BWL im Bachelor-Studiengang Reihenherausgeber:
Hermann Jahnke, Universität Bielefeld Fred G. Becker, Universität Bielefeld
Thomas Braun
Investition und Finanzierung Konzeptionelle Grundlagen für eine entscheidungsorientierte Ausbildung
123
Prof. Dr. Thomas Braun Universität Bielefeld Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Finanzwirtschaft Universitätsstraße 25 33615 Bielefeld
[email protected]
ISBN 978-3-540-78366-4
e-ISBN 978-3-540-78367-1
DOI 10.1007/978-3-540-78367-1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Umschlaggestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Vorwort
Entscheidungen über Investitionen und Finanzierungen laufen letzten Endes stets auf ein Abwägen zwischen gegenwärtigen sicheren und zukünftigen meistens risikobehafteten Zahlungen hinaus. Dabei sind zwei wesentliche Probleme zu bewältigen: Das Prognoseproblem und das Bewertungsproblem. Das Prognoseproblem wird von diesem Lehrbuch stiefmütterlich behandelt, weil es wenig aussichtsreich erscheint, allgemein taugliche Verfahren für dieses sehr stark von den Umständen des Einzelfalles geprägte Problem zu entwickeln. Auf den ersten Blick scheint diese Einschätzung gleichermaßen auf das Bewertungsproblem zuzutreffen, weil bereits das Abwägen zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Zahlungen scheinbar zwangsläufig höchst subjektive Werturteile voraussetzt. Wer so argumentiert, übersieht, dass es Kapitalmärkte gibt. Wenn es möglich ist, zukünftige Zahlungen auf dem Kapitalmarkt zu kaufen oder zu verkaufen, warum sollte man diese dann nicht einfach mit ihrem frei von Ermessensspielräumen beobachtbaren Preis bewerten? Das ist stark verkürzt die passende Gegenfrage aus dem Repertoire des kapitalmarktorientierten Ökonomen. Letztlich ist es die Einfachheit des Grundgedankens, der sich in dieser Gegenfrage spiegelt, die der von subjektiven Präferenzen und damit auch Ermessensspielräumen völlig freien Theorie der Bewertung von Zahlungen mittels Replikation am Kapitalmarkt zu einem beispiellosen Siegeszug in der Investmentpraxis verholfen hat. Die Gefahr dabei ist allerdings, dass die Theorie häufig angewendet wird, ohne dass geklärt wäre, ob die Anwendungsvoraussetzungen überhaupt gegeben sind. Ein Bewusstsein für diese überaus praxisrelevante Problematik kann nur entwickeln, wer sich mit theoretischen Grundlagen auseinander setzt. Die Beschäftigung mit Finanzierungen wird theoretisch erst dann interessant, wenn man akzeptiert, dass Finanzierungen Ansprüche an das Unternehmensvermögen aufleben lassen, die ihrerseits Rückkopplungseffekte auf Investitionsentscheidungen haben können. Das ist der Grund, warum im Finanzierungsteil dieses Buches so oft von externen Effekten die Rede ist. Mit externen Effekten sind die Auswirkungen von Entscheidungen auf nicht unmittelbar an der Entscheidung Beteiligte gemeint. So kommt es beispielsweise zu externen Effekten, wenn die Fremdkaptitalgeber, obwohl sie grundsätzlich keinen Einfluss auf Investitionsentscheidungen nehmen kön-
VI
Vorwort
nen, im Falle eines Misserfolgs Einbußen hinnehmen müssen. Das Erkennen von externen Effekten und das Wissen um mögliche Fehlanreize gehören zum Grundwissen eines jeden Ökonomen und sind daher Thema des vorliegenden Lehrbuches. Beim Thema Risikomanagement beschränkt sich das vorliegende Buch auf die systematische Erfassung und Beschreibung von nicht beeinflussbaren Preisrisiken. Hier geht es zunächst einmal nur darum, relativ leicht zugängliche und zu verarbeitende Daten zu einer Vielzahl von Preisrisiken in einer Weise zu einer Risikokennziffer zu verdichten, die Kompensationseffekte zu messen gestattet. Das vorliegende Buch möchte dazu beitragen, die Kluft zwischen den Lehrinhalten, die traditionell unter dem Titel „Investition und Finanzierung“ angeboten werden, und dem Wissen verkleinern, das man benötigt, um eigenständig wissenschaftliche Arbeiten mit aktuellem Bezug schreiben zu können oder praktische Entscheidungsprobleme lösen zu können. Wer einer kompakten Darstellung nicht generell ablehnend gegenüber steht, müsste sich eigentlich recht schnell mit dem vorliegenden Buch anfreunden können; nicht nur als Studierender im Bachelor-Studiengang sondern auch beispielsweise als Praktiker im Tagesgeschäft. Für Studierende gilt das um so mehr, als die mathematischen Anforderungen nicht nennenswert über diejenigen hinausgehen, die auch an Abiturienten gestellt werden. Wem das vorliegende Buch dennoch zu abstrakt geraten ist, der sollte vielleicht zunächst einmal ein typisch amerikanisches Lehrbuch zum Thema Corporate Finance, wie zum Beispiel Berk & DeMarzo (2007) oder Ross, Westerfield & Jordan (2008), oder zum Thema Investments, wie zum Beispiel Bodie, Kane & Marcus (2008), zur Hand nehmen. Möglicherweise ist das ein Weg, um die Vorzüge einer kompakten Darstellung auf höherem Abstraktionsniveau schätzen zu lernen. Als weiterführende Literatur seien dem Leser Albrecht & Maurer (2008) als Nachschlagewerk zu praxiserprobten Ansätzen und Methoden des Investment- und Risikomanagements, Shreve (2004) zur Bewertungstheorie im Allgemeinen, Schönbucher (2003) zur Bewertung von Kreditderivaten und Tirole (2006) zur Finanzierungstheorie ganz besonders ans Herz gelegt. Abschließend möchte ich mich aufrichtig bei meinen Mitarbeitern Dennis Kirchhoff und Dr. Christoph Wöster sowie bei meiner Frau Dr. Ariane Reiß bedanken. Ohne deren Beiträge zur Sache – die Ausführungen zu RiskMetrics™ beruhen im Wesentlichen auf Erkenntnissen, die Christoph Wöster dem sogenannten Technical Document entlockt hat – und anderweitige Unterstützung würde dieses Buch noch immer als Skript kursieren.
Bielefeld, im Oktober 2008
Thomas Braun
Inhaltsverzeichnis
Teil I Investitionsrechnung bei Sicherheit 1
Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2
Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3
Investitionsrechnung bei zeitlicher Flexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Der Wert des Wartens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Der Wert des Wartens bei drohender Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 22
4
Berührungspunkte mit anderen Teildisziplinen der BWL . . . . . . . . . . .
25
5
Teil I in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Teil II Grundzüge der kapitalmarktorientierten Bewertung 6
7
Der Marktwert bei Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Zur Bedeutung des Kapitalmarktes für die Bewertung zukünftiger Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Annahmen über die Marktverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Die Bestimmung der Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten . . . . . . 6.4 Der Marktwert als objektives Entscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . 6.5 Ein erster Hinweis auf die Irrelevanz der Finanzierung . . . . . . . . . . .
33 33 34 36 41 44
Explizite Zinssätze und implizite Zinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Explizite Zinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Implizite Zinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Interner Zinsfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Kassazinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Effektivrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 45 47 47 47 48
VIII
Inhaltsverzeichnis
7.2.4 7.2.5 7.2.6
Terminzinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Terminzinssätze als objektivierte Kapitalkostensätze . . . . . . . Zinssätze nach Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51 52 53
8
Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1 . . 8.1 Floating Rate Notes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Zinsswaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Terminpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Der Forward-Preis einer Aktie ohne Dividende . . . . . . . . . . . 8.3.2 Der Forward-Preis einer Aktie mit Dividende . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Der Forward-Preis einer Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4 Der Futures-Kurs einer Aktie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Time Spreads und Rolling Hedges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Synthetische Lagerhaltung und Basisrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Die Put-Call-Parity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Amerikanische Optionen (No Early Exercise) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Caps und Floors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9 Swaptions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 57 57 59 60 61 63 64 67 68 70 72 74 75
9
Der Marktwert bei Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Annahmen über die Marktverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Arrow-Debreu-Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Die Darstellung des Marktwertes als Erwartungswert . . . . . . . . . . . . . 9.4 Bewertung durch Replikation und risikoneutrale Bewertung . . . . . . .
77 77 77 78 81
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2 . . 10.1 Das Binomialmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Annahmen des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Der Ein-Perioden-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.3 Der Mehr-Perioden-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Das Optionspreismodell von Cox, Ross und Rubinstein . . . . 10.2.2 Das Modell von Black und Scholes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 Die Black-Scholes-Formel als Erwartungswert . . . . . . . . . . . . 10.2.4 Die Greeks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.5 Exchange Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.6 Implizite und explizite (historische) Volatilität . . . . . . . . . . . . 10.2.7 Credit Spreads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.8 Zerobond Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 85 85 86 89 93 93 95 96 99 102 104 105 110
11 Teil II in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Inhaltsverzeichnis
IX
Teil III Risikomanagement 12 Risikofaktoren und Sensitivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 13 Risikoermittlung mit Hilfe der Risikokennzahl Value at Risk (VaR) . . 125 14 Teil III in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Teil IV Effiziente Portfolios 15 Struktur, Risiko und Rendite effizienter Portfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Zum Begriff der μ-σ -Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Das effiziente Portfolio als Zwei-Komponenten-Portfolio . . . . . . . . . 15.3 Das effiziente Portfolio bei risikoloser Anlagemöglichkeit . . . . . . . .
135 135 136 145
16 Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 Annahmen des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Kapitalmarktgerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Wertpapierkenngerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149 149 150 151
17 Das effiziente Portfolio bei nicht disponiblem Vermögen . . . . . . . . . . . . 155 18 Teil IV in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Teil V Investitionsrechnung bei Unsicherheit 19 Kapitalkosten bei Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 20 Der Endwert bei stochastischem Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 21 Objektive Unter- und Obergrenzen für den Wert einer Investitionsgelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 22 Der Wert des Wartens bei Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 23 Teil V in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Teil VI Unternehmensfinanzierung 24 Formen der Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.1 Interne und externe Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2 Sonderformen der externen Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.1 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185 185 187 187
X
Inhaltsverzeichnis
24.2.2 Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 24.2.3 Wagnisfinanzierung (Venture-Capital) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 24.2.4 Projektfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 25 Finanzierung bei strikter Trennung zwischen Leistungsund Finanzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.1 Die These von der Irrelevanz der Kapitalstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 25.2 Kapitalkosten bei teilweiser Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3 Neoklassische Finanzierungsoptima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191 191 193 195
26 Probleme der asymmetrischen Teilhabe am Ergebnis oder am Kapitaleinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.1 Konflikte zwischen Anteilseignern und Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . 26.1.1 Das Nach-mir-die-Sintflut-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.1.2 Das Risikoanreiz-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.1.3 Das Unterinvestitions-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.2 Gläubigerkonflikte als Sanierungsbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197 198 198 200 205 206
27 Asymmetrische Information als Finanzierungshürde . . . . . . . . . . . . . . . 27.1 Asymmetrisch informierte Alt- und Neu-Gesellschafter . . . . . . . . . . . 27.1.1 Annahmen des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.1.2 Der Signalgehalt einer Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.1.3 Die Auswirkungen drohender Überschuldung auf den Signalgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2 Asymmetrisch informierte Zeichner von Erstemissionen . . . . . . . . . .
209 209 210 211 215 217
28 Ausstattung und Funktion von Finanzierungstiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 29 Unternehmensfinanzierung und Corporate Governance . . . . . . . . . . . . 29.1 Zur Relevanz von Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.1.1 ... unter dem Gesichtspunkt der Fairness . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.1.2 ... unter dem Gesichtspunkt der Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . 29.2 Zur Wirksamkeit von Selbstregulierungsmechanismen . . . . . . . . . . . . 29.2.1 Kontrolle durch einflussreiche Financiers . . . . . . . . . . . . . . . . 29.2.2 Disziplinierung durch marktmäßig organisierten Wettbewerb 29.2.3 Anreizmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3 Grenzen der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3.1 Das gesellschaftsrechtliche Dogma von der Existenz eines eigenen Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3.2 Rationale Apathie und Interessenkonflikte der Eigner untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3.3 Streben nach umfassendem Interessenausgleich . . . . . . . . . . .
225 226 226 226 228 228 233 235 235 236 236 236
30 Teil VI in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Inhaltsverzeichnis
XI
Teil VII Anhang A
Duration und Konvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
B
Grundzüge der Erwartungsnutzentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.1 Fundamentale Aspekte der Erwartungsnutzentheorie . . . . . . . . . . . . . B.2 Klassifikation der Risikoeinstellung rationaler Entscheider . . . . . . . . B.2.1 Grobklassifikation der Risikoeinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . B.2.2 Feinklassifikation der Risikoeinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . B.3 Stochastische Dominanz als zielgruppengerechtes Selektionskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249 249 251 251 252 252
C
Lognormal-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
D
Ökonomische und handwerkliche Aspekte von Girsanovs Theorem . . 259
E
Heath Jarrow Morton Drift Condition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
F
RiskMetrics™ Cash Flow Mapping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
G
Effiziente Portfolios: Herleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G.1 Ohne risikolose Anlageform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G.2 Mit risikoloser Anlageform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G.3 Mit nicht disponiblem Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
H
Objektive Wertgrenzen: Herleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
273 273 277 278
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
At
Marktpreis der Vermögensgegenstände (Assets) eines Unternehmens ¯ im Zeitpunkt t B Basis eines Finanzmarktes im Zeitpunkt t0 B Transponierte der Matrix B B−1 Inverse der Matrix B j -te Spalte der Matrix B B( j ) B Geldmarktzertifikat (Bond) Bn Preis eines Geldmarktzertifikates im Zeitpunkt tn B(h,h + n) Basis eines Terminkontraktes mit Fälligkeit th+n im Zeitpunkt th Bc (h,h + n) Preis einer Kuponanleihe mit Nennwert 1, Fälligkeit th+n und am Ende jeder Periode fälligem Kupon c im Zeitpunkt th β j,x Beta von Anlageform m in Bezug auf Portfolio x Σ Varianz-Kovarianz-Matrix (X,Y ) Kovarianz der Zufallsvariablen X und Y d Macauley Duration Dt Zahlungscharakteristik des Fremdkapitals (Debt) eines Unternehmens im Zeitpunkt t diag(x) Diagonalmatrix des Vektors x e Einheitsvektor Zahlungscharakteristik des Eigenkapitals (Equity) eines UnternehEt mens im Zeitpunkt t E Einheitsmatrix (X) Erwartungswert der Zufallsvariable X unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß f Nominalwert (Face Value) einer Verbindlichkeit f X (x) Dichtefunktion der Zufallsvariable X an der Stelle x Verteilungsfunktion der Zufallsvariable X an der Stelle x FX (x) FX Foreign Exchange (Wechselkurs) f n (h,i, j ) im Zeitpunkt th gültiger impliziter nominaler Terminzinssatz (simply compounded forward rate) für den zukünftigen Anlagezeitraum [ti ,t j ]
XIV
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
f e (h,i, j )
im Zeitpunkt th gültiger impliziter effektiver Terminzinssatz (forward rate) für den zukünftigen Zeitraum [ti ,t j ] im Zeitpunkt th gültiger impliziter nominaler Terminzinssatz für den t f n (h,i, j ) zukünftigen Anlagezeitraum [ti ,t j ] im Fall einer symmetrischen Abgeltungssteuer mit Steuersatz t Forward-Preis einer Aktie bei Abschluss des Termingeschäftes mit f S (t,T ) Fälligkeit T in t f FX (t,T ) Forward-Preis einer Währung bei Abschluss des Termingeschäftes mit Fälligkeit T in t Futures-Kurs einer Aktie in t bei Fälligkeit des Termingeschäftes in T FS (t,T ) g Wachstumsrate konforme Wachstumsrate gc g Spaltenvektor von (Portfolio-)Gewichten I Investitionsbetrag (Anschaffungsauszahlung) Wert der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung an der Stelle x φ 0,1 (x) Φ0,1 (x) Wert der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung an der Stelle x Kosten für die Überlassung einer Geldeinheit für den Zeitraum vom kn,n+1 Zeitpunkt tn bis zum Zeitpunkt tn+1 (Kapitalkostensatz) m Multiplikator (Multiple) Kapitalwert (Net Present Value) der Investitionsgelegenheit m am EnNPV m h de der Periode h (h > 0) bzw. im Zeitpunkt 0 (h = 0) p Spaltenvektor von Marktpreisen Spaltenvektor der Marktpreise von Wertpapieren, deren ZahlungschapZ rakteristika die Zahlungsmatrix Z ergeben P(h,h + n) Preis eines Zerobond mit Nennwert 1 und Fälligkeit th+n im Zeitpunkt th Ps (h,h + n) Preis eines synthetischen Zerobond mit Nennwert 1 und Fälligkeit th+n im Zeitpunkt th ΔpΔ Vektor von Preisänderungen über den Zeitraum Δ (ω) Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Ereignis ω PV m Barwert oder Gegenwartswert (Present Value) der Investitionsgelegenh heit m am Ende der Periode h (h > 0) bzw. im Zeitpunkt 0 (h = 0) Barwert der von der Investitionsgelegenheit m bis zum Ende der PeriPV m h,h+n ode h + n generierten Zahlungen z h+1 ,...,z h+n am Ende der Periode h π0,n Marktpreis einer in tn fälligen Geldeinheit im Zeitpunkt t0 Πt (Z T ) Marktwert einer in T ≥ t erfolgenden Zahlung Z T im Zeitpunkt t qh,h+n Faktor, mit dem eine sichere Zahlung, die am Ende der (h + n)-ten Periode anfallen wird, am Ende der Periode h bewertet wird Faktor, mit dem eine sichere Zahlung, die am Ende der (h + n)-ten t qh,h+n Periode anfallen wird, am Ende der Periode h in Gegenwart einer Abgeltungssteuer mit Steuersatz t bewertet wird N m −h Faktoren zur Bewertung sicherer Zahlungen, die am Ende der Perioden (qh,h+i )i=1 h + 1,..., N m anfallen werden, am Ende der Periode h
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
q(k) θ (kc ,t) Q(k, N) Θ(kc ,T ) qm rc re (h,i ) rn (h,i ) t rn (h,i )
R R S Si (X) VaR ω ωi Ω xj xS x m z h+n
m ) N −h (z h+i i=1 m
m
N (z im )i=1
m
N (z im )i=0
zm Z
Zˆ
XV
Ein-Perioden-Diskontfaktor als Funktion des Kapitalkostensatzes k Diskontfaktor als Funktion des konformen Kapitalkostensatzes kc und des Zahlungszeitpunktes t Rentenbarwertfaktor für eine aus insgesamt N Zahlungen bestehende nachschüssige Rente bei konstantem Kapitalkostensatz k Bewertungsfaktor für eine im Intervall [0,T ] kontinuierlich fließende Geldeinheit bei konstantem konformen Kapitalkostensatz kc N m darstellt Spaltenvektor, der die Bewertungsfaktoren (q0,i )i=1 konforme Kassazinsrate im Zeitpunkt th geltender effektiver Kassazinssatz (compounded spot rate) für den Zeitraum [th ,ti ] im Zeitpunkt th geltender nominaler Kassazinssatz (simply compounded spot rate) für den Zeitraum [th ,ti ] im Zeitpunkt th geltender nominaler Kassazinssatz für den Zeitraum [th ,ti ] im Fall einer symmetrischen Abgeltungssteuer mit Steuersatz t Vektor der (stochastischen) Renditen von Portfoliowertpapieren Matrix der Korrelationskoeffizienten Aktienkurs (Share) Aktienkurs im Zeitpunkt ti Varianz der Zufallsvariable X Value at Risk Ereignis Folge von Ereignissen ω1 ,...,ωi Zustandsraum Stückzahl des mit j indexierten Portfoliowertpapiers Stückzahl einer bestimmten Aktie Spaltenvektor der Stückzahlen bestimmter Portfoliowertpapiere Nettozahlungssaldo, der im Falle der Verwirklichung von Investitionsgelegenheit m in Periode h + n anfällt. Zahlungssalden werden annahmegemäß stets erst am Ende der jeweiligen Periode vereinnahmt. Nettozahlungssalden, die im Falle der Verwirklichung von Investitionsgelegenheit m am Ende der Perioden h + 1,..., N m anfallen Nettozahlungssalden, die im Falle der Verwirklichung von Investitionsgelegenheit m am Ende der Perioden 1,..., N m anfallen (Zahlungscharakteristik) Nettozahlungssalden, die im Falle der Verwirklichung von Investitionsgelegenheit m im Zeitpunkt 0 sowie am Ende der Perioden 1,..., N m anfallen (Zahlungsreihe) N m dar(N m × 1)-Spaltenvektor, der die Zahlungscharakteristik (z im )i=1 stellt Matrix der spaltenweise aneinander gereihten Zahlungscharakteristika sämtlicher am Markt gehandelter Wertpapiere aus der Sicht des Zeitpunktes t0 in Einheiten eines Numéraires gemessene Zahlung
Teil I
Investitionsrechnung bei Sicherheit
1 Kapitalkosten
Ein Zahlungsversprechen m, das mit Sicherheit eingelöst wird, lässt sich im Betrachtungszeitpunkt t0 vollständig durch eine Reihe von Zahlungen z nm in den zukünftigen Zeitpunkten tn , n ∈ N := {0,..., N m }, abbilden. Dabei ist davon auszugehen, dass gleichzeitig anfallende Zahlungen vorab saldiert wurden, so dass die z nm als Zahlungssalden aufzufassen sind. Grundsätzlich wird im Folgenden vereinfachend davon ausgegangen, dass zwei benachbarte Zeitpunkte tn und tn+1 äquidistant sind, d.h. dass sie stets den gleichen Abstand zueinander aufweisen.1 Der stets gleiche Abstand zwischen zwei benachbarten Zahlungszeitpunkten macht es möglich, der Einfachheit halber tn = n für alle n zu setzen. Nm Im Sinne einer möglichst übersichtlichen Darstellung wird die Schreibweise (z im )i=0 für die gesamte Zahlungsreihe verwendet. Noch kompakter ist die Repräsentation durch einen Spaltenverktor z. Allerdings ist die durch Fettdruck kenntlich gemachte Vektordarstellung der als Zahlungscharakteristik bezeichneten Reihe zukünftiger Zahlungen vorbehalten, wobei der Betrachtungszeitpunkt th als Bezugspunkt dient. Dementsprechend definieren wir ((N m − h) × 1)-Spaltenvektoren m
m N zm h := (z i )i=h+1 ,
(1.1)
wobei im Fall h = 0 auf die Angabe des Bezugszeitpunktes verzichtet wird. Ein potenzieller Investor, der im Zeitpunkt t0 darüber entscheiden muss, welche von zwei sich ausschließenden Investitionsgelegenheiten a und b der jeweils anderen vorN a und (z b ) N b einander gegenüber stelzuziehen ist, muss die Zahlungsreihen (z ia )i=0 i i=0 len. Ein Beispiel für eine Entscheidung über zwei sich ausschließende Alternativen ist die Entscheidung darüber, ein Projekt in t0 durchzuführen oder endgültig zu unterlassen.2 Aber auch die Möglichkeit, ein und dasselbe Projekt zu unterschiedlichen 1
2
Der Annahme äquidistanter zukünftiger Zahlungszeitpunkte wird üblicherweise durch die Bündelung von Zahlungen, die um die Standardzeitpunkte herum anfallen, Rechnung getragen. Da die Unterlassungsalternative auschließlich Zahlungen in Höhe von Null generiert, wird diese durch die Zahlungsreihe (0)∞ i=0 abgebildet.
4
1 Kapitalkosten
Zeitpunkten realisieren zu können, beinhaltet zwei sich ausschließende Alternativen. Bei Gegenüberstellungen dieser Art gilt es zu bedenken, dass jede investierte Geldeinheit zunächst einmal nicht für Konsumzwecke zur Verfügung steht. Das deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass man unabhängig vom persönlichen Entscheidungsfeld potenzieller Investoren nichts über die Vorteilhaftigkeit von Investitionen sagen kann. So interessant das Abwägen vieler von persönlichen Lebensumständen geprägter Entscheidungskriterien im Einzelfall auch sein mag, an leicht messbare Kriterien anknüpfende eindeutige Handlungsempfehlungen für eine größere Gruppe von Investoren sind dabei eher nicht zu erwarten. Also hat man sich umgekehrt gefragt, wie die Alternativen beschaffen sein müssten, um solche Handlungsempfehlungen für eine möglichst große Gruppe von Investoren formulieren zu können. An dieser Stelle kommt der Begriff Dominanz ins Spiel. Definition 1.1 (Dominanz). Die Zahlungsreihe a dominiert die Zahlungsreihe b im Betrachtungszeitpunkt t0 = 0 genau dann, wenn in Verbindung mit der Definition N := {0,..., N} für die Menge aller Zahlungszeitpunkte, angefangen vom Betrachtungszeitpunkt bis zum Planungshorizont t N = N := max(N a , N b ) gilt:3 z na ≥ z nb für alle n ∈ N und z na > z nb für wenigstens ein n ∈ N . Jeder, der rein monetäre Ziele verfolgt und damit nicht schon so reich geworden ist, dass Geld für ihn keine Rolle mehr spielt, sollte eine Investitionsgelegenheit a einer Investitionsgelegenheit b vorziehen, wenn diese mit Sicherheit zu keinem Zeitpunkt per Saldo betrachtet kleinere Einzahlungen einbringt oder größere Auszahlungen erfordert, aber in wenigstens einem Zeitpunkt größere Einzahlungen einbringt oder kleinere Auszahlungen erfordert als die Investitionsgelegenheit b. Oder anders gesagt: Jeder nicht vollständig gesättigte Mensch, der rein monetäre Ziele verfolgt, sollte nur effiziente Alternativen wählen, das sind Alternativen, die nicht im Sinne von Definition 1.1 dominiert werden. Diese Empfehlung gilt für eine hinreichend große Gruppe potenzieller Investoren und knüpft an leicht messbare Kriterien an, falls die Zahlungssalden, wie angenommen, im Betrachtungszeitpunkt mit Sicherheit prognostiziert werden können. So weit so gut. Problematisch ist allerdings, dass mit jedem weiteren Zahlungszeitpunkt eine weitere Dominanzbedingung hinzu kommt, so dass es immer unwahrscheinlicher wird, mit Hilfe des Dominanzprinzips zu einer Entscheidung zu gelangen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma besteht darin, die Zahlungen z n nicht jeweils 3
Sofern sich die beiden Zahlen a und b voneinander unterscheiden, liefert der Maximumoperator a falls b ≤ a max(a,b) : = b falls a < b als Ergebnis die größere der beiden Zahlen.
1 Kapitalkosten
5
separat miteinander zu vergleichen, sondern diese zunächst zu bewerten und dann die Summe der bewerteten Zahlungen von zwei Investitionsgelegenheiten miteinander zu vergleichen. In mathematischer Sprache lässt sich das wie folgt formulieren: N die Zahlungsreihe, die eine Investition einschließlich der in der Regel Sei (z i )i=0 negativen Anschaffungsauszahlung z 0 verursacht, und sei N : = α0 ,α1 ,...,α N (αi )i=0
eine Reihe von positiven Bewertungsfaktoren, dann kann der Vergleich von Investitionsgelegenheiten mit Hilfe der linearen Bewertungsfunktion4 N
V0 = ∑ αi · z i
(1.2)
i=0
vorgenommen werden. N zu bestimAllerdings stellt sich nun das Problem, die Bewertungsfaktoren (αi )i=0 5 men. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, besteht darin, anzunehmen dass die Bewertungsfaktoren ausschließlich durch die Zeitpräferenz potenzieller Investoren bestimmt sind, und die Zeitpräferenz zu erfassen, indem man potenzielle Investoren ersucht, für alle n ∈ N den Betrag Δn anzugeben, den sie als angemessene Entschädigung im Zeitpunkt n für den Verzicht auf eine Geldeinheit im Zeitpunkt n − 1 ansehen. In Verbindung mit (1.2) impliziert die Indifferenz αn−1 · 1 = αn · Δn , so dass man mit diesem Verfahren insgesamt N Relationen αn 1 = αn−1 Δn 4
5
Auf den Index m wird hier und im Folgenden verzichtet, sofern dieser nicht zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Investitionsgelegenheiten benötigt wird, um die Darstellung nicht unnötig zu überfrachten. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass unabhängig von der Wahl der Bewertungsfaktoren immerhin gewährleistet ist, dass eine Alternative, die den entsprechend (1.2) ermittelten Wert maximiert, unabhängig von dem zugrunde gelegten Satz von Bewertungsfaktoren stets effizient ist, also zumindest nicht dominiert wird. Das kann wie folgt gezeigt werden: N die willkürlich gewählten Bewertungsfaktoren und sei (z ∗ ) N die ZahlungsSeien (αi )i=0 i i=0 reihe der diesbezüglich wertvollsten Alternative. Wäre diese Alternative nicht effizient, N mit z ≥ z ∗ für alle n ∈ N und z > z ∗ dann gäbe es eine dominante Alternative (z i )i=0 n n n n für wenigstens ein n. In Verbindung mit αn > 0 für alle n ∈ N würde dann N
N
N
i=0
i=0
i=0
∑ αi · (zi − zi∗ ) > 0 ⇔ ∑ αi · zi > ∑ αi · zi∗
N α · z ∗ ein Maximum ist. gelten, was im Widerspruch zu der Annahme steht, dass ∑i=0 i i
6
1 Kapitalkosten
erhält, die alle kleiner sein sollten als 1, falls die Möglichkeit besteht, Geld in der Kasse aufzuheben.6 In Verbindung mit der nahe liegenden Normierung α0 = 1 erhält man auf diesem Wege eindeutig bestimmte Bewertungsfaktoren 1 für n = 0 q0,n := (1.3) n 1 für n = 1,..., N . ∏i=1 Δi Für PV n := Vn − z n und n < Nd ≤ N − 1 erhält man dann PV n =
N
∑
qn,i · z i
i=n+1
=
Nd
∑
qn,i · z i + qn,Nd ·
i=n+1
=
Nd
∑
N
∑
i=Nd +1
q Nd ,i · z i
qn,i · z i + qn,Nd · PV Nd .
(1.4)
i=n+1
Fur Nd = n + 1 impliziert das in Verbindung mit PV N ≡ 0 qn,n+1 · z n+1 + qn,n+1 · PV n+1 für n = 0,..., N − 2 PV n = q N−1,N · z N für n = N − 1, und somit auch 1 z n+1 + PV n+1 −PV n −1 = qn,n+1 PV n
(1.5)
für n = 0,..., N − 1. Demnach entspricht kn,n+1 :=
1 qn,n+1
− 1 = Δn+1 − 1
(1.6)
der geforderten Rendite auf den Wert der zu Beginn der Periode n + 1 noch im Projekt gebundenen zukünftigen Zahlungen für diese Periode. Aus Unternehmenssicht handelt es sich dabei um die Kosten für den Faktor Kapital, weswegen kn,n+1 als Kapitalkostensatz der Periode n + 1 bezeichnet wird. Mithin kann man die Bewertungsfaktoren (1.3) auch wie folgt schreiben: n−1
1 . i=0 1 + k i,i+1
q0,n = ∏
6
(1.7)
Δn > 1 könnte zum Beispiel durch einen geforderten Ausgleich für den Kaufkraftverlust begründet sein.
2 Investitionsrechnung
Definition 2.1 (Investition). Investitionen sind Auszahlungen, die in der Erwartung getätigt werden, zukünftig (überwiegend) Einzahlungen zu erzielen.1 Die Entscheidung für oder gegen eine Investition hängt demnach davon ab, ob die zukünftig zu erwartenden Einzahlungen die zunächst zu leistende Auszahlung rechtfertigen. Eine solche Abwägung ist an zwei wesentliche Voraussetzungen geknüpft: Es müssen Vorstellungen über
zukünftige Rückflüsse und die Bedingungen, unter den diese zu erzielen sind, sowie über deren Wert relativ zum Wert der zu tätigenden Auszahlung
existieren. Diese zu entwickeln und dann über die Vorteilhaftigkeit zu entscheiden ist Gegenstand der im angelsächsischen Sprachraum als Capital Budgeting bezeichneten Investitionsrechnung. Mark Twain verdanken wir die Erkenntnis, dass Prognosen bekanntlich schwierig sind, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Selbstverständlich ist die Prognose der zukünftigen Zahlungen ganz entscheidend für die Güte der Investitionsentscheidung. Detailprognosen zukünftiger Zahlungen werden in diesem Buch dennoch nicht behandelt, weil es dabei darauf ankommt, möglichst alle für den Einzelfall relevanten Aspekte des Entscheidungsfeldes zu identifizieren,2 und weil beim Versuch, diesen an sich kreativen Prozess eindeutig formulierten Regeln zu unterwerfen, in 1 2
Der idealtypische Fall mit einer einzigen Auszahlung ganz zu Beginn, auf die dann nur noch Einzahlungen folgen, wird zuweilen als Normalinvestition bezeichnet. Hierzu gehört zum Beispiel auch die Klärung der Frage, ob die Verwirklichung einer Investitionsgelegenheit mit unerwünschten Nebeneffekte verbunden ist. Ein Beispiel für einen solchen unerwünschten Nebeneffekt ist der durch ein neues Produkt verursachte Absatzrückgang bei anderen Produkten des gleichen Herstellers (Kannibalisierungseffekt), vgl. Berk & DeMarzo (2007, S. 178-195). Von großer Bedeutung für den Erfolg einer Investition ist ferner, dass diese nicht zu spezifisch ist, da mit wachsender Spezifität die Gefahr wächst, dass Vertragspartner ihren Anteil am Kooperationsgewinn im Zuge von Nachverhandlungen erhöhen, vgl. hierzu Neus (2007, S. 129-135) oder Tirole (1988, S. 24 f.).
8
2 Investitionsrechnung
der Regel sehr viel Energie verpufft. Dieses Kapitel widmet sich daher primär der Bewertung von Zahlungen. Ausgangspunkt ist die im vorangehenden Kapitel hergeleitete Bewertungsfunktion (1.4). Die Werte, die diese Funktion liefert, werden in der Investitionsrechnung als Barwert oder Gegenwartswert (Present Value) der Investition bezeichnet. Daraus abgeleitet ist die Definition 2.2 (Kapitalwert (Net Present Value)). Sei I die idealtypisch im Zeitpunkt th auf einen Schlag erfolgende im allgemein üblichen Sprachgebrauch als Investition bezeichnete Anschaffungsauszahlung, dann gilt NPV h := PVh − I .
(2.1)
Das „Netting“ besteht demnach darin, die Anschaffungsauszahlung in Abzug zu bringen. Der Kapitalwert genießt als Entscheidungskriterium eine hervorragende Rolle in der Investitionsrechnung. Das Kapitalwertkriterium, demzufolge ein Investitionsprojekt genau dann durchgeführt werden sollte, wenn es einen positiven Kapitalwert aufweist, darf getrost als Credo der Investitionsrechner gelten. Es ist nämlich an Voraussetzungen geknüpft, die selten explizit genannt werden. Insbesondere gilt es nur dann, wenn die sich bietenden Alternativen sich nicht gegenseitig ausschließen. Gibt es außer der Unterlassungsalternative noch andere sich ausschließende Alternativen, ist das Kapitalwertkriterium dahingehend abzuwandeln, dass unter Einbeziehung der Unterlassungsalternative diejenige Alternative gewählt werden sollte, die den Kapitalwert maximiert. Das erscheint offensichtlich besitzt aber eine weitaus weniger offensichtliche Implikation. Bedenkt man nämlich, dass die Gelegenheit, ein und dasselbe Projekt zu unterschiedlichen Zeitpunkten realisieren zu können, ein Spezialfall der soeben beschriebenen Situation mit mehreren sich ausschließenden Alternativen ist, dann wird klar, dass das Kapitalwertkriterium zu Fehlentscheidungen führen kann, sobald der Investitionszeitpunkt disponibel ist. Im Folgenden wird daher grundsätzlich angenommen, dass Investitionsgelegenheiten im Zeitpunkt der Betrachtung ergriffen oder endgültig unterlassen werden müssen. Unter diesen Umständen kann man das Kapitalwertkriterium damit begründen, dass der Investor genau dann, wenn dieses Kriterium erfüllt ist, wenigstens die von ihm geforderte Rendite auf das eingesetzte Kapital erzielt. Um das zu sehen, mache man sich zunächst klar, dass durch die Bewertung zukünftiger Zahlungen mittels der durch (1.6) definierten Kapitalkostensätze auf definitorische Weise sichergestellt wird, dass die geforderte Rendite auf den Wert der jeweils noch ausstehenden Zahlungen über den gesamten Zeitraum von t1 bis t N erzielt werden kann. Das wird aus (1.5) in der Form kn,n+1 · PV n = z n+1 + PV n+1 −PV n klar. Somit folgt die behauptete Begründung für das Kapitalwertkriterium daraus, dass oben stehende Gleichung für n = 0 die folgende Schlussfolgerung zulässt
2 Investitionsrechnung
9
z 1 + PV 1 −PV 0 k0,1 · I ⇔ PV 0 I ⇔ NPV 0 0. Problematisch am Kapitalkostenkonzept ist, dass es zwar prinzipiell sehr wohl operationalisierbar aber subjektiv ist. Das ist insbesondere dann problematisch, wenn die Entscheidung über ein Investitionsprojekt nicht von einem Financier selbst, sondern von einem Manager getroffen wird, der den Interessen einer Vielzahl von Financiers gerecht werden soll. Daher muss davon ausgegangen werden, dass die Anwendung des Kapitalkostenkonzeptes in der betrieblichen Praxis mit Ermessensspielräumen verbunden ist. In Verbindung mit dem Prognoseproblem erscheint es in Anbetracht dessen nahe liegend, Annahmen zu treffen, die die Bewertung vereinfachen. Dabei liefert die Zerlegung (1.4) einen Ansatzpunkt für eine Kompromisslösung. Diese besteht darin, den Barwert für den Zeitraum bis zum Detailplanungshorizont t Nd = Nd < N Nd
PV 0,Nd := ∑ q0,i · z i
(2.2)
i=1
zu separieren, und als Barwert für den Zeitraum jenseits von t Nd ein Vielfaches m (Multiple) des für den Detailplanungshorizont prognostizierten Zahlungssaldos z Nd anzusetzen (Multiplikatorverfahren). Man setzt also PV Nd = z Nd · m , so dass (1.4) in Verbindung mit (2.2) für n = 0 PV 0 = PV 0,Nd +q0,Nd · z Nd · m
(2.3)
liefert. Grundsätzlich ist das Multiplikatorverfahren mit dem Kapitalwertkriterium vereinbar, wenn die jenseits des Detailplanungshorizontes noch anfallenden Zahlungen N−N (z Nd +i )i=1 d multiplikativ mit z Nd verknüpft sind. Zu einer recht einfachen Lösung für den Multiplikator m gelangt man, wenn man die Annahme eines konstanten Kapitalkostensatzes mit der Annahme verknüpft, dass die Zahlungen jenseits von t Nd gemäß z Nd +n = (1 + g)n · z Nd
(2.4)
mit der konstanten Wachstumsrate g > −1 fallen oder steigen. Die Annahme eines konstanten Kapitalkostensatzes k führt zunächst einmal dazu, dass die Bewertungsfaktoren q Nd ,Nd +n durch die Funktion q Nd ,Nd +n = q(k)n mit q(k) :=
1 1+k
10
2 Investitionsrechnung
definiert sind. Durch Einsetzen bestätigt man, dass in Verbindung mit der Definition k −g kˆ := 1+g der folgende Zusammenhang gilt ˆ n. z Nd +n · q Nd ,Nd +n = z Nd · (1 + g)n · q(k)n = z Nd · q(k) Es macht demnach keinen Unterschied, ob man Zahlungen, die sich mit konstanter Rate g > −1 ändern, mit dem konstanten Kapitalkostensatz k bewertet, oder ob man konstante Zahlungen mit dem konstanten modifizierten Kapitalkostensatz kˆ < k bewertet.3 Also gilt unter den getroffenen Annahmen m=
N−Nd
∑
ˆ i. q(k)
i=1
Die Summanden auf der rechten Seite bilden eine geometrische Reihe. Allgemein gilt für q = 1 N−1 N −1 n q 1 + − ∑ qn q q ∑ N N −1 1−qN q −1 i=1 i=1 = . (2.5) ∑ q n = q −1 − 1 ∑ q n = q −1 − 1 q −1 − 1 i=1 i=1 Die Funktion Q(k, N) :=
1 − q(k) N q(k)−1 − 1
(2.6)
liefert demnach den Wert einer Reihe von insgesamt N Zahlungen in Höhe von einer Geldeinheit in den Zeitpunkten n = 1,..., N bei konstantem Kapitalkostensatz k im Zeitpunkt 0. Daher werden die Funktionswerte als Barwert einer nachschüssigen Rente bezeichnet, und es gilt ˆ N − Nd ) falls g = k Q(k, (2.7) m= sonst N − Nd Unter der Bedingung g < k vereinfacht sich (2.7) im Grenzfall N → ∞ weiter zu 1 lim m = . N→∞ kˆ
(2.8)
Verzichtet man gänzlich auf eine Detailplanung, so erhält man 3
Die Annahme, dass die Rückflüsse, die ein Projekt generiert, ceteris paribus mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit λ von einem Tag auf den anderen plötzlich versiegen können, liefert eine Rechtfertigung für einen Aufschlag auf den Kapitalkostensatz in Höhe von λ. Vgl. hierzu die Ausführungen zum intensitätsbasierten Ansatz zur Bestimmung von credit spreads auf den Seiten 109 f.
2 Investitionsrechnung
11
ˆ N) · z 0 . PV 0 = Q(k, Falls zudem noch g < k angenommen wird, erhält man als Grenzwert die Gordon4 zugeschriebene Formel lim PV 0 =
N→∞
z0 1 + g z1 · z0 = . = k −g k −g kˆ
Ein mit Hilfe des Multiplikatorverfahrens ermittelter Barwert ist offensichtlich lediglich als mehr oder weniger grobe Approximation aufzufassen. Es ist daher wichtig, einschätzen zu können, wie robust diese Approximation insbesondere in Bezug auf Änderungen von ad-hoc Annahmen reagiert. Je größer die Sensitivität, desto mehr Aufmerksamkeit verdient die entsprechende Annahme. Um herauszufinden, welche Annahmen besondere Aufmerksamkeit verdienen, führt man Sensitivitätsanalysen durch.5 Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass ad hoc Annahmen nur die Grobplanungsphase betreffen, daher soll der Ausdruck ˆ ˆ − PV N (k) ˆ ΔPV Nd (kˆ + Δk) PV Nd (kˆ + Δk) d := ˆ ˆ PV Nd (k) PV Nd (k) bestimmt werden, um zu einer Einschätzung hinsichtlich des Einflusses von k und g zu gelangen. Dazu machen wir Gebrauch vom Satz von Taylor, der besagt, dass man eine n-mal stetig differenzierbare Funktion durch die n ersten Summanden der Taylorreihe beliebig approximieren kann, sofern man sich nahe genug am Entwicklungspunkt befindet. Etwas genauer besagt der Satz von Taylor im eindimensionalen Fall, dass f(i) (x) i · h + o(|h|n ) i ! i=1 n
f(x + h) = f(x) + ∑
(2.9)
gilt, wobei f(i) (x) für die i -te Ableitung der Funktion f an der Stelle x steht und o(|h|n ) bedeutet, dass das Restglied schneller gegen den Wert Null strebt als |h|n . 6 Von linearer Approximation ist die Rede, wenn man n = 1 setzt und das Restglied ignoriert. Für ˆ N − Nd ) · z N PV Nd = Q(k, d erhält man in Verbindung mit der Definition für die Gewichte 4 5
6
Vgl. Gordon (1962). Die Sensitivitätsanalyse kann als Spezialfall der Szenario-Analyse angesehen werden, in dem lediglich eine einzige Einflussgröße variiert wird. Damit vermeidet man das Problem der „Paralyse durch Analyse“, zu dem es häufig kommt, solange die Entscheidungskonsequenzen mangels Einbettung der Szenario-Analyse in ein Entscheidungsmodell völlig unklar sind, vgl. hierzu Ross et al. (2008, S. 338-344). Etwas genauer besagt das sogenannte Landau-Symbol o (sprich: klein o), dass limΔ→0 o(Δ) Δ = 0 gilt. Man sagt, dass o(Δ) von höherer Ordnung verschwindet als Δ.
12
2 Investitionsrechnung
gn : =
ˆ n q(k) N−N ∑i=1 d
=
ˆ i q(k)
ˆ n q(k) ˆ N − Nd ) Q(k,
die lineare Approximation ˆ N (kˆ + Δk) ΔPV d =− ˆ PV Nd (k)
N−Nd
∑
i=1
gi ·i
Δkˆ . 1 + kˆ
(2.10)
Im Folgenden soll gezeigt werden, dass sich diese Approximation recht gut eingrenzen lässt. Für g = k ⇔ kˆ = 0 erhält man unter Berücksichtigung von q(0) = 1 ⇔ gn = 1 N−Nd für alle n sowie N−Nd
∑
i=1
i (N − Nd )(N − Nd + 1) N − Nd + 1 1 = . = N − Nd N − Nd 2 2
Daraus folgt 0<
ˆ N (kˆ + Δk)| |ΔPV d < ˆ PV Nd (k)
N − Nd + 1 2
ˆ |Δk| 1 + kˆ
für den Fall g < k, in dem die Gewichte gn mit fortschreitender Zeit kleiner werden, und ˆ ˆ ˆ Nd (kˆ + Δk)| |ΔPV N − Nd + 1 |Δk| |Δk| < < (N − Nd ) ˆ 2 1 + kˆ PV N (k) 1 + kˆ d
für den Fall k < g, in dem die Gewichte mit fortschreitender Zeit größer werden. In Verbindung mit der Definition7 N−Nd
d :=
∑
gi ·i
i=1
erhält man ˆ 0 (kˆ + Δk) PV Nd ΔPV Δkˆ ·d · = −q0,Nd · ˆ PV 0 PV 0 (k) 1 + kˆ für die approximative relative Veränderung des gesamten Present Value, was wiederum impliziert, dass sich die Auswirkungen einer alleinigen Veränderung von k durch 0 (k + Δk) PV Nd Δk ΔPV = −q0,Nd · ·d · PV 0 (k) PV 0 1+k 7
(2.11)
Die Größe d entspricht der als Macauley Duration bezeichneten wertgewichteten mittleren Restlaufzeit des Projektes jenseits des Detailplanungshorizontes. Vgl. hierzu Anhang A.
2 Investitionsrechnung
13
und diejenigen einer alleinigen Veränderung von g durch8 0 (g + Δg) PV Nd Δg ΔPV = q0,Nd · ·d · PV 0 (g) PV 0 1+g
(2.12)
approximieren lassen. Falls der Zahlungssaldo z Nd nicht als sinnvolle Berechnungsgrundlage für die weitere Entwicklung der Zahlungen angesehen werden kann, kann der Multiplikatoransatz wie folgt modifiziert werden: Man nimmt an, dass sich die Zahlungen langfristig auf ein Normalniveau z zu bewegen. Die dementsprechende Annahme z Nd +n = z + q(v)n · (z Nd − z) bietet die Möglichkeit, mit Hilfe der Stellgröße v die Geschwindigkeit der Anpassung an das Normalniveau zu adjustieren. In diesem Fall erhält man bei für die Zeit nach Nd konstantem Kapitalkostensatz k
PV Nd = m · α · z Nd + (1 − α) · z mit den Parametern9 m : = Q(k, N − Nd ) α:=
Q(k + v + v · k, N − Nd ) Q(k, N − Nd )
sowie den Differenzenquotienten ΔPV 0 (z + Δz) = m · (1 − α) · q0,Nd · PV Nd Δz = (Q(k, N − Nd ) − Q(k + v + v · k, N − Nd )) · q0,Nd · PV Nd .
8
Man beachte hierbei, dass ∂ PV Nd ∂ kˆ ∂ PV Nd ∂ PV Nd 1+k · · − = = ∂g ∂g (1 + g)2 ∂ kˆ ∂ kˆ
9
gilt. Im Grenzfall N → ∞ erhält man m = 1k und α =
1 1+v+ kv
.
3 Investitionsrechnung bei zeitlicher Flexibilität
Es klingt trivial, wird aber dennoch gerade in der Investitionsrechnung häufig nicht beherzigt: Bevor man eine Entscheidung trifft, sollte man sich über die Alternativen im Klaren sein. Hat man beispielsweise ermittelt, dass genau zwei sich ausschließende Investitionsgelegenheiten bestehen, so wird man sich für diejenige entscheiden, die den höheren Kapitalwert besitzt. Ein Spezialfall der Entscheidung über zwei sich ausschließende Investitionsgelegenheiten ist die Entscheidung darüber, ein Projekt m in t0 = 0 durchzuführen oder endgültig zu unterlassen. Da die Unterlassungsalternative einen Kapitalwert von Null besitzt, besteht die folgende Beziehung zwischen dem Wert der entsprechenden Investitionsgelegenheit V0m und dem Kapitalwert des zur Disposition stehenden Investitionsprojektes NPV m 0 V0m = max(NPV m 0 ,0).
(3.1)
Fraglich ist, ob mit der Unterlassungsalternative bereits alle Optionen berücksichtigt sind, die dem Unternehmen offen stehen.
3.1 Der Wert des Wartens Angenommen ein Unternehmen hat die Option, ein bestimmtes Investitionsprojekt mit Kapitalwert Nn
NPV n = PV n −In = ∑ qn,n+i · z n+i − In
(3.2)
i=1
in irgendeinem Zeitpunkt n = 0,...,∞ zu realisieren. Angenommen es wird ein konstanter Kapitalkostensatz k zugrundegelegt, so dass die Bewertung zukünftiger Zahlungen nach Maßgabe der Funktion qn,n+i = q(k)i
16
3 Investitionsrechnung bei zeitlicher Flexibilität
erfolgt, dann gilt Vn =
q(k)n
∗ −n
max(NPV n∗ ,0) falls n < n ∗ max(NPV n ,0) falls n ≥ n ∗ ,
(3.3)
falls ein optimaler Investitionszeitpunkt1 n ∗ := argmax q(k)n · NPV n n
existiert. Offensichtlich hängt der Wert der Warteoption vom optimalen Investitionszeitpunkt ab. Dazu betrachten wir das folgende Beispiel:2 Beispiel 3.1 (Wert des Wartens). Die Bedingung für den Aufschub der Projektrealisierung im Zeitpunkt n lautet q(k) · NPV n+1 > NPV n
(3.4)
NPV n+1 −NPV n > k · NPV n .
(3.5)
bzw.
Offensichtlich muss der Kapitalwert im Zeitverlauf wachsen, damit es sich lohnt, die Realisierung eines dank NPV n > 0 an sich vorteilhaften Projektes aufzuschieben. Angenommen, der Investitionsbetrag ist unabhängig vom Zeitpunkt der Realisation, dann ist (3.5) äquivalent zu PV n+1 −PV n > k · NPV n .
(3.6)
In diesem Fall muss der Present Value wachsen, damit sich der Aufschub eines an sich vorteilhaften Projektes rechnen kann. Sei g die konstante Wachstumsrate des Present Value und In = I die vom Zeitpunkt der Verwirklichung unabhängige Anschaffungsauszahlung, dann ist (3.6) äquivalent zu (g − k) · PV n > −k · I .
(3.7)
Für g ≥ k ist diese Bedingung stets erfüllt, so dass man die Realisation am besten so weit wie möglich in die Zukunft verschiebt. Für g ≤ 0 und NPV n > 0 ist die Bedingung (3.6) stets verletzt, so dass ein Aufschub niemals in Frage kommt. Für 0 < g < k existiert eine kritische Schwelle ∗ = SPV
1 2
k ·I > I, k −g
(3.8)
argmax steht für argumentum maximum. Es handelt hierbei um eine deterministische Variante des Modells von McDonald & Siegel (1986).
3.1 Der Wert des Wartens
17
die der Present Value erreicht oder überschritten haben muss, damit die Investitionsgelegenheit ergriffen wird. Angenommen es gilt Nn = N, d.h. dass die Anzahl der zukünftigen Zahlungen, die mit einem Projekt verknüpft sind, ebenfalls unabhängig davon ist, wann das Projekt realisiert wird, dann müssen die Zahlungen mit konstanter Rate g wachsen, damit der Barwert von N aufeinander folgenden Zahlungen bei konstanten Kapitalkosten mit eben dieser Rate wächst. In diesem Fall gilt N 1 + g 1 + g z n+1 − q(k) N · z n+1+N ˆ N) · z n = 1− . zn = − PV n = Q(k, k −g 1+k g −k Einsetzen in (3.7) führt auf die Bedingung z n+1 − q(k) N · z n+1+N < k · I
(3.9)
für den Aufschub der Realisation, die sich wie folgt interpretieren lässt: Das Aufschieben der Realisation in n um eine Periode erspart zwar Kapitalkosten in Höhe von k · I , verursacht aber auch Opportunitätskosten, da die durch die Vertagung der Entscheidung zusätzlich realisierbare Zahlung z n+1+N im Fall g < k kein vollwertiger Ersatz für den Verzicht auf die andernfalls realisierbare Zahlung z n+1 ist. Im Fall einer gegen Unendlich strebenden Projektlaufzeit N → ∞ vereinfacht sich (3.9) unter der Bedingung g < k zu z n+1 < k · I , da es in diesem Fall keinen Ersatz für den Verzicht auf die andernfalls realisierbaren Zahlung z n+1 gibt, weil das Projekt sowieso auf ewig Zahlungen liefert.3
Die Elastizität des Wertes der Investitionsgelegenheit mit Warteoption Im Folgenden soll untersucht werden, ob der Wert von Investitionsgelegenheiten, die besser noch nicht ergriffen werden, anders auf Parameteränderungen reagiert als der Kapitalwert der Projekte, um die es geht. Das lässt sich mit geringerem Aufwand machen, wenn man das Problem in stetige Zeit transformiert und dann analysiert. Dazu werden im Folgenden zunächst einige Vorüberlegungen angestellt. Die Transformation in stetige Zeit erfordert die Umwandlung der ZahlungscharakN in einen als stetige Funktion z(t) der Zeit t darstellbaren Zahlungsteristik (z i )i=1 strom. Sei Δ der stets gleiche zeitliche Abstand zwischen zwei benachbarten Zahlungszeitpunkten tn und tn+1 . Als zueinander konform werden die Zahlungscharakteristik und die im Intervall 0 < t ≤ N · Δ := T definierte Zahlungsfunktion bezeichnet, wenn wesentliche Eigenschaften erhalten bleiben. Wesentliche Eigenschaften können die Konstanz oder das konstante Wachstum der Zahlungen sein. Sei g die 3
Die Behauptung folgt unmittelbar aus (3.9) in Verbindung mit 1+g N · z n+1 = 0 für g < k . lim q N · z n+1+N = lim N →∞ N →∞ 1 + k
18
3 Investitionsrechnung bei zeitlicher Flexibilität
konstante Wachstumsrate der Zahlungen über einen Zeitraum der Länge Δ, dann erfüllt ln(1 + g) Δ
gc := die Bedingung
egc tn = egc Δn = (1 + g)n und wird deswegen als konforme kontinuierliche Wachstumsrate bezeichnet. Analog ist ln(1 + k) Δ
kc :=
die zum konstanten Kapitalkostensatz k für den Zeitraum Δ konforme kontinuierliche Kapitalkostenrate. Für die entsprechende Diskontfunktion θ (kc ,t) := e−kc t gilt also θ (kc ,n · Δ) = q(k)n für alle n = 1,..., N. Den Barwert eines kontinuierlichen Zahlungsstroms z(t) := z c · egc t liefert PV(0) =
T 0
θ (kc ,t) · z(t)dt .
In Verbindung mit den Definitionen kˆc := kc − gc und Θ(kˆc ,T ) : =
T 0
θ (kˆc ,t)dt
1 1 − θ (kˆc ,T ) kˆc kˆ ˆ N) = · Q(k, kˆc =
erhält man
(3.10)
3.1 Der Wert des Wartens
19
PV(0) = z c · Θ(kˆc ,T ) kˆ ˆ N) = z c · · Q(k, ˆkc z c kˆ = · · PV 0 z 0 kˆc zc k − g = · · PV 0 . z 1 k c − gc Offensichtlich muss man also zc =
k c − gc · z1 k −g
setzen, damit die Barwerte übereinstimmen. Unter den getroffenen Annahmen darf davon ausgegangen werden, dass analog zum diskreten Fall unter der Bedingung gc < kc eine Lösung des Problems θ (kc ,t) · (PV(t) − I ) → max t
(3.11)
existiert.4 Daraus folgt, dass die optimale Investitionspolitik durch eine kritische Schwelle S ∗ für den Barwert bestimmt wird. Der Zeitpunkt t S , in dem eine bestimmte Schwelle S erreicht wird, ist in Verbindung mit der Umkehrfunktion von (3.10) z 1 z−1 (z) = ln gc zc eindeutig durch S S 1 1 −1 ˆ t S = z (S · Θ(kc ,T ) ) = ln = ln gc gc PV 0 z c · Θ(kˆc ,T ) −1
bestimmt. In Verbindung mit den Definitionen ρ :=
kc gc
und q(ρ, S) :=
S PV 0
−ρ
= θ (kc ,ts )
kann man das Optimierungsproblem (3.11) lösen, indem man das Problem 4
Dass hierbei von t0 = 0 ausgegangen wird ist unproblematisch: Alle Lösungen t ∗ < 0 des Problems (3.11) sind mit bereits in der Vergangenheit liegenden optimalen Investitionszeitpunkten gleichzusetzen, und sollten das unverzügliche Ergreifen der Investitionsgelegenheit auslösen.
20
3 Investitionsrechnung bei zeitlicher Flexibilität
q(ρ, S) · (S − I ) → max S
(3.12)
löst. Eine notwendige und unter der hier gegebenen Bedingung ρ > 1 hinreichende Bedingung für die Lösung dieses Problems ist ∗ −ρ ∗ ∗ −ρ S S −I S −ρ · · + =0 PV 0 S∗ PV 0 bzw. −ρ · (S ∗ − I ) + S ∗ = 0. Hieraus ergibt sich unmittelbar die Lösung ρ S∗ = ·I. ρ −1
(3.13)
Die Analogie zum zeitdiskreten Fall zeigt sich, wenn man die linke Seite der Aufschubbedingung PV(t) < S ∗ durch PV(t) = z(t) · Θ(kˆc ,T ) =
1 · (z(t) − θ (kc ,T ) · z(t + T )) k c − gc
und die rechte Seite durch S∗ =
kc ρ ·I = ·I ρ −1 k c − gc
substituiert. Analog zu (3.3) bestimmt sich der Wert der Investitionsgelegenheit in stetiger Zeit gemäß −ρ S∗ max(S ∗ − I,0) falls PV 0 < S ∗ PV 0 V0 = max(PV 0 −I,0) falls PV 0 ≥ S ∗ . Für die Elastizitäten des Projektkapitalwertes erhält man in Verbindung mit den Definitionen für die Gewichte θ (kˆc ,t) g(t) : = Θ(kˆc ,T ) und die Duration d :=
T 0
g(t) · t dt <
T 2
unter Berücksichtigung von Θ(kˆc + Δkˆc ,T ) − Θ(kˆc ,T ) kˆc · Δkˆc Θ(kˆc ,T ) Δkˆc →0
εΘ,kˆc : = lim
= −kˆc · d kc εkˆc ,kc = kˆc gc εkˆc ,gc = − kˆc
3.1 Der Wert des Wartens
21
zunächst5
εPV,kc = −kc · d εPV,gc = gc · d . Bei konstanter Investitionsauszahlung gilt für p ∈ {kc ,gc }
εNPV, p = εPV, p ·
PV . NPV
Für ein Projekt, das wegen PV 0 ≥ S ∗ nicht aufgeschoben werden sollte, gilt zum Einen I I = ρ −1 ≤ ∗ NPV 0 S − I und zum Anderen – da der Kapitalwert bei konstanter Anschaffungsauszahlung relativ schneller wächst als der Barwert – S∗ PV 0 = ρ. ≤ ∗ NPV 0 S − I Die Elastizitäten für ein solches Projekt lassen sich daher wie folgt eingrenzen: −(ρ − 1) ≤ εNPV,I < 0 0 < εNPV,gc ≤ gc · ρ · d −kc · ρ · d ≤ εNPV,kc < 0.
(3.14)
Dabei gilt aufgrund des Basiseffektes: Je länger der optimale Investitionszeitpunkt bereits überschritten ist, desto kleiner sind – absolut betrachtet – die Elastizitäten. Falls der optimale Investitionszeitpunkt noch nicht erreicht ist, erhält man unter Berücksichtigung des Umhüllungssatzes, demzufolge der mittelbare Einfluss von Parameteränderungen vernachlässigbar ist, weil marginale Änderungen des optimierten Schwellenwertes keine Änderungen der Zielfunktion auslösen6 für V0 = θ (kc ,t S ∗ ) · NPV(t S ∗ ) die Elastizitäten
εV ,I = −(ρ − 1) εV ,gc = gc · ρ · d εV ,kc = −kc · (ρ · d + t S ∗ ). Der Wert noch nicht reifer Investitionsgelegenheiten reagiert demnach um so sensitiver auf Änderungen des Kapitalkostensatzes, je weiter der optimale Investitionszeitpunkt in der Ferne liegt. 5
Im Allgemeinen gilt für z = f (y) und y = g(x) x y x εz,x = f (y) · g (x) · = f (y) · · g (x) · = εz,y · ε y,x . z z y
6
Vgl. Mas-Colell, Whinston & Green (1995, S. 964 f.).
22
3 Investitionsrechnung bei zeitlicher Flexibilität
3.2 Der Wert des Wartens bei drohender Konkurrenz Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass im Grenzfall unendlich lange laufender Projekte, die mit konstanter Rate g < k wachsende Zahlungen abwerfen, abweichend vom Kapitalwertkriterium, das die Verwirklichung des Projektes an die Bedingung z i+1 >I k −g knüpft, tatsächlich erst in dem Zeitpunkt i investiert wird, in dem erstmals die Bedingung z i+1 > k · I erfüllt ist, d.h. wenn erstmals die im Falle eines weiteren Aufschubs entgehende Nettoeinzahlung der Folgeperiode größer ist als die Kapitalkosten oder anders gesagt, wenn der (Residual-)Gewinn für die unmittelbar auf den Entscheidungszeitpunkt folgenden Abrechnungszeitraum erstmals positiv wird. Wer nicht genau aufgepasst hat, dem stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum das Kapitalwertkriterium Anlaufverluste toleriert, wenn das Erreichen der Gewinnzone mit Sicherheit absehbar ist, und keine Gefahr besteht, dass einem ein Konkurrent zuvorkommt. Die Antwort ist ganz einfach: Das Kapitalwertkriterium ignoriert die Warteoption; es unterstellt implizit, dass es nur eine Alternative zur Verwirklichung des Projektes gibt, nämlich dieses endgültig zu unterlassen. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie sich die Möglichkeit des Konkurrenzeintritts auf den Kalkül auswirkt. Dazu gehen wir von einem Duopol mit zwei vollkommen identischen Anbietern aus. Wenn man zunächst einmal ausschließt, dass beide gleichzeitig investieren, dann gibt es einen Vorreiter und einen Nachzügler. Der Nachzügler hat keine Konkurrenz mehr zu befürchten und befindet sich daher in der im vorigen Abschnitt analysierten Entscheidungssituation. Nicht so der Vorreiter; dieser kann nur dann von der abwartenden Haltung des Nachzüglers profitieren, wenn er bereits vor Erreichen der Gewinnschwelle investiert. Dies soll im Folgenden gezeigt werden. Sei z D (t) ≡ z(t) die mit der bislang betrachteten Zahlungsfunktion identische Zahlungsfunktion im Duopol und z M (t) > z D (t) die im Intervall [0,t S ∗ ] definierte Zahlungsfunktion im Monopol und somit die Zahlungsfunktion des Vorreiters, dann würde dieser bei sofortiger Realisation des Projektes einen Kapitalwert in Höhe von NPV 0V : =
t ∗ S 0
z M (t) · θ (kc ,t) ds +
∞ tS∗
z D (t) · θ (kc ,t) dt − I
erzielen. In Verbindung mit dem nach Maßgabe von g(t) : =
θ (kc ,t) Θ(kc ,t S ∗ )
gewichteten Durchschnitt der Zahlungen pro Periode über die Lebensdauer des Monopols
3.2 Der Wert des Wartens bei drohender Konkurrenz t ∗
z¯ M : =
S
0
z M (t) · g(t) dt
23
(3.15)
und unter Berücksichtigung der Zerlegung I = θ (kc ,t S ∗ ) · I +
1 − θ (kc ,t S ∗ ) · kc · I = θ (kc ,t S ∗ ) · I + Θ(kc ,t S ∗ ) · kc · I kc
lässt sich dieser Kapitalwert wie folgt darstellen: NPV 0V
∞
= z¯ − kc · I · Θ(kc ,t ) + θ (kc ,t ) · z D (t) · θc (t − t ) dt − I tS∗ M
= z¯ − kc · I · Θ(kc ,t S ∗ ) + θ (kc ,t S ∗ ) · NPV N (t S ∗ )
= z¯ M − kc · I · Θ(kc ,t S ∗ ) + V0N . (3.16) M
S∗
S∗
S∗
Sofern garantiert ist, dass man dem Konkurrenten zuvor kommt, lohnt es sich demnach genau dann, den Vorreiter zu spielen, wenn die Bedingungen PV 0D < S ∗ und z¯ M > kc · I
(3.17)
erfüllt sind. Es zeigt sich, dass es sich durchaus rechnen kann, Anfangsverluste in Kauf zu nehmen, falls diese dank wachsender Zahlungsüberschüsse durch spätere noch vor dem Markteintritt des Konkurrenten erzielbare Gewinne mehr als wettgemacht werden. Diese Anfangsverluste lassen sich nicht vermeiden, falls sich der Konkurrent in exakt der gleichen durch NPV 0N < V0N < NPV 0V gekennzeichneten Entscheidungssituation befindet, und sich somit der Tatsache bewusst ist, dass es für ihn ebenfalls von Vorteil wäre, als Erster am Markt zu sein. Leider kann in dieser vollkommen symmetrischen Entscheidungssituation keine befriedigende Handlungsempfehlung gegeben werden.7
7
In diesem Fall besitzt das Spiel keine (spielbedingte) Lösung, vgl. hierzu Bamberg, Coenenberg & Krapp (2008, Kapitel 7, insb. 7.4) oder Neus (2007, Kapitel 11).
4 Berührungspunkte mit anderen Teildisziplinen der BWL
Bislang wurde implizit unterstellt, dass Investitionsprojekte vom Entscheider selbst finanziert werden und im Falle ihrer Verwirklichung zu dessen Privatvermögen gehören. Damit wird eine ganze Reihe von Problemen ausgeklammert. Investitionsrechnung und Gewinn-Steuern Gehören die Investitionsprojekte zum Privatvermögen, dann sind Gewinn-Steuern nicht entscheidungsrelevant, falls der Steuertarif linear ist oder die Progressionsstufe unabhängig von der Verwirklichung oder Nichtverwirklichung der Investitionsgelegenheit stets die Gleiche ist. Das liegt daran, dass die steuerlichen Einkünfte aus dem Privatvermögen mit Hilfe einer Einnahmenüberschussrechnung (Cash Accounting) ermittelt werden. In diesem Fall sind die Zahlungen selbst Bemessungsgrundlage für die abzuführenden Steuern. Uneingeschränkte Abzugsmöglichkeiten für Auszahlungen vorausgesetzt1 ist die Nach-Steuer-Zahlungsreihe einer Investitionsgelegenheit in diesem Fall eine lineare Transformation der Vor-Steuer-Zahlungsreihe. Sei t der konstante Steuersatz, dann gilt unter den getroffenen Annahmen aufgrund der Linearität des Kapitalwertes
N N = (1 − t) · NPV 0 (z i )i=0 . NPV 0 ((1 − t) · z i )i=0 Damit ist gewährleistet, dass unabhängig davon, ob Steuern berücksichtigt werden oder nicht, stets die gleichen Entscheidungen getroffen werden (Entscheidungsneutralität).2 1
2
Es hat sich auch im Deutschen eingebürgert, von Cash Flows statt von Zahlungen zu reden. Die oben skizzierte Steuer wird daher als Cash-Flow-Steuer bezeichnet, weil sie den Cash Flow als Bemessungsgrundlage verwendet. Dabei wird hier davon ausgegangen, dass die Besteuerung keinen Einfluss auf die Kapitalkostensätze hat. Das ist zumindest so lange nicht unplausibel, so lange man Kapitalkosten als vollkommen subjektiv auffasst. Problematisch wird diese Annahme allerdings dann, wenn man Kapitalkosten als Opportunitätskosten begreift, vgl. hierzu die Unterabschnitte 7.2.4 und 7.2.6. In diesem Fall kann die Einführung einer Steuer zu einer Erhöhung des
26
4 Berührungspunkte mit anderen Teildisziplinen der BWL
Grundsätzlich anders verhält es sich, wenn ein Investitionsprojekt im Rahmen eines Unternehmens mit eigener Rechtspersönlichkeit durchgeführt werden soll. Dann sind die Einkünfte für Zwecke der Einkommensbesteuerung mittels Vermögensvergleich zu ermitteln. Das bedeutet, dass nicht mehr Zahlungen sondern Gewinne Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer sind, und hat zur Folge, dass man auch in der Investitionsrechnung gezwungenermaßen nicht mehr um die Bilanz als Instrument zur Durchführung eines Reinvermögensvergleiches herum kommt, weil ohne diese die zu bewertenden Nettozahlungssalden nach Steuern gar nicht prognostiziert werden können.
Investitionsrechnung auf der Grundlage von Daten der externen Rechnungslegung Externe Analysten aber auch kleine Unternehmen rechnen gezwungenermaßen bzw. aus Vereinfachungsgründen auf der Grundlage von Zahlen aus dem externen Rechnungswesen. Statt zukünftiger Nettozahlungen werden dann zukünftige Gewinne bewertet.3 Diese Vorgehensweise ist allerdings nur dann entscheidungsneutral, wenn die Periodenabgrenzung von Zahlungen (Accrual Accounting4) unter Ansatz von Kapitalkosten nach Maßgabe der jeweils relevanten Kapitalkostensätze erfolgt. Das folgt bereits daraus, dass die Kapitalkostensätze qua Definition die für die Entscheidungsneutralität erforderliche Indifferenz des Entscheiders gegenüber der zeitlichen Verlagerung von Zahlungen gewährleisten.5 So kompensiert man z.B. den positiven Effekt, den der Umstand, dass die Anschaffungsauszahlung im Rahmen einer Reinvermögensrechnung nicht als Einmalzahlung zu Beginn sondern in Form von Abschreibungen erst nach und nach über die gesamte Lebensdauer verteilt berücksichtigt wird, auf den Kapitalwert ausübt, indem man Kapitalkosten auf den jeweils zu Beginn einer Periode noch nicht berücksichtigten, also noch nicht abgeschriebenen Betrag – das ist der jeweilige Restbuchwert – ansetzt.6
3 4
5 6
Kapitalwertes führen, weil diese nicht nur die Zahlungen sondern auch die Kapitalkosten senkt. Dieser Effekt wird zuweilen als Steuerparadoxon bezeichnet. Vgl. z.B. Berk & DeMarzo (2007, Kapitel 7.1). Accruals sind die Periodenabgrenzungen, wie etwa die Verteilung aktivierter Anschaffungsauszahlungen für Investitionsgüter in Form von Abschreibungen über die Nutzungsdauer oder die Erfassung von Rückstellungen. Vgl. hierzu Kapitel 1. Vgl. Lücke (1955), der dem in diesem Zusammenhang in der deutschsprachigen Literatur verwendeten Begriff Lücke-Theorem den Namen gab, sowie Kloock (1981). Der resultierende spezielle Residual-Gewinn wird auch als Economic Value Added bezeichnet. Obwohl bereits vor mehr als hundert Jahren von Alfred Marshall unter der Bezeichnung ökonomischer Gewinn in die Diskussion eingebracht, ist es der amerikanischen Unternehmensberatungsgesellschaft Stern Stewart & Co gelungen, das Akronym EVA schützen zu lassen, vgl. hierzu Berk & DeMarzo (2007, S. 156-160).
4 Berührungspunkte mit anderen Teildisziplinen der BWL
27
Investitionsrechnung und Unternehmenssteuerung Wenn die Geldgeber nicht selbst über die Durchführung von Investitionsprojekten entscheiden, kann es – zum Beispiel dann, wenn die Entlohnung der Manager vom Periodenerfolg abhängt – problematisch werden, dass die Planungshorizonte von Managern und Eignern voneinander abweichen. Um dem entgegenzutreten wurde vorgeschlagen, die Abschreibungen so anzusetzen, dass der resultierende Residualgewinn in jeder Periode positiv ist.7 Aus der Definition des Kapitalwertes und der Kapitalkostensätze folgt unmittelbar, dass das genau dann möglich sein muss, wenn der Kapitalwert positiv ist, weil man Zahlungen beliebig hin und her schieben kann, solange man Kapitalkosten nach Maßgabe der Kapitalkostensätze, die der Berechnung des Kapitalwertes zu Grunde liegen, berücksichtigt. Es muss daher stets wenigstens eine Möglichkeit geben, die Zahlungen so zu verlagern, dass der entsprechende Residualgewinn in jeder Periode positiv ist, falls der Kapitalwert der ursprünglichen Zahlungsreihe positiv ist. Beispiel 4.1 (Verteilung des Kapitaldienstes nach dem Tragfähigkeitsprinzip). Empfohlen wird eine Verteilung der Summe aus Kapitalkosten und Abschreibungen (Kapitaldienst) nach dem Tragfähigkeitsprinzip. Bei für alle n = 1,..., N konstanten Zahlungen z n = z impliziert das Tragfähigkeitsprinzip, dass die Anschaffungsauszahlung I entsprechend8 a := Q(k, N)−1 · I gleichmäßig über die Projektlaufzeit verteilt wird.9 Sei e := z − a
(4.1)
der so errechnete nachhaltig erzielbare Residualgewinn (e steht für earnings, a für amortization), dann gilt PV 0 −I = Q(k, N) · z − I = Q(k, N) · e. Demnach ist der nach dem Tragfähigkeitsprinzip ermittelte nachhaltig erzielbare Residualgewinn (4.1) genau dann in jeder Periode positiv, wenn der Kapitalwert des Projektes positiv ist.
7
8 9
Die Bedeutung dieses Vorschlages sollte allerdings nicht überschätzt werden, da er sichere zukünftige Zahlungen voraussetzt. Einen Überblick über die Bedeutung von Residualgewinnen zur Lösung von Anreizproblemen verschaffen Pfaff & Stefani (2003). Der Einfachheit halber wird angenommen, dass der Kapitalkostensatz k konstant ist. Man beachte, dass Abschreibungen, wie aus lim a = k · I
N →∞
ersichtlich, bei unbegrenzter Nutzungsdauer keine Rolle mehr spielen.
5 Teil I in Kürze
Kapitalkosten lassen sich mit der Zeitpräferenz von Investoren erklären. Der Kapitalkostensatz ki,i+1 für die Periode [i,i + 1] entspricht der für diesen Zeitraum vom Investor geforderten Rendite auf den Wert der im Zeitpunkt i noch ausstehenden Zahlungen. Die Finanzmathematik rechnet aus rechentechnischen Gründen mit konstanten Kapitalkostensätzen. Der Kapitalwert (Net Present Value) eines Investitionsprojektes entspricht dem Barwert (Present Value), das ist die Summe der bewerteten zukünftigen Zahlungen eines Projektes, abzüglich der Anschaffungsauszahlung. Die zukünftigen Zahlungen werden meistens auf drei bis fünf Jahre detailliert geplant. Für den Zeitraum danach kann man Zahlungsverläufe mit finanzmathematisch günstigen Eigenschaften unterstellen, um die Berechnung zu vereinfachen. Das Kapitalwertkriterium knüpft die Verwirklichung eines Investitionsprojektes an die Bedingung, dass der Kapitalwert des Projektes positiv ist. Das Kapitalwertkriterium kennt nur eine Alternative, nämlich die endgültige Unterlassung des in Rede stehenden Projektes. Gegenstand von Entscheidungsrechnungen sind Investitionsgelegenheiten. Diese bestehen aus einer Reihe von Alternativen. Bestehen die Alternativen darin, das in Rede stehende Projekt irgendwann in der Zukunft zu realisieren, ist zu prüfen, ob der Wert des Wartens positiv ist. Der Wert des Wartens ist das Ergebnis eines Abwägens von ersparten Kapitalkosten und eventuellen Nachteilen des Hinausschiebens der Entscheidung. Zu den möglichen Nachteilen gehört, dass einem womöglich die Konkurrenz zuvorkommt. Der Wert einer Investitionsgelegenheit, mit deren Verwirklichung man besser noch wartet, reagiert empfindlicher auf eine Veränderung des Kapitalkostensatzes als der Kapitalwert des Projektes, um das es geht. Das gilt umso mehr, je weiter der optimale Investitionszeitpunkt in der Ferne liegt. Die Berücksichtigung von Gewinn-Steuern macht eine Abkehr von der rein zahlungsorientierten Betrachtungsweise der Investitionsrechnung erforderlich.
30
5 Teil I in Kürze
Eine Investitionsrechnung, die sich auf Daten des externen Rechnungswesens stützt, muss die Kapitalkosten sämtlicher Verschiebungen zwischen Erträgen und Einzahlungen auf der einen Seite sowie Aufwendungen und Auszahlungen auf der anderen Seite berücksichtigen. Eine angemessene Berücksichtigung von Kapitalkosten ist auch dann die Lösung des Problems, wenn Gewinne, die als Bemessungsgrundlage für die Entlohnung dienen, unter Anreizgesichtspunkten verlagert werden sollen.
Teil II
Grundzüge der kapitalmarktorientierten Bewertung
6 Der Marktwert bei Sicherheit
6.1 Zur Bedeutung des Kapitalmarktes für die Bewertung zukünftiger Zahlungen Der Bewertung nach Maßgabe von subjektiven Zeitpräferenzraten haftet ein hohes Maß an Willkür an. Auf der Grundlage subjektiver Zeitpräferenzraten ermittelte Werte eignen sich daher grundsätzlich nicht als Bemessungsgrundlage für Zahlungen, die gewissen Anforderungen an die Objektivierbarkeit unterliegen, wie z.B. Steuern oder Ausschüttungen. Außerdem kann eine solche Bewertung unlösbare Probleme aufwerfen, falls Entscheidungen über Investitionsprojekte von Managern gefällt werden, die für mehrere Geldgeber mit voneinander abweichenden Zeitpräferenzen arbeiten, was offensichtlich der Regelfall ist.1 Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die oben skizzierten Probleme im Idealfall vollkommen ausgeräumt werden können, falls ein weit entwickelter Kapitalmarkt existiert. Auf Kapitalmärkten werden Zahlungsversprechen gehandelt, was insbesondere bei Versprechen, die mit Sicherheit eingelöst werden, dem Handel mit zukünftigen Zahlungen gleichkommt. Im Idealfall ist es möglich, zukünftige Zahlungen im Entscheidungszeitpunkt vorab zu eindeutig bestimmbaren Preisen zu verkaufen. Legt man bei der Berechnung eines Barwertes diese Preise an Stelle der subjektiven Bewertungsfaktoren zu Grunde, dann wird der Barwert nicht nur objektiv messbar, vielmehr entspricht der nunmehr als Marktwert bezeichnete Barwert einem tatsächlich realisierbaren Geldbetrag, der dann in eine der Zeit- bzw. Konsumpräferenz des Entscheiders entsprechende Zahlungscharakteristik transformiert werden kann. Dieser Transformationsleistung des Kapitalmarktes ist auch zu verdanken, dass ein höherer Marktwert mehr Konsum garantiert und zwar unabhängig davon, wie der Konsum über die Zeit verteilt werden soll. Anders gesagt: Der Marktwert wird zum einmütig akzeptierten Entscheidungskriterium. Voraussetzung ist, dass der Entscheider unge1
Hinzu kommt, dass sich die tatsächlichen Präferenzen eines potenziellen Investors unter Umständen nicht durch eine lineare Bewertungsfunktion abbilden lassen.
34
6 Der Marktwert bei Sicherheit
hinderten Zugang zu einem reibungslos funktionierenden Kapitalmarkt hat, der die eben beschriebene Transformationsleistung perfekt erfüllt. Ziel dieses Kapitels ist es, die eben skizzierten Zusammenhänge aufzuzeigen.
6.2 Annahmen über die Marktverhältnisse
Zeitpunkt der Betrachtung ist t0 . Gehandelt wird eine Menge M := {1,..., M} von verbrieften Zahlungsversprechen. Ein Zahlungsversprechen m begründet Ansprüche auf Zahlungen z nm in den Zeitpunkten tn , n = 1,..., N m , die mit Sicherheit eingelöst werden. N m ist demnach die in der Anzahl von Teilperioden gemessene (ursprüngliche) Laufzeit des Zahlungsversprechens m, und N := max N m ist das Laufzeitmaxim∈M mum. Es werden wenigstens so viele Zahlungsversprechen gehandelt, wie es zukünftige Zahlungszeitpunkte gibt, d.h. in mathematischer Sprache M ≥ N. Die Zahlungscharakteristik zm eines Zahlungsversprechens m erfasst sämtliche N . Da nach der Endfälligkeit N m keine Zahlungen zukünftigen Zahlungen (z im )i=1 m mehr anfallen, gilt z n = 0 für n > N m . pm ist der Marktpreis des Zahlungsversprechens m. Die Zahlungscharakteristika aller am Markt gehandelten Titel werden in der (N × M)-Matrix ⎞ ⎛ 1 2 z 1 z 1 ... z 1M ⎜ z 1 z 2 ... z M ⎟ 2 ⎟ ⎜ 2 2 N,M Z := (z ij )i=1, = ⎜ .. .. . . .. ⎟ j =1 ⎝ . . . . ⎠ z 1N z 2N ... z NM
zusammengefasst. Die Preise dieser Finanztitel werden zum (M × 1)-Spaltenvektor ⎛ 1⎞ p ⎜ .. ⎟ i M p := ( p )i=1 = ⎝ . ⎠ pM zusammengefasst.
Nachdem nunmehr die am Markt gehandelten Titel beschrieben sind, geht es im Folgenden um die Bedingungen für den Handel mit diesen Titeln. Vollkommene Märkte Definition 6.1 (Vollkommenheit). Ein Kapitalmarkt wird als vollkommen bezeichnet, wenn der Preis, zu dem eine Zahlungscharakteristik zu einem bestimmten Zeitpunkt gehandelt wird, für jeden Marktteilnehmer, unabhängig davon, ob er als Käufer oder Verkäufer auftritt, gleich und gegeben ist.
6.2 Annahmen über die Marktverhältnisse
35
Das erfordert insbesondere, dass
kein Marktteilnehmer in der Lage ist oder befürchten muss, Druck auf den Preis auszuüben (atomistischer Markt) weder Transaktionskosten noch Steuern existieren Wertpapiere in jeder beliebigen Stückzahl, also auch in Bruchteilen, ge- und verkauft werden können, und zwar insbesondere auch dann, wenn sie nicht aus dem Eigentum des Verkäufers stammen (Leerverkauf )
Da man auch an einer Börse nur verkaufen kann, was man besitzt, muss sich derjenige, der leer verkauft (oder anders gesagt: short geht) zunächst die entsprechende Anzahl von Stücken leihen. Die Wertpapierleihe unterliegt bestimmten Usancen. Dazu gehört, dass der Leerverkäufer dem Leihgeber alle Zahlungen ersetzt, die während der Leihphase zugunsten des Wertpapiers ausgezahlt werden. Nach Ablauf der Leihfrist muss der Leerverkäufer die Wertpapiere an der Börse zurück erwerben und dem Leihgeber zurückgeben. Darüber hinaus fällt in der Regel eine Leihgebühr an. Da es sich hierbei um Transaktionskosten handelt, bleibt diese Leihgebühr unberücksichtigt, wenn von der Annahme eines vollkommenen Marktes ausgegangen wird. Unter dieser Annahme bedeutet ein Leerverkauf mathematisch betrachtet, dass sich die Vorzeichen einer Zahlungsreihe gegenüber dem entsprechenden Kaufgeschäft umkehren, so dass man einen Leerverkauf durch den Kauf einer absolut identischen negativen Stückzahl abbilden kann. Nachdem nunmehr auch die Bedingungen für den Handel mit Titeln beschrieben sind, geht es im Folgenden um die Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarktes. Werden, wie oben angenommen, nur sichere Zahlungsversprechen gehandelt, dann beschränkt sich die Funktion des Kapitalmarktes auf die Möglichkeit, Zahlungen von einem Zeitpunkt in einen oder mehrere andere Zeitpunkte zu verlagern (Allokationsfunktion). Ein wie folgt definierter vollständiger Markt lässt diesbezüglich keine Wünsche offen und funktioniert somit perfekt.2 Vollständige Finanzmärkte Definition 6.2 (Vollständigkeit). Ein Finanzmarkt ist vollständig, wenn jede beliebige Zahlungscharakteristik mit Hilfe von am Markt gehandelten Wertpapieren nachgebildet (repliziert) werden kann. In mathematischer Sprache lässt sich das wie folgt formulieren: Ein Finanzmarkt ist vollständig, wenn für jeden beliebigen Vektor z ∈ N – z repräsentiert die zu replizierende Zahlungscharakteristik – ein Portfolio, das ist ein Spaltenvektor xz ∈ M existiert, dessen Elemente den Anzahlen entsprechen, mit denen die Portfolio-Wertpapiere im Portfolio vertreten sind, so dass die Zahlungen Zxz , die dieses Portfolio generiert, mit denjenigen der zu replizierenden Zahlungscharakteristik übereinstimmen. Kurz gesagt: Das Gleichungssystem
z = Zxz muss eine Lösung besitzen. 2
Man könnte auch sagen, das ein vollkommener und vollständiger Kapitalmarkt die Losgrößen- und die Fristentransformationsfunktion perfekt erfüllt.
36
6 Der Marktwert bei Sicherheit
Unter den eingangs beschriebenen Marktverhältnissen ist ein Finanzmarkt genau dann vollständig, wenn es eben so viele Wertpapiere mit linear voneinander unabhängigen Zahlungscharakteristika wie zukünftige Zahlungszeitpunkte gibt. Definition 6.3 (Basis des Marktes). Die Elemente der Menge B := {m 1 ,...,m N } ⊆ M von Indizes von Wertpapieren, deren Zahlungscharakteristika linear unabhängig voneinander sind, werden Basiswertpapiere genannt. Die in der Matrix m
N,N B := (z i j )i=1, j =1
zusammengefassten Zahlungscharakteristika von Basiswertpapieren werden eine Basis des Finanzmarktes genannt. Die Preise der entsprechenden Finanztitel werden zum Vektor N pB := ( pm i )i=1
zusammengefasst. Im Folgenden geht es darum, die Implikationen vollkommener und eventuell auch vollständiger Märkte für die Bewertung zukünftiger Zahlungen aufzuzeigen.
6.3 Die Bestimmung der Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten Beispielhaft betrachten wir den Spezialfall eines vollkommenen und vollständigen Marktes mit einer Basis, die sich ausschließlich aus einer bestimmten Gattung von Wertpapieren zusammensetzt, nämlich sogenannten Nullkuponanleihen (Zerobonds). Namensstifter für diese Gattung sind die Kuponanleihen. Für diese gilt die Definition 6.4 (Kuponanleihe). Kuponanleihen sind mit Zinsscheinen (Kupons) ausgestattet, die bei Fälligkeit der Zinszahlung beim Emittenten eingereicht werden müssen. Zur Endfälligkeit wird zusätzlich zu der Zinszahlung der Nennwert (Nominalwert) ausbezahlt. Für die Nullkuponanleihe gilt die Definition 6.5 (Nullkuponanleihe (Zerobond)). Eine Nullkuponanleihe besitzt keine laufenden Zinszahlungen. Die Zahlungscharakteristik besteht nur aus einer einzigen Zahlung: Bei Fälligkeit zahlt der Emittent den Nennwert des Zerobond. Im Folgenden ist grundsätzlich von einem Nennwert in Höhe von 1 auszugehen. Gibt es zu jedem zukünftigen Zahlungszeitpunkt einen Zerobond mit entsprechender Fälligkeit, dann ist es möglich, eine Basis zu bilden, die ausschließlich aus Zerobonds besteht. In diesem Fall kann man jede beliebige Zahlungscharakteristik mit Hilfe eines Bündels (Portfolios) von Zerobonds nachbilden (replizieren). Da ein Zerobond mit Fälligkeit n im Zeitpunkt n annahmegemäß genau eine Geldeinheit zahlt N und sonst nichts, muss man für die Nachbildung einer Zahlungscharakteristik (z i )i=1
6.3 Die Bestimmung der Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten
37
lediglich für alle zukünftigen Zeitpunkte n die Anzahl x n = z n von Zerobonds mit Fälligkeit n erwerben. Sei P(0,n) der Marktpreis eines Zerobonds mit Fälligkeit n N im Zeitpunkt 0 dann gilt: Wer mehr als ∑i=1 z i · P(0,i ) für die Zahlungscharakteristik N (z i )i=1 zahlt oder weniger dafür fordert handelt nicht rational. Falls die Zahlungscharakteristik nicht durch ein am Markt gehandeltes Wertpapier verbrieft ist, ist es N z i · P(0,i ) zu kaufen, weil der Erwerb nicht rational, diese zu einem Preis pz > ∑i=1 des oben beschriebenen Bündels eine dominante Alternative ist: Das Portfolio liefert in jedem zukünftigen Zeitpunkt gleich hohe Zahlungen, kostet aber weniger. Ebenso N z i · P(0,i ) ist es nicht rational, die Zahlungscharakteristik zu einem Preis pz < ∑i=1 zu verkaufen. Zumindest nicht, wenn – wie angenommen – sämtliche Wertpapiere leer verkauft werden könnnen. Denn dann ist der Leerverkauf des Bündels eine dominante Alternative: Der Leerverkauf zehrt die von der Zahlungscharakteristik z zukünftig gelieferten Zahlungen auf, lässt sich aber zu einem höheren Preis veräußern als pz . Wird das betrachtete Zahlungsversprechen selbst auf einem vollkommenen Markt gehandelt, dann bieten selbst kleinste Differenzen zwischen dem Preis des Zahlungsversprechens und dem Preis des Replikationsportfolios dank annahmegemäß unbeschränkter Volumina und kostenloser Abwicklung von Transaktionen die Gelegenheit, durch den gleichzeitigen Abschluss von Geschäft und Gegengeschäft (Arbitrage3 ) auf einen Schlag unendlich reich zu werden. Eine solche Preisdifferenz ist daher nicht mit der Annahme eines Gleichgewichtes auf einem vollkommenen Kapitalmarkt vereinbar (Law of one Price). Marktpreise P(0,n) von Zerobonds mit Fälligkeit n sind offenbar von besonderer Bedeutung für die Bewertung beliebiger Zahlungsversprechen. Das liegt daran, dass es sich bei P(0,n) um den im Zeitpunkt t0 = 0 gültigen unmittelbar beobachtbaren Marktpreis für eine im Zeitpunkt n fällige Geldeinheit4 handelt. Die soeben angestellte Überlegung lässt sich leicht verallgemeinern und gewinnt dadurch natürlich schnell an Relevanz: Ist der Markt vollständig, dann ist es möglich, für jeden zukünftigen Zahlungszeitpunkt ein Portfolio aus Basiswertpapieren zu bilden, dessen zukünftige Zahlungskonsequenzen sich darin erschöpfen, dass es exakt in diesem Zeitpunkt genau eine Geldeinheit auszahlt. Ein solches Portfolio lässt sich demnach als synthetischer Zerobond mit Preis Ps (0,n) für eine im im Zeitpunkt n anfallende Geldeinheit begreifen. Die Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten entsprechen in diesem Fall den Marktpreisen synthetischer Zerobonds Ps (0,n). Diese Vorüberlegungen sollen im Folgenden auf eine tragfähige Grundlage gestellt werden. Grundlage des oben skizzierten Bewertungskonzeptes ist die im Folgenden als Abwesenheit von Arbitragegelegenheiten definierte Arbitragefreiheit des Marktes. Ein Portfolio x wird Arbitragegelegenheit genannt, falls 3
4
Zuweilen wird zwischen Differenz-Arbitrage und Ausgleichs-Arbitrage unterschieden. Während Differenz-Arbitrage mittels gleichzeitigem Abschluss von Geschäft- und Gegengeschäft betrieben wird, ist von Ausgleichs-Arbitrage bereits dann die Rede, wenn zum niedrigeren Preis gekauft bzw. nachgefragt und zum höheren Preis verkauft bzw. angeboten wird. Zur Erinnerung: Der Nennwert ist generell gleich 1.
38
6 Der Marktwert bei Sicherheit
im Zeitpunkt des Erwerbs keine Zahlungen ausgelöst werden und in der Zukunft nur nichtnegative Zahlungen anfallen, darunter mindestens eine echt positive Zahlung im Zeitpunkt des Erwerbs eine echt positive Zahlung (Einzahlung) erfolgt und in der Zukunft nur nichtnegative Zahlungen anfallen.
In Verbindung mit der Definition 6.6 (Vektorordnung). Seien x und y zwei Spaltenvektoren mit jeweils N Elementen, dann gilt: x=y ⇔ x≥y ⇔ x>y ⇔ x y ⇔
x n = yn für alle n = 1,..., N x n ≥ yn für alle n = 1,..., N x ≥ y und x = y x n > yn für alle n = 1,..., N
kann man diese Bedingungen wie folgt formulieren Definition 6.7 (Arbitragefreiheit). Sei x ein (M × 1) Spaltenvektor von Stückzahlen der beliebig teilbaren Finanztitel m = 1,..., M, dann ist ein Markt arbitragefrei, falls −p M : x > 0. (6.1) x ∈ Z
Notwendige und hinreichende Bedingung für Arbitragefreiheit in diesem Sinne ist die Existenz von Vektoren π 0, für die p = π Z
(6.2)
gilt.5 In Worten heißt das, dass es einen entsprechend dimensionierten Satz strikt positiver Preise zukünftiger Geldeinheiten gibt, die es gestatten, die Preise sämtlicher am Markt gehandelter Titel zu reproduzieren, indem man sie als Bündel entsprechend gepreister zukünftiger Geldeinheiten auffasst. Wegen B ⊆ M impliziert (6.2) pB = π B. Handelt es sich bei den Basiswertpapieren ausnahmslos um Zerobonds und ist E N eine N × N Einheitsmatrix, dann ist die Basis B = E N neutrales Element der MatrixMultiplikation und es gilt N π = pB = (P(0,i ))i=1 .
Nur unwesentlich mehr Mühe macht die Berechnung der Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten, wenn sämtliche Basiswertpapiere unterschiedliche Fälligkeiten aufweisen. Ordnet man die Basiswertpapiere entsprechend ihrer Restlaufzeit aufsteigend an, so dass das mit m j indizierte Basiswertpapier die Restlaufzeit j besitzt, 5
Vgl. Bazaraa, Sherali & Shetty (1993) zum Beweis dieses als Minkowski-Farkas-Lemma bezeichneten Satzes.
6.3 Die Bestimmung der Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten
39
dann nimmt die Basis B die Gestalt einer oberen Dreiecks-Matrix an, so dass sich die Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten wegen j
p m j = ∑ π0,i · z i j = m
i=1
j −1
∑ π0,i · z i
mj
mj
+ π0, j · z j
i=1
einer nach dem anderen in aufsteigender Reihenfolge j = 1,..., N gemäß j −1 π0,i · z i pm j − ∑i=1
mj
π0, j =
(6.3)
mj
zj
berechnen lassen (Bootstrapping). Gleichung (6.3) besitzt eine unmittelbar einleuchtende Interpretation: Um eine in j anfallende Zahlung in t0 marktgerecht bewerten zu können, ist der Preis zu ermitteln, den man in t0 für eine in j zahlbare Geldeinheit bezahlen muss. Es ist nahe liegend, sich dabei am Preis pm j des Basiswertpapiers m j zu orientieren, da dieses die Restlaufzeit j besitzt. Eine erste Annäherung für den gesuchten Marktpreis könnte darin bestehen, den Preis des Basiswertpapieres durch die Anzahl von Geldeinheiten zu dividieren, die dieses im relevanten Zeitpunkt j liefert, das führt auf π0, j ≈
pm j mj
zj
. m
Würde man mit dem Basiswertpapier einzig und allein die Zahlung z j j kaufen, dann wäre diese Approximation exakt. Sofern man jedoch gleichzeitig mit dieser Zahlung m j −1 noch andere Zahlungen (z i j )i=1 erwirbt, wird π0, j auf diese Weise systematisch überschätzt. Dieser Fehler lässt sich jedoch leicht bereinigen, da man die Marktpreise für Geldeinheiten in den Zeitpunkten i = 1,..., j − 1 bereits kennt und daher den m m j −1 π0,i · z i j berechnen kann, den man für die Zahlung z j j beNettopreis pm j − ∑i=1 zahlt hat. Ohne einschränkende Annahmen bezüglich der Zahlungscharakteristika der Basiswertpapiere sind die Diskontfaktoren durch π = pB B−1
(6.4)
eindeutig bestimmt, da die Zahlungscharakteristika einer Basis B definitionsgemäß linear unabhängig sind und somit die eindeutig bestimmte Inverse B−1 existiert. Aus BB−1 = E N folgt, dass man die j -te Spalte der Matrix B−1 , die wir mit B−1 ( j ) bezeichnen, als Konstruktionsvorschrift für einen synthetischen Zerobond mit Fälligkeit j interpretieren kann. Der im Zeitpunkt 0 herrschende Preis eines synthetischen Zerobonds mit Fälligkeit j ist demnach durch Ps (0, j ) = pB B−1 ( j)
(6.5)
40
6 Der Marktwert bei Sicherheit
bestimmt, und es gilt N π = (Ps (0,i ))i=1 ,
wobei es natürlich nur dann notwendig ist, einen Zerobond mit bestimmter Fälligkeit synthetisch zu erzeugen, wenn ein entsprechender originärer Zerobond nicht am Markt vertreten ist. Beispiel 6.8. Sei t0 = 0 der Zeitpunkt der Betrachtung und t2 = 2 der Planungshorizont. Die beiden Wertpapiere mit den spaltenweise zu
B=
6
1 5 4 5 0 4
zusammengefügten Zahlungscharakteristika bilden eine Basis. Beide Wertpapiere haben einen Nominalwert in Höhe von 1 werden in t0 mit einer Geldeinheit notiert (Pari-Notiz), d.h. 1 B p = . 1 Aus 5
6
1 5 4 5 0 0 4 1 6 1 −6 B = 5 45 4 0 4 5
B
6
=
5
1 0 0 1 −6 0 = 4 1 5 6
=
lässt sich ablesen, dass die erste und zweite Spalte der Matrix 5 1 − B−1 = 6 64 0 5 als Konstruktionsvorschrift für synthetische Zerobonds mit den Fälligkeiten 1 und 2 interpretiert werden können. Als Marktpreise für zukünftige Geldeinheiten in den Zeitpunkten 1 und 2 erhält man die folgenden Marktpreise synthetischer Zerobonds mit den Fälligkeiten 1 und 2 5 π0,1 = Ps (0,1) = pB 6 = 1 · 56 + 1 · 0 = 56 0 1
−6 = 1 · − 16 + 1 · 45 = 19 π0,2 = Ps (0,2) = pB 4 30 . 5
Aufgrund der Dreiecksgestalt der Basis B lassen sich die Diskontfaktoren auch wie folgt ermitteln
6.4 Der Marktwert als objektives Entscheidungskriterium
π0,1 = π0,2 =
1 6 5
41
= 56
1 − 56 · 14 5 4
=
19 24 5 4
= 19 30 .
Ist Kassenhaltung kostenlos möglich, dann ist ein vollkommener und vollständiger Markt nur dann arbitragefrei, wenn sich die Marktpreise wie folgt ordnen lassen 0 < π0,N ≤ π0,N−1 ≤ ... ≤ π0,1 ≤ 1.
(6.6)
Kassenhaltung ermöglicht es, die zukünftigen Zahlungskonsequenzen eines Portfolios bestehend aus dem Kauf eines (synthetischen) Zerobond mit Fälligkeit tn (nachfolgend: Kurzläufer) und eines (synthetischen) Zerobond mit Fälligkeit tn+x , x = 1,..., N − n, (nachfolgend: Langläufer) in 0 zu eliminieren: Man legt die in th anstehende Rückzahlung des Kurzläufers einfach bis zum Zeitpunkt th+x in die Kasse und verwendet sie dann, um der Rückzahlungsverpflichtung aus dem Leerverkauf des Langläufers nachkommen zu können. Da die zukünftigen Nettozahlungen somit stets gleich Null sind, böte ein solches Portfolio unter der Bedingung π0,n+x > π0,n ⇔ Ps (0,n + x) > Ps (0,n) eine Arbitragegelegenheit. Hieraus folgt die Behauptung (6.6) in Verbindung mit der Tatsache, dass die Diskontfaktoren strikt positiv sein müssen. Betrachten wir hierzu ein Beispiel 6.9. Sei B eine Basis des Marktes mit N = 3 und ⎛ ⎞ 0 −1 x = B−1 ⎝ 1 ⎠ = 1 · B−1 (2) − 1 · B(3) −1 die Kombination aus einem synthetischen Zerobond mit Fälligkeit t2 long und einem synthetischen Zerobond mit Fälligkeit t3 short und ⎛ ⎞ 0 z2,3 := ⎝ −1 ⎠ 1 die Zahlungscharakteristik der Kassenhaltung von einer Geldeinheit über den Zeitraum von t2 bis t3 . Dann generiert die Kombination von x mit z2,3 die Zahlungsreihe B B −1 −p B(2) + pB B−1 −p x (3) = −π0,2 + π0,3 = 0 Bx + z2,3 −z2,3 + z2,3 und stellt somit unter der Bedingung π0,3 > π0,2 eine Arbitragegelegenheit dar.
6.4 Der Marktwert als objektives Entscheidungskriterium Nachdem geklärt ist, wie am Markt gehandelte Wertpapiere zu bewerten sind, falls Arbitragegelegenheiten ausgeschlossen sein sollen, stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Marktwertes für die Bewertung von Alternativen l ∈ L , die selbst nicht
42
6 Der Marktwert bei Sicherheit
am Markt gehandelt werden, was man in mathematischer Sprache durch die Formulierung L ∩M = 0/ zum Ausdruck bringen kann. In einer Welt, in der alle Zahlungsversprechen mit Sicherheit eingelöst werden, sind solche Alternativen vollständig durch Zahlungsreihen beschrieben, die sich ihrerseits aus den im Betrachtungszeitpunkt ausgelösten Zahlungen z m und den Zahlungscharakteristika zm zusammensetzen. Es wurde bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel skizziert, dass individuelle Präferenzen von Investoren in dem Maße an Relevanz für die Beurteilung von Investitionen verlieren, in dem es der Kapitalmarkt gestattet, die Zahlungskonsequenzen von Investitionen kostengünstig an individuelle Präferenzen anzupassen. Im Idealfall eines vollkommenen und vollständigen Kapitalmarktes führt dieser Gedanke auf den Marktwert als einmütig akzeptiertes Entscheidungskriterium.6 Auf unvollständigen Märkten lassen sich immerhin noch ebenfalls von individuellen Präferenzen unabhängige Bandbreiten für den Wert eines Zahlungsversprechens ermitteln. Dazu wird angenommen, dass ein arbitragefreier Finanzmarkt existiert, für den Xzm := {x : Zx = zm } = 0/ gilt, d.h. der die Replikation von zm gestattet (Spanning). In diesem Fall ist es für jeden nicht gesättigten Entscheider genau dann vorteilhaft, irgendeine Alternative m ∈ M zu realisieren, für die Z p x + zm > 0 ⇔ pZ x + z m > 0, x ∈ Xzm −Zx + zi erfüllt ist. Da auf einem arbitragefreien Markt stets Preise für zukünftige Geldeinheiten existieren, was man auch wie folgt formulieren kann P = π : pZ = π Z, π 0 = 0, / gilt pZ x = π Zx = π zm für alle π ∈ P und x ∈ Xz .7 Daher kann man die obige Entscheidungsregel auch wie folgt formulieren: Realisiere eine Alternative (z m ,zm ) genau dann, wenn π zm + z m > 0, π ∈ P , x ∈ Xz gilt, d.h. wenn sie einen positiven Marktwert hat. Hieraus folgt unmittelbar, dass bei der Entscheidung zwischen zwei sich ausschließenden Alternativen, die beide
6 7
Vgl. hierzu DeAngelo (1981) und Wilhelm (1983b). Eine Zahlungscharakteristik zm kann demnach genau dann repliziert werden kann, wenn ihr Marktwert π zm für alle Sätze von marktgerechten Diskontfaktoren gleich ist.
6.4 Der Marktwert als objektives Entscheidungskriterium
43
replizierbar sind, die Alternative gewählt werden sollte, die den höheren Marktwert besitzt. Falls Xz = 0/ und somit eine exakte Replikation nicht möglich ist, ist die Menge Ψz := {x : Zx < zm } = 0/ der von Alternative m dominierten Portfolios zu ermitteln. Falls Ψz = 0/ ist es für jeden nicht gesättigten Entscheider genau dann vorteilhaft, irgendeine Alternative m ∈ M zu realisieren, falls durch einen Leerverkauf des teuersten am Markt gehandelten Portfolios x∗ , das von Alternative m dominiert wird, mehr erlöst werden kann als für Alternative m bezahlt werden muss, d.h. falls pZ x∗ + z m := max pZ x + z m > 0. x∈Ψz
Auch diese Entscheidungsregel lässt sich mit Hilfe von Marktpreisen zukünftiger Geldeinheiten formulieren. Sei P die Menge der Sätze von Marktpreisen zukünftiger Geldeinheiten π , die das herrschende Preissystem erklären, dann ist eine Alternative m vorteilhaft, falls π ∗ zm + z m := min π zm + z m > 0 π∈P
gilt. Man beachte, dass diese Bedingung zwar hinreichend, aber keineswegs notwendig für die Vorteilhaftigkeit von Alternative m ist, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Entscheider eine Auszahlung pZ x∗ + z m < 0 als angemessenen Preis für die zukünftigen Einzahlungen zm − Zx∗ > 0 ansieht. Die Bedingung resultiert aus den Dualitätstheoremen der linearen Programmierung,8 wonach das lineare Programm9 pZ x → max u.d.B. Zx ≤ zm J x ∈
genau dann eine Lösung besitzt, wenn das entsprechende duale Problem π zm → min u.d.B. Z π = pZ π ≥ 0 eine Lösung besitzt und die Zielfunktionswerte gleich sind, falls eine Lösung existiert. 8 9
Vgl. Kistner (2003, Kapitel 2.4) zur Dualitätstheorie. „u.d.B.“ steht für „unter den Bedingungen“.
44
6 Der Marktwert bei Sicherheit
6.5 Ein erster Hinweis auf die Irrelevanz der Finanzierung Unter in diesem Kapitel getroffenen Annahmen sicherer Prognosen sowie vollkommener und vollständiger Kapitalmärkte ist die Finanzierung einer Alternative offensichtlich stets gesichert, wenn diese einen positiven Marktwert besitzt, da der Marktwert dem Nettoerlös entspricht, den der Verkauf aller zukünftigen Zahlungen am Kapitalmarkt nach Abzug der Anschaffungsauszahlung einbringt. Der Marktwert ist genau dann positiv, wenn der auf diese Weise zu erzielende Verkaufserlös größer ist als die Anschaffungsauszahlung. Die Finanzierung ist demnach stets gesichert, wenn der Marktwert positiv ist!
7 Explizite Zinssätze und implizite Zinssätze
Ein Zinssatz ist der Preis für die Überlassung einer Geldeinheit für eine bestimmte Dauer. Ein explizit bestimmter Zinssatz dient dazu, die Zahlungscharakteristik eines Zahlungsversprechens festzulegen. Implizite Zinssätze werden berechnet, um explizit vereinbarte Zahlungsversprechen zu charakterisieren. Von besonderer Bedeutung sind implizite Zinssätze, die errechnet werden, indem man die Preise von Zerobonds zueinander in Beziehung setzt, weil sie als Maß für die Zeitpräferenz des Marktes interpretiert werden können. Unter Sicherheit gelangt man auf zwei Wegen zu dem Ergebnis, dass diese Zinssätze maßgeblich für die Investitionsrechnung sind. Von der Kostenseite kommend führt der Opportunitätskostenbegriff zum Ziel: Die Kapitalkostensätze für einen Investor, der seine Zeitpräferenzrate danach bemisst, was ihm durch den Verzicht auf eine Alternativanlage am Markt entgeht, lassen sich durch die Zeitpräferenzraten des Marktes objektivieren. Von der Theorie der Marktbewertung kommend muss man sich lediglich noch einmal vor Augen halten, dass aus relativen Zerobondpreisen abgeleitete, als Zeitpräferenzraten des Marktes interpretierbare Zinssätze letztlich das Gefüge der Preise für zukünftige Geldeinheiten beschreiben. Wer seinen Berechnungen Kapitalkostensätze in Höhe dieser Zinssätze zugrundelegt, berechnet demnach den (unter den Annahmen des Marktmodells) objektiv realisierbaren Marktwert einer Investition.
7.1 Explizite Zinssätze Kreditvereinbarungen lassen sich als Übereinkünfte über Dauer der Kapitalüberlassung und Zinssatz begreifen. In diesem Fall werden die Zahlungskonsequenzen implizit durch die Laufzeit und den expliziten Zinssatz bestimmt. Zukünftige Zahlungen werden durch eine solche Übereinkunft nur dann in eindeutiger Weise definiert, wenn der Zeitraum der Kapitalüberlassung exakt dem Zeitraum entspricht, auf den sich die Angabe des Zinssatzes bezieht. Meistens beziehen sich explizite Zinssätze auf den Zeitraum von einem Jahr1 (p. a. = per annum). Evident ist die 1
Laufende Konten werden allerdings vierteljährlich abgerechnet.
46
7 Explizite Zinssätze und implizite Zinssätze
Bestimmung der Zahlungskonsequenzen einer Kreditvereinbarung daher nur dann, wenn die Dauer der Kapitalüberlassung genau ein Jahr beträgt. Vergleichsweise unproblematisch ist die Berechnung implizit vereinbarter Zahlungen dann, wenn der Zeitraum der Kapitalüberlassung nicht länger als ein Jahr ist (unterjährige Verzinsung). Grundsätzlich induziert jede zum Zinssatz r p.a. aufgenommene Geldeinheit bei einer Laufzeit T zwischen 0 und 1 Jahren bei Fälligkeit eine Zahlung in Höhe von z T = −(1 +r · T ) mit T=
Zinstage Laufzeittage = . Basis Jahreslänge in Tagen
Allerdings führt das nicht zwangsläufig auf die tatsächlich implizierte Zahlung, da es in der Praxis verschiedene Konventionen (Day Count Conventions) für die Berechnung von Zinstagen und Basis gibt.2 Ist die Dauer der Kapitalüberlassung T länger als der Zeitraum, auf den sich der Zinssatz bezieht, dann muss zudem geregelt sein, ob und wann die am Ende eines Abrechnungszeitraumes aufgelaufenen Zinsen zu zahlen sind bzw. in die Berechnungsgrundlage für die Zinsen der darauf folgenden Abrechnungsperioden einfließen, um die zukünftigen Zahlungskonsequenzen einer Kreditvereinbarung eindeutig bestimmen zu können.3 Im Normalfall ist es so, dass die Zinsen für die zurückliegende Abrechnungsperiode am Ende einer Abrechnungsperiode selbst Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Zinsen der Folgeperiode werden (Zinseszinseffekt). Für einen in T = 2 fälligen Kredit, sind daher die beiden folgenden Zahlungscharakteristika Usus: r z1 =− z 1 +r 2 0 z1 0 =− =− . (1 +r )2 z2 1 +r + (1 +r ) ·r 2
Die wichtigsten Usancen sind wie folgt definiert (vgl. hierzu Albrecht & Maurer (2008, S. 59f.)):
30E/360 (Sparbücher, Termingelder) Jeder Monat wird mit 30 Tagen angesetzt. Bei Monaten mit 31 Tagen ist der 31. kein Zinstag. Actual/365 (Geldmarktpapiere) Jeder Monat wird mit der tatsächlichen (actual) Anzahl von Tagen und das Jahr wird mit 365 Tagen angesetzt. Actual/360 (Floating Rate Notes) Jeder Monat wird mit der tatsächlichen (actual) Anzahl von Tagen und das Jahr wird mit 360 Tagen angesetzt. 3
Im Massengeschäft der langfristigen Kreditvergabe an Privatkunden, das ein hohes Maß an Standardisierung verlangt, werden aufgrund der Interpretationsbedürftigkeit von Zinsvereinbarungen in der Regel explizite Zahlungen vereinbart.
7.2 Implizite Zinssätze
47
7.2 Implizite Zinssätze Grundsätzlich handelt es sich bei impliziten Zinssätzen um interne Zinsfüße, das sind Kennzahlen, die zu Charakterisierung von Zahlungsreihen verwendet werden. Wichtig ist, dass man sich klar macht, dass ein impliziter Zinssatz im Allgemeinen aus nicht mehr als zwei Zahlungen abgeleitet sein darf, wenn er die Zeitpräferenz des Marktes exakt widerspiegeln soll.4 7.2.1 Interner Zinsfuß Definition 7.1 (interner Zinsfuß (Internal Rate of Return)). Ein interner Zinsfuß N ist implizit durch die Bedingung y der Zahlungsreihe (z i )i=0 N
∑ q(y)i · z i + z 0 = 0 !
i=1
definiert. Die für eine bestimmte Zahlungsreihe berechnete Kennzahl y sollte nur dann als Entscheidungskriterium in Betracht gezogen werden, wenn sich die Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten π0,n für n = 1,..., N durch eine konstante Zeitpräferenzrate r abbilden lassen. In diesem Fall ist das Kapitalwertkriterium äquivalent zu der Bedingung y > r . Da die Berechnung des internen Zinsfußes in der Regel sehr viel rechenintensiver ist als die Berechnung des Kapitalwertes, spricht aber überhaupt nichts für die Berechnung des internen Zinsfußes. Aus dem gleichen Grunde ist auch die sogenannte Effektivverzinsung einer Anleihe nur beschränkt als Entscheidungskriterium geeignet. 7.2.2 Kassazinssätze Definition 7.2 (nominaler Kassazinssatz (simply compounded Spot Rate)). Der nominale Kassazinssatz rn (h,i ) ist der Zinssatz, den man realisiert, indem man einen in i fälligen (synthetischen) Zerobond im Zeitpunkt h kauft und bis zur Fälligkeit hält (buy-and-hold). Dabei wird davon ausgegangen, dass während des Anlagezeitraumes keine Zinsabrechnung erfolgt, so dass auch keine Zinseszinsen zu berücksichtigen sind. Demnach wird rn (h,i ) implizit durch !
Ps (h,i ) · (1 + (h − i ) ·rn (h,i )) = 1 definiert. Das entspricht der expliziten Definition 1 1 rn (h,i ) := −1 . h − i Ps (h,i ) 4
Man beachte, dass Kapitalkostensätze, die eine subjektive Zeitpräferenz abbilden, aus jeweils zwei als subjektiv gleichwertig empfundenen Zahlungen in benachbarten Zeitpunkten abgeleitet werden, vgl. hierzu Kapitel 1.
48
7 Explizite Zinssätze und implizite Zinssätze
Definition 7.3 (effektiver Kassazinssatz (compounded Spot Rate)). Der im Zeitpunkt h feststellbare effektive Kassazinssatz re (h,i ) für den unmittelbar angrenzenden Zeitraum von h bis i entspricht dem internen Zinsfuß der Zahlungscharakteristik, die sich ergibt, wenn man im Zeitpunkt h einen (synthetischen) Zerobond mit Fälligkeit i zum Preis P(h,i ) kauft und diesen bis zur Fälligkeit hält . Dieser Zinsfuß wird implizit durch die Bedingung !
−Ps (h,i ) + q(re (h,i ))i−h · 1 = 0 bestimmt, wobei es im vorliegenden Fall eine eindeutige explizite Lösung 1
1
re (h,i ) = q−1 (Ps (h,i ) i−h ) = Ps (h,i )− i−h − 1 gibt. Dieser Definition liegt die Vorstellung zu Grunde, dass Zinsen einmal pro Periode abgerechnet werden (daher auch: one-period compounded Spot Rate). Beispiel 7.4 (Fortsetzung von Beispiel 6.8). re (0,1) = Ps (0,1)−1 − 1 = 20% 1
1
re (0,2) = Ps (0,2)− 2 − 1 = (Ps (0,2)−1 ) 2 − 1 =
2
30 19
− 1 ≈ 26%.
Implizite Kassazinssätze werden von der Deutschen Bundesbank nach dem von Svensson (1994) erweiterten Ansatz zur Charakterisierung der Zinsstrukturkurve durch eine möglichst sparsam parametrisierte zeitstetige Funktion von Nelson & Siegel (1987) berechnet5 und in den Monatsberichten für diskrete Laufzeiten von 1 bis 15 Jahren publiziert. In Anbetracht dieser leicht zugänglichen6 Datenquelle, die jedenfalls für die Zwecke der Investitionsrechnung hinreichend zuverlässig erscheint, lässt sich die Beliebtheit der vereinfachenden Annahme eines konstanten Zinssatzes in der Investitionsrechnung jedenfalls nicht mehr mit dem tatsächlich beträchtlichen Aufwand begründen, der für die empirische Ermittlung der Zinsstruktur erforderlich ist.7 7.2.3 Effektivrendite Definition 7.5 (Effektivrendite (Yield to Maturity)). Die im Zeitpunkt h feststellbare Effektivrendite (Yield to Maturity) ye einer Kuponanleihe mit Fälligkeit i , Kupon c und Preis Bc (h,i ) ist der interne Zinsfuß der Zahlungsreihe, die sich ergibt, wenn man die Anleihe im Zeitpunkt 0 erwirbt und diese 5
6 7
Wöster (2004, S. 169) kommt zu dem Ergebnis, dass die erhöhte Flexibilität des von Svensson weiterentwickelten Ansatzes mit einer vergleichsweise höheren Abhängigkeit von den Startwerten erkauft wird. Siehe http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zinsen.php# zinsstruktur. Vgl. zum Beispiel Wilhelm & Brüning (1992) und Wöster (2004, Kapitel 5.3.2.1).
7.2 Implizite Zinssätze
49
bis zu ihrer Fälligkeit hält. Der interne Zinsfuß einer solchen Buy-and-Hold-Anlage wird implizit durch die Gleichung8 !
−Bc (h,i ) + c · Q(ye ,i − h) + q(ye )i−h · 1 = 0 definiert, die im Allgemeinen keine explizite Lösung hat. Beispiel 7.6 (Pari-Notiz). Im speziellen Fall Bc (h,i ) = 1, in dem man davon spricht, dass die Anleihe zu Pari notiert, erhält man in Verbindung mit Q(ye ,i − h) =
1 − q(ye )i−h ye
die einfache Lösung ye = c. Die Effektivrendite kann die Zeitpräferenz des Marktes im Allgemeinen nicht abbilden, weil ihrer Berechnung nur ein einziger Preis zugrundeliegt, der für ein ganzes Bündel zukünftiger Zahlungen bezahlt wird. Dieser Sachverhalt kommt im sogenannten Kuponeffekt zum Ausdruck. Der Kuponeffekt besagt, dass Anleihen mit identischer Restlaufzeit schon alleine deshalb unterschiedliche Effektivrenditen aufweisen können, weil sie mit unterschiedlichen Kupons ausgestattet sind. Das bedeutet, dass der Schluss von einer vergleichsweise höheren Effektivrendite auf ein vergleichsweise vorteilhafteres Investment im Allgemeinen nicht zulässig ist. Dazu das folgende Beispiel 7.7. Die Anlagemöglichkeiten im Zeitpunkt der Betrachtung 0 seien durch die Zahlungsreihen ⎞ ⎞ ⎛ ⎛ −P(0,1) −P(0,2) −Bc (0,2) −p ⎠ ⎝ ··· ⎠ = ⎝ 1 0 c 0 1 1+c Z charakterisiert; es werden also je ein Zerobond mit den Fälligkeiten 1 und 2 sowie eine Kuponanleihe mit Endfälligkeit 2 und Kupon c gehandelt. Die implizit durch Bc (0,2) = c · q(ye ) + (1 + c) · q(ye )2 definierte Yield to Maturity ye wird in Verbindung mit der für die Arbitragefreiheit notwendigen Bedingung Bc (0,2) = c · P(0,1) + (1 + c) · P(0,2) = c · q(re (0,1)) + (1 + c) · q(re (0,2))2 8
Um keine Stückzinsen berücksichtigen zu müssen, wird angenommen, dass die Anleihe in jedem Handelszeitpunkt einen Kupon c zahlt, der beim Erwerb nicht mitgeliefert wird, siehe Trautmann (2007, Kapitel 3.2) zur Stückzinsproblematik. Eine sehr empfehlenswerte Darstellung institutioneller Aspekte des Geld-, Devisen- und Anleihehandels findet sich in Beike & Schlütz (2005, S. 183-381).
50
7 Explizite Zinssätze und implizite Zinssätze
implizit durch die Bedingung F(ye ,re (0,1),re (0,2),c) : = c · [q(ye ) − q(re (0,1))] + (1 + c) · q(ye )2 − q(re (0,2))2 !
=0 in Beziehung zum Kupon c und zu den Kassazinssätzen re (0,1) und re (0,2) gesetzt. Diese Bedingung besitzt zwei für das Folgende wichtige Implikationen: Zum Einen sind nur die Konstellationen re (0,1) < ye < re (0,2) (steigende Zins-Struktur-Kurve) re (0,1) = ye = re (0,2) (flache Zins-Struktur-Kurve) re (0,2) < ye < re (0,1) (fallende Zins-Struktur-Kurve) denkbar, weil die in eckigen Klammern stehenden Ausdrücke entgegengesetzte Vorzeichen besitzen müssen. Und zum Anderen muss im Fall re (0,1) = ye = re (0,2) die Relation |q(ye )−q(re (0,1))| > ∂F |q(ye )2 − q(re (0,2))2 | gelten. Hieraus folgt unter Berücksichtigung von ∂y < 0 und e ∂F 2 − q(r (0,2))2 schließlich = q(y ) − q(r (0,1)) + q(y ) e e e e ∂c ⎧ ∂ F ⎨ < 0 falls re (0,1) < ye < re (0,2) d ye = − ∂∂cF = 0 falls re (0,1) = ye = re (0,2) ⎩ dc ∂ye > 0 falls re (0,2) < ye < re (0,1). Eine steigende Zins-Struktur-Kurve9 bringt zum Ausdruck, dass die vom Markt geforderte Prämie für den Aufschub von Zahlungen um eine Periode um so größer ist, je weiter man in die Zukunft geht. Unter diesen Umständen honoriert der Markt den vergleichsweise schnelleren Rückfluss des eingesetzten Kapitals von Anleihen mit höherem Kupon mit einem Aufschlag, der sich in einer niedrigeren Effektivrendite widerspiegelt. Das gilt entsprechend umgekehrt bei fallender Zins-Struktur-Kurve.10 9
10
Die sogenannte Liquiditätspräferenz-Theorie erklärt die Tatsache, dass empirisch überwiegend steigende Zinsstrukturkurven zu beobachten sind, mit einer Liquiditätspräferenz der Anleger bei gleichzeitiger Präferenz der Kreditnehmer für längerfristige Finanzierungen, vgl. hierzu zum Beispiel Bailey (2005, S. 322-326). Dieser Zusammenhang spielt auch im Handel mit sogenannten Fixed-Income-Derivaten eine Rolle. Die Basiswerte der an der Eurex gehandelten Fixed-Income-Derivate sind fiktive Schuldverschreibungen mit einem Kupon von 6% (vgl. Beike & Schlütz (2005, S. 543549) zu den institutionellen Details). Da die Existenz eines hinreichend liquiden handelbaren Titels, der dem fiktiven Basistitel exakt entspricht, nicht garantiert werden kann, darf der Verkäufer eines Fixed-Income-Futures eine Anleihe seiner Wahl aus einer von der Eurex bestimmten Menge lieferbarer Anleihen (siehe www.eurexchange.com/market/ clearing/deliverable_bonds_de.html) auswählen. Für jede lieferbare Anleihe berechnet die Eurex einen als Konversionsfaktor bezeichneten Wert in Einheiten des fiktiven Basistitels, wobei sie von einer konstanten Yield to Maturity in Höhe von 6% ausgeht. Entspricht diese Annahme nicht der tatsächlichen Zinsstruktur, dann kommt es in der Regel zu relativen Fehlbewertungen, die der Verkäufer zu seinem Vorteil ausnutzen kann,
7.2 Implizite Zinssätze
51
7.2.4 Terminzinssätze Definition 7.8 (nominaler Terminzinssatz (simply compounded Forward Rate)). Der nominale Terminzinssatz f n (h,i, j ) ist der Zinssatz, den man realisiert, indem man im Zeitpunkt h einen in i fälligen (synthetischen) Zerobond leer verkauft und den Erlös in einen im Zeitpunkt j fälligen (synthetischen) Zerobond investiert. Die (h,i) x i = −1 und x j = PPss(h, j ) Stücke der Zerobonds mit den Fälligkeiten i und j werden dann bis zu ihrer jeweiligen Fälligkeit gehalten. Das führt unter Berücksichtigung von Nomialwerten in Höhe von 1 zur Auszahlung einer Geldeinheit im Zeitpunkt i (h,i) gefolgt von einer Einzahlung von PPss(h, Geldeinheiten in j . Zu weiteren Zahlungen j) kommt es nicht, so dass man die Zahlungscharakteristik wie folgt aufschreiben kann ⎧ ⎪ ⎨ −1 falls t = i (h,i) z t = PPss(h, (7.1) j ) falls t = j ⎪ ⎩ 0 sonst Geht man davon aus, dass der Abrechnungszeitraum für Zinsen wenigstens so lang wie der Zeitraum von i bis j ist, so dass auch keine Zinseszinsen zu berücksichtigen sind, dann wird f n (h,i, j ) implizit durch !
1 · (1 + ( j − i ) · f n (h,i, j )) =
Ps (h,i ) Ps (h, j )
definiert. Das entspricht der expliziten Definition Ps (h,i ) 1 −1 . f n (h,i, j ) := j − i Ps (h, j ) indem er die am meisten überbewertete oder am wenigsten unterbewertete Anleihe (Cheapest to Deliver (CTD)) liefert. Nimmt man einmal an, dass die Zinsstruktur tatsächlich flach ist, das tatsächliche Zinsniveau jedoch über 6% liegt, dann ist die am meisten überbewertete lieferbare Anleihe diejenige mit der höchsten Macauley Duration (vgl. die Definitionsgleichung (A.3)), weil das Ausmaß der Überbewertung von Zahlungen infolge der bei der Berechnung der Konversionsfaktoren fälschlich angenommenen Yield to Maturity in Höhe von 6% mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom Betrachtungszeitpunkt wächst. Das gilt spiegelbildlich für ein tatsächlich unter 6% liegendes Zinsniveau. In diesem Fall ist die am wenigsten unterbewertete lieferbare Anleihe diejenige mit der niedrigsten Duration, weil das Ausmaß der Unterbewertung von Zahlungen mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom Betrachtungszeitpunkt wächst. Diese beiden Tendenzen werden noch verstärkt, wenn die tatsächliche Zinsstrukturkurve eine positive bzw. negative Steigung aufweist. Der Käufer eines eines Bund-Future-Kontraktes trägt demnach ein um so größeres Risiko, dass die CTD-Anleihe bei Fälligkeit von der CTD-Anleihe bei Erwerb eines Futures-Kontraktes abweicht, je stärker positiv Niveau und Steigung der Zinsstrukturkurve korreliert sind. Rechenbeispiele zur Bestimmung der CTD-Anleihe finden sich bei Albrecht & Maurer (2008, Kapitel 10.3.5 und Anhang 10D).
52
7 Explizite Zinssätze und implizite Zinssätze
Beispiel 7.9 (Fortsetzung von Beispiel 6.8). f n (0,1,2) =
Ps (0,1) −1 = Ps (0,2)
5 6 19 30
− 1 ≈ 31%.
Definition 7.10 (effektiver Terminzinssatz (compounded Forward Rate)). Der im Zeitpunkt h feststellbare effektive Terminzinssatz f e (h,i, j ) ist der interne Zinsfuß einer (synthetischen) Terminanlage über den Zeitraum von i bis j . Der Definition liegen exakt die gleichen Transaktionen und somit auch die gleiche Zahlungscharakteristik zu Grunde wie der Definition 7.8 des nominalen Terminzinssatzes. Abweichend von jener Definition wird nun allerdings angenommen, dass der Abrechnungszeitraum für Zinsen kürzer ist, als der Zeitraum von i bis j . Der darauf Rücksicht nehmende effektive Terminzinssatz entspricht dem implizit durch −1 + q( fe (h,i, j )) j −i ·
Ps (h,i ) ! =0 Ps (h, j )
definierten internen Zinsfuß der Zahlungscharakteristik (7.1) 1 1 Ps (h, j ) j −i Ps (h,i ) j −i −1 f e (h,i, j ) := q − 1. = Ps (h,i ) Ps (h, j ) 7.2.5 Terminzinssätze als objektivierte Kapitalkostensätze Der Vergleich von n−1
π0,n = Ps (0,n) = ∏
i=0
Ps (0,i + 1) n−1 1 =∏ Ps (0,i ) i=0 1 + f (0,i,i + 1)
mit den durch die Kapitalkostensätze ki,i+1 zukünftiger Perioden i + 1 erklärten normierten Bewertungsfaktoren11 n−1
1 i=0 1 + k i,i+1
q0,n = ∏
(7.2)
lässt unmittelbar erkennen, dass die Objektivierung der normierten Bewertungsfaktoren q0,n durch die entsprechenden Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten π0,n mit einer Objektivierung der Kapitalkostensätze zukünftiger Perioden durch die impliziten Terminzinssätze für diese Perioden einhergeht. Da es sich bei den Terminzinssätzen um die im Betrachtungszeitpunkt durch Kapitalmarkttransaktionen festschreibbaren Zinssätze für die entsprechenden zukünftigen Perioden handelt, entspricht dies exakt der Auffassung von Kapitalkosten als Opportunitätskosten. Prinzipiell bedeutend ist in diesem Zusammenhang, dass die 11
Vgl. die Hinführung zu (1.3) auf S. 5 f.
7.2 Implizite Zinssätze
53
Opportunitätskosten für in der Zukunft liegende Zeiträume mit den Zinsen gleichgesetzt werden, die mit Hilfe von Markttransaktionen bereits im Betrachtungszeitpunkt für die entsprechenden zukünftigen Perioden de facto vereinbart werden können. Das erscheint insofern bemerkenswert, als bei vorhersehbarer Preisentwicklung der Zerobonds kein Unterschied zwischen heutigen Terminzinssätzen und zukünftigen Kassazinssätzen besteht, was aber lediglich eine Besonderheit des Spezialfalles ist, j eines die im Folgenden gezeigt werden soll: Ist die Kursentwicklung (Ps (h, j ))h=0 (synthetischen) Zerobond mit Fälligkeit j bereits im Zeitpunkt 0 vorhersehbar, dann bestehen die beiden folgenden Möglichkeiten, durch optimales Timing in t0 = 0 risikolose Gewinne zu machen:
Man verkauft in t0 einen Zerobond mit Fälligkeit j zum Preis Ps (0, j ) in der Absicht leer, diesen noch vor Fälligkeit, d.h. in einem Zeitpunkt i = 1,..., j − 1 zurückzukaufen. Der vorzeitige Rückerwerb lässt sich bei vorhersehbarer Kursentwicklung für den Zerobond mit Fälligkeit j bereits in t0 = 0 finanzieren, indem man x i = Ps (i, j ) Stücke des Zerobonds mit Fälligkeit i zum Preis Ps (0,i ) pro Stück erwirbt. Umgekehrt kann man natürlich natürlich den Zerobond mit Fälligkeit j in t0 kaufen und mit Zahlungswirksamkeit in t0 zu irgendeinem Zeitpunkt i vor Fälligkeit verkaufen, indem man man x i = Ps (i, j ) Stücke des Zerobonds mit Fälligkeit i leer verkauft.
Arbitragegelegenheiten sind demnach dann und nur dann ausgeschlossen, wenn die Bedingung !
Ps (0, j ) − x i · Ps (0,i ) = Ps (0, j ) − Ps (i, j ) · Ps (0,i ) = 0 bzw. 1 Ps (0,i ) = Ps (i, j ) Ps (0, j ) für i = 1,..., j − 1 gilt, die in Verbindung mit den Definitionen 7.3 und 7.10 äquivalent zu re (i, j ) = f e (0,i, j ) ist. 7.2.6 Zinssätze nach Steuern Ab 2009 treten in Deutschland für die Berechnung von Zinssätzen nach Steuern wesentliche Änderungen in Kraft:
12
Kursgewinne werden Bestandteile der Einkünfte aus Kapitalvermögen und unterliegen somit grundsätzlich anstatt, wie zuvor, nur ausnahmsweise der Besteuerung12 Damit entfällt auch die Notwendigkeit einer steuerlichen Sonderbehandlung von Zerobonds.
54
7 Explizite Zinssätze und implizite Zinssätze
Der Steuersatz auf Einkünfte aus Kapitalvermögen ist grundsätzlich unabhängig von Einkommen und konstant Einkünfte aus Kapitalvermögen lösen keinen Progressionseffekt aus, weil die Steuerpflicht des Zahlungsempfängers mit der an der Quelle erhobenen, d.h. von den Banken abzuführenden Steuer (Quellensteuer) in Höhe von 25% der Einkünfte13 abgegolten gilt (Abgeltungssteuer).
Die Voraussetzungen für die Berechnung von allgemein gültigen Zinssätzen nach Steuern sind somit ab 2009, anders als zuvor, gegeben: Sei t der Abgeltungssteuerssatz, dann zahlt grundsätzlich jeder, der im Zeitpunkt 0 einen Zerobond mit Fälligkeit i zum Preis P(0,i ), kauft, Steuern in Höhe von (1 − P(0,i )) · t Geldeinheiten, falls er und den Zerobond bis zur Fälligkeit hält. Dem entspricht die folgende implizite Definition 7.11 (effektiver Kassazinssatz nach Steuern). Der im Zeitpunkt h feststellbare effektive Kassazinssatz nach Steuern t re (h,i ) für den unmittelbar angrenzenden Zeitraum von h bis i entspricht dem internen Zinsfuß der Zahlungscharakteristik, die sich ergibt, wenn man im Zeitpunkt h einen (synthetischen) Zerobond mit Fälligkeit i zum Preis Ps (h,i ) kauft und diesen bis zur Fälligkeit hält, so dass nach Steuern ein Betrag in Höhe von 1 − (1 − Ps (h,i ))·t anfällt. Der interne Zinsfuß wird implizit durch die Bedingung !
−Ps (h,i ) · (1 +t re (h,i ))i−h + (1 − (1 − Ps (h,i )) · t) = 0 bestimmt, die äquivalent zu (1 +t re (h,i ))
i−h
1 − = Ps (h,i )
1 −1 ·t Ps (h,i )
ist. Somit stellt sich die Beziehung zwischen dem Kassazinssatz nach Steuern und dem Kassazinssatz vor Steuern wie folgt dar
(1 + t re (h,i ))i−h = (1 +re (h,i ))i−h − (1 +re (h,i ))i−h − 1 · t = (1 − t) · (1 +re (h,i ))i−h + t · 1.
(7.3)
Auch dieser Definition liegt die Vorstellung zu Grunde, dass Zinsen einmal pro Periode abgerechnet werden. Die Besteuerung bei Fälligkeit impliziert, dass sich die Kassazinssätze nach Steuern mit zunehmender Laufzeit den Kassazinssätzen vor Steuern annähern. Das soll im Folgenden gezeigt werden: In Verbindung mit der Kurzschreibweise n n! n φk ≡ := k (n − k)! · k! 13
Einschließlich Solidaritätszuschlag erhöht sich der Steuersatz auf t = 0,26375; ggf. kommt noch Kirchensteuer in Höhe von maximal 9% hinzu, woraus sich ein Steuersatz in Höhe von t = 0,28625) errechnet.
7.2 Implizite Zinssätze
55
für den Binomialkoeffizenten und dem binomischen Lehrsatz n n n−k k ·y (x + y)n = ∑ x k=0 k impliziert (7.3) i−h
i−h
k=1
k=1
∑ φki−h t re (h,i )k = (1 − t) ∑ φki−h re (h,i )k .
(7.4)
Für i = h + 1 erhält man t re (h,h + 1) = (1 − t) ·re (h,h + 1).
Für i = h + 2,... müssen die Kassazinssätze nach Steuern wegen i−h
i−h
i−h
k=1
k=1
k=1
∑ φki−h ((1 − t) ·re (h,i ))k < (1 − t) · ∑ φki−h re (h,i )k < ∑ φki−h re (h,i )k
(7.5)
im Intervall (1 − t) ·re (h,h + 1) < t re (h,h + 1) < re (h,h + 1) liegen. Ein weiterer Blick auf (7.5) lässt erkennen, dass die Verschiebung der Besteuerung auf den Zeitpunkt der Fälligkeit dafür sorgt, dass sich der Kassazinssatz nach Steuern mit wachsender Restlaufzeit an den Kassazinssatz vor Steuern annähert, ohne diesen jemals zu erreichen. Aus den Definitionen 7.8 und 7.10 wird ersichtlich, dass die Terminzinssätze nach Steuern von der steuerlichen Behandlung von Leerverkäufen abhängen. Es gilt die folgende Definition 7.12 (effektiver Terminzinssatz nach Steuern). Werden Leerverkäufe und Käufe steuerlich symmetrisch behandelt, dann löst ein in t0 = 0 leer verkaufter Zerobond bei Fälligkeit in i eine Zahlung in Höhe von −1 + (1 − P(0,i )) · t = −(1 − (1 − P(0,i )) · t aus. Der in t0 = 0 realisierbare Terminzinssatz nach Steuern für den Zeitraum von i bis i + 1 wird dann implizit durch die Gleichung14 − (1 − (1 − Ps (0,i )) · t) · (1 + t f (0,i,i + 1)) +
Ps (0,i ) (1 − (1 − Ps (0,i + 1)) · t) Ps (0,i + 1)
!
=0 definiert. Dementsprechend gilt 14
Eine Unterscheidung zwischen nominalem und effektivem Terminzinssatz erübrigt sich in diesem Fall.
56 t
7 Explizite Zinssätze und implizite Zinssätze
Ps (0,i ) 1 − (1 − Ps (0,i + 1)) · t −1 Ps (0,i + 1) 1 − (1 − Ps (0,i )) · t 1 − (1 − P(0,i + 1)) · t = (1 + f (0,i,i + 1)) · −1 1 − (1 − P(0,i )) · t 1 − (1 − P(0,i + 1)) · t (P(0,i ) − P(0,i + 1)) · t = f (0,i,i + 1) · − 1 − (1 − P(0,i )) · t 1 − (1 − P(0,i )) · t 1 − (1 − P(0,i + 1)) · t P(0,i + 1) · t − = f (0,i,i + 1) · 1 − (1 − P(0,i )) · t 1 − (1 − P(0,i )) · t 1−t = · f (0,i,i + 1). 1 − (1 − P(0,i )) · t
f (0,i,i + 1) =
Hieraus wird in Verbindung mit der Tatsache, dass die Preise von Zerobonds vom Startwert P(0,0) = 1 ausgehend mit zunehmender Restlaufzeit monoton abnehmen, ersichtlich, dass sich die Terminzinssätze nach Steuern von t
f (0,0,1) = (1 − t) · f (0,0,1)
ausgehend mit wachsender Entfernung der Zinsperiode vom Betrachtungszeitpunkt dem Grenzwert lim t f n (0,i,i + 1) = lim f n (0,i,i + 1)
i→∞
i→∞
annähern. Dieser mit dem Verlauf der Kassazinssätze nach Steuern konsistente Verlauf ist eine Folge des mit der Restlaufzeit stärker werdenden Steuerstundungseffektes. Abschließend sei noch einmal betont, dass den oben berechneten Terminzinssätzen nur dann eine reale Bedeutung zukommt, wenn Leerverkäufe steuerlich symmetrisch behandelt werden. Hiermit soll auch noch einmal hervorgehoben werden, dass man bei der Berücksichtigung von Steuern nicht um steuerliche Details herum kommt. Die Analyse des Einflusses hypothetischer Steuersysteme auf die Bewertung ist jedenfalls wenig sinnvoll und wird daher hier nicht weiter betrieben.
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
8.1 Floating Rate Notes Eine variabel verzinsliche Anleihe mit Nominalwert 1 und Zahlungszeitpunkten n = 1,..., N, bei welcher die in n (payment date) erfolgende Zahlung dem bereits in n − 1 (reset date) bekannten Kassazinssatz r (n − 1,n) entspricht, besitzt die Zahlungscharakteristik r (n − 1,n) für n = 1,..., N − 1 FRN Zn = 1 +r (n − 1,n) für n = N . Eine solche Zahlungscharakteristik ist einfach zu replizieren: Um in n den Betrag r (n − 1,n) zu erhalten, benötigt man in n − 1 eine Geldeinheit, die man in n − 1 für eine Periode zum dann herrschenden Zinssatz r (n − 1,n) anlegt, so dass man in n über einen Betrag in Höhe von 1 + r (n − 1,n) verfügen kann. Man muss demnach einen (synthetischen) Zerobond mit Fälligkeit n − 1 kaufen und kann einen (synthetischen) Zerobond mit Fälligkeit n verkaufen, um in n genau r (n − 1,n) übrig zu behalten. Auf einem arbitragefreien Markt muss daher gelten N
FRN(0, N) = ∑ (Ps (0,i − 1) − Ps (0,i )) + Ps (0, N) i=1
= Ps (0,0) − Ps (0, N) + Ps (0, N) = 1.
8.2 Zinsswaps Swaps sind Tauschgeschäfte. Zinsswaps sind Vereinbarungen zum Austausch von Zinszahlungen, die aus fixen und variablen Zinssätzen resultieren. Der vereinbarte fixe Zinssatz wird als Swap Rate und die Vertragspartei, die verspricht, die Swap Rate zu zahlen, wird als Payer bezeichnet. Die andere Seite heißt Receiver. Einen Payer
58
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
Swap mit Fälligkeit N und Swap Rate r S (0, N) kann man demnach replizieren, indem man eine Floating Rate Note zum Preis FRN(0, N) kauft und gleichzeitig eine Kuponanleihe mit Kupon r S ≡ r S (0, N) zum Preis Br S (0, N) leerverkauft. Üblicherweise wird die Swap Rate so festgelegt, dass bei Abschluss der Vereinbarung keine Zahlungen fließen. Somit wird die Swap Rate, bei welcher Arbitragegelegenheiten ausgeschlossen sind, implizit durch die Bedingung !
FRN(0, N) − Br S (0, N) = 0 definiert, die unter Berücksichtigung von N
Br S (0, N) = ∑ Ps (0,i ) ·r S + Ps (0, N) i=1
und FRN(0, N) = 1 äquivalent zu r S (0, N) =
1 − Ps (0, N) N Ps (0,i ) ∑i=1
ist. Im Folgenden wird gezeigt, dass man die Swap Rate als gewichtetes Mittel der Forward Rates des Swap Zeitraums auffassen kann: Einsetzen von N−1
∑
i=0
N−1 Ps (0,i ) Ps (0,i + 1) = ∑ (1 + f (0,i,i + 1)) Ps (0, N) i=0 Ps (0, N) N
= ∑ (1 + f (0,i − 1,i )) i=1 N
Ps (0,i ) Ps (0, N)
N Ps (0,i ) Ps (0,i ) + ∑ f (0,i − 1,i ) · Ps (0, N) i=1 Ps (0, N) i=1
=∑ in (man beachte Ps (0,0) = 1) r S (0, N) =
1 Ps (0,N) − 1 Ps (0,i) N ∑i=1 Ps (0,N) P (0,i)
=
P (0,i)
N N s s ∑i=0 Ps (0,N) − ∑i=1 Ps (0,N) − 1 P (0,i)
N s ∑i=1 Ps (0,N) P (0,i)
=
P (0,i)
N−1 s N s ∑i=0 Ps (0,N) − ∑i=1 Ps (0,N) P (0,i)
N s ∑i=1 Ps (0,N)
führt in Verbindung mit der Definition für die Gewichte
8.3 Terminpreise
gi :=
Ps (0,i) Ps (0,N) Ps (0,i) N ∑i=1 Ps (0,N)
=
59
Ps (0,i ) N ∑i=1 Ps (0,i )
auf N
r S (0, N) = ∑ gi · f (0,i − 1,i ). i=1
Bei einem forward swap wird vereinbart, erst ab dem Zeitpunkt s = 2,..., N − 1 zu swappen. Analog zur swap rate r S (0, N) erhält man die entsprechende Forward Swap Rate in Verbindung mit der Definition gis :=
Ps (0,i ) N ∑i=s Ps (0,i )
gemäß N (Ps (0,i − 1) − Ps (0,i )) + Ps (0, N) − Ps (0, N) ∑i=s N Ps (0,i ) ∑i=s Ps (0,s − 1) − Ps (0, N) = N Ps (0,i ) ∑i=s
f S (0,s, N) =
N
= ∑ gis · f (0,i − 1,i ). i=s
8.3 Terminpreise Termingeschäfte, mit denen zukünftige Transaktionen vereinbart werden, deren Zustandekommen nicht an Bedingungen geknüpft ist (unbedingte Termingeschäfte), gehören zu den so genannten Derivaten. Das sind in der Regel verbriefte Ansprüche (derivative Wertpapiere), deren Zahlungscharakteristika sich aus den Preisen anderer marktgehandelter Wertpapiere ableiten. Unbedingte Termingeschäfte lassen sich vergleichsweise einfach durch Gegengeschäfte am Kassamarkt absichern (hedgen1), und genießen daher große Aufmerksamkeit bei professionellen Händlern, die nach Arbitragegelegenheiten Ausschau halten. Unternehmen, die sich mit Hilfe von Termingeschäften absichern wollen, dürfen daher von fairen im Sinne von arbitragefreien Terminpreisen ausgehen. Grundsätzlich funktioniert Arbitrage mit unbedingten Termingeschäften wie folgt: Man tätigt ein Termingeschäft und sichert sich gleichzeitig auf möglichst günstige Weise gegen mögliche Zahlungsverpflichtungen aus diesem Termingeschäft ab. Gelingt es im Zuge dessen, einen Einzahlungsüberschuss zu erzielen, ohne dass es jemals zu einem Auszahlungsüberschuss kommen kann, 1
Eigentlich könnte man gut auf diese von „to hedge“ abgeleitete sprachliche Stolperfalle verzichten. Allerdings verweist sie auf eine sehr anschauliche Metapher. Hedge bedeutet nämlich Hecke und lässt somit deutlich werden, dass es um Risikobegrenzung geht.
60
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
hat man eine Arbitragegelegenheit entdeckt. Dieser Grundgedanke lässt sich wie N D die Zahlungscharakteristik und p D der Preis des folgt präzisieren: Sei z D := (z iD )i=1 Derivats D im Betrachtungszeitpunkt t0 = 0. Dann werden Gegenpositionen (Hedgeportfolios) hl oder hs für Termin-Long- oder -Shortpositionen gesucht, die aus am Markt gehandelten Titeln mit Zahlungsmatrix Z und Preisen p bestehen und die die Bedingungen −p hl − p D >0 Zhl + z D oder
−p hs + p D Zhs − z D
>0
erfüllen. Der in der Regel kurzfristig orientierte Händler wird versuchen, die zukünftige Zahlungswirksamkeit der Termingeschäfte möglichst exakt zu neutralisieren (perfekter Hedge), um zu vermeiden, dass nach Saldierung von Termingeschäft und Gegengeschäft in Zukunft noch positive Zahlungssalden verbleiben, weil diese den Handelsgewinn in t0 bei positiven Preisen für zukünftige Geldeinheiten zwangsläufig schmälern. Existiert ein perfekter Hedge, dann gilt also hl = −hs = −Z−1 z D , und hs verdient die Bezeichnung Replikationsportfolio, da es exakt die gleiche Zahlungscharakteristik aufweist, wie das Derivat. Sei xz D das Replikationsportfolio, dann sind Arbitragegelegenheiten demnach genau dann ausgeschlossen, wenn p xz D = p D
(8.1)
gilt. 8.3.1 Der Forward-Preis einer Aktie ohne Dividende Der Kauf eines Forwardkontraktes f im Zeitpunkt n entspricht der unbedingten Verpflichtung, bei Fälligkeit des Forwardkontraktes N > n eine Einheit2 des Basistitels B zum fest vereinbarten Terminpreis (Forward Price) f B (n, N) abzunehmen. Ein im Zeitpunkt 0 abgeschlossener Forward-Kontrakt auf eine dividendenlose Aktie S (S steht für Share), der bei Fälligkeit durch den Verkauf der Aktie am Kassamarkt zum Kurs SN abgewickelt wird, besitzt die Zahlungscharakteristik 0 für n = 1,..., N − 1 f Zn = SN − f S (0, N) für n = N . 2
Die Normierung des Kontraktvolumens auf den Wert 1 soll die Darstellung so übersichtlich wie möglich halten. In der Realität sind die Kontraktvolumina in der Regel deutlich größer.
8.3 Terminpreise
61
Diese Zahlungscharakteristik lässt sich durch ein Portfolio aus einer Aktie und dem Leerverkauf von f S (0, N) Zerobonds replizieren. Berücksichtigt man nun noch, dass bei Abschluss eines Forward Kontraktes usancegemäß keine Zahlungen ausgelöst werden, so dass p D = 0 gilt, und schreibt S0 für den Kassakurs der Aktien und P(0, N) für den Kurs des in N fälligen Zerobonds im Zeitpunkt 0, dann nimmt (8.1) in diesem konkreten Fall die Gestalt −S0 + f S (0, N) · P(0, N) = 0
(8.2)
an. Demnach existiert dann und nur dann keine Arbitragegelegenheit, wenn die Bedingung !
f S (0, N) =
S0 P (0, N)
(8.3)
erfüllt ist. In Verbindung mit der Definition 7.2 für den nominalen Kassazinssatz lässt sich (8.3) auch in Form von S0 P (0, N) = S0 + S0
f S (0, N) =
1 −1 P(0, N) = S0 + S0 ·rn (0, N) · N
bzw. T er mi npr ei s = K assakur s + Cost o f Carr y formulieren. Bei den Cost of Carry handelt es sich hier um die Zinsen, die demjenigen entstehen oder entgehen, der die Aktie für die Dauer der Laufzeit des Termingeschäftes hält. Sollte die Aktie während der Laufzeit des Terminkontraktes eine Dividende zahlen, ist der Dividendenerlös zzgl. Zinsen mit den Finanzierungskosten zu verrechnen. Das soll im Folgenden gezeigt werden. 8.3.2 Der Forward-Preis einer Aktie mit Dividende Ist für den Dividendentermin n d < N eine Dividende in Höhe von d angekündigt, so ist das Replikationsportfolio um eine Short-Position im Umfang von d Einheiten eines Zerobond mit Fälligkeit n d zu ergänzen, wodurch die Dividende faktisch auf den Zeitpunkt der Betrachtung vor verlagert wird. In Verbindung mit der Indikatorfunktion 1 falls n d ≤ N 1{nd ≤N} := 0 sonst kann man (8.2) wie folgt auf den Fall einer Dividenden zahlenden Aktie erweitern
62
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
−S0 + d · P(0,n d ) · 1{nd ≤N} + f S (0, N) · P(0, N) = 0.
(8.4)
Analog zu dem Fall einer dividendenlosen Aktie lässt sich in Verbindung mit der Definition 7.8 für den nominalen Terminzinssatz zeigen, dass Arbitragegelegenheiten genau dann ausgeschlossen sind, wenn P(0,n d ) S0 −d · ·1 P (0, N) P(0, N) {nd ≤N} = S0 + S0 ·rn (0, N) · N − d · (1 + f n (0,n d , N) · ( N − n d )) · 1{nd ≤N} (8.5)
f S (0, N) =
gilt. In zeitkontinuierlichen Modellen wird für gewöhnlich wie folgt von tatsächlichen Zahlungsvorgängen abstrahiert: Man unterstellt eine konstante Ausschüttungsrate. Der daraus resultierende Dividendenstrom wird in den Planungshorizont verlagert, indem er kontinuierlich in die Aktie reinvestiert wird. Sei dn die im Zeitpunkt tn gezahlte Dividende (in Geldeinheiten) für den Zeitraum vom letzten Dividendentermin tn−1 bis tn , dann bezeichnet man rnd :=
dn Sn
als Ausschüttungsrate. Wird die in tn gezahlte Dividende unverzüglich in Aktien reinvestiert, dann wächst die Anzahl der Aktien in n auf n dn S 1+ = x 0S ∏(1 +rid ). x nS = x n−1 Sn i=1 Bemessen sich die in stets gleichen zeitlichen Abständen Δ aufeinander folgenden Ausschüttungen nach einer konstanten Ausschüttungsrate r d mit entsprechender konformer Ausschüttungsrate rcd :=
ln(1 +r d ) , Δ
dann wächst die Anzahl der Aktien bis zum Zeitpunkt T = N · Δ kontinuierlich auf d
x TS = x 0S (1 +r d ) N = x 0S erc T
(8.6)
an, wenn sämtliche Ausschüttungen sofort in die Aktie reinvestiert werden. Die Zahlungscharakteristik eines Terminkaufs lässt sich unter diesen Annahmen durch ein d Portfolio aus e−rc T Aktien und dem Leerverkauf von f S (0,T ) Zerobonds replizieren. Demnach existiert dann und nur dann keine Arbitragegelegenheit, wenn die Bedingung −e−rc T S0 + f S (0,T ) · P(0,T ) = 0 d
erfüllt ist. Sei r der effektive Kassazinssatz für den Zeitraum von 0 bis T und
(8.7)
8.3 Terminpreise
rc :=
63
ln(1 +r ) Δ
die konforme Kassazinsrate, dann impliziert (8.7) f S (0,T ) = e(rc −rc )T S0 . d
Die Cost of Carry werden im vorliegenden Fall demnach durch die Differenz zwischen der konformen Kassazinsrate rc und der konformen Ausschüttungsrate rcd bestimmt. 8.3.3 Der Forward-Preis einer Währung Bei der Kursnotierung von Währungen unterscheidet man die Preis- und die Mengennotiz. Die Preisnotiz gibt an, wie viel eine Einheit einer Fremdwährung in inländischer Währung kostet. Beispiel 8.1. Am 04.01.2001 kostete ein 1 USD 1,057 EUR. Die Mengennotiz gibt an, wie viele Einheiten einer Fremdwährung man für eine Einheit inländischer Währung bekommt. Seit dem 01.01.1999 wird das Verhältnis der Währung Euro zu Fremdwährungen in allen EWWU-Ländern in der Mengennotiz dargestellt. Beispiel 8.2. Am 04.01.2001 bekam man für 1 EUR 0,9461 USD. Man beachte, dass aus Sicht eines Ausländers die Mengennotierung eines Inländers eine Preisnotierung ist. Ist in diesem Abschnitt von Inländern und Ausländern die Rede, so bezieht sich dies nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf die Währung, in welcher ein Konto geführt wird. Ein Deutscher, der sein Konto in USD führen lässt, ist demnach ein Ausländer. Sei FX 0 die Mengennotiz des USD im Zeitpunkt 0. Aus der Sicht eines US-Amerikaners stellt sie eine Preisnotiz dar. Für ihn ist die Währung Euro ein Gut, dessen Kassapreis pro Einheit im Zeitpunkt 0 gerade FX 0 USD beträgt. Er kann den Kauf eines Euro per Termin N zum Terminpreis f FX (0, N) USD replizieren, indem er eine Einheit eines Zerobond mit Nennwert 1 EUR und Fälligkeit N zum Preis PD (0, N) · FX 0 USD kauft3 und fFX (0, N) Einheiten eines Zerobond mit Nennwert 1 USD zum Preis P(0, N) leer verkauft. Demnach lautet die Bedingung (8.1) in diesem konkreten Fall −PD (0, N) · FX 0 + f FX (0, N) · P(0, N) = 0. Demnach bieten sich dem US-Amerikaner genau dann keine Arbitragegelegenheiten, wenn
3
Der Index D in PD (0, N) und weiter unten in rnD (0, N) steht für Domestic, weil wir die Replikationsstrategie des Amerikaners durch die europäische Brille betrachten.
64
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
PD (0, N) P (0, N) 1 +rn (0, N) · N = FX 0 · 1 +rnD (0, N) · N
fFX (0, N) = FX 0 ·
gilt. Auch dieses Resultat kann im Sinne von Cost of Carry interpretiert werden, wenn man sich in die Rolle des US-Amerikaners versetzt. Ein Kassa-Kauf des Euro verursacht diesem positive Cost of Carry infolge zu zahlender oder entgehender Zinsen. Maßgeblich hierfür ist der Dollar-Zinssatz rn (0, N), der demzufolge einen positiven Einfluss auf den Forward-Preis hat. Da der Euro verzinslich angelegt werden kann, stehen diesen Kosten andererseits Erlöse gegenüber4, die die Cost of Carry negativ beeinflussen. Maßgeblich hierfür ist der Euro-Zinssatz rnD (0, N), der demzufolge einen negativen Einfluss auf den Forward-Preis hat. 8.3.4 Der Futures-Kurs einer Aktie Bei den bislang betrachteten Forward-Geschäften handelt es sich um sogenannte Over-the-Counter-Geschäfte (OTC-Geschäfte), das sind nicht standardisierte Geschäfte, die zwischen zwei Vertragsparteien (Counterparties) individuell vereinbart werden. Solche Vereinbarungen haben zwei entscheidende Nachteile
Möchte man bereits vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Laufzeit erreichen, dass die eingegangene Verpflichtung zukünftig keine Zahlungen mehr auslöst,5 so muss man unter Umständen erhebliche Suchkosten in Kauf nehmen, um jemanden zu finden, der bereit ist, ein entsprechendes Gegengeschäft abzuschließen. Man kann nicht sicher sein, dass der Vertragspartner seinen Verpflichtungen nachkommt, d.h. es gibt ein Adressen-Ausfall-Risiko (Counterparty Risk).
Diese Nachteile lassen sich vermeiden, wenn man den Handel mit Terminkontrakten börsenmäßig organisiert, so dass die Börse selbst Kontrahent wird und als solcher die Erfüllung aller Geschäfte garantiert. Um eine solche Erfüllungsgarantie gegebenenfalls auch einlösen zu können, setzen die Börsen vor allem auf das sogenannte Risk Based Margining. Zusätzlich werden gewisse Mindestanforderungen an die Haftungsmasse gestellt, die Träger der Börse im Notfall direkt oder indirekt bereitzustellen in der Lage sein müssen. Das Risk Based Margining arbeitet im Wesentlichen mit zwei Instrumenten, nämlich
4 5 6
der aus der täglichen Abrechnung von bereits eingetretenen Gewinnen und Verlusten resultierenden Variation Margin6 sowie Das war bei der Dividenden zahlenden Aktie auch schon der Fall. Händler reden in diesem Zusammenhang vom Glattstellen (Close Out) einer eingegangenen Position. Bei extremen Kursbewegungen wird auch innerhalb eines Tages abgerechnet. Daraus resultierende Sicherheitsleistungen werden als Intraday Margin bezeichnet.
8.3 Terminpreise
65
der als Additional Margin bezeichneten zusätzlichen Sicherheitsleistung, die in 99,5% aller möglichen Fälle ausreichen soll, um die Verluste zu kompensieren, die bis zum nächsten Börsentag auflaufen können .
Im Folgenden wird unterstellt, dass sich der Unterschied in der Abwicklung von nicht börsengehandelten Forward-Kontrakten einerseits und börsengehandelten Futures-Kontrakten andererseits auf die tägliche Abrechnung von bereits eingetretenen Gewinnen und Verlusten (Daily Settlement) beschränkt. Sei FS (n, N) der FuturesPreis eines Futures-Kontraktes auf eine dividendenlose Aktie mit Fälligkeit N zu irgendeinem Abrechnungszeitpunkt n, dann generiert die tägliche Abrechnung von Preisdifferenzen Zahlungen in Höhe von FS (n, N) − FS (n − 1, N). In einer ersten Annäherung an die Lösung des Bewertungsproblems könnte man davon abstrahieren, dass diese Kursdifferenzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, und stattdessen nur auf den Gesamtbetrag N
∑ FS (i, N) − FS (i − 1, N) = FS (N, N) − FS (0, N)
i=1
schauen, der bis zur Fälligkeit aufläuft. Berücksichtigt man nun noch, dass der Futures-Kurs eines fälligen Futures-Kontraktes FS (N, N) mit dem Kassakurs SN übereinstimmen muss, wenn man einmal (vereinfachend) davon ausgeht, dass sowohl das Kassa- als auch das fällige Futures-Geschäft augenblicklich zu erfüllen und somit vollkommene Substitute sind, und Arbitragegelegenheiten ausgeschlossen sein sollen, so erhält man N
∑ FS (i, N) − FS (i − 1, N) = SN − FS (0, N)
i=1
und gelangt zu dem Schluss, dass das Daily Settlement letztlich unerheblich ist, so dass der Futures-Preis mit dem Forward-Preis übereinstimmen müsste. Wer so argumentiert, unterstellt implizit, dass am Markt keine Zinsen gezahlt werden. Im Folgenden wird gezeigt, dass die Irrelevanz des Daily Settlement nicht von der Höhe der Zinsen sondern von deren Vorhersehbarkeit abhängt. Zu dieser Erkenntnis gelangt man, indem man die zur Verlagerung der Kursdifferenzen auf den Zeitpunkt der Fälligkeit erforderlichen Transaktionen explizit modelliert, anstatt einfach zu saldieren. Dazu werden Geldmarktzertifikate eingesetzt. Diese werden von Fondsgesellschaften emittiert, die das ihnen übertragene Anlagekapital in Tages- und Termingeldern sowie in Geldmarktpapieren anlegen. Das Fondsvermögen wird verbrieft. Die Kursentwicklung eines Geldmarktzertifikates (Cash Bond) wird durch die Kassazinssätze r (n,n + 1) getrieben und folgt der Gleichung Bn+1 = (1 +r (n,n + 1)) · Bn .
(8.8)
Der Kurs eines Geldmarktzertifikates Bn+1 in tn+1 ist demnach in tn vorhersehbar. Um den bei der Verlagerung der Kursdifferenzen zum Tragen kommenden Zinseffekt zu kompensieren, wird die Futures-Position im Verlauf der Zeit systematisch aufgestockt. Damit wird kompensiert, dass früh anfallenden Kursdifferenzen andernfalls
66
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
aufgrund des Zinseffektes bei der Saldierung zwangsläufig ein höheres Gewicht zukommen würde als später anfallenden Kursdifferenzen. Konkret wird der Bestand an Futures-Kontrakten gemäß x nF = Bn+1 im Einklang mit der Kursentwicklung des Geldmarktzertifikates erhöht. Die im Zuge der täglichen Abrechnung der Preisdifferenzen FS (n, N) − FS (n − 1, N) anfallenden Zahlungen werden in Geldmarktzertifikaten angelegt oder durch den Leerverkauf von Geldmarktzertifikaten finanziert. Das führt bei einem Anfangsbestand in Höhe von x 0B = 0 zu einem Endbestand an Geldmarktzertifikaten in Höhe von F x N−1 · (FS (N, N) − FS (N − 1, N)) BN B N · (S N − FS (N − 1, N)) B = x N−1 + BN B = x N−1 + SN − FS (N − 1, N)
B + x NB = x N−1
= x 0B + SN − FS (0, N) = S N − FS (0, N). Geht man davon aus, dass sich die Kassazinssätze deterministisch entwickeln, dann ist auch die Kursentwicklung der Geldmarktzertifikate deterministisch. In diesem Fall lässt sich der Futures-Kontrakt mit x 0S = B N Aktien und x 0B = −FS (0, N) Geldmarktzertifikaten replizieren, so dass Arbitragegelegenheiten genau dann ausgeschlossen sind, wenn B N · S0 − FS (0, N) · B0 = 0 bzw. FS (0, N) =
BN · S0 B0
gilt. Werden sowohl Geldmarktzertifikate als auch Zerobonds gehandelt, ist der Markt nur dann frei von Arbitrage, wenn eine Buy-and-Hold Anlage in Geldmarktzertifikate zum gleichen Erfolg führt wie der Erwerb einer entsprechenden Anzahl von Zerobonds mit entsprechender Fälligkeit; es muss also BN =
B0 ·1 P(0, N)
und somit auch FS (0, N) =
S0 = f S (0, N) P(0, N)
gelten.78 7 8
Vgl. Cox, Ingersoll & Ross (1981). Ist die Zinsentwicklung stochastisch, dann existiert zumindest stets eine Untergrenze B N = B0 , da der Kassazinssatz nicht negativ werden kann, falls Kassenhaltung möglich ist. Ohne
8.4 Time Spreads und Rolling Hedges
67
8.4 Time Spreads und Rolling Hedges Ein Spread ist ein aus zwei Termingeschäften mit gegenläufiger Zahlungscharakteristik bestehendes Kombinationsgeschäft. Beim Time Spread wird mit unterschiedlichen Fälligkeiten per Termin ge- und verkauft. Spreads werden üblicherweise mit Futures-Kontrakten implementiert. Wir unterstellen eine deterministische Zinsentwicklung und können daher im folgenden davon ausgehen, dass der Futures-Preis mit dem Forward-Preis übereinstimmt. Konkret versteht man unter dem Kauf eines Time Spread den Verkauf eines Futures-Kontraktes mit Fälligkeit N1 und den gleichzeitigen Kauf eines Futures-Kontraktes mit Fälligkeit N2 > N1 . Kauft man einen solchen Spread in t0 = 0 und stellt diesen dann in t1 = 1 gleich wieder glatt, dann wird wie folgt abgerechnet Z 1T S : = −( f S (1, N1 ) − f S (0, N1 )) + ( f S (1, N2 ) − f S (0, N2 )) = f S (0, N1 ) − f S (0, N2 ) − ( f S (1, N1 ) − f S (1, N2 )) 1 1 1 1 − − = S0 · − S1 · P (0, N1 ) P (0, N2 ) P (1, N1 ) P (1, N2 ) S0 P (0, N1 ) S1 P (1, N1 ) = 1− − 1− P (0, N1 ) P (0, N2 ) P (1, N1 ) P (1, N2 ) S1 S0 = (N2 − N1 ) · · f n (1, N1 , N2 ) − · f n (0, N1 , N2 ) P (1, N1 ) P (0, N1 ) Bei deterministischer Zinsentwicklung bleibt der Terminzinssatz für ein gegebenes in der Zukunft liegendes Intervall im Zeitverlauf konstant bis der Betrachtungszeitpunkt den Anfangszeitpunkt des betreffenden Intervalls erreicht, d.h. es gilt f n (n, N1 , N2 ) = f n (0, N1 , N2 ) für alle n = 1,..., N1 . In Verbindung mit der Definition m : = (N2 − N1 ) · fn (0, N1 , N2 ) gilt somit weitere Annahmen setzt sich der erlösmaximale Hedge einer Longposition in der oben beschriebenen Strategie aus h lS = −B0 Aktien und h lB = FS (0, N) Geldmarktzertifikaten zusammen, so dass Arbitragegelegenheiten nur dann ausgeschlossen sind, falls −(h lS · S0 + h lB · B0 ) ≤ 0 ⇔ FS (0, N) ≥ S0 gilt. Eine Shortposition in der oben beschriebenen Strategie lässt sich nicht hedgen, solange B N unbeschränkt wachsen kann. Ohne einschränkende Annahmen an den Zinsprozess existiert keine Obergrenze für den Futures-Preis. Auch dieses Resultat lässt sich sehr einleuchtend mit den Cost of Carry erklären: Solange die Zinsen nicht negativ werden können sind die Cost of Carry nämlich einerseits niemals negativ, andererseits können sie aber unendlich groß werden, wenn es keine obere Schranke für den Kassazinssatz gibt.
68
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
Z 1T S = m · ( f S (1, N1 ) − f S (0, N1 )). Der Kauf eines Time Spread ist somit aus der Sicht eines Spekulanten, der auf steigende Kurse setzt, eine Alternative zum Kauf eines Futures-Kontraktes. Da der Käufer eines Spread der geborene Kontrahent für Jemanden ist, der eine Long-Position im Basistitel durch einen revolvierenden Hedge mit Futures-Kontrakten absichern möchte und dazu in regelmäßigen Abständen die Short-Position mit Fälligkeit N1 glattstellt und gleichzeitig eine Short-Position mit Fälligkeit N2 öffnet, wäre es nicht überraschend, wenn Börsenbetreiber versuchten, den Spread-Handel durch vergleichsweise niedrigere Margin-Anforderungen zu fördern.
8.5 Synthetische Lagerhaltung und Basisrisiko Ein Händler geht in t0 = 0 die Verpflichtung ein, B N Einheiten9 eines Rohstoffes mit Kassapreis C0 (C steht für Commodity) in dem weit in der Zukunft gelegenen Zeitpunkt N zum Preis C0 + m zu liefern (m steht für Mark Up). Da es keine Möglichkeiten gibt, das Preisrisiko aus dem Grundgeschäft laufzeitkongruent abzusichern, beschließt der Händler das Preisrisiko mit Hilfe von Futures-Kontrakten abzusichern, die jeweils eine Laufzeit von genau einer Periode haben und dann erfüllt werden (Rolling Hedge). Die zum jeweils nächsten Abrechnungstermin fällig werdenden Futures-Kontrakte werden zu den Zeitpunkten n = 0,..., N − 1 entsprechend der dynamischen Strategie F
x n n+1 = Bn+1 gekauft und eine Periode später erfüllt. Daraus resultierende Zahlungen werden in Geldmarktzertifikaten angelegt oder durch den Leerverkauf von Geldmarktzertifikaten finanziert. In Verbindung mit der Definition B(n, N) := FC (n, N) − Cn für die Basis eines Terminkontraktes führt diese Strategie zu einem Bestand Fn · (FC (n,n) − FC (n − 1,n)) x n−1 Bn B = x n−1 + FC (n,n) − FC (n − 1,n)
B x nB = x n−1 +
B = x n−1 + Cn − FC (n − 1,n) B + Cn − Cn−1 − B(n − 1,n) = x n−1 n
= x 0B + Cn − C0 − ∑ B(i − 1,i ) i=1
9
Bei B N handelt es sich weiterhin um den bereits in t0 vorhersehbaren Kurs eines Geldmarktzertifikates im Zeitpunkt N.
8.5 Synthetische Lagerhaltung und Basisrisiko
69
an Geldmarktzertifikaten. Bei einem Anfangsbestand von x 0B = 0 Geldmarktzertifikaten generiert die Kombination aus Rolling Hedge und Lieferverpflichtung im Umfang von B N Einheiten des Rohstoffes bei Fälligkeit per saldo eine Zahlung in Höhe von N
(C0 + m − C N ) · B N + x NB · B N = (C0 + m − C N + C N − C0 − ∑ B(i − 1,i )) · B N i=1
N
= (m − ∑ B(i − 1,i )) · B N . i=1
Weiter oben wurde gezeigt, dass die Basis B(n − 1,n) auf einem arbitragefreien vollkommenen Terminmarkt gerade den Cost of Carry für die Periode n entspricht.10 Somit ist der Lieferkontrakt genau dann profitabel, wenn der Aufschlag m größer ist als die Cost of Carry für die gesamte Laufzeit. Das wäre bei physischer Lagerhaltung nicht anders, und daher nennt man die hier beschriebene Strategie auch synthetische Lagerhaltung. Darüber hinaus zeigt sich: Mit einem Rolling Hedge kann man zwar das Preisrisiko nicht aber das Basisrisiko ausschließen. Beispiel 8.3. (Synthetische Lagerhaltung durch die MGRM) Bei der MG Refining and Marketing (MGRM), einer Tochtergesellschaft der Metallgesellschaft (MG) hatte man beobachtet, dass sich der Rohölmarkt Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts seit mehr als 10 Jahren in einer Backwardation befand. Backwardation meint die Konstellation FC (n, N) < Cn , die definitionsgemäß äquivalent zu B(n, N) < 0 ist. Man beschloss daher, in großem Umfang synthetische Lagerhaltung zu betreiben, um von den negativen Cost of Carry zu profitieren. Dazu wurden langfristige Lieferverträge über Benzin und Heizöl zu Festpreisen in Höhe des aktuellen Spot-Preises zzgl. eines Aufschlags abgeschlossen, die dann durch einen Rolling Hedge wie oben beschrieben abgesichert werden sollten. Das Geschäft entpuppte sich als Milliardengrab, weil die MGRM eine Reihe von Risiken nicht adäquat berücksichtigt hatte: 10
Der fallende Ölpreis beeinträchtigte die Bonität der Abnehmer für die langfristigen Öl-Lieferungen. Den Zusammenhang zwischen Basis und Cost of Carry kann man sich im Kontext von Rohstoffmärkten auch wie folgt plausibel machen: Solange der Rohstoff am Spotmarkt verfügbar ist, muss auf im Gleichgewicht befindlichen Märkten gelten: Basis ≤ Finanzierungskosten + Lagerhaltungskosten . Begründung: Andernfalls kann man mit der Kombination Long-Spot und Short-Futures Arbitragegewinne realisieren. Solange der Rohstoff irgendwo auf Lager liegt, muss auf im Gleichgewicht befindlichen Märkten gelten: Basis ≥ Finanzierungskosten + Lagerhaltungskosten. Begründung: Andernfalls ist die Substitution der physischen durch die synthetische Lagerhaltung vorteilhaft.
70
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
Aufgrund des gestiegenen Bonitätsrisikos waren die Banken nicht mehr bereit, die zwischenzeitlichen Auszahlungen zu finanzieren, die der Rolling Hedge aufgrund des fallenden Ölpreises verursachte. Die Preisverfall am Spotmarkt ging mit einer Erhöhung der Basis einher,11 die wieder positiv wurde, was die synthetische Lagerhaltung verteuerte. Terminhändler sprechen in diesem Fall von Contango. Contango meint die Konstellation FC (n, N) > Cn , die definitionsgemäß äquivalent zu B(n, N) > 0 ist.
Kritisch wurde es für die Muttergesellschaft MG, als die Banken den Geldhahn zudrehten, so dass der Rolling Hedge nicht mehr in vollem Umfang durchgehalten werden konnte. Um dennoch wieder zu einem perfekten Hedge zu gelangen, wurden die Abnahmeverpflichtungen aus den langfristigen Lieferverträgen einfach entsprechend gekürzt, so dass ein Großteil der bereits realisierten Verluste aus Futures-Geschäften endgültig nicht mehr kompensiert werden konnte. Das Traditionsunternehmen MG überlebte dieses Fiasko nicht; es wurde zerschlagen.12
8.6 Die Put-Call-Parity Der Verkäufer (Stillhalter) einer europäischen Kaufoption (European Call-Option oder kurz (europäischer) Call) verpflichtet sich, dem Käufer (Halter) der Option bei Fälligkeit der Option einen bestimmten Finanztitel zu dem im vorhinein bestimmten Basispreis oder Ausübungspreis K (Strike Price, Excercise Price) zu verkaufen, falls der Käufer der Option dieses wünscht.13 Betrachten wir beispielsweise einen Call N , die keine mit Fälligkeit N und Basispreis K auf eine Aktie mit Aktienkurs (Si )i=0 Dividende zahlt. Geht man davon aus, dass der Käufer nur dann von seinem Recht Gebrauch macht, wenn es sich für ihn auszahlt, dann besitzt der Call die Zahlungscharakteristik14 11
12
13 14
Ursächlich für die negative Korrelation war letztlich die politische Großwetterlage. Die Entspannung sorgte nicht nur für einen fallenden Rohöl-Spot-Preis, sondern auch dafür, dass die Präferenz der Marktteilnehmer für physisch vorhandene Sicherheitsreserven (Convenience Yield) verloren ging, mit der sich erklären lässt, dass viele Marktteilnehmer ihre Lager in den Jahren zuvor aufrecht erhielten, obwohl die synthetische Lagerhaltung billiger gewesen wäre als die physische. Es kam zu einem langen Rechtsstreit darüber, wer das Fiasko zu verantworten hatte. Einer der Gutachter in diesem Verfahren war der Nobelpreisträger Merton Miller, vgl. Miller & Culp (1995). Abweichend davon dürfen amerikanische Optionen jederzeit während der Laufzeit ausgeübt werden. Zur Erinnerung: Der Maximumoperator max(a,b) liefert als Ergebnis die größere der beiden Zahlen a und b. Oft werden der Maximum- und der Minimumoperator durch x + := max(x,0) x − := min(x,0) noch kompakter dargestellt.
8.6 Die Put-Call-Parity
Z nC =
71
0 für n = 0,..., N − 1 max(Sn − K ,0) für n = N .
Der Verkäufer einer europäischen Verkaufsoption (European Put-Option oder kurz (europäischer) Put) verpflichtet sich, dem Käufer der Option bei Fälligkeit der Option einen bestimmten Finanztitel zu dem im vorhinein bestimmten Basis- oder Ausübungspreis K abzukaufen, falls der Käufer der Option dieses wünscht. Betrachten wir beispielsweise einen Put mit Fälligkeit N und Basispreis K auf eine Aktie mit N . Geht man davon aus, dass der Käufer nur dann von seinem Aktienkurs (Sn )n=0 Recht Gebrauch macht, wenn es sich für ihn auszahlt, dann besitzt der Put die Zahlungscharakteristik 0 für n = 0,..., N − 1 P Zn = max(K − Sn ,0) für n = N . Unter Berücksichtigung der Beziehung max(a,b) = −min(−a,−b) := −
−a falls −a ≤ −b −b falls −b < −a
(8.9)
kann man die Zahlungscharakteristik einer Kombination aus Long-Call und ShortPut mit gleicher Fälligkeit N und gleichem Basispreis K wie folgt darstellen Z CN − Z NP = max(SN − K ,0) − max(K − SN ,0) = max(SN − K ,0) + min(SN − K ,0) = SN − K . Folglich muss in Abwesenheit von Arbitragegelegenheiten Z CN = Z NP + SN − K
(8.10)
gelten.15 Nimmt man an, dass der Marktwert einer zukünftigen Zahlung Z N im Zeitpunkt n eine lineare Funktion Πn (Z N ) ist,16 und bedenkt, dass auf einem arbitragefreien Markt der Marktwert einer Zahlung dem Marktpreis eines Bündels von Titeln mit entsprechender Zahlungscharakteristik entsprechen muss, falls ein solches gehandelt wird, dann folgt erstens, dass der Aktienkurs Sn der Marktwert von SN ist, da die 15
(8.10) entspricht P −S N + Z C N = −K + Z N
16
und kann auch so gelesen werden, dass sich das Risiko aus dem Leerverkauf einer Aktie durch den Erwerb einer Call-Option auf die Zahlung des Basispreises der Call-Option beschränken lässt. Das verbleibende Chancenpotenzial entspricht dann dem einer Put-Option mit entsprechendem Basispreis. In den Abschnitten 9.2 und 9.3 wird gezeigt, dass diese Annahme genau dann erfüllt ist, wenn der Kapitalmarkt keine Arbitragegelegenheiten bietet.
72
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
Aktie annahmegemäß keine Dividende zahlt, und zweitens, dass der Börsenkurs von K Zerobonds mit Fälligkeit N, d.h. K · P(n, N), dem Marktwert einer in N fälligen Zahlung in Höhe von K entsprechen muss, und mithin (8.10) die Beziehung Πn (Z CN ) = Πn (Z NP ) + Πn (S N ) − Πn (K ) = Πn (Z NP ) + Sn − P(n, N) · K impliziert. Nun muss, damit sich keine Arbitragegelegenheiten bieten, sowohl P(n, N) ≤ 1 als auch Πn (Z NP ) ≥ 0 gelten. Ersteres folgt aus der Möglichkeit, kostenlos Kasse halten zu können, und Letzteres aus der Tatsache, dass der Put unter keinen Umständen zu einer Zahlungsverpflichtung führt. Somit gilt also auch Πn (Z CN ) ≥ Sn − K .
(8.11)
Man bezeichnet die rechte Seite von (8.11) als inneren Wert des Call.17 Für den europäischen Put gilt entsprechend die auf Stoll (1969) zurückgehende PutCall-Parity Πn (Z NP ) = Πn (Z CN ) + P(n, N) · K − Sn .
(8.12)
Hieraus kann wegen P(n, N) ≤ 1 nicht gefolgert werden, dass der Wert eines europäischen Put ebenfalls niemals unter seinem inneren Wert liegt. Offensichtlich ist der Wert jedenfalls dann niedriger, wenn der Put noch eine nennenswerte Restlaufzeit hat, so dass P(n, N) deutlich kleiner als 1 ist, und der korrespondierende Call nahezu wertlos ist. Der Call ist nahezu wertlos, wenn der aktuelle Kurs weit unter dem Basispreis liegt. Im Fachjargon heißt es dann, der Call sei weit aus dem Geld (out of the money) und der Put sei weit im Geld (in the money). Außerdem lässt sich unmittelbar ablesen, dass die Marktwerte von Call und Put für K = P(n, N)−1 Sn = f S (n, N) übereinstimmen.
8.7 Amerikanische Optionen (No Early Exercise) Eine amerikanische Option kann im Gegensatz zur europäischen Option nicht nur bei Fälligkeit, sondern jederzeit vorher ausgeübt werden. Man spricht dann von vorzeitiger Ausübung (Early Exercise), wenn der Halter vor Fälligkeit von seinem Recht Gebrauch macht. Der Wert dieses Vorteils ist auf hoch entwickelten Kapitalmärkten geringer als man im ersten Moment denkt. Im Falle einer Kaufoption auf eine dividendenlose Aktie ist er sogar wertlos. Das soll im Folgenden gezeigt werden: Seien T Cn die als Prämien bezeichneten Preise eines Calls vom europäischen oder amerikanischen Typ T ∈ {EU,US} auf eine dividendenlose Aktie, dann impliziert EUCn > USCn eine Arbitragegelegenheit, da die amerikanische Option alle Rechte gewährt, die eine ansonsten identische europäische Option auch gewährt. Die Konstellation USCn > EUCn impliziert ebenfalls eine Arbitragegelegenheit, weil 17
Vgl. Merton (1973) zu weiteren verteilungsunabhängigen Wertgrenzen.
8.7 Amerikanische Optionen (No Early Exercise)
73
das Recht auf vorzeitige Ausübung wertlos ist, da die vorzeitige Ausübung eines Call auf eine dividendenlosen Aktie von der Möglichkeit dominiert wird, auf die Ausübung zu verzichten und stattdessen die zu Grunde liegende Aktie leer zu verkaufen. Das spart (Opportunitäts-)Kosten in Höhe der Zinsen auf den Basispreis K . Diese auf Merton (1973) zurückgehende Überlegung soll im Folgenden gezeigt werden: Statt eine amerikanische Option zu irgendeinem Zeitpunkt n a < N vor ihrer Fälligkeit N auszuüben, empfiehlt es sich, die europäische Option mit dem Leerverkauf einer Aktie und dem Kauf von K Zerobonds mit Fälligkeit N im Zeitpunkt n a zu kombinieren. In n a wird also ein Portfolio S x −1 x= = K xP zu den Preisen
pna =
Sna P(n a , N)
N die Zahlungscharakteristik einer Kauf- oder Verkaufsoption erworben. Sei (Z iT O )i=1 O ∈ {C, P} vom europäischen oder amerikanischen Typ T ∈ {EU,U S} mit Basispreis K und Fälligkeit N, dann generiert diese Strategie zukünftige Zahlungen in Höhe von ⎧ für n = n a ⎨ −pn x SC Z n = Z nEUC + pn x für n = N ⎩ 0 sonst ⎧ für n = n a Sn − K · P(n, N) ⎨ = max(Sn − K ,0) − (Sn − K ) für n = N ⎩ 0 sonst ⎧ ⎨ Sn − K · P(n, N) für n = n a = max(0, K − Sn ) für n = N ⎩ 0 sonst
und dominiert somit die durch die Ausübung eines amerikanischen Call in n a resultierenden Zahlungen Sn − K für n = n a Z nUSC = 0 sonst. Auf das Verhältnis zwischen europäischen und amerikanischen Puts lässt sich dieses Resultat nicht übertragen, denn in diesem Fall wird K − Sn für n = n a USP = Zn 0 sonst nicht von
74
8 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 1
Z nS P
=
⎧ ⎨
−pn (−x) EUP Z n + pn − (x)
für n = n a für n = N sonst
⎩ 0 ⎧ ⎨ K · P(n, N) − Sn für n = n a = max(0, Sn − K ) für n = N ⎩ 0 sonst
dominiert. Zahlt die Aktie Dividenden, dann gilt auch das Dominanzergebnis auch für den Call nicht mehr unbedingt, vielmehr muss dann vor jedem Dividendentermin geprüft werden, ob die Dominanz auch unter Berücksichtigung der Dividende noch gegeben ist.
8.8 Caps und Floors Konzeptionell stimmen Caps und Floors mit Kauf- und Verkaufsoptionen überein.18 Beim Cap, der seinerseits aus einem ganzen Bündel einzelner Kaufoptionen besteht, die man als Caplets19 bezeichnet, tritt ein Referenzzinssatz rn (n − 1,n) an die Stelle des Basistitels und die Strike Rate rC tritt an die Stelle des Basispreises. Ein Caplet mit Fälligkeit N besitzt somit die Zahlungscharakteristik 0 für n < N Z nC L = max(r (N − 1, N) −rC ,0) für n = N . Da r (n − 1,n) =
1 −1 P(n − 1,n)
im Zeitpunkt n −1 bereits mit Sicherheit feststeht, hat die Zahlung Z CN L im Zeitpunkt N − 1 einen Marktwert in Höhe von 1 CL − 1 −rc ,0 Π N−1 (Z N ) = P(N − 1, N) · max P(N − 1, N) 1 = P(N − 1, N) · max − (1 +rc ),0 P(N − 1, N) 1 − P(N − 1, N),0 . = (1 +rC ) · max 1 +rC Der Marktwert eines Caplet mit Fälligkeit N entspricht demnach dem Marktwert einer Anzahl von (1 + rC ) europäischen Puts mit Fälligkeit N − 1 und Basispreis 18
19
Die Zahlungscharakteristika sogenannter strukturierter Produkte werden wesentlich durch Caps und Floors bestimmt. Ein empfehlenswerter Überblick über Konzeption und Benennung strukturierter Produkte findet sich in Szczesny (2007). Analog spricht man beim Floor von Floorlets.
8.9 Swaptions
75
1 1+rC
auf einen Zerobond mit Fälligkeit N. 20 Dementsprechend hat ein Floorlet mit Zahlungscharakteristik 0 für n < N Z nF L = max(r F −r (N − 1, N),0) für n = N einen Marktwert in Höhe von
1 − 1 ,0 P(N − 1, N) · max r F − P(N − 1, N) 1 = (1 +r F ) · max P(N − 1, N) − ,0 . 1 +r F
Π N−1 (Z NF L ) =
Der Marktwert des Floorlet entspricht also demjenigen einer Anzahl von (1 + r F ) 1 europäischen Calls mit Fälligkeit N − 1 und Basispreis 1+r auf einen Zerobond mit F Fälligkeit N. Die Kombination aus Long-Cap und Short-Floor heißt Collar. Mit Hilfe eines Collars lässt sich beispielsweise die Verpflichtung zur Zahlung eines variablen Zinssatzes auf einen bestimmten Korridor eingrenzen. Sei r F < rC dann gilt −r (n − 1,n) + max(r (n − 1,n) −rC ,0) − max(r F −r (n − 1,n),0) ⎧ falls rC ≤ r (n − 1,n) ⎨ −rC = −r (n − 1,n) falls r F < r (n − 1,n) < rC ⎩ −r F falls r (n − 1,n) ≤ r F .
8.9 Swaptions Eine Swaption (zusammengesetzt aus Swap und Option) gibt dem Inhaber das Recht, bei Fälligkeit in einen Swap einzutreten. Angenommen das Underlying ist ein Payer Swap mit Swap Rate (Strike Rate) c und Fälligkeit N S , dann besitzt eine Swaption mit Fälligkeit N < N S die Zahlungscharakteristik 0 für n < N Z nS O = max(FRN(n, N S ) − Bc (n, N S ),0) für n = N 0 für n < N = max(1 − Bc (n, N S ),0) für n = N . Diese Zahlungscharakteristik entspricht derjenigen einer in N fälligen Put-Option mit Basispreis 1 auf eine Kupon-Anleihe mit Kupon c und Fälligkeit N S . 20
Eine ähnliche Beziehung (Put-Call-Duality) besteht zwischen Calls und Puts auf einen Wechselkurs. Sei FX beispielsweise die Relation USD/EUR. Wie aus
FX·max FX −1 −K ,0 = K · max K −1 − FX,0 ersichtlich, entspricht ein in Euro denominierter Call mit Basispreis K einer Anzahl von K in USD denominierten Puts mit Basispreis K −1 .
9 Der Marktwert bei Risiko
Im Folgenden wird gezeigt, wie man das Konzept der Bewertung durch Replikation verallgemeinern kann.
9.1 Annahmen über die Marktverhältnisse
Zeitpunkt der Betrachtung ist t0 . Gehandelt werden verbriefte Zahlungsversprechen m ∈ {1,..., M}. Die Zahlungsversprechen begründen Ansprüche auf Zahlungen z nm := z m (ωn ) im Zeitpunkt t1 , die in Abhängigkeit vom eingetretenen Ereignis ωn , n ∈ {1,..., N}, eingelöst werden. N eines Zahlungsversprechens m erfasst Die Zahlungscharakteristik zm = (z im )i=1 alle in t1 möglichen Zahlungen. Es gilt M ≥ N, d.h. die Anzahl der gehandelten Zahlungsversprechen ist nicht kleiner als die Anzahl der möglichen Ereignisse.
9.2 Arrow-Debreu-Wertpapiere Ist der Markt vollkommen und vollständig, dann erhält man den Marktpreis eines Wertpapiers, das im Zeitpunkt t1 genau eine Geldeinheit auszahlt, falls das Ereignis ωn eintritt und sonst nichts,1 analog zum Preis eines synthetischen Zerobond (6.5) gemäß PAD (0,n) = pB B−1 (n) . Analog zur Bewertung unter Sicherheit bestimmt sich der Marktwert eines Zahlungsversprechens als Summe aller bewerteten zustandsspezifischen Zahlungen, wobei 1
Derartige Wertpapiere bezeichnet man als Zustandswertpapiere oder Arrow-DebreuWertpapiere, die entsprechenden Preise als Arrow-Debreu-Preise. Das erklärt den Subindex AD, vgl. Arrow (1964).
78
9 Der Marktwert bei Risiko
die Bewertung mit den Marktpreisen für Geldeinheiten in den jeweiligen Zuständen (kurz: Zustandspreise oder Arrow-Debreu-Preise) π0,n = PAD (0,n) erfolgt. Dieser Ansatz lässt sich theoretisch problemlos auf mehrere zukünftige Zeitpunkte ausdehnen. Bei der praktischen Umsetzung stellt sich allerdings das Problem, den Zustandsraum nebst diesbezüglicher Zahlungskonsequenzen zu finden, von dem angenommen werden darf, dass er die übereinstimmenden Erwartungen aller Marktteilnehmer abbildet. Das spricht jedenfalls für eher einfach konstruierte Zustandsräume, wie z.B. im weiter unten behandelten Binomialmodell.
9.3 Die Darstellung des Marktwertes als Erwartungswert Im Folgenden soll gezeigt werden, dass man den Marktwert eines riskobehafteten Zahlungsversprechens als Erwartungswert darstellen kann. Voraussetzung dafür ist, dass man nicht mehr in Geldeinheiten sondern in Einheiten irgendeines anderen Basiswertpapieres rechnet. Dazu muss ein Basiswertpapier existieren, das in t0 einen echt positiven Preis hat und das in t1 für jedes mögliche Ereignis eine positive Auszahlung verspricht. Dieses kann man dann als Standardeinheit (Numéraire) verwenden, in welcher man alle anderen Preise und Zahlungen ausdrückt, was im Folgenden durch die Verwendung „bedachter“ Symbole angezeigt wird. Am besten macht man sich das mit Hilfe des folgenden Beispiels klar. Beispiel 9.1. Auf einem Finanzmarkt werden in aufsteigener Reihenfolge indiziert eine Anleihe B0,25 , eine Aktie R und eine Aktie S gehandelt. Im Zeitpunkt t1 können drei Elementarereignisse mit positiver Wahrscheinlichkeit eintreten. Die Auszahlungsmatrix sei durch ⎛ ⎞ 1,25 18 0 Z = ⎝ 1,25 20 1,6 ⎠ 1,25 22 2,4 gegeben. Es lässt sich leicht überprüfen, dass der Markt vollständig und Z bereits eine Basis des Marktes ist. Wir können daher B = Z und pB = p setzen. Verwendet man die Anleihe als Numéraire, so erhält man die bezüglich B0,25 normierten Auszahlungen ⎛ ⎞ 1 14,4 0 ˆ 1 ) = ⎝ 1 16,0 1,28 ⎠ . Z(z 1 17,6 1,92 Genauso lässt sich aber auch die Aktie R als Numéraire verwenden und man erhält die diesbezüglich normierten Auszahlungen ⎞ ⎛ 5 72 1 0 ˆ 2) = ⎝ 1 1 2 ⎠ . Z(z 16 25 5 6 88 1 55
9.3 Die Darstellung des Marktwertes als Erwartungswert
79
Da die Aktie S nicht bei jedem Ereignis eine strikt positive Auszahlung gewährt, kann sie nicht als Numéraire verwendet werden.2 Die Wertpapiere werden zum Zeitpunkt 0 zu Preisen von
p = 1 16 65 gehandelt. Verwendet man die Anleihe B0,25 als Numéraire, so erhält man einen normierten Preisvektor von ˆ p1 ) = p, p( verwendet man R als Referenzgröße, so errechnet sich der Vektor
1 3 ˆ p2 ) = 16 p( . 1 40 Für das Beispiel erhält man
p Z−1 = 1 16
6 5
⎛ ⎝
− 32 5 1 2 − 54
108 5 − 32 5 2
⎞ − 72 5 1 1 ⎠ = 10 − 54
6 1 10 10
für die in Geldeinheiten gemessenen Zustandspreise. Wenn man die Anleihe als Numéraire verwendet, errechnen sich auch als normierte Arrow-Debreu-Preise bezeichnete normierte Zustandspreise in Höhe von ⎛ ⎞ −8 27 −18
5 ⎠ ˆ 1 )−1 = 1 16 6 ⎝ 5 − 15 ˆ p1 ) Z(z pˆ 1AD := p( = 18 86 81 . 8 8 4 5 25 25 − 25 16 8 16 Verwendet man die Aktie als Numéraire, so erhält man normierte Zustandspreise von ⎞ ⎛ 576 − 5 432 − 1584 5 9 60 11
ˆ 2 )−1 = 1 1 3 ⎝ 9 −30 ˆ p2 ) Z(z 22 ⎠ = 80 . pˆ 2AD := p( 16 40 80 80 55 − 45 50 − 2 2 Wie man sieht, addieren sich die normierten Zustandspreise unabhängig von der Wahl des Numéraires stets zu 1. Das ist keine Besonderheit des Beispiels sondern allgemein gültig,3 so dass eine wesentliche Voraussetzung für die Interpretation der
2
3
Da der Preis eines Titels, der stets positive Zahlungen einbringt, auf einem arbitragefreien Markt zwingend positiv ist, ist die Bedingung ausschließlich positiver zukünftiger Zahlungen hinreichend für ein Numéraire. Da man die Basiswertpapiere stets so anordnen kann, dass das Numéraire an erster Stelle steht, kann man davon ausgehen, dass die erste Komponente im Vektor pˆ B für die normierˆ der normierten ten Preise der Basiswertpapiere gleich 1 ist. Ebenso lässt sich die Matrix B Zahlungscharakteristika der Basiswertpapiere entsprechend
80
9 Der Marktwert bei Risiko
Zustandspreise als Wahrscheinlichkeiten erfüllt ist. Da die normierten Zustandspreise auf einem arbitragefreien Markt zudem alle echt positiv sind,4 und da dank der Tatsache, dass ein Wertpapier, welches bei Eintritt von ωi oder ω j eine Geldeinheit zahlt, durch zwei Zustandswertpapiere repliziert werden kann, zudem noch Additivität gewährleistet ist, definieren die mit Hilfe des als Numéraire verwendeten Basiswertpapiers j berechneten normierten Zustandspreise ein Wahrscheinlichkeitsmaß j (0,n) n = 1,..., N . Q j ({ωn }) := Pˆ AD
(9.1)
Dieses Wahrscheinlichkeitsmaß unterscheidet sich wesentlich vom Wahrscheinlichkeitsmaß P, welches die nicht beobachtbaren Eintrittswahrscheinlichkeiten abbildet, da es durch die objektiv beobachtbaren Preise der Basiswertpapiere determiniert wird. Die Wahrscheinlichkeiten Q j ({ωn }) werden daher auch als PseudoWahrscheinlichkeiten bezeichnet. Beispiel 9.2. Betrachtet man ein Wertpapier mit der Zahlungscharakteristik ⎛ ⎞ 3 zX = ⎝ 1 ⎠ 0 und verwendet die Schreibweise z B ≡ z1 und p B ≡ p1 bzw. z R ≡ z2 und p R ≡ p2 , dann gilt unter Berücksichtigung von ⎛ 24 ⎞ 10
8 ⎠ zˆ X (z B ) = ⎝ 10 0 ⎛ 3 ⎞ 18
1 ⎠ zˆ X (z R ) = ⎝ 20 0
für den Marktwert in Einheiten der Anleihe πˆ X ( p B ) = (pˆ BAD ) zˆ X (z B ) =
9 1 24 6 8 1 · + · + ·0 = . 8 10 8 10 8 10
⎞ .. ˆ 12 . B 1 ⎟ ⎜ ⎟ Bˆ = ⎜ ⎝ ······ ······ ⎠ . ˆ 22 1 .. B ⎛
4
partitionieren. Die Behauptung lässt sich zeigen, indem man die Summe der normierten Zustandspreise πˆ 1 = (pˆ B ) Bˆ −1 1 mit Hilfe der Inverse der wie oben partitionierten Matrix ˆ −1 berechnet. Das Rechnen mit partitionierten Matrizen wird z.B. in Wilson, Michaels, B Driscoll & Grass (1996, S. 125) erläutert. Das ist eine Folge echt positiver nicht normierter Zustandspreise und echt positiver Preise für das Numéraire.
9.4 Bewertung durch Replikation und risikoneutrale Bewertung
81
Fasst man die Elemente von zˆ X (z B ) als Realisationen einer Zufallsvariablen Xˆ B (ω) auf, so kann man diesen Marktwert in Verbindung mit (9.1) auch als Erwartungswert
Q
B
N Xˆ B = ∑ Xˆ B (ωi ) · Q B ({ωi }) i=1
der in Einheiten des Numéraires ausgedrückten zukünftigen Zahlungen unter einem Wahrscheinlichkeitsmaß Q B berechnen. Verwendet man die Aktie R als Numeraire, so errechnet sich ein Marktwert in Höhe von πˆ X ( p R ) =
Q
R
9 3 60 1 11 9 · + · + ·0 = . Xˆ R = 80 18 80 20 80 160
In Geldeinheiten gerechnet müssen die Marktwerte natürlich übereinstimmen, was gemäß π X = p B · πˆ X ( p B ) =
9 9 = 16 · = p R · πˆ X ( p R ) 10 160
auch der Fall ist. Es wird sich zeigen, dass die eben aufgezeigten Zusammenhänge, die für sich betrachtet womöglich den Eindruck einer theoretischen Spielerei erwecken, von erheblicher praktischer Bedeutung sind. Das liegt daran, dass die Berechnung von Erwartungswerten generell einfacher und schneller möglich ist als die dahinter stehende Bestimmung von dynamischen Handelsstrategien. Darüber hinaus kann man die Berechnung durch die Wahl eines geeigneten Numéraires unter Umständen weiter vereinfachen.5
9.4 Bewertung durch Replikation und risikoneutrale Bewertung Die Verfahrensweise, Marktwerte durch die Berechnung von Erwartungswerten zu ermitteln, wird häufig als risikoneutrale Bewertung bezeichnet. Der Begriff risikoneutrale Bewertung stammt aus der Entscheidungstheorie. Die Entscheidungstheorie erklärt die Bewertung zufallsabhängiger Zahlungen durch den Erwartungswert mit einer ganz spezifischen Risikoeinstellung des Entscheiders. So gesehen muss die Bezeichnung risikoneutrale Bewertung als Synonym für Marktbewertung zunächst einmal irritieren. Im Folgenden soll daher näher auf die Beziehung zwischen den Konzepten eingegangen werden. Die Entscheidungstheorie klassifiziert Einstellungen des Entscheiders zum Risiko grob in Risikoaversion, Risikoneutralität und Risikofreude. Geht man einmal von einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Risiken und Chancen aus, dann wiegen für den risikoaversen Entscheider die Risiken schwerer und für den risikofreudigen Entscheider die Chancen, wohingegen der risikoneutrale Entscheider ein Gleichgewicht 5
Ein Beispiel findet sich in Unterabschnitt 10.2.5, weitere findet man zum Beispiel in Shreve (2004, Kapitel 9).
82
9 Der Marktwert bei Risiko
empfindet. Dementsprechend bewertet der risikoneutrale Entscheider mit dem mathematischen Erwartungswert, während der risikoaverse Entscheider einen Abschlag vom Erwartungswert vornimmt, der als Risikoprämie bezeichnet wird. Dagegen ist der risikofreudige Entscheider sogar bereit, einen Aufschlag auf den Erwartungswert zu bezahlen.6 Betrachten wir einen nur zu den Zeitpunkten n ∈ {0,1} geöffneten Markt, auf dem eine risikobehaftete Aktie mit Kurs Sn sowie ein sicheres Geldmarktzertifikat mit Kurs Bn gehandelt werden. Das bedeutet, dass man für einen Geldbetrag in Höhe von S0 statt einer Aktie eine Anzahl von S0 · B0−1 Geldmarktzertifikaten kaufen kann, die im Zeitpunkt 1 eine sichere Einzahlung in Höhe von S0 · B0−1 · B1 einbringen. Nehmen wir zudem an, dass sämtliche Marktteilnehmer m mit denselben Elementarereignissen rechnen, diesen aber womöglich unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten Pm ({ωn }) zuordnen, dann ergeben sich die folgenden fallspezifischen Schlussfolgerungen: Fall 9.4.1 (ausschließlich risikoaverse Marktteilnehmer) Sind ausschließlich risikoaverse Marktteilnehmer am Markt, dann ist ∃m :
P
m
(S1 ) − S0 · B0−1 · B1 > 0
(9.2)
notwendige Bedingung für ein Gleichgewicht, weil jeder Marktteilnehmer eine Risikoprämie verlangt. Fall 9.4.2 (risikoaverse und risikoneutrale Marktteilnehmer) Sind auch risikoneutrale Marktteilnehmer am Markt, dann schwächt sich die im Fall 9.4.1 geltende Bedingung zu ∃m :
P
m
(S1 ) − S0 · B0−1 · B1 ≥ 0
(9.3)
ab, weil die risikoneutralen Marktteilnehmer keine Risikoprämie verlangen. Fall 9.4.3 (ausschließlich risikoneutrale Marktteilnehmer mit homogenen Erwartungen) Sind ausschließlich risikoneutrale Marktteilnehmer am Markt, die zudem homogene Erwartungen besitzen, so dass beim Wahrscheinlichkeitsmaß P auf den Subindex m verzichtet werden kann, dann muss im Gleichgewicht
P (S1 ) − S0 · B0−1 · B1 = 0
(9.4)
gelten, da die <-Relation dazu führen würde, dass kein Marktteilnehmer die Aktie halten will, und die >-Relation würde dazu führen würde, dass kein Marktteilnehmer das Geldmarktzertifikat halten will. Angenommen es existieren auf das Numéraire Geldmarktzertifikat normierte Zustandspreise, die das Wahrscheinlichkeitsmaß Q B definieren, dann gilt
S0 · B0−1 = Q B S1 · B1−1
6
Vgl. Anhang B zu einer Formalisierung dieser Überlegungen.
9.4 Bewertung durch Replikation und risikoneutrale Bewertung
83
und mithin auch S0 · B0−1 · B1 =
Q
B
(S1 ) ,
(9.5)
dann ergeben sich die folgenden fallspezifischen Beziehungen zwischen arbitragefreier und risikoneutraler Bewertung ∃m :
P
m
(S1 ) >
Q
B
(S1 )
[Fall 9.4.1]
∃m :
P
m
(S1 ) ≥
Q
B
(S1 )
[Fall 9.4.2]
und
P (S1 ) = Q
B
(S1 ) .
[Fall 9.4.3]
Es existieren also tatsächlich Beziehungen zwischen der Bewertung durch Replikation und risikoneutraler Bewertung. Zum besseren Verständnis dessen, was Bewertung durch Replikation bedeutet, tragen diese Beziehungen allerdings nicht bei, ihre Bedeutung ist eher darin zu sehen, dass sie Aufschlüsse über die am Markt herrschenden Erwartungen liefern können.
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
10.1 Das Binomialmodell Das Binomialmodell ist ein Spezialfall der dynamischen Bewertung auf einem sequentiell vollständigen Markt und eignet sich sehr gut für die Bewertung derivativer Finanztitel. 10.1.1 Annahmen des Modells Das Binomialmodell basiert auf den folgenden Annahmen: Annahmen über die Marktverhältnisse
vollkommener Markt (keine Transaktionskosten, keine Steuern) Leerverkäufe sind möglich beliebige Teilbarkeit sämtlicher gehandelter Finanztitel Gehandelte Finanztitel – ein Geldmarktzertifikat – eine Aktie
Annahmen über die Kursentwicklung der gehandelten Finanztitel Die Kursentwicklung eines Gelmarktzertifikates wird durch die nominellen Kassazinssätze getrieben und folgt der Gleichung (8.8). Der Kurs eines Geldmarktzertifikates im Zeitpunkt tn+1 ist demnach in tn vorhersehbar. Der Kurs der Aktie kennt von einem Handelszeitpunkt zum nächsten immer nur zwei Möglichkeiten, nämlich den Anstieg auf ein bestimmtes höheres Niveau (u steht für up) oder den Rückgang auf ein bestimmtes niedrigeres Niveau (d steht für down). Vom Startwert S0 ausgehend wird er in den Handelszeitpunkten n = 1,..., N nach Maßgabe der Funktionen
86
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
Sn = sn (ωn ) von ωn ∈ Ω n := {ω1 ,...,ωn : ωi ∈ Ω := {u,d},i = 1,...,n} getrieben.1 Dabei erfordert die Arbitragfreiheit des Marktes sn+1 (ωn ,d) < Bn−1 · Bn+1 · sn (ωn ) < sn+1 (ωn ,u) für alle n = 0,..., N − 1, da andernfalls eines der beiden Basiswertpapiere vom jeweils anderen dominiert würde. 10.1.2 Der Ein-Perioden-Fall Das Binomialmodell wurde zur Bewertung von Call- und Putoptionen entwickelt. Die folgende Analyse beschränkt sich zunächst auf die Betrachtung der beiden Zeitpunkte 0 und 1. Da im Zeitpunkt 1 annahmegemäß nur zwei Ereignisse eintreten können, garantieren die Aktie, aus welcher sich die Derivate ableiten, und ein Geldmarktzertifikat einen vollständigen Markt. Die beiden Basiswertpapiere notieren im Zeitpunkt 0 zu den Preisen S0 . pB = B0 Analog zu den Ausführungen in Abschnitt 8.3 steht damit fest, dass der Markt genau dann keine Arbitragegelegenheiten bietet, wenn p D = Π0 (z 1D ) = pB B−1 z D gilt, d.h. wenn der als Prämie bezeichnete Preis p D des Derivats dem Preis des aus x DS Stücken der Aktie und x DB Stücken des Geldmarktzertifikats bestehenden Replikationsportfolios S xD = B−1 z D x := x DB entspricht. Im Einzelnen bestimmt sich das Replikationsportfolio x wie folgt: Zunächst erhält man bei Verwendung der Kurzschreibweisen s ω1 : = s1 (ω1 ) d ω1 : = z 1D (ω1 ) die Matrix 1
Ω n heißt n-faches kartesisches Produkt der Menge Ω.
10.1 Das Binomialmodell
B−1 =
1 B1 · (s u − s d )
als Inverse für die Basismatrix
B=
s u B1 s d B1
B1 −B1 −s d d u
87
.
In Verbindung mit der Zahlungscharakteristik des Derivats u d D z := dd ergibt sich das folgende Replikationsportfolio S d u −d d xD u −s d −1 D s = B z = −d u s d +d d s u −1 . x DB B u d s −s
1
Dieses Resultat lässt sich wie folgt erklären: Das Geldmarktzertifikat kann offensichtlich keinen Beitrag zur Replikation des Preisrisikos leisten, weil dessen Kursentwicklung nicht vom Ereignis ω1 abhängt. Diese Funktion fällt demnach ausschließlich der Aktie zu. Die Replikation des Preisrisikos erfordert demnach x DS · (s u − s d ) = d u − d d bzw. x DS =
du − dd su − sd
(10.1)
Aktien. Die erforderliche Anzahl von Aktien wird demnach durch das Verhältnis der Streuungen des Derivats und der Aktie bestimmt. Dieses Verhältnis wird auch als Hedgeratio bezeichnet. Die erforderliche Anzahl von Geldmarktzertifikaten ergibt sich dann aus der Finanzierungsbedingung
x DB = d ω1 − x DS · s ω1 · B1−1 , aus der man durch Einsetzen von (10.1) x DB =
−d u · s d + d d · s u −1 · B1 su − sd
(10.2)
für alle ω1 ∈ Ω erhält. Sei d ω1 > 0 für alle ω1 ∈ Ω, dann folgt aus u
d
d d −d u · s d + d d · s u −1 su · sd s u − s d · B = − · = 1 su − sd B1 s u − s d
du su B1 su
d
− ds d
− Bs d1
88
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
in Verbindung mit du dd d u su − 0 ⇔ su sd d d sd
(10.3)
die Äquivalenz x DB 0 ⇔
d u su . d d sd
Das bedeutet, dass eine relative Überperformance (Hebelwirkung) des Derivats mit Hilfe einer Verschuldung und eine relative Unterperformance des Derivats mit Hilfe einer Anlage zum sicheren Zinssatz repliziert wird. Aus (10.3) geht hervor, dass diese Aussage auch im Grenzfall d d = 0 gilt. Daher gilt die Aussage auch für einen europäischen Call mit d d = 0 und erst recht für einen europäischen Put mit d u = 0. Beispiel 10.1. Für einen europäischen Call und einen europäischen Put mit Basispreis K = 280 und Fälligkeit 1 auf eine Aktie, deren Kurs von 280 im Zeitpunkt 0 entweder auf 320 steigt oder auf 260 fällt, gilt x CB = −
0 40 − 260 520 −1 320 · 260 320 =− · B1 < 0 B1 320 − 260 3
und x PB = −
20 0 − 260 320 · 260 320 320 −1 = · B1 > 0. B1 320 − 260 3
In Verbindung mit der Kurzschreibweise r ≡ rn (0,1) und (8.8) ergibt sich, dass der −1 Leerverkauf von 520 3 · B1 Stücken des Geldmarktzertifikates faktisch einer Kreditaufnahme in Höhe von 520 1 520 −1 · B1 · B0 = · 3 3 1 +r entspricht. Gemeinsam mit den Hedgeratios 2 40 − 0 = 320 − 260 3 1 0 − 20 S xP = =− 320 − 260 3 x CS =
erhält man die Preise pC = x CS · S0 + x CB · B0 = bzw.
1 520 2 · 280 − · 3 1 +r 3
10.1 Das Binomialmodell
89
1 320 1 · p P = x PS · S0 + x PB · B0 = − · 280 + 3 1 +r 3 für das Replikationsportfolio des Call bzw. des Put.2 10.1.3 Der Mehr-Perioden-Fall Im Mehr-Perioden-Fall kann die Replikation nur gelingen, wenn das Replikationsportfolio im Laufe der Zeit an die sich in der Preisentwicklung für die Ba N siswertpapiere pi (ωi ) i=1 widerspiegelnde Ereignisfolge ω N angepasst wird. Sei
N−1 xi (ωi ) i=1 die dementsprechende auf das Ausgangsportfolio x0 aufsetzende dynamische Replikationsstrategie, dann muss in jedem Handelszeitpunkt n = 0,... N − 2 die Bedingung x nS (ωn ) · (sn+1 (ωn ,u) − sn+1 (ωn ,d)) = pn+1 (ωn+1 ) (xn+1 (ωn ,u) − xn+1 (ωn ,d))
(10.4)
erfüllt sein, weil die Diskrepanz der Marktpreise für das vom zwischenzeitlichen Ereignis ωn+1 (nachfolgend kurz: ω) abhängige Replikationsportfolio xn+1 (ωn ,ω) ausschließlich durch die unvorhersehbare Änderung des Marktpreises der Aktienposition x nS (ωn ) repliziert werden kann. Selbstfinanzierend ist eine solche Strategie dann, wenn die im Zeitpunkt n vorhandene Anzahl von Geldmarktzertifikaten
x nB (ωn ) ≡ pn (ωn ) xn (ωn ) − x nS (ωn ) · sn (ωn ) · Bn−1 mit der im Zeitpunkt n + 1 erforderlichen Anzahl
−1 pn+1 (ωn ,ω) xn+1 (ωn ,ω) − x nS (ωn ) · sn+1 (ωn ,ω) · Bn+1 übereinstimmt. Ist die Selbstfinanzierungsbedingung erfüllt, dann stimmt der Marktwert des europäischen Calls Πn+1 (ωn ,ω) für alle n = 0,... N − 1 mit dem Marktpreis des Replikationsportfolios pn+1 (ωn ,ω) xn+1 (ωn ,ω) überein, so dass die Selbstfinanzierungsbedingung 2
Dass es sich um Replikationsportfolios handelt, lässt sich am Beispiel des Calls wie folgt zeigen 2 −1 · 320 − 520 3 · B1 · B1 falls ω = u xCS · s ω + xCB · B1 = 32 −1 520 3 · 260 − 3 · B1 · B1 falls ω = d 40 falls ω = u = 0 falls ω = d −1 Demnach replizieren 23 Stücke der Aktie und − 520 3 · B1 Stücke des Geldmarktzertifikates die Zahlungscharakteristik des Calls.
90
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
−1 ! x nB (ωn ) = pn+1 (ωn ,ω) xn+1 (ωn ,ω) − x nS (ωn ) · sn+1 (ωn ,ω) · Bn+1 äquivalent zu
−1 Bn−1 · Πn (ωn ) − x nS (ωn ) · sn (ωn ) = Bn+1 · Πn+1 (ωn ,ω) − x nS (ωn ) · sn+1 (ωn ,ω) bzw. −1
−1 · Πn+1 (ωn ,ω) − Bn−1 · Πn (ωn ) = x nS (ωn ) · Bn+1 · sn+1 (ωn ,ω) − Bn−1 · sn (ωn ) Bn+1 für alle n = 0,... N − 1 ist. Da ein Markt, auf dem eine Aktie und ein Geldmarktzertifikat gehandelt werden, unter den getroffenen Annahmen sequentiell vollständig ist, und Arbitragegelegenheiten ausgeschlossen sein sollen, existiert ein eindeutiges Wahrscheinlichkeitsmaß Q, so dass3 −1
−1 Q Bn+1 · Sn+1 − Bn · Sn | Fn = 0
für alle n = 0,...N − 1 gilt. Hieraus folgt in Verbindung mit der Selbstfinanzierungsbedingung −1
−1 Q Bn+1 · Πn+1 − Bn · Πn | Fn = 0
für alle n = 0,... N − 1, woraus sich in Verbindung mit dem Gesetz vom iterierten Erwartungswert4 schließlich −1
D −1 D (10.5) Q B N · Π N (Z N ) | F0 = B0 · Π0 (Z N )
ergibt. Demnach folgt der in Einheiten des als Numéraire fungierenden Geldmarktzertifikates gemessene Marktwert des Zahlungsanspruchs Z ND keinem Trend und erfüllt somit die wesentliche Bedingung an ein Martingal, falls eine selbstfinanzierende Replikationsstrategie für Z ND existiert.5 Aus (10.5) folgt in Verbindung mit Π N (Z ND ) ≡ Z ND , dass der Marktwert analog zum Ein-Perioden-Fall gemäß 3
4
Das Symbol Fn verkörpert die im Zeitpunkt n verfügbare Information. Der Erwartungswert wird auf Fn bedingt, um klarzustellen, dass die im Zeitpunkt n verfügbare Information in die Berechnung des Erwartungswertes einfließt. Eine sehr empfehlenswerte Darstellung wahrscheinlichkeits- und maßtheoretischer Grundlagen der Bewertung von Finanztiteln im zeitkontinuierlichen Kontext findet sich in Shreve (2004, Kapitel 1 u. 2). Das Gesetz vom iterierten Erwartungswert besagt ( (X n+2 | Fn+1 ) | Fn ) =
5
(X n+2 | Fn ) .
Die Argumentation lässt sich umkehren: Sind Bn−1 Sn und Bn−1 Πn Martingale unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß Q, dann existiert eine selbstfinanzierende Replikationsstrategie, vgl. hierzu Anhang D.
10.1 Das Binomialmodell
Π0 (Z ND ) = B0 ·
Q
B N−1 · Z ND | F0
91
berechnet werden kann. Die dafür erforderliche bedingte Wahrscheinlichkeit6 πˆ n (ωn ) :=
Q(ωn ,u) Q(ωn )
leitet sich wie folgt aus der Martingaleigenschaft ab: Einsetzen von −1
−1 E Q Bn+1 · Πn+1 | Fn =(1 − πˆ n (ωn )) · Bn+1 · Πn+1 (ωn ,d) −1 · Πn+1 (ωn ,u) + πˆ n (ωn ) · Bn+1
in die Martingalbedingung −1
E Q Bn+1 · Πn+1 | Fn = Bn−1 · Πn und Auflösen nach πˆ n (ωn ) führt auf
πˆ n (ωn ) =
−1 Bn−1 · Πn − Bn+1 · Πn+1 (ωn ,d)
−1 −1 Bn+1 · Πn+1 (ωn ,u) − Bn+1 · Πn+1 (ωn ,d)
.
Berücksichtigt man im Zähler die Selbstfinanzierungsbedingung und im Nenner die Replikationsbedingung, so ergibt sich
πˆ n (ωn ) = =
−1
· sn+1 (ωn ,d) − Bn−1 · sn (ωn ) −x nS (ωn ) · Bn+1 −1 x nS (ωn ) · Bn+1 · (sn+1 (ωn ,u) − sn+1 (ωn ,d))
Bn−1 · Bn+1 · sn (ωn ) − sn+1 (ωn ,d) sn+1 (ωn ,u) − sn+1 (ωn ,d)
für alle n = 1,..., N − 1 und πˆ 0 =
B0−1 · B1 · S0 − s1 (d) . s1 (u) − s1 (d)
Die hinter der Marktwertberechnung stehende Replikationsstrategie lässt sich rekursiv bestimmen, indem man die aus (10.4) abgeleitete Bedingung x nS (ωn ) =
Πn+1 (ωn ,u) − Πn+1 (ωn ,d) sn+1 (ωn ,u) − sn+1 (ωn ,d)
(10.6)
in 6
Das Wahrscheinlichkeitsmaß Q : F N → [0,1] ist auf der Algebra F N definiert, die durch die feinste Zerlegung bestimmt wird.
92
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
−1 x nB (ωn ) = Bn+1 · Πn+1 (ωn ,ω) − x nS (ωn ) · sn+1 (ωn ,ω) einsetzt, was auf x nB (ωn ) =
−Πn+1 (ωn ,u) · sn+1 (ωn ,d) + Πn+1 (ωn ,d) · sn+1 (ωn ,u) −1 · Bn+1 sn+1 (ωn ,u) − sn+1 (ωn ,d)
(10.7)
führt. Beispiel 10.2. Zu bewerten ist ein europäischer Call mit Basispreis K = 100 und Fälligkeit N = 2. Die Kursentwicklung ist wie folgt beschrieben
s1 (u) = 125 S0 = 100
s1 (d) = 80
s2 (u,u) = 156,25 s2 (u,d) = 100 s2 (d,u) = 100 s2 (d,d) = 64
Die Handelsstrategie wird rekursiv ermittelt: Einsetzen in (10.6) führt auf Z 2D (ω,u) − Z 2D (ω,d) 0 falls ω = d S x 1 (ω) = = 1 falls ω = u . s2 (ω,u) − s2 (ω,d) Zur Berechnung von x 1B (ω) machen wir uns die Besonderheit des Einzelfalls zu Nutze. Statt in (10.7) einzusetzen, überlegen wir, dass x 1B (d) = 0 gelten muss, weil die Option nach einem anfänglichen Kursrückgang nicht mehr ins Geld gelangen kann. Der Wert für x 1B (u) ergibt sich nahezu ebenso schnell aus der Überlegung, dass das Replikationsportfolio einen Wert von Null haben muss, falls es nach anfänglichem Kursanstieg, doch noch zu einem Kursrückgang kommt. Also muss x 1S (u) · s2 (u,d) + x 1B (u) · B2 = 0 gelten, was in Verbindung mit x 1S (u) = 1 auf x 1B (u) = −s2 (u,d) · B2−1 führt. Somit erhält man Π1 (ω) = x 1B (ω) · B1 + x 1S (ω) · s1 (ω) 0 falls ω = d = −s2 (u,d) · B2−1 · B1 + s1 (u) falls ω = u . Erneutes Einsetzen in (10.6) führt auf x 0S =
Π1 (u) − Π1 (d) s1 (u) − B1 · B2−1 · s2 (u,d) = . s1 (u) − s1 (d) s1 (u) − s1 (d)
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
93
Der Wert für x 0B ergibt sich wiederum sehr schnell aus der Überlegung, dass das Replikationsportfolio einen Wert von Null haben muss, falls es gleich zu einem Kursrückgang kommt. Also muss x 0S · s1 (d) + x 0B · B1 = 0 gelten, was in Verbindung mit der Lösung für x 0S auf x 0B = −
s1 (u) − B1 · B2−1 · s2 (u,d) · s1 (d) · B1−1 s1 (u) − s1 (d)
führt. Bei der Berechnung des Marktwertes wirkt sich die Besonderheit des Einzelfalles noch stärker vereinfachend aus, als bei Bestimmung der Replikationsstrategie, weil man lediglich πˆ 1 (u) =
1,05 · 125 − 100 5 = 156,25 − 100 9
und πˆ 0 =
1,05 · 100 − 80 5 = 125 − 80 9
bestimmen muss, um den Marktwert
Π0 (Z 2D ) = B0 · E Q B2−1 · Z 2D | F0
= B0 · B2−1 · E Q Z 2D | F0 = B0 · B2−1 · πˆ 0 · πˆ 1 (u) · (s2 (u,u) − K ) 1 5 5 = · · · 56,25 2 1,05 9 9 ≈ 15,75 zu berechnen.
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes 10.2.1 Das Optionspreismodell von Cox, Ross und Rubinstein Das aus dem Binomialmodell abgeleitete Modell von Cox, Ross & Rubinstein (1979) wurde zur Bewertung von europäischen Optionen entwickelt. Da es bei europäischen Optionen nur auf den Aktienkurs im Zeitpunkt der Fälligkeit ankommt, wird eine Darstellung gewählt, die den dynamischen Charakter des Binomialmodells so weit wie möglich in den Hintergrund treten lässt. Wesentlichen Anteil daran hat die spezielle Annahme
94
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2 n
sn (ωn ) : = S0 · ∏ ωi , i=1
die dafür sorgt, dass die Reihenfolge der Auf- und Abwärtsbewegungen keinen Einfluss auf das zukünftige Kursniveau hat. Ausschlaggebend ist einzig und alleine, wie oft der Aktienkurs bis zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt steigt.7 Sei Un ∈ {0,...,n} die Anzahl von Aufwärtsbewegungen bis zum Zeitpunkt n einschließlich, dann ist der Aktienkurs im Zeitpunkt n in Verbindung mit der Definition gn (Un ) := u Un · d n−Un für den n-Perioden-Wachstumsfaktor durch Sn = S0 · gn (Un ) eindeutig beschrieben. Gilt zudem noch Bn+1 = (1 +r ) · Bn und mithin πˆ n (ωn ) =
1 +r − d =: πˆ u −d
für alle n = 0,..., N − 1, dann besitzt die Zufallsvariable Un unter dem Maß Q die Wahrscheinlichkeitsfunktion n bπnˆ (u n ) = ˆ n−u n · πˆ u n · (1 − π) un n! · πˆ u n · (1 − π) = ˆ n−u n u n !(n − u n )! und die Verteilungsfunktion un
Bπnˆ (u n ) = ∑ bπnˆ (i ) i=0
für u n = 0,...,n und n = 1,..., N. Sei
K u KN := min u N : g N (u N ) > S0
die minimale Anzahl von Kursanstiegen, die erforderlich ist, damit der Call mit Fälligkeit N und Basispreis K bei Fälligkeit im Geld ist, dann besitzt ein solcher Call unter der Voraussetzung u KN ≤ N einen positiven Marktwert in Höhe von 7
Wie oft er fällt, ist damit nämlich auch eindeutig festgelegt.
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
C
Π0 Z N = B0 · =
Q
N
∑
u N =u K N
= S0
B N−1 max(SN − K ,0) | F0
95
(1 +r )−N (S0 · g(u N ) − K ) · bπNˆ (u N )
N
∑
u N =u K N
u 1 +r
u N
d 1 +r
N−u N
bπNˆ (u N ) − (1 +r )−N K
N
∑
u N =u K N
bπNˆ (u N ).
Diese Darstellung ist äquivalent zu
Π0 Z CN = S0
N
∑
u N =u K N
bπN˜ (u N ) − (1 +r )−N K 1 − BπNˆ (u KN − 1)
= S0 1 − BπN˜ (u KN − 1) − (1 +r )−N K 1 − BπNˆ (u KN − 1) ,
(10.8)
da π˜ =
u · πˆ 1 +r
und 1 − π˜ =
d · (1 − π) ˆ 1 +r
ebenfalls als Wahrscheinlichkeiten interpretiert werden können.8 10.2.2 Das Modell von Black und Scholes Die berühmte Optionspreisformel (nachfolgend: BS-Formel) von Black & Scholes (1973) und Merton (1973) für den Marktwert einer europäischen Kaufoption √
(10.9) Π0 Z TC = S0 Φ0,1 (d) − e−rc T K Φ0,1 (d − σ T ) mit
ln d :=
S0 K
2 + rc + σ2 T √ σ T
(10.10)
und 1 Φ0,1 (x) := √ 2π 8
x −∞
e−
u2 2
du
(x ∈
)
Dass π˜ und 1 − π˜ als Wahrscheinlichkeiten interpretiert werden können, folgt aus
−1 −1 Q Bn+1 Sn+1 − Bn Sn | Fn = 0 −1 Sn Sn+1 ⇔ Q | F =1 n Bn−1 Bn+1 d u · πˆ + · (1 − πˆ ) = 1. ⇔ 1 +r 1 +r
96
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
weist unter Berücksichtigung von9 e−rc T = e−
ln(1+r) Δ ΔN
= (1 +r )−N
sowie der Tatsache, dass es sich bei der Funktion Φ0,1 (x) um ebenfalls um eine Verteilungsfunktion, nämlich diejenige der Standard-Normalverteilung, handelt deutlich erkennbare Parallelen zu Formel (10.8) auf. Das kommt nicht von ungefähr: Normiert man den Betrachtungszeitpunkt auf t0 = 0, so dass die Fälligkeit T eines Derivats mit dessen Laufzeit übereinstimmt, setzt den als Maß für die Heftigkeit der relativen Kursschwankungen pro Zeiteinheit zu verstehenden Volatilitätsparameter lnu σ := √ , Δ wobei Δ für die Länge des Zeitraums zwischen zwei beliebigen benachbarten Handelszeitpunkten im Binomialmodell steht, so erhält man (10.9) als Grenzwert der Formel von Cox et al. (1979) (nachfolgend: CRR-Formel), wenn man jeden Handelszeitpunkt n bis auf einen infinitesimal kleinen Zeitraum Δ → 0 an den nächstfolgenden Handelszeitpunkt n + 1 heranrücken lässt und von der Beziehung d=
1 u
zwischen dem down-Faktor d, der nicht mit der Definition (10.10) verwechselt werden sollte, und dem up-Faktor u ausgeht.10 10.2.3 Die Black-Scholes-Formel als Erwartungswert Die enorme praktische Bedeutung der Theorie der arbitragefreien Bewertung zeigt sich u.a. darin, dass das Arbeiten mit der Black-Scholes-Formel und ihren vielen Ablegern erheblich vereinfacht wird, wenn man die Formel als Erwartungswert auffasst. Der Übersichtlichkeit wegen definieren wir zunächst Yt : = Bt−1 St und nehmen an, dass die subjektiven Erwartungen der Marktteilnehmer durch den Prozess 1
Yt = Y0 · e(μ−rc )t ·e− 2 σ
2 t+σ W t
(10.11)
repräsentiert werden, wobei Wt für eine Brownsche Bewegung unter dem empirischen Wahrscheinlichkeitmaß P steht. Diese kann man sich in folgendem Sinne als 9 10
Vgl. Unterabschnitt 3.1 zu den Beziehungen zwischen der Bewertung sicherer Zahlungen im zeitdiskreten und im zeitstetigen Kontext. Siehe Sandmann (2001, Kapitel 5.4).
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
97
Grenzfall eines Random Walk Z vorstellen:11 Sei Z n eine Zufallsvariable, die für alle n = 1,..., N mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 50% entweder den Wert 1 oder den Wert -1 annimmt, und sei W N (0) = 0
n n −1 1 WN = WN + √ · Z n ∀ n = 1,..., N N N N eine Zufallsvariable, die in einem Zeitraum der Länge 1 genau N Sprünge vollzieht und dementsprechend am Ende des Betrachtungszeitraumes im Intervall − √NN , √NN liegt, und einen Erwartungswert 1 N √ · Z n = √ · (Z n ) = 0 (W N (1)) = N · N N
und eine Varianz von
(WN (1)) = N ·
1 N √ · Zn = · N N
(Z n ) = 1
besitzt. Dann ist lim N→∞ W N (1) nach dem zentralen Grenzwertsatz standardnormalverteilt. Es gilt die folgende Definition 10.3. Eine Brownsche Bewegung W = (Wt : t ≥ 0) ist ein stetiger Prozess, der definitionsgemäß die folgenden Eigenschaften besitzt: W0 = 0. die Zuwächse Wt − Ws sind normalverteilt mit Erwartungswert 0 und Varianz t − s für 0 < s < t. Hierfür hat sich die Schreibweise
Wt − Ws ∼ N (0,t − s) eingebürgert. die Zuwächse Wt − Ws und Wv − Wu sind paarweise stochastisch unabhängig verteilt für 0 ≤ s < t ≤ u < v.
Sei
X ∼ N μ X ,σ X2 normalverteilt mit Erwartungswert μ X und Varianz σ X2 , dann sagt man Y := e X sei logarithmisch normalverteilt oder lognormalverteilt. Sei a > 0, dann kann man mittels quadratischer Ergänzung12 zeigen, dass gilt 11 12
Eine empfehlenswerte tiefer gehende Darstellung der Brownschen Bewegung findet sich in Shreve (2004, Kapitel 3). Siehe Anhang C.
98
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
μ X − ln(a) + σX σX μ X − ln(a) (Y > a) = Φ0,1 . σX
(Y |Y > a) = eμ (1|Y > a) : =
2 σX X+ 2
Φ0,1
(10.12) (10.13)
Für den unbedingten Erwartungswert erhält man
(Y ) = a→0 lim (Y |Y > a) = eμ
2 σX X+ 2
.
(10.14)
Somit lassen sich der bedingte Erwartungswert und die Wahrscheinlichkeit wie folgt darstellen: ⎛ ⎞ σ X2 (Y ) + 2 ⎟ ⎜ ln a (Y |Y > a) = (Y ) · Φ0,1 ⎝ (10.15) ⎠ σX
und
⎛ ⎞ (Y ) − σ X2 ln a 2 ⎟ ⎜ (Y > a) = Φ0,1 ⎝ ⎠. σX
(10.16)
Wenn man davon ausgehen könnte, dass Yt unter dem Martingalmaß Q ebenfalls lognormalverteilt mit einer Varianz des Exponenten von σ 2 t verteilt ist,13 dann lieferten (10.12) und (10.13) in Verbindung mit der Martingaleigenschaft14
Q(YT ) ≡ Q(YT | F0 ) = Y0 den Marktwert
Π0 Z TC = B0
Q (BT−1 max(ST − K ,0)) = B0 Q (YT | YT > BT−1 K ) − BT−1 K Q(YT > BT−1 K ) √ = B0 Q (YT ) Φ0,1 (d) − BT−1 K Φ0,1 (d − σ T ) √ = B0Y0 Φ0,1 (d) − B0 BT−1 K Φ0,1 (d − σ T ) √ = S0 Φ0,1 (d) − e−rc T K Φ0,1 (d − σ T )
mit 13 14
Dass dem unter den hier getroffenen Annahmen so ist, lässt sich mit Hilfe des GirsanovTheorems zeigen. Vgl. hierzu Anhang D. Erwartungswerte, die sich auf die im Betrachtungszeitpunkt verfügbare Information beziehen, werden im Folgenden grundsätzlich als unbedingte Erwartungswerte geschrieben, um die Darstellung möglichst übersichtlich zu halten.
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
ln
99
Q (YT ) + σ 2 T 2 B −1 K
√ σ T
2 ln BTKY0 + σ2 T √ = σ T
2 ln SK0 + rc + σ2 T √ = σ T T
d :=
und somit die BS-Formel. Die Black (1976) zugeschriebene und daher auch als Black-Formel bezeichnete vom Terminpreis (Forward Preis) der Aktie f S (0,T ) = BT Y0 = BT B0−1 S0 = erc T S0 abhängige Darstellung √
Π0 Z TC = B0 BT−1 f S (0,T ) Φ0,1 (d) − K Φ0,1 (d − σ T ) √ = P(0,T ) f S (0,T ) Φ0,1 (d) − K Φ0,1 (d − σ T ) mit
d=
ln
f S (0,T ) K
√
σ T
(10.17)
√ σ T + 2
ist der BS-Formel allerdings vorzuziehen, da sie im Gegensatz zur BS-Formel auch für Dividenden zahlende Aktien und Währungsoptionen gilt.15 10.2.4 Die Greeks Im Risikomanagement spielen die folgenden mit griechischen Buchstaben und daher als „Griechen“ bezeichneten Sensitivitäten des Marktwertes in Bezug auf Parameteränderungen eine bedeutende Rolle.16 Dazu sei vorweg auf einen mathematischen Sachverhalt verwiesen, der sich erfahrungsgemäß beim Umformen nicht unbedingt aufdrängt: Sei φ 0,1 (d) die Dichtefunktion der Standard-Normalverteilung an der Stelle d, dann gilt
15 16
Vgl. hierzu Abschnitt 8.3.2 und 8.3.3 sowie Hull (2008, S. 351 f.). Eine Vorstellung von den aktuellen empirischen Größenordnungen dieser Sensitivitäten verschafft man sich mühelos mit Hilfe eines im Internet installierten OptionsscheinRechners. Ein solcher findet sich zum Beispiel auf der Seite www.xmarkets.de im Menü Tools.
100
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
√ √ 2 1 2 φ 0,1 (d − σ T ) 1 = e− 2 (d−σ T ) + 2 d φ 0,1 (d) = edσ
√ T − 12 σ 2 T
ln
S0
+rc T
=e K S0 = erc T . K
(10.18)
Delta Unter Berücksichtigung von (10.18) erhält man
√ ∂d ∂Π0 Z TC ∂d = Φ0,1 (d) + S0 φ 0,1 (d) − e−rc T K φ 0,1 (d − σ T ) ∂ S0 ∂ S0 ∂ S0 √ −r T c K φ 0,1 (d − σ T ) e ∂d S0 φ 0,1 (d) = Φ0,1 (d) + 1 − S0 φ 0,1 (d) ∂ S0 = Φ0,1 (d).
(10.19)
Das Delta besitzt eine sehr anschauliche Interpretation. Da die BS-Formel auf dem Prinzip der Bewertung durch Replikation basiert, muss sie als Marktpreis eines aus der zugrundeliegenden Aktie und einem Geldmarktzertifikat bestehenden Replikationsportfolios interpretiert werden können. Diese Überlegung führt unter Berücksichtigung von
−1 e−rc T = B0 BT−1 = B0 B0 erc T auf das Replikationsportfolio S Φ0,1 (d) x0 √
. = −1 x 0B −Φ0,1 (d − σ T ) B0 erc T K Demnach ist die Anzahl der zur Replikation erforderlichen Aktien dafür verantwortlich, in welchem Ausmaß der Marktwert des Calls auf kleine Änderungen des Aktienkurses reagiert. Die Put-Call-Parity (8.12) impliziert
∂Π0 Z TC ∂Π0 Z TP = − 1. ∂ S0 ∂ S0 Gamma Wegen Φ0,1 (d) = φ 0,1 (d) gilt in Verbindung mit der Kettenregel
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
101
C
∂ 2 Π0 Z T φ (d) ∂d = φ 0,1 (d) = 0,1√ > 0. ∂ S0 S0 σ T ∂ S02
(10.20)
Das Gamma macht eine Aussage über Richtung und Stärke der Reaktion des Deltas auf Veränderungen des Aktienkurses. Bedenkt man, dass das Delta der Anzahl der für die Replikation erforderlichen Basistitel entspricht, so kann man am Vorzeichen des Gamma ablesen, dass die Replikation eines Calls eine zyklische Handelsstrategie (buy high and sell low) erfordert. Aus der Glockenform der Dichtefunktion der Standard-Normalverteilung, die an Stelle d = 0 ein Maximum annimmt, folgt in Verbindung mit d =0⇔ K =e
2 rc + σ2 T
S0 ,
dass das Gamma eines Call mit kurzer Restlaufzeit sehr hoch ist, wenn die Option knapp am Geld ist. Das erklärt sich aus dem Umstand, dass in dieser Situation sehr kleine Kursänderungen darüber entscheiden, ob die Option bei Fälligkeit im oder aus dem Geld ist. Die Put-Call-Parity (8.12) impliziert
∂ 2 Π0 Z TP ∂ 2 Π0 Z TC = . ∂ S02 ∂ S02 Die Absicherung von Portfolios mit Hilfe synthetischer Puts erfordert demnach ebenfalls eine pro-zyklische Handelstrategie. Das führte 1987 dazu, dass sich ein Kursrutsch an der Wall Street schnell zu einem Börsencrash hoch schaukelte.17 Vega (Lambda) Mit Vega wird die Sensitivität des Marktwertes in Bezug auf eine Veränderung des Volatilitätsparameters bezeichnet. Es gilt
√ ∂Π0 Z TC = S0 φ 0,1 (d) T > 0. (10.21) ∂σ Das Vorzeichen hat folgenden Hintergrund: Zur Replikation der Zahlungscharakteristik eines europäischen Call bedarf es einer prozyklischen Handelsstrategie. Diese ist um so kostspieliger, je größer die möglichen Kursänderungen pro Zeitintervall sind. Daher erhöht sich der Marktwert mit zunehmender Volatilität. Die Put-Call-Parity (8.12) impliziert
∂Π0 Z TC ∂Π0 Z TP = . ∂σ ∂σ 17
Man beachte in diesem Zusammenhang, dass die Kursentwicklung des Basistitels im Modell exogen gegeben ist. Daher können Rückwirkungen der Handelstrategie auf die Kursentwicklung nicht erfasst werden.
102
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
Theta Sei T die (Rest-)Laufzeit im Zeitpunkt t, dann erhält man
∂Πt Z TC ∂Πt Z TC =− ∂t ∂T √ √ σ = −e−rc T K rc Φ0,1 (d − σ T ) + √ φ 0,1 (d − σ T ) , 2 T wenn man berücksichtigt, dass man den Einfluss von T auf d wegen (10.18) ignorieren kann. Der Einfluss der Zeit auf den Optionswert ist demnach negativ, daher ist in diesem Zusammenhang vom Verlust an Zeitwert die Rede. Die Put-Call-Parity (8.12) impliziert
∂Π0 Z TP ∂Π0 Z TC = +rc e−rc T K ∂t ∂t √ √ σ = −e−rc T K rc (Φ0,1 (d − σ T ) − 1) + √ φ 0,1 (d − σ T ) 2 T Hieraus folgt, dass der Marktwert eines europäischen Put mit abnehmender Restlaufzeit nicht zwingend kleiner wird. Das gilt insbesondere, wenn die Option nicht zu weit aus dem Geld ist und noch lange läuft. 10.2.5 Exchange Optionen Eine europäische Exchange Option verbrieft das Recht, bei Fälligkeit einen Titel – beispielsweise den Titel, dessen Kurs dem stochastischen Prozess 1
St = S0 eμ1 t e− 2 σ1 t+σ1 Wt 2
1
folgt – gegen einen anderen Titel – beispielsweise den Titel, dessen Kurs dem stochastischen Prozess 1
Rt = R0 eμ2 t e− 2 σ2 t+σ2 Wt 2
2
folgt – einzutauschen.18 Die entsprechende Zahlungscharakteristik lautet
Z TE X = max(ST − RT ,0) = RT · max RT−1 ST − 1,0 . Verwendet man den Titel mit Kurs Rt als Numéraire, dann muss eine Darstellung
Π0 Z TE X = R0 · Q R (RT−1 Z TE X )
= R0 · Q R max RT−1 ST − 1,0
18
Solche Optionen werden auch Outperformance Optionen bezeichnet.
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
103
existieren, falls der Markt arbitragefrei ist. Sei ρ1,2 die Kovarianzrate der beiden Wiener-Prozesse Wt1 und Wt2 , dann gilt in Verbindung mit der Definition σ 2 := σ12 − 2σ1 σ2 ρ1,2 + σ22
(10.22)
die folgende Aussage σ1 Wt1 − σ2 Wt2 ∼ N (0,σ 2 t). Demnach ist Prozess RT−1 ST unter den oben getroffenen Annahmen logarithmisch normalverteilt, so dass alle Annahmen, die der BS-Formel zu Grunde liegen, erfüllt sind. Es darf also davon ausgegangen werden, dass die unter dem empirischen Wahrscheinlichkeitsmaß lognormal verteilte Zufallsvariable YT := RT−1 ST unter dem äquivalenten Martingalmaß Q R ebenfalls lognormal verteilt mit Erwartungswert R0−1 S0 und einer durch (10.22) definierten Varianz des Exponenten ln(YT ) in Höhe von σ 2 T ist. Somit gilt √
Π0 Z TE X = R0 Q R (YT )Φ0,1 (d) − Φ0,1 (d − σ T ) √ = R0 R0−1 S0 Φ0,1 (d) − Φ0,1 (d − σ T ) √ = S0 Φ0,1 (d) − R0 Φ0,1 (d − σ T )
mit
√ σ T √ d= + 2 σ T
√ ln RS00 σ T . = √ + 2 σ T ln
Q R (YT )
1
Demnach setzt sich das Replikationsportfolio in t0 = 0 wie folgt zusammen S Φ0,1 (d) √ x0 = . x 0R −Φ0,1 (d − σ T ) Aus der Tatsache, dass das Vega einer europäischen Option stets positiv ist, folgt, dass der Marktwert der Exchange Option mit wachsender Korrelation ρ1,2 abnimmt. Eine Erklärung hierfür ist, dass die Replikation um so einfacher und billiger ist, je stärker die Kursentwicklung der beiden Basistitel korreliert.19
19
Im Fall σ1 = σ2 erhält man
104
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
10.2.6 Implizite und explizite (historische) Volatilität Gelten die Annahmen von Black und Scholes, dann muss die Callprämie C0 – diese entspricht ja dem Marktpreis – stets dem Marktwert Π0 Z TC – das ist der Wert, den die BS-Formel liefert – entsprechen. D.h. in Symbolsprache: Es muss die Bedingung
! C0 = Π0 Z TC
(10.23)
gelten. Da der Marktwert eines Calls gemäß BS-Formel ausweislich (10.21) eine streng monoton steigende Funktion des Volatilitätsparameters σ ist, existiert für gegebene S0 ,rc , K ,T stets eine durch (10.23) eindeutig (implizit) definierte implizite Volatilität. Dazu ein Beispiel 10.4 (implizite Volatilität). Mit Blick auf (10.17) ist ein Call mit Basispreis K = f S (0,T ) der ideale Kandidat zur Berechnung der impliziten Volatilität, weil sich (10.23) wegen √ σ T d= 2 und der der Symmetrie der Standard-Normalverteilung um den Nullpunkt geschuldeten Beziehung √ √ σ T σ T Φ0,1 − = 1 − Φ0,1 2 2 in der vergleichsweise einfachen Form √ 1 σ T P(0,T )−1 C0 1+ = Φ0,1 2 f S (0,T ) 2 darstellt, so dass die implizite Volatilität explizit durch
C0 1 2Φ−1 0,1 2 1 + S0 √ σ= T angegeben werden kann. In der Realität zeigt sich allerdings, dass die implizite Volatilität in der Regel mit dem Basispreis variiert, was darauf hindeutet, dass die Annahmen von Black und Scholes nicht erfüllt sind.20 lim Π0 (Z TE X ) = lim Π0 (Z TE X )
ρ1,2 →1
σ →0
= (S0 − R0 ) lim Φ0,1 (d) σ →0 S0 − R0 falls S0 > R0 = 0 falls S0 ≤ R0 . 20
Das hat die Börsenhändler so wenig erschüttert, dass sie sich nicht davon haben abhalten lassen, vom Volatility Smile zu reden.
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
Die (explizite) historische Volatilität lässt sich aus der mit dem Faktor plizierten Stichprobenvarianz der logarithmierten Wachstumsfaktoren Sn S Rn := ln Sn−1
N N−1
105
multi-
über die aus der Sicht des Schätzzeitpunktes zurückliegenden Handelstage n = 0,...,−(N − 1) ableiten.21 Für Standardwerte findet man historische Volatilitäten auch im Internet.22 Volatilität sollte man nicht als Spielwiese für Akademiker abtun, sie spielt in der Investmentpraxis eine bedeutende Rolle: Zum einen bilden implizite Volatilitäten und Korrelationen die in den Prämien marktgehandelter Optionen enthaltenen Informationen über die vom Markt erwartete Heftigkeit und – wie z.B. im Falle von Exchange-Optionen – Gleichläufigkeit von Kursschwankungen ab. Solche Informationen können Anhaltspunkte für das Risikomanagement von Preisrisiken geben.23 Und zum anderen bieten Optionsmärkte die Möglichkeit, explizite Volatilität zu handeln, sei es aus spekulativen Erwägungen oder um Optionsportfolios weniger anfällig in Bezug auf unerwartete Veränderungen der Volatilität zu machen oder um den Diversifikationseffekt der Volatilität zu nutzen, der sich daraus ergibt, dass die Volatilität gerade in Phasen fallender Börsenkurse erfahrungsgemäß signifikant anwächst.24
10.2.7 Credit Spreads Unter einem Credit Spread versteht man die Renditedifferenz zwischen absolut sicheren Zahlungsversprechen und Zahlungsversprechen, deren vollständige Einlösung nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann. Im Folgenden werden stellvertretend zwei einfache Ansätze zur Berechnung des Credit Spread vorgestellt. Beide sind als stellvertretend für die beiden in der Investmentpraxis anzutreffenden grundsätzlich verschiedenen Klassen von Modellen anzusehen, die sich wesentlich darin unterscheiden, dass die Insolvenz entweder mittelbar aus der Entwicklung des Unternehmenswertes resultieren kann oder unmittelbar durch einen Zufallsprozess herbeigeführt werden kann. Die zur ersten Klasse gehörenden Modelle werden als Unternehmenswertmodelle oder strukturelle Modelle, 21 22 23 24
Vgl. Albrecht & Maurer (2008, Anhang 11E). Zum Beispiel auf der Internet-Seite www.maxblue.de. Vgl. hierzu Kapitel 13. Ein empirischer Beleg für den Diversifikationseffekt findet sich z.B. unter der Rubrik Market Data & Analytics auf der Internet-Seite www.deutsche-boerse.com, wenn man in den Informationen zum Volatilitätsindex VDAX-NEW stöbert. Hafner & Wallmeier (2008) kommen zu dem Ergebnis, dass dieser Diversifikationseffekt in den vergangenen Jahren am Markt zu teuer hätte erkauft werden müssen, so dass man besser als Anbieter aufgetreten wäre, d.h. besser Volatilität verkauft hätte, wobei sie allerdings gleichzeitig davor warnen, dies ohne ausgefeiltes Risikomanagement zu tun.
106
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
die zur zweiten Klasse als Reduktionsmodelle oder intensitätsbasierte Modelle bezeichnet. Zunächst wird das von Merton (1974) entwickelte Unternehmenswertmodell erläutert. Dieses dient als Basismodell für das so genannte KMV-Modell und Credit Metrics™, die beide zum Industriestandard gehören.25 Betrachtet wird ein Unternehmen, dessen investiertes Unternehmensvermögen am Markt gehandelt wird26 und dort einen Preis (Marktpreis der Assets) in Höhe von 1
At = A0 eμt e− 2 σ
2 t+σ W t
(10.24)
erzielt.27 Die Verbindlichkeiten des Unternehmens seien durch eine Anzahl von f Zerobonds mit Nominalwert 1 und Fälligkeit T verbrieft. Potenzielles Unternehmensvermögen liegt nicht vor.28 Da die Assets handelbar sind, existiert ein äquivalentes Martingalmaß P(t,T ) , so dass für den in Einheiten des Zerobonds mit Fälligkeit T berechneten Marktwert des Fremdkapitals (D steht für Debt)
P(0,T )−1 Π0 (DT ) =
P(t,T )
(P(T,T )−1 DT ) =
P(t,T )
(DT )
gilt. Angenommen das Unternehmen wird in T liquidiert, dann steht der Liquidationserlös A T zur Befriedigung des Anspruchs DT der Zerobondinhaber und des Residualanspruchs E T = max(A T − f,0) der Eigner zur Verfügung. Man kann sich bei der Darstellung der Zahlungscharakteristik des Fremdkapitals an den Gläubigern vollkommen risikoloser Staatsanleihen orientieren und DT = min( f, A T ) = f − max( f − A T ,0) schreiben, um klarzustellen, dass sich die Zerobondgläubiger dadurch von Letzteren unterscheiden, dass sie Stillhalter einer europäischen Put Option auf den Marktpreis der Assets des Emittenten geworden sind, man kann sich aber auch an dem vorrangigen Anspruch der Gläubiger auf das Unternehmensvermögen orientieren, muss dann aber berücksichtigen, dass die Gläubiger den Eignern faktisch eine Call Option eingeräumt haben. Im Folgenden gehen wir von der dementsprechenden Darstellung DT = A T − max(A T − f,0) aus, die man in Verbindung mit der Definition 25 26 27
28
Vgl. hierzu Albrecht & Maurer (2008, Kapitel 16.4). Diese Annahme trifft bspw. auf passive geschlossene Investmentfonds zu. Man beachte, dass es sich bei σ im Allgemeinen nicht um den Volatilitätsparameter des Aktienkurses spricht Eigenkapitals sondern um denjenigen des Marktpreises sämtlicher Assets handelt. Bei Liquidation des verschuldeten Unternehmens muss die Rückzahlung in Höhe von f erfolgt sein, bevor die Eigenkapitalgeber Geld zurück erhalten. Dazu ist grundsätzlich die gesamte Haftungsmasse, das ist die Summe aus den Vermögensgegenständen des Unternehmens (investiertes Unternehmensvermögen) und eventuellen Haftungszusagen von Gesellschaftern und/oder Dritten (potenzielles Unternehmensvermögen) heranzuziehen.
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
Yt :=
107
At P(t,T ) · f
für den Schuldendeckungsgrad (Recovery Rate) bzw. Kehrwert des marktwertorientierten Verschuldungsgrades wegen P(T,T ) = 1 auch in der Form DT = f · (YT − max(YT − 1,0)) schreiben kann. Sei J (t,T ) der Marktpreis eines vom Unternehmen emittierten Zerobonds29, dann lässt sich der implizit durch e−sT :=
J (0,T ) P (0,T )
(10.25)
definierte Credit Spread s auf einem arbitragefreien Markt, d.h. unter der Annahme J (0,T ) · f = Π0 (DT ), wie folgt erklären J (0,T ) · f P (0,T ) · f Π0 (DT ) = P (0,T ) · f
e−sT =
= =
P(t,T )
( f −1 DT )
P(t,T )
(YT − max(YT − 1,0)).
(10.26)
Geht man einmal mehr davon aus, dass alle Annahmen, die der BS-Formel zu Grunde liegen, erfüllt sind, dann gilt in Verbindung mit der Definition √ lnY0 σ T d := √ + 2 σ T die Beziehung
P(t,T )
√ (max(YT − 1,0)) = Y0 · Φ0,1 (d) − 1 · Φ0,1 (d − σ T ).
Einsetzen in (10.26) führt auf √ e−sT = Y0 · (1 − Φ0,1 (d)) + Φ0,1 (d − σ T ), was in Verbindung mit (10.15) und (10.16) die Interpretation e−sT =
P(t,T )
(YT |YT < 1) +
P(t,T ) (YT ≥ 1)
zulässt. Der Credit Spread lässt sich demnach durch die unter dem Maß P(t,T ) erwartete Konkursquote P(t,T ) (YT |YT < 1) und die Solvenzwahrscheinlichkeit
29
Das Symbol J zielt auf den Begriff Junk Bond (Ramschanleihe), der sich als Bezeichnung für solche Anleihen eingebürgert hat, die bestimmte Anforderungen an die Bonitätsbeurteilung durch die großen Rating Agenturen nicht erfüllen.
108
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
P(t,T ) (YT ≥ 1) = P(t,T ) (AT ≥ f ) erklären. Wegen
P(t,T ) (AT ≥ f ) = Φ0,1 (d − σ
√
(10.27)
T ) wird
√ lnY0 − σ2 T √ d −σ T = σ T 2
A0 σ ln P(0,T )· f − 2 T √ = σ T
2 ln A0 + rc − σ2 T − ln f √ = σ T 2
als Distance to Default bezeichnet. Dementsprechend ist im Folgenden von der Definition dd(T ) :=
P(t,T )
(ln A T ) − ln f √ σ T
(10.28)
auszugehen. Die Bezeichnung sollte allerdings nicht darüber hinweg täuschen, das es sich bei (10.27) um die Solvenzwahrscheinlichkeit unter dem äquivalenten Wahrscheinlichkeitsmaß P(t,T ) handelt. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass die Solvenzwahrscheinlichkeit höher eingeschätzt wird als P(t,T ) (A T ≥ f ). Annahme (10.24) impliziert in Verbindung mit der Annahme
P(t,T ) = P(0,T )erc t , dass risikoaverse Halter von Finanzierungstiteln davon ausgehen, dass die Übernahme des leistungswirtschaftlichen Risikos nach Maßgabe von π A (t) :=
(μ −rc )t μ −rc √ √ = t >0 σ σ t
um so mehr entlohnt wird, je länger der Zeitraum ist, den sie es zu übernehmen beabsichten. Sie rechnen dementsprechend mit der höheren Solvenzwahrscheinlichkeit30 (ln A T ) − ln f √ (A T > f ) = Φ0,1 = Φ0,1 (dd(T ) + π A (T )) > Φ0,1 (dd(T )) . σ T
Die (implizite) Annahme des Modells, dass der Markt die Übernahme des leistungswirtschaftlichen Risikos um so mehr entlohnt, je länger es übernommen wird, bringt es demnach mit sich, dass (10.27) die mit dem Modell konsistente empirische Solvenzwahrscheinlichkeit im Allgemeinen um so mehr unterschätzt je weiter die Fälligkeit in der Zukunft liegt. Das gilt nur dann nicht, wenn π A (t) = 0 für alle t gilt. Um das endogen zu begründen, benötigt man ein Gleichgewichtsmodell, wie z.B. das 30
Vgl. Anhang D.
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
109
Capital Asset Pricing Model (CAPM),31 welches uns lehrt, dass man auf gut funktionierenden Märkten keine Risikoprämie für die Übernahme von Risiken erwarten darf, die sich vollständig beseitigen lassen, indem man sie diversifiziert, d.h. mit anderen risikobehafteten Anlagen mischt.32 Eine weitere noch einfachere Erklärung besteht darin, dass der Gleichgewichtspreis durch risikoneutrale Anleger bestimmt wird. In der Praxis hat sich allerdings mittlerweile ein anderer Ansatz zur Bestimmung von Credit Spreads durchgesetzt. Dieser als intensitätsbasiert attributierte Ansatz verzichtet darauf, das Ausfallrisiko endogen aus dem Preisprozess für die Assets des Unternehmens abzuleiten. Vielmehr resultiert das Ausfallrisiko in diesen Ansätzen aus exogen gegebenen Sprungprozessen.33 Im Folgenden soll dieser Ansatz an einem sehr einfachen Beispiel illustriert werden. Dazu wird angenommen, dass die Halter von (Junk-)Zerobonds risikoneutral sind und im Falle der Insolvenz vollkommen leer ausgehen, was mit Blick auf das Marktsegment der nachrangigen Hochzinsanleihen nicht einmal unplausibel erscheint. Sei P(X > T ) die subjektive Wahrscheinlichkeit im Zeitpunkt t0 = 0, dass der Totalausfall eines (Junk-)Zerobonds erst nach dessen Fälligkeit T eintritt, dann gilt bei risikoneutraler Bewertung die folgende Relation zwischen dem Preis J (0,T ) eines (Junk-)Zerobonds einerseits und dem Preis P(0,T ) eines sicheren Zerobonds jeweils mit Fälligkeit T J (0,T ) = P(0,T ) · P(X > T ). Angenommen die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Zerobond während eines beliebigen in die Laufzeit fallenden Abrechnungszeitraumes der Länge Δ ausfällt, sei λΔ + o(Δ),34 dann sind die Ausfälle poissonverteilt mit Parameter λ und der Zeitraum bis zum Eintritt des ersten Ausfalls ist exponentialverteilt.35 In diesem Fall gilt P(X > T ) = 1 − P(X ≤ T ) = 1 −
T 0
λe−λx d x = e−λT
und somit s = λ für den implizit durch (10.25) definierten Credit Spread s.36 Es sei nochmals betont, dass diese Interpreation unter den Annahmen einer Konkursquote von 0 sowie risikoneutraler Bewertung (oder unsystematischer Ausfallrisiken) zulässig ist. Im Falle nachrangigen Haftkapitals scheint dieses Annahmenbündel allerdings keineswegs abwegig, weil risikoscheue Anleger dieses sehr risikoreiche Marktsegment (hoffentlich) eher meiden.
31 32 33 34 35 36
Vgl. hierzu Teil IV insbesondere Kapitel 16. Vgl. hierzu Kapitel 15.2. Vgl. Jarrow & Turnbull (1995) und Jarrow, Lando & Turnbull (1997). Vgl. Fußnote 6 zur Bedeutung des Landau-Symbols o (sprich: klein o). Vgl. Schönbucher (2003, S. 112 f.). Vgl. Schönbucher (2003, insb. Kapitel 5) für eine vertiefende Darstellung und zum Pricing von Kreditrisken im Allgemeinen.
110
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
10.2.8 Zerobond Optionen Die BS-Formel lässt sich auch auf die Bewertung von Optionen auf Zerobonds anwenden,37 wenn man von normalverteilten Zinsraten ausgeht, was nicht unproblematisch ist, da unter dieser Annahme nicht ausgeschlossen ist, dass Zinssätze negativ werden, woraus sich Arbitragegelegenheiten ergeben, sofern die Möglichkeit besteht, Geld in der Kasse zu halten.38 Nimmt man diese Inkonsistenz in Kauf, die ja nicht groß ins Gewicht fallen muss, wenn man dafür sorgt, dass die Wahrscheinlichkeit negativer Zinssätze sehr klein ist, erscheint es im Lichte der Ausführungen in Abschnitt 7.2 sinnvoll, analog zu der in einem diskreten Modell geltenden Beziehung P(n, N) =
N−1
∏
i=n
Ps (n,i + 1) N−1 1 =∏ Ps (n,i ) 1 + f (n,i,i + 1) i=n
zwischen Terminzinssätzen f (n,m,m + 1) und Zerobondpreisen P(n, N) in einem zeitstetigen Kontext von dem Zusammenhang P(t,T ) = e−
!T t
f c (t,u)du
(10.29)
zwischen konformen Terminzinsraten fc (t,u) für unmittelbar an u ≥ t anschließende Zeiträume der Länge dt und Zerobondpreisen P(t,T ) auszugehen. Das hat den Vorteil,39 dass man bei der Modellierung der Dynamik der Zinsraten auf den Ansatz von Heath, Jarrow & Morton (1992) zurückgreifen kann, der an jede beobachtete Zinsstruktur angepasst werden kann.40 Im einfachsten Fall nimmt man an, dass die Dynamik von einem einzigen Risikofaktor beeinflusst wird, der durch das Differential d Wsr eines Wiener Prozesses beschrieben wird, und regelt mit Hilfe des nicht negativen Flüchtigkeitsparameters λ über die Hysterese41 -Funktion h(s,u) := e−λ(u−s) ,
(10.30)
wie stark die Terminzinsraten zukünftiger Perioden durch diesen einen Risikofaktor beeinflusst werden.42 37
38 39 40 41 42
Damit lassen sich wiederum, wie in Abschnitt 8.8 gezeigt, Caps und Floors bewerten, vgl. Albrecht & Maurer (2008, Kapitel 11.9.2.3 i.V.m. Anhang 11I) zu der in der Investmentpraxis gängigen Bewertung auf der Grundlage der Black-Formel (10.17). Siehe Seite 41. Einen Überblick über Vor- und Nachteile verschiedener Klassen von Zinsstrukturmodellen verschaffen Albrecht & Maurer (2008, Kapitel 9.3.4). Vgl. das instruktive Implementierungsschema in Björk (1997, insb. S. 93 f.). Der Begriff Hysterese steht für das Fortdauern einer Wirkung nach Wegfall ihrer Ursache. Diese Volatilitätsstruktur ist charakteristisch für eine bestimmte Klasse von Zinsstrukturmodellen, die sog. Hull-White-Klasse. Im Grenzfall λ → 0 lässt sich eine Verbindung zum in diskreter Zeit formulierten Modell von Ho & Lee (1986) herstellen; vgl. Albrecht & Maurer (2008, Kapitel 9.3) und Wöster (2004, Kapitel 3.3.3.3) zu einer Einordnung im Kontext des Heath-Jarrow-Morton-Ansatzes und Anhang E zu der Bedingung, die erfüllt sein muss, damit (10.31) keine Arbitragegelegenheiten eröffnet (Heath Jarrow Morton Drift Condition).
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
111
Konkret lassen sich die konformen Terminzinsraten unter den getroffenen Annahmen wie folgt erklären f c (t,u) = f c (0,u) +
t 0
αc (s,u)ds + σr
t 0
h(s,u)dWrs .
(10.31)
Unter der Annahme (10.31) kann die Bewertung von Optionen mit Hilfe der BSFormel vorgenommen werden, weil die konformen Terminzinsraten fc (t,u) auch nach der erforderlichen Transformationen des Wahrscheinlichkeitsmaßes normalverteilt bleiben und mithin die Zerobondpreise (10.29) logarithmisch normalverteilt sind. Um beispielsweise den Marktwert eines europäischen Call mit Fälligkeit T1 und Basispreis K < 1 auf einen Zerobond mit Fälligkeit T2 > T1 zu bestimmen, verwenden wir den Zerobond mit Fälligkeit T1 als Numéraire und die Kurzschreibweise Yt := P(t,T1 )−1 · P(t,T2 ) für den entsprechend normierten Preis des Basistitels, so dass wegen P(T1 ,T1 ) = 1 YT1 = P(T1 ,T2 ) gilt. Da die Maßtransformation via Driftkorrektur erfolgt und somit keinen Einfluss auf die Varianz hat, kann beim Varianzoperator auf die Angabe des Wahrscheinlichkeitsmaßes QT1 verzichtet werden. Setzt man dementsprechend " " (lnYT1 ) (ln P(T1 ,T2 )) = σ := T1 T1
und greift auf die in Unterabschnitt 10.2.3 hergeleitete Erwartungswertdarstellung zurück, die sich bei Verwendung des Zerobond mit Fälligkeit T1 als Numéraire wegen P(T1 ,T1 ) = 1 noch weiter zu #
Π0 Z TC1 = P(0,T1 ) QT (YT1 ) Φ0,1 (d) − K Φ0,1 (d − σ T1 )
1
vereinfacht, und berücksichtigt dann noch, dass Yt unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß QT1 ein Martingal ist, was
Q
T1
(YT1 ) = Y0 =
P(0,T2 ) P(0,T1 )
impliziert, so erhält man einen Marktwert in Höhe von #
Π0 Z TC1 = P(0,T2 ) · Φ0,1 (d) − P(0,T1 ) · K · Φ0,1 (d − σ T1 ) mit
(10.32)
112
10 Praktische Anwendungen der Bewertung durch Replikation: Teil 2
ln
QT1 (YT1 ) K
√ σ T1
d=
√ + σ 2T1
P(0,T ) 2 P(0,T1 )
ln
+σ
K
√
T1
2
√ σ T1
=
(10.33)
und σ
#
T1 =
(ln P(T1 ,T2 )) = σr2
T1 T2 0
h(s,u)2 du ds.
(10.34)
T1
Geht man von der Annahme λ = 0 und somit in Verbindung mit (10.31) davon aus, dass Zinsschocks ungedämpft auf die Terminzinsraten beliebig weit in der Zukunft liegender Abrechnungsperioden durchschlagen, dann gilt
(ln P(T1 ,T2 )) = σr2 · T1 · (T2 − T1 ) und somit
" σ=
(ln P(T1 ,T2 )) = σ #T r
T1
2 − T1 ,
so dass sich das Verhältnis der impliziten Volatilitäten vollständig aus der Wurzel des Verhältnisses der zeitlichen Abstände zwischen den Fälligkeiten der Option und der Fälligkeit des jeweils zugrundeliegenden Zerobonds erklären lassen muss. Umgekehrt kann man natürlich auch aus am Markt gezahlten Call-Prämien auf den Flüchtigkeitsparameter λ zurückschließen. Dazu muss man σr schätzen. Wie aus rc (t) := f c (t,t) = f c (0,t) +
t 0
αc (s,t)ds + σr
t 0
h(s,t)dWrs
ersichtlich, gilt
(drc ) = σr2dt , so dass man den Parameter σr aus der Varianz der täglichen Änderungen eines Tagesgeldzinssatzes, wie zum Beispiel dem Euro Overnight Index Average (EONIA) ableiten kann. Falls dieser Schätzwert hinreichend groß ist, muss eine eindeutige Lösung für den impliziten Flüchtigkeitsparameter existieren, da h(s,u) und somit auch (ln P(T1 ,T2 )) streng monoton fallende Funktionen von λ sind. Ferner lässt sich aus (10.32) unmittelbar ablesen, dass das Replikationsportfolio aus den beiden Zerobonds mit den Fälligkeiten T1 und T2 besteht und entsprechend Φ0,1 (d) √ x 0T2 = −K Φ0,1 (d − σ T ) x 0T1
zusammengesetzt ist. Ein Vorteil der Verwendung eines Einfaktor-Modells besteht in der zuerst von Jamshidian (1989) gezeigten Möglichkeit, europäische Optionen auf Kuponanleihen als Bündel von europäischen Optionen auf die Zerobonds, mit denen sich die
10.2 Die Optionspreismodelle von Cox, Ross und Rubinstein und Black und Scholes
113
Kuponanleihe nachbildet lässt, zu bewerten. Dazu muss man zunächst den kritischen Wert für den Risikofaktor bestimmen, bei dem die Option auf die Kuponanleihe bei Fälligkeit gerade am Geld ist. Die Aussage folgt dann aus der Tatsache, dass dieser kritische Wert eindeutig festlegt, welche Schwellenwerte die einzelnen Zerobonds gerade erreichen, wenn die Option auf die Kuponanleihe am Geld ist. Diese Schwellenwerte entsprechen den Basispreisen des Bündels von Zerobond Optionen, welches die Option auf die Kuponanleihe nachbildet.
11 Teil II in Kürze
Der Handel sicherer Zahlungsversprechen auf einem vollständigen Kapitalmarkt kann auch als Handel von Geldeinheiten aufgefasst werden, die in ganz bestimmten Zeitpunkten zahlbar sind. Die beobachtbaren Marktpreise zukünftiger Geldeinheiten gestatten eine objektive Bewertung zukünftiger Zahlungen. Ein vollkommener und vollständiger Kapitalmarkt zeichnet sich dadurch aus, dass er eine vollkommen reibungslose Verlagerung von Zahlungen ermöglicht. Dank dieser Transformationsleistung garantiert ein höherer Marktwert mehr Konsum und zwar unabhängig davon, wie der Konsum über die Zeit verteilt werden soll. Das macht den Marktwert zu einem einmütig akzeptierten Entscheidungskriterium. Auf einem vollständigen Markt unter Sicherheit ist die Finanzierung von Projekten mit positivem Marktwert stets gesichert. Explizite Zinssätze dienen der Bestimmung der Zahlungscharakteristik eines Kreditgeschäftes. Implizite Zinssätze werden aus der Zahlungsreihe eines am Markt gehandelten Zahlungsversprechens abgeleitet. Implizite Zinssätze lassen sich als Zeitpräferenzraten des Marktes interpretieren, falls die Zahlungsreihe, aus der sie abgeleitet sind, sich aus genau zwei Zahlungen zusammensetzt. Unbedingte Termin- und Tauschgeschäfte lassen sich mit Hilfe einfacher Buyand-Hold-Strategien replizieren und sind dementsprechend einfach zu bewerten. Theoretisch lassen sich die Vorstellungen von der Funktionsweise eines vollkommenen und vollständigen Kapitalmarktes unter Sicherheit analog auf den Fall risikobehafteter Zahlungen übertragen, indem man die Zeitdimension um eine Zustandsdimension erweitert und mit den Preisen von Zeit-Zustands-Kombinationen arbeitet. Der Marktwert risikobehafteter Zahlungen kann als Erwartungswert aufgefasst und berechnet werden. Hinter dem zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeitsmaß stecken die Marktpreise elementarer Wertpapiere, die eine Geldeinheit in einer bestimmten Zeit-Zustands-Kombination zahlen.
116
11 Teil II in Kürze
Praktisch betrachtet ist ein vollständiger und vollkommener Kapitalmarkt unter Risiko weitaus weniger operational als ein solcher unter Sicherheit, weil allgemein gültige Bewertungsformeln voraussetzen, dass die Marktteilnehmer zumindest identische Vorstellungen vom Wahrscheinlichkeitsraum haben. Bedingte Termingeschäfte lassen sich auf sequenziell vollständigen vollkommenen Kapitalmärkten mit Hilfe selbstfinanzierender dynamischer Handelsstrategien replizieren. Eine solche Strategie lässt sich recht gut im Binomialmodell nachvollziehen. Die Zusammensetzung des Replikationsportfolios von Zahlungscharakteristika, die durch den Preis eines marktgehandelten Basistitels eindeutig bestimmt sind, wird durch die Hedgeratio und die relative Über- oder Unterperformance des Derivats im Vergleich zum Basistitel bestimmt. Eine Überperformance erfordert zwingend ein teilweise fremdfinanziertes (gehebeltes) Portfolio. In der Praxis der Derivatebewertung dominiert das Black Scholes Modell, weil es einfach zu handhaben ist und flexibel angepasst werden kann. Das Black Scholes Modell kann auf das Binomialmodell zurückgeführt werden. Implizite Volatilitäten und Korrelationen liefern Informationen über die vom Markt erwartete Heftigkeit und Gleichläufigkeit von Kursschwankungen. Solche Informationen können Anhaltspunkte für das Risikomanagement von Preisrisiken geben.
Teil III
Risikomanagement
12 Risikofaktoren und Sensitivitäten
Risikomanagement beschäftigt sich vor allem mit der Veränderung von Vermögenswerten über zukünftige Zeiträume. In seiner einfachsten Form basiert Risikomanagement darauf, den Einfluss von sich ändernden Risikofaktoren auf bestimmte Vermögenswerte oder Portfolios in bestimmten Grenzen zu halten. Das setzt Annahmen über Wirkungszusammenhänge zwischen Preisen und Risikofaktoren und darauf aufsetzende Sensitivitätsanalysen voraus. Vorstellungen von der Wahrscheinlichkeit von Faktorvariationen werden indes nicht entwickelt. Im Folgenden beschränken wir uns auf das Management von Preisrisiken auf kurze Sicht. Letztere begünstigt das Auffinden einfacher Approximationen für den funktionalen Zusammenhang zwischen den Preisen einzelner Wertpapiere und diesen Risikofaktoren. Sei x ∈ J der Vektor der Stückzahlen von insgesamt J Portfolio-Wertpapieren zum Zeitpunkt tn und pn ∈ J der Vektor der Preise dieser Wertpapiere im Zeitpunkt tn . Ändert sich die Struktur des Portfolios über den Zeitraum tn+1 − tn nicht, so gilt für die Preisveränderung des Portfolios über diesen Zeitabschnitt
x (pn+1 − pn ) =: x Δpn+1 . Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass man die Preise der J Wertpapiere als von F im Vektor F ∈ F zusammengefassten Risikofaktoren abhängige Funktion
J pn = p(Fn ) := p i (Fn ) i=1
ausdrücken kann. Die Veränderungen der Wertpapierpreise sind demnach durch Δpn+1 = p(Fn+1 ) − p(Fn ) = p(Fn + ΔFn+1 ) − p(Fn ) gegeben. Häufig wird die Funktion p mit Hilfe des Differentialoperators1 1
Dp(F) wird auch die Jacobi-Matrix von p genannt. Die Transponierte ∇p(F) := (Dp(F)) von Dp(F) bezeichnet man als Gradienten von p.
(12.1)
120
12 Risikofaktoren und Sensitivitäten
⎛ ⎜ Dp(F) := ⎜ ⎝
∂p 1 (F) ∂ F1
.. .
... .. .
∂p 1 (F) ∂FF
∂p J (F) ∂ F1
...
∂p J (F) ∂FF
.. .
⎞ ⎟ ⎟ ⎠
linear approximiert, um von $ n+1 := Dp(Fn ) · ΔFn+1 Δpn+1 ≈ Δp
(12.2)
ausgehen zu können. Die Sensitivitätsanalyse lässt sich stark vereinfachen, wenn man davon ausgeht, dass der Kurs jedes Portfolio-Wertpapiers von genau einem Risikofaktor getrieben wird. So könnte man bspw. für Aktien die logarithmierten Kurse als Risikofaktoren ansehen, d.h. von f f := ln S f ausgehen, und dann die Kursänderungen über den Zeitraum Δ unter Berücksichtigung des exakten Zusammenhangs zwischen Faktor und Preis Sj =ef
j
durch j
% ∂ef ΔSΔj = Δf Δj = S j Δf Δj ∂f j approximieren. Für ein Portfolio, welches ausschließlich aus den Aktien j = 1,..., J besteht, würde das in Verbindung mit der Schreibweise diag(S) für die Diagonalmatrix mit den Hauptdiagonalelementen S 1 ,..., S J auf Dp(F) = diag(S)
(12.3)
führen. Für Portfolios festverzinslicher Wertpapiere empfiehlt es sich nicht, von einer umkehrbar eindeutigen Korrespondenz zwischen einem Wertpapier und genau einem Risikofaktor auszugehen. Handelt es sich um Zahlungsversprechen, die stets mit Sicherheit eingelöst werden, dann liegt es in diesem Fall vielmehr nahe, festverzinsliche Anleihen, die in den Zeitpunkten F T = (Ti )i=1
Zahlungen erzeugen, als Bündel von Zerobonds mit entsprechenden Fälligkeiten und Preisen F P(0,T) := (P(0,Ti ))i=1
zu betrachten, und die Logarithmen der Zerobondpreise als Risikofaktoren anzusehen, was unter Berücksichtigung der durch
12 Risikofaktoren und Sensitivitäten
121
P(0,Tn ) = e−rc (0,Tn )·Tn implizit definierten konformen Kassazinssätze F r := (rc (0,Ti ))i=1
auf F = lnP(0,T) = −diag(T)r führt. Da die Spalten j = 1,..., J der Zahlungsmatrix Z beschreiben, wie die Bündel mit Zerobonds bestückt werden müssen, um die Zahlungscharakteristika der im Portfolio befindlichen Anleihen zu replizieren, erhält man in diesem Fall die JacobiMatrix Dp(F) = Z diag(P(0,T)).
(12.4)
Die Verallgemeinerung von ΔFΔf : = ln(P(Δ,T f )) − ln(P(0,T f ))
= −(T f − Δ) ·rc (Δ,T f ) + T f ·rc (0,T f ) = −(T f − Δ) · (rc (Δ,T f ) −rc (0,T f )) + (T f − (T f − Δ)) ·rc (0,T f ) = −Δrc (Δ,T f ) · (T f − Δ) +rc (0,T f ) · Δ
auf alle Fälligkeiten führt in Verbindung mit den Definitionen F ΔrΔ := (Δrc (Δ,Ti ))i=1
für den Spaltenvektor der Änderungen der konformen Kassazinssätze über den Zeitraum Δ und 1 für einen ausschließlich aus Einsen bestehenden (F ×1)-Spaltenvektor auf ΔFΔ = −diag(T − 1Δ)ΔrΔ + rΔ. Sei z := Zx die Zahlungscharakteristik des Portfolios und seien 1 · x Z diag(P(0,T)) x Z P(0,T) 1 = · z diag(P(0,T)) z P(0,T)
g : =
die hypothetischen Gewichte der Zerobonds, dann erhält man unter Berücksichtigung der Arbitragefreiheitsbedingung
122
12 Risikofaktoren und Sensitivitäten
p = Z P(0,T) sowie der speziellen Jacobi-Matrix (12.4) die Beziehung $ Δ x Dp(F) · ΔFΔ x Δp = = g [−diag(T − 1Δ)ΔrΔ + rΔ] x p x Z P(0,T) als Approximation für die prozentuale Wertänderung des Portfolios über den Zeitraum Δ. Im Risikomanagement stehen häufig Preisänderungen über sehr kurze Zeiträume im Mittelpunkt des Interesses. In diesem Fall kann man sich am Grenzfall $Δ x Δp = g −diag(T) lim ΔrΔ lim Δ→0 x p Δ→0 orientieren. Unterstellt man nun noch, dass sich Kassazinssätze rc (Δ,Tn ) unabhängig von der Fälligkeit Tn über einen Zeitraum der Länge Δ um den gleichen Betrag Δrc verschieben (Parallelverschiebung der Zinsstrukturkurve), so erhält man $Δ x Δp = g −diag(T)1 lim Δrc = −gT lim Δrc . lim Δ→0 x p Δ→0 Δ→0 Sei π0,n = P(0,Tn ) der Marktpreis einer in Tn fälligen Geldeinheit im Zeitpunkt t0 = 0 und N π0,i · z iP d P := ∑ ·i F P i=1 ∑i=1 π0,i · z i die Macauley Duration des Portfolios im Zeitpunkt t0 = 0, dann gilt F = N und g T = d P . Beispiel 12.1 (Kuponanleihen). Ein Investor hat 100 x= 200 Stücke zweier Kuponanleihen mit den Spezifikationen Anleihe n Fälligkeit Tn Kupon cn Auszahlung Preis in t0 = 0 1 1 0,05 jährlich B0,05 (0,1) 2 2 0,10 jährlich B0,10 (0,2) erworben. Für
P(0,1) P(0,2)
=
e−0,03·1 e−0,04·2
12 Risikofaktoren und Sensitivitäten
123
ergeben sich in diesem Fall in Verbindung mit 1,05 0,1 Z= 0 1,10 auf drei Nachkommastellen gerundet die hypothetischen Gewichte
g ≈ 0,374 0,626 . Besteht das Portfolio aus Anleihen und Aktien, dann führt die Kombination der eben vorgestellten Vorgehensweisen auf Dp(F) = M diag(K) mit
M :=
und
K :=
Z0 0E
P(0,T) . S
(12.5)
13 Risikoermittlung mit Hilfe der Risikokennzahl Value at Risk (VaR)
Bisher spielte der Begriff des Risikos beim Risikomanagement noch keine echte Rolle. Es ging lediglich um Wirkungszusammenhänge zwischen Risikofaktoren und Preisen. Dabei wurde nicht spezifiziert, wie wahrscheinlich das Ausmaß einer Änderung der Risikofaktoren überhaupt ist, und welche Aussagen sich daraus bezüglich der Verteilung der Wertpapier- und Portfoliopreise ableiten lassen. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass genügend Risikofaktoren ermittelt wurden, um die Preisveränderungen der in einem Portfolio enthaltenen Wertpapiere gut erklären zu können. Die Risikofaktoren sollten so gewählt werden, dass man präzise Vorstellungen über ihre Verteilung entwickeln kann, wobei man sich bei der Auswahl der Risikofaktoren häufig auf diejenigen beschränken muss, deren Verteilungen für die späteren Berechnungen auch tatsächlich genutzt werden können. Nach der Bestimmung der Risikofaktoren und deren gemeinsamer Verteilung stellt sich die Frage, wie sich daraus die Verteilung für das Portfolio ableiten lässt. In vielen Fällen kann diese Verteilung nicht exakt ermittelt werden, so dass man sich mit Approximationen begnügen muss. Hat man schließlich die approximative Verteilung des Portfolios ermittelt, so hat man eine umfassende Abbildung des Risikos. Das reicht allerdings nicht unbedingt aus, um beurteilen zu können, welche von zwei Alternativen die riskantere ist. Ein Ansatz zur Überwindung dieser Schwierigkeiten ist die Reduktion der vielfältigen in einer Verteilung enthaltenen Informationen auf Risikomaße, das sind Kennzahlen, die die Beurteilung des Risikos erleichtern sollen.1 Sowohl in der Finanzwirtschaft als auch im Controlling hat sich mittlerweile das Risikomaß Value at Risk (VaR) etabliert, obwohl es allgemein akzeptierten Anforderungen an ein Risikomaß nur bedingt genügt.2 Beim Value at Risk handelt es sich 1 2
Einen Überblick über in der Investmentpraxis verwendete verteilungsbasierte Risikomaße verschaffen Albrecht & Maurer (2008, Kapitel 3.6). Ein Risikomaß sollte gewissen Axiomen genügen, damit die durch das Maß implizierte Ordnung nicht gegen jegliche ökonomische Intuition verstößt; vgl. hierzu Artzner, Delbaen, Eber & Heath (1999). Ein Beispiel für ein solches Axiom ist die Subadditivität, d.h. dass ein Risikomaß M die Bedingung M(X + Y ) ≤ M(X) + M(Y ) erfüllen sollte, um die
126
13 Risikoermittlung mit Hilfe der Risikokennzahl Value at Risk (VaR)
grob gesagt um den Verlust L := −xΔpΔ , der mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit α innerhalb des Zeitraumes Δ nicht überschritten wird. Die als Konfidenzniveau bezeichnete Wahrscheinlichkeit α wird üblicherweise mit 0,95, bisweilen auch mit 0,99 oder 0,999 angesetzt. Der nichtparametrische VaR wird aus Vergangenheitswerten ermittelt. Seien L (1) ≤ L (2) ≤ ... ≤ L (J ) eine Anzahl von J über den vergangenen Zeitraum von t− J = − J · Δ bis t0 = 0 beobachtete aufsteigend geordnete historische Verluste L j := −x Δp−( j −1)·Δ , dann gilt im einfachen Beispiel3 J = 100, α = 97,5% und L ( j ) = j VaR L (α) = L (97,5) = L (98) = 98. Ein Problem hierbei ist, dass die Portfoliozusammensetzung meistens nicht lange genug stabil ist, um verlässliche Vergangenheitsdaten generieren zu können. In diesen Fällen kommt man ohne Verteilungsannahmen nicht aus. Für den Value at Risk der normalverteilten Zufallsvariable X ∼ N (μ X ,σ X ) gilt4 gilt definitionsgemäß Φμ X ,σ X (VaR X (α)) = α und dementsprechend
Φ0,1
VaR X (α) − μ X σX
= α,
was wiederum äquivalent zu VaR X (α) = Φ−1 0,1 (α) · σ X + μ X
(13.1)
ist.
3 4
risikomindernde Wirkung der Diversifikation abbilden zu können. Der Value at Risk erfüllt diese Bedingung nur für eine bestimmte Klasse von Verteilungen, zu welcher die auch die Normalverteilung gehört, so dass der Einwand unter den nachfolgend im Text getroffenen Annahmen nicht zum Tragen kommt, vgl. hierzu Jorion (2007, S. 113 ff.). Die mit der sogenannten Gaußklammer x verwandte Aufrundungsfunktion x liefert die kleinste ganze Zahl, die größer oder gleich x ist. Zur Erinnerung: Φμ X ,σ X steht für die Verteilungsfunktion der normalverteilten Zufallsvariable X.
13 Risikoermittlung mit Hilfe der Risikokennzahl Value at Risk (VaR)
127
Für und μ X = μ · Δ und σ X2 = σ 2 · Δ kann der Value at Risk somit bei hinreichend kurzem Risikohorizont durch √ % X (α) = Φ−1 (α) · σ Δ VaR 0,1 √ approximiert werden, da Δ schneller gegen Null geht als Δ. Angenommen die Veränderung der Risikofaktoren ΔFΔ über den Zeitraum Δ ist normalverteilt mit dem Spaltenvektor μΔF,Δ , der die Erwartungswerte zusammenfasst, und der Varianz-Kovarianz-Matrix Σ ΔF,Δ . Sei F,F R := (ρi j )i=1, j =1
mit ρ f f = 1 für alle f = 1,..., F die Korrelationsmatrix der Faktoren und σ ΔF,Δ der Spaltenvektor der Standardabweichungen der Faktoränderungen über den Zeitraum Δ, dann gilt allgemein Σ ΔF,Δ = diag(σ ΔF,Δ )Rdiag(σ ΔF,Δ ) . Der den Ausführungen des vorangegangenen Abschnitts entsprechend approximierte Porfolioverlust $ Δ = −xM diag(K)ΔFΔ L˜ := −xΔp ist dann ebenfalls normalverteilt mit Erwartungswert μ L˜ = −xM diag(K)μΔF,Δ und Standardabweichung # σ L˜ = x M diag(K)diag(σ ΔF,Δ )Rdiag(σ ΔF,Δ )diag(K)Mx. Somit kann der Value at Risk in Verbindung mit der Definition √ F σ JPM := σ (α,Δ) = (Φ−1 0,1 (α) · σi · Δ)i=1
(13.2)
bei hinreichend kurzem Risikohorizont durch % ˜ = x M diag(K)diag(σ JPM )Rdiag(σ JPM )diag(K)Mx VaR L approximiert werden. Im Prinzip basiert der von der amerikanischen Investmentbank J.P. Morgan in Zusammenarbeit mit dem Datenanbieter Reuters entwickelte Implementierungsstandard RiskMetrics™ für den Value-at-Risk-Ansatz auf dieser Formel.5 RiskMetrics™ nimmt allerdings einige Modifikationen vor: 5
Die Definition (13.2) erklärt sich aus dem Umstand, dass J.P. Morgan die Elemente des Vektors σ JPM als Volatilities bezeichnet. Für Lehrzwecke können die Volatilities der als Instruments bezeichneten Risikofaktoren
128
13 Risikoermittlung mit Hilfe der Risikokennzahl Value at Risk (VaR)
Die erste Modifikation besteht darin, dass mit je nach Währung bis zu 14 fest vorgegebenen Standard-Fälligkeiten gearbeitet wird. Liegen die tatsächlichen Fälligkeiten zwischen den Standard-Fälligkeiten, werden die Zahlungen so auf benachbarte Standard-Fälligkeiten verteilt, dass der Marktwert und der VaR unverändert bleiben. Dieses als Cash Flow Mapping bezeichnete Verfahren zur Bestimmung einer auf den Standard-Fälligkeiten basierenden äquivalenten Zahlungsmatrix Zˆ wird in Anhang F erläutert. Die zweite Modifikation resultiert daraus, dass der Logarithmus eines möglichst repräsentativen Aktienindexes als gemeinsamer Risikofaktor für die Kurse sämtlicher Aktien fungiert, die an einer bestimmten Börse beheimatet sind. RiskMetrics™ liefert Daten für Aktienindizes der 32 wichtigsten Börsenplätze. Sei I h ein für die Heimatbörse h der Aktie j repräsentativer Börsenindex, dann unterstellt RiskMetrics™ einen Faktor-Preis-Zusammenhang der Form S j = eb j · f
h
(13.3)
mit f h = ln I h . Der zunächst unbestimmte Parameter b j lässt sich wie folgt bestimmen: Der FaktorPreis-Zusammenhang (13.3) impliziert h SΔj I ln = b j · ln Δh , j S I so dass man unter den Annahmen des linearen Regressionsmodells6 den aufgrund seiner Bedeutung in der Kapitalmarkttheorie7 äußerst populären Beta-Faktor j h SΔ IΔ S ln( S j ),ln( I h ) β j :=
h IΔ S ln( I h )
sowie deren Korrelationskoeffizienten mit einer Zeitverzögerung von etwa einem halben Jahr kostenlos von der Seite http://www.riskmetrics.com/stddownload_ edu.html heruntergeladen werden. Zuvor muss man sich auf der Seite http://www. riskmetrics.com/registration.html registrieren. Es werden drei Datensätze für die Kombinationen (Δ;α) ∈ {(1;0,95),(30;0,95),(10;0,99)} 6 7
zur Verfügung gestellt, wobei Δ in der Einheit Tage angegeben ist. Vgl. Frohn (1995). Vgl. hierzu Abschnitt 16.3. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ln((S j )−1 SΔj ) im Bereich kurzer Risikohorizonte nicht nennenswert von der Aktienrendite abweicht.
13 Risikoermittlung mit Hilfe der Risikokennzahl Value at Risk (VaR)
als Schätzer für den unbekannten Parameter b j verwenden kann, wobei und S (X) für eine Stichprobenkovarianz bzw. Varianz stehen. Wegen
% ∂ eβ j · f Δf Δh = β j S j Δf Δh ΔSΔj = ∂f h
129 S (X,Y )
h
(13.4)
besteht die zweite Modifikation dann darin, entweder den Aktienkurs oder die JPMVolatilitäten mit dem Beta-Faktor zu multiplizieren. Die dritte Modifikation betrifft Risikomanager, die nicht in US-Dollar rechnen. Diese müssen berücksichtigen, dass die RiskMetrics™-Daten auf den US-DollarGegenwerten von Indizes und Zerobondpreisen basieren. In Euro rechnende Risikomanager können das Wechselkursrisiko erfassen, indem sie so tun, als hätten sie den Marktpreis des Portfolios in Euro per Termin gegen Dollars verkauft. Das lässt sich wie folgt begründen: Sei P FX der Marktpreis des Portfolios in US-Dollar und FX die Anzahl von Dollars, die man für einen Euro bekommt (Mengennotiz). Setzt man FP FX = ln P FX und FFX = lnFX, dann erhält man die Approximation ∂ e FP FX −FFX ΔFFX ∂ FP FX ∂ FFX
= FX−1 P FX Δln P FX − ΔlnFX
−1 P FX ) = ∂ e Δ(FX
FP FX −FFX
ΔFP FX +
für die Änderung des Wertes des Portfolios in Euro. Beispiel 13.1. In einem Portfolio befinden sich 1.000 Aktien der Walt Disney Company, die zu USD 25 pro Stück notieren und ein Beta von 0,75 gegenüber dem S&P 500 besitzen, sowie T-Bills im Nominalwert von USD 5.375 mit Fälligkeit 15.08.2004. Berechnet werden soll der VaR zum 15.05.2004 über den nächsten Tag auf einem 95%-Konfidenzniveau in Euro. Da der T-Bill eine Standard-Fälligkeit besitzt, erübrigt sich ein Cash Flow Mapping. Allerdings muss den tatsächlichen Positionen ein fiktiver Terminverkauf von Euro gegen Dollar in Höhe des aktuellen Marktpreises des Portfolios in Euro hinzugefügt werden, da der VaR in Euro berechnet werden soll. Aus den von J.P. Morgan zur Verfügung gestellten Daten Code Bedeutung Faktor-Niveau Faktor-Volatilität (%) USD.R090 3M-Geldmarktsatz 1,15% 0,003 USD.SE S&P 500 1033,78 1,547 EUR.XS USD/EUR–Wechselkurs 1,18 1,003 Code Faktor-Korrelation USD.R090.USD.SE 0,12 EUR.XS.USD.R090 0,26 EUR.XS.USD.SE −0,12 stellt man die Korrelationsmatrix
130
13 Risikoermittlung mit Hilfe der Risikokennzahl Value at Risk (VaR)
⎛
⎞ 1,00 0,12 0,26 R = ⎝ 0,12 1,00 −0,12 ⎠ 0,26 −0,12 1,00 und die modifizierte Volatilitätsmatrix ⎛ ⎞ 0,00003 0 0 JPM
⎠ 0 0,75 · 0,01547 0 =⎝ diag σ 0 0 0,01003 zusammen, wobei die (fiktive) Euro-Short-Position jeweils an letzter Stelle berücksichtigt wird. Der Wert der T-Bill-Position in Euro beläuft sich auf 5375 ·
1 1,0115
1 4
·
1 = 4.542,01 1,18
und der Wert der Aktienposition in Euro beläuft sich auf 25.000 ·
1 = 21.186,44. 1,18
Dementsprechend ist das Portfolio um einen fiktiven Terminverkauf von Euros gegen Dollar im Umfang von EUR 25.728,45 zu ergänzen. Zusammengefasst ergeben sich die Positionswerte ⎛ ⎞ 4.542,01 ⎝ 21.186,44 ⎠ , −25.728,45 für die man auf einem Konfidenzniveau von 95% einen approximativen Value at % ˜ EU R ≈ 377,14 EUR versus VaR % ˜ U S D ≈ 290,08 USD für den Risk in Höhe von VaR L L Zeitraum bis zum nächsten Handelstag errechnet. Dass der USD-Wert unter dem EUR-Wert liegt, obwohl der Wert der Portfolio-Positionen in Dollar das 1,18-fache des Wertes in Euro beträgt, liegt am Wechselkursrisiko, das durch die negative Korrelation des S&P 500 mit dem Wechselkurs des Dollar noch verstärkt wird. Man beachte hierbei, dass eine negative Korrelation bedeutet, dass zu erwarten ist, dass eine unerwartete schlechte Wertentwicklung des Index mit einer unerwartet schlechten Wertentwicklung des Dollar einher geht.
14 Teil III in Kürze
In seiner einfachsten Form basiert Risikomanagement darauf, den Einfluss von sich ändernden Risikofaktoren auf bestimmte Vermögenswerte oder Portfolios in bestimmten Grenzen zu halten. Auf kurze Sicht betrachtet erscheint es vertretbar und sinnvoll, dabei von linear approximierten Beziehungen zwischen Risikofaktoren und Preisen auszugehen. Das Risikomanagement von Bond-Portfolios auf der Basis der Duration ist ein Spezialfall dieser Vorgehensweise. Eine anspruchsvollere Risikomanagement-Variante setzt Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit von Faktoränderungen voraus. In Verbindung mit linear approximierten Beziehungen zwischen Risikofaktoren und Preisen bietet es sich unter rechentechnischen Gesichtspunkten an, subjektive Wahrscheinlichkeiten mit Hilfe von gemeinsam logarithmisch normalverteilten Risikofaktoren abzubilden, weil diese Annahme normalverteilte approximative Änderungen des Marktpreises eines Portfolios impliziert. Auf diese Weise lassen sich Diversifikationseffekte sehr gut sichtbar machen. In der Praxis hat sich als Risikomaß der Value at Risk durchgesetzt. Grob gesagt handelt es sich dabei um den Verlust, der über einen bestimmten Zeitraum mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. RiskMetrics™ ist ein auf eine vorhandene Datenbank mit Faktorvolatilitäten und -korrelationen abgestimmter Implementierungsstandard für den Value-at-RiskAnsatz.
Teil IV
Effiziente Portfolios
15 Struktur, Risiko und Rendite effizienter Portfolios
15.1 Zum Begriff der μ-σ -Effizienz Bei dem von Markowitz (1952) entwickelten Ansatz zur Portfolio-Optimierung handelt es sich um eine Operationalisierung der von Praktikern stets befolgten, weil intuitiv plausiblen Maxime, bei der Vermögensanlage nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern das Risiko durch Diversifikation, d.h. durch die Verteilung des Anlagebetrages auf verschiedene Anlagemöglichkeiten zu begrenzen. Die dazu bestimmten risikobehafteten Anlagemöglichkeiten werden im Folgenden durch Indizes i, j ∈ {1,..., J } gekennzeichnet. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Anlagemöglichkeiten verbrieft sind und zu realisierbaren Preisen auf Märkten gehandelt werden. Die Operationalisierung des Diversifikationsgedankens basiert auf dem Konzept der Definition 15.1 (μ-σ -Effizienz). Ein Portfolio ist μ-σ -effizient, wenn es nicht möglich ist
die erwartete Rendite des Portfolios zu erhöhen, ohne dass die Standardabweichung der Rendite zunimmt, oder die Standardabweichung der Rendite des Portfolios zu verringern, ohne dass die erwartete Rendite abnimmt
und macht ein paar Definitionen erforderlich: Sei R j :=
P1j − P0j P0j
die durch die Marktpreise P0j und P1j in den Zeitpunkten t0 und t1 bestimmte stochastische Rendite der Anlagemöglichkeit j für den Zeitraum von t0 bis t1 ; J μ := (μi )i=1
der (J × 1) Spaltenvektor der erwarteten Renditen
136
15 Struktur, Risiko und Rendite effizienter Portfolios
μ j := E(R j ) und J,J Σ := (σi j )i=1, j =1
die Varianz-Kovarianz-Matrix mit den Kovarianzen σi j ≡ (Ri , R j ) :=
[(Ri − μi )(R j − μ j )]
und Varianzen σ j2 ≡ σ j j ≡
(R j ) :=
(i = j )
(R j − μ j )2 .
Die entsprechenden Standardabweichungen werden bei passender Gelegenheit zum Spaltenvektor J σ := (σi )i=1
zusammengefasst.
15.2 Das effiziente Portfolio als Zwei-Komponenten-Portfolio In diesem Abschnitt wird zunächst davon ausgegangen, dass der Anleger sein gesamtes zu Anlagezwecken zur Verfügung stehendes (disponibles) Vermögen w zum Erwerb von jeweils x j Stücken der Anlagemöglichkeiten j = 1,..., J verwendet. Es gilt also J
∑ xi · P0i = w,
i=1
was man in Verbindung mit den durch g j :=
x j · P0j w
(15.1)
definierten Gewichten g j der einzelnen Anlagemöglichkeiten in Bezug auf das disponible Vermögen auch durch J
∑ gi = 1
(15.2)
i=1
oder – wenn man die Gewichte zum (J × 1)-Spaltenvektor J g := (gi )i=1
zusammenfasst und 1 als ausschließlich aus Einsen bestehenden (J × 1) Spaltenvektor auffasst – durch
15.2 Das effiziente Portfolio als Zwei-Komponenten-Portfolio
137
g 1 = 1 zum Ausdruck bringen kann. Mit einer den Elementen des Vektors g entsprechenden Gewichtung der einzelnen Anlagemöglichkeiten darf man eine Portfoliorendite in Höhe von J
∑ g i · μi = g μ
i=1
auf das disponible Vermögen w erwarten, wobei man davon ausgehen muss, dass die Portfoliorendite mit der Varianz J
J
∑ ∑ gi · g j · σi j = gΣg
i=1 j =1
um diesen Erwartungswert streut. Dabei wird unterstellt, dass keine Gewichtung g = 0 existiert, die das Risiko vollständig beseitigt. Das ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass Σ positiv definit ist, und impliziert die Existenz der Inversen Σ −1 . Die Lösung des Problems Problem 15.2. 1 g Σg → min g 2 unter den Bedingungen −g μ + μ Z V ≤ 0
−g 1 + 1 = 0
(15.3) (15.4)
liefert ein effizientes Portfolio, welches eine Rendite auf das eingesetzte Kapital nicht unter μ Z V (Z V steht für Zielvorgabe) erwarten lässt. Leerverkäufe werden dabei nicht ausgeschlossen. In Anhang G wird gezeigt, dass sich dieses Problem in die beiden folgenden Teilprobleme 15.3 und 15.4 zerlegen lässt, bei deren Lösungen es sich um eigenständige Portfolios handelt, die miteinander kombiniert das effiziente Portfolio ergeben. Diese Vorgehensweise basiert auf dem auf Merton (1972) zurückgehenden Two Fund Theorem, wonach alle effizienten Portfolios als Linearkombination von zwei anderen effizienten Portfolios dargestellt werden können.1 1
Lesern, die die Ausführungen des vorliegenden Buches zum Two Fund Theorem als zu kompakt empfinden, seien auf Trautmann (2007, S. 170-176) oder Huang & Litzenberger (1988, Kapitel 3) verwiesen. Synomym zu dem Begriff Two Fund Theorem wird auch der Begriff Mutual Fund Theorem verwendet. Diese Synonymie erklärt sich daraus, dass das Two Fund Theorem eine Antwort auf eine Frage liefert, die für Mutual Funds, das sind offene Investmentfonds, von existentieller Bedeutung ist, nämlich „Wie kann eine bestimmte Anlagepolitik für eine anonyme ständig wechselnde Schar von Anlegern optimal sein?“. Die Antwort des Two Fund Theorems besteht darin, zwei verschiedene Sondervermögen zu etablieren, an denen sich der Anleger seinen Präferenzen entsprechend beteiligen kann.
138
15 Struktur, Risiko und Rendite effizienter Portfolios
Der gedanklichen Zerlegung des effizienten Portfolios in zwei Teilportfolios entspricht die Vorstellung eines aus zwei Teilschritten bestehenden Managementprozesses. Dieser zweistufige Prozess besteht darin, zunächst ein Basisportfolio zusammenzustellen - nämlich das im Folgenden zunächst hergeleitete MinimumvarianzPortfolio (MVP), das weder von der Zielvorgabe noch von den für die einzelnen Portfolio-Wertpapiere erwarteten Renditen abhängt2 - und dieses dann gegebenenfalls umzuschichten, um die Zielvorgabe einzuhalten. Das im Folgenden durch den Vektor mv repräsentierte Minimumvarianz-Portfolio ist durch die Lösung3 g∗15.3 =
1 · Σ −1 1 1 Σ −1 1
(15.5)
von Problem 15.3. 1 g Σg → min g 2 unter der Bedingung −g 1 + 1 = 0 bestimmt. Um die Struktur dieses Portfolios besser in den Vordergrund treten zu lassen, zerlegen wir die Varianz-Kovarianz-Matrix gemäß Σ = diag(σ )Rdiag(σ ) und deren Inverse gemäß
Σ −1 = diag σ −1 R−1 diag σ −1 , wobei σ −1 für den Spaltenvektor der Kehrwerte der Standardabweichungen steht. Unter Berücksichtigung von diag σ −1 1 = σ −1 gelangt man so zu der Darstellung mv = 2
3
1 (σ −1 ) R−1 σ −1
· diag σ −1 R−1 σ −1 .
(15.6)
Das hat den für die Praxis nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass wenigstens das Basisportfolio frei vom Risiko von Fehleinschätzungen der erwarteten Renditen ist. Vgl. Albrecht & Maurer (2008, Kapitel 6.3.5.2) zu den praktischen Problemen der Markowitz-Optimierung. Außerdem lässt sich der Implementierungsaufwand unter Umständen durch den Rückgriff auf vorhandenes Datenmaterial zum Minimumvarianz-Portfolio reduzieren. Beispielsweise bietet die Deutsche Börse AG auf ihrer Homepage www.deutsche-boerse.com unter der Rubrik Market Data & Analytics/Indizes/Strategieindizes Daten zur DAXplus® Minimum Variance Index Familie an. Siehe Anhang G.
15.2 Das effiziente Portfolio als Zwei-Komponenten-Portfolio
139
Bei einer Varianz der Rendite in Höhe von 2 σmv = mv Σmv =
1 1 Σ −1 1
1
=
(15.7)
(σ −1 ) R−1 σ −1
liefert es eine erwartete Rendite in Höhe von
⎛
μ1 σ1
⎞
⎜ ⎟ 2 2 μmv = mv μ = σmv · 1 Σ −1 μ = σmv · (σ −1 ) R−1 ⎝ ... ⎠ .
(15.8)
μJ σJ
Im Spezialfall unkorrelierter Renditen, d.h. für R = E, vereinfachen sich die Beziehungen zu J 1 1 1 −2 mv = −1 −1 · σ = J 1 (σ ) σ ∑i=1 2 σi2 i=1 σi
2 σmv =
1 (σ −1 ) σ −1
=
1 J 1 ∑i=1 σ2 i
und μ
μmv =
J i ∑i=1 σ2 i
J 1 ∑i=1 σ2
.
i
Geht man zudem noch von identischen Standardabweichungen σ j = σ aus, dann erhält man mv =
1 ·1 J
1
=
2 σmv =
J
1 σ2
σ2 J
und μmv =
1 J ¯ ∑ μi =: μ. J i=1
Das als naive Diversifikation bezeichnete Zusammenstellen von Portfolios aus möglichst vielen Anlagemöglichkeiten, die alle mit dem gleichen Gewicht berücksichtigt werden, ist demnach optimal, wenn die Renditen dieser Anlagemöglichkeiten die gleiche Standardabweichung besitzen und nicht korreliert sind.4 Um eine Vorstellung vom Ausmaß der auf diese Weise erreichbaren Risikoreduktion zu bekommen, 4
Die Unkorreliertheit ist nicht zwingend. Das zeigt die folgende Überlegung: Für σ = σ · 1 konkretisiert sich (15.6) zu
140
15 Struktur, Risiko und Rendite effizienter Portfolios
nehme man einmal σ = 0,36 an. Dann bewirkt eine Erhöhung der Anzahl J von 4 auf 9 eine Reduktion der Standardabweichung σmv der Rendite des Portfolios mv um sechs Prozentpunkte und von 0,18 auf 0,12 und eine weitere Erhöhung von J auf 16 eine Reduktion um weitere drei Prozentpunkte auf 0,09. Im Folgenden wird am Beispiel J = 2 gezeigt, wie man optimal diversifiziert, wenn man spezifische Vorstellungen von den den Varianzen und Kovarianzen hat. In diesem Fall erhält man in Verbindung mit 1 1 −ρ −1 R = 1 − ρ 2 −ρ 1 die Lösung ⎛ mv = 2 1 σ1
− 2ρ
1
1 σ1
1 σ2
mv =
+
2 ⎝ 1 σ2
1 σ1 1 σ2
1
σ1 1 σ2
− ρ σ12 − ρ σ11
⎞ ⎠,
(15.9)
1 · R−1 1. 1 R−1 1
In der Form Rmv =
1 ·1 1 R−1 1
lässt diese Lösung erkennen, dass naive Diversifikation bei identischen Standardabweichungen auch dann optimal ist, wenn die Zeilensummen der Korrelationsmatrix R – und somit aufgrund der Symmetrie auch die Spaltensummen – gleich sind, d.h. wenn alle Anlagemöglichkeiten die gleiche Kovarianz mit der Summe der jeweils anderen Anlagemöglichkeiten aufweisen. Ein Fall, in dem diese Bedingung offensichtlich erfüllt ist, ist der Fall eines für alle Paare von Anlagemöglichkeiten identischen Korrelationskoeffizienten ρ. In diesem Fall erhält man 2 = 1 R1 σmv
σ2 J2
= J · (1 + (J − 1) · ρ) · = (1 + (J − 1) · ρ) ·
σ2 J2
σ2 J
mit den Grenzfällen 2 lim σmv =σ2
ρ→1
2 lim σmv = 0.
1 ρ→− J −1
Die untere Grenze für den Korrelationskoeffizenten strebt in diesem Fall mit wachsender Anzahl von Anlagemöglichkeiten von links gegen den Wert Null, weil andernfalls der Diversifikationseffekt mit wachsender Anzahl von Anlagemöglichkeiten so stark zunimmt, dass jegliches Risiko ausgeschaltet werden kann.
15.2 Das effiziente Portfolio als Zwei-Komponenten-Portfolio
141
die eine Varianz in Höhe von 2 σmv = 2 1 σ1
=
− 2ρ
1 − ρ2
1 σ1
1 σ2
+
2 1 σ2
(1 − ρ 2 ) · σ12 · σ22 σ12 − 2ρσ1 σ2 + σ22
und ein relative Gewichtung im Verhältnis
1 1 1 σ1 σ1 σ1 − ρ σ2 mv1 σ 2 1 − ρ · σ2 = 22 = 1 1 mv2 σ1 1 − ρ · σσ21 −ρ 1 σ2
σ2
(15.10)
σ1
impliziert. Gehen wir zunächst einmal von σ1 = σ2 aus. (15.10) lässt erkennen, dass die beiden Anlagen dann ein Gewicht von jeweils 50% haben, und zwar unabhängig davon, wie stark die Renditen korreliert sind. Warum sollte man auch einer der beiden Anlagemöglichkeiten bei der Zusammenstellung des Minimumvarianz-Portfolios den Vorzug geben? Schließlich sind sie gleich riskant und die Korrelation an sich begünstigt oder benachteiligt weder die eine noch die andere Anlagemöglichkeit. Anders verhält es sich, wenn beispielsweise σ1 < σ2 gilt. Nehmen wir für diesen Fall zunächst einmal ρ = 0 an, dann wird Anlagemöglichkeit 1 gemäß (15.10) mv1 σ22 = mv2 σ12 in dem Maße übergewichtet, in dem Anlagemöglichkeit 2 gemessen an der Varianz der Rendite riskanter ist als Anlagemöglichkeit 1. Dass Anlagemöglichkeit 2 überhaupt in das Portfolio aufgenommen wird, hat sie dem Diversifikationseffekt zu verdanken, der sich bereits bei naiver Diversifikation zeigt. Wenn die Korrelation negativ wird, gewinnt der Diversifikationseffekt an Bedeutung. Daher wird die Übergewichtung der weniger riskanten Anlagemöglichkeit 1 um so mehr zurückgefahren, je stärker negativ die beiden Anlagemöglichkeiten korreliert sind. Das Übergewicht der weniger riskanten Anlagemöglichkeit 1 bleibt allerdings bestehen. Das geht aus der Grenzbetrachtung σ +σ 2 1 σ2 mv1 σ22 σ2 = 2 σ1 +σ = lim 2 ρ→−1 mv2 σ1 σ1 σ 1
hervor. Wenn die Korrelation von Null ausgehend zunimmt, verliert der Diversifikationseffekt zunächst an Bedeutung und das Gewicht der weniger riskanten Anlagemöglichkeit nimmt weiter zu. Wenn der Korrelationskoeffizient den Wert ρ = σσ12 erreicht, greift der Diversifikationseffekt überhaupt nicht mehr, so dass man am besten nur
142
15 Struktur, Risiko und Rendite effizienter Portfolios
noch in die Anlagemöglichkeit 1 investiert.5 Eine noch höhere Korrelation ist Garant dafür, dass das Portfolio-Risiko durch den Leerverkauf der riskanteren der beiden Anlagemöglichkeiten weiter reduziert werden kann. Im Grenzfall erhält man6 1 1 σ1 lim mv = 1 . 1 − σ12 ρ→1 σ −σ 1
2
Wenn man (15.10) zu mv1 = mv2
σ2 σ1 σ1 σ2
−ρ −ρ
umformt, kann man leicht erkennen, dass mv1 < 0 ⇔ ρ > min( σσ12 , σσ21 ) mv2 gilt. Hieraus folgt, dass stark divergierende Varianzen bereits bei relativ schwach positiven Korrelationen zu der Empfehlung führen, die hoch riskanten Titel leer zu verkaufen bzw. nicht ins Minimumvarianz-Portfolio aufzunehmen, falls Leerverkäufe nicht zulässig sind. Die Lösung von Problem 15.3 löst auch das Problem 15.2, falls die erwartete Rendite des Minimumvarianz-Portfolios μmv die Zielvorgabe μ Z V erreicht oder übertrifft. Andernfalls, d.h. unter der Bedingung Δ := μ Z V − μmv > 0
(15.11)
ist auf der zweiten Stufe das Problem Problem 15.4. 1 g Σg → min g 2 unter den Bedingungen −g μ + Δ ≤ 0
−g 1 + 0 = 0
(15.12) (15.13)
zu lösen, wobei sich die Bedingung (15.13) aus dem Sachverhalt erklärt, dass das hinzukommende Portfolio kein weiteres Kapital binden darf, weil das gesamte disponible Vermögen bereits in das Minimumvarianz-Portfolio investiert wurde. In Verbindung mit den Definitionen J Δ := μ − μmv · 1 = (μi − μmv )i=1
5 6
Einsetzen von ρ = σσ12 in die Lösung (15.9) führt auf mv1 = 1 und mv2 = 0. Bei gleichen Varianzen existiert der Grenzwert nicht, weil das Varianzminimum durch ein selbstfinanzierendes Porfolio realisiert wird.
15.2 Das effiziente Portfolio als Zwei-Komponenten-Portfolio
143
und 1 Σ −1 Δ Δ Σ −1 Δ
s:=
erhält man g∗15.4 = Δ · s
(15.14)
als Lösung von Problem 15.4.7 Die Bezeichnung s steht für Spekulations-Portfolio. Das ist im folgenden Sinne zu verstehen: Trifft (15.14) zu, dann ist s die Lösung von Problem 15.4 für Δ = 1 und erfüllt somit Bedingungen8 s μ ≥ 1 und s 1 = 0, die in Verbindung mit der Definition (15.1) für die Portfolio-Gewichte äquivalent zu J x s · P i (P i ) − P i 1 0 ≥1 ∑ iw 0 i P i=1 0
und x is · P0i =0 i=1 w J
∑
bzw. J
∑ xis · (P1i − P0i ) ≥ w
i=1
und J
∑ xis · P0i = 0
i=1 7
In Verbindung mit der Definition
Π := diag σ
−1
Δ=
μi − μmv σi
J i=1
kann man auch s= 8
1 −1 R−1 Π diag σ Π R−1 Π
schreiben. In Anhang G wird gezeigt, dass die erste der beiden Bedingungen von strikt erfüllt wird.
144
15 Struktur, Risiko und Rendite effizienter Portfolios
sind. Es ist also zu erwarten, dass man mit Portfolio s, ohne auch nur einen Cent zu investieren, das disponible Vermögen w wenigstens verdoppelt. D.h. man erzielt mit Portfolio s eine erwartete Rendite von nicht weniger als 100% auf das disponible Vermögen.9 Analog zu 2 σmv =
1 (σ −1 ) R−1 σ −1
rechnet sich die Varianz der Rendite von Portfolio s zu σs2 =
1 . Π R−1 Π
Im Folgenden wird am Beispiel J = 2 gezeigt, wie man optimal spekuliert, wenn man spezifische Vorstellungen von den Varianzen und Kovarianzen hat. In diesem Fall erhält man die Lösung ⎛ ⎞ Δ2 1 Δ1 − ρ 1 σ1 σ1 σ2 ⎠ s = 2 ,
2 ⎝ 1 Δ2 Δ1 Δ1 Δ1 Δ2 Δ2 − ρ σ σ σ + − 2ρ 2 2 1 σ1 σ1 σ2 σ2 deren Varianz σs2 =
Δ1 σ1
2
− 2ρ
1 − ρ2
Δ1 σ1
Δ2 σ2
2 + Δσ22
sich unter Berücksichtigung von Δ1 = μ1 − μmv = mv2 · (μ1 − μ2 ) Δ2 = μ2 − μmv = mv1 · (μ2 − μ1 ) = −mv1 · (μ1 − μ2 ) in der Form σs2 =
1 − ρ2 (μ1 − μ2 )2 · σσ2mv σ2 2
=
σ12 − 2ρσ1 σ2 + σ22 (μ1 − μ2 )2
1 2
darstellen lässt. Diese Darstellung impliziert zwei wichtige Erkenntnisse. Erstens nimmt die Varianz mit schwindender Diskrepanz der erwarteten Renditen zu. Das erklärt sich daraus, dass das Spekulations-Portfolio darauf ausgerichtet ist, Renditedifferenzen durch Leerverkäufe in eine erwartete Extrarendite zu transformieren. Das macht um so größere Volumina des Portfolios s erforderlich, je näher die erwarteten Renditen aneinander liegen. Und zweitens nimmt das Risiko mit zunehmender Korrelation ab, weil stark positiv 9
Man beachte, dass die Rendite des Portfolios s an sich nicht definiert ist, da es kein Kapital bindet.
15.3 Das effiziente Portfolio bei risikoloser Anlagemöglichkeit
145
korrelierte Renditen zwar schlecht für die Diversifikation aber gut für die Spekulation sind, da das Risiko aus Leerverkäufen mit zunehmender Korrelation abnimmt. Allgemein gültig und von Bedeutung ist die Unkorreliertheit der Portfolios s und mv. Wie man aus 2 2 · 1 Σ −1 Σs = σmv · 1 s = 0 mv Σs = σmv
ablesen kann, wird sie durch die mit der Einhaltung von Bedingung (15.13) geforderte Selbstfinanzierungseigenschaft des Portfolios s gewährleistet. In Anhang G wird gezeigt, dass man die Lösung von Problem 15.2 in der Form g∗15.2 = mv + max(Δ,0) · s darstellen kann. Im Folgenden sollen die Lösungen von variierenden Problemstellungen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dazu muss man diese unterschiedlich bezeichnen. Sei x ≡ g∗15.2 das effiziente Portfolio für den Fall, dass es keine Anlagealternative zu den risikobehafteten Anlagemöglichkeiten j = 1,..., J gibt, dann gilt 2 σx2 = σmv + max(Δ,0)2 · σs2 ,
da die Renditen der Portfolios mv und s keine Korrelation aufweisen.
15.3 Das effiziente Portfolio bei risikoloser Anlagemöglichkeit Anders als die Binsenweisheit „Wer die Wahl hat, hat die Qual“ auf den ersten Blick vermuten lässt, vereinfacht sich das in Kapitel 15.2 behandelte Entscheidungsproblem tendenziell, wenn der Anleger die Möglichkeit hat, Geld unbeschränkt risikolos zum Zinssatz r anlegen oder aufnehmen zu können. Ganz offensichtlich ist das für den Fall einer Zielvorgabe μ Z V ≤ r . In diesem Fall legt der Anleger sein gesamtes disponibles Vermögen einfach sicher zum Zinssatz r an. Aber auch unter der Bedingung μ Z V > r vereinfacht sich die Lösung des Problems, weil der Betrag, den man riskant investiert, irgendein positiver oder negativer Bruchteil oder gar ein positives oder negatives Vielfaches des disponiblen Vermögens sein kann, so dass auch die Summe der Gewichte g 1 jeder reellen Zahl entsprechen kann. Damit wird die Restriktion (15.4) des Problems 15.2 hinfällig. Sei R der Spaltenvektor der Renditen der risikobehafteten Anlageformen, dann beläuft sich die auf das disponible Vermögen w erzielte Rendite in diesem Fall auf R = (1 − g1) ·r + g R = r + g (R −r · 1) , so dass das
146
15 Struktur, Risiko und Rendite effizienter Portfolios
Problem 15.5. 1 g Σg → min g 2 unter der Bedingung −g (μ −r · 1) + μ Z V −r ≤ 0 zu lösen ist. In Anhang G wird gezeigt, dass die Lösung dieses Problems bis auf einen Ausnahmefall durch das sogenannte Tangential-Portfolio t := mv+ φ · s
(15.15)
mit dem Skalenfaktor φ :=
μs σs2 μmv −r 2 σmv
(15.16)
bestimmt wird. In Verbindung mit der Definition10 μt := t μ = μmv + φ · μs = μmv + φ kann man die Lösung von Problem 15.5 in der Form ⎧ ZV ⎪ ⎨ μμt −r−r · t falls μ Z V > r undμmv = r g∗15.5 = ⎪ ⎩ (μ Z V −r ) · s falls μ Z V > r undμ = r mv
(15.17)
schreiben. Für den Fall, dass es neben den risikobehafteten Anlagemöglichkeiten j = 1,..., J die mit dem Zählindex j = 0 versehene Möglichkeit gibt, Geld risikolos zum Zinssatz r anzulegen oder aufzunehmen, konkretisiert sich die effiziente Kapitalallokation ∗ (y0 ,y) ≡ (1 − g∗ 15.5 1,g15.5 )
unter Berücksichtigung von11 t 1 = mv 1 + φ · s 1 = 1 zu (y0 ,y) = 10 11
⎧ μ −μ Z V μ Z V −r ⎪ ⎨ tμt −r , μt −r · t falls μ Z V > r und μmv = r ⎪
⎩ 1,(μ Z V −r ) · s
falls
μZ V
Zur Erinnerung: Es gilt μs = s μ = 1. Es sei daran erinnert, dass mv 1 = 1 und s 1 = 0 gilt.
> r und μmv = r .
(15.18)
15.3 Das effiziente Portfolio bei risikoloser Anlagemöglichkeit
147
Die Frage nach der ökonomischen Ratio der Lösung für den Fall μmv = r beantwortet sich, wenn man einmal die Entlohung des Risikos durch die beiden Portfoliobestandteile mv und φ · s vergleicht. Dieser Vergleich stellt sich wie folgt dar: Die spekulative Komponente liefert eine erwartete Rendite pro Einheit Risiko gemessen an der Varianz der Rendite in Höhe von 1 μs μmv −r φ · μs = = . 2 2 2 φ · σs φ σs2 σmv Das entspricht exakt der Entlohnung des Risikos durch das MVP, wenn man berücksichtigt, dass das MVP im Gegensatz zum Spekulations-Portfolio Kapital bindet und somit Opportunitätskosten in Form entgehender Zinsen verursacht. Die ausgewogene Entlohnung des Risikos durch die beiden Teilportfolios wird durch die unbeschränkte Verfügbarkeit einer risikolosen Anlage- und Leihmöglichkeit ermöglicht. Dem damit verbundenen zusätzlichen Freiheitsgrad ist es zu verdanken, dass der Umfang, in dem Portfolio s realisiert wird, nicht mehr zwingend durch die geforderte erwartete Rendite vorgegeben ist, sondern nunmehr ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der μ-σ -Effizienz gewählt werden kann. Da die beiden effizienten Teilportfolios mv und φ · s bei Existenz einer risikolosen Anlagemöglichkeit nunmehr ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der μ-σ Effizienz kombiniert werden können, ist auch das Tangential-Portfolio t unabhängig von individuellen Vorgaben über die erwartete Rendite. Die Zielvorgabe hat lediglich Einfluss auf den riskant investierten Bruchteil des disponiblen Vermögens 1− y0 , der in das Tangential-Portfolio fließt und somit dessen Volumen bestimmt. Die damit besiegelte vollständige Abkopplung der Struktur des riskant investierten Vermögens von dessen Volumen wird in der Literatur als Tobin-Separation bezeichnet. Es bleibt noch der Ausnahmefall μmv = r zu erklären. Dazu mache man sich klar, dass das Minimumvarianz-Portfolio in diesem Fall von der sicheren Anlageform dominiert wird, da diese in jeder Hinsicht wenigstens genauso gut ist wie das MVP: Sie weist wie das MVP keine Korrelation mit dem Spekulations-Portfolio s auf und liefert die gleiche erwartete Rendite, dies aber vollkommen risikolos. In diesem Fall steckt der Anleger daher das gesamte disponible Vermögen in die risikolose Anlageform und realisiert das selbstfinanzierende Portfolio s im Umfang μ Z V − r . Die erwartete Rendite dieser Strategie beläuft sich auf (1 − s 1) ·r + (μ Z V −r ) · s μ = r + (μ Z V −r ) · 1 = μ Z V , womit die Zielvorgebe exakt erreicht wird.
16 Das Capital Asset Pricing Model (CAPM)
16.1 Annahmen des Modells Das von Sharpe (1964), Lintner (1965) und Mossin (1966) unabhängig voneinander entwickelte Capital Asset Pricing Model (CAPM) beantwortet die Frage, wie sich das Bestreben der Anleger, μ-σ -effiziente Portfolios zu halten, im Gleichgewicht auf die Preise und Renditen marktgehandelter Wertpapiere auswirkt. Dabei wird von jeglichen Handelshemmnissen – also insbesondere von Steuern und Transaktionskosten – abstrahiert und von homogenen Erwartungen der Marktteilnehmer m = 1,..., M bezüglich der Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen der Renditen aller marktgängigen Anlageformen j = 1,..., J ausgegangen. Sei wm das disponible Vermögen von Marktteilnehmer m und p der Vektor der Marktbewertungen (Börsenkapitalisierungen) aller marktgehandelten Anlageformen, dann lautet die Markträumungsbedingung unter den Annahmen von Kapitel 15.3 und μmv = r 1 M
∑ wm · (1 − y0m ) · t = p.
(16.1)
m=1
Somit gilt auch M
∑ wm · (1 − y0m ) · t 1 = p1
m=1
und damit wegen t 1 = 1 1
Die Annahme μmv = r ist nicht mit der Annahme eines Gleichgewichtes mit homogenen Erwartungen vereinbar, weil das Minimumvarianz-Portfolio unter dieser Annahme von der sicheren Anlage dominiert wird und daher – wie aus (15.17) ersichtlich – alle Marktteilnehmer in das selbstfinanzierende Portfolio s investieren wollen. Das impliziert, dass wenigstens ein Titel existiert, den sämtliche Marktteilnehmer leer verkaufen möchten. Da dieser Wunsch mangels Nachfrage unerfüllt bleiben muss, existiert unter den getroffenen Annahmen kein Gleichgewicht.
150
16 Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) M
∑ wm · (1 − y0m ) = p 1,
m=1
so dass man die Markträumungsbedingung (16.1) in Verbindung mit der Definition m :=
1 ·p p 1
für das Marktportfolio auch in der Form t=m
(16.2)
schreiben kann. Alle wichtigen Aussagen des CAPM sind unmittelbare Implikationen der Schlussfolgerung, dass das Marktportfolio m im Gleichgewicht den Anforderungen an ein effizientes Portfolio genügen muss, weil die Anleger nur dann keinen Grund haben, ihre Portfolios mit Hilfe von Wertpapiertransaktionen weiter zu optimieren.
16.2 Kapitalmarktgerade Sei μm die erwartete Rendite und σm die Standardabweichung der Rendite des Marktportfolios. Wenn jeder Investor einen Bruchteil 1 − y0 > 0 seines Vermögens in das (effiziente) Marktportfolio m investiert, um eine erwartete Rendite in Höhe von μ = y0 ·r + (1 − y0 ) · μm = r + (1 − y0 ) · (μm −r ) zu erzielen, und damit zwangsläufig eine Standardabweichung in Höhe von σ σ = (1 − y0 ) · σm ⇔ 1 − y0 = σm in Kauf nimmt, dann gilt für alle Investoren σ · (μm −r ) . μ=r + σm Für alle Investoren gilt demnach eine lineare Beziehung zwischen Risiko - gemessen an der Standardabweichung der Rendite - und erwarteter Rendite. In Verbindung mit der Definition für den Marktpreis des Risikos πm :=
μm −r σm
(16.3)
kann man diese Beziehung auch wie folgt formulieren μ = r + πm · σ . Die Steigung πm dieser Geraden kann als Charakteristikum des Kapitalmarktes aufgefasst werden, was den Begriff Kapitalmarktgerade erklärt. Der Quotient aus erwarteter Überschussrendite und Standardabweichung wird häufig als Sharpe-Ratio bezeichnet. Man könnte den Marktpreis des Risikos daher auch als Sharpe-Ratio des Marktes bezeichnen.
16.3 Wertpapierkenngerade
151
16.3 Wertpapierkenngerade Ein effizientes Portfolio ist durch die Bedingung gekennzeichnet, dass alle Anlagemöglichkeiten 1,..., J das gleiche Verhältnis zwischen der Überschussrendite, die sie erwarten lassen, und ihrem Beitrag zum Risiko des effizienten Portfolios aufweisen. Diese Einsicht lässt sich aus dem für ein effizientes Portfolio charakteristischen Gleichungssystem ∗ (μ −r 1) Σy = π15.5
(16.4)
∗ gewinnen, wenn man π15.5 als Konstante auffasst und bedenkt, dass die gewichtete Summe der Elemente des Vektors Σy, d.h. y Σy, gerade die Varianz des effizienten Portfolios ergibt. In Verbindung mit der durch die Lösung von Problem 15.5 endogen bestimmten ∗ , die gemäß Konstante π15.5 ∗ = π15.5
σy2 μ Z V −r
(16.5)
als das Mimimum des in der Risikoeinheit Varianz gemessenen (Schatten-)Preises pro Einheit der vorgegebenen erwarteten Überschussrendite interpretiert werden kann,2 ist das effiziente Portfolio eindeutig bestimmt, falls die Inverse der Varianz Kovarianz-Matrix Σ existiert, wovon wir ausgehen. Gemäß (16.4) gilt ∗ · g (μ − 1 ·r ) g Σy = π15.5
(16.6)
für die Kovarianz eines jeden aus den Anlagemöglichkeiten 1..., J beliebig zusammengesetzten Portfolios g mit dem effizienten Portfolio y. In Verbindung mit der Definition βg,y :=
(g R,y R) g Σy = (y R) y Σy
(16.7)
für das Beta des aus den gleichen Bestandteilen wie das effiziente Portfolio y zusammengesetzten Portfolios g lässt sich (16.6) in der Form g (μ − 1 ·r ) = βg,y · (μ Z V −r )
(16.8)
darstellen, die ihrerseits die Beziehung μ j −r = β j,y · (μ Z V −r )
(16.9)
für den Spezialfall impliziert, dass das Portfolio g ausschließlich aus Titel j besteht. Berücksichtigt man, dass ein Marktgleichgewicht voraussetzt, dass der Markt geräumt sein muss, und mithin 2
Siehe Anhang G.
152
16 Das Capital Asset Pricing Model (CAPM)
y = (1 − y0) · m gelten muss, und dass die individuelle Zielvorgabe μ Z V jedes Marktteilnehmers erfüllt sein muss, und mithin μ Z V = y0 ·r + (1 − y0 ) · μm
(16.10)
gelten muss, so erhält man durch Einsetzen von (16.10) und β j,y = β j,(1−y0)·m =
β j,m (1 − y0 ) · (R j ,m R) = (1 − y0 )2 · (m R) 1 − y0
in die Beziehung (16.9) die Beziehung μ j −r =
β j,m · (1 − y0 ) · (μm −r ) = β j,m · (μm −r ) 1 − y0
und hieraus schließlich die Gleichung der sogenannten Wertpapierkenngerade μ j = r + β j,m · (μm −r ) .
(16.11)
Man kann β j,m als relativen Beitrag der Anlagemöglichkeit j zum Risiko des Portfolios m interpretieren. In Verbindung mit der Definition (16.2) für den Marktpreis des Risikos kann man (16.11) in der Form μ j = r + β j,m · σm · πm schreiben. Offensichtlich lässt sich das Risiko der σ j der Anlagemöglichkeit j stets in zwei Komponenten σ j = ρ · σ j + (1 − ρ) · σ j aufteilen. Sei ρ ≡ ρ j,m :=
(R j ,m R) σ j · σm
der Korrelationskoeffizient der Rendite der Anlagemöglichkeit j und der Rendite des Marktportfolios, dann gilt σ j = β j,m · σm + (1 − ρ j,m ) · σ j , woraus ersichtlich wird, dass im Gleichgewicht der Marktpreis für das Risiko πm nur für die erste als systematisches Risiko bezeichnete Komponente bezahlt wird, während die zweite als unsystematisches Risiko überhaupt nicht entlohnt wird. Ursächlich hierfür ist, dass sich der Beitrag zum Gesamtrisiko auf die erste Komponente beschränkt und dass im Gleichgewicht nur für diese nicht diversifizierbare Komponente eine Risikoprämie gezahlt wird.
16.3 Wertpapierkenngerade
153
Die zentrale Erkenntnis des CAPM für die Investmentpraxis besteht demnach darin, dass man für diversifizierbares Risiko keine Risikoprämie veranschlagen sollte, wenn die anderen Marktteilnehmer die Diversifikationsmöglichkeiten, die der Markt bietet, in etwa gleich einschätzen und diese auch nutzen. Neben der Tatsache, dass die Einschätzung von Diversifikationsmöglichkeiten prinzipiell subjektiv ist, ist das CAPM als Entscheidungsmodell insbesondere dann wenig hilfreich, wenn die sich die Diversifikationspotenziale der Marktteilnehmer aufgrund deutlich voneinander abweichender Vermögensstrukturen deutlich voneinander unterscheiden.3
3
Vgl. hierzu den sehr pointierten Hinweis von Banz (1997, insb. S. 386-390) auf die Naivität, mit welcher man unermüdlich vergebens versucht hat, empirische Belege für die Gültigkeit des CAPM zu finden, und mit welcher die Sharpe-Ratio in der Investmentpraxis zum Einsatz kommt.
17 Das effiziente Portfolio bei nicht disponiblem Vermögen
In der Realität besteht das Vermögen der meisten Anleger auch aus Bestandteilen, wie z.B. Immobilien, die über wesentlich längere Zeiträume als liquide Wertpapiere nicht zur Disposition stehen. Die mitunter beträchtlichen Auswirkungen dieses Sachverhaltes auf die Struktur effizienter Portfolios werden in der Regel ignoriert, obwohl sie bereits von Mayers (1972) und Brito (1977) analysiert wurden. Im Folgenden wird von der Annahme ausgegangen, dass der Bruchteil γ > 0 des disponiblen Vermögens nicht disponibel ist und eine stochastische Rendite R J +1 abwirft. Das effiziente Portfolio bezeichnen wir zwecks Fallunterscheidung nunmehr mit dem Vektor z. Es setzt sich gemäß h (μ −r · 1) z = 1−γ · ·y+γ ·h (17.1) μ Z V −r aus dem effizienten Portfolio y und einem Hedge-Portfolio h zusammen.1 Dem Hedge-Portfolio
R J +1 + g R h := argmin g
kommt die Funktion zu, das mit dem nicht disponiblen Vermögen zwangsläufig verbundene Risiko so weit wie möglich einzudämmen. Das erklärt auch, dass das Portfolio h mit dem Gewicht γ in die Gesamtstruktur eingeht. Die Struktur des HedgePortfolios h = −Σ −1 σ J +1 wird von den zum Spaltenvektor J σ J +1 := (σi,J +1 )i=1
1
Siehe Anhang G.
(17.2)
156
17 Das effiziente Portfolio bei nicht disponiblem Vermögen
zusammengefassten Kovarianzen der Renditen der disponiblen Anlagemöglichkeiten mit der Rendite des nicht disponiblen Vermögens geprägt und lässt sich unter den Annahmen des linearen Regressionsmodells durch Regression von R J +1 auf die Renditen der Anlagemöglichkeiten j = 1,..., J bestimmen.2 Wie aus (17.1) ersichtlich, wird das Hedge-Portfolio h dem in Abwesenheit von nicht disponiblem Vermögen effizienten Portfolio y genau dann ohne weitere Modifikationen hinzugefügt, wenn h (μ −r · 1) = 0 gilt, d.h. wenn es keinen Beitrag zur erwarteten Überschussrendite liefert. Andernfalls wird das Volumen von y so korrigiert, dass die Zielvorgabe μ Z V eingehalten wird. In Abschnitt 16.3 wird gezeigt, dass sich die erwartete Überschussrendite eines jeden Portfolios g, welches aus den gleichen Bestandteilen wie das effiziente Portfolio y besteht, gemäß (16.8) durch das Beta des Portfolios in Bezug auf des effiziente Portfolio erklären lässt. Hieraus folgt für das Hedge-Portfolio h unter Berücksichtigung von βh,y =
h Σy −σ J +1Σ −1 Σy = = −β J +1,y , y Σy y Σy
dass sich die erwartete Überschussrendite des Hedge-Portfolios und somit die Hedgingkosten gemäß h (μ −r · 1) = −β J +1,y · (μ Z V −r )
(17.3)
mit dem Beta des nicht disponiblen Vermögens erklären lassen. Hieraus folgt z = (1 + γ · β J +1,y) · y + γ · h.
(17.4)
In Verbindung mit (15.18) erhält man somit im Fall μmv = r z=
2
(μ Z V −r ) · (1 + γ · β J +1,y) · t + γ · h. μt −r
Das folgt unmittelbar aus h = −argmina
(R J +1 − a R).
(17.5)
18 Teil IV in Kürze
Die auf Markowitz (1952) zurückgehende Portfolio-Optimierung kann als Operationalisierung des Diversifikationsgedankens aufgefasst werden. Bezeichnend für ein μ-σ -effizientes Portfolio ist, dass alle seine Bestandteile im gleichen Verhältnis zur erwarteten Rendite und zur Varianz des Portfolios beitragen. Ein μ-σ -effizientes Portfolio lässt sich (gedanklich) in das MinimumvarianzPortfolio, das ist das Portfolio mit der bei gegebener Auswahl von Anlagemöglichkeiten geringsten Varianz, und ein spekulatives Portfolio zerlegen. Das spekulative Portfolio erfordert per Saldo keinen Kapitaleinsatz und dient der Einhaltung der Zielvorgabe bezüglich der erwarteten Rendite. Die Möglichkeit, Geld in unbegrenztem Ausmaß sicher anlegen oder aufnehmen zu können, verschafft dem Anleger die Freiheit, sich bei der relativen Gewichtung von Minimumvarianz- und spekulativem Portfolio von der Fessel der Zielvorgabe für die erwartete Rendite zu lösen und stattdessen die Gewichtung unter dem Effizienz-Gesichtspunkt zu optimieren. Die wesentliche Erkenntnis des Capital Asset Pricing Modell (CAPM) besteht darin, dass der Markt für diversifizierbares Risiko keine Risikoprämie zahlt. Das nicht diversifizierbare Risiko einer bestimmten Anlageform besteht in deren Beitrag zur Varianz des Marktportfolios. Der Parameter Beta misst den relativen Beitrag einer Anlageform zur Varianz des Marktportfolios und ist insofern ein Maß dafür, wie sehr sich eine Anlage der Diversifikation widersetzt. Besteht das Vermögen eines Anlegers zum Teil aus nicht disponiblen Komponenten, wird das effiziente Portfolio um ein Hedge-Portfolio ergänzt, mit dem sich das nicht disponible Risiko so weit wie möglich eindämmen lässt. Die Kosten eines Hedges werden durch das Beta des nicht disponiblen Vermögens in Bezug auf das effiziente Portfolio aus marktgängigen Anlagemöglichkeiten bestimmt.
Teil V
Investitionsrechnung bei Unsicherheit
19 Kapitalkosten bei Unsicherheit
Bei Unsicherheit kann niemand eine bestimmte Rendite garantieren, also ist es auch nicht sinnvoll, eine solche zu fordern. Um unter Unsicherheit weiter mit dem Kapitalkostenkonzept arbeiten zu können, bietet es sich an, geforderte Renditen durch geforderte erwartete Renditen zu ersetzen. Die Orientierung an den Opportunitätskosten läuft unter diesen Umständen auf das Problem hinaus, die mit einer vergleichbaren Anlage am Markt erzielbare erwartete Rendite zu bestimmen. Das Standard-Marktmodell zur Lösung dieses Problems ist das CAPM. Es geht davon aus, dass die Marktteilnehmer homogene Erwartungen hegen und dieselben Anlagemöglichkeiten wahrnehmen, wobei sie optimal im Sinne der PortfolioOptimierung diversifizieren. Die aus dem CAPM ableitbaren Kapitalkostensätze lassen sich damit erklären, dass ein im Gleichgewicht befindlicher Markt eine Risikoprämie nur in dem Umfang gewährt, in dem eine Anlagemöglichkeit zum Risiko des gesamten Marktportfolios beiträgt, falls sich alle Marktteilnehmer darüber einig sind, dass es nicht auf das Risiko einer Anlagemöglichkeit an sich sondern auf deren Beitrag zum Gesamtrisiko ankommt. Daran kann man sogar festhalten, falls Marktteilnehmer über nicht disponibles und daher auch nicht gezielt diversifizierbares Vermögen wie zum Beispiel Immobilienbesitz oder Humankapital verfügen. Voraussetzung ist allerdings, dass die betreffenden Anleger von der Möglichkeit Gebrauch machen, solche Risiken mit Hilfe eines gemäß (17.2) zusammengestellten Hedge-Portfolios so weit wie möglich einzudämmen.1 Ursächlich für dieses in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Risikoprämie nach dem Beitrag zum Gesamtrisiko bemessen sollte, auf den ersten Blick verblüf-
1
Zum gleichen Ergebnis kommt man sonst nur, wenn man annimmt, dass Anleger das mit ihrem nicht disponiblen Vermögen gegebenenfalls verbundene Risiko bei ihren PortfolioEntscheidungen komplett ignorieren, was allerdings alles andere als rational wäre, und somit die Portfolio-Optimierung als empirisch relevante Verhaltenshypothese in Frage stellen würde.
162
19 Kapitalkosten bei Unsicherheit
fende Ergebnis ist der Umstand, dass die Kovarianz der Rendite jeder im Portfolio befindlichen Anlagemöglichkeit mit der Rendite des nicht disponiblen Vermögens exakt durch deren Kovarianz mit der Rendite des Hedge-Portfolios neutralisiert wird.2
2
Siehe Anhang G, S. 279 f.
20 Der Endwert bei stochastischem Zinssatz
Mehr-Perioden-Modelle gehen häufig von einer deterministischen Zinsentwicklung aus. Diese Annahme vereinfacht die Bestimmung von Kapitalkosten bei Unsicherheit enorm. Hält man am Opportunitätskostenkonzept fest, dann führt sie in Verbindung mit der Annahme risikoneutraler Bewertung1 durch den Markt zu der bereits für den Fall sicherer Erwartungen nachgewiesenen Identität von Kapitalkostensatz kn,n+1 und entsprechendem Terminzinssatz f (0,n,n + 1). Das wird nachfolgend kurz gezeigt: Schließt man Arbitragegelegenheiten aus, dann lässt sich der in Einheiten eines Zerobonds mit Fälligkeit N ≥ n berechnete Marktwert einer Zahlung Z n wie folgt darstellen P(0, N)−1 Π0 (Z n ) =
(P(n, N)−1 Z n ).
Nimmt man an, dass die Kursentwicklung von Zerobonds vorhersehbar ist und dass Zerobonds mit den Fälligkeiten 1,..., N gehandelt werden, dann würden sich Arbitragegelegenheiten ergeben, falls die Bedingung P(0,n) 1 = P(n, N) P(0, N) für irgendein n = 1,..., N − 1 verletzt wäre.2 Das führt auf Π0 (Z n ) = P(0,n) ·
(Z n ).
Bedenkt man nun noch, dass 1
2
Bevor man diese Annahme als vollkommen unrealistisch verwirft, sollte man beachten, dass der Einfluss von Marktteilnehmern auf den Preis und damit auch auf die erwartete Rendite mit ceteris paribus abnehmender Risikoscheu zunimmt, weil diese im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten vergleichsweise aggressiver disponieren. Theoretisch genügt auf einem Markt ohne jegliche Handelsbarrieren bereits ein einziger risikoneutraler Marktteilnehmer, um die erwartete Rendite auf das Niveau der sicheren Verzinsung zu bringen. Siehe Abschnitt 7.10.
164
20 Der Endwert bei stochastischem Zinssatz n−1
1 1 + f (0,i,i + 1) i=0
P(0,n) = ∏ gilt, und dass risikoneutrale Bewertung sich in
(Z n ) =
(Z n ) impliziert,3 dann zeigt
(Z n ) 1 + f (0,i,i + 1) i=0
n−1
P0Z n = Π0 (Z n ) = ∏ bzw.
(Z n ) − P0Z n P0Z n
n−1
= ∏ (1 + f (0,i,i + 1)) − 1, i=0
dass die Terminzinssätze die am Markt erzielbaren erwarteten Renditen bestimmen. Da die Annahme einer mit Sicherheit vorhersehbaren Zinsentwicklung wenig realistisch erscheint, wird im folgenden näher untersucht, welchen Einfluss zufällig schwankende Zinssätze auf den erwarteten Endwert einer zufällig schwankenden Zahlung haben.4 Dabei wird unterstellt, dass der vollkommen reibungslos funktionierende Markt für Zerobonds keine Arbitragegelegenheiten bietet. Die Erwartungen des risikoneutralen Investors werden durch die unter dem transformierten Wahrscheinlichkeitsmaß definierten Wiener Prozesse W˜ tr und W˜ t beschrieben.5 Konkret interessiert sich der Investor für den erwarteten Endwert einer am Markt gehandelten Zahlung
√ 2 − σ t+σ 1−ρ 2 W˜ t +ρ W˜ tr , Z (t) = [Z (t)] · e 2
die durch den Erwerb von Zerobonds mit Fälligkeit T und Kurs 6 P(t,T ) = e− = e− =
!T t
!T t
f c (t,u)du f c (0,u)du
·e
σr2 2 ˜r 2 t(T −t) −σr (T −t) Wt
P(0,T ) σr2 t(T −t)2 −σr (T −t)W˜ tr ·e 2 P(0,t)
auf einen späteren Zeitpunkt T > t verlagert wird. Der erwartete Endwert entspricht der erwarteten Anzahl von Zerobonds7 3 4
5 6 7
Siehe Abschnitt 9.4. Bei dynamischer Portfolio-Optimierung relativiert sich der Einfluss stochastisch schwankender Zinsen dadurch, dass das Zinsänderungsrisiko mit Hilfe von Hedge-Portfolios eingedämmt wird, die konzeptionell mit dem Portfolio (17.2) vergleichbar sind; vgl. hierzuWilhelm (1983a, S. 78-98). Die Notwendigkeit einer Maßtransformation entfällt also, vgl. hierzu Anhang D. Siehe Anhang E zur Modellierung der Zinssatzentwicklung. Die erste Zeile der nachfolgenden Umformung folgt aus der Annahme, dass sowohl Z(t) als auch P(t,T ) logarithmisch normalverteilt sind; vgl. hierzu Anhang C.
20 Der Endwert bei stochastischem Zinssatz
Z (t) = P(t,T )
[Z (t)] ·
165
1 · eρσ σr (T −t)t P(t,T ) P(0,t) ρσ σr (T −t)t ·e [Z (t)] · P(0,T )
=
=
[Z (t)] · e
!T t
( f c (0,u)+ρσ σr t) du
,
die man mit einem Betrag in Höhe von Z (t) in t erwerben kann. In Verbindung mit der in Unterabschnitt 10.2.8 eingeführten Hysterese-Funktion h(s,u), die eine weniger starre Koppelung unvorhergesehener Änderungen der Terminzinsraten an unvorhergesehene Änderungen der Kassazinsrate und damit weniger stark mit der Kassazinsrate schwankende Zerobondpreise erlaubt, erhält man die allgemeinere Beziehung !T !t Z (t) = [Z (t)] · e t ( f c (0,u)+ρσ σr 0 h(s,u) ds ) du P(t,T )
für den Endwert. Dass die Zinssätze nicht deterministisch sondern stochastisch sind, spielt demnach für risikoneutrale Anleger solange keine Rolle, solange die Zahlung nicht mit dem Zerobondkurs korreliert ist. Die Tatsache, dass unerwartete Änderungen der Kassazinsrate im Allgemeinen mit unerwarteten Änderungen der Zerobondpreise einhergehen, wobei letztere sinken, wenn erstere steigen, wird aber relevant, wenn der Logarithmus der Zahlung mit der Kassazinsrate korreliert. Bei positiver Korrelation bedeutet das, dass man gerade dann unerwartet viele Zerobonds für eine Geldeinheit kaufen kann, wenn die zukünftige Zahlung unerwartet hoch ist und umgekehrt. Daher hat eine positive Korrelation positiven und eine negative Korrelation negativen Einfluss auf den Erwartungswert der Anzahl von Zerobonds, die man für Z (t) wird kaufen können. So betrachtet leuchtet auch unmittelbar ein, warum der Einfluss der Korrelation zwischen dem Logarithmus der Zahlung und Kassazinsrate um so stärker ist, je enger die Terminzinsraten an die Entwicklung der Kassazinsrate gekoppelt sind. Das liegt einfach daran, dass dann die mit unerwarteten Änderungen der Kassazinsrate einhergehenden unerwarteten Änderungen des Zerobondkurses heftiger ausfallen. Andererseits tritt der Effekt überhaupt nicht auf, wenn sich die Terminzinsraten – wie im Fall h(s,u) = 0 für alle u > s – vollkommen von der Kassazinsrate abkoppeln. Aufschlüsse darüber, wie starr die Koppelung der Terminzinsraten an die Kassazinsrate vom Markt eingeschätzt wird, können die Prämien von Zerobondoptionen geben, die unter Umständen Rückschlüsse auf den Flüchtigkeitsparameter zulassen, der die Hysterese-Funktion bestimmt.8
8
Siehe Unterabschnitt 10.2.8.
21 Objektive Unter- und Obergrenzen für den Wert einer Investitionsgelegenheit
Ein komplexes dynamisches Marktmodell für die Bestimmung der Opportunitätskostensätze ist grundsätzlich nur dann sinnvoll, wenn der Detaillierungsgrad der Prognose zukünftiger Rückflüsse mit demjenigen des Marktmodells Schritt halten kann. Das im Folgenden entwickelte Marktmodell orientiert sich, was den Detaillierungsgrad anbelangt, an dem in der traditionellen Investitionsrechnung üblichen Rahmen. Es gestattet, den Wert einer Investitionsgelegenheit objektiv einzugrenzen, und greift dabei auf wohlbekanntes Handwerkszeug der Investitionsrechnung zurück. Konzeptionell basieren die Wertgrenzen auf – nicht perfektem – Hedging und – nicht perfekter – Replikation. Die Wertuntergrenze entspricht dem Marktpreis der teuersten Handelsstrategie in marktgehandelten Wertpapieren, deren Zahlungscharakteristik von der Zahlungscharakteristik des zu bewertenden Projektes dominiert wird. Wenn man stets die Gegenposition zu dieser Strategie eingeht und gleichzeitig das zu bewertende Projekt realisiert, ist man für die Zukunft mehr als abgesichert, und sollte das Projekt daher unter allen Umständen realisieren, falls die Anschaffungsauszahlung den Marktpreis dieser Handelsstrategie nicht überschreitet. Dass die Wertobergrenze dem Marktpreis der billigsten Handelsstrategie in marktgehandelten Wertpapieren entspricht, deren Zahlungscharakteristik die Zahlungscharakteristik des zu bewertenden Projektes dominiert, leuchtet unmittelbar ein: Wer mehr als diesen Preis für die Verwirklichung des Projektes bezahlt, realisiert eine dominierte Alternative. Seien 1 falls ω ∈ {uw,ul} u (ω) : = 0 falls ω ∈ {dw,dl}
d (ω) : = 1 − u (ω) ω ∈ {uw,dw} w (ω) : = 10 falls falls ω ∈ {ul,dl} l (ω) : = 1 − g (ω)
auf dem Zustandsraum Ω = {uw,ul,dw,dl} definierte Indikatorfunktionen, S1 (ω) : = (u ·
u (ω) + d · d (ω)) · S0
168
21 Objektive Unter- und Obergrenzen für den Wert einer Investitionsgelegenheit
mit d < u die Kursentwicklung eines marktgehandelten Branchenindexes, der als Bewertungsgrundlage dient. Als weiteres Basiswertpapier dient ein Geldmarktzertifikat mit Zinssatz r . Sei B := {u,d} die Menge möglicher Branchenentwicklungen (up, down) und P := {w,l} die Menge möglicher Projektentwicklungen (winner, loser). Für die Cash Flows des Projektes gelte Z 1 (ω) : = z 1 + 1+
∑ g · b (ω) lb
b∈B
Z 1w (ω) : = z
∑ ∑ g · p (ω) · b (ω)
p∈P b∈B
Z 1l (ω) : = z
1+
pb
∑g
wb
b∈B
· b (ω)
mit glb ≤ g wb für alle b ∈ B.
(21.1)
Das Portfolio x p :=
x pS x pB
⎛ ⎜ =⎝
⎞
g pu −g pd z u−d S0
pu 1+g pd − 1+gu d −1 −1 B0 B1 B B − 0u 1 d
z B0
⎟ ⎠,
(21.2)
dessen Marktpreis in Verbindung mit der (Pseudo-)Wahrscheinlichkeit πˆ : =
1 +r − d u −d
und der Definition p : = πˆ · g pu + (1 − π) ˆ · g pd für alle p ∈ P auch wie folgt dargestellt werden kann p x p = z ·
1+ p , 1 +r
generiert im Zeitpunkt 1 Zahlungen in Höhe von
(21.3)
21 Objektive Unter- und Obergrenzen für den Wert einer Investitionsgelegenheit
⎛
u · S0 ⎜ u · S0 ⎜ Zx p = ⎝ d · S0 d · S0
169
⎞
B1 S
B1 ⎟ ⎟ x Bp = Z p (ωi ) 4 . 1 i=1 ⎠ B1 xp B1
Sei z := (Z 1 (ωi ))4i=1 , dann gilt wegen (21.1) somit Zxw > z und z − Zxl > 0. Sei Π G der Preis für die Gelegenheit, das Projekt durchführen zu dürfen, und I die für die Verwirklichung des Projektes erforderlich Anschaffungsauszahlung, dann wäre der Erwerb von Portfolio xw demnach eine im Vergleich zur Realisierung des Projektes dominante Alternative, falls p xw ≤ I + Π G ⇔ Π G ≥ p xw − I gilt. Ferner böte die Verwirklichung des Projektes bei gleichzeitigem Leerverkauf von Portfolio xl eine Arbitragegelegenheit, falls −(I + Π G ) + p xl ≥ 0 ⇔ Π G ≤ p xl − I gilt. Es kann gezeigt werden, dass Portfolio xl das teuerste Portfolio ist, das von der Zahlungscharakteristik z dominiert wird, und dass Portfolio xw das billigste Portfolio ist, welches die Zahlungscharakteristik z dominiert,1 daher liegt der Marktwert der Investitionsgelegenheit Π G im Intervall Π (z) − I < Π0G < Π(z) − I mit 1 +l 1 +r 1+w . Π (z) : = p xw = z · 1 +r
Π (z) : = p xl = z ·
(21.4) (21.5)
Offensichtlich orientiert sich die untere Schranke an den ungünstigenfalls (Worst Case Szenario oder kurz: WC-Szenario) und die obere Schranke den günstigenfalls (Best Case Szenario oder kurz: BC-Szenario) erzielbaren Cash Flows. Besonders einfach lässt sich das Zustandekommen eines Bewertungsintervalls anhand des folgenden Beispiels erklären. 1
Siehe Anhang H.
170
21 Objektive Unter- und Obergrenzen für den Wert einer Investitionsgelegenheit
Beispiel 21.1. Angenommen die Wachstumsraten im BC-Szenario unterscheiden sich unter allen Umständen um einen konstanten Betrag c > 0 von denjenigen des WCSzenarios, d.h. g wb = glb + c für alle b ∈ B, dann gilt in Verbindung mit der Definition (21.3) w = l +c und mithin in Verbindung mit (21.4) und (21.5) Π (z) − Π(z) =
c·z . 1 +r
Da die Hedgeratios für beide Szenarien gleich sind, so dass x wS = xlS gilt, ist die Existenz einer Bandbreite für den Marktwert unter diesen Umständen ausschließlich der Tatsache geschuldet, dass das höhere Niveau für die Wachstumsraten dafür sorgt, dass die Performance des Projektes relativ zur Branchenperformance im BCSzenario kleiner ist als im WC-Szenario, so dass die Replikation des BC-Szenarios nur einen vergleichsweise kleineren Hebel zulässt. Die Breite des Intervalls ergibt sich aus z c · . x wB = xlB + 1 +r B0 Das Ein-Perioden-Modell lässt sich wie folgt auf mehrere Perioden erweitern: Sei f n ≡ f (0,n,n + 1) eine Kurzschreibweise für die im Zeitpunkt 0 geltenden Terminzinssätze. Für den Kurs des Branchenindex und die Cash Flows gelte n
Sn (ωn ) : = S0 · ∏ (u i−1 · i=1
n
Z n (ω ) : = z · ∏ 1 + n
i=1
Z np (ωn ) : = z ·
n
u (ωi ) + di−1 · d (ωi ))
∏
i=1
1+
∑ ∑
p∈P b∈B
∑
b∈B
pb gi−1 · p (ωi ) · b (ωi )
pb gi−1 · b (ωi )
für n = 1,..., N. Ferner gilt 1 + f n − dn u n − dn pu pn : = gn · πˆ n + gnpd · (1 − πˆ n )
πˆ n : =
Wendet man die analog zur mehrperiodigen Erweiterung des Binomialmodells rekursiv entwickelte dynamische Replikationsstrategie
21 Objektive Unter- und Obergrenzen für den Wert einer Investitionsgelegenheit
⎛ ⎜ ⎜ x p,N−1 (ω N−1 ) = ⎜ ⎝
pu
pd
p
⎝1 +
pd g N−1 d N−1 1 d N−1
pu g − u N−1 N−1 −u 1 N−1
g N−1 −g N−1 Z N−1 (ω N−1 ) u N−1 −d N−1 S N−1 (ω N−1 ) ⎛ ⎞ 1 1+ f N−1
⎠
171
⎞
p Z N−1 (ω N−1 ) B N−1
⎟ ⎟ ⎟ ⎠
und ⎛ x p,N−i (ω N−i ) =
1+ pj j =N−i+1 1 + f j N−1
∏
⎜ ⎜ ·⎜ ⎝
pu
pd
⎝1 +
pd g N−i d N−i 1 d N−i
p
g N−i −g N−i Z N−i (ω N−i ) u N−i −d N−i S N−i (ω N−i ) ⎛ ⎞ 1 1+ f N−i
g
pu
− u N−i
N−i
−u 1
N−i
⎠
p Z N−i (ω N−i ) B N−i
⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ (21.6)
an,2 so gelangt man schließlich zu N−1
Π 0 (Z N ) = z · ∏
i=0
1 +li 1 + fi
beziehungsweise N−1
Π 0 (Z N ) = z · ∏
i=0
1 + wi . 1 + fi
Unter den vereinfachenden Annahmen u n = u, dn = d, gnpb = g pb und f n = f für n ≥ Nd und 1 ≤ Nd ≤ N lassen sich die Unter- und Obergrenzen für den Wert eines einzelnen Cash Flows Z N wie folgt berechnen Π 0 (Z N ) = z ·
Nd −1
∏
i=0
1 +li 1 + fi
1 +l 1+ f
N−Nd
und Π 0 (Z N ) = z ·
Nd −1
∏
i=0
1 + wi 1 + fi
1+w 1+ f
N−Nd
.
Daraus errechnen sich in Verbindung mit der Definition (2.6) für den Rentenbarwertfaktor und den auf die Annahme einer erwarteten Rente angepassten3 Kapitalkostensätzen fn −ln fˆnl : = 1 +ln f n − wn fˆnw : = 1 + wn 2 3
In Anhang H wird gezeigt, dass die Strategie selbstfinanzierend ist. Vgl. hierzu S. 9 f.
172
21 Objektive Unter- und Obergrenzen für den Wert einer Investitionsgelegenheit
N die folgenden Unter- und Obergrenzen für die gesamte Zahlungscharakteristik (Z i )i=1 Nd −1 i Nd −1
1 1 N l ˆ Π 0 (Z i )i=1 = z · ∑ ∏ + ∏ · Q( f , N − Nd ) ˆl ˆl i=0 1 + f i i=0 h=0 1 + f h
und
N Π 0 (Z i )i=1
=z·
Nd −1 1 1 w ∏ ˆw + ∏ 1 + fˆw · Q( fˆ , N − Nd ) . h=0 1 + f h i=0 i
Nd −1 i
∑
i=0
Ist die Zinsstruktur über den gesamten Betrachtungszeitraum flach und geht man von über den gesamten Betrachtungzeitraum konstanten Wachstumsfaktoren aus, dann gilt Π 0 = Q( fˆl , N) · z und Π 0 = Q( fˆw , N) · z .
22 Der Wert des Wartens bei Unsicherheit
In Kapitel 3.1 wurde gezeigt, dass das Kapitalwertkriterium auf der Annahme basiert, dass es nur eine Alternative zur Realisierung einer bestimmten Investitionsgelegenheit gibt, nämlich diese endgültig zu unterlassen. Hat man indes die Möglichkeit zu warten, ohne dass einem ein Konkurrent zuvor kommen könnte, dann muss man die ersparten Kapitalkosten gegen die bewertete Einbuße abwägen, die dadurch entsteht, dass sich das Zeitfenster, in dem man am Markt ist, um eine Periode nach hinten verschiebt. Dabei gilt grundsätzlich, dass die Einbuße um so geringer ist, je stärker der Markt wächst. Daher wartet man auch um so länger, je stärker der Markt wächst. Im Folgenden wird zunächst gezeigt, dass dies auch für wachsende Unsicherheit gilt. Dabei verweist der Index d auf den in Abschnitt 3.1 behandelten deterministischen Fall. Sind die zukünftigen Zahlungen risikobehaftet, dann ist auch deren Barwert PV(t) = PV d (t) · e−
σ 2 t+σ W t 2
(22.1)
risikobehaftet, wobei (22.1) sicherstellt, dass [PV(t)] = PV d (t) gilt. Die Wahl des optimalen Investitionszeitpunktes stellt einen risikoneutralen Entscheider vor das Problem
[θ (kc ,t) · NPV(t)] → max . t
(22.2)
Im Folgenden wird gezeigt, dass dieses Optimierungsproblem analog zu der Vorgehensweise im deterministischen Fall gelöst werden kann,1 indem man eine kritische Schwelle ρ S∗ = ·I (22.3) ρ −1 bestimmt, die das Problem q(ρ, S) · (S − I ) → max S
1
Siehe Abschnitt 3.1.
(22.4)
174
22 Der Wert des Wartens bei Unsicherheit
mit q(ρ, S) =
S PV 0
−ρ (22.5)
löst. Setzt man einmal voraus, dass die optimale Investitionspolitik – wie unter Sicherheit – durch eine kritische Schwelle S für den Barwert bestimmt ist, dann muss die Diskontfunktion q(ρ, S) dem erwarteten Diskontfaktor [θ (kc ,t S )] entsprechen, damit die Anwendung des im deterministischen Fall erprobten Lösungsansatzes zielkonform ist.2 Im Folgenden wird gezeigt, dass dem tatsächlich so ist. Folgt der Barwert dem Prozess (22.1), dann ist der Prozess
1 2 1 2 2 M(t) := e−(ρ (gc − 2 σ )+ 2 ρ σ ) t PV(t)ρ
ein Martingal.3 Also gilt unter der Bedingung 1 1 2 k c = ρ gc − σ + ρ 2 σ 2 2 2
(22.6)
wegen PV(t S ) ≡ S q(ρ, S) =
S PV 0
−ρ
= S −ρ M0 = S −ρ
[M(tS )] = [e−k t ], c S
(22.7)
womit gezeigt, ist dass die Diskontfunktion q(ρ, S) dem erwarteten Diskontfaktor
[θ (kc ,tS )] entspricht, falls ρ die Bedingung (22.6) erfüllt. Somit ist ρ im Allgemei-
nen eine Funktion nicht nur des konformen Kapitalkostensatzes kc und der konformen Wachstumsrate gc sondern auch des Volatilitätsparameters σ , der die Heftigkeit abbildet, mit welcher der Barwert schwankt. Implizites Differenzieren von (22.6) führt auf
∂ 1 2 dρ 2 σ ρ (ρ − 1) + gc ρ −rc
= − ∂σ ∂ 1 2 dσ ∂ρ 2 σ ρ (ρ − 1) + gc ρ −rc σρ(ρ − 1) . 2 ρ + 1 σ 2 (ρ − 1) + g σ c 2 2
=− 1 2 3
(22.8)
Dieser Lösungsansatz ist zwar nicht völlig unbekannt, vgl. Dixit, Pindyck & Sodal (1999), hat aber bislang keine große Beachtung in der Literatur gefunden. Das folgt unter Berücksichtigung von (eρσ Wt ) = e 2 ρ 1
2
σ 2t
.
22 Der Wert des Wartens bei Unsicherheit
175
ρ ist demnach eine monoton fallende Funktion von σ , die von limσ →0 ρ = gkcc ausgehend dem Wert limσ →∞ ρ = 1 zustrebt.4 Hieraus folgt in Verbindung mit (22.3), dass die kritische Schwelle S ∗ eine monoton wachsende Funktion der Volatilität ist, wobei der nach oben offene Wertebereich exakt bei dem Wert beginnt, der sich im deterministischen Fall errechnet. Demnach wirkt sich wachsende Unsicherheit qualitativ betrachtet wie eine Erhöhung der konformen Wachstumsrate aus.5 Es stellt sich die Frage nach den Beweggründen für die Erhöhung des Schwellenwer4
Letzteres lässt sich leicht ablesen, wenn man (22.6) in der Form 1 ρgc + σ 2 ρ(ρ − 1) = kc 2
5
schreibt. Bei Konkurrenz und der Einfachheit angenommener gegebener Rollenverteilung ergibt sich der interessante Effekt, dass die mit wachsender Volatilität zunehmend abwartende Haltung des Nachzüglers die Bereitschaft des Vorreiters erhöht, Anlaufverluste in Kauf zu nehmen. Das soll im Folgenden noch kurz skizziert werden: Für einen risikoneutralen Vorreiter gilt in Verbindung mit den modifizierten Definitionen t ∗ S 1 − q(ρ(gc ,kc ,σ ), S ∗ ) θ(kc ,t) dt = Θ e (kc ,t S ∗ ) := kc 0 und z¯ eM =
tS∗
0
z M (t) · g(t) dt
mit den Gewichten g(t) =
θ(kc ,t) Qe (kc ,t S ∗ )
analog zu (3.16) NPV 0V = (¯z eM − kc · I ) · Θ e (kc ,t S ∗ ) + (V0N ). Falls die Zahlungen ebenfalls mit konstanter Rate gcM wachsen, solange das Monopol existiert, erhält man z¯ eM = z 0M ·
Θ e (kˆcM ,t S ∗ ) kc 1 − q(ρ(gc , kˆcM ,σ ), S ∗ ) = Θ e (kc ,t S ∗ ) kˆc 1 − q(ρ(gc ,kc ,σ ), S ∗ )
mit kˆcM := kc − gcM . Da S ∗ eine monoton wachsende Funktion der Volatilität σ ist, verschiebt sich die Verteilungsfunktion von t S ∗ mit wachsender Unsicherheit nach rechts. Hieraus folgt, dass die Bereitschaft eines risikoneutralen Vorreiters, Anlaufverluste in Kauf zu nehmen, aufgrund der zunehmend abwartenden Haltung des Nachzüglers ceteris paribus wächst.
176
22 Der Wert des Wartens bei Unsicherheit
tes als Reaktion auf eine Erhöhung der Volatilität. Der oben skizzierte Lösungsweg lässt diese leider nicht unmittelbar erkennen. Daher werden sie im Folgenden anhand eines einfachen diskreten Modells analysiert. Dabei wird deutlich, dass das Warten unter Unsicherheit neben ersparten Kapitalkosten einen weiteren Vorteil hat: Der Entscheider erhält Information, die ihn in die Lage versetzt, bessere Entscheidungen zu treffen. Um den Wert des Wartens präzisieren zu können, betrachten wir eine konkrete Entscheidungssituation. Angenommen, die wirtschaftliche Entwicklung steht zum Zeitpunkt der Entscheidung t0 = 0 an einem Scheidepunkt: Entweder es wird nachhaltig bergauf oder bergab gehen, was im Folgenden durch die Elementarereignisse ω ∈ Ω := {d,u} abgebildet wird. Bedingt auf die konjunkturelle Entwicklung ω errechnet der Entscheider einen vom Zeitpunkt der Verwirklichung des Projektes unabhängigen Kapitalwert in Höhe von NPV(ω) mit NPV(d) < NPV(u). Im Zeitpunkt 0 rechnet der Entscheider mit Wahrscheinlichkeit p mit einem Aufschwung; es gilt also
0 := (NPV 0 |F0 ) = p · NPV(u) + (1 − p) · NPV(d). Ferner wird angenommen, dass man nur eine Periode abwarten muss, um Gewissheit über den Pfad zu erlangen, auf dem sich die Ökonomie befindet,6 es gilt also
1 := (NPV 1 |F1 ) = NPV(ω). Es gilt die Definition 22.1 (Wert des Wartens). Der Wert des Wartens für einen risikoneutralen Entscheider beläuft sich auf −1 V0W : = q(k) · [max( 1 ,0)|F0 ] − q(k) · max( 0 ,0) .
Im Fall NPV(d) < NPV(u) < 0 ist der Wert des Wartens Null, weil die Verwirklichung des Projektes sowieso nicht in Frage kommt. Im Fall 0 < NPV(d) < NPV(u) kann man nichts Besseres tun, als das Projekt unter allen Umständen zu verwirklichen und zwar sofort. Ein Aufschub würde lediglich Kapitalkosten verursachen. Das äußert sich in einem negativen Wert des Wartens in Höhe von V0W = −q(k) · k · der sich durch Einsetzen von Die Konstellation
0 ,
[max(1 ,0)|F0 ] = 0 ergibt. NPV(d) < 0 < NPV(u)
6
Im Grundmodell der Wahrscheinlichkeitstheorie wird der Zuwachs an Information dadurch / bedingt werden abgebildet, dass die Entscheidung auf die Algebra F1 = {0,{d},{u},Ω} / feiner zerlegt ist, worin die größere Anzahl an kann, die im Vergleich zu F0 = {0,Ω} beobachtbaren Ereignissen zum Ausdruck kommt.
22 Der Wert des Wartens bei Unsicherheit
177
ist eine notwendige Bedingung für einen positiven Wert des Wartens, weil es wenigstens ein Ereignis geben muss, bei dessen Eintritt sich die sofortige Verwirklichung des Projektes als Fehler erweist. In diesem Fall hat das Warten gemäß V0W = (1 − p) · (−NPV(d)) − p · q(k) · k · NPV(u)
(22.9)
den Vorteil, dass sich herausstellen könnte, dass man das Projekt besser endgültig unterlässt. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist 1 − p. Diesem Vorteil steht entgegen, dass sich herausstellen könnte, dass man besser sofort investiert hätte. Dieser Nachteil schlägt unter den getroffenen Annahmen allerdings nur mit Kapitalkosten zu Buche, weil der Zeitpunkt der Verwirklichung des Projektes per se keinen Einfluss auf den Kapitalwert hat. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Nachteil ist p.7 Um den Einfluss der Unsicherheit auf den Wert des Wartens zu verdeutlichen, wählen wir die zu (22.9) äquivalente Darstellung k p W · · NPV(u) (22.10) V0 = (1 − p) · (−NPV(d)) − 1− p 1+k und treffen die vereinfachenden Annahmen p = −NPV. Unter diesen Annahmen gilt V0W =
1 2
und NPV(d) = −NPV(u) =
1 NPV · , 1+k 2
woraus ersichtlich wird, dass der Wert des Wartens um so größer ist, je stärker der Kapitalwert um den Nullpunkt streut. Um noch weiter zu illustrieren, könnte man z.B. annehmen, dass das Projekt unabhängig vom Zeitpunkt seiner Realisation eine Anschaffungsauszahlung in Höhe von I erfordert und dafür mit einer Periode Verzögerung insgesamt N Nettozahlungen in Höhe von z(ω) mit z(d) = −z(u) = −z abwirft. Dann gilt in Verbindung mit der Definition g := z − Q(k, N)−1 · I für den (ökonomischen) Gewinn 7
Um diesen Nachteil zu vermeiden, müsste man sich die Information vorab beschaffen, anstatt darauf zu warten. Ein risikoneutraler Entscheider würde für die Beschaffung höchstens p · q(k) · k · NPV(u) Geldeinheiten bezahlen. Um das zu zeigen, ist eine Fallunterscheidung von Nöten, da der Wert der Information davon abhängt, ob der Entscheider anderenfalls wartet oder nicht: Ist der Wert des Wartens negativ, dann ist die Vorab-Information nützlich, weil sie eine verlustreiche Investitionsentscheidung verhindern kann. Allerdings impliziert V0W < 0, dass der erwartete Wert dieses Nutzens, i.e. −(1 − p) · NPV(d), kleiner ist als p · q(k) · k · NPV(u). Ist der Wert des Wartens positiv, dann ist die Vorab-Information nützlich, weil sie den Nachteil, der mit dem Warten verbunden sein könnte, verhindern kann. Dieser Nachteil besteht darin, die Verwirklichung des Projektes unnötig hinauszuzögern. Seine Vermeidung hat einen erwarteten Wert in Höhe von p · q(k) · k · NPV(u).
178
22 Der Wert des Wartens bei Unsicherheit
NPV = Q(k, N) · g und somit V0W =
Q(k, N) g · . 1+k 2
Die soeben durchgeführte Analyse lässt erkennen, warum der Einfluss zunehmender Unsicherheit im oben analysierten zeitstetigen Modell qualitativ betrachtet demjenigen eines Anstiegs der Wachstumsrate entspricht. In beiden Fällen nehmen die Opportunitätskosten des Aufschiebens des Projektes ab. Im Fall wachsender Unsicherheit deshalb, weil man sich mit dem Aufschieben die Option offen hält, die Verluste, die man im Fall eines unerwarteten Einbruchs der Zahlungen tragen müsste, durch ein weiteres Aufschieben des Projektes zu vermeiden. Die mit der Annahme (22.1) unterstellte Persistenz von Zufallschocks im oben analysierten zeitstetigen Modell und die unterstellte Risikoneutralität8 verleihen dieser Option zusätzlichen Wert. Ein zweiter Blick auf (22.8) lässt erkennen, dass der Einfluss der Unsicherheit durch eine hohe Wachstumsrate gc gedämpft wird. Dies erscheint plausibel, weil man bei hohen Wachstumsraten langfristig immer richtig liegt, wenn man investiert. Dadurch werden auch Verluste, die man durch längeres Warten eventuell hätte vermeiden können, relativ schnell wieder ausgebügelt, was den Wert des Wartens auf zusätzliche Information begrenzt. Die Möglichkeit, eine Investition zu verschieben, ist nur eine von vielen Wahlmöglichkeiten, die sich im Zusammenhang mit der Durchführung von Investitionsprojekten eröffnen. Die Liste der Wahlrechte bei der Durchführung von Investitionsprojekten ist kaum überschaubar: Es gibt Erweiterungsoptionen, Verkleinerungsoptionen, Stilllegungsoptionen, Abbruchoptionen und, und, und.9 In der Investitionsrechnung wird seit einiger Zeit auf den Realoptionsansatz zurückgegriffen, wenn die Bewertung von Wahlrechten ins Blickfeld gerät. Hintergrund ist letztlich, dass man sich die mächtige Formelsammlung der Optionspreistheorie zu Nutze machen möchte, um konkrete Bewertungsprobleme zu lösen. Das hat den Vorteil, dass unter bestimmten Annahmen selbst dann noch analytische Lösungen existieren, wenn ineinander verschachtelte Optionen zu bewerten sind, d.h. wenn die Investitionsgelegenheit darin besteht, eine Option zu erwerben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es darum geht, Entscheidungen darüber zu treffen, ob Innovationen durchgeführt werden sollen, die ihrerseits weitere Investitionsgelegenheiten erschließen,10 oder ob Patente erworben werden sollen, die die Gelegenheit zur Nut8
9 10
Grundsätzlich nimmt der Wert der Information mit abnehmender Risikoaversion zu. Das liegt daran, dass der Einfluss von Informationen auf die Entscheidungen grundsätzlich mit abnehmender Risikoaversion zunimmt. Man kann sich das sehr einleuchtend am Beispiel eines Anlegers deutlich machen. Für extrem risikoaverse Anleger sind Kapitalmarktinformationen, seien sie noch so glaubwürdig, schon deshalb im Hinblick auf die Anlageentscheidung vollkommen wertlos, weil für diese sowieso nur die sichere Anlageform in Betracht kommt. Siehe Anhang B zur Klassifikation von Einstellungen zum Risiko. Es gibt Indizien, dass Erweiterungsoptionen für die Ausgabe von Wandelanleihen verantwortlich sind, vgl. hierzu Mayers (1998). Vgl. Grenadier & Weiss (1997).
22 Der Wert des Wartens bei Unsicherheit
179
zung exklusiver Investitionsgelegenheiten versprechen.11 Diese Stärke verkehrt sich jedoch schnell in eine Schwäche, wenn die Verwendung des Realoptionsansatzes dazu führt, dass man sich weniger mit den tatsächlichen Handlungsalternativen als mit deren finanzoptionskompatibler Deutung beschäftigt, um mit den für Finanzoptionen entwickelten Lösungen arbeiten zu können. Das ist im Allgemeinen wenig fruchtbar, weil Investitionsgelegenheiten im Gegensatz zu Finanzoptionen in der Regel nicht exklusiv sind, da sie auch potenziellen Konkurrenten offen stehen. Kommt dann noch hinzu, dass die Voraussetzungen – wie etwa bei der Bewertung von Innovationen – für eine objektive Bewertung von Zahlungen mittels Replikation durch marktgehandelte Titel sowieso nicht gegeben sind12 geht dem Realoptionsansatz vollends der Boden unter den Füßen verloren.
11 12
Vgl. Reiß (1998). Eine Ausnahme ist der Bereich der Rohstoffgewinnung und Energieerzeugung, da sich die Zahlungskonsequenzen von Explorationsprojekten recht gut mit Hilfe von CommodityFutures und Commodity-Optionen replizieren lassen, vgl. Titman & Martin (2008, Kapitel 11) mit einer Reihe guter Beispiele und Hinweisen auf beliebte Irrtümer.
23 Teil V in Kürze
Unsicherheit erfordert eine Modifikation der Definition des Kapitalkostensatzes. Und zwar treten geforderte erwartete Renditen und am Markt erzielbare erwartete Renditen an die Stelle der entsprechenden sicheren Größen. Auch bei Unsicherheit eignen sich implizite Terminzinssätze zumindest als Anhaltspunkte für die Abschätzung der Opportunitätskostensätze für zukünftige Perioden. Eine exakte Identifikation der Kapitalkostensätze mit den impliziten Terminzinssätzen ist zulässig, wenn man homogene Erwartungen, Risikoneutralität und deterministische Zinsen unterstellt. Der Endwert einer stochastischen Zahlung hängt bei stochastischen Zinssätzen von der Korrelation zwischen dem Kassazinssatz und dieser Zahlung sowie von Zinsstruktureffekten ab. Für Investitionsgelegenheiten, die sich nicht perfekt mit Hilfe von Finanztiteln replizieren lassen, können Wertgrenzen bestimmt werden. Maßgeblich für die Unter- bzw. Obergrenze sind die günstigen- bzw. ungünstigenfalls erzielbaren Cash Flows. Unter bestimmten Annahmen kann man die Wertgrenzen mit Hilfe der Gordon’schen Formel berechnen, die für den Present Value einer Reihe von Zahlungen, die mit konstanter Rate wachsen, entwickelt wurde. Statt einer konstanten deterministischen Wachstumsrate muss man in diesem Fall die unter dem äquivalenten Martingalmaß erwarteten Wachstumsraten im ungünstigen bzw. im günstigen Fall zugrundelegen. Der Wert des Wartens auf zusätzliche Information nimmt mit wachsender Unsicherheit zu, weil die Verluste, die man sich durch das Aufschieben der Projektrealisierung eventuell erspart, größer werden. Auf schnell wachsenden Märkten spielt die Unsicherheit eine weniger bedeutende Rolle für den Wert des Wartens, weil der Fehler, den man durch längeres Warten eventuell hätte vermeiden können, erwartungsgemäß relativ schnell wieder ausgebügelt wird.
Teil VI
Unternehmensfinanzierung
24 Formen der Unternehmensfinanzierung
24.1 Interne und externe Finanzierung Einem Unternehmen stehen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten offen, Geld zu beschaffen. Als Finanzierungsquellen kommen entweder Umsätze oder sonstige zuweilen als Desinvestitionen bezeichnete Veräußerungsgeschäfte einerseits oder außenstehende Geldgeber (Financiers) andererseits in Betracht. Man unterscheidet dementsprechend je nach Mittelherkunft zwischen interner Finanzierung und externer Finanzierung. Die auch als Außenfinanzierung bezeichnete externe Finanzierung ist in der Regel damit verknüpft, dass den Geldgebern als Gegenleistung für die Bereitstellung der Zahlungsmittel Ansprüche an das Unternehmensvermögen eingeräumt werden. Obwohl an sich offensichtlich ist, dass die auch als Innenfinanzierung bezeichnete interne Finanzierung nur aus dem Umsatz oder durch Desinvestition erfolgen kann, ist zuweilen von Finanzierung durch Abschreibungen und Rückstellungen die Rede. Das muss zunächst überraschen, da Abschreibungen und Einstellungen in die Rückstellung Aufwandsbuchungen sind, denen zwar keine Auszahlungen gegenüberstehen, die aber auch ganz gewiss keinen Zahlungsmittelzufluss bewirken können. Die irreführende Redeweise kommt daher, dass interne Finanzierung von externen Analysten indirekt mit Hilfe von Jahresabschluss-Daten gemessen wird. Anders als die externe Finanzierung, die stets mit veränderten Ansprüchen an ein Unternehmen und mithin auch mit Änderungen der entsprechenden Bestandsgrößen auf der Passivseite der Bilanz einhergeht und somit im Prinzip mit Hilfe der externen Rechnungslegung einfach nachvollziehbar ist, ist der Bilanzgewinn lediglich ein grober Anhaltspunkt für den Zahlungsmittelzufluss. Definitionsgemäß entspricht der Bilanzgewinn dem durch das Unternehmen erwirtschafteten Reinvermögenszuwachs einer Periode. Um vom Gewinn auf die durch das Unternehmen selbst bewirkte Veränderung des Zahlungsmittelbestandes zurückzuschließen, müssen alle nicht durch Zahlungsvorgänge ausgelösten Buchungen, die den Gewinn beeinflussen, wie zum Beispiel Abschreibungen und Einstellungen in die Rückstellungen, und alle Periodenabgrenzungen, die dazu führen, dass sich der Gewinn nicht im Gleichklang mit den zugrundeliegenden Zahlungen verändert, rückgängig gemacht werden. Zudem müssen alle nicht
186
24 Formen der Unternehmensfinanzierung
erfolgswirksam verbuchten Zahlungsvorgänge, wie zum Beispiel Investitionen und Desinvestitionen, soweit mit diesen keine Gewinne realisiert werden, berücksichtigt werden.1 Darüber hinaus sind Abschreibungen und Einstellungen in die Rückstellungen insofern finanzierungsrelevant, als sie den Zahlungsmittelabfluss in Form von Ausschüttungen an die Gesellschafter oder in Form von Steuern an den Fiskus verhindern können. Man redet daher von der ausschüttungssperrenden Wirkung von Abschreibungen und Rückstellungen. Ausschüttungssperren sind Buchungsvorgänge, die im Sinne des Gläubigerschutzes zu einer Beschränkung der Ausschüttung führen, um eine gewisse Mindesthaftungsmasse im Unternehmen zu erhalten. Da der Gewinn die Obergrenze für Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft bildet, setzen die Maßnahmen entweder bereits bei der Gewinnermittlung oder erst bei der Gewinnverwendung an. Beispiele für dementsprechende zwingende Gewinnermittlungsvorschriften sind das strenge Niederstwertprinzip (§ 253 (3) HGB) und zwingende Rückstellungen (§ 249 HGB). Ein Beispiel für entsprechende Gewinnverwendungsvorschriften ist die zwangsweise Dotierung der Gewinnrücklagen gemäß §§ 58, 150 AktG. Bewertungs- und Ansatzwahlrechte sowie Verfügungsspielräume bei der Gewinnverwendung (Einstellung in die Rücklagen gemäß § 58 (2) AktG) lassen sich als diskretionäre Ausschüttungssperren verstehen. Wer im Rahmen der internen Finanzierung Zahlungsmittelzuflüsse bewirken will, kommt in der Regel nicht umhin, Dispositionen vorzunehmen, die in die güterwirtschaftliche Sphäre hineinwirken, wie zum Beispiel eine Sortimentsänderung.2 Die wirtschaftlichen Konsequenzen solcher Dispositionen sind in der Regel schwer absehbar und dementsprechend schwierig zu bewerten und verursachen aufgrund ihrer engen Verzahnung mit dem Geschäftsbetrieb einen hohen Koordinationsbedarf. Die externe Finanzierung erscheint auf den ersten Blick frei von dieser Verbundproblematik, weil Zahlungsmittel dabei nicht durch in den güterwirtschaftlichen Bereich hinein wirkende Dispositionen sondern im Austausch gegen den Financiers eingeräumte Ansprüche an das Unternehmensvermögen beschafft werden. Finanzierungsvorgänge aus dem Bereich der externen Finanzierung werden daher auch nach der Art der durch sie geschaffenen Ansprüche kategorisiert. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Fremdkapital und Eigenkapital. Fremdkapitalgeber haben Anspruch auf einen feststehenden Rückzahlungsbetrag und in der Regel feste periodische Zahlungen (Festbetragsanspruch). Eigenkapitalgebern steht lediglich das nach Befriedigung der Ansprüche der Fremdkapitalgeber verbleibende Residuum zu (Residualanspruch).3 Dementsprechend wurde die externe Finanzierung in der Literatur zur betrieblichen 1 2
3
Vgl. Berk & DeMarzo (2007, Kapitel 2.4 u. 7.2) zur Bestimmung des Free Cash Flow. Weitere Beispiele sind Beschleunigungen des Leistungsprozesses durch Verkürzung von Transport- und Wartezeiten, Beschleunigung der Bearbeitung, intensitätsmäßige Anpassung, Wiedereinsatz stillgelegter Anlagen und zeitliche Anpassung. Eine Ausnahme ist die Veräußerung von nicht betriebsnotwendigen Finanzanlagen. Darüber hinaus gibt es auch Mischformen (Mezzanine Money) der externen Finanzierung. Dazu gehören zum Beispiel Genussscheine (Performance Participation Agreements) und Wandelanleihen (Convertible Bonds). Vgl. Schäfer (2002, S. 219-251) zu institutionellen
24.2 Sonderformen der externen Finanzierung
187
Finanzwirtschaft lange Zeit als vom leistungswirtschaftlichen Bereich vollkommen separabel betrachtet, was wiederum maßgeblich dazu beigetragen hat, dass man sie als irrelevant eingestuft hat. Und zwar mit der Begründung, dass man den Gesamtwert eines Unternehmens4 nicht alleine dadurch erhöhen kann, dass man ihn anders auf verschiedene Gruppen von Financiers verteilt. Zwar trifft auch das nur bedingt zu, nämlich dann, wenn die Risikoallokation nicht verbessert werden kann, gravierender erscheint allerdings, dass man dabei ignoriert hat, dass die mit externen Finanzierungen verbundenen Eingriffe in die Struktur der Ansprüche verschiedener Gruppen von Geldgebern an das Unternehmensvermögen
Anreize zu leistungswirtschaftlichen Dispositionen auslösen Informationen über leistungswirtschaftliche Sachverhalte liefern sowie die Unternehmenskontrolle beeinflussen
können, was wiederum sehr wohl den Gesamtwert eines Unternehmens beeinflussen kann. Hier schließt sich in gewisser Weise der Kreis: Der Gedanke, bei der externen Finanzierung im Gegensatz zur internen Finanzierung leistungswirtschaftliche Aspekte generell aus der Betrachtung heraus halten zu können, erweist sich letztlich als trügerisch.
24.2 Sonderformen der externen Finanzierung 24.2.1 Leasing Leasing ist durch die Bündelung von Finanzierungs- und Investitionsmaßnahmen gekennzeichnet. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Operating- und Finanzierungsleasing einerseits sowie zwischen Hersteller- und institutionellem Leasing andererseits. Hinter dem Operating Leasing steht die Absicht des Leasingnehmers, das Investitions- und Betriebsrisiko auf den Leasinggeber abzuwälzen. Hierzu werden für gewöhnlich kurzfristige oder zumindest kurzfristig kündbare Verträge geschlossen. Finanzierungsleasing ist als alternative Finanzierungsform zu sehen und für gewöhnlich mit langen Grundmietzeiten und hohen Vertragsstrafen bei vorzeitiger Kündigung verbunden. Hersteller Leasing ist primär als absatzwirtschaftliche Maßnahme zu verstehen, während institutionelles Leasing auf die komparativen Vorteile von als Leasinggeber fungierenden Bankentöchtern bei der Refinanzierung setzt. Beim Vergleich der Alternativen Miete, Leasing und Kauf sind neben steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten5 die folgenden Gesichtspunkte von Bedeutung:
4 5
Aspekten der wichtigsten Mischformen sowie Hull (2008, S. 599-602) und Wöster (2004, S. 115-131) zur Bewertung von Wandelanleihen. In der Literatur zur Unternehmensbewertung wird der Gesamtwert häufig als Enterprise Value bezeichnet. Vgl. hierzu Schneider (1992, S. 692 ff.).
188
24 Formen der Unternehmensfinanzierung
Kapitalkosten Die Finanzierung sollte von demjenigen Vertragspartner vorgenommen werden, der geringere Kapitalkosten hat. Es gibt gute Gründe für die Vermutung, dass insbesondere Bankentöchter geringere Kapitalkosten haben als Leasingnehmer. Außerdem haben Leasinggesellschaften bessere Möglichkeit der Sicherung von Forderungen, da sie statt eines Absonderungsrechtes (§§49-51 InsO)6 ein Aussonderungsrecht (§47 InsO) erlangen, welches die Verwertung eines Gutes auch außerhalb des Insolvenzverfahrens zulässt. Dieses Faktum spricht für Leasing anstelle eines fremdfinanzierten Kaufs. Marktmacht Bedeutender als die bislang angeführten Gründe für die Verbreitung des Leasing dürfte die Tatsache sein, dass eine Leasinggesellschaft aufgrund ihrer Marktmacht sowohl bei der Beschaffung als auch bei der Verwertung der Leasinggüter komparative Vorteile hat. Auch dieses Faktum spricht für Leasing statt eines fremdfinanzierten Kaufs. Allerdings ließe sich ein solcher Vorteil auch durch Vermietung realisieren. Verhaltensrisiko (Moral Hazard)7 Den Vergleich zwischen gewöhnlicher Miete und Leasing entscheidet das Leasing letztlich aus einem ganz anderen Grunde für sich. Die Vermietung hat nämlich den Nachteil, dass der Mieter vergleichsweise geringe Anreize zum pfleglichen Umgang mit dem Mietgegenstand hat, da er mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass der Mietgegenstand an den Vermieter zurückfällt. Diesem Verhaltensrisiko kann man im Rahmen eines Leasingkontraktes mit Hilfe von Optionen begegnen, die die Wahrscheinlichkeit, dass das Leasinggut beim Leasingnehmer verbleibt, und somit auch den Anreiz zu pfleglicher Behandlung des Mitgegenstands erhöhen. Je nach Attraktivität des Optionsrechts lässt sich Leasing damit im Hinblick auf das Verhaltensrisiko beliebig nahe an einen Kauf rücken.
24.2.2 Factoring Der Verkauf von Forderungen gegenüber Kunden an Dritte wird als Factoring bezeichnet. Factoring tritt in zwei grundsätzlich verschiedenen Erscheinungsformen auf, nämlich als echtes oder unechtes Factoring. Beim echten Factoring übernimmt der sogenannte Factor das Bonitätsrisiko in voller Höhe. Beim unechten Factoring verbleibt das Bonitätsrisiko beim Lieferanten. Beispiele für unechtes Factoring sind die Gewährung von Vorschüssen vor Fälligkeit und die Abtretung von Forderungen zur Sicherung eines revolvierenden Kredits. Factoring kann darüberhinaus auch mit Dienstleistungen, wie beispielsweise der Erstellung von Rechnungen, der Debitorenbuchhaltung usw. verbunden sein.
6 7
Einen schnellen und komfortablen Zugang zu Gesetzestexten verschafft http:// bundesrecht.juris.de/bundesrecht. Vgl. hierzu (Neus, 2007, S. 335-341).
24.2 Sonderformen der externen Finanzierung
189
24.2.3 Wagnisfinanzierung (Venture-Capital) Konstitutiv für die in der Regel auf die Aufbauphase von Unternehmen beschränkte Wagnisfinanzierung ist, dass der Wagnisfinanzierer (Venture-Capital-Gesellschaft) nicht nur haftendes Vermögen sondern auch Management-Know-How in die Gesellschaft einbringt. Der Rückzug des Wagnisfinanzierers erfolgt nach durchschnittlich 5-8 Jahren in einer der folgenden Formen:
Einführung des Unternehmens an der Börse (Initial Public Offering (IPO)) teilweiser, meistens fremdfinanzierter Rückkauf des Unternehmens durch den oder die ursprünglichen Anteilseigner (Buy Back) Veräußerung der Anteile an einen industriellen Investor (Trade Sale) Veräußerung der Unternehmensanteile an einen anderen (Wagnis-)Finanzierer (Secondary Purchase).
Wagniskapital ist als Antwort auf die spezifischen Probleme der Gründungsfinanzierung zu verstehen. Drängende Problem neu gegründeter Unternehmen sind:
Ein fehlender Innnenfinanzierungsspielraum: Der Leistungssaldo ist regelmäßig negativ und liquidierbare Assets sind nicht vorhanden. Ein hohes leistungswirtschaftliches Risiko, welches Fremdkapital aufgrund fehlender Partizipation an den Chancen ungeeignet erscheinen lässt. Ein hohes in der Person des oder der Gründer liegendes Verhaltensrisiko, welches ausgeprägte Informations- und Einwirkungsrechte erforderlich macht.
24.2.4 Projektfinanzierung Die im Rahmen der Projektfinanzierung zufließenden Finanzierungsmittel sind zweckgebunden. Beim so genannten „non-recourse financing“ haften die Initiatoren (Sponsoren) nicht. In diesem Fall beschränkt sich die Haftungsmasse auf die durch das Projekt generierten Zahlungen.
25 Finanzierung bei strikter Trennung zwischen Leistungs- und Finanzbereich
25.1 Die These von der Irrelevanz der Kapitalstruktur Die von Modigliani & Miller (1958) aufgestellte These, dass man den Marktwert eines Unternehmens nicht alleine dadurch erhöhen kann, dass man die Ansprüche an das Unternehmensvermögen umgestaltet, indem man das Verhältnis von Fremdund Eigenkapital ändert (Irrelevanz der Kapitalstruktur), hat die Fachwelt seinerzeit in zwei Lager gespalten: Eins, das daran glaubte, und eins, das auf Grund der empirischen Erfahrung nicht daran glauben mochte. Es kam zu modellgestützten Diskussionen die, die eher an einen Glaubenskrieg als einen wissenschaftlichen Diskurs erinnerten. Das wird wohl daran gelegen haben, dass einerseits den Protagonisten die Logik der Argumentation so zwingend erschien, dass sie nicht gewillt waren, die Prämissen mit der Realität zu konfrontieren, und andererseits die Antagonisten nicht gewillt waren zu akzeptieren, dass man durch Abstraktion zu nützlichen Erkenntnissen gelangen kann. Die Welt der Protagonisten war eine neoklassische Welt, in der der Marktwert als einmütig akzeptiertes Entscheidungskriterium funktioniert, weil es der Markt gestattet, exogen gegebene Zahlungen ohne irgendwelche Reibungsverluste an alle denkbaren Zeit- und bei Risiko auch Risikopräferenzen anzupassen.1 Noch schwerwiegender war allerdings die Annahme, dass es zwischen dem Finanz- und dem Leistungsbereich eines Unternehmens keinerlei Wechselwirkungen gibt.2 Unter dieser Annahme 1 2
Vgl. hierzu Abschnitt 6.4. Gegenbeispiele finden sich beispielsweise unter den Produzenten langlebiger Konsumbzw. Investitionsgüter, für die es vorteilhaft sein kann, mit einem niedrigen Verschuldungsquotienten eine geringe Konkurswahrscheinlichkeit zu signalisieren, weil die Kunden andernfalls nur gegen erhebliche Preisabschläge zu kaufen bereit sind, da sie fürchten, im Konkursfall auf die für den Betrieb notwendigen Hersteller-Dienstleistungen verzichten zu müssen; vgl.Titman (1984). Verschuldung kann auch als Mittel zur Einschüchterung von Wettbewerbern eingesetzt werden: Brandner & Lewis (1986) zeigen, dass eine hohe Verschuldung im Falle eines Cournot-Duopols dazu eingesetzt werden kann, den Wettbewerber dazu zu bringen, sich mit einem kleineren Marktanteil zu begnügen. Grund ist die Tatsache, dass sich das Unter-
192
25 Finanzierung bei strikter Trennung zwischen Leistungs- und Finanzbereich
kann Finanzierung nur dann relevant sein, wenn man es schafft, den Wert eines gegebenen Bündels von Assets, nichts anderes ist das Unternehmensvermögen, alleine dadurch zu steigern, dass man die Ansprüche an dieses Unternehmensvermögen umgestaltet. Dazu funktioniert der neoklassische Markt jedoch einfach zu perfekt. Das soll im Folgenden etwas eingehender erläutert werden. Sei A1 der Marktpreis der Summe aller Vermögensgegenstände eines (am Markt gehandelten) unverschuldeten Unternehmens. Die Frage ist, ob dieses Unternehmen mehr wert wäre, wenn es eine Unternehmensanleihe mit Rückzahlungsbetrag f (Face Value) emittiert hätte. Das entspräche einer Aufteilung der Ansprüche an das Unternehmensvermögen,3 so dass die Fremdkapitalgeber (D steht für Debt) D1 := min( f, A1 ) und die Eigenkapitalgeber (E steht für Equity) das nach Abzug von D1 verbleibende Residuum E 1 := A1 − D1 erhalten, wenn das Unternehmen in t1 liquidiert wird. Fraglich ist, ob ein aus den Bruchteilen g D und g E bestehendes Portfolio aus Fremdund Eigenkapitalansprüchen irgendwelche Risikoallokationsmöglichkeiten schafft, die das am Markt gehandelte unverschuldete Unternehmen in Verbindung mit am Markt gehandelten sicheren Titeln nicht bietet. Man beachte dabei, dass4 E 1 = A1 − min( f, A1 ) = A1 + max(− f,− A1 ) = max(A1 − f,0)
(25.1)
gilt. Die Ansprüche der Eigenkapitalgeber besitzen also die Zahlungscharakteristik Z 1C (A1 , f ) einer Call-Option auf die Assets mit Basispreis f . Dementsprechend kann man die Gläubiger wegen D1 = A1 − E 1 = A1 − Z 1C (A1 , f )
3
4
nehmen mit der höheren Verschuldung glaubhaft auf eine riskantere Absatzpolitik festlegt, so dass dem Wettbewerber nichts anderes übrig bleibt, als sich mit einem kleineren Marktanteil zu begnügen. Hinzu kommt noch, dass Finanzierungsmaßnahmen zum Beispiel aufgrund einer effektiveren Kontrolle des Managements durch die Financiers indirekte Auswirkungen auf leistungswirtschaftliche Dispositionen haben können. Ferner können sie auch deswegen den Gesamtwert beeinflussen, weil sie Rückschlüsse auf nicht öffentliche Informationen zulassen. Bei Liquidation des verschuldeten Unternehmens muss die Rückzahlung in Höhe von f erfolgt sein, bevor die Eigenkapitalgeber Geld zurück erhalten. Dazu ist grundsätzlich die gesamte Haftungsmasse, das ist die Summe aus den Vermögensgegenständen des Unternehmens (investiertes Unternehmensvermögen) und eventuellen Haftungszusagen von Gesellschaftern und/oder Dritten (potenzielles Unternehmensvermögen) heranzuziehen. Von potenziellem Unternehmensvermögen wird hier und im Folgenden abgesehen. Zur Erinnerung: Es gilt max(−a,−b) = −min(a,b); vgl. hierzu die ausführliche Darstellung (8.9).
25.2 Kapitalkosten bei teilweiser Fremdfinanzierung
193
als Stillhalter einer solchen Call-Option auf die Assets mit Basispreis f ansehen. Aus der Put-Call Parity5 Z 1C (A1 , f ) = Z 1P (A1 , f ) + A1 − f folgt, dass man die Eigner und die Gläubiger gemäß E 1 = A1 − f + Z 1P (A1 , f ) und D1 = A1 − E 1 = f − Z 1P (A1 , f ) auch als Halter bzw. Stillhalter einer Put-Option ansehen kann. Somit erhält man unter Berücksichtigung von E 1 + D1 = A1 D g · A1 + (g E − g D ) · Z 1C falls g E ≥ g D g D · D1 + g E · E 1 = E D E D E P g · A1 + (g − g ) · f − (g − g ) · Z 1 falls g E < g D . Hieraus folgt, dass die Verschuldung keine zusätzliche Risikoallokationsmöglichkeiten eröffnet, falls Puts und Calls auf die Assets des Unternehmens repliziert werden können. Sofern das unverschuldete Unternehmen und sichere Titel am Markt gehandelt werden, bereitet das – wie die Ausführungen in Abschnitt 10.1 gezeigt haben – grundsätzlich keine Schwierigkeiten, solange man von Transaktionskosten absieht. Ist das Fremdkapital sicher, dann gilt Z 1C = A1 − f und Z 1P = 0 und mithin E g · A1 − (g E − g D ) · f falls g E ≥ g D g D · D1 + g E · E 1 = g E · A1 + (g D − g E ) · f falls g E < g D = g E · A1 + (g D − g E ) · f . In diesem Spezialfall muss also noch nicht einmal vorausgesetzt werden, dass Calls und Puts kostenlos repliziert werden können, um zu der Feststellung zu gelangen, dass die Verschuldung keine zusätzlichen Allokationsmöglichkeiten bietet.
25.2 Kapitalkosten bei teilweiser Fremdfinanzierung Ist ein Unternehmen zum Teil fremdfinanziert, dann ist zu beachten, dass die in n erfolgenden Kapitalauszahlungen dieses Unternehmens in zwei Teile zerfallen, nämlich den Teil z nE , der an die Eigenkapitalgeber fließt, und den Teil z nD , der an die Gläubiger fließt. Dementsprechend zerfällt auch der Gesamtwert des Unternehmens in den Wert VnE der den Eigenkapitalgebern noch zustehenden zukünftigen Zahlungen und den Wert VnD der den Fremdkapitalgebern noch zustehenden zukünftigen Zahlungen . In Verbindung mit der Definition 5
Z 1P (A 1 , f ) steht für die Zahlungscharakteristik eines entsprechenden Put, siehe Abschnitt 8.6.
194
25 Finanzierung bei strikter Trennung zwischen Leistungs- und Finanzbereich
γn : =
VnE + VnD
VnE
für die Eigenkapitalquote6 gelangt man somit durch Einsetzen der durch (1.5) in Verbindung mit (1.6) implizierten Beziehung F F F z n+1 + Vn+1 − VnF = kn,n+1 · VnF
für die Kapitalkosten der sogenannten Finanzparten F ∈ {E, D} in kn,n+1 = =
E D E D + z n+1 + Vn+1 + Vn+1 − (VnE + VnD ) z n+1 VnE + VnD E +V E −V E +zD +V D −V D z n+1 n n n+1 n+1 n+1 VnE + VnD
F in Verbindung mit den partenspezifischen Kapitalkostensätzen kn,n+1 zu der Darstellung E D kn,n+1 = WACCn,n+1 : = γn · kn,n+1 · +(1 − γn ) · kn,n+1 .
(25.2)
Demnach lassen sich die den tatsächlichen Kapitalkosten eines Unternehmens entsprechenden Kapitalkostensätze als gewichtetes Mittel der finanzpartenspezifischen Kapitalkostensätze der entsprechenden Perioden ermitteln (WACC steht für Weighted Average Cost of Capital). Von Bedeutung ist der Zusammenhang dann, wenn Unsicherheit herrscht, und man die historischen Renditen der Financiers von Vergleichsunternehmen mit möglichst identischem Betätigungsfeld als Schätzer für den Kapitalkostensatz eines bestimmten Projektes verwenden möchte. Die obigen Überlegungen zeigen, dass die Tatsache, dass das zu bewertende Projekt mit einem anderen Verhältnis aus Eigen- und Fremdkapital als dem beim Vergleichsunternehmen finanziert werden soll, grundsätzlich keine Probleme aufwirft. Voraussetzung ist, dass die Kapitalstruktur irrelevant ist, so dass die Finanzierung keinen Einfluss auf die Höhe der insgesamt möglichen Kapitalauszahlungen hat. 7 In diesem Fall entsprechen die Kapitalkostensätze dem gewichteten Mittel der finanzpartenspezifischen Kapitalkostensätze. Falsch wäre es indes, den Kapitalkostensatz für das Projekt ausschließlich aus den Renditen für das Eigenkapital des Vergleichsunternehmens abzuleiten, ohne das Fremdkapital mit einzubeziehen.8
6 7 8
Es handelt sich hierbei um die faktische Eigenkapitalquote, die normalerweise nicht mit der bilanziellen Eigenkapitalquote übereinstimmt. Vgl. Abschnitt 25.1 zu den Gründen, die für und gegen die Irrelevanz der Kapitalstruktur bzw. Finanzierung sprechen. Die Gefahr besteht insbesondere bei börsennotierten Unternehmen deswegen, weil Dividenden und Kursänderungen leichter zu beobachten sind als die Kosten für das häufig nicht oder nur zum Teil gehandelte und stark zersplitterte Fremdkapital.
25.3 Neoklassische Finanzierungsoptima
195
25.3 Neoklassische Finanzierungsoptima Neoklassische Finanzierungsoptima basieren auf einer Umverteilung des Unternehmensvermögens zwischen Inhabern und Nichtinhabern von Finanztiteln. Mit der Berücksichtigung von Steuern kommt der Fiskus als zusätzlicher Anspruchsberechtigter ins Spiel. Beschränkt man sich auf die Interessen der privaten Financiers, so entsteht mit der Berücksichtigung von Steuern eine Situation, in der die Finanzierung genau dann relevant wird, wenn der Gesamtbetrag der an den Fiskus abgeführten Steuern durch die Finanzierung beeinflusst werden kann. Unter diesen Umständen ist aus Sicht der privaten Financiers die Finanzierung optimal, die diesen Betrag minimiert. Dies setzt aber voraus, dass eine Finanzierungsform steuerlich systematisch begünstigt wird. Aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Zinsen gilt die Fremdfinanzierung schon seit eh und je als steuerlich systematisch begünstigt. Solange Kursgewinne grundsätzlich steuerfrei waren, gehörte diese Behauptung jedoch zumindest im Hinblick auf im Privatvermögen befindliche Engagements in börsennotierten Aktiengesellschaften auf den Prüfstand. Seit Einführung einer generellen Abführungssteuer auch auf Kursgewinne zu Beginn des Jahres 2009 ist die steuerliche Begünstigung von Fremdkapital in jedem Fall gegeben. Angesichts dieser einseitigen steuerlichen Begünstigung stellt sich somit die Frage, ob der steuerlichen Vorteilhaftigkeit der Fremdfinanzierung nicht andere Nachteile gegenüber stehen. Ein solcher Nachteil ist die mit wachsender Verschuldung wachsende Insolvenzwahrscheinlichkeit. Gilt ein Unternehmen als zahlungsunfähig oder überschuldet, dann geht die Verfügungsgewalt über die Vermögensgegenstände von den Anteilseignern auf die Gläubiger über. Die Interessen der Gläubiger und anderer Anspruchsberechtigter werden durch einen Insolvenzverwalter vertreten. Dessen Bezahlung ist nur eine Komponente der Konkurskosten, die im Falle einer Insolvenz entstehen. Man unterscheidet zwischen direkten Konkurskosten und indirekten Konkurskosten. Bei den direkten Kosten handelt es sich um die Kosten des Verfahrens. Die indirekten Kosten entstehen durch Verhaltensänderungen von Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern. Während direkte Kosten aus dem Umstand resultieren, dass Verfahrensbeteiligte Ansprüche an der Unternehmen erwerben, handelt es sich bei den indirekten Konkurskosten um echte Wohlfahrtsverluste. Ein Beispiel ist die Vernichtung von Humankapital, wenn Arbeitnehmer auf Arbeitsplätze abwandern, für die sie überqualifiziert sind, oder gar arbeitslos werden. Auf die explizite Bestimmung eines Optimums wird hier verzichtet, da die Quantifizierung indirekter Konkurskurskosten mit erheblichen Ermessensspielräumen verbunden ist. Jedenfalls ist die Kapitalstruktur nicht mehr irrelevant, wenn die Neuordnung der Verfügungsrechte im Falle einer Insolvenz nicht ohne Reibungsverluste vonstatten geht.
26 Probleme der asymmetrischen Teilhabe am Ergebnis oder am Kapitaleinsatz
Bei neoklassichen Finanzierungsoptima ging es darum, den Marktwert der Zahlungsansprüche der Inhaber von Finanztiteln zu maximieren, indem man den Marktwert der Ansprüche von Nichtinhabern von Finanztiteln bei gegebenem Leistungsprogramm minimiert. Bei informationsökonomischen Finanzierungsoptima geht es um den Beitrag verschiedener Finanzierungsformen zur Begrenzung von Interessenkonflikten zwischen verschiedenen Gruppen von Financiers, von Verhaltensrisiken bei der Geschäftsführung und zur Informationsübermittlung.1 Man könnte es auch so formulieren, dass es bei informationsökonomischen Finanzierungsoptima darum geht, den Marktwert der Zahlungsansprüche der Inhaber von Finanztiteln zu maximieren, indem man die sich aus der asymmetrischen Aufteilung des Ergebnisses auf Eigen- und Fremdkapitalgeber sowie aus der Trennung zwischen Eigentum und Geschäftsführung ergebenden negativen externen Effekte leistungswirtschaftlicher Dispositionen minimiert bzw. die Realisierung positiver externer Effekte fördert. Ein Beispiel für die Auswirkungen externer Effekte auf die Finanzierung ist das berühmte Modell von Jensen & Meckling (1976), in dem der Konsum am Arbeitsplatz eine Erweiterung des Gesellschaftkreises einer Einzelunternehmung behindert. Das 1
Einen Überblick über die in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts hierzu entwickelten Modelle verschafft Thakor (1989). Für Krahnen (1993) kennzeichnen diese Modelle die dritte von insgesamt vier Phasen in der Entwicklung der Finanzwirtschaft. Die Phasen eins bis drei sind aus seiner Sicht dadurch gekennzeichnet, dass die mit Investitions- und Finanzierungsentscheidungen verknüpften Interaktionen entweder durch institutionelle Arrangements oder durch den Markt koordiniert werden. Erst die an die informationsökonomische Phase anschließende vierte Phase überwindet diese Bipolarität, indem sie marktliche und vertragliche Koordination als Alternativen behandelt. Auslöser für diese Rückbesinnung auf den Markt waren die beträchtlichen Kosten, die die Koordination durch Institutionen verursachen kann. Daher stellt man sich seit einiger Zeit wieder verstärkt die Frage nach dem Beitrag funktionierender Märkte zur Eindämmung von Interessenskonflikten. Dazu müssen allerdings anders als in der neoklassischen Phase institutionelle Aspekte der Marktverfassung berücksichtigt werden, so dass der Markt letztlich selbst zur Institution wird.
198
26 Probleme der asymmetrischen Teilhabe am Ergebnis oder am Kapitaleinsatz
sei im Folgenden kurz skizziert: Angenommen ein Einzelunternehmer findet jemanden, der ihm den Bruchteil 1 − γ seines Unternehmens abkauft, ihm aber die alleinige Geschäftsführung überlässt, so erhöht dies zunächst einmal seinen Anreiz zu Konsum am Arbeitsplatz: Zwar schmälert jeder Euro an Mehrkonsum das Betriebsvermögen (vor Steuern) weiterhin um einen Euro, aber davon ist der GesellschafterGeschäftsführer nur noch mit dem Bruchteil γ < 1 betroffen. Den Bruchteil 1 − γ trägt schließlich der neue Gesellschafter. Insoweit entsteht ein negativer externer Effekt. Da der Einzelunternehmer davon ausgehen muss, dass die Antizipation dessen die Zahlungsbereitschaft eines rationalen Käufers bremst, sieht sich der Einzelunternehmer letztendlich veranlasst, mehr am Arbeitsplatz zu konsumieren als in Abwesenheit externer Effekte optimal wäre und dafür einen entsprechend niedrigeren Kaufpreis zu akzeptieren. Infolge dieser Ineffizienz führt die Beteiligungsfinanzierung den Einzelunternehmer zwangsläufig auf ein niedrigeres Nutzenniveau. Mögliche Auswege aus diesem Dilemma sind:
Vertragliche Regelung des Konsums am Arbeitsplatz Besonders problematisch an diesem Ausweg sind die hohen Kosten der Durchsetzung für den Käufer. Diese umfassen Kosten der Beobachtung, Verifikation sowie gegebenenfalls Prozess- und Anwaltskosten. Die Antizipation dieser Kosten rechtfertigt ebenfalls einen Abschlag vom Marktwert des Unternehmensvermögens. Fremdfinanzierung Fremdfinanzierung ist dann eine perfekte Lösung des Problems, wenn die Veräußerung des Bruchteils 1 − γ der Beschaffung von Finanzierungsmitteln und nicht etwa der Risikodiversifikation dient und wenn die Gläubiger-Ansprüche nicht vom Verhalten des Geschäftsführers berührt werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn man annimmt, dass Fremdkapital sicher ist.
26.1 Konflikte zwischen Anteilseignern und Gläubigern Im Folgenden geht es um Konflikte zwischen Anteilseignern und Gläubigern. Dabei wird von gegebenen Finanzinstrumenten ausgegangen2 und stets vorausgesetzt, dass jeder Financier den für die Assets des betrachteten Unternehmens tatsächlich erzielten Liquidationserlös A1 im Nachhinein kostenlos beobachten kann.3 26.1.1 Das Nach-mir-die-Sintflut-Problem Das Nach-mir-die Sintflut-Problem einer hohen Verschuldung besteht darin, dass Eigner dazu angereizt werden, kurzfristige Vorteile von Investitionsprojekten nur allzu bereitwillig mit schwerer wiegenden langfristigen Nachteilen zu erkaufen, wenn 2
3
Mit der tiefer gehenden Frage, inwieweit die Zahlungscharakteristika verschiedener Finanzparten optimal definiert sind, befasst sich die Theorie der Finanzintermediation, vgl. hierzu Freixas & Rochet (1997, insb. Kapitel 4). Man sagt auch, die Information sei ex post symmetrisch verteilt.
26.1 Konflikte zwischen Anteilseignern und Gläubigern
199
die Verschuldung so hoch ist, dass die langfristigen Nachteile sowieso zumindest teilweise zu Lasten der Gläubiger gehen (Take the Money and Run-Politik). Das soll im Folgenden mit Hilfe eines einfachen Zwei-Perioden-Modells illustriert werden: Zur Wahl stehen zwei Investitionsgelegenheiten g ∈ {q,s}, die sich im Sinne von (z 1s ,z 2s ) = (z,z)
(26.1)
(z 1q ,z 2q ) = (z + Δ1 ,z − Δ2 )
(26.2)
mit Δ1 ,Δ2 > 0 langsam (slowly) bzw. schnell (qui ckly) amortisieren. Betrachtet man die Alternativen für sich, dann gelten in Verbindung mit der Bewertungsfunktion für sichere Zahlungen Π0 (z 1 ,z 2 ) = P(0,1) · z 1 + P(0,2) · z 2 sowie der Definition Z(g)
Π0
:= Π0 (z 1g ,z 2g )
die Relationen Z(q)
Π0
Z(s)
Π0
⇔ P(0,1) · Δ1 P(0,2) · Δ2 .
Das sich schneller amortisierende Projekt q ist demnach genau dann vorteilhaft, wenn die bewerteten kurzfristigen Vorteile größer sind als die bewerteten langfristigen Nachteile. Z(q) Z(s) Im Folgenden gehen wir von Π0 < Π0 aus und zeigen, dass die Eigner der Gelegenheit q dennoch unter Umständen den Vorzug geben, falls diese teilweise fremdfinanziert und in der Rechtsform eines Unternehmens mit beschränkter Haftung realisiert wird. Ursächlich hierfür ist die Tatsache, dass der Trade-Off zwischen kurzfristigen Vorteilen und langfristigen Nachteilen unter Umständen durch einen negativen externen Effekt für die Gläubiger verzerrt wird. Das soll im Folgenden illustriert werden. Geht ein Unternehmen ohne sonstige Haftungsmasse Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern ein, so entscheiden die Eigner nicht nach Maßgabe der Projekt-Cash-Flows selbst, sondern auf Grund der Residuen, die nach Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber den Gläubigern für sie übrig bleiben. Angenommen es werden Rückzahlungsverpflichtungen in Höhe von ( f 1 , f 2 ) = ( f, f ) eingegangen, dann orientieren sich die Eigner am Marktwert des Eigenkapitals E f (g)
Π0
:= Π0 (max(z 1g − f,0), max(z 2g − f,0)).
In diesem Fall kommt es unter der Bedingung z − Δ2 < f < z + Δ1 zu einer Verzerrung bei der Abwägung zwischen kurzfristigen Vor- und langfristigen Nachteilen. Diese Verzerrung begünstigt stets das sich schneller amortisierende Projekt, weil
200
26 Probleme der asymmetrischen Teilhabe am Ergebnis oder am Kapitaleinsatz
im Fall z ≤ f < z + Δ1 bei voller Überwälzung der langfristigen Nachteile wenigstens ein Teil der kurzfristigen Vorteile realisiert werden kann oder im Fall z − Δ2 < f ≤ z die langfristigen Nachteile wenigstens teilweise auf die Gläubiger überwälzt werden können, ohne dass dem Einbußen bei den kurzfristigen Vorteilen gegenüber stünden.
Offensichtlich erhält die Gelegenheit q im Fall z ≤ f < z + Δ1 stets den Vorzug, weil der mit ihr verbundene langfristige Nachteil als negativer externer Effekt vollständig zu Lasten der Gläubiger geht. Im Fall z − Δ2 < f ≤ z gilt E f (q)
Π0
E f (s)
Π0
⇔ P(0,1) · Δ1 P(0,2) · (z − f ).
Der relative Nachteil von Gelegenheit q reduziert sich in diesem Fall von Δ2 auf das Residuum z − f , das die Anteilseigner durch den Verzicht auf die Verwirklichung von Projekt s aufgeben. Das Beispiel zeigt, dass Fremdfinanzierung eine kurzsichtige Investitionspolitik begünstigen kann, da die Kreditgeber stärker an den langfristigen Nachteilen als an den kurzfristigen Vorteilen partizipieren. Das kann dazu führen, dass die Anteilseigner hoch verschuldeter Unternehmen zu wenig investieren (beispielsweise für die Reputation ihres Unternehmens), weil sie den Vorteil sofortiger Kosteneinsparungen in voller Höhe vereinnahmen, während die negativen Folgen wenigstens teilweise von den Fremdkapitalgebern getragen werden müssen.4 Man spricht daher auch von einem Unterinvestitionsproblem.5 26.1.2 Das Risikoanreiz-Problem Analog zu dem Anreiz, kurzfristige Vorteile nur allzu bereitwillig mit schwerer wiegenden langfristigen Nachteilen zu erkaufen, sorgt die asymmetrische Partizipation von Eignern und Gläubigern an Chancen und Risiken dafür, dass die Chance auf einen höheren Gewinn unter günstigen ökonomischen Rahmenbedingungen nur allzu bereitwillig mit schwerer wiegenden Verlusten unter ungünstigen ökonomischen 4 5
Vgl. Maksimovic & Titman (1991). Im Modell von Maksimovic (1988) resultieren kurzfristige Vorteile und langfristige Nachteile aus dem Bruch einer Kartellabsprache. Er leitet daraus die Existenz eines kritischen Verschuldungsgrades in Branchen mit funktionierenden Kartellen ab, die sich ihrerseits durch eine relativ homogene Mitgliederstruktur auszeichnen. An die Existenz eines kritischen Verschuldungsgrades knüpft sich eine Reihe von im Rahmen einer Querschnittsbetrachtung (Branchenvergleich) empirisch testbaren Hypothesen. So müsste beispielsweise die Verschuldung in solchen Branchen vergleichsweise niedriger sein, die infolge eines höheren systematischen Risikos höhere Kapitalkosten haben. Weitere Gründe für einen niedrigeren kritischen Verschuldungsgrad sind eine größere Anzahl von Kartellmitgliedern und eine höhere Elastizität der Nachfrage. Das erklärt sich mit der einfachen Überlegung, dass der kurzfristige Vorteil in allen Fällen entweder aufgrund des Zeiteffektes oder des größeren vorübergehenden Marktanteilsgewinns oder aufgrund des größeren einmaligen Umsatzzuwachses relativ mehr Gewicht bekommt. Um den Bestand des Kartells dennoch nicht zu gefährden, kann in diesen Fällen eine niedrigere Verschuldung erforderlich werden.
26.1 Konflikte zwischen Anteilseignern und Gläubigern
201
Rahmenbedingungen erkauft wird, falls absehbar ist, dass sich die Insolvenz unter ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen sowieso nicht abwenden lässt, so dass die Gläubiger für diese Verluste gerade stehen müssen. Das soll im Folgenden illustriert werden: Die Eigner einer Kapitalgesellschaft, die in t1 = 1 zerschlagen wird, können zwischen zwei Investitionsgelegenheiten g ∈ {l,h} mit niedrigem Risiko l (für low) oder hohem Risiko h (für high) wählen. Für die Liquidationserlöse A1g (ω) mit ω ∈ {d,u} gilt: Ah1 (d) < Al1 (d) ≤ Al1(u) < Ah1 (u).
(26.3)
Um deutlich zu machen, dass die Wurzel für den Anreiz zu überhöhtem Risiko und mangelndem Weitblick die gleiche ist, nehmen wir analog zu (26.1) und (26.2) (Al1 (d), Al1 (u)) = (z,z)
(26.4)
(Ah1 (d), Ah1 (u)) = (z − Δd ,z + Δu )
(26.5)
an. Sei Π0 (Z 1 ) = P(0,1) ·
P(1,1)−1 · Z 1 = P(0,1) · (Z 1)
die Funktion, mit welcher risikobehaftete Zahlungen am Markt bewertet werden, und sei E f (g)
Π0
:= Π0 (max(A1g (ω) − f,0))
der Marktwert des Eigenkapitals des im Umfang f verschuldeten Unternehmens für den Fall, dass die Gelegenheit g realisiert wird. Unter der Annahme Δd ≤ z gilt A1g (ω) ≥ 0 für alle Kombinationen von g und ω. In diesem Fall gilt E 0 (g)
Π0
A(g)
= Π0 (A1g (ω)) =: Π0
für den Marktwert des Eigenkapitals des schuldenfreien Unternehmens. Sei die Pseudo-Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Ereignisses ω,6 dann gilt A(h)
Π0
A(l)
Π0
⇔
(ω)
(u) · Δu (d) · Δd .
Im Folgenden wird gezeigt, dass die Abwägung zwischen konjunkturell bedingten Vor- und Nachteilen der Alternativen im Fall eines verschuldeten Unternehmens zu Gunsten des risikoreicheren Projektes verzerrt wird, wenn entweder
6
im Fall z ≤ f < z + Δu die konjunkturell bedingten Vorteile bei voller Überwälzung der konjunkturell bedingten Nachteile wenigstens zum Teil realisiert werden können
Korrekt muss es eigentlich ({ω}) heißen, der Übersichtlichkeit wegen wird jedoch auf die Mengenklammer verzichtet. Vgl. Abschnitt 9.3 zum Begriff PseudoWahrscheinlichkeit.
202
26 Probleme der asymmetrischen Teilhabe am Ergebnis oder am Kapitaleinsatz
oder im Fall z − Δd < f < z die konjunkturell bedingten Nachteile wenigstens teilweise auf die Gläubiger überwälzt werden können, ohne dass dem Einbußen bei den konjunkturell bedingten Vorteilen gegenüber stünden.
Im Fall z ≤ f < z + Δu spricht aus Sicht der Eigner nichts mehr für die Verwirklichung von Gelegenheit l. Gelegenheit h dominiert, da der im Vergleich zu Alternative l um den Betrag Δd niedrigere Rückfluss bei schlechter Konjunktur als negativer externer Effekt vollständig zu Lasten der Gläubiger geht. Im Fall z − Δd < f < z reduziert sich der relative Nachteil von Alternative h bei schlechter Konjunktur auf das Residuum, das die Anteilseigner durch den Verzicht auf die Verwirklichung von Alternative l aufgeben. Das spiegelt sich in E f (h)
Π0
E f (l)
Π0
⇔
(u) · Δu (d) · (z − f ).
(26.6)
Es kommt demnach zu einer ineffizienten Entscheidung, falls7
(d) · (z − f ) < (u) · Δu < (d) · Δd , wobei man sich darüber im Klaren sein sollte, dass sich das Risikoanreizproblem in einem Ein-Perioden-Kontext überspitzt darstellt, weil sich Wohlverhalten anders als in der Realität gar nicht auszahlen kann.8 Banken versuchen, das Risikoanreizproblem in erster Linie durch eine Beschränkung der Handlungsspielräume von Kreditnehmern bei der Durchführung von Investitionsprojekten einzudämmen, indem sie zum Beispiel
kurze Kreditlaufzeiten und Kündigungsklauseln vereinbaren auf die Einhaltung allgemein üblicher Finanzierungsregeln pochen sich Kreditsicherheiten einräumen lassen .
Kreditsicherheiten schränken die Verfügungsgewalt der Schuldner über die Vermögensgegenstände eines Unternehmens und mithin auch die Möglichkeiten einer Änderung der Investitionspolitik ein. Problematisch ist, dass die nachträgliche Einräumung von Kreditsicherheiten Umverteilungen zwischen Gläubigern untereinander und von Kunden mit Gewährleistungsansprüchen zu Gläubigern bewirken können. Unter Umständen sollte über ein Nachverhandeln von Kreditkonditionen nachgedacht werden. Anlass hierzu gibt die Abwägung (26.6), die es nahe legt, dass die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderung verzichten, um die Verbindlichkeit auf den implizit durch die Bedingung
(u) · Δu =! (d) · (z − φ1 ) definierten kritischen Wert φ1 = z − 7 8
(u) · Δu (d)
(26.7)
(26.8)
Das impliziert im Übrigen, dass der Gesamtmarktwert eines Unternehmens unter den hier getroffenen Annahmen von der Finanzierung abhängig ist. Vgl. hierzu Diamond (1989).
26.1 Konflikte zwischen Anteilseignern und Gläubigern
203
zu senken, bei dem der bewertete relative Vorteil der risikoreicheren Alternative bei guter Konjunktur gerade noch durch den bewerteten relativen Nachteil bei schlechter Konjunktur aufgewogen wird, so dass aus Sicht der Eigner zumindest nichts mehr gegen die unter der Voraussetzung (u) · Δu < (d) · Δd bessere Alternative l spricht. Wegen (u) · Δu < (d) · Δd ⇒ z − Δd < φ1 existiert eine durch die Bedingung
(u) · φ2 + (d) · (z − Δd ) =! φ1
(26.9)
definierte obere Grenze φ2 > φ1 für den Nominalwert der Verbindlichkeit, so dass für alle f im Intervall (φ1 ,φ2 ) sowohl die Eigner als auch die Schuldner im Verhältnis ( f − φ1 ) : (φ2 − f ) von einem Forderungsverzicht im Umfang f − φ1 profitieren. Verteilungsmasse ist der Marktwert des mit dem Umschwenken auf die weniger riskante Investition verbundenen Effizienzgewinns in Höhe von
P(0,1) · ( (d) · Δd − (u) · Δu ), der sich unter Berücksichtigung der durch (26.7) implizierten Beziehung
(d) · Δd − (u) · Δu = (d) · Δd − (d) · (z − φ1 ) = (d) · φ1 − (d) · (z − Δd ) sowie der durch (26.9) impizierten Beziehung
(d) · φ1 − (d) · (z − Δd ) = (d) · φ1 − (φ1 − φ2 · (u)) = (u) · φ2 − (1 − (d)) · φ1 wie folgt darstellt:
P(0,1) · ( (d) · Δd − (u) · Δu ) = P(0,1) · (u) · (φ2 − φ1 ).
(26.10)
Es kann also im Interesse aller Beteiligten sein, Kreditkonditionen nachzuverhandeln.9 Gilt f > φ2 , dann müssen die Gläubiger wenigstens im Umfang P(0,1)· (u)·( f − φ2 ) entschädigt werden, um einer Herabsetzung des Nominalwertes der Verbindlichkeit auf φ1 zuzustimmen. Eine naheliegende Lösung, die das Übel an der Wurzel packt, ist ein sogenannter Debt-Equity-Swap. Dazu wird das Grundkapital zu Gunsγ ten der Gläubiger um den Faktor 1−γ erhöht, so dass die Fremdkapitalgeber nach der Emission einen Bruchteil von
γ 1−γ γ 1 + 1−γ 9
=γ
Ist es, wie im vorliegenden Fall, wünschenswert, nachverhandeln zu können, so hat die Kreditaufnahme gegenüber einer Anleiheemission den Vorteil, dass der Finanzintermediär „Bank“ dem Schuldner das Nachverhandeln von Anleihekonditionen mit den womöglich weit verstreuten Besitzern verbriefter Fremdkapitaltitel erspart. Unter Umständen kann es allerdings ex ante von Vorteil sein, wenn Nachverhandlungen ausgeschlossen sind, vgl. hierzu Kapitel 28.
204
26 Probleme der asymmetrischen Teilhabe am Ergebnis oder am Kapitaleinsatz
am Grundkapital ihr Eigen nennen. Die Kapitalmaßnahme ändert nichts am Risikoanreiz, denn solange γ < 1 gilt und den Anteilseignern somit ein Bruchteil 1 − γ > 0 verbleibt, erfüllt f = φ1 die Bedingung
(u) · (1 − γ ) · Δu =! (d) · (1 − γ ) · (z − f ) für die kritische Verschuldung, mit deren Überschreiten das Risiko unter Inkaufnahme von Marktwerteinbußen erhöht wird. Voraussetzung dafür, dass der Debt-Equity-Swap die Zustimmung beider Gruppen von Financiers findet, sind die Bedingungen
(u) · (max(z + Δu − f,0) γ · (z − φ1 ) ≥ (u) · (min(z + Δu , f ) − φ2 ),
(1 − γ ) · (z − φ1 ) ≥
die unter der Bedingung f ≤ z + Δu äquivalent zu
γ · (z − φ1 ) ≤ z − φ1 − (u) · (z + Δu − f ) γ · (z − φ1 ) ≥ (u) · ( f − φ2 )
bzw. zu10
(u) ·
f − φ1 φ2 − φ1 − z − φ1 z − φ1
≤γ ≤
(u) · zf −−φφ1 1
sind. Aus (26.10) erhält man in Verbindung mit (26.7) φ2 − φ1 = z − φ1
(d) · (d) · Δd − (u) · Δu , (u) (u) · Δu
woraus ersichtlich wird, dass ein positives Verhandlungsintervall genau dann existiert, wenn die Wahl der weniger risikoreichen Alternative mit einem Effizienzgewinn verbunden ist. Beispiel 26.1. Wir betrachten den Grenzfall f = z +Δu und nehmen an, dass die Eigner glaubhaft drohen, die riskante Investitionsgelegenheit zu verwirklichen, obwohl sie ex post betrachtet nicht davon profitieren würden. 10
Die Äquivalenz ergibt sich unter Berücksichtigung von z − φ1 −
(u) · (z + Δu − f )
(u) · ( f − φ2 ) + z − φ1 − (u) · (z + Δu − f ) − (u) · ( f − φ2 ) = (u) · ( f − φ2 ) + (d) · (z − φ1 ) + (u) · (z − φ1 ) − (u) · (z + Δu − φ2 ) [wg. (26.7)] = (u) · ( f − φ2 ) + (u) · (φ2 − φ1 ) + (d) · (z − φ1 ) − (u) · Δu & '( ) =
=
(u) · ( f − φ1 ).
=0
26.1 Konflikte zwischen Anteilseignern und Gläubigern
Seien z = 100, (d) = dann liefert (26.8)
(u) = 0,5, Δd = 50, Δu = 25,
205
f = 125 und P(0,1) = 1,
φ1 = 100 − 25 = 75. Ein Forderungsverzicht ohne flankierende Maßnahme kommt für die Gläubiger nicht in Betracht, weil der Marktwert des riskanteren Projektes in Höhe von 1 · (50 + 125) = 87,5, 2 der ihnen in vollem Umfang zusteht, immer noch höher ist als der Marktwert einer sicheren Zahlung in Höhe von φ1 = 75. Die Bank beschließt daher einen DebtEquity-Swap in Erwägung zu ziehen. Durch Substitution von f = z + Δu ermittelt die Bank, dass sich das Verhandlungsintervall für die Beteiligungsquote wegen ⎛ ⎞ u f − φ1 z + Δ u − φ1 Δ ⎠ = (u) + (d) = 1 (u) · = (u) · = (u) · ⎝1 + (u) z − φ1 z − φ1 · Δu
(d)
im gegebenen Fall zu d · Δu (d) ·Δ(u)−·Δ(u) ≤γ ≤1 u
1 − (d) bzw.
0,5 ≤ γ ≤ 1 konkretisiert. Als Verhandlungslösung bietet es sich unter den getroffenen Annahmen an, eine Kapitalerhöhung im Verhältnis 3:1 durchzuführen und die jungen Aktien als Gegenleistung für einen Forderungsverzicht in Höhe von 50 ohne weitere Zuzahlung an die Bank auszugeben. In diesem Fall beläuft sich der Marktwert der Gesamtposition der Bank auf 75 + 0,75 ·25 = 93,75. Den ursprünglichen Anteilseignern verbleibt ein Marktwert in Höhe von 0,25 · 25 = 6,25, so dass sich die beiden Parten den Effizienzgewinn in Höhe von 0,5 · (50 − 25) = 12,5 gerade teilen. 26.1.3 Das Unterinvestitions-Problem Es wurde gezeigt, dass die Asymmetrie der Ansprüche von Fremd- und Eigenkapitalgebern den Ausschlag dafür geben, kann dass eine risikoreichere Investitionsgelegenheit einer weniger risikoreichen Investitionsgelegenheit mit höherem Marktwert vorgezogen wird. Es kann aber auch passieren, dass die Unterlassungsalternative einer an sich Erfolg versprechenden Investitionsgelegenheit vorgezogen wird, wenn die durch die Investition bewirkte Steigerung des Unternehmenswertes vorrangig den Gläubigern zu Gute kommt.11 Das Problem taucht auf, wenn die durch die Investition bewirkte Steigerung des Unternehmenswertes vorrangig den Gläubigern eines 11
Bei der Investitionsgelegenheit kann es sich auch um den Erwerb eines anderen Unternehmens handeln, der trotz positiver Synergieeffekte aus Sicht der Eigner des übernehmenden Unternehmens besser unterbleibt, vgl. Kürsten (2003).
206
26 Probleme der asymmetrischen Teilhabe am Ergebnis oder am Kapitaleinsatz
insolvenzgefährdeten Unternehmens zu Gute kommt. Die Anteilseigner haben nämlich erst dann ein Interesse, an sich Erfolg versprechende Investitionsgelegenheiten zu ergreifen, wenn sich der dadurch bewirkte Reinvermögenszuwachs nicht in einer höheren Konkursquote erschöpft. Dieser Sachverhalt ist seit Myers (1977) in der Literatur als Unterinvestitions-Problem bekannt. Probleme bereitet demnach nicht nur der Umstand, dass die Nachteile einer risikoreichen Investition bei ungünstiger Entwicklung von den Gläubigern getragen werden (negativer externer Effekt), sondern auch der Umstand, dass die Vorteile einer Investition mit Hedge-Charakter unter ungünstigen Rahmenbedingungen vorzugsweise den Gläubigern zu Gute kommt (positiver externer Effekt).
26.2 Gläubigerkonflikte als Sanierungsbremse Interessenkonflikte gibt es nicht nur zwischen verschiedenen Gruppen von Financiers sondern auch innerhalb der einzelnen Gruppen. Eine Fülle gesetzlicher Normen versucht die Konflikte einzudämmen. Man denke an den Minderheitenschutz im Aktiengesetz und an den Insolvenzplan in der Insolvenzordnung (§§ 217-269 InsO12 ), der unter anderem Gläubigerkonflikte13 lösen soll, um die Chancen einer Fortführung insolventer Unternehmen zu verbessern.14 Wie das gelingen kann, soll im Folgenden skizziert werden. Angenommen es existiert ein Sanierungsprojekt SP mit Marktwert Π0S P = P(0,1) · (z 1 + Π1S P ) − I > 0, dessen Verwirklichung wegen15 Π1S P + z 1 + A1 ≤ f nichts daran ändert, dass das Unternehmen im Zeitpunkt 1 überschuldet ist. Als Financiers kommen in dieser Situation nur die Gläubiger des Unternehmens in Betracht. Angenommen es gibt zwei Gläubiger mit Quoten γ ,1 − γ . Der zweite ist nicht bereit, sich an der Sanierung zu beteiligen, weil er darauf spekuliert, als Trittbrettfahrer davon zu profitieren, dass der erste die Initiative ergreift. Unter diesen Voraussetzungen rechnet sich ein Sanierungskredit S K für den ersten nur, falls Π0S K = γ · Π0S P − (1 − γ ) · I > 0 12 13 14
15
Siehe http://bundesrecht.juris.de/inso/. Vgl. hierzu Bulow & Shoven (1978) sowie Gertner & Scharfstein (1991). Die Begünstigung der Fortführung – im Zweifel auch zu Lasten von Eigentümerrechten – war neben der rechtzeitigen Auslösung des Verfahrens und der Begrenzung der (direkten) Kosten des Verfahrens ein wesentliches Ziel der Insolvenzrechtsreform; vgl. hierzu Drukarczyk (1987). Bei f handelt es sich wie bislang um den Nominalwert der Gesamtverbindlichkeit im Zeitpunkt 1, A 1 ist der Liquidationserlös der bereits vorhandenen Assets im Zeitpunkt 1.
26.2 Gläubigerkonflikte als Sanierungsbremse
207
gilt, da er das Projekt S P alleine finanzieren muss, aber nur mit seiner Quote γ am Nettovermögenszuwachs partizipiert. Das impliziert, dass auch Sanierungsprojekte mit positivem Kapitalwert an Gläubigerkonflikten scheitern können. Dieses Problem wurde bei der Reform des Insolvenzrechtes angepackt. Die Insolvenzordnung sieht die Möglichkeit eines Insolvenzplanes vor, in dem bestimmt wird, dass ein Sanierungskredit vorrangig zurückgezahlt wird. In diesem Fall beläuft sich der Wert des Sanierungskredites mit Insolvenzplan (SKIP) für den ersten Gläubiger auf Π0SKIP = γ · Π0S P , weil dieser weiterhin mit seiner Quote γ am Nettoerfolg partizipiert. Der Gläubigerkonflikt behindert die Sanierung demnach nicht mehr, wenn der Insolvenzplan eine vorrangige Rückzahlung des Sanierungskredites bestimmt.
27 Asymmetrische Information als Finanzierungshürde
In diesem Kapitel soll gezeigt werden, dass asymmetrisch verteilte Information die externe Finanzierung behindern kann. Dabei wird zunächst der Fall betrachtet, dass die Information asymmetrisch zwischen Alt-Gesellschaftern mit genauer Kenntnis der Geschäftslage und potenziellen Neu-Gesellschaftern, die lediglich öffentliche Information besitzen, verteilt ist. Dass die unter diesen Umständen berechtigte Skepsis der Neu-Gesellschafter die Kapitalbeschaffung erschweren kann, erscheint zwar wenig überraschend, dennoch ist es sehr aufschlussreich, den Interessenkonflikt zwischen Alt- und Neu-Gesellschaftern und seine Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit von Investitionen in einer Modellumgebung exakt zu analysieren. Im Anschluss wird dann noch gezeigt, dass asymmetrisch verteilte Information auch in Situationen mit jedenfalls auf den ersten Blick weniger offensichtlichen Interessenkonflikten zur Finanzierungshürde werden kann.
27.1 Asymmetrisch informierte Alt- und Neu-Gesellschafter Myers & Majluf (1984) betrachten ein Unternehmen, das bei der Verwirklichung einer an sich Erfolg versprechenden Investitionsgelegenheit auf das Geld von bislang nicht beteiligten Gesellschaftern angewiesen ist. Angenommen es handelt sich bei dem Unternehmen um eine Aktiengesellschaft, dann muss das Geld durch eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechtes1 beschafft werden. In dieser Situation spielt der Emissionskurs eine wichtige Rolle. Sobald dieser vom tat1
§ 186 Absatz 1 AktG – siehe http://bundesrecht.juris.de/aktg/__186. html – fordert, dass jeder Aktionär im Falle einer Kapitalerhöhung grundsätzlich die Möglichkeit erhalten muss, seine Beteiligungsquote konstant zu halten. Diese Vorschrift wird durch die Ausgabe von Bezugsrechten an die Aktionäre umgesetzt. Sollen die jungen Aktien ausschließlich bei bislang nicht am Unternehmen beteiligten Neu-Aktionären platziert werden, muss man daher zuvor das Bezugsrecht ausschließen. Der Ausschluss des Bezugsrechtes ist gemäß der Absätze 3 und 4 des § 186 AktG an relativ strenge Voraussetzungen geknüpft. Dazu gehört neben einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung auf der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals insbesondere, dass der Aus-
210
27 Asymmetrische Information als Finanzierungshürde
sächlichen Wert abweicht, kommt es zu einer Umverteilung zwischen Alt- und NeuAktionären. Im Falle einer Unterbewertung werden die Neu-Aktionäre zu Lasten der Alt-Aktionäre bereichert. Das kann dazu führen, dass die Alt-Aktionäre lieber auf die Verwirklichung einer an sich Erfolg versprechenden Investitionsgelegenheit verzichten.
27.1.1 Annahmen des Modells
Zeitpunkt der Betrachtung ist der Zeitpunkt 0, in dem die Kapitalerhöhung angekündigt wird. Im Zeitpunkt 1 wird das zu finanzierende Projekt gegebenenfalls zeitgleich mit der Durchführung der Kapitalerhöhung realisiert. Die Gründer, denen das Unternehmen bislang noch zu 100% gehört, haben die (exklusive) Gelegenheit, im Zeitpunkt 1 eine Investition mit Anschaffungsauszahlung I1 > 0 und Present Value PV 1 > I1 zu tätigen. PV 1 und I1 sind öffentlich bekannt, demnach ist auch öffentlich bekannt, dass die Gelegenheit wegen NPV 1 > 0 vorteilhaft ist (lohnende Investitionsgelegenheit). Die Ausgabe von x j jungen Aktien zum Emissionskurs p unter Ausschluss des Bezugsrechtes ist die einzige Möglichkeit, den Kapitalbedarf in Höhe der Anschaffungsauszahlung I1 zu finanzieren. Mangels Alternativen lassen weder die Finanzierungsform noch der Emissionserlös !
x j · p = I1
2
(27.1)
Rückschlüsse auf die Information der Gründer zu (Finanzierungsrestriktionen). Der Marktpreis des bereits investierten Vermögens Aω1 ≡ A1 (ω) wird von zwei möglichen Ereignissen ω ∈ {d,u} beeinflusst, wobei 0 < Ad1 < Au1 gilt. Im Gegensatz zu allen potenziellen Financiers können die Gründer die Ereignisse d oder u bereits im Zeitpunkt 0 beobachten, was wiederum allgemein bekannt ist (Informationsvorsprung der Gründer). Die Aktiengesellschaft hat im Zeitpunkt 1 fällige Verbindlichkeiten mit Nominalwert f . Somit ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Vergrößerung der Haftungsmasse um den Wert der neu hinzukommenden Assets zu einer besseren Besicherung von Gläubigeransprüchen führen kann. Zukünftige Zahlungen werden generell mit ihrem Erwartungswert bewertet. Diese Annahme kann entweder mit Risikoneutralität oder (nach einer Maßtransformation) mit der Replizierbarkeit der zu bewertenden Zahlungen begründet werden (risikoneutrale Bewertung).2 gabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Diese Voraussetzung soll den Verwässerungseffekt für die Alt-Aktionäre begrenzen, vgl. z.B. Beike & Schlütz (2005). Die Existenz eines Informationsvorsprungs lässt sich allerdings nur dann mit arbitragefreier Bewertung in Einklang bringen, wenn der Markt unvollkommen und/oder unvollständig ist, da sich andernfalls die Gelegenheit ergibt, den Informationsvorsprung in unendlich große Arbitragegewinne umzumünzen; vgl. hierzu (Wilhelm, 1991, S. 186-189). Um solche Komplikationen zu vermeiden, wird Risikoneutralität unterstellt.
27.1 Asymmetrisch informierte Alt- und Neu-Gesellschafter
211
Der Markt verfügt im Zeitpunkt 0 nur über öffentlich bekannte Information. Allerdings nimmt der Markt die Ankündigung einer Kapitalerhöhung im Zeitpunkt 1 zum Anlass, bislang gehegte Erwartungen gegebenenfalls zu revidieren. Eine solche Revision ist dann fällig, wenn es ein Ereignis gibt, das die Finanzierung des Projektes zu den angekündigten Konditionen zu einem Verlustgeschäft für die Gründer machen würde. Da die Gründer annahmegemäß niemals bewusst gegen eigene Interessen verstoßen würden, kann sich der Markt unter diesen Umständen denken, dass die Gründer das andere Ereignis beobachtet haben (rationale Erwartungen des Marktes) . Aufgrund vollständiger Konkurrenz potenzieller Financiers untereinander akzeptieren diese stets ihren Grenzpreis als Emissionskurs (Financiers ohne Marktmacht).
27.1.2 Der Signalgehalt einer Kapitalerhöhung Im Folgenden geht es um den Kalkül, welcher der Entscheidung für oder gegen die Finanzierung eines an sich Erfolg versprechenden Projektes über die Börse zu Grunde liegt. Seien V0ω : = max(Aω1 + PV 1 − f,0) der auf die Information der Gründer und V0Ω : =
[max(Aω1 + PV 1 − f,0)]
der auf die öffentliche Information bedingte Wert des Eigenkapitals zum Zeitpunkt der Ankündigung der Kapitalerhöhung 0, x a die Anzahl der alten Aktien und γ :=
xa xa + x j
(27.2)
der den Gründern nach erfolgter Kapitalerhöhung verbleibende Unternehmensbruchteil. Für die Gründer kommt, nachdem sie Ereignis ω beobachtet haben, eine Emission nur in Frage, wenn γ · V0ω > max(Aω1 − f,0)
(27.3)
f ≤ Ad1
(27.4)
gilt. Nimmt man zudem noch
an, dann spielt die Verschuldung keine Rolle, und (27.3) ist äquivalent zu γ · (Aω1 + PV 1 − f ) − (Aω1 − f ) > 0
(27.5)
bzw.3 3
Man überführt (27.5) in (27.6), indem man zunächst auf beiden Seiten der Ungleichung (27.5) den Emissionserlös x j · p addiert, und diesen auf der linken Seite durch
212
27 Asymmetrische Information als Finanzierungshürde
NPV 1 > (1 − γ ) · (V0ω − (x a + x j ) · p) .
(27.6)
Man beachte, dass es sich bei 1 − γ um den Bruchteil des Eigenkapitals handelt, den die Neu-Aktionäre als Gegenleistung für die zur Verfügung gestellten Finanzierungsmittel erhalten. V0ω − (x a + x j ) · p entspricht der Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert des Eigenkapitals und dessen Bewertung durch den Emissionskurs p.4 Im Fall (x a + x j ) · p < V0ω wird der Anspruch der Gründer demnach unterbewertet. In diesem Fall handelt es sich bei dem Ausdruck auf der rechten Seite von (27.6) um den Vermögensnachteil, den die Gründer dadurch erleiden, dass sie - mangels Finanzierungsalternative - gezwungen sind, den Bruchteil 1 − γ des Eigenkapitals als Gegenleistung für die zur Verfügung gestellten Finanzierungsmittel abzutreten. In diesem Fall ist es demnach gerechtfertigt, von indirekten Emissionskosten zu reden, die der Net Present Value des Projektes übersteigen muss, damit sich die Investitionsgelegenheit für die Alt-Aktionäre lohnt. Im Folgenden wird gezeigt, dass das Unterbewertungsproblem hier deshalb grundsätzlich besteht, weil es unmöglich ist, durch die Ankündigung eines Projektes, dessen Vorteilhaftigkeit an sich unbestritten ist, zu signalisieren, dass das Ereignis u eingetreten und eine dementsprechend hohe Bewertung der bereits vorhandenen Assets gerechtfertigt ist. Dies könnte man lediglich durch die Ankündigung von Projekten erreichen, die in den Augen des Marktes Wert vernichten, da sich ein Unternehmen eine solche Wertvernichtung nur leisten kann, wenn die Geschäfte gut gehen. Da sich die Anzahl der auszugebenden Aktien bei gegebenem Emissionserlös I1 gemäß der Funktion x j ( p) :=
I1 p
umgekehrt proportional zum Emissionskurs p verhält, und mithin der den Gründern nach erfolgter Kapitalerhöhung verbleibende Unternehmensbruchteil x j · p = (1 − γ ) · (xa + x j ) · p und auf der rechten Seite durch x j · p = I1 ersetzt. So erhält man zunächst
γ · PV 1 +(1 − γ ) · (xa + x j ) · p − (A ω 1 − f ) > I1 4
und dann (27.6). Wegen V0ω − (xa + x j ) · p = (V0ω − x j · p) − xa · p = (V0ω − I1 ) − xa · p
= (A ω 1 − f + NPV 1 ) − x a · p kann man ihn auch als Differenz zwischen dem Wert des Eigenkapitals für die Gründer, falls diese die Investition aus eigener Tasche finanzieren könnten, einerseits und der Bewertung des Gründeranteils durch den Emissionskurs p andererseits auffassen.
27.1 Asymmetrisch informierte Alt- und Neu-Gesellschafter
g( p) :=
xa xa = x a + x j ( p) x a + I1 p
213
(27.7)
eine monoton steigende Funktion des Emissionskurses ist, sind die indirekten Emissionskosten5 k ω ( p) := (1 − g( p)) · ((V0ω − I1 ) − x a · p) eine monoton fallende Funktion des Emissionskurses. Der Emissionskurs darf den Kurs der alten Aktie nach Ankündigung und vor Durchführung der Kapitalerhöhung nicht überschreiten. Solange der Markt nur über öffentliche Information verfügt, gilt 0 < p ≤ pΩ :=
V0Ω − I1 . xa
(27.8)
Nun gilt in Verbindung mit den analog definierten Obergrenzen pω :=
V0ω − I1 xa
(27.9)
offensichtlich pd < pΩ < pu . Daraus folgt, dass die indirekten Emmissionskosten im Fall ω = d dank fehlender Marktmacht der Financiers stets vermeidbar sind. Im Fall ω = u müssten die Gründer jedoch erst einmal glaubhaft signalisieren, dass das Ereignis u auch tatsächlich eingetreten ist, da der Markt anderenfalls unter keinen Umständen bereit ist, einen höheren Emissionskurs als pΩ zu bezahlen. Ein kostenloses Signal, mit dem dies möglich wäre, existiert hier jedoch nicht, weil eine Überbewertung die Attraktivität der Emission für die Gründer wegen k d ( p) < k u ( p) für alle p nur noch attraktiver macht,6 so dass bestenfalls ein Emissionskurs in Höhe von pΩ erzielt werden kann. Da der Wert des mittels Kapitalerhöhung finanzierten Projektes für die Gründer Δω ( p) := NPV 1 −k ω ( p) aufgrund mit steigendem Emissionskurs streng monoton sinkenden indirekten Emissionskosten ceteris paribus streng monoton wächst und andererseits k d ( p) < k u ( p) für alle p gilt, gilt Δu ( pd ) < Δu ( pΩ ) < Δu ( pu ) = NPV 1 = Δd ( pd ) < Δd ( pΩ )
(27.10)
und es gibt grundsätzlich zwei mögliche Typen von Gleichgewichten mit rationalen im Sinne von sich selbst bestätigenden Erwartungen, je nachdem, ob der Nullpunkt links von Δu ( pΩ ) oder zwischen Δu ( pΩ ) und Δu ( pu ) liegt. Im 5 6
Auch das sind Kapitalkosten! Vielmehr ist mit −k u ( p) < −k d ( p) die Voraussetzung gegeben, den Eintritt des Ereignisses u durch den Verzicht auf die Durchführung des Projektes zu signalisieren. In einem MehrPerioden-Kontext kann allerdings auch das nur dann funktionieren, wenn man glaubhaft machen kann, dass man die Gelegenheit endgültig aufgibt.
214
27 Asymmetrische Information als Finanzierungshürde
Fall 27.1.1 0 < Δu ( pΩ ) lohnt sich eine Kapitalerhöhung zum maximal realisierbaren Emissionskurs pΩ für die Gründer unter allen Umständen. Eine dementsprechende Ankündigung lässt somit keine Rückschlüsse auf die Information der Gründer zu, so dass die Kapitalerhöhung unter allen Umständen zum Emissionskurs pΩ platziert werden kann. Im Fall 27.1.2 Δu ( pΩ ) ≤ 0 lohnt sich eine Kapitalerhöhung zum maximal realisierbaren Emissionskurs pΩ für die Gründer nur, falls Ereignis d eingetreten ist. Die Ankündigung der Kapitalerhöhung zum Kurs pΩ lässt den Markt mithin eindeutig auf den Eintritt von Ereignis d zurückschließen, so dass Emissionen mit Emissionskurs p > pd nicht platziert werden können. Daher lohnt sich die Emission für die Gründer nur, falls das Ereignis d eingetreten sein sollte. Die beiden Fälle unterscheiden sich grundsätzlich hinsichtlich der Auswirkungen asymmetrisch verteilter Information: Im Fall 27.1.1 scheitert kein an sich vorteilhaftes Projekt an der Finanzierungsrestriktion. Gleichzeitig kommt es zu Vermögensumverteilungen in die eine oder andere Richtung. Im Fall 27.1.2 scheitert die Verwirklichung an sich vorteilhafter Projekte an der Unterbewertung des bereits investierten Unternehmensvermögens.7 Zu Umverteilungen kommt es in diesem Fall nicht, weil die Emission, wenn sie denn stattfindet, richtig gepreist ist. Unter Berücksichtigung von 1 − γ ( pΩ ) = 1 −
xa xa +
I1 pΩ
= 1−
V Ω − I1 pΩ · xa I1 = 1− 0 Ω = Ω V0 V0 a + I1
pΩ · x
zeigt man, dass die durch Δu ( pΩ ) = 0 implizit bestimmte kritische Schwelle äquivalent zu NPV 1 =
I1 (V u − V0Ω ) V0Ω 0
und mithin zu Vu PV 1 = 0Ω I1 V0 ist. Es geht demnach um das Verhältnis zwischen der Profitabilität des Projektes und der relativen Unterbewertung des Eigenkapitals für den Fall, dass das Ereignis u 7
Während Myers & Majluf (1984, S. 200) noch vage mit mehr oder weniger attraktiven Emissionskonditionen argumentieren und beispielsweise der wiederholt geäußerten (S. 201 u. 203) Feststellung, dass es im Fall allseitiger Gewissheit über den Wert des bereits investierten Unternehmensvermögens kein Problem gibt, einen eigenen Unterabschnitt widmen, nennen Harris & Raviv (1991, S. 307 ff.) das Kind beim Namen und weisen explizit auf eine Unterbewertung des bereits investierten Unternehmensvermögens und den dadurch bewirkten Vermögenstransfer von den Alt-Aktionären an die Neu-Aktionäre als Ursache des Problems hin.
27.1 Asymmetrisch informierte Alt- und Neu-Gesellschafter
215
eingetreten sein sollte. Demnach stützt das Modell die auf den ersten Blick plausible These, dass es in der Frühphase eines vom Markt noch nicht erkannten Aufschwungs zu Effizienzeinbußen kommen kann, wenn eine vorangehende längere Schwächephase einerseits den Zugang zu anderen Finanzierungsquellen verwehrt und andererseits dafür sorgt, dass die relative Unterbewertung (wiederum bedingt durch die längere Schwächephase) größer ist als die - im Modell allseits richtig eingeschätzte - Profitabilität von Erweiterungsinvestitionen.8 In der oben beschriebenen Situation sollten Gründer darüber nachdenken, die Reputation einer Investmentbank als - allerdings nicht kostenloses sondern eher teures Signal einzusetzen. In der Literatur9 wurden viele Möglichkeiten diskutiert, wie man das eben analysierte Problem vermeiden kann. Die meisten Vorschläge laufen darauf hinaus, die für das Modell konstitutive Finanzierungsrestriktion einfach aufzuheben und statt dessen Finanzierungsformen zu wählen, bei denen die Informationsasymmetrie irrelevant ist (Innenfinanzierung, Beiteiligungsfinanzierung bei konstanter Gesellschafterstruktur) oder nicht zum Tragen kommt (nicht ausfallbedrohtes Fremdkapital). Am konsequentesten erscheint der Lösungsvorschlag, dem Projekt im Wege eines Spinn-Off eine eigenständige Rechtspersönlichkeit zu verleihen und somit dessen Eigenfinanzierung zu ermöglichen, ohne dass zusätzliche Ansprüche an das bereits investierte Unternehmensvermögen geschaffen werden. 27.1.3 Die Auswirkungen drohender Überschuldung auf den Signalgehalt Im Folgenden soll untersucht werden, wie sich die drohende Überschuldung eines Unternehmens auf die Entscheidung der Gründer auswirkt. Dass eine drohende Überschuldung den Gang an die Börse bei asymmetrisch verteilter Information nicht unbedingt zusätzlich erschwert, sondern auch begünstigen kann, wird durch die folgende Überlegung nahegelegt: Ist allgemein bekannt, dass Gläubigeransprüche den Eignern genau dann jeden Anreiz rauben, etwas zu unternehmen, weil sie mit Sicherheit leer ausgehen werden, wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen überbewertet ist, so kann dies der Skepsis des Marktes gegenüber Kapitalerhöhungen, an denen sich die bisherigen Aktionäre nicht beteiligen, den Nährboden entziehen.10 8
9 10
Im Modell ist diese Gefahr um so kleiner je bedeutender das Projekt relativ zum bereits investierten Vermögen für das Unternehmen ist, da insoweit eine Unterbewertung des Eigenkapitals ausgeschlossen ist. Diesen Effekt sollte man allerdings mit Blick auf die Realität nicht überstrapazieren. Lesenswert sind Cooney & Kalay (1993), Harris & Raviv (1991) und Tirole (2006, Kapitel 6). Es gibt noch weitere Gründe dafür, dass das Problem der Unterbewertung tendenziell an Brisanz verliert, wenn das Unternehmen in der Ausgangssituation bereits teilweise fremdfinanziert ist. Brennan & Kraus (1987) zeigen, dass unterbewertete teilweise fremdfinanzierte Unternehmen in Erwägung ziehen sollten, die Unterbewertung durch einen Rückkauf ihrer Verbindlichkeiten zum sicher diskontierten Nominalwert zu signalisieren. Das kann funktionieren, falls überbewertete Unternehmen diese Strategie deswegen nicht ohne
216
27 Asymmetrische Information als Finanzierungshürde
Maßgeblich für die Unmöglichkeit, den Eintritt des Ereignisses u zu signalisieren, war die Tatsache, dass eine Überbewertung die Attraktivität der Emission für die Gründer wegen k d ( p) < k u ( p) für alle p nur noch attraktiver macht. Das ist nicht mehr zwingend, wenn das Unternehmen teilweise fremdfinanziert ist. Generell kommt eine Emission nach Beobachtung von Ereignis ω für die Gründer in Betracht, falls γ · max(Aω1 + PV 1 − f,0) > max(Aω1 − f,0)
(27.11)
gilt. Im Fall 27.1.3 Aω1 + PV 1 ≤ f ∀ω ist die Bedingung nie erfüllt, da das Unternehmen unter allen Umständen überschuldet ist; im Fall 27.1.4 Aω1 ≤ f < Aω1 + PV 1 ∀ω ist sie stets erfüllt, da das Projekt für die Eigner unter allen Umständen die einzige Möglichkeit darstellt, der Insolvenz zu entrinnen, und im Fall 27.1.5 f < Aω1 ∀ω spielt die Verschuldung keine Rolle für die Investitionsentscheidung. Berücksichtigt man, dass die Verschuldung bereits dann keinen Einfluss auf die Rückschlüsse hat, die sich aus der Ankündigung einer Kapitalerhöhung ziehen lassen, falls f < Au1 ≤ Ad1 + PV 1 < Au1 + PV 1 gilt,11 bleibt nur noch eine noch nicht betrachtete Konstellation, nämlich die Konstellation Ad1 + PV 1 ≤ f < Au1 + PV 1 . Diese Konstellation ist hinreichend dafür, dass Emissionen dann und nur dann zum Emissionskurs pu 12 durchgeführt werden, wenn Ereignis u eintritt, da der Eintritt von d nach einer Ankündigung ausgeschlossen werden kann, und die Bedingung k u ( pu ) < NPV 1 wegen k u ( pu ) = 0 und NPV 1 > 0 stets erfüllt ist. Es zeigt sich, dass sich die Auswirkungen asymmetrisch verteilter Information und positiver externer Effekte für die Gläubiger unter Umständen die Spitze nehmen. So kann beispielsweise die Tatsache, dass der Konkurs bei ungünstiger Umweltentwicklung bereits besiegelt ist, das Signalisierungsproblem der Gründer beseitigen.
11
12
Weiteres imitieren können, weil der Rückkauf zum über dem Wert liegenden sicher diskontierten Nominalwert mit einem inakzeptablen Vermögensnachteil für die Eigner verbunden wäre. Die Bedingung impliziert, dass die Gläubigeransprüche unabhängig davon, wie die Entscheidung über die Investitionsgelegenheit auch immer ausfällt, stets in voller Höhe erfüllt werden. Man beachte hierbei, dass die Gründer keine Veranlassung haben, die Gelegenheit nicht zu ergreifen, falls das Ereignis d eingetreten sein sollte. Es ist weiterhin davon auszugehen, dass der Markt aufgrund vollständiger Konkurrenz keinerlei Verhandlungsmacht besitzt und daher seinen Grenzpreis akzeptieren muss, obwohl die Gründer im Fall A u1 ≤ f alles verlieren würden, wenn die Emission scheitert.
27.2 Asymmetrisch informierte Zeichner von Erstemissionen
217
Umgekehrt tragen die Neu-Aktionäre zur Finanzierung einer höheren Konkursquote bei, falls das Unternehmen überbewertet ist. Sie nehmen damit dem aus einem positiven externen Effekt für die Gläubiger resultierenden Unterinvestitionsproblem unter Umständen die Spitze.
27.2 Asymmetrisch informierte Zeichner von Erstemissionen Im Folgenden soll am Beispiel eines auf Rock (1986) zurückgehenden Modells illustriert werden, dass asymmetrisch verteilte Information auch in Situationen mit jedenfalls auf den ersten Blick weitaus weniger offensichtlichen Interessenkonflikten zur Finanzierungshürde werden kann. Dazu treffen wir die folgenden Annahmen:
Betrachtet wird die Erstemission von Eigenkapitaltiteln (Initial Public Offering (IPO)). Es gibt zwei Gruppen von Zeichnern. Die eine besteht aus insgesamt m Insidern mit perfekter Information über die spätere Erstnotiz S auf dem Sekundärmarkt. Die andere besteht aus n − m > 0 risikoneutralen Outsidern mit der Information, dass der erste Börsenkurs die Verteilungsfunktion FS (s) : s ≤ s ≤ s besitzt (risikoneutrale Insider und Outsider). Die Platzierung muss durch einen Finanzintermediär erfolgen. Finanzintermediäre stehen nicht in Konkurrenz zueinander und machen sich die Platzierung so leicht wie möglich, indem sie die Emissionspreise so setzen, dass die Emissionen stets überzeichnet sind, und sie einfach nach Köpfen zuteilen können (rationierte Zuteilung). Dazu ist es erforderlich, dass die Outsider bei jeder Emission mitzeichnen.
Da die Outsider gebraucht werden, muss der Emissionskurs so gesetzt werden, dass die Outsider gerade indifferent zwischen Zuteilung und Nichtzuteilung sind. Bei Risikoneutralität ist das dann der Fall, wenn der erwartete Emissionsgewinn der Outsider Null ist. Sei γ p<S (γ p≥S ) der an die Outsider gehende Bruchteil der Emission für den Fall, dass der Emissionskurs p unter (nicht unter) der Erstnotiz S liegt. Da die Insider ausschließlich unter der Bedingung S > p nachfragen, gilt γ S≤ p = 1. Andernfalls gilt γ S> p =
n −m , n
da die Zuteilung annahmegemäß nach Köpfen erfolgt. Der erwartete Emissionsgewinn der Outsider beträgt in dieser Situation
(S − p) = γS> p · (S − p | S > p) + γS≤ p · (S − p | S ≤ p) = γ S> p · [(S − p) − (S − p | S ≤ p)] + γ S≤ p · (S − p | S ≤ p) = γ S> p · (S − p) + (γ S≤ p − γ S> p ) · (S − p | S ≤ p).
218
27 Asymmetrische Information als Finanzierungshürde
Die Bedingung
(S − p) = 0 ist mithin äquivalent zu
n −m n −m · (S − p) + 1 − · (S − p | S ≤ p) = 0 n n
bzw.
p = (S) +
m · (S − p | S ≤ p). n −m
Einsetzen von
(S − p | S ≤ p) =
p s
(s − p) f (s)ds
= (s − p)F(s)|sp − =−
p
p
F(s)ds s
F(s)ds s
führt auf
m p = (S) − n −m
p s
F(s)ds .
(27.12)
Der Emissionskurs muss demnach niedriger sein als die erwartete Erstnotiz (Underpricing). Ursächlich hierfür ist, dass die Outsider bei Erstemissionen mit positiver Emissionsrendite nur anteilig berücksichtigt werden, während Erstemissionen mit negativer Emissionsrendite in vollem Umfang bei den Outsidern platziert werden. Diese von den Outsidern wahrgenommene asymmetrische Partizipation an Chancen und Risiken ist offensichtlich um so ausgerägter je mehr Insider auf einen Outsim ist, und je größer die Unsicherheit über die der kommen, das heißt je größer n−m 13 Erstnotiz bei den Outsidern ist.
13
Letzteres folgt aus (27.12) in Verbindung mit der Tatsache, dass die Situation mit gleichem Erwartungswert und stärker schwankenden Erstnotizen stochastisch dominiert vom Grade zwei ist, vgl. hierzu Abschnitt B.3 von Anhang B sowie Rothschild & Stiglitz (1970).
28 Ausstattung und Funktion von Finanzierungstiteln
Die mit Finanzierungsverträgen verbundenen Zahlungen werden von institutionellen Regelungen zum Beispiel der Haftungsverhältnisse beeinflusst. Obwohl Finanzierungsverträge grundsätzlich frei verhandelbar sind, haben sich im Zuge der Etablierung organisierter Kapitalmärkte, die eine Standardisierung voraussetzt, bestimmte Grundformen herausgebildet, was Fristigkeit der Kapitalüberlassung, Veräußerbarkeit, Einwirkungsrechte und Haftungsverhältnisse anbelangt. Der Begriff Einwirkungsrechte fasst Entscheidungs-, Mitwirkungs- und Kontrollrechte zusammen. Es gilt der Grundsatz: Je unmittelbarer ein Financier von den Entscheidungen der Geschäftsführung betroffen ist, desto stärker sollte er sie beeinflussen können. Daher sind Residualansprüche grundsätzlich und Festbetragsansprüche grundsätzlich nicht mit Einwirkungsrechten verknüpft. Diesem Grundsatz entspricht auch, dass die Verfügungsgewalt im Konkursfall grundsätzlich auf die Gläubiger übergeht, weil die Gläubiger dann in gleicher Weise von den Entscheidungen der Geschäftsführung betroffen sind wie die Eigenkapitalgeber eines nicht im Konkurs befindlichen Unternehmens. Hinsichtlich der Haftungsverhältnisse gilt für diese Grundformen der Grundsatz: Derjenige, der die Verfügungsmacht besitzt und Einfluss nehmen kann, sollte für Fehlentscheidungen haften. Daher kommen die Eigenkapitalgeber erst dann zum Zuge, wenn die Ansprüche der Gläubiger erfüllt sind. Maßgeblich für die Beteiligung eines einzelnen Gläubigers an der Haftungsmasse sind gesetzliche und einzelvertragliche Prioritätsregeln. Grundsätzlich hängt der Wert einer Fremdkapitalposition davon ab, welche Haftungsmasse bei Fälligkeit nach welchen Prioritätsregeln auf wie viele Anspruchsberechtigte verteilt werden wird. Es ergeben sich zwei prinzipielle Gefahren für eine bestimmte Fremdkapitalposition, nämlich:
die Gefahr von konkurrierenden Ansprüchen die Gefahr der Aushöhlung der Haftungsmasse durch – vorzeitige Auszahlungen – risikoreiche leistungswirtschaftliche Entscheidungen
220
28 Ausstattung und Funktion von Finanzierungstiteln
Diesen Gefahren versucht man durch einzelvertragliche oder hoheitliche Regelungen (Gläubigerschutz ist der zentrale Leitgedanke der deutschen Handelsgesetzgebung) zu begegnen. Die Kosten dieser Regelungen müssen gegen eventuelle Vorteile der Fremdfinanzierung abgewogen werden.1 Der Einfluss von Prioritätsregeln auf die Zahlungscharakteristik von Festbetragsansprüchen soll im Folgenden kurz skizziert werden. Dabei spielen Sicherheiten (Collateral) eine wichtige Rolle. Seien A1 : investiertes Unternehmensvermögen H1 : Haftungsmasse des Unternehmens in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft f P : vereinbarter Rückzahlungsbetrag (einschließlich Zinsen) der besicherten Verbindlichkeiten (P steht für Pfand) f : vereinbarter Rückzahlungsbetrag der unbesicherten Verbindlichkeiten f N : vereinbarter Rückzahlungsbetrag an Financiers, die nachrangiges Haftungskapital zur Verfügung gestellt haben P1 : Marktpreis des Pfandes , dann beläuft sich die Insolvenzmasse in Abwesenheit von Konkurskosten und Steuern auf K 1 = H1 − min( f P , P1 )
= H1 − P1 + min( f P − P1 ,0) = H1 − P1 + max(P1 − f P ,0). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Sicherheiten nach Eintritt des Konkurses zunächst abgesondert und eigenständig verwertet werden. Ist der Verwertungserlös größer als der vereinbarte Rückzahlungsbetrag der besicherten Verbindlichkeiten, so kommt der überschießende Betrag max(P1 − f P ,0) der Insolvenzmasse wieder zu Gute. Die Konkursgläubiger insgesamt erhalten
D1K = min K 1 , f + max( f P − P1 ,0) . Davon fällt der Bruchteil (Konkursquote) gP : =
max( f P − P1 ,0) f + max( f P − P1 ,0)
den Pfandgläubigern zu, die somit insgesamt D1P = min( f P , P1 ) + g P · D1K erhalten, während sich die gewöhnlichen Gläubiger ohne Pfandrecht mit D1 = (1 − g P ) · D1K 1
Vgl. hierzu Smith & Warner (1979).
28 Ausstattung und Funktion von Finanzierungstiteln
221
begnügen müssen. Für die Financiers, die nachrangiges Haftungskapital zur Verfügung gestellt haben, verbleibt unter Berücksichtigung von H1 − (D1P + D1 ) = H1 − (min( f P , P1 ) + D1K ) = K 1 − D1K
D1N = min f N , max(H1 − D1P − D1 ,0)
= min f N , max(K 1 − D1K ,0) . Für die Eigenkapitalgeber verbleibt dann noch ein Residualanspruch in Höhe von E 1 = max(A1 − D1P − D1 − D1N ,0) = max(A1 − (H1 − K 1 ) − (D1K − D1N ),0) = max(A1 − min( f P , P1 ) − (D1K − D1N ),0). Von den eben erläuterten Grundsätzen kann durch Zusatzvereinbarungen (Covenants) abgewichen werden. Im Folgenden soll kurz darauf eingegangen werden, worin die Vorteile einer Verbriefung von Finanztiteln besteht. Offenkundig sind die Vorteile, die ein liquider Wertpapierhandel unter den Gesichtspunkten der Größen-, Fristen- und Risikotransformation besitzt. Weitaus schwieriger zu beurteilen ist die Verbriefung unter dem Effizienzgesichtspunkt. Auf den ersten Blick scheint zumindest mit Blick auf die Festbetragsansprüche und die von diesen ausgehenden Fehlanreize2 Einiges für individuell auf die Umstände des Einzelfalles abgestimmte Verhandlungslösungen und damit gegen die breit gestreute Platzierung von verbrieften Festbetragsansprüchen zu sprechen, weil diese das Nachverhandeln von Konditionen extrem verteuern wenn nicht vereiteln. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass diese Argumentation mitunter in die Irre führt, weil sie nicht weit genug reicht. Das liegt im Kern daran, dass man nicht außer Acht lassen darf, dass Nachverhandlungen ex ante betrachtet eine Möglichkeit darstellen, Kooperationsgewinne abzuschöpfen, indem man die „Spielregeln“ während des Spiels ändert. Wenn absehbar ist, dass dabei einer den beiden Spieler das Nachsehen hat, dann besteht die Gefahr, dass das Spiel, sprich die Finanzierung, nicht zustande kommt. Dieses Problem soll im Folgenden illustriert werden. Dazu treffen wir die folgenden Annahmen3
Es besteht die Möglichkeit, ein Projekt mit Zahlungscharakteristik (z 1 ,z 2 ) ∈ {(h,h),(h,n),(n,h),(n,n)}
2 3 4
(n < h)
zu realisieren, das in t0 = 0 eine Auszahlung in Höhe von I erfordert. Die Information über die Zahlungscharakteristik ist asymmetrisch verteilt: Der Schuldner weiß, welche der vier Möglichkeiten eintreten wird, die Gläubiger wissen es nicht und sind zudem nicht einmal in der Lage, den Betrag n übersteigende Zahlungen vor Gericht nachzuweisen.4 Das bedeutet, dass sie Unterschlagungen bis zu einer Höhe von h − n hilflos ausgeliefert sind. Siehe Abschnitt 26.1. Vgl. Chemmanur & Fulghieri (1994) sowie Freixas & Rochet (1997, S. 112-114). Man sagt, dass der den Betrag n übersteigende Teil der Zahlungen nicht verifizierbar ist.
222
28 Ausstattung und Funktion von Finanzierungstiteln
Die Gläubiger sind im Falle des Konkurses nicht in der Lage, das Projekt weiterzuführen, und müssen es daher vorzeitig beenden. Die vorzeitige Beendigung generiert einen Liquidationserlös in Höhe von l < n. Als Finanzierungsalternativen stehen zur Wahl: Entweder ein Annuitätendarlehen mit Annuität a (n < a < h) oder eine Anleihe mit den gleichen Rückzahlungskonditionen. Das Nachverhandeln von Anleihekonditionen ist prohibitiv teuer. Die Zeit spielt bei der Bewertung von Zahlungen keine Rolle.
Man beachte zunächst, dass das Verhalten des Schuldners in den Fällen (n,n), (n,h) und (h,n) unabhängig von institutionellen Rahmenbedingungen ist: In den beiden ersten Fällen, ist die Insolvenz unvermeidlich und im Fall (h,n) steht für den Schuldner nach der ersten Periode nichts mehr auf dem Spiel, was ihn davon abhalten könnte, den Betrag a − n zu unterschlagen und Insolvenz anzumelden. Im Fall (h,h) steht für den Schuldner einer Unterschlagung in Höhe von a − n der Betrag h − n gegenüber, den er verlieren könnte, falls der Kreditgeber das Unternehmen liquidiert. Damit hängt die optimale Strategie im Fall (h,h) von der Reaktion des Kreditgebers ab. Dabei kommt dem Kreditnehmer das deutsche Strafgesetz zu Hilfe. Dieses stellt nämlich bereits den Versuch einer Unterschlagung unter Strafe und hilft dem Kreditnehmer somit paradoxerweise dabei, durch das Nachverhandeln von Kreditkonditionen aus seinem spezifischen Know-How Kapital zu schlagen. Diese unbeabsichtigte Hilfe resultiert aus der Tatsache, dass der Gläubiger genau weiß, dass dem Schuldner gar nichts anderes übrig bleibt, als bei seiner ursprünglichen Behauptung zu bleiben, nachdem er sich zuvor für zahlungsunfähig erklärt hatte, weil ihm andernfalls eine Gefängnisstrafe droht, die hinreichend abschreckend erscheint.5 Das hilft dem Schuldner, sich glaubhaft strategisch festzulegen, so dass dem Gläubiger nichts anderes übrig bleibt, als im eigenen Interesse einzulenken und den Schuldner aufgrund seines spezifischen Know-Hows weitermachen zu lassen, um die mit einer Zerschlagung verbundene Wertevernichtung zu vermeiden.6 Diese Überlegung soll durch Abbildung 28.1 illustriert werden. Muss der Schuldner unbeirrt an einer fälschlich behaupteten Zahlungsunfähigkeit festhalten, um keine Freiheitsstrafe zu riskieren, dann muss man sich den Bereich zwischen den beiden senkrechten gestrichelten Linien weg denken. Man erkennt, dass der Gläubiger im eigenen Interesse besser mit Fortfahren als mit Liquidieren auf die Ankündigung n des Schuldners reagiert. Für den Gläubiger ist es besser einzulenken, weil er damit eine weitere Zahlung in Höhe von n im Zeitpunkt 2 anstelle des Liquidationserlöses l < n erreicht. Der Schuldner, der sich ausrechnen kann, dass der Gläubiger einlen5 6
Gemäß § 246 (1) StGB beträgt das Strafmaß bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe. Das Attribut „strategisch“ meint, dass eine Aktion ergriffen wird, um das Verhalten der Mitspieler zu beeinflussen. Im Angelsächsischen ist in diesem Zusammenhang von Strategic Commitments die Rede. Es kann sogar vorteilhaft sein, sich selbst seiner Handlungsoptionen zu berauben (bildlich gesprochen Brücken hinter sich einzureißen), um glaubwürdig Entschlossenheit zu signalisieren und damit Mitspieler zum Nachgeben zu bewegen, vgl. hierzu Tirole (1988, Kapitel 8.2, insb. S. 316). Dem steht allerdings entgegen, dass Handlungsoptionen bei Unsicherheit in der Regel wertvoll sind; vgl. hierzu Kapitel 22.
28 Ausstattung und Funktion von Finanzierungstiteln
h
(h, h)
223
F
(a, n) ; (h-a, h-n)
F
(n, n) ; (h-n, h-n)
n
h
F
(n+l, 0) ; (h-n, 0)
L
n
L
(n+l, 0) ; (h-n, 0)
Abb. 28.1. Auswirkungen der Strafbarkeit auf das Nachverhandlungsergebnis
ken wird, wird so in die Lage versetzt, aus seinem spezifischen Know-How Kapital zu schlagen, indem er bereits in der ersten Periode einen Betrag in Höhe von a − n unterschlagen kann, ohne eine vorzeitige Zerschlagung des Unternehmens befürchten zu müssen. Ohne Schützenhilfe seitens des Strafrechts ist jedenfalls prinzipiell denkbar, dass der Schuldner in der ersten Periode keine Unterschlagung begeht, solange für ihn noch etwas auf dem Spiel steht. Voraussetzung hierfür ist, dass der Gläubiger glaubhaft machen kann, dass er das Unternehmen liquidieren wird, falls der Schuldner Insolvenz anmeldet. Das setzt unter den getroffenen Annahmen allerdings voraus, dass dem Gläubiger seinerseits keine andere Wahl bleibt, weil die Liquidation unter den getroffenen Annahmen ex post, also nach Eintritt der Insolvenz, wegen l < n stets gegen sein Interesse verstößt.7 Dieser entscheidende Unterschied zwischen den strategischen Positionen der beiden Spieler wird durch den gestrichelten Bereich kenntlich gemacht. Die fett gestrichelte schräg nach oben führende Linie macht deutlich, 7
Ein Grund hierfür könnten z.B. drohende Aktionärsklagen sein.
224
28 Ausstattung und Funktion von Finanzierungstiteln
dass es für den Schuldner zwecklos ist, Zahlungsunfähigkeit vorzugeben, weil es wirtschaftlich von Vorteil ist, einzuräumen, dass er gelogen hat, wenn der Gläubiger glaubhaft mit der Liquidation droht. Fazit ist, dass Projekte mit I > 2 · n jedenfalls nicht mit einem Kredit finanziert werden können, falls die versuchte Unterschlagung strafbewehrt ist. Wird das Projekt durch eine Anleihe finanziert und ist das Nachverhandeln von Anleihekonditionen prohibitiv teuer, dann wird der Schuldner bei Eintritt des Ereignisses (h,h) keine Unterschlagung begehen, weil dies zwangsläufig zur Liquidation führen würde und er somit eine Unterschlagung in Höhe von a − n mit dem Verzicht auf einen Betrag in Höhe von h −n im Zeitpunkt 2 bezahlen müsste. Daraus resultiert die folgende Zahlungscharakteristik der Anleihe A A
z 1 ,z 2 ∈ {(a,n),(n +l,0),(n +l,0),(n +l,0)}. Sei p die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis (h,h), dann hat die Anleihe bei risikoneutraler Bewertung einen Wert in Höhe von p · (a + n) + (1 − p) · (n +l). Unter der Voraussetzung p · (a + n) + (1 − p) · (n +l) > 2 · n ⇔ p >
n −l a −l
kommt die Anleihefinanzierung somit womöglich noch in Betracht, wenn die Kreditfinanzierung wegen I > 2 · n nicht mehr möglich ist. In diesem Fall überwiegen die Vorteile der (im Falle der Kreditfinanzierung im Allgemeinen unglaubhaften) Festlegung der Gläubiger auf die Herbeiführung des Konkurses, die die Gläubiger bei Eintritt des Ereignisses (h,h) zumindest solange vor der Ausbeutung durch den Schuldner schützt, solange dem Schuldner dadurch zukünftige Gewinne entgehen.
29 Unternehmensfinanzierung und Corporate Governance
1
Die neoklassische Kapitalmarkttheorie geht im Grunde von der Vorstellung aus, dass eine Ökonomie einer großen Lotterie gleicht, die bestimmten exogen gegebenen Wahrscheinlichkeitsgesetzen gehorcht. Diese Annahme versetzt die traditionelle Kapitalmarkttheorie in die Lage, Aussagen über effiziente bzw. optimale Risikoallokationen und die dadurch implizierten Preisstrukturen zu machen. Unternehmenskontrolle und Anteilseignerstruktur sind in dieser Welt qua Annahme vollkommen irrelevant für den Marktwert riskanter Titel. Tatsächlich werden auf Kapitalmärkten allerdings Ansprüche auf das Ergebnis unternehmerischer Entscheidungen gehandelt, die von den Anteilseignern an die Manager delegiert werden. Die Delegation ist eine notwendige Voraussetzung dafür, vorhandene Ressourcen besser nutzen und Risiken besser einzugrenzen zu können. Die effizientere Nutzung vorhandener Ressourcen wird dadurch möglich, dass man weder unbedingt wohlhabend sein muss, um unternehmerische Fähigkeiten zur Geltung zu bringen, noch unbedingt Talent und Motivation braucht, um nicht sofort konsumierte finanzielle Ressourcen produktiv arbeiten zu lassen. Risiken lassen sich durch Diversifikation eingrenzen, die ohne eine Delegation von Verfügungsrechten ebenfalls undenkbar ist, weil ein Mensch alleine nicht mehrere Unternehmen führen kann. Letztlich ist die Risikoallokation also untrennbar mit der Allokation von Kontroll- und Einwirkungsrechten verbunden. Corporate Governance (nachfolgend: CG) wird heute als Oberbegriff für Organisationsformen der Unternehmensleitung und -kontrolle verstanden, die gewährleisten sollen, dass die Financiers eines Unternehmens eine angemessene Gegenleistung für die Überlassung von Finanzierungsmitteln an die Unternehmen erhalten. Meistens gilt das Hauptaugenmerk dabei den Interessen der Eigenkapitalgeber, da diese mangels vertraglich zugesicherter Zahlungsansprüche typischerweise in stärkerem Maße von den Dispositionen der Manager abhängig sind als die Fremdkapitalgeber. Grundsätzlich ist diese Abgrenzung allerdings jedenfalls dann nicht sachgerecht, wenn die Fremdkapitalgeber nicht davon ausgehen können, dass die ihnen zugesicherten Zah-
1
Die Ausführungen dieses Kapitels stimmen von wenigen allerdings nicht unbedeutenden Ausnahmen abgesehen mit denjenigen in Braun (2007) überein.
226
29 Unternehmensfinanzierung und Corporate Governance
lungen unter allen Umständen geleistet werden. Daher ist im Folgenden, auch wenn vorwiegend die Eigenkapitalgeber gemeint sind, von Financiers die Rede.
29.1 Zur Relevanz von Corporate Governance 29.1.1 ... unter dem Gesichtspunkt der Fairness Man könnte meinen, dass Financiers keine besonders schützenswerte Gruppe von Anspruchstellern bilden. Schließlich handelt es sich um die mit Mitbestimmungs-, Kontroll- und Einwirkungsrechten ausgestatteten Eigentümer von Unternehmen oder um Gläubiger mit vertraglich sehr genau fixierten Ansprüchen. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass der einzelne Geldgeber bei stark zersplittertem Eigen- und Fremdkapital faktisch keinen Einfluss hat. Das hat wenigstens zwei Gründe: Erstens lohnt es sich dann für den Einzelnen einfach nicht, von seinen Rechten Gebrauch zu machen, da der Aufwand in keiner angemessenen Relation zu dem mangels Durchgriffsmöglichkeiten faktisch nicht messbaren Ertrag steht. Man spricht in diesem Zusammenhang von rationaler Apathie. Und Zweitens konkurrieren die Financiers mit weiteren Anspruchstellern (Stakeholder) um eine angemessene Beteiligung am Erfolg, die für sich reklamieren, im Gegensatz zu den Financiers, die nur die Hand aufhalten, einen aktiven Beitrag zum Erfolg geleistet zu haben, und deswegen mitunter sogar verächtlich auf die Aktionäre herab blicken. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang des berühmten Bonmots von Carl Fürstenberg (1850-1933), wonach Aktionäre dumm und frech sind: Dumm weil sie ihr Geld anderen überlassen, ohne tatsächlich beeinflussen zu können, was diese damit anstellen, und frech weil sie dafür auch noch eine Dividende haben wollen. 29.1.2 ... unter dem Gesichtspunkt der Effizienz Dem Effizienzgesichtspunkt begegnet man meist in Gestalt der Begründung, dass die Interessen der Financiers in angemessener Weise berücksichtigt werden müssen, um die Versorgung der Unternehmen mit Finanzierungsmitteln von außen zu gewährleisten.2 Diese Begründung ist allerdings etwas kurzatmig, weil sie die Innenfinanzierung als Alternative zur Außenfinanzierung ignoriert. Tatsächlich wächst die Bedeutung von CG in dem Maße, in dem der Innenfinanzierungsspielraum einerseits und das Volumen rentabler Investitionsgelegenheiten andererseits auseinander driften.3 Das gilt wohlgemerkt für beide Arten von Abweichungen: Ist der sich aus Umsätzen oder Desinvestitionen speisende Innenfinanzierungsspielraum kleiner als das Volumen rentabler Investitionsgelegenheiten, dann benötigen die Unternehmen Finanzierungsmittel von außen, um alle sich bietenden sinnvollen Investitionsgelegenheiten nutzen zu können. CG hat in dieser Situation die Funktion, das Vertrauen externer 2 3
Vgl. Shleifer & Vishny (1997). Vgl. Hellwig (2000).
29.1 Zur Relevanz von Corporate Governance
227
Financiers auf eine angemessene Entlohnung zu stärken. Ist der Innenfinanzierungsspielraum größer als das Volumen der sich bietenden rentablen Investitionsgelegenheiten, besteht die Gefahr, dass überschüssige Finanzierungsmittel in unrentable Projekte gesteckt werden. CG hat in dieser Situation die Funktion, die Verschwendung von Finanzierungsmitteln durch rechtzeitigen Entzug einzudämmen.4 CG erscheint somit grundsätzlich geeignet, einen Beitrag zur Anschubfinanzierung für nachhaltiges Wachstum in unterentwickelten Ökonomien einerseits und zur Bewältigung des Strukturwandels in hoch entwickelten postindustriellen Ökonomien andererseits zu leisten. Nur für dynamisch wachsende Schwellenländer ohne Sättigungserscheinungen erscheint CG unter Berücksichtigung der Innenfinanzierungsmöglichkeiten eher weniger wichtig, wenn man davon ausgehen darf, dass nachhaltiges Umsatzwachstum zu Kapazitätsengpässen und mithin rentablen Investitionsgelegenheiten führt.5 Den Strukturwandel verspricht CG zu fördern, indem sie hilft, überschüssige Finanzierungsmittel aus Bereichen, die sich in einer Spätphase der Entwicklung befinden, in innovative Bereiche mit hohem Finanzierungsmittelbedarf zu lenken. In Deutschland wurde daher unter Hinweis auf die kaum überwindbaren aktienrechtlichen Hürden (§§ 222-225 AktG), die Aktionäre nehmen müssen, um ihrer Forderung nach Rückzahlung von Beteiligungskapital Geltung zu verschaffen, bereits vorgeschlagen, das Management durch Zwangsausschüttungen zu disziplinieren.6 Dieser Vorschlag muss vor dem Hintergrund des von der Finanzverfassung der Aktiengesellschaft im Zusammenspiel mit der handelsrechtlichen Rechnungslegung sehr weit gesteckten Innenfinanzierungsspielraums gesehen werden: Mit Hilfe einer vorsichtigen Bilanzierung (§§ 246-256 HGB) und gestützt auf das Recht, die Hälfte des festgestellten Jahresüberschusses ohne Zustimmung der Aktionäre in die Rücklagen einzustellen (§ 58 AktG), kann sich das Management einer Aktiengesellschaft ein dickes Polster an Finanzierungsmitteln verschaffen. Noch weniger Einfluss auf die Gewinnverwendung haben die Aktionäre de facto im Konzern (§ 18 AktG), weil das Management der Konzernmutter Gewinne zunächst zu den Konzerntöchtern verlagern kann, um dann auf deren Hauptversammlung als gesetzlicher Vertreter der mehrheitlich beteiligten Konzernmutter für eine vollständige Thesaurierung zu votieren.7 Ein derart weit gesteckter Innenfinanzierungsspielraum behindert den Strukturwandel, weil er es erlaubt, notfalls auch größere Verluste zu finanzieren. Nicht selten sind diese Verluste eine zwangsläufige Folge der Verschleppung an sich notwendiger Desinvestitionen, mit denen sich Manager selbst arbeitslos machen würden. Ob man bei der Bewältigung des Strukturwandels vordringlich auf CG setzt, hängt im Grunde davon ab, wen man für den besten Wegbereiter desselben hält:8 Zur Wahl stehen erstens der private Sektor, vertreten durch die Financiers der etablierten Un4
5 6 7 8
Theoretisch besteht die Möglichkeit, dieses Problem durch fremdfinanzierte Kapitalauszahlungen zu lösen, von denen eine disziplinierende Wirkung ausgeht, indem sie den verfügbaren (free) cash flow der Folgeperioden um den zusätzlich zu leistenden Kapitaldienst reduzieren; vgl. hierzu Jensen (1986). Wie etwa im Westen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, vgl. Hellwig (2000). Siehe Wagner (1987). Vgl. Schenk (1997). Vgl. Hellwig (2000).
228
29 Unternehmensfinanzierung und Corporate Governance
ternehmen, zweitens die Manager der etablierten Unternehmen und drittens die Politiker. Für den privaten Sektor spricht, dass eine Allokation von Finanzierungsmitteln nach dem Gießkannenprinzip bei hinreichend großer Anzahl von Finanzierungen im Mittel auch tatsächlich positive Wohlfahrtseffekte hat, wenn man dies von jedem einzelnen Projekt im vorhinein erwarten darf (Gesetz der großen Zahlen). Für die Manager spricht ein mutmaßlicher Informationsvorsprung vor den Financiers. Dem steht allerdings entgegen, dass die übernehmenden Manager den übernommenen Unternehmen häufig ihre Prägung aufzudrücken versuchen, wobei die Innovationskraft nicht selten auf der Strecke bleibt. Außerdem sind die Entscheidungen der Manager mitunter von Karriereerwägungen geprägt. Dies gilt erst recht für Politiker, unter deren Ägide Innovationsförderung oft zu reiner Klientelpolitik verkommt. Letztlich lässt sich die Frage nach der Bedeutung von CG unter Effizienzgesichtspunkten nicht wirklich verlässlich beantworten.
29.2 Zur Wirksamkeit von Selbstregulierungsmechanismen Die Bedeutung von CG hängt natürlich auch von der Existenz und Wirksamkeit von Selbstregulierungsmechanismen ab.9 Im Folgenden werden eine Reihe von Selbstregulierungsmechanismen auf ihre Wirksamkeit untersucht. 29.2.1 Kontrolle durch einflussreiche Financiers Die Kontrolle durch einflussreiche Financiers wird durch den Umstand beeinträchtigt, dass diese mit der Wahrnehmung von Kontroll- und Einwirkungsrechten in der Regel positive externe Effekte zugunsten passiver Anteilseigner erzeugen, solange sie nicht Alleineigentümer sind. Man müsste die positiven externen Effekte vollständig internalisieren, damit Kontroll- und Einwirkungsrechte in optimalem Umfang wahrgenommen werden. Tatsächlich beschränkt sich der Bruchteil, zu dem die externen Effekte internalisiert werden können, ex post auf die Beteiligungsquote des aktiven Anteilseigners. Ist diese ex ante zu gering, müsste sie aufgestockt werden, um kostspielige Kontrollmaßnahmen zu rechtfertigen. Dabei gelingt es dem Aktivisten um so weniger gut, externe Effekte zu internalisieren, je transparenter der Kapitalmarkt ist. Diese Behauptung soll im Folgenden mit Hilfe eines auf Admati, Pfleiderer & Zechner (1994) zurückgehenden Modells gestützt werden. In diesem Modell konkretisiert sich die Vorstellung, dass sich die Wahrnehmung von Kontrollund Einwirkungsrechten im Mittel positiv auswirkt, zu der Annahme, dass es möglich ist, das Eigenkapital durch Kontrollmaßnahmen auf dem Aktivitätsniveau a nach Maßgabe von
E 1 ∼ N μ(a),σ 2 mit 9
Vgl. Tirole (2006).
29.2 Zur Wirksamkeit von Selbstregulierungsmechanismen
229
μ(a) = a für a ≥ 0 zu beeinflussen. Allerdings verursachen die Aktivitäten dem Aktivisten quadratisch im Aktivitätsniveau a zunehmende Kosten c(a) =
a2 . 2
Sei
w := u −1 ( [u(W )]) das Sicherheitsäquivalent des risikobehafteten Endvermögens W , das ist das sichere Endvermögen, welches von einem Entscheider mit der Risikonutzenfunktion10 u(·) als äquivalent zu W angesehen wird. Angenommen sämtliche Entscheider sind risikoneutral, so dass man [u(W )] = (W ) setzen kann, dann könnte ein zentraler Planer das Gemeinwohl durch die Wahl von
aG∗ := argmax a − a
a2 =1 2
maximieren. Betrachten wir stattdessen einen risikoneutralen Großaktionär mit exogen gegebener Beteiligungsquote γ . Maßgeblich für dessen optimales Aktivitätsniveau a ∗ (γ ) := argmax γ · a − a
a2 =γ 2
ist seine Beteiligungsquote γ , weil diese das Ausmaß bestimmt, in dem es ihm gelingt, den positiven Effekt seiner Aktivitäten zu internalisieren. Ein risikoneutraler Großaktionär, der nicht auf die ursprüngliche Beteiligungsquote γ festgelegt ist, wird die Beteiligungsquote
g ∗ := argmax (W ) g
realisieren, die den Erwartungswert des Endvermögens W = (1 +r ) · (γ − g) · E 0 + g · E 1 − c(a ∗ (g)) maximiert.11 Geht man von risikoneutraler Bewertung und rationalen Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich des Kontrollniveaus12 aus, dann gilt 10 11 12
Vgl. Abschnitt B.1 in Anhang B zur Konzeption einer Risikonutzenfunktion. Der Betrag (γ − g) · E 0 wird zum sicheren Zinssatz r entweder angelegt oder aufgenommen. Dahinter steckt die Annahme, dass die Marktteilnehmer das Entscheidungsproblem des Großaktionärs kennen und kann daher antizipieren, dass das Kontrollniveau von dem durch die ex post Beteiligungsquote g diktierten Ausmaß der Internalisierung positiver externer Effekte bestimmt wird.
230
29 Unternehmensfinanzierung und Corporate Governance
E0 =
(E1 ) = a ∗(g) . 1 +r
1 +r
Das führt auf g ∗ : = argmax(1 +r ) · γ · E 0 − c(a ∗ (g)) g
= argmax γ · a ∗ (g) − c(a ∗(g)) g
= argmax γ · g − g
g2 2
=γ und lässt eine Zementierung der Beteiligungsverhältnisse erkennen. Ursächlich hierfür ist die Tatsache, dass es für den Streubesitz absehbar ist, dass der Großaktionär das Unternehmen umso schärfer kontrollieren wird, je größer sein Anteil am Eigenkapital ist. Die Antizipation der damit verbundenen positiven Ertragseffekte schlägt sich unverzüglich im Börsenkurs nieder und verhindert somit, dass der Großaktionär ex ante von der nach erfolgter Aufstockung der Beteiligung ex post gebotenen Erhöhung seiner Anstrengungen profitiert. Dass es unter den getroffenen Annahmen nicht gelingen kann, auch nur einen Bruchteil der positiven externen Effekte zu internalisieren, die der von einer höheren Beteiligungsquote ausgehende Anreiz zu verschärfter Unternehmenskontrolle auslösen würde, raubt dem Großaktionär jeden Anreiz zu einem Ausbau seiner Beteiligung. Diese Argumentation gilt entsprechend für einen Abbau der Beteiligungsquote des Großaktionärs und führt im Ergebnis zu einer Zementierung der Beteiligungsverhältnisse. Voraussetzung für dieses extreme Resultat ist die vollkommene Transparenz der Beteiligungsverhältnisse sowie deren angestrebter Veränderungen. Es ist daher gerechtfertigt, von einer transparenzbedingten Zementierung der Beteiligungsverhältnisse zu sprechen. Bei der Beurteilung des Realitätsgehaltes ist zu bedenken, dass von einem solchen Maß an Transparenz nicht auszugehen ist, wenn die Aufstockung der Beteiligung durch Käufe auf einem Markt erfolgt, dessen Handelsvolumen groß genug und in hinreichendem Maße Zufallseinflüssen unterworfen ist, um die Motive der Auftraggeber nicht für jeden Marktteilnehmer unverzüglich erkennbar werden zu lassen.13 Andererseits wird eine auf die Antizipation der Ertragskonsequenzen veränderter Besitzverhältnisse zurückzuführende (transparenzbedingte) Zementierung gegebener Beteiligungsverhältnisse durch Transaktionskosten, Steuern und asymme-
13
Vgl. hierzu Shleifer & Vishny (1986), die nachweisen, dass Übernahmen sehr wohl gelingen können, wenn der Kapitalanteil des Aufkäufers in der Ausgangssituation nicht zu klein ist, und sich das Problem der Internalisierung positiver externer Effekte somit nicht in seiner vollen Schärfe stellt.
29.2 Zur Wirksamkeit von Selbstregulierungsmechanismen
231
trische Information tendenziell verstärkt.14 15 Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine Beteiligungsquote von 100% selbst unter den oben getroffenen Annahmen über Einflussmöglichkeiten und deren Kosten nicht optimal ist, wenn man Risikoteilung für sinnvoll hält. In diesem Fall ist die Zementierung der Beteiligungsverhältnisse nicht per se schlecht. Vielmehr hängt ihre Beurteilung dann davon ab, wie nahe die Ausgangssituation an einen ausgewogenen Kompromiss zwischen optimaler Kontrolle und optimaler Risikoteilung heranreicht. Dieser wichtige Aspekt soll im Folgenden kurz illustriert werden. Dazu nehmen wir zum Vergleich an, das Eigenkapital
E 1 ∼ N μ,σ 2 sei nur vom Zufall abhängig und die Risikonutzenfunktionen aller Marktteilnehmer vom Typ 1
u (x) = −e− t x mit Risikotoleranzparameter t 16 und Sicherheitsäquivalent17
14
15
16
Da Transaktionskosten, Steuern und asymmetrische Information die Liquidität des Marktes beeinträchtigen, ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Illiquidität und transparenzbedingter Zementierung gegebener Beteiligungsverhältnisse. Dabei ist unter Illiquidität das Ausmaß zu verstehen, in dem der Börsenkurs auf Nachfrageschwankungen reagiert, die nicht auf neue bewertungsrelevante Information zurückzuführen sind, vgl. hierzu Braun (1998, Kapitel 2 u. 3). Wie man sieht, ist es für die Beurteilung des Realitätsgehaltes von Modellanalysen zur Übernahmeproblematik von zentraler Bedeutung, wie eng das Modell den Rahmen für die Internalisierung positiver externer Effekte durch den Aufkäufer steckt. Das sei am Beispiel des Modells von Grossman & Hart (1980) illustriert: Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Aktionäre potenziellen Aufkäufern das Recht auf Verwässerung ihrer Ansprüche zubilligen müssen, damit eine Übernahme überhaupt zustandekommen kann, was wiederum Voraussetzung für eine das Management disziplinierende Wirkung der Übernahmedrohung ist. Ursächlich hierfür ist allerdings, dass sie Prämissenrahmen so eng ziehen, dass eine spätere Aushöhlung der Ansprüche der im Unternehmen verbleibenden Minderheitsaktionäre als einzige Möglichkeit der Internalisierung positiver externer Effekte durch den Aufkäufer verbleibt. Insofern sprechen Hecker & Wenger (1995) in einem Beitrag zum Minderheitenschutz im Vertragskonzern mit einer gewissen Berechtigung von „modellgestützter Schreibtischforschung“, die sich nicht als Grundlage für rechtspolitische Empfehlungen eignet. Wie aus −
17
u (x) 1 = ∀x u (x) t
ersichtlich, impliziert diese Form der Risikonutzenfunktion eine konstante absolute Risikoaversion, vgl. hierzu Anhang B. Vgl. hierzu (10.14) in Verbindung mit Anhang C.
232
29 Unternehmensfinanzierung und Corporate Governance
1 w = −t · ln − −e− t W
1 e− t W = −t · ln 1 1 1 2 2 = −t · ln e− t μW + 2 ( t ) σW
= μW −
2 1 σW . 2 t
Seien wG A und tG A das Sicherheitsäquivalent und der Risikotoleranzparameter des Großaktionärs sowie dementsprechend w S B und t S B die Summe der Sicherheitsäquivalente bzw. der individuellen Risikotoleranzparameter des Streubesitzes, dann zeigt sich in g ∗ : = argmax(wG A + w S B ) g = argmax (g + (1 − g)) · μ − g
=
(1 − g)2 g2 + tG A tS B
σ2 · 2
tG A , tG A + t S B
dass Beteiligungsquoten, die sich an der relativen Risikotoleranz (bezogen auf die Risikotoleranz des gesamten Marktes) orientieren, ein Pareto-Optimum18 garantieren. Berücksichtigt man, dass der Großaktionär seine Einwirkungsmöglichkeiten auf dem ex post optimalen Niveau a ∗ = g nutzt, so erhält man die Pareto-effiziente Beteiligungsstruktur 2 2 2 g (1 − g) σ − c(a ∗(g)) + · g ∗ = argmax (g + (1 − g)) · a ∗ (g) − g tG A tS B 2 (1 − g)2 g2 σ 2 g2 − = argmax g − + · g tG A tS B 2 2 =
tG A + tG A2t S B tG A + t S B + tG A2t S B
,
die unter Berücksichtigung von tG A + tG A2t S B tG A < <1 tG A + t S B tG A + t S B + tG A2t S B als Kompromiss zwischen optimaler Risikoteilung und optimaler Kontrolle aufgefasst werden kann. 18
Ein Pareto-Optimum ist erreicht, wenn niemand besser gestellt werden kann, ohne dass dadurch ein anderer schlechter gestellt wird.
29.2 Zur Wirksamkeit von Selbstregulierungsmechanismen
233
De facto ist die Einflußnahme natürlich nicht zwingend auf einen Großaktionär beschränkt. Vielmehr hängt die Effektivität dieser Form der Kontrolle ganz wesentlich von den Kosten der Koalitionsbildung ab. Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass der Einfluss institutioneller Investoren auf das Management börsennotierter Aktiengesellschaften in Deutschland zugenommen hat.19 Fraglich ist zudem, inwieweit die Interessen von Großaktionären und institutionellen Investoren mit denjenigen des Streubesitzes übereinstimmen. Als einflussreiche Financiers kommen auch Banken in Betracht. Ihre wirksamste Waffe ist der Kontrollverlust, der dem Management droht, falls die im Gegenzug für die Überlassung von Fremdkapital explizit vereinbarten Zahlungen nicht geleistet werden. Diese Waffe erweist sich allerdings nicht selten als stumpf, weil die Kreditgeber auf das spezifische Know-how des Managements angewiesen sind, wenn die Geschäfte trotz Insolvenz fortgeführt werden sollen. Außerdem nimmt der Anreiz der Banken zu einer routinemäßigen Kontrolle der Manager mit wachsender Besicherung der Verbindlichkeiten ab. 29.2.2 Disziplinierung durch marktmäßig organisierten Wettbewerb Marktmäßig organisierter Wettbewerb kann disziplinierend auf das Management wirken. Pauschalaussagen darüber, wie stark die Disziplinierungseffekte sind, sind allerdings nicht möglich, weil dies entscheidend von institutionellen Details der Marktorganisation abhängt.20 ... auf Absatzmärkten Wettbewerb auf dem Absatzmarkt engt den Handlungsspielraum des Managements bereits dadurch ein, dass das Abschneiden der Wettbewerber einen Maßstab für die Beurteilung der Manager liefert (Benchmarking). Bestrebungen, der disziplinierenden Wirkung des Absatzmarktes durch Diversifikation, finanzielle Polster oder durch die Vereinbarung wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen entgegenzuwirken, sind nicht als Widerlegung, sondern als Bestätigung dieser These zu werten. ... auf Arbeitsmärkten Die disziplinierende Wirkung des unternehmensinternen und -externen Arbeitsmarktes für Manager ist fraglich. Ursächlich hierfür ist die mangelnde Verifizierbarkeit der Managerleistung, die zusammen mit der Unvollständigkeit von Verträgen maßgeblich für das Delegationsproblem verantwortlich ist, weil man andernfalls die Erbringung der erforderlichen Leistungen zum Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen 19
20
So musste beispielsweise der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende der Deutsche Börse AG, Werner Seiffert, auf Druck des Investmentfonds TCI (The Children’s Investment Fund) von der geplanten Übernahme der LSE (London Stock Exchange) durch die Deutsche Börse AG abrücken und anschließend abdanken. Vgl. Krahnen (1993).
234
29 Unternehmensfinanzierung und Corporate Governance
machen könnte. Interessant erscheint die Frage, welche Auswirkungen die scheinbar zunehmende Bedeutung von Netzwerken auf den Disziplinierungseffekt hat. Jedenfalls erscheint die Vorstellung, dass sich mitunter auch Schweigekartelle mit dem Ziel der Vertuschung von Fehlentscheidungen bilden könnten, auch aus heutiger Sicht nicht obsolet.21
... auf dem Kapitalmarkt Ungehinderter Handel von Eigenkapitaltiteln impliziert stets auch die Möglichkeit wechselnder Mehrheitsverhältnisse. Die damit verbundene Gefahr negativer Konsequenzen für das im Amt befindliche Management bis hin zur Entlassung lässt einen gewissen Disziplinierungseffekt erwarten.22 Vom Markt für Unternehmenskontrolle23 ist in diesem Zusammenhang insbesondere dann die Rede, wenn der Kontrollwechsel durch ein Übernahmeangebot eingeleitet wird. Die disziplinierende Wirkung einer drohenden Übernahme hängt wesentlich von den mutmaßlichen Konsequenzen und von der mutmaßlichen Wahrscheinlichkeit eines Kontrollwechsels aus der Sicht des amtierenden Managements ab. Letztere ist eine Frage der Einschätzung von Kosten und Nutzen der Übernahme für den Aufkäufer. Nun sind die Kosten einer Übernahme bemerkenswerter Weise umso größer je reibungsloser die Kapitalmärkte funktionieren. Das soll im Folgenden kurz erläutert werden: Da es dem Übernehmer (Raider) aus grundsätzlichen Erwägungen eher schwer fallen dürfte, positive externe Effekte der Übernahme mit Hilfe eines obligatorischen Übernahmeangebotes zu internalisieren24, muss er versuchen, zuvor auf dem Kapitalmarkt möglichst viele Aktien günstig einzusammeln. Das kann nur gelingen, wenn der Markt erst nach und nach erkennt, dass ein Aufkäufer am Werk ist, und der Kurs dementsprechend zögerlich anzieht.25 26 Gegen einen nachhaltigen Disziplinierungseffekt spricht ferner die 21 22
23 24
25 26
Vgl. Wenger (1987). Nebenbei bemerkt ist die Entlassung des Vorstands einer deutschen Aktiengesellschaft kurz- bis mittelfristig kaum möglich: Da ein Aufkäufer keinen direkten Einfluss auf die Bestellung und Abberufung des Vorstands hat, müsste er, um jeglichen Widerstand gegen eine unverzügliche Auswechslung des Managements auszuschalten, zunächst die Einberufung einer Hauptversammlung verlangen (§ 122 AktG). Auf der Hauptversammlung könnte er den amtierenden Aufsichtsrat abberufen, wofür 75% der vertretenen Stimmen erforderlich sind (§ 103 AktG). Der neu gewählte Aufsichtsrat müsste dann den amtierenden Vorstand abberufen, was zusätzlich noch den Nachweis eines wichtigen Grundes (§ 84 AktG) erfordert. Vgl. Manne (1965). Bei Grossman & Hart (1980) ist der Versuch gänzlich zum Scheitern verurteilt, weil der bestens über den realisierbaren Marktwertzuwachs informierte atomisierte und zudem noch risikoneutrale Streubesitz keine Veranlassung hat, dem Übernehmer auch nur einen Bruchteil des erwarteten Gewinns zu überlassen Vgl. Shleifer & Vishny (1986). Die Pflicht, das Erreichen bestimmter Beteiligungsschwellen publik zu machen, lässt sich allerdings, wie z.B. die Übernahme der Continental AG durch die Schaeffler KG zeigt, mit Hilfe von Investmentbanken als Mittelsmännern offensichtlich erfolgreich umgehen.
29.3 Grenzen der Regulierung
235
empirische Beobachtung, dass Übernahmen nicht gleichmäßig über die Zeit verteilt sondern in Wellen stattfanden.27 29.2.3 Anreizmechanismen In Anbetracht der oben aufgezeigten Grenzen für den Disziplinierungseffekt des Wettbewerbs auf verschiedenen Märkten liegt es nahe, sich mit Anreizmechanismen zu befassen, die geeignet erscheinen, die Interessen von Managern und Financiers besser in Einklang zu bringen. Hierbei erscheint es wiederum sinnvoll, zwischen impliziten aus Karriereerwägungen resultierenden Anreizen einerseits und expliziten Anreizen andererseits zu unterscheiden. Explizite Anreize müssen die impliziten insbesondere dann ersetzen, wenn es keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr gibt, wie etwa beim Top-Management. Dessen Entlohnung setzt sich üblicherweise aus Fixgehalt, Bonus und einer vom Aktienkurs abhängigen Komponente zusammen. Die Tatsache, dass es zwei verschiedene variable Komponenten gibt, wird damit erklärt, dass die Orientierung am Aktienkurs als Korrektiv für das eher kurzsichtige Bonusdenken der Manager wirkt.28 Aufgrund der im Gegensatz zum Kontrollbegriff positiven Konnotationen des Anreizbegriffes ist man grundsätzlich geneigt, Anreizen den Vorzug zu geben. Dabei sind allerdings wenigstens zwei systematische Hürden zu überwinden: Zum einen wird der Unternehmenserfolg durch Teamarbeit bestimmt. Um ein Team aus gleichermaßen leistungsfähigen Mitgliedern freiwillig zu einem die Gesamtleistung maximierenden Arbeitseinsatz zu bringen, müsste man jedoch sämtliche Teammitglieder zu 100% am Erfolg beteiligen. Zum anderen sind Erfolgsbeteiligungen mit einer aus übergeordneter Sicht ungünstigen Risikoallokation verbunden: Da das Arbeitseinkommen weniger gut diversifizierbar ist als Einkünfte aus Kapitalvermögen,29 tragen die Manager in der Regel nämlich schwerer als die Eigner an dem Risiko, das ihnen durch eine Erfolgsbeteiligung aufgebürdet wird. Dieser Aspekt wird im Übrigen gerne übersehen, wenn in einer breiten Öffentlichkeit über die Vorzüge der Mitarbeiterbeteiligung diskutiert wird.
29.3 Grenzen der Regulierung Die Regulierung der Organisation von Unternehmensleitung und -kontrolle findet ihre Grenzen in einer Reihe von nachfolgend noch einmal aufgelisteten Aspekten.
27 28 29
In Amerika in den Zwanziger, Sechziger und Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, vgl. Hellwig (2000). Vgl. Holmström & Tirole (1993). Der Versuch, das Risiko mit Hilfe von Kapitalmarkttransaktionen weiterzugeben, würde den Anreizeffekt offensichtlich unterlaufen.
236
29 Unternehmensfinanzierung und Corporate Governance
29.3.1 Das gesellschaftsrechtliche Dogma von der Existenz eines eigenen Unternehmensinteresses Die Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft ist von der Vorstellung der Aktiengesellschaft als einer juristischen Person geprägt, die dem Vorbild der natürlichen Person entsprechend ein eigenständiges Unternehmensinteresse besitzt. In den Augen des Gesetzgebers ist der Vorstand aufgrund seiner rechtlichen Stellung als gesetzlicher Vertreter der juristischen Person Aktiengesellschaft zwangsläufig Sachwalter dieses Unternehmensinteresses. Daher billigt der Gesetzgeber dem Vorstand ein weitreichendes Maß an finanzieller und organisatorischer Autonomie und somit die Möglichkeit zu, sich dem Einfluss der Financiers zu entziehen. 29.3.2 Rationale Apathie und Interessenkonflikte der Eigner untereinander Faktische Handlungsspielräume eröffnen sich den Managern nicht nur durch die rationale Apathie des Streubesitzes sondern auch dann, wenn es einflussreiche Eigner mit unterschiedlichen Interessen gibt. Die in der breiten Öffentlichkeit geführte Shareholder-Value-Debatte, die den Eindruck erweckt, als könne es unter den Eignern keine Interessenkonflikte geben, weil diese geschlossen hinter einer Politik der Marktwertmaximierung stehen, weckt in diesem Punkt falsche Erwartungen, weil sie die idealen Marktbedingungen unerwähnt lässt, die erforderlich sind, damit Marktwerte eindeutig berechnet und ungeachtet unterschiedlicher Zeit- und Risikopräferenzen als Entscheidungsmaßstab herangezogen werden können.30 29.3.3 Streben nach umfassendem Interessenausgleich Unter den Prämissen des Stakeholder-Ansatzes dient CG nicht nur dem Interesse der Financiers sondern auch demjenigen der Mitarbeiter und letztlich der Gesellschaft. Allerdings funktioniert bei dieser Konzeption auch die alte Losung „Divide et impera!“ sehr gut. Daher impliziert der Stakeholder-Ansatz einen weiteren signifikanten Zuwachs an Autonomie für die Manager.31 Manager nutzen dieses hohe Maß an Autonomie zuweilen, um ihre Macht durch eine auf impliziten Übereinkünften beruhende und daher kaum antastbare Allianz mit der Politik abzusichern. So lassen sich die Spielregeln der CG zur Not auch während des Spiels ändern. Im Gegenzug werden unter dem Stichwort „Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen“ Maßnahmen finanziert, die ansonsten die Budgets öffentlicher Haushalte belasten würden.32 Fraglich ist, inwieweit der internationale Standortwettbewerb dem entgegen steht.
30 31 32
Vgl. Wilhelm (1991). Vgl. Dewatripont, Jewitt & Tirole (1999). Vgl. Hellwig (2000).
30 Teil VI in Kürze
Interne Finanzierung speist sich aus Umsätzen und Desinvestitionen. Externe Finanzierung ist mit dem Aufleben von Ansprüchen an das Unternehmensvermögen verbunden. Interne Finanzierung ist bis auf wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel die Veräußerung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen, untrennbar mit dem Leistungsbereich eines Unternehmens verbunden. Sie erfordert daher einen hohen Koordinationsaufwand und ist dementsprechend schwer zu beurteilen. Nimmt man an, dass es keinerlei Rückkopplung aus dem Finanzbereich auf den Leistungsbereich eines Unternehmens gibt, dann kann Finanzierung nur relevant sein, wenn sie den Financiers neue oder transaktionskostengünstigere Möglichkeiten der Risikoallokation bietet. Der Kapitalkostensatz eines teilweise fremdfinanzierten Unternehmens entspricht per definitionem einem gewichteten Mittel aus Eigen- und Fremdkapitalkostensatz. Der Gedanke, bei der externen Finanzierung im Gegensatz zur internen Finanzierung leistungswirtschaftliche Aspekte generell aus der Betrachtung heraus halten zu können, erweist sich letztlich als trügerisch. Bestimmte Sonderformen der Finanzierung wie zum Beispiel Leasing und Wagnisfinanzierung können als Antwort auf spezifische Verhaltensrisiken aufgefasst werden. Neoklassische Finanzierungsoptima basieren auf einer Umverteilung des Unternehmensvermögens zwischen Inhabern und Nichtinhabern von Finanztiteln. Informationsökonomische Finanzierungsoptima resultieren aus der Begrenzung von Interessenkonflikten zwischen Fremd- und Eigenkapitalgebern sowie von Verhaltensrisiken oder aus der Informationsübermittlung infolge des Signalcharakters von Finanzierungsentscheidungen. Die asymmetrische Teilhabe von Gläubigern und Eignern am Ergebnis kann dazu führen, dass Eigner allzu bereitwillig kurzfristige Vorteile mit langfristigen Nachteilen von Investitionsprojekten erkaufen, falls letztere überwiegend zu Lasten der Gläubiger gehen.
238
30 Teil VI in Kürze
Die asymmetrische Teilhabe von Gläubigern und Eignern an Chancen und Risiken kann dazu führen, dass Eigner allzu bereitwillig Chancen mit Risiken erkaufen, falls letztere überwiegend zu Lasten der Gläubiger gehen. Die asymmetrische Teilhabe von Gläubigern und Eignern an Chancen und Risiken kann dazu führen, dass Eigner das Interesse an vorteilhaften Projekten verlieren, falls die Gläubiger Hauptnutznießer einer Realisierung dieser Projekte wären. Die asymmetrische Beteiligung verschiedener Gläubiger an den Kosten einer Sanierung kann die Sanierung vereiteln. Die Finanzierung vorteilhafter Investitionsprojekte im Wege einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechtes muss an einer Unterbewertung des bereits investierten Unternehmensvermögens scheitern, falls die relative Unterbewertung des Unternehmens als Ganzes die Profitabilität des Projektes gemessen am Verhältnis aus Ertragswert (Present Value) und Kapitaleinsatz noch übersteigt. Der Wert einer Fremdkapitalposition hängt grundsätzlich davon ab, welche Haftungsmasse bei Fälligkeit nach welchen Prioritätsregeln auf wie viele Anspruchsberechtigte verteilt werden wird. Das Nachverhandeln von Kreditkonditionen kann ex post sinnvoll sein, um Fehlanreize zu ineffizienten Investitionen zu beseitigen. Nachverhandlungen können aber auch als Versuch des Schuldner-Managements gesehen werden, mit seinem spezifischen Know-How zu wuchern. In einem solchen Spiel kommt es für Kreditgeber darauf an, sich ex ante strategisch auf eine harte Linie festzulegen, um zu verhindern, dass der Kreditnehmer seine Ziele im Vertrauen auf den Fortbestand des Unternehmens durchsetzen kann. Corporate Governance ist ein Oberbegriff für Organisationsformen der Unternehmensleitung und -kontrolle, die gewährleisten sollen, dass die Financiers eines Unternehmens eine angemessene Gegenleistung für die Überlassung von Finanzierungsmitteln erhalten. Der Wirksamkeit von Regulierung im Bereich Corporate Governance sind mit dem gesellschaftsrechtlichen Dogma eines eigenen Unternehmensinteresses, der rationalen Apathie der Kleinanleger und dem Streben nach umfassenden Interessenausgleich enge schwer verrückbare Grenzen gesetzt. Um so wichtiger sind wirksame Selbstregulierungsmechanismen. Als solche kommen die Kontrolle des Managements durch Großaktionäre und Banken, seine Disziplinierung durch den Wettbewerb auf Absatzmärkten, Arbeitsmärkten und auf dem Kapitalmarkt sowie Anreizmechanismen in Betracht.
Teil VII
Anhang
A Duration und Konvexität
Sei N
Vt (ye ) = ∑ q(ye )(ti −t) · z ti i=1
N bei einer Effektivrendite (Yield to Mader Wert einer Zahlungscharakteristik (z ti )i=1 turity) in Höhe von ye . Der Wert nach einer Änderung der Effektivrendite um Δye lässt sich mittels einer Taylor-Approximation zweiter Ordnung wie folgt approximieren1
V0 (ye + Δye ) ≈ V0 (ye ) +
d V0 (ye ) 1 d 2 V0 (ye ) Δye + (Δye )2 . d ye 2 d ye2
Das entspricht approximativ einer prozentualen Wertänderung von 1 d V0 (ye ) ΔV0 (ye + Δye ) 1 1 d 2 V0 (ye ) ≈ Δye + (Δye )2 . V0 (ye ) V0 (ye ) d ye 2 V0 (ye ) d ye2
(A.1)
N eine Zahlungscharakteristik mit Zahlungen, die in gleichbleibenden AbSei (z i )i=1 ständen der Länge 1 anfallen, und sei t0 = 0 der Betrachtungszeitpunkt, dann bezeichnet man die in Verbindung mit den Gewichtungsfaktoren
gn :=
q(ye )n · z n N ∑i=1 q(ye )i · z i
(A.2)
durch N
d := ∑ gi ·i
(A.3)
i=1
definierte mittlere (Rest-)Laufzeit als Macauley Duration. Die folgenden Eigenschaften der Macauley Duration sind unmittelbar einsichtig: 1
Dazu entwickelt man die Taylorreihe (2.9) bis n = 2 und ignoriert das Restglied.
242
A Duration und Konvexität
Die Duration eines Zerobonds entspricht seiner Restlaufzeit, da nur eine Zahlung im Zeitpunkt der Fälligkeit erfolgt. Die Duration einer kupontragenden Anleihe ist stets kleiner als deren Restlaufzeit, solange der vorletzte Kupon noch nicht eingelöst wurde. Die Duration einer kupontragenden Anleihe nimmt ceteris paribus mit steigendem Kuponzinssatz ab, da sich das Gewicht der relativ frühen Zahlungen erhöht. Die Duration einer kupontragenden Anleihe nimmt ceteris paribus mit steigender Effektivrendite ab, da die zukünftigen Zahlungen durch die stärkere Abdiskontierung im Zeitpunkt der Berechnung relativ an Bedeutung verlieren.
Die Größe dˆ := −
1 d V0 (ye ) = q(ye ) · d V0(ye ) d ye
(A.4)
wird als modifizierte Duration und N 1 d 2 V0 (ye ) 2 2 = q(ye ) d + ∑ gi ·i cˆ : = V0 (ye ) d ye2 i=1
(A.5)
als Konvexität bezeichnet.2 Mit diesen Definitionen kann man die approximative relative Preisänderung (A.1) auch wie folgt darstellen: ΔV0 (ye + Δye ) (Δye )2 ≈ −dˆ · Δye + cˆ · . V0 (ye ) 2
(A.6)
Diese Darstellung lässt erkennen, dass die Konvexität dafür sorgt, dass sich der Wert im Falle einer um den Betrag |Δye | sinkenden Effektivrendite stärker erhöht als er im Falle einer um den Betrag |Δye | steigenden Effektivrendite fällt. Beispiel A.1. Auf einem Finanzmarkt werden zwei Anleihen gehandelt, die in der Zukunft folgende Zahlungen generieren n 1 2 3 z n1 0 33 0 z n2 10 11 12,1 Die Zinsstrukturkurve sei im Bewertungszeitpunkt t0 = 0 flach bei einem Niveau von 10%, so dass man nicht zwischen den Preisen und den Werten 33 ≈ 27,27 1,12 11 10 12,1 33 V 2 (10%) = + + = ≈ 27,27, 1,1 1,12 1,13 1,12
V 1 (10%) =
2
Die Größe heißt so, weil sie das Ausmaß der Krümmung der konvexen Funktion V0 (ye ) beschreibt.
A Duration und Konvexität
243
die sich für die beiden Anleihen bei einer Effektivrendite von ye = 0,1 errechnen, differenzieren muss. Es errechnen sich dann folgende modifizierte Durationen 1 2 dˆ 1 = ·2 = 1,1 1,1 12,1 11 10 2 3 1 1,1 1,1 1,1 2 1· 2 +2· 2 +3· 2 dˆ = 1,1 V (10%) V (10%) V (10%) 2 1 1,1 11 11 11 = +2· +3· 1· 2 2 1,1 33 1,1 1,1 1,12 1 1 2 3 2 + + = = 1,1 3 3 3 1,1 und Konvexitäten 1 6 (2 + 22 ) = 1,12 1,12 1 1+4+9 1 20 . cˆ2 = 2 + = 1,12 3 1,12 3
cˆ1 =
Die beiden Kennzahlen können nun verwendet werden, um Auswirkungen einer Parallelverschiebung einer flachen Zinsstrukturkurve auf den Preis einer Anleihe abzuschätzen. Fiele beispielsweise das Zinsniveau auf 8%, so resultierten daraus die Preise 33 ≈ 28,29 1,082 11 10 12,1 V 2 (8%) = + + ≈ 28,30. 1,08 1,082 1,083 V 1 (8%) =
Verwendet man die Approximationsformel (A.6), so erhält man die Abschätzungen 2 6 0,0004 1 V (8%) ≈ 27,27 1 − · (−0,02) + 1,1 1,12 2 3138 ≈ 28,28 = 27,27 · 3025 1 20 0,0004 2 2 V (8%) ≈ 27,27 1 − · (−0,02) + 1,1 1,12 3 2 1883 ≈ 28,29, = 27,27 · 1815 die in diesem Fall für beide Wertpapiere sehr genau sind. Die Immunisierungseigenschaft der Duration besagt, dass sich der Wert eines festverzinslichen Wertpapiers im Zeitpunkt d infolge einer einmaligen nicht zu großen Änderung der Effektivrendite von ye auf ye + Δye im Zeitpunkt 0 unabhängig von
244
A Duration und Konvexität
der Richtung der Veränderung nur erhöhen kann, sofern alle zukünftigen Zahlungen aus dem Wertpapier positiv sind und nicht an einem Zeitpunkt ausgezahlt werden. Dabei wird unterstellt, dass die vor dem Zeitpunkt d anfallenden Zahlungen zu der veränderten Effektivrendite ye + Δye angelegt werden. Mathematisch kann man das wie folgt formulieren: Es existiert eine kritische Änderung Δye∗ ∈ , so dass
Vd (ye + Δye ) > Vd (ye )
für alle|Δye | < Δye∗
gilt. Das kann wie folgt bewiesen werden: In Verbindung mit Vd (ye ) = (1 + ye )d V0 (ye ) erhält man für die erste Ableitung nach ye d Vd (ye ) d V0 (ye ) = d(1 + ye )d−1 V0 (ye ) + (1 + ye )d d ye d ye d V0 (ye ) d−1 = (1 + ye ) d · V0 (ye ) + (1 + ye ) d ye
(A.7)
und für die zweite Ableitung d − 1 d Vd (ye ) d 2 Vd (ye ) = 2 d ye 1 + ye d ye d 2 V0 (ye ) d V0 (ye ) d V0 (ye ) + (1 + ye )d−1 d + + (1 + ye ) . d ye d ye d ye2 Einsetzen der durch (A.4) implizierten Beziehung d =−
1 + ye d V0 (ye ) V0 (ye ) d ye
in (A.7) führt zu d Vd (ye ) =0 d ye und somit zur folgenden Vereinfachung der zweiten Ableitung d 2 Vd (ye ) d 2 V0 (ye ) d V0 (ye ) d−1 = (1 + ye ) + (1 + ye ) (1 + d) d ye2 d ye d ye2 d V0 (ye ) d 2 V0 (ye ) + (1 + ye )2 = (1 + ye )d−2 (1 + d)(1 + ye ) . (A.8) d ye d ye2 Setzt man schließlich die durch (A.5) implizierte Beziehung N d 2 V0 (ye ) V0 (ye ) 2 = d + ∑ gi ·i d ye2 (1 + ye )2 i=1
A Duration und Konvexität
245
in (A.8) ein und berücksichtigt N
N
i=1
i=1 N
∑ gi ·i 2 − d 2 = ∑ gi ·i 2 − 2d 2 + d 2 N
N
i=1
i=1
= ∑ gi ·i 2 − 2d ∑ gi ·i + d 2 ∑ gi i=1 N
= ∑ gi · (i − d)2 , i=1
so erhält man
N d 2 Vd (ye ) d−2 2 = (1 + ye ) V0 (ye ) −(1 + d) · d + d + ∑ gi ·i d ye2 i=1 N
∑ gi ·i 2 − d 2
= (1 + ye )d−2 V0 (ye )
i=1 N
= (1 + ye )d−2 V0 (ye ) ∑ gi · (i − d)2 > 0. i=1
Die zweite Ableitung ist für eine gegebene Effektivrendite konstant, so dass man K :=
1 d 2 Vd (ye ) 2 d ye2
setzen kann. Somit gilt nach dem Satz von Taylor Vd (ye + Δye ) − Vd (ye ) =
d Vd (ye ) 1 d 2 Vd (ye ) Δye + (Δye )2 + o((Δye )2 ) d ye 2 d ye2
= K · (Δye )2 + o((Δye )2 ) oder äquivalent o((Δye )2 ) Vd (ye + Δye ) − Vd (ye ) = K + . (Δye )2 (Δye )2 Der Ausdruck konvergiert für Δye → 0 gegen die strikt positive Konstante K , d.h. es ist möglich, ein Δye∗ zu finden, so dass die Summe auf der rechten Seite für alle Δye < Δye∗ positiv ist. Für diese Werte von Δye muss der Zähler des Bruchs auf der linken Seite strikt positiv sein, damit der Bruch insgesamt positiv ist. Beispiel A.2 (Fortsetzung). Für das Wertpapier 1 errechnet sich für den Zeitpunkt d = 2 nach einer Änderung der Effektivrendite im Zeitpunkt 0 um Δye ein Wert von V21 = (1,1 + Δye )2
33 = 33 (1,1 + Δye )2
246
A Duration und Konvexität
und für das Wertpapier 2 ein Wert von 10 11 12,1 + + V22 = (1,1 + Δye )2 1,1 + Δye (1,1 + Δye )2 (1,1 + Δye )3 = (1,1 + Δye ) · 10 + 11 + (1,1 + Δye)−1 · 12,1. In der folgenden Tabelle sind die Werte im Zeitpunkt der Duration für verschiedene Änderungen der Effektivrendite dargestellt: Δye 1 V2 (0,1 + Δye ) V22 (0,1 + Δye )
−0,10 −0,05 −0,01 0 0,01 0,05 0,10 33 33 33 33 33 33 33 33,1 33,0238 33,0009 33 33,0009 33,00217 33,0833
Die Immunisierungseigenschaft impliziert Arbitragegelegenheiten für den Fall, dass es zu Parallelverschiebungen flacher Zinsstrukturkurven kommt. Diese Annahme ist demnach nicht mit der Annahme arbitragefreier Märkte für festverzinsliche Wertpapiere vereinbar.3 Das folgende Beispiel belegt, dass die Immunisierungseigenschaft tatsächlich mit der Parallelverschiebung einer flachen Zinsstruktur steht und fällt. Dazu wird der Fall betrachtet, dass die Zinsstruktur zunächst flach ist, es dann aber zu unterschiedlich starken Veränderungen der Kassazinssätze kommt. Beispiel A.3 (Fortsetzung). Gegeben sei eine flache Zinsstrukturkurve bei einem Niveau von re = ye = 0,1. Kommt es im Zeitpunkt 0 für alle Laufzeiten n zu einer affinen Verschiebung Δre (0,n) = a · n + b, dann ergibt sich im Zeitpunkt d = 2 für Wertpapier 1 ein Wert von V21 = (1,1 + 2a + b)2
33 = 33 (1,1 + 2a + b)2
während sich für Wertpapier 2 ein Wert von 10 11 12,1 2 2 + + V2 = (1,1 + 2a + b) 1,1 + a + b (1,1 + 2a + b)2 (1,1 + 3a + b)3 ergibt. Betrachtet man den Spezialfall b = −2a, dann kommt es zu einer Drehung der Zinsstrukturkurve im Zinssatz re (0,2). Der Aufzinsungsfaktor bleibt somit unverändert und man erhält V22 =
1,12 1,12 · 10 + 11 + · 12,1. 1,1 − a (1,1 + a)3
Die folgende Tabelle stellt einige Szenarien dar, die den Verlust der Immunisierungseigenschaft demonstrieren.4 3 4
Man beachte die Notwendigkeit einer positiven Drift des Kassazinsraten-Prozesses (E.3) in Anhang E. In den Berechnungen zeigt sich das sogenannte Twist-Risiko, vgl. hierzu Albrecht & Maurer (2008, Kapitel 9.2.1.2).
A Duration und Konvexität
a Δre (0,1) Δre (0,3) V21 V22
−0,05 −0,01 0,00 0,01 0,05 0,05 0,01 0,00 −0,01 −0,05 −0,05 −0,01 0,00 0,01 0,05 33,00 33,00 33,00 33,00 33,00 34,17 33,21 33,00 32,81 32,15
247
B Grundzüge der Erwartungsnutzentheorie
Die Erwartungsnutzentheorie ist ein axiomatisch fundiertes Konzept zur Operationalisierung der Risikoeinstellung.
B.1 Fundamentale Aspekte der Erwartungsnutzentheorie Definition B.1 (einfache Lotterie). Eine einfache Lotterie L führt mit einer Wahrscheinlichkeit p zu einer Zahlung z 2 und mit der Gegenwahrscheinlichkeit 1 − p zu einer Zahlung z 1 < z 2 . Sie ist somit durch die Angabe (z 1 ,z 2 ; p) vollständig charakterisiert. Im Folgenden wird unterstellt, dass jeder Entscheider in der Lage ist, zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche von zwei beliebigen Lotterien er der jeweils anderen vorzieht. Kernaussage der Erwartungsnutzentheorie bzw. des Bernoulli-Prinzips ist, dass eine (von Neumann-Morgenstern-)Nutzenfunktion EU existiert, die diese Präferenzordnung über Wahrscheinlichkeitsverteilungen repräsentiert. Für dieses Resultat sind drei Axiome wesentlich verantwortlich, nämlich das Dominanz-, das Stetigkeits- und das Unabhängigkeitsaxiom. Diese werden im folgenden kurz erläutert. Axiom B.1.1 (Dominanz) Existieren zwei einfache Lotterien L 1 = (z 1 ,z 2 ; p1 ) und L 2 = (z 1 ,z 2 ; p2 ), dann gilt L1 L2 genau dann, wenn p1 > p2 ist, d.h. die Lotterie, bei der die höhere Auszahlung mit höherer Wahrscheinlichkeit eintritt, wird der anderen Lotterie vorgezogen. Axiom B.1.2 (Stetigkeit) Jeder Entscheider kann jedem z ∈ [z 1 ,z 2 ] eine eindeutige Wahrscheinlichkeit p zuordnen, so dass er die Teilnahme an der Lotterie (z 1 ,z 2 ; p) und den Erhalt einer sicheren Zahlung in Höhe von z als gleichwertig ansieht. D.h. ∃ p : z ∼ (z 1 ,z 2 ; p) , z ∈ [z 1 ,z 2 ] .
250
B Grundzüge der Erwartungsnutzentheorie
Axiom B.1.3 (Unabhängigkeit) Zahlungen werden unabhängig von dem Zustand bewertet, in dem sie anfallen. Das impliziert z ∼ (z 1 ,z 2 ; p) ⇔ (z 1 ,z ; q) ∼ (z 1 ,(z 1 ,z 2 ; p); q) ∼ (z 1 ,z 2 ; p · q). Es wird also vorausgesetzt, dass das Ereignis, welches über die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an der nachgeschalteten Lotterie (z 1 ,z 2 ; p) entscheidet, keinen Einfluss auf die Bewertung von Zahlungen hat. Unter der Annahme B.1 und den Axiomen B.1.1 bis B.1.3 lassen sich die Präferenzen eines Entscheiders mit Hilfe einer Erwartungsnutzenfunktion 2
EU (Z ) := ∑ pi · u(z i ) i=1
abbilden, wobei u eine kardinale Nutzenfunktion ist. Diese sogenannte Erwartungsnutzeneigenschaft lässt sich wie folgt zeigen: Sei (z,z ; p) eine Standardlotterie, deren Zahlungen ein Intervall definieren, in das die Zahlungen aller anderen Lotterien hineinfallen, dann
garantiert das Stetigkeitsaxiom für alle z ∈ [z , z] die Existenz von Wahrscheinlichkeiten p(z), so dass z ∼ (z , z ; p(z))
gilt wegen des Unabhängigkeitsaxioms (z 1 ,z 2 ; p) ∼ ((z , z ; p(z 1 )), (z,z ; p(z 2 )); p) ∼ (z , z ; p · p(z 2 ) + (1 − p) · p(z 1 ))
genügt es, die Nutzenfunktion derart zu konstruieren, dass man Standardlotterien bewerten kann u (z) = 0 u(z) := U (z , z ; p(z)) = p(z) ⇒ u (z) = 1.
Aus (z 1 ,z 2 ; p) ∼ (z , z ; p · p(z 2 ) + (1 − p) · p(z 1 )) folgt dann in Verbindung mit der Definition von u(z) die Erwartungsnutzen-Eigenschaft: U (z 1 , z 2 ; p) = U (z , z ; p · p(z 2 ) + (1 − p) · p(z 1 )) = p · p(z 2) + (1 − p) · p(z 1 ) = p · u(z 2 ) + (1 − p) · u(z 1 ) = EU (Z ).
B.2 Klassifikation der Risikoeinstellung rationaler Entscheider
251
B.2 Klassifikation der Risikoeinstellung rationaler Entscheider B.2.1 Grobklassifikation der Risikoeinstellung Um zu prüfen, ob die Gestalt der Risikonutzenfunktion Aussagen über die Risikoeinstellung des Entscheiders zulässt, benötigt man zunächst eine zweckdienliche Definition des Begriffs „Risikoeinstellung“. Eine Lösung dieses Problems liefert die so genannte Markowitz-Risikoprämie, die die Risikoeinstellung eines Entscheiders an dem Betrag misst, den dieser für eine Versicherung gegen dieses Risiko zu zahlen bereit ist. Definition B.2 (Markowitz-Risikoprämie). Bei gegebenem Anfangsvermögen w0 und Endvermögen W = w0 + Z wird die Markowitz-Risikoprämie r p implizit durch die Gleichung
(u(W )) = u ((W ) −r p)
(B.1)
definiert.
Definition B.3 (Sicherheitsäquivalent). Das sichere Endvermögen (W )−r p wird als Sicherheitsäquivalent
w := (W ) −r p bezeichnet, da der Entscheider ausweislich (B.1) indifferent zwischen einem sicheren Endvermögen in Höhe von (W ) −r p und einem unsicheren Endvermögen in Höhe von W ist.
Berücksichtigt man, dass die im vorangehenden Abschnitt B.1 erläuterte Konzeption einer Risikonutzenfunktion u (w) > 0 impliziert, dann lässt sich die Risikoeinstellung wie folgt klassifizieren: Risikoaversion : r p > 0 ⇔ Risikoneutralität : r p = 0 ⇔ Risikofreude : rp < 0 ⇔
(u(W )) < u((W )) (u(W )) = u((W )) (u(W )) > u((W ))
Hieraus folgt in Verbindung mit der Jensen’schen Ungleichung, dass der Verlauf der Risikonutzenfunktion u(w) Rückschlüsse auf die Risikoeinstellung zulässt, und zwar gilt:1 u (w) > 0 ⇒ Riskofreude u (w) = 0 ⇒ Riskoneutralität u (w) < 0 ⇒ Riskoaversion.
1
Eine ausführlichere Erläuterung findet sich z.B. in Bamberg et al. (2008, Kapitel 4.5).
252
B Grundzüge der Erwartungsnutzentheorie
B.2.2 Feinklassifikation der Risikoeinstellung Im Allgemeinen ist wohl davon auszugehen, dass Entscheider nicht vollständig gesättigt (u (w) > 0) und risikoavers (u (w) < 0) sind. Daher ist es wünschenswert, risikoaverses Verhalten noch feiner differenzieren zu können. Dies ist mit Hilfe des Arrow/Pratt-Maßes ARA(w) := −
u (w) >0 u (w)
für die lokale absolute Risikoaversion möglich. Arrow und Pratt haben dieses Maß entwickelt, um den jeweiligen Einfluss von Risiko und Risikoeinstellung auf die Risikoprämie abschätzen zu können. Approximiert man die Nutzenfunktion zunächst um den Erwartungswert (W ) so erhält man
1 u(W ) ≈ u ([W ]) + u ([W ])(W − (W )) + u ([W ])(W − [W ])2 . 2
(B.2)
Das impliziert bei Abbruch nach dem ersten Glied zum einen
u( [W ] −r p) ≈ u ( [W ]) − u ( [W ]) ·r p. und zum anderen
(u(W )) ≈ u ([W ]) + 12 u ([W ])
(W − [W ])2 .
(B.3)
(B.4)
Ersetzt man die linke und rechte Seite der Definitionsgleichung (B.1) durch die Approximationen (B.4) und (B.3) und löst dann nach r p auf, so erhält man die Approximation rp ≈
(W ) · ARA([W ]).
2 Mit Hilfe dieses Maßes kann man 3 Klassen von Entscheidern unterscheiden, nämlich solche, die vor der Wahl zwischen einer riskanten und einer sicheren Anlagemöglichkeit stehend mit wachsendem Anfangsvermögen w0 mehr, gleich viel oder weniger in die riskante Anlageform investieren. Die Zuordnung erfolgt in dieser Reihenfolge, wenn die Nutzenfunktion des Entscheiders im gesamten Definitionsbereich w ∈ [w,w] durch ARA (w) < 0, ARA (w) = 0 bzw. ARA (w) > 0 charakterisiert ist. Man kann bisweilen beobachten, dass sich die Risikoaversion mit der Höhe der Zahlungen ändert. Ein Maß, das diesem Umstand in einfacher Weise Rechnung trägt, ist das Maß der relativen Risikoaversion RRA(w) := w · ARA(w).
B.3 Stochastische Dominanz als zielgruppengerechtes Selektionskriterium Aus praktischer Sicht sehr interessant erscheint auf den ersten Blick das Konzept der stochastischen Dominanz, da es einerseits aufgrund seiner engen Beziehung zum
B.3 Stochastische Dominanz als zielgruppengerechtes Selektionskriterium
253
Bernoulli-Prinzip entscheidungstheoretisch fundiert ist, andererseits aber ohne eine exakte Spezifikation der Risikonutzenfunktion auskommt. Es soll daher im Folgenden kurz skizziert werden. Den meisten Entscheidern fällt es relativ leicht, ihre Risikoeinstellung grob zu klassifizieren. Selbst eine Feinklassifikation im obigen Sinne erscheint relativ unproblematisch, weil die Einordnung an einfach formulierten Alternativen in sehr konkreten Entscheidungssituationen festgemacht werden kann. Es darf angenommen werden, dass sich die Vermutung abnehmender absoluter Risikoaversion bei den meisten Entscheidern relativ schnell erhärten lässt. Sei Wi eine reelle Zufallsvariable, die die Auswirkungen der Alternativen i = A, B,C,... auf das Endvermögen abbildet, und FWi (w) die Verteilungsfunktion von Wi , dann wird die Gruppe der Entscheider mit abnehmender absoluter Risikoaversion durch die Klasse UARA := u(w) : u (w) > 0,u (w) < 0,ARA (w) < 0 von Risikonutzenfunktionen repräsentiert. Gesucht ist ein Selektionskriterium, welches im Idealfall den beiden folgenden Anforderungen genügt: 1. Eine Alternative wird nur dann aus der Vorauswahl ausgeschlossen, wenn sichergestellt ist, dass sie für kein Mitglied der oben definierten Klasse interessant ist. Dies ist dann der Fall, wenn es eine andere Alternative gibt, die der ausgeschlossenen Alternative von allen Mitgliedern der Zielgruppe vorgezogen wird. 2. Eine Alternative, die für kein Gruppenmitglied interessant ist, scheidet aus der Vorauswahl aus. Anforderung 1 ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass das Selektionskriterium von allen Mitgliedern der Zielgruppe einmütig akzeptiert wird. Anforderung 2 gewährleistet in Verbindung mit Anforderung 1, dass das Selektionskriterium perfekt auf die Zielgruppe zugeschnitten ist. Seien U1 := u(w) : u (w) > 0 U2 := u(w) : u (w) > 0,u (w) < 0 U3 := u(w) : u (w) > 0,u (w) < 0,u (w) > 0 drei Klassen von Entscheidern und sei ASDx B mit x = 1,2,3 ein Symbol für die in Verbindung mit den folgenden Definitionen Definition B.4 (Stochastische Dominanz vom Grade 1). ASD1 B ⇔ FW A (w) − F W B (w) ≤ 0 ∀ w ∧ FW A (w) = F W B (w) Definition B.5 (Stochastische Dominanz vom Grade 2). !w
ASD2 B ⇔ F W A (x) − FW B (x)d x ≤ 0 ∀ w ∧
w !w
!w
w
w
F W A (x)d x = F W B (x)d x
254
B Grundzüge der Erwartungsnutzentheorie
Definition B.6 (Stochastische Dominanz vom Grade 3). ASD3 B ⇔ ∧
!w!y ww !w!y ww
FW A (x) − FW B (x)d x d y ≤ 0 ∀ w FW A (x)d x d y =
!w!y ww
FW B (x)d x d y ,
zu verstehende Aussage „Alternative A dominiert Alternative B im Sinne der stochastischen Dominanz vom Grade x“, dann kann gezeigt werden,2 dass die Korrespondenz
ASDx B ⇔ [u(W A )] > [u(W B )] ∀ u(w) ∈ Ux gilt. Nun gelangt man unter Berücksichtigung von ARA (w) =
(u (w))2 − u (w) · u (w) (u (w))2
< 0 ⇒ u (w) > 0 ∀ u mit u (w) > 0
zu der Ordnung UARA ⊂ U3 ⊂ U2 ⊂ U1 . Es ist also nicht garantiert, dass mit Hilfe des SD3 -Kriteriums auch wirklich alle Alternativen ausgeschlossen werden, die ein Entscheider mit abnehmender absoluter Risikoaversion niemals in Betracht ziehen würde. Somit ist zwar Anforderung 1 nicht aber Anforderung 2 erfüllt. Für ein exakt auf die Zielgruppe zugeschnittenes Selektionskriterium sind die Bedingungen, die das am wenigsten restriktive Dominanzkriterium SD3 voraussetzt, um eine Alternative als dominiert zu brandmarken, demnach immer noch zu hoch. Das schmerzt um so mehr als ASDx B für alle x = 1,2,3 sowohl [W A ] ≥ [W B ] für die jeweils erwarteten Endvermögen als auch w A ≥ w B für die Endvermögen im jeweils ungünstigsten Fall voraussetzt. Darin zeigt sich letztlich, dass der Verzicht auf eine exakte Spezifikation der Risikonutzenfunktion den Entscheider nicht davon entbindet, sehr genaue Vorstellungen von den Konsequenzen im Sinne von (Rand-)Verteilungen für das mit dem Ergreifen der zur Wahl stehenden Alternativen jeweils verbundene Endvermögen zu entwickeln.3
2 3
Siehe Bawa (1975, S. 101). Dabei sollten die Möglichkeiten zur Verlagerung von Risiken mit Hilfe von Transaktionen am Kapitalmarkt sinnvollerweise von vornherein mit einbezogen werden.
C Lognormal-Verteilung
Für die logarithmisch normalverteilte Zufallsvariable Y := e X mit X ∼ N μ X ,σ X2 erhält man in Verbindung mit den Definitionen x : = ln y x − μX z := σX sowie den Symbolen FY (y) für den Wert der Verteilungsfunktion der Zufallsvariable Y and der Stelle y und φ 0,1 (z) und Φ0,1 (z) für die Dichte- und die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung wegen der Übereinstimmung von FY (y) mit F X (ln y) die Dichtefunktion fY (y) = FX (ln y) ·
dx d x φ 0,1 (z) d x = φ μ X ,σ X (x) = . dy dy σX d y
Mithin gilt
[1| y > a] =
∞ a
fY (y)d y =
∞ lna
φ 0,1 (z)
1 dx . σX
Hieraus folgt unter Berücksichtigung von dz =
1 dx σX
und (Symmetrie) 1 − Φ0,1 (z) = Φ0,1 (−z) schließlich
[1| y > a] =
∞ lna−μ X σx
φ 0,1 (z)dz = Φ0,1
μ X − lna σX
.
(C.1)
256
C Lognormal-Verteilung
Aus
[Y | y > a] =
∞ a
y fY (y)d y =
∞ lna−μ X σx
eσ X z+μ X φ 0,1 (z)dz
(C.2)
folgt unter Berücksichtigung von eσ X ·z+μ X φ 0,1 (z) = eμ X +
2 σX 2
φ 0,1 (z − σ X )
schließlich
[Y | y > a] = eμ
2 σX X+ 2
2
σ μ X + 2X
=e
= eμ X +
2 σX 2
∞ lna−μ X σX
−σ X
φ 0,1 (u)du
lna − μ X − σX 1 − Φ0,1 σX μ X − lna Φ0,1 + σX . σX
Seien X 1 und X 2 gemeinsam normalverteilt und Y1 : = e X 1 Y2 : = e X 2 , dann gilt
(Y1−1 · Y2 ) = (e−X +X ) 1
2
= e(−X 1 +X 2 )+ 2 (−X 1 +X 2 ) 1
= e(−X 1 )+ 2 (−X 1 ) e(X 2 )+ 2 (X 2 ) e−(X 1 ,X 2 ) 1
1
= (Y1−1 ) · (Y2 ) · e−(X 1 ,X 2 ) .
Gemeinsam normalverteilte Zufallsvariable X ∼ N (μ,diag(σ ) Rdiag(σ )) lassen sich durch Linearkombinationen X = μ + diag(σ )AZ der voneinander unabhängigen standardnormalverteilten Zufallsvariablen Z ∼ N (0,E) beschreiben, falls die Bedingung
! AZ,(AZ) = A Z,Z A = AA = R
(C.3)
C Lognormal-Verteilung
257
erfüllt ist. Falls es nicht möglich ist, jegliches Risiko zu eliminieren, ist die Korrelationsmatrix R eine positiv definit symmetrische Matrix. In diesem Fall erfüllt die Cholesky-Zerlegung ⎧ 1 j =k=1 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ρ j >k=1 ⎪ ⎨ j1 K,K 0 j
1 ⎪ ⎪ ⎪
⎩ 1 k−1 ρkk ρ j k − ∑i=1 ρ j i ρki j > k > 1 die Bedingung (C.3).1 Demnach besitzen die Zufallsvariablen r 1# 0 σr (T − t) 0 W˜ t X1 = μ+ 0 σ X2 W˜ t ρ 1 − ρ2 1# 0 σr (T − t) 0 Z1 √ = μ+ t 2 0 σ Z ρ 1−ρ 2 die Varianz-Kovarianz-Matrix σr (T − t) 0 1 ρ σr (T − t) 0 Σ= t 0 σ ρ1 0 σ 2 σr (T − t)2 ρσ σr (T − t) = t. ρσ σr (T − t) σ2
1
Ein Vorzug der Cholesky-Zerlegung ist, dass die Dreiecksgestalt der Matrix A eine sehr einfache Bestimmung der Randverteilungen gestattet.
D Ökonomische und handwerkliche Aspekte von Girsanovs Theorem
Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf die Ausführungen in Unterabschnitt 10.2.7. Es soll der Zusammenhang zwischen der Solvenzwahrscheinlichkeit unter dem äquivalenten Wahrscheinlichkeitsmaß P(t,T ) (im Folgenden kurz: ) und dem empirischen Wahrscheinlichkeitsmaß klargestellt werden. Anders als das Binomialmodell, welches ohne Annahmen über subjektive Wahrscheinlichkeiten auskommt, setzt das Modell von Black Scholes und Merton auf der Modellierung eben dieser subjektiven Wahrscheinlichkeiten auf. Es geht davon aus, dass sich die Vorstellungen der Marktteilnehmer über die Kursentwicklung des Zerobonds während seiner Laufzeit durch die Funktion
P(t,T ) = P(0,T )erc t und die Vorstellungen über die Kursentwicklung des Marktpreises der Assets durch den von einer normalverteilten Brownschen Bewegung Wt getriebenen stochastischen Prozess 1
At = A0 eμt e− 2 σ
2 t+σ W t
(D.1)
beschreiben lassen. Die damit verbundene explizite Modellierung von subjektiven Wahrscheinlichkeiten wird dem Anwender häufig nicht bewusst, weil die Bewertung von replizierbaren Derivaten nicht von den durch die -Brownsche-Bewegung Wt bestimmten subjektiven Wahrscheinlichkeiten sondern von den durch die -Brownsche-Bewegung1 √ W˜ t = Wt + π A (t) t
bestimmten (Pseudo-)Wahrscheinlichkeiten abhängt. Dabei kann π A (t) := 1
(μ −rc )t (μ −rc ) √ √ = t σ σ t
Q-Brownsche-Bewegung bedeutet, dass W˜ t eine Brownsche Bewegung unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß P(t,T ) ist.
260
D Ökonomische und handwerkliche Aspekte von Girsanovs Theorem
als Marktpreis für das leistungswirtschaftliche Risiko des betrachteten Unternehmens interpretiert werden. Man beachte, dass damit angenommen wird, dass die Übernahme des Risikos um so besser entlohnt wird, je länger die Halteperiode ist. Unter den getroffenen Annahmen geht das Wahrscheinlichkeitsmaß durch Multiplikation der P-Dichte von Yt = P(t,T )−1 At mit
π A (t) − √ Wt − 21 π A2 (t)
θt := e
t
hervor. In Verbindung mit der Definition (10.28) für die Distance to Default dd(T ) gilt somit
(AT > f ) = (θT−1 | AT > f ) W + π (T ) = (e | AT > f ) √ ( W˜ −π (T ) T )+ π (T ) | AT > f ) = (e ˜ W − π (T ) = (e | AT > f ) √ W˜ − π (T ) = (e | W˜ T > − T · dd(T )) √ W˜ = e− π (T ) (e | W˜ T > − T · dd(T )). π A (T ) √ T π A (T ) √ T
1 2
1 2
T
T
2 A
π A (T ) √ T
T
1 2
2 A
π A (T ) √ T
T
1 2
2 A
π A (T ) √ T
2 A
1 2
A
2 A
T
Hieraus folgt unter Berücksichtigung von (siehe Anhang C)
(e
π A (T ) ˜ √ WT T
√ ˜ | WT > − T · dd(T )) = 1
= e 2 π A (T ) =e
2
∞
−dd(T ) ∞
−dd(T ) ∞ 1 2 2 π A (T )
eπ A (T )·z φ 0,1 (z)dz
φ 0,1 (z − π A (T ))dz
−dd(T )−π A (T )
φ 0,1 (u)du
schließlich
(AT > f ) = Φ0,1 (dd(T ) + π A (T )). Aus dd(T ) + π A (T ) =
(ln A√T ) − ln f + (μ −r )T √c
=
σ T (ln A T ) − ln f √ σ T
σ T
wird in Verbindung mit (C.1) ersichtlich, dass man diese subjektive Wahrscheinlichkeit auch direkt aus (D.1) hätte ableiten können. Abschließend sei noch auf die Möglichkeit hingewiesen, komplexe Bewertungsprobleme mit Hilfe von stochastischen Differentialgleichungen (SDGs) vergleichsweise
D Ökonomische und handwerkliche Aspekte von Girsanovs Theorem
261
einfach zu lösen. Wie dabei vorzugehen ist, soll im Folgenden an dem einfachen Beispiel eines im Zeitpunkt 0 abgeschlossenen Forward-Kontraktes mit Fälligkeit T auf eine dividendenlose Aktie demonstriert werden. Wir setzen dabei voraus, dass mit der dem Forward-Kontrakt zugrunde liegenden Aktie und einem als Numéraire fungierenden Zerobond mit Fälligkeit T zwei zur Replikation geeignete Titel am Markt gehandelt werden.2 Im ersten Schritt muss das Wahrscheinlichkeitsmaß Q bestimmt werden, unter dem der in Einheiten des Numéraires gemessene Aktienkurs Yt = P(t,T )−1 St ein Martingal ist. Sehr komfortabel lässt sich dieses Problem mit Hilfe eines mathematischen Satzes (Itôs Lemma) lösen, der besagt, dass eine differenzierbare Funktion f(t, X t ) eines stochastischen Prozesses X t , der durch die SDG d X t = a (t, X t )dt + b(t, X t )d Wt beschrieben wird, seinerseits durch die SDG ∂f ∂f 1 ∂2 f ∂f 2 + a (t, X t ) + b(t, X t )d Wt df(X t ,t) = b(t, X t ) dt + 2 ∂t ∂ X 2 ∂X ∂X
(D.2)
beschrieben wird. Mit Hilfe dieses Satzes ist es weitgehend unproblematisch, die Dynamik eines bestimmten stochastischen Prozesses zu ermitteln, indem man diesen als Funktion eines anderen stochastischen Prozesses darstellt, dessen SDG bekannt ist. Im konkreten Fall 1
Yt = Y0 e(μ−rc )t e− 2 σ
2 t+σ W t
bieten sich zwei Möglichkeiten an: Entweder fasst man den stochastischen Prozess Yt als Funktion f(X t ) = e X t der Brownschen Bewegung mit Drift 1 2 X t = X 0 + μ −rc − σ t + σ Wt 2 auf, die durch die SDG 1 2 d X t = μ −rc − σ dt + σ d Wt 2 beschrieben ist, und erhält durch Einsetzen von a (t, X t ) = μ−rc − 12 σ 2 , b(t, X t ) = σ , ∂f ∂t
= 0 und
∂f ∂ Xt
= ∂∂Xf2 = e X t = Yt in (D.2) die SDG 2
t
dYt = (μ −rc )Yt dt + σ Yt d Wt ,
(D.3)
1 2 oder man fasst den stochastischen Prozess Yt als Funktion f(t, X t ) = e(μ−rc − 2 σ )t+σ X t der Zeit t und der Brownschen Bewegung ohne Drift
X t = Wt 2
Vgl. Unterabschnitt 8.3.1.
262
D Ökonomische und handwerkliche Aspekte von Girsanovs Theorem
auf, die durch die SDG d X t = 0 · dt + 1 · d Wt beschrieben ist. Auf diese Weise gelangt man durch Einsetzen von a (t, X t ) = 0, 2 b(t, X t ) = 1, ∂∂tf = (μ − rc − 12 σ 2 )Yt , ∂∂Xft = σ Yt und ∂∂Xf2 = σ 2 Yt in (D.2) ebenfalls t auf die SDG (D.3). Auf beiden Wegen kommt man zu dem Ergebnis, dass der Prozess 1
Yt = Y0 e(μ−rc )t e− 2 σ
2 t+σ W t
die SDG dYt = (μ −rc )Yt dt + σ Yt d Wt besitzt. Ersetzt man d Wt gemäß √ d Wt = d W˜ t − π(t) dt so erhält man
√ dYt = Yt (μ −rc )dt + Yt σ d W˜ t − π(t) dt π(t) = Yt μ −rc − σ √ dt + σ Yt d W˜ t . dt
Da ein stochastischer Prozess genau dann ein Martingal ist, wenn seine SDG keine Drift besitzt, muss μ −rc √ π(t) dt μ −rc − σ √ = 0 ⇔ π(t) = σ dt gelten. Im zweiten Schritt bestimmt man den in Einheiten des Numéraire-Wertpapiers gemessenen Marktwert. Für 0 ≤ t ≤ T gilt:
Πt Z TD = P(t,T ) Q P(T,T )−1 Z TD | Ft
= P(t,T ) Q (YT − f S (0,T ) | Ft )
= P(t,T )(Yt − f S (0,T )) = St − P(t,T ) f S (0,T ).
(D.4)
Da der Forward-Kontrakt bei Abschluss in t = 0 definitionsgemäß einen Marktwert von Null hat, muss die Bedingung ! Π0 Z TD = 0 ⇔ f S (0,T ) = P(0,T )−1 S0 erfüllt sein. Einsetzen von in (D.4) führt auf
D Ökonomische und handwerkliche Aspekte von Girsanovs Theorem
263
P(t,T ) S0 . Πt Z TD = St − P(0,T ) Im dritten Schritt bestimmt man das Replikationsportfolio. Sei P Ft = x tS · St + x tP · P(t,T ) der Marktpreis des aus x tS Stücken der Aktie und x tP Stücken des Zerobonds zusammengesetzten Replikationsportfolios, dann kann die Replikation nur gelingen, wenn
!
d P(t,T )−1 P Ft = d P(t,T )−1 Πt
(D.5)
gilt. Nachdem der in Einheiten des Numéraires gemessene Marktwert im zweiten Schritt mit P(t,T )−1 Πt = Yt − f S (0,T )
ermittelt wurde, ist auch dessen Dynamik d P(t,T )−1 Πt = dYt und mithin die rechte Seite von (D.5) bekannt. Für die linke Seite erhält man
d P(t,T )−1 P Ft = x tS · dYt , wenn man davon ausgeht, dass x tS Ft -vorhersehbar ist, das bedeutet, dass der Prozess x tS nur von Information abhängt, die bereits vor dem Zeitpunkt t bekannt ist. Man muss sich den Übergang vom diskreten Binomialmodell zum stetigen Fall also so vorstellen, dass der Zeitpunkt tn−1 bis auf einen infinitesimal kleinen Abstand an den Zeitpunkt tn heranrückt, und dass es sich bei x tS um den entsprechenden GrenzS wert für x n−1 handelt. Im konkreten Fall lautet die Replikationsbedingung (D.5) demnach !
x tS · dYt = dYt ⇔ x tS = 1 ∀ t : 0 ≤ t ≤ T . Demnach kann der Forward durch eine einfache Buy-and-Hold-Strategie repliziert werden, was uns daran erinnert, das im vorliegenden Fall der Weg als Ziel ausgegeben war. Hat man x tS bestimmt, dann erhält man x tP aus der Gleichung x tP = P(t,T )−1 P Ft − x tS · Yt = P(t,T )−1 Πt − x tS · Yt . Im konkreten Fall gilt also x tP = Yt − f S (0,T ) − 1 · Yt = − f S (0,T ).
E Heath Jarrow Morton Drift Condition
Wer sich für die Entwicklung von Zerobondpreisen und Terminzinssätzen unter dem empirischen Wahrscheinlichkeitsmaß interessiert, muss auf den Ansatz von Heath Jarrow und Morton zurückgreifen.1 Da dieser die gesamte Zinsstruktur mit Hilfe einiger weniger Risikofaktoren modelliert, muss man gut aufpassen, dass die gewählte Modellierung keine Arbitragegelegenheiten impliziert, da die Preise von Zerobonds mit unterschiedlichen Restlaufzeiten in systematisch verschiedener Weise von diesen Risikofaktoren beeinflusst werden.2 Unter der konkreten Annahme (10.31) f c (t,u) = f c (0,u) +
t 0
αc (s,u)ds + σr
t 0
h(s,u)d Wsr
sind Arbitragegelegenheiten nur dann ausgeschlossen, wenn die sogenannte Heath Jarrow Morton Drift Condition ⎛ ⎞ αc (s,t) = ⎝h(s,t)
t
h(τ,t)dτ ⎠ σr2
s
erfüllt ist. Das kann wie folgt mit Hilfe des Girsanov-Theorems3 gezeigt werden: Da das gesamte Spektrum von Zerobondpreisen P(t, S) : t < S < T unter dem Maß T die Martingaleigenschaft besitzen muss, muss für alle t < S < T P(t, S) P(0, S) EQ P(t,T ) = P(t,T ) P(0,T )
gelten. Definitionsgemäß gilt 1 2
3
Vgl. Shreve (2004, Kapitel 10.1. u. 10.3) oder Branger & Schlag (2004, Kapitel 6). Die in Anhang A behandelte Immunisierungseigenschaft der Duration ist ein Beleg dafür, dass beispielsweise die beliebte Annahme von Parallelverschiebungen einer flachen Zinsstruktur im Widerspruch zur Arbitragefreiheit des Rentenmarktes steht. Vgl. hierzu Anhang D.
266
E Heath Jarrow Morton Drift Condition
ln P (t, S) = −
S t
f c (t,u)du
und mithin d ln P (t, S) = f c (t,t) −
S ∂ fc (t,u)
∂t
t
du
und d ln P (t, S) − d ln P (t,T ) =
T ∂ f c (t,u) S
∂t
du .
Hieraus erhält man in Verbindung mit ∂ f c (t,u) = αc (t,u)dt + σr h(t,u)d Wtr ∂t d ln P (t, S) − d ln P (t,T ) = =
T S
T S
αc (t,u)dt du + σr αc (t,u)du dt + σr
T S
T S
h(t,u)d Wtr du h(t,u)du d Wtr .
Sei d W˜ tr = d Wtr + π(t,T )dt , dann muss also T S
1 αc (t,u)du + σr2 2
2
T
h(t,u)du S
− π(t,T ) · σr
T S
h(t,u)du = 0
gelten. Damit diese Gleichung für alle t < S < T erfüllbar ist, muss die linke Seite invariant gegenüber Veränderungen von S sein. Das erfordert T h(t,u)du h(t, S) + σr · π(t,T ) · h(t, S) = 0. −αc (t, S) − σr2 S
Durch Einsetzen bestätigt man, dass das Problem in Verbindung mit der Definiton i(s,u) : =
u
h(t,u)dt =
s
u
e−λ(u−t) dt
s
einer im Intervall (u − s,0) streng monoton fallenden Funktion i (i steht für impact) des Flüchtigkeits-Parameters λ von αc (t, S) = σr2 h(t, S)
S
h(u, S)du t
(E.1)
E Heath Jarrow Morton Drift Condition
267
und π(t,T ) = σr
T t
h(t,u)du = σr i(t,T )
(E.2)
gelöst wird.4 Einsetzen von (E.1) in (10.31) führt unter Berücksichtigung von ∂i(s,t) αc (s,t) = σr2 − i(s,t) ∂s auf σ2 f c (t,u) = f c (0,u) + r i(0,u)2 − i(t,u)2 + σr 2
t 0
h(s,u)d Wsr
und (man beachte i(t,t) = 0) rc (t) := f c (t,t) = f c (0,t) +
σr2 i(0,t)2 + σr 2
t 0
h(s,t)d Wsr .
(E.3)
Hieraus erhält durch Substitution von d Wsr durch d W˜ r (t) − π(t,T )dt in Verbindung mit dem Marktpreis für das Risiko (E.2) t σ2 f c (t,u) = f c (0,u) + r i(0,u)2 − i(t,u)2 − 2 h(s,u) · i(s,T ) ds 2 0 + σr
t 0
h(s,u)d W˜ sr
(E.4)
für den Fall, dass der Zerobond mit Fälligkeit T als Numéraire verwendet wird. Im Grenzfall λ = 0, d.h. dann wenn unvorhersehbare Zinssatzänderungen stets zu einer Parallelverschiebung der gesamten Zinsstrukturkurve führen, erhält man durch Einsetzen von h(s,u) = 1 und i(s,u) = u − s für alle u ≥ s in (E.4) die spezielle Lösung f c (t,u) = f c (0,u) − σr2 (T − u)t + σr
t 0
d W˜ sr
= f c (0,u) − σr2 (T − u)t + σr W˜ tr .
4
Vgl. z.B. Back (1996, S. 32) oder Björk (1997, S. 92 ff.).
F RiskMetrics™ Cash Flow Mapping
Jede zukünftige Zahlung eines jeden festverzinslichen Wertpapiers wird nach folgendem Verfahren auf die Standard-Fälligkeiten 1 1 1 ∗ , , ,1,2,3,4,5,7,9,10,15,20,30 }= T ∗ := {T1∗ ,...,T14 12 4 2 verteilt: Sei Tu der Zeitpunkt der Fälligkeit einer tatsächlich anfallenden Zahlung. In Verbindung mit den Definitionen ∗ T1 Tu < T1∗ Tul := ∗ ∗ ∗ max(Ti ∈ T | Ti ≤ Tu ) Tu ≥ T1∗ für die linke benachbarte Standard-Fälligkeit und Tur :=
∗ min(Ti∗ ∈ T ∗ | Ti∗ > Tu ) Tu < T14 ∗ ∗ T14 Tu ≥ T14
für die rechte benachbarte Standard-Fälligkeit lassen sich die Zerobondpreise auf der Grundlage linear interpolierter Kassazinssätze ⎧ ∗ Tu < T1∗ ⎪ 1) ⎨ r (0,T r l Tu −Tu u l r ∗ ∗ r˜ (0,Tu ) := TTur −T l ·r (0,Tu ) + T r −T l ·r (0,Tu ) T1 ≤ Tu < T14 u ⎪ u ⎩ u −Tu ∗ ∗ r (0,T14 ) Tu ≥ T14 durch −˜r (0,Tu )·Tu * P(0,T u ) := e
approximieren. Mit Hilfe von interpolierten Terminzinssätzen kann nun der Wert der Zahlung z Tu in den benachbarten Standard-Fälligkeiten Tul und Tur ermittelt werden. Nimmt man die definitorische Beziehung zwischen konformem Terminzinssatz und Zerobondpreisen
270
F RiskMetrics™ Cash Flow Mapping
P(0,T1 ) = e f c (0,T1 ,T2 )·(T2 −T1 ) P(0,T2 ) für 0 ≤ T1 ≤ T2 , so errechnen sich die wertäquivalenten Zahlungen durch Abzinsen zˆ Tul :=
* P(0,T l l * u) · z Tu = e− f c (0,Tu ,Tu )·(Tu −Tu ) ·z Tu l P(0,Tu )
(F.1)
zˆ Tur :=
* r r P(0,T * u) · z Tu = e fc (0,Tu ,Tu )·(Tu −Tu ) ·z Tu r P(0,Tu )
(F.2)
bzw. Aufzinsen
mit der entsprechenden konformen Terminzinsrate. Würde man eine Zahlung z Tu dementsprechend auf einen der beiden benachbarten Standardzeitpunkte auf- oder abzinsen, so könnte man den Value at Risk durch die Wahl des früheren oder späteren Nachbarzeitpunktes beeinflussen. Um dies zu verhindern, wird die Zahlung im Verhältnis ⎧ ⎨ 0, Tu < T1∗ ∗ ηu := ηu∗ , T1∗ ≤ Tu < T14 ⎩ ∗ 1, Tu ≥ T14 zu 1 − ηu auf die beiden benachbarten Zeitpunkte aufgeteilt, wobei ηu∗ durch die Bedingungen * VaR(ηu∗ · zˆ Tul · P(0,Tul ) + (1 − ηu∗ ) · zˆ Tur · P(0,Tur )) = VaR(z Tu · P(0,T u ))
(F.3)
und ηu∗ ∈ [0,1] bestimmt ist. Dabei wird die für die Berechnung des VaR auf der rechten Seite benötigte, aber nicht bekannte Standardabweichung von ln P(Δ,Tu ) − ln P(0,Tu ) durch ⎧ ∗ Tu < T1∗ ⎪ ⎨ σTr 1 , l Tu −Tu u ∗ ∗ σ*Tu := TTur −T l · σTul + T r −T l · σTur , T1 ≤ Tu < T14 u u ⎪ u ⎩ u −T ∗ σT14∗ , Tu ≥ T14 linear interpoliert, so dass sich ein approximierter Value at Risk von √ −1 % T · P(0,T * * *Tu · Δ VaR(z u )) = Φ0,1 (α) · P (0,Tu ) · z Tu · σ u ergibt. Die resultierende Gleichung ist unter Berücksichtigung von zˆ Tul P(0,Tul ) = * zˆ T r P(0,Tur ) = z T P(0,T u ) äquivalent zu u
u
σ*Tu = (ηu∗ )2 σT2l + 2 · ηu∗ (1 − ηu∗ )ρTul ,Tur σTul σTur + (1 − ηu∗ )2 σT2ur . u
In Verbindung mit den Definitionen
F RiskMetrics™ Cash Flow Mapping
271
αu = 2σTur ρTul ,T r σTul − σTur , u
βu = σT2ur − σ*T2u und γu = σT2l − 2ρTul ,T r σTul σTur + σT2ur u
u
lässt sich
ηu∗
somit als Lösung der quadratischen Gleichung (ηu∗ )2 +
αu ∗ βu η + =0 γu u γu
ermitteln. Von den beiden Lösungen ηu∗
αu =− ± 2γu
"
αu 2γu
2 −
βu γu
wird diejenige verwendet, die in das Intervall zwischen 0 und 1 fällt. Beispiel F.1. Ein Anleger hat eine Bundesobligation im Nominalwert von 100.000 Euro in seinem Depot. Die Schuldverschreibung ist mit einem Kupon von 10% ausgestattet und am 01.07.2005 fällig. J.P. Morgan stellte am 15.06.2004 für die Berechnung des Value at Risk folgende Daten bereit: Code Bedeutung Faktor-Niveau Faktor-VaR (%) EUR.R030 1M-Geldmarktsatz 2,10% 0,0005 EUR.R360 1Y-Geldmarktsatz 2,25% 0,0500 DEM.Z02 2Y-Kapitalmarktsatz 2,50% 0,2500 Code Faktor-Korrelation EUR.R030.EUR.R360 0,36 EUR.R030.DEM.Z02 0,09 EUR.R360.DEM.Z02 0,46 1 Die Anleihe zahlt also nach 15 Tagen (T1 = 24 J ahr e) 10.000 Euro und nach 375 25 Tagen (T2 = 24 J ahr e) 110.000 Euro aus. Somit erhält man die Grenzen
u Tu Tul Tur 1 1 1 1 24 12 12 . 25 2 24 1 2 Mit Hilfe der linear interpolierten Kassazinssätze r˜ (0,T1 ) = r (0,T1∗ ) = 0,021 25 −1 2 − 25 24 · 0,0225 + 24 · 0,025 2−1 2−1 23 1 = · 0,0225 + · 0,025 24 24 ≈ 0,0226
r˜ (0,T2 ) =
272
F RiskMetrics™ Cash Flow Mapping
werden die folgenden Äquivalenzen für die tatsächlichen Zahlungen z 1 und z 25 wie 24 24 folgt ermittelt: Die Kuponzahlung z 1 = 10.000 wird zu der gleichwertigen Zahlung 24
zˆ
1 12
=z 1 · 24
1 ˜ P(0, 24 ) 1 P(0, 12 )
1
= 10.000 ·
e−0,021· 24 1
e−0,021· 12
= 10.008,75
transformiert und der Zahlung z 25 = 110.000 entsprechen die gleichwertigen Zah24 lungen zˆ 1 = z 25 · 24
25 25 ˜ P(0, e−0,0226· 24 24 ) = 110.000 · −0,0225·1 = 109.885,48 P(0,1) e
oder zˆ 2 = z 25 · 24
25 25 ˜ P(0, e−0,0226· 24 24 ) = 110.000 · −0,025·2 112.949,26. P(0,2) e
Für z 25 muss nun bestimmt werden, zu welchen Teilen sie auf z 1 und z 2 aufgeteilt 24 werden soll. Für die Berechnung der Quotienten αu 2 · 0,25 · (0,46 · 0,05 − 0,25) 227 ≈ −2,1215 = =− γu 0,052 − 2 · 0,46 · 0,05 · 0,25 + 0,252 107 und 1 2 0,252 − ( 23 βu 4255 24 · 0,05 + 24 · 0,25) = = ≈ 1,1046 2 γu 0,05 − 2 · 0,46 · 0,05 · 0,25 + 0,252 3852
können die JPM-Volatilitäten herangezogen werden, da sich der Faktor Φ−1 (α) ausweislich (13.2) herauskürzt. Für das Beispiel erhält man η2 =
227 1 √ 2119 ≈ 0,9173, − 214 321
so dass die Zahlungscharakteristik der Bundesobligation nach RiskMetrics™ äquivalent zur Zahlungscharakteristik ⎧ 1 ∗ ⎪ ⎪ 10.008,75 falls Ti = 12 ⎨ ∗ 100.802,34 falls Ti = 1 zˆ Ti∗ 9.335,91 falls Ti∗ = 2 ⎪ ⎪ ⎩ 0,00 sonst ist.
G Effiziente Portfolios: Herleitungen
G.1 Ohne risikolose Anlageform Die Lagrange-Funktion für Problem 15.3 lautet
L (g, ) = 12 g Σg + 1 − g 1 . ∗ ) muss die Bedingungen Eine Lösung (g∗15.3 ,15.3 ∂L ∂g
= 0 und
∂L ∂
=0
erfüllen, was genau dann der Fall ist, wenn sie das Gleichungssystem ∗ Σ g∗15.3 − 15.3 ·1 = 0 1 − g∗ 15.3 1 = 0
(G.1) (G.2)
löst.1 Multiplikation der Gleichung (G.1) von links mit Σ −1 führt auf ∗ g∗15.3 = 15.3 · Σ −1 1. 1
Man beachte die folgenden Definitionen und Zusammenhänge ⎛ ∂L ⎞ ∂g1
⎜ ∂L ⎟ ⎜ ∂g2 ⎟ ∂L ⎟ :=⎜ ⎜ .. ⎟ ∂g ⎝ . ⎠ ⎛
∂L ∂g J ∂g1 ∂g1
··· ⎜ . . ∂g :=⎜ ⎝ .. . . ∂g ∂g1 ∂g J ··· und
∂g J ∂g1
⎞
.. ⎟ ⎟ . ⎠=E
∂g J ∂g J
(G.3)
274
G Effiziente Portfolios: Herleitungen
Einsetzen in (G.2) führt auf ∗ = 15.3
1 1 Σ −1 1
(G.4)
und somit nach Rücksubstitution in (G.3) auf die Lösung g∗15.3 =
1 1 Σ −1 1
Σ −1 1.
(G.5)
Offensichtlich besitzt Problem 15.4 im Fall Δ ≤ 0 die Lösung g∗15.4 = 0. Im Fall Δ > 0 findet man die Lösung mit Hilfe der Lagrange-Funktion
L (g,π, ) = 12 g Σg + π −g μ + Δ + −g 1 + 0 ∗ ∗ g∗15.4 ist eine Lösung von Problem 15.4, falls Lösungen π15.4 und 15.4 für die Lagrange-Parameter π und existieren, so dass die Kuhn-Tucker-Bedingungen ∂L ∂g
= 0,
∂L ∂π
≤ 0,
∂L ∂π
· π = 0 und
∂L ∂
=0
erfüllt werden. ∗ ∗ Die Lösung (g∗15.4 ,π15.4 ,15.4 ) wird demnach durch das System ∗ ∗ Σ g∗15.4 − π15.4 μ − 15.4 1=0
−g∗ 15.4 μ + Δ ≤ 0 −g∗ 15.4 1 = 0
∗ ∗ π15.4 −g15.4μ + Δ = 0 ∗ ≥0 π15.4
(G.6) (G.7) (G.8) (G.9) (G.10)
∗ > 0 muss eine Lösung von Gleichungen und Ungleichungen bestimmt. Im Fall π15.4 das Gleichungssystem ∗ ∗ Σ g∗15.4 − π15.4 μ − 15.4 1=0
−g∗ 15.4 μ + Δ = 0 −g∗ 15.4 1 = 0
erfüllen. ∂g Σg ∂g ∂ (Σg) = Σg + g ∂g ∂g ∂g
∂g ∂ (Σg) Σg + g ∂g ∂g ∂g ∂g = Σg + Σg ∂g ∂g
= E Σ +Σ g
=
= 2Σ g.
(G.11) (G.12) (G.13)
G.1 Ohne risikolose Anlageform
275
Aus (G.11) erhält man ∗ ∗ g∗15.4 = π15.4 Σ −1 μ + 15.4 Σ −1 1.
(G.14)
∗ und ∗ lassen sich wie folgt bestimmen: Man multipliziert Gleichung (G.14) π15.4 15.4 von links mit μ bzw. 1 und erhält somit i.V.m. (G.12) und (G.13) ∗ ∗ π15.4 μ Σ −1 μ + 15.4 μ Σ −1 1 = Δ ∗ ∗ π15.4 1 Σ −1 μ + 15.4 1 Σ −1 1 = 0.
In Verbindung mit den Definitionen a : = μ Σ −1 1 b : = μ Σ −1 μ c : = 1 Σ −1 1 d : = bc − a 2 kann man dieses Gleichungssystem auch wie folgt in Vektor-Matrix-Notation aufschreiben: ∗ Δ ba π15.4 = . (G.15) ∗ 15.4 0 ac Die Lagrange-Funktion für Problem 15.2 lautet
L (g,π, ) = 12 g Σg + π −g μ + μ Z V + −g 1 + 1 . Analog zur Lösung von Problem 15.4 kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Lö∗ , ∗ ) unter der Annahme π ∗ > 0 die Gleichungssysteme sung (g∗15.2 ,π15.2 15.2 15.2 ∗ ∗ g∗15.2 = π15.2 Σ −1 μ + 15.2 Σ −1 1
und
ba ac
∗ π15.2 ∗ 15.2
=
μZ V 1
(G.16)
erfüllen muss. Im Folgenden wird durch Einsetzen in (G.17) gezeigt, dass ∗ ∗ π15.4 0 π15.2 = + ∗ ∗ ∗ 15.2 15.4 15.3 gilt: Aus (G.15) folgt zunächst ∗ 0 Δ a ba π15.4 ∗ + = + · 15.3 . ∗ ∗ 15.3 0 c 15.4 ac
(G.17)
(G.18)
276
G Effiziente Portfolios: Herleitungen
und hieraus unter Berücksichtigung von Δ := μ Z V − μmv = μ Z V −
a c
und ∗ 15.3 =
1 c
die behauptete Beziehung (G.18). Durch Einsetzen von (G.18) in (G.16) erhält man in Verbindung mit (G.3) und (G.14) g∗15.2 = g∗15.4 + g∗15.3 . Im nächsten Schritt ist noch zu zeigen, dass g∗15.4 = Δ · s gilt: Die zweite Zeile von (G.15) impliziert a ∗ ∗ = − · π15.4 , 15.4 c so dass man (G.14) in Verbindung mit der Definition (15.11) in der Form ∗ Σ −1 Δ g∗15.4 = π15.4
schreiben kann. Somit gilt auch ∗ ∗2 −1 ∗ ∗ g∗ 15.4 Σg15.4 = π15.4 Δ Σ Δ = π15.4 Δ g15.4 .
Berücksichtigt man nun noch, dass (G.12) und (G.13) (μ − μmv 1) g∗15.4 = μ g∗15.4 = Δ implizieren, so gelangt man zu den Beziehungen ∗ ∗2 −1 ∗ g∗ 15.4 Σg15.4 = π15.4 Δ Σ Δ = π15.4 Δ,
die zwei wichtige Implikationen besitzen: Für die Interpretation ist von Bedeutung, dass ∗ = π15.4
∗ g∗ 15.4 Σg15.4 Δ
als in Risikoeinheiten gemessener Preis pro Einheit erwarteter Mehr-Rendite im Vergleich zum MVP interpretiert werden kann, und dass g∗ 15.4 = Δ·s gilt, ergibt sich aus der ebenfalls implizierten Beziehung ∗ = π15.4
Δ . Δ Σ −1 Δ
G.2 Mit risikoloser Anlageform
277
G.2 Mit risikoloser Anlageform Die Lagrange-Funktion für Problem 15.5 lautet
L (g,π15.5) = 12 g Σg + π15.5 −g (μ −r 1)+ μ −r . Die Kuhn-Tucker-Bedingungen Σg15.5 − π15.5 (μ −r 1) = 0
(G.19)
ZV −r ≤ 0 −g∗ 15.5 (μ −r 1) + μ ∗
ZV π15.5 −g15.5 (μ −r 1) + μ −r = 0
(G.21)
π15.5 ≥ 0
(G.22)
(G.20)
∗ ) im Fall π ∗ > 0 durch das Gleichungsimplizieren, dass eine Lösung (g∗15.5 ,π15.5 15.5 system ∗ Σ −1 (μ −r 1). g∗15.5 = π15.5
(G.23)
ZV −g∗ −r = 0 15.5 (μ −r 1) + μ
(G.24)
und die Gleichung
bestimmt ist. Zerlegt man die erwarteten Überschussrenditen der einzelnen Anlageformen entsprechend μ −r 1 = (μmv −r )1 + μ − μmv 1 = (μmv −r )1 + Δ, so erhält man
μmv −r ∗ 1 ∗ g + g 15.3 15.3 π15.4 15.4 1 μmv −r ∗ mv + s . = π15.5 2 σmv σs2
∗ g∗15.5 = π15.5
Da mv und s unkorreliert sind, gilt einerseits (μmv −r )2 1 2 ∗2 σg∗ = π15.5 + 2 . 2 15.5 σmv σs
(G.25) (G.26)
(G.27)
Andererseits impliziert (G.23) in Verbindung mit (G.24), σg2∗
15.5
∗2 ∗ ∗ = π15.5 (μ −r 1) Σ −1 (μ −r 1) = π15.5 (μ −r 1) g∗15.5 = π15.5 (μ Z V −r ).
(G.28) Setzt man die rechten Seiten der Gleichungen (G.27) und (G.28) gleich und löst nach ∗ auf, so erhält man im Spezialfall μmv = r die Lösung π15.5
278
G Effiziente Portfolios: Herleitungen ∗ π15.5 = (μ Z V −r ) · σs2
für den Lagrange-Parameter und
g∗15.5 = μ Z V −r · s durch Einsetzen dieser Lösung in (G.26). Im allgemeinen Fall μmv = r erhält man in Verbindung mit der Definition φ=
1 σs2 μmv −r 2 σmv
die Lösung ∗ = π15.5
μ Z V −r μmv −r 2 σmv
·
1 μmv −r + φ
und μ Z V −r · (mv + φ · s) μmv + φ −r μ Z V −r = · t. μt −r
g∗15.5 =
G.3 Mit nicht disponiblem Vermögen Wenn zum disponiblen Vermögen nicht disponibles Vermögen mit einer stochastische Rendite R J +1 und einem Wert in Höhe von γ · 100% des disponiblen Vermögens hinzukommt, errechnet sich eine Varianz der Rendite des Gesamtvermögens in Höhe von
(R) = (g R) + 2γ
(g R, R J +1) + γ 2 (R J +1) . (1 + γ )2
Zu lösen ist das Problem Problem G.1.
1 g Σg + 2γ g σ J +1 → min g 2 unter der Bedingung −g (μ −r · 1) + (μ Z V −r ) ≤ 0.
G.3 Mit nicht disponiblem Vermögen
279
Geht man analog zur Lösung von Problem 15.5 vor, dann gelangt man in Verbindung mit der Definition der Definition h := −Σ −1 σ J +1 ∗ ) im Fall π ∗ > 0 durch das Gleichungszu der Einsicht, dass eine Lösung (g∗G.1 ,πG.1 G.1 system
g∗G.1 =
∗ πG.1 g∗ + γ h ∗ π15.5 15.5
(G.29)
und die Gleichung ZV −g∗ −r ) = 0 G.1 (μ −r 1) + (μ
(G.30)
bestimmt ist. Einsetzen von (G.29) in (G.30) führt über (μ Z V −r ) − γ h (μ −r · 1) =
∗ πG.1 ∗ ∗ g15.5 (μ −r 1) π15.5
Z V −r auf unter Berücksichtigung von g∗ 15.5 (μ −r 1) = μ ∗ πG.1 h (μ −r 1) . = 1−γ ∗ π15.5 μ Z V −r
Abschließend soll noch gezeigt werden, dass die Existenz von nicht disponiblem Vermögen keinen Einfluss darauf hat, wie das Risiko der marktgängigen Anlageformen im Gleichgewicht entlohnt wird, wenn die Anleger effizient investieren. Ausgangspunkt ist die notwendige Bedingung ∗ Σg∗G.1 = πG.1 (μ −r 1) + γ σ J +1 ,
die 1 ∗ ∗ g (ΣgG.1 + γ σ J +1 ) πG.1
g (μ −r 1) = bzw. μ j −r =
1 ∗ πG.1
σ j,g∗G.1 + γ σ j,J +1
einschließt, wobei sich die untere der beiden Gleichungen aus der oberen ergibt, wenn man davon ausgeht, dass das Portfolio g ausschließlich aus der Anlageform mit dem Zählindex j besteht. Einsetzen von σ j,g∗G.1 =
∗ πG.1 σ ∗ + γ σ j,h ∗ π15.5 j,g15.5
280
G Effiziente Portfolios: Herleitungen
führt auf μ j −r =
1
∗ σ j,g15.5 + π15.5 ∗
γ ∗ (σ j,h + σ j,J +1 ) . πG.1
∗ als dem in RiHieraus erhält man in Verbindung mit der Interpretation von π15.5 sikoeinheiten gemessenen Schattenpreis pro Einheit erwarteter Überschussrendite bzw.
1 ∗ π15.5
=
μ Z V −r σg2∗ 15.5
die Beziehung μ j −r = β j,g∗15.5 (μ Z V −r ) +
γ ∗ (σ j,h + σ j,J +1 ) . πG.1
Nun bleibt noch zu zeigen, dass der Ausdruck σ j,h + σ j,J +1 dank der Tatsache, dass es sich bei h um das Hedgeportfolio für das nicht diversifizierbare Risiko J + 1 handelt, den Wert Null annimmt: Sei e j die j -te Spalte der ( J × J ) Einheitsmatrix E J , dann gilt für den Spaltenvektor σ j der Kovarianzen der Rendite der Anlagemöglichkeit j mit den Renditen sämtlicher im effizienten Portfolio befindlichen Anlagemöglichkeiten definitionsgemäß σ j = ej Σ und mithin σ j,h = −σ j Σ −1 σ J +1 = −ej σ J +1 = −σ j,J +1 und somit μ j −r = β j,g∗15.5 (μ Z V −r ).
H Objektive Wertgrenzen: Herleitungen
Im Folgenden wird mit Hilfe der linearen Programmierung gezeigt, dass es sich beim Portfolio xl um das teuerste Portfolio handelt, welches von der Zahlungscharakteristik z dominiert wird: Normiert man den Preis des Index S0 auf eins und rechnet in Einheiten des Geldmarktzertifikates, dann ergibt die Zielfunktion z P := xlB + xlS · B0−1 · 1 → max ! xlB ,xlS ∈
in Verbindung mit den Bedingungen für eine schwache Dominanz der Zahlungscharakteristik z xlB + xlS · u · B1−1 ≤ z wu · B1−1 xlB + xlS · u · B1−1 ≤ z lu · B1−1 xlB + xlS · d · B1−1 ≤ z wd · B1−1 xlB + xlS · d · B1−1 ≤ z ld · B1−1 ein entsprechendes (primales) lineares Programm. Die Dualitätstheorie besagt, dass dieses Programm genau dann eine Lösung besitzt, falls das (duale) Programm z D := B1−1 · z wu · d1 + z lu · d2 + z wd · d3 + z ld · d4 → min ! d1 ,...,d4 ≥0
unter den Bedingungen d1 + d2 + d3 + d4 = 1 −1 B1 · [u · (d1 + d2 ) + d · (d3 + d4 )] = B0−1 eine Lösung besitzt. Die zweite Bedingung impliziert in Verbindung mit der Arbitragefreiheit des Marktes d1 + d2 = πˆ 0 d3 + d4 = 1 − πˆ 0 ,
282
H Objektive Wertgrenzen: Herleitungen
so dass man die Zielfunktion des Duals auch in der Form B1−1 · (z wu − z lu ) · d1 + z lu · πˆ 0 + (z wd − z ld ) · d3 + z ld · (1 − πˆ 0 ) → min ! d1 ,d3 ≥0
schreiben kann. Hieraus kann man unmittelbar ablesen, dass unter der Annahme (21.1) d1 = d3 = 0 optimal ist. Da das Primal den gleichen optimalen Zielfunktionswert hat wie das Dual, gilt somit z ∗P = z ∗D = B1−1 · z lu · πˆ 0 + z ld · (1 − πˆ 0 ) = B0−1 · p xl . Damit ist gezeigt, dass xl tatsächlich das teuerste dominierte Portfolio ist, wenn man berücksichtigt, dass das Programm in Einheiten des Geldmarktzertifikates rechnet. Analog lässt sich zeigen, dass es sich bei xw um das billigste Portfolio handelt, welches die Zahlungscharakteristik z dominiert. Abschließend soll noch gezeigt werden, dass die Strategie (21.6) selbstfinanzierend ist. Sei Π p,n der Marktwert für den Projekttyp p ∈ P im Zeitpunkt n, dann gilt Bn−1 Π p,n (ωn ) = Bn−1x p,n (ωn ) pn (ωn ) N−1 1 + pi gnpu − gnpd 1 −gnpu dn + gnpd u n −1 + 1+ Z np (ωn ) = Bn ∏ 1 + f u − d 1 + f u − d n n n n n i i=n+1 =
N−1
1 + pi 1 (1 + gnpu ) · πˆ n + (1 + gnpd ) · (1 − πˆ n ) Z np (ωn ) ∏ Bn (1 + f n ) i=n+1 1 + f i
und somit wegen (vgl. (21.4) und (21.5)) Π p,n+1 (ωn ,ω) = Z np (ωn ) · (1 + gnpω )
1 + pi i=n+1 1 + f i N−1
∏
auch −1 −1 Bn−1 Π p,n (ωn ) = πˆ n · Bn+1 · Π p,n+1 (ωn ,u) + (1 − πˆ n ) · Bn+1 · Π p,n+1 (ωn ,d).
Damit ist gezeigt, dass die in Einheiten des Geldmarktzertifikates gemessenen Grenzen Martingale sind, woraus folgt, dass die zugrunde liegenden Replikationsstrategien selbstfinanzierend sind.1
1
Vgl. hierzu Harrison & Kreps (1979).
Literaturverzeichnis
Admati, A. R., Pfleiderer, P. & Zechner, J. (1994), Large shareholder activism, risk sharing, and the financial market equilibrium, Journal of Political Economy, Seiten 1097–1130. Albrecht, P. & Maurer, R. (2008), Investment- und Risikomanagement, Stuttgart, 3. Auflage. Arrow, K. (1964), The role of securities in the optimal allocation of risk-bearing, Review of Economic Studies, Seiten 91–96. Artzner, P., Delbaen, F., Eber, J.-M. & Heath, D. (1999), Coherent measures of risk, Mathematical Finance, Seiten 203–228. Back, K. (1996), Yield curve models: A mathematical review., in: I. Nelkin, Herausgeber, Option embedded bonds: Price analysis, credit risk and investment strategies, Seiten 3–36, Irwin. Bailey, R. (2005), The economics of financial markets, Cambridge. Bamberg, G., Coenenberg, A. & Krapp, M. (2008), Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, München, 14. Auflage. Banz, R. W. (1997), Editorial: Zero correlation between theory and practice in financial economics?, Finanzmarkt und Portfolio Management, Seiten 383–391. Bawa, V. (1975), Optimal rules for ordering uncertain prospects, Journal of Financial Economics, Seiten 95–121. Bazaraa, M., Sherali, H. & Shetty, C. (1993), Nonlinear programming: Theory and algorithms, New York, 2. Auflage. Beike, R. & Schlütz, J. (2005), Finanznachrichten lesen, verstehen, nutzen: Ein Wegweiser durch Kursnotierungen und Marktberichte, 4. Auflage. Berk, J. & DeMarzo, P. (2007), Corporate finance, Boston. Björk, T. (1997), Interest rate theory, in: W. Runggaldier, Herausgeber, Financial Mathematics: Bressanone, 1996, Lecture Notes in Mathematics, Seiten 53–119, Berlin. Black, F. (1976), The pricing of commodity contracts, Journal of Financial Economics, Seiten 167–179. Black, F. & Scholes, M. (1973), The pricing of options and corporate liabilities, Journal of Political Economy, Seiten 637–654.
284
Literaturverzeichnis
Bodie, Z., Kane, A. & Marcus, A. (2008), Essentials of investments, New York, 7. Auflage. Brandner, J. & Lewis, T. (1986), Oligopoly and financial structure: The limited liability effect, American Economic Review, Seiten 956–970. Branger, N. & Schlag, C. (2004), Zinsderivate, Berlin. Braun, T. (1998), Liquidität und Konkurrenz, Heidelberg. ——— (2007), Corporate Governance, in: D. Bartmann et al., Herausgeber, Knapps Enzyklopädisches Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens, Artikel Nr. 1961, Aktualisierung 2007. Brennan, M. J. & Kraus, A. (1987), Efficient financing under asymmetric information, Journal of Finance, Seiten 1225–1243. Brito, N. (1977), Marketability restrictions and the valuation of capital assets under uncertainty, Journal of Finance, Seiten 1109–1023. Bulow, J. & Shoven, J. (1978), The bankruptcy decision, Bell Journal of Economics, Seiten 437–456. Chemmanur, T. & Fulghieri, P. (1994), Reputation, renegotiation, and the choice between bank loans and publicly traded debt, Review of Financial Studies, Seiten 475–506. Cooney, J. & Kalay, A. (1993), Positive information from equity issue announcements, Journal of Financial Economics, Seiten 149–172. Cox, J., Ingersoll, J. & Ross, S. (1981), The relation between forward prices and futures prices, Journal of Financial Economics, Seiten 321–346. Cox, J., Ross, S. & Rubinstein, M. (1979), Option pricing: A simplified approach, Journal of Financial Economics, Seiten 229–263. DeAngelo, H. (1981), Competition and unanimity, American Economic Review, Seiten 18–27. Dewatripont, M., Jewitt, I. & Tirole, J. (1999), The economics of career concerns. Part II: Application to missions and accountability of government agencies, Review of Economic Studies, Seiten 199–217. Diamond, D. (1989), Reputation aquisition in debt markets, Journal of Political Economy, Seiten 828–862. Dixit, A., Pindyck, R. & Sodal, S. (1999), A markup interpretation of optimal investment rules, Economic Journal, Seiten 179–189. Drukarczyk, J. (1987), Unternehmen und Insolvenz: Zur effizienten Gestaltung des Kreditsicherungs- und Insolvenzrechts, Wiesbaden. Freixas, X. & Rochet, J.-C. (1997), Microeconomics of banking, Cambridge, Mass. Frohn, J. (1995), Grundausbildung in Ökonometrie, Berlin, 2. Auflage. Gertner, R. & Scharfstein, D. (1991), A Theory of workouts and the effects of reorganization law, Journal of Finance, Seiten 1189–1222. Gordon, M. J. (1962), The investment, financing and valuation of the coporation, Homewood, Ill. Grenadier, S. & Weiss, A. (1997), Investment in techological innovations: An option pricing approach, Journal of Financial Economics, Seiten 397–416. Grossman, S. & Hart, O. (1980), Takeover bids, the free-rider problem, and the theory of the corporation, Bell Journal of Economics, Seiten 42–64.
Literaturverzeichnis
285
Hafner, R. & Wallmeier, M. (2008), Optimal investments in volatility, Financial Markets and Portfolio Management, Seiten 147–167. Harris, M. & Raviv, A. (1991), The theory of capital structure, Journal of Finance, Seiten 297–355. Harrison, J. & Kreps, D. (1979), Martingales and arbitrage in multiperiod securities markets, Journal of Economic Theory, Seiten 381–408. Heath, D., Jarrow, R. & Morton, A. (1992), Bond Pricing and the term structure of interest rates: A new methodology for contingent claims valuation, Econometrica, Seiten 77–105. Hecker, R. & Wenger, E. (1995), Der Schutz von Minderheiten im Vertragskonzern Ein Betriebsunfall des Aktienrechts, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, Seiten 321–341. Hellwig, M. (2000), On the economics and politics of corporate finance, in: X. Vives, Herausgeber, Corporate finance - Theoretical and empirical perspectives, Seiten 95–134, Cambridge. Ho, T. & Lee, S.-B. (1986), Term structure movement and pricing interest rate contingent claims, Journal of Finance, Seiten 1011–1029. Holmström, B. & Tirole, J. (1993), Market liquidity and performance monitoring, Journal of Political Economy, Seiten 678–709. Huang, C.-F. & Litzenberger, R. (1988), Foundations of financial economics, New York. Hull, J. (2008), Options, futures and other derivatives, Upper Saddle River, NJ, 7. Auflage. Jamshidian, F. (1989), An exact bond option formula, Journal of Finance, Seiten 205–209. Jarrow, R., Lando, D. & Turnbull, S. (1997), A Markov model for the term structure of credit risk spreads, Review of Financial Studies, Seiten 481–523. Jarrow, R. & Turnbull, S. (1995), Pricing derivatives on financial securities subject to credit risk, Journal of Finance, Seiten 53–85. Jensen, M. (1986), Agency costs of free cash flow, corporate finance, and takeovers, American Economic Association Papers and Proceedings, Seiten 323–329. Jensen, M. & Meckling, W. (1976), Theory of the firm: Managerial behavior, agency costs and ownership structure, Journal of Financial Economics, Seiten 305–360. Jorion, P. (2007), Value at risk, New York, 3. Auflage. Kistner, K.-P. (2003), Optimierungsmethoden: Einführung in die Unternehmensforschung für Wirtschaftswissenschaftler, Heidelberg, 3. Auflage. Kloock, J. (1981), Mehrperiodige Investititionsrechnungen auf der Basis kalkulatorischer und handelsrechtlicher Erfolgsrechnungen, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Seiten 873–890. Krahnen, J. (1993), Finanzwirtschaftslehre zwischen Markt und Institution, Die Betriebswirtschaft, Seiten 793–805. Kürsten, W. (2003), Synergetische Merger, Co-Insurance und Shareholder Value, Die Betriebswirtschaft, Seiten 239–256.
286
Literaturverzeichnis
Lintner, J. (1965), The valuation of risk assets and the selection of risky investment in stock portfolios and capital budgets, Review of Economics and Statistics, Seiten 13–37. Lücke, W. (1955), Investitionsrechnung auf der Grundlage von Ausgaben oder Kosten, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, Seiten 310 – 324. Maksimovic, V. (1988), Capital structure in repeated oligopolies, Rand Journal of Economics, Seiten 389–497. Maksimovic, V. & Titman, S. (1991), Financial policy and reputation for product quality, Review of Financial Studies, Seiten 175–200. Manne, H. (1965), Mergers and the market for corporate control, Journal of Political Economy, Seiten 110–120. Markowitz, H. (1952), Portfolio selection, Journal of Finance, Seiten 77–91. Mas-Colell, A., Whinston, M. & Green, J. (1995), Microeconomic theory, New York. Mayers, D. (1972), Nonmarketable assets and capital market equilibrium under uncertainty, in: M. Jensen, Herausgeber, Studies in the theory of capital markets, Seiten 223–248, New York. ——— (1998), Why firms issue convertible bonds: The matching of financial and real investment options, Journal of Financial Economics, Seiten 83–102. McDonald, R. & Siegel, D. (1986), The value of waiting to invest, Quarterly Journal of Economics, Seiten 707–727. Merton, R. (1972), An analytic derivation of the efficient portfolio frontier, Journal of Financial and Quantitative Analysis, Seiten 1851–1872. ——— (1973), Theory of rational option pricing, Bell Journal of Economics and Management Science, Seiten 141–183. ——— (1974), On the pricing of corporate debt: The risk structure of interest rates, Journal of Finance, Seiten 449–470. Miller, M. & Culp, C. (1995), Risk management lessons from Metallgesellschaft, Journal of Applied Corporate Finance, Seiten 62–76. Modigliani, F. & Miller, M. (1958), The cost of capital, corporation finance, and the theory of investment, American Economic Review, Seiten 261–297. Mossin, J. (1966), Equilibrium in a capital asset market, Econometrica, Seiten 768– 783. Myers, S. (1977), Determinants of corporate borrowing, Journal of Financial Economics, Seiten 147–175. Myers, S. & Majluf, N. (1984), Corporate financing and investment decisions when firms have information that investors do not have, Journal of Financial Economics, Seiten 187–221. Nelson, C. & Siegel, A. (1987), Parsimonious modeling of yield curves, Journal of Business, Seiten 473–489. Neus, W. (2007), Einführung in die Beriebswirtschaftslehre aus institutionenökonomischer Sicht, Tübingen, 5. Auflage. Pfaff, D. & Stefani, U. (2003), Wertorientierte Unternehmensführung, Residualgewinne und Anreizprobleme, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Seiten 51 – 76.
Literaturverzeichnis
287
Reiß, A. (1998), Investment in innovations and competition: An option pricing approach, Quarterly Review of Economics and Finance, Seiten 635–650. Rock, K. (1986), Why new issues are underpriced, Journal of Financial Economics, Seiten 187–212. Ross, S., Westerfield, R. & Jordan, B. (2008), Corporate finance fundamentals, New York, 8. Auflage. Rothschild, M. & Stiglitz, J. (1970), Increasing risk: I. A definition, Journal of Economic Theory, Seiten 225–243. Sandmann, K. (2001), Einführung in die Stochastik der Finanzmärkte, Berlin, 2. Auflage. Schäfer, H. (2002), Unternehmensfinanzen - Grundzüge in Theorie und Management, Heidelberg, 2. Auflage. Schenk, G. (1997), Konzernbildung, Interessenkonflikte und ökonomische Effizienz, Frankfurt am Main. Schönbucher, P. (2003), Credit derivatives pricing models, Chichester. Schneider, D. (1992), Investition, Finanzierung und Besteuerung, Wiesbaden, 7. Auflage. Sharpe, W. (1964), Capital asset prices: A theory of market equilibrium under conditions of risk, Journal of Finance, Seiten 425–442. Shleifer, A. & Vishny, R. (1986), Large shareholders and corporate control, Journal of Political Economy, Seiten 461–488. ——— (1997), A survey of corporate governance, Journal of Finance, Seiten 737– 783. Shreve, S. (2004), Stochastic calculus for finance II - Continuous-time models, New York. Smith, C. & Warner, J. (1979), On financial contracting. An analysis of bond covenants, Journal of Financial Economics, Seiten 115–161. Stoll, H. (1969), The relationship between put and call option prices, Journal of Finance, Seiten 801–824. Svensson, L. (1994), Estimating and interpreting forward interest rates: Sweden 1992-1994, NBER Working Paper Series, 4871. Szczesny, A. (2007), Optionsscheine, Zertifikate und strukturierte Produkte, HSBC Trinkaus & Burkhardt AG, 8. Auflage. Thakor (1989), Strategic issues in financial contracting: An overview, Financial Management, Seiten 39–58. Tirole, J. (1988), The theory of industrial organization, Cambridge. ——— (2006), The theory of corporate finance, Princeton. Titman, S. (1984), The effect of capital structure on a firm’s liquidation decision, Journal of Financial Economics, Seiten 135–149. Titman, S. & Martin, J. (2008), Valuation: The art and science of corporate investment decisions, Boston. Trautmann, S. (2007), Investitionen, Berlin, 2. Auflage. Wagner, E. (1987), Ausschüttungszwang und Kapitalentzugsrechte als Instrumente marktgerechter Unternehmenskontrolle?, in: D. Schneider, Herausgeber, Kapitalmarkt und Finanzierung, Seiten 409–425, Berlin.
288
Literaturverzeichnis
Wenger, E. (1987), Managementanreize und Kapitalallokation, in: E. Boettcher, Herausgeber, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, Seiten 217–240, Tübingen. Wilhelm, J. (1983a), Finanztitelmärkte und Unternehmensfinanzierung, Berlin. ——— (1983b), Marktwertmaximierung - Ein didaktisch einfacher Zugang zu einem Grundlagenproblem der Investitions- und Finanzierungstheorie, Zeitschrift für Betriebswirtschaftslehre, Seiten 516–534. ——— (1991), Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen“ Finanzierungstheorie, in: D. Ordelheide et al., Herausgeber, Betriebswirtschaftslehre und Ökonomische Theorie, Seiten 173–196, Tagungsband der 51. Wissenschaftlichen Jahrestagung des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. 1990 in Frankfurt am Main. Wilhelm, J. & Brüning, L. (1992), Die Fristigkeitsstruktur der Zinssätze: Theoretisches Konstrukt und empirische Evaluierung - Untersuchung mit Daten des Kapitalmarktes der Bundesrepublik Deutschland, Kredit und Kapital, Seiten 259–294. Wilson, B., Michaels, J., Driscoll, P. & Grass, R. (1996), Algebra, in: D. Zwillinger, Herausgeber, Standard mathematical tables and formulae, Kapitel 2, Boca Raton, 30. Auflage. Wöster, C. (2004), Die Bewertung von Convertible und Exchangeable Bonds bei stochastischer Zinsentwicklung, Wiesbaden.
Sachverzeichnis
Absonderung von Sicherheiten, 220 Accrual Accounting, 26 Adressen-Ausfall-Risiko, 64 Anleihe Kupon-, 36 Nullkupon-, 36 Anschaffungsauszahlung, 5 Apathie rationale, 226 Arbitrage, 37 -freiheit, 37 Ausgleichs-, 37 Differenz-, 37 Arrow-Debreu-Preise, 77 Ausübungspreis einer Option, 70 Backwardation, 69 Barwert, 8 nachschüssige Rente, 10 Basis -preis einer Option, 70 -risiko, 69 -titel, 60 -wertpapiere, 36 eines Finanzmarktes, 36 eines Terminkontraktes, 68 Benchmarking, 233 Bernoulli-Prinzip, 249 Beta, 151 Bootstrapping, 39 Brownsche Bewegung, 96, 259 Buy-and-Hold, 49, 263 Call, 70
Cap, 74 Capital Budgeting, 7 Caplet, 74 Cash Accounting, 25 Bond, 65 Cash Flow, 25 Mapping, 128, 269 Cheapest to Deliver, 51 Cholesky-Zerlegung, 257 Close Out, 64 Collar, 75 Commodity, 68 Contango, 70 Convenience Yield, 70 Cost of Carry, 61 Counterparty Risk, 64 Credit Spread, 105 Day-Count-Conventions, 46 Debt-Equity-Swap, 203 Derivat, 59 Differentialoperator, 119 Distance to Default, 108 Diversifikation, 135 naive, 139 Dominanz, 4 Duration Immunisierungseigenschaft, 243 Macauley, 122, 241 modifizierte, 242 Economic Value Added, 26 Effektivrendite, 48
290
Sachverzeichnis
Effizienz, 4 μ-σ , 135 Entscheidungsneutralität von Steuern, 25 Erwartungswert iterierter, 90 Finanzierung durch Abschreibungen und Rückstellungen, 185 externe, 185 interne, 185 Finanzparte, 194 Floor, 74 Forward Price, 60 Rate compounded, 52 simply compounded, 51 Gegenwartswert, 8 Geldmarktzertifikate, 65 Gewinn ökonomischer, 26 Residual-, 26 Gradient, 119 Heath Jarrow Morton Drift Condition, 265 Hedge, 59 rolling, 68 innerer Wert, 72 Insolvenz -masse, 220 -ordnung, 206 -plan, 207 Internal Rate of Return, siehe interner Zinsfuß interner Zinsfuß, 47 Irrelevanz der Kapitalstruktur, 191 Itôs Lemma, 261 Jacobi-Matrix, 119 Junk Bond, 107 Kapitalkostensatz bei Sicherheit, 6 bei Mischfinanzierung, 194 Kapitalmarktgerade, 150 Kapitalwertkriterium, 8
Konfidenzniveau, 126 Konversionsfaktor, 50 Konvexität, 242 Kuponeffekt, 49 Law of one Price, 37 Leerverkauf, 35 Lognormal-Verteilung, 97, 255 Lücke-Theorem, 26 Margin Additional, 65 Variation, 64 Margining Risk Based, 64 Markt atomistischer, 35 vollkommener, 34 vollständiger, 35 Martingal, 90 Moral Hazard, 188 Mutual Fund Theorem, siehe Two Fund Theorem Nennwert, 36 Nominalwert, 36 Normalverteilung logarithmische, siehe LognormalVerteilung Numéraire, 78 Option amerikanische, 70, 72 europäische, 70 Exchange, 102 Outperformance, 102 Over the Counter (OTC), 64 Pari-Notiz, 40 Present Value, 8 Pseudo-Wahrscheinlichkeit, 80 Put-Call-Duality, 75 Put-Call-Parity, 72 Raider, 234 Recovery Rate, 107 Rente nachschüssige, 10 Residualanspruch, 186 Risiko
Sachverzeichnis -faktor, 119 -maß, 125 systematisches, 152 unsystematisches, 152 risikoneutrale Bewertung, 81 RiskMetrics™, 127 Sharpe-Ratio, 150 short gehen, 35 Sicherheitsäquivalent, 229 Spanning, 42 Spinn-Off, 215 Spot Rate compounded, 48 simply compounded, 47 Spread, 67 Stakeholder, 226 Steuerparadoxon, 26 Stillhalter, 70 Strike Rate, 74 Swap Payer, 57 Rate, 57 Receiver, 57 Swaption, 75 synthetische Lagerhaltung, 69 Tangential-Portfolio, 146 Taylorreihe, 11 Termin -geschäft unbedingtes, 59 -preis, 60 -zinssatz effektiver, 52
291
nominaler, 51 Tobin-Separation, 147 Tragfähigkeitsprinzip, 27 Two Fund Theorem, 137 Value at Risk (VaR), 125 Varianz-Kovarianz-Matrix, 136 Verifizierbarkeit, 221 Volatility Smile, 104 Volatilität historische, 105 implizite, 104 WACC, 194 Wertpapierkenngerade, 152 Wertpapierleihe, 35 Yield to Maturity, 48 Zahlungs -charakteristik, 3 -reihe, 3 Zeitpräferenz, 5 Zeitwertverlust, 102 Zerobond, 36 synthetischer, 37 Zinseszinseffekt, 46 Zinssatz, 45 expliziter, 45 impliziter, 47 Kassaeffektiver, 48 nominaler, 47 Zustandspreise, siehe Arrow-Debreu-Preise