stadium des Zellzyklus.
Hogness Box – Eine Nukleotid-Sequenz in der Promotor-Region.
Intron (Gilbert 1978) – Ein Abschnitt nicht-codierender DNA in einem Gen (vgl. Exon).
Homeo-Box – Ein hochkonservierter DNA-Abschnitt in homeotischen Genen (für die Embryonalentwicklung wichtig).
Inversion (Sturtevant, 1926) – Strukturveränderung eines Chromosoms durch Bruch an zwei Stellen mit Richtungsänderung eines Abschnittes nach Wiedervereinigung. Unter den einfachen Inversionen kann eine pericentrische Inversion und eine paracentrische Inversion unterschieden werden. Bei der pericentrischen Inversion ist das Centromer einbezogen. Dadurch wird als Folge der Inversion die Lage des Centromers verändert. Bei der paracentrischen Inversion ist das Centromer nicht betroffen. Die äußere Form des Chromosoms wird durch eine solche Inversion nicht geändert. Eine Inversion per se führt nicht zu klinischen Ausfallerscheinungen, stellt aber ein genetisches Risiko dar, weil es im Bereich der Inversion zu einem Crossing-over und nachfolgender Aneusomie kommen kann. Chromosomeninversionen spielen eine große Rolle in der karyologischen Evolution.
homolog – Im genetischen Sinne verwendet zur Bezeichnung gleicher (homologer) Chromosomen und Genloci mütterlicher und väterlicher Herkunft. homozygot (Bateson & Saunders, 1902) – Anwesenheit gleicher Allele an einem Genlocus auf homologen Chromosomen. Hybridisierung – Kreuzung zwischen genotypisch verschiedenen Tieren oder Pflanzen, die u. a. einer Spezies angehören. In der Genetik häufig in zwei speziellen Definitionen verwendet: Verschmelzung von komplementären DNA-Strängen (DNA/DNA-Hybridisierung) oder DNA und RNA (DNA/RNA-Hybridisierung). Ferner die Verschmelzung von Zellen verschiede-
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Inverted Repeat – Zwei identische DNA-Sequenzen in gegenläufiger Orientierung; ein Merkmal bei Retroviren. in vitro – Im Reagenzglas. in vivo – Im lebenden Organismus. Inzidenz – Erkrankungsrate in einer Population, im Gegensatz zu Prävalenz als Bestand von Erkrankten in einer Population. Inzuchtkoeffizient (Wright, 1929) – Maß der Wahrscheinlichkeit, dass zwei Gene (Allele) an einem Genlocus identisch durch Deszendenz sind, d. h. durch elterliche Blutsverwandtschaft von einem gemeinsamen Vorfahren über die mütterliche und die väterliche Linie abstammen. Isochromosom (Darlington, 1940) – Ein aus zwei homologen Armen bestehendes Chromosom, z. B. zwei lange oder zwei kurze Arme eines X-Chromosoms. Impliziert eine Duplikation des verdoppelten Arms und eine Defizienz des nicht vorhandenen Armes. Ein Isochromosom kann ein oder zwei Centromere enthalten. Isodisomie – Anwesenheit von zwei identischen Chromosomen von einem der Eltern (vgl. Heterodisomie). Isolat, genetisches (Wahlund, 1928) – Eine Population, die sich infolge räumlicher oder sozialer Isolierung geschlossen fortpflanzt (keine Panmixie). Isozym oder Isoenzym (Markert & Möller, 1959) – Multiple unterscheidbare Formen von Enzymen ähnliche Funktion im selben Organismus. Isoenzyme sind biochemischer Ausdruck eines genetischen Polymorphismus. Karyotyp (Levitsky, 1924) – Der Chromosomensatz einer Zelle, eines Individuums oder einer Spezies. Klon (Webber, 1903) – Eine Population von Zellen oder Organismen, die von einer einzelnen Zelle oder einem einzelnen Vorfahren abstammen und mit diesem und unter sich genetisch identisch sind. Kloniereffizienz (cloning efficiency) ist ein Maß der Klonierbarkeit einzelner Säugetierzellen in der Kultur. Komplementation, genetische (Fincham, 1966) – Komplementäre Wirkung doppelter Mutanten an verschiedenen Genloci. Ein Beispiel für genetische Komplementation ist auf S. 84 für Xeroderma pigmentosum illustriert.
Komplementationsgruppe – Eine Gruppe verschiedener Mutationen mit ähnlichen funktionellen Folgen, die danach definiert sind, ob sie genetische Komplementation zeigen oder nicht (z. B. bei Xeroderma pigmentosum, S. 84, oder Fanconi-Anämie, S. 318). Konjugation – DNA-Transfer zwischen Bakterien. Konsensus-Sequenz – Eine bei verschiedenen Genen oder Lebewesen übereinstimmende DNA-Sequenz. Konkordanz – Auftreten eines Merkmals oder einer Erkrankung bei beiden Zwillingen (mono- oder dizygot). Kopplung, genetische (Morgan, 1910) – Lokalisation von Genen auf demselben Chromosom und dadurch bedingte Abweichung von der unabhängigen Segregation von Genloci. Kopplungsgruppe (Morgan, 1911) – Genloci in linearer Anordnung auf demselben Chromosom. Jedes Chromosom stellt eine Kopplungsgruppe dar, aber dies kann infolge seiner Gesamtlänge in der Regel nicht geprüft werden (vgl. Syntänie). Kopplungsungleichgewicht (Linkage Disäquilibrium, Kimura, 1956) – Nicht-zufällige Assoziation von Allelen gekoppelter Genloci in Abweichung ihrer nach dem Hardy-Weinberg-Äquilibrium erwarteten Frequenz. Lampenbürstenchromosom (Rückert, 1892) – Sondertyp von Chromosomen in primären Oocyten von Vertebraten und Invertebraten während des Diplotän in der meiotischen Teilung oder in Spermatocyten von Drosophila. Dabei kommt es zu lateralen Ausstülpungen, die aus DNA bestehen und von RNA und Proteinsynthese begleitet sind. Lariat – Eine intermediäre Form der RNA beim Spleißen; bildet eine ringförmige Struktur zwischen 5'- und 3'-Position. Leptotän – Ein Stadium der Meiose (s. dort). Leseraster (Leserahmen) – Abfolge von TripletCodons in DNA, die für ein Peptid codieren können (vgl. offener Leserahmen). Letaläquivalent (Morton, Crow & Muller, 1956) – Eine Gruppe von Genen, die bei Verteilung auf zufällig gewählte Individuen bei einem zum Tod führen würden. Dies kann sich auf ein Gen beziehen, das in homozygotem Zustand letal
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Glossar wirkt, auf zwei verschiedene Gene mit je 50 % Letalität, auf drei mit je 331⁄3 % etc. Letalfaktor (Baur, 1908; Hadorn, 1959) – Eine Veränderung des Genoms, die zu intrauteriner Letalität führt, wie z. B. zahlreiche Chromosomenanomalien. LINE (long interspersed nuclear element) – Eingestreute lange repetitive DNA-Sequenzen. Linker – Ein synthetischer DNA-Doppelstrang, der die Erkennungsstelle für ein Restriktionsenzym trägt und zwei DNA-Fragmente verbinden kann. Locus – s. Genlocus. Lymphocyt – Zelle des Immunsystems, grob unterscheidbar in B-Lymphocyten aus Knochenmark und Thymus-abhängige T-Lymphocyten. Lysosom (de Duve et al., 1955) – Zytoplasmatische Partikel, die hydrolytische Enzyme enthalten. Mb – Megabase. Entspricht 1 Mio. Basenpaaren. Meiose (Farmer & Moore, 1905) – Die spezielle Teilung der Zellkerne in Keimzellen, die zur Reduktion des Chromosomensatzes vom diploiden zum haploiden Zustand führt. Besonders wichtig ist die Prophase der 1. meiotischen Teilung, die aus folgenden Stadien besteht: Leptotän, Zygotän, Pachytän, Diplotän, Diakinese. Melanosom – Vorstufen der pigmentierten Hautzellen, von den unpigmentierten Vorstufen bis zu den ausgebildeten Melanozyten. Mendelsche Vererbung (Castle, 1906) – Vererbung nach den Mendelschen Gesetzmäßigkeiten im Gegensatz zur extra-chromosomalen Vererbung unter Kontrolle zytoplasmatischer hereditärer Faktoren (mitochondriale DNA). messenger RNA (mRNA) (Brenner, Jacob & Meselson, 1961; Jacob & Monod, 1961) – mRNA. Metabolische Kooperation (Subak-Sharpe et al., 1969) – Korrektur des Phänotyps von Zellen in Kultur durch Kontakt mit normalen Zellen oder Zellprodukten. Beispiele für metabolische Korrektur ist die Kreuzkorrektur kultivierter Zellen von verschiedenen Mukopolysaccharid-Speicherkrankheiten oder Korrektur von HGPRTdefizienten Zellen durch normale Zellen.
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metacentrisch – Chromosomen, die durch die Position des Centromers in einen langen und einen kurzen Arm gleicher Länge geteilt werden. Metaphase (Strasburger, 1884) – Stadium der Mitose, in dem die Chromosomen kontrahiert gut sichtbar gemacht werden können. MHC – Major Histocompatibility Complex (Thorsby, 1974) – Das prinzipielle Histokompatibilitätssystem oder HLA-System. Mitose (Flemming, 1882) – Kernteilung bei der Teilung somatischer Zellen, bestehend aus Prophase, Metaphase, Anaphase, Telophase. Mitose-Index (Minot, 1908) – Anteil Zellen in Mitose an der Gesamtzahl vorhandener Zellen. Mixoploidie (Nemec, 1910; Hamerton, 1971) – Gewebe oder Individuen bestehend aus Zellen mit verschiedenen Karyotypen (chromosomales Mosaik). MLC – Mixed Lymphocyte Culture (Bach & Hirschhorn, 1964; Bain & Lowenstein, 1964). Mobiles genetisches Element – DNA-Sequenzen, die sich an eine andere Stelle eines Chromosoms einfügen können (transposable element, A. Brink). modale Zahl (White, 1945) – Die Chromosomenzahl von Individuen oder Zellen. Monolayer (Abercrombie & Heaysman, 1957) – Der einschichtige Zellrasen normaler diploider Zellen an dem Boden eines Zellkulturgefäßes. Monosomie (Blakeslee, 1922) – Fehlen von einem oder mehreren einzelnen Chromosomen in einem im Übrigen diploiden Chromosomensatz. Bei Menschen tritt regelmäßig nur eine Monosomie für ein X-Chromosom auf, die zum Turner-Syndrom führt (vgl. Trisomie). monozygot – Eineiige Zwillinge, vgl. dizygot. Morgan – Eine Längeneinheit der Genkarte, bestehend aus 100 centiMorgan (cM). Der Abstand von zwei Genloci in Morgan entspricht der Zahl der Rekombinationen zwischen diesen beiden Loci. Benannt nach Thomas H. Morgan (1866 – 1945), dem Begründer der klassischen genetischen Untersuchungen an Drosophila. Mosaik – Gewebe oder Individuen, bestehend aus genetisch verschiedenen Zellen, in der Regel gleichen zygotischen Ursprungs (vgl. Chimäre).
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Glossar
mtDNA – mitochondriale DNA. Mutagen – Eine chemische Substanz, die eine Mutation auslösen kann. Mutation (de Vries, 1901) – Bleibende Veränderung des genetischen Materials. Generell unterscheidbar sind Punktmutationen durch Austausch, Verlust oder Insertion von Basenpaaren innerhalb eines Gens oder Chromosomenmutation mit Veränderung der Chromosomenstruktur. Eine Missense-Mutation ist eine Mutation, die ein Codon so ändert, dass es für eine andere (falsche) Aminosäure codiert. Eine NonsenseMutation ist eine Mutation, die ein Codon so ändert, dass es keine entsprechende tRNA hat und als Stopcodon die Translation vorzeitig beendet. Mutationsrate – Die Häufigkeit einer bestimmten Mutation pro Individuum pro Generation. Non-disjunction (Bridges, 1912) – Fehlverteilung homologer Chromosomen bei der Meiose. Bei mitotischer Non-disjunction tritt die Fehlverteilung bei der Mitose auf. Northern Blot – Untersuchung von RNA wie beim Southern Blot (s. dort). Nukleosid – Verbindung einer Purin- oder Pyrimidinbase mit einem Zucker (Ribose oder Deoxyribose, vgl. Nukleotid). Nukleosom (Navashin, 1912; Kornberg, 1974) – Untereinheit des Chromatins. Nukleotid – Einzelner monomerer Baustein, der als Polynukleotid die Nukleinsäuren aufbaut. Ein Nukleotid ist ein Phosphatester bestehend aus einer Purin- oder Pyrimidinbase, einem Zucker (Ribose oder Deoxyribose als Pentose) und einer Phosphat-Gruppe. offener Leserahmen (ORF, open reading frame) – Eine Reihe von Triplets, die für ein Peptid codieren, ohne dass ein Stop-Codon dazwischen liegt. Okazaki-Stück – Kurze Nukleotid-Sequenzen, die während der diskontinuierlichen Replikation von DNA gebildet und anschließend zusammengeschlossen werden (vgl. Replikation). Onkogen (Huebner & Todaro, 1969) – Ein Gen, dessen Anwesenheit zu maligner Transformation führt.
Ontogenese – Individualentwicklung eines Organismus. Operator (Jacob & Monod, 1959) – Die Erkennungsstelle im Operon, an der die negative Kontrolle der genetischen Transkription durch Bindung eines Repressors geschieht. Operon (Jacob et al., 1960) – Eine Gruppe funktionell und strukturell zusammenhängender Gene mit Regulation der genetischen Transkription. Ortholog – Homologe DNA-Sequenzen oder Gene, die durch vertikale Abkunft von einem gemeinsamen Vorfahren verwandt sind, z. B. § und g -Globin. (vgl. paralog). Out-of-Frame-Mutation – Eine Mutation, die den Leserahmen verändert. Pachytän (de Winiwarter, 1900) – Stadium der Meiose. Palindrom (Wilson & Thomas, 1974) – Invertierte repetitive Basensequenzen, die durch Umschlag einer einzelsträngigen linearen DNAKette haarnadelähnliche Strukturen ausbilden können. Panmixie (Weismann, 1895) – Paarungssystem mit zufälliger Partnerwahl, im Gegensatz zur assortativen Paarung. Paralog – Zwei homologe DNA-Sequenzen oder Gene, die innerhalb einer Spezies durch eine Duplikation entstanden sind (vgl. ortholog). parasexuell (Pontecorvo, 1954) – Genetische Rekombination außerhalb der normalen Sexualität, z. B. durch Zellhybridisierung (s. Hybridisierung). PCR – Polymerase-Kettenreaktion. Technik zur in vitro-Vermehrung (sog. Amplifikation) einer bestimmten DNA-Sequenz in einem mehrfach wiederholten thermalen Kreisprozess, bestehend aus Denaturierung, Anlagerung eines für die Zielsequenz spezifischen Oligonukleotids (sog. Primer) und Kettenverlängerung. Penetranz (Vogt, 1926) – Die Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit, mit der sich die Wirkung eines Gens manifestiert (vgl. Expressivität). Peptid – Verbindung von zwei oder mehr Aminosäuren durch eine Peptidbindung. Phänokopie (Goldschmidt, 1935) – Nicht-hereditärer Phänotyp, der einen genetisch determinierten Phänotyp imitiert.
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Glossar Phänotyp (Johannsen, 1909) – Das Erscheinungsbild einer Zelle, eines Individuums oder einer bestimmten Häufigkeitsverteilung in einer Population (z. B. bimodale Verteilung), das durch Genotyp (s. dort) und Umwelteinflüsse zustande kommt. Phylogenese (Haeckel 1866) – Stammesgeschichtliche Entwicklung von Organismen. Phytohämagglutinin (PHA) – Eine u. a. aus der gewöhnlichen Bohne Phaseolus vulgaris gewonnene Polysaccharidsubstanz, die die Trennung roter und weißer Blutzellen beschleunigt. Nowell (1960) entdeckte ihre Fähigkeit, in Lymphocyten (vorwiegend B-Zellen) eine blastische Transformation (s. Transformation) und Zellteilungen zu induzieren. Dies ist die Grundlage der phytohämagglutinin-stimulierten Lymphocytenkultur für cytogenetische Untersuchungen. Plasmid, das (Lederberg, 1952) – meist zirkuläre DNA-Strukturen außerhalb des eigentlichen Genoms, entweder selbständig oder in das Wirts-Chromosom integriert. Plastiden – Organellen in Pflanzenzellen, z. B. Chloroplasten. Pleiotropie (Plate, 1910) – Genwirkung mit multipler, scheinbar unzusammenhängender phänotypischer Expression. Polkörper (Robin, 1862) – Eine in der Oogenese entstehende, rückgebildete Zelle, die nicht zur Eizelle wird. Polyadenylierung – Hinzufügen multipler Adenenin-Reste am 3'-Ende von mRNA. Polycistronischer Messenger – mRNA bei Bakterien, die für mehrere Gene codiert. polygen (Plate, 1913; Mather, 1941) – Merkmale, die auf mehreren oder zahlreichen Genen beruhen, die eine nicht einzeln fassbare Genwirkung entfalten.
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Polypeptid – s. Peptid. polyploid (Strasburger, 1910) – Zellen, Gewebe oder Individuen mit 3 (triploid), 4 (tetraploid), 5 (pentaploid) oder mehr kompletten Chromosomensätzen anstelle von 2 (diploid). Beim Menschen ist Triploidie und Tetraploidie meistens ein Letalfaktor. Dies führt in der Regel zum Spontanabort. polytän (Koltzoff, 1934; Bauer, 1935) – Bezieht sich auf einen speziellen Typ von Chromosomen, der durch wiederholte Endoreduplikation einzelner Chromatiden entsteht. Es kommt dadurch zu so genannten Riesen-Chromosomen (vgl. Chromosom). Population (Johannsen, 1903) – Individuen einer Spezies, die in reproduktivem Austausch stehen und einen gemeinsamen Genpool bilden (vgl. Rasse). prämature Chromosomenkondensation (Johnson & Rao, 1970) – Induktion von Chromosomenkondensation in einem Interphasekern nach Fusion mit einer Zelle in Mitose. Kondensierte S-Phase Chromosomen sehen pulverisiert aus (so genannte Chromosomenpulverisierung). Prävalenz – Anzahl Erkrankter zu einem gegebenen Zeitpunkt (s. Inzidenz). Pribnow-Box – Teil eines Promotors 10 Basen in 5'-Richtung (TATAAT). Primäres Transkript – RNA vor ihrer Verarbeitung in mRNA. Primer – Ein DNA- oder RNA-Oligonukleotid, das nach Hybridisierung an eine invers komplementäre DNA ein freies 3'-OH Ende für die Kettenverlängerung durch eine DNA-Polymerase bietet. prokaryot – Einzellige Organismen ohne Zellkern und Zell-Organellen.
Polymerasen – Enzyme, die den Zusammenschluss von Nukleotiden zu DNA oder RNA katalysieren (genetische Transkription und DNAReplikation).
Promotor – Eine DNA-Region, die an der Bindung der RNA-Polymerase bei der Inition der Transkription beteiligt ist.
Polymorphismus, genetischer (Ford, 1940) – Existenz eines oder mehrerer Allele an einem oder vielen Genloci mit unterscheidbaren Phänotypen. Nach einer Konvention spricht man dann von Polymorphismus, wenn ein einzelner varianter Phänotyp häufiger als bei 1 % der Population vorkommt.
Propositus, Proband – Die Person, die zur genetischen Untersuchung einer Familie oder Sippe Anlass gibt.
Prophage – In das Bakteriengenom integriertes Virus-Genom.
Proteom – Der vollständige Satz aller Proteincodierenden Gene und ihrer Proteine.
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Protoonkogen – Ein normales zelluläres Gen, das durch Mutation oder strukturelle Veränderung zu einem Onkogen werden kann.
loci. Ausgedruckt als Theta-Wert ( v ). Ein Theta von 0.01 (1 % Rekombinationshäufigkeit) entspricht 1 Centi-Morgen (cM).
prototroph – Bakterien ohne besondere Abhängigkeit von bestimmten Nährstoffen im Medium.
Renaturierung von DNA – Einzelstrang-DNA in Doppelstrang-DNA überführen (vgl. Denaturation).
Provirus – Von einem Retrovirus stammende DNA, die in ein eukaryotes Genom integriert ist.
Repair (Muller, 1954) – Reparatur von funktionellen und strukturellen Schäden der DNA.
Pseudogen – Eine Nukleotid-Sequenz, die einem Gen ähnelt, aber keine biologische Bedeutung hat, weil sie Deletionen oder Stopcodons enthält.
Replikation – Identische Verdopplung.
Pseudohermaphroditismus – Individuen mit entgegengesetztem gonadalen und phänotypischen Geschlecht. Punktmutation – Veränderung innerhalb eines einzelnen Codons. Die möglichen Typen sind der Austausch einer Purin- oder Pyrimidinbase, und zwar eines Pyrimidins durch ein anderes Pyrimidin als Transition (Frese, 1959), d. h. Adenin durch Guanin oder Thymin durch Cytosin, oder durch Austausch eines Pyrimidins durch ein Purin oder umgekehrt: Transversion (Frese, 1959), d. h. Adenin durch Thymin und umgekehrt, oder Cytosin durch Guanin oder umgekehrt. Neben diesen beiden Typen von Austausch kann eine Punktmutation auf der Insertion eines Nukleotidpaares, der Deletion eines oder mehrerer Basenpaare oder der Inversion der Nukleotid-Sequenz beruhen.
Replikationseinheit oder Replikon (Huberman & Riggs, 1968) – Die einzelne Einheit der diskontinuierlichen DNA-Replikation. Replikationsgabel – Der entwundene Bereich der DNA-Doppelhelix, in dem Replikation stattfindet. Repulsion (Bateson, Saunders & Punnett, 1905) – Bezieht sich auf benachbarte Genloci mit mutanten Allelen auf den beiden gegenüberliegenden Chromosomen in Trans-Konfiguration ( s. cis-trans). Resistenzfaktor – Extra-chromosomale Elemente (s. Plasmid). Restriktionsenzym = Restriktionsendonuklease (Meselson & Yuan, 1968) – Spezifische Endonuklease, die DNA an spezifischen Basensequenzen einschneidet. Restriktionsstelle – Erkennungssequenz eines Restriktionsenzyms.
Quadriradialfigur – Infolge Translokation zusammenliegende homologe oder nicht-homologe Chromosomen in mitotischen Zellen.
Retrotransposon – Eine mobile DNA-Sequenz, die sich an anderer Stelle des Genoms einfügen kann.
Rasse – Eine Rasse ist eine Population (vgl. dort), die sich von anderen Populationen in der Frequenz einiger ihrer Gene unterscheidet (L. C. Dunn: Heredity and Evolution in Human Populations, Harvard University Press, Cambridge, Mass., 1967). Demnach ist der Begriff Rasse flexibel und relativ im Verhältnis zum evolutionären Prozess definiert. Die Zuordnung für Individuen ist oft unsicher und biologisch von zweifelhaftem Wert.
Retrovirus – Einzelsträngiges RNA-Virus, das über ein doppelsträngiges DNA-Zwischenprodukt repliziert.
Rekombinante DNA – Ein aus verschiedenen Anteilen bestehendes DNA-Molekül.
Reverse Transkriptase – Ein in RNA-Viren vorkommender Enzymkomplex, der DNA aus RNA bilden kann. Rezeptor – Ein transmembranes oder intrazelluläres Protein, das ein anderes Protein spezifisch bindet und ein zelluläres Signal auslöst oder weiterleitet.
Rekombination (Bridges & Morgan, 1923) – Eine durch Crossing-over während der Meiose neu entstehende Kombination von Genen.
rezessiv (Mendel, 1865) – Genwirkung von Allelen (s. dort) an einem Genlocus (s. dort), die sich nur im homozygoten Zustand (s. dort) manifestiert.
Rekombinationsfrequenz – Häufigkeit von Rekombination zwischen zwei oder mehr Gen-
Reziproke Translokation – Gegenseitiger Austausch zwischen zwei Chromosomen.
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Glossar RFLP (Botstein et al., 1980) – Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus. Unterschiedlich große DNA-Fragmente infolge einer polymorphen Restriktionsstelle im Southern Blot. Rho-Faktor – Ein Protein, das an der Termination der Transkription bei Prokaryoten beteiligt ist. Ribosom (Roberts, 1958; Dintzis et al., 1958) – Komplexe Zellorganellen in Pro- und Eukaryoten, bestehend aus spezifischen Proteinen und ribosomaler „RNA“ in verschiedenen Untereinheiten. Die Translationen genetischer Information finden in Ribosomen statt. Ringchromosom – Zirkuläres Chromosom. Bei vielen Prokaryoten liegt normalerweise das Chromosom in zirkulärer Form vor. Bei Säugetieren handelt es sich um eine Strukturanomalie. Sie impliziert den Verlust von Chromosomenmaterial. RNA (Ribonukleinsäure) – Ein Polynukleotid ähnlicher Struktur wie DNA, wobei Ribose statt Deoxyribose den Zuckeranteil stellt.
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Chromosoms. Nach zwei Replikationen in einer Zellkultur in Anwesenheit eines halogenierten Basenanalogs (z. B. 5-Bromdeoxyuridin) sind in dem einen Chromatid beide DNA-Stränge, in dem anderen jedoch nur einer mit BrdU substitutiert. Dieser Unterschied wirkt sich auf eine unterschiedliche Anfärbbarkeit aus. Dies führt zu verschiedener Farbintensität der beiden Chromatiden. Segregation (Bateson & Saunders, 1902) – Die Trennung von allelen Paaren eines Genlocus bei der Reduktionsteilung und Verteilung auf verschiedene Gameten. Die Segregation, die unabhängig für verschiedene Chromosomen und weit auseinanderliegende (nicht gekoppelte) Genloci erfolgt, bestimmt die Mendelschen Gesetzmäßigkeiten. Selektion (Darwin, 1858) – Unterschiedliche und nicht zufällige Reproduktion verschiedener Genotypen unter verschiedenen Umweltbedingungen.
RNAi (RNA-Interferenz) – Stillegung (silencing) eines Gens durch kurze, homologe doppelsträngige RNA durch Degradierung von mRNA (vgl. S. 214).
Selektionskoeffizient – Quantitative Angabe über das Ausmaß von Selektion. Ein Selektionskoeffizient (s) von 1 bedeutet vollständige biologische Fitness (s. dort). Selektionskoeffizient ist diejenige Größe, um die biologische Fitness (1–s) vermindert wird.
Rückkreuzung (back cross) – Kreuzung eines heterozygoten Tieres mit einem der Eltern. Bei doppelter Rückkreuzung sind zwei Genloci beteiligt (double back cross).
semikonservativ (Delbrück & Stent, 1957) – Die normale Art der DNA-Replikation. Dabei bleibt ein DNA-Strang vollständig erhalten, und der andere wird vollständig neu gebildet.
Satelliten (Navashin, 1912) – Chromosomaler Abschnitt, der vom Hauptanteil eines acrocentrischen Chromosoms (s. dort) getrennt ist. Die Satellitenregion ist an der Organisation des Nukleolus beteiligt. Im Bereich der Stiele kann sie durch spezifische Silberfärbung angefärbt werden (NOR-Färbung, Nucleolus organizing region). Größe der Satelliten und Länge des Stiels sowie Intensität ihrer Fluoreszenz nach Färbung mit Acridin-Farbstoffen sind polymorphe cytologische Marker.
SINE (short interspersed nuclear element) – Kurze repetitive DNA-Sequenzen (vgl. LINE).
Satelliten-DNA (sDNA) (Sueoka, 1961; Kit, 1961; Britten & Kohne, 1968) – Entweder leichtere (AT-reiche) oder schwerere (GC-reiche) DNA im Vergleich zur Haupt-DNA (s. DNA). Nicht zu verwechseln mit Satellitenregion an acrocentrischen Chromosomen.
Southern Blot (Southern, 1975) – Methode zur Übertragung von DNA aus einem Agarose-Gel auf eine Membran.
SCE (Schwesterchromatid-Austausch) (Taylor 1958) – Nachweis eines Austausches zwischen den beiden Chromatiden eines Metaphase-
snRNPs (small nuclear ribonucleoprotein particles) – Komplexe aus kleinen nukleären RNAMolekülen und Proteinen. somatisch – Bezogen auf Zellen und Gewebe des Körpers, im Gegensatz zu germinal (auf Keimzellen bezogen). Somatische Zellhybridisierung – Bildung von Zellhybriden in der Kultur.
Speziation (Simpson, 1944) – Bildung von Spezies während der Evolution. Der erste Schritt in Richtung Speziation ist die Errichtung einer retroduktiven Barriere gegen genetischen Austausch. Ein häufiger Mechanismus ist Chromosomeninversion.
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Glossar
Spezies (Ray, 1670) – Natürliche Populationen, die im reproduktiven Austausch stehen und einen gemeinsamen Genpool bilden.
Telomerase – Ribonukleoprotein-Enzym, das Nukleotide am Telomer anheften kann.
S-Phase (Howard & Pelc, 1953) – DNA-Synthesephase. Dies ist die zwischen der G1 und G2 liegende Phase, während der DNA synthetisiert wird (DNA-Replikation).
telozentrisch (Darlington, 1939) – Chromosomen oder Chromatiden mit einem terminal gelegenen Centromer ohne kurzen Arm oder Satelliten. Beim Menschen gibt es keine telozentrischen Chromosomen.
Spleißen (Splicing) – Umwandlung eines primären RNA-Transkripts durch Herausschneiden von Introns und Zusammenfügen von Exons.
Teratogen (Ballantyne, 1894) – Chemische, physikalische oder andere Faktoren, die zu embryologischen Störungen und Fehlbildungen führen.
Spliceosom – Eine Ansammlung verschiedener Moleküle, die Spleißen von RNA bewirken.
Terminator – DNA-Sequenz, die das Ende der Transkription signalisiert.
Stammzelle – Eine sich durch Teilung selbst erneuernde Zelle, die als Vorläufer für differenzierte Zellen dient. Embryonale Stammzellen (ES) stammen von embryonalem Gewebe. Aus totipotenten Stammzellen können alle Zelltypen entstehen; aus omnipotenten Stammzellen die meisten Zelltypen, aber nicht alle.
tetraploid (Nemec, 1910) – Verdoppelter diploider Chromosomensatz, d. h. jedes Chromosom besteht aus 4 Homologen (4 n statt 2 n).
STS – Sequence Tagged Site – Ein kurzer DNAAbschnitt mit bekannter Sequenz (vgl. EST). submetacentrisch – Ein Chromosom, das durch die Position des Centromers in einen kurzen und einen langen Arm eingeteilt wird. Synapse (Moore, 1895) – Allgemein Paarung homologer Chromosomen, speziell während der meiotischen Prophase. Synaptonemaler Komplex (Moses, 1958) – Elektronenmikroskopisch sichtbare parallele Strukturen während der Meiose im Zusammenhang mit der Chiasmabildung (s. dort). Syndrom – Im Rahmen der Humangenetik eine Gruppe klinischer und pathologisch anatomischer Merkmale, die ätiologisch zusammenhängen, auch wenn die Einzelheiten dieses Zusammenhangs noch nicht erkennbar sind. Syntänie (Renwick, 1971) – Bezeichnet alle auf einem Chromosom liegenden Genloci, unabhängig von ihrer Kopplungsbeziehung. Tandem Duplikation – s. Duplikation. TATA-Box – Eine konservierte DNA-Sequenz im 5'-Bereich eines Gens, überwiegend aus Sequenzen vom TATA-Motiv bestehend. Auch als Pribnow-Box bezeichnet. Telomer (Muller, 1940) – Das Ende eines Chromosoms.
Topoisomerase – Eine Klasse von Enzymen mit Funktion beim Entwinden der DNA-Doppelhelix. Sie kontrollieren die dreidimensionale Struktur von DNA, indem sie einen Strang schneiden und um den anderen rotieren und wieder verschließen (Klasse I) oder beide Stränge (Klasse II). Trait – Beobachtbarer Anteil eines Phänotyps. Transduktion (Zinder & Lederberg, 1952) – Transfer von Genen von einer Zelle zur anderen (meist Bakterien) durch spezielle Viren, die Bakteriophagen. Transfektion – Einführung von reiner DNA in lebende Zellen (vgl. Transformation). Transformation – Dieser Ausdruck wird in der Biologie in verschiedenen Bedeutungen benutzt. Genetisch bedeutsam sind folgende Formen von Transformation: 1) maligne Transformation, die Änderung der Eigenschaften von Zellen mit malignem Wachstum. 2) genetische Transformation (Griffith, 1928; Avery et al., 1944), der intra- oder interspezifische Transfer von genetischer Information. 3) Blastische Transformation bezeichnet die Reaktion von Lymphocyten auf mitogene Substanzen (z. B. Phytohämagglutinin oder spezifische Antigene) und führt zur Proliferation von Lymphocyten (überwiegend T-Lymphocyten). Transkript – RNA-Kopie eines DNA-Abschnitts. Transkription – Die Synthese von messenger RNA (mRNA), der erste Schritt der Übermittlung der Information aus DNA.
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Glossar Transkriptionseinheit – Ein DNA-Abschnitt, dessen Gesamtheit für die Bildung eines Genprodukts befähigt ist (entspricht operational einem Gen). Translation – Der zweite Schritt der Übermittlung genetischer Information. Hier wird die auf mRNA übertragene genetische Information abgelesen und in die entsprechende Sequenz von Aminosäuren durch Bildung eines Polypeptids umgesetzt. Translokation – Chromosomale Strukturveränderung mit geänderter Position von chromosomalen Segmenten entweder innerhalb desselben Chromosoms (als Insertion), des homologen Chromosoms oder eines nicht-homologen Chromosoms. Bei einer reziproken Translokation werden nicht-homologe Chromosomenabschnitte ausgetauscht. Die genetische Balance wird dadurch nicht geändert, aber für den Träger einer Translokation (Translokations-Heterozygote) besteht ein genetisches Risiko. Eine Translokation zwischen zwei acrocentrischen Chromosomen mit Fusion der kurzen Arme wird als Translokation vom Fusionstyp (Robertsonsche Translokation) bezeichnet. Transposon – Eine DNA-Sequenz mit der Fähigkeit, sich in einen neuen Ort im Genom einzufügen, ohne dass eine Sequenzähnlichkeit zum Zielort besteht. Triplet – Sequenz von je drei zur Codierung einer Aminosäure zusammengehörigen Nukleotiden in den Codons von Nukleinsäuren (Triplet-Code, s. Codon). Trisomie (Blakeslee, 1922) – Eines oder mehrere zusätzliche Chromosomen neben einem normalen Homologenpaar. Das Extra-Chromosom ist immer homolog zu einem der beiden normalen vorhandenen homologen Chromosomen. Eine Trisomie kann in Keimzellen durch meiotische Non-disjunction oder in somatischen Zellen durch somatische Non-disjunction (s. dort) entstehen. T-Zellen – T-Lymphocyten des Immunsystems. UPD – Uniparentale Disomie (vgl. Disomie). Variation – Die Unterschiede zwischen Eltern und Kindern oder zwischen verschiedenen Individuen einer Population. Variegation – Auftreten verschiedener Phänotypen innerhalb eines Gewebes.
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Vektor – Überträgermolekül für ein DNA-Fragment. X-Chromatin – Das vormals als Barr-Körperchen bezeichnete Geschlechtschromatin (Barr & Bertram, 1949). xenogeneisch – Transplantation zwischen Individuen verschiedener Spezies. X-Inaktivierung – Inaktivierung eines der beiden X-Chromosomen in somatischen Zellen weiblicher Säugetiere in der frühen embryonalen Zeit durch Bildung des X-Chromatins (LyonHypothese, Lyon, 1962). YAC – Yeast Artificial Chromosome, künstliches Hefechromosom. Y-Chromatin (F-Body, Pearson, Bobrow, Vosa, 1970) – Der hell fluoreszierende Anteil des YChromosoms (langer Arm), der in Interphasekernen sichtbar ist. Z-DNA – Alternative Konformation von DNA. Im Gegensatz zur normalen B-DNA (Watson-CrickModell) ist die Helix linkshändig und gewinkelt. Zellzyklus – Lebenszyklus einzelner Zellen. In sich teilenden somatischen Zellen können folgende 4 Phasen unterschieden werden: die Interphase bestehend aus G1-Phase, S-Phase mit DNA-Replikation, G2-Phase und die Mitose. Zellen, die sich nicht teilen, werden als in G0 befindlich bezeichnet. Zygotän (de Winiwarter, 1900) – Stadium der Meiose. Zygote (Bateson, 1902) – Die durch Fusion der beiden haploiden Gameten zustande gekommene fertilisierte diploide Eizelle, die Ausgangszelle der gesamten Embryonalentwicklung.
Literaturhinweise Bodmer, W. F., Cavalli-Sforza, I. L.: Genetics and the Evolution of Man. W. H. Freeman & Co., San Francisco, 1976. Brown, T.: Genetics. A Molecular Approach, 2nd ed. Chapman & Hall, London, 1992. Brown, T. A.: Genomes. 2nd ed. BIOS Scientific Publ., Oxford, 2002. Dorland’s Illustrated Medical Dictionary, 28th ed. W. B. Saunders Co., Philadelphia, London, Toronto, Montreal, Sydney, Tokyo, 1994. Muller, R. F., Young, I. D.: Emery’s Elements of Medical Genetics, 10th ed. Churchill Livingstone, Edinburgh, 1998.
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Glossar
Griffiths, A. J. F., et al.: An Introduction to Genetic Analysis, 7th ed. W. H. Freeman, New York, 2000. King, R. C., Stansfield, W. D.: A Dictionary of Genetics. 7th ed. Oxford Univ. Press, Oxford, 2002. Lewin, B.: Genes VII. Oxford University Press, Oxford, 2000. Lodish, H., et al.: Molecular Cell Biology, 4th ed. W. H. Freeman, New York, 2000. Passarge, E.: Definition genetischer Begriffe (Glossar), pp. 311 – 323. In: Elemente der Klinischen Genetik. G. Fischer, Stuttgart, 1979. Rieger, R., Michaelis, A., Green, M. M.: Glossary of Genetics and Cytogenetics, 5th ed. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1979.
Rothwell, N. Y.: Understanding Genetics. A Molecular Approach. Wiley-Liss, New York, 1993. Tanaka, Y., Macer, D.: Sense, nonsense and antisense. Trends Genet. 10: 417, 1994. Watson, J. D., et al.: Molecular Biology of the Gene, 4rd ed. W. A. Benjamin, Menlo Park, California, 1987. Whitehouse, H. L. K.: Towards the Understanding of the Mechanisms of Heredity, 3rd ed. Edward Arnold, London, 1973. A Genome Glossary. Science 291: 1200, 2001.
Website: Glossary of Genetic Terms, National Institute of Human Genome Research (http://www.nhgri.nih.gov/DIR/VIP/Glossary/).
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Sachverzeichnis Krankheitsbilder sind fett hervorgehoben
A ABL-Gen 316 Acanthozytose 358 Acardius 144 Acetylcholin als Neurotransmitter 256 Acetylcholin-Rezeptor 256 Achondrogenesis 364 Achromatopsie 266 ACTH 250 – System 376 Actin 360 Actinomycin 204 Adenin 30 Adenosin-Deaminase-Mangel 30 Adenosin-Diphosphat 250 Adenosin-Monophosphat, zyklisches 250 Adenosin-Triphosphat 250 Adenylat-Cyclase 270 ADP s. Adenosin-Diphosphat Adrenocorticotropes Hormon 250 Adrenogenitales Syndrom 376 Agammaglobulinämie, X-chromosomale 298 Aids 298 akrocentrisch 164 Alkylierung 72 ALL s. Leukämie, akute lymphocytäre Allele 116, 118, 120 Allelen-Häufigkeit 138 Allelen-spezifische OligonukleotidHybridisierung 392 Alport-Syndrom 364 Alu-Sequenz 228 + -Aminobuttersäure 254 Aminopterin 104 Amonosäuren 32 – Derivate 250 Aldehyd 24 § -Amanitin 204 Ankyrin 358 APC-Gen 310 Apolipoprotein 198, 342 Ancestor 142, 242 Androgen-Biosynthese 376 Androgen-Rezeptor 374 Aneuploidie 178 Angelman-Syndrom 382 Anopheles gambiae 150, 324 Antennapedia 274
– Gen 276 Antigen-Bindungsstelle 284 Antigene 284 Antikörper 284 Antikörpermolekül 284 > 1-Antitrypsin 348 – Mangel 348 Aortenbogen, Defekte 388 APC-Gen 310 Apoptose 280, 306 Arabidopsis thaliana 282 Assoziation 126 § 1-AT s. § 1-Antitrypsin Ataxia-telangiectatica 318 Ataxie, spinocerebelläre 378 ATM 94 Atmungskette 106 ATP s. Adenosin-Triphosphat Attenuator 192 Aufspaltung Mendelscher Merkmale Australopithecus 242 autosomal – dominant 124, 130 – rezessiv 124, 130 Autosomen 166
116
B Bäckerhefe 6, 86 BACs 226 Bakterienchromosomen, künstliche 226 Bakteriophagen 218 Bandenmuster 156, 168 Basen-Modifikation 72 BCL-2 300 BCR-Gen 316 B-DNA 42 bicoid 274 Biston betularia 146 Bithorax-Mutante 276 Bivalent 100 Bloom-Syndrom 318 Blutgerinnungsfaktor 350 – VIII 350 Blutsverwandtschaft 142 Blutungskrankheit von Willebrand 352 B-Lymphocyten 288 Boten, zweite 248 Brain imprinting 372
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Sachverzeichnis
BRCA1 312 BRCA2 312 Brüchige Stelle Xq27.3 380 Brustkrebs 312 Brustkrebs-Suszeptibilitäts-Gen 312 Bulbus olfactorius 272 Butyrylcholinesterase 356 B-Zellen 284 B-Zell-Lymphom, follikuläres 300
C Caenorhabditis elegans 6, 232, 240, 280 cAMP s. Adenosin-Monophosphat, zyklisches 252 cAMP-response element bindendes Protein 388 Cap s. 7-Methyl-Guanosin-Kappe 196 Capsid 218 CBFA1-Gen 368 CD 294 Cdk-Protein 94 cDNA 60, 230 cDNA-Analyse 244 cDNA-Bibliothek 62 cDNA-Klonierung 60 Centi-Morgan 128, 224 Centromer 160, 164 CEPH-Familien 74 Cerebro-Hepato-Renales-Syndrom Typ Zellweger 334 CFTR-Gen, Positionsklonierung 260 cGMP s. Guanosin-Monophosphat, zyklisches Chemosensorisches System 272 Chiasma 100 Chloramphenicol induzierte Toxizität 112 Chlorid-Ionen 260 Chloroplasten 22, 108 Chorea Huntington 378 Chromatin 152 Chromosom 154 – Deletion am langen Arm 298 – dizentrisches 182 – homologe Paarung 98 – isodizentrisches 184 – painting 176 – polytäne 156 – walking 226 Chromosomenaberration 10, 170 – numerische 178 Chromosomenanalyse 172 Chromosomenbänder 168 – Bromdeoxyuridin 168 – Distamycin A-DAPI 168 – Giemsa 11 168
– Silbernitrat-Färbung 168 – Trypsin-induzierte Giemsa-Färbung 168 Chromosomenpuffs 156 11-cis-Retinal 262 Clavicula 368 Cleidocraniale Dysplasie 368 Chronisch myeloische Leukämie 316 Cluster of differentiation 294 cM s. Centi-Morgan Cochlea, spezifische Proteine 268 Code, genetischer 7, 50 Collagen-Moleküle 364 Colon-Carcinom 310 Comparative Genom Hybridisierung 176 Contig 230 Co-Rezeptoren 298 Cousin und Cousine 1. Grades 142 Cri-du-Chat-Syndrom (5p-) 388 Crossing-over 76, 100, 182 – Rekombination 126 – ungleiches 326, 376 c-src 304 Cycline 94 CYP s. Cytochrom-P450-Gene CYP-Gen-Superfamilie 354 Cystische Fibrose 260 Cytochrom P450 354, 376 – Gene 354 Cytosin 30 Cytoskelett 268, 358 – Proteine in Erythrozyten 358
D Danio rerio (Zebrafisch) 278 Datura stramonium 384 Deaminierung 72 Debrisoquin-Abbau durch CYP2D6 354 Defizienz 182 Deletion 164, 182, 382 – interstitielle 164, 314 – am langen Arm von Chromosom 22 298 – terminale 164, 388 Denaturierende Gradienten Gel-Elektrophorese 392 Denaturierung 40 Dendrogramm 244 Depurinierung 72 DGGE s. Denaturierende Gradienten GelElektrophorese Diabetes mellitus 26, 112, 346 Diakinese 100 Dicer-Komplex 214 DiGeorge-Syndrom 298, 388
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Sachverzeichnis 5-Dihydrotestosteron 372 Diktyotän 102 Diplotän 100 Diskordanz 144 Disomie, uniparentale 382 dizygot 144 DMPK-Gen 378 DNA 6, 36, 38 – Doppelstrang-Brüche 76 – Einzelstrang-Brüche 76 – genomische 62, 230 – mitochondriale 110, 242 – mobile 12, 236 DNA-Amplifikation 68 DNA-Analyse, Hämoglobin-Krankheiten 332 DNA-Bibliothek 62 DNA-bindende Proteine 200 DNA-Chip 244 DNA-Diagnostik 130, 390 – molekulargenetische 310, 314, 362, 378 – 382 – prädiktive 12, 120, 378 DNA-Doppelhelix 40 DNA-Klonierung 58 DNA-Methylierung 206 DNA-Polymorphismus 74, 224 DNA-Reparatur 82, 312 DNA-Replikation 44 DNA-Sequenzen, intervenierende 52 DNA-Sequenzierung 54, 56 DNA-Struktur 40 – alternative 42 DNMT3B-Gen 206 dominant 116, 118 double-minute 304 Down-Syndrom 384 Drift, genetische 140 Drosophila melanogaster 5, 232, 240, 274 Duftstoffe 270 Duplex-DNA 76 Duplikation 164, 182 – von 5q33 388 Durchfluss-Cytometrie 166 Dysplasie – cleidocraniale 368 – spondylo-epiphysäre 364 Dystroglycan-Komplex 360 Dystrophie, myotone 378 Dystrophin 360 – Gen 360 – Glykan-Komplex 360 – Protein 360
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E EcoRI 64, 66 Effektorprotein 250 EGFR s. Wachstumsfaktor, epidermaler 248 Ehlers-Danlos-Syndrom 364 Einzel-Nukleotid-Polymorphismus 74 Ektodermaldysplasie, hypohidrotische 210 Elliptozytose 358 Elongation 46, 188 Embryonal letale Mutanten 274 Embryonalentwicklung 276 – Zebrafisch 278 Endocytose 336 Endonuklease 76, 82 ENU 72 Endoplasmatisches Retikulum 22, 186, 336 Enhancer 198 Entwicklungsmutanten 274 Enzyme, lysosomale 336, 338 Erythrozyten-Defekte, hereditäre 358 Erythrozyten-Membran 308, 358 Escherichia coli 6, 190, 218, 220 EST-Kartierung 224 Ethische – rechtliche und soziale Aspekte, Humangenom-Projekt 12, 232 Euchromatin 160 Eugenik 6 Eukaryote Gene 52, 198 Evolution 8, 148 – von Genen und Genomen 238, 354 – der Hämoglobine 320 Evolution des Menschen 242 Exzisions-Reparatur 82, 84 Exon Shuffling 238 Exons 52 Exon-Trapping 234 Exonuklease 76 Expressionsmuster von Genen 244 Ezrin 308
F fakultativ heterozygot 124 Fanconi-Anämie 318 FAP (Familiäre Adenomatöse Polyposis) 310 Farbensehen, Farbblindheit 266 Feminisierung, testikuläre 374 Fetalhämoglobin, hereditäre Persistenz 330 Fettsäuren 28 Fibroblasten 104
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Sachverzeichnis
– Wachstumsfaktoren 248 Fibrose, cystische 260 FISH s. Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung 174, 176, 184 Fragiles X-Syndrom 380 Fruktosurie 26 fss s. Fused somites Funktionsgruppen, chemische 24 Fused somites 278 fushi tarazu 274
G GABA s. + -Aminobuttersäure 254 Gameten 102 Gap Junction 22, 268 Gap-Gene 274 Gaussche Glockenkurve 136 G-Bänder 168 Gel-Elektrophorese 64, 148 Gen 5, 46 – Anzahl 6 – eukaryotes 52 – Expression 186 ff – geographische Verteilung 150 – Kartierung 10, 224 – Regulation 186 ff – Silencing, posttranskriptionales 214 Genetik 2 – und DNA 4 f – molekulare 8 Genetische – Beratung 120, 138, 142 – Diagnostik 126, 130, 390 – Entfernung 128 – und physikalische Karten 128, 224 – Vielfalt 148 Genetischer Code 50 Genexpression 186 – bei Bakterien 190, 192 – bei Eukaryoten 198 Gen-Familien 220, 248, 272, 296, 354 Genom – Caenorhabditis elegans 280 – bei Eukaryoten 228 – Größe 226 – mitochondriales, genetischer Code 108 – nukleäres 228 – Säugetiere 152 – Scan 132 – Sequenzierung 226 Genomik 218, 240
Genomisches Imprinting 208, 382 Genom-Kartierung 224 Genotyp 116, 118, 120, 122 – Verteilungsmuster 122 Genotypisierung durch PCR-Verfahren 390 Geschlechtsdifferenzierung 372 Geschlechtsumkehr 374 Geschmacksrezeptoren 272 Gicht 30 g -Globin-Gen-Cluster 330 § -Globin-Gruppe 322 g -Globin-Gruppe 322 Glycolipide 28 Glucose-6-Phosphosphat-Dehydrogenase 150 Glycerolkinase 360 Glykogenspeicherkrankheit 26 Golgi-Apparat 22, 336, 342 Gonaden 372 G-Proteine 252, 270 G-Proteinrezeptoren 264 Gründereffekt 140 GTP s. Guanosin-Triphosphat 248 GTP-bindendes Protein 300 Guanin 30 Guanosin-Monophosphat, zyklisches 248 Guanosin-Triphosphat 248 Guanylat-Cyclase 248
H Haarzelle, äußere 268 Haldane’sche Regel 124, 414 Hämagglutinin 172 Haemophilus influenzae 240 Hämoglobin 150, 320 – unstabiles 326 – Sichelzell 324 Hämoglobin-Gene 322 Hämoglobin-Krankheiten 324 – 332 Hämophilie A 350 Hämostase 350 Haplotyp 140, 288, 328 Hardy-Weinberg-Äquilibrium 140 Hardy-Weinberg-Prinzip 140 HAT-Medium 104 Haut-Fibroblasten-Kultur 104 Hefe 86 – 92, 232 – Lebenszyklus 86 Hefechromosomen 90 – artifizielle 92, 226, 234 Helicase 318 Helfer-T-Zellen 294 Helix-Loop-Helix 202
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Sachverzeichnis Heparan-Sulfat 338 Hereditäres Nicht-polypöses Coloncarcinom (HNPCC) 70, 82, 310 Hereditäre Opticus-Neuropathie 112 Hereditäre Persistenz von Fetalhämoglobin 330 Herkunft, gemeinsame 142, 238, 242 Herzarrhythmie 258 Heterozygotie, Verlust 302 Heterochromatin 154, 160 Heterodisomie 382 Heteroduplex-DNA 76 Heterogenität – allelische 230, 390 – ätiologische 390 – genetische 230, 390 Heterokaryon 104 Heteroplasmie 112 heterozygot 116, 122 HGPRT 104 Histone 152 HIV-2 298 HIV-Virus 298 H-Kette 284 HLA 292 HLA-D-Region 292, 346 HLH-Motiv 202 HMG Box 276, 374 Holliday-Modell 76 Homebox-Gen 276 Homo sapiens 9 f, 166, 242 Homologien zwischen X- und Y-Chromosom des Menschen 240 homozygot 116, 122 Hormone 248, 252 Hormon-Response-Element 200 Hornhaut, angeborene flache 150 Hox-Gen 276 H-Ras-Gen 304 HSRs 304 Humangenetik 10, 84, 114 f., 164 f., 258 f., 264 f., 298 – 404 Humangenom-Projekt 11, 232 – ethische, rechtliche und soziale Aspekte 232 Hunter-Syndrom (MPS II) 340 Hurlersche Krankheit (MPS Typ I) 340 Hybridzellen 104 Hypercholesterolämie, familiäre 342 Hyperthermie, maligne 258, 356 Hyperurikämie 30 Hypervariable Region 284 Hypocalcämie 388
429
Hypoxanthin 104 Hypoxanthin-Phosphoribosyl-Transferase 104, 210
I IBD (Identität durch gleiche Herkunft) 142 I-Cell-Krankheit 338 ICF-Syndrom 206 Identifizierung, Gen 230 Identität 142 Immunantwort – humorale 284 – zelluläre 284 Immundefekte 388 Immundefizienz, humane, Virus Typ 1 298 Immundefizienz-Krankheiten 298 – hereditäre 298 – schwere kombinierte 298 Immunglobulin-Super-Genfamilie 296 Immunglobulin-Gene 290 Immunglobulin-Loci 288 Immunglobulin-Moleküle 286 Immunkrankheit, chronische granulomatöse 360 Immunschwäche, erworbene 298 Imprinting, genomisches 208, 382 Imprinting-Defekte 382 Imprinting-Zentrum 382 Imprint-Muster 208 Immunsystem 284 Individualität, genetische 2 f 148 Inhibitoren der Protein-Synthese 204 Inositol-Phospholipid-Signalweg 250 Inositol-Triphosphat 250 Insertion 182 – Sequenzen 78, 236 Instabilität, genomische 318 Insulin 34, 346 – Rezeptor 248, 346 Interkalierung von DNA 204 Interspezies-Zellhybride 104 Introns 52 Inversion 182 Inzuchtkoeffizient 142 Ionenkanäle 254, 258, 260, 268 IS s. Insertionssequenzen Isochromosom 182 Isodisomie 382
K Kaliumkanal 254 Karte, physikalische 224 Kartierung, Gen 10, 224
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430
Sachverzeichnis
Karyotyp 166, 172 Karyotypieren 172 Karyotyp-Phänotyp-Beziehung 388 Kearns-Sayre-Syndrom 112 Keimzellen 102 – primordiale 372 Kell-Blutgruppensystem 360 Killerzellen 294 Klinefelter-Syndrom 370, 386 Klon-Bibliothek 62, 224 Klonierung, funktionelle 230 Knirps 274 Knochenbildung 368 Knochenmark 284 Knock-out-Maus 212 Kohlenhydrate 26 Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindungen 24 Ko-Kultivierung 104 Komplementation, genetische 84 Komplementationsgruppen 84, 318 Konkordanz 144 Konsanguinität 142 Kopplung 126 – Analyse 132 – Ungleichgewicht 140 Krankheit – genetische Kategorie 11 – molekulare 324 Krüppel-Mutante 274
L lac-Repressor 190 Lactose Operon 190 Lampenbürsten-Chromosomen 158 Lampropeltis getulus californiae 146 LDL-Rezeptor 342, 344 LDL-Rezeptor-vermittelte Endocytose 342 Leberblümchen 108 Leptotän 100 Lesch-Nyhan-Syndrom 30 Leserahmen, offener 50 Leukämie – akute lymphocytäre 316 – chronisch myeloische 316 Lichtkaskade 262 Li-Fraumeni-Syndrom 306 Ligand 250 LINEs s. Long Interspersed Nukleäre Elemente Lipide 28 Lipidstoffwechsel 342 L-Kette 284 Locus-Heterogenität 230, 390, 394 LOD-Score 132
LOH 302 Long Interspersed Nukleäre Elemente Lymphzyten-DNA, somatische Rekombination 288 Lymphocyten 284 – spezifische Rekombinasen 290 Lymphom 306, 318 Lymphom, follikuläres 280 Lysosomen 336
228
M Malaria 150, 324 – 330 Maligne Hyperthermie 258, 356 Mann, infertiler 260 Mannose-6-Phosphat-Erkennungssignal 336 Mannose-6-Phosphat-Rezeptoren 336 Marchantia polymorpha 108 Maus 232 – transgene 212, 370 McKusick-Katalog 394 Meiose 98 Meiotischer Drive 114 Mekonium-Ileus 260 Membranproteine 254 Mendel 2 Mendelian Inheritance of Man 394 Mendelsche Merkmale 114 metacentrisch 164 Metaphase-Chromosomen 96, 154, 164, 168 Methyl-Cytosin 72, 206 7-Methyl-Guanosin-Kappe 196 Methylierung 72, 206 M-FISH s. Multikolor-Fluoreszenz-in-situHybridisierung 184 MHC-Komplex 292 MHC-Moleküle 292, 294 MHC-Region 292 MIF s. Müllerscher Inhibitionsfaktor 372 Migration 140 Mikroarrays 244 Mikrodeletions-Syndrome 388 g 2-Mikroglobulin 292 Mikrosatelliten 74, 228 – Instabilität 70 Mikrosektion von Chromosomen 234 MIM s. Mendelian Inheritance of Man Minisatelliten 74, 228 Mismatch-Reparatur 82 Mitochondriale Erkrankungen, Mensch 112 – Gene 110 Mitochondriales Genom 110 Mitochondrien 106, 108 Mitose 96
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Sachverzeichnis Moesin 308 Mole, hydatidiforme 208 Molekulargenetische – Diagnostik 332, 344, 376, 380, 390, 392 Monosomie 178, 386 monozygot 144 Morphogen 276 Mosaik, genetisches 170, 210, 386 MPS s. Mucopolysaccharid-Speicherkrankheit mRNA 46, 196 – eukaryote 196 Mucolipidose Typ II 338 Mucopolysaccharid-Speicherkrankheit 338, 340 Mukoviszidose 260 Müllersche Gänge 372 Müllerscher Inhibitionsfaktor 372 Multigene Vererbung 134 Multikolor-Fluoreszenz-in-situHybridisierung 184 Multilocus-Analyse 132 Multiplex-FISH 176 Mus musculus (Maus) 166, 212, 370 Muskelatrophie, spino-bulbäre 378 Muskeldystrophie – Typ Becker 362 – Typ Duchenne 360, 362 Muskelkrankheiten, hereditäre 360 Muskelschwäche, neurogene mit Ataxie 112 Musterbildung 276 Mutagenese 278 Mutation 48, 70, 72, 80 – dynamische 9, 80, 378 – germinale 302 – somatische 302 Mutation durch Transposition 236 Mutationsanalyse 230, 332, 392 Myoglobin 320 Mycoplasma genitalium 220 Myopathie, mitochondriale 112
N NADH-Dehydrogenase 110 NADH-Reduktase 110 Nanos-Gen 276 Natriumkanal 254 NBD1 s. Nukleotid-bindende Region Neandertaler 242 Nebennierenrinden-Hyperplasie 376 Neigung zu einer Krankheit 136 Nematode C. elegans 280 Nephrose 150 Nervenendigungen 256
431
Neurofibromatose 2-Gen 308 Neurofibromatose 308 Neurofibromin 308 Neurotransmitter 254 NF1 308 NF1-Gen 308 NF2 308 Nicotiana longiflora 134 no isthmus 278 noi s. no isthmus Non-disjunction 102, 178, 384 Normalverteilung 136 Northern Blot 64 Nukleinsäuren 30 Nukleolus 22, 186 – organisierende Region 186 Nukleosomen 152 Nukleotid-bindende Region 260 Nukleotide 30 Nukleus 22, 186
O obligat heterozygot 124 Odorantrezeptoren 270 Odorant-Rezeptor-Proteine 270 Odorant-spezifischer Rezeptor 270 Offener Leserahmen 50 Ohr 268 Olfaktorrezeptoren 272 Oligonukleotid-Hybridisierung 74 – allelen-spezifische 392 OMIM 394 Onkel-Nichten-Verbindung 142 Onkogene 304 Ontogenese 320 Oocyte 102 Oogenese 102 Operon 218 Ophthalmoplegie, chronische externe OR s. Odorantrezeptoren Organismus, transgener 212 ortholog 238 Osteogenesis imperfecta 364, 366 Osteosarkom 306, 314 Out-of-Africa-Hypothese 242
P p21 94 p53-Protein 94, 306 Paar-Regel 274 Paarung, assortative 140 Paarungskombination 122
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112
432
Sachverzeichnis
Paarungstyp-Determination 88 Paarungstyp-Determinationswechsel 86 Pachytän 100 Pair-rule 274 Panmixie 140 paralog 238 Parasegmente 274 PCR s. Polymerase-Kettenreaktion 68, 390 PDE s. Phosphodiesterase PDGFR s. Platelet-derived growth faktor PDGF-Rezeptor-Kinasen 300 Pearson-Syndrom 112 Peptidbindung 34 Peripherin 264 Peroximale Krankheiten 334 Peroxisomen-Biogenese 334 PEX-Gen 334 Pflanzenembryo 282 Pflanzenhybriden 2, 114 Pflanzenzelle 22 Ph1-Translokation 316 Phänotyp 114, 116, 118, 122 – Verteilungsmuster 122 Pharmaka 356 Pharmakogenetik 356 Philadelphia-Chromosom 316 Phosphat-Verbindung 24 Phosphodiesterase 264 Phospholipase C 250 Phospholipid-Doppelschicht 22 Phosphoprotein 314 Phosphorylierung, oxidative 106 Photo-Erregung 262 Photorezeptoren 262, 266 Photorezeptormoleküle 266 Phylogenese 238 Plasmazellen 286 Plasmid 222 Plasmidvektor 58 Plasmodium falciparum 150, 324 Platelet-derived growth factor 248, 300 Polyadenylierung 196 Polyglutamin-Trakt 378 Polymerase-Bindungsstelle 188 Polymerase-Kettenreaktion 68, 390 Polymorphismus 9 – biochemischer 148 – genetischer 146 Polyposis coli 310 Polysaccharide 26 Population 138 Positionsklonierung 230 – CFTR-Gen, 260
Prader-Willi-Syndrom 382 – Prädiktiver genetischer Test 12, 120, 378 Prädisposition 8, 9, 11, 136, 312, 314 Prämutation 380 Pribnow Box 188 Primaten 242 Programmierter Zelltod (Apoptose) 280, 306 prokaryot 22, 190, 218 Promotor 190 – Transkription 188 Promotor-Region bei Prokaryoten 194 Prophase 96 – 100 Protease-Inhibitor § -1-Antitrypsin 348 Proteine 34 Proteinkinase 250 – A-Phosphorylierung 260 – C-Phosphorylierung 260 Proteinsynthese 186 Protein-Synthese, Inhibitoren 204 Protein-Trunkationstest 392 Proteomik 220 Proto-Onkogene 304 Pseudogene 270, 238, 376 Pseudohermaphroditismus 372 Psium sativum 114 Purin 30 Pyrimidin 30
Q Q-Bänder 168 QTL 134 QT-Syndrom, verlängertes 258 Quantitative – Genetik 134 – genetische Merkmale 134 – Trait Locus 134
R Radixin 308 Ras-Proteine 252, 300, 304, 308 Rasse 148 RB1-Gen 314 R-Bänder 168 Reaktion auf Pharmaka 356 5 § -Reduktase 372 Reduktionsteilung 98 Region, pseudoautosomale 100, 374 Reifeteilung 98 Rekombination 76, 98, 126 – genetische 98, 100 – homologe 82 – somatische 288
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Sachverzeichnis Rekombinationseinheit 128 Rekombinationshäufigkeit 128 Renaturierung 40 Replikation 40 – Reparatur 82 – Verschiebung 70 Replikon 40 Repressor 190 Restriktionsanalyse 64, 332, 350, 376 Restrikationsenzyme 64, 66, 206 Restriktionsfragmente 66 RestriktionsfragmentLängenpolymorphismus 64 Restriktionskarte 66 Restriktionskartierung 66 Retina 262, 314 Retinitis pigmentosa 112, 264, 360 Retinoblastom 314 – Protein 94 RET-Rezeptor 248 Retroelement 78, 236 Retrovirus 78, 298 Retrovirus-induzierter Tumor 304 Rezeptorprotein 250 – olfaktorisches 270 Rezeptor-Tyrosinkinasen 248 rezessiv 116, 118 RFLP s. Restriktionsfragment-Längenpolymorphismus 64 Rhodopsin 262 Ribonuklease-A-Spaltung 392 Ribosomen 186 Ringchromosom 182 RNA – Bearbeitung 198 – Editing 198 – induzierter Silencing Complex 214 – Interferenz 214 – kurze interferierende 214 – Polymerase 188, 194 – ribosomale 186 – Synthese 46, 156, 188 – Virus 298, 304 Rot-Grün-Blindheit 266 Rot-Grün-Farbwahrnehmung 266 Rous-Sarkom-Virus 304 rRNA 106, 186 RT-PCR 68 Rubinstein-Taybi-Syndrom 388 Rückkreuzung 116
433
S Saccharomyces – cerevisiae 86, 88, 94, 108, 240 – pombe 94 Sahelanthropos tchadiensis 242 Satelliten-DNA 228 SCE s. Schwesterchromatid-Austausch 154 Schwannomin 308 Schwefel-Verbindungen 24 Schwellenwertmodell, multifaktorielles 136 Schwerhörigkeit 112, 268 Schwesterchromatid-Austausch 154 Schwesterchromatiden 154 SCID s. Immundefizienz-Krankheiten, schwere kombinierte 298 Second messengers 248 Segment-Polaritäts-Gene 274 Segregation 98, 116 – elterliche Genotypen 122 Segregationsanalyse 130 Sehverlust 264 Selektion 140, 150 Selektiver Vorteil 150, 324 Selektor-Gene 274 Selektionsvorteil 324 Sequenz – autonom replizierende 90 – centromere 90 – telomere 90 Sequenzierung des Genoms 220 – 232 Sequenz-Längen-Polymorphismus 74 Sex-Determination 370 Short Interspersed Nukläre Elemente 228 Siamesische Zwillinge 144 Sichelzellanämie 150, 324 Sieben-Helix-Struktur 254 Sieben-Helix-Transmembran-Protein 256 Signalkaskade 248 Signalmoleküle 248 Signalübertragung 248 SINEs s. Short Interspersed Nukleäre Elemente Single Strand Conformation Polymorphismus 234 siRNA s. RNA, kurze interferierende 214 Skelettdysplasie, diastrophe 150 SNP s. Einzel-Nukleotid-Polymorphismus 74 Somazellgenetik 104 Southern-Blot 64, 392 Southern-Blot-Analyse 64, 380 Spectrin 358 Spektral-Karyotypisierung 176 Spermatocyten 102
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Sachverzeichnis
Spermatogenese 102 Speziation 238 Sphärozytose 358 Spleissen 52 – alternatives 198 Splice-Mutation 260, 324, 328, 366 Splicing 52 Spontanabort 386 Src-Protein 300 SRY-Gen 374 SRY-Region 370, 372, 374 SSCP s. Single Strand Conformation Polymorphismus 234 SSLP s. Sequenz-Längen-Polymorphismus, kurzer 74 Stäbchenzelle 262 Stammbaum 120, 242 Stammzellen, embryonale 212 Stechapfel 384 Steroide 28, 376 Stickler-Syndrom 364 Stomatozytose 358 Stopcodon 50, 260 Strahlenhybride 104 Streptomycin-induzierte Ototoxizität 112 Strukturaberration 164 STS-Kartierung 224 submetacentrisch 164 Suszeptibilität 136, 356 Synapsen 256 Synaptonemaler Komplex 100
T TATA Box 188, 194 Taubheit 268 Tay-Sachs Krankheit 28 TCR s. T-Zellrezeptor 294 TDF s. Testisdeterminierender Faktor 370 Telomer 90, 160, 162, 174 Telomerase 162 Telomer-assoziierte Sequenzen 162 Telomere Schleife 162 Telomeric repeat-binding factor 162 Telophase 96, 98 Terminator 188 Testes-determinierender Faktor 370, 372 Testosteron 372 TFM s. Feminisierung, testikuläre 374 Thalassämie 150, 320, 328 g -Thalassämie 330 Thrombozyten 352 Thymin 30 Thymidin 104
Thymin-Dimere, UV-induzierte 72 Thymus 284, 294 Thymusaplasie 298 Thymushypoplasie 388 Thoracopagus 144 T-Lymphocyten 288 Tn s. Transposons 78, 236 Transducin 262 Transduktor 248 Transfer-RNA 46, 106 Transformation 36, 104, 172 Transgene Maus 212, 370 Transkript, primäres 188 Transkription 46, 188, 204 Transkriptionsaktivator 202 Transkriptionseinheit 188, 196 Transkriptionsfaktoren 188, 194, 268 Transkriptionskontrolle 194 – bei Eukaryoten 196 Translation 46, 186, 188, 204 Translokation 174, 180 – reziproke 180 Transmembranproteine 22, 250, 268 Transposition 78, 236 – bei Bakterien 236 Transposons 78, 236 TRF1 s. Telomeric repeat-binding factor 1 TRF2 s. Telomeric repeat-binding factor 2 Trinukleotid-Erkrankung 80, 378 Trinukleotid-Repeat-Expansion 80, 378 Trinukleotid-Wiederholungen, unstabile, Krankheiten 378 Triplett-Krankheiten 378 Triploidie 178, 386 Trisomie 178, 386 – autosomale 384 Trisomie 13 384 Triosomie 18 384 Trisomie 21 384 t-RNA s. Transfer-RNA Tryptophan-Operon 192 Tumor-Supressor-Gene 302 Turner-Syndrom 370, 386 Tyrosinkinase 250 Tyrosin-Phosphatase 250 T-Zellen 284 T-Zellrezeptor 286, 294
U UBE3A-Gen 382 Ullrich-Turner-Syndrom 386 Untersuchung, molekulargenetische 392
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230,
Sachverzeichnis UPD s. Disomie, uniparentale Uracil 30
382
V Varianz 136 Velocardiales Syndrom 388 v-erb B 248 Vererbung, monogene 124 Verteilungsmuster von Genotypen und Phänotypen 122 Vomeronasales Organ 272 Vorfahren, gemeinsame 142, 238, 240 v-src 304
W Wachstumsfaktor 248, 300 – epidermaler 248 Wachstumsfaktor-Rezeptor 300 Western Blot 64 Willebrand-Faktor 352 Willebrand-Krankheiten 352 Williams-Beuren-Syndrom 388 Wolffsche Gänge 372 Wolf-Hirschhorn-Syndrom (4p-) 388
X X-Chromatin 210 X-Chromosom – Inaktivierung 362 – zusätzliches 386 X-chromosomal 124, 130 X-Chromosomen-Inaktivierung 210 Xeroderma pigmentosum 84
435
Y YAC 92, 226, 234 Y-Chromosom 164, 240, 370, 386 Y-Chromosom, zusätzliches 386 Yeast Artificial Chromosome 92
Z Zapfenzelle 262 Z-DNA 42 Zea mays 13, 236 Zebrafisch 278 Zelle 22 ff – eukaryote 22 Zellgenetik, somatische 7, 104 Zellkern 22, 186 Zellkultur 7, 104, 172 Zelloberflächen-Rezeptoren 250 Zellplasma-Membran 22 Zellteilung 96, 300 Zelltod, programmierter 280, 306 Zellzyklus 94, 96, 306 – Checkpoints 94 – und DNA-Reparatur 312 Zinkfingermotiv 200 Zoo-Blot 230, 234 Zwei-Hybrid-System 88 Zweischritt-Mutationsmodel nach Knudson 314 Zwillinge 144 Zygotän 100 Zygote 118
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