Springer-Lehrbuch
Grundlagen U. Fetzner, K.-J. Paquet
Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuch...
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Springer-Lehrbuch
Grundlagen U. Fetzner, K.-J. Paquet
Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung J. Bremer, H. Neitzel
Humangenetik J. Pöss, O. Kessler, J. Haybäck
Pathologie W. Kroukis
Hygiene, Mikrobiologie, Virologie S. Schieder, F. Kollmann-Jehle, S. Barlage
Klinische Chemie, Labordiagnostik S. Wohlmann
Pharmakologie und Toxikologie Mit 105 größtenteils farbigen Abbildungen und 113 Tabellen
123
Reihenherausgeber Dr. med. Klaus-Peter Schaps Rostocker-Str. 21 26388 Wilhelmshaven
Dr. med. Oliver Kessler Leisibüelstr. 128 CH-8708 Männedorf
Ulrich Fetzner Von-Lobdeburg-Str. 4 97688 Bad Kissingen
ISBN-13 978-3-540-46344-3 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2008 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Peter Bergmann, Heidelberg Projektmanagement: Axel Treiber, Heidelberg Lektorat: Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen, Ursula Illig, Stockdorf Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg SPIN 11885207 Gedruckt auf säurefreiem Papier
15/2117 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Das Hammerexamen: die letzte große Hürde vor dem Traumberuf »Arzt«. So mag es all jenen vorkommen, die sich kurz vor dem Hammerexamen befinden. Der gesamte klinische Stoff – und noch dazu im PJ – wie soll das gehen? Daher hat sich der Springer Medizin Verlag entschlossen, eine neue Repetitorien-Reihe ins Leben zu rufen. Ideal für das Lernen auf die 2. Ärztliche Prüfung hin – gerade während des PJ – und für das kurze Repetieren vor dem Examen bieten die 9 Bände alle Krankheitsbilder und die Gesundheitsstörungen des aktuellen Gegenstandskataloges. Das Besondere daran: Die Krankheitsbilder, die in den ersten 8 Bänden behandelt werden, werden nach wie vor nach Fächern geordnet angeboten – ganz so, wie es jeder Student aus dem klinischen Studienabschnitt kennt. In Lerntexten, die größtenteils von Studenten und jungen Assistenzärzten verfasst und von Fachärzten der jeweiligen Disziplinen gegengelesen wurden, wird all das noch mal kurz wiederholt, was in der 2. Ärztlichen Prüfung angewandt werden soll. Nach jedem GK-Krankheitsbild findet sich eine Zusammenfassung für das schnelle Repetieren an den Tagen unmittelbar vor dem Examen. Für grafische Lerner stellen große Übersichtsschaubilder, die »Mindmaps«, komplexe Sachverhalte übersichtlich dar. Der 9. Band enthält die Gesundheitsstörungen: Jede Gesundheitsstörung wird durch einen Fall lebendig gemacht und vom Leitsymptom ausgehend die Differentialdiagnose entwickelt. Zusätzlich finden sich am Ende jeder Gesundheitsstörung noch eine Wiederholung der häufigsten Krankheitsbilder, die diese Störung hervorrufen, eine grafische Darstellung der Differentialdiagnostik und einige Fragen zur Selbstprüfung. »GK2 Das Zweite – kompakt« ist die ideale Reihe, um sich das Grundwissen anzueignen, das man zum Lösen der Probeexamina in schwarzer oder gelber Reihe und natürlich zum Bestehen der 2. ÄP benötigt. Allen Mitwirkenden, den Herausgebern, Herrn Dr. Schaps, Herrn Dr. Kessler und Herrn Fetzner, allen Autoren und Fachärzten und auch allen studentischen Testlesern sei an dieser Stelle von Seiten des Springer Medizin Verlags noch einmal sehr herzlich für Ihre Mitarbeit am Entstehen dieses Projektes gedankt. Wir hoffen alle sehr, den Studenten mit diesem Werk eine echte »erste Hilfe« zum Bestehen des »Hammerexamens« an die Hand gegeben zu haben. Auszüge aus Vorabrezensionen: »Aufgrund der oben genannten Aspekte finde ich das neue Konzept hervorragend!! Der GK wird erfüllt; ich kann systematisch vorgehen und gleichzeitig verknüpfen, wiederholen und die neue Fragestellung üben. Von dem Arbeitsbuch-Charakter des letzten Bandes »Gesundheitsstörungen« halte ich sehr viel. Der Platz für eigene Notizen, ein einprägsames Bild und die 2-Farbigkeit setzen das sehr gut um.« »Das Konzept ist vernünftig und schlüssig. Auch die Aufteilung der Themen ist meiner Meinung nach gelungen. … Die Sprache finde ich sehr gut getroffen, … das Lesen fällt leicht, was das Arbeiten mit dem Text angenehm gestaltet. … Auch das Layout der einzelnen Seiten wirkt übersichtlich, nicht voll gepackt und ist durch Absätze, Tabellen und die farbliche Gestaltung ansprechend und übersichtlich.« Springer Medizin Verlag Heidelberg im Frühjahr 2008
Das Zweite – kompakt: Grundlagen
Leitsystem: Schnelle Orientierung über alle Kapitel
Mindmap: Grafische Übersicht komplexer Sachverhalte
Inhaltliche Struktur: Klare Gliederung durch alle Kapitel
Aufzählungen: Lerninhalte übersichtlich präsentiert
Cave: Vorsicht! Bei falschem Vorgehen Gefahr für den Patienten
Navigation: Seitenzahl und Kapitelnummer für die schnelle Orientierung
Tabellen: Klare Übersicht der wichtigsten Fakten
Wichtig Zentrale Informationen auf einen Blick
In Kürze: Wiederholung der wichtigsten Fakten zu jedem Krankheitsbild zum schnellen Repetieren kurz vor dem Examen
Zahlreiche Abbildungen veranschaulichen komplizierte und komplexe Sachverhalte
VIII
Mitarbeiterverzeichnis S. Barlage
W. Kroukis
Dr. med. Laboratoriumsmedizin MVZ Leverkusen Paracelsusstr. 13 51375 Leverkusen
Waldthausenstr. 66 55126 Mainz
H. Neitzel
U. Fetzner
Prof. Dr. med. Abt. f. Zytogenetische Diagnostik und Molekulare Zytogenetik Charité – Campus-Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 13353 Berlin
Von-Lobdeburgstr. 4 97688 Bad Kissingen
K.-J. Paquet
J. Bremer Frohburgstr. 34 CH-8006 Zürich
J. Haybäck Dr. med. University Hospital of Zurich Institute of Neuropathology Schmelzbergstr. 12 CH-8091 Zurich
Prof. Dr. med. Lessingstr. 8 97688 Bad Kissingen/Garitz
J. Pöss Doerschbachstr. 34a 66292 Riegelberg
O. Kessler
S. Schieder
Dr. med. Leisibüelstr. 128 CH-8708 Männedorf
Stollenweg 2a 93053 Regensburg
S. Wohlmann F. Kollmann-Jehle Fischmarkt 1 93047 Regensburg
Lange Bögen 20 97074 Würzburg
IX
Gegenstandskatalog Teil 1: Gesundheitsstörungen 7 Band Gesundheitsstörungen Teil 2: Krankheitsbilder A00-A09
Infektiöse Darmkrankheiten
2
A15-A19
Tuberkulose
3
A20-A28
Bestimmte bakterielle Zoonosen
A20
Pest
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.3.11, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche
A22
Anthrax [Milzbrand]
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.4.1, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
A23
Brucellose
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.3.4
A27
Leptospirose
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.8.3
A30-A49
Sonstige bakterielle Krankheiten
A31
Infektion durch sonstige Mykobakterien
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.5.1
A32
Listeriose
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.4.3
A35
Sonstiger Tetanus, (Wundstarrkrampf )
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.4.2, 7 Band Querschnittsbereiche
A36
Diphtherie
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.4.3, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Querschnittsbereiche
A37
Keuchhusten
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.3.3, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Querschnittsbereiche
A38
Scharlach
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.1.2, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Querschnittsbereiche
A39
Meningokokkeninfektion
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.2.1
A40
Streptokokkensepsis
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.1.2, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
A41
Sonstige Sepsis
A42
Aktinomykose
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.6.2
A46
Erysipel [Wundrose]
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.1.2
A48
Sonstige bakterielle Krankheiten, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Gasbrand, Legionellose, Toxisches Schocksyndrom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap.. 4.1.6.2, 7 Kap. 4.3.4.2, 7 Kap. 4.3.3.7
A49
Bakterielle Infektion nicht näher bezeichneter Lokalisation
(z.B. Helicobacter-Infektion)
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.3.9
5
A50-A64
Infektionen, die vorwiegend durch Geschlechtsverkehr übertragen werden
(z.B. Syphilis, Gonokokkeninfektion, Chlamydienkrankheiten, Ulcus molle [venereum], Infektionen des Anogenitalbereiches durch Herpesviren [Herpes simplex], Condylomata acuminata, Trichomoniasis)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.8.1, 7 Kap. 4.3.2.1, 7 Kap. 4.3.3.1
6
A65-A69
Sonstige Spirochätenkrankheiten
A69
Sonstige Spirochäteninfektionen (z.B. Lyme-Krankheit)
7
A70-A74
Sonstige Krankheiten durch Chlamydien
(z.B. Infektion durch Chlamydia psittaci, Trachom)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.7.2
8
A75-A79
Rickettsiosen
(z.B. Zeckenbissfieber, Q-Fieber)
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.3.2
9
A80-A89
Virusinfektionen des Zentralnervensystems
A80
Akute Poliomyelitis [Spinale Kinderlähmung]
A81
Atypische Virus-Infektionen des Zentralnervensystems
A82
Tollwut [Rabies]
A84
Virusenzephalitis, durch Zecken übertragen
A90-A99
Durch Arthropoden übertragene Viruskrankheiten und virale hämorrhagische Fieber
4
10
(z.B. Salmonellenenteritis, Lebensmittelvergiftung durch Staphylokokken, Enteritis durch Rotaviren)
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.3.13, 7 Kap. 4.6.7.19, 7 Kap. 6.4.2, 7 Band Innere Medizin
1
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.5.1, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche
(z.B. Sepsis durch Staphylococcus aureus, Systemic inflammatory response syndrome [SIRS])
7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.1.4.4
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.8.2
7 Band Grundlagen 7Kap. 4.6.7.16 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Querschnittsbereiche (z.B. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.20 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.9 7 Band Querschnittsbereiche
(z.B. FSME)
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.3.1, 7 Kap. 4.6.7.2 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.8
X
Gegenstandskatalog
B00-B09
Virusinfektionen, die durch Haut- und Schleimhautläsionen gekennzeichnet sind
12
B15-B19
Virushepatitis
7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.4 7 Band Innere Medizin
13
B20-B24
HIV-Krankheit [Humane ImmundefizienzViruskrankheit]
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.15
B20
Infektiöse und parasitäre Krankheiten infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.15
B24
Nicht näher bezeichnete HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
14
(z.B. Herpesenzephalitis, Varizellen, Zoster, Masern, Röteln, Viruswarzen, Mollusca contagiosa, Dreitagefieber, Ringelröteln)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.31, 7 Kap. 4.6.7 7 Band Gynäkoloige, Pädiatrie
11
B25-B34
Sonstige Viruskrankheiten
B25
Zytomegalie
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.2 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
B26
Mumps
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.11 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
B27
Infektiöse Mononukleose
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.2 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
B30
Viruskonjunktivitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
B35-B49
Mykosen
B35
Dermatophytose [Tinea]
B36
Sonstige oberflächliche Mykosen
B37
Kandidose
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.5.2.2 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
B44
Aspergillose
7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.5.2.3 7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
B45
Kryptokokkose
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.5.2.2 7 Band Innere Medizin
16
B50-B64
Protozoenkrankheiten
17
B65-B83
Helminthosen
15
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.5.2.1 (z.B. Pityriasis versicolor)
(z.B. Malaria, Leishmaniose, Toxoplasmose, Pneumozystose)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.5.2.2
7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.21.5, 7 Kap. 4.4.1, 7 Kap. 4.5.2 7 Band Innere Medizin
B65
Schistosomiasis [Bilharziose]
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.2.2
B67
Echinokokkose
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.2.3 7 Band Innere Medizin
B68
Taeniasis
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.2.4
B69
Zystizerkose
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.2.4
B77
Askaridose
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.2.1
B80
Enterobiasis
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.2.1
B85-B89
Pedikulose [Läusebefall], Akarinose [Milbenbefall] und sonstiger Parasitenbefall der Haut
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap.4.4.3.2
B85
Pedikulose [Läusebefall] und Phthiriasis [Filzläusebefall]
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.3.2 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
B86
Skabies
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.4.3.1 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
19
C00-C14
Bösartige Neubildungen der Lippe, der Mundhöhle und des Pharynx
20
C15-C26
Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane
C15
Bösartige Neubildung des Ösophagus
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.13
C16
Bösartige Neubildung des Magens
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.14
C17
Bösartige Neubildung des Dünndarmes
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.15, 7 Kap. 3.2.16
C18
Bösartige Neubildung des Kolons
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.6 7 Band Innere Medizin
18
(z.B. Bösartige Neubildung der Parotis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
XI Gegenstandskatalog
C19
Bösartige Neubildung am Rektosigmoid, Übergang
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.6
C20
Bösartige Neubildung des Rektums
7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.6
C21
Bösartige Neubildung des Anus und des Analkanals
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.6
C22
Bösartige Neubildung der Leber und der intrahepatischen Gallengänge
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.21.10
C23
Bösartige Neubildung der Gallenblase
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.22.3
C24
Bösartige Neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter Teile der Gallenwege
C25
Bösartige Neubildung des Pankreas
C30-C39
Bösartige Neubildungen der Atmungsorgane und sonstiger intrathorakaler Organe
C32
Bösartige Neubildung des Larynx
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.2
C33
Bösartige Neubildung der Trachea
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
C34
Bösartige Neubildung der Bronchien und der Lunge
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.12
C40-C41
Bösartige Neubildungen des Knochens und des Gelenkknorpels
C40
Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels der Extremitäten
(z.B. Osteosarkom des Femurs)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Grundlagen 7 Kap. 3.2.32.3
C41
Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels sonstiger und nicht näher bezeichneter Lokalisationen
(z.B. Chondrosarkom, Ewing-Sarkom des Beckens)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.32.3
C43-C44
Melanom und sonstige bösartige Neubildungen der Haut
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
C43
Bösartiges Melanom der Haut
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.31
C44
Sonstige bösartige Neubildungen der Haut
(z.B. Basalzellenkarzinom, Plattenepithelkarzinom)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.31
24
C45-C49
Bösartige Neubildungen des mesothelialen Gewebes und des Weichteilgewebes
(z.B. Pleuramesotheliom, Kaposi-Sarkom, Liposarkom)
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopäadie, Urologie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.34.1
25
C50
Bösartige Neubildung der Brustdrüse [Mamma]
26
C51-C58
Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane
C51
Bösartige Neubildung der Vulva
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.6
C52
Bösartige Neubildung der Vagina
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 kap. 3.2.28.5
C53
Bösartige Neubildung der Cervix uteri
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.4
C54
Bösartige Neubildung des Corpus uteri
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.3
C56
Bösartige Neubildung des Ovars
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.1
21
22
23
(z.B. Gallenwegskarzinom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.22.3 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.23.4
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Grundlagen 7 Grundlagen 7 Kap. 3.2.30.4
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
C57
Bösartige Neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter weiblicher Genitalorgane
27
C60-C63
Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane
(z.B. Peniskarzinom, Prostatakarzinom, Hodenmalignom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.2
28
C64-C68
Bösartige Neubildungen der Harnorgane
(z.B. Nierenzellkarzinom, Wilms-Tumor, Urothelkarzinom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Innere Medizin 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.29.8
29
C69-C72
Bösartige Neubildungen des Auges, des Gehirns und sonstiger Teile des Zentralnervensystems
C69
Bösartige Neubildung des Auges und der Augenanhangsgebilde
(z.B. Retinoblastom, Aderhautmelanom)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.29.8
XII
Gegenstandskatalog
C71
Bösartige Neubildung des Gehirns
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.15
C72
Bösartige Neubildung des Rückenmarkes, der Hirnnerven und anderer Teile des Zentralnervensystems
7 Band Chirurgie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.5
C73-C75
Bösartige Neubildungen der Schilddrüse und sonstiger endokriner Drüsen
C73
Bösartige Neubildung der Schilddrüse
C74
Bösartige Neubildung der Nebenniere
(z.B. Neuroblastom, Phäochromozytom)
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.5.4
31
C76-C80
Bösartige Neubildungen ungenau bezeichneter, sekundärer und nicht näher bezeichneter Lokalisationen
(z.B. Metastasen, Paraneoplastisches Syndrom)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.1.6.6, 7 Kap. 3.1.6.5, 7 Band Innere Medizin
32
C81-C96
Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden und verwandten Gewebes
C81
Hodgkin-Krankheit [Lymphogranulomatose]
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.9.2
C82
Follikuläres [noduläres] Non-Hodgkin-Lymphom
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.9.2
C83
Diffuses Non-Hodgkin-Lymphom
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.9.2
C84
Periphere und kutane T-Zell-Lymphome
C90
Plasmozytom und bösartige PlasmazellenNeubildungen
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.9.2
C91
Lymphatische Leukämie
7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.8.3
C92
Myeloische Leukämie
7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.8.3
C96
Sonstige und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden und verwandten Gewebes
30
33
34
35
D00-D09
In-situ-Neubildungen
D00
Carcinoma in situ der Mundhöhle, des Ösophagus und des Magens
D04
Carcinoma in situ der Haut
D10-D36
Gutartige Neubildungen
D12
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.5.2
(z.B. Mycosis fungoides)
(z.B. Abt-Letterer-Siwe-Krankheit)
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.9.2, 7 Kap. 3.2.21.7
7 Band Innere Medizin 7 Band Grund lagen 7 Kap. 3.2.9.3
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO (z.B. M. Bowen)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
Gutartige Neubildung des Kolons, des Rektums, des Analkanals und des Anus
(z.B. Polyposis coli)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chrirugie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.1.6.2
D13
Gutartige Neubildung sonstiger und ungenau bezeichneter Teile des Verdauungssystems
(z.B. Gutartige Tumoren der Leber)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.11.10
D14
Gutartige Neubildung des Mittelohres und des Atmungssystems
(z.B. Adenomatöse Polypen)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
D16
gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels
(z.B. Osteochondrom, Osteoid-Osteom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.32.3
D17
Gutartige Neubildung des Fettgewebes
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
D18
Hämangiom und Lymphangiom
7 Band Innere Medizin 7 Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.34.1
D21
Sonstige gutartige Neubildungen des Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe
D22
Melanozytennävus
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
D25
Leiomyom des Uterus
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.3
D32
Gutartige Neubildung der Meningen
(z.B. Meningeom)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7Kap. 3.2.1.5
D33
Gutartige Neubildung des Gehirns und anderer Teile des Zentralnervensystems
(z.B. Akustikusneurinom)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
D35
Gutartige Neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter endokriner Drüsen
D37-D48
Neubildungen unsicheren oder unbekannten Verhaltens
D44
Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens der endokrinen Drüsen
D46
Myelodysplastische Syndrome
D47
Sonstige Neubildungen unsicheren oder unbekannten Verhaltens des lymphatischen, blutbildenden und verwandten Gewebes
(z.B. Hautfibrome)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.34.1
7 Band Innere Medizin
(z.B. »Inzidentalome« [Nebenniere, Hypophyse], Kraniopharyngeom)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.5 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.8.3
(z.B. Myelofibrose)
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.8.3
XIII Gegenstandskatalog
36
D50-D53
Alimentäre Anämien
D50
Eisenmangelanämie
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche
D51
Vitamin-B12-Mangelanämie
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 6.2 7 Band Querschnittsbereiche
D52
Folsäure-Mangelanämie
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 6.2 7 Band Querschnittsbereiche
37
D55-D59
Hämolytische Anämien
(z.B. Hereditäre Sphärozytose, Autoimmunhämolytische Anämien)
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.3.13
38
D60-D64
Aplastische und sonstige Anämien
(z.B. Akute Blutungsanämie, Tumoranämie)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
39
D65-D69
Koagulopathien, Purpura und sonstige hämorrhagische Diathesen
(z.B. Disseminierte intravasale Gerinnung, Hämophilie A, Willebrand-JürgensSyndrom, Allergische Vaskulitis)
7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.3.6, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
40
D70-D77
Sonstige Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe
(z.B. Agranulozytose, Methämoglobinämie, Hypersplenismus, sekundäre Polyglobulie)
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 6.4.2
41
D80-D90
Bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems
D83
Variabler Immundefekt [common variable immunodeficiency]
D84
Sonstige Immundefekte
7 Band Querschnittsbereiche (z.B. Hereditäres Quincke-Ödem)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
D86
Sarkoidose
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche
D90
Immunkompromittierung nach Bestrahlung, Chemotherapie und sonstigen immunsuppressiven Maßnahmen
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
E00-E07
Krankheiten der Schilddrüse
E10-E14
Diabetes mellitus
E10
Primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-1-Diabetes]
7 Band Innere Medizin
E11
Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-2-Diabetes]
7 Band Innere Medizin
E14
Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus
7 Band Innere Medizin
E15-E16
Sonstige Störungen der Blutglukose-Regulation und der inneren Sekretion des Pankreas
44 45
(z.B. Endemische Struma, Hypothyreose, Hyperthyreose, Thyreoiditis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.5.2
42 43
(z.B. Hypoglykämie)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche
E20-E35
Krankheiten sonstiger endokriner Drüsen
E21
Hyperparathyreoidismus und sonstige Krankheiten der Nebenschilddrüse
E23
Unterfunktion und andere Störungen der Hypophyse
E24
Cushing-Syndrom
E25
Adrenogenitale Störungen
E26
Hyperaldosteronismus
(z.B. Conn-Syndrom)
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.5.4
E27
Sonstige Krankheiten der Nebenniere
(z.B. Nebennierenrinden-Insuffizienz)
7 Band Innere Medizin
E28
Ovarielle Dysfunktion
E29
Testikuläre Dysfunktion
E30
Pubertätsstörungen, anderenorts nicht klassifiziert
E31
Polyglanduläre Dysfunktion
E34
Sonstige endokrine Störungen
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.5.3 (z.B. Hypopituitarismus, Diabetes insipidus)
7 Band Innere Medizin 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.5.4 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie (z.B. Pubertas praecox, Pubertas tarda)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Innere Medizin
(z.B. Karzinoid-Syndrom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin 7 Band Querschnittsbereiche
46
E40-E46
Mangelernährung
47
E50-E64
Sonstige alimentäre Mangelzustände
48
E65-E68
Adipositas und sonstige Überernährung
E66
Adipositas
49
E70-E90
Stoffwechselstörungen
E70
Störungen des Stoffwechsels aromatischer Aminosäuren
E78
Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.3.13
E79
Störungen des Purin- und Pyrimidinstoffwechsels
7 Band Innere Medizin
E80
Störungen des Porphyrin- und Bilirubinstoffwechsels
7 Band Innere Medizin
E83
Störungen des Mineralstoffwechsels
E84
Zystische Fibrose
(z.B. Vitamin-D-Mangel)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
(z.B. Phenylketonurie)
(z.B. Hämochromatose)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.3.4
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.3.4, 7 Kap.3.2.21.7, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.3.4, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
XIV
50
Gegenstandskatalog
F00-F09
Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
F00
Demenz bei Alzheimer-Krankheit
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.9
F01
Vaskuläre Demenz
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche
F02
Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
F05
Delir, nicht durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingt
F06
Andere psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit
(z.B. Organische Halluzinose)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F07
Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
(z.B. Organische Persönlichkeitsstörung)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
51
F10-F19
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
(z.B. Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Opioide und Cannabinoide, Entzugssyndrom mit Delir)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 6.4.2, 7 Kap. 6.2.13.1
52
F20-F29
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
53
54
55
56
(z.B. bei Creutzfeldt-Jacob-Krankheit, HIV-Krankheit)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.6 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F20
Schizophrenie
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F22
Anhaltende wahnhafte Störungen
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F25
Schizoaffektive Störungen
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F30-F39
Affektive Störungen
F31
Bipolare affektive Störung
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F32
Depressive Episode
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F33
Rezidivierende depressive Störung
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F34
Anhaltende affektive Störungen
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F40-F48
Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
F40
Phobische Störungen
F41
Andere Angststörungen
F42
Zwangsstörung
F43
Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
F44
Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]
F45
Somatoforme Störungen
F50-F59
Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
F50
Essstörungen
F51
Nichtorganische Schlafstörungen
F52
Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
F54
Psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
F60-F69
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F60
Spezifische Persönlichkeitsstörungen
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik (z.B. Panikstörung, Generalisierte Angststörung)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
(z.B. Akute Belastungsreaktion, Posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörungen)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik (z.B. Hypochrondrische Störung)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
(z.B. Anorexia nervosa, Bulimia nervosa)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche
(z.B. Erektile Dysfunktion)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
(z.B. Dissoziale Persönlichkeitsstörung, Emotional instabile Persönlichkeitsstörung)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
57
F70-F79
Intelligenzminderung
58
F80-F89
Entwicklungsstörungen
59
F90-F98
Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
F90
Hyperkinetische Störungen
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F91
Störungen des Sozialverhaltens
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F93
Emotionale Störungen des Kindesalters
F94
Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
60
(z.B. des Sprechens und der Sprache, schulischer Fertigkeiten; Frühkindlicher Autismus)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik (z.B. Elektiver Mutismus)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
F95
Ticstörungen
F98
Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
(z.B. Nichtorganische Enuresis)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G00-G09
Entzündliche Krankheiten des Zentralnervensystems
(z.B. Meningitis, Enzephalitis, Myelitis, Enzephalomyelitis, Intrakranielle und intraspinale Abszesse und Granulome)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
XV Gegenstandskatalog
61
62
63
64
65
66
67
68
G10-G13
Systematrophien, die vorwiegend das Zentralnervensystem betreffen
G10
Chorea Huntington
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.3.10, 7 Kap. 3.2.1.9
G11
Hereditäre Ataxie
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G12
Spinale Muskelatrophie und verwandte Syndrome
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G20-G26
Extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
G20
Primäres Parkinson-Syndrom
G21
Sekundäres Parkinson-Syndrom
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G23
Sonstige degenerative Krankheiten der Basalganglien
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G24
Dystonie
G25
Sonstige extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
G30-G32
Sonstige degenerative Krankheiten des Nervensystems
G30
Alzheimer-Krankheit
G35-G37
Demyelinisierende Krankheiten des Zentralnervensystems
G35
Multiple Sklerose [Encephalomyelitis disseminata]
G40-G47
Episodische und paroxysmale Krankheiten des Nervensystems
G40
Epilepsie
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G41
Status epilepticus
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G43
Migräne
G44
Sonstige Kopfschmerzsyndrome
G45
Zerebrale transitorische Ischämie und verwandte Syndrome
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G46
Zerebrale Gefäßsyndrome bei zerebrovaskulären Krankheiten
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G47
Schlafstörungen
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G50-G59
Krankheiten von Nerven, Nervenwurzeln und Nervenplexus
G50
Krankheiten des N. trigeminus [V. Hirnnerv]
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G51
Krankheiten des N. facialis [VII. Hirnnerv]
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G52
Krankheiten sonstiger Hirnnerven
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G54
Krankheiten von Nervenwurzeln und Nervenplexus
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G56
Mononeuropathien der oberen Extremität
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G57
Mononeuropathien der unteren Extremität
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G60-G64
Polyneuropathien und sonstige Krankheiten des peripheren Nervensystems
G61
Polyneuritis
G62
Sonstige Polyneuropathien
(z.B. Alkoholneuropathie)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G63
Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
(z.B. Diabetische Polyneuropathie)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G70-G73
Krankheiten im Bereich der neuromuskulären Synapse und des Muskels
G70
Myasthenia gravis und sonstige neuromuskuläre Krankheiten
G71
Primäre Myopathien
(z.B. Muskeldystrophien, Myotone Syndrome)
7 Band Grundlagen 7 Kap.2.8.3.6, 7 Kap. 3.2.2, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G72
Sonstige Myopathien
(z.B. Arzneimittelinduzierte Myopathie)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
(z.B. Demenz mit Lewy-Körperchen bei Parkinson-Syndrom)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.9
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik (z.B. Restless-Legs-Syndrom)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.9
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.7
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik (z.B. Cluster-Kopfschmerz, Vasomotorischer Kopfschmerz, Spannungskopfschmerz, Chronischer posttraumatischer Kopfschmerz, Arzneimittelinduzierter Kopfschmerz)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.2
XVI
69
70
71
72
73
74
75
Gegenstandskatalog
G80-G83
Zerebrale Lähmung und sonstige Lähmungssyndrome
G80
Infantile Zerebralparese
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
G81
Hemiparese und Hemiplegie
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
G82
Paraparese und Paraplegie, Tetraparese und Tetraplegie
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G83
Sonstige Lähmungssyndrome
G90-G99
Sonstige Krankheiten des Nervensystems
G90 G91
(z.B. Cauda-equina-Syndrom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
Krankheiten des autonomen Nervensystems
(z.B. Multisystem-Atrophie)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
Hydrozephalus
(z.B. Normaldruckhydozephalus)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.2
G95
Sonstige Krankheiten des Rückenmarkes
(z.B. Syringomyelie)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
H00-H06
Affektionen des Augenlides, des Tränenapparates und der Orbita
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H00
Hordeolum und Chalazion
H02
Sonstige Affektionen des Augenlides
H04
Affektionen des Tränenapparates
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H10-H13
Affektionen der Konjunktiva
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H10
Konjunktivitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H15-H22
Affektionen der Sklera, der Hornhaut, der Iris und des Ziliarkörpers
H15
Affektionen der Sklera
H16
Keratitis
H18
Sonstige Affektionen der Hornhaut
H20
Iridozyklitis
H22
Affektionen der Iris und des Ziliarkörpers bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
H25-H28
Affektionen der Linse
H25
Cataracta senilis
H26
Sonstige Kataraktformen
H30-H36
Affektionen der Aderhaut und der Netzhaut
H30
Chorioretinitis
H32
Chorioretinale Affektionen bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
(z.B. Ektropium, Entropium, Ptosis)
(z.B. Skleritis, Episkleritis)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
(z.B. Keratokonus)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
(z.B. Iridozyklitis bei Zoster, bei Spondylitis ankylopoetica)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, (z.B. Cataracta traumatica)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
(z.B. bei Toxoplasmose)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H33
Netzhautablösung und Netzhautriss
H34
Netzhautgefäßverschluss
H35
Sonstige Affektionen der Netzhaut
(z.B. Hypertensive Retinopathie, Retinopathia praematurorum, Altersbedingte Makuladegeneration [AMD], Retinopathia pigmentosa)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H36
Affektionen der Netzhaut bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
(z.B. Diabetische Retinopathie, Atherosklerotische Retinopathie)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
76
H40-H42
Glaukom
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Querschnittsbereiche
77
H43-H45
Affektionen des Glaskörpers und des Augapfels
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO,
78
79
80
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H43
Affektionen des Glaskörpers
(z.B. Glaskörperblutung)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H44
Affektionen des Augapfels
(z.B. Endophthalmitis, Intraokularer Fremdkörper)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H46-H48
Affektionen des N. opticus und der Sehbahn
H46
Neuritis nervi optici
H47
Sonstige Affektionen des N. opticus [II. Hirnnerv] und der Sehbahn
(z.B. Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION), arteriosklerotisch)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H48
Affektionen des N. opticus [II. Hirnnerv] und der Sehbahn bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
(z.B. bei Multipler Sklerose)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H49-H52
Affektionen der Augenmuskeln, Störungen der Blickbewegungen sowie Akkommodationsstörungen und Refraktionsfehler
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H49
Strabismus paralyticus
H50
Sonstiger Strabismus
H52
Akkommodationsstörungen und Refraktionsfehler
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H53-H54
Sehstörungen und Blindheit
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
(z.B. Strabismus concomitans)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
XVII Gegenstandskatalog
81
82
83
84
H60-H62
Krankheiten des äußeren Ohres
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H60
Otitis externa
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.4.1
H65-H75
Krankheiten des Mittelohres und des Warzenfortsatzes
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H65
Nichteitrige Otitis media
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H66
Eitrige und nicht näher bezeichnete Otitis media
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H68
Entzündung und Verschluß der Tuba auditiva
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H70
Mastoiditis und verwandte Zustände
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H71
Cholesteatom des Mittelohres
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H72
Trommelfellperforation
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H80-H83
Krankheiten des Innenohres
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H80
Otosklerose
H81
Störungen der Vestibularfunktion
(z.B. Ménière-Krankheit)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H83
Sonstige Krankheiten des Innenohres
(z.B. Lärmschwerhörigkeit)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeit- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H90-H95
Sonstige Krankheiten des Ohres
H90
Hörverlust durch Schalleitungs- oder Schallempfindungsstörung
(z.B. Angeborene Taubheit)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
H91
Sonstiger Hörverlust
(z.B. Altersschwerhörigkeit)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
85
I00-I02
Akutes rheumatisches Fieber
86
I05-I09
Chronische rheumatische Herzkrankheiten
I05
Rheumatische Mitralklappenkrankheiten
I06
Rheumatische Aortenklappenkrankheiten
I10-I15
Hypertonie [Hochdruckkrankheit]
I10
Essentielle (primäre) Hypertonie
7 Band Innere Medizin 7 Band Querschnittsbereiche
I11
Hypertensive Herzkrankheit
7 Band Innere Medizin
I12
Hypertensive Nierenkrankheit
7 Band Innere Medizin
I15
Sekundäre Hypertonie
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
87
88
89
90
7 Band Innere Medizin
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
I20-I25
Ischämische Herzkrankheiten
I20
Angina pectoris
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.4
I21
Akuter Myokardinfarkt
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.4
I22
Rezidivierender Myokardinfarkt
7 Band Innere Medizin
I25
Chronische ischämische Herzkrankheit
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.4
I26-I28
Pulmonale Herzkrankheit und Krankheiten des Lungenkreislaufes
I26
Lungenembolie
I27
Sonstige pulmonale Herzkrankheiten
I30-I52
Sonstige Formen der Herzkrankheit
7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie. 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.1.11.5 (z.B. Cor pulmonale)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.8 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.6
I30
Akute Perikarditis
I31
Sonstige Krankheiten des Perikards
I34
Nichtrheumatische Mitralklappenkrankheiten
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.3
I35
Nichtrheumatische Aortenklappenkrankheiten
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.3
I38
Endokarditis, Herzklappe nicht näher bezeichnet
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.3.
I39
Endokarditis und Herzklappenkrankheiten bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
7 Band Innere Medizin
I40
Akute Myokarditis
7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.5
I41
Myokarditis bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
7 Band Innere Medizin
I42
Kardiomyopathie
7 Band Innere Medizin
I44
Atrioventrikulärer Block und Linksschenkelblock
7 Band Innere Medizin
I45
Sonstige kardiale Erregungsleitungsstörungen
(z.B. Chronische Perikarditis)
(z.B. Rechtsschenkelblock, PräexitationsSyndrom)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.6.6
7 Band Innere Medizin
XVIII
91
92
93
94
95
Gegenstandskatalog
I46
Herzstillstand
I47
Herzstillstand
I48
Vorhofflattern und Vorhofflimmern
I49
Sonstige kardiale Arrhythmien
I50
Herzinsuffizienz
(z.B. Plötzlicher Herztod)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Innere Medizin
(z.B. Kammerflimmern, Sick-SinusSyndrom)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Innere Medizin 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.1.11.8
I60-I69
Zerebrovaskuläre Krankheiten
I60
Subarachnoidalblutung
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.3
I61
Intrazerebrale Blutung
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.3
I62
Sonstige nichttraumatische intrakranielle Blutung
I63
Hirninfarkt
I65
Verschluss und Stenose präzerebraler Arterien ohne resultierenden Hirninfarkt
I66
Verschluss und Stenose zerebraler Arterien ohne resultierenden Hirninfarkt
I67
Sonstige zerebrovaskuläre Krankheiten
I69
Folgen einer zerebrovaskulären Krankheit
I70-I79
Krankheiten der Arterien, Arteriolen und Kapillaren
I70
Atherosklerose
(z.B. Spontane subarachnoidale Blutung)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.3
(z.B. Basilaristhrombose)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
(z.B. Hirnatherosklerose, Hirnvenenthrombose)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.7.1, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
I71
Aortenaneurysma und -dissektion
I72
Sonstiges Aneurysma
(z.B. Aneurysma der A. carotis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.7.2
I73
Sonstige periphere Gefäßkrankheiten
(z.B. Raynaud-Syndrom, Thrombangiitis obliterans, Claudicatio intermittens)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
I74
Arterielle Embolie und Thrombose
I80-I89
Krankheiten der Venen, der Lymphgefäße und der Lymphknoten, anderenorts nicht klassifiziert
I80
Phlebitis und Thrombophlebitis
7 Band Innere Medizin, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
I81
Pfortaderthrombose
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
I82
Sonstige venöse Embolie und Thrombose
(z.B. Thrombophilie wie Protein-S-Mangel, Protein-C-Mangel, APC-Resistenz)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.1.11.4
I83
Varizen der unteren Extremitäten
(z.B. Ulcus cruris venosum)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Innere Medizin
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
I84
Hämorrhoiden
I85
Ösophagusvarizen
I86
Varizen sonstiger Lokalisationen
(z.B. Magenvarizen, Varikozele)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
I87
Sonstige Venenkrankheiten
(z.B. Postthrombotisches Syndrom, Venöse Insuffizienz)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Innere Medizin
I88
Unspezifische Lymphadenitis
I89
Sonstige nichtinfektiöse Krankheiten der Lymphgefäße und Lymphknoten
J00-J06
Akute Infektionen der oberen Atemwege
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
J00
Akute Rhinopharyngitis [Erkältungsschnupfen]
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
J01
Akute Sinusitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
J02
Akute Pharyngitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap.3.2.10.3
J03
Akute Tonsillitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
J04
Akute Laryngitis und Tracheitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.2
J05
Akute obstruktive Laryngitis [Krupp] und Epiglottitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
J06
Akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisationen der oberen Atemwege
J10-J18
Grippe und Pneumonie
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
7 Band Innere Medizin, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.9.1 (z.B. Lymphödem)
(z.B. Grippaler Infekt)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Innere Medizin
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.12
XIX Gegenstandskatalog
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
J20-J22
Sonstige akute Infektionen der unteren Atemwege
J20
Akute Bronchitis
J21
Akute Bronchiolitis
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.5 (z.B. RSV-Infektion)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.5, 7 Kap. 4.6.7.11
J30-J39
Sonstige Krankheiten der oberen Atemwege
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
J30
Vasomotorische und allergische Rhinopathie
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
J31
Chronische Rhinitis, Rhinopharyngitis und Pharyngitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
J32
Chronische Sinusitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
J33
Nasenpolyp
J34
Sonstige Krankheiten der Nase und der Nasennebenhöhlen
J35
Chronische Krankheiten der Gaumen- und Rachenmandeln
J38
Krankheiten der Stimmlippen und des Kehlkopfes, anderenorts nicht klassifiziert
J40-J47
Chronische Krankheiten der unteren Atemwege
J41
Einfache und schleimig-eitrige chronische Bronchitis
J43
Emphysem
J44
Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO (z.B. Nasenfurunkel)
7 Band Chirurgie, Orthopädie,Urologie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
(z.B. Stimmlippenknötchen)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.5 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.6 (z.B. COPD)
7 Band Innere Medizin
J45
Asthma bronchiale
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.5
J46
Status asthmaticus
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Innere Medizin
J47
Bronchiektasen
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.5
J60-J70
Lungenkrankheiten durch exogene Substanzen
J61
Pneumokoniose durch Asbest und sonstige anorganische Fasern
(Asbestose)
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.1.4.1
J62
Pneumokoniose durch Quarzstaub
(z.B. Silikose)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
J67
Allergische Alveolitis durch organischen Staub
(z.B. Farmerlunge)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
J80-J84
Sonstige Krankheiten der Atmungsorgane, die hauptsächlich das Interstitium betreffen
J81
Lungenödem
J84
Sonstige interstitielle Lungenkrankheiten
J85-J86
Purulente und nekrotisierende Krankheitszustände der unteren Atemwege
J86
Pyothorax
J90-J94
Sonstige Krankheiten der Pleura
7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.1.11.3, 7 Kap. 3.2.10.6 (z.B. Hamman-Rich-Syndrom)
7 Band Innere Medizin
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Pleuraerguss, anderenorts nicht klassifiziert Pleuraerguß bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
7 Band Innere Medizin
J93
Pneumothorax
7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
J95-J99
Sonstige Krankheiten des Atmungssystems
J98
Sonstige Krankheiten der Atemwege
K00-K14
Krankheiten der Mundhöhle, der Speicheldrüsen und der Kiefer
K10 K11
(z.B. Exsudative Pleuritis)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.1.3.4
J90 J91
(z.B. Atelektase, Interstitielles Emphysem, Mediastinitis)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.6
Sonstige Krankheiten der Kiefer
(z.B. Kieferosteomyelitis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Krankheiten der Speicheldrüsen
(z.B. Sialolithiasis)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
K12
Stomatitis und verwandte Krankheiten
(z.B. Rezidivierende orale Aphthen)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
K13
Sonstige Krankheiten der Lippe und der Mundschleimhaut
(z.B. Cheilitis, Leukoplakie)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.10.2
K20-K31
Krankheiten des Ösophagus, des Magens und des Duodenums
K20
Ösophagitis
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.13
K21
Gastroösophageale Refluxkrankheit
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.13
K22
Sonstige Krankheiten des Ösophagus
(z.B. Erworbene Divertikel, Mallory-WeissSyndrom, Perforation)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthiopädie, Urologie
XX
106
107
108
109
110
111
112
Gegenstandskatalog
K25
Ulcus ventriculi
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.14.3
K26
Ulcus duodeni
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbetis- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.15
K29
Gastritis und Duodenitis
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.14.2
K30
Dyspepsie
7 Band Querschnittsbereiche
K35-K38
Krankheiten der Appendix
K35
Akute Appendizitis
K40-K46
Hernien
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.17
K40
Hernia inguinalis
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K41
Hernia femoralis
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K42
Hernia umbilicalis
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K43
Hernia ventralis
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K44
Hernia diaphragmatica
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K50-K52
Nichtinfektiöse Enteritis und Kolitis
K50
Crohn-Krankheit [Enteritis regionalis] [Morbus Crohn]
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.3
K51
Colitis ulcerosa
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.3
K55-K63
Sonstige Krankheiten des Darmes
K55
Gefäßkrankheiten des Darmes
(z.B. Mesenterialinfarkt, Ischämische Kolitis)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.16
K56
Paralytischer Ileus und mechanischer Ileus ohne Hernie
(z.B. Invagination, Bridenileus)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K57
Divertikulose des Darmes
7 Band Innere Medizin, 7 Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Urologie
K58
Reizdarmsyndrom
7 Band Innere Medizin
K60
Fissur und Fistel in der Anal- und Rektalregion
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.3
K61
Abszess in der Anal- und Rektalregion
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.3
K62
Sonstige Krankheiten des Anus und des Rektums
(z.B. Analpolyp, Analprolaps)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
K63
Sonstige Krankheiten des Darmes
(z.B. Darmabszess, Darmfistel)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
K65-K67
Krankheiten des Peritoneums
K65
Peritonitis
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.24.1
K70-K77
Krankheiten der Leber
K70
Alkoholische Leberkrankheit
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.21.7
K71
Toxische Leberkrankheit
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.21.7
K72
Leberversagen, anderenorts nicht klassifiziert
7 Band Innere Medizin
K74
Fibrose und Zirrhose der Leber
7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.21.2, 7 Band Chirurgie, Orthopädie,Urologie, 7 Band Innere Medizin
K75
Sonstige entzündliche Leberkrankheiten
(z.B. Leberabszess, Autoimmune Hepatitis)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.21.3
K76
Sonstige Krankheiten der Leber
(z.B. Fettleber)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.21.7
K80-K87
Krankheiten der Gallenblase, der Gallenwege und des Pankreas
K80
Cholelithiasis
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K81
Cholezystitis
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.22.1 (z.B. Gallengangsverschluss)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K83
Sonstige Krankheiten der Gallenwege
K85
Akute Pankreatitis
K86
Sonstige Krankheiten des Pankreas
113
K90-K93
Sonstige Krankheiten des Verdauungssystems
K90
Intestinale Malabsorption
114
L00-L08
Infektionen der Haut und der Unterhaut
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO,
L00
Staphylococcal scalded skin syndrome [SSS-Syndrom]
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.1.1
L01
Impetigo
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädiee, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.23.2 (z.B. Chronische Pankreatitis)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.23.2
(z.B. Zöliakie)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
XXI Gegenstandskatalog
115
116
117
118
119
120
121
L02
Hautabszess, Furunkel und Karbunkel
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
L03
Phlegmone
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
L04
Akute Lymphadenitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.9.1
L05
Pilonidalzyste
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
L08
Sonstige lokale Infektionen der Haut und der Unterhaut
(z.B. Pyodermie, Erythrasma)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L10-L14
Bullöse Dermatosen
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L10
Pemphiguskrankheiten
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L12
Pemphigoidkrankheiten
L13
Sonstige bullöse Dermatosen
L20-L30
Dermatitis und Ekzem
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L20
Atopisches [endogenes] Ekzem
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.31
L21
Seborrhoisches Ekzem
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L22
Windeldermatitis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
L23
Allergische Kontaktdermatitis
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L24
Toxische Kontaktdermatitis
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L27
Dermatitis durch oral, enteral oder parenteral aufgenommene Substanzen
(z.B. Arzneimittelexanthem)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L30
Sonstige Dermatitis
(z.B. Nummuläres Ekzem)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L40-L45
Papulosquamöse Hautkrankheiten
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L40
Psoriasis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L41
Parapsoriasis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L42
Pityriasis rosea
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L43
Lichen ruber planus
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L50-L54
Urtikaria und Erythem
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L50
Urtikaria
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.31
L51
Erythema exsudativum multiforme
L52
Erythema nodosum
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L55-L59
Krankheiten der Haut und der Unterhaut durch Strahleneinwirkung
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L55
Dermatitis solaris acuta
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Querschnittsbereiche
L56
Sonstige akute Hautveränderungen durch Ultraviolettstrahlen
(z.B. Polymorphe Lichtdermatose)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Querschnittsbereiche
L57
Hautveränderungen durch chronische Exposition gegenüber nichtionisierender Strahlung
(z.B. Aktinische Keratose)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Querschnittsbereiche
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO (z.B. Dermatitis herpetiformis Duhring)
(z.B. Toxische epidermale Nekrolyse)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L60-L75
Krankheiten der Hautanhangsgebilde
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L60
Krankheiten der Nägel
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L63
Alopecia areata
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L64
Alopecia androgenetica
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L70
Akne
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO,
L71
Rosazea
L72
Follikuläre Zysten der Haut und der Unterhaut
(z.B. Atherom)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
L73
Sonstige Krankheiten der Haarfollikel
(z.B. Hidradenitis suppurativa)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Querschnittsbereiche
L80-L99
Sonstige Krankheiten der Haut und der Unterhaut
L80
Vitiligo
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L82
Seborrhoische Keratose
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L83
Acanthosis nigricans
L85
Sonstige Epidermisverdickung
L88
Pyoderma gangraenosum
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L89
Dekubitalgeschwür
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
L90
Atrophische Hautkrankheiten
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO (z.B. Cornu cutaneum, Akrale Hyperkeratosen)
(z.B. Lichen sclerosus et atrophicus, Narben, Striae cutis atrophicae)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
XXII
Gegenstandskatalog
Granulomatöse Krankheiten der Haut und der Unterhaut
L93
Lupus erythematodes
L94
Sonstige lokalisierte Krankheiten des Bindegewebes
M00-M03
Infektiöse Arthropathien
M00
Eitrige Arthritis
M01
Direkte Gelenkinfektionen bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
(z.B. Arthritis bei Lyme-Krankheit)
7 Band Innere Medizin
M02
Reaktive Arthritiden
(z.B. Reiter-Krankheit)
7 Band Innere Medizin
M03
Postinfektiöse und Reaktive Arthritiden bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
123
M05-M14
Entzündliche Polyarthropathien
124
M15-M19
Arthrose
7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.33.2
M15
Polyarthrose
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M16
Koxarthrose [Arthrose des Hüftgelenkes]
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M17
Gonarthrose [Arthrose des Kniegelenkes]
M19
Sonstige Arthrose
M20-M25
Sonstige Gelenkkrankheiten
M20
122
125
126
127
128
129
130
(z.B. Granuloma anulare, Nekrobiosis lipoidica)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L92
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO (z.B. Sclerodermia circumscripta)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.33.1
7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie , Urologie (z.B. Chronische Polyarthritis, Arthritis psoriatica, Juvenile Arthritis, Gicht, Begleitarthropathien)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen 7 kap. 3.2.33.1
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie (z.B. Omarthrose)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Erworbene Deformitäten der Finger und Zehen
(z.B. Hallux valgus)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M21
Sonstige erworbene Deformitäten der Extremitäten
(z.B. Fallhand)
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M22
Krankheiten der Patella
M23
Binnenschädigung des Kniegelenkes [internal derangement]
(z.B. Meniskusschädigung)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M24
Sonstige näher bezeichnete Gelenkschädigungen
(z.B. Freier Gelenkkörper)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M25
Sonstige Gelenkkrankheiten, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Hämarthros, Gelenkinstabilität, Gelenksteife)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M30-M36
Systemkrankheiten des Bindegewebes
M30
Panarteriitis nodosa und verwandte Zustände
(z.B. Kawasaki-Krankheit)
7 Band Innere Medizin 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
M31
Sonstige nekrotisierende Vaskulopathien
(z.B. Hypersensitivitätsangiitis, Riesenzellarteriitis)
7 Band Innere Medizin, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
M32
Systemischer Lupus erythematodes
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
M33
Dermatomyositis-Polymyositis
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
M34
Systemische Sklerose
M35
Sonstige Krankheiten mit Systembeteiligung des Bindegewebes
M40-M43
Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens
M40
Kyphose und Lordose
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M41
Skoliose
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M42
Osteochondrose der Wirbelsäule
M43
Sonstige Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens
M45-M49
Spondylopathien
M45
Spondylitis ankylosans
M46
Sonstige entzündliche Spondylopathien
M47
Spondylose
M48
Sonstige Spondylopathien
M50-M54
Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens
M50 M51
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO (z.B. Polymyalgia rheumatica)
7 Band Innere Medizin
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie (z.B. Spondylolisthesis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie (z.B. Spondylodiszitis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.33.2
(z.B. Lumbale Spinalstenose)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Zervikale Bandscheibenschäden
(z.B. zervikale Myelopathie)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Sonstige Bandscheibenschäden
(z.B. Lumbaler Bandscheibenvorfall)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M53
Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Zervikobrachial-Syndrom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M54
Rückenschmerzen
(z.B. Lumboischialgie)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M60-M63
Krankheiten der Muskeln
M60
Myositis
7 Band Innere Medizin
M61
Kalzifikation und Ossifikation von Muskeln
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
XXIII Gegenstandskatalog
131
132
133
134
M65-M68
Krankheiten der Synovialis und der Sehnen
M65
Synovitis und Tenosynovitis
M70-M79
Sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes
M70
Krankheiten des Weichteilgewebes im Zusammenhang mit Beanspruchung, Überbeanspruchung und Druck
(z.B. Schnellender Finger)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
(z.B. Bursitis praepatellaris)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
M72
Fibromatosen
(z.B. Nekrotisierende Fasziitis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M75
Schulterläsionen
(z.B. Läsionen der Rotatorenmanschette)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M76
Enthesopathien der unteren Extremität mit Ausnahme des Fußes
(z.B. Tractus-iliotibialis-Syndrom)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M77
Sonstige Enthesopathien
(z.B. Epicondylitis radialis humeri)
7 Band Chirurgie, Orthopädie und, Urologie
M79
Sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Fibromyalgie, Neuralgie)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
M80-M85
Veränderungen der Knochendichte und -struktur
7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.32.3
M80
Osteoporose mit pathologischer Fraktur
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Querschnittsbereiche
M81
Osteoporose ohne pathologische Fraktur
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Querschnittsbereiche
M85
Sonstige Veränderungen der Knochendichte und -struktur
(z.B. Knochenzyste)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
M86-M90
Sonstige Osteopathien
M86
Osteomyelitis
M87
Knochennekrose
M88
Osteodystrophia deformans [Paget-Krankheit]
M89
Sonstige Knochenkrankheiten
(z.B. Komplexes regionales Schmerzsyndrom)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
135
M91-M94
Chondropathien
(z.B. M. Perthes, Osteochondrosis dissecans)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
136
M95-M99
Sonstige Krankheiten des Muskel-SkelettSystems und des Bindegewebes
M99
Biomechanische Funktionsstörungen, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Knöcherne Stenose des Spinalkanals, Stenose des Spinalkanals durch Bandscheiben)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
137
138
139
140
141
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.32.1 (z.B. Idiopathische aseptische Knochennekrose)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
N00-N08
Glomeruläre Krankheiten
N00
Akutes nephritisches Syndrom
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.25.3
N01
Rapid-progressives nephritisches Syndrom
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.25.3
N02
Rezidivierende und persistierende Hämaturie
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
N03
Chronisches nephritisches Syndrom
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
N04
Nephrotisches Syndrom
7 Band Chirurgie, Orthopädie Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.25.3
N10-N16
Tubulointerstitielle Nierenkrankheiten
N10
Akute tubulointerstitielle Nephritis
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
N11
Chronische tubulointerstitielle Nephritis
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
N13
Obstruktive Uropathie und Refluxuropathie
N15
Sonstige tubulointerstitielle Nierenkrankheiten
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie (z.B. Nierenkarbunkel, Paranephritis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
N17-N19
Niereninsuffizienz
N17
Akutes Nierenversagen
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
N18
Chronische Niereninsuffizienz
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche
N20-N23
Urolithiasis
N20
Nieren- und Ureterstein
N21
Stein in den unteren Harnwegen
N25-N29
Sonstige Krankheiten der Niere und des Ureters
N26
Schrumpfniere, nicht näher bezeichnet
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie (z.B. Blasenstein)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.25.2
XXIV
Gegenstandskatalog
N28
142
143
144
145
146
Sonstige Krankheiten der Niere und des Ureters, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Niereninfarkt)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.25.4
N30-N39
Sonstige Krankheiten des Harnsystems
N30
Zystitis
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
N31
Neuromuskuläre Dysfunktion der Harnblase, anderenorts nicht klassifiziert
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
N32
Sonstige Krankheiten der Harnblase
N34
Urethritis und urethrales Syndrom
N35
Harnröhrenstriktur
N39
Sonstige Krankheiten des Harnsystems
(z.B. Blasenhalsobstruktion)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
(z.B. Stressinkontinenz, Urgeinkontinenz, Harnwegsinfektion, Urosepsis)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
N40-N51
Krankheiten der männlichen Genitalorgane
N40
Prostatahyperplasie
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.27.7
N41
Entzündliche Krankheiten der Prostata
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.27.7
N43
Hydrozele und Spermatozele
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.27.5
N44
Hodentorsion und Hydatidentorsion
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
N45
Orchitis und Epididymitis
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.27.3
N46
Sterilität beim Mann
7 Band Chirurgie, Orthopädie und Urologie
N47
Vorhauthypertrophie, Phimose und Paraphimose
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
N48
Sonstige Krankheiten des Penis
(z.B. Balanoposthitis, Priapismus, Impotenz organischen Usprungs, Penisfraktur)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
N49
Entzündliche Krankheiten der männlichen Genitalorgane, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Fournier-Gangrän)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
(z.B. Fibrozystische Mastopathie)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N60-N64
Krankheiten der Mamma [Brustdrüse]
N60
Gutartige Mammadysplasie
N61
Entzündliche Krankheiten der Mamma [Brustdrüse]
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N70-N77
Entzündliche Krankheiten der weiblichen Beckenorgane
7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.30
N70
Salpingitis und Oophoritis
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.2
N71
Entzündliche Krankheit des Uterus, ausgenommen der Zervix
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N72
Entzündliche Krankheit der Cervix uteri
N73
Sonstige entzündliche Krankheiten im weiblichen Becken
N75
Krankheiten der Bartholin-Drüsen
N76
Sonstige entzündliche Krankheit der Vagina und Vulva
N80-N98
Nichtentzündliche Krankheiten des weiblichen Genitaltraktes
N80
Endometriose
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie (z.B. Parametritis, Pelveoperitonitis)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
(z.B. Akute Kolpitis)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.3 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N81
Genitalprolaps bei der Frau
N85
Sonstige nichtentzündliche Krankheiten des Uterus, ausgenommen der Zervix
N86
Erosion und Ektropium der Cervix uteri
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.4
N87
Dysplasie der Cervix uteri
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.28.4
N89
Sonstige nichtentzündliche Krankheiten der Vagina
(z.B. Hochgradige Dysplasie)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N90
Sonstige nichtentzündliche Krankheiten der Vulva und des Perineums
(z.B. Atrophie der Vulva)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N91
Ausgebliebene, zu schwache oder zu seltene Menstruation
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N92
Zu starke, zu häufige oder unregelmäßige Menstruation
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N94
Schmerz und andere Zustände im Zusammenhang mit den weiblichen Genitalorganen und dem Menstruationszyklus
(z.B. Glanduläre Hyperplasie, Adenomatöse Hyperplasie)
(z.B. Dyspareunie)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N95
Klimakterische Störungen
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
N97
Sterilität der Frau
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
XXV Gegenstandskatalog
147
O00-O08
Schwangerschaft mit abortivem Ausgang
O00
Extrauteringravidität
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
O01
Blasenmole
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
O03
Spontanabort
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
O10-O16
Ödeme, Proteinurie und Hypertonie während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes
O14
Gestationshypertonie [schwangerschaftsinduziert] mit bedeutsamer Proteinurie
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
O15
Eklampsie
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
O20-O29
Sonstige Krankheiten der Mutter, die vorwiegend mit der Schwangerschaft verbunden sind
O20
Blutung in der Frühschwangerschaft
O24
Diabetes mellitus in der Schwangerschaft
O26
Betreuung der Mutter bei sonstigen Zuständen, die vorwiegend mit der Schwangerschaft verbunden sind
(z.B. Übermäßige Gewichtszunahme, Herpes gestationis)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
150
O30-O48
Betreuung der Mutter im Hinblick auf den Feten und die Amnionhöhle sowie mögliche Entbindungskomplikationen
(z.B. Mehrlingsschwangerschaft, Übertragene Schwangerschaft, Polyhydramnion)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
151
O60-O75
Komplikationen bei Wehentätigkeit und Entbindung
(z.B. Abnorme Wehentätigkeit, Geburtshindernis)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
152
O85-O92
Komplikationen, die vorwiegend im Wochenbett auftreten
O91
Infektionen der Mamma [Brustdrüse] im Zusammenhang mit der Gestation
153
O95-O99
Sonstige Krankheitszustände während der Gestationsperiode, die anderenorts nicht klassifiziert sind
(z.B. Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft, Schwangerschaftsdermatosen)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
154
P00-P04
Schädigung des Feten und Neugeborenen durch mütterliche Faktoren und durch Komplikationen bei Schwangerschaft, Wehentätigkeit und Entbindung
(z.B. Schädigung des Kindes durch Placenta praevia)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
155
P05-P08
Störungen im Zusammenhang mit der Schwangerschaftsdauer und dem fetalen Wachstum
P05
Intrauterine Mangelentwicklung und fetale Mangelernährung
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
P07
Störungen im Zusammenhang mit kurzer Schwangerschaftsdauer und niedrigem Geburtsgewicht, anderenorts nicht klassifiziert
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
156
P10-P15
Geburtstrauma
157
P20-P29
Krankheiten des Atmungs- und Herz-Kreislaufsystems, die für die Perinatalperiode spezifisch sind
(z.B. Intrauterine Hypoxie, Atemnot-Syndrom und Aspirationssyndrome beim Neugeborenen, Angeborene Pneumonie, Bronchopulmonale Dysplasie bei Frühgeburtlichkeit, Herzrhythmusstörung beim Neugeborenen, Persistierender Fetalkreislauf )
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
158
P35-P39
Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind
(z.B. Angeborene Sepsis)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
159
P50-P61
Hämorrhagische und hämatologische Krankheiten beim Feten und Neugeborenen
P53
Hämorrhagische Krankheit beim Feten und Neugeborenen
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
P55
Hämolytische Krankheit beim Feten und Neugeborenen
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
148
149
160
161
P57
Kernikterus
P59
Neugeborenenikterus durch sonstige und nicht näher bezeichnete Ursachen
P70-P74
Transitorische endokrine und Stoffwechselstörungen, die für den Feten und das Neugeborene spezifisch sind
P70
(z.B. Drohender Abort)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie (z.B. Hyperbilirubinämie bei Frühgeburtlichkeit)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
Transitorische Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels, die für den Feten und das Neugeborene spezifisch sind
(z.B. Syndrom des Kindes einer diabetischen Mutter)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
P74
Sonstige transitorische Störungen des Elektrolythaushaltes und des Stoffwechsels beim Neugeborenen
(z.B. Dehydratation beim Neugeborenen)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
P75-P78
Krankheiten des Verdauungssystems beim Feten und Neugeborenen
P75
Mekoniumileus
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
P77
Enterocolitis necroticans beim Feten und Neugeborenen
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
XXVI
162
163
Gegenstandskatalog
P90-P96
Sonstige Störungen, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben
P90
Krämpfe beim Neugeborenen
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Querschnittsbereiche
P91
Sonstige zerebrale Störungen beim Neugeborenen
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
P92
Ernährungsprobleme beim Neugeborenen
Q00-Q07
Angeborene Fehlbildungen des Nervensystems
Q05
Spina bifida
Q07
Sonstige angeborene Fehlbildungen des Nervensystems
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.1.1 (z.B. Arnold-Chiari-Syndrom)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
164
Q10-Q18
Angeborene Fehlbildungen des Auges, des Ohres, des Gesichtes und des Halses
(z.B. Angeborene Fehlbildungen des Tränenapparats)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO,
165
Q20-Q28
Angeborene Fehlbildungen des Kreislaufsystems
(z.B. Transposition der großen Gefäße, Septumdefekte, Klappenstenosen und Klappeninsuffizienzen, Hypoplastisches Linksherzsyndrom, Offener Ductus Botalli, Aortenisthmusstenose, Lungenvenen-Fehleinmündungen, Hirngefäßaneurysma)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
166
Q30-Q34
Angeborene Fehlbildungen des Atmungssystems
Q30
Angeborene Fehlbildungen der Nase
(z.B. Choanalatresie)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
167
Q35-Q37
Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalte
168
Q38-Q45
Sonstige angeborene Fehlbildungen des Verdauungssystems
Q39
Angeborene Fehlbildungen des Ösophagus
(z.B. Ösophagusatresie, Ösophagusdivertikeln)
7 Band Chirurgie, Orthopädi, Urologie, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
Q40
Sonstige angeborene Fehlbildungen des oberen Verdauungstraktes
(z.B. Angeborene hypertrophische Pylorusstenose)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Gynäkologie, Pädiatire
Q43
Sonstige angeborene Fehlbildungen des Darmes
(z.B. Meckel-Divertikel, HirschsprungKrankheit)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Grundlagen 7 Kap. 3.2.18.1
Q50-Q56
Angeborene Fehlbildungen der Genitalorgane
Q51
Angeborene Fehlbildungen des Uterus und der Cervix uteri
(z.B. Uterusaplasie)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
Q52
Sonstige angeborene Fehlbildungen der weiblichen Genitalorgane
(z.B. Hymenalatresie)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
Q53
Nondescensus testis
169
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q54
Hypospadie
Q55
Sonstige angeborene Fehlbildungen der männlichen Genitalorgane
(z.B. Pendelhoden)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
170
Q60-Q64
Angeborene Fehlbildungen des Harnsystems
(z.B. Nierenzyste, Zystische Nierenkrankheit, Nierenbecken-Abgangsstenose, Megaureter, Ektope Niere, Epispadie, Harnblasenekstrophie)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
171
Q65-Q79
Angeborene Fehlbildungen und Deformitäten des Muskel-Skelett-Systems
Q65
Angeborene Deformitäten der Hüfte
(z.B. Hüftdysplasie)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q66
Angeborene Deformitäten der Füße
(z.B. Pes equinovarus congenitus)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q67
Angeborene Muskel-Skelett-Deformitäten des Kopfes, des Gesichtes, der Wirbelsäule und des Thorax
(z.B. Angeborene Skoliose)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
172
Q71
Reduktionsdefekte der oberen Extremität
(z.B. Spalthand)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q72
Reduktionsdefekte der unteren Extremität
(z.B. Spaltfuß)
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q73
Reduktionsdefekte nicht näher bezeichneter Extremität (en)
(z.B. Dysmelie, Phokomelie)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q75
Sonstige angeborene Fehlbildungen der Schädel- und Gesichtsschädelknochen
(z.B. Kraniosynostose)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q76
Angeborene Fehlbildungen der Wirbelsäule und des knöchernen Thorax
(z.B. Spina bifida occulta, Angeborene Kyphose)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q78
Sonstige Osteochondrodysplasien
(z.B. Osteogenesis imperfecta)
7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.3.13, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q79
Angeborene Fehlbildungen des Muskel-Skelett-Systems, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Omphalozele, Gastroschisis)
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Q80-Q89
Sonstige angeborene Fehlbildungen
Q80
Ichthyosis congenita
Q82
Sonstige angeborene Fehlbildungen der Haut
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO (z.B. Mastozytosen, Angeborener nichtneoplastischer Nävus)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
XXVII Gegenstandskatalog
Q85
Phakomatosen, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Neurofibromatose)
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
Q86
Angeborene Fehlbildungssyndrome durch bekannte äußere Ursachen, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Alkohol-Embryopathie [mit Dysmorphien])
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.10.2.2
173
Q90-Q99
Chromosomenanomalien, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Down-Syndrom, Turner-Syndrom, Klinefelter-Syndrom, Syndrom des fragilen X-Chromosoms)
7 Band Grundlagen 7 Kap. 2.8.2.1, 7 Kap. 2.8.2.2, 7 Kap. 2.8.3.10
174
R95-R99
Ungenau bezeichnete und unbekannte Todesursachen
R95
Plötzlicher Kindstod
175
S00-S09
Verletzungen des Kopfes
176
S10-S19
Verletzungen des Halses
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
177
S20-S29
Verletzungen des Thorax
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
178
S30-S39
Verletzungen des Abdomens, der Lumbosakralgegend, der Lendenwirbelsäule und des Beckens
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
179
S40-S49
Verletzungen der Schulter und des Oberarmes
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
180
S50-S59
Verletzungen des Ellenbogens und des Unterarmes
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
181
S60-S69
Verletzungen des Handgelenkes und der Hand
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
182
S70-S79
Verletzungen der Hüfte und des Oberschenkels
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
183
S80-S89
Verletzungen des Knies und des Unterschenkels
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
184
S90-S99
Verletzungen der Knöchelregion und des Fußes
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
185
T00-T07
Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
186
T08-T14
Verletzungen nicht näher bezeichneter Teile des Rumpfes, der Extremitäten oder anderer Körperregionen
(z.B. Wirbelsäulenfraktur, Rückenmarksverletzung ohne Höhenbezeichnung)
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie
187
T15-T19
Folgen des Eindringens eines Fremdkörpers durch eine natürliche Körperöffnung
(z.B. Fremdkörper in den Atemwegen)
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Querschnittsbereiche
188
T20-T32
Verbrennungen oder Verätzungen
7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeitsund Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Querschnittsbereiche
189
T33-T35
Erfrierungen
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
190
T36-T50
Vergiftungen durch Arzneimittel, Drogen und biologisch aktive Substanzen
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 6.4.1, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
191
T51-T65
Toxische Wirkungen von vorwiegend nicht medizinisch verwendeten Substanzen
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 6.4.2
192
T66-T78
Sonstige und nicht näher bezeichnete Schäden durch äußere Ursachen
T67
Schäden durch Hitze und Sonnenlicht
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
T68
Hypothermie
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
T69
Sonstige Schäden durch niedrige Temperatur
T71
Erstickung
T74
Missbrauch von Personen
(z.B. Kindesmisshandlung)
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
T75
Schäden durch sonstige äußere Ursachen
(z.B. Ertrinken, Schäden durch elektrischen Strom)
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
T78
Unerwünschte Nebenwirkungen, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Anaphylaktischer Schock, Angioneurotisches Ödem, Kuhmilchproteinintoleranz)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, 7 Band Innere Medizin
T79
Bestimmte Frühkomplikationen eines Traumas, anderenorts nicht klassifiziert
(z.B. Luftembolie, Schock, Kompartmentsyndrom)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin (z.B. Schädel-Hirn-Trauma)
(z.B. Frostbeulen)
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
XXVIII Gegenstandskatalog
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Grundlagen
193
T80-T88
Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert
194
U00-U49
Vorläufige Zuordnungen für Krankheiten mit unklarer Ätiologie
195
U04
Schweres akutes respiratorisches Syndrom [SARS]
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.6.7.15
196
U80-U85
Infektionserreger mit Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika oder Chemotherapeutika
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.7.11
U80
Erreger mit bestimmten Antibiotikaresistenzen, die besondere therapeutische oder hygienische Maßnahmen erfordern
7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.7.11, 7 Band Querschnittsbereiche
U82
Mykobakterien mit Resistenz gegen Antituberkulotika (Erstrangmedikamente)
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Grundlagen 7 Kap. 4.3.5.1
197
V01-X59
Unfälle
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
198
X60-X84
Vorsätzliche Selbstbeschädigung
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
199
X85-Y09
Tätlicher Angriff
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
(z.B. Septikämie, Transfusionsreaktion)
XXXI
Inhaltsverzeichnis 1
Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . .
U. Fetzner, K.-J. Paquet 1.1 Definitionen, Einführung . . . . . . . . . . 1.2 Allgemeine Anamneseerhebung . . . . . 1.2.1 Ebenen, Aufgaben, Ziele der Anamnese . 1.2.2 Fremdanamnese . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Grundlagen der Anamnesetechnik . . . . 1.2.4 Die schematische Anamnese . . . . . . . . 1.3 Grundlagen der klinischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Der Erhebung des allgemeinen Status des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Kopf, Hals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Thorax, Atemwege, Lunge . . . . . . . . . 1.7 Herz, Gefäße, Kreislauf . . . . . . . . . . . 1.8 Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Hals-Nasen-Ohren . . . . . . . . . . . . . . 1.10 Haut und Anhangsgebilde (Haare, Nägel, Talg- und Schweißdrüsen) . . . . . 1.11 Augen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.12 Bewegungsapparat . . . . . . . . . . . . . . 1.13 Neuropsychiatrische Anamneseerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.13.1 Gezielte Anamnesefragen, Schwerpunkt Neurologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.13.2 Gezielte Anamnesefragen, Schwerpunkt Psychiatrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.14 Untersuchung des somatischen Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . 1.15 Weibliche Geschlechtsorgane, Mammae, geburtshilfliche Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.16 Nieren,-Harntrakt . . . . . . . . . . . . . . . 1.17 Männliche Geschlechtsorgane . . . . . . 1.18 Neugeborene, Kinder, Jugendliche . . . . . 1.19 Besonderheiten der Anamnese und Untersuchung bei alten Menschen 1.20 Besonderheiten der Anamnese und Untersuchung bei Notfallpatienten 1.21 Ärztliche Dokumentation . . . . . . . . . . 1.22 Technische Zusatzdiagnostik . . . . . . .
2 2.1 2.1.1 2.1.2
Humangenetik . . . . . . . . . . . . . . . . Bremer, H. Neitzel Molekulare Grundlagen der Vererbung Genom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DNA-Replikation . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 6 6 7 7 8 14 16 18 19 20 21 25 28 31 32 33 33 34 34
34 40 40 40 42 42 42 46 47 49 49 51
2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.9 2.9.1 2.10 2.10.1 2.10.2 2.11 2.12 2.13 2.13.1 2.13.2 2.14
Transkription und Translation . . . . . . . . 51 Genregulation bei Eukaryonten . . . . . . 52 Proteom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . 54 Methoden der genetischen Diagnostik 55 Methoden zytogenetischer Diagnostik . 55 Methoden molekulargenetischer Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Genetische Beratung . . . . . . . . . . . . 58 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Aufklärung und Beratung . . . . . . . . . . 59 Anamnese und Stammbaumerstellung . 59 Genetische Diagnostik . . . . . . . . . . . . 59 Aussagekraft von Testergebnissen, Quantifizierung genetischer Risiken . . . 59 Pränatale Diagnostik . . . . . . . . . . . . . 60 Indikationen für die pränatale Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Methoden der pränatalen Diagnostik . . 61 Präimplantationsdiagnostik (PID) . . . . 63 Abstammungsgutachten . . . . . . . . . . 63 Untersuchte Systeme . . . . . . . . . . . . . 63 Anforderungen an die Analytik . . . . . . . 63 Beurteilung und Schlussfolgerung . . . . 63 Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Grundlagen und Definitionen . . . . . . . 63 Symptome bei Chromosomenaberrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Numerische Chromosomenaberrationen 64 Strukturelle Chromosomenaberrationen 65 Genetisch bedingte Erkrankungen . . . 67 Formale Genetik/Mendelsche Gesetze . . 67 Erkrankungen durch Chromosomenaberration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Monogene Erkrankungen . . . . . . . . . . 70 Multifaktorielle Vererbung . . . . . . . . . . 84 Epigenetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Imprinting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Kongenitale Fehlbildungen . . . . . . . . 88 Einteilung von kongenitalen Anomalien 88 Ursachen kongenitaler Fehlbildungen . . 89 Zwillinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Populationsgenetik . . . . . . . . . . . . . 91 Immunogenetik . . . . . . . . . . . . . . . . 93 MHC (»major histocompatibility complex«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Blutgruppensysteme . . . . . . . . . . . . . 94 Genetische Aspekte bei Tumorerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
XXXII
2.14.1 2.14.2 2.14.3 2.15 2.15.1
Inhaltsverzeichnis
DNA-Reparaturmechanismen . . . . . . Protoonkogene und Onkogene . . . . . Tumorsuppressorgene . . . . . . . . . . . Pharmakogenetik . . . . . . . . . . . . . . Genetische Unterschiede in der Arzneimittelmetabolisierung . . . . . . . . . . . 2.15.2 Genetische Unterschiede in der Pharmakodynamik . . . . . . . . . . . . .
. . . .
95 96 96 99
.
99 3.2.22
. 100
3
Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
3.1
Allgemeine Pathologie . . . . . . . . . . . J. Pöss, O. Kessler Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Zell- und Gewebereaktionen . . . . . . . . Zell- und Gewebeschäden . . . . . . . . . . Exogene Noxen . . . . . . . . . . . . . . . . . Zellersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunpathologie . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Stoffwechsel-/Speichererkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Pathologie des Respirationstrakts . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Pathologie des Kreislaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen von Erkrankungen der Leber und des Verdauungstrakts . . . . . . . . . . . Grundlagen von Erkrankungen der Niere und der Ausscheidung . . . . . . . . . . . . Grundlagen von Erkrankungen des Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Pathologie . . . . . . . . . . . . . J. Haybäck Nervensystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Skelettmuskulatur (Myopathien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Sinnesorgane – Auge (7 Augenheilkunde) . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Sinnesorgane – Ohr . . Neuroendokrines System . . . . . . . . . . Herz und Koronargefäße . . . . . . . . . . . Gefäßsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologie von Blut und Knochenmark . Lymphatisches System . . . . . . . . . . . . Respirationstrakt . . . . . . . . . . . . . . . . Pleura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen von Mund, Zähnen und Speicheldrüsen . . . . . . . . . . . . . . Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . Duodenum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen von Jejunum und Ileum . .
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 3.1.10 3.1.11 3.1.12 3.1.13 3.1.14 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10 3.2.11 3.2.12 3.2.13 3.2.14 3.2.15 3.2.16
3.2.17 3.2.18 3.2.19 3.2.20 3.2.21
103 103 104 105 110 113 114 121 125
3.2.23 3.2.24 3.2.25 3.2.26 3.2.27 3.2.28 3.2.29
129
3.2.30 3.2.31 3.2.32 3.2.33 3.2.34
131
4
131 138
4.1 4.1.1 4.1.2
139
4.1.3
139 139
4.1.4
139 148 148 149 150 153 155 157 159 161 167 167 169 170 172 173
4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7 4.3.8 4.4 4.4.1
Appendix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Erkrankungen von Kolon und Rektum . . 174 Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Thymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Erkrankungen der Leber und der intrahepatischen Gallenwege . . . . . . . 177 Erkrankungen der Gallenblase und der extrahepatischen Gallenwege . . 181 Erkrankungen des Pankreas . . . . . . . . . 181 Erkrankungen des Peritoneums . . . . . . 182 Nierenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . 183 Erkrankung der ableitenden Harnwege . 186 Erkrankungen der männlichen Genitalorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Erkrankungen des weiblichen Genitale . 190 Erkrankungen in Schwangerschaft, Perinatalperiode und im Kindesalter . . . . . 196 Erkrankungen der Mamma . . . . . . . . . 199 Hauterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 202 Knochenerkrankungen . . . . . . . . . . . . 206 Gelenkserkrankungen . . . . . . . . . . . . 208 Weichgewebserkrankungen . . . . . . . . 210
Hygiene, Mikrobiologie, Virologie . . . W. Kroukis Allgemeine Bakteriologie – Übersicht . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die bakterielle Normalflora des Menschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . Morphologie und Feinstruktur der Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathogenität und Grundtypen bakterieller Infektionen . . . . . . . . . . . Bakteriengenetik . . . . . . . . . . . . . . . . Faktoren und Mechanismen mikrobieller Krankheiterreger . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antibakterielle Therapie. . . . . . . . . . . Einteilung der Antibiotika . . . . . . . . . . Antibiotikaresistenz . . . . . . . . . . . . . . Empfindlichkeit und Resistenz – Resistenztestung . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Bakteriologie . . . . . . . . . . . Grampositive Kokken . . . . . . . . . . . . . Gramnegative Kokken . . . . . . . . . . . . Gramnegative Stäbchen . . . . . . . . . . . Grampositive Stäbchen . . . . . . . . . . . Säurefeste Stäbchen . . . . . . . . . . . . . Verzweigte Stäbchen . . . . . . . . . . . . . Zellwandlose Bakterien . . . . . . . . . . . . Spirochäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung in die Parasitologie . . . . . . Protozoen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
213 214 214 214 215 222 223 224 230 232 232 234 234 235 235 239 240 252 255 256 257 258 263 263
XXXIII Inhaltsverzeichnis
4.4.2 4.4.3 4.5 4.5.1 4.5.2 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.6.6 4.6.7 4.7 4.7.1
Helminthen (parasitäre Würmer) . . . . Arthropoden (parasitierende Gliederfüßer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pilze (Fungi, Mycetes) . . . . . . . . . . Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . Erreger von Mykosen . . . . . . . . . . . Virologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morphologie und Struktur der Viren . Klassifizierung der Viren . . . . . . . . . Virusvermehrung . . . . . . . . . . . . . Virale Pathogenese . . . . . . . . . . . . Virologische Diagnostik . . . . . . . . . Antivirale Therapie . . . . . . . . . . . . Viren als Infektionserreger (Auswahl) . Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsgebiete der Hygiene . . . . . . .
5
Klinische Chemie, Labordiagnostik . . 315
5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.5 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.7 5.7.1 5.7.2 5.7.3 5.8 5.8.1 5.8.2 5.8.3 5.8.4 5.8.5
. . 269 . . . . . . . . . . . . . .
S. Schieder, F. Kollmann-Jehle, S. Barlage Allgemeine klinische Chemie . . . . . . Der klinisch-chemische Befund . . . . . Grundlegende Analyseverfahren . . . . Liquordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . Makroskopische Betrachtung des Liquors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikroskopische Betrachtung des Liquors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herz- und Skelettmuskel . . . . . . . . . Niere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Makroskopische Beurteilung des Urins . Messung von pH, Proteinen und Blut . . Mikroskopische Harnuntersuchung . . . Kreatinin und Kreatinin-Clearance . . . . Teststreifenuntersuchung . . . . . . . . . Harnsteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Erkrankungen, Tumordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochenstoffwechsel . . . . . . . . . . . Kalzium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phosphat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . Knochenabbau . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungsindikatoren . . . . . . . . . Antikörper bei entzündlichen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Autoantikörper . . . . . . . . . . . . . . . . Endokrines System . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Hormonbestimmung . Hypothalamus und Hypophyse . . . . . Schilddrüsenhormone . . . . . . . . . . . Nebennierenrindenhormone . . . . . . . Sexualhormone . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
273 277 277 277 283 284 285 285 289 292 292 293 305 305
5.8.6 5.9 5.9.1 5.9.2 5.9.3 5.10 5.10.1 5.10.2 5.11 5.12 5.13 5.14 5.15 5.16 5.17
6 . . . .
317 317 319 319
. 319 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
319 321 323 323 324 325 325 326 326 327 329 329 330 330 330 331 331 333 334 334 334 335 335 337 338
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.2.6 6.2.7 6.2.8 6.2.9 6.2.10 6.2.11 6.2.12 6.2.13 6.2.14 6.2.15 6.2.16 6.2.17
Biogene Amine . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinaltrakt . . . . . . . . . . . . . Pankreasdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . Blut im Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfung der intestinalen Resorption Hämostaseologie, Hämatologie . . . . . Hämostaseologie . . . . . . . . . . . . . . . Hämatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elekrolyt-, Wasser-, Säure-BaseHaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . Nukleinsäurestoffwechsel . . . . . . . . . Aminosäuren, Proteine . . . . . . . . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . Drugmonitoring und toxikologische Analytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
339 339 339 340 340 340 340 344
Pharmakologie und Toxikologie . . . . S. Wohlmann Allgemeine Pharmakologie . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pharmakokinetik . . . . . . . . . . . . . . . . Pharmakodynamik . . . . . . . . . . . . . . Spezielle, systematische Pharmakologie. . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamente mit Einfluss auf das sympathische Nervensystem . . . . . . . . Medikamente mit Einfluss auf das parasympathische Nervensystem . . . . . Medikamente, die mit biogenen Aminen interferieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vasodilatanzien . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamente mit Einfluss auf die Herzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamente mit Einfluss auf das Blut . . Vitamine/Mineralien . . . . . . . . . . . . . Diuretika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamente mit Einfluss auf die Magendarmfunktion . . . . . . . . . . . . . Medikamente mit Einfluss auf das motorische System . . . . . . . . . . . . . . Antipyretische Analgetika/nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID)/COX-2-Hemmer Lokalanästhetika . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamente mit Einfluss auf das zentrale Nervensystem . . . . . . . . . . . . Medikamente mit Einfluss auf das endokrine System . . . . . . . . . . . . . . . Lipidsenker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Behandlung der Gicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antiinfektiva . . . . . . . . . . . . . . . . . .
365
347 350 352 354 354 356 358
366 366 366 369 372 372 376 378 380 386 389 391 393 395 397 398 400 401 411 420 421 422
XXXIV Inhaltsverzeichnis
6.2.18 Medikamente mit Einfluss auf das Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.19 Medikamente zur Therapie maligner Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.20 Phytopharmakologie und Homöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Allgemeine Toxikologie . . . . . . . . . 6.3.1 Einführung, Definitionen . . . . . . . . . 6.3.2 Therapeutische Optionen der akuten Intoxikation . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 438
6.4 6.4.1
Spezielle Toxikologie . . . . . . . . . . . . . 447 Auswahl häufiger Arzneimittelvergiftungen/-überdosierungen . . . . . . 447 Auswahl weiterer Gifte . . . . . . . . . . . . 449
. . 440
6.4.2
. . 443 . . 443 . . 443
Farbabbildungen zu Kapitel 3: Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 . . 444
1 Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung U. Fetzner, K.-J. Paquet
1.1
Definitionen, Einführung
–3
1.2
Allgemeine Anamneseerhebung –6
1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4
Ebenen, Aufgaben, Ziele der Anamnese Fremdanamnese –7 Grundlagen der Anamnesetechnik –7 Die schematische Anamnese –8
1.3
Grundlagen der klinischen Untersuchung –14
1.4
Der Erhebung des allgemeinen Status des Patienten –16
1.5
Kopf, Hals
1.6
Thorax, Atemwege, Lunge
1.7
Herz, Gefäße, Kreislauf
1.8
Abdomen –21
1.9
Hals-Nasen-Ohren
–6
–18 –19
–20
–25
1.10 Haut und Anhangsgebilde (Haare, Nägel, Talg- und Schweißdrüsen) –28 1.11 Augen
–31
1.12 Bewegungsapparat
–32
1.13 Neuropsychiatrische Anamneseerhebung –33 1.13.1 Gezielte Anamnesefragen, Schwerpunkt Neurologie –33 1.13.2 Gezielte Anamnesefragen, Schwerpunkt Psychiatrie –34
1.14 Untersuchung des somatischen Nervensystems –34 1.15 Weibliche Geschlechtsorgane, Mammae, geburtshilfliche Untersuchung –34 1.16 Nieren,-Harntrakt –40 1.17 Männliche Geschlechtsorgane
–40
1.18 Neugeborene, Kinder, Jugendliche –40 1.19 Besonderheiten der Anamnese und Untersuchung bei alten Menschen –42 1.20 Besonderheiten der Anamnese und Untersuchung bei Notfallpatienten –42 1.21 Ärztliche Dokumentation –42 1.22 Technische Zusatzdiagnostik
–46
3 1.1 · Definitionen, Einführung
Trotz rasantem Zuwachs von Verfahren und Qualität technischer Diagnostik (»Zeitalter der Videokapselendoskopie«) verlieren Befragung und klinische Untersuchung des Patienten keineswegs an Bedeutung, sie erfahren im Gegenteil einen Bedeutungszuwachs. Diagnostisch nicht weiterführende, unnütze oder in die Irre führende technische Diagnostik ist kostspielig und kann mit Risiken/Belastungen der Patienten verbunden sein. Anamnese und Untersuchung bleiben unverzichtbare Basis jeden ärztlichen Handelns. 1.1
Definitionen, Einführung
Anamnese. Griechisch: anamnesis = »Erinnerung«: das systematische Befragen, das Gespräch mit dem Patienten über seine Erkrankung und gesundheitliche Vorgeschichte. > Über 90% der Diagnosen (z. B. in der Allgemeinmedizin) kann ein erfahrener Arzt allein anhand einer sorgfältigen Anamnese stellen, weitere Untersuchungen dienen dann nur noch der Diagnosesicherung bzw. der Differenzialdiagnose.
Klinische Untersuchung. Die körperliche Untersu-
chung des Patienten erfolgt mit den Sinnesorganen (Sehen, Berühren, Tasten, Klopfen, Hören) und dies ohne oder nur mit einfachsten technischen Hilfsmitteln (Stethoskop, Reflexhammer, Otoskop etc.) (. Abb. 1.1). > Sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung sind effizient, schnell und günstig. Beides initiiert und festigt ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient; sie sind Grundlage einer »persönlichen« Medizin.
Symptom. »Krankheitszeichen«. Hierbei kann es sich um eine »Beschwerde« (geäußerte Gesundheitsstörung, z. B. Bauchschmerzen, Schwindel (Vertigo), Übelkeit) oder einen »Befund« handeln, der objektiv bei der Untersuchung ermittelt wird (z. B. Resistenz linker Unterbauch, Pigmentstörung etc.). Leitsymptom (»focal point«). Besonders hervorste-
chendes, definierbares, i. d. R. gut lokalisierbares, organspezifisches Symptom und/oder für eine Erkankung typische Beschwerde/Befund, z. B. Heiserkeit, akuter Harnverhalt. Dabei handelt es sich also um ein Symptom mit diagnostisch hoher Vorhersagekraft. Syndrom. Kombination, Konstellation von Sympto-
men. Es hat für sich alleine u. U. Bedeutung und Thera-
1
piebedarf (»HWS-Syndrom«) oder aber es deutet auf ein definiertes Krankheitsbild hin. Diagnose. Der Prozess der Zuordnung der Patienten-
symptome, des Syndroms zu einem definierten Krankheitsbild nennt man Diagnosestellung. Diagnostische »Negativa«. Hiermit sind verneinte
Fragen nach Beschwerden gemeint bzw. nicht erhobene Befunde, also Normalbefunde. > Negativa sind bei differenzialdiagnostischen Überlegungen u. U. wertvoll und sollten deshalb auch dokumentiert werden. Beispiel »schmerzloser Ikterus« oder »Fieber und Kopfschmerz ohne Nackensteifigkeit«.
Arbeitsdiagnose. Vorläufige Diagnose, unter der z. B. bereits die Therapie beginnt. Zur Festigung werden i. d. R. weitere Untersuchungen angesetzt. Arbeitsdiagnosen sind durchaus gerechtfertigt, um einen Therapiebeginn bei wahrscheinlicher Ursache nicht zu verzögern (z. B. schwere Infektionszeichen ohne Erregernachweis). Therapie ohne Diagnose? Nicht immer haben die Götter vor die Therapie eine exakte Diagnose gesetzt! Bei der Arbeitsdiagnose »Meningitis« z. B. setzt der Arzt eine vermutlich geeignete Antibiose an, muss aber gleichzeitig auf den mikrobiologischen Endbefund (»Diagnose«) warten. Vor allem auch in der Allgemeinmedizin werden oft zunächst ausschließlich Symptome behandelt und nicht Diagnosen. Beispiel ist eine harmlose Durchfallerkrankung. Es ist hier weder üblich noch notwendig, eine präzise Diagnose (mikrobiologischer Stuhlbefund, Virustypbestimmung) als Grundlage der Erkrankung vorliegen zu haben, da das Symptom sehr häufig und die Ursache meist (nicht kausal behandelbare) Darmviren sind. Es ist bei einem harmlosen einmaligen Durchfall auch nicht notwendig, indiziert und finanzierbar, den ganzen Körper aufgrund möglicher anderer Ursachen durch zu untersuchen (hunderte Erkrankungen können zu Diarrhö führen). Im Beispiel würde man eine Diagnose erst bei Begleitbeschwerden verlangen, die auf Vorliegen keiner Bagatellerkrankung schließen lassen (z. B. Blut im Stuhl) oder wenn sich das Symptom nicht binnen weniger Tage und unter ggf. symptomatischer Therapie (Elektrolytersatz) bessert.
Differenzialdiagnose. Differenzialdiagnosen umfas-
sen die bei einer bestimmten, infrage kommenden Symptomatik/Befunden Diagnosen. Denkprozesse wie: »Was kann es denn anhand der Symptome alles sein und was kann man ausschließen?«, »Was frage ich den Patienten, was untersuche ich und was veranlasse
4
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
1
. Abb. 1.1. Mindmap Körperliche Untersuchung: Palpation, Auskultation, Hautbefund. (Nach Paquet u. Dieckhöfer 1993; Anschütz 1992)
5 1.1 · Definitionen, Einführung
ich weiter für Diagnostik, um in einer Entscheidung diesbezüglich weiterzukommen?« gehören in diesen Bereich. Differenzialdiagnostisch Denken kann nur derjenige, der hinreichende theoretische und praktische Kenntnisse von den möglicherweise in Frage kommenden Erkrankungen hat. Wichtig ist ebenfalls ein gewisses Maß an Abstraktionsfähigkeit, da Erkrankungen selten den idealisierten Lehrbuch-Darstellungen gleichen. > Häufige Krankheiten sind immer am wahrscheinlichsten, von seltenen muss man aber dennoch gehört/ gelesen haben.
Prognose. Als Prognose gelten ärztliche Aussagen, wissenschaftliche Angaben zu dem voraussichtlichen Verlauf, dem Ausgang der Erkrankung mit/ohne Therapie und der späteren Lebensaussicht. Es lassen sich im Hinblick auf die Prognose verschiedene Therapieformen miteinander vergleichen (»Goldstandard«). Technische Diagnostik. Dazu gehören Verfahren wie Laboruntersuchungen, EKG, Röntgen, MRT, Sonographie, virologische Untersuchung etc. Als Sensitivität bezeichnet man die Fähigkeit eines diagnostischen Testverfahrens, Personen mit einer bestimmten Erkrankung auch tatsächlich als krank zu erkennen – also sozusagen keinen Erkrankten zu übersehen. Beispiel: ein Patient mit Schmerzen im Bereich des Brustkorbs links, bei dem es um die Myokardinfarkt-Diagnostik geht. Als Spezifität bezeichnet man die Fähigkeit eines bestimmten Testverfahrens, gesunde Menschen auch als gesund zu erkennen – also sozusagen niemanden fälschlicherweise als krank zu diagnostizieren. Berechnung von Sensitivität und Spezifität 4 Die Sensitivität eines Tests ergibt sich aus dem Quotienten der Anzahl der Personen mit positivem Testergebnis und der Gesamtzahl der Kranken. 4 Die Spezifität eines Tests ergibt sich aus dem Quotienten Anzahl der Personen mit negativem Testergebnis und der Gesamtzahl der Nichtkranken. Anzustreben sind bei einem Test natürlich eine möglichst hohe Sensitivität und Spezifität, aber beide verhalten sich in der Regel gegenläufig.
Allgemeinsymptome. Darunter sind unpräzise, keinem Organ eindeutig zuzuordnende Beschwerden bzw. Befunde gemeint, z. B. Fieber, Mattigkeit, Schlafstörungen, Appetitmangel, Konzentrationsstörungen, Ganzkörperschmerz.
1
Der Weg vom Symptom zur Diagnose. Er verläuft meist folgendermaßen: Manche Symptome werden bei fast allen Erkrankungen erhoben (Mattigkeit, Fieber etc.). Es gilt daher durch die wesentliche Hauptbeschwerde bzw. den Hauptbefund in Kombination mit damit assoziierten Begleitbeschwerden und möglicherweise Nebenbefunden zu einem Syndrommuster zu gelangen. Durch theoretische und praktische Kenntnis (medizinisches Lernen) kann der Arzt durch die Syndrommuster zunächst zu einer (vorläufigen) Arbeitsdiagnose gelangen. Evtl. beginnt er bereits mit der Therapie. Durch technische Diagnostik und differenzialdiagnostische Überlegungen verifiziert der Arzt seine Arbeitsdiagnose fortlaufend kritisch. Auch das Nichtanschlagen einer Therapie kann dazu führen, die gestellte Diagnose erneut zu evaluieren. > Bereits bei Anamnese und Untersuchung (Symptomerhebung) müssen fundierte theoretische und praktische Grundlagen über Krankheitsbilder vorhanden sein, sonst kann sie im Grunde nicht gelingen. Auch können Diagnosen nur unter dieser Prämisse gestellt werden.
Wie umfangreich Anamnese und Untersuchung stattfindet und in welche Richtung Vertiefung stattfindet, ist hochgradig von der Erfahrung, dem theoretischem Wissen des Arztes, von der Situation (Sprechstunde, Erstkontakt, stationäre Aufnahme), von dem Fachgebiet und der individuellen Behandlungssituation (Schwere der Erkrankung, Gesundheitsstatus des Patienten) und v. a. auch vom Patientenwunsch abhängig. Ein Grundgerüst jedoch hat Gültigkeit, es sollten im Verlauf einer längeren Patientenbetreuung auch alle Punkte angemessene Klärung finden. ! Cave Bei jeder stationären Aufnahme sollte ein Patient sorgfältig befragt und untersucht werden! Ebenso sollte bei einem hausärztlichen Erstkontakt der Patient umfassend befragt und von Kopf bis Fuß untersucht werden.
Im Notfall und bei akuten Erkrankungen kann sich die Anamnese und Untersuchung auf ein Minimalprogramm (z. B. bezüglich Vitalfunktionen oder gefährdeten Organfunktionen) konzentrieren. Im Verlauf der Hospitalisation kann sukzessive nachgeholt und ergänzt werden.
6
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
Sorgfältige Anamnese trotz Zeitdruck im Klinikalltag Sorgfältige Anamnese und klinische Krankenuntersuchung bedürfen Zeit und Geduld. Beides ist durch die aktuelle Entwicklung im Gesundheitswesen eingeschränkt. Aus der gegebenen Situation dennoch das Beste zu machen, kann heute als wichtigster Eckpfeiler guten ärztlichen Handelns gesehen werden. Es bleibt zu hoffen, dass künftig das Sprechen mit dem Patienten, das Ansehen, Berühren und Abhören von Leistungsträgern nicht geringer erachtet wird als schematisiertes Anordnen einer MRT, Ankreuzen einer Liste gewünschter Laborbefunde oder das Aufsetzen eines Schallkopfes. Professionelle Anamnese und klinische Untersuchung wirken zudem einer Entfremdung, Verlorensein der Patienten in einer technisierten, hochspezialisierten, unpersönlichen und unmenschlichen Medizin entgegen.
1.2
Allgemeine Anamneseerhebung
1.2.1 Ebenen, Aufgaben, Ziele
der Anamnese Aufgaben und Ziele der Anamnese sind: 4 Information 4 Interaktion 4 Interpretation 4 Integration 4 Gesundheitsberatung Information Durch die Befragung des Patienten gewinnt der Arzt wichtige Informationen über den Patienten und seine Erkrankung. Diese äußert er teilweise spontan, teils müssen sie gezielt und systematisch erfragt werden. Interaktion Die Anamnese stellt jedoch erheblich mehr dar, als nur einen rein sachlichen Informationsgewinn. Sie ist Basis des möglichen Aufbaus eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient, einer positiven Arzt-Patient-Beziehung. Nur einem kompetenten Arzt, dem sie vertrauen, offenbaren Patienten u. U. wichtige behandlungsrelevante Informationen (bzw. das Problem überhaupt) und verlieren auch evtl. unbegründete Ängste vor Untersuchung und Therapie. Ein gesundes ArztPatient-Verhältnis beeinflusst die Compliance (Befolgen ärztlicher Anweisungen, Therapietreue, v. a. bei langwierigen Behandlungen) positiv. Das Gespräch selbst mit dem Patienten an sich wirkt sich auch auf die Gesundung des Patienten aus.
Therapeutischer Wert des Placebo Es ist heute bekannt, dass der Erfolg selbst einer antihypertensiven Therapie mit somatisch hochpotenten Pharmaka zu einem gewissen Prozentsatz dennoch auch auf einer Placebowirkung beruht. Die Placebowirkung ist ein Produkt aus Arztvariablen (Kompetenz, positive Autorität, Empathie, Vermittlung von Hoffnung) und Patientenvariablen (Sukzeptabilität, Suggestabilität, Leidensdruck etc.). Hier spielen also auch Anamnese und Umgang mit dem Patienten eine wichtige Rolle: Eine echte Interaktion bedeutet kein Vorbeireden, keine einseitigen Monologe, keine »Floskeln«, sondern ein professionelles Eingehen auf den Patienten!
Interpretation Aufgabe des Arztes ist es, die gewonnenen Informationen in ihrer Bedeutung zu ordnen und z. B. Beschwerden korrekt zu interpretieren. Integration Die Fülle von Einzelinformationen muss in der Gesamtschau des Patienten gesehen werden, der Teil sozusagen in das Ganze integriert werden. »Fachbereiche« versus Mensch als Ganzes Ein Hauptvorwurf an die moderne Medizin ist deren Fokus auf kleine Bereiche (Phlebologe, Nephrologe, Gefäßchirurg) und die nicht seltene Vernachlässigung der Bereitschaft, den gesamten, individuellen Menschen zu sehen. Dies ist nicht gleichbedeutend mit dem Suchen und Behandeln von noch so geringen Beschwerden, Befunden. Gerade davor, vor einem »zuviel an Medizin« müssen Patienten auch geschützt werden.Vor allem bei älteren Patienten sollten nicht alle Beschwerden, Befunde überbewertet, umgekehrt aber auch nicht alle Beschwerden/Befunde auf das Alter geschoben werden.
Gesundheitsberatung Immer wieder werden in Anamnesegesprächen auch allgemeine Fragen des Patienten eingestreut, oft bieten sich umgekehrt direkte Hinweise des Arztes zu Gesundheit, Prävention, Lebensführung an. Nicht selten ist dies auch die eigentliche Konsultationsursache. Der Arzt sollte sich heute bei zunehmender Spezialisierung und Komplexität (Medizindschungel) immer als Patientenanwalt, Gesundheitsberater des Patienten verstehen, der ihn auch berät und schützt – z. B. vor unseriösen Heilern »aus dem Internet« mit ausschließlich pekuniären Interessen. > Trotz wachsender klinischer Erfahrung dürfen Anamnese und Untersuchung nicht vernachlässigt werden!
7 1.2 · Allgemeine Anamneseerhebung
1.2.2 Fremdanamnese Grundsätzlich findet der Arzt-Patient Kontakt unter 4 Augen statt, nicht immer kann/muss dies allerdings gegeben sein. Evtl. ist die Einbeziehung Dritter (Zeugen, Angehörige, ärztliche Kollegen und andere Quellen) indiziert, die sog. »Fremdanamnese«: Dies gilt für folgende Situationen: 4 Bewusstlosigkeit, Bewusstseinsgetrübte 4 Bewusstlosigkeit zum Zeitpunkt eines Ereignisses (z. B. Befragen von Zeugen danach, wie genau der Patient »umfiel« – Sturzanamnese) 4 Notfallsituationen unter Zeitdruck 4 Bei Sprachbarrieren (hier: Dolmetscher) 4 Angehörige, nahe stehende Personen, welche der Patient um sich haben möchte 4 Partner, nahe stehende Personen, die befragt werden müssen z. B. bei Wesensveränderungen des Patienten, Apnoephasen in der Nacht etc. 4 Neugeborene, Kinder 4 Demente, psychisch kranke Patienten, geistig Behinderte (cave: körperlich behindert ungleich geistig behindert!) 4 Neurologisch Erkrankte (Amnesie, Intoxikationen) 4 Patienten mit eingeschränktem Hör- und Sprachvermögen Grundsätzlich (Ausnahme Notfälle, Bewusstlose) muss der Patient befragt werden und dahingehend einwilligen, ob er mit der Einbeziehung Dritter in das Anamnesegespräch (wie überhaupt auch der Einsicht in Krankenunterlagen) einverstanden ist. Dazu gehört auch die Einsicht von Unterlagen/Rückfragen bei ärztlichen Kollegen. > Der Arzt unterliegt der Verschwiegenheit, die er nur mit Erlaubnis des Patienten selbst oder unter gewissen Umständen (Strafrecht etc.) brechen darf. Auch der umgekehrte Informationsfluss, die Information von Dritten über patientenbezogene Daten darf (mit obigen Ausnahmen) nur mit Einverständnis des Patienten erfolgen. Jugendlichen und Kindern sollte nicht erst ab dem 14. Lebensjahr der Wunsch gestattet werden, auch einmal alleine mit dem Arzt zu sprechen.
1.2.3 Grundlagen der Anamnesetechnik Räumliche und persönliche Voraussetzungen Die Atmosphäre des Arzt-Patienten-Kontakts muss der Situation gerecht werden: wichtig ist ein ruhiger, ungestörter, freundlicher und zweckdienlicher
1
Raum. Der Arzt enthält sich nach seinem Berufethos jeglichen moralischen, politischen, finanziellen, rassistischen und religiösen Anschauungen und Wertungen. Hektik und Zeitdruck sind vor dem Patienten fehl am Platze, was jedoch nicht bedeutet, das sich jedes Anamnesegespräch über lange Zeit erstrecken muss. > Der Arzt sollte Empathie (Einfühlungsvermögen) nicht nur zeigen, sie sollte auch Prämisse des Handelns sein. Verhalten des Arztes Selbstverständlichkeiten sollten sein: Professionelles Auftreten, Händedruck, Wärme, Takt, Zuwendung (auch körperlich), Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Sorgfalt, Verständnis, Eingehen und geduldiges Zuhören, genauso aber auch wie nötige Entschlossenheit, Kompetenz (lebenslange Weiterbildung), Bestimmtheit, Sicherheit und korrekte Distanz. Dies gilt gleichermaßen für die sich anschließende körperliche Untersuchung. Ältere Menschen werden nicht als »Opi« und »Omi« behandelt, übertriebenes Mitleid ist fehlplatziert, »Heiler-Auftreten« und Überlegenheitsdarstellungen gelten als durchschaut. Visiten sollen patienten- und problembezogen ausgerichtet sein und weder Selbstzweck/Eigendynamik entfalten und auch keine universitäre Theateraufführung darstellen. Eine besondere Herausforderung an den Arzt stellen u. a. aggressive, demütige, traurige, fordernde und hypochondrische Patienten. > Von dem Arzt kann allerdings auch kein »Verbiegen« seiner Persönlichkeit, Allmacht und Aufgeben eigener Interessen (»honorarfreie[r] Arbeitstag und -nacht«, »Helfersyndrom«) erwartet werden.
Sprachstil und Anamnese Letztlich ist die Anamneseerhebung eine besondere Kommunikationsform. Im Sprachstil, Sprechtempo und Informationsbedürfnis passt der Arzt sich dem Patienten an, so dass dieser ihn auch versteht. Die unbedingte Klarheit im Ausdruck, eine Mischung aus Abstraktion, Vereinfachung – und trotzdem Konkretisierung, wenn es nötig ist – bei dennoch stets erhaltener Korrektheit und Wahrhaftigkeit sind keine grundsätzlich ärztlichen Eigenschaften. Dies gilt v. a. auch bezüglich der Anpassung an Aufnahmebereitschaft und -vermögen des Patienten aufgrund seiner aktuellen Erkrankung. Es ist z. B. nicht nur unhöflich, sondern v. a. belastend und gefährdend, Myokardinfarktpatienten Fragelisten zu Versicherungsdaten, ausführliche Anamnesen, Wunsch zum Essen, Bedienung von TV, Telefon zu erläutern.
8
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
> Fachtermini sind eher dem Gespräch unter Kollegen dienlich. Wer etwas – auch noch so Komplexes – wirklich verstanden hat, kann es auch mit einfachen Worten jedermann und jederfrau erklären.
Zu unterscheiden sind folgende Fragetypen: 4 Offene bzw. »Sondierungsfragen« (z. B. »Wie fing denn das Ganze an mit ihrem Beschwerden?«) 4 Gezielte Fragen (z. B. »Wie viele Meter genau können Sie gehen?«) 4 Auswahlfragen (z. B. »Ist der Urin rötlich, gelb oder bierbraun gefärbt?«) 4 Geschlossene Fragen (z. B. »Ja oder nein?«) Eine Mischung diesen Fragetypen ist nötig, um einerseits den Patienten Raum zu geben, andererseits aber auch das Gespräch zu lenken, ggf. ausschweifende Berichte abzukürzen und die nötigen Informationen zu erlangen. Über die Wirkung von Suggestivfragen (»leading questions«), die die Antwort vorschlagen (»suggerieren«), z. B. »Es tut Ihnen seit der Therapie nicht mehr weh, oder?«, muss sich der Arzt stets bewusst sein. Suggestivfragen können aber auch sinnvoll sein: z. B. »Glauben Sie nicht, dass der Verzicht auf Nikotin Ihnen gut tun würde?«. Viele Patienten müssen immer wieder ermutigt werden zu berichten, oder gebeten werden ihre Beschwerden zu präzisieren (z. B. was der Patient genau unter »taumelig« versteht – Drehschwindel, Schwankschwindel, Synkope etc.). Von Zeit zu Zeit sollten Inhalte der Anamnese zusammengefasst werden und Zwischenfragen erfolgen (hat man den Patienten richtig verstanden?). Dies ist schon deshalb zwingend nötig, um zu präzisieren, genau zu erfahren, was genau der Patient vor seinem Bildungs-, Sprach- und persönlichen Hintergrund unter bestimmten Beschwerden versteht (»Was verstehen Sie genau unter ...«). Das geplante weitere diagnostische Vorgehen, das Prozedere und auch Therapievorschläge müssen dem Patient vorgeschlagen, mit ihm besprochen, diskutiert werden. Auch »bloße« Pharmakotherapie ist eine Therapie, über die der Patient aufgeklärt werden und in die er einwilligen muss. Die Therapie muss weiter überwacht und betreut, fortgeführt oder beendet werden. > Monologe sind auf keiner der beiden Seiten zuzulassen! Nur ein eingehender Dialog und eine echte Diskussion sind eine echte Interaktion.
Kein Verhör Ein Arzt muss auch keine »kriminalistischen« Eigenschaften an den Tag legen. Was der Patient nicht mitteilen möchte, muss er nicht! Die Arztkonsultation ist eine freiwillige Angelegenheit des Patienten. Möchte der Patient gewisse Dinge in der Anamnese ausklammern oder besteht der Patientenwunsch nach Fokussierung auf eine Hauptbeschwerde, muss dies unbedingt respektiert werden. Von Notfällen abgesehen hat der Arzt keine Behandlungspflicht.
Gegen Ende bietet sich eine Frage an, ob denn nun alles gesundheitlich Relevante aus Sicht des Patienten angesprochen wurde, oder ob es vielleicht noch einen Bereich gibt, der ausgeklammert wurde, nicht genügend zu Sprache kam. Eine vollständige Anamneseerhebung ist bei jeder Mehrfachkonsultation nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Hier bietet sich aber eine einmalige gründliche Erhebung an, die dann immer wieder ergänzt wird und z. B. eingeleitet wird mit der Frage nach Veränderungen des Gesundheitsstatus und neu aufgetretenen Beschwerden seit der letzten Konsultation. 1.2.4 Die schematische Anamnese Die Strukturierung des Gespräches, die sog. schematische Anamnese, hat sich in der nachfolgend dargestellten Form bewährt, weil sie für eine gewisse Vollständigkeit und Reproduzierbarkeit bürgt. Viele Patienten kennen aus vorhergehenden Krankenhausaufenthalten und Arztkonsultationen den Ablauf. Anamnese- und Untersuchungsbögen sind dabei hilfreich, um kein Thema zu vergessen und auch zeitnah zu dokumentieren. In der Regel erfolgt dann nach der Konsultation ein Übertrag/Diktat in die elektronische Krankenakte. Die schematische Anamnese gliedert sich in folgende Punkte: 4 Patientendaten 4 Jetzige, aktuelle Beschwerden (z. B. inkl. Schmerzanamnese) 4 Begleitbeschwerden 4 Eigenanamnese 4 Systemanamnese 4 Medikamentenanamnese 4 Genussmittel-/Noxenanamnese 4 Biographische/sozioökonomische Anamnese 4 Sexualanamnese 4 Familienanamnese 4 spezielle Anamnese
9 1.2 · Allgemeine Anamneseerhebung
Patientendaten Patientenname, Geschlecht, Geburtsdatum und Alter müssen immer neu evaluiert werden. Viele Ärzte ergänzen weiter Berufs- und Wohnortsangabe. Diese Daten geben einen Einstieg und erste Anhaltspunkte für möglicherweise vorliegende Dispositionen (Altersgipfel, Geschlechterverteilung, Berufsexposition, Herkunftsland). Der Patient sollte mit seinem Namen begrüßt werden, der Arzt sollte sich ebenso namentlich und im Klinikbetrieb mit seiner dortigen Position/Funktion vorstellen. Es empfiehlt sich schon vor dem Erstkontakt kurz einen Blick in evtl. vorhandene Unterlagen, Befunde, Diagnosen, Vorinformation über Konsultationsursache bzw. Einweisungsdiagnose etc. zu werfen. Es ist dabei kein Zeichen von Misstrauen, sondern Zeichen einer Sorgfalt für den Patienten, wenn bereits dokumentierte Beschwerden dennoch neu erfragt und Befunde neu erhoben werden. Technische Diagnostik hingegen, soweit verwertbar (Aktualität, Qualität, Wertigkeit etc.) muss wenn immer möglich kein zweites Mal durchgeführt werden (z. B. Strahlenbelastung, Invasivität). > Ein bloßes Übernehmen von Diagnosen ist unverantwortlich dem Patienten gegenüber, genau wie eine voreingenommene Haltung und dem folgenden bloßen Suchen nach Beschwerden und Befunden, die zu dem »vom Arzt gewünschten Krankheitsbild« passen.
Aktuelle Beschwerden Es muss nicht immer ein »Was führt Sie zu mir?« sein, jedoch sollte man dem Patienten zum Einstieg in jedem Falle »Raum« geben, die aktuelle Konsultationsursache einzuleiten (sog. spontaner, freier Bericht). Es gilt die aktuelle Konsultationsursache (Hauptbeschwerde) zu erfassen und diese präzise zu ermitteln. Relevantes, das der Patient schildert, muss präzisiert werden: 4 Was genau? 4 Seit wann? Auslösesituation? 4 Lokalisation: Wo? Ausstrahlung? Gewebetiefe, »wandernd«? 4 Qualität? Wie genau, z. B. stumpf, spitz? 4 Stärke (Leicht? Ertragbar? Unerträglich? Frequenz, Quantifizierbar? Vergleiche?) 4 Zeitlicher Verlauf? Ständig, wann? Zunahmen, Abnahme, Entwicklung, immer? Akut, chronisch, Schübe, Veränderungen? 4 Begleiterscheinungen? Vegetativ? Körperfunktionen? 4 Im Zusammenhang mit was? Nach dem Essen, nach Sport? Tageszeit? Im Stehen, Liegen? 4 Subjektives Empfinden, Ängste, Emotionen? Leidensdruck, Auswirkungen auf Leben, Alltag?
1
4 In Vergangenheit ähnliche Beschwerden erlitten? 4 Bereits unternommene Therapieversuche? 4 Bei Frauen im gebärfähigen Alter: Besteht eine
Schwangerschaft? Nicht immer müssen »Beschwerden« Konsultationsursache sein. Auch Prävention kann der Grund eines Arztbesuches sein (Check), Fragen zu Lebensführung etc. Schmerzanamnese Da Schmerzen die häufigste Konsultationsursache und auch die häufigste »aktuelle Beschwerde« darstellen dürften kommt einer präzisen Schmerzanamnese bei Erhebung der jetzigen Beschwerden besondere Bedeutung zu. Starke Schmerzen gehen immer mit einer Beeinträchtigung des Lebens und des Alltages einher. Möglich sind begleitende vegetative Symptome (Unruhe, Schwitzen, Tachykardie, Übelkeit, Erbrechen) bis hin zur völligen Fokussierung auf den Schmerz (Krümmen, Schonhaltung, Bewegungsdrang) und Handlungsunfähigkeit. Chronische Schmerzen führen regelhaft zu psychischen Veränderungen und selbstverstärkenden Überlagerungen. Die Schmerzanamnese umfasst folgende Punkte: 4 Lokalisation, Ausstrahlungen 4 Beginn, Dauer, Verlauf 4 Qualität, Charakter (brennend, dumpf, pochend, stechend) viszeral, somatisch 4 Quantität (Intensität) z. B. Schmerzskalen, Vergleiche 4 Wann (bei Belastung, in Ruhe, nach dem Essen etc.) 4 Begleitbeschwerden durch Schmerzen (Angst, Schwitzen) 4 Depressivität bei chronischen Schmerzen 4 Besserung, Beeinflussbarkeit der Schmerzen durch (z. B. Ruhe, Wärme etc.)? ! Cave Hinsichtlich Schmerztoleranz und dem Schmerzerleben gibt es erhebliche individuelle Unterschiede! Schmerzarten Unter nozizeptivem Schmerz versteht man somatische Schmerzen, z. B. der Haut, Mukosa, Muskulatur, des parietalen Bauch- und Brustfells (stechend, scharf, brennend, gut lokalisierbar). Viszeraler Schmerz geht z. B. von Organen aus (dumpf, unscharf, kolikartig, ausstrahlend, schlecht lokalisierbar). Neuropathischer Schmerz tritt als Schmerz bei Para-/Tetraplegikern oder auch als Phantomschmerz auf. Fortgeleitete Schmerzen werden in Dermatomen empfunden, z. B. bei Nervenwurzelreizung (Head-Zonen).
10
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Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
Begleitbeschwerden Unter Begleitbeschwerden versteht man Beschwerden, die eng zu der erhobenen Hauptbeschwerde passen. Diese werden z. B. vom Patienten spontan genannt; der Arzt muss diese dann hierarchisch ordnen und werten im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang mit der Hauptbeschwerde. Der Arzt kann diese aber auch gezielt – unter pathophysiologischer und klinischer Kenntnis der vermutlichen differenzialdiagnostischen Krankheitsbilder – erfragen. Erhobene Begleitbeschwerden müssen analog präzisiert werden (s. oben – »Aktuelle Beschwerden«).
Vollständigkeit der Eigenanamnese Bei der Eigenanamnese muss immer wieder Einiges erwähnt – d. h. dem Patienten »angeboten« – werden, z. B. Benennung jedes Organs, Frage nach »Krebserkrankungen« (in der Sprache des Patienten). Patienten verneinen beispielsweise oft die Frage nach einer Hepatitis, erwähnen aber später, dass sie einmal an »ansteckender Gelbsucht« litten. Patienten mit »großer medizinischer Vorgeschichte« erinnern sich oft spontan nicht einmal an alle Krankenhausaufenthalte. Nicht selten wird die Frage nach Operationen verneint, im Anschluss findet sich bei der körperlichen Untersuchung eine mediane Laparatomienarbe.
! Cave
Zu fragen ist zudem nach dem Gebrauch von Hilfsmitteln, z. B. Prothesen, Sehhilfen (Kontaktlinsen, Brille, Dioptrienzahl, Plus/Minus, Astigmatismus). Sofern kein vollständiger Impfpass vorliegt, ist eine Impfanamnese zu erheben. Bei vielen Menschen bestehen Nahrungsmittelunverträglichkeiten (z. B. Kuhmilchintoleranz). Eventuell hält der Patient eine spezielle Diät ein (vegetarisch, veganisch, sonstiges). Bei Hinweisen auf abnorme Essgewohnheiten (Art, Menge) sollte sich eine Ernährungsanamnese anschließen. Bei der Frage nach bestehenden Allergien meinen Patienten häufig etwas anderes als der Arzt. Nicht immer ist ein Allergiepass vorzeigbar. Ergeben sich Hinweise, müssen also präzise die Art der Reaktion (Ausschlag, Atemnot, Schock) und die genaue Substanz eruiert werden.
Die Differenzialdiagnostik beginnt bereits bei der Anamneseerhebung und nicht erst später, wenn dem Patienten u. U. keine sofortigen Rückfragen mehr gestellt werden können.
Eigenanamnese Die Eigenanamnese ist die gesundheitliche Vorgeschichte des Patienten. Der Arzt fragt nach Diagnosen, die in der Vergangenheit erhoben wurden (auch in der Kindheit, auch psychiatrische und psychosomatische Krankheiten) und erkundigt sich nach vergangenen und laufenden Behandlungen. Wurde der Patient schon einmal operiert oder wurden schon einmal diagnostische Eingriffe durchgeführt? Sind Konsultationen in der Vorgeschichte relevant in Hinblick auf die aktuelle Beratungsursache sollten Dokumentationen (Kollegen, Kliniken, Operationsberichte) angefordert werden. ! Cave Unklare Patientenangaben sollten nicht einfach selbst interpretiert werden. Wenn der Patient nur eine »Herzoperation« angibt, sollte man nicht »BypassOperation« vermuten und dokumentieren, sondern die Worte des Patienten wiedergeben: »Herzoperation 1974«.
Krankenhausaufenthalte, Unfälle, Transfusionen, Transplantationen, Kuren, Rehabilitationen, Fehlzeiten in Schule, Unterbrechungen der Ausbildung, Umschulungen sind den Patienten oft erinnerlicher als die reine Frage nach Vorerkrankungen. Bei der Frage nach schweren, durchgemachten Krankheiten und/oder evtl. bestehenden chronischen Erkrankungen kann der Arzt unterstützend alle Organsysteme benennen. Nach Infektionserkrankungen sollte explizit gefragt werden (z. B. HIV, Tbc, Hepatitis, Geschlechtskrankheiten etc.).
! Cave Schwerste Allergien auf Penicillin werden oft nur als »Unverträglichkeit« beschrieben, harmlose Nebenwirkungen (Diarrhö) anderer Medikamente hingegen oft als »Allergie«.
Systemanamnese (Orientierung über alle Organsysteme) Gelegentlich werden Erkrankungen (die aber evtl. wesentlich wären) ganz vergessen oder werden von dem Patienten nicht in Zusammenhang mit der aktuellen Beratung gebracht und daher für nicht erwähnenswert erachtet. Sie werden häufig erst dann erinnert, wenn man dem Patienten »etwas anbietet«. Aus diesem Grund sollte sich der Vollständigkeit halber der Eigenanamnese eine orientierende Fragensammlung, eine Systemanamnese zu allen Organsystemen anschließen (. Tab. 1.1). Die Systemanamnese ist auch ein gutes Instrument dafür, den Patienten ganzheitlich zu betrachten. Evtl. stehen die weiter erhobenen Beschwerden auch nicht in Zusammenhang mit den Hauptbeschwerden, können sich aber durchaus als behandlungsbedürftig erwei-
11 1.2 · Allgemeine Anamneseerhebung
. Tab. 1.1. Auswahl1 an Gesundheitsstörungen, die auf Erkrankungen der Organe hinweisen können Organe/ Organsysteme
Orientierende Fragen an den Patienten
Lunge, Atemwege, Kehlkopf
Atemnot, Husten, Auswurf (Farbe, Konsistenz), Heiserkeit, Stimmveränderungen
Herz
Brustschmerz, Atemnot, Ödeme (z. B. Beine), nächtliches Wasserlassen, Herzrasen, Herzrhythmusstörungen
Kreislauf
Schwarzwerden vor Augen, Synkopen, Schwindel, Blässe, Extremitätenschmerz, Zyanose, Ödeme
Leber
Juckreiz, gelbe Haut, Bauchwassersucht
Nervensystem psychisch
Depressivität, Angst, Agitiertheit, Schlafstörungen2, Gedächtnisstörungen, Stimmung, Intellekt, Persönlichkeitsveränderungen, Verhalten, Alltagsbewältigung, Konzentration, Antrieb, Denken, Emotionen
Nervensystem somatisch
Bewusstseinsstörungen, Vigilanz, Gefühlsstörungen, Lähmungen, Störungen des Geschmacks und des Geruchs, Gehstörungen, Kopfschmerz, Muskelschwäche, Veränderungen von Sprechen und/oder Verstehen, Rigor, Spastik, Krämpfe, Tremor, Störungen des Gleichgewichtes
Augen
Sehstörungen (Visus, Gesichtsfeld, Blitze etc.), Sehhilfen, Photophobie, Schmerzen, Doppelbilder, Tränenträufeln
Ohren
Hörstörungen, Ohrgeräusche, Ausfluss, Ohrenschmerzen
Magen, Darm
Übelkeit, Erbrechen, Appetitstörung, Bauchschmerz, Gewichtsverlust, Diarrhö, Obstipation, Stuhlabnormalitäten (Konsistenz, Blut, Entfärbung, Teer, Schleim), Refluxbeschwerden (z. B. Sodbrennen, Schmerz hinter dem Brustbein, Bronchitis), Meteorismus, Schluckbeschwerden, Fötor, Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Niere
Flankenschmerz, Harnabnormalitäten (Menge, Farbe, Trübung), Schmerzen beim Wasserlassen, Trinkmenge pro Tag.
Allgemeinsymptome
Fieber, Gewichtsverlust (gewollt, ungewollt, Zeitraum), Mattigkeit, Infektanfälligkeit, Nachtschweiß, Leistungsfähigkeit, Lymphknotenschwellungen
Bewegungsapparat
Gelenkschmerz, Gelenkschwellung, Beweglichkeitsveränderungen, Morgensteifigkeit, Wirbelsäulenschmerz (HWS, BWS, LWS), Rückenschmerz, Extremitätenschmerz
Endokrine Organe
Durst, Libido, Herzrasen, Schwitzen, Gewichtszu-/-abnahme, Struma
Geschlechtsorgane, Brustdrüse
Schwangerschaft? Harnverhalt, Inkontinenz, erektile Dysfunktion, Menstruationsstörungen, Ausfluss, Blutungen, Brennen beim Wasserlassen, Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr), Mammaveränderungen
Haut
Juckreiz, Trockenheit, Pigmentveränderungen, Ausschlag, Schuppen, Haarausfall, Hautveränderungen
Immunsystem
Infektneigung, Allergien
Blut
Neigung zu blauen Flecken, Blässe, Infektneigung
Vegetativum
Schwitzen, Schlaf2, Appetit, Sexualität
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Orientierende Fragen, die bei Hinweisen präzisiert, vertieft und ergänzt werden müssen. Viele Fragevorschläge sind auch bei anderen Organsystemen als notiert sinnvoll, dies würde aber den Rahmen dieser Tabelle sprengen. Bei Hinweis auf Schlafstörungen präzise Schlafanamnese!
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Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
sen; zumindest verweist der Arzt den Patienten dann darauf, sich bezüglich dieser Beschwerden an einen anderen Kollegen zu wenden. Erhebt der Arzt Beschwerden bei der Systemübersicht, müssen diese auch präzisiert werden. Die orientierenden Fragen in der Systemanamnese sollten in der Patientensprache und nicht in der medizinischen Terminologie gestellt werden (z. B. »Haben Sie Atemnot?« und nicht »Haben Sie Dyspnoe?«). > Es wirkt sich sehr motivierend auf die Patientenmitarbeit aus, wenn man bei der Systemanamnese auf mögliche pathophysiologische/pathogenetische Zusammenhänge mit der aktuellen Konsultationsursache verweist. > B-Symptomatik: Gewichtsverlust, Fieber, Nachtschweiß. Dies kann ein Hinweis für Malignome oder chronische Entzündungen sein.
Medikamentenanamnese Anhand der Befragung des Patienten, welche Medikamente er regelmäßig (Dauermedikation) oder gelegentlich (Bedarfsmedikation) einnimmt bzw. in der Vergangenheit eingenommen hat, werden nicht selten bislang unbekannte Diagnosen zu Tage gefördert. Viele Patienten besitzen einen Medikamentenpass. Auch von den Patienten als »harmlos«, »pflanzlich« oder »selbstverständlich« (Schmerzmittel, Laxanzien, Lipidsenker, Antikonzeption, Schlafmittel etc.) eingestufte Medikamente können höchst relevante Neben-/ Wechselwirkungen haben oder gar in kausalem Zusammenhang zu der Erkrankung stehen (z. B. Magenblutung). ! Cave Die Einnahme sog. »selbstverständlicher« Medikamente (z. B. Azetylsalizylsäure) wird spontan oft gar nicht geäußert.
Anlässlich der Medikamentenanamnese bietet es sich an, wiederholend nach Arzneimittelallergien, Unverträglichkeiten (Penicilline etc.) zu fragen. Häufig werden anlässlich der Medikamentenanamnese auch Fragen vom Patienten gestellt (Fortsetzen, Wechseln einer Therapie, Nebenwirkungen etc.) oder ärztlicherseits ist Aufklärung nötig (chronischer Gebrauch, Interferenzen, korrekte Arzneimitteltherapie etc.). Genussmittel-/Drogenanamnese Alkoholmissbrauch, Nikotinabusus (Zigaretten, Zigarren, Pfeife, Kautabak; Schnupftabak) und Gebrauch von Drogen (Cannabinoide, Opioide, Stimulanzien,
Dopingmittel etc.) erhöht die Disposition zu Erkrankungen, kann Ursache sein, in jedem Falle aber nachteilige Auswirkung auf Gesundheit, Verlauf und Therapie haben. Der Substanzmissbrauch selbst schließlich ist eine gravierende Erkrankung, die Menschen (einschließlich ihres sozialen Umfeldes) körperlich und geistig völlig zerstören kann. Bei den »Genussmitteln« Alkohol (Menge, Getränkeart, Häufigkeit) und »Nikotin« (aktuell oder in Vergangenheit) gilt es präzise nach der Menge/Dauer zu fragen. > 1 Packyear = Konsum von einer Schachtel Zigaretten pro Tag über ein Jahr.
Bestehen Hinweise auf Missbrauch oder entgleisenden Gebrauch, werden die Fragen vertieft (Alkohol- und Rauchentwöhnungsversuche, Trinkgewohnheiten, z. B. wann wird getrunken: morgens, abends, in Gesellschaft, alleine, heimlich, auf der Arbeit. Wie weit geht das Trinken (»Filmriss«, Bewusstlosigkeit?), körperliche Symptome (Hepatitis, Tremor, Pankreatitis etc.). Bei positiver Drogenanamnese sollte der Arzt weiter präzisieren (Dauer, Menge, Art der Drogen, Beschaffung der Drogen etc.). Bei entsprechendem Verdacht muss auch in Richtung Infektionskrankheiten, sozioökonomische Anamnese gedacht werden. ! Cave Nicht jeder dem »Stigma« entsprechende Jugendliche nimmt Cannabinoide oder Ectasy-Tabletten ein, aber etliche »seriös« wirkende Menschen in Lebensmitte nehmen Stimulanzien, Kokain ein.
Übermäßiger Kaffeegenuss kann den Magen reizen und ist bei manchen kardialen, ophthalmologischen oder hypertensiven Erkrankungen schädlich. Biographische/Sozioökonomische Anamnese Einen Blick in das Leben des Patienten zu werfen, kann Hinweise, Dispositionen und Ursachen von Erkrankungen ergeben. Folgende Bereiche z. B. können gesundheitliche Auswirkungen haben: 4 Familienstand (verheiratet, alleinstehend, geschieden, verwitwet, Anzahl Kinder) 4 Schul- und Ausbildung 4 Beruf (Tätigkeit, Noxen, Arbeitszeiten, Arbeitsklima, Veränderungswünsche) 4 Finanzielle Situation (geregelt, Schulden, Zufriedenheit) 4 Soziales Gefüge (Familie, Freundeskreis, Vereine) 4 Wohnsituation (Wohnung, Haus, rollstuhlgängig) 4 Haustiere (Hund, Vögel, anderer Tierkontakt)
13 1.2 · Allgemeine Anamneseerhebung
4 4 4 4 4
Lebensgewohnheiten »Life events« (Traumata, Wendepunkte) Reisen, Fernreisen (Reiseziele) Sportarten Noxenexposition (Hobby, Freizeit)
Der frühere oder aktuelle Beruf kann Hinweis auf Berufskrankheiten bzw. Ätiologien geben (evtl. Einleiten von Verfahren nötig). > Belastungen am Arbeitsplatz sind häufig kausal für körperliche und psychische Fehl- und Überlastungen und Noxenexposition verantwortlich.
Bei psychosomatischen und psychiatrischen Krankheitsbildern erlangen die Fragen zum Leben des Patienten zentrale Bedeutung (7 Kap. Psychiatrie, Psychotherapie). Die Frage nach Berentung/Rentenbegehren, Schulattest, Arbeitsunfähigkeit, Schmerzensgeld, Ansprüche kann Hinweise auf möglicherweise beabsichtigten Krankheitsgewinn (finanziell, situativ) geben. Beim »Münchhausen-Syndrom« und »MünchhausenStellvertreter-Syndrom« (Vorspiegeln von Krankheit z. B. beim Kind) hingegen liegen schwere psychische Störungen vor. Weiterreichende Unterstützung Sich nicht nur um die organische Erkrankung des Patienten zu sorgen, sondern eine gewisse weiterreichende, humane Sorge beinhaltet auch nicht nur bei älteren und behinderten Menschen die Frage zur zukünftigen evtl. Pflegesituation, Heim-, Rehabilitationsaufenthalt, Haushalt, dem betreuendenUmfeld,denWohnverhältnissen,derVersorgungssituation. Dies sind essenzielle Fragen von hilfsbedürftigen Menschen (Alte, Paraplegiker etc.), die u. U. Unterstützung oder Vermittlung von Hilfe benötigen.
Sexualanamnese Als zentrales Thema, Grundtrieb des Lebens, beeinflussen Störungen der Sexualität den Gesundheitszustand und umgekehrt äußern sich viele Erkrankungen in Störungen der Sexualität. Sexuelle Störungen sind eine nicht seltene Konsultationsursache in allgemeinmedizinischen, gynäkologischen und urologischen Praxen (v. a. erektile Dysfunktion, Libidoverlust, Anorgasmie etc.). Häufig ergeben sich zudem im Zusammenhang mit anderen gesundheitlichen Problemen auch Situationen wie z. B. diese: Ein Mann, der wegen einer Prostataresektion Furcht vor anschließender erektiler Dysfunktion hat, oder eine Frau, die nach Mammaablation keine Sexualität mehr mit ihrem Partner erleben möchte.
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> Die Annahme, dass Sexualität nur bei Jugendlichen und bis zum mittleren Lebensalter eine größere Rolle spielt, ist eine weit verbreitete Fehlannahme.
Es ist in diesem Bereich besonders taktvolles Vorgehen angezeigt, ein Ausloten, was der Patient an Befragung und Beratung möchte und wo er für sich die Grenzen sieht. Besteht die Möglichkeit, dass (z. B. innerhalb Praxisgemeinschaft, Klinikbetrieb) derartige Fragen auf Wunsch mit einem gleichgeschlechtlichen Arzt besprochen werden können, sollte dies immer angeboten werden. Mögliche Themenfelder der Sexualanamnese sind: 4 Störungen der Sexualität? 4 Art der Partnerschaft (homo-, hetero-, bisexuell, fester Partner) 4 Erfüllung der eigenen sexuellen Bedürfnisse? Wie oft sexuelle Betätigung? 4 Zufriedenheit des Partners, Leidensdruck? 4 Erklärungsversuche (Disharmonie der Partnerschaft, Überlastung, Entfremdung, Vergewaltigung, Missbrauch)? 4 Änderungswünsche (bei sich, Partner)? 4 Eher »organische« Probleme wie Erektionsmangel, -schwäche, gestörte Ejakulation (keine, zu früh, Anorgasmie, Schmerzen beim Verkehr, Lubrifikation, Scheidenkrampf?) 4 Bereits Hilfe gesucht? 4 Einbeziehung des Partners in eine Beratung (Paarberatung)? Interdisziplinäres Gebiet der Sexualstörungen Sexualdeviationen, Transsexualismus, psychologische Probleme in Zusammenhang mit der Sexualität sind Bereiche der Psychosomatik und Psychiatrie. Die eher organisch bedingten Dysfunktionen und reproduktiven Störungen Domänen der Urologie und Gynäkologie. Die Sexualmedizin ist ein interdisziplinärer Ansatz. Der Allgemeinmediziner muss hier häufig – alles was ihm selbst nicht in der Macht steht zu behandeln – an die entsprechenden Kollegen verweisen.
Familienanamnese Für Darmkrebs, Brustkrebs, Diabetes und andere Stoffwechselstörungen, Atopien, psychische Erkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall und viele weitere Erkrankungen sind bei sog. positiver Familienanamnese u. U. erheblich erhöhte Dispositionen gesichert. Von Interesse sind nahe Verwandte wie Großeltern, Eltern, Geschwister, Zwillinge, Kinder des Patienten. Seltener sind exakte weitergehende Stammbaumanalysen (7 Kap. Humangenetik) bei nach den klassischen Erbgängen vererbbaren Krankheiten (z. B. Hämophilie) erforderlich.
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Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
Der Arzt fragt, ob oben genannten Verwandtengrade noch leben, nach außergewöhnlich frühen (vor Erreichen der Lebenserwartung) natürlichen Todesfällen, gar bekannten Erbkrankheiten in der Familie, nach dem aktuellen Gesundheitszustand der Verwandten. Umgekehrt muss er bei entsprechenden Erkrankungen des Patienten (z. B. Polyposis coli u. v. a.) u. U. die Familie hinsichtlich eines strafferen Vorsorgeprogrammes beraten. > Bei gewissen Infektionskrankheiten, aber auch Intoxikationen (z. B. Lebensmittelvergiftung), muss auch das (auch nicht verwandte) Umfeld in die Behandlung einbezogen oder für Isolation, Schutz, Beratung gesorgt werden (Läusebefall, Meningitis, Salmonellen, HIV-Infektion, Mykosen etc.). Eventuell besteht Meldepflicht schon bei Verdacht.
1.3
Grundlagen der klinischen Untersuchung
Die klinische Untersuchung schließt sich an die Anamnese an. In Kombination mit der Anamnese führt sie fast immer (von einigen Spezialdisziplinen abgesehen) zumindest zu einer korrekten Arbeitsdiagnose. Die klinische Untersuchung ist wie die Anamneseerhebung auch per se wichtig für das Arzt-Patient-Verhältnis und per se Teil der Therapie. Durch Professionalität und Sorgfalt gewinnt der Patient Vertrauen in den Arzt. Es ist von unschätzbarer Wichtigkeit, die körperliche Untersuchung gründlich zu erlernen und auch strukturiert, zügig und reproduzierbar durchzuführen. Es gelten die gleichen räumlichen, kommunikativen und menschlichen Grundregeln wie bei der Anamneseerhebung. Nicht selten werden bei der Untersuchung Befunde erhoben, die dann eine weitere Befragung erfordern, oder der Patient berichtet während der Untersuchung von weiteren Beschwerden. Grundausrüstung für eine körperliche Untersuchung Für eine gründliche Körperliche Untersuchung braucht es nicht viele Gerätschaften: Reflexhammer (Reflexuntersuchung), Blutdruckmanschette mit Manometer (RR-Messung), Lightpen (Pupillen-, enorale Untersuchung), Stethoskop (Auskultation), Holzspatel (enorale Untersuchung), Einmalpins (neurologische Untersuchung), Otoskop (Trommelfell, Gehörgang), Ophthalmoskop (Augenhintergrund), Glasspatel (Hautuntersuchung), Bandmaß (Umfangsmessungen), Gradmesser (Gelenkfunktionsuntersuchung), Stimmgabel (Tiefensensibilität; HNO-Untersuchung). Eine Reihe weiterer einfacher Hilfsmittel findet sich untenstehend bei der organbezogenen körperlichen Untersuchung.
! Cave Bei Tätigkeiten mit potenziellem Kontakt mit Blut, Körperflüssigkeiten, Schleimhaut und Wunden müssen Handschuhe im Sinne von Arzt und Patient getragen werden (Infektionsgefahr!).
Eine gewisse Reihenfolge bei der Untersuchung hat sich bewährt: 1. Inspektion 2. Palpation 3. Perkussion 4. Auskultation 5. Gegebenenfalls Funktionsprüfung (z. B. Bewegungsapparat) Die Untersuchung findet grundsätzlich am entkleideten Patienten in Rückenlage statt. Der Arzt sitzt an der rechten Seite des Patienten an der Bettkante. Von dieser Regel und Position zu Beginn gibt es etliche Ausnahmen (zunächst Stehen, Gehen von orthopädischen Patienten). Während der Untersuchung muss vielfach die Position auch variiert werden: Auskultation im Sitzen oder Auskultation in Linksseitenlage u. v. m. Wichtig ist es, dass man eine eigene, spezielle Systematik entwickelt, z. B. von Kopf bis Fuß o. ä., um keine Körperregion zu vergessen. Vielfach müssen Seitenvergleiche (Vergleich mit gesunder Körperhälfte) angestellt werden. Erhobene Befunde müssen analog zu den Beschwerden genau präzisiert werden (Deskription). Grundlagen der Inspektion > »Was ist das Schwerste von allem? Was dir am leichtesten dünkt: Mit den Augen zu sehen was vor den Augen Dir liegt.« (Johann Wolfgang von Goethe)
Eine Fülle von Informationen bietet sich durch bloßes Ansehen, Beobachtung des Patienten. Die meisten Erkrankungen gehen mit einer pathologischen, von außen sichtbar veränderten Morphologie einher: z. B. Haut (Ikterus, Zyanose, Fettverteilung, Hautbefunde), z. B. Deformierungen (Rheuma). Zu Beginn der Untersuchung ist auf folgende Punkte zu achten: 4 Gesamterscheinung 4 Geschlecht 4 Biologisches Alter 4 Habitus/Haltung 4 Fehl-, Missbildungen, Asymmetrien, Dysmorphien, Amputationen 4 Bewegungsablauf (Gangbild, Tremor etc.) 4 Bewusstseinszustand 4 Allgemeinzustand 4 Schwellungen
15 1.3 · Grundlagen der klinischen Untersuchung
1
4 Veränderungen der Haut 4 Mimik, Gestik 4 Psyche und Körpersprache
! Cave
»Blickdiagnose« Vor allem mit zunehmender ärztlicher Erfahrung und Wissen können anhand eines ersten Blickes auf den Patienten hochgradige Verdachtsdiagnosen, gar definitive Diagnosen erhoben werden (»Blickdiagnosen«, »Prima vista«), z. B. sofortiges Erkennen des Morbus Basedow, eines Ikterus, Morbus Bechterew etc. Diese »intuitiven« (beginnt bereits bei Anamneseerhebung) ärztlichen Fähigkeiten werden verstärkt und belohnt durch die Korrektheit der Diagnose, die sich im weiteren Verlauf herausstellt. Dennoch darf der (durchaus wichtigen) Intuition die Systematik der Anamnese und Untersuchung nicht völlig weichen! Diagnosen müssen immer kritisch hinterfragt und evtl. durch weitergehende – auch technische – Untersuchungen abgesichert werden.
Grundlagen der Perkussion Das Beklopfen erlaubt durch entsprechend resultierende Geräuschphänomene (Klopfschall) Rückschlüsse auf die Dichte bzw. Eigenschaft (»Material«) des darunter liegenden Gewebes. Durch die bimanuelle Perkussion lässt sich Gewebe von etwa einer Tiefe bis 5 cm grob beurteilen.
Bei der Inspektion befundet und dokumentiert man Größe, Form, Farbe etc., vielfach im Seitenvergleich. Um Pathologisches inspizieren zu können, sollte man die Norm kennen (Auge, Haut etc.). Auch wird das Auge erst durch das Bildgedächtnis vieler Erkrankungen und ihrer Ausprägung geschult. > »Man sieht nur, was man schon kennt«.
Einer guten Tageslichtbeleuchtung (Farbtemperatur) kommt bei der Inspektion besondere Bedeutung zu. Bezüglich der Deskription dessen, was man sieht, gibt es folgende Regel: man solle versuchen, einem blinden Kollegen zu beschreiben was man sieht, sodass dieser sich ein Bild des Patientenkörpers machen kann. Geruch Körpergeruch und Foetor ex ore können auf diverse Erkrankungen hindeuten (s. unten). Grundlagen der Palpation Die wohl häufigste Palpation ist das Ertasten des arteriellen Pulses des Patienten sowie das Fühlen der Körpertemperatur (Handrücken). Beim Palpieren achtet man weiter auf Größe, Form, Konsistenz, Elastizität, Oberfläche, Resistenz, Verschieblichkeit des palpierten Gewebes. Druckschmerzhaftigkeit und Vibrationen (Stimmfremitus, Schwirren) können ebenso palpiert werden wie der Turgor der Haut. Erfühlt oder ertastet man pathologische Befunde, müssen diese genau beschrieben und dokumentiert werden.
Schmerzhafte Palpationen werden nur weitergeführt, wenn dies diagnostisch weiterführend ist!
Technik der Perkussion Der Arzt legt i. d. R. den Mittelfinger der linken Hand fest auf das zu perkultierende Areal und beklopft mit Mittelund Zeigefinger oder nur Mittelfinger der rechten Hand seinen eigenen linken Mittelfingerrücken (End-, Mittelglied). Man spricht von der »indirekten« Perkussion. Die Bewegung erfolgt »locker« aus dem Handgelenk. Direkte Perkussion: direktes Beklopfen (ohne »Zwischenfinger«) des Patientenkörpers.
Physiologische Perkussionsschallqualitäten sind: 4 Tympanitisch: über Hohlorganen, z. B. luftgefüllte Darmschlingen 4 Sonor = ungedämpft: über lufthaltigen Geweben, z. B. gesunde Lunge 4 Schenkelschall: über dichten (Flüssigkeitsreichen) Geweben, z. B. Oberschenkelmuskulatur, Leber, Herz Pathologische Perkussionsschallqualitäten sind hingegen: 4 Hyposonor: gedämpft: z. B. über Lunge mit vermindertem Luftgehalt (Erguss, Pneumonie) 4 Hypersonor: z. B. über Lunge bei vermehrtem Luftgehalt (Emphysem) Bei der Perkussion unterscheidet man die abgrenzende (z. B. Ermittlung von Organgrenzen, wie Herzgröße, Befundgrenzen) und die vergleichende (z. B. Seitenvergleich rechter, linker Lungenlappen) Perkussion. Plessimeter und Perkussionshämmerchen Die Benutzung von Plessimeter (Auflage auf Haut) und Perkussionshämmerchen ist weitgehend verlassen worden und wirkt heute antiquiert. Die theoretisch bestehenden Vorteile sind v. a. in Zeiten der Sonographie praxisfern, daher ist es ein obsoletes Verfahren.
Ein Klopfschmerz bei Perkussion kann an Wirbelsäule und im Nierenlager Hinweise auf pathologische Prozesse/Verletzungen geben.
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Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
Grundlagen der Auskultation Geräuschphänomene in der Medizingeschichte Erstaunlicherweise ist das Stethoskop und dessen Benutzung (als symbolischer »Inbegriff« ärztlicher Diagnostik) erst 1819 von dem französischen Arzt Laennec beschrieben und durch Skoda (1805–1881) auf eine Verwendung in der Medizin verbreitet worden. Geräuschphänomene als Hinweise auf Krankheit waren jedoch bereits Hippokrates bekannt (»Lederknarren« der Brustfellentzündung und vieles mehr).
Mittels Auskultation (Hören) erfasst man physiologische Funktionsgeräusche von Organen (Herz, Darm, Lunge) oder pathologische Geräusche (z. B. arterielle Strömungs- bzw. Stenose/Turbulenzgeräusche, Arrythmie usw.). Ebenso ist es auskultatorisch möglich, Lokalisationen (Herzklappen), Organausdehnungen erfassen (z. B. »Kratzauskultation« der Leber, Lunge). Je nach Untersuchung muss die Lage des Patienten variiert werden (Herzauskultation im Liegen, Sitzen etc.) Stethoskope mit großem Membranteil (Fläche) geben hohe Frequenzen besser, Stethoskope mit kleiner Fläche oder Trichterkopf besser tiefe Frequenzen wieder. Daher empfiehlt sich die wechselnde Auskultation mit Doppelkopfstethoskopen. Audiometrisch (qualitativ) günstig sind starre, kurze und englumige Schläuche. Elektronisch verstärkende, modulierende Stethoskope sind im Handel und können für erfahrene Kardiologen Vorteile erbringen. Auskultation der Lunge
Normalbefunde bei der Lungenauskultation sind: 4 Vesikuläres Atemgeräusch in der Lungenperipherie 4 Bronchiales Atemgeräusch über dem Brochialbaum, Trachea Beispiele pathologischer Befunde bei Lungenauskultation sind folgende Geräusche: 4 Bronchiales Atemgeräusch in der Lungenperipherie z. B. bei Pneumonie 4 Lederknarren bei Pleuritis 4 »Rasselgeräusche« bei Pneumonie, Lungenödem 4 Stridor z. B. exspiratorisch bei Asthma 4 Giemen, Brummen, Pfeifen, z. B. bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung Auskultation des Herzens
Bei der Herzauskultation befundet man beim Gesunden »Herztöne« (physikalisch nicht korrekt), beim Kranken Herzgeräusche. Diese entstehen durch Wirbelbildung, Blutdurchtritt durch Stenosen, Rückflüsse, verstärkte Blutdurchtritte. Funktionelle Geräusche
sind z. B. bei Jugendlichen, Graviden und Sportlern auftretende (meist systolische) Geräusche ohne Krankheitswert. Grundlagen der Funktionsprüfung Vor allem in der Orthopädie werden alle Gelenke hinsichtlich ihrer Funktion, z. B. nach der Neutral-NullMethode, überprüft. Man achtet auf Bewegungseinschränkungen und Bewegungsschmerz. Von Funktionsprüfung kann man (unabhängig vom untersuchten Körperbereich) sprechen, wenn der Patient aktiv zur Mitarbeit aufgefordert werden muss. Die Funktionsüberprüfungen können schmerzhaft sein, daher sollten sie immer am Ende der jeweiligen Untersuchung stattfinden. 1.4
Der Erhebung des allgemeinen Status des Patienten
Die Erhebung einiger Punkte beginnt bereits beim ersten Kontakt mit dem Patienten bzw. wird während des Anamnesegesprächs offenkundig (. Tab. 1.2). Weiteres schließt sich an die Anamneseerhebung an. Viele der angesprochenen Themen werden bei der nachfolgend organbezogenen Untersuchung präzisiert. Zu jedem allgemeinen Status gehört auch die Messung der »Vitalparameter« Blutdruck, Puls (Herzfrequenz) und Körpertemperatur. Analog zur Anamnese sollte der Arzt auch die Befunde nach deren Wichtigkeit ordnen (Hauptbefund, Nebenbefunde). Die Konstitutionstypen nach Kretschmer (pyknisch, asthenisch, leptosom, athletisch) gelten heute als überholt und nicht weiterführend. Körpergewicht Erhebliches Übergewicht begünstigt viele Erkrankungen (Bewegungsapparat, endokrine, kardiovaskuläre Erkrankungen). Übergewicht ist meist ein »Bilanzproblem« durch zu hohe Kalorienaufnahme bei zu geringem Kalorienverbrauch. Vor allem der unbeabsichtigte (ohne Diät etc.), größere Gewichtsverlust in wenigen Wochen muss an einen Tumor, chronische Infektionserkrankung oder chronische Entzündung denken lassen. Kurzfristige Gewichtszunahme kann ein Hinweis auf Ödeme (Wassereinlagerung), z. B. durch Herz-/Leber-/Niereninsuffizienz sein. Die Bestimmung des Körpergewichtes sollte möglichst immer am entkleideten, nüchternen Patienten nach Miktion stattfinden, um vergleichbare Bedingungen vorliegen zu haben. Als guter Referenzwert hat sich die Bestimmung des BMI (Body-Mass-Index) bewährt.
17 1.4 · Der Erhebung des allgemeinen Status des Patienten
1
. Tab. 1.2. Klinische Untersuchung – allgemeiner Status Aspekt
Auswahl möglicher Befunde
Bekleidung
Verwahrlosung, gepflegt
Körperhaltung, Gangbild, Motorik, Konstitution
Fehlhaltungen, Lage im Bett, Gangstörungen, Tremor, motorische Störungen, eingeschränkte Beweglichkeit
Bewusstsein
Somnolent (schläfrig), soporös (noch weckbar), komatös, Orientierung zu Raum und Zeit
Mimik, Gestik, Verhalten, Persönlichkeit, Gesichtsfarbe
Freundlich, kooperativ, depressiv, Schmerz, Amimie, Agitiertheit, Aggressivität, Fazialisparese, Rötung des Gesichtes, Akromegalie, nonverbale Kommunikation
Sprache
Sprachstörungen, Heiserkeit, Stottern, Monotonie
Kräftezustand
Gut, reduziert, normal, schwach
Ernährungszustand
Normal, adipös, kachektisch
Allgemeinzustand
Gut, reduziert, stark reduziert. »Summierung« vieler Eindrücke, insbesondere der Leistungsfähigkeit, der Vitalfunktionen und dem Krankheitsgefühl
Geruchsphänomene
Uringeruch (Niereninsuffizienz, Inkontinenz), Obstgeruch (Leberinsuffizienz), Alkoholgeruch, Azeton-Ketonkörpergeruch (Hunger, Diabetes), fauliger Geruch (schlechte Oralhygiene)
Körpergewicht
Kachexie, Anorexie, Untergewicht, Übergewicht, Adipositas, Fettverteilung (z. B. CushingSyndrom, gynoider, androider Typus, Waist-Hip-Ratio), Ödeme, ungewollter Gewichtsverlust
Haut
Ödeme, Ikterus, Zyanose
Körpergröße
Minderwuchs, Normalwuchs, Hochwuchs
Der Allgemeinzustand (AZ) ist eine Zusammenschau somatischer und psychischer Aspekte. Es gibt keine fixen Kriterien, er muss vielmehr mit klinischer Erfahrung beurteilt werden.
> 4 BMI = Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern im Quadrat; Normwert 19–25 4 Kachexie: »Auszehrung« des Körpers mit starkem Untergewicht, allgemeiner Schwäche, z. B. bei fortgeschrittener Tumorerkrankung, schweren Infektionskrankheiten
Übergewicht, Adipositas, Untergewicht und Anorexie sind keine fest definierten Begriffe. Es gilt immer die Zusammenschau mit anderen Aspekten (Leistungsfähigkeit, Erkrankungen etc.). Die Inspektion der Fettverteilung und die Unterhautfettmessung (z. B. an Trizeps, Abdomen) sind Verfahren, um weitere Informationen und Kausalzusammenhänge einer Adipositas zu ermitteln. Messung des Blutdrucks Der arterielle Blutdruck ist ein elementarer Vitalparameter – sowohl in akuten Erkrankungssituationen als auch in der langfristigen, allgemeinen und präventiven Betreuung von Patienten.
Die indirekte manuelle Messung des arteriellen Blutdruckes nach Riva-Rocci Eine Manschette am Oberarm des Patienten wird mit einem Druck von etwa 25 mmHg über dem zu erwartendem systolischen Druck aufgeblasen; dadurch wird der Zufluss von Blut durch die A. brachialis völlig unterbunden. Der Manschettendruck wird dann langsam abgelassen (ca. 5 mmHg/ s) und dabei über der A. brachialis unterhalb der Manschette auskultiert. Mit nachlassendem Druck gelangt dann wieder Blut durch die sich öffnende Arterie: Hier treten erstmals pulsierende Flussgeräusche auf (Korotkow-Geräusch) und es wird der systolische Druckwert abgelesen (hier ist erstmals der Manschettendruck etwas kleiner als der systolische Blutdruck). Wenn die Geräusche wieder verschwinden, liest man den diastolischen Druckwert ab. Nur den systolischen Wert erhält man bereits bei Füllen der Manschette: Beim Verschwinden des Pulses an der A. radialis lässt sich der systolische Wert ablesen.
Die einmalige Blutdruckmessung ist eine Momentaufnahme. Eine Blutdruckmessung muss unter optimalen
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Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
Bedingungen mehrfach erfolgen. Weitere Bedingungen sind: 4 Optimale Manschettengröße (Umfang, Breite – Kleinkinder, Kinder, Erwachsene, Adipöse) 4 Messung auf Herzniveau 4 Messung in Ruhe, im Sitzen 4 Seitenvergleich beider Arme > Die Normwerte für den Blutdruck liegen bei bis zu 150/90 mmHg (genauere Definition 7 Kap. Innere Medizin). Unter dem Begriff Weißkittelhypertonie versteht man erhöhte RR-Werte in Praxis, Klinik, die durch Aufregung der Patienten bedingt sind.
Für Mehrfachmessung über 24 h stehen heute portable Geräte zur Verfügung. Oszillometrische Blutdruckautomaten lösen zunehmend die Messung per Hand ab. Bei Intensivpatienten wird in jedem Falle eine regelmäßige oszillometrische Messung durchgeführt oder gar kontinuierlich und direkt (»blutig«) über eine Drucksonde in der A. radialis gemessen. Pulsmessung Die Messung des Pulses erfolgt üblicherweise palpatorisch an der A. radialis über 1 min. Information erhält man weiter auch über den »Füllungszustand« des Kreislaufes. Ist der periphere Puls gut tastbar, muss auch der Blutdruck über einem gewissen Niveau liegen (schnelle Notfallorientierung). > Ruhepuls (Herzfrequenz): Normwert 60–70/min
Temperaturmessung Bei der Messung der Körpertemperatur können nicht nur Einzelmessungen, sondern insbesondere auch der Verlauf Hinweise auf Erkrankung und Erkrankungsverlauf geben (Fieberkurven s. unten). Die Zusammenschau des Fiebers mit organspezifischen Befunden/Beschwerden führt zu der möglichen Ursache des Fiebers. Pathophysiologie der Körpertemperatur und Temperaturmessung Pathophysiologisch kommt es zu einer Sollwertverstellung des Wärmeregulationszentrums und konsekutiver Wärmeproduktion durch Pyrogene (Bakterien, Viren, Tumoren, Proteinzerfall), seltener durch direkte Schädigung des Hypothalamus. Der Körper kann den »Wärmebehalt« durch Vasokonstriktion und Muskelzittern steuern. Die Messung erfolgt immer noch mit Quecksilber-/Alkoholthermometern oder elektronisch über 5 min. Bei Intensiv6
überwachung kommt kontinuierliches Monitoring (rektal, Pulmonaliskatheter) in Frage. Die Messung sollte in körperlicher Ruhe und bei normaler Umgebungstemperatur erfolgen, um eine Hyperthermie-Überdeckung auszuschließen.
Messverfahren und Uhrzeit (zirkadiane Rhythmik, Krankheitsrhythmik) sollten immer mit dokumentiert werden. 4 Rektal (zuverlässigste Messung der Körperkerntemperatur) 4 Sublingual, oral (Werte etwa 1°C unter den Rektalwerten) 4 Axillär (Werte liegen etwa 1°C unter den Rektalwerten) 4 Äußerer Gehörgang (ungenau) > 4 Normwerte: rektal 36,5–37,5°C (Tagesrhythmik, abends höher, abhängig vom Menstruationszyklus) 4 Subfebrile Temperatur: rektal 37,5–38°C 4 Fieber: rektal >38°C 4 Schüttelfrost: schneller, hoher Fieberanstieg mit ununterdrückbarem Muskelzittern (»Wackelndes Bett«)
Fieber wird stets von einer Tachykardie als Ausdruck des gesteigerten Stoffwechsels und der erhöhten HerzKreislauf-Belastung begleitet. Jedes Grad Temperaturerhöhung erhöht den Puls um etwa 10 Schläge. Fieberverlauf als diagnostisches Kriterium Dem Studium der Fieberverläufe wurde in Vergangenheit größte Bedeutung beigemessen. Heute sind sie von Wichtigkeit insbesondere bei Verdacht auf Sepsis, tropischen Erkrankungen (z. B. Malaria) (7 Kap. Hygiene, Mikrobiologie, Virologie). Unterschieden werden folgende Verläufe: 4 Febris continua (kontinuierliches Fieber) 4 Febris remittens/intermittens/recurrens (regel-/unregelmäßig wiederkehrende Fieberschübe verschiedener Ausprägung) 4 Febris tertiana (Fieber an jedem 3. Tag) 4 Febris quartana (Fieber an jedem 4. Tag) 4 Febris undulans (wiederkehrende mehrtägige Fieberschübe im Verlauf von Wochen)
1.5
Kopf, Hals
Die nachfolgende organbezogene Einführung in Anamnese und Untersuchung ist insofern inkomplett, als die Untersuchungstechniken zwar genannt werden,
19 1.6 · Thorax, Atemwege, Lunge
aber häufig keine detaillierte praktische Durchführungsanleitung beinhalten. Im Rahmen dieses Repetitoriums kann dies jedoch nicht eingehend erfolgen. Es sei auf die klinischen Fachgebiete im Gesamtwerk und auf weitergehende Literatur, Atlanten und die Untersuchungskurse verwiesen. Die Auflistung erfolgt daher mehr im Sinne einer Gedächtnisstütze. Anamnese Anamnestisch ist nach folgenden Punkten zu fragen: 4 Kopf-, Gesichtsschmerzen 4 HWS-Schmerzen 4 Herzklopfen, Unruhe, Schwitzen 4 Eingeschränkte Beweglichkeit der HWS 4 Halsschmerz, Schluckbeschwerden, Atembeschwerden, Globusgefühl Befunderhebung > Eine normale Schilddrüse ist nicht sichtbar und nicht palpabel (. Tab. 1.3).
1.6
Thorax, Atemwege, Lunge
Anamnese Zur Anamnese bei Erkrankungen von Thorax, Atemwegen und Lungen gehören folgende Punkte: 4 Dyspnoe (subjektive Atemnot), in Ruhe, bei Belastung, im Liegen (Orthopnoe), Schweregrad 4 Stridor 4 Auswurf, Sputum (Menge, Art – klar, Farbe: gelb, grün, blutig, Konsistenz) 4 Hämoptyse (blutiges Sputum), Hämoptoe (Bluthusten), 4 Husten, trocken (»Reizhusten«), »produktiv« 4 Brustschmerz (atemabhängig, dauernd, Lokalisation, Charakter, belastungsabhängig) 4 Schluckauf (Singultus) 4 Asthma bekannt? Allergien 4 Inhalative Noxen (Nikotinabusus – auch in Vergangenheit, Beruf – auch frühere Berufe) 4 Auslandsreise, Tierkontakt
. Tab. 1.3. Befunderhebung an Kopf und Hals Untersuchung/Organsystem
1
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Inspektion der Morphologie, Haut, Behaarung, Lippen
Form, Symmetrie, Hautveränderungen, Schwellungen, Farbe
Herabhängende Mundwinkel bei Fazialisparese »Mitralbäckchen« bei Erkrankung der Herzklappe zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer Akromegalie bei Wachstumshormonüberproduktion
Palpation, Perkussion des Kopfes
Druck-, Klopfschmerz, Lymphknoten, Speicheldrüsen, Trigeminusaustrittspunkte (supraorbital, infraorbital, mental)
Frontaler, maxillärer Klopfschmerz bei Sinusitis
Inspektion
Kontur, Morphologie, Hautveränderungen, venöse Stauung, Struma
Schiefhals bei HWS-Syndrom
Palpation Schilddrüse (z. B. bimanuelle Palpation von dorsal)
Knoten, Schwellungen, auch der Lymphknoten, generell, einseitig, Kehlkopf (Patient schlucken lassen), Druckschmerz, Hals- und Trapezmuskulatur (Myogelosen)
Euthyreote Struma
Morphologie
Stiernacken
Morbus Cushing
Beweglichkeit
Einschränkungen, Schmerzen, Nackenschmerz, Meningismuszeichen
HWS-Syndrom, Meningitis
Kopfregion
Hals
20
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
> Über Wochen bestehender Husten bedarf sorgfältiger diagnostischer Abklärung, da dies auf ein Malignom hinweisen kann.
Befunderhebung Die Erhebung der Befunde an Thorax, Lunge und Atemwegen fasst . Tab. 1.4 zusammen. ! Cave Lungenerkrankungen zeigen sich auch an anderen Körperregionen: Uhrglasnägel, Zyanose etc.
1.7
Herz, Gefäße, Kreislauf
Anamnese Zur Anamnese bei Erkrankungen von Herz, Gefäßen und Kreislauf gehören folgende Punkte: 4 Dyspnoe (bei Belastung, in Ruhe, im Liegen (Orthopnoe) 4 Husten (»Herzasthma«), Sputum (Herzfehlerzellen) 4 Brustschmerz, retrosternal, Enge-, Druckgefühl, Angina-pectoris-Beschwerden bei Belastung oder Kälte 4 Ausstrahlende Schmerzen in Rücken, Oberbauch, Extremität, Hals, Schulter
. Tab. 1.4. Befunderhebung an Thorax, Atemwegen, Lunge Untersuchung/ Organsystem
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Inspektion des Thorax
4 Form (Fassthorax, Kielthorax, Hühnerbrust, Trichterbrust, Emphysematikerthorax) 4 Thorakale Einziehungen 4 Mammae (Gynäkomastie) 4 Hautveränderungen 4 Ernährungszustand (Rippen) 4 BWS-Anatomie 4 Atembeweglichkeit 4 Stabilität 4 Zyanose, Atemhilfsmuskulatur, Orthopnoe (=Atemnot, die der Patient nur im Sitzen unter Einsatz der Atemhilfsmuskulatur ertragen kann)
4 Fassthorax bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung
Atmung
4 Spontanatmung, Rhythmus, Frequenz, Tachypnoe, Bradypnoe 4 Atemtyp (Biot, Kussmaul, Cheynes-Stokes) 4 Verhältnis Inspiration:Exspiration 4 Einseitig schleppende Atmung
4 Kussmaul-Atmung bei diabetischem Koma (Azidoseatmung)
Palpation des Thorax
4 4 4 4
4 Kompressionsschmerz bei Rippenfraktur
Stimmfremitus
4 Patient wird aufgefordert, »99« zu sagen: Fühlen der Vibration mit beiden Handflächen auf dem Rücken
4 Abgeschwächter Fremitus bei Pneumothorax, verstärkt bei Pneumonie
Perkussion
4 Seitengleiche vergleichende Perkussion von kranial nach kaudal, Bestimmen der Lungengrenzen (Norm sonor). Untersuchung der Atemverschieblichkeit (Norm: 5 cm)
4 Einseitiger tympanitischer Perkussionsschall bei Pneumothorax 4 Dämpfung bei Pneumonie
Auskultation
4 Vergleichende Auskultation aller Lungenfelder beidseits von dorsal und ventral. Patient atmet mit offenem Mund ein und aus. Norm: vesikuläres Atemgeräusch 4 Bronchophonie: Patient spricht, Arzt auskultiert über Lungenfeldern. Deutlich hörbare Sprache ist pathologisch (positive Bronchophonie)
4 Rasselgeräusche, Bronchialatmen bei Pneumonie, Lungenödem 4 Fehlendes Atemgeräusch bei Pneumothorax 4 Giemen, Brummen, Pfeifen bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) 4 Exspiratorischer Stridor bei Asthma 4 Pleurareiben (»Lederknarren«) bei Pleuritis 4 Positive Bronchophonie bei Pneumonie
Lymphknoten (axillär, supraklavikulär) Stabilität Druck-, Kompressionsschmerz Mammae (auch beim Mann)
21 1.8 · Abdomen
4 Bewusstseinstörungen (Synkopen, wann?) 4 Herzklopfen (Palpitationen), Herzrasen, Herzjagen, Rhythmusstörungen bekannt? 4 Schwindel 4 Nächtliches Wasserlassen (Nykturie) 4 Arteriosklerose-Risikofaktoren (Hypertension, Hyperlipidämie, Übergewicht, Nikotin, familiäre Vorgeschichte, Diabetes mellitus) 4 Vorerkrankungen (Infarkt, Embolie, Thrombose, Gefäßoperationen) 4 Familiäre Anamnese (Kardiovaskuläre Erkrankungen) 4 Ödeme in Extremitäten, einseitige Schwellungen 4 »Schaufensterkrankheit« (Claudicatio intermittens) – eingeschränkte Gehstrecke (<1000 m) 4 Belastbarkeit körperlich (NYHA I–IV) 4 Kälteintoleranz, Wärmegefühl, Parästhesien 4 Meteorismus, Potenzstörungen Befunderhebung ! Cave 4 Zentrale Zyanose: blaue Zunge 4 Periphere Zyanose: blaue Finger, Lippen
Herzauskultation Eine Auskultation im gehaltenen Exspirationszustand erleichtert die Beurteilung (. Abb. 1.1). Herzgeräusche werden nach ihrer Lautheit in 6 Stufen klassifiziert. 1/6 bedeutet ein sehr leises Geräusch, 6/6 Geräusch ist ohne Stethoskop zu hören. Nach zeitlichem Auftreten unterscheidet man folgende Geräusche: 4 Systolische (Systolikum) 4 Diastolische (Diastolikum) 4 Frühdiastolische Innerhalb der Phase ihres Auftretens können die Geräusche crescendo, decrescendo, spindelförmigen oder konstanten Charakter haben. Die Qualität wird oft mit Begriffen wie »gießend«, »rumpelnd«, »rau« u. v. m. bezeichnet. Auskultierte Herzgeräusche werden an den Ort des lautesten Auftretens verfolgt und dokumentiert (Punctum maximum). Ebenso wird nach Fortleitungen (z. B. Mitralklappenprozesse in Axilla, Aortenklappenprozesse in die Karotiden) und Lageabhängigkeiten (Linksseitenlage, Sitzend) gefahndet. > Physiologische »Herztöne« sind: 4 1. Herzton: Schluss der Mitral-/Trikuspidalklappe: Beginn der Austreibungsphase (Systole) 4 2. Herzton: Schluss der Aorten-/Pulmonalklappe (evtl. bei Inspiration gespaltener Herzton hörbar): Ende der Austreibungsphase (Systole)
1
Inspektion, Palpation etc. Weitere Schritte zur Befunderhebung an Herz, Gefäßen und Kreislauf stellt . Tab. 1.5 dar. ! Cave Keine beidseitige Palpation des Karotispulses. Neben der möglichen Minderversorgung des Gehirns besteht zudem die Gefahr, eine Bradykardie auszulösen (Drucksensoren Glomus caroticum).
1.8
Abdomen
Das Abdomen muss als »funktionelle Einheit« gesehen werden. Organläsionen verschiedenster Art münden letztlich häufig in eine generelle »Abdominalsymptomatik«. Extraabdominale Erkrankungen können sich ebenso in den Bauchraum projizieren: Leberstauung bei Herzinsuffizienz, Oberbauchschmerz bei Herzinfarkt etc. Bei Frauen muss differenzialdiagnostisch immer an gynäkologische Erkrankungen gedacht werden. Häufig sind auch urologische Erkrankungen ursächlich. Anamnese Zur Anamnese bei Symptomen im Bereich von Abdomen gehören folgende Punkte: 4 Übelkeit, Erbrechen (was wurde erbrochen? Blut, Mageninhalt, Kot (Miserere); wann wurde erbrochen?) 4 Bauchschmerzanamnese (retrosternal, Epigastrium, Hypogastrium, Suprapubikum, Oberbauch, periumbilikal, Unterbauch, Mittelbauch, Flanke, Leiste); vielerorts wird das Abdomen vereinfachend in 4 Quadranten eingeteilt, seltener in 9 Segmente 4 Postprandialer Schmerz 4 Tenesmen (krampfhafter, schmerzhafter Stuhldrang), Koliken, Pseudokoliken 4 Dyspepsie (Verdauungsbeschwerden) 4 Stuhlgang (Veränderungen, Frequenz, Konsistenz (hart, fettig [Steatorrhö], wässrig), Farbe (grau, schwarz, hell), Auflagerungen (Schleim, Blut) 4 Habituelle Obstipation, Diarrhö 4 Ernährungsanamnese 4 Appetit 4 Perianaler Pruritus, Nässen 4 Flatulenz (Windabgang), Meteorismus (stark geblähtes Abdomen) 4 Dysphagie, Aufstoßen, Reflux, »Sodbrennen«, Regurgitationen 4 Gewicht, Gewichtsverlust 4 Voroperationen im Bauchbereich 4 Schwellungen, z. B. Leiste
22
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
. Tab. 1.5. Befunderhebung an Herz, Gefäßen, Kreislauf Untersuchung/ Organsystem
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Inspektion der Haut
4 Zyanose, Blässe, glänzende, dünne Haut, »Mitralbäckchen«, Nagelveränderungen (z. B. Uhrglasnägel), Mikroembolien (Osler-Knoten) an Akren, Nekrosen, Gangrän, chronische Wunden, Ulzera 4 Jugularvenen (Puls, Füllung)
4 Ulzera/Gangrän bei arterieller/venöser Verschlusskrankheit 4 Halsvenenstauung bei Rechtsherzinsuffizienz
Inspektion der unteren Extremität, (Sakralregion bei liegenden Patienten)
4 Varizen, Ödeme (untere Extremität, sakral im Liegen)
4 Sakrales Ödem bei bettlägerigem Patient mit Herzinsuffizienz
Extremitäten
4 Umfangsdifferenzen, Ödeme
4 Umfangszunahme bei tiefer Beinvenenthrombose
Inspektion der Herzregion
4 »Voussure« (Herzbuckel), sichtbarer Herzspitzenstoß
4 z. B. »Herzbuckel« bei angeborenen Herzvitien
Palpation der Pulse
4 A. radialis, A. carotis, Aorta abdominalis (bei schlanken Menschen), A. femoralis, A. poplitea, A. dorsalis pedis, A. tibialis posterior 4 Frequenz (Norm: Ruhe 60–70 bpm; Tachykardie, Bradykardie) 4 Rhythmus, Arrhythmie (z. B. Extrasystolen), totale Arrythmie bei Vorhofflimmern 4 Spannung (durus, mollis) 4 Füllung (flach, filiformis, alternans, verstärkt) 4 »Höhe« (altus, parvus) 4 Pulslosigkeit 4 Homogenität (z. B. Pulsus paradoxus) 4 Druckanstieg/Abfall (Pulsus celer, tardus)
4 Einseitig fehlende Puls der A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior bei pAVK 4 Pulsierende Bauchaorta bei Aneurysma abdominalis
Pulsdefizit (Differenz Herztöne–Pulswelle)
4 Gleichzeitige Auskultation und Pulspalpation
4 Pulsdefizit z. B. bei Vorhofflimmern (absoluter Arrhythmie)
Palpation der Herzregion
4 Herzspitzenstoß (Norm 5. ICR medioklavikulär)
4 »Hebend« bei Linksherzhypertrophie, Fieber
Palpation der Extremitäten
4 Temperaturunterschiede, Ödeme (teigig, wegdrückbar), ggf. Umfangsmessung 4 Tests bei Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose: 4 Meyer-Test (Wadenkompressionsschmerz) 4 Payr-Test (Fußsohlenkompressionsschmez) 4 Homans-Zeichen (Wadenschmerz bei Dorsalflexion des Fußes)
4 Einseitig kalter Unterschenkel bei pAVK
4 Grobe Methode zur Größenbestimmung (relative, absolute Herzdämpfung)
4 Abweichungen in Größe bei hypertensiver Myokarddilatation
Inspektion
Palpation
Perkussion Perkussion der Herzgegend 6
23 1.8 · Abdomen
1
. Tab. 1.5 (Fortsetzung) Untersuchung/ Organsystem
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Auskultation des Herzens
4 4 4 4 4 4 4
4 Lautes Systolikum rechts parasternal 2. ICR, in die Karotiden fortgeleitet bei Aortenstenose 4 3. Herzton bei Herzinsuffizienz, Infarkt etc. (»Galopprhythmus«)
Auskultation der Gefäße
4 A. carotis, Aorta. Reibegeräusche
4 Stenosegeräusche bei Arteriosklerose, fortgeleitete Herzgeräusche bei Klappenerkrankungen
Schellong-Test
4 »Kreislauftest«. Puls- und Blutdruck wird während Liegen über 10 min gemessen, danach während 10-minütigem Stehen. Die Werte dürfen sich nicht gravierend unterscheiden im Sinne eines Blutdruckabfalls und einer Tachykardie im Stehen
4 Pathologischer SchellongTest bei orthostatischer Dysregulation
Ratschow-Lagerung
4 Rückenlage, Beine senkrecht nach oben. Patient kreist 2–3 min mit Füßen, dann sitzende Position. Während Fußkreisen kein Schmerz und Ermüdung, bei Herabhängen schnelle Rötung (reaktive Hyperämie) und Venenfüllung binnen 15 s 4 Weitere Tests: Allen, Faustschlussprobe, Perthes, Trendelenburg, Ochsner-Mahorner, Lowenberg)
4 Einseitiger Ischämieschmerz bei Bewegung, verzögerte Rötung und stark verzögerte Venenfüllung bei pAVK
Gehstrecke
4 Strecke in Metern bis zum starken Schmerzeintritt, der zum Stehenbleiben zwingt 4 Einteilung nach LaFontaine Grad I bis IV (I. unauffällige Gehstrecke, IIa >200 m, IIb <200 m, III Schmerz in Ruhe, IV Gangrän/Nekrose)
4 Stark limitierte Gehstrecke bei pAVK
Auskultation Auskultationspunkte: Erb (3./4. ICR links parasternal) Herzspitze Aortenklappe (2. ICR rechts parasternal) Pulmonalklappen (2. ICR links parasternal) Trikuspidalklappe 4./5. ICR rechts parasternal Mitralklappe 5. ICR medioklavikulär links)
Gefäßfunktionstests
4 Nahrungsunverträglichkeiten (Fett, Milch) 4 Diabetes mellitus bekannt? Durst? 4 Familiäre Darmerkrankungen (z. B. Kolonkarzinom, Polyposis coli) 4 Miktion, Harnveränderungen (z. B. bierbrauner Urin) 4 Gebrauch von Laxanzien, ASS, anderer chronischer Medikamentengebrauch (Leber) 4 Juckreiz, Müdigkeit, Gelbsucht (auch in Vergangenheit) 4 Alkoholabusus 4 Blutabgang aus Darm: hellrot, dunkelrot (Hämatochezie), schwarz (Teerstuhl – Meläna)
4 Hämatemesis (»Kaffeesatz«?, hellrot?) 4 Reise-, Auslandsanamnese (Diarrhö, Hepatitis etc.) > Unter Teerstuhl (Meläna) versteht man einen schwarzen, pechartigen Stuhl. Die Blutungsursache liegt auf Höhe des Ösophagus (oder höher), Magen, Duodenum, Jejunum. Durch Kontakt mit Salzsäure des Magens färbt sich das Blut schwarz.
Befunderhebung Bei der Abdomenpalpation ist stets am nicht schmerzhaften Punkt zu beginnen (. Tab. 1.6).
24
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
. Tab. 1.6. Untersuchung des Abdomens Region/ Untersuchung
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Inspektion des Abdomens
4 Form, Haut (Narben, Ikterus, »Bauchglatze«, Hirsutismus, Striae sichtbare Tumoren, Ikterus, Hernien, Aszites, Kollateralkreisläufe
4 Im Stehen sichtbare Nabelhernie
Palpation des Abdomens
4 Systematische oberflächliche und tiefe Palpation. Mit einer Hand oder bimanuell, Rückenlage, entspannte Bauchdecke 4 Bauchwandspannung, Druckdolenzen (auch »Loslassschmerz«, Konsistenz (weich, Resistenzen (Ort, Größe, Konsistenz, Oberfläche, Verschieblichkeit, Hernien, Organgrößen (meist nur bei pathologischen Veränderungen), Aortenpuls
4 Resistenz im rechten Unterbauch bei Tumor 4 Loslasschmerz und Abwehrspannung bis zu völliger Rigidität der Bauchwand bei Peritonitis
Perkussion des Abdomens
4 Luftgehalt, Aszites (Folgt der Schwerkraft, lageverschieblich), Flüssigkeitswellenpalpation kontralateral, Lebergröße
4 Tympanitischer Perkussionsschall bei Meteorismus, Gedämpft bei Aszites
Auskultation des Abdomens
4 Auskultieren der physiologischen Darmperistaltik (rhythmisch, 5–10 Sensationen/min, lebhaft) oder Pathologien (fehlend, spärlich, klingend, verstärkt) 4 Gefäßauskultation im Abdomen ist unzuverlässig!
4 »Totenstille« auch nach »Anstoßen« der Bauchdecke über mind. 3 min bei Ileus 4 Klingend bzw. hochgestellt bei beginnendem, mechanischen Ileus
Inspektion
4 Untersuchung im Stehen und im Liegen. Schwellungen, Rötungen, Suche nach Leisten-, Femoralhernien, Skrotalhernie 4 Patienten wird zur Bauchpresse aufgefordert (Hustenstoß)
4 Sichtbare, im Stehen prolabierende Inguinalhernie
Palpation
4 Leistenregion oberhalb und unterhalb des Leistenbandes, Skrotum, Hustenversuch, ggf. Repositionsversuch, Test auf Druckschmerz. Lymphknotenpalpation in Leistengegend (Vergrößerung, Druckdolenz)
4 Palpaple Leistenhernie, reponabel, Druckschmerzhaft
Allgemein
Leiste
Speiseröhre, Magen, Dünn- und Dickdarm Palpation
4 Zervikale, supraklavikuläre, inguinale Lymphknoten (»Virchow-Drüse«), abdominale Resistenzen, Verschieblichkeit, Druckschmerz
4 Derbe Resistenz im linken Unterbauch, schlecht verschieblich bei Kolonkarzinom
Rektale Untersuchung
4 Inspektion der Perianalregion (Fissuren, Hautveränderungen, Marisken, äußere Hämorrhoiden, Darmprolaps, Palpation der Ampulle, Prostata, (Tumor, Druckschmerz, Blut. Sphinktertonus, Douglas-Raum)
4 Schmerzhafte Palpation bei Peritonitis 4 Tastbarer Tumor 5 cm ab ano, Blut am Fingerling bei tiefem Rektumkarzinom
6
25 1.9 · Hals-Nasen-Ohren
1
. Tab. 1.6 (Fortsetzung) Region/ Untersuchung
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Inspektion
4 Sog. »Leberhautzeichen«: Palmarerythem, Lackzunge, Caput medusae (varizenartige Venen an Bauchwand durch Kollateralbildung), Spider-Naevi (Spinnwebartige Teleangieektasien am oberen Körperstamm), Ikterus, Purpura, »Geldscheinhaut«, Gynäkomastie, Ödeme, Aszites, Tremor, abdominale Glatze (Mann) 4 Foetor hepaticus (süßlicher Obstgeruch)
4 Leberzirrhotiker nach jahrzehntelangem Ethylabusus mit Gynäkomastie, Beinödemen, Spider-Naevi, fulminantem Aszites, Kollateralbildung an vorderer und lateraler Abdominalwand
Palpation
4 Lebergrößenbestimmung. Druckschmerz. Palpation bei Inspiration. Oberfläche, Konsistenz, Knoten, Tumoren. Normbefund: kein Druckschmerz, tastbarer Leberrand unter Rippenbogen bei Inspiration, glatte Oberfläche, weiche Konsistenz 4 Palpation der Gallenblase nur bei pathologischer Vergrößerung möglich (Entzündung, Tumor). Druckschmerz bei Cholezystitis 4 Courvoisier-Zeichen: prall-elastische, palpable schmerzlose Gallenblase 4 Murphy-Zeichen: Druckschmerz in Gallenblasenregion bei tiefer Inspiration, z. B. bei Mirizzi-Syndrom (Verschluss des D. cysticus und D. hepatocholedochus durch Steinkompression)
4 Vergrößerte Leber, höckerige Oberfläche, Druckschmerz bei Palpation bei sekundären Lebertumoren 4 Courvoisier-Zeichen bei Gallengangskarzinom
Perkussion und Auskultation zur Lebergrößenbestimmung
4 Perkussion der Lebergrenzen in Medioklavikularniveau (Angabe in cm, Querfinger). Kratzauskultation. Norm: 6. ICR bis Rippenbogen. Leber ca. 10 cm
4 Deutliche Lebervergrößerung 15 cm unter dem Rippenbogen
4 Bimanuelle Palpation möglichst in Linksseitenlage. Größe, Konsistenz, Druckschmerz. Norm: nicht tastbar, kein Druckschmerz
4 Bis zum Umbilikus bzw. unterhalb des Rippenbogens reichende, vergrößerte, druckschmerzhafte, derbe Milz bei Leukämie, portaler Hypertension
Leber und Gallenblase
Milz Palpation
! Cave Peritonitiszeichen (Loslasschmerz, Abwehrspannung) und akutes Abdomen (stärkste Bauchschmerzen, die »zum Arzt führen«): akuter Handlungsbedarf.
Ikterus stellt das Leitsymptom von Leber- und Gallenwegserkrankungen dar. Die Gelbfärbung ist zunächst an den Skleren (ab 2 mg/dl Bilirubin) sichtbar, später am gesamten Integument (ab 3 mg/dl Bilirubin). Die so genannte Charcot-Trias: Fieber, Ikterus, Oberbauchschmerz ist wegweisend für die biliäre Entzündung. > Bis zu 1/3 aller Kolontumoren sind einer digitalen rektalen Untersuchung zugänglich.
1.9
Hals-Nasen-Ohren
Zur Basisausrüstung gehören zur Beurteilung von Hals, Nase und Ohren zusätzlich ein Stirnspiegel mit Lichtquelle, Einmalohrtrichter, Frenzel-Brille zur Untersuchung des Vestibularapparates. Nasenspekulum, Mundspatel, Spiegel (indirekte Laryngoskopie, posteriore Rhinoskopie) Anamnese Die Anamnese bei Beschwerden von Hals, Nase und Ohren sollte folgende Punkte klären: 4 Ohrenschmerz, Ausfluss (serös, putride, blutig, fötide) 4 Verminderung des Hörempfindens, bekannte Fälle familiärer Taubheit
26
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
4 Trauma (Knall, Schlag) 4 Ohrgeräusche (Brummen, Summen, Sausen, »Tinnitus«), Ohrdruck 4 Lärmbelastung am Arbeitsplatz 4 Schwindel (unspezifisch, spezifisch), Gleichgewichtsstörungen
4 Vorausgegangene Ohrerkrankungen (z. B. Mittelohrentzündung) 4 Nasale Atmungsbehinderung, Riechstörungen, Ausfluss aus Nase (serös, eitrig, blutig), Veränderung der Nasenschleimhaut 4 Schnarchen, Sprachstörungen (Näseln)
. Tab. 1.7. Klinische Untersuchung der Ohren und des Vestibularapparats Region/Untersuchung
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Äußeres Ohr, Mastoid, Umgebung Inspektion
4 Form der Ohrmuschel, Hautveränderungen, Schwellungen, Sekretionen
4 Gichttophi an Helix, z. B. Rötung hinter dem Ohr bei Mastoiditis
Palpation, Perkussion
4 Tragus, Perkussion des Mastoids, periaurikuläre Lymphknoten
4 Tragusdruckschmerz bei Otitis externa 4 Klopfdolenz bei Mastoiditis
4 Zug der Helix nach hinten-oben, um den Gehörgang anzupassen: 4 Stenosen, Rötung, Schwellung, Veränderungen 4 Perforationen, Einziehungen des Trommelfells 4 Umbo, Hammergriff, Lichtreflex, Transparenz, Struktur, ohne Rötung, Verfärbungen
4 Cerumen obturans im äußeren Gehörgang 4 Perforation des Trommelfells bei Cholesteatom
4 Zuhalten der Nase, Druck ausüben lassen. (normal: Patient spürt Druckerhöhung, otoskopisch sichtbare Vorwölbung des Trommelfells)
4 Pathologisch bei Infekten, Mittelohrentzündung
Einfache Hörtests
4 Rascheln, Flüstern vor dem Patienten, vergleichend an beiden Ohren (Hörweiteprüfung)
4 Pathologisch bei Leitungs- und/ oder Innenohrschwerhörigkeit
Audiometrie
4 Bestimmung der Tonschwellen (dB), Spezialuntersuchungen
4 Hochton-Hörverlust bei Presbyakusis
Spezielle Untersuchung zur Differenzialdiagnose Mittel-/Innenohrläsion mittels Stimmgabel
4 Weber (Norm: mittig), Rinne (Norm: Luftleitung > Knochenleitung)
4 Weber pathologisch (lateralisiert) bei einseitiger Innenohrschwerhörigkeit 4 Rinne pathologisch (negativ) bei Schallleitungsstörung
Inspektion der Augen
4 Nystagmus (Benennung nach schneller Komponente). Physiologisch (thermische Reize des Gehörganges), Spontan-, Provokations-(Lagerungs-, Fingerfolgenystagmus).
4 Spontannystagmus bei Vestibularschaden
Funktionstests von Gleichgewicht, Koordination
4 Romberg, Unterberger-Tretversuch, Laufen auf »Strich«
4 Gangabweichung bei Alkoholintoxikation
Gehörgang, Trommelfell Otoskopie
Tuben, Mittelohr Valsalva-Pressversuch
Innenohr
Vestibularapparat
27 1.9 · Hals-Nasen-Ohren
4 Gehäufte Epistaxis (Nasenbluten, u. U. Hinweis auf Gerinnungsstörungen und/oder arterielle Hypertonie) 4 Allergien, Asthma, chronische Rhinitis, Sinusitis 4 Schmerzen beim »Nachvornebeugen« des Kopfes (Druckanstieg Nasennebenhöhlen) 4 Heiserkeit, Halsschmerzen, Räusperzwang (Sekretion), Hypersalivation, Husten 4 Veränderungen in der Mundhöhle, Kieferklemme, Zungenbrennen
4 Schluckstörungen, Globusgefühl, Auswurf, Dyspnoe 4 Zahnprothetik, Fötor 4 Nikotinabusus 4 Berufliche Stimmanforderung (Sänger etc.) Befunderhebung Die Schritte der klinischen Untersuchung des HalsNasen-Ohren-Bereichs fassen . Tab. 1.7 und . Tab. 1.8 zusammen.
. Tab. 1.8. Klinische Untersuchung von Nase, Mundhöhle und Rachenbereich Region/Untersuchung
Charakteristik
Erkrankungsbeispiel
Inspektion
4 Äußere Nase und Umgebung: Schwellungen, Rötungen, Hautveränderungen
4 Schwellung, Rötung bei Nasenbeinfraktur
Palpation, Perkussion
4 Nasensattel, Perkussion über Nasennebenhöhlen (Stirn, Kiefer)
4 Klopfdolenz bei Sinusitis
Rhinoscopia anterior
4 Mittels Nasenspekulum: Mukosa, Choanen, Nasengänge, Septum
4 Septumdeviation
Inspektion
4 Perioralregion, Lippen, Mundhöhle (Vestibulum, Boden, Zunge, Zungenbelag, Gaumen, Gaumensegel, Tonsillen [Mukosa- und Morphologieveränderungen, Tonsillitis?], Speicheldrüsenausführungsgänge (Parotis, Sublingualis) 4 Zahnstatus 4 Gingiva
4 Angina tonsillaris
Inspektion der Mundhöhle
4 Leukoplakien, Rötung Rachenring, »Schleimstraße«
4 »Schleimstraße« bei Pharyngitis
Palpation
4 Mundhöhle, Oropharynx
4 Druckschmerzhaftigkeit bei Tonsillitis
Nase, Nasennebenhöhlen
Mundhöhle
Oro- und Nasopharynx Inspektion
4 Rachenhinterwand (Sekretstraße, Rötung etc.)
Rhinoscopia posterior
4 Spiegelung peroral von Vomer, Rachendach, Tonsilla pharyngea, Tubenostien, Choanen. Schwellungen, Mukosaveränderungen
4 Adenoide Wucherung (»Polypen«) im Rachendach
4 Spiegelung des Larynx peroral. Zungengrund, Hypopharynx, Sinus piriformes, Epiglottis, Glottis, Subglottisregion, Stimmlippen: Anatomie, Mukosa. Beobachtung bei Atmung, Schlucken, Lautbildung
4 Verdickte Stimmbänder, gerötete Mukosa bei Laryngitis
Hypopharynx, Kehlkopf (Larynx) Indirekte Laryngoskopie1
1
1
Indirekt, da der Untersuchende ein seiten- und höhenverkehrtes Spiegelbild sieht
1
28
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
1.10
Haut und Anhangsgebilde (Haare, Nägel, Talgund Schweißdrüsen)
Der Betrachtung bei Tageslicht bzw. mit Kunstlicht von Tageslicht-Temperatur kommt bei der Untersuchung des Integuments besondere Bedeutung zu (z. B. Differenzialdiagnose des Ikterus). Glasspatel (z. B. zur Differenzialdiagnose Rötung, Blutung) und Lupe bzw. Dermatoskop (Vergrößerung) gehören zur Basisausrüstung bei der dermatologischen Untersuchung. Gezielte Anamnesefragen Geht es um Erkrankungen der Haut, sind anamnestisch folgende Punkte abzuklären: 4 In der Vergangenheit aufgetreten Hautkrankheiten 4 Angeborene Veränderungen der Haut 4 Frage nach bekannten Allergien und Medikamentenunverträglichkeiten (z. B. Arzneimittelexanthem, Urtikaria, Atemnot) 4 Trockenheit 4 Juckreiz (Pruritus)
4 Wärmegefühl 4 Vermehrtes Schwitzen 4 Bei ansteckenden und v. a. Geschlechtskrankheiten (Venerologie) Umfeld (Partner, Familie) nach Erkrankungen fragen, ggf. eine Behandlung empfehlen 4 Haut als »Barriere zur Umwelt«: Befragung nach Noxen (UV-Licht, Gifte, Kosmetik etc.) 4 Schmerzen, Brennen in Dermatomen (HerpesZoster-Infektion) > In der Morphopathologie der Haut schlagen sich viele internistische Krankheitsbilder nieder! Hauterkrankungen sind keineswegs immer »harmlos«, sie können auf vitale Bedrohungen hinweisen.
Spezielle Untersuchung Die Deskription des dermatologischen Untersuchungsbefundes erfolgt nach der Terminologie der sog. »Effloreszenzenlehre« (. Abb. 1.1), die in Primäreffloreszenzen (originäre Hautveränderung) und sekundäre Effloreszenzen (entstehen meist in Folge der Primäref-
. Tab. 1.9. Klinische Untersuchung der Haut Untersuchung/Region
Präzisierung
Erkrankungsbeispiele
4 Ikterus (gelbliche Hautfarbe); gelb (Flavin), rötlich (Rubin), grünlich (Verdin)
4 Bilirubinerhöhung aufgrund prähepatischer (Hämolyse), hepatischer (Hepatitis) oder posthepatischer (Gallengangsverschluss) Ursache; Sklerenikterus bereits ab 2 mg/dl
4 Zyanose (bläuliche Verfärbung von Haut, Schleimhaut) Sichtbarwerden nicht mit O2 gesättigten Hämoglobins (>6 g/100 ml); zentral–peripher 4 Pulmonale, kardiale oder zirkulatorische Ursache
4 Zentral: Ursache in Oxygenierungsstörungen (Lunge, Herz) 4 Peripher: Ursache in peripherer Strömungsstörung (Schock, Akren, Extremitäten)
4 Blässe der Haut, auch auf Schleimhäute achten!
4 Anämie, Schock, Durchblutungsstörungen
4 Rote, braune Haut
4 Rötlich z. B. bei Hypertonie, Fieber, u. v. m. 4 Bräunlich z. B. bei Hämochromatose
4 Makula z. B. Erythem1 (lokale Rötung)
4 Entzündung
4 Lokales Erythem z. B. Handfläche, Leukoplakie
4 Lebererkrankung, im Gesicht bei Alkoholismus
4 Pigmentstörungen
4 Naevi, schwarzes Melanom
Inspektion Hautfarbe
6
29 1.10 · Haut und Anhangsgebilde (Haare, Nägel, Talg- und Schweißdrüsen)
. Abb. 1.2. Primäre und sekundäre Effloreszenzen
1
30
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
. Tab. 1.9 (Fortsetzung) Untersuchung/Region
Präzisierung
Erkrankungsbeispiele
Morphologie
4 Crusta, Squama, Erosion, Striae, Narben, Atrophien, Rhagaden (Risse)
4 Mundwinkelrhagaden bei Vitaminmangel
Blutungen (Purpura)
4 Flächig (Sugillationen, Suffusionen), petechial (punktförmig)
4 Flächig z. B. bei Hämophilie 4 Petechial z. B. bei Stauung, Thrombozytopenie
Nägel, Haare, Talgdrüsen
4 Trommelschlegelfingernägel, Uhrglasnägel bei chronischer O2-Minderversorgung, Nagelveränderung, Alopezie, Behaarungstypen
4 Herzfehler, Tüpfelnägel bei Psoriasis, Hirsutismus 4 Talgzysten
Erhabenheiten
4 Nodus, Urtika, Bulla, Papel, Pustel, Vesikula, Ulkus
4 7 Kap. Dermatologie
Temperatur, Feuchtegrad
4 Warm/kalt
4 Warme Haut z. B. bei Entzündungen, Hyperthyreose
Lage, Konsistenz, Verschieblichkeit
4 Intra-, subepidermal, subkorneal 4 Derb, weich 4 Verschieblich, nicht verschieblich
4 Tumor
Lymphknoten (Leiste, axillär, zervikal, retroaurikulär, submandibulär, infraklavikulär), Tumoren
4 Lokal, generalisiert, Vergrößerung, Nichtverschieblichkeit, Konsistenz, Druckschmerzhaftigkeit, Seitenvergleich
4 Infekte, Lymphom, gastrointestinale Tumoren, Metastasen 4 Melanom, Basaliom
Ödeme (Flüssigkeitsansammlung im Gewebe) Exsikkose, Turgor
4 Teigig, derb; »wegdrückbar« (Stauung) oder nicht wegdrückbar (Myxödem), generalisiert (z. B. beide Beine), lokal (Extremität, Gesicht, Lider, Insektenstichstelle) 4 Stehende Hautfalten
4 Generalisiert z. B. bei Herzinsuffizienz, Hypothyreose, Hypoproteinämie 4 Lokalisiert z. B. bei Venenthrombose 4 Exsikkose bei Wassermangel des Körpers
Provokationstests, Dermographismus, Spezialtests (7 Kap. Dermatologie)
4 Temperatureinwirkung, Exposition, Bestreichen mit Holzspatel (rote, weiße Strichbildung als Reaktion)
4 Weißer Dermographismus bei atopischem Ekzem 4 Roter Dermographismus bei vegetativer Dysregulation
Palpation
1
Erythrodermie: Rötung des gesamten Integuments
floreszenz) unterscheidet. Größenausdehnung, Begrenzung (scharf, unscharf), Gruppierung (disseminiert, gruppiert), Verteilung und Lokalisation werden dokumentiert (. Tab. 1.9).
4 Sekundäreffloreszenzen: Erosio (oberflächlicher Defekt, Schürfung), Ulkus (Geschwür, tiefer Defekt), Squama (Schuppung), Krusta (Auflagerung), Nekrosis (abgestorbene, schwarze Haut), Keratosis (Verhornung).
Einteilung der Effloreszenzen 4 Primärefflorenzenzen: Nodus (Knoten), Papel (kleiner Knoten), Bulla (Blase), Vesikula (kleine Blase), Pustel (eitrig gefüllte Erhabenheit), Urtika (Quaddel), Makula (Fleck). 6
Exanthem (z. B. Arzneimittelexanthem) bedeutet zunächst nur eine generalisierte Hautveränderung (verschiedenste Effloreszenzen), »Hautausschlag« (Enanthem bei Auftreten an Schleimhäuten). Ein Ekzem ist eine Hautreaktion, bezeichnet also Effloreszenzen im weitesten Sinne, z. B. auf Noxen.
31 1.11 · Augen
> Es sollte stets das gesamte Integument von Kopf bis Fuß untersucht werden, einschließlich hinter den Ohren, interdigital, perianal, intertriginal, Genitalregion, Schleimhäute (Mund, Auge, Nase, Axilla).
! Cave Liegt eine Anämie vor, ist eine Zyanose evtl. nicht sichtbar.
1.11
Augen
Das Auge wird nicht nur von den Ophthalmologen als »Fenster zum Körper« bezeichnet, da nicht nur Augenerkrankungen per se, sondern auch viele internistische, neurologische Erkrankungen anhand einer sorgfältiger Augenuntersuchung erkannt werden können.
Gezielte Anamnesefragen Bei Beschwerden der Augen sind folgende Punkte zu erfragen: 4 Ein-/beidseitige Beschwerden 4 Sehverschlechterung, Sehstörungen (Farben, Blitze); Blendung, Gesichtsfeldausfälle 4 Doppelbilder 4 Juckreiz, Brennen, Epiphora, Fremdkörpergefühl 4 Brille, Kontaktlinsen 4 Vorerkrankungen, Operationen 4 Augenschmerzen (Glaukomanfall) 4 Augentropfen, -salben 4 Internistische Erkrankungen (Diabetes, Hypertonie) Spezielle Untersuchung Die Schritte der Untersuchung der Augen fasst . Tab. 1.10 zusammen.
. Tab. 1.10. Untersuchung der Augen Untersuchung/Region
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
4 Lidhaut, Lidspalte, Lidschluss, Lidschlag
4 Lidentzündung (z. B. Phlegmone, Hordoleum), Lidödem, Xanthelasmen 4 Fehlstellungen (z. B. Ptosis, Horner-Syndrom), Asymmetrien, Lähmungen etc.
Lider, Orbitalregion Inspektion
Bulbus, Schieltests, Augenbewegung Inspektion der Lage der Bulbi in der Orbita
4 Blick über die Stirn, von oben oder unten, Hornhautreflex
4 Exophthalmus (z. B. Morbus Basedow), Enophthalmus
Strabismusuntersuchung
4 Abdecktest, Aufdecktest
4 Begleitschielen, latentes Schielen, manifestes Schielen
Motilitätstests
4 Fingerversuche, Beobachtung von kompensatorischen Kopfbewegungen
4 Hirnnervenläsionen
4 Rötung (Injektion), Sekretion (Eiter, Sekret)
4 Bakterielle/virale Konjunktivitis
4 Farbveränderungen, Injektion
4 Sklerenikterus bei Cholestase
4 Inspektion, Floureszein-Test, Sondierung (Facharzt!), SchirmerTests (Lackmuspapier)
4 Dakryozystitis
Konjunktiven Inspektion des unteren und oberen Bindehautsackes (Ektropionieren) Sklera Inspektion Tränenapparat Untersuchung von Tränendrüse, Tränenwegen
6
1
32
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
. Tab. 1.10 (Fortsetzung) Untersuchung/Region
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Hornhaut, Iris, vordere Augenkammer, Linse, Glaskörper 4 Hornhautoberfläche, -transparenz, Irispigmente, Trübungen der Linse etc., Augendruck (Norm 10–20 mmHg), Sensibilitätsuntersuchung mit Wattestäbchen
4 Grauer Star, Fremdkörper der Hornhaut, Glaukom etc.
Direkte Ophthalmoskopie
4 Blick mit Ophthalmoskop (16fach vergrößert) in das erweiterte Auge (Mydriatikum)
4 Stauungspapille, Gefäßveränderungen durch Diabetes, Hypertonie, Retinaablösungen, Pigmentstörungen etc.
Indirekte Ophthalmoskopie
4 Lupenglas + Ophthalmoskop
Untersuchung mit der Spaltlampe (Facharzt!), Palpatorische Augeninnendruckmessung, Tonometrie, Sensibilitätsuntersuchung Augenhintergrund (Fundus)
Gesichtsfeld 4 Einfache Fingertests, Perimeter (kinetisch, statisch)
4 Skotome durch Läsionen in Retina, Sehbahn, Hemianopsie
Refraktionsbestimmung
4 Mittels vorgehaltener Linsen und Lochblende werden Sehzeichen betrachtet
4 Kurz-, Weitsichtigkeit
Visusbestimmung(Sehschärfe)
4 Vorgehaltene Sehzeichen (unkorrigiert, korrigiert) Fernvisus, Nahvisus. Mittlere Sehschärfe = IstEnfernung geteilt durch Soll-Entfernung (Norm 1,0)
4 Kurz-, Weitsichtigkeit, Astigmatismus
4 Farbtafeln, Anomaloskop
4 Erbliche Rot-Grün-Blindheit
Untersuchung des Gesichtsfeldes mit Perimeter Refraktion, Visus
Farbensehen Farbtests
1.12
Bewegungsapparat
Gezielte Anamnesefragen Bei der Anamnese bezüglich Erkrankungen des Bewegungsapparats geht es um folgende Punkte: 4 Schmerzanamnese (Gelenk-, Knochen-, Muskel-, Anlauf-, Ruheschmerz) 4 Verletzungen 4 Einschränkungen der Beweglichkeit (einzelne/alle Gelenke, Morgensteifigkeit) 4 Schwellungen an Gelenken, Deformitäten 4 Sport-, Freizeitverhalten, Beruf 4 Familienanamnese (rheumatischer Formenkreis) 4 Angeborene Fehlbildungen (Hüftdysplasie) 4 Neurologische Ausfälle (sensibel, motorisch)
Spezielle Untersuchung Die Untersuchung des Bewegungsapparats stellt . Tab. 1.11 dar. Neutral-Null-Stellung Die Neutral-Null-Stellung geht aus von der aufrechten anatomisch korrekten Stellung des Menschen. Dabei lassen sich Funktionsprüfungen der Beweglichkeit durchführen (Winkelmesser), die in Werten nach dem Schema Wert x – 0 – Wert y angegeben werden. Dabei gibt die Null die Position der Neutral-Null-Stellung an. Kann diese gar nicht eingehalten werden (z. B. Kontrakturen) wird von der 0 abweichend ein Wert der Extension, Flexion in Ruhestellung angegeben. Die Werte X und Y geben die Endausschläge (z. B. Extension, Flexion) an.
33 1.13 · Neuropsychiatrische Anamneseerhebung
1
. Tab. 1.11. Klinische Untersuchung des Bewegungsapparates Untersuchung/Region
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
4 Hinken, Einbeinstand
4 Schwanken bei Polyneuropathie
Inspektion
4 Kontur, Hautveränderungen, Schwellungen, Muskulatur (Atrophie, Hypertrophie), Deformitäten, Symmetrie, Beckenstand, Stabilität, Kontrakturen, Erguss, Luxation, Amputationen, Frakturzeichen, Längenmessung der Extremitäten an definierten Punkten
4 Ulnardeviation der Fingergrundgelenke bei rheumatoider Arthritis
Palpation
4 Wärme, Frakturzeichen, Erguss, Druckschmerz (auch an Insertionen, Schwellungen, Gelenkspalt, (Konsistenz: derb, fluktuierend = Erguss). Muskulatur (Tonus, Myogelosen, Druckschmerz). Sehnen, Palpation des Skelettes unter Haut
4 Schwellung, Rötung, Wärme, stark Druckschmerz bei akuter Arthritis
Funktionsprüfung der Beweglichkeit, Kraft
4 Widerstand, Schmerzangabe 4 Bewegungsumfangmessung nach der Neutral-NullMethode 4 Überbeweglichkeit, Aktive, passive Bewegungseinschränkungen 4 Spezialuntersuchungen der Schulter, Meniski, Hüftgelenk etc.
4 »Painful arc« bei Impingement-Syndrom des Schultergelenkes
Stand, Gang Inspektion von Stand, Gangbild Gelenke, Extremitäten
Wirbelsäule, Iliosakralgelenke (ISG) Inspektion
4 Haut, Haltung, Beweglichkeit, Skoliose, Kyphose, Gibbus, Lordose. Inspektion im Stand, bei Vornüberbeugen (Skoliosezeichen, Asymmetrie).
4 BWS-Kyphose bei Morbus Bechterew
Palpation, Perkussion
4 Dornfortsätze, Klopfschmerz, Druckschmerz
4 Klopfschmerz über BWS, LWS bei stabiler Wirbelkörperstauchungsfraktur
Funktionsprüfung
4 Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode, Finger-Boden-Abstand, Schober-Test (LWS-Mobilität), Ott-Test (BWS-Mobilität), Mennell-Test (ISG-Mobilität)
4 Eingeschränkte Beweglichkeit bei Morbus Bechterew
1.13
Neuropsychiatrische Anamneseerhebung
Selbsterklärend stehen bei der Untersuchung des Psychiaters die Exploration und Befragung des Patienten im Vordergrund. Dennoch gilt es auch körperliche Ursachen psychiatrischer Erkrankungen zu bedenken und auszuschließen (Hypothyreose, Herzinsuffizienz etc.). Befragung und Untersuchung gehen auch beim Neurologen in jedem Falle ineinander über und können nicht mehr strikt getrennt werden.
1.13.1 Gezielte Anamnesefragen,
Schwerpunkt Neurologie Bei neurologischen Patienten stehen anamnestisch folgende Punkte im Vordergrund: 4 Bewusstsein: wach, benommen, verlangsamt, somnolent, soporös, komatös (Grad I–IV) 4 Vigilanz 4 Orientierung (Zeit, Raum/Ort, Personen, Situation) 4 Konzentrationsfähigkeit 4 Gedächtnis (Kurz-, Langzeitgedächtnis)
34
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
4 Sprache (Tempo, Inhalt, Melodie, Rhythmus, Artikulation, Struktur, Deutlichkeit), Sprachverständnis 4 Agnosie: Erkennungsstörungen (akustisch, visuell) 4 Psychomotorik: Stupor, Agitation, Apraxie Gestörte Handlungs- und Bewegungsabläufe 4 Parästhesien (Kribbeln, Brennen, Taubheit, »komisches Gefühl«) 4 Sensible Ausfälle 4 Schmerzen 4 Schwindel 4 Muskelschwäche, Lähmung 4 Sehstörungen, Doppelbilder, Gesichtsfeldausfälle 4 Übelkeit, Erbrechen 4 Neurologische Erkrankungen bekannt auch in der Familie (Epilepsie) 4 Risikofaktoren für neurologische Erkrankungen durch Hypertonus, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus 4 Drogenabusus > 4 Aphasie: zentrale Sprechstörung (Sprache,), sensorisch (Sprachverständnis) oder motorisch, anamnestisch (z. B. Wortfindungsstörungen), global (Verständnis und Produktion gestört) 4 Dysarthrie: periphere motorische Sprechstörung.
Koma Ist ein Patient auch durch starke Schmerzreize nicht mehr weckbar, befindet er sich definitionsgemäß in einem Koma. Hier gibt es verschiedene Grade der Ausprägung: 4 Grad I: noch Muskelbewegungen auf Reize 4 Grad II: noch erhaltene Atmung, enge Pupillen, Streckreaktionen auf Reize, erhaltene Hirnreflexe 4 Grad III: Streckkrämpfe, noch flache Atmung, weite Pupillen 4 Grad IV: reduzierte Hirnreflexe: Keine Spontanatmung, keine Hirnreflexe, schlaffer Muskeltonus
4 Stimmung: (heiter, traurig, Euphorie, Ängste) 4 Emotionen (Affektivität): keine, Freude, Hoffnung, Liebe, inkontinent, labil 4 Soziobiographie: Partner, Freunde, Familie, Kollegen 4 Antrieb: Interessen, Tatendrang, Durchsetzungs-, Durchhaltevermögen, enthemmt, impulsiv, verlangsamt, keiner 4 Denken (Ideenflucht, ausschweifend, zerfahren, verwirrt, gehemmt, gesperrt, perseverierend, Abstraktionsfähigkeit) 4 Distanz (angemessen, überangepasst etc.) 4 Familienanamnese »Geisteskrankheiten« 1.14
Untersuchung des somatischen Nervensystems
Die klinische Untersuchung des somatischen Nervensystems fasst . Tab. 1.12 zusammen. Bei der Pupillenuntersuchung geht darum, folgende evtl. Auffälligkeiten zu beurteilen: 4 Isokorie, Anisokorie 4 Direkte, indirekte (konsensuelle) Lichtreaktion 4 Naheinstellungsreaktion (Konvergenz, Miosis) 4 Weite: Mydriasis (Atropin), Miosis (Opiate) Sensibilitätsuntersuchungen (Berührung, Tastsinn) erfolgen mit Wattestäbchen, Schmerzsensibilitätsuntersuchungen mit Einmalpins. > 4 Parkinson-Syndrom: Rigor, Ruhetremor, Akinese 4 Bei zentraler Fazialisparese ist die Fähigkeit zum Stirnrunzeln auch auf der erkrankten Seite erhalten, bei rein peripherer Parese nur auf der gesunden Seite.
1.15
Weibliche Geschlechtsorgane, Mammae, geburtshilfliche Untersuchung
1.13.2 Gezielte Anamnesefragen,
Schwerpunkt Psychiatrie Bei psychiatrischen Patienten stehen anamnestisch folgende Punkte im Vordergrund: 4 Wahrnehmung, Empfinden (anästhetisch, hyperästhetisch) 4 Verhalten (kooperativ, distanzlos, autistisch, überangepasst, situationsangepasst) 4 Intellekt (debil, hochbegabt) 4 Triebe: Hunger, Durst, Sexualität, kontrolliert? unkontrolliert? 4 Persönlichkeit: Selbstwertgefühl, Egoismus
1.15.1 Besonderheiten im Umgang mit der Frau Mehr als in anderen medizinischen Bereichen bedarf es bei Befragung und Untersuchung der Frau Empathie, Takt, Professionalität und Kompetenz, um das der Situation angemessene nötige Vertrauensverhältnis herzustellen. Aus juristischen Gründen führen viele Ärzte die gynäkologische Untersuchung grundsätzlich nur im Beisein eines Dritten durch. Am dem 12. Lebensjahr ist bei Mädchen mit der Menarche zu rechnen, ab diesem Zeitpunkt sind auch sie grundsätzlich gynäkologisch zu befragen und ggf. zu untersuchen.
35 1.15 · Weibliche Geschlechtsorgane, Mammae, geburtshilfliche Untersuchung
. Tab. 1.12. Klinische Untersuchung des somatischen Nervensystems Untersuchung/Region
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
N. olfactorius (I)
4 Riechprüfung mit Riechstoffen (Zimt, Pfefferminz) 4 Differenzialdiagnose Trigeminusreizstoffe (z. B. Ammoniak) bei Verdacht auf Simulation
4 Anosmie nach Schädel-Hirn-Trauma
N. opticus (II)
4 Sehtests (Gesichtsfeld, Visus, Pupillenfunktion). Einseitige Anopsie bei peripherer Läsion. Hemianopsien bei Läsionen in Region des Chiasmas und zentral
4 Bitemporale Hemianopsie bei Läsion des Chiasma opticum
N. oculomotorius (III)
4 Augenmotilitätstests (Inspektion, Fingerfolgebewegungen) 4 Pupillenfunktion 4 Lidmotilität
4 Einseitige Adduktion (Drehung zur Nasenspitze) des Bulbus nicht möglich bei einseitiger peripherer Läsion des Okulomotorius (z. B. Druck von Aneurysma)
N. trochlearis (IV)
4 Augenmotilitätstest
4 Doppelbilder, da Innendrehung nicht möglich bei Läsion des N. trochlearis (z. B. nach Schädel-HirnTrauma)
N. trigeminus (V)
4 Sensibilität des Gesichtes (auch Konjunktiven, der Kornea) 4 Nasen- und Mundschleimhäute (»Frau mit Kopftuch«) 4 Kornealreflex 4 Kaumuskulatur (inkl. Masseterreflex) 4 Trigeminusdruckpunkte (supraorbital, infraorbital, mental) 4 Neurotrophische Hautstörungen
4 Sensibilitätsausfälle nach Schädelbasisfraktur
N. abducens (VI)
4 Augenmotilitätstest
4 Abduktion (Blickrichtung Schläfe) nicht möglich bei Läsion des N. abducens (z. B. durch Tumorkompression, -arosion)
N. facialis (VII)
4 Inspektion und Funktionsprüfung der mimischen Muskulatur (Lidschluss, Stirnrunzeln, Backen aufblasen, Pfeifen, Augenkneifen, Zähne zeigen) 4 Geschmacksprüfung vordere 2/3 der Zunge mit entsprechenden Lösungen lingual (süß, sauer, salzig, bitter (z. B. Zucker, Salz) 4 Hörtests 4 Tränensekretion
4 4 4 4
N. vestibulochochlearis/statoacusticus (VIII)
4 Untersuchung von Gehör (Hörtest) und Gleichgewicht
4 7 Kap. HNO
N. glossopharyngeus (IX)
4 Rachensensibilität, Geschmackssensibilität (hinteres 1/3 der Zunge), Pharynxmuskulatur
4 Ausbleiben des Würgereflexes bei Berührung der Rachenhinterwand 4 Asymmetrie des Gaumensegels 4 Kulissenphänomen 4 Dysphagie bei einseitiger Läsion
1
Hirnnervenuntersuchung
6
Herabhängende Mundwinkel Gestörte Geschmacksempfindung Hyperakusis »Trockenes Auge« bei peripherer Fazialisparese nach viraler Infektion
1
36
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
. Tab. 1.12 (Fortsetzung) Untersuchung/Region
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
N. vagus (X)
4 Untersuchung der Rachen- und Kehlkopfmuskulatur: Symmetrie (z. B. Gaumensegel) 4 Motorik (auch beim Schlucken und Sprechen) 4 Heiserkeit
4 Heiserkeit nach totaler Thyroidektomie oder seltener nach bilateraler Schilddrüsenresektion
N. accessorius (XI)
4 Kopfwenden (M. sternocleidomastoideus), Schulterhochziehen (M. trapezius)
4 Einseitige Schwäche des M. trapezius (Schulterheben kaum möglich) nach Neck dissection oder/und iatrogener Nervenverletzung, z. B. nach Lymphknotenexstirpation
N. hypoglossus (XII)
4 Inspektion der Zunge: Atrophien, Untersuchung der Zungenbeweglichkeit, Abweichung stets zur gelähmten Seite 4 Sprache (Kehlkopfmuskulatur)
4 Abweichen der Zunge nach links, nach linksseitiger Nervenläsion z. B. nach Schädel-Hirn-Trauma
Untersuchung des vestibulu-okulären Reflexes, Sakkaden 4 Passive Bewegung des Patientenkopfes bei Augenfixation (Normalbefund: Augenbewegungen entgegengesetzt der Kopfbewegungen) 4 Sakkaden: physiologische Augenfolgebewegungen (horizontal, vertikal)
4 7 Kap. Neurologie
Untersuchung auf Meningismus, erhöhten Hirndruck Inspektion
4 Schmerzbedingte Fehlhaltungen, Krümmungen
4 7 Kap. Neurologie
Funktionsprüfung
4 Untersuchung der Kopfbeweglichkeit (v. a. Beugung zum Kinn, Drehen) 4 Nervendehnungszeichen: Nackensteife (Geradehaltung des Kopfes durch Kontraktur der Nackenmuskulatur) 4 Lasègue-Zeichen (Anheben des gestreckten Beines im Ligen verursacht Schmerz im Glutealregion und dorsalem Oberschenkel 4 Kernig-Zeichen (schmerzbedingte Flexion des Kniegelenkes bei Anheben des gestreckten Beins im Liegen 4 Brudzinski (bei Beugung im Nacken reflektorische Hüftbeugung, Kniebeugung)
4 Positive Nervendehnungszeichen bei Meningismus 4 Lasègue-Zeichen bei Bandscheibenprotrusion
Hirndruckzeichen
4 Ophthalmoskopie
4 Beidseitige Stauungspapille bei intrakranieller Drucksteigerung
Untersuchung der Muskulatur, Motorik, Psychomotorik Inspektion, Palpation
6
4 Muskulatur (Atrophien, Faszikulationen) 4 Neurotrophische Störungen der Haut 4 Muskeltonus (schlaff, hypoton, atonisch, spastisch, hyperton, rigide) 4 Atmung
4 Schlaffer Tonus bei peripherer Lähmung (Parese: Schwächung, Paralyse/Plegie: Lähmung) 4 Spastischer Tonus bei zentraler Lähmung. Akinesie (Bewegungsarmut) bei Morbus Parkinson
37 1.15 · Weibliche Geschlechtsorgane, Mammae, geburtshilfliche Untersuchung
. Tab. 1.12 (Fortsetzung) Untersuchung/Region
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Funktionsprüfung
4 Untersuchung der Grobkraft, Feinkraft von ausgewählten Muskelgruppen. Einteilung in 6 Kraftgrade (1 nur sichtbare Kontraktion, 6 volle Kraft) 4 Halte- bzw. Positionsversuche (zur Differenzialdiagnose zentrale Parese versus periphere Parese) 4 Bewegungsprüfung anhand einfacher und komplexerer Bewegungsmuster
4 Rechtsseitige Kraftminderung (M2–3) in oberer Extremität nach HWS-Fraktur
Untersuchung der Reflexe, Pyramidenbahnzeichen Eigenreflexe (Reizort = Erfolgsorgan, monosynaptisch)
4 Untersuchung mit dem Reflexhammer, bzw. manuell (Trömner), evtl. »Reflexbahnung (z. B. durch Zähne zusammenbeißen, Jendrassik-Handgriff ): Bizepssehnen-, Trizepssehnen-, Trömner-, Radiusperiost[reflektorische Beugung im Ellbogen], Patellarsehnen-, Achillessehnenreflex. Abschwächung, Symmetrie, Fehlen der Reflexe, Verbreiterte Reflexzone. Normbefund: lebhaft, seitengleich
4 Fehlende einseitige Muskeleigenreflex durch Läsion des peripheren Nerven 4 Gesteigerte Eigenreflexe bei zentraler Parese (z. B. nach Querschnitttrauma)
Fremdreflexe4 (Reizort nicht Erfolgsorgan, polysynaptisch)
4 Bauchhautreflex (Bestreichen der Bauchhaut von lateral nach medial, Anspannung der Bauchmuskulatur der gereizten Seite) 4 Analreflex (Sphinkterkontraktion bei Bestreichen der perianalen Haut) 4 Kremasterreflex (Bestreichen der Haut am medialen, proximalen Oberschenkel: Elevation des gleichseitigen Hodens)
4 Ausfall der distalen Bauchhautreflexe bei Läsion des Halsmarkes bei kompletter Tetraplegie
Pyramidenbahnzeichen3
4 Kloni2 4 Positive (pathologische) Reaktion stellt bei den folgenden Tests auf Pyramidenbahnzeichen immer eine tonische Dorsalextension der Großzehe dar: 4 Babinski: Bestreichen der lateralen Fußsohle von proximal nach distal 4 Gordon: kräftige Wadenkompression 4 Oppenheim: Bestreichen der Tibiakante von proximal nach distal
4 Läsion des 1. motorischen Neurons bei zentraler Lähmung (Trauma, Blutung im ZNS, Rückenmark)
Koordinationsuntersuchung Inspektion
6
4 Haltung, Stand- und Gangbild, Gehtests (Gehen auf Strich, Zehenspitzen, Hackengang, Gehen, Stehen, Sitzen mit geschlossenen Augen) 4 Fallneigung, Tremor (Ruhe-, Halte-, Intentionstremor) 4 Chorea, Hemiballismus (unwillkürliche, plötzliche und nicht andauernde Bewegungen durch Muskelkontraktionen) 4 Hyperkinesen (überschießende Bewegungen), Dystonie (tonische Muskeldauerkontraktionen, z. B. Lidkrampf, Schreibkrampf, Schiefhals), Mimik, Tics
4 Wernicke-Mann-Gangbild nach ischämischem Insult mit zentraler Hemiplegie 4 Ataxie (ungeordnete Bewegungen) bei Tabes dorsalis (Lähmung des Rückenmarks durch Spätstadium der Syphiliserkrankung)
1
38
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
. Tab. 1.12 (Fortsetzung) Untersuchung/Region
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Funktionssuntersuchung
4 Finger-Nase-Versuch (Berühren der Nasenspitze mit Indizes bei gechlossenen Augen) 4 Knie-Hacke-Versuch (Entlangstreichen an Tibiakante mit Ferse) 4 Diadochokinese (rasch wechselnde Pro-, Supination der Hand – Glühbirne eindrehen) 4 Romberg-Stehversuch (Stehen mit geschlossenen Augen) 4 Unterberger-Tretversuch (1 min auf der Stelle treten bei geschlossenen Augen)
4 Gravierende Drehabweichung (>45°) bei Unterberger-Tretversuch bei einseitiger Kleinhirnläsion
Sensibilität, Tiefensensibilitöt Berührungs-, Schmerz-, Temperatur-, 2-PunkteDiskrimination, Vibrationsempfindung, Bewegung, Gelenkstellung; neurotrophische Störungen der Haut
1 2
3 4
4 Systematisches Untersuchen von Dermatomen mit Holzspatel, Einmalpins 4 Heiß-/Kaltreize 4 Zirkelbestimmung des minimalen Abstandes, den Patient als 2 Reize auflösen kann (Norm je nach Region zwischen 2 mm Fingerbeere und 5 cm Rücken) 4 Stimmgabel (prominente Knochenvorsprünge); Patient gibt an, wann er Vibration nicht mehr verspürt (Norm 6–7/8) 4 Gelenkstellungsempfindung durch passive Bewegungen mit geschlossenen Augen
4 Verminderte Tiefensensibilität durch ethyltoxisch bedingte Polyneuropathie oder fortgeschrittenen Diabetes mellitus
Bei Befunden stets auch zentrale Läsionen kausal möglich (7 Kap. Neurologie) Klonus: Erschöpflich oder unerschöpfliches Anhalten von Muskeleigenreflexen bei Dehnung des betreffenden Muskels, Zeichen einer Pyramidenbahnläsion Die Erwähnung der Vielzahl von beschriebenen Pyramidenbahnzeichen ist an dieser Stelle nicht angebracht. Eine Vielzahl an pathologischen Fremdreflexen sind (meist bei schweren Hirn- oder Rückenmarksläsionen beschrieben (7 Kap. Neurologie).
Gezielte Anamnesefragen Bei den Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane sind anamnestisch folgende Punkte zu klären: 4 Antikonzeption (Medikamente, Dauer, seit wann) 4 Hormontherapien (Substitution) 4 Gehabte Graviditäten (Besonderheiten, Verlauf, Dauer) 4 Schwangerschaft (bei Zweifel Test) 4 Risikofaktoren für Schwangerschaft 4 Geburten (Zeitpunkt, Gewicht, Geburtsmodus (vaginal, Zange, Sectio, Vakuum), Komplikationen, Fehlgeburten, Aborte, Interruptio, Totgeburten 4 Frage zu Gesundheit der Kinder 4 Menstruationsanamnese 4 Blutungen 4 Schmerzanamnese (vaginal, abdominal, zyklusabhängig, -unabhängig)
4 Pruritus 4 Menarche (erste Regel), Zyklusdauer, Menstruationsdauer, Menopause (letzte Regel), Dysmenorrhö (Schmerzen), Menstruationsstörungen, Zwischenblutungen (Metrorrhagie), Amenorrhö, Oligo-, Polymenorrhö, Hyper-, Hypomenorrhö, Schmierblutungen (Spotting) 4 Ausfluss (Fluor), Farbe, Konsistenz, Geruch 4 Sterilität 4 Dyspareunie, Kontaktblutungen 4 Frühere gynäkologische, Unterbaucherkrankungen 4 Gynäkologische Operationen, Untersuchungen, Vorsorgeuntersuchungen 4 Brustveränderungen (Schmerz, Knoten, Spannungsgefühl, Vorsorgeuntersuchungen, Mammillenveränderung, Mamillensekretion)
39 1.15 · Weibliche Geschlechtsorgane, Mammae, geburtshilfliche Untersuchung
4 Sexualanamnese (Frigidität, Sterilität) 4 Familienanamnese: Fälle von Brustkrebs 4 Miktions-, Defäkationsbeschwerden, Veränderungen von Urin und Stuhlgang > 4 Primäre Amenorrhö: noch nie eingetretene Regelblutung 4 Sekundäre Amenorrhö: Sistieren der Regelblutung nach vorherigen Menstruationsblutungen
Bei Vorliegen einer Schwangerschaft stehen Bestimmung des Geburtstermins, Erfragung aktuellen Erkrankungen und von Schwangerschaftsrisiken und vorausgegangene Geburten, Schwangerschaften im Zentrum. Zur Anamnese der jetzigen Schwangerschaft 7 Kap. Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Spezielle gynäkologische Untersuchung Die Schritte bei der gynäkologischen Untersuchung fasst . Tab. 1.13 zusammen.
. Tab. 1.13. Gynäkologisch-klinische Untersuchung Untersuchung, Region
1
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Vulva, Vagina, perianale Region Inspektion, Spekulumuntersuchung
4 In Steinschnittlage Inspektion von Unterbauch (Narben?), Mons pubis, Perianalregion, Vulva, Introitus vaginae, Urethramündung, Vagina: Haut- und Schleimhautveränderungen, Entzündungen, Fluor (Farbe, Geruch, Konsistenz), Schwellungen, Vorwölbungen
4 Vaginalmykose mit Rötung, weißlichen, wegwischbaren Belägen
Palpation
4 Knoten, Tumoren, Rekto-, Zystozele (Hustenversuch)
4 Tastbarer, reponierbarer Deszensus
Uterus, Portio, Adnexe, Douglas-Raum Inspektion, Spekulumuntersuchung
4 Portio: Veränderungen der Oberfläche
4 Leukoplakie der Portio bei Karzinom
Palpation
4 Bimanuelle (Zeige-, Mittelfinger vaginal, andere Hand abdominal) Tastuntersuchung: Organgrößen, Uterusstellung (Norm: Anteversio, Anteflexio) Form, Konsistenz, Verschieblichkeit, Druckdolenz. Tumoren, Deskription der Oberfläche von Befunden
4 Druckschmerzhaft vergrößerte Adnexe bei Eileiterschwangerschaft
Inspektion
4 Im Liegen, Stehen: Größe, Symmetrie (Größendifferenz, Einziehungen, Mamillen (Sekretion), Schwellungen, Ulzerationen, Hautveränderungen
4 Sezernierende Mamille unter Neuroleptikatherapie
Palpation
4 Untersuchung aller 4 Quadranten: Verschieblichkeit, palpapler Tumor, Konsistenz, Lymphknoten axillär, supra-, infraklavikulär 4 Komprimierung – Sekretionstest Mamille 4 Druckschmerz
4 Derber, schlecht verschieblicher palpabler Knoten meist im äußeren oberen Quadranten bei Mammakarzinom
Mammae
Geburtshilfliche Untersuchung Inspektion
4 Äußeres Genitale, Vagina, Portio, untere Extremitäten (Ödeme, Varikosis)
4 Riss im Muttermund
Palpation, Perkussion
4 Uterus, Adnexe, Bestimmung des Fundusstand mittels Leopold-Handgriffen und Maßband, Kindsbewegungen, Lageanomalien, Abdomen, Mammae
4 7 Kap. Frauenheilkunde, Geburtshilfe
Auskultation
4 Fetale Herztätigkeit
40
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
> Jeder tastbare Knoten der Mamma bedarf einer sorgfältigen bildgebenden Abklärung (Sonographie, Mammographie, MRT).
1.16
Nieren,-Harntrakt
Gezielte Anamnesefragen Zur Anamnese bei Erkrankungen von Nieren und Harntrakt gehören folgende Punkte: 4 Schmerzanamnese: Koliken, Flankenschmerz, Unterbauchschmerz, Rückenschmerzen 4 Harndrang (Strangurie), Brennen beim Wasserlassen (Algurie) 4 Miktionsstörungen: 5 Harnverändeurngen (Farbe, Geruch, Blut) 5 Dysurie (Schmerzen bei Wasserlassen) 5 Nykturie (mehrmaliges nächtliches Wasserlassen) 5 Pollakisurie (gesteigerte Miktionsfrquenz) 5 Oligurie (Harnmenge unter 500 ml) 5 Anurie (Sistieren der Ausscheidung) 5 Polyurie (gesteigerte Harnmenge) 4 Harnverhalt, Miktionserschwernis 4 Inkontinenz (Urge, Stress) 4 Ausfluss aus der Urethra (Blutung, Hämaturie – Makro-, Mikrohämaturie) 4 Gehäufte Harnwegsinfekte 4 Frühere Nierenerkrankungen, Steinerkrankungen Spezielle Untersuchung Die Schritte der Untersuchung zur Funktionsprüfung der ableitenden Harnwege fasst . Tab. 1.14 zusammen.
1.17
Männliche Geschlechtsorgane
Gezielte Anamnesefragen Bei Erkrankungen der Geschlechtsorgane beim Mann sind anamnestisch folgende Punkte zu klären: 4 Hodenvergrößerung, Hodenschmerzen 4 Traumen in Skrotalgegend 4 Prostatabeschwerden (Harnstrahl, Harnwegsinfekte) 4 Angeborene, erworbene Hodenerkrankungen, Erkrankungen des Penis, evtl. operativ behandelt (Hypospadie, Epispadie, Nondeszensus, Kryptorchismus) 4 Erektionsstörungen (Dysfunktion, Priapismus) 4 Ejakulationsstörungen (Sekret, Ausstoßen) 4 Fertilität 4 Hämatospermie 4 Libido Spezielle Untersuchung Die Schritte zur Untersuchung der männlichen Geschlechtsorgane fasst . Tab. 1.15 zusammen. 1.18
Neugeborene, Kinder, Jugendliche
Grundlegendes Die Untersuchung von Kindern bedarf Geduld und Einfühlungsvermögen, da Kinder den Sinn ärztlicher Behandlung oft noch nicht verstehen können, und daher manchmal mit Angst und Abwehr reagieren. Bei der Erhebung der Anamnese handelt es sich meist, aber nicht ausschließlich, um die Fremdanamnese der anwesenden Eltern. Sowohl Angaben des Kindes als auch die der Eltern sind häufig subjektiv und müssen relativiert und objektiviert werden! Vor dem 4. Lebensjahr ist man
. Tab. 1.14. Klinische Untersuchung des Harnapparates Untersuchung
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
Inspektion
4 Lider, Haut 4 Foetor uraemicus bei Nierenversagen
4 Lidödem bei nephrotischem Syndrom
Palpation
4 Bimanuelle Palpation der Nierenlager 4 Normbefund: Nieren selten palpabel, keine schmerzhafte Nierenloge
4 Rechtsseitig vergrößerte palpable Zystenniere
Perkussion
4 Perkussion der vollen Blase (Schenkelschall) suprapubisch 4 Normbefund: keine Klopfdolenz im Nierenlager
4 Deutliche Klopfdolenz über linkem Nierenlager bei Pyelonephritis
41 1.18 · Neugeborene, Kinder, Jugendliche
1
. Tab. 1.15. Klinische Untersuchung der männlichen Geschlechtsorgane Untersuchung/Region
Charakteristik
Erkrankungsbeispiele
4 Haut-, Schleimhautveränderungen an Glans penis, Präputium, Peniskorpus 4 Vorhautretraktion
4 Nicht reponables Präputium, Schmerz bei Phimose
Inspektion
4 Haut, Größe 4 Diaphanoskopie (Lichtquelle an Skrotum zur Differenzialdiagnose blutiger versus seröser Erguss)
4 Vergrößertes Skrotum, Diaphanoskopie nicht durchleuchtend (klar) bei Hämatom nach Trauma
Palpation
4 Hodengröße, Konsistenz, Tumoren, Hernie, Nebenhoden, Hodenstand, Schmerz bei Palpation, Samenstrangpalpation bis inguinal
4 Tastbarer, druckdolenter, einseitig vergrößerter Hoden bei Hodenmalignom
4 Rektale Untersuchung: Größe, Form, Konsistenz, Oberfläche, Verschieblichkeit der rektalen Mukosa 4 Blut am Fingerling
4 Unilobulär vergrößerte Prostata, derber Knoten, Blut am Fingerling, kein Druckschmerz bei Prostatakarzinom
Penis Inspektion, Palpation
Skrotum, Hoden
Prostata Palpation
seitens des Kindes v. a. auf nonverbale Äußerungen des Kindes angewiesen. Das Kind sollte nicht bedrängt, aber auch nicht übergangen werden! Eine investierte Zeit, um Vertrauen zu gewinnen, zahlt sich in Zuwendung, Mitarbeit und Compliance des Kindes aus. Die Sprache sollte dem Verständnis des Kindes angepasst, aber nicht ins kindische gehen. Mehr als von anderen Fachrichtungen wird vom Pädiater sichere Kompetenz erwartet. Mit Heranwachsen richtet sich Anamnese immer mehr an das Kind selbst, der Wunsch von Jugendlichen, auch alleine mit dem Arzt zu sprechen, muss dringend respektiert werden. Gezielte Anamnesefragen Zur Anamnese bei Kindern gehören folgende Punkte: 4 Aktuelle Beschwerden (z. B. Schmerzen, Diarrhö, Erbrechen, Fieber etc.) 4 Aktuelle und vorangegangene Erkrankungen, Therapien, Diagnostik, Klinikaufenthalte, Operationen, Unfälle 4 Infektionskrankheiten (Anzahl, Art, Schwere der Infekte, durchgemachte Kinderkrankheiten, Impfanamnese) 4 Medikamentenanamnese 4 Vegetative Anamnese (z. B. Schlafstörungen)
4 Ernährungsanamnese (Mahlzeiten, Appetit, Unverträglichkeiten, Besonderheiten bei der Nahrungsaufnahme, Stuhlbeschaffenheit, Nahrungsergänzung, Körpergewicht) 4 Familienanamnese (Erbkrankheiten, erkrankte Familienmitglieder, chronische Erkrankungen in der Familie 4 Familiäres und Soziales Umfeld (leibliche Eltern, Sorgerecht, Probleme, Erziehung des Kindes, Wohnsituation, Interaktion Eltern-Kind, soziales Verhalten des Kindes) 4 Psychische Verfassung des Kindes (stabil, Essstörungen, Ängste, Hyperaktivität, Aggressionsabbau) 4 Fragen zu Schwangerschaft und Geburt (Noxen, Erkrankungen der Mutter in der Schwangerschaft, vorausgegangene Schwangerschaften und Geburten, Tragzeit, Geburtsmodus, Geburtskomplikationen oder -traumata, Geburtsgewicht, Geburtsgröße, Kopfumfang) 4 Entwicklungsanamnese (Erkrankungen in der perinatalen Periode, Fehlbildungen, angeborene Erkrankungen, Größenentwicklung, Sprach- und motorische Entwicklung, Stilldauer, Kontinenz, Zahnentwicklung, Entwicklung in Schule und Kindergarten)
42
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
Spezielle Untersuchung Die körperliche Untersuchung (Inspektion, Auskultation, Perkussion, Palpation) des Kindes unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der Erwachsenenuntersuchung, allerdings unterscheiden sich Anatomie (z. B. Lebergrenzen) und Physiologie (z. B. Herzfrequenz bei Neugeborenen in Ruhe bis 150 pro Minute, Blutdruck 90/40 mmHg, Atemfrequenz 50/min) erheblich. > Die Untersuchung sollte stets von angenehmen Schritten (Auskultation) zu unangenehmen (z. B. Otoskopie, Blutentnahme) erfolgen.
Es werden daher hier auch nur pädiatrische Besonderheiten und die regelmäßigen und empfohlenen U-Untersuchungen aufgelistet (. Tab. 1.16). Die Untersuchungssituation sollte kindgerecht sein (spielerisch-ablenkendes Vorgehen, kindgerechte Gestaltung der Untersuchungsräume, nicht-autoritäre Bekleidung). Der anwesende Elternteil hilft beim Entkleiden, Untersuchen des Kindes mit (z. B. Abhören des Rückens auf dem Arm der Mutter). Symptomatik und Beschwerdeangabe bei Kindern sind oft diffus und können letztlich nur durch große klinische Erfahrung präzisiert und relativiert werden. ! Cave Es ist möglich, dass Kinder Schmerzen in entfernten Körpergebieten (z. B. Ohrenschmerz im Bauchbereich) angeben! Bauchschmerzen hingegen äußern sich nicht selten nur im allgemeinen Schreien (SchreiWeinen) und ungerichteten motorischen Reaktionen des Kindes. > Bei Beurteilung der Kindesentwicklung müssen immer die Schwangerschaftsdauer und evtl. vorliegende Entwicklungsrückstände bedacht werden!
Technisch kommen in der Pädiatrie, auch ohne Krankheitshinweise, Ultraschall- (Hüftsonographie) und labormedizinische Untersuchungen (Phenylalanin etc.) zur Anwendung. 1.19
Besonderheiten der Anamnese und Untersuchung bei alten Menschen
Häufig spielen u. a. folgende Themen in der speziellen Behandlungssituation von älteren Menschen eine erhebliche Rolle: 4 Scham 4 Indolenz
4 Incompliance 4 Mangelndes Verständnis für und von Diagnostik/ Therapieformen 4 Tabuthemen 4 Schlechtes Gehör 4 Angst Ist man sich der möglichen Konfrontation mit diesen und anderen Themen nicht ständig bewusst, gerät die Konsultation/Behandlung in Gefahr erfolglos/sinnlos zu werden. Man muss sich folglich immer wieder vergegenwärtigen, mit älteren Menschen konfrontiert zu sein. 1.20
Besonderheiten der Anamnese und Untersuchung bei Notfallpatienten
Eingeschränkte Ausrüstung, u. U. ungünstige Umgebung (z. B. Bahnhofstoilette) und insbesondere Zeitmangel bei Vorliegen massiv bedrohter Vitalfunktionen lassen die Anamnese und körperliche Untersuchung meist auf das symptombezogene Erkennen von Störungen der Vitalfunktionen (Atmung, Bewusstsein, Zirkulation) reduzieren: 4 Falls möglich knappe Patientenangaben, z. B. wo Schmerzen? Luftnot? Medikamente? Was ist passiert? Vorerkrankungen? Beschwerden? 4 Fremdanamnese 4 Inspektion (Integument, Verletzungen, Blutungen) 4 Auskultation (Lunge, Cor, Abdomen) 4 Palpation (Pulse, Verletzungen, Frakturen, Abdomen) 4 Technische Untersuchung (EKG, Blutzucker etc.) Dies ist auch gerechtfertigt, da eine Ursachenermittlung, wo immer möglich wichtig, im Falle bedrohter Vitalfunktionen allerdings sekundär ist. Oft ist der Patient bewusstlos, daher kann eine Fremdanamnese (Sturzanamnese, Intoxikationen etc) wichtige Hinweise geben. Der Grad der Bewusstseinsstörung lässt sich mit der Glasgow Coma Scale beurteilen (. Tab. 1.17). 1.21
Ärztliche Dokumentation
Der Arzt muss sich über die Behandlungssituation schriftliche Aufzeichnungen machen (Dokumentationspflicht). Wie genau und wie umfangreich die Dokumentation zu erfolgen hat, ist nicht geregelt.
43 1.21 · Ärztliche Dokumentation
. Tab. 1.16. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen des Kindes U-Nr., Zeitpunkt der Untersuchung
Untersuchungsinhalte
Erkrankungsbeispiele
U1: 1. Tag der Geburt
4 Postnatale Adaptation (Apgar-Index1, NabelvenenpH) 4 Reifezeichen (Haut, Lanugobehaarung, Labien, Fingernägel, Testes im Skrotum, Ohrknorpel, Mamillen, Fußsohle) 4 Ausschluss Geburtstraumata
4 Nabelvenen-pH <7,0 (schwere Azidose bei Geburtsverzögerung) 4 Lähmungen der oberen Extremität bei Plexusparese nach Klavikulafraktur unter der Geburt
U2: 3. bis 10. Tag
4 4 4 4 4
Bestimmung von KL, G, KU2 Anpassungsstörungen, Fehlbildungen/Dysmorphien Gründliche Untersuchung der einzelnen Organsysteme Stoffwechsel: TSH, Phenylketonurie, Galaktosämie, Homozystinurie u. a. Bewegungsapparat: Motorik, Muskeltonus, Torticollis, Wirbelsäule (Skoliose, Spina bifida occulta?), Hüfte (Hüftsonographie3), Füße (Spitz-, Hacken-, Klumpfuß etc.) Nieren: Sonographie Haut: Farbe, Turgor, Lymphknoten Kopf: Asymmetrien, Dysmorphien, Fontanellen, Ossifizierung, Kraniotabes Augen: Fehlbildungen, Strabismus, Pupillenreaktion Nase: Nasenatmung, Choanalatresie Mund-Rachen: Gaumenspalte, Zunge Ohren: Hörtest (Schreckreflex bei Händeklatschen o. ä.), Trommelfellinspektion Hals: Schilddrüse, Fistelung, Halszyste, Geburtstraumata (z. B. Torticollis) Thorax, Lunge: Dyspnoezeichen (Nasenflügeln, jugulare, sternale Einziehungen), Auskultation Herz, Kreislauf: Inspektion der Haut, Auskultation, Pulspalpation Abdomen: Inspektion (Nabelregion, Rektale Untersuchung), Palpation der Organgrenzen, Auskultation Genitalregion: Fehlbildungen, Deszensus Nervensystem: Muskeltonus, physiologische Neugeborenenreflexe (Schreit-, Landau-, Saug-, Galant-, oraler Such-, Moro-, Hand-Fuß-Greif-Reflex, positiver Babinski u. v. m.)
4 Makrozephalus (KU >38 cm) bei Hydrozephalus 4 Pathologischer Ikterus bei Morbus haemolyticus neonatorum 4 Blasse Haut bei Asphyxie 4 Systolikum bei persistierendem Fetalkreislauf 4 Fehlende oder stark abgeschwächte periphere Pulse der unteren Extremität bei Aortenisthmusstenose 4 Kryptorchismus 4 Abduktionshemmung der unteren Extremität und ungleiche Beinlänge bei Hüftdysplasie
4
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
U3: 4. bis 6. Woche
4 4 4 4 4
(KL, G, KU) Neugeborenenreflexe Grob- und feinmotorische Entwicklung Sprachentwicklung Soziale Entwicklung
4 7 Kap. Pädiatrie
U4: 3. bis 4. Monat
4 4 4 4 4 4 4 4
(KL, G, KU) Neugeborenenreflexe Grob- und feinmotorische Entwicklung Sprachentwicklung Soziale Entwicklung, Spielverhalten Haltungsstörungen Zahnentwicklung Impfungen
4 7 Kap. Pädiatrie
6
1
44
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
. Tab. 1.16 (Fortsetzung) U-Nr., Zeitpunkt der Untersuchung
Untersuchungsinhalte
Erkrankungsbeispiele
U5: 6. bis 7. Monat
4 4 4 4 4 4
(KL, G, KU) Grob- und feinmotorische Entwicklung Sprachentwicklung Soziale Entwicklung Zahnentwicklung Impfungen
4 Nicht möglicher »Pinzettengriff« des Kindes mit Daumen und Zeigefinger
U6: 10. bis 12. Monat
4 4 4 4 4
(KL, G, KU) Grob- und feinmotorische Entwicklung Sprachentwicklung Soziale Entwicklung Zahnentwicklung
4 Persistierende Neugeborenenreflexe bei hirnorganischen Erkrankungen
U7: 20.-24. Monat
4 4 4 4 4 4 4 4
(KL, G, KU) Hörtest Grob- und Feinmotorische Entwicklung Sprachentwicklung Soziale Entwicklung Zahnentwicklung Fußfehlstellungen, X-und O-Beine, Skoliose Verhalten
4 Wutanfälle des Kindes, Schlafstörungen
U8: 43. bis 48. Monat
4 4 4 4 4 4 4 4
(KL, G, KU) Hörtest Sehtest Grob- und feinmotorische Entwicklung Sprachentwicklung Soziale Entwicklung Zahnentwicklung Tuberkulose-Hauttest
4 Enuresis, Enkopresis nach dem 4. Lebensjahr
U9: 60. bis 64. Monat
4 4 4 4 4 4 4 4
(KL, G, KU) Hörtests Sehtest Grob- und feinmotorische Entwicklung Sprachentwicklung Soziale Entwicklung Zahnentwicklung Blutdruck
4 Stottern und Stammeln bei 5-jährigem Kind
J1: 12. bis 13. Lebensjahr
4 4 4 4 4 4
1 2
3
Soziale Entwicklung Zahnentwicklung Pubertätsentwicklung Blutdruck Cholesterinwerte Impfung der Mädchen gegen Rötelninfektion (falls noch nicht im 2. Lebensjahr geschehen) 4 Ggf. HPV-Impfung
4 Primäre Amenorrhö bei Mädchen >16 Jahre
Apgar-Index: Atmung, Puls, Muskeltonus, Hautfarbe, Reflexe KL = Körperlänge, G = Gewicht, KU = Kopfumfang; Darstellung in Perzentilenkurven, Durchschnittsgeburtsdaten bei regelrechter Schwangerschaftsdauer KG 3300 g, KL 0,5 m, KU 34 cm. Normbereich zwischen 97. und 3. Perzentile Die klinische, sog. Ortolani-Untersuchung (provoziertes Hüftschnappen) gilt als überholt!
45 1.21 · Ärztliche Dokumentation
. Tab. 1.17. Glasgow Coma Scale
1
Bei der Dokumentation geht es um folgende Punkte: 4 Dokumentation von Befragung, Untersuchung, Diagnostik, Procedere 4 Verlaufsdokumentation 4 Absicherung des Arztes bei späteren Rückfragen 4 Kenntnis des Patienten, um bei erneuten Konsultation zu wissen, um was es geht 4 Weitergabe von Information an Kollegen, Kolleginnen 4 Abrechnung 4 Qualitätssicherung 4 Wissenschaftliche Auswertung u. v. m.
Kriterium
Reaktion
Punktewert
Augen öffnen
Spontan
4
Nach Aufforderung
3
Nach Schmerzreiz
2
Nicht möglich
1
Prompt, klar
5
Desorientiert
4
Unverständlich
3
Stöhnen
2
Nicht möglich
1
In Praxis wie in der Klinik hält immer mehr die elektronische Dokumentation mit entsprechender Praxisoder Kliniksoftware Einzug. Die Vorteile, v. a. im sofortigen Auffinden auch alter Unterlagen, überwiegen mittlerweile Sicherheitsbedenken.
Auf Aufforderung
6
! Cave
Gezielte Abwehr auf Schmerz
5
Ungezielte Abwehr auf Schmerz
4
Beugemechanismen auf Schmerz
3
Streckmechanismen auf Schmerz
2
So wird beispielsweise dokumentiert: »Patient gibt Schmerz hinter dem Brustbein an« und nicht Patient gibt »Angina pectoris« an. Es wird dokumentiert »Patient gibt an, vor einigen Jahren einmal gelb geworden zu sein« und nicht »Zustand nach Hepatitis«.
Keine
1
> Beschwerden: subjektiv, Befunde: objektiv.
Verbale Antwort
Motorik
Bei einer Punktesumme unter 8 muss von einem schweren Schädel-Hirn-Trauma oder einer Hirnerkrankung ausgegangen werden
> Ein externer Facharzt muss sich anhand der Dokumentation ein gutes Bild der Behandlungssituation machen können. Die Dokumentation hat wahrhaft, vollständig und zeitnah zu erfolgen. Bedeutung einer genauen Dokumentation Eine strukturierte, gute Dokumentation spart dem Arzt später Zeit bei Verfassen von Entlassbriefen, Epikrisen oder der Korrespondenz mit Leistungsträgern. Wer als diensthabender Arzt im Nachtdienst aufgrund eines Notfalls auf die Dokumentation seiner Kollegen vom Tagesdienst angewiesen war, wird künftig wissen, wie wertvoll eine knappe, auf das Wesentliche beschränkte, aber vollständige Dokumentation ist. Herbei geht es dann auch um die Sicherheit des Patienten. Von Ausnahmen abgesehen, gewinnt die Dokumentation nicht durch Länge des Textes!
Als Kardinalfehler gilt es, in Anamnesebögen »Diagnosen« des Patienten und »Interpretationen« des Arztes zu schreiben.
Bei der Anamnese dokumentiert man nur dies, was der Patient sagt und in dessen Sprache. Bei der klinischen Untersuchung geht es nur um das, was man selbst sieht und erhebt und nicht, was man gerne sehen, hören, tasten würde, bzw. was in vorausgehenden Arztbriefen steht oder der Patient suggeriert. Negativa in Anamnese, bei Untersuchung und technischen Befunden (Normalbefunde), sollten nur dokumentiert werden, wenn sie diagnostisch oder therapeutisch wertvoll sind. Bei akuten Erkrankungen ist es wichtig, auch Datum und Uhrzeit der Befunderhebung zu dokumentieren. Schweigepflicht Patientendokumentation (einschließlich Befunden, Bildern etc.) dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden, es sei denn der Patient entbindet den Arzt von seiner Verschwiegenheit. Auf Wunsch darf der Patient in alle Behandlungsunterlagen, Dokumentationen Einsicht nehmen, Abschriften anfertigen (auf eigene Kosten). Ton, Bild und Videoaufzeichnungen des Patienten bedürfen dessen Einverständniserklärung.
46
1
Kapitel 1 · Allgemeine Anamneseerhebung und allgemeine klinische Untersuchung
Im sog. Verlauf/Procedere (ggf. unterteilt in subjektiv, objektiv) beschreiben der Arzt die Entwicklung der Beschwerden und Befunde, die Ergebnisse von weitergehender Diagnostik und die Erfolge/Misserfolge von Therapieformen. Da dies zur ärztlichen Seite gehört, können Fachtermini Verwendung finden. 1.22
Technische Zusatzdiagnostik
Nur zielgerichtete technische Zusatzuntersuchungen sind sinnvoll, vertretbar und finanzierbar. Zu solchen Untersuchungen zählen: 4 Mikrobiologische Untersuchungen 4 Pathologische Untersuchungen 4 EKG, EEG, EMG, EOG 4 Bildgebung 4 Endoskopie u. v. m. Die sog. Apparate- und Labormedizin ist hervorragend und nicht mehr wegzudenken, muss jedoch immer un-
ter der Prämisse stehen, dass Anamnese und Untersuchung vorausgegangen sind. > Bei der technischen Diagnostik müssen das Risiko für den Patienten und die Kosten gegenüber dem voraussichtlichen diagnostisch-therapeutischen Aussagewert, also dem Nutzen (Benefit) für den Patienten abgewogen werden. Die meisten reinen »Screenings« sind (von Ausnahmen abgesehen) sinnlos, teuer und belastend.
! Cave Frauen in gebärfähigem Alter sind stets nach einer möglicherweise bestehenden Schwangerschaft vor bildgebender Diagnostik zu befragen.
Die Diagnostik, welche man anordnet, muss man kennen, den Patienten über die Risiken aufklären, den Ablauf und Sinn und die Ergebnisse erklären. Ergebnisse müssen immer kritisch hinterfragt werden (Fehler, Wertigkeit) und in Zusammenschau mit dem klinischen Bild gesehen werden.
2 Humangenetik J. Bremer, H. Neitzel 2.1
Molekulare Grundlagen der Vererbung
2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6
Genom –49 DNA-Replikation –51 Transkription und Translation –51 Genregulation bei Eukaryonten –52 Proteom –54 Begriffsdefinitionen –54
–49
2.2
Methoden der genetischen Diagnostik
2.2.1 2.2.2
Methoden zytogenetischer Diagnostik –55 Methoden molekulargenetischer Diagnostik –57
–55
2.3
Genetische Beratung
2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5
Indikationen –58 Aufklärung und Beratung –59 Anamnese und Stammbaumerstellung –59 Genetische Diagnostik –59 Aussagekraft von Testergebnissen, Quantifizierung genetischer Risiken –59
–58
2.4
Pränatale Diagnostik
2.4.1 2.4.2
Indikationen für die pränatale Diagnostik –60 Methoden der pränatalen Diagnostik –61
–60
2.5
Präimplantationsdiagnostik (PID) –63
2.6
Abstammungsgutachten
2.6.1 2.6.2 2.6.3
Untersuchte Systeme –63 Anforderungen an die Analytik –63 Beurteilung und Schlussfolgerung –63
–63
2.7
Mutationen
2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4
Grundlagen und Definitionen –63 Symptome bei Chromosomenaberrationen –64 Numerische Chromosomenaberrationen –64 Strukturelle Chromosomenaberrationen –65
2.8
Genetisch bedingte Erkrankungen
2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4
Formale Genetik/Mendelsche Gesetze –67 Erkrankungen durch Chromosomenaberration Monogene Erkrankungen –70 Multifaktorielle Vererbung –84
–63
–67 –67
2.9
Epigenetik
2.9.1
Imprinting
–87 –87
2.10 Kongenitale Fehlbildungen
–88
2.10.1 Einteilung von kongenitalen Anomalien –88 2.10.2 Ursachen kongenitaler Fehlbildungen –89
2.11 Zwillinge
–91
2.12 Populationsgenetik 2.13 Immunogenetik
–91
–93
2.13.1 MHC (»major histocompatibility complex«) 2.13.2 Blutgruppensysteme –94
–93
2.14 Genetische Aspekte bei Tumorerkrankungen
–95
2.14.1 DNA-Reparaturmechanismen –95 2.14.2 Protoonkogene und Onkogene –96 2.14.3 Tumorsuppressorgene –96
2.15 Pharmakogenetik
–99
2.15.1 Genetische Unterschiede in der Arzneimittelmetabolisierung –99 2.15.2 Genetische Unterschiede in der Pharmakodynamik –100
49 2.1 · Molekulare Grundlagen der Vererbung
2
2.1
Molekulare Grundlagen der Vererbung
4 2 Purine: Adenin (A) und Guanin (G) 4 2 Pyrimidine: Cytosin (C) und Thymin (T)
2.1.1
Genom
Aus der Verbindung zwischen einem Zucker und einer der o. g. Basen entstehen Nukleoside (Adenosin, Guanosin, Cytidin und Thymidin). Durch Hinzufügen eines Phosphats an ein Nukleosid entsteht ein Nukleotid (Adenosinmonophosphat [AMP] etc.). RNA besteht auch aus Rückgrat und Basen, anstelle der Desoxyribose der DNA (keine OH-Gruppe am C2Atom) handelt es sich bei dem Zucker der RNA um Ribose (mit OH-Gruppe am C2-Atom), anstelle von Thymin wird die Pyrimidinbase Uracil (U) eingebaut. Während RNA im Allgemeinen als einzelsträngiges Molekül in einer Zelle vorliegt, bildet DNA eine Doppelhelix aus 2 Molekülen mit Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Basen (2 zwischen Adenin und Thymin und 3 zwischen Guanin und Cytosin). Die beiden Stränge sind antiparallel angeordnet, d. h. ein DNA-Molekül hat an einem Ende ein freies 3’Ende, während der komplementäre Strang an diesem Ende der Doppelhelix ein freies 5’-Ende aufweist. Durch die spezifische Paarbildung zwischen den Basen kann aus der Sequenz eines Stranges auf die im anderen geschlossen werden.
Träger der menschlichen Erbinformation sind Nukleinsäuren in Form von doppelsträngigen Desoxyribonukleinsäure (DNA)-Molekülen. Das Genom ist die Gesamtheit des genetischen Materials einer Zelle oder eines Organismus und umfasst neben Genen auch große Abschnitte nicht kodierender DNA z. T. mit regulatorischer oder unbekannter Funktion. Die genetische Information kann durch Replikation mitotisch und meiotisch weitergegeben werden. Durch Transkription und Translation wird die Information der Gene von DNA über Ribonukleinsäure (RNA) in Proteinstruktur übersetzt. 2.1.1.1
Genetischer Code
> Das Prinzip, nach dem die Basensequenz der Gene in die Aminosäuresequenz der Proteine übersetzt wird, bezeichnet man als genetischen Code.
Eine Aminosäure (AS) wird durch die Abfolge von 3 Basen (Basentriplett oder Kodon) bestimmt. Da es vier verschiedene Basen in der DNA gibt und Tripletts kodierend sind, ergeben sich 43 = 64 mögliche Kodons, von denen 61 für die 20 natürlichen Aminosäuren kodieren. Mit Ausnahme von Methionin und Tryptophan gibt es für jede Aminosäure 2–6 verschiedene Kodons, die sich meist nur in der dritten und letzten Base unterscheiden. So sinkt die Wahrscheinlichkeit für den Einbau einer falschen AS bei nur einer falsch gelesenen Base. Man bezeichnet den genetischen Code deshalb als degeneriert. Für 3 Kodons gibt es keine passende tRNA (transferRNA) bzw. AS. Dies sind Stoppkodone, die das Ende des proteinkodierenden Genabschnitts bedeuten. 2.1.1.2 DNA- und RNA-Struktur DNA-Moleküle sind Polymere aus »Rückgrat« (Desoxyribose-Zuckermoleküle + negativ geladene Phosphatreste) und Basen. Ein Zuckermolekül hat fünf Kohlenstoff-Atome: C1–C5. Die N-haltigen Basen sind kovalent über nukleosidische Bindungen an die C1-Atome der Zuckermoleküle gebunden. Phosphatreste verbinden über Phosphodiesterbindungen an C3 bzw. C5 je 2 Zuckermoleküle. Jedes DNA-Molekül hat an einem Ende ein freies C3-Atom (3’-Ende) und am anderen Ende ein freies C5-Atom (5’-Ende), alle anderen C3und C5-Atome sind mit Phosphaten verbunden. Im DNA-Molekül kommen v. a. 4 verschiedene Basen vor:
2.1.1.3
Gene
Bestandteile proteinkodierender Gene 4 Exon: DNA-Abschnitt, der für die Polypeptidsequenz kodiert. 4 Intron: Nichtkodierender DNA-Abschnitt, der während der RNA-Prozessierung vor Translation entfernt wird. 4 Promotor: Beinhaltet den Transkriptionsstartpunkt, der oft eine TATA-Box (T- und A-reicher Sequenzabschnitt, an den für die Transkription nötige Proteine binden) sowie von Gen zu Gen unterschiedliche Bindungsstellen für Transkriptionsfaktoren enthält. 4 Enhancer: DNA-Abschnitt, der bis zu Tausende von Basenpaaren von dem durch ihn regulierten Gen entfernt liegen kann, wobei er »upstream« (Richtung 5’-Ende), »downstream« (Richtung 3’-Ende) oder innerhalb dieses Gens lokalisiert sein kann. Die Bindung bestimmter Faktoren an den Enhancer kann die Transkriptionsrate des Gens erhöhen. 4 Silencer: Negativ-regulatorischer DNA-Abschnitt, der ebenfalls weit entfernt sein kann. Die Transkriptionsrate eines Gens kann durch 6
50
2
Kapitel 2 · Humangenetik
Bindung bestimmter Faktoren an den Silencer reduziert werden. 4 Insulator: DNA-Abschnitt, der ein Gen vor dem Einfluss von Enhancern und Silencern anderer nahegelegener Gene schützt.
2.1.1.4 Arten von DNA DNA kommt im Zellkern und in den Mitochondrien vor. Die mitochondriale DNA ist ringförmig und doppelsträngig (mtDNA) und kodiert für mitochondriale RNA und 13 Proteine der Atmungskette und der oxidativen Phosphorylierung. Der genetische Code der Mitochondrien ist geringfügig anders als der der nukleären DNA. Nur die Oozyten geben die Mitochondrien an die Nachkommen weiter, was zu der maternalen Vererbung mitochondrial-kodierter Krankheiten führt. Nukleäre DNA hat kodierende und nichtkodierende Abschnitte. > Das menschliche Genom enthält 20.000–25.000 proteinkodierende Gene, die als Einzelkopie vorliegen oder zu Multigenfamilien gehören.
Der Großteil der nukleären DNA besteht aus nichtkodierenden Sequenzen, die oft repetitiv sind oder unvollständige Kopien funktioneller Gene (Pseudogene und Genfragmente) darstellen. Pseudogene sind Sequenzen genomischer DNA mit großer Ähnlichkeit zu normalen Genen, die aber nicht transkribiert und/oder translatiert werden und damit nicht der Proteinsynthese dienen. Vermutlich gibt es mehr Pseudogene als Gene im Genom.
2.1.1.5 Chromosomenstruktur Die gesamte menschliche DNA einer Zelle wäre über einen Meter lang, wenn sie nicht in Form von Chromatin »verpackt« wäre. > Bei Eukaryonten liegt die DNA in kondensierter Form mit Histonen und Nicht-Histonen assoziiert im Kern als Chromatin vor.
Histone sind basische Kernproteine, die für die Chromatinstruktur der Erbinformation essenziell sind, die Ladung des DNA-Moleküls neutralisieren und an der Regulation der Genexpression beteiligt sind. Aus dem Chromatin gehen die während der Zellteilung sichtbaren Chromosomen (griech. chromos: Farbe und soma: Körper; also anfärbbares Körperchen) hervor. Ein Chromosom ist damit ein langer, kontinuierlicher Strang aus DNA, der als Doppelhelix um Histone herumgewickelt und mehrfach zu einer kompakten Form spiralisiert ist (. Abb. 2.1). Nukleosomen sind sich wiederholende morphologische Grundeinheiten des Chromatins, 146 Basenpaare der DNA-Doppelhelix wickeln sich in 1,75 Windungen um ein Oktamer aus Histonen, sog. Nukleosomencore aus je 2 Dimeren der Histone H2a mit H2b sowie H3 mit H4. Die nächsthöhere strukturelle Einheit des Chromatins ist das Solenoid. Dabei wickelt sich die Nukleosomenkette spulenförmige zu einer 30 nm dicken Faser auf. Die Verbindungs-DNA zwischen den Nukleosomen ist mit Histon H1 assoziiert. Das Solenoid wird durch gerüstbildende saure Nicht-HistonProteine in lange DNA-Schleifen gefaltet, die weiter kondensiert werden.
Repetitive DNA »Tandem repeats« sind nichtkodierende DNA-Sequenzen mit variabler Anzahl von 2 oder mehr sich direkt hintereinander wiederholenden Nukleotiden. Hier werden folgende Subtypen unterscheiden: 4 Satelliten-DNA: Lange einfache oder komplexe repetitive Sequenzen, v. a. in der Zentromerregion von Chromosomen lokalisiert. 4 Minisatelliten: Kurze repetitive Sequenzen, die gehäuft in der Nähe vom oder am Telomer (terminaler Chromosomenabschnitt) vorkommen. 4 Mikrosatelliten: Sehr kurze Repetitionen, kommen im gesamten Genom vor, sind hoch polymorph und werden in Genkopplungsanalysen untersucht. »Interspersed elements« (eingestreute Elemente) sind mit etwa 30% des humanen Genoms die häufigsten repetitiven Elemente.
. Abb. 2.1. Chromosomenstruktur
51 2.1 · Molekulare Grundlagen der Vererbung
Die Organisation der genetischen Information in Form von Chromosomen ermöglicht deren Weitergabe während der Zellteilung bzw. an die nächste Generation. Die Chromosomenzahl ist ein artspezifisches Merkmal. Mit Ausnahme der Geschlechtschromosomen beim heterogameten Geschlecht (beim Menschen der Mann) sind die Chromosomen in der befruchteten Eizelle und in allen menschlichen Körperzellen doppelt vorhanden (diploider Chromosomensatz). In den Keimzellen ist nach den Reifungsteilungen (Meiose) nur ein einfacher (haploider) Chromosomensatz vorhanden. Chromosomen haben die Fähigkeit, sich identisch zu verdoppeln. Nach der Replikation besteht jedes Chromosom aus 2 identischen Schwesterchromatiden, die am Zentromer verbunden sind. Zentromere bestehen aus repetitiver DNA. Das Zentromer dient als Ansatzstelle für die Spindelfasern bei der Zellteilung. > In der menschlichen Zelle befinden sich normalerweise 46 Chromosomen, darunter 22 Paare homologer Autosomen und 2 Gonosomen (Geschlechtschromosomen).
Gonosomen sind das X- und das viel kleinere Y-Chromosom (Männer: XY; Frauen: XX). Das Y-Chromosom hat relativ wenig Gene von funktioneller Bedeutung, darunter SRY (»testis determining factor«); andere Gene sind wichtig für die Spermatogenese. Die männliche (Körper-)Größe wird vielleicht auch durch das Y-Chromosom mitbestimmt. Die Frau besitzt normalerweise ein X-Chromosom mehr als der Mann, die Menge der Genprodukte ist aber nahezu gleich. Durch Inaktivierung eines X-Chromosomens kommt es zur Gen-Dosis-Kompensation. > Lyon-Hypothese: Bei doppelt oder mehrfach vorhandenen X-Chromosomen ist nur eines genetisch aktiv, alle weiteren sind inaktiviert.
In weiblichen Interphasekernen liegt das inaktivierte X-Chromosom als Geschlechtschromatin oder BarrKörper vor. Dies sind der Kernmembran anliegende umschriebene Chromatinverdichtungen. Die Zahl der X-Chromosomen ist um 1 größer ist als die Zahl der Barr-Körperchen. Die Anzahl der Barr-Körperchen ist demnach: 4 bei der Frau und beim Klinefelter-Syndrom: 1 4 beim Mann: 0 4 bei Vorliegen von 3 X-Chromosomen: 2 In ca. 30–70% der Mundschleimhautzellen kann man bei der Frau mit »normalem« Genom Geschlechtschro-
2
matin zur Geschlechtsbestimmung nachweisen. Beim Menschen wird es am 12. bzw. 16. Tag der Embryonalentwicklung sichtbar. Es bleibt dem Zufall überlassen, ob das inaktivierte X-Chromosom einer Zelle väterlicher oder mütterlicher Herkunft ist, in davon abstammenden Zellen ist stets das X-Chromosom derselben Herkunft von der irreversiblen Inaktivierung erfasst. Bei Individuen mit mindestens 2 X-Chromosomen entsteht so ein Mosaik. Heterozygote Konduktorinnen einer Xchromosomalen Erbkrankheit besitzen dann sowohl normale als auch defiziente Zellen nebeneinander. Als Y-Chromatin bezeichnet man das im Ruhekern fluoreszenzmikroskopisch nachweisbare Y-Chromosom. 2.1.2 DNA-Replikation > Damit die genetische Information mittels Zellteilung an 2 Tochterzellen weitergegeben werden kann, muss sie erst verdoppelt, d. h. repliziert werden. Dies erfolgt in der S-Phase des Zellzyklus.
Unter Mitwirkung der Enzyme Helikase und Topoisomerase entwindet sich zunächst die Doppelhelix. An jedem Einzelstrang vollzieht sich dann die spezifische komplementäre Basenpaarung. Die Basen werden durch die DNA-abhängige DNA-Polymerase zu einem neuen Strang verknüpft. Da die Synthese nur in 5’–3’ Richtung erfolgen kann, wird nur ein Strang, »leading strand« kontinuierlich gebildet. Auf der anderen Seite der Replikationsgabel (Ort der Replikation, an dem die Stränge getrennt sind) wird der »lagging strand« diskontinuierlich synthetisiert, es entstehen kurze Stücke (Okazaki-Fragmente), die durch das Enzym Ligase verknüpft werden. Am Ende sind 2 Doppel-Stränge entstanden, die je aus einem alten und einem neuen Strang bestehen, deshalb wird diese Art der Replikation auch als semikonservativ bezeichnet. Eine Primase erzeugt zu Beginn der Replikation kleine, später wieder entfernte RNAPrimer, deren freie OH-Gruppe am C3-Atom von der DNA-abhängigen DNA-Polymerase für die Einleitung der DNA-Synthese benötigt wird. 2.1.3 Transkription und Translation ! Cave Der Syntheseweg DNA – mRNA – Protein ist fast ausnahmslos unidirektional. Transkription ist die Umschreibung von DNA – mRNA, Translation die Umschreibung von mRNA – Protein.
52
2
Kapitel 2 · Humangenetik
In . Abb. 2.2 dargestellt ist der DNA-Code-Strang eines Gens. Als markierte Boxen sind die Exons gezeichnet, die später in Protein translatiert werden. Die Introns entsprechen den Linien. Die Transkription beginnt am Transkriptionsstartpunkt, der sich im Promoterbereich des Gens befindet. Die heller markierten Abschnitte werden später nicht translatiert, da sie vor bzw. nach dem Translations-Startbzw. Stoppkodon lokalisiert sind. Durch Transkription entsteht das primäre Transkriptionsprodukt, es handelt sich um mRNA. Bei der Transkription wird der zum DNA-Code-Strang komplementäre kodogene DNA-Strang angelesen, so dass das primäre Transkriptionsprodukt in seiner Sequenz dem CodeStrang entspricht. Noch im Kern erfolgt die Prozessierung der RNA. Dabei werden die Introns durch Splicing entfernt. Am 5’-Ende wird ein methyliertes Guanosintriphosphat angehängt (Capping), am 3’-Ende erfolgt die Polyadenylierung, beides ist farbig hervorgehoben. Die prozessierte mRNA verlässt den Kern. Am Ribosomen erfolgt die Proteinbiosynthese. Die Translation beginnt am Startkodon (AUG). Ein Basentriplett der mRNA wird dabei von einem spezifischen tRNA-Molekül erkannt. Dieses trägt eine bestimmte Aminosäure (farbig). Das Protein wird fortlaufend bis zm Stoppkodon synthetisiert. 2.1.3.1
Transkription
> Die genetische Information wird von DNA in RNA umgeschrieben. Ähnlich wie bei der DNA-Synthese wird der DNA-Doppelstrang gespalten. Die RNA-Polymerase synthetisiert einzelsträngige RNA in 5’–3’ Richtung. RNA Polymerase II ist für die Bildung proteinkodierender RNA verantwortlich, deren Synthese am Transkriptionsstartpunkt beginnt.
Der DNA-Strang, an dem die RNA synthetisiert wird, heißt kodogener Strang, »template«, Antisense-Strang, Matrizenstrang oder Minusstrang. Die entstandene Basensequenz der RNA ist bis auf Uracil statt Thymin identisch mit der Basensequenz des Code-Strangs, Sense-Strangs oder Plusstrangs. Code-Strang und kodogener Strang sind also komplementär. Produkt der Transkription ist zunächst das primäre Transkriptionsprodukt, aus dem neben messengerRNA (mRNA) auch nicht-proteinkodierende RNA entsteht: 4 Ribosomale RNA (rRNA als ribosomales Strukturelement) 4 Transfer-RNA (tRNA für den Transport von AS und ihre Positionierung während der Proteinbiosynthese) u. v. a.
rRNA und tRNA werden aus größeren Vorläufern durch Nukleasen herausgeschnitten. Die Erzeugung von mRNA aus dem primären Transkriptionsprodukt (sog. hnRNA = heterogene nukleäre RNA) findet statt, bevor die RNA den Kern verlässt. Diesen Prozess bezeichnet man als Posttranskriptionale Modifikation (RNA-Editierung oder Prozessierung); er beinhaltet folgende Schritte: 4 RNA-Splicing: Herausschneiden von Introns (nichtkodierende Nukleinsäureabschnitte) 4 5’-Capping: Anknüpfung von methylierten Guanosintriphosphat zum Schutz der mRNA vor Abbau durch Nukleasen, Erleichterung des mRNATransports durch Kernporen und Anheftung an die Ribosomen 4 3’-Polyadenylierung: Anheftung von 50–200 Adenylresten an das 3’-Ende der mRNA, »Poly(A)Schwanz« ebenfalls zum Schutz vor enzymatischem Abbau und Erhöhung der mRNA-Halbwertszeit 2.1.3.2
Translation
> Die Umschreibung von mRNA in Protein findet am Ribosom statt. Der Prozess wird Proteinbiosynthese genannt.
Substrate sind AS, die ATP-abhängig an die 3’Basensequenz CCA der AS-spezifischen kleeblattförmigen tRNA gebunden wurden. Jede tRNA hat ein Antikodon aus 3 Basen, das komplementär zum Kodon der mRNA ist (. Abb. 2.2). Die Proteinbiosynthese umfasst 3 Schritte: 4 Initiation: Zusammensetzung des funktionellen Ribosoms aus den beiden Untereinheiten –50S und 30S bei Eukaryonten 4 Elongation: Verlängerung der Peptidkette am Carboxylende des Peptids 4 Termination: Abbruch der Proteinbiosynthese, sobald ein Stoppkodon auf der Aminoacyl-Stelle des Ribosoms liegt und Freisetzung der Peptidkette Zahlreiche Proteine (Initiations-, Elongations-, Terminationsfaktoren) sowie Spaltung von GTP sind beteiligt. 2.1.4
Genregulation bei Eukaryonten
Da sich alle Zellen des menschlichen Körpers aus einer Eizelle entwickeln, haben sie (theoretisch) alle den gleichen Satz Gene. Regulation der Genexpression sorgt dafür, dass sich im Embryo verschiedene Zellarten entwickeln können, aus denen die verschiedenen Organe
53 2.1 · Molekulare Grundlagen der Vererbung
. Abb. 2.2. Mindmap Transkription, Prozessierung der RNA und Proteinbiosynthese
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54
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Kapitel 2 · Humangenetik
hervorgehen. Je nach Zeitpunkt in Entwicklung oder Differenzierung bzw. je nach Zelltyp (nach abgeschlossener Differenzierung) und müssen dafür verschiedene Gene an- oder ausgeschaltet bzw. hoch- oder herunterreguliert werden. Auch wenn sich das Milieu verändert, z. B. bei Anwesenheit eines Hormons, kann über Rezeptoren und Signaltransduktion die Genexpression verändert werden.
Möglichkeiten der Genregulation 4 Veränderung der Transkriptionsrate eines Gens: – Chemische Modifikation: DNA-Methylierung – Strukturelle Modifikation: Spiralisierungsgrad der DNA (zunächst temporäre Transkriptionsregulation). Euchromatin ist im Gegensatz zum Heterochromatin entspiralisiert und kann transkribiert werden. Wichtig für die Spiralisierung ist das Vorhandensein von Histonen. Histon-Modifikationen sind verantwortlich für permanente Veränderungen des Expressionslevels einer Zelle. – Transkriptionsfaktoren (TF). Genexpression zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einer bestimmten Zellart kann reguliert werden durch Regulation der Konzentration von TF oder der Struktur der TF (z. B. Phosphorylierung) 4 Veränderung der RNA-Prozessierungsrate 4 Veränderung der mRNA Stabilität (Rate der mRNA Degradierung)
Zudem kann die Translationsrate am Ribosom verändert werden. »Housekeeping«-Gene werden dagegen immer und in allen Zellen exprimiert, z. B. Zytoskelettproteine. 2.1.5 Proteom > Proteom = Gesamtheit der genetisch kodierten Proteine eines Organismus
Bei nur 20.000–25.000 proteinkodierenden Genen wird derzeit eine wesentlich größere Anzahl an Proteinen vermutet. Posttranslationale Proteinmodifikation wie Hydroxylierung, Methylierung, Glykosylierung, Proteolyse trägt zu dieser Komplexität bei.
2.1.6 Begriffsdefinitionen Allele sind die verschiedenen Formen eines Gens, die an korrespondierenden Genloci (Genorten) der homologen Chromosomen vorkommen. Eine Allelkombination nennt man Genotyp, das entsprechende Merkmal ist das Erscheinungsbild oder der Phänotyp. Der Karyotyp beschreibt die Chromosomenebene. Existieren für ein Gen mehr als 2 Allele, spricht man von multipler Allelie. Autosomal vererbte Allele liegen auf Autosomen, X-chromosomal vererbte auf dem X-Chromosom. Enthalten homologe Chromosomen an korrespondierenden Genloci dasselbe Allel, nennt man dies reinerbig oder homozygot. Enthalten sie verschiedene Allele, so nennt man dies heterozygot. Da der Mann normalerweise nur ein X-Chromosomen besitzt, werden bei ihm nahezu alle rezessiven Allele auf diesem Chromosomen phänotypisch sichtbar und die Allele befinden sich im hemizygoten Zustand. Überdeckt bei einem heterozygoten Genotyp die Wirkung eines Allels die des anderen, so bezeichnet man das Phänotyp bestimmende Allel als dominant – Bezeichnung mit Großbuchstaben (A), das andere Allel ist rezessiv – Kleinbuchstabe (a). Der Genotyp ist dann entsprechend AA (homozygot dominant), Aa (heterozygot) oder aa (homozygot rezessiv). Werden die Informationen zweier Allele eines Gens gemeinsam ausgeprägt, bezeichnet man diese als kodominant (z. B. im AB0-Blutgruppensystem die Allele der Merkmale A und B). Konduktor (Überträger): Individuum, das ein Gen von der vorausgehenden Generation auf die nächstfolgende überträgt, ohne selbst zu erkranken. Die Bezeichnung Konduktorin wird insbesondere für Frauen verwendet, die heterozygot für ein X-chromosomal-rezessives Gen sind. 50% ihrer Söhne zeigen statistisch das X-chromosomal-rezessive Merkmal, 50% der Töchter werden Konduktorinnen. Unter Polyphänie (= Pleiotropie) versteht man die gleichzeitige Beeinflussung mehrerer Merkmale durch ein Gen, z. B. beim Marfan-Syndrom. Dabei kann eine pleiotrope Mutation in Bezug auf ein Merkmal rezessiv und gleichzeitig in Bezug auf ein anderes dominant sein. Heterogenie (= Genokopie): Ein identischer oder nicht sicher differenzierbarer Phänotyp kann durch verschiedene nicht-allele Gene entstehen, z. B. Taubstummheit, Ichthyosis congenita. Crossing over bezeichnet den Mechanismus, der zum Austausch von Chromosomenabschnitten zwischen homologen Chromosomen in der Prophase der Meiose (Reifeteilung zur Erzeugung von Keimzellen
55 2.2 · Methoden der genetischen Diagnostik
mit haploidem Chromosomensatz) führt. Gekoppelte Gene werden getrennt und neu kombiniert (rekombiniert). Ein Chiasma ist das im Mikroskop sichtbare morphologische Korrelat des Crossing over (Verklebungs- und Überkreuzungsstellen der Chromatiden). Unter genetischer Koppelung versteht man die gemeinsame Übertragung von auf einem Chromosom gelegenen Genen an die Nachkommen; durch Crossing over kann die Kopplung wieder durchbrochen werden.
2
Da die Wahrscheinlichkeit für ein Crossing over vom Abstand der beiden Genorte abhängt, ist die genetische Kopplung verschieden eng. Dieses Phänomen kann man zur Genkartierung nutzen (Lokalisierung von Genen auf Chromosomen), entsprechende Abbildungen der chromosomalen Anordnung von Genen heißen Genkarten. Durch Rekombination kann Genkopplung aufgehoben werden und neue Genkombinationen entstehen.
In Kürze Molekulare Grundlagen der Vererbung 4 Träger der menschlichen Erbinformation sind DNA-Moleküle. Eine Aminosäure eines Proteins wird durch die Abfolge von je 3 Basen durch den genetischen Code bestimmt. Die genetische Erbinformation kann durch Replikation mitotisch und meiotisch weitergegeben werden. 4 Durch Transkription wird die Information der Gene von DNA in mRNA umgeschrieben. Mit Hilfe der mRNA wird in der Translation ein durch das jeweilige Gen kodiertes Protein synthetisiert. Dieser Vorgang wird auch als Proteinbiosynthese bezeichnet. Zur Komplexität des Proteoms, also der Gesamtheit der Proteine einer Zelle, trägt die posttranslationale Modifikation bei.
2.2
Methoden der genetischen Diagnostik
Der Mensch lässt sich auf 3 Ebenen genetisch untersuchen: 4 Phänotyp 5 Klinisch: z. B. Café-au-lait-Flecken bei Neurofibromatose I 5 Bildgebend: z. B. Zystennieren bei autosomaldominanter polyzystischer Nierenerkrankung im Ultraschall 5 Apparativ: z. B. EMG bei myotonischer Dystrophie 5 Biochemisch: Nachweis der Konzentration von Metaboliten oder Enzymaktivitäten, z. B. Gerinnungsfaktoraktivitäten bei Hämophilie 4 Chromosom: Bestimmung des Karyotyps mittels zytogenetischer Methoden 4 Gen: Bestimmung des Genotyps mittels molekulargenetischer Methoden
4 Die Genregulation ermöglicht die koordinierte Transkription von Genen zu bestimmten Zeitpunkten der Entwicklung, des Zellzyklus bzw. in bestimmten Geweben und Zellen. 4 Die Assoziation der DNA mit Histonen und NichtHistonen in Form von Chromatin ermöglicht die Kondensation zu kompakten Chromosomen und damit die Weitergabe der Erbinformation während der Zellteilung. 4 Der Mensch besitzt normalerweise 46 Chromosomen, 22 Paare homologer Autosomen und 2 Gonosomen. In den weiblichen Interphasekernen liegt das inaktivierte X-Chromosom als Geschlechtschromatin oder Barr-Körper vor.
2.2.1
Methoden zytogenetischer Diagnostik
> Die zytogenetische Diagnostik dient der Untersuchung der Zahl und Struktur der Chromosomen.
2.2.1.1
Klassische Zytogenetik
> Karyotyp = systematische, geordnete Darstellung der Gesamtheit der Chromosomen einer Zelle
Die Bezeichnung erfolgt auf Grundlage der aktuellen ISCN (»International System for Human Cytogenetic Nomenclature«). Ein Karyotyp wird folgendermaßen beschrieben (. Tab. 2.1): Gesamte Chromosomenzahl – Komma – Geschlechtschromosomenkonstitution – ggf. Komma und Aberrationen (d. h. Abweichung vom Normalen) Beim Karyotyp unterscheidet man folgende Arten: 4 Konstitutiver Karyotyp (auch konstitutioneller Karyotyp) 4 Nicht-konstitutiver Karyotyp (erworbener Karyotyp)
56
Kapitel 2 · Humangenetik
. Tab. 2.1. Beispiele für normale bzw. pathologische Karyotypen
2
Normal Frau/Mann
46,XX/46,XY
Klinefelter-Syndrom
47,XXY
Trisomie 21, männlich
47,XY,+21
Klinefelter-Mosaik
mos 47,XXY[30]/46,XY[20] [n = gezählte Metaphase-Zellen]
Translokation
46,XX,t(9;22)(q11;q34) Erste Klammer: beteiligte Chromosomen, zweite Klammer: Bruchpunkte auf den beteiligten Chromosomen
Deletion
46,XX,del(2)(q23q32) Erste Klammer: betroffenes Chromosom; zweite Klammer: Bruchpunkte
Indikationen für die Abklärung des konstitutiven Karyotyps sind genetischer Art, z. B. der Verdacht auf Vorliegen einer Chromosomenaberration. Der erworbene Karyotyp kann bei Neoplasien untersucht werden, z. B. Philadelphia-Chromosom bei chronisch myeloischer Leukämie. Die Untersuchung solider Tumoren erfolgt gegenwärtig v. a. auf experimenteller und weniger auf diagnostischer Basis. Den Karyotyp kann man aus einem Karyogramm ermittelt. Dafür erfolgt meist eine Chromosomenpräparation aus peripheren Lymphozyten, Haut, Knochenmark, Chorionzotten oder Amnionzellen. T-Lymphozyten werden durch Gabe von Phythämagglutinin zur Zellteilung angeregt. Colchicin hemmt dann die Ausbildung des Spindelapparates und damit die Trennung der Metaphasechromosomen. > Karyogramm = geordnete Darstellung der durch ein Mikroskop fotografierten Metaphase-Chromosomen eines diploiden Chromosomensatzes
Chromosomen werden normalerweise zu 22 homologen Paaren und den 2 Geschlechtschromosomen angeordnet. Morphologische Kriterien zur Einteilung der Chromosomen in die 7 Gruppen A-G sind: 4 Länge 4 Lage des Zentromers: metazentrische, submetazentrische und akrozentrische Chromosomen 4 Vorhandensein oder Abwesenheit von Satelliten (stielartige Anhänge akrozentrischer Chromosomen) Durch spezifische Anfärbung der Chromosomen werden Banden sichtbar, die jedes Chromosom eindeutig charakterisieren. Da Mosaike vorkommen (evtl. nicht
alle Zellen betroffen sind), müssen immer in mehrere Metaphasen analysiert werden. Idiogramm nennt man die schematisierte graphische Darstellung der Bänderung der Chromosomen des haploiden Chromosomensatzes. 2.2.1.2 Molekulare Zytogenetik Molekulare Zytogenetik wird eingesetzt bei: 4 mikroskopisch nachweisbaren Chromosomenaberrationen, die sich jedoch aufgrund der Bänderung nicht genau definieren lassen, 4 Verdacht auf Chromosomenaberration, die mikroskopisch nicht nachweisbar ist (submikroskopische Aberrationen), bei Mikrodeletionssyndromen. In-situ-Hybridisierung (ISH) Eine markierte einzelsträngige DNA-Sonde wird mit denaturierter chromosomaler DNA hybridisiert, so dass sie spezifisch an die komplementäre DNA des Chromosoms binden kann. Bei Fluoreszenz-ISH (FISH) wird die Sonde fluoreszenzmarkiert (. Abb. 2.3). Mittels ISH nachgewiesene Regionen sind typischerweise kleiner als mittels zytogenetischer Diagnostik, aber größer als die mittels molekulargenetischen Methoden erfassbaren. FISH kann als »pränataler Schnelltest« mit Fruchtwasserzellen in der Interphase durchgeführt werden, wobei 80–90% der numerischen Chromosomenaberrationen nach 24 h erkannt werden. Bei Kontamination des Fruchtwassers mit mütterlichen Zellen (z. B. Blut) oder bei Mosaik ist die Aussagekraft eingeschränkt. Auch in der Tumorzytogenetik kann Interphase-FISH-Diagnostik eingesetzt werden. Mittels FISH kann man die Zusammensetzung von Markerchromosomen bestimmen, d. h. aus welchen Chromosomenabschnitten zusätzliche Chromosomen hervorgegangen sind.
57 2.2 · Methoden der genetischen Diagnostik
a
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b
. Abb. 2.3a,b. Interphase-FISH. a Amnionzellkern eines Feten mit dem normalen Karyotyp 46,XX nach Fluroreszenz-insitu-Hybridisierung (FISH) mit einer Chromosom-18-spezifischen Sonde. Es sind zwei Signale sichtbar. b Die Amnionzellkerne dieses Feten wiesen drei Signale mit der Chromosom-18-spezifischen Sonde auf; die Karyotyp-Analyse (47,XY, +18) bestätigte, das es sich hier um eine Trisomie 18 handelte. (Aus Raem et al. 2001)
2.2.2
Methoden molekulargenetischer Diagnostik
In der molekulargenetischen Diagnostik werden genetische Tests zur Analyse von relativ kurzen DNA-Abschnitten eingesetzt. 2.2.2.1 Direkte Gentests Direkte Gentests ermitteln Veränderungen der DNASequenz, die unmittelbar Ursache einer Krankheit sind, bei monogenen Erkrankungen dienen sie zur Bestimmung des Genotyps. 4 Die DNA-Sequenzierung bestimmt die Basenfolge eines DNA-Abschnitts. 4 Die Polymerasekettenreaktion (PCR) dient der Amplifikation bestimmter DNA-Abschnitte (. Abb. 2.4). 4 Im Southern Blot können im Gegensatz zur PCR auch größere DNA-Abschnitte untersucht werden. 2.2.2.2 Indirekte Gentests Wenn bei einer monogenen Erkrankung die krankheitsverursachende Genmutation (noch) nicht bekannt ist, aber die chromosomale Lokalisation, bedient man sich des indirekten Gentests. Dabei werden DNA-Abschnitte in der Nähe des krankheitsvermittelnden Gens untersucht, die gekoppelt vererbt werden. Sinnvollerweise werden DNA-Abschnitte ausgewählt, die in der Bevölkerung in unterschiedlichen Varianten vorkommen, z. B. polymorphe Mikrosatelliten mit repetitiven Basenwiederholungen. Diese gekoppelten und polymorphen DNA-Abschnitte kann man als Marker verwenden.
. Abb. 2.4. Genotypisierung mit der Polymerase-KettenReaktion. Genomische DNA von Mitgliedern dieser Familie wurde mit CFTR-Exon 10-spezifischen Primern amplifiziert und auf ein Agarose-Gel aufgetragen. Beim Vorliegen der zur CF (Mukoviszidose) führenden Mutation F508 (eine 3-Basenpaar-Deletion) wird ein 94 bp langes Produkt (M) generiert, während das normale Produkt (N) eine Länge von 97 bp aufweist (H = artifiziell entstandene Heterodimere). Vater (2), Mutter (4) und eine Tochter (6) sind heterozygot für die Deletion, der betroffene Sohn (3) ist homozygot für die Deletion. Die im Rahmen einer vorgeburtlichen Diagnostik analysierte fetale DNA (1) weist ebenso wie die der gesunden Tochter (5) eine Homozygotie für das Normalallel auf. Das erwartete Kind wird nicht von einer CF betroffen sein. (Aus Raem et al. 2001)
Kopplungsanalyse/Haplotypenanalyse. In einer betroffenen Familie kann mit diesen Markern eine Kopplungsanalyse durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass genügend Familienmitglieder einschließlich Betroffener am Leben sind, die auf entsprechende Marker untersucht werden können. Es wird überprüft, welche Variante des Markers mit dem Vorhandensein der Krankheit assoziiert ist. Es kann eine prädiktive ggf. auch pränatale Risikoabschätzung bezüglich Vorhandenseins der Krankheitsanlage gemacht werden, indem man »nur« die Variante des Markers bestimmt. Eine derartige Familienuntersuchung wird auch Haplotypenanalyse genannt. Es muss dabei berücksichtigt werden, dass sich gekoppelte DNA-Abschnitte durch Rekombination auch wieder trennen können. Die Rekombinationswahrscheinlichkeit kann durch Auswahl von Markern, die innerhalb des Gens oder flankierend lokalisiert sind, minimiert werden.
58
Kapitel 2 · Humangenetik
Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus (RFLP).
2
Polymorphe DNA-Abschnitte können unterschiedliche Anzahl und Lage von Restriktionsenzym-Schnittstellen haben. Es ergeben sich unterschiedlich lange DNA-
Fragmente, die nach elektrophoretischer Auftrennung unterscheidbar sind. RFLP wird heute praktisch nicht mehr eingesetzt.
In Kürze Genetische Diagnostik Ebene der Diagnostik
Testverfahren/Methodik
Fragestellung
Phänotyp
4 4 4 4
4 Hinweise auf eine genetische Erkrankung im Befund?
Chromosom
4 Klassische Zytogenetik 4 Karyogramm zur Bestimmung des Karyotyps 4 Idiogramm
4 Mikroskopisch nachweisbare Chromosomenaberration?
4 Molekulare Zytogenetik 4 In-situ-Hybridisierung
4 Mikroskopisch nachweisbare, aber nicht genau definierbare Chromosomenaberration? 4 Submikroskopische Aberration?
4 Molekulargenetischen Diagnostik 4 Direkter Gentest: PCR, Sequenzierung, Southern Blot 4 Indirekter Gentest: Kopplungsanalyse, RFLP
4 Genmutation? 4 Kopplungsanalyse
Gen
2.3
Anamnese und klinischer Befund Bildgebung Weitere apparative Diagnostik Klinische Chemie/Biochemie
Genetische Beratung
2.3.1 Indikationen > Die genetische Beratung und Diagnostik wird derzeit gezielt bei bestimmten Fragestellungen bzw. in bestimmten Familien durchgeführt, in der Regel bei erhöhtem Risiko für eine genetische bedingte Erkrankung.
Indikationen bestehen in folgenden Fällen: 4 Familien mit genetischen Erkrankungen oder Krankheitsprädispositionen. Beispiel: Ein Kind hat eine autosomal-rezessive Krankheit und die Eltern haben weiteren Kinderwunsch. Die Eltern können eine Mutationsanalyse oder eine indirekte DNAAnalyse in Anspruch nehmen und ggf. eine Pränataldiagnostik des ungeborenen Kind durchführen lassen. 4 Bevölkerungsgruppen mit gehäuftem Vorkommen bestimmter Allele, v. a. wenn sich durch frühe
Diagnostik die Manifestation der Krankheit vermeiden oder besser behandeln lässt. 4 Gesamtbevölkerung (generelles Screening) in Zukunft evtl. denkbar z. B. für genetische Prädispositionen für Darm- und Brustkrebs oder monogenen Erkrankungen wie Hämochromatose. 4 Individuen ohne erhöhtes Risiko, wenn starke Verunsicherung besteht. 4 Eine genetische Erkrankung kann auch akzidentell entdeckt werden, z. B. zufällige Entdeckung eines α1-Antitrypsinmangel bei einem Neugeborenen mit physiologischem Neugeborenenikterus. Besondere Indikationen können sein: 4 Pharmakogenetische Untersuchung: Erkennung von besonderen Formen der Auseinandersetzung zwischen Organismus und Medikamenten u. a. chemischen Stoffen wie Nahrungsmittel, Noxen in Umwelt oder am Arbeitsplatz. 4 Untersuchungen auf überdurchschnittliche Krankheitsresistenz oder besondere körperliche
59 2.3 · Genetische Beratung
Leistungsfähigkeit, z. B. erhöhte Muskelmasse bei Mutation im Myostatin-Gen »Schwarzenegger Gen« oder relative Resistenz gegenüber HIV-1-Infektion bei Mutation im Chemokinrezeptor CCR5. Heterozygotentests testen gesunde Menschen auf Heterozygotie. Sie werden bei Erkrankungen durchgeführt, die sich nur bei Homozygoten (autosomal-rezessiver Erbgang) oder Hemizygoten (X-chromosomalrezessiver Erbgang) manifestieren. Die Heterozygoten haben selbst in der Regel keine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit, können das Allel aber an die Nachkommen weitergeben. Heterozygotentests werden von Paaren mit positiver Familienanamnese für rezessive Erkrankungen in Anspruch genommen. In manchen Ländern oder Populationen, in denen entsprechende Erkrankungen gehäuft vorkommen, werden Heterozygotentest vom Gesundheitssystem angeboten, z. B. β-Thalassämie im Mittelmeerraum oder Tay-SachsKrankheit bei aschkenasischen Juden.
2
2.3.4 Genetische Diagnostik Die genetische Diagnostik ist Basis für die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer genetischen Erkrankung oder dient der Diagnosesicherung bei klinisch bereits manifester erblicher Erkrankung.
Genetische Diagnostik 4 Einteilung nach technischen Kriterien – Phänotyp – Chromosom – Gen 4 Einteilung nach dem Zeitpunkt – Präkonzeptionell – Präimplantativ – Pränatal – Postnatal – Prädiktiv am klinisch Gesunden zur Erkennung der Krankheitsanlage und Ermittlung des Risikos – Diagnosesicherung bei klinisch manifester erblicher Erkrankung
Genetische Test bei Minderjährigen Solche Tests sollten auch mit Zustimmung der Sorgeberechtigten generell nur durchgeführt werden, wenn sich daraus präventive oder therapeutische Maßnahmen ableiten, z. B. präventive Thyroidektomie bei nachgewiesener multipler endokriner Neoplasie 2 (MEN-2). In seltenen Fällen kann die Untersuchung eines Kindes auch nötig sein, um eine Aussage über Überträgerstatus oder Erkrankungswahrscheinlichkeit eines anderen Familienangehörigen treffen zu können.
2.3.5 Aussagekraft von Testergebnissen,
2.3.2 Aufklärung und Beratung
Penetranz. Die nach dem Testergebnis zu treffende
Vor und nach der Durchführung genetischer Diagnostik muss der Patient über die Untersuchung, Aussagekraft des Tests und v. a. umfassend über die Krankheit (Ursache, Prognose, Prävention, Therapie, mögliche psychologische und sozialer Hilfe) aufgeklärt werden. Er kann sich frei für oder gegen die Durchführung des Testes entscheiden. 2.3.3 Anamnese und
Stammbaumerstellung Zunächst erfolgen Eigen- und Familienanamnese, aus den Informationen kann man einen Stammbaum erstellen, ggf. mit Ergänzung von Ergebnissen genetischer Diagnostik. Dadurch kann man oft schon wichtige Hinweise auf die Diagnose erhalten und evtl. Risiken für weitere Familienangehörige ableiten.
Quantifizierung genetischer Risiken Zur Risikoeinschätzung für eine bestimmte Erkrankung müssen Testparameter wie Sensitivität, Spezifität, positiv und negativ prädiktiver Wert beachtet werden.
Aussage bezüglich des Erkrankungsrisikos hängt auch von der Penetranz einer Erkrankung ab. Darunter versteht man die Manifestationswahrscheinlichkeit eines Allels; also den Anteil der Merkmalsträger bezogen auf die Gesamtzahl der Genträger, die durch ihre genetische Konstitution das Merkmal zeigen könnten. Unvollständige Penetranz kann durch Umwelteinflüsse oder Interaktion mit anderen Genen ausgelöst werden und ist bei dominanten Erkrankungen des Menschen häufig. 100% Penetranz bedeutet, dass ein Genotyp immer zu einem bestimmten Phänotyp führt, z. B. Auftreten von Huntington-Krankheit bei Nachweis einer Repeat-Vermehrung im Huntingtin-Gen. Expressivität. Expressivität beschreibt den Grad der
Ausprägung eines erblichen Merkmals, dem ein einzelnes Gen zugrunde liegt. Auch sie kann unterschiedlich sein und von anderen modifizierenden Genen und Umweltfaktoren beeinflusst werden, z. B. interindividu-
60
2
Kapitel 2 · Humangenetik
ell unterschiedliche Ausprägung des Marfan-Syndroms. Gelegentlich kann der Träger eines dominanten Allels sogar merkmalsfrei sein (unvollständige Penetranz) und erst in der nächsten Generation manifestiert sich die Erkrankung wieder. Genotyp-Phänotyp-Korrelation. Nur bei einigen hoch-
penetranten Erkrankungen besteht ein enger Zusammenhang zwischen Genotyp und Krankheitsverlauf bzw. Prognose. So korreliert z. B. die Anzahl der CAGWiederholungen mit dem Manifestationsalter bei Huntington-Erkrankung. Bei vielen anderen Erkrankungen ist bei ausschließlicher Kenntnis des Genotyps eine Aussage über Verlauf und Prognose nur bedingt oder gar nicht möglich. Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung beim Einzelnen.
In Familien mit genetisch bedingten Erkrankungen kann man das Risiko errechnen, mit dem Nachkommen die Erkrankung erben oder geerbt haben. Dabei unterscheidet man A-priori-Wahrscheinlichkeit und posteriore Wahrscheinlichkeit.
> 4 Die A-priori Wahrscheinlichkeit gibt die Wahrscheinlichkeit an, die unabhängig von der Erfahrung ist. 4 Die posteriore Wahrscheinlichkeit berücksichtigt auch Aspekte, die durch Erfahrung/Beobachtung bekannt sind. Die reale Wahrscheinlichkeit für ein weiteres Kind, zu erkranken, ist z. B. geringer, je mehr gesunde Kinder bereits geboren sind oder bei autosomal-dominanten Erkrankungen (insbesondere bei verminderter Penetranz oder spätem Beginn der Erkrankung) je älter die Eltern werden, ohne dass Krankheitssymptome aufgetreten sind.
Zur Berechnung der posterioren Wahrscheinlichkeit wird das Bayes-Theorem herangezogen. In die Berechnung der posterioren Wahrscheinlichkeit fließen auch Ergebnisse molekulargenetischer Untersuchungen ein. Bei klinischem Verdacht auf zystische Fibrose wird die posteriore Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Erkrankung durch Ausschluss der in der Population häufigsten Mutationen mittels Gentests geringer.
In Kürze 4 Die genetische Beratung und Diagnostik wird gezielt bei bestimmten Fragestellungen bzw. für bestimmte Zielgruppen durchgeführt, in der Regel bei erhöhtem Risiko. Nach dem Zeitpunkt der genetischen Diagnostik unterscheidet man präkonzeptionelle, präimplantative, pränatale, und postnatale Diagnostik. Die Diagnostik kann am klinisch Gesunden zur Erkennung der Krankheitsanlage und zur Risikoermittlung durchgeführt werden und ist dann prädiktiv, bei klinisch manifester Erkrankung dient sie der Diagnosesicherung.
2.4
Pränatale Diagnostik
Die pränatale Medizin dient der Betreuung der ratsuchenden Schwangeren und des Ungeborenen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist dabei wichtig. Pränatale Diagnostik ist ein wesentlicher Bestandteil, sie untersucht morphologische, strukturelle, funktionelle, chromosomale und molekulare Störungen vor der Geburt. Störungen der embryonalen oder fetalen Entwicklung sollen so möglichst früh erkannt werden, um eine optimale Behandlung einzuleiten. Vor und nach Durchführung der pränatalen Diagnostik muss die Schwangere umfassend aufgeklärt werden und zuvor in die Untersuchung einwilligen. Bei pathologischem Befund
4 Zur Risikoeinschätzung für eine bestimmte Erkrankung müssen Testparameter wie Sensitivität, Spezifität, positiv und negativ prädiktiver Wert beachtet werden. Dabei sind auch Penetranz und Expressivität einer Erkrankung wichtig. 4 Die A-priori Wahrscheinlichkeit gibt die Wahrscheinlichkeit an, die unabhängig von der Erfahrung ist. Die posteriore Wahrscheinlichkeit berücksichtigt auch Erfahrung bzw. Beobachtung.
erhält sie weitere Information und Beratung zu medizinischen und sozialen Therapien und Förderungsmöglichkeiten für ein betroffenes Kind und ggf. Hilfe bei der Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch der Schwangerschaft. 2.4.1 Indikationen für die pränatale
Diagnostik In den nach den Mutterschaftsrichtlinien durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft durch den Gynäkologen können in Anamnese und Befund Risikofaktoren für bzw. Anzeichen von
61 2.4 · Pränatale Diagnostik
Entwicklungsstörungen beim Kind festgestellt werden (7 Kap. Gynäkologie, Geburtshilfe). Weitere pränatale Diagnostik ist angezeigt, wenn die Mutter ein erhöhtes Risiko hat (z. B. Diabetes oder Epilepsie), oder wenn in den Vorsorgeuntersuchungen Entwicklungsstörungen des Kindes auffallen. Weitere gezielte Ultraschalluntersuchungen können erforderlich sein. Bei Verdacht auf Infektion der Schwangeren kann das mütterlich Blut bzw. Serum auf Erreger und Antikörper untersucht werden.
Indikationen für eine invasive pränatale Diagnostik 4 Positive Familienanamnese genetisch bedingter und pränatal diagnostizierbarer Erkrankungen 4 Erhöhtes Alter der Schwangeren: Ab dem 35. Lebensjahr spricht man von mittlerem Risiko. 4 Auffällige Serummarker (z. B. im sog. TripleTest: AFP, HCG und Östradiol in der 16. SSW kann auf ein erhöhtes Risiko für eine Trisomie 21 hinweisen) 4 Fehl- und Totgeburten, habituelle Aborte, angeborene Fehlbidungen oder Fehlentwicklungen in Familien- und Schwangerenanamnese 4 Elterliche strukturelle Chromosomenaberration 4 Auffällige sonographische Befunde: Bei 60% der Kinder mit chromosomaler Störung ist in der 11. bis 14. SSW eine erhöhte Nackentransparenz nachweisbar. Es gibt aber Assoziationen mit Trisomien oder anderen Fehlbildungen, v. a. Trisomie 21. 4 Exposition gegenüber mutagenen, teratogenen, fetotoxischen Agenzien wie Infektionen, ionisierende Strahlen, prä-, peri- und postkonzeptionelle Einnahme von Medikamenten, Genussmitteln, Drogen
2.4.2
Methoden der pränatalen Diagnostik
2.4.2.1 Triple-Test Das mütterliches Serum wird in der 16. SSW untersucht auf: 4 Alpha-Fetoprotein (AFP) 4 Choriongonadotropin (HCG) 4 Unkonjugiertes (= freies) Östradiol
2
Unter Berücksichtigung von mütterlichem Alter, Gewicht und der genauen Schwangerschaftsdauer lässt sich das Risiko für eine Trisomie 21 berechnen. AFP wird v. a. im Dottersack und in der fetalen Leber gebildet und kann im fetalen Serum ab der 4. SSW nachgewiesen werden. Es gelangt über fetalen Urin ins Fruchtwasser und ins mütterliche Serum. Bei Trisomie 21 sind AFP und unkonjugiertes Östriol durchschnittlich um ¼ reduziert, die Konzentration von HCG ist etwa doppelt so hoch. Der Test erkennt die meisten Fälle von Trisomie 21, allerdings ist die Rate falsch-positiver Ergebnisse hoch. 2.4.2.2
Methoden der invasiven pränatalen Diagnostik (. Tab. 2.2) Weitere Untersuchungen des gewonnenen Materials beinhalten die Bestimmung der Konzentration von AFP und Azetylcholinesterase (AChE) im Fruchtwasser. Ursachen für AFP-Erhöhung im Fruchtwasser können sein: 4 Neuralrohrdefekte, z. B. Spina bifida, Anenzephalie (Abgabe mit dem Liquor cerebrospinalis ins Fruchtwasser, Erhöhung kann auch im mütterlichen Serum nachweisbar sein und im Rahmen des TripleTests auffallen) 4 Fetale Proteinurie bei kongenitaler Nephrose 4 Schluckstörungen 4 Intestinale Resorptionsstörungen 4 Mehrlingsschwangerschaften Vermindert ist AFP bei Trisomie 21. Der Nachweis von AChE im Fruchtwasser kann ebenfalls Hinweise auf Anenzephalie oder Spina bifida liefern. > Eine zytogenetische Untersuchung erfolgt aus Trophoblasten, Amnionzellen, fetalen Organgeweben oder Blut.
Die Kurzzeitkultur liefert 1–2 Tage nach Chorionzottenbiopsie ein vorläufiges Ergebnis bezüglich Geschlechtschromosomen-Konstitution und Karyotyp. FISH als »pränataler Schnelltest« erfolgt aus unkultivierten fetalen Zellen aus der Amnionflüssigkeit. Die Langzeitkultur liefert Ergebnisse nach 1–2 Wochen bei Chorionzottenbiopsie bzw. 2–3 Wochen bei Amnionzentese. Weitere Optionen sind biochemische oder enzymatische Analysen sowie molekulargenetische Diagnostik.
62
Kapitel 2 · Humangenetik
. Tab. 2.2. Methoden der invasiven pränatalen Diagnostik Amnionzentese (Standardmethode zur Untersuchung des fetalen Karyotyps)
Chorionzottenbiopsie (1. Trimenon) bzw. Plazentapunktion (2./3. Trimenon)
Chordozentese/Nabelschnurpunktion
Fetoskopie
Zeitpunkt
Frühamnionzentese ab 14. SSW; Standardamnionzentese ab 15. SSW
Ab 12. SSW – wegen Risiko von Extremitätenfehlbildungen nicht früher
Ab 18. bis 20. SSW
Am besten zwischen 17.-20. SSW
Zugangsweg
Transabdominal unter Ultraschallkontrolle
Transabdominal oder transzervikal unter Ultraschallkontrolle
Transabdominal unter Ultraschallkontrolle
Transabdominale Einführung des Fetoskops über Trokar
Gewonnenes Material
Amnionzellen (fetale Fibroblasten u. a. Zellen) und Fruchtwasser
Trophoblastenzellen
Fetales Blut, Bestimmung von fetalem Hämoglobin, Hämatokrit, Bilirubin und fetaler Antikörperproduktion möglich
Direkte Betrachtung des Fetus; heute meist durch Ultraschalluntersuchung ersetzt; möglich sind auch Haut-, Leber-, Muskelbiopsie
Abortrisiko
0,5–1%
0,5–1%
1%, indikationsabhängig, z. B. bei Hydrops fetales höher
2–3% in Verbindung mit Hautbiopsie
Kurzzeitkultur
Keine, aber FISHSchnelltest möglich
1–2 Tage
Kultur 2–3 Tage
Langzeitkultur
2–3 Wochen
ca. 2 Wochen
Mosaikrate im Karyotyp
–
1,5–2% schwer interpretierbare Mosaikbefunde (Karyotyp von Trophoblasten und fetalen Zellen unterschiedlich)
2
–
–
In Kürze
Indikationen für invasive pränatale Diagnostik 4 Positive Familienanamnese genetischer Erkrankungen 4 Hohes Alter der Schwangeren 4 Auffällige Serummarker (z. B. im sog. Triple-Test) 4 Fehl- und Totgeburten, habituelle Aborte, angeborene Fehlbildungen oder Fehlentwicklungen in Familien- und Schwangerenanamnese 4 Elterliche strukturelle Chromosomenaberration 4 Auffällige sonographische Befunde
4 Exposition gegenüber mutagenen, teratogenen, fetotoxischen Agenzien Methoden der invasiven pränatalen Diagnostik 4 Amnionzentese 4 Chorionzottenbiopsie (1. Trimenon) bzw. Plazentapunktion (2./3.Trimenon) 4 Chordozentese 4 Fetoskopie
63 2.7 · Mutationen
2.5
Präimplantationsdiagnostik (PID)
Die Präimplantationsdiagnostik (PID) kann bei Invitro-Fertilisation embryonale Zellen auf genetische Faktoren untersuchen, bevor sie in den Uterus zurücktransferiert werden. In Deutschland gilt die Rechtseinschätzung, dass PID aufgrund des Embryonenschutzgesetzes anders als in anderen europäischen Ländern und den USA nicht erlaubt ist. Ein Gesetz zur genauen Regelung der PID wird gefordert. 2.6
Abstammungsgutachten
Es hat den Zweck, eine vermutete Verwandtschaftsbeziehung festzustellen oder auszuschließen, z. B. Vaterschaftsgutachten, also den Nachweis bzw. Ausschluss der Erzeugerschaft eines Mannes. In der Presse findet man Angaben, dass etwa 5–10% oder sogar bis 20% der Väter nicht die biologischen Väter/Erzeuger ihrer Kinder sind. Um eine Vaterschaft vor Gericht an- bzw. aberkennen zu lassen, muss ein Vaterschaftsgutachten vorliegen. Ein Abstammungsgutachten kann von Gerichten, Behörden oder Privatpersonen in Auftrag gegeben werden. Ohne richterlichen Beschluss darf die Abstammung einer Person nur nach deren Einwilligung bzw. der Einwilligung des Sorgeberechtigten untersucht werden. Es wird entweder eine Blutprobe oder ein Mundschleimhautabstrich für die Untersuchung verwendet. Heimlich in Auftrag gegebene Vaterschaftstests sind in Deutschland gerichtlich als Beweismittel nicht anerkannt. 2.6.1 Untersuchte Systeme Systemkategorien für Abstammungsgutachten sind: 4 Restriktions-Fragment-Längenpolymorphismus (RFLP) 4 Mikrosatelliten-Polymorphismus: mindestens Tetramere (»short tandem repeat«) 4 HLA-System 4 Kombinationen aus: 5 Erythrozytenmembranantigenen wie AB0 und Rhesusblutgruppeneigenschaften 5 Serumproteinen 5 Erythrozytenenzymen
2
4 DNA-Fingerprinting: genetischer Fingerabdruck, gleichzeitige Untersuchung vieler Loci, wobei eine oder mehrere DNA-Sonden eingesetzt, die an hochpolymorphe Stellen des Genoms binden (Sichtbarmachung ähnlich dem Southern-Blot-Verfahren) 2.6.2
Anforderungen an die Analytik
Die eingesetzten analytischen Verfahren müssen eine kombinierte allgemeine Vaterschafts-AusschlussChance von mindestens 99,9% erreichen. Mindestens 12 voneinander unabhängige Loci auf mindestens 10 verschiedenen Chromosomen bzw. deren Produkte werden untersucht. 2.6.3
Beurteilung und Schlussfolgerung
2.6.3.1 Ausschluss der Abstammung Mindestens 3 Ausschlusskonstellationen auf verschiedene Chromosomen erlauben die Aussage, dass die Abstammung vom Präsumptiv-(angenommen) Vater ausgeschlossen ist, d. h. das Kind kann die genetische Information weder von Mutter noch vom Präsumptivvater bekommen haben, andere genetische Information muss »mitgewirkt haben«. Bei weniger als 3 Ausschlusskonstellationen muss eine statistische Bewertung unter Einbeziehung von möglichen Neumutationen erfolgen. 2.6.3.2 Nichtausschluss der Abstammung Bei Nichtausschluss müssen die Befunde durch statistische Maßzahlen (Likelihood-Quotient, Paternity Index etc.) quantifiziert werden. Parameter wie Allelfrequenz, Mutationsraten, Vorliegen stummer Allele und Häufigkeit eines Merkmals in der entsprechenden ethnischen Gruppe etc. werden berücksichtigt und ein Wahrscheinlichkeits-Wert für die Vaterschaft angegeben. Ist dieser Wert mindestens 99,9%, ist die »Vaterschaft praktisch erwiesen«. 2.7
Mutationen
2.7.1
Grundlagen und Definitionen
> Die Untersuchung der »short tandem repeats« stellt derzeit das wichtigste System dar.
> Eine Mutation stellt eine Veränderung des genetischen Materials dar.
Eingesetzte Methoden: 4 DNA-Profiling: aufeinanderfolgende Untersuchung einzelner Loci
Einteilung nach der Ursache: 4 Spontanmutation ohne erkennbare äußere Ursache
64
2
Kapitel 2 · Humangenetik
4 Induzierte Mutation durch exogene Einflüsse wie 5 Chemische Substanz 5 Infektion 5 Physikalischer Einfluss wie ionisierende oder UV-Strahlen Einteilung nach betroffenen Zellen: 4 Somatische Mutationen betreffen bestimmte Körperzellen und lassen ein somatisches Mosaik entstehen, sie sind nicht vererbbar, können aber für die Tumorentstehung entscheidend sein. 4 Generative Mutationen betreffen Keimzellen und können an die Nachkommen weitergegeben werden und bei diesem zu einer genetisch bedingten Schädigung führen. > Eine Mutation kann für ein Individuum ohne erkennbare Folgen bleiben, eine Erkrankung auslösen oder sogar letal sein. Folge für die Population kann die Entstehung eines Polymorphismus sein.
Mögliche Folgen bei Mutation im proteinkodierenden Bereich eines Gens sind: 4 Stumme Mutation: DNA kodiert noch für die gleiche AS-Sequenz (unverändertes Genprodukt). 4 Missense Mutation: AS-Austausch mit oder ohne pathologische funktionelle oder strukturelle Folgen. 4 Nonsense-Mutation: Verfrühtes Stoppkodon führt zu einem verkürzten Protein. 4 Zusätzlichen bzw. fehlende AS ohne Veränderung des Leserahmens durch Insertion bzw. Deletion einer Basenzahl, die ganzzahlig durch 3 teilbar ist. 4 Verschiebung des Leserahmens, wenn die Zahl der Basen bei Insertion oder Deletion nicht ganzzahlig durch 3 teilbar ist. 4 Translokation kann zu einem Fusionsprotein führen (Philadelphia Chromosom). Mögliche Folgen von Mutationen in nicht-proteinkodierenden Bereichen sind: 4 Quantitative (nicht qualitative) Veränderung der Genexpression, wenn die Mutation Genexpressionregulierende DNA-Abschnitte betrifft, 4 Veränderungen beim RNA-Spleißen, wenn die Mutation intronische DNA (»splice-sites«) betrifft. > Je nach betroffener Struktur unterscheidet man: 4 Chromosomale Mutation (mikroskopisch sichtbar) – Numerische Chromosomenaberration: Veränderung der Anzahl der Chromosomen 6
– Strukturelle Chromosomenaberration: Veränderung der Struktur von Chromosomen 4 Genmutation – Punktmutation: Austausch einer einzelnen Base, z. B. Purinbase gegen eine andere Purinbase (Transition) oder gegen eine Pyrimidinbase (Transversion) – Deletion: Verlust einer oder mehrerer Basen – Insertion: Einfügen einer oder mehrerer Basen
Besonderheiten ergeben sich bei Mutationen mitochondrialer DNA. 2.7.2 Symptome bei
Chromosomenaberrationen Chromosomenanomalien können zu Fehlgeburten oder Erkrankungen des Betroffenen führen. Etwa 50% aller spontanen Aborte weisen Chromosomenaberrationen auf. Symptome, bei deren Vorliegen man an eine ursächliche Chromosomenanomalie denken sollte, sind: 4 Pränatale Dystrophie, Minderwuchs, postnatale Gedeihstörungen 4 Multiple morphologische Stigmata (Dysmorphien) und Fehlbildungen 4 Angeborene Herzfehler 4 Typische Papillarmuster und Handfurchen 4 Geistige Retardierung 2.7.3 Numerische
Chromosomenaberrationen > Mutationen der Chromosomenzahl nennt man Genommutationen oder numerische Chromosomenaberrationen.
Einteilung numerische Aberationen: 4 Polyploidie: Vervielfachung kompletter Chromosomensätze 4 Aneuploidie: Verlust bzw. Vervielfachung einzelner Chromosomen Polyploidie ist bei Pflanzen häufig. Beim Menschen findet man polyploide Embryonen unter Spontanaborten oder als somatische Mosaike bei Tumoren. Polyploidien sind Folge von Nondisjunction (Nichttrennung) von Chromatiden in der Mitose oder Nondisjunction von homologen Chromosomen oder Chromatiden in der Meiose mit Entstehung diploider Keimzellen. Häufig entstehen Triploidien durch Di-
65 2.7 · Mutationen
spermie, also dem Eindringen zweier Spermien in eine Eizelle. Aneuploidien beim Menschen können Spontanaborte v. a. in der Frühschwangerschaft oder körperliche und geistige Fehlbildungen verursachen. Autosomen oder Gonosomen können betroffen sein. Meist ist die Ursache eine meiotische Nondisjunction. Bei der Trisomie ist ein Chromosom dreimal, bei der Monosomie nur einmal vorhanden. Wenige Aneuploidi-
2
en führen zu lebensfähigen Individuen mit bestimmten Syndromen. 2.7.4 Strukturelle
Chromosomenaberrationen Mutationen der Chromosomenstruktur entstehen durch Bruch- und Fusionsereignisse von Chromosomen.
Strukturelle Chromosomenaberrationen 4 Deletion (del): führt zum DNA-Verlust und zu partieller Monosomie. 4 Ringbildung (r) mit Doppelendstückverlust 4 Inversion (inv): Ein Chromosomenstück wird umgekehrt in ein Chromosomen wieder eingefügt, ändert die Abfolge von Genen oder Genabschnitten. – Perizentrische Inversion: mit Einbeziehung des Zentromers, metazentrische können zu submetazentrischen Chromosomen umgewandelt werden – Parazentrische Inversion: ohne Einbeziehung des Zentromers 4 Insertion (ins) 4 Duplikation (dup): Durch ungleiches Crossing over zwischen Chromatiden homologer Chromosomen wird ein Chromosomenstück in einem Chromosomen verdoppelt und geht in dem anderen verloren. Folge: partielle Trisomie bzw. Monosomie.
> Eine unbalancierte Translokation bewirkt eine partielle Monosomie oder Trisomie.
Als Mosaik (mos) bezeichnet man die Präsenz von genetisch unterschiedlichen Zellklonen in einem Individuum, die von einer Ursprungszelle (Zygote) abstammen. Chromosomale Mosaike werden gewöhnlich durch Nondisjunction in einer frühen embryonalen Mitose verursacht, wobei mehr als eine Zelllinie persistiert. Man unterscheidet: 4 Somatisches Mosaik: Mutation in einem Teil der Körperzellen 4 Keimzellmosaik: Mutation in einem Teil der Keimzellen. Chimärismus bezeichnet das Vorkommen von genetisch unterschiedlichen Zellklonen in einem Individuum, die von unterschiedlichen Ursprungszellen (Zygoten) abstammen. Dies kann vorkommen, wenn 2 Eizellen
4 Markerchromosom (mar): zusätzliches Chromosom, das mit zytogenetischen Standardtechniken nicht identifiziert werden kann. 4 Translokation (t): Ein Chromosomenstück wird infolge eines ungleichen Crossing over zwischen Chromatiden nicht-homologer Chromosomen auf ein anderes übertragen. – Balancierte Translokation: Umlagerungen von Chromosomenstücken innerhalb eines insgesamt vollständigen Chromosomensatzes. Sie erfolgt reziprok durch Austausch zwischen 2 nicht homologen Chromosomen und hat in der Regel keine Folgen für den Träger, kann an ein Kind des Trägers unbalanciert vererbt werden (partielle Monosomie oder Trisomie). – Robertson-Translokation (zentrische Fusion): 2 akrozentrische Chromosomen (z. B. Chromosom 21) verschmelzen unter Verlust ihrer kurzen Arme am Zentromer (. Abb. 2.5).
von 2 Spermien befruchtet werden und die Zellen zu einem Embryo verschmelzen, z. B. beim echten Hermaphroditismus (Zwittertum). Eine weitere Möglichkeit ist der Austausch von Zellen über die Plazenta bei genetisch nicht identischen Zwillingen (Blutchimärismus). In Kürze 4 Mutationen sind Veränderungen genetischen Materials, die spontan auftreten oder chemisch, infektiös oder physikalisch induziert werden. Die Folgen von Mutationen sind je nach betroffener Struktur sehr unterschiedlich. 4 Man unterscheidet somatische Mutationen von Körperzellen von generativen Mutationen der Keimzellen. 4 Bei chromosomalen Mutationen unterscheidet man numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen.
66
Kapitel 2 · Humangenetik
2
. Abb. 2.5a,b. Karyotyp bei Robertson-Translokation. a Balancierte Translokation 14/21. b Translokationstrisomie 21. (Aus Buselmaier, Tariverdian 2007)
67 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
2
2.8
Genetisch bedingte Erkrankungen
Mutation, z. T. können jedoch unterschiedliche Mutationen zugrunde liegen.
2.8.1
Formale Genetik/Mendelsche Gesetze
2.8.2.1 Autosomale Aneuploidien Trisomie 21 (Down-Syndrom) Epidemiologie. 1:650 Geburten, starke Abhängigkeit vom Alter der Mutter (1:1500 bei 20-Jährigen, 1:30 bei 45-Jährigen durch Zunahme der NondisjunctionWahrscheinlichkeit).
Gregor Mendel präsentierte 1865 Ergebnisse aus jahrelangen Kreuzungsexperimenten mit Erbsen und anderen Pflanzen. Er sprach noch nicht von Genen, definierte aber dominante und rezessive Elemente.
Ätiopathogenese. 95% freie Trisomie des Chromosoms
1. Mendelsches Gesetz (Uniformitätsgesetz) Kreuzt man 2 reinerbige Individuen einer Art, die sich in einem Merkmal unterscheiden, so sind alle Nachkommen in der F1- (1. Filial- oder Tochter-) Generation bezüglich dieses Merkmals gleich und genetisch mischerbig. Dies gilt unabhängig vom Geschlecht der Eltern bei der Kreuzung (Reziprozitätsgesetz).
21 infolge Nondisjunction meist in der 1. Reifungsteilung in der Meiose, in 80–90% der Fälle stammt das zusätzliche Chromosom 21 von der Mutter. 4% Translokationstrisomie oder Robertson-Translokation mit familiären Fällen vom Down-Syndrom (. Abb. 2.5). Das zusätzliche Chromosom 21 oder ein Stück davon ist an ein anderes Autosom (meist Chromosom 14, 21 oder 22) transloziert. 1% Mosaik mit variabler Symptomausprägung.
2. Mendelsches Gesetz (Spaltungsgesetz) Kreuzt man diese F1-Nachkommen untereinander, so spalten bei Nachkommen der F2-Generation die Merkmale in bestimmten Zahlenverhältnissen auf, beim dominant-rezessiven Erbgang im Verhältnis 3:1 (Voraussetzung ist eine ausreichend große Anzahl von Nachkommen).
Symptomatik. Häufig kommt es zu spontanen Fehlge-
3. Mendelsches Gesetz (Gesetz der Neukombination) Unterscheiden sich die Parentalpflanzen in 2 Merkmalen, spricht man von dihybridem Erbgang. Kreuzt man 2 Individuen einer Art, die sich in mehr als einem Merkmal reinerbig unterscheiden, so gelten für jedes Merkmal unabhängig das Uniformitäts- sowie das Spaltungsgesetz. Neben den Merkmalskombinationen der P-(Parental-)Generation treten in der F2-Generation neue Merkmalskombinationen auf. Das Gesetz gilt nicht für gekoppelte Gene. Andersherum kann man aus der Neukombination in F2 (Ausnahme Rekombination) auf die unabhängige Weitergabe von Genen schließen. ! Cave Die Ergebnisse von Mendel sind nur bei monogener Vererbung gültig.
2.8.2
Erkrankungen durch Chromosomenaberration
burten. Werden die Kinder geboren, können sie durch Hypotonie oder Schläfrigkeit auffallen. Typisch sind: 4 Geistige Behinderung (IQ meist 25–75) 4 Kraniofaziale Dysmorphie: rundlicher, kurzer Kopf (Brachyzephalus), Minderwuchs, lateral-kranial ansteigende Lidachsen, Epikanthus, Hypertelorismus, breite Nasenwurzel, tiefsitzende Ohren, meist offener Mund mit vermehrter Speichelsekretion und großer, gefurchter Zunge, Zahnanomalien, verspäteter knöcherner Schluss der Schädelnähte und der Fontanellen, Brushfield-Flecken (kleine weiße Flecken in der Iris der Säuglinge) 4 Extremitäten: kurze Finger, Vierfingerfurche in den Handflächen (in ca. 60%), Einwärtskrümmung (Klinodaktylie) der Endglieder des 5. Fingers, Fußfehlbildungen (Sandalenlücke – breiter Abstand zwischen 1. und 2. Zehe), Überstreckbarkeit der Gelenke 4 Herzfehler: in 40–60% der Fälle (Atrioventrikularkanal, Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekt, auch persistierender Ductus arteriosus) 4 Sonstiges: Infektanfälligkeit, erhöhtes Leukämierisiko, Gastrointestinaltrakt: Analatresie, Duodenalatresie, M. Hirschsprung, Cutis laxa, tiefstehender Nabel (oft mit Hernie), Mädchen fertil, Jungen infertil, erhöhtes Risiko für Alzheimer im späteren Leben (vermutlich deshalb, weil das »amyloid precursor protein« auf Chromosom 21 kodiert ist) Diagnostik. Befund, zytogenetischer Nachweis, ggf.
Die Einteilung in numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen erfolgt hier nach der häufigsten
pränatale Diagnostik (Triple-Test, Amnionzentese, Chorionzottenbiopsie)
68
2
Kapitel 2 · Humangenetik
Therapie. Individuelle Förderung der geistigen Fähigkeiten, Behandlung von Infektionskrankheiten, operative Korrektur von körperlichen Fehlbildungen, Krankengymnastik und orthopädische Maßnahmen bei körperlichen Behinderungen durch Muskel- und Bindegewebsschwäche sowie Gelenkfehlstellungen. Prognose. Früher starb ein Großteil der Patienten noch vor der Pubertät vor allem an kongenitalen Herzfehlern und Infekten, heute erreichen Betroffene oft ein höheres Lebensalter.
Prognose. Schlecht; meist sterben betroffene Kinder in den ersten 3 Lebensmonaten.
2.8.2.2 Gonosomale Aneuploidien Turner-Syndrom Epidemiologie. 1:2500 Neugeborene; tritt aber bei 1:100 Konzeptionen auf und ist damit oft Ursache von Spontanaborten v. a. 1.Trimester.
Wiederholungsrisiko. Bei freier Trisomie ist das Wiederholungsrisiko abhängig vom mütterlichen Alter. Bei Translokationstrisomie ist das Wiederholungsrisiko abhängig davon, ob ein Elternteil Träger der Translokation ist; wenn nicht, liegt das Risiko bei ca. 2%, da ein Keimbahnmosaik bei den Eltern vorliegen kann. Bei familiärer Translokation ist das Risiko für weitere Nachkommen 1–3%, wenn der Vater Träger ist und 10–15% bei mütterlichem Trägerstatus.
Ätiopathogenese. 55% Monosomie X (Karyotyp 45,X0), überwiegend bedingt durch Nondisjunction in der väterlichen Meiose. 45% Mosaikbildung oder strukturelle Chromosomenaberration, kann bei partieller Deletionen des zweiten X-Chromosoms vorkommen, z. B. Isochromosom Xq (Isochromosom bestehen aus 2 gleichen oder langen q Armen) oder Ringchromosom X. Hier ist die Symptomatik meist milder ausgeprägt. Der Verlust eines Chromosoms (meist eines aberranten, wie einem Isochromosom Xq) in der Embryogenese kann zu Entstehung eines Mosaiks führen.
Trisomie 13 (Pätau-Syndrom)
Symptomatik. Typische Befunde sind:
Epidemiologie/Ätiopathogenese. 1:10.000 Lebendge-
4 Pränatal können im Ultraschall ein generalisiertes Ödem (Hydrops fetales) oder ein lokalisiertes Nackenödem auffallen. 4 Phänotypisch sind Betroffene im Allgemeinen weiblich (Ausnahme bei Mosaiken). 4 Neugeborene sind meist unauffällig, können aber durch periphere kongenitale Lymphödeme auffallen. 4 Kleinwuchs: Länge und Gewicht sind bereits bei Geburt im Durchschnitt vermindert, ohne Therapie Endgröße ca. 145 cm. 4 Primärer Hypogonadismus: ausbleibende Entwicklung von sekundären Geschlechtsmerkmalen, primäre Amenorrhö und Infertilität, die rudimentären Gonade liegen als bindegewebige »streak gonades« vor. 4 Herzfehler (typisch ist Aortenisthmusstenose) 4 Cubitus valgus 4 Nierenfehlbildungen 4 Hypothyreose 4 Tiefer Nackenhaaransatz (. Abb. 2.6) 4 Pterygium colli (Hautfalte am Hals zwischen Warzenfortsatz und Akromion) 4 Kurzer Hals 4 Schildthorax mit weitem Mamillenabstand 4 Gedrungener Körperbau 4 Normale geistige Entwicklung
borenen (Zunahme mit dem Alter der Mutter); meist handelt es sich um eine freie Trisomie, häufiger mütterlichen Ursprungs, seltener Translokation oder Mosaik. Symptomatik. Schwere geistige Behinderungen bei multiplen Hirnfehlbildungen; faziale Dysmorphie (Mikro- oder Anophthalmie, LKG-Spalte, Ohrmuschelfehlbildungen), häufig Fehlbildungen anderer Organe (z. B. Herzfehler, Nierenfehlbildungen), Polydaktylie. Diagnostik. Befund, Zytogenetik. Prognose. Schlecht; meist sterben betroffene Kinder in
den ersten 3 Lebensmonaten. Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) Epidemiologie/Ätiopathogenese. Ca. 1:5000 Lebendgeborene; meist handelt es sich um eine freie Trisomie, seltener Translokation oder Mosaik. Symptomatik. Schwere psychomotorische Entwick-
lungsstörungen, typische Gesichtsdysmorphien, ausladendes Hinterhaupt, typische Beugekontrakturen der Finger mit Überkreuzen der Finger, »Tintenlöscherfuß« mit prominentem Kalkaneus und Fehlbildungen innerer Organe (z. B. Herz, Niere, Ösophagusatresie). Diagnostik. Befund, Zytogenetik.
Diagnostik. Befund und Zytogenetik, fehlendes Geschlechtschromatin, Urin: vermehrte Ausscheidung
69 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
b
a
2
c
. Abb. 2.6a–c. Ullrich-Turner-Syndrom. a Turner-Phänotyp mit Pterygium colli. b Tiefer Haaransatz. c Hygroma colli bei einem Fötus mit Turner-Syndrom. (Aus Buselmaier, Tariverdian 2007)
von Gonadotropinen, verminderte Ausscheidung von 17-Ketosteroiden und Östrogenen. Therapie. Gabe von weiblichen Geschlechtshormonen
für die Entwicklung weiblicher Geschlechtsmerkmale, ggf. operative Korrektur von Fehlbildungen, subkutane Gabe von Wachstumshormon ab dem Kleinkindalter zur Steigerung der Endgröße. Klinefelter-Syndrom (meist 47, XXY) Epidemiologie/Ätiopathogenese. 1:1000 Männer. Bei männlichem Chromosomensatz mit zusätzlichem XChromosom (47, XXY) stammt das zusätzliche XChromosom genauso wahrscheinlich von der Mutter wie vom Vater. Bei mütterlicher Herkunft nimmt die Häufigkeit im Alter zu, auch ein Mosaik (46,XY/47,XXY) kommt vor. Selten und dann mit klinisch ausgeprägterer geistiger Retardierung sind 48,XXXY und 49,XXXXY. Symptomatik. 75% aller XXY-Männer werden nie karyotypisiert und sind demnach phänotypisch unauffällig. In der Kindheit fallen evtl. Ungeschicklichkeit und Lernschwierigkeiten auf, Erwachsene können eunuchoiden Hochwuchs, Gynäkomastie und weiblichen Behaarungstyp zeigen. Es kommt zum hypergonadotropen Hypogonadismus, kleinen Gonaden, Infertilität (Azoospermie), erhöhtem Risiko für Osteoporose, Ulcus cruris und Brustkrebs. Die Intelligenz ist meist normal, Lernschwierigkeiten können vorkommen. Diagnostik. Die Diagnose wird oft erst im Rahmen von Fertilitätsabklärungen, dann v. a. zytogenetisch gestellt.
Therapie. Therapeutische Optionen sind:
4 Testosteron ab der Pubertät für die Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale 4 Ggf. ICSI (intrazytoplasmatische Injektion von Sperma) bei Kinderwunsch 4 Ggf. psychisch-pädagogische Betreuung Wiederholungsrisiko. Aufgrund von Infertilität auf natürlichem Wege gering. Weitere gonosomale Aneuploidien 4 Triplo-X-Syndrom (Karyotyp 47,XXX). 1:1000 weibliche Neugeborene. In 95% der Fälle stammt das X-Chromosom von der Mutter (Nondisjunction in der 1. Teilung der Meiose). Betroffene Frauen haben weiblichen Phänotyp mit variablen Symptome (2/3 der Fälle ohne klaren Phänotyp). 4 XYY-Syndrom. 1:1000 männliche Neugeborene. Ursache ist eine Nondisjunction der Chromatiden des YChromosoms in der väterlichen 2. Reifeteilung der Meiose oder postzygotisch. Die Betroffenen fallen auf durch Hochwuchs, normale bis gering reduzierte Fertilität, evtl. emotionale Störungen (psycholabile Persönlichkeit); der IQ ist normal.
2.8.2.3
Weitere strukturelle Chromosomenaberrationen Deletionssyndrome Ursache von Deletionssyndromen sind mikroskopisch sichtbare Deletionen; die Diagnose erfolgt zytogenetisch oder molekularzytogenetisch. Beispiel ist das Katzenschrei-Syndrom (5p-) mit einer Häufigkeit ca.
70
2
Kapitel 2 · Humangenetik
1:50.000. Typisch sind katzenschreiartige, hohe, schrille Lautäußerungen in den ersten Lebensmonaten, rundes Gesicht mit Hypertelorismus, Epikanthus und nach lateral abfallender Lidachse, Minderwuchs, schwere psychomotorische Retardierung, evtl. Begleitfehlbildungen innerer Organe, v. a. Herz. Mikrodeletionssyndrome Submikroskopische Deletionen können durch kombinierten Verlust benachbarter Gene zu Syndromen führen. Im Englischen werden sie »contiguous gene syndroms« (Syndrome benachbarter Gene) genannt. Die Vererbung erfolgt dominant. Die Diagnose erfolgt mittels FISH. Beispiele sind:
4 WAGR-Syndrom = Wilms-Tumor, Aniridie, urogenitale Anomalien, Retardierung von Wachstum und Entwicklung 4 DiGeorge- oder CATCH-22-Syndrom = »cardiac defects« (Anomalien des kardialen Ausflusstrakts), abnormale Gesichtsmorphologie, Thymus-Entwicklungsstörungen mit Störung der zellulären Immunität, »cleft palate« (Gaumenspalte) und Hypokalzämie mit Tetanie aufgrund eines primären Hypoparathyroidismus. Die Expressivität ist extrem variable, z. T. fehlen phänotypische Auffälligkeiten. Bei familiärem Auftreten von Herzfehlern sollte diese Mikrodeletion ausgeschlossen werden.
In Kürze Genetische Erkrankungen durch Chromosomenaberration Erkrankung
Charakteristika
Trisomie 21 (DownSyndrom)
4 Ätiopathogenese: 95% freie Trisomie, 4% Translokationstrisomie oder Robertson-Translokation mit familiären Fällen, 1% Mosaik 4 Diagnostik: Phänotyp und Zytogenetik (Karyogramm), ggf. pränatale Diagnostik: Triple-Test, Amnionzentese, Chorionzottenbiopsie 4 Wiederholungsrisiko: 4 Bei freier Trisomie abhängig vom mütterlichen Alter 4 Bei Translokationstrisomie, wenn die Eltern nicht Träger der Mutation sind: 2% 4 Bei Translokationstrisomie, wenn der Vater Träger der Mutation ist: 1–3% 4 Bei Translokationstrisomie, wenn die Mutter Trägerin der Mutation ist: 10–15%
TurnerSyndrom
4 Ätiopathogenese: 55% Monosomie X (Karyotyp 45,X0), 45% Mosaikbildung oder strukturelle Chromosomenaberration 4 Diagnostik: Phänotyp und Zytogenetik (Karyogramm), fehlendes Geschlechtschromatin; Urin: vermehrte Ausscheidung von Gonadotropinen, verminderte Ausscheidung von 17-Ketosteroiden und Östrogenen
KlinefelterSyndrom
4 Ätiopathogenese: meist männlicher Chromosomensatz mit einem zusätzlichen X-Chromosom (47, XXY), z. T. Mosaik (46,XY/47,XXY), selten 48,XXXY und 49,XXXXY 4 Diagnostik: oft erst im Rahmen von Fertilitätsabklärungen, dann Zytogenetik (Karyogramm) 4 Wiederholungsrisiko: aufgrund von Infertilität auf natürlichem Wege gering
2.8.3
Monogene Erkrankungen
Monogene Erkrankungen können auf ein mutiertes Gen zurückgeführt werden. 2.8.3.1
Autosomal-dominante Vererbung
> Bei autosomal-dominanter Vererbung manifestieren sich die Erkrankungen bereits bei Heterozygoten. Ihr Auftreten kann oft über Generationen hinweg verfolgt werden: »vertikale Transmission«.
Ursachen für das Neuauftreten einer autosomal-dominanten Erkrankung bei den Nachkommen, ohne dass die Eltern betroffen sind: 4 Neumutation in der Keimbahn, z. B. oft bei Achondroplasie; Neumutationen finden sich gehäuft bei erhöhtem väterlichen Alter. 4 Unvollständige Penetranz: Erkrankung überspringt eine oder mehrere Generationen. 4 Variable Expressivität 4 Der Präsumptivvater ist nicht der biologische Vater.
71 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
2
. Tab. 2.3. Punnett-Quadrat bei autosomal-dominanter Vererbung Erkranktes heterozygotes Elternteil (Aa) Gameten
Nichterkranktes Elternteil (aa)
Gameten
A
a
a
Aa Krank
aa Gesund
a
Aa Krank
aa Gesund
Selten sind Erkrankte hierbei homozygot, dann kann die Erkrankung schwerer ausgeprägt sein (Achondroplasie), sich früher manifestieren (familiäre Hypercholesterinämie) oder scheinbar gleich ausgeprägt ist (Chorea Huntington).
4 Augen: (Sub)Luxation der Linsen, Kugellinse, Achsenmyopie, Glaukom, Netzhautablösung, Dysmorphie der Cornea Diagnostik/Therapie. 7 Pädiatrie, Kap. 2.6.1.2, 7 Orthopädie, Kap. 2.5.5.5.
> Wiederholungsrisiko: Bei Heterozygoten enthält jede zweite Keimzelle in der Regel das krankheitsverursachende Allel, woraus sich unter Annahme von vollständiger Penetranz und gleicher Befruchtungswahrscheinlichkeit der Keimzellen ein Erkrankungsrisiko von 50% bei den Nachkommen ergibt (. Tab. 2.3).
2.8.3.2
Beispiele autosomal-dominant vererbter Krankheiten Marfan Syndrom Epidemiologie/Ätiopathogenese. Betroffen sind 1:5000–1:10.000 Neugeborene. 75% der Fälle sind familiär bedingt, 25% Folge einer Neumutation. Es handelt sich um eine generalisierte Bindegewebeerkrankung mit Fibrillindefekt bei variabler Expressivität. Symptomatik. Typischerweise betroffen sind:
4 Habitus: dysproportionierter Hochwuchs mit Dolichostenomelie, d. h. grazile, überlange Röhrenknochen und lange, schmale Extremitäten und Arachnodaktylie; Trichter- oder Hühnerbrust, Kyphoskoliose, langer schmaler Kopf, Überstreckbarkeit der Gelenke, Striae distensae, Leistenhernien 4 Kardiovaskuläres System: Mitralinsuffizienz, Mitralklappenprolaps, progressive Erweiterung der Aorta ascendens mit Aorteninsuffizienz oder dissezierendem Aortenaneurysma mit Rupturgefahr (v. a. in der Schwangerschaft bei Durchmesser >4 cm)
Achondroplasie Epidemiologie/Ätiopathogenese. Betroffen sind 1:15.000–1:40.000 Neugeborene. Über 80% der Fälle basieren auf Neumutation (die Eltern sind gesund). Somit ist das Wiederholungsrisiko für ein weiteres Kind dieser Eltern gering. Die Penetranz ist 100%. Es liegt eine Mutation im FGFR3-Gen (»fibroblast growth factor receptor-3 gene«) vor, die eine gestörte enchondrale Ossifikation hervorruft. Symptomatik. Phänotypisch fallen Erkrankte auf
durch: dysproportionierten Minderwuchs mit rhizomeler Mikromelie, d. h. Verkürzung v. a. der proximalen Extremitäten, dichte Kortikalis (normale periostale Ossifikation), eingeschränkte Streckfähigkeit der Ellenbogengelenke, Genu varum, Spreizung zwischen 3. und 4. Finger (»Dreizackhand«), großer Schädel, Mittelgesichtshypoplasie, prominente Stirn, verengtes und plattes Becken, verstärkte Lendenlordose ab Beginn des Laufens. Die geistige Entwicklung ist normal. Endgröße für Männer liegt bei ca. 130 cm, für Frauen ca. 125 cm. Die Lebenserwartung ist meist normal. Diagnostik/Therapie. 7 Orthopädie, Kap. 2.5.5.1, 7 Pädiatrie, Kap. 2.6.1.1.
Prognose. Die Lebenserwartung ist meist normal, mögliche Komplikationen sind: respiratorische Insuffizienz durch adenoide Vegetationen und schmalen Thorax sowie zervikomedulläre Kompression durch zu kleines Foramen magnum, woran auch Homozygote früh sterben.
72
Kapitel 2 · Humangenetik
2.8.3.3
2
Autosomal-rezessive Vererbung
> Autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen manifestieren sich bei Homozygoten. Heterozygote Anlageträger erkranken nicht. Das Auftreten kann meist nicht über Generationen hinweg verfolgt werden, sondern tritt in einer Generation und dann oft bei mehreren Geschwistern auf (statistisch in 25%): »horizontale Transmission«.
Wiederholungsrisiko. Meist sind die Eltern von er-
krankten Kindern heterozygot und damit phänotypisch gesund. Von jedem Elternteil wird entweder das normale oder das veränderte Allel weitergegeben. Es ergibt sich aus den möglichen Gametenkombinationen eine Wahrscheinlichkeit für ein Kind von 1/4 (25%), homozygot und krank zu sein, und eine Wahrscheinlichkeit von 1/2 (50%), heterozygoter Anlageträger zu sein. Daraus ergibt sich weiter, dass 3/4 der Kinder klinisch gesund sind und 2/3 der Gesunden heterozygote Anlageträger sind (. Tab. 2.4). Seltene Ausnahmen der Heterozygotie beider Eltern von betroffenen Kindern sind: Neumutation oder uniparentale Disomie. Wahrscheinlichkeit der Vererbung Bekommt ein gesundes Geschwisterkind eines Betroffenen mit einem nicht-verwandten Gesunden ein Kind, so ist das Risiko für sein erstes Kind: 2/3 × 2pq × 1/4 (Heterozygotie-Wahrscheinlichkeit des gesunden Geschwisterkindes × Heterozygotenfrequenz in der Allgemeinbevölkerung [7 Hardy-Weinberg-Gesetz] × Homozygotierisiko für das Kind im Falle der Heterozygotie beider Eltern). Die Wahrscheinlichkeit für das Geschwisterkind eines Heterozygoten selbst heterozygot zu sein, ist 50%, da ein Elternteil selbst heterozygot ist und das betroffene Allel in 50% an einen Nachkommen weitergibt.
Bei seltenen autosomal-rezessiven Erkrankungen sind die Eltern betroffener Kinder häufig konsanguin, d. h. verwandt. Eltern von Kindern mit Alkaptonurie sind in etwa ¼ der Fälle Verwandte ersten Grades. Bei der in Westeuropa relativ häufigen zystischen Fibrose ist die Konsanguinität unter Eltern von Betroffenen dagegen nur geringfügig höher als in der Allgemeinbevölkerung. Erbliche Stoffwechselstörungen aufgrund von Enzymmutationen werden meist autosomal-rezessiv vererbt, da bei Heterozygoten noch ausreichend Enzym synthetisiert wird. Nur selten ist die synthetisierte Menge Enzym nicht ausreichend und Krankheitssymptome entwickeln sich (HaploinsuffizienzMutation mit dann dominanter Vererbung). Wird das Genprodukt gebildet und ist das Genprodukt Teil eines multimeren Proteinkomplexes, kann der ganze Komplex und auch die Funktion des normalen Allels durch das mutierte Protein gestört werden (dominant negative Mutation). Besonderheiten 4 Pseudodominanz ist ein Phänomen bei autosomalrezessivem Erbgang, wenn ein Heterozygoter mit einem Homozygotem Nachkommen hat, ist das Aufspaltungsmuster wie bei dominantem Erbgang: 50% der Kinder erkranken. 4 Taubstummheit wird häufig autosomal-rezessiv vererbt, aber unterschiedliche Gene können verantwortlich sein (Heterogenie). Taube Eltern können normal hörende Kinder haben, die doppelt (an 2 Loci) heterozygot und gesund sind. Auch Umweltfaktoren, z. B. Rötelnembryopathie, können Auslöser von angeborener Taubstummheit sein. 4 Viele monogene Erkrankungen werden durch unterschiedliche Mutationen in dem betroffenen Gen ausgelöst. Sind die Eltern von Kindern mit autosomal-rezessiver Erkrankung konsanguin, ist die Mutation in 6
. Tab. 2.4. Punnett-Quadrat bei autosomal-rezessiver Vererbung Nichterkranktes heterozygotes Elternteil (Aa) Gameten
Nichterkranktes heterozygotes Elternteil (Aa)
Gameten
A
a
A
AA Nichterkrankt, kein Anlageträger
Aa Nichterkrankter heterozygoter Anlageträger
A
Aa Nichterkrankter heterozygoter Anlageträger
aa Krank, homozygot
73 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
beiden Allelen in der Regel gleich. In anderen Fällen tragen beide Allele verschiedene Mutationen. Betroffene erkranken, da beide Genprodukte in unterschiedlicher Weise in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. Man spricht dann von Compound-Heterozygotie (z. B. bei zystischer Fibrose).
2.8.3.4
Beispiele autosomal-rezessiv vererbter Krankheiten Hereditäre Hämochromatose (klassische adulte Form) Epidemiologie/Ätiopathogenese. Sie ist bei einer Prävalenz homozygoter Anlageträger von 1:300 eine sehr häufige monogene Stoffwechselerkrankung in Europa. Die Penetranz ist jedoch niedrig. Ursächlich ist eine Mutation im Hfe-Gen auf Chromosom 6. In Deutschland haben >90% der Betroffenen eine spezifische Punktmutation (C282Y) in homozygoter Form. In 5% liegt Compound-Heterozygotie vor. Durch die Mutationen wird die Affinität von Transferrin zu seinem Rezeptor verändert, Eisen akkumuliert intrazellulär und wird vermehrt aus der Nahrung absorbiert. Symptomatik. Mit zunehmendem Alter kommt es zu
Eisenüberladungen v. a. in Leber und Milz (Leberzirrhose, Hepatosplenomegalie), Haut und Pankreas (Diabetes mellitus, dunkle Hautpigmentierung, »Bronzediabetes«), Herzmuskel (Kardiomyopathie mit Rhythmusstörungen und Herzinsuffizienz), Gelenken (schmerzhafte Arthropathie), Hoden und Hypophyse (endokrine Störungen). Männer entwickeln etwa im Alter von 40–60 Jahren Symptome, Frauen nach der Menopause. Diagnostik. Im Labor sind Transferrinsättigung und
Serumferritin erhöht. Ein direkter Gentest ist bei klinischem Verdacht und bei Familienangehörigen von Betroffenen möglich (7 Innere Medizin, Kap. 5.2.4.1). Therapie. 7 Innere Medizin, 7 Kap. 5.2.4.1. Hämochromatose-Screening Aus einer durchgeführten Gentest-Reihenuntersuchung an 4000 Versicherten in Deutschland wurde eine positive Bilanz gezogen. Damit ist die Einführung von Früherkennungsprogrammen für alle Versicherten in der Zukunft denkbar.
Zystische Fibrose (CF, Mukoviszidose) Epidemiologie. 1:2000–1: 3000 Neugeborene, Heterozygotenfrequenz 1:25. Die hohe Inzidenz ist möglicherweise erklärbar durch einen Heterozygotenvorteil gegenüber bakteriell induzierter Diarrhö mit Cl-Sekretion (Cholera).
2
Ätiopathogenese. Genmutation des CFTR (»cystic
fibrosis transmembrane regulator«), dieser Cl-Transporter ist vorwiegend in der Membran epithelialer Zellen lokalisiert und transportiert normalerweise aktiv Cl-Ionen aus der Zelle heraus. Folge der Mutation sind zähe Sekrete. In etwa 70% liegt die sog. ΔF508-Mutation (Δ = Deletion von 3 Basen, kodierend für F = Phenylalanin an Position 508) vor, es sind aber ca. 1000 unterschiedliche Mutationen bekannt, z. T. mit unterschiedlicher klinischer Ausprägung. Symptomatik. Typische Befunde sind:
4 Exokrine Pankreasinsuffizienz mit Maldigestion und Durchfällen (Eiweißverlust – Albumin im Mekonium oft erhöht) 4 Diabetes mellitus 4 Sekretionsstörung intestinaler Drüsen (10% der betroffenen Neugeborenen haben einen Mekoniumileus) 4 Cholestase (Icterus prolongatus bei Neugeborenen) und biliäre Zirrhose 4 Sekretionsstörungen bronchialer Drüsen (keuchhustenähnlicher Husten, rezidivierende bronchopulmonale Infekte (v. a. mit Staph. aureus, Pseudomonas aeruginosa, Burkholderia cepacia), Bronchiektasien und Emphysem, Cor pulmonale, allergische bronchiopulmonale Aspergillose) 4 Infertilität bei fast allen Männern (Ductus-deferens-Atresie) 4 Nasenpolypen, Rektumprolaps, Invagination Diagnostik. Wichtig ist die Bestimmung von Trypsin im Blut von Neugeborenen (erhöhte Konzentration), der Schweißtest (erhöhte Elektrolytkonzentration von Na+ bzw. Cl-), in Gentests werden zunächst PCR-basiert die häufigsten Mutationen untersucht, so können 85% aller Anlageträger detektieren werden. Bei andere Mutationen oder in der Pränataldiagnostik nutzt man auch die indirekte Genanalyse. Therapie. 7 Pädiatrie, Kap. 2.17.1. Ansätze einer Genthe-
rapie zeigten bisher kaum Erfolg. Störungen im Aminosäurestoffwechsel – Phenylketonurie (PKU) Epidemiologie/Ätiopathogenese. 1:10.000. Mehr als 70 verschiedene Mutationen sind bekannt. Inaktive Phenylalaninhydroxylase verursacht Stoffwechselblock mit Tyrosinmangel sowie Erhöhung der Phenylalaninkonzentration und seiner Metabolite (z. B. Phenylbrenztraubensäure), die im Urin ausgeschieden werden (charakteristischer Geruch).
74
2
Kapitel 2 · Humangenetik
Symptomatik. Symptome manifestatieren sich nach der ersten Milchnahrung; unbehandelt kommt es zu starker psychomotorischer und mentaler Retardierung, Krampfanfällen; durch gestörte Melaninsynthese haben die Kinder oft blonde Haare und blaue Augen. Diagnostik. Wird im Rahmen des Neugeborenen-
Screenings am 4. bis 6. (7.) Tag (früher Guthrie-Test) untersucht. Therapie/Prognose. Unter Therapie mit phenylalaninarmer (nicht phenylalaninfrei!) und tyrosinreicher Diät erfolgt eine normale Entwicklung. Die Diät ist mindestens in den ersten 10 Jahren einzuhalten, evtl. lebenslang. ! Cave Frauen mit PKU müssen im fertilen Alter Diät einhalten, um bei Schwangerschaft eine PhenylalaninEmbryopathie zu verhindern. Weitere Störungen im Aminosäurestoffwechsel 4 Alkaptonurie. Häufigkeit: 1–4:1 Mio. Durch Mutation im Homogentisat 1,2-Dioxygenase-Gen wird Tyrosin nur bis zur Homogentisinsäure abgebaut, die dann im Urin ausgeschieden wird. Urin färbt sich bei längerem Stehen oder nach Alkalisierung dunkel. Folgen sind schwärzliche Pigmentablagerungen (Ochronose) in Knorpel (Ohrknorpel, Gelenkknorpel großer Gelenke und WS, Bandscheiben), in Sehnen, Bändern, Sklera, Koronararterien, Mitral- und Aortenklappe. Arthritis bzw. Arthropathie mit Gelenkschmerzen treten in der 3. bis 4. Dekade auf. 4 Homozystinurie. Häufigkeit: 1:200.000. Homocystinurie ist eine Sammelbezeichnung für mehrere autosomal-rezessiv erbliche seltene Stoffwechselstörungen mit erhöhter Konzentration der schwefelhaltigen Aminosäure Homozystin und Methionin in Urin und Blut. Die Homozysteinämie führt zu Endothelschäden und Störungen der Blutgerinnung mit erhöhtem Arteriosklerose- und Thromboserisiko (erhöhtes Risiko auch für Heterozygote). Typ I: Mutation der Zystathionin-β-Synthetase. Die Symptomatik erinnert z. T. an Marfan-Syndrom: Hochwuchs, Linsenluxation und Myopie, marfanoide Arachnodaktylie, Skoliose; psychomotorische und mentale Retardierung (nicht typisch für Marfan-Syndrom), Hellhäutigkeit, feines spärliches Haar.
Kongenitales adrenogenitales Syndrom (AGS) Definition/Ätiopathogenese. Gruppe von Stoffwechselkrankheiten mit gestörter Kortisolsynthese.
In 90% liegt ein Defekt der 21-Hydroxylase zugrunde. Dies führt zu Kortisolmangel, dadurch zu vermehrter Bildung von ACTH, Nebennierenrindenhyperplasie und erhöhter Konzentration u. a. von 17-OH-Progesteron. Epidemiologie. Vom klassischen AGS sind 1:10.000 betroffen, das nicht-klassische AGS betrifft etwa 1% der Bevölkerung, abhängig von der ethnischen Zusammensetzung auch mehr, es ist also sehr häufig (7 Innere Medizin, Kap. 8.3.3, 7 Pädiatrie, Kap. 2.6.6.2). Symptomatik. Symptome des klassischen AGS sind:
4 Bei Jungen Pseudopubertas praecox 4 Bei Mädchen Virilisierung: Pseudohermaphroditismus femininus mit äußerer Vermännlichung und primärer Amenorrhö 4 Bei Totalausfall der Enzymfunktion kommt es durch einen zusätzlichen Mangel an Aldosteron zu einem Salzverlustsyndrom (Na niedrig, K erhöht, Erbrechen, Durchfälle, Exsikkose im Neugeborenenalter), die Symptome manifestieren sich meist nach den ersten Lebenswochen 4 In 1/3 der Fälle kommt es nicht zum Salzverlust: »Simple virilizing«-Form Beim nicht-klassischen oder »Late-onset«-AGS besteht ein milder Enzymmangel. Ein Salzverlust tritt nicht auf. Die Erkrankung manifestiert sich erst im späteren Kindes- oder Erwachsenenalter und ist durch einen Überschuss an Androgenen gekennzeichnet. Bei Defekt der 11-Hydroxylase (5%) kommt es neben der Virilisierung zur Salzretention und Hypertonie. Diagnostik/Therapie. 7 Pädiatrie, Kap. 2.6.6.2.
Sichelzellenanämie Definition/Ätiopathogenese. Hämoglobinopathie, die
bei Afrikanern und Afroamerikanern häufig auftritt. Symptomatisch wird die Erkrankung in der Regel bei Homozygotie oder doppelter Heterozygotie. Zugrunde liegt eine Punktmutation, die zum Austausch der 6. AS in der Hb-β-Kette führt (Glu >Val) = HbS. Symptomatik. Bei niedrigem Sauerstoffpartialdruck
werden die Erythrozyten sichelförmig (Sichelzellen), die Blutviskosität erhöht sich. Es kommt zu Stase in den kleinen Gefäßen mit schmerzhafter und funktionsbeeinträchtigender Infarzierung von Organen (u. a. Niere, Lunge, Knochen, Milz). Heterozygote haben eine normale Lebenserwartung und sind relativ resistent gegen Malaria.
75 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
anderen Populationen (vor Einführung von Screening Programmen) 4 Adenosindesaminasemangel: führt zur Immundefizienz (eine Ursache der »severe combined immune deficiency«; SCID) 4 Morbus Wilson: 1:30.000 4 Biotinidasemangel: 1:20.000–1:100.000
Weitere autosomal-rezessiv vererbte Krankheiten 4 Okulokutaner Albinismus (OCA): OCA 1:40.000. Mutation der Tyrosinase mit gestörter Synthese von Melanin aus Tyrosin; fehlendes Pigment in Haut, Haar, Iris und Retina Ahornsirupkrankheit: gestörter Abbau verzweigtkettiger AS Leucin, Isoleucin und Valin: <1:200.000 4 Galaktosämie: 1:40.000 4 Fruktoseintoleranz: 1:10.000–20.000 4 Glykogenosen außer Typ VI, der u. a. X-chromosomal vererbt wird 4 Mukopolysaccharidosen (MPS I = Hurler, MPS III = Sanfilippo): Enzymdefekte im Glykosaminoglykanabbau mit intrazellulärer, lysosomaler Speicherung von Glykosaminoglykanen in ZNS, Skelett, Leber u. a. 4 Sphingolipidosen: lysosomale Enzymdefekte: TaysSachs-Krankheit, M. Gaucher und Niemann-Pick-Krankheit sind bei aschkenasischen Juden durch Gründereffekt besonders häufig: z. B. zeigt sich eine 100-mal höhere Inzidenz von Tays-Sachs = 1: 3600 im Vergleich zu 6
2.8.3.5
X-chromosomal-rezessive Vererbung
> Das betroffene Gen bei dieser Art der Vererbung liegt auf dem X-Chromosomen. In der Regel erkranken nur hemizygote Männer. Übertragung des Gens erfolgt meist von gesunden heterozygoten Frauen (Konduktorinnen). Ein kranker Mann überträgt sein X-Chromosom auf jede Tochter, die dann selbst Überträgerin ist, in der Regel nicht aber auf seinen Sohn.
Bekommt eine Überträgerin mit einem gesunden Mann Kinder, so ist die Wahrscheinlichkeit für einen Sohn zu erkranken 1:2 (50%) und für eine Tochter, Überträgerin zu sein ebenfalls 1:2 (50%) (. Tab. 2.5, . Tab. 2.6).
. Tab. 2.5. Punnett-Quadrat bei X-chromosomal-rezessiver Vererbung. Nichterkrankter Vater und Überträgerstatus der Mutter Nichterkrankter Vater (XY) Gameten X h
Überträgerin (X X)
Gameten
X
h
Y
h
X
XX Überträgerin
XhY Kranker Sohn
XX Normale Tochter
XY Normaler Sohn
Xh = Mutations-tragendes X-Chromosom
. Tab. 2.6. Punnett-Quadrat bei X-chromosomal-rezessiver Vererbung. Erkrankter Vater und nichterkrankte Mutter Erkrankter Vater (XhY) Gameten
Nichterkrankte Mutter (XX)
Gameten
Xh = Mutations-tragendes X-Chromosom
2
Xh
Y
X
Überträgerin XY
Gesunder Sohn
X
XhX Überträgerin
XY Gesunder Sohn
76
Kapitel 2 · Humangenetik
Besonderheiten X-chromosomaler Vererbung
2
Einige X-chromosomale Erkrankungen können nicht oder nur sehr selten von betroffenen Männern weitergegeben werden, da sie das Reproduktionsalter nicht erreichen. Bei Muskeldystrophie Typ Duchenne sterben z. B. betroffene Männer meist vor dem 20. Lebensjahr. Tritt bei einem Jungen ohne positive Familienanamnese Muskeldystrophie Duchenne auf, sind die Mütter in ca. 66% Überträgerinnen, ca. 10% haben ein gonadales Mosaik und 25–30% hatten eine meiotische Neumutation. Heterozygote Frauen haben durch den Prozess der XInaktivierung ein Mosaik und zeigen selten Krankheitssymptome. Eine Frau kann an einer X-chromosomal-rezessiven Erkrankung leiden, wenn sie außerdem ein TurnerSyndrom hat oder wenn eine unbalancierte Translokation zwischen X-Chromosom und Autosom vorliegt. Dann kann zur Aufrechterhaltung der normalen autosomalen Disomie in allen Zellen das gleiche X-Chromosom inaktiviert sein, dies wurde bei Muskeldystrophie Duchenne und Hämophilie A beobachtet.
2.8.3.6
Beispiele X-chromosomal-rezessiv vererbter Krankheiten Muskeldystrophien Typ Duchenne (DMD) und Typ Becker-Kiener (BMD) Epidemiologie. Von diesen Erkrankungen sind fast nur Männer betroffen; die Häufigkeiten liegen für DMD bei 1:3500 Männer (. Abb. 2.7), für BMD bei 1: 20.000 Männer. Ätiopathogenese. Ursächlich sind Mutationen im
Dystrophin-Gen, in 2/3 Deletion eines oder mehrerer Exons- bei DMD meist mit, bei BMD meist ohne Leserahmenverschiebung (7 Neurologie, Kap. 1.11.2). Rot-Grün-Blindheit Epidemiologie. Betroffen sind ca. 8% der Männer. Hämophilie A (Faktor-VIII-Mangel), Hämophilie B (Faktor-IX-Mangel) Epidemiologie. Es sind fast nur Männer betroffen Hämophilie A: 1:5000 Männer, Hämophilie B: 1:40.000 Männer.
. Abb. 2.7. Junge mit Muskeldystrophie Typ Duchenne. Typische pseudohypertrophe Wadenmuskulatur (mit freundlicher Genehmigung von Prof. E. Kuhn, Heidelberg). (Aus Buselmaier, Tariverdian 2007)
Hämophilie A unter 15%, ist sie relativ leicht: Blutung nur nach großem Trauma oder Operation. Bei Aktivität unter 1% ist die Hämophilie schwer, es kommt spontan zu Blutungen in Nabelschnur, großflächig in die Haut (keine Petechien!), in Muskeln und Gelenke v. a. Knie mit Arthropathiegefahr. Innerhalb einer Familie ist der Schweregrad oft etwa gleich. Konduktorinnen haben häufig eine Aktivität von 50%. Sie können eine leichte Blutungsneigung haben. Diagnostik. Neben Anamnese und Befund ist diagnostisch die Bestimmung von PTT und Gerinnungsfaktoraktivität wichtig. Pränataldiagnostik und Bestimmung des Überträgerstatus ist durch direkte und indirekte Genanalyse möglich.
Ätiopathogenese. Verschiedene Mutationen in den X-
chromosomal lokalisierten Gerinnungsfaktor-Genen führen zu Gerinnungsstörungen des intrinsischen Wegs. 2/3 der Fälle sind vererbt und 1/3 Spontanmutationen (7 Innere Medizin, Kap. 7.6.1.1). Symptomatik. Die Symptomatik von A und B ist
ähnlich, der Schweregrad korreliert mit der Reduktion der Gerinnungsfaktoraktivität. Liegt sie bei
Therapie. Therapeutisch können die Gerinnungsfakto-
ren substituiert werden. Wiederholungsrisiko. Alle Töchter eines Bluters sind
Konduktorinnen. Alle Söhne eines Bluters mit einer genetisch gesunden Frau sind gesund. Eine Konduktorin gibt ihr krankes X-Chromosom mit 50% Wahrscheinlichkeit an die Kinder weiter.
77 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
Favismus Favismus (Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel) betrifft etwa 400 Mio. Menschen weltweit, v. a. in MalariaGebieten in Afrika und im Mittelmeerraum, da Heterozygote einen Vorteil bei Malaria haben. Die Bildung von reduzierendem NADPH und infolgedessen reduzierendem Glutathion ist vermindert. Letzteres schützt normalerweise die Erythrozyten vor Oxidationsschäden. Hauptprobleme sind hämolytische Anämie und hämolytische Krisen, die durch oxidativen Stress ausgelöst werden: Infektion, Genuss von Saubohnen (Favabohnen) und bestimmte Medikamente (u. a. Antimalariamittel, Analgetika/Antipyretika und Sulfonamide). Es bilden sich Heinz-Innenkörperchen (Denaturierungsprodukt des Hämoglobins) in den Erythrozyten. Die genannten Substanzen sind zu meiden. Neugeborene können durch Ikterus prolongatus auffallen. Testikuläre Feminisierung Es besteht eine Intersexualität bei normalem XY-Karyotyp (Pseudohermaphroditismus masculinus) durch Mutation des Androgenrezeptor-Gens. Unterschieden werden: 4 Komplette testikuläre Feminisierung (Hairless-woman-Syndrom), Häufigkeit: 1–5:100.000. Es besteht eine vollständige Resistenz der Androgenrezeptoren in den Endorganen bei normaler oder erhöhter Testosteronkonzentration im Serum. Folgen sind weiblicher Habitus mit normaler Brustentwicklung und weiblichen äußerem Genitalen, aber blind endender Vagina, Fehlen von Uterus, Tuben und Ovar sowie fehlende Sekundärbehaarung, Abdominal- oder Inguinalhoden mit gestörter Spermatogenese. Das psychische Geschlecht ist meist weiblich 4 Partielle Form: z. B. Reifenstein-Syndrom, GilbertDreyfus-Syndrom
2.8.3.7 X-chromosomal dominante Vererbung X-chromosomal-dominante Vererbung ist selten. Stammbäume ähneln denen von autosomal-dominanten Erbgängen. Söhne und Töchter haben eine 50%-ige Wahrscheinlichkeit, die Erkrankung von der Mutter zu erben. Kranke Männer können die Erkrankung an die Töchter, aber nicht an ihre Söhne weitergeben, dadurch sind in einer Familie in der Regel Frauen häufiger als Männer, aber oft weniger schwer erkrankt. Beispiel: Vitamin-D-resistente Rachitis. 2.8.3.8 Y-chromosomale Vererbung Es sind nur Männer betroffen, Mikrodeletionen des YChromosoms können ein Oligo-Asthenospemie-Teratozoospermie-Syndrom oder eine Azoospermie mit Infertilität verursachen. Durch ICSI (»intracytoplasmatic sperm injection«) können betroffene Männer Kinder haben, von denen die Söhne erneut, die Töchter
2
nicht betroffen sind. Dass behaarte Ohren Y-chromosomal vererbt werden, wird heute als eher unwahrscheinlich angesehen. 2.8.3.9
Nichtklassische Mendelsche Vererbung Die nichtklassische Vererbung nach Mendel kommt in folgenden Fällen vor: 4 Erkrankungen durch Expansion von BasentriplettRepeats 4 Mitochondriale Vererbung 4 Somatische Mosaike z. B. segmentale Ausprägung der Neurofibromatose 4 Uniparentale Disomie und Imprinting 2.8.3.10
Erkrankungen durch Expansion von Basentriplett-Repeats Beispiele für solche Erkrankungen sind: 4 Chorea Huntington 4 Syndrom des fragilen X-Chromosoms 4 Myotonische Dystrophie Typisch ist hierbei die Antizipation, d. h. eine genetische Erkrankung tritt durch Expansion in nachfolgenden Generationen immer früher oder schwerer ausgeprägt auf. Die Expansion erfolgt bei fra(X)-Syndrom und myotoner Dystrophie v. a. in der maternalen Meiose, bei Chorea Huntington v. a. in der paternalen Meiose. Chorea Huntington Epidemiologie/Ätiopathogenese. Die Chorea Huntington (Chorea major, Veitstanz) betrifft 3–7:100.000 in Westeuropa. Ursache ist eine autosomal-dominant vererbte Repeat-Expansion (CAG)n im HuntingtinGen auf Chromosoms 4 mit genetischer Antizipation. Letztere tritt v. a. bei Vererbung vom Vater auf, die Instabilität der Repeats ist größer in der Spermiogenese als in der Oogenese. Es kommt zu einem progressiven Neuronenverlust in Basalganglien (v. a. Nucleus caudatus) (7 Neurologie, Kap. 1.6.2.2). > Bei der Chorea major kommt es ab einer bestimmten Repeat-Zahl im Huntingtin-Gen zur vollen Penetranz; je länger die Repeat-Expansion ist, desto früher der Beginn und desto schwerer ist der Verlauf. Die Repeat-Expansion kann mittels PCR oder Southern Blot identifiziert werden.
Wiederholungsrisiko. Nachkommen eines Erkrankten haben ein A-priori-Risiko von 50% zu erkranken. Mit zunehmendem Alter ohne Krankheitssymptome sinkt die reale Wahrscheinlichkeit, das Allel geerbt zu haben und zu erkranken, mit 70 Jahren ist es etwa 6%. Prädiktive
78
2
Kapitel 2 · Humangenetik
Tests bei asymptomatischen Erwachsenen mit 50%igem Risiko sollten gut überlegt werden, da es keine Therapie gibt, asymptomatische Kinder sollten nicht prädiktiv getestet werden. Eine pränatale Diagnostik ist verfügbar.
vitätssyndrom, auffällige Fazies (langes ovales Gesicht, große Ohren, Progenie), Bindegewebsschwäche, Hodenvergrößerung, Epilepsie. Diagnostik. Erfolgt im Rahmen der Differenzialdiag-
Fragiles-X-Syndrom (Fra(X)-Syndrom, Martin-Bell Syndrom, Marker-X Syndrom) Epidemiologie/Ätiopathogenese. 1:2000 männliche Neugeborene. Das X-Chromosom von Betroffenen neigt unter bestimmten Kultivierungsbedingungen an einer bestimmten Stelle (FRAXA) zu mikroskopisch erkennbaren Chromatidbrüchen, ist also fragil. Die CGG-Repeat-Expansion liegt im nicht-translatierten Abschnitt des FMR1-Gens (»fragile X mental retardation 1«) (. Abb. 2.8). Symptomatik. Jungen sind schwerer betroffen als
Mädchen. Die Hälfte der Frauen und in der Regel alle Männer mit Vollmutation haben intellektuelle und körperliche Defizite: Entwicklungsrückstand, Lernschwierigkeiten bis zu schwerer geistiger Behinderung, Autismus, Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperakti-
a
nostik bei intellektuellen Defiziten oder zur Bestimmung des Anlageträgerstatus bei potenziellen und obligaten Überträgerinnen. Die Triplettzahl eines Elternteils kann ermittelt werden, um das Wiederholungsrisikos für ein weiteres Kind zu beurteilen. Pränataldiagnostik ist bei familiären Fällen möglich. Methoden: PCR als Screening, Southern Blot ist Goldstandard zum Nachweis von Prä- und Vollmutation sowie zur Bestimmung des Methylierungsstatus. Therapie. Erfolgt symptomatisch; Anwendung finden Verhaltenstherapie, Ergotherapie, Musiktherapie und logopädische Betreuung. Wiederholungsrisiko. Ein geerbtes vollmutiertes Allel stammt stets von der Mutter, die Mutter hat evtl. selbst nur das prämutierte Allel, das prämeiotisch in den Oo-
b
c . Abb. 2.8a-d. Martin-Bell-Syndrom. a Im Kindesalter, b als heranwachsender Junge. c Darstellung des fragilen X-Chromosoms. d Southern Blot bei Fragiles-X-Syndrom von 4 Pati-
d enten und Kontrollperson. Von links nach rechts: Kontrollperson K, 1, 2 und 4 Patienten, 3. Patientin mit Vollmutation. (Aus Buselmaier, Tariverdian 2007)
79 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
gonien expandieren kann, so dass ein Kind die Vollmutation erbt. Bei Übertragung vom Vater auf die Tochter kommt es nicht zur Vollmutation, da die Expansion vermutlich in den Oogonien stattfindet. ! Cave Die Prämutation kann von beiden Geschlechtern an die Nachkommen weitergegeben werden, von der Mutter an Sohn oder Tochter und vom Vater an die Tochter. Aber: Bei Kindern von betroffenen Vätern kann ein vollmutiertes Allel nicht von Vater kommen.
Myotone Dystrophie (Curshmann-Steinert-Batten-Syndrom) Epidemiologie/Ätiopathogenese. Die Prävalenz liegt bei etwa 55:100.000. Diese autosomal-dominant vererbte Krankheit hat eine variable Expressivität. Ursache ist eine CTG-Repeat-Expansion im nicht translatierten Abschnitt eines Proteinkinase-Gens (DMPK). Meist wird sie von der Mutter übertragen. Symptomatik. Beginn und Schwere sind abhängig von
der Repeat-Zahl, man unterscheidet milde, klassische und kongenitale Form (7 Neurologie, Kap. 1.11.1). Diagnostik. Der Nachweis Repeat-Expansion erfolgt
mittels PCR (<100 Repeats) und Southern Blot (>100 Repeats); eine pränatale Diagnostik ist möglich. Therapie. 7 Orthopädie, Kap. 2.6.6.1.
2.8.3.11
Mitochondriale Erkrankungen und mitochondriale Vererbung
> Mitochondriale Erkrankungen beruhen auf Störungen der Atmungskette oder der oxidativen Phosphorylierung. Das nukleäre Genom kodiert die Mehrheit der mitochondrialen Proteine, einige werden jedoch durch mitochondriale DNA (mtDNA) kodiert. Dementsprechend beobachtet man bei mitochondrialen Erkrankungen entweder den Mendelschen Erbgang oder eine zytoplasmatische/ mitochondriale Vererbung. Bei letzterer wird die Information von der Mutter an die Nachkommen weitergegeben = »maternale Vererbung«, da die Mitochondrien aus der Oozyte stammen.
Mitochondrien sind polyploid, da eine Zelle hunderte von Mitochondrien und jedes Mitochondrium 2–10 mtDNA-Moleküle hat. Normalerweise besteht der mitochondriale Genotyp eines Individuums aus Kopien einer mtDNA (Homoplasmie). Mutationen führen zur Koexistenz von Wildtyp- und mutierter mtDNA in einer Zelle (Heteroplasmie). Die Vertei-
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lung der Mitochondrien an die Tochterzellen in der Zellteilung erfolgt zufällig. Mutierte mtDNA kann sich anreichern und ab einem Schwellenwert manifestiert sich die Erkrankung. Durch Unterschiede in Mutationsart, Menge mutierter mtDNA und Gewebsverteilung erklärt sich die variable Expression mitochondrialer Erkrankungen. Am häufigsten präsentieren sich die Patienten mit neurologischen Symptomen. Das Manifestationsalter reicht vom Neugeborenen- bis ins Erwachsenenalter. Insgesamt häufig betroffen sind: visuelles System (Pigmentretinopathie), auditives System (Gehörverlust), ZNS (Ataxie, Krampfanfälle), PNS (Polyneuropathie), Herz, Skelettmuskel (myopathische Symptome: Schwäche, Anstrengungsintoleranz), endokrines System (endokriner Pankreas mit Diabetes mellitus, Hypoparathyroidismus), Leber und Niere. Bei Manifestation in der Kindheit kommt es zu psychomotorischer Entwicklungsverzögerung, generalisierter Hypotonie, Laktatazidose und kardiovaskulären Störungen. Mikroskopisch können »ragged red fibres« erkennbar sein (in der Muskulatur akkumulierte abnormale Mitochondrien). Nur manchmal gelingt der diagnostische Nachweis der Genmutationen bei mitochondrialen Erkrankungen. Syndrome mit Mutationen der mtDNA (Beispiele) sind: 4 Kearns-Sayre-Syndrom: Das Kind einer erkrankten Mutter hat ein Erkrankungsrisiko von nur etwa 5%. Vermutlich ist es deshalb relativ gering, da Keimzellen mit dieser Mutation sich nicht weiterentwickeln oder nicht zur Befruchtung kommen. Meist tritt die Erkrankung sporadisch auf. 4 Progressive externe Ophthalmoplegie 4 MELAS: mitochondriale Enzephalomyopathie mit Laktatazidose und »stroke-like episodes« 4 MERFF: Myoklonus-Epilepsie mit »ragged red fibres« 2.8.3.12 Stammbaumanalyse In der Stammbaumanalyse werden bestimmte Symbole verwendet (. Abb. 2.9 bis 2.14). 2.8.3.13
Monogene Erkrankungen mit unterschiedlichem Vererbungsmodus Hereditäre Sphärozytose Epidemiologie/Ätiopathogenese. Häufigkeit von 1:5000. Die autosomal-rezessive Form weist einen Spektrin-Defekt auf, die autosomal-dominante Form einen Ankyrin-Defekt.
80
Kapitel 2 · Humangenetik
. Abb. 2.9. In der Stammbaumanalyse verwendete Symbole
2
. Abb. 2.10. Stammbaumanalyse: autosomal-dominante Vererbung
Symptomatik/Diagnostik. Im Kindesalter treten Anämie und Ikterus auf, weiterhin hämolytische Krisen, Splenomegalie, Bilirubin-Gallensteine. Diagnostische Hinweise sind Kugelzellen im Blutausstrich und typische Verminderung der osmotischen Resistenz der Erythrozyten (7 Innere Medizin, Kap. 7.2.2.2).
Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit) Definition/Ätiopathogenese. Gruppe von Erkrankungen mit 4 Typen. Ursächlich sind genetisch bedingte Defekte in der Kollagen-I-Biosynthese. Die Knochenbrüchigkeit ist erhöht. Symptomatik. Die Symptomatik ist je nach Typ unter-
schiedlich. Typisch sind Frakturen, Knochendeformierungen, Dentiogenesis imperfecta, Hörverlust, blauen Skleren. Bei Typ II sterben Betroffene meist schon im 1. Lebensjahr (7 Orthopädie, Kap. 2.5.5.1). Diagnostik/Therapie. 7 Orthopädie, Kap. 2.5.5.1.
Familiäre Lipidstoffwechselstörungen/Hyperlipoproteinämien (7 Innere Medizin, Kap. 8.8.1) Folgende Aspekte können auf familiäre Lipidstoffwechselstörungen hinweisen: 4 Koronare Herzkrankheit insbesondere bei jungen Menschen (bei Hypercholesterinämie) 4 Pankreatitis unklarer Genese (bei Hypertriglyzeridämie) 4 Auftreten von Xanthomen, Arcus lipoides cornea (insbesondere bei jungen Menschen), Fettleber 4 Positive Familienanamnese spricht für ursächliche genetische Faktoren Einteilungen von Lipidstoffwechselstörungen: 4 Nach Fredrickson je nach den Lipoproteinkozentrationen (Lipoproteinelektrophorese) 4 In sekundäre (bei bestehender Erkrankung z. B. nephrotisches Syndrom) oder primäre (hereditär bzw. familiär) Lipidstoffwechselstörung 6
81 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
. Abb. 2.11. Stammbaumanalyse: autosomal-rezessive Vererbung
. Abb. 2.12. Stammbaumanalyse: X-chromosomal-rezessive Vererbung
. Abb. 2.13. Stammbaumanalyse: X-chromosomal-dominante Vererbung
. Abb. 2.14. Stammbaumanalyse: mitochondriale Vererbung
2
82
2
Kapitel 2 · Humangenetik
Hypercholesterinämien (primäre familiäre Lipidstoffwechselstörungen) sind: 4 In 70% der Fälle: polygen/multifaktoriell 4 Monogene Hypercholesterinämien 5 Familiäre Hypercholesterinämie (autosomaldominanter Erbgang) – Ursache: LDL-Rezeptoren in der Zellmembran der Hepatozyten sind bei Heterozygoten infolge Genmutation vermindert bzw. fehlen bei Homozygoten (fast) vollständig. Sie sind für die Aufnahme von LDL in die Leberzelle nötig. – Die Heterozygotenfrequenz beträgt 1:500, die Homozygotenfrequenz: 1:1 Mio. – LDL-Cholesterinwerte bei Heterozygoten: 220– 650 mg/dl (Hypercholesterinämie Typ IIa – das Serum ist klar). Sie erleiden ohne Therapie häufig Herzinfarkte im mittleren Lebensalter. – LDL-Cholesterin bei Homozygoten erreicht Werte von 500–1.000 mg/dl, eine koronare Herzkrankheit besteht schon im Kindesalter. 5 Familiär defektes Apolipoprotein B100 (autosomal-dominanter Erbgang) – Die Häufigkeit beträgt ca. 1:750, erhöhtes LDLCholesterin und Arterioskleroserisiko. Apolipoproteine sind Proteine, die als Bestandteile der Lipoproteine deren Löslichkeit im Blut vermitteln und darüber hinaus wichtige Funktionen im Lipidstoffwechsel haben. Apolipoprotein B100 ist Ligand des LDL-Rezeptors. Weitere familiäre Lipidstoffwechselstörungen sind LDLCholesterinerhöhung, kombinierte Hyperlipidämien (Triglyzeride und Cholesterin meist mäßig erhöht, Häufigkeit ca. 1:200), Hypertriglyzeridämien oder HDL-Cholesterinverminderung. Je nach Lipidprofil unterscheiden sich die Symptome. Ursache: u. a. Veränderungen in Apolipoproteinen mit unterschiedlichen Erbgängen, bei Hyperchylomikronämie kann ein Lipoproteinlipasemangel mit z. T. autosomal-rezessiven Erbgang vorliegen. Familiäre Lipoprotein (a)-Hyperlipoproteinämie: Lp(a) enthält ein Apolipoprotein, das mit Plasmin um Bindungsstellen an Endothelzellen kompetitiert (antiplasminogene Wirkung), außerdem bewirkt Lp(a) eine erhöhte Expression des Plasminogen-Aktivator-Inhibitors. Lp(a) bewirkt insgesamt durch Hemmung der Thrombolyse und Begünstigung der Plaquebildung ein erhöhtes Arterioskleroserisiko.
Thalassämien Definition/Ätiopathogenese. Thalassämien sind quantitative Störungen der Globinsynthese (verminderte bis fehlende Synthese) bei normaler Struktur (keine qualitative Synthesestörung).
Hämoglobin Das Hämoglobinmolekül besteht aus 4 Peptidketten mit je einem Häm (tetrameres Protein). Es gibt 4 Typen von Peptidketten: α-, β-, γ- und δ-Ketten. Physiologische Hämoglobine sind HbA (adultes Hb) und HbF (fetales Hb) mit jeweils 2 identischen Peptidketten: Bei Neugeborenen sind ca. 60– 80% des Gesamt-Hb HbF = α2γ2. Bei Erwachsenen ist HbF nur in Spuren vorhanden. HbA1 = α2β2 stellt normalerweise die Hauptform dar (ca. 96–98%), 1–35 sind HbA2 = α2δ2.
Symptomatik/Diagnostik. Anlageträger können als
einzige Manifestation eine milde Anämie aufweisen, die mikrozytär und hypochrom ist und mit einer Eisenmangelanämie verwechselt werden kann. Bei Anämie, entsprechender Herkunft und Nichtansprechen auf Eisengabe ist daran zu denken! Typisch im Blutausstrich sind Target-Zellen (hypochrom mit zentraler Verdichtung) (7 Innere Medizin, Kap. 7.2.9). α-Thalassämie. Ursache ist eine quantitativ vermin-
derte α-Globin-Synthese. Die Erkrankung tritt v. a. in Südostasien (auch in Afrika, Asien), gelegentlich im Mittelmeerraum auf. Auf jedem Chromosom 16 befinden sich 2 α-Globin Strukturgene, die bei unterschiedlicher Basensequenz für eine identische AS-Sequenz kodieren (degenerierter genetischer Kode). Im diploiden Chromosomensatz existieren also 4 Anlagen des α-Globins. 4 Anlageträger haben 1–2 abnormale Anlagen: 1 abnormales Allel bleibt klinisch stumm, 2 abnormale Allele auf demselben oder auf dem homologen Chromosomen können eine milde Anämie hervorrufen. 4 Bei α-Thalassaemia minor sind 3 Allele abnormal. Es bilden sich β-Tetramere, HbH, es kommt zu Hämolysen mit mittelschwerer bis schwerer Anämie und weiteren Symptomen: Splenomegalie, Knochendeformitäten. 4 Bei α-Thalassaemia major sind alle 4 Allele betroffen. Es bilden sich γ-Tetramere, Hb Barts mit Hydrops fetalis. Betroffene Kinder sterben meist vor oder gleich nach der Geburt. β-Thalassämie. Ursache ist eine quantitativ vermin-
derte β-Globinsynthese. Die Erkrankung kommt v. a. im Mittelmeerraum, häufig auf Zypern (14%) und Sardinien (12%), in Afrika und Südostasien vor. Es besteht ein Heterozygotenvorteil gegenüber Malaria. Der Genlokus liegt bei 11p15.5. Die Vererbung ist autosomalrezessiv. 4 β-Null-Thalassämie: vollständiges Fehlen der βKette 4 β-Plus-Thalassämie: Verminderung der β-Kette
83 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
Klinisch unterscheidet man: 4 β-Thalassaemia major = »Cooley-Anämie« bei Homozygotie (transfusionspflichtig) 4 Thalassaemia intermedia (unterschiedlich schwer, nicht transfusionspflichtig) bei unterschiedlichem Genotyp 4 Thalassaemia minor (asymptomatisch oder leichte Symptome) bei Heterozygotie
2
Kompensatorisch kommt es zu Erhöhung der HbA2Fraktion (v. a. bei der Minorform) bzw. HbF (v. a. bei Majorform). Die Erythropoese ist ineffektiv, es kommt zu intra- und extramedullärer Hämolyse. Hb-Elektrophorese dient der Diagnostik, sie kann ggf. auch eine gleichzeitig vorliegende anderen Hämoglobinopathie wie Sichelzellanämie aufdecken.
In Kürze Stammbaumanalyse Vererbungsform und Beispiele
Kennzeichen
Autosomal-dominant 4 Achondroplasie 4 Marfan-Syndrom
4 Verhältnis erkrankter Männer zu erkrankten Frauen ist gleich 4 Betroffene in aufeinander folgenden Generationen (Neumutation sind allerdings möglich) 4 Übertragung erfolgt von beiden Geschlechtern auf Nachkommen beider Geschlechter: von Mann zu Sohn und Tochter, von Frau zu Sohn und Tochter
Autosomal-rezessiv 4 Hereditäre Hämochromatose 4 Zystische Fibrose 4 Störungen im Aminosäurestoffwechsel, z. B. Phenylketonurie
4 Verhältnis erkrankter Männer zu erkrankten Frauen ist gleich 4 Betroffene in der Regel in einer Generationen (Geschwister) 4 Häufig konsanguine Eltern
X-chromosomal-rezessiv 4 Muskeldystrophie Typ Duchenne, Typ Becker-Kiener 4 Hämophilie A und B 4 Favismus 4 Testikuläre Feminisierung
4 4 4 4
X-chromosomal-dominant 4 Vitamin D resistente Rachitis
4 Männer und Frauen sind betroffen, in der Regel mehr Frauen 4 Frauen sind weniger schwer betroffen 4 Betroffene Männer können die Erkrankung an die Töchter aber nicht an ihre Söhne weitergeben
Y-chromosomale Vererbung
4 Nur Männer sind betroffen 4 Die Erkrankung wird an den Sohn weitergegeben
Mitochondriale Vererbung 4 Kearns-Sayre-Syndrom
4 Verhältnis erkrankter Männer zu erkrankten Frauen ist gleich 4 Betroffene in aufeinander folgenden Generationen oder Neumutation 4 Mütter geben die Erkrankung an alle Kinder weiter, Väter geben die Erkrankung nicht weiter
In der Regel nur Männer erkrankt Übertragen durch gesunde Überträgerinnen Männer können die Erkrankung nicht an die Söhne weitergeben Bei einigen Erkrankungen werden die Männer nicht alt genug, um die Erkrankung weiterzugeben, Übertragung dann durch die Mütter
84
2.8.4
2
Kapitel 2 · Humangenetik
Multifaktorielle Vererbung
Die meisten »Volkskrankheiten« beruhen auf komplexen, meist noch schlecht verstandenen genetischen Faktoren in Zusammenspiel mit Umweltfaktoren. Sie sind »multifaktoriell«. Der erbliche Anteil ist im Allgemeinen polygen, d. h. der Phänotyp wird durch viele Gene verschiedener Loci bestimmt, wobei jedes einen (unterschiedlichen großen) Effekt hat. Zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen bestehen oft erhebliche Unterschiede. Auch bestimmte menschliche Charakteristika, die in der Bevölkerung normalverteilt sind, wie Größe, Hautleisten, Intelligenz, werden polygen vererbt. 2.8.4.1
Beispiele kongenitalen Fehlbildungen mit polygener Vererbung Beispiele bei angeborenen Fehlbildungen sind: 4 Lippen- und Gaumenspalten 4 Kongenitale Hüftluxation 4 Kongenitale Herzfehler 4 Neuralrohrdefekte wie Spina bifida 4 Pylorusstenose 4 Klumpfuß 2.8.4.2
Beispiele erworbenen Erkrankungen mit polygener Vererbung Beispiele bei erworbenen Krankheiten sind: 4 Asthma 4 Diabetes mellitus (es gibt auch monogene Formen, s. unten) 4 Epilepsie 4 Glaukom 4 Hypertonie 4 Koronare Herzkrankheit 4 Manische Depression 4 Schizophrenie Schwellenwert und Wiederholungsrisiko polygener Vererbung Modellhaft wird davon ausgegangen, dass o. g. Erkrankungen ab einer bestimmten Schwelle additiver Prädispositionen auftreten. Die Normalverteilungskurve für die Erkrankung ist in einer betroffenen Familie in Richtung Schwellenwert verschoben, so dass die Erkrankung in der Familie häufiger auftritt.
Das Risiko ist auch abhängig von dem Ausprägungsgrad der Erkrankung beim Betroffenen. Das Risiko nimmt ab, je weiter entfernt die Verwandtschaft ist z. B. bei Spina bifida und erstgradiger Verwandtschaft 4%, zweitgradiger ca. 1% und bei drittgradiger ca. 0,5%. Sind mehrere Verwandte betroffen, so steigt das Risiko. Bei 2 erstgradig verwandten Betroffenen ist das Risiko oft ca. 10%. ! Cave Kommt die Erkrankung bei einem Geschlecht häufiger vor als bei dem anderen, so ist das Risiko erhöht, wenn der Erkrankte dem weniger häufig betroffenen Geschlecht angehört (. Tab. 2.7). Beispiel: Die Pylorusstenose tritt 5-mal häufiger bei Jungen auf. Das Risiko einer Pylorusstenose bei Kindern betroffener Mütter ist also höher als bei Kindern betroffener Väter. Eine mögliche Erklärung ist, dass die genetische Prädisposition einer Mutter für die Erkrankung größer sein muss als bei einem Vater, also gibt die Mutter auch mehr entsprechende Gene weiter.
2.8.4.4
Erblichkeit bei multifaktoriellen Erkrankungen Der Anteil der Erblichkeit an der Genese der multifaktoriellen Erkrankungen ist verschieden. Er kann mit Hilfe von Zwillings- und Geschwisterstudien (Vergleich zusammen- und getrennt lebender Verwandter) ermittelt werden. Studien Ob einer Erkrankung erbliche Faktoren zugrunde liegen, kann durch folgende Studien analysiert werden: Migrationsstudien: Vereinfachend lässt sich sagen: Je weniger sich die Inzidenz einer Erkrankung in einer Population durch Migration verändert, desto geringer ist der Einfluss der Umweltbedingungen und desto größer der der Erblichkeit.
2.8.4.3
> Bei polygen bedingten Fehlbildungen ist das Erkrankungsrisiko für erstgradig Verwandte oft 2–6%. Es ergibt sich näherungsweise aus der Quadratwurzel der Inzidenz. Ist diese 1:1000 ist das Risiko erstgradig Verwandter näherungsweise 1:32 oder 3%.
. Tab. 2.7. Geschlechtsabhängiges PylorusstenoseRisiko für Kinder von Eltern, die selbst Pylorusstenose hatten Risiko für eine Tochter
Risiko für einen Sohn
Mutter mit Pylorusstenose Vater gesund
7,3%
19,4%
Vater mit Pylorusstenose Mutter gesund
2,4%
5,5%
85 2.8 · Genetisch bedingte Erkrankungen
Familien-, Zwillings- und Geschwisterstudien und Untersuchungen von adoptierten Kindern. Der Verwandtschaftsgrad bestimmt den Anteil an gemeinsamen Genen: 4 Erstgradig verwandte (Eltern, Geschwister, Kinder): 50% (1/2) 4 Zweitgradig (Onkel, Tanten, Neffen, Nichten, Großeltern, Enkel, Halbgeschwister): 25% (1/4) 4 Drittgradig (Cousins, Urgroßeltern, Urenkel): 12,5% (1/8) Lokalisation krankheitsrelevanter Gene In Genkopplungsanalysen werden erkrankte Verwandte mit nicht erkrankten verglichen. Das gesamte Genom kann untersucht werden. Treten bestimmte Marker mit bekannter Lokalisation unter den Betroffenen überzufällig häufig auf, kann daraus auf die Lokalisation krankheitsrelevanter Chromosomenabschnitte rückgeschlossen werden. Das relevante Gen wird so noch nicht identifiziert. Kommen in einer Population Polymorphismen in strukturellen oder regulatorischen Genabschnitten vor, kann ihre Assoziation mit einer Erkrankung untersucht werden. Bei der »assoziativen Genetik oder Assoziationsgenetik« werden Patienten, die an einer bestimmten Erkrankung leiden, mit gesunden Personen verglichen. Mit Hilfe statistischer und molekularbiologischer Methoden soll herausgefunden werden, ob bestimmte Genvariationen in einer Gruppe häufiger sind als in der anderen. Durch weitere Untersuchungen wird dann überprüft, ob ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen einer ggf. gefundenen Genvariation und der untersuchten Erkrankung existiert. Kandidatengene kodieren Proteine, die nach pathophysiologischer Kenntnis mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen und von denen vermutet wird, dass quantitativ oder qualitativ abnorme Expression eine Rolle in der Genese einer Erkrankung spielt. Untersucht werden Kandidatengene häufig in Form von Fall-Kontroll-Studien, wobei die Genhäufigkeiten in den Kollektiven verglichen werden. Auch tierexperimentelle Ansätze werden eingesetzt. 2.8.4.5
Beispiele multifaktorieller Erkrankungen Genetische Aspekte bei Diabetes mellitus Die Lebenszeitprävalenz in unserer Population liegt bei ca. 5%. In 5–10% der Fälle handelt es sich um Typ1-Diabetes. 1–2% sind genetische Defekte der B-Zellfunktion – früher MODY (»maturity onset diabetes of the young«). Typ-2-Diabetes macht den größten Anteil aus. Oft ist die Familienanamnese positiv.
2
Diabetes Typ 1. Der Typ-1-Diabtes betrifft 0,4% der Bevölkerung und beginnt in der Regel in der Jugend. Das Risiko für ein Kind beträgt 4 bei betroffenem Vater 5%, 4 bei betroffener Mutter 2,5%, 4 bei zwei betroffenen Elternteilen 20%.
Die Konkordanzrate (Rate der Übereinstimmung für ein Merkmal) für monozygote Zwillinge ist 35–50%, für dizygote Zwillinge 12%, für Geschwister 6%. Diese Zahlen sprechen für eine multifaktorielle Genese. Autoimmunprozesse sind an der Zerstörung von Insulin-produzierenden β-Zellen des Pankreas beteiligt. 95% der Erkrankten haben HLA DR3 oder DR4 (im Vergleich zu 50% in der Normalbevölkerung). Wichtig ist auch der sog. IDDM1-Locus. Weitere Kenntnisse über genetische Ursachen und Zusammenhänge sind nötig, bevor das Wissen zu prädiktiven Zwecken und Prävention genutzt werden kann. Diabetes Typ 2. Der Typ-2-Diabetes betrifft 5% der
Bevölkerung und beginnt meist im höheren Alter. Die Erkrankung ist genetisch heterogen, es konnten einige chromosomale Abschnitte identifiziert werden, die mit der Empfänglichkeit für Typ 2 Diabetes assoziiert sind. Einige Studien zeigten, z. T. aber mit unterschiedlichen Resultaten, assoziierte Mutationen im kodierenden Abschnitt des Insulingens, in seinem Promotor, von Transkriptionsfaktoren, im ATP-abhängigen K+-Kanal, im Insulin-Signaltransduktionsweg u. a. Wiederholungsrisiko. Es liegt für jeden Menschen in
der Population bei 5%. Sind in der Familie erstgradig Verwandte erkrankt, steigt das Risiko auf 10–15%. Andere Vererbungsformen von Diabetes mellitus 4 Genetische Defekte der B-Zellfunktion (früher MODY): Es handelt sich um anfänglich nicht-insulinpflichtigen Diabetes mellitus, der bei Jugendlichen beginnt. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant. Die Penetranz ist hoch. Mutationen in 6 verschiedenen verantwortlichen Genen (Glukokinase-Gen, verschiedene Transkriptionsfaktoren) sind bekannt. 4 Genetische Defekte der Insulinwirkung sind beschrieben. 4 MIDD (»maternally inherited diabetes and deafness«): mitochondrial (und damit maternal) vererbte Form von Diabetes mit Taubheit. 4 Diabetes mellitus kommt im Rahmen von Syndromen vor: Klinefelter-, Turner- und Down-Syndrom sowie bei myotoner Dystrophie.
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2
Kapitel 2 · Humangenetik
Genetische Aspekte bei Hypertonie 10–25% der Gesamtbevölkerung hat eine Hypertonie, wobei der Anteil mit dem Alter stiegt, es gibt eine familiäre Häufung (7 Innere Medizin, Kap. 1.2). Kandidatengenanalysen ergeben eine Assoziation zwischen Hypertonie mit genetischen Polymorphismen im Angiotensinogen-Gen, in Genen epithelialer Natriumkanäle und im β2-adrenergen Rezeptor sowie in mit dem adrenergen System assoziierten G-Proteinen. Es besteht eine Assoziation von α-Adductin, einem Ionentransporter in Nierentubuli, mit essenzieller Hypertonie und Salzsensitivität. > Ein immer wieder diskutierter Umweltfaktor ist der Kochsalzkonsum. Es gibt salzsensitive Menschen, die schon nach Aufnahme geringer Mengen Kochsalz eine Hypertonie entwickeln, andere Menschen (salzresistente) bleiben auch nach Genuss größerer Kochsalzmengen normotensiv. Eine generelle Empfehlung der Kochsalzvermeidung zur Hypertonie-Primärprävention kann daher nicht gegeben werden.
Monogene Hypertonieformen sind selten: 4 Liddle-Syndrom oder Pseudohyperaldosteronismus mit Mutation des Amilorid-sensitiven epithelialen Natriumkanals und dadurch konstitutiver Aktivierung, d. h. auch ohne Aldosteron wird Natrium rückresorbiert und Kalium tubulär sezerniert, es kommt zu hypokaliämischer Alkalose. 4 Familiärer Hyperaldosteronismus 4 Störungen im Glukokortikoidstoffwechsel Genetische Aspekte bei affektiven Störungen Die klinischen Zeichen wie Veränderungen von Stimmung und Antrieb, kognitive Einschränkungen (»Pseudodemenz«), psychomotorische Unruhe oder Hemmung, vegetativ-somatische Erscheinungen sind individuell sehr verschieden und nicht einfach zu standardisieren, was die Durchführung von Studien erschwert. Klinisch unterscheidet man: manische Episode, depressive Episode und die bipolare affektive Störung. Eine Assoziation mit Angsterkrankungen ist bekannt.
Es wird modellhaft angenommen, dass die genetischen Hintergründe für Angst- und affektive Störungen ähnlich sind, aber Umwelteinflüsse dann die Krankheitsmanifestation in eine Richtung leiten. Die Lebenszeitprävalenz für bipolare affektive Störungen liegt bei etwa 1%, für unipolar depressive Episode bei bis zu 20%. Für depressive Symptomatik wird eine genetisch determinierte Vulnerabilität gegenüber »life events« beschrieben mit einem Anteil der Erblichkeit von 40–70%. Genkopplungsanalysen ergeben relevante chromosomale Abschnitte: u. a. 13q und 22q, Assoziation mit Transkriptionsfaktor CREB1 und Elementen seines Signaltransduktionswegs. Interessanterweise gibt es zwischen den Regionen für schizophrene und bipolar affektive Störungen einige Überlappungen. Kandidatengenanalyse zeigen polymorphe Repeats in regulatorischen DNA-Abschnitten in der Nähe des Serotonin (5-HT)-Transporter-Gens: kurze Allele mit geringerer Expression und Funktion des 5-HTTransporters sind phänotypisch mit Angst, Depression und Aggressivität assoziiert, allerdings ist der Einfluss eher gering. 2 SNP im 5-HT-Transporter-Gen sind u. a. mit Depression assoziiert. Das Risiko für familiäres Auftreten ist erhöht bei frühem Beginn und multiplen Episoden. Familienangehörige von Patienten mit bipolarer affektiver Störung haben ein erhöhtes Risiko für unipolare Depression und für die Kombination mit Angsterkrankungen (. Tab. 2.8). In Kürze Die meisten »Volkskrankheiten« beruhen auf komplexen, meist noch schlecht verstandenen, genetischen Faktoren in Zusammenspiel mit Umweltfaktoren und sind damit »multifaktoriell«. Der erbliche Anteil ist dabei im Allgemeinen polygen. Wichtige Beispiele sind: Asthma, Diabetes mellitus, Epilepsie, Hypertonie, koronare Herzkrankheit, manische Depression und Schizophrenie.
. Tab. 2.8. Wiederholungsrisiko für Bipolare Störung bzw. Schizophrenie bei positiver Familienanamnese Eineiige Zwillinge
Zweieiige Zwillinge
Verwandter 1.Grades
Allgemein in der Bevölkerung
Bipolare Störung
40-–0%
0–10%
5–10%
0,5–1,5%
Schizophrenie
40–65%
0–30%
4 Kind eines Schizophrenen Elternteils: 16% 4 Kind von 2 Schizophrenen: 34% 4 Eltern eines Schizophrenen: 9%
0,5–1%
87 2.9 · Epigenetik
2.9
Epigenetik
Epigenetik heißt wörtlich »jenseits konventioneller Genetik«. Genetik beschreibt Funktionen der DNA, die direkte Folgen ihrer Sequenz sind (Organisation zu Genen, regulatorische Sequenzen und dazu gehörende Mutationen). Epigenetik betrifft dagegen Vorgänge, die sich jenseits dieser Grundprinzipien vollziehen. Sie befasst sich mit stabilen, d. h. mitotisch und/oder meiotisch weitergebbaren Veränderungen der Genfunktion (Regulation und Expression), die nicht durch Veränderungen in der DNA-Sequenz erklärt werden können. Wichtiger Mechanismus der Epigenetik ist DNAMethylierung regulatorisch wichtiger DNA-Regionen. Durch Methylierung entsteht aus der Base Cytosin das 5-Methylcytosin. Die Methylierung erfolgt bevorzugt an der Sequenz CG. DNA-Methylierung spielt eine Rolle bei: 4 Regulation der Genexpression 4 Inaktivierung des zweiten weiblichen X-Chromosoms 4 Parentalem Imprinting 4 Entstehung von Krankheiten, z. B. Tumoren Während der Entwicklung von Krankheiten kann sich das Genexpressionsmuster verändern, Gene können an- oder abgeschaltet werden, dies korreliert häufig mit Veränderungen im Methylierungsmuster. Methylierung der DNA kann die Bindung von Transkriptionsfaktoren und die Expression von Genen hemmen, selten die Expression steigern. An der Tumorentstehung können Phänomene der DNA-Methylierung beteiligt sein. 5-Methylcytosin ist mutationsanfällig (CG mutiert relativ leicht zu TG) und fehlerhafte DNA-Methylierung kann fälschliches Anoder Abschalten von Genen bewirken. Durch Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen kann eine Zelle transformiert werden. Aktivierungszustand und auch DNA-Methylierung werden wiederum durch HistonModifikationen beeinflusst. 2.9.1 Imprinting Parentales Imprinting ist das Phänomen, dass bestimmte Gene abhängig von mütterlicher oder väterlicher Herkunft funktionell ungleich sind. Die Expression der meisten Gene wird beim Menschen über 2 Allele gesteuert. Gene, die dem Imprinting unterliegen, werden nur von einem Allel exprimiert, wobei ein Elternteil das aktive Gen weitervererbt; das Gen des anderen Elternteils ist methyliert und inaktiviert.
2
Als hypothetische Ursache für Imprinting wird ein Konflikt der weiblichen und männlichen Keimzellen über Wachstum und Ernährung des Ungeborenen gesehen. Bei Mäusen unterliegen Wachstums-stimulierende Gene, z. B. IGF2, maternalem Imprinting, während Gene paternalen Imprintings Plazentawachstum betreffen. > Imprinting kommt bei lebendgebärenden Säugetieren (mit Plazenta) vor. Es wird in Genen beobachtet, die die fetale Entwicklung betreffen, und spielt eine Rolle bei der Entstehung einiger genetisch bedingter Krankheiten.
Uniparentale Disomie (UPD) bedeutet, dass beide Allele eines Gens vom selben Elternteil stammen. Trotz richtiger Genzahl kann es zu genetischen Störungen kommen, da väterliche und mütterliche Gene durch Imprinting in ihrer Expression nicht gleich sind. UPD entsteht meist durch Nondisjunction in der Meiose I oder II, wobei zunächst trisome Zellen entstehen, die dann das einzelne Chromosom eines Elternteils verlieren. Eine weitere Möglichkeit ist, dass eine Monosomie vorliegt, die durch »monosomy rescue« disom wird. > Unter Imprintingfehler versteht man väterliche Prägung eines mütterlichen Chromosoms und umgekehrt.
Syndrome, deren Ursache Imprintingfehler und UPD sein können: 4 Beckwith-Wiedemann-Syndrom 4 Prader-Willi-Syndrom (PWS) 4 Angelman-Syndrom (AS) In Kürze 4 Epigenetik befasst sich mit stabilen, d. h. mitotisch und/oder meiotisch weitergegebenen Veränderungen der Genfunktion (Regulation und Expression), die nicht durch Veränderungen in der DNA-Sequenz erklärt werden können. 4 Wichtiger Mechanismus der Epigenetik ist die DNA-Methylierung; dies kann eine Rolle bei der Entstehung von Krankheiten, v. a. Tumoren spielen. 4 Parentales Imprinting ist das Phänomen, dass bestimmte Gene abhängig von mütterlicher oder väterlicher Herkunft funktionell ungleich sind.
88
Kapitel 2 · Humangenetik
2.10
2
Kongenitale Fehlbildungen
2–3% aller Neugeborenen haben schwerwiegende angeborene Fehlbildungen, die unbehandelt negative funktionelle oder soziale Folgen haben können. Weniger schwerwiegende Anomalien finden sich sogar in etwa 10%. Schwerwiegende kongenitale Fehlbildungen verursachen ¼ aller Todesfälle im 1. Lebensjahr. Nach dem Zeitpunkt der Schädigung unterscheidet man: 4 Störungen der Blastogenese: Befruchtung bis zum 27. oder 28. Tag p.c. 4 Störungen der Organogenese (eigentliche Embryogenese; Embryopathien): 28. Tag p.c. bis zum 55. bis 56.Tag p.c.; Morphogenese und Histogenese erfolgen in diesem Zeitraum. 4 Störungen der Fetogenese (Fetopathien): 9. SSW p.c. bis zur Geburt Häufig betroffen sind ZNS, kardiovaskuläres und urogenitales System sowie der Gastrointestinaltrakt. 2.10.1
Einteilung von kongenitalen Anomalien
2.10.1.1 Einzelne Anomalien Malformationen (primäre oder intrinsische Malformation) Malformationen sind primäre strukturelle Defekte eines Organs oder eines Teils eines Organs durch gestörte oder mangelnde Gewebsbildung. Auslösende Faktoren sind multifaktoriell (Gene und Umwelt). Der Zeitpunkt der Störung liegt in der frühen Entwicklung. Beispiele: kongenitale Herzfehler, Neuralrohrdefekte. Disruptionen (sekundäre oder extrinsische Malfomation) Bei einer Disruption wird die Entwicklung einer zunächst normalen Anlage im weiteren Verlauf gestört. Ursächlich sind v. a. äußere, aber auch innere Faktoren wie Ischämie, Infektion, Trauma mit Adhäsionen von verletzen Geweben. Beispiel: Disruption einer Extremität durch ein disloziertes Amnionband. Die betroffenen Strukturen befinden sich in einer bestimmten anatomischen Region, ohne dass sie entwicklungsbiologisch festgelegten Grenzen entsprechen. ! Cave Disruptionen sind per definitionem nicht genetisch und haben damit kein erhöhtes Wiederholungsrisiko.
Deformationen Eine Deformation ist eine mechanisch bedingte Formabweichungen einer normalen Anlage. Sie entsteht meist in der späten Schwangerschaft. Mögliche Ursachen sind: Oligohydramnion, Mehrlingsschwangerschaften mit intrauterinem Platzmangel, strukturelle Uterus-Anomalien. Häufig sind Knochen- oder Knorpelstrukturen betroffen. Wenn der mechanische Einfluss wegfällt, kann sich die Deformation selbst korrigieren oder leichter Gegendruck (z. B. Gipsredression) kann helfen. Assoziierte Fehlbildungen sind selten. Dysplasien Störungen der zellulären Organisation eines Gewebes, d. h. der Histogenese. Die Anlage des Organs ist zunächst normal. Oft ist die Folge der Störung in allen Teilen des Körpers in einem bestimmten Gewebe erkennbar (z. B. alle Knochen bei Osteogenesis imperfecta oder bei Stoffwechselstörung). Nicht anatomische Strukturen, sondern die Verteilung eines Gewebes bestimmen den Ort der Manifestation. Es können aber auch lokale Dysplasien z. B. bei somatischem Mosaik entstehen. ! Cave Meist sind Dysplasien durch monogene Erkrankungen verursacht, das Erkrankungsrisiko für Nachkommen oder zukünftige Geschwister ist damit hoch.
2.10.1.2 Multiple Anomalien Sequenz Als Sequenz bezeichnet man multiple Fehlbildungen als Konsequenz einer Kaskade von Ereignissen, die auf einem einzelnen primären Defekt beruhen. Dieser Defekt kann verschiedene Ursachen haben, oft ist es eine einzelne Malformation. Beispiel: Potter-Sequenz mit initial verringertem Urin-Output durch Nierenagenesie oder chronischem Verlust von Amnionflüssigkeit und dadurch Oligohydramnion, das zu fetaler Kompression und mit fazialen Deformationen, Hüftgelenkluxation, Klumpfüßen und lebensbedrohlicher pulmonaler Hypoplasie führt. Syndrom Dieser Begriff wird oft relativ locker verwendet; im eigentlichen Sinne steht er für die Kombination von Entwicklungsdefekten, die auf einer bestimmten gemeinsamen Ursache z. B. einer Chromosomenanomalie beruhen und ein sich von Fall zu Fall wiederholendes Fehlbildungsmuster verursachen. Beispiel: Down-Syndrom.
89 2.10 · Kongenitale Fehlbildungen
Assoziation Einige Fehlbildungen treten häufiger zusammen auf, als zufällig zu erwarten wäre. Assoziationen sind Kombination von Fehlbildungen, die nicht durch eine Sequenz oder Syndrom erklärt werden können. Beispiel: VATERAssoziation (verterbrale, anale, tracheo-ösophageale und renale Felbildungen). Das Wiederholungsrisiko ist gering, die Ursache noch unklar, vermutlich nicht genetisch. 2.10.2
Ursachen kongenitaler Fehlbildungen
Die Ursachen angeborener Fehlbildungen setzen sich wie folgt zusammen: 4 Genetische Ursache: 30–40% 5 Multifaktoriell. 20–30% 5 Chromosomenanomalien. 6% 5 Defekte einzelner Gene (monogen): 7,5% 4 Umweltfaktoren (Einwirkung von Teratogenen): 5–10% 5 Infektion: 2% 5 Medikamente, Drogen, Chemikalien: 2% 5 Physikalisch z. B. ionisierende Strahlen: 1% 5 Erkrankungen der Mutter: 2% 4 Ursache bleibt unbekannt: etwa 50% 2.10.2.1
Genetische Ursachen von kongenitalen Fehlbildungen
> Ein großer Teil der nicht-syndromalen Malformationen wird multifaktoriell verursacht. Genetische Faktoren spielen neben Umweltfaktoren eine Rolle, familiäre Häufung ähnlich wie bei multifaktoriellen Erkrankungen.
Einige Fehlbildungen sind heterogen. Sie können z. T. isoliert oder syndromal auftreten und werden monogen oder multifaktoriell verursacht. Neuralrohrdefekte (Störung des Neuralrohrschlusses im ersten Monat der
2
Embryogenese) können durch Chromosomenanomalien, z. B. Trisomie 13 oder 18, verursacht sein, im Rahmen von Syndromen auftreten oder wie meistens isoliert sein. Das Wiederholungsrisiko für erstgradig Verwandte ist abhängig von der Inzidenz in der Population, etwa 4–5% in Populationen mit häufigem Vorkommen. Genetische Faktoren (Mutation im Gen der MethylenTetrahydrofolat-Reduktase u. a.) werden angenommen. Daneben spielen exogene Faktoren eine wichtige Rolle. So verringert die perikonzeptionelle Folsäuregabe das Risiko eines Neuralrohrdefekts. Häufiger sind sie bei niedrigem sozioökonomischem Status, Multiparität und im Rahmen einer Valproinsäure-Embryopathie. 2.10.2.2
Umweltfaktoren (Teratogene) als Ursache kongenitaler Fehlbildungen Medikamente und Drogen (. Tab. 2.9) Alkoholembryopathie (. Abb. 2.15) Bei 1–3:1000 aller Neugeborenen führt Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft zu: 4 Intrauteriner und postnataler Wachstumsretardierung 4 Mikrozephalie 4 Typischer Fazies: verstrichenes Philtrum, schmales Lippenrot, enge Lidspalten (Blepharophimose), Ptosis, Epikanthus, flacher Nasenrücken 4 Statomotorischer und geistiger Retardierung 4 Muskelhypotonie später Hyperkinetik 4 Angeborenen Herzfehlern, Nierenfehlbildungen 4 Weiteren kleinen Fehlbildungen: Handfurchenanomalien, Klinodaktylie (Schiefstellung der Fingerglieder) Rauchen Aktiv- und Passivrauchen in der Schwangerschaft kann das Ungeborene gefährden durch verminderte präplazentare und plazentare Durchblutung mit der Folge intrauteriner Wachstumsretardierung, gesteigerter Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Plazentalösung.
. Tab. 2.9. Teratogene Medikamente und typische Fehlbildungen Phenytoin
Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Fingerhypoplasie, Wachstumsretardierung
Tetrazyklin
Zahnschmelzdefekte
Thalidomid
1958–1963: Embryopathie bei Einnahme in der 4. bis 6. SSW mit Amelie oder Phokomelie (Robbengliedrigkeit), Ohrenanomalien, Fehlbildungen innerer Organe (Herz, Niere, Gastrointestinaltrakt), Mikrophthalmie, schätzungsweise in der o. g. Zeit >10.000 Babies geschädigt
Lithium
Herzfehler (Ebstein-Anomalie)
Valproinsäure
Neuralrohrdefekte (höheres Risiko als bei Carbamazepin), Gesichtsdysmorphien, Herzfehler
Carbamazepin
Erhöhtes Risiko für Neuralrohrdefekte, Gesichtsdysmorphien, Herzfehler
90
Kapitel 2 · Humangenetik
2
. Abb. 2.15. Kind mit Alkoholembryopathie. (Aus Buselmaier, Tariverdian 2007)
Infektionen in der Schwangerschaft Das Akronym »TORCH« steht für Infektionen, die eine Embryo- oder Fetopathie hervorrufen können: Toxoplasmose, others (andere Erreger wie Listerien, Parvovirus B19, Syphilis etc.), Röteln, CMV, Herpes-simplexVirus (7 Gynäkologie, Kap. 1.7.2.5). 2.10.2.3
Erkrankungen der Mutter mit erhöhtem Fehlbildungsrisiko für das Kind Diabetes mellitus 0,5% der Schwangeren haben einen Typ-1-Diabetes. Die Zahl mit Typ-2-Diabetes ist zunehmend, in 5–10% entwickelt sich ein Gestationsdiabetes.
Schon präkonzeptionell bestehender Diabetes führt zu erhöhtem Risiko für die Entwicklung kongenitaler Anomalien (diabetische Embryopathie) und damit zu erhöhter fetaler und neonataler Mortalität, teratogener Faktor: Hyperglykämie in Kombination mit gestörtem Lipid- und AS-Stoffwechsel. Es gibt keine diabetesspezifischen Defekte, häufig sind Neuralrohrdefekte, Herzund Nierenfehlbildungen, Fehlbildungen v. a. der unteren Extremitäten und des Urogenitaltrakts. Wird die Stoffwechsellage nicht korrigiert, kommt es anschließend auch zur diabetischen Fetopathie, die auch die Hauptmanifestation bei Gestationsdiabetes ist. Ursache: Hyperglykämie und fetale Hyperinsulinämie im 2. bis 3. Trimenon. Folgen: Gerinnungsstörungen, Polyzythämie, verminderte Lungenreife mit Surfactant-Mangel und postpartalem Atemnotsyndrom, chronische Hypoxie, postpartale Hypoglykämie, Hypokalziämie und Hyperbilirubinämie des Neugeborenen, Makrosomie und Hypertrophie der inneren Organe (Geburtsgewicht 4000 g oder mehr, Herzhypertrophie etc.), dadurch bedingte Geburtstraumata (Plexusläsion, Schulterdystokie) oder Notwendigkeit von vaginal operativer Entbindung. Eine an Diabetes mellitus erkrankte Schwangere hat ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte und hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft. Polyhydramnion, Plazentainsuffizienz mit intrauteriner Wachstumsretardierung, Spontanaborte, intrauteriner Fruchttod und Frühgeburten werden häufiger beobachtet. Phenylketonurie Hält eine von PKU betroffene Schwangere die Diät nicht streng ein, kommt es zu erhöhten Spiegeln von Phenylalanin und seinen Metaboliten, die beim Kind zu Phenylalanin-Embryopathie mit mentaler Retardierung, Mikrozephalie und Herzfehler führen.
In Kürze 4 2–3% der Neugeborenen weisen schwerwiegende kongenitale Fehlbildungen auf. Betroffen sind oft kardiovaskuläre, zentralnervöse, gastrointestinale oder urogenitale Organe. Die Fehlbildungen können einzeln (Malformation, Disruption, Deformation, Dysplasie) oder multiple (Sequenz, Syndrom, Assoziation) auftreten. Die Ursache bleibt in 50% der Fälle unbekannt, kann genetisch (dann überwiegend multifaktoriell) oder umweltbedingt (Infektion, toxisch durch Medikamente und Drogen, physikalisch, mütterliche Erkrankung) sein. 4 1–3:1000 Neugeborenen weisen eine Alkoholembryopathie auf, die durch den mütterlichen
Alkoholkonsum während der Schwangerschaft ausgelöst wird. 4 Schon präkonzeptionell bestehender Diabetes führt zu erhöhtem Risiko für die Entwicklung kongenitaler Anomalien (diabetische Embryopathie) durch die Hyperglykämie in Kombination mit gestörtem Lipid- und Aminosäurestoffwechsel. Häufig treten Neuralrohrdefekte und Fehlbildungen von Herz, Nieren, der unteren Extremitäten und des Urogenitaltrakts auf. Wird die Stoffwechsellage nicht korrigiert, kommt es anschließend auch zur diabetischen Fetopathie, die auch die Hauptmanifestation bei Gestationsdiabetes ist. Ursache: Hyperglykämie und fetale Hyperinsulinämie im 2. bis 3. Trimenon.
91 2.12 · Populationsgenetik
2.11
Zwillinge
Die Häufigkeit des Auftretens von Zwillingen bzw. Mehrlingen folgt der Hellin-Regel: 4 auf 85 Geburten eine Zwillingsgeburt; demzufolge ist etwa 1 von 43 Babies ein Zwilling; 4 auf 852 Geburten eine Drillingsgeburt; 4 auf 853 (= 61.4125) Geburten eine Vierlingsgeburt usw. Eineiige Zwillinge sind in etwa überall auf der Welt gleich häufig. Die Rate an zweieiigen Zwillingen pro 1000 Lebendgeburten unterscheidet sich stark: 6 in Asien, 10–20 in Europa und 40 in Afrika. Die Rate an zweieiigen Zwillingen hat seit den 80er-Jahren und Anwendung von In-vitro-Fertilisationstechniken und medikamentöser Ovulationsinduktion zugenommen. > 4 Eineiige (monozygote) Zwillinge (EZ) entstehen aus einer Zygote: Eine Eizelle wird von einem Spermium befruchtet. 4 Zweieiige (dizygote) Zwillinge (ZZ) entstehen durch Befruchtung von 2 Eizellen mit je einem Spermium (in sehr seltenen Fällen von unterschiedlichen Vätern).
Familiäre Fälle kommen vor. ZZ sind genetisch gesehen genauso ähnlich wie normale Geschwister. Die Anzahl der EZ und der ZZ kann man vereinfachend wie folgt berechnen. 4 ZZ = 2 × Anzahl der getrenntgeschlechtliche Zwillinge, da statistisch jedes zweite ZZ-Paar unterschiedliches Geschlecht haben müsste 4 EZ = Anzahl der gleichgeschlechtlichen minus Anzahl der getrenntgeschlechtlichen Zwillinge oder 4 EZ = Anzahl aller Zwillinge minus 2 × Anzahl der getrenntgeschlechtlichen ZZ sind etwa 3-mal so häufig wie EZ. EZ sind etwas häufiger weiblich. Bei einem Großteil der Zwillingschwangerschaften kommt es zum spontanen Abort eines der beiden Zwillinge. Eineiige Zwillinge werden abhängig von den sie trennenden Eihäuten weiter eingeteilt (. Abb. 2.16): 4 Teilung beider Zwillinge bis zum Tag 3: Beide besitzen ihre eigene Fruchthöhle und eigene Plazenta (Dichoriaten-Diamnioten etwa ¼ der Fälle) 4 Teilung zwischen Tag 4–7: Monochoriaten-Diamnioten (3/4 der Fälle) mit gemeinsamer Plazenta, aber getrennter Amnionhöhle 4 Selten ist die Teilung nach Ausbildung der Fruchthöhle (7. bis 14.Tag): Entwicklung beider Zwillinge
2
in der selben Fruchthöhle mit einer Plazenta (Monochoriaten-Monoamnioten) Siamesische Zwillinge entstehen später in der Embryogenese. Teilen sich beide Kinder eine Plazenta, können ihre Blutkreisläufe miteinander in Verbindung stehen. Durch fetofetales Transfusionssyndrom kann es in ungünstigen Fällen zu gestörter Versorgung mit Entwicklungsstörungen bis zum Tod eines Kindes kommen. Bei einer gemeinsamen Amnionhöhle können sich die Nabelschnüre umschlingen. ZZ haben in der Regel eine eigene Fruchthöhle und eine eigene Plazenta (Dichoriaten-Diamnioten), die Plazenten können aber verschmelzen und sogar vaskuläre Verbindungen kommen vor. Bei vaskulären Verbindungen können hämatopoetische Stammzellen von einem Zwilling auf den anderen übertragen werden mit der Folge von Blutchimeren bei zweieiigen Zwillingen oder Mosaiken bei eineiigen Zwillingen mit genetischen Unterschieden, die trotz Entstehung aus derselben Zygote häufig vorliegen. 2.12
Populationsgenetik
Populationsgenetik beschäftigt sich mit der Verteilung von Allelen eines Gens und Genotypen in einer Population und den Faktoren, die die Frequenz dieser Allele beeinflussen. 4 Population: Gesamtheit von Individuen einer Art, die in einem geographisch abgegrenzten Raum leben und eine Fortpflanzungsgemeinschaft darstellen 4 Gen-Pool: Gesamtheit aller Gene in einer Population 4 Gen-Fluss: Veränderung des Gen-Pools einer Population durch Zufuhr neuen Genmaterials z. B. durch Einwanderer Hardy-Weinberg-Gesetz. Das Gesetz besagt, dass das ursprüngliche Verhältnis der Genotypen in einer Population über Generationen hinweg konstant bleibt und sich nach einer Generation der Panmixie einstellt. Voraussetzung für die Gültigkeit des Gesetzes ist die Idealpopulation, deren Merkmale sind: 4 Ausreichend groß: Zufallsschwankungen spielen keine Rolle. 4 Panmixie: Jeder hat die gleiche Paarungschanche (Chance, sich fortzupflanzen). 4 Muss isoliert sein: Kein Dazukommen oder Verschwinden von Genen.
92
Kapitel 2 · Humangenetik
2
. Abb. 2.16a-c. Verschiedene Möglichkeiten bei der Bildung der Eihäute bei eineiigen Zwillingen. a Aufspaltung im 2-Zell-Stadium. Jeder Embryo besitzt eine eigene Plazenta, ein eigenes Amnion und Chorion. b Aufspaltung des Embryoblasten in 2 getrennte Zellhaufen. Die Embryonen haben eine
gemeinsame Plazenta und ein gemeinsames Chorion, jedoch 2 getrennte Amnionhöhlen. c Noch spätere Aufspaltung des Embryoblasten. Die Embryonen besitzen eine gemeinsame Plazenta, ein gemeinsames Amnion und Chorion (mod. nach Langmann 1989). (Aus Buselmaier, Tariverdian 2007)
4 Keine Mutationen 4 Keine Selektion: Jede Genkombination muss den Träger gleich geeignet machen.
kung (etwa die Letalität) und der Neumutationsfrequenz. Veränderungen im Selektionsdruck oder in der Mutationsfrequenz können das Gleichgewicht verschieben. Genetischer Drift: In einer kleinen Population können sich die Genotyp-Frequenzen durch zufällige Schwankungen verschieben. Gründer-Effekt: Ein bisher in einer Population seltenes oder nicht vorhandenes Allel kann durch Migration eingeführt und verbreitet werden.
In einer realen Population könnte man vermuten, dass Allele aus der Population verschwindet, wenn sie im homozygoten Zustand zu einer schwerwiegenden oder letalen Erkrankung führen. Es stellt sich aber vielmehr ein Gleichgewicht ein, dessen Lage abhängig ist von der Elimination des Allels durch die Schwere der Erkran-
93 2.13 · Immunogenetik
Auch eine plötzliche drastische Verkleinerung und anschließende Wiederausbreitung einer Population kann eine Änderung in der Allelfrequenz bewirken. Gibt es für einen Genort 2 Allele A und a und es sei p die Frequenz für das Allel A und q die Frequenz von Allel a, dann gelten folgende Gesetze nach HardyWeinberg: 4 p + q = 100% = 1,0 4 p2 + 2pq + q2 = 1,0 (p2 = Frequenz der Homozygoten für A (Genotyps AA) 2pq = Frequenz der Heterozygoten (Genotyp Aa) q2 = Frequenz der Homozygoten für a (Genotyp aa)) Für einen Genort mit 3 Allelen gelten entsprechend: p + q + r = 1 und (p + g + r)2 = 1 Hardy-Weinberg-Gesetz bei Rot-Grün-Blindheit Etwa 8% aller Männer haben eine Rot-Grün-Blindheit. Betroffene Frauen sind in der Regel homozygot für das Xchromosomal-rezessiv vererbte Allel. Aus der Frequenz der erkrankten Männer ergibt sich, dass 8% der X-Chromosomen das Allel für die Rot-Grün-Blindheit haben, 92% also nicht. Da sich die Frequenz der Homozygoten einer autosomal-rezessiven Erkrankung nach dem Hardy-Weinberg-Gesetz aus dem Quadrat der Allelfrequenz q2 errechnen lässt, ergibt sich analog eine Homozygoten-Frequenz unter Frauen von 0,08×0,08, also etwa 1:150.
2
Ein genetischer Polymorphismus liegt vor, wenn in einer Population für ein Genlokus mindestens 2 verschiedene Allele vorhanden sind, wobei das seltenste Allel mit einer Frequenz vorkommen muss, die nicht allein durch Mutation erklärt werden kann, definitionsgemäß mind. 1%. Heterozygote kommen dann in mindestens 2% vor (7 Hardy-Weinberg). Polymorphismen können auf verschiedene Ebenen beobachtet werden: 4 Polymorphismen im Phänotyp 4 Biochemische Polymorphismen: Enzyme, Blutgruppen 4 Morphologische Unterschiede der Chromosomen und DNA-Polymorphismen: Unterschiede in der DNA-Sequenz SNP (»single nucleotide polymorphisms«; gelesen »snips«) sind Veränderungen eines Nukleotids der DNA, die in mindestens 1% der Fälle vorkommen. Polymorphismen können für eine Population nützlich sein, da sie sich bei neuen Selektionsdrücke (wechselnde Umweltbedingungen) theoretisch besser anpassen kann. Heterosis beschreibt Überlegenheit heterozygoter Allelträger. Bei Sichelzellenanämie haben Homozygote zwar einen Selektionsnachteil durch Manifestation der Erkrankung, es kommt aber nicht zum Verschwinden des pathogenen Allels, da heterozygote Träger weniger anfällig gegenüber Malaria sind (Heterozygotenvorteil).
In Kürze Populationsgenetik beschäftigt sich mit der Verteilung von Allelen eines Gens und Genotypen in einer Population und den Faktoren, die die Frequenz dieser Allele beeinflussen. Neben bestimmten Fachtermini (s.o.) hat hier v. a. das so genannte Hardy-WeinbergGesetz entscheidende Bedeutung: Gibt es für einen Genort 2 Allele A und a und es sei p die Frequenz für das Allel A und q die Frequenz von Allel a, dann gelten folgende Gesetze nach Hardy-Weinberg:
2.13
Immunogenetik
2.13.1 MHC (»major histocompatibility
complex«) Definition. Abschnitt auf Chromosom 6, dessen
Gene die Histokompatibilitätsantigene, beim Menschen das HLA-System = »human leucocyte antigens« kodieren:
4 p + q = 100% = 1,0 4 p2 + 2pq + q2 = 1,0 (p2 = Frequenz der Homozygoten für A (Genotyps AA) 2pq = Frequenz der Heterozygoten (Genotyp Aa) q2 = Frequenz der Homozygoten für a (Genotyp aa)) Für einen Genort mit 3 Allelen gelten entsprechend: p + q + r = 1 und (p + g + r)2 = 1
4 HLA-Antigene der Klasse I: auf allen kernhaltigen Zellen zur Antigenpräsentation, werden von zytotoxischen T-Zellen erkannt. 4 HLA-Antigene der Klasse II: vorwiegend auf BLymphozyten und Makrophagen zur Antigenpräsentation exprimiert, werden von T-Helferzellen erkannt. 4 Gene der Klasse III kodieren für Komplementfaktoren, Tumornekrosefaktoren und Stressproteine (»heat shock proteins«).
94
Kapitel 2 · Humangenetik
Da HLA-Allele aufgrund ihrer örtlichen Nähe in der Regel gemeinsam vererbt werden, haben Geschwister eine etwa 25%ige Chance, HLA-identisch zu sein.
2
> HLA-Antigene sind an Transplantatabstoßungen beteiligt. Einige Erkrankungen, v. a. bei autoimmunologischer Komponente, sind mit bestimmten HLA-Typen assoziiert.
2.13.2
Blutgruppensysteme
Blutgruppen sind erbliche, meist stabile strukturelle und antigene Eigenschaften von Blutbestandteilen, die sich interindividuell aufgrund genetischer Polymorphismus unterscheiden. Vor Bluttransfusionen bzw. zur Vorbeugung einer Transplantatabstoßung muss die Kompatibilität untersucht werden. Von Bedeutung sind v. a. AB0-System und Rhesus-System. Andere Blutgruppensysteme, z. B. Kell-System, Duffy-System, MNSs-System, sind besonders bei Mehrfachtransfundierten wichtig, da diese Antikörper (AK) gebildet haben können. AK kann man durch Cross-match nachweisen. Die Blutgruppenbestimmung auf der Erythrozytenoberfläche erfolgt durch spezifische AK. Im AB0System ist weiterhin die Untersuchung des Serums auf AK nötig. Blutgruppenuntersuchungen werden auch bei Vaterschaftsuntersuchung eingesetzt (v. a. früher vor der Möglichkeit des DNA-Fingerprint). 2.13.2.1 AB0-Blutgruppensystem Antigene Eigenschaften kommen auf Erythrozyten und anderen Zellen (Leuko- und Thrombozyten, Epithelund Gewebezellen) vor. Typisch für das AB0-System ist das Vorhandensein regulärer AK (Alloagglutinine oder Iso-[Häm-]Agglutinine), die gegen die Blutgruppenantigene A bzw. B gerichtet sind, die dem Individuum
selbst fehlen. Die Vererbung erfolgt autosomal (Chromosom 9) bei multipler Allelie. A und B verhalten sich zueinander kodominant, gegenüber Allel 0 dominant. Wichtige Varianten sind die A-Subtypen A1 und A2. A1 ist gegenüber A2 dominant. Die Allele kodieren Transferasen, die glykosidische Bindung an der so genannten H-Substanz katalysieren. Durch das stumme Allel 0 wird die H-Substanz nicht verändert. Die volle A- bzw. B-Eigenschaft entwickelt sich erst im Laufe der ersten 2 Lebensjahre. Antigene Eigenschaften kommen nicht nur zellulär, sondern auch als lösliche Glykoproteine im Serum sowie bei Sekretoren (fast 80% aller Europäer) auch in anderen Körperflüssigkeiten wie Speichel und Sperma vor. Zwischen den AB0-Blutgruppen und bestimmten Erkrankungen besteht ein statistischer Zusammenhang, z. B. sind Duodenalgeschwüre bei Patienten mit Blutgruppe 0 bei Nicht-Sekretoren häufiger. 2.13.2.2 Rhesus-System Wichtige Rh-Blutgruppenantigene sind D und die geringer immunogenen Antigene C,c und E,e sowie weak D. Individuen mit dem stärksten Rh-Antigen D haben den Genotyp DD oder Dd und werden als Rhesus-positiv bezeichnet. Ca. 85% der Europäer sind Rh-positiv. Wichtigste Variante ist das DVI-Antigen mit relativ geringer Anzahl von Epitopen pro Erythrozyt und Gefahr der Anti-D-Bildung nach Gabe Rh-positiven Blutes. Daher gelten Betroffene als Blutempfänger als Rhnegativ, als Spender aber als Rh-positiv. 1–2% aller RhPositiven haben unvollständige, schwächer antigene Eigenschaft D (weak D) und gelten sowohl als Blutspender als auch als Empfänger als Rh-positiv. Rh-negativ bezeichnet das Fehlen von Antigen D bei Genotyp dd. Das Allel d verhält sich gegenüber D rezessiv.
In Kürze Blutgruppen des AB0-Systems Blutgruppe (Phänotyp)
Häufigkeit in Mitteleuropa
Mögliche Genotypen
Antikörper
Reaktion mit Antiserum Anti-A
Anti-B
0
Circa 40%
OO
Anti-A und Anti-B
–
–
A
Circa 45%; davon 37% A1
AA, AO
Anti-B
+
–
B
Circa 11%
BB, BO
Anti-A
–
+
AB
Circa 5%
AB
Keine
+
+
95 2.14 · Genetische Aspekte bei Tumorerkrankungen
2.14
Genetische Aspekte bei Tumorerkrankungen
Genetische Faktoren können neben Umweltfaktoren die Tendenz beeinflussen, Tumorerkrankungen zu entwickeln. Ist eine Prädisposition angeboren, tragen alle (oder bei Mosaik einige) Zellen die entsprechende »konstitutive« genetische Information. Die beim Menschen häufigen Tumorerkrankungen treten überwiegend sporadisch auf, genetische Veränderungen befinden sich dabei nur in den betroffenen Zellen, sie sind »somatisch«. Ein molekulargenetisches Model der Tumorgenese des kolorektalen Karzinoms von Vogelstein beschreibt die schrittweise nacheinander ablaufenden Mutationen in der Adenom-Karzinom-Sequenz. Bei familiärem Auftreten unterscheidet man: 4 Monogene Vererbung der Tumorprädisposition: meist autosomal-dominant nach Mendelschem Erbgang mit relativ hoher Penetranz 4 Polygene Tumorprädisposition Insgesamt wird abhängig von der Art des Tumors die genetische Risikokomponente auf 1–53% geschätzt. Der Anteil der kolorektalen und Mammakarzinome, deren Prädisposition auf monogenem Erbgang beruht, liegt bei 5%. Bei familiären Tumorerkrankungen ist häufig mindestens eine Mutation konstitutionell in allen Zellen des betroffenen Individuums schon vorhanden. Zusätzlich erfolgen dann somatische Mutationen in den entsprechenden Geweben. Typische Kennzeichen, die an eine familiäre Tumorerkrankung denken lassen, sind: 4 Betroffensein mehrerer Verwandter 4 Diagnose des Tumors schon beim jungen Menschen 4 Gleicher Tumor bei mehreren Verwandten 4 Mehr als eine Tumorart bei der gleichen Person Prädisponierende Mutationen betreffen: 4 DNA-Reparaturmechanismen 4 Protoonkogene 4 Tumorsuppressorgene 2.14.1
DNA-Reparaturmechanismen
Lebende menschliche Zellen sind permanent chemischem und physikalischem Stress ausgesetzt, der zu molekularen Veränderungen führen kann. Da die Schädigung der DNA fatale Folgen für die Zelle haben kann, ist die Reparatur von Veränderungen der DNA ein essenzieller Prozess.
2
2.14.1.1
Defekte in DNAReparaturmechanismen HNPCC (Lynch-Syndrom) Das autosomal-dominant vererbte hereditäre Kolorektalkarzinom ohne generalisierte Polypose (HNPCC; »hereditary non-polyposis colorectal cancer«) ist für ca. 5% aller kolorektalen Karzinome verantwortlich. Betroffene erkranken im Mittel um das 45. Lebensjahr. Die Penetranz des kolorektalen Karzinoms bis zum 70. Lebensjahr beträgt 80–90%. Für andere Karzinome (Endometrium, Magen, Ovar, Harnwege, Gehirn, Dünndarm, hepatobiliäres System) besteht bei Anlageträgern ein erhöhtes Risiko. Die Tumorprädisposition wird meist durch ein defizientes DNA-Reparatursystem (Mismatch-Repair) verursacht, so dass die Mutationsrate im Tumor um das 1000-fache ansteigt, unterschiedliche Mutationen sind die Folge. Zum Nachweis untersucht man in der Regel nicht die Mutation selbst, sondern Mikrosatelliteninstabilität (MSI), die indirekt auf eine Mutation im Mismatchrepair-System hinweist. Patienten mit HNPCC werden ab dem 25. Lebensjahr Vorsorgeuntersuchungen (inkl. Darmspiegelungen), bei Frauen zusätzlich gynäkologische Untersuchungen sowie je nach Familienanamnese Untersuchung auf Magenkarzinom empfohlen.
BRCA1 und BRCA2 Mutationen in BRCA1 und 2 prädisponieren für Mamma- und Ovarialkarzinome, Prostatakarzinome und andere Tumoren. BRCA1-Mutation bedingt 40–50% der monogenen Brustkrebserkrankungen. Das individuelle Krebsrisiko ist variabel und abhängig von der im Einzelfall vorliegenden Mutation. Das kumulative Risiko für eine Frau mit BRCA1 oder BRCA2 Mutation, bis zum 70. Lebensjahr an Brustkrebs zu erkranken, ist etwa 80–90%. Hinweise auf familiäre BRCA-assoziierte Tumorprädisposition sind: 4 Zwei weibliche Familienmitglieder mit Mammaoder Ovarialkarzinom, von denen mindestens eine vor dem 50. Lebensjahr erkrankt ist 4 Eine Verwandte ersten Grades (Mutter oder Schwester) mit einseitigem Mammakarzinom vor dem 30. Lebensjahr oder mit beidseitigem Mammakarzinom vor dem 40. Lebensjahr oder mit Ovarialkarzinom vor dem 40. Lebensjahr 4 Ein männlicher Verwandter mit Mammakarzinom Vermutlich haben 1:500–1:1000 Menschen eine krebsprädisponierende Mutation. BRCA1 und 2 sind an der Reparatur von DNA-Schäden und an der transkrip-
96
2
Kapitel 2 · Humangenetik
tionellen Regulation der Genexpression beteiligt und haben Einfluss auf Zellwachstum und Apoptose.
nen Zelle führen. Dann spricht man von zellulären (c-) Onkogenen.
Untersuchung auf Mutationen in BRCA-Genen Personen mit erhöhtem Risiko für Mutationen in BRCAGenen haben die Möglichkeit, auf das Vorliegen einer Mutation zu untersuchen. Wenn möglich sollte zunächst ein erkranktes Familienmitglied untersucht werden, die genaue zugrunde liegende Mutation identifiziert werden und dann die Person unter Risiko gezielt auf diese Mutation getestet werden. Dies ist sinnvoller als die generelle Testung auf alle krebsprädisponierenden BRCA-Mutationen, da kein Verfahren die Identifikation aller relevanten Mutation garantieren kann und in ca. 10% der Fälle mit der Detektion einer Mutation unklarer Signifikanz zu rechnen ist, die keine Aussage über das Krebsrisiko zulässt. Generelle Screening-Programme werden diskutiert. Problematisch ist, dass nicht die Krankheit oder ihr Vorstadium, sondern lediglich eine Risikoerhöhung gefunden werden kann. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob aus Screening, Feststellung einer BRCA-Mutation und anschließende Prävention und/oder prophylaktische Therapie positive Gesundheitseffekte resultieren. Bei Diskussionen bzw. Durchführung von engmaschigen Früherkennungsmaßnahmen wie regelmäßigen Mammographien, chemotherapeutischen Präventionsstrategien z. B. mit Tamoxifen und prophylaktischer beidseitiger Mastektomie und/oder beidseitiger Entfernung der Ovarien und Tuben müssen auch mögliche körperliche, psychologische und soziale unerwünschte Wirkungen und Konsequenzen berücksichtigt werden.
2.14.2.1 Defekte in Protoonkogenen Multiple endokrinen Neoplasie 2 (MEN-2) Autosomal-dominat vererbte Mutation im RET-Protoonkogen, die zu C-Zell-Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozytom und primärem Hyperparathyreoidismus führt.
Autosomal-rezessiv vererbte Krankheiten mit Tumorprädisposition Folgende Erkrankungen beruhen auf defekten Reparaturmechanismen, es kommt zu Chromosomeninstabilitäten und klinisch v. a. zu Hautveränderungen und Tumoren. 4 Ataxia teleangiectatica 4 Fanconi-Anämie 4 Bloom-Syndrom 4 Cockayne-Syndrom 4 Xeroderma pigmentosum 2.14.2
Protoonkogene und Onkogene
Produkte von Protoonkogenen sind an Signaltransduktionswegen und dadurch an Wachstum und Differenzierung einer Zelle beteiligt. Ihre Expression ist reguliert. Bei Mutation in entsprechenden Genen kann eine erhöhte und unkontrollierte Expression die Folge sein und zu Transformation und Proliferation der betroffe-
Somatische Translokation bei Leukämie und Lymphom Protoonkogene können durch somatische Translokation zu c-Onkogenen werden, indem sie in ihrer Funktion oder Expression verändert werden und so die maligne Transformation von Zellen bewirken, z. B.: 4 Philadelphia-Chromosom: in 90% der Fälle bei CML vorhandene Translokation zwischen Chromosom 9 und 22 in einer pluripotenten Stammzelle des Knochenmarks. Es entsteht ein Fusionsprotein aus bcr (»break point cluster region«) und Tyrosinkinase c-Abl mit proliferationsfördernder Wirkung und dadurch monoklonaler Stammzellproliferation 4 Endemische Form des Burkitt-Lymphoms: oft Translokation des c-myc-Gens auf Chromosom 8 zum Chromosom 14, 2 oder 22, wodurch das cmyc-Gen unter die Kontrolle von regulatorischen DNA-Abschnitten der Immunglobulinketten-Gene gerät. Der Transkriptionsfaktor c-Myc wird überexprimiert, Zellzyklusprogression und Zellproliferation laufen unkontrolliert ab. 2.14.3
Tumorsuppressorgene
Tumorsuppressorgene kodieren für Proteine, die ein unkontrolliertes Zellwachstum verhindern, z. B. durch eine Hemmung des Zellzyklus. 2.14.3.1 Defekte in Tumorsuppressorgenen Verlust, Mutation oder verringerte Expression von Tumorsuppressoren können zu maligner Transformation der betroffenen Zellen führen. Auf zellulärer Ebene müssen in der Regel beide Allele mutiert sein, damit sich der Tumor entwickelt. Eine Tumorprädisposition wird autosomal-dominant vererbt, d. h. zunächst trägt ein Allel die Mutation. Nach der »Two-hit«-Theorie erfolgt somatisch in entsprechenden Zellen die Mutation des zweiten Allels. Bei somatischem Verlust des zweiten Allels spricht man von Verlust der Heterozygotie (»loss of heterozygosity«). Dies ist bei einem Träger eines mutierten Allels wahrscheinlicher als bei einem Menschen, der 2 intakte Allele besitzt. Dies erklärt
97 2.14 · Genetische Aspekte bei Tumorerkrankungen
2
auch die z. T. unvollständige Penetranz der Tumorentstehung unter den Allelträgern. Den nachfolgend genannten autosomal-dominant vererbten Erkrankungen mit Tumorprädisposition liegen Mutationen in Tumorsuppressorgenen zugrunde.
vollständiger Penetranz aber variabler Expressivität. Eine Mutation im Neurofibromin-Gen (NF1) bzw. Merlin/Schwannomin-Gen (NF2) wird dominant vererbt bzw. entsteht durch Neumutation (50% der Fälle bei NF1).
Retinoblastom
Symptomatik. 7 Neurologie, Kap. 1.6.6.1.
Epidemiologie/Ätiopathogenese. Das Retinoblastom
(Rb) ist ein maligner Tumor, der von Zellen der Retina ausgeht, eine Häufigkeit von 1:20.000 hat und meist vor dem 5. Lebensjahr auftritt. Ursache ist eine Mutation im Retinoblastom-1-Gen (Genlokus 13q14) (. Abb. 2.17). Man unterscheidet: 4 60–70% sporadisches Auftreten, meist einseitig 4 5–10% vererbtes Rb 4 20–30% Keimbahnmutation
Diagnostik. Die Diagnose wird meist klinisch gestellt,
Bei vererbten Fälle oder Keimbahnmutation kommt es häufiger zu bilateralen oder multifokalen Rb. Bei der hereditären Form werden außerdem Osteosarkome und Weichteilsarkome, Pinealome, Lymphome und Leukämien beobachtet. Zur Tumorentwicklung kommt es erst, wenn auch das zweite Rb-Allel mutiert ist, dadurch unvollständige Penetranz des hereditären Rb. Das sporadische Rb entwickelt sich, wenn in einer Zelle beide Allele mutiert sind.
Epidemiologie/Ätiopathogenese. Die tuberöse Sklerose (Bourneville-Pringle-Syndrom) hat eine Häufigkeit von 1:6000–1:25.000. 60–80% der Fälle basieren auf Neumutation. Diese heterogene Phakomatose ist Folge einer Mutation im Tumorsuppressor-Hamartin-Gen oder Tuberin-Gen. Die Penetranz ist vermutlich 100% bei variabler Expressivität.
Symptomatik. Typisches Erstsymptom ist die Leuko-
korie, weitere Symptome sind: Strabismus, Sehverlust, Schwellung, Schmerzen, Rötung des Auges. Therapie. 7 Augenheilkunde, Kap. 2.14.8.
Neurofibromatose Definition/Ätiopathogenese. Bei der Neurofibroma-
der molekulargenetische Nachweis ist durch Vorkommen unterschiedlicher Mutationen schwierig. Methodisch zum Einsatz kommen: Protein-Trunkations-Test (Nachweis eines verkürzten Genprodukts), Sequenzierung, PCR, Southern Blot, FISH, zytogenetische Diagnostik (7 Neurologie, Kap. 1.6.6.1). Tuberöse Sklerose
Symptomatik. Klinisch typisch ist die Trias aus Adenoma sebaceum, Epilepsie bereits in den ersten Lebensjahren und progressiver geistiger Behinderung. Es treten multiple Angiofibrome im Gesicht und subungual (Koenen-Tumoren) auf. Die Haut zeigt Hypopigmentierungen (»white spots«). Weitere Symptome sind: Hamartome der inneren Organe, Herz: Rhabdomyosarkome, Niere: Zysten und Angiomyolipome, Gehirn: kortikale Dysplasien mit möglicher maligner Entartung, sog. Tuber und retinale Astrozytome.
tose handelt es sich um eine Phakomatose mit fast Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Epidemiologie/Ätiopathogenese. Die Häufigkeit liegt bei 1:8000 (1% der kolorektalen Karzinome). Ursache ist die Mutation des APC-Tumorsuppressorgens (Genlokus 5q21), in 25% der Fälle durch Neumutation. Das APC-Genprodukt hat eine sog. Gatekeeper (Pförtner)-Funktion, d. h. es ist entscheidendes Gen für die Wachstumsregulation epithelialer Kolonzellen. Sein Funktionsverlust spielt früh in der Genese kolorektaler Karzinome eine Rolle, woraus sich auch die fast 100%ige Penetranz der Karzinome bei FAP ableitet (obligate Präkanzerose).
. Abb. 2.17. Patient mit Retinoblastom (mit freundlicher Genehmigung von F. Vogel, Heidelberg). (Aus Buselmaier, Tariverdian 2007)
Symptomatik. Im Mittel entwickeln sich ab dem 16. Lebensjahr >100 kolorektale Adenome, es besteht ein sehr hohes Entartungsrisiko; Karzinome entstehen im Mittel ab dem 39. Lebensjahr (. Abb. 2.18).
98
Kapitel 2 · Humangenetik
2
a
b
. Abb. 2.18. Polyposis coli (mit freundlicher Genehmigung von F. Vogel, Heidelberg). (Aus Buselmaier, Tariverdian 2007)
Diagnostik. Neben der klinischen Diagnostik können
molekulargenetische Methoden zur Diagnostik eingesetzt werden: Sequenzierung, Protein-TrunkationsTest, Southern Blot oder bei mehreren Betroffenen in einer Familie indirekte Genanalyse. Sonderformen sind: 4 Gardner-Syndrom: zusätzlich Epidermoidzysten und Osteome 4 Turcot-Syndrom: zusätzlich Medullo- bzw. Glioblastomen. Neben APC-Mutation liegen Mutationen im Mismatch-repair-System vor (daher auch Unterform bei HNPCC) Therapie. Die prophylaktische Proktokolektomie sollte vor dem 20. Lebensjahr erfolgen.
Weitere Erkrankungen als Folge eines Defekts von Tumorsuppressorgenen 4 Bei MEN-1 führt eine Mutation im Menin-Gen zu unterschiedlichen Kombinationen aus Pankreastumoren, primärem Hyperthyreoidismus und Hypophysentumoren. 4 Li-Fraumeni-Syndrom prädisponiert für Tumoren in Brust, ZNS und Knochen durch Mutation im Tumorsuppressor p53 (wichtig für Zellzyklusarrest und Apoptoseinduktion). p53 ist eines der am häufigsten somatisch mutierten Proteine in malignen humanen Tumoren. p53 ist ein multimeres Protein. Mutiertes p53 ist stabiler als Wildtyp p53 und kann dieses durch Komplexbildung inaktivieren (dominant negative Mutation).
In Kürze Genetische Faktoren können neben Umweltfaktoren die Tendenz beeinflussen, Tumorerkrankungen zu entwickeln. Die beim Menschen häufigen Tumorerkrankungen treten überwiegend sporadisch auf, dann liegen in den betroffenen Zellen somatische Mutationen vor. Bei familiärem Auftreten unterscheidet man monogene Vererbung der Tumorprädisposition (meist autosomal-dominant) oder polygene Tumorprädisposition.
Bei kolorektalen und Mammakarzinomen beruhen etwa 5% auf einem monogenen Erbgang. Genetische Defekte betreffen dabei häufig DNA-Reparaturmechanismen (HNPCC, BRCA1 und BRCA2, Xeroderma pigmentosum). Ein defektes Protoonkogen liegt z. B. der MEN-2 zugrunde. Tumorsuppressorgene sind beim Retinoblastom, bei der Neurofibromatose, bei der tuberösen Sklerose, bei der MEN-1, dem Li-Fraumeni-Syndrom und der FAP mutiert.
99 2.15 · Pharmakogenetik
2.15
Pharmakogenetik
Definition. Die Pharmakogenetik untersucht interin-
dividuelle Unterschiede in Pharmakokinetik und -dynamik infolge genetischer Variabilitäten in einzelnen Genen. Die Pharmakogenomik ist die genomweite Suche nach genetischen Determinanten von Unterschieden in Pharmakokinetik und -dynamik inkl. der Identifizierung von Zielstrukturen der Medikamentenwirkung. Arzneimittelnebenwirkungen sind als Todesursache nicht zu unterschätzen. Da genetische Polymorphismen zu Unterschieden in Pharmakokinetik oder -dynamik führen, erscheint es wichtig, zukünftig interindividuelle genetische Unterschiede in der Pharmakotherapie zu berücksichtigen. Prinzipiell sind folgende Strategien durchführbar, interindividuelle Unterschiede bei der Pharmakotherapie zu berücksichtigen. Zum einen können, wie z. B. bei Gentamycin oder Vancomycin bereits üblich, die Konzentrationen des Pharmakons im Blut nach Einnahme des Pharmakons bestimmt werden und danach die Dosis angepasst werden. Allerdings können Wirksamkeit und Nebenwirkungen nicht immer über die Plasmaspiegel erklärt werden, z. B. bei antidepressiver Therapie, was diesem Ansatz auch Grenzen setzt. Zukünftig denkbar wäre eine individuelle Dosisanpassung bereits vor der ersten Gabe je nach Genotyp, so wie dies je nach Alter oder Kreatininwert bei Niereninsuffizienz bereits erfolgt. Genetische Unterschiede können betreffen/bewirken: 4 Arzneimittelmetabolisierung und damit Halbwertszeit und Konzentration des Pharmakons im Organismus 4 Medikamententransporter 4 Zielstrukturen des Pharmakons und damit die Wirkung eines Pharmakons 4 Nebenwirkung eines Pharmakons 2.15.1
Genetische Unterschiede in der Arzneimittelmetabolisierung
Die Biotransformation im Rahmen der Medikamentenmetabolisierung erfolgt durch membrangebundene Enzyme im endoplasmatischen Retikulum v. a. in der Leber mit dem Ziel, die Löslichkeit und damit renale Ausscheidungsfähigkeit zu erhöhen. Sie lässt sich in 2 Phasen einteilen: 4 Phase I: Oxidaton, Reduktion, Hydrolyse 4 Phase II: Konjugation (Glukoronidierung, Sulfatierung und Azetylierung)
2
2.15.1.1
Beispiele genetischer Unterschiede in der Arzneimittelmetabolisierung Schnell- und Langsamazetylierer. Die Aktivität von NAzetyltransferasen ist unterschiedlich. In Mitteleuropa sind ca. 50%, in Japan und China ca. 90% Schnellazetylierer. N-Azetyltransferasen inaktivierten u. a. Isoniazid, Hydralazin und Sulfasalazin. Folge ist die verlängerte HWZ der betroffenen Pharmaka bei Langsamazetylierern. Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel (Favismus 7 Kap. 2.8.3.6).
Pseudocholinesterase-Mangel. Häufigkeit 1:2500.
Pseudocholinesterase (Plasma- oder Serumcholinesterase) wird in der Leber synthetisiert und ist für den Abbau von Suxamethonium (Succinylcholin) wichtig. Bei Mangel ist die Wirkdauer des Pharmakons auf Stunden verlängert, die Muskelrelaxation hält nach Narkose an, Apnoe ist die Folge. Maligne Hyperthermie. Genetisch heterogen. Durch
Triggersubstanzen (Succinylcholin, Inhalationsnarkotika außer Lachgas) kommt es zur malignen Hyperthermie. Häufigkeit: bei Kindern 1:5000–15.000 durchgeführte Anästhesien; bei Erwachsenen 1:50.000–100.000. Autosomal-dominant vererbte Mutationen im Ryanodine-Rezeptor-Gen (kodiert für einen Kalziumkanal am sarkoplasmatischen Retikulum) können ursächlich sein. Polymorphismus der Thiopurin-Methyltransferase. Er
kann einen veränderten Abbau von 6-Mercaptopurin oder Azathioprin bewirken z. T. treten schweren Medikamentennebenwirkungen auf. Porphyrien. Die akute intermittierende Porphyrie ist ein autosomal-dominant vererbter Uroporphyrinogen-Synthase-Defekt. Nach Einnahme von Enzyminduktoren wie Barbituraten tritt ein Anstau von Zwischenprodukten der Hämsynthese mit Anfällen abdominaler Schmerzen und neurologischen Symptomen auf. Die Porphyria variegata ist eine autosomal-dominant vererbte hepatische Porphyrie, die durch erhöhte Kopro- und Protoporphyrinausscheidung im Stuhl gekennzeichnet ist. Nach Einnahme von Barbituraten, Phenytoin, Östrogenen u. a. kommt es zu abdominellen und neurologischen Krisen. Aldehyddehydrogenase. Bei etwa 50% der fernöstlich asiatischen Bevölkerung, v. a. Japaner und Mongolen, tritt durch fehlende Aktivität der mitochondrialen Aldehyddehydrogenase 2 (ALDH2) eine Alkoholintole-
100
2
Kapitel 2 · Humangenetik
ranz auf. Die Oxidation des beim Alkoholabbau entstehenden Azetaldehyds ist gehemmt und lebensgefährliche Vergiftungserscheinungen mit Flush, Übelkeit, Kopfschmerz, Schwindel, Palpitationen, Blutdruckabfall, Tachykardie, Tachypnoe können vorkommen. Zytochrome P450 (CYP) Für Oxidation in Phase I der Biotransformation sind die in der Leber und im Darm lokalisierten Zytochrome P450 (Monooxygenasen) verantwortlich, wobei für die Biotransformation von Arzneimitteln v. a. die Zytochrom-P450 Familien 1-, 2- und 3 wichtig sind. 4 CYP3A4 metabolisiert ca. 50% aller Medikamente: z. B. Erythromycin, Midazolam, HIV-ProteaseHemmer, Ciclosporin, Statine, Ethinylestradiol, Cisaprid, Terfenadin, Kalziumkanalblocker (Verapamil) 4 CYP2D6 ca. 20–25% aller Medikamente, v. a. Psychopharmaka 4 CYP2C9 weitere 12% aller Medikamente Polymorphismen haben funktionelle Konsequenzen bezüglich der Enzymaktivität der CYP, oft bestehen große ethnische Unterschieden. Entsprechend dem Genotypen und damit der Enzymaktivität und Halbwertszeiten der jeweiligen Substrate unterscheidet man »ultrarapid«, »extensive«, »intermediate« und »poor metabolizer«. 2.15.1.2
Genetische Unterschiede in Medikamententransportern Der Multidrug-Transporter (P-Glykoprotein = Pgp) wird durch das MDR-1 Gen (»multidrug resistance gene«) kodiert. Er ist wesentliche Ursache für die Resis-
tenz gegenüber Medikamenten, ist in verschiedenen sekretorischen Geweben und kapillären Schranken, z. B. Blut-Hirn-Schranke vorhanden und vermittelt Schutz gegenüber Xenobiotika, die über Galle, Urin und GIT ausgeschieden werden. Das MDR-1 Gen ist polymorph, unterschiedlicher Gehalt von Pgp im Darm ist vermutlich für Unterschiede in der Bioverfügbarkeit z. B. von Digoxin und HIV-Protease-Inhibitoren verantwortlich. 2.15.2
Genetische Unterschiede in der Pharmakodynamik
Polymorphismus im ACE-Gen. Er geht sowohl mit prognostischen Unterschieden bei systolischer Dysfunktion als auch mit Veränderung der Wirksamkeit von ACE-Hemmern einher. Trastuzumab (Herceptin): Es handelt sich um einen monoklonalen Antikörper gegen HER2-Rezeptoren zur Therapie des Mammakarzinoms. Er ist nur indiziert, wenn die Tumorzellen den Rezeptor exprimieren, da schwere unerwünschte Wirkungen wie Herzversagen möglich sind. Psychiatrische Erkrankungen. Bedeutung haben z. B.:
4 Polymorphismen im Promotor des Serotonintransporter-Gens bzw. des Tryptophan-HydroxylaseGens führen zu Unterschieden im Ansprechen auf SSRI. 4 Polymorphismus im Promotor des Serotoninrezeptor-Gens bewirkt unterschiedliches Ansprechen auf Antidepressiva.
In Kürze Genetische Polymorphismen können zu Unterschieden in Pharmakokinetik oder -dynamik führen und dabei die Arzneimittelmetabolisierung, Medikamen-
tentransporter, Zielstrukturen und damit die Wirkung sowie das Nebenwirkungsprofil von Pharmaka beeinflussen.
3 Pathologie 3.1
Allgemeine Pathologie –103
J. Pöss, O. Kessler 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 3.1.10 3.1.11 3.1.12 3.1.13 3.1.14
Grundbegriffe –103 Zell- und Gewebereaktionen –104 Zell- und Gewebeschäden –105 Exogene Noxen –110 Zellersatz –113 Tumoren –114 Entzündung –121 Immunpathologie –125 Grundlagen der Stoffwechsel-/Speichererkrankungen –129 Grundlagen der Pathologie des Respirationstrakts –131 Grundlagen der Pathologie des Kreislaufs –131 Grundlagen von Erkrankungen der Leber und des Verdauungstrakts –138 Grundlagen von Erkrankungen der Niere und der Ausscheidung –139 Grundlagen von Erkrankungen des Nervensystems –139
3.2
Spezielle Pathologie –139
J. Haybäck 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10 3.2.11 3.2.12 3.2.13 3.2.14 3.2.15 3.2.16 3.2.17 3.2.18 3.2.19
Nervensystem –139 Erkrankungen der Skelettmuskulatur (Myopathien) –148 Erkrankungen der Sinnesorgane – Auge –148 Erkrankungen der Sinnesorgane – Ohr –149 Neuroendokrines System –150 Herz und Koronargefäße –153 Gefäßsystem –155 Pathologie von Blut und Knochenmark –157 Lymphatisches System –159 Respirationstrakt –161 Pleura –167 Erkrankungen von Mund, Zähnen und Speicheldrüsen –167 Ösophagus –169 Magenerkrankungen –170 Duodenum –172 Erkrankungen von Jejunum und Ileum –173 Appendix –173 Erkrankungen von Kolon und Rektum –174 Milz –176
3.2.20 3.2.21 3.2.22 3.2.23 3.2.24 3.2.25 3.2.26 3.2.27 3.2.28 3.2.29 3.2.30 3.2.31 3.2.32 3.2.33 3.2.34
Thymus –177 Erkrankungen der Leber und der intrahepatischen Gallenwege –177 Erkrankungen der Gallenblase und der extrahepatischen Gallenwege –181 Erkrankungen des Pankreas –181 Erkrankungen des Peritoneums –182 Nierenerkrankungen –183 Erkrankung der ableitenden Harnwege –186 Erkrankungen der männlichen Genitalorgane –187 Erkrankungen des weiblichen Genitale –190 Erkrankungen in Schwangerschaft, Perinatalperiode und im Kindesalter –196 Erkrankungen der Mamma –199 Hauterkrankungen –202 Knochenerkrankungen –206 Gelenkserkrankungen –208 Weichgewebserkrankungen –210
103 3.1 · Allgemeine Pathologie
Allgemeine Pathologie
3.1
J. Pöss, O. Kessler Im Rahmen der Pathologie (»Lehre der Leiden«) werden Krankheiten aller Fachgebiete und deren grundlegende Prinzipien diagnostiziert und erforscht. Die vitale Diagnostik (am Lebenden) steht dabei immer mehr im Vordergrund. 3.1.1
Grundbegriffe
3.1.1.1 Allgemeine Begriffe 4 Gesundheit: durch WHO definiert als »Zustand des völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens« 4 Krankheit: Störung einzelner Organe oder des gesamten Organismus, die zu subjektiv empfundenen oder objektiv feststellbaren körperlichen oder seelischen Veränderungen führt 4 Resistenz: Abwehrbereitschaft des Organismus gegenüber einer Noxe bzw. Krankheit 4 Disposition: Krankheitsbereitschaft des Organismus 4 Ätiologie: Lehre der Krankheitsursachen 4 Pathogenese: Entstehungsmechanismus einer Krankheit. Man unterscheidet: kausale Pathogenese (beschreibt den Zusammenhang zwischen Krankheitsauslöser und Disposition – warum macht eine bestimmte Noxe einen bestimmten Organismus krank?) und formale Pathogenese
(beschreibt die im Krankheitsverlauf auftretenden strukturellen (pathologisch-anatomischer Befund) und die daraus resultierenden funktionellen (pathophysiologischer Befund) Veränderungen 4 Symptom: Krankheitszeichen 4 Syndrom: Gruppe von Symptomen, die für ein bestimmtes Krankheitsbild typisch sind 3.1.1.2 Strategien in der Diagnostik Intravitale Diagnostik Zur Diagnostik »am Lebenden« gehören folgende Untersuchungsverfahren: 4 Exfoliativzytologie: Abstrich (z. B. von der Zervix) 4 Punktionszytologie: z. B. Schilddrüse, Aszites 4 Nadelbiopsie: z. B. Leberbiopsie 4 Probeexzision: PE, z. B. während Gastroskopie 4 Schnellschnittverfahren: Hier werden intraoperativ Gefrierschnitte von einem Organpräparat angefertigt und beurteilt. Es handelt sich um ein bedeutsames Verfahren, da die Diagnose (z. B. Entscheidung benigner oder maligner Tumor) das weitere Vorgehen der Operateure bestimmt. Die diagnostische Sicherheit ist jedoch geringer als bei Paraffinschnitten, weshalb jede Schnellschnittdiagnose durch einen Paraffinschnitt gesichert werden muss. 4 Histochemie: z. B. Bestimmung von Enzymaktivitäten (angewandt u. a. bei AML) 4 Immunhistochemie: z. B. Bestimmung von Tumormarkern 4 Färbungen. . Tab. 3.1
. Tab. 3.1. Übersicht über verschiedene Färbungen Färbung
3
Ergebnis
Indikation
Hämatoxylin-Eosin (HE)
Übersichtsfärbung Histologie
Giemsa
Übersichtsfärbung Zytologie
Van Gieson
Bindegewebe und Muskulatur
Sudatrot-Hämatoxylin
Neutralfette rot
Fetteinlagerungen
Perjodsäure-Schiff-Reaktion (PAS)
Muzine, Kohlenhydrate rot
Pilze
Azan
Unterscheidet Kollagen und Fibrin
Berliner Blau
Fe3+ blau
Eiseneinlagerungen
Ziehl-Neelsen
Säurefeste Stäbchen rot
Tuberkulose
Kongorot
Amyloid rot
Amyloidose
Papanicolaou
Zellkerne blau, zelluläres Glykogen, Keratin orange
Exfoliativzytologie Zervix
104
3
Kapitel 3 · Pathologie
Postmortale Diagnostik Eine gerichtliche Obduktion wird durchgeführt, wenn der Verdacht eines nicht natürlichen Todes besteht. Angehörige haben keine Möglichkeit, diese zu unterbinden. Eine klinische Obduktion darf nur nach Einwilligung des Verstorbenen zu Lebzeiten oder dessen Angehörigen erfolgen. Sie soll die Todesursache klären und die klinische Diagnose überprüfen und ist somit eine wichtige Qualitätskontrolle der erfolgten Behandlung. Zudem ist mit ihr auch die Ausbildung von Studenten und Fortbildung von Ärzten verbunden. 3.1.2
Zell- und Gewebereaktionen
3.1.2.1 Atrophie Unter einer Atrophie versteht man eine reversible Rückbildung eines Gewebes oder eines Organs: 4 Einfache Atrophie: Reduktion des Zellvolumens bei unveränderter Zellzahl 4 Numerische Atrophie: Reduktion der Zellzahl ! Cave Bei der Atrophie handelt es sich um eine erworbene Rückbildung. Sie muss unbedingt von angeborenen Störungen wie Agenesie (fehlende Anlage eines Organs) und Aplasie (fehlende) bzw. Hypoplasie (unvollständige Entwicklung eines angelegten Organs) abgegrenzt werden!
Die einfache Atrophie tritt v. a. in permanenten oder stabilen Geweben auf. Die Reduktion des Zellvolumens entsteht durch eine verminderte Synthese bzw. einen erhöhten Abbau zytoplasmatischer Strukturen. Die numerische Atrophie hingegen kommt vor allem in labilen Geweben vor und entsteht durch einen ungenügenden Zellersatz. 4 Physiologische Atrophieformen 5 Involution: physiologische Organrückbildung, z. B. des Thymus 4 Pathologische Atrophieformen 5 Marasmus: generalisierte Atrophie aufgrund einer Mangelernährung 5 Ischämische Atrophie: durch mangelhafte arterielle Perfusion (z. B. Entwicklung einer
5 5 5
5
Schrumpfniere bei Arteriolosklerose) bedingte Atrophie Druckatrophie: bei lang andauernder lokaler Kompression auftretende Atrophie Neurogene Atrophie: durch Denervation (z. B. Atrophie eines Muskels nach Durchtrennung des versorgenden Nerven) bedingt Hormonelle Atrophien: durch fehlende oder verminderte endokrine Stimulation (z. B. Nebennierenatrophie bei fehlender Stimulation durch die Hypophyse) bedingt Zudem ist eine Atrophie durch verminderte Belastung oder Unterfunktion (z. B. Atrophie der Skelettmuskulatur bei Inaktivität) möglich
> Bei der Vakatwucherung handelt es sich um eine Sonderform der Anpassungsreaktion: Ein durch Atrophie entstandener Raum wird mit Fett- und Bindegewebe ausgefüllt.
3.1.2.2 Hypertrophie Unter einer Hypertrophie versteht man eine Organvergrößerung durch Zunahme des Zellvolumens. Die Zellzahl bleibt unverändert. Sie tritt vor allem in stabilen und permanenten Geweben auf, da in diesen nur selten Zellteilungen auftreten. Eine Hypertrophie ist Folge von: 4 Funktioneller Mehrbelastung (z. B. Skelettmuskulatur durch Training, Herzmuskelhypertrophie bei Druck- oder Volumenbelastung) 4 Vermehrter hormoneller Stimulation (z. B. Uterusvergrößerung in der Schwangerschaft) 3.1.2.3 Hyperplasie Unter einer Hyperplasie versteht man eine Organvergrößerung durch Zunahme der Zellzahl. Die Hyperplasie hat die gleichen Ursachen wie die Hypertrophie und schließt sich dieser in der Regel an. Sie tritt häufig in Wechselgeweben und endokrinen Organen auf. Beispiele für eine Hyperplasie sind: 4 Hyperplasie des Knochenmarks (z. B. nach Stimulation mit Erythropoetin) 4 Hyperplasie der Nebenschilddrüse bei sekundärem Hyperparathyreoidismus 4 Hyperplasie der Prostata 4 Struma
105 3.1 · Allgemeine Pathologie
3
In Kürze Anpassungsreaktionen Anpassungsreaktion
Beschreibung
Gewebeart
Einfache Atrophie
Reduktion Zellvolumen, unveränderte Zellzahl
Permanente/stabile Gewebe
Numerische Atrophie
Reduktion Zellzahl
Labile Gewebe
Hypertrophie
Zunahme Zellvolumen
Permanente/stabile Gewebe
Hyperplasie
Zunahme Zellzahl
Wechselgewebe, endokrine Organe
3.1.3
Zell- und Gewebeschäden
3.1.3.1
Reversible Zellschäden und Degeneration Hydropische Zellschwellung Als hydropische Schwellung bezeichnet man eine trübe Schwellung einer Zelle, die mit Vakuolenbildung einhergehen kann. Ein Wassereinstrom in die Zelle kann durch folgende Störungen bedingt sein: 4 Versagen der Na-K-Pumpe bei ATP-Mangel (z. B. Hypoxie) oder Membranschädigungen (z. B. Zellgifte) 4 Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts (z. B. hypotone Hyperhydratation) Fettige Degeneration Unter einer fettigen Degeneration versteht man eine intrazelluläre Einlagerung von Fetten in Zellen, die keine Fettzellen sind. Sie folgt häufig der hydropischen Schwellung. Man unterscheidet verschiedene ätiologische Mechanismen: 4 Überangebot bei Überernährung, verstärkter Lipolyse (z. B. Diabetes mellitus) 4 Störung der Utilisation durch Hypoxie oder durch Toxine 4 Störung des Abtransports durch Hypolipoproteinämie
Intrazelluläres Hyalin entsteht meist durch Zellschädigung; es tritt in folgenden Formen auf: 4 Mallory-Bodies entstehen in Leberzellen bei alkoholischem Leberzellschaden (. Abb. 3.1). 4 Councilman-Bodies entstehen durch Einzelzellnekrosen von Leberzellen bei Virushepatitiden. 4 Russel-Körperchen sind Ansammlung von Immunglobulinen im rauen endoplasmatischen Retikulum von Plasmazellen bei chronischen Entzündungen. Extrazelluläres Hyalin kann in folgenden Formationen auftreten (. Abb. 3.2): 4 Hyaline Zylinder: Eiweißzylinder in den Nierentubuli 4 Hyaline Membranen: im Rahmen der Schocklunge 7 Kap.3.1.11.3
4 Bindegewebiges Hyalin: Hyalinablagerung in serösen Häuten bei chronischen Entzündungen (bekanntes Beispiel ist die sog. »Zuckergussmilz«) 4 Vaskuläres Hyalin: hyaline Ablagerungen in Gefäßen (z. B. der Niere), häufig bedingt durch Hypertonie oder Diabetes mellitus
Morphologie. Makroskopisch ist das Organ vergrö-
ßert, von weicher Konsistenz, das Parenchym ist gelblich verfärbt. Histologisch sehen die betroffenen Zellen schaumig aus (die Fette werden bei der Fixierung herausgelöst und hinterlassen leere Vakuolen). Hyalin Mit dem Begriff »hyalin« bezeichnet man homogene Ablagerungen, die sich mit Eosin rot anfärben. Es besteht meist aus Proteinen.
. Abb. 3.1. Leberzelle mit Mallory-Körperchen bei ethyltoxischer Leberzirrhose, histologisch bestätigt (525×). (Aus Remmele 2000) (7 Farbtafelteil)
106
Kapitel 3 · Pathologie
höhten Serumspiegeln führt es zur Ausbildung eines Ikterus. 4 Hämatoidin: Eisenfreies Abbauprodukt von Hämoglobin, welches u. a. in Hämatomen vorkommt. 4 Hämatin: Schwarzbraunes Pigment, das sich nach Kontakt von Hämoglobin mit HCl bildet.
3
> Bei der oberen gastrointestinalen Blutung kommt es durch den Kontakt des Blutes mit der Magensäure zur Hämatinbildung. Dies führt zum Auftreten der Teerstühle (Meläna)
3.1.3.3 Zelltod Der Zelltod ist zum einen eine irreversible Folge verschiedener Zellschädigungen, zum anderen jedoch ein physiologischer Vorgang im Rahmen der Embryogenese und des natürlichen Zellumsatzes. Man unterscheidet zwei Formen des Zelltods, die Nekrose und die Apoptose.
. Abb. 3.2. Typische hyaline Pleuraplaques nach Asbeststaubexposition. (Aus Remmele 2000)
3.1.3.2 Pigmentablagerungen Man unterscheidet endogene und exogene Pigmente. Endogene Pigmente entstehen im Rahmen von Stoffwechselvorgängen. Exogene Pigmente hingegen gelangen von außen in die Zellen des Organismus und werden dort gespeichert. Endogene Pigmente 4 Melanin: Braunschwarzes Pigment, das von Melanozyten gebildet und in Zellen der Haut gespeichert wird. Es ist für die Pigmentierung der Haut verantwortlich und hat eine Schutzfunktion gegen Sonnenlicht. 4 Lipofuszin: Braungelbes Pigment, das sich in Form lysosomaler Granula im Zytoplasma ablagert. Da die Organe eine gelbbraune Farbe annehmen, spricht man auch von »brauner Atrophie«. Die Ablagerung nimmt im Alter zu (»Alterspigment«) und befindet sich vor allem in langlebigen Zellen (Herzmuskel-, Leber-, Nierenzellen). 4 Hämosiderin: Gelbes Pigment, das die Speicherform des Eisens darstellt. Bei primären (Hämochromatose) oder sekundären Siderosen wird es vor allem in Leber, Milz und Knochenmark vermehrt abgelagert. 4 Bilirubin: Hämoglobin wird über Biliverdin zu Bilirubin abgebaut. Bei beiden handelt es sich um eisenfreie Abbauprodukte des Hämoglobins. Bei er-
Nekrose (provozierter, akzidenteller Zelltod) Schwere Zellschädigungen, die die Kompensationsfähigkeit einer Zelle überschreiten, führen zu einer irreversiblen Zellschädigung, der Nekrose. Ihr gehen oft reversible Zellschädigungen, z. B. eine hydropische Schwellung, voraus. > Histologisch kann es zur Karyopyknose (Schrumpfen), zur Karyorrhexis (Zerfall) und zur Karyolyse (Auflösen des Kerns) kommen. Das Zytoplasma ist eosinophil.
Koagulationsnekrose Ätiopathogenese. Bei dieser Nekroseform kommt es durch Denaturierung zellulärer Proteine zur Umwandlung des Gewebes in eine gelblich-trockene Masse. Hierbei bleibt die Gewebestruktur weitgehend erhalten. Betroffene Organe. Die Koagulationsnekrose ist typisch für Herz, Niere, Leber und Milz. Morphologie. Makroskopisch imponiert ein lehmgel-
ber, fester Bezirk, häufig mit einem hämorrhagischen Randsaum. Sonderformen der Koagulationsnekrose sind: 4 Gangrän: Bei einer trockenen Gangrän kommt es zur Mumifizierung des Gewebes. Eine feuchte Gangrän entsteht meist durch Sekundärinfektion mit Fäulniserregern. 4 Käsige Nekrose ist charakteristisch für Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis. Durch einen massiven Granulozytenzerfall wird die Proteolyse erschwert. Es bleibt eine käsig-bröckelige Masse zurück.
107 3.1 · Allgemeine Pathologie
3
4 Fibrinoide Nekrose (Kollagennekrose): Sie kommt z. B. vor bei Kollagenosen und im Rheumagranulom. 4 Hämorrhagische Nekrose: Sie entsteht durch starken Bluteinstrom in das nekrotische Gewebe, z. B. durch venöse Abflussbehinderungen, Kollateralversogung oder Gefäßwandschädigung. Kolliquationsnekrose Definition. Bei der Kolliquationsnekrose kommt es zu einer enzymatischen Gewebsauflösung. Betroffene Organe. Sie ist die typische Nekroseform des Gehirns und des Pankreas. Morphologie. Das nekrotische Gewebe ist weich und weist eine flüssige Konsistenz auf. Häufig bilden sich Pseudozysten. Sonderformen einer Kolliquationsnekrose sind: 4 Einfache Fettgewebsnekrose: Verursacht durch traumatische oder ischämische Schädigung des Fettgewebes. Werden ins Gewebe gelangte Fette durch Makrophagen (»Lipophagen«) aufgenommen, so wandeln sich diese häufig zu mehrkernigen Schaumzellen (Touton-Riesenzellen) um. 4 Enzymatische Fettgewebsnekrose: Bei einer akuten Pankreatitis kommt es durch Einwirkung der freigesetzten Enzyme zur Hydrolyse des Fettgewebes. Hierbei entstehende Fettsäuren bilden mit Kalzium Kalkseifen, die als sog. Kalkspritzer im Bauchraum ausfallen (. Abb. 3.3). > Säuren führen typischerweise zu Koagulationsnekrosen, Laugen zu Kolliquationsnekrosen.
Apoptose Definition. Als Apoptose bezeichnet man den physiolo-
gischen, genetisch programmierten Zelltod. Ätiopathogenese. Es handelt sich um einen Prozess,
der z. B. im Rahmen der Embryogenese, der Regeneration und der Zellerneuerung abläuft. Eine zentrale Rolle spielen die sog. Caspasen (Proteasen und Nukleasen), die Zellbestandteile und DNA spalten. Morphologie. Die Zellkontakte gehen verloren, die
Zellorganellen lösen sich auf. Die Zelle schrumpft und weist ein eosinophiles Zytoplasma auf. Das Chromatin verklumpt, der Kern schrumpft (Karyopyknose). Die beim Zerfall der Zelle entstehenden Fragmente werden als Apoptosekörperchen bezeichnet. Ein Beispiel sind die Councilman-Körperchen in der Leber.
. Abb. 3.3. Akute Pankreatitis: Teil des mesenterialen Fettgewebes mit kalkspritzerartigen Fettgewebsnekrosen. (Aus Remmele 2000)
> Im Unterschied zur Nekrose kommt es bei der Apoptose nicht zu einer initialen hydropischen Schwellung und sie verläuft ohne Entzündungsreaktion.
3.1.3.4 Ödeme
Extrazelluläre Veränderungen
Definition. Unter einem Ödem versteht man eine ver-
mehrte Einlagerung von Flüssigkeit ins Interstitium. Als Anasarka bezeichnet man eine massive Ödembildung im subkutanen Gewebe. Ätiopathogenese. Der Flüssigkeitsstrom entlang einer Kapillare wird bestimmt durch die Druckdifferenzen des hydrostatischen und onkotischen Drucks zwischen Intravasalraum und Interstitium. Folgende Faktoren können den Flüssigkeitsaustausch zwischen intravasalem und interstitiellem Raum stören und so eine Mehreinlagerung von Wasser im Interstitium bedingen: 4 Erhöhung des intravasalen hydrostatischen Drucks 4 Erniedrigung des intravasalen onkotischen Drucks 4 Erhöhung des interstitiellen kolloidosmotischen Drucks 4 Erhöhung der Gefäßpermeabilität 4 Störungen des Lymphabflusses
Durch Erhöhung des intravasalen hydrostatischen Drucks können folgende Ödeme auftreten: 4 Phlebödeme: Sie entstehen durch Thrombosen oder insuffiziente Venenklappen.
108
3
Kapitel 3 · Pathologie
4 Herzinsuffizienz: Eine Linksherzinsuffizienz bedingt über eine Druckerhöhung im kleinen Kreislauf ein Lungenödem, eine Rechtsherzinsuffizienz durch Rückstau in den großen Kreislauf periphere Ödeme.
Veränderungen der extrazellulären Matrix Fibrose Definition. Vermehrung des Bindegewebes, die zu einer Verhärtung und Verdichtung des Gewebes führt.
Der Grund für eine Erniedrigung des intravasalen onkotischen Drucks ist vor allem der Proteinmangel. Dieser kann verursacht sein durch Hunger, Durchfallerkrankungen (exsudative Enteropathie), Niereninsuffizienz (nephrotisches Syndrom) oder Lebererkrankungen (reduzierte Syntheseleistung). Eine Erhöhung des interstitiellen kolloidosmotischen Drucks wird hauptsächlich verursacht durch eine Erhöhung der Natriumkonzentration, beispielsweise im Rahmen einer Niereninsuffizienz. Eine Erhöhung der Gefäßpermeabilität ist z. B. Folge von Entzündungen, anaphylaktischen Reaktionen (Quincke-Ödem), Toxinen, Stoffwechselprodukten (Urämie) und Hypoxie. Störungen des Lymphabflusses (Lymphödem) können bedingt sein durch Tumorzellen, Traumen, Parasiten oder iatrogen durch chirurgische Entfernung (z. B. bei Mammakarzinom).
! Cave
Ergüsse Definition. Unter einem Erguss (auch: Hydrops) versteht man eine pathologische Ansammlung von Flüssigkeit in einer präformierten Körperhöhle. Beispiele sind der Aszites (Erguss in Peritonealhöhle), der Pleuraerguss, der Perikarderguss und die Hydrozele.
Die Begriffe Sklerose, Induration und Schwiele sind inhaltlich identisch. Je nachdem, welches Organ betroffen ist, werden sie unterschiedlich gebraucht.
Ätiopathogenese. Ursachen von Fibrosen sind:
4 Entzündungen 4 Chronische Ödeme 4 Chronische Stauung (z. B. die »cirrhose cardiaque« bei Rechtsherzinsuffizienz) 4 Nekrosen Angeborene Matrixveränderungen Marfan-Syndrom. Autosomal-dominant vererbte Störung des Fibrillinstoffwechsels. Klinisch kommt es unter anderem zu Arachnodaktylie (Spinnenfingrigkeit), Haut- und Gelenküberdehnbarkeit, und kardiovaskulären Läsionen (dissezierendes Aortenaneurysma) (7 Orthopädie, Kap. 2.5.5.5). Ehlers-Danlos-Syndrom. Gruppe von Krankheitsbil-
dern mit Kollagensynthese- oder Vernetzungsstörung. Der klinische Befund ist abhängig vom betroffenen Kollagentyp. Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit).
! Cave In der Klinik erfolgt keine strenge Trennung der Begriffe »Ödem« und »Erguss«.
Nach dem spezifischen Gewicht unterscheidet man zwei Formen (. Tab. 3.2). Nach der Zusammensetzung unterscheidet man z. B. seröse, fibrinöse, hämorrhagische und eitrige Ergüsse. ! Cave Bei Vorliegen eines hämorrhagischen Ergusses (z. B. Pleuraerguss oder Aszites) ist ein malignes Geschehen wahrscheinlich.
Störung des Kollagen Typ I, dadurch bedingte brüchige Kortikalis und mangelhafte Stabilität (7 Orthopädie, Kap. 2.5.5.2). Amyloidose Definition. Amyloid ist eine hyaline Substanz, die eine Affinität zu Kongorot aufweist und im polarisierten Licht eine grüne Doppelbrechung zeigt. Sie liegt immer extrazellulär vor. Unter Amyloidosen versteht man eine Gruppe von Krankheiten unterschiedlicher Ätiologie, die charakterisiert sind durch die Ablagerung von Amyloid.
. Tab. 3.2. Formen eines Ergusses in Abhängigkeit vom spezifischen Gewicht Form
Spezifisches Gewicht
Eiweiß
Vorkommen
Transsudat
<1020 g/l
Eiweißarm
Nicht-entzündliche Prozesse, z. B. Stauung
Exsudat
>1020 g/l
Eiweißreich
Entzündliche Prozesse
109 3.1 · Allgemeine Pathologie
3
. Tab. 3.3. Klassifikation der Amyloidosen Typ
Vorläuferprotein
Grunderkrankung
AA (sekundäre Amyloidose)
Akute-Phase-Proteine
Chronische Entzündungen
AE (endokrine Amyloidose)
Peptidhormone
C-Zell-Karzinom, Diabetes mellitus
AF (familiäre Amyloidose)
Transthyretin
Erbliche Stoffwechselerkrankung
AH (Hämodialyseamyloidose)
β2-Mikroglobulin
Hämodialysepatienten
AL (Leichtkettenamyloidose)
Leichtkettenimmunglobuline
Plasmozytom
AS (senile Amyloidose)
Β-Protein
Morbus Alzheimer
Ätiologie/Pathogenese. Verschiedene Grundkrankheiten führen zu einem erhöhten Anfall oder zu Abbaustörungen von chemisch völlig unterschiedlichen Proteinen, welche jedoch aufgrund ihrer β-Faltblattstruktur ein gemeinsames morphologisches Bild aufweisen. Die β-Fibrillen lagern sich in dem jeweils betroffenen Organ ab und beeinträchtigen dessen Funktion.
dem Ablagerungstyp eingeteilt. Zudem unterscheidet man generalisierte von lokalisierten Formen. > Ist die Leber betroffen, so bezeichnet man dies als Speck- oder Wachsleber, die Milz als Schinken-oder Sagomilz.
Morphologie. Makroskopisch sind die Organe häufig
Je nach Ablagerungstyp lassen sich Amyloidosen klassifizieren (. Tab. 3.3).
vergrößert, von harter Konsistenz und weisen eine glasige Schnittfläche auf. Es sind viele Organe betroffen, häufig u. a. Herz, Niere, Milz, Knochenmark, Leber, und Gastrointestinaltrakt. Amyloidosen werden oft nach
> Eine generalisierte Amyloidose weist man mit einer Rektumbiopsie nach, eine lokalisierte mit einer Gewebsentnahme aus dem betroffenen Organ.
In Kürze Zell- und Gewebeschäden Reversible Zellschäden
4 Hydropische Zellschwellung: trübe Schwellung, eventuell mit Vakuolenbildung 4 Fettige Degeneration: intrazelluläre Einlagerung von Fetten, folgt häufig der hydropischen Schwellung 4 Hyalin: homogene eosinphile Ablagerungen, meist Proteine, intra- oder extrazellulär
Pigmentablagerungen
4 Melanin: braunschwarz, verantwortlich für Hautpigmentierung 4 Lipofuszin: braungelbes »Alterspigment«, vor allem in langlebigen Zellen 4 Hämosiderin: Speicherform des Eisens, vermehrte Ablagerung bei primärer (Hämochromatose) und sekundärer Siderose 4 Bilirubin: eisenfreies Abbauprodukt des Hämoglobins, ebenso wie Biliverdin 4 Hämatoidin: eisenfreies Abbauprodukt des Hämoglobins, kommt unter anderem in Hämatomen vor 4 Hämatin: Schwarzbraun, bildet sich nach Kontakt von Hämoglobin mit HCl
Zelltod
4 Nekrose (provozierter Zelltod): Koagulationsnekrose oder Kolliquationsnekrose 4 Apoptose (programmierter Zelltod): physiologischer Zelltod, verläuft im Gegensatz zur Nekrose ohne Entzündungsreaktion
6
110
3
Kapitel 3 · Pathologie
Extrazelluläre Veränderungen
4 Ödem: vermehrte Einlagerung von Flüssigkeit ins Interstitium 4 Erguss: Ansammlung von Flüssigkeit in präformierter Körperhöhle
Veränderungen der extrazellulären Matrix
4 Fibrose: Vermehrung des Bindegewebes 4 Angeborene Matrixveränderungen: z. B. Marfan- Syndrom
Amyloidose
4 Amyloid: hyaline Substanz, Affinität zu Kongorot, grüne Doppelbrechung in polarisierterm Licht. Ablagerung von β-Fibrillen
3.1.4
Exogene Noxen
3.1.4.1 Chemische Noxen Die Aufnahme chemischer Schadstoffe kann über die Atemwege (Inhalation), den Verdauungstrakt (Ingestion) oder die Haut (kutane Resorption) erfolgen. Der Körper verfügt über verschiedene Bekämpfungsmechanismen wie z. B. Abbau durch Makrophagen, Speicherung, Fremdkörperreaktion, Metabolisierung und Elimination. Die Stoffe schädigen den Organismus auf verschiedenste Art und Weise (Beispiele: Zerstörung von Strukturproteinen der Zellen, Bildung von Sauerstoffradikalen, Beeinflussung von Enzymen, Störung des Sauerstofftransports.) Zu chemischen Kanzerogenen 7 Kap. 3.1.6.2. Beispiele für chemische Noxen Dieses sehr umfangreiche Thema überschneidet sich mit vielen anderen Fachbereichen (Mikrobiologie, Arbeitsmedizin, Innere Medizin, Toxikologie), auf die hier verwiesen werden soll. Hier kann nur eine begrenzte Zahl wichtiger Noxen und Krankheitsbilder beispielhaft aufgeführt werden. Alkohol. Das geschwindigkeitsbestimmende Enzym des Alkoholabbaus ist die Alkoholdehydrogenase. Bei erhöhtem Alkoholspiegel wird ist jedoch zusätzlich das mikrosomale Ethanol-oxidierende System beteiligt (MEOS). Die Schädigung erfolgt durch verschiedene Mechanismen (Bildung freier Sauerstoffradikale, Schädigung von Schutzmechanismen der Zelle, Speicherung von Lipiden). Benzol. Benzol kommt in Autoabgasen und Lösungs-
mitteln vor. Eine chronische Intoxikation führt zu einer Knochenmarksschädigung mit gehäufter Entstehung von Leukämien. Kohlenmonoxid. Dieses Gas weist eine vielfach höhere
Affinität zu Hämoglobin auf als Sauerstoff, das gebilde-
te Carboxyhämoglobin ist nicht mehr in der Lage, Sauerstoff aufzunehmen. > COHb führt zudem zu einer erhöhten Stabilität der Hb-O2-Komplexe, sodass die Freisetzung von Sauerstoff ins Gewebe erschwert ist. Dies bedingt die Polyglobulie bei Rauchern.
Blei. Blei hemmt die Hämsynthese und verursacht so eine mikrozytäre, hypochrome Anämie. Zudem kommt es zu Bleikoliken, Neuropathie und Osteoporose. Charakteristisch sind ein grauer Gingivarand und eine basophile Tüpfelung der Erythrozyten. Pneumokoniosen Pneumokoniosen sind Krankheiten, die durch exogene Staubablagerungen in den Lungen verursacht werden. Hierzu zählt man die Anthrakose (Ablagerung reinen Kohlenstaubs), die Silikose (Ablagerung von Siliziumdioxid (Quarz)-haltigem Mischstaub) und die Asbestose (Ablagerung faseriger Silikate). Charakteristisch für die Asbestose ist der Nachweis von Asbestfasern und Asbestkörperchen (Fasern mit kolbig aufgetriebenen Enden, die von eisenoxidhaltiger Eiweißhülle umgeben sind. Man kann sie mit der Berliner-Blau-Reaktion nachweisen.
3.1.4.2
Hypoxie und Anoxie Definition. Unter Hypoxie versteht man einen relativen, unter Anoxie einen absoluten Sauerstoffmangel. Ätiopathogenese. Hauptursachen von Sauerstoffman-
gel sind: 4 Erniedrigter Sauerstoffpartialdruck: pulmonale Erkrankungen, Sauerstoffmangel in Atemluft (Höhe) 4 Störung des Sauerstofftransports im Blut: Verminderung Hämoglobin (Anämie), erniedrigte Bindungskapazität (CO-Vergiftung) 4 Ischämie: Durchblutungsstörungen (z. B. Arteriosklerose, Herzinsuffizienz, Embolie, Schock)
111 3.1 · Allgemeine Pathologie
4 Zytotoxische Substanzen: Blockierung von Enzymen der Atmungskette (z. B. Cyanide) 4 Hypoglykämie: Mangel an oxidierbaren Substanzen (Hunger, Malassimilation) Der Sauerstoffmangel stört den Ablauf der Atmungskette. Hieraus resultiert ein Mangel an energiereichen Substraten (ATP), was zu einem Versagen von Ionenpumpen führt. Dies bedingt einen Wassereinstrom in die Zellen und die Aktivierung von zellschädigenden Enzymen. Die Zellen stellen ihren Stoffwechsel auf anaerobe Energiegewinnung um, durch die Laktatbildung kommt es zur Azidose. Morphologie. Ein Sauerstoffmangel führt zu einer hy-
dropischen Schwellung, fettigen Degeneration und Nekrose der betroffenen Zellen. Die Empfindlichkeit verschiedener Organe gegenüber Hypoxie ist verschieden (Gehirn > Herz > Leber > Niere). Beispiele für hypoxische Schäden sind: 4 Das Herz reagiert auf relative Hypoxie mit Zellhydrops, Myokardverfettung und mit Mikroinfarkten im Bereich der »letzten Wiese« (Papillarmuskeln, subendokardiales Gewebe), was makroskopisch als sog. »Tigerung« imponiert. Bei absoluter Hypoxie kommt es zu einem ischämischen Infarkt (Koagulationsnekrose) im Versorgungsgebiet der verschlossenen Koronarie. 4 In der Leber kommt es bei Hypoxie charakteristischerweise zu einer läppchenzentralen Verfettung.
3
Morphologie. Man unterscheidet 4 Schweregrade:
4 Grad I: Rötung der Haut durch Hyperämie (Erythem), Ödem 4 Grad II: Blasenbildung (Epidermis löst sich von Dermis), Korium intakt 4 Grad III: Auch Korium ist betroffen, tiefgreifende Nekrosen 4 Grad IV: Verkohlung Während es bei Grad I und II zu einer Restitutio ad integrum kommt, erfolgt die Abheilung ab Grad III durch Narbenbildung. > 4 Verbrühungen entstehen durch Wasserdampf, Wasser und andere heiße Flüssigkeiten. 4 Verbrennungen entstehen durch Einwirkung von Wärmestrahlung, heißen Gasen, offenen Flammen und durch die Berührung fester Körper.
Kälteschäden Ätiopathogenese. Kälteinduzierte Nekrosen. Morphologie. Bei Erfrierungen (lokale Hypothermie)
unterscheidet man ebenfalls 4 Schweregrade: 4 Grad I: Erythem 4 Grad II: Blasenbildung, Korium intakt 4 Grad III: Nekrosen, Frostgangrän, Korium betroffen; es kommt zur Defektheilung 4 Grad IV: Vereisung, völlige Gewebezerstörung Schädigung durch Strahlen
! Am venösen Schenkel ist der Sauerstoffpartialdruck schon physiologisch am niedrigsten (letzte Wiese), hypoxisch bedingte Zellschäden manifestieren sich deshalb bevorzugt dort. Im Gegensatz hierzu manifestieren sich toxische und durch Hyperlipidämie verursachte Schädigungen bevorzugt in gut durchbluteten Bereichen, da hier die Konzentration der Noxe am höchsten ist.
3.1.4.3 Physikalische Noxen Hitzeschäden Verbrennungen (lokale Hyperthermie) Ätiopathogenese. Temperaturen von über 65°C füh-
ren zu einer dauerhaften Denaturation von Proteinen und somit zur Koagulationsnekrose. Durch die Zerstörung der Endstrombahn und sezernierte Entzündungsmediatoren entstehen starke Flüssigkeits- und Eiweißverluste. Zudem kommt es auch zur Freisetzung toxischer Eiweiße (»Verbrennungstoxin«). Somit besteht die Gefahr eines hypovolämischen und toxischen Schocks.
Ionisierende Strahlen Ätiopathogenese. Die auf ein Atom auftreffende Strah-
lung bedingt, dass Elektronen angeregt (d. h. auf ein höheres Energieniveau gehoben) werden. Fallen diese Elektronen nachfolgend wieder auf ein tieferes Niveau zurück, so geben sie Energie in Form von Lichtquanten ab. α-, β-, γ-Strahlen und Röntgenstrahlen sind ionisierende Strahlen. Das Ausmaß der Gewebsschädigung ist u. a. abhängig von: 4 Strahlungsart (die biologisch wirksame Strahlendosis wird in Sievert angegeben) 4 Wassergehalt der Zellen 4 Mitoserate der Zelle: Während der Teilungsphase ist die Strahlenempfindlichkeit einer Zelle am größten. Daher sind Wechselgewebe (z. B. Knochenmark, lymphoretikuläres Gewebe, Darmepithel) sehr strahlensensibel, während stabile Gewebe (z. B. Leber- und Nierenparenchym) und Dauergewebe (Skelettmuskel, Herz, Nervengewebe) strahlenresistenter sind.
112
3
Kapitel 3 · Pathologie
> Hohe Zellteilungsrate bedeutet hohe Strahlensensibilität!
reicht wurde (enthält das radioaktive Isotop Thorium), entwickelten häufig Angiosarkome der Leber.
Morphologie/Klinik. Zu den wichtigen strahlenbedingten Schädigungen gehören: 4 Haut: Erythem, Ulzerationen, Atrophien, Hyperkeratosen, Tumoren 4 Lungen: interstitielle Entzündung (Strahlenpneumonitis), Fibrose 4 Gastrointestinaltrakt: Blutungen, Durchfälle 4 Gonaden: Sterilität 4 Knochenmark: Lymphopenie, Thrombopenie, Neutropenie, Anämie 4 ZNS: Hirnödem
! Cave
Ionisierende Strahlen können auch karzinogen wirken. Hierfür sind wahrscheinlich vorrangig intrazellulär entstehende Sauerstoffradikale verantwortlich, welche mit der DNA interagieren. Sie verursachen v. a. Leukämien, aber auch Schilddrüsen-, Magen-, Lungenund Mammakarzinome. Beispiele für Krebs durch ionisierende Strahlen sind der sog. Schneeberger-Lungenkrebs wurde bei Arbeitern im Uranbergbau beobachtet. Patienten, denen das Kontrastmittel Thorotrast verab-
Das Auftreten von Zweitneoplasien nach therapeutischer Bestrahlung eines malignen Tumors stellt eine häufige Nebenwirkung dieses Therapieansatzes dar. Ein typisches Beilspiel hierfür ist der M. Hodgkin, eine Erkrankung mit insgesamt günstiger Prognose, die jedoch durch das Auftreten von Sekundärtumoren getrübt wird.
Nichtionisierende Strahlen
Nichtionisierende Strahlen sind UV-, Laser-, Infrarotstrahlen und Mikrowellen. Vor allem das kurzwellige UV-B führt zu DNA-Schäden durch Ausbildung von Thymidin-Dimeren. Es kann zu Basaliomen, Plattenepithelkarzinomen und malignen Melanomen kommen. 3.1.4.4 Biologische (belebte) Noxen Hierunter versteht man humanpathogene Mikroorganismen. Um Wiederholungen zu vermeiden, soll an dieser Stelle auf 7 Kap. 4 verwiesen werden.
In Kürze Exogene Noxen Chemische Noxen
4 Alkohol (alkoholische Leberschädigung) 4 Blei (mikrozytäre, hypochrome Anämie mit basophiler Tüpfelung der Erythrozyten, Neuropathie, Bleikoliken) 4 Asbestose (Nachweis von Asbestfasern und -körperchen in den Lungen) 4 Und viele andere Noxen
Hypoxie und Anoxie
4 Relativer bzw. absoluter Sauerstoffmangel. Typische Beispiele: »Tigerung« des Myokards, läppchenzentrale Verfettung der Leber. Hypoxische Zellschäden manifestieren sich v. a. am venösen Schenkel
Physikalische Noxen
4 Verbrennungen (lokale Hyperthermie), Erfrierungen (lokale Hypothermie): Einteilung in 4 Schweregrade, ab Grad III Defektheilung 4 Strahlen: Ionisierende Strahlen führen u. a. zu Veränderungen an Haut, Lungen, GITrakt, Gonaden, Knochenmark und ZNS. Zudem können sie karzinogen wirken. Hohe Zellteilungsrate bedeutet hohe Strahlensensibilität! UV-Strahlen können zu gut- und bösartigen Hautveränderungen führen
Biologische Noxen
4 7 Kap. 4
113 3.1 · Allgemeine Pathologie
3.1.5
Zellersatz
3.1.5.1
Regeneration
Definition. Unter Regeneration versteht man die Wie-
3
degewebigen Kallus ersetzt wird. Die Fibroblasten dieses Kallus wandeln sich in Osteoblasten um und bilden einen provisorischen knöchernen Kallus. Durch mechanische Belastung erfolgt die Umwandlung in endgültigen, lamellären Knochen.
derherstellung bzw. den Ersatz zugrunde gegangener Zellen und Gewebe. Man unterscheidet: 4 Physiologische Regeneration: Ersatz von Zellen oder Geweben, welche im Rahmen des normalen Verschleißes zugrunde gegangen sind. 4 Pathologische (reparative) Regeneration: Liegt dann vor, wenn Zellen nach krankhaften Verlusten ersetzt werden. Hierbei unterscheidet man: 5 Restitutio ad integrum: vollständige Wiederherstellung des zugrunde gegangenen Gewebes 5 Defektheilung: Bildung eines Ersatzgewebes
Ätiopathogenese. Sie tritt meist bei chronischen Reizzuständen oder Entzündungen auf und kann sich spontan zurückbilden.
3.1.5.2
! Cave
Wundheilung Definition. Abgegrenzt werden: 4 Primäre Wundheilung. Diese Idealform der Wundheilung erfolgt, wenn die Wundränder glatt anliegen und keine Infektion vorliegt. 4 Sekundäre Wundheilung erfolgt bei größeren oder infizierten Wunden, welche eine ausgedehntere Entzündungsreaktion mit größerer Narbenbildung hervorrufen. Morphologie. Es lassen sich 4 Phasen der Wundhei-
lung unterscheiden: 4 Exsudationsphase: Austritt von Blut, Entstehung eines provisorischen Wundverschlusses durch ein fibrinreiches Blutgerinnsel (Schorf) 4 Resorptionsphase: Nach ca. 12 h einwandernde Makrophagen resorbieren das nekrotische Gewebe 4 Proliferationsphase: Ab dem dritten Tag Bildung von Granulationsgewebe 4 Reparationsphase: durch Bindegewebsneubildung Ersatz des Granulationsgewebes durch Narbengewebe
3.1.5.4
Dysplasie
Definition. Unter einer Dysplasie versteht man die re-
versible Fehlgestaltung eines Oberflächenepithels, charakterisiert durch Zellatypien in Verbindung mit einem reversiblen Differenzierungsverlust (. Abb. 3.4).
Die präneoplastische Dysplasie ist eine Präkanzerose.
3.1.5.5
Metaplasie
Definition. Eine Metaplasie ist die Umwandlung eines
ausdifferenzierten Gewebes in ein anderes, ebenfalls ausdifferenziertes Gewebe. Ätiopathogenese. Viele chronische Irritationen und Ent-
zündungen führen zur Ausbildung einer Metaplasie. Beispiele für eine Metaplasie sind: 4 Plattenepithelmetaplasie: Ersatz von Zylinderepithel durch Plattenepithel, z. B. im Bronchialsystem oder der Zervix. 4 Intestinale Metaplasie: Bei der chronisch-atrophischen Gastritis wird die Magenmukosa ersetzt durch Mukosa vom intestinalen Typ. 4 Barrett-Ösophagus: Im Rahmen einer chronischen Refluxösophagitis wird das Plattenepithel im Bereich des distalen Ösophagus durch Zylinderepithel ersetzt.
Komplikationen. Infektionen, Keloidbildung (überschießende Narbenbildung) und Narbenbruch.
3.1.5.3
Frakturheilung
Definition. Man unterscheidet 2 Formen der Fraktur-
heilung: 4 Primäre Frakturheilung. Bei aneinanderliegenden Frakturenden kommt es durch Osteoneneinsprossung ohne vorherige Kallusbildung zu einer Kontaktheilung. 4 Sekundäre Frakturheilung erfolgt bei auseinander liegenden Frakturenden und läuft folgendermaßen ab: Zunächst kommt es zur Bildung eines Frakturhämatoms, das dann durch einen vorläufigen bin-
. Abb. 3.4. Portio: mittlere Dysplasie vom Plattenepitheltyp mit Basaliszapfenbildungen. HE 140:1. (Aus Remmele 2000)
114
Kapitel 3 · Pathologie
. Tab. 3.4. Übersicht Präkanzerosen
3
Präkanzerose
Beispiele
Fakultative Präkanzerosen
4 4 4 4
Obligate Präkanzerosen
4 Carcinoma in situ (Mamma, Zervix) 4 Leukoplakie 4 Familiäre adenomatöse Polyposis 4 Angeboren: Xeroderma pigmentosum
Präkanzeröse Konditionen
3.1.5.6
Chronisch atrophische Gastritis Colitis ulcerosa Leberzirrhose Solitäres Kolonadenom
Präkanzerosen
. Tab. 3.5. Unterschiede benigne und maligne Tumoren Benigne
Maligne
Wachstum
Langsam, expansiv, verdrängend
Schnell, invasiv, destruktiv
Abgrenzung
Gut, oft Kapsel
Schlecht
Differenzierung
Gut
Schlecht
Mitotische Aktivität
Niedrig
Hoch
Zellatypien
Keine oder wenige
Ausgeprägt
Metastasierung
Nein
Ja
Rezidivneigung
Niedrig
Ausgeprägt
Definition. Unter den Präkanzerosen lassen sich fol-
gende Formen unterscheiden (. Tab. 3.4): 4 Präkanzerose: Gewebsveränderung, die im Vergleich zu normalem Gewebe ein erhöhtes Entartungsrisiko aufweist 4 Fakultative Präkanzerose: geringes Entartungsrisiko, erst nach längerer Zeit Übergang zu malignem Tumor. 4 Obligate Präkanzerosen: hohes Entartungsrisiko, Entwicklung eines malignen Tumors in kurzer Zeit 4 Präkanzeröse Kondition: Erkrankung oder Veranlagung, die zur Entwicklung einer präkanzerösen Läsion führen kann 3.1.6
Tumoren
Mit dem Begriff Tumor bezeichnet man allgemein eine umschriebene Volumenzunahme des Gewebes gleichgültig welcher Ätiologie (z. B. entzündlich, neoplastisch, traumatisch). Im engeren Sinne versteht man unter einem Tumor eine gewebliche Neubildung (Neoplasie), die durch autonome Proliferation körpereigener, entarteter Zellen entsteht. 3.1.6.1 Dignität von Tumoren Anhand des biologischen Verhaltens (= Dignität) unterscheidet man gutartige (benigne) von bösartigen (malignen) Tumoren (. Tab. 3.5). > Sichere Zeichen für Malignität sind: infiltratives Wachstum, häufig mit Destruktion des umgebenden Gewebes, Metastasierung, Rezidivneigung nach operativer Entfernung.
Borderline-Tumoren. Vorliegen einer wahrscheinlich malignen Gewebsveränderung mit Zell- und Gewebeatypien ohne histologisch nachgewiesenes infiltratives Wachstum. Beispiel: Zystadenom des Ovars. Semimaligne Tumoren. Tumoren, die zwar destruktiv und infiltrativ wachsen, jedoch nicht oder extrem selten metastasieren. Beispiel: Basaliom der Haut. Carcinoma in situ. Präkanzerose, die dadurch gekenn-
zeichnet ist, dass alle zytologischen Malignitätskriterien erfüllt sind, jedoch kein invasives Wachstum vorliegt, d. h. die Basalmembran nicht durchbrochen ist. Frühkarzinom. Hier handelt es sich um einen malignen Tumor mit nachgewiesenem infiltrativen Wachstum. Der Begriff wird nur bei Magenkarzinomen verwendet, bei denen die Infiltrationstiefe die Tunica submucosa nicht überschreitet. Somit ist das Frühkarzinom keine Präkanzerose, sondern ein invasives Karzinom. Mikrokarzinom. Dieser Begriff wird nur in Zusammenhang mit dem Zervixkarzinom verwendet. Es handelt sich hierbei um eine genaue Definition der Tiefen- und Flächenausdehnung des Tumors.
3.1.6.2 Kanzerogenese Die Kanzerogenese beschreibt den Vorgang der Entstehung maligner Tumoren. Sie verläuft nach dem Mehrstufenmodell in mehreren Schritten ab, wobei Veränderungen verschiedener Gene schließlich zur Entwick-
115 3.1 · Allgemeine Pathologie
lung des malignen Tumors führen. Unter Karzinogenen versteht man krebsauslösende Noxen. Phasen der Kanzerogenese sind: 4 Initiation: primäre Genomschädigung durch auslösende Noxe 4 Latenzzeit: Zeitspanne zwischen Initiation und klinischer Manifestation 4 Promotion: durch Proliferation wird der Genomschaden auf die Tochterzellen übertragen und etabliert 4 Progression: Proliferation des entarteten Zellklons zu einem makroskopisch neoplastischen Gewebe Risikofaktoren Chemische Karzinogene > Die Komponenten des Tabakrauchs sind die mit Abstand wichtigsten chemischen Karzinogene; in Westeuropa werden 30–35% aller Tumoren durch Rauchen verursacht (. Tab. 3.6).
Ätiopathogenese. Die kanzerogene Wirkung che-
mischer Verbindungen bzw. ihrer Metaboliten beruht auf der Fähigkeit, mit DNA bzw. RNA zu interagieren. Hierdurch kommt es zum Beispiel zu DNA-Alkylierungen, Basenfehlpaarungen und Beeinträchtigung der Reparaturmechanismen. Strahlen 7 Kap. 3.1.4.3.
Virale Karzinogene Die krebserzeugende Wirkung von DNA-Tumorviren beruht auf der Integration ihres Genoms in das der
3
Wirtszelle. In Abhängigkeit vom Ort ihrer Insertion entstehen Störungen der Expression von Genen der Wirtszelle, beispielsweise eine gesteigerte Expression wachstumsfördernder Onkoproteine. Beispiele sind: 4 Papillomavirus: Zervixkarzinom 4 Epstein-Barr-Virus: Burkitt-Lymphom, nasopharyngeales Karzinom 4 Hepatitis-B-Virus: hepatozelluläres Karzinom RNA-Tumorviren (Onkornaviren) spielen beim Menschen im Gegensatz zu Tieren eine untergeordnete Rolle. Bewiesen ist eine kanzerogene Wirkung für das HTLV-Virus (T-Zell-Lymphome), zudem scheint es eine Assoziation zu geben zwischen Hepatitis-C-Virus und dem Auftreten von Leberzellkarzinomen. Genetische Faktoren Bestimmte erbliche Vorerkrankungen erhöhen das Risiko, an einem Tumorleiden zu erkranken. Für viele Tumoren, z. B. Mamma-, Kolon- und Endometriumkarzinom, existieren autosomal-dominant vererbte Veranlagungen. Beispiele für ein erblich bedingt erhöhtes Tumorrisiko sind: 4 Familiäre adenomatöse Polyposis (multiple intestinale Polypen mit Entartungstendenz): autosomaldominant vererbte obligate Präkanzerose, die durch eine Mutation des APC-Gens zur Entwicklung von kolorektalen Karzinomen führt (7 Kap. 2) 4 LYNCH-Syndrom (hereditäres nicht polypöses Kolonkarzinom): Mutation von DNA-Reparaturgenen, gehäuftes Auftreten von Kolonkarzinomen
. Tab. 3.6. Übersicht über einige chemische Karzinogene Chemische Verbindung
Tumor
Vorkommen
Aromatische Kohlenwasserstoffe (z. B. Benzpyren)
Leukämien, Hodenkrebs, Hautkarzinom
Ruß, Teer, Mineralöle, Zigarettenrauch
Aromatische Amine (z. B. Anilin)
Blasenkarzinom
Farbstoffe
Nitrosamine
Bronchialkarzinom
Konservierungsstoffe in Nahrung, Tabakrauch
Aflatoxin
Hepatozelluläres Karzinom
Aspergillus flavus
Vinylchlorid
Angiosarkom der Leber, Glioblastom
PVC
Benzol
Leukämie
Chemische Industrie
Arsen
Haut-, Leber-, Lungenkarzinom
Erzverarbeitung
Asbest
Bronchialkarzinom, Pleuramesotheliom
Bauindustrie, Wärmetechnik
116
3
Kapitel 3 · Pathologie
4 Hereditäres Brustkrebssyndrom: Mutation des BRCA1-Gens, erhöhtes Risiko für Mamma- und Ovarialkarzinome (7 Kap. Humangenetik) 4 Xeroderma pigmentosum: Defekt der DNA-Reparaturmechanismen, dadurch erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht mit Entwicklung von Hauttumoren Hormonelle Einflüsse Östrogene wirken wachstumsfördernd auf Mammaund Gebärmutterkarzinome; Androgene fördern das Wachstum von Prostatakarzinomen. Immunologische Defektzustände Ein defektes Immunsystem, z. B. bei immunsuppressiver Therapie oder AIDS, führt zu einem erhöhten Risiko, an einem Tumorleiden, v. a. an malignen Lymphomen zu erkranken. Ernährung In den westlichen Industrieländern sind etwa 30% aller Tumoren auf ungesunde, v. a. zu kalorienreiche, ballaststoffarme Ernährung zurückzuführen. Molekularbiologie > Maligne Tumoren sind das Resultat einer gestörten Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung. Zentrale Elemente sind hierbei die Aktivierung von Onkogenen und die Inaktivierung von Suppressorgenen.
Aktivierung von Onkogenen Gene, welche in einer Zelle physiologischerweise die Zellproliferation und -differenzierung regulieren, nennt man Protoonkogene (. Tab. 3.7, 7 Kap. 2). Durch verschiedene Veränderungen werden sie zu krebserzeugenden Genen, den sog. Onkogenen, z. B. durch: 4 Punktmutationen: Ersatz eines Nukleotids 4 Chromosomale Translokation: Bei der chronisch myeloischen Leukämie entsteht durch Translokati-
. Tab. 3.7. Funktion verschiedener zellulärer Onkogene Funktion
Beispiele
Wachstumsfaktor
SIS
Wachstumsfaktorrezeptor
ERB1
Intrazelluläre Signalvermittlung
RAS-Familie
Nukleäre Transkriptionsfaktoren
MYC-Familie
on 9,22 das sog. Philadelphia-Chromosom, dessen Genprodukt die Zellteilung ungebremst anregt. 4 Genamplifikation: vermehrte Expression von Protoonkogenen Es spielt keine Rolle, ob nur ein oder beide Allele betroffen sind. Inaktivierung von Suppressorgenen Unter Suppressorgenen versteht man Gene, die die Zellvermehrung inhibieren (Anti-Onkogene). Die Inaktivierung solcher wachstumshemmender Faktoren fördert die Proliferation des Tumors und ist ein wichtiger Faktor bei der Tumorentstehung (7 Kap. 2). Beide Allele eines solchen Suppressorgens müssen defekt sein, um eine Tumorentstehung zu begünstigen. Beispiele sind: 4 Wilms-Tumor-Gen (Chromosom 11): Bei Verlust kommt es gehäuft zu Nephroblastomen. 4 Retinoblastomgen (Chromosom 13): Das Retinoblastom kommt sporadisch vor oder wird autosomal-dominant vererbt. Damit es zu einem Retinoblastom kommt, müssen beide Allele defekt sein. In den sporadisch auftretenden Fällen werden beide durch Spontanmutation zerstört. In den vererbten Fällen wird ein Allel bereits defekt vererbt. Mutiert das Zweite spontan, kommt es zur Entartung. 4 FAP-Gen (familiäre adenomatöse Polyposis, Chromosom 5, 7 oben) 4 BRCA-Gen (7 oben) 4 P53-Gen (Chromosom 17): Eine Veränderung dieses Gens ist bei fast allen Tumoren sehr häufig. 3.1.6.3 Metastasierung Maligne Tumoren wachsen invasiv, d. h. sie wachsen in das normale Gewebe ein, wobei es zur Zerstörung (Destruktion) der normalen Gewebestruktur kommt. Durch diese Eigenschaft sind maligne Tumoren dazu in der Lage, Lymph- und Blutgefäße zu durchbrechen, wobei maligne Zellen in andere Bereiche des Körpers verschleppt werden und dort Tochtergeschwülste, Metastasen, bilden. Metastasierungswege Hämatogene Metastasierung (über die Blutbahn). Tu-
morzellen wachsen invasiv in Gefäße ein (Intravasation), werden hämatogen verschleppt, bleiben im nachfolgenden Kapillarfilter haften, emigrieren wieder aus dem Gefäßsystem (Extravasation) und bilden schließlich eine Metastase. Man unterscheidet verschiedene Typen der hämatogenen Metastasierung:
117 3.1 · Allgemeine Pathologie
4 Lungentyp (arterieller Typ): Der Primärtumor ist in der Lunge, gelangt in den großen Kreislauf und metastasiert unter anderem in Gehirn, Leber und Knochen. Beispiel: Bronchialkarzinom. 4 Lebertyp: Der Primärtumor sitzt in der Leber, metastasiert zunächst in die Lunge, gelangt danach in den großen Kreislauf. Beispiel: hepatozelluläres Karzinom. 4 Cava-Typ: Der Primärtumor ist im Abflussgebiet der Vena cava lokalisiert und gelangt über das Herz in die Lunge. Beispiel: Tumoren der Niere, der Knochen, der Schilddrüse und des Kopf- Hals- Bereichs. 4 Pfortader-Typ: Der Primärtumor sitzt im Abflussgebiet der Vena portae und gelangt somit zunächst in die Leber, erst später in die Lunge. Beispiel: Tumoren des Magendarmtrakts. Das Prostatakarzinom metastasiert bevorzugt in das knöcherne Becken, das Kreuzbein und die Lendenwirbelkörper. Diesen Metastasierungsweg bezeichnet man als »Vertebralvenentyp«. Weitere Primärtumoren, bei denen häufig mit Knochenmetastasen zu rechnen ist, sind das Mamma-, das Bronchial-, das Nierenzell- und das Schilddrüsenkarzinom.
3
3.1.6.4 Tumorklassifizierung Tumortypisierung Epitheliale Tumoren > Epitheliale Tumoren haben als Ursprungsgewebe das Plattenepithel, das Drüsenepithel, das Schleimhautepithel und das Urothel. Gutartige epitheliale Tumoren tragen die Endung »-om«, bösartige die Endung »-karzinom«.
Gutartige epitheliale Tumoren. Hierzu zählen Papil-
lome und Adenome: 4 Papillome sind gutartige epitheliale Tumoren, die breitbasig der Oberfläche aufsitzen und fingerartige Ausstülpungen tragen. Sie gehen vom Plattenepithel der Haut, epitheltragenden Schleimhäuten oder vom Urothel aus. 4 Adenome sind gutartige epitheliale Tumoren, die vom Drüsenepithel ausgehen. Beispiele sind: 5 Adenom des Kolons: Man unterscheidet tubuläre, villöse und tubulovillöse Adenome. 5 Zystadenom des Ovars 5 Sonderform ist das Fibroadenom, der häufigste benigne Tumor der Mamma. Er besteht aus Stroma, Bindegewebe und aus drüsigen Anteilen. Bösartige epitheliale Tumoren. Hierzu zählen:
Lymphogene Metastasierung. Da Lymphgefäße keine
Basalmembran besitzen, können Tumoren leicht in sie einbrechen. Lymphknotenmetastasen entstehen durch Verschleppung der Tumorzellen zu nahe liegenden Lymphknoten. Hierbei werden oft zunächst nur ein oder mehrere »Wächter-Lymphknoten« (SentinelLymphknoten) befallen. Bei der selteneren Lymphangiosis carcinomatosa/sarcomatosa proliferieren die Tumorzellen bereits in den Lymphgefäßen, also vor Erreichen des Lymphknotens. > Sarkome metastasieren bevorzugt hämatogen, Karzinome bevorzugt lymphogen.
Kavitäre Metastasierung. Der Tumor bricht in einen Hohlraum ein, z. B. Pleura-/Peritonealhöhle, Liquorraum oder Sehnenscheiden, wird dort verschleppt und metastasiert (Implantationsmetastasen). Ein Beispiel hierfür ist der Krukenbergtumor. Hierunter versteht man die Ovarialmetastasierung eines Siegelringzellkarzinom des Magens. In serösen Höhlen (z. B. Pleura, Peritoneum) wird die kavitäre Metastasierung häufig von einem hämorrhagischen Erguss begleitet. Dann spricht man von Pleura- oder Peritonealkarzinose. Primäre Hirntumoren bilden unter Umständen im Spinalkanal Abtropfmetastasen.
4 Plattenepithelkarzinome gehen aus von Organen mit Plattenepithel (Haut-, Mund-, Ösophagusschleimhaut, Vagina) oder mit plattenepithelialer Metaplasie (z. B. Uterus-, Zervix-, Bronchialschleimhaut). Es tritt mit oder ohne Verhornung auf. 4 Adenokarzinom: Maligne epitheliale Tumoren mit drüsigem Phänotyp. Sie kommen beispielsweise im Drüsenepithel der Schleimhäute von MagenDarm-Trakt, Respirationstrakt und dem weiblichen Genitalsystem sowie in der Leber, der Niere und in exokrinen und endokrinen Drüsen vor. 4 Übergangsepithelkarzinome: Auch Transitionalzellkarzinom; sie entstehen aus Urothel (Nierenbecken, Ureter, Harnblase, Urethra, Prostata). 4 Undifferenzierte Karzinome (auch anaplastische Karzinome); Aufgrund des hochgradigen Differenzierungsverlusts ist eine Zuordnung zu einem Muttergewebe unmöglich. Mesenchymale Tumoren > Der Ursprung menchymaler Tumoren liegt in Geweben des Mesoderm: Binde-und Stützgewebe, Skelett, Gefäßendothel, Blutzellen, Urogenitalgewebe. Gutartige mesenchymale Tumoren tragen die Endung »-om«, bösartige »-sarkom« (. Tab. 3.8). Das jeweilige
6
118
Kapitel 3 · Pathologie
Präfix kennzeichnet die Gewebedifferenzierung. Sarkome sind relativ seltene maligne Tumoren; sie stellen nur 1% aller malignen Tumoren dar.
3
Dysontogenetische Tumoren Definition. Tumoren, die auf dem Boden einer gestörten Embryogenese entstehen. Hierzu zählen: 4 Teratome gehen aus pluripotenten Zellen hervor. Daher enthalten sie Gewebe aller 3 Keimblätter. Sie kommen vor allem in den Gonaden vor. Man unterscheidet reife (adulte) von unreifen (embryonalen) Teratomen. Reife Teratome enthalten voll ausdifferenzierte Gewebe aller drei Keimblätter. Sie kommen vor allem bei Erwachsenen vor. Unreife Teratome bestehen aus weniger differenzierten Geweben. Man findet sie vor allem bei Kindern. 4 Hamartome. Kommt es während der Embryogenese zu einer fehlerhaften Gewebszusammensetzung, so spricht man von einer Hamartie. Entwickelt sich hieraus eine Geschwulst, so spricht man von Hamartom. Hamartome sind in der Regel gutartig, eine maligne Entartung (Hamartosarkom) ist selten.
Stadieneinteilung (Staging) Die Einteilung des Stadiums einer Tumorkrankheit, erfolgt nach dem TNM-System der UICC (»Union International Contre le Cancer«). Diese Einteilung liefert in Kurzform wesentliche Informationen über das Tumorleiden, stellt eine Entscheidungsgrundlage für die Therapie dar und hat prognostische Bedeutung.
TNM-System 4 T: Lokaler Ausdehnungsgrad des Primärtumors – T0: keine Anzeichen für einen Primärtumor – T1–4: zunehmende Ausdehnung des Primärtumors – Tx: keine Aussage möglich 4 N: Befall regionärer Lymphknoten – N0: keine Anzeichen für Lymphknotenbefall – N1–3: zunehmender Lymphknotenbefall – Nx: keine Aussage möglich 4 M: Fernmetastasen – M0: keine Anzeichen für Fernmetastasen – M1: Vorhandensein von Fernmetastasen – Mx: keine Aussage möglich
> Bei den sog. Phakomatosen kommt es anlagebedingt zum Auftreten multipler Hamartome.
4 Embryonale Tumoren sind Tumoren, die sich wahrscheinlich während der embryonalen Organreifung entwickeln. Beispiele: Wilms-Tumor (auch: Nephroblastom), Neuroblastom (Nebennierenmark, Grenzstrang), Medulloblastom (Kleinhirn), Hepatoblastom, Retinoblastom.
Tumorgradierung (Grading) Man klassifiziert maligne Tumoren zudem nach ihrem Differenzierungsgrad. Diese Einteilung reicht von hochdifferenzierten Tumoren (G1), die meist eine geringe Malignität aufweisen, bis hin zu undifferenzierten (anaplastischen) Tumoren (G4) mit meist hoher Malignität.
. Tab. 3.8. Übersicht gutartige und bösartige mesenchymale Tumoren Benigner Tumor
Maligner Tumor
Ursprungsgewebe
Vorkommen
Fibrom
Fibrosarkom
Bindegewebe
Ubiquitär
Leiomyom
Leiomyosarkom
Glatte Muskulatur
Uterus
Rhabdomyom
Rhabdomyosarkom
Quergestreifte Muskulatur (selten!)
Rhabdomyom: z. B. Herz; Rhabdomyosarkom bei Kindern im Bereich des Kopfes, Halses und Genitaltrakts, bei Erwachsenen in der Harnblase
Lipom
Liposarkom
Fettzellen
Lipom ubiquitär, Liposarkom in tiefen Weichteilen und retroperitoneal
Chondrom
Chondrosarkom
Knorpelzellen
Knorpelige Bereiche Skelett
Osteom
Osteosarkom
Knochenzellen
Angiom
Angiosarkom
Gefäßmuskulatur
Gefäßsystem
119 3.1 · Allgemeine Pathologie
3.1.6.5 Tumorkomplikationen Lokale Komplikationen sind bedingt durch das destruktive, infiltrative Wachstum des Tumors, z. B. (. Abb. 3.5): 4 Stenosierung von Hohlorganen 4 Perforation von Hohlorganen 4 Ulzeration 4 Fistelbildung 4 Gefäßarrosion 4 Durchblutungsstörungen: sehr oft durch eine venöse Abflussstörung, welche zu Thrombosen führen kann. 4 Gewebenekrosen 4 Organfunktionsstörungen Systemische Komplikationen betreffen den gesamten Organismus; z. B.: 4 Tumorkachexie: Hierunter versteht man einen allgemeinen Kräfteverfall und Abgeschlagenheit bedingt durch verschiedene Faktoren wie Appetitverlust (Anorexie), Behinderung von Nahrungsaufnahme oder -verwertung und verschiedene Zytokine 4 Tumoranämie mit charakteristischer aschfahler Hautfarbe 4 Tumorfieber 4 Paraneoplastische Syndrome 4 Immunsuppression
3
. Tab. 3.9. Endokrine paraneoplastische Syndrome Syndrom (ausgeschüttete Substanz)
Primärtumoren
Cushing-Syndrom (ACTH)
Bronchialkarzinom
SIADH (ADH)
Bronchialkarzinom
Karzinoidsyndrom (Serotonin)
Bronchial-, Pankreaskarzinom
Hyperkalzämie (PTH-ähnliches Peptid)
Bronchial-, Nierenkarzinom
Polyglobulie (Erythropoetin)
Nieren-, Leberzellkarzinom
3.1.6.6
Leukämien
Definition. Erkrankungen, die durch die autonome Pro-
liferation eines Leukozytenklons gekennzeichnet sind. Man unterscheidet hierbei die akute Leukämie (akute lymphatische Leukämie, ALL und akute myeloische Leukämie, AML), die chronische myeloische Leukämie (CML) und die chronische lymphatische Leukämie (CLL). Der Begriff »Leukämie« wurde von Virchow geprägt, bedeutet übersetzt »weißes Blut« und beschreibt die verbreiterte Leukozytenmanschette nach der Zentrifugation des Blutes.
Paraneoplastische Syndrome > Unter paraneoplastischen Syndromen versteht man Funktionsstörungen und Allgemeinerscheinungen, die an das Vorhandensein eines Tumors gebunden sind, sich aber weder auf das lokale noch das metastatische Tumorwachstum zurückführen lassen.
4 Endokrine paraneoplastische Syndrome: . Tab. 3.9. 4 Neuromuskuläre paraneoplastische Syndrome: Es kommt zu einer Schädigung von Nerven- und Muskelgewebe und somit z. B. zu Enzephalitiden, Lambert-Eaton-Syndrom, Myasthenia gravis, Dermatomyositis und Polyneuropathien. 4 Hämatologische paraneoplastische Syndrome: Hierzu gehören Venenthrombosen, Anämie, Polyglobulie, Verbrauchskoagulopathie. 4 Kutane paraneoplastische Syndrome: Hier ist die Akanthosis nigricans maligna zu nennen, die am häufigsten verursacht wird durch ein Adenokarzinom des Magens.
Einteilung. Nach dem beteiligten Zelltyp werden mye-
loische (granulozytäre Zellreihe) von lymphatischen (lymphozytäre Zellreihe) Leukämien unterschieden, nach dem Verlauf akute von chronischen Formen. Ätiopathogenese. Die genaue Ursache ist in vielen Fällen unklar. Verantwortlich sind unter anderem Viren (HTLV1), Benzol, Zytostatika, ionisierende Strahlen. Symptomatik. Es kommt zur Verdrängung der nor-
malen Hämatopoese mit den charakteristischen Folgen: Schwäche (Anämie), erhöhte Infektanfälligkeit (Granulozytopenie), Blutungsneigung (Thrombozytopenie). Zudem kann es zur Infiltration anderer Organe kommen und hierdurch bedingt z. B. zu vergrößerten Lymphknoten und Hepatosplenomegalie. Weitere Details zu akuten und chronischen Leukämien 7 Innere Medizin, Kap. 7.4, 7.5.
120
Kapitel 3 · Pathologie
3
. Abb. 3.5. Mindmap Tumorkomplikationen
121 3.1 · Allgemeine Pathologie
3
In Kürze Tumoren Dignität
Man unterscheidet gutartige (benigne) und bösartige (maligne) Tumoren, wichtige Unterscheidungsmerkmale sind Wachstum (invasiv/destruktiv versus expansiv), Metastasierungsfähigkeit, Rezidivneigung, Differenzierungsgrad, Vorkommen von Zellatypien. Sonderformen sind z. B. Borderline-Tumoren und semimaligne Tumoren
Karzinogenese
Krebsauslösende Noxen bezeichnet man als Karzinogene. Man kennt eine Vielzahl viraler, chemischer, physikalischer Karzinogene. Auch Hormone und Immundefizienz können zur Tumorentstehung beitragen. Wichtig ist bei vielen Tumoren die genetische Veranlagung, zwei Faktoren sind hier die Aktivierung sog. Onkogene und die Inaktivierung von Suppressorgenen
Metastasierung
Karzinome metastasieren bevorzugt lymphogen, Sarkome hämatogen. Man unterscheidet vier hämatogene Metastasierungswege, den Lungentyp (Primärtumor in Lunge – Metastase in Organen des großen Kreislaufs), den Lebertyp (Primärtumor in Leber– Metastase in Lunge), den Cavatyp (Primärtumor in Abflussgebiet Cava – Metastase in Lunge) und den Pfortader-Typ (Primärtumor in Abflussgebiet von V. portae – Metastase in Leber)
Tumorklassifizierung
Tumortypisierung: epitheliale Tumoren (benigne -om, maligne -karzinom), mesenchymale Tumoren (benigne -om, maligne -sarkom), dysontogenetische Tumoren (Teratom aus pluripotentem Gewebe, Hamartom aus Hamartie, also fehlerhafter Gewebszusammensetzung während Embryogenese), embryonale Tumoren (Medulloblastom, Nephroblastom (Wilms-Tumor), Retinoblastom) Staging: Einteilung nach TNM-System: T = Ausdehnung Primärtumor, N = befallene Lymphknoten, M = Fernmetastasen Grading: Einteilung nach Differenzierungsgrad (G1 hochdifferenziert, G4 undifferenziert)
Komplikationen
Lokale (z. B. Stenosierung, Perforation, Ulzeration) und systemische Komplikationen (Fieber, Anämie, Kachexie). Paraneoplastische Syndrome sind an Vorhandensein des Tumors gebunden, aber nicht durch lokales oder metastatisches Wachstum zu erklären
3.1.7
Entzündung
Definition. Unter einer Entzündung versteht man einen Abwehrvorgang des Organismus, dessen Sinn darin besteht, den durch Noxen ausgelösten Schaden möglichst zu begrenzen. Es handelt sich um eine komplexe Reaktion, an der Blutgefäße, Plasmabestandteile, Blutzellen und Strukturen und Zellen des Bindegewebes beteiligt sind.
3.1.7.1
Entzündungszeichen
Kardinalsymptome der Entzündung 4 Calor (Wärme):durch gesteigerte Durchblutung 4 Rubor (Rötung): durch gesteigerte Durchblutung 4 Tumor (Geschwulst): durch gesteigerte Durchblutung und Transsudation von Flüssigkeit 4 Dolor (Schmerz): durch Freisetzung von Entzündungsmediatoren 4 Functio laesa (gestörte Funktion)
Die heute noch gültigen Begriffe Calor, Rubor, Tumor, Dolor wurden bereits von Celsus 30 v. Chr. verwendet. Der Begriff Functio laesa wurde 1858 von Virchow hinzugefügt. Neben diesen lokal auftretenden Symptomen kann es zu systemischen Entzündungszeichen kommen: 4 Fieber, Tachykardie 4 Leukozytose 4 Erhöhung der Akute-Phase-Proteine (CRP) und der BSG 4 Infektanämie 3.1.7.2 Einteilungsprinzipien Nach dem zeitlichen Verlauf sind zu unterscheiden: 4 Perakute Entzündungen: Diese Verlaufsform ist gekennzeichnet durch einen heftigen Beginn und einen sehr kurzen Verlauf, der meist letal endet. 4 Akute Entzündungen: Die akute Verlaufsform beginnt ebenfalls heftig, führt aber nach kurzem Verlauf im Allgemeinen zu einer Restitutio ad integrum.
122
3
Kapitel 3 · Pathologie
4 Subakut oder subchronisch: Hierbei handelt es sich um Formen, deren Verlauf zwischen der akuten und der chronische Form steht und nicht immer ausheilt. 4 Chronische Entzündung: Verlaufsform mit langsamen Beginn und progredientem Verlauf. 4 Primär chronisch: Von Beginn an progredienter, meist schubweiser Verlauf, der keine Ausheilung zeigt. 4 Sekundär chronisch: Hierunter versteht man eine chronische Verlaufsform, die aus einer akuten Entzündung hervorgegangen ist. Eventuell ist eine Defektheilung möglich. Nach dem morphologischen Bild lassen sich differenzieren: 4 Bei akuten bakteriellen Infektionen findet man v. a. neutrophile Granulozyten, die im weiteren Verlauf durch mononukleäre Zellen (Lymphozyten, Monozyten, Makrophagen) ersetzt werden. 4 Bei viralen Entzündungen treten bereits in der akuten Phase Lymphozyten auf. Zudem sind die einzelnen Entzündungsformen durch verschiedene Infiltrate charakterisiert (s. unten) und lassen sich daher nach der vorherrschenden Komponente voneinander abgrenzen. 3.1.7.3
Akute Entzündungsformen Definition. Die akute Entzündung ist eine rasch einsetzende, lokale Abwehrreaktion auf einen auslösenden Reiz. Der grundlegende Mechanismus einer akuten Entzündung ist die exsudative Entzündungsreaktion. Eine Aufgabe dieser Reaktion besteht darin, durch lokale Steigerung der Gefäßpermeabilität eine Verdünnung der auslösenden Noxe zu erreichen. Zudem beschränkt sie die Ausbreitung der Noxe durch Verlangsamung des Blutstroms und induziert die zelluläre Abwehr. Ätiopathogenese. Ätiopathogenetische Schritte der akuten exsudativen Entzündungsreaktion sind: 4 Lokale Durchblutungsstörung: Mikrozirkulationsstörung mit Permeabilitätssteigerung 4 Exsudation von Blutplasma 4 Leukozytentransmigration
Betroffene Organe. Beispiele sind:
4 Schleimhäute des Respirations- und Magen-DarmTrakts 4 Seröse Häute (Pleura, Perikard, Peritoneum) 4 Haut (z. B. Urtikaria) 4 Organe (z. B. seröse Hepatitis) Serös-schleimige Entzündung Definition. Das abgesonderte Exsudat ist serös und be-
inhaltet zudem Schleim und Epithelien. Betroffene Organe. Es werden hauptsächlich die Schleimhäute des Respirations- (z. B. Schnupfen) und Magen-Darm-Trakts (z. B. Enteritiden) betroffen.
Fibrinöse Entzündung Definition. Diese Entzündungsform wird gekennzeichnet durch den Austritt von Blutplasma. Daher werden aus in dem im Plasma vorhandenen Fibrinogen Fibrinnetze gebildet. Diese bilden eine mechanische Barriere (Demarkationsfunktion). Stärkere Endothelschäden ergeben sich durch bakterielle, virale, chemische, physikalische Schädigung. Betroffene Organe. Folgende Organe können betroffen sein: 4 Respirationstrakt (z. B. Diphtherie) 4 Gastrointestinaltrakt (z. B. pseudomembranöse Kolitis) 4 Seröse Häute, oft in Verbindung mit Systemerkrankungen (z. B. Tuberkulose, Urämie, Kollagenosen) > Bei einer schweren fibrinösen Perikarditis (z. B. bei Urämie) können zottenartige Fibrinbeläge das Perikard bedecken. Man spricht in diesem Fall von einem Cor villosum (»Zottenherz«). Strangförmige Verwachsungen zwischen serösen Häuten durch fibrinöse Verklebung bezeichnet man als Briden. Auch die sog. Schwartenbildung im Bereich der Pleura oder des Perikards beruht auf einer fibrinösen Entzündung (Pleuraschwarte, »Panzerherz«).
Eitrige (purulente) Entzündung Definition. Die eitrige Entzündung ist gekennzeichnet durch ein Exsudat mit zahlreichen neutrophilen Granulozyten und Zelldetritus.
Seröse Entzündung Definition. Es kommt zur Absonderung eines entzünd-
lichen Exsudats, das fibrinfrei und eiweißreich ist. Ätiopathogenese. Zugrunde liegen eine Überempfind-
lichkeitsreaktion Typ I oder eine bakterielle, virale, chemische und physikalische Schädigung.
Ätiopathogenese. Eitererreger (pyogene Keime): v. a. Streptokokken und Staphylokokken. Einteilung der purulenten Entzündungen: 4 Mukopurulente Entzündung befällt v. a. die Schleimhäute des Respirationstrakts (»eitriger Katarrh«)
123 3.1 · Allgemeine Pathologie
5 Empyem: Eiteransammlung in einer vorbestehenden Körperhöhle (z. B. Pleura, Peritoneum, Perikard). Empyeme entstehen meist durch Fortleitung bakterieller Entzündungen benachbarter Organe (z. B. Pleuraempyem bei bakteriellem Entzündungsherd im Lungenparenchym). 5 Abszess: Eiteransammlung in einem durch Gewebseinschmelzung entstandenen Hohlraum. Diese Entzündungsform kann nur entstehen, wenn eine schwere Durchblutungsstörung vorliegt (. Abb. 3.6). Erreger sind v. a. Staphylokokken. Beispiele: Furunkel (abszedierende Entzündung einer Haarwurzel) und Karbunkel (Ausdehnung eines Furunkels auf benachbarte Follikel). 4 Phlegmone: Eitrige Entzündung, die sich diffus im Bindegewebe ausbreitet. Sie wird v. a. durch verursacht, die sich durch ihre Enzyme Hyaluronidase und Fibrinolysin gut im Gewebe ausbreiten können. 4 Erysipel (Wundrose): Entzündung der oberen Hautschichten mit Beteiligung der Lymphbahnen, überwiegend durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A verursacht. Fibrinös-eitrige Entzündung Definition. Diese Entzündungsform weist Merkmale sowohl der eitrigen als auch der fibrinösen Entzündung auf (7 oben). Klassisches Beispiel für eine fibrinös-eitrige Entzündung ist die in charakteristischen Stadien ablaufende Lobärpneumonie sowie die fibrinös-eitrige Pleuritis. Hämorrhagische Entzündung Definition. Bei dieser Entzündungsform kommt es
durch eine schwere Gefäßwandschädigung zum Erythrozytenaustritt in das geschädigte Gewebe. Beispiele sind Grippepneumonie (Influenzaviren) und hämorrhagische Pankreatitis. Ätiopathogenese. Pathogenetisch entscheidend sind
die hohe Toxizität des Erregers oder Endotoxinämie sowie die enzymatische Gefäßschädigung. Lymphoplasmozytäre Entzündungen Ein entzündliches Infiltrat, in dem Lymphozyten und Plasmazellen vorherrschen (sog. Rundzellinfiltrat) findet man als akute Entzündungsreaktion bei Virusinfekten und allergischen Reaktionen. Ansonsten spricht es oft, und besonders in Verbindung mit einer Sklerosierung (Kollagenfaservermehrung), für eine chronische Entzündung.
3
a
b . Abb. 3.6a,b. Typische Lage und Ausbreitung anorektaler Abszesse und Fisteln. (Aus Reuter 2004)
Sonderformen Gangräneszierende Entzündung Sie wird entsteht durch Besiedelung einer nekrotisierenden Entzündung mit Fäulniserregern (Anaerobiern) oder wird primär von diesen verursacht. Sie führen zu einer fauligen Zersetzung des Gewebes. Immunsuppression wirkt als begünstigender Faktor. ! Cave Besonders Diabetiker neigen zur Entwicklung einer gangräneszierenden Entzündung.
Nekrotische Entzündung Bei dieser Entzündungsform sind Gewebsnekrosen vorherrschend. Durch bakterielle Toxine oder andere physikalisch-chemische Noxen wird das Gewebe derart geschädigt, dass es ohne Auftreten einer klassischen exsudativen Entzündungsreaktion abstirbt. Häufig ist eine Exsudationshemmung (z. B. lokale Durchblutungsstörung durch thrombotischen Gefäßverschluss, Agranulozytose) pathogenetisch entscheidend, da sie die starke Schadstoffanreicherung begünstigt.
124
3
Kapitel 3 · Pathologie
3.1.7.4 Verlaufsformen akuter Entzündungen In Abhängigkeit von der Virulenz des Erregers und der Abwehrlage des Organismus kann eine akute Entzündung verschiedene Verläufe nehmen: 4 Exsudatauflösung (Abtransport des entzündlichen Exsudats über Lymphgefäße, eventuell Auftreten einer regionären Lymphangiitis.) 4 Regeneration (7 Kap. 3.1.5.1) 4 Postinfektiöse Zweiterkrankungen (Überempfindlichkeitsreaktion Typ III durch während der Entzündung gebildete Immunkomplexe); Beispiele: rheumatisches Fieber und Poststreptokokkenglomerulonephritis als Zweiterkrankungen nach einer Streptokokkenangina 4 Chronifizierung 4 Hämatogene Erregeraussaat (Sepsis,7 Kap. 3.1.7.6) 3.1.7.5 Chronische Entzündungsformen Eine chronische Entzündung wird durch einen persistierenden Entzündungsreiz hervorgerufen. Man unterscheidet primär chronische Entzündungen (verlaufen von Beginn an chronisch) und sekundär chronische Entzündungen (entstehen aus einer akuten Entzündung). Granulierende Entzündung Definition. Eine granulierende Entzündung ist eine chronische Entzündung, die durch die Neubildung von kapillarreichem Granulationsgewebe charakterisiert ist. Ätiopathogenese. Diese Entzündungsform tritt bei
größeren Gewebsdefekten (Abszess, Fistel, Ulzera) auf. Charakteristisch ist ein dreischichtiger Aufbau des Granulationsgewebes vom Zentrum zur Peripherie: 4 Resorptionszone: Grenzt direkt an nekrotische Zone; besteht v. a. aus Histiozyten. 4 Bindegewebsneubildungszone: Ist kapillar- und fibroblastenreich. 4 Ausgereifte Bindegewebszone: Hier hat sich das Granulationsgewebe zu faserreichem Bindegewebe entwickelt. Granulomatöse Entzündung Definition. Bei der granulomatösen Entzündung kommt es durch knötchenförmige Zusammenlagerung verschiedener Entzündungszellen zur Bildung von Granulomen. Sie kann als protrahiert verlaufende exsudative Entzündungsreaktion verstanden werden. Ätiopathogenese/Morphologie. Durch die Granulombildung erreicht der Körper eine lokale Begrenzung des Entzündungsherdes. Die morphologische Zusammensetzung der Granulome erlaubt Rückschlüsse auf deren Ätiologie. Wenn Makrophagen mit schlecht phagozy-
. Abb. 3.7. Langerhans-Riesenzelle bei Sarkoidose mit Asteroidkörperchen (Pfeil); Kerne erscheinen rundlich vesikulär (BAL 525×). (Aus Remmele 2000) (7 Farbtafelteil)
tierbarem Material konfrontiert werden, ändern sie ihre Morphologie (schuhsohlenartiger Kern). Sie werden dann als Epitheloidzellen bezeichnet, da sie einen epithelähnlichen Zellwall bilden, um den entzündlichen Herd abzugrenzen. In Granulomen fusionieren solche Epitheloidzellen und Makrophagen häufig zu sog. Riesenzellen: 4 Geordnete Riesenzelle: Prototyp Langerhans-Riesenzelle (. Abb. 3.7) 5 Zellkerne geordnet am Rand 5 Asteroidkörper und Schaumann-Körper im Zytoplasma (sequestrierte Zytoplasmaanteile) 4 Ungeordnete Riesenzelle: Prototyp Fremdkörperriesenzellen 5 Zellkerne ungeordnet im Zytoplasma 4 Touton-Riesenzelle 5 Fusion von fettverdauenden Makrophagen 5 Zellkerne charakteristicherweise kreisförmig 5 Vorkommen in Xanthomen (gutartige Bindegewebstumoren) 3.1.7.6
Bakteriämie, Sepsis, SIRS
Definition. 7 Kap. 4.
4 Bakteriämie: Kurzfristige Ausschwemmung eines bakteriellen Krankheitserregers ins Blut ohne Auftreten von Allgemeinerscheinungen. 4 Sepsis: Ausschwemmung bakterieller Erreger von einem entzündlichen Herd einhergehend mit schweren Allgemeinsymptomen. Dieser Begriff wird heute zum Teil ersetzt durch den Ausdruck SIRS (»systemic inflammatory response syndrome«). 4 Septikopyämie: Im Rahmen einer Sepsis kommt es oft zu einer Absiedlung von Erregern in ein anderes Organ mit Ausbildung von metastatischen Entzündungsherden (Abszessen). Sehr häufig werden Organe mit Austauschfunktion befallen (Niere, Lunge).
125 3.1 · Allgemeine Pathologie
> Die Sepsis ist eine klinische Diagnose, sie stützt sich auf den Erregernachweis (Blutkulturen!) bei Patienten mit klinischer Symptomatik (hohes Fieber!) (zur Definition 7 Kap. 4). Sie lässt sich erst pathologisch-ana-
3
tomisch nachweisen, wenn sich morphologische Korrelate in Form von Schockorganen gebildet haben. Bei 50% aller Septikopyämien ist die Eintrittspforte das Urogenitalsystem (Katheter)!
6
In Kürze Entzündungsformen Akute Entzündungen Seröse Entzündung
Exsudat fibrinfrei, eiweißreich; u. a. bei Überempfindlichkeit Typ I
Serös-schleimige Entzündung
Seröses Exsudat mit Schleim und Epithelien; v. a. Schleimhäute sind betroffen
Fibrinöse Entzündung
Austritt von Blutplasma durch stärkere Endothelschäden, Bildung von Fibrin
Fibrinös-eitrige Entzündung
Lobärpneumonie
Eitrige Entzündung
Exsudat mit neutrophilen Granulozyten und Detritus, verursacht v. a. durch Staphylokokken und Streptokokken. Man unterscheidet: Empyem (Eiter in vorgeformter Höhle), Abszess (Eiter in durch Gewebseinschmelzung entstandenem Hohlraum, Beispiel: Furunkel, Karbunkel), Phlegmone (sich diffus im Bindegewebe ausbreitende Entzündung)
Hämorrhagische Entzündung
Starke Gefäßschädigung, Austritt von Erythrozyten
Lymphoplasmazelluläre Entzündung
Akut bei Virusinfekten und allergischen Reaktionen. Sonst typisches Zeichen einer chronischen Entzündung
Sonderformen
Gangräneszierende Entzündung, nekrotische Entzündung
Chronische Entzündungen Granulierende Entzündung
Bildung von Granulationsgewebe (kapillarreiches Bindegewebe).
Granulomatöse Entzündung
Knötchenförmige Zusammenlagerung von Entzündungszellen (Granulome)
3.1.8
Immunpathologie
Das Immunsystem mit seinen Effektormechanismen dient dem Schutz eines Individuums (. Abb. 3.8). Unter Umständen jedoch kann es den Organismus gefährden, z. B. durch Überempfindlichkeitsreaktionen, Autoimmunkrankheiten oder Immundefektsyndrome. 3.1.8.1
Überempflindlichkeitsreaktionen
Definition. Als Überempfindlichkeitsreaktion be-
zeichnet man die Reaktion eines bereits sensibilisierten Organismus, der vorher bereits mit dem Allergen
(sensibilisierendes Antigen) Kontakt hatte, erneut mit dem Allergen konfrontiert wird diesen Kontakt in einer übersteigerten Art beantwortet. Synonym werden die Begriffe Hyperergie und Allergie verwendet. Einteilung Nach Coombs und Gell unterscheidet man vier Typen von Überempfindlichkeitsreaktionen. Typ I–III gehen vom B-Zell-System (antikörpervermittelte Reaktionen), Typ IV vom T-Zell-System (zelluläre Reaktion) aus (. Abb. 3.9).
126
Kapitel 3 · Pathologie
3
. Abb. 3.8. Stimulierung unterschiedlicher T-zellabhängiger Immunmechanismen. Die unterschiedlichen Immunreaktionen werden entweder von Th1- oder von Th2-Zellen vermit-
telt. Th1-Zellen sind hauptsächlich für zelluläre Immunreaktionen und Th2-Zellen für humorale Immunreaktionen zuständig. (Aus Reuter 2004) (7 Farbtafelteil)
Überempfindlichkeitsreaktion Typ I (anaphylaktische Sofortreaktion) Ätiopathogenese. Diese Reaktion tritt bereits wenige Sekunden oder Minuten nach Allergenkontakt auf und wird meist durch großmolekuare Substanzen (Pollen, Eiweiß, Medikamente u. a.) ausgelöst. Sie ist IgE-vermittelt. Zunächst erfolgt eine Sensibilisierung, d. h. beim ersten Kontakt mit dem Allergen werden B-Zellen zu einer Bildung spezifischer IgE-Antikörper stimuliert, die sich an die Oberfläche von Mastzellen und basophilen Granulozyten haften. Erfolgt ein erneuter Kontakt, so führt die Immunkomplexbildung auf der Oberfläche dieser Zellen zu einer Quervernetzung benachbarter Antikörper. Hierdurch kommt es zur Degranulation der Zellen und zur Freisetzung vieler Entzündungsmediatoren. Histamin bewirkt an Gefäßen eine Vasodilatation und Permeabilitätserhöhung. Zudem wirkt es kontrahierend auf die glatte Muskulatur des MagenDarm-Traktes und der Bronchien. Leukotrien C4 führt zu einer Bronchokonstriktion.
4 Lokale Gewebsreaktionen: Betroffen sind v. a. Haut (Quaddelbildung, Juckreiz und Rötung) und Schleimhäute: Atemwege (Rhinitis, Sinusitis, Bronchokonstriktion), Augen (Konjunktivitis), MagenDarm-Trakt (Enteritis). 4 Systemische Reaktion: Die Maximalvariante der Typ-I-Reaktion ist der anaphylaktische Schock (generalisierte Vasodilatation mit Kollaps, Hypotonie, Abfall des Herzzeitvolumens).
Symptomatik. Unterschieden werden lokale Gewebsreaktionen und systemische Reaktionen:
> Als Urtikaria bezeichnet man ein Exanthem mit Quaddeln (dermatologischer Begriff: Urtika) und Juckreiz.
Als Atopie bezeichnet man eine genetisch determinierte Neigung zu Typ-I-Reaktionen. Ein angioneurotisches Ödem (Quincke-Ödem) ist gekennzeichnet durch das Auftreten massiver Schwellungen im Bereich des Respirationstrakts, der Augenlider, der Lippen, des Halses und der Genitale. Es kann durch eine Typ-I-Überempfindlichkeitsreaktion ausgelöst werden. Ein weiterer, seltenerer Entstehungsmechanismus ist ein kongenitaler Mangel des C1-Esteraseinhibitors. Hierdurch kommt es zu einer überschießenden Aktivierung des Komplementsystems.
127 3.1 · Allgemeine Pathologie
. Abb. 3.9. Mindmap Überempfindlichkeitsreaktionen
3
128
Kapitel 3 · Pathologie
> Typische atopische Erkrankungen sind: allergisches Asthma bronchiale, allergische Rhinitis und Konjunktivitis, Neurodermitis, Urtikaria (7 Innere Medizin, Kap. 3.2; 7 Dermatologie, Kap. 1.10.3).
3
Typ-II-Reaktion (zytotoxischer Typ) Ätiopathogenese. Die Typ-II-Reaktion tritt ungefähr 6–12 h nach Antigenexposition auf. Humorale Antikörper binden an zell- oder gewebeeigene Antigene. Hierdurch kommt es zur zytotoxischen Zellschädigung. Diese wird ausgelöst durch Aktivierung des Komplementsystems oder anderer zytotoxischer Mechanismen. Beispiele sind: 4 Hämolytische Transfusionszwischenfälle 4 Immunhämolytische Anämie, Immunthrombozytopenie (M. Werlhof) 4 Goodpasture-Syndrom 4 M. Basedow 4 Hashimoto-Thyreoiditis Typ-III-Reaktion (Immunkomplextyp) Ätiopathogenese. Die Typ-III-Reaktion tritt ebenfalls 6–12 h nach Antigenkontakt auf. Hier werden zunächst frei zirkulierende Antigen-AntikörperKomplexe in Geweben, an Grenzflächen von Organen oder in Gefäßen abgelagert und lösen Entzündungsreaktionen aus. Man unterscheidet eine systemische und eine lokale Verlaufsform. Einteilung und Beispiele: 4 Vaskulitiden, z. B. Panarteriitis nodosa 4 Rheumatoide Arthritis 4 Poststreptokokkenglomerulonephritis 4 Serumkrankheit: Unverträglichkeit gegenüber übertragenem, artfremdem Serum 4 Lokaler Typ (sog. Arthus-Reaktion, benannt nach Erstbeschreiber): Diese Reaktion kann tierexperimentell ausgelöst werden durch subkutane Injektion von Antigenen bei vorangegangener Sensibilisierung. Es kommt zu einer lokalen nekrotisierenden Vaskulitis. 4 Exogen-allergische Alveolitis Typ-IV-Reaktion (zellvermittelter, verzögerter Typ) Ätiopathogenese. Erst 24–72 h nach Allergenexposition kommt es zu einer Entzündungsreaktion, die durch spezifisch sensibilisierte zytotoxische T-Zellen vermittelt wird. Diese locken wiederum Lymphozyten und Makrophagen an. Beispiele: 4 Kontaktallergie 4 Transplantatsabstoßung 4 Tuberkulinreaktion
3.1.8.2
Autoimmunerkrankungen Definition. Als Autoimmunerkrankungen bezeichnet man eine Gruppe von Krankheitsbildern, bei welchen Immunreaktionen auftreten, die sich spezifisch gegen körpereigene Strukturen richten. Ätiopathogenese. Ein funktionierendes Immunsystem reagiert nicht gegen körpereigene Strukturen (Autoimmuntoleranz). Das Auftreten von Autoimmunerkrankungen wird durch eine Störung dieses Schutzmechanismus begünstigt. Verschiedene Faktoren können eine Rolle spielen: 4 Aktivitätsverlust von T-Suppressorzellen: Führt zu einer übermäßigen B-Zell-Aktivierung. 4 Bildung kreuzreagierender Antikörper (molekulares Mimikry): Aufgrund einer Strukturähnlichkeit reagieren gegen das Fremdantigen gerichtete Antikörper mit körpereigenen Strukturen. 4 Modifikation von Selbstantigenen 4 Freisetzung von Antigenen, die dem Immunsystem normalerweise nicht zugänglich sind (»okkulte Antigene«), wie z. B. Linsenproteine, Spermatozoen u. a. 4 Polyklonale B-Zell-Aktivierung
Beispiele für Autoimmunerkrankungen sind (7 Innere Medizin, Kap. 8.4.6.4): 4 Hashimoto Thyreoiditis 4 Morbus Basedow 4 Myasthenia gravis 4 Diabetes mellitus Typ I 4 Kollagenosen 3.1.8.3
Immundefekte Definition. Immundefekte sind Störungen des Immunsystems, die mit einer ungenügenden oder sogar fehlenden Immunantwort einhergehen. Man unterscheidet angeborene von erworbenen Störungen. Es können das B-oder das T-Zell-System oder auch beide Systeme betroffen sein. Einteilung Angeborene (primäre) Immundefekte Zu den B-Zell-Defekten gehören: 4 Agammaglobulinämie Typ Bruton: X-chromosomal rezessiv vererbte Reifungsstörung der B-Zellen mit konsekutivem Fehlen von Immunglobulinen. Hierdurch entstehen gehäuft schwere bakterielle Infekte. Die Krankheit manifestiert sich erst nach dem 6. Monat, vorher ist das Kind durch mütterliche Antikörper geschützt (»Nestschutz«). 4 Selektiver IgA-Mangel: Der selektive IgA-Mangel ist das häufigste Immundefektsyndrom. Die Kinder leiden gehäuft an Infektionen des Respirationstrakts.
129 3.1 · Allgemeine Pathologie
Beispiel für einen T-Zell-Defekt ist das DiGeorgeSyndrom: Bei diesem Defekt werden die 3. und 4. Schlundtasche nicht ausgebildet, was eine Thymusaplasie bedingt. Dies führt zu einem gehäuften Auftreten von Infektionen durch Viren, Pilze oder Protozoen. Kombinierte B-und T-Zell-Defekte führen zum schweren kombinierten Immundefekt (SCID, »severe combined immune deficiency«), z. B. 4 Agammaglobulinämie vom Schweizer Typ: Es fehlen sowohl die T-Lymphozyten als auch die Immunglobuline. Die Kinder versterben in den ersten Lebenswochen.
3
4 Wiskott-Aldrich-Syndrom 4 Louis-Bar-Syndrom Erworbene (sekundäre) Immundefekte Sie sind wesentlich häufiger als die primären Defekte, mögliche Ursachen sind: 4 Medikamente 4 Proteinmangel: Mangelernährung, Tumorkachexie, nephrotisches Syndrom, Darmerkrankungen 4 Stoffwechselstörungen: Diabetes mellitus, Urämie u. a. 4 Tumoren 4 Virale Infekte
In Kürze Überempfindlichkeitsreaktionen Typ I
IgE-vermittelte Sofortreaktion. Kontakt mit Allergen führt nach vorausgegangener Sensibilisierung zur Degranulation von Mastzellen mit konsekutiver Freisetzung von Entzündungsmediatoren (Histamin!). Maximalvariante ist der anaphylaktischer Schock
Typ II
Humorale Antikörper führen zur zytotoxischen Zellschädigung
Typ III
Zirkulierende Immunkomplexe provozieren nach Ablagerung eine Entzündungsreaktion
Typ IV
Verzögerter, T-Zell-vermittelter Typ
3.1.9
Grundlagen der Stoffwechsel-/ Speichererkrankungen
3.1.9.1 Kohlenhydratstoffwechsel Diabetes mellitus, Gicht 7 Innere Medizin, Kap. 8.7.1 und 8.8.4. Glykogenosen Definition. Glykogenosen sind angeborene Stoffwech-
Ursachen sind eine gesteigerte Glykogensynthese oder Störungen des Glykogenabbaus (. Tab. 3.10, 7 Kap. Pädiatrie, 2.8.14.7). 3.1.9.2 Fettstoffwechselstörungen Sphingolipidosen Definition. Abbaustörung von Sphingolipiden, die mit einer pathologischen Speicherung von Lipidabbauprodukten einhergeht (. Tab. 3.11).
selkrankheiten mit vermehrter Glykogenspeicherung.
. Tab. 3.10. Die drei häufigsten Glykogenosen Typ
Enzymdefekt
Klinik
I (Von Gierke)
Glukose-6-Phosphatase
Ablagerung in Hepatozyten und Nierentubuluszellen; schwere Hypoglykämien!
II (Pompe)
α-1,4-Glukosidase
Speicherung in Muskulatur (Muskelschwäche), Herz (Kardiomegalie), Nervenzellen
III (Forbes, Cori)
Amylo-1,6-Transglukosidase
Speicherung u. a. in Herz (Kardiomegalie), Hepatozyten (Hepatomegalie)
130
Kapitel 3 · Pathologie
> Sphingolipidosen manifestieren sich häufig im Nervensystem, da Sphingolipide essenzielle Bestandteile der Markscheiden sind.
und Hypothyreose; Hypertriglyzeridämie bei Diabetes mellitus und Adipositas.
> Gaucher-Zellen sind Zellen des RHS mit »seidenpapierartigem« Zytoplasma. Aufgrund des Enzymdefekts speichern sie unvollständig abgebautes Material in Lysosomen.
Definition. Ablagerung von Eisen im Körper aufgrund
Hyperlipoproteinämien Definition. Erhöhung der Konzentration einer oder mehrerer Lipoproteinfraktionen im Blut.
> Eisen (Fe3+, z. B. in Hämosiderin und Ferritin) wird mit der Berliner-Blau-Reaktion dargestellt.
3.1.9.3
3
Eisenspeicherkrankheiten (Siderosen)
einer angeborenen (primäre Siderose, Hämochromatose) oder erworbenen (sekundäre Siderose) Eisenüberladung.
Hämochromatose Primäre Hyperlipoproteinämien Einteilung. Primäre Hyperlipoproteinämien werden nach Frederickson in die Typen I–V eingeteilt (7 Kap. Klin. Chemie, 5.13). Klinik. Typisch ist das Auftreten von Xanthomen
(knötchenförmige Fettablagerungen in der Haut) und ein erhöhtes Arterioskleroserisiko, besonders bei Typ IIa (Herzinfarktrisiko schon im jugendlichen Alter erhöht). Für diesen Typ ist auch das Auftreten des Arcus lipoides corneae charakteristisch. Die Hypertriglyzeridämie des Typ I bedingt das Auftreten rezidivierender Pankreatitiden. Sekundäre Hyperlipoproteinämien Diese treten bei anderen Grunderkrankungen auf, z. B. Hypercholesterinämie bei nephrotischem Syndrom
Ätiopathogenese. Diese rezessive Erbkrankheit ist
charakterisiert durch eine Eisenüberladung aufgrund einer pathologisch gesteigerten, unregulierten enteralen Eisenresorption im Bereich des Dünndarms (7 Innere Medizin, Kap. 5.2.4). Es folgt eine gesteigerte Eisenspeicherung in verschiedenen Organen. Da Eisen toxisch ist, kommt es zum Auftreten von Nekrosen. Morphologie/Klinik. Folgende Organe sind betroffen:
4 Leber: Hepatomegalie, Leberzirrhose (»Pigmentzirrhose«), erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (in 30% der Todesursache!) 4 Pankreas: Diabetes mellitus, exokrine Pankreasinsuffizienz 4 Haut: Hyperpigmentierung
. Tab. 3.11. Sphingolipidosen Krankheit
Enzymdefekt
Morphologie und Klinik
M. Gaucher
β-Glukozerebrosidase
Zellen des RHS können phagozytierte Zellmembranen nicht völlig abbauen und speichern Abbauprodukte (»Gaucher-Zellen«, s. unten): Hepatosplenomegalie, Osteoporose
M. Niemann-Pick
Sphingomyelinase
Akkumulation von Sphingomyelin in Glia-und Ganglienzellen und Zellen des RHS. Hepatosplenomegalie, geistige Retardierung
M. Krabbe
β-Galaktosidase
Degeneration der weißen Substanz (Zerstörung Myelin). Schwere zentralnervöse Störungen
M. Fabry
α-Galaktosidase
Niereninsuffizienz, kardio- und zerebrovasuläre Symptome
Metachromatische Leukodystrophie
Zerebrosidsulfatase
Abbaustörung wesentlicher Bestandteile der Myelinscheiden, Anhäufung in Zellen des Nervengewebes mit massiver Entmarkung. Schwere peripher- und zentralnervöse Schäden
M. Tay-Sachs (GM2Gangliosidose)
Hexosaminidase
Ebenfalls Abbaustörung von Myelinscheidenbestandteilen mit Demyelinisierung. Schwere Schäden (Spastische Lähmungen, Dezerebration). »Kirschroter Fleck« auf Retina
131 3.1 · Allgemeine Pathologie
4 Sekundäre Kardiomyopathie 4 Endokrine Störungen: Hypogonadismus, Hypopituitarismus, Hypogonadismus > Typisch ist das Auftreten der Trias: Lebererkrankung – Diabetes mellitus – Hyperpigmentierung der Haut. Aufgrund des häufig gleichzeitigen Vorliegens eines Diabetes mellitus und einer dunklen Hautpigmentierung spricht man auch vom sog. Bronzediabetes.
Sekundäre Siderosen Definition/Ätiopathogenese. Eisenüberladung infolge anderer Erkrankungen, z. B. bei Hämolyse, erhöhter Eisenzufuhr. Klinik. Sekundäre Siderosen verlaufen milder als die
primäre Form. Bei der symptomatischen Behandlung der Thalassämie mit der regelmäßigen Gabe von Erythrozytenkonzentraten stellt die sekundäre Eisenüberladung ein nennenswertes Problem dar, weshalb bei den Patienten eine Eiseneliminationstherapie (mit Chelatbildnern, z. B. Deferoxamin) durchgeführt werden muss. > 4 Hämochromatose: Die Eiseneinlagerung in der Leber erfolgt zunächst im Parenchym und erst später in den Kupffer-Zellen. 4 Sekundäre Siderosen: das Eisen wird zunächst von den Zellen des RHS aufgenommen und später auch im Parenchym gespeichert.
3.1.9.4 Kupferstoffwechsel Morbus Wilson (hepatolentikuläre Degeneration) Definition. Autosomal-rezessiv vererbte Kupferspeicherkrankheit.
3.1.10
3
Grundlagen der Pathologie des Respirationstrakts
Zu den Themen chronische Bronchitis, Asthma bronchiale, Tuberkulose und Tumoren 7 Innere Medizin. > 4 Respiratorische Partialinsuffizienz: verminderter arterieller O2-Partialdruck (<70 mmHg), normaler CO2-Partialdruck 4 Respiratorische Globalinsuffizienz: verminderter O2- und erhöhter CO2 (>45 mmHg) Partialdruck
Man unterscheidet Ventilationsstörungen (unzureichende Belüftung), Perfusionsstörungen und Diffusionsstörungen (verlängerter Diffusionsweg oder verminderte Gasaustauschfläche). Verschiedene Krankheitsbilder, die zu derartigen Störungen führen können (Atelektasen, Lungenemphysem, Bronchiektasien, Stauungslunge) werden im 7 Kap. 3.2.10 beschrieben. 3.1.11
Grundlagen der Pathologie des Kreislaufs
3.1.11.1 Arteriosklerose Der Begriff Arteriosklerose (»Arterienverkalkung«) beschreibt primär nichtentzündliche Arterienerkrankungen, die mit Verhärtung, Verdickung und Elastizitätsverlust der Gefäßwand und Verengung des Gefäßlumens einhergehen (. Abb. 3.10). Zu Morphologie 7 Kap. 3.2.7,1; zu Symptomatik/Diagnostik einer Arteriosklerose/Atherosklerose 7 Innere Medizin, Kap. 2.1; zu Aneurysmen 7 Kap. 3.2.7.2.
Ätiopathogenese. Ein Gendefekt bedingt eine reduzierte biliäre Kupferausscheidung. Es kommt zu einer Kupfereinlagerung in Leber, Gehirn, Augen und Niere. Coeruloplasmin, das normalerweise einen Großteil des Serumkupfers bindet, ist meist erniedrigt. Morphologie. Folgende Organe sind bei M. Wilson betroffen: 4 Leber: Leberzirrhose 4 Gehirn: Degeneration von Ganglienzellen vor allem im Bereich der Stammganglien; klinisch resultieren neurologisch- psychiatrische Störungen 4 Augen: Kayser-Fleischer-Kornealring durch Kupferablagerungen in der Kornea
. Abb. 3.10. Massive Arteriosklerose der extrazerebralen Basisgefäße mit Schlängelung der ampullenartig erweiterten Arterien. (Aus Remmele 2000)
132
Kapitel 3 · Pathologie
3.1.11.2
3
Koronare Herzkrankheit (7 Innere Medizin, Kap. 1.3) Relative Koronarinsuffizienz Definition. Bei der relativen Koronarinsuffizienz sind die Koronarien aufgrund eines Missverhältnisses zwischen Sauerstoffangebot und -bedarf nicht dazu in der Lage, die nötige Sauerstoffmenge zu liefern. Ätiopathogenese. Die Hauptursache ist eine stenosierende Atherosklerose. Weitere Ursachen sind: 4 Arteriitis der Koronargefäße 4 Verminderter Perfusionsdruck durch starken Blutdruckabfall (Schock) 4 Verkürzung der Diastolendauer bei Tachykardien 4 Zunahme der Blutviskosität 4 Verminderter Sauerstoffgehalt des Bluts (Ventilationsstörung, Anämie) 4 Erhöhter Sauerstoffbedarf des Organismus (Fieber, hypertone Entgleisung, Hyperthyreose) Morphologie. Zunächst kommt es zu einer intrazellulären Verfettung der Herzmuskelfasern, die als sog. gelbe Streifung imponiert (Tigerherz). Bei rezidivierenden Ischämien kommt es zu disseminierten Nekrosen, die zu kleinherdigen Narben (Myokardschwielen) organisiert werden. Diese Veränderungen sind zunächst an Stellen mit ohnehin schlechter Blutversorgung lokalisiert: An den Papillarmuskeln und am Endokard (entsprechend der Blutversorgung von außen nach innen; »Prinzip der letzten Wiese«).
Absolute Koronarinsuffizienz, Herzinfarkt Definition. Ischämische Myokardnekrose verursacht durch anhaltende Ischämie bei absoluter Koronarinsuffizienz (Verschluss von Ästen der Herzkranzgefäße, . Abb. 3.112). Ätiopathogenese. Häufigste Ursache ist eine zugrunde
liegende Koronarstenose, die akut durch einen Thrombus verschlossen wird. Morphologie. 7 Kap. 3.2.6.4.
3.1.11.3
Schock
Definition. Als Schock bezeichnet man ein Syndrom,
welches durch eine fortschreitende ischämische Hypoxidose lebenswichtiger Organe gekennzeichnet ist. Ätiopathogenese. Charakteristisch und pathoge-
netisch entscheidend für alle Schockformen ist eine Störung der Mikrozirkulation. Man unterscheidet.
. Abb. 3.11. Querschnitt durch eine Koronararterie. Arteriosklerotischer Plaques und Thrombus. (Aus Reuter 2004) (7 Farbtafelteil)
4 Kardiogener Schock: akut einsetzendes Pumpversagen des Herzens, z. B. bei Myokardinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Perikardtamponade 4 Hypovolämischer Schock: Blut- oder Flüssigkeitsverluste durch Trauma, Operation, Verbrennung 4 Septischer Schock: bakterielle Sepsis (überwiegend gramnegative Erreger) oder Verbrennung; primäre Schädigung der Mikrozirkulation 4 Anaphylaktischer Schock: vasoaktive Substanzen wie Histamin führen zu einer massiven Vasodilatation, woraus ein relativer Volumenmangel resultiert Primär (kardiogener Schock) oder sekundär (über Hypovolämie beim hypovolämischen und anaphylaktischen Schock oder über Gefäßmembranschädigung der Peripherie beim septischen Schock) kommt es zu einem Abfall des Herzzeitvolumens. Die folgende erhöhte Katecholaminausschüttung bedingt eine Vasokonstriktion der Peripherie und damit eine Zentralisation des Kreislaufs. Hieraus resultieren eine Störung der Mikrozirkulation und eine hypoxiebedingte Gewebsazidose. Die einsetzende Gefäßmembranschädigung bedingt einen Flüssigkeitsverlust in den extravasalen Raum, es kommt zu einer Verstärkung einer vorbestehenden Hypovolämie (Circulus vitiosus) und zu einer zunächst reversiblen Erythrozytenaggregation (Sludge-Phänomen). Durch den Endothelschaden und die dadurch bedingte Thrombozytenaggregation wird zudem das Gerinnungssystem aktiviert, es kommt zu einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC, »disseminated intravascular coagulation«) mit Ausbildung von hyalinen Mikrothromben. Dieser auch Verbrauchskoagulopathie genannte Zustand führt zu einer erhöhten Blutungsneigung in die Haut und in innere Organe.
133 3.1 · Allgemeine Pathologie
3
Morphologie Durch die Minderdurchblutung der peripheren Organe kommt es zu charakteristischen morphologischen Veränderungen: Schocklunge. In den Lungen bildet sich ein fibrin-
reiches Exsudat, welches sich zunächst im extraalveolären Interstitium befindet (interstitielles Lungenödem, radiologisch spindelförmige Verbreiterung der hilusnahen Gefäße). Bei Überlastung des Lymphabflusses staut sich das Exsudat ins alveoläre Interstitium zurück (radiologisch schleierartige Verschattung der Lungenfelder). Später kommt es zur Zerstörung der Pneumozyten und damit zu einer Verminderung der Synthese des Surfactantfaktors, wodurch das Auftreten von Atelektasen begünstigt wird. Schließlich gelangt das fibrinreiche Exsudat auch an die Oberfläche der Alveolen (intraalveoläres Lungenödem), wo es hyaline Membranen bildet. In der Spätphase wird die exsudative zu einer sklerosierenden Alveolitits mit Ausbildung einer therapieresistenten interstitiellen Fibrose (radiologisch retikuläre Zeichnung der Lungenfelder). > Die Schocklunge ist das morphologische Substrat des Atemnotsyndroms (ARDS; »acute respiratory distress syndrome«).
Herz. Einzelne Herzzellen gehen zugrunde. Häufig finden sich subendokardiale Blutungen, eventuell auch subendokardiale Myokardinfarkte.
. Abb. 3.12. Akute inkomplette Tubulusnekrose (Schockniere) nach Grippepneumonie und Lungenarterienembolie. Histologisch diffuse Weitstellung der Harnkanälchen und Bowman-Kapselräume, Verbreiterung des Interstitium. HE 100:1. (Aus Remmele 2000)
Schockniere. Die Ischämie bedingt eine ödematöse
3.1.11.4
Schwellung der Niere und die Ausbildung von Infarkten mit Abblassung der betroffenen Gebiete. Es bildet sich ein deutlicher Kontrast zwischen Rinde und Mark aus (sog. Schockkontrast). Die Tubuli sind erweitert (Nephrohydrose) und enthalten unter Umständen Mikrothromben. Klinische Manifestationsform ist die akute Niereninsuffizienz mit Oligo- oder Anurie. Weitere Organmanifestationen beim Schock sind: 4 Leber: zentrolobuläre Nekrosen (»letzte Wiese«) 4 Gastrointestinaltrakt: hämorrhagische Schleimhauterosionen, Enteritis 4 Gehirn: punktförmige Blutungen (Purpura cerebri), herdförmige Marknekrosen, symmetrische hämorrhagische Infarkte 4 Endokrine Organe: Nebennieren (bei WaterhouseFriderichsen-Syndrom), Hypophyse (SheehanSyndrom)
Definition. Intravitale, intravasale Blutgerinnung, die
> Vor Einführung der Hämodialyse führte die Schockniere zum Tode des Patienten (. Abb. 3.12). Heute ist das Ausmaß der Lungenbeteiligung prognosebestimmend.
Thrombose
das Lumen eines Gefäßes oder eine Herzhöhle vollständig oder teilweise verschließt. Der sog. Thrombus ist ein fibrinhaltiges Thrombozytenaggregat und/oder Blutgerinnsel (7 Kap. Innere Medizin, 2.2). ! Cave Thromben sind unbedingt von den postmortal entstehenden Speckhautgerinnseln (Cruor phlogisticus) abzugrenzen.
Ätiopathogenese. Die Virchow-Trias umfasst die we-
sentlichen pathogenetischen Faktoren: 4 Gefäßwandläsion 4 Veränderung der Hämodynamik (Blutströmung) 4 Veränderung der Blutzusammensetzung, z. B. Hyperkoagulabilität (erhöhte Gerinnungsfähigkeit) oder Viskositätserhöhung Morphologie. Man unterscheidet 4 verschiedene Arten von Thromben, die in Abhängigkeit vom pathogeneti-
134
3
Kapitel 3 · Pathologie
schen Mechanismus eine unterschiedliche Morphologie aufweisen: 4 Abscheidungsthrombus. Voraussetzung für die Entstehung eines Abscheidungsthrombus ist das Vorhandensein einer Blutströmung. Er kommt daher vor allem in Arterien und Herzhöhlen vor. Über einer Endothelläsion kommt es zur Ausbildung eines Thrombozytenaggregats, es entsteht ein weißer Plättchenthrombus. Durch die nachfolgende Einlagerung von Fibrin entsteht ein Netz, in dem sich Erythrozyten und Leukozyten verfangen. Nun wiederholen sich diese Prozesse und es entsteht ein aus roten und weißen Schichten aufgebauter Thrombus. 4 Gerinnungsthrombus. Ursache für die Entstehung eines Gerinnungsthrombus ist die Ausbildung einer Stase d. h. einer Unterbrechung des Blutstroms. Er kommt v. a. in Venen vor. Aus Thrombozyten der stagnierten Blutsäule wird durch die eintretende Hypoxie ein gerinnungsaktivierender Mediator freigesetzt. Es entsteht ein roter Thrombus. ! Cave Der Gerinnungsthrombus besitzt keine feste Verbindung zum Gefäßendothel, weshalb die Gefahr einer nachfolgenden Embolie groß ist!
4 Gemischter Thrombus: Ein gemischter Thrombus entsteht, wenn ein Abscheidungsthrombus zu einem vollständigen Gefäßverschluss führt: Es kommt zur Stagnation der Blutsäule und damit propft sich dem Abscheidungsthrombus (Kopf) ein Gerinnungsthrombus (Schwanz des gemischten Thrombus) auf. 4 Hyaliner Thrombus: Hyaline Thromben entstehen v. a. im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie und bestehen aus zerfallenen Thrombozyten und Fibrin.
aufgetreten ist. Wichtig ist die Lokalisation: Die Thrombophlebitis der oberflächlichen Beinvenen ist harmlos, die der tiefen Beinvenen kann folgenschwer sein (Lungenembolie!). 4 In der Klinik bezeichnet man mit »Thrombophlebitis« meist eine Thrombose/Entzündung oberflächlicher (epifaszialer) Venen, mit »Phlebothrombose« eine tiefe Beinvenenthrombose.
Kardiale Thrombose Hierunter versteht man im Bereich des Herzens entstandene Thromben. Es handelt sich entweder um Abscheidungsthromben über einem Infarktareal, einem Klappendefekt oder einer Endokarditis oder um Gerinnungsthromben, die z. B. bei Vorhofflimmern auftreten können. Gefürchtete Komplikation sind arterielle Embolien (z. B. ischämischer Hirninfarkt, akuter Extremitätenverschluss). Arterielle Thrombose Sie ist relativ selten und entsteht bevorzugt im Bereich arteriosklerotischer Prozesse oder Aneurysmen. Verlauf und Komplikationen Im Rahmen der erfolgenden Organisation kann es zu einer Rekanalisation des Gefäßes kommen. Bleiben Narbenstränge zurück, die von einer Gefäßwand zur anderen ziehen, bezeichnet man dies als Strickleiterphänomen. Seltener erfolgt eine spontane körpereigene Thrombolyse oder pruriforme Erweichung. Findet keine Organisation statt, so kann es auch zu Verkalkungen (Phlebolithen) kommen. Gefürchtete Komplikationen sind die Thrombembolie, die Verschleppung des Thrombus in die Blutbahn.
Venöse Thrombose Synonym. Phlebothrombose. Definition. Thrombose der tiefen Bein- und Beckenvenen. In der Regel handelt es sich um Gerinnungsthromben, häufige Ursache ist eine längerfristige Immobilisierung. Hauptkomplikation ist das Entstehen einer Embolie, also die Verschleppung des Thrombus. Sehr häufig manifestiert sich dies als Lungenembolie (. Abb. 3.13, 7 Kap. 3.1.11.5). > 4 Phlebitis: Jede Entzündung der Venen. 4 Thrombophlebitis: Phlebitis, die mit einer Thrombose einhergeht. Hierbei ist es egal, ob zunächst die Thrombose oder die Phlebitis
6
. Abb. 3.13. Thromboembolie. »Strickleiterarterie« nach alter organisierter und rekanalisierter Lungenembolie. (Aus Remmele 2000)
135 3.1 · Allgemeine Pathologie
> Unter dem postthrombotischen Syndrom versteht man die Spätfolgen einer Thrombose. Durch Zerstörung der Venenklappen kann es zu Ödemen, Stauungsdermatitis, Ulcus cruris und Varizen kommen.
4 Fruchtwasserembolie: Durch Übertritt von Fruchtwasser in den Blutkreislauf der Mutter, z. B. bei einer Sectio caesarea. 4 Zellmaterial (z. B. Tumorzellen) 3.1.11.6
3.1.11.5
Embolie Definition. Akute Verlegung eines Gefäßes durch korpuskuläres Material, Luft oder Gas. Ätiopathogenese. Als Ursache einer Embolie kommen infrage. 4 Thrombembolie: Hämatogene Verschleppung von thrombotischem Material. 5 Venöse Thrombembolie: Ausgehend von venösen Thromben v. a. der tiefen Bein- oder Beckenvenen. Werden die Thromben über das rechte Herz in die Lungenstrombahn verschleppt und verschließen sie dort akut ein Gefäß, so spricht man von einer Lungenembolie. Das Ausmaß der klinischen Symptomatik ist abhängig vom Kaliber des obliterierten Gefäßes. Bei Verlegung der zentralen Lungenarterien kommt es zum akuten Rechtsherzversagen, was meist tödlich ist. 5 Arterielle Thrombembolie: Ausgehend von einer arteriellen oder kardialen (linkes Herz) Thrombose. Sehr häufig gelangen die Emboli in die Hirnarterien (ischämischer Hirninfarkt). Des Weiteren kann es in Arterien der oberen und unteren Extremitäten (akuter Extremitätenverschluss), der Milz (Milz-), der Nieren (Nieren-) und des Darms (Mesenterialinfarkt) verschleppt werden. 5 Paradoxe Embolie: Ein venöser Thrombus gelangt ins rechte Herz und von dort über einen Kurzschluss (persistierendes Foramen ovale) direkt ins linke Herz und löst somit eine arterielle Embolie (z. B. ischämischer Hirninfarkt) aus. Dies setzt allerdings zudem voraus, dass der Blutdruck im rechten Herzen größer ist als im Linken! 4 Fettembolie: Beispielsweise nach Knochenbrüchen oder im Rahmen des Fettemboliesyndroms nach einem Schock. Sie betreffen v. a. die Glomeruluskapillaren der Nieren, das Gehirn und die Herzmuskulatur. 4 Luftembolie: Zum Beispiel nach offenen SchädelHirn-Traumata oder durch Infusionsfehler (> 20 ml Luft). Bei der Caisson-Krankheit (Taucherkrankheit) kommt es durch zu rasches Auftauchen zur Verlegung kleiner Gefäße durch Stickstoffblasen.
3
Arterielle Durchblutungsstörungen
Definition. Unter einer Ischämie versteht man eine un-
zureichende (relative Ischämie) oder fehlende (absolute Ischämie) Blutversorgung eines Gewebes. Ein Infarkt ist definiert als umschriebene Gewebenekrose durch Sauerstoffmangel infolge einer absoluten Ischämie. Ätiopathogenese. Wichtige Ursachen einer Ischämie sind: 4 Okklusion durch Thrombosen, Embolien, arteriosklerotische Plaques 4 Gefäßentzündungen 4 Gefäßspasmen (Prinzmetal-Angina) 4 Kompression von außen (z. B. Tumor) 4 Venöse Abflussstörung 4 Blutdruckabfall im Rahmen eines Kreislaufschocks
Morphologie Absolute Ischämie. Man unterscheidet anämische und
hämorrhagische Infarkte: 4 Anämischer Infarkt: Er entsteht durch vollständigen Verschluss einer funktionellen oder anatomischen Endarterie. Makroskopisch imponiert er als abgeblasster, lehmgelber Bezirk mit hämorrhagischem Randsaum. Er kommt u. a. in Herz, Leber, Milz und Nieren vor. Je nach betroffenem Gewebe zeigen sich Koagulations- oder Kolliquationsnekrosen (7 Kap. 3.1.3.3). 4 Hämorrhagische Infarkte: Entstehen in Organen mit doppelter Gefäßversorgung bzw. ausgeprägter Kollateralisierung oder bei Venenrücklauf. Beispiele sind der hämorrhagische Lungen- und Darminfarkt. Unter einer hämorrhagischen Infarzierung versteht man eine Ischämie, die durch eine venöse Abflussstauung verursacht wird. Relative Ischämie. Zu differenzieren sind akute und
chronische relative Ischämie: 4 Temporär akute relative Ischämie. Je nach betroffenem Gebiet treten charakteristische Symptome auf wie die Angina pectoris bei Koronarinsuffizienz, die Angina abdominalis bei Mesenterialarterienstenose oder die Claudicatio intermittens bei pAVK der Beinarterien. 4 Chronische relative Ischämie: In der Niere können chronisch-ischämische Prozesse (z. B. Arteriolosklerose bei chronischer Hypertonie) zum Auf-
136
Kapitel 3 · Pathologie
treten kleiner Infarkte führen. Diese imponieren makroskopisch als kleine Einziehungen der Oberfläche. Man bezeichnet dies als »rote Granularatrophie«.
3
3.1.11.7
Hypertonie
Definition. Blutdruckwerte >140/90 mmHg (Ätio-
pathogenese, Symptomatik, Diagnostik 7 Innere Medizin, Kap. 1.2). Morphologie. Der erhöhte Blutdruck schädigt verschiedene Organe: 4 Kardiale Schäden: bei Widerstandshochdruck primär konzentrische Hypertrophie, bei Überschreitung des kritischen Herzgewichts Dilatation (exzentrische Hypertrophie); bei Volumenhochdruck primär exzentrische Hypertrophie. 4 Atherosklerose 4 Koronarsklerose: koronare Herzkrankheit mit ihren Manifestationsformen: Angina pectoris, Herzinfarkt, Linksherzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, plötzlicher Herztod 4 Zerebralarteriensklerose: zerebrale Ischämie und Hirninfarkt, hypertensive Massenblutung 4 Renale Komplikationen: hypertensive Nephropathie 4 Retinopathie: Fundus hypertonicus > 4 Reiner Volumenhochdruck: exzentrische Hypertonie (Volumenbelastung führt zunächst zu einer Dilatation, später erst zu einer Hypertrophie). 4 Reiner Widerstandshochdruck: konzentrische Hypertrophie. Wird das kritische Herzgewicht von 500 g überschritten, so kann die Blutversorgung nicht mehr gewährleistet werden. In diesem Stadium kann ebenfalls eine Dilatation, also exzentrische Hypertrophie, auftreten.
3.1.11.8 Herzinsuffizienz Definition, Ätiologie, Pathogenese und Klinik 7 Innere Medizin, Kap. 1.4. Hier soll nur kurz auf die Morphologie eingegangen werden. Morphologie. Man unterscheidet: 4 Linksherzinsuffizienz: Bei akuter Linksherzinsuffizi-
enz ist das linke Herz dilatiert. Durch den Rückstau von Blut in die Lunge entsteht eine akute Stauungslunge (rote Lungeninduration) bzw. ein akutes Lungenödem. Zudem kommt es durch die unzureichende Auswurfleistung zu einer Minderperfusion der Organe und der Körperperipherie. Bei chronischer Linksherzinsuffizienz liegen unterschiedliche Grade der Hypertrophie und Dilatation vor, durch die chro-
nische Lungenstauung kommt es zur Siderose und Fibrose (braune Lungeninduration). Evtl. lassen sich Herzfehlerzellen nachweisen. 4 Rechtsherzinsuffizienz: Bei der akuten Rechtsherzinsuffiziez sind der rechte Ventrikel und der rechte Vorhof dilatiert. Es kommt zum Blutrückstau im Venensystem der vorgeschalteten inneren Organe, klinisch besonders auffällig ist die Lebervergrößerung. Bei chronischer Rechtsherzinsuffizienz ist das rechte Herz hypertrophiert und dilatiert. In der gestauten Leber (bildhaft »Muskatnussleber«) erfolgt ein fibrotischer (Stauungsinduration), teilweise sogar zirrhotischer Umbau (»cirrhose cardiaque«). Auch die Milz und der Magen (Stauungsgastritis) zeigen typische Veränderungen. Aufgrund des erhöhten hydrostatischen Drucks kommt es zur Ausbildung von Ödemen und Aszites. 3.1.11.9 Blutungen (. Tab. 3.12) Ursachen für hämorrhagische Diathesen 7 Innere Medizin, Kap. 7.6.1. Rhexisblutung Definition. Blutung durch Gefäßverletzung. Ätiopathogenese. Mögliche Ursachen für die Gefäßverletzung sind: 4 Wandschwäche, z. B. durch Entzündungen, Arteriosklerose 4 Arrosionsblutungen (Durchbruch eines Tumors) 4 Traumen
Diapedeseblutung Definition. Eine Diapedeseblutung ist bedingt durch eine erhöhte Durchlässigkeit einer weitgehend unversehrten Gefäßwand.
. Tab. 3.12. Übersicht Blutungen Begriff
Definition
Petechien
Punktförmige Blutung
Purpura
Blutung mit Durchmesser bis 1 cm
Ekchymosen
Großfleckige Blutungen
Suffusionen
Flächenhafte Blutungen ohne scharfe Begrenzung
Hämatom
Blutung ins Weichteilgewebe
Hämorrhagische Diathese
Erhöhte Blutungsneigung
137 3.1 · Allgemeine Pathologie
Ätiopathogenese. Vor allem bei einem vorbestehenden verlangsamten Blutfluss können Blutbestandteile bei geringen Endothelschäden die Gefäßwand durchwandern. Auslöser dieser Schädigungen sind z. B. Infektionen, Hypoxie, metabolische Störungen und allergische Zustände.
> Ein klassisches Beispiel ist die Purpura beim Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, die durch das Endotoxin der Meningokokken ausgelöst wird.
In Kürze Herz-Kreislauf-System Arteriosklerose
4 Atherosklerose: Arterienverkalkung. Risikofaktoren erster Ordnung: Nikotin, Diabetes, Hypertonie und Hypercholesterinämie 4 Mönckeberg-Mediasklerose: Verkalkung peripherer Arterien, isolierter Befall der Media, »Gänsegurgelarterien« . Gehäuft bei Diabetikern
Arteriolosklerose
4 Morphologisches Korrelat eines chronischen Hypertonus. Hyalinose der Arteriolen, die durch Blutdruckabfall hämodynamisch belastet sind. Besonders betroffen sind Nieren und Gehirn
Aneurysmen
4 Definition: umschriebene Ausweitungen der Gefäßwand durch angeborene (z. B. MarfanSyndrom) oder erworbene (z. B. Atherosklerose, Entzündung, Trauma) Wandschwäche 4 Formen: A. verum: alle 3 Wandschichten betroffen; A. dissecans: Bildung eines künstlichen zweiten Lumens durch Einriss der Intima; A. spurium: Gefäßverletzung, perivaskuläres Hämatom mit Verbindung zum Lumen
Koronare Herzkrankheit
4 Relative Koronarinsuffizienz: Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und –bedarf, hauptsächlich verursacht durch Koronarsklerose. Morphologisch: v. a. im Gebiet der »letzten Wiese« fettige Degeneration der Herzmuskelfasern (gelbe Streifung, »Tigerherz«), disseminierte kleinflächige Nekrosen (später organisiert zu Narben, sog. »Myokardschwielen«) 4 Absolute Koronarinsuffizienz: Verschluss eines oder mehrerer Herzkranzgefäße, meist thrombotisch bei vorbestehender Koronarstenose mit konsekutiver ischämischer Nekrose des Myokards im Versorgungsgebiet. Transmuraler Infarkt: alle drei Wandschichten sind betroffen, Innenschichtinfarkt: nur Gebiet der »letzten Wiese« (subendokardiale Wandschichten) betroffen 4 Morphologie: Abblassung (nach 6 h), lehmgelbe Farbe (nach 12 h), roter Randsaum (ab 4. Tag, Granulationsgewebe), weiße Schwiele (nach 6 Wochen)
Schock
4 Definition: Syndrom mit fortschreitender ischämischer Hypoxidose lebenswichtiger Organe, Störung der Mikrozirkulation. 4 Einteilung: kardiogener, hypovolämischer, septischer, anaphylaktischer Schock 4 Ätiologie: Abfall HZV, Zentralisation, Störung der Mikrozirkulation, Flüssigkeitsverlust in extravasalen Raum mit Verstärkung einer Hypovolämie. Sludge-Phänomen (zunächst reversible Erythrozytenaggregation), Verbrauchskoagulopathie
Thrombose
4 Definition: intravitale Blutgerinnung mit teilweisem oder vollständigem Verschluss des Gefäßlumens. Virchow-Trias: Gefäßwandläsion – Veränderung der Blutströmung – Hyperkoagulabilität 4 Einteilung: – Abscheidungsthrombus: Blutströmung muss vorhanden sein, daher v. a. in Arterien und Herzhöhlen, rote und weiße Schichten
6
3
138
Kapitel 3 · Pathologie
– Gerinnungsthrombus: Durch Stase, v. a. in Venen, roter Thrombus ohne feste Verbindung zum Endothel, große Gefahr Embolie – Gemischter Thrombus: Gerinnungsthrombus pfropft sich auf Abscheidungsthombus auf, da dieser Gefäß vollständig verlegt – Hyaliner Thrombus: v. a. bei Verbrauchskoagulopathie 4 Lokalisation: – Venöse Thrombose: v. a. in tiefen Bein- und Beckenvenen – Kardiale Thrombose: Abscheidungsthromben (z. B. Infarktareal, Endokarditis) – Gerinnungsthromben (z. B. bei Vorhofflimmern) – Arterielle Thrombose
3
Embolie
4 Definition: akute Verlegung eines Gefäßes durch herangetragenes Material 4 Ätiologie: – Thromboembolie: Venöse Thrombembolie mit Gefahr der Lungenembolie, arterielle Thrombembolie häufig in zerebralen Gefäßen, paradoxe Embolie z. B. bei persistierendem Foramen ovale – Fettembolie, Luftembolie, Fruchtwasserembolie
Arterielle Durchblutungsstörungen
4 Definition: – Ischämie: unzureichende Blutversorgung eines Gewebes – Absolute Ischämie: Blutversorgung völlig unterbrochen – Relative Ischämie: Restversorgung erhalten – Infarkt: Nekrose durch anhaltende absolute Ischämie – Morphologie: anämische Infarkte (Verschluss Endarterie, häufig in Herz, Leber, Milz und Nieren), hämorrhagische Infarkte (bei doppelter Blutversorgung, Kollateralisierung, Venenrücklauf )
Hypertonie
4 Definition: Blutdruckwerte >140/90 mmHg; Blutdruck = HZV × Gefäßwiderstand (Ohm’sches Gesetz) 4 Ätiopathogenese: primäre (essenzielle) Hypertonie (>90%) und sekundäre Hypertonieformen (renale, endokrine, kardiovaskuläre, neurogene Hypertonie) 4 Morphologie: Linksherzhypertrophie und Gefäßschäden (z. B. Atherosklerose, Arteriolosklerose, Zerebralarteriensklerose)
Herzinsuffizienz
4 Linksherzinsuffizienz: akut: Dilatation linkes Herz, akute Stauungslunge/akutes Lungenödem. Chronisch: exzentrische Hypertrophie, chronische Stauungslunge, evt. Herzfehlerzellen. Zudem kommt es zu einer Minderperfusion der Organe und der Körperperipherie 4 Rechtsherzinsuffizienz: Rückstau in großen Kreislauf (z. B. Leber, Magen)
Blutungen
4 Rhexisblutungen: Blutung durch Gefäßverletzung 4 Diapedeseblutung: Blutung bei weitgehend unversehrter Gefäßwand
3.1.12
Grundlagen von Erkrankungen der Leber und des Verdauungstrakts
Virushepatitis, Gastritis, Ulcus ventriculi und duodeni, Magenkarzinom, glutensensitive Enteropathie, kolorektale Polypen und kolorektales Karzinom 7 Kap. Innere Medizin.
3.1.12.1
Allgemeine pathologische Reaktionen der Leber Zu Leberzellverfettung, Leberfibrose, Leberzirrhose, alkoholische Leberschäden 7 Kap. 3.2.21.
3.1.12.2
Peritonitis
Definition. Akute oder chronische Entzündung des
Bauchfells.
139 3.2 · Spezielle Pathologie
Ätiopathogenese. Unterschieden werden die infektiöse (bakterielle) von der nichtinfektiösen Peritonitis. Die infektiöse Form ist die häufigste Form der Peritonitis. Sie wird meist durch gram-negative Erreger verursacht, z. B. E. coli oder Proteus. Verschiedene pathogenetische Mechanismen sind möglich: 4 Perforation eines Hohlorgans (z. B. bei Appendizitis, gastroduodenalem Ulkus) 4 Aszendierende Peritonitis (z. B. bei eitriger Salpingitis) 4 Durchwanderungsperitonitis: Übertritt der Keime, ohne Vorliegen einer Perforation
3
4 Spontan bakterielle Peritonitis: Peritonitis, die bei Lebererkrankungen mit Aszitesbildung auftritt und bei der eine Eintrittspforte nicht gefunden werden kann Bei der nichtinfektiösen Peritonitis spielen folgende Faktoren eine Rolle: 4 Freisetzung von Pankreassaft im Rahmen einer akuten Pankreatitis, von Gallensäuren bei perforierter Gallenblase oder von Blut und Magensäure bei perforiertem Magenulkus 4 Fremdmaterial
In Kürze Leber/Verdauungstrakt Peritonitis
3.1.13
4 Definition: Entzündung des Bauchfells (akut oder chronisch) 4 Ätiopathogenese: meist infektiös bedingt (gramnegative Erreger), z. B. bei Perforation eines Hohlorgans, Keimaszension, Durchwanderungsperitonitis, spontan bakterieller Peritonitis. Ursachen nichtinfektiöser Peritonitiden sind z. B. Freisetzung von Pankreassaft, Gallensäuren oder Blut
Grundlagen von Erkrankungen der Niere und der Ausscheidung
Cholelithiasis, Harnwegsinfekte, Nephrolithiasis, Mukoviszidose 7 Innere Medizin/Urologie/Pädiatrie. Zu Nephritis, Pyelonephritis und Glomerulonephritis 7 Kap. 3.2.25. 3.1.14
Grundlagen von Erkrankungen des Nervensystems
Entzündliche und degenerative Erkrankungen 7 Kap. Neurologie. Zu speziellen Erkrankungen des Nervensystems 7 Kap. 3.2.1. 3.2
Spezielle Pathologie J. Haybäck
Die spezielle Pathologie befasst sich mit den organspezifischen krankhaften Veränderungen des Menschen. Sie versteht sich als Basis der modernen Medizin. 3.2.1
Nervensystem
3.2.1.1 Fehlbildungen und Geburtstraumen Perinatale Hirnschädigungen Ätiopathogenese. Meist Hypoxie.
Morphologie. Folgende Veränderungen können auf-
treten: 4 Periventrikuläre Leukomalazie: Nekrose der ventrikelnahen weißen Substanz 4 Subependymale Blutungen 4 Porenzephalie: zystischer Hohlraum im Bereich der Großhirnhemisphären 4 Ulegyrie: gliöse Narbenbildung im Bereich der Sulci 4 Anenzephalie: angeborenes vollständiges oder weitgehendes Fehlen der Großhirnhemisphären, der Neurohypophyse und des Zwischenhirns sowie des Schädeldaches. Das Hirnrudiment (Substantia cerebrovascularis) ist kappenartig. Dysraphische Läsionen Definition. Verschlussstörungen des Neuralrohrs (7 Pädiatrie, Kap. 2.8.13.1, . Abb. 2.11). Morphologie. Man unterscheidet: 4 Anenzephalie: teilweises oder vollständiges Fehlen
des Großhirns und der Kalotte 4 Kranioschisis: Spaltbildung im Bereich des Schädeldachs; eventuell besteht eine Vorwölbung, die Hirnhäute (Meningozele) oder Hirnhäute und ZNS-Gewebe (Meningomyelozele) enthält 4 Spina bifida: Spaltbildung im Bereich der Wirbelsäule durch unvollständige Verschluss der hinteren Wirbelbögen
140
Kapitel 3 · Pathologie
3.2.1.2
3
Intrakranielle Drucksteigerung, Hirnödem, Hydrozephalus Hirndrucksteigerung Ätiopathogenese. Ätiologisch kann der Drucksteigerung ein vasogenes, zytotoxisches oder interstitielles Hirnödem (diffuse oder lokale abnorme Flüssigkeitsansammlung im Hirnparenchym) zugrunde liegen. Ursächlich für erhöhten Hirndruck sind weiterhin Blutungen (intrazerebral oder intrakraniell) und Tumoren (intrakraniell oder intrazerebral). Funktionelle und morphologische Folgen: 4 Ausfüllen der Reserveräume: Ventrikelsystem, Subarachnoidalraum, basale Zisternen; (deshalb schnellere bedrohliche Hirndruckentwicklung bei Kindern und Jugendlichen als bei Greisen mit vorbestehender Hirnatrophie) 4 Mittellinienverschiebung (mit möglicher Herniation des Gyrus cinguli) (. Abb. 3.14) 4 Transtentorielle Massenverschiebung (mit unioder bilateraler Herniation der mediobasalen Temporallappenanteile und Kompression des oberen Hirnstammes (Mittelhirn, Pons) – oft mit Scherblutungen 4 Hydrocephalus occlusus 4 Kleinhirndruckkonus (Kleinhirn wird in das Foramen magnum occipitale gepresst) o führt zu zentralem Regulationsversagen; Makroskopie: Schnürfurchen auf Höhe der Kleinhirntonsillen oder im Bereich des Uncus gyri parahippocampalis 4 Intrakranielle Zirkulationsstörungen bis zum vollständigen Zirkulationsstopp mit folglichem Hirntod ! Cave
. Abb. 3.14. Hypertensive Massenblutung im Versorgungsgebiet der A. lenticulostriata. Raumforderungszeichen: Verschiebung des Gyrus cinguli und des rechten Seitenventrikels. (Aus Remmele 2000)
5 Hydrozephalus aresorptivus: Störung der Liquorresorption 5 Hydrozephalus e vacuo: Hirnatrophie 3.2.1.3 Zerebrovaskuläre Erkrankungen Zerebrale Ischämie Definition. Blutunterversorgung von Hirn- oder Rückenmarksabschnitten (7 Neurologie, Kap. 1.2). Morphologische Folgen fokaler zerebraler Ischämie (. Tab. 3.13) sind: 4 Zerebrovaskuläre Insuffizienz 4 Inkompletter Infarkt 4 Hirninfarkt (anämisch bei kompletter, permanenter Unterbrechung der Blutzufuhr oder hämorrhagisch bei inkompletter oder zeitweiser Unterbrechung des Blutflusses, . Abb. 3.15)
Anisokorie, Miosis, Mydriasis und verzögerte Pupillenreaktion als klassisches, simples, aber leider in der Praxis oft übersehenes Diagnostikum in Bezug auf zerebrale Raumforderung (7 Kap. Neurologie).
Hydrozephalus Definition. Erweiterung der inneren (Hydrocephalus internus), äußeren (Hydrocephalus externus) oder beider (Hydrocephalus communicans) Liquorräume (7 Neurologie, Kap. 1.5.1). Ätiopathogenese.
4 Hydrocephalus internus: Verlegung der physiologischen Ventrikelengen 4 Hydrocephalus externus: bei Hirnatrophie 4 Hydrocephalus communicans 5 Hydrozephalus hypersecretorius: verstärkte Liquorsekretion
. Abb. 3.15. Frischer Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri media rechts mit geringer hämorrhagischer Komponente. (Aus Remmele 2000)
141 3.2 · Spezielle Pathologie
Funktionelle und morphologische Folgen globaler zerebraler Ischämie sind: 4 Anoxische Enzephalopathie (komplette globale Ischämie): pseudolaminäre Nekrosen der Großhirnrinde 4 Inkomplette globale Ischämie des Gehirns (Oligämie)
3
! Cave Als venöse Infarzierung bezeichnet man durch eine venöse Abflussstörung bedingte Hirngewebsnekrosen.
Intrazerebrale Blutungen Intrazerebrale Blutungen fasst . Tab. 3.14 zusammen.
. Tab. 3.13. Stadien des Hirninfarktes Stadium
Makroskopie
Mikroskopie
I Frische Gewebsnekrose (Tag 1–3)
Erweichung (Enzephalomalazie), Rinden-Mark-Grenze-Verwischung
Eosinophile Neuronendegeneration, elektive Parenchymnekrosen
II Resorptive Phase (ab Tag 2–3)
Verflüssigung (Kolliquationsnekrose), beginnend zystische Umwandlung
Kolliquationsnekrose mit Makrophagen (Fettkörnchenzellen: weil schaumiges Zytoplasma), Gefäßproliferation, perifokale Gliose
III Endstadium
Narben, Zysten, eventuell lokaler Hydrozephalus
Glianarbe mit reaktiver Astrogliose, Ependym und kortikale Molekularschicht bleiben intakt (wegen direkter Sauerstoffversorgung über Liquor cerebrospinalis)
. Tab. 3.14. Intrazerebrale Blutung Blutungsart
Risikofaktoren
Lokalisation
Hypertensive Massenblutung
Arterielle Hypertonie
Stammganglien, Thalamus, Pons, Kleinhirn
Aneurysmablutung
Zerebralarterienaneurysma (arteriosklerotisch, traumatisch, mykotisch)
Oft Hirnbasis, an Loci minoris resistentiae, A. communis ant., A. communis post. aus A. carotis int., A. cerebri media
Angiomblutung (arteriovenöse, kavernöse, kapilläre bzw. teleangiektatische Angiome)
Angiome, vaskuläre Malformationen
Insbesondere Großhirnhemisphäre, selten Plexus choroideus
Schädel-Hirn-Trauma
Trauma
Abhängig von Art und Ort der Gewalteinwirkung
Gerinnungsstörungen (generalisiert)
Iatrogen durch Antikoagulation, Hämophilie, Thrombozytopenie bei Systemerkrankungen, Leberschädigung, Malaria, Luft- oder Fettembolie
Purpura cerebri: petechiale Diapedeseblutungen im gesamten Hirngewebe, v. a. in der weißen Substanz
Tumorblutung
Maligne Gliome, Metastasen
Ort der Tumorinfiltration
Infarktblutung
Primär oder sekundär hämorrhagisch
Oft an den Grenzzonen der Gefäßversorgungsareale
Kongophile Amyloidangiopathie
Zerebrale oder systemische Amyloidose
Atypische Blutungslokalisation
Sinus-, zerebrale Venenthrombose
Gerinnungsstörung, erhöhter Hirndruck
Sinus, zerebrale Venen
Selten: andere Systemerkrankungen (Kollagenosen, Immunvaskulitiden)
Systemerkrankung
Disseminiert
142
Kapitel 3 · Pathologie
Intrakranielle Blutungen
Diffus infiltrierende Astrozytome
Epidurale Blutung Definition. Hämatombildung zwischen Schädelkno-
Definition. Niedriggradiges Astrozytom vor allem bei jungen Erwachsenen zwischen der 3. und 4. Dekade.
chen und Dura mater.
3
Ätiopathogenese. Blutung aus A. meningea media; ty-
pisch nach Schädel-Hirn-Traumen mit Frakturen. Subdurale Blutung Definition. Hämatombildung zwischen Dura mater und Arachnoidea. Ätiopathogenese. Meist blutet es aus Brückenvenen.
Das akute Subduralhämatom ist in der Regel Folge eines massiven Schädel-Hirn-Trauma, das chronische Subduralhämatom entwickelt sich häufig bei älteren Menschen nach Bagatelltraumen (v. a. bei Hirnatrophie). Subarachnoidale Blutung Definition. Blutung in den Subarachnoidalraum (zwischen Arachnoidea und Pia mater).
Histologie. Der Tumor zeigt einen geringen Proliferationsindex, jedoch ein diffus infiltrierendes Wachstumsmuster, rezidivieren deshalb oft mit Transformation in höher malignes Stadium.
Glioblastoma multiforme Definition. Häufigster und bösartigster astrozytärer Tumor. Es ist vorwiegend in den Hemisphären lokalisiert und breitet sich von dort häufig schmetterlingsförmig über den Balken zur kontralateralen Seite aus (. Abb. 3.16). ! Cave Ein Glioblastom kann primär (meist ältere Patienten), aber auch sekundär durch Tumorprogression eines niedriggradigen oder anaplastischen Astrozytoms entstehen (meist Patienten mittleren Alters).
Makroskopie. Die Schnittfläche liefert ein buntes Bild Ätiologie. Entsteht meist durch spontane Ruptur ange-
borener Aneurysmen des Circulus arteriosus Willisii. Eine weitere Ursache sind bei Traumen entstehende Kontusionsherde. Diese sind oft mit Einblutungen in den Subarachnoidalraum verbunden. 3.2.1.4
Schädel-Hirn-Trauma Definition. Schädelverletzungen mit Gehirnbeteiligung. Man unterscheidet das gedeckte (Dura mater intakt – stumpfes Akzelerations- oder Dezelerationstrauma) und offene (Dura mater verletzt – scharfe Gewalteinwirkung) Schädel-Hirn-Trauma. 3.2.1.5
Tumoren des zentralen und peripheren Nervensystems Hirntumoren Da das Gehirn von einer knöchernen Hülle umgeben ist, muss man das biologische Verhalten intrakranieller Tumoren differenzierter betrachten als das anderer Tumoren (7 Neurologie, Kap. 1.5.4). Pilozytisches Astrozytom Definition. Niedrigmalignes Astrozytom (WHOGrad I). Tumor des Kindes- und Jugendalters, der vorwiegend im Bereich der Mittellinie vorkommt.
mit Nekrosen, Zysten und Einblutungen). Die sog. »Leopardenfellstruktur« entsteht durch strichförmige Nekrosen, welche von Tumorzellen umgeben sind. Histologie. Zelluläre und nukleäre Anaplasie, viele Mi-
tosen, strichförmige Nekrosen und glomeruloide Gefäßproliferate, die für das perifokale Ödem verantwortlich sind. Oligodendrogliom Definition. Tumor ausgehend von der Oligodendroglia (meist Grad II, anaplastisches Oligodendrogliom entspricht WHO-Grad III). Tritt bevorzugt in der 4. bis 6. Dekade im Großhirn (Stammganglien und Thalamus) auf. Histologie. Meist uniformes Zellbild aus kleinen run-
den Zellen mit perinukleärem Halo. Verkalkungen sind typisch. Ependymom Definition. Langsam wachsende Tumoren (meist Grad II, anaplastisches Ependymom entspricht WHO-Grad III), die von Ependymzellen des Ventrikelsystems oder des Rückenmarkkanals ausgehen. Makroskopie. Sie sind vorwiegend in den Seitenventri-
Histologie. Charakteristisch sind die sog. Rosenthalfa-
sern und »haarzellige« (gr. pilos = Haar) Zytoplasmaausläufer.
keln und im IV. Ventrikel lokalisiert. Die supratentoriellen Ependymome zeigen keine bevorzugte Altersgruppe, die infratentoriellen treten vorwiegend im Kindesalter auf.
143 3.2 · Spezielle Pathologie
a
3
b
. Abb. 3.16a,b. Glioblastom. a Schmetterlingsglioblastom. b Strichförmige Nekrose mit perinekrotischer Zellddichtesteigerung (Pseudopalisaden). (Aus Remmele 2000)
Histologie. Rosetten und Pseudorosetten, Verkal-
kungen. Weitere intrakranielle Tumoren Zu den intrakraniellen Tumoren gehören zudem das gutartige Plexuspapillom, das maligne Plexuskarzinom, das gutartige Gangliozytom sowie das zentrale Neuroyztom und Tumoren der Glandula pinealis. Atypischer teratoid-rhabdoider Tumor (AT-RT): maligner embryonaler ZNS-Tumor des Kindesalters im Klein- und Großhirn. Bei einem Drittel der Fälle treten Liquormetastasen auf!
Medulloblastom Definition. Häufigster solider intrakranieller Tumor des Kindes- und Jugendalters (bevorzugt 3. bis 8. Lebensjahr). Hochmaligner embryonaler Tumor (Grad IV), der fast ausschließlich im Kleinhirn auftritt. Er besteht aus undifferenzierten neuroektodermalen Zellen. Häufig kommt es zu einem Verschlusshydrozephalus durch Verlegung des Aquädukts.
Histologie. Oft konzentrische Tumorzellformationen (Zwiebelschalen), ovale, zigarrenförmige Kerne, Lochkerne, Psammomkörper (. Abb. 3.17). ! Cave Multiple Meningeome sind bei der Neurofibromatose Typ II (NF II, Morbus von Recklinghausen) anzutreffen.
Tumoren des peripheren Nervensystems Neurinom (Schwannom) Definition. Ein von den Schwann-Zellen des peripheren Nervensystems ausgehender Tumor. Histologie. Nebeneinander von zellreichen Antoni-A-
Arealen mit zahlreichen Verocay-Körperchen (AntoniA-Strukturen mit Pallisadierung) und locker texturierten Antoni-B-Arealen. In der Regel benigne (selten maligne) Schwannome, maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST).
Histologie. Rosetten und Pseudorosetten.
Meningeom Definition. Mesodermale Tumoren vom meningealen Arachnothel abgeleitet, mehr als 20 Subtypen bekannt, zumeist benignes Verhalten (WHO I), daneben rezidivfreudige Subtypen: atypisches Meningeom (WHO II) und aggressive Subtypen: (WHO III: anaplastisches Meningeom) (7 Neurologie, Kap. 1.5.4). Makroskopie. Solide, kugelförmige prall-elastische bis derbe Tumoren, Schnittfläche zumeist weiß mit kalzifizierten Einsprengungen.
. Abb. 3.17. Endotheliomatöses Meningeom mit Zwiebelschalenfomationen und Psammomkörperchen. (Aus Remmele 2000)
144
Kapitel 3 · Pathologie
! Cave Neurome sind im Gegensatz zu Neurinomen meist traumatischer Genese und stellen keine echten Neoplasien dar, denn sie sind reaktiver Natur.
3
Traumatisches Neurom Definition. Dermal-subkutane Läsion aus Nestern und Faszikeln mit Zellen neurogener Differenzierung in fibrotischem Stroma. Tumoren der Schädelbasis Kraniopharyngeom Definition. Langsam wachsender Tumor, abgeleitet vom Rathke-Tasche (Reste des embryonalen Hypophysenganges), neigt zu Rezidiven. Histologie. Palisadierte epitheliale Tumorzellen, »wet keratin« ist typisch (ausreichend zur Diagnose auch ohne epitheliale Komponente)
Chordom Definition. Maligner Tumor, vorwiegende Lokalisation:
Clivus, sakrokokkygeal; neigt zu Rezidiven. Histologie. Physaliforme Zellen.
Metastasen Solitäre oder multiple Metastasen sind in allen Gehirnregionen anzutreffen; häufigste das Gehirn affektierenden Neoplasien. Als Primärtumoren sind Bronchialund Mammakarzinome sowie Melanome, hellzellige Nierenzellkarzinome häufig, meningeal metastasieren häufig Prostatakarzinome. Primäre Lymphome des ZNS treten häufig bei immunsupprimierten Patienten (AIDS-Patienten) auf; Zumeist maligne B-Zell-Lymphome. Phakomatosen Definition. Autosomal-dominant vererbte familiäre Tumorerkrankungen, die aufgrund der auftretenden Hautveränderungen zusammengefasst wurden (gr. Phakos = Fleck). Häufig treten im Rahmen dieser Erkrankungen ZNS-Tumoren auf. Ein Vertreter dieser Gruppe ist die Neurofibromatose Typ I (von Recklinghausen). Charakterisiert durch das Auftreten multipler Neurofibrome und Café-aulait-Flecken der Haut (Hyperpigmentierungen). Häufig auch pilozytische Astrozytome. Typ II: bilaterale Akustikusneurinome (7 Neurologie, Kap. 1.6.6). Folgende Krankheiten zählen ebenfalls zu den Phakomatosen (. Tab. 3.15): Von-Hippel-Lindau-Syndrom,
. Tab. 3.15. Phakomatosen Erkrankung
Nervensystem
Weitere Organe
Neurofibromatose Typ I (Morbus von Recklinghausen)
Neurofibrome, pilozytische Astrozytome
Café-au-lait Flecken, Irishamartome (Lysch-Knötchen)
Neurofibromatose Typ II
Bilaterale Akustikusneurinome, spinale Neurinome, Meningeome, Mikrohamartome
Phäochromozytom, Skelettdeformitäten, Katarakt
Von-Hippel-Lindau Syndrom
Kleinhirn-Glioblastome, Angiomatose der Retina
Nierenkarzinom, Phäochromozytom
Tuberöse Sklerose Typ 1
Kortikale Tubera (Knoten), Verkalkungen, subependymale Riesenzell-Astrozytome
Angiofibrome, hypopigmentierte Flecken, Fibrome, fibröse Plaques, Angiolipoleiomyom, Rhabdomyome, Angiofibrome
Tuberöse Sklerose Typ 2
Retinale Hamartome
Angiofibrome, hypopigmentierte Flecken, Fibrome, fibröse Plaques, Angiolipoleiomyom, Rhabdomyome, Angiofibrome
Li-Fraumeni-Syndrom
Gliome, Medulloblastom
Mammakarzinome, Nebennierenrindenkarzinome
Retinoblastom
Retinoblastom
Osteosarkome, Mammakarzinome, Sarkome, Leukämie
modifiziert nach Pathologie, Böcker, Denk, Heitz, 3. Auflage, Urban & Fischer
145 3.2 · Spezielle Pathologie
tuberöse Sklerose, Sturge-Weber-Krankheit, Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom). 3.2.1.6 Entzündliche ZNS-Erkrankungen Zu den entzündlichen ZNS-Erkrankungen gehören virale Meningitiden bzw. Enzephalitiden (z. B. durch Herpes-Viren, SV 40 oder Enteroviren, Rhabdoviren, Paramyxo- und Retroviren) (7 Neurologie). Weitere ZNS-Erkrankungen infektiöser Ursache sind Plasma-Enzephalitis, zerebrale Kryptokokkose, Aspergillus-Enzephalitis, Guillain-Barré-Syndrom. Prion-Enzephalopathien Definition. Durch Prionprotein übertragbare, neurodegenerative Enzephalopathien bei Mensch und Tier mit progressivem, zu vollständiger Demenz und schließlich zum Tod führendem Verlauf (7 Neurologie, Kap. 1.4.4.1). Ätiopathogenese der Prionerkrankungen Die Erkrankungen werden durch ein infektiöses Protein (»proteinaceous infectious agent« = Prion) übertragen. Das normale Prion-Protein (PrPC) ist ein Membranprotein, das physiologisch nicht nur in Neuronen des ZNS, sondern auch in anderen Organen vorkommt. Dieses Protein wird vom Prion-Gen (PRNP) kodiert. Über einen noch nicht vollständig aufgeklärten Mechanismus kann dieses zelluläre Prionprotein in ein infektiöses Prionprotein (PrPSc) transformiert werden. Hierbei bleibt die Aminosäuresequenz und das Molekulargewicht gewahrt, die Tertiärstruktur wird aber verändert. Dies führt zu einer verlängerten Halbwertszeit und zu partieller Resistenz gegen Proteinase-K-Verdau. PrPSc weist vor allem β-Faltblattstrukturen im Gegensatz zu den α-Helices in PrPC auf. Die Funktion von PrPC ist bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt. Bezüglich der Pathogenese wird einerseits die Hypothese vertreten, dass durch PrPSc eine Umwandlung von PrPC in PrPSc katalysiert wird, zum anderen wird die Hypothese der Aggregation von PrPSc um Nukleationszentren erwogen. Da PrPSc auch in follikulär dendritischen Zellen (FDC) innerhalb der Keimzentren lymphatischer Gewebe nachweisbar ist, wird gegenwärtig die Rolle des Immunsystems in Bezug auf Prionerkrankungen intensiv untersucht. Des Weiteren finden sich auch erbliche Formen von Prionerkrankungen.
Prionerkrankungen beim Menschen sind Kuru, Creutzfeldt-Jakob Erkrankung (CJD; (sCJD: sporadische Form, vCJD: Variante – nach Aufnahme von BSEverseuchter Nahrung), Gerstmann-Sträussler-Schenker Erkrankung (GSS), familiäre tödliche Insomnie (FFI). Makroskopie. Hirnatrophie.
3
Histologie. Spongiöse Auflockerung von grauer Substanz (Kortex und Basalganglien), Astrogliose, Amyloid-Plaques (»Kuru-Plaques«).
Neurosyphilis Ätiopathogenese. Erreger ist Treponema pallidum
(7 Neurologie, Kap. 1.4.4). Histologie. Markscheidendegeneration (v. a. Hinter-
wurzeln). ! Cave Histologischer Nachweis von Spirochäten.
3.2.1.7
Multiple Sklerose
Definition. Encephalomyelitis disseminata ist eine
schubförmig verlaufende, umschriebene Entmarkungserkrankung, die Abschnitte der zentralnervösen weißen Substanz befallen kann (Demyelinisierungsprozess) (7 Kap. Neurologie, 1.6.1). Histologie. Unscharf begrenzte, lymphozytäre Entzün-
dung im Randbereich des Ventrikelsystems, des Sehnervs (Neuritis nervi optici), an der Rinden-MarkGrenze des Großhirns, um den Aquädukt und in der Brückenregion; später Einwandern von Fettkörnchenzellen, danach Bildung von Skleroseplaques (scharf begrenzte Gliose). 3.2.1.8
Toxische und metabolische Enzephalopathien Alkohol kann zu verschiedenen Formen einer Enzephalopathie führen: 4 Frontallappenatrophie mit Hydrocephalus internus e vacuo 4 Kleinhirnwindungsatrophie: obere Kleinhirnwurmatrophie 4 Wernicke Enzephalopathie: wegen Thiaminmangels (Vitamin B1) rot-braune Corpora mammillaria mit Atrophie derselben, histologisch diskreter Ganglienzellverlust, vereinzelt petechiale Einblutungen 4 Chronischer Alkoholabusus bzw. Vitaminmangelzustände (B1, B6, B12): Marchiafava-Bignami-Syndrom 4 Alkoholische Embryopathie Elektrolytentgleisung bei Überwässerung (rasch einsetzende Hyponatriämie) führt zu bilateral symmetrischer Demyelinisierung im Hirnstamm.
146
Kapitel 3 · Pathologie
3
. Abb. 3.18. Mindmap Demenzen
147 3.2 · Spezielle Pathologie
3
3.2.1.9 Neurodegeneration Morbus Alzheimer Definition. Häufigste neurodegenerative Erkrankung (5–10% aller >65-Jährigen) mit Entwicklung einer Demenz (7 Neurologie, Kap. 2.4.2, . Abb. 3.18).
Olivopontozerebelläre Atrophie Definition. Seltene Krankheitsbilder mit deutlicher zerebellärer Ataxie bei Atrophie und Degeneration von Pons, mittlerem Kleinhirnstiel, Kleinhirnrinde und unteren Oliven.
Makroskopie. Rindenatrophie (frontotemporal, parietookzipital) mit Hydrocephalus internus et externus.
Spinozerebelläre Ataxie (Morbus Friedreich) Definition. Erblich bedingte Degeneration der spinozerebellären Bahnen, Hinterstränge, evtl. Pyramidenbahn und Nucleus caudatus, zudem axonale Neuropathie mit multiplen neurologischen Störungen (7 Neurologie, Kap. 1.6.5)
Histologie. Alzheimer-Fibrillen im Zytoskelett von Ganglienzellen, neuritische (senile) Plaques im Neuropil, Amyloid-Depositionen in kleinen zerebralen und leptomeningealen Arterien (kongophile Amyloidangiopathie, A4-Amyloid-Ablagerungen in kleinen leptomeningealen und kortikalen Hirngefäßen).
Morbus Pick
Makroskopie/Histologie. Rückenmark mit Hinterstrangdegeneration, Atrophie spinozerebellärer Bahnen und des Truncus corticospinalis, später Kleinhirnatrophie.
Ätiopathogenese. Alkoholabusus. Makroskopie. Kortikale Atrophie von Frontal- und
Temporallappen. Histologie. Typische Einschlusskörper (Pick-Körper).
Chorea Huntington Definition. Neurodegenerative Erkrankung des jüngeren und mittleren Erwachsenenalters mit choreatischen Bewegungsstörungen, progredienter Demenz und neuropsychiatrischer Symptomatik (7 Neurologie, Kap. 1.6.2.2). Makroskopie. Atrophie des Nucleus caudatus mit Erweiterung der Seitenventrikel, später kortikale Atrophie des Frontal- und Temporallappens.
Amyotrophe Lateralsklerose Definition. Häufige, frühzeitig letal verlaufende Erkrankung mit Degeneration des 1. und 2. motorischen Neurons mit Manifestation in der 6. und 7. Lebensdekade (7 Neurologie, Kap. 1.6.4.1). Makroskopie/Histologie.
4 1. Motorisches Neuronenfeld: Atrophie und Demyelinisierung des Tractus corticospinalis (unterer Hirnstamm, Rückenmark, später auch supratentorielle Pyramidenbahn mit Beteiligung der Capsula interna und des Gyrus praecentralis 4 2. Motorisches Neuronenfeld: Ganglienzelldegeneration von spinalen Vorderhorn und motorischen Hirnnervenkernen 3.2.1.10
Epilepsie
Histologie. Verlust von Interneuronen im Nucleus cau-
Definition. Heterogene Gruppe von Anfallsleiden.
datus, Reduktion der Ganglienzellen im frontalen sowie temporalen Kortex und im Thalamus, daneben Astrogliose.
(7 Neurologie, Kap. 1.8).
Morbus Parkinson Definition. Degeneration des nigrostriatalen extrapyramidalen Systems mit Verlust pigmentierter dopaminerger Neuronen in der Substantia nigra des Mittelhirns und im Locus ceruleus mit klinischer Trias von Akinese, Rigor und Ruhetremor; daneben Pillendreherbewegung, Salbengesicht, Speichelfluss (7 Neurologie, Kap. 1.6.2.1). Makroskopie. Abblassung der Substantia nigra. Histologie. Ausfall melaninhaltiger Neuronen in der Substantia nigra, Locus ceruleus und im motorischen Kern des Nervus vagus, Lewy-Körper, später reaktive Gliose.
Makroskopie/Histologie. Ammonshornsklerose, fokale
Läsionen (Tumoren oder posttraumatisch, Kombination beider Pathologien oder Fehlen eines morphologischen Korrelats. 3.2.1.11
Neuromuskuläre Erkrankungen/ Erkrankungen des peripheren Nervensystems
7 Neurologie, Kap. 1.11.3, 1.10.
Primär axonale Degeneration (Axonopathie) Definition. Axonverlust bei primär noch erhaltener Myelinscheide.
148
Kapitel 3 · Pathologie
Histologie. Verdichtung von Neurofilamenten mit axo-
naler Schwellung, irregulärer Axonmembran und variablem Axondurchmesser.
3
Primäre segmentale Demyelinisierung (Entmarkung) Definition. Segmentaler Myelinscheidenverlust bei primär erhaltenem Axon. Zu den Erkrankungen der peripheren Nerven gehören neben anderen hereditäre Neuropathien (HMSN Typ I–IV, HSN, HMN), Neuritiden (z. B. Guillain-Barré-Syndrom) sowie metabolische Neuropathien bei Stoffwechselerkrankungen oder toxische Schäden (z. B. Schwermetalle, Alkohol). Histologie. Myelinovoide (kristalline Myelinabbaupro-
dukte), Autophagosomen in Schwann-Zellen bei erhaltenem Axon, später Remyelinisierung mit Erhöhung der Schwann-Zellzahl. 3.2.2 Erkrankungen der
Skelettmuskulatur (Myopathien) Neurogene Muskelatrophie Definition. Muskelatrophie nach Denervation.
Muskeldystrophien Definition. Genetisch determinierte Krankheiten mit progredientem Muskelschwund (7 Neurologie, Kap. 1.11.2). Histologie. Disseminierter Untergang von Muskelzel-
len, pseudohypertrophe Muskeldystrophie mit zentral gelegenen Zellkernen der degenerierten Zellen. Kongenitale Myopathien Definition. Angeborene Muskelkrankheiten. Histologie. Typisch sind spezielle morphologische
Strukturalterationen: 4 Zentralfibrillenmyopathie (»central core disease«) 4 Zentronukleäre Myopathie 4 Nemalin-Myopathie Zu den entzündlichen, nichtinfektiösen, traumatischen, ischämischen Myopathien 7 Kap. Neurologie, Chirurgie, Innere Medizin. ! Cave Bei den mitochondrialen Myopathien stellen sich histologisch akkumulierte Mitochondrien in Form sog. »Ragged-red«-Fasern dar!
Histologie. Gruppenatrophie.
Spinale Muskelatrophien Definition. Angeborene Krankheiten mit Untergang der motorischen Vorderwandzellen, entsprechend dem 2. motorischen Neurom. Histologie. Gruppen mit atrophen Fasern neben hyper-
trophen Fasern, perimysiales (geringer auch endomysiales) Gewebe vermehrt. Erkrankungen der motorischen Endplatte Myasthenia gravis Definition. Autoimmunerkrankung mit Autoantikörpern gegen Azetylcholinrezeptoren, vorwiegend Frauen in der 3. Lebensdekade. Makroskopie/Histologie. Meist fokal und unspezi-
fisch. Myasthenisches Syndrom (Lambert-Eaton-Syndrom) Definition. Funktioneller Defekt der motorischen Endplatten mit Nachweis von IgG-Antikörpern gegen präsynaptische Antigene der motorischen Endplatte. Histologie. Verlust von terminalen Axonendigungen.
3.2.3 Erkrankungen der Sinnesorgane –
Auge (7 Augenheilkunde) Xanthelasma Histologie. Ansammlung lipidbeladener Makrophagen ohne Entzündungsreaktion. Degenerative Hornhautveränderungen Diese umfassen: 4 Arcus lipoides (senilis): Kann bei jungen Erwachsenen Lipidstoffwechseldefekte anzeigen – sehen Sie Ihrem Patienten tief in die Augen! 4 Thannus corneae: postoperativ, posttraumatisch, postinflammatorisch 4 Hornhautbanddegeneration 4 Korneale Hyperpigmentierungen: Kupfereinlagerungen – M. Wilson 4 Eiseneinlagerungen nach Vorderkammerblutung Keratokonus Makroskopie/Histologie. Zentrale Ausdünnung der Kornea mit Einrissen der Bowman-Membran und Vernarbung. Man unterscheidet:
149 3.2 · Spezielle Pathologie
3
4 Cornea guttata, Fuchs-Endothel- und Epitheldystrophie: Schwellung des Hornhautstromas und Hornhautepithels 4 Hornhautdystrophien: hereditäre Erkrankungen
Phthisis bulbi Definition. Im Rahmen einer Phthisis bulbi kommt es auch zur Atrophie von Ziliarepithel, Retina und N. opticus infolge der chronischen Drucksteigerung.
Katarakt (grauer Star) nahme führt zur Zerstörung der originären Linsenstruktur (Kolliquationskatarakt, Proliferationskatarakt, Morgagni-Katarakt.
Makroskopie. Makroskopisch/histologisch zeigen sich ein kleiner Bulbus, verdickte Kornea und Sklera, Vernarbung und Irregularität der Gewebskomponenten, Verkalkungen und intraokulare Verknöcherungen o Erblindung möglich.
Makroskopie/Histologie. Kolliquationsnekrosen oder Proliferation von Linsenepithelien.
3.2.4
Ätiopathogenese. Linsentrübung infolge Wasserauf-
Retina (Netzhaut) An der Retina lassen sich folgende pathologische Befunde erheben: 4 Prä-, intra-, subretinale Blutungen 4 Retinale Atrophie 4 Retinale Nekrosen 4 Retinopathia proliferans 4 Retinale Narben Der Zentralarterienverschluss zeigt sich als anämischer Infarkt in der Retina oder im Bereich der Papille. Der Zentralvenenverschluss stellt sich als hämorrhagische Infarzierung innerhalb der Retina mit Papillenödem dar. Für die diabetische Retinopathie sind folgende Befunde typisch: 4 Cotton-wool-Herde, fleckförmige intraretinale Blutungen 4 Mikroaneurysmen 4 Arteriolosklerose mit Arteriolen- und Kapillarokklusionen 4 Vaskuläre Proliferation intra- und präretinal Die Amotio retinae (Netzhautablösung) zeigt sich histologisch mit einem eiweißreichen Exsudat zwischen Retina und Pigmentepithel der Aderhaut (PAS-positiv). Bei der Retinoschisis (Netzhautspaltung) fehlt ein subretinales Exsudat. Beim Retinoblastom ergibt sich histologisch das typische Bild des embryonalen, rosettierten Tumors mit Flexner-Wintersteiner-Rosetten und Pseudorosetten, in enddifferenzierten Stadien können diese jedoch fehlen. Das maligne Melanom der Iris ist ein unterschiedlich stark pigmentierter Tumor. Nach einem in der Regel arteriellen Gefäßverschluss zeigt sich histologisch eine Nervenfasernekrose. Bei der Optikusatrophie bei Glaukom ergibt sich ein fehlendes subretinales Exsudat.
Erkrankungen der Sinnesorgane – Ohr (7 HNO)
3.2.4.1 Äußeres Ohr Otitis externa Definition. Entzündung des Außenohrs. Makroskopie/Histologie. Rötung, Schwellung; Entzündungszellinfiltrate mit teilweiser Gewebsdestruktion.
Chondrodermatitis nodularis chronica helicis Definition. kleine, sehr druckschmerzhafte Knötchen an der Ohrmuschel unklarer Ätiologie. Morphologie. Es zeigen sich Entzündungsinfiltrat um Knorpel und in der Dermis. > Am äußeren Ohr treten zudem auf: Keloid (zumeist posttraumatisch), Gichttrophe Knorpel und Subkutis des Außenohrs, Tumoren: Kerato-Akanthome, Basaliome, Plattenepithelkarzinome.
3.2.4.2 Mittelohr Nichtentzündliche Erkrankung des Mittelohrs Otosklerose Definition. Sklerose des Labyrinths und später der Gehörknöchelchen (7 HNO, Kap. 3.1.5.5). Histologie. Bindegewebsproliferation mit ungleichmäßiger Knochenneubildung bei gleichzeitigem Knochenersatz durch dieses Weichgewebe.
3.2.4.3 Innenohr Morbus Menière Definition. Anfallsartige Störung des Innenohrs und Vestibularapparats, meist einseitig. Histologie. Hydrops des Endolymphbereiches mit pa-
thologischer Endolymphansammmlung.
150
Kapitel 3 · Pathologie
! Cave Otitis media ist oft primärer Streuherd für fortgeleitete Entzündungen (Meningitis, Enzephalitis, Karditis, Sepsis.
3
3.2.5
Neuroendokrines System (7 Innere Medizin)
Dysfunktionen der Schilddrüse Myxödem Definition. Im Rahmen einer Hypothyreose kann es zum Myxödem kommen: teigige, blasse, trockene Haut. Histologie. Glukosaminoglykan: Ansammlung im Bin-
degewebe.
3.2.5.1
Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen) Sheehan-Syndrom Definition. Post-partum-Nekrose der Hypophyse.
Morbus Basedow Definition. Autoimmune Hyperthyreose durch Immunglobuline gegen TSH-Rezeptoren der Follikelepithelzellmembran.
Makroskopie/Histologie. Nekrose der Hypophyse; im
Makroskopie. Schilddrüsenvergrößerung ohne Fixation an das umgebende Gewebe, weiche, gelb-braune Schnittfläche.
Spätstadium Vernarbung. Syndrom der »leeren« Sella Definition. Herniation der Arachnoidea in die Sella tur-
cica bei defektem Diaphragma sellae. Makroskopie/Histologie. In der Regel Kontinuitätsunterbrechung des Sellabodens mit zystischer Ausstülpung der Arachnoidea mater in die Sella turcica; manchmal auch Hypophysenresiduum nach Nekrose eines Großteils der Hypophyse (7 Sheehan-Syndrom)
3.2.5.2
Schilddrüse (7 Innere Medizin, Kap. 8.4) Kongenitale Anomalien bzw. Fehlbildungen Thyroglossuszyste Definition. Persistenz des Ductus thyroglossus ventral der Trachea, in Mittellinie.
Histologie. Regelrecht angeordnete Follikel, intrafollikuläre Papillen ohne Bindegewebs-Gefäßachsen, spärlich Kolloid im Follikellumen, Vakuolisierung im Follikel-Randbereich, lymphozytäre Infiltration des Strumas.
Gutartige Tumoren der Schilddrüse Follikuläres Adenom Definition. Gutartiger, epithelialer Tumor mit follikulärer Differenzierung. Morphologie. Meist solitärer, von Kapsel umgebener, scharf begrenzter Tumor mit Kompression des umgebenden Parenchyms. Histologie. Vereinzelt trabekuläre, onkozytäre, hellzel-
Makroskopie/Histologie. Zystenwand oft plattenepi-
thelial und follikelepithelial ausgekleidet; muzinöser Zysteninhalt. Thyreoiditis Definition. Entzündliche Erkrankung der Thyreoidea. Zu unterscheiden sind die Formen: 4 Granulomatöse Thyreoiditis (Thyreoiditis de Quervain): histiozytäre Granulome mit mehrkernigen Riesenzellen 4 Chronische lymphozytäre Thyreoiditis (Hashimoto): lymphdichtes, diffus-lymphoplasmozelluläres Infiltrat mit Makrophagen und lymphogene-Formen mit Keimzentren; Spätstadium: Fibrose, makroskopisch Verkleinerung des Organs 4 Chronisch-invasiv-fibröse Thyreoiditis (Thyreoiditis Riedel): völlige Destruktion mit lymphoplasmozellulärem Entzündungsinfiltrat und Fibrose
lige Differenzierung. > Seltenere benigne Tumoren sind trabekuläre Adenome, Adenolipome, Keratome, Hämangiome, Granularzelltumoren.
Maligne Tumoren der Schilddrüse Follikuläres Karzinom Definition. Maligner epithelialer Tumor mit follikulärer Differenzierung ohne papilläre Anteile. Makroskopie. Schnittfläche braun, teils grau mit teils zentraler Narbenbildung. Histologie. Follikuläre Grundstruktur, Durchbruch
der Tumorkapsel mit Infiltration des angrenzenden Strumas, Kapselveneneinbrüchen (mikroinvasives Karzinom, Invasion großer Venen; makroinvasives Karzinom).
151 3.2 · Spezielle Pathologie
Papilläres Karzinom Definition. Maligner epithelialer Tumor mit papillärer, fokal auch follikulärer Grundstruktur. Makroskopie. Schnittfläche Weiß bis grau, sehr kleine
Läsionen! Histologie. Irreguläre, verlängerte Follikel mit unterschiedlicher Ausprägung der follikulären Komponente, einfache oder verzweigte Papillen mit fibrovaskulärzentralen Achsen, überlappende Tumorzellen, Milchglaskerne, feinkörniges Chromatin, vereinzelt auch Kalzifikationsherde (Psammomkörper).
Medulläres Karzinom Definition. Maligner Tumor mit B-Zell-Differenzierung; Produktion von Kalzitonin, »calcitonin gene peptide« (CEA, karzinoembryonales Antigen), häufig Somatostatin, »gastrin releasing peptide« (GRP), Serotonin, ACTH, Prostaglandine. Neuroendokrine Differenzierung. Immunhistoche-
mische Positivität für Chromogranin A, neurosekretorische Granula, elektronenmikroskopisch sichtbar. Anaplastisches Karzinom Definition. Höchst maligner Schilddrüsentumor. Makroskopie. Großer, weicher Tumor, Schnittfläche
grau mit zahlreichen, ausgedehnten zentralen Nekrosen mit Einblutungen. > Nichtepitheliale Tumoren der Schilddrüse sind maligne Lymphome (in der Regel immunoblastische Non-Hodgkin-Lymphome), maligne Endotheliome (selten), Fibrosarkome, Osteosarkome (selten).
! Cave Metastasen der Schilddrüse stammen häufig von malignen Melanomen, Bronchus-, Mammakarzinomen, hellzelligen Nierenzellkarzinomen (die Differenzialdiagnose zur hellzelligen Variante des follikulären Schilddrüsenadenoms oder -karzinoms ist die Immunhistochemie auf Thyreoglobulin).
3
Histologie. Tumorzellstränge durch stark vaskularisierte Bindegewebssepten voneinander abgetrennt; solide oder follikuläre Grundstruktur zumeist als dominierende Tumorkomponente, vereinzelt onkozytäre Transformation; Karzinom: breite Bindegewebssepten, Mitosen, trabekulärer Aufbau, Kapselinvasion, Gefäßeinbrüche, Zeichen älterer Einblutungen.
3.2.5.4
Nebennieren (7 Innere Medizin, Kap. 8.3) Nebennierenfehlbildungen – Hyperplasie Makroskopie/Histologie. Variabel, Gesamtgewicht beider Nebennieren gemeinsam über 12 g, Rindenbreite über 1 mm, diffuse oder noduläre Hyperplasie; jede der 3 Rindenzonen kann hyperplastisch sein Endokrinopathien durch Erkrankungen der Nebennierenrinde Hyperkortisolismus Morphologie. Man unterscheidet: 4 Hypothalamisch-hypophysäre Form: ACTH-produzierend, Hypophysenadenom 4 Adrenale Form: primär Kortisol produzierender Tumor 4 Paraneoplasien (kleinzellige Bronchuskarzinome, Thymome, endokrine Pankreastumoren) 4 Iatrogene Form: bei langer Glukokortikoidgabe Hyperaldosteronismus Dem primären Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) liegt eine inadäquat gesteigerte Sekretion von Aldosteron durch die Nebennieren mit Suppression der Reninsekretion zugrunde. Makroskopie. Aldosteron-produzierende Adenome:
goldgelbe Schnittfläche. Waterhouse-Friderichsen-Syndrom Definition. Akute Nebennierenrinden-Insuffizienz durch Sepsis und Endotoxinschock mit disseminierter intravasaler Gerinnung und hämorrhagischer Nekrose infolge einer Sepsis. Makroskopie. Ausgedehnte Hämorrhagien und Ne-
krosen. 3.2.5.3
Nebenschilddrüsen (7 Innere Medizin, Kap. 8.5) Primärer Hyperparathyreoidismus Ätiopathogenese. Nebenschilddrüsenadenome, Karzinome, selten primäre Hyperplasie. Makroskopie. Adenom umkapselt, Schnittfläche gelb-
braun. Karzinom: verbacken mit umgebendem Stroma.
Primäre chronische NebennierenrindenInsuffizienz (Addison-Syndrom) Definition. Abnahme oder Ausfall der Nebennierenrindenhormon-Sekretion durch Destruktion, Rezeptormutation oder Enzymmutation der Nebennierenrinde.
152
Kapitel 3 · Pathologie
Makroskopie. Ausgedehnte Zerstörung des Nebennie-
Makroskopie. Schnittfläche rotbraun, Konsistenz pral-
renrindenparenchyms mit lymphozytärer Inflammation o Atrophie als Folge.
lelastisch, Kapsel. Histologie. Alveoläre Grundarchitektur, typische Zell-
3
Tumoren der Nebennierenrinde Adenom Histologie. Goldgelbe bis gelbbraune Schnittfläche, prominente Kapsel. Hohe Mitosezahl, atypische Mitosen, Gefäßinvasion. Zytologie. Hell-, kompakt-, glomerulos-, gemischtzel-
lige Adenome, je nach dominierendem Zelltyp. Karzinom Makroskopie. Gelbbraun, breite Nekrosen, Einblutungen (meist groß). Kriterien. Invasion mit angrenzendem Stroma, Kapsel-
barren und -stränge, prominentes, kapilläres Gefäßnetzwerk, Zellmitosen. ! Cave Paragangliome neigen zu Rezidiven.
3.2.5.5
Disseminiertes neuroendokrines System Hyperplasie von ECL-Zellen im Magenkorpus Zur Hyperplasie von ECL-Zellen im Magenkorpus kommt es bei chronisch-atrophischer Korpusgastritis im Rahmen einer perniziösen Anämie mit autoimmuner Destruktion der HCL und Intrinsic-factor-bildenden Parietalzellen.
durchbruch. Hyperinsulinämische Hypoglykämie Nebennierenmark, Paraganglien Phäochromozytom Definition. Tumor des Nebennierenmarks oder der chromaffinen Zellen anderer Lokalisationen (extraadrenales Paragangliom). Makroskopie. Zumeist kleine Tumoren, Schnittfläche grau, nach Oxidation braun.
Definition. Überproduktion von Insulin im Neugebo-
renen- und Säuglingsalter (in der Regel). Morphologie. Diffuse (Inseln mit hypertrophierten und persistierenden Insulin-produzierenden Zellen im gesamten Pankreas) oder fokale Nesidioblastose (beschränkt auf einen Lobulus). ! Cave
Histologie. Alveoläre Grundtextur mit polygonalen
Zellen, hohe zelluläre und nukleäre Polymorphie.
Hyperinsulinämische Hypoglykämie im Erwachsenenalter ist Folge eines insulinproduzierenden Tumors.
Neuroblastom, Ganglioneuroblastom, Ganglioneurom Definition. Maligner Tumor des Nebennierenmarkes und der Paraganglien, häufiger Tumor im Kleinkindesalter (in der Regel vor dem 2. Lebensjahr).
Neuroendokrine Tumoren des Pankreas Definition. Zu den neuroendokrinen Pankreastumoren gehören Insulinom, Gastrinom, VIPom, Glukagonom, ACTH-produzierende Tumoren, Tumoren ohne hormonelle Syndrome (7 Innere Medizin, Kap. 5.4.3).
Makroskopie. Lobulierter, weicher Tumor mit rotbrauner Schnittfläche mit Einblutungen, Nekrosen und Verkalkungen.
Histologie. Hochdifferenziertes Zellbild.
Histologie. Kleinzelliger Tumor mit vergrößerten, hy-
perchromatischen Zellkernen. > Die Transformation vom Neuroblastom zum malignen Ganglioneuroblastom ebenso möglich wie Ausreifung zum benignen Ganglioneurom.
Paragangliome Definition. Tumoren in extraadrenalen Paraganglien (Karotisgabel, Mittelohr).
3.2.5.6 Polyglanduläre Störungen Multiple endokrine Neoplasie Typ I (MEN I) Definition. Seltene, autosomal dominant vererbte Erkrankung (7 Innere Medizin, Kap. 8.6) mit Tumoren in Nebenschilddrüse, Duodenum, Pankreas, Hypophyse, Haut, Fettgewebe, neuroendokrinen Zellen des MagenDarm-Trakts, Nebennierenrindentumoren. Multiple endokrine Neoplasie Typ II (MEN II) Definition. Autosomal-dominant vererbte Erkrankung mit Tumoren der Nebenschilddrüsen, C-Zellen (medulläres Schilddrüsenkarzinom), Tumoren des Nebennierenmarkes (Phäochromozytome).
153 3.2 · Spezielle Pathologie
> Die pluriglanduläre endokrine Insuffizienz ist eine komplexe autoimmun bedingte Endokrinopathie.
3.2.6
Herz und Koronargefäße
3.2.6.1
Herzvitien (Herzfehlbildungen; 7 Pädiatrie, 7 Kap. 2.16) Ätiopathogenese. 90% aller kindlichen Herzerkrankungen sind angeborene Fehlbildungen. Die Genese ist multifaktoriell (Trisomie, Monosomie X, Di GeorgeSyndrom, Williams-Beuren-Syndrom, Medikamente wie Thalidomid, Hydantonin; Diabetes mellitus der Mutter, mütterliche Phenylketonurie, Alkohol, Rötelnvirusinfektion der Mutter während der Schwangerschaft. Etwa die Hälfte der Kinder haben weitere Fehlbildungen. 3.2.6.2 Pathologie des Herzleitungssystems Erregungsbildungsstörungen Sick-Sinus-Syndrom (SSS) Diese auch als Bradykardie-Tachykardie-Syndrom bezeichnete Störung stellt die häufigste Erkrankung des Erregungsbildungssystems dar (7 Innere Medizin). Histologie. Oft viele Kollagenfasern im Bereich des Sinusknotens.
Erregungsleitungsstörungen AV-Mesotheliom Dieser vom Mesothel ausgehende Tumor kann zu letal endendem komplettem AV-Block führen.
3
Nichtinfektiöse Endokarditiden Endocarditis verrucosa rheumatica Ätiopathogenese. Diese infektallergisch bedingte Endokarditis tritt nach unbehandeltem Infekt mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A (akutrheumatisches Fieber); gemeinsam mit Pankarditis, Polyarthritis, kutanen Hauteffloreszenzen (Erythema marginatum), neurologischer Symptomatik (Chorea minor) auf. Morphologie. Histologisch zeigen sich folgende Be-
funde: 4 Exsudative Frühphase (rheumatische Frühinfiltrate): fibrinoide Nekrosen (oberflächliche Thromben, Exulzeration des Endothels 4 Proliferative Phase (nach 3–8 Wochen): Ausbildung Aschoff-Geipel-Knoten (rheumatische Granulome): zentrale fibrinoide Nekrose von lymphoplasmozellulärem Entzündungsinfiltrat mit Histiozyten und mehrkernigen Riesenzellen umgeben 4 Abräumreaktion mit fibroblastenreicher Granulationsgewebsbildung in Form einer rheumatischen Narbe Endocarditis thrombotica Ätiopathogenese. Im Rahmen von allgemeinem Marasmus (Endocarditis marantica), bei Urämie oder ausgedehntem Tumorleiden. Morphologie. Warzenartige Auflagerungen an den glatten Schließungsrändern der Herzklappen mit sekundär thrombotischen Anlagerungen.
Morphologie. Mesotheliomzellen infiltrieren AV-Kno-
ten und His-Bündel. 3.2.6.3 Endokardpathologie Infektiöse Endokarditis Akute infektiöse Endokarditis Definition. Durch Streptokokken, Staphylococcus aureus, Pneumokokken, Enterokokken, Candida, Aspergillus und Rickettsien verursachte Infektion des Endokards. Morphologie. Endocarditis ulceropolyposa mit Ulzera-
tionen, Thromben mit Keimbesiedelung und zahlreichen neutrophilen Granulozyten. Subakute infektiöse Endokarditis Definition. Von einer Endocarditis lenta geht man bei einer Infektionsdauer von >40 Tagen aus. Morphologie. Klappenschäden, diskreter ausgeprägt
im Vergleich zur akuten infektiösen Endokarditis
Endocarditis thrombotica Libman-Sacks Ätiopathogenese. Systemischer Lupus erythematodes (SLE), weitere Kollagenosen. Morphologie. Verruca an Klappenschließungsrändern
und am parietalen Endokard. Endokarditis beim Karzinoidsyndrom Morphologie. Fibrosierende Endokarditis im rechten Ventrikel mit Beteiligung der Trikuspidal- und Pulmonalklappe. Endocarditis parietalis fibroplastica Löffler Morphologie. Fehlen von valvulären Läsionen, hingegen parietales Endokard und Myokard von eosinophilen Granulozyten durchsetzt, später diffuse Endomyokardfibrose.
154
3
Kapitel 3 · Pathologie
Herzklappenstenose/-insuffizienz 4 Mitralklappenstenose: Kleiner linker Ventrikel bei großem, dilatiertem linkem Vorhof. Die Ringverkalkung der Mitralklappe bleibt ohne hämodynamische Folgen. 4 Mitralklappeninsuffizienz: Sie führt bis zum Mitralklappenprolaps (Vorwölbung der Mitralsegel in den Vorhof), myxoide Degeneration der Mitralklappen. 4 Aortenklappenstenose: Ausgeprägte Verkalkungen mit Verengung des Aortenostiums; Differenzialdiagnose zu rheumatischer Endokarditis: Klappenkommissuren sind nicht verwachsen! 4 Aortenklappeninsuffizienz: Ein vollständiger Klappenschluss ist nicht möglich. Koronare Herzkrankheit/ Myokardinfarkt (7 3.1.11.2) Koronare Herzkrankheit (KHK) Definition. Summe aller morphologischen und funktionellen stenosierenden Koronargefäßerkrankungen; sie führen zur mangelhaften Blutversorgung des Myokards mit Sauerstoff (7 Innere Medizin, Kap. 1.3).
4 Nach 6 Wochen Fibrose und Vernarbung: typische Lokalisation des Myokardinfarktes entsprechend dem Gefäßversorgungstyp: Vorderwandinfarkt, Hinterwandinfarkt, Seitenwandinfarkt, zumeist linkes Herz betroffen 3.2.6.5 Myokard Primäre Kardiomyopathien Definition. Erkrankungen des Myokards, die mit einer kardialen Dysfunktion einhergehen (Typen: dilatative, hypertrophe, restriktive, arrhythmogene rechtsventrikuläre, nicht klassifizierbare Kardiomyopathien). Dilatative Kardiomyopathie Makroskopie. Ausgeprägte Dilatation der Ventrikel bei normaler Myokardwandstärke.
3.2.6.4
Morphologie. Meist Mehrgefäßerkrankung, atheromatöse Plaques, das Gefäßlumen okkludierende oder nicht okkludierende Thromben.
Absolute Koronarinsuffizienz, Myokardinfarkt Definition/Ätiopathogenese. 7 Kap. 3.1.11.2. Lokalisation/Morphologie. Das Infarktareal entspricht
dem Versorgungsgebiet der betroffenen Koronarie. Man unterscheidet folgende Formen: 4 Transmuraler Infarkt (lange Ischämiedauer): alle Wandschichten 4 Innenschichtinfarkt (kürzere Ischämiedauer): nur subendokardiales Myokard
Histologie. Leicht- bis mittelgradige interstitielle Fibrose ohne begleitendes Entzündungsinfiltrat, Kaliberschwankungen der Myokardiozyten ohne Nekrosen.
Hypertrophe Kardiomyopathie Makroskopie. Asymmetrische Hypertrophie des ventrikulären Septums, führt oft zu subvalvulärer muskulärer Aortenstenose. Histologie. Irreguläre, wirbelartige Herzmuskelfaserund Myofibrillen-Architektur, interstitielle Fibrose und diskrete Endokardfibrose. > Makroskopie der hypertrophen, nicht obstruktiven Kardiomyopathie (HNCM): Hypertrophie von spitzennaher Kammermuskulatur und freier Wand des linken Ventrikels, hier keine Obstruktion der Ausflussbahn.
Restriktive Kardiomyopathie Makroskopie. Starke Lumeneinengung des Ventrikels. Histologie. Endomyokardfibrose, Parietalthromben.
Makroskopie. 6–24 h nach Myokardinfarkt lehmfar-
bene Abblassung, hyperämischer Randsaum. Nach 3–7 Tagen deutliche lehmfarbene Nekrose, rotes Granulationsgewebe in Randbezirken. Nach 6 Wochen Narbenbildung (Schwielenherz). Histologie. Erste Zeichen nach 4–6 h: Kontraktionsbänder, wellige Degeneration, Einwandern neutrophiler Granulozyten. Weiterhin finden sich: 4 Nach 6–24 h: Koagulationsnekrose mit zahlreichen neutrophilen Granulozyten 4 Nach 3–7 Tagen: Nekrosenabbau durch Makrophagen, Granulationsgewebsbildung, vermehrt Kollagenfasern
Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVCM) Makroskopie. Rechtsventrikuläre Kardiomyopathie, Fettgewebs- und Kollagenfasereinlagerungen.
Sekundäre Kardiomyopathien Sekundären Kardiomyopathien liegen ischämische, hypertensive, valvuläre, metabolische, toxische u. a. Störungen zugrunde. Myokarditis Ätiopathogenese. Infektiöse und nichtinfektiöse For-
men (7 Innere Medizin, Kap. 1.6):
155 3.2 · Spezielle Pathologie
4 Infektiöse Myokarditis, z. B.: 5 Toxoplasmose: Toxoplasmen sind nachweisbar in Pseudozysten innerhalb aufgequollener Kardiomyozyten, ausgeprägte Inflammation fehlt 5 Chagas-Erkrankung (Erreger Trypanosoma cruzi): Stark dilatierte Ventrikel mit schlaffen Kammerwänden, lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate, feinfleckige Myokardnekrosen, selten Pseudozysten, Destruktion von Nervenzellen in Vorhofganglien 5 Virale Myokarditis. akute Myokarditis: fokale oder diffuse mononukleäre Entzündungsinfiltrate mit Myozytolyse, interstitielles Ödem 4 Nichtinfektiöse Myokarditiden, z. B. hypereosinophile Myokarditis: zahlreiche eosinophile Granulozyten in Endo- und Myokard, Kardiomyozytennekrosen 4 Abgeheilte Myokarditis: lymphozytäres Infiltrat ohne Zytolyse, Narben (»Schwielenherz«) 3.2.6.6 Perikard Perikarditis Definition. Entzündung des Perikards (7 Innere Medizin, Kap. 1.8).
3
. Tab. 3.16. Primäre Herztumoren Benigne Herztumoren
Maligne Herztumoren
Myxom Rhabdomyom, PurkinjeZell-Hamartom
Rhabdomyosarkom
Seltene Formen Fibroelastom Mesotheliom
Mesotheliom
Lipom
Liposarkom
Hämangiom
Epitheloides Hämangioendotheliom Angiosarkom
Granularzelltumor Neurinom
Malignes Schwannom
Neurofibrom
Neurofibrosarkom
Paragangliom Lymphom, malignes fibröses Histiozytom
Morphologie.
4 Seröse, fibrinöse, eitrige Perikarditis: bei bakterieller Ursache 4 Fibrinöse Perikarditis: bei Urämie 4 Fibrinöse bzw. serofibrinöse oder hämorrhagische Pericarditis epistenocardica (nach massivem Herzinfarkt) 4 Serofibrinöse Perikarditis: auch rheumatische Perikarditis 4 Granulomatöse Perikarditis: bei Tuberkulose 4 Fibrinöse, seröse, hämorrhagische Perikarditis: bei tumoröser Ursache 4 Serofibrinöse Perikarditis: posttraumatisch/postoperativ 3.2.6.7 Herztumoren Primäre Herztumoren (. Tab. 3.16) Vorhofmyxom (kardiales Myxom) Das Vorhofmyxom ist der häufigste Herztumor. Makroskopie. Polypös gelappter Tumor, zumeist ge-
stielt, oft thrombotisch überlagert. Histologie. Myxoide Grundtextur mit variabler Histo-
morphologie.
> Sekundäre Herztumoren sind deutlich häufiger als primäre kardiale Tumoren, häufigste Primärtumoren sind maligne Melanome, Bronchialkarzinome, Mammakarzinome, maligne Lymphome.
3.2.7
Gefäßsystem
3.2.7.1
Arteriosklerose (7 Innere Medizin, Kap. 2.1.2) Definition. Begriff für verschiedene Arterienerkrankungen mit Gefäßwandverdickung mit nachfolgendem Elastizitätsverlust und Lumeneinengung (7 Kap. 3.1.11.1). Morphologie/Histologie. Zuerst Lipidflecke (»fatty
streaks«): kleine gelbe, runde bis ovale Einlagerungen in der Gefäßintima, später konfluierende, streifenförmige Läsionen. Akkumulation von lipidenthaltenden Makrophagen (Schaumzellen) in endothelnahen, oberflächlichen Schichten der Intima, extrazelluläre Lipidtröpfchen.
156
Kapitel 3 · Pathologie
Atherosklerotische Plaques Definition/Histologie. Cholesterin und Cholesterinester mit Lipidkern in der Intima, umgebend fibröse Kappe.
3
4 4 4 4 4 4
Atherosklerotisches Aneurysma Kongenitales Aneurysma Traumatisches Aneurysma Mykotisches Aneurysma (entzündlich) Arteriovenöses Aneurysma Aneurysma bei Marfan-Syndrom, Ehlers-DanlosSyndrom
Makroskopie. Weiße, teils weißgelbe Herde, die sich in das Arterienlumen vorwölben, Schnittfläche fest, weiß, zur Tiefe hin weißgelb, weich. Atherosklerotische Plaques in voller Ausprägung weisen eine Hyperplasie der glatten Muskelzellen, zahlreiche Makrophagen in Form von Schaumzellen, daneben Monozyten und Leukozyten, Intimafibrose, Mediahyperplasie, Kapillarproliferation im Randbereich.
Makroskopie. Wandnekrose, Einblutungen und Thrombosenbildung im Bereich der renalen Arteriolen.
Komplikationen. Verkalkungen, Rupturen, Ulzeratio-
3.2.7.3
nen, Hämorrhagien, Thrombosierungen, Ausbildung von aneurysmatischen Aussackungen.
Histologie. Intimaverbreiterung ist sehr prominent.
Idiopathische Medianekrose Erdheim-Gsell Definition. Wohl genetisch bedingte Media-Strukturstörung.
Mediasklerose Mönckeberg Definition. Vorzugslokalisation in der Media, nicht in
Histologie. Atrophe Media der Aorta mit dünnen, aus-
der Intima (im Gegensatz zur Atherosklerose).
gefransten elastischen Fasern, reichlich Proteoglykaneinlagerungen zwischen Myozyten.
Histologie. Degenerative Prozesse in glatten Muskelzel-
len neben Hyperkalzämie o Lipid- und Kalziumablagerungen, vereinzelt auch Osteoid- und Knochenbildung. 3.2.7.2
Aneurysmen
Definition. Umschriebene Lumenerweiterungen der
Arterien (. Abb. 3.19). > Subtypen des Aneurysma verum sind Aneurysma fusiforme, Aneurysma sacciforme, kahnförmiges oder serpentiformes Aneurysma.
Ätiopathogenese. Je nach Ursache werden folgende Formen eines Aneurysma unterschieden:
3.2.7.4
Primäre Vaskulitiden (7 Innere Medizin, Kap. 2.1.4) 4 Große Arterien: Takayasu-Arteriitis, Riesenzellarteriitis: jeweils granulomatöse Entzündung 4 Mittelgroße Blutgefäße: Polyarteriitis nodosa, Thrombangiitis obliterans (Buerger), KawasakiErkrankung: jeweils nekrotisierende Entzündung 4 Kleine Blutgefäße: Wegener-Granulomatose, Churg-Strauss-Syndrom: nekrotisierend-granulomatöse Vaskulitis, mikroskopische Polyarteriitis Schönlein-Henoch-Purpura Definition. Kutane leukozytoklastische Vaskulitis, essenzielle Kryoglobulinämie. Histologie. nekrotisierend-lymphozytäre Entzündung.
3.2.7.5 Sekundäre Vaskulitiden Sekundäre Vaskulitiden können Folge von Infektionen, chronisch-entzündlichen Erkrankungen (z. B. systemischer Lupus erythematodes, 7 Dermatologie), Tumoren (z. B. Non-Hodgkin-Lymphome, 7 Innere Medizin, Kap. 7.5.2), Medikamenten oder Fremdproteinen (z. B. Serumkrankheit) sein.
. Abb. 3.19. Aneurysmaformen. (Aus Reuter 2004)
3.2.7.6 Venenerkrankungen Hierher gehören Phlebitis, Thrombophlebitis, Phlebothrombose, Phlebektasien, Varizen (7 Kap. 3.1.11.6, 7 Innere Medizin, Kap. 2.2).
157 3.2 · Spezielle Pathologie
3.2.8
Pathologie von Blut und Knochenmark
3.2.8.1
Nicht-neoplastische Störungen der Erythropoese
Anämie Definition. Verminderung der Erythrozytenzahl, der Hämoglobinkonzentration oder des Hämatokrits (7 Innere Medizin, Kap. 7.2).
Polyglobulie (Erythrozytose; 7 Innere Medizin, Kap. 7.3) Definition. Sekundäre Steigerung der Erythrozytopoese (z. B. bei chronischer Hypoxie und reaktiver Erythropoetinbildung oder auch bei autonomer Erythropoetinvermehrung infolge paraneoplastischer Syndrome oder bei exogener Zufuhr von Erythropoetin beim Doping). Histologie. Hyperzelluläres Knochenmark mit zahlreichen Erythrozyten. Nicht-neoplastische Störungen der Granulozytopoese.
Morphologische Alterationen Angeborene Störungen: 4 Leukozytenadhäsionsdefekt 4 Pelger-Huët-Anomalie (autosomal-dominant), Pelger-Zellen: neutrophile Granulozyten mit nur 2 Kernpigmenten Erworbene Störungen: 4 Hypersegmentierung bei megaloblastärer Anämie 4 Toxische Granulationen bei Infektion 4 Pelger-Zellen bei Patienten mit Myelodysplasie Zahlenmäßige Alteration der Granulozytopoese In Bezug auf die Anzahl der Zellen gibt es folgende Störungen der Granulozytopoese: 4 Granulozytose 5 Neutrophile Leukozytose 5 Leukämoide Reaktion: zahlreiche unreife myeloische Zellen im peripheren Blut bei Hämolyse, Infektionen, metastasierenden Malignomen 5 Eosinophile Leukozytose, allergische Erkrankungen 5 Basophile Leukozytose 4 Verminderung der Zellzahl der granulozytären Reihe (Neutropenie) 5 Angeboren: Kostmann-Syndrom (autosomalrezessiv) 5 Erworben: Autoimmunerkrankungen, medikamentös verursacht
3
3.2.8.2
Infektionen und reaktive Veränderungen in Blut und Knochenmark Infektionskrankheiten Bei Infektionen lassen sich folgende Befunde erheben: 4 Peripheres Blut: Granulozytose mit Linksverschiebung, im Rahmen bakterieller Infektionen oft deutliche große Unterschiede der Erythrozyten (Anisozytose) und Formvariabilität (Poikilozytose); bei viralen Infekten v. a. ausgeprägte Lymphozytose 4 Knochenmarksalteration 5 Bakterielle Infektionen: mit Linksverschiebung der Granulozytopoese, teils Reduktion der Erythrozytopoese, geringfügige Steigerung der Megakaryozytopoese 5 Virale Infektionen: Lymphozytose, teils auch hypoplastische Erythrozytopoese oder Megakaryozytopoese 3.2.8.3
Neoplastische Knochenmarkserkrankungen Chronische myeloproliferative Erkrankungen Zu den chronisch myeloproliferativen Erkrankungen gehören chronische myeloische Leukämie, Osteomyelofibrose, Polycythaemia vera und essenzielle Thrombozythämie (7 Innere Medizin, Kap. 7.3.1).
Chronische myeloische Leukämie (CML) Ätiopathogenese. Translokation t(9;22) mit Bildung des bcr-abl-Fusionsgens Histologie. Hyperzelluläres Knochenmark mit deut-
licher Reduktion des Fettmarkanteiles und Steigerung der Granulozytopoese mit Linksverschiebung, perivaskuläre und peritrabekuläre granulopoetische Reifungszonen deutlich verbreitert, Ausreifung der Granulopoese erhalten, variabler Gehalt an Megakaryozyten, zahlreiche Mikromegakaryozyten (hypolobulierte, kleine Megakaryozyten – typische Morphologie), häufig Histiozyten und Pseudo-Gaucher-Zellen, Verdichtung des Retikulinfasernetzwerks. Der Blastengehalt in der chronischen Phase (3–4 Jahre) liegt bei unter 5% der kernhaltigen Zellen. Linksverschiebung im Akzelerationsstadium, daneben Basophilie und Eosinophilie der Granulozytopoese o deutliche Basophilie, persistierende Thrombozytopenie oder Thrombozytose, Milzvergrößerung, verstärkte Leukozytose im peripheren Blut; gesteigerte Megakaryozytopoese, deutliche Verfaserung mit Markraumfibrose.
158
Kapitel 3 · Pathologie
! Cave Komplikation: Blastenschub: Blasten machen 20% im peripheren Blut oder Knochenmark aus o Transformation in sekundäre akute Leukämie.
3
Weitere chronische myeloproliferative Erkrankungen 4 Chronische Neutrophilenleukämie (CNL) 4 Chronische Eosinophilenleukämie (CEL) und Hypereosinophiliesyndrom 4 Polycythaemia vera (PV): deutlich hyperzelluläres Knochenmark mit Vermehrung aller 3 hämatopoetischen Reihen mit Dominanz der Erythro- und Megakaryozytopoese, mögliche Linksverschiebung der Erythrozytopoese, teils deutliche Pleomorphie der Megakaryozyten, Sinusdilatation 4 Essenzielle Thrombozythämie (ET) 5 Histologie: normozelluläres, diskret hyperzelluläres Knochenmark mit deutlich vermehrten, oft vergrößerten Megakaryozyten mit pleomorphen Kernen, Cluster von Megakaryozyten, weitere hämatopoetische Reihen unauffällig 5 Peripheres Blut mit erhöhter Thrombozytenzahl und ausgeprägter Anisozytose der Thrombozyten, vermehrt Riesenthrombozyten, vereinzelt Neutrophilie 4 Chronisch idiopathische Myelofibrose (Osteomyelofibrose/Osteomyelosklerose) 5 Histologie: Hyperzelluläres Knochenmark mit Hyperplasie der Megakaryozytopoese, vermehrtes, linksverschobenes, überwiegendes Ausreifen der Granulopoese, Kernpleomorphie der Megakaryozyten, Clustering der Megakaryozyten, Sinusdilatation, Markraumfibrose progredient o hypozelluläres Knochenmark im Spätstadium (kann oft zur Punctio sicca führen) 4 Splenomegalie mit extramedullärer Blutbildung Myelodysplastische Syndrome (MDS) Definition. Verschiedene erworbene hämatologische Krankheitsbilder mit progredienter Knochenmarksdysfunktion und peripherer Panzytopenie; Knochenmark in der Regel hyperplastisch; es handelt sich hier um klonale Erkrankungen mit verminderter, ineffizienter Hämatopoese (7 Innere Medizin, Kap. 7.3.2).
makrozytäre, teils hypochrome Erythrozyten, Retikulozytenzahl erniedrigt, Granulozytenzahl oft reduziert, vermehrt Pelger-Anomalie (einzeln oder zweigeteilte Kerne). Die Thrombozyten sind unterschiedlich groß, fragmentierte Megakaryozyten. Akute Leukämien Definition. Bedingt durch die autonome Proliferation
eines Stammzellklons kommt es zur Ausschwemmung unreifer Blasten ins periphere Blut. Im Kindesalter überwiegt die akute lymphoblastische Leukämie (ALL), im Erwachsenenalter die akute myeloische Leukämie (AML). Diagnostik. Typische Befunde sind:
4 Blut, Knochenmark: viele undifferenzierte Blasten (großer, atypischer Kern, wenig Zytoplasma) der lymphatischen oder der myeloischen Zellreihe 4 AML: oft Auer-Stäbchen (Peroxidase-positive lysosomale Abbauprodukte) Histologie. Bei der AML findet sich hyperzelluläres Knochenmark mit Verdrängung der nicht neoplastischen Hämatopoese o Thrombozytopenie, Anämie, deutliche Leukozytose im peripheren Blut (es gibt jedoch auch aleukämische oder subleukämische Formen), blastäre Zellen im peripheren Blut sind diagnostisch! Der Blastenanteil im Knochenmark muss über 20% der kernhaltigen Zellen betragen für die Diagnosestellung. Bei der ALL findet sich stark hyperzelluläres Knochenmark mit dichtem Rasen von Lymphoblasten bei massiver Verdrängung der originären Hämatopoese. Es sind 3 Subtypen voneinander abzugrenzen (7 Innere Medizin, Kap. 7.5.2.7). ! Cave Die Ausschwemmung der Blasten kann gering sein – dann ist die Knochenmarkstanzbiopsie entscheidend.
Mastozytose Definition. Atypische Mastzellproliferation. Histologie. Hyperzellularität der Markräume, Mastzelleninfiltrate vorwiegend paratrabekulär und perivaskulär, variabler Gehalt an basophilen Granulozyten, verstärktes retikuläres Fasernetz. ! Cave
Histologie. Es sind mindestens eine bis alle drei Zellrei-
hen im Knochenmark alteriert, Knochenmark in der Regel hyperplastisch, Reifungsstörungen mit Zellkernanomalien. Im peripheren Blut zeigen sich dysmorphe,
Der Blutausstrich zeigt lediglich unspezifische, reaktive Veränderungen, ist somit der Knochenmarksbiopsie deutlich unterlegen.
159 3.2 · Spezielle Pathologie
3
3.2.8.4
Tumormetastasen im Knochenmark Ätiopathogenese. Metastasen im Kindesalter stammen von einem Neuroblastom, Rhabdomyosarkom, Medulloblastom; im Erwachsenenalter sind die Primärtumoren (kleinzelliges) Bronchuskarzinom, Mammakarzinom, Prostatakarzinom, gastrointestinale Karzinome, Nierenzellkarzinome, follikuläres Schilddrüsenkarzinom oder malignes Lymphom.
4 Nodulär sklerosierender Typ: deutliche Sklerose, vereinzelt Nekrosen, auch Granulozyten 4 Gemischtzelliger Typ 4 Lymphozytenarmer Typ: Mitosereichtum, Nekrosen, weniger ausgeprägte lymphozytäre Infiltration 4 Nodulär-Lymphozyten prädominant (Paragranulom): lymphozytenreich in nodulärer Anordnung.
Morphologie. Osteoblastische Metastasen (induzieren
Non-Hodgkin-Lymphome (NHL, 7 Innere Medizin, Kap. 7.5.2) Definition. Heterogene Gruppe von malignen lymphatischen Lymphomen ohne Nachweise von SternbergReed- oder Hodgkin-Zellen. Ursprungszellen können sowohl T- als auch B-Lymphozyten sein.
Knochenanbau durch Osteoblasten)/osteoklastische Metastasen (mit Osteolysen durch Aktivierung von Osteoklasten). 3.2.9
Lymphatisches System
3.2.9.1
Entzündliche Erkrankungen des lymphatischen Systems (Lymphadenitiden) Lymphadenitis Akute Lymphadenitis Definition. Zu unterscheiden ist die akute nichteitrige von der eitrigen Lymphadenitis. Histologie. Akute eitrige Lymphadenitis: neutrophile Granulozyten in den Sinus o später mit Abszedierung.
Chronische unspezifische Lymphadenitis Definition. Follikuläre Hyperplasie = Hyperplasie der B-Zone bei HIV-Infektion im Stadium der Lymphadenopathie, rheumatoider Arthritis, systemischen Lupus erythematodes (SLE). Morphologie der follikulären Hyperplasie. Prominente
Lymphfollikel mit vergrößerten Keimzentren und schmaler Mantelzone, vereinzelt konfluierende Lymphfollikel. 3.2.9.2 Maligne Lymphome Es wird unterschieden zwischen Hodgkin-Lymphomen und Non-Hodgkin-Lymphomen (7 Innere Medizin, 7 Kap. 7.5).
Morphologie. Je nach Subtyp variabel, aber immer ohne Hodgkin- oder Sternberg-Reed-Zellen. . Tab. 3.17 zeigt die Kiel-Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome. 4 Niedrigmaligne Lymphome: wenige blastäre Zellelemente, Zellen sind klein, Zytoplasmasaum ist schmal, Kern ist klein 4 Hochmaligne Lymphome: viele blastäre Zellen, hohe Mitosefrequenz
Dermatotrope Lymphome Hierher gehören die Mycosis fungoides (kutanes T-Zell-Lymphom) und das Sézary-Syndrom (generalisierte Form der Mycosis fungoides). Definition. Kutane T-Helferzelllymphome (NHL). Histologie. Lymphatische Zellen mit zerebriformen Kernen und charakteristischen Einschlusskörpern (Lutzner-Zellen), wenig Zytoplasma. Nach unspezifischer Dermatitis entstehen sog. Darier-Pautrier-Mikroabszesse (intraepidermal gelegene atypische Lymphozyten) – Plaque-Stadium; Tumorstadium mit prominenten Läsionen, polymorphkernige Zellen können leukämoid verteilt werden.
Plasmozytom Synonym. M. Kahler, multiples Myelom.
Morbus Hodgkin Definition. Lymphom mit Hodgkin- und SternbergReed-Zellen.
Definition. Neoplastische Proliferation eines von B-
Histologie. Hodgkin-Zellen, Sternberg-Reed-Zellen (7 Innere Medizin). Zu unterscheiden sind folgende Subtypen: 4 Lymphozytenreicher Typ: zahlreiche reife T-Lymphozyten/klassisch
Histologie. Noduläre oder diffuse Knochenmarksinfiltration. Tumorzellen in unreifen Plasmazellen (plasmazytisches Plasmozytom) oder Plasmoblasten (plasmoblastisches Plasmozytom – hellere Kerne mit prominenten Nukleonen), Graduierung: G1 bis G3.
Lymphozyten abstammenden Plasmazellklons (NHL).
160
Kapitel 3 · Pathologie
. Tab. 3.17. Kiel-Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome (überarbeitet 1988 und 1992)
3
Niedrigmaligne B-Zell-NHL
Niedrigmaligne T-Zell-NHL
Lymphozytisch: CLL, PLL, HCL
Lymphozytisch: CLL, PLL
Lymphoplasmozytisch/-zytoid
Kleinzellig zerebriform (Mycosis fungoides, Sézary-Syndrom)
Plasmozytisch
Lymphoepitheloidzellig (Lennert)
Zentroblastisch-zentrozytisch (CB-CC)
Angioimmunoblastisch (AILD, LgX)
Zentrozytisch (CC)
T-Zonenlymphom Pleomorph, kleinzellig
Hochmaligne B-Zell-NHL
Hochmaligne T-Zell-NHL
Zentroblastisch
Pleomorph mittel- und großzellig
Immunoblastisch
Immunoblastisch
Burkitt-Lymphom Großzellig anaplastisch
Großzellig anaplastisch
Lymphoblastisch
Lymphoblastisch
CLL = chronische lymphatische Leukämie; PLL = Prolymphozytenleukämie; HCL = Haarzellleukämie; LgX = Lymphogranulomatosis X
Immunozytom (Morbus Waldenström) Definition. Seltenes lymphoplasmozytoides Lymphom, bildet monoklonale IgM-Globuline. Histologie. Lymphozytoide Infiltration des Knochenmarks. Lymphknotenarchitektur geht verloren, Kapselfibrose. Subtypen: Lymphoplasmozytisch, lymphoplasmozytoid, polymorph.
Haarzellleukämie Definition. Niedrigmalignes lymphozytisches NHL, von B-Zellen abstammend. Befällt diffus das Knochenmark und die Milz (Splenomegalie). Histologie. Lymphoide Zellen mit exzentrisch gelegenen Zellkernen und haarähnlichen Zellbegrenzungen im Blutausstrich, das Knochenmark zeigt eine argyrophile Markfibrose, Zellbild wirkt homogen, hell.
Chronische lymphatische Leukämie des B-Zelltyps (B-CLL) Definition. Die chronische lymphatische Leukämie ist ein niedrigmalignes NHL. Klonale Proliferation von überwiegend reifen B-Lymphozyten. Histologie. Noduläre oder diffuse Zellrasen von kleinen
lymphatischen Zellen mit rundem, chromatindichtem Kern und teils kleinem Nukleolus, dazwischen immunoblastenähnliche Zellen (Paraimmunoblasten). Peripheres Blut: permanente Leukozytose mit vielen Lymphozyten. Typisch ist das Auftreten sog. Gumprecht-Kernschatten (zerquetschte Leukozyten im Blutausstrich, da sie eine hohe Fragilität aufweisen). Makroskopie. Lymphknoteninfiltrationen, Splenome-
galie. 3.2.9.3
Malt-Lymphome Definition. Meist niedrigmaligne B-Zell-Lymphome (NHL) des mukosaassoziierten Gewebes. Histologie. Prominent sind zentrozytäre und monozytäre Zellinfiltrate.
Proliferative Krankheiten des retikulohistiozytären Systems Histiozytosen Eine Einteilung der Histiozytosen erfolgt nach dem in . Tab. 3.18 dargestellten Schema. Histologie. Verlust der typischen dendritischen
Morphologie der Langerhans-Zellen, gefalteter, nie-
161 3.2 · Spezielle Pathologie
3
. Tab. 3.18. Einteilung der Histiozytosen Langerhans-Zellhistiozytosen (CD1a+)*
Non-Langerhans-Zellhistiozytosen +
+
Klassische Langerhans-Zellhistiozytosen (CD1a , Birbeck-Granula ) +
-
Vorläufer Langerhans-Zellhistiozytosen (CD1a , Birbeck-Granula )
Systemische Non-Langerhans-Zellhistiozytosen Kutane Non-Langerhans-Zellhistiozytosen
* CD steht für »cluster of differenziation«; Expression dieser Oberflächenmoleküle ist charakteristisch für verschiedene Zelltypen; Immunhistochemischer Nachweis basierend auf Antikörpern gegen CD-Moleküle
renartig gelappter Zellkern, prominenter Nukleolus, leicht eosinophiles Zytoplasma. Es sind 3 typische variabel dominierende Reaktionsmuster zu erkennen: 4 Histiozytäres Infiltrat: Abt-Letter-Siwe-Erkrankung, kongenitale Langerhans-Zellhistiozytose 4 Granulomatöse Reaktion: Hand-Schüller-Christian-Erkrankung, adulte Langerhans-Zellhistiozytose, eosinophiles Knochengranulom 4 Xanthomatöse Reaktion: Hand-Schüller-Christian-Erkrankung Diagnostik. Zur Diagnosesicherung Immunhistologie +
+
(CD1a , S100, B ) und Elektronenmikroskopie; (Birbeck-Granula). 3.2.9.4 Tumormetastasen im Lymphknoten Bei fortgeschrittenen Neoplasien dringen die Tumorzellen in Lymphgefäße ein, man spricht von Lymphangiosis carcinomatosa, die ersten metastatischen Lymphknotenabsiedelungen sind im Randsinus erkennbar. 3.2.10
Respirationstrakt
3.2.10.1
Nase und Nebenhöhlen (7 HNO, Kap. 3.2.6) Entzündliche Erkrankungen des oberen Respirationstraktes Neben der akuten Rhinitis unterscheidet man die chronisch hyperplastische Rhinitis von der atrophischen chronischen Rhinitis. Rhinosklerom Ätiopathogenese. Erreger sind Klebsiella rhinoscleromatis; Bakterien in Histiozyten (Mikulicz-Zellen). Histologie.
4 Wegener-Granulomatose: nekrotisierende, granulomatöse Vaskulitis; wichtige Differenzialdiagnose
bei granulomatösen Entzündungen; serologisch ANCA-Nachweis (antineutrophile zytoplasmatische Antikörper) 4 Tuberkulose, Lues: granulomatöse Schleimhautentzündung Rhinophym Morphologie. Talgdrüsenhyperplasie mit Teleangiektasien und Hypoblastenproliferation; imponiert als Tumor, es handelt sich jedoch um eine entzündlich, reaktive Veränderung.
3.2.10.2 Larynx (7 HNO, Kap. 3.5) Larynxödem Typisch ist die ödembedingte Auftreibung der Submukosa durch Entzündung, Durchblutungsstörung, allergische Reaktion oder nach mechanischer Reizung. Als Subtyp gilt das Quincke-Ödem (angioneurotisches Ödem bei C1-Esterase-Inhibitor-Mangel). Laryngitis Die morphologischen Kennzeichen der Laryngitiden fasst . Tab. 3.19 zusammen. Leukoplakie Definition. Grau-weiße Verfärbung der Schleimhautoberfläche ohne exakt definiertes morphologisches Korrelat. Histologie/Differenzialdiagnosen.
4 Einfache Leukoplakie der Stimmbänder: Hyperkeratose mit Akanthose 4 Originär findet sich hier unverhorntes Plattenepithel; hieraus kann sich jedoch ein invasives Plattenepithelkarzinom entwickeln. Larynxtumoren Zu den benignen Tumoren zählen: 4 Larynxpapillome: blumenkohlartige Struktur, exophytisch, zentrales fibrovaskuläres Stroma, mehrschichtiges, deckendes Plattenepithel
162
Kapitel 3 · Pathologie
. Tab. 3.19. Morphologie der Laryngitiden
3
Subtyp
Morphologie
Katarrhalische Laryngitis
Larynxödem
Pseudmembranös-nektrotisierend-hämorrhagische Laryngitis (echter Krupp)
Weiß-gelbe bis graue Membranartige Schleimhautbelege
Phlegmonöse Epiglottitis
Entzündungsbedingte Schwellung der Epiglottis mit Stenosierung bis Okklusion der Atemwege (vor allem bei Kindern)
Subglotische stenosierende Laryngitis (Pseudokrupp)
Glottisödem (besonders bei Kindern)
Chemisch-hyperplastische Laryngitis
Verdickte, fibrosierte Schleimhaut der Taschenbänder
Laryngitis tuberculosa (Mycobacterium tuberculosis)
Ulzerierende Entzündung mit ausgeprägter Granulationsgewebsbildung, vor allem an der Larynxhinterwand
Akute Grippelaryngitis (Influenza-Viren) Chronisch-unspezifische Laryngitis (stimmliche Überbeanspruchung)
4 Juvenile Schleimhautpapillomatose: multiple warzenförmige Proliferate, Koilozyten (Hinweis auf HPV-Infektion) 4 Schleimhautpapillome des Erwachsenenalters: unterschiedlich breites, deckendes Plattenepithel bei fibrovaskulärem Stroma > Maligne Tumoren bzw. Larynxkarzinome sind supraglottisches Karzinom, Glottiskarzinom (häufigste Form, in der Regel Plattenepithelkarzinom) und subglottisches Karzinom. Diese Karzinome metastasieren primär lymphogen in die regionären Lymphknoten.
3.2.10.3 Pharynx (7 HNO, Kap. 3.3) Pharyngitis Chronisch-rezidivierende Pharyngitis Morphologie. Diese Art der Pharyngitis kann zu Pharyngitis hyperplastica (mit polypoider, hyperämischer Schleimhaut) oder Pharyngitis atrophicans et sicca (drüsenarm fibrosiert und hyperkeratotisch) führen Tumoren Benigne Tumoren Zu den benignen Tumoren gehören: 4 Nasen-Rachen-Fibrom: vaskuläre Malformation mit kapillären, sinusoidalen der kavernösen Gefäße 4 Korrodom: notochordalen Ursprungs, in der Regel zwischen Clivus und Halswirbelsäule 4 Kraniopharyngeom (v. a. am Rachendach): sog. »wet ceratin« (Plattenepithelinseln), Tumor neigt stark zu Rezidiven wegen tentakelartigen Ausläufern in umgebendes Gewebe!
Maligne Tumoren (Pharynx-, Nasopharynxkarzinom) Morphologie. Undifferenzierte, nicht verhornende und Plattenepithelkarzinome, in aller Regel handelt es sich um Plattenepithelkarzinome unterschiedlichen Differenzierungsgrades, in nicht keratinisierenden Nasenpharynxkarzinomen ist Epstein-Barr-Virus (EBV) immunhistochemisch detektierbar. Erkrankungen des Waldeyer’schen (lymphatischen) Rachenringes Definition. Diese Region schließt die Tonsilla lingualis am Zungengrund, die Tonsilla pharyngea im oberen Anteil des Pharynx sowie die Tonsillae palatinae zwischen äußerem Musculus palatoglossus und inneren Musculus palatopharyngeus sowie kleinere lymphatische Strukturen in der Schleimhaut des Epipharynx sowie die Arcus palatopharyngeus ein. Morphologie. Die Tonsillenhyperplasie ist physiologisch im Kindesalter, bei pathologischer Vergrößerung: Adenoide bzw. adenoide Vegetationen, diese führen zu Ventilationseinschränkungen. Die Tonsillitis tritt in verschiedenen Subtypen auf (akut, katarrhalisch-eitrig, nekrotisierend, ulzeröse etc). Als Begleittonsillitis bei spezifischen Entzündungen (Diphtherie, Masern, Scharlach (vor allem im Kindesalter) sind folgende histologische Kennzeichen zu finden: 4 Histologie bei Masern: Warthin-FinkeldeyRiesenzellen, bei infektiöser Mononukleose (EBVInfektion)
163 3.2 · Spezielle Pathologie
4 Plaut-Vincent-Tonsillitis: Treponema vincentii, eitrige pseudomembranöse, ulzerierende Tonsillits) 4 Tonsillitis bei Tuberkulose oder Lues: granulomatöse Entzündung mit Ulzerationen 3.2.10.4 Erkrankungen der Trachea Akute Tracheitis Definition. Akute Entzündung der Trachea. Makroskopie/Histologie. Nekrose des Oberflächenepithels der Trachealschleimhaut mit diskretem in der Regel lymphozytär dominiertem Entzündungsinfiltrat in der Submukosa, bei Virusinfekt eventuell intraepitheliale Inklusionen erkennbar; bei bakterieller Superinfektion phlegmonöse Ausbreitung möglich.
3.2.10.5 Bronchialerkrankungen Akute Infektionen Akute Bronchitis (7 Kap. Innere Medizin, 3.3.1) Akute Bronchiolitis Definition. Akute Entzündung der Bronchiolen.
3
BOOP); tritt im Rahmen von späten Abstoßungsprozessen nach Lungentransplantationen sowie im Rahmen von Erkrankungen des rheumatoiden Formenkreises auf. Asthma bronchiale Zytologie. Spiralartig geformte, visköse Schleimpfröpfe aus Sekret und abgeschilfertem Epithel im Bronchialsekret: Curschmann-Spiralen, Nachweis von CharcotLeyden-Kristallen aus zugrunde gegangenen eosinophilen Granulozyten im Sputum. Histologie. Bronchialmuskulaturhypertrophie, öde-
matöse Schleimhautschwellung und typisch verbreiterte epitheliale Basalmembran, Schleimhautinfiltrat aus eosinophilen Granulozyten und Lymphozyten, Becherzellvermehrung mit vermehrter Schleimsekretion. Bronchiektasie Definition. Irreversible Erweiterung der Bronchien. Ätiopathogenese. Angeboren oder erworben (nach
Morphologie. Katarrhalische Entzündung Hyperämie,
Stromaödem, serös-schleimiger Exsudation, eventuell eitrige Komponente; bei Virusinfekten oft intranukleäre oder intrazytoplasmatische Einschlusskörper, Riesenzellen Chronische Atemwegserkrankungen Chronische Bronchitis Je nach Subtyp der chronischen Bronchitis finden sich histologisch folgende Merkmale: 4 Chronisch-katarrhalische Bronchitis: Becherzellhyperplasie, Hypertrophie von schleimsezernierenden Drüsen der Bronchialwand mit erhöhter Muzinproduktion 4 Chronisch-hypertrophische Bronchitis: polypoide Schleimhautauftreibung mit Bronchiallumenobstruktion 4 Chronisch-intramurale Bronchitis: lymphoplasmazelluläres Entzündungsinfiltrat mit eosinophilen Granulozyten und Mastzellen in ödematösem Bronchialschleimhautstroma 4 Chronisch-destruierende Bronchitis: Destruktion von Muskulatur und elastischen Fasern und Ersatz durch kollagenes Fasermaterial Chronische Bronchiolitis Bronchiolitis obliterans: chronisch destruierendes Entzündungsbild mit Granulationsgewebsbildung und Ausbildung einer organisierenden Pneumonie (Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie =
chronischer Bronchitis, bei Mukoviszidose). Morphologie. Man unterscheidet folgende Formen:
4 Zylindrische Bronchiektasie: häufigste Manifestationsart, vor allem im Unter- und Mittellappen. 4 Sackförmige Bronchiektasie: Folge chronischer Entzündungsprozesse mit Vernarbung des Destruktion des Bronchial-Grundgerüstes 4 Ampulläre Bronchiektasie 4 Spindelförmige Bronchiektasie Komplikationen. Rezidivierende Infektionen, Abszesse, Pleuraempyeme oder Sepsis, längerfristig Entwicklung eines Cor pulmonale
3.2.10.6 Belüftungsstörungen der Lunge Atelektase Definition. Reduzierter oder fehlender Luftgehalt der Alveolarräume, reduzierter Luftgehalt mit inhomogener Verteilung der Luft wird als Dystelektase bezeichnet (7 Innere Medizin, Kap. 3.2.6). Ätiopathogenese. Man unterscheidet:
4 Angeborene Atelektasen: Bei dieser Form erfolgt postnatal keine Entfaltung der Lunge. Dies wird häufig durch eine mangelnde Synthese des Surfactantfaktors bedingt, was zur so genannten »Hyaline Membrankrankheit« bzw. klinisch zum »Atemnotsyndrom des Neugeborenen« (IRDS, »infant respiratory distress syndrome«) führt.
164
3
Kapitel 3 · Pathologie
4 Erworbene Atelektasen werden nach ihrem Entstehungsmechanismus in verschiedene Formen eingeteilt: 5 Entspannungsatelektase (Kollapsatelektase): Entsteht im Rahmen eines Pneumothorax; durch Traumen oder durch Ruptur eines subpleuralen Emphysembläschens tritt Luft in den Pleuraraum ein, die Lunge kollabiert folglich. 5 Resorptionsatelektase: Tritt auf bei Verlegung eines Bronchus (z. B. durch einen Tumor, Schleimpropf oder Fremdkörper), Resorption der Luft im distalen Abschnitt 5 Kompressionsatelektase: Entsteht bei Kompression der Lungenflügel von außen (z. B. durch Pleuraergüsse oder Tumoren). Morphologie. Bei der Resorptions- bzw. Obstruktions-
atelektase zeigen sich irregulär konturierte, dunkle, blau-rote, kollabierte Lungenbezirke. Lungenemphysem Definition. Irreversible Zerstörung des respiratorischen
Lungenparenchyms mit Ausweitung der Lufträume distal der Bronchioli terminales. Zu unterscheiden sind diffuses Emphysem und herdförmiges Emphysem (7 Innere Medizin, Kap. 3.3.1.3). Ätiopathogenese.
4 Ungleichgewicht zwischen Proteasen und Proteaseinhibitoren (Beispiel: Angeboren beim α1-Proteasinhibitormangel, Inaktivierung von Proteaseinhibitoren durch Zigarettenrauch, Vermehrung von Proteasen bei chronischen Entzündungen) 4 Chronische Überdehnung des Parenchyms (Beispiel: chronisch- obstruktive Erkrankungen, Narbenemphysem)
Lungenödem Definition. Flüssigkeitsansammlung in der Lunge. Sie beginnt im Interstitium (interstitielles Lungenödem) und kann sich auch in den Alveolarraum (alveoläres Lungenödem) fortsetzen. Ätiopathogenese. Zur Pathogenese 7 Kap. 3.1.3.4. Zu unterscheiden sind: 4 Lungenödem bei kardialer Grunderkrankung 4 Lungenödem bei nicht-kardialer Ursache (z. B. bei Hyperhydratation, Hyponatriämie, diffusem Alveolarschaden, bei Entzündungen, Urämie)
3.2.10.7 Kreislaufstörungen der Lunge Stauungslunge Ätiopathogenese. Gestörter Blutrückstrom von der Lunge zum Herzen (v. a. Linksherzinsuffizienz). 4 Akute Stauungslunge: akuter Rückstau vor dem linken Herz bei Linksherzinsuffizienz. Makroskopisch rote Stauungsinduration. Morphologisch: intraalveoläres Stauungsödem (eventuell auch hämorrhagisch), Abschilferung der Alveolarepthelien, Herzfehlerzellen (hämosiderinbeladene Makrophagen intraalveolär, . Abb. 3.20). 4 Chronische Stauungslunge: bei lange andauerndem Blutrückstau: irreversible Fibrose. Makroskopisch: braune Stauungsinduration. Morphologisch: rote Stauungsinduration oder braune Stauungsinduration: Deutliche perikapilläre, interstitielle Fibrose, reichlich Eisenpigment. > Kommt es zum Übertritt von Erythrozyten in den Alveolarraum, so werden diese von Makrophagen phagozytiert, die als »Herzfehlerzellen« bezeichnet werden (. Abb. 3.20).
Morphologie. Zu unterscheiden sind morphologisch:
4 Zentroazinäres Emphysem: Ursachen: z. B. chronisch-destruktive Bronchitis und der Nikotinabusus. 4 Bronchiostenotisches bzw. bronchiolostenotisches Emphysem 4 Panazinäres Emphysem 4 Panlobuläres Emphysem 4 Bullöses Emphysem 4 Interstitielles Emphysem 4 Seniles Emphysem 4 Narbenemphysem (z. B. nach Tuberkulose) 4 Irreguläres Emphysem 4 Kompensatorisches (Überdehnungs-Emphysem) 4 Paraseptales periazinäres Emphysem
. Abb. 3.20. Chronische Stauungslunge mit sog. Herzfehlerzellen (mit Hämosiderin beladene Makrophagen), BerlinerBlau-Reaktion, 560:1. (Aus Remmele 2000)
165 3.2 · Spezielle Pathologie
Erwachsenen-Schocklunge (ARDS; »adult respiratory distress syndrom«) Morphologie. Die Schocklunge stellt das morphologische Korrelat des akuten Lungenversagens dar durch entzündliches, alveoläres Exsudat und reichlich Fibrin imponiert die Lungenschnittfläche teil leberartig. Histologie. Hyaline Membranen (Fibrin, Plasmabestand-
teile, Zelldetritus mit einzelnen Entzündungszellen). Atemnotsyndrom des Neugeborenen (IRDS; »infant respiratory distress syndrome«) Ätiopathogenese. Die kindliche Schocklunge tritt vorwiegend bei Frühgeburten aufgrund eines SurfactantMangel auf. Makroskopie. Schwere, luftleere oder massiv luftarme Lungen, sinken bei der Schwimmprobe im Wasser, Konsistenz ist fest, Farbe dunkel-rotviolett. Histologie. Reichlich hyaline Membranen intraalveolär und innerhalb der Bronchiolie.
Lungenembolie Morphologie. Verlegung von zentrale oder peripheren Pulmonalarterienästen durch endogen oder exogen angeschwemmtes Material (zumeist venöse Thrombembolien, seltener Luft- oder Tumorthromben). Lungeninfarkt ! Cave Ein hämorrhagischer Lungeninfarkt entsteht nicht obligat nach jeder Lungenembolie, jedoch bei Verlegung von weiteren anastomosierenden (bronchialen) Gefäßen und bei Druckerhöhung im venösen Schenkel der funktionellen Lungenstrombahn!
Morphologie. Kegelförmige, hämorrhagische Nekrose mit Kegelspitze am embolisch okkludierten Pulmonalarterienast; ist zumeist mit fibrinöser Infarktpleuritis vergesellschaftet.
3.2.10.8
Cor pulmonale
Definition. Hypertrophie des rechten Herzens, die pri-
mär durch eine Lungenerkrankung verursacht wird. 3.2.10.9 Pneumonie (Lungenentzündung) Broncho-/Lobärpneumonie (7 Innere Medizin, Kap. 3.3.2) Definition. Zu unterscheiden sind: 4 Bronchopneumonie (Herdpneumonie): herdförmige, meist in den Bronchiolen beginnende, zentrolobulär betonte Entzündung
3
4 Lobärpneumonie: Entzündung im selben Entzündungsstadium ausgedehnt auf weite Lungenabschnitte, meist ganze Lungenlappen Bronchopneumonie Morphologie. Multifokale, irregulär verteilte, abschnittsweise konfluierende Entzündungsherde mit erhöhter Konsistenz und erniedrigter Kohärenz, makroskopisch rot bis grau-rot bis grau-gelb. Histologie. Intraalveolär reichlich Entzündungsinfiltrate. Das Ausprägungsbild wird vor allem durch den jeweiligen Erreger determiniert.
Lobärpneumonie Morphologie. Je nach Stadium der Lobärpneumonie ergeben sich unterschiedliche morphologische Befunde: 4 Stadium I: Stadium der Anschoppung (1. Krankheitstag); Lungenkapillaren prall mit Erythrozyten angefüllt; in Alveolarlichtungen findet sich spärlich Exsudat. 4 Stadium der roten Hepatisation (2. und 3. Krankheitstag): reichlich Erythrozyten in den Alveolarlichtungen; das Lungengewebe zeigt leberartige Konsistenz (Hepatisation). 4 Stadium der grauen Hepatisation (4. bis 6. Krankheitstag): massive intraalveoläre Exsudation von Fibrinogen; dieses gerinnt zu dichtem Fibrinnetz. 4 Stadium der gelben Hepatisation (7. und 8. Krankheitstag): Exsudat zeigt dichte Infiltration von segmentkernigen Leukozyten auf, die zu Eiter zerfallen. 4 Stadium der Lysis: Nach dem 8. Krankheitstag (bei günstigem Krankheitsverlauf) setzt eine Auflösung des entzündlichen Exsudats ein, dieses wird resorbiert und ausgehustet. Idealerweise folgt der Regeneration die Restitutio ad integrum, es kann aber auch zur Narbenbildung kommen. Interstitielle Pneumonie Histologie. Histologisch erkennbare Subtypen sind: 4 Klassische interstitielle Pneumonie (»usual interstitial pneumonia«, UIP) 4 Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie (»bronchiolytic interstitial pneumonia, BIP, bzw. BOOP, Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie) 4 Interstitielle Pneumonie mit massiver intraalveolärer Makrophagozytose (»diabetetic interstitial pneumonia«, DIP) 4 Lymphatische interstitielle Pneumonie (»lymphoid interstitial pneumonia«, LIP) 4 Interstitielle Pneumonie mit Makrophagen und Riesenzellen (»giant cell interstitial pneumonia«, GIP)
166
Kapitel 3 · Pathologie
Pilzpneumonie (v. a. Candida albicans, Aspergillus fumigatus) Ätiopathogenese. Vor allem bei immunsuprimierten Patiente, kleine Kindern und Greisen.
3
Lungentuberkulose Ätiopathogenese. Erreger ist Mycobacterium tuberculosis. Morphologie/Stadien.
4 Primärstadium: exsudative Reaktion mit regionärer Lymphknotenreaktion stellt tuberkulösen Primärkomplex dar o bei schlechter Abwehrlage früh Generalisation in Lunge oder weitere Organe 4 Postprimärstadium: durch exogene oder endogene Reinfektion; typische Spitzenherde bilden sich pulmonal bei Krankheitsprogression aus, eventuelle weitere Organstreuung
3.2.10.11 Lungenbeteiligung bei rheumatoiden Grunderkrankungen Histologie. Diffuse, multifokal chronisch interstitielle Pneumonie mit Übergang in eine Lungenfibrose, auch intrapulmonale rheumatische Vaskulitiden, rheumatische Granulome und seröse bzw. serofibrinöse Pleuritiden (Beispiel: Goodpasture-Syndrom, allergische Alveolitis). 3.2.10.12 Tumoren der Lunge Plattenepithelkarzinom Makroskopie. Zumeist zentrale Lokalisation, in der Regel exophytischer Tumor mit grau-weißer Schnittfläche und derber Konsistenz, häufig Ulzerationen, Nekrosen, Blutungen. Histologie. Keratinisierender (bessere Prognose und
nicht verhornender Typ) schlechtere Prognose.
Histologie. Typisch granulomatöses Entzündungsbild
Adenokarzinom
mit mehrkernigen Riesenzellen vom Langhans-Typ, Epitheloidzellen und Lymphozyten sowie zentraler, käsiger Nekrose. Zu unterscheiden sind verschiedene Reaktionsmuster: exsudative Reaktion, produktive Reaktion, bei ausgeprägter Generalisation: Miliartuberkulose.
Makroskopie. Periphere Lokalisation typisch.
> Atypische Mykobakteriosen sind tuberkuloseähnliche Krankheiten, die aber nicht durch klassische Tuberkelbakterien hervorgerufen werden.
3.2.10.10 Lungensarkoidose (Morbus Boeck) Histologie. Schaumann-Körper als charakteristische, konzentrisch geschichtete Depositionen, Riesenzellen mit Asteroid-Körperchen und Hamazaki-WesenbergKörperchen (gelb-braune, ovale, intrazytoplasmatische Körper als Korrelat von Riesenzell-Lysosomen. ! Cave Die Sarkoidose ist eine wichtige Differenzialdiagnose zur Tuberkulose als granulomatöse Entzündung. Im Gegensatz zur Tuberkulose tritt bei der Sarkoidose aber keine »Verkäsung« auf. Weitere granulomatöse Lungenerkrankungen Zudem sind abzugrenzen die extrinsisch allergische Alveolitis (interstitielles Entzündungsinfiltrat, interstitielle Fibrose, Granulome, intraalveoläre verfette Makrophagen in Form von Speicherzellen) und die Wegener-Granulomatose (Vaskulitis mit fibrinoiden Nekrosen pulmonaler Gefäße, Parenchymnekrosen und Granulomen mit Epitheloidzellen und Riesenzellen).
Histologie. Glanduläre Grundstruktur mit azinären
und tubulären Anteilen häufig. Sonderformen sind: 4 Bronchioloalveoläres Karzinom: tapetenförmige Alveolarauskleidung charakteristisch 4 Kleinzelliges Karzinom: hochmalignes, sehr früh metastasierendes Malignom Subtpyen des Adenokarzinoms der Lunge Als Subtypen des Adenokarzinoms der Lunge gelten das Oat-cell-Karzinom (Ausgangspunkt sind neuroendokrine APUD-Zellen; histologisch kleine Tumorzellen mit großem Kern, wenig Zytoplasma, teilweise rosettierte Tumorarchitektur oder tubuläre Anordnung) und das großzellige Karzinom (großzellige Variante von Adenokarzinomen oder Plattenepithelkarzinomen oder Kombinationsneoplasien).
Neuroendokrine Tumoren (Karzinoide) Hier sind u. a. zu differenzieren: 4 Typisches Karzinoid: hochdifferenzierter neuroendokriner Tumor 4 Atypisches Karzinoid: zeigen erhöhte Zellpolymorphie, fokale Nekrosen und erhöhten Proliferationsindex 4 Wenig differenzierte neuroendokrine Karzinome: entsprechen den kleinzelligen Karzinomen und großzelligen neuroendokrinen Karzinomen
167 3.2 · Spezielle Pathologie
3.2.11
Pleura
3.2.11.1 4 4 4 4
Pathologische Prozesse im Pleuraspalt Pleuraempyem: Eiteransammlung im Pleuraspalt mit resultierender Pleuraverwachsung bis zur Ausbildung einer Pleuraschwarte Hydrothorax: pathologische Flüssigkeitsansammlung im Pleuraspalt über 200 ml Hämatothorax: Blutansammlung im Pleuraspalt bzw. hämorrhagischer Pleuraerguss Chylothorax: Chylus im Pleuraspalt durch Stenose oder Läsion des Ductus thoraticus (in der Regel traumatisch oder tumorös bedingt); der Pleuraerguss zeigt reichlich Mesothelien, abhängig von der Ergussart zusätzlich Lymphozyten, Granulozyten, Makrophagen und eventuell Tumorzellen
3.2.11.2 Pleuratumoren Benigne Pleuratumoren Zu den benignen Pleuratumoren gehören der solitäre fibröse Tumor (»solitary fibrous tumor«, SFT), das Lipom, das seltene pleurale Meningeom. Maligne Pleuratumoren 4 Maligner lokalisierter fibröser Pleuratumor: Spindelzelltumor mit eingelagertem kollagenem Fasermaterial 4 Diffuses malignes Pleuramesatheliom: Epitheloid, sarkomatös, biphasisch tubuläres, tubulopapilläres, solides, trabekuläres, mikrozystisches oder sarkomatöses Wuchsmuster, vereinzelt auch andere Gewebskomponenten darin eingelagert (vor allem Knochen-, Knorpel-, Muskelzellen) 3.2.12
Erkrankungen von Mund, Zähnen und Speicheldrüsen
3
Die Erythroplakie geht mit einer samtartigen, roten oder rot-weißen, erodierten Schleimhautoberfläche einher. Histologie: oft hochgradige Epitheldysplasie. Maligne Tumoren Plattenepithelkarzinom: Weit über 90% aller malignen Mundhöhlentumoren sind Plattenepithelkarzinome. Zu den Subtypen des Plattenepithelkarzinoms gehört u. a. das verruköse Karzinom (Ackermann-Tumor). Histologie: verruköse Oberfläche, elongierte Reteleisten, geringfügige zelluläre Polymorphie, gute Prognose. 3.2.12.2 Zahnpathologie Zahnkaries Definition. Fortschreitende, irreversible Erkrankung des Zahnhartgewebes mit Zerstörung der anorganischen und organischen Substanzen. Ätiopathogenese. Von Mikroorganismen besiedelte Plaques an der Oberfläche, die reichlich Kohlenhydrate enthalten, durch Abbau entstehen saure Stoffe, die über länger Zeit auf den Zahn einwirken können. Man unterscheidet: 4 Schmelzkaries 4 Dentinkaries 4 Karies-Kavernen
Pulpitis – Paradontopathien Definition. Zu unterscheiden sind: 4 Pulpitis: Entzündung der Pulpa infolge kariöser Infektionen 4 Paradontopathien: Erkrankungen des Zahnhalteapparate (Gingivitis: durch Bakterien, Viren, Traumen, chronische Irritationen oder Medikamente) 4 Parodontitis: meist chronische, bakteriell bedingte Inflammation des Zahnhalteapparates auf dem Boden einer Gingivitis Gingivawucherungen Gingivahyperplasie Definition/Morphologie. Generalisierte Hyperplasie
3.2.12.1
Erkrankungen der Mundhöhle (7 HNO, Kap. 3.3.5) Tumoren der Mundhöhle Benigne Tumoren Benigne Tumoren der Mundhöhle sind Papillome, Fibrome, Hämangiome, Neurofibrome, Granularzelltumoren, kongenitale Epulis (fragliche Genese, spontane Regression), Nävuszellnävi. Als Leukoplakie bezeichnet man nicht wegwischbare weiße Läsion der Mundschleimhaut. Histologie: Hyperortho-, Hyperparakeratose, Epithelhyperplasie mit ohne Dysplasie.
der Gingiva (Genese: idiopathisch, hormonell in Pubertät oder Schwangerschaft, Medikamentös). Epulis Definition. Lokalisierte, reaktive entzündliche, tumo-
rartige Gingivaverdickungen, vor allem in der Interdentalregion Morphologie. Morphologisch abzugrenzen sind:
4 Epulis granulomatosa 4 Epulis fibromatosa 4 Riesenzellepulis
168
Kapitel 3 · Pathologie
. Tab. 3.20. Einteilung der Kieferzysten Klassifikation
Morphologie
I Dysontogenetische Zysten
3
Ia) Odontogene Zysten
Ib) Nicht-odontogene Zysten
Gingivale Zysten
Plattenepithel bzw. abgeflachtes Epithel
Follikuläre Zysten (Sonderform der Eruptionszyste)
Mehrschichtige Epithelauskleidung
Keratozyste
Schmaler Zystenbalg mit Plattenepithel und prominenter Basalzellschicht, in der Regel prominente Parakeratose
Nasopalatinusgangzyste (bzw. Incisivus-Kanalzyste)
Plattenepithel oder respiratorisches Epithel, innerhalb des Zystenbalges, unterschiedliche Gewebe wie Schleimdrüsen, Gefäßanteile und Nerven
Nasolabiale (bzw. nasoalveoläre) Zyste
Zylinderepithel mit Auftreten von Becherzellen
II Entzündliche Zysten Radikuläre Zyste
Verhornendes Plattenepithel mit proliferierenden Reteleisten
Residualzyste
Zumeist radikuläre Zyste
(modifiziert nach WHO 1997 – Kieferzysten)
Die letzten beiden Formen sind aggressive, expansiv wachsende Epulisformen, ihr Grundgewebe ist kollagenund fibroblastenreich, es schließt kleinere neu gebildete Knocheninseln; ferner finden sich reichlich Kapillaren. Mehrkernige Riesenzellen, die der Kapillarwand anliegen, werden bei letzterer Form gefunden als Zeichen älterer Einblutungen: reichlich Hämosiderinablagerungen. Benachbarte Kortikalis ist gelegentlich erodiert. Kieferzysten Zu Einteilung und Morphologie der Kieferzysten . Tab. 3.20. Kiefertumoren Odontogene Tumoren 4 Ameloblastom: Benigne, lokal aggressive Neoplasie, gewöhnlich nach dem 18. Lebensjahr. Histologie: Follikuläre Variante: zentrale Zystenbildung und charakteristische palisadenartige Randstellung der zylindrischen Tumorzellen. Plexiforme Variante: untereinander verbundene, überwiegend solide Tumorzellstränge. 4 Odontom: Wohl hamartomatöse Genese. Tumor bildet viel Schmelz und Dentin sowie Zement. 4 Odontogenese Myxom: Myxoides Stroma, selten mit odontogenem Epithel, infiltratives Wachstum ist charakteristisch o erhöhte Rezidivrate.
3.2.12.3 Speicheldrüsen Gutartige Erkrankungen Sialolithiasis (7 HNO, Kap. 3.4.5.3) Makroskopie/Histologie. Gangektasie, teils mit Plattenepithelmetaplasie und periduktaler Inflammation sowie Entzündung der Drüsenazini in Form einer Sialadenitis. Speicheldrüsenzysten Folgende Subtypen von Speicheldrüsenzysten sind zu unterscheiden: 4 Extravasationsmukozele mit reichlich Schleim, bei längerem Bestehen Makrophagen in Form von Schaumzellen und mehrkernigen Riesenzellen; die Ranula ist eine Extravasationsmukozele am Mundboden unter der Schleimhautoberfläche. 4 Retentionszyste: Zeigt epitheliale Auskleidung um Schleimseen. 4 Lymphoepitheliale Zyste: Zystenwand zeigt lymphatische Strukturen neben mehrschichtigem Epithel. Sialadenitis (7 HNO, Kap. 3.4.5) Zu unterscheiden sind u. a. folgende Subtypen: 4 Bakterielle Sialadenitis 4 Virale Sialadenitis: Beispiel: Parotitis epidemica (bei Mumps). Histologie: Azinuszellnekrosen, in-
169 3.2 · Spezielle Pathologie
terstitielles lymphozytäres Entzündungsinfiltration, Gangektasien 4 Chronisch-sklerosierende Sialadenitis der Glandula submandibularis (sog. Küttner-Tumor). Histologie: lymphozytäre, im Spätstadium sklerosierende Entzündungsform Benigne Speicheldrüsentumoren Pleomorphes Adenom Makroskopie. Scharf begrenzter, umkapselter Tumor bei großer Speicheldrüse, multinodulärer Aufbau; weiße, teilweise chondroide myxoide Schnittfläche. Histologie. Epitheliale und mesenchymale Tumorkomponenten wechseln einander ab, neben glandulären Strukturen sind netzartige Epithelverbände und solide Tumorabschnitte zu finden, daneben auch chondromyxoide, rein chondroide oder myxoide oder hyalinveränderte Zonen abgrenzbar. Myoepithelien als wichtige Tumorkomponente.
3
tes Zytoplasma mit intrazytoplasmatischen PAS-positiven Granula. Tumorzellkerne sind klein. Mukoepidermoides Karzinom Makroskopie. Wenig scharf begrenzter Tumor, typischerweise Zysten an der Schnittfläche. Histologie. Plattenepithel neben undifferenzierten oder
schleimproduzierenden Zellen, daneben Zysten, teils trabekuläre Architektur. Adenoidzystisches Karzinom Makroskopie. Unscharf begrenzter Tumor mit weißgrauer Schnittfläche, derber Konsistenz. Histologie. Glandulär-kribriformes Wuchsmuster mit
nestförmiger Epithelzelllagerung. Diskrete Polymorphie, keine deutlich erhöhte Mitoserate, Wuchsmuster teils tubulär oder solide. In Pseudozysten PAS-positives Material.
Basalzelladenom Definition. Benigner Neoplasie der kleinen Speicheldrüsen.
Polymorphes Low-grade-Adenokarzinom Makroskopie. Unscharf begrenzter, eine heterogene Schnittfläche zeigender Tumor.
Histologie. Klassische palisadenartige Stellung der peripheren Zelllage; Tumorzellen selbst sind basaloid.
Histologie. Kribröse, zystische, papilläre, tubuläre, tra-
Zystadenolymphom Makroskopie. Zystische Schnittfläche in Hohlraumbildungen, klare Flüssigkeit und bröckelige Einlagerungen. Histologie. Stroma zeigt lymphatisches Gewebe mit
Lymphfollikeln, epitheliale Komponente weist glanduläres, papilläres oder zystisches Wuchsmuster auf. Onkozytom Histologie. Scharf begrenzter Tumor mit teil trabekulärem oder tubulärem oder solidem Wuchsmuster, Tumorzellen sind onkozytär bzw. oxyphil mit eosinophilem, granuliertem Zytoplasma und dunklen, kleinen Kernen. Elektronenmikroskopie: Beweist reichlich intrazytoplasmatische Mitochondrien o oxyphiles Adenom (Synonym). Maligne Speicheldrüsentumoren Azinuszellkarzinom Makroskopie. Multinodulärer, teils zystischer, teils solider Tumor. Histologie. Solides, mikrozystisches, follikuläres oder
papilläres Wuchsmuster, Tumorzellen zeigen granulier-
bekuläre oder solide Wuchsmuster, monomorphe Tumorzellpopulation mit feindispersem Chromatin und rund-ovalen Kernen. 3.2.13
Ösophagus
Ösophagitis (7 Innere Medizin, Kap. 4.1.3) Ösophagitis corrosiva Ätiopathogenese/Morphologie. Ausgedehnte Ulzerationen und Gewebsnekrosen durch Verätzungen, Laugen o Kolliquationsnekrosen, Säuren o Koagulationsnekrosen. Infektiöse Ösophagitis Zu den infektiösen Entzündungen des Ösophagus zählen je nach Ätiologie: 4 Retentionsösophagitis (bei bakterieller Besiedelung von Speisebrei in Divertikeln) 4 Soorösophagitis: Pilzbesiedelung nicht nur an Schleimhautoberfläche, sondern auch in tieferen Wandstrukturen 4 Herpesösophagitis: histologisch klassischer Viruseinschlusskörper, immunhistochemisch zu bestätigen 4 Zytomegalieösophagitis: viraler Einschlusskörper, immunhistochemisch zu bestätigen
170
Kapitel 3 · Pathologie
4 Entzündungen im Rahmen von weiteren gastrointestinalen oder systemischen Erkrankungen (Morbus Crohn, Pemphigus vulgaris, Sklerodermie, Dermatomyositis)
3
Refluxösophagitis Makroskopie. Je nach Stadium finden sich folgende Merkmale: 4 Grad I: streifenförmige Erosionen und Schleimhautrötungen 4 Grad II: Konfluenz der Läsionen 4 Grad III: peptische Ulzera 4 Grad IV: stenosierende Läsionen 4 Grad V: manifestes Barrett-Syndrom Histologie. Auch der histologische Befund ist abhängig
vom Schweregrad: 4 Grad I: plattenepitheliale Hyperplasie 4 Grad II: plattenepitheliale Hyperplasie mit reichlich neutrophilen Granulozyten 4 Grad III: massive, floride Schleimhautentzündung mit Nekrosen ! Cave Die klinisch-pathologische Korrelation ist entscheidend, außer dem Messer und dem Mikroskop ist das Telefon das wichtigste Werkzeug des Pathologen!
Barrett-Syndrom Definition. Ersatz des Plattenepithels im unteren Ösophagus durch eine gastrales Drüsenepithel mit Intestinalisierung (. Abb. 3.21). Histologie. Meist inkomplette intestinale Metaplasie. ! Cave Auf Basis einer Barrett-Mukosa können Adenokarzinome des Ösophagus entstehen, aber nie Plattenepithelkarzinome; Plattenepithelkarzinome des Ösophagus entstehen unabhängig von Barrett-Metaplasie.
Epithelhyperplasie Zu den Epithelhyperplasien des Ösophagus gehören Glykogenakanthose, Keratosen (fokale Verhornungstendenz, vor allem im Rahmen einer Refluxösophagitis) und Papillomatose (diffus). Ösophagustumoren 4 Zylinderepithelzell-Dysplasie: dysplastische Transformation auf Basis intestinaler Metaplasie 4 Plattenepithelkarzinom des Ösophagus: ulzerierte oder polypöse Tumoren. Histologie. Unterschiedlich starke Keratinisierungstendenz
. Abb. 3.21. Barrett-Syndrom: Zylinderepithelmetaplasie vom Typ des spezialisierten Epithels mit zahlreichen Becherzellen. HE 350:1. (Aus Remmele 2000)
4 Adenokarzinom (Barrett-Karzinom): in der Regel unterer Ösophagus irreguläre Oberfläche, meist polypös bzw. polypös-ulzerös. Histologie: charakteristisches Adenokarzinom vom intestinalen Typ; Alcian-Blau-Positivität im Zweifelsfall hilfreich 3.2.14
Magenerkrankungen
Zu Fehlbildungen (z. B. Doppelmagen, Divertikel) sowie weiteren Erkrankungen des Magens 7 Innere Medizin, Chirurgie. 3.2.14.1 Gastrale Stoffwechselstörungen 4 Siderose der Magenschleimhaut: bei idiopathischer Hämochromatose 4 Gastrale Lipidinseln: histologisch Schaumzellaggregate in der Lamina propria der Mukosa (wichtige Differenzialdiagnose: Siegelringzellkarzinom!) 3.2.14.2
Gastritis (7 Innere Medizin, Kap. 4.2.3) Akute Gastritis Zu differenzieren sind 2 Fomen: 4 Katarrhalische Gastritis: Hyperämie und Schleimhautstromaödem 4 Erosive Gastritis: inkomplette Erosion mit Zerstörung des Deckepithels, komplette Erosionen mit Nekrosen bis zur Muscularis mucosae; akutes Ulkus bei tieferreichenden Nekrosen
Chronische Gastritis Typ-A-Gastritis Ätiopathogenese. Autoimmune Genese.
171 3.2 · Spezielle Pathologie
3
Histologie. Lymphozytäre Infiltration der Korpusmu-
kosa in der Umgebung der Haupt- und Belegzellen, später Destruktion des Drüsenkörpers mit antraler oder intestinaler Metaplasie. Typ-B-Gastritis Ätiopathogenese. Bakterieller Genese (Helicobacter
pylori; . Abb. 3.22). Histologie. Histologische Befunde sind:
4 Oberflächengastritis mit lymphozytärer Infiltration des Stromas zwischen den Foveolae gastricae 4 Chronische Gastritis mit Umbau: progrediente Schleimhautdestruktion 4 Chronisch atrophische Gastritis, Rarifizierung des Drüsenkörpers bzw. der antralen mukösen Drüsen, dichtes lymphoplasmazelluläres Entzündungsinfiltrat mit Ausbildung von Lymphfollikeln; möwenartige Keime in unterschiedlicher Anzahl nachweisbar (Helicobacter pylori), deutliche enterale Metaplasie mit Becherzellhyperplasie in ausgeweiteten Foveolae gastricae. 4 Lymphatische Gastritis: Sonderform der Helicobacter-pylori-Gastritis o prominente lymphozytäre Entzündungsinfiltrate
. Abb. 3.22. Helicobacter-pylori-Gastritis. Bakterien in einer Foveolen-Öffnung der Antrumschleimhaut. Löffler-MethylenBlau ca. 1000×. (Aus Remmele 2000)
Magenulkus Definition. Schleimhautdefekt mit Überschreitung der Muscularis mucosae. Makroskopie. In der Regel runde Defektbildungen (daher Ulcus rotundum) mit flachem Randwall, beim chronischen Ulkus prominenterer Randwall als in Akutphase (durch Narbenbildung). Differenzialdiagnose: ulzeriertes Karzinom (meist irregulärer begrenzt!).
Typ-C-Gastritis Ätiopathogenese. Vorwiegend antral, besonders anas-
tomosennahe und bei Einnahme nicht steroidaler Antirheumatika bzw. bei Alkoholabusus.
Histologie. Fibrinoide Nekrose mit Fibrin- und granulozytenreiche Zelldetritusauflagerungen, später Granulationsgewebe und Narbengewebe in der Tiefe, oft tritt im Verlauf eine intestinale Metaplasie auf.
Histologie. Deutliche lymphoplasmazelluläre Strom-
ainfiltration, Vergröberung des Schleimhautreliefs durch ödematöse Auftreibung der Lamina propria, Proliferation glatter Muskelzellen. Aktivitätszeichen sind durch neutrophile Granulozyten determiniert. > Eine Gastritis kann zudem im Rahmen anderer Erkrankungen auftreten: Mitbeteiligung bei Morbus Crohn, eosinophiler Gastritis (allergeninduziert), kollagener Gastritis bei kollagener Kolitis, bei CMV-, HSV-, Soorinfektion. Häufig liegt auch eine Kombination von verschiedenen Gastritistypen vor (vor allem Gastritis Typ B in Kombination mit anderen Gastritistypien)
3.2.14.3
Magenerosion und Magenulkus (7 Innere Medizin, Kap. 4.2.2) Erosionstypen Morphologisch voneinander abzugrenzen sind: akute hämorrhagische Erosion, akute nicht-hämorrhagische Erosion, chronische Erosion.
3.2.14.4 Gastrale Hyperplasie Foveoläre Hyperplasie Definition. Umschriebene, polypenartige, erhöhte Proliferation des Foveolarepithels o kein Malignisierungsrisiko. 4 Hyperplastogener Magenschleimhauptpolyp: Verlängerung und mikrozystische bis zystische Erweiterung der Schleimhauteinsenkungen kombiniert mit hyperplastischem Deckepithel 4 Fundusdrüsenpolyp: Lokalisation v. a. im Magenkorpus. Histologisch Polypen mit prominenten Drüsenkörperzysten 4 Morbus Ménétrier (Riesenfaltenmagen): histologisch diffuse foveoläre Hyperplasie mit oberflächlichen Erosionen und basaler Drüsenatrophie Glanduläre Hyperplasie (diffuse Belegzellhyperplasie) Hier sind zu unterscheiden: 4 Diffuse Hyperplasie der gastralen endokrinen Zellen
172
Kapitel 3 · Pathologie
4 Endokrine ECL (»enterochromaffin-like«)-Zellen in der Corpus mucosae 4 Gastrinproduzierende Zellen im Antrum
3
3.2.14.5 Intestinale Metaplasie Bei der intestinalen Metaplasie lassen sich morphologisch folgende Typen differenzieren: 4 Typ I: enteraler Typ bzw. komplette intestinale Metaplasie (Ausbildung einer Dünndarmmukosa mit Zotten und Krypten, Saumzellen, Becherzellen, Paneth-Zellen, endokrinen Zellen) 4 Typ II: inkomplette intestinale Metaplasie vom gastroenteralen Typ (vereinzelt intestinale Becherzellen) 4 Typ III: inkomplette intestinale Metaplasie vom colischen Typ (Auftreten zumeist als enterokolischer Typ in Kombination mit enteralem Typ) 3.2.14.6
Gastrale Metaplasie
Definition. Originäre Zellen werden durch andere gas-
trale Epithelzellen ersetzt. Morphologie. Man unterscheidet pseudopylorische Metaplasie und foveoläre Metaplasie. 3.2.14.7 Magentumoren (7 Kap. Chirurgie) Benigne Tumoren Zu den benignen Tumoren gehören Adenom (tubulär oder villös bzw. tubulovillös), Leiomyom, Lipom, Neurinom. Maligne Tumoren Magenkarzinome weisen eine meist sternförmige Grundkontur, oft Lokalisation an der kleinen Kurvatur, Vergröberung und Abflachung des Schleimhautreliefs, sternförmige Kontur mit irregulärer Randwallbildung (7 Innere Medizin, Kap. 4.2.5). Magenfrühkarzinom Definition. Karzinome mit Infiltrationsbeschränkung auf die Mukosa (M-Typ) bzw. auf die Submukosa (SM-Typ). Makroskopische Subtypen: 4 Typ I: polypöse Form 4 Typ II (IIa–IIc): flache Formen 4 Typ III: ulzerierte Tumorformen
. Abb. 3.23. Magenkarzinom: Siegelringzellkarzinom. (Aus Remmele 2000)
4 Diffuses Karzinom: 5 Diffus siegelringzellige Karzinom (intrazelluläres Muzin drängt Zellkern an den Rand, . Abb. 3.23) 5 Diffus aplastisches Karzinom (gering differenziert) 4 Mischtyp: Kombination von intestinalen und diffusen Karzinomen 4 Gastrointestinaler Stromatumor (GIST): Histologie: abgeflachtes Schleimhautrelief, Proliferation von Lymphozyten der Marginalzone, Zellmorphologie typisch zentrozytenartig mit kleinen, eingekerbten Zellkernen. Bei weiterer maligner Transformation Auftreten von zentroblastenartigen Tumorzellen mit größeren Zellkernen, daneben typische Veränderungen einer B-Gastritis mit teilweiser Destruktion der reaktiven Lymphfollikel. 3.2.15
Duodenum (7 Innere Medizin, 7 Kap. 4.3, Chirurgie)
Fortgeschrittenes Magenkarzinom Definition. Tumoren mit Mindestinfiltration der Lamina muscularis propria.
Malabsorptionssyndrom Synonym. Glutensensitive Enteropathie, Zöliakie im frühen Kindesalter, einheimische oder tropische Sprue im Erwachsenenalter (Marsh-Klassifikation: Typ 0– Typ IV).
Histologie. Verschiedene Formen lassen sich abgren-
Histologie. Abgeflachtes Schleimhautrelief mit Verlust
zen: 4 Intestinales Adenokarzinom bzw. tubuläres Adenokarzinom: mit drüsiger Differenzierung
der Zottenkryptenratio von 4:1, reichlich intraepitheliale Lymphozyten (mehr als 40 Lymphozyten pro 100 Enterozyten).
173 3.2 · Spezielle Pathologie
Ulcus duodeni Definition. Defekte Duodenalmukosa bis in die Submukosa. Histologie. Ulkusgrund reicht bis in die Lager der Brunner-Drüsen mit späterer Hyperplasie und Narbenbildung.
Duodenaltumoren Die Histologie der Adenome und Karzinome des Duodenums entspricht der der kolorektalen Tumoren. 3.2.16
Erkrankungen von Jejunum und Ileum (7 Kap. Innere Medizin, 4.3)
Invagination Makroskopie. Teleskopartige Einstülpung eines Darmsegmentes in ein anderes, treten vor allem im Säuglingsalter auf.
3
ten sind deutlich aufgetrieben, im Zottenstroma und auch weiteren Darmwandabschnitten sind zahlreiche Makrophagen mit PAS-Positivität neben dilatierten Lymphgefäßen anzutreffen, PASpositive Einschlüsse in Makrophagen sind charakteristisch. 4 Virale Enteritiden: Diagnostisch ist die Lichtmikroskopie wenig ergiebig. Immunhistochemischer Nachweis mittels Elektronenmikroskopie und Molekularbiologie, bei entsprechender Fragestellung ist immer der mikrobiologische Nachweis anzustreben. 4 Protozoen-assoziierte Enteritiden: Lambliasis durch Lamblia intestinalis. Histologie: charakteristische häkchenförmige Morphologie der Lamblien an der Schleimhautoberfläche (zumeist in Duodenalbiopsie sichtbar). Tumoren von Jejunum und Ileum Benigne Tumoren
Volvulus Makroskopie. Darmdrehung um die Mesenterialachse
(mindest 180°), vor allem im Säuglingsalter o Gefahr der hämorrhagischen Infarzierung. Mesenterialvenenthrombosen und venöse Stauungshyperämien Makroskopie.
4 Thrombosen der Mesenterialvenen: Nekrosen bei hämorrhagischer Infarzierung 4 Venöse Stauungshyperämie: dunkelblau-rot livide verfärbtes Darmsegment mit Schleimhautödem Intestinale Lymphangiektasien Histologie. Ausgeprägte Dilatation mukosaler Gefäße in verbreiterten Schleimhautzotten. Malabsorptionssyndrome 4 Primäre Malabsorptionssyndrome: DisaccharidMalabsorptionssyndrome, Laktose-Malabsorptionen. Histologie: normaler Schleimhautbefund mit fingerförmigen Schleimhautzotten. 4 Sekundäre Malabsorptionssyndrome: Zöliakie, einheimisches Sprue, tropisches Sprue, primäre intestinale Lymphome, Dermatitis herpetiformis Duhring, Amyloidose, Kwashiorkor, intestinale Lymphangiektasie, nach Bestrahlung, infektbedingt. Entzündliche Dünndarmerkrankungen 4 Bakterielle Enteritiden: z. B. Morbus Whipple: Tropheryma whippelii. Histologie: Schleimhautzot-
4 Adenome (tubulär, villös, tubulovillös) – Schleimhautadenom mit geringgradiger Epitheldysplasie – Schleimhautadenom mit hochgradiger Epitheldysplasie 4 Lipome – Leiomyome – Gangliozytisches Paragangliom – Polypen (wohl Harmatome): hyperplastische Polypen, Peutz-Jeghers-Polyp, juveniler Polyp
Maligne Tumoren des Dünndarms 4 Adenokarzinom: muzinöses Adenokarzinom; Siegelringzellkarzinom; kleinzelliges Karzinom; Plattenepithelkarzinom; adenosquamöses Karzinom medulläres Karzinom; undifferenziertes Karzinom; Karzinoidtumoren 4 Maligne Lymphome: B-Zell-Lymphom vom MALT-Typ; Mantelzelllymphom; diffuses, großzelliges Lymphom; Burkett-Lymphom; Burkettlike-Lymphom; T-Zell-Lymphom (Enteropathie assoziiertes T-Zell-Lymphom
3.2.17
Appendix
Akute Appendizitis Morphologie. Folgende Entzündungsvarianten sind zu differenzieren: 4 Primäreffekt: Erosionen mit granulozytenreicher Exsudation, Fibrinbeimengung
174
3
Kapitel 3 · Pathologie
4 Phlegmonöse Appendizitis: granulozytäre Entzündung in allen Wandschichten, ausgeprägte Hyperämie, oft assoziiert mit Periappendizitis und lokal fibrinös eitriger Peritonitis 4 Ulzerophlegmonöse Appendizitis: wie phlegmonöse Appendizitis mit ausgedehnten Ulzera 4 Abszedierende Appendizitis: mit Ausdehnung auf das Mesenteriolum in Form einer Periappendizitis 4 Gangränöse Appendizitis: Nekrosen mit sekundärer Besiedelung durch Fäulniserreger 4 Chronische Appendizitis Neurogene Appendikopathie Histologie. Neuromartige Nervenproliferate. Zu benignen und malignen Tumoren der Appendix 7 Kap. Innere Medizin, Chirurgie 3.2.18
Erkrankungen von Kolon und Rektum
3.2.18.1
Angeborene Störungen kolorektalen Innervation Morbus Hirschsprung Synonym. Aganglionose oder Megacolon congenitum (7 Pädiatrie, Kap. 2.10.4).
3.2.18.2
Kreislaufstörungen des Kolons und des Rektums Hämorrhagische Dickdarminfarzierung Makroskopie. Massive Rötung der Schleimhaut, Mukosa ist ödematös aufgetrieben, ulzeriert, intraluminal reichlich Blut, desquamiertes Epithel. Die Serosa zeigt in der Regel eine fibrinös hämorrhagische Auflagerung, oft mit sekundärer Peritonitis. Ischämische Kolitis Histologie. Oberflächliche Schleimhautnekrosen,
hämorrhagische Pseudomembranen, Kapillarthrombonen, hyaline Fibrose des Stromas, Atrophie der Krypten. 3.2.18.3
Entzündliche colorektale Erkrankungen Bakterielle Ruhrerreger Histologie. Darmmukosa hyperämisch, diffus inflammiert mit Schleimhautstromaödem, bei Progredienz Entwicklung von Nekrosen und Pseudomembranen sowie Ulzera. Amöbenruhr Makroskopie. Sehr variabel. Histologie. Massive Gewebsnekrosen in Mukosa und
Makroskopie. Aganglionäres Darmsegment zeigt Ste-
nose, proximal des aganglionären Segmentes vereinzelt hypoganglionäre Übergangszone vor regelrecht innerviertem Abschnitt. Hypoganglionose Definition. Hyperplasie aller nervalen Strukturen der Darmwand. Totale Aganglionose Synonym. Zuelzer-Wilson-Syndrom.
Submukosa mit massiver Entzündungszellinfiltration, Erosionen und Ulzerationen. Amöben an Schleimhautoberfläche, oft groß wegen phagozytierten Erythrozyten. Idiopathisch chronisch entzündliche Darmerkrankungen Die morphologischen Unterschiede zwischen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind in . Tab. 3.21 zusammengefasst (. Abb. 3.24). Neutropenische Kolitis
Makroskopie/Histologie. Mikrokolon wegen Fehlen
Morphologie. Form einer schweren, nekrotisierenden
der Ganglienzellen der intramuralen Plexus (Plexus submucosus und Plexus myentericus) im Bereich des gesamten Kolon.
Enterokolitis aufgrund primärer Schleimhautschädigung durch Zytostatika mit sekundär bakterieller Besiedlung durch Clostridien, Pseudomonas, Escherichia coli oder Klebsiellen.
Divertikel Zu unterscheiden sind echte Divertikel (Meckel-Divertikel) von falschen Divertikeln (Pseudodivertikel oder Graser-Divertikel); bei letzteres ist nicht die gesamte Darmwand ausgesackt, sondern die Wand des Divertikelsack besteht aus Mukosa und Lamina muscularis mucosae.
Kollagene Kolitis Histologie. Vorwiegend subepitheliale, hell eosinophile Kollagenbänder, zahlreiche Lymphozyten, lymphoplasmazelluläres Entzündungsinfiltrat gemischt mit neutrophilen und eosinophilen Granulozyten sowie Mastzellen im Schleimhautstroma.
175 3.2 · Spezielle Pathologie
3
. Tab. 3.21. Unterschiede von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn Colitis ulcerosa
Morbus Crohn
Mucosale und submucosale Entzündung
Transmurale Entzündung
Viele Kryptenabszesse
Wenige Kryptenabszesse
Keine Fissuren
Viele Fissuren
Oft deutliche Vaskularisation, wenig Schleimhautödem
Selten starke Vaskularisation, prominentes Schleimhautödem
Unspezifische Entzündung
Oft Epithelzellgranulome vorhanden
Kontinuierliches Verteilungsmuster
Diskontinuierliches Verteilungsmuster
Entzündliche Erkrankungen der Anorektalregion 4 Analfissur: oberflächlicher Schleimhautdefekt mit unterschiedlich stark ausgeprägter Entzündung 4 Perianalfistel: vollständig ausgebildeter Fistelgang mit umgebender Entzündung 4 Perinalabszess: meist zentral liegende Haaranteile mit umgebender, abgegrenzter, akuter Entzündung 3.2.18.4
Mukosaprolapssyndrom
Synonym. Solitäre rektales Ulkussyndrom. Histologie. Glanduläre Hyperplasie der Rektum-
schleimhaut mit oder ohne Ulzerationen sowie fibromuskulärer Obliteration des Schleimhautstromas. 3.2.18.5 4
4 . Abb. 3.24. Morbus Crohn, Kolon. In der Submukosa ein epitheloidzelliges, zentral nichtverkäsendes Granulom mit mehrkernigen Riesenzellen. Ein angedeutet disproportionales Entzündungsinfiltrat. Filiformer (Pseudo)Polyp. HE, 180:1. (Aus Remmele 2000)
4
4 Lymphozytäre Kolitis Histologie. Massive Erhöhung von CD8-positiven TLymphozyten intraepithelial, 20 – 25 Lymphozyten pro 100 Enterozyten, Schleimhautstroma ist lymphoplasmazellulär infiltriert.
Weitere spezifische Krankheiten des Dickdarms Melanosis coli: braun-schwarze Pigmentierung der Kolonschleimhaut; Histologie: Kupfer- und eisenreiches braunes Pigment in Makrophagen der Lamina propria Pneumatosis coli: gashaltige Zysten in Submukosa und Subserosa mit Betonung des Kolon als Hauptlokalisation Amyloidose: Rektumbiopsien in Diagnostik der Amyloidose oft wegweisend, da Amyloidablagerungen bei generalisierter Amyloidose hier in der Regel nachweisbar sind. Malakoplakie: geringfügig erhabene, scharf begrenzte, polypoide Läsionen mit geringer Randentzündung; Histologie: Seltene Läsion im Kolon, typisch sind von-Hansemann-Zellen (Makrophagen mit gekörntem Zytoplasma) und Michaelis-Gutmann-Körperchen (zytoplasmatische Einlagerungen in Von-Hansemann-Zellen)
176
3
Kapitel 3 · Pathologie
3.2.18.6 Kolorektale Tumoren Benigne Tumoren (7 Kap. Chirurgie, Innere Medizin, 4.3.14) Die histologische Subtypisierung der Adenome umfasst: 4 Tubuläres Adenom 4 Villöses Adenom 4 Tubulovillöses Adenom 4 Adenom mit sägezahnartigen Epithelknospen (an angloamerikanischer Literatur: Serrated Adenoma) 4 Lipome 4 Leiomyome Maligne Tumoren Kolorektales Karzinom (7 Kap. Innere Medizin, 4.3.15, 7 Kap. Chirurgie) Histologische Subtypen der kolorektalen Karzinome sind 4 Adenokarzinome (Muzinöse Adenokarzinome, Siegelringzellkarzinome, adenosquamöse Karzinome). 4 Plattenepithelkarzinom 4 Kleinzelliges Karzinom 4 Undifferenziertes Karzinom
tan, fibrozystische Mastopathien und Mammakarzinom, Schilddrüsenkarzinome, Strumen, Ovarialzysten, Leiomyome des Uterus 4 Neurofibromatose Typ I (7 Kap. 3.2.1.5, 7 Neurologie, Kap. 1.6.6.1): neurofibromatöse Neoplasien gastrointestinal ! Cave Bei unklaren kolorektalen Läsionen muss immer auch an eine extragenitale Endometriose gedacht werden, diese kann tumorös imponieren und zur Darmperforation führen!
Bowenoide Papulose Histologie. Entspricht dem Morbus Bowen der Haut (Carcinoma in situ). 3.2.19
Milz
3.2.19.1
Kreislaufstörungen, Entzündungen und reaktive Veränderungen der Milz Anämischer Milzinfarkt Morphologie. Keilförmiges, gelbes abgeblasstes Infarktgebiet mit hyperämischem Randsaum, Keilspitze im Bereich des Milzhilus, Keilbasis an der Kapsel.
Makroskopie. Polypoide, blumenkohlartige, teil schüs-
selförmig exulzerierende, diffus-infiltrierende Wuchsmuster, Schnittfläche weiß-grau, derbe Konsistenz.
Milzruptur Morphologie. Kapseleinrisse mit Einblutungen und
Blutung im Abdomen und Weichgewebe. Hereditäre kolorektale Tumoren Zu den hereditären kolorektalen Tumoren (FAP, LynchSyndrom): 7 Kap. Humangenetik, Innere Medizin, Chirurgie. 4 Lynch-Syndrom (HNPCC): HNPCC-Karzinome liegen öfter proximal der linken Flexur im Vergleich zu sporadischen colorektalen Karzinomen, es zeigt sich weiters eine ausgeprägtere muzinöse Komponente und starke lymphozytäre Durchsetzung des Tumors sowie der peritumoralen Randbezirke. 4 Peutz-Jeghers-Syndrom: gastrointestinale Polypose kombiniert mit mukokutanen Pigmentanomalien. Peutz-Jeghers-Polypen zeigen bis in die Endverzweigungen der Polypen aufsteigende glatte Muskelfasern der Muscularis mucosae. 4 Familiäre juvenile Polypose: deutlich dilatierte, zystische Drüsen innerhalb eines entzündlich durchsetzten, ödematösen Polypstromas. Im Gegensatz zum Peutz-Jeghers-Polypen keine glatte Muskulatur im Polypstroma, Oberflächenepithel oft entzündlich alteriert und arodiert 4 Cowden-Syndrom: harmartomatöse Polypen in Magen und Kolon sowie Hyperkeratosen mukoku-
Splenitis Histologie. Neutrophile Granulozyten, Plasmazellen,
eosinophile Granulozyten, eventuell Ausbildung eines Milzabszesses. Perisplenitis Flächenhaft bei massiver Inflammation. Fokal über Infarktzonen. Granulomatöse Splenitis Morphologisch lassen sich folgende Subtypen unterscheiden: 4 Epitheloidzellige Granulome vom Tuberkulosetyp mit zentraler Verkäsung 4 Epitheloidzellige Granulome vom Sarkoidosetyp ohne zentrale Nekrose 4 Epitheloidzellige Granulome von Pseudotuberkulosetyp mit zentralem Mikroabszess 4 Virale Entzündungen: Epstein-Barr-Virusinfektion, Hepatitis B-, Masern-, Zytomegalie-, Varizelleninfektionen 4 Autoimmunkrankheiten
177 3.2 · Spezielle Pathologie
4 Follikuläre Hyperplasie der weißen Pulpa bei rheumatoider Arthritis; Intimafibrose und perivaskuläre Fibrose bei Sklerodermie und systemischen Lupus erythematodes (SLE) 3.2.19.2 Systemische Erkrankungen Fokale/diffuse Amyloidose 4 Speicherkrankheiten (Morbus Gaucher, Morbus Niemann-Pick, Mukopolysaccharidose): Splenomegalie 4 Hämolytische Anämie: Blutarmut bedingt durch Erythrozytenzerfall 4 Idiopathische thrombozytopenische Purpura: Hypoplasie der weißen Pulpa mit vermehrt Plasmazellen in roter Pulpa Neoplastische Blutkrankheiten Makroskopie. Oft Milzinfarkte. Histologie. Extramedulläre Blutbildung in Form aller 3 hämatopoetischen Linien, weiße Pulpa vermindert.
3.2.20
Thymus
4 Fehlbildungen 5 Thymusaplasie: oft im Rahmen eines DiGeorge-Syndroms mit Nebenschilddrüsenaplasie vergesellschaftet, resultiert in schwerer T-Zell-Defizienz mit Hypokalzämie und folglich Tetanie 5 Thymusdysplasie: kleiner Thymus, fehlende kortikomedulläre Gliederung, reduzierte Zahl von lymphatischen Zellen und in der Regel von Hassall-Körpern, manifestiert sich als schwerer kombinierter Immundefekt 4 Entzündliche Erkrankungen des Thymus 5 Lymphofollikuläre Thymitis: Lymphfollikel in der Medulla 4 Thymustumoren 5 Thymome: knotige Tumoren mit gelb-grauer, septierten Schnittfläche, vereinzelt Zysten, Nekrosen und Einblutungen; Histologie/Subtypen: lymphoepithelial, spindelzellig, epithelial
3
5 Gallengangsmikroharmatome (Von-Meyenburg-Komplex): kleine Knoten mit zystisch dilatierten Gallengängen in fibrösem Stroma, kongenitale interepitheliale Gallengangsdilatation (Synonym: Caroli-Syndrom), solitäre Leberzyste 3.2.21.2
Nichtentzündliche Erkrankungen der Leber Leberfibrose Definition. Bindegewebsvermehrung im Leberparenchyms ohne Umbau der Läppchenstruktur (4 Stadien, Stadium 4 entspricht der manifesten Leberzirrhose). Ätiopathogenese. Induziert durch Leberzellstress
durch Entzündungen (Virusinfektionen), toxische Agentien. Nekrosen und Apoptosen der Hepatozten folgen, als regenerativer Residualzustand entwickelt sich die Fibrose. Morphologie. Mikroskopie: Portalfeldverbreiterung (Retikulin-Maschenwerk wird breiter), im Stadium IV (Leberzirrhose) sind die Portalfelder miteinander verbunden
Leberzirrhose Definition. Die Leberzirrhose ist das morphologische Korrelat eines vollständigen Parenchymumbaus, welcher mit einer alterierten Leberfunktion einhergeht. (7 Innere Medizin, Kap. 5.2.6). Ätiopathogenese. Alkohol, Toxine, Chemikalien, Infektionen (zumeist Virusinfekte: aktiv, chronisch aggressiv, chronisch persistierend), Stoffwechselerkrankungen (Hämochromatose, M. Wilson), Gallengangserkrankungen (primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis). Morphologie. Noduläres Oberflächenrelief, erhöhte
Konsistenz, teils derbe Schnittfläche (mikronoduläre Zirrhose bis 5 mm Knotengröße – Verdacht auf ethyltoxische Genese, makronoduläre Zirrhose >5 mm Knotengröße). Komplikationen. 7 Innere Medizin, Kap. 5.2.6.
3.2.21
Erkrankungen der Leber und der intrahepatischen Gallenwege
3.2.21.1 Fehlbildungen 4 Leberfehlbildungen: Agenesie, Lageanomalien, abnorme Lappung, ektopes Lebergewebe 4 Gallengangsfehlbildungen
Hyperbilirubinämie und Ikterus (7 Innere Medizin, Kap. 5.1) Histologie. Histologisches Korrelat zu hepatischem und posthepatischem Ikterus: 4 Hepatischer Ikterus: Gallepigment vorwiegend läppchenzentral lokalisiert, Gallethromben sind rundliche, amorphe, gelbbraune bis schwarze Mas-
178
3
Kapitel 3 · Pathologie
sen zwischen den Leberbälkchen, Galletropfen sind kleine runde, gelb-braune Pigmentablagerungen im Zytoplasma der Hepatozyten. Auch Kupfferzellen können gallig imbibiert sein. Daneben finden sich entzündliche Veränderungen um die Leberzellnekrosen mit Granulozyten, Lymphozyten und Histiozyten in den Portalfeldern. 4 Beim posthepatischen Ikterus kommt es vor allem zur Entwicklung einer perikanalikulären konzentrischen Fibrose in den Portalfeldern. Galleseen bei stark dilatierten, rupturierten, mit Galle erfüllten portalen Gallengängen. Morbus Wilson Histochemie. Intrazytoplasmatisches Kupfer. 3.2.21.3
Entzündliche Lebererkrankungen (7 Innere Medizin, Kap. 5.2.1) Hepatitiden Unterschieden werden: 4 Virushepatits A, B, C, D, E, G 4 Autoimmune chronisch-aktive Hepatittis 4 Medikamentös-toxisch induzierte chronische Hepatitis Histologie der akuten Virushepatitis. Einzelne Leberzellen zunächst hydropisch geschwollen (Ballonzellen; . Abb. 3.25), lösen sich später aus trabekulärem Verband. Das Zytoplasma ist stark eosinophil, Zellkerne sind pyknotisch, später lytisch. Diese abgerundeten nekrotischen Hepatozyten besitzen den Namen Councilman-Körper. Die Portalfelder zeigen eine vorwiegend lymphoplasmazelluläre Infiltration, das Kupfferzellsystem ist stark aktiviert mit vergrößerten, proliferierten Kupfferzellen. Später treten zeroidbeladene Makrophagen in Portalfeldern auf. Leberdystrophie > Im Rahmen einer fulminanten Hepatitis kann es zur akuten Leberdystrophie kommen: Makroskopie o gelbe Leberdystrophie.
Histologie. Ausgedehnte Leberzellnekrosen. Bei Überleben der gelben Leberdystrophie tritt das Stadium der subakuten roten Leberdystrophie nach etwa 3 Wochen auf, hier starke Hyperämie.
Chronische (persistierende) Hepatitis Histologie. Verbreiterung der Portalfelder mit dichtem lymphoplasmazellulärem Entzündungsinfiltrat, geringgradige Faservermehrung (Retikulinfärbung!); intakte Grenzplatte um Portalfeld, Kupfferzellsystem aktiviert, typisch für Hepatitis B, Milchglaszellen.
. Abb. 3.25. Ballonzelle bei akuter Hepatitis: weitgehend aufgehelltes, nahezu strukturloses Zytoplasma. Kräftig geblähte Leberzellen, unten mit pyknotischem Kern. Begleitende Sternzellreaktion (HE 770:1). (Aus Remmele 2000)
Chronische aggressive/aktive Hepatitis Histologie. Dichtes Lymphoplasmazytoläre Entzündungsinfiltrat in den Portalfeldern, vereinzelt kleine Lymphfollikel mit Keimzentren, Ausbildung von Brückennekrosen zwischen Portalfeldern und Zentralvene, Mottenfraßnekrose bzw. Apoptosen der Grenzlamelle o somit sind Portalfelder unscharf begrenzt. Chronische lobuläre Hepatitis Histologie. Lymphohistiozytäre Portalfeldinfiltration mit Aufhebung der parenchymatöse Grenzplatte, Parenchymnekrosen, Ausbreitung auf die angrenzenden Leberläppchen, teils Plasmazellbeimengung, Kupfferzellaktivierung. Autoimmune chronisch-aktive Hepatitis Histologie. Parenchymnekrosen mit straßenförmigem Bindegewebsersatz o Portalfelder untereinander verbunden; Destruktion der Grenzplatte. 3.2.21.4 Nicht-virale Lebererkrankungen 4 Leptospirose (Morbus Weil): Leberzellnekrosen, Apoptosen, Zeichen der Cholestase und der Leberregeneration, Aktivierung des Kupfferzellsystems 4 Leberabszess: kleine Abszesse mit zentral nekrotischem Detritus, reichlich neutrophile Granulozyten 4 Q-Fieber: Fibrinringgranulome
179 3.2 · Spezielle Pathologie
3.2.21.5 Parasitäre Lebererkrankungen 4 Protozoeninfektionen – Amöbiasis: Amöben (rund, oval bis paddelförmig) meist an Oberfläche der entzündlich alterierten Darmmucosa zu erkennen 4 Viszerale Leishmaniose (Kala-Azar): Parasiten in Kupfferzellen und portalen Makrophagen detektierbar 4 Malaria: Makrophagen enthalten schwarzes Pigment¸mikroskopischer Nachweis von Plasmodien (Trophozoiten, Mikrogametozyten, Schizonten) 3.2.21.6 Wurmerkrankungen 4 Bilharziose: ausgeprägte granulomatöse Reaktion mit umgebender Fibrose 4 Echinokokkose: häufig ausgeprägte Zystenbildung häufig 4 Leberegel: Proliferation der Gallengänge, Epithelhyperplasie, periduktale Fibrose o mögliche Entwicklung einer Cholangitis 3.2.21.7 Stoffwechselstörungen der Leber α1-Antitrypsin-Mangel Ätiolopathogenese/Morphologie. Gesteigerter Kollagenabbau in Leber, Haut, Lunge und Gefäßen mit Ausbildung von Leberzirrhose, Lungenemphysem und vaskulärer Intimafibrose. Idiopathische Hämochromatose Histologie. Eisendeposition vorwiegend läppchenperipher, in Gallengangepithelien als Hämosiderin, weniger in Kupfferzellen (erst im Rahmen der Abräumreaktion vermehrt); in der Folge progredienter Leberzelluntergang mit Fibrosierung und Ausbildung einer Leberzirrhose. ! Cave
kleintropfige Fettleber bei Reye-Syndrom, tetrazyklininduziert und Schwangerschaftsfettleber; großtropfige Verfettung meist bei alkoholisch bedingter Fettleber. ! Cave Die Verfettung der Leber ist nach Entfernung der zugrunde liegenden Noxe reversibel! Dieser Tipp kann Ihren Patienten zur Umstellung seines Lebensstils durchaus motivieren.
Formen der Leberzellverfettung sind: 4 Zentrale Leberverfettung: um die Zentralvene; anoxämisch oder stauungsbedingt 4 Periphere Leberzellverfettung: in der Umgebung von Portalfeldern; meist toxisch bedingt 4 Intermediäre Formen: bei schwerer Anoxämie Toxische Leberschädigung Ätiopathogenese. Alkohol, Medikamente, Toxine. Histologie. Mallory-Körper in Hepatozyten (hirschge-
weihähnliche eosinophile Strukturen intrazytoplasmatisch), zentrolobuläres, zellarmes, perizelluläres Fasernetzwerk, zytolytische Leberzellnekrosen, zentrolobuläre hydropische Hepatozyten. 3.2.21.8 Kreislaufstörungen der Leber Akute Blutstauung Morphologie. Ausweitung der Zentralvenen und Kapillaren eventuell auch läppchenzentrale Nekrosen. Chronische Blutstauung Histologie. Deutlicher Blutreichtum, lediglich periportal erhaltene Parenchyminseln, vermehrt Erythrozyten in den Sinus, Schwund des Leberparenchyms im Bereich der Blutstauung, verschmälerte Leberbälkchen, feintropfige Verfettung als Zeichen der Hypoxämie.
Bei idiopathischer Hämochromatose besteht ein deutlich erhöhtes Risiko zur Bildung eines hepatozellulären Karzinoms.
Leberzellverfettung Definition. Übersteigt der Fettgehalt der Leber 5% des Lebergewichts, so spricht man von einer Leberverfettung. Bei einer Fettleber (Steatosis hepatis) liegt der Fettanteil bei mehr als 50%. Histologie. Zytoplasmavakuolisierung, Leberzellen besitzen anfangs kleine, später größere, konfluierende Vakuolen, optisch leer durch Einbettungsverfahren – lediglich bei Gefrierschnittaufarbeitung mit Sudanfärbung lässt sich der Lipidgehalt beweisen (. Abb. 3.26),
3
. Abb. 3.26. Fettleber Mikroskopie. (Aus Reuter 2004) (7 Farbtafelteil)
180
Kapitel 3 · Pathologie
Leber bei Eklampsie (7 Kap. Gynäkologie) Histologie. Flächenhafte intravasale Gerinnsel o hyaline Thromben intrasinusoidal; später breite Koagulationsnekrosen; Leberparenchym mit eosinroter Homogenisierung und Destruktion des Gitterfasernetzes.
3
Zahn-Infarkt Ätiopathogenese. Pfortaderastthrombose oder Pforta-
derokklusion. Makroskopie. Keilförmiges, sehr blutreiches Leberareal bei Fehlen von Nekrosen – daher kein echter Infarkt.
3.2.21.9
Entzündung der intrahepatischen Gallenwege (Cholangitis) Akute eitrige Cholangitis Histologie. Intraduktal, periduktal und im Gallengangepithel viele neutrophile Granulozyten, teils vollständige Destruktion der Gallengangstrukturen; Portalfelder ödematös aufgetrieben, daneben Zeichen der Cholestase. > Die akute eitrige Cholangitis kann in eine sekundärbiliäre Leberzirrhose progredieren mit Bindegewebssepten und erweiterten Gallengängen, ausgeprägter Proliferation von Gallenductuli und Netzdegeneration sowie Gallethromben.
3.2.21.10 Tumorähnliche Läsionen der Leber und Tumoren (7 Innere Medizin, Kap. 5.2.9) Fokale noduläre Hyperplasie (FNH) Histologie. Regelrechte Hepatozyten mit unterschiedlichem Glykogengehalt und vereinzelt Lipideinlagerungen, Bindegewebssepten mit eingelagerten Gallengangproliferaten, unterschiedlich dichte lymphozytäre Infiltration. Noduläre Transformation der Leber (noduläre regionalaktive Hyperplasie) Histologie. Fokale oder diffuse knotige Umwandlung mit Knoten von regelrecht strukturierten Hepatozyten. Hepatozelluläres Karzinom Makroskopie. Solitäre, multinoduläre oder diffuse Tumorinfiltrate, Schnittfläche der Tumor grau-weiß, grün oder rot-braun. Histologie. Zumeist trabekuläre Grundarchitektur der
Tumorzellformationen (. Abb. 3.27), vereinzelt auch kapilläre oder tubuläre Muster, Trabekel mit mehreren Zelllagen, dicke Zwischentumorzellen, sinusoidartige Lymphräume, die von Endothelzellen ausgekleidet sind. Kupfferzellen fehlen, Tumorzellen sind in der Regel kleiner als reguläre Hepatozyten, vereinzelt MalloryKörper intrazytoplasmatisch.
Primär biliäre Zirrhose Histologie. Je nach Stadium ergeben sich verschiedene histologische Befunde: 4 Stadium I: Zerstörung kleiner und mittelgroßer inlobulärer Ductuli; periductale lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate, Lymphozyten dringen in Epithelien ein o Nekrosen, Zerstörung der Gallengänge 4 Stadium II: Proliferation von Gallengängen. 4 Stadium III: Ausbildung einer portalen Fibrose 4 Stadium IV: manifeste Leberzirrhose Sklerosierende Cholangitis Histologie. Fokales, periduktales lymphoplasmazelluläres Entzündungsinfiltrat mit einzelnen neutrophilen und eosinophilen Granulozyten; mit Krankheitsprogression Ausbildung einer Fibrose mit Lungeneinengung und Atrophie der Gallengänge o mechanische Cholestase mit Gallengangserweiterung, Gallethromben, Fibrose und Proliferation von Ductuli in Grenzzone zwischen Portalfeld und Parenchym; schließlich Ausbildung einer vollständigen Zirrhose.
. Abb. 3.27. Wenig differenziertes trabekuläres Leberkarzinom. Deutliche Größenunterschiede der Tumorzellen, kräftige zytoplasmatische Basophilie, Kernpolymorphie (HE 480:1). (Aus Remmele 2000)
181 3.2 · Spezielle Pathologie
Sonderform: fibrolamelläres Karzinom Histologie. Große Tumorzellen mit breitem eosinophilen Zytoplasmasäumen und großen Zellkernen sowie großen Nukleolen. Prominentes kollagenes Bindegewebe findet sich zwischen den in soliden Formationen und Trabekeln angeordneten Tumorzellen; Serum-α1Fetoproteinspiegel ist hier nicht erhöht! Cholangiozelluläres Karzinom Makroskopie. Grau-weiße Schnittfläche, derbe Konsistenz. Histologie. Stromareiche Tumoren überwiegend tubu-
lärer Differenzierung.
3
defekte, eventuell fibrinös-eitrige Auflagerungen. Subtypen: eitrige, phlegmonös, ulzerierende, gangränöse, hämorrhagische Cholezystitis. Chronische Cholezystitis Makroskopie. Fibrose der Gallenblasenwand mit Verdickung, Hyalinose der Gallenblasenoberfläche führt zum Bild der Porzellangallenblase, reichlich lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate, Abflachung des nutrosalen Reliefs. Histologie. Vereinzelte dilatierte Aschoff-RokitanskyKrypten der Gallenblasenoberfläche der Porzellangallenblase.
3.2.22.2
Cholesteatose
Häufigste Primärtumoren der Leber
Makroskopie. Stippchengallenblase mit stippchenfor-
4 Benigne Tumoren – Hepatozelluläres Adenom, – Cholangiozelluläres Adenom – Gallengangsadenom – Cholangiozelluläres Zystadenom – Hämangiom 4 Maligne primäre Lebertumoren – Hepatozelluläres Karzinom – klassische Variante – Fibrolamelläre Variante – Cholangiozelluläres Karzinom – Cholangiozelluläres Zystadenokarzinom – Cholangio-hepatozelluläres Karzinom
migen weiß-gelben Schleimhautein- und -auflagerungen.
3.2.21.11 Lebererkrankungen im Kindesalter 4 Icterus neonatorum: Nervenzelluntergänge in unterschiedlichen Hirnregionen, Mitbetonung der Stammganglien 4 Reye-Syndrom: Akute Enzephalopathie und Leberverfettung bei Kindern wenige Tage nach Infektion mit Influenza-A-, -B- oder Varizella-ZosterVirus. Salizylate eventuell an Auslösung mitbeteiligt, genaue Pathogenese aber noch unklar. Histologisch kleintropfige Leberzellverfettung.
Histologie. Plumpe Schleimhautfalten, kleinherdige
Schaumzellaggregate subepithelial (bei stärkerer Ausprägung Cholesterolpolypen) 3.2.22.3
Tumoren der Gallenblase und der extrapatischen Gallenwege 4 Benigne Tumoren: Adenome und Adenomyome 4 Maligne Tumoren 5 Gallenblasenkarzinom: in der Regel Adenokarzinom, selten Plattenepithelkarzinom oder Adenokarzinom; Metastasierung lymphogen in regionärer Lymphknoten, hämatogen in Leber 5 Karzinom der Papilla Vateri: in der Regel Adenokarzinom 3.2.23
Erkrankungen des Pankreas (7 Innere Medizin, Kap. 5.4)
3.2.23.1
Lipomatosis pancreatis
Definition/Morphologie. Überfettung des originären
Gewebes ohne klinische Relevanz. 3.2.23.2
3.2.22
Erkrankungen der Gallenblase und der extrahepatischen Gallenwege (7 Innere Medizin, Kap. 5.3)
3.2.22.1 Cholezystitis Akute Cholezystitis Makroskopie/Histologie. Deutlich geschwollene, gerötete, teils eingeblutete Gallenblasenwand, Schleimhaut-
Akute Pankreatitis
Histologie. Je nach Ausprägung finden sich folgende
Merkmale (. Tab. 3.22). 4 Milde Formen: interstitielles, inflammationsbedingtes Ödem bis disseminierter Fettgewebsnekrosen 4 Schwere Formen: ausgedehnte Nekrosen und Hämorrhagien bei floridem Entzündungsbefund bis hin zur Pankreasapoplexie; interstitielles Ödem ist kombiniert mit disseminierten Fettgewebsnekrosen
182
Kapitel 3 · Pathologie
. Tab. 3.22. Pankreatitis
3
Grad
Morphologie
Grad 1
Entzündung auf Pankreas beschränkt, entzündliches Infiltrat in ödematösem Stroma
Grad 2
Pankreas durchzogen von Fibrosen
Grad 3
Hämorrhagische Pankreatitis, schollige Nekrosen mit lymphozytärer Entzündung, kalkspritzerartige Fettgewbsnekrosen
Makroskopie. Typische kalkspritzerartige Veränderungen disseminiert an der Oberfläche; neben dem Pankreasgewebe ist auch das umschriebene Fettgewebe in den Entzündungsprozess sowie die Nekrosen einbezogen (. Abb. 3.3), in späteren Thromben in kleineren Blutgefäßen; in höheren Stadien massive Hämorrhagien; Pankreasapoplasie = Gesamtnekrose des Pankreas.
3.2.23.3
. Abb. 3.28. Muzinöses Zystadenokarzinom des Pankreas. Großer unilokulärer zystischer Tumor im Pankreasschwanz mit anhängender Milz. Die Zystenwand ist verdickt und zeigt auf der Innenseite blumenkohlähnliche Tumorproliferationen. (Aus Remmele 2000)
Chronische Pankreatitis
Histologie. Ausgeprägte interstitielle Fibrose, vor allem
Untergang des exokrinen Pankreas, wohingegen der Großteil der endokrinen Langerhans-Inseln bestehen bleibt. ! Cave Die schwierigste Differenzialdiagnose zur chronischen Pankreatitis ist das Pankreaskarzinom.
3.2.23.4 Tumoren des exokrinen Pankreas Benigne Pankreastumoren Hierzu gehört u. a. der intraduktale papillär-muzinöse Tumor. Histologie. Multiple kleine Hohlräume mit β-HCG-ne-
4 4 4 4 4
zelluläre Polymorphie, Tumorzellen sind kubisch mit runden Zellkernen, prominente Nukleolen, erhöhte Mitoserate, destruktives Wuchsmuster Sonderform: Adenokarzinom der Papilla Vateri (oft Progression aus tubulovillösem Adenom) Intraduktales papillär-muzinöses Karzinom Muzinöses Zystadenokarzinom (. Abb. 3.28) Azinuszellkarzinom Inselzellkarzinom
Seltene Pankreastumoren Solid-pseudopapillärer (papillär-zystischer) Tumor des Pankreas.
gativen kubischen Zellen ausgekleidet Maligne Tumoren des exokrinen Pankreas Duktales Adenokarzinom Makroskopie. Irregulär konturierte Tumoren mit graugelber Schnittfläche und deutlich erhöhter Konsistenz. Histologie. Varianten sind:
4 Adenosquamöses Karzinom 4 Muzinöses nicht-zystisches Karzinom 4 Anaplastisches Karzinom: oft deutliche Muzinproduktion, teils alveoläre, teils mikroglanduläre Grundtextur, faserreiches Stroma (Differenzialdiagnose zur chronischen Pankreatitis), ausgeprägte
3.2.24
Erkrankungen des Peritoneums
3.2.24.1
Peritonitis – entzündliche Erkrankungen des Peritoneum
Akute Peritonitis Histologie. Es lassen sich folgende Formen unterscheiden: 4 Eitrige Peritonitis (vor allem bei Perforationen von Hohlorganen z. B. Ulcus pepticum oder Divertikelperforation) 4 Fibrinös-eitrige Peritonitis: zumeist als Begleitperitonitis
183 3.2 · Spezielle Pathologie
Spezifische Peritonitiden Hierzu zählt insbesondere die Tuberkulose mit epitheloidzelligen Granulomen. Peritoneale Adhäsionen stellen breite Verwachsungszonen nach abgelaufener akuter Peritonitis dar und sind mögliche Ursachen für späteren Bridenileus. Chronische Peritonitis Sonderform: sklerosierende Peridonitis: durch Mesothelproliferation ausgedehnte Fibrosierung mit sekundärer Obstruktion des Darmlumens. 3.2.24.2
Tumorähnliche Veränderungen des Peritoneum Papilläre mesotheliale Hyperplasie Hier sind zu unterscheiden: 4 Pseudomyxoma peritonei: massive Schleimdeposition in der Bauchhöhle durch benigne oder maligne muzin-produzierende Tumoren (beispielsweise muzinöse Zystadenome oder Zystadenokarzinome des Ovar; Mukozele der Appendix) 4 Idiopathische retroperitoneale Fibrose. 4 Fibrome, Fibromatosen, Leiomyome, Lipome. 3.2.24.3 Peritoneale Tumoren 4 Malignes Mesotheliom 5 Epithelialer Typ (am häufigsten, teil papillär) 5 Mesenchymaler Typ 5 Gemischter Typ (meist biphasisch), histologisches Bild mitunter sehr variabel 4 Primäres Karzinom des Peritoneums: primäres zirrhöses Adenokarzinom (Entstehung zumeist auf Basis von endosalpingioser Herden)
3
Abakterielle interstitielle Nephritis > Bei der abakteriellen interstitiellen Nephritis sind immer beide Nieren betroffen.
Ätiopathogenese.
4 Akute abakterielle interstitielle Nephritis: Wird u. a. beobachtet nach Infektionskrankheiten und allergischen Reaktionen. 4 Chronische abakterielle interstitielle Nephritis: Häufigste Ursache ist der chronische Analgetikaabusus, v. a. Paracetamol oder Phenacetin (»Analgetikanephropathie«). Metabolite reichern sich im Markbereich an und schädigen dort Kapillaren und Tubuli. Es kommt zur Kapillarsklerose mit nachfolgender Papillennekrose. Seltener sind allergische, toxische und parainfektiöse Ursachen. Morphologie. Bei der chronischen Form sind die
Nieren normal groß oder geschrumpft. Typisch sind Papillennekrosen und eine Verbreiterung der Basalmembran der Kapillaren des Markbereichs (»Phenacetinniere«). Pyelonephritis (bakterielle interstitielle Nephritis) Ätiopathogenese. Akute Pyelonephritis: oft aszendierende Entzündung im Rahmen von Harnabflussstörungen, häufige Erreger sind v. a. E. coli, seltener Klebsiellen oder Proteus. Seltener ist die hämatogene Entzündungsausbreitung im Rahmen einer Sepsis. Morphologie.
3.2.25
Nierenerkrankungen
3.2.25.1 Fehlbildungen 4 Nierenzysten: einzelne kleine bis sehr große, von seröser Flüssigkeit erfüllte zystische Hohlraumbildung – häufig, zumeist ohne klinische Relevanz 4 Hereditäre Zystennieren (Potter-I–IV-Sequenz): deutlich vergrößerte Nieren mit schwammähnlicher, polyzystischer Schnittfläche Interstitielle Nephritis (7 Innere Medizin, Kap. 6.2) Definition. Entzündliche Schädigung des interstitiellen Gewebes der Niere. Man unterscheidet eine abakterielle, nicht-destruierende von einer bakteriellen, destruierenden Form, der Pyelonephritis.
4 Akute Pyelonephritis: Makroskopisch oft Vergrößerung der Niere. An der Nierenoberfläche Ausbildung disseminierter, gelblicher Mikroabszesse. Auf der Schnittfläche entstehen sog. »Abszessstraßen« (histologisch: streifenförmige Granulozyteninfiltrate). 4 Chronische Pyelonephritis: Makroskopisch oft verkleinert mit irregulärer Oberfläche (landkartenförmige Narbenfelder). Histologie: vernarbtes Interstitium mit lymphoplasmazellulärem Infiltrat.
3.2.25.2
> Pyelonephritische Schrumpfnieren stellen das Endstadium nicht mehr zuzuordnender Pyelonephritiden mit ausgeprägter Nierenschrumpfung dar (. Abb. 3.29).
184
Kapitel 3 · Pathologie
3
. Abb. 3.29. Pyelonephritische Schrumpfniere
3.2.25.3
Glomerulonephritis (7 Kap. Innere Medizin. 6.2) Definition. Entzündliche Nierenerkrankung primär die Glomerula affektierend; meist beidseitig mit baldiger Niereninsuffizienz (. Abb. 3.30). Ätiopathogenese. Meist durch Autoimmunreaktionen
3.2.25.4 Kreislauferkrankungen der Niere 4 Nierenarterienstenosen: Schrumpfniere 4 Maligne Nephrosklerose: fibrinoide Nekrosen der Arteriolen, glomeruläre Atrophie und Glomerulosklerose 4 Arteriolosklerose: rote Granulaatrophie, diffus fein granulierte Organoberfläche 4 Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS): multiple Fibrinthromben in glomerulären Kapillaren 4 Schockniere: Hell-beigefarbene, diffuse Abblassung, zuerst verstärkte Rindenmarkgrenze, diese ist später verwaschen; Histologie: Nephrohydrose (Nephrohydrose mit dilatierten Tubuli sowie Tubulusepithelnekrosen, hyaline Thromben in arteriellen Gefäßen 4 Akute nephrotoxische Tubulusnekrosen: diffuse Abblassung, bei ausgeprägter Myoglobinablagerung (Crash-Niere 7 Innere Medizin), Braunverfärbung; Histologie: ausgedehnte Tubulusnekrosen, diffuse vakuoläre Degeneration der Tubulusepithelien 4 Niereninfarkt: typischerweise keilförmige Koagulationsnekrose mit Keilspitze Richtung Mark
verursacht.
Morphologisches Klassifikationsschema 4 Chronische Glomerulonephritiden (mit nephrotischem Syndrom) – Minimal-change-Glomerulonephritis – Mesangioproliferative Glomerulonephritis – Epimembranöse Glomerulonephritis – Membranoproliferative Glomerulonephritis Typ I, II und III – Nekrotisierende Glomerulonephritis – IgA-Nephritis (Morbus Berger) 4 Akute Glomerulonephritiden (mit nephritischem Syndrom) – Rapid-progressive Glomerulonephritis (RPGN) – Postinfektiöse Glomerulonephritis
3.2.25.5 Nierentumoren Benigne Nierentumoren Adenome Makroskopie. Meist multiple, gelbe, scharf umrandete, kleine Läsionen, zumeist rindenbetont. Histologie. Solide, trabekuläre, papilläre oder mikrozystische Grundtextur, keine Angioinvasion.
Onkozytom Makroskopie. Rehbraun. Histologie. Große Zellen mit breitem, granulär-eosino-
philem Zytoplasma. Prognose. Benignes Verhalten trotz oft großer Tumo-
ren. Angiomyolipom
Histologie. Diffuse oder fokale, globale oder segmen-
tale, endo- oder extrakapilläre Verteilung der Veränderungen; meist zusätzlich diagnostisch hilfreiche Methoden: Spezialfärbungen (Methenamin-Versilberung, Elastica van Gieson, SFOG, PAS), Immunhistochemie, Fluoreszenzmikroskopie und Elektronenmikroskopie. Klinische Klassifikation 7 Innere Medizin, Kap. 6.4.
Makroskopie/Histologie. Sehr bunte Morphologie mit Gefäß-, Muskel-, Fettgewebsanteilen.
Mesoblastisches Nephrom (renales Harmatom) Histologie. Glatte Muskulatur und kollagenes Fasermaterial um unreifes Nierenparenchym, vereinzelt Abschnitte extramedullärer Hämatopoese und chondroide Gewebsinseln, leicht erhöhte Mitoserate spricht nicht für Malignität!
185 3.2 · Spezielle Pathologie
. Abb. 3.30. Mindmap Glomerulonephritis. (Nach J. Pöss)
3
186
3
Kapitel 3 · Pathologie
Maligne Nierentumoren Nierenzellkarzinom Makroskopie. Meist an distalen Polen situiert, oft solitäre Läsionen, grau-weiße, teils hellgelbe, zystisch imponierende hämorrhagisch durchsetzte und schmutzige Nekrosen aufweisende Schnittfläche (. Abb. 3.31), Pseudokapsel oft anzutreffen; Gefäßeinbrüche und Infiltration des perirenalen Fettgewebes, Einbruch in Nierenbecken und Ureterinfiltration sind klassisch. Histologie. In der Regel wasserklare Zellen mit teils randständigen Zellkernen, Wuchsmuster charakteristischerweise pflanzenzellartig. Histologische Subtypen: 4 Klarzelliges, papilläres (basophiler Typ, eosinophiler Typ) 4 Chromophobes Karzinom 4 Sammelrohr-Karzinom 4 Ductus-Bellini-Karzinom 4 Nierenzellkarzinom NOS (unklassifizierbar)
Urothelkarzinom des Nierenbeckens Makroskopie. Exophytisches, papilliformes Wuchsmuster. Histologie. Zumeist papilläre Urothelkarzinome, ver-
einzelt Plattenepithelkarzinome.
3.2.26
Erkrankung der ableitenden Harnwege
3.2.26.1
Fehlbildungen (7 Urologie)
3.2.26.2
Entzündungen der ableitenden Harnwege Infektiöse Entzündungen Akute Urozystitis Makroskopie. Rote, ödematös aufgetriebene, erodierte oder ulzerierte, teils gangränös alterierte Harnblasenschleimhaut Chronische Urozystitis Histologie. Schleimhauthyperplasie mit Entzündungszellinfiltraten bis zur Ausbildung einer Urozystitis follicularis, oft glanduläre oder Plattenepithelmetaplasie. > Spezifische Urozystitis bei Nierentuberkulose oder Bilharziose!
Nichtinfektiöse Entzündungen der ableitenden Harnwege Ätiopathogenese. Nach intravesikaler oder systemischer Zytostatikatherapie, nach Strahlentherapie: akute oder chronische Strahlenzystitis; interstitielle Zystitis, selten Malakoplakie.
Nephroblastom (Wilms-Tumor) Zumeist im Kindesalter auftretender, hochmaligner embryonaler Mischtumor.
Histologie/Zytologie. Hansemann-Zellen, Michaelis-
Histologie. Bi- oder triphasisch, Mischung aus zell-
3.2.26.3
reichem Blastem, stromalem Anteil und epithelialen Strukturen in unterschiedlichem Ausmaß; morphologisches Charakteristikum: epitheliale Pseudorosetten.
Gutmann-Körper. Tumoren der ableitenden Harnwege
Tumorähnliche Läsionen der ableitenden Harnwege 4 4 4 4
Cystitis follicularis Urethralkarunkel Endometrioseherde Entzündliche PseudoTumoren der Harnblasenwand (bestehen aus Granulationsgewebe) 4 Cystitis cystica (proliferierte Brunn-Nester) 4 Intestinale Metaplasie 4 Nephrogene Metaplasie
Benigne Tumoren der ableitenden Harnwege
. Abb. 3.31. Klarzelliges Nierenzellkarzinom mit gelblichen und weißen Tumoranteilen sowie herdförmigen Einblutungen im Parenchym. (Aus Remmele 2000) (7 Farbtafelteil)
4 Urothelpapillom: benigner papillärer Tumor 4 Invertiertes Papillom: histologisch einwärts gekehrte Grundarchitektur 4 Leiomyome: histologisch glattmuskulär differenzierter Tumor 6
187 3.2 · Spezielle Pathologie
Maligne Tumoren der ableitenden Harnwege 4 Urothelkarzinom (exophytisch-papillärer oder solider Subtyp): histologisch Deckepithel ist über sieben Zelllagen dick, bei höhergradigen Läsionen Verlust des typischen Oberflächenepithels, zelluläre Polymorphie mit riesenzelliger Komponente, erhöhte Mitoserate 4 Adenokarzinom der Harnblase (selten) 4 Leiomyosarkom: histologisch glattmuskulär differenziert, hohe zelluläre Pleomorphie und hohe Mitoserate 4 Embryonales Rhabdomyosarkom (selten, v. a. im Kindesalter): histologisch zumeist helle, breite, eosinophile Zytoplasmasäume, hohe zelluläre Pleomorphie
3.2.27
Erkrankungen der männlichen Genitalorgane
3.2.27.1
Fehlbildungen und Entwicklungsanomalien (7 Kap. Urologie)
> Bei längerem Bestehen eines Kryptorchismus wachsen im Verlauf der Pubertät die Tubuli, das Keimepithel bleibt jedoch zurück; Hyalinisierung der Tubuli; lediglich Sertoli-Zellen erhalten.
3.2.27.2 Kreislaufstörungen des Hodens 4 Torsion: histologisch tubuläre Zellnekrosen mit Einblutungen bis zum Vollbild der hämorrhagischen Infarzierung mit kompletter Organdestruktion 4 Varikozele: histologisch Dilatation der Venen des Samenstranges mit Ausbildung einer Phlebosklerose der großen Gefäßäste 4 Atherosklerotische Schädigung der Hodengefäße: Selbst massive atherosklerotische Veränderungen der testikulären Gefäße führen oft selten zu anämischen Infarkten, meist ist die Spermatogenese regelrecht erhalten. 4 Hodenpathologie bei Panarteriitis nodosa: Führt öfter zu makroskopisch und mikroskopisch sichtbaren Infarkten. 3.2.27.3 Orchitis (7 Kap. Urologie, 3.4.5) Bakterielle Orchitis Histologie. Deutliche Hyperämie, granulozytäre und monozytär betonte Entzündungsinfiltrate des Interstitiums, Degeneration der Spermatogenese; residuell: reichlich Sertoli-Zellen; später Abszess- und
3
Fistelbildungen, auch Reste von Leydig-Zellen bleiben erhalten. Spezifische Entzündungen 4 Tuberkulöse Orchitis: zumeist mit Epididymitis assoziiert (bei Organstreuung der lepromatöser Lepra, massive Fibrose mit Leydigzellhyperplasie) 4 Syphilitische Orchitis: meist ohne Epididymitis, deutliche perivaskuläre Entzündung und peritubuläre Fibrose 4 Virale Orchitis: granulozytär-monozytäre, teils nekrotisierende Entzündung; postinflammatorische, meist residuelle Inseln intakter Kanalikuli mit erhaltender Spermatogenese 5 Granulomatöse Orchitis: meist homogene weiße Schnittfläche: Wichtige Differenzialdiagnose o Seminom! Histologie: intratubulär reichlich lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate mit beigemengten Histiozyten; in späteren Stadien hypoblastäre Proliferate 5 Allergische Orchitis: lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate mit Monozytendestruktion der Spermatogenese, typische Immunglobulinablagerungen im der Immunfluoreszenz detektierbar > Sonderform der granulomatösen Orchitis ist die testikuläre Malakoplakie: Hier treten Makrophagen mit PAS-positiven, zielscheibenähnlichen, kalzifizierten Granula (Michaelis-Gutmann-Körper) auf.
3.2.27.4 Hodentumoren Keimzelltumoren Histologie. Große, atypische Keimzellen mit hellem Zytoplasma; hyperchromatischen, leicht entrundeten Zellkernen. Vorläuferläsion: intertubuläre Keimzellneoplasie. Seminom Makroskopie. Homogen weiß-graue Farbe, typischerweise markige Konsistenz, unterschiedlich stark ausgeprägte zentrale Nekrosen und Einblutungen. Subtypen des Seminoms sind: 4 Klassisches Seminom: große, wohl umschriebene Tumorzellen mit hellem, lipid- oder glykogenhaltigem Zytoplasma, überwiegend solide Proliferate, herdförmige lymphozytäre Infiltration; zumeist PLAP-positiv (PLAP steht für »placental-like alkaline phosphatase«) 4 Seminom mit synzytiotrophoblastischen Riesenzellen 4 Spermatozytisches Seminom: hochpolymorphe Zellularität, PLAP-negativ
188
Kapitel 3 · Pathologie
! Cave Charakteristikum des spermatozytischen Seminoms ist ein Auftreten ausschließlich nach dem 40. Lebensjahr, diese Tumoren metastasieren nie!
3
Nicht-seminomatöse Keimzelltumoren 4 Embryonales Karzinom: Zweithäufigster Keimzelltumor. Histologie: drüsenartige, teils papilläre Brunn-Struktur, Tumorzellen zeigen schmalen, hellen Zytoplasmasaum bei vergrößerten, lappigen Zellkernen. 4 Teratome: Sie stammen aus Zellen aller 3 Keimblätter (wie Teratome anderenorts); Unterscheidung in reife und unreife Teratome o letztere mit geringer Zelldifferenzierung, vor der Pubertät benignes Verhalten, nach der Pubertät maligne Potenz. Subtypen sind: 5 Reife Teratome 5 Benigne Epidermoidzyste 5 Endodermaler Sinustumor (reiner Dottersacktumor); Histologie: dünne, lang gezogene, untereinander verwobene Zellen, Immunhistochemie: α-Fetoprotein-positiv 4 Polyembryom: Tritt meist in Kombination mit anderen Neoplasien auf. 4 Chorionkarzinom: Perivaskulär gelegene mehrkernige Riesenzellen, hohe Zellpolymorphie, papilliforme Tumorzellproliferate, diese Zellen sind zytiotrophoblastären Ursprungs (β-HCG-negativ), synzytiotrophoblastäre Riesenzellen sind deutlich β-HCG-positiv. > Die Kombination von Seminomen mit nicht-seminomatösen Keimzelltumoren ist relativ häufig; prognostisch entscheidend sind dann die malignen, nicht seminomatösen Anteile.
Tumoren des Gonadenstromas 4 Leydig-Zelltumor: braune bis braun-gelbe Schnittfläche; Histologie: trabekuläres Grundmuster, polygonale Zellen mit eosinophilem Zytoplasma, Zellkerne mit prominenten Nukleolen, vereinzelte mehrkernige Riesenzellen; Immunhistochemie: Östrogen- und progesteronpositiv 4 Sertoli-Zelltumoren: variabler Aufbau (mesenchymal, tubulär, gemischt oder großzellig) 4 Keimzellstroma-Mischtumoren: häufigster Subtyp: Gonadoblastom (Auftreten ausschließlich in kryptorchen Gonaden); Histologie: typische CallExner-Körper
3.2.27.5
4
4
4 4
Erkrankungen von Nebenhoden, Samenleiter, Samenstrang und Hodenhüllen Spermatozele/Hydrozele (7 Urologie, Kap. 3.8.3) 5 Spermatozele: zystische Dilatation des Rete testis, des Nebenhodenganges oder der Ductuli efferentes 5 Hydrozele: pathologische Flüssigkeitseinlagerung im Spaltraum der Tunica vaginalis 5 Hämatozele: pathologische Flüssigkeitsansammlung mit Blutbeimengung im Spaltraum der Tunica vaginalis Epididymitis, Deferentitis, Funikulitis 5 Akute unspezifische Entzündung: Hyperämie mit unterschiedlich stark ausgeprägter granulozytärer und monozytärer Entzündungsinfiltration der Gangstrukturen sowie des Interstitiums; bei Gonorrhö Gefahr der Abszessbildung 5 Chronisch unspezifische Epididymitis: Gangstrukturen mit flachem Regeneratepithel und metaplastischem Plattenepithel 5 Tuberkulöse Epididymitis: granulomatöses Entzündungsbild Spermagranulom: kleine braune Knoten; vor allem bei Zustand nach Vasektomie; histologisch Fremdkörpergranulom Paratestikuläre Tumoren, z. B. Adenomatoidtumor: wohl umschriebener Tumor mit grau-gelber Schnittfläche, derbe Konsistenz; Histologie: pseudogranuläre, adenomatöse Grundtextur, Tumorzellen mit deutlich eosinophilem, vakuoligem Zytoplasma, dazwischen Bindegewebsstränge
3.2.27.6 Samenblasenerkrankungen Samenblasentumoren Histologie. Muzinsezernierende papilläre oder anaplastische Adenokarzinome. 3.2.27.7 Prostata-Erkrankungen Prostatitis (7 Urologie, Kap. 3.4.4) Histologie. Man unterscheidet: 4 Akute Prostatitis: dilatierte Gangstrukturen mit massiver granulozytärer Inflammation, vereinzelt Auftreten von Abszessbildungen 4 Chronische Prostatitis: intraduktale und interstitielle lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate 4 Granulomatöse Prostatitis: typisches granulomatöses Entzündungsbild mit Langhans-Riesenzellen 4 Spezifisch granulomatöse Prostatitis = Prostatatuberkulose (granulomatöses Entzündungsbild mit zentraler Verkäsung typisch epitheloidzellig)
189 3.2 · Spezielle Pathologie
3
4 Trabekuläres Karzinom 4 Muzinöses Karzinom 4 Verwildertes Adenokarzinom > Die histologische Graduierung des Prostatakarzinoms erfolgt nach Gleason, Grad 1–5; Summation im Gleason-Score.
3.2.27.8 4 . Abb. 3.32. Schwere prostatische intraepitheliale Neoplasie (»High-grade«-PIN) mit papillärem und kribriformem Drüsenmuster sowie prominenten Nukleolen. Nur noch vereinzelt Basalzellen. Stanzbiopsie, HE 140:1. (Aus Remmele 2000) (7 Farbtafelteil)
4 4
Benigne (adenomyomatöse) Prostatahyperplasie Makroskopie. Prostatavergrößerung mit Ausbildung eines Home-Lappens mit urethraler Einengung, Schnittfläche zeigt zahlreiche weiße faszikuläre Knotenbildungen, Organkonsistenz ist prall, elastisch bis derb. Histologie. Variabel stark dilatierte tubulo-alveoläre
Drüsen mit intraluminal liegenden konzentrisch geschichteten, eosinophilen Konkrementen, Epithelknospen in Form von Papillen oder Pseudopapillen springen in die dilatierten Drüsenlumina vor, die epitheliale Zweireihigkeit mit Basalzelllage und deckendem Zylinderepithel ist erhalten, zwischen glandulären Strukturen ausgeprägte Proliferation Körpermuskelfasern, Organperipherie zeigt verdichtetes, hypozelluläres Stroma.
4
> Als Tumorvorstufe gilt die prostatische intraepitheliale Neoplasie (PIN), die als »High-grade«-PIN (= direkte Präkanzerose für eine Prostata-Adenokarzinom) diagnostische Bedeutung hat (. Abb. 3.32).
Prostatatumoren Prostatakarzinom Makroskopie. Knotige Tumorformationen zeigen derbe Konsistenz und grau-weißer Schnittfläche; Hauptlokalisation: periphere Zonen. Histologische Subtypen des Prostatakarzinoms sind: 4 Mikroglanduläres Karzinom 4 Großazinäres Karzinom 4 Kribriformes Karzinom 4 Solides Karzinom
4
Erkrankungen von Penis und Skrotum Entwicklungsstörungen: Hypospadie, Phimose (7 Pädiatrie, 7 Urologie, Kap. 3.10) Zirkulationsstörungen, z. B. Fournier-Gangrän: subfasziale nekrotisierende Entzündung von Penis und Skrotum mit Gefäßthrombosen Unspezifische Entzündungen und venerische Infektionen 5 Posthitis: Vorhautentzündung (zumeist bakterieller Genese) 5 Balanitis: Entzündung der Glans (zumeist bakterieller Genese) 5 Balanoposthitis xerotica obliterans: Histologie des Lichen sclerosis et atrophicans o Entwicklung einer Phimose 5 Balanitis plasmazellularis Zoon: verschmälertes, teil fragmentiertes Plattenepithel, dieses ist von Entzündungszellen durchwandert, stromal ausgeprägte Neovaskularisation mit prominenter plasmazellulärer Inflammation 5 Syphilitischer Primäraffekt: deutlich erhöhte Konsistenz, daher die Bezeichnung Ulcus durum; Histologie: kapillarproliferate und lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltration, Erregernachweis oft im Ulkusgrund möglich Tumoren und tumorähnliche Veränderungen 5 Condyloma acuminatum: weiße, teils rötliche, erhabene warzenartige Läsionen; Histologie: Plattenepitheliale Hyperplasie mit Papillomatose, mit Akanthose, Papillomatose und typischen Koilozyten 5 Morbus Bowen: histologisch aufgehobene epithele Schichtung, Mitoserate erhöht, zelluläre Pleomorphie 5 Erythroplasie Queyrat: Carcinoma in situ 5 Peyronie-Krankheit: benigne Fibromatose der Tunica albuginea des Penisschaftes Maligne Penistumoren: überwiegend Plattenepithelkarzinome, seltener: Basaliom, Melanom, Morbus Paget
190
3.2.28
3
Kapitel 3 · Pathologie
Erkrankungen des weiblichen Genitale
3.2.28.1 Ovarien (7 Gynäkologie, Kap. 9.11.5) Ovarielle Zirkulationsstörungen Morphologie. Wichtige Befunde lassen sich bei femoralischer Infarzierung in Folge von Torsion des Ovars sowie bei ovarielle Blutungen durch Zystenruptur oder Follikelruptur erheben. Zysten des Ovar Follikelzysten Makroskopie. Unterschiedlich große, teils mehrkämmrige Zysten. Histologie. Membrana granulosa, über den Verlauf der
Zeit hyalinisiert. Syndrom des polyzystischen Ovars (Stein-Leventhal-Syndrom) Makroskopie. Sehr deutliche Ovarialvergrößerung, Schnittfläche zeigt viele subcapsuläre Zysten, Verdickung der Tunica albuginea. Histologie. Unter verdickter Tunica albuginea multiple
kleine Follikelzysten. Corpus-Luteum-Zysten Makroskopie. Zystenlumen von seröser oder leicht hämorrhagischer Flüssigkeit ausgefüllt. Histologie. Granulosa-Luteum-Zelllage auf schmalem
fibroblastärem Saum aufgelagert. Keimepithelzysten Makroskopie. Zystenwand meist schmal, Zysteninhalt klar, durchscheinend. Histologie. Zystenwandauskleidung o Flimmerepithel, aber auch endozervikale oder endomitroide Mukosa als mögliche Epithelschicht.
Endometriosezysten Makroskopie. Schokoladezysten (dunkelbrauner, mäßig zähflüssiger Inhalt). Histologie. Typische endometriale Drüsen sind im zytogenem Stroma eingelagert, als Zeichen älterer Einblutungen sind die darin beladenen Makrophagen erkennbar.
Serosa-Inklusionszysten Makroskopie. Sehr schmale, durchscheinende Zystenwand, seröser, wenig visköser Zysteninhalt.
Tumorartige Läsionen des Ovars 4 Ovarialstromahyperplasie: histologisch Vermehrung der ovariellen Stromazellen. 4 Hyperthekose: histologisch zahlreiche luteinisierte Zellen Ovarialtumoren Benigne Ovarialtumoren 4 Seröses Zystadenom: Zystenwand zeigt einreihiges, kubisches Epithel ohne ausgeprägte zelluläre Pleomorphie, Stroma abschnittsweise ödematös aufgetrieben, Psammomkörper: oft anzutreffen 4 Muzinöses Zystadenom: Zystenwand weist ein Epithel mit stiftchenförmig polarisierten Epithelzellellen mit basal liegenden Kernen auf; Zysteninhalt schleimig-viskös, durchscheinend 4 Fibrom: Thekom, Thekofibrom oder Fibrothekom und reifes Teratom (besteht aus Geweben aller 3 Keimblätter) 4 Endometroides Adenom: glanduläre Grundstruktur 4 Benigner Brennertumor: Mischung von benignen mesenchymalen und benignen epithelialen Zellkomponenten 4 Granulosazelltumor: benigne und maligne Verlaufsformen möglich 4 Keimstrang-Stroma-Tumoren: benigne und maligne Verlaufsformen möglich 4 Sertoli-Leydig-Zelltumor (Androblastom): benigne und maligne Verlaufsformen möglich; histologisch Mischung von Sertoli-Zellen, Leydig-Zellen und Fibroblasten 4 Steroidzelltumoren: benigne und maligne Verläufe möglich 4 Dermoidzyste (reifes zystisches Teratom): epidermal ausgekleidete Zyste mit Anteilen aller 3 Keimblätter mit (z. B. Hautanhangsgebilde, wie Haare, Schweißdrüsen, Plattenepithel; Nerven, Darm- und respiratorischem Epithel) Maligne Ovarialtumoren Die Beschreibung erfolgt hier jeweils nur bei ovarspezifischer Morphologie, in den anderen Fällen entspricht die Morphe Tumoren anderer Lokalisation). 4 Seröse Borderlinetumoren: Epithelverbreiterung mit prominenten Papillen, Epithelzellkerne, hyperchromatisch, Mitoserate erhöht, sichere Stromainfiltration nicht erkennbar. 4 Seröses Zystadenokarzinom: seröses Epithel, PASnegativ, deutliche Epithelzellatypien, teils papilläres, teils solides Wachstumsmuster 4 Muzinöses Zystadenokarzinom: atypische, muzinöse Epithelzellen, PAS-Positivität, mehrere Epithellagen
191 3.2 · Spezielle Pathologie
4 Endometroides Ovarialkarzinom: glandulär differenzierter Tumor mit endometroider Differenzierung mit unterschiedlich stark ausgeprägter Pleomorphie. Vorstufe = Endometroider Borderlinetumor 4 Maligner Brenner-Tumor: epitheliale Zellnester innerhalb eines sehr faserreichen Stromas, die Epithelzellen zeigen bohnenförmige Zellkerne 4 Granulosazelltumoren (benigne und maligne Verlaufsformen): adulter und juveniler Typ, zu unterscheiden sind 2 Subtypen des adulten Typs: 5 Gut differenzierte Tumoren mit mikrofollikulärer Architektur, Call-Exner-Körper 5 Schlecht differenzierte Tumoren mit sarkomatösen Abschnitten, Mitoserate kann mitunter hoch sein 4 Keimstrang-Stromatumoren: benigne und maligne Verlaufsformen 4 Sertoli-Leydig-Zelltumor (Androblastom, benigne und maligne Verlaufsformen). Mischung von Sertoli-Zellen, Leydig-Zellen und Fibroblasten 4 Steroidzelltumoren: benigne und maligne Verläufe möglich 4 Unreifes/malignes Teratom: besteht aus unreifen Keimblattanteilen 4 Dysgerminom: nestförmig gelagerte undifferenzierte Zellen mit breiten, hellen Zytoplasmasäumen und zentralen runden Kernen; die Tumorzellballen werden von einem faserreichen, teils lymphozytär durchsetzten Stroma durchwoben 4 Dottersacktumor: häufigste maligne Ovarialtumor im Kindes- und Jugendalter; α-Fetoprotein-positive, lang gezogene, überwiegend dünne, einander durchflechtende Tumorzellen 4 Embryonales Karzinom: hochmaligner Ovarialtumor 4 Chorionkarzinom: hochmaligner Tumor mit trophoblastärer Morphologie, β-HCG-positiv > In das Ovar metastasieren v. a. Endometrium- und Tubenkarzinome, die weiteren Genitalkarzinome nur selten. Gastrointestinale Karzinome dagegen metastasieren häufig ins Ovar: Krukenbergtumor (Ovarialmetastase eines Siegelringkarzinoms des Magens).
3.2.28.2
Erkrankungen der Tuba uterina (7 Gynäkologie)
Salpingitis Die Salpingitis ist oft mit einer Oophoritis in Form einer Adnexitis kombiniert. Makroskopie. Deutliche Rötung der Serosa sowie der
Tuba mucosa, Schwellung.
3
Histologie. Bei Perisalpingitis oft weiße bzw. weiß-gelbe
Fibrin- bzw. fibrinös-eitrige Belege; neben ödematöser auch stadienabhängige entzündliche Komponente, bis zur fibrinös-eitrigen Perisalpingitis; Pyosalpingitis; reichlich Eiter im Tubenlumen. Sonderformen sind: 4 Salpingitis isthmica nodosa: bei Verdickung des Tubenisthmus; führt oft zu Tubargravidität 4 Tuberkulöse Salpingitis: zentral verkäsende epitheloidzellige Granulome Tumorartige Läsionen – Hydatide Makroskopie. Zumeist kleine, überwiegend paratubar gelegene, von klar-seröser Flüssigkeit erfüllte SerosaInklusionszysten. Tumoren der Tube Benigne ist der Adenomatoidtumor, maligne Tubentumoren sind Adenokarzinome sowie Metastasen. 3.2.28.3
Erkrankungen des Uterus (7 Kap. Gynäkologie) Erkrankungen des Endometriums Endometriose Makroskopie. Rote Schleimhautinseln, teils deutlich eingeblutetes umgebendes Gewebe und auch Zeichen älterer Einblutungen. Histologie. Endometrium an atypischer Stelle, abhängig vom Stadium des Zyklus.
Adenomyose Makroskopie. Kleine, von altblutigem Material (ähn-
lich wie Schokoladezyste) erfüllte zystische Hohlraumbildungen innerhalb des Myometriums. Histologie. Regelrechtes Endometrium innerhalb des
Myometriums erkennbar. Störungen des weiblichen Zyklus Zu unterscheiden sind: 4 Störung der Proliferationsphase: durch Östrogenmangel oder Östrogenüberschuss 4 Störung der Sekretionsphase: durch Progesteronmangel oder Progesteronüberschuss 4 Tamoxifen-induzierte Endometriumschleimhautveränderungen: induzieren spezifische Endometriummorphologie ! Cave Das morphologische Bild muss immer mit dem klinischen Kontext korreliert werden, um die richtige 6
192
Kapitel 3 · Pathologie
Diagnose stellen zu können! Tamoxifen-induzierte Schleimhautveränderungen können mannigfaltig sein.
3
Endometritis (7 Gynäkologie, Kap. 9.10.4) Morphologisch zu differenzieren sind folgende Formen: 4 Akute Endometritis: meist phlegmonöse oder abszedierende eitrige Entzündung; selten 4 Chronische Endometritis: lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate. 4 Granulomatöse Endometritis: selten; bei Genitaltuberkulose, Fremdkörperreaktion (Intrauterinpessar, Sarkoidose) Endometriumhyperplasie Histologische Subtypen: 4 Einfache Hyperplasie: mit/ohne Atypien 4 Komplexe Hyperplasie: mit Atypien (= atypische Hyperplasie, . Abb. 3.33)
karzinom (die meisten), mehrere Subtypen: endometroides Adenokarzinom, adenosquamöses Karzinom, seröses Adenokarzinom, klarzelliges Endometriumkarzinom, muzinöses Adenokarzinom (. Tab. 3.23) 4 Stromatumoren: selten: benigne Stromaknoten, maligne Stromasarkome niedriger Malignität und undifferenzierte Sarkome des Endometrium 4 Karzinosarkom bzw. maligner Müller-Mischtumor: sehr heterogen, teils derb, teils zystenbedingt weich mit Einblutungen, Blutauflagerungen und ausgedehnten Nekrosearealen; Histologie: heterogen mit karzinomatösen und sarkomatösen Abschnitten, beide Anteile meist gering differenziert Tumoren des Myometriums Leiomyom Makroskopie. Weiß-faszikuläre Schnittfläche, prall elastisch. Histologie. Einander durchflechtende glatte Muskelfa-
Einfache Hyperplasie: Erhöhte Drüsen-Stroma-Ratio (größer als 1:1), variable Drüsengröße, neben kleinen finden sich zystisch ausgeweitete Drüsenzellkerne oval bis elongiert, unterschiedliche methodische Aktivität, kleine, unauffällige Nukleolen, zellreiches Stroma. Komplexe Hyperplasie: Erhöhte Drüsen zu Drüsen-Stroma-Ratio (größer als 3:1), deutliche Größenvarianz der Drüsen, einzelne Drüse zeigen komplexe Angularität, squamoide Zellveränderungen, Pseudostratifikation, ovale und elongierte Zellkerne, feindisperses Chromatin, kleine, unscheinbare Nukleolen. Für die einfache Hyperplasie mit Atypien und komplexe Hyperplasie mit Atypien gelten die Kriterien wie für einfache und komplexe Hyperplasie ohne Atypien, jedoch hier mit erhöhter Eosinophilie, eliptischen bis runden Zellen mit deutlicher Zell- und Kerngrößenvariation, deutlicher Hyperchromasie, prominenten, stark vergrößerten Nukleolen, verklumptem Chromatin, vesikulären Kerne o Kernaufhellung als Zeichen der malignen Transformation. > Die atypische Hyperplasie hat ein deutlich gesteigertes Potenzial zur Transformation zu einem invasiven Adenokarzinom des Endometriums.
Tumorartige Endometriumläsionen 4 Endometriumschleimhautpolypen: unterschiedlich groß, gestielt oder breitbasig, starke fibröse Komponente oder erhöhte glandulär-zystische Komponente 4 Endometriumkarzinom: neben infiltrativem auch exophytisches Wuchsmuster; Histologie: Adeno-
sern, zigarrenförmige Zellkerne, mäßig breite Zytoplasmasäume, glatte Muskelzellen sind spindelförmig, Mitosegehalt kann mitunter relativ hoch sein. Sonderformen sind: 4 Bizarres (symplastisches) Leiomyom o trotz ausgeprägter zellulärer Bizarrität benignes Verhalten 4 Intravenöses Leiomyom: Tumorformation innerhalb von Uterusvenen 4 Adenomyom oder Adenofibrom: gutartiger glattmuskulärer oder fibröser Tumor mit eingelagerten endometroiden Drüsen
. Tab. 3.23. Endometriumkarzinom-Subtypen (gereiht nach Häufigkeit) Subtyp
Histologie
Adenokarzinom
Glandulärer, teils solider Aufbau
Adenoakanthom
Glandulär mit benigner squamöser Komponente
Adenosquamöses Karzinom
Glandulär mit atypischer squamöser Komponente
Klarzelliges Karzinom
»Pflanzenzellartiges« Wuchsmuster
Serös-Papilläres Karzinom
Papilliforme Grundtextur
Muzinöses Karzinom
Schleimproduktion
193 3.2 · Spezielle Pathologie
. Abb. 3.33. Mindmap Endometriumhyperplasie und Pathogenese des Zervixkarzinoms
3
194
Kapitel 3 · Pathologie
Leiomyosarkom Makroskopie. Irregulär konturierte Tumoren mit weicher Konsistenz und sehr bunter Schnittfläche mit gelben Nekrosezonen.
3
Histologie. Hohe Mitoserate bei ausgeprägten zellu-
lären Atypien, Nekrosen, Zeichen der Invasion. 3.2.28.4
Erkrankungen der Cervix uteri (7 Gynäkologie)
Ektopie Definition. Verlagerung endozervikaler Schleimhaut auf die vaginale Portiooberfläche.
Plattenepithelmetaplasie Definition. Ersatzektop bei Zervixschleimhaut durch Plattenepithel (stadienhafter Ablauf: Reservezellhyperplasie o unreife Plattenepithelmetaplasie o reife Plattenepithelmetaplasie. Zervizitis (7 Gynäkologie, Kap. 9.10.3) Makroskopie. Fibrinös-eitrige Beläge an der Zervixschleimhaut, Erosionen und Ulzerationen. Histologie. Stromale Entzündungszellinfiltrate (granulozytär oder lymphozytär betont, je nach akuter oder chronischer Inflammation), ausgeprägte reaktive Epithelzellveränderungen mit vor allem lymphoplasmazelluläre Infiltration und Einzelzellnekrosen; die Abgrenzung einer reaktiven Epithelveränderung im Rahmen einer Zervizitis von einer echten, neoplastischen Epitheldysplasie ist oft schwierig.
Tumorartige Veränderungen Zervixschleimhautpolyen Histologie. Unterschiedlich große, zumeist vereinzelt zystisch dilatierte Drüsen innerhalb eines in der Regel gut vaskularisierten Polypstromas. Glanduläre Hyperplasie Histologie. Die mikroglanduläre Hyperplasie ist eine wichtige Differenzialdiagnose zum Adenokarzinom der Zervix, die tritt vor allem im Rahmen von stärkeren hormonellen Änderungen auf.
lungszone, Zellkern irregulär konfiguriert, oberflächliche Dyskeratinozyten). Zervikale intraepitheliale Neoplaie (CIN) Zytologische und histologische Befunde bei zervikalen Präkanzerosen und invasiven Karzinomen zeigt . Tab. 3.24. > Definition des Frühkarzinoms bzw. mikroinvasiven Karzinoms: Karzinom im FIGO-Stadium Ia, dieses Läsionen sind lediglich in Kolposkopie und Histologie zu finden.
Histologie. Die zervikalen intraepithelialen Neoplasien zeigen neben Architekturstörungen auch unterschiedlich stark ausgeprägte zelluläre Atypien. Je höher der Grad der zervikalen intraepithelialen Neoplasie ist, desto stärker ist das deckende Plattenepithel verbreitert und desto stärker findet sich auch eine Verschiebung der Kernplasmarelation, eine Hypochromasie, vermehrte mitotische Aktivität, vermehrte Zelldichte und Polaritätsverlust dieser Epithelzellen. Die zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN I) wird auch als geringgradige Dysplasie bezeichnet, die atypischen Epithelzellen finden sich im unteren, basalen Drittel der gesamten Epithelhöhe, bei der CIN II (mäßiggradige Dysplasie) nehmen die dysplastischen Zellen die beiden unteren Drittel der Epitheldicke ein, bei der CIN III (= hochgradige bzw. schwere Dysplasie) wird die gesamte Epithelhöhe von atypischen Zellen durchsetzt. Die CIN III entspricht einem Carcinoma in situ (CIS). Selbiges gilt für die glanduläre zervikale intraepitheliale Neoplasie, welche einem Adenocarcinoma in situ entspricht.
Zervixkarzinom (7 Gynäkologie, Kap. 9.12.2.1) Histologie. Bei etwa 90% der invasiven Zervixkarzinom handelt es sich um Plattenepithelkarzinome, etwa 10% sind Adenokarzinome, kleinzellige (neuroendokrine) Karzinome sind nur selten anzutreffen (. Abb. 3.34). Der Hauptprädilektionsort für das Entstehen des invasiven Zervixkarzinoms ist die sog. Übergangszone oder Transformationszone zwischen dem Plattenepithel der Ekto- und dem Drüsenepithel der Endozervix. Vagina (7 Gynäkologie)
Condyloma acuminatum (s. oben, 7 Gynäkologie) Makroskopie. Zumeist weiße, flache oder leicht erhabene, warzenförmige, nicht wegwischbare Läsionen.
3.2.28.5 Kolpitis
Histologie. Plattenepithelhyperplasie mit oft Hyper-,
Histologie. Prominente Entzündungsinfiltrate, Keim-
Ortho- oder Parakeratose, Papillomatose, Koilozytose (Keratinozyten mit deutlicher perinuklearer Aufhel-
besiedelung sind zytologisch, histologisch sowie vor allem mikrobiologisch gut nachweisbar.
Makroskopie. Schleimhautrötung, Erosionen, möglicherweise eitrige Beläge, Ausfluss.
195 3.2 · Spezielle Pathologie
3
. Tab. 3.24. Korrelation zytologischer und histologischer Befunde anhand verschiedener Klassifikationssysteme der zervikalen Präkanzerosen und invasiven Karzinome (modifizierte PAP-, Bethesda- und WHO-Klassifikation) Zytologie
Interpretation
Zytologie (Bethesda System)
Histologie (WHO)
Kontrolle/Therapie
I
Normalbefund, typisch vor Geschlechtsreife
Normal
Normales Epithel, reife Plattenepithelmetaplasie ohne Auffälligkeiten
Eine Kontrolle/Jahr
II
Entzündliche bzw. reaktive Epithelveränderungen; ausgeprägte Metaplasie (mit reaktiven Veränderungen); häufigster Befund bei der geschlechtsreifen Frau
Reaktiv, entzündlich
Entzündung, Plattenepithelmetaplasie
Eine Kontrolle/Jahr
II w
Ausgeprägte reaktive Veränderungen mit Kontrolbedürftigkeit
ASC-US
Entzündung, Plattenepithelmetaplasie, Regeneratepithel
Eine Kontrolle in 6 Monaten
III
Unklar, suspekt auf Dysplasie (CIN)
ASC-H
CIN I, II, III, invasives Karzinom
Sofortige histologische Abklärung (Biopsie, Kürettage des Zervikkanals)
III D
Zellbild einer CIN I oder II
LSIL, CIN I
Eine Kontrolle in ca. 3–6 Monaten, bzw. sofortige histologische Abklärung
HSIL, CIN II
Sofortige histologische Abklärung
III G
Atypisches Drüsenepithel
AGUS
AIS, entzündliche und reaktive Veränderungen des zervikalen Drüsenepithels, atypische Endometrienhyperplasie, Adenokarzinom der Zervix und des Endometriums
Hysteroskopie und getrennte Kürettage
IV a, b
Zellbild einer CIN III
HSIL
CIN III
Sofortige histologische Abklärung
V
Maligne Tumorzellen (Karzinomzellen u. a.)
Maligne Tumorzellen (Karzinomzellen u. a.)
Maligne Tumoren (z. B. invasives Plattenepithelkarzinom)
Sofortige histologische Abklärung, evtl. Hysteroskopie und getrennte Kürettage
Hämangiom
Benigne Tumoren Plattenepithelpapillom Makroskopie. Knotig strukturierter Tumor.
blauer Tumor.
Histologie. Papillär strukturiert.
Histologie. Zumeist kapilläre oder kavernöse Grundtex-
Fibrom
tur; Morphologie entspricht Hämangiomen an anderen Körperlokalisationen.
Makroskopie. Stark vaskularisierter, tis roter bzw. rot-
Makroskopie. derb-elastischer Tumor. Histologie. meist relativ scharf begrenzte Fibroblasten-
proliferate.
Maligne Tumoren Hierzu zählen Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom, Embryonales Rhabdomyosarkom (Sarcoma bo-
196
Kapitel 3 · Pathologie
tryoides) und seltener der embryonale Tumor. Metastasen sind häufiger als vaginale Primärtumoren; sie stammen überwiegend aus Portio-, Vulva-, Harnblasen-, Urethra- und Rektumkarzinomen.
3.2.29
Erkrankungen in Schwangerschaft, Perinatalperiode und im Kindesalter
3.2.29.1
3
3.2.28.6 Vulva (7 Gynäkologie) Vulvitis Beispiele für infektiöse Vulvitiden sind: 4 Soorvulvitis: Rötung, Schwellung, gelbliche bis weiß-graue Beläge; Sporen und Hyphen gut nachweisbar. 4 Condyloma acuminatum: 7 Gynäkologie, 7 Urologie
4 Herpesvulvitis: Rötung, Schwellung, schmerzhafte Bläschen, vereinzelt Ulzerationen; zytologisch typische Zellkonglomerate, mehrkernige Zellen, typische intranukleäre Einschlüsse, Ulzerationen 4 Granuloma inguinale: schmerzlose, teils ulzerierte Papel, zuerst genital bzw. inguinal bzw. perianal lokalisierte Läsion mit Tendenz zur Ausbreitung auf weitere Hautareale; Histologie: granulierendes Ulkus mit prominenten Histiozyten mit Nachweis intrazellulärer Bakterien (Donovan-Körper), Assoziation mit Plattenepithelhyperplasie häufig 4 Lymphogranuloma venereum: retikulozytärabszedierende bzw. granulomatös-eitrige Lymphadenitis 4 Ulcus molle: kleines Bläschen als Primärläsion, Progression zu daumenfingernagelgroßer Ulzeration mit eitrigem Belag, schmerzhaft Chronische Vulvaerkrankungen 4 Lichen sclerosus (Craurosis vulvae): massive epidermale Atrophie und Atrophie der Adnexstrukturen, typische bandförmige Sklerose und ebenso bandförmige, vorwiegend lymphozytär betonte chronische dermale Entzündung 4 Vulväre Stachelzellhyperplasie: erythematöse Plaques an äußeren Labien; Histologie: Hypokeratose, Aortohyperkeratose, Akanthose und bandartiges lymphozytäres dermales Infiltrat Vulvatumoren 4 Invasives Plattenepithelkarzinom: exophytisches Wachstum mit Ulzeration oder endophytisch-ulzerierendes Wuchsmuster; Histologie: oft keratinisierendes Plattenepithelkarzinom, entsteht zumeist aus vulvärer intraepithelialer Neoplasie (VIN, VIN III = Carcinoma in situ der Vulva) 4 Extramammärer Morbus Paget: intraepidermales Adenokarzinom, selten; Histologie: klassische pagetoide Zellen mit breiten Zytoplasmasäumen und insgesamt großen Tumorzellen
Pathologie der Plazenta (7 Gynäkologie) Implantationsabnormitäten 4 Placenta accreta: abnorme Implantation der Chorionzotten ohne trennende Deciduae in das Myometrium 4 Placenta increta: Infiltration von Chorionzotten in tiefe myometriale Schichten 4 Placenta percreta: Durchbruch der Chorionzotten durch die äußere Uteruswand Trophoblastäre Erkrankungen Blasenmole, komplette Blasenmole, Partialmole (7 Gynäkologie). 4 Chorionkarzinom: maligne epitheliale Neoplasie ausgehend von Trophoblastzellen; Histologie: chorionzottenähnliche synzytiale Zellkomplexe und mehrkernige Riesenzellen mit Vakuolisierung und Einblutungen, ausgeprägte zelluläre Pleomorphie 4 Chorangiom: hamartomatöser Gefäßtumor in den Chorionzotten; histologischer Aufbau wie kapilläres oder kavernöses Hämangiom Fetofetales Transfusionssyndrom Definition/Ätiopathogenese. Wenn einem Cotyledon von einem Zwilling arteriell Blut zugeführt wird, das über einen venösen Schenkel drainiert wird und damit ein gerichteter Shunt entsteht, so kommt es zu einer deutlichen Ungleichverteilung des Blutflusses. Durch regelrechte Blutversorgung über weitere Shunts wird dieses Shuntvolumen hämodynamisch kompensiert. Bei ausgedehnteren Plazentainfarkten oder plazentaren Durchblutungsstörungen wird einer der Zwillinge hypertroph und hypervolämisch, während der andere anämisch und hypotroph wird. Die Letalität im Rahmen eines fetofetalen Transfusionssyndroms ist hoch. Makroskopie. Neben anämischen, deutlich abgeblassten Plazentaregionen finden sich stark durchblutete, teils dunkelviolett-blaue Areale.
Kreislaufstörungen der Plazenta Plazentainfarkt und intervillöse Thrombose: Makroskopisch Gitterinfarkte: kleiner Infarkte mit Fibrinumscheidung der Chorionzotten (. Abb. 3.34). Mikroskopisch: Nekrose in unterschiedlichen Stadien mit teils starker Entzündungskomponente.
197 3.2 · Spezielle Pathologie
3
Plazentabildungsstörungen Zu den Plazentabildungsstörungen gehören: 4 Zottenbildung- und -ausreifungsstörungen 4 Windmole (geringe Zottenanzahl, Zottenstroma, massiv hydropisch, Deckplatte zeigt geringe bis fehlende Vaskularisation, Fruchtsack ohne Embryo) 4 Partialmole (teils plumpe Chorionzotten mit myxoid-zystischer Degeneration, Stroma sehr gefäßarm, partielle Hyperplasie des Synzytiotrophoblasten; in der Regel fehlgebildeter oder wachstumsretadierter Embryo 4 Blasenmole: zystisch aufgetriebenes Stroma in plumpen Chorionzotten, deutlicher Gefäßmangel, ausgeprägte trophoblastäre Hyperplasie mit Schichtungsauflösung; fehlender Embryo 3.2.29.2 Entzündungen Amnioninfektionssyndrom Ätiopathogenese. Über Aspiration von infiziertem Fruchtwasser können Leukozyten in den Respirationsund den Gastrointestinaltrakt des Feten eintreten. . Abb. 3.34. Schematische Darstellung zur Differenzialdiagnose makroskopisch nachweisbarer Durchblutungsstörungen der Plazenta. (Aus Remmele 2000)
Definition. Infektion der Eihäute, des Fruchtwassers und des Embryos bzw. des Fetus. Histologie. Lymphogranulozytäre Entzündungsinfilt-
rate im Bereich Eihäute der plazentaren Deckplatte. Retroplazentares Hämatom und vorzeitige Plazentalösung Ätiopathogenese. EPH-Gestose, Trauma (7 Gynäkologie). Makroskopie. Deutliche Eindellung der Basalplatte mit
reichlich Blutauflagerungen (unterschiedlichen Alters). Histologie. Unterschiedlich große Ischämieareale, deutliche Blutauflagerungen.
Plazentare Reifungsstörungen Die Reifungsstörungen der Plazenta umfassen: 4 Asynchrone Ausreifung mit Entwicklung einer Maturitas praecox 4 Dissoziierte Reifungsstörung – entweder mit verzögerter Ausreifungstendenz oder mit Prädominanz der Frühreife 4 Maturitätsarrest: plumpe Zottenkonfiguration ohne Ausbildung synzytiokapillären Membranen, insgesamt mit geringer Vaskularisation 4 Endangiopathia obliterans (Primäre oder sekundäre Verschlusskrankheit der fetalen Stammzotten, Gefäß infolge Thrombosierung; führt zu Gefäßkollaps und Zottenfibrose) 4 Villitis (Plazentitis)
3.2.29.3
Mütterliche Erkrankungen während der Schwangerschaft 4 EPH-Gestose (Präeklampsie), Eklampsie, HELLP-Syndrom (7 Gynäkologie): verringertes Plazentarwachstum mit in der Regel kleiner Plazenta; histologisch findet sich eine Degeneration der Spiralarterien mit intraluminal gelegenen Schaumzellaggregaten 4 Systemischer Lupus erythematodes (SLE; 7 Dermatologie): vermehrt Plazentainfarkte; Spiralarterien mit akuter Atherose; vor allem plasmazelluläre Inflammation des Endometriums 4 Diabetes mellitus: spärliche Gefäßausbildung, vor allem im Bereich der terminalen Chorionzotten, mangelnde Ausbildung von synzytiokapillären Membranen 3.2.29.4
Intrauterine und perinatale Infektionen Beispiele für vorwiegende hämatogen übertragene bakterielle Infektionserreger 4 Toxoplasma gondii: Das Gewebe zeigt intrazellulär Pseudozysten, in denen der Erreger in Form von Tachyzoiten aufzufinden ist, die Muskulatur ist eine Prädilektionsstelle zum Auffinden dieser Erreger.
198
3
Kapitel 3 · Pathologie
4 Candida albicans (oft eitrige Chorioamnionitis als Folge): Oft sind reichlich Granulozyten an der Nabelschnuroberfläche zu finden; mittels Spezialfärbungen sind Sporen und Hyphen in der Regel gut nachweisbar. 4 Listeriose: Bei Listeriose werden die Plazentarzotten deutlich histiozytär infiltriert, daneben auch granulozytäre Infiltrate mit Ausbildung von Abszessen, daneben Chorioamnionitis.
Adaptationsstörungen des Neugeborenen Hyaline Membrankrankheiten Definition. Durch Surfactantmangel bedingte kindliche Schocklunge.
Beispiele für Virusinfektionen 4 Parvo-Virus B19 (Ringelröteln): Das einzelsträngige DNA-Virus befällt Erythrozyten; Folge ist eine fetale Hämolyse. Deutlich vermehrte Eisenablagerung in der Leber, starke Vermehrung von kernhaltigen Zellen, vor allem in Plazenta und Lunge, Zellkerne weisen oft rote Inklusionen auf. 4 Zytomegalie-Virus: doppelsträngiges DNA-Virus. Starke lymphoplasmazelluläre Inflammation der Chorionzotten in Form einer chronischen Villitis; vereinzelter Nachweis von so genannten Eulenaugenzellen, diese auch im fetalen Gewebe nachweisbar.
Histologie. Fibrinmassen in Form von hyalinen Bän-
3.2.29.5 Kongenitale Fehlbildungen Fehlbildungssyndrome, -sequenzen etc. 7 Pädiatrie. Skelettfehlbildungen 4 Thanatophore Dysplasie (bzw. thanatophor Zwergwuchs): massiver Zwergwuchs mit kurzen, gekrümmten Extremitäten, schmaler Thorax mit Lungenhypoplasie. Histologie: Wachstumszone im Bereich der Epiphysenfuge deutlich reduziert, irregulär Ossifikation 4 Hypophosphatasie: Mangel des Enzyms alkalische Phosphatase; fehlende Mineralisation des Knochens. Histologie: fokale Mineralisationsstörung des Osteoids, breite Spongiosabälkchen mit zahlreichen randständigen Osteoblasten, fehlende Kalzifikation 4 Osteopetrose: mangelhafter Knochenabbau mit Hypokalzämie; mineralisiertes Osteoid ohne deutliche Abgrenzung von Markraum und Spongiosabälkchen 3.2.29.6 Fetaler und plazentarer Hydrops Der fetale Hydrops ist durch ausgedehnte Ödem- und Ergussbildung charakterisiert, die dazugehörende Plazenta ist in der Regel vergrößert und hydropisch aufgequollen.
3.2.29.7
Makroskopie. Luftarme, schwere, gewebsdichte Lun-
gen; nicht entfaltete Alveolen bei emphysematös überblähten Bronchioli terminales und Ductus alveolares.
dern in terminalen Bronchiolen und Ductuli alveolares, Atelektasen der Alveolen. Anoxische Enzephalopathie und Hirnblutung Definition/Histologie. Hypoxie bzw. Asphyxie indu-
ziert Ganglienzellnekrosen und Zellnekrosen im Hippokampus, Pons sowie Nekrosen der Purkinje-Zellschichten sowie Nekrosen der zerebellären Zellschicht, bevorzugt periventrikulär finden sich Infarkte im Bereich des Großhirn. Bei ausgedehnter Hypoxie sind subependymale Blutungen typisch. Makroskopie. Nekrosezonen in unterschiedlichen Hirnregionen mit teils stippchenförmige, teils ausgedehnteren Einblutungen.
Nekrotisierende Enterokolitis Ätiopathogenese/Morphologie. Länger bestehende, asphyktische Zustandsbilder können die Darmmukosa massiv schädigen, somit die Barrierefunktion der Mukosa gegen fakultativ-pathogene Keime aufheben. Im Rahmen von ausgedehnten hypoxischen Zuständen kommt es somit zu Nekrosen mit Einblutungen und sekundärer bakterieller Besiedelung.
3.2.29.8 Kindliche Tumoren Neuroblastom Definition. Tumorzellen entstammen Abkömmlingen der Neuralleiste. Makroskopie. Weiche, grau-rote Tumoren mit unter-
schiedlichen Nekrose-, Verkalkungs-, Einblutungszonen. Histologie. Neuroblasten sind kleine, undifferenziert, teil in Pseudorosetten angeordnet. Tumorzellen besitzen spärlich Zytoplasma, Zellkerne sehr chromatinreich. Feinfebrilläre Matrix als Hintergrund, dazwischen wenige Ganglienzellen.
Nephroblastom (Wilms-Tumor) 7 Pädiatrie, Kap. 2.18.1.
199 3.2 · Spezielle Pathologie
Hepatoblastom Definition. Maligner, embryonaler Lebertumor; biphasischer Tumor mit mesenchymaler und epithelialer Komponente, Zellen ähneln embryonalen und fetalen Leberzellen. Makroskopie. Schnittfläche sehr bunt mit unterschied-
lich ausgedehnten Nekrosen, daneben Einblutungen, Farbe zumeist hellbraun. Histologie. Teils ausgeprägte zelluläre Pleomorphie,
kleine Zellen zumeist dunkel, größere Zellen hell, Osteoidbildung als mesenchymale Komponente vereinzelt anzutreffen. Retinoblastom Definition. Maligner, embryonaler Tumor der Retina.
3.2.30
Erkrankungen der Mamma (7 Gynäkologie)
3.2.30.1
Fibrozystische Veränderungen
3
Histologie. Zystenbildungen (Zystenauskleidung ein-
reihig, kubisch, teil flach; vereinzelt mit Mikrokalzifikationen intraluminal), Stromafibrose, apokrine Metaplasie des Drüsenepithels mit Bevorzugung der terminalduktulolobulären Einheit. Aufgrund der hohen Häufigkeit des Mammakarzinoms werden weltweit verstärkt Screeningprogramme initiiert, so auch im deutschsprachigen Raum. Hierbei hat vor allem die klinisch-radiologisch-pathologische interdisziplinäre, jedoch histopathologisch dominierte sog. B-Klassifikation in die tägliche Diagnostik Eingang gefunden (. Tab. 3.25). Hiermit soll die Mammadiagnostik mit der nachfolgenden Therapie eine Qualitätsverbesserung erlangen.
Makroskopie. Meist die netzhautablösender nodulärer
Tumor. Histologie. Blastäre Zellrasen mit Ausbildung von ty-
pischen Rosetten und vereinzelten Pseudorosetten, hohe Zelldichte; Zellen selbst besitzen wenig Zytoplasma, Zellkerne hyperchromatisch. Teratome Definition/Morphologie. Teratome sind Neoplasien,
die von pluripotenten Zellen aller 3 Keimblätter ausgehen, reife Teratome enthalten ausschließlich vollständig differenzierte Gewebsanteile, unreife Teratome besitzen zusätzlich unvollständig ausdifferenzierte, embryonale, epitheliale oder mesenchymale Strukturen. Unreife Teratome zeigen in der Regel ein malignes Verhalten. Makroskopie. Reife Teratome oft zystisch strukturiert, unreife Teratome zeigen prädominant solide Komponenten. > Der Fetus in fetu ist kein Teratom, er zeigte eine Wirbelsäulenanlage und Zeichen eines regulären Wachstumsmusters (parasitärer Zwilling).
Langerhans-Zellhistiozytose (Histiozystosis X) Definition/Morphologie. Pathologisch gesteigerte Proliferation von Langerhanszellen. Subtypen sind: 4 Eosinophiles Granulom 4 Hand-Schüller-Christian-Syndrom 4 Abt-Letter-Siewe-Syndrom
3.2.30.2
Benigne proliferative Mammaläsionen Intraduktale Hyperplasie (duktale Hyperplasie bzw. Epitheliose) Histologie. Proliferation von überwiegend solide gelagerten Drüsenepithelien und Myoepithelzellen in der Lichtung eines mammären Drüsenausführungsganges. Die Zellen selbst zeigen rund-ovale, euchromatische Kerne, Zellgrenzen oft unscharf. Adenose bzw. sklerosierende Adenose Definition. Benigne epithelial-myoepitheliale Prolifera-
tion. Histologie. Mammäre Drüsensegmente deutlich vergrößert und vermehrt, entsprechende Grundtextur mit Epithel- und Myoepithelzellen; bei sklerosierender Adenose Stromahyalinisierung und Fibrosierung des interdigitierenden Stromas.
Radiäre Narbe Histologie. Sternförmiges Zulaufen der Drüsen-Gangstrukturen mit unterschiedlich stark ausgeprägter Epithelproliferation. Papillom Definition. Intraduktale papilläre Epithelproliferation.
Man unterscheidet folgende Formen: 4 Solitäres intraduktales Papillom: meist mammilär oder submammilär gelegen 4 Multiple periphere Papillome: periphere Milchgänge deutlich erweitert, teils zystisch, teils mit intraluminalen eingedickten und fokal kalzifizierten Sekretmassen
200
Kapitel 3 · Pathologie
. Tab. 3.25. B-Klassifikation der Mammadiagnostik
3
Klassifikation
Definition
Klassifikation
Definition
B1 Normal
Normales oder nicht interpretierbares Gewebe 4 Benignes Parenchym mit/ohne minimale Veränderungen 4 Artefakte, ausgedehnte Blutungen
B2 Gutartig
Benigne Läsionen 4 Fibrozystische Veränderungen 4 Fibroadenome 4 Sklerosierende Adenose 4 Gangektasie, Abszess, Fettgewebsnekrose 4 Zylinderzellmeta- und -hyperplasien ohne Atypie 4 Kleine intraduktale Papillome
B3 Gutartig, aber mit erhöhtem Risiko für Malignom oder häufiger Assoziation mit Malignom
Läsionen unsicheren Malignitätspotenzials 4 Größere/multiple papilläre Läsionen mit/ohne Atypien 4 Radiäre Narbe, komplexe sklerosierende Läsion 4 Lobuläre intraepitheliale Neoplasie (LIN) 4 ADH 4 Phylloider Tumor; ggf. unklarer fibroepithelialer Tumor 4 Zylinderzellmeta- und -hyperplasien mit Atypie
B4 Suspekt
Verdacht auf Malignität
B5 Maligne
Maligne Läsionen: 4 Duktales Carcinoma in situ DCIS 4 LIN (CLIS) vom pleomorphen Subtyp G3 4 LIN mit Komedonekrosen 4 Invasives Karzinom 4 Invasionsstatus nicht beurteilbar 4 Anderer maligner Tumor z. B. Lymphom, Metastase, Sarkom
Histologie. Papilläre Grundtextur mit erhaltener zwei-
schichtiger Gliederung in Epithel- und Myoepithellage. Tubuläres Adenom
4 Perikanalikuläres Fibroadenom: Stroma umgibt rund-ovale Drüsen. 4 Intrakanalikuläres Fibroadenom: Drüsen zeigen hirschgeweihartiges Muster; zytologisch unauffällig.
Definition. Benigne tubuläre Proliferation. Histologie. Tubuläre Grundtextur mit erhaltender Glie-
derung in Myoepithel- und Epithelzellen. Fibroadenom Makroskopie. Wohl umschriebener, in der Regel runder Tumor mit erhaltender Verschieblichkeit zur Umgebung, Schnittfläche grau-weiß. Streifig bis glasig-klein zystisch. Histologie. Man unterscheidet folgende Subtypen
(. Abb. 3.35) sind:
Phylloider Tumor Definition. Fibroepitheliale Neoplasie, benigne und maligne Variante. Histologie. Kleeblattartige Grundtextur, zellreiches Stroma, mitunter auch Fettgewebsinseln, quergestreifte Muskulatur, Knorpel- oder Knochengewebe, ausgeprägte Spindelzellproliferate o bei hoher Zelldichte, fehlender Drüsenausbildung, Mitosereichtum und Zeichen der Umgebungsinfiltration, Potenzial zur malignen Progression wahrscheinlich.
201 3.2 · Spezielle Pathologie
3
ration; Drüsengänge zeigen intraluminal solide, teils kribriforme oder papilläre Epithelzellaggregate, Auftreibung der Läppchengrundtextur häufig, prognostisch sind Tumorgröße, Abstand zum Exzissionsrand und das histologische Tumorgrading wichtig. Aufgrund der Multifokalität und Multizentrizität der Läsionen ist eine R0-Resektion oft nicht klar zu diagnostizieren. Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS) Definition. Proliferation von überwiegend monomorphen Tumorzellen ohne Durchbruch durch die Basalmembran. Makroskopie. Oft uncharakteristisch, Mikrokalzifikationen fehlend im Gegensatz zum intraduktalen Karzinom. Histologie. Vergrößerte Azini, Tumorzellinfiltrate
. Abb. 3.35. Juveniles Fibroadenom der Mamma eines 11jährigen Mädchens mit pseudopaillären Epithelhyperplasien. (Aus Remmele 2000)
3.2.30.3
Mastitis
Histologie. Granulozytär betonte Inflammation im Be-
reich des Brustdrüsenkörpers mit Beteiligung von Milchgängen und Drüsenläppchen. 4 Infektionsbedingte Mastitis: granulomatöse Mastitis bei Tuberkulose, Lues, Mykosen und Akne necroticans; histologisch durch Granulome charakterisiert 4 Periduktale Mastitis: lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate um Drüsengänge, vereinzelt granulomatöse Entzündungsbilder mit Epitheloidzellen, mehrkernigen Riesenzellen und Schaumzellaggregaten; im Verlauf Destruktion der Drüsengänge mit Ausbildung von Narben 4 Fettgewebsnekrosen: Fettgewebsnekrosen unterschiedlichen Alters mit und ohne Einblutungen, daneben reaktiv entzündliche Veränderungen; im Verlauf granulomatöses Entzündungsbild, später Fibrosierung, Verkalkung oder Kolliquation mit zystischer Hohlraumbildung 3.2.30.4 Mammatumoren (7 Gynäkologie) Nicht-invasive maligne Mammakarzinome Duktales Carcinoma in situ (DCIS) Definition. Duktal differenziertes Karzinom ohne Durchbruch durch die Basalmembran. Histologie. Überwiegend lokale, oft multiple und in ausgedehnter Weise auftretende neoplastische Prolife-
durch sehr monomorphe Tumorzellen mit geringer nukleärer Hyperchromasie, myoepitheliale Begrenzung und Begrenzung durch Basalmembranen ist noch erhalten. LCIS ist oft multifokale Läsion. Morbus Paget der Mamille Definition. Neoplastische Proliferation bei Vorliegen eines Mammakarzinoms, oft DCIS oder invasiv duktales Mammakarzinom. Histologie. Charakteristische Paget-Zellen.
Invasives Mammakarzinom Makroskopie. Irregulär konturierter und unscharf begrenzter Tumor mit sternförmig-knotigem Wuchsmuster, meist derbe Konsistenz, Fettgewebe im Zentrum oder im Randbereich, nicht gelb, sondern orange. Manche Mammakarzinome durchweg gut abgegrenzt zum umgebenden Stroma. Histologische Subtypen: 4 Invasives duktales Karzinom (Sonderformen: medulläres Karzinom, muzinöses Karzinom, papilläres Karzinom, tubuläres Karzinom, inflammatorisches Karzinom): Irregulär konfigurierte, verschieden stark dilatierte tumorös veränderte Drüsenkomponente, zumeist erhaltene glanduläre Differenzierung, Stromakomponente ist variabel im Bereich der Invasionszone lymphoplasmazelluläre Inflammation sowie Stromadesmoplasie. Unterschiedlich stark ausgeprägte nukleäre Pleomorphie (Kerngrading). Häufig Mikrokalk in atypischen Drüsenlumina. 4 Invasives lobuläres Karzinom: Tumorzellen liegen klassischerweise in einer Linie nach Art eines Gänsemarschmusters, daneben Schießscheibenmuster, Mikrokalzifikation fehlen in fast allen Fällen.
202
Kapitel 3 · Pathologie
3.2.30.5 Männliche Mamma Gynäkomastie Makroskopie. Schwellung und Auftreibung des Mammagewebes mit reichlich Fettdepositionen und ausgeprägter Fibrosierung.
3
Histologie. Proliferation von fibrösem Bindegewebe
und Drüsengangstrukturen. Mammakarzinom
Histologie. Spongiöse und spongiotische Blasenbil-
dung gut erkennbar, bei Chronifizierung vermehrt Hyperkeratose und Akanthose. Erythema multiforme Definition. Zwei verschiedene Krankheitssubtypen: mildes Herpes-simplex-virus-assoziiertem Erythema multiforme und medikamentenintoleranz-assoziierte Stevens-Johnson-Syndrom-Konstellation evtl. mit toxischer epidermaler Nekrolyse.
Definition. Sehr seltene Tumorentität, zumeist im hö-
heren Lebensalter, extrem aggressive Tumoren. Histologie. Siehe weibliche Mammakarzinome.
3.2.31
Hauterkrankungen (7 Dermatologie)
Dermatohistopathologische Begriffe 4 Ortho-/Hyperkeratose: Verbreiterung des Stratum corneum 4 Parakeratose: inkomplett verhorntes Stratum Corneum mit residuellen Zellkernen 4 Akanthose: Verbreiterung der Epidermis 4 Dyskeratose: Einzellverhornungen innerhalb der Basal- und Spinalschichten 4 Akantholyse: Ablösen der epidermalen Keratinozyten voneinander 4 Papillomatose: Vermehrung, Verlängerung und Verdünnung der dermalen Papillen sowie der Reteleisten 4 Spongiose: Epidermal lokalisiertes interzelluläres Ödem mit Verbreiterung der Interzellularräume, Auflösen der Interzellularbrücken und Bläschenbildung
3.2.31.1 Intoleranzreaktionen Ekzemreaktion Morphologie. Morphologische Stadien der Ekzemreaktion: 4 Stadium erythematosum (Rötung) 4 Stadium vesiculosum (Ausbildung spongiotischer Bläschen) 4 Stadium madidans (Nässen durch geplatzte Blasen) 4 Stadium crustosum (seröse Krustenbildung) 4 Stadium desquamativum (Abschuppung mit Regeneration) Makroskopie. Ekzemreaktion in der Regel scharf ab-
grenzbar, auf den Einwirkort der Noxe begrenzt, mit Chronifizierung Verlust der scharfen Begrenzung.
Makroskopie. Symmetrisches Exanthem am Gesicht, Streckseiten der Extremitäten, Mundschleimhaut sowie inneren Organen. Histologie. Man unterscheidet:
4 Herpes-virus-assoziiertes Erythema multiforme: vakuolige Degeneration mit teilweiser Nekrose der Basalschicht mit Blasenbildung und lymphoplasmazellulärer Inflammation mit Ausbildung eines Ödems im Bereich der papillären Dermis 4 Stevens-Johnson-Syndrom: Typische satellitenförmige Keratinozyten-Nekrosen, daneben auch Keratinozyten-Apoptosen; diskretes, dermales lymphozytäres Rundzellinfiltrat Urtikaria Makroskopie. Flüssigkeitsgefüllte Erhebungen der Haut, weiß oder hellrot, je nach Blutfülle abhängig von Ausprägung der Ödemkomponente. Subtyp QuinckeÖdem: vorwiegend in Gesichts- und Genitalregion sowie an der Mundschleimhaut, tiefe und teigig wirkende, massive ödembedingte Schwellung. Histologie. Ödem vorwiegend im Bereich der papillären Dermis.
Erythema nodosum Makroskopie. Flache, multiple, symmetrische, meist dolente Knoten an Streckseiten der Beine. Histologie. Septale Pannikulitis.
Kutane nekrotisierende Vaskulitis Ätiopathogenese. Kutane Intoleranzreaktion gegen medikamentöse oder bakterielle Agenzien. Histologie. Venengebundene, leukozytoklastische Vas-
kulitis mit kleinen Nekrosezonen und typischerweise »Kernstaub«.
203 3.2 · Spezielle Pathologie
3.2.31.2
Spezifische entzündliche Dermatosen Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) Makroskopie. Kreisrunde, wohl umschriebene, ziegelrote Plaque mit Ausbildung von silbrig-weißen Schuppen. Bei Abheben der ganzen Schuppen kann es zu punktförmige Blutungen kommen oKerzentropfenphänomen; in der Regel symmetrisch an Extremitätenstreckseiten. Histologie. Parakeratose, Akanthose, Papillomatose, epidermale Leukozytenaggregate in Form von so genannten »Monroe-Mikroabszessen«, diskrete lymphogranulozytäre Inflammation in papillärer Dermis.
Lichen ruber Makroskopie. Pyramidenstumpfartig konfigurierte,
polygonale, livide Papel an Extremitäten-Beugeseiten sowie Mund- und Genitalschleimhaut. Histologie. Umschriebene Basalzelldegeneration. Kera-
tinozyten-Apoptosen, kompakte Orthohyperkeratose, bandförmiges lymphozytär dominiertes Entzündungsinfiltrat. 3.2.31.3
Bullöse Autoimmunerkrankungen (7 Dermatologie, Kap. 1.9) 3.2.31.4 Kollagenosen Beispiel Dermatomyositis Makroskopie. Erythem, Schuppung und Atrophie mit Verlust der Haarfollikel und der Melanozyten bei längerem Bestehen, Prädilektionsstellen: lichtexponierte Areale (Gesicht, Capillitium, Handrücken), klassischerweise schmetterlingsförmige Gesichtsrötung. Histologie. Kompakte Orthohyperkeratose, Basalzell-
degeneration, follikuläre Hornpfröpfe; bandförmige, lymphozytäre Inflammation der papillären Dermis; mittels Immunfluoreszenz lässt sich ein sog. Lupusband mit IgG- und Komplement-Ablagerungen an der dermoepidermalen Junktionszone erkennen. 3.2.31.5 Granulomatöse Hauterkrankungen Beispiel: Granuloma anulare Definition. Häufige, selbstlimitierende Dermatose ohne weitere Organbeteiligung. Makroskopie. Derbe, dermale Knoten in ringförmiger
Anordnung; v. a. in gelenknahen Hautbezirken, vor allem im jungen Lebensalter mit Bevorzugung des weiblichen Geschlechts.
3
Histologie. Zentrale Muzinablagerungen mit umgebenden Pallisadengranulom.
3.2.31.6
Infektiöse Hauterkrankungen (7 Dermatologie) Bakterielle Infektionen Streptokokkeninfektionen: Beispiel Erysipel Definition. Streptokokkeninfektionen des Lymphsystems der papillären Dermis Makroskopie. Flammenartig konfiguriertes Erythem
mit deutlicher Schwellung, Blasenbildung und Tendenz zur Nekrotisierung. Staphylokokkeninfektionen Hierzu gehören: 4 Staphylokokken-toxisches Schocksyndrom 4 Bullöse Impetigo: »staphylococcal scalded skin syndrome” 4 Bulla repens: bullöse Impetigo der Akren 4 Paronychie: Nagelbetteiterung 4 Panaritium: Entzündung der ventralen Fingerseite 4 Follikuläre Pyodermien: Follikulitis, Furunkel, Karbunkel 4 Hidradenitis suppurativa: Schweißdrüsenabszess Hauttuberkulose: Lupus vulgaris (bei guter Abwehrlage des Patienten) Makroskopie. Prädilektionsstelle Gesicht. Schmerzloser, kleiner, unscharf begrenzter, rot-brauner, flacher Knoten; bei Glasspateldruck zeigt sich klassischerweise eine apfelgeleeartige Farbe, im Sondenversuch bricht die Sonde in die Läsion ein. Lyme-Borreliose Morphologie. In Abhängigkeit vom Stadium differenziert man: 4 Stadium I: Erythema cronicum migrans (wanderndes, später ringförmiges Erythem), Lymphozytom (wichtige histologische Differenzialdiagnose: Lymphom) 4 Stadium II: Meningopolyneuritis 4 Stadium III: Acrodermatitis chronica atrophicans (Ausdünnung sämtlicher Hautschichten), Periund Myokarditis, Arthritis Virusinfektionen Verruca vulgaris Makroskopie. Warzen und derbe, hyperkeratotische Knoten an Haut und Schleimhaut. Histologie. Papilläre Grundtextur mit exophytischem Wuchsmuster, ausgeprägte Hyperkeratose, prominente
204
3
Kapitel 3 · Pathologie
Inklusionen in Stratum corneum und Stratum granulosum. Man unterscheidet folgende Formen: 4 Verruca plantaris: endophytisches Wuchsmuster aufgrund des Druckes an der Fußsohle 4 Verruca plana juvenilis: flache Verrucae an Handrücken und Gesicht 4 Mundschleimhautwarzen: polsterartige, weiße Läsionen, vorwiegend bei Kindern 4 Condyloma acuminatum: flache Papeln im Anogenitalbereich; Hyperkeratose, papilläre Akanthose, teils mit Parakeratose und vereinzelte eosinophilen Einschlusskörpern, typische perinukleäre Halos Molluscum contagiosum Makroskopie. Kugelförmige, weiß glänzende Papeln mit zentraler Einsenkung. Histologie. Lobulierte Epithelhyperplasie mit Akanthose, Papillomatose, im Zentrum ballonierte, basophile Keratinozyten mit zahlreichen stark eosinophilen Molluscumkörperchen.
Herpes-simplex-Infektionen Makroskopie. Gruppiert angeordnete Blasen bei lokal ausgebreiteter Inflammation.
4 Candidamykosen (Erreger: vor allem Candida albicans): weiße, leicht wegwischbare Beläge auf gerötetem Epithelgrund (Schleimhauttyp) sowie schnell platzende und danach krustierende Pusteln auf gerötetem Grund (Hauttyp) 4 Schimmelpilz-Mykosen (seltener, als Superinfektion) Parasitosen Klassische durch Parasiten verursachte Hauterkrankungen sind: 4 Filariose durch Wucheria bancrofti 4 Larva-migrans-Syndrom 4 Scabies: in Serienschnitten histologisch Parasitenanteile zwischen epidermalen Zellen nachweisbar (Krätze durch Sarcoptes scabiei verursacht) 4 Kutane Leishmaniose: granulomatöse Dermatitis mit stark ausgeprägter lymphoplasmazellulärer Komponente und zahlreichen Riesenzellen in papillärer Dermis, Leishmanien stellen sich punktförmig innerhalb von Histiozyten dar 4 Borrelien-Lymphozytom (durch Borrelia burgdorferi verursacht): in der Regel ausgeprägte knotenförmige lymphozytäre Infiltration in Kutis und Subkutis
Keratinozyten mit Virusriesenzellen und intraepidermaler Ausbildung von Blasen. Sonderform einer nekrotisierenden, progredienten Verlaufsform bei stark reduzierter Abwehrlage (Immunsuppression): Herpes vegetans.
3.2.31.7 Hauttumoren Benigne epitheliale Tumoren Verruca seborrhoica Makroskopie. Meist matte, relativ scharf begrenzte, braun-tingierte Flecken mit teils deutlich erhabener Oberfläche.
Varizellen
Histologie. Epidermale Hyperplasie, Hornzysten.
Histologie. Vakuolige Degeneration der epidermalen
Makroskopie. Unilaterale, schmerzhafte Eruption von
gruppiert liegenden Blasen auf Höhe eines definierten Nervensegmentes; Ganglionitis als Schmerzursache. Histologie. Bei reduzierter Abwehrlage oft Blasen mit
hämorrhagisch-nekrotisierender Komponente (Herpes zoster gangränosus); in schweren Fällen Herpes-zosterSepsis. Pilzinfektionen Generell unterscheidet man verschiedene Typen der Hautmykosen, wobei eine Beteiligung im Rahmen von Systemmykosen differenzialdiagnostisch immer zu erwägen ist. Subtypen sind: 4 Dermatomykosen (Erreger: Dermatophyten, wie Epidermophyton, Trichophyton, Microsporum) 5 Epidermomykosen 5 Trichomykosen 5 Onychomykosen
Obligate Präkanzerosen Aktinische Keratose Histologie. Hyperkeratose, in Basalzellschichten immer wieder Kernatypien. Verruköse Leukoplakie Histologie. Orthohyperkeratose mit verrukösem Oberflächenrelief, deutliche Kernatypien in Basalzellschicht. Morbus Bowen (Carcinoma in situ der Haut) Makroskopie. Meist irregulär begrenzte roter Hautfleck mit weicher bis verruköser Oberfläche, schmerzlos. Histologie. Ausgeprägte zelluläre und nukleäre Atypien
in allen epidermalen Lagen, deutliche Schichtungsstörung der Epidermis, deckend meist Hyperkeratose.
205 3.2 · Spezielle Pathologie
Semimaligne Hauttumoren Basaliom der Haut Lokal infiltrativ wachsender Tumor mit geringer Tendenz zur Metastasierung Makroskopie. Ähnlich wie seborrhoische Keratose
oder Plattenepithelkarzinom, in der Regel runde, knotenförmige Läsion, hell- bis dunkelbraun, teils rot. Histologie. Basaloide Tumorzellnester in soliden oder
retikulären Mustern angeordnet, Tumorzellen selbst rund-oval, Zellkerne überwiegend monomorph, Zytoplasmasäume schmal, deutlich verschobene Kernplasmarelation, Zytoplasma basophil, typische Palisadenstellung der Tumorzellen zum begrenzenden Stroma hin; typischerweise artifizielle Randspalten peritumoral. Maligne Hauttumoren Plattenepithelkarzinom der Haut Makroskopie. Irregulär konturierte, teils eine irreguläre Oberfläche zeigende, teil ulzerierte und eingeblutete Hautläsionen. Histologie. In der Regel deutliche Hyperkeratose, oft Erosionen oder Ulzerationen mit Einblutungen, zwiebelschalenartig geschichtete Hornkugel mit zentraler Verhornung, reichlich Dyskeratosen, irreguläre Zellkerne, Zellkernhyperchromasie, Tumor als Tumorinfiltrationszone, lymphohistiozytäre oder lymphoplasmazellulär Randreaktion. Ein Subtyp ist das langsam wachsende verruköse Karzinom (hochdifferenziertes Plattenepithelkarzinom mit verruköses Oberfläche und geringer Polymorphie).
Maligne Adnextumoren Morbus Paget Makroskopie/Histologie. Sonderform eines intraepi-
dermalen apokrinen Karzinoms mit ähnlicher Morphologie wie der mammäre Morbus Paget mit intraepidermaler Ausbreitung eines primären Milchgangkarzinoms; histologische Charakteristika sind große Zellen mit viel hellem Zytoplasma, diese Zellen liegen intraepidermal, meist in kleinen Gruppen bzw. abschnittsweise auch als Einzelzellen. Merkel-Zelltumor Ausgangspunkt sind neuroendokrine Merkel-Zellen. Makroskopie. Uncharakteristisches Bild, schnell wachsender, rot-tingierter Knoten. Histologie. Solides, teils trabekuläres oder rosettiertes
Wuchsmuster, Tumorzellen besitzen einen spärlichen, meist basophilen Zytoplasmasaum, Mitoserate ist hoch;
3
Tumorzellen immunhistochemisch positiv für Synaptophysin und Chromogranin A sowie für Zytokeratine. Benigne Pigmentzelltumoren 4 Nävuszellnävus: angeborene Nävuszellnävi sind in der Regel größer als erworbene, oft dunkler pigmentiert. Die Nävuszellnester liegen in Strängen und Bändern, sie folgen den Adnexstrukturen in die Tiefe; Histologie: tiefe Ausdehnung in die Dermis bei angeborenen Nävuszellnävi 4 Erworbener Nävuszellnävi: meist hellbraun bis schwarzbraun, homogen pigmentiert, scharf begrenzt, klein, rund und flach bis leicht erhaben (viele weitere Subtypen; möglicherweise auch Melanomvorstufen, z. B. dysplastische Nävi). Histologische Subtypen sind: 5 Junktionsnävus: ballenförmig aggregierte Melanozyten an der Basalzellschicht der Epidermispapillen 5 Compoundnävus: Melanozytennester sowohl an der Junktionszone als auch in der Dermis 5 Dermaler Nävus: Melanozyten exklusiv im Korium situiert Maligne Pigmentzelltumoren Malignes Melanom Definition. Hoch-aggressiver Hauttumor. Makroskopie. Meist irregulär begrenzte, große, schnell wachsende, scheckig gefärbte, sehr dunkle Komponenten aufweisende Hautläsionen, aber die Makroskopie kann sehr stark täuschen. Makroskopische Kriterien sind im Zweifelsfall nicht suffizient anwendbar. Histologie. Lentigo maligna: entspricht dem Melanoma in situ ohne Durchbruch durch die Basalmembran. > Für das Maligne Melanom gilt die ABCD-Regel: Asymmetrie, Begrenzung unregelmäßig, Colorierung sehr variabel, Durchmesser groß.
! Cave Histologische Bestimmung der Eindringtiefe von malignen Melanomen zur Prognoseabschätzung erfolgt mittels Clark-Skala mit Angaben zur relativen Eindringtiefe in die verschiedenen Hautschichten sowie Breslow-Skala mit maximaler Dicke des Melanoms, angegeben in Millimeter.
Invasive Melanomtypen 4 Lentigo-maligna-Melanom (LMM): Hautflecken; histologisch wie Lentigo maligna (In-situ-Läsion), aber mit Durchbruch der Basalmembran
206
Kapitel 3 · Pathologie
Histologie. Massive Talgdrüsenhyperplasie, Ektasie von kleinen Blutgefäßen und diffuse dermale Entzündung.
3.2.32
3
Knochenerkrankungen
3.2.32.1
. Abb. 3.36. Mycosis fungoides. (Aus Remmele 2000)
4 Superfiziell spreitendes Melanom (SSM): junktional und dermal aggregate-atypische Nävuszellen, pagetoides Muster ist charakteristisch 4 Noduläres Melanom (NM): knotig, knollige Tumorproliferate; Histologie: vertikal-invasive Tumorzellproliferate mit in der Regel ausgeprägter zellulärer Pleomorphie 4 Akrolentiginöses Melanom (ALM): typische Lokalisation: Akren Mesenchymale Tumoren Hierzu gehören Fibrome, Lipome und kapilläre oder kavernöse Tumoren der Haut. Lymphome Hier ist die Mycosis fungoides einzuordnen (7 Kap. 3.2.9.2, . Abb. 3.36)
Entzündliche Knochenerkrankungen (7 Orthopädie, 7 Chirurgie) Osteomyelitis 4 Akute eitrige Osteomyelitis: entzündliches Exsudat mit überwiegend neutrophilen Granulozyten, Makrophagen und Fibrinmassen mit Ausdehnung bis an die Kortikalis und das Periost, sekundäre Nekrotisierung der Spongiosa mit Sequesterbildung 4 Chronische Osteomyelitis: starke Vernarbung mit Granulationsgewebsbildung, lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate, Spongiosa ist sklerosiert, vermehrt Osteoblasten und Osteoklasten erkennbar 3.2.32.2
Nichtentzündliche Knochenerkrankungen Knochennekrosen Ein Beispiel für Knochennekrosen ist der anämische Knocheninfarkt mit Verlust von Osteozyten, vor allem an Enden langer Röhrenknochen. Brauner Tumor Definition. Form des resorptiven Knochengranuloms. Histologie. Stark vaskularisiertes Bindegewebsstroma
mit reichlich Hämosiderineinlagerungen und osteoklastären Riesenzellen. Osteitis deformans Paget Definition. Häufige Knochenerkrankung ab dem
3.2.31.8 Hereditäre Hauterkrankungen Ichthyosen Definition/Morphologie. Heterogene Krankheitsgruppe mit diffuser Verdickung des Stratum corneum. Hereditäre Hauterkrankungen charakterisiert durch schuppende, trockene Haut (7 Dermatologie, Kap. 1.4.3). 3.2.31.9 Talgdrüsenerkrankungen Akne vulgaris Definition/Morphologie. Häufige Dermatose des Pubertäts- und Postpubertätsalters, Hypertrophie und Hypersekretion der Talgdrüsen durch erhöhte Androgenspiegel. Rosacea Zu diesem Formenkreis gehört das Rhinophym.
50. Lebensjahr durch zu starken Knochenumbau. Histologie. Vergröberte, verdickte Spongiosa, unterschiedlich breite Knochenbälkchen mit vielen mehrkernigen Osteoklasten, prominente Resorptionslakunen auf einer Seite, auf Gegenseite ausschließlich Osteoblasten, somit Entstehen einer mosaikförmigen Grundtextur, Irregularität der Kittlinien zwischen den knöchernen Strukturen.
Osteoporose Histologie. Deutliche Auflockerung der Spongiosabälkchen mit Irregulärer Konturierung, Verschmälerung der Kortikalis, im Bereich des Spongiosabälkchen keine Resorptionslakunen und keine Anlagerung von Osteoblasten oder Osteoklasten, regelrechte Mineralisation und Vitalität des erhaltenden Knochengerüstes, reichlich Fettmark im dilatierten Markraum.
207 3.2 · Spezielle Pathologie
Rachitis (7 Pädiatrie, Kap. 2.8.14.7) Makroskopie. Rachitischer Zwergwuchs, imprimierbarer Schädelknochen (Craniotabes), Auftreibung der Epiphysenfugen (vor allem im Bereich der Knochenknorpelgrenze der Rippen (rachitischer Rosenkranz), ausgeprägte Kyphoskoliose. Histologie. Deutliche Auftreibung und Irregularität der
Wachstumszone durch Bestehen bleiben von proliferierten Knorpelanteilen, Ausprägung von reichlich Chrondro-Osteoid anstatt primärer Spongiosa, mangelhafte Verkalkung des Osteoids. Osteomalazie Histologie. Osteoidose (deutliche Osteoidvermeh-
rung), Verbreiterung der ossären Trabekel. Frakturen Arten der Frakturheilung sind: 4 Primäre Frakturheilung mit Spaltheilung und Kontaktheilung 4 Sekundäre Frakturheilung mit Resorption des Frakturhämatoms im Frakturspalt, nachfolgender bindegewebiger Kallusbildung bis zur Ausbildung eines Knochenkallus Als Komplikationen der Frakturheilung sind zu beachten: Infektionen des Knochens, überschießende Kallusbildung, Knochennekrosen, Ausbildung von Pseudarthrosen. Tumorähnliche Läsionen Nicht ossifizierendes Knochenfibrom Histologie. Fibroblastenproliferate ohne zelluläre Atypien untermischt mit Histiozyten (in Form von Schaumzellen und siderinbeladenen Makrophagen). Fibröse Dysplasie Makroskopie. Knöcherner Markraum ist durch pseudozystische, weiß-derbe Gewebsmassen ausgefüllt, umgebende Kortikalis ist meist ausgedünnt. Histologie. Spindelzellige Proliferate mit kleinen, ova-
len Zellen und unscheinbaren Kernen, dazwischen Faserknochenbalken ohne ringförmige Osteoblastenanordnung an der Knochenbalkenoberfläche, daneben vereinzelt Knorpelinseln. 3.2.32.3 Knochentumoren (7 Orthopädie) Knochenbildende Tumoren Osteoidosteom Makroskopie. Spongiöser brauner Herd umgeben von hyperostotischer Kompakta.
3
Histologie. Nidus zeigt untereinander anastomosierte
Faserknochenbälkchen mit plumpen Osteoblasten, Osteoklasten und spindelförmigen, mesenchymalen Zellen. Das Stroma zeigt zahlreiche ektasierte Kapillaren, auch zentrale Skleroseareale sind abgrenzbar. Osteoblastom (laut WHO: Osteoidosteom) Histologie. Faserknochen, Riesenzellen, Osteoblasten. Osteosarkom Makroskopie. Grau-weißer, metaphysärer Tumor mit Ausdehnung nach extraskelettal. Histologie. Ausgeprägte atypische mesenchymale Zellproliferate mit Osteoidbildung mit atypischen Mitosefiguren, neben osteoblastärer Komponente eventuell zusätzlich fibro- bzw. chondroblastäre Komponente. > Das Osteosarkom ist der häufigste primäre maligne Knochentumor. Die hochaggressive Variante ist das teleangiektatisches Osteosarkom mit vielen blutgefüllten Hohlräumen.
Knorpelbildende Tumoren Osteochondrom Makroskopie. Spongiöser Knochen mit angrenzendem knotig-knorpeligen Tumorabschnitt. Histologie. Hyaline Knorpelkappe angrenzend an
enchondrale Ossifikationszone in spongiösem Knochen. > Das Osteochondrom ist die häufigste benigne ossäre Neubildung (zumeist in Femur, proximaler Tibia, proximalen Humerus oder Beckenknochen).
Enchondrom Makroskopie. Lobuliertes knorpeliges Tumorgewebe
intramedullär, Schnittfläche hell-grau-blau. Histologie. Reifes chondroides Gewebe mäßiger Zelldichte mit Verdrängung der ossären Grundstrukturen. > Das Enchondrom ist der häufigste benigne, im Markraum wachsende Knorpeltumor; multiple Enchondrome treten im Rahmen des Mafucci-Syndrom sowie der Ollier-Krankheit auf.
Chondrosarkom Makroskopie. Ähnlicher makroskopischer Befund wie bei Enchondrom, graublaue Schnittfläche, zusätzliche Ausdehnung bis in die Kortikalis.
208
Kapitel 3 · Pathologie
Histologie. Die knöchernen Strukturen destruierender,
Chordom
zelldichter, chondroiddifferenzierter Tumor, zelluläre Atypien ausgeprägt mit vereinzeltem Auftreten von Mitosefiguren, Osteoid- oder Knochenneubildung fehlt.
Makroskopie. Lobulierter Tumor mit grau-weißer, teils
eingebluteter Schnittfläche. Histologie. Lobuläre Grundstruktur, physaliphore Zel-
3
Riesenzelltumor Makroskopie. Grau-brauner, weicher, fokal eingebluteter Tumor.
len, teils ausgedehnte Schleimseen peritumoral. 3.2.33
Histologie. Reichlich osteoklastenähnliche, mehrker-
nige Riesenzellen, daneben weitere Histiozyten und spindelförmige Stromazellen (eigentliche Tumorproliferate). Die Prognose der Riesenzelltumoren lässt sich anhand der histologischen Gradierung nicht ausreichend abschätzen Andere das Skelett affektierende Tumoren Ewing-Sarkom Makroskopie. meist diaphysär gelegener, unscharf begrenzter Tumor mit Auftreibung der Kortikalis (. Abb. 3.37). Histologie. Uniformes Zellbild mit sehr schmalem, kaum abgrenzbarem Zytoplasmasaum und Zellkerne mit kleinen Nukleolen, Chromatin ist locker; immunhistochemischer Marker: CD99-positiv.
Gelenkserkrankungen (7 Orthopädie)
Gelenkserkrankungen werden primär grundsätzlich in entzündliche und degenerative Gelenkserkrankungen unterschieden, somit ergeben sich grundsätzlich die Formenkreise der Arthritiden sowie der Arthrosen. 3.2.33.1 Arthritis Infektiöse Arthritis Akute eitrige Arthritis (akute unspezifische, bakterielle Arthritis) Histologie. Vor allem neutrophile Granulozyten, Histiozyten, weniger Lymphozyten und Plasmazellen in Synovialmembran und Synovialflüssigkeit, Synovialitis assoziiert mit Hyperämie, Fibrinabscheidung und Ausbildung von Nekrosen; bei Ausbreitung Gefahr der Osteomyelitis und später der Sepsis. Primär chronische Polyarthritis (pcP) Histologie. Proliferative Synovialitis mit Synovialzellhyperplasie, Infiltration von durch neutrophile Granulozyten, später lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate bis zur Ausbildung von Lymphfollikeln. Teils Ausbildung von fibrinoiden Nekrosen, granulierende Entzündung mit Verdickung der synovialen Membrane und Synovialzottenödem, bei Progredienz des Entzündungsbefundes mit Einbeziehung von periartikulären Weichteilen, in späteren Stadien Ausbildung von zumeist subkutan gelegenen Rheumaknoten und palisadenartig gestellten Histiozyten, die eine zentrale fibrinoide Nekrose umgeben. Makroskopie. Pannusförmige Knorpeldestruktion mit
Nekrosezonen und Einblutungen.
. Abb. 3.37. Ewing-Sarkom der Femurdiaphyse, ausgedehnte intra- und extraossäre Tumorausbreitung mit proximaler und distaler Periostabhebung. (Aus Remmele 2000) (7 Farbtafelteil)
Arthritiden durch Ablagerung kristalliner Substanzen Gicht (Arthritis urica) Makroskopie. Ablagerung von Uratkristallen in Gelenken und gelenksnaher Cutis und Subcutis (Natriumkristalle zeigen eine büschelförmige Struktur) bewirkt ein Einwandern von neutrophilen Granulozyten, Histiozyten, Fremdkörperriesenzellen und Lymphozyten, daneben fibroblastäre Proliferate. Diese spezifische
209 3.2 · Spezielle Pathologie
Form der Fremdkörpergranulome wird als Tophus bezeichnet o imponieren makroskopisch als weiß, krümelige, teils harte Ablagerungen. Gelenksflächen weisen weißen Belag auf. Kalziumpyrophosphatdihydrat-Arthropathie (Chondrokalzinose bzw. Pseudogicht) Histologie. Basophile granuläre Kristallablagerungen, polarisationsoptisch schwache Doppelbrechung, umgebend vereinzelt Fremdkörpergranulome. Degenerative Gelenkserkrankungen (Arthrosen) Arthrosis deformans (Osteoarthrose) Makroskopie. Knorpelüberzug beschädigt mit Knorpelfissuren und Pseudozystenbildung.
tur, Ausbildung von Pseudozysten mit chondroiden Brutkapseln 4 Traumatische Meniskusläsionen: zumeist Korbhenkelrisse; Histologie: Nekrosen mit Einblutungen sowie Fibrosierung und chondrozytären Zellregeneraten, daneben Ausbildung von Narben 3.2.33.3 4
3.2.33.2
Histologie. Demarkation der Kollagenfasern und oberflächliche, später tieferreichende Einrisse; später Ausbildung atypischer Chondrome in Form von chondroiden Brutkapseln. Danach Unterbrechung der Knorpel-Knochengrenze durch Ossifizierung des Bindegewebes, das in Pseudozysten ein wächst. Schließlich reaktive Hyperostose der subchondralen Knochenplatte, möglich ist die Ausbildung von Randosteophyten, teilweise Bildung von so genannten Geröllzysten und Zeichen der Synovialitis (Detritussynovialitis).
Weitere Arthropathien 4 Spondylosis deformans: Fischwirbelbildung mit Exostosen, Brückenbildung zwischen Knochenanteilen der Wirbelkörper, folglich Ausbildung von chondroiden Regeneraten, daneben Fissuren und Nekrosen 4 Diskushernie (Diskusprolaps bzw. Bandscheibenvorfall): Schmorl-Knötchen sind grau-weiße, in das Spongiosa der Wirbelkörper eingelagerte Areale; bestehend aus degenerativ veränderten Anteilen des Nucleus pulposus und des Anulus fibrosus. Histologie: degenerativ veränderte, überwiegend myxoid aufgetriebene Anteile des Nucleus pulposus sowie des fischgrätenartig strukturierten Anulus fibrosus, vereinzelt chondroide Zellregenerate in Form von Brutkapseln 4 Arthropathie bei Ochronose: Schwarzverfärbung des Gelenkknorpels durch Ablagerung von polymerisierter Homogentisinsäure; typische Änderungen bei Hämophilie durch rezidivierende Einblutungen im Gelenksspalt, im Extremfall Ankylosierung (Gelenksversteifung) 4 Meniskusdegeneration: mukoide Verquellung des Meniskusgewebes mit teils verstärkter Faserstruk-
3
4 4
4
Sehnen- und Sehnenscheidenerkrankungen Degenerative Veränderungen: mukoide Verquellung, Aufsplitterung der Sehnengrundstruktur, fibrinoide Nekrosen und dystrophe Verkalkungen Traumatische Sehnenruptur: posttraumatisch häufig Kalzifikationen Tendovaginitis stenosans: im höheren Lebensalter auftretende Verdickung der Sehnenscheiden mit konsekutiver Verengung des Sehnenscheidenkanals Karpaltunnelsyndrom: Erkrankung mit Atrophie der Daumenballenmuskulatur sowie Schmerzen und Parästhesien der Hände bei Kompression des Nervus medianus im Karpalkanal vorwiegend durch Verdickung des Ligamentum carpi transversum
3.2.33.4 Erkrankungen der Bursen Beispiel: Baker-Zyste mit zystischer Hohlraumbildung, entstanden durch wiederholte Traumatisierung der Kniekehle. 3.2.33.5 Tumorähnliche Gelenksläsionen Pigmentierte villonoduläre Synovialitis, Bursitis, Tendosynovialitis Makroskopie. Verbreiterte, zottige, teils knotige, braun verfärbte Synovialmembrane. Histologie. Zottige Hyperplasie der Synovialmembra-
ne, Verbreiterung der synovialen Deckzellschicht, als Randreaktion Schaumzellaggregate, Siderophagen sowie Fibroblasten wie fibroblastäre Proliferate, dazwischen eingelagert mehrkernige Riesenzellen. Synoviale Chondromatose Definition/Histologie. Chondroide Metaplasie des Ge-
lenkskapselgewebes mit Auftritt von Knorpelinseln. Ganglion Makroskopie. Ein- und mehrkämmrige Pseudozysten
mit viskösem, gallertigem Inhalt. Histologie. Den Pseudozysten fehlt eine entsprechende epitheliale Zystenwandauskleidung.
210
Kapitel 3 · Pathologie
Fibromatose der Palmarund Plantaraponeurose
3
Definition/Morphologie. Heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch nicht neoplastische Fibroblastenproliferate mit Einwachsen in das angrenzende Gewebe charakterisiert sind. Im Säuglings- und Kindesalter: Fibromatosis colli, faziale Fibromatosen, Aponeurosen, Fibromatosen (Fibromatosen können als semimaligne Tumoren des Weichgewebes betrachtet werden, da sie ein lokal infiltratives Wuchsmuster und somit eine erhöhte Rezidivneigung zeigen).
3.2.34 Weichgewebserkrankungen Benigne Weichgewebstumoren 4 Fibrom: reife Fibroblasten von kollagenem Stroma umgeben 4 Leiomyom: weiß faszikuläre Schnittfläche, prall elastische Konsistenz; Histologie: einander durchflechtende glatte Muskelzellen, zigarrenförmig konfigurierte, elongierte Kerne 4 Hämangiom: zumeist rot-blau imponierender, weicher Tumor; Histologie gefäßreicher Tumor mit unterschiedlich stark dilatierten vaskulären Spalträumen 4 Lymphangiom: weicher Tumor mit unterschiedlich stark ausgeweiteten Lymphgefäße 4 Rhabdomyom: rot tingierter, fleischiger Knoten; Histologie: Muskelzellen mit vakuolisiertem, granuliertem Zytoplasma eosinophil 4 Kutanes fibröses Histiozytom (Dermatofibrom): irregulär begrenzter, dermal situiert Tumor bestehend aus spindeligen, fibroblastären und polygonal strukturierten histiozytenähnlichen Zellen; vereinzelt siderinbeladene Makrophagen als Zeichen älterer Einblutungen, daneben auch vereinzelt Riesenzellen 4 Xanthom: lipidspeichernder Herd von Schaumzellaggregaten 4 Solitärer fibröser Tumor (SFT): Tumor mit weißfaszikulärer Schnittfläche und prall elastischer bis derber Konsistenz; Histologie: spindelzellige Proliferation; Immunhistochemie: CD34-Positivität 4 Myxom: benigner Weichgewebstumor mit myxoider Grundtextur, zellarm und mit ausgedehnten Schleimseen Maligne Weichgewebstumoren 4 Liposarkome: Fettgewebstumor mit vermehrt Kernatypien, deutlichen Größenunterschieden
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4
4
der Adipozyten, multivakuoläre Lipoblasten sind vereinzelt vorhanden. Bei hochdifferenzierten Liposarkomen findet sich eine netzstrumpfartige Grundtextur (Differenzialdiagnose zum Lipom) 5 Myxoides Liposarkom 5 Pleomorphes Liposarkom 5 Dedifferenziertes Liposarkom Fibrosarkom: in der Regel mäßig wohl umschrieben, derb elastische Tumoren; fibroblastäre Spindelzellproliferate in faszikulärer Anordnung; Subtypen: niedrigmaligne fibromyxoides Sarkom, epitheloides Fibrosarkom Malignes fibröses Histiozytom: in der Regel sehr pleomorphes spindelzelliges Sarkom mit histiozytären Einlagerungen sowie vereinzelten Riesenzellen; Mitoserate hoch, immer wieder Nekrosezonen, daneben Entzündungszellinfiltrate; Subtypen: pleomorphes, storiformes, myxoides, angiomatoides, inflammatorische, riesenzelliges MFH Leiomyosarkom: prall-elastischer, teils derber Tumor, weiß faszikuläre Schnittfläche mit gelborangen Nekrosezonen sowie weichen, teils eingebluteten und pseudozystischen Komponenten. Histologie: spindelzelliger Tumor mit myogener Differenzierung, teils ausgeprägte zelluläre Polymorphie, Mitosereichtum, Nekrosen Rhabdomyosarkom: wohl umschriebene Knoten mit glänzender, teil eingebluteter und gelb-orange nekrotischer Schnittfläche; histologisch sind zu unterscheiden: 5 Embryonaler Subtyp: kleine runde Zellen mit hyperchromatischen Kernen und spärlichem, hell eosinophilem Zytoplasmasaum. Vereinzelt noch Querstreifen erkennbar, mehrkernige Riesenzellen 5 Alviolärer Subtyp: pseudoalveoläre Grundtextur 5 Pleomorpher Subtyp: ausgeprägte zelluläre Pleomorphie Angiosarkom: weiche, blutreiche, teils blau-rote Tumoren; Histologie: ausgedehnte, teils anastomosierende Gefäßstrukturen, teils ausgeprägte zelluläre Pleomorphie Kaposi-Sarkom: lividbraune, derbe Knoten, teils rot-blaue Flecken; Histologie: Spindelzellproliferat mit schlitzförmigen Gefäßspalten, ausgeprägte zelluläre Polymorphie (. Abb. 3.38) Alveoläres Weichteilsarkom, epitheloides Sarkom, maligner (extrarenaler) rhabdoider Tumor: selten, maligne Spindelzellproliferate
211 3.2 · Spezielle Pathologie
3
! Cave Das Kaposi-Sarkom ist zwar morphologisch ein Angiosarkom, zeigt jedoch eine distinkte Morphologie und auch entsprechende Prognose: deutlich benigneres Verhalten als klassisches Angiosarkom, endet daher tumorbedingt in der Regel nicht letal. Deshalb ist keine aggressive Therapie wie bei anderen Angiosarkomen indiziert.
. Abb. 3.38. Kaposi-Sarkom. Kompakt aggregierte Spindelzellen im Tumorstadium. (Aus Remmele 2000)
4 Hygiene, Mikrobiologie, Virologie W. Kroukis 4.1
Allgemeine Bakteriologie – Übersicht –214
4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7
Grundlagen –214 Die bakterielle Normalflora des Menschen –214 Morphologie und Feinstruktur der Bakterien –215 Pathogenität und Grundtypen bakterieller Infektionen –222 Bakteriengenetik –223 Faktoren und Mechanismen mikrobieller Krankheiterreger –224 Diagnostik –230
4.2
Antibakterielle Therapie –232
4.2.1 4.2.2 4.2.3
Einteilung der Antibiotika –232 Antibiotikaresistenz –234 Empfindlichkeit und Resistenz – Resistenztestung
4.3
Spezielle Bakteriologie
4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7 4.3.8
Grampositive Kokken –235 Gramnegative Kokken –239 Gramnegative Stäbchen –240 Grampositive Stäbchen –252 Säurefeste Stäbchen –255 Verzweigte Stäbchen –256 Zellwandlose Bakterien –257 Spirochäten –258
–235
4.4
Einführung in die Parasitologie –263
4.4.1 4.4.2 4.4.3
Protozoen –263 Helminthen (parasitäre Würmer) –269 Arthropoden (parasitierende Gliederfüßer) –273
4.5
Pilze (Fungi, Mycetes)
4.5.1 4.5.2
Morphologie –277 Erreger von Mykosen
4.6
Virologie –283
4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.6.6 4.6.7
Morphologie und Struktur der Viren –284 Klassifizierung der Viren –285 Virusvermehrung –285 Virale Pathogenese –289 Virologische Diagnostik –292 Antivirale Therapie –292 Viren als Infektionserreger (Auswahl) –293
–277
–277
4.7
Hygiene
4.7.1
Arbeitsgebiete der Hygiene
–305 –305
–234
214
4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Die Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie umfasst die Laboratoriumsdiagnostik mikrobiell bedingter Erkrankungen und die Aufklärung ihrer epidemiologischen Zusammenhänge und Ursachen. Weiterhin gehört in dieses Gebiet die Unterstützung der in der Vorsorge, in der Krankenbehandlung und im Öffentlichen Gesundheitsdienst tätigen Ärzte bei der Diagnose von Infektionskrankheiten, ihrer Prophylaxe und Bekämpfung sowie bei der mikrobiologischen Bewertung antimikrobieller Substanzen. 4.1
Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
4.1.1 Grundlagen Betrachtet werden in der Mikrobiologie: 4 Algen (einzellig bis vielzellig) – für die medizinische Mikrobiologie ohne Bedeutung 4 Pilze (einzellig bis vielzellig) 4 Protozoen (Einzeller) 4 Bakterien (Einzeller) 4 Viren (keine »Lebewesen«) 4 In der medizinischen Mikrobiologie auch: Parasiten (dabei reicht das Spektrum von einzelligen Protozoen bis zu vielzelligen Tieren) 4 »Infektiöse« Proteine (Prionen) Soweit es sich um Lebewesen handelt, bestehen sie in der Regel aus einer Zelle, manchmal aus wenigen Zellen, selten aus vielen (fast immer gleichartigen) Zellen. Damit stehen sie im Gegensatz zu den Pflanzen und Tieren: Im Allgemeinen sind diese vielzellig und aus differenzierten Zellen aufgebaut, die häufig Gewebe bilden – also einen Verband von Zellen mit gleichartiger Differenzierung und bestimmten Aufgaben. > Mikroorganismen dagegen, insbesondere aber Einzeller, sind für sich allein lebensfähig und zeigen dabei alle Merkmale des Lebens.
Die Mikrobiologie befasst sich mit »organisierten Einheiten«, die so klein sind, dass sie mit bloßem Auge nicht sichtbar sind. Organismen lassen sich bezüglich ihres Zelltyps in Prokaryonten und Eukaryonten einteilen. (. Tab. 4.1). > Bakterien gehören zu den einzelligen Mikroorganismen (Prokaryonten) mit prinzipiell gleichem Aufbau. In Form und Eigenschaft lassen sie sich weiter unterscheiden.
4.1.2 Die bakterielle Normalflora
des Menschen Die Keimpopulation, die Haut und Schleimhäute des Menschen besiedelt, bezeichnet man als residente Flora, Standortflora oder körpereigene Flora. Die Besiedelung mit Mikroorganismen beginnt schon bei der Geburt. Diese Mikroorganismen besitzen zum Teil eine Schutzfunktion, weil sie beim Gesunden das Aufkommen pathogener Keime verhindern oder erschweren. Unnötiger Einsatz von Antibiotika oder Desinfektionsmittel können diese Schutzfunktion aber erheblich beeinträchtigen. Zu den Aufgaben der Normalflora gehören: 4 Abbau und Entgiftung von Nahrungsbestandteilen 4 Beitrag zur unspezifischen Abwehr (Säureschutzmantel der Haut) 4 Schutz vor Infektionen (Verdrängung von Fremdkeimen) 4 Produktion von Nährstoffen (Vitamine) > Standorte der Normalflora sind die äußere Haut, einschließlich der Hautanhangsgebilde sowie die Schleimhäute des Magendarmtrakts, des Urogenitalsystems (bis zur Blase), der oberen Atemwege und des Auges bzw. der Konjunktiven (. Tab. 4.2)
. Tab. 4.1. Unterschied von Prokaryonten und Eukaryonten Prokaryonten
Eukaryonten
Kein Kern, keine Kernmembran
Kern vorhanden
Kein endoplasmatisches Retikulum (ER)
ER vorhanden
Kein Golgi-Apparat
Golgi-Apparat vorhanden
Stoffwechselvielfalt
Einheitlicher Stoffwechsel
Wenige Zellorganellen
Viele Zellorganellen
Größe <1,5 µm
Zellgröße 10–100 µm
Ringförmige DNA
Chromosomen aus mehreren DNA-Fäden
Keine Mitose/Meiose
Mitose/Meiose
Mutation bestimmt Variabilität
Zusätzlich zur Mutation bestimmt Rekombination die Variabilität
215 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
4
. Tab. 4.2. Bakterielle Normalflora des Menschen Körperregion
Keimzahl
Vorherrschende Flora 3
2
Haut, äußere Nasenhöhle, äußerer Gehörgang
Axilla: ca. 10 /cm Inguinalregion: bis 106/cm2
Koagulasenegative Staphylokokken, Micrococcus spp., Corynebacterium spp., Propionibacterium, Acinetobacter, Pityrosporium1, Staph. aureus
Mundhöhle, Nasopharynx
Speichel: bis 109/ml
Streptococcus viridans, Neisseria, Haemophilus spp., Enterobacteriaceae, Enterokokken, Pseudomonaden, Sprosspilze, Besiedelung mit Streptococcus pneumoniae und Neisseriae meningitis möglich, anaerobe Flora: Prevotella, Bacteroides, Actinomyces spp., anaerobe Kokken etc.
Ösophagus, Magen
Sehr variabel, meist <10/ml
Exogene Mikroorganismen sowie transiente Mundhöhlenflora
3
Duodenum
Bis 10 /ml
Wie bei Ösophagus und Magen, dabei retrograde Besiedelung möglich
Jejunum
Ca. 105/ml
Laktobazillen, Streptokokken
9
Ileum
Etwa 10 /ml
Enterobacteriaceae, Bacteroides spp., Prevotella, Porphyromonas, Fusobakterien, Enterokokken
Kolon
Stuhl: bis 1012/g
Bacteroides, Prevotella, Porphyromonas spp., Fusobakterien, Eubakterien, Streptokokken, E. coli u. a., Enterobacteriaceae, Enterokokken, Laktobazillen, Clostridium spp., Staphylokokken, Pseudomonaden, Sprosspilze, Protozoen
Distale Urethra
Erststrahl-Urin: ca. 103/ml
Flora der umgebenden Hautregionen, Streptokokken, Enterokokken, Mykoplasmen, Ureaplasmen
Vagina
Sekret: ca. 105 bis 109
Präpubertär und Postmenopause: Anteile der Haut und Dickdarmflora, Laktobazillen Dazwischen: Streptokokken, Prevotella spp., Anaerobier
1
Hefepilz, der jenseits des 15. Lebensjahres auf der normalen Haut vorkommt
Als fakultativ pathogen oder Opportunisten werden Keime bezeichnet, die eigentlich im gesunden, widerstandsfähigen Menschen völlig harmlos sind, bei abwehrgeschwächten Patienten oder bei Verlassen ihres jeweiligen Standortes (z. B. Aszendieren von Darmkeimen in den Urogenitaltrakt) aber eine Infektion verursachen.
Als Kernäquivalent enthält das Bakterienzytoplasma ein Nukleoid, das aus einem zirkulären, sehr dünnen und langen DNA-Molekülfaden besteht und die genetische Information der Bakterienzelle trägt (analog zum Zellkern der Eukaryonten enthält das Nukleoid neben der DNA auch RNA und Proteine). Dieses Nukleoid besitzt keine Membran.
4.1.3 Morphologie und Feinstruktur
4.1.3.2 Plasmide Weitere nicht-essenzielle genetische Strukturen sind die Plasmide, die die extrachromosomale DNA- oder RNA-Moleküle darstellen und sich autonom vermehren. Eine wichtige Bedeutung der doppelsträngig vorkommenden Plasmid-DNA liegt sowohl in ihrer Pathogenität als auch in der Resistenz der Keime gegenüber Chemotherapeutika.
der Bakterien 4.1.3.1 Grundformen Bakterienzellen können eine Größe zwischen 0,3 und 5 µm erreichen. Dabei kommen folgende Grundformen vor (. Abb. 4.1, . Abb. 4.2): 4 Kokken 4 Gerade Stäbchen 4 Einfach oder spiralig gekrümmte Stäbchen 4 Fadenförmige Actinomyces
216
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
4
. Abb. 4.1. Morphologie der Bakterien
. Abb. 4.2. Anatomie der Prokaryonten
217 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
4.1.3.3 Zytoplasmamembran Das Zytoplasma der Bakterienzelle ist umgeben von der Zytoplasmamembran, die als osmotische Schranke nach außen hin anzusehen ist. In ihr eingelagert sind Proteine wie Enzyme für die Zellwandsynthese, Permeasen, Proteine von Sekretionssystemen, Sensorproteine und Enzyme der Atmungskette (bei anaeroben Bakterien). Enzyme der Atmungskette sind: 4 Komplex I: NADH-Dehydrogenase (Ubichinon) 4 Komplex II: Succinatdehydrogenase 4 Komplex III: Zytochrom-C-Reduktase 4 Komplex IV: Zytochrom-C-Oxidase 4 Komplex V: H+-transportierende ATP-Synthetase
4
Gramfärbung Das Gram-Verhalten resultiert aus der Dicke der Mureinschicht. Grampositive Bakterien erscheinen bei der Gramfärbung dunkelblau, gramnegative Bakterien rot. Der bei dieser Färbungsmethode eingesetzte Farbstoff (Jod-AnilinFarbstoff ) wird aus dem nur einschichtigen Mureingerüst der gramnegativen Bakterien wieder ausgewaschen. Technik der Gramfärbung: 4 Fixieren 4 Färben mit Gentianaviolett 4 Lugol’sche Lösung 4 Alkoholbad Gegenfärbung mit Fuchsin: gramnegative Bakterien nehmen Farbstoff an, grampositive nicht
4.1.3.4 Zellwand, Murein Auf die Membran folgt die Zellwand, die als Zellskelett dient. Die Aufgabe der Zellwand besteht im Schutz vor äußeren Einflüssen, der Formgebung und in der Kommunikation mit der Außenwelt. Wichtigstes Bauelement der Zellwand ist das Murein, ein Peptidoglykan bestehend aus N-Azetyl-Muraminsäure (NAM) und NAzetyl-Glukosamin (NAG). An den NAM-Resten sind i. d. R. 5 Aminosäuren gebunden (daher die chemische Bezeichnung Peptidoglykan): Die Quervernetzung der Polysaccharidketten (Polysaccharid-Peptid-Komplex) erfolgt über diese Aminosäurereste unter Abspaltung des endständigen D-Ala (. Abb. 4.3).
4.1.3.5 Lysozym Lysozym ist eine Muramidase, die in der menschlichen Speichelflüssigkeit, in den Darmsekreten und in Lymphozyten vorkommt und in der Lage ist, die Mureinschicht zu spalten. Somit wirkt Lysozym bakterizid. Ebenso wie Penicilline, die ebenfalls den Aufbau der Mureinschicht hemmen, hat es überwiegenden Einfluss auf grampositive Keime. Eine zellwanddefekte (mureindefekte) Bakterienwuchsform, entstanden durch körpereigene Abwehr (Lysozym, Antikörper etc.) oder verursacht durch Antibiotika, wird als L-Form bezeichnet.
> Die Dicke der Mureinschicht bestimmt das Verhalten bei der Gramfärbung. Somit lassen sich, ausgehend von ihrem Verhalten, grampositive von gramnegativen Bakterien unterscheiden.
L-Form Das L steht als Abkürzung für Lister-Institut in London. Dort wurden 1935 die L-Formen erstmalig in Streptobacil6
. Abb. 4.3. Oligosaccharidketten-Verbindungen im Murein (*NAM: N-Azetylmuraminsäure; **NAG: N-Azetylglukosamin)
218
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
lus-Kulturen entdeckt: bei der Vermehrung von Stäbchenbakterien wurden in Anwesenheit niedriger Penicillinkonzentrationen anstatt der sonst üblichen Querteilung Ausbuchtungen an den Teilungsstellen entdeckt, an denen kleine, bläschenförmige Gebilde zu erkennen waren. An diesen wird keine Zellwand, sondern eine Membran ausgebildet.
4
> L-Formen stellen eine modifizierte Form normaler Bakterien dar, die unter fehlerhaften Kulturbedingungen entstehen.
4.1.3.6 Gramnegative Bakterien Gramnegative Bakterien besitzen ein einschichtiges Mureingerüst und die Quervernetzung erfolgt meist ohne Pentapetide direkt über die seitenständigen Aminosäuren des NAM. Zusätzlich zeigen sie eine äußere Membran, die Poren aufweist und als weiterer Bestandteil der Zellwand anzusehen ist. Die Porine dieser äußeren Membran gehören zu den »outer membran protein« (Omp) und gewährleisten hydrophoben und niedermolekularen Substanzen den Zugang zum periplasmatischen Raum. In diesem sind Proteine enthalten, die die Mureinschicht mit der äußeren Membran verbinden, z. B. das
. Abb. 4.4. Lipopolysaccharid-Komplex
Murein-Lipoprotein. Andere Omp dienen häufig als Transportproteine. An der Oberfläche dieser äußeren Membran ist das Lipopolysaccharid (LPS) verankert, eine für die Pathogenese gramnegativer Infektionen wichtige immunogene Komponente. Der LPS-Komplex wird auch als Endotoxin bezeichnet und besteht aus folgenden Komponenten (. Abb. 4.4): 4 Lipid A 5 Es handelt sich um ein Phospholipid aus einem Glukosamindisaccharid, das an den Hydroxylund Aminogruppen mit unterschiedlichen Fettsäuren verestert ist. 5 Es besitzt toxische Wirkung. 5 Es bindet an das CD14-Antigen von Makrophagen und Monozyten und stimuliert die Bildung und Sekretion von Zytokinen (IL-1, TNFα u. a.). 5 Es aktiviert das Komplementsystems auf alternativem Weg. 4 Core-Polysaccharid 5 Es bestehend aus verschiedenen Zuckern (Heptosen), die eine innere und äußere Kernregion bilden. 4 O-spezifische Polysaccharidkette (O-Antigen)
219 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
5 Sie besteht aus sich wiederholenden Einheiten aus 3–8 Zuckern. 5 Sie dient zur Typisierung dienen verschiedene Antigenvarianten. 4.1.3.7 Grampositive Bakterien Der Zellwand grampositiver Bakterien liegt keine äußere Membran auf. Sie besitzt aber eine viel dickere Mureinschicht (bis zu 40 Schichten), enthält (Lipo-)Teichonsäuren (Polymere aus Ribitol und Glyzerol) und wandassoziierte Proteine, die in der Pathogenese grampositiver Infekte eine bedeutende Rolle spielen. Die Teichonsäuren sind in der Lage, das Komplementsystem auf alternativem Wege zu aktivieren. Auch können sie Makrophagen zur Sekretion von Zytokinen anregen. . Abb. 4.5a,b. Grampositive Bakterien. a Zellwand, b Murein-Bausteine
a
b
4
Dem Phagozytoseschutz dienen die zellwandassoziierten Proteine. Sie stellen Pathogenitätsdeterminanten dar, die kovalent mit dem Peptidanteil des Mureins verbunden sind (. Abb. 4.5). Zu den wichtigsten zellwandassoziierten Proteinen gehören: 4 »Clumping factor«: durch dieses Enzym wird das Fibrinogen im Zitratplasma von Menschen und Kaninchen in Fibrin überführt = Plasmaagglutination 4 Protein A: bindet IgG an dessen Fc-Stück o falsche Bindung o Phagozytoseschutz 4 Fibronektin-Bindeprotein: Adhärenz an Gewebe und Fremdkörper 4 Protein M: antiphagozytäre Wirkung
220
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Eine bei vielen Bakterien anzutreffende, aus Polysacchariden aufgebaute Kapsel, die sie vor Phagozytose schützt, hilft bei der weiteren Unterteilung von Bakterien einer Spezies. > Aufgrund der Feinstruktur des Polysaccharids sind mehrere Kapselserovare oder Kapseltypen zu unterscheiden.
4
4.1.3.8 Anhangsgebilde Eine Adhärenz an Wirtszellen oder das Anhaften an anderen Zellen wird bei manchen Bakterien durch Anhangsgebilde ermöglicht, die durch Proteinuntereinheiten aufgebaut sind und Haftfimbrien/-pili genannt werden. Ausgebildete, röhrenförmige Proteinfortsätze werden als Sexualpili bezeichnet und dient der Übertragung von DNA bei direktem Zell-Zell-Kontakt (z. B. bei Enterobakterien). Der Fertilitätsfaktor (F-Faktor), eine für die Ausbildung der Sexualpilis episomale DNA, kann sowohl im Zytoplasma vorliegen als auch im Bakterienchromosom integriert sein. Bedeutung der Sexualpili Konjugierende Zellen müssen sich unterscheiden, wobei eine Zelle als Spender- oder Donorzelle, die andere als Empfänger- oder Akzeptorzelle dient. Die Donorzelle besitzt das F-Plasmid, dementsprechend wird sie auch als F+Zelle bezeichnet wobei F für »fertility« (Fruchtbarkeit) steht. Da der Empfängerzelle das F-Plasmid fehlt, wird sie mit Fbezeichnet. 6
Die Bildung der Plasma- oder Konjugationsbrücke geht von einem Pilus der Donorzelle aus. Das F+-Bakterium hat ein F-Plasmid in sein ringförmiges Chromosom eingebaut. An dieser Stelle öffnet sich ein Strang der DNA. Das Chromosom beginnt sich zu verdoppeln, wobei ein Tochterstrang ringförmig bleibt, das andere wird fadenförmig. Dieser fadenförmige Strang derTochterzelle wandert durch die Plasmabrücke hindurch zur Empfängerzelle. Das dabei übertragende DNA-Stück ist umso größer, je länger die Konjugation dauert. Dabei steigt auch die Zahl der übertragenden Gene. Die Empfängerzelle baut nun den neuen DNA-Strang ganz oder teilweise in ihr Chromosom ein. Die beiden Tochterzellen der F-Zelle erhalten eine dabei unterschiedliche Genausstattung. Eine entspricht der ursprünglichen Empfängerzelle, die andere hat die Gene von beiden Bakterienstämmen. Sie ist eine »Rekombinante«, ein Bakterium mit neuen Eigenschaften. > Bakterielle Adhäsionsfaktoren sind Oberflächenstrukturen, die Adhäsionsmoleküle (Adhäsine) enthalten. Diesen Faktoren können oftmals spezielle Zielzellen und entsprechende Erkrankung zugeordnet werden. (. Tab. 4.3). Ohne Adhäsion kann keine Infektion erfolgen.
Bewegliche Bakterien lassen sog. Geißeln erkennen, die für die aktive Bewegung zuständig und aus linearen Proteinen, den Flagellinen aufgebaut sind (Flagellen). Diese sind über einen speziellen Halteapparat an der Zellwand und der Zytoplasmamembran verankert. Für ihre Beweglichkeit wird ATP benötigt. Bei polar ange-
. Tab. 4.3. Adhäsionsfaktoren, Krankheiten und Zielstrukturen Faktor/Struktur
Beispiel für Krankheit
Erreger
Pathomechanismus/Zielzelle
Fimbrien (Pili)
Salmonellose
Salmonella spp.
Typ-1-Fimbrien vermitteln die Adhäsion der Bakterien an Dünndarmepithelzellen
Gonorrhö
Neisseria gonorrhoeae
Pili vermitteln die Anlagerung an Harnwegsepithelien
Fimbrillen
Pharyngitis, eitrige Wundinfektionen
Streptococcus yogenes
Nicht-Fimbrienadhäsine (NFA) aus linearen Makromolekülpolymeren wie M-Protein, Lipoteichonsäuren, Lipooligo- und Lipopolysacchariden
Oberflächenpolysaccharide
Säuglingsdiarrhö
Enteropathogene Escherichia coli
K-Antigen (K = Kapsel) bindet an Rezeptoren der Dünnwandschleimhaut
Oberflächenproteine
Pharyngitis
Streptococcus pyogenes
F-Protein ist notwendig für die Adhäsion an das Rachenepithel (Bindung an Fibronektin)
Plasmamembranproteine
Mykoplasmenpneumonie
Mycoplasma pneumoniae
Zellwandloses Bakterium, erkennt über PlasmamembranAdhäsine Rezeptoren auf den Atemwegsepithelien
221 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
4
. Abb. 4.6. Terminologie der Bakteriengeißel (Flagellen)
ordneten Geißeln kann man monotriche oder lophotriche Formen erkennen, je nachdem ob eine einzige oder mehrere endständige Geißeln vorhanden sind. Weiterhin gibt es peritrich angeordnete Geißeln, die über die gesamte Bakterienoberfläche verteilt sind (. Abb. 4.6). > Geißelantigene der Enterobakterien werden auch als H-Antigene bezeichnet und dienen ebenfalls der Einteilung in Serotypen.
Einige Bakterien, beispielsweise Clostridium und Bacillus bei den humanpathogenen Gattungen, bilden sog. Sporen. Die als umweltresistent geltenden Dauerformen weisen gegenüber chemischen und physikalischen Noxen hohen Widerstand auf. Die Hülle der Sporen ist dick, wasserarm und daher sehr hitzeresistent. Die Denaturierung von Proteinen wird dadurch erschwert. Sporen können auch noch nach Jahren hoch infektiös sein. Allerdings können sich Sporenbildner nur in ihrer vegetativen Form vermehren, wozu ein entsprechendes Milieu hinsichtlich Temperatur und Nährmedium etc. erforderlich ist. Kulturverfahren Bakterien mit einer Zellgröße von ca. 1/1000 mm sind zu klein, um sie mit dem menschlichen Auge zu sehen. Lässt man sie sich jedoch auf fester Unterlage vermehren, so nimmt die Größe der entstehenden Bakterienkolonie bald eine Dimension an, die auch mit bloßem Auge zu erkennen ist. Hebt man für kurze Zeit den Deckel einer Petrischale mit sterilem Nährboden, so gelangen einzelne Bakterien 6
auf den Nährboden. Bebrütet man diese Platten 1–2 Tage bei ca. 25°C, so vermehren sich die einzelnen Bakterien zu sichtbaren Bakterienkolonien und man kann so viele Kolonien zählen, wie einzelne Bakterien (mit genügend großem Abstand) auf den Nährboden gelangt sind. 1–2 Tage nach dem Beimpfen kann man kleine, jedoch zählbare Kolonien erkennen. Wenige Tage später sind einige der nahe beieinander liegenden Kolonien verwachsen, sodass sich die Anzahl der ursprünglichen Bakterien nicht mehr bestimmen lässt. Nach etwa 2 Wochen ist die ganze Platte von einer einheitlichen Bakterienschicht, einem »Bakterienrasen« überwachsen. Einzelne Kolonien sind nicht mehr zu erkennen. Man kann Bakterien auch in einem Reagenzglas oder Becherglas in einer Nährbrühe vermehren und kultivieren. Hierzu benutzt man z. B. eine gefilterte Fleischbouillon. Die ursprünglich klare Flüssigkeit wird nach dem Beimpfen über Nacht (beim Bebrüten bei ca. 25°C) durch die Vermehrung der Bakterien trüb. Gibt man jetzt mit einer Pipette z. B. 1 ml oder besser 0,1 ml auf einen der Nährböden (Bouillon: flüssig, Agarplatte: fest) und bebrütet ihn, bekommt man ebenfalls einen Bakterienrasen und kann kleine einzelne Kolonien auszählen. Um Bakterienkolonien zählen zu können, muss man also die Zahl der Bakterien im Reagenzglas deutlich herunter verdünnen. In 1 ml einer Übernachtkultur können sich z. B. 1010 Bakterien befinden (Bakterientiter = Anzahl der Bakterien pro ml). Vernünftig auszählen kann man so etwa bis um 100, also 102 Kolonien. Man müsste demnach um einen Faktor 10-8 herunter verdünnen. Einen Faktor 10-1 oder 1:10 schafft man z. B., indem 1 ml Bakteriensuspension zu 9 ml frischer Nährbouillon gegeben wird (. Abb. 4.7).
222
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
. Abb. 4.7. Verdünnungsreihe Nährbouillon
4
4.1.4 Pathogenität und Grundtypen
bakterieller Infektionen 4.1.4.1 Pathogenität und Virulenz Unter Pathogenität versteht man die Fähigkeit eines Erregers, krankmachende Zustände in einem anderen Organismus hervorzurufen. Der Erreger bedient sich dabei seiner Pathogenitätsfaktoren, die auf unterschiedlichen Wegen zu seiner Pathogenität beitragen. Dagegen spricht man von Virulenz, wenn der Grad der krankheitsauslösenden Eigenschaften quantitativ beschrieben werden soll. Die speziellen Strukturen eines jeden pathogenen Organismus rufen dabei bestimmte Reaktionen beim Wirt hervor. Auslöser dafür können Membranen, Zellwandbestandteile oder aber auch abgegebene Toxine sein. 4.1.4.2 Lokalinfektion Lokale Infektionen können durch fakultativ und obligat pathogene Erreger verursacht werden. Dabei bleibt der Erreger im Infektionsherd und vermehrt sich auch dort. Es ist kein typisches Inkubationsstadium erkennbar. Eine dauerhafte Immunität zeichnet sich nicht ab, bei Toxin produzierenden Erregern können toxische Nebenwirkungen entstehen. 4.1.4.3 Zyklische Allgemeininfektion 4 Stadium I: Das Inkubationsstadium bleibt klinisch meist asymptomatisch und ist oftmals noch nicht kontagiös. Dabei streuen und vermehren sich die Erreger ausgehend von der Eintrittsstelle in regionale Lymphknoten. 4 Stadium II: Die Erreger gelangen über die efferenten Lymphbahnen vorübergehend in die Blutbahn. Allgemeine Symptome (Fieber, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit usw.) stehen im Vordergrund.
4 Stadium III: Organmanifestation der Erreger bedingen lokalisierte klinische Symptome (z. B. Durchfall, Gelbsucht, Pneumonie). 4.1.4.4 Sepsis Als Sepsis, Septikämie oder Blutvergiftung bezeichnet man das Vorhandensein bzw. die Aussaat von Mikroorganismen oder ihrer Bestandteile in der Blutbahn. > Kennzeichen der Sepsis sind: intermittierendes Fieber (>38°C) und Schüttelfrost, das eindeutig schwere Krankheitsgefühl, Hyperventilation (gesteigerte alveoläre Ventilation mit normalem bis erhöhtem arteriellen. Sauerstoffpartialdruck bei Erniedrigung des CO2-Partialdrucks), Tachykardie und Leukozytose (>12.000/mm3), häufig in Verbindung mit Splenomegalie. Dieses Erscheinungsbild im Rahmen der Sepsis wird auch als systemisches Entzündungssyndrom bzw. SIRS (»systemic inflammatoric response syndrom«) bezeichnet, bei Vorliegen von mindestens zwei der o. g. Krankheitsparameter (genauere Definition s. unten).
Ausgangs- oder Sepsisherde können sich in Lunge (z. B. Pneumonien), dem Urogenitaltrakt (Harnwegsinfektionen), dem HNO-Bereich (Tonsillitiden, Otitis, Sinusitis), den Gallenwegen (Cholezystitiden, Cholangitiden) manifestieren, aber auch als Wundinfektionen und Fremdkörper (Katheter) auftreten.
Definitionen der ACCP/SCCM-Konsensuskonferenz (American College of Chest Physicians/Society of Critical care Medicine Consensus Conference 1992)
6
223 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
4 Infektion: Entzündliche Reaktion auf die Präsenz von Mikroorganismen oder die Invasion von normalerweise sterilem Gewebe durch Mikroorganismen. 4 Systemic inflammatory response syndrome (SIRS): Systemische Entzündung als Reaktion auf eine Vielzahl verschiedener Krankheitszustände. Die systemische Reaktion manifestiert sich durch zwei oder mehr der folgenden Befunde: – Temperatur >38°C oder <36ºC – Herzfrequenz >90/min – Atemfrequenz >20/min oder PaCO2 <32 mmHg – Leukozyten >12.000/µl oder 4000/µl oder Linksverschiebung >10% 4 Sepsis: Systemische Reaktion auf eine Infektion. Die systemische Reaktion manifestiert sich durch zwei oder mehr der folgenden infektionsbedingten Befunde: – Temperatur >38°C oder <36°C – Herzfrequenz >90/min – Atemfrequenz >20/min oder PaCO2 <32 mmHg – Leukozyten >12.000/µl oder 4000/µl oder Linksverschiebung >10% 4 Schwere Sepsis: Sepsis mit neu aufgetretenen Zeichen gestörter Organfunktion oder gestörter Organperfusion (z. B. Laktatazidose: Laktat >Normwert; Oligurie: Urinproduktion <30 ml/h oder 0,5 ml/kg/h, akute mentale Alteration) oder mit Hypotonie (RRsyst <90 mmHg oder Abfall RRsyst >40 mmHg). 4 Septischer Schock: Kriterien der schweren Sepsis sowie zusätzlich Hypotonie (s. oben) trotz adäquater Flüssigkeitssubstitution und nach Ausschluss anderer Gründe für einen Blutdruckabfall. 4 Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS): Veränderte Organfunktion bei einem akut kranken Patienten, sodass die Homöostase ohne Intervention nicht aufrecht erhalten werden kann.
4.1.5 Bakteriengenetik Der Vorgang des Austauschs von Erbinformation über eine interbakterielle Plasmabrücke (Sexualpili, s. o.) wird Konjugation genannt. Dagegen wird die Übertragung bakterieller DNA durch Viren als Transduktion
4
bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Bakteriophagen (Viren, die sich in Bakterien vermehren), die nicht nur ihrem virulenten Zyklus unterworfen sind, sondern sich teilweise in das Chromosom der Wirtsbakterien einfügen, um als dessen Teil vermehrt zu werden. Sie befallen also das Bakterium und geben so die Gensequenz frei, die anschließend in das bakterielle Chromosom der Wirtszelle integriert wird oder extrachromosomal als Plasmid fortbesteht. > Bakteriophagen erlangen ihre Bedeutung in der Gentechnologie als Vektoren für die Genklonierung und als Hilfsmittel für Sequenzierungen.
Die Unterscheidung von Bakterienstämmen durch Lyse von Phagen wird Lysotypie genannt. Transformation bedeutet die Übertragung der DNA von einem Bakterium auf das andere durch die intakte Membran. Die Übertragung von DNA-Sequenzen auf verschiedenen Stellen im Bakterium wird Transposition genannt und die dann sog. Transposons – also transponierbare DNA-Abschnitte – sind verantwortlich für das häufige Auftreten neuartiger Resistenzkombinationen gegen Antibiotika. Die Auswirkung von Konjugation, Transformation, Transposition und Transduktion hinsichtlich der Erklärung der genetischen Variabilität der Bakterien ist somit gut nachvollziehbar. Hier sollen nun noch die Unterschiede in der Eukaryonten- und Prokaryontengenetik sowie die entsprechende genetische Regulation dargestellt werden (. Tab. 4.4). Bei Eukaryonten bestehen die Gene aus Introns und Exons. Während die Introns nicht kodierend sind und durch das »splicing« aus der mRNA entfernt werden, beinhalten die Exons das genetische Material für das Protein. Bei Prokaryonten gibt es keine Unterteilung der Gene in Introns und Exons und die mRNA wird ohne weitere Reifung der Proteinsynthese zugeführt. Die monozistronischen mRNA der Eukaryonten haben ihre Bedeutung in der Kodierung für ein alleiniges Protein (monozistronisch: nur eine Polypeptidkette kodierend). Dagegen können bei Prokaryonten die mRNA polyzistronisch sein, wodurch mehrere Gene zu einer funktionellen Einheit (Operon) als eine gemeinsame mRNA zusammengefasst werden. Die Mechanismen der Transkription, Translation und das »splicing« sind bei Eukaryonten klar voneinander abzutrennen (. Kap. Genetik). Die Ribosomen der Prokaryonten beginnen bereits noch während der Transkription, die Information der noch nicht fertigen RNA in Proteine umzusetzen.
224
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
. Tab. 4.4. Unterschiede in der Eukaryonten- und Prokaryontengenetik
4
Struktur
Prokaryonten
Eukaryonten
Chromosomen
Chromosomenäquivalent, ringförmige DNA, immer haploid, Vorkommen von Plasmiden
Echte Chromosomen, (haploid), diploid, (tetraploid oder polyploid), keine Plasmide
Genomgröße (Bp)
2–4×106
109 und mehr
DNA-Struktur
Kein höherer Ordnungszustand
DNA auf Histonproteine aufgespult und superspiralisiert
Genetische Regulation
Gen als funktionelle Einheit, polyzistronische mRNA, kein »splicing«
Gene oft aus Introns und Exons aufgebaut, räumliche Trennung von Transkription und Translation, monozistronische mRNA, »splicing« der RNA
Ribosomen
4 4 4 4
4 40-S-Untereinheit: 18-S-rRNA, ca. 30 Proteine 4 60-S-Untereinheit: 28-S-rRNA, 5,8-S-rRNA 4 5-S-rRNA, ca. 40 Protein 4 80 S
30-S-Untereinheit: 16-S-rRNA, 21 Proteine 50-S-Untereinheit: 23-S-rRNA, 5-S-rRNA 23 Proteine 70 S
4.1.6 Faktoren und Mechanismen
mikrobieller Krankheiterreger Bevor wir die einzelnen Erreger sowie ihre spezifischen und charakteristischen Eigenschaften benennen, soll auf die krankmachenden Eigenschaften im Allgemeinen etwas näher eingegangen werden. Die Begriffe Pathogenität und Virulenz wurden im Kapitel . Kap. 4.1.4 bereits genannt und es wurde festgehalten, dass den Pathogenitätsfaktoren entsprechende Krankheiten zugeordnet werden können. Um die Bedeutung der krankmachenden Faktoren besser zu verstehen, soll die folgende Frage diskutiert werden: 4.1.6.1 Was macht Bakterien zu Krankheitserregern? Zu den Keimeigenschaften der Bakterien, wie beispielsweise ihre Fähigkeit zur Kolonisation und Zellinvasion, gehören auch ein hohes Wachstumspotenzial, effiziente Überlebensstrategien und eine schnelle Adaptionsfähigkeit an ein verändertes Milieu. Um zur Charakteristik eines erfolgreichen Pathogens beizutragen, gesellen sich genetische Determinanten zu diesen Keimeigenschaften, die Pathogenitäts- und Virulenzfaktoren. Die den Pathogenitätsfaktoren zugrunde liegenden Gene finden sich häufig auf übertragbaren DNA-Elementen, die von einem Bakterium zum anderen weitergegeben werden können (. Kap. 4.1.5). Neben Plasmiden und Bakteriophagen gibt es eine Gruppe von DNA-Elementen, die als Pathogenitätsin-
seln bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um Chromosomenabschnitte, auf denen die Gene für die krankmachenden Eigenschaften der Bakterien dicht nebeneinander liegen. So liegen z. B. bei Yersinia pestis oder E. coli die Gene für das Eisenfangsystem, für Hämolysin und Adhäsin an einem Ort. Die Gesamtheit dieser Pathogenitätsfaktoren befähigen somit den Mikroorganismus Infektionskrankheiten auszulösen, die auf unterschiedlichen Wegen den Menschen erreichen können. Beispiele für Infektionswege bakterieller Infektionskrankheiten sind: 4 Sexualkontakte – z. B. Neisseria gonorrhoeae 4 Inhalation von Aerosolen oder Staub – z. B. Legionella pneumophilia 4 Nahrung, Getränke, Schmierinfektion – z. B. Salmonellen, Campylobacter 4 Wunden, Katheter – z. B. Staphylococcus aureus 4 Insektenbisse – z. B. Borrelia burgdorferi Infektionserreger müssen daher in der Lage sein, in den Wirt einzudringen und seine spezifische Immunabwehr zu unterlaufen. Sie können dabei den Wirt und/ oder seine Zellen schädigen und sich in ihm vermehren. Der Mikroorganismus bedient sich dabei spezifischer Pathogenitätsmechanismen. 4.1.6.2 Pathogenitäts- und Virulenzfaktoren Pathogenitätsfaktoren sind Eigenschaften eines Erregers, die zu seiner Pathogenität beitragen. Man unterscheidet dabei offensive, defensive und unspezifische
225 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
Pathogenitätsfaktoren. Im Folgenden werden einige der medizinisch wichtigsten Faktoren genannt. Offensive Pathogenitätsfaktoren Offensive Pathogenitätsfaktoren 4 Adhäsine 4 Invasine 4 Toxine – Endotoxine – Exotoxine (mit mehreren Untergruppen)
Adhäsine Adhäsine(. Kap. 4.1.3.8) sind Liganden, die bakteriellen Oberflächenstrukturen – den Adhäsionsfaktoren – eingelagert sind. Durch ihre spezifische Interaktion mit den Wirtszellrezeptoren vermitteln sie ihre Kolonisation im Wirt (. Tab. 4.3).
4
transduktion in Wirtszellen (Apoptose), der Induktion von Invasionsvorgängen (nicht phagozytierende Zellen) und von bakteriellen Signaltransduktionsvorgängen (Induktion von Fe2+-Aufnahme). Außerdem können Adhäsine die Aufnahme von Toxin kodierenden Bakteriophagen bewirken, da die Adhäsine nach ihrer Anhaftung als Rezeptoren für beispielsweise toxintransduzierende Phagen dienen (z. B. Choleratoxin).
Invasine Invasine dienen dem Eindringen in Phagozyten und dem Überleben in diesen sowie der Überwindung von Epithelbarrieren. Bakterielle Invasionsproteine gehen eine spezifische Bindung mit Wirtszell-Rezeptoren ein – z. B. Integrin oder E-Cadherin – und es erfolgt eine Bakterieninternalisierung oder Zellinvasion. Zu unterscheiden sind dabei obligat intrazelluläre von fakultativ intrazellulären Bakterien (. Tab. 4.5).
Bedeutung der Adhärenz Die Adhärenz hat ihre biologische Bedeutung u. a. in der Bildung von Mikrokolonien und Biofilmen wie z. B. Schleimsubstanzen beim Dauerkatheter. Auch in der Oberflächenvariation zur Umgehung der Immunantwort (antigene Variabilität), der Plasminogenaktivierung (Gewebsauflösung) und der Bindung an extrazelluläre Matrix kommt ihre Bedeutung zum Ausdruck. Weiterhin dient sie der Signal-
Internalisierung von Bakterien Zur Bakterieninternalisierung bedienen sich die Erreger zweier Mechanismen: 4 Beim Trigger-Mechanismus wird der Umbau der Wirtszellmembran durch eine Signalkette aktiviert, was eine Membranpermeabilitätssteigerung zur Folge hat. Die Aktivierung dieser Signalkette erfolgt über sezernierte Invasionsproteine. Die Bakterienzelle hat also zuerst keinen Kontakt mit der Wirtszelle. Es erfolgt eine dramati-
6
6
. Tab. 4.5. Invasine Invasin
Keim
Rezeptor
Intimin
Enteropathogene E. coli
Tir (Hp 90)
Internalin
Listeria monocytogenes
E-Cadherin
Fibronektin an 55kD Omp
Mycobacterium tuberculosis
α5-β1-Integrine
Opa 30 Opa 52 Vitronectin an Opc
Neisseria gonorrhoeae
Syndecanähnliches Proteglykan CD 66 αv-β3-Integrine, α5-β1-Integrine
Pilus
Porphyromonas gingivalis
48 kD-Protein auf Zahnfleischepithelzellen
Sip (Salmonella-invasives Protein)
Salmonella typhii
CFTR
Ipas (»invasion plasmid antigens«)
Shigella spp.
α5-β1-Integrine
Dr-Fimbrien
Uropathogene E. coli
SCR3 des »deca accelerating factors«
Invasin
β1-Integrine, YadA
Yersinia spp.
Omp »outer membran protein”; Opa »outer protein antigen”; Opc »outer protein core”; CFTR »cystic fibrosis transmembrane conductane regulator”
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4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
sche Umstrukturierung des Zellzytoskeletts, d. h. es werden Aktinfilamente rearrangiert und pseudopodienähnliche Ausläufer bzw. Membranfalten von der Wirtszelle ausgebildet, die die Bakterien umwandern und sie in eine Vakuole im Zellinneren einschließen. 5 Dagegen fordert der Zipper-Mechanismus die Beteiligung bakterieller Liganden und der Wirtszellrezeptoren. Das Bakterium gelangt also durch Bindung seiner oberflächenständigen Invasionsproteine an die Wirtszell-Rezeptoren und durch die Rezeptor-Liganden-Interaktion stülpt sich die Wirtszell-Plamamembran um das Bakterium. Es entsteht eine Art Phagosombildung.
Toxine Eine Vielzahl von pathogenen Bakterien produziert toxische Substanzen. Die Auswirkungen dieser Toxine reichen von Funktionsbeeinträchtigungen der Wirtszelle bis hin zur Zellschädigung oder gar zum Wirtszelltod. Zur Gruppe bakterieller Toxine gehören folgende Untergruppen: 4 Endotoxine als Zellwandstruktur-Komponenten gramnegativer Bakterien 4 Exotoxine und Exoenzyme 5 Superantigen-Toxine Endotoxine Lipopolysaccharide gehören zu den Zellwandbestandteilen gramnegativer Bakterien (. Kap. 4.1.3.6). Nach Autolyse der Bakterien werden diese thermostabilen Polymere freigesetzt und entfalten ihre toxische Wirkung dadurch, dass die Lipid-A-Komponente nach Bindung von Rezeptoren der Phagozyten (Monozyten, Makrophagen u. a.) eine massive Überproduktion von Biomodulatoren wie Interleukine (IL-1, IL-6, IL-8), Tumornekrosefaktor TNF-α, Thrombozyten-Aktivierungsfaktor u. a. bewirkt. Dies wiederum aktiviert die Gerinnungs- und Komplementkaskade, welches einen stimulierenden Effekt auf die Prostaglandin- und Leukotrienproduktion hat. Als Folge davon kommt es zu Blutdruckabfall und Kreislaufversagen, Fieberanstieg und Gerinnselbildung im Blut sowie einem Multiorganversagen bis hin zum letalen Schock. Bei grampositiven Bakterien sind es die Teichonsäuren und Peptidoglykanen, die – wenn in größeren Mengen vorhanden – gleiche toxische Reaktionen auslösen können wie die Endotoxine der gramnegativen Bakterien. Exotoxine Endotoxine sind bakterielle Proteine, die vom Erreger in die Umgebung ausgeschieden werden und eine zellschädigende Wirkung aufweisen. Zudem können sie teilweise Enzymtätigkeit besitzen. Es gibt Exotoxine, die aus nur einer Polypeptidkette bestehen, aber auch oli-
gomere Exotoxine, die aus mehreren Untereinheiten aufgebaut sind. Bei den häufig vorkommenden A-BExotoxinen ist die A-Untereinheit diejenige, die die Toxin-Aktivität beinhaltet und der B-Teil für die Bindung an die Wirtszelle verantwortlich. Der B-Teil kann aus einer oder mehreren Untereinheiten bestehen. Andere Exotoxine binden an zelltypenspezifische Rezeptoren (Enterotoxine, Neurotoxine, Hepatotoxine, Kardiotoxine) oder können verschiedene Zelltypen und Gewebe schädigen (Zytotoxine). Da Exotoxine eine hohe Wirkspezifität bei niedrigster Konzentration besitzen, ist es wichtig, auf die unterschiedlichen Wirkmechanismen genauer einzugehen. Unter den Exotoxinen werden folgende Formen zusammengefasst: 4 Exoenzyme 4 Membranschädigende Exotoxine 4 Proteinsynthesehemmende Exotoxine 4 Zellfunktionsändernde Exotoxine (mit u. a. Neurotoxinen) Exoenzyme. Die meisten Exoenzyme sind Verdau-
ungsproteine und dienen der Hydrolyse oder Zerkleinerung hochmolekularer Nährsubstrate, da Bakterien nur niedermolekulare Nährstoffe wie Aminosäuren, Mono- und Disaccharide etc. in die Zelle internalisieren können. Sie werden vom Erreger aktiv sezerniert und greifen überwiegend extrazelluläre Strukturen, Glykoproteine und Membranlipide der Wirtszelle an. Sie können massive Entzündungsreaktionen hervorrufen und haben somit die Berechtigung, zu den Exotoxinen zu gehören (. Tab. 4.6). Membranschädigende Exotoxine. Eine Zerstörung
der Plasmamembran entsteht kurz nach Bindung der
. Tab. 4.6. Beispiele von Exoenzymen Proteasen
Hydrolyse von Proteinen der extrazellulären Matrix (Kollagenasen, IgAProteasen, Fibrinolysin, Elastase u. a.)
Glykosidasen
Hydrolyse von Kohlenhydraten (Hyaluronidasen, Muzinasen, Mukopolysaccharidasen u. a.)
Nukleasen
Hydrolyse freigesetzter Nukleinsäuren (DNAsen, RNAsen)
Lipasen
Hydrolyse von Lipiden im Blut, Lymphe und von zerstörten Zellen sowie enzymatischer Angriff auf die Wirtsplasmamembran (z. B. Lezithinasen)
227 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
Toxine an Rezeptoren der Wirtszelle. Dabei wird die Eukaryontenzelle entweder enzymatisch durch LipaseToxine, oder osmotisch durch porenbildende Toxine abgetötet. Das Lipase-Toxin (α-Toxin) von Clostridium perfringens (Gasbrand-Erreger) enthält als letale Komponente eine Lezithinase (Phospholipid C). Durch enzymatischen Abbau der Plasmamembran wird die Zelle massiv geschädigt. Das α-Toxin der Staphylokokken oder das Streptolysin-O der Streptokokken sowie ein Miniporen-bildendes Toxin von E. coli sind Proteinporen bildende Toxine. Sie führen u. a. zum Ungleichgewicht der Flüssigkeitsverteilung in der Zelle und zu einem massiven Wassereintritt, was ein Anschwellen und Platzen der Zelle bewirkt. Die Freisetzung und zellzerstörende Wirkung lysosomaler Enzyme wird durch die Veränderung der Lysosomenmembran durch StreptolysinO bewirkt. > Das α-Toxin von Clostridium perfringens ist eine membranschädigende Phospholipase (Lezithinase).
Proteinsynthesehemmende Exotoxine. Toxine, die das Zellwachstum blockieren, wirken intrazellulär. Meistens bestehen sie aus zwei Moleküleinheiten. Auch hier befindet sich das aktive Toxin im A-Teil und das für die Bindung an Rezeptoren der Zielzelle verantwortliche Molekül besteht aus dem B-Teil, welcher aus einem oder mehreren Untereinheiten gebildet wird. Nach rezeptorvermittelter Endozytose des Toxins wird ihr AAnteil durch proteolytische Spaltung aktiviert. Die Trennung von der B-Einheit erfolgt durch Reduktion einer Disulfidbrücke. Man geht derzeit davon aus, dass der B-Teil in die Endosomenmembran integriert wird und dadurch möglicherweise eine Hilfestellung für den Durchtritt des A-Teils ins Zytoplasma geleistet wird. Die Aktivierung der Diphtherie- und der Shiga-Toxine verlaufen nach diesem Prinzip. Zu vielen der Proteinsynthese-hemmenden Toxine gehören die ADP-Ribosyl-Transferasen. Sie sind Enzyme mit gemeinsamen Wirkmechanismus: sie katalysieren den Transfer der ADP-Ribosegruppe von NAD+ auf eine spezifische Aminosäure mit einem Zielprotein, die Translokase, und bewirken eine Funktionsänderung dieser GTPase. Da die Translokase als Enzym für die GTP-abhängige Translokation der Peptidyl-tRNA auf dem Ribosom unabdingbar ist, wird somit die Proteinsynthese irreversibel blockiert. Auf gleiche Weise hemmen das Diphtherie-Toxin von Corynebacterium diphtheriae sowie das Exotoxin-A von Pseudomonas aeruginosa die Proteinsynthese der eukaryonten Zelle.
4
> Das Diphtherie-Toxin von Corynebacterium diphtheriae hemmt irreversibel die Proteinsynthese.
Zellfunktionsändernde Exotoxine. Diese Toxine beeinflussen das Regulationsgleichgewicht der Zelle und schädigen diese damit funktionell, ohne sie jedoch abzutöten. Beispiele sind 4 Cholera-Toxin von Vibrio cholerae, das die cAMPKonzentration erhöht 4 Hitzelabiles LT-Enterotoxin von E. coli 4 Bordetella-pertussis-Toxin 4 Neurotoxine Tetanus- und Botulinus-Toxin
Das Cholera-Toxin von Vibrio cholerae sowie das LTToxin von E. coli bewirken eine Erhöhung des cAMP in der Wirtszelle und zeigen dabei den gleichen Wirkmechanismus: das Cholera-Toxin besteht aus 2 A- und 5 B-Untereinheiten. Nach Bindung an je 5 Gangliosidrezeptoren der Dünndarm-Epithelzelle wird es in die Zelle aufgenommen und aktiviert. Die enzymatisch aktive A1-Untereinheit transferiert wieder eine ADP-Ribose von NAD+ auf eine GTPase. Diese GTPase ist diesmal ein Enzym, das zum cAMP-generierenden System gehört. Durch die erfolgte ADP-Ribosylierung wird die cAMP-Synthese angeregt, die wiederum die Proteinkinase-A aktiviert. Folge ist eine Hypersekretion von Chlorid, Bikarbonat und Wasser. > Das Cholera-Toxin von Vibrio cholerae aktiviert die Adenylatzyklase der Enterozyten.
Neurotoxine. Sie rufen eine Blockierung der Nervenfunktion hervor: das Tetanus-Toxin von Clostridium tetani gelangt meistens durch Verletzung in periphere Wunden. Nach Sporenbildung und anaerobem Keimwachstum erfolgt die Synthese und Ausscheidung des Toxins (auch Tetanus-Spasmin genannt). Nach Bindung an neuronale Gangliosidrezeptoren erfolgt die Internalisierung in die Zelle. Durch retrograden axonalen Fluss wird das Toxin ins Rückenmark (ZNS) transportiert. Dort erfolgt die Funktionseinschränkung inhibitorischer Synapsen durch Hemmung des (inhibitorischen) Neurotransmitters Glyzin. Die Folge ist eine irreversible Kontraktion der Muskelfasern, da die hemmenden Impulse auf die motorischen Neurone ausbleiben. Es entsteht ein (Wund-)Starrkrampf mit den typischen Symptomen Trismus, Risus sardonicus und Opisthotonus. > Das Tetanus-Toxin von Clostridium tetani hemmt präsynaptisch in glyzerinergen Nervenzellen des Rückenmarks die Ausschüttung des inhibitorischen Neurotransmitters Glyzin.
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4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Das Botulinus-Toxin von Clostridium botulinum führt zu Muskellähmung. Hierbei erfolgt die Bindung des Toxins an Gangliosidrezeptoren peripherer Nervenendigungen und verhindert nach Internalisierung in die Zelle die Freisetzung von Azetylcholin an der Nerven-Muskel-Endplatte. Folge ist eine Erschlaffung der Muskelfaser, da somit die Signalübertragung unterbrochen wird.
Kapsel und Schleim. Beide Komponenten dienen dem
> Das Botulinus-Toxin von Clostridium botulinum hemmt die Reizübertragung an den motorischen Endplatten durch Blockierung der Freisetzung azetylcholinhaltiger synaptischer Vesikel der peripheren Nervenendigungen.
Impedine. Impedine sind mikrobielle Pathogenitäts-
Superantigen-Toxine Superantigen-Toxine sind bakterielle Proteine, die TZellen zur Produktion von Zytokinen stimulieren, indem sie an MHC- und T-Zell-Rezeptoren binden. Beispiele sind das Toxic-shock-Syndrom-Toxin-1 von Staphylococcus aureus (TSST-1) sowie das Streptokkoken-pyogenes-Exotoxin von invasiven S. pyogenes (SPE). Das TSST-1 wird von ca. 1% der S.-aureus-Stämme gebildet und führt zur direkten Freisetzung von (u. a.) Interleukin-1 und TNF-α aus Makrophagen und damit zum septischen Schock. Das SPE der Streptokokken aktiviert als Superantigen polyklonal T-Zellen und führt durch Ausschüttung von IL-1 und TNF-α zu Fieber, Schock und Multiorganversagen. Ein anderer Teil der S.-aureus-Stämme bildet Enterotoxine (mehrere Typen: A–E), die für Lebensmittelintoxikationen verantwortlich sind. Die Enterotoxine von S. aureus zählen ebenfalls zu den Superantigenen. Exfoliative Toxine Bestimmte S.-aureus-Stämme bilden Toxine, die das »staphlococcal-scalded scin syndrom« (SSSS) verursachen. Hierbei handelt es sich um exfoliative Toxine (ETA, ETB), die eine intradermale Spaltbildung mit nachfolgendem Ödem zwischen unterem Stratum spinosum und dem oberen Stratum granulosum hervorrufen. Beispiele sind bullöse Impetigo und Pemphigus neonatorum als lokal begrenzte Verlaufsformen. Eine Toxinausschwemmung über den gesamten Organismus resultiert in einer generalisierten Verlaufsform, da keine spezifischen Antikörper gebildet werden können. Man bezeichnet diese Erkrankung als »Ritter-Krankheit« bzw. Dermatitis exfoliativa Ritter von Rittershein.
Defensive Pathogenitätsfaktoren Defensive Pathogenitätsfaktoren sind Merkmale von Krankheitserregern, die eine effektive Immunantwort des Wirts erschweren bzw. verhindern.
Erreger zum Schutz vor Phagozyten. Durch die negativ geladene Oberfläche wird die Aufnahme durch Phagozyten verhindert. Da Komplementfaktor C3b nicht angelagert werden kann, wird eine komplementvermittelte Lyse verhindert und die Opsonierung durch Komplement und Antikörper bleibt aus.
faktoren, die eine Wirtsabwehr erfolgreich umgehen oder ganz verhindern. Dazu gehört auch die Eigenschaft wirtseigene Antigene nachzuahmen und dadurch der Immunantwort zu entgehen. Dieses wird als molekulare Mimikry bezeichnet. Die Immunantwort gegen die »eigenen« Antigene unterbleibt meistens oder sie führt zu einer schweren Autoimmunkrankheit. Beispiel ist das Coxsackie-Virus in Verbindung mit einem Herzmuskelantigen, sowie Yersinien hinsichtlich des HLA-B27-Antigens. Coxsackie-B-Virus und Yersinia enterocolica Coxsackie-B-Viren gehören zum Genus Entero-Viren und zählen zur Familie der Picorna-Viren. Die meisten Coxsackie-Virus-Infektionen zeigen einen milden oder sogar asymptomatischen Verlauf. In einzelnen Fällen kann es jedoch zur manifesten Myokarditis kommen. Ursache ist ein entzündliches mononukleäres Infiltrat mit einer nichtischämischen Nekrose angrenzender Myozyten. Nachfolgend sind Kalzifizierung und Fibrose möglich. In den letzten Jahren gewinnt Yersinia enterocolica zunehmend an Bedeutung als humanpathogenes Darmbakterium. Die Übertragung des Erregers erfolgt oral durch kontaminiertes Wasser oder Nahrungsmittel. Die typischen Symptome nach einer akuten Yersinia-Infektion sind Diarrhö, Bauchschmerzen und Fieber. Dabei können Komplikationen wie reaktive Arthritis, Erythema nodosum und andere rheumatische Erkrankungen v. a. bei HLA-B27-Trägern auftreten. Bei diesen Patienten sind hohe und lang persistierende IgA-Titer gegen Yersinien-Antigene typisch.
Moduline. Moduline verändern durch Nachahmung
bestimmter Enzymfunktionen das Zytokin-Muster des Wirts. Zu den Modulinen gehören die schon benannten Strukturen Lipid-A, Lipopolysaccharid und Peptidoglykan. Moduline werden auch als Bakteriokine bezeichnet und haben ebenfalls Einfluss auf die Zytokinausschüttung. Außerdem können Zytokine, wie beispielsweise EGF (»epidermal growth factor«) als Wachstumsfaktoren missbraucht werden (wie durch M. tuberculosis). Im Vordergrund stehen jedoch die Modulation der Zellphysiologie von Lymphozyten und Antigen-präsentierenden Zellen (APC). So werden
229 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
u. a. T-Zellen durch Bakteriokine am klonalen Wachstum gehindert und/oder es erfolgt eine polyklonale Stimulierung bakterieller Mitogene (Superantigene). M-Proteine. M-Proteine sind lange, haarähnliche Filamente der Gruppe-A Streptokokken (GAS). Durch dieses Protein können die Bakterien die Immunabwehr des Menschen unterlaufen, indem die negativ geladenen Enden des M-Proteins die gleichartig geladenen Fresszellen abstoßen. Dabei schützt sich das Protein vor Antikörpern und Enzymen des Komplementsystems durch Bindung an den Faktor-H, ein Protein aus dem Immunsystem, das im gesunden Organismus die Aufgabe hat, körpereigenes Gewebe vor Angriffen aus dem eigenen Immunsystem zu schützen. Das M-Protein ermöglicht die Einteilung der A-Streptokokken in 80 Serovare. IgA-Proteasen. Diese Enzyme spalten und inaktivieren
mukosale Antikörper. Dabei spalten IgA-1-Proteasen den Antikörper an der Hinge-Region (im IgG die flexible Region in der Mitte der H-Kette), sodass die Fabund Fc-Fragmente getrennt werden (S. pneumoniae, H. influenza, N. meningitidis, N. gonorrhoeae u. a.). Die Inaktivierung durch IgA-Bindungsproteine entsteht durch deren Bindung an die Fc-Region von IgA1- und IgA-2-Antikörpern (S. pneumoniae, S. pyogenes, H. pylori). Zusätzlich gibt es noch bakterielle IgA-Glykosidasen, die Kohlenhydratgruppierungen der IgAAntikörper deglykosylieren. Unspezifische Pathogenitätsfaktoren Unspezifische Pathogenitätsfaktoren sind weitere Faktoren, die nicht direkt zum pathogenen Potenzial der Bakterien beitragen, sondern vielmehr zu ihrer »Vitalität« in bestimmten ökologischen Bereichen. Zu den wichtigsten unspezifischen Pathogenitätsfaktoren zählen Eisenaufnahmesysteme. Siderophoren. Viele Bakterien verfügen über spezifische Mechanismen zur Aufnahme von Eisen aus ihrer Umgebung. Y. enterocolitica besitzt die Fähigkeit, die für ihre Vermehrung notwendigen Eisenionen in unterschiedlicher Weise aufzunehmen. Da im Plasma extrem niedrige Konzentrationen von etwa 10-15 M freiem Eisen vorliegen, sind einige Yersinien in der Lage, ihren eigenen Bedarf von etwa 10-6 M Eisen zu befriedigen. Durch intra- und extraplasmatische Proteine wie Transferrin, Laktoferrin und Ferritin, die eine hohe Affinität für (dreiwertige) Eisenionen aufweisen, ist die niedrige Konzentration von freiem Eisen im Plasma zu erklären. Man kann diese Vorkehrungen des Wirtsorganismus als eine effektive Abwehrmaßnahme gegen in Gewebe und Blutbahn eindringende Erreger verstehen.
4
Y. enterocolitica bietet gegen diese Abwehrmaßnahme ein System aus zwei Komponenten: den Siderophoren und den Siderophorenrezeptoren. Dabei werden die Siderophoren als Konkurrenten zu den eisenbindenden Proteinen des Wirtsorganismus vom Bakterium in die Umgebung abgegeben und binden dort als komplexbildende Moleküle (<1 kD) die Eisenionen (Fe3+). Der entstandene Eisen-SiderophorenKomplex wird mit Hilfe der auf der Oberfläche der Bakterien lokalisierten Siderophorenrezeptoren in das Zellinnere eingeschleust. Yersinia enterocolica in Vollblutkonserven Häufiges Problem ist die Vermehrung von Y. enterocolitica in Erythrozytenkonzentraten: bei der Abkühlung der als Vollblutkonserve vorliegenden Spende verliert Y. enterocolitica die plasmidkodierten Eigenschaften. Die neu aktivierten Eigenschaften, die chromosomal kodiert sind, ermöglichen dem Bakterium das Eindringen in phagozytierende Zellen. Extrazellulär verbleibende Keime können über Komplement-Aktivierung eliminiert werden, die intrazellulären Erreger überleben. Entscheidend ist, dass für die Abtötung bzw. Aufnahme in die Phagozyten hinreichend Zeit bleibt. Bei der folgenden Komponententrennung werden die Erythrozyten in plasmaarmes Medium überführt und anschließend auf die Lagerungstemperatur von 4±2°C abgekühlt. Komplement, wenn noch in wirksamen Mengen vorhanden, ist jetzt kaum mehr aktivierbar. Nach circa einer Woche beginnen die Leukozyten in größerem Umfang zu zerfallen und die noch lebensfähigen Yersinien freizugeben. Der gleichzeitige stetige Zerfall kleiner Mengen von Erythrozyten versorgt die Keime mit Eisen, das im Hämin in verwertbarer Form zur Verfügung steht. Gegen Ende der zweiten Lagerungswoche beginnt gewöhnlich die mikrobiologisch nachweisbare Vermehrung der Bakterien, die dann in der dritten Woche hohe Konzentrationen erreichen und große Mengen an LPS freisetzen können.
Extrazelluläre Enzyme. Hierzu zählen sind Metallopro-
teasen, Kollagenasen, Hyaluronidasen u. a. Kollagen spaltende bzw. proteolytische Enzyme; sie zerstören epitheliale Strukturen durch Abbau von Interzellularsubstanz (z. B. parodontopathogene Keime). Neuraminidase (z. B. bei Influenzav-Viren) ist ein Enzym, das die schützende Schleimschicht von Lunge und Bronchien zerstört. Somit gelangt das Virus direkt an die Schleimhautzellen. Urease: H. pylori produziert exzessive Mengen an Urease, die Harnstoff spaltet. Das dabei entstehende Ammonium trägt möglicherweise zur pH-Neutralisation des sauren Milieus im Magen bei und könnte somit zur Kolonisation der Magenschleimhaut beitragen.
230
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
> Zur Diagnostik einer Besiedlung mit Helicobacter pylori dient dessen Ureasebildung.
4.1.7 Diagnostik
4
4.1.7.1 Grundlagen Zur Diagnostik von Infektionskrankheiten sind mikrobiologische Untersuchungen von Gewebe, Körperflüssigkeiten und Abstrichen unerlässlich. Die Sensibilitätsprüfung relevanter isolierter Keime ist für eine gezielte effektive Behandlung und für epidemiologische Betrachtungen erforderlich. Um diese Diagnostik zuverlässig durchführen zu können, sind folgende Punkte zu beachten: 4 Probenentnahme wenn möglich vor Therapiebeginn 4 Gezielte Probenentnahme in ausreichender Menge 4 Vermeidung von Kontamination durch vorherige Reinigung der Entnahmestelle und durch Einbringen der Probe in sterile Transportgefäße
4 Verwendung von geeigneten Abnahme- und Transportbestecken, um die Erreger vor Überwucherung, Austrocknen und Absterben zu schützen 4 Eindeutige Kennzeichnung der Probe und des Begleitscheins 4 Angabe von Entnahmeort, Verdachtsdiagnose, Therapie und Fragestellung auf dem Begleitschein 4 Probentransport innerhalb kürzester Zeit. Sollte dies innerhalb von 2–3 h nicht möglich sein, so gelten die angegebenen Asservierungsbedingungen für höchstens 24 h. Transportmedien sollten genutzt werden. Beispiele von Transportsystemen und Hilfsmittel für die mikrobiologische Untersuchungen sind (. Tab. 4.7): 4 Abstrichtupfer mit Transportmedium (gesonderte Bestecke für Chlamydien, Herpesv-Viren, Papilloma-Viren (HPV), PCR-Untersuchungen etc.) 4 Sterile Röhrchen mit Schraubverschluss für flüssige Materialien
. Tab. 4.7. Transportsysteme und Hilfsmittel für mikrobiologische Untersuchungen Infektion
Material
Abnahmebesteck
Von Haut, Schleimhaut und Subkutis
Punktat, Abszessinhalt nach Spaltung, Spülung, Gewebe, Drainagekatheter
Sterile Spritze, Kürette; Überführung in steriles Röhrchen mit Schraubverschluss: sofortiger Probentransport Bei unvermeidbar längerem Transport: Tupferabstrich, Verwendung von Transportmedien
Dermatophyten
Hautgeschabsel, Hautschuppen
Steriles Transportgefäß
Sepsis
Blutkultur, 10–20 ml Blut durch Punktion einer peripheren Vene gewonnen, vor Therapiebeginn im Fieberanstieg
Blutkulturflaschen aerob und anaerob, Abkühlen vermeiden
Liquor
Steriles Röhrchen; evtl. Blutkulturflasche zusätzlich, vor Therapiebeginn, Abkühlen vermeiden
Obere Atemwege
Abstrich Nase, Rachen; Tonsillen, Zunge
Tupfer in Transportmedium
Pertussis
Tiefer Nasenabstrich
Tupfer ohne Transportmedium für PCR
Tiefe Atemwege
Sputum, Bronchialsekret, Lavage
Steriles Gefäß mit Schraubverschluss
Harnwege
Mittelstrahlurin, Blasenpunktat
Steriles Gefäß, evt. Uricult
Urogenitaltrakt
Abstrich, Biopsat, Ejakulat, Exprimat
Tupfer in Transportmedium, steriles Röhrchen, für Gensonden extra Abnahmebesteck
Darminfektionen: bakteriell, viral und parasitär
Stuhlprobe, Biopsat, Parasitenteile, Analabstrich
Stuhlröhrchen, steriles Gefäß, Abstrichbesteck
Oxyurenbefall*
Analabklatsch
Klebestreifenabklatsch auf Objektträger
*Oxyurenbefall: Darmbefall mit Enterobius (Oxyuris) vermicularis, einem zu den Nematoden zählenden Madenwurm
231 4.1 · Allgemeine Bakteriologie – Übersicht
4 Sterile Sputum- und Urinbecher 4 Stuhlröhrchen 4 TBC-Transportbehälter 4.1.7.2 Erregernachweis versus Antikörpernachweis Sowohl Erregernachweis als auch Antikörpernachweis weisen Stärken und Schwächen auf. Der Erregernachweis vermittelt meist zuverlässigere Information über eine zum Zeitpunkt der Untersuchung vorliegende Infektion. Er ermöglicht oft die Quantifizierung als Ausdruck der Replikationsrate sowie die Typisierung und Resistenzprüfung gegen antimikrobielle Substanzen. Der Erregernachweis erfolgt zunehmend mittels Nukleinsäureamplifikationstests anstelle der klassischen kulturellen Verfahren. Einige sinnvolle Indikationen sollen hier genannt werden: 4 Akute Atemwegsinfektion (Adeno-, Influenza-, Parainfluenza-Viren, RSV) 4 Meningo-Enzephalitis (Enteroviren, HSV-1, HSV2, VZV, Mumps-Virus) 4 Urogenitale Infektion (Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae) 4 Arthritis (Borrelia burgdorferi) 4 Vesikulöses Exanthem (HSV-1, HSV-2, VZV) > Dem Erregernachweis gebührt grundsätzlich der Vorrang, wenn es darum geht, eine aktive (frisch erworbene, persistierende oder reaktivierte) Infektion nachzuweisen.
Für manche Infektionen steht aber der Antikörpernachweis im Vordergrund. Er erlaubt die Diagnose auch in einem subakuten Stadium, wenn der Erregernachweis nicht mehr möglich ist. Der AntikörperNachweis dient zudem zur Immunitätsabklärung oder als Erfolgskontrolle nach Impfungen. Als Beispiele dafür gelten: 4 Hepatitis-A-Virus (HAV) 4 HDV – nur bei aktivem HBV 4 HIV 4 EBV (Epstein-Barr-Virus) 4 Virale Zeckenenzephalitis, FSME 4 Coxiella burnetii 4 Syphilis 4 Leptospiren 4 Rota-Viren u. a. 4.1.7.3 Polymerasekettenreaktion Mittels Polymerasekettenreaktion (»polymerase chain reaction«; PCR) lassen sich spezifische DNA-Abschnitte exponentiell vermehren. Dabei wird durch Hitzeeinwirkung die DNA zuerst denaturiert. Die Synthese des
4
kompletten Stranges erfolgt nach Zugabe eines Primers und der dort beginnenden DNA-Polymerase. Die beabsichtigte exponentielle Vermehrung der gewünschten DNA-Sequenzen wird durch erneute Denaturierung und wiederholte Synthese durch die DNA-Polymerase erzielt. 4.1.7.4 Beispiele diagnostisch wichtiger Bakterieneigenschaften Generationszeit Die Bakterienvermehrung erfolgt unter optimalen Bedingungen durch Querteilung. Die Zeit, die für eine solche Teilung benötigt wird, nennt man Generationszeit. Für die humanmedizinisch wichtigen Bakterien in Kultur liegen diese Zeiten bei ca. 20 min (Escherichia coli; sichtbares Wachstum auf festen Nährböden über Nacht) bis hin zu ca. 20 h (Mycobacterium tuberculosis; sichtbares Wachstum auf festen Nährböden nach 4–8 Wochen). Schnelles Wachstum ist die Grundlage für die Einteilung von Bakterien anhand spezifischer kultureller Merkmale und nur so kann eine schnelle Erregerdiagnostik erfolgen. Wachstumsfaktoren Zu den Vermehrungsbedingungen, die das bakterielle Leben und den bakteriellen Stoffwechsel beeinflussen, zählen die Luftfeuchtigkeit und Temperatur, die Wasserstoffionenkonzentration (pH-Wert) des Milieus, das osmotische Verhältnis sowie der O2- und der CO2Partialdruck in gasförmiger Umgebung. Energiestoffwechsel Zur Bewältigung ihres Gesamtstoffwechsels benötigen Bakterien Kohlenstoff. Dieser stellt den Ausgangspunkt des bakteriellen Energiestoffwechsels dar. Die Herkunft des Kohlenstoffs kann sehr unterschiedlich sein und man unterscheidet autotrophe und heterotrophe Ernährungstypen, je nach Herkunft des Zellkohlenstoffs: Autotrophe Bakterien. Dabei handelt es sich oft um
phototrophe, d. h. Photosynthese betreibende Bakterien. Sie sind in der Lage, Zucker unter Ausnutzung der im Sonnenlicht enthaltenen Energie direkt aus CO2 und H2O zu assimilieren und die Lichtenergie so chemisch zu speichern. Heterotrophe Bakterien. Diese Bakterien benötigen eine externe Kohlenstoffquelle und erwerben den Zucker daher aus der Umgebung; dabei ist das lac-Operon (Laktose-Operon, s. unten), ein Zusammenspiel spezifischer Gene zur Bildung einer funktionellen Einheit hinsichtlich des Stoffwechsels, ein wesentliches Merkmal in der Differenzierung von Bakterien im Routine-
232
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
labor. Hierbei macht man sich die unterschiedlichen Fähigkeiten der Bakterien zunutze, bestimmte Kohlenhydrate oder andere Substanzen zu verstoffwechseln.
4
Hämolyseverhalten Das Hämolyseverhalten verschiedener Bakterien wird bestimmt durch ihre Fähigkeit, Erythrozyten zu lysieren. Dies geschieht durch Freisetzung von Hämolysinen, Proteine also, die die Erythrozytenmembran direkt schädigen (z. B. Streptolysin-O von Streptococcus pyogenes, Streptococcus pneumoniae). Der Nachweis erfolgt auf Blutagarplatten. Folgende Formen der Hämolyse lassen sich unterscheiden: 4 α-Hämolyse: Vergrünung im Lysehof; unvollständige Lyse aufgrund unvollständigen Abbaus von Hämoglobin zu Biliverdin 4 β-Hämolyse: vollständige Lyse durch vollständigen Hämoglobinabbau; ein sichtbarer heller Hof umgibt die Bakterienkolonie 4 γ-Hämolyse: eine etwas irreführende Definition, denn es findet keine Hämolyse statt Enzymatische Aktivitäten Bakterien lassen sich auch anhand ihrer enzymatischen Aktivitäten differenzieren. Zu den dabei wichtigsten Enzymen zählen: 4 Katalase spaltet Wasserstoffperoxid (2 H2O2 o 2 H2O + O2). Der Nachweis erfolgt mittels H2O2 unter Sauerstoffbläschenbildung. 4 Oxidase lässt sich mittels des Farbstoff Zytochrom C nachweisen. Ist Oxidase vorhanden, wird der Farbstoff oxidiert und schlägt von blau nach violett um. 4 Koagulase ist ein Gerinnungsenzym, das bei menschlichem und Kaninchenplasma die Koagulation bewirkt; nach Zugabe des Keims auf einen Objektträger wird Plasma dazu gegeben und verrührt. Positive Reaktion ergibt sich bei sichtbarer Verklumpung.
Aerobier. Bakterien, bei denen der Sauerstoff toxisch und ihre Energiegewinnung von Gärung abhängig wird, werden obligate Anaerobier genannt. Ist die Möglichkeit der Energiegewinnung sowohl durch Sauerstoff als auch durch Gärung gegeben, werden die Bakterien als fakultative Anaerobier bezeichnet.
4.2
Antibakterielle Therapie
Arzneimittel, die gegen Infektionen eingesetzt werden und sich gezielt gegen Mikroorganismen richten, ohne dabei den Menschen ernsthaft zu schädigen, werden als Antiinfektiva bezeichnet. Zur Gruppe der Antiinfektiva gehören die Antibiotika, Antimykotika, Mittel gegen Viren, Malaria und Protozoen. Als wichtigste Gruppe der Antiinfektiva soll hier kurz auf die Antibiotika eingegangen werden. Diese stellen Produkte aus Pilzen und Bakterien dar, die schon in geringen Mengen das Wachstum anderer Mikroorganismen hemmen oder sie sogar abtöten. Im Gegensatz dazu stehen die Chemotherapeutika, die (halb-)synthetisch hergestellt werden. Zu den klassischen Chemotherapeutika gehören das Chinin und die Sulfonamide. > 4 Bakterizidie: Fähigkeit einer Substanz, Bakterien abzutöten 4 Bakteriostase: Verhinderung der Keimvermehrung, ohne diese abzutöten
4.2.1 Einteilung der Antibiotika
DNAse spaltet die DNA in Nukleotide und lässt sich durch DNAse-Bindung nachweisen. Die beimpfte Platte wird in HCl gegeben und zeigt bei positiver Reaktion um die beimpfte Region eine klare Zone infolge des Abbaus der DNA zu Nukleotiden.
Die Einteilung der Antibiotika kann nach unterschiedlichen Kriterien erfolgen. So kann man sie nach ihrer chemischen Struktur oder Färbbarkeit, nach Wirkungsweise oder Wirkungsspektrum, aber auch hinsichtlich ihrer therapeutischen Anwendung oder Pharmakokinetik einteilen. Der einfacheren Überschaubarkeit wegen wird im Folgenden die Einteilung nach den Wirkmechanismen der Antibiotika beschrieben. 4 Hemmung der Zellwandsynthese (Mureinsynthese) 4 Störung der Tetrahydrofolsäuresynthese 4 Störung der Genexpression 4 Störung der DNA-Organisation
> In Abhängigkeit von den bei Bakterien vorkommenden Enzymen unterscheiden die Bakterien sich auch im Verhalten hinsichtlich der Anwesenheit von Sauerstoff. Solche, die nur in Verbindung mit O2 lebensfähig sind, bezeichnet man als obligate 6
Die Anzahl der verschiedenen Antibiotika ist sehr groß, sodass hier lediglich einige wichtige, in der antimikrobiellen Therapie häufig eingesetzte Präparate kurz aufgezeigt werden sollen (. Tab. 4.8). Spezielle Eigenschaften der Antibiotika sind im . Kap. Pharmakologie beschrieben.
233 4.2 · Antibakterielle Therapie
. Tab. 4.8. Übersicht über die Mechanismen der Antibiotika Mechanismus
Gruppe
Beispiele für Wirkstoffe
Hemmung der Zellwandsynthese: β-Laktamantibiotika
β-Laktamantibiotika Cephalosporine Peneme
Penicillin Cefuroxim, Cefazolin, Cefotaxim Imipenem
Hemmung der Zellwandsynthese: Nicht-β-Laktamantibiotika
Glykopeptide Polypeptide
Vancomycin, Teicoplanin Bacitracin + Neomycin (Nebacetin)
Störung der Tetrahydrofolsäure
Sulfonamide Benzylpyrimidine Co-Trimoxazol
Sulfadiazin Trimethoprin Sulfamethoxazol (Sulfonamid) + Trimethoprim (Bactrim)
Störung der Genexpressiom
Rifamycin Aminoglykosid Tetrazykline Makrolide Lincomycin
Rifampicin Streptomycin Doxyzyklin Erythromycin Clindamycin
Störung der DNA-Organisation
Gyrasehemmer/Chinolone Nitro-Imidazole
Ciprofloxacin Metronidazol
In Kürze Antibiotika: Anwendung in der Praxis Substanzgruppe
Indikationen
Penicillin
Angina, Tonsillitis, Hauteiterungen (Streptokokken)
Cephalosporine der 2. Generation Makrolide Aminopenicillin + Clavulansäure (Augmentan)
Infektionen oberhalb des Zwerchfells, aber nicht ZNS
Trimethoprin/Co-Trimoxacol (Baktrim)
Eitrige, unkomplizierte Harnblasenentzündungen; Zystitis
Tetrazyklin
Alle anderen Infektionen des Urogenitaltraktes
Chinolone
Schwere bakterielle Infektionen, Pyelonephritis und komplizierte Darminfektionen (hochfiebrig)
Metronidazol
Gastritis
Lokal: Aminoglykosid (Gentamycin); Chloramphenicol
Augeninfektionen
Reserveantibiotika in Krankenhäusern: 4 Grampositive Erreger 4 Gramnegative Erreger
Vancomycin, Linezolid Cephalosporine der 3. Generation, Peneme, Chinolone, Piperazillin/Tazobactam
4
234
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
4.2.2 Antibiotikaresistenz Grundsätzlich werden zwei Formen der Antibiotikaresistenz unterschieden: die natürliche oder primäre Resistenz ist für bestimmte Bakterien charakteristisch. Ihr gegenüber steht die erworbene bzw. sekundäre Resistenz, die durch Erwerb neuer DNA oder aber durch Spontanmutation entstehen kann.
4
4.2.2.1 Primäre Antibiotikaresistenz Lange Zeit wurde eine verminderte Zellwandpermeabilität für die Resistenz gegenüber einer Reihe von Antibiotikaklassen verantwortlich gemacht, etwa bei β-Laktamen, Fluorchinolonen, Sulfonamiden, Trimethoprim, Tetrazyklinen und Makroliden. Inzwischen ist jedoch erwiesen, dass z. B. bei Pseudomonas ein sehr effektives Effluxsystem (MexAB-OprM) für die Resistenzbildung verantwortlich ist, mit dessen Hilfe die genannten Substanzen aktiv aus der Zelle gepumpt werden. P-Glykoprotein als Beispiel für ein Effluxsystem Von den verschiedenen Effluxsystemen ist das P-Glykoprotein das am besten untersuchte. Es handelt sich um ein Glykoprotein und gehört zur Familie der ATP-bindenden Cassette (ABC)-Transporterproteine. ABC bedeutet »Adenosintriphosphat (ATP) binding cassette« und steht für eine ATPase, die als hochkonserviertes Molekülteil das gemeinsame Merkmal der riesigen ABC-Transporterfamilie darstellt.
Eine andere Möglichkeit zur natürlichen Resistenz liegt in der Tatsache, dass kein Substrat bzw. Angriffspunkt vorliegt. So wirken z. B. Laktame nicht auf Mykoplasmen, weil diese keine Zellwand besitzen. Diffusionsbarrieren (»outer membran«) stellen ebenfalls ein Kriterium zur primären oder natürlichen Resistenz dar. Bei E. coli ist diese Membran aufgrund ihrer Ladung nicht für Penicillin durchlässig, jedoch für Ampicillin. 4.2.2.2 Sekundäre Antibiotikaresistenz Bei der sekundären oder erworbenen Resistenz ist häufig die Spontanmutation die Ursache für die Unwirksamkeit der Antibiotika. Ihr zugrunde liegt beispielsweise die Erweiterung des Substratspektrums – entweder durch Mutation in Effluxsystemen (Multiresistenz) oder durch Mutation zu ESBL (»extended spectrum beta-lactamases«). Andere Beispiele der Spontanmutation hinsichtlich der sekundären Resistenz sind in der Modifikation des Wirkortes, wie z. B. des PBP (Penicillin-bindende-Proteine), ribosomaler Proteine sowie Veränderungen der Permeabilitätsbarriere durch Minderexpression oder Verlust eines Porins zu sehen.
Eine andere Art der sekundären Resistenz ist Folge von Veränderungen der bakteriellen Zellwand. Die Synthese der bakteriellen Zellwand wird durch die Aktivität mehrerer Enzyme bestimmt. Es handelt sich dabei um die sog. Penicillin-bindenden Proteine (PBP). β-Laktamantibiotika binden an diese PBP und hemmen dadurch die Synthese von Peptidoglykanen. Wenn die entsprechende Zellwand fehlt, bleibt der notwendige Zusammenhalt aus und die Bakterie platzt. Methicillin-resistente S.-aureus-Stämme (MRSA) sind für viele Antibiotika undurchdringlich, da das erworbene mecAGen ein etwas anderes PBP-Protein, nämlich PBP2A, kodiert, das eine deutlich geringe Affinität für β-Laktamantibiotika aufweist. Dadurch verlieren diese Antibiotika gegenüber S. aureus mit Expression von mec ihre Wirksamkeit. Gleichzeitig produzieren beinahe alle MRSA β-Laktamasen und sind sehr häufig auch gegenüber anderen Antibiotika resistent. 4.2.3 Empfindlichkeit und Resistenz –
Resistenztestung Um eine gezielte Antibiotikatherapie zu ermöglichen, wird die Empfindlichkeitsprüfung gegenüber relevanten Antibiotika bei allen nachgewiesenen pathogenen Erregern durchgeführt. Folgende standardisierte Verfahren werden für die Empfindlichkeitsprüfung eingesetzt. Dabei richtet sich die Auswahl nach der Art des zu testenden Erregers. Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration mittels Mikrobouillondilution Dies ist das Standardverfahren zur Empfindlichkeitsprüfung bei aeroben grampositiven und gramnegativen Bakterien: Nachdem das zu untersuchende Bakterium in einer Bouillon suspendiert wurde, wird diese in eine mit verschiedenen Konzentrationen von Antibiotika vorbeschichtete Testplatte gegeben. Das Wachstum der Bakterien kann nach Bebrütung innerhalb der einzelnen Vertiefungen optisch und photometrisch abgelesen und so die minimale Hemmkonzentration (MHK) für die einzelnen Antibiotika bestimmt werden. Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration mittels E-Test Hierbei handelt es sich um ein Verfahren zur Testung von anaeroben und proliferierenden Bakterien, für Hefen und zur Nachtestung einzelner Antibiotika: Dabei wird der zu untersuchende Erreger auf einer Agarplatte ausgestrichen. Anschließend legt man einen E-Test-Streifen, der mit einem Antibiotikagradienten beschichtet ist, auf. Die Antibiotika auf dem Streifen bewirken eine ellipsenför-
235 4.3 · Spezielle Bakteriologie
4
mige (E) Wachstumshemmung des Erregers, sodass eine MHK an dem Streifen abgelesen werden kann.
ter Staphylococcus aureus) auch gegen andere Antibiotika resistent.
> Bei Testung von Helicobacter pylori ist eine Inkubationszeit von mehreren Tagen erforderlich.
Nachweis. S. aureus kann durch Anzucht einer Kultur
Agardiffusionstest Diese Methode ist eine Empfindlichkeitsprüfung zur primären Testung positiver Blutkulturen und einiger Erreger, die nicht im Mikrobouillondilutionsverfahren anwachsen. Die Agarplatte wird mit Bakterien gleichmäßig beimpft. Dann werden kleine in Antibiotika getränkte Testplättchen mit einer definierten Konzentration des Wirkstoffs aufgesetzt. Anhand der Größe der sich bildenden Hemmhöfe um die Plättchen herum lässt sich die Wirksamkeit der Antibiotika beurteilen. Das Antibiogramm liegt in der Regel einen Tag nach Erregerisolierung vor. 4.3
Spezielle Bakteriologie
Das Kapitel der speziellen Bakteriologie beschäftigt sich mit der Klassifizierung der verschiedenen Krankheitserreger, den Möglichkeiten, diese diagnostisch zu bestimmen sowie ihren charakteristischen Eigenschaften hinsichtlich der durch sie verursachten Krankheiten und ihrer Therapie. 4.3.1 Grampositive Kokken 4.3.1.1 Staphylokokken Staphylokokken gehören zur Familie der Micrococcaceae. Sie sind in Haufen oder Trauben angeordnet. Unterscheidungskriterium zu Streptokokken ist der positive Katalasetest. Die Einteilung erfolgt in 2 Kategorien: 4 Koagulasepositiv: hauptsächlich S. aureus 4 Koagulasenegativ: die meisten Staphylokokken, einschließlich S. epidermidis und S. saprophyticus Staphylococcus aureus Charakteristika. Fakultativ anaerobe, grampositive
Kokken. Vorkommen. Ca. 30% der Bevölkerung ist Träger und über 80% des Krankenhauspersonals sind betroffen. Am häufigsten besiedelt sind Nasenvorhof, Hände und Perineum. S. aureus ist häufiger Erreger nosokomialer Infektionen, wobei der Anteil an S.-aureus-Stämmen, die gegen Cephalosporine und Penicillinase-feste Penicilline resistent sind, ansteigt. Häufig sind diese Methicillin-resistenten Stämme (MRSA: Methicillin-resisten-
nachgewiesen werden. Dabei entstehen die gelben, relativ großen Kolonien, in denen die β-Hämolyse ersichtlich wird. Der Koagulasenachweis im Kaninchenplasma zeigt nach 4 h die entstandene Koagulation. Als weitere Nachweismethoden dienen der Clumpin-FactorSchnelltest, der DNAse-Test und das Antibiogramm mittels Oxacillintest. Pathogenitätsfaktoren. S. aureus verfügt über diverse
Pathogenitätsfaktoren (7 unten). Pathogenitätsfaktoren von S. aureus 4 Die Kapsel verhindert den Kontakt zwischen zellwandgebundenen Komplementfaktoren (C3b) und Phagozyten und verzögert so Chemotaxis und Phagozytose 4 »Clumping factor« ist ein Enzym und wandelt unlösliches Fibrinogen in Fibrin um. Es folgt eine Verklumpung der Bakterien, das eine Phagozytose erschwert. 4 Das Protein Koagulase bindet an Prothrombin und ist zuständig für die Aktivierung von löslichem Fibrinogen zu Fibrin. Dadurch bildet sich eine »Fibrinmauer« um die Keime (Abszessbildung). 4 Protein-A bindet an den Fc-Teil menschlicher Immunglobulinklassen (A, M, G1, G2, G4) und wirkt daher antiphagozytär. 4 Hämolysine (α, β, γ, δ) sind Zytolysine, die die Zellmembran von Erythrozyten, Thrombozyten, Monozyten und Phgozyten zerstören; so ist beispielsweise das Hämolysin-α oder auch α-Toxin verantwortlich für die β-Hämolyse. 4 Das Exotoxin Leukozidin wirkt ebenfalls membranschädigend, und zwar indem es die Zellmembran-Permeabilität verändert; es zerstört Leukozyten und Makrophagen. 4 Enterotoxine A–E sind verantwortlich für Lebensmittelintoxikationen; Nachweis durch Präzipitation 4 TSST-1 führt zu massiver T-Zell-Aktivierung (Superantigen). TSST-1 war früher eine häufige Ursache des Toxic-shock-Syndroms im Zusammenhang mit Vaginaltampons der Frau. 4 Exfoliatine A, B sind Ursache des scalded skin syndrom 4 β-Laktamase spaltet Penicillin und Cephalosporine am β-Laktamring 4 Staphylokinase ist bakteriophag kodiert und bindet an Plasmin. Der entstandene Komplex bewirkt eine Fibrinolyse. 4 Weitere Faktoren sind Lipasen, Proteasen, DNAsen – verantwortlich für die Invasivität.
236
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Krankheiten. S. aureus führt zu folgenden Infektionen:
4 Invasive Infektionen: Furunkel, Karbunkel, Otitis media, Sinusitis, Osteomyelitis, Endokarditis, Mastitis puerperalis, Pneumonie, Wundinfektionen, Sepsis 4 Toxinbedingte Infektionen: Impetigo bullosa, Pemphigus neonatorum, Dermatitis exfoliativa (SSSS), Lebensmittelvergiftung, Toxic-shock-Syndrom
4
Therapie. Bei Vorliegen eines Antibiogramms werden Penicillinase-feste Isoxazolyl-Penicilline (Flucloxacillin) eingesetzt. Cephalosporine (1. und 2. Generation) bringen aufgrund der niedrigeren Proteinbindung pharmakokinetische Vorteile. Therapie der Wahl bei hoher Prävalenz von MRSA ist Vancomycin und evtl. Rifampicin. ! Cave Wegen der raschen Resistenzentwicklung dürfen Rifampicin und Fusidinsäure (Fucidine) nur in Kombination mit einem anderen MRSA-wirksamen Antibiotikum angewendet werden!
Staphylococcus epidermidis und Staphylococcus saprophyticus Charakteristika. Fakultativ anaerobe, grampositive Kokken. Vorkommen. Ihr Reservoir ist die Normalflora der
menschlichen Haut und Schleimhaut. Nachweis. Der Nachweis gelingt durch Anzucht einer Kultur. S. epidermidis und S. saprophyticus sind koagulasenegativ! Ihre Kolonien erscheinen weiß und es ist keine β-Hämolyse vorhanden. Die Resistenz gegenüber Novobiocin ist ein wichtiges Merkmal zur Speziesdifferenzierung: Novobiocin-empfindliche Stämme gehören zur S.-epidermidis-Gruppe, Novobiocin-resistente Stämme (minimale Hemmkonzentration >1,6 mg/l) zur S.-saprophyticus-Gruppe. Pathogenitätsfaktoren. Bei S. epidermidis bedingt das Polysaccharid-A der Schleimkapsel eine Adhäsion an Plastikmaterialien oder Kunststoff wie Katheter, Implantate und/oder anderer Fremdkörper. S. saprophyticus verfügt über spezielle Pili, die an Epithelzellen des Urogenitaltrakts adhäsieren; die Urease als Virulenzfaktor fördert die Invasion der Bakterien. S. epidermidis und Biofilme S.-epidermidis-Stämme besitzen die Fähigkeit, an Polymeroberflächen zu binden und können durch Vermehrung und Schleimbildung Biofilme auszubilden. Matrixproteine (z. B. Fibrinogen, Fibronektin), die im Makroorganismus die
6
Fremdkörper bedecken, verstärken diesen Vorgang. Somit sind Biofilme Infektionsherde, die von denen Bakterien ins Blut geschwemmt werden und sepsisartige Krankheitsbilder verursachen können.
Krankheiten.
4 S. epidermidis: Katheterinfektionen, Peritonitis (Dialysepatienten), Endokarditis (bei vorgeschädigten Herzklappen), Infektionen an inplantierten Fremdkörpern wie Endoprothesen etc., Frühgeborenensepsis, schwere Infektionen bei immunsuppremierten und hämatologisch-onkologischen Patienten. 4 S. saprophyticus: akute unkomplizierte Harnwegsinfektionen der Frau, zumeist post coitum (Honeymoon-Zystitis); unspezifische Harnwegsinfekte (HWI) bei sexuell aktiven Männern, die dysurische Beschwerden auslösen können. In Einzelfällen kann es bis zur Pyelonephritis kommen. Therapie. Bei Infekten mit S. epidermidis ist eine Eiterdrainage und evtl. Fremdkörperentfernung indiziert. Bei Verdacht auf Prothesenendokarditis erfolgt die Primärtherapie mit einem Glykopeptid (Vancomycin) in Kombination mit Rifampicin und/oder einem Aminoglykosid. Bei unkompliziertem S.-saprophyticus-HWI der Frau wird eine Kurzzeittherapie (3 Tage) mit CoTrimoxazol, Trimethoprin oder Chinolonen (Norfloxacin, Ciprofloxacin) durchgeführt. > S. epidermidis und S. saprophyticus sind koagulasenegative Staphylokokken.
4.3.1.2 Streptokokken Streptokokken gehören zur Familie der Streptococcaceae. Sie werden auch als Kettenkokken bezeichnet, da sie überwiegend in Ketten oder als Pärchen angeordnet sind (. Abb. 4.1). Im Unterschied zu Staphylokokken zeigen sie eine katalasenegative Aktivität. Ihre Einteilung richtet sich nach ihrem Hämolyseverhalten, die Gruppeneinteilung erfolgt zumeist nach der Lancefield-Klassifikation (A–V). Dieses Einteilungsverfahren bezieht sich auf die Analyse des C-Polysaccharids der Zellwand. Antikörper erkennen dieses als Antigen und helfen so bei der Schematisierung. Streptococcus pyogenes (Gruppe-A-Streptokokken, GAS) Charakteristika. fakultativ anaerobe, grampositive unbewegliche Kokken. Vorkommen. Streptococcus pyogenes ist weltweit ver-
breitet. Reservoir beim gesunden Menschen sind Rachen und Peritoneum sowie bei den Tieren das Maul.
237 4.3 · Spezielle Bakteriologie
Nachweis. Lancefield-Klassifikation und β-Hämolyse.
4
Pathogenitätsfaktoren. Die Erreger verfügen über eine
antiphagozytär wirkende Kapsel. Pathogenitätsfaktoren. Streprococcus pyogenes zeich-
net sich durch folgende Faktoren aus: 4 M-Protein: Diese Matrix-Proteine aktivieren das Komplement und wirken dadurch antiphagozytär. 4 Streptolysin-O ist Enzym, das als Antigen und als Hämolysin wirkt (O = O2-labil). 4 Streptolysin-S ist ebenfalls ein Hämolysin, aber kein Antigen (S = O2-stabil). 4 Streptokinase, Hyaluronidase fördern die Infektionsausbreitung im Gewebe. 4 Toxin A, B und C sind erythrogene Toxine, die nur von mit Bakteriophagen infizierten Zellen gebildet werden (Scharlach- und TSS-Toxine). Krankheiten. Lokale Infektionen (Otitis media, Sinusi-
tis), Scharlach, Angina, Wund- und Hautdefekte (Impetigo, Erysipel, Phlegmone, nekrotisierende Fasciitis), Myelitis, Meningitis, Puerperalsepsis (Kindbettfieber). Als Spätfolgen Endokarditis, akute Glomerulonephritis, rheumatisches Fieber, Erythema nodosum. Scharlach Scharlach ist eine typische Kinderkrankheit. Sofern Scharlach-Toxin-bildende Streptokokken die Ursache sind, entsteht die Erkrankung meist im Rahmen einer eitrigen Angina. Nach Tröpfchenübertragung der Streptokokken kommt es nach einer Inkubationszeit von etwa 2–4 Tagen zu einer lokalen eitrigen Entzündung der Rachenmandeln. Typische Symptome sind die himbeerfarbene Zunge und ein rötlicher Hautausschlag (Exanthem), der meist am Oberkörper beginnt und sich über Gesicht und Extremitäten ausbreitet.
Therapie. Penicillin G ist das Mittel der Wahl; bei Allergie kommt ein Makrolid (Erythromycin) infrage.
Krankheiten. Perinatale Infektionen, insbesondere bei
Komplikationsgeburten, Sepsis und Meningitis bei Neugeborenen, Wundinfektionen, Harnwegsinfekte. Neugeborenensepsis Bei der Neugeborenensepsis unterscheidet man eine unmittelbar nach der Geburt auftretende Form (»early-onset«) von einer etwas später auftretenden Form (»late-onset«). Im Falle eines vorzeitigen Blasensprungs (Zerreißen der Eihäute mit Abfließen des Fruchtwassers) bei Scheidenbesiedelung mit GBS wird die Early-onset-Variante begünstigt. Bei der Late-onset-Form spielt auch die Umgebung des Neugeborenen eine Rolle. Die Sterblichkeit kann durch eine frühe und rechtzeitig einsetzende Therapie schon während der Geburt, oder bis 36 h danach mittels Ampicillin gesenkt werden (»Single-shot«-Ampicillin).
Therapie. Penicillin G, Ampicillin, Cephalosporin der
3. Generation. Vergrünende Streptokokken (Streptokokken der Viridansgruppe) Charakteristika. Fakultativ anaerobe, grampositive Kokken. Vorkommen. Als physiologisches Reservoir kommen
der Rachenraum, insbesondere Zahnfleischtaschen, sowie der Intestinaltrakt in Betracht. Nachweis. Blutkulturen zeigen eine α-Hämolyse, selten eine γ-Hämolyse. Pathogenitätsfaktoren. Ausbildung eines Biofilms
durch Kolonisation. Streptococcus agalacticae (Gruppe-B-Streptokokken, GBS) Charakteristika. Fakultativ anaerobe, grampositive Kokken. Vorkommen. Streptococcus agalacticae ist bei 40% der
Frauen (physiologisch) in der Zervix nachweisbar. Nachweis. Lancefield-Klassifikation und β-Hämolyse:
CAMP-Test. Der CAMP-Test (Christi-Aktins-MunchPetersens-Test) verläuft nach dem Prinzip, dass GBS einen thermolabilen und filtrierbaren Stoff bilden, den CAMP-Faktor, der durch Reaktion mit dem β-Hämolysin der Streptokokken eine typische Aufhellung (keilförmig) der Blutplatte erzeugt. Kulturelle Anzucht aus Blut, Liquor und Wund- bzw. Vaginalabstrich.
Krankheiten. Die Endocarditis lenta ist Folge einer transitorischen Bakteriämie von Streptococcus viridans. Die Keime gelangen durch Schleimhautdefekte der Mundhöhle in den Blutkreislauf und besiedeln die Herzklappen. Prädisposition besteht bei vorgeschädigten Herzklappen. Karies ist bedingt durch Streptococcus mutans (u. a.), die sich an Proteine des Zahnschmelzes heften und aus Saccharose extrazelluläre Polysaccharide (Mutan, Dextran etc.) aufbauen. Diese bilden die Zahnplaque und begünstigen die Schädigung des Zahnschmelzes durch entstehende organische Säuren. Therapie. Bei Endocarditis lenta sind Penicillin + Ami-
noglykosid über 4 Wochen indiziert; bei Zahnextraktionen wird zur Prophylaxe Amoxicillin verabreicht.
238
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
! Cave Vergrünende Streptokokken sind für 50–70% der Endokarditiden verantwortlich.
Streptococcus faecalis (Gruppe-D-Streptokokken, GDS, Enterokokken) Charakteristika. Fakultativ anaerobe, grampositive Kokken.
4
Vorkommen. Enterokokken machen ca. 50% der aero-
ben Darmflora aus. Sie sind häufige Ursache für eine Bakteriämie in Krankenhäusern. Nachweis. Anzucht auf Blutagarplatte; keine Hämo-
lyse bis leichte α-Hämolyse; sind in Medien mit NaClKonzentration von 6,5% resistent; Spaltung (Hydrolyse) von Aesculin auf Kanamycin-Aesculin-AzidAgar-Platte. Pathogenitätsfaktoren. Hyaluronidase, der »Sprea-
ding-factor«, baut die in den Geweben ubiquitär vorhandenen sauren Mukopolysaccharide ab und erleichtert somit die Invasion der Keime. Krankheiten. Endogene Harnwegsinfektion, Peritonitis, Endokarditis. Therapie. Geeignet sind Ampicillin, Amoxicillin, Peni-
cillin G bei Endokarditis und anderen schweren Infektionen Ampicillin + Gentamicin. Vancomycin-resistente Enterokokken sind wenig virulent. Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) Pneumokokken besiedeln die Schleimhäute des oberen Respirationstraktes. Dabei variiert die Trägerrate bei gesunden Erwachsenen zwischen 40% und 70% und die Infektionen erfolgen zumeist endogen. Die Pneumonie ist die wichtigste Pneumokokken-Erkrankung. Die Lobärpneumonie kommt heute nicht mehr so häufig vor und tritt meist bei Patienten mit lokaler oder allgemeiner Abwehrschwäche auf (z. B. Influenza). Risikofaktoren sind hohes Lebensalter, kardiopulmonale Grunderkrankungen sowie Alkoholabusus. Die Pneumokokkenpneumonie hat bei stark infektgefährdeten Patienten (z. B. granulozytopenische Patienten, Patienten mit Milzexstirpation) eine besonders schlechte Prognose. Schwere Pneumokokkeninfektionen verlaufen zumeist bakteriämisch und führen häufig zu weiteren Komplikationen (Meningitis, Peritonitis). Charakteristika. Fakultativ anaerobe, grampositive,
ovale bis lanzettenförmige Kokken. Meist liegen sie in
kurzen Ketten oder als Diplokokken vor, umgeben von einer dicken Schleimkapsel. Vorkommen. Der Mensch ist natürliches Erregerreservoir (Rachenschleimhaut). Endemische Pneumokokkeninfektionen sind zu allen Jahreszeiten möglich und treten gehäuft bei alten Menschen auf.
Nachweis. Anzucht auf Blutagarplatten zeigt α-Hämolyse; zumeist wird die Anzucht durch CO2-Zusatz begünstigt. Stark bekapselte Stämme bilden schleimige Kolonien, schwach bekapselte Stämme zeigen flache Eindellungen. Die Kapselpolysaccharide lassen sich aufgrund der chemischen Struktur in mehrere Serovare einteilen. Weitere Bestimmungsmethoden für Pneumokokken 4 Präliminäre Identifizierung aufgrund der Gallelöslichkeit: auf die bewachsene Bouillonkultur oder direkt auf die Kolonie (pulverige Substanz) wird Natriumtaurocholat (2%) gegeben. Die Zellwand wird durch die Aktivierung eines autolytischen Enzyms (LAlanin-Muramyl-Amidase) oder durch die Hemmung seines Repressors mit Gallesalzen abgebaut. Folge ist die Lyse der Zelle resp. der Kolonie. Als Alternative wird die Empfindlichkeit auf Hydrocuprein-Hydrochlorid (Optochin) mit einem Plättchen auf wachsenden Kulturen geprüft (Optochin-Test). Deutliche Hemmzonen (14–15 mm) sind charakteristisch für Pneumokokken. 4 Seroypisierung mit dem Kapselschwellungs-Test (Neufeld/Händel). Durch Belegung der Kapsel mit spezifischen Kapselantikörpern wird der Brechungsindex der Kapsel so verändert, dass diese im Nativpräparat mikroskopisch (evtl. Phasenkontrastmikroskopie) sichtbar wird. Elektronenmikroskopische Studien haben gezeigt, dass eine Schwellung der Kapsel infolge Wirkung der Antikörper tatsächlich stattfindet. Als alternative Typisierungsmethoden sind im Handel erhältliche Kits, die sich auf die Latex-Agglutination oder Koagglutination stützen. Die Kapselschwellungsreaktion ist am zuverlässigsten.
Pathogenitätsfaktoren. Hier sind zu nennen:
4 Die Polysaccharidkapsel ist entscheidend für die Pathogenität. Während der Vermehrung werden die Polysaccharide der Kapsel in die Umgebung abgegeben. Dadurch werden Antikörper neutralisiert und verhindern so die für die Phagozytose notwendige Opsonierung. 4 Pneumolysin wirkt ähnlich dem Streptolysin-O. 4 IgA1-Protease ist eine Endopeptidase, die das sekretorische IgA spalten kann.
239 4.3 · Spezielle Bakteriologie
4
Krankheiten. Lobärpneumonie (klassischer Erreger), akute Exazerbation der chronischen Bronchitis, Otitis media, Sinusitis (Ausbreitung vom Rachenraum aus), Menigitis (über Blutweg: Haubenmeningitis), Konjunktivitis, Sepsis.
Rachen-Raum, Anschluss an das Blut- und Lymphsystem bekommen und sich somit im Körper ausbreiten. In der Hälfte der Fälle kommt es nach einer Inkubationszeit von wenigen Tagen zuerst zu Grippe-ähnlichen Symptomen, die plötzlich zu einem dramatischen Krankheitsbild umschlagen. Bei Entzündung der Hirnhäute stehen starke Kopfschmerzen, hohes Fieber, Übelkeit und Erbrechen sowie Genickstarre (Meningismus) im Vordergrund. Dazu können Bewusstseinstrübung und andere neurologische Ausfälle beobachtet werden. Oft kommt es durch die massive Verbreitung des Erregers zur Sepsis. Durch den Endotoxinschock kommt es zu Schäden an der Gefäßwand mit massiven Einblutungen in Haut, Niere, Herzbeutel und anderen Organen, welches als Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom bezeichnet wird und innerhalb weniger Stunden zum Tode führen kann.
Therapie. Penicillin als Antibiotikum der ersten Wahl,
> Die Meningokokken-Meningitis ist meldepflichtig.
Serotypen der Pneumokokken Antikörper gegen die Kapselpolysaccharide verleihen ein hohes Maß an typenspezifischer Immunität. Derzeit können 90 verschiedene Serotypen unterschieden werden. Für den überwiegenden Anteil der Infektionen beim Menschen sind ca. 10–20 verantwortlich. Bestimmte Serotypen treten bei einigen Pneumokokkenerkrankungen (Sepsis, Meningitis) besonders häufig auf. Es bestehen auch Unterschiede in der Serotypenverteilung zwischen Erwachsenen und Kindern, sowie Unterschiede in der geographischen Verteilung.
ansonsten indiziert sind Cephalosporine der 3. Generation oder Makrolide. 4.3.2 Gramnegative Kokken 4.3.2.1 Neisserien Diese Bakterien gehören zur Familie der Neisseriaceae. Es sind 11 Arten bekannt, von denen für die Medizin die 2 wichtigsten genannt werden. Neisseria meningitis (Meningokokken) Charakteristika. Aerobe, gramnegative und oftmals semmel- oder bohnenförmig angeordnete Kokken. Vorkommen. Der Mensch ist einziges Erregerreservoir
(10% der gesunden Träger im Nasen-Rachenraum). Infektionen mit Meningokokken treten gehäuft in den Winter- und Frühlingsmonaten auf. Übertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion.
Therapie. Indiziert sind Cephalosporine der 3. Generation; zur Prophylaxe bei Kindern einige Tage Rifampicin, bei Erwachsenen 1× Chinolon.
Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken) Charakteristika. Aerobe, gramnegative, semmelförmige und zumeist paarig auftretende Kokken (Diplokokken). Vorkommen. Einziges Reservoir ist der Mensch, wobei Rektal-, Urogenital-, Pharyngeal- und Konjunktivalschleimhaut betroffen sind. Die Übertragung erfolgt durch Geschlechtsverkehr oder Schmierinfektion. Nachweis. Außer dem mikroskopischen Nachweis (Methylenblau, Gramfärbung) ist auch die kulturelle Anzucht auf speziell angereicherten Selektivmedien (Kochblutagar mit Antibiotikazusatz) möglich sowie der Nachweis mittels PCR, ELISA und Gensonden. Material stammt aus Abstrich, evtl. Gelenkpunktat.
Nachweis. Außer des mikroskopischen Nachweises
(Methylenblau, Gramfärbung) gelingt der Nachweis auch durch Anzucht auf Blutagarplatten. Zum Untersuchungsmaterial gehören Liquor, Blut und Nasopharynx-Abstriche.
Pathogenitätsfaktoren.
Krankheiten. Meningitis (Haubenmeningitis), Sepsis,
4 Haftpili zur Adhärenz an Schleimhautzellen. 4 IgA-Protease zerstört körpereigene Antikörper und beeinträchtigt die Schleimhautimmunität. 4 Endotoxin: LOS (Lipooligosaccharid) als Trigger für eine Zytokinausschüttung. 4 Porin PI verhindert die Fusion des Phagosoms mit Lysosomen, sodass die Bakterien auch in den Phagozyten überleben und sich dort vermehren können.
Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom, Arthritis purulenta (Streuung in große Gelenke möglich), Endokarditis, Otitis media. Die Erreger können, ausgehend vom Nasen-
Krankheiten. Tripper (weicher Schanker, Gonorrhö), Zervizitis, Adnexitis, Endometritis (Tubenverschluss,
Pathogenitätsfaktoren. Adhäsine, LPS, Polysaccharid-
kapsel.
240
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Sterilität). Beim Mann Urethritis (Harnröhrenstrikturen), Prostatitis. Bei Ausschwemmung ins Blut kann es zur Gonarthritis, Endokarditis kommen. Möglich ist auch eine eitrige Konjunktivitis bei Neugeborenen (Ophthalmia neonatorum). Therapie. Penicillin; bei Penicillinresistenz Cephalosporin der 3. Generation.
4
> In vielen Krankenhäusern werden den Neugeborenen Augentropfen aus Silbernitrat verabreicht. Diese Credé-Prophylaxe oder auch Blennorrhö-Prophylaxe wird durchgeführt, um einer Infektion der Augen durch Gonorrhö vorzubeugen. Die eitrige Augenbindehautentzündung kann mit der Gefahr einer Hornhauteinschmelzung einhergehen und zum Sehverlust führen. Die Gonorrhö ist eine meldepflichtige Geschlechtskrankheit.
4.3.3 Gramnegative Stäbchen 4.3.3.1 Hämophile Bakterien Für das Wachstum der Bakterien des Genus Haemophilus besteht ein Bedarf an Hämin (Wachstumsfaktor X) und Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid – NAD (Faktor V). NAD ist das Coenzym von Dehydrogenasen, also Oxido-Reduktionsenzymen und Hämin bildet die prosthetische Gruppe der eisenhaltigen respiratorischen Zytochrome Katalase und Peroxidase. Der Genus Haemophilus wird hauptsächlich über ein DNA-DNA-Hybridisierungsverfahren definiert und gehört in der Taxonomie zur Gruppe der Pasteurellaceae. > Die für die Humanmedizin wichtigsten Vertreter sind H. influenzae, H. ducreyi und H. aegypticus. Der physiologisch im Respirationstrakt vorkommende H. parainfluenzae ist fakultativ pathogen und verursacht beim Gesunden nur selten eine Angina-ähnliche Infektion.
Haemophilus influenzae Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative kokkobazilläre Stäbchen. Vorkommen. Haemophilus sind obligate Parasiten der
Schleimhäute des oberen Respirationstrakts von Mensch und Tier. Infektionen werden weltweit beobachtet. Nachweis. Für ihre Züchtung muss ein Nährboden die Faktoren X und V enthalten.
Kultur des H. influenzae Im Blutagar ist der Faktor X enthalten und Faktor V kann dadurch freigesetzt werden, sodass das Blut für die Herstellung eines sog. »Schokoladeagars« auf 80°C erhitzt wird (NAD ist thermolabil). Somit enthält das Medium beide Faktoren. Dem Nährboden kann Bacitracin als Selektivstoff für die Isolierung aus kontaminiertem Material beigefügt werden. Für Routinezwecke wird die Verwendung von Blutagar bevorzugt. Durch Querbeimpfung eines Staphylococcusepidermidis-Striches (oder andere) wird Faktor V produziert (durch Hämolyse von Erythrozyten entstehen zudem noch Faktor V und X), der NAD im Überschuss bildet. NAD-abhängige Kolonien wachsen in unmittelbarer Nähe des Striches, was als sog. Satelliten- oder Ammenphänomen bezeichnet wird. H. parainfluenza benötigt keinen Faktor X.
Pathogenitätsfaktoren. LPS, IgA1-Protease, Adhäsine,
Kapsel. Kapseltypen des H. influenzae Eine Polysaccharidkapsel wird bei vielen Haemophilus-Arten gebildet und wirkt überwiegend antiphagozytär. Man unterscheidet mehrere Kapseltypen (a, b, c) wobei gegenTyp-b-Konjugatvakzine für eine Immunisierungsprophylaxe erhältlich sind (insbesondere für Kinder ab 3 Monaten). Kapsellose Stämme sind physiologischerweise in der Rachenschleimhaut.
Krankheiten. Pneumonie, Bronchitis, Sinusitis, Otitis media, Laryngitis, Epiglottitis, Konjunktivitis und Meningitis (invasive Infektion über die Blutbahn). Bei Kleinkindern ist eine Infektion mit dem H. influenza Typ b (Hib) eine Erkrankung, die lebensgefährlichen Entzündungen im Hals-Nasen-Ohrenbereich hervorrufen kann. Besonders gefürchtet sind die Epiglottitis wegen der Gefahr der Erstickung und die eitrige Meningitis. Trotz Behandlung können Hörschäden und Entwicklungsstörungen zurückbleiben und leider endet die Infektion manchmal tödlich. Hib-Impfung ist im Rahmen der Sechsfachimpfung daher im Säuglingsalter empfohlen. Therapie. Ampicillin, Cephalosporin der 3. Generation,
Makrolide. Haemophilus ducreyi Charakteristika. Gramnegative, kokkoide, unbewegliche Stäbchen. Vorkommen. In den Tropen ist die Erkrankung häufiger verbreitet, in Mitteleuropa seltener (meldepflichtige Erkrankung!).
241 4.3 · Spezielle Bakteriologie
Nachweis. Die kulturelle Erregeranzucht erfolgt mit-
tels Ulkusabstrich vom Geschwürrand auf Spezialnährböden.
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Krankheiten. Infektion der Weichteile an Biss- oder Kratzwunde, regionale Lymphadenitis; Osteomyelitis, Tendovaginitis; Meningitis, Peritonitis, Harnwegsinfektion, chronische Lungeninfektion.
Krankheiten. Die Übertragung erfolgt meist durch Ge-
schlechtsverkehr. Dieser Keim ist der Erreger des Ulcus molle (weicher Schanker, Chancroid).
Therapie. Penicillin G; zur Prophylaxe nach Bisswun-
Therapie. Indiziert sind Sulfonamide, Makrolide, Strep-
4.3.3.3 Bordetellen Die für die Humanmedizin wichtigen Spezies der Bordatellen sind B. pertussis und B. parapertussi. B. holmesii sowie B. bronchiseptica kommen beim Menschen nur sehr selten vor.
tomycin oder Tetrazykline. Haemophilus aegypticus Charakteristika. Gramnegatives, stäbchenförmiger Ba-
den Augmentan.
zillus (auch Koch-Weeks-Bacillus). Bordetella pertussis Vorkommen. Er ist vor allem in Nordafrika beheimatet.
Charakteristika. Strikt aerobe, gramnegative pleomor-
phe Stäbchen, die Fimbrien besitzen. Krankheiten. Verursacher der purulenten Konjunk-
tivitis.
Nachweis. Anzucht auf komplexe Kulturmedien. Als
Therapie. Es kommen Augentropfen- oder -salben in
Material wird ein spezieller Nasopharyngealabstrich (Kalzium-Alginat-Tupfer) benutzt.
Frage, die Chloramphenicol, Rifampicin, Sulfonamide oder Chinolone enthalten. 4.3.3.2 Pasteurallaceae Pasteurellen sind Parasiten der Schleimhäute bei Mensch und Tier, wobei die meisten Spezies die Schleimhäute des Oropharynx und des Respirationstraktes parasitieren. Andere Spezies können auch im Genitaltrakt und Verdauungstrakt entdeckt werden. Während gewisse Spezies als Bestandteil der Normalflora auftreten, sind andere eher an pathologische Zustände gebunden. > Fast alle Spezies der Genera Pasteurella befallen mit Vorliebe Tiere, P. multocida ist die einzige humanpathogene Spezies.
Pasteurella multocida Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative Stäbchen. Nachweis. Anzucht einer Kultur aus Wundabstrich oder Sputum. Vorkommen. Die Hauptinfektionsquelle besteht im
Kontakt mit Tieren, meist nach Biss- oder Kratzverletzungen (Hund, Katze). Der Mensch ist kein natürlicher Wirt von P. multocida. Pathogenitätsfaktoren. Antiphagozytäre Kapsel, Adhäsine, Multicidin (Siderophoren für den Eisenbedarf).
Pathogenitätsfaktoren. LPS, Haftfimbrien, PertussisToxin, Trachealzytotoxin (TCT). Krankheiten. Keuchhusten, Lymphozytose. Therapie. Chinolone (Erythromycin), Makrolide, Trimethoprim. Toxine des Bordetella pertussis und Krankheitsverlauf TCT stammt aus der Familie der Muramyl-Peptide und verursacht eine Ziliostase und die Destruktion des Flimmerepithels. Die Fimbrien spielen eine wichtige Rolle bei der Adhasion, wobei ein filamentöses Hämagglutinin (FHA) verantwortlich dafür scheint. Das Bordetella-Pertussis-Toxin gehört zu den Toxinen, die durch Aktivierung der Adenylatzyklase die Konzentration von cAMP der Wirtszelle erhöhen, wodurch diese funktionell geschädigt werden. Besonders Funktionsstörungen der Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten behindern die immunologische Reaktion. B. pertussis ist der Haupterreger des Keuchhustens (Impfung im Rahmen der Sechsfachimpfung bei Säuglingen). Infektionen mit B. parapertussis können ebenfalls Keuchhusten-ähnliche Symptome hervorrufen, wobei das Krankheitsbild meist leichter und kürzer auftritt. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion bei engem Kontakt. Die Erkrankung verläuft in der Regel über mehrere Wochen bis Monate und wird in 3 Stadien eingeteilt: 4 Stadium catarrhale: Schnupfen, Husten, leichtes bis mäßiges Fieber (ca. 2 Wochen); nur in diesem Stadium ist der Erregernachweis möglich! 6
242
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
4 Stadium convulsivum: Hustenattacken (Stakkatohusten), häufig mit Hervorwürgen von zähem Schleim, evtl. Erbrechen (4. bis 6. Woche) 4 Stadium decrementi: allmähliches Abklingen der Hustenanfälle (6. bis 10. Woche)
4
4.3.3.4 Brucella Für die Humanmedizin wichtige Spezies sind B. melitensis, B. abortus sowie B. suis und B. canis. > Beim Menschen ist die meldepflichtige Bruzellose eine echte Zoonose.
Charakteristika. Aerobe, gramnegative Stäbchen ohne
Kapsel. Vorkommen. Das natürliche Habitat der einzelnen Spezies ist tierartspezifisch: 4 B. melitensis: Schaf, Ziege 4 B. abortus: Rind 4 B. suis: Schwein 4 B. canis: Hund Nachweis. Anzucht in mit Serum angereicherte Medien. Aufgrund des Bedarfs an bestimmten Aminosäuren, Thiamin, Biotin etc. ist eine Isolierung nur in komplexen Nährmedien möglich.
dern nicht üblich ist, wird die Bruzellose aus diesen Gegenden häufig exportiert (Tourismus). Beruflich exponierte Personen sind Landwirte, Tierärzte und Metzger. Außerdem gilt die Bruzellose (besonders B. melitensis) in bakteriologischen Laboratorien als gefürchtete Laborinfektion. Das Krankheitsbild äußert sich in Symptomen einer allgemeinen Infektion (Schwäche, Unwohlsein, Kopf- und Gelenkschmerzen mit undulierendem Fieber und NachtSchweißausbrüchen. Ein häufiger Befund ist auch die Splenomegalie.
4.3.3.5 Bacteroidaceae Zu den für die Humanmedizin wichtigen Gattungen gehören die Bacteroides, Porphyromonas, Prevotella und Fusobacterium. Bei den durch diese Erreger verursachten Infektionen findet sich fast immer eine Mischflora. Bacteroidaceae gehören zur Normalflora der Schleimhäute des Respirations-, Intestinal- und Genitaltrakts. Als Vertreter dieser Gruppe soll hier Bacteroides erwähnt werden, auch weil sie bisher auch am besten untersucht wurde (Bacteroides fragilis). Bacteroides Charakteristika. Obligat anaerob, gramnegatives Stäbchen, häufig bekapselt. Vorkommen. Der zu den Bakterien der normalen
Pathogenitätsfaktoren. Sie sind nicht vollständig ge-
klärt, zu nennen sind jedoch: 4 Guanin und Guanin-Monophosphat hemmen die Phago-Lysosomen-Fusion, die Produktion von TNF und die Degranulation und Aktivierung des Myelo-Peroxidase-Hyalinsystems. 4 HtrA wirkt als Stressprotein antileukozytär.
Darmflora gehörende Erreger findet sich zudem häufig in tiefen Zahntaschen. Nachweis. Materialentnahme aus Punktion. Anzucht in
Selektivmedien, denn hinsichtlich ihres Wachstums sind Bacteroides anspruchsvoll und verlangen neben Vitaminen und Aminosäuren (L-Cystin) einen Zusatz an Hämin.
Krankheiten. B. melitensis ist Erreger des Maltafieber, B.
abortus des Morbus Bang. Therapie. Langfristige Gabe von Tetrazyklin, Rifampi-
Pathogenitätsfaktoren. Kapsel (häufig), Enzyme: Hämolysin, Leukozidin, Kollagenasen und ETBF als Enterotoxin.
cin, Co-Trimoxazol. Krankheiten. Peritonitiden, nekrotisierende Abszesse, Klinische Bedeutung der Bruzellose Die Reihenfolge der meistbeteiligten Brucella-Arten lautet: B. melitensis (Maltafieber), B. abortus (Morbus Bang), B. suis und B. canis. Die Infektionen erfolgen meist nach einem direkten Kontakt mit infizierten Tieren bzw. ihren Produkten oder in einer vom Tier kontaminierten Umgebung. Die Hauptgefahr besteht im Genuss von Rohmilch und Milchprodukten (Käse, Butter). Das Risiko kann durch Pasteurisation weitgehend eliminiert werden. Da sie aber in vielen südlichen Län6
Appendizitis, Leberabszesse, Zahnwurzeleiterungen. Therapie. Indiziert sind Metronidazol und bei zahnärztlicher Behandlung Clindamycin. > Einige Stämme von B. fragilis sind in der Lage, das Enterotoxin ETBF zu bilden. Dabei handelt es sich um eine Zink-Metalloprotease, die sowohl beim Menschen als auch bei Schwein und Pferd eine schwere Diarrhö auslösen kann. ETBF ist durch die PCR nachweisbar.
243 4.3 · Spezielle Bakteriologie
4.3.3.6 Vibrionaceae Gestützt auf ihre DNA-Basenzusammensetzung und ihre phänotypischen Eigenschaften zählen zu dieser Familie die Gattung Vibrio, Plesiomonas und Aeromonas. Die für die Humanmedizin wichtigsten Vertreter dieser Bakterien sind Vibrio cholerae und Vibrio parahaemolyticus. Vibrio cholerae Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative Stäbchen, monotrich begeißelt. Vorkommen. Der Mensch ist die einzige Infektions-
quelle. Vor allem in Ländern mit schlechten hygienischen Zuständen sind die Erreger in Süßwasser oder salzigem Brackwasser zu finden. Zudem im Stuhl von Erkrankten und Rekonvaleszenten. Nachweis. Kulturelle Anzucht in Selektivmedien mit alkalischem pH und NaCl-Anteil von 2–5%. Materialentnahme aus Stuhl, Erbrochenem oder Duodenalsaft. Vibrionen sind halophil (salzfreundlich) und wachsen in üblichen Nährböden mit 2–5% NaCl. Als Selektivnährboden findet das TCBS-Agar (»thiosulfate citrate bile salts sucrose agar«) Anwendung. Pathogenitätsfaktoren. Zu nennen sind:
4 LPS 4 Muzinase erleichtert den Erregern die Schleimschicht zu überwinden und bis zum Epithel vorzudringen. 4 Choleratoxin stört den Transport von Elektrolyten und Wasser der Wirtszelle (. Kap. 4.1.6.2, »Zellfunktionsändernde Toxine«). 4 Neuraminase begünstigt die Toxinbindung. Krankheiten. Cholera, massive Diarrhö. Therapie. Substitution zum Wasser- und Elektrolytausgleich; zusätzlich Tetrazykline, Chinolone. Vibrio cholerae: Übertragung und Krankheitsverlauf Cholera-Bakterien werden durch verunreinigtes Trinkwasser und durch Verzehr von Lebensmitteln übertragen. Häufige Infektionsquellen sind roher oder ungenügend gekochter Fisch, Meeresfrüchte und Gemüse, das während der Lagerung oder Essenzubereitung mit den Bakterien in Kontakt gekommen ist. Eine Übertragung direkt von Mensch zu Mensch ist zwar möglich, jedoch äußerst selten. Das Bakterium gelangt in den Dünndarm und produziert dort einen Giftstoff, der die Darmschleimhaut angreift. Nicht jeder, der mit Cho-
6
4
lera-Bakterien in Kontakt kommt, erkrankt auch daran. Viele infizierte Personen haben keine Beschwerden, scheiden aber den Erreger im Stuhl aus. Bei schlechten sanitären Bedingungen kommt es so rasch zu einer Verbreitung der Krankheit. Das dramatische Bild der klassischen Cholera imponiert durch massivste Reiswasser-ähnliche Durchfälle. Zu Beginn steht meist auch heftiges Erbrechen. Durch den Durchfall können bis zu einem halben Liter Flüssigkeit und Mineralsalze in der Stunde verloren gehen. Dieses muss zwingend notwendig ausreichend substituiert werden. Häufig treten Zeichen der Exsikkose auf, dazu Schock und Nierenversagen. Die schwere Cholera führt unbehandelt in bis zu 50% der Fälle zum Tode. Für Kinder ist die Cholera besonders gefährlich.
Vibrio parahaemolyticus Charakteristika. Gramnegative, fakultativ anaerobe Stäbchen. Vorkommen. Natürliches Habitat bilden Küstengewässer, in denen Vibrio parahaemolyticus Meerestiere kontaminiert. Nachweis. Mit TCBS-Agar gelingt die Isolierung, auf dem die Kolonien blau oder grün verfärbt sind. Ihre Eigenschaft, bei 42°C zu wachsen, ist ein wichtiges Differenzierungskriterium. Serologisch wird zwischen 11 O-Gruppen und 41 Kapselantigenen unterschieden. Krankheiten. Nach Genuss von rohem, V.-parahaemo-
lyticus-haltigem Fisch oder Muscheln kann der Mensch an Gastroenteritis erkranken. Dabei können sich ähnliche klinische Erscheinungen einstellen wie bei der Salmonellose. In Japan kommen solche Lebensmittelvergiftungen während der Sommermonate vor, bedingt durch die nationale Sitte, Fischfleisch roh zu essen. Die Fische scheinen nur Träger von V. parahaemolyticus sein und erkranken selber nicht. Therapie. Symptomatische Therapie der Diarrhö sowie Tetrazyklin, Ciprofloxacin.
4.3.3.7 Legionellen Diese Erreger gehören zur Familie der Legionellaceae. Es existieren mehr als 44 Arten mit 66 Serogruppen, wobei alle für den Menschen potenziell pathogen sind. Für die Humanmedizin am bedeutsamsten ist L. pneumophila mit einem Anteil von 90%. Sie enthält 14 Serogruppen, wobei die Gruppen 1, 4 und 6 am wichtigsten sind. Legionella pneumophila Charakteristika. Aerobe, gramnegative und schwer anfärbbare, langsam wachsende Stäbchen.
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Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Epidemiologie. Legionella pneumophila ist ein welt-
weit verbreiteter, saprophytischer Keim des Wassers. Er ist zwischen 0°C und 63°C resistent und gedeiht am besten bei Temperaturen zwischen 40–50°C. Hauptinfektionsquellen sind Warm- und Kaltwasseranlagen, Luftbefeuchter von Klimaanlagen, Kühltürme, Sprudelbäder u. ä.
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Nachweis. Der Nachweis gelingt zum einen auf einem Spezialagar, der 5% CO2 enthält. Respiratorische Materialien (Sputum, Trachealsekret, bronchoalveoläre Lavage) sind besonders geeignet. Zum anderen ist ein Antigennachweis im Urin mittels ELISA möglich: die Antigenausscheidung setzt bereits nach 24 h ein und persistiert über mehrere Wochen. In der Regel werden aber nur Antigene der Serogruppe 1 nachgewiesen. Pathogenitätsfaktoren. Die Pathogenese ist noch nicht
vollständig geklärt. Die im Wasser vorhandenen Legionellen führen nicht direkt zu einer Gesundheitsgefährdung, sondern erst das Einatmen bakterienhaltigen Wassers als Aerosol. Da Legionellen ihre Virulenzgene intrazellulär aktivieren, scheinen infizierte Amöbenpartikel hinsichtlich der Übertragung besonders relevant zu sein. Krankheiten. Legionellose; Pneumonie (Legionärs-
krankheit), Pontiac-Fieber. Therapie. Doxyzyklin, Makrolide (Erythromycin); Chi-
nolone + Rifampicin. Infektionswege der Legionella pneumophila Das bekannte Dosis-Wirkungs-Paradoxon beim Auftreten von Legionellosen (fehlende Infektionen trotz kontaminierter Wassersysteme bzw. Infektion trotz minimaler Kontamination), erklärt die Infektion durch infizierte Amöben. Bei immunkompetenten Personen besteht eine Gesundheitsgefährdung durch Trinken von kontaminiertem Wasser nicht. Dagegen ist bei abwehrgeschwächten Patienten und bei Schluckstörungen (nach Operation im Kopf- und Nackenbereich) eine Infektion nach Aspiration möglich. Eine Übertragung von Legionellosen wird insbesondere mit o. g. technischen Systemen in Verbindung gebracht. Die Erkrankung entwickelt sich bei Gesunden nach Einbringen der Erreger in die unteren Atemwege. Prädisponierend sind eine Immundefizienz unterschiedlicher Herkunft, z. B. chronische Krankheiten, Immunsuppression bei Organtransplantationen, zytostatische Behandlung von Leukämie oder anderen Malignomen, Zustand nach chirurgischen Eingriffen, Dauereinnahme von Kortikoiden und hohes Lebensalter. Nikotin- und Alkoholabusus können
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ebenfalls disponierende Faktoren darstellen. Männer erkranken häufiger. Die Legionellose kann in Form zweier Krankheitsbilder auftreten: die klassische Legionellose bzw. Legionellen-Pneumonie und das Pontiac-Fieber. 4 Die klassische Legionellose beginnt 2–10 Tage nach der Infektion mit uncharakteristischen Prodromalerscheinungen wie allgemeinem Unwohlsein, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, unproduktivem Reizhusten. Innerhalb weniger Stunden kommt es zu Thoraxschmerzen, Schüttelfrost, Temperaturanstieg auf 39–40,5°C, gelegentlich auch Abdominalschmerzen mit Durchfällen und Erbrechen. Infolge ZNS-Beteiligung kann es zur Benommenheit kommen, die bis zu schweren Verwirrtheitszuständen führen kann. Die Röntgenuntersuchung des Thorax zeigt Hinweise für eine Pneumonie mit zunächst fleckiger Infiltration, später mit zunehmender Verdichtung ganzer Lungenlappen. Die Erkrankung ist in der Regel durch das Auftreten auffallend schwerer Pneumonieformen gekennzeichnet, bei denen die üblichen Pneumonie-Erreger nicht nachgewiesen werden. Die Rekonvaleszenz ist meist langwierig. In einigen Fällen können nach der Erkrankung eine eingeschränkte Lungenfunktion oder Lungenfibrosen bestehen. In Abhängigkeit von Grundleiden und Therapiebeginn liegt die Letalität um 15%, bei unbehandelten immundefizienten Patienten kann sie bis auf 80% ansteigen. 4 Das Pontiac-Fieber ist durch eine kurze Inkubationszeit von 1–2 Tagen und einen leichteren Verlauf gekennzeichnet. Die Krankheit beginnt mit Kopf-, Glieder-, Thoraxschmerzen, Husten, Fieber, gelegentlichen Verwirrtheitszuständen. Trotz erheblichen Krankheitsgefühls erholen sich die Patienten in der Regel ohne antibiotische Therapie innerhalb von 5 Tagen fast vollständig.
4.3.3.8 Pseudomonaden Die Pseudomonaden leben fast ausnahmslos als Saprophyten im Boden und im Süß- und Meerwasser sowie in bestimmten organischen Materialien. Sie stellen eine heterogene Gruppe von Mikroorganismen dar und sind an Krankheiten bei Mensch, Tier und Pflanzen beteiligt. Man unterscheidet zwischen dem Genus Pseudomonas und dem Genus Burkholderia. Andere Genera dieser Familie spielen in der Humanmedizin keine Rolle. Pseudomonas aeruginosa Charakteristika. Obligat aerobes, gramnegatives und polar monotrich begeißeltes Stäbchen. Es besitzt eine Oxidase und baut Glukose oxidativ ab. Vorkommen. Die saprophytischen Pseudomonaden
kommen ubiquitär in der Umwelt-Mikroflora vor und
245 4.3 · Spezielle Bakteriologie
spielen eine wesentliche Rolle in der Mineralisierung organischer Stoffe. Sie können monatelang überleben und sich vermehren, besonders im feuchten Milieu (Pfützenkeim). Sie sind auch bekannt als Lebensmittelverderber. Hauptreservoir ist der Darmtrakt von Warmblütern, insbesondere der menschliche. Nachweis. Die genaue Typisierung wird durch eine
Kombination verschiedener Typisierungsverfahren bestimmt. Serotypisierung mittels Objektträger-Agglutination und die sehr empfindliche Pyocintypisierung (Nachweis des Wirkungsspektrums des gebildeten Bacteriocins) sind die Regel. > Charakteristisch für P. aeruginosa ist die Bildung eines blau-grünen Pigmentes, das Pyocyanin. Die optimale Wachstumstemperatur von P. aeruginosa beträgt, im Unterschied zu den meisten Pseudomonaden, ca. 37°C. Dieser Erreger wächst sogar bei 42°C, nicht aber bei 4°C.
Pathogenitätsfaktoren. Zu nennen sind:
4 Exotoxin-A: hitzelabiles Protein, das durch Hemmung der Proteinsynthese zytotoxisch wirkt und die Bildung von Antikörpern stimuliert 4 Elastase 4 Kapsel: wirkt antiphagozytär Der gleiche Pathogenitätsmechanismus des typischen A-B-Toxins findet sich auch bei der Diphtherie. Nach Endozytose und Fusion mit dem Lysosom löst sich die Disulfidbrücke des Toxins und die A-Kette gelangt in die Zelle. Die schon bekannt ADP-Ribosyltransferase überträgt die ADP-Ribose von NAD auf den Elongationsfaktor-2, der dadurch inaktiviert wird und die Proteinsynthese hemmt.
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ständen schwere Infektionen ausgelöst werden können. Daher ist P. aeruginosa ein definierter Krankheitserreger im Sinne der Trinkwasserverordnung.
Burkholderia pseudomallei (Pseudomonas pseudomallei) Charakteristika. B. pseudomallei und B. mallei weisen eine ähnliche Morphologie auf und sind nah verwandt. B. mallei ist als einzige Spezies der Familie der Pseudomonaden nicht begeißelt und somit unbeweglich. Krankheiten. Sie gelten als Erreger der Melioidose oder Whitmore-Krankheit, einer überwiegend in Südostasien auftretende Infektionskrankheit, die durch kontaminiertes Wasser, Nahrungsmittel oder der Erde (Hautwunden) verursacht wird. Es treten Septikämien, Tuberkulose-ähnliche Lungenabszesse und lokale Geschwüre auf.
4.3.3.9 Campylobacter und Helicobacter Der Genus Campylobacter zeigt sich phäno- und genotypisch uneinheitlich, sodass sich verschiedene Nomenklatursysteme und laufend neue Arten ergeben. Gemäß der 16s-RNA-Sequenzierung sind 4 Genera phylogenetisch eng verwandt, darunter Campylobacter und Helicobacter. > Ihre Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoff ist eine gemeinsame wichtige physiologische Eigenschaft. Eine Sauerstoffkonzentration von 3–5% ist für das Wachstum dieser mikroaerophilen Bakterien unentbehrlich. Dabei dient der Sauerstoff als Wasserstoffrezeptor für die respiratorische Energiegewinnung.
Campylobacter jejuni Charakteristika. Mikroaerophile, gramnegative Stäbchen mit einer Geißel an einem oder beiden Polen.
Krankheiten. Pneumonien, Infektionen des Respira-
tionstraktes, Harnwegsinfektion, Wundinfektionen (zusammen mit S. aureus), insbesondere bei Brandwunden; nosokomiale Infektionen.
Vorkommen. Weltweite Verbreitung. Tiergedärme sind als Hauptreservoir der Erreger anzusehen. Nachweis. Kulturelle Anzucht in Selektivnährböden
Therapie. Gegen viele Antibiotika resistent! Ceftazidin,
Carbapeneme; Tazobact; Aminoglykoside bei lokaler Anwendung.
und durch Inkubation von 42°C in mikroaerophilen Verhältnissen. Pathogenitätsfaktoren. LPS, CDT-Toxin als Enteroto-
Opportunistischer Krankheitserreger P. aeruginosa Als opportunistischer Krankheitserreger kann P. aeruginosa verschiedenste Erkrankungen bei älteren Menschen, Immunsupprimierten, Säuglingen und Krankenhauspatienten verursachen. Bereits geringe Konzentrationen im Trinkwasser gelten als bedenklich, da unter ungünstigen Um-
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xin (»cytolethal distending toxin«), Zytotoxin. Krankheiten. Enteritiden, Sepsis. Infektionen mit Cam-
pylobacter jejuni sind weltweit verbreitet und treten besonders in den warmen Sommermonaten auf. In Deutschland stehen sie hinter den Salmonellen an zweiter Stelle der Enteritiserreger. Die Erkrankung wird
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Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
überwiegend durch eine Nahrungsmittelinfektion verursacht. Hauptinfektionsquelle bilden unzureichend erhitztes Geflügelfleisch, nicht-pasteurisierte Milch und rohes Gehacktes. Häufigste Symptome der nicht von anderer Genese zu unterscheidenden Enteritis sind Diarrhöen (breiig bis massiv wässrig, teilweise blutig), Abdominalschmerzen, Fieber und Müdigkeit.
4
Therapie. Wenn nicht selbstlimitierend Makrolide, Do-
xyzyklin. ! Cave Campylobacter-Infektionen sind meldepflichtig.
Helicobacter pylori Charakteristika. Mikroaerobe, gramnegative Stäbchen; lophotrich begeißelt. Vorkommen. Es handelt sich um eine weltweit, nur beim
Menschen vorkommende Infektion, die insbesondere bei hygienischen Mangelzuständen und in Gegenden auftritt, in denen Menschen auf engstem Raum leben. Nachweis. Anzucht einer Kultur zur Resistenzprüfung;
histopathologischer Nachweis; Urease-Schnelltest; Antikörperbestimmung mit ELISA; nichtinvasiver Atemtest. Nachweis von Helicobacter pylori 4 Beim Urease-Schnelltest werden Gewebsproben in harnstoffhaltige Testlösungen eingebracht. Bei Anwesenheit von H. pylori kommt es zur Spaltung des Harnstoffs und damit zum Farbumschlag. Der Schnelltest ist ein einfaches und preiswertes Testverfahren. 4 Beim nicht-invasiven Atemtest wird mit Hilfe der Urease-Aktivität nach Einnahme von 13C-markiertem Harnstoff im Falle einer Infektion der Harnstoff in Ammoniak und 13CO2 gespalten. Der Anstieg der 13CO2-Konzentration in der Atemluft nach Respiration kann mit Hilfe eines Isotopen-Massenspektrometers gemessen werden.
Pathogenitätsfaktoren. Zu nennen sind:
4 Urease spaltet Harnstoff, wodurch große Mengen an Ammoniak gebildet werden. Ammoniak dient dem Erreger dazu, sich vor dem sauren Milieu des Magenlumens zu schützen. 4 Phospholipasen erleichtern die Keimbesiedelung durch Angriff auf die Magenschleimhaut. 4 Blockierung der Protonenpumpe bei Erstmanifestation führt zur Anazidität. 4 VacA als Zytotoxin.
lori nicht zu unterscheiden. So treten nach einer Inkubationszeit von 5 Tagen Symptome wie Übelkeit und Erbrechen auf und vorübergehend kommt es zum Anstieg des pH im Magenlumen auf 7, wobei die Schleimhaut jedoch vorerst intakt bleibt. Nach einigen Tagen beginnt dann häufig der Übergang ins chronische Stadium. Die Infektion mit H. pylori verursacht stets eine chronische Gastritis. Die Interaktion von Wirt-Keim und die Einwirkung exogener Noxen sind ausschlaggebend dafür, ob es nach Erstinfektion zum Auftreten einer chronisch aktiven Gastritis bzw. zur Ausbildung von Folgeerkrankungen wie Ulkuskrankheit, Magenkarzinom und MALT-Lymphom kommt. Häufig bleibt die Erkrankung auch ein Leben lang asymptomatisch und unerkannt. Therapie. Indiziert ist eine Kombinationstherapie, für
die es verschiedene Protokolle gibt, z. B.: Französische Tripeltherapie: Omeprazol + Metronidazol + Clarythromycin über 7–12 Tage. Pathogenese der Gastritis Die Einwirkung von Zytotoxinen auf die Magenschleimhaut bewirkt eine Schädigung der Mikrovilli und führt somit zu einer Schwellung der Epithelzelle mit vermehrter Durchlässigkeit der »tight junctions«. Bei H. pylori gibt es eine große genetische Variabilität. Die Virulenz bezüglich der Entstehung von Ulzera ist unterschiedlich. In diesem Zusammenhang wird besonders das zytotoxinassoziierte Gen A (cagGen) genannt, das durch eine vermehrte Produktion von proinflammatorischen Zytokinen (z. B. IL-l, IL-8 und TNF-α) eine intensivere Schädigung der Magenschleimhaut verursacht. Bei Infektionen mit H. pylori cagA-positiv findet sich klinisch ein höherer Entzündungsgrad der chronischen Gastritis und häufiger Ulzera als bei HP cagA negativ.
4.3.3.10 Enterobacteriaceae Die Familie der Enterobacteriaceae ist in der Natur sehr verbreitet. Ihr natürliches Habitat befindet sich hauptsächlich in Darm von Tier und Mensch, wobei die Umwelt durch Ausscheidungen kontaminiert wird. Die Erreger leben als Symbionten, Saprophyten oder Parasiten und sind im Wasser und Erdboden, in Lebensmitteln und in der Luft zu finden. Außerdem fermentieren sie Glukose, reduzieren Nitrat zu Nitrit (Ausnahmen) und ihre Oxidasereaktion ist negativ. Klebsiella Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative, bekapselte Stäbchen. Vorkommen. In der Natur weit verbreitet kommen sie
Krankheiten. Gastritis, Ulcus pepticum. Eine unspezifi-
sche Gastroenteritis ist von einer Erstinfektion mit H. py-
im Darm und Schleimhaut des Nasopharynx von Mensch und Tier vor.
247 4.3 · Spezielle Bakteriologie
4
Nachweis. Durch den Besitz der Polysaccharidkapsel bildet Klebsiella in Kultur (McConkey-Agar) große schleimige Kolonien aus.
Krankheiten. Bei abwehrgeschwächten Personen: nosokomiale Infektionen, Harnwegsinfektion, Endokarditis, Meningitis.
Pathogenitätsfaktoren. Antiphagozytäre Kapsel, En-
Therapie. Cephalosporin der 3. Generation, Ciprofloxacin (Mehrfachresistenz); Imipenem.
dotoxin, Fimbrien (Adhäsionsfaktor). Krankheiten. Pneumonien (Friedländer-Pneumonie), Harnwegsinfektion, Infektionen pneumatisierter Räume im Gesichtsschädel, Bakteriämie. Therapie. Cephalosporin der 3. Generation; Imipe-
nem. > Von den bekannten Klebsiella-Arten ist nur K. pneumoniae medizinisch relevant. Im Normalfall ist das Bakterium ungefährlich, kann aber bei Prädisposition (geschwächtes Immunsystem etc.) als Krankheitserreger auftreten und ist mit ca. 10% an nosokomialen Infektionen beteiligt.
Die blutende Hostie Im Jahre 1263 sorgte das Wunder einer blutenden Hostie in Bolsena für Aufregung. Daraufhin richtete Papst Urban IV. einen neuen kirchlichen Feiertag ein: Fronleichnam. Dass ein rot gefärbtes Bakterium für diese Phänomen verantwortlich ist, wurde erst im 19. Jahrhundert herausgefunden. Das »Wunder der blutenden Hostien« ist durch den Befall des früher so benannten »Hostienpilz bzw. Bacterium prodigiosum« – heute als Serratia marcesens bekannt – zurückzuführen.
Proteus Charakteristika. Fakultativ anaerobes, gramnegatives begeißeltes Stäbchen.
Enterobacter
Vorkommen. Weit verbreitet in der Natur (Erde, Was-
Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative be-
geißelte Stäbchen.
ser), spielen in Fäulnisprozessen eine wichtige Rolle. Häufig im Tierdarm anzutreffen, beim Menschen nur schwach vertreten.
Vorkommen. Weltweite Verbreitung; in Erde, Wasser, Pflanzen sowie im Respirations- und Darmtrakt von Mensch und Tier zu finden.
Nachweis. Anzucht einer Kultur; hohe Urease-Aktivität
(pH-Anstieg); Selektivnährböden.
Nachweis. Anzucht einer Kultur; bunte Reihe (dient zur Überprüfung der Stoffwechselleistung gramnegativer Bakterien).
Pathogenitätsfaktoren. Urease: Milieuanpassung, be-
Pathogenitätsfaktoren. Kapsel, wenig virulent.
Krankheiten. Harnwegsinfektion, Abszesse, Sepsis, Me-
wegliche Geißeln begünstigen die Aszendierung im Urothel.
ningitis. Krankheiten. Pulmonale Infektionen, Harnwegsinfek-
tion, neonatale Meningitis, Wundinfektionen. Therapie. Imipenem; Fluorchinolone (häufig resis-
Therapie. Amoxicillin/Clavulansäure; Fluorchinolone (meist resistent gegen Cephalosporin der 1. und 2. Generation).
tent). Serratia Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative be-
geißelte Stäbchen. Vorkommen. Weltweite Verbreitung, seltener im
menschlichen Darmtrakt; erhöhtes Risiko für intravenöse Drogenabhängige.
4.3.3.11 Yersinia Zum Genus Yersinia gehören die für die Humanmedizin wichtigen Spezies Y. pestis, Y. enterocolica, und Y. pseudotuberculosis. Die Zelle der Yersinien tendiert zu Pleomorphie und ist zwischen 18°C und 27°C beweglich, nicht aber ab 37°C. > Im Gegensatz zu den anderen Yersinien ist Y. pestis unbeweglich.
Nachweis. Kulturanzucht: bei Lichtabschluss wird das
rote Pigment Prodigiosin gebildet.
Yersinia pestis
Pathogenitätsfaktoren. DNAse, Lipase, Gelatinase.
Charakteristika. Fakultativ anaerobes, gramnegatives, teilweise bekapseltes Stäbchen.
248
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Vorkommen. Nagetiere sind asymptomatische Träger dieser Erreger. In endemischen Gebieten kann die Krankheit durch infizierte Rattenflöhe, Rattenbisse oder Aerosole infizierter Personen auf den Menschen übertragen werden. Nachweis. Anzucht in Kultur; als Material wird Sputum, Blut oder Aspirat verwendet.
4
Nachweis. Anzucht in Kultur auf Selektiv-Nährböden:
Cefsulodin-Irgasan-Novobiocin-Platte (CIN-Platte). Pathogenitätsfaktoren.
4 pYV (Plasmid für »yersinial virulence«): Plasmid 4 Yop (»yersinia outer membran protein«): für die Invasion und antiphagozytär 4 Enterotoxin
Pathogenitätsfaktoren. Zu nennen sind:
Krankheiten. Enteritis, Ileitis, Kolitis, Appendizitis,
4 Kapsel: antiphagozytär durch Bildung des Fraktion-1-Antigen (Fra-1) 4 Phospholipase-D: sichert das bakterielle Überleben innerhalb des Flohdarms 4 W-Antigen als Endotoxin 4 Yersiniabactin als Hämaufnahmesystem 4 Typ-III-Sekretionssystem: paralysiert die Makrophagen durch kontaktabhängige Injektion der Effektorproteine
Sepsis. Therapie. Chinolone; Co-Trimoxazol, Doxyzyklin.
Yersinia pseudotuberculosis Vornehmlich bei Kindern und Jugendlichen verursacht dieser Erreger ein akutes Abdominalsyndrom mit mesenterialer Lymphadenitis und manchmal einer terminalen Ileitis. Der Übertragungsweg ist noch nicht geklärt, sodass man von einer Zoonose ausgeht.
Krankheiten. Beulenpest, Pestpneumonie, Lungenpest,
Sepsis.
4.3.3.12
Shigellen
Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative Therapie. Zur Prophylaxe ist Tetrazyklin indiziert, an-
sonsten Doxyzyklin, Co-Trimoxazol; in schwereren Fällen Fluorchinolone. Krankheitsverläufe bei Y.-pestis-Infektion Der Biss eines Rattenflohs (Xenopsylla chenopsis) kann das Bakterium unter die Haut bringen. Das Resultat ist die Beulenpest (regionale Lymphadenitis). Der Erreger wandert anschließend über das Lymphsystem zum nächst gelegen Lymphknoten. Über einen Zeitraum von 2–7 Tagen entwickelt sich so eine schmerzhafte Lymphadenitis. Bei der Pestseptikämie ohne sichtbare Lymphadenitis treten vermehrt Erschöpfung, septischer Schock, Kollaps, Blutungen und DIC (disseminierte intravasale Gerinnung) sowie Nekrosen an Extremitäten auf. Durch hämatogene Verbreitung der lokalen Beulenpest entsteht eine Pestpneumonie. Sie kann auch durch das Einatmen infizierter Tröpfchen hervorgerufen werden (primäre Pestpneumonie). Das Krankheitsbild ist dem der Pestseptikämie gleich und mit zusätzlicher Atemnot verbunden. Nach erfolgloser Behandlung kann bei Kindern eine Pestmeningitis auftreten.
Yersinia enterocolica Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative und bekapselte Stäbchen. Vorkommen. Weltweite Verbreitung; Hauptinfektions-
quelle ist das Schwein, auch Rinder.
Stäbchen. Vorkommen. Fliegen gelten als asymptomatische Träger; weltweite Verbreitung; Infektionsquelle ist immer der Mensch (teilweise auch höhere Affenarten), den nach Erkrankung den Erreger ausscheidet. Nachweis. Kulturanzucht; Material aus Stuhl von 3 auf-
einander folgenden Tagen; bildet auf XLD-Agar rötliche Kolonien. Pathogenitätsfaktoren. Shigatoxin: zyto-, entero- und
neurotoxisches Protein. Krankheiten. Bakterielle Ruhr, schwere Infektionen. Therapie. Co-Trimoxazol; Chinolone. Wirkmechanismus der Shiga-Toxine Es gibt mehrere Shiga-Toxine, wobei einige von E. coli produziert werden und mit dem Shiga-Toxin von Shigella dysenterica verwandt sind. Wirkmechanismus der Shiga-Toxine: Nach Bindung an den Rezeptor (»globitriosyl ceramid«) erfolgt die Endozytose und Fusion mit dem Lysosom, anschließend die Migration zum endoplasmatischen Retikulum. Nach Translokation der A1-Untereinheit kommt es nicht zur ADP-Ribosylierung, sondern zur Spaltung einer Glykosidbindung bei einem Adenin-Molekül der rRNA. Dadurch wird die Elongation
6
249 4.3 · Spezielle Bakteriologie
durch Behinderung einer Elongationsfaktor(I)-abhängigen Bindung von Aminoacyl-tRNA zum Ribosom verhindert. Folge ist ein Stopp der Proteinsynthese. Als Hauptzielzellen gelten Endothelzellen (thrombotische Mikroangiopathie). Durch die Effekte von Shiga-Toxinen sind insbesondere das ZNS (vaskuläre Schäden), der Darm (enterotoxische Wirkung und vaskuläre Schäden – »rabbit ileal loop«) und die Niere (vaskuläre Schäden in den Glomeruli) betroffen.
4.3.3.13 Salmonella Entsprechend der Antigenstruktur der Zellwandpolysaccharide oder O-Antigene und der Geißel- oder HAntigene (Flagellin), ist das Genus Salmonella in mehr als 2500 Serotypen unterteilt. Aufgrund der O-Gruppen-Zugehörigkeit und der H-Antigenphase werden die Salmonellen in Übereinstimmung mit dem klassischen Kaufmann-White-Schema auch nach ihrer antigenetischen Formel in Serotypen (Serovar) eingeteilt. Definitionsgemäß besitzt Salmonella keine Kapsel. Die Ausnahme hiervon bilden S. typhi und S. parathyphi mit einer Polysaccharidhülle (VI-Antigen), was von diagnostischer Bedeutung ist. Diese Hülle verursacht eine O-Inagglutinität.
4
Typ-III-Sekretionssystem setzt sich aus mindestens 20 verschiedenen Proteinuntereinheiten zusammen und zeigt einen komplexen Aufbau. Die meisten der Untereinheiten sind in der inneren Membran lokalisiert. Das Sekretionssystem ist ein Mechanismus, durch den pathogene Proteine in das Zytosol eukaryontischer Zellen translokiert werden. Die meisten inneren Membranproteine des Typ-III-Sekretionssystems sind zu Komponenten des Flagellensynthese-Apparates homlog. Krankheiten. Gastroenteritis, Diarrhö (selbstlimitie-
rendes Krankheitsbild). Therapie. Chinolone.
Salmonella typhi Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative, be-
geißelte Stäbchen mit Kapsel. Vorkommen. Mensch gilt als Dauerausscheider; Übertragung durch Schmierinfektion oder sekundär über Lebendmittel und/oder Trinkwasser. Nachweis. Wie S. enteritidis + Virulenz-Kapsel-Antigen.
Salmonella enteritidis Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative begeißelte Stäbchen. Vorkommen. Indirekte Übertragung; die Erreger werden über Lebensmittel (Eier, Geflügel) aufgenommen.
Pathogenitätsfaktoren.
4 Adhäsine zur Kolonisation auf Darmepithelzellen 4 Zytotoxin: Hemmung der Proteinsynthese 4 Phospholipase-A Krankheiten. Typhus, septisches Krankheitsbild ohne
> S. enteritidis vom Lysotyp 4, 6 und 8 ist besonders an das Huhn adaptiert. Dort befällt es die Ovarien mit der Folge der direkten Übertragung auf das Ei.
Nachweis. Erregernachweis im Stuhl auf Differenzial-
Durchfälle, aber mit ZNS-Symptomen und Fieber. Therapie. Ciprofloxacin, Cephalosporine.
Pathogenitätsfaktoren. Enterotoxin steigert die NaCl-
Verlauf einer Infektion mit Typhus abdominalis und Paratyphus Typhus (Typhus abdominalis) und Paratyphus sind zyklische, systemische Infektionskrankheiten. Die Typhusbakterien adhärieren nach Aufnahme in die Magenpassage an den Peyerschen Plaques, wandern von dort in die M-Zellen bzw. Makrophagen ein, wo die Typhus-Salmonellen sich vermehren. Dadurch entstehen entzündliche Prozesse (lokale Ulzerationen und Schwellungen der Peyerschen Plaques), die jedoch nur sehr selten bereits eine Diarrhö verursachen. Das Auftreten von Leukozyten im Stuhl lässt sich bereits als erstes diagnostisches Zeichen verwenden; ein Keimnachweis zu diesem Zeitpunkt gelingt dagegen wesentlich seltener. Nach einer Inkubationszeit von 7–21 (14) Tagen treten verstärkt und remittierend Fieber (z. T. über 40°C), relative Bradykardie, Übelkeit, Erbrechen, Kopf- und Gliederschmer-
Sekretion, Zytolysine, Typ-III-Sekretionssystem. Das
6
nährböden. Differenzialnährböden für Salmonellen Salmonellen vergären keine Laktose; daher müssen Differenzialnährböden entwickelt werden. Es werden Differenzialmedien mit Hemmstoffen verschiedener Selektivität verwendet, um die Begleitflora der Salmonellen auszuschalten. Beispiele für Differenzialnährböden geringer Selektivität sind Bromthymolblau-Agar (BTB) und McConkeyAgar. Nährböden mit mäßiger Selektivität sind Deoxycholat-Zitrat-Agar (DCLS) und Salmonella-Shigella-Agar (SS-Agar). Starke Selektivität besitzen Nährböden wie Brillant-Grün-Agar (BG-Agar) und Anreicherungs-Bouillons wie Selenit und Tetrathionat.
250
4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
zen sowie Anorexie auf. Diese grippeähnlichen Beschwerden sind oft noch mit Husten, belegtem Hals, Kältegefühl, Konfusion, Lethargie und Schwächegefühl verbunden und verstärken dadurch eine klinische Fehleinschätzung. Erst wenn die Typhusbakterien die Peyerschen Plaques verlassen, sich systemisch ausbreiten (Blutkultur) und im Zuge der Organmanifestationen weitere für Typhus typische Beschwerden und klinische Anzeichen erzeugen (Roseolen der Haut, Leber- und Milzschwellung, bronchitische Geräusche), ist ein Erregernachweis im Blut, später im Stuhl möglich. Komplikationen wie Darmblutungen und -perforationen mit anschließender Peritonitis, Lungentyphus etc. können zum letalen Ausgang der Infektion führen. Bei nicht antibakteriell behandelten Patienten schließt sich nach einer Krankheitsphase von ca. 21 Tagen eine sehr lange Rekonvaleszenzperiode an (manchmal mit dem charakteristischen Haarausfall).
4.3.3.14 Escherichia Die Gattung Escherichia umfasst eine Gruppe verschiedener Spezies, von denen Escherichia coli (E. coli) die bedeutendste darstellt. Die Bakterien der Spezies E. coli sorgen als natürliche Bewohner des Darmes für eine gute Verdauung. Außerhalb des Darmtraktes gilt E. coli als Indikator für Fäkalverunreinigungen von Trinkwasser und Lebensmitteln. Aufgrund der für Enterobacteriacea typischen peritrichen Begeißelung sind die meisten E.-coli-Stämme beweglich und einige bilden eine Polysaccharidkapsel. Fimbrien, sowie konjugative Pili und Plasmide gehören ebenfalls zur Zellstruktur zahlreicher Stämme. Dieses hat eine erhebliche Bedeutung für wichtige biologische Aktivitäten (Adhäsion, Zuckervergärung, Colicin-Bildung, Hämolysinbildung, Enterotoxinbildung, Resistenz gegen Antibiotika, Schwermetalle und Ultraviolettlicht). Da E. coli nicht anspruchsvoll ist, erfolgt die Züchtung auf den herkömmlichen bakteriologischen Nährböden. Zur Isolierung von E. coli eignen sich schwach selektive Nährböden wie Bromthymolblau-LaktoseAgar oder McConkey-Agar zur Hemmung grampositiver Bakterien. Gleichzeitig stellen sie Differenzialnährböden dar und erlauben somit eine schnelle Erkennung von Laktose-positiven Bakterien. Eine rasche routinemäßige Identifizierung ist möglich durch den Nachweis der Laktosevergärung und Indolbildung mit fehlender Aktivität gegenüber Zitrat und Harnstoff oder die Bildung von β-D-Glukuronidase. Eine zusätzliche biochemische Identifizierung ist nur in besonders pathologischen Situationen mit therapeutischen und/oder epidemiologischen Implikationen erforderlich. In Ergänzung zu den kulturellen Untersuchungen können mittels PCR auch die Gene für verschiedene
Virulenzfaktoren respektive damit assoziierte Gene von diarrhögenen E. coli nachgewiesen werden. Um eine Verwechslung mit einer spezifischen Gruppe von E. coli, die vor allem bei Kindern auch epidemische Durchfälle verursachen kann (enteropathogene E. coli, EPEC), zu vermeiden, wird der Oberbegriff »enterovirulente E. coli« verwendet. Alle Nachweise werden nach einer Vorkultur durchgeführt, sodass nur kultivierbare Organismen erfasst werden. Eine anschließende Resistenzprüfung ist nicht möglich. Geeignete Untersuchungsmaterialien sind: Stuhl in Transportmedium, Rektalabstriche, Isolate. Verschiedene Virulenzfaktoren bestimmen die Pathogenität von E. coli, die mit bestimmten pathologischen Zuständen assoziiert sind. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen extraintestinalen und entropathogenen Stämmen. Bei septikämischen Stämmen sind die Anwesenheit der Polysaccharidkapsel (Resistenz gegen Phagozytose) zur Erleichterung der Invasion, die Endotoxin-Wirkung des Lipoid-A, sowie das Aerobactin als System zum Erwerb von Eisen aus der Wirtszelle und die Resistenz gegen Komplement die Hauptvirulenzfaktoren. Solche Stämme kommen hauptsächlich bei neugeborenen Kindern vor. Bei den enterischen Stämmen wird zwischen den verschiedenen pathogenetischen Situationen unterschieden, die entweder toxisch oder invasiv wirken. ! Cave Seit wenigen Jahren sind als zusätzliche Gruppe von E. coli die enteroaggregativen E. coli bekannt (EAEC), die vorwiegend Säuglinge und Kleinkinder infizieren.
EIEC (enteroinvasive E. coli) Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative Stäbchen mit Kapsel und begeißelt. Vorkommen. Erregerreservoir ist nur der Mensch. Nachweis. Stuhlkultur; Kigler-Agar (H2S-negativ). Pathogenitätsfaktoren. Typ-III-Sekretionssystem: toxische Injektion, lokale Mukosainvasion. Krankheiten. Ruhr-ähnliche Dysenterie. Therapie. Substitution, selbstlimitierend.
ETEC (enterotoxische E. coli) Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative
Stäbchen; mit Kapsel und begeißelt
251 4.3 · Spezielle Bakteriologie
Vorkommen. Erregerreservoir wahrscheinlich nur der Mensch; 50% aller Reisediarrhöen; vor allem aus warmen Ländern mit niedrigem Hygienestandard.
4
Pathogenitätsfaktoren.
4 Verotoxine: plasmidkodierte shigellaähnliche Enterotoxine I und II: Herabsetzen der Proteinsynthese 4 Adhärenzfaktoren: Intimin
Nachweis. Identifizierung über (zahlreiche) Serovare. Pathogenitätsfaktoren. 4 2 plasmidkodierte Enterotoxine: 5 LT: Cholera-ähnlich, hitzelabil 5 ST: hitzestabil 4 Kolonisationsfaktoren: CFA-I, CFA-II Krankheiten. Cholera-ähnliche Durchfälle; hohe Letalität bei Säuglingen. Therapie. Substitution; selbstlimitierend bei Erwachse-
nen, immunkompetenten Personen. EPEC (enteropathogene E. coli) Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative
Stäbchen mit Kapsel und begeißelt. Vorkommen. Erregerreservoir nur der Mensch; kommt oft in Kinderkliniken und Kinderheimen vor. Nachweis. Stuhlkultur; Identifizierung über O-Grup-
pen. Pathogenitätsfaktoren.
4 Adhärenzfaktor (Intimin), plasmidkodiert: die Resorptionsfläche der darmepithelzellen wird bei der Adhäsion durch Zerstörung der Mikrovilli herabgesetzt. 4 Shigella-like Toxin I 4 Shigella-like Toxin II 4 Enterohämolysin
Shiga-like-Toxine – SLT, Verotoxine – VT Sie werden unter dem Begriff Shiga-Toxin- bzw. Verotoxinbildende E. coli (STEC bzw. VTEC) zusammengefasst. Als EHEC werden diejenigen STEC/VTEC bezeichnet, die beim Menschen Krankheitserscheinungen auslösen. Sie werden aufgrund ihrer Antigenstruktur verschiedenen Serovaren zugeordnet. Der in Deutschland häufigste Serovar ist E. coli O157:H7. Auch andere Serovare wie E. coli O157:H-, O26: H11, O111:H-, O103:H2 und O145:H28 können häufig nachgewiesen werden. Im Zusammenhang mit EHEC-Erkrankungen des Menschen werden immer wieder neue Serovare ermittelt, sodass eine endgültige Definition humanpathogener STEC gegenwärtig nicht möglich ist. Aus diesem Grund ist bis auf weiteres jeder STEC/VTEC als potenzieller EHEC anzusehen. Shiga-Toxine binden sich an spezielle Zellwandrezeptoren, vor allem im kapillaren Endothel, blockieren dort die Proteinsynthese und führen zum schnellen Zelltod. Zusätzlich besitzen viele EHEC einen Typ-III-Sekretionsapparat (s. Salmonella), mit dessen Hilfe sie weitere zelltoxische bzw. inhibierende oder modulierende Proteine direkt in die Zielzelle applizieren können. Das kann zu weiteren klinisch-pathogenen Effekten führen und dadurch dieVirulenz der EHEC erhöhen. Leitmerkmal für diesenTyp-III-Sekretionsapparat ist das eae-Gen. Dieses Gen befähigt den Erreger u. a., sich an Darmepithelzellen anzuheften. Neben ihrer besonderen Virulenz besitzen die EHEC eine relativ große Umweltstabilität und eine gute Überlebensfähigkeit in saurem Milieu.
Krankheiten. Akute, lokal-entzündliche Prozesse im
dyspepsie, akute z. T. wässrige Durchfälle, Erbrechen.
Dickdarm (Gastroenteritis) bis zu hämolytisch-urämischem-Syndrom (HUS) (meist bei Kindern <6 Jahren), hämorrhagischer Kolitis; thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (TTP).
Therapie. Wasser- und Elektrolytsubstitution.
Therapie. Wasser- und Elektrolytsubstitution.
Enterohämolytische E. coli (EHEC) – Verotoxin-bildende E. coli (VTEC) Charakteristika. Fakultativ anaerobe, gramnegative Stäbchen mit Kapsel und begeißelt.
Schwere Verlaufsform der EHEC-Infektionen Bei 10–20% der Erkrankten entwickelt sich als schwere Verlaufsform eine hämorrhagische Kolitis mit Leibschmerzen, blutigem Stuhl und häufig mit Fieber. Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen und abwehrgeschwächte Personen erkranken erfahrungsgemäß häufiger schwer. Gefürchtet sind Komplikationen: 4 Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) mit hämolytischer Anämie, Nierenversagen bis zur Anurie und thrombotischer Mikroangiopathie
Krankheiten. Klassische Säuglingsdiarrhö, Säuglings-
Vorkommen. Nahrungsmittel von Wiederkäuern (Rind,
Schaf, Ziege); Fleisch, Milch, Tierkontakt. Nachweis. Nachweis des Verotoxins; oft Serogruppe
157.
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252
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
4 Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) mit Thrombozytopenie, Hautblutungen, hämolytischer Anämie und neurologischen Veränderungen.
4
Diese schweren Komplikationen treten unabhängig von der Schwere des vorangegangenen Verlaufes der EHECInfektion in etwa 5–10% der symptomatischen EHEC-Infektionen auf. Die Symptomatik hängt vom Ort der Primärschäden durch die Toxine ab. Die Letalität bei HUS und TTP ist besonders im Kindesalter hoch, oft kommt es zum akuten Nierenversagen mit Dialysepflicht, seltener zum irreversiblen Nierenfunktionsverlust mit chronischer Dialyse.
! Cave Bei Infektionen mit EHEC keine Antibiotika – sonst droht eine Verschlechterung des Zustands.
tor«) und LF (»lethal factor«); EF ist eine Adenylatzyklase und verantwortlich für die Ödembildung, LF ist eine Ca- und Zn-abhängige Metallo-Endopeptidase und ist als Hauptpathogenitätsfaktor verantwortlich für die tödliche Wirkung. Die einzelnen Komponenten des AnthraxToxins sind ohne Wirkung. Der überwiegende Teil der humanen B.-anthracis-Infekte resultiert im Hautmilzbrand. Der nach 2–3 Tagen lokal entstehende Infektionsherd ähnelt einem Karbunkel. Von diesem Herd ausgehend kann es zur Septikämie kommen mit einer Absiedlung der Erreger in anderen Organen (Meningitis als Komplikation). Der prognostisch ungünstige Lungenmilzbrand entsteht durch Inhalation von erregerhaltigem Staub und der Darmmilzbrand, der mit Erbrechen und blutigen Diarrhöen einhergeht, kann nach Genuss kontaminierter Lebensmittel entstehen. Bei allen Formen kann die Milzbrandsepsis innerhalb weniger Stunden zum Tode führen.
4.3.4 Grampositive Stäbchen 4.3.4.1 Sporenbildende grampositive Stäbchen Bacillus anthracis Charakteristika. Obligat aerobe, grampositive und begeißelte, sporenbildende, bekapselte Stäbchen. Vorkommen. Natürlicher Lebensraum ist der Erdboden; Erreger werden durch Pflanzenfresser mit dem Futter aufgenommen; Infektionen beim Menschen erfolgen durch kontaminierte tierische Produkte.
> Cave Keine chirurgische Intervention beim Hautmilzbrand.
Bacillus cereus Charakteristika. Obligat aerobes, grampositives und sporenbildendes Stäbchen. Vorkommen. Als Saprophyt ubiquitär im Boden und pflanzlichem Material verbreitet. Nachweis. Anzucht auf Blutagar (hämolysierend);
Nachweis. Kulturelle Anzucht auf üblichen Nährböden;
ELISA zum Nachweis des Enterotoxins.
sichtbar weiße Kolonie mit typischen haarlockenähnlichen Ausläufern (Medusenhaupt).
Pathogenitätsfaktoren.
Pathogenitätsfaktoren.
4 Enterotoxine: emetisches Toxin (hitzelabil), Diarrhö-Toxin (hitzestabil) 4 Exotoxine: Amylase, Phospholipase, Protease, Kollagenase u. a.
4 Kapsel – hochmolekulares Polypeptid: hemmt die Opsonierung und Phagozytose und ist verantwortlich für die Invasivität. 4 Anthrax-Toxin: verursacht Ödembildung und wirkt letal.
Krankheiten. Lebensmittelintoxikation mit Erbrechen und Diarrhö, Tenesmen.
Krankheiten. Hautmilzbrand, Lungenmilzbrand,
Therapie. Selbstlimitierend.
Darmmilzbrand – je nach Eintrittspforte des Erregers. Therapie. Prinzipiell alle Antibiotika; meist Penicil-
lin G. Antrax-Toxin und Milzbrand Das Anthrax-Toxin besteht aus 3 synergistisch wirkenden Proteinen: Das »protective antigen« (PA) ist ein immunogenes Protein und verantwortlich für die Bindung an der Zelle sowie der Translokation der Toxine EF (»edema fac-
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4.3.4.2 Clostridium Das Genus Clostridium umfasst Bakterien, die als normale oder vorübergehende Kommensalen des Magen-Darm-Traktes und gelegentlich des Respirationstraktes bei Mensch und Tier verbreitet sind. Aufgrund von Darmausscheidungen in die Umwelt und wegen ihrer Widerstandsfähigkeit (Sporen) werden Clostridien im Boden, Abwasser, Pflanzen und Lebensmitteln gefunden.
253 4.3 · Spezielle Bakteriologie
Clostridium tetani Charakteristika. Obligat anaerobe, grampositive Stäbchen mit Sporen und Geißel. Vorkommen. Als normale oder vorübergehende Kom-
mensalen des Magen-Darm-Traktes und gelegentlich des Respirationstraktes bei Mensch und Tier verbreitet; aufgrund von Darmausscheidungen in die Umwelt und wegen ihrer Widerstandsfähigkeit (Sporen) werden Clostridien im Boden, Abwasser, Pflanzen und Lebensmitteln gefunden.
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> Nach oraler Aufnahme und Resorption im Dünndarm verbreitet sich das Toxin hämatogen im Organismus. An den Synapsen der motorischen Endplatte des peripheren NS wird die Azetylcholin-Freisetzung gehemmt (. Kap. 4.1.6.2).
Clostridium difficile Charakteristika. Obligat anaerobes, grampositives Stäbchen, sporenbildend mit Kapsel und begeißelt. Vorkommen. Weltweite Verbreitung; apathogen vorkommend im Darmtrakt von Mensch und Tier.
Nachweis. Kulturanzucht (gelingt selten) auf festen
Nährböden unter strikt anaeroben Verhältnissen; auf Blutagar diskrete Hämolyse sichtbar; Toxinnachweis im Wundmaterial (Tierversuch); PCR.
Diagnostik. Toxinnachweis durch PCR; Selektivnähr-
böden. Pathogenitätsfaktoren.
Pathogenitätsfaktoren.
4 Tetanospasmin: neurotropes Exotoxin (. Kap. 4.1.6.2 »Zellfunktionsändernde Exotoxine«) 4 Tetanolysin: Hämolyse Krankheiten. Tetanus (Wundstarrkrampf: . Kap. 4.1.6.2).
4 Toxin-A: enterotoxisch: Gewebeschädigung der Kolonmukosa (pseudomembranöse Kolitis) 4 Toxin-B: zytotoxisch: Elektrolytstörung mit Folge des Flüssigkeitsverlust Krankheiten. Pseudomembranöse Kolitis, Diarrhö,
Krämpfe. > Therapeutisch ist eine stationäre Behandlung unbedingt erforderlich.
Therapie. Stationär erfolgen Wundreinigung und
Wundexzision, Antibiotikabehandlung systemisch und lokal. Symptomatische Behandlung besteht in selektiven Muskelrelaxanzien; Tetanusimmunprophylaxe. Eine aktive Immunisierung mit Totimpfstoff wird empfohlen ab 3. Lebensmonat; im 6 Lebensjahr und dann alle 10 Jahre als Auffrischung. Clostridium botulinum
> Eine durch C. difficile verursachte Kolitis tritt gehäuft unter Antibiotikatherapie als Folge der Dezimierung der normalen Keimflora auf.
Therapie. Beendigung der Antibiotikatherapie; in schweren Fällen Vancomycin.
Clostridium perfringens Charakteristika. Obligat anaerobes, grampositives Stäbchen; meistens mit Kapsel und ohne Geißel (unbeweglich).
Charakteristika. Obligat anaerobes, grampositives Stäb-
chen; mit Sporen, bekapselt und begeißelt.
Vorkommen. Ubiquitär im Erdboden; Normalflora des Darmtraktes der meisten Tierarten.
Vorkommen. Im Erdboden und Wasser sehr verbreitet;
Kontamination von Lebensmitteln. Nachweis. Toxinnachweis (wie C. tetani).
Diagnostik. Anzucht auf Blutagar (Doppelhämolyse = vollständige Hämolyse gefolgt von einem unvollständigem Hämolysehof); serologischer Toxinnachweis.
Pathogenitätsfaktoren. Botulinus-Toxin als Exotoxin.
Pathogenitätsfaktoren. α-Toxin: Phospholipase-C,
wirkt nekrotisierend; Hämolysin. Krankheiten. Botulismus (Intoxikation): Lebensmittel-
vergiftung, wobei das Toxin mit der Nahrung aufgenommen wird (z. B. schlecht sterilisierte Konserven).
Krankheiten. Gasbrand (Myonekrose), eitrige Entzündungen, Enteritis necroticans; Lebensmittelvergiftungen (Intoxikation durch C. perfringens Typ A).
Therapie. Gabe eines polyvalenten Antitoxins; Intensiv-
medizinische Maßnahmen (Magenspülung, Laxanzien, Schockbehandlung etc.)
Therapie. Hyperbare Sauerstofftherapie; Penicillin + Metronidazol/Clindamycin.
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4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Pathogenitätsfaktoren von Clostridium perfringens Derzeit sind 17 verschiedenen Pathogenitätsfaktoren bekannt, die in letale und nicht-letale Faktoren unterteilt werden können. Zu den letalen Faktoren gehören außer dem α-Toxin noch das β-Toxin, ε-Toxin (beide nekrotisierend und Gefäßpermeabilitäts-erhöhend) und das ι-Toxin (ADP-Ribosylierung, nekrotisierend, Gefäßpermeabilitäts-erhöhend). Zu den nicht-letalen Faktoren zählen außer dem Hämolysin noch Kollagenasen, Hyaluronidasen, Proteinasen, Neuramidasen und Enterotoxine.
4.3.4.3 Nicht-sporenbildende grampositive Stäbchen Corynebacterium diphtheriae Charakteristika. Fakultativ anaerobe, grampositive Stäbchen. Vorkommen. Weltweite Verbreitung; der Mensch ist
das einzige Erregerreservoir; in Deutschland bisher nur wenige Fälle bekannt; meist Tröpfcheninfektion.
auf Gaumen und Uvula, gegebenenfalls auch bis zum Kehlkopf, ausbreiten. Bei dem Versuch, die Membranen zu entfernen, kommt es meist zu Blutungen. Als charakteristisch gilt ein süßlicher Geruch, der vom erfahrenen Arzt bereits in einigem Abstand wahrgenommen werden kann. Die Schwellung im Bereich des Halses kann unter Umständen so massiv sein, dass es zur Obstruktion der Atemwege (Krupp) und zum Ersticken kommen kann. Bei Kehlkopfdiphtherie dominieren zunächst Husten und Heiserkeit. Bei Patienten mit nasaler Diphtherie zeigt sich oft ein serosanguinöser ein- oder beidseitiger Ausfluss aus der Nase. Die Haut-/Wunddiphtherie kommt vor allem in den Tropen vor. In westlichen Ländern insbesondere in bestimmten Gruppen, z. B. Alkoholikern und Drogensüchtigen. Es findet sich normalerweise eine Infektion mit C. diphtheriae auf dem Boden einer präexistierenden Dermatose/Verletzung. Das klinische Bild gleicht dem anderer sekundärer bakterieller Hautinfektionen. Systemische Manifestationen (z. B. Tachykardie, Kreislaufkollaps) sind hauptsächlich auf die Wirkung des Diphtherietoxins zurückzuführen.
Diagnostik. Kulturanzucht auf Löffler-Serum-Nährbö-
den; Toxinnachweis auf ELEK-Platte (Präzipitation); Neisser-Färbung: Bakterien färben sich rosa, Polkörperchen (= Granula) zeigen dunkelblaue Färbung (Toxinnachweis).
> Toxoide sind entgiftete Exotoxine, die ihre immunisierenden Eigenschaften behalten und (durch Bindung an ein Adjuvans) Anwendung bei Schutzimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie finden.
Pathogenitätsfaktoren. Diphtherietoxin: phagenko-
Listeria monocytogenes Charakteristika. Fakultativ anaerobes, grampositives und begeißeltes Stäbchen.
diert; einfaches A-B-Toxin. Krankheiten. Rachendiphtherie; durch mögliche hämatogene Streuung auch Myokarditis, Herzinsuffizienz, Leberschäden, Nierenschäden, Lähmungen im Bereich motorischer Hirnnerven; Hautdiphtherie: nekrotisierende Entzündung.
Vorkommen. Weltweite, ubiquitäre Verbreitung; in Tier
und Tierprodukten (Fleisch, nicht pasteurisierte Milch), Kompost, Abwässern, Erde, Pflanzen, auch gesunde Menschen als Träger.
Therapie. Antitoxintherapie mit Pferdeserum, Penicil-
Diagnostik. Kulturanzucht in Spezialnährböden (β-
lin, Makrolide; zur Prophylaxe aktive Immunisierung mit Todimpfstoff (Toxoid), auch als Kombinationsimpfstoff mit Tetanus und Pertussis (DTP) bzw. Sechsfachimpfstoff mit Hib, HBV und Polio.
Hämolyse).
Verlauf der Diphtherie Die Primärinfektion des Respirationstraktes betrifft hauptsächlich die Tonsillopharyngealregion, es kann aber auch eine laryngeale, nasale oder tracheobronchiale Primärinfektion vorliegen. Die Krankheit beginnt meist allmählich mit Halsschmerzen, Temperaturen bis zu 39°C, Schluckbeschwerden. Später kommt es zu Heiserkeit, Stridor, Gaumensegellähmungen, Lymphknotenschwellungen. Es entsteht eine Tonsillitis/Pharyngitis mit grau-weißen Pseudomembranen, die oft die Tonsillen überschreiten und sich 6
Pathogenitätsfaktoren. Listeriolysin-O als porenbildendes Protein führt zur Lyse der Phagosomenmembran der Wirtszelle und ermöglicht das Eindringen ins Zytoplasma (von Monozyten, Makrophagen u. a.) Krankheiten. Listeriose. Therapie. In schweren Fällen Ampicillin, Gentamicin. Listeriose Die Aufnahme von Listerien führt u. U. nur zu einer lokalen Besiedlung des Intestinaltraktes. Bei immunkompetenten Menschen kommt es nur selten zu einer Infektion und noch 6
255 4.3 · Spezielle Bakteriologie
seltener zu einer Erkrankung, die sehr häufig nur als leichte, uncharakteristische fieberhafte Reaktion verläuft. Die Gefahr einer manifesten Erkrankung besteht hauptsächlich für abwehrgeschwächte Personen wie Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen (z. B. Tumoren, AIDS), Personen mit Glukokortikoidtherapie, Transplantierte und Schwangere. Die manifeste Listeriose äußert sich mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Muskelschmerzen sowie u. U. auch Erbrechen und Durchfall. Es kann zur Sepsis kommen, die klinisch nicht von einer Sepsis anderer Genese unterschieden werden kann. Eine weitere wesentliche Manifestation ist die eitrige Meningitis. Grundsätzlich kann im Verlaufe einer Listeriose jedes Organ befallen werden. Nach Kontakt mit infizierten Tieren oder kontaminiertem Erdboden kann es zum Auftreten von lokalen papulösen oder pustulösen Hautläsionen kommen.
4.3.5 Säurefeste Stäbchen 4.3.5.1 Mykobakterien Das Genus Mycobacterium besitzt einen oxidativen Stoffwechsel. Die Zellwand besteht aus Peptidoglykan mit Diaminopimelinsäure, Arabinose und Galaktose. Ihr hoher Lipidgehalt ist für sie charakteristisch und erklärt die schlechte Aufnahme der Gramfärbung und die Resistenz der Säureentfärbung von Fuchsinfarbstoffen. Nach einem von Runyon vorgeschlagenen Schema können Mykobakterien in vier Gruppen eingeteilt werden, basierend auf der Wachstumsgeschwindigkeit (langsam wachsende Mykobakterien brauchen mehr als sieben Tage, um sichtbare Kolonien zu bilden) und der Pigmentbildung (skotochromogene Arten bilden Pigment unabhängig von den Lichtverhältnissen, und photochromogene Arten brauchen Licht zur Pigmentbildung). Wir halten uns an die Unterscheidung zwischen den klassischen Tuberkulose-Erregern, den Erregern der Lepra und atypischen Erregern.
4
Diagnostik. Kultur auf komplexe Nährböden, Material aus Morgensputum oder Magensaftaspirat; Hauttest (Mendel-Mantoux-Test); PCR. Pathogenitätsfaktoren.
4 Wachs-D: Mischung aus Mykolsäure, Peptiden und Polysacchariden: Resistenz und Adjuvanzwirkung 4 Cordfaktor: Trehalose-6,6’-Dimycolat, hemmt die Leukozytenwanderung und verursacht Granulombildung Krankheiten. Durch Aerosol in Lunge oder durch Nahrung in den Gastrointestinaltrakt ist die Ausbreitung in alle Organe möglich: Lungentuberkulose, Organtuberkulose (ZNS, intestinal, Haut). Therapie. Standardkombination: INH (Isoniazid, Tu-
berkulostatikum: hemmt bakterielle Nukleinsäure- und Mycolsäuresynthese) + Ethambutol (Tuberkulostatikum: blockiert bakterielle DNA-Synthese) + Rifampicin (Tuberkulostatikum: hemmt bakterielle RNA-Polymerase). Tuberkulose Nach dem Eindringen des Erregers ins Gewebe erfolgt die Phagozytose durch (Alveolar-) Makrophagen. Dabei kommt es zur intrazellulären Vermehrung und durch den Transport in den Makrophagen zum Befall hiliärer bzw. mediastinaler Lymphknoten. Je nach Immunantwort des Wirts und der Virulenz des Erregers entstehen unterschiedliche Gewebsschädigungen und Verlaufsformen. Die charakteristische Proliferation der Lymphozyten und Stimulation der Makrophagenaktivität führt zu Mobilisation von Granulozyten und Bildung von Riesenzellen. Durch diese Zellreaktion wird die strukturelle Grundlage des tuberkulösen Granuloms hinsichtlich Fixierung und Lokalisation des Infektionsprozesses gebildet.
Mycobacterium leprae Charakteristika. Obligat aerobe, schwach grampositive, säurefeste Stäbchen.
Mycobacterium-tuberculosis-Komplex Charakteristika. Obligat aerobe, schwach grampositive, säurefeste Stäbchen.
Vorkommen. Nur der Mensch als Reservoir, häufig in
Vorkommen. Unter der Bezeichnung M.-tuberculo-
Diagnostik. Direktpräparat aus Hautläsion; IgM-Be-
sis-Komplex versteht man die Erreger der klassischen Tuberkulose der Säugetiere, wobei M. tuberculosis den Tuberkulose-Erreger beim Mensch darstellt und M. bovis die bedeutendste Rolle beim Tier spielt. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion, auch eine indirekte Übertragung durch Staub oder Milch kommt vor.
stimmung; nur kultivierbar im Lebewesen (Pfote des Gürteltiers).
Entwicklungsländern.
Pathogenitätsfaktoren. Phenolisches Glykopeptid. Krankheiten. Lepra, Morbus Hansen.
256
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Therapie. Dreifach-Kombination: Dapson (Chemothe-
4
rapeutikum mit bakteriostatischen Eigenschaften) + Rifampicin + Clofazimin.
Streptomycin- und Ethambutol-Resistenz. Hier wird die Behandlung über 6 Monate mit Isoniazid plus Rifampicin fortgesetzt, wenn initial über 8 Wochen Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid gegeben wurden.
MOTT (»other than Tbc«, auch nicht-tuberkulöse Mykobakterien) Charakteristika. Obligat aerobe, schwach grampositive, säurefeste Stäbchen.
4.3.6 Verzweigte Stäbchen
Vorkommen. Ubiquitär vorkommend in Umwelt (Wasser, Erde) und Schleimhäuten von Mensch und Tier.
4.3.6.1 Nokardien Charakteristika. Obligat aerobe, grampositive verzweigte Stäbchen.
Diagnostik. Anzucht in Kultur.
Vorkommen. Weltweite Verbreitung in Erde und
Pathogenitätsfaktoren. Wachs-D.
Feuchtbiotopen; seltene Infektionen, über Atemtrakt oder Hautwunden.
Krankheiten. Chronische Lungenerkrankungen, lokale
Lymphadenitis bei Kindern und Adoleszenten; granulomatöse Entzündungen, v. a. bei AIDS.
Diagnostik. Kulturanzucht; Material aus Sputum, Blut, Eiter, Liquor; Abstriche. Pathogenitätsfaktoren. Keine bekannt.
Therapie. Chemotherapie je nach Erregerspezies. Krankheiten. Überwiegend bei Immunsupprimierten
Mykobakterien mit Resistenz gegen Antituberkulotika Liegt der Verdacht einer Resistenz gegen ein Erstrangmedikament vor (Risikofaktoren: antituberkulöse Vorbehandlung und/oder Herkunft aus Ländern mit hoher Prävalenz resistenter M.-tuberculosis-Komplex-Stämme), so sollte die Chemotherapie immer mindestens mit isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol oder Streptomycin begonnen werden. Spätestens nach 8 Wochen ist eine Modifizierung entsprechend der Resistenzlage möglich.
pyogene Entzündungen mit zentralen Nekrosen, Monoinfektionen, Pneumonien. Therapie. Co-Trimoxazol; Imipenem/Amicazin + Aminopenicillin.
4.3.6.2 Actinomyces israelii Charakteristika. Obligat anaerobes, grampositives verzweigtes Stäbchen. Vorkommen. Bestandteil der Normalflora des Mundes.
Isoniazid-Resistenz. Verabreichung von Rifampicin plus Ethambutol über 9–12 Monate, wenn initial mindestens 8 Wochen zusätzlich Pyrazinamid eingesetzt wurde.
Diagnostik. Kulturanzucht; Quetschpräparat aus
Rifampicin-Resistenz. Sie ist sehr selten als isolierte Resistenz anzutreffen und meist Indikator für eine Multiresistenz. Wahrscheinlich ist eine Gesamttherapiedauer von 12–16 Monaten notwendig. Eine Fortsetzung nach 12 Wochen erfolgt mit Isoniazid und Ethambutol.
Krankheiten. Subchronischer bis chronischer Infektions-
Pyrazinamid-Resistenz. Diese besteht immer bei M. bo-
Therapie. Penicillin, chirurgische Intervention.
vis, manchmal bei M. africanum, jedoch selten als isolierte Resistenz bei M.-tuberculosis-Komplex. Enthielt die initiale Therapie Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol oder Streptomycin, dann sind Isoniazid und Rifampicin über 9 Monate und ein drittes Medikament über 3 Monate zu geben.
Drüsen. Pathogenitätsfaktoren. Mischinfektion.
prozess: zervikofaziale Aktinomykose, durch Aspiration oder Deszendierung des Erregers auch Lungenaktinomykose; tumorartige bis nekrotisierende Affektionen; Abszesse können bis zur Haut durchbrechen – Fistelbildung.
4.3.6.3 Propionibacterium Charakteristika. Obligat anaerobes, grampositives, verzweigtes Stäbchen. Vorkommen. Teil der menschlichen Bakterienflora der
Haut.
257 4.3 · Spezielle Bakteriologie
4
4.3.7 Zellwandlose Bakterien
der Vermehrungsprozess im Phagosom. Dabei gestalten die Erreger die Organelle derart um, dass sie ihnen als Nische zur Vermehrung dienen. Es entwickelt sich eine vegetative, nicht-infektiöse Form: der pleomorphe Retikularkörper (RK). Nach einer Vermehrungsphase durch Querteilung kommt es stufenweise zu Kondensierungsformen, die wieder zum infektiösen EK führen. Mit dem Absterben der Wirtszelle werden EK freigesetzt, und in etwa 30–40 h ist der Zyklus abgeschlossen. Im ganzen Zyklus hat die Wirtszelle verschiedene Enzyme, Nukleotide und besonders energiereiche Phosphate (ATP) zur Verfügung gestellt. Die Chlamydien gelten deshalb als »Energieparasiten«.
4.3.7.1 Mycoplasma pneumoniae Charakteristika. Fakultativ anaerobe, zellwandlose Bakterien.
Chlamydia trachomatis Charakteristika. Obligat intrazelluläre, zellwandlose Bakterien.
Vorkommen. Weltweite Verbreitung; vorwiegend im
Vorkommen. Einziges Erregerreservoir ist der Mensch.
oralen und respiratorischen Bereich; Übertragung durch Tröpfcheninhalation.
Diagnostik. Antigennachweis durch ELISA.
Diagnostik. Antikörper im Serum; Nativ mit Phasen-
Pathogenitätsfaktoren. MOMP (»major outer memb-
kontrastmittelmikroskopie.
ran protein«).
Pathogenitätsfaktoren.
Krankheiten.
4 Adhäsine: Anheftung an Respirationsepithel 4 Proteasen. Epitheldestruktion
4 Serotypen A bis C: Trachom (chronische Keratokonjunktivitis), Gefäßproliferation, Lidverstellung, Erosion 4 Serotypen D bis K: Einschluss (Schwimmbad-)Konjunktivitis, nicht-gonorrhöische Urethritis, reaktive Arthritis 4 Serotypen L1–3: Lymphogranuloma venerum
Diagnostik. Anzucht in Kultur: Fettsäurenachweis. Pathogenitätsfaktoren. Lipase baut Bestandteile des
Talgs ab. Krankheiten. Entzündungsmediator bei Akne vulgaris, Bakteriämie, Fremdkörperinfektionen (Spritzenabszesse, Endokarditis durch künstliche Herzklappen u. a.). Therapie. Penicillin; Co-Trimoxazol.
Krankheiten. Entzündung der terminalen Bronchiolen,
Obstruktion; Segmentalatelektasen (atypische Pneumonie). Therapie. Tetrazyklin; Makrolide.
Therapie. Tetrazyklin; Makrolide; Chinolone. ! Cave In einem geringen Prozentsatz der Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae kommt es zum StevensJohnson-Syndrom. Zudem kann es im Rahmen einer Mykoplasmeninfektion auch zu schweren Krankheiten wie Karditis, Enzephalitis etc. kommen.
4.3.7.2 Chlamydien Die Morphologie der Chlamydien ergibt sich aus ihrem einzigartigen Entwicklungszyklus. Dieser ermöglicht den Bakterien die intrazelluläre Vermehrung und das extrazelluläre Überleben. Ihre Zellwand entspricht dem Muster von gramnegativen Bakterien und der Elementarkörper ist metabolisch minimal aktiv (Ruhephase). Die Infektion der Wirtszelle erfolgt durch die Adsorption von Elementarkörpern an Neuraminsäure-haltige Rezeptoren. Nach einem langsamen Endozytoseprozess mit anschließender Lysosomenverschmelzung beginnt
Chlamydia psittaci/pneumoniae Charakteristika. Obligat intrazelluläre, zellwandlose Bakterien. Vorkommen. Vögel und Vogelmist sowie fast alle Haustiere als Hauptreservoir; Übertragung der Erreger durch Inhalation möglich (Haustiere). Diagnostik. Kulturanzucht; Antikörpernachweis durch
ELISA. Pathogenitätsfaktoren. MOMP. Krankheiten. Ornithose (Psittakose), atypische Pneu-
monie, Pharyngitis. Therapie. Tetrazyklin.
258
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
4.3.7.3 Rickettsiaceae Rickettsien sind eine Gruppe von Erregern, die als obligate Zellparasiten von eukaryontischen Zellen grundsätzlich durch blutsaugende Arthrpoden (Flöhe, Milben, Läuse, Zecken) übertragen werden. Rickettsia Charakteristika. Kokkoide bis stäbchenförmige, obliga-
4
te Zellparasiten. Vorkommen. Übertragung durch Arthropoden. Diagnostik. Antikörpernachweis im Serum. Pathogenitätsfaktoren. Durch den Biss (z. B. Zecke)
gelangt der Erreger ins Blut, anschließend folgen Invasion in das Gefäßendothels, intrazelluläre Vermehrung und hämatogene Aussaat.
4.3.8 Spirochäten Spirochäten sind spiralförmige Bakterien mit ähnlicher Zellstruktur und speziell aufgebauten Bewegungsapparat. Die Bakterienzelle besteht aus einer Zytoplasmamembran, einer Zellwand aus Peptidoglykan und einer mehrschichtigen Hülle, ähnlich der von gramnegativen Bakterien. Die Geißeln des Bewegungsapparates sitzen terminal. Die Bewegung, die in einem viskösen Milieu besonders aktiv ist, kommt durch Flexion oder schraubenartige Bewegungen zustande. 4.3.8.1 Treponema pallidum Charakteristika. Mikroaerophile, spiralig gekrümmte Stäbchen. Vorkommen. Weltweite Verbreitung; besiedeln menschliche Schleimhäute und sind außerhalb nicht lebensfähig; Übertragung durch Geschlechtsverkehr.
Krankheiten. Fieber (Zeckenbiss-Fieber, Fleck-Fieber),
Exantheme, Gefäßschädigungen bis Herz-KreislaufVersagen, späte Rezidive (Brill-Zinser-Krankheit).
Diagnostik. Dunkelfeldmikroskopie; verschiedene An-
Therapie. Tetrazyklin; Chloramphenicol.
Vorkommen. Nutztiere (Paarhufer), die die Erreger in
Pathogenitätsfaktoren. Folgende Faktoren spielen eine Rolle: 4 Phosphodiesterase: In der äußeren Membran integriert neutralisiert sie Antikörper durch Bindung am Fc-Teil (IgG, IgA, IgD). 4 Einlagerung von MHC-I-Molekülen des Wirts in die Oberfläche des Erregers führt zu Störungen von Regulationsvorgängen zwischen Immunzellen.
Urin, Kot, Milch ausscheiden; Infizierung durch Einatmen erregerhaltigen Staub.
Krankheiten. Syphilis (Lues).
Diagnostik. PCR; Antikörpernachweis.
Therapie. Penicillin G.
Pathogenitätsfaktoren. LPS.
Stadien der Syphilis Die Lues oder Syphilis wird in mehrere Stadien eingeteilt: 4 Primäre Syphilis (Lues I): Klinische Zeichen des Primärstadiums der Syphilis sind: eine derbe Induration an der Eintrittspforte des Erregers, aus der im Verlauf ein schmerzloses Ulkus entsteht (Synonyme: Primäraffekt, Ulcus durum, harter Schanker), regionale Lymphadenopathie. Das Ulcus durum bildet mit den geschwollenen Lymphknoten den sog. Primärkomplex. 4 Sekundäre Syphilis (Lues II): Diese Phase der hämatogenen und lymphogenen Aussaat beginnt 4–10 Wochen nach der Infektion und kann durch eine vielfältige klinische Symptomatik gekennzeichnet sein. 4 Tertiäre Syphilis (Lues III): Bei unbehandelter und nicht spontan ausgeheilter Frühsyphilis können nach 6
Coxiella burnetti (zu Rickettsiaceae gehörend) Charakteristika. Aerobe, gramnegative kokkoide Stäb-
chen; Keimwachstum und Keimvermehrung nur in lebender Wirtszelle.
Krankheiten. Q-Fieber, atypische Pneumonien; Q-Fie-
ber-Endokarditis, grippeähnliche Erkrankungen mit akutem Beginn, hohen Fieber und zumeist starken Kopfschmerzen. Dazu kommen Myalgien und teilweise Lungeninfiltrate. Therapie. Doxyzyklin; Makrolide. ! Cave An einer Endokarditis erkranken meist Männer mit vorgeschädigten oder künstlichen Herzklappen betroffen, in 50% der Fälle ist die Aortenklappe betroffen.
tikörpertests.
259 4.3 · Spezielle Bakteriologie
einer bis zu mehreren Jahren dauernden Phase ohne klinische Symptomatik (Lues latens) folgende Erscheinungen auftreten: tuberöse Hautveränderungen, ulzerierende granulomatöse Veränderungen, sog. Gummen (dabei kann jedes Organ beteiligt sein), kardiovaskuläre Veränderungen (Mesaortitis luetica, Aneurysmen).
4.3.8.2 Borrelia recurrentis/burgdorferi Charakteristika. Mikroaerophile, gramnegative, spiralig gekrümmte Stäbchen. Vorkommen. Übertragung der Erreger durch »Stich« verschiedener Schildzecken (B. burgdorferi: in Europa durch die Gattung »Ixodes ricinus«) und Läuse (B. recurrentis). B. recurrentis ist in Europa heute kaum noch vorhanden; Vorkommen noch in Afrika, naher Osten, Indien und Mittelamerika. Diagnostik. Antikörpernachweis, ELISA.
4
Therapie. B. burgdorferi: Stadium 1: Tetrazyklin; Stadi-
um 2: Cephalosporin der 3. Generation. B. recurrentis: Tetrazyklin, Erythromycin, Doxycyclin. 4.3.8.3 Leptospira icterohaemorrhagica (Untergruppe von L. interogans) Charakteristika. Aerobe, gramnegative und spiralig gekrümmte Stäbchen. Vorkommen. Typische Zoonose; Erreger kommen weltweit bei Mensch und Tier vor; Ausschlaggebend sind Ausscheidungen des Erregers im Harn (und Kot) von infizierten Tieren. Nachweis. Dunkelfeldmikroskopie; Antikörpernachweis. Pathogenitätsfaktoren. Endotoxine, Zytotoxine, Ad-
häsine. Krankheiten. Leptospirose, Morbus Weil (Weil-Krank-
heit). Pathogenitätsfaktoren. Keine bekannt. Therapie. Erfolgreiche Therapie nur in der 1. Phase
möglich: Tetrazyklin, hochdosiertes Penicillin.
Krankheiten.
4 B. burgdorferi: Lyme-Krankheit mit 3 Stadien: Erythema migrans, Lymphadenosis cutis benigna und Mono- oder Oligoarthritis 4 B. recurrentis: Rückfallfieber, gekennzeichnet durch ein schweres Krankheitsbild mit hohem Fieber, starke Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Hepatosplenomegalie und leichtem Ikterus
Krankheiten der Leptospirosen Leptospirosen sind grippeähnliche Infektionen mit zweiphasigem Fieberverlauf: in der ersten, ca. 3- bis 8-tägigen Phase erfolgt die Septikämie mit Fieber, Myalgien, Neuralgien, Konjunktivitis etc. und anschließendem Temperaturabfall. Die zweite Phase beginnt mit einem Fieberrückfall und Organbeteiligungen wie Meningitis, Ikterus und Nephritis.
In Kürze Erreger, erregerspezifische Erkrankung und mögliche Therapie Bakterien
Häufig induzierte Erkrankungen
Mögliche Therapie
Grampositive Staphylokokken Staph. aureus
Staph. epidermidis
6
4 Invasive Infektionen: Furunkel, Karbunkel, Otitis, Sinusitis, Pneumonie, Sepsis etc. 4 Toxinbedingte Infektionen: Impetigo bullosa, Pemphigus neonatorum, Dematitis exfoliativa, TSSS, Lebensmittelvergiftung
4 Methicillinempfindlich: Penicillin G1, Penicillin V2, Cephalosporine der 1. und 2. Generation, Amoxicillin/Clavulansäure 4 Methicillinresistent: Flucloxacillin, Vancomycin, Teicoplanin
Infektionen an implantierten Fremdkörpern, Peritonitis, Endokarditis (vorgeschädigte Herzklappen)
Vancomycin in Kombination mit Rifampicin und/oder Aminoglykosid
260
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Staph. saprophyticus
Harnwegsinfektion, Honeymoon-Zystitis
Oralcephalosporine, Co-Trimoxazol
Grampositive Streptokokken S. pyogenes (Serotyp A)
Lokale Infektionen, Scharlach, Angina, Wund- und Hautinfekte, Myelitis, Meningitis, später: rheumatisches Fieber, Erythema nodosum
Penicillin G, V, Cephalosporin der 3. Generation, Makrolide
S. agalacticae (Serotyp B)
Perinatale Infektionen, Neugeborenensepsis, -meningitis, Wundinfekte, Harnwegsinfektion
Ampicillin, Penicillin G
S. viridans
Endocarditis lenta, Karies (S. mutans)
Endocarditis lenta: Penicillin + Aminoglykosid
S. faecalis
Endogene Harnwegsinfektion, Peritonitis, Endokarditis
Ampicillin, Amoxicillin, Penicillin G
S. pneumoniae (Pneumokokken)
Lobärpneumonie, Otitis, Sinusitis, Haubenmeningitis, Konjunktivitis, Sepsis
Penicillin, Cephalosporin der 3. Generation, Makrolide
4
Gramnegative Kokken – Neisserien Neisseria meningitis
Meningitis, Sepsis, Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom, Arthritis purulenta, Endokarditis
Cephalosporin der 3. Generation, Prophylaxe bei Kinder mit Rifampicin
Neisseria gonorrhoeae
Gonorrhö (Tripper), Zervizitis, Adnexitis, Urethritis, Prostatitis, Neugeborenenkonjunktivitis
Penicillin, Cephalosporin der 3. Generation, Credé-Prophylaxe bei Neugeborenen
Haemophilus influenzae
Pneumonie, Sinusitis, Otitis media, Laryngitis, Epiglottitis, Konjunktivitis, Meningitis
Ampicillin, Cephalosporin der 3. Generation
Pasteurella multocida
Infektion durch Biss- oder Kratzwunde, regionale Lymphadenitis, Osteomyelitis, Tendovaginitis, Meningitis, Peritonitis, Harnwegsinfektion, chronische Lungeninfektion
Penicillin G; prophylaktisch Augmentan nach Bisswunde
Bordetella pertussis
Keuchhusten, Lymphozytose
Makrolide, Chinolone
Brucella spp.
B. melitensis: Maltafieber B. abortus: Morbus Bang
Tetrazyklin, Co-Trimoxazol
Bacteroides
Peritonitiden, nekrotisierende Abszesse, Appendizitis, Lebrabszesse, Zahnwurzeleiterungen
Metronidazol; bei Zahnbehandlungen: Clindamycin
Gramnegative Stäbchen
6
261 4.3 · Spezielle Bakteriologie
Vibrio cholerae
Cholera, massive Diarrhö
Wasser- und Elektrolytsubstitution, zusätzlichTetrazykline, Chinolone
Legionella pneumophilae
Legionellose, Pneumonie, Pontiac-Fieber
Doxyzyklin, Makrolide; Chinolone +Rifampicin
Pseudomonas aeroginosa
Pneumonie, Infektion Resirationstrakt, Harnwegsinfektion, (Brand-)Wundinfektion, nosokomiale Infektionen
Ceftazidin, Carbapeneme; Tazobact Lokal: Aminoglykoside
Campylobacter jejuni
Enteritiden, Sepsis, (Guillain-BarréSyndrom?)
Makrolide, Doxyzyklin
Helicobacter pylori
Gastritis, Ulcus pepticum
Omeprazol + Metronidazol + Clarithromycin (französische Tripeltherapie)
Klebsiella pneumoniae
(Friedländer-)Pneumonie, Harnwegsinfektion, Infektionen pneumatisierter Räume des Gesichtschädels, Bakteriämie
Cephalosporin der 3. Generation; Imipenem
Enterobacter
Pulmonale Infektionen, Harnwegsinfektion, neonatale Meningitis, Wundinfektionen
Imipenem; Fluorchinolone (häufig resistent!)
Serratia
Nosokomiale Infektionen, Endokarditis, Harnwegsinfektion, Meningitis
Cephalosporin der 3. Generation, Ciprofloxazin; Imipenem
Proteus
Harnwegsinfektion, Abszesse, Sepsis, Meningitis
Amoxicillin/Clavulansäure; Fluorchinolöne
Yersinia pestis
Beulen- und Lungenpest, Pestpneumonie, Sepsis
Doxyzyklin, Co-Trimoxazol; Fluorchinolone; prophylaktisch Tetrazyklin
Yersinia enterocolica
Enteritis, Ileitis, Kolitis, Appendizitis, Sepsis
Chinolone; Co-Trimoxazol, Doxyzyklin
Shigella
Bakterielle Ruhr, schwere Infektionen
Co-Trimoxazol; Chinolone
Salmonella enteridis
Gastroenteritis, Diarrhö
Chinolone
Salmonella typhi
Typhus
Ciprofloxacin, Cephalosporine
EIEC (enteroinvasiv)3
Ruhr-ähnliche Dysenterie
Selbstlimitierend
ETEC (enterotoxisch)3
Cholera-ähnliche Durchfälle
Substitution (selbstlimitierend)
EPEC (enteropathogen)3
Säuglingsdiarrhö, Erbrechen
Substitution von Wasser und Elektrolyten
EHEC (enterohämolytisch)3
Hämolytisch-urämischem-Syndrom, hämorrhagische Kolitis, TPP
Substitution von Wasser und Elektrolyten
Enterobacteriaceae
6
4
262
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Grampositive sporenbildende Stäbchen Bacillus anthracis
Haut-, Lungen- und Darmmilzbrand
Alle Antibiotika, meist Penicillin G
Bacillus cereus
Lebensmittelvergiftung
Selbstlimitierend
Clostridium tetani
Tetanus
Stationäre Behandlung, Wundexzission, Immunserum zur antitoxischen Therapie, Muskelrelaxanzien
Clostridium botulinum
Botulismus, Lebensmittelvergiftung
Polyvalentes Antitoxin, Intensivtherapie
Clostridium difficile
Pseudomembranöse Kolitis, Diarrhö
Beendigung Antibiotikatherapie, Vancomycin in schweren Fällen
Clostridium perfringens
Gasbrand, eitrige Entzündungen, Enteritis, Lebensmittelvergiftung
Hyperbare O2-Therapie; Penicillin + Metronidazol/Clindamycin
4
Grampositive nicht-sporenbildende Stäbchen Corynebacterium diphtheriae
Rachendiphtherie; durch Streuung auch Myokarditis, Herzinsuffizienz, Leber- und Niernschäden, Lähmung im Bereich motorischer Hirnnerven; Hautdiphtherie
Antitoxintherapie mit Pferdeserum; Penicillin, Makrolide, zur Prophylaxe aktive Immunisierung mit Todimpfstoff (Toxoid), auch als Kombinationsimpfstoff mit Tetanus und Pertussis (DTP) oder Sechsfach
Listeria monoytogenes
Listeriose
Ampicillin, Gentamycin
Säurefeste Stäbchen – Mykobakterien M. tuberculosis
Lungen- und/oder Organtuberkulose
Isoniazid + Ethambutol + Rifampicin
M. leprae
Lepra, Morbus Hansen
Dapson + Rifampicin + Clofazimin
MOTT
Chronische Lungenerkrankungen, lokale Lymphadenitis, granulomatöse Entzündungen (v. a. bei AIDS)
Chemotherapie je nach Erregerspezies
Säurefeste verzweigte Stäbchen Nokardien
Pyogene Entzündungen, Monoinfektionen, Pneumonien
Co-Trimoxazol; Imipenem/Amicazin + Aminopenicillin
Actinomyces israelii
Zervikofaziale Aktinomykose, auch Lungenaktinomykose
Penicillin, chirurgische Intervention
Propionibacterium
Akne vulgaris, Bakteriämie, Fremdkörperinfektion
Penicillin; Co-Trimoxazol
Entzündung terminaler Bronchiolen, Segmentalatelektase
Tetrazyklin; Makrolide
Zellwandlose Bakterien Mycoplasma pneumoniae 6
263 4.4 · Einführung in die Parasitologie
Chlamydia trachomatis
Trachom (Serotyp A–C), Konjunktivitis (Serotyp D–K), Lymphgranuloma venerum (Serotyp L1–3)
Tetrazyklin; Makrolide; Chinolone
Chlamydia psittaki/ pneumoniae
Ornithose, atypische Pneumonie, Pharyngitis
Tetrazyklin
Rickettsia4
Zeckenbissfieber, Fleckfieber, Exantheme, Brill-Zinser-Krankheit
Tetrazyklin; Chloramphenicol
Coxiella burnetti4
Q-Fieber (-Endokarditis), atypische Pneumonien
Doxyzyklin; Makrolide
Treponema pallidum
Syphilis (Lues)
Penicillin G
Borrelia recurrentis
Rückfallfieber
Tetrazyklin, Erythromycin, Doxycyclin
Borrelia burgdorferi
Lyme-Krankheit
Stadium 1: Tetrazyklin Stadium 2: Cephalosporin der 3. Generation
Leptospira icterohaemorrhagica
Leptospirose
Tetrazyklin; hochdosiert Penicillin
4
Spirochäten
1 2 3 4
4.4
Penicillin G Penicillin V Bei Infektionen mit EHEC keine Antibiotika – sonst Verschlechterung des Zustands! Obligate Zellparasiten
Einführung in die Parasitologie
Parasiten sind Lebewesen, die in oder auf einem artfremden Wirt leben und von ihm Nahrung beziehen, wobei die stammesgeschichtlich »jungen« Parasiten häufig schädlicher sind. Unter dem Begriff »Parasiten« versteht man i. d. R. eukaryonte, ein- oder mehrzellige Infektionserreger – im Gegensatz zu den »abiotischen« Viren und den prokaryonten Bakterien. Parasitäre Infektionen gehören weltweit zu den häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt. Parasiten zeichnen sich durch eine enorm breite biologische Vielfalt aus: protozoale Parasiten, die in der Umwelt in Zystenform überleben. Mehrzellige Parasiten mit komplexen Lebenszyklen, die für ihre Entwicklung, Reifung und Differenzierung zu adulten Infektionserregern mehrere Wirtsorganismen erfordern. In nicht wenigen Situationen haben sich diese auf Wirtsorganismen angewiesenen Parasiten so gut an ihren »Wirt« angepasst, dass auch langdauernde Infektionen häufig relativ symptomarm verlaufen. Oft sind es
»Dead-end«-Situationen mit falschen Wirtsorganismen, bei denen schwere Krankheiten auftreten und in denen sich die Parasiten daher nicht weiterentwickeln können. Die geographische Verbreitung solcher auf Wirtswechsel angewiesenen parasitären Infektionserreger wird durch das Habitat der Wirtsorganismen bestimmt. Die folgenden Informationen geben einerseits eine Übersicht über die Vielfalt der Parasiten und andererseits einen Überblick über einige grundsätzliche Konzepte der medizinischen Parasitologie. Die Parasiten werden in drei Gruppen eingeteilt: 4 Parasitierende Einzeller – Protozoen 4 Parasitierende Würmer – Helminthen 4 Parasitierende Gliederfüßer – Arthropoden 4.4.1 Protozoen Bei den Protozoen handelt es sich um einzellige Eukaryonten von ca. 2–100 µm Größe. Sie sind fakultativ anaerob und chemoheterotroph. Ihre Nährstoffverwer-
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4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
tung erfolgt mittels Endozytose (Phago-, Pinozytose) über Verdauungsvakuolen (Phagolysosom) und Speichervakuolen sowie abschließender Exozytose nicht verwertbarer Substanzen. Protozoen zeichnen sich außerdem durch ihr hohes Vermehrungspotenzial und der Synthese einer Zystenwand aus, um ihr Überleben zu sichern. Protozoen werden in 4 Gruppen eingeteilt: 4 Rhizopoden (Amöben) 4 Flagellaten (Geißeltierchen) 4 Ciliaten (Wimpertierchen) 4 Sporozoen (Sporentierchen) 4.4.1.1 Rhizopoden Parasitäre Amöben können Verursacher von Darmund ZNS-Erkrankugen sein. Die Amöben oder Wechseltierchen sind weit verbreitete, ihre Gestalt laufend ändernde Einzeller ohne feste Körperform. Die wohl bekannteste Art ist Amoeba proteus. Es gibt Arten, die nur Bruchteile von Millimetern groß sind sowie Formen mit bis zu 5 cm Durchmesser. Diese gehören damit zu den größten Einzellern der Welt. Ihr Lebensraum findet sich in Gewässern, z. B. im Schlamm von Tümpeln, manche leben auch im Boden. Amöben sind meist durchsichtig und können ihre Form beständig verändern. Diese Lebensweise nennt man amöboid. Typisch für die Rhizopoda ist ihre Fähigkeit »Scheinfüßchen« oder »Pseudopodien« auszubilden, die sie u. a. zur Fortbewegung benutzen. Ebenso fangen sie ihre Beute, Bakterien und andere Einzeller, indem sie diese mit ihren Scheinfüßchen umfließen und dann in ihrem Körper innerhalb von Nahrungsvakuolen einschließen und verdauen.
Therapie. Bei bestehender Klinik Clont.
Naegleria fowleri (Amöben-Meningoenzephalitis) Vorkommen. Weltweite Verbreitung in vorwiegend er-
wärmten Süßwasser (Schwimmbecken, Vorratsbehälter etc.). Diagnostik. Histologischer Nachweis einer Hirngewebs-
probe. Krankheiten. Perakute bis akute Meningoenzephalitis, die unbehandelt binnen einer Woche zum Tode führt; vorwiegend Kinder und Jugendliche. Therapie. Schwierig, evtl. Amphomoronal (Antimyko-
tikum). 4.4.1.2 Flagellaten (Geißeltierchen) Flagellaten sind einzellige Lebewesen, die sich mit ihren Zellfortsätzen (Geißeln) fortbewegen. Sie können zwischen autotropher (Photosynthese) und heterotropher (organische Stoffe) Ernährungsweise wechseln. Parasitäre Flagellaten können Erreger verschiedenster Erkrankungen sein. Giardia lamblia (Enteritis) Vorkommen. Dünndarmparasit mit weltweiter Ver-
breitung; Übertragung von Zysten auf fäkal-oralem Weg. Diagnostik. Mikroskopischer Nachweis von Zysten oder Trophozoiten im Stuhl oder bei negativem Befund im Duodenalsekret. Pathogenese. Morphologisch sind vegetative Stadien
> Auch im menschlichen Körper gibt es amöboide Zellen, z. B. die Lymphozyten des Immunsystems.
(Trophozoit) und Zysten zu unterscheiden, wobei letztere für die Infektion verantwortlich sind (. Abb. 4.9).
Entamoeba histolytica (Amöbenruhr, Dysenterie) Vorkommen. Weltweit in kontaminierter Nahrung und Wasser (. Abb. 4.8).
Krankheiten. Entzündungen des Dünndarms und Resorptionsstörungen; Giardiose, Lambliasis. Therapie. Clont.
Diagnostik. Antigennachweis durch ELISA; Mikrosko-
pie (Zysten).
Trichomonas vaginalis (Urethritis, Vaginitis) Vorkommen. Besiedelung der Schleimhäute des Uroge-
Pathogenese. Orale Aufnahme der Zysten; Freisetzung und Vermehrung der Amöben im Darm; Freisetzung von Toxinen. Krankheiten. Amöbenruhr – hartnäckige, himbeerge-
leeartige Diarrhö; invasive extraintestinale Amöbiasis – hämatogene Streuung, Amöbenabszesse (Leber, Lunge, ZNS).
nitaltrakts, weltweite Verbreitung (. Abb. 4.10). Pathogenese. Vermehrung durch longitudinale Zwei-
teilung; Übertragung hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr, auch feuchte Badekleidung, Handtücher. Diagnostik. Nachweis aus Direktpräparat aus Vaginal-
sekret.
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4
. Abb. 4.8. Entamoeba histolytica (Fritz Schaudinn [1903]). Pathogenese. (Aus Miksits, Hahn 2003)
Krankheiten. Vaginitis, Urethritis, Entzündung der
Diagnostik. Erregernachweis im Blut oder Lymphkno-
Prostata
tenpunktat.
Therapie. Nur bei bestehender Klinik mit Clont.
Krankheiten.
Trypanosoma brucei/cruzi (Enzephalitis/Megacor, Megakolon) Vorkommen. T. brucei: in West- und Zentralafrika verbreitet; Übertragung durch Tse-Tse-Fliege; T. cruzi: in Zentral- und Südamerika verbreitet; Übertragung durch Raubwanzen. Pathogenese. Vermehrung durch longitudinale Zwei-
teilung.
4 T. brucei: Schlafkrankheit, Fieber, Splenomegalie, Meningoenzephalitis 4 T. cruzi: Chagas-Krankheit, Fieber, Lymphknotenschwellung, Hepatosplenomegalie, Myokarditis bis Megacor, Aneurysmen (Megakolon und Megaösophagus) Therapie. Mit Antiparasitika und Antiprotozoika: Suramin, Pentamidin, Nifurtimox, Benznidazol.
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Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
. Abb. 4.9. Giardia lamblia (Wilhelm D. Lambl [1859]: Pathogenese der Giardiasis (Lambliasis). (Aus Miksits, Hahn 2003)
4
. Abb. 4.10. Trichomonas vaginalis (Donné [1837]: Pathogenese der Trichomoniasis. (Aus Miksits, Hahn 2003)
Leishmania (Leishmaniose: Kala-Azar, Orientbeule) Vorkommen. Verbreitung in warmen Regionen von Afrika, Lateinamerika, Asien, Europa; Übertragung durch Stich der Sandmücke (Phlebotomus, Lutzomya).
Diagnostik. Mikroskopischer Nachweis des Erregers
Pathogenese. Nach Phagozytose von Makrophagen Einschluss in Phagolysosom: Zweiteilung und Vermehrung mit anschließender Infizierung anderer Zellen (. Abb. 4.11).
Krankheiten. Viszerale Leishmaniose: Kala-Azar; kutane Lesihmaniose: Orientbeule (Granulome); mukokutane Leishmaniose (Espundia).
aus einer Läsion oder auch dem Knochenmark (Giemsa-Färbung), zusätzlich sind Anzuchtverfahren sowie Antikörpernachweis möglich (nur bei viszeraler Leishmaniose).
267 4.4 · Einführung in die Parasitologie
4
. Abb. 4.11a,b. Leishmania. a Zyklus und Epidemiologie; b Pathogenese (William B. Leishman, Charles Donovan [1903]). (Aus Miksits, Hahn 2003)
a
b
Therapie. Antimonpräparate sowie chirurgische Inter-
Pathogenese. Fäkal-orale Übertragung der Zysten
vention.
durch kontaminiertes Wasser und Umweltverschmutzung mit Schweine-Fäzes.
4.4.1.3 Ziliaten Ein einziger Ziliate ist verantwortlich für blutigen Durchfall (Dysenterie). Balantidium coli (Balantidiose, Balantiden-Ruhr) Vorkommen. Einziger pathogener Ziliaten-Vertreter für den Menschen; Hauptwirt: Schweine, Affen, Ratten (Dickdarm).
Diagnostik. Erregernachweis per Mikroskop aus fri-
schen Stuhl (bewegliche Ziliaten). Krankheiten. Übelkeit, Erbrechen, blutige Stühle. Therapie. Clont.
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Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
> Balantidium coli misst 50–200 µm und ist damit das größte humanpathogene Protozoon.
4
4.4.1.4 Sporozoen (Sporentierchen) Sporozoen gehören zu eukaryonten Parasiten, die infektiöse Sporozysten/Oozysten produzieren und einen charakteristischen Generationswechsel durchlaufen. Bei den Sporozoen können ein oder mehrere Wirte auftreten, deren Infektion auf unterschiedliche Weise zustande kommen kann. Beispielsweise werden die Sporozysten oft mit dem Kot ausgeschieden und gelangen somit durch eine Schmutz- und Schmierinfektion in einen neuen Wirt. Viele Sporozoen bilden in Zwischenwirten auch Dauerstadien in einer Zystenhülle aus, die von einem fleischfressenden Wirt beim Verzehr von rohem Fleisch aufgenommen werden können. Beim Malaria-Erreger werden die Sporozoiten von Mücken mit dem Stich übertragen. Plasmodium falciparum, vivax, ovale (Malaria tropica/tertiana) Vorkommen. Vermehrungszyklus ist mit einem obligaten Wirtswechsel zwischen der Anopheles-Mücke (Vektor) und Mensch verbunden. Pathogenese. Nach Injektion der Sporozoiten durch den Stich der Anopheles erfolgt die Schizogonie (Vermehrung) in der Leber zu Merozoiten. Anschließend kommt es zum Befall der Erythrozyten (als Trophozoiten: Siegelringform) und Beginn der 2. Schizogonie (s. unten) mit darauf folgender periodischer Freisetzung weiterer Merozoiten durch Lyse: Differenzierung der Merozoiten in männliche und weibliche Gametozyten und Aufnahme durch erneuten Stich der Anopheles. Die Zygote entsteht im Magen der Anopheles (. Abb. 4.12).
Diagnostik. Während der Fieberphase sollte der Erre-
ger direkt im Blut mittels Blutausstrich und »dickem Tropfen« nachgewiesen werden. Krankheiten. P. falciparum: Malaria tropica (bösartige Malaria); P. vivax/ovale: Malaria tertiana. Therapie. Chloroquin; Chinin (Antiprotozoika). > Die Mücke ist Endwirt – der Mensch ist Zwischenwirt. Krankheitsverläufe der Malaria Uncharakteristische Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie allgemeines Krankheitsgefühl sind der Beginn der Malaria. Fehlinterpretationen solcher Anzeichen als grippaler Infekt oder Magen-Darm-Infektion sind häufig. Die Vorgänge bei der Schizogonie, der vegetativen Vermehrung von Plasmodium, bestimmen das klinische Bild der Malaria. Der Grad der Immunität des Infizierten bestimmt die Intensität der Manifestation einer Plasmodieninfektion. Die Mehrfachinfektion bewirkt eine zeitlich begrenzte SemiImmunität, die eine schwere Erkrankung verhindert. Somit sind Nichtimmune am stärksten gefährdet, v. a. Kleinkinder und ältere Menschen. 4 Malaria tropica ist die gefährlichste Malaria-Art. Bei Nichtimmunen ist sie unbehandelt mit einer Letalität bis zu 20% verbunden und das klinische Krankheitsbild kann vielgestaltig sein. Abgeschlagenheit, Kopfund Gliederschmerzen sowie unregelmäßige fieberhafte Temperaturen sind häufige erste Anzeichen. Da es nur selten zum Auftreten eines rhythmischen Wechselfiebers kommt ist der Fiebertyp kein diagnostisches Kriterium. Etwa 60% der Patienten entwickeln eine Thrombopenie. Außerdem kann es zu einer Spleno6
. Abb. 4.12. Plasmodien (Charles Louis Laveran 1880): Pathogenese der Malaria. (Aus Miksits, Hahn 2003)
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megalie, einer Hepatomegalie und zu Durchfall kommen. Zentralnervöse Erscheinungen wie Krampfanfälle und Bewusstseinstrübungen bis zum Koma ist oftmals Zeichen einer zerebralen Malaria. Zu weiteren Komplikationen zählen akutes Nierenversagen, pulmonale Verlaufsformen, Kreislaufkollaps, hämolytische Anämie und disseminierte intravasale Koagulopathien. 4 Malaria tertiana wird durch P. vivax bzw. P. ovale hervorgerufen. Sie beginnt plötzlich mit ebenfalls uncharakteristischen Beschwerden und Fieber. Oft erfolgt binnen weniger Tage eine Rhythmisierung der Fieberanfälle mit einer typischen Periodik von 48 h. Dabei kommt es in den späten Nachmittagsstunden zum Schüttelfrost, wobei das Fieber schnell auf Werte um 40°C ansteigt. Nach einer zumeist 3- bis 4-stündigen Fieberdauer fällt die Temperatur schnell und unter starken Schweißausbrüchen auf Normalwerte ab. 4 Malaria quartana wird durch P. malariae hervorgerufen. Sie ist seltener als die anderen Malaria-Arten und das klinische Bild zeigt Fieber im 72-h-Rhythmus. Dabei können Rückfälle bis zu 40 Jahre nach der Erstinfektion auftreten.
Toxoplasma gondi (Toxoplasmose) Vorkommen. Infizierte Haustiere (Katzenkot) und rohes/schlecht gekochtes Fleisch als Übertragungsmöglichkeiten. Pathogenese. Nach oraler Aufnahme der Oozysten
(aus Katzenkot) oder Zysten (aus kontaminiertem Fleisch) gelangen diese über den Darm ins Blut und können über die Lymphe alle Organe befallen und lebenslang in Lymphknoten (in Gehirn, Muskulatur und Retina) persistieren.
4
Kryptosporidien (chronische Diarrhö) Vorkommen. Fäkal-orale Übertragung über Nahrung/ Trinkwasser; weltweite Verbreitung. Pathogenese. Nach oraler Aufnahme erfolgt die Endo-
zytose in Enterozyten und nachfolgender Vermehrung mit Epithelschäden als Folge. Diagnostik. Mikroskopische Untersuchung von Stuhlproben führt zum Erregernachweis. Krankheiten. Meist selbstlimitierende Diarrhöen, bei
Immunsupprimierten (AIDS) chronische Diarrhö, Cholezystitis. Therapie. Bactrim, symptomatische Behandlung.
4.4.2 Helminthen (parasitäre Würmer) Helminthen können unter 1 mm bis über 1 m lang sein! Ihre Körperwand ist von einer azellulären Kutikula umgeben. Viele Arten besitzen an der Vorderseite häufig Haft- bzw. Fresswerkzeuge wie Saugnäpfe, Haken, Zähne oder Reibplatten. Zu den inneren Organen zählen Nervensystem, Sekretions- und Reproduktionssysteme. Helminthen besitzen aber kein Blutzirkulationssystem. Der Verdauungstrakt besteht entweder aus einem tubulären System (Mund bis After), wie etwa bei den Rundwürmern (Nematoden), oder aus einem verzweigten, blind endendem System wie bei den Saugwürmern (Trematoden). Bandwürmer (Zestoden) besitzen überhaupt keinen Verdauungstrakt. Die Nahrungsaufnahme der Helminthen erfolgt über Ingestion (orale Aufnahme) oder durch Absorption (Oberflächenaufnahme).
Diagnostik. Der Erregernachweis ist selten möglich,
daher steht der Antikörpernachweis im Vordergrund. Krankheiten. Verschiedenen Erscheinungsformen
durch unterschiedlichen Organbefall, jedoch meist klinisch latent. Seltene schwere Fälle äußern sich in Pneumonie, Endokarditis, Myokarditis, Nephritis etc. Therapie. Spiramycin, Josamycin (Makrolide).n ! Cave Mit Toxoplasmen kann sich der Fetus einer erstmals infizierten Schwangeren anstecken (transplazentare Übertragung). Folgen sind Abort, Hydrozephalus, intrazerebrale Verkalkungen oder Chorioretinitis.
4.4.2.1 Nematoden Als Nematoden bezeichnet man sog. Rundwürmer, Hakenwürmer oder auch Fadenwürmer. Sie besitzen eine spindelförmige, zylindrische Form. Ihr durchgängiger, tubulärer Verdauungstrakt wird von einer azellulären Kutikula umgeben, die aus einer kortikalen, medialen und basalen Schicht besteht. Ein Kreislauf- und Atmungssystem ist bei Nematoden nicht vorhanden. Es gibt 2 Geschlechter, wobei das Weibchen größer als das Männchen ist. Ascaris lumbricoides (Spulwurm-Askariose) Vorkommen. Weltweite Verbreitung; Hauptwirte sind Hund und Mensch.
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Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
. Abb. 4.13. Ascaris lumbricoides: Pathogenese der Askariasis (Spulwurmerkrankung). (Aus Miksits, Hahn 2003)
4
Pathogenese. Durch kontaminierte Nahrung (z. B. Fliegen, verunreinigte Lebensmittel, schlechte Händehygiene) gelangen die larvenhaltigen Eier in den Dünndarm des Wirts (. Abb. 4.13). Die Larven durchbohren die Darmwand und gelangen über den Blutweg durch die Leber in die Lunge. Anschließend gelangt der Erreger durch Verschlucken (trachealer Wanderweg) sowie nach Eindringen über Trachea und Pharynx wieder in den Darm.
Krankheiten. Flüchtige Pneumonien (mit Lungeninfil-
traten: Löffler-Syndrom), je nach Ausprägung des Befalls. Zudem Abgeschlagenheit, Müdigkeit und gastrointestinale Störungen. Therapie. Pyrantel, Mebendazol.
Ancylostoma (Hakenwurm-Ankylostomiasis) Vorkommen. Überwiegend in den Tropen und Subtro-
Diagnostik. Nachweis der Eier im Stuhl.
pen, besonders in Nordafrika.
271 4.4 · Einführung in die Parasitologie
4
. Abb. 4.14. Filarien: Pathogenese der Filariosen. (Aus Miksits, Hahn 2003)
Pathogenese. Zumeist dringen die Larven durch die
Haut insbesondere beim Barfußgehen und gelangen anschließend über die Blutwege als blutsaugende Parasiten (zunächst über die Alveolen und den Rachen?) in das Jejunum, wobei sich der Erreger an die Schleimhaut festhakt. Es folgen Ansiedlung und Entwicklung des Parasiten. Diagnostik. Nachweis der Eier im Stuhl; Eosinophilie
beim Patienten. Krankheiten. Respiratorische Beschwerden, Pruritus und Anämie: ein Wurm dieser Art trinkt etwa 0,1 ml Blut pro Tag!
oder ins subkutane/peritoneale Bindegewebe des Menschen (. Abb. 4.14). Diagnostik. Nachweis der Mikrofiliaren im Blut; Blut-
ausstrich in Giemsa-Färbung. Krankheiten. Wucheria bancrofti ruft eine lymphati-
sche Filariose hervor, eine Infektion des Lymphgefäßsystems und des Bindegewebes. Das klinische Erscheinungsbild der Filariose beinhaltet eine massive Granulombildung, Elephantiasis sowie die Onchozerka oder auch Onchozerkose, eine Blutfilariose mit Befall des vorderen und/oder hinteren Augenabschnittes, welcher bis zur Erblindung führen kann (Flussblindheit).
Therapie. Pyrantel, Mebendazol.
Filiaria bancrofti (Fadenwürmer – Wucheria bancrofti) Vorkommen. Vor allem in den Tropen und Subtropen; Stechinsekten dienen als Zwischenwirte. Pathogenese. Die Larven dringen nach dem Stich der
Mücken (Anopheles, Culex u. a.) über den Stichkanal in die Haut ein und von dort weiter in das Lymphsystem
Therapie. Die früher durchgeführte Nodulektomie ist mittlerweile überwiegend durch Chemotherapie mittels Ivermectin und Diethylcarbamazin abgelöst worden.
Enterobius vermicularis Vorkommen. Weltweite Verbreitung. Kinder zwischen 5 und 10 Jahren und Erwachsene zwischen 30 und 50 Jahren sind am häufigsten von diesem Erreger befallen.
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Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Pathogenese. Durch Autoinfektion (Schmierinfektion)
nehmen die Betroffenen die Wurmeier oral auf; die auf der Darmoberfläche lebenden Madenwürmer dringen nach einer Inkubationszeit von ca. 5 Wochen in die Wand des Dickdarms (auch Uterus, Vagina, Bauchhöhle) ein. Das führt zu Entzündungszeichen sowie begleitendem Juckreiz in der Analregion.
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Schistosoma (Pärchenegel – Schistosomose/Bilharziose) Vorkommen. Tropische und subtropische Gebiete. Süßwasserschnecken dienen als Zwischenwirte.
Klinik. Besonders nächtlicher Juckreiz, Analekzem und
Pathogenese. Wichtigstes Erregerreservoir ist der Mensch, wobei die Infektion in endemischen Gebieten der Tropen durch (auch nur einmaligen) Wasserkontakt erfolgen kann. Durch perkutane Penetration gelangen die Larven, oder Zerkarien, hämatogen in die Organe des kleinen Beckens und in die Venenplexus des Mesenteriums.
Proktitis (Vulvitis); Appendicitis oxyurica kommt eher selten vor.
Diagnostik. Nachweis von Eiern im Stuhl/Harn.
Diagnostik. Durch Abklatsch mittels Klebeband an der
Analregion erfolgt der Nachweis der Wurmeier.
Therapie. Mebendazol, Albendazol, Pyrantel.
4.4.2.2 Trematoden Trematoden sind Saugwürmer, d. h. sie besitzen einen perioralen und ventralen Saugnapf. Sie sind gleichgeschlechtlich, also hermaphroditisch (Ausnahme: Schistosoma), besitzen eine abgeflachte, blattförmige Form und ihr stark verzweigter Verdauungstrakt endet blind. Fasciola hepatica ([Riesen-]Leberegel – Fasziolose) Vorkommen. Weltweite Verbreitung auf allen Kontinenten, bei Tieren (Schafen, Rinder) als natürliche Gallengangs-Parasiten bekannt. Schnecken dienen als Zwischenwirte. Pathogenese. Der Mensch ist eher zufälliger Wirt
durch Genuss von Pflanzen, z. B. Wasserkresse, oder auch Fisch, an denen die Larven (Zerkarien) anhaften. Auch perkutanes Endringen und nachfolgende Verbreitung über die Blutbahn ist möglich: Nach dem Schlüpfen der Leberegel im Dünndarm durchbohren sie die Darmwand und gelangen peritoneal in die Leber. Die Geschlechtsreife erfolgt nach Migration im Leberparenchym in den Gallenwegen. Diagnostik. Antikörpernachweis sowie Eiernachweis
im Stuhl/Urin. Krankheiten. Fasziolose: epigastrische Beschwerden, Diarrhö, Gallengangsverschluss, Fieber, Hepatomegalie und Eosinophilie. Therapie. Triclabendazol (nicht immer befriedigende
Wirkung); Hygienemaßnahmen treffen.
Krankheiten. Bilharziose (»swimmer’s itch«): Urtikaria und Hepatosplenomegalie, sowie Fieber und Eosinophilie als erste allergische Erscheinungen (Katayama-Syndrom). Später, nach typischem symptomfreiem Intervall treten Diarrhöen, Hämaturie, Abdominalschmerzen und Entzündungen des Urogenitaltraktes auf. Therapie. Praziquentel.
4.4.2.3 Zestoden Zu den Charakteristika der Zestoden gehört ihr flacher, bandartiger Organismus mit einem als Scolex bezeichneten Kopf. Dieser besitzt Saugnäpfe und/oder kleinere Haken. Weiterhin besitzen diese parasitären Würmer 2–6 sog. Proglottiden, Segmente, die als Reproduktionseinheiten anzusehen sind. Ein Verdauungstrakt fehlt ihnen und sie leben hermaphroditisch. Ihre Größe liegt zwischen 3–4 mm (Echinococcus granulosus) und 3–4 m (Taenia solum). Echinococcen (Bandwürmer – Echinokokkose) Medizinisch bedeutsam sind v. a. Echinococcus granulosus (Hundebandwurm) und Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm). Echinococcus granulosus Vorkommen. Weltweite Verbreitung. Die Bandwürmer parasitieren im Dünndarm von Hunden, Schakalen und Dingos, wo sie ihre Eier ablegen, die dann an die Außenwelt abgegeben werden. Pathogenese. Die pathogenen Finnen (Larvalstadium)
entwickeln sich nach peroraler Aufnahme in den Zwischenwirten, zu denen manchmal auch der Mensch gehört. Die verschluckten Eier gelangen hämatogen in die Leber, wo die Einkapselung als Zyste (Hydatidenzyste) stattfindet.
273 4.4 · Einführung in die Parasitologie
Diagnostik. Serologischer Antikörpernachweis; Nachweis der Zysten durch bildgebende Verfahren. Krankheiten. Zystische Echinokokkose: Urtikaria, Oberbauchschmerzen und Ikterus sind typische Krankheitszeichen. In der Leber kann der solitäre Zystentumor bis auf Kindskopfgröße heranwuchern. Bei plötzlicher Zystenruptur besteht die Gefahr der Anaphylaxie.
4
meist milden gastrointestinalen Symptomen mit nachfolgender Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Bei Autoinokulation durch adulte Finnen können – nach u. U. jahrelanger Latenz – ZNS-Symptome auftreten. Therapie. Yomesan, Praziquantel.
Taenia saginata Vorkommen. Weltweite Verbreitung. Insbesondere in
Therapie. Albendazol; chirurgische Entfernung der
Gebieten mit unhygienischem Rindfleischverzehr.
Zyste.
Echinococcus multilocularis Vorkommen. Endwirte sind hauptsächlich Füchse. Weite Verbreitung in der nördlichen Hemisphäre.
Pathogenese. Durch Aufnahme von finnenhaltigem (halb-) rohem Rindfleisch erfolgt die Infektion beim Menschen: Nach Abgabe der Eier durch Fäzes in die Außenwelt gelangen diese über Abwässer oder direkt auf die Weideflächen und Futtermittel der Rinder. Im Dünndarm der Rinder schlüpfen Onkosphären aus und wachsen zu infektionstüchtigen Finnen heran.
Pathogenese. Wie E. granulosus.
Diagnostik/Krankheiten. Wie T. solium.
Diagnostik. Wie E. granulosus.
Therapie. Niclosamid.
! Cave Bei Entfernung ist die Ruptur der Zyste möglich.
Krankheiten. Alveoläre Echinokokkose: durch infiltra-
tive, schwammartige Ausbreitung ohne Kapselbildung können verschiedene Organe betroffen sein, meist Lunge oder Milz. Therapie. Mebendazol, Albendazol.
4.4.2.4 Taenia Medizinisch bedeutsam sind Taenia solium (Schweinefinnenbandwurm) und Taenia saginata (Rinderfinnenbandwurm). Taenia solium Vorkommen. Überwiegend in ländlichen Gebieten der meisten Entwicklungsländer, vereinzelt auch in Europa und den USA. Entwicklung der Finnen im Schwein als Zwischenwirt. Pathogenese. Der Mensch kann sich durch perorale Aufnahme der Eier aus dem Fäzes der Träger (Hygiene!) oder aber auch über finnenhaltiges Fleisch infizieren. Die Finnen siedeln sich dann in den verschiedenen Organen des Menschen an. Diagnostik. Serologischer Nachweis von IgG und bildgebende Verfahren. Krankheiten. Zystizerkose: Entzündungsreaktionen (im
Verlauf mit verkalkten Herden in den entsprechenden Organen wie Leber, Gehirn, Muskeln, Auge) führen zu
4.4.3 Arthropoden
(parasitierende Gliederfüßer) Die artenreichste und formenvielfältigste Tiergruppe stellen wohl die Arthropoden dar. Es sind zumeist wechselwarme Bewohner v. a. der Feucht- und Warmgebiete. Der Stamm der Arthropoda umfasst 5 Klassen: 4 Spinnentiere (Arachnea) 4 Krebstiere (Crustacea) 4 Hundertfüßer (Chilopoda) 4 Tausenfüßer (Diplopoda) 4 Insekten (Insecta) Für den Menschen wichtige Parasiten finden sich in den Klassen der Spinnentiere (Milben und Zecken) und in Ordnungen der Insekten (Läuse, Flöhe, Mücken, Fliegen, Wanzen). 4.4.3.1 Arachnea (Spinnentiere) Sarcoptes scabiei (Grabmilbe – Skabies/Krätze) Vorkommen. Weltweite Verbreitung. S. scabiei gehört zu den parasitären Milbenarten der Wirbeltiere. Sie befallen die äußeren Hautschichten und graben Gänge in die Hornschicht, in der die Eier abgelegt werden. Nach 3–6 Tagen schlüpfen die Larven aus. Pathogenese. Übertragung von Tier zu Mensch oder von Mensch zu Mensch (Geschlechtsverkehr, Benutzen gemeinsamer Schlafstätten).
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Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Diagnostik. Mikroskopische Untersuchung einer Hautschuppe zeigen die Milbe, Eier oder Larve.
Pathogenese. Die Übertragung entsteht durch kontami-
nierte Kleidung oder direkten Körperkontakt. Der Einstich der blutsaugenden Laus führt zu starkem Juckreiz.
Krankheiten. Skabies/Krätze: Epizoonose mit typischen
4
Hautveränderungen besonders an Brustwarzenhof, der Achselfalten, Nabel, Ellenbogen, Handgelenken und Zwischenfingerräumen. Fadenförmige und unregelmäßig gewundene, bis zu 10 mm lange Milbengänge rufen Primäreffloreszenzen hervor, an deren aufgetriebenen Enden das Milbenweibchen sitzt. Starker nächtlicher Juckreiz besonders durch Bettwärme. Das oft juckende und knotige oder krustige Exanthem kann in eine sekundäre bakterielle Infektion übergehen. Therapie. Lindan, Ivermectin; lokale Glukokortikoide bei ekzematöser Hautveränderung. > Freilebende Milbenarten wie etwa Hausstaubmilben, Vorratsmilben und Bäckermilben sind oftmals verantwortlich als Auslöser von Allergien. Zecken Ebenfalls zur Klasse Arachnea und der Ordnung der Milben (Acari) gehören die Zecken. Sie werden als hämatophage Ektoparasiten bezeichnet und dienen als Vektor für die unterschiedlichsten Krankheitserreger, beispielsweise für Viren, Bakterien und Protozoen. Dabei werden die Erreger durch Biss, seltener durch Zeckenkot oder Drüsensekrete von Wirbeltier zu Wirbeltier, aber auch auf den Menschen übertragen. Medizinisch relevante Erkrankungsbeispiele sind das Fleckfieber (Rickettsien), die Lyme-Borreliose (Borrelia burgdorferi) und die Früh-Sommer-Meningo-Enzephalitis (FSME-Virus). Angesprochene Krankheiten werden bei den entsprechenden Erregern beschrieben.
4.4.3.2 Insecta (Insekten) Pediculus (Läuse) Die flügellosen, längsovalen Insekten werden je nach Art ca. 1,3–4,5 mm lang. Zu ihren stechend-saugenden Mundwerkzeugen besitzen sie starke Klammerfüße, mit denen sie sich an Kopf- und Barthaar sowie an Kleidungsfasern festhalten. Die täglich von den Weibchen produzierten Eier (Nissen) werden an der Haarbasis abgelegt, aus denen sich nach 17 Tagen (Pediculus humani capitis) bzw. 3–4 Wochen (Pediculus humani corporis, Phtirus pubis) die adulten Erreger entwickeln.
Diagnostik. Nachweis durch Sicht mit bloßem Auge oder der Lupe. Krankheiten. Pedikulose: starker Juckreiz mit auffällig
roten Einstichstellen. Therapie. Lindan, Pyrethrum; Mitbehandlung der Familie sowie Entlausung der Kleidung, Matratzen etc.
Pediculus humani corporis (Kleiderlaus-Pedikulose) Vorkommen. weltweite Verbreitung, in Mitteleuropa aber eher selten. Nissen werden an Kleiderfasern abgelegt. Pathogenese. Erreger kommen nur zum Blutsaugen an
den Wirt: daher sind besonders im Bereich der Unterwäsche Hautreaktionen auf Stiche zu beobachten. Diagnostik. Nachweis durch Sicht mit der Lupe. Unter-
scheidung zu P. capitis ist schwierig. Krankheiten. Passiv übertragene Infektionen des Rückfallfiebers (Rickettsia prowazekii, Borrelia recurrentis) und Bartonellosen (Bartonella). Therapie. Lindan, Pyrethrum.
Phthirus pubis (Filzlaus-Pedikulose) Vorkommen. Weltweite Verbreitung, häufig in Mitteleuropa. Pathogenese. Übertragung durch Körperkontakt. In-
fektionen v. a. an behaarten Partien des Perianalbereichs, seltener an Augenbrauen- und Wimpern sowie Barthaaren. Diagnostik. Nachweis der Läuse und Nissen mittels Lupe und genauer Anamnese. Krankheiten. In den befallenen Körperregionen starker Juckreiz und Kratzeffekte mit typischen schiefergrauen Flecken (Maculae coeruleae) (Phthiriasis). Therapie. Lindan, Kontaktpersonen mitbehandeln!
Pediculus humani capitis (Kopflaus-Pedikulose) Vorkommen. Weltweite Verbreitung mit epidemieartigen Auftreten in Kindergärten, Schulen, Kasernen u. ä. Einrichtungen.
Siphonapterida (Flöhe) Weltweit werde ca. 2000–2500 Floharten beschrieben, von denen in Mitteleuropa etwa 100 vorkommen. Arten
275 4.4 · Einführung in die Parasitologie
der Familie Pulicidae und Ceratophyllidae stellen dabei die medizinisch wichtigsten Vertreter dar. Da allen Floharten eine geringe Wirtsspezifität gemein ist, können sowohl Tiere als auch der Mensch befallen werden. Der Befall des Menschen ist von Floharten zu beobachten, die bevorzugt an Tieren parasitieren (Katzen-, Hunde-, Vogel- und Igelfloh), sodass der als Menschenfloh bekannte Pulex irritans eher selten anzutreffen ist. Die medizinisch bedeutsamsten Arten für den Menschen sind: 4 Pulex irritans – Menschenfloh 4 Ctenocephalides canis/felis – Hunde/Katzenfloh 4 Xenopsylla cheopsis – orientalischer Rattenfloh 4 Nosopsyllus fasciatus – europäischer Rattenfloh 4 Tunga penetrans – Sandfloh Flöhe gelten als periodische Ektoparasiten. Ihre Larven und Puppen leben im Nestbereich in der Umgebung ihrer Wirte, während die Adulten sich am Wirt direkt aufhalten. Wie die Zecken dienen die Flöhe als Vektoren für verschiedene Erreger, etwa Bakterien, Viren, Protozoen und Rickettsien. Als bekanntes Beispiel seien Flöhe der Gattung Xenopsylla erwähnt, die überwiegend Nagetiere wie Ratten befallen und als Überträger des Pesterregers Yersinia pestis fungieren.
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welt verbunden bleibt. Während weiterer 14 Tage legen sie ihre Eier ab und sterben danach. Typische Infektion durch Sandflöhe ist die Tungose: durch die beim Reifen der Eier in der Haut befindlichen Parasiten entstehen juckende, entzündliche Knoten, die zu Phlegmone und Nekrosen führen können, Sekundärinfektionen sind nicht selten. Sie begünstigen Gasbrand und Tetanus. Nach der Diagnostik der charakteristischen Hautveränderungen besteht die Therapie der Tungose in der chirurgischen Entfernung des Flohweibchens unter Lokalanästhesie.
4.4.3.3 Cimicidea (Wanzen) Wanzen gehören zu den Parasiten des Menschen und fungieren z. T. auch als Vektoren für verschiedene Erreger. Zumeist erfolgen Stiche an unbedeckten Körperstellen schlafender Menschen. Cimex lectularis (Bettwanze) Vorkommen. Die ca. 3–4 mm lange Arthropode kommt in Europa vor. Pathogenese. Die Bettwanze besitzt ventral einen lan-
gen Stechrüssel, mit dem sie durch Blutsaugen beim Menschen urtikarielle papulöse Stichreaktionen verursachen kann.
Krankheiten. Flohstiche führen zu typischen Hautreak-
Diagnostik. Die Diagnose erfolgt anhand der Hautver-
tionen: nach etwa 10–30 min erfolgt die Frühreaktion mit Bildung einer Quaddel oder eines Erythems, verbunden mit häufig starkem Juckreiz. Die Spätreaktion tritt nach etwa 12–24 h mit manchmal eitriger Pustelbildung ein, wobei das Erythem handtellergroße Ausmaße annehmen kann.
änderungen; die Wanzen lassen sich in der Umgebung nachweisen.
Therapie. Gezielte Therapie durch genaue Identifikation der Flöhe; lokale Wundversorgung. Flöhe und Tungose Flöhe sind blutsaugende Arthropoden und erlangen eine Größe von 1–7 mm. Ihre Hinterbeine der insgesamt 3 Beinpaare sind als Sprungbeine besonders kräftig ausgebildet. Die Entwicklungsdauer über die Stadien von Ei – Larve – Puppe – Imago beträgt 4 Wochen. Eine Sonderstellung nehmen die Sandflöhe, Tunga penetrans ein. Sie sind Blutsauger bei Menschen und Schweinen: durch einen Sprung aus dem zu ihrem überwiegenden Habitat gehörenden sandigen Boden versuchen sie in die Haut des Wirtes einzudringen. Prädisponierende Körperstellen für Läsionen sind dabei die Füße und Interdigiti. Bei erfolgreicher Penetration durch die Haut schwellen sie innerhalb der nächsten 7–14 Tage auf ein vielfaches ihrer ursprünglichen Größe an, wobei ihr Hinterleib mit der Außen6
Therapie. Symptomatisch.
Triatoma und Rhodnius (Wanzen der Familie Reduviidae) Vorkommen. Überträger des Erregers der Trypanosomose (Chagas-Krankheit); der Erreger Trypanosoma cruzi kommt häufig in Südamerika vor. Pathogenese. Die Erreger treten als Zell- und Blutpa-
rasiten auf und befallen insbesondere Zellen des Monozyten-Makrophagensystems, Herz- und Muskelzellen sowie Gliazellen. Klinik. An der Infektionsstelle entsteht eine ödematöse Primärinfektion, gefolgt von Lymphknotenschwellung und Fieber. Eine chronische Kardiomyopathie und Herzdilatation sowie Enzephalitiden können zum Tode führen. Diagnostik. Diagnostik erfolgt durch Parasitennachweis im Blut oder evtl. Muskelbiopsie. Therapie. Gabe von Nitrofuran-Derivaten.
276
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
In Kürze Parasiten Parasit
Beispiele
Krankheiten
Therapie
Rhizopoden (Amöben)
Entamoeba histolytica
Amöbenruhr
Clont
Flagellaten (Geißeltierchen)
Giardia lamblia
Entzündungen des Dünndarms und Resorptionsstörungen; Giardiose, Lambliasis
Clont
Trichomonas vaginalis
Vaginitis, Urethritis, Entzündung der Prostata
Clont
Balantidium coli
Balantiden-Ruhr
Clont
Sporozoen (Sporentierchen)
Plasmodium falciparum Toxoplasma gondi
Malaria tropica Toxoplasmose
Chloroquin Makrolide
Nematoden
Ascaris lumbricoides
Pneumonie mit Lungeninfiltrat
Mebendazol
Trematoden (Saugwürmer)
Schistosomen
Schistosomose/Bilharziose
Praziquentel
Zestoden (Bandwürmer)
Echinococcus granulosus/ multilocularis
Echinokokkose
Albendazol
Spinnentiere (Arachnea)
Scabies (Grabmilbe)
Krätze
Lindan, Ivermectin
Läuse (Pediculus)
Pediculus humani capitis
Pedikulose
Lindan, Pyrethrum
Flöhe (Siphonapterida)
Tunga penetrans
Tungose
Chirurgische Entfernung
Wanzen (Cimicidea)
Cimex lectularis
Papulöse Urtikaria
Symptomatisch
Protozoen
4
Ziliaten (Wimpertierchen) Helminthen
Arthropoden
277 4.5 · Pilze (Fungi, Mycetes)
4.5
Pilze (Fungi, Mycetes)
Mykosen sind Infektionserkrankungen durch humanpathogene Pilze. Sie können nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden. Beispielsweise nach ihrer Entstehungsursache, ihrer Symptomatik oder nach der Lokalisation der Erkrankung. Für die Belange in Klinik und Praxis der Pilzdiagnostik wird jedoch ein einfaches System gefordert um eine adäquate und gezielte Therapie notwendiger Befunde zu gewährleisten. Daher wird im Folgenden bei der Einteilung auf das bewährte DHS-System zurückgegriffen, das die genannten Bedingungen weitestgehend erfüllt. Demnach werden die häufiger vorkommenden pathogenen Pilze in folgende Gruppen eingeteilt (. Abb. 4.15): 4 Dermatophyten (D) 4 Hefen (H) 4 Schimmelpilze und Sonstige (S) > Die Bedeutung der Infektionen durch humanpathogene Pilze hat insbesondere bei abwehrgeschwächten, immunsupprimierten Patienten einen sehr hohen Stellenwert.
Diese Pilze nehmen ihren Ausgangspunkt in der Umwelt, wo sie als Saprophyten vorkommen oder als Kommensalen die Schleimhäute besiedeln. Die erregerspezifischen Faktoren im Immunsystem des Wirts bestimmen dabei die Pathogenese der Pilze, wobei die Bedeutung dieser Faktoren bei Pilzinfektionen noch weitestgehend unklar ist. So ist bei Patienten mit hämatologischen Systemerkrankungen der Anteil invasiver Pilzinfektionen hinsichtlich Morbidität und Mortalität innerhalb der letzten Jahre deutlich angestiegen. Der zunehmende Einsatz hochintensiver Chemotherapie-Regimes und allogener Knochenmarktransplantationen ist dabei sicherlich von ausschlaggebender Bedeutung. Ebenfalls sehr bedeutsam sind nosokomiale Pilzinfektionen auf Intensivstationen. Insbesondere Hefepilze wie Candida albicans sowie Fadenpilze vertreten durch die Aspergillus-Arten stehen hier an erster Stelle. Bei nicht-neutropenischen Patienten wird in erster Linie die klinische Präsentation durch Fungämie bzw. Kandidämie bei abdominal-chirurgischen Eingriffen oder durch einen zentralen Venenkatheter beobachtet. Die medizinische Mykologie beschäftigt sich mit den Erkrankungen durch humanpathogene Pilze, ihrer Diagnostik und Therapie.
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4.5.1 Morphologie Die eukaryontischen und chlorophylllosen Organismen sind üblicherweise von einer mit Zellulose und/ oder Chitin enthaltenen Zellwand umgeben. Die zu den Hyphomyzeten gehörenden Schimmelpilze und Dermatophyten sind charakterisiert durch die sich beim Wachstum verzweigenden Pilzfäden, den sog. Hyphen. Die Gesamtheit der Hyphen wird durch das Myzel gebildet, das sich weiter in ein für die Vermehrung des Pilzes zuständiges fruktifikatives und ein für die Ernährung bedingtes vegetatives Myzel unterscheiden lässt. Eine andere Wachstumsform der Pilze wird durch Zellsprossung bei den Hefen beobachtet. Dabei treten durch eine entstandene Öffnung in der Zellwand der Mutterzelle von einer Membran umgebenes Zytoplasma, Zellorganellen und Kerne aus. Durch diese Zellsprossung ist eine Tochterzelle entstanden, die sich später von der Mutterzelle löst. Als Pseudomyzel werden bei manchen Candida-Arten durch Längenwachstum aneinander gereihte und dabei nicht getrennte Tochterzellen bezeichnet. In Abhängigkeit ihrer Lebenssituation können Pilze sowohl in der Myzel- als auch in der Hefeform wachsen. Solche Pilze werden dimorphe Pilze genannt. Die Vermehrung der Pilze geschieht durch Sporen. Die teleomorphe oder geschlechtliche Vermehrungsform geht mit einer Verschmelzung getrennt-geschlechtlicher Kerne unter Bildung eines Fruchtkörpers einher. Die anamorphe oder ungeschlechtliche Vermehrungsform wird bei den Fungi imperfecti (auch Deuteromycetes) beschrieben. Bei diesen »imperfekten Pilzen« sind anstatt der Hauptfruchtformen - wie etwa bei den geschlechtlich vermehrten Pilzen – mehrere unterschiedliche asexuelle Nebenfruchtformen bekannt, die vegetative Sporen ausbilden: Makro- und Mikrokonidien. Aufgrund ihres Wachstums auf Nährböden und hinsichtlich ihrer Mikromorphologie erfolgt letztendlich auch die Differenzierung der Pilze. Art, Form und Struktur der Sporen bzw. der Sporenbildung sind dabei von erheblicher Bedeutung. So erkennt man Dermatophyten anhand ihrer Mikrokonidien, Hefen aufgrund ihrer biochemischen Leistungen wie Fermentation, Enzymmuster und Assimilation und schließlich Schimmelpilze hinsichtlich der Form und Bildung ihrer Sporen. 4.5.2 Erreger von Mykosen Mykosen sind oft sehr hartnäckige und schwer therapierbare Erkrankungen. Man unterscheidet dabei
278
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
4
. Abb. 4.15. Mindmap Übersicht über Pilze
279 4.5 · Pilze (Fungi, Mycetes)
Hautmykosen von Systemmykosen und opportunistischen Mykosen. Eine Diagnosestellung ist häufig schwierig, da die Unterscheidung zu bakteriellen Erkrankungen nicht immer eindeutig ist. Die Tatsache, dass gleiche Krankheitsbilder von verschiedenen Pilzen und gleiche Pilze auch verschiedene Krankheitsbilder hervorrufen können, macht deutlich, dass insbesondere bei Pilzen vor einer Therapie festgestellt werden muss, welcher Erreger für die Erkrankung verantwortlich ist. Trotz des breiten Wirkspektrums der Antimykotika bleibt festzustellen, dass nicht jedes Antimykotikum gegen jeden Pilz eingesetzt werden kann. Eine genaue vorherige Bestimmung der Pilzart ist umso wichtiger, da unter Umständen mit schweren Nebenwirkungen verschiedener Antimykotika zu rechnen ist (. Abb. 4.16). 4.5.2.1 Dermatophyten Dermatophyten werden in drei Gattungen unterteilt: 4 Epidermophyton 4 Trichophyton 4 Microsporum Gemeinsames Merkmal ist der Keratinverdau durch das Enzym Keratinase. Dermatophyten befallen ausschließlich Haut, Haare und Nägel. Epidermophyton floccosum Vorkommen. weltweite Verbreitung; direkte Über-
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tragung von Mensch zu Mensch oder Tier zu Mensch. Auch eine indirekte Übertragung durch Kleidung oder Feuchtigkeit in Schwimmbädern etc. ist möglich. Krankheiten. Dermatophytose, Tinea: Ausbreitung des Pilzes in die Epidermis bewirkt eine oberflächliche, auf die Epidermis beschränkte Hautinfektion mit unterschiedlicher Entzündungsreaktion. Die Kontaktstelle mit dem Erreger entspricht der Lokalisation der primären Herde. Daher wird die Tinea unter Angabe der entsprechenden Körperregion benannt, z. B. T. corporis, T. pedis, T. unguium etc. Diagnostik. Mikroskopie der kulturellen Anzucht aus Haut- und/oder Nagelgeschabsel. > Epidermophyton floccosum bildet keine Mikrokonidien aus.
Therapie. Azole, z. B. Ciclopiroxolamin.
Trichophyton Vorkommen. Die meisten Trichophyton-Arten finden weltweite Verbreitung. Sie besiedeln Menschen, Tiere sowie den Erdboden und stehen an erster Stelle der Ursache für Haut-, Haar- und Nagelinfektionen. Zu den häufigsten Arten gehören T. rubrum, T. verrucosum, T. schoenleinii, T. mentagrophytes u. a.
280
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Krankheiten. Trichophytie: der ebenfalls keratinophile
Fadenpilz besitzt u. a. Elastase und Proteinase als Virulenzfaktoren. Die Adhäsion der Sporen an Keratinozyten führt zur Auskeimung der Hyphen. Die Tineae sind gekennzeichnet durch ihre oft chronisch rezidivierenden Verläufe. Diagnostik. Mikroskopischer Nachweis aus Haut- und
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conazol erfolgt. Die Ausbildung von Resistenzen gegen bekannte Antibiotika erfordert zudem die Neuentwicklung von Wirkstoffen. Candida Zu den in der Medizin häufigsten Arten zählen C. albicans, C. guilliermondii, C. kruzei, C. parapsilosis, und C. tropicalis.
Nägelgeschabsel sowie erkrankter Haare. Vorkommen. Candida findet sich als Kommensale auf Therapie. Clotrimazol, Itraconazol.
Microsporum Vorkommen. Weltweite Verbreitung; natürliches Habitat ist der Erdboden. Krankheiten. Mikrosporie: alle Formen der Tinea-Infektionen, insbesondere aber bei Kindern häufig zu beobachtende Tinea capitis und Tinea corporis. Diagnostik. Mikroskopischer Nachweis von Haut- und Nägelgeschabsel; Grünfluoreszenz im Wood-Licht (gefiltertes UV-Licht). Therapie. Terbinafin (Lamisil). > Microsporum gypseum ist ein geophiler Dermatophyt, der häufig bei Gärtnern durch intensive und langjährige berufliche Exposition von Erde zu Erkrankungen führt.
4.5.2.2 Hefen (Sprosspilze) Neben den bis heute 17 bekannten humanpathogenen Candida-Arten muss man zu den Sprosspilzen auch Hefen wie Cryptococcus neoformans, Blastoschizomyces capitatus, Rhodotorula rubra, Hansenula anomala und Trichosporon beigelii zählen, die ebenfalls zu schweren Erkrankungen führen können. Zu den hierbei betroffenen Organe und Körperteilen des Menschen zählen Blut, Lunge und Nägeln sowie Herzklappen, Bauchfell, Nieren, Harnblase bis zu Lymphknoten, Herzbeutel, Milz und Zentralnervensystem. Bei nicht rechtzeitiger Diagnose oder falscher Behandlung – z. B. weil sie mit einer bakteriellen Infektion verwechselt wird – kann es durch Versagen der betroffenen Organe zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen. Oftmals erfolgen die schweren Infektionen durch die Verschmutzung zentraler Venenkatheter nach operativen Eingriffen im Krankenhaus. Somit können die Patienten meist sofort einer entsprechenden Behandlung unterzogen werden, die jedoch oft langwierig ist und meist mit speziellen Antibiotika wie Batrafen, Nystatin, Clotrimazol, Fluconazol, Itraconazol oder Keto-
der Schleimhaut von Mensch und Tier, wobei die Mykosen zumeist bei Patienten mit verminderter Resistenz, insbesondere bei herabgesetzter zellulärer Immunität entstehen. Candida gilt als häufigste Ursache opportunistischer Mykosen weltweit. C. albicans wird für 90% der humanen Candida-Infektionen verantwortlich gemacht. Krankheiten. Die als Soor bezeichneten Beläge auf den Schleimhäuten des Magendarmtrakts sind die häufigste klinische Manifestation der Kandidose. Seltener sind äußere Haut oder innere Organe betroffen, welches man als »tiefe Kandidose« bezeichnet. Der Mundsoor zeigt sich als weißer, festsitzender Belag auf der Wangen- und Zungenschleimhaut. Bei Diabetes, Schwangerschaft und intensiver Antibiotikatherapie beobachtet man auch eine Vulvovaginitis, die pathomorphologisch dem Mundsoor ähnlich ist. Bei Drogenabhängigen können Endokarditis und Endophthalmitis auftreten. Diagnostik. Kultur, Antigennachweis durch ELISA u. a.,
Mikroskopie. Therapie. Beseitigung des disponierenden Milieus oder des befallenen Implantats; topische Therapie mit Polyene (Nystatin), systemisch mit Azolen (oral); bei tiefer Kandidose Amphotericin B.
Cryptococcus neoformans > Von den derzeit 37 Arten von Cryptococcus weist Cryptococcus neoformans als einzige humanpathogene Eigenschaften auf.
Vorkommen. Die Inhalation von Staubpartikeln von kontaminiertem Tauben- oder Hühnerkot wird für die Übertragung von Cryptococcus neoformans verantwortlich gemacht. Dabei ist oftmals der Taubenkot stark mit Sporen des Hefepilzes belastet. Krankheiten. Die Sporen dringen in die Lunge ein und können diese auskeimen. Dabei vermehren sie sich und die Einzelzellen verteilen sich insbesondere bei Im-
281 4.5 · Pilze (Fungi, Mycetes)
munsupprimierten über die Blutbahn im Körper. Cryptococcus neoformans schützt sich gegen die Abwehrreaktion des Immunsystems durch die Ausbildung einer Zellkapsel. Daher können auch gesunde Menschen von diesem pathogenen Hefepilz befallen werden, aber nur in Form einer Pneumonie. Der Hefepilz befällt überwiegend das Nervengewebe und/oder das Gehirn. Die allgemein als Kryptokokkose bezeichnete Erkrankung äußert sich somit oft als Meningoenzephalitis. Unbehandelt ist sie absolut tödlich. Am häufigsten erkranken AIDS-Patienten, da für die Abwehrreaktion ein intaktes Immunsystem mit aktiven T-Helferzellen unbedingt notwendig ist. Diagnostik. Mikroskopie, Pilzkultur, Phasenkontrast-
mikroskopie. Therapie. Amphotericin B und 5-Fluorcytosin inner-
halb von 2 Wochen bei disseminierter Erkrankung. Malassezia furfur Die Pityriasis bezeichnet ein Krankheitsbild, das sich optisch durch Kratzeffekte nach starkem Juckreiz als »kleieförmige Schuppung« auszeichnet. Häufigster Erreger ist die zu den Hefen zählende Malassezia furfur aus der Gruppe der Fungi imperfecti.
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neurotoxischen Symptomen und dem Vorhandensein von toxinbildenden Schimmelpilzen Gegenstand vieler Studien war. Extreme Müdigkeit und schwere Wahrnehmungsstörungen stellten dabei die hauptsächlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen dar. Schimmelpilzgifte oder Mykotoxine wie z. B. Aflatoxine, sind häufig Ursache von Lebensmittelvergiftungen, etwa wenn verschimmelte Lebensmittel verzehrt wurden. Andererseits können sie aber auch über die Raumluft unspezifische gesundheitliche Probleme wie Kopfund Gliederschmerzen, Schleimhautreizungen und erhöhte Infektanfälligkeit hervorrufen. Die Mykotoxine werden bei bestimmten Temperaturen, entsprechender Feuchtigkeit und ausreichendem Nährstoffangebot sowie in bestimmten Entwicklungsphasen gebildet. Beispiele weiterer bekannter Mykotoxine sind u. a.: 4 Cephalosporin: Stoffwechselprodukt von Cephalosporium acremonium: Einsatz als Breitbandantibiotikum. 4 Ergotalkalkaloide: Bildung durch den Pilz Claviceps purpurea. Vergiftung durch »Mutterkorn« führt zu Ergotismus mit den Symptomen von Taubheitsgefühl, Zyanose und Parästhesien der Akren). 4 Griseofulvin: Bildung durch Penclillium griseofulvum; antibiotische Wirkung auf Dermatophyten). 4 Penicillin: Wohl das bekannteste Antibiotikum, 1929 von Alexander Flemming entdeckt.
Vorkommen. Physiologische Flora des oberen Folli-
kels. Klinik. Helle oder dunkle Flecken insbesondere im Be-
reich der vorderen und hinteren Schweißrinne, häufig als Kratzeffekte auftretende »kleieförmige Schuppung«. Diagnostik. Nachweis von Sprosszellhaufen in Haut-
schuppe; Wood-Licht (rötlich-braune Fluoreszenz). Therapie. Azolantimykotika, Selendisulfid.
4.5.2.3 Schimmelpilze (Fadenpilze) Schimmelpilze sind saprophytäre Pilze verschiedener systematischer Gruppen, etwa der Zygomyzeten, Fungi imperfecti (Aspergillus), Neurospora und Penicillium. Schimmelpilze, wie z. B. Stachybotrys atra, Aspergillus spp, Penicillium spp., Trichoderma, Paecilomyces sind in der Lage, sehr potente Giftstoffe zu produzieren. Die überwiegend in den Sporen enthaltenen Toxine können unter bestimmten Umweltbedingungen leicht luftgängig werden. So werden in neuesten klinischen Untersuchungen auch Zeichen einer inhalationsbedingten Intoxikation (Vergiftung durch schädliche Einwirkung von mikrobiologischen und bakteriellen Giftstoffen) beschrieben, wobei ein Zusammenhang zwischen
Aspergillus Die durch Aspergillus hervorgerufenen Krankheitsbilder werden unter der Bezeichnung Aspergillosen zusammengefasst. Aspergillus wird wegen der Form seiner Fortpflanzungsorgane auch Gießkannenschimmel genannt, weil diese an den Kopf einer Gießkanne erinnern. Die Aspergillen werden noch in verschiedene Untergruppen unterteilt. Die dabei wichtigsten sind die Gruppe der Aspergillus niger, Aspergillus glaucus und Aspergillus fumigatus. Vorkommen. Weltweite Verbreitung. Krankheiten. Das Bronchialsystem gilt als wichtigste Eintrittspforte des Erregers. Bei immunsupprimierten Patienten steht die Aspergillose des Respirationstraktes im Vordergrund. Die in einer präformierten Höhle (Zyste, Kaverne) der Lunge lokalisierte Infektion mit Aspergillus, unter Ausbildung eines Hyphengeflechts, wird Aspergillom genannt. Ein reduzierter Allgemeinzustand und rezidivierende Hämoptysen sind die wesentlichen klinischen Merkmale. Häufige Asthma-Ursache bei Atopikern ist die allergische Aspergillus-Alveolitis.
282
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Diagnostik. Kultur, Antigennachweis. Therapie. Amphotericin B, Caspofungin.
4
Histoplasma capsulatum Dieser Schimmelpilz gehört zu den dimorphen Pilzen. Diese »zweigestaltigen« Pilze verdanken ihren Namen der Tatsache, dass sie sowohl als Spross- als auch als Fadenpilz auftreten können. Entscheidend dabei ist die Umgebungstemperatur: bei ca. 30°C liegen sie in saprophytärer Myzelform vor, etwa Vogel- und Fledermauskot, bei Körpertemperatur von 37°C in parasitärer Hefepilzform. Die oft innerhalb von Makrophagen lokalisierten Einzelzellen sind als Infektionserreger im Gewebe also immer in ihrer Hefeform erkennbar und besitzen einen Durchmesser von ca. 2–3 µm. Vorkommen. Häufig nur in eng begrenzten Gebieten
der USA, Afrika und Indonesien. Krankheiten. Die intrazelluläre Mykose des retikuloendothelialen Systems wird als Histoplasmose bezeichnet. Dabei können die Keime lymphogen oder auch hämatogen von Lungenherden ausgehend alle Organe befallen (disseminierte Histoplasmose). Pathogenese der Histoplasmose So kann dieser Schimmelpilz außer der Lunge auch die Haut, Milz, Leber oder die Knochen befallen und dabei zu erheblichen Gewebeschäden führen. Je nach Ausmaß des Befalls können diese Schäden sogar zum Tod des Patienten führen, insbesondere bei Immunsupprimierten und Kindern. Der Pilz gelangt wie oben besprochen über die Luft in die Lunge, wo er in den Blutkreislauf aufgenommen wird und sich dann im Körper ausbreiten kann. Dies gelingt ihm überwiegend aufgrund der Tatsache, dass seine hefear6
tigen Einzelzellen sich besser im Blutkreislauf bewegen und längere Zeit überdauern können als ein vielzelliges Hyphengeflecht.
Diagnostik. Hauttest mit Histoplasmin; Kultur aus Un-
tersuchungsmaterial aus Bronchialsekret und mikroskopische Identifizierung. Therapie. Amphotericin B, Voriconazol.
4.5.2.4 Sonstige Pneumocystis jiroveci > Dieser einzellige, eukaryonte Keim wurde ursprünglich zu den Protozoen gerechnet, wird heute aber als Pilz angesehen.
Vorkommen. Fast jedes Säugetier, einschließlich des gesunden Menschen ist Träger dieses Keims. Früher wurde Pneumocystis jiroveci als Pneumocystis carinii bezeichnet. Der im Mensch vorkommende Erreger unterscheidet sich allerdings vom Erreger in anderen Säugetieren und wird daher heute als Pneumocystis jiroveci bezeichnet. Krankheiten. Bei schweren Defekten der zellulären Im-
munität, etwa bei AIDS oder medikamentöser Immunsuppression, kann die klinisch manifeste Krankheit als Pneumozystiose oder interstitielle Pneumonie auftreten. Es gibt auch extrapulmonale Manifestationen, die allerdings sehr selten vorkommen. Diagnostik. Material durch Biopsie oder aus broncho-
alveoläre Lavage und Nachweis durch Färbung von Zytozentrifugenpräparat nach Giemsa; Immunfluoreszenz, PCR. Therapie. Co-Trimoxazol, Pentamidin.
In Kürze Mykologie Pilz
Erkrankung
Therapie
Epidermophyton floccosum
Tinea
Azole
Trichophyton
Trichophytie
Co-Trimazol, Itraconazol
Mikrosporum
Mikrosporie
Terbenafin
Dermatophyten
6
283 4.6 · Virologie
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Hefen Candida albicans
Soor
Topisch: Polyene Systemisch: Azole Tiefe Kandidose: Amphotericin B
Cryptococcus neoformans
Kryptokokkose
Amphotericin B/Fluorcystosin
Malassezia furfur
Pityriasis versicolor
Azole; Selendisulfit
Aspergillus
Aspergillose
Amphotericin B, Caspofungin
Histoplasma capsulatum
Histoplasmose
Amphotericin B, Voriconazol
Pneumozystiose
Co-Trimoxazol, Pentamidin
Schimmelpilze
Sonstige Pneumocystis jiroveci
4.6
Virologie
Derzeit kennt man vier verschiedene Typen von azellulären infektiösen Agenzien: 4 Prionen 4 Viroide 4 Virusoide 4 Viren Sie bestehen aus Biomolekülen, werden aber nicht zu den Lebewesen gezählt. Prionen Prionen (»proteinaceous infectious particles«) bestehen aus einer fehlgefalteten Form eines zellulären Proteins und stellen infektiöse reine Proteinpartikel mit einem Molekulargewicht von ca. 30 kDa dar. Das von einem wirtszellkodierten neuronalen Protein abgeleitete Prion wird durch Punktmutation in der Konformation verändert und kann somit normales zelluläres Protein in seine pathologische Konfiguration umwandeln: Es ist infektiös! Die mutierten Prion-Genprodukte sind protease- und thermoresistent und werden alimentär übertragen. Bei Mensch und Tier verursachen Prionen nach einer langjährigen Inkubationszeit subakute, spongiforme (schwammartige) Enzephalopathien, die sich als langsam verlaufende, schwere neurodegenerative Erkrankungen manifestieren. Nach Akkumulation der fehlgefalteten Proteine im neuronalen Zytoplasma führen sie zu Vakuolenbildung und Neuronenverlust bis hin zu amyloiden Plaques, die als fibrilläre Prion-Protein-Anhäufungen anzusehen sind.
> Beim Menschen verursachte Prionen induzierte Enzephalopathien sind die Creutzfeldt-Jacob-, die Gerstman-Sträussler-Scheinker- und die Kuru-Krankheit aus dem Hochland Papua-Neugineas.
Bei Tieren bekannte Prion-Erkrankungen sind die Traber-Krankheit (Skrapie) bei Schafen und Ziegen, die »wasting disease« bei Hirschen, sowie die bovine spongiforme Enzephalopathie bei Rindern und Kühen (BSE – Rinderwahnsinn). Zusätzlich ist eine Enzephalopathie-Form bei Nerzen bekannt, die »transmissible mink encephalopathy« (TME). Viroide Viroide sind reine RNA-Partikel, die ebenfalls infektiös sind und bisher nur bei Pflanzen beobachtet wurden. Ihr Genom aus einer zirkulären einsträngigen RNA kodiert nicht für Proteine und die Art ihrer Vermehrung in der Pflanzenzelle ist noch unbekannt. Virusoide Virusoide – oder Satellitenviren – bestehen ebenfalls aus Nukleinsäuren, wobei es sowohl DNA- als auch RNA-Virusoide gibt. Sie können für 1–2 Proteine kodieren und benötigen für ihre Replikation andere Viren, sog. »Helferviren«. Die Satellitenviren findet man in Verbindung mit Pflanzenviren, aber auch mit Tier- und Menschenviren. > Das Hepatitis-D-Virus ist ein typisches Virusoid, da es sich nur bei einer gleichzeitigen Infektion der Zelle mit dem Hepatitis-B-Virus vermehren kann.
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4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Viren Viren (20–300 nm) sind im Vergleich zu den bereits genannten Prionen (<5 nm), Viroiden und Virusoiden (10–15 nm) nicht nur größer: dadurch, dass Viren immer aus Nukleinsäure (DNA oder RNA) und Protein bestehen, stellen sie auch molekular komplexere pathogene Agenzien dar als die Virusoide (reine RNA) und Prionen (reine Proteine). Sie besitzen zwar keine zelluläre Struktur und keinen eigenen Stoffwechsel, auch für ihre Vermehrung sind sie vollständig auf fremde Wirtszellen angewiesen. Dennoch bilden sie eigenständige infektiöse Einheiten. Als obligate Zellparasiten kommen sie sowohl in Bakterien als Bakteriophagen, bei Pflanzen, Tieren und Menschen vor. > Viren sind obligate Zellparasiten und bestehen immer mindestens aus Nukleinsäure und Protein.
4.6.1 Morphologie und Struktur der Viren Da Viren weder Mechanismen zur Energieproduktion noch eigene Proteinsynthesestrukturen besitzen, können sie sich nur innerhalb einer Wirtszelle vermehren.
. Abb. 4.17. Morphologie der Viren
Viren sind also obligate Zellparasiten. Als fertiges infektiöses Partikel kann das Virus nach seinem intrazellulären Lebenszyklus auch außerhalb des Organismus bzw. deren Zelle als Virion vorliegen. Das »nackte« Virion besteht aus 2, das behüllte aus 3 Elementen, und zwar aus: 4 Kapsidproteine 4 Nukleinsäure (RNA oder DNA) 4 Eventuell Hülle (aus zellulären Membranen) 4.6.1.1 Viruskapsid Das aus Virusproteinen bestehende (kapselartige) Kapsid umschließt mantelartig das Virus-Genom, die Nukleinsäure (. Abb. 4.17). Dabei ist das Kapsid aus den sog. Kapsomeren aufgebaut, regelmäßig angeordnete Struktureinheiten aus einem oder mehreren Polypeptiden. Je nach Zusammenlagerung dieser Kapsomeren kann das Kapsid verschiedenartige Symmetrien aufweisen, die entweder eine kubische, helikalel oder komplexe Form besitzen. Die Kapsidproteine bei unbehüllten Viren determinieren die Antigenität und sind essenziell für das Andocken an Wirtszellen. Das Virus-Genom erhält durch das Kapsid Schutz vor Degradation. Das Kapsid der kubischen Viruspartikel besitzt einen Körper, der aus 20 gleichseitigen Dreiecksflächen
285 4.6 · Virologie
begrenzt wird und somit die Form eines Ikosaeders hat. Als Beispiele seien hier die Polio- und Adeno-Viren zu nennen. Die helikalen Viren besitzen Kapsomeren vom Polypeptidtyp. Die Kapsidproteine sind dabei eng mit der spiralförmigen Nukleinsäure zu einem Ribonukleoprotein-Komplex assoziiert, welches dem helikalen Kapsid sein schraubenförmig gewundenes Aussehen verleiht. Zu dieser Gruppe gehören u. a. das Influenza- und das Tabakmosaik-Virus. Komplexe Viren zeigen hinsichtlich der Symmetrieverhältnisse ihres Kapsids komplizierte Baumuster. Bei Pocken-Viren und vielen Bakteriophagen finden sich solche komplexe Aufbauten mit beispielsweise einem ikosaedrischen Kopf der das Virusgenom enthält, sowie einem schlauchartigen Endstück über den die Nukleinsäure in die Zelle injiziert wird. 4.6.1.2 Virusnukleinsäure – Virusgenom Die als einzelsträngig (ss, »single stranded«) oder doppelsträngig (ds, »double stranded«), linear oder zirkulär vorliegende Virusnukleinsäure besteht entweder aus RNA oder DNA. Bei vielen Virusgattungen liegt dieses Genom in segmentierter Form vor (alle bekannten dsRNA-Viren), meistens ist es aber eine kontinuierliche Polynukleotidstruktur. Die Nukleinsäure bildet zusammen mit den Kapsidproteinen das Nukleokapsid. Mit Ausnahme der Parvo-Viren ist bei den meisten klinisch bedeutsamsten DNA-Viren die Nukleinsäure doppelsträngig und liegt je nach Virusgattung linear oder zirkulär vor. Dagegen ist das Genom der meisten RNA-Viren zumeist einzelsträngig und linear (Ausnahme: Reoviridae und Hepatitis-D-Virus). Weiterhin werden bei den ss-RNA-Viren Plus-Strang-RNA-Viren von Minus-Strang-RNA-Viren unterschieden. Wegen ihrer umgekehrten Polarität kann die MinusStrang-RNA erst nach Transkription in einen Komplementärstrang in Protein translatiert werden. Die Plus-Strang-RNA hingegen kann direkt auch als mRNA dienen. 4.6.1.3 Virushülle (»envelope«) Das Nukleokapsid bei behüllten Viren ist zusätzlich von einer Lipidmembran umgeben. In diese als Außenhülle oder »envelope« bezeichnete, von der Wirtszelle abstammende Membranhülle sind neben zellulären auch viruskodierte Proteine, wie Enzyme und virale Glykoproteine eingelagert. Nach der Virusreplikation wird das »envelope« beim Zusammenbau neuer Tochterviruspartikel häufig aus Plasmamembranteilen, manchmal auch aus Membranteilen von Kern- oder endoplasmatischem Retikulum aufgebaut. Die viruskodierten Glykoproteine ragen bei den behüllten Viren als sog.
4
»spikes« aus der Hülle heraus und können dem Virion als Adhäsions- und/oder Erkennungsmoleküle bei der Adsorption an neue Wirtszellen dienen. Außerdem bilden sie starke Antigene. 4.6.2 Klassifizierung der Viren Letztendlich beruht die Klassifizierung verschiedener Virusfamilien (-viridae), Gattungen (Genera) und Arten (Spezies) auf physikochemische Partikeleigenschaften. Auch molekularbiologische Informationen spielen dabei eine Rolle. Die Basis dieses künstlichen taxonomischen Systems beruht auf folgenden Grundlagen: 4 Art des Genoms: RNA-Viren, DNA-Viren 4 Nukleinsäurenkonfiguration: einzelsträngig: (ssRNA, ssDNA, ssRNA: Plus/Minus-Strang); doppelsträngig (dsRNA, dsDNA) 4 Symmetrie der Kapside: kubisch, helikal, komplex 4 Hülle: nackte Viren (Virion ohne Hülle), behüllte Viren (Virion mit Hülle) 4 Durchmesser: Nukleokapsid bei helikaler Symmetrie Weitere Einteilungskriterien sind: 4 Replikationsort (Zellkern/Zytoplasma) 4 »Spikes« – antigene Eigenschaften von Glykoproteinen der Hülle 4 Antigene Eigenschaften der Kapsidproteine 4 Ort der Viruszusammensetzung/Virusknospung 4 Modifikationsart viraler Transkripte 4 Virale Enzyme (z. B. Neuramidase, reverse Transkriptase, Polymerase) 4 Bestimmte virale Nukleinsäuresequenzen Anhand des Nukleinsäure-Typs werden humanpathogene Viren in DNA-Viren mit 6 Familien und RNAViren mit 14 Familien unterteilt (. Tab. 4.9 und . Tab. 4.10). 4.6.3 Virusvermehrung Viren müssen als obligate Zellparasiten innerhalb der Wirtszelle repliziert werden. Die dabei notwendigen zellulären biochemischen Prozesse und Einrichtungen laufen unter der Regie der Virusgenominformation ab. Folgende Ereignisse spiegeln der Hergang der Virusvermehrung wider: 4 Adsorption des Virus an Rezeptoren der Zelloberfläche des Wirts
286
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
. Tab. 4.9. Humanpathogene DNA-Viren Hülle
Kapsid
Nackt
Kubisch
4 Behüllt
Kubisch (Kern)
Größe (nm)
DNAKonfiguration
Familie
Genus
Artenbeispiel
18–26
ss-linear
Parvoviridae
Erythrovirus
Parvovirus B19
45–55
ds-zirkulär
Papovaviridae
Papillomavirus
Warzenvirus SV 40
70–90
ds-linear
Adenoviridae
Mastadenovirus
Adenovirus
40–45
ss/ds-zirkulär
Hepadnaviridae
Orthohepadnavirus
Hepatitis-B-Virus
ds-linear
Herpesviridae
Simplex-Virus
HSV
Varicella-Virus
VZV
Zytomegalo-Virus
CMV
Roseolo-Virus
HHV-6
Lymphokrypto-Virus
Epstein-Barr-Virus
Orthopox Parapox
Variola-, Vacciniavirus Orf
120–200
Komplex (Zytoplasma)
100–300
ds-linear
4 Penetration in die Wirtszelle 4 »Uncoating« (Entmantelung) und Nukleinsäurefreisetzung 4 Synthese viraler Komponenten: 5 Viruskodierte Synthese der Enzyme (Frühproteine) 5 Replikation der Virusnukleinsäure 5 Viruskodierte Synthese von Kapsid, Hülle, Enzyme (Spätproteine) 4 Zusammenbau der Virusbestandteile 4 Freisetzung der Virusnachkommen durch Knospung oder Zelllyse 4.6.3.1 Adsorption Der Beginn der Interaktion von Virion und Wirtszelle geschieht durch die spezifische Bindung eines virusständigen Liganden mit einem WirtszelloberflächenRezeptor. In diesem Falle dienen Zellrezeptoren der Erkennung viraler Kapsid- und Hüllproteine, obwohl sie normalerweise andere, zellphysiologische Funktionen besitzen. Die Expressionsdichte entsprechender Rezeptoren sowie die Erkennungsmöglichkeiten viraler Liganden bestimmen maßgeblich den Zelltropismus, also die Wirtszellspezifität der verschiedenen Wirte einerseits, sowie die Infektionsanfälligkeit im Sinne der Adsorptionshäufigkeit an Wirtszellen.
Poxviridae
Die Adsorption wird durch viruskodierte Membranproteine bei behüllten Viren (z. B. Influenza-, Retro-, Herpes-Viren) eingeleitet. Proteinstrukturen der Kapsidoberfläche erfüllen diese Aufgabe bei nackten Viren (z. B. Adeno-, Parvo-, Picorna-Viren). Eine große Anzahl an Wirtszellrezeptoren sind hinsichtlich ihrer Funktion für die eigene Zelle oder auch im Hinblick auf die Virusinteraktionen zu wenig bis noch gar nicht verstanden worden. Ihre Bedeutung für die Neuentwicklung antiviraler Therapeutika ist dabei umso größer: In vielen Fällen würde eine Infektion durch Hemmung der Virusadsorption verhindert werden können. 4.6.3.2 Penetration Rezeptorvermittelte Endozytose Damit die Viruspartikel nach erfolgreicher Adsorption ins Zellinnere gelangen können, werden die meisten »nackten« Viren durch die Viruspexis genannte rezeptorvermittelte Endozytose internalisiert. Wahrscheinlich spielen die Azidifizierung des Endosomenmilieus sowie bestimmte Kapsidproteine bei diesem Vorgang eine wichtige Rolle. Die ebenfalls endozytotisch in die Zelle aufgenommenen membranumhüllten Viren (z. B. Flavi-Viren, Influenza-Viren) sind dabei vorübergehend von einer Doppelmembran, der Virushülle sowie einer zellulären
287 4.6 · Virologie
. Tab. 4.10. Humanpathogene RNA-Viren Hülle
Kapsis
Größe (nm)
RNAKonfiguration
Familie
Genus
Artenbeispiel
Nackt
Kubisch (Zytoplasma)
24–30
ss(+)-linear
Picornaviridae
Enterovirus
Polio-, Echo-, CoxsackieVirus
Hepatovirus
Hepatitis-A-Virus
Rhinovirus
Rhino-Virus 1–117
Cardiovirus
EMC-Virus
Behüllt
Kubisch (Zytoplasma)
Helikal Zytoplasma)
(Unbekannt)
30
ss(+)-linear
Astroviridae
Astrovirus
Astro-Viren
33–40
ss(+)-linear
Caliciviridae
Calicivirus
Hepatitis-E-Virus
60–80
ds-linear/ segmentiert
Reoviridae
Coltivirus
Zeckenfieber-Virus
Reovirus
Reo-Virus 1–3
Rotavirus
Rota-Viren
Alphavirus
Sindbis-Virus
Rubivirus
Röteln-Virus
50–70
ss(+)-linear
Togaviridae
40–45
ss(+)-linear
Flaviviridae
Flavivirus
Gelbfieber- und Hepatitis-C-Virus
80–220
ss(+)-linear
Coronavirida
Coronavirus
Corona-Viren
80–120
ss(-)-linear/ segmentiert
Orthomyxoviridae
Influenzavirus
Influenza-A-, -B-, -CVirus
150–300
ss(-)-linear
Paramyxoviridae
Pneumovirus
Respiratory Syncytial Virus
Paramyxovirus
Parainfluenza-Virus
Rubulavirus
Paramyxo-Virus parotitis
Morbillivirus
Morbilli-Virus
60×180
ss(-)-linear
Rhabdoviridae
Lyssavirus
Tollwut-Virus
80×900
ss(-)-linear
Filoviridae
Filovirus
Marburg-Virus
80–100
ss(-)-linear/ segmentiert
Bunyaviridae
Bunyavirus
Bunyawera-Virus
Nairovirus
Krim-Kongo-Virus
50–300
ss(+/-)linear/ segmentiert
Arenaviridae
Arenavirus
Lassa-Virus
80–100
ss(+)-linear/ segmentiert
Retroviridae
HTLV-Retrovirus
HTLV-I, -II
Spumavirus
Spuma-Virus
Lentivirus
HIV-1, -2
4
288
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Vesikelmembran umgeben. Im Endosom sinkt der pHWert, woraufhin eine fusionsaktive Sequenz dazu führt, dass beide Membranen verschmelzen; gleichzeitig wird das Nukleokapsid ins Zytosol freigesetzt.
4
Fusion mit der Plasmamembran Eine weitere Möglichkeit anderer behüllter Viren, ins Zytoplasma zu gelangen (z. B. Paramyxo-Viren: Masern-, Mumps-, Parainfluenza-Viren) ist dadurch gegeben, dass ein spezielles Fusionsprotein in ihrer Hülle eingelagert ist. Dieses Protein induziert nach der Adsorption ein Verschmelzen der viralen mit der zellulären Membran. Dabei wird das Nukleokapsid direkt in das Wirtszellzytoplasma entlassen. Solch eine Fusion mit der Plasmamembran gehen auch einige Herpesund Retro-Viren ein. Bei neutralem pH sind die Fusionsproteine aktiv und führen bei Adsorption dieser behüllten Viren an mehreren benachbarten Zellen gleichzeitig zur Bildung vielkerniger Riesenzellen und Zellfusionen (Polykaryozyten, Synzyten). 4.6.3.3 »Uncoating«: Nukleinsäurefreisetzung Das »uncoating« wird bei den meisten humanpathogenen Viren durch zelluläre Enzyme bewerkstelligt (Ausnahme: Pocken- und Reo-Viren). Während Influenza und Retro-Viren im Zellkern replizieren, verbleiben die meisten RNA-Viren im Zytoplasma. Bis auf die PockenViren muss das Genom der DNA-Viren zur Replikation im Zellkern freigesetzt werden. So dockt beispielsweise das Nukleokapsid der Herpes-Viren an die nukleäre Membran an, wobei das DNA-Genom incl. Tegument durch die Kernporen in den Kern der Zelle transportiert wird. 4.6.3.4 Synthese der viralen Komponenten und Proteine Die Virusreplikation, die die Synthese viraler Komponenten beinhaltet, startet unmittelbar nach dem »uncoating« der viralen Nukleinsäure. Die nachfolgende virale Genexpression und Genvermehrung verläuft aber je nach Virustyp aufgrund der spezifischen Genomkonfiguration unterschiedlich. Sie führen in diesen Fällen dennoch immer zu Mehrfachkopien authentischer Struktur- und Enzymproteine sowie Nukleinsäuremolekülen. Die notwendigen Faktoren der wirtszelleigenen Translationsvorgänge werden von sämtlichen Viren für die eigene Proteinsynthese genutzt. Die entsprechenden Mechanismen der Wirtszelle werden auch zur posttranslationellen Modifikation, für die mit Hilfe von Chaperonen notwendige Proteinfaltung und den Transport der Proteine zu deren Reifung eingesetzt.
Eukaryontische mRNA und Proteinsynthese in der Zelle Im Falle der eukaryontischen mRNA, wo ein Ribosom nur ein einziges Polypeptid translatieren kann, sind humanpathogene Viren hinsichtlich der Synthese viraler Proteine eingeschränkt; die unterschiedliche virale Genomstruktur führt dabei zu verschiedenen Möglichkeiten, diese Synthese-Einschränkung zu überwinden: 4 Das komplette Genom der Positivstrang-RNA-Viren wird durch das Ribosom in ein einziges großes Polyprotein translatiert. Virale und zelluläre Proteasen zerlegen es anschließend in funktionelle Proteine. 4 Die meisten Negativstrang-Viren sowie die Retro- und DNA-Viren transkribieren die mRNA für individuelle oder kleinere Polyproteine. 4 Bei Orthomyxo- und Reo-Viren ((-)ssRNA-Segmente bzw. segmentierte dsRNA) kodiert jedes Segment für nur ein einziges Protein. 4 Polio-Viren bewirken durch ribosomale Veränderung, dass zelleigene mRNA nicht angelagert und damit die eigene virale mRNA translatiert wird. 4 Die Permeabilitätssteigerung der Zellmembran, ausgelöst durch Toga-Viren, ist verantwortlich für die Affinitätsabnahme zellulärer Boten-RNA am Ribosom. 4 Herpes-Viren leiten zusätzlich zur Synthesehemmung von Makromolekülen eine Degradation zellulärer RNA und DNA ein.
4.6.3.5 Zusammenbau (»assembly«) von Virusbestandteilen Nachdem die viralen Strukturproteine vielfach kopiert und synthetisiert sind sowie die virale Replikation beendet ist, startet die Morphogenese der Viren. Dabei erfolgt die Montage der Virusbestandteile zu Nukleokapsiden zum Teil spontan, zum Teil sind auch Chaperone als Katalysatoren für die zellulären Proteinfaltungen beteiligt. Je nach Virus dienen Zytoplasma, Zellkern oder auch beide Kompartimente als Ort der Virion-Morphogenese. Aufgrund des Zusammenbaus von DNAViren im Zellkern (Ausnahme: Pocken-Viren) ist ein gerichteter Transport der viruskodierten Proteine von der Herstellung im Zytoplasma zur Montage in den Zellkern notwendig. Bei den RNA- und Pocken-Viren findet der Zusammenbau im Zytoplasma statt. > Das »assembly« membranumhüllter Viren ist oftmals mit zellulären Membranstrukturen assoziiert: Flavi-, Corona- und Bunya-Viren werden an der Membran des endoplasmatischen Retikulum gefertigt, RetroViren an der Membran des Zytoplasmas und HerpesViren an der inneren Kernmembran.
289 4.6 · Virologie
4.6.3.6 Freisetzung replizierter Tochterviren > Die Ausschleusung durch Knospung und die Freigabe durch Zelllyse sind die beiden Mechanismen zur Freisetzung der viralen Nachkommenschaft.
Ausschleusung durch Knospung Das Verlassen der Wirtszelle der meisten behüllten Viren geschieht durch Knospung, bei der die Abschnürung von membranumhüllten viralen Nukleokapsiden von der Zelloberfläche im Vordergrund steht. In aller Regel wird durch diesen Exozytose-ähnlichen Prozess die Wirtszelle nicht zerstört. Wenn die Hüllmembran mit den eingelagerten viralen Hüllproteinen von der Plasmamembran stammt, können die Viren direkt in die Umgebung der Zelle freigegeben werden (z. B. Myxo- und Retro-Viren). Dagegen erfolgt die Freisetzung durch den Golgi-Apparat an der Zelloberfläche bei Viren, deren Hülle von der Kernmembran (HerpesViren) oder Membran des endoplasmatischen Retikulums (Flavi-Viren) abstammt. Freigabe durch Zelllyse Bei nackten Viren erfolgt die Freisetzung ihrer Partikel normalerweise nach deren Akkumulation durch Lyse der Wirtszelle. Bisher ist unklar, ob eine durch die Zelle selbst eingeleitete Apoptose oder aber eine zelltoxische Reaktion nach Virusreplikation das Absterben der Wirtszelle einleitet. 4.6.4 Virale Pathogenese Unter der Pathogenität eines Virus versteht man seine Fähigkeit Krankheiten zu erzeugen. Die Wechselwirkungen viraler Genprodukte untereinander und mit den zellulären Komponenten sind dabei von ausschlaggebender Bedeutung. Die Virulenzfaktoren, die durch die unterschiedlich stark ausgeprägten pathogenen Eigenschaften von Virusstämmen innerhalb einer Virusspezies bedingt werden, können durch Mutationen verstärkt oder abgeschwächt sein. Entsprechend kann dies zu stärkeren oder schwächern Krankheitssymptomen beitragen. Die Art der Virus-Wirtszell-Interaktion und die Aktivitäten des Wirtssystems tragen zum Ergebnis einer viralen Infektion entscheidend bei. Eine wichtige Tatsache ist, dass die einerseits infektionslimitierende Immunantwort des Wirts andererseits auch zur eigenen Pathogenität durch Gewebsdestruktion führen kann (. Abb. 4.18). Grundlegende Aspekte viraler Infektionen sind: 4 Virale Infektionstypen: zytozide, nichtzytozide, latente und transformierende
4
4 Virale Infektionsverläufe: lokale und generalisierte Infektionsverläufe in Abhängigkeit von Eintrittspforte und Virusausbreitung 4 Virale Mechanismen der Zellschädigung 4 Zelldestruktion durch antivirale Immunabwehr 4.6.4.1 Virale Infektionsverläufe Virale Eintrittspforten Wichtige virale Eintrittspforten sind: 4 Haut und Bindehaut (Beispiel: Hepatitis-B-, Herpes-, Papilloma-Viren 4 Schleimhaut 5 Nasen-Rachen-Raum (Beispiel: Corona-, Paramyxo-, Adeno-Viren 5 Respirations- und Gastrointestinaltrakt (Beispiel: Polio-, Hepatitis-A-, Rota-Viren 5 Urogenitaltrakt (Beispiel: Humane-Immundefizienz-, Papilloma-, Herpes-simplex-Viren 4 Inokulation durch: 5 Tierbisse (Beispiel: Tollwut-Virus) 5 Insektenstiche- und Bisse (Beispiel: ArboViren) 4 Iatrogen durch: 5 Infektiöses Blut 5 Kontaminierte Instrumente 4 Diaplazentar (Beispiel: Röteln-, ZytomegalieViren) Virusausbreitung Bei der lokalen Virusvermehrung bleiben Replikation und Symptomatik häufig am Eintrittsort. So vermehrt sich das auf die Haut übertragene Papilloma-Virus an der Kontaktstelle. Durch Induktion der Proliferation der infizierten Hautzellen kommt es zur Warzenbildung. Die entzündliche Infektion der Bindehaut am Auge durch Adeno-Viren bleibt ebenfalls lokal begrenzt. Bei Infektionen der Mund-Rachen-Schleimhaut durch beispielsweise Corona- oder Parainfluenza-Viren können sich die Erreger durch kontinuierliche Replikation auch auf den ganzen Bereich des Respirationstraktes ausbreiten, ohne dabei hämatogen zu streuen. Makrophagen und Langerhanszellen der Haut und Schleimhaut können Viren und einzelne Virenkomponenten aufnehmen und zu den naheliegenden Lymphknoten transportieren. Bei dieser lymphohämatogenen Ausbreitung schwellen oft die Lymphknoten an. Die Fähigkeit bestimmter Viren, Nervenzellen zu infizieren und sich entlang der Nervenfasern zu vermehren, findet sich beim Typ der neurogenen Ausbreitung: an der Bissstelle infizierter Muskelzellen treten Tollwut-Vi-
290
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
4
. Abb. 4.18. Mindmap Virologische Differenzialdiagnostik
291 4.6 · Virologie
ren relativ schnell in die Nervenendigungen über. Von dort aus wandern sie intraaxonal retrograd an den Nervenfasern entlang zum Rückenmark und zum Gehirn. Neurogene Ausbreitung von Herpesund Varizella-Zoster-Virus Die Übertragung von Herpes-simplex-Viren (Typ 1) geschieht durch direkten Kontakt. Nachdem sie die Mundschleimhaut und die periorale Haut infiziert haben, gelangen sie in die Nervenendigungen. Dort werden sie im Axon retrograd transportiert und können im Ganglion trigeminale lebenslang persistieren. Die Reaktivierung der latent vorliegenden Viren durch Sonnenexposition, psychischen oder physischen Stress führt zur Migration der Viren intraaxonal anterograd zurück zu den Hautzellen. Dort bilden sie ein Rezidiv, welches vielen Menschen als unangenehmes und hartnäckiges, bläschenförmiges Exanthem bekannt ist. Die Erstinfektion des Varizellen-Zoster-Virus manifestiert sich als schubförmig auftretendes Exanthem, die Windpocken. Hierbei kann der Erreger ebenfalls auf Nervenzellen übertreten und nach intraaxonaler Wanderung in den Spinalganglien lebenslang persistieren. Ausgelöst durch eine Reaktivierung kann eine neurogene Verlagerung der Virus in die Peripherie eine schmerzhafte Neuralgie mit typischen Hauteffloreszenzen verursachen: Gürtelrose bzw. Herpes Zoster.
4
Strukturelle und metabolische Veränderungen. Die
Freisetzung proteolytischer Enzyme aus den Lysosomen und die veränderte Zusammensetzung des Ionengehalts in den Zellkompartimenten tragen zu Funktionsstörungen der Zelle bei. Weiterhin kommt es zur Destruktion der Mikrotubuli und Mikrofilamenten sowie des Zytokeratingerüsts mit Veränderungen der zellulären Adhäsionsstellen. Zelluläre Einschlusskörperchen. Durch Virusreplika-
tion finden sich bei RNA-Viren Ablagerungen im Zytoplasma, bei DNA-Viren liegen die Einschlusskörperchen meist im Zellkern. Zellfusion. Aufgrund von virusassoziierter Fusionspro-
teine bei Herpes- und Paramyxo-Viren kommt es bei der Adsorption zu Membranverschmelzungen. Bei HIV oder Pocken-Viren beobachtet man im Verlauf der Virusreplikation Membranfusionen: beides führt zu Synzytien oder Polykaryozyten, also zur Bildung von Riesenzellen. Veränderung desWirtsgenoms. Bei der Integration des Virusgenoms in die DNA der Wirtszelle kann es im Extremfall zur Induktion einer Zelltransformation zu einer Tumorzelle oder gar zum Auslösen der Apoptose und damit zum Zelltod kommen.
4.6.4.2 Mechanismen der Zellschädigung Selektives Abschalten des Wirtsstoffwechsels. Bei der
Infektion durch Herpes-simplex-Viren gelangt erregerbedingt der vhs-Faktor (»virus host shutoff factor«) mit in die Zelle, der die zelluläre DNA-, RNA- und Proteinsynthese hemmt. Der von Adeno-Viren regulierte mRNA-Transport aus dem Zytoplasma in den Zellkern geschieht mit Hilfe zweier viruskodierter Proteine. Diese sind dafür verantwortlich, dass zellspezifische Transkripte im Kern zurückgehalten werden. So gelangen nur virale Proteine durch Export ins Zytoplasma und werden dort translatiert. Picorna-Viren bauen mittels einer viruskodierten Protease einzelne Komponenten des Cap-Bindungskomplexes ab, da sie diese – im Gegensatz zur Wirtszelle – nicht für die Translation ihrer mRNA benötigen. Durch diesen Abbau verhindern sie die Synthese zellulärer Proteine. Veränderte Zusammensetzung der Zellkomponenten.
Durch Virusreplikation wird ein Einbau von viruskodierten Glykoproteinen in das Zytoplasma bewirkt. Eine Präsentation neuer MHC-Antigen-Komplexe wird eingeleitet und es kommt zu einer Expression zellulärer Stressfaktoren (wie der Chaperone Hsp-60, 70, 90).
4.6.4.3 Zelldestruktion durch antivirale Immunabwehr Spezifische Immunabwehr Normalerweise können Antikörper nicht in intakte Zellen eindringen. Somit gewähren sie auch keinen Schutz gegen intrazellulär replizierende oder persistierende Viren. Allerdings sind Viren im extrazellulären Raum, z. B. auf der Schleimhaut durch Ig-A-Antikörper oder im Blut durch Ig-G- und Ig-M-Antikörper, der Abwehr von spezifischen Antikörpern ausgesetzt, die gegen Antigene der Virusoberfläche gerichtet sind. Dadurch kann die Adsorption an Rezeptoren der Wirtszelle blockiert und durch Konformationsänderung am Viruspartikel die Penetration gehemmt werden. Intrazelluläre Viren werden durch reaktive T-Lymphozyten bekämpft: CD-8-positive T-Zellen (zytotoxische T-Zellen) erkennen auf der Wirtszelle die mit MHC-I-assozierten viralen Antigene. Durch Freisetzung von Perforinen, Radikalen und zytotoxischen Substanzen schädigen und lysieren sie die Wirtszelle. Durch die konsekutive Elimination des Ortes der Virusproduktion können das Virus und seine nicht infektiösen Komponenten den Angriffen der extrazellulären Abwehr durch Komplement und Antikörper nicht mehr entgehen. CD-4-positive T-Zellen (T-Helferzellen) erkennen
292
4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
auf der Wirtszelle exponierte virale Antigene, die mit den MHC-II-Molekülen komplexiert sind. Durch Freisetzung chemotaktischer Substanzen sowie Zytokinen wie IF-γ und TNF-α können andere Zellen aktiviert und Resistenzen gegen Virusinfektionen erlangt werden. In der antikörperabhängigen Zellzytotoxizität (ADCC: »antibody-dependend cell-mediated cell-cytotoxicity«), bei der virusspezifische Antikörper an oberflächlich exponierten Antigenen virusbefallener Zellen binden, dienen die Fc-Regionen der Antikörper als Erkennungsstrukturen für Killerzellen, Makrophagen und Granulozyten dienen. Auch dabei wird die virusbefallene Zelle lysiert. Unspezifische Immunabwehr Zu den Elementen der angeborenen unspezifischen Immunabwehr gehören lösliche Faktoren wie Akute-Phase-Proteine, die Interferone, Komponenten des Komplementsystems und Zytokine sowie Makrophagen, Granulozyten, Monozyten und natürliche Killerzellen als Vertreter zellulärer Elemente. 4.6.5 Virologische Diagnostik Trotz der Möglichkeit, viele Virenerkrankungen klinisch zu diagnostizieren (Herpes, Windpocken, Mumps etc.), ist es wichtig auch mikrobiologisch die Verdachtsdiagnose bestätigen zu lassen. Dadurch kann eine Gefahr für die Allgemeinheit vermieden und über die Meldepflicht eine epidemiologische Überwachung ermöglicht werden. Außerdem kann bei einigen Viren nur durch exakte Diagnose die Behandlung und Prognose bestimmt werden. Einige laborspezifische Parameter sollten bei der Diagnose bedacht werden: im Gegensatz zu bakteriellen Infektionen findet eine Erhöhung des CRP nicht oder nur kaum statt. Auch der BSG-Anstieg bleibt nicht selten aus oder ist nur gering beschleunigt. Die anfängliche Leukozytopenie mit Lymphozytopenie geht später in eine Lymphozytose und Monozytose über. > Der Nachweis virusspezifischer Antikörper und/oder der Erregernachweis sind entscheidend.
4.6.5.1 Möglichkeiten der Diagnostik bei akuten Primärinfektionen Erregernachweis durch Virusisolierung. In Zellkulturen oder sog. Monolayer, im befruchteten Hühnerei sowie im Versuchstier können Viren vermehrt werden. Den Vorteil der Zellkultur liegt in der einfacheren Handhabung und des breiteren Spektrums der kultivierbaren Virustypen. Die aufwendigste und zeitrau-
bendste Methode ist der Tierversuch mit neugeborenen Mäusen: Er findet nur dann Anwendung, wenn andere Nachweismöglichkeiten versagen. DNA-Hybridisierung oder PCR. Molekulargenetische
Diagnostik mittels DNA-Sonden basiert auf dem Prinzip der Nukleinsäurenhybridisierung: als Sonde wird ein markiertes DNA- oder RNA-Fragment eingesetzt, um nach seinen komplementären DNA- oder RNA-Sequenzen im Untersuchungsmaterial zu suchen. Dabei werden die Sonden oftmals radioaktiv markiert. Bei der PCR handelt es sich um ein molekulargenetisches Verfahren, bei dem bestimmte DNA-Abschnitte selektiv amplifiziert werden. > Mittels PCR lassen sich kleinste Mengen von DNA oder RNA nachweisen (bis in den 10-15 g-Bereich); sie kommt zur Anwendung, wenn klassische Methoden zum Virusnachweis nicht erfolgreich sind.
ELISA. Der direkte Antigen- und Antikörpernachweis setzt die Bildung größerer Immunkomplexe oder sichtbarer Agglutinationen voraus. Beim ELISA (»enzymelinked immuno sorbent assay«) werden spezifische Antikörper oder Antigene gegen das zu bestimmende Antigen oder Antikörper an einen Träger gebunden. Die Immunkomplexe werden nach der Antigen-Antikörper-Reaktion durch einen weiteren Antikörper detektiert, der mit einem Enzym gekoppelt ist und nach Reaktion photometrisch bestimmt wird. Serokonversion. Der Nachweis des Übergangs von ei-
ner frühen IgM- in eine späte IgG-Immunantwort dient ebenfalls dem Antikörpernachweis. Hierbei sind ein vierfacher Titeranstieg und/oder ein spezifischer IgMNachweis zu beobachten. 4.6.5.2 Nachweis bei rekurrenten Infektionen Auch bei Rezidiven kann das Antigen durch Methoden wie ELISA, PCR oder DNA-Hybridisierung nachgewiesen werden. Da ein Titeranstieg oder IgM-Antikörper oft nicht detektierbar sind, ist der Antikörpernachweis meist wenig hilfreich. Der differenzierte Antikörpernachweis gegen isolierte virale Antigene bei EBV und HIV ist hier weiterführend. 4.6.6 Antivirale Therapie Um Viruserkrankungen verhindern oder heilen zu können, benötigt man eine Methode, mit der es gelingt, Virusinfektionen mit spezifischen Hemmstoffen der Erregervermehrung zu unterbinden. Dazu macht man
293 4.6 · Virologie
sich die verschiedenen Wirkmechanismen einiger Virostatika zu nutze, die, je nach Infektionserreger, ihre Hauptaktivitäten gegen bestimmte Virusgruppen richten. Einige der wichtigsten Wirkmechanismen und ihre Angriffsziele sowie einige Namen der Virostatika sollen hier genannt werden (. Tab. 4.11). Für ausführlichere Informationen über die Medikation sei auf das Kapitel der Pharmakologie verwiesen. 4.6.7 Viren als Infektionserreger
(Auswahl)
4
4.6.7.2 Herpesviridae HSV-1, 2 Epidemiologie. Die Fähigkeit, im Körper lebenslang zu persistieren, und die hohe Durchseuchungsrate sind bei allen Herpes-Viren ein gemeinsames Merkmal. Die Erstinfektion mit HSV-1 erfolgt meistens im frühen Kindesalter, in dem die Mundschleimhaut als Eintrittspforte für den Erreger dient. Bei HSV-2 erfolgt die Erstinfektion zumeist in der Pubertät durch Geschlechtsverkehr über den Urogenitaltrakt. Bei beiden Typen dient die Schmierinfektion als Hauptübertragungsweg.
4.6.7.1 Parvoviridae Parvovirus B19 Epidemiologie. Der Übertragungsweg ist nicht bekannt. Angenommen werden ein fäkal-oraler Übertragungsweg oder eine Tröpfcheninfektion.
Klinik. HSV-1: Herpes labialis, Herpes corneae und Gingivostomatitis sind die Hauptmanifestationen der Erkrankung. Bei schwereren Verlaufsformen wird die Meningoenzephalitis herpetica und das Ekzema herpeticatum beobachtet. Beide weisen eine hohe Letalitätsrate auf.
Pathogenese/Klinik. Die Vermehrung des Erregers fin-
Diagnostik. Komplementbildungsreaktion (KBR),
det im Knochenmark statt. Dabei werden die Erythrozytenvorstufen zerstört. Die beim Gesunden zumeist asymptomatische Infektion kann besonders bei Kindern das Erythema infectiosum (Ringelröteln) auslösen, eine harmlose epidemisch auftretende Krankheit. Bei Erwachsenen treten überwiegend arthritische Beschwerden auf und bei immunsupprimierten oder abwehrgeschwächten Patienten ist die Infektion als virusassoziiertes Hämophagozytose-Syndrom (VAHS) zu beobachten.
ELISA, PCR.
Diagnostik. ELISA zum IgG- und IgM-Nachweis. Therapie. Es gibt keine spezifische Therapie.
Therapie. Aciclovir, Brivudin (HSV-1).
Varizellen-Zoster-Virus (VZV, HHV-3) Epidemiologie. Der hochkontagiöse Erreger wird aerogen übertragen. Die Varizellen (Erstinfektion) sind fast ausschließlich als Kinderkrankheit anzusehen. Klinik. Die Primärinfektion führt zu Varizellen (Windpocken). Als Rezidiv treten die Gürtelrose bzw. der Herpes Zoster in Erscheinung. Schwere Form des Krankheitsbildes bei abwehrgeschwächten Patienten ist der Zoster generalisatus.
. Tab. 4.11. Antivirale Therapie Wirkmechanismus
Indikation
Freiname Virostatikum
Hemmung viraler DNA-Polymerase
HSV, VZV
Aciclovir, Brivudin
Hemmung viraler Polymerase
CMV
Ganciclovir, Cidovir
Neuramidase-Inhibitoren
Influenza A, B
Zanamivir, Oseltamivir
Uncoating
Influenza-Viren
Amantadin
Nukleosidanalogon
Chronische Hepatitis B Chronische Hepatitis C
Lamivudin Ribavirin
Hemmung der reversen Transkriptase (Nukleosidanalogon)
HIV
Zidovudin, Didanosin
Hemmung der reversen Transkriptase (nicht-Nukleosidanalogon)
HIV
Nevirapin, Efavirenz
Hemmung der HIV-Protease
HIV
Saquinavir, Indinavir
294
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Diagnostik. PCR, KBR + ELISA.
beispielsweise nach Erregerübertragung durch die Muttermilch.
Therapie. Valaciclovir, Famciclovir. Diagnostik. PCR, ELISA, KBR, Zellkultur und Virusiso-
4
Epstein-Barr-Virus (EBV, HHV-4) Epidemiologie. Hohe Durchseuchungsrate und die Fähigkeit, latent im Körper zu persistieren. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion (»kissing disease«). Klinik. Meist tritt im Kindesalter eine infektiöse Mo-
nonukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber) auf mit Tonsillitis, Fieber und Lymphadenitis sowie vermehrt auftretenden Lymphozyten im Blutbild. Der Großteil der Infektionen (ca. 60%) verläuft symptomlos. Schwere neurologische Manifestationen sind eher selten. In Verbindung mit Lymphomen ist dieses Krankheitsbild bei HIV- Patienten und Transplantierten zu beobachten.
lierung. Therapie. Ganciclovir, Foscarnet.
HHV-6 Epidemiologie. Dieser mit dem CMV verwandte Erreger zeichnet sich durch seinen T-Zell-Tropismus aus. Bei Patienten mit AIDS und lymphoproliferativen Erkrankungen wurde er 1986 erstmals isoliert. Er findet weltweite Verbreitung und nach Beginn der Durchseuchung beim Kleinkind erreicht er ca. 90% der Erwachsenen. Die Übertragung von der Mutter auf das Kind geschieht am ehesten mit dem Speichel, in dem der Erreger latent persistiert.
viralen Kapsidantigen (VCA), dessen Antikörper lebenslang im Körper persistieren – VCA-IgG, VCA-IgM. Epstein-Barr-nukleäres Antigen (EBNA): Die Antikörper bleiben ca. 3–6 Monate nach Ausbruch der Krankheit nachweisbar.
Klinik. Manifestation der Erkrankung ist das Exanthema subitum oder Roseola infantum, auch als sechste Krankheit bekannt. Kennzeichen sind das über 3 Tage anhaltende hohe Fieber (Dreitagefieber) über 40°C mit anschließendem, an Körper und Extremitäten erscheinendem, rubeoliformem Exanthem, das nach 1–3 Tagen wieder verschwindet.
Therapie. Aciclovir, Ganciclovir; Expositionsprophylaxe.
Diagnostik. Antikörpernachweis, PCR.
> Wie eine Untersuchung ergeben hat, ist die infektiöse Mononukleose unter den erstsemestrigen Studenten an deutschen Universitäten fast seuchenhaft verbreitet.
Therapie. Symptomatisch.
Diagnostik. Immunfluoreszenztest (IFT); Nachweis des
Zytomegalie-Virus (HHV-5) Epidemiologie. Hohe Durchseuchungsrate, persistiert latent im Körper. Häufigste Übertragungsart ist die Tröpfcheninfektion, aber auch die Übertragung beim Stillen und die Schmierinfektion sind möglich. CMV gilt als Erreger der häufigsten Pränatalinfektion. Klinik. In immunkompetenten Organismen ist der Ver-
lauf der Zytomegalie i. d. R. inapparent. Innerhalb der ersten 6 Schwangerschaftsmonate werden heutzutage 0,5–2% aller Neugeborenen pränatal infiziert, bei denen schwere generalisierte Verläufe mit hoher Letalität möglich sind. Zu den Manifestationen der pränatalen CMV-Infektionen gehören die geistige Retardierung, Schädigung des ZNS, Pneumonien und Hepatitiden. Die Infektion bei abwehrgeschwächten Patienten beinhaltet außerdem Enzephalitiden, Arthralgien und Myalgien sowie schwere Fieberverläufe. Retinitis und mononukleoseähnliche Krankheitszustände beobachtet man bei lokalisierten und postnatalen Infektionen,
HHV-7 und HHV-8 Beide Viren können mononukleoseähnliche Krankheiten auslösen, wobei das HHV-8 mit dem Kaposi-Sarkom in Verbindung gebracht wird. 4.6.7.3 Poxyviridae Pockenvirus Epidemiologie. Mit der erfolgreich verlaufenden weltweiten Pockenimpfkampagne der WHO konnte erreicht werden, dass die Variola seit 1977 als ausgerottet betrachtet werden kann. Die weiterführende Durchimmunisierung der Bevölkerung gilt wohl als Voraussetzung für den anhaltenden Erfolg. Die Übertragung des Erregers geschieht durch Tröpfcheninfektion, seltener durch Schmier- und Staubinfektion. Klinik. Kennzeichen des 2–4 Tage anhaltenden Ini-
tialstadiums sind anhaltend hohes Fieber mit Kopfund Rückenschmerzen. Das anschließende Eruptionsstadium beginnt mit stufenförmigem Temperaturabfall und zentrifugalem Exanthem mit trübem
295 4.6 · Virologie
Inhalt. Nach 1–3 Wochen fallen die noch hochinfektiösen Krusten ab und hinterlassen Narben. Man unterscheidet bei dieser Infektion die Variola major mit einer Letalität von 20–50% (Orthopoxvirus variola) von einer Variola minor (Letalität 1–5%; Orthopoxvirus alastrim). Diagnostik. Erregernachweis mittels Elektronenmikro-
skop. Therapie. Symptomatische Therapie; Prophylaxe durch
Vacciniavirus. > Pocken gehören nicht mehr zu den empfohlenen Impfungen im Säuglings-/Kleinkindalter.
Molluscum-contagiosum-Virus Epidemiologie. Direkte Übertragung durch Schmierinfektion, Sexualkontakt oder auch Kleidung. Weltweite Verbreitung, wobei der Mensch alleiniger Träger des Virus ist. Klinik. Die Dellwarze oder Molluscum contagiosum ist
eine weltweit verbreitete Infektion der Haut. Kennzeichen der besonders im Gesicht, Hals, Achseln und an den Genitalien auftretenden Warzen sind derbe, bis erbsengroße Papeln mit zentraler Eindellung. Diagnostik. Elektronenmikroskop: Erkennen der Po-
xyvirus-Partikel. Durch Giemsa-Färbung werden charakteristische intrazytoplasmatische Einschlüsse sichtbar. Therapie. Meist selbstlimitierend nach mehreren Mo-
naten; operative Entfernung der Läsionen. 4.6.7.4 Hepadnaviridae Hepatitis-B-Virus (HBV) Epidemiologie. Übertragung des Erregers durch Blutund Körperflüssigkeiten sowie sexuell. Als alleiniges Reservoir des Virus gilt der Mensch.
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4.6.7.5 Papoviridae Polyoma-Viren Zu den humanpathogenen Polyoma-Viren zählen das SV40-Virus, das JC-Virus und das BK-Virus. Beim SV40-Virus (Simian-Virus) wird ein möglicher Zusammenhang mit der Entstehung von Lymphomen vermutet. Das JC-Virus, dessen Benennung wie beim BK-Virus nach den Initialen des ersten Patienten entstand, ist Verursacher der PML (progressive multifokale Leukenzepalopathie), einer schweren Entmarkungskrankheit des ZNS. Man geht aufgrund der hohen Seroprävalenz von 80% von einer latent persistierenden Infektion aus. Nach Reaktivierung durch eine gestörte Immunlage kommt es zur Manifestation der Erkrankung. BK-Virus-DNA konnte bisher in Neuroblastomen nachgewiesen werden. Papilloma-Viren Epidemiologie. Die Übertragung der Papilloma-Viren
erfolgt durch Schmierinfektion oder über Mikroläsionen von Haut- und Schleimhaut. Es treten gutartige wie auch maligne Erscheinungsformen von Tumoren durch die Infektion mit Papilloma-Viren auf. Klinik. Insbesondere die Typen 6 und 11 werden für
Genitalkarzinome verantwortlich gemacht (frühe Zellveränderungen). Bei den HPV-Infektionen, die zu Zervixkarzinomen führen können, findet man in den sog. »High-risk-Gruppen« die Virus-Untergruppen 16, 18 und andere. Häufig sind diese Hautveränderungen mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Dabei sind die gefährlichen Virus-Untergruppen nicht nur an der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs beteiligt. Man findet sie oftmals auch bei Krebserkrankungen des Penis, der Vulva oder des Anus. Nach Kontaktinfektion der epidermalen Basalzellen nach Mikrotraumen entstehen oftmals erst nach Monaten benigne Tumoren der Haut und Schleimhaut, die i. d. R. spontan wieder verschwinden. Die Immunsituation des jeweiligen Betroffenen spielt dabei eine wichtige Rolle. Das Virus bleibt in den Zellen oft verborgen und kann wie bei einer Herpes-Infektion dann reaktiviert werden, wenn sich die Immunlage verschlechtert.
Klinik. Die akute Verlaufsform heilt zu ca. 80–90% aus, wobei das Virus weitestgehend aus dem Organismus eliminiert wird. Die chronisch persistierende Hepatitis ist in 5–10% der Fälle zu beobachten. Endstadium bilden hepatozelluläres Karzinom und die Leberzirrhose.
Diagnostik. PCR, Hybridisierung mit Gensonden.
Diagnostik. PCR, Antikörper- und Antigennachweis.
Therapie. Prävention der Karzinomentstehung
Therapie. Chronische Hepatitis: (pegyliertes) Interfe-
durch Vorsorgeuntersuchung. Warzen können durch Kryotherapie oder Silbernitrat vorzeitig beseitigt werden.
ron und Lamivudin; neuere Chemotherapeutika werden geprüft (z. B. Adefovir).
296
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
> Seit kurzer Zeit gibt es 2 zugelassene Impfstoffe zur Impfung gegen bestimmte HPV-Typen. Empfohlen werden sie für junge Mädchen als Prophylaxe des Zervixkarzinoms.
4.6.7.6
Adenoviridae
Adeno-Viren Epidemiologie. Hauptübertragung der weltweit ver-
4
breiteten Adeno-Viren erfolgt durch Tröpfcheninfektion, aber auch Schmierinfektionen und kontaminierte augenärztliche Instrumente tragen zu Erkrankungen bei. Infektionsquelle ist der Mensch, wobei die Durchseuchung zumeist im Kindesalter beginnt.
Diagnostik. Hämagglutinin-Hemmtest (HHT), KBR. Therapie. Symptomatisch.
4.6.7.8 Flaviviridae FSME-Virus Epidemiologie. Der Erreger ist überwiegend in Mittelund Osteuropa, insbesondere in Süddeutschland, Tschechien und Österreich verbreitet. Die von April bis September auftretende Infektion wird durch die Schildzecke Ixodes ricinus übertragen. Klinik. FSME – Frühsommer-Meningoenzephalitis. Diagnostik. HHT, ELISA.
Klinik. Infektionen des Respirationstraktes manifes-
tieren sich als grippaler Infekt, Pneumonie, abakterielle Pharyngitis und Rhinitis. Sind die Augen betroffen, kann es – häufig assoziiert mit der Pharyngitis – zur follikulären Konjunktivitis oder Keratokonjunktivitis kommen. Intestinale Infektionen äußern sich in hämorrhagische Zystitiden, primärer Gastroenteritis und die bei Kleinkindern nach den Rota-Viren zweithäufigste erregerbedingte Diarrhö. Diagnostik. Bei Konjunktivitis Anzucht in Zellkultur, ansonsten passive Agglutination aus Material aus Stuhlproben oder Nachweis mittels Immunassay. Therapie. Symptomatische Therapie.
4.6.7.7 Togaviridae Rubella-Virus, Röteln-Virus Epidemiologie. Die infektiöse exanthemische Erkrankung ist weltweit verbreitet. Die Übertragung des Erregers erfolgt per inhalationem durch Tröpfcheninfektion. Klinik. Das durch den Erreger bedingte Krankheitsbild der Röteln wird zumeist im Kindesalter mit harmlosen Begleiterscheinungen wie leichte katarrhalische Symptome, schmerlose Lymphknotenschwellungen und kurzzeitiges Fieber, überstanden. Kennzeichnend ist das im Gesicht beginnende, später sich über den Rumpf ausbreitende Exanthem in Form konfluierender rosaroter Flecken. Bei Jugendlichen und Erwachsenen treten vereinzelt Enzephalitiden, Arthralgien und thrombozytopenische Purpura in Erscheinung. > Besondere Bedeutung erlangt das Virus, wenn sich eine nichtimmune Schwangere infiziert, was zu Missbildungen des Fetus führt.
Therapie. Symptomatisch; eine stationäre Aufnahme ist erforderlich, die Erkrankung verläuft v. a. bei Erwachsenen z. T. tödlich. Verlauf der FSME Der typische Krankheitsverlauf ist biphasisch: ca. 1–3 Wochen nach dem Zeckenstich kommt es zur ersten Erkrankungsphase, der wie ein grippaler Infekt (»Sommergrippe«) imponiert; zu dieser Zeit könnte das Virus schon dem Blut isoliert werden. Nach der i. d. R. nur 2–5 Tage anhaltenden ersten Phase kommt es zu einem fieberfreien Intervall von 1–4 Tagen. Anschließend setzt das Fieber erneut ein. Jetzt treten Symptome einer Meningitis, Enzephalitis oder gar Meningo-Enzephalomyelitis auf. Die zweite Phase dauert etwa 3 Wochen. Währenddessen bilden sich i. d. R. alle Symptome (wie z. B. auch Paresen) wieder zurück. Selten kann es ca. 3–4 Wochen nach Abfieberung zu einer (autoimmunen) Polyneuritis (»Spätlähmungen«) kommen.
Dengue-Fieber-Virus Epidemiologie. Nur der Mensch ist als Hauptwirt für das Virus bekannt. Als Überträger der in den Tropen und Suptropen verbreiteten Erreger gilt die Mücke Aedes aegypti. Klinik. Als Manifestationsform sind das Dengue-Fieber
und das Dengue-Schock-Syndrom bzw. hämorrhagisches Dengue-Fieber bekannt. Beide haben unbehandelt eine Letalität von bis zu 50%. Diagnostik. Serologie, Zellkultur. Therapie. Symptomatisch; evtl. Sauerstoffgabe und parenteraler Flüssigkeitsausgleich.
297 4.6 · Virologie
Gelbfieber-Virus Epidemiologie. Übertragung durch die Mücke Aedes aegypti. Verbreitung in Afrika und im tropischen Südund Mittelamerika. Affen gelten als Hauptreservoir. Klinik. Hämorrhagisches Fieber einhergehend mit Darmblutungen und/oder Bluterbrechen. Diagnostik. HHT, ELISA. Therapie. Symptomatisch.
Hepatitis-C-Virus (HCV) Epidemiologie. Nach Übertragung durch Blut und Blutprodukte gelangt der Erreger in die Leber und nistet sich in den Hepatozyten ein, wo die Vermehrung stattfindet.
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4.6.7.10 Filoviridae Marburg-Virus und Ebola-Virus Epidemiologie. Die glücklicherweise eher seltenen Infektionen der beiden verwandten afrikanischen Viren finden ihren Ursprung nach mehreren Ebola-Ausbrüchen von 1976 in Zaire (Ebola: Fluss in Zaire). Das ähnliche Krankheitsbild wurde außer in Afrika auch in Europa beobachtet unter dem Einfluss des in der gleichnamigen Stadt entdeckten Marburg-Virus. Klinik. Hämorrhagisches Fieber, begleitet von schweren Krankheitssymptomen wie Myalgien, Arthralgien, Pharyngitis, Erbrechen und Diarrhö. Diagnostik. Elektronenmikroskopische Untersuchung, serologischer Nachweis. Therapie. Keine antivirale Therapie vorhanden.
Klinik. Hepatitis C, früher als Non-A-Non-B-Hepatitis
bezeichnet. Dieser Hepatitis-Typ verläuft wesentlich häufiger als chronisch persistierende Infektion als die Hepatitis B, obwohl sich beide Formen in vielem gleichen. Das Risiko eines hepatozellulären Karzinoms oder einer Leberzirrhose ist groß. Diagnostik. PCR, Antikörper-, Antigennachweis.
4.6.7.11 Paramyxoviridae Parainfluenza-Virus Epidemiologie. Die alljährlich in den Wintermonaten ausbrechenden Infektionen betreffen überwiegend Kinder unter 3 Jahren. Bei den 10-jährigen ist die Durchseuchung bereits bei etwa 90%. Die Übertragung durch Tröpfcheninfektion wird zumeist in gemäßigten Breiten beobachtet.
Therapie. Interferon, evtl. Kombination mit Ribavirin. Klinik. Grippeähnliche Erkrankungen, bakterielle
4.6.7.9 Rhabdoviridae Rabies-Virus, Tollwut-Virus Epidemiologie. Übertragung erfolgt durch Biss eines infizierten Tieres, meist von Fledermäusen, aber auch Widtiere wie Fuchs oder Hunde. In Europa und Afrika sind die Typen 2–7 bekannt, andere Typen sind in Asien beschrieben.
Sekundärinfektionen und Pneumonien. Außerdem gehört das Parainfluenza-Virus zusammen mit RS-Viren und Haemophilus influenzae zu den häufigsten Erregern des Krupp-Syndroms, eine mit Dyspnoe verbundene Obstruktion der oberen Atemwege. Diagnostik. Antigennachweis im Rachenabstrich, Sero-
Klinik. Die Inkubationszeit kann von 10 Tagen bis zu
1 Jahr dauern. An ein erstes Stadium mit Fieber und Kopfschmerzen folgt starke motorische Unruhe mit Muskelkrämpfen v. a. im Bereich des Pharynx/Larynx (Schluckbeschwerden). Im Verlauf kontrahiert die gesamte Muskulatur; es folgen Lähmungen, Koma und Tod.
logie. Therapie. Kein spezifisches Chemotherapeutikum vorhanden; in einzelnen Fällen Ribavirin.
Mumps-Virus Epidemiologie. Die Übertragung erfolgt durch Tröpf-
cheninfektion. Diagnostik. Immunfluoreszenz aus Hautbiopsien; Iso-
lierung aus Gehirngewebe post mortem.
Klinik. Mumps (Parotitis) und Mumpsmeningitis. Be-
Therapie. Keine spezifische antivirale Therapie vorhan-
teiligung anderer Drüsen ist als Komplikation möglich (Orchitis).
den. Zur Postexpositionsprophylaxe ist die Wunde zu desinfizieren und mit entsprechendem Hyperimmunoglobin zu umspritzen. Verfügbar sind sowohl passive als auch aktive Impfungen gegen Tollwut.
Diagnostik. ELISA, KBR. Therapie. symptomatisch
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Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
> Die Dreifachimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln ist zweimal ab dem 12. Lebensmonat vorgesehen.
Pandemie sind möglich, wobei sog. Grippewellen jährlich in Erscheinung treten. Klinik. Die Virusgrippe oder Influenza zeigt typische
Masern Epidemiologie. Das weltweit verbreitete Virus ist
4
aufgrund konsequenter Durchimpfung zumindest in den USA praktisch ausgerottet. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. In Europa kann mit einer Masernepidemie alle 5–7 Jahre gerechnet werden.
Allgemeinsymptome wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen. Eine Beteiligung des Respirationstrakts im Sinne von Husten, Halsschmerzen und Katarrh der Schleimhäute ist häufig. Pneumonie, Meningitis, Myokarditis, Perikarditis, Guillain-Barré-Syndrom und Rhabdomyolyse sind nur einige der möglichen Komplikationen bei der Influenzavirus-Infektion.
Klinik. Masern: nach unspezifischem Prodromalsta-
dium mit grippeähnlichen Erscheinungsformen und typischen Koplik-Flecken (Läsionen der Wangenschleimhaut) erfolgt nach 3–5 Tagen das Exanthemstadium mit hinter dem Ohr beginnenden, rosaroten Effloreszenzen. Nach weiteren 3–4 Tagen klingt das Exanthem synchron mit Entfieberung ab und es erfolgt der Übergang ins Rekonvaleszenzstadium. Gefährlich ist die mit einer hohen Sterblichkeit einhergehende Masernenzephalitis. Diagnostik. KBR, ELISA
Diagnostik. KBR, HHT. Therapie. Zanamivir, Oseltamivir (Neuramidase-Inhibitoren), meist symptomatische Therapie. Grippe versus grippaler Infekt Häufigkeit der Symptome in absteigender Reihenfolge: 4 Grippe. Fieber >38°C, Husten, Frösteln, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen, Schnupfen 4 Infekt, grippaler. Schnupfen, Halsschmerzen, Husten, Kopfschmerz, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen, Frösteln, Fieber >38°C
Therapie. Symptomatisch.
Vogelgrippe ! Cave 5–10 Jahre nach durchgemachter Maserninfektion kann sich eine subakute sklerosierende Panenzephalitis entwickeln, die nach wenigen Wochen bis Monaten zum Tod führt.
Respiratorisches Synzytialvirus (RSV) Epidemiologie. Das weltweit verbreitete Virus gilt als Haupterreger von Ateminfektionen bei Kleinkindern (<3 Jahren). Bei Erwachsenen kommt die Infektion seltener vor und nimmt einen milderen Verlauf an. Klinik. Rhinitis, Otitis media und bei Kindern häufig
akute respiratorische Erkrankungen wie atypische Pneumonie und Pseudo-Krupp. Diagnostik. Antikörpernachweis mittels ELISA im aku-
ten Stadium; direkter Antigennachweis durch IFT und Nachweis einer Serokonversion (z. B. KBR).
Epidemiologie. Influenza-A-Virus Typ H5/N1 ist der Erreger der sog. Vogelgrippe. Diese Viruserkrankung befällt hauptsächlich Wild- und Zugvögel sowie Geflügel aus der Tierhaltung und kann auf bestimmte Säugetiere (Schweine, Hunde, Pferde) und den Menschen übertragen werden. Durch intensiven Kontakt mit den befallenen Tieren kann es durch Inhalation viruspartikelhaltigen Staubes (Vogelkot) zu einer Ansteckung kommen. Klinik. Dabei erfolgt die Erkrankung im Menschen etwa
5 Tage nach der Ansteckung und verläuft ähnlich einer schweren Grippe mit Fieber >38°C, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen. Diagnostik. Für einen frühen Nachweis einer Influenza werden Virusanzucht und Antigennachweisverfahren eingesetzt. Am besten geeignet für die Analyse eines hohen Probenaufkommens sind automatisierbare ELISA Antigennachweisverfahren.
Therapie. Symptomatisch. Therapie. Bisher ist nur eine Therapie mit Neuramini-
4.6.7.12 Orthomyxoviridae Influenza-Viren Epidemiologie. Von den Typen A, B und C sind nur die beiden erstgenannten klinisch relevant. Epidemien und
dase-Hemmern wie Zanamivir und Oseltamivir erfolgreich. Dennoch liegt die Sterblichkeit bei ca. 50%.
299 4.6 · Virologie
4.6.7.13 Bunyaviridae RFV-Virus, CCHF-Virus Epidemiologie. Bunya-Viren finden in tropischen und subtropischen Gebieten ihre Verbreitung. Die Übertragung erfolgt durch blutsaugende Arthropoden.
4
reicht von Glieder- und Rückenschmerzen, katarrhalischen Erscheinungen, Augen- und Atembeschwerden bis zu Leber-, Milz-, Lymphknotenschwellungen und evtl. Meningitis. Diagnostik. Serologie.
Klinik. Das CCHF-Virus ist Auslöser eines hämorrha-
gischen Fiebers (Krim-Kongo-hämorrhagisches-Fieber-Virus) mit akuter Hepatitis und disseminierter intravaskulärer Koagulation. Als Verursacher des RiftTal-Fiebers wird das RVF-Virus (»rift valey fever virus«) verantwortlich gemacht. Das dabei entstehende Fieber ist von einer grippeähnlichen Symptomatik begleitet. In unkomplizierten Fällen dauert die Krankheit 2–5 Tage und benötigt eine sehr lange Erholungsphase.
Therapie. Symptomatisch.
4.6.7.15 Retroviridae Oncorna-Viren (HTLV-I, II) Epidemiologie. Die Übertragung von HTLV-I, und HTLV-II erfolgt über Geschlechtsverkehr, Blut, intrauterin und über die Muttermilch. Die Infektiosität ist eher gering und zellassoziiert. Klinik. Ca. 2–3% der HTLV-I-Infizierten erkranken
Diagnostik. Serologie. Therapie. Symptomatisch.
4.6.7.14 Arenaviridae Lassa-Virus Epidemiologie. Das Lassa-Virus wurde erstmalig in Westafrika entdeckt. Als Reservoir dient die Vielzitzenratte Mastomys natalensis, durch deren Ausscheidung das Virus auf Lebensmittel übertragen wird. Die Übertragung kann dann von Mensch zu Mensch durch Wund- und Tröpfcheninfektion erfolgen. Vor allem in Sekreten bleiben die Erreger bis zu 5 Wochen hochinfektiös. Klinik. Das Lassa-Fieber (hämorrhagisches Fieber) be-
ginnt mit grippeähnlichen Symptomen. Später folgen Blutungen in Haut- und Schleimhaut sowie in die inneren Organe, oftmals verbunden mit einer Schockentwicklung durch den Volumenverlust.
nach über 40 Jahren an Adult-T-Zell Leukämie (ATL) und Erkrankungen des Rückenmarks (Myelopathie) bzw. in den Tropen eine spastische Lähmung der Extremitäten. Weiterhin wurden chronische Arthropathien und Uveitiden im Zusammenhang mit HTLV-I-Infektionen beschrieben. Die Isolierung von HTLV-II gelang erstmals am Patienten mit Haarzellleukämie, wobei ein Zusammenhang mit T-Zell-Lymphomen eher die Ausnahme zu sein scheint. > Formen der T-Zell-Leukämie sind: ATL, Lymphosarkom mit begleitender T-Zell-Leukämie, kutane T-Zell-Lymphome, wahrscheinlich Mycosis fungoides und Sézary-Syndrom, Entzündungsprozesse wie Polymyositis.
Diagnostik. Antikörperbestimmung mittels ELISA. Therapie. Antiretrovirale Therapie.
phylaxe.
Lenti-Viren (HIV-1, -2) Epidemiologie. Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt durch Blut oder erregerhaltiges Vaginalsekret bzw. Sperma beim Sexualkontakt. Weitere Möglichkeiten der Übertragung durch i.v. Drogen, intrauterin und perinatal sowie durch parenterale Blutübertragung.
LCM-Virus
Klinik. AIDS (»acquired immune deficiency syndro-
Epidemiologie. Das Virus findet weltweite Verbreitung,
me«): rezidivierende und persistierende Infekte mit opportunistischen Erregern sowie auftretende Neoplasien aufgrund des Zusammenbruchs des vorwiegend zellulären Immunsystems.
Diagnostik. Serologie, Zellkultur. Therapie. Ribavirin sowie strenge Isolierung als Pro-
insbesondere in den USA und Europa. Die Infektion erfolgt meist im Spätherbst oder Winter durch infizierte Hamster (als Haustiere), Hausmäuse (Kontakt oder Biss) sowie durch entsprechend kontaminierte Speisen oder inhalierte Staubpartikel.
Diagnostik. ELISA, Serologie.
Klinik. Manifestation der Erkrankung erfolgt nach einer Inkubationszeit von 6–21 Tagen. Die Symptomatik
Therapie. Antiretrovirale Therapie und natürlich Aufklärungsmaßnahmen als Prophylaxe.
300
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Infektiöse und parasitäre Krankheiten infolge HIV-Krankheit Zu den häufigsten opportunistischen Infektionskrankheiten aufgrund einer HIV-Infektion im Rahmen von AIDS gehören: 4 Pneumocystis carinii 4 Toxoplasmose 4 Infektionen mit CMV
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Hepatitis-A-Virus Epidemiologie. Die Übertragung erfolgt durch Schmutzund Schmierinfektion sowie durch kontaminierte Nahrungsmittel. In Mitteleuropa erscheint sie als Reisekrankheit, ebenfalls in Südamerika und im Nahen Osten. Klinik. Zumeist gutartig verlaufende, epidemische oder
infektiöse Hepatitis. Weitere bei AIDS vorkommende opportunistische Infektionen können sein: 4 Bakterielle Infektionen mit atypischen Mykobakterien (Myckobakterium avium), Tuberkulose 4 Virale Infektionen wie Hepatitis, Herpes, progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML, ausgelöst durch JC-Virus) 4 Parasitäre und Pilzinfektionen wie Candida-Infektionen, Kryptokokken-Meningitis, Kryptosporidose > SARS Schweres akutes Atemwegssyndrom bzw. »severe acute respiratory syndrome«: Als Verursacher dieser Erkrankung gelten die zur Gruppe der RNA-Viren gehörenden Corona-Viren. Das pathogene Potenzial dieser für Mensch und Tier bedeutsamen Viren ist bisher noch weitestgehend unbekannt. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion und die Inkubationszeit liegt etwa zwischen 3–9 Tagen. Nach WHO-Information erfolgt der Krankheitsbeginn mit hohem Fieber, Atembeschwerden (Husten, Atemnot), evtl. Hals- und Muskelschmerzen. In der Symptomatik bestehen Ähnlichkeiten mit einer Influenzainfektion. Bisher ist noch keine kausale Therapie bekannt.
4.6.7.16 Picornaviridae Rhino-Viren Epidemiologie. Der Erreger ist weltweit verbreitet und tritt gehäuft in den Wintermonaten auf. Die Übertragung erfolgt teils über Tröpfcheninfektion oder direkt, z. B. über kontaminierte Hände. Die typenspezifische Immunität ist nur von kurzer Dauer, sodass es auch aufgrund des Typenreichtums zu wiederholten Schnupfenepisoden im Leben eines Menschen kommt.
Diagnostik. PCR, Antikörper-, Antigennachweis. Therapie. Alkoholkarenz und Allgemeinmaßnahmen. Ansonsten gibt es keine spezifische Therapie.
Poliomyelitis-Virus Epidemiologie. Die Übertragung erfolgt durch Schmier- und Schmutzinfektion durch Abwässer oder Stuhl, auch Schwimmbäder sowie durch subklinisch Erkrankte. Die in tropischen Ländern noch relativ häufig auftretenden Infektionen sind Dank der systematischen Einführung der aktiven Immunisierung in Europa und den USA sehr selten geworden. Klinik. Poliomyelitis (Kinderlähmung), Paralyse, Enzephalitis, Meningitis. Poliomyelitis Die Erkrankung zeichnet sich durch einen phasenhaften Verlauf aus: Initial entstehen wie beim grippalen Infekt Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, auch gastrointestinale Beschwerden durch die Vermehrung des Virus in Pharynx und Darmkanal. Nachfolgend entsteht ein symptomfreies Intervall von wenigen Tagen mit anschließenden zentralnervösen Symptomen als präparalytisches und paralytisches Stadium mit spinaler und enzephalitischer Form. Innerhalb eines Jahres kommt es zur Rückbildung der Symptome, es bleiben jedoch atrophische Lähmungen und Skelettveränderungen zurück. Bei ca. 95% der Erkrankungen ist ein subklinischer Verlauf zu beobachten.
Diagnostik. PCR, Anzucht der Viren (am besten aus Stuhlprobe, aber auch Rachenabstrich und Liquor). Therapie. Symptomatisch; bei bakteriellen Sekundär-
Klinik. Schnupfen; bei Kindern (eher selten) Bronchitis.
infektion Antibiotikagabe.
Diagnostik. Die Viren sind in zwar in Zellkulturen
Entero-Viren 68–71 Epidemiologie. Die Erreger kommen weltweit vor, wobei der Mensch als ihr Reservoir zählt. Ihre Übertragung erfolgt direkt durch Schmutz- und Schmierinfektion oder durch kontaminierte Nahrungsmittel.
züchtbar, jedoch wird man nur in Ausnahmefällen eine Labordiagnose erstellen. Therapie. Symptomatisch.
301 4.6 · Virologie
Klinik. Typ 70: akute hämorrhagische Konjunktivitis; Typ 71: Meningoenzephalitis; Enteritiden.
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Viren zu den häufigsten viralen Erregern der Enteritis bei Kindern. In den USA zählen sie zu den häufigsten Erregern von Lebensmittelinfektionen.
Diagnostik. KBR, Anzucht in Zellkultur. Klinik. Virale Enteritis. Therapie. Symptomatisch, keine spezifische antivirale
Therapie vorhanden.
Diagnostik. Antigennachweis.
Coxsackie-Viren Epidemiologie. Der Mensch gilt als Reservoir der ebenfalls zu den Entero-Viren zählenden, weltweit verbreiteten Erreger. Infektionen sind häufig und die Übertragung erfolgt direkt durch Schmutz- und Schmierinfektion oder kontaminierte Nahrungsmittel.
Therapie. Keine spezifische antivirale Therapie vor-
Klinik. Nach Aufnahme der Viren per os und Vermeh-
rung im lymphatischen Gewebe des Rachenraums und der Darmwand erreichen sie über den Blutweg ihr Zielorgan, beispielsweise, ZNS, Muskel, Herz etc. Häufige Manifestationen zeigen sich in herpetiformen Ausschlägen und verschiedenen Exanthemen (MundHand-Fuß-Syndrom), Herpangina, Myoperikarditis, hämorrhagischen Konjunktivitis, Meningitis und Enzephalitis. > Für Coxsackie A ist die Herpangina ein typisches Krankheitsbild, für Coxsackie B die Pleurodynie mit starken Schmerzen am unteren Thoraxbogen (Bornholm-Krankheit).
handen. 4.6.7.18 Astroviridae Astrovirus Epidemiologie. Der wenig pathogene und weltweit verbreitete Erreger verursacht überwiegend bei Kindern und älteren Menschen Krankheitssymptome. Klinik. Harmlos verlaufende Diarrhö. Diagnostik. Elektronenmikroskopisch (sternförmiges
Aussehen). Therapie. Symptomatisch.
4.6.7.19 Reoviridae Rota-Viren Epidemiologie. Fäkal-orale Übertragung, häufig in Kindergärten und Kinderkliniken auftretend. Gilt mit als häufigste Ursache für Durchfallerkrankungen bei Kleinkindern. Reservoir ist der Mensch.
Diagnostik. KBR, Zellkultur. Klinik. Die Besiedelung und Zerstörung des ZottenepiTherapie. Symptomatisch.
ECHO-Viren Epidemiologie. Übertragung erfolgt direkt durch Schmierinfektion und kontamoinierte Nahrungsmittel. Auch ECHO-Viren gehören zu den Entero-Viren; ihr Reservoir ist der Mensch.
thels führt zu Dehydrierung und löst damit Durchfallerkrankungen bei Kleinkindern aus, die immer mit der Gefahr einer Exsikkose verbunden sind. Bei immunsupprimierten Kindern sind schwere Krankheitsbilder möglich, neben Darmepithelien können auch andere Organe betroffen werden. Diagnostik. Antigennachweis.
Klinik. Infektionen des oberen Respirationstraktes, Her-
pangina, Myoperikarditis, Meningitis, Enzephalitis, disseminierte Neugeboreneninfektionen u. a.
Therapie. Substitution von Flüssigkeit und Elektroly-
Diagnostik. Serologie, Zellkultur.
Reo-Viren Klinik. Die sehr resistenten Reo-Viren lösen v. a. bei Kindern Infektionen des Respiration- und Intestinaltraktes aus. Ihre Beziehung und Zuordnung zu Krankheiten ist schwierig, da sie häufig auch bei symptomlosen Personen gefunden werden.
Therapie. Symptomatisch.
4.6.7.17 Calciviridae Norwalk-Vvirus Epidemiologie. Der Erreger wird direkt durch Schmutzund Schmierinfektion oder kontaminierte Nahrungsmittel übertragen und zählt neben Rota- und Adeno-
ten; keine spezifische antivirale Therapie vorhanden.
Diagnostik. Einzige diagnostische Möglichkeit ist die
Isolierung der Viren.
302
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Therapie. Eine spezifische antivirale Therapie gibt es
Klinik. Entweder als HBV-Simultaninfektion mit
nicht.
zweigipfligen, selten fulminanten Verlauf, oder als HBV-Superinfektion mit chronischen, häufig schweren Verlauf.
Colti-Viren Epidemiologie. Die Übertragung erfolgt durch Zecken-
4
bisse.
Diagnostik. Nachweis HDV-RNA, Anti-HDV-IgM.
Klinik. Colorado-Zeckenfieber: dreiphasiger Verlauf
Therapie. Wie HBV.
mit beginnenden Kopfschmerzen, Fieber und Lichtscheu. Der nachfolgenden symptomfreien Phase endet mit Petechien und makulösen Hautausschlägen. Die Erkrankung ist i. d. R. selbstlimitierend. Diagnostik. Zellkultur, Serologie. Therapie. Symptomatisch.
4.6.7.20 Nicht klassifizierte Erreger Hepatitis-D-Virus (HDV) Epidemiologie. Der Erreger kommt weltweit vor und tritt ausschließlich in Verbindung mit HBV auf. Übertragung wie HBV.
Prionen Die alimentären Infektionserkrankungen beim Menschen manifestieren sich als Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung (CJD) und Kuru (Papua-Neuguinea). Das mutierte Prionprotein (*PrPc in PrPsc) löst durch seine veränderte Konformation ebenfalls letale neurogenerative Erkrankungen aus, die fatale familiäre Insomnie (FFI) und die Gerstmann-Sträussler-ScheinkerKrankheit (GSS).
In Kürze Humanpathogene Viren, ihre Merkmale und Erkrankungsbeispiele Virusgruppe
Beispiele der Erkrankungen
ssDNA-Viren mit Hülle Parvoviridae Parvovirus B19
Ringelröteln, Hydrops fetalis, Abort
dsDNA-Viren mit Hülle Herpesviridae Herpes-simplex-Virus Typ-1 (HSV-1)
Herpes labialis
Herpes-simplex-Virus Typ-2 (HSV-2)
Herpes genitalis
Varizella-Zoster-Virus (VZV, HHV-3)
Windpocken, Herpes Zoster
Epstein-Bar-Virus (EBV, HHV-4)
Infektiöse Mononukleose, M. Hodkin, Non-Hodgin-Lymphome, Nasopharynxkarzinom, PTLD (Posttransplantationslymphoproliferation)
Zytomegalie-Virus (CMV, HHV-5)
CMV-Pneumonie, Sialoadenitis, Kolitis
Humanes Herpes-Virus-6 (HHV-6)
Exanthema subitum
Humanes Herpes-Virus-7 (HHV-7)
Infektiöse-Mononukleose-ähnliche Erkrankung
6
303 4.6 · Virologie
Humanes Herpes-Virus-8 (HHV-8)
Kaposi-Sarkom
Poxyviridae Pockenvirus
Pocken
Molluscum contagiosum – Virus
Dellwarzen
Hepadnaviridae Hepatitis-B-Virus (HBV)
Hepatitis B
dsDNA-Viren ohne Hülle Papoviridae Polyoma-Viren (SV40-Virus, JC-Virus, BK-Virus)
JC-Virus: progressive multifokale Leukenzephalopathie SV40-Virus: Lymphome?
Papilloma-Viren Typ 1
Verruca palmopolantaris
Typ 2, 4
Verruca vulgaris
Typ 3
Verruca plana
Typ 5, 12, 17
Epidermodysplasia verruciformis
Typ 6, 11, 16, 18, 31
Condylomata accuminata, Genitalkarzinome
Adenoviridae Adenovirus
Entzündungen der Atemwege, Tumore
ssRNA-Viren mit Hülle Togaviridae Rubellavirus
Röteln(-Embryopathie)
Flaviviridae (u. a.) FSME-Virus
Frühsommer-Meningoenzephalitis
Dengue-Fieber-Virus
Dengue-Fieber
Gelbfieber-Virus
Gelbfieber
West-Nil-Virus
WNV-Meningoenzephalitis
Hepatitis-C-Virus
Hepatitis C
6
4
304
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Rhabdoviridae Rabies-Virus
Tollwut
Filoviridae
4
Marburg-Virus
Marburg-Krankheit
Ebola-Virus
Ebola-Fieber
Paramyxoviridae Parainfluenza-Virus
Grippe, Krupp
Mumps-Virus
Mumps (Parotis, Orchitis)
Masern-Virus
Masern
Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV)
Pneumonie
Orthomyxoviridae Influenza-Virus-A, -B, -C
Influenza, Grippepneumonie, Krupp
Bunyaviridae RVF-Virus
Kongo-Krim
CCHF-Virus
Hämorrhagisches Fieber
Arenaviridae Lassa-Virus
Lassa-Fieber
LCM-Virus
Lymphozytäre Chorionmeningitis
Retroviridae Oncorna-Viren: HTLV-I, II
Adult T-Cell Lymphoma (ATL)
Lenti-Viren: HIV-I, -II
AIDS, erworbenes Immundefekt-Syndrom
ssRNA-Viren ohne Hülle Picornaviridae Rhino-Viren
Schnupfen
Hepatitis-A-Virus
Hepatitis A
Poliomyelitis-Virus
Poliomyelitis
Entero-Viren (68–71)
Enteritis
6
305 4.7 · Hygiene
Coxsackie-Viren
Enteritis
Echo-Viren
Enteritis, Myokarditis, Herpangina
4
Calciviridae Norwalk-Virus
Epidemische Enteritis
Astroviridae Astro-Viren
Gastroenteritis
dsRNA-Viren ohne Hülle Reoviridae Rota-Viren
Kindliche Enteritis
Reo-Viren
Evtl. kindliche Enteritis
Colti-Viren: CTF-Virus
Colorado-Zecken-Fieber
Nicht klassifizierte Erreger Prionen, »slow viruses”
Creutzfeld-Jacob-Krankheit, BSE, Kuru, Skrapie
Hepatitis-D-Virus (HDV)
Hepatitis D
* PrPC = cellular prion protein, nicht pathogen; PrPsc = scrapie prionprotein, infektiös und pathogen
4.7
Hygiene
Definition der Hygiene »Demnach ist die Hygiene derjenige Teil der medizinischen Wissenschaft, welcher sich mit der gewohnheitsmäßigen Umgebung des Menschen beschäftigt und diejenigen Momente in derselben zu entdecken versucht, welche häufiger und in erheblicherem Grade Störungen im Organismus zu veranlassen oder die Leistungsfähigkeit herabzusetzen imstande sind.« [Carl Flügge (1847–1923), Ordinarius für Hygiene an den Universitäten Göttingen, Breslau und Berlin]
4.7.1 Arbeitsgebiete der Hygiene Der sich von dem griechischen Wort Hygieia abgeleitete Begriff Hygiene bedeutet im eigentlichen Sinne »die Lehre von der Gesundheit«. In enger Zusammenarbeit mit Fachgebieten anderer wissenschaftlicher Bereiche erforscht die Hygiene nicht nur Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Umwelt, um mit deren Erkenntnissen Hilfe für die Individuen zu fördern. Sie ist zudem
fester Bestandteil einer Präventivmedizin mit der definierten Aufgabe physischen, aber auch psychischen Schaden zu vermeiden. Folgende Grundbereiche sind in der Hygiene vertreten: 4 Krankenhaushygiene: Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, Sterilisation, Desinfektion u. a. 4 Individualhygiene: u. a. mit Beteiligung der Ernährung und Impfprävention 4 Umwelthygiene: v. a. Wasser-, Luft-, Boden- und Lärmhygiene 4 Sozialhygiene: Fachbereich der Arbeits- und Sozialmedizin 4.7.1.1 Krankenhaushygiene Aufgrund jüngster Statistiken kann man davon ausgehen, dass ca. 50% aller Komplikationen stationärer Patienten durch Infektionen hervorgerufen werden. Die Erkennung und Vermeidung von Infektionen in Krankenhäusern sind somit die wichtigste Aufgabe der Krankenhaushygiene und dient in der medizinischen Versorgung als wesentliche Qualitätssicherung.
306
4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
Nosokomiale Infektionen Nosokomiale Infektionen sind schwierig zu erkennen und zu behandeln; v. a. Resistenzentwicklungen gegen Antiinfektiva, neu entdeckte pathogene Keime sowie vermehrt invasive Eingriffe und komplexere Technologien haben bisher einen nennenswerte Rückgang der im Krankenhaus erworbenen Infektionen verhindert. Im Allgemeinen wird eine Infektion als nosokomial betrachtet, wenn 4 die Infektion bei stationärer Aufnahme nicht vorhanden oder inkubiert war, 4 die im Krankenhaus erworbene Infektion erst nach Entlassung manifest wird, 4 während einer Passage durch den Geburtskanal eine Neugeboreneninfektion entsteht. Derzeit rechnet man in Deutschland mit ca. 600.000 nosokomialen Infektionen, wobei Patienten auf Intensivstationen den größten Teil ausmachen, laut EPICStudie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) mit einer Prävalenz von 21%. Resistenz bei Erregern nosokomialer Infektionen Grampositive Erreger und Candida-Spezies haben in den letzten Jahren gramnegative Erreger als häufigste Ursache der nosokomialen Infektionen abgelöst. Das Arsenal der zur Verfügung stehenden wirksamen Substanzen wird durch die Zunahme multiresistenter Erreger bei den nosokomialen Infektionen ständig geringer. Dadurch entsteht ein zunehmend einseitiger Selektionsdruck aufgrund der kontinuierlich abnehmenden Anzahl bisher verbleibender antibiotischer Therapiemöglichkeiten. Demnach werden resistente Erregerpopulationen selektiert und es entwickelt sich ein Resistenz-Pool. In den vereinigten Staaten sind die Erreger bakterieller Krankenhausinfektionen bis zu 70% der Fälle gegen mindestens ein Antibiotikum resistent. Dabei sind dramatische regionale Unterschiede zu verzeichnen und etwa 35–40% der Infektionserreger sind gegen das Antibiotikum resistent, welches von Medizinern zur kalkulierten Behandlung verordnet wurde. > Am häufigsten findet sich S. aureus als Erreger nosokomialer Infektionen.
Übertragungswege nosokomialer Infektionen Bei einer Infizierung eines Patienten mit seiner körpereigenen Flora spricht man von endogener Infektion, die beispielsweise im Rahmen von invasiven Eingriffen während einer Operation oder einer Katheterisierung entstehen können. Endogene Infektionen sind i. d. R. nur schwer beherrschbar.
Dagegen spricht man von exogenen Infektionen, wenn es zur Übertragung von Erregern aus der Umgebung kommt, beispielsweise vom medizinischen Personal, medizinischen Instrumenten oder aber von anderen Patienten. Bei Einhaltung aller möglichen Hygienemaßnahmen geht man aber davon aus, dass ca. 70–80% aller exogenen Infektionen verhindert werden könnten. Zu diesen Hygienemaßnahmen gehört insbesondere die Händedesinfektion! Man unterscheidet verschiedene Arten der Händedesinfektion: 4 Hygienische Händedesinfektion: Ziel ist die Abtötung von Keimen, die durch Kontakt mit Patienten oder kontaminierten Gegenständen auf die Haut gelangt sind (transiente Flora). Um die Infektionskette zu unterbrechen, sollen die erworbenen, fakultativ pathogenen Keime vor dem nächsten Hautkontakt abgetötet werden. 4 Chirurgische Händedesinfektion: Ziel ist, die Hände des Chirurgen und des Operationsteams so keimarm wie möglich zu machen, um im Falle einer Verletzung des chirurgischen Handschuhs das Risiko einer Infektion so gering wie möglich zu halten. Die residente Flora ist viel schwieriger zu eliminieren als die transiente Flora, weswegen versucht wird, durch entsprechende Desinfektionsmaßnahmen die Hände als Desinfektionsquelle bei invasiven Eingriffen auszuschalten. Auch für das medizinische Personal ist das Risiko, Infektionskrankheiten zu erwerben, nicht unerheblich. Insbesondere im Umgang mit infizierten parenteral übertragbaren Erkrankungen wie HIV, Hepatitis B und C sind entsprechende Maßnahmen für den Personalschutz zu treffen. Dazu gehören v. a.: 4 Tragen von Schutzhandschuhen 4 Korrekte Durchführung der hygienischen Händedesinfektion 4 Tragen von (ggf.) Mundschutz, Schutzbrille 4 Beachten des Verbots des »recapping« (Wiederaufstecken der Schutzhülle verwendeter Kanülen Resistenzentwicklung nosokomialer Infektionserreger Die Unempfindlichkeit vieler Erreger gegen Antibiotika ist ein wichtiges Kriterium nosokomialer Infektionen. In den letzten Jahren hat die Antibiotikaresistenz medizinisch bedeutsamer Erreger stark zugenommen. Man unterscheidet bei der Antibiotikaresistenz zwischen einer natürlichen Unempfindlichkeit eines Erregers gegen eine bestimmte Substanzgruppe und der zumeist durch Selektionsdruck durch Antibiotika erworbenen Resistenz (. Kap. 4.2.2). Zusätzlich treten bei nosokomialen Infektionen Resistenzphänomene da-
307 4.7 · Hygiene
durch auf, dass es in der normalen Keimflora des Patienten unter dem Einfluss von Antibiotika zu einem schrittweisen Ersatz empfindlicher Bakterienstämme durch resistente kommt. Dies trifft insbesondere bei der endogenen Infektion zu. Multiresistente Erreger Multiresistente Erreger (MRE) gewinnen immer mehr an Bedeutung. Durch den in der Vergangenheit häufig unkritischen Einsatz von Antibiotika treten heute allgemein vermehrt Krankheitserreger auf, die nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr antibiotisch therapiert werden können. Dies betrifft außer dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) bzw. Oxacillin-resistenten Staphylococcus aureus (ORSA) auch zunehmend andere Erreger wie etwa Enterokokken, Pseudomonaden, sowie andere nichtfermentierende gramnegative Stäbchen und Erreger ambulant erworbener Infektionen, z. B. penicillinresistente Pneumokokken und Gonokokken, multiresistente Salmonellen und Shigellen u. a. Neben ihrer Resistenz gegen alle Betalaktam-Antibiotika besitzen viele dieser Stämme auch Resistenzen gegen Gyrasehemmer, Aminoglykoside und andere Antibiotika. Das epidemiologische Verhalten von empfindlichen Staphylococcus-aureus-Stämmen und MRSA ist ähnlich, wobei letztere aber durch Antibiotika selektiert werden und vor allem in Bereichen mit hohem Antibiotikaverbrauch und anfälligen Patienten, z. B. in intensivmedizinischen Bereichen, zu epidemischem Auftreten neigen. Die Bekämpfung von MRE nach epidemischer Ausbreitung ist besonders aufwendig und teuer. Die Gefahr, dass sie sich auch auf andere Kliniken, Praxen oder Reha- bzw. Pflegeeinrichtungen ausbreiten, ist groß. Deswegen sind bei ihrem Aufkommen die notwendigen Hygienemaßnahmen strikt einzuhalten. Bei epidemischem Auftreten von MRE kann es notwendig werden, den betroffenen Bereich vorübergehend zu schließen. > Die »Empfehlung zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureusStämmen (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen« sind jederzeit auf den Internetseiten des Robert-Koch-Institutes einsehbar (www.rki.de).
Nosokomiale Infektionen in der ärztlichen ambulanten Praxis Die Häufigkeit nosokominaler Infektionen, die in der ambulanten Praxis erworben werden, wird wahrscheinlich unterschätzt. Auch diese können – wie in Kranken-
4
häusern – ein größeres Gesundheitsproblem dort darstellen, wo noch nicht alle Vorsichtsmaßnahmen dagegen getroffen wurden. Daher muss die Prävention auf einer wissenschaftlichen Deutlichkeit basieren und darf nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch in den Polikliniken und in der Arztpraxis sowie beim Zahnarzt und in der Hauspflege Anwendung finden. Die Infektprävention ist eines derjenigen Module durch die sowohl die Gesundheit der Patienten als auch die Kosten für das gesamte Gesundheitswesen profitieren. Häufige nosokomiale Infektionen Zu den häufigsten und wichtigsten Infektionen zählen (. Tab. 4.12): 4 Harnwegsinfektionen 4 Wundinfektionen 4 Pneumonien 4 Bakteriämien Je nach Krankenhaus und Abteilung variieren die Häufigkeiten dieser Infektionen. Während Pneumonien und auch Bakteriämien mit einer nicht unerheblichen Morbidität und Mortalität assoziiert sind, verlaufen die Harnwegsinfektionen zumeist prognostisch günstig. Prävention nosokomialer Infektionen Nosokomiale Infektionen treten besonders häufig nach invasiven Maßnahmen auf. Erreger dabei sind v. a. Staphylokokken (auch MRSA) und Enterobakterien sowie Pseudomonas. Die Besiedelung von Plastikmaterialien mit diesen Erregern spielt dabei eine übergeordnete Rolle. Insbesondere Patienten mit disponierenden Grunderkrankungen, Kranke unter immunsupprimierender Therapie und Menschen höheren Alters sind betroffen. Nach derzeitigen Schätzungen erkranken alleine in der Bundesrepublik Deutschland jährlich 75.000 Patienten an einer Sepsis als schwerwiegende Folge nosokomialer Infektionen, mit deutlich zunehmender Inzidenz in den letzten Jahren. Die demographische Entwicklung zeigt, dass man mit einem weiteren Anstieg der Krankenhausinfektionen und allen ihren Folgen rechnen muss. Dies betrifft alle Bereiche der medizinischen Disziplin. > Eine strikte Beachtung der Regeln der Asepsis bei allen medikotechnischen Interventionen sowie eine möglichst kurze Verweildauer von Fremdkörpern können Infektionen vermeiden helfen.
Infektionsrisiken durch diagnostische und therapeutische Interventionen können durch »Minimierung auf das Nötigste« zur Prophylaxe nosokomialer Infek-
308
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
. Tab. 4.12. Ätiologie, Erregerspektrum und Risikofaktoren häufiger nosokomialer Infektionen Nosokomiale Harnwegsinfektion
Nosokomiale Wundinfektion
Nosokomiale Pneumonie
Nosokomiale Bakteriämie
Häufigkeit
Ca. 40%
Ca. 20%
Ca. 15%
Ca. 5–10%
Erreger
E. coli, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, Pseudomonas areugenosa u. a.
S. aureus, koagulasenegative Staphylokokken, Enterokokken, E. coli, Pseudomonas, Enterobacter, Proteus, Klebsiella pneumoniae, Streptokokken, Candida albicans, u. a.
Pneumokokken, Haem. influenzae, Moraxella catharralis, S. aureus, Pseudomonas aerugenosa, Enterobacter, Acinetobacter, Klebsiella pneumoniae, E. coli, Legionellen, Candida, Aspergillus, Viren, u. a.
S. epidermidis, S. aureus, Enterokokken, E. coli, Klebsiella, Pseudomonas aerugenosa, Acinetobacter, Enterobacter, Candida u. a.
Risikofaktoren
Geschlecht (Frauen > Männer), Alter (>60 Jahre), periurethrale Kolonisierung
Abhängigkeit von: Alter und Konstitution des Patienten, Operationsdauer, -technik, Vaskularisation des Gewebes u. a.
Alter (>60), vorbestehende Erkrankung, Nikotin- und Alkoholabusus, Diabetes, Beatmung, Intubation u. a.
Ältere Patienten, Kleinkinder, Frühgeborene
Ätiologie
Katheterisierung der Harnwege, Instrumentalisierung der Harnwege
Durch Hautinzision während Operation, durch Personal, aerogen, Operationsumgebung (endogen: ca. 90%!)
Aspiration; durch andere Patienten oder medizinisches Personal, Direktkontakt mit kontaminierten Instrumenten oder Flüssigkeiten
Kontaminierte Katheter und Kathetersysteme (ZVK u. a.)
4
tionen beitragen. Auch der Einsatz von Biomaterialien, eine strenge Überprüfung seiner Indikationsstellung sowie ihre kürzere Verweildauer im menschlichen Körper, kann die Infektionsgefahr deutlich reduzieren. Derzeit verwendete Biomaterialien besitzen keine antiadhäsiven Eigenschaften und die Gefahr einer bakteriellen Adhäsion ist sehr unterschiedlich: so ist die Gefahr bei PVC (Polyvenylchlorid) größer als bei Polyurethan oder Teflon und sollte deshalb möglichst nicht mehr Verwendung finden. In der Pneumonieprophylaxe kann eine gezielte Beatmungsform die Vermeidung einer nosokomialen Pneumonie günstig beeinflussen: Kleine Bronchien und Alveolen können durch eine Lungendehnungsatmung eröffnet und offen gehalten werden. Bei dieser Beatmungsform mit hohem Atemzugsvolumen bei niedriger Atemfrequenz und langsamer Inspirationszeit sowie einem positiv endexspiratorischem Druck von 10 mmHg können Sekretstau und Störungen des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses beseitigt oder sogar verhindert werden. > Wichtige CDC-Empfehlungen (»Centers for Disease Control and Prevention«) zu nosokomialen Infektionen finden sich auf www. cdc.gov/
Desinfektion und Sterilisation Beides sind Methoden zur Dekontamination, also der Beseitigung oder Verringerung pathogener Keime. Während man unter Desinfektion die weitgehende oder vollständige Eliminierung potenziell pathogener Mikroorganismen – mit Ausnahme bakterieller Sporen – versteht, bezeichnet die Sterilisation die vollständige Eliminierung aller mikrobiellen Zustandsformen, also auch bakterielle Sporen und apothogene Keime. > Desinfektion = Keimverminderung, Sterilisation = Keimfreiheit.
Zu den Methoden zur Vermeidung der Übertragung nosokomialer Infektionen ist neben der Desinfektion und Sterilisation auch die Asepsis zu nennen. Sie wurde 1848 durch den Gynäkologen Ignaz Semmelweis eingeführt und beschreibt das Ergebnis von Verfahren zur Keimfreihaltung der Hände und aller medizinischen Instrumente vor einem Eingriff. Erst durch diese keimfreien Bedingungen wurden auch größere Operationen möglich. Mögliche Verfahren zur Keimverminderung sind die thermische und die chemische Desinfektion. Zur thermischen Desinfektion gehören
309 4.7 · Hygiene
4 4 4 4
Auskochen mit 0,5% Na2CO3 (98°C) Strömender Dampf (100°C) Dampf-Luft-Gemisch (95–105°C) Gesättigte Dampf (75–95°C)
Zu den wichtigsten chemischen Desinfektionsmitteln zählen: 4 Alkohole 5 Ethanol 5 N-Propanol 5 Isopropanol 4 Aldehyde 5 Formaldehyd 5 Glutar(di)aldehyd 5 Glyoxal 4 Phenolderivate 5 Quartäre Ammoniumverbindungen 5 Neutrale amphotere Verbindungen 5 Chlorhexidin 5 Biguanide 4 Halogenabspaltende Verbindungen 5 Chlor 5 Brom 5 PVP-Jod 4 Peroxidverbindungen 5 Ozon 5 Peressigsäure 4 Metallverbindungen 5 Quecksilber 5 Silber 4 Anorganische/Organische Säuren 4 Laugen Nach einer Einteilung des Robert-Koch-Instituts werden Desinfektionsmittel, entsprechend ihrer Resistenz, in 4 Wirkungsbereiche unterschieden: 4 Gruppe A: vegetative Bakterienformen, Pilze und ihre Sporen 4 Gruppe B: A + Inaktivierung von Viren 4 Gruppe C: B + Abtötung von Sporen von B. anthracis 4 Gruppe D: C + Abtöten von Sporen von C. perfringens Bei den Sterilisationsverfahren ist darauf zu achten, dass die Reduktion der Keimzahlen um 6 log-Stufen erfolgt. Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit eines lebenden Keims pro Objekt bei 1:1.000.000 liegen muss. Da die Wahrscheinlichkeit einer Kontamination sowohl vom Sterilisationsverfahren als auch von der Ausgangskeimzahl abhängig ist, sind eine standardisierte Reinigung und Desinfektion der Sterilgüter Vorbedingungen für eine sichere Sterilisation.
4
Zu den Sterilisationsverfahren gehören: 4 Dampfsterilisation 5 Reiner, gesättigter Wasserdampf mit mindestens 121°C 5 Wirkt auf Oberflächen des Sterilgutes ein 5 Einwirkzeit mindestens 15 min (bei 134°C mindestens 3 min) 5 Häufigstes angewandtes Verfahren für thermostabile Materialien 4 Heißluftsterilisation 5 Sterilisieren mit trockener Hitze 5 160–180°C 5 Einwirkzeit mindestens 30 min 5 Materialschädlich 5 Kein zuverlässiges Verfahren 4 Gassterilisation 5 Sterilisieren mit mikrobiozidem Gas 5 Möglichst niedrige Temperaturen (geschlossenes System) 5 Nur thermolabile Materialien 5 Ethylenoxid (EO)-Sterilisation, Formaldehydgas-Sterilisation 4 Plasmasterilisation 5 Mit Hilfe von Wasserstoffperoxid-Plasma 5 Bei 45°C etwa 45–80 min 5 Schonendes Verfahren für thermolabile und feuchtigkeitsempfindliche Materialien 4 Strahlensterilisation 5 Röntgenstrahlen oder Gammastrahlen 5 Aufwändige Sicherheitsmaßnahmen 5 Materialveränderung bei Gummi, Latex und Kunststoffen möglich 4.7.1.2 Individualhygiene Unter Individualhygiene versteht man nicht nur die persönliche Sauberkeit im Sinne der Körperhygiene. Zu ihren unabdingbaren Maßnahmen wie die Händedesinfektion und das Tragen von (sauberer) (Schutz-)Kleidung gehören auch die Hygiene der Ernährung bzw. der Nahrungsmittel sowie die Impfprävention im In- und Ausland. Somit liegt die Individualhygiene in der Verantwortung jedes einzelnen. Körperhygiene Die Körperhygiene besteht aus der Pflege des Körpers im weitesten Sinne (Körperreinigung) und aus seiner Bekleidung. Vorzugsweise an den Stellen, an denen täglich der typische Körper- und Schweißgeruch entsteht, siedeln sich unterschiedliche Pilzarten an. Damit aus dieser Ansiedlung keine ernsthafte Erkrankung wird, muss der Körper regelmäßig gereinigt werden. Seife löst zwar den Schmutz von der Hautoberfläche, sodass er vom Wasser weggespült werden kann, besser ist jedoch
310
4
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
sich unter fließendem Wasser zu waschen. Denn während eines Bades lösen sich Schmutzteilchen, Pilze und Bakterien von der Haut, werden jedoch wieder als Film auf der ganzen Körperoberfläche verteilt. Als Reinigungshilfsmittel sind auskochbare Waschlappen und Nagelbürsten am besten geeignet. Nach der Reinigung ist die Pflege die Haut, der Nägel und der Haare wichtig. Außer der Körperreinigung ist der auch Umgang mit der richtigen Bekleidung ein Thema in der Individualhygiene. Was der Pelz für die Tiere ist, ist die Kleidung für den Menschen. Man unterscheidet die Textilgrundstoffe in natürliche Fasern (Wolle, Baumwolle), halbsynthetische Fasern (Kunstseidenarten) und vollsynthetische Fasern (Nylon, Perlon). Dabei sind die für die Hygiene wichtigen Eigenschaften die Permeabilität, das Porenvolumen und die Wasseraufnahmefähigkeit. Leider gibt es kein Gewebe, das für alle Anforderungen der Hygiene in allen Lagen und Situationen gleich gut geeignet ist. So kann es auch durch das Tragen falscher Kleidung (zu eng, zu schwer, zu dünn) zu Erkrankungen oder Verdrängungen der Organe oder zu Durchblutungsstörungen kommen. Erholung Auch das gehört zur Individualhygiene. Jeder Mensch hat eine gewisse Zeit an Erholung (5-min-Pausen während der Arbeit, Freizeit, Wochenende, Urlaub) nötig. Dabei sind während der Arbeit mehrere 5-min-Pausen besser als eine zusammenhängende 15-min-Pause. Nach 5 min ist es leichter sich wieder an den Arbeitsrhythmus gewöhnen als nach 15 min. Wichtig ist, dass der Mensch in seiner Freizeit als Ausgleich Sport treibt, z. B. Schwimmen, Wandern, Gymnastik. Da Wochenenden zu lang sind um sich vom Wochenrhythmus zu erholen, aber auch zu kurz für einen Urlaub sind, ist es besser den Urlaub zusammenhängend zu nehmen. Währenddessen sollte man auf Bildungsreisen u. ä. verzichten. Ernährungshygiene Sie ist eine Ergänzung zur Ernährungslehre und soll uns vor nicht ausreichender, ungeeigneter, verdorbener oder vergifteter Nahrung schützen sowie unsere fehlerhaften Ernährungsgewohnheiten abändern. Aus dem Nahrungsbedarf des einzelnen und den Ernährungsmöglichkeiten des jeweiligen Standortes lässt sich die Ernährung des Individuums zusammenstellen. Somit ist abzuleiten, dass es für die gesamte Weltbevölkerung eine Normalernährung nicht geben kann. Die wichtigen Nährstoffe Eiweiß, Fette und Kohlenhydrate sowie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente sind unabdingbar für eine gesunde Ernährung.
Leider gibt es noch die Unter-, Fehl- und die Überernährung. Priorität unter den sozialhygienischen Maßnahmen hat die Bereitstellung genügend großer Mengen hochwertiger Nahrungsmittel in guter Qualität, die jederzeit und zu einem dem Einkommen aller sozialer Schichten eines Volkes angemessenen Preis erhältlich sein muss. Impfprävention Es ist unbestritten, dass Impfungen zu den effektivsten präventionsmedizinischen Maßnahmen in der hausärztlichen Praxis gehören. Von Experten wird jedoch immer wieder zu vermehrten Impfaktivitäten aufgerufen, da die Durchimpfungsrate bei Bürgern jenseits des Kindesalters auch bei den Standardimpfungen eher gering ist. Die Schutzimpfungsraten im Kindesalter sind – wie auch aktuelle Auswertungen bestätigten – weniger beunruhigend, sodass hier mehrheitlich die Hausärzte angesprochen werden. Durch vernünftige Beratung im Rahmen eines entsprechenden Managements in der Praxis kann es gelingen, vereinzelte Vorbehalte gegen Impfungen bei den Patienten zu entkräften und den Stamm der zu betreuenden Patienten bezüglich der empfohlenen Impfungen aktiv anzusprechen und kontinuierlich zu überwachen. Impfstoffe bieten nicht nur eine hohe Effektivität bei inzwischen äußerst geringer Nebenwirkungsrate, wodurch sie nicht nur einen individuellen Schutz gewährleiste, sondern man verhindert man durch Massenimpfungen das Ausbreiten von Epidemien, wobei Krankheitserregern regelrecht der Nährboden für eine Verbreitung entzogen wird. Impfschutz in der Bevölkerung Zumindest bei Patienten im Erwachsenenalter sollte der Hausarzt derjenige sein, der systematisch den Impfstatus überprüft und aktualisiert. Er ist wohl nicht der einzige impfende Arzt, hat aber die meisten Patientenkontakte sowie die breitesten Informationen über seine Patienten. Unter den Kindern besitzen nur ca. 70% einen Impfschutz gegen Masern und Mumps. Der Impfschutz gegen Röteln und Keuchhusten ist noch geringer. Bei den Erwachsenen in Deutschland ist nur jeder zweite gegen Diphtherie und Wundstarrkrampf ausreichend geschützt. Das RobertKoch-Institut offenbart durch diese Einschätzung nicht nur ein statistisches Manko. Es zeigt auch, dass die Bundesrepublik Deutschland auf diesem Gebiet deutlich schlechter als vergleichbare westeuropäische oder nordamerikanische Länder abschneidet und eklatante Defizite bei der Organisation und Propagierung der Schutzimpfungen offenbart sowie eine Unterschätzung der potenziellen Gefahr durch weiter anwachsende Impflücken.
311 4.7 · Hygiene
Folgende Impfungen werden im Rahmen der Standardimpfungen empfohlen: 4 Grundimmunisierung bei Säuglingen und Kindern 5 Diphtherie-Tetanus-Pertussis (DTaP) 5 Haemophilus influenzae Typ b (Hib) 5 Inaktivierte Poliomyelitis-Viren (IPV) 5 Hepatitis B (HB) 5 Mumps-Masern-Röteln (MMR) 4 Auffrisch- und Zweitimpfungen 5 Diphtherie-Tetanus (DT-dT) 5 Pertussis (aP) 5 Inaktivierte Poliomyelitis-Viren (IPV) 5 Mumps-Masen-Röteln (MMR) 4 Sonstige Standardimpfungen 5 Influenza 5 Pneumokokken 5 HPV für jugendliche Mädchen > Das Ziel von Standardimpfungen ist der Schutz vor Infektionen und ihren Komplikationen. Bereits im frühen Kindesalter wird, einem Impfschema entsprechend, eine Immunität gegen diese Krankheiten aufgebaut. Auffrischimpfungen erfolgen mit dem Ziel, einen lebenslangen Schutz zu gewährleisten.
Da Impfstoffe empfindliche biologische Produkte sind, müssen sie vor allem vor Erwärmung geschützt werden. Insbesondere Impfstoffe, die vermehrungsfähige Viren enthalten. Dabei muss die Lagertemperatur regelmäßig überprüft werden und Impfstoffe, die versehentlich falsch gelagert oder eingefroren wurden, dürfen nicht mehr verwendet werden. In Deutschland verfügt man über eine vollständige Palette moderner Impfstoffe: entweder monovalente Impfstoffe, die gegen einzelne Krankheiten gerichtet sind, z. B. gegen Tollwut oder Gelbfieber, oder Kombinationsimpfstoffe, die mit einer Impfstoffdosis den Schutz gegen mehrere Krankheiten vermitteln, z. B. gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) (. Tab. 4.13). Reisemedizin Das allgemeine gesundheitliche Risiko bei Fernreisen ist heute nicht mehr wesentlich höher als im eigenen Land. Dies ist den verbesserten hygienischen und sozioökonomischen Verhältnissen sowie dem Erwerb neuer
4
wissenschaftlicher Erkenntnisse über Infektionskrankheiten, ihrer Epidemiologie und Prophylaxe zu verdanken. Die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln und die Durchführung wichtiger Präventionsmaßnahmen sind für ein möglichst geringes Risiko hinsichtlich Auslandsaufenthalte erforderlich. Zu einer professionellen reisemedizinischen Beratung gehört nicht nur die Frage nach dem Reiseziel, sondern auch 4 Art und Dauer des Aufenthaltes 4 Bisherige Schutzimpfungen 4 Akute und chronische Erkrankungen 4 Allergien und/oder Medikamentenunverträglichkeiten 4 Bestehende Immunsuppression 4 Schwangerschaft > Die Dokumentation der wesentlichsten Fakten einer reisemedizinischen Beratung sollte auch aus juristischen Gründen immer erfolgen.
Zur Expositionsprophylaxe bei Fernreisen gehört neben der Aufklärung expositionsmindernder Verhaltensweisen und Schadensbegrenzung auch die Aufklärung und Information über evtl. Risiken. Dazu gehören u. a.: 4 Infektions- und Unfallgefahren 4 Ernährungsumstellung 4 Klima- und Luftdruckschwankungen 4 UV-Strahlung 4 Kinetosen aufgrund der Zeitverschiebung Zur spezifischen Prophylaxe gehören die Impfungen und die Malariaprophylaxe. Dazu veröffentlicht die Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich eine Broschüre »International Travel and Health – Vaccination Requirements and Health Advice«, deren aktuelle Ausgabe jeweils vom Kilian-Verlag (Marburg) übersetzt wird. Meldepflichtige Erkrankungen Seit dem 29.12.2000 ist das Bundesseuchengesetz durch das Infektionsschutzgesetz (IFSG) ersetzt worden. Das eigentliche Gesetz lautet: Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (. Tab. 4.14).
312
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
. Tab. 4.13. Impfstoffe (links monovalente; rechts Kombinationsimpfstoffe)
4
Krankheiten
Impfstoff
Krankheiten
Impfstoff
Cholera
Totimpfstoff
Diphtherie, Tetanus
DT, zugelassen bis vollendetes 5. Lebensjahr.
Diphtherie
Toxoidimpfstoff (entgiftetes Toxin)
Diphtherie, Tetanus
Td, zugelassen ab 6. Lebensjahr
FSME
Inaktivierter Virusimpfstoff
Diphtherie, Tetanus, Pertussis
DTaP, zugelassen bis vollendetes 6. Lebensjahr
Gelbfieber
Lebendvirusimpfstoff
Diphtherie, Tetanus, Pertussis
Td-aP
Hepatitis A
Inaktivierter Virusimpfstoff
Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis
Td-IPV
Hepatitis B
Gentechnologisch hergestellter inaktivierter Virusimpfstoff
Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Hib
DTaP-Hib
Haemophilus influenzae Typ b (Hib)
Konjugierter Totimpfstoff
Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis
DTaP-IPV
Influenza
Inaktivierter Virusimpfstoff (Spaltimpfstoff ) Adjuvierter Virusimpfstoff (Inbunitimpfstoff )
Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Hib, Poliomyelitis
DTaP-Hib-IPV
MeningokokkenErkrankung
Polysaccharidimpfstoff bivalent Konjugierter Impfstoff
Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Hib, Poliomyelitis, Hepatitis B
DTaP-Hib-IPV-HB
Masern
Lebenvirusimpfstoff
Hepatitis B-Hib
HB-Hib
Mumps
Lebendvirusimpfstoff
Hepatitis A, Hepatitis B
HA-HB
Röteln
Lebendvirusimpfstoff
Masern, Mumps
MM
Pertussis
Azellulärer Totimpfstoff
Masern, Mumps, Röteln
MMR
Pneumokokken-Erkrankung
Polysaccharidimpfstoff (Totimpfstoff ) Konjugierter Impfstoff (Totimpfstoff )
Poliomyelitis
Inaktivierter Virusimpfstoff
Tetanus
Toxoidimpfstoff (entgiftetes Toxin)
Tollwut
Inaktivierter Virusimpfstoff
Typhus
Totimpfstoff Lebendimpfstoff
Varizellen
Lebendvirusimpfstoff
Tabelle modifiziert aus Dokumenten des BDA-Manuals Impfmanagement und Reisemedizin
313 4.7 · Hygiene
. Tab. 4.14. Auszug aus dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen Begriffsbestimmung §1
Übertragbare Krankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind durch Krankheitserreger verursachte Krankheiten, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden können.
§2
Im Sinne dieses Gesetzes ist 4 krank eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist, 4 krankheitsverdächtig eine Person, bei der Erscheinungen bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen, 4 ansteckungsverdächtig eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Erreger einer übertragbaren Krankheit (Krankheitserreger) aufgenommen hat, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein, 4 Ausscheider eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein, 4 ausscheidungsverdächtig eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger ausscheidet, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein.
Meldepflicht §3
(1) Zu melden ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung und der Tod an 4 Botulismus, 4 Cholera, 4 Enteritis infectiosa a) Salmonellose, b) übrige Formen einschließlich mikrobiell bedingter Lebensmittelvergiftungen, 4 Fleckfieber, 4 Lepra, 4 Milzbrand, 4 Ornithose, 4 Paratyphus A, B und C, 4 Pest, 4 Pocken, 4 Poliomyelitis, 4 Rückfallfieber, 4 Shigellenruhr, 4 Tollwut, 4 Tularämie, 4 Typhus abdominalis, 4 virusbedingten hämorrhagischen Fieber. (2) Zu melden ist die Erkrankung und der Tod an 4 angeborener a) Zytomegalie, b) Listeriose, c) Lues, d) Toxoplasmose, e) Rötelnembryopathie, 4 Brucellose, 4 Diphtherie, 4 Gelbfieber, 4 Leptospirose a) Weil‹sche Form, b) übrige Formen, 4 Malaria, 4 Meningitis/Enzephalitis, a) Meningokokken-Meningitis, b) andere bakterielle Meningitiden, c) Virus-Meningoenzephalitis, d) übrige Formen, 4 Q-Fieber, 4 Rotz, 4 Trachom, 4 Trichinose, 4 Tuberkulose (aktive Form), 4 Virushepatitis a) Hepatitis A, b) Hepatitis B, c) nicht bestimmbare und übrige Formen, 4 anaerober Wundinfektion a) Gasbrand/Gasödem, b) Tetanus.
6
4
314
Kapitel 4 · Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
. Tab. 4.14. (Fortsetzung) (3) Zu melden ist der Tod an 4 Influenza (Virusgrippe), 4 Keuchhusten, 4 Masern, 4 Puerperalsepsis, 4 Scharlach.
4
(4) Zu melden ist jeder Ausscheider von 4 Choleravibrionen, 4 Salmonellen a) S. typhi b) S. paratyphi A, B und C, c) übrige, 4 Schigellen. (5) Zu melden ist die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes oder verdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers. §4
(1) Zur Meldung sind verpflichtet 4 der behandelnde oder sonst hinzugezogene Arzt, im Falle von § 3 Abs. 5 auch der Tierarzt, 4 jede sonstige mit der Behandlung oder der Pflege des Betroffenen berufsmäßig beschäftigte Person, 4 die hinzugezogene Hebamme, 4 auf Seeschiffen der Kapitän, 4 die Leiter von Pflegeanstalten, Justizvollzugsanstalten, Heimen, Lagern, Sammelunterkünften und ähnlichen Einrichtungen. (2) In Krankenhäusern oder Entbindungsheimen ist für die Einhaltung der Meldepflicht nach Absatz 1 Nr. 1 der leitende Arzt, in Krankenhäusern mit mehreren selbstständigen Abteilungen der leitende Abteilungsarzt, in Krankenhäusern ohne leitenden Arzt der behandelnde Arzt verantwortlich. (3) Die Meldepflicht besteht für die in Absatz 1 Nr. 2 bis 5 bezeichneten Personen nur, wenn eine in der Reihenfolge des Absatz 1 vorher genannte Person nicht vorhanden oder an der Meldung verhindert ist. Die außerhalb eines Krankenhauses oder eines Entbindungsheimes tätige Hebamme ist in jedem Fall zur Meldung verpflichtet.
§5
Die Meldung ist dem für den Aufenthalt des Betroffenen zuständigen Gesundheitsamt unverzüglich, spätestens innerhalb 24 h nach erlangter Kenntnis zu erstatten. Dieses hat das für die Wohnung, bei mehreren Wohnorten das für die Hauptwohnung zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn die Wohnung oder die Hauptwohnung im Bereich eines anderen Gesundheitsamtes liegt.
Der Originaltext ist auf den Internetseiten des Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zu entnehmen: http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/ifsg/index.html Es handelt sich um eine Abschrift. Maßgeblich ist der amtliche Text.
5 Klinische Chemie, Labordiagnostik S. Schieder, F. Kollmann-Jehle, S. Barlage
5.1
Allgemeine klinische Chemie –317
5.1.1 5.1.2
Der klinisch-chemische Befund –317 Grundlegende Analyseverfahren –319
5.2
Liquordiagnostik –319
5.2.1 5.2.2
Makroskopische Betrachtung des Liquors –319 Mikroskopische Betrachtung des Liquors –319
5.3
Herz- und Skelettmuskel –321
5.4
Niere
5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6
Makroskopische Beurteilung des Urins –323 Messung von pH, Proteinen und Blut –324 Mikroskopische Harnuntersuchung –325 Kreatinin und Kreatinin-Clearance –325 Teststreifenuntersuchung –326 Harnsteine –326
5.5
Maligne Erkrankungen, Tumordiagnostik –327
–323
5.6
Knochenstoffwechsel –329
5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4
Kalzium –329 Phosphat –330 Knochenaufbau –330 Knochenabbau –330
5.7
Entzündungen –331
5.7.1 5.7.2 5.7.3
Entzündungsindikatoren –331 Antikörper bei entzündlichen Erkrankungen Autoantikörper –334
5.8
Endokrines System
5.8.1 5.8.2 5.8.3 5.8.4 5.8.5 5.8.6
Grundlagen der Hormonbestimmung –334 Hypothalamus und Hypophyse –335 Schilddrüsenhormone –335 Nebennierenrindenhormone –337 Sexualhormone –338 Biogene Amine –339
–334
–333
5.9
Gastrointestinaltrakt
5.9.1 5.9.2 5.9.3
Pankreasdiagnostik –339 Blut im Stuhl –340 Überprüfung der intestinalen Resorption
–339
5.10 Hämostaseologie, Hämatologie
–340
–340
5.10.1 Hämostaseologie –340 5.10.2 Hämatologie –344
5.11 Elekrolyt-, Wasser-, Säure-Base-Haushalt 5.12 Leber
–347
–350
5.13 Fettstoffwechsel
–352
5.14 Nukleinsäurestoffwechsel –354 5.15 Aminosäuren, Proteine 5.16 Kohlenhydrate
–354
–356
5.17 Drugmonitoring und toxikologische Analytik
–358
317 5.1 · Allgemeine klinische Chemie
5.1
Allgemeine klinische Chemie
5.1.1 Der klinisch-chemische Befund Klinisch-chemische Analysen dienen der qualitativen oder quantitativen Beschreibung eines (patho-)physiologischen Zustandes und sind somit integraler Bestandteil der Diagnostik und Verlaufskontrolle, aber auch der Prävention von Erkrankungen. > Bei der klinisch-chemischen Untersuchung muss zunächst das Untersuchungsmaterial gewählt werden, aus dem die Messgröße ermittelt werden soll, bevor dieses den verschiedenen Analyseverfahren unterzogen wird. Dabei ist zu beachten, dass endogene und exogene Einflüsse möglichst gering gehalten und Fehlerquellen vermieden werden. Anschließend sind zudem Validität sowie Zuverlässigkeit und Richtigkeit zu prüfen.
Die Bestimmung der jeweiligen klinisch-chemischen Messgrößen umfasst die Angabe des Analyten, des Untersuchungsmaterials, des Resultats sowie der Messgrößeneinheit. Als Untersuchungsmaterialien dienen u. a.: 4 Blut 5 Venöses Blut (für hämatologische Untersuchungen, Gerinnung, Blutsenkungsgeschwindigkeit) 5 Arterielles Blut 5 Kapillarblut aus Ohrläppchen oder Fingerkuppe (für Blutzuckeranalyse, Blutgasanalyse) 5 Fetales Blut (für pränatale Untersuchungen) 4 Urin 5 Spontanurin (zur qualitativen Urinstatusbestimmung) 5 Sammelurin 24 h (zur quantitativen Untersuchung und Clearance-Bestimmung z. B. Kreatinin) 4 Liquor 4 Punktate (z. B. Aszites) 4 Stuhl 4 Magensaft, Duodenalsaft 4 Schweiß (z. B. Bestimmung des Elektrolytgehaltes bei zystischer Fibrose) 4 Speichel (z. B. sekretorisches IgA) Bei der Anforderung und Durchführung von Laboranalysen ist zu berücksichtigen, dass die ermittelten Messgrößen verschiedenen Einflüssen unterliegen: 4 Endogene Individualfaktoren (Alter, Geschlecht, zirkadiane Rhythmen, Schwangerschaft) 4 Exogene Individualfaktoren (Ernährung, Körperlage: Im Stehen sind die Konzentrationen aller korpuskulären, hochmolekularen und proteingebun-
5
denen Blutbestandteile höher als im Liegen, körperliche Aktivität) 4 Störfaktoren der Ermittlung der In-vitro-Konzentration von Messgrößen sind: 5 Hämolyse (auch durch falsche Blutentnahme) 5 Trübung (z. B. Hypertriglyzeridämie) 5 Verdunstung > Um Störfaktoren, die das Messergebnis verfälschen, möglichst gering zu halten, ist auf eine richtige Durchführung der Blutentnahme zu achten: 4 Venen nicht zu stark und zu lange stauen, keine Einschleppung von Infusionslösungen bei Blutentnahme aus zentralen Zugängen 4 Geringe Zeitspanne zwischen Blutentnahme und Analyse, da eine lagerungsbedingte Hämolyse z. B. zur Erhöhung von Kalium, ASAT und LDH sowie falsch-niedrigen Glukosewerten führt
Die ermittelten Ergebnisse bedürfen einer analytischen und einer medizinischen Interpretation. Zur analytischen Beurteilung gehören die Richtigkeitsprüfung sowie die Beurteilung der Präzision von Messungen, die medizinische Beurteilung berücksichtigt die Daten des Patienten: 4 Plausibilitätsprüfung: Stimmt das Ergebnis mit anderen Befunden überein? 4 Longitudinalbeurteilung: Passt das Ergebnis zu früher erhobenen Werten? 4 Transversalbeurteilung: Inwiefern unterscheidet sich das Ergebnis vom Referenzbereich? > Die Validität beschreibt die Brauchbarkeit eines Testverfahrens. Sie ist optimal, wenn alle Kranken als krank erkannt werden (hohe Sensitivität) und alle Gesunden beim Test negativ sind (hohe Spezifität). Diesen Idealfall gibt es allerdings in der Realität nur in Annäherung. Der positive bzw. negative prädiktive Wert gibt dann an, wie groß die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen bzw. den Ausschluss einer bestimmten Erkrankung bei positivem bzw. negativem Testergebnis ist.
Fehlermöglichkeiten. Bei der Befunderhebung sind fol-
gende Fehlermöglichkeiten zu beachten (. Abb. 5.1): 4 Grober Fehler: z. B. Vertauschen von Proben 4 Systematischer Fehler: Bei jeder einzelnen Messung wird der gleiche Fehler gemacht, z. B. falsche Temperatur bei der Durchführung der Messung; damit verändern sich Messwerte systematisch in die gleiche Richtung. 4 Zufälliger Fehler: Entsteht durch mangelnde Präzision wie z. B. ungenaues Ablesen eines Messwertes.
318
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
5
. Abb. 5.1. Mindmap: Vom Untersuchungsmaterial zum klinisch-chemischen Befund
319 5.2 · Liquordiagnostik
5.1.2 Grundlegende Analyseverfahren Methoden der Probenvorbereitung sind:
4 Zentrifugation: Abtrennung zellulärer Bestandteile 4 Enteiweißung: Proteinfällung durch Säure oder Schwermetalle 4 Extraktion: Anreicherung bestimmter Substanzen aufgrund unterschiedlicher Löslichkeit 4 Chromatographie: Trennung aufgrund unterschiedlicher Moleküleigenschaften Zu den Trenn- und Analyseverfahren gehören (. Abb. 5.1): 4 Absorptions-, Emissions-/Flammenphotometrie, Reflexionsphotometrie 4 Potenziometrie 4 Elektrophorese: Auftrennung nach unterschiedlicher Ladung, Größe, Form im elektrischen Feld 4 Immunologische Verfahren: 5 Nephelometrie (Streulichtmessung)/Turbidimetrie: Messung der Trübung von Lösungen (z. B. Immunpräzipitate) 5 Radioimmunoassay (RIA) 5 Enzymimmunoassay (ELISA) 5 Blotting-Verfahren 5.2
Liquordiagnostik
Liquoruntersuchungen werden durchgeführt, um Erkrankungen des ZNS zu diagnostizieren oder deren Verlauf zu kontrollieren. Dabei wird Liquor hauptsächlich durch Lumbalpunktion gewonnen. Das »Basisprogramm« umfasst die makroskopische Untersuchung auf Farbe, Blutbeimengung, Konsistenz, eine Zellzählung und Zelldifferenzierung sowie die klinisch-chemische Untersuchung auf Protein, Glukose und Laktat. Zu den Erkrankungen, die häufig zur Liquordiagnostik veranlassen, gehören: 4 Meningitis (Infektionen durch Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten) 4 Multiple Sklerose 4 Polyneuropathien 4 Degenerative ZNS-Erkrankungen 4 Tumorerkrankungen Bei der Lumbalpunktion ist Folgendes zu beachten: 4 Punktion zwischen L3 und L4 4 Steril getrennte Proben für zytologische, klinischchemische und mikrobiologische Untersuchungen
5
Die im Liquor bestimmten Werte müssen häufig im Vergleich zu den entsprechenden Werten im Blut betrachtet werden (z. B. Glukose). ! Cave Gesteigerter Hirndruck ist eine Kontraindikation für eine Lumbalpunktion und kann durch vorherige Untersuchung des Augenhintergrundes ausgeschlossen werden.
5.2.1 Makroskopische Betrachtung
des Liquors Schon bei der Betrachtung des entnommenen Liquors ist es möglich, auf pathologische Zustände zu schließen, da bestimmte Anomalien den Liquor verfärben oder trüben (z. B. Xanthochromie, Blut). > Normaler Liquor ist farblos und klar.
Ein rötlicher Farbton deutet auf eine Blutbeimengung hin, deren Ursache entweder eine artifizielle Blutung, d. h. durch die Punktion bedingt (insbesondere dann, wenn die Färbung des Liquors im Laufe der Punktion abnimmt), oder eine Hirn-, Meningeal- oder Subarachnoidalblutung (insbesondere wenn alle Liquorportionen gleichmäßig verfärbt sind) sein kann. Gelbliche (Xanthochromie), auch rosa bis rotbraune Verfärbung des Liquors ist durch Abbau von Erythrozyten oder durch starke Hyperbilirubinämie bedingt. 5.2.2 Mikroskopische Betrachtung
des Liquors Die Normalwerte für den lumbal gewonnenen Liquor sind in . Tab. 5.1 zusammengefasst. Zellen. Für Zellzählungen und Differenzierungen muss immer frischer Liquor verwendet werden (<60 min), da ansonsten eine Zytolyse einsetzt. Häufige Ursachen bei Zellzahlerhöhungen sind: 4 >300/µl: bakterielle Meningitis 4 30–300/µl: virale Meningitis, Tuberkulöse Meningitis, Hirnabszess 4 5–30/µl: virale Meningitis, Guillan-Barré-Syndrom, multiple Sklerose, Neurosyphillis, leukämische Infiltrate, Tumoren 4 <5/µl: chronisch-degenerative ZNS-Erkrankungen Protein. Die Beurteilung des Proteingehalts führt zu folgenden diagnostischen Überlegungen:
320
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
. Tab. 5.1. Lumballiquor Parameter
Normwerte
Glukose
40–70 mg/dl bzw. 2,2–3,9 mmol/l
pH
7,31–7,34
Spezifisches Gewicht
1,006–1,008 g/ml
Gesamteiweiß
4 4 4 4
IgG
0,9–5,7 mg/dl bzw. 0,009–0,057 g/l
Laktat
10–23,5 mg/dl bzw. 1,1–2,5 mmol/l
Zellzahlen
4 Normales Zellbild: 70–100% Lymphozyten, bis 30% Monozyten 4 Neugeborene (bis 3. Monat): Leukozyten <15 Zellen/μl, Erythrozyten <500/μl 4 Erwachsene: Leukozyten <5/μl keine Erythrozyten
5
Erwachsene: 20–50 mg/dl bzw. 0,2–0,5 g/l Neugeborene: 300–1000 mg/l Säuglinge bis 1 Jahr: 100–500 mg/l Kinder 1–14 Jahre: 50–450 mg/l
4 Gesamtprotein erhöht: 5 Störungen der Blut-Liquor-Schranke, z. B. bei Meningitis 5 Zirkulationsstörungen 5 Intrathekale Bildung 4 Albumin erhöht: Da Albumin nicht im ZNS gebildet wird, gilt sein Liquor-Serum-Quotient als Maß für eine Schrankenstörung. 4 Immunglobuline erhöht: Können aus dem Blut stammen oder durch B-Zellen im ZNS gebildet werden. ! Cave Eingeschränkte Aussagekraft der Proteindiagnostik besteht bei blutigem Liquor, da das Blut erheblich mehr Protein und Zellen enthält als Liquor und damit das Ergebnis verfälscht!
Glukose und Laktat. Die Glukosekonzentration im Liquor ist von der im Blut abhängig, somit ist deren Kenntnis zur korrekten Beurteilung der Liquorwerte unabdingbar. > Bei akuter bakterieller Meningitis ist Glukose zumeist erniedrigt und Laktat erhöht.
Oligoklonale Banden. Oligoklonale IgG-Fraktionen
im ZNS können im Rahmen einer Immunantwort (z. B. Multiple Sklerose) entstehen oder, selten, als Folge eines ZNS-Lymphoms. Der Nachweis oligoklonaler Banden erfolgt mit der isoelektrischen Fokussierung je einer Liquor- und einer Serumprobe. Durch Vergleich der sich ergebenen Bandenmuster können liquorspezifische Banden erkannt werden.
In Kürze Liquorbefunde bei Erkrankungen des ZNS Erkrankung
Zellen
Albuminquotient
Glukose/Pyruvat
Besonderheit
Virale Meningitis
Mehrere hundert pro μl, v. a. mononukleär
Bis 8–25×10-3
Normal
Transparentes Aussehen
Bakterielle Meningitis
Mehrere tausend pro μl, fast ausschließlich Neutrophile
Über 25×10-3
Liquorglukose vermindert, Laktatanstieg
Trübes Aussehen
6
321 5.3 · Herz- und Skelettmuskel
5.3
Tuberkulöse Meningitis
Mehrere hundert pro μl, »buntes Zellbild«
Über 25×10-3
Liquorglukose vermindert, Laktatanstieg
IgA vermehrt (durch intrathekale Synthese)
Multiple Sklerose
Bis 40 mononukleäre pro μl
Bis 8×10-3
Normal
Oligoklonale Banden
Herz- und Skelettmuskel
Zur Diagnosesicherung bzw. zum Ausschluss des Myokardinfarkts werden kardiale Troponine, Myoglobin und die MB-Isoform der Kreatinkinase herangezogen. Zum labordiagnostischen Nachweis vom Muskelerkrankungen werden Kreatinkinase sowie Myoglobin gemessen (. Abb. 5.2, . Tab. 5.2). In der Vergangenheit wurde überwiegend der Test auf LDH zur Diagnose und Überwachung eines Myokardinfarktes eingesetzt, heute wurde dieser aber weitgehend durch die Messung des Troponins ersetzt. Myoglobin > Myoglobin ist der schnellste Marker für einen Myokardinfarkt, jedoch nicht kardiospezifisch.
Kreatinkinase (CK) Die Kreatinkinaseaktivität im Serum setzt sich zumeist aus den Aktivitäten der drei Isoenzyme CK-MM (Muskeltyp), CK-MB (Myokardtyp) und CK-BB (ZNS-Typ) sowie eventuell vorliegender Makro-CK-Formen zusammen. Beim Gesunden resultiert die Gesamtaktivität nahezu ausschließlich aus der CK-MM Aktivität. Die Bestimmung der CK-Gesamtaktivität dient v. a. der Diagnostik bei Skelettmuskelerkrankungen. So finden sich hohe CK-Werte z. B. beim Polytrauma oder der Duchenne-Muskeldystrophie (. Tab. 5.2). ! Cave Erhöhte Werte für die CK treten z. B. bei Herzinfarkt (v. a. Isoenzymanteil MB), Trauma auf.
5
Kreatinkinase MB (CK-MB) Für die CK-MB gilt (. Abb. 5.3): 4 Die CK-MB hat ihren höchsten Anteil im Myokard. 4 Kurze Ansprechzeit, jedoch später als Myoglobin. 4 Der Anteil der CK-MB-Aktivität an der GesamtCK-Aktivität beim Herzinfarkt liegt zumeist bei 6–25%. 4 Erreicht Maximalwerte von etwa 600 U/l nach 24–36 h. 4 Die Bestimmung der CK-MB-Masse mittels Immunoassays weist eine höhere Spezifität und einen schnelleren Anstieg über den Normbereich als die Bestimmung der CK-MB-Aktivität auf. ! Cave Vor der Evaluation der Myoglobin- und CK-Werte muss geprüft werden, ob Faktoren wie i.m. Injektionen, schwere körperliche Arbeit und degenerative Muskelschädigungen die Werte beeinflusst haben.
Kardiale Troponine > Der Nachweis der kardiospezifischen Troponine ist heute der Goldstandard der labordiagnostischen Herzinfarktdiagnose.
Kardiale Troponine erfassen neben dem Myokardinfarkt auch schwere Formen der instabilen Angina pectoris, die prognostisch ähnlich akuten Infarkten einzuordnen sind. Weiterhin lassen sich mit Hilfe der kardi-
. Tab. 5.2. Marker für Muskelerkrankungen Marker
Muskeltyp
Gipfel
Normalisierung
Kreatinkinase, gesamt
Skelettmuskel, Myokard
12–24 h
3–4 Tage
Kreatinkinase-MB
Myokard
12–24 h
2–3 Tage
Kardiale Troponine
Myokard
12–96 h
7–14 Tage
Myoglobin
Skelettmuskel, Myokard
6–12 h
1 Tag
322
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
5
. Abb. 5.2. Mindmap: Übersicht spezielle klinische Chemie
323 5.4 · Niere
alen Troponine aufgrund der bis zu 2–3 Wochen erhöht bleibenden Werte in diesem Zeitraum abgelaufene Infarkte nachträglich nachweisen (. Abb. 5.3). Für die Troponine gilt: 4 Troponin C, Troponin T und Troponin I liegen als ein Komplex vor, wobei herzmuskelspezifische Formen für Troponin I und T existieren. 4 Troponine sind der spezifischste Marker für einen Myokardschaden. Troponine zeigen eine Schädigung des Herzmuskels, sind jedoch nicht spezifisch für die kardiale Ischämie! 4 Werte bleiben länger erhöht, daher sind Troponinbestimmungen weniger gut geeignet zur Diagnostik von Reinfarkten.
5
. Abb. 5.3. Verhalten der LDH-, CK- und CK-MB-Aktivität im Serum nach akutem Myokardinfarkt. Angaben in relativen Einheiten; der bis 100 relative Einheiten geltende Normalbereich ist hervorgehoben. (Aus Löffler u. Petrides 2003)
In Kürze Labormarker zur Diagnose eines Myokardschadens
5.4
Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Kreatinkinase CK
Gesamt: Frauen <70 U/l (0,67–2,5 µkat/l); Männer <80 U/l (1,00–6,67 µkat/l) CK-MB-Isoenzym: 0–7 ng/ml (0–7 µg/l)
Erhöht bei Herzinfarkt (v. a. Isoenzymanteil MB), Trauma
Myoglobin
Im Serum beträgt <50 µg/l
Erhöht z. B. bei Myokardinfarkt, nach hoher körperlicher Belastung, bei Schockniere, Niereninsuffizienz
Troponin T Serum
Schwellenwert für niedriges Myokardinfarktrisiko <2 µg/l
Erhöht z. B. bei Myokardinfarkt, Angina pectoris, Niereninsuffizienz
LDH, Laktatdehydrogenase
<250 U/l
Erhöht z. B. bei Herzinfarkt (v. a. LDH1), Lebererkrankungen
Niere
Die Niere dient dem Körper zur Aufrechterhaltung der Homöostase des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-BasenHaushaltes. Gleichzeitig ist sie für die Ausscheidung von Stoffwechselprodukten und körperfremden Stoffen über den Urin verantwortlich. Die Untersuchung von Urin wird makroskopisch unter Berücksichtigung von Menge, Farbe, Aussehen und Geruch durchgeführt. Die Teststreifenuntersuchung dient der orientierenden Bestimmung des pHWerts, des Protein-, Hämoglobin- und Erythrozytengehalts des Urins. Durch mikroskopische Tests werden die zellulären Bestandteile des Urins qualitativ untersucht.
Mit Hilfe der Kreatinin-Clearence können Aussagen über die GFR und Nierenfunktionsstörungen getroffen werden. 5.4.1 Makroskopische Beurteilung
des Urins Zur Urinuntersuchung lässt sich folgendes Material gewinnen: 4 Spontanurin 4 Mittelstrahlurin 4 Blasenpunktion 4 Einmalkatheter
324
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
4 Dauerkatheter 4 Cystofix 4 24-h-Sammelurin Menge Die normale Urinausscheidung beträgt zwischen 700 und 1700 ml pro Tag, bei weniger als 400 ml spricht man von Oligurie, bei weniger als 100 ml von Anurie und bei mehr als 2500 ml von Polyurie.
5
Farbe und Aussehen Trübungen des Urins sind pathologisch und entstehen häufig durch eine Leukozyturie oder Kristallbildung (z. B. alkalischer Urin kann durch Kalziumphosphatausfällungen trüb sein). Farbänderungen des Urins weisen z. B. auf hochkonzentrierten oder bilirubinhaltigen Urin hin, während Rotfärbungen durch Hämoglobin bedingt sein können. ! Cave Klinisch kann ein erster Hinweis auf die Lokalisation einer Blutung mit der Dreigläserprobe gewonnen werden: ist nur die erste Probe blutig, so handelt es sich am ehesten um Blutungen im Urethralbereich, sind die ersten beiden blutig, so liegt die Blutung im Blasenbereich und sind alle drei blutig, so stammt die Blutung aus dem Nierenbecken.
Geruch Geruch nach Ammoniak kann auf eine bakterielle Entzündung hinweisen und auch eine Ketonurie (z. B. bei Diabetes, Hunger) kann teilweise am Geruch erkannt werden. 5.4.2 Messung von pH, Proteinen und Blut pH Der pH-Wert des Urins eines gesunden Menschen liegt zwischen 5–7. Ein alkalischer pH-Wert (pH≥7,5) kann auf eine bakterielle Spaltung des Harnstoffs infolge einer Harnwegsinfektion hinweisen, kann aber u. a. auch durch vegetarische Ernährung, Alkalosen, Kaliummangel oder tubuläre Azidosen bedingt sein. Sauer (pH≤4,8) hingegen ist der Urin sowohl bei hohem Fieber als auch bei fleischreicher Ernährung, Gicht oder Hunger. Protein ! Die Proteinurie ist einer der wegweisenden Parameter zur Erkennung von Nierenkrankheiten.
Insbesondere die morgendliche Proteinurie hat hier eine hohe Aussagekraft, da zu anderen Tageszeitpunk-
ten die Proteinausscheidung durch Stress, Orthostase oder Anstrengung hervorgerufen werden kann. Falsch positive Ergebnisse bei der Teststreifenuntersuchung auf Protein können durch stark alkalischen Urin, falsch negative Ergebnisse z. B. durch BenceJones-Proteine (monoklonal synthetisierte Leichtketten) verursacht werden. Diese Leichtketten werden mit auf die Erfassung von Albumin hin optimierten Teststreifen nicht ausreichend erfasst. Bei Verdacht auf eine Proteinurie sollte daher im Zweifelsfall eine quantitative Proteinbestimmung mittels laborchemischer Verfahren vorgenommen werden. Differenzialdiagnostik der Proteinurien In der Differenzialdiagnostik der Proteinurie sind folgende Formen zu unterscheiden (. Abb. 5.4): 4 Prärenale Proteinurien, verursacht durch eine Überlastung des Tubulusapparates mit hohen Konzentrationen niedermolekularer Proteine (z. B. freies Hämoglobin bei Hämolyse, Immunglobulinleichtketten, Myoglobin) 4 Postrenale Proteinurien (z. B. Harnwegsinfekte, Tumoren, Steinerkrankungen) 4 Renale Proteinurien Bei den renalen Proteinurien wiederum sind die glomerulären von tubulären Formen zu unterscheiden: Glomeruläre Proteinurie. Bei der selektiven Form ge-
langen infolge einer Schädigung der glomerulären Basalmembran vermehrt Proteine mit einen Molekulargewicht oberhalb dem des Albumins im Primärharn. Während bei der nicht-selektiven Form aufgrund einer massiveren Schädigung der Basalmembran auch Proteine wie das IgG im Urin zu finden sind, sind bei der selektiven Form Proteine wie das Transferrin nachweisbar, jedoch zumeist keine Immunglobuline. Tubuläre Proteinurie. Durch eine gestörte Resorption
im proximalen Tubulus, z. B. infolge einer interstitiellen Nephritis, kommt es zu einer erhöhten Ausscheidung niedermolekularer Proteine wie des α1-Mikroglobulin. > Die Mikroalbuminurie ist die Ausscheidung geringer Albuminkonzentrationen oberhalb des Normbereiches (20–200 mg/l). Sie stellt einen frühen Indikator einer Nierenschädigung dar, z. B. verursacht durch einen Diabetes mellitus oder Hypertonus. Mit klassischen Teststreifenuntersuchungen wird die Mikroalbuminurie aufgrund mangelnder Sensitivität zumeist nicht erfasst!
325 5.4 · Niere
5
. Abb. 5.4. Diagnostik der Proteinurien
Hämoglobin und Erythrozyten Hämaturien können prärenal (z. B. gestörte Gerinnung), renal (z. B. Nierenparenchymschäden, Tumore) oder postrenal (z. B. Entzündungen, Steine) verursacht werden, und sind entweder mit dem Auge sichtbar (Makrohämaturie) oder nur mikroskopisch erfassbar (Mikrohämaturie). Die Teststreifenuntersuchung unterscheidet nicht zwischen der Hämoglobinurie und der Myoglobinurie. Hierzu sollten im Plasma die Hämolyseparameter bestimmt werden. Reine Hämoglobinurien können durch nachträgliche Hämolyse der Erythrozyten bei längerer Lagerung des Urins oder in hypotonem Urin vorgetäuscht werden. ! Cave Menstruationsblut stellt eine häufige Kontamination dar.
5.4.3 Mikroskopische Harnuntersuchung Art und Zahl der zellulären Bestandteile geben Hinweise zur Differenzialdiagnose und zum Verlauf von Erkrankungen der Niere und der ableitenden Harnwege. Leukozyturien treten insbesondere bei Entzündungen der Niere (z. B. Pyelonephritis) oder der ableitenden Harnwege
auf. Erythrozyturien können prärenal (z. B. Gerinnungsstörung), renal (z. B. Nephritis, Tumore) oder postrenal (Steinleiden, Tumor, Entzündungen) verursacht werden. Der Nachweis von Erythrozyten- oder Leukozytenzylindern im Urinsediment (vergleichbar mit Ausgussformen der Sammelrohre und der distalen Tubuli) deutet hierbei auf Nierenparenchymschädigungen hin, dysmorphe Erythrozyten auf eine glomeruläre Hämaturie. 5.4.4 Kreatinin und Kreatinin-Clearance Kreatinin im Plasma wird zu einem Teil renal ausgeschieden, wobei es in den Primärharn filtriert und, unter normalen Bedingungen, nur zu einem sehr geringen Anteil wieder rückresorbiert wird. Bei Einschränkungen der Filtrationsleistungen der Niere kommt es zu einem Anstieg der Plasmakreatininwerte, wobei Anstiege jedoch erst bei einem Abfall der glomerulären Filtrationsrate auf ca. 50% der Normalwerte auftreten. Erhöhte Kreatininwerte finden sich bei: 4 Akutem Nierenversagen 4 Prärenaler Niereninsuffizienz (z. B. Durchblutungsstörung bei Schocksymptomatik) 4 Chronischer Niereninsuffizienz 4 Postrenalen Harnwegsobstruktionen (z. B. Steinleiden, Fehlbildungen)
326
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Erniedrigte Kreatininwerte treten auf bei: 4 Reduktion der Muskelmasse 4 Jugendlichen Diabetikern 4 Schwangerschaft > Die glomeruläre Filtrationsrate gibt das Plasmavolumen in ml an, das in einer bestimmten Zeiteinheit von einer körpereigenen oder -fremden Substanz durch die Nierentätigkeit völlig befreit wird.
5
Die Kreatinin-Clearance wird in der Routinediagnostik genutzt, um die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) abzuschätzen, da diese auch bei noch normalen Serumkreatininwerten bereits eingeschränkt sein kann (das Serumkreatinin steigt zumeist erst bei einem Rückgang der GFR auf 50% oder weniger) (. Abb. 5.5). Zur Bestimmung der Kreatinin-Clearance ist eine Urinsammlung über 24 h sowie die Bestimmung des Serum- und Urinkreatinins erforderlich. Die Berechnung erfolgt nach folgender Formel: ! Cave Bei Clearance-Werten <50 ml/min werden um bis zu 30% zu hohe GFR-Werte vorgetäuscht. Bei der Beurteilung der GFR ist zudem die mit zunehmendem Alter abnehmende GFR zu berücksichtigen.
. Abb. 5.5. Beziehung zwischen Serumkreatinin und der GFR
spektroskopie oder Röntgenstrukturanalyse kann jedoch häufig Hinweise auf individuelle Ursachen und Risikofaktoren geben. Verschiedene Erkrankungen gehen zudem mit einem erhöhten Risiko einer Harnsteinbildung einher (z. B. renale tubuläre Azidose, Hyperparathyreoidismus). Pathogenese. Folgende Erscheinungen können die
5.4.5 Teststreifenuntersuchung Heute sind die qualitative oder semiquantitative Analyse z. B. auf Glukose, Protein, Hämoglobin, Leukozyten, Ketone, Bilirubin, Nitrit (Zeichen für reduzierende Bakterien) sowie der pH-Nachweis mittels Teststreifendiagnostik möglich. 5.4.6 Harnsteine
Harnsteinbildung fördern: 4 Niedriges Urinvolumen 4 Harnwegsinfektionen 4 Extreme pH-Werte des Urins 5 Sauer (Zystinsteine, Harnsäurekonkremente) 5 Alkalisch (NH3-Bildung bei Infektionen) 4 Mangel an Kristallisationshemmstoffen (Glykoproteine, Magnesium, Citrat) 4 Erhöhte renale Ausscheidung von Kalzium, Oxalat, Harnsäure Zusammensetzung. Harnsteine können – mit abneh-
Die Mechanismen der Harnsteinbildung sind vielschichtig und für den einzelnen Patienten nicht immer im Detail darstellbar. Die Analyse der Steinzusammensetzung mittels chemischer Analyse, Infrarot-
mender Häufigkeit – aus Kalziumoxalat, Harnsäure und Uraten, Magnesiumammoniumphosphat, Kalziumphosphat, Zystin oder aus Gemischen dieser Substanzen bestehen.
327 5.5 · Maligne Erkrankungen, Tumordiagnostik
5
In Kürze Das Harnvolumen beträgt täglich 1000–1500 ml. Normwerte für verschiedene Parameter zur Nierendiagnostik Messwert
Serum
Urin
Diagnostische Bedeutung
Harnstoff
10–46 mg/dl (2,8–7,4 mmol/l)
20–36 g (24 h)
Erhöht z. B. bei Niereninsuffizienz
Kreatinin
<1,5 mg/dl (<133 µmol/l)
1–1,5 g/24 h 88–132 mmol/24 h
Erhöht z. B. bei chronischer Niereninsuffizienz
Kreatininclearance
100–160 ml/min/1,73 m2 KOF
Protein
5.5
Erniedrigt z. B. bei Niereninsuffizienz Erhöht z. B. bei Diabetes mellitus <150 mg/24 h
Erhöht z. B. bei glomerulärem Defekt, Fieber, Schock
Harnsäure
4 Frauen: 1,5–6,0 mg/dl (90–360 µmol/l) 4 Männer: 2,5–8,0 mg/dl (150– 480 µmol/l)
<800 mg/24 h
Erhöht bei verstärktem Zelluntergang, schwerem Fieber
Ketonkörper
β-Hydroxybutyrat: 0,22–2,82 mg/dl
<50 mg/l
Erhöht z. B. bei Diabetes
Vanillinmandelsäure
1,8–5,6 mg/24 h 9–28 µmol/24 h
Maligne Erkrankungen, Tumordiagnostik
Molekularbiologischer Nachweis von Tumorzellen und Mutationen in Tumorgenen Molekularbiologische Nachweismethoden werden angewendet, um tumorspezifische Genveränderungen zu erkennen und residuale Tumorzellen und Tumorrezidive zu erfassen. Besondere Bedeutung hat die molekulare Diagnostik gegenwärtig in der Diagnostik von Leukämien und Lymphomen, wo molekulare Marker u. a. zur Detektion der sog. »minimalen Resterkrankung« herangezogen werden. Diagnostik genetischer Tumorprädispositionen Der Nachweis von Keimbahnmutationen in Tumorgenen dient der Identifizierung von Trägern einer meist seltenen, erblichen Tumordisposition. Beispielsweise führen Mutationen im FAB-Gen bei der familiären polypösen Adenomatosis coli zu einem erhöhten Kolonkarzinomrisiko, während Veränderungen im BRCA1und BRCA2-Gen mit einem erhöhten Risiko für das familiäre Mammakarzinom einhergehen (7 Kap. 2).
Erhöht z. B. bei Phäochromozytom, arterielle Hypertonie, Nierenarterienstenose, Stress, Hypoglykämie
Dabei darf nicht vergessen werden, dass bislang nur für einen kleinen Teil der malignen Tumorerkrankungen eine derzeit fassbare genetische Disposition bekannt ist. > Hierbei muss zudem bedacht werden, dass die Erfassung klinisch gesunder Träger einer erblichen Tumorprädisposition immer auch schwerwiegende psychologische und ethische Probleme aufwirft.
Tumormarker Die sog. Tumormarker sind eine sehr heterogene Gruppe von Substanzen, die entweder durch Tumorzellen oder unter der Einwirkung von Tumoren durch andere Zellen gebildet werden. Daher ermöglichen sie potenziell Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Tumors, die Ausdehnung des Tumorprozesses sowie den Verlauf nach Therapie. ! Cave Aufgrund unzureichender Sensitivität und Spezifität sind die meisten Tumormarker jedoch nicht für ein
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328
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Tumorscreening in einem Normalkollektiv geeignet. Die wichtigste Bedeutung von Tumormarkern liegt gegenwärtig in der Therapie- und Verlaufskontrolle.
5
Lediglich in ausgewählten Kollektiven können bestimmte Tumormarker zur Überwachung von Patienten eingesetzt werden (z. B. AFP bei Patienten mit Leberzirrhose). Neben der Therapie- und Verlaufskontrolle dienen Tumormarker teilweise der Prognoseeinschätzung, wobei stärker erhöhte Werte häufig für eine schlechtere Prognose sprechen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Größe und Malignität eines Tumors nur bedingt im Verhältnis zur Markerkonzentration stehen, da hier weitere Faktoren wie Synthese- und Freisetzungsrate, Abbau- und Ausscheidungskinetiken oder auch die Blutversorgung des Tumors eine wichtige Rolle spielen. Die Verlaufskontrolle einer Therapie mit Hilfe von Tumormarkern setzt eine Bestimmung von Ausgangswerten vor Behandlung und eine Auswertung der Markerkonzentrationen danach voraus. Hierbei ist zu beachten, dass die Tumormarkerkonzentrationen vom verwendeten Testverfahren abhängig sind,
so dass die individuelle Verlaufskontrolle nach Möglichkeit unter Verwendung des immer gleichen Testsystems erfolgen sollte. ! Cave Tumormarker können auch durch Nikotinabusus falsch-hohe Werte aufweisen.
Eine Übersicht über die Bedeutung der verschiedenen Tumormarker gibt . Tab. 5.3. Prostataspezifisches Antigen (PSA) PSA wird von den Epithelzellen der Prostata gebildet und weist eine weitgehende Spezifität für das Prostatagewebe auf. ! Cave Jedoch sind erhöhte PSA-Werte nicht karzinomspezifisch, auch bei benigner Prostatahyperplasie oder einer Prostatitis treten erhöhte PSA-Werte auf.
PSA wird im Blut überwiegend an Antichymotrypsin, in geringerem Maße auch an D2-Makroglobulin und andere Proteaseinhibitoren gebunden transportiert. Ca.
. Tab. 5.3. Tumormarker und ihre Bedeutung bei verschiedenen Tumoren AFP
HCG
CEA
Ca 19-9
Ca 125
Ca 15-3
Schilddrüse Lunge
+
Ösophagus
+
Leber
++
+
Gallenblase
+
+
Blase
+
Prostata +
+
Brust
++
Magen
++
+
Pankreas
+
++
Dickdarm
++
+
Ovar
+
+
Zervix NSE= Neuronenspezifische Enolase
++
+
++ +
TG
Kalzitonin
+
+
+
+
+
Hoden
NSE
329 5.6 · Knochenstoffwechsel
10–30% liegt als freies PSA vor. Die Bestimmung des Gesamt-PSA sowie der freien oder komplexierten Formen dient vor allem der besseren Unterschiedung von benigner Prostatahyperplasie und Prostatakarzinomen
5
bei PSA-Werten im Graubereich ist das Verhältnis aus freiem und Gesamt-PSA >0,15, so ist eine benigne Prostatahyperplasie wahrscheinlich, Werte <0,15 sprechen eher für Malignität.
In Kürze Tumormarker und Normwerte
5.6
Marker
Normwert im Serum (Urin)
Diagnostische Bedeutung
AFP (α-Fetoprotein)
Ca. 7 IU/ml Schwangere Frau: 4 69 IU/ml (16. SSW) 4 141 IU/ml (21. SSW)
Keimzelltumoren
HCG
4 Serum ab 10 U/l 4 Urin ab 50 U/l
Keimzelltumoren, Schwangerschaft
CEA
<1,5–5,0 μg/l
Kolorektale Tumoren
PSA, prostataspezifisches Antigen
<4 μg/l
Prostata
Knochenstoffwechsel
Zur Überwachung des Knochenaufbaus wird die alkalische Phosphatase AP bestimmt. Sie ist erhöht bei Osteosarkomen und Morbus Paget. Der Knochenabbau wird mit Hilfe von Pyridinium-Crosslinks beurteilt. Der Kalziumgehalt des Blutes wird durch Kalzitonin, Vitamin D und Parathormon PTH reguliert. Hypokalzämien (durch Hypoparathyreodismus) fördern Krämpfe, Hyperkalzämien (meistens durch Knochenmetastasen) verursachen Adynamie, Tachykardie, Rhythmusstörungen, Niereninsuffizienz und Koma. Phosphatkonzentrationsänderungen treten bei Alkoholismus und Leistungssportlern (Hypophosphatämie) sowie bei einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz (Hyperphosphatämie) auf. 5.6.1 Kalzium Der Blutkalziumspiegel wird durch die antagonistische Wirkung von Parathormon aus den Epithelkörperchen, das die renale Kalziumreabsorption fördert, die von Phosphat hemmt und damit Vitamin D aktiviert, und Kalzitonin aus den C-Zellen der Schilddrüse, reguliert. Parathormon (PTH): 4 gemeinsam mit Vitamin D steigert es die Kalziummobilisierung aus den Knochen,
4 steigert die tubuläre Rückresorption von Ca2+, 4 hemmt die Rückresorption von Phosphat, Bikarbonat, Na2+, K+, H2O und Aminosäuren im proximalen Tubulus, 4 steigert die Aktivierung von Vitamin D. Vitamin D3 hat folgende Funktionen, es 4 steigert die Ca2+-Absorption im Dünndarm, 4 steigert die Ca2+-Freisetzung aus den Knochen, 4 steigert die Phosphat-Absorption im Dünndarm, 4 steigert die Rückresorption von Ca2+ im distalen Tubulus und in der Henle-Schleife. Kalzitonin 4 wird bei hoher Ca2+-Konzentration ausgeschüttet, 4 hemmt die Kalziummobilisierung, 4 erhöht die renale Ausscheidung von Ca2+, 4 erhöht den Ca2+-Einbau in die Knochen. Hypokalzämien können vielerlei Ursachen haben, die häufigste ist jedoch ein Hypoparathyreoidismus. Daraus resultieren gesteigerte neuromuskuläre Erregbarkeit mit tonischen Krämpfen sowie Parästhesien, wobei die Krampfneigung durch hohe pH-Werte und hohes Albumin gefördert wird. Während Pseudohypokalzämien das Gesamtkalzium, nicht aber das relevante ionisierte Kalzium verringern, führen Änderungen des pH zu einer veränderten Konzentration des ionisierten
330
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Kalziums: Alkalosen verringern den Anteil an ionisiertem Kalzium, Azidosen erhöhen ihn. ! Cave
5
Eine normokalzämische Tetanie kann durch Hyperventilation bedingt sein (Pfötchenstellung der Hände, Kontraktion der mimischen Muskulatur). Durch die Verschiebung des pH infolge der Hyperventilation ändert sich die Bindung des Kalziums im Blut – durch Atmen in eine Tüte zur Erhöhung des CO2 im Blut gleicht sich der pH wieder aus.
Hyperkalzämien bewirken Adynamie, Tachykardie, Rhythmusstörungen, Niereninsuffizienz und Koma, ab 4 mmol/l besteht Lebensgefahr. Im ambulanten Bereich ist die Hyperkalzämie am häufigsten durch einen Hyperparathyreoidismus bedingt, bei stationär behandelten Patienten jedoch zu ca. 50% durch maligne Erkrankungen. Hinweisend auf einen primären Hyperparathyreoidismus sind erhöhte Serumkalziumspiegel sowie ein vermindertes Phosphat. Die Parathormonspiegel sind erhöht oder im oberen Normbereich. > 4 Primärer Hyperparathyreoidismus führt zu Hyperkalzämie. 4 Sekundärer Hyperparathyreoidismus ist bedingt durch Hypokalzämie.
5.6.2 Phosphat Hypophosphatämie tritt bei Kalziummalabsorption, Alkoholismus und auch bei Leistungssportlern auf, Hyperphosphatämien v. a. bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz. ! Cave Die Bewertung eines veränderten Phosphatspiegels darf nie unabhängig von den Kalziumwerten erfolgen, da Störungen meist beide Parameter beeinflussen: synergistische Veränderungen bei Vitamin-DStoffwechselstörungen und Knochenerkrankungen, antagonistische bei Hypo- und Hyperparathyreoidismus.
5.6.3 Knochenaufbau Die alkalische Phosphatase (AP) dient zur Beurteilung der Osteoblastenaktivität und damit als Maß für den Knochenaufbau. Die Gesamtaktivität der Alkalischen Phosphatase im Serum wird häufig zur Beurteilung der Knochenneubildung eingesetzt, ist jedoch wenig sensitiv bzw. spezifisch und meist nur bei ausgeprägteren Erkrankungen erhöht, z. B. bei M. Paget, Vitamin-D-Mangel-Rachitis, primärem Hyperparathyreoidismus oder Knochenmetastasierungen. Bei osteoporotischen Erkrankungen hingegen ist eine Erhöhung nicht regelhaft zu sehen. Die Analyse der knochenspezifischen AP erhöht die Aussagekraft. ! Die AP kommt in drei Isoenzymen vor, nämlich in Leber, Knochen, Niere-Darm-Plazenta. Somit finden sich Erhöhungen der AP hauptsächlich infolge von Erkrankungen des Knochens, hepatobiliärer Krankheiten und medikamenteninduziert!
Als weitere Parameter für die Knochenformation gelten das Osteokalzin und die Propeptide des Prokollagens. Die Osteokalzinveränderungen verhalten sich zumeist gleichsinnig mit der AP, zeigen jedoch eine rascherer Reaktion z. B. auf die therapeutische Gabe von Glukokortikoiden. Nachteilig ist die Abhängigkeit der Osteokalzin-Plasmaspiegel von der Nierenfunktion. 5.6.4 Knochenabbau Besonders bei der postmenopausalen Osteoporose muss der Knochenabbau überwacht werden, was meist mit sog. Pyridinium-Crosslinks, kollagenspezifischen Abbauprodukten, geschieht. Die Pyridinium-Crosslinks bestehen aus Pyridinolin (PYRI) und Desoxypyridinolin (DPYRI). Deren HPLC-Bestimmung ist das sicherste Diagnostikverfahren für den Knochenabbau.
331 5.7 · Entzündungen
5
In Kürze Für den Knochenstoffwechsel wichtige Substanzen Messwert
Normwert im Serum (Urin)
Diagnostische Bedeutung
Vitamin D
16–65 pg/ml
Mangel z. B. bei Leber- oder Nierenerkrankungen
Kalzitonin
4 Frauen: 2–10 pg/ml 4 Männer: 2–47 pg/ml
Erhöht z. B. beim medullären Schilddrüsenkarzinom,
PTH, Parathormon
10–60 pg/ml (10–60 ng/l)
Erhöht z. B. bei primärem Hyperparathyreoidismus
1,25-Dihydrocholekalziferol
16–65 pg/ml bzw. 40–160 pmol/l
Erniedrigt z. B. bei Nieren- und Leberinsuffizienz
Phosphat
4 Serum: 3,0–5,1 mg/dl (1,0–1,6 mmol/l) 4 Urin: 0,7–2,5 g (24 h)
Erniedrigt z. B. bei Sepsis, Vitamin-D-Mangel Erhöht z. B. bei Niereninsuffizienz
Alkalische Phosphatase (AP)
30–120 U/l (0,5–2,0 nkat/l)
Erniedrigt z. B. bei Anämie, Hypophosphatämie, Hypothyreose Erhöht z. B. bei Cholestase, Knochentumoren (primäre/Metastasen), Niereninsuffizienz, Frakturen
PyridiniumCrosslinks
Nachweis im Urin: 4 Desoxypyridinolin: 1,8–9,1 μg/g Kreatinin 4 Pyridinolin: 17–60 μg/g Kreatinin
Erhöht bei Osteoporose
Entzündungen
5.7
5.7.1 Entzündungsindikatoren Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) Aufgrund der negativen Ladung auf der Erythrozytenoberfläche stoßen sich die Erythrozyten gegenseitig ab und verzögern hierdurch ihre Sedimentation. Quantitative oder qualitative Veränderungen der Bluteiweißzusammensetzung (z. B. bei Entzündungen, Paraproteine bei Plasmozytom) führen zu einer Ladungsabnahme und erhöhen die Sedimentationsgeschwindigkeit im Vergleich zu den Referenzwerten. Auch die Erythrozytenmorphologie sowie andere, von einer Entzündungsreaktion unabhängige Faktoren wie eine ausgeprägte Anämie (falsch-hohe BSG), oder eine Polyglobulie (falsch-niedrige BSG), führen zu Veränderungen der BSG. ! Cave Die BSG reagiert im Rahmen von Entzündungsreaktionen relativ träge, Anstiege zeigen sich frühestens nach 24 h, und bleiben nach Abklingen der Entzün-
6
dungsreaktion häufig noch über Tage nachweisbar. Daher werden zur klinischen Verlaufskontrolle akuter Entzündungsreaktionen heute zumeist Akute-PhaseProteine wie das CRP gemessen.
Obwohl die BSG ein eher unspezifischer Parameter in der Diagnostik ist, wird sie dennoch seit langer Zeit und aktuell in der Klinik angewandt. Dafür werden 1,6 ml Blut mit 0,4 ml 3,8% Natriumzitrat-Lösung vermischt. Zur Auswertung wird das Blut in ein Millimeter-geeichtes, senkrecht stehendes Röhrchen gegeben und nach einer Stunde die zurückgelegte Strecke abgelesen. C-reaktives Protein (CRP) Das in der Leber nach Stimulation durch IL-6 gebildete Akute-Phase-Protein CRP vermag eine große Gruppe exogener (z. B. bakterielle Polysaccharide) und endogener Liganden (z. B. bei Autoimmun-(Immunkomplex-) erkrankungen, Gewebenekrosen) zu binden, und über diese Opsonisierung zu einem Abbau der Substanzen beizutragen. Da das CRP bei bakteriellen Entzündungen innerhalb von 24 h ansteigt, ist es ein guter Indikator insbesondere bakterieller Entzündungen. Im Rahmen
332
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
einer erfolgreichen Antibiotikatherapie fällt die Konzentration rasch ab. Die CRP-Konzentration kann jedoch auch nach größeren chirurgischen Eingriffen, Traumata oder bei metastasierenden Tumoren erhöht sein. ! Cave Virusinfektionen hingegen lösen keine oder deutlich geringere CRP-Anstiege aus.
5
Weitere Akute-Phase Proteine sind Fibrinogen, Haptoglobin, a1-Antitrypsin, α2-Makroglobulin, Coeruloplasmin, die Komplementfaktoren C3 und C4 (positive Akute-Phase-Proteine). ! Cave Albumin, Präalbumin, Transferrin und Antithrombin III sind bei Entzündungen nicht erhöht, sondern erniedrigt (negative Akute-Phase-Proteine).
Interleukin-6 (IL-6) Interleukin-6, das in Monozyten, Makrophagen und in Nicht-Immunzellen gebildet wird, ist ein Aktivator der Synthese von Akute-Phase-Proteinen (z. B. CRP) in der Leber. Diagnostisch wichtig ist vor allem der schnelle Anstieg von IL-6 nach einer Entzündung (2–4 h). Die IL-6-Konzentration steigt zwar proportional zur
Schwere der Entzündung, gibt allerdings keine Hinweise auf deren Ursache. Lipopolysaccharid-bindendes Protein (LBP) Lipopolysaccharid-bindendes Protein LBP bindet, wie der Name schon sagt, Lipopolysaccharid aus den Zellwänden gramnegativer Bakterien. Der dabei entstehende Komplex wird dann an CD14-Rezeptoren (Zelloberflächen-Antigen-Marker) gebunden und führt u. a. zur Aktivierung von immunkompetenten Zellen. LBP wird in der Leber mit Hilfe von IL-1β und IL-6 gebildet. Ähnlich wie IL-6 steigt auch die LBP-Konzentration im Verhältnis zur Schwere der Entzündung innerhalb weniger Stunden an. Dabei werden vor allem schwere lokalisierte und systemische Infektionen aufgezeigt. Prokalzitonin (PCT) PCT, das Vorläufermolekül des Kalzitonins, wird wahrscheinlich in der Leber gebildet und steigt bei bakteriellen und parasitären Erkrankungen auf Konzentrationen von 10–100 μg/l. Wichtig für die Diagnostik ist vor allem die Spezifität bei bakteriellen, Pilz- und Protozoen-bedingten systemischen und vor allem septischen Infektionen. Hingegen ist bei Autoimmun-, viralen oder chronischen Erkrankungen keine Erhöhung der Konzentration zu beobachten.
In Kürze Entzündungsindikatoren Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
4 Männer: 1. Stunde <15 mm 4 Frauen: 1. Stunde <20 mm
Erhöht z. B. bei akuten bakteriellen Entzündungsvorgängen, Niereninsuffizienz, Sepsis
CRP, C-reaktives Protein
<10 mg/l
Erhöht z. B. bei akuter bakterieller Entzündung, Trauma
Komplementfaktoren
4 C3: 0,9–1,9 g/l 4 C4: 0,1–0,4 g/l
Erniedrigt z. B. bei Leberzirrhose, Malnutrition
Interleukin-6
<10 pg/l
Frühmarker für »Akut-Phase-Entzündungen« (z. B. Sepsis)
LBP
<15 µg/ml
Erhöht z. B. bei bakteriellen Infekten, Sepsis
Prokalzitonin
<0,5 μg/l
Erhöht z. B. bei Infektionen, Sepsis
333 5.7 · Entzündungen
5
5.7.2 Antikörper bei entzündlichen
Erkrankungen Immunglobuline Immunglobuline werden im Rahmen der humoralen Immunantwort von B-Lymphozyten/Plasmazellen gebildet und erkennen spezifisch Antigene, wobei fünf verschiedene Immunglobulinhauptklassen unterschieden werden: IgG, IgA, IgM, IgD und IgE. Diese Einteilung richtet sich nach den spezifischen sog. schweren Ketten der Ig, während die zwei Formen der leichten Ketten in allen Ig zu finden sind. In Bezug auf die Nomenklatur sind die Antikörpertypen jeweils synonym mit den Immunglobulinen zu verwenden; z. B. IgA ist IgA-Antikörper. Funktionen der Immunglobuline/Antikörper Je nach Hauptklasse haben die Ig unterschiedliche Funktionen: während das auf die Schleimhäute sezernierte IgA vor lokalen Infektionen schützt, spielt IgE eine wichtige Rolle bei Allergien und Infektionen mit Parasiten. IgM wiederum wird beim ersten Kontakt mit einem Erreger gebildet, agglutiniert Antigene und aktiviert das Komplementsystem besonders stark. Für den zweiten Kontakt mit einem bekannten Erreger ist IgG »zuständig«; es vermittelt die Phagozytose von Antigenen. IgD hat als Antigenrezeptor auf B-Lymphozyten wahrscheinlich Einfluss auf deren Funktion. Der Fetus wird über die Plazenta mit IgG-Antikörper und über die Muttermilch zusätzlich mit IgA-Antikörpern versorgt.
. Tab. 5.4. Anteile der Globulinfraktionen an den Gesamtimmunoglobulinen (Elektrophorese) Immunglobulin
Prozentualer Anteil
α1-Globulin
2,5–4%
α2-Globulin
7–12,0%
β-Globulin
10–15,0%
γ-Globulin
13,0–23,0%
Hypoimmunglobulinämie Während sich bei der primären hereditären Hypoglobulinämie der Mangel schon im Kindesalter durch erhöhte Infektanfälligkeit bemerkbar macht, treten sekundäre Hypoglobulinämien bei bestimmten Erkrankungen auf: beim nephrotischen Syndrom mit schweren Proteinverlusten, bei Tumorerkrankungen mit verminderter Proteinsynthese, bei schweren Infekten, oder zytostatischer Behandlung.
Die quantitative Bestimmung der Immunglobuline erfolgt bei verschiedenen Indikationen: 4 Verdacht auf Immunglobulinmangel 4 Unklare Erhöhung der β- bzw. γ-Globulinfraktion in der Serumeiweißelektrophorese (. Tab. 5.4) 4 Kontrolle der Immunglobulinbildung bei immunsuppressiven Therapien (z. B. Zytostatikatherapie) 4 Nachweis pränataler Infektionen 4 Allergenspezifische IgE und Gesamt-IgE bei Atopie > 4 α1- und α2-Globuline sind beispielsweise bei akuten Entzündungen, Tumoren erhöht, erniedrigt bei Hypoproteinämien, Virushepatitiden (. Abb. 5.6, . Abb. 5.10). 4 β-Globuline sind erhöht bei Paraproteinämien oder Niereninsuffizienz, erniedrigt z. B. bei chronischen Lebererkrankungen. 4 γ-Globuline (IgG) erhöht bei Paraproteinämien (z. B. Plasmozytom, »spitze Zacke«), Leberzirrhose, erniedrigt z. B. bei Niereninsuffizienz, Antikörper-Mangelsyndrom, Sepsis.
. Abb. 5.6. DD entzündungstypische Elektrophoresen
334
5
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Hyperimmunglobulinämie Man unterscheidet die polyklonale von einer monoklonalen Hyperimmunglobulinämie. Die polyklonale Form entspricht vielfach einer Reaktion des Immunsystems auf eine antigene Stimulation, wobei je nach Erkrankung einzelne Immunglobulinklassen besonders erhöht sein können: 4 bei Allergien und parasitären Erkrankungen v. a. die IgE-Werte, 4 bei chronisch bakteriellen Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen v. a. IgG, 4 bei der primären biliären Zirrhose v. a. IgM. Monoklonale Immunglobulinerhöhungen, auch Paraproteinämien genannt, finden sich häufig bei klonalen Erkrankungen der B-Zellen (Lymphom, Plasmozytom). Mit zunehmendem Alter treten monoklonale Immunglobuline jedoch häufiger auf, ohne dass immer klinisch eine Lymphomerkrankung oder ein Plasmozytom gesichert werden kann. Diese als MGUS (monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) bezeichnete Konstellation wird anhand klinischer und labordiagnostischer Parameter definiert. Die Patienten sollten im Verlauf beobachtet werden, da ein Übergang in eine maligne Plasmazellerkrankung möglich ist.
Antistreptolysin-O (ASL) Der Antistreptolysintiter dient zum Nachweis von Streptokokkeninfektion, Rheumatischem Fieber und Endokarditis. 5.7.3 Autoantikörper Rheumafaktoren (RF) sind meist IgM-Antikörper, die gegen den Fc-Teil von veränderten IgG-Molekülen gerichtet sind. Sie sind bei vielen rheumatischen Erkrankungen deutlich erhöht, insbesondere bei rheumatischer Arthritis und beim Sjögren-Syndrom. Sie können aber auch bei nicht-rheumatischen Erkrankungen leicht erhöht sein. Antinukleäre Antikörper (ANA) sind Autoantikörper, die gegen Antigene des Zellkerns gerichtet sind. Treten ANA auf, so ist dies ein Hinweis auf eine rheumatische Erkrankung, z. B. auf den systemischen Lupus erythematodes (SLE) (7 Dermatologie). > ANA sind positiv z. B. bei Lupus erythematodes, Sklerodermie, Autoimmunhepatitis.
In Kürze Antikörper bei entzündlichen Erkrankungen
5.8
Antikörper
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Immunglobuline
4 4 4 4
Abwehrreaktion des Körpers
Antistreptolysin (ASL-Titer)
4 Erwachsene ≤200 IU/ml 4 Kinder ≤150 IU/ml
Nach Infekt mit betahämolysierenden Streptokokken
Rheumafaktoren
<30 IU/ml (<30 kIU/l)
Erhöht v. a. bei rheumatischen Erkrankungen
IgA: 60–309 mg/dl (0,60–3,09 g/l) IgE: 10–179 IU/ml (24–430 yg/l) IgG: 614–1295 mg/dl (6,14–12,95 g/l) IgM: 53–280 (0,53–1,90 g/l)
Endokrines System
5.8.1 Grundlagen der
Hormonbestimmung Um die Physiologie des Körpers zu steuern, verfügt das endokrine System über Botenstoffe, Hormone. Die Hormone überbrücken die Strecke zu ihrem Zielorgan im
Blutkreislauf. Deswegen können sie im Serum, Plasma und Urin nachgewiesen werden. Bei der Messung von Hormonspiegeln muss bedacht werden, dass diese zirkadianen und zyklischen Schwankungen unterliegen, die Hormone zum Großteil an Plasmaproteine gebunden sind und in der Diagnostik von Störungen die Regulation durch die ihnen übergeordneten z. B. hypothalamisch-hypophysären Zentren überprüft werden muss.
335 5.8 · Endokrines System
5.8.2 Hypothalamus und Hypophyse LH und FSH Bei der Frau bewirkt das Follikel-stimulierende Hormon (FSH) präovulatorisch die Östradiolsynthese sowie die Follikelreifung. Die Sekretion des luteinisierenden Hormons (LH) führt zur Bildung des Gelbkörpers und verursacht eine Umstellung auf die Progesteronsynthese. Beim Mann ist FSH für die Spermatogenese in den Sertoli-Zellen wichtig, LH stimuliert die Testosteronsynthese in den Leydig-Zellen. > Die Messung beider Hormonspiegel ist zur Abklärung von Zyklusstörungen und Infertilität indiziert.
Während beim primären Hypogonadismus beide Werte erhöht sind und nach Stimulation mit LH-RH übermäßig steigen, ist der LH- und FSH-Spiegel beim sekundären Hypogonadismus erniedrigt und nicht durch LH-RH stimulierbar. STH Das Wachstumshormon wird in pulsatilen Stößen besonders nachts im Tiefschlaf freigesetzt. Es entfaltet sei-
5
ne Wirkung auf Wachstum und Stoffwechsel indirekt durch die in der Leber gebildeten Somatomedine, die auch als »insulin-like growth factors« (IGF-1) bezeichnet werden. Die IGF-1 Konzentration ist nicht so starken Schwankungen unterworfen wie die des Wachstumshormons, so dass sie als Screeningmethode zur Überprüfung der Wachstumshormonsekretion geeignet ist. ADH Bei einem erniedrigten Blutvolumen oder erhöhter Osmolarität erfolgt die Freisetzung von ADH im Hypothalamus. Es wird in die Neurohypophyse transportiert, freigesetzt und bewirkt über Rezeptoren der distalen Tubuli sowie der Sammelrohre der Niere eine Wasserrückresorption. ADH wird häufig nicht direkt bestimmt, vielmehr wird seine Funktion über den Durst- oder Vasopressintest gemessen. Steigt die Serumosmolalität, während die Urinosmolalität weitgehend unverändert bleibt, so liegt ein Diabetes insipidus vor. Wenn dieser zentral, also durch ADH-Mangel, verursacht wird, so normalisiert sich die Osmolalität nach Gabe von Vasopressin. Zeigt Vasopressin hingegen keine Wirkung, so ist die Ursache des Diabetes insipidus renal.
In Kürze Hormone des Hypothalamus und der Hypophyse Hormon
Normwert
Bedeutung
LH
Urin Frauen: 4 Follikelphase: ca. 18,0 IU/l 4 Nach Wechseljahren: ca. 49,2 IU/l
Löst den Eisprung aus
FSH
4 Frauen vor Wechseljahren: 2–21 IU/l 4 Frauen nach Wechseljahren: >20 IU/l 4 Männer: 1,0–7,1 IU/l
Führt bei der Frau zum Follikelwachstum im Ovar und initiiert beim Mann die Spermatogenese
STH
<5 ng/ml bzw. <5 ng/l
Bei der Akromegalie sind STH und IGF-1 erhöht, bei Hypophyseninsuffizienz erniedrigt
ADH
Osmolalität Serum 280–300 mosmol/kg (Urin 500–1200 mosmol/kg)
Erniedrigt z. B. bei Hypervolämie, Hyponatriämie Erhöht z. B. bei Hypernatriämie, erhöhter Blutglukose
5.8.3 Schilddrüsenhormone TSH Das Thyreoidea-stimulierende Hormon wird unter dem Einfluss von TRH in der Hypophyse synthetisiert und ins Blut abgegeben. Unter TSH-Stimulation nimmt die Schilddrüse vermehrt Jod auf und schüttet die Schilddrüsenhormone T3 und T4 aus.
Der TSH-Spiegel wird zur Screeninguntersuchung auf Hypo- bzw Hyperthyreosen, präoperativ, zur Abklärung von Hypercholesterinämien und Hyperprolaktinämien, sowie vor der Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln bestimmt.
336
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Schilddrüsenüberfunktion und -unterfunktion 4 Symptome einer Hyperthyreose sind Innere Unruhe, Nervosität, gesteigerter Appetit, jedoch Gewichtsabnahme, Schlafstörungen, Ruhetachykardie, vermehrtes Schwitzen, reduzierter Kräftezustand, feinschlägiger Fingertremor. 4 Symptome einer Hypothyreose sind leichte Ermüdbarkeit, Apathie, Ödeme, Gewichtszunahme, glanzloses, struppiges Haar, Kälteintoleranz, kühle, trockene, schuppige und blasse Haut.
5
Die Ursache für eine TSH-Erhöhung ist zumeist eine primäre Hypothyreose. Hierbei verursachen erniedrigte periphere Schilddrüsenhormonwerte durch den Feedbackmechanismus eine erhöhte Ausschüttung an TSH. Selten finden sich auch andere Ursachen wie ein TSH-produzierendes Hypophysenadenom. > Bei primärer Hyperthyreose, TRH-Mangel oder manchen hypophysären Störungen finden sich erniedrigte TSH-Werte.
Trijodthyronin (T3), Thyroxin (T4), freies T3 (FT3), freies T4 (FT4) Die Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) sind im Plasma zu über 90% an die Transportproteine TBG, Transthyretin und Albumin gebunden, wobei T4 hauptsächlich an TBG gebunden ist. Somit hängt die Gesamt-T3- bzw. T4-Konzentration im Blut nicht nur von der Schilddrüsenhormonproduktion, sondern auch von der Menge und der Bindungskapazität der transportierenden Proteine ab, was eine Beurteilung der effektiven, freien Schilddrüsenhormonkonzentrationen erschwert. Da nur die freie Form der Hormone stoffwechselaktiv ist, werden heute zumeist nicht die Gesamthormonkonzentrationen, sondern die freien Hormone (fT3, fT4) bestimmt. > Erhöhte fT4-Werte finden sich bei der Hyperthyreose (u. a. autonomes Adenom, M. Basedow), erniedrigte fT4-Werte bei der Hypothyreose (u. a. chronische Thyreoiditis, extremer Jodmangel).
Gleichsinnige Veränderungen finden sich zumeist für das fT3, wobei jedoch z. B. bei der Hypothyreose die peripheren fT3-Werte noch länger im Normbereich gehalten werden. ! Cave Eine Struma (diffuse oder knotige Vergrößerung der Schilddrüse) kann hyperthyreot, euthyreot oder hypothyreot sein.
In Jodmangelgebieten treten häufig euthyreote Strumen auf, deren Wachstum durch die kompensatorsich erhöhte TSH-Ausschüttung induziert wird. Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen beim Neugeborenen führt zu einem Wachstums- und Reifungsrückstand sowie zu Störungen im ZNS: Kretinismus. Eine Substitution der Hormone in den ersten Lebensmonaten kann diese Störungen verhindern. Thyreoglobulin (TG) In den Schilddrüsenfollikeln werden aus Thyreoglobulin die Schilddrüsenhormone freigesetzt. Da nach einer vollständigen Entfernung des Schilddrüsengewebes (z. B. Entfernung der Schilddrüse bei malignen Schilddrüsentumoren) kein Thyreoglobulin mehr nachweisbar sein darf, papilläre und follikuläre Schilddrüsenkarzinome jedoch TG bilden, wird es auch als Tumormarker verwendet. Schilddrüsenantikörper Antikörper gegen den TSH-Rezeptor führen beim M. Basedow zu einer dauerhaften Stimulation der Schilddrüsenhormonsynthese, mit der Folge einer Hyperthyreose (. Tab. 5.5). Relativ selten gibt es auch Autoantikörper gegen T3 und/oder T4. Dies kann vermutet werden, wenn die gemessenen T3- bzw T4-Werte nicht mit dem klinischen Bild des Patienten und dem TSH-Basalwert bzw. der TSH-Antwort nach TRH-Stimulation übereinstimmen.
. Tab. 5.5. Autoantikörper bei Schilddrüsenerkrankungen Erkrankung
Anti-TPO (MAK) in%
Anti-TG in%
TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) in %
Hashimoto-Thyreoiditis
90–95
60–70
<10
Beginnender Morbus Basedow
10–40
–
80–85
Später Morbus Basedow
70–75
30
40–60
Hypothyreose (nicht autoimmunogen)
60–70
20
<10
337 5.8 · Endokrines System
5
In Kürze Schilddrüsenhormone Hormon
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Trijodthyronin, FT3
1,8 und 4,6 ng/dl
Erniedrigt z. B. bei T4-Erniedrigung Erhöht z. B. unter Steroidtherapie
Thyroxin, FT4
0,8 und 2,1 ng/dl
Erniedrigt z. B. bei Hypothyreose, Lithiumtherapie Erhöht z. B. bei Hyperthyreose, Gravidität
TSH
0,5–4,7 µU/ml (0,5–4,7 mU/l)
Erniedrigt z. B. bei Hyperthyreose, Überdosierung, Substitution Erhöht z. B. bei Hypothyreose
Thyreoglobulin
<55 μg/ml
Bei allen Formen der Schilddrüsenüberfunktion erhöht und bei Schilddrüsenunterfunktion erniedrigt
5.8.4 Nebennierenrindenhormone Kortisol Kortisol liegt im Plasma zu 90% an Transkortin und Albumin gebunden vor, nur ein geringer Anteil zirkuliert in seiner freien Form. ! Cave Bei der Messung des Kortisolspiegels im Blut ist stets die Tageszeit zu berücksichtigen, da die Hormonfreisetzung einem starken zirkadianen Rhythmus unterliegt. Aus diesem Grunde erfolgt die Bestimmung der Basalwerte zumeist morgens zwischen 8.00 und 10.00 Uhr.
Liegt eine Überfunktion der Nebennierenrinde vor, so kann diese ACTH-unabhängig, z. B. durch einen kortisolproduzierenden NNR-Tumor, oder ACTH-abhängig sein, z. B. durch ein HVL-Adenom oder ein ektopes, ACTH sezernierendes Karzinoid. Der DexamethasonHemmtest wird zur weiteren Abklärung und Diagnose durchgeführt: Im Dexamethason-Hemmtest in niedriger Dosierung (2 mg) wird beim Cushing-Syndrom keine ausreichende Suppression der Kortisolkonzentration im Serum erzielt; eine Erhöhung der Dosis auf 8 mg senkt den Kortisolwert häufig auf <50% des Ausgangswertes, wenn die Ursache ein Hypophysenvorderlappenadenom ist. Handelt es sich um eine Unterfunktion der NNR, M. Addison, so wird ein NNR-Stimulationstest mit ACTH durchgeführt. Wenn kein Kortison-Anstieg erfolgt, liegt eine primäre NNR-Insuffizienz, häufig infolge einer Autoimmunreaktion, vor. Ist ein Kortisonanstieg zu vermerken, der jedoch beim CRH-Test
ausbleibt, so handelt es sich um eine Hypophyseninsuffizienz. CRH (Kortikoliberin) hat beim Gesunden die Freisetzung von Kortisol aus dem Vorderlappen der Hypophyse zur Folge. 17-Hydroxyprogesteron und DHEAS (Dehydroepi androsteronsulfat) Ist infolge eines 21-Hydroxylasemangels das 17-Hydroxyprogesteron erhöht, so handelt es sich um ein kongenitales androgenitales Syndrom (AGS). Ebenfalls beim AGS und darüber hinaus auch bei Hirsuitismus und NNR-Adenomen ist das DHEAS erhöht. Renin-Angiotensin-Aldosteron System Physiologie des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems Bei Hypovolämie, Hypotonie und einem niedrigem Natriumspiegel im Serum werden die juxtaglomerulären Zellen der Niere zur Freisetzung von Renin stimuliert. Dieses setzt aus Angiotensinogen das inaktive Angiotensin I frei, das durch das »angiotensin-converting-enzyme« (ACE) in das aktive Angiotensin II umgewandelt wird. Angiotensin wirkt zum einen selbst vasopressiv, zum anderen fördert es die Aldosteronfreisetzung in der NNR. Der somit erreichte Anstieg des Blutvolumens wirkt als negativer Feedback-Mechanismus und vermindert die Reninfreisetzung.
Der primäre Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) wird meist durch eine Hyperplasie, aber auch durch ein NNR-Adenom verursacht. Er zeichnet sich durch erhöhtes Aldosteron, aber erniedrigtes Renin aus und geht häufig mit einer hypokaliämischen Hypertonie einher. Im Gegensatz dazu sind beim sekundären Hyperaldosteronismus sowohl Renin als auch Aldosteron erhöht.
338
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
In Kürze Hormone der Nebennierenrinde
5
Hormon
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Kortisol (morgens)
4 Serum 5–25 μg/dl (138–690 nmol/l) 4 Urin 20–100 μg (24 h) bzw. 55–275 nmol/Tag
Wirkt entzündungshemmend
Adrenokortikotropes Hormon (ACTH)
6,0–76,0 pg/ml (1,3–16,7 pmol/l)
Erhöht bei primärer Nebenniereninsuffizienz, sekundärem M. Cushing
Aldosteron
<8 ng/dl (<220 pmol/l)
Erhöht z. B. bei sekundärem Hyperaldosteronismus, Conn-Syndrom
Renin
6–30 ng/l
Erniedrigt z. B. beim Conn-Syndrom
ACE
28–420 U/l
Erniedrigt z. B. unter Pharmakotherapie mit ACE-Hemmern. Erhöht z. B. bei Sarkoidose
5.8.5 Sexualhormone Die Sexualhormone (Testosteron, Östrogen, Progesteron und Prolactin) dienen zur Abklärung von Hypogonadismus und Infertilität. Testosteron Beim Mann dient die Bestimmung zur Diagnostik von Hypogonadismus und Infertilität. Bei der Frau hingegen weist ein erhöhter Spiegel auf ein adrenogenitales Syndrom (Hirsutismus, Virilisierung) hin. Östrogen und Progesteron Der Östrogenspiegel kann sowohl durch Ovarialinsuffizienz als auch durch einen anovulatorischen Zyklus oder eine Corpus-luteum-Insuffizienz erniedrigt sein.
Dagegen führen östrogenproduzierende Tumoren zu erhöhten Konzentrationen. Progesteron wird gemessen, um die Gelbkörperfunktion beurteilen zu können. Prolaktin Prolaktin gleicht in Funktion und Struktur dem Wachstumshormon. Seine Freisetzung wird insbesondere durch Dopamin gehemmt und durch TRH gefördert. Klinisch relevant ist die Hyperprolaktinämie, welche Ursache für eine Fertilitätsstörung der Frau sein kann. > Vor der Bestimmung der Prolaktinkonzentration im Blut sollten Stress, bestimmte Medikamente (Ergotalkaloide, Bromocriptin, Reserpin) sowie eine Untersuchung der Mamma vermieden werden, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen.
In Kürze Sexualhormone Hormon
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Östradiol
20–443 pg/ml (184–1626 pmol/l) – hohe Werte bei Ovulation
Erniedrigt bei primärer oder sekundärer Ovarialinsuffizienz
Progesteron
4 Follikelphase: <1,0 μg 4 Gelbkörperphase: ≥8,0 μg 4 Frauen in den Wechseljahren: <1,0 μg
Erhöht z. B. in der Schwangerschaft, beim adrenogenitalen Syndrom, bei Eierstocktumoren
6
339 5.9 · Gastrointestinaltrakt
Testosteron
4 Jungen vor Pubertät: 0,3–1,3 ng/ml 4 Erwachsener Mann: 270–1070 ng/dl (9,36–37,1 nmol/l) 4 Frauen: <1 ng/ml
Erhöht z. B. bei exogener Zufuhr, endokrin aktivem Tumor
Prolaktin
4 Frauen: 0–20 ng/ml (0–20 µg/l) 4 Männer: 0–15 ng/ml (0–15 µg/l)
Erhöht bei Antidepressiva, Schwangerschaft, Dopaminmangel
5.8.6 Biogene Amine Katecholamine Die Bestimmung der Katecholaminkonzentrationen erfolgt aufgrund der tageszeitlichen Schwankungen hauptsächlich im Sammelurin. Obwohl auch eine Messung im Plasma möglich ist, kann diese nicht die tageszeitlichen Schwankungen widergeben und besitzt somit geringere Aussagekraft. Zu den Katecholaminen zählen Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin, die alle aus der Aminosäure Tyrosin entstehen. Dopamin wird im Organismus zu Ho-
5
movanillinsäure abgebaut, Adrenalin und Noradrenalin hingegen über Metanephrin bzw. Normethanephrin zu Vanillinmandelsäure. Die Bestimmung der Abbauprodukte erfolgt im Urin bei Verdacht auf einen katecholaminproduzierenden Tumor, ein Phäochromozytom. Dieses fällt durch die Symptome anfallsweise Hypertonie,Tachykardie und Gewichtsverlust auf. Auch die Gabe des α2-Agonisten Clonidin ist zur Diagnostik sinnvoll: Lässt sich ein erhöhter Plasmakatecholaminspiegel nicht durch die orale Einnahme von Clonidin supprimieren, spricht dies für ein Phäochromozytom.
In Kürze Biogene Amine
5.9
Substanz im Urin
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Katecholamine
<140 µg/Tag
Erhöht z. B. bei Phäochromozytom
5-Hydroxyindolessigsäure
<9,0 mg/24 h
Erhöht bei Karzinoiden
Gastrointestinaltrakt
Entzündliche Veränderungen des Pankreas werden durch eine veränderte Konzentration der α-Amylase und Lipase im Serum festgestellt. Die exokrine Funktion wird mit der Enzymaktivität von Chymotrypsin und Elastase 1 im Stuhl und dem Sekretin-Caerulin-Test analysiert. Zur Überprüfung der intestinalen Resorption verwendet man den Xylosebelastungstest. 5.9.1 Pankreasdiagnostik Entzündliche Veränderungen Akute Entzündungen des Pankreas sowie eine Mitbeteiligung des Pankreas bei anderen Erkrankungen äußern sich häufig in erhöhten Aktivitäten von Pank-
reasenzymen wie der Amylase oder der Lipase im peripheren Blut. So finden sich erhöhte Amylase-/Lipasewerte insbesondere bei der akuten Pankreatitis, aber z. B. auch nach chirurgischen Eingriffen mit Affektion des Pankreas, nach ERCP, bei Pankreastumoren mit Verschluss des Pankreasganges oder einer akuten Alkoholintoxination. Die Bestimmung von Amylase und/oder Lipase kann daher zur Erkennung einer Pankreaserkrankung beitragen, die Höhe der Werte korreliert jedoch kaum zum Schweregrad der Erkrankung. Amylasen werden außerhalb des Pankreas insbesondere auch in den Speicheldrüsen gebildet, deren Aktivität ebenfalls im Blutplasma nachweisbar ist. Zur Spezifitätserhöhung wird daher bei Verdacht auf eine Pankreaserkrankung zumeist das pankreasspezifische Isoenzym bestimmt.
340
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
> Ist ein erhöhter α-Amylasewert durch eine Pankreaserkrankung bedingt, so ist auch die Lipase erhöht. Eine beginnende Pankreatitis kann einen normalen alpha-Amylasewert aufweisen, daher ist stets zusätzlich die Bestimmung der Urin-amylase nötig.
5
Veränderungen der exokrinen Funktion Einschränkungen der exokrinen Funktion des Pankreas sind häufig Folge chronischer entzündlicher Prozesse und verursachen eine Maldigestion. Die Erfassung der gestörten exokrinen Funktion gelingt mittels direkter und indirekter Pankreasfunktionstests, wohingegen Amylase- und Lipasebestimmung keine Rolle spielen.
Indirekte Funktionsteste sind die Bestimmung von Chymotrypsin und Elastase-1 im Stuhl, erniedrigte Werte weisen auf eine exokrine Pankreasinsuffizienz hin, kommen aber auch z. B. bei reduzierter Nahrungsaufnahme vor. Die direkte Analyse der Pankreassekretionskapazität ist z. B. mit Hilfe des Sekretin-CaerulinTest möglich. Hierbei induziert Sekretin die Sekretion von Bikarbonat, während Caerulin die Enzymsekretion stimuliert. Das Sekret wird hierbei über eine Sonde aus dem Duodenum gewonnen und analysiert.
In Kürze Pankreasdiagnostik Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
α-Amylase
Serum: 60–180 U/l (0,8–3,2 µkat/l) Urin: <600 U/l
Erhöht z. B. bei akuter Pankreatitis
Lipase
<60 U/l
Erhöht z. B. bei akuter Pankreatitis
Chymotrypsin im Stuhl
>6 U/g Stuhl
Erhöht z. B. bei Pankreasinsuffizienz
5.9.2 Blut im Stuhl Ursache hierfür kann eine okkulte intestinale Blutung, z. B. verursacht durch ein kolorektales Karzinom sein. Andererseits kann das Ergebnis des Tests auf okkultes Blut im Stuhl durch starken Fleischkonsum, Einnahme von Eisenpräparaten und Zahnfleisch- oder Nasenbluten falsch positiv werden, wohingegen beispielsweise Vitamin C zu einem falsch negativen Ergebnis durch Beeinflussung der Messung führt.
H2-Atemtest. H2 kommt bei Dissacharidmangel ver-
mehrt in der Atemluft vor, da das entsprechende Dissacharid nicht absorbiert werden kann und damit mikrobiell unter Bildung von H2 gespalten wird (vorangegangene Antibiotikatherapie verfälscht das Ergebnis wegen Zerstörung der Bakterien!). Der Test wird insbesondere bei Verdacht auf Laktoseintoleranz oder eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms eingesetzt. 5.10
5.9.3 Überprüfung der intestinalen
Hämostaseologie, Hämatologie
5.10.1 Hämostaseologie
Resorption Zur Beurteilung der Resorptionsfunktion im Dünndarm kommen folgende Tests zum Einsatz: D-Xylose-Test. Xylose wird normalerweise gut resorbiert und kaum verstoffwechselt. Sind daher nach oraler Aufnahme die Werte im Urin erniedrigt, so weist dies auf eine Absorptionsstörung im oberen Dünndarm hin.
Als Basistests zur Untersuchung des Gerinnungssystems (. Abb. 5.7) dienen die Thromboplastinzeit und die aktivierte partielle Thromboplastinzeit PTT. Diese werden bei Bedarf ergänzt durch Einzelfaktoranalysen, Analysen der Thrombozytenfunktion und molekularbiologische Analysen (z. B. Faktor-V-Leiden). Blutungszeit Die Blutungszeit, die je nach Testmodifikation im Normalfall ca. 5–10 min beträgt, wird zur Überprüfung der
341 5.10 · Hämostaseologie, Hämatologie
. Abb. 5.7a, b. Phasen der sekundären Hämostase und Fibrinolyse (a) und Abfolge der Gerinnungskaskade im exogenen und endogenen System (b) mit einigen pro- und antikoagula-
torischen Modulatoren. P-Lip: Phospholipide. (Aus Priewe, Tümmers 2007)
5
342
5
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Thrombozytenfunktion gemessen und ist bei folgenden Störungen verlängert: 4 bei Thrombozytopenie (weniger als 100.000 Thrombozyten pro μl) und Thrombozytopathien, 4 nach Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern wie ASS, 4 beim Von-Willebrand-Syndrom: autosomaldominant vererbte hämorrhagische Diathese mit stark variierender Penetranz und Expressivität infolge verringerter Aktivität des von-WillebrandFaktors.
Aktivierte Partielle Thromboplastinzeit (aPTT oder PTT) Ziel dieses Tests ist die Prüfung des endogenen Gerinnungssystems zur Überwachung einer Heparintherapie. Der Test wird heute zumeist als aktivierte partielle Thromboplastinzeit unter Zusatz eines Oberflächenaktivators (z. B. Kaolin) durchgeführt. Hierbei wird nach Zugabe von Phospholipiden und einem Oberflächenaktivator zunächst für eine definierte Zeit bei 37°C inkubiert und nachfolgend nach Zugabe von Kalzium die Gerinnungszeit gemessen.
! Cave
> Die PTT ist der Globaltest zur Beurteilung des »Intrinsic-Systems«.
Bei Thrombozytenzahl <30/nl sind Spontanblutungen möglich.
Plasmatische Gerinnung Thromboplastinzeit (TPZ)/Prothrombinzeit/ Quick-Test/INR Ziel dieses Tests ist die Prüfung des exogenen Gerinnungssystems (. Abb. 5.7b), insbesondere der Faktoren I, II, V, X und VII, sowie die Kontrolle einer oralen Antikoagulation mittels Vitamin-K-Antagonisten. Weiterhin wird der Test bei Verdacht auf einen Vitamin-KMangel sowie zur Beurteilung der Lebersynthesekapazität eingesetzt. > Der »Quick-Test«/INR ist ein Globaltest zur Beurteilung es »Extrinsic-Systems« INR = TPZ = Thromboplastinzeit; ISI = International Sensitivity Index
Zur Durchführung wird nach Zugabe von Kalzium und Thromboplastin (Faktor III) zum antikoagulierten Plasma die Zeit bis zum Gerinnungseintritt gemessen und in Prozent der Norm angegeben bzw. in die »International Normalized Ratio« (INR) umgerechnet. Der INR-Wert ist hierbei unabhängig vom verwendeten Thromboplastin. > Ist der Quick-Wert erniedrigt (d. h. unter 70%) oder der INR-Wert erhöht (größer als 1,14), so liegt zumeist ein Mangel an den Vitamin-K-abhängigen Faktoren II, V, VII oder X vor. Dieser Faktormangel kann einerseits durch zu wenig Vitamin K infolge einer Malabsorption oder durch eine Cumarin-Therapie, andererseits auch angeboren oder durch Verbrauchskoagulopathie oder Leberzirrhose bedingt sein.
Ursachen für eine verlängerte PTT können sein: 4 Heparintherapie 4 Mangel an Faktoren II, VIII, IX, X, XI, XII 4 Vorliegen eines Lupus-Antikoagulans (Antiphospholipidantikörpersyndrom): häufigste erworbene Koagulopathie, die zu Thromboembolien (v. a. venös) führt. Ursächlich ist eine heterogene Gruppe von Antikörpern, die zumeist gegen Phospholipidbindende Proteine gerichtet sind. Hierdurch kommt es in vitro zu einer Verlängerung phospholipidabhängiger Gerinnungstest. 4 Fibrinolysetherapie ! Cave Die Therapie mit niedermolekularen Heparinen kann nicht über die PTT kontrolliert werden.
Thrombinzeit (TZ) Die Thrombinzeit erfasst die terminale Phase der plasmatischen Gerinnung. Die Messung dient der Überwachung von fibrinolytischer Therapie und Heparintherapie, der Diagnose einer Hyperfibrinolyse und der Erkennung von Dysfibrinogenämien oder einem Fibrinogenmangel. Protein C und Protein S, Antithrombin III Die Synthese sowohl von Protein C als auch von Protein S ist Vitamin-K-abhängig und damit nicht nur bei hereditären Störungen, sondern auch bei einem Vitamin-K-Mangel beeinträchtigt. Bei einem Protein-Coder -S-Mangel kann die proteolytische Spaltung von Faktor Va und Faktor VIIIa nur in geringerem Ausmaß erfolgen und es entsteht eine latente Hyperkoagulabilität mit der Gefahr von Thrombosen und Embolien. Faktor-V-Leiden-Mutation oder APC-Resistenz sind Folge einer autosomal-dominant vererbten Mutation, bei der es zu einem Aminosäureaustausch im Faktor V kommt. Damit kann das aktivierte Protein C
343 5.10 · Hämostaseologie, Hämatologie
(APC) Faktor V nur mit verringerter Effizienz proteolytisch spalten, die Zugabe von APC in vitro führt zu einer geringeren Verlängerung der Gerinnungszeit (APC-Resistenz) als normal. Mit dem funktionellen Test der APC-Resistenz wird die Faktor-V-Leiden-Mutation nahezu immer erfasst. Die APC-Resistenzbestimmung dient der Abklärung einer vermuteten homozygoten oder heterozygoten Thrombophilie. Antithrombin III bildet, besonders nach Bindung an Heparin, inaktive Komplexe mit den Faktoren Xa
5
und Thrombin und blockiert hierüber die Gerinnungskaskade. Ein Antithrombinmangel resultiert daher in einer erhöhten Thromboseneigung. D-Dimere D-Dimere entstehen beim proteolytischen Abbau von Fibrin durch Plasmin in der Fibrinolyse, sie sind damit sind Marker der Fibrinolyse. Sie haben einen hohen negativen prädiktiven Wert bei tiefen Beinvenenthrombosen und der Lungenembolie (Ausschlussdiagnostik), der positive prädiktive Wert ist allerdings gering.
In Kürze Marker der Gerinnungsfunktion Marker
Normwert
Bedeutung
Vitamin K
50–600 ng/l
Daran beteiligt, die Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X zu aktivieren
Antithrombin III (AT III)
4 Neugeborene ca. 50% 4 Ab 6. Monat 70–120% (0,7–1,2 U/l)
Erniedrigt z. B. bei Sepsis, postoperativ, Leberinsuffizienz, nephrotischem Syndrom Erhöht z. B. unter Antigoagulanzientherapie (Cumarine)
Fibrinogen
160–420 mg/dl (1,6–4,2 g/l)
Erniedrigt z. B. bei Leberzellschäden, postoperativ Erhöht z. B. bei akuten Entzündungen
Prothrombinzeit
11,1–13,1 s
Angabe hauptsächlich als Quick-Wert
INR (International Normalized ratio)
Ca. 1
Erhöht z. B. bei Leberinsuffizienz, Vitamin-K-Mangel, unter Cumarintherapie
Quick-Test
70–125%
Erniedrigt z. B. bei Leberinsuffizienz, Vitamin-K-Mangel, unter Cumarin-Therapie
Aktivierte Partielle Thromboplastinzeit (aPTT)
22–35 s
Erhöht z. B. bei Verbrauchskoagulopathie, Leberinsuffizienz, Hämophilie, Marcumar oder Heparintherapie
Plasmathrombinzeit (PTZ)
4 Erwachsene: 17–24 s 4 Neugeborene: 10–15 s
Erhöht z. B. unter Heparintherapie, Hyperfibrinolyse
Gerinnungszeit
<15 min
Verlängert z. B. bei Thrombozytopenie oder ASS-Einnahme
D-Dimere
<0,5 µg/ml (<0,5 mg/l)
Erhöht bei Thrombosen, hoher negativer prädiktiver Wert
Thrombozyten
150–350×103/mm3
Erniedrigt z. B. bei Bestrahlung, unter Heparintherapie, Pharmakonebenwirkung Erhöht z. B. bei Entzündung, Infektion, Blutung, Malignom
Protein C
4 Neugeborene 10–20% 4 Erwachsene 70–140%
Erniedrigt z. B. bei Vitamin-K-Mangel, hereditär, Leberinsuffizienz
Protein S
4 Neugeborene 30–50% 4 Erwachsene 80–120%
Erniedrigt z. B. bei hereditär erhöhter Thromboembolieneigung, Vitamin-K-Mangel, Leberinsuffizienz
344
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
5.10.2 Hämatologie Veränderungen des roten und/oder weißen Blutbildes treten nicht nur bei hämatologischen Erkrankungen auf, sondern finden sich begleitend auch bei einer Vielzahl anderer somatischer Erkrankungen. Insbesondere ergeben sich immer wieder Fragen nach der Ursache einer Anämie, einer Leukozytose oder Leukopenie, die eine umfangreiche Differenzialdiagnose erfordern.
5
Erythrozyten, Hämoglobinkonzentration Die Hämoglobinkonzentration sowie die Zahl der Erythrozyten und die Erythrozytenindizes werden bestimmt, um Anämien zu diagnostizieren. Die Anämie ist definiert als eine Verminderung der Hämoglobinkonzentration unter einen geschlechts- und altersabhängigen Normwert. Damit einhergehend finden sich häufig Verminderungen der Erythrozytenzahl. Die Ursachen einer Anämie sind vielfältig und beinhalten u. a. eine verminderte Erythropoese, eine verkürzte Lebenszeit der Erythrozyten, Blutverluste aber auch eine relative Erhöhungen der Plasmawassermenge. Defekte der Erythropoese ergeben sich durch: 4 Eisenmangel, Vitamin-B12-/Folsäuremangel 4 Erythropoetinmangel Verkürzung der Erythrozyten-Lebenszeit kann die Folge sein von folgenden Störungen: 4 Verringerte Aktivität spezifischer Erythrozytenenzyme (z. B. Glukose-6-Phosphat-DehydrogenaseMangel)
. Abb. 5.8. Diagnostik der Anämie
4 Erythozytenmembrandefekten (z. B. Kugelzellanämie) 4 Antikörper-vermittelte hämolytische Anämien Bei Blutverlusten ist zwischen akuten und chronischen Verlusten zu unterscheiden: 4 Akut: Zunächst keine auffälligen Wertänderungen, dann Abnahme des Hb und der Erythrozytenzahl, nach 2–3 Tagen kompensatorischer Anstieg der Retikulozytenzahl 4 Chronisch: Eisenmangelanämie, Erythrozytenzahl, Hb, MCH und MCV nehmen ab Zur Differenzialdiagnose der Anämien werden die Erythrozytenindizes (insbesondere MCV, MCH, MCHC) und die Retikulozytenzahl sowie ggf. weitere Parameter (z. B. des Eisenstoffwechsels) herangezogen (. Abb. 5.8). Die Erythrozytenindizes werden heutzutage im Rahmen der automatisierten Blutbilderstellung mit Hilfe von Hämatologieautomaten ermittelt. > 4 MCV = Hkt/Ery – Zahl in l/Ery 4 MCH = Hb/Ery – Zahl in g/Ery 4 MCHC = Hb/Hkt in g/lEry
Hämatokrit. Der Hämatokrit wird durch das Verhältnis von roten Blutkörperchen zum Gesamtblutvolumen definiert. Der Wert wird zumeist mit Hilfe von Hämatologieautomaten nach Messung der Erythrozytenzahl sowie des Erythrozytenvolumens berechnet. Alternativ kann Blut in eine Heparin-Kapillare gegeben und der
345 5.10 · Hämostaseologie, Hämatologie
Hämatokrit nach Zentrifugation mittels einer Auswerteschablone bestimmt werden. Anhand des Hämatokrits können Aussagen über Störungen des Wasserhaushaltes (Dehydratation o Hkt erhöht, Überwässerung o Hkt erniedrigt) getroffen werden. Retikulozyten. Retikulozyten stellen die jüngste Eryth-
rozytenpopulation des Blutes dar und ihre Konzentration spiegelt die Effektivität der Erythrozytenneubildung wider. Mit Hilfe der Retikulozytenkonzentration können somit hyperregenerative Anämien (z. B. bei Hä-
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molyse) von hyporegenerativen Anämien unterschieden werden. > 4 Mikrozytäre Anämie bei Eisenmangel: Hb vermindert, MCV vermindert, MCH vermindert 4 Megaloblastische Anämie bei Folsäure- oder Vitamin-B12 (Cobalamin)-Mangel: Hb vermindert, MCV erhöht, MCH erhöht 4 Hämolytische Anämie: Hb vermindert, Retikulozyten erhöht, MCV und MCH häufig normal
In Kürze Wichtige Parameter zur Beurteilung der Erythrozyten/Anämie Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Vitamin B12
0,2–1 μg/l
Erniedrigt z. B. bei Hypovitaminose (Anämie, Zst. nach Magenresektion, Gastritis
Folsäure
4 3–15 ng/ml 4 Nüchtern: 150–450 ng/ml
Erniedrigt bei Alkoholikern, Mangel kann in der Schwangerschaft zu Spina bifida des Feten führen
Hämatokrit, Hkt
4 Frauen: 0,35–0,45 bzw. 35–45% 4 Männer: 0,45–0,51 bzw. 45–51%
Erniedrigt z. B. bei Anämie Erhöht z. B. bei Dehydratation, Polyglobulie
Erythrozyten
4 Serum: Frauen: 4,0–5,2×106/mm3, Männer: 4,5–5,9×106/mm3 4 Urin: <5 μl
Erniedrigt z. B. bei Blutverlust, Anämie Erhöht z. B. bei Dehydratation, »Höhentraining«
Mittleres korpuskuläres Hämoglobin (MCH)
27–33 pg/Zelle
Erniedrigt z. B. bei Eisenmangelanämie
MCHC
33–36 g/dl (18,6–21 mmol/l)
Erhöht z. B. bei intravaskulärer Hämolyse
Mittleres korpuskuläres Volumen (MCV)
80–96 fl (80–96 μm3)
Erniedrigt z. B. bei Eisenmangelanämie
Hämoglobin
4 Frauen: 12,0–16,0 g/dl (7,4–9,9 mmol/l) 4 Männer: 13,5–17,5 g/dl (8,4–10,9 mmol/l)
Erniedrigt z. B. bei Blutungen, Anämien, Leukämie Erhöht z. B. bei Dehydratation
Retikulozyten
0,5–2% aller Erythrozyten
Erniedrigt z. B. bei Anämie, unter zytostatischer Therapie Erhöht z. B. bei Blutverlust, Hypoxämie
Eisen
50–150 µg/dl (9–27 µmol/l)
Erniedrigt z. B. bei Blutverlust, Resorptionsstörung, Gravidität Erhöht z. B. bei Hämochromatose, Anämie
Ferritin
4 Frauen: 10–200 ng/ml (10–200 µg/l) 4 Männer: 30–300 ng/ml (30–300 µg/l)
Erniedrigt z. B. bei Eisenmangel, Blutverlust Erhöht z. B. bei Hämochromatose,
346
5
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Hämoglobinsynthese Unter Hämoglobinopathien versteht man Störungen der Globinsynthese des Hämoglobins, wie z. B. die Synthesestörung der β-Kette bei der β-Thalassämie oder die der α-Kette bei der α-Thalassämie (7 Kap. 2), sowie Mutationen im Hämoglobin-Gen wie den Aminosäureaustausch von Glutamat gegen Valin in der βKette bei der Sichelzellanämie. Störungen der Hämsynthese äußern sich in Form der Porphyrien. Hepatische Porphyrien sind im Allgemeinen durch eine erhöhte Ausscheidung von δ-Aminolävulinsäure und Porphobilinogen im Urin charakterisiert, wobei auch eine Bleiintoxikation hierfür verantwortlich sein kann. Leukozyten (4000–10.000/μl) Leukozytenzahlen sowie das Differenzialblutbild werden für die Diagnostik und Therapiekontrolle von Infektionen, hämatologischen Erkrankungen wie Leukämien und Lymphomen, Entzündungsreaktionen oder als Begleitparameter bei anderen somatischen Erkrankungen ermittelt. Zu den normalerweise im peripheren Blut auftretenden Leukozyten gehören neutrophile Granulozyten, eosinophile Granulozyten, basophile Granulozyten sowie Monozyten und Lymphozyten. Treten im Differenzialblutbild vermehrt unreife und jugendliche Zellen wie z. B. stabkernige Granulozyten auf, so spricht man von einer Linksverschiebung. Diese ist u. a. charakteristisch für schwere bakterielle Infekte. > Eine physiologische, »reaktive« Linksverschiebung findet bei fast allen Infektionskrankheiten statt. Eine »pathologische« Linksverschiebung kann Hinweis auf Leukämie sein.
Leukozytosen weisen in erster Linie auf Entzündungen und Infektionen hin, können aber auch auf Leukämien/ Lymphome, endokrine Störungen, Kortikosteroidbehandlung, physikalischen oder emotionalen Stress, Schockzustände, Traumata, Tumorerkrankungen, akute Blutungen oder Hämolysen zurückzuführen sein. Genauer differenziert werden dabei: 4 Lymphozytose: Ursache können neben Lymphomen (manche Non-Hodgkin-Lymphome) auch Leukämien oder virale Infektionen (Infektiöse Mononukleose, Röteln, Mumps, CMV, HIV, Zoster) sein. 4 Eosinophilie: Ursache können neben Allergien auch Parasiten (Amöben, Bandwürmer), Neoplasien (Morbus Hodgkin) und Hauterkrankungen (Ekzem, Psoriasis, Dermatitis herpetiformis) sein.
Leukozytopenien (<1000/mm3) treten infolge von massiv verlaufenden Infektionen und Sepsis, Virusinfektionen, einer perniziösen Anämie, oder aufgrund einer durch Medikamente induzierten Knochenmarksdepression auf. In schweren Fällen kann eine Agranulozytose resultieren, bei der eine ausgeprägte Infektionsneigung besteht. Auch Leukämien und Lymphome manifestieren sich gelegentlich in Form einer Leukozytopenie. ! Cave Ursachen von Agranulozytosen können Medikamente oder andere Noxen sein.
Thrombozyten (150.000–400.000/μl) Bestimmungen der Thrombozytenzahl dienen der Beurteilung der primären Hämostase, der Knochenmarksfunktion und zum Nachweis sowie der Verlaufskontrolle einer Verbrauchskoagulopathie. Die Thrombozytenfunktion gibt Aufschluss über verlängerte Blutungszeit bei normaler Thrombozytenzahl. Thrombozytopenie Unter einer Thrombozytopenie versteht man eine Verminderung der Thrombozytenzahl im Blut auf <150.000/μl. Sie kann mit einer Blutungsneigung einhergehen und entweder durch eine Bildungsstörung oder einen gesteigerten Abbau verursacht werden. Bildungsstörung können folgende Ursachen haben: 4 Erworben: beeinträchtigte Knochenmarksfunktion durch Leukosen, Myelome, Bestrahlung, Zytostatika, Vitamin-B12-Mangel 4 Hereditär: May-Hegglin-Syndrom, Wiskott-Aldrich-Syndrom, Fanconi-Anämie Gesteigerter Abbau kann Folge sein von: 4 Immunthrombozytopenien (ITP) nach Virusinfektionen durch Bildung von Thrombozytenautoantikörpern 4 Verbrauchskoagulopathie Thrombozytose Unter einer Thrombozytose versteht man eine Zunahme der Thrombozytenzahl. Als Ursachen kommen infrage: 4 Chronische oder akut entzündliche Krankheiten (Rheumatoide Arthritis, Colitis ulcerosa, Tuberkulose) 4 Operationen 4 Kortisongabe 4 Splenektomie 4 Myeloproliferative Systemerkrankungen
347 5.11 · Elekrolyt-, Wasser-, Säure-Base-Haushalt
Thrombozytenfunktion Neben der Anzahl kann auch die Thrombozytenfunktion überprüft werden. Dies wird z. B. dann durchgeführt, wenn die Blutungszeit trotz normaler Thrombozytenzahl erhöht ist. Ist die Aggregation oder die
5
Adhäsion gestört, so gilt das als Zeichen für Membrandefekte, während bei intrazellulären Defekten häufig die Degranulation der Thrombozyten verändert ist. Oft sind Medikamente Ursache einer Thrombozytenfunktionsstörung (z. B. ASS).
In Kürze Leukozyten und Thrombozyten Zellen
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Leukozyten
4,5–11,0×103/mm3
Erhöht z. B. bei bakteriellen Infektionen Erniedrigt z. B. bei Sepsis, virale Infekte, Zytostatische Therapie
Neutrophile
40–70% (0,40–0,70)
Erhöht z. B. bei bakteriellen Infektionen Erniedrigt z. B. bei Sepsis, virale Infekte, Zytostatische Therapie
Stabkernige
0–10% (0–0,10)
Erhöht z. B. bei akutem Infekt
Lymphozyten
22–44% (0,22–0,44) 1500–4000/μl
Erniedrigt z. B. bei Tuberkulose, Lymphome Erhöht z. B. bei Infektionserkrankungen
Monozyten
4–11% (0,04–0,11)
Erhöht z. B. bei Infektionserkrankungen, Mononukleose
Eosinophile
0–8% (0–0,08)
Erniedrigt z. B. bei Cushing-Syndrom Erhöht z. B. bei allergischen Erkrankungen, Parasitäre Infektionen
Basophile
0–3% (0–0,03)
Erhöht z. B. bei nephrotischem Syndrom, Leukämie
Thrombozyten
150–350×103/mm3
Erniedrigt z. B. bei Blutung, Bestrahlung, unter Heparintherapie, Pharmakonebenwirkung, Bestrahlung Erhöht z. B. bei Entzündung, Infektion, Malignom
5.11
Elekrolyt-, Wasser-, Säure-Base-Haushalt
Störungen des Wasserhaushalts werden in Änderungen des Volumens des Extrazellulärraums (Dehydratation bzw. Hyperhydration) bzw. der osmotischen Konzentration (hypoton, isoton, hyperton) eingeteilt. > 4 Osmolarität = Zahl der gelösten Teilchen pro Liter 4 Osmolalität = Zahl der gelösten Teilchen pro kg
Natrium Die Natriumkonzentration im Serum ist ein Maß für die Verfügbarkeit an freiem Wasser sowie die Funktion der Osmoregulation. Oft lässt sich die Größe des Extrazellulärraums anhand der Natriumkonzentration abschätzen, sie erlaubt jedoch keine Aussage über den Natriumgehalt des Körpers.
Erhöhte Natriumwerte finden sich verbunden mit einer Hyperosmolarität und Hypovolämie z. B. bei verminderter Flüssigkeitszufuhr oder vermehrtem extrarenalem (z. B. exzessives Schwitzen, Erbrechen, Aszites) oder renalem Flüssigkeitsverlust (z. B. Diabetes insipidus, Diabetes mellitus mit osmotischer Diurese). Eine Hypernatriämie mit Hyperosmolarität und Hypervolämie findet sich z. B. bei übermäßiger Natriumzufuhr (z. B. iatrogen, Meerwasserintoxikation) und beim primären Hyperaldosteronismus. Eine Hyponatriämie kann u. a. bedingt sein durch eine akute oder chronische Niereninsuffizienz, eine Leberzirrhose, inadäquate ADH Sekretion. Die Differenzialdiagnostik hyper-, iso- und hypotoner Dehydratation und Hyperhydratation wird in . Tab. 5.6 dargestellt.
348
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
. Tab. 5.6. Differenzialdiagnostik hyper-, iso- und hypotoner Dehydratation und Hyperhydratation Dehydratation
5
Hyperhydratation
Hyperton
Isoton
Hypoton
Hyperton
Isoton
Hypoton
Erythrozytenzahl
n
n
n
p
p
p
Hb-Konzentration
n
n
n
p
p
p
Plasmaeiweißspiegel
n
n
n
p
p
p
Hämatokrit
– (n)
n
n
p
p
– (n)
Mittleres Erythrozytenvolumen
p
–
n
p
–
n
Mittlerer Hb-Gehalt
n
–
p
n
–
p
n Anstieg; p Abfall; – keine Veränderung
Kalium Die intrazelluläre Kaliumkonzentration ist ungefähr 40-fach höher als die des Extrazellulärraumes; dieser Gradient wird ATP-abhängig aufrechterhalten. Der Säure-Basen-Haushalt beeinflusst die Kaliumverteilung zwischen Intra- und Extrazellulärraum, wobei metabolische Alkalosen häufig mit einer Hypokaliämie einhergehen. Weitere Ursachen einer Hypokaliämie können sein: 4 Gastrointestinale Flüssigkeitsverluste 4 Mangelnde Kaliumzufuhr 4 Renale Kaliumverluste Eine Hyperkaliämie findet sich u. a. bei Azidose, Zellzerfall oder verminderter renaler Kaliumelimination.
! Cave Der Kaliumspiegel hat besondere Bedeutung für die Elektrophysiologie des Herzens und des Nervensystems:
Folgen von Hypo-/Hyperkaliämie für die Herzfunktion sind: 4 Hypokaliämien, beispielsweise infolge einer Alkalose, durch Verluste durch Erbrechen oder Diarrhö, durch parenterale Gabe von Glukose und Insulin, durch Hyperaldosteronismus, führen zur Hyperpolarisation und Tachykardie 4 Hyperkaliämien, beispielsweise infolge einer Azidose, Schock, Insulinmangel, Hämolyse, führen zu Depolarisation und Bradykardie
In Kürze Elektrolyte und weitere physiologisch relevante Ionen Substanz
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Kalium, K+
4 Serum 3,5–5,0 mmol/l 4 Urin 50–100 mmol (24 h)
Erniedrigt z. B. bei Diuretikatherapie, Cushing-Syndrom, Erbrechen Erhöht z. B. bei Niereninsuffizienz, Azidose
Kalzium, Ca2+
4 Serum 2,2–2,6 mmol/l 4 Urin 6,2–7,5 mmol (24 h)
Erniedrigt z. B. bei Hypoparathyreoidismus, Niereninsuffizienz Erhöht z. B. bei Tumoren, Hyperparathyreoidismus
Chlorid, Cl-
4 Serum 98–106 mmol/l 4 Urin ca. 170 mmol (24 h)
Erniedrigt z. B. bei Hyponatriämie, Alkalose Erhöht z. B. bei Hypernatriämie, Azidose, Niereninsuffizienz
6
349 5.11 · Elekrolyt-, Wasser-, Säure-Base-Haushalt
Magnesium, Mg2+
4 Serum 0,8–1,2 mmol/l 4 Urin 1,5–8,0 mmol/l (24 h)
Erniedrigt z. B. bei Diarrhö, Erbrechen Erhöht z. B. bei Niereninsuffizienz
Natrium, Na+
4 Serum 136–145 mmol/l 4 Urin ca. 50–200 mmol (24 h)
Erniedrigt z. B. bei Erbrechen, Diarrhö, Verbrennungen Erhöht z. B. bei Fieber, Diabetes insipidus, Niereninsuffizienz (im Harn)
Säure-Base-Status Zur Diagnose von Störungen des Säure-Basen-Haushaltes wird arterielles Blut analysiert, ggf. kann auch arterialisiertes Kapillarblut verwendet werden. Um Störungen des Säure-Base-Haushalts einzuordnen, kann man sich an folgendes Schema halten: 4 Ist der pH-Wert erhöht (über 7,44) oder erniedrigt (unter 7,36)? o Alkalose bzw. Azidose 4 Entspricht die Veränderung von pCO2 (normal zwischen 35 und 40 mmHg) der pH-Änderung (z. B. hoher pH und niedriger pCO2) oder nicht? o pCO2-Änderung als respiratorische Ursache für die pH-Änderung bzw. zu ihrer respiratorischen Kompensation 4 Liegt die Anionenlücke (AL = Na+ – [Cl- – HCO3-]) im Normbereich zwischen 7 und 16 mmol/l? Eine Zunahme findet man bei Azidosen mit Bikarbonatverbrauch, bei Alkalosen jedoch keine Veränderung o kann die Änderung der Anionenlücke die pH-Änderung bewirken oder wirkt sie ihr entgegen? o metabolische Ursache bzw. metabolische Kompensation. > Anionenlücke: Normwert 7–16 mmol/l 4 Erhöht z. B. bei Laktatazidose, diabetischem Koma 4 Erniedrigt z. B. bei Plasmozytom
Anhand des Schemas lassen sich folgende Störungen diagnostizieren: Metabolische Azidose: pH p, pCO2 unverändert, durch: 4 Säureaddition (AL n): 5 Ketoazidose: Diabetes mellitus, Hunger 5 Laktatazidose: Schock, CO-Vergiftung, Hypoxie
5
4 Basensubstraktion (AL unverändert): 5 Diarrhö 5 Pankreas-Gallenfistel 4 Säureretention: 5 Nierenversagen AL n 5 Renal tubuläre Azidose AL p 4 Gesteigerte Chloridaufnahme (AL unverändert): 5 KCl 5 0,9% NaCl-Infusion bei Niereninsuffizienz Metabolische Alkalose: pH n, pCO2 unverändert, durch: 4 Flüssigkeitsverluste, z. B. Erbrechen, Einnahme von Diuretika 4 Hyperammonämie Respiratorische Azidose: pH p, pCO2 n, durch: 4 Chronische Ateminsuffizienz z. B. Emphyseme, Pneumonie, Lungenödem 4 Obstruktive Lungenerkrankungen Respiratorische Alkalose: pH n, pCO2 p durch (. Tab. 5.8): 4 O2-Mangel 4 Hyperventilation Zur klinischen Beurteilung von Säure-Basen-Störungen dient das Normogramm von Müller-Pathe. ! Cave Basenexzess (BE) = Standardbikarbonat – 24
350
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
In Kürze Für den Säure-Basen-Haushalt entscheidende Parameter
5
Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
O2-Partialdruck (pO2)
80–100 mmHg (11,0–13,0 kPa)
Erniedrigt z. B. bei Pneumonie, Lungenödem, Lungenembolie, Kreislaufstörungen
Sauerstoffsättigung
95–98,5%
Erniedrigt z. B. bei Pneumonie, Lungenödem, Lungenembolie, Kreislaufstörungen
CO2-Partialdruck (pCO2)
4 Frauen: 35–45 mmHg (4,7–5,9 kPa) 4 Männer: 35–47 mmHg (4,7–6,0 kPa)
Erniedrigt z. B. bei Hyperventilation
Standardbikarbonat (HCO3-)
21–28 mmol/l
Erniedrigt z. B. bei metabolischer Azidose, kompensatorisch bei respiratorischer Alkalose Erhöht z. B. bei metabolischer Alkalose, kompensatorisch bei respiratorischer Azidose
BE (Basenexzess)
–2 mmol/l bis 3 mmol/l
Erniedrigt z. B. bei metabolischer Azidose, kompensatorisch bei respiratorischer Alkalose Erhöht z. B. bei metabolischer Alkalose, kompensatorisch bei respiratorischer Azidose
Laktat
4 Arteriell: 5–20 mg/dl, 0,55–2,2 mmol/l 4 Venös: 5–15 mg/dl (0,6–1,7 mmol/l)
Erhöht z. B. bei Gewebshypoxie, körperliche Überbelastung
pH
4 Serum: 7,37–7,45 4 Urin: 4,8–7,4
Erniedrigt z. B. metabolischer (Diabetes mellitus) oder respiratorischer Azidose (Hypoventilation) Erhöht z. B. bei metabolischer (Hypokaliämie) oder respiratorischer Alkalose (Hyperventilation)
5.12
Leber
Erhöhungen der Leberenzyme ALAT, ASAT, γ-GT, GLDH und AP sowie ein Absinken der Cholinesterase weisen auf Lebererkrankungen hin. Die Konstellation der Werte macht eine Aussage über die Ursache und den Schweregrad der Erkrankung möglich. Zur Differenzialdiagnose des Ikterus dient die Bestimmung des direkten und indirekten Bilirubins sowie des Urobilinogen. ALAT und ASAT Die Alaninaminotransferase (ALAT, GPT) katalysiert folgende Reaktion im Zytoplasma: L-Alanin + α-Ketoglutarat o Pyruvat + L-Glutamat Die Hauptmenge der ALAT ist in der Leber lokalisiert, so dass ein Anstieg der Aktivität im Serum im Wesentlichen als Nachweis einer Lebererkrankung dient. Besonders ausgeprägte Erhöhungen finden sich bei
der Akuten Virushepatitis oder der toxischen Lebeschädigung. Die Aspartataminotransferase (ASAT, GOT) katalysiert folgende Reaktion sowohl im Mitochondrium als auch im Zytoplasma: L-Aspartat + α-Ketoglutarat o Oxalacetat + L-Glutamat Erhöhte Werte findet man bei Lebererkrankungen, besonders Hepatitis, aber auch beim Herzinfarkt und Skelettmuskelerkrankungen. Aus dem Verhältnis von ASAT zu ALAT kann der De-Ritis-Quotient berechnet werden, dessen Wert das Ausmaß der Leberzellschädigung wiedergibt: Quotienten kleiner 1 sprechen für einen leichteren Schaden wie akute reversible entzündliche Veränderungen im Rahmen einer Virushepatitis. Quotienten größer 1 weisen auf einen schweren, auch mitochondrialen Zellschaden hin (Nekrosetyp).
351 5.12 · Leber
γ-GT Dieses Enzym kommt überwiegend membrangebunden in den Leberzellen, Gallengangs- und Tubulusepithelien der Niere vor, Erhöhungen im Serum sind jedoch weitgehend spezifisch für Leber- und Gallenwegserkrankungen. ! Cave Die höchsten Werte der γ-GT liefern cholestatische Erkrankungen wie die intra- und extrahepatische Cholestase, die cholestatische Verlaufsform einer akuten Virushepatitis und die Cholangitis, so dass sie auch als Cholestase-Marker betrachtet wird.
Cholinesterase (CHE) Eine verminderte Aktivität der CHE weist auf eine gestörte Lebersyntheseleistung hin, die durch Leberzirrhose, chronische Hepatitis oder Tumoren bedingt sein kann. Eine sehr starke Verminderung findet sich auch bei Vergiftungen durch Organophosphate. Hingegen können beispielsweise ein Diabetes mellitus, eine Fettleber, KHK und das nephrotische Syndrom einen leichten Anstieg der CHE bewirken. Glutamatdehydrogenase (GLDH) Da die GLDH mitochondrial vorkommt, sind ihre Werte nur bei schweren Leberzellschäden erhöht. Am deutlichsten ist dies bei akuter Leberstauung oder akuter Intoxikation, aber auch ein Verschlussikterus, ein Leberkarzinom oder eine primäre biliäre Zirrhose (PBC) führen zu einer Erhöhung des Wertes. > Akute Virushepatitis und Fettleber hingegen verursachen zumeist nur einen geringfügigen Anstieg der Glutamatdehydrogenase.
5
Alkalische Phosphatase (AP) Da die AP im Dünndarm, in der Plazenta, in Keimzellen, in Leber, Knochen und Niere vorkommt, kann anhand ihrer Isoenzyme festgestellt werden, welches Organ oder Gewebe eine Erhöhung der AP verursacht hat. Die AP wird ebenfalls zu den Cholestase-Markern gezählt und erreicht bei Verschlussikterus (posthepatischer Ikterus) die höchsten Werte, ist aber auch beim cholestatischen Verlauf einer akuten Virushepatitis stark erhöht. Bilirubin und Urobilinogen Bilirubin entsteht beim Abbau des Hämoglobins und liegt als indirektes, unkonjugiertes Bilirubin an Albumin gebunden im Serum vor. Nach Überführung in eine wasserlösliche Form durch Glukuronidierung in der Leber spricht man von direktem oder konjugiertem Bilirubin. Dieses wird über die Galle in den Darm ausgeschieden und dort zu Mesobilirubin, Urobilinogen und Sterkobilinogen abgebaut, die wiederum partiell resorbiert werden. Die Differenzialdiagnose des Ikterus umfasst die Unterscheidung prähepatischer, intrahepatischer und posthepatischer Formen. Die hierzu herangezogenen Parameter sind in . Tab. 5.7 zusammengefasst. > Gesamtbilirubin = indirektes + direktes Bilirubin
Ammoniak Fällt Ammoniak in vermehrter Konzentration an, so bedeutet dies einen schweren Leberparenchymschaden. Eine erhöhte Ammoniakkonzentration kann zur Enzephalopathie mit Verlangsamung und Sprachstörung bis hin zum Koma führen.
. Tab. 5.7. Differenzialdiagnose des Ikterus Formen
Prähepatisch
Hepatisch
Posthepatisch
Ursache
Hämolyse
Parenchymschaden
Cholestase
Urobilinogen (Urin)
Leicht erhöht
Stark erhöht
Erniedrigt
Direktes Bilirubin
Normal
Stark erhöht
Stark erhöht
Indirektes Bilirubin
Stark erhöht
Normal bis leicht erhöht
Evtl. erhöht
GPT
Normal
Stark erhöht
Leicht erhöht
AP
Normal
Leicht erhöht
Stark erhöht
γ-GT
normal
Leicht erhöht
Stark erhöht
352
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
In Kürze Für die Diagnostik von Leberstörungen entscheidende Parameter
5
Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
AST, SGOT
4 0–35 U/l (0–0,58 µkat/l)
Erhöht z. B. bei Hepatitis, Myokardinfarkt
ALT, SGPT
4 0–35 U/l (0–0,58 µkat/l)
Erhöht z. B. bei Hepatitis, Leberzirrhose
γ-Glutamyltransferase (γGT)
4 Frauen: 9–36 U/l 4 Männer: 12–65 U/l
Erhöht z. B. bei Cholestase, Leberzellschaden, Hepatitis
Cholinesterase (CHE)
4 Kinder ab 6 Jahren, Frauen ab 40 Jahren, Männer: 5–12 U/ml (5–12 kU/l) 4 Junge Frauen: 2,8–7,5 kU/l 4 Frauen (Schwanger, Anti-Baby-Pille): 2,4–6,1 kU/l
Erniedrigt z. B. bei Leberzellschäden Erhöht z. B. bei Hyperthyreose, Niereninsuffizienz
Glutamatdehydrogenase (GLDH)
4 Frauen: <3 U/l 4 Männer: <4 U/l
Anstieg bei starkem Leberschaden
Bilirubin (direkt, konjugiert)
0,1–0,3 mg/dl (1,7–5,1 µmol/l)
Erhöht z. B. bei Hepatitis, Leberzirrhose, Cholestase
Bilirubin (indirekt, unkonjugiert):
0,2–0,7 mg/dl (3,4–12,0 µmol/l)
Erhöht z. B. bei Hämolyse
Bilirubin, gesamt
4 4 4 4 4 4
Unter anderem erhöht bei Hämolyse, Cholestase
Ammoniak
4 Serum 10–80 μg/dl (6–47 µmol/l) 4 Urin 27–92 μg/dl
5.13
Serum 1. Lebenstag: bis 8,6 mg/dl 4.–6. Lebenstag: 0,1–12,5 mg/dl >1 Monat: 0,2–1,0 mg/dl Erwachsene: 0,3–1,0 mg/dl (5,1–17,0 µmol/l) Urin 10–20 mg/24 h
Fettstoffwechsel
Fettstoffwechselstörungen können zu unterschiedlichen Veränderungen der Triglyzerid- und der Cholesterinspiegel führen, mit unterschiedlichen Auswirkungen auf das Arterioskleroserisiko. Das jeweilige Arterioskleroserisiko ist durch die zugrunde liegende Störung bedingt und wird durch die klassische Einteilung nach Fredrickson nur sehr eingeschränkt erfasst. ! Cave Die Notwendigkeit zur therapeutischen Senkung der Cholesterinwerte richtet sich heutzutage nicht alleine nach der Höhe insbesondere der LDL-Werte, sondern berücksichtigt auch das allgemeine Risikoprofil des Patienten.
Erhöht z. B. bei hepatischem Koma
Lipoproteinfraktionen VLDL (»very low density lipoprotein«) werden in der Leber gebildet und transportieren, assoziiert mit Apolipoprotein B100, C, E, dort synthetisierte Triglyzeride und Cholesterin in extrahepatisches Gewebe. Nach Abbau der Triglyzeride entstehen aus den VLDL cholesterinreiche LDL (»low density lipoprotein«), die durch die Leber, aber auch in extrahepatischen Geweben mit Hilfe des LDL-Rezeptors aufgenommen werden (. Abb. 5.9). Die Hauptaufgabe von HDL (»high density lipoprotein«), das insbesondere mit den Apolipoproteinen AI, AII und E assoziiert ist, besteht im reversen Cholesterintransport von extrahepatischen Geweben in die Leber.
353 5.13 · Fettstoffwechsel
5
. Abb. 5.9. Lipidstoffwechsel
Triglyzeride Die Definition eines oberen Normbereichs für Triglyzeride ist problematisch, insbesondere da Triglyzeriderhöhung je nach zugrunde liegender Ursache unterschiedlich atherogen wirken können. > Die Nahrungsaufnahme führt zu einem postprandialen Anstieg der Triglyzeride, der bei Durchführung der Analyse und der Interpretation berücksichtigt werden muss.
Sehr hohe Konzentrationen von triglyzeridreichen Lipoproteinpartikeln können eine Pankreatitis auslösen. Solch hohe Triglyzeridkonzentrationen sind zumeist schon am milchig-trüben Aussehen des Plasmas erkennbar. Cholesterin Die Bestimmung des Gesamtcholesterin und seiner Fraktionen ist insbesondere zur Abschätzung des Arterioskleroserisikos indiziert. Während das LDL-Cholesterin diese Gefahr stark erhöht, wirkt das HDL-Cholesterin protektiv. Das LDL-Cholesterin kann entweder
direkt gemessen oder mit der Friedewald-Formel berechnet werden. Zur klinischen Beurteilung sollten neben dem Gesamtcholesterin immer auch HDL- und LDL-Cholesterin bestimmt werden. > Friedewald-Formel: LDL-Cholesterin = Gesamtcholesterin – HDL-Cholesterin – Triglyzeride/5 Diese ist nicht anwendbar bei TG >400 mg/dl oder bei Typ-III-Hyperlipidämie.
Lp(a) Lp(a) besitzt eine Strukturhomologie zu LDL und das darin enthaltene Apo(a) zum Plasminogen. Erhöhte Lp(a)-Werte stellen einen unabhängigen Risikofaktor für die Arteriosklerose und Myokardinfarkte dar. Phänotypisch wurden Fettstoffwechselstörungen anhand der Bestimmung des Gesamtcholesterins und der Triglyzeride sowie Ergebnissen der Lipoproteinelekrophorese über lange Zeit nach Fredrickson klassifiziert (. Tab. 5.8). Diese Einteilung wird jedoch zunehmend verlassen, da sie insbesondere keine spezifischen Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Störungen ermöglicht.
354
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
. Tab. 5.8. Einteilung der Fettstoffwechselstörungen nach Frederickson
5
Frederickson-Typen
Serum
Vermehrte Lipide
Vermehrte Apolipoproteine
Ursachen
I
Milchig
Triglyzeride
Chylomikronen
LPL- und Apo-CII-Mangel
IIa
Klar
Cholesterin
β-Lipoproteine (LDL)
Rezeptordefekt, polygene Hypercholesterinämie
IIb
Trüb
Triglyzeride und Cholesterin
Prä-β-, β-Lipo-proteine (VLDL, LDL)
Kombinierte Hyperlipidämie
III
Klar-trüb
Triglyzeride und Cholesterin
Anormales β-Protein
Familiäre Dysbetalipoproteinämie, Apo-E2-Homozygotie
IV
Trüb-milchig
Triglyzeride
Prä-β-Lipo-proteine (VLDL)
Fam. Hypertriglyzeridämie
V
Milchigrahmig
Triglyzeride und Cholesterin
Prä-β-Lipo-proteine (VLDL), Chylomikronen
LPL- und Apo-CII-Mangel
In Kürze Blutfettwerte Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Triglyzeride
≤200 mg/dl (<2 mmol/l)
Erniedrigt z. B. bei Lipoproteinämie, Hyperthyreose, Hungerzustand Erhöht z. B. bei Hyperlipoproteinämie, Adipositas, Hypothyreose, Diabetes mellitus
Cholesterin, gesamt
120–240 mg/dl (3,1–6,2 mmol/l)
LDL-Cholesterin
<190 mg/dl <3,9 mmol/l
Erhöhung gilt als Risikofaktor für die KHK
HDL-Cholesterin
Frauen: ≥65 mg/dl >1,68 mmol/l Männer: ≥55 mg/dl >1,45 mmol/l
Erhöhung hat positive Wirkung auf die Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
VLDL-Cholesterin
<40 mg/dl
Dient dem Transport von Triglyzeriden, Cholesterin und Phospholipiden von der Leber zu den Geweben
Lipoprotein A
<300 mg/l
Höhe v. a. genetisch kontrolliert
5.14
Nukleinsäurestoffwechsel
Wird Harnsäure, das Endprodukt des Purinabbaus, vermehrt gebildet und überschreitet die Plasmakonzentration das Löslichkeitsprodukt, so fallen im Gewebe Uratkristalle aus (Gicht). Die Gicht entsteht auf polygenetischer Grundlage, klinische Erscheinungen können durch Faktoren wie Alkoholkonsum provoziert werden.
5.15
Aminosäuren, Proteine
Aminosäuren Aminosäuren werden zur Überprüfung auf Aminosäurestoffwechselstörungen bestimmt. Beispielsweise wird im Guthrie-Test, der im Neugeborenenscreening enthalten ist, der Gehalt an Phenylalanin gemessen.
355 5.15 · Aminosäuren, Proteine
5
Proteine Gesamteiweißbestimmung Veränderungen der Gesamteiweißkonzentration sind zumeist auf eine Verminderung der Albuminkonzentration oder eine Verminderung (Immunglobulinmangel) oder Erhöhung der Immunglobulinkonzentration (z. B. Paraprotein) zurückzuführen, da die anderen Proteine des Plasmas in jeweils zu geringer Konzentration auftreten, um signifikante Veränderungen der Gesamteiweißkonzentration hervorrufen zu können. Zusätzlich können Störungen wie eine Überwässerung bzw. eine Exsikkose Veränderungen der Gesamteiweißkonzentration bewirken. Eine weitere Abklärung kann z. B. durch gleichzeitige Betrachtung des Hämatokrits sowie der Serumeiweißelektrophorese erfolgen. Serumeiweißelektrophorese Wird eine Dysproteinämie vermutet, die nicht auf einer Störung des Wasserhaushalts beruht, so kann eine Serumeiweißelektrophorese durchgeführt werden (. Abb. 5.10). Durch die Auftrennung des Gesamteiweißes im Serum in seine Hauptfraktionen (Albumin, α1-Globulin, α2-Globuline, β-Globuline, γ-Globuline) lässt sich feststellen, welche Proteinfraktion zu einer veränderten Zusammensetzung des Gesamteiweißes führt. Weiterhin ist die Serumelektrophorese ein nützlicher Test für die Verlaufskontrolle von Entzündungen und Nieren-/Lebererkrankungen. Immunfixationselekrophorese Die Immunfixationselektrophorese ist dazu geeignet, monoklonale Immunglobuline empfindlich nachzuweisen (monoklonaler Gammmopathien, z. B. Plasmozytom). Wichtige Proteine α1-Antitrypsin hemmt proteolytische Enzyme und ist bei Entzündungen erhöht. Ein angeborener α1-Antitrypsinmangel führt häufig zu einem Lungenemphysem und einer Hepatopathie und kann in der Serumeiweißelektrophorese durch Verminderung der α1-Fraktion auffallen. Coeruloplasmin besitzt einerseits enzymatische Aktivität als Ferroxidase, die Fe2+ zu Fe3+ oxidiert und damit für dessen Einbau ins Transferrin wichtig ist, andererseits ist es ein wichtiges Transportprotein für Kupfer. Coeruloplasmin kommt im Verlauf von Entzündungen, während der Schwangerschaft, bei Cholestase und Neoplasien in erhöhter Konzentration vor. Bei Kupferstoffwechselstörungen wie Morbus Wilson und Menkes-Syndrom ist die Coeruloplasminkonzentration im Plasma stark erniedrigt.
. Abb. 5.10. Das Elektropherogramm eines menschlichen Serums. Unten der angefärbte Papierstreifen, darüber die Photometerkurven; der prozentuale Anteil der einzelnen Serumeiweißfraktionen und die Apparatur zur Papierelektrophorese. (Aus Schmidt, Lang, Thews 2005)
Transferrin ist das wesentliche Transportprotein für Eisen, die isolierte Bestimmung ist diagnostisch jedoch weitgehend nutzlos. Erst in Verbindung mit der Eisenkonzentration und der Berechnung der Transferrinsättigung ist eine diagnostisch relevante Aussagekraft zur Beurteilung des Eisenstoffwechsels gegeben. Veränderungen der Transferrinsättigung spiegeln sowohl den Eisenmangel (niedrige Transferrinsättigung) als auch eine Eisenüberladung (erhöhte Transferrinsättigung), z. B. bei der Hämochromatose, wider. ! Cave Beurteilung eines Eisenmangels nur in Zusammenschau mit Ferritin (»Eisenspeicherprotein«) und Transferrin!
Haptoglobin ist das Bindungs- bzw. Transportprotein von freiem Hämoglobin, der entstehende Komplex wird rasch abgebaut, was wiederum zu einer
356
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
verminderten Haptoglobinkonzentration im Plasma z. B. bei Hämolysen führt. Als Akute-Phase-Protein steigen die Haptoglobinwerte bei Entzündungen an,
was die Interpretation als Hämolyseparameter erschweren kann.
In Kürze Serumeiweiß
5
Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Gesamteiweiß
4 Serum: 55–80 g/l (5,5–8,0 g/dl) 4 Urin: <0,15 g/l
Erniedrigt z. B. bei mephrotischem Syndrom, Leberinsuffizienz, Verbrennungen, Malnutrition Erhöht z. B. bei Dehydratation, Paraproteinämie
CP, Coeroluplasmin
4 4 4 4 4
Erhöht bei Entzündungen, während der Schwangerschaft, bei Cholestase Erniedrigt bei Kupferstoffwechselstörungen wie Morbus Wilson und Menkes-Syndrom
Transferrin
2,1–3,6 g/l
Erhöht z. B. bei Blutungen Erniedrigt z. B. bei Malignom, chronischer Entzündung, Hämochromatose
Haptoglobin
4 Frauen: 50–219 mg/dl 4 Männer: 35–228 mg/dl 4 Steigt mit zunehmendem Alter
Erhöht als Akute-Phase-Protein Erniedrigt bei Leberkrankheiten und Hämolyse
Albumin
4 4 4 4
Erniedrigt z. B. bei Hypoproteinämie, Leberzirrhose, nephrotischem Syndrom Erhöht z. B. bei Hyperproteinämie
5.16
Frauen: 22–40 mg/dl Schwangere: <130 mg/dl Frauen (Anti-Baby-Pille): 27–98 mg/dl Frauen(Östrogentherapie): 50–230 mg/dl Männer: 23–40 mg/dl
Serum: 35–53 g/l (<60. Lebensjahr) 30–48 g/l (>60. Lebensjahr) Urin: <31 mg/dl (<0,031 g) im 24-hSammelurin
Kohlenhydrate
Glukose im Blut Der Blutglukosespiegel sollte nüchtern zwischen 60 und 110 mg/dl liegen, wobei dieser im arteriellen und kapillären Blut um ca. 10% höher ist als im venösen. Ab 126 mg/dl spricht man vom Krankheitsbild des Diabetes mellitus, wobei zur Diagnose eine weitere Bestimmung des Nüchternblutzuckerspiegels diesen Wert bestätigen muss. Beim latenten Diabetes mellitus sind die Nüchternblutzuckerwerte noch im Referenzbereich, erst bei Verwendung des oralen Glukosetoleranztests (OGTT) kann die Stoffwechselstörung nachgewiesen werden: Nach Verabreichung von 75 g Glukose ist der 120-min-Wert im Vergleich zum Gesunden erhöht.
> Ein Diabetes mellitus liegt vor bei: 4 Plasmaglukose ≥11,1 mmol/l (200 mg/dl) und zusätzlichen Symptomen 4 Nüchternglukose wiederholt ≥7,0 mmol/l (126 mg/dl) 4 Glukosespiegel 2 h nach oralem Glukosetoleranztest ≥11,1 mmol/l (200 mg/dl)
Eine gestörte Nüchternglukose (110–125 mg/dl) bzw. eine gestörte Glukosetoleranz (>140 mg/dl aber <200 mg/dl im OGTT) zeigen Patienten mit einem Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus bzw. der Entwicklung arteriosklerotischer Komplikationen. Glukose im Urin Beim Gesunden befindet sich keine Glukose im Urin, zur Glukosurie kommt es erst ab Blutzuckerwerten von
357 5.16 · Kohlenhydrate
5
Rahmen von Funktionstesten, weniger zur Diagnose eines Diabetes mellitus bestimmt. Da das C-Peptid bei der Umwandlung von Proinsulin zu Insulin entsteht und damit die Insulinsyntheseleistung der Inselzellen wiedergibt, sprechen erhöhte Werte für ein Insulinom, erniedrigte dagegen für einen Typ-1-Diabetes.
. Abb. 5.11. Zeitfenster von Laborparametern zur Beurteilung der Stoffwechsellage
etwa 180 mg/dl infolge des Überschreitens der Nierenschwelle. Der Glukosenachweis im Urin hat heute weitgehend seine Bedeutung zur Diagnose und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus verloren. Renale Glukosurien finden sich jedoch auch bei anderen Erkrankungen wie z. B. dem Fanconi-Syndrom. Insulin und C-Peptid C-Peptid- und Insulinkonzentrationen werden zumeist zur Ursachenabklärung einer Hypoglykämie, u. a. im
Verlaufskontrolle bei Diabetes Um den Verlauf bzw. die Einstellung eines Diabetikers über einen Zeitraum von mehreren Wochen zu erfassen, wird zumeist der Anteil des HbA1c bestimmt (. Abb. 5.11): 4 Bestimmung von HbA1c, dem glykolisierten Anteil des Gesamthämoglobins; dieser Wert spiegelt die Blutzuckerwerte der letzten 6–8 Wochen wider. 4 Bestimmung von Fruktosamin, dem glykolisierten Anteil von Albumin oder IgG; dieser Wert ist dem Blutzuckerspiegel der letzten 1–3 Wochen proportional ! Cave Die Tatsache, dass HbA1c messbar ist, ist nicht pathologisch. Auch beim Gesunden liegen zwischen 4,4 und 6,0% des Hämoglobins als HbA1c vor.
In Kürze Kohlenhydrate Parameter
Normwert
Diagnostische Bedeutung
Glukose – nüchtern
4 Serum: 75–115 mg/dl (4,2–4,6 mmol/l) 4 Urin: <0,8 mmol/l
Erniedrigt z. B. bei Fasten, Insulin, orale Antidiabetika Erhöht z. B. bei Diabetes mellitus, Cushing-Syndrom
Insulin
2–20 µU/ml (14,35–143,5 pmol/l)
Erhöht z. B. beim Insulinom
C-Peptid
0,5–2,0 ng/ml (0,17–0,66 nmol/l)
Erhöht z. B. beim Insulinom, erniedrigt bei Diabetes mellitus
Oraler Glukosetoleranztest
Nüchtern <110 mg/dl, nach 120 min <140 mg/dl
Werte erhöht bei Diabetes mellitus
Hämoglobin A1, A1C (HbA1, HbA1c)
4 HbA1: 5,4–7,5% 4 HbA1c: 3,8–6,4%
Erhöht bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus
5
358
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
5.17
Drugmonitoring und toxikologische Analytik
Drugmonitoring Unter Drugmonitoring versteht man die Bestimmung der In-vivo-Konzentration von Medikamenten; im klinisch-chemischen Labor erfolgen diese Bestimmungen zumeist aus Plasma, Serum oder Vollbluthämolysat. Regelmäßige Kontrollen der Wirkstoffkonzentrationen sind, insbesondere bei Pharmaka mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Lithium, Digitalis), zur Kontrolle bei Verdacht auf mangelnde Compliance des Patienten, aber auch bei mangelndem Therapieerfolg oder toxischen Nebenwirkungen indiziert. Wichtig ist hierbei die Wahl des Zeitpunkts der Blutentnahme, um Maximal- oder Talspiegel (zumeist unmittelbar vor Gabe der nächsten Dosis) zu erfassen. Bei einer Dauertherapie sollte die Bestimmung im Steady State erfolgen, das heißt zumeist nach Gabe einer konstanten Dosis über mindestens vier Halbwertszeiten. Drugmonitoring ist u. a. bei folgenden Medikamenten ratsam: 4 Antiepileptika: z. B. Carbamazepin, Phenobarbital 4 Psychopharmaka: z. B. Lithium, einige Antidepressiva
4 4 4 4
Aminoglykoside: z. B. Gentamycin Immunsuppressiva: z. B. Cyclosporin Zytostatika: z. B. Methotrexat Herzglykoside: z. B. Digitoxin
Toxikologische Analytik Liegt der Verdacht auf eine Vergiftung bzw. Drogenintoxikation vor, so muss möglichst bald mit geeignetem Untersuchungsmaterial (je nach vermutetem Toxin und Zeitpunkt der Intoxikation können dies Harn, Blut, Mageninhalt, Atemluft, Giftreste, Haare o. a. sein) eine qualitative und/oder quantitative Analyse durchgeführt werden, um das Toxin zu ermitteln (7 Kap. 6). Zur raschen Orientierung können Gruppentests (zumeist Immunoassays zur Erfassung von Substanzgruppen wie Methadon, Benzodiazepine, Kokain, Amphetamine, Cannabinoide, Opiate, Barbituraten u. a.) durchgeführt werden. Ergebnisse dieser Gruppentests bedürfen jedoch einer Bestätigung durch definitive Methoden (z. B. HPLC-Analytik). ! Cave Bei der Bestimmung des Alkoholgehalts im Blut darf die Blutentnahme nicht nach Desinfektion der Haut mit Alkohol erfolgen.
Referenzbereiche wichtiger Laborwerte Laborparameter
Vollblut/Serum/Plasma
Urin
Liquor
Hämoglobin
4 Frauen: 12,0–16,0 g/dl (7,4–9,9 mmol/l) 4 Männer: 13,5–17,5 g/dl (8,4–10,9 mmol/l)
–
–
Erythrozyten
4 Frauen: 4,0–5,2u106/mm3 4 Männer: 4,5–5,9u106/mm3
<5 μl
Hämatokrit (Hkt)
4 Frauen: 0,35–0,45 bzw. 35–45% 4 Männer: 0,45–0,51 bzw. 45–51%
–
–
Haptoglobin
4 Frauen: 50–219 mg/dl 4 Männer: 35–228 mg/dl 4 Steigt mit zunehmendem Alter
–
–
Mittleres korpuskuläres Hämoglobin (MCH)
4 27–33 pg/Zelle
Mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (MCHC)
4 33–36 g/dl (18,6–21 mmol/l)
Mittleres korpuskuläres Volumen (MCV)
4 80–96 fl (80–96 μm3)
Retikulozyten
4 0,5–2% aller Erythrozyten
Blutbild
6
5
359 5.17 · Drugmonitoring und toxikologische Analytik
Referenzbereiche wichtiger Laborwerte – (Fortsetzung) Laborparameter
Vollblut/Serum/Plasma
Eisen
4 50–150 µg/dl (9–27 µmol/l)
Ferritin
4 Frauen: 10–200 ng/ml (10–200 µg/l) 4 Männer: 30–300 ng/ml (30–300 µg/l)
Transferrin
4 2,1–3,6 g/l
Lymphozyten
4 1500–4000/μl
Leukozyten
4 4,5–11,0u103/mm3
Urin
Liquor
Differenzialblutbild Neutrophile
4 40–70%
Stabkernige
4 0–10%
Lymphozyten
4 22–44%
Monozyten
4 4–11%
Eosinophile
4 0–8%
Basophile
4 0–3%
Blutgerinnung Prothrombinzeit
4 11,1–13,1 s
INR (International Normalized Ratio)
4 Ca. 1
Quick-Test
4 70–125%
Blutungszeit nach Ivy
4 1–9 min
Aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT)
4 22–35 s
Plasmathrombinzeit (PTZ)
4 Erwachsene: 17–24 s 4 Neugeborene: 10–15 s
Gerinnungszeit
4 <15 min
D-Dimere
4 <0,5 µg/ml (<0,5 mg/l)
Thrombozyten
4 150–350u103/mm3
Antithrombin III (AT III)
4 Neugeborene ca. 50% 4 Ab 6. Monat 70–120% (0,7–1,2 U/l)
Protein C
4 Neugeborene 10–20% 4 Erwachsene 70–140%
Protein S
4 Neugeborene 30–50% 4 Erwachsene 80–120%
Fibrinogen
4 160–420 mg/dl (1,6–4,2 g/l)
Entzündungsparameter Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
4 Männer: 1. Stunde <15 mm 4 Frauen: 1. Stunde <20 mm
–
–
C-reaktives Protein (CRP)
4 <10 mg/l
–
–
6
360
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Referenzbereiche wichtiger Laborwerte – (Fortsetzung) Laborparameter
Vollblut/Serum/Plasma
Urin
Liquor
Tumormarker
5
AFP (Alpha-Fetoprotein)
4 4 4 4
CEA
4 <1,5–5,0 μg/l
TNFα
4 <20 pg/ml
Ca. 7 IU/ml Schwangere Frau: 69 IU/ml (16. SSW) 141 IU/ml (21. SSW)
Blutgase Arterielle Blutgase
4 O2-Partialdruck (pO2): 80–100 mmHg (11,0–13,0 kPa) 4 CO2-Partialdruck (pCO2) 4 Frauen: 35–45 mmHg (4,7–5,9 kPa) 4 Männer: 35–47 mmHg (4,7–6,0 kPa) 4 Sauerstoffsättigung: 95–98,5% 4 Standardbikarbonat (HCO3-): 21–28 mmol/l 4 BE (Basenexzess): –2 bis +3 mmol/l
pH
4 7,37–7,45
4,8–7,4
4 55–80 g/l (5,5–8,0 g/dl)
<0,15 g/l
Protein Gesamteiweiß Gesamtprotein
<150 mg/24 h
Immunglobuline
4 4 4 4
Albumin
4 35–53 g/l (<60. Lebensjahr) 4 30–48 g/l (>60. Lebensjahr)
IgA: 60–309 mg/dl (0,60–3,09 g/l) IgE: 10–179 IU/ml (24–430 µg/l) IgG: 614–1295 mg/dl (6,14–12,95 g/l) IgM: 53–280 (0,53–1,90 g/l)
Vitamine, Spurenelemente, Elektrolyte Vitamin A
4 30–80 μg/dl
Vitamin B1
4 24–62 μg/l
Vitamin B2
4 30–40 μg/l
Vitamin B6
4 Ca. 4,4 μg/dl
Vitamin B12
4 0,2–1 μg/l
Vitamin C
4 6–20 mg/ml
Vitamin D
4 16–65 pg/ml
Vitamin E
4 5–18 mg/l
Vitamin K
4 50–600 ng/l
Folsäure
4 3–15 ng/ml
6
<31 mg/dl (<0,031 g) im 24 h-Sammelurin
<35 mg/dl
5
361 5.17 · Drugmonitoring und toxikologische Analytik
Referenzbereiche wichtiger Laborwerte – (Fortsetzung) Laborparameter
Vollblut/Serum/Plasma
Urin
4 0,8–1,2 mmol/l
1,5–8,0 mmol/l (24 h)
Natrium, Na+
4 136–145 mmol/l
Ca. 50–200 mmol (24 h)
Chlorid, Cl-
4 98–106 mmol/l
Ca 170 mmol (24 h)
Kalium, K+
4 3,5–5,0 mmol/l
50–100 mmol (24 h)
Kalzium, Ca2+
4 2,2–2,6 mmol/l
6,2–7,5 mmol (24 h)
Magnesium, Mg
2+
Enzyme Kreatinkinase (CK)
4 4 4 4
Gesamt: Frauen <70 U/l (0,67–2,5 µkat/l) Männer <80 U/l (1,00–6,67 µkat/l) CK-MB-Isoenzym: 0–7 ng/ml (0–7 µg/l)
Stoffwechsel Triglyzeride
4 ≤200 mg/dl (<2 mmol/l)
Cholesterin, gesamt
4 120–240 mg/dl (3,1–6,2 mmol/l)
LDL-Cholesterin
4 <190 mg/dl (<3,9 mmol/l)
Harnsäure
4 Frauen: 1,5–6,0 mg/dl (90–360 µmol/l) 4 Männer: 2,5–8,0 mg/dl (150–480 µmol/l)
VLDL-Cholesterin
4 <40 mg/dl
Hämoglobin A1, A1C (HbA1, HbA1c)
4 HbA1: 5,4–7,5% 4 HbA1c: 3,8–6,4%
HDL-Cholesterin
4 Frauen: ≥65 mg/dl (≥1,68 mmol/l) 4 Männer: ≥ 55 mg/dl (≥1,45 mmol/l)
Glukose – nüchtern
4 75–115 mg/dl (4,2–4,6 mmol/l)
Oraler Glukosetoleranztest
4 <200 mg/dl (11,1 mmol/l)
Ketonkörper
4 β-Hydroxybutyrat: 0,22–2,82 mg/dl
Laktat
4 Arteriell: 5–20 mg/dl, 0,55–2,2 mmol/l 4 Venös: 5–15 mg/dl (0,6–1,7 mmol/l)
<800 mg/24 h
<0,8 mmol/l
<50 mg/l
Niere, Harn Vanillinmandelsäure
1,8–5,6 mg/24 h (9– 28 µmol/24 h)
Harnvolumen
1000–1500 ml/24 h
Kreatinin
4 <1,5 mg/dl (<133 µmol/l)
Kreatininclearance
4 100–160 ml/min/1,73 m2 KOF
Harnstoff
4 10–46 mg/dl (2,8–7,4 mmol/l)
6
1–1,5 g/24 h (88– 132 mmol/24 h)
20–36 g (24 h)
Liquor
362
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Referenzbereiche wichtiger Laborwerte – (Fortsetzung) Laborparameter
Vollblut/Serum/Plasma
Urin
Bilirubin, gesamt
4 4 4 4
10–20 mg/24 h
Liquor
Leber/Galle/Pankreas
5
1. Lebenstag: bis 8,6 mg/dl 4.–6. Lebenstag: 0,1–12,5 mg/dl >1 Monat: 0,2–1,0 mg/dl Erwachsene: 0,3–1,0 mg/dl (5,1–17,0 µmol/l)
AST, SGOT
4 0–35 U/l (0–0,58 µkat/l)
ALT, SGPT
4 0–35 U/l (0–0,58 µkat/l)
α-Amylase
4 60–180 U/l (0,8–3,2 µkat/l)
Chymotrypsin
<600 U/l <6 U/g Stuhl
Elastase 1
4 <3,4 ng/ml
y-Glutamyltransferase (yGT)
4 Frauen: 9–36 U/l 4 Männer: 12–65 U/l
Glutamatdehydrogenase (GLDH)
4 Frauen: <3 U/l 4 Männer: <4 U/l
Lipase
4 160 U/l
Ammoniak
4 10–80 μg/dl (6–47 µmol/l)
>200 μg/g Stuhl
27–92 μg/dl
Liquor Glukose
40–70 mg/dl bzw. 2,2– 3,9 mmol/l
pH
7,31–7,34
Spezifisches Gewicht
1,006– 1,008 g/ml
Gesamteiweiß
20–50 mg/dl (0,2–0,5 g/l)
IgG
0,9–5,7 mg/dl (0,009– 0,057 g/l)
Laktat
10–23,5 mg/dl (1,1– 2,5 mmol/l)
Zellen
<10/ml
Leukozyten
<4/ml
Endokrines System Adrenokortikotropes Hormon (ACTH)
4 6,0–76,0 pg/ml (1,3–16,7 pmol/l)
Katecholamine
<140 μg/24 h
5-Hydroxyindolessigsäure
<9,0 mg/24 h
Prolaktin
6
4 Frauen: 0–20 ng/ml (0–20 µg/l) 4 Männer: 0–15 ng/ml (0–15 µg/l)
5
363 5.17 · Drugmonitoring und toxikologische Analytik
Referenzbereiche wichtiger Laborwerte – (Fortsetzung) Laborparameter
Vollblut/Serum/Plasma
STH
4 <5 ng/ml bzw. <5 µg/l
Thyroidea-stimulierendes Hormon (TSH)
4 0,5–4,7 µU/ml (0,5–4,7 mU/l)
Thyreoglobulin
4 <55 μg/ml
Trijodthyronin, FT3
4 1,8–4,6 ng/dl
Thyroxin, FT4
4 0,8–2,1 ng/dl
T3
4 0,8–2,0 ng/ml bzw. 1,3–3,1 nmol/l
Thyroxin T4
4 0,8–2,7 ng/dl (10,3–35,0 pmol/l)
1,25-Dihydrocholecalciferol
4 16–65 pg/ml bzw. 40–160 pmol/l
Kortisol (morgens)
4 5–25 μg/dl (138–690 nmol/l)
Aldosteron
4 <8 ng/dl ( <220 pmol/l)
Kalzitonin
4 Frauen: 2–10 pg/ml 4 Männer: 2–47 pg/ml
FSH
4 Frauen vor Wechseljahren: 2–21 IU/l 4 Frauen nach Wechseljahren: >20 IU/l 4 Männer: 1,0–7,1 IU/l
Schwangerschaftstest, HCG
4 Ab 10 U/l
Insulin
4 2–20 µU/ml (14,35–143,5 pmol/l)
C-Peptid
4 0,5–2,0 ng/ml (0,17–0,66 nmol/l)
LH, luteinisierendes Hormon
4 4 4 4 4 4
Östradiol
4 20–443 pg/ml (184–1626 pmol/l)–hohe Werte bei Ovulation
Progesteron
4 Follikelphase: <1,0 μg 4 Gelbkörperphase: ≥8,0 μg 4 Frauen in den Wechseljahren:<1,0 μg
Gastrin
4 <100 pg/ml (<100 ng/l)
PTH, Parathormon
4 10–60 pg/ml (10–60 ng/l)
Renin
4 6–30 ng/l
Testosteron
4 Jungen vor Pubertät:0,3–1,3 ng/ml 4 Erwachsener Mann: 270–1070 ng/dl (9,36–37,1 nmol/l) 4 Frauen: <1 ng/ml
6
Frauen: Follikelphase: 3–15 IU/l Vor Eisprung:20–200 IU/l Gelbkörperphase: 5–10 IU/l Nach Wechseljahren: >20 IU/l Männer: 2–10 IU/l
Urin
20–100 μg/Tag (55– 275 nmol/’Tag)
Ab 50 U/l
Frauen: 4 Follikelphase: ca. 18,0 IU/l 4 Nach Wechseljahren: ca. 49,2 IU/l
Liquor
364
Kapitel 5 · Klinische Chemie, Labordiagnostik
Referenzbereiche wichtiger Laborwerte – (Fortsetzung) Laborparameter
Vollblut/Serum/Plasma
Urin
Weitere Parameter Antistreptolysin (ASL-Titer)
4 Erwachsene ≤200 IU/ml 4 Kinder ≤150 IU/ml
Cadmium
4 0,32–2,70 μg/l
Cholinesterase (CHE)
4 Kinder ab 6 Jahren, Frauen ab 40 Jahren, Männer: 5–12 U/ml (5–12 kU/l) 4 Junge Frauen: 2,8–7,5 kU/l 4 Frauen (Schwangere, Anti-Baby-Pille): 2,4–6,1 kU/l
Coeroluplasmin (CP)
4 4 4 4 4
Komplementfaktoren
4 C3: 0,9–1,9 g/l 4 C4: 0,1–0,4 g/l
Laktatdehydrogenase (LDH)
4 <250 U/l (1,7–3,2 µkat/l)
Lipoprotein A
4 <300 mg/l
Lysozym
4 3,0–9,0 mg/l
<1,6 mg/l
Phosphat
4 3,0–5,1 mg/dl (1,0–1,6 mmol/l)
0,7–2,5 g (24 h)
Alkalische Phosphatase (AP)
4 30–120 U/l (0,5–2,0 nkat/l)
Saure Phosphatase
4 4,8–13,5 U/l
5
Frauen: 22–40 mg/dl Schwangere: <130 mg/dl Frauen (Anti-Baby-Pille): 27–98 mg/dl Frauen (Östrogentherapie): 50–230 mg/dl Männer: 23–40 mg/dl
Porphyrine, gesamt Prostataspezifisches Antigen (PSA)
0,12–2,57 μg/l
120 μg (24 h) 4 <4 μg/l 4 Desoxypyridinolin: 1,8– 9,1 μg/g Kreatinin 4 Pyridinolin: 17–60 μg/g Kreatinin
Pyridinium-Crosslinks
Rheumafaktoren
4 <30 IU/ml (<30 kIU/l)
Schilddrüsenantikörper
4 TPO-AK: <80 U/ml 4 TSH-R-AK: <9%
Troponin T
4 Schwellenwert für niedriges Myokardinfarktrisiko 0,1 ng/ml (0,1 µg/l)
Liquor
6 Pharmakologie und Toxikologie S. Wohlmann 6.1
Allgemeine Pharmakologie –366
6.1.1 6.1.2 6.1.3
Einführung –366 Pharmakokinetik –366 Pharmakodynamik –369
6.2
Spezielle, systematische Pharmakologie –372
6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.2.6 6.2.7 6.2.8 6.2.9 6.2.10 6.2.11 6.2.12 6.2.13 6.2.14 6.2.15 6.2.16 6.2.17 6.2.18 6.2.19 6.2.20
Medikamente mit Einfluss auf das sympathische Nervensystem –372 Medikamente mit Einfluss auf das parasympathische Nervensystem –376 Medikamente, die mit biogenen Aminen interferieren –378 Vasodilatanzien –380 Medikamente mit Einfluss auf die Herzfunktion –386 Medikamente mit Einfluss auf das Blut –389 Vitamine/Mineralien –391 Diuretika –393 Medikamente mit Einfluss auf die Magendarmfunktion –395 Medikamente mit Einfluss auf das motorische System –397 Antipyretische Analgetika/nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID)/COX-2-Hemmer –398 Lokalanästhetika –400 Medikamente mit Einfluss auf das zentrale Nervensystem –401 Medikamente mit Einfluss auf das endokrine System –411 Lipidsenker –420 Medikamentöse Behandlung der Gicht –421 Antiinfektiva –422 Medikamente mit Einfluss auf das Immunsystem –438 Medikamente zur Therapie maligner Erkrankungen –440 Phytopharmakologie und Homöopathie –443
6.3
Allgemeine Toxikologie –443
6.3.1 6.3.2
Einführung, Definitionen –443 Therapeutische Optionen der akuten Intoxikation –444
6.4
Spezielle Toxikologie –447
6.4.1 6.4.2
Auswahl häufiger Arzneimittelvergiftungen/-überdosierungen –447 Auswahl weiterer Gifte –449
366
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Die Pharmakologie, die Lehre von Arzneimittelwirkungen insbesondere an kranken Organismen, ist ein relativ junges Fachgebiet. Es grenzt eng an die Physiologie, Pathophysiologie, Mikrobiologie und Biochemie, praktisch aber an alle klinischen Fachgebiete. Aufgabe der Pharmakologie ist weiter: Arzneimittelentwicklung (Entstehung neuer Therapieformen), Optimierung bereits bekannter Arzneistoffe (z. B. strukturelle Veränderungen, Verbesserung der Anwendungsweise), Erforschung der Pharmakokinetik. 6.1
6
Allgemeine Pharmakologie
6.1.1 Einführung 4 Wirkstoff: Substanz, die bei Menschen oder Tieren eine biologische Wirkung (Veränderungen in einem biologischen System) verursacht. 4 Arzneistoff: Wirkstoff, der zur Prophylaxe, Linderung, Heilung oder Diagnose von Erkrankungen eingesetzt wird. 4 Arzneimittel: Bestimmte Zubereitungen aus Arzneistoffen zur Anwendung an lebenden Organismen. 6.1.2 Pharmakokinetik Applikationsarten Verschiedene Arten der Applikation von Arzneimitteln sind z. B. epikutan, konjunktival, nasal, bukkal, lingual, sublingual, pulmonal, inhalativ, oral, rektal, intravaginal, subkutan, intramuskulär und intravenös. Spezielle Applikationsmodi sind: intrathekal (Liquorraum), intralumbal (Lumbalsack), intraarteriell (Arterie), intraperitoneal (Bauchhöhle), intraurethral (Harnröhre), intrakutan (Haut), intraartikulär (Gelenkhöhle), intrakardial (Herz). Retardierte Arzneimittel. Eine »Retardierung« ermög-
licht, die Resorption einer Substanz zu »verzögern«. Durch diese langsame Wirkstofffreisetzung kann eine anhaltende Wirkung über einen längeren Zeitraum erzielt werden. Prodrugs. Prodrugs sind Präparate, die selbst biologisch weitgehend inaktiv sind. Erst im Organismus werden sie in eine aktive Form überführt. Diese Methode wird angewendet, um Eigenschaften eines Wirkstoffs zu verbessern (z. B. schlechter Geschmack, hoher First-passEffekt etc.).
Resorption Unter Resorption versteht man die Aufnahme einer Substanz in die Blutbahn oder das Lymphgefäßsystem. Anschließend wird der Stoff im gesamten Organismus verteilt. > Die Wirksamkeit eines Pharmakons ist u. a. stark von der Resorptionsquote (Teil der applizierten Menge, die systemisch zur Verfügung steht, Angabe in Prozent) abhängig.
Es gibt viele »Hindernisse« im Organismus, welche die Resorption beeinträchtigen können. Die größte Resorptionsbarriere stellt die Oberflächenmembran der Zellen dar. Die Oberflächenmembran der Zellen besteht aus einer Lipiddoppelschicht, in die Proteine eingelagert sind. Die Lipidschicht ist für die Aufnahme lipophiler Substanzen zuständig, die Proteine hingegen ermöglichen hydrophilen Stoffen die Passage in die Zelle. Verteilung Als Verteilung bezeichnet man den reversiblen Substanztransport von einem Kompartiment des Körpers in ein anderes. Nachdem ein Stoff resorbiert wurde, wird er z. B. durch den Blutstrom im Körper weitertransportiert. Aufgrund des Konzentrationsgefälles vom Blut zum Gewebe verlässt der Wirkstoff die Blutbahn und verteilt sich im Organismus. Die Verteilung ist von vielen Faktoren abhängig, z. B.: 4 Durchblutung der Gewebe und der Organe (je größer die Perfusion, desto höher die Diffusion) 4 Membrandurchlässigkeit 4 pH-Differenz von Plasma und Gewebe 4 Löslichkeitseigenschaften der Substanz 4 Eiweißbindung des Stoffes 4 Affinität zu bestimmten Körperbestandteilen Bestimmte Barrieren im Körper können die Verteilung einer Substanz zusätzlich beeinflussen: 4 Blut-Hirn- bzw. Blut-Liquor-Schranke (Hirnkapillaren, die lipidlösliche Stoffe gut passieren lassen) 4 Plazentaschranke (sowohl für lipophile als auch für hydrophile Substanzen relativ gut durchlässig – Vorsicht bei bestehender Schwangerschaft!) 4 Blut-Hoden-Schranke (geringe Permeation hydrophiler Stoffe) Verteilung von Pharmaka in der Muttermilch Während der Stillzeit spielt die Art der Verteilung eine besondere Rolle. Je nach Pharmakon ist ein Übertritt in die Muttermilch möglich. Basische und lipophile Substanzen erreichen relativ hohe Konzentrationen in der Muttermilch 6
367 6.1 · Allgemeine Pharmakologie
(z. B. Alkohol, Nikotin, Dioxine). Individuelle Nutzen-RisikoAbwägung ist nötig!
Verteilungsvolumen. Größe eines Raumes, in dem sich ein Stoff verteilt. Der gesamte Organismus wird als ein Verteilungsraum betrachtet. Bei rascher i.v. Injektion gilt:
V = D/C0 (D = applizierte Dosis, C0 = Anfangskonzentration = Plasmakonzentration, wenn sich die Substanz sofort homogen im Körper verteilen würde) Das Verteilungsvolumen kann mit dem Plasmavolumen, der extrazellulären oder der Gesamtkörperflüssigkeit identisch sein und ist meist eine rein fiktive Größe. Multipliziert man die Konzentration im Blut mit dem Verteilungsvolumen, erhält man eine reale Größe, die Substanzmenge im Organismus. > Die Plasmakonzentration (»Blutspiegel«) einer Substanz ist eine wichtige Größe, da sie oft mit der pharmakologischen Wirkung korreliert.
Bioverfügbarkeit. Ausmaß und Geschwindigkeit, mit
der ein therapeutisch wichtiger Bestandteil freigesetzt, resorbiert und am Wirkort verfügbar wird, bezeichnet man als Bioverfügbarkeit. Berechnet wird diese Größe durch Messung der Wirkstoffkonzentration im Plasma oder Urin. Man unterscheidet: 4 Absolute Bioverfügbarkeit (Verhältnis Verfügbarkeit des Wirkstoffs nach beliebiger Applikation (z. B. oral) zu Verfügbarkeit des Wirkstoffs nach i.v. Applikation (vollständige Verfügbarkeit) 4 Relative Bioverfügbarkeit (Verhältnis Verfügbarkeit des Wirkstoffs nach beliebiger Applikation (z. B. oral) zu Verfügbarkeit einer Standardsubstanz) Bioäquivalenz. Zwei Präparate, die den gleichen Wirk-
stoff enthalten, gelten als bioäquivalent (wirkungsgleich), wenn sie sich bezüglich ihrer Bioverfügbarkeit nicht bzw. nur gering unterscheiden. Biotransformation Unter Biotransformation versteht man die Umwandlung von Fremdstoffen. Diese Prozesse laufen meist in der Leber ab. Die Biotransformation kann je nach Substanz in verschiedene Schritte unterteilt werden. Meist wird das Substrat zunächst oxidiert, reduziert oder hydrolysiert. Anschließend erfolgt eine Kopplung des Metaboliten mit einer körpereigenen Substanz. Manche Stoffe reagieren ohne vorhergehende Umwandlung direkt mit einem körpereigenen Stoff.
6
> Größte Bedeutung für oxidative Biotransformationen besitzen die Monooxygenasen (Einbau eines Sauerstoffatoms) vom Zytochrom-P450-Typ. Die meisten Zytochrom-P450-Enzyme sind in der Leber lokalisiert.
First-pass-Effekt Ein resorbiertes Pharmakon gelangt mit dem venösen Blut in den Pfortaderstrom und passiert dann die Leber. Für die Wirksamkeit ist entscheidend, ob und wieweit es bei der ersten Passage durch die Schleimhaut des MagenDarm-Kanals metabolisiert und durch die Leber extrahiert bzw. biochemisch umgewandelt wird. Der Firstpass-Effekt drückt den Anteil eines Stoffes aus, der bei dieser ersten Passage metabolisiert bzw. von der Leber zurückgehalten wird. Bei Präparaten, die einen hohen First-pass-Effekt aufweisen, kann durch Veränderung der Applikationsart (z. B. perlingual, rektal, i.v.) versucht werden, eine bessere Wirksamkeit zu erreichen. > Das Alter des Patienten (besonders Neugeborene und ältere Menschen) kann bei der Biotransformation eine große Rolle spielen. Biotransformation und Lebensalter Beim Neugeborenen z. B. sind die Enzyme, die an der Biotransformation entscheidend beteiligt sind, noch nicht ausreichend vorhanden. Im Alter von 1–8 Jahren hingegen ist die Biotransformationsrate im Vergleich zu Erwachsenen erhöht. Im hohen Alter wiederum lassen alle aktiven Stoffwechselvorgänge nach.
Enzyminduktoren und -inhibitoren Viele Xenobiotika, insbesondere lipidlösliche Verbindungen mit langer Verweildauer in der Leber, können eine vermehrte Enzymbildung auslösen und so eine Metabolisierung beschleunigen. Enzyminhibitoren bewirken das Gegenteilige. > Typische Enzyminduktoren sind Rifampicin, Phenytoin und Phenobarbital. Cimetidin, Chloramphenicol, Cumarinderivate und Isoniazid zählen zu Enzyminhibitoren.
Elimination Durch die Ausscheidung eines Pharmakons wird die Wirkstoffkonzentration im Organismus gesenkt. Die Elimination kann renal (Urin), biliär (Fäzes), pulmonal (Ausatemluft) und in geringem Maße durch die Haut erfolgen. Eliminationshalbwertszeit (t1/2). Zeit, in der die Plasma-
konzentration auf die Hälfte des ursprünglichen Wertes abgesunken ist. Nach der Halbwertszeit unterscheidet
368
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
man kurz-, mittel- und langwirksame Pharmaka. Wichtige Größe bei wiederholter Applikation eines Wirkstoffs. Steady-State. Sind Zu- und Ausfuhr eines Stoffes ausgeglichen, ist ein dynamischer Gleichgewichtszustand erreicht. Kommt es zu einer Verschiebung dieses Fließgleichgewichts, so ist der Organismus bestrebt, dieses umgehend wiederherzustellen.
6
Clearance. Clearance bezeichnet das virtuelle Blutvolumen, das pro Zeiteinheit von der betroffenen Substanz befreit wird. Man unterscheidet u. a.: 4 Renale Clearance (Blutvolumen, welches pro Zeiteinheit durch die Nieren gereinigt wird) 4 Hepatische Clearance (Blutvolumen, das pro Zeiteinheit durch die Leber gereinigt wird) 4 Gesamtkörperclearance (meist Summe verschiedener Teilclearances, da Stoffe selten nur durch ein Organ ausgeschieden werden)
Renale Elimination Die Nieren zählen zu den wichtigsten Ausscheidungsorganen. Schnelligkeit und Ausmaß der renalen Elimination werden durch die Mechanismen glomeruläre Filtration, tubuläre Rückresorption und tubuläre Sekretion bestimmt. Glomeruläre Filtration. Die Filtration ist von der Lös-
lichkeit der Substanz unabhängig. Proteine können den glomerulären Filter nicht passieren, so dass eiweißgebundene Stoffe nicht filtriert werden. Die Filtrationsrate steigt, wenn der Blutdruck in den Glomeruluskapillaren erhöht, die Filtrationsfläche vergrößert und die Proteinbindung des Arzneistoffs vermindert ist. Tubuläre Rückresorption. Aufgrund der Rückresorption von Wasser aus dem Nierentubulus entsteht ein Konzentrationsgefälle im Harn – die Grundlage der
tubulären Rückresorption. Die Rückresorption erfolgt meist passiv in Abhängigkeit von Löslichkeit (besonders fettlösliche Pharmaka, die enteral gut resorbiert werden, passieren das Tubulusepithel leicht), pKa-Wert und pH-Wert des Urins (z. B. niedrige Rückresorption schwacher Basen bei erhöhtem pH). > Bei Intoxikationen kann man den pH-Wert dementsprechend beeinflussen, um eine Elimination des Giftes zu beschleunigen (z. B. Alkalisierung/Ansäuerung des Harns).
Tubuläre Sekretion. Substanzen werden aktiv (Transportsysteme, Carrier) in das Tubuluslumen abgegeben. Im Gegensatz zu der glomerulären Filtration können hier auch eiweißgebundene Substanzen transportiert werden.
Biliäre Elimination Insbesondere Stoffe mit einem Molekulargewicht >500 D werden mit der Galle ausgeschieden. > Die Möglichkeit der Rückresorption biliär sezernierter lipophiler Pharmaka im Gastrointestinaltrakt (enterohepatischer Kreislauf ) muss bedacht werden. Substanzen, die mit der Galle in den Zwölffingerdarm ausgeschieden werden, können teils oder ganz wieder rückresorbiert werden. Dies ist wichtig für die Beurteilung eines Wirkstoffs bezüglich Wirkstärke und Wirkdauer.
Pulmonale Elimination Die Ausscheidung von Gasen oder flüchtigen Stoffen über die Atmung erfolgt proportional dem Konzentrationsgradienten zwischen Blut und Atemluft. Es liegt ein reiner Diffusionsprozess zu Grunde. Die Löslichkeitseigenschaften der Substanz bestimmen u. a. das Ausmaß der Elimination – mit abnehmender Löslichkeit im Blut nimmt auch die pulmonale Elimination ab.
In Kürze Wichtige Begriffe der Pharmakokinetik Begriff
Bedeutung
Applikation
Möglichkeiten den Wirkstoff dem Organismus zuzuführen (z. B. p.o., i.v., rektal etc.)
Resorption
Aufnahme eines Wirkstoffs in die Blutbahn oder das Lymphgefäßsystem
Verteilung
Reversibler Wirkstofftransport im Körper u. a. zum Erfolgsorgan
Biotransformation
Metabolisierung der Substanz, um sie u. a. für die Ausscheidung vorzubereiten
Elimination
Ausscheidung/Reinigung des Körpers vom Wirkstoff und dessen Metaboliten
369 6.1 · Allgemeine Pharmakologie
6.1.3 Pharmakodynamik Die Pharmakodynamik beschreibt Wirkungen von Pharmaka und ihre Wirkmechanismen. Die meisten Wirkungen verlaufen rezeptorvermittelt – die Pharmaka binden an ein spezifisches Protein, wodurch eine physiologische Funktion beeinflusst wird. Rezeptorunabhängige Arzneimitteleffekte können u. a. durch Wirkungen an spannungsabhängigen Ionenkanälen, Transportsystemen und Enzymen ausgelöst werden. Zu nicht-rezeptorvermittelten Pharmaka gehören z. B. Antazida, Laxanzien und einige Diuretika. Rezeptorvermittelte Pharmakawirkungen
Rezeptoren können u. a. sein (. Abb. 6.1): 4 Enzyme (z. B. Cholinesterase, Monoaminooxidase) 4 Neurotransmitterrezeptoren (z. B. Muskarinrezeptor) 4 Transkriptionsregulatoren (z. B. Glukokortikoidrezeptor) 4 Ionenkanäle (z. B. Natriumkanal). Pharmakologische Rezeptoren sind sowohl intrazellulär als auch membranständig lokalisiert. Die Anzahl der Rezeptoren ist begrenzt und somit die sog. »Ligandenbindung« sättigbar. Intrazelluläre Rezeptoren Hierzu zählen die zugehörigen Rezeptoren, z. B. der Steroidhormone, Retinoide und Schilddrüsenhormone. Sie können im Zytoplasma und im Zellkern vorkommen. Durch Stimulation intrazellulärer Rezeptoren vermittelte Effekte beruhen auf dem Andocken des Liganden an das C-terminale Ende des Rezeptors. Anschließend dissoziieren die Hitze-Schock-Proteine ab, so dass die ligandenbindende Domäne an die DNA binden kann (Signaltransduktion).
6
Membranständige Rezeptoren Man unterscheidet G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, ligandengesteuerte Ionenkanäle und enzymassoziierte Rezeptoren (. Tab. 6.1). G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Beispiele sind: Ade-
nosinrezeptoren, adrenerge Rezeptoren, Dopaminrezeptoren, Histaminrezeptoren, Muskarinrezeptoren, Opioidrezeptoren. Die Signaltransduktion erfolgt, indem ein Guanin-Nukleotid-bindendes Protein (G-Protein) nach Andocken des Liganden an den Rezeptor und so bewirkter Konformationsänderung des Rezeptors weitere Reaktionen auslöst. Das G-Protein kann einen Ionenkanal direkt beeinflussen oder durch Interaktion mit einem Enzym die Bildung eines »second messenger« stimulieren oder hemmen. Adenylatzyklase und Phospholipase C sind z. B. wichtige Enzyme, die von G-Proteinen beeinflusst werden. Ionenkanalrezeptoren. In der Zellmembran kommen
durch Proteine gebildete Ionenkanäle vor, die je nach Konformation offen oder geschlossen sind. Aufgrund der Geometrie und Ladungsverteilung sind die Kanäle nur für bestimmte Ionen durchlässig. Treibende Kraft für Ein- und Ausstrom ist der Konzentrationsgradient zwischen Intra- und Extrazellularraum. > Ist die Öffnung bzw. Schließung von Ligandenbindungen abhängig, werden sie als Ionenkanalrezeptoren (ligandengesteuerte Ionenkanäle) bezeichnet. Ist eine Membrandepolarisation oder -hyperpolarisation entscheidend, spricht man von spannungsabhängigen Ionenkanälen.
Beispiele für Ionenkanalrezeptoren sind: 4 ATP-Rezeptoren 4 5-HT3-Rezeptoren 4 Nikotinrezeptoren
. Tab. 6.1. Beispiele für enzymassoziierte Rezeptoren Enzymassoziierte Rezeptoren
Signaltransduktion
Rezeptoren mit Tyrosinkinaseaktivität
Nach der Ligandenbindung erfolgt eine Autophosphorylierung von Tyrosin-OH-Gruppen und eine Phosphorylierung intrazellulärer Proteine
Rezeptoren mit assoziierten Tyrosinkinasen
Nach Bildung des Liganden-Rezeptor-Komplexes lagern sich tyrosinspezifische Tyrosinkinasen an den Rezeptor an, wodurch sie aktiviert werden
Rezeptoren mit Guanylatzyklaseaktivität
Nach der Ligandenbindung kommt es zu einer Aktivierung der Guanylatzyklasedomäne. Aus Guanosintriphosphat entsteht zyklisches Guanosinmonophosphat
370
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
6
. Abb. 6.1. Mindmap Rezeptorarten, über die Pharmakawirkungen vermittelt werden
371 6.1 · Allgemeine Pharmakologie
6
Signaltransduktion. Die Signaltransduktion beruht
Nichtkompetitive Antagonisten. Sie wirken indirekt
auf einer Liganden-Rezeptor-Interaktion, die zu einer Erhöhung bzw. Erniedrigung der Öffnungswahrscheinlichkeit des Kanals führt. Folge ist ein stärkerer oder geringerer Austausch der entsprechenden Ionen.
und können die Wirkung eines Agonisten auf verschiedene Weise reduzieren (z. B. Bindung an anderer Stelle des Rezeptorproteins).
Agonisten und Antagonisten Die Bindung eines Pharmakons an einen Rezeptor kann zwei verschiedene Reaktionen auslösen: 4 Wenn durch die Bindung des Wirkstoffs an den Rezeptor eine entsprechende Funktion aktiviert wird, spricht man von einem Agonist. 4 Bindet ein Pharmakon an einen Rezeptor, ohne die ihm zugeordnete Reaktion auszulösen, handelt es sich um einen Antagonist. Derweil ist die Rezeptorbindungsstelle für Agonisten blockiert. Agonisten und Antagonisten werden durch ihre Affinität zum Rezeptor charakterisiert, so dass man die Affinität verschiedener Pharmaka für einen Rezeptor vergleichen kann. Partielle Agonisten. Selbst in hoher Konzentration lösen sie nur eine geringe Wirkung am Rezeptor aus. Sie wirken dualistisch. Bei gleichzeitiger Anwesenheit und hoher Konzentration eines vollen Agonisten wird die Wirkung des vollen Agonisten abgeschwächt (antagonistische Komponente). Bei niedriger Konzentrationen oder Abwesenheit eines vollen Agonisten wirkt ein partieller Agonist agonistisch. Partielle Agonisten kommen z. B. bei β-Adrenozeptoren vor. Inverse Agonisten. Wirkstoffe, die das Gegenteil der üblichen Agonistenwirkung auslösen, z. B. β-Carboline, die an die Benzodiazepinbindungsstelle des GABAARezeptors binden, dadurch die Bindung von GABA hemmen und die Offenwahrscheinlichkeit der Chloridkanäle vermindern.
Dosis-Wirkung- bzw. Konzentration-WirkungBeziehung Dosierung. Ziel der Pharmakotherapie ist das Erreichen des gewünschten Effekts ohne vermeidbare toxische Nebenwirkungen. Um zu Beginn der Therapie die minimale therapeutische Konzentration möglichst schnell zu erreichen, kann man bei Stoffen mit langer Halbwertszeit anfangs eine höhere Initialdosis verabreichen und im Anschluss mit einer niedrigeren Erhaltungsdosis weiterbehandeln. Die Zeit zwischen zwei Applikationen (Dosierungsintervall) ist ein wichtiger Parameter. Aus Sicht des Patienten (Compliance) ist eine einmalige Gabe pro Tag erstrebenswert. Substanzen mit geringer Halbwertszeit müssen jedoch mehrmals am Tag verabreicht werden, um einen konstanten Blutspiegel aufrechtzuerhalten. Von Bedeutung für die Dosis-Wirkung- bzw. Konzentration-Wirkung-Beziehungen sind folgende Parameter: 4 Schwellendosis (kleinste Dosis, bei der ein Effekt sichtbar wird) 4 Erreichbarer Maximaleffekt 4 Notwendige Dosis zum Erreichen des Maximaleffektes 4 Kurvensteigung (Auskunft über den Dosisbereich zwischen Wirkungseintritt und maximaler Wirkung) ED50. Die Effektdosis 50 gibt an, bei welcher Dosis die
Hälfte des Maximaleffektes erreicht wird bzw. bei welcher Dosis 50% der Probanden die erwartete Wirkung zeigen. LD50. Die Letaldosis 50 ist die Dosis, bei der 50% der
Versuchstiere sterben. Kompetitive Antagonisten. Sie haben ebenfalls eine
Affinität zu dem Rezeptor und können sich in gleicher Weise anlagern wie Agonisten. Da Agonist und kompetitiver Antagonist konkurrieren, sind die Konzentrationen entscheidend. Durch Erhöhung der Konzentration der einen Substanz kann die andere vom Rezeptor verdrängt werden.
Therapeutische Breite. Die therapeutische Breite ist ein
Maß für die Sicherheit einer Substanz. Sie bezeichnet das Intervall zwischen therapeutischer und toxischer Wirkung. Ein Wirkstoff ist umso toxischer, je kleiner seine therapeutische Breite ist. Normalerweise wird sie als Verhältnis von LD50 zu ED50 angegeben.
372
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
In Kürze Wichtige Rezeptortypen 4 Intrazelluläre: z. B. Steroidhormone, Schilddrüsenhormone, Retinoide 4 Membranständige – G-Protein-gekoppelte Rezeptoren: z. B. Adenosin-, adrenerge, Dopaminrezeptoren
6.2
6
Spezielle, systematische Pharmakologie
6.2.1 Medikamente mit Einfluss auf
das sympathische Nervensystem An den sympathischen Synapsen unterscheidet man zwei Hauptgruppen von adrenergen Rezeptoren: α-(α1, α2) und β- (β1, β2, β3) Rezeptoren. Die Rezeptoren sind in den Organen verschieden stark vertreten und lösen durch Stimulation dementsprechend unterschiedliche
– Ionenkanalrezeptoren: z. B. ATP-, 5-HT3-, Nikotinrezeptoren – Enzymassoziierte Rezeptoren: z. B. Rezeptoren mit Tyrosinkinaseaktivität, mit assoziierten Tyrosinkinasen, mit Guanylatzyklaseaktivität
Effekte aus (. Tab. 6.2, . Abb. 6.2). Zu den Funktionen der sympathischen Rezeptoren s. Lehrbücher der Physiologie. Rezeptortypen des sympathischen Systems und Arzneimittelwirkung Die Erkenntnis über die verschiedenen Rezeptortypen war für die Arzneimittelentwicklung von großer Bedeutung. Durch den Einsatz selektiverer Wirkstoffe ist es möglich, adrenerge Rezeptoren gezielt zu stimulieren bzw. zu blocken und so Nebenwirkungen zu minimieren.
. Abb. 6.2. Wirkorte verschiedener Antihypertensiva (Aus Oberdisse, Hackenthal, Kuschinsky 2002)
373 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
. Tab. 6.2. Adrenalin (= Epinephrin) und Noradrenalin (= Norepinephrin) Adrenalin (A)
Noradrenalin (NA)
Wirkort
Adrenerge α- und β- Rezeptoren.
Adrenerge α-Rezeptoren, im Vergleich zu A geringere Wirkung an β- Rezeptoren
Wirkmechanismus
A wird in Abhängigkeit von Azetylcholin aus dem Nebennierenmark in die Blutbahn freigesetzt1
Erregung des postganglionären Neurons durch Ausschüttung von Azetylcholin führt zur NA-Freisetzung. Nach Diffusion durch den synaptischen Spalt erregt NA sympathische Rezeptoren des Erfolgsorgans. NA kann zusätzlich aus dem Nebennierenmark in die Blutbahn abgegeben werden1
Pharmakokinetik
Schnelle Inaktivierung (neuronale Wiederaufnahme, Abbau durch Katecholamin-O-MethylTransferase bzw. Monoaminooxidase)
Schnelle Inaktivierung (Wiederaufnahme ins Axoplasma, Abbau durch Katecholamin-O-Methyl-Transferase bzw. Monoaminooxidase), hoher First-pass-Effekt, Ausscheidung der Metaboliten v. a. renal2
Wirkung
Ähnliche pharmakologische Wirkungen, Unterschiede v. a. in der Wirkstärke an den verschiedenen Adrenorezeptorsubtypen
Wirkort
Kardiale Erregung (β) im Myokard, Schrittmacherzellen. Durchblutungssteigerung (β) in Skelettmuskeln, Koronarien. Durchblutungssenkung (α) in Haut, Schleimhaut, Nieren. Relaxation der Bronchialmuskulatur (β). Anstieg von Sauerstoffverbrauch und Blutglukose (α)
Vasokonstriktorisch mit Steigerung des systolischen und diastolischen Blutdrucks und reflektorisch bedingter Bradykardie. Durchblutung von Leber, Nieren, Haut und Skelettmuskel wird gesenkt
Anwendung
Zusatz zu Lokalanästhetika als Vasokonstriktor, Schockzustände (anaphylaktisch), Herzstillstand (i.v.)
Lokal bei diffusen Blutungen, Zusatz zu Lokalanästhetika als Vasokonstriktor, Schockzustände
Nebenwirkungen
Hemmung der Insulinfreisetzung, Vasokonstriktion, Lungenödem, Angstzustände, Tremor, kardiale Störungen
Kontraindikationen
Hyperthyreose, Phäochromozytom, Koronar- und Zerebralsklerose, schwere Hypertonie, Engwinkelglaukom, Prostataadenom
1 2
Reaktion auf ergotropen Zustand des Gesamtorganismus. Die Katecholamin- und Metabolitenausscheidung erlaubt Aussage über Aktivität des sympathischen Systems und evtl. Erkrankungen.
Direkte Sympathomimetika Direkte Sympathomimetika (= Adrenorezeptoragonisten) erzeugen an adrenergen Rezeptoren ähnliche Wirkungen wie Noradrenalin oder Adrenalin.
Sekretion von z. B. Nasenschleim wird aufgrund des verminderten Flüssigkeitsangebots minimiert, die Atmung durch die Nase wieder ermöglicht. Wirkung. Schleimhautabschwellung (Nase, Augenbin-
α-Adrenorezeptoragonisten Wirkort. α-Rezeptoren der Schleimhaut, z. B. Xylometazolin.
dehaut). Anwendung. Rhinitis, Sinusitis, Nasopharyngitis (Nasenspray), Konjunktivitis (Augentropfen).
Wirkmechanismus. Durch Vasokonstriktion Senkung
der Schleimhautdurchblutung, damit auch des Kapillardrucks. Die in den Interstitialraum ausgetretene Flüssigkeit (Schwellung) kann über die Venen abfließen.
! Cave Anwendungsdauer maximal 7 Tage – Gefahr der Schleimhautreizung!
374
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Nebenwirkungen. Reaktive Hyperämie, lokal bren-
nende Schmerzen. > »Privinismus« (Privin ist der Name eines der ersten Handelspräparate): Die regelmäßige Anwendung der Substanz kann beim Absetzen eine verstärkte Schleimhautschwellung (arzneimittelinduzierte Rhinitis) hervorrufen, was zu chronischem Gebrauch des Präparates verleitet und die Schleimhaut irreversibel schädigt.
6
Kontraindikationen. Engwinkelglaukom, Rhinitis sicca. Vorsicht bei Kleinkindern, Hyperthyreose, Phäochromozytom, Hypertonikern. ! Cave Bei Säuglingen dürfen keine Nasensprays angewendet werden: Gefahr von Atemstörungen und komatösen Zuständen bei evtl. Resorption in die Atemwege.
β-Adrenorezeptoragonisten Wirkort. β1- und β2-Rezeptoren, z. B. Orciprenalin. Wirkmechanismus. Stimulation der β1-Rezeptoren des
Myokards. Erregung von β2-Rezeptoren (Erschlaffung der Bronchial- und Uterusmuskulatur, Gefäßerweiterung).
Wirkdauer von etwa 12 h auf und werden v. a. zur Langzeitbehandlung bei Atemwegserkrankungen verabreicht. Langwirksame β2-Sympathomimetika sind bei einem akuten Asthmaanfall kontraindiziert – Wirkungseintritt nach inhalativer Gabe erst nach 10–20 min. Indirekte Sympathomimetika Noradrenalin wird aus den Speichergranula der sympathischen Nervenendigungen vermehrt freigesetzt und/oder die Wiederaufnahme von Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt in das Axoplasma wird gehemmt. Durch Erhöhung der Noradrenalinkonzentration an den Rezeptoren wird der »Sympathikustonus« erhöht: MonoaminooxidaseHemmstoffe.
Sympatholytika (Blockade adrenerger Rezeptoren) Selektive α1-Adrenorezeptorantagonisten (z. B. Prazosin) α1-Selektivität Vorteil selektiver α1-Sympatholytika ist, dass praktisch keine Blockade der präsynaptischen α2-Rezeptoren erfolgt. Die negative Rückkopplung wird somit nicht gehemmt, und es kommt nicht zu einer vermehrten Noradrenalinfreigabe.
Wirkort. Postsynaptische α1-Adrenorezeptoren. Pharmakokinetik. t1/2 = 6 h. Wirkung. β1: Positiv-chronotop (Steigerung Herzfre-
quenz), positiv-dromotrop (Zunahme Erregungsleitungsgeschwindigkeit), positiv-inotrop (Erhöhung Kontraktionskraft). β2 : Bronchodilatation.
Wirkmechanismus. Durch die Blockade der α1-Adrenorezeptoren an den Gefäßen kommt es zu einer Vasodilatation. Folge ist eine Herabsetzung des peripheren Widerstands: Senkung des Blutdrucks. Pharmakokinetik. Rasche Resorption, hohe Eiweißbin-
dykardie, AV-Block 2. Grades.
dung, weitgehende Biotransformation in der Leber, vorwiegend biliäre Ausscheidung.
Nebenwirkungen. Herzrhythmusstörungen, Angina-
Wirkung. Vasodilatierend an Arteriolen und Venen.
pectoris-Anfälle, Übelkeit, übermäßige Schweißproduktion.
Anwendung. Arterielle Hypertonie, M. Raynaud.
Kontraindikationen. Intravenöse Applikation bei Hypertonie, koronarer Herzkrankheit, Tachykardie, Hyperthyreose.
Nebenwirkungen. Orthostatische Beschwerden (»Firstdose-Phänomen«), Na+- und Wasserretention, Schwindel, Herzklopfen, Übelkeit, Antriebslosigkeit.
> Man unterscheidet kurz- und langwirksame β2-Sympathomimetika. Kurz wirksame β2-Sympathomimetika (z. B. Fenoterol) haben eine Wirkdauer von ca. 3–5 h und werden bei Asthma bronchiale, obstruktiven Atemwegserkrankungen und Tokolyse eingesetzt. Lang wirksame Vertreter (z. B. Salmeterol) weisen eine 6
! Cave
Anwendung. Sinusbradykardie, digitalisbedingte Bra-
Selektive α1-Sympatholytika: einschleichende Dosierung zu Therapiebeginn – Gefahr einer orthostatischen Dysregulation. Kontraindikationen sind Herzinsuffizienz, Schwangerschaft (1. Trimenon), Stillzeit, Kinder unter 12 Jahren.
375 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
Selektive β1-Adrenorezeptorantagonisten (z. B. Metoprolol)
! Cave
β1-Selektivität Eine Blockade von β2-Rezeptoren führt zur Aufhebung der erschlaffenden Wirkung der Katecholamine an der glatten Muskulatur von Bronchien und Uterus. Therapeutisch gewünschte Wirkung ist bei den meisten Indikationen jedoch die Blockade der β1-Rezeptoren, die besonders an Herz und Nieren vertreten sind. Ein Teil der unerwünschten Arzneimittelwirkungen nichtselektiver β-Blocker kann mit den selektiven β1-Adrenorezeptorantagonisten verhindert werden. Insbesondere bei Patienten mit Diabetes mellitus oder mit einer gestörten Glukosetoleranz sind die selektiven β-Blocker anzuwenden, da sie den Kohlenhydratstoffwechsel weniger stark beeinflussen (ß2-Rezeptoren der Leber).
Nebenwirkungen. Gastrointestinale Störungen, zentralnervöse Symptome, Bronchospasmus.
Wirkort. β1-Adrenorezeptoren besonders am Herzen
(geringere, dosisabhängige Affinität zu β2-Rezeptoren). Wirkmechanismus. Kompetitive Hemmung der β1-Adrenorezeptoren (jedoch ohne intrinsische sympathomimetische Aktivität) und damit Aufhebung der positivinotropen und positiv-chronotropen Wirkung der Katecholamine am Herzen. Pharmakokinetik. Hoher First-pass-Effekt, t1/2 = 3–5 h
(kurzwirksamer β-Blocker), Ausscheidung v. a. biliär.
Bei plötzlichem Absetzen besteht die Gefahr eines »Rebound-Effektes«, da es bei längerer β-Blockertherapie zur Zunahme der β-Rezeptorendichte (Up-Regulation) und vermehrten Freisetzung von Noradrenalin kommt – Herzinfarktgefahr. Ausschleichende Dosierung bei Therapiebeendigung!
Kontraindikationen. Obstruktive Ventilationsstörun-
gen (u. a. Asthma bronchiale), bradykarde Herzrhythmusstörungen, Sinusknotensyndrom, AV-Block 2. und 3. Grades, periphere Durchblutungsstörungen. Vorsicht bei metabolischer Azidose, Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen. Antisympathotonika Neben der Blockade der sympathischen Rezeptoren kann der Sympathikustonus auch durch zentralen, ganglionären (therapeutisch nicht relevant) oder postganglionär präsynaptischen Angriff reduziert werden. Durch Abnahme des peripheren Widerstands und des Herzzeitvolumens sinkt der Blutdruck. Zentral angreifende α2-Adrenorezeptoragonisten (z. B. Clonidin) Wirkort. α2-Adrenorezeptoren an zentralen Umschaltstelle des Barorezeptorreflexes (= Nucleus solitarii).
Wirkung. Herzfrequenz und Kontraktilität sinken initi-
al. Anstieg des peripheren Widerstands, fällt aber mit einsetzender Blutdrucksenkung auf Ausgangswerte zurück. > Man unterscheidet kurz- und langwirksame β1Adrenorezeptorantagonisten. β-Blocker mit einer Halbwertszeit von mehr als 6 h (z. B. Atenolol) müssen in der Regel nur einmal täglich verabreicht werden (verbesserte Compliance!). Grundsätzlich setzte die Blutdrucksenkung langsam ein. Erst nach 1–2 Wochen entsteht die voll ausgeprägte Wirkung.
Wirkmechanismus. Erregung postsynaptischer α2-Rezeptoren im ZNS, wodurch sympathische Impulse im Vasomotorenzentrum der Medulla oblongata unterdrückt und der Sympathikustonus herabgesetzt wird. Außerdem wurde eine Stimulation peripherer präsynaptischer α2-Rezeptoren festgestellt, wodurch die Noradrenalinfreisetzung gehemmt wird. Entscheidend für die blutdrucksenkende Wirkung ist der zusätzliche Angriff an sog. Imidazolin-Rezeptoren (u. a. in ventrolateralen Medulla oblongata). Pharmakokinetik. Gute und rasche Resorption, auf-
Anwendung. Hypertonie, koronare Herzkrankheit,
funktionelle Herz-Kreislauf-Störungen, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Hyperthyreose, Phäochromozytom (mit α-Blockern), Migräneprophylaxe, Glaukom (lokal), Angstsyndrom, Tremor. > β-Blocker sind zur Beruhigung vor z. B. Prüfungen nicht indiziert, sie können sogar die Leistungsfähigkeit vermindern.
grund der Lipophilie schnelles Eindringen ins ZNS, Elimination v. a. renal. Wirkung. Anhaltende Senkung von Herzfrequenz,
Herzzeitvolumen und Blutdruck. Anwendung. Arterielle Hypertonie, Migräneprophyla-
xe, opiat- oder alkoholbedingtes Entzugssyndrom (Wirkung beruht auf Hemmung der Noradrenalinfreisetzung), Glaukom.
376
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Nebenwirkungen. Sedation, Mundtrockenheit, Obsti-
pation, orthostatische Dysregulation, Na+-Retention (Ödembildung). ! Cave Kein plötzliches Absetzen – insbesondere bei höherer Dosierung Gefahr starker Blutdrucksteigerungen (»Rebound-Effekt«)!
Kontraindikationen. Vorsicht bei Bradykardie, Obstipation, depressiven Verstimmungen, Störungen der AV-Überleitung.
6
Reserpin Wirkort. Periphere sympathische Nervenendigungen. Wirkmechanismus. Blockade der Mg2+-abhängigen
ATPase, die aktiv Protonen in die Vesikel transportiert und so zu einer hohen intravesikulären H+-Konzentration führt. Infolge der Blockade sinkt die Protonenkonzentration und basische Substanzen wie Noradrenalin, Dopamin können nicht mehr proto-
niert werden und nicht mehr als Salz in den Vesikeln gespeichert werden. Pharmakokinetik. Vollständige Metabolisierung, Metaboliten werden renal ausgeschieden. Wirkung. Speichervermögen der Granula für Katecholamine wird aufgehoben, Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes, der Herzfrequenz und des Herzzeitvolumens. Anwendung. Hypertonie. Seit Einführung besser ver-
träglicher Antihypertonika wird Reserpin meist nur noch in Kombination mit Diuretika angewendet. Nebenwirkungen. Orthostatische Störungen, Müdigkeit, Schwindel, Bradykardie, Mundtrockenheit, Potenzstörungen, bei langer Anwendung depressive Verstimmungen (Suizidgefahr!). Kontraindikationen. Ulzera, Kolitis, erosive Gastritis,
M. Parkinson, Depression, Asthma bronchiale.
In Kürze Pharmaka mit Einfluss auf das sympathische Nervensystem 4 Direkte Sympathomimetika 4 Symphatolytika – α-Agonisten, z. B. Xylometazolin: Rhinitis, Sinu– Selektive α1-Antagonisten, z. B. Prazosin: arterielle Hypertonie, M. Raynaud sitis, Nasopharyngitis, Konjunktivitis – Selektive β1-Antagonisten, z. B. Metoprolol: Hy– β-Agonisten, z. B. Orciprenalin: Sinusbradykarpertonie, koronare Herzkrankheit, funktionelle die, digitalisbedingte Bradykardie, AV-Block 2. Herz-Kreislauf-Störungen, HerzrhythmusstörunGrades gen, Hyperthyreose, Phäochromozytom (mit α– Selektive β2-Agonisten, z. B. Salmeterol: LangBlockern), Migräneprophylaxe, Glaukom, Angstzeitbehandlung von Asthma bronchiale, obssyndrom, Tremor truktive chronische Bronchitis, Lungenemphysem (mit Glukokortikoiden) 4 Antisympathotonika 4 Indirekte Sympathomimetika: MAO-Hemmer z. B. – Zentralangreifende α2-Agonisten, z. B. Clonidin: Moclobemid: gehemmte Depressionen, soziale arterielle Hypertonie, Migräneprophylaxe, opiatPhobien oder alkoholbedingtes Entzugssyndrom, Glaukom – Reserpin: Hypertonie
6.2.2 Medikamente mit Einfluss auf das
parasympathische Nervensystem Azetylcholin hat folgende Wirkungen: Senkung der Herzfrequenz, Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes, Erhöhung von Speichel-, Magensaft-, Erniedrigung von Bronchial- und Schweißsekretion, Steigerung des Tonus der glatten Muskulatur (Magen-Darm-Trakt, ableitende Harnwege, Bronchialmuskulatur), Pupillen-
verengung, Nahakkomodation des Auges. Details s. Lehrbücher der Physiologie. Direkte Parasympathomimetika Aufgrund des schnellen Abbaus durch die Azetylcholinesterase kann Azetylcholin therapeutisch nicht eingesetzt werden. Man verwendet Muskarinrezeptoragonisten, die wie Azetylcholin die parasympathischen Rezeptoren stimulieren.
377 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
Carbachol Wirkort. Muskarinrezeptoren. Wirkmechanismus. Durch Bindung an die Rezeptoren wird die Membranpermeabilität für Na+-, K+- und Ca2+-Ionen beeinflusst. Organspezifisch kommt es zu Depolarisation bzw. Hyperpolarisation.
6
Parasympatholytika Atropin (Hauptalkaloid u. a. in der Tollkirsche, Atropa belladonna) Wirkort. Muskarinrezeptoren.
nesterasen.
Wirkmechanismus. Atropin hemmt als nichtselektiver m-Cholinozeptor-Antagonist kompetitiv die azetylcholinvermittelte Erregungsübertragung an Muskarinrezeptoren. Die muskarinische Wirkung von Azetylcholin wird somit aufgehoben.
Wirkung. Schnelle und vollständige Miosis, Erhöhung
Pharmakokinetik. Gute Resorption, schnelle Verteilung
von Magensaftsekretion, Darmperistaltik, Ureterenperistaltik.
im Organismus.
Pharmakokinetik. Langsame Hydrolyse durch Choli-
Wirkung. Periphere und zentrale Wirkungen: Anwendung. Glaukom, Darm- und Blasenatonie (post-
operativ). Nebenwirkungen. Schweißausbruch, Speichelfluss,
gastrointestinale Beschwerden, Bradykardie. Kontraindikationen. Peptische Ulzera, Herzinsuffizi-
enz, Angina pectoris, Asthma bronchiale, Hyperthyreose, M. Parkinson. Indirekte Parasympathomimetika Neostigmin Wirkort. Enzym Azetylcholinesterase.
4 Am Herz wird Sinusfrequenz und AV-Überleitung erhöht. 4 Im Gastrointestinaltrakt wird Motilität und Sekretion gehemmt. 4 Am Auge kommt es durch Erschlaffung des M. sphincter pupillae und eine lang anhaltende Zykloplegie durch Hemmung des M. ciliaris zu starker Mydriasis. 4 An Bronchien werden Sekretion und Tonus der glatten Muskulatur gehemmt. 4 Hemmung der Schweißsekretion. 4 Zentral werden Tremor und Rigor verbessert. Anwendung. Bradykardie, zur Narkoseprämedikation,
esterase wird die Spaltung von Azetylcholin reversibel gehemmt und die Wirkungen von Azetylcholin verstärkt.
Spasmen des Magen-Darm-Trakts, Hypersekretion, zur Pupillenerweiterung bei Iritis, Iridozyklitis, Uveitis, Antidot bei Vergiftungen mit z. B. Alkylphosphaten.
Pharmakokinetik. Geringe Resorption (p.o.).
Nebenwirkungen. Mundtrockenheit, Tachykardie,
Wirkmechanismus. Durch Reaktion mit der Azetylcholin-
Miktionsbeschwerden, Mydriasis (lokal). Wirkung. Erhöhung der Azetylcholinkonzentration an
den Rezeptoren in cholinergen Synapsen. > Neostigmin kann die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren, daher kommt es nicht zu zentralen Nebenwirkungen!
Anwendung. Myasthenia gravis pseudoparalytica,
Darm- und Blasenatonie (postoperativ), Glaukom, Verkürzung der Wirkung von nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien. Nebenwirkungen. Schweißausbruch, Speichelfluss,
gastrointestinale Beschwerden, Bradykardie. Kontraindikationen. Peptische Ulzera, Herzinsuffizi-
enz, Angina pectoris, Asthma bronchiale, Hyperthyreose, M. Parkinson.
Kontraindikationen. Engwinkelglaukom, Prostataade-
nom, gastrointestinale Stenosen, Tachyarrhythmien, Lungenödem. Scopolamin und Metixen Scopolamin weist ähnliche parasympatholytische Eigenschaften auf wie Atropin. Es penetriert jedoch besser ins ZNS und wirkt zentral dämpfender (bereits geringe Dosen von Scopolamin wirken motorisch dämpfend und sedierend). Therapeutisch wird es u. a. in Augentropfen angewandt. Als Antiemetikum ist es (in Form von transdermaltherapeutischen Systemen) äußerst wirksam bei Kinetosen. Metixen blockiert zentrale, muskarinische Azetylcholinrezeptoren im ZNS und findet bei Tremor (M. Parkinson) und Neuroleptika-Parkinsonoid Anwendung.
378
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
In Kürze Medikamente mit Einfluss auf das parasympathische Nervensystem 4 Parasympathomimetika 4 Parasympatholytika – Direkte Parasympathomimetika, z. B. Carba– Beispielsweise Atropin: Bradykardie, zur Narkochol: Glaukom, Darm- und Blasenatonie seprämedikation, Spasmen des Magen-Darm– Indirekte Parasympathomimetika, z. B. NeosTrakts, Hypersekretion, Iritis, Iridozyklitis, Uveitis, tigmin: Myasthenia gravis pseudoparalytica, Antidot bei Vergiftungen mit z. B. AlkylphosDarm- und Blasenatonie, Glaukom, Verkürzung phaten. der Wirkung von nichtdepolarisierenden Mus– Beispielsweise Metixen: Tremor (M. Parkinson), kelrelaxanzien Neuroleptika-Parkinsonoid
6
6.2.3 Medikamente, die mit biogenen
Aminen interferieren Dopamin Dopaminantagonisten Dopamin ist die Vorstufe von Noradrenalin und Adrenalin. Eine Übersicht über Dopaminantagonisten gibt . Tab. 6.3. Dopaminagonisten (z. B. Bromocriptin) Wirkort. ZNS.
Pharmakokinetik. Schnelle, mäßige Resorption, hoher
First-pass-Effekt, relativ geringe Bioverfügbarkeit. Elimination v. a. biliär. Wirkung. Kompensation eines Dopaminmangels, pro-
laktinantagonistische Wirkung. Wirkeintritt erst nach Wochen aufgrund der zur Vermeidung schwerer Nebenwirkungen langsamen Wirkstoffverabreichung. Anwendung. M. Parkinson, Hyperprolaktinämie, prolaktinbedingte Amenorrhö, Akromegalie (als Begleitmedikament).
Wirkmechanismus. Stimulation der Dopaminrezepto-
ren (besonders D2-Rezeptoren) und damit vergleichbare Wirkung wie der physiologische Neurotransmitter Dopamin.
> Bromocriptin wirkt bei M. Parkinson ähnlich, aber schwächer als Levodopa. Es wird daher gerne in Kombination mit Levodopa verabreicht, wenn dessen Wirkung nachlässt.
. Tab. 6.3. Verschiedene Dopaminantagonisten Metoclopramid
Domperidon
Wirkort
Area postrema
Wirkmechanismus
Antagonistische Wirkung an D2-Rezeptoren, Beeinflussung von Serotonin-Rezeptoren
Blockade peripherer D2-Rezeptoren
Pharmakokinetik
Oral rasche Resorption, Passage der Blut-HirnSchranke, Elimination v. a. renal
Oral rasche Resorption, hoher First-passEffekt, Ausscheidung renal und biliär
Wirkung
Antiemetisch
Anwendung
Nausea, Erbrechen, symptomatische Behandlung funktioneller Oberbauchbeschwerden
Symptomatische Behandlung funktioneller Oberbauchbeschwerden, Erbrechen
Nebenwirkungen
Müdigkeit, depressive Verstimmungen, extrapyramidal-motorische Störungen1, Hyperprolaktinämie
Erhöhter Prolaktinspiegel
Kontraindikationen
Prolaktinabhängige Tumoren, Phäochromozytom
Kinder unter 1 Jahr, Stillzeit
1
Strenge Indikationsstellung bei Schwangeren und Kindern unter 14 Jahren. Dopaminantagonistisch wirkende Neuroleptika werden unter 7 Kap. 6.2.13.4 besprochen.
379 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
D2-Agonisten zur Therapie der Parkinson-Krankheit Früher wurden D2-Agonisten v. a. im fortgeschrittenen Stadium der M. Parkinson-Erkrankung in Kombination mit Levodopa und Dekarboxylasehemmern angewandt, heute werden häufig mit diesen Substanzen bereits im Frühstadium Monotherapien durchgeführt.
6
Serotonin (5-Hydroxy-Tryptamin, 5-HT) 5-HT3-Antagonisten (z. B. Ondansetron, Tropisetron) Wirkort. Afferente Vagusneurone, Darmnervensystem, Area postrema. Wirkmechanismus. Blockade der 5-HT3-Rezeptoren,
Nebenwirkungen. Übelkeit, Erbrechen, psychomoto-
rische Unruhe, Tachykardie, Hyperkinese, psychische Störungen (v. a. Halluzinationen). Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen können durch Verabreichung peripher wirkender Dopaminantagonisten (z. B. Domperidon) reduziert werden. Gabe von DOPA-Dekarboxylaseblockern kann die Dopaminbildung in der Peripherie verhindern und die damit verbundenen Nebenwirkungen senken. Da diese Substanzen die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren können, bleibt die gewünschte Dekarboxylierung im ZNS unbeeinträchtigt. Kontraindikationen. Psychosen, koronare Herzerkrankungen, Hypertonie, Schwangerschaft. Strenge Indikation in Stillzeit.
deren Stimulation teils unerwünschte Effekte (z. B. Übelkeit) hervorruft. Pharmakokinetik. Gute Resorption, hoher Metabolismus, Elimination vorwiegend renal. Wirkung. Antiemetisch. Anwendung. Übelkeit und Erbrechen (aufgrund von Zytostatikaeinnahme oder Strahlentherapie). > Häufig Kombination mit Glukokortikoiden (z. B. Dexamethason).
Nebenwirkungen. Kopfschmerzen, Obstipation.
. Tab. 6.4. H1-Antihistaminika der 1. und 2. Generation 1. Generation (z. B. Diphenhydramin)
2. Generation (z. B. Cetirizin)
Wirkort
Unselektive Blockade von H1-Rezeptoren (peripher und zentral)
Relativ selektive Blockade von peripheren H1Rezeptoren
Wirkmechanismus
Kompetitive Aufhebung der Wirkung von Histamin an H1-Rezeptoren
Pharmakokinetik
Rasche, gute Resorption, meist starke Biotransformation
Wirkung
Antiallergisch
Rasche, gute Resorption, meist starke Biotransformation zu wirksamen, hydrophilen Metaboliten, die die Blut-Hirn-Schranke schlecht überwinden können und somit nicht zentral wirken
Sedierend1 Anwendung
Urtikaria, allergische Rhinitis und Konjunktivitis, Arzneimittelallergien, Pruritis Hypnotikum, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen
Nebenwirkungen
Einschränkung des Reaktionsvermögens (besonders bei Präparaten der 1. Generation), gastrointestinale Störungen, Mundtrockenheit, Miktionsstörungen, Arrhythmien
Kontraindikationen
Blasenentleerungsstörungen, Asthma bronchiale, Engwinkelglaukom, Epilepsie. Strenge Indikation bei Herzerkrankungen und Leberfunktionsstörungen
1
Vorsicht bei Kraftfahrern!
Schwere Nierenerkrankungen, Schwangerschaft (1. Trimenon), Stillzeit
380
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Kontraindikationen. Kinder. Strenge Indikation in
Schwangerschaft und Stillzeit. Vorsicht bei bestehender Obstruktion. Histamin H1-Antihistaminika Eine Übersicht über H1-Antihistaminika gibt . Tab. 6.4.
Wirkung. Hemmung der basalen und histaminstimulierten Magensäureproduktion. Vagus- und gastrininduzierte Säurefreisetzung werden nichtkompetitiv unterdrückt. Anwendung. Peptische Ulzera (schmerzlindernd und ulkusheilend), Ulkusrezidivprophylaxe, Refluxösophagitis, Zollinger-Ellison-Syndrom.
! Cave Lokale Anwendungen von H1-Antihistaminika können allergische Reaktionen verursachen – von dieser Applikationsart wird daher abgeraten.
6
H2-Antihistaminika (z. B. Ranitidin) Wirkort. H2-Rezeptoren der Belegzellen der Magenschleimhaut. Wirkmechanismus. Kompetitive Blockierung der H2-
Rezeptoren. Pharmakokinetik. Schnelle Resorption, Metabolisie-
rung, vorwiegend renale Ausscheidung.
> Bei peptischen Ulzera sind Protonenpumpenhemmer hinsichtlich der heilenden Wirkung effektiver, H2-Antihistaminika sind somit nur Mittel der 2. Wahl.
Nebenwirkungen. Kopfschmerzen, Diarrhö, Obstipati-
on, Schwindel, Gelenk-, Muskelschmerzen, ZNS-Störungen (z. B. Verwirrtheit), Gynäkomastie, Libido- und Potenzstörungen. ! Cave Bei Infusionen hoher Dosen (Stressulkus) kann durch die langanhaltende Erhöhung des Magen-pH ein bakterieller Befall des Magens und somit das Entstehen von Atemwegserkrankungen gefördert werden.
! Cave Die Halbwertszeit von H2-Antihistaminika ist bei älteren Patienten und Leber- bzw. Niereninsuffizienz verlängert.
Kontraindikationen. Strenge Indikationsstellung in
Schwangerschaft, Stillzeit und bei Kindern. Ranitidin tritt in die Muttermilch über!
In Kürze Biogene Amine und therapeutisch relevante Pharmakagruppen (. Tab. 6.3, . Tab. 6.4) 4 Dopamin 4 Histamin – Antagonisten, z. B. Metoclopramid: Nausea, Er– H1-Antihistaminika, z. B. Cetirizin: Urtikaria, brechen, Oberbauchbeschwerden allergische Rhinitis und Konjunktivitis, Arznei– Agonisten, z. B. Bromocriptin: M. Parkinson, mittelallergien, Pruritis Hyperprolaktinämie, prolaktinbedingte Ame– H2-Antihistaminika, z. B. Ranitidin: peptische norrhö, Akromegalie Ulzera, Ulkusrezidivprophylaxe, Refluxösopha4 Serotonin gitis, Zollinger-Ellison-Syndrom – Antagonisten, z. B. Ondansetron: Übelkeit, Erbrechen
6.2.4 Vasodilatanzien ACE-Hemmstoffe Bedeutung des ACE Bei Abfall des renalen Perfusionsdrucks, Abnahme der NaClKonzentration im Körper und β-Rezeptor-vermittelter Sympathikusinnervation wird im Rahmen des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAA-System) das Enzym Renin freigesetzt. Renin spaltet von seinem Substrat Angiotensi6
nogen Angiotensin I ab. Aus Angiotensin I bildet das Angiotensin-Conversions-Enzym (ACE) das biologisch wirksame Angiotensin II, das eine Blutdrucksteigerung bewirkt, u. a. durch Vasokonstriktion, Stimulation der Aldosteroninkretion und zentrale Erhöhung des Sympathikotonus. ACE trägt auch zur Inaktivierung von Kininen (z. B. Bradykinin) bei.
Captopril Captopril ist ein schnell- und kurzwirksamer ACEHemmer (. Abb. 6.3).
381 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
. Abb. 6.3. Funktionelle Verknüpfung des Renin-Angiotensin-Systems und des KininogenKinin-Systems. (Aus Oberdisse, Hackenthal, Kuschinsky 2002)
Wirkort. Angiotensin-Conversion-Enzym (ACE) des
blutdruckerhaltenden RAA-Systems. Wirkmechanismus. Hemmung von ACE und damit
kompetitive Verhinderung der Bildung von Angiotensin II aus Angiotensin I in Blut und Geweben. ACEHemmstoffe verzögern ferner den Abbau vasodilatierender Kinine zu inaktiven Peptiden. Pharmakokinetik. Rasche, gute Resorption, schnelle Dissoziation, t1/2 = 1,7 h, Ausscheidung weitgehend renal. > Andere Vertreter der ACE-Hemmstoffe (z. B. Ramipril) sind langwirksam, so dass sie nur einmal am Tag verabreicht werden müssen: Bessere Compliance!
Wirkung. Senkung des peripheren Widerstands und des
Blutdrucks, Steigerung der Pumpleistung des Herzens, schwache Diurese. Anwendung. Hypertonie, Herzmuskelinsuffizienz,
linksventrikuläre Dysfunktion nach Myokardinfarkt, diabetische Nephropathie. Nebenwirkungen. Trockener Reizhusten, Geschmacks-
störungen, Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Hyperkaliämie, Muskelkrämpfe. ! Cave Trockener Reizhusten tritt bei etwa 5% der Patienten auf und beruht auf einem verminderten Kininabbau in der Bronchialschleimhaut.
Kontraindikationen. Aorten- oder Mitralklappenstenose, beidseitige Nierenarterienstenose bzw. Nierenarterienstenose und Einzelniere, nach Nierentransplantation, Schwangerschaft, Stillzeit. Vorsicht bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen, obstruktiven Lungenerkrankungen.
AT1-Rezeptor-Antagonisten Die Wirkungen von Angiotensin II werden über zwei Rezeptortypen vermittelt: 4 AT1-Rezeptor 5 Vasokonstriktion (Blutdrucksteigerung) 5 Hypertrophie von Gefäß- und Herzmuskel 5 Förderung der Aldosteronfreisetzung in der Nebenniere (Blutdrucksteigerung) 5 Zentrale Dursterzeugung 4 AT2-Rezeptor 5 Antihypertrophe Wirkung 5 Antiischämische Wirkung 5 Blutdruck- und frequenzsenkende Effekte Therapeutisch interessant sind somit Angiotensin-IIRezeptor-Antagonisten, die selektiv AT1-Rezeptoren blockieren. Losartan Wirkort. AT1-Rezeptoren von Angiotensin II. Wirkmechanismus. Blockade der AT1-Rezeptoren von Angiotensin II und somit Hemmung der entsprechenden Wirkungen von Angiotensin II. Pharmakokinetik. Sehr hohe Proteinbindung, Bildung eines aktiven Metaboliten (10- bis 40-fach stärker).
382
6
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Wirkung. Abnahme des peripheren Widerstandes, Senkung des Blutdrucks, Zunahme der Salz- und Wasserausscheidung, leicht urikosurischer Effekt.
> Vorteil gegenüber ACE-Hemmern ist, dass keine Hemmung des Kininabbaus stattfindet und somit kein trockener Reizhusten als Nebenwirkung auftritt.
> AT1-Rezeptor-Antagonisten können im Gegensatz zu ACE-Hemmern die Wirkungen von Angiotensin II vollständig unterdrücken und so theoretisch eine größere maximale Wirkung erzielen.
Kontraindikationen. Nierenarterienstenose, schwere Leber- und Niereninsuffizienz, nach Nierentransplantation, hypertrophe Kardiomyopathie, Schwangerschaft und Stillzeit.
Anwendung. Hypertonie, Herzinsuffizienz (Kombination mit Diuretika und Herzglykosiden), diabetische Nephropathie.
! Cave
Nebenwirkungen. Geschmacksstörungen,
Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Muskelkrämpfe.
Das Ausmaß der Blutdrucksenkung ist von dem Aktivitätszustand des RAA-Systems abhängig. Bei Salzund Wasserverlusten, Diuretikavorbehandlung oder Herzinsuffizienz z. B. ist das System aktiviert, eine Behandlung mit ACE-Hemmstoffen oder AT1-Rezeptor-
6
. Tab. 6.5. Unterschiedliche Kalziumkanalblocker-Typen Nifedipin-Typ (besonders wirksam am Gefäß)
Verapamil-Typ (besonders wirksam am Herzen)
Diltiazem-Typ (besonders wirksam am Herzen)
Wirkort
Kalziumkanäle
Wirkmechanismus
Durch Verringerung des Kalziumioneneinstroms durch den sog. langsamen, spannungsabhängigen L-Typ-Kalziumkanal wird der transmembrane Kalziuminflux teilweise gehemmt (andere Ionenströme bleiben unverändert!)
Pharmakokinetik
Oral gute Resorption, hoher First-pass-Effekt, t1/2 = 4–5 h, vorwiegend renale Elimination
Wirkung
Aktivität der kalziumabhängigen Myosin-ATPase wird verringert, wodurch der Sauerstoffbedarf abnimmt. Am Gefäßmuskel kommt es zu einer Herabsetzung des Gefäßmuskeltonus, was zu einer Vasodilatation führt. Abnahme des peripheren Widerstandes, blutdrucksenkende Wirkung1. Die Herzarbeit wird somit direkt verringert (negativ-inotrop)
Oral gute Resorption, sehr hoher First-pass-Effekt, t1/2 = 3– 7 h, vorwiegend renale Ausscheidung
Oral fast vollständige Resorption, hoher First-passEffekt, t1/2 = 4–5 h, vorwiegend renale Ausscheidung
Am Sinusknoten negativ-chronotop, am AV-Knoten negativ-dromotrop Anwendung
Koronare Herzerkrankungen, Angina pectoris, arterielle Hypertonie Raynaud-Syndrom
Nebenwirkungen
Unerwünschter Blutdruckabfall Reflektorische Herzfrequenzsteigerung, Kopfschmerzen, gastrointestinale Störungen
Kontraindikationen
1
Tachykarde supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen
Überleitungsstörungen, Bradykardien, AV-Block, Obstipation, Verstärkung einer Herzinsuffizienz, Hautrötung
Schwere Hypotonie (systolisch <90 mmHg) Herz-Kreislauf-Schock, Aortenstenose, Schwangerschaft, Stillzeit
AV-Block 2. und 3. Grades, dekompensierte Herzinsuffizienz, Sinusknotensyndrom
Je höher der Ausgangsblutdruck, desto höher der blutdrucksenkende Effekt.
383 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
Antagonisten kann bei Therapiebeginn einen zu starken Blutdruckabfall herbeiführen – bei diesen Patienten ist nach der ersten Dosis für mehrere Stunden eine ärztliche Überwachung notwendig!
Kalziumkanalblocker Die verschiedenen Typen der Kalziumkanalblocker sind in . Tab. 6.5 zusammengefasst.
6
Wirkmechanismus. Aktivierung des ATP-abhängigen
Kaliumkanals. Es kommt zu einer Zunahme des Membranruhepotenzials (Hyperpolarisation) der glatten Gefäßmuskulatur. Folge ist ein verminderter Einstrom von Ca2+-Ionen durch spannungsabhängige Kalziumkanäle. Die verringerte intrazelluläre Ca2+-Konzentration bewirkt besonders in Arteriolen eine Abnahme des Tonus der glatten Muskulatur und damit eine Blutdrucksenkung.
! Cave Verapamil darf nie zusammen mit β-Blockern i.v. verabreicht werden – Gefahr eines kompletten AVBlocks! Alle Kalziumkanalblocker werden durch CYP3A4 verstoffwechselt – Gefahr von Arzneimittelinteraktionen mit Substanzen, die dieses Enzym hemmen (z. B. Grapefruitsaft) oder stimulieren.
Pharmakokinetik. Fast vollständige Resorption, Bio-
transformation zu aktivem Metaboliten Minoxidilsulfat, t1/2 = 4 h, Wirkdauer >24 h (aufgrund des Minoxidilsulfats), Elimination weitgehend renal. Wirkung. Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur der Arteriolen, Senkung des peripheren Widerstands und somit blutdrucksenkende Wirkung.
Dihydralazin Wirkort. Glatte Muskulatur.
Anwendung. Therapieresistente, schwere Hypertonie.
Wirkmechanismus. Molekularer Wirkmechanismus
Nebenwirkungen. Salz- und Wasserretention, reflekto-
unbekannt. Evtl. Hemmung der IP3-vermittelten Kalziumfreisetzung aus dem endoplasmatischen Retikulum.
rische Tachykardie, Angina pectoris, gastrointestinale Beschwerden, Hypertrichose, lokale Anwendung bei Alopezie (geringe Erfolgsquote).
Pharmakokinetik. Schnelle Resorption, durch Azetylierung First-pass-Effekt (bei Schnell- und Langsamazetylierern unterschiedlich stark ausgeprägt), t1/2 = 1–2 h, Wirkdauer 6–8 h.
> Aufgrund der Nebenwirkungen und der Gegenregulation des Organismus meist Kombination von Minoxidil mit anderen Hypertonika, die die Kreislaufreflexe unterdrücken.
Wirkung. Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur der Arteriolen, Senkung des peripheren Widerstands und somit blutdrucksenkende Wirkung.
Kontraindikationen. Pulmonale Hypertonie bei Mit-
Anwendung. Hypertonie, hypertensive Gestosen.
ralstenose, Angina pectoris, Phäochromozytom. Strenge Indikation in Schwangerschaft und Stillzeit. Nitrate Wirkort. Zytosolische Guanylatzyklase.
Nebenwirkungen. Steigerung der Herzfrequenz, Erhöhung des Schlagvolumens, Na+- und Wasserretention (Ödembildung), Lupus erythematodes, Kopfschmerzen, Schwindel, gastrointestinale Beschwerden. > Aufgrund der Nebenwirkungen und der Gegenregulation des Organismus meist Kombination von Hydralazin mit anderen Hypertonika, welche die Kreislaufreflexe unterdrücken.
Wirkmechanismus. Die eigentliche Wirkform ist das Stickstoffmonoxid (NO) (. Abb. 6.4). NO regt die zytosolische Guanylatzyklase an, welche die Umwandlung von Guanosintriphosphat (GTP) zu zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) katalysiert. cGMP fördert die Abnahme der intrazellulären Ca2+Konzentration, somit eine Herabsetzung des Gefäßtonus.
Kontraindikationen. Lupus erythematodes, Aortena-
Pharmakokinetik und Anwendung (Koronarerkran-
neuryma, Herzklappenstenosen, Tachykardie, hypertrophe Kardiomyopathie.
kungen). . Tab. 6.6.
Minoxidil Wirkort. Glatte Muskulatur.
Wirkung. Es kommt zur Venendilatation und damit vermehrten Blutaufnahme im venösen Teil des Gefäßsystems. Folge ist ein veminderter Rückstrom
384
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
6
. Abb. 6.4. Wirkungsweise organischer Nitroverbindungen. Organische Nitroverbindungen wirken gefäßerweiternd und koronardilatierend durch Ausnutzung des endogenen EDRF-cGMP-Systems: Die NO-Synthase (NOS) der Endothelzelle bildet aus Arginin das NO-Radikal, das in die Muskelzelle diffundiert und dort die lösliche Guanylzyklase (GC) stimuliert. Der Anstieg der cGMP relaxiert die glatte Muskulatur über mindestens zwei Mechanismen: eine cGMP-abhängige Proteinkinase (PK) phosphoryliert den kalziumabhängigen Kaliumkanal. Die Kaliumleitfähigkeit nimmt zu, und die Zellmembran wird hyperpolarisiert, die Öffnungswahrscheinlichkeit des spannungsabhängigen LTyp-Kalziumkanals nimmt ab, die Zelle relaxiert. Als weiterer Mechanismus wurde eine Senkung der zytosolischen Kalziumkonzentration durch eine verminderte agonistinduzierte
Freisetzung von Inositoltriphosphat (IP3) aus Phosphatidylinositoldiphosphat identifiziert. Als molekularer Mechanismus konnte eine Phosphorylierung des G-Proteins (G), das membranständige Rezeptoren mit der Phospholipase C (PLC) koppelt, wahrscheinlich gemacht werden. SR Kalziumspeicher des sarkoplasmatischen Retikulums. Als weiterer relaxierender Mechanismus wird eine Stimulation des Kalziumexports diskutiert. Organische Nitroverbindungen vom Typ der Nitrate, wie Glyzeroltrinitrat (GTN) oder Isosorbiddinitrat (ISDN), werden in der Muskelzelle durch eine Zytochrom-P450-abhängige Reaktion gespalten. Es entsteht ein Sulfhydrylintermediat (RSNO), das No freigibt. Die Freisetzung von NO aus Molsidomin bedarf nicht der Bildung eines Sulhydrylintermediates. (Aus Oberdisse, Hackenthal, Kuschinsky 2002)
zum Herzen, das Füllungsvolumen wird herabgesetzt, die diastolische Wandspannung verringert. Kurzfristig wird der Aortendruck erniedrigt, peripherer Widerstand und systolische Wandspannung nehmen ab. Nitrate erweitern außerdem die epikar-
dialen Koronararterien und beseitigen Koronarspasmen. Durch Vor- und Nachlastreduktion – wobei die Herzarbeit verringert wird – kommt es zur Abnahme des O2-Bedarfs des Herzens. Durch Senkung der extravasalen Komponente des Koronarwider-
385 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
. Tab. 6.6. Pharmakokinetik verschiedener Nitrate Glyzeroltrinitrat
Isosorbiddinitrat
Isosorbid-5-mononitrat
Wirkeintritt
1–3 min (sublingual)
10–30 min (p.o.) 1–3 min (sublingual)
10–30 min (p.o.) 1–3 min (sublingual)
Wirkdauer
20–30 min (sublingual)
8–10 h (p.o.) 1–2 h (sublingual)
8–16 h (p.o.) 4–6 h (sublingual)
Anwendung
Als Zerbeißkapsel oder Spray bei akutem Angina-pectoris-Anfall (!), perkutan zur Angina-pectoris-Prophylaxe, akute Linksherzinsuffizienz, frischer Myokardinfarkt, Kolikschmerzen
Akuter Angina-pectoris-Anfall, Angina-pectoris-Prophylaxe, akuter Myokardinfarkt, akute und chronische Myokardinsuffizienz
Angina-pectorisProphylaxe
stands wird eine Verbesserung des O2-Angebots erzielt.
Kontraindikationen. Schwere hypotone Zustände (besonders Schock), hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie, ausgeprägte Hypotonie.
! Cave Bei hoher Dosierung bzw. Dauertherapie wird meist (bereits nach 24 h) eine deutliche Abschwächung der Nitratwirkung festgestellt (Nitrattoleranz!). Um wieder einen vollen Wirkeffekt zu erzeugen, ist eine intermittierende Gabe – nitratfreies Intervall von 6–8 h z. B. nachts – erforderlich.
Nebenwirkungen. Kopfschmerzen (»Nitratkopfschmerz«), Blutdruckabfall, Schwindel, Übelkeit, Reflextachykardie.
Molsidomin Zur Überbrückung der nächtlichen Nitratpause und zur Angina-pectoris-Prophylaxe wird das Prodrug Molsidomin verabreicht. Die Wirkung beruht auf einer Vasodilatation (besonders im venösen Bereich), der vorlastsenkende Effekt ist stärker als bei Nitraten. Aufgrund der Nebenwirkungen (im Tierversuch Verdacht auf kanzerogene Wirkung) soll Molsidomin nur bei älteren Patienten oder bei Patienten, die andere Pharmaka nicht vertragen bzw. bei denen sie nicht ausreichend wirksam sind, angewandt werden.
In Kürze Vasodilatanzien 4 ACE-Hemmstoffe, z. B. Captopril: Hypertonie, Herzmuskelinsuffizienz, linksventrikuläre Dysfunktion nach Myokardinfarkt, diabetische Nephropathie 4 AT1-Rezeptor-Antagonisten, z. B. Losartan: Hypertonie, Herzinsuffizienz, diabetische Nephropathie 4 Kalziumkanalblocker, z. B. Verapamil: Koronare Herzerkrankungen, Angina pectoris, arterielle Hypertonie, tachykarde supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen
4 Dihydralazin: Hypertonie, hypertensive Gestosen 4 Minoxidil: therapieresistente, schwere Hypertonie 4 Nitrate, z. B. Glyzeroltrinitrat (. Tab. 6.6): akuter Angina-pectoris-Anfall, Angina-pectoris-Prophylaxe, akute Linksherzinsuffizienz, frischer Myokardinfarkt, Kolikschmerzen 4 Molsidomin: Angina-pectoris-Prophylaxe, zur Überbrückung der nächtlichen Nitratpause
386
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
6.2.5
Medikamente mit Einfluss auf die Herzfunktion
6.2.5.1 Herzglykoside Digoxin und Digitoxin Wirkort. Myokard.
6
Wirkmechanismus. Herzgylokoside binden an die membranständige magnesiumabhängige Na+/K+ATPase und blockieren diese teilweise. Die Wirkung ist von der Gylokosidkonzentration abhängig. Durch diese Blockade wird der Na+-Transport nach extrazellulär und der K+-Transport nach intrazellulär gebremst. Durch die steigende intrazelluläre Na+-Konzentration werden weniger Ca2+-Ionen über den Na+/Ca2+-Austauscher in den Extrazellularraum befördert. In der Diastole werden mehr Ca2+-Ionen im sarkoplasmatischen Retikulum gespeichert, in der folgenden Systole dementsprechend mehr Ca2+-Ionen freigesetzt. Folge ist eine erhöhte elektromechanische Kopplung und somit eine gesteigerte Kraftentwicklung.
. Tab. 6.7. Pharmakokinetischer Vergleich von Digoxin und Digitoxin Digoxin
Digitoxin
Wirkungseintritt
3–30 min (i.v.) 60–180 min (p.o.)
25–120 min (i.v.) 180–300 min (p.o.)
Wirkungsmaximum
1–6 h (i.v.) 3–6 h (p.o.)
4–12 h (i.v.) 8–12 h (p.o.)
Halbwertszeit (t1/2)
33–50 h
120–190 h
Wirkdauer
4–8 Tage
14–21 Tage1
Elimination
60% renal2
35% renal
1
2
Beim Absetzen von Digitoxin muss die Ausscheidung durch Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs mittels Cholestyramin beschleunigt werden. Bei Niereninsuffizienz Reduktion der Digoxindosis, um toxische Nebenwirkungen zu vermeiden – bei Digitoxin nicht notwendig!
Pharmakokinetik. . Tab. 6.7. Wirkung. Kontraktionskraft und Auswurfleistung des
Nebenwirkungen. Arrhythmien, Kopfschmerzen, Be-
Herzens wird erhöht (positiv-inotrop), Schlagfrequenz gesenkt (negativ-chronotrop), Erregungsleitung gehemmt (negativ-dromotrop) und durch Senkung der Reizschwelle eine heterotrope Erregungsbildung gefördert (positiv-bathmotrop). Der positiv-bathmotrope Effekt ist unerwünscht, er kann zu Extrasystolen und zu Kammerflimmern führen. Verstärkte Diurese ist Folge der verbesserten Herzleistung.
nommenheit, Farbsehstörungen (Gelbsehen), Übelkeit, Erbrechen.
! Cave Kalzium fördert die Digitaliswirkung, Kalium hemmt die Digitaliswirkung.
! Cave Geringe therapeutische Breite der Herzglykoside!
Kontraindikationen. Schwere Bradykardie, ventrikuläre Rhythmusstörungen, hypertrophisch obstruktive Kardiomyopathie.
6.2.5.2 Antiarrhythmika Herzrhythmusstörungen 7 Kap. Innere Medizin, 1.11 und 1.12.
Anwendung. Herzinsuffizienz Stadium III und IV
NYHA (Kombination mit anderen Pharmakaklassen), supraventrikuläre Tachykardie, Tachyarrhythmien, Vorhofflattern, -flimmern. Durch Herzglykoside wird das Leben der Patienten nicht verlängert, die Krankenhausaufenthalte können jedoch reduziert werden.
Klasse-I-Antiarrhythmika
Natriumkanalblocker Über die unterschiedlichen Typen der Klasse-I-Antiarrhythmika informiert . Tab. 6.8. Klasse-II-Antiarrhythmika
> Der therapeutische Spiegel von Digoxin liegt bei 0,7– 2,0 ng/ml und von Digitoxin bei 10–25 ng/ml. Eine vorsichtige Dosierung und klinische Beobachtung ist indiziert bei: Hypokaliämie, Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Myokarditis, Koronarer Herzerkrankung infolge eines ATP-Mangels, Untergewicht, Patienten über 70 Jahren.
β-Adrenorezeptorenblocker (7 Kap. 6.2.1) β1-selektive Wirkstoffe sollten bevorzugt werden. Aufgrund ihrer antiadrenergen Wirkung werden diese Substanzen zur Therapie von Sinustachykardien, supraventrikulären paroxysmalen Tachykardien und ventrikulären Extrasystolen eingesetzt. Die Wirkung beruht auf einer Blockade des durch Ca2+ vermittelten
387 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
. Tab. 6.8. Unterschiede der Klasse-I-Antiarrhythmika
Wirkort
Klasse I-A (z. B. Chinidin)
Klasse I-B (z. B. Lidocain)
Klasse I-C (z. B. Flecainid)
Artrial wirksam
Ventrikulär wirksam
Artrial wirksam
+
Wirkmechanismus
Durch Blockade von Na -Kanälen Abnahme der Aufstrichgeschwindigkeit, dies hat eine Verringerung der Leitungsgeschwindigkeit zur Folge. Zusätzlich kommt es zu einem langsameren Anstieg des Generatorpotenzials, einer Erhöhung der Depolarisationsschwelle, einem Anstieg der Gesamtrefraktärzeit und einer Senkung der Kontraktionskraft des Herzens
Pharmakokinetik
Gute Resorption, Wirkungsdauer 6–8 h
Hoher First-pass-Effekt (p.o.), schneller Wirkungseintritt (i.v.)
Rasche Resorption (p.o.), t1/2 = 14–20 h1
Wirkung
Blockade des schnellen Na+-Einstroms, Aktionspotenzial wird verlängert. Anticholinerge Wirkung am AV-Knoten
Depolarisationsgeschwindigkeit wird bei niedrigem Membranruhepotenzial stärker herabgesetzt, Erholungszeit der Na+Kanäle bei hohen Frequenzen wird verlängert, Aktionspotenzial wird verkürzt
Aktionspotenzial wird wenig beeinflusst, der schnelle Na+Einstrom wid stark geblockt
Anwendung
Vorhofflattern, -flimmern, supraventrikuläre2 und ventrikuläre Tachykardien, Extrasystolen
Ventrikuläre Extrasystolen und Tachykardie (wenn lebensbedrohlich)
Supraventrikuläre Tachykardie (Indikation stark eingeschränkt)
Nebenwirkungen
Blutdruckabfall, gastrointestinale Beschwerden, Mundtrockenheit, Miktions- und Akkomodationsstörungen, zentralnervöse Störungen
Kontraindikationen
1 2
Allergische Reaktionen, Kopfschmerzen
Krämpfe (hohe Dosen), Bradykardie
Doppelsehen, Kopfschmerzen
Dekompensierte Herzinsuffizienz, Bradykardie, Erregungsleitungsstörungen, Digitalis-Intoxikation
Herzinsuffizienz, AV-Block II. und III. Grades, Bradykardie, kardiogener Schock
Nicht kompensierte Myokardinsuffizienz, Bradykardie, SA-Blockierung, ausgeprägte Hypotonie
Bei Nieren- und Herzinsuffizienz Dosisreduktion bzw. Verlängerung des Dosierungsintervalls. Digitalisierung vor Behandlungsbeginn empfohlen, um Erhöhung der Kammerfrequenz entgegenzuwirken.
arrhythmogenen Katecholamineffekts. Die AV-Überleitung wird herabgesetzt. Da β-Blocker im Vergleich zu den anderen Antiarrhythmika gut verträglich sind, gelten sie als Basisantiarrhythmika. > Außer bei β-Adrenorezeptorenblocker (Klasse-II-Antiarrhythmika) und Amiodaron (Klasse-II-Antiarrhythmika) konnte bei Antiarrhythmika keine Reduktion der Mortalität festgestellt werden.
Wirkmechanismus. Blockade der Kaliumkanäle. Pharmakokinetik. Wegen hoher Lipophilie Verteilung in allen Geweben. Wirkungseintritt p.o. nach 4–10 Tagen. ! Cave Sehr hohe Halbwertszeit von t1/2 = 14–28 Tagen (bei Dauertherapie) und starke Anreicherung im Gewebe machen den Wirkstoff schwer steuerbar.
Klasse-III-Antiarrhythmika
Amiodaron Wirkort. Kaliumkanäle.
Wirkung. Aktionspotenzial, effektive Refraktärzeit in Vorhof, Reizleitungssystem und Ventrikel werden verlängert.
388
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Anwendung. Supraventrikuläre und ventrikuläre Ar-
Klasse-IV-Antiarrhythmika
rhythmien und Extrasystolen.
Kalziumkanalblocker (7 Kap. 6.2.4) wie Verapamil, Gallopamil, Diltiazem. Durch Hemmung des langsamen, spannungsabhängigen Ca2+-Kanals und damit des Ca2+Ioneneinstroms wird die Depolarisationsgeschwindigkeit langsamer Aktionspotenziale im Sinus- und AVKnoten herabgesetzt und die atrioventrikuläre Überleitung verlängert. Die effektive Refraktärzeit wird erhöht und Nachpotenziale, welche Rhythmusstörungen verursachen können, unterdrückt. Klasse-IV-Antiarrythmika sind bei supraventrikulären Tachykardien indiziert.
Nebenwirkungen. Herzrhythmusstörungen (lebens-
bedrohlich), gelbbraune Ablagerungen auf der Hornhaut, Photosensibilität, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Neuropathien, Atembeschwerden, Leberfunktionsstörungen, gastrointestinale Beschwerden, zentralnervöse Störungen.
6
> Aufgrund der schwerwiegenden Nebenwirkungen und der besonderen Pharmakokinetik gilt für Amiodaron eine strenge Indikationsstellung und möglichst niedrige Dosierung!
Herzglykoside
leitungsstörungen, Iodallergie, Schilddrüsenerkrankungen, Frauen im gebärfähigen Alter.
Herzglykoside (als Antiarrhythmika) können bei supraventrikulären tachykarden Herzrhythmusstörungen, bei Vorhofflimmern und -flattern mit schneller AV-Überleitung zur Erniedrigung der Ventrikelfrequenz verabreicht werden.
> Sotalol ist der bislang einzige β-Blocker, der typische Eigenschaften eines Klasse-III-Antiarrhythmikums aufweist.
> Viele Patienten mit Herzrhythmusstörungen sind herzgesund und bedürfen keiner Behandlung mit Antiarrhythmika.
Kontraindikationen. Bradykardie, intrakardiale Reiz-
In Kürze Antiarrhythmikaklassen Klassen
Beispiel
Wirkung
Klasse IA
Chinidin
Verlängerung des Aktionspotenzials, mittelstarke Na+-Einstromblockade. Leitungsverzögerung
Klasse IB
Lidocain
Verkürzung des Aktionspotenzials, schwache Na+-Einstromblockade. Geringe Leitungsverzögerung
Klasse IC
Flecainid
Unveränderte Aktionspotenzialdauer, starke Na+-Einstromblockade. Starke Leitungsverzögerung
Klasse II
Propranolol
Blockade des durch Ca2+ vermittelten arrhythmogenen Katecholamineffektes. AVÜberleitung wird herabgesetzt
Klasse III
Amiodaron
Hemmung des K+-Ausstroms in der Repolarisationsphase mit verlängerter Aktionspotenzialdauer
Klasse IV
Verapamil
Hemmung des langsamen Ca2+-Einstroms. Verminderung der Erregungsbildung und -ausbreitung
389 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6.2.6 Medikamente mit Einfluss
auf das Blut Eisen (z. B. Eisen(II)-sulfat) Wirkort. Blut.
6
Nebenwirkungen. Blutungen jeglicher Art, gastrointes-
tinale Beschwerden, Kopfschmerzen, Schwindel, Parästhesien. Kontraindikationen. Schwere Leberfunktionsstörungen, akute Blutungen, Schwangerschaft, Stillzeit.
Wirkmechanismus. In der Mukosazelle wird Fe2+ zu
Fe3+ oxidiert, das an Transferrin gebunden die Transportform des Eisens im Blut darstellt.
> Eines der weitverbreitesten Thrombozytenaggregationshemmer ist der Zyklooxygenasehemmstoff Azetylsalizylsäure.
Pharmakokinetik. Gute Resorption. > Bei der oralen Applikation sollte aufgrund der schlechten Bioverfügbarkeit von dreiwertigem Eisen nur zweiwertiges Eisen verabreicht werden.
Wirkung. Eisenersatz. Anwendung. Eisenmangelanämie, Eisenmangel, erhöhter Eisenbedarf (Gravidität, Stillzeit, Jugendliche in Wachstumsphase, Blutspender). Nebenwirkungen. Magen-Darm-Störungen (p.o., par-
enteral), Gefäßwandschädigung (parenteral), Muskelund Gelenkschmerzen (parenteral), starker Blutdruckabfall (Überdosierung). Kontraindikationen. Chronische Hämolyse, Hämochromatose, sideroachrestische Anämie, Bleianämie, Thalassämie.
Thrombozytenaggregationshemmer/ Antikoagulanzien/Fibrinolytika Thrombozytenfunktionshemmer (z. B. Clopidogrel) Wirkort. Adenosinphosphatrezeptoren.
Phenprocoumon (z. B. Cumarinderivat) Wirkort. Gerinnungsfaktoren im Blut. Wirkmechanismus. Phenprocoumon greift in die post-
translationale Prozessierung von Gerinnungsfaktoren ein. Die Vitamin-K-vermittelte γ-karboxylierung von Glutaminsäure in die Gerinnungsfaktorenvorstufen wird unterbunden, indem für kurze Zeit die Regenerierung von Vitamin-K-Hydrochinon aus Vitamin-K-Epoxid geblockt wird. Pharmakokinetik. Schnelle Resorption (p.o.), sehr hohe Plasmaeiweißbindung, t1/2 = 7–14 Tage. Biotransformation, Metaboliten werden vorwiegend renal ausgeschieden. Wirkung. Als Vitamin-K-Antagonist hemmt Phenpro-
coumon die Biosynthese der Gerinnungsfaktoren II (Prothrombin), VII, IX und X in der Leber mit einer Latenzzeit von 1–3 Tagen. > Vitamin K als Antidot – jedoch muss auch hier mit einer Latenzzeit gerechnet werden: Ist eine sofortige Wiederherstellung der Blutgerinnung erforderlich, müssen Gerinnungsfaktoren bzw. Bluttransfusionen gegeben werden.
Wirkmechanismus. Selektive Blockade der Bindung
von Adenosinphosphat an seine Rezeptoren auf Thrombozyten. Dadurch unterbleibt die ADP-induzierte Vernetzung der Thrombozyten über GP-IIb/IIIa-Rezeptorkomplex.
Anwendung. Thromboseprophylaxe, Langzeitbehandlung von Herzinfarkt, Thrombosen und Embolien.
Pharmakokinetik. Prodrug, t1/2 = 8 h.
Kontraindikationen. Erhöhte Blutungsbereitschaft, Magen-Darm-Ulzera, Hypertonie, Apoplexie, zentralnervöse Störungen, Retinopathien mit Blutungsneigung, Schwangerschaft, Stillzeit.
Wirkung. Thrombozytenaggregationshemmende Wir-
kung. Anwendung. Ischämischer Schlaganfall, Herzinfarkt,
periphere arterielle Verschlusskrankheit, akutes Koronarsyndrom (Kombination mit ASS), Vorbeugung von Re-Stenosen nach Stent-Implantation.
Nebenwirkungen. Blutungen jeglicher Art.
Heparine (körpereigenes Antikoagulans) Man unterscheidet unfraktioniertes (Standardheparin) und fraktioniertes Heparin. Wirkort. Gerinnungssystem.
390
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Wirkmechanismus. Indirekter Thrombinhemmer. Ak-
tivierung von Antithrombin III, welches Thrombin und andere Serin-Proteasen blockiert (nur bei Heparinen mit einer Kettenlänge von mindestens 18 Monomeren). Zusätzliche Hemmung der Gerinnungsfaktoren Xa und IXa (auch bei kurzkettigen Heparinen). In hohen Konzentrationen hemmen Heparine die Plättchenaggregation, die Blutungszeit wird dadurch verlängert.
6
Pharmakokinetik. Kurzkettige Heparine werden langsamer eliminiert, so dass meist eine einmalige Applikation am Tag ausreicht. Die Wirksamkeit kurzkettiger Heparine ist besser vorhersehbar, bei langkettigen Heparinen hingegen ist oft ein intensives Monitoring erforderlich. > Heparine wirken sofort nach Applikation! Nachteil ist der schnelle Abbau im Organismus, so dass die Wirkung nur wenige Stunden anhält. Heparine können zur systemischen Anwendung nur parenteral appliziert werden. Ob topisch appliziertes Heparin seinen Wirkort erreicht, ist fraglich.
Wirkung. Hemmung der Blutgerinnung. Anwendung. Prä- und postoperative Thrombose- und
Embolieprophylaxe, instabile Angina pectoris, Akutphase des Herzinfarkts, disseminierte intravasale Gerinnung, zur Heparinisierung bei Verwendung der Herz-Lungen-Maschine.
Wirkung. Hemmung der Blutgerinnung. Anwendung. Gerinnungshemmung bei Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie vom Typ II, instabile Angina pectoris, Herzinfarkt. Nebenwirkungen. Blutungen jeglicher Art, teils allergi-
sche Reaktionen. > Aprotinin als Gegenmittel!
Kontraindikationen. Schwangerschaft, Stillzeit. Vorsicht bei Nieren- und Leberfunktionsstörungen.
Fibrinolytika Bei Thrombenbildung im Gefäß reichen die bereits beschriebenen Antikoagulanzien nicht mehr aus. Plasminogenaktivatoren (indirekte Fibrinolytika) führen meist zu einer Fibrinolyse und damit zu einer Thrombolyse. Ein schneller Therapiebeginn ist für die Erfolgschancen entscheidend. Folgende Substanzen finden Anwendung: 4 Urokinase (körpereigen) 4 Gewebeplasminogenaktivator (körpereigen) 4 Streptokinase (körperfremd) 4 Anistreplase (Anisoyl-Plasminogen-StreptokinaseAktivator-Komplex (APSAC), körperfremd) ! Cave Aufgrund der Blutungsgefahr dürfen Fibrinolytika nur stationär verabreicht werden.
Nebenwirkungen. Blutungen jeglicher Art, heparinindu-
Anwendung. Frischer Myokardinfarkt, akute Ver-
zierte Thrombozytopenie (selten, aber gefährlich!), allergische Reaktionen, Osteoporose (Langzeitbehandlung).
schlüsse von Extremitätenarterien, frische Venenthrombosen des Beckens und der Extremitäten, Lungenembolie, Thrombosierung von arteriovenösen Shunts bei Dialysepatienten.
> Protaminsulfat als sofort wirksames Antidot: 10 mg Protaminsulfat neutralisieren etwa 1000 I.E. Heparin.
Nebenwirkungen. Blutungen jeglicher Art, teils allergiKontraindikationen. Erhöhte Blutungsneigung, Ma-
sche Reaktionen.
gen-Darm-Ulzera, Abortus imminens, schwere Leber-, Nieren-, Pankreaserkrankungen, Alkoholismus.
Kontraindikationen. Erhöhte Blutungsneigung, Ma-
Hirudin (Teil des Drüsensekrets des Blutegels; z. B. Lepirudin (Hirudinderivat) Wirkort. Gerinnungssystem. Wirkmechanismus. Direkter Thrombinhemmer. Durch Bindung an das aktive Zentrum von Thrombin wird die Aktivität von Thrombin reduziert und die Blutgerinnung sofort gehemmt. Pharmakokinetik. t1/2 = 1,3 h, Elimination vorwiegend
renal.
gen-Darm-Ulzera, Abortus imminens, schwere Leber-, Nieren-, Pankreaserkrankungen, Alkoholismus. Infusionslösungen (Plasmaersatz) Zur Verfügung stehen verschiedene Arten von Infusionslösungen: 4 Grundlösungen (elektrolytfreie Kohlenhydratlösungen) 4 Basislösungen (2–3 l decken den normalen Tagesbedarf an Wasser und Elektrolyten) 4 Isotone Elektrolytlösungen (osmotischer Druck gleich dem des Plasmas)
391 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
4 Elektrolytkonzentrate (erforderliche Ionen in konzentrierter Lösung) 4 Halbelektrolytlösungen (halber Elektrolytgehalt des Plasmas) 4 Vollelektrolytlösungen (Elektrolytgehalt des Plasmas)
6
4 Ersatzlösungen (zum Ersatz von Magensaft oder Dünndarmsekret) 4 Korrekturlösungen (zum Ausgleich von pH-Verschiebungen) Anwendung. Störungen des Wasser- und Elektrolyt-
haushalts, Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts.
In Kürze Medikamente mit Einfluss auf das Blut 4 Eisen: Eisenmangelanämie, erhöhter Eisenbedarf 4 Thrombozytenfunktionshemmer – z. B. Clopidogrel: ischämischer Schlaganfall, Herzinfarkt, pAVK, akutes Koronarsyndrom, Vorbeugung von re-Stenosen nach Stentimplantation 4 Antikoagulanzien – Phenprocoumon: Thromboseprophylaxe, Langzeitbehandlung von Herzinfarkt, Thrombosen und Embolien – Heparine: Prä- undpostoperative Thromboseund Embolieprophylaxe, instabile Angina pectoris, akuter Herzinfarkt, etc.
6.2.7 Vitamine/Mineralien Vitamine Fettlösliche Vitamine sind in . Tab. 6.9 zusammengefasst. Es gibt eine Vielzahl wasserlöslicher Vitamine. Sie spielen medizinisch nur in Ausnahmezuständen eine Rolle, da der Tagesbedarf bei Gesunden durch die Nahrung abgedeckt werden kann. Ausnahmen sind z. B. erhöhter Vitaminbedarf in Schwangerschaft und Stillzeit (u. a. Folsäure), erhöhter Vitamin-B12-Bedarf bei gastrektomierten Patienten.
– Hirudin: Gerinnungshemmung bei Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie vom Typ II, instabile Angina pectoris, Herzinfarkt 4 Fibrinolytika: frischer Herzinfarkt, akute Arterienverschlüsse peripher, Frische Venenthrombosen, Lungenembolie etc. – Urokinase – Gewebeplasminogenaktivator – Streptokinase – Anistreplase 4 Infusionslösungen
Wirkmechanismus. Angriff an intrazellulären Rezeptoren und Beeinflussung der Genexpression, wodurch eine gesteigerte Zellproliferation gesenkt wird. Eingriff in Keratinbildung, Verlängerung der Reifungsphase von Sebozyten. Pharmakokinetik. Orale und systemische Applikation möglich, t1/2 = 10–20 h. Wirkung. Normalisierung von Wachstum und Diffe-
renzierung von Haut- und Schleimhautzellen, Senkung der Teilungsrate z. B. bei Psoriasis, Verminderung der Hornschicht, Reduktion der Talgproduktion, immunmodulierende und entzündungshemmende Wirkung.
> Die erwähnten Mangelerscheinungen können meist durch eine ausgewogene Ernährung verhindert werden. Eine Sonderstellung nimmt Vitamin D ein. Der hohe Vitamin-D-Bedarf in den ersten beiden Lebensjahren aufgrund mangelnder Eigenproduktion kann in unseren Breiten infolge der hohen UV-Absorption durch die starke Luftverschmutzung nicht ausreichend gedeckt werden. Zusätzliche Gabe ist besonders in der Stillzeit indiziert.
Anwendung. Akne vulgaris (lokal), Akne conglobata
Retinoide (Vitamin-A-Säure-Derivate, z. B. Isotretinoin) Wirkort. Haut.
Nebenwirkungen. Cheilitis, Pruritis, Desquamation, Haut- und Schleimhautreizungen, reversibler Haarausfall.
(p.o.), Akne fulminans (p.o.). > Nach Therapiebeginn kann es zu einem vorübergehenden »Aufblühen« der Akne kommen.
392
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.9. Fettlösliche Vitamine
6
Vitamin A
Vitamin D3
Vitamin E
Vitamin K
Synonym
Retinol
Cholekalziferol
Tocopherol
Antihämorrhagisches Vitamin
Tagesbedarf
1 mg
0,010 mg
10 mg
0,06 mg
physiologische Bedeutung
Körperwachstum, Wachstum und Differenzierung von Epithelzellen, Reproduktion, embryonale Entwicklung, Sehfunktion
Aufrechterhaltung des physiologischen Blutkalziumspiegel (verstärkter Knochenaufbau), wichtig für Proliferation und Differenzierung der Hautzellen, immunmodulierende Wirkung
Beteiligung an Oxidations-, Reduktionsvorgängen, antioxidative Wirkung als Radikalfänger
Wichtig für Synthese der Faktoren II, VII, IX, X, Protein C und S
Mangelkrankheit
Xerophthalmie, Hyperkeratose
Rachitis
Unbekannt
Blutgerinnungsstörungen
. Tab. 6.10. Mineralien Kalium
Magnesium1
Kalzium
Eisen
Tagesbedarf
2–4 g
0,25 g
0,8 g2
1–2 mg
Wirkort
Zellinneres
Zellinneres
Knochen, Zähne, Zellen
Eisenverwertende Zellen
Wirkmechanismus
Bestimmung von Elektroneutralität und Osmolarität, Beeinflussung von Enzymaktivitäten und Erregungsleitung der Nerven- und Muskelzelle
Beeinflussung vieler enzymatisch gesteuerter Vorgänge, Hemmung der präsynaptischen ACh-Freisetzung an der motorischen Endplatte
Verminderung der Membranpermeabilität u. Dämpfung der Erregbarkeit von Nerven- und Muskelzellen, elektromechanische Kopplung in Muskelzellen
Zur Synthese von Hämoglobin, Bestandteil von Myoglobin und eisenhaltigen Enzymen
Pharmakokinetik
Renale Ausscheidung
Renale Ausscheidung
Mäßige Resorption
Geringe Resorption3, Oxidation zu Fe3+
Anwendung
Hypokaliämie
Hypomagnesiämie, Praeklampsie, Eklampsie, Tokolyse
Hypokalzämie, Osteoporose, Tetanie
Eisenmangel. Erhöhter Eisenbedarf während Schwangerschaft und Stillzeit, in Wachstumsphasen bei Jugendlichen, bei Blutspendern
Nebenwirkungen
Übelkeit, Durchfall.
Bradykardie, AV-Block, Gefäßerweiterung
Hyperkalzämie, Obstipation
Gastrointestinale Störungen
Kontraindikationen
Hyperkaliämie bei z. B. Dehydratation, Morbus Addison, eingeschränkter Nierenfunktion
Myasthenia gravis, AVBlock
Hyperkalziämie, Knochenmetastasen, Niereninsuffizienz
Chronische Hämolyse, Hämochromatose, sideroachrestische Anämie, Bleianämie
1 2 3
Verwendung als Antazidum 7 Kap. 6.2.9. In Schwangerschaft, Stillzeit und Postmenopause erhöhter Bedarf. Resorptionsquote ist stark abhängig von z. B. Art der Nahrungsmittelzufuhr, chelatbildenden Pharmaka wie Tetrazyklinen, Al, Mg- und Ca-haltigen Antazida.
393 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
Kontraindikationen. Schwangerschaft, Stillzeit, Leber- und Niereninsuffizienz, manifester Diabetes, Fettsucht. ! Cave Aufgrund der teratogen Wirkung ist es wichtig, eine Schwangerschaft sicher auszuschließen.
6
Wirkung. Gesteigerte Diurese. Anwendung. Aufrechterhaltung des Harnflusses bei drohendem Nierenversagen, Organödeme (z. B. Hirnödem), forcierte Diurese, akuter Glaukomanfall. Nebenwirkungen. Akute Volumenbelastung bei zu
schneller Infusion. Mineralien Eine Übersicht über die wichtigsten Mineralstoffe liefert . Tab. 6.10.
Kontraindikationen. Kardial bedingtes Lungenödem, Anurie, kardiale Dekompensation, Dehydratationszustände.
In Kürze Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K spielen in der Pharmakotherapie eine Rolle (. Tab. 6.9); von den Mineralstoffen finden v. a. Kalium, Magnesium, Kalzium und Eisen Anwendung (. Tab. 6.10).
6.2.8 Diuretika Osmotische Diuretika (z. B. Mannit [Mannitol], Sorbit) Wirkort. Insbesondere proximaler Tubulus (. Abb. 6.5). Wirkmechanismus. Entsprechend ihrem osmotischen Druck halten sie Wasser im Tubuluslumen zurück. Pharmakokinetik. Nach i.v. Gabe erfolgt eine glomeruläre Filtration, keine tubuläre Rückresorption. Sie erscheinen im Endharn.
Carboanhydratasehemmstoffe (z. B. Acetazolamid) 4 Wirkort: proximaler Tubulus, Kammerwasserproduktion im Auge 4 Wirkmechanismus: Das Enzym Carboanhydrase fördert die Bereitstellung von H+-Ionen in den Tubuluszellen, die unter Na+-Ionen-Aufnahme in den Harn ausgeschieden werden. Enzymhemmung führt zu einer verringerten Rückresorption von Na+-Ionen. Die renale Ausscheidung von Na+-, K+-, HCO3--Ionen und Wasser steigt. 4 Wirkung: kurze Diurese, Senkung des intraokularen Drucks 4 Anwendung: als Diuretikum obsolet, Glaukom, Hirnödem, Sonderfälle der Epilepsie, Höhenkrankheit (wirksam, aber nicht zugelassen) 4 Nebenwirkungen: metabolische Azidose, Hypokaliämie, Hyperglykämie 4 Kontraindikationen: schwere Nieren- und Leberfunktionsstörungen, Hypokaliämie, Hyperkalzämie
. Abb. 6.5. Schematische Darstellung der Angriffspunkte verschiedener Diuretika. (Aus Oberdisse, Hackenthal, Kuschinsky 2002)
394
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Schleifendiuretika (z. B. Furosemid) Wirkort. Dicker aufsteigender Schenkel der HenleSchleife.
Nebenwirkungen. Wirksamkeitssteigerung nierentoxi-
Wirkmechanismus. Hemmung von Na+-, K+-, Cl--Ko-
Kontraindikationen. Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypocalzämie, Niereninsuffizienz mit Anurie, Leberkoma, Stillzeit.
transport, folglich vermehrte Ausscheidung dieser Elektrolyte mit Wasser.
mal-tubuläre Sekretion, t1/2 = 1–2,5 h.
Thiazide (z. B. Hydrochlorothiazid) Wirkort. Frühdistaler Tubulus.
Wirkung. Starke, forcierte Diurese, die nach ca. 4 h ab-
Wirkmechanismus. Resorptionsverminderung von
nimmt.
NaCl und Wasser durch Hemmung des Na+, Cl--Cotransports.
Pharmakokinetik. Glomeruläre Filtration, aktive proxi-
6
scher Substanzen, Hörverlust (reversibel), Hypokaliämie, Hyperglykämie, Hyperurikämie.
Anwendung. Ödeme, Lungenödem, Prophylaxe eines
akuten Nierenversagens, Nieren-, Herzinsuffizienz, hypertensive Krise, Hypertonie (wenn Thiaziddiuretika unwirksam), forcierte Diurese.
Pharmakokinetik. Glomeruläre Filtration, aktive Se-
> Stark wirksame Schleifendiuretika wie Furosemid sind zur akuten Ödemausschwemmung, bei Nieren- und Herzinsuffizienz indiziert, im Normalfall jedoch nicht zur Therapie der Hypertonie.
Wirkung. Gesteigerte Diurese.
kretion im proximalen Tubulus, Ausscheidung mit dem Endharn.
Anwendung. Hypertonie, Herzinsuffizienz, Ödemausschwemmung, Osteoporose, Diabetes insipidus.
. Tab. 6.11. Unterschiede verschiedener kaliumsparender Diuretika Aldosteronantagonisten (z. B. Spironolacton)
Zykloamidinderivate (z. B. Triamteren, Amilorid)
Wirkort
Distaler Tubulus und proximaler Teil des Sammelrohrs
Wirkmechanismus
Hemmung der Bindung von Aldosteron an dessen zytoplasmatischen Rezeptor. Aldosteron kann nicht in Zellkern eindringen, Synthese sog. Aldosteron-induzierter Proteine unterbleibt. Folge ist verringerte Na+-Resorption und geringere Ka+Ausscheidung
Direkte Hemmung der Na+-Aufnahme in die Zellen, Hemmung der K+-Sekretion
Pharmakokinetik
Gute Resorption, ausgeprägte Biotransformation, Ausscheidung vorwiegend renal
Gute Resorption, glomeruläre Filtration und Sekretion
Wirkung
Verringerte K+- und H+-Ausscheidung, erhöhte Na+- und Wasserausscheidung
Schwach diuretisch, Verminderung der renalen K+-Ausscheidung
Anwendung
Ödeme mit vermehrter Aldosteronfreisetzung (z. B. Leberzirrhose und Aszites), chronisch Herzinsuffizienz
Kombination mit anderen Diuretika, um renale K+-Verluste zu verhindern
Nebenwirkungen
Hyperkaliämie, Hyponatriämie, Hyperurikämie, Magen-Darm-Störungen, Exantheme, Gynäkomastie, Potenzstörungen, Amenorrhö, Hirsutismus
Hyperkaliämie, gastrointestinale Störungen, Muskelkrämpfe, Schwindel, Exantheme
Kontraindikationen
Hyperkaliämie, Hyponatriämie, Niereninsuffizienz, Anurie, Schwangerschaft, Stillzeit
Hyperkaliämie, schwere Hyponatriämie, Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus
395 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
Nebenwirkungen. Hypokaliämie, Hyperglykämie, Hy-
perurikämie, Impotenz. Kontraindikationen. Niereninsuffizienz, Anurie, Hypercalzämie, Leberkoma, Stillzeit.
6
Kaliumsparende Diuretika Im Gegensatz zu Thiaziden greifen kaliumsparende Diuretika am spätdistalen Tubulus an. Die Wirkstoffe und deren Anwendung fasst . Tab. 6.11. zusammen. ! Cave Keine Kombination von kaliumsparenden Diuretika mit ACE-Hemmern – Hyperkaliämiegefahr!
In Kürze Diuretika (. Tab. 6.11) 4 Osmotische Diuretika – Beispielsweise Mannitol: Drohendes Nierenversagen, Organödeme, forcierte Diurese, akuter Glaukomanfall 4 Schleifendiuretika: – Beispielsweise Furosemid: Ödeme, Prophylaxe eines akuten Nierenversagens, Nieren-, Herzinsuffizienz, hypertensive Krise, Hypertonie, forcierte Diurese
6.2.9 Medikamente mit Einfluss
auf die Magendarmfunktion
4 Thiazide – Beispielsweise Hydrochlorothiazid: Hypertonie, Herzinsuffizienz, Ödemausschwemmung, Osteoporose, Diabetes insipidus 4 Kaliumsparende Diuretika – Spironolacton: Ödeme mit vermehrter Aldosteronfreisetzung, chronische Herzinsuffizienz
Antazida (z. B. Mg-, Al-Verbindungen) Wirkort. Magen. Wirkmechanismus. Neutralisation bzw. Bindung über-
Medikamente für die Therapie von Gastritis/ Magenulzera Protonenpumpeninhibitoren (z. B. Omeprazol, Pantoprazol) Wirkort. H+/K+-ATPase (= Protonenpumpe), die H+Ionen im Austausch mit K+-Ionen in den Magensaft transportiert.
schüssiger Salzsäure durch H+-bindende Gruppen. Pharmakokinetik. Geringe Resorption, renale Elimina-
tion. Wirkung. Verminderung der sezernierten Magensäure. ! Cave
Wirkmechanismus. Irreversible Blockade der Pumpe
durch Reaktion mit α-Einheit der H+/K+-ATPase und Bildung von Disulfidbrücken.
Bei Einnahme vor der Mahlzeit sind Antazida unwirksam. Andere Pharmaka sollten 1 h vor oder nach dem Antazidum verabreicht werden.
Pharmakokinetik. Schnelle Resorption. Prodrugs, v. a.
Anwendung. Hyperazidität und deren Folgen wie
renale Ausscheidung.
leichte Refluxbeschwerden mit Sodbrennen, erosiver Gastritis.
Wirkung. Hemmung der Magensäuresekretion. Anwendung. Kombinationstherapie bei Helicobacter
pylori-Eradikation, Ulzera ventriculi und duodeni, Zollinger-Ellison-Syndrom, Refluxösophagitis.
> Empfehlenswert ist eine Kombination von dem schnell wirkendem MgOH und dem langwirksamen AlOH. Da MgOH laxierend wirkt und AlOH schwach obstipierend, ist diese Kombination auch unter diesem Gesichtspunkt sinnvoll.
Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden,
Schwindel, Müdigkeit, Hautveränderungen.
Nebenwirkungen. Verminderte Resorption anderer
Kontraindikationen. Schwere Leberfunktionsstörun-
Arzneimittel (z. B. Eisensalze, Tetrazykline, Gyrasehemmer), bei längerer Anwendung Gefahr der Phosphatverarmung (Osteomalazie).
gen (Lansoprazol).
396
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Kontraindikationen. Engeschränkte Nierenfunktion.
H2-Antihistaminika H2-Antihistaminika hemmen die durch Histamin vermittelte Magensäuresekretion und sind somit zur Behandlung von Gastritis/Ulzera indiziert. Verwendete Wirkstoffe sind Ranitidin, Cimetidin oder Famotidin.
Osmotisch wirksame Laxanzien (z. B. Bittersalz [MgSO4], Glaubersalz [Na2SO4], Laktulose) Wirkort. Darm. Wirkmechanismus. Aufgrund osmotischer Wirkung wird Wasser im Darm zurückgehalten. Pharmakokinetik. Lösliche, schwer resorbierbare
6
Antidiarrhoika Opioidrezeptoragonisten (z. B. Loperamid) Wirkort. Darmwand.
Wirkung. Größere Flüssigkeitsmenge im Darmlumen
Wirkmechanismus. Durch Stimulation von Opioidre-
bewirkt Peristaltikbewegung, was zu einer wäßrigen, schnellen Stuhlabgabe führt.
zeptoren wird die propulsive Peristaltik gehemmt. Durch längeren Kontakt des Darminhalts mit der Schleimhaut wird auch die Flüssigkeitsresorption verbessert. Pharmakokinetik. Resorption aus dem Darm bis zu 70%, gering systemische Wirkung aufgrund von hohem First-pass-Effekt, Ausscheidung v. a. biliär. Wirkung. Vermehrte Resorption von Wasser und Elektrolyten, reduzierte Stuhlentleerungsfrequenz.
Stoffe.
Anwendung. Obstipation, Darmreinigung (z. B. vor Darmoperationen), beschleunigte Ausscheidung bei Intoxikationen. Nebenwirkungen. Bei zu geringer Flüssigkeitszufuhr
Gefahr eines Ileus, Dehydratation. Kontraindikationen. Glaubersalz (Na+-Ionen): Hyper-
tonie, Herzinsuffizienz, Ödeme; Bittersalz (Mg2+-Ionen): Niereninsuffizienz.
Anwendung. Akute und chronische Diarrhö infolge
entzündlicher Darmerkrankungen, Verdauungs-, Darmmotilitätsstörungen.
Hydragoge Laxanzien (z. B. Ricinusöl, Sennesblätter, Bisacodyl, Natriumpicosulfat) Wirkort. Darm.
Nebenwirkungen. Gefahr eines Ileus (überdosiert). Kontraindikationen. Schwere bakterielle Darminfek-
tionen, Ileus, Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder unter 2 Jahren. Laxanzien Quellstoffe (z. B. Kleie, Leinsamen) Wirkort. Darm.
Wirkmechanismus. Hemmung der Na+- und Wasserresorption durch Blockade der Na+/K+-abhängigen ATPase. Zusätzlich wird der Einstrom von Elektrolyten und Wasser in das Darmlumen gefördert. Pharmakokinetik. Geringe Resorption. Wirkung. Erhöhung der intraluminalen Flüssigkeitsan-
sammlung, Peristaltik wird stimuliert. Wirkmechanismus. Wasserbindung und Quellen im
Darm. Pharmakokinetik. Unlösliche, schwer resorbierbare
Anwendung. Kurzfristige Anwendung bei Obstipation, zur Vorbereitung von Röntgenuntersuchungen und Endoskopien.
Stoffe. Nebenwirkungen. Bei langdauernder Anwendung Wirkung. Dehnung des Darms stimuliert vorantreiben-
Elektrolytverluste.
de Bewegungen der Darmmuskulatur (Peristaltik). Anwendung. Obstipation.
Kontraindikationen. Ileus, akut entzündliche Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes.
Nebenwirkungen. Bei zu geringer Flüssigkeitszufuhr
! Cave
Gefahr eines Ileus. Kontraindikationen. Ileus.
Problem der Laxanzienabhängigkeit: Aufgrund der vorzeitigen Dickdarmentleerung und des enteralen 6
397 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
führen zu einer K+-Verarmung, Abfall der K+-Konzentration im Blut. Folge ist eine Darmträgheit, Obstipation – Teufelskreis!
Verlusts von NaCl, KCl und Wasser wird vermehrt Aldosteron freigesetzt, um der NaCl- und Wasserreduktion entgegenzuwirken. Die renale KCl-Ausscheidung steigt jedoch. Enteraler und renaler K+-Verlust
In Kürze Medikamente mit Einfluss auf die Magendarmfunktion 4 Protonenpumpenhemmer 4 4 Beispielsweise Omeprazol: Helicobacter-pyloriEradikation, Ulcera ventriculi und duodeni, Zollin4 ger-Ellison-Syndrom, Refluxösophagitis 4 Antazida 4 – Beispielsweise Mg-Verbindungen: Hyperazidi4 tät, leichte Refluxbeschwerden, Sodbrennen, erosiver Gastritis 4 H2-Antihistaminika 4 – Beispielsweise Ranitidin: peptische Ulzera, Ulkusrezidivprophylaxe, Refluxösophagitis, Zollinger-Ellison-Syndrom
6.2.10 Medikamente mit Einfluss
auf das motorische System Vor jeder Muskelrelaxation muss zwingend das Bewusstsein durch Narkotika ausgeschaltet werden. Der Patient würde ansonsten bei vollem Bewusstsein seine Lähmung mit der Unfähigkeit zu atmen erleben – ohne darauf reagieren zu können.
Antidiarrhoika – z. B. Loperamid: Diarrhö z. B. infolge entzündlicher Darmerkrankungen Laxanzien Quellstoffe: Obstipation Osmotisch wirksame Laxanzien: Obstipation, Darmreinigung, beschleunigte Ausscheidung bei Intoxikationen Hydragoge Laxanzien: Obstipation, zur Vorbereitung von Röntgenuntersuchungen und Endoskopien
Wirkmechanismus. Bindung an nikotinische ACh-Rezeptoren der motorischen Endplatte als kompetitiver Antagonist zu ACh, Blockade der Endplatte und Hemmung der neuromuskulären Übertragung. Pharmakokinetik. Schlechte Resorption, kein Eindrin-
gen ins ZNS, v. a. renale Ausscheidung. Wirkung. Schlaffe Lähmung der Skelettmuskulatur.
! Cave Bei jeder Muskelrelaxation (i.v.) muss mit Atemlähmung gerechnet werden, so dass die Möglichkeit einer sofortigen künstlichen Beatmung gegeben sein muss.
Anwendung. Muskelrelaxation bei Narkosen, Intubation, künstlicher Beatmung. Nebenwirkungen. Herzfrequenzanstieg, Bronchospas-
Nicht depolarisierende Muskelrelaxanzien (z. B. Pancuronium)
men.
Kurare Kurare (Hauptwirkstoff = d-Tubocurarin) ist Oberbegriff verschiedener pflanzlicher Pfeilgifte südamerikanischer Indianer. Im Organismus, der von einem solchen Pfeil getroffen wird, breitet sich das Gift im Körper aus und führt zu einer schnell einsetzenden Lähmung der Skelettmuskulatur: Tod durch »periphere Atemlähmung«. Da die giftige Substanz kaum aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert wird, ist das erlegte Tier verzehrbar. In der Medizin wird diese Substanz aufgrund seiner durch Histaminfreisetzung bedingten Nebenwirkungen (z. B. Bronchospasmus) nicht mehr angewandt.
Kontraindikationen. Neuromuskuläre Erkrankungen
Wirkort. Motorische Endplatte.
(z. B. Myasthenia gravis), Kachexie, schwere Leberparenchymschäden, Niereninsuffizienz. Depolarisierende Muskelrelaxanzien (z. B. Succinylcholin) Wirkort. Motorische Endplatte. Wirkmechanismus. Bindung an nikotinische ACh-Rezeptoren der motorischen Endplatte als Agonist zu ACh. Im Gegensatz zu ACh wird Succinylcholin nicht von der Azetylcholinesterase gespalten, verweilt daher einige Zeit im synaptischen Spalt und depolarisiert die Endplatte entsprechend lang anhaltend, eine sofortige
398
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Repolarisation wird verhindert. Erneute Auslösung eines Aktionspotenzials ist nicht möglich, die Muskelfaser bleibt im erschlafften Zustand.
Nebenwirkungen. Allergische Hautreaktionen, Hyperkaliämie, muskelkaterartige Schmerzen. Kontraindikationen. Neuromuskuläre Erkrankungen
! Cave Cholinesterasehemmstoffe wirken nicht als Antidot bei Succinylcholin-Intoxikation. Sie verstärken sogar die Wirkung!
Pharmakokinetik. Abbau zu körpereigenen Substanzen.
6
Wirkung. Zunächst Depolarisation, dann schlaffe Lähmung der Skelettmuskulatur, sehr schneller Wirkungseintritt. Anwendung. Zur Muskelrelaxation bei sog. »Blitzintu-
(z. B. Myasthenia gravis), maligne Hyperthermie, Hyperkaliämie, Glaukom, schwere Leberschäden, Kachexie. »Zentrale« Muskelrelaxanzien Sog. »Zentrale« Muskelrelaxanzien haben keinen Einfluss auf die neuromuskuläre Übertragung. Sie greifen an zentralen Synapsen an, besonders durch Hemmung polysynaptischer Reflexe. Indikationen zentral angreifender Muskelrelaxanzien sind schmerzhafte Verspannungen der Skelettmuskulatur, spastische Paresen. Nutzlos sind sie hingegen beim Rigor der Parkinsonkrankheit.
bation« In Kürze Pharmaka mit Einfluss auf das motorische System 4 Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien (z. B. Pancuronium: Muskelrelaxation bei Narkosen, Intubation, künstliche Beatmung)
6.2.11 Antipyretische Analgetika/
nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID)/COX-2-Hemmer
4 Depolarsierende Muskelrelaxanzien (z. B. Succinylcholin: Muskelrelaxation bei sog. »Blitzintubation«)
Anwendung. Fieber, Schmerzen (Zahn-, Kopf-, Gelenk-,
chronische Tumorschmerzen). > Bei Kindern ist Paracetamol gegen Fieber das Mittel der Wahl.
Antipyretische Analgetika Paracetamol Wirkort. Rückenmarksebene und übergeordnete zentralnervöse Zentren (. Abb. 6.6). Wirkmechanismus. Im Einzelnen nicht bekannt. Ra-
sche Penetration der Blut-Hirn-Schranke und Hemmung der Prostaglandinfreisetzung, wahrscheinlich Hemmung der Zyklooxygenase im ZNS. Pharmakokinetik. Vollständige, schnelle Resorption p.o., Wirkeintritt nach ca. 30 min, renale Ausscheidung. Wirkung. Antipyretisch, analgetisch. ! Cave Paracetamol hemmt zwar die Zyklooxygenase, hat jedoch kaum antiphlogistische Wirkung (Paracetamol ist keine Säure und kann nicht im entzündeten Gewebe kumulieren) – daher ist die Substanz bei Dysmenorrhö und rheumatischen Erkrankungen ungeeignet!
. Abb. 6.6. Wirkorte antipyretischer Analgetika. (Aus Oberdisse, Hackenthal, Kuschinsky 2002)
399 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
Nebenwirkungen. Toxische Dosis mit Leberzellnekro-
Anwendung. Schmerzen (Zahn-, Kopf-, Gelenk-, Tu-
se: >10 g letal (durch Alkoholkonsum verstärkt).
morschmerzen mittleren Grades, Neuralgien, Dysmenorrhö), Fieber, Entzündungen, rheumatische Erkrankungen, Angina pectoris, Herzinfarktprophylaxe, zerebrale Ischämien.
Kontraindikationen. Schwere Nieren- und Leberfunktionsstörungen, Glukose-6-phosphatdehydrogenasemangel.
Metamizol Wirkmechanismus. Relativ unbekannt. Pharmakokinetik. Spaltung im Gastrointestinaltrakt in 4-Metylaminophenazon, das rasch resorbiert wird, vorwiegend renale Elimination.
Nebenwirkungen. Magenschleimhautreizung, Sodbrennen, Ohrensausen, Hemmung der Blutgerinnung, Reye-Syndrom bei Kindern (selten, aber fatal). > Eine Woche vor einer OP sind NSAID abzusetzen, um postoperative Blutungen zu verhindern.
Wirkung. Analgetisch, antipyretisch, spasmolytisch.
Kontraindikationen. Gleichzeitige Koagulanzientherapie, hämorrhagische Diathese, Magen- und Darmulzera, Asthma bronchiale, Nierenschädigung. Vorsicht bei Kindern und in der Schwangerschaft (letztes Trimenon).
Anwendung. Starke Schmerzen, Kolikschmerzen, ho-
! Cave
> Rotfärbung des Harns bei Metamizol durch Bildung des Metaboliten Rubazonsäure möglich.
hes Fieber. Nebenwirkungen. Selten aber gefährlich sind: Agranulozytose, Kreislaufschock, Haut-, Schleimhautveränderungen. ! Cave Für Metamizol besteht eine strenge Indikationsstellung. Bei i.v. Gabe muss eine langsame Injektion erfolgen. Nötig ist eine Blutbildkontrolle.
Kontraindikationen. Akute hepatische Porphyrie, Glukose-6-phosphatdehydrogenasemangel. Vorsicht bei Hypotonie, Granulozytopenie, Schwangerschaft, Säuglingen.
Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) Azetylsalizylsäure (ASS) Wirkort. Zyklooxygenase. Wirkmechanismus. Irreversible Hemmung der Zyklo-
oxygenase und dadurch Senkung der Synthese von Prostaglandinen aus Arachidonsäure. Hemmung der Thromboxan-A2-Synthese durch irreversible Azetylierung der thrombozytären Zyklooxygenase-1. Pharmakokinetik. Gute Resorption, schnelle Hydroly-
sierung zu Salizylsäure (auch analgetisch wirksam). Trotz geringer t1/2 lange Wirkdauer. Vorwiegend renale Elimination. Wirkung. Analgetisch, antipyretisch, antiphlogistisch,
thrombozytenaggregationshemmende Wirkung.
Vorsicht bei Gichtpatienten. In niedriger Dosierung hemmt ASS die Harnsäureausscheidung, in hoher Dosierung wirkt es hingegen urikosurisch.
Weitere NSAID mit unselektiver COX-Hemmung Weitere NSAID, deren Wirkung auf einer unselektiven, reversiblen Hemmung der Zyklooxygenase beruht sind: 4 Indometacin (Anwendung: rheumatoide Arthritis, degenerative Gelenkerkrankungen, extraartikuläre rheumatische Krankheiten, akuter Gichtanfall, M. Bechterew, Bartter-Syndrom, offener Ductus Botalli) 4 Diclofenac (Anwendung: rheumatoide Arthritis, degenerative Gelenkerkrankungen, extraartikuläre rheumatische Krankheiten, akuter Gichtanfall, nicht-spezifische Augenentzündungen) 4 Ibuprofen (Anwendung: rheumatoide Arthritis, degenerative Gelenkerkrankungen, extraartikuläre rheumatische Krankheiten, akuter Gichtanfall, Schmerzen, Fieber, Dysmenorrhö) 4 Piroxicam (Anwendung: rheumatoide Arthritis, degenerative Gelenkerkrankungen, extraartikuläre rheumatische Krankheiten, akuter Gichtanfall, M. Bechterew) COX-2-selektive nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Celecoxib) Bedeutung der COX-2-Hemmer Viele unerwünschte Wirkungen der unselektiven Zyklooxygenaseinhibitoren sind auf die hemmende Wirkung der Zyklooxygenase-1 zurückzuführen. Aufgrund dieses Wissens wurden selektivere, nebenwirkungsärmere COX-2 6
400
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Hemmer entwickelt (gastrointestinale NW nach 6 Monaten ca. 50% niedriger als bei unselektiven NSAID). Nach neuesten klinischen Studien wurden einigen COX2-Hemmern ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei einzelnen Patientengruppen (z. B. Arthrose, Kolonpolypen) zugesprochen. Daraufhin wurden einige Wirkstoffe vom Markt genommen: Rofecoxib im Jahr 2004, Valdecoxib im Jahr 2005. Es ist jedoch zu beachten, dass bei diesen Studien nur wenige Ereignisse aufgetreten sind, thromboembolische Nebenwirkungen nur bei hohen Dosen festgestellt wurden.
6
Wirkung. Antiphlogistisch, analgetisch, antipyretisch. Anwendung. Rheumatoide Arthritis, Reizzustände, degenerative Gelenkerkrankungen, Osteoarthrose. Nebenwirkungen. Infektionen der oberen Atemwege, Dyspepsie, Diarrhö, Kopfschmerzen, pseudoallergische Reaktionen, zentralnervöse Störungen. Kontraindikationen. Sulfonamidüberempfindlichkeit,
Wirkort. Zyklooxygenase-2.
Schwangerschaft, Stillzeit. Vorsicht bei Analgetikaasthma, Herz-, Leber-, Niereninsuffizienz.
Wirkmechanismus. Selektive Hemmung der Zyklooxy-
! Cave
genase-2.
Keine Gabe von COX-2-Hemmern bei Patienten mit kardiovaskulärem Risiko!
Pharmakokinetik. Bioverfügbarkeit von 70%, hohe Plasmaproteinbindung, weitgehend Metabolisierung zu unwirksamen Metaboliten.
In Kürze Gängige »Nichtopiat«-Analgetika 4 Antipyretika – Paracetamol: Fieber, Schmerzen – Metamizol: starke Schmerzen, Kolikschmerzen, hohes Fieber 4 Nichtsteroidale Antiphlogistika – Azetylsalizylsäure: Schmerzen, Fieber, Entzündungen, rheumatische Erkrankungen, Angina pectoris, Herzinfarktprophylaxe, zerebrale Ischämien
6.2.12 Lokalanästhetika Man unterscheidet nach Art der Anwendung (. Tab. 6.12): 4 Oberflächenanästhetika (Wundflächen, Schleimhaut) 4 Infiltrationsanästhetika (Injektion ins Gewebe) 4 Leitungsanästhetika (Umspritzung bestimmter Nerven) 4 Intravenöse Regionalanästhetika (Extremitäten) ! Cave Vor Gebrauch von Lokalanästhetika (Ausnahme sog. »kleine Chirurgie«) muss sichergestellt sein, dass medikamentöse und apparative Ausstattung zur Reanimation/Narkose sofort verfügbar ist!
– Diclofenac: rheumatoide Arthritis, degenerative Gelenkerkrankungen, extraartikuläre rheumatische Krankheiten, akuter Gichtanfall, nicht-spezifische Augenentzündungen 4 COX-2-Hemmer – Celecoxib: rheumatoide Arthritis, Reizzustände, degenerative Gelenkerkrankungen, Osteoarthrose
Die meisten synthetischen Lokalanästhetika (Ausnahme ist Kokain) wirken gefäßerweiternd. Deshalb werden sie oft mit vasokonstriktorischen Substanzen (z. B. Adrenalin) kombiniert. Die Resorption der Lokalanästhetika wird so verzögert, die Wirkdauer dadurch erhöht und die systemische Wirkung reduziert. Bei Operationen hat diese Kombination zusätzlich den Vorteil, dass die Durchblutung des Operationsfeldes herabgesetzt ist. ! Cave Keine Vasokonstriktoren an den Akren (Nase, Ohren, Finger, Zehen) anwenden: Gefahr der Perfusionsstörung.
401 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
. Tab. 6.12. Vergleich chemisch verschiedener Lokalanästhetika Benzocain (Estertyp)
Lidocain (Säureamidtyp)
Wirkort
Natriumkanal
Wirkmechanismus
Spannungsabhängige Na+-Kanäle werden gehemmt, Verhinderung des schnellen Na+-Einstroms. Depolarisation wird verhindert, Nervenimpulse können somit nicht weitergeleitet werden
Pharmakokinetik
Perkutan kaum Resorption
Wirkung
Erregbarkeit der schmerzvermittelnden sensiblen Endorgane und Leitungsvermögen der sensiblen Nervenfasern werden örtlich begrenzt und reversibel blockiert1
Anwendung
Oberflächenanästhetikum. Pruritis, Herpes zoster, Brandwunden, Frostschäden, Insektenstiche, Hämorrhoiden
Nebenwirkungen
Zentralnervöse Störungen, kardiodepressive Wirkungen bei systemischer Wirkung
Gute Resorption (parenteral), Umwandlung zu aktiven Metaboliten, hohes Penetrationsvermögen (schnelle, starke und lange Wirkung)
Allergische Reaktionen2, Methämoglobinämie Kontraindikationen 1
2
Oberflächen-, Infiltrations-, Leitungsanästhetikum. Antiarrhythmikum (7 Kap. 6.2.5.2)
Bradykardie, Blutdruckabfall Herzinsuffizienz, AV-Block 2. und 3. Grades, Bradykardie, kardiogener Schock
Die Wirkstärke ist abhängig vom Gewebe-pH. Entzündetes Gewebe weist einen niedrigeren pH-Wert auf, Lokalanästhetika sind hier weniger wirksam. Aufgrund der allergischen Nebenwirkungen werden Lokalanästhetika vom Estertyp in der Anästhesiologie nicht mehr verwendet.
6.2.13
Medikamente mit Einfluss auf das zentrale Nervensystem
6.2.13.1 Zentral wirksame Analgetika Morphin (Naturstoff. Hauptalkaloid des Opiums) Wirkort. Morphin wirkt rein agonistisch an den antinozizeptiven Rezeptoren der körpereigenen endogenen Peptid-Opioide (Enkephalin, Dynorphin, β-Endorphin). Rezeptoren befinden sich im Gehirn, Rückenmark und Nervenplexus der Darmwand. Man unterscheidet je nach Spezifität gegenüber Agonisten/ Antagonisten δ-, κ- und μ-Rezeptoren . Tab. 6.13.
. Tab. 6.13. Endogene Opioidrezeptoren, vermittelte Wirkeffekte RezeptorSubtyp
Wirkeffekt/Nebenwirkung
δ
Analgesie
κ
Analgesie/Atemdepression, Sedierung
μ
Analgesie/Atemdepression, Eurphorie, Sucht
Wirkmechanismus. Durch Rezeptorbindung erfolgt die G-Protein-vermittelte Erhöhung der K+-Permeabilität des Neurolemm. Dadurch ergibt sich eine erschwerte Membrandepolarisation: herabgesetzte Erregbarkeit. So sind Schmerzleitung (Rückenmark) und Schmerzverarbeitung (ZNS, Thalamus, limbisches System) vermindert. Zusätzlich wird das absteigende antinozizeptive System aktiviert.
vorgefunden. Im Blut liegen nebeneinander Morphin, der noch stärker wirksame Metabolit Morphin-6-Glukuronid, sowie das analgetisch unwirksame Morphin-3Glukuronid vor, die dann alle renal eliminiert werden (t1/2 im Stundenbereich). Morphin wirkt etwa 6 h.
Pharmakokinetik. Morphin wird per os durch hohe präsystemische Elimination nur zu 20% unverändert im Blut
Anwendung. Stärkste Schmerzen, oral auch retardiert,
Wirkung. Stark analgetisch bereits in geringen Dosen
(10 mg), antitussiv.
intravenös, epidural.
402
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Nebenwirkungen. Euphorie, Dysphorie, psychische
Wirkmechanismus. Agonistisch, partiell agonistisch
Alterationen und hohes Suchtpotenzial (limbisches System). Hypnose, verminderte geistige Leistungsfähigkeit, in hohen Dosen Narkose. Atemdepression bereits bei therapeutischer Dosierung durch Anhebung des CO2-Schwellenwertes für den Atemantrieb – dosisabhängig bis zum Atemstillstand. Übelkeit und Erbrechen (Erregung der Area postrema) bei initialer Anwendung. Bradykardie, Blutdruckabfall. Tonussteigerung glatter Muskulatur (Folge: Obstipation, Miktionsstörung, Gallestau, Pylorusenge). Miosis.
oder antagonisch an den Opioidrezeptoren, je nach intrinsischer Aktivität an den einzelnen Opioidrezeptorsubtypen.
! Cave
6
Pharmakokinetik. Es gibt erhebliche Unterschiede in
den pharmakokinetischen Parametern. ! Cave Bei Kindern besteht eine verzögerte Elimination und erhöhte Atemdepression.
Wirkung. S. Morphin (. Tab. 6.14).
Es besteht v. a. bei schneller i.v. Gabe ein Suchtpotenzial, so dass beim Beenden einer länger dauernden Therapie Entzugssymptome verhindert werden müssen. Im Rahmen eines vernünftigen Schmerzmanagments sind jedoch Opiate Mittel der Wahl bei akuten und chronisch starken Schmerzen.
Anwendung. Oral, intravenös, rektal, transdermal
(Fentanyl). Nebenwirkungen. 7 Morphin. Kontraindikationen. 7 Morphin.
Kontraindikationen. Zentrale Atemdepression, respira! Cave
torische Insuffizienz anderer Ursache. Synthetische Opioide (synonym Opiate) Wirkort. Synthetische (halb-, vollsynthetisch) Opioide besitzen den gleichen Wirkort wie Morphin.
Bei einer Dauertherapie mit Opioiden müssen die meisten Patienten wegen chronischer Obstipation parallel mit Laxanzien behandelt werden.
. Tab. 6.14. Synthetische Opioide, Eigenschaften, absteigende Wirkstärke Opioid
Hauptwirkung
Wirkeffekt, Potenz
Wirkdauer
Besonderheit
Fentanyl
δ, κ
Größerer Wirkeffekt und um Vielfaches potenter als Morphin
30 min
Intravenöser Einsatz im Rahmen von Narkosen. Transdermal wirksam
Alfentanyl
δ, κ
7 Fentanyl
10 min
Narkosemedikament
Sulfentanil
δ, κ
7 Fentanyl
15 min
Narkosemedikament
Buprenorphin
δ, κ, agonistisch-antagonistisch
Stärker wirksam als Morphin
6–8 h
Cave: Nicht ausreichend mit Naloxon antagonisierbar
Levomethadon
δ, κ
Etwas stärker als Morphin
24 h
Orale Substitutionstherapie (Suppression Entzugssymptomatik)
Piritramid
δ, κ
Wie Morphin
4h
Nebenwirkungsärmer
Pentazocin
δ, κ, antagonistisch am μRezeptor
Wie Morphin
2–3 h
Anwendung wird verlassen
Pethidin
δ, κ
Schwächer als Morphin
3h
Erhöht nicht so stark den Tonus glatter Muskulatur: Anwendung bei Nieren-/Gallen-Koliken
Tramadol
μ, partieller Agonist, hemmt auch Reuptake von Serotonin, Noradrenalin
Schwächer als Morphin
4–6 h
Nebenwirkungsarm. Unterliegt nicht der BtM-VV. Beliebt in der Anwendung
403 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
Opioidantagonisten Wirkort/Wirkmechanismus. Naloxon wirkt an allen
3 Opioid-Rezeptorsubtypen rein antagonistisch. Es ist ein Antidot bei Opiatvergiftung. Wirkung. Sofortige Aufhebung aller Morphin-/Opio-
idwirkungen (Atemlähmung, allerdings auch die Analgesie). > Naloxon wird rasch in der Leber abgebaut, t1/2 etwa1 h. Das bedeutet u. U. einen Wirkverlust, noch bevor die Opiatwirkung abklingt: Nachinjektion nötig.
6.2.13.2 Anxiolyse, Hypnose Benzodiazepine (Anxiolytika, Tranquillanzien, z. B. Diazepam) Wirkort. Bei niedriger Dosierung Beeinflussung der Formatio reticularis und des limbischen Systems. Wirkmechanismus. Bindung der Benzodiazepine an Teil des Rezeptorproteins für γ-Aminobuttersäure (GABA), GABAA, wodurch die Affinität von GABA zu deren Bindungsstelle, die Teil des Cl--Kanals ist, erhöht wird. Der transmembrale Cl--Einstrom wird gesteigert, Folge ist ein Anstieg des Membranpotenzials der betroffenen Nervenzelle (Hyperpolarisation) mit verminderter Erregbarkeit. Pharmakokinetik. Schnell, gute Resorption p.o. Tetra-
zyklische Benzodiazepine gehören zu den kurz wirkenden Benzodiazepinen mit schneller Elimination. Midazolam t1/2 = 1,5–3 h. Ausscheidung der Benzodiazepine erfolgt vorwiegend als Hydroxyverbindung renal. Wirkung. Anxiolytisch, in höheren Dosen sedativ, hyp-
notisch, zentral muskelrelaxierend, antikonvulsiv.
Anwendung. Angstzustände in Folge einer Neurose, Angstzuständen im Rahmen einer Psychose neben antipsychotisch wirkenden Substanzen, Schlafstörungen, psychosomatische Beschwerden, Anxiolyse (Notfallmedizin), in der Anästhesiologie (Patientenvorbereitung auf Operation, Narkoseeinleitung), Status epilepticus (Diazepam i.v.), akute Entzugssyndrome, motorische Erregungszustände (. Tab. 6.15). Nebenwirkungen. Bei höheren Dosen kommt es zu
Einschränkung der intellektuellen Leistungsfähigkeit, Gleichgültigkeitsgefühl, Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens, Ataxien, Hautreaktionen, Schwindel, Obstipation, Libidoverlust, Menstruationsstörungen, Appetitsteigerung. Während der Therapie dürfen Patienten keine KfZ führen oder Maschinen bedienen. > Bei chronischer Einnahme besteht Gefahr der psychischen Abhängigkeit. Plötzliches Absetzen kann zu Entzugssymptomen führen. Zur Vermeidung eines Rebound-Effektes muss ausschleichend abgesetzt werden. Bei Kindern und älteren zerebralsklerotischen Patienten können paradoxe Erregungs- und Verwirrtheitszustände auftreten. Zurückhaltendes Verabreichen, als Alternative z. B. Chloralhydrat.
Kontraindikationen. Myasthenia gravis, Leber- und Nierenerkrankungen. Strenge Indikationsstellung in Schwangerschaft, keine Kombination mit Alkohol. ! Cave Benzodiazepine »eignen« sich nicht zu Suiziden, da sie auch in hohen Dosen keine Atemdepression erzeugen. Mit Flumazenil steht ein wirksames Antidot zur Verfügung.
. Tab. 6.15. Unterteilung der Benzodiazepine nach therapeutischen Gesichtspunkten Gruppe
Aktivität
Indikation
Vor-/Nachteile
Beispiele
1
Substanz unwirksam, Metaboliten wirksam
Dauertherapie
NT: nicht für Akuttherapie geeignet
Chlordiazepoxid1 t1/2 = 10–15 h, aktive Metaboliten t1/2 = 50–80 h
2
Substanz wirksam, Metaboliten auch wirksam
Akut- und Dauertherapie
NT: Kumulationsgefahr
Diazepam1 t1/2 = 24–48 h, aktive Metaboliten t1/2 = 50–80 h
3
Substanz wirksam, Metaboliten unwirksam
Akuttherapie z. B. als Hypnotika
VT: geringe Kumulationsgefahr
Oxazepam2 t1/2 = 5–12 h
1 2
Lang wirkende Benzodiazepine. Mittellang wirkendes Benzodiazepin.
6
404
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
In Kürze Zentral wirksame Analgetika und Anxiolytika/Hypnotika (. Tab. 6.14, . Tab. 6.15) 4 Zentral wirksame Analgetika 4 Anxiolytika/Hypnotika – Morphin: stärkste Schmerzen – Benzodiazepine (z. B. Diazepam): Angstzustände – synthetische Opiode (Opiate): Schmerzen bei Neurose oder Psychose, Schlafstörungen, 4 Opiodantagonisten Status epilepticus, akute Entzugssymptome etc. – Naloxon: Aufhebung der Morphin-/Opiodwirkung z. B. bei Vergiftung
6
6.2.13.3 Antidepressiva Die stimmungsaufhellende Wirkung aller Antidepressiva setzt erst nach 2–3 Wochen ein. Daher soll ein Antidepressivum mindestens über 4 Wochen in höchster Dosierung verabreicht werden, bevor ein Präparatewechsel indiziert ist. Trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Doxepin) Wirkort. Synaptischer Spalt (. Abb. 6.7). Wirkmechanismus. Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin aus dem synaptischen Spalt ins Axoplasma (nichtselektiver Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitor = NSMRI).
Anwendung. Depressive Krankheiten, zur zusätzlichen Therapie bei starken, chronischen Schmerzen. Nebenwirkungen. Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Obstipation, Miktionsbeschwerden, kardiovaskuläre Störungen, zentralnervöse Beschwerden, Leberfunktionsstörungen. ! Cave Suizidgefahr besteht unter Behandlung mit Antidepressiva, wenn die vor der Therapie bestehende Antriebshemmung wegfällt.
dämpfend, anticholinerg (unerwünscht).
Kontraindikationen. Einnahme von MAO-Hemmern, akutes Delir, Alkohol-, Schlafmittelintoxikationen, Engwinkelglaukom, Harnentleerungsstörungen. Vorsicht bei eingeschränkter Herzfunktion, reduzierter Leberfunktion, Epilepsie. Desipramin und Imipramin gehören zu der gleichen Wirkstoffklasse wie Amitriptylin. Unterschiede bestehen in der Wirkungsweise. Während Amitriptylin psychomotorisch dämpfend wirkt, zeigt Desipramin einen psychomotorisch aktivierenden Effekt. Desipra-
. Abb. 6.7. Schema einer noradrenergen Synapse im Gehirn und mögliche Angriffspunkte von Antidepressiva. (1) Hemmung der Noradrenalinwiederaufnahme in das präsynaptische Neuron durch trizyklische Antidepressiva; (2) Hemmung des intraneuralen Abbaus durch MAO-Hemmstoffe; (3) Änderung der Empfindlichkeit postsynaptischer β-Rezeptoren
durch trizyklische Antidepressiva; (4) Verstärkung der postsynaptischen Signalübertragung durch Hemmung der Phosphodiesterase oder Aktivierung der Adenylatzyklase; (5) Beeinflussung der Membranleitfähigkeit durch Elektronenschockbehandlung oder Lithium (?). (Aus Oberdisse, Hackenthal, Kuschinsky 2002)
Pharmakokinetik. Gute Resorption, hoher First-pass-
Effekt, hohes Verteilungsvolumen, t1/2 = 20 h, antidepressiver Wirkeintritt nach 2–3 Wochen, Elimination v. a. renal. Wirkung. Anxiolytisch, sedierend, psychomotorisch
405 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
min ist demzufolge bei suizidgefährdeten Patienten ungeeignet. Imipramin nimmt diesbezüglich eine Mittelstellung ein. Tetrazyklische Antidepressiva (z. B. Maprotilin) Wirkort. Synaptischer Spalt. Wirkmechanismus. Wiederaufnahme von v. a. Norad-
renalin und Serotonin aus dem synaptischen Spalt ins Axoplasma wird gehemmt (nichtselektiver MonoaminRückaufnahme-Inhibitor = NSMRI). Pharmakokinetik. Gute Resorption (p.o.), maximale
6
Kontraindikationen. Vorsicht bei Leber- und Nieren-
funktionsstörungen. ! Cave Antidepressiva sollten nicht mit Monoaminooxidasehemmern kombiniert werden.
Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI; z. B. Fluoxetin) Wirkort. Präsynaptische Nervenendigungen. Wirkmechanismus. Neuronale Rückaufnahme von Serotonin wird gehemmt.
Plasmaspiegel jedoch erst nach 9–16 h, t1/2 = 40–50 h. Wirkung. Psychomotorisch dämpfend, sedativ (mäßig),
anticholinerg und antiadrenerg – nicht so stark wie bei trizyklischen Antidepressiva. Anwendung. Ängstlich agitierte Depressionen. Nebenwirkungen. Erhöhte Krampfgefahr, Hautausschläge, epileptische Anfälle, Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Obstipation, Miktionsbeschwerden, kardiovaskuläre Störungen, zentralnervöse Beschwerden, Leberfunktionsstörungen. Kontraindikationen. Einnahme von MAO-Hemmern,
akute Delirien, Alkohol-, Schlafmittelintoxikationen, Engwinkelglaukom, Harnentleerungsstörungen. Vorsicht bei eingeschränkter Herzfunktion, reduzierter Leberfunktion, Epilepsie.
Pharmakokinetik. Gute Resorption (p.o.), starke Metabolisierung zu wirksamen Produkten, t1/2 = 4–6 Tage, Elimination vorwiegend renal. Wirkung. Eher psychomotorisch aktivierend, antidepressiv (schwächer als bei trizyklischen Antidepressiva), im Wesentlichen keine anticholinergen Wirkungen. Anwendung. Depressive Krankheiten, Zwangsstö-
rungen. Nebenwirkungen. Zentrale Störungen (Schlaflosig-
keit, Erregung, Kopfschmerzen), gastrointestinale Beschwerden. Kontraindikationen. Kombination mit Monoaminoxi-
dasehemmern – lebensbedrohlich (7 oben)! Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder.
Selektive Serotonin/NoradrenalinRückaufnahme-Hemmer (z. B. Venlafaxin) Wirkort. Präsynaptische Nervenendigungen.
> Citalopram weist ähnliche Wirkungen wie Fluoxetin auf, hat aber geringeres pharmakokinetisches Interaktionspotenzial.
Wirkmechanismus. Neuronale Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin wird geblockt. Im Gegensatz zu trizyklischen Antidepressiva keine anticholinerge und sedierende Wirkung (geringes Nebenwirkungsspektrum).
Selektive Noradrenalin-Rückaufnahme-Hemmer (SNRI; z. B. Roboxetin) Wirkort. Präsynaptische Nervenendigungen. Wirkmechanismus. Hemmung der Wiederaufnahme
von Noradrenalin. Pharmakokinetik. Gute Resorption, starker Metabolis-
mus, wobei Hauptmetabolit ähnlich wirkt, Elimination vorwiegend renal. Wirkung. Antidepressiv.
Pharmakokinetik. Schnelle, gute Resorption (p.o.), hohe Proteinbindung, Biotransformation zu inaktiven Metaboliten, t1/2 = 12–14 h, Ausscheidung vorwiegend renal.
Anwendung. Depressive Erkrankungen.
Wirkung. Antidepressiv.
Nebenwirkungen. Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit,
Anwendung. Depressive Erkrankungen, besonders bei
Schlaflosigkeit, Tremor, Obstipation, Tachykardie.
gehemmt-depressiven Patienten.
406
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Nebenwirkungen. Schlaflosigkeit, Schwindel, Mundtrockenheit, Tachykardie, Miktionsstörungen, Potenzstörungen. Kontraindikationen. Kombination mit Monoaminoxidasehemmern – lebensbedrohlich (7 oben)! Keine Kombination mit Pharmaka mit geringer therapeutischer Breite, die über CYP3A4 oder CYP2D6 metabolisiert werden (Roboxetin wird mittels CYP3A4 metabolisiert).
Monoaminoxidase (MAO)-Hemmer Charakteristika verschiedener MAO-Hemmer sind in . Tab. 6.16 dargestellt.
6
Johanniskraut Dem Inhaltsstoff Hyperforin wird ein Teil der Wirkung zugesprochen. Wirkort. Präsynaptische Nervenendigungen.
Wirkmechanismus. Unselektive Wiederaufnahmehem-
mung von Serotonin und Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt in das Axoplasma. Auch die Wiederaufnahme von Dopamin, GABA und Glutamat wird gehemmt. Noch nicht gesichert. Pharmakokinetik. Wirkeintritt nach Wochen. Wirkung. Antidepressiv. ! Johanniskraut muss hochdosiert (900 mg Tagesdosis) verabreicht werden, um eine antidepressive Wirkung erzielen zu können. Viele Präparate sind auf dem Markt, die sehr unterschiedliche Extraktmengen enthalten und bei denen Wirksamkeitsnachweise fehlen.
Anwendung. Leichte bis mittelschwere Formen von endogener, neurotischer und larvierter Depression,
. Tab. 6.16. Vergleich verschiedener MAO-Hemmer Tranylcypromin
Moclobemid
Wirkort
Besonders Nervenendigungen und Leber
Wirkmechanismus
Blockade des oxidativen Abbaus von Monoaminen durch Hemmung des Enzyms Monoaminoxidase, so dass die synaptische Konzentration von Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin und Serotonin im Gehirn ansteigt. Übertragung wird dadurch vermutlich verbessert Unselektive (MAO A und B) und irreversible Hemmung
Relativ selektive (MAO A) und reversible Hemmung1
Pharmakokinetik
Gute Resorption, Biotransformation, t1/2 = 1–2 h, jedoch wesentlich längere Wirkdauer, Elimination v. a. renal
Gute Resorption, starker First-pass-Effekt, t1/2 = 1–2 h, Elimination v. a. renal
Wirkung
Antidepressiv
Anwendung
Gehemmte Depressionen, soziale Phobien. Ungeeignet bei agitierten oder suizidalen Patienten
Nebenwirkungen
Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit Halluzinationen, Krämpfe, Hepatitiden, bei Verzehr von tyraminhaltiger Nahrung (z. B. Käse) verstärkte, indirekt sympathomimetische Wirkung mit lebensbedrohlichen Blutdruckkrisen
Kontraindikationen
Suizidgefahr, akute Verwirrtheitszustände, Phäochromozytom, Thyreotoxikose Schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Leberfunktionsstörungen
1
Mundtrockenheit, Angstzustände, Suizidgefahr (!)
Keine ausreichende Erfahrung in Schwangerschaft, Stillzeit, bei Kindern
Vorteil: MAO B, die auch für den Abbau tyraminreicher Nahrungsmittel zuständig ist, wird nicht bzw. wenn, nur reversibel blockiert. Bei Moclobemid ist keine spezielle Diät (Ausnahme ist reifer Käse und reine Käsemahlzeiten) notwendig, da keine Gefahr von schwerwiegenden Interaktionen (z. B. hypertensive Krise) besteht!
407 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
psychovegetative Störungen, depressive Verstimmungszustände, nervöse Unruhe, Angst. Nebenwirkungen. Photosensibilisierung.
Lichtüberempfindlichkeit, Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder unter 12 Jahren.
Kontraindikationen.
6
! Cave Für Johanniskraut besteht die Gefahr von z. T. lebensbedrohlichen Arzneimittelinteraktionen. Ursache ist die Induktion best. CYP-Isoformen. Besondere Vorsicht gilt u. a. bei Antidepressiva, Antikoagulanzien, Ciclosporin, Digoxin, Indinavir, orale Kontrazeptiva, Theophyllin (Reduktion der Wirkstärke)!
In Kürze Antidepressiva (. Tab. 6.16) 4 Trizyklische Antidepressiva – Amitriptylin: stimmungsaufhellend, sedierend 4 Tetrazyklische Antidepressiva – Maprotilin: stimmungsaufhellend, aktivierend 4 Selektive Serotonin/Noradrenalin-Rückaufnahme-Hemmer – Venlafaxin: nicht anticholinerg, nicht sedierend
6.2.13.4 Neuroleptika Neuroleptika lassen sich je nach neuroleptischer Potenz einteilen (. Tab. 6.17).
4 Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren – Fluoxetin: antriebssteigernd (oft), nicht sedierend, nicht anticholinerg 4 Selektive Noradrenalin-Rückaufnahme-Hemmer – Roboxetin: nicht sedierend 4 MAO-Hemmer – Moclobemid: deutlich antriebssteigernd 4 Pflanzliche Antidepressiva – Johanniskraut: antidepressiv
Kontraindikationen. Akute Intoxikation mit zentral dämpfenden Pharmaka, Koma. Vorsicht bei schweren Nieren- und Leberschäden, Engwinkelglaukom, M. Parkinson, Prostataadenom.
> Da das Ansprechen auf Neuroleptika individuell verschieden ist, muss die Dosierung auf den einzelnen Patienten abgestimmt sein!
Atypische Neuroleptika (z. B. Clozapin) Wirkort. Synaptische Nervenendigungen.
Mit steigender neuroleptischer Potenz nehmen i. d. Regel die extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen zu, die sedierende Wirkung und vegetativen Nebenwirkungen ab.
Wirkmechanismus. Siehe oben. Wesentlich stärkere Wirkung an D4- als an D2-Rezeptoren. Hohe Affinität zu muskarinischen ACh-Rezeptoren sowie zu Serotonin-HT2-Rezeptoren.
Langzeitneuroleptika (z. B. Flupentixol) Wirkort. Synaptische Nervenendigungen.
Pharmakokinetik. Fast vollständige Resorption (p.o.),
hohe Biotransformation, t1/2 = 16 h, Elimination vorwiegend renal.
Wirkmechanismus. Siehe oben. Wirkung. Neuroleptisch, anticholinerg (gering), antiPharmakokinetik. Oral gute Resorption, starker First-
adrenerg, sedierend.
pass-Effekt, t1/2 = 20–40 h (Depotpräparat Decanoatester t1/2 = 150 h).
Anwendung. Schizophrene Psychosen.
Wirkung. Neuroleptisch, schwach sedierend. Anwendung. Akute und chronische Schizophrenie. Nebenwirkungen. Extrapyramidal-motorische Störun-
gen, geringe anticholinerge Nebenwirkungen.
> Häufig sind atypische Neuroleptika noch wirksam bei therapieresistenten Schizophrenien, wenn andere Neuroleptika versagen.
Nebenwirkungen. Störungen der Granulozytopoese, Agranulozytose (!), epileptische Anfälle, Miktionsstörungen, Tachykardie. Kaum extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen!
408
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.17. Einteilung nach neuroleptischer Potenz Niederpotent (z. B. Sulpirid)
6
Mittelstarkpotent (z. B. Chlorpromazin1)
Hochpotent (z. B. Haloperidol)
Wirkort
Synaptische Nervenendigungen
Wirkmechanismus
Eingriff in die Vorgänge bei der synaptischen Erregungsübertragung und Interaktion mit versch. aminergen Überträgersubstanzen wie Noradrenalin, Serotonin, Dopamin, Histamin. Für die antipsychotische Wirkung werden v. a. die prä- und postsynaptischen Dopaminrezeptoren im mesolimbischen System kompetitiv gehemmt
Pharmakokinetik
Neuroleptische Potenz = 0,2. Langsame Resorption (p.o.), t1/2 = 7–9 h
Wirkung
Neuroleptisch, psychomotorisch dämpfend, antipsychotisch (ohne Bewusstsein und intellektuelle Fähigkeiten zu beeinflussen)
Neuroleptische Potenz = 1. t1/2 = ca. 30 h
Neuroleptische Potenz = 50. Gute Resorption (p.o.), Firstpass-Effekt, t1/2 = 12–38 h
Antidepressiv, antriebssteigernd, stimmungsaufhellend
Stark sedierend, antiemetisch2, lokalanästhetisch, anticholinerg
Anwendung
Schizophrenie (hochdosiert), depressive Störungen wie reaktive und endogene Depression, Schwindel
Hebephrene Schizophrenien, schizophrene Endzustände, akute manische Phasen. Prämedikation bei diagnostischen Eingriffen, Erbrechen, Adjuvans bei starken Schmerzen
Nebenwirkungen
Extrapyramidal-motorische Störungen, vegetative Nebenwirkungen, hormonelle Störungen, allergische Reaktionen, zentrale bzw. psychische Störungen
Kontraindikationen
Agitierte Patienten, Epilepsie, manische Phasen, prolaktinabhängige Tumoren, Mammatumoren, Phäochromozytom, Schwangerschaft, Stillzeit
1 2
Akute Intoxikation mit zentral dämpfenden Pharmaka, Kreislaufschock, Koma
Stark antiemetisch2, schwach sedierend Akutes psychotisches Syndrom, chronische Schizophrenien, Manie, Unruhezustände bei agitierten Depressionen, organische Psychosen, Erbrechen
Akute Intoxikation mit zentral dämpfenden Pharmaka, Kreislaufschock, Koma, Parkinsonismus
Chlorpromazin dient bezüglich der neuroleptischen Wirkstärke als Bezugssubstanz. Hier ist die antiemetische Wirkung als Nebenwirkung zu betrachten. Die Substanzen werden aber auch als Antiemetika eingesetzt.
> Aufgrund der schweren Nebenwirkungen, insbesondere auf das Blutbild, unterliegt die Substanz einer freiwilligen Vertriebseinschränkung. Vor Therapiebeginn ist ein Differenzialblutbild anzufertigen, während (und auch einige Wochen nach) der Behandlung regelmäßige Leukozytenbestimmung.
Kontraindikationen. Akute Intoxikation mit zentral
dämpfenden Pharmaka, Blutbildungsstörungen, Blasen- und Darmatonie, schwere Leber- und Nierenstörungen. Vorsicht bei Engwinkelglaukom. Olanzapin Der Wirkstoff Olanzapin ist Clozapin bzgl. Rezeptorbindungsprofil und klinischer Wirksamkeit ähnlich. Die Gefahr von Blutbildungsveränderungen ist jedoch wesentlich geringer als Clozapin.
6.2.13.5 Lithiumsalze Wirkort. Inositolphosphatabbau. Wirkmechanismus. Nur teils bekannt. Reduktion der
Stimulierbarkeit von Adenylatzyklasen und Hemmung des Inositolphosphatabbaus mit resultierender Abschwächung der über Phosphatidylinositol-Turnover vermittelten Neurotransmitterwirkungen. Pharmakokinetik. Gute Resorption (p.o.), intrazelluläre
Anreicherung, t1/2 = ca. 24 h, Wirkeintritt nach 1–2 Wochen (bei manischen Phasen), Ausscheidung v. a. renal. Wirkung. Antidepressiv, suizidprophylaktisch. Anwendung. Prophylaxe affektiver Psychosen (Lang-
zeitbehandlung), manische Phasen.
409 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
! Cave
6
In Kürze
Lithium ähnelt in seiner Pharmakokinetik dem körpereigenen Na+ und konkurriert mit ihm um die Rückresorption. Bei natriumarmer Diät bzw. unter Diuretikagabe wird Li+ vermehrt rückresorbiert. Es wird eher eine natriumreiche Kost empfohlen. Lithium hat eine geringe therapeutische Breite.
Neuroleptika (. Tab. 6.17) und Lithium 4 Langzeitneuroleptika, z. B. Flupentixol: akute und chronische Schizophrenie 4 Atypische Neuroleptika, z. B. Clozapin: schizophrene Psychosen 4 Lithium: Prophylaxe affektiver Psychosen, manische Phasen
Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden,
Muskelschwäche, feiner Tremor, Müdigkeit, Gewichtszunahme, Strumabildung. Kontraindikationen. Niereninsuffizienz, schwere
Herz- und Kreislauferkrankungen, M. Addison, kochsalzarme Diät, Schwangerschaft (1. Trimenon), Stillzeit. > Lithium ist bisher die einzige Substanz, bei der eine suizidpräventive Wirksamkeit bei affektiven Psychosen festgestellt wurde.
6.2.13.6 Narkotika Mittels Narkotika werden Schmerzempfindung, Bewusstsein, Abwehrreflexe, meist auch Muskelspannung reversibel ausgeschaltet. Diese verschiedenen Wirkungen werden heute meist mit Narkotikakombinationen erreicht. Inhalative Narkotika > Vorteil von Inhalationsnarkotika ist deren hervorragende Steuerbarkeit (schnelle An- und Abflutung). (. Tab. 6.18).
. Tab. 6.18. Vergleich zweier Inhalationsnarkotika Distickstoffmonoxid (N2O, Lachgas)
Halogenierte Ether z. B. Isofluran
Wirkort
Membrane
Wirkmechanismus
Relativ unbekannt. Wahrscheinlich Änderungen der physikalisch-chemischen Eigenschaften von Membranen
Pharmakokinetik
Schlechte Löslichkeit im Blut, außerordentlich hohe An- und Abflutungsgeschwindigkeit
Relativ schnelles An- und Abfluten, geringe Biotransformation
Wirkung
Relativ schwach narkotisch1, stark analgetisch, keine muskelrelaxierende Wirkung
Atemdepressiv, muskelrelaxierend, negativinotrop, periphere Gefäßwiderstand wird gesenkt
Anwendung
Aufrechterhaltung von Narkosen, Analgesie bei kurzen Eingriffen (z. B. zur Geburtshilfe)
Aufrechterhaltung von Narkosen
Nebenwirkungen
Füllung von Hohlräumen mit vorübergehendem Überdruck. Übelkeit, Erbrechen, lebhafte Träume, Knochenmarkdepression2
Blutdrucksenkung, Schleimhautreizung, Abnahme der Nierendurchblutung
Kontraindikationen
Mediastinalemphysem, Pneumothorax, Gaseinschlüsse im Glaskörper. Strenge Indikationsstellung in Schwangerschaft
Maligne Hyperthermie. Strenge Indikation in Schwangerschaft, bei Kindern unter 2 Jahren. Vorsicht bei erhöhtem Hirndruck
1
2
Da die narkotische Wirkung relativ gering ist, wird Lachgas meist mit anderen Narkotika (z. B. Isofluran) kombiniert. Oft werden auch Muskelrelaxanzien zugeführt. Bei abruptem Absetzen Gefahr des Unterdrucks mit Diffusionshypoxie! Zur Vermeidung Erhöhung der Sauerstoffzufuhr während der Narkoseausleitung.
410
6
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Intravenöse Narkotika Barbiturate (z. B. Thiopental) Wirkort. GABA-Rezeptorkomplex.
6.2.13.7
Wirkmechanismus. Durch Angriff am GABA-Rezeptorkomplex kommt es zu einem verstärkten Einstrom von Cl--Ionen. Folge ist eine Hyperpolarisation der Nervenzellen.
Wirkmechanismus. Bei Ermüdeten werden durch Blo-
Pharmakokinetik. Größtenteils an Plasmaeiweiße gebunden, Verteilung der Substanz zunächst in die am stärksten durchbluteten Organe, dann schnelle Umverteilung aus dem ZNS in die Muskulatur, t1/2 = 5–9 h, Umwandlung in wirksamen Metaboliten. ! Cave Nachinjektion kann u. U. zu gefährlicher Kumulation führen.
Wirkung. Keine analgetische Wirkung, atemdepressiv (dosisabhängig), negativ-inotrop.
Methylxanthine
Koffein Wirkort. Adenosinrezeptoren.
ckade von Adenosinrezeptoren die Ermüdungserscheinungen aufgehoben, die geistige Leistungsfähigkeit wird erhöht. Bei ausgeruhten Personen wird das Leistungspotenzial kaum verbessert. Pharmakokinetik. Oral schnelle Resorption, fast vollständige Metabolisierung, t1/2 = 3–6 h. Wirkung. Zentral stimulierend, Kontraktion von Hirn-
gefäßen, Senkung des Liquordrucks, schwach vasodilatierend und diuretisch. Vasomotoren- und Atemzentrum werden erregt (höhere Dosen), Glykogenolyse und Lipolyse werden stimuliert. Anwendung. Ermüdungszustände. Nebenwirkungen. Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, in-
> Vorteil der psychischen Schonung des Patienten. Gewöhnlich schläft der Patient bereits während der Injektion (nach 10–20 s) ein. Das Aufsetzen der Gesichtsmaske und Exzitationsstadium erlebt er bereits nicht mehr bewusst.
Anwendung. Narkoseeinleitung, kurze chirurgische
Eingriffe (Kombination mit Analgetika).
nere Unruhe, Tachykardie, gastrointestinale Beschwerden. Beim Absetzen evtl. Entzugserscheinungen. ! Cave Paradoxerweise kann Koffein bei älteren Patienten das Einschlafen fördern. Diese Wirkung ist vermutlich auf die verbesserte Hirndurchblutung infolge der gesteigerten Herzleistung zurückzuführen.
Nebenwirkungen. Atemdepression, Blutdruckabfall,
Arrhythmien.
Kontraindikationen. Vorsicht bei Tachyarrhythmien,
Hyperthyreose, Angstsyndromen, Stillzeit. Kontraindikationen. Akute Intoxikation mit zentral-
dämpfenden Pharmaka oder Alkohol, Herzinsuffizienz, komatöse Zustände, Schock, Status asthmaticus, akute hepatische Porphyrie. Vorsicht bei schweren Nierenund Leberstörungen, Hypovolämie, Schwangerschaft und Stillzeit. In Kürze Narkotika (. Tab. 6.18) 4 Inhalative Narkotika – Lachgas: Analgesie bei kurzen Eingriffen, Aufrechterhaltung von Narkosen – Isofluran: Aufrechterhaltung von Narkosen 4 Intravenöse Narkotika – Barbiturate, z. B. Thiopental: Narkoseeinleitung, kurze chirurgische Eingriffe
Theophyllin Wirkort. Phosphodiesterase, Adenosinrezeptoren. Wirkmechanismus. Noch nicht vollständig geklärt.
In hohen Konzentrationen hemmt Theophyllin die Phosphodiesterase, die cAMP zu AMP umwandelt. Dadurch steigt die intrazelluläre cAMP-Konzentration. Folge ist eine Bronchodilatation. Zusätzlich werden Adenosinrezeptoren geblockt, die für Bronchokonstriktion und Histaminfreisetzung zuständig sind. Pharmakokinetik. Relativ gute Bioverfügbarkeit, v. a.
Metabolisierung in der Leber, teils entstehen wirksame Metaboliten. Wirkung. Bronchospasmolytisch, bronchodilatierend, direkt antiinflammatorisch, analeptisch, positiv-chro-
411 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
notrop, positiv-inotrop, schwach diuretisch, zentral stimulierend.
6.2.14
Medikamente mit Einfluss auf das endokrine System
Anwendung. Schwere akute Asthmaanfälle (i.v., p.o.),
6.2.14.1
Stoffwechsel der Glukose
Asthmaprophylaxe (retardierte Form), pulmonale Hypertonie, zentrale Atemregulationsstörungen.
Insuline
Nebenwirkungen. Zentralnervöse Störungen, Tachykardie, Tachyarrhythmie, Muskeltremor, gastrointestinale Beschwerden
6
Verschiedene Insuline sind in . Tab. 6.19 zusammengefasst. Acarbose Wirkort. α-Glukosidase im Bürstensaum des Dünndarmepithels.
! Cave Geringe therapeutische Breite – Einstellung und Kontrolle des Plasmaspiegels!
Kontraindikationen. Vorsicht bei Epileptikern, frischem Herzinfarkt, Hyperthyreose, Herzrhythmusstörungen, Lebererkrankungen. Strenge Indikationsstellung in der Schwangerschaft. In Kürze Methylxanthine 4 Koffein: Ermüdungszustände 4 Theophyllin: schwere, akute Asthmaanfälle, Asthmaprophylaxe, pulmonale Hypertonie, zentrale Atemregulationsstörungen
Wirkmechanismus. Kompetitive Hemmung intestina-
ler α-Glukosidase. Stärke und Saccharose werden nach der Nahrungsaufnahme langsamer abgebaut, die Resorption von Kohlenhydraten aus der Nahrung wird verzögert. > Die Resorptionshemmer müssen »mit dem ersten Bissen« der Mahlzeit eingenommen werden, um ein gleichzeitiges Anfluten von Enzymhemmstoffen und Substrat zu gewährleisten.
Pharmakokinetik. Geringe Resorption, Wirkdauer von 4–6 h, Abbauprodukte werden vorwiegend mit dem Fäzes ausgeschieden.
. Tab. 6.19. Verschiedene Insuline Normalinsulin (Altinsulin)
Schnell wirkendes Insulin
Verzögerungsinsulin
Beschreibung
Gelöstes Insulin ohne resorptionsverzögernde Zusätze
Gentechnologisch gewonnene Humaninsulin-Analoga
An basische Eiweißkörper gebundenes Insulin bzw. InsulinZink-Suspensionen
Wirkmechanismus
Fehlendes Insulin wird ersetzt
Pharmakokinetik
Wirkeintritt nach 10–30 min, Wirkmaximum nach 1–4 h, Wirkdauer 5–7 h
Erhöhte Resorptionsgeschwindigkeit1
Herabgesetzte Resorptionsgeschwindigkeit, dadurch längere Wirkdauer (>24 h möglich)
Wirkung
Verbesserte Aufnahme von Glukose in die Zellen, oxidativer Glukoseabbau wird gesteigert
Anwendung
Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes (wenn Diät und orale Antidiabetika nicht ausreichen) Coma und Praecoma diabeticum, azidotische Stoffwechsellage, schwere Infektionen, Operationen, Ersteinstellung, Hyperglykämie in Schwangerschaft
Nebenwirkungen 1 2 3
Eigentlich nur noch in Kombinationspräparaten mit anderem Insulin2
Hypoglykämie (Überdosierung), allergische Reaktionen3, Lipohypertrophie, Lipodystrophie (lokal)
Vorteil: diese Substanzen können unmittelbar vor der Mahlzeit verabreicht werden! Mischinsuline werden bevorzugt bei Typ-2-Diabetikern mit Blutzuckerspitzen am Vormittag eingesetzt. Seitdem die Insuline chromatographisch gereinigt werden, treten allergische Nebenwirkungen viel seltener auf.
412
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Wirkung. Geringe Senkung der HbA1c-Werte, teils Verzögerung des Übergangs zu einem Typ-2-Diabetes bei Patienten mit verminderter Glukosetoleranz – Lebensstiländerung ist effektiver! Anwendung. Adjuvante Therapie bei Diabetes mellitus in Verbindung mit Diät. Nebenwirkungen. Meteorismus, Diarrhö, Bauch-
! Cave Insulinotrope Antidiabetika sind nur wirksam, wenn die körpereigene Insulinproduktion zumindest noch teilweise erhalten ist. Außerdem ist zu beachten , dass die B-Zellen nach maximaler Stimulation erst nach relativ langer Zeit wieder ansprechbar sind.
Metformin Wirkort. Epithelzellen des Darms und der Leber.
schmerzen (einschleichende Dosierung!). Wirkmechanismus. Noch nicht gesichert. Sehr wahr-
6
> Bei einer auftretenden Hypoglykämie unter Acarbose muss Glukose gegeben werden, nicht Saccharose (7 Wirkmechanismus).
scheinlich wird die Bindung von Insulin an dessen Rezeptor verstärkt und in Prozesse eingegriffen, die der Insulinrezeptorwechselwirkung nachgeschaltet sind. ! Cave
Kontraindikationen. Patienten unter 18 Jahren, chroni-
sche Darmerkrankungen, Roemheldscher Symptomenkomplex, größere Hernien, Niereninsuffizienz, Schwangerschaft, Stillzeit. Insulinotrope Antidiabetika Antidiabetika, die die Freisetzung von Insulin fördern, werden als insulinotrop bezeichnet (. Tab. 6.20).
Metformin ist nur bei noch erhaltener Insulinrestproduktion wirksam.
Pharmakokinetik. Gute Resorption (p.o.), t1/2 = ca. 3 h, unverändert renale Ausscheidung. Wirkung. Hemmung der Glykogenolyse und Glukoneogenese. Der Blutzuckerspiegel beim Diabetiker
. Tab. 6.20. Insulinotrope Antidiabetika Sulfonylharnstoffe (z. B. Glibenclamid)
Repaglinid
Wirkort
B-Zellen des Pankreas
Wirkmechanismus
Insulinfreisetzung wird wie bei Glukose anregt. K+-Kanäle der B-Zellen werden blockiert, dadurch nimmt K+-Permeabilität und Membranruhepotenzial ab und spannungsabhängige Ca2+-Kanäle werden geöffnet. Die intrazelluläre Ca2+-Konzentration steigt an, es kommt zu einer gesteigerten Exozytose
Pharmakokinetik
Starke Eiweißbindung, t1/2 = 9 h
Wirkung
Insulin wird aus den B-Zellen des Pankreas freigesetzt, insulinotrop
Anwendung
Typ-2a-Diabetes, späte Stadien des Typ-2b-Diabetes2
Nebenwirkungen
Gastrointestinale Beschwerden, allergische Reaktionen, hypoglykämische Zustände3, Gewichtszunahme
Kontraindikationen
Typ-1-Diabetes, starke Azetonurie, diabetisches Koma, Präkoma, schwere Nierenfunktionsstörungen, Schwangerschaft, Stillzeit (Umstellung auf Insulin)
1
2
3
Schnelle Resorption, t1/2 = ca. 1 h, fast vollständige Metabolisierung zu inaktiven Produkten, schnelle Elimination1
Dadurch ist es möglich, Repaglinid kurz vor der Hauptmahlzeit einzunehmen. Insulinfreisetzung wird so weitgehend dem physiologischen Bedarf angepasst. Oft Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Pharmaka, da nicht mehr ausreichend Insulin sezerniert werden kann. Hypoglykämische Zustände treten bei Repaglinid wesentlich seltener auf. Der Nüchternblutglukosespiegel wird kaum gesenkt.
413 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
(nicht jedoch beim Stoffwechselgesunden) wird somit durch verringerte hepatische Glukoseproduktion und verbesserte Glukoseverwertung in den peripheren Geweben gesenkt. Zusätzlich werden die Plasmaspiegel von Triglyzeriden, LDL- und VLDL-Cholesterin erniedrigt.
Wirkmechanismus. Stimulation des γ-Subtyps des PPAR. Insulinsekretion bleibt unbeeinflusst. Durch vermehrte Expression und Translokation von Glukosetransportern wird die Glukoseaufnahme in die Zellen erhöht, die Glukoneogenese in der Leber herabgesetzt und die Glykolyse erhöht.
Anwendung. Typ-2-Diabetes (besonders geeignet für übergewichtige Patienten). Metformin wird oft auch in Kombination mit Sulfonylharnstoffen verabreicht, um eine Blutzuckernormalisierung bei Patienten zu erreichen, die auf eine Monotherapie nicht ansprechen.
! Cave
Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden (evtl. Beginn einer Laktatazidose), Kopfschmerzen, Schwindel, Blutbildveränderungen. > Da die Insulinfreisetzung in den B-Zellen durch Metformin nicht stimuliert wird, besteht kaum die Gefahr hypoglykämischer Nebenwirkungen.
Glitazone sind nur in Gegenwart von Insulin wirksam.
Pharmakokinetik. Gute Resorption, hohe Plasmaei-
weißbindung, nahezu vollständige Metabolisierung in der Leber. Wirkung. Verbesserung der Insulinwirkung, verminderte Insulinresistenz in Leber, Fett und Skelettmuskulatur wird korrigiert (Typ-2-Diabetes). Nüchternblutzucker und HbA1c-Wert werden gesenkt. Anwendung. Typ-2-Diabetes. Als Monotherapie oder
Kontraindikationen. Niereninsuffizienz, Coma und
in Kombination mit Sulfonylharnstoffen oder Metformin.
Praecoma diabeticum, Ketoazidose, respiratorische Insuffizienz, schwere Herz-Kreislaufstörungen, Leberschädigung, Schock, Alkoholismus, Schwangerschaft, Stillzeit.
Nebenwirkungen. Flüssigkeitsretention (u. a. dadurch bedingte Gewichtszunahme), Kopfschmerzen, erhöhte Gefahr von Infektionen der oberen Luftwege.
Glitazone (Insulin-Sensitizer, z. B. Pioglitazon) Wirkort. »Peroxisomal proliferator activated receptor« (PPAR).
Kontraindikationen. Typ-1-Diabetes, Herzinsuffizienz NYHA III und IV, Lebererkrankungen, Ketoazidose, Schwangerschaft, Stillzeit.
In Kürze Antidiabetika (. Tab. 6.19, . Tab. 6.20) 4 Insuline: Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes 4 Acarbose: adjuvante Therapie bei Diabetes mellitus in Verbindung mit Diät
6.2.14.2 Glukokortikoide Hydrokortison (Kortisol) – natürliches Glukokortikoid Wirkort. Intrazelluläre Rezeptoren, Zyklooxygenase-2, Interleukinbildung. Zytokintranskription. Wirkmechanismus. Wirkung erfolgt über intrazelluläre
Rezeptoren, indem in Proteinsynthese eingegriffen wird. Blockade der COX-2-Induktion führt zu Hemmung der Prostaglandinsynthese (antiphlogistisch). Wechselwirkung mit Interleukin-1-Bildung in Makrophagen und Interleukin-2-Bildung in T-Lymphozyten (immunsuppressiv).
4 Insulinotrope Stoffe: z. B. Glibenclamid: Typ-2a-Diabetes, späte Stadien des Typ-2b-Diabetes 4 Metformin: Typ-2-Diabetes 4 Glitazone: z. B. Pioglitazon: Typ-2-Diabetes
Pharmakokinetik. Großteil liegt im Blut gebunden vor,
t1/2 = 1,7 h. Wirkung. Förderung der Glukoneogenese (Blutzucker-
spiegel und Glykogenbildung in der Leber wird erhöht), Verstärkung lipolytischer Effekte von Katecholaminen, Verminderung der ACTH-Sekretion des Hypophysenvorderlappens (. Abb. 6.8), Na+-Retention, vermehrte Sekretion von K+ und Ca2+. In höheren Dosen wirkt Kortisol u. a. antiproliferativ, antiphlogistisch und immunsuppresiv.
414
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
tionen. Keine Heilung, nur symptomatische Besserung! 4 Auge: allergische Konjunktivitis, tiefer Herpes corneae, Iritis, Iridozyklitis, Episkleritis 4 Dickdarm: Entzündungen im Dickdarmbereich (z. B. Colitis ulcerosa, M. Crohn, Proktosigmoiditis) ! Cave Bei Beendigung einer länger dauernden Therapie muss die Dosis langsam reduziert werden, da ansonsten die Gefahr einer Nebennierenrindenatrophie besteht.
6
. Abb. 6.8. Darstellung hypophysärer Hormone. Während die glandotropen Hormone (TSH, ACTH, FSH, LH) eine nachgeschaltete endokrine Drüse stimulieren, wirken Somatotropin (überwiegend), Prolaktin, Oxytocin und Vasopressin direkt an ihren Zielorganen. (Aus Oberdisse, Hackenthal, Kuschinsky 2002)
Anwendung. Nebennierenrindeninsuffizienz und adrenogenitales Syndrom mit Salzverlust. Orale Arzneiformen werden für die Dauertherapie angewandt, parenterale für die Notfalltherapie (z. B. Addisonkrise). Lokale Anwendung für Haut, Auge und Dickdarm. 4 Systemisch: rheumatische Erkrankungen, allergische Reaktionen (insbesondere Asthma bronchiale – inhalativ), Colitis ulcerosa, M. Crohn, toxische Infektionskrankheiten, Blutkrankheiten 4 Haut: Ekzeme, Kontaktdermatitiden, Psoriasis, allergische Hautreaktionen, phototoxische Reak-
Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen nehmen bei Langzeittherapien mit ansteigender Dosis zu. CushingSyndrom, Infektionen, Atrophien von Muskulatur, Haut und Fettgewebe, Glaukom, Wachstumshemmung (Kinder), Osteoporoserisiko, zentralnervöse Störungen. ! Cave Bei der inhalativen Anwendung besteht die Gefahr einer Kandidiasis im Bereich der Mundhöhle. Der Patient sollte vor der Mahlzeit inhalieren und anschließend den Mund spülen.
Kontraindikationen. Systemmykosen, Amöbeninfektion, Magen-Darm-Ulzera, schwere Osteoporose, Psychosen, Virusinfektionen, Glaukom, Augenmykosen. Prednison und Prednisolon Prednisolon und Prednison sind etwa viermal stärker antiphlogistisch wirksam als Kortisol und weisen eine geringere Beeinflussung des Elektrolytstoffwechsels auf. Die anderen Nebenwirkungen konnten nicht reduziert werden, die Beeinflussung des Glukosestoffwechsels nimmt sogar mit steigender antiphlogistischer Wirkung zu.
In Kürze Das natürliche Glukokortikoid Kortisol wird in der Nebennierenrinde gebildet und wirkt über intrazelluläre Rezeptoren antiphlogistisch und immunsuppressiv. Entsprechend wird es therapeutisch angewendet für
verschiedene entzündlich/allergisch/autoimmun bedingte Erkrankungen sowie zur Substitution bei Nebennierenrindeninsuffizienz und adrenogenitalem Syndrom mit Salzverlust. Synthetische Glukokortikoide sind u. a. Prednison und Prednisolon.
415 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6.2.14.3
Geschlechtshormone und Verwandte
Männliche Geschlechtshormone Androgene (z. B. Testosteron; körpereigene Substanz) Wirkort. Intrazelluläre Rezeptoren. Wirkmechanismus. Wirkung über intrazelluläre Re-
zeptoren.
6
Pharmakokinetik. Oral gute Resorption, t1/2 = 48 h. Wirkung. Testosteronwirkung wird aufgehoben. Libido und Spermiogenese werden unterdrückt. Zusätzlich stark gestagene Wirkung. Anwendung. Inoperables Prostatakarzinom, krankhaft gesteigerter Sexualtrieb beim Mann (Sexualstraftäter), hochgradiger Hirsutismus und androgenetische Alopezie bei der Frau, schwere Akne vulgaris bei der Frau.
Pharmakokinetik. Gute Resorption, hoher First-pass-
Effekt (daher p.o. weitgehend unwirksam, i.m., s.c. oder transdermale Applikation möglich). Testosteron liegt weitgehend gebunden vor, nur der ungebundene Wirkstoff ist biologisch aktiv, t1/2 = 10–20 min. Der Abbau erfolgt hauptsächlich hepatisch, Elimination vorwiegend renal. Wirkung. Pränatale Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane, Entwicklung der sekundären männlichen Geschlechtsmerkmale in der Pubertät (androgene Wirkung), wichtig für Funktion der Sexualorgane, Stimulation der Eiweiß- und Nukleinsäuresynthese (anabole Wirkung), Steigerung der Erythrozytenproduktion. Anwendung. Substitutionstherapie bei Hypogonadis-
mus, »Climacterium virile« , aplastische Anämie, progressives Mammakarzinom der Frau. ! Cave Eine normale sexuelle Potenz ist durch Testosteron nicht steigerbar. Vielen Potenzstörungen liegt auch kein Testosteronmangel zugrunde, Ursache ist oft eine psychische Störung.
Nebenwirkungen. Lokale Irritationen (transdermales
Pflaster), Polyglobulie, Prostatabeschwerden, Hypertonie, Diarrhö, Haarausfall, Leberschädigung, Atrophie der Keimdrüsen, Virilisierungserscheinungen bei der Frau. Kontraindikationen. Prostatakarzinom, Mammakarzinom des Mannes, Hyperkalzämie bei malignen Tumoren, Lebertumor, Schwangerschaft.
Antiandrogene (z. B. Cyproteron) Wirkort. Androgenrezeptoren. Wirkmechanismus. Kompetitive Blockade der Wirkung
männlicher Hormone an Androgenrezeptoren der Zielorgane (antagonistische Wirkung). Zusätzlich wird die LH-Freisetzung gehemmt, wodurch die Testosteronproduktion herabgesetzt wird (gestagene Wirkung).
! Cave Aufgrund der gestagenen Wirkung werden Antiandrogene bei Frauen stets in Kombination mit Östrogenen eingesetzt.
Nebenwirkungen. Antriebshemmung, Spermatogenesehemmung, Libido- und Potenzverlust, Gynäkomastie, depressive Verstimmung. Kontraindikationen. Schwere Lebererkrankungen, Lebertumor, cholestatischer Ikterus, Porphyrie, DubinJohnson-Syndrom, Rotor-Syndrom, Thrombophlebitis, Myokardinfarkt, Lungenembolie, schwere Depression, Diabetes mellitus, Jugendliche während der Pubertät, Schwangerschaft.
Weibliche Geschlechtshormone/ Ovulationshemmer/wehenstimulierende Mittel Östrogene (Estrogene; z. B. Estradiol) Wirkort. Unter anderem Uterus, Brustdrüsen, Knochen, Hypothalamus, Hypophyse. Wirkmechanismus. Wirkung mittels intrazellulärer Re-
zeptoren, welche in östrogengesteuerten Geweben gebildet werden. Pharmakokinetik. Oral hoher First-pass-Effekt, t1/2 = ca. 50 min, vielfältiger Metabolismus. Bei transdermaler Applikation sind infolge der Umgehung der Leber wesentlich geringere Dosen erforderlich. Wirkung. Stimulation des Wachstums weiblicher Sexu-
alorgane, Prägung weiblicher Geschlechtsmerkmale, Einfluss auf zyklische Veränderung der Uterusschleimhaut und Viskosität des Zervikalschleims, Beeinflussung von Stoffwechselvorgängen in Leber (vermehrte HDL-Bildung, verringerte LDL-Bildung, erhöhte Bildung von Gerinnungsfaktoren) und Knochen (Hemmung des Abbaus, Ca2+-Einbau verstärkt). Anwendung. Uterushypoplasie, Östrogenmangel (Klimakterium), primäre und sekundäre Amenorrhö
416
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
(Kombination mit Gestagenen), zum Abstillen, Osteoporoseprophylaxe postmenopausaler Frauen mit hohem Frakturrisiko (nur, wenn andere Osteoporosepräparate unverträglich oder kontraindiziert sind).
Nebenwirkungen. Hitzewallungen, polyfollikuläre Reaktion mit Mehrlingsschwangerschaften, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Appetitlosigkeit, Spannungsgefühl in der Brust. Kontraindikationen. Schwere Lebererkrankungen, un-
> Östrogene sind bei langfristiger Osteoporosephylaxetherapie nicht mehr Mittel der 1. Wahl, da die Nebenwirkungen bei der Kombination mit Gestagenen gegenüber den nützlichen Wirkungen überwiegen.
6
Nebenwirkungen. Erhöhtes Thromboembolierisiko, Ovarienatrophie, Spannungsgefühl in der Brust, Gewichtszunahme, Übelkeit, Bauchkrämpfe, Ödembildung, Hyperpigmentierung. > Sofortiges Absetzen bei akuten Sehstörungen, erstmaliger Migräne, Cholestase, Blutdruckanstieg, Phlebitis, Thromboembolie.
geklärte Uterusblutungen, ovarielle Funktionsstörungen, Sehstörungen, Schwangerschaft. Gestagene Physiologisches und synthetisches Gestagen werden in . Tab. 6.21 gegenüber gestellt. Hormonale Kontrazeptiva
Hormonelle Verhütungsmittel sind in . Tab. 6.22 zusammengefasst. Wehenstimulierende Mittel (z. B. Oxytocin
[Hypophysenhinterlappenhormon]) Wirkort. Uterus.
Kontraindikationen. Hormonabhängiges Uterus- und
Mammakarzinom, unklare Vaginalblutungen, Endometriumhyperplasie, Endometriose, schwere Leberfunktionsstörungen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Hyperbilirubinämie. Vorsicht bei schwerem Diabetes mellitus, Hypertonie, Asthma, Nieren- und Leberinsuffizienz, Epilepsie, multipler Sklerose.
Wirkmechanismus. Stimulation der Uterusmusku-
latur. Pharmakokinetik. Inaktivierung in Niere und Leber, t1/2
= 1–12 min. Wirkung. Uteruskontrahierend, Steigerung der Milche-
Antiöstrogene (Antiestrogene, z. B Clomifen) Wirkort. Unter anderem Hypothalamus, Hpophyse. Wirkmechanismus. Durch Blockade der inhibitori-
schen Rezeptoren wird der negative Rückkopplungserfolg der Östrogene im Hypothalamus und Hypophyse aufgehoben. Folge ist eine vermehrte Freisetzung von Gonadoliberin und somit erhöhte Gonadotropinausschüttung.
jektion. Anwendung. Geburtseinleitung, Wehenschwäche während der Geburt, atonische postpartale Blutungen, nach Kaiserschnitt zur Gebärmutterkontraktion, Laktationsstörungen. Nebenwirkungen. Hypertone Wehen mit Gefahr einer
Dauerkontraktion des Uterus (Überdosierung), Blutdruckanstieg, Tachykardie, Übelkeit.
Pharmakokinetik. Oral gute Resorption, aufgrund ei-
nes enterohepatischen Kreislaufs beträgt t1/2 = 5 Tage.
Kontraindikationen. Krampfwehen, schwere Schwan-
Wirkung. Teilweise oder vollständige Aufhebung östro-
gerschaftstoxikose, mechanische Geburtshindernisse, Lageanomalie, drohende Uterusruptur, vorzeitige Plazentalösung.
gener Wirkungen, woraus eine ovarielle Stimulation und letztlich eine Ovulation resultiert. Schwache Östrogenwirkung. Anwendung. Ovulationsauslösung bei Frauen mit un-
6.2.14.4 Schilddrüsenpräparate Iodid Wirkort. Proteasen, Peroxidasen.
erfülltem Kinderwunsch aufgrund anovulatorischer Zyklen.
Wirkmechanismus. Die thyreostatische Wirkung be-
> Das Antiöstrogen Tamoxifen kommt bei der Therapie des östrogenrezeptorpositiven Mammakarzinoms zum Einsatz.
ruht auf einer Verminderung der Hormonabgabe aus Thyreoglobulin durch Blockade von Proteasen. Zusätzlich wird der eigene Einbau in Tyrosinreste durch Inaktivierung von Peroxidasen gehemmt. Wenn eine
417 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
. Tab. 6.21. Vergleich physiologisches und synthetisches Gestagen Progesteron (physiologisch)
Norethisteron (synthetisch)
Wirkort
Hypophyse
Wirkmechanismus
Verstärkte Expression von Zielgenen. Angriff an zwei Rezeptorsubtypen. Blockade der Gonadotropinausschüttung aus Hypophyse, dadurch Unterdrückung der Ovulation
Pharmakokinetik
Oral hoher First-pass-Effekt (geringe Wirksamkeit), parenteral nur kurz wirksam, t1/2 = ca. 5 min
Wirkung.
Senkung der Östrogenrezeptorzahl, Hemmung der östrogenbedingten Proliferation der Uterusschleimhaut, Stimulation der Entwicklung des sekretorischen Endometriums, Zervixschleimviskosität wird erhöht1, LH-Ausschüttung der Hypophyse und somit Ovulation wird gehemmt, Stimulation der Drüsenbildung in den Brüsten, wichtig für Erhaltung einer Schwangerschaft, Unterstützung der osteoporoseverhütenden Wirkung der Östrogene, Basaltemperatur wird erhöht, katabole Wirkung (hoch dosiert)
Wesentlich besser p.o. wirksam als Progesteron, t1/2 = 7–9 h
Leicht östrogene und androgene Eigenschaften Anwendung
Antikonzeption, Hormonersatz in Postmenopause, Gebärmutterblutungen, Dysmenorrhö, Endometriose, Uteruskarzinom, Unterdrückung der Menstruation
Nebenwirkungen
Libidoverlust, Kopfschmerzen, Übelkeit, Spannungsschmerzen in der Brust, Gewichtszunahme Schwindel, depressive Verstimmungen
Kontraindikationen
Schwere Leberschäden, Hyperbilirubinämie, Thromboembolie, Dubin-Johnson-Syndrom, Rotor-Syndrom Ungeklärte Uterusblutungen
1
Sofort absetzen bei ungewohnten Kopfschmerzen, erstmaliger Migräne, Sehstörungen, Blutdruckanstieg
Diabetes mellitus, Myokardinfarkt, Hypertonie, Schwangerschaft
Darauf beruht die kontrazeptive Wirkung niedrig dosierter Gestagenpräparate (»Minipille«).
. Tab. 6.22. Auflistung verschiedener hormoneller Verhütungsmethoden Beschreibung
Wirkweise/Kommentar
Nebenwirkungen
EinphasenMethode
Östrogen-Gestagen-Kombination über 21 Tage
Gonadotropinfreisetzung erniedrigt, Zervikalschleim verdickt. Pearl-Index1 0,2
ZweiphasenMethode
Sequenzpräparate: 1. Zyklusphase nur Östrogene, 2. Phase übliche ÖstrogenGestagen-Kombination
Wirkung beruht vorwiegend auf Ovulationshemmung. Sicherheit erniedrigt
Zweistufenpräparate: 1. Zyklusphase Östrogene mit niedrig dosierten Gestagenen, 2. Phase übliche Östrogen-Gestagen-Kombination
Pearl-Index1 0,2
Nachlassen der Libido, Nervosität, Müdigkeit, Erbrechen, Spannungsgefühl in Brüsten, Pigmentveränderungen, Akne, trockene Scheide, erhöhtes Thromboserisiko (abhängig von Östrogendosis) 2
6 Tage nach Regelblutung niedrige Östrogen- und Gestagenmenge, folgende 5 Tage erhöhte Östrogen- und Gestagendosis, restliche 10 Tage niedrige Östrogen- und gesteigerte Gestagendosis
VT: Anpasssung an weiblichen Zyklus, Senkung des thromboembolischen Risikos. Pearl-Index1 0,2
DreiphasenMethode
6
6
418
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.22. (Fortsetzung)
6
Beschreibung
Wirkweise/Kommentar
Nebenwirkungen
Minipille
Reine, niedrig dosierte Gestagenprodukte
Wirkung beruht v. a. auf Viskositätserhöhung des Zervixschleims. Pearl-Index1 1,0
Relativ selten. Oft unregelmäßige Zyklen
Intrauterinsysteme
Gestagenhaltige Intrauterinspiralen
Aufgrund der Zervixschleimverdickung wirksam. Zusätztlich wird Endometriumaufbau gestört. Sehr zuverlässig
Abnahme der Menstruationsstärke, teils sogar Ausfall der Menstruation
Parenteral applizierte hormonale Kontrazeptiva
Gestagenpräparate
Applikation im Abstand von 3 Monaten
Postkoitale Kontrazeptiva (»Pille danach«)
Gestagenpräparate
Einnahme bis maximal 72 h nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Vorwiegend antiovulatorisch wirksam
1 2
Übelkeit, Erbrechen
Versagerquote (Anzahl der Schwangerschaften bei 100 Frauen). Rauchen und erhöhtes Lebensalter steigern das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen.
. Tab. 6.23. Levothyroxin und Triiodthyronin L-Thyroxin (Levothyroxin, T4)
Triiodthyronin (Liothyronin, T3)
Wirkort
Nukleäre Rezeptoren
Wirkmechanismus
Bindung an nukleäre Rezeptoren, welche wiederum an spezifische DNA-Sequenzen binden und die Genexpression beeinflussen. Folge ist eine vermehrte Bildung von Na+/K+-ATPasen und mitochondrialen Enzymen
Pharmakokinetik
Gute Resorption (p.o.), starke Eiweißbindung im Blut, t1/2 = 6 Tage, Großteil wird in Leber in T3 umgewandelt, enterohepatischer Kreislauf
Wirkung
Steigerung des Energieumsatzes, des O2-Verbrauchs, der Wärmebildung im Organismus. Zunahme von Glykogenolyse und Glukoneogenese. Wichtig für Entwicklung und Wachstum1
Anwendung
Hypothyreose, euthyreote Struma, Strumaprophylaxe nach Kropfoperationen, Vermeidung iatrogener Hypothyreosen bei Hyperthyreosentherapie (Kombination mit Thyreostatika)2 T4 findet besonders in der Dauertherapie Anwendung
Sehr gute Resorption (p.o.), t1/2 = 1–2 Tage, enterohepatischer Kreislauf
T3 wird v. a. in der Notfalltherapie des hypothyreoten Koma oder nach Schilddrüsenoperationen eingesetzt (schnellere und stärkere Wirkung)
Nebenwirkungen
Hyperthyreose (überdosiert)
Kontraindikationen
Hyperthyreose. Vorsicht bei älteren Patienten, Herzinsuffizienz, Angina pectoris, Myokardinfarkt, Myokarditis, Tachykardie, Schwangerschaft
1 2
Das eigentlich wirksame Hormon ist Triiodthyronin. Triiodthyronin weist unerwünschte Plasmaspiegelspitzen und vermehrt Nebenwirkungen auf, so dass Thyroxin bevorzugt angewandt wird, u. a. auch wegen seiner längeren Wirkdauer.
419 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
schnelle thyreostatische Wirkung erforderlich ist, wird Iodid immer in Kombination mit Thioharnstoffderivaten verabreicht.
Anwendung. Prophylaxe und Behandlung von Iodmangelstruma, Operationsvorbereitung zur Schilddrüsensekretion bei Hyperthyreose.
Pharmakokinetik. Nahezu vollständige Resorption (p.o.), Anreicherung in Schilddrüse, Speicheldrüsen, Brustdrüse, Magen.
Nebenwirkungen. Hypo- und Hyperthyreose (dosisabhängig), allergische Reaktionen.
Wirkung. Wichtig für Synthese von Schilddrüsenhor-
monen. Thyreostatische Wirkung (hochdosiert). Iodbedarf Der tägliche Iodbedarf liegt bei 150–200 μg. In Deuschland liegt die durchschnittliche Iodzufuhr deutlich darunter, dies ist die maßgebende Ursache für das häufige Vorkommen von Iodmangelstruma.
Kontraindikationen. Iodüberempfindlichkeit, Hyperthyreose, Tuberkulose, Herzinsuffizienz. Vorsicht bei großem Knotenkropf, autonomen Adenom. Schilddrüsenhormone
Die Schilddrüsenhormone fasst . Tab. 6.23 zusammen. Thyreostatika
Eine Übersicht über die wichtigsten Thyreostatika gibt . Tab. 6.24.
. Tab. 6.24. Verschiedene Thyreostatika Propylthiouracil
Mercaptoimidazole (z. B. Carbimazol)
Perchlorat
Radioiod
Wirkort
Schilddrüse
Wirkmechanismus
Hemmung der Umwandlung von Iodid zu Iod durch Blockade der Peroxidasen und somit des Einbaus von Iod in Schilddrüsenhormonvorstufen
Kompetitive Blockade der Iodidaufnahme in die Schilddrüse
Abgabe von β- und γ-Strahlen, Zerstörung von Schilddrüsengewebe
Pharmakokinetik
Gute Resorption, Wirkeintritt nach 1–2 Wochen, t1/2 = 1,5–2 h, hohe Proteinbindung1
Schnelle Wirkeintritt, geringe Wirkdauer
t1/2 = 8 Tage, Therapieerfolg erst nach 2–4 Monaten
Wirkung
Unterdrückung der Hormonbildung bzw. -freisetzung
Anwendung
Hyperthyreosen, besonders bei M. Basedow
Bei Kontrastmitteldarstellungen, wenn Gefahr einer thyreotoxischen Krise besteht
Maligne Schilddrüsentumoren, Hyperthyreose, euthyreote Strumen
Nebenwirkungen
Übelkeit, Geruchsstörungen, allergische Reaktionen, Knochenmarksschädigungen
Magen-Darm-Beschwerden, Agranulozytose, aplastische Anämie
Hypothyreose (noch viele Jahre später möglich)
Kontraindikationen
Retrosternale Strumen. Vorsicht in Schwangerschaft, Stillzeit
Große Basedow-, Knoten-, retrosternale Struma, Schwangerschaft, Stillzeit
Schwangerschaft, Stillzeit, Wachstumsalter
1
Gute Resorption, Thiamazol ist eigentlicher Wirkstoff, Wirkeintritt nach 1–2 Wochen, t1/2 = 6–13 h
Bevorzugtes Präparat in Schwangerschaft und Stillzeit, da verzögerter Übergang in Plazenta und Muttermilch.
420
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
In Kürze
6
Endokrines System: Glukokortikoide, Geschlechtshormone, Schilddrüsenpräparate (. Tab. 6.21, . Tab. 6.22, . Tab. 6.23) 4 Glukokortikoide – Antiöstrogene, z. B. Clomifen, Tamoxifen: Ovula– Kortisol: NNR-Insuffizienz, AGS mit Salzverlust, tionsauslösung, Mammakarzinom autoimmun/allergisch bedingte Erkrankungen – Gestagene, z. B. Progesteron: Antikonzeption, etc. Hormonersatztherapie, Dysmenorrhö, Endomet4 Männliche Geschlechtshormone riose etc. – Androgene, z. B. Testosteron: Substitutionsthe– Kontrazeptiva (. Tab. 6.24) 4 Schilddrüsenpräparate rapie bei Hypogonadismus, ggf. Mammakarzi– Iodid: Iodmangelstruma nome – Thyroxin, Thyronin: Hypothyreose, euthyreote – Antiantrogene, z. B. Cyproteron: ProstatakarziStruma, Strumaprophylaxe bei Gabe von Thyrenom, gesteigerter Sexualtrieb, Hirsutismus ostatika und androgene Alopezie bei der Frau, Akne bei – Thyreostatika, z. B. Propylthiouracil: Hyperthyreder Frau ose, v. a. Morbus Basedow 4 Weibliche Geschlechtshormone – Östrogene, z. B. Estradiol: Uterushypoplasie, Hormonersatztherapie, Amenorrhö etc.
6.2.15 Lipidsenker
Kontraindikationen. Lebererkrankungen, Myopathien,
Schwangerschaft, Stillzeit. Statine (z. B. Atorvastatin) Wirkort. HMG-CoA-Reduktase.
Fibrate (z. B. Bezafibrat) Wirkort. Lipoproteinlipase.
Wirkmechanismus. Blockade der HMG-CoA-Redukta-
se, die HMG-CoA in Mevalonsäure umwandelt. Durch Hemmung des Enzyms sinkt die intrazelluläre Cholesterolkonzentration und als Feedback-Mechanismus werden mehr LDL-Rezeptoren gebildet. Folge ist eine Abnahme der Low-density-Lipoproteinkonzentration und des Gesamtcholesterols im Blut.
Wirkmechanismus. Steigerung der Lipoproteinlipasenaktivität, wodurch VLDL vermehrt zu LDL umgewandelt wird. Zusätzliche Verringerung der VLDL-Freisetzung aus der Leber und der hepatischen Cholesterinbildung. Pharmakokinetik. Schnelle, gute Resorption (p.o.), t1/2
Pharmakokinetik. Gute Resorption (p.o.), hoher First-
= 2 h, Elimination vorwiegend renal.
pass-Effekt, t1/2 = 14 h (!). > Aus Atorvastatin entstehen lang wirkende, aktive Metaboliten, so dass die Reduktasehemmaktivität bis zu 30 h andauern kann.
Wirkung. Senkung des Triglyzeridblutspiegels, geringere Senkung des Cholesterolblutspiegels, deutlicher Anstieg der HDL-Konzentration, Erniedrigung des Plasmafibrinogens.
Wirkung. Senkung eines erhöhten Cholesterolblutspie-
Anwendung. Hypertriglyzeridämie mit oder ohne Hy-
gels, HDL-Konzentration wird etwas erhöht, Triglyzeridkonzentration in Abhängigkeit vom Ausgangswert gesenkt.
percholesterinämie (wenn Diät und Gewichtsreduktion nicht ausreichen). Nebenwirkungen. Gastrointestinale Störungen, Ten-
Anwendung. Primäre Hypercholesterinämie (wenn
Diät und Gewichtsreduktion nicht ausreichend). Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden,
Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Juckreiz, Mundtrockenheit, Myalgien.
denz zur Gallensteinbildung, allergische und photoallergische Reaktionen. Kontraindikationen. Schwere Nieren- und Leberfunktionsstörungen, Gallenblasenerkrankungen, Schwangerschaft, Stillzeit.
421 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
Wirkung. Selektive Hemmung der entzündlichen Reak-
In Kürze Lipdsenker 4 Statine, z. B. Atorvastatin: primäre Hypercholesterinämie 4 Fibrate, z. B. Bezafibrat: Hypertriglyzeridämie
tion auf Uratkristalle, antimitotische Wirkung. Anwendung. Akuter Gichtanfall. Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden. ! Cave
6.2.16 Medikamentöse Behandlung
Colchizin ist stark toxisch: 20 mg wirken beim Erwachsenen letal.
der Gicht Colchicin (Alkaloid aus der Herbstzeitlosen) Wirkort. Wahrscheinlich Mikrotubuli der Zellen.
Kontraindikationen. Frauen im konzeptionsfähigen Alter, Schwangerschaft, Stillzeit. Männer dürfen bis 1 Jahr nach Therapieende kein Kind zeugen.
Wirkmechanismus. Phagozytoseaktivität der Leukozyten wird durch Hemmung der Kontraktionsfähigkeit von Tubulin herabgesetzt.
> Bei akuten Gichtanfällen werden häufig auch nichtsteroidale Antiphlogistika eingesetzt. Diese Wirkstoffgruppe wurde bereits unter 7 Kap. 6.2.11 besprochen.
Pharmakokinetik. Gute Resorption (p.o.), enterohepatischer Kreislauf, starke Eiweißbindung, langsame Ausscheidung (Kumulationsgefahr!).
Urikostatika und Urikosurika Eine Übersicht über Urikostatika und Urikosurika findet sich in . Tab. 6.25.
. Tab. 6.25. Urikostatika und Urikosurika Urikostatika (z. B. Allopurinol)
Urikosurika (z. B. Benzbromaron)
Wirkort
Xanthinoxidase
Niere
Wirkmechanismus
Hemmung der Xanthinoxidase, welche Hypoxanthin zu Harnstoff oxidiert. Allopurinol wird durch die Xanthinoxidase in den langwirksamen (t1/2 = etwa 20 h) Metaboliten Oxipurinol überführt, welches dieses Enzym ebenfalls blockiert. Durch die Enzymhemmung werden vermehrt Hypoxanthin und Xanthin mit dem Urin eliminiert
Hemmung der tubulären Rückresorption von Harnsäure
Pharmakokinetik
t1/2 = 1,3 h
Mäßige Resorption, Bildung wirksamer Metaboliten
Wirkung
Reduktion der Harnsäurebildung.
Steigerung der Harnsäureausscheidung im Urin1.
Anwendung
Gicht, chronische Hyperurikämie, Harnsäuresteine
Hyperurikämie, Gicht
Nebenwirkungen
Gastrointestinale Beschwerden, allergische Reaktionen, zentralnervöse Störungen
Gastrointestinale Störungen, Harnsäuresteine, allergische Hautreaktionen
Kontraindikationen
Strenge Indikationsstellung in Schwangerschaft und Stillzeit
Nephrolithiasis, Niereninsuffizienz, sekundäre Hyperurikämie. Strenge Indikationsstellung in Schwangerschaft und Stillzeit
1
Um das Ausfallen von Natriumuratkristallen in den Nieren zu vermeiden, wird zusätzlich zum Alkalisieren des Urins Natriumhydrogenkarbonat bzw. Kaliumcitrat verabreicht und die Flüssigkeitszufuhr erhöht.
422
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
! Cave Bei Behandlungsbeginn mit Urikostatika und Urikosurika besteht die Gefahr eines akuten Gichtanfalls, da Uratdepots im Gewebe mobilisiert werden, wodurch der Blutharnsäurespiegel zusätzlich steigt. Prophylaktisch kann vor Therapiebeginn Colchicin verabreicht werden. In Kürze
6
Medikamente zur Therapie der Gicht (. Tab. 6.25) 4 Colchicin: akuter Gichtanfall 4 Urikostatika, z. B. Allopurinol: Gicht, Hyperurikämie 4 Urikosurika, z. B. Benzbromaron: Hyperurikämie, Gicht
Penicilline Penicilline gehören zu den β-Lactamantibiotika. Aufgrund ihrer hohen Wirkstärke, geringen Toxizität und großen therapeutischen Breite zählen sie zu den Antibiotika erster Wahl (. Tab. 6.26, . Abb. 6.9). > Viele β-Lactamantibiotika können von β-Lactamasen (Enzyme, die von verschiedenen Bakterien gebildet werden) durch Öffnung des β-Lactamrings inaktiviert werden. Hier ist eine Kombination mit β-Lactamaseinhibitoren (z. B. Clavulansäure) indiziert.
Cephalosporine Cephalosporine sind β-Lactamantibiotika (s. Penicilline). Ähnlich wie bei Penicillinen sind sie auch in der Schwangerschaft anwendbar (. Tab. 6.27, . Tab. 6.28). ! Cave
6.2.17
Antiinfektiva
7 Kap. Hygiene, Mikrobiologie, Virologie
6.2.17.1 Antiseptika Wirkung von Antiseptika Ziel einer Desinfektion ist das Abtöten pathogener Mikroorganismen, die Mensch und Tier infizieren können. Anforderungen an ein Desinfektionsmittel sind: schnelle Wirkung, breites Wirkspektrum, gute Verträglichkeit, keine bzw. geringe Sensibilisierung, bei evtl. Resorption kaum toxische Wirkung, lange Haltbarkeit, Umweltfreundlichkeit, keine Inaktivierung durch Sputum, Blut, Eiter, Fäzes, Fremdstoffe. Man unterscheidet anorganische und organische Desinfektionsmittel. Zu den anorganischen Präparaten zählen Oxidationsmittel (z. B. Ozon, H2O2), Halogene (z. B. Chlor, Iod) und Schwermetallverbindungen. Organische Desinfektionsmittel sind u. a. Aldehyde (z. B. Formaldehyd, Taurolidin), Alkohole, Phenole, N-haltige Heterozyklen, Ethylenoxid, quartäre Ammoniumverbindungen, Chlorhexidin. Folgende Wirkmechanismen können der Antisepsis zugrunde liegen: Schädigung der Zytoplasmamembran, Enzymhemmung, chemische Reaktion mit Nukleinsäuren.
Keine Therapie von lebensbedrohlichen Infektionen mit Oralcephalosporinen, da nur niedrigere Wirkstoffkonzentrationen erreicht werden!
Carbapeneme (z. B. Imipenem) Carbapeneme zählen zu den β-Lactamantibiotika (7 Penicilline). Wirkort. Bakterienzellwand. Wirkmechanismus. Hemmung der Zellwandsynthese. Pharmakokinetik. Hohe β-Lactamasestabilität, relativ schnelle Inaktivierung durch renale Dipeptidase (oft Kombination mit Dipeptidasehemmstoff Cilastatin), t1/2 = 1 h. Wirkung. Bakterizide Wirkung gegen grampositive
(inkl. Staphylococcus aureus) und gramnegative (inkl. Pseudomonas aeruginosa) Bakterien, Anaerobier. Anwendung. Lebensbedrohliche Infektionen durch
unbekannte Erreger bei Sepsis, Pneumonie, Peritonitis (Notfallantibiotikum). Schwere Mischinfektionen (bei Versagen anderer Antibiotika oder bestehender Penicillin- bzw. Cephalosporinallergie). Nebenwirkungen. Allergische Reaktionen, Thrombophlebitiden (Injektionsstelle), gastrointestinale Störungen, neurologische Beschwerden.
Antibiotika (Antibakteriell wirksame Pharmaka) > Am Sputum kann man grob erkennen, ob eine virale (zäh-glasiger Auswurf ) oder bakterielle Infektion (eitriger Auswurf ) vorliegt.
> Selten besteht bei Carbapenem-Allergie eine Kreuzallergie zu Penicillinen.
423 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
. Abb. 6.9. Mindmap Antibiotikaklassen und Anwendungsbeispiele
6
424
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.26. Verschiedene Penicillingruppen Benzylpenicillin (Penicillin G)
Oralpenicilline (z. B. Penicillin V)
Penicillinasestabile Isoxazolylpenicilline (z. B. Dicloxacillin)
Penicilline mit erweitertem Wirkungsspektrum (z. B. Amoxicillin1)
Wirkort
Bakterienzellwand
Wirkmechanismus
Hemmung des letzten Schritts der Mureinsynthese (Zellwandsynthese) wachsender Bakterien. Durch irreversible Blockade der D-Alanin-Transpeptidase kommt es zu keiner Verknüpfung der Glykopeptide. Im Rahmen der Zellteilung lysiert die Zelle
Pharmakokinetik
Resistenzentwicklung beruht meist auf Bildung von β-Lactamasen Oral nicht verfügbar, parenterale Gabe, t1/2 = 40 min, Inaktivierung durch Penicillinasen, renale Elimination. Geringe Resistenzentwicklung
6
Wirkung
Säurestabil und somit p.o. resorbierbar, t1/2 = 30 min, renale Elimination
Orale und parenterale Gabe möglich, t1/2 = 0,5–1 h
Säurestabil, gute Resorption, t1/2 = 60 min
Bakterizid auf proliferierende Keime (Wachstumsphase der Bakterien) Grampositive Kokken, grampositive Stäbchen, gramnegative Kokken, Spirochäten. Unwirksam gegen die meisten gramnegativen Keime2
Staphylokokken, Enterokokken. Induktion von Penicillinasebildung in Bakterien möglich3
Grampositive Kokken, grampositive Stäbchen, zahlreiche gramnegative Bakterien, Spirochäten
Bakterielle Tonsillitis, Streptokokkenangina, Scharlach, Phlegmone, Erysipel, Otitis, Sinusitis, rheumatisches Fieber
β-Lactamasebildende Staphylokokken, Sepsis, zur Prophylaxe chirurgischer Infektionen
Haemophilusinfektionen, Infektionen des HNO-Bereichs, der ableitenden Harnwege, der Geschlechtsorgane, des Magen-Darm-Trakts, der Haut, Typhus, Osteitis, zur Endokarditisprophylaxe
Anwendung
Diphtherie, Scharlach, Erysipel, rheumatisches Fieber, Endocarditis lenta, Pneumonie, Meningitis, Gas-, Milzbrand, Lues
Nebenwirkungen
Relativ geringe Toxizität4. Allergische Reaktionen, neurotoxische Symptome (hochdosiert), MagenDarm-Probleme, Herxheimer-Reaktion Exanthem, Kolitis
Kontraindikationen
Penicillinallergie Vorsicht bei Mononucleosis infectiosa, Asthma bronchiale, Heuschnupfen, Urtikaria
1
2 3 4
Ampicillin gleicht im Wirkungsspektrum Amoxicillin. Indikation besonders bei Infektionen der ableitenden Harnwege, des Respirationstrakts. Benzylpenicillin ist stärker wirksam. Strenge Indikation! Verabreichung während der Schwangerschaft möglich! Penicilline erscheinen jedoch in der Muttermilch, so dass bei Stillkindern behandelter Frauen Magen-Darm-Störungen auftreten können.
425 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
. Tab. 6.27. Verschiedene Parenteralcephalosporine Basiscephalosporine (z. B. Cefazolin)
Anaerobiercephalosporine (z. B. Cefoxitin)
Intermediäre Cephalosporine (z. B. Cefuroxim)
Breitspektrumcephalosporine (z. B. Cefotaxim)
Wirkort
Bakterienzellwand
Wirkmechanismus
Hemmung der Bakterienzellwandsynthese durch Beeinträchtigung der Transpeptidaseaktivität. Zellwandstörungen führen zu Deformierung und Lyse der Bakterienzellen
Pharmakokinetik
Wirkung
Oral keine Resorption. Intrmuskulär rasche Resorption, keine erhöhte β-Lactamasestabilität, t1/2 = 94 min
Mit hoher β-Lactamasestabilität, t1/2 = 60 min
Grampositive Kokken, Gonokokken, Meningokokken, gramnegative Stäbchen (v. a. Haemophilus influenza)
Gramnegative Stäbchen (z. B. E.coli, Proteus mirabilis), Anaerobier, geringer wirksam gegen grampositive Erreger und Haemophilus influenzae.
Breites Wirkspektrum, erhöhte Aktivität gegen zahlreiche gramnegative und grampositive Bakterien
Cephalosporine werden bei Versagen von Penicillinen bzw. bestehender Penicillinallergie1 und nur nach Resistenztestung eingesetzt! Leichte Atemwegsund Wundinfektionen, Staphylokokkeninfektionen, perioperative Prophylaxe
Nebenwirkungen
Mit hoher β-Lactamasestabilität, t1/2 = 45 min
Bakterizid auf proliferierende Bakterienzellen (Wachstumsphase der Keime) Viele grampositive Keime, einige gramnegative Keime, Staphylokokken, Streptokokken, E. coli, Klebsiella pneumoniae
Anwendung
Mit erhöhter β-Lactamasestabilität, t1/2 = 70 min
Nicht lebensbedrohliche Infektionen z. B. Pneumonie, Harnwegsinfektionen, schwere Wund- und Gewebsinfektionen
Gezielte Therapie gegen grampositive Keime oder Anaerobier (z. B. gynäkologische Infektionen, schwere Wundinfektionen) und sensible Erreger.
Schwere, lebensbedrohliche Infektionen (z. B. Sepsis, Pneumonie), multiresistente Keime. Einmaltherapie bei Gonorrhö
Allergische Reaktionen, gastrointestinale Störungen Anstieg von Bilirubin, Transaminasen, alkalischer Phosphatase (vorübergehend)
Kontraindikationen 1
Cephalosporinallergie
Großteil der Patienten, die eine Penicillinallergie aufweisen, haben keine gegen Cephalosporine.
Kontraindikationen. Vorsicht in der Schwanger-
schaft. Glykopeptide (z. B. Vancomycin) Wirkort. Bakterienzellwand.
Pharmakokinetik. Oral keine Resorption, parenterale Applikation, t1/2 = 6 h, vorwiegend renale Elimination. Wirkung. Bakerizide Wirkung gegen aerobe und anae-
robe grampositive Erreger, insbesondere gegen Staphylokokken, Enterokokken und Clostridium difficile.
Wirkmechanismus. Hemmung der Mureinsynthese
durch Verhinderung der Elongation der Peptidoglykanketten und ihrer Quervernetzung.
Anwendung. Schwere Staphylokokken- und Enterokokkeninfektionen (wo risikoärmere Antibiotika auf-
426
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.28. Verschiedene Oralcephalosporine Ältere Vertreter (z. B. Cefaclor)
Neuere Vertreter (z. B. Cefixim)
Wirkort
Bakterienzellwand
Wirkmechanismus
Hemmung der Bakterienzellwandsynthese durch Beeinträchtigung der Transpeptidaseaktivität. Zellwandstörungen führen zu Deformierung und Lyse der Bakterienzellen
Pharmakokinetik
Gute Resorption (p.o.), keine β-Lactamasestabilität, t1/2 = 45–60 min
Wirkung
Bakterizid auf proliferierende Bakterienzellen (Wachstumsphase der Keime)
Geringere Resorption (p.o.), erhöhte β-Lactamasestabilität, t1/2 = 3–5 h
Viele grampositive Keime, einige gramnegative Keime, Staphylokokken, Streptokokken, E. coli, Klebsiella pneumoniae, Haemophilus influenzae
6
Gramnegative Stäbchen (auch sonst resistente Erreger), Haemophilus influenzae, Streptococcus pyogenes, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis
Anwendung
Atemwegs-, Harnwegs- und Hautinfektionen
Nebenwirkungen
Allergische Reaktionen, gastrointestinale Störungen
Kontraindikationen
Cephalosporinallergie Schwere Nierenfunktionsstörungen, Frühgeborene, Neugeborene, Stillzeit. Vorsicht im 1. Trimenon der Schwangerschaft.
grund von Resistenz- oder Allergieproblemen nicht verabreicht werden können), pseudomembranöse Enterokolitis durch Clostridium difficile (p.o. Applikation). Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden
(p.o.),Ototoxizität (dosisabhängig), Schwindel, Ohrenklingen, Neutropenie, Thrombozytopenie, allergische Hautreaktionen, Nierenversagen reversible Nephrotoxizität. Kontraindikationen. Bei Darmschleimhautschädigungen mit gleichzeitiger Nierenfunktionsstörung, akutes Nierenversagen, Schwerhörigkeit, Schwangerschaft.
Aminoglykoside Ein Überblick über Aminoglykoside findet sich in . Tab. 6.29.
! Cave Aminoglykoside und β-Lactamantibiotika dürfen nicht zusammen in einer Spritze aufgezogen werden: es besteht die Gefahr gegenseitiger Inaktivierung.
Tetrazykline Tetrazykline sind oral wirksame Breitspektrumantibiotika (. Tab. 6.30).
! Cave Mehrwertige Kationen (z. B. Ca2+, Mg2+) bilden mit Tetrazyklinen Komplexe, wodurch die Tetrazykline inaktiviert werden: keine gleichzeitige Gabe mit Antazida, Eisenpräparaten und bestimmten Nahrungsmitteln, z. B. Milch.
Makrolide (z. B. Erythromycin) Wirkort. Proteinsynthese. Wirkmechanismus. Hemmung der Proteinbiosynthese. Durch Bindung an bakterielle Ribosome wird die Verschiebung der t-RNA-gebundenen Peptidkette von der Akzeptor- auf die Donorposition verhindert. Pharmakokinetik. Rasche Resistenzentwicklung bei
der Therapie (!) durch Verhinderung der Penetration durch die Zellwand, Strukturveränderungen an der Bindungsstelle oder Hydrolyse des Makrolidrings. t1/2 = 2 h. Wirkung. Bakteriostatische Wirkung gegen aerobe grampositive Bakterien (z. B. Streptokokken), anaerobe grampositive Erreger wie Propionibakterien, gramnegative Bakterien wie z. B. Legionellen, Bordetella, Haemophilus influenzae, zellwandlose Keime (z. B. Myko-
427 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
. Tab. 6.29. Verschiedene Aminoglykoside Neomycin
Kanamycin
Gentamicin
Wirkort
Proteinsynthese
Wirkmechanismus
Komplexe Störung der Proteinsynthese durch Blockade der Bindung von N-FormylmethionyltRNA an die 30-S-Untereinheit. Zusätzlich wird die Verlängerung der begonnenen Peptidketten gehemmt. Außerdem werden Ablesefehler bei der Translation hervorgerufen, wodurch falsche Enzym- und Strukturproteine gebildet werden, welche irreversible Membranschäden verursachen
Pharmakokinetik
Resistenzentwicklung beruht meist auf Enzymbildung, welche Aminoglykoside inaktivieren. p.o. verabreicht wirken sie nur lokal, schnelle Resorption nach i.m.-Gabe, t1/2 = ca. 2 h, Elimination v. a. renal
Wirkung
Bakterizide Wirkung gegen Enterobakteriaceen, Staphylokokken1 Bakterizid gegen gramnegative Keime inkl. Haemophilus influenzae, Salmonellen, Shigellen, Proteus, Streptokokken
Bakterizid gegen Pseudomonaden
Bakterizid gegen Staphylokokken, E. coli2, Enterobacter, Klebsiella
Bakterielle Konjunktivitis und andere Infektionen des vorderen Augenabschnitts (lokal)
Anwendung
Lokale Behandlung infizierter Wunden und Hautkrankheiten, Zystitiden, Harnwegsinfektionen. Augeninfektionen (in Kombinationspräparaten)
Nebenwirkungen
Oto- und Nephrotoxizität (dosisabhängig)4 Lokale Reizungen, allergische Reaktionen
Kontraindikationen
1 2 3 4
Terminale Niereninsuffizienz, Erkrankungen des Gehör- und Gleichtgewichtsorgans, Frühgeborene, Schwangerschaft, Stillzeit
Lokale Reizungen (selten)
Bakterizid gegen gramnegative Stäbchen (besonders gramnegative Problemkeime), grampositive Kokken Schwere Infektionen (systemische Gabe) wie z. B. Sepsis, Endokarditis, Osteomyelitis, Augen- und Hautinfektionen (lokal)3, Harnwegsinfektionen, Infektionen des Gastrointestinaltrakts, Knochen- und Weichteilinfektionen
Irreversible Vestibularis- und Akustikusschäden (überdosiert), allergische Reaktionen Innenohrschäden, Schwangerschaft (sytemische Gabe). Vorsicht bei Nierenfunktionsstörungen
Streptokokken und Anaerobier sind meist resistent. Oft primäre Resistenz bei E.coli und anderen gramnegativen Stäbchen! Lokale Applikation gilt es zu vermeiden, da Entwicklung resistenter Stämme begünstigt wird. Besonders bei Neugeborenen, Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, hochdosierter Therapie wird eine Serumspiegelüberwachung empfohlen.
6
428
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.30. Verschiedene Tetrazykline Doxycyclin Wirkort
Proteinsynthese
Wirkmechanismus
Hemmung der ribosomalen Proteinbiosynthese durch Anlagerung an Bakterienribosome und Verhinderung der Bindung von Aminoacyl-t-TNA an dessen Akzeptorstelle. Dadurch findet keine Peptidkettenverlängerung statt1
Pharmakokinetik
Resistenzentwicklung (!) durch aktiven Transport der Tetrazykline aus der Zelle oder Strukturänderungen. Im Kochen Speicherung als Ca2+-Komplexe, enterohepatischer Kreislauf t1/2 = 17 h
6
Minocyclin
t1/2 = 14 h
Wirkung
Bakteriostatische Wirkung2 gegen Streptokokken inkl. Pneumokokken und Listerien, gramnegative Erreger wie z. B. Neisserien, Yersinien, Haemophilus influenzae, Bruzellen, Spirochäten wie Borrelien, Treponemen, intrazelluläre Keime wie z. B. Mykoplasmen, Chlamydien3
Anwendung
Intrazelluläre Infektionen, akute Schübe chronischer Bronchitis, interstitielle Pneumonie, nichtgonorrhoische Urethritis, Hautkrankheiten wie Akne, Rosaceae
Nebenwirkungen
Gastrointestinale Beschwerden, Leberschäden (besonders bei Schwangeren), irreversible Zahnveränderungen, Photosensibilisierung
Kontraindikationen
Schwangerschaft, Kinder unter 8 Jahren, schwere Leber- und Nierenschäden
1 2 3
Relativ gering toxisch, da wesentlich höhere Affinität zu Bakterienribosomen. Keine Kombination mit bakterizid wirkenden Antibiotika! Proteus- und Enterobacterarten, Serratien und Pseudomonas aeruginosa sind weitgehend resistent.
plasmophilus, Chlamydien). Mäßig wirksam gegen Toxoplasma gondii. Anwendung. Mittel der Wahl bei Infektionen des Re-
spirationstrakts mit Mykoplasmen, Chlamydien und Legionellen, Keuchhusten bei Säuglingen und Kleinkindern (auch zur Prophylaxe), Keuchhustenpneumonie, Infektionen der ableitenden Harnwege mit Chlamydien oder Ureaplasma urealyticum, Campylobakterenteritis, Erythrasma oder Staphylokokkeninfektionen der Haut, Infektionen mit penicillin- und tetrazyklinresistenten Erregern bzw. bei Patienten mit Penicillinallergie. > Das teilsynthetische Clarithromycin kommt bei der Eradikationstherapie bei Helicobacter pylori zum Einsatz.
Kontraindikationen. Stillzeit. Vorsicht bei Lebererkran-
kungen. Chloramphenicol Wirkort. Proteinbiosynthese. Wirkmechanismus. Hemmung der Peptidyltransferase
in der Elongationsphase durch Bindung an bakterielle 50-S-Ribosome, womit die Proteinsynthese beeinträchtigt wird. Pharmakokinetik. t1/2 = 3–5 h. Wirkung. Meist bakteriostatische Wirkung gegen Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis, Typ-BStreptokokken, Salmonella typhi und paratyphi, Rickettsien, Chlamydien, Mykoplasmen, Spirochäten, Bacteroides, intrazellulär liegende Erreger.
Nebenwirkungen. Gastrointestinale Störungen (teils
aufgrund der direkten Wirkung auf Motilinrezeptoren), Überempfindlichkeitsreaktionen, pseudomembranöse Kolitis, Leberfunktionsstörungen, intrahepatische Cholestase mit Ikterus, reversibler Gehörverlust (überdosiert).
Anwendung. Wenn risikoärmere Antibiotika unwirksam sind; bei bakterieller Meningitis, Typhus, Paratyphus, septischen Salmonellosen als Reserveantibiotikum. Lokal am Auge.
429 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
Nebenwirkungen. Irreversible aplastische Anämie und
Panzytopenie, Leukopenie, Thrombozytopenie, allergische Reaktionen, Herxheimer-Reaktion (dosisunabhängig). Knochenmarksschädigungen (selten, aber gravierend). Gastrointestinale Beschwerden, reversible Anämie (dosisabhängig). ! Cave Chloramphenicol wirkt myelotoxisch. Alle zwei Tage müssen Blutbildkontrollen erfolgen, die Anwendungsdauer ist auf 2 Wochen zu beschränken.
Kontraindikationen. Blutkrankheiten (z. B. aplastische
Anämie, Panzytopenie), Knochenmarksschädigungen, schwere Lebererkrankungen, Früh- und Neugeborene, Ende der Schwangerschaft, Stillzeit.
6
Sulfonamide (z. B. Sulfamethoxazol) Wirkort. Bakterienstoffwechsel. Wirkmechanismus. Kompetitive Verdrängung der p-
Aminobenzoesäure, welche von Bakterien zum Aufbau der Dihydrofolsäure benötigt wird. Pharmakokinetik. Schnelle, gute Resorption (p.o.), t1/2
= 10 h, Elimination vorwiegend renal. Wirkung. Bakteriostatische Wirkung. Aufgrund der Resistenzentwicklung beschränkt sich das Wirkungsspektrum v. a. auf Streptokokken, Pneumokokken, Aktinomyzeten, Nokardien, Chlamydien. Auch gegen einige Protozoen wirksam wie Pneumocystis carinii, Toxoplasma gondii, Plasmodien.
Lincosamide (z. B. Clindamycin) Wirkort. Proteinsynthese.
Anwendung. Monotherapie nur noch bei Trachom.
Wirkmechanismus. Hemmung der Proteinsynthese
> Wegen der fortgeschrittenen Resistenzentwicklung und den erheblichen Nebenwirkungen werden nur noch Sulfonamide therapeutisch angewandt, die aufgrund ihrer Plasmahalbwertszeit mit Diaminobenzylpyrimidinen bzw. Pyrimethamin kombiniert werden können (Wirkungsverstärkung).
Pharmakokinetik. Gute Resorption, t1/2 = 2,5 h, Meta-
boliten teilweise antibakteriell wirksam. Wirkung. In Abhängigkeit von der Konzentration am
Wirkort und der Empfindlichkeit der Erreger bakteriostatisch oder bakterizid. Wirkprofil ähnlich den Makrolidantibiotika (7 Makrolide). Von Bedeutung ist die Wirksamkeit gegen Staphylokokken und Anaerobier. Anwendung. Anaerobier- und Staphylokokkek-Infek-
tionen als Reserveantibiotikum. Staphylokokkenbedingte Osteomyelitis. Lokal bei Akne vulgaris, Toxoplasmose bei AIDS und CRPF-Malaria (Kombination mit Pyrimethamin). Nebenwirkungen. Gastrointestinale Störungen, teils
Kombinationstherapie . Cotrimoxazol.
Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden,
Überempfindlichkeitsreaktionen (selten). Kontraindikationen. Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Blutbildveränderungen, akute Porphyrie, Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel. Vorsicht in Schwangerschaft (insbesondere letzter Monat), Stillzeit (insbesondere ersten Monate), Neugeborene.
Cotrimoxazol Fixe Kombination von Trimethoprim und Sulfamethoxazol (1:5).
akute, schwere pseudomembranöse Kolitis. Wirkort. Bakterienstoffwechsel. Kontraindikationen. Keine parenterale Gabe bei Neu-
geborenen und Säuglingen aufgrund des Lösungsmittels Benzylalkohol (Gefahr von Atemstörungen). Gyrasehemmer Gyrasehemmer der 1. Generation (z. B. Nalidixinsäure, Cinoxacin) haben v. a. aufgrund eines schmalen Wirkspektrums, einer geringeren Wirkstärke und fortgeschrittener Resistenzentwicklung an Bedeutung verloren, neuere Gyrasehemmer werden in . Tab. 6.31 zusammengefasst.
Wirkmechanismus. Blockade des Folsäurestoffwechsels
an zwei verschiedenen Stellen. Hemmung der Dihydrofolsäuresynthese (Sulfonamid) und Hemmung der Dihydrofolsäurereduktase (Trimethoprim). > Vorteile dieser Kombination sind Verstärkung der Wirksamkeit, Verzögerung der Resistenzentwicklung und Verbreiterung des Wirkungsspektrums.
Pharmakokinetik. Oral hohe Bioverfügbarkeit, t1/2 = ca.
10 h.
430
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.31. Verschiedene Gyrasehemmergruppen1 Harnwegstherapeutika (z. B. Norfloxacin)
Standardchinolone (z. B. Ciprofloxacin)
Fluorchinolone (z. B. Grepafloxacin)
Fluorchinolone (zusätzlich gegen Anaerobier wirksam; z. B. Moxifloxacin)
Wirkort
DNA-Gyrase (Topoisomerase II)
Wirkmechanismus
Hemmung der Untereinheit A der DNA-Gyrase. Die DNA-Gyrase liegt als Tetramer mit zwei verschiedenen Untereinheiten (A, B) vor. Die Untereinheit A bewirkt die DNA-Öffnung, es folgt eine Verdrillung, wofür die Untereinheit B die Energie liefert. Die Untereinheit A bewirkt wiederum die Verschließung. Durch Gyrasehemmer wird das Wiederverschließen der DNA-Stränge beeinträchtigt. Dies führt bei empfindlichen Bakterien zu einem raschen Zusammenbrechen des Stoffwechsels
Pharmakokinetik
Resistenzen können durch chromosomale Mutation entstehen
6
Orale Gabe, schlechte Gewebegängigkeit, t1/2 = 3–4 h Wirkung
Oral oder in schweren Fällen parenteral, t1/2 = 3–5 h, enterohepatischer Kreislauf
t1/2 = 10–15 h
t1/2 = 12 h
Bakterizide Wirkung Viele gramnegative Keime inkl. Pseudomonas aeruginosa
Gramnegative Erreger (z. B. Salmonellen, Pseudomonaden), einige grampositive Bakterien wie Enterobakterien, Haemophilus influenzae
Besonders grampositive Keime, weniger gramnegative Erreger, Mykoplasmen, Chlamydien
Besonders grampositive und »atypische« Erreger
Anwendung
Harnwegsinfekte (p.o.), bakterielle Konjunktivitiden (lokal)
Harnwegsinfekte, bakterielle Infektionen der Atemwege, des Darmtrakts, der Augen, der Ohren, der Haut, der Weichteile, Milzbrand
Atemwegsinfektionen
Pneumonien, chronische Bronchitis, akute bakterielle Sinusitis
Nebenwirkungen
Gastrointestinale Beschwerden, allergische Reaktionen, Tendopathien, zentralnervöse Störungen (selten, aber gravierend) Schwere Arrhythmien
Kontraindikationen
Epilepsie, Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder vor Abschluss der Wachstumsphase. Vorsicht bei älteren Patienten, Patienten mit niedriger Krampfschwelle, Niereninsuffizienz Arrhythmien
1
Zwischen den Gyrasehemmern besteht eine komplette Kreuzresistenz!
Eingeschränkte Leberfunktion, Arrhythmien, Herzinsuffizienz
431 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
Wirkung. Bakterizide Wirkung gegen viele grampositive und gramnegative Erreger. In hohen Dosen wirksam gegen Pneumocystis carinii. ! Cave Aufgrund des häufigen Einsatzes von Cotrimoxazol sind vormals sensible Bakterien mittlerweile resistent!
Anwendung. Harnwegsinfektionen, Bronchitis, Otitis
media, Sinusitis, Prostatitis, Ruhr, Salmonella typhi, Pneumocystis-carinii-Pneumonie.
6
Anwendung. Anaerobierinfektionen inkl. Helicobacter-pylori-Eradikation, Trichomoniasis, bakterielle Vaginose, Amöbiasis, Darminfektionen mit Lamblien und Balantiden, perioperative Prophylaxe bei großen gynäkologischen und gastrointestinalen Operationen, M. Crohn (immunsuppresiv). Nebenwirkungen. Gastrointestinale Störungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Exantheme. Kontraindikationen. Neurologische Erkrankungen, Leberschäden, Schwangerschaft, Stillzeit.
Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden,
Überempfindlichkeitsreaktionen (selten). Kontraindikationen. Schwere Leber- und Nierenparen-
chymschäden, Schwangerschaft, Stillzeit, Früh- und Neugeborene.
! Cave Keine gleichzeitige Einnahme von Alkohol wegen Hemmung der Aldehydoxidase: Alkoholunverträglichkeit! Die Wirkung von oralen Antikoagulanzien wird durch die gleichzeitige Gabe von Nitroimidazolderivaten verstärkt.
Nitroimidazole (z. B. Metronidazol) Wirkort. Bakterienstoffwechsel. Antituberkulotika Wirkmechanismus. Bei der Reduktion der Nitrogruppe
entstehen reaktive Zwischenprodukte (bevorzugt in O2-armen Zellen). Diese zerstören wichtige Zellbestandteile, es kommt zu DNA-Strangbrüchen. Pharmakokinetik. Schnelle, fast vollständige Resorption (p.o.), bei vaginaler Applikation erfogt die Resorption langsamer und geringer. Metaboliten z. T. auch wirksam, t1/2 = 8 h, renale Ausscheidung. Wirkung. Aerobe und fakultativ anaerobe Bakterien
sind resistent! Bakterizide Wirkung gegen obligat anaerobe Keime wie Clostridien (außer Aktinomyzeten), Protozoen wie Entamoeba histolytica, Trichomonas vaginalis, Giardia lamblia. Immunsuppressive Wirkung.
Man unterscheidet Substanzen der 1. und 2. Wahl. Antituberkulotika der 1. Wahl wie z. B. Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol, Pyrazinamid und Streptomycin dienen der Tuberkulosetherapie im Regelfall und wirken meist bakterizid (außer Ethambutol). Wirkstoffe der 2. Wahl, sog. Reservestoffe (z. B. Protionamid, Capreomycin, Terizidon) sind bakteriostatisch wirksam und finden Anwendung, wenn die Basisstoffe nicht vertragen werden oder Resistenzen vorliegen (7 Kap. Hygiene, Mikrobiologie, Virologie). Bei multiresistenter Tuberkulose werden Gyrasehemmer angewandt. Die Tuberkulosetherapie muss als Kombinationsbehandlung und Langzeittherapie erfolgen, die Substanzen müssen gezielt eingesetzt werden. Antituberkulotika wirken meist nur in der Proliferationsphase, so dass Keime persistieren können und es nach dem Therapieende zu Rezidiven kommen kann.
In Kürze Übersicht Antibiotika Antibiotikagruppen
Beispiele
Wirktyp
Erreger
Penicilline
Penicillin G
Bakterizid
Grampositive Kokken und Stäbchen, gramnegative Kokken, Spirochäten
Cephalosporine
Cefuroxim
Bakterizid
Grampositive Kokken, Gonokokken, Meningokokken, gramnegative Stäbchen
Carbapeneme 6
Imipenem
Bakterizid
Grampositive, gramnegative Bakterien, Anaerobier
432
6
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Glykopeptide
Vancomycin
Bakterizid
Aerobe, anaerobe grampositive Erreger, besonders gegen Staphylokokken, Enterokokken und Clostridium difficile.
Aminoglykoside
Gentamicin
Bakterizid
Enterobakteriaceen, Staphylokokken, Pseudomonaden, gramnegative Stäbchen, grampositive Kokken
Tetrazykline
Doxycyclin
Bakteriostatisch
Streptokokken, gramnegative Erreger, Spirochäten wie Borrelien, Treponemen, intrazelluläre Keime, Chlamydien.
Makrolide
Erythromycin
Bakteriostatisch
Aerobe, anaerobe grampositive Bakterien, gramnegative Bakterien, zellwandlose Keim
Meist bakteriostatisch
Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis, TypB-Streptokokken, Salmonella typhi und paratyphi, Rickettsien, Chlamydien, Mykoplasmen, Spirochäten, Bacteroides, intrazellulär liegende Erreger
Chloramphenicol
Lincosamide
Clindamycin
Bakteriostatisch oder bakterizid
Wirkprofil ähnlich den Makrolidantibiotika (. Makrolide). Von Bedeutung ist die Wirksamkeit gegen Staphylokokken und Anaerobier
Gyrasehemmer
Ciprofloxacin
Bakterizid
Gramnegative Erreger, einige grampositive Bakterien
Sulfonamide
Sulfamethoxazol
Bakteriostatisch
Streptokokken, Pneumokokken, Aktinomyzeten, Nokardien, Chlamydien, einige Protozoen
Cotrimoxazol
Trimethoprim, Sulfamethoxazol
Bakterizid
Grampositive, gramnegative Erreger. Pneumocystis carinii (hochdosiert)
Nitroimidazole
Metronidazol
Bakterizid
Obligat anaerobe Keime, Protozoen
6.2.17.2 Antimykotika Antimykotika sind Substanzen zur Therapie von Pilzinfektionen. Azolderivate Einen Überblick über Azolderivate liefert . Tab. 6.32. Squalenepoxidasehemmer (z. B. Terbinafin) Wirkort. Ergosterolsynthese der Pilzzellmembran. Wirkmechanismus. Hemmung der Squalenepoxidase, wodurch die Umwandlung von Squalen in Lanosterol geblockt wird. Folge ist ein Ergosterolmangel mit Störung der Membranpermeabilität und Zelllyse. Pharmakokinetik. Oral gute Resorption, starke Metabolisierung, t1/2 = 11–16 h (zusätzlich langsame Komponente mit 100 h).
Wirkung. Fungistatische Wirkung. Bei Dermatophyten und Schimmelpilzen fungizide Wirkung (durch Squalenakkumulation). Geringere Wirkung gegen Hefen, daher nur lokal anwendbar. Anwendung. Oral: Onychomykosen, Tinea pedis, T.
corporis, T. cruris (bei Versagen einer lokalen Therapie). Lokal: Pilzinfektionen der Haut durch Dermatophyten oder Hefepilze (besonders Candidaarten, Pityriasis versicolor). Nebenwirkungen. Leichte gastrointestinale Störungen, Hautreaktionen, Myalgien, Arthralgien, Geschmacksstörungen. Kontraindikationen. Nagelveränderungen aufgrund
primär bakterieller Infektionen, Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder. Vorsicht bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen.
433 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
. Tab. 6.32. Verschiedene antimykotisch wirksame Azolderivate Clotrimazol
Bifonazol
Ketoconazol
Fluconazol
Wirkort
Lanosteroldemethylase der Pilzzellmembran
Wirkmechanismus
Hemmung der Biosynthese von Ergosterol (wichtiger Bestandteil der Zellmembran von Pilzen) durch Einlagerung falscher Sterole, wobei die normale Membranfunktion gestört wird
Pharmakokinetik
Lokaltherapeutika
Peroraltherapeutika t1/2 = 7–10 h
Wirkung
Auch parenterale Gabe möglich, t1/2 = 27–37 h
Breitspektrumantimykotika mit fungistatischer Wirkung1 Dermatophyten, Hefen, Schimmelpilze, Strahlenpilze, zusätzlich teils fungizide Wirkung
Nahezu alle Pilze
Anwendung
Pilzinfektionen der Haut und Schleimhäute, Erythrasma, Pityriasis versicolor, vulvovaginale Kandidosen
Hautmykosen, Erythrasma, Pityriasis versicolor
Oral: Mykosen der Haut, Haare, Schleimhaut, Organund Systemmykosen, Prophylaxe einer Pilzinfektion bei immunsupprimierten Patienten, chronische Vaginalmykosen. Lokal: Hautmykosen wie Tinea pedis, T. cruris, T. corporis, Mikrosporien, Soormykosen, seborrhoische Dermatitis, Pityriasis versicolor
Systemkandidosen inkl. Kandidämie, Kandidurie, Candidainfektionen des Peritoneums, der Lunge, des Harntrakts, KryptokokkenMeningitis, vaginale Kandidosen (wenn lokal Gabe unwirksam). Hautmykosen wie Tinea corporis, T. cruris, Pityriasis versicolor (wenn lokal Gabe unwirksam)
Nebenwirkungen
Hautreaktionen (selten)
Allergische Hautreaktionen (selten)
Leberfunktionsstörungen, gastrointestinale Störungen, ZNS-Störungen, Hautreaktionen
Gastrointestinale Beschwerden, Kopfschmerzen, Hautausschlag, Haarausfall, Transaminaseanstieg
Kontraindikationen
Strenge Indikation in der Schwangerschaft
Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder <20 kg, Lebererkrankungen. Vorsicht bei Diabetes mellitus (Blutzuckerkontrolle!)
Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder <16 Jahre, schwere Leberfunktionsstörungen
1
Langsamer Wirkungseintritt, somit nicht für akut lebensbedrohliche Pilzinfektionen geeignet!
Nystatin Wirkort. Pilzzellmembran.
Pharmakokinetik. Oral kaum resorbierbar, daher loka-
Wirkmechanismus. Komplexbildung durch Wechselwirkung mit Sterolen der Zellmembran. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der Membraneigenschaften, Transportprozesse werden z. B. blockiert.
Wirkung. Fungistatische Wirkung besonders gegen Candidaarten.
! Cave Nystatin ist ein vergleichsweise toxisches Pharmakon.
le Anwendung.
Anwendung. Oberflächliche Candida-albicans-Infektionen der Haut und Schleimhäute, im Ano-Genitalbereich, der Nägel, des Kopfes, der Augen, vulvovaginale Candidainfektionen, Balanitis, Hefeinfektionen der Mundhöhle, des Nasen- und Rachenraums,
434
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
der Speiseröhre, des Magen-Darm-Trakts. Hefebefall des Respirationstrakts, Candidaurethritis und -zystitis.
Pharmakokinetik. t1/2 = 20 h. Wirkung. Fungistatisch gegen Dermatophyten (Anrei-
cherung in keratinhaltigen Zellen). Nebenwirkungen. Allergische Reaktionen, gastrointes-
tinale Beschwerden (selten).
Anwendung. Dermatomykosen (wenn Lokaltherapie nicht ausreichend ist) der Haut, Haare, Nägel.
Kontraindikationen. Schwangerschaft, Stillzeit. Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden,
6
Griseofulvin Wirkort. Zellwandsynthese.
zentralnervöse Störungen, Leukopenie, Neutropenie, Monozytose, Albuminurie, allergische Reaktionen.
Wirkmechanismus. Hemmung der Mitose und des zellulären Stofftransports, wodurch die Zellwandsynthese beeinträchtigt wird.
Kontraindikationen. Schwere Leberfunktionsstörungen, Porphyrien, Kollagenosen, Frauen mit Kinderwunsch, Frühschwangerschaft, Stillzeit.
In Kürze Antimykotika (. Tab. 6.32) 4 Azolderivate, z. B. Clotrimazol: Pilzinfekte von Haut und Schleimhaut, Erythrasma, Pityriasis versicolor, vulvovaginale Kandidosen 4 Squalenepoxidasehemmer, z. B. Terbinafin: oral (z. B. Onychomykosen), lokal (Infekte der Haut mit Candida etc.)
6.2.17.3 Virustatika Viren verfügen über keinen eigenen Stoffwechsel, sie vermehren sich nur in lebenden Wirtszellen. Eine kausale Therapie von Viruserkrankungen ist somit schwierig. Bei lebensbedrohlichen Infektionen muss versucht werden, die Viren direkt zu bekämpfen. Virustatika hemmen die Virenvermehrung, sind aber nicht in der Lage, diese vollständig zu inaktivieren. Verschiedene Angriffspunkte und Wirkmechanismen von Virustatika umfassen: 4 Verhinderung der Haftung der Viren an der Zellmembran 4 Hemmung des Eindringens der Viren in die Zellen 4 Entfernen der Eiweißhülle 4 Eingriff in die Virusnukleinsäuresynthese 4 Blockade der viralen Proteinsynthese 4 Verhinderung der Virenfreisetzung. Grippe-Virustatika (z. B. Neuraminidasehemmer wie Zanamivir) Wirkort. Virale Neuraminidase. Wirkmechanismus. Hemmung der viralen Neuraminidase, die die Freisetzung neugebildeter Viren aus infizierten Zellen fördert und so die Virusausbreitung in den Atemwegen ermöglicht.
4 Nystatin: oberflächliche Candidainfekte von Haut, Schleimhäute, auch Ösophagus, Lunge, Magendarmtrakt 4 Griseofulvin: Dermatomykosen (falls die Lokaltherapie nicht ausreicht)
Pharmakokinetik. Oral keine ausreichende Resorption, daher inhalative Anwendung. Wirkung. Influenzaviren A und B. Anwendung. Influenza A und B (Beginn spätestens zwei Tage nach Eintreten der Krankheitssymptome). Nebenwirkungen. Akuter Bronchospasmus (selten), gastrointestinale Beschwerden (selten). Kontraindikationen. Strenge Indikation in Schwanger-
schaft und Stillzeit. > Eine Grippeschutzimpfung ist über die gesamte Saison wirksam und preiswerter!
Herpes-Virustatika Verschiedene Wirkstoffe gegen Herpesviren fasst . Tab. 6.33 zusammen. Antiretrovirale Wirkstoffe Wirkstoffe gegen Retroviren fasst . Tab. 6.34 zusammen.
435 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
. Tab. 6.33. Verschiedene Anti-Herpes-Mittel Aciclovir
Ganciclovir
Wirkort
Virale DNA
Wirkmechanismus
Einbau in die virale DNA, was zum Abbruch der DNA-Synthese führt. Zusätzlich wird die DNA-Polymerase gehemmt
Bindung an virale DNA-Polymerase, so dass keine weitere Nukleotidverknüpfung stattfinden kann. Folge ist eine Unterbrechung der Virusreplikation1
Pharmakokinetik
Relativ geringe Resorption (p.o.)2, t1/2 = 2–3 h, Elimination v. a. renal
Oral nur geringe Resorption, daher nur parenterale Applikation, t1/2 = 3 h
Wirkung
Herpes-simplex-Viren3 Typ 1 und 2, Varizellazoster-Viren
Herpes-simplex-Viren Typ 1 und 2, Varizellazoster-Viren, Zytomegalieviren
Anwendung
Oral: Herpes-genitalis-Infektionen, Zoster, zur Infektionsprophylaxe und Langzeitbehandlung von Herpes-simplex-Infektionen bei AIDS-Patienten und Transplantat-Empfängern, Augeninfektionen. i.v.: schwere Herpessimplex- und Varizella-Zoster-Infektionen
Schwerwiegende Zytomegalievirus-Infektionen (besonders bei immunsupprimierten Patienten)
Nebenwirkung
Gastrointestinale Beschwerden, Exantheme
Neutropenie, Agranulozytose, Thrombopenie
Kontraindikationen
Schwangerschaft, Stillzeit Vorsicht bei eingeschränkter Nierenfunktion
1
2 3
Neutropenie, Thrombozytopenie, Niereninsuffizienz, Kinder unter 18 Jahren
Im Gegensatz zu Aciclovir wirkt Ganciclovir auch in nicht infizierten Zellen. Es hemmt außerdem die menschliche α-DNA-Polymerase und ist für den Menschen toxischer als Aciclovir. Das Prodrug Valaciclovir ist oral besser resorbierbar. Aciclovirresistente Herpesviren kommen besonders bei HIV-Infizierten und Transplantat-Empfängern vor.
In Kürze Virustatika (. Tab. 6.33, . Tab. 6.34) 4 Grippe-Virustatika – Neuraminidasehemmer, z. B. Zanamivir: Influenza A und B 4 Herpes Virustatika – Aciclovir: schwere Herpesinfekte, Herpes zoster – Ganciclovir: CMV-Infekte 4 Antiretrovirale Wirkstoffe
6.2.17.4 Chemotherapie der Malaria Pathogene Protozoen sind einzellige tierische Lebewesen. Während des Entwicklungszyklus erfolgt ein Wirtswechsel, besonders zwischen Tier/Mensch und Insekt (bei Malaria ist dies die weibliche Anopheles-
– Nukleosidische reverse Transkriptasehemmer, z. B. Zidovudin: HIV-Infektion, AIDS – Nichtnukleosidische reverse Transkriptasehemmer, z. B. Nevirapin: HIv-Infektion mit fortgeschrittenem Immundefekt – HIV-Protease-Hemmer, z. B. Indinavir: fortgschrittene HIV-Infektion
Mücke), wobei das Insekt als Überträger der Erkrankung dient (7 Kap. Hygiene, Mikrobiologie, Virologie). Malariamittel sind in verschiedenen Entwicklungsstadien der Erreger wirksam (. Tab. 6.35). Man unterscheidet:
436
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.34. Verschiedene antiretrovirale Wirkstoffklassen Nukleosidische ReverseTranskriptase-Hemmer (z. B. Zidovudin)
6
Nichtnukleosidische ReverseTranskriptaseHemmer (z. B. Nevirapin)
HIV-Protease-Hemmer (z. B. Indinavir)
Wirkort
Reverse Transkriptase
Wirkmechanismus
Blockade der Umschreibung der genetischen Information von RNA in DNA, welche für die Replikation von Retroviren von Bedeutung ist1
Enzymhemmung durch direkte Anlagerung an das Enzym nahe der Substratbindungsstelle und Spaltung des katalytischen Zentrums
HIV-Protease wird selektiv gehemmt, indem die Spaltung verhindert wird und dadurch defekte Viruspartikel gebildet werden. Auch in der Spätphase einer HIV-Infektion gut wirksam
Pharmakokinetik
t1/2 = 1 h, Ausscheidung vorwiegend renal
Gute Resorption, t1/2 = 25–30 h (Mehrfachgabe), Metabolisierung, v. a. renale Elimination
Gute Bioverfügbarkeit, t1/2 = 1,8 h, starke Metabolisierung, Resistenzentwicklung möglich (besonders bei Monotherapie)
Wirkung
HIV-1, HIV-2
HIV-1. Relativ schnelle Resistenzentwicklung
HIV-12
Anwendung
HIV-Infektion, Helfer-T-Zellen <250/μl, AIDS, starke Virämie3
HIV-Infektion mit fortgeschrittenem Immundefekt (Kombinationstherapie)
Fortgeschrittene HIV-Infektion (Kombinationstherapie)
Nebenwirkung
Dosisabhängig: Kopfschmerzen, gastrointestinale Störungen, Knochenmarksdepression, Myalgie, Parästhesie
Hauterscheinungen wie Stevens-Johnson-, Lyell-Syndrom, gastrointestinale Störungen, Leberfunktionsstörungen, Müdigkeit
Hauttrockenheit, Hautallergien, zentralnervöse und gastrointestinale Störungen, Neuropathien
Kontraindikationen
Neutropenie, Anämie, Schwangerschaft (1. Trimenon), Stillzeit, Pankreaserkrankungen, Neuropathien
Schwangerschaft, Stillzeit
Schwere Leberfunktionsstörungen4
1 2 3 4
HIV-Protease
Daher unwirksam bei bereits inkorporierten Viren, es kann nur der Befall weiterer Zellen verhindert werden! Andere Vertreter dieser Gruppe wie z. B. Nelfinavir sind sowohl gegen HIV-1 als auch gegen HIV-2 wirksam. Kombination mit anderen antiretroviralen Präparaten. Interaktionen mit zahlreichen Pharmaka, die ebenfalls über Zytochrom-P450-Enzyme abgebaut werden, möglich!
4 Gewebeschizontozide (Hemmung der Entwicklung der präerythrozytären Gewebeschizonten) 4 Hypnozoitozide (Abtöten der Ruheform in der Leber) 4 Blutschizontozide (Unterdrückung der Vermehrung der Plasmodien in den Erythrozyten) 4 Gametozide (Wirkung auf Geschlechtsformen der Erreger) 4 Sporontozide (Blockade der Entwicklung von Oozyste und Sporozoiten in der Mücke)
Malariaprophylaxe. Da es noch keine Wirkstoffe gibt,
die Sporozoiten (Erreger, die beim Stich übertragen werden) wirksam angreifen können, ist eine Prophylaxe in dem Sinne nicht möglich. Durch Blutschizontoziden kann jedoch eine suppressive Prophylaxe erfolgen, die das Auftreten klinischer Symptome verhindert. Eine kausale Prophylaxe erlangt man durch Gewebeschizontozide. > Ein großes Problem bei der Malariatherapie ist die Resistenzentwicklung!
437 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
. Tab. 6.35. Wirkstoffe der Malariatherapie Chloroquin
Proguanil
Primaquin
Wirkort
DNA der Malariaerreger
Stoffwechsel der Erreger
Nicht bekannt
Wirkmechanismus
Hemmung der Hämopolymerase, die eine Anreicherung membranschädigender Hämmetaboliten verhindert
Eingriff in Folsäurestoffwechsel und Hemmung der Atmungskette führt zu einer Blockade der Parasitenvermehrung.
Nicht bekannt
Pharmakokinetik
Resistenzentwicklung. Schnelle, gute Resorption (p.o.), t1/2 = 1–2 Monate
Resistenzentwicklung. Proguanil ist ein Prodrug, t1/2 = 20 h, renale Ausscheidung
Oral vollständige Resorption, t1/2 = 4–10 h
Wirkung
Gegen Blutschizonten, teils Gametozyten
Gegen Gewebeschizonten, schwach wirksam gegen Blutschizonten
Gegen Hypnozoiten, gewebeschizontozide und gametozide Wirkung
Anwendung
Infektion mit Plasmodium falciparum, das keine Hypnozoiten bildet, suppressive Prophylaxe. Rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Rosazea, Lichen ruber planus, extraintestinale Amöbiasis
Prophylaxe
Rezidivprophylaxe der Malaria tertiana
Nebenwirkung
Gastrointestinale Beschwerden, Kopfschmerzen, Keratopathie1
Gastrointestinale Störungen1
Gastrointestinale Beschwerden
Kontraindikationen
Retinopathie, Myasthenia gravis, Glukose-6-phosphatdehydrogenasemangel, Porphyrie, Niereninsuffizienz, Schwangerschaft1
Schwere Niereninsuffizienz
Schwere Niereninsuffizienz
1
Malariaprophylaxe in der Schwangerschaft möglich, da niedrig dosiert gut verträglich!
In Kürze Wirkstoffe bei Malariainfektion (. Tab. 6.35) 4 Chloroquin: Infektion mit Plasmodium falciparum, das keine Hypnozoiten bildet, suppressive Prophylaxe. Weitere Indikationen: Rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Rosazea, Lichen ruber planus, extraintestinale Amöbiasis
4 Proguanil: Prophylaxe 4 Primaquin: Rezidivprophylaxe der Malaria tertiana
6
438
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.36. Beispiele von Anthelmintika Praziquantel
Mebendazol
Wirkort
Motorische Endplatte
Mikrotubuli
Wirkmechanismus
Durch Depolarisation der motorischen Endplatte der Parasiten kommt es zu einer spastischen Muskellähmung, die Würmer werden mit dem Stuhl ausgeschieden
Blockade der Glukoseaufnahme der Parasiten durch Wechselwirkung mit den Mikrotubuli
Pharmakokinetik
Oral schnelle Resorption, starker First-pass-Effekt, t1/2 = 1–3 h
Oral geringe Resorption (lokale Wirkung im Darmlumen), hoher First-pass-Effekt
Wirkung
Vermizide Wirkung gegen Bandwurm, Schistosomen (durch Zerstörung der Parasitenoberfläche)
Gegen die meisten humanpathogenen Nematoden
Anwendung
Bandwurminfektionen, Prophylaxe einer Infektion mit dem Hundebandwurm (Behandlung des Tieres), Zystizerkose, besonders Neurozystizerkose
Peitschenwurminfektionen, Spulwurm, Madenwurm, Hakenwurm
Nebenwirkung
Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Schläfrigkeit, Urtikaria
Intestinale Beschwerden (selten)
Kontraindikationen
Zystizerkose der Augen, Stillzeit
Schwangerschaft (1. und 2. Trimenon), Kinder unter 2 Jahren
6
6.2.17.5 Anthelminthische Therapie Beispiele für Anthelmintika fasst . Tab. 6.36 zusammen.
Pharmakokinetik. Parenterale oder lokale Applikation. Wirkung. Antiviral, antiproliferativ, immunmodulie-
rend. 6.2.18
Medikamente mit Einfluss auf das Immunsystem
Therapeutische Bedeutung von Immunglobulinen Immunglobuline, die natürlich vorkommende Antikörper (größtenteils IgG) enthalten, können aus dem Plasma gesunder Spender gewonnen werden. Indikation ist u. a. der Ersatz bei Antikörpermangelsyndrom, Prophylaxe von Hepatitis A und Masern. Immunglobuline sind bei Gerinnungsstörungen kontraindiziert.
Immunmodulatoren (Stimulanzien bzw. Inhibitoren immunologischer Prozesse) Zytokine (z. B. α-Interferone) Wirkort. Makrophagen. Wirkmechanismus. Teils unbekannt. Aktivierung zytoplasmatischer Enzyme ist Grundlage für die antivirale Wirkung. Wachstumshemmende Wirkung kommt durch Hemmung bzw. Verlangsamung der Zellteilung zustande. Aktivierung von natürlichen Killerzellen und T-Lymphozyten führt zu einer immunmodulierenden Wirkung.
Anwendung. Haarzell-Leukämie, Hepatitis B, Hepatitis
C, malignes Melanom, chronisch-myeloische Leukämie, kutanes T-Zell-Lymphom, Nierenzellkarzinom, follikuläres Non-Hodgkin-Lymphom, Karzinoid, multiples Myelom, Kaposi-Sarkom. Nebenwirkungen. Fieber, Müdigkeit, Muskel-, Kopf-, Gelenkschmerzen, Exantheme, Haarausfall, zentralnervöse Störungen, Sehstörungen, gastrointestinale Beschwerden, Arrhythmien, Herzinsuffizienz. Kontraindikationen. Nieren- und Leberfunktionsstö-
rungen. Immunsuppressiva Immunsuppressiva sind Stoffe, die die Immunantwort unterdrücken. Ciclosporine (z. B. Ciclosporin A) Wirkort. T-Helferzellen. Wirkmechanismus. Hemmung der Freisetzung von Interleukin-2 aus den T-Helferzellen. Durch den entste-
439 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
6
henden IL-2-Mangel können T-Zellen nicht zu zytotoxischen Zellen ausreifen.
Wirkung auf die T-Zellen, teils direkt über Blockade der TNF-α-Gentranskription.
Pharmakokinetik. Oral relativ geringe Bioverfügbarkeit, starker Metabolismus, t1/2 = 6–16 h.
Pharmakokinetik. Oral Bioverfügbarkeit sehr unterschiedlich (Drug-Monitoring!), t1/2 = 12–16 h.
Wirkung. Unterdrückung humoraler und zellulärer Im-
Wirkung. Immunsuppressiv.
munreaktionen. Anwendung. Prophylaxe und Therapie der Transplan-
tatabstoßung, nach Organtransplantationen und Knochenmarkstransplantationen.
Anwendung. Systemisch: Prophylaxe und Behandlung der Transplantatabstoßung (Nieren- und Lebertransplantation). Lokal: atopisches Ekzem. Nebenwirkungen. Nierenschädigung (dosisabhängig),
> Ciclosporine sind relativ gering myelotoxisch, daher auch bei Knochenmarkstransplantationen gut verträglich.
reversible Leberfunktionsstörungen, Kardiotoxizität, Tremor, Kopfschmerzen, Ödeme, arterielle Hypertonie, Müdigkeit, gastrointestinale Beschwerden, neurotoxische Symptome, Pruritis.
Nebenwirkungen. Nierenschädigung (dosisabhängig),
reversible Leberfunktionsstörungen, Kardiotoxizität, Gingivahyperplasie, Tremor, Hirsutismus, Ödeme, arterielle Hypertonie, Müdigkeit, gastrointestinale Beschwerden.
Kontraindikationen. Therapie mit Ciclosporin.
Glukokortikoide (z. B. Methylprednisolon) Glukokortikoide wurden bereits unter 7 Kap. 6.2.14 besprochen.
Kontraindikationen. Niereninsuffizienz bei Behand-
Tacrolimus Wirkort. B-Zellen, T-Zellen.
> Um die Nebenwirkungen zu minimieren, werden glukokortikoidfreie Intervalle während der Behandlung empfohlen. In dieser Zeit werden andere Immunsuppressiva verabreicht.
Wirkmechanismus. Hemmung von zellvermittelten und humoralen Immunreaktionen. Zusätzliche Blockade der Aktivierung von B-Zellen, teils indirekt durch
Zytostatika Zytostatika mit immunsuppressiver Wirkung beschreibt . Tab. 6.37.
lung von endogener Uveitis.
In Kürze Medikamente mit Einfluss auf das Immunsystem (. Tab. 6.37) 4 Immunmodulatoren – Tacrolimus: Transplantatabstoßung, lokal: ato– Zytokine, z. B. α-Interferone: Leukämie, kutapisches Ekzem nes T-Zell-Lymphom, Karzinoid, Nierenzellkar4 Zytostatika zinom, follikuläre Non-Hodgkin-Lymphom, He– Azathioprin: Organtransplantation, Autoimmunpatitis B und C etc. krankheiten, akute Leukämien 4 Immunsuppressiva – Mycophenolatmofetil: Prophylaxe akuter Absto– Ciclosporine, z. B. Ciclosporin A: Transplantatßungsreaktionen (Kombination) abstoßung, Knochenmarktransplantation
440
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.37. Zytostatika mit immunsuppressiver Wirkung
6
Azathioprin
Mycophenolatmofetil
Wirkort
Enzyme
Inosinmonophosphatdehydrogenase
Wirkmechanismus
Hemmung vieler Syntheseschritte für Purinnukleotide, DNA, RNA. Zusätzlich wird vermutet, dass der Imidazolrest des Azathioprins Sulfhydrylgruppen bindet1
Hemmung der Inosinmonophosphatdehydrogenase, wodurch Lymphozytenproliferation und Antikörperbildung geblockt werden
Pharmakokinetik
Prodrug, Umwandlung zum aktiven 6-Mercaptopurin
Oral gute Bioverfügbarkeit, Umwandlung zum aktivem Metaboliten Mycophenolsäure
Wirkung
Zytotoxisch, immunsuppressiv
Immunsuppressiv
Anwendung
Immunsuppression bei Organtransplantationen und Autoimmunkrankheiten, akute Leukämien
Prophylaxe akuter Abstoßungen mit allogener Nieren- oder Herztransplantation (Kombination mit Ciclosporin und Glukokortikoiden).
Nebenwirkung
Knochenmarksdepression (dosisabhängig), gastrointestinale Beschwerden
Gastrointestinale Beschwerden, Fieber, Infektionen (besonders Harnwege), Ödeme, Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie, Hypertonie
Kontraindikationen
Schwere Knochenmarksdepression, starke Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Schwangerschaft, Stillzeit
Mycophenolsäureallergie
1
Es besteht ein genetischer Polymorphismus bezüglich des abbauenden Enzyms von Mercaptopurin; 10% weisen eine deutlich geringere Enzymaktivität auf – Gefahr der Toxizität.
6.2.19 Medikamente zur Therapie
maligner Erkrankungen Tumortherapie Man kann die Pharmaka zur Tumorbehandlung nach ihren verschiedenen Angriffspunkten während der Zellteilung einteilen: Antimetabolite, alkylierende Zytostatika, Topoisomerasehemmstoffe, Mitosehemmstoffe, Hormone.
Antimetaboliten Folsäureantagonisten (z. B. Methotrexat) Wirkort. Dihydrofolsäurereduktase. Wirkmechanismus. Bildung von Tetrahydrofolsäure wird blockiert, wodurch zahlreiche C1-Übertragungsreaktionen gehemmt werden. DNA- und RNA-Synthese wird unterbrochen. Pharmakokinetik. Bei systemischer Gabe keine Passage
Allgemeine Kontraindikationen aller Zytostatika sind: 4 Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion (Leukopenie, Thrombozytopenie, Anämie) 4 Nieren- und Leberfunktionsstörungen 4 Lungenschädigungen 4 Akute Infektionen 4 Schwangerschaft > Vorzugsweise werden bei der Therapie mit Zytostatika Kombinationen mehrerer Wirkstoffe eingesetzt (Polychemotherapie), um die Resistenzentwicklung zu verzögern und eine synergistische Wirkungssteigerung zu erreichen.
der Blut-Hirn-Schranke, intrathekale Verabreichung möglich, Ausscheidung vorwiegend unverändert renal. Wirkung. Gestörte Nukleinsäuresynthese. Anwendung. Akute Leukämien, Lymphome, Meningiosis leucaemica, Mamma-, Ovarial-, Zervix-, kleinzelliges Bronchialkarzinom, Hirntumoren, Chorionepitheliome, Malignome im Kopf- und Halsbereich, Sarkome, rheumatoide Arthritis, Arthritis psoriatica, Psoriasis vulgaris. Nebenwirkungen. Myelosuppression, Schädigung der intestinalen Mukosa.
441 6.2 · Spezielle, systematische Pharmakologie
! Cave
6
Anwendung. Akute und chronische lymphatische und
Durch rechtzeitige Gabe des Antidots Folinsäure (Kalziumfolinat) können gesunde Körperzellen vor einer Zerstörung bewahrt werden. Applikationszeitpunkt und -dosis ist durch Messung der Methotrexatkonzentration im Plasma festzulegen.
myeloische Leukämien, maligne Lymphome, Ovarial-, Hoden-, Mamma-, kleinzelliges Bronchialkarzinom, Neuroblastom, Ewing-Sarkom. Insbesondere bei Hochdosischemotherapie. Fortschreitende Autoimmunerkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis).
Kontraindikationen. 7 oben. Magen-Darm-Ulzera,
Nebenwirkungen. Gastrointestinale Störungen, Haarausfall, Leukopenie, Thrombopenie, Anämie, Blasenentzündung.
Stillzeit. Purin- bzw. Pyrimidinantagonisten (z. B. Fluorouracil [Pyrimidinanalogon]) Wirkort. DNA.
> Um eine Schädigung der ableitenden Harnwege zu minimieren, wird eine große Flüssigkeitszufuhr und häufiges Wasserlassen empfohlen.
Wirkmechanismus. Hemmung der Thymidilatsynthe-
tase, daraufhin Blockade der Methylierung von Desoxyuridylsäure zu Thymidylsäure. Hemmung der DNASynthese.
Kontraindikationen. Hämorrhagische Zystitis, Harnabflussbehinderungen, Leberversagen, Schwangerschaft, Stillzeit.
Pharmakokinetik. Sytemische, intraarterielle, lokale Gabe möglich, Inaktivierung durch Dihydropyrimidindehydrogenase (genetische Varianten möglich, 7 Azathioprin; . Tab. 6.37), terminale t1/2 = 14–29 h.
Mitosehemmstoffe Beispiele für Mitosehemmstoffe fasst . Tab. 6.38 zusammen. Anthrazykline (z. B. Daunorubicin) Wirkort. DNA.
Wirkung. Zytotoxisch. Anwendung. Adjuvante Therapie bei Kolon-, Rektum-,
Mamma-, Ösophagus-, Leber-, Kopf-, Hals-, Harnblasenkarzinom. Nebenwirkungen. Myelosuppression (dosislimitiert), gastrointestinale Beschwerden. Kontraindikationen. 7 oben. > Azathioprin bzw. der wirksame Metabolit Mercaptopurin gehören ebenfalls zu den Purinantagonisten (. Tab. 6.37).
Alkylanzien (z. B. Cyclophosphamid) Wirkort. DNA.
Wirkmechanismus. Hemmung der Nukleinsäuresynthese durch Eingriff in die DNA, Blockade der Topoisomerase II durch Induktion von Strangbrüchen, Biotransformation zu freien Radikalen. Bindung an Bestandteile der Zellmembran, die die Membranfluidität und -permeabilität erhöhen. Pharmakokinetik. Keine Passage der Blut-Hirn-Schranke, Metabolisierung, t1/2 = 11–27 h. Wirkung. Zytotoxisch, kardiotoxisch (oft irreversibel). Anwendung. Akute myeloische und lymphatische Leukämie, Kaposi-Sarkom. Meist in Kombination mit anderen Zytostatika. Nebenwirkungen. Kardiomyopathie, Dermatitis, ulze-
Wirkmechanismus. Alkylierung von Nukleinsäuren.
Entstehung multipler DNA-Veränderungen, wodurch die Nukleinsäurereduplikation und damit die Zellteilung beeinträchtigt werden. Pharmakokinetik. Cyclophosphamid ist ein Prodrug,
orale Gabe möglich, gute Bioverfügbarkeit, t1/2 = 7,5 h. Wirkung. Zytotoxisch, immunsuppressiv.
röse Stomatitis, gastrointestinale Beschwerden, Leberschäden. Kontraindikationen. 7 oben. Myokardschaden. Doxorubicin ‒ mit Daunorubicin chemisch nahe verwandt – wird außer bei akuten Leukosen bei Lymphomen, verschiedenen Karzinomen (im Gegensatz zu Daunorubicin auch bei soliden Tumoren wirksam) und Sarkomen eingesetzt.
442
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
. Tab. 6.38. Beispiele von Mitosespindelgiften Vincristin
6
Paclitaxel
Wirkort
Spindelapparat
Wirkmechanismus
Blockade der Mitose durch Störungen im Aufbau des Spindelapparats, der für den Stofftransport in der Zelle entscheidend ist Hemmung des Kernspindelaufbaus. Die Zellteilung wird in der Metaphase gehemmt. Zusätzliche Blockade der DNAund RNA-Synthese
Blockade des Kernspindelabbaus. Mikrotubulibildung wird beschleunigt, anschließende Bindung an β-Tubulinuntereinheit, womit die Desaggregation des Spindelapparats verhindert wird1
Pharmakokinetik
t1/2 = 1–20 h
Hohe Proteinbindung, t1/2 = 0,2–20 h
Wirkung
Zytotoxisch, neurotoxisch
Zytotoxisch
Anwendung
Akute lymphatische Leukämie, Lymphome, Melanome, Mamma-, kleinzelliges Bronchialkarzinom, onkogenem Sarkom, Ewing-Sarkom, Rhabdomyosarkom, Neuroblastom, ZNS-Tumoren
Metastasierendes Ovarial- und Mammakarzinom (nach Versagen einer Standardtherapie), nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom, Melanome, Kaposi-Sarkom
Nebenwirkung
Kontraindikationen 1
Periphere Neuropathie, Haarausfall, Dermatitis, gastrointestinale Beschwerden
Knochenmarksuppression, Infektionen, Thrombozytopenie, Anämie, Hypotonie, Bradykardie, periphere Neuropathie
Siehe oben
Siehe oben. Neutropenie, Stillzeit
Resistenzentwicklung möglich!
> Antikörper und Zytokine gehören zu den neueren therapeutischen Entwicklungen. Tumorzellen exprimieren verstärkt bestimmte Oberflächenantigene, so dass Antikörper wie z. B. Rituximab erfolgreich einge-
setzt werden können. Wie bereits unter 7 Kap. 6.2.18 erwähnt, wirken Zytokine (z. B. Aldesleukin, Tumornekrosefaktor) immunmodulierend, antiproliferativ und zytotoxisch.
6 In Kürze Medikamente zur Therapie maligner Erkrankungen (. Tab. 6.38) 4 Antimetaboliten 4 Mitosehemmstoffe – Folsäureantagonisten, z. B. Methotrexat: akute – Vincristin: leukämie, Lymphome, Melanome, Leukämien, Lymphome, diverse OrgantumoKnochentumoren, Neuroblastom, Mammakarziren, rheumatoide Arthritis, Arthritis psoriatica, nom, kleinzelliges Bronchialkarzinom Psoriasis vulgaris – Paclitaxel: Ovarial-, Mammakarzinom, nichtklein– Purin-/Pyrimidinantagonisten, z. B. Fluorourazelliges Bronchialkarzinom, Melanome, Kaposicil: Tumoren von Kolon, Rektum, Mamma, LeSarkom ber, Ösophagus etc. 4 Anthrazykline, z. B. Daunorubicin: Leukämie, Kapo– Alkylanzien, z. B. Cyclophosphamid: Leukämien, si-Sarkom (meist Kombination) Lymphome, diverse Organtumoren, Autoimmunerkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis)
443 6.3 · Allgemeine Toxikologie
6.2.20
Phytopharmakologie und Homöopathie
6.2.20.1
Phytopharmakologie
Die Phytotherapie bschreibt die Anwendung von Pflanzen (Phytotherapeutika) zur Behandlung von Krankheiten. Oft werden Phytopharmaka chemischen Arzneimitteln in der fälschlichen Annahme vorgezogen, dass sie »ungefährlich« sind. Dabei wird nicht bedacht, dass pflanzliche Produkte aufgrund ihrer chemischen Inhaltsstoffe pharmakologisch aktiv sind. ! Cave Ein Großteil der stärksten bekannten Gifte sind Naturprodukte (z. B. Atropin, Morphin, Herzglykoside).
Neben unerwünschten Nebenwirkungen können auch Wechselwirkungen mit z. B. anderen Pharmaka auftreten, die z. T. gravierende Folgen haben können (gleichzeitige Verabreichung von Johanniskraut und Immunsuppressiva). In den letzten Jahren wurden vermehrt auch Phytopharmaka nach anerkannten klinischen Prüfungsrichtlinien untersucht. Es liegen z. B. von Baldrian, Ginkgo biloba und Johanniskraut Doppelblindstudien vor. 6.2.20.2 Homöopathie Die Homöopathie zählt zu den besonderen Therapieverfahren. Die Präparate werden lediglich registriert, Indikationsangaben sind nicht erlaubt. Gründer der Homöopathie ist der deutsche Arzt Samuel Hahnemann mit dem Leitspruch »Similia similibus curentur«, Ähnliches soll mit Ähnlichem behandelt werden. Darunter versteht man, dass Homöopathika bei Krankheiten angewandt werden, die beim gesunden Menschen die entsprechenden Symptome dieser Krankheit auslösen. Von vielen Homöopathika lässt sich jedoch ein solches Arzneibild nicht erstellen. Es wurde sogar bei zahlreichen homöopathischen Substanzen nachgewiesen, dass die Verum- und Plazebosymptome sich nicht unterscheiden. Als Ursubstanz bzw. Urtinktur wird eine Ausgangszubereitung bezeichnet, die dementsprechend durch Zusatz von verdünntem Ethanol oder Milchzucker weiterverarbeitet werden kann. Je öfter potenziert (verdünnt) wird, um so »stärker« soll das Homöopathikum sein – auch wenn es aus naturwissenschaftlicher Sicht immer schwächer konzentriert ist. Der Grad der Potenzierung wird durch die Anzahl der Potenzierungsschritte ausgedrückt. D30 bedeutet dass 1:1030 verdünnt wurde.
6
> Homöopathika können ebenfalls unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. Besonders niedrige Potenzen (D1–D4) können Nebenwirkungen oder toxische Effekte auslösen, wenn sie z. B. stark wirksame Alkaloide (Atropin) enthalten.
6.3
Allgemeine Toxikologie
6.3.1 Einführung, Definitionen Verschiedene Gebiete der Toxikologie Arzneimitteltoxikologie, Nahrungsmitteltoxikologie, Pestizidtoxikologie, Gewerbetoxikologie, industrielle Toxikologie, Umwelttoxikologie, akzidentelle Toxikologie (Unfälle, Suizidversuche, klinische Toxikologie), forensische Toxikologie (Nachweis von Vergiftungen im Rahmen polizeilicher Ermittlungen), Wehrtoxikologie (atomare, biologische und chemische Waffen), Strahlentoxikologie.
Medizinische Toxikologie ist die Untersuchung schädlicher Wirkungen chemischer Stoffe auf den lebenden menschlichen Organismus. Die Substanzen sind meist Stoffe, die im Organismus physiologisch nicht vorkommen oder in unphysiologisch hohen Konzentrationen einwirken. Die Toxikologie untersucht Ursachen, Mechanismen toxischer Wirkungen, deren Gefährlichkeit und die entsprechenden Gegenmaßnahmen. > Ein Gift ist eine Substanz, die beim Menschen gesundheitsschädliche Wirkungen hervorruft. Die toxische Wirkung eines Stoffs ist immer von dem Individuum, den chemischen Eigenschaften, der Dosis, Art, Häufigkeit und Dauer der Exposition und der Verweildauer im Körper abhängig.
Die Dosis bzw. Konzentration, die bei langer Einwirkungsdauer gerade keine toxische Wirkung hervorruft, wird als Schwellenwert bezeichnet. Der LD50-Test (letale Dosis) ermittelt die Einzeldosis einer Substanz, bei der 50% der Versuchstiere sterben. Die äußere Exposition ist eine Gifteinwirkung aus der Umwelt oder Lebensmitteln. Darauf folgt eine innere Exposition, die Giftaufnahme durch die Haut, die Verdauungsorgane oder die Atemwege. Unter Intoxikation versteht man zum einen die Giftaufnahme, aber auch die klinisch manifeste Vergiftung. Man unterscheidet die akute (meist dramatische Symptomatik, schnelles Abklingen) von einer chronischen Toxizität (eher schleichender Beginn). Als Risiko gilt die Wahrscheinlichkeit, mit der unter gegebenen Bedingungen nach Exposition und Giftaufnahme toxische Reaktionen zu erwarten sind. Diese
444
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Größe wird als Prozentzahl oder als »unit risk« (z. B. 1:1 Mio.) erfasst. Chronische Vergiftungen gewinnen aufgrund steigender Umweltbelastung immer mehr an Bedeutung. Um die Exposition mit Schadstoffen möglichst niedrig zu halten, existieren gesetzliche Maßnahmen. ! Cave Einer von vielen Grenzwerten ist der MAK-Wert (maximale Arbeitsplatzkonzentration). Diese Werte dürfen aber nur als Richtwerte angesehen werden und werden aus Sicherheitsgründen in der Praxis oft eine Zehnerpotenz niedriger festgesetzt.
6
Vergiftungssymptome Symptome einer Vergiftung können folgende Beschwerden umfassen: 4 Zentralnervöse Störungen (Leitsymptome fast jeder Vergiftung) 4 Atemfunktionsstörungen (bei zahlreichen Vergiftungen) 4 Beeinflussung des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. Antiarrhythmika, Herzglykoside) 4 Beeinträchtigung der Nierenfunktion bei toxisch bedingtem Schock sowie bei Tubulusschädigung (z. B. Schwermetalle) 4 Gastrointestinale Störungen (z. B. Opiate); Folgen sind oft Störungen im Wasser- und Elektrolythaushalt 4 Leberfunktionsstörungen (z. B. Paracetamol) 4 Multiorganversagen (schwere Intoxikationen) Diagnostisches Vorgehen Die Diagnose einer Intoxikation beruht auf: 4 Eigenanamnese 4 Fremdanamnese 4 Indizien vor Ort (z. B. leere Tablettenschachtel) 4 Klinische Symptome 4 Asservierung (u. a. toxikologische Untersuchung von Blut, Urin, Erbrochenem) Die richtige Deutung der klinischen Befunde wird durch die Vielzahl der potenziell möglichen Noxen erschwert. Häufig auftretende Bewusstseinstrübung kann durch sehr viele Giftstoffe verursacht werden. Typische Symptome wie Atemnot, Zyanose, Koma, Tachykardie und Blutdruckabfall deuten auf eine Einschränkung der Vitalfunktionen hin. Eine neurologische Untersuchung mit Prüfung der Bewusstseinslage, der Pupillengröße und -reaktion und den Muskeldehnungsreflexen sollte immer durchgeführt werden.
! Cave Bei jeder unklaren, akut auftretenden Bewusstlosigkeit sollte eine Vergiftung in Betracht gezogen werden. Eine Hypoglykämie (Coma diabeticum) bei einer vorliegenden Bewusstlosigkeit ist jedoch wesentlich wahrscheinlicher als eine Intoxikation.
6.3.2 Therapeutische Optionen
der akuten Intoxikation Nach der 5-Finger-Sofort-Regel (erste Behandlungsmaßnahmen einer Vergiftung) gilt (. Abb. 6.10): 4 Elementarhilfe (Vitalfunktionen aufrechterhalten, Krämpfe unterdrücken) 4 Giftelimination (weitere Giftzufuhr und -resorption verhindern) 4 Antidottherapie 4 Transport 4 Asservierung > Es muss immer eine Giftnotrufzentrale eingeschaltet werden!
Elementarhilfe Nach der ABC-Regel gilt: A = Atemwege freimachen. In stabiler Seitenlage Entfernung von Fremdkörpern, Speiseresten, Blut, Erbrochenem, Zahnprothesen. Bei Kleinkindern können Fremdstoffe aus den oberen Atemwegen durch Hängen in Pendelhaltung bei gleichzeitigem Pressen auf den Thorax von vorn und hinten entfernt werden. B = Beatmung. Zufuhr von Sauerstoff ist bei zyanotischen Patienten indiziert. Die Vitalfunktionen können bei den meisten Vergiftungen durch eine endotracheale Intubation und anschließender Beatmung gesichert werden. C = Circulation aufrechterhalten. Im äußersten Fall ist eine Herz-Lungen-Wiederbelebung indiziert, um die Mindestzirkulation zu gewährleisten. > Bei der Erstversorgung von Intoxikationen muss immer der Eigenschutz des Helfers berücksichtigt werden. Bei Verdacht auf Kontaktgifte ist es obligat, Handschuhe zu tragen. Bei Vergifteten, deren Atemluft Giftstoffe enthalten kann: Beatmung mittels Beatmungsbeutel.
Elektrolyt- und Wasserverluste müssen evtl. durch Infusionen ausgeglichen werden. Krämpfe sollten abhängig von der Vergiftungsart schnell behandelt werden.
445 6.3 · Allgemeine Toxikologie
. Abb. 6.10. Mindmap Maßnahmen bei akuten Intoxikationen
6
446
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Giftelimination Bei oraler Giftaufnahme kann Erbrechen oder eine Magenspülung (physiologische Kochsalzlösung) indiziert sein. Nach der Einnahme von Medikamenten ist diese Maßnahme nur innerhalb der ersten Stunden sinnvoll. Erbrechen sollte nur mittels Ipecacuanha-Sirup oder Apomorphin ausgelöst werden. ! Cave Im Schockzustand, bei respiratorischer Insuffizienz, Krämpfen und Bewusstlosigkeit darf Erbrechen nicht provoziert werden.
6
Bei Kindern darf Erbrechen nicht mit hypertoner Kochsalzlösung ausgelöst werden, da bei ausbleibendem Erbrechen schwere resorptive Vergiftungen durch NaCl auftreten können. Nach einer Vergiftung mit Schaumbildnern, Lösungsmitteln, Säuren oder Laugen ist Auslösen von Erbrechen kontraindiziert! Aktivkohle (1 g/kg KG) wird – auch im Anschluss an provoziertes Erbrechen oder Magenspülung ‒ zur Giftbindung (Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufes) instilliert. Wirkung der Aktivkohle Dieses Adsorbens kann zahlreiche Stoffe an seine Oberfläche im Gastrointestinaltrakt binden, wird meist in Kombination mit einem Laxans verabreicht, um die Darmpassage 6
zu beschleunigen und führt in sehr vielen Fällen zu wesentlich niedrigeren Plasmakonzentrationen der toxischen Substanz. Da bei den meisten Giften keine spezifischen Antidota bekannt sind, setzt man Aktivkohle als unspezifisches Gegenmittel ein.
Bei einigen Giften ist der Einsatz von Lokalantidoten möglich, die die toxischen Substanzen unwirksamer machen. So können Säuren durch Gabe von Milch oder Antazida, Laugen durch Gabe von verdünnten Säuren (z. B. Zitronensaft) neutralisiert werden. Über sekundäre Giftelimination informiert . Tab. 6.39. Bei äußerlichen Vergiftungen gilt es, das Gift lokal so weit wie möglich zu entfernen, kontaminierte Kleidung zu beseitigen und Spülungen durchzuführen. Ist das Auge betroffen, muss eine Spülung mit viel Wasser mindestens 5–10 min erfolgen. Für die Entfernung von Feststoffen ist eine Lokalanästhesie notwendig. Antidottherapie Antidote vermindern die Toxizität resorbierter Gifte, indem sie spezifisch in den Wirkmechanismus eingreifen. Bei der Verabreichung ist auf u. U. unterschiedliche Kinetik von Gift und Antidot zu achten. Dies kann z. B. dazu führen, dass eine weitere Dosis des Gegenmittels verabreicht werden muss (z. B. Naloxon).
. Tab. 6.39. Sekundäre Giftelimination Eliminationsart
Indikation
Wirkprinzip
Vor- und Nachteile
forcierte Diurese
Bei gut nierengängigen Substanzen, die nicht tubulär rückresorbiert werden
Vergrößerung der renalen Elimination durch Infusion elektrolythaltiger Flüssigkeiten oder Schleifendiuretika
VT: geringer technischer Aufwand, lange anwendbar NT: geringe Effektivität
Hämodialyse
Bei lebensbedrohlichen Vergiftungen, Einschränkung körpereigener Eliminationsvorgänge und gut dialysierbaren Stoffen
Extrakorporale Dialyse des Blutes an einer von Dialysierflüssigkeit umspülten Membran
VT: bei Niereninsuffizienz Einfluss auf Wasser- und Elektrolythaushalt möglich NT: großer apparativer Aufwand, wenige gut dialysierbare Gifte
Hämoperfusion
Bei Einschränkung körpereigener Eliminationsvorgänge
Blutreinigung in einem extrakorporalen Kreislauf über Aktivkohle oder Adsorberharze
VT: meist hohe Effektivität NT: großer apparativer Aufwand, evtl. Blutungskomplikationen
Plasmaseparation
Intoxikationen
Trennung zellulärer und plasmatischer Blutbestandteile durch Filter
VT: Elimination groß-molekularer oder eiweißgebundener Toxine NT: großer apparativer Aufwand
447 6.4 · Spezielle Toxikologie
6.4
! Cave Antidote können selbst toxisch wirken und dürfen demnach nur gezielt eingesetzt werden.
Transport und Asservierung Der Transport in eine Klinik mit der entsprechenden Ausstattung (Intensivstation, Beatmungsmöglichkeit) ist nur nach Stabilisierung des Kreislaufs und der Atmung durchzuführen. Sicherstellung zur Intoxikationsdiagnose von Material (z. B. Erbrochenes), welches das Gift enthalten könnte. Folgende Asservate sind immer zu gewinnen: Urin, Blut in EDTA-Röhrchen, Blut nativ zur Serumgewinnung, evtl. Stuhl oder Ausatemluft (Gasvergiftungen).
Spezielle Toxikologie
Aus der Vielfalt aller Gifte (»dosis sola facit venenum« = allein die Dosis macht das Gift), kann in diesem Rahmen nur eine kleine Auswahl Besprechung finden, die aber für den praktisch tätigen Arzt im Besonderen relevant ist. 6.4.1 Auswahl häufiger Arzneimittelver-
giftungen/-überdosierungen > Die häufigsten Vergiftungen werden durch Arzneimittel hervorgerufen.
In Kürze Symptome und Therapie ausgewählter Arzneimittelvergiftungen Substanz
Dosis (toxisch, letal)
Toxische Wirkung
Symptome
Therapie
Bemerkung
Paracetamol
>10 g toxisch, >15 g Einzeldosis letal
Bildung reaktiver Metaboliten durch Zytochrom-P450, die durch Glutathion abgefangen werden. Nach Glutathionausschöpfung Bindung der Metaboliten an Leberzellproteine mit folgender Zellnekrose
Anfänglich geringe gastrointestinale Beschwerden, nach 36– 72 h Leberinsuffizienz/-koma
Auslösen von Erbrechen binnen 6 h, Magenspülung, N-Azetylzystein initial 150 mg/kg i.v. (fördert Bildung von Glutathion)
Häufig unbeabsichtigte Überdosierung, rezeptfrei zu beziehen
Opiate
Morphin: 0,1 g parenteral letal, 0,3–1,5 g p.o. letal
Hemmung des Atemzentrums
Übelkeit, Erbrechen, Miosis, Schläfrigkeit, Koma, Schock, Hypothermie, Atemdepression/-lähmung
Beatmung, Naloxon 5 µg/kg i.v., bei p.o. Intoxikation Magenspülung und Aktivkohle, salinische Abführmittel, Elektrolytkontrolle
Bei chronischer Morphinvergiftung mit physischer und psychischer Abhängigkeit (Morphinismus) reduzierte Antidotgabe, da Entzugsgefahr
6
6
448
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Neuroleptika (Phenothiazine)
Individuelle Toleranz
Blockade der Dopaminrezeptoren
Hypotonie, Tachykardie, Ataxie, Sehstörungen, extrapyrimidalmotorische Störungen (u. a. Parkinson-Syndrom), Krämpfe, Koma
Magenspülung, Aktivkohle, bei Krämpfen Diazepam, Physostigmin 2 mg i.v. oder i.m., Parkinsonmittel wie Biperiden, Plasmaersatz
Häufig mit suizidaler Absicht
Benzodiazepine
1–3 mg/kg toxisch, ca. 1 g letal
Durch extremen Cl--Einstrom hohe Hyperpolarisation und stark verminderte Erregbarkeit
Benommenheit, Somnolenz, Ataxie, Hyporeflexie, Hypotonie, Atemdepression, Koma
Magenspülung, Aktivkohle, Flumazenil 0,1–1 mg i.v. (bei langwirksamen BenzodiazepinenNachinjektionen), Beatmung
Durch Einführung der Benzodiazepine haben Barbituratintoxikationen an Bedeutung verloren
Atropin
ab 0,5 mg toxisch, 0,1 g p.o. letal
Vaguslähmung
Hyperthermie, Hautrötung, Trockenheit der Schleimhäute, Tachykardie, Mydriasis, zentrale Erregung, motorische Unruhe, evtl. Koma, Atemlähmung
Kühlen, Beatmen, Magenspülung, Aktivkohle, Physostigmin 0,5– 2 mg i.v. oder i.m. (evtl. wiederholen), bei Krämpfen und zur Sedierung Diazepam 10–20 mg i.v.
Intoxikationen durch Genuss von Tollkirschen oder Stechapfelsamen, auch durch Verwechslung von atropinhaltigen Augentropfen (besonders Kinder)
Herzglykoside
2 ng/ml Digoxin, 30–40 ng/ ml Digitoxin im Plasma toxisch, einige mg p.o. letal
Begünstigung heterotoper Erregungsbildung (positiv-bathmotrop)
Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen (Gelbsehen), Arrthythmien mit bradykarden (z. B. AV-Block) oder tachykarden Störungen (z. B. Kammerflimmern)
Aktivkohle, Digitalisantikörper (80–160 mg) i.v., bei Sinusbradykardie oder AVBlock Atropinsulfat 0,5 mg i.v., bei Tachykardie Kaliumchlorid 10 mmol/h i.v., alternativ Phenytoin 5 mg/kg i.v. oder Lidocain 50–100 mg i.v.
Geringe therapeutische Breite
Lithium
>1,6 mmol/l im Plasma toxisch, >3,5 mmol/l im Plasma letal
Noch nicht ganz geklärt, unspezifische Wirkung auf das ZNS
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Sehstörungen, Apathie, Hyporthyreose, Tremor, Krämpfe, Koma, Atemlähmung
Erbrechen auslösen, Magenspülung, NaCl p.o. oder i.v. zur forcierten Diurese, Hämodialyse, Diazepam bei Krämpfen, Elektrolytkontrolle
Geringe therapeutische Breite (Cave: Elektrolytverluste z. B. Sauna, Erbrechen, Diät). Suizidversuche (Arzneimittel für psychisch Erkrankte)
6
6
449 6.4 · Spezielle Toxikologie
Insulin (Sulfonylharnstoffe)
Hypogykämie bei Blutzucker <0,5 g/l
Zu hoher Glukosetransport aus dem Extrazellularraum in das Zellinnere
Gesichtsrötung, Schwitzen, Hunger, Hypotonie der Skelettmuskeln, Apathie, hypoglykämisches Koma, Hirnödem
Glukoselösung 20%-ig 50 ml i.v., dann Dauerinfusion; Glukagon 0,5–1 mg i.v., Elektrolytkontrolle
Häufig durch unsachgemäße Anwendung z. B. bei Änderungen des Tagesablaufs, Alkoholkonsum
Eisen
10–50 g p.o. letal
Hemmung von Serinproteasen führt zu Herabsetzung der Blutgerinnung
Erbrechen, Durchfall, Gastritis, Schock, toxische Hepatitis, Herzversagen
(Milch), Magenspülung mit 1%igem NaHCO3, Gabe von Deferoxamin initial 0,5– 1 g i.m., 5–10 g p.o., danach Aktivkohle
Opfer sind meist Kinder
6.4.2 Auswahl weiterer Gifte
6
Bronchitis, Erstickungsgefühl. Lungenödem (hochdosiert).
Gase Sauerstoff
Maßnahmen. Glukokortikoid-Spray (akute Intoxika-
Eigenschaften. Das Einatmen von reinem Sauerstoff
tion).
(O2) über längere Zeit bei atmosphärischem Druck kann zu Schädigungen führen. Symptomatik. Vergiftungssymptome können u. a. Er-
brechen, Schwindel, Bronchitis, Atembeschwerden mit Abfall der Vitalkapazität, Tachykardie und Parästhesien sein. Unter erhöhtem Druck ist das Ausmaß einer Vergiftung mit reinem O2 höher. ! Cave Kein grundloses Verabreichen von 100%-igen O2 per Nasensonde oder Respirator über längere Zeit: Bronchitis, Abfall der Vitalkapazität, Erbrechen, Schwindel und andere zentralnervöse Störungen sind mögliche Folgen.
Kohlenmonoxid (CO) Eigenschaften. CO ist farb- und geruchlos, beim Einatmen nicht reizend. Vergiftungsursache ist v. a. das Einatmen (2000 parts per million über eine halbe Stunde letal) von CO-haltigen Auspuffgasen (Suizidversuch). CO hat eine 300-mal stärkere Affinität zur Hämoglobinbindung als O2 und verdrängt es kompetitiv. Symptomatik. Kopfschmerzen, Augenflimmern, Ohrensausen, Schwindel, Herzklopfen, metabolische Azidose, Bewusstlosigkeit. Koma, Krämpfe und Atemlähmung (hochdosiert). Maßnahmen. CO-freie, O2-reiche Umgebung, Beat-
Bei Frühgeborenen kann sich bei längerer Einatmung von Gasgemischen mit über 40% O2-Gehalt eine retrolentale Fibroplasie (Linsentrübung) entwickeln.
mung mit reinem O2. Eine Azidose ist mit Infusion von Natriumhydrogenkarbonat zu behandeln. Bei einem Hirnödem werden Glukokortikoide z. B. Dexamethason initial 20 mg i.v. verabreicht.
Maßnahmen. Absetzen, Beatmung mit Raumluft (21%).
! Cave
Ozon Eigenschaften. Ozon (O3) gehört zu den giftigsten Ga-
Bei der Behandlung einer CO-Intoxikation muss unbedingt der Eigenschutz des Ersthelfers vor Ort berücksichtigt werden.
sen. Symptomatik. Schon geringe Konzentrationen (2–
10 mg/m3 in der Atemluft für 1–2 h) führen zu Kopfschmerzen, Erbrechen, Schleimhautreizung,
Blausäure (Cyanwasserstoff, HCN)/Cyanide Eigenschaften. HCN ist eine farblose, flüchtige Flüssigkeit, mit einem Geruch nach Bittermandel. Einatmen von 50 mg HCN, bzw. 1–2 mg p.o. kann tödlich sein.
450
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Die meisten Blausäurevergiftungen werden durch Cyanide (1 mg/kg letal) verursacht, die durch die Magensäure in HCN umgewandelt werden. Die toxische Wirkung beruht auf der Ausschaltung eisenhaltiger Fermente, besonders der Zytochromoxidase, wodurch der Sauerstoff des Blutes von den Zellen nicht mehr aufgenommen werden kann. Symptomatik. Kopfschmerzen, Herzklopfen, Mydriasis, Verminderung des Atemvolumens, Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Atemstillstand.
6
Maßnahmen. Ziel ist es, das blockierte Eisen z. B. mittels großen Mengen von Fe3-Verbindungen zu befreien. 4-Dimethylaminophenol (3 mg/kg) i.v. ist u. a. ein geeignetes Antidot, das Hämoglobin in Methämoglobin (3-wertiges Fe) umwandelt. Anschließend wird Natriumthiosulfat (50 mg/kg) i.v. verabreicht, um das gebildete toxische Cyanid abzufangen.
Schwefelwasserstoff (H2S) Eigenschaften. Mit Schwermetallen bildet H2S unlösliche Sulfide, nach Einatmung kommt es zu ähnlichen Symptomen wie bei Blausäure, da es in höheren Konzentrationen ebenfalls eisenhaltige Atmungsenzyme blockiert. Symptomatik. Bei chronischer Exposition mit geringen Dosen kann es zu einer Enzephalopathie kommen. Maßnahmen. Mehr oder weniger nur symptomatische
Maßnahmen. Schwefeldioxid (SO2) Eigenschaften. SO2 ist ein typisches Umweltgift, das z. B. beim Verbrennen fossiler Brennstoffe entsteht.
Symptomatik. Konjunktivitis, Rhinitis, Pharyngitis, Laryngitis, Bronchitis. Glottiskrampf oder -ödem (hochdosiert). Maßnahmen. Glukokortikoid inhalativ.
Methämoglobinbildner Eigenschaften. Neben vielen Arzneimitteln sind v. a. auch Nitrite, Nitrate, Anilinderivate und Nitrobenzol MetHb-Bildner. Diese Stoffe oxidieren Fe2+ des Hämoglobin zu Fe3+. Das entstandene Methämoglobin kann nicht mehr Sauerstoff transportieren. Symptomatik. Sauerstoffmangel mit Bewusstseinsverlust, Schock, Hypothermie, Erstickungsgefahr (hochdosiert). Maßnahmen. Toluidinblau i.v. (2–4 mg/kg mehrmals), das die Methämoglobinreduktion beschleunigt.
Metalle und Metalloide Toxizität von Metallen Etliche Schwermetalle sind Kapillar- und Enzymgifte (. Tab. 6.40). DieWirkmechanismen sind ganz unterschiedlich, teilweise auch nicht vollständig bekannt. Entscheidend für die Toxizität ist die Neigung zur Komplexbildung mit Eiweißen, besonders mit den Sulfonylharnstoffen (SH). Enzyme mit SH-Gruppen können schon durch geringe Metallmengen gehemmt werden.
Säuren, Laugen, Tenside, organische Lösungsmittel Säuren Eigenschaften. Am häufigsten sind Intoxikationen mit Eisessig, Salz-, Schwefel- und Salpetersäure. Symptomatik. Verätzungen (meist nur oberflächlich),
Symptomatik. Reizend (Respirationstrakt), entzün-
dungserregend, schleimhautschädigend (Auge, Atemwege). Husten, Stimmritzenkrampf und so zur Erstickung (hochdosiert).
Erbrechen, Schluckbeschwerden, Schock, Koma. Etwa 5 ml einer konzentrierten Schwefelsäure oder 15–20 ml einer konzentrierten Salzsäure wirken letal. Maßnahmen. Ausreichende Spülung (lokal). Orale
Maßnahmen. Beatmung, Glukokortikoidgabe.
Reizgase Eigenschaften. Viele Stoffe, die lokal reizen, verursa-
chen auch beim Einatmen Reizungen (z. B. Ammoniak, einige halogenhaltige Verbindungen). Halogenhaltige Substanzen bezeichnet man auch als Tränengase, da sie bereits niedrig konzentriert die Augen stark reizen. Die Reizwirkung wird durch chemische Reaktionen mit SH-Gruppen von Zellproteinen verursacht.
Vergiftung: Flüssigkeitszufuhr (p.o.), 20 g Magnesiumoxid (Antazidum) in Milch (p.o.), Schmerz-, Schockbehandlung. Bei Auftreten einer Azidose ist die Infusion von 5%-iger Natriumhydrogenkarbonatlösung indiziert. Fluorwasserstoff Fluorwasserstoff wird u. a. in Elektronik-Industrie angewendet. Verätzungen mit dieser Säure können aufgrund guter Penetration in tiefere Schichten gelangen und so 6
451 6.4 · Spezielle Toxikologie
6
. Tab. 6.40. Symptome und Therapie ausgewählter Metallvergiftungen Substanz
Dosis (toxisch/letal)
Symptome
Therapie
Bemerkung
Blei
1 mg/Tag p.o. toxisch, 0,5 mg/ml toxisch, 20–50 mg letal
Akut: Erbrechen, Kolik; chronisch: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Obstipation, Hautblässe, Zahnfleischverfärbung, Lähmungen
Ca-Edetat 20 mg/kg als Dauerinfusion, D-Penicillamin (zur Bleikomplexierung)
Depotwirkung durch Anreicherung in den Knochen
Quecksilber
0,2–1 g p.o. letal
Akut: Gastroenteritis, Erbrechen, Schock, Anurie; chronisch: Tremor, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Nephrose
Akut: Milch, Erbrechen auslösen, Magenspülung, Aktivkohle, salinische Abführmittel; chronisch: Penicillamin 4-mal 250 mg/ Tag, Vitamin B1 40– 100 mg/Tag
Aufgrund der geringen Eliminationsgeschwindigkeit Gefahr eines enterohepatischen Kreislaufs
Cadmium
Etwa 50 mg letal
Akut: gastrointestinale Störungen, Krämpfe, Leberschädigung (p.o.), Atemnot, Lungenödem, Kreislaufschock (inhalativ); chronisch: Husten, Anämie, Neuralgien, Nierenschädigung, Osteoporose
Magenspülung, Abführmittel, symptomatische Behandlung, evtl. Kalzium-Trinatrium-Pentetat
Eines der bedeutendsten Umweltgifte, kanzerogen
Arsen
Etwa 100–300 mg As2O3
Akut: Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Nierenschädigung, Koma; chronisch: Hyperkeratosen, Polyneuritis, Lähmungen, maligne Tumoren
Akut: Magenspülung, Aktivkohle, Dimercaprol 5mal pro Tag 2,5 mg/kg; chronisch: Dimercaprol, Vitamin B1 und C
Toxikologisch relativ unbedeutend, da kaum noch verwendet
schwere Entzündungen hervorrufen. Die Therapie besteht aus Hyaluronidase und einem Lokalanästhetikum, anschließend wird mit 10%-iger Kalziumglukonatlösung behandelt. Auch bei oraler Vergiftung sind Kalziumverbindungen indiziert.
Laugen Eigenschaften. Insbesondere Vergiftungen mit Natron-,
Kalilauge und Ammoniakflüssigkeit. 10- bis 15%-ige Lösungen können zum Tod führen. ! Cave Basen sind grundsätzlich gefährlicher als Säuren, da der Ätzschorf weniger fest ist und weiter in die Tiefe eindringen kann.
Symptomatik. Verätzungen (Haut), völlige Erblindung (Auge), Schluckbeschwerden, Erbrechen und Schock (p.o.). Maßnahmen. Ausreichende Spülung (lokal), Wasser oder Milch (p.o.). Schock- und Schmerzbehandlung.
! Cave Sowohl bei Säuren als auch bei Laugen sind Magenspülungen wegen der Perforationsgefahr kontraindiziert.
Tenside (Seifen, Detergenzien) Man unterscheidet ionogene und nichtionogene Tenside, wobei letztere weniger gefährlich sind. Symptomatik. Reizungen (Haut), Gefahr einer Konjunktivitis, Hornhauttrübung (Auge), Gastroenteritis mit Erbrechen (Schaumaspiration!) und Diarrhö (oral). Hämolyse (bei Blutübertritt). Maßnahmen. Reichlich Flüssigkeit (Milch), Entschäumer, Aktivkohle.
Organische Lösungsmittel Alle organischen Lösungsmittel haben aufgrund ihrer guten Lipidlöslichkeit ähnlich toxische Wirkungen. Diese Stoffe werden meist eingeatmet, können aber auch durch die Haut aufgenommen werden. Am ZNS sind diese Substanzen narkotisch oder erregend wirksam.
452
Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Symptomatik. Durch zentralnervös hemmende Wir-
kung u. a. Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen, Koma, Atemlähmung, erregende Effekte führen von Unruhe bis zu Krampfanfällen. Degenerative Veränderungen von Leber, Niere und Herz. Lösungsmittel wie Kohlenwasserstoffe, aliphatische Kohlenwasserstoffe (z. B. Benzin, Petroleum, Heizöl), aromatische Kohlenwasserstoffe (z. B. Benzol, Toluol), halogenierte Kohlenwasserstoffe, halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe und halogenierte aromatische Kohlenwasserstoffe (z. B. Dioxine) spielen eine größere Rolle, da sie im gewerblichen Leben Anwendung finden.
6
Alkohol Methanolvergiftungen passieren häufig aufgrund von Ethanolverwechslung oder Suizidversuchen. Die letale Dosis ist 30–100 ml. Toxische Wirkung beruht auf Methanolumwandlung zu Formaldehyd und Ameisensäure, welche dann zu einer Azidose führt. Symptome sind gastrointestinale Probleme, Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen, Sehstörungen, Atemlähmung. Um die Methanolkonzentration im Blut zu senken, wird eine Dialyse durchgeführt. Durch Zufuhr von Ethanol (30–40 ml) versucht man eine weitere Oxidation des Methanols zu hemmen. Die Azidose wird z. B. mit einer Infusion von NaHCO3 beseitigt. Ethanolintoxikationen entstehen meist durch unkontrollierten Alkoholkonsum. Die letale Menge beträgt ca. 3,5 ml/kg KG. Zentralnervöse Symptome abhängig von der Blutmethanolkonzentration. Abnahme der Muskelleistung, Erweiterung der Hautgefäße (Auskühlung!). Nach einer Magenspülung wird symptomatisch behandelt. Beschleunigte Elimination durch Peritoneal- bzw. Hämodialyse.
Rauschmittel Die Gefahr dieser Substanzen besteht nicht nur als akute Intoxikation (Überdosis), sondern insbesondere auch in dem Abhängigkeitsrisiko. Die »Sucht« (»addiction«) ist ein Krankheitsbild mit ungünstigen Heilungschancen. Das verbreitetste Euphorikum ist Alkohol und wurde bereits besprochen. Immer neue Rauschmittel werden »designed«: Amphetamin (»Speed«) und seine Abkömmlinge (»Ecstasy«, »Eve«), die sog. »Partydrogen«. Morphin Eigenschaften. Morphin zählt zu den Opiaten und führt
auch bei psychisch gesunden Menschen nach häufiger Gabe zur Abhängigkeit. Effekt und Suchtrisiko sind bei schnell anflutenden Opioiden wie Heroin (Diazetylmorphinhydrochlorid) bei i.v. Gabe besonders hoch. Symptomatik/Maßnahmen. 7 Kap. 6.2.13.
Kokain Kokain wird als Pulver über die Nasenschleimhaut aufgenommen, als Lösung injiziert (20 mg i.v. letal) oder als freie Base (»Crack«) geraucht. Symptomatik. Reizbarkeit, Kopfschmerzen, depressive
Stimmungen, kognitive Störungen, Verfolgungswahn. Maßnahmen. Magenspülung, Aktivkohle, evtl. 20 mg Diazepam i.v., Beatmung. Chronische Vergiftung ist mit einer Entziehungskur in einer psychiatrischen Anstalt zu behandeln.
Haschisch Eigenschaften. Tetrahydrocannabinol wird durch Rauchen oder oral aufgenommen. Symptomatik. Zunahme der Herzfrequenz, Hyperto-
! Cave Symptome einer chronischen Methanolvergiftung sind zentralnervöse Störungen, Polyneuropathie, Kapillarerweiterungen im Gesicht, Gastritis und Leberschädigung.
Eine Einnahme von 60 ml/Tag kann bereits zu einer chronischen Intoxikation führen (bei Frauen geringer). Schwierige Therapie, meist nur durch eine Entziehungskur erreichbar (Rezidivquote bis 70%). Bei derartigen Kuren werden oft Benzodiazepine und Clomethiazol eingesetzt (erneutes Abhängigkeitsrisiko!). Medikamentöser Entzug unter Disulfiram hat viele Nebenwirkungen und darf nur unter intensiver ärztlicher Betreuung erfolgen.
nie, Bronchienerweiterung, Mundtrockenheit. Diese Symptome klingen relativ schnell wieder ab, obwohl die Substanz sehr lange im Körper verweilt. Angstzuständen (hochdosiert). Bei chronischer Einnahme sind die psychischen Wirkungen wesentlich ausgeprägter. Maßnahmen. 10–20 mg Diazepam i.v. > Dieses Harz weist auch therapeutische Wirkungen auf. Haschisch wirkt antiemetisch und analgetisch und könnte unter ärztlicher Betreuung dementsprechend eingesetzt werden.
LSD (Lysergsäurediethylamid) Eigenschaften. Dosen von 0,02–0,4 mg p.o. können toxisch wirken.
453 6.4 · Spezielle Toxikologie
Symptomatik. Halluzinationen, Persönlichkeitsspal-
tungen, Angst, Panik. Obwohl beim Absetzen typische Entzugssymptome ausbleiben, kann es bei labilen Patienten Bewusstseinsveränderungen bewirken. Psychische Dauerschäden bei langer Einnahme. Maßnahmen. Neuroleptika.
Alkaloide, Pilzgifte, Tierische Gifte Alkaloide Alkaloide zeigen in besonderem Maße, dass Naturstoffe keineswegs harmlos sind. Das bekannteste Alkaloid ist Nikotin. Aufgrund des weltweit großen Konsums von Tabak zählt Nikotin zu den bedeutendsten Umweltgiften. Eigenschaften. Akute Nikotinvergiftungen v. a. durch nikotinhaltige Pflanzenschutzmittel. 40–60 mg Nikotin sind letal. Bedeutender ist die chronische Nikotin- bzw. Tabakvergiftung (Teer). Symptomatik. Symptome akuter Nikotinvergiftungen
sind Kopfschmerzen, Erbrechen, Diarrhö, Tremor, Krämpfe, Schock, Koma, Atemlähmung, Herzstillstand. Chronischer Nikotinabusus geht einher mit Schleimhautreizungen der oberen Atemwege, Bronchitis, Retinaschädigung, atherosklerotische Veränderungen, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Karzinomen (Bronchien, Kehlkopf, Mundhöhle, Ösophagus), Schädigung der Keimzellen, Frühgeburten. Die Lebenserwartung wird durch Rauchen deutlich herabgesetzt.
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Diurese. Mit Cholin und Glukoseinfusionen wird versucht die Leberschädigung zu minimieren. Weitere Giftpilze Weitere Giftpilze sind z. B. Frühjahrslorchel, Schleierlinge, Satanspilz, Fliegenpilz. Bei Fliegenpilzvergiftungen sind Erregungszustände, Tobsuchtsanfälle, Verwirrtheit und Halluzinationen, die nach etwa 1–3 h auftreten, typisch. Zur Therapie verwendet man Aktivkohle, Abführmittel und bei tetanischen Symptomen Kalziumglukonat 20%-ig 20 ml i.v.
Schlangengifte Eigenschaften. Europäische Giftschlangen gehören zur Familie der Vipern (Kreuzotter, Spitzkopfotter). Wichtige außereuropäische Schlangen sind z. B. die KobraArten und die Klapperschlangen. Schlangengifte enthalten u. a. toxische Peptide und Enzyme. Symptomatik. Stark von der Schlangenart und damit
von der Giftzusammensetzung abhängig. Nach Kobrabissen stehen Lähmungen im Vordergrund. Bei Viperbissen entsteht an der Bissstelle ein hämorrhagisches Ödem. Nach etwa 1 h kommt es zu Erbrechen, Angstund Schwächegefühl, Atemnot und evtl. Schocksymptomen. Maßnahmen. Nach Testung auf Verträglichkeit Injektion von Schlangengiftserum.
Insektengifte Eigenschaften. Die bedeutendsten giftigen Insekten in
Maßnahmen. Bei akuten Nikotinvergiftungen Resorp-
tionsverhinderung (Magenspülung, Aktivkohle), symptomatische Behandlung. Nikotinentwöhnung durch Nikotinpflaster bzw. -kaugummis oder psychische Betreuung. Pilzgifte Eigenschaften. Die meisten Todesfälle kommen durch
Genuss des Knollenblätterpilzes (etwa 50 g frische Pilze sind letal), der oft mit dem Champignon verwechselt wird. Die Giftstoffe (Amatoxine, Phallotoxine) schädigen v. a. die Hepatozyten. Symptomatik. 10–20 h nach der Einnahme Erbrechen,
Diarrhö und Kolik. Es kann zu akutem Herzversagen führen. In den folgenden Tagen entwickelt sich ein Ikterus und evtl. ein akutes Nierenversagen. Krämpfe, Lähmungen, Atemlähmung. Maßnahmen. Frühzeitige Hämodialyse, Austauschtransfusion, Hämoperfusion über Aktivkohle, forcierte
Mitteleuropa sind Bienen und Wespen (dazugehörig die Hornissen). Die Gifte enthalten u. a. biogene Aminen (Histamin, Serotonin, Azetylcholin), Polypeptide und Enzyme. Symptomatik. Stark von der Empfindlichkeit des Gestochenen abhängig (Allergiker, Imker teils immun). Lokale Entzündung (Brennen, Jucken, Rötung, Schmerzen), die meist schnell wieder abklingt. Selten kommt es zu lokalen Nekrosen. Maßnahmen. Kühlen, H1-Anihistaminika, Glukokorti-
koide. Bei Allergikern besteht die Gefahr eines anaphylaktischen Schocks. Insektizide
Chlorierte Kohlenwasserstoffe Eigenschaften. Vergiftungssymptome und Behandlung siehe organische Lösungsmittel. Das bekannteste Insektizid aus dieser Gruppe ist das Chlorphenothan (DDT), 10–30 g p.o. sind für den Menschen letal.
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Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
Symptomatik. Schreckhaftigkeit, Erbrechen, Tremor, Krämpfe, Koma, Atemlähmung Maßnahmen. Magenspülung, Natriumsulfatgabe. Bei Krämpfen werden 10–20 mg Diazepam i.v. verabreicht.
Phosphorsäureester Eigenschaften. Nitrostigmin (E605) ist ein weit verbreitetes Pflanzenschutzmittel. Die toxische Wirkung beruht auf der Hemmung der Azetylcholinesterase, 5 mg/kg sind letal Symptomatik. Miosis, Tränen- und Speichelfluss, Er-
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brechen, Kolikschmerzen, Diarrhö, Bradykardie, Krämpfe, Koma
nekrosen, worauf es weiter zu Ulzera und schwerer Diarrhö kommt. Nach Tagen kann es zu schweren Leber-, Nieren- und Lungenschädigungen kommen. Maßnahmen. Keine spezifischen Maßnahmen. Resorp-
tionsverhinderung (Bentonit als Adsorbens, Magenspülung), Beschleunigung der Ausscheidung (forcierte Diurese, Hämoperfusion). Lebensmittelvergiftungen Werden Lebensmittel nicht adäquat gelagert (Kühlen, Konservierungsmittel), können Mikroorganismen sich darin vermehren und Toxine bilden, welche für die Entstehung von Lebensmittelvergiftungen verantwortlich sind. Man unterscheidet Enterotoxine und Botulinustoxine.
Maßnahmen. Sofortige Beatmung, Magenspülung, Ak-
tivkohle, salinische Abführmittel. Spezifisch wird initial mit Atropinsulfat 2–5 mg i.v. und Cholinesterase-Reaktivatoren behandelt. Diazepam i.v. bei Krämpfen.
Enterotoxine Enterotoxine werden u. a. von einigen Staphylokokken, Enterokokken, Salmonellen, Coli- und Proteusbakterien produziert.
Rotendizide Eigenschaften. Zu den Nagetierbekämpfungsmitteln gehören verschiedene chemische Stoffe, z. B. Strychnin, Thioharnstoff- und Pyrimidin-Derivate. Als Rattengift sind v. a. Cumarinderivate verbreitet, welche die Blutgerinnung hemmen und so zu inneren Blutungen führen. Symptomatik. Schwere Blutungen (in Gehirn, Auge
Symptomatik. Brechdurchfall, Kopfschmerzen, Hypotonie, Fieber. Hypokaliämie, -natriämie und -chloriämie mit einhergehender Exsikkose (schwere Intoxikation). Maßnahmen. Resorptionsverhinderung (Magenspülung unter Zugabe von Kaliumpermanganat, Aktivkohle, Natriumsulfat). Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr.
oder Gastrointestinaltrakt), Schockentwicklung. Maßnahmen. Zufuhr von Gerinnungsfaktoren II, VII,
IX und X (i.v.). Das Antidot Vitamin K stellt erst nach 1–3 Tagen die Gerinnungsfähigkeit wieder her (15– 20 mg i.v. alle 3–4 h). Herbizide Viele Unkrautbekämpfungsmittel sind für den Menschen relativ ungefährlich. Auch die Toxizität von halogenierten Phenoxycarbonsäuren ist relativ gering (5– 6 g letal). Symptomatik. Bei akzidentellen Vergiftungen (Suizid-
versuche) jedoch schwere Symptome wie z. B. Erbrechen, Durst, Beeinflussung der quergestreiften Muskulatur in Form von Ataxie, Muskelstarre, Krämpfen, Tod durch Herzversagen. Maßnahmen. Symptomatisch. Dipyridinium-Verbindungen (Kontaktherbizide) z. B.
Paraquat (ca. 10 mg/kg letal) verursachen auf der Haut nach längerer Exposition Blasen und Kolliquations-
Botulinustoxine Eine Vergiftung mit Botulinustoxinen ist im Gegensatz zu den Enterotoxinen stets lebensbedrohlich (0,003 µg i.v. letal, 10 µg p.o. letal). Die Hauptursache liegt in Fleisch-, Fisch- und Gemüsekonserven und in nicht korrekt konservierten Fleischwaren. Botulinustoxine hemmen die exozytotische Freisetzung von Azetylcholin in den synaptischen Spalt mit folgenden ACh-Mangelerscheinungen (7 Atropinvergiftung). Symptomatik. Akkomodationslähmung (nach 12–
24 h), Mydriasis, Ptosis, Muskelschwäche, Krämpfe, Atemnot, Atemlähmung, Herzstillstand, Bronchopneumonie. Maßnahmen. Schnelle Darmentleerung (Natriumsulfat), Botulismus-Antitoxin-Gabe, Verabreichung von Cholinesterasehemmern gegen den Abbau von ACh. Trotz allem liegt die Letalität bei etwa 20%.
Karzinogene Unter Karzinogenen versteht man Substanzen, aufgrund derer sich normale Körperzellen in Tumorzellen
455 6.4 · Spezielle Toxikologie
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. Tab. 6.41. Karzinogene Substanzgruppen Substanzgruppe
Karzinogene Wirkung
Beispiele – Vorkommen
Alkylierende Substanzen
Durch DNA-Alkylierung
Epoxide, halogenierte Ether – zur Schädlingsbekämpfung, z. T. auch in Zytostatika
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
Durch reaktionsfähige Metaboliten (besonders Diol-Epoxide)
Benzo(a)pyren, 3-Methylcholanthren, Benzanthracen – ubiquitäres Vorkommen, z. B. Tee, Autoabgasen, Ruß
Aromatische Amine
Durch reaktionsfähige Metaboliten
Diphenylamin, Benzidin, β-Naphthylamin – Azofarbstoffe, z. T. bei Erhitzen von eiweißhaltigen Lebensmitteln
N-Nitroso-Verbindungen
durch Oxidation entstehen alkylierende Verbindungen (s. o.)
Dimethylnitrosamin, N-Nitroso-N-methyl-harnstoff – Lebensmittel, Tabakrauch
Anorganische Substanzen
Unter anderem durch Fremdkörper, die phagozytäre Zellen irritieren
Schwermetalle (z. B. Cadmium, Chrom, Blei), Metalloide (z. B. Arsen), Asbest
Karzinogene Naturstoffe
Unter anderem durch Umwandlung zum Epoxid, das mit Guanin der DNA reagiert
Aflatoxine – Aspergillus flavus (Lebensmittelbefall), Safrol – Öl, Pyrrolizidin-Alkaloide, Aristolochiasäure – Osterluzei
umwandeln (. Tab. 6.41). Hiervon muss man Kokarzinogene unterscheiden, die nur in Verbindung mit anderen Substanzen eine neoplastische Entartung auslösen können. Viele Verbindungen werden auch erst durch
metabolische Umwandlung kanzerogen, diese Verbindungen nennt man Prä- oder sekundäre Kanzerogene. Charakteristisch ist, dass die ausgelösten Veränderungen erst nach etwa 10–20 Jahren sichtbar werden.
In Kürze Toxische Substanzen und die Therapie bei Intoxikation 4 Gase – Sauerstoff: ab 45 min toxisch (Partialdruck <1,6 bar). Beatmung mit Raumluft – Ozon: 2–10 mg/m3 in Atemluft für 1–2 h toxisch. Glukokortikoid inhalativ – Kohlenmonoxid: 2000 ppm über eine halbe Stunde letal. Beatmung mit reinem O2 – Blausäure/Cyanide: Einatmen von 50 mg HCN, bzw. 1–2 mg p.o. tödlich. 1 mg/kg Cyanide letal. 4-Dimethylaminophenol und Natriumthiosulfat i.v. – Schwefelwasserstoff: symptomatische Maß4 nahmen – Schwefeldioxid: Beatmung, Glukokortikoidgabe – Reizgase: Glukokortikoid inhalativ 4 4 Methämoglobinbildner (z. B. Nitrite): Toluidinblau i.v. (2–4 mg/kg mehrmals) 4 4 Metalle, Metalloide – Blei: 1 mg/Tag p.o. toxisch, 20–50 mg letal. Ca-Ede- 4 tat 20 mg/kg als Dauerinfusion, D-Penicillamin
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– Quecksilber: 0,2–1 g p.o. letal. Akut: Milch, Erbrechen, Magenspülung, Aktivkohle, salinische Abführmittel; chronisch: Penicillamin 4-mal 250 mg/Tag, Vitamin B1 40–100 mg/Tag – Cadmium: ca. 50 mg letal. Magenspülung, Abführmittel, symptomatische Behandlung, evtl. Kalzium-Trinatrium-Pentetat – Arsen: ca. 100–300 mg As2O3. Akut: Magenspülung, Aktivkohle, Dimercaprol 5-mal pro Tag 2,5 mg/kg; chronisch: Dimercaprol, Vitamin B1 und C Säuren: 15–20 ml HCl letal. Spülung (lokal). Orale Vergiftung: Flüssigkeitszufuhr (p.o.), 20 g Magnesiumoxid in Milch (p.o.) Laugen: 10- bis 15%-ige Lösungen können letal sein; Spülung (lokal), Wasser oder Milch (p.o.) Tenside: Flüssigkeit (Milch), Entschäumer, Aktivkohle Organische Lösungsmittel: Resorptionsverhinderung (Aktivkohle, Natriumsulfat)
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Kapitel 6 · Pharmakologie und Toxikologie
4 Alkohol: 30–100 ml Methanol letal. Dialyse, Ethanolzufuhr. Ca. 3,5 ml/kg KG Ethanol letal. Peritoneal- bzw. Hämodialyse 4 Rauschmittel – Morphin: 0,2 g p.o., 0,1 g i.v. letal. Naloxon – Kokain: 20 mg i.v. letal. Magenspülung, Aktivkohle, Beatmung – Haschisch: 10–20 mg Diazepam i.v. – LSD: 0,02–0,4 mg p.o. toxisch. Neuroleptika 4 Alkaloide: 40–60 mg Nikotin letal. Magenspülung, Aktivkohle 4 Pilzgifte: 50 g Knollenblätterpilz letal. Hämodialyse, Austauschtransfusion, Hämoperfusion über Aktivkohle, forcierte Diurese 4 Tierische Gifte: Schlangengiftserum. Bei Insekten: kühlen, H1-Anihistaminika, Glukokortikoide
4 Insektizide: 10–30 g Chlorphenothan (DDT) p.o. letal. Magenspülung, Natriumsulfat 4 Rotendizide (z. B. Cumarine): Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X (i.v.) 4 Herbizide: 5–6 g halogenierte Phenoxycarbonsäuren letal 4 Lebensmittelvergiftungen – Enterotoxine: Magenspülung unter Zugabe von Kaliumpermanganat, Aktivkohle, Natriumsulfat, Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr – Botulinustoxine: 0,003 µg i.v. letal, 10 µg p.o. letal; schnelle Darmentleerung (Natriumsulfat), Botulismus-Antitoxin, Cholinesterasehemmer
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Farbabbildungen zu Kapitel 3: Pathologie
. Abb. 3.1. Leberzelle mit Mallory-Körperchen bei ethyltoxischer Leberzirrhose, histologisch bestätigt (525×). (Aus Remmele 2000)
. Abb. 3.7. Langerhans-Riesenzelle bei Sarkoidose mit Asteroidkörperchen (Pfeil); Kerne erscheinen rundlich vesikulär (BAL 525×). (Aus Remmele 2000)
. Abb. 3.8. Stimulierung unterschiedlicher T-zellabhängiger Immunmechanismen. Die unterschiedlichen Immunreaktionen werden entweder von Th1- oder von Th2-Zellen vermit-
telt. Th1-Zellen sind hauptsächlich für zelluläre Immunreaktionen und Th2-Zellen für humorale Immunreaktionen zuständig. (Aus Reuter 2004)
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. Abb. 3.11. Querschnitt durch eine Koronararterie. Arteriosklerotischer Plaques und Thrombus. (Aus Reuter 2004)
. Abb. 3.32. Schwere prostatische intraepitheliale Neoplasie (»High-grade«-PIN) mit papillärem und kribriformem Drüsenmuster sowie prominenten Nukleolen. Nur noch vereinzelt Basalzellen. Stanzbiopsie, HE 140:1. (Aus Remmele 2000)
. Abb. 3.26. Fettleber Mikroskopie. (Aus Reuter 2004)
. Abb. 3.31. Klarzelliges Nierenzellkarzinom mit gelblichen und weißen Tumoranteilen sowie herdförmigen Einblutungen im Parenchym. (Aus Remmele 2000)
. Abb. 3.37. Ewing-Sarkom der Femurdiaphyse, ausgedehnte intra- und extraossäre Tumorausbreitung mit proximaler und distaler Periostabhebung. (Aus Remmele 2000)
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Sachverzeichnis A AB0-System 94 ABC-Regel 444 Abstammungsgutachten 63 Abszess 123 Abt-Letter-Siewe-Syndrom 199 Abtropfmetastase 117 Acarbose 411 ACE 337 ACE-Hemmer 380, 381 Acetazolamid 393 Achondroplasie 71 Aciclovir 435 Actinomyces 215 – israelii 256 Addison-Syndrom 151, 152 Adenohypophyse 150 Adenokarzinom 117, 166 – duktales 182 – intestinales 172 – polymorphes 169 Adenom 117 – endometroides 190 – follikuläres 150 – pleomorphes 169 – tubuläres 200 Adenomyose 191 Adenose 199 Adenosindesaminasemangel 75 Adeno-Viren 296 ADH 335 Adhärenz 225 Adhäsine 225 Adnextumoren 205 Adrenalin 373 adrenogenitales Syndrom 337 D-Adrenorezeptorenagonisten 373 E-Adrenorezeptorenagonisten 374 D-Adrenorezeptorenantagonisten 374 E-Adrenorezeptorenantagonisten 375 E-Adrenorezeptorenblocker 386, 387 Aerobier, obligate 232 Aflatoxin 281 Aganglionose 174
Agardiffusionstest 234 Agonisten 371 Agranulozytose 346 AIDS 300 Akne vulgaris 206 Aktivkohle 446 Akute-Phase-Proteine 332, 356 Alaninaminotransferase 350 Albinismus, okulokutaner 75 Aldehyddehydrogenase 99, 100 Aldosteron 337 Aldosteronantagonisten 394 Alfentanyl 402 alkalische Phosphatase 330, 351 Alkaloide 453 Alkalose 349 – metabolische 349 – respiratorische 349 Alkaptonurie 74 Alkoholabusus 12, 452 Alkoholembryopathie 89, 145 Alkoholintoxikation 452 Alkylanzien 441 Allel 54 Allergie 10, 28 Allgemeininfektion, zyklische 222 Allgemeinsymptom 5 Altinsulin 411 Ameloblastom 168 Amilorid 394 Amine, biogene 339, 378 Aminoglykoside 233, 427 Amiodaron 387 Amitriptylin 404 Amnioninfektionssyndrom 197 Amnionzentese 62 Amöben 264 Amöbenruhr 174, 264 Amöbiasis 179 Amotio retinae 149 Amoxicillin 424 D-Amylase 339, 26 Amyloidose 108, 109, 175, 177 Anaerobier – fakultative 232 – obligate 232 Analfissur 175 Analgetika – antipyretische 398
– zentral wirksame 401, 402 Analyse – 7 Diagnostik – klinisch-chemische 317 – toxikologische 358 Anämie – Definition 157 – Diagnostik 344, 345 – hämolytische 345 – megaloblastische 345 – mikrozytäre 345 Anamnese – Abdomen 21, 23–25 – allgemeine 6–14 – alte Menschen 41 – Augen 30, 31 – Bewegungsapparat 31, 32 – biographische 12, 13 – Definition 3 – Dokumentation 41 – Hals 18, 19 – Hals-Nasen-Ohren 25–27 – Harntrakt 39 – Haut 28, 29 – Herz-Kreislauf 20, 21 – Kinder 40 – Lunge 19, 20 – neuropsychiatrische 32,. 33 – Nieren 39 – Notfallpatienten 41 – psychiatrische 33 – schematische 8, 9 – soziographische 12, 13 – Thorax 19, 20 Anamnesetechnik 7, 8 Anasarka 107 Ancylostoma 270, 271 Androgene 415 Anenzephalie 139 Aneuploidie 64, 65 – autosomale 67 – gonosomale 68 Aneurysma 156 Angelman-Syndrom 87 Angina pectoris 321 Angiomyolipom 184 Angiosarkom 210 Angiotensinogen 337 Anionenlücke 349
A
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Sachverzeichnis
Anomalien, kongenitale 88–90 Anpassungsreaktion 105 Antagonisten 371 Antazida 395 Anthelmintika 438 Anthrax-Toxin 252 Anthrazykline 441 Antiandrogene 415 Antiarrhythmika 386–388 Antibiotika 232, 422–427 – Einteilung 232, 233, 423 – Indikationen 233 – Wirkungsweise 232 Antibiotikaresistenz 206, 234, 307 Antidepressiva 404–407 – tetrazyklische 405 – trizyklische 404 Antidiabetika 412 Antidottherapie 446 Antigen, prostataspezifisches 328, 329 Antigen-präsentierende Zellen 228 Antihistaminika 379, 380 Antihypertensiva 372 Antiinfektiva 232, 422–432 Antikoagulanzien 389 Antikonzeption 417, 418 Antikörper 291 – antinukleäre 334 Antikörpernachweis 231 Antimalariamittel 435–437 Antimykotika 232, 432, 433 antinukleäre Antikörper 334 Antiöstrogene 416 Antiphlogistika, nichtsteroidale 399 Antipyretika 398 Antiseptika 422–432 Antistreptolysin-O 334 Antisympathotonika 375 Antithrombin III 343 Antitrypsin 355 Antitrypsin-Mangel 179 Antituberkulotika 431 Anurie 324 Aphasie 33 Apoptose 107 Appendizitis 173, 174 A-priori-Wahrscheinlichkeit 60 Aprotinin 390 aPTT 342 Arachnea 273, 274 Arbeitsdiagnose 3 ARDS 133
Arteriolosklerose 184 Arteriosklerose 131, 132, 155, 156 Arthritis 208 Arthropoden 273, 274 Arthrosis deformans 209 Arzneimittel – Allergie 12 – Definition 366 – Metabolisierung 99 – retardierte 366 – Vergiftung 447–449 Arzt-Patient-Verhältnis 6 Ascaris lumbricoides 269, 270 Asepsis 308 Askariose 269 Aspartataminotransferase 350 Aspergillus 281, 282 Assoziation 89 Asthma bronchiale 163 Astrovirus 301 Astrozytom 142, 144 AT1-Rezeptor-Antagonisten 381, 382 Ataxie, spinozerebelläre 147 Atelektase 163, 164 Atemnotsyndrom – akutes 133 – des Neugeborenen 163, 165 Atemtest, nicht-invasiver 246 Ätiologie, Definition 103 Atmungskette, Enzyme 217 Atopie, Definition 126 Atorvastatin 420 Atrophie – Definition 104 – einfache 104 – hormonelle 104 – ischämische 104 – neurogene 104 – numerische 104 – olivopontozerebelläre 147 Atropin 377 – Intoxikation 448 Audiometrie 26 Auer-Stäbchen 158 Auffrischimpfung 311 Auskultation 16 – Abdomen 24 – Herz 21, 23 Autoantikörper 334, 335 Autoimmunerkrankungen 128 AV-Mesotheliom 153 Axonopathie 147, 148
Azathioprin 440, 441 Azetylcholin 376 Azetylsalizylsäure 399 Azidose 349 – metabolische 349 Azinuszellkarzinom 169 Azolderivate 432, 433
B Bacillus – anthracis 252 – cereus 252 Bacteroides 242 Bakteriämie – Definition 124 – nosokomiale 307, 308 Bakterien – 7 Keime – aerobe 232 – anaerobe 217, 232 – autotrophe 231 – Energiestoffwechsel 231 – Generationszeit 231 – gramnegative 217, 218 – grampositive 217, 219 – hämophile 240 – heterotrophe 231 – Internalisierung 225 – Morphologie 215–221 – Pathogenität 222 – sporenbildende 252 – Wachstumsfaktoren 231 – zellwandlose 257, 262 Bakteriengeißel 220, 221 Bakteriengenetik 223 Bakterienkapsel 220 Bakterienkultur 221 Bakteriensporen 221 Bakteriokine 228 Bakteriologie – allgemeine 214–231 – spezielle 235–262 Bakteriophage 223 Bakteriostase 232 Bakterizidie 232 Balanitis 189 Balantidiose 267 Balantidium coli 267 Bandwürmer 272, 273 Barbiturate 410
461 Sachverzeichnis
Barrett-Syndrom 170 Barr-Körper 51 Basaliom 205 Basalzelladenom 169 Basenexzess 349 Bayes-Theorem 60 Beckwith-Wiedemann-Syndrom 87 Befund, Definition 3 Begleitbeschwerden 10 Belegzellhyperplasie 171 Benzocain 401 Benzodiazepine 403 – Intoxikation 448 Benzylpenicillin 424 Benzylpyrimidine 233 Beratung, genetische 58–60 Berufskrankheit 13 Bettwanze 275 Bewusstseinstrübung 444 Bezafibrat 420 Bilharziose 179, 272 Bilirubin 106, 351 Bioäquivalenz 367 Biotinidasemangel 75 Biotransformation 367 Bioverfügubarkeit 367 bipolare Störung 86 Blasenmole 197 Blausäure 449, 450 Blickdiagnose 15 Blutdruckmessung 17, 18 Blutglukose 356 Blutgruppensysteme 94 Blut-Hirn-Schranke 366 Blut-Liquor-Schranke 366 Blutsenkungsgeschwindigkeit 331 Blutung 136, 137 – epidurale 142 – intrakranielle 142 – intrazerebrale 141 – subarachnoidale 142 – subdurale 142 Blutungszeit 340, 342 Blutvergiftung 222 Body-Mass-Index 16, 17 Borderline-Tumor 114, 190 Bordetella pertussis 241 – Toxin 227 Borrelia – burgdorferi 259, 274 – recurrentis 259 Botulinus-Toxin 227, 228, 253, 454 Brenner-Tumor 191
Bronchiektasie 163 Bronchiolitis 163 Bronchitis 163 Bronchopneumonie 165 Brucella 242 Bruzellose 242 BSE 283 Bunya-Viren 299 Buprenorphin 402 Burkholderia pseudomallei 245 Burkitt-Lymphom 96 Bursitis 209 B-Zell-Defekt 128
C Café-au-lait-Flecken 144 CAMP-Test 237 Campylobacter jejuni 245 Candida albicans 280 Captopril 380, 381 Carbachol 377 Carbapeneme 422 Carboanhydratasehemmstoffe 393 Carcinoma in situ 114 – lobuläres 201 – kutanes 204 Caroli-Syndrom 177 Cephalosporine 233, 281, 422 – orale 426 – parenterale 425 Chagas-Krankheit 155, 275 Charcot-Trias 25 Chemie, klinische 317–360 Chemotherapeutika 232 Chimärismus 65 Chinidin 387 Chinolone 233 Chlamydia – pneumoniae 257 – psittaci 257 – trachomatis 257 Chlamydien 257 Chloramphenicol 428, 429 Chlorphenothan 453 Chlorpromazin 408 Cholangitis 180 Cholera 243 Cholera-Toxin 227, 243 Cholestase 73 Cholesteatose 181
A–C
Cholesterin 353, 354 Cholezystitis 181 Cholinesterase 351 Chondrodermatitis nodularis chronica helicis 149 Chondromatose, synoviale 209 Chondrosarkom 207 Chordom 144, 208 Chordozentese 62 Chorea Huntington 77, 147 Chorionkarzinom 188, 191, 196 Chorionzottenbiopsie 62 Chromosom – Anfärbung 56 – Struktur 50 Chromosomenaberration 56, 64, 67 Chromsomenaberration 64 Chymotrypsin 340 Ciclosporine 438 Cimex lectularis 275 Cimicidea 275 Citalopram 405 Clearance 368 Clindymycin 429 Clomifen 416 Clonidin 375 Clopidogrel 389 Clostridium – botulinum 253 – difficile 253 – perfringens 253, 254 – tetani 253 Clozapin 407 Clumping factor 219 Coeruloplasmin 355 Colchicin 421 Colitis ulcerosa 174, 175 Colti-Viren 302 Compliance 6 Compoundnävus 205 Condyloma acuminatum 189, 194 Conn-Syndrom 151, 337 Cor pulmonale 164 Core-Polysaccharid 219 Corpus-luteum-Zyste 190 Corynebacterium diphtheriae 254 Co-Trimoxazol 233, 429 Councilman-Körperchen 105, 178 Cowden-Syndrom 176 COX-2-Hemmer 399, 400 Coxiella burnetti 258 Coxsackie-A-Virus 301 Coxsackie-B-Virus 228, 301
462
Sachverzeichnis
C-Peptid 357 C-reaktives Protein 331, 332 Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung 145, 302 Crossing over 54 Cryptococcus neoformans 280, 281 Curshmann-Steinert-BattenSyndrom 79 Cushing-Syndrom 337 Cyanide 449, 450 Cyclophosphamid 441 Cyproteron 415
D Dampfsterilisation 309 Daunorubicin 441 Deferentitis 188 Deformation 88 Degeneration – axonale 147, 148 – fettige 105 – hepatolentikuläre 131 Dehydratation 347, 348 Deletion 65 Deletionssyndrome 69, 70 Demezenz 146 Demyelinisierung 148 Dengue-Fieber-Virus 296 De-Ritis-Quotient 350 Dermatofibrom 210 Dermatomykose 204 Dermatomyositis 203 Dermatophyten 277, 279, 280 Dermoidzyste 190 Desinfektion 308 – chemische 309 – thermische 308 Desinfektionsmittel 422 Desipramin 404 Detergenzien 451 Dexamethason-Hemmtest 337 DHEAS 337 Diabetes insipidus 335 Diabetes mellitus – genetische Aspekte 85 – Labordiagnostik 356 – Verlaufskontrolle 357 Diagnose, Definition 3 Diagnostik – genetische 59
– intravitale 103 – mikrobiologische 230–232 – molekulargenetische 57, 58 – postmortale 104 – pränatale 60–62 – technische 5, 45 – virologische 292 – zytogenetische 55, 56 Diapedeseblutung 136 Diarrhö, chronische 269 Diazepam 403 Dickdarminfarzierung 174 Diclofenac 399 Dicloxacillin 424 Differenzialdiagnose, Definition 3, 4 DiGeorge-Syndrom 70 Dignität 114 Dihydralazin 383 Diltiazem 382 Diphtherie 254 Diphtherie-Toxin 227 Diskushernie 209 Disomie, uniparentale 87 Disposition, Definition 103 Disruption 88 disseminierte intravasale Gerinnung 132 Distickstoffmonoxid 409 Diurese, forcierte 446 Diuretika 393–395 – kaliumsparende 394, 395 – osmotische 393 Divertikel 174 DNA – intronische 64 – mitochrondriale 50 – repetitive 50 DNA-Fingerprinting 63 DNA-Hybridisierung 292 DNA-Polymorphismus 94 DNA-Profiling 63 DNA-Reparaturmechanismen 95 DNA-Replikation 51 DNAse 232 DNA-Sequenzierung 57 DNA-Struktur 49 DNA-Viren 284, 285, 302, 303 Dokumentation 41, 44 – elektronische 44 Dopamin 378 Dopaminagonisten 378 Dosis-Wirkung-Beziehung 371
Dottersacktumor 191 Doxepin 404 Doxorubicin 441 Dreitagefieber 294 Drilling 91 Drogen 452, 453 Drogenanamnese 12 Drogenintoxikation 358 Druckatrophie 104 Drugmonitoring 358 Duchenne-Muskeldystrophie 76 Duodenaltumor 172 Duplikation 65 D-Xylose-Test 340 Dysarthrie 33 Dysenterie 264, 267 Dysgerminom 191 Dysmorphie, kraniofaziale 67 Dysplasie 88, 113 – fibröse 207 – thanatophore 198 Dystrophie, myotone 79
E Ebola-Firbus 297 Echinococcus – granulosus 272 – multilocularis 273 Echinokokkose 179 ECL-Hyperplasie 152 Edwards-Syndrom 68 Effektdosis 371 Effloreszenz – primäre 28 – sekundäre 28, 29 EHEC 251 Ehlers-Danlos-Syndrom 108 EIEC 250 Eigenanamnese 10 Eigenreflex 36 Eisen 389, 392 – Intoxikation 449 Eklampsie 180, 197 Ektopie 194 Ekzem 202 Elektrolythaushalt 347, 348 Elimination 367, 368 – biliäre 368 – pulmonale 368 – renale 368
463 Sachverzeichnis
ELISA 292 Embolie 135 Embryopathie – alkoholische 89, 145 – diabetische 90 Empyem 123 Enchondrom 207 Endocarditis – infectiosa 153 – lenta 237 – parietalis fibroplastica Löffler 153 – thrombotica 153 – verrucosa rheumatica 153 Endometriose 191 Endometritis 192 Endometriumhyperplasie 192, 193 Endometriumkarzinom 193 Endotoxine 226 Endozytose, rezeptorvermittelte 286 Enhancer 49 Entamoeba histolytica 264 Enteritis 173, 264 Enterobacter 247 Enterobacteriaceae 246, 247, 261 Enterobius vermicularis 271, 272 Enterokokken 238 Enterokolitis, nekrotisierende 198 Enterotoxine 454 Entero-Viren 300, 301 Entwicklungsanamnese 40 Entzündung – chronische 124 – Definition 121 – fibrinös-eitrige 123 – fibröse 122 – gangräneszierende 123 – granulierende 124 – granulomatöse 124 – hämorrhagische 123 – Kardinalsymptome 121 – lymphoplasmozytäre 123 – nekrotische 123 – purulente 122 – seröse 122 – serös-schleimige 122 Entzündungsindikatoren 331, 332 Entzündungsreaktion, exsudative 122 Enzephalitis 265 Enzephalopathie 145, 147, 198 – bovine spongiforme 283
Enzyme – bakterielle 232 – extrazelluläre 229 Enzyminduktoren 367 Enzyminhibitoren 367 Eosinophilenleukämie 158 Eosinophilie 346 EPEC 251 Ependymom 142 EPH-Gestose 197 Epididymitis 188 Epidermophyten 279 Epigenetik 87 Epilepsie 147 Epinephrin s. Adrenalin Epithelhyperplasie 170 Epitheliose 199 Epstein-Barr-Virus 294 Epulis 167 Erbkrankheit 14 Erfrierung 111 Ergotalkalkaloide 281 Erguss, Definition 108 Ernährungshygiene 310 Erregernachweis 231, 292 Erysipel 123, 203 Erythema – infectiosum 293 – multiforme 202 – nodosum 202 Erythromycin 426, 428 Erythroplakie 167, 189 Erythrozyten 344 Erythrozytose 157 Escherichia coli 250–252 – enterohämolytische 251 – enteroinvasive 250 – enteropathogene 251 – enterotoxische 250 – Verotoxin-bildende 251 Estradiol 414, 415 ETEC 250 E-Test 234 Ethambutolresistenz 256 Ethanolintoxikation 452 Eukaryonten 214, 223, 224 Ewing-Sarkom 208 Exanthem 29 Exanthema subitum 294 Exfoliatine 235 Exoenzyme 226 Exon 49, 223 Exotoxin-A 227, 245
C–F
Exotoxine 226 – membranschädigende 226 – proteinsynthesehemmende 227 – zellfunktionsändernde 227 Expressivität 59
F Fadenpilze 281, 282 Faktor-V-Leiden 342 Familienanamnese 13, 14 Färbung 103 Favismus 77 Fehlbildungen, kongenitale 88–90 Feminisierung, testikuläre 77 Fentanyl 402 Fertilitätsfaktor 220 Fetopathie, diabetische 90 D-Fetoprotein 61, 329 Fetoskopie 62 Fettembolie 135 Fettgewebsnekrose 107 Fettleber 179 Fettstoffwechsel 352–354 Fettstoffwechselstörungen 129, 130 Fibrate 420 Fibrillen 220 Fibrinolytika 389, 390 Fibroadenom 117, 200 Fibronektin 219 Fibrosarkom 210 Fibrose – Definition 108 – interstitielle 133 – zystische 73 Fieberkurve 18 Filiaria bancrofti 271 Filtration, glomueruläre 326, 368 Filzlaus 274 Fimbrien 220 5-Finger-Sofort-Regel 444 First-pass-Effekt 367 Flagellaten 264 Flecainid 387 Flöhe 274, 275 Fluorouracil 441 Fluorwasserstoff 450 Fluoxetin 405 Flupentixol 407 Foetor ex ore 15 Follikel-stimulierendes Hormon 335
464
Sachverzeichnis
Folsäureantagonisten 440 Fournier-Gangrän 189 Fra(x)-Syndrom 78 Frakturheilung 113, 207 Fremdanamnese 7, 41 Fremdreflex 36 Friedewald-Formel 353 Fruchtwasserembolie 135 Fruktoseintoleranz 75 FSH 335 FSME-Virus 274, 296 FT3 336 Fungi imperfecti 277 Funikulitis 188 Furosemid 394
G Galaktosämie 75 Gallenblasenkarzinom 181 Gallengangsfehlbildungen 177 Ganciclovir 435 Ganglion 209 Ganglioneuroblastom 152 Gangrän 106 Gardner-Syndrom 98 Gassterilisation 309 Gastritis 170, 171, 246 Gaucher-Zelle 130 Gefäßfunktionstest 23 Gehstrecke 23 Geißel 220, 221 Geißeltierchen 264 Gelbfieber-Virus 297 Gen 49 genetische Beratung 58–60 Genkartierung 55 Genkopplungsanalyse 85 Genmutation 64 Genom 49 Genotyp 54 Genregulation 52, 54 Gentamicin 427 Gentest 57 Genussmittelanamnese 12 Gerstmann-Sträussler-ScheinkerKrankheit 302 Gesamteiweißbestimmung 355 Geschlechtschromatin 51 Geschlechtshormone 415, 416 Gestagene 416, 417
Gestationsdiabetes 90 Gesundheit, Definition 103 Gesundheitsberatung 6 Giardia lamblia 264 Gicht 208, 354, 421 Giftelimination 446 Gingivahyperplasie 167 Glasgow Coma Scale 44 Glasknochenkrankheit 80, 108 Glioblastom 142 Glitazone 413 glomeruläre Filtrationsrate 326 Glomerulonephritis 184, 185 Glukokortikoide 413, 439 Glukose – im Blut 356 – im Urin 356, 357 Glukosestoffwechsel 411 Glukosetoleranztest, oraler 356 Glukosurie 356, 357 Glutamatdehydrogenase 360 Glykogenose 75, 129 Glykopeptide 233, 425 Gonokokken 239, 240 GOT 350 GPT 350 Grabmilbe 273 Gramfärbung 217 Granulom, eosinophiles 199 Granuloma anulare 203 Granulosazelltumor 190, 191 Granulozytose 157 grauer Star 149 grippaler Infekt 298 Grippe 298 Griseofulvin 281, 434 Gründer-Effekt 92 Grundimmunisierung 311 Gruppe-A-Streptokokken 236, 237 Gruppe-B-Streptokokken 237, 238 Gruppe-D-Streptokokken 238 Guthrie-Test 354 Gynäkomastie 202 Gyrasehemmer 233, 429, 430
H Haarzellleukämie 160 Haemophilus – aegypticus 241 – ducreyi 240, 241
– influenzae 240 Haftfimbrien 220 Haftpili 220 Hakenwurm 270, 271 Haloperidol 408 Hämangiom 195, 210 Hamartom 184 Hämatin 106 Hämatoidin 106 Hämatokrit 344 Hämatologie 344–347 Hämatothorax 167 Hämaturie 325 Hämin 240 Hämochromatose 73, 130, 131, 179 Hämodialyse 446 Hämoglobin A1c 357 Hämoglobinkonzentration 344 Hämoglobinopathie 346 Hämolyse 232 Hämolysin 254 hämolytisch-urämisches Syndrom 184 Hämoperfusion 446 Hämophagozytose-Syndrom 292 Hämophilie 76 Hämosiderin 106 Hämostaseologie 340–343 Händedesinfektion 306 Hand-Schüller-Christian-Syndrom 199 H2-Antihistaminika 396 Haptoglobin 355 Hardy-Weinberg-Gesetz 93 Harnstein 326 Harnuntersuchung 323–327 – makroskopische 323, 324 – mikroskopische 325 Harnwegsinfektion, nosokomiale 307, 308 Haschisch 452 Hashimoto-Thyreoiditis 336 H2-Atemtest 340 Hauptbefund 16 Hauptbeschwerde 9 Hautfarbe 28 Hauttumoren 204, 205 Hautturgor 15 HDL-Cholesterin 352, 353 Hefen 277, 280 Heißluftsterilisation 309 Helicobacter pylori 246 Helikase 51
465 Sachverzeichnis
Hellin-Regel 91 Helminthen 269 Hemmkonzentration, minimale 234 Heparine 389, 390 Hepatitis 178 – autoimmune 178 – chronische 178 Hepatitis-A-Virus 300 Hepatitis-B-Virus 295 Hepatitis-C-Virus 297 Hepatitis-D-Virus 302 Hepatoblastom 199 Herbizide 454 Herpes-simplex-Virus 293 Herpesviren 294 Herpes-Zoster-Virus 291 Herzauskultation 21, 23 Herzfehler 67, 153 Herzglykoside 384, 386 – Intoxikation 448 Herzinfarkt 132 Herzinsuffizienz 136 – Ödem 108 Herzklappeninsuffizienz 154 Herzklappenstenose 154 Herztöne 16 Herztumoren 155 Heterogenie 54 Heterozygotie, Verlust 96 Hidradenitis suppurativa 203 Hirndrucksteigerung 140 Hirninfarkt 140, 141 Hirnnervenuntersuchung 34, 35 Hirnschädigung, perinatale 139 Hirntumor 142 Hirudin 390 Histiozytom – kutanes fibröses 210 – malignes fibröses 210 Histiozytose 160, 161, 199 Histon 50 Histoplasmose 282 Hitzeschaden 111 HIV-Infektion 300 HLA-System 94 Hodentorsion 187 Hodentumoren 187 Homöopathie 443 Homozystinurie 74 Hormon – Follikel-stimulierendes 335 – luteinisierendes 335 – Thyreoidea-stimulierendes 335
Hormonstoffwechsel 334–339 Housekeeping-Gen 54 Hyalin 105 Hydatid 191 Hydranenzephalie 139 Hydrokortison 413 Hydrops 198 Hydrothorax 167 5-Hydroxyindolessigsäure 339 Hydrozele 188 Hydrozephalus 140 Hygiene – Arbeitsgebiete 305 – Definition 305 Hyperaldosteronismus 86, 151, 337 Hyperbilirubinämie 177 Hypercholesterinämie 82 Hyperhydratation 347, 348 Hyperimmunoglobulinämie 334 Hyperkaliämie 348 Hyperkalzämie 330 Hyperkortisolismus 151 Hyperlipoproteinämie 80, 130 Hypernatriämie 347 Hyperparathyreoidismus 151, 330 Hyperphosphatämie 330 Hyperplasie – Definition 104 – fokale noduläre 180 – foveoläre 171 – gastrale 171 – intraduktale 199 – noduläre regionalaktive 180 – papilläre mesotheliale 183 Hyperthekose 190 Hyperthermie 111 – maligne 99 Hyperthyreose 336 Hypertonie 136 – genetische Aspekte 86 Hypertrophie, Definition 104 Hypoganglionose 174 Hypoglykämie 111 – hyperinsulinämisches 152 Hypoimmunglobulinämie 333 Hypokaliämie 348 Hypokalzämie 329 Hyponatriämie 347 Hypoparathyreoidismus 329 Hypophosphatämie 330 Hypophosphatasie 198 Hypophysenhormone 335 Hypothalamushormone 335
Hypothermie 111 Hypothyreose 336 Hypoxie 110, 111
I Ibuprofen 399 Ichthyose 206 IgA-Protease 229 IGF 335 Ikterus 25, 351 – hepatischer 177 – Neugeborene 181 – posthepatischer 178 Imipenem 422 Immunabwehr – spezifische 291 – unspezifische 292 Immundefekt 128, 129 Immunglobuline 333, 438 Immunmodulatoren 438 Immunogenetik 93, 94 Immunozytom 160 Immunsuppressiva 438, 439 Impedine 228 Impetigo, bullöse 203 Impfprävention 310 Impfstoffe 312 Implantationsmetastase 117 Imprinting 87 Indinavir 436 Individualhygiene 305, 309, 310 Indometacin 399 Infarkt – anämischer 135 – hämorrhagischer 135 Infektion – Definition 223 – endogene 306 – exogene 306 – nosokomiale 306–308 – opportunistische 300 – rekurrente 292 – virale 289 Infektionsweg 224, 306 Influenza-Viren 298 Inhalationsnarkotika 409, 410 INR 342 Insekten 274 Insektizide 453, 454 In-situ-Hybridisierung 56
F–I
466
Sachverzeichnis
Insomnie, fatale familiäre 302 Inspektion 14 Insulator 50 Insulin 357, 411 – Intoxikation 449 Interferon 438 Intimin 251 Intoxikation – akute 444, 445 – Analyse 358 – äußerliche 446 – Definition 443 – Symptomatik 444 Intron 49, 223 Invagination 172 Invasine 225 Inversion 65 Involution, Definition 104 Iodbedarf 419 Iodid 416, 417 Ionenkanalrezeptoren 369 Ischämie 110 – absolute 135 – relative 135 – zerebrale 140, 141 Isofluran 409 Isoniazid-Resistenz 256
J Junktionsnävus 205
K Kachexie 17 Kala-Azar 266 Kalium 392 Kälteschaden 111 Kalzitonin 329 Kalzium 392 Kalziumkanalblocker 383 Kanamycin 427 Kandidatengen 85 Kanzerogenese 114, 115 Kaposi-Sarkom 210, 211 Kapselschwellungstest 238 Kardiomyopathie 154 Karies 167, 237 Karpaltunnelsyndrom 209
Karyogramm 56 Karzinogene 454, 455 – chemische 115 – physikalische 112 – virale 115 Karzinoid 166 Karzinom – adenoidzystisches 169 – anaplastisches 151, 182 – cholangiozelluläres 181 – diffuses 172 – embryonales 188, 191 – fibrolamelläres 181 – follikuläres 150 – hepatozelluläres 180 – kolorektales 95, 176 – medulläres 151 – mukoepidermoides 169 – Papilla Vateri 181 – papilläres 151 – verruköses 167 Katalase 232 Katarakt 149 Katecholamine 339 Katzenschrei-Syndrom 69 Kearns-Sayre-Syndrom 79 Keime – 7 Bakterien – fakultativ pathogene 215 – opportunistische 215 Keimepithelzyste 190 Keimzellmosaik 65 Keimzellstroma-Mischtumor 188 Keimzelltumor 187 Keratokonus 148 Ketoazidose 349 Ketonurie 324 Keuchhusten 241 Kiefertumoren 168 Kieferzyste 168 Klebsiella 246, 247 Kleiderlaus 274 Klinefelter-Syndrom 69 Klopfschmerz 15 Knochenabbau 330 Knochenaufbau 330 Knochenfibrom 207 Knochenmarkmetastase 159 Knochennekrose 206 Knochenstoffwechsel 329–331 Knochentumoren 207 Knollenblätterpilz 453 Koagulase 232
Koagulationsnekrose 106 Kodon 49 Koffein 410 Kohlenhydratstoffwechsel 356, 357 Kohlenhydratstoffwechselstörungen 129 Kohlenmonoxidvergiftung 110, 449 Kohlenwasserstoffe 452 – aliphatische 452 – aromatische 452 – chlorierte 453, 454 – halogenierte 452 Kokain 452 Kokarzinogene 454 Kokken 215 – gramnegative 239, 240, 260 – grampositive 235–239 Kolitis – kollagene 174 – lymphozytäre 175 – neutropenische 174 Kollagennekrose 107 Kollagenose 203 Kolliquationsnekrose 107 Kolpitis 194 Koma 33 Kombinationsimpfung 311 Konduktor 54 kongenitales adrenogenitales Syndrom 74 Konjugation 223 Konzentration-Wirkung-Beziehung 371 Koordinationsuntersuchung 36 Kopflaus 274 Kopplungsanalyse 57 koronare Herzkrankheit 132, 154 Koronarinsuffizienz 132, 154 Körpergeruch 15 Körpergewicht 16 Körperhygiene 309, 310 Körpertemperatur 18 Kortisol 413 Kraniopharyngeom 144 Kranioschisis 139 Krankenhaushygiene 305 Krankheit, Definition 103 Krankheitsgewinn 13 Krätze 273 Kreatinin 325 Kreatinin-Clearance 326 Kreatinkinase 321 Krupp-Syndrom 297
467 Sachverzeichnis
Kryptokokkose 281 Kryptosporidien 269 Kurare 397
L Labordiagnostik 317–364 – Fehlermöglichkeiten 317, 319 Laborwerte, Übersicht 358–364 Lachgas 409 E-Lactamantibiotika 233, 422 Laktatazidose 349 Laktose-Operaton 231 Lambert-Eaton-Syndrom 148 Langerhans-Zellhistiozytose 199 Larygoskopie 27 Laryngitis 161, 162 Larynxödem 161 Larynxtumor 161 Lassa-Virus 299 Lateralsklerose, amyotrophe 147 Läuse 274 Laxanzien 396 LCM-Virus 299 LDL-Cholesterin 352, 353 Lebensmittelvergiftung 454 Leberabszess 178 Leberdiagnostik 350–352 Leberdystrophie 178 Leberegel 179, 272 Leberfehlbildungen 177 Leberfibrose 177 Lebertumor 181 Leberzellverfettung 179 Leberzirrhose 177 Legionärskrankheit 244 Legionella pneumophila 243, 244 Legionellose 244 Leiomyom 192, 210 Leiomyosarkom 194, 210 Leishmania 266 Leishmaniose 179, 266 Leitsymptom 3 Lentigo maligna 205 Lenti-Viren 299 Lepra 256 Leptospira icterohaemorrhagica 259 Leptospirose 178, 259 Letaldosis 371 Leukämie 119
– akute 119, 158 – chronische lymphatische 119, 160 – chronische myeloische 119, 157 Leukomalazie 139 Leukoplakie 167 – verruköse 204 Leukozidin 235 Leukozyten 346 Leukozytopenie 346 Leukozytose 346 Levomethadon 402 Levothyroxin 418 Leydig-Zelltumor 188 LH 335 Lichen – ruber 203 – sclerosus 196 Liddle-Syndrom 86 Lidocain 387, 401 Li-Fraumeni-Syndrom 98 Lincomycin 233 Lincosamid 429 Lipase, pankreasspezifische 339, 340 Lipase-Toxin 227 Lipidsenker 419 Lipidstoffwechselstörungen 80, 82 Lipofuszin 106 Lipomatosis pancreatis 181 Lipopolysaccharid 218, 226 Lipopolysaccharid-bindendes Protein 332 Lipoprotein-a 353 Liposarkom 210 Liquordiagnostik 319, 320 Listeria monocytogenese 254 Listeriose 198, 254, 255 Lithium 408, 409 – Intoxikation 448 Lobärpneumonie 165 Lokalanästhetika 400, 401 Lokalinfektion 222 Losartan 381, 382 Lösungsmittel, organische 451, 452 LSD 452 LT-Enterotoxin 227 Lues 258, 259 Luftembolie 135 Lumbalpunktion 319 Lungenembolie 134, 164 Lungenemphysem 164 Lungenentzündung 165
I–M
Lungeninfarkt 164 Lungenödem 133, 164 Lungensarkoidose 165 Lungentuberkulose 165 Lungentumor 166 Lupus erythematodes, systemischer 197 Lupus-Antikoagulans 342 luteinisierendes Hormon 335 Lyme-Borreliose 203, 274 Lymphadenitis 159 Lymphangiektasie 172 Lymphangiom 210 Lymphknotenmetastase 161 Lymphödem 108 Lymphom – dermatotropes 159 – malignes 159, 173 Lymphozyten 277 Lymphozytose 346 Lynch-Syndrom 95, 115, 176 Lysotypie 223 Lysozym 217
M Magenerosion 171 Magentumor 172 Magenulkus 171 Magnesium 392 Makrokonidien 277 Makrolidantibiotika 426, 428 Makrolide 233 Makrophagen 219 Malabsorptionssyndrom 172, 173 Malakoplakie 175 Malaria 179, 268, 269 Malassezia furfur 281 Mallory-Körperchen 105 Malt-Lymphom 160 Mammadiagnostik 200 Mammakarzinom 95, 201, 202 Mannit 393 MAO-Hemmer 406 Marasmus 104 Marburg-Virus 297 Marfan-Syndrom 71, 108 Markerchromosom 65 Marker-X-Syndrom 78 Martin-Bell-Syndrom 78 Masern 162, 298
468
Sachverzeichnis
Mastitis 201 Mastozytose 158 Meckel-Divertikel 174 Medianekrose 156 Mediasklerose 156 Medikamentenanamnese 12 Medulloblastom 143 Megacor 265 Megakolon 265 Melanin 106 Melanom – akrolentiginöses 206 – malignes 205 – noduläres 206 – superfiziell spreitendes 206 Melanosis coli 175 MELAS 79 meldepflichtige Erkrankungen 311, 313, 314 Membrankrankheit, hyaline 198 MEN 152 Mendelsche Gesetze 67 Meningeom 143 Meningitis 239 Meningokokken 239 Meniskusläsion 209 MERFF-Syndrom 79 Merkel-Zelltumor 205 Mesenterialvenenthrombose 172 Metallvergiftung 450, 451 Metamizol 399 Metaplasie 113 – gastrale 172 – intestinale 172 Metastase 144 Metastasierung 116, 117 Metformin 412 Methämoglobinbildner 450 Methanolvergiftung 452 Methotrexat 440 Methylprednisolon 439 Methylxanthine 410 Metixen 377 Metoprolol 375 Metronidazol 431 MHC 94 Mikroalbuminurie 324 Mikrobiologie 214 Mikrobouillondilution 234 Mikrodeletionssyndrome 70 Mikrokarzinom 114 Mikrokonidien 277 Mikrosatellit 50
Mikrosatelliteninstabilität 95 Milzbrand 252 Milzinfarkt 176 Milzruptur 176 Mimikry, molekulare 228 minimale Hemmkonzentration 234 Minoxidil 383 Mismatch-Repair 95 Missense-Mutation 64 Mitosehemmstoffe 441, 442 Mittelohrentzündung 150 Moclobemid 406 Moduline 228 Molloscum contagiosum 204, 295 Molsidomin 385 Monoaminooxidase-Hemmer 406 Morbus – Addison 337 – Alzheimer 147 – Basedow 150, 336 – Boeck 165 – Bowen 176, 189, 204 – Crohn 174, 175 – Friedreich 147 – Hirschsprung 174 – Hodgkin 159 – Ménétrier 171 – Menière 149 – Paget 196, 201, 205 – Parkinson 147, 379 – Pick 147 – Waldenström 160 – Weil 178 – Wilson 75, 131, 178 Morphin 401, 402 – Abhängigkeit 452 Mosaik 65 MOTT 256 M-Protein 229, 237 MRSA-Stämme 234, 307 Mukopolysaccharidose 75 Mukosaprolapssyndrom 175 Mukoviszidose 73 Multidrug-Transporter 100 Multiorgandysfunktionssyndrom 223 multiple endokrine Neoplasie 96, 152 multiple Sklerose 145 Mundgeruch 15 Mundhöhlentumor 167 Murein 217 Muskelatrophie 148
Muskeldystrophie 76, 148 Muskelrelaxanzien 397, 398 Mutation 63, 64 – chromosomale 64 – generative 64 – somatische 64 – stumme 64 Muzinase 243 Myasthenia gravis 148 Mycobacterium leprae 255, 256 Mycobacterium-tuberculosisKomplex 255 Mycophenolatmofetil 440 Mycoplasma pneumoniae 257 Mycosis fungoides 206 myelodysplastisches Syndrom 158 Myelofibrose, chronisch idiopathische 158 Mykobakterien 255, 256, 262 – nicht-tuberkulöse 256 – Resistenz gegen Antituberkulotika 256 Mykose 204, 277, 278 Myoglobin 321 Myokardinfarkt 154, 321, 323 Myokarditis 155 Myopathie 148 Myxom 168, 210 Myzel 277
N Nabelschnurpunktion 62 Naegleria fowleri 264 Nährbouillon 221, 222 Nahrungsmittelunverträglichkeit 10, 23 Narkotika 409, 410 – inhalative 409, 410 – intravenöse 410 Nävus 205 Nävuszellnävus 205 Nebenbefund 16 Nebennierenrindenadenom 152 Nebennierenrindenhormone 337, 338 Nebennierenrindeninsuffizienz 151, 152, 414 Neisseria 239, 260 – gonorrhoeae 239 – meningitis 239
469 Sachverzeichnis
Nekrose – Definition 106 – fibrinoide 107 – hämorrhagische 107 – käsige 106 Nematoden 269 Neomycin 427 Neoplasie – multiple endokrine 96 – zervikale intraepitheliale 194 Neostigmin 377 Nephritis 183 Nephroblastom 186 Nephrom 184, 185 Nephrosklerose 184 Netzhautablösung 149 Neugeborenensepsis 237 Neuraminidase 229 Neuraminidasehemmer 434 Neurinom 143 Neuroblastom 152, 198 Neurodegeneration 147 Neurofibromatose 97, 144, 176 Neuroleptika 407, 408 – Intoxikation 448 Neurom 144 Neurosyphilis 145 Neurotoxine 227 Neurotransmitterrezeptoren 369 Neutra-Null-Stellung 31 Neutropenie 157 Neutrophilenleukämie 158 Nevirapin 436 Nierenadenom 184 Nierenarterienstenose 184 Nierentumoren 184, 186 Nierenzellkarzinom 186 Nierenzyste 183 Nifedipin 382 Nikotinabusus 12, 453 Nikotinvergiftung 453 Nitrate 383–385 Nitroimidazole 233, 431 Nokardien 256 Nondisjunction 64 Non-Hodgkin-Lymphom 159, 160 Nonsense-Mutation 64 Noradrenalin 373 Noradrenalin-RückaufnahmeHemmer, selektive 405 Normalflora, bakterielle 214, 215 Normalinsulin 411 Norwalk-Virus 301
Noxen 110–112 – biologische 112 – chemische 110 – physikalische 111, 112 Nukleinsäurestoffwechsel 354 Nukleokapsid 285 Nukleosid 49 Nukleosom 50 Nukleotid 49 Nystatin 433, 434
O Obduktion 104 Ochronose 209 Ödem – angioneurotisches 126 – Definition 107 Odontom 168 Oligodendrogliom 142 Omeprazol 395 Onkogen 96, 116 Onkornaviren 115, 299 Onkozytom 169, 184 Onychomykose 204 Ophthalmoskopie 31 Opioidantagonisten 403 Opioide – Intoxikation 447 – synthetische 402 Optikusatrophie 149 Orchitis 187 Orientbeule 266 ORSA-Stämme 307 Ösophagitis 169, 170 Ösophagustumor 170 Osteitis deformans Paget 206 Osteoarthrose 209 Osteoblastom 207 Osteochondrom 207 Osteogenesis imperfecta 80, 108 Osteoidosteom 207 Osteokalzin 330 Osteomalazie 207 Osteomyelitis 206 Osteopetrose 198 Osteoporose 206 Osteosarkom 207 Östrogen 338, 415 Otitis – externa 149
M–P
– media 150 Otoklerose 149 Otoskopie 26 Ovarialkarzinom 95, 191 Ovarialstromahyperplasie 190 Ovarialtumoren 190 Ovulationshemmer 415 Oxidase 232 Oxytocin 414 Ozon 449
P Palpation 15, 22 Pancuronium 397 Pankreasdiagnostik 339, 340 Pankreasinsuffizienz, exokrine 73 Pankreastumoren 152, 182 Pankreatitis 181, 182 Pantoprazol 395 Papillom 117, 199 Papilloma-Viren 295 Papulose, bowenoide 176 Paracetamol 398 – Intoxikation 447 Paragangliom 152 Parainfluenza-Virus 297 paraneoplastisches Syndrom 119 Parasitologie 263–276 Parasitose 204 Parasympatholytika 377 Parasympathomimetika – direkte 376, 377 – indirekte 377 Parathormon 329 Paratyphus 249 Pärchenegel 272 Parkinson-Syndrom 33 Paronychie 203 Parvovirus B19 293 Pasteurella multocida 241 Pätau-Syndrom 68 Pathogenese, Definition 103 Pathogenität, Definition 222 Pathogenitätsdeterminante 219 Pathogenitätsfaktoren 224–230 – defensive 228 – offene 225 – unspezifische 229 Pathogenitätsinsel 224 Patientendaten 9
470
Sachverzeichnis
PCR 231 PCT 292 Pediculus – humani capitis 274 – humani corporis 274 – pubis 274 Pedikulose 274 Peneme 233 Penetranz 59 Penicillin 281, 422, 424 – G 424 – Übersicht 424 – V 424 Penistumor 189 Pentazocin 402 Perianalfistel 175 Perikarditis 155 Perinalabszess 175 Perisplenitis 176 Peritonitis 138, 139, 182, 183 Perkussion 15, 22–24 Pest 248 Pethidin 402 Peutz-Jeghers-Syndrom 176 P-Glykoprotein 234 Phagozytose 220 Phagozytoseschutz 219 Phakomatose 144 Phänotyp 54, 55 Phäochromozytom 152, 339 Pharmakodynamik 100, 369, 371 Pharmakogenetik 99 Pharmakokinetik 366–368 Pharmakologie – allgemeine 366–370 – spezielle 371–441 Pharyngitis 162 Pharynxtumor 162 Phenprocoumon 389 Phenylketonurie 73, 74, 90 Philadelphia-Chromosom 56, 96 Phlebitis 134 Phlebödem 107 Phlebothrombose 134 Phlegmone 123 Phosphatase, alkalische 330, 351 Phosphorsäureester 454 Phthisis bulbi 149 Phytotherapie 443 Pigmente, endogene 106 Pilze 277–282 – dimorphe 277 Pilzgifte 453
Piritramid 402 Piroxicam 399 Placebo 6 Placenta – accreta 196 – increta 196 – percreta 196 Plaques, atherosklerotische 156 Plasmaseparation 446 Plasmasterilisation 309 Plasmide 215 Plasmodium falciparum 268 Plasmozytom 159 Plattenepithelkarzinom 117, 166, 205 – invasives 196 Plattenepithelmetaplasie 194 Plattenepithelpapillom 195 Plaut-Vincent-Tonsillitis 162 Plazentabildungsstörungen 197 Plazentainfarkt 196 Plazentaschranke 366 Plazentitis 197 Plessimeter 15 Pleuraempyem 167 Pleuratumor 167 Pneumatosis coli 175 Pneumocystis jiroveci 282 Pneumokokken 238, 239 Pneumokoniose 110 Pneumolysin 238 Pneumonie 164 – interstitielle 165 – nosokomiale 308 – pilzbedingte 165 Pockenvirus 294, 295 Poliomyelitis 300 Polyarthritis 208 Polycythaemia vera 158 Polyembryom 188 Polyglobulie 157 Polymerasekettenreaktion 57, 231, 292 Polymorphismus, genetischer 94, 100 Polyoma-Viren 295 Polyphänie 54 Polyploidie 64 Polyposis – coli 98 – familiäre adenomatöse 97, 115 – familäre juvenile 176 Polyurie 324
Pontiac-Fiber 244 Populationsgenetik 91, 92 Porenzephalie 139 Porphyrie 99 Posthitis 189 Potter-Sequenz 88 Prader-Willi-Syndrom 87 Präeklampsie 197 Präimplantationsdiagnostik 63 Präkanzerose 114 Pränataldiagnostik 60–62 Prednisolon 414 Prednison 414 Primäreffloreszenz 28, 29 Prion 145, 283, 302 Prodrug 366 Progesteron 338, 414 Prognose 5 Prokalzitonin 332 Prokaryonten 214, 216, 223, 224 Prolaktin 338, 414 Promotor 49 Propionibacterium 256, 257 Prostatahyperplasie 189 Prostatakarzinom 189 prostataspezifisches Antigen 328, 329 Prostatis 188 Protein – A 219, 235 – M 219 – C 342 – C-reaktives 331, 332 – Lipopolysaccharid-bindendes 332 – S 342 – Penicillin-bindendes 234 Proteinurie 324 Proteom 54 Proteus 247 Prothrombinzeit 342 Protonenpumpeninhibitoren 395 Protoonkogen 96 Protozoen 263, 264 PSA 328, 329 Pseudocholinesterase-Mangel 99 Pseudodominanz 72 Pseudogen 50 Pseudomonas – aeruginosa 244, 245 – pseudomallei 245 Pseudomyzel 277 Pseudopubertas praecox 74
471 Sachverzeichnis
Psoriasis 203 PTT 342 Pulpitis 167 Pulsmessung 18 Punnett-Quadrat 75 Pupillenuntersuchung 33 Purinantagonisten 441 Purpura – idiopathische thrombozytopenische 177 – Schönlein-Henoch 156 – thrombotischthrombozytopenische 252 Pyelonephritis 183 Pyeronie-Krankheit 189 Pyodermie 203 Pyramidenbahnzeichen 36 Pyrazinamid-Resistenz 256 Pyrimidinantagonisten 441
Q Q-Fieber 178, 258 Quick-Test 342 Quincke-Ödem 126, 161
R Rabies-Virus 297 Rachitis 207 Ranitidin 380 Rasciola hepatica 272 Ratschow-Lagerung 23 Rauschmittel 452, 453 Reflexuntersuchung 36 Refluxösophagitis 170 Regeneration, Definition 113 Reisemedizin 311 Reizgase 450 Rekombination 55 Renin-Angiotensin-AldosteronSystem 337 Reo-Viren 301 Repaglinid 412 Replikation 49 Reserpin 376 Resistenz, Definition 103 Resorption 366 respiratorisches Synzytialvirus 298
Restriktionsfragmentenlängenpolymorphismus 58 Retikularkörper, pleomorpher 257 Retikulozyten 345 Retinoblastom 97, 199 Retinoide 391 Retinopathie, diabetische 149 Retinoschisis 149 reverse Transkriptase 292 Reverse-Transkriptasehemmer – nichtnukleosidische 435, 436 – nukleosidische 435, 436 Reye-Syndrom 181 Rezeptoren 369, 6 – D-Rezeptoren 372 – E-Rezeptoren 372 – G-Protein-gekoppelt 369 – intrazelluläre 369 – membranständige 369 RFV-Virus 299 Rhabdomyosarkom 210 Rhesus-System 94 Rheumafaktoren 334 Rhexisblutung 136 Rhinophym 161 Rhinosklerom 161 Rhino-Viren 300 Rhizopoden 264 Rhodnius 275 Rickettsien 258, 274 Riesenzelle 124 Riesenzelltumor 208 Rifampicin-Resistenz 256 Rinderwahnsinn 283 Ringelröteln 198, 293 RNA, ribosomale 52 RNA-Splicing 52 RNA-Struktur 49 RNA-Viren 284, 285, 287, 303, 304 Robertson-Translokation 65, 66 Roboxetin 405 Rosacea 206 Roseola infantum 294 Rota-Viren 301 Röteln-Virus 296 Rotendizide 454 Rot-Grün-Blindheit 76, 93 rRNA 52 Rubella-Virus 296 Rückresorption, tubuläre 368 Ruhr 174 Rundwürmer 269 Russel-Körperchen 105
P–S
S Salmonella 249 – enteritidis 249 – typhi 249 Salpingitis 191 Samenblasentumor 188 Sarcoptes scabiei 273, 274 Sarkoidose 165 Satelliten-DNA 50 Saugwürmer 272 Säure-Basen-Haushalt 349 Schädel-Hirn-Trauma 142 Scharlach 237 Schellong-Test 23 Schilddrüsenadenom 150 Schilddrüsenantikörper 336 Schilddrüsenhormone 335, 336, 418, 419 Schilddrüsenkarzinom 150 Schilddrüsenpräparate 416, 417 Schilddrüsenüberfunktion 150, 336 Schilddrüsenunterfunktion 336 Schimmelpilze 277, 281, 282 Schistosoma 272 Schizophrenie 86 Schlangengift 453 Schleifendiuretika 394 Schmerz – chronischer 9 – fortgeleiteter 9 – neuropathischer 9 – nozizeptiver 9 – somatischer 9 Schmerzanamnese 9 Schnellschnittverfahren 103 Schock – anaphyalaktischer 132 – Definition 132 – hypovolämischer 111, 132 – kardiogener 132 – septischer 132, 223 – toxischer 111 Schocklunge 133, 164 Schockniere 133, 184 Schrumpfniere 184 Schuppenflechte 203 Schwannom 143 Schwefeldioxid, Vergiftung 450 Schwefelwasserstoff, Vergiftung 450 Schweigepflicht 44 Scopolamin 377
472
Sachverzeichnis
Sehnenruptur 209 Sekretion, tubuläre 368 Seminom 187 Sensibilitätsuntersuchung 33 Sensitivität 5 Sepsis 222 – Definition 124, 223 – Neugeborene 237 – schwere 223 Septikopyämie, Definition 124 Serokonversion 292 Serosa-Inklusionszyste 190 Serotonin 379 Serotonin-Rückaufnahme-Hemmer, selektive 405 Serratia 247 Sertoli-Leydig-Zelltumor 188, 190, 191 Serumeiweißbestimmung 355 Sexualanamnese 13 Sexualhormone 338 Sexualpili 220 Sexualstörungen 13 Sheehan-Syndrom 150 Shiga-Toxin 227, 248, 251 Shigellen 248, 249 Sialadenitis 168 Sialolithiasis 168 Sichelzellenanämie 74 Sick-Sinus-Syndrom 153 Siderophoren 229 Siderose 130, 131, 170 Signaltransduktion 369, 371 Silancer 49 Siphonapterida 274, 275 SIRS 223 Skabies 273 Sklerose – multiple 145 – tuberöse 97 Skrapie 283 Sludge-Phänomen 132 Solenoid 50 Somatomedine 335 Somatotropin 414 Southern Blot 57 Sozialhygiene 305 Speicheldrüsentumor 169 Speicheldrüsenzyste 168 Spermagranulom 188 Spermatozele 188 Spezifität 5 Sphärozytose, hereditäre 79, 80
Sphingolipidose 75, 129, 130 Spina bifida 139 Spinnentiere 273, 274 Spirochäten 258, 259, 263 Spironolacton 394 Splenitis 176 Splenomegalie 158 Splicing 52, 223 Spondylosis deformans 209 Sporen 221 Sporentierchen 268 Sporozoen 268 Sprosspilze 280 Spulwurm 269 Stäbchen 215 – gramnegative 240, 260 – grampositive 252, 262 – säurefeste 255, 256, 262 – verzweigte 256, 257, 262 Stachelzellhyperplasie 196 Stammbaumanalyse 13, 81 Standardimpfung 311 Staphylococcus – aureus 235 – epidermidis 236 – saprophyticus 236 Staphylokinase 235 Staphylokokken 235, 236 – grampositive 259 Statine 420 Stauungslunge 164 Steatosis hepatis 179 Stein-Leventhal-Syndrom 190 Sterilisation 308, 309 Steroidzelltumor 190, 191 Stethoskop 16 STH 335 Strahlensterilisation 309 Streptococcus – agalacticae 237 – faecalis 238 – pneumoniae 238 – pyogenes 236, 237 Streptococcus-pyogenes-Exotoxin 228 Streptokinase 237 Streptokokken 236–239 – grampositive 260 – vergrünende 237 Streptolysin-O 232, 237 Streptolysin-S 237 Streptomycin-Resistenz 256 Strickleiterphänomen 134
Stromatumor, gastrointestinaler 172 Strychnin 454 Substanzmissbrauch 12 Succinylcholin 397, 398 Sulfamethoxazol 429 Sulfentanil 402 Sulfonamide 233, 429 Sulfonylharnstoff 412 Sulpirid 408 Superantigen-Toxine 228 Suppressorgen 116 Surfactantmangel 198 Sympatholytika 374, 375 Sympathomimetika 374 – direkte 373 Symptom – Definition 3, 103 – vegetatives 9 Syndrom 5 – Definition 3, 88, 103 – des fragilen X-Chromosoms 78 – hämolytisch-urämisches 184 – kongenitales adrenogenitales 74 – der leeren Sella 150 – myelodysplastisches 158 – paraneoplastisches 119 – des polyzstischen Ovars 190 Synovialitis 209 Syphilis 258, 259 Systemanamnese 10–12 systemic inflammatory response syndrome 223 systemischer Lupus erythematodes 197
T T3 336 T4 336 Tacrolimus 439 Taenia – saginata 273 – solium 273 Tamoxifen 416 Tarnylcypromin 406 Taubstummnheit 72 Tendosynovialitis 209 Tendovaginitis stenosans 209 Tenside 451 Teratogenität 89
473 Sachverzeichnis
Teratom 188, 199 Testosteron 338, 414, 415 Tetanus 227, 253 Tetanus-Toxin 227 Tetrazykline 428 Thalassämie 82, 83 Theophyllin 410 Therapie, antivirale 291, 292 Thiopental 410 Thrombembolie 135 Thrombinzeit 342 Thrombophlebitis 134 Thromboplastinzeit 342 – aktivierte partielle 342 Thrombose 133, 134 – arterielle 134 – intervillöse 196 – kardiale 134 – venöse 134 thrombotisch-thrombozytopenische Purpura 252 Thrombozyten 346 Thrombozytenaggregationshemmer 389 Thrombozythämie, essenzielle 158 Thrombozytopenie 346 Thrombozytose 346 Thymitis 177 Thymom 177 Thymusaplasie 177 Thymusdysplasie 177 Thyreoglobulin 336 Thyreoglossuszyste 150 Thyreoidea-stimulierendes Hormon 335 Thyreoiditis 150 Thyreostatika 419, 420 Thyroxin 336 Tiefensensibilität 37 Tiergifte 453 T-Lymphozyten, reaktive 291 TNM-Synstem 118 Togaviridae 296 Tollwut-Virus 297 Tonsillenhyperplasie 162 Tonsillitis 162 TORCH-Infektion 90 Toxic-shock-Syndrom 228 Toxikologie – allgemeine 443–445 – medizinische 443 Toxine – D-Toxin 227
– bakterielle 226–228 – exfoliative 228 – porenbildende 227 Toxoplasma gondii 269 Toxoplasmose 155, 197, 269 Traber-Krankheit 283 Tracheitis 163 Tramadol 402 Tranqillanzien 403 Transduktion 223 Transferrin 355 Transformation 223 Transfusionssyndrom, fetofetales 196 Transkriptase, reverse 292 Transkription 51–53 Transkriptionsregulatoren 369 Translation 51, 52 Translokation 64–66, 96 Transposition 223 Transposon 223 Trematoden 272 Triamteren 394 Triatoma 275 Trichomonas vaginalis 264, 265 Trichophyton 279, 280 Triglyzeride 353, 354 Trijodthyronin 336, 418 Trimethoprim 429 Triple-Test 61 Triple-X-Syndrom 69 Trisomie 67 – 13 68 – 18 68 tRNA 52 Troponine, kardiale 321 Trypanosoma – brucei 265 – cruzi 265 TSH 335 Tumoren – benigne 114, 117 – braune 206 – Definition 114 – Dignität 114 – dysontogenetische 118 – embryonale 118 – epitheliale 117 – intrakranielle 142, 143 – maligne 114, 117 – mesenchymale 117, 118 – paratestikuläre 188 – phylloide 200
S–U
– rhabdoide 210 – semimaligne 114 – solitäre fibröse 210 – Stadieneinteilung 118 Tumorgrading 118 Tumorklassifizierung 117, 118 Tumorkomplikationen 119, 120 Tumormarker 327, 328 Tumorprädisposition 95, 96, 327 Tumorsuppressorgen 96 Tungose 275 Turcot-Syndrom 98 Turner-Syndrom 68 Typhus abdominalis 249 T-Zell-Defekt 129
U Überempfindlichkeitsreaktion 125–129 Übergewicht 16 Ulcus duodeni 172 Umwelthygiene 305 uncoating 288 Unterhautfettmessung 17 Untersuchung – 7 Diagnostik – andrologische 39, 40 – geburtshilfliche 38 – gynäkologische 33, 37–39 – Kinder 39–41 – klinische 3, 14–16 – – Harnapparat 39 – – Reihenfolge 14 – körperliche 3, 4 – – Grundausrüstung 14 – – Kinder 41 – Leiste 24 – mikrobiologische 230–232 – Motorik 34, 35 – Muskulatur 34, 35 – neurologische 444 – Ohr 26 – Reflexe 35 – rektale 24 – somatisches Nervensystem 33–37 Urease 229, 246 Urease-Schnelltest 246 Urethritis 264 Urikostatika 421
474
Sachverzeichnis
Urikosurika 421 Urin, pH-Wert 324 Urindiagnostik 323–327 Uringlukose 356 Urobilinogen 351 Urothelkarzinom 186 Urozystitis 186 Urtikaria 126, 202
V Vaginitis 264 Validität 317 Valsalva-Pressversuch 26 Varizella-Zoster-Virus 291, 293, 294 Varizelleninfektion 204 Vaskulitis 156, 202 Vasodilatanzien 380 Vasopressin 335, 414 VATER-Assoziation 89 Venlafaxin 405 Verapamil 382 Verätzung 450, 451 Verbrauchskoagulopathie 134 Verbrennung 111 Verbrühung 111 Vererbung – autosomal-dominante 70, 71 – autosomal-rezessive 72, 73, 81 – mitochondriale 77, 79, 81 – multifaktorielle 84 – X-chromosom-dominante 77, 81 – X-chromosom-rezessive 75, 76, 81 – Y-chromosomale 77 Vergiftung s. Intoxikation Verhütung, hormonelle 417, 418 Verlust der Heterozygotie 96 Verotoxin 251 Verruca – seborrhoica 204 – vulgaris 203 Verteilung 366, 367 Verzögerungsinsulin 411 vhs-Faktor 291 Vibrio – cholerae 243 – parahaemolyticus 243 Vierfingerfurche 67 Vierling 91
Villitis 197 Virchow-Trias 133 Viren 284, 285 – Adsorption 286 – helikale 285 – humanpathogene 286, 287, 302, 303 – Klassifizierung 285 – komplexe 285 – Morphologie 284, 285 – Penetration 286 Viroid 283 Virologie 283–304 Virulenz 222 Virulenzfaktoren 224–230, 289 Virusausbreitung – lokale 289 – lymphohämatogene 289 – neurogene 289, 291 Virushepatitis 178 Virushülle 285 Viruskapsid 284 Virusoid 283 Viruspexis 286 Virustatika 434, 435 Virusvermehrung 285, 286, 288 Vitalfunktionen, Aufrechterhaltung 444 Vitalparameter 16 Vitamine 391 – A 391, 392 – D3 392 – E 392 – K 392 VLDL-Cholesterin 352, 353 Vogelgrippe 298 Volumenhochdruck 136 Volvulus 172 Vorhofmyxom 155 Vorsorgeuntersuchung, Kinder 42, 43 VTEC 251 Vulvatumoren 196 Vulvitis 196
W Wachstumshormon 335 WAGR-Syndrom 70 Wahrscheinlichkeit, posteriore 60 Warzen 203, 275
Waterhouse-Friderichsen-Syndrom 151 Wegener-Granulomatose 166 Weichgewebserkrankungen 210 Wernicke-Enzephalopathie 145 Wert, prädiktiver 317 Wilms-Tumor 186 Windmole 197 Wucheria bancrofti 271 Wundheilung, Definition 113 Wundinfektion, nosokomiale 307, 308
X Xanthelasma 148 Xanthochromie 319 Xanthom 130 X-Chromosom 51 Xeroderma pigmentosum 116 XYY-Syndrom 69
Y Y-Chromatin 51 Yersinia – enterocolica 229, 248 – pestis 247, 248 – pseudotuberculosis 248 Yersinien 229, 248
Z Zahn-Infarkt 180 Zanamivir 434 Zecken 274 Zellschwellung, hydropiche 105 Zelltod 106, 107 Zelltropismus 286, 294 Zellwand 217 Zentralarterienverschluss 149 Zentralvenenverschluss 149 Zentromer 51 Zervixkarzinom 193, 194 Zervizitis 194 Zestoden 272 Zidovudin 436
475 Sachverzeichnis
Ziliaten 267 Zipper-Mechanismus 226 Zirrhose, biliäre 180 Zöliakie 172 Zwillinge 91 – eineiige – siamesische 91 – zweieiige 91
Zykloamidinderivate 394 Zyklooxygenase 399 Zyklusstörungen 191 Zystadenokarzinom 190 Zystadenolymphom 169 Zystadenom 190 Zystenniere 183 Zytochrom P450 100
Zytogenetik 55, 56 Zytokine 228, 438 Zytomegalie-Virus 294 Zytoplasmamembran 217 Zytostatika 439, 440
U–Z