Inéz Labucay Konziliare Organisation
GABLER RESEARCH Hallesche Schriften zur Betriebswirtschaft Band 23 Herausgegeben...
36 downloads
1266 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Inéz Labucay Konziliare Organisation
GABLER RESEARCH Hallesche Schriften zur Betriebswirtschaft Band 23 Herausgegeben von Professor Dr. M. Becker Professor Dr. Ch. Bierwirth Professor Dr. R. Ebeling Professor Dr. G. Kraft Professor Dr. D. Möhlenbruch Professor Dr. R. Schmidt Professor Dr. Ch. Weiser Professor Dr. H.-U. Zabel Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Diese Schriftenreihe soll als Forum für wissenschaftliche Arbeiten der neugegründeten und 1993 wiedereröffneten Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre dienen. Die zahlreichen betriebswirtschaftlichen Professuren wollen mit der Herausgabe dieser Halleschen Schriften zur Betriebswirtschaft das breite Spektrum ihrer wissenschaftlichen Arbeitsgebiete dokumentieren. Die Publikationen umfassen insbesondere betriebswirtschaftliche Dissertationen und sonstige ausgewählte wissenschaftliche Arbeiten der halleschen Fakultätsmitglieder.
Inéz Labucay
Konziliare Organisation Strukturen, Prozesse, Personen und Beziehungen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Manfred Becker
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Halle-Wittenberg, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Stefanie Loyal Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2357-8
Geleitwort
V
Geleitwort
Die Organisationswissenschaft hat gegenwärtig mit zwei gravierenden Problemen zu kämpfen. Einerseits fehlen innovative wissenschaftliche Erkenntnisse insofern, als nur wenige neue Organisationstheorien und Konzepte vorgelegt werden. Andererseits bauen die Unternehmen in zunehmendem Maße ihre Organisationsabteilungen ab. In der Wissenschaft fehlen neue Konzepte, in der Praxis fehlen die Gesprächspartner, die der Wissenschaft Impulse für Forschungsfragen liefern könnten. Die Bedeutung des Themas Organisation lässt folglich in Theorie und Praxis gegenwärtig zu wünschen übrig.
Umso erfreulicher ist es, dass Frau Dr. Inéz Labucay mit ihrer Dissertationsschrift eine neue Organisationsform, die Konziliare Organisation, vorstellt, diese theoretisch fundiert und begründet und praktische Anwendungsmöglichkeiten aufzeigt. Die Konziliare Organisation folgt dem praktischen Anliegen, die zunehmende Dynamik und Komplexität der Unternehmen mit einem strukturierten Management of speed professionell zu bewältigen. Als kommunikationsorientierte Organisationsform baut die Konziliare Organisation auf den Erkenntnissen der Systemtheorie auf. Als begriffliche Vorlage dient der aus der katholischen Kirchenlehre bekannte Konzilsbegriff. Konziliarität, als gegenseitiges „Raten“ und „Beraten“ wird auf die Unternehmensorganisation übertragen und u. a. am Beispiel des Krankenhausmanagements in konkreter Anwendung vorgestellt. Strukturen, Prozesse, Personen und Beziehungen werden als Gestaltungsvariablen der Konziliaren Organisation theoretisch abgesichert und handlungsleitend vorgestellt.
Es gelingt Frau Dr. Labucay dabei in hervorragender Weise, die erforderlichen Theoriebausteine zur Bestimmung der „Konziliaren Organisation“ so zusammenzufügen, dass das Ratende und das Beratende der „Konziliaren Organisation“ als wissenschaftlich begründete organisationswissenschaftliche Konzeption entsteht.
Die Konziliare Organisation ist als Expertenorganisation gestaltet und bedarf zur Erzeugung ihrer Leistungsfähigkeit besonderer Kompetenzen. Um den Bezug zur personalwirtschaftlichen Maßnahmenebene des Aufbaus dieser Kompetenzen herzustellen, führt Frau Dr. Labucay einen Kompetenzbegriff ein, der die drei Zielvariablen – Wollen, Können und Dürfen – in das konziliare Handeln einbezieht und der mit den Kategorien des strukturalen, kognitiven und relationalen Sozialkapitals so in Deckung gebracht wird, daß die für konziliares Handeln er-
VI
Geleitwort
forderliche Qualifikation, Motivation und Ordination gewährleistet sind. Der Erklärungswert der Konziliaren Organisation wird über die individuelle Handlungsebene auf das Zusammenwirken von Gruppen erweitert. Damit kann die Konziliare Organisation als eine besondere Form der Organisationsentwicklung aufgefasst werden. Die Arbeit verdeutlicht, dass die Eigenschaften von Gruppen nicht auf die einzelnen Individuen zurückführbar sind, sondern dass mit der Konziliaren Organisation eine eigenständige integrative Zusammenarbeit entsteht.
Die Dissertationsschrift von Frau Dr. Labucay ist eine konsequent theoretisch angelegte Arbeit, deren besonderer Wert im widerspruchsfreien und begründeten Aufbau der Konfigurationselemente der Konziliaren Organisation besteht. Zusätzlich bietet die Arbeit profunde personalwirtschaftliche, organisatorische und führungsbezogene Anknüpfungspunkte zur Implementierung der Konziliaren Organisation in der betrieblichen Praxis.
Frau Dr. Labucay hat mit der „Konziliaren Organisation“ eine neue Organisationsform vorgelegt, die als wichtige Weiterentwicklung der Organisationstheorie einzustufen ist und die sicherlich bedeutende Impulse sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis geben wird.
Prof. Dr. Manfred Becker
Vorwort
VII
Vorwort
Die vorliegende Dissertation widmet sich mit dem Entwurf einer kommunikationsbasierten Organisationsform einem Thema, das sich am Übergang zwischen der personalwirtschaftlichen und der organisationswissenschaftlichen Disziplin bewegt. Ziel war es, in beiden Gebieten zu relevanten Erkenntnissen zu gelangen. Hierzu erwies es sich als erforderlich, zunächst eine theoretische Fundierung zu unternehmen, da sich nach Aufnahme des Forschungsstands Lücken hinsichtlich des Forschungsziels ergaben.
Ziel war es weiter, aufzuzeigen, wie ein aufbauorganisatorisches Korrelat aussehen kann, das die neuen Anforderungen an Organisationen (wie gestiegene Kommunikationsintensität, Vernetzung und Folgelastigkeit) aufnimmt (organisationswissenschaftliches Erkenntnisinteresse) und zu untersuchen, welche konkreten Instrumente in Organisationen unterstützend und stabilisierend eingesetzt werden können, um eine kommunikationsbasierte Organisation funktionsfähig zu halten (personalwirtschaftliches Erkenntnisinteresse).
Ich danke an dieser Stelle Herrn Universitäts-Professor Dr. Manfred Becker, Inhaber des Lehrstuhls für Organisation und Personalwirtschaft an der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, für die Möglichkeit, mein zwischen Personalwirtschaft und Organisation oszillierendes Vorhaben realisieren zu können und für die beständige Unterstützung bei den zahlreichen Einzelentscheidungen, die entlang des Weges zu treffen waren. Die fachlichen Diskussionen (gewissermaßen „ad hoc“-Konzile) haben mich in der Ansicht bestärkt, dass wissenschaftliche Arbeit zwar eine fordernde, aber letztlich eine bereichernde Tätigkeit ist.
Ich danke weiter Herrn Universitäts-Professor Dr. Rainhart Lang, Inhaber des Lehrstuhls für Organisation und Arbeitswissenschaft an der Technischen Universität Chemnitz, für die Übernahme des Zweitgutachtens.
Inéz Labucay
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort................................................................................................................................... V Vorwort .................................................................................................................................VII Inhaltsverzeichnis......................................................................................................................IX Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................... XIII Tabellenverzeichnis ................................................................................................................. XV 1. Zielsetzung und Forschungsfrage............................................................................... 1 1.1 Aktualität und Relevanz des Themas ......................................................................... 1 1.2 Forschungsziel............................................................................................................ 7 1.3 Wissenschaftstheoretische Anforderungen............................................................... 10 1.4 Methode.................................................................................................................... 15 1.5 Überblick über die Arbeit......................................................................................... 18 2. Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation ................................................................................. 22 2.1 Erkenntnisstand zur Form der internen Unternehmenskommunikation .................. 22 2.2 Erkenntnisstand zur Instrumentalität der internen Unternehmenskommunikation.. 27 2.3 Forschungsleitende Fragen....................................................................................... 36 3. Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode ............... 39 3.1 Alternative Forschungszugänge zur Konziliaren Organisation................................ 39 3.1.1 Situativer Ansatz ...................................................................................................... 40 3.1.2 Evolutionstheorie ..................................................................................................... 40 3.1.2.1 Frühe Evolutionstheorie.................................................................................... 40 3.1.2.2 Evolutionäres Management .............................................................................. 41 3.1.2.3 Entwicklungsorientiertes Management............................................................. 42 3.1.3 Netzwerktheoretischer Ansatz.................................................................................. 43 3.2
Analyse der Eignung der Systemtheorie .................................................................. 45 4. Basistheoretische Grundlagen .................................................................................. 54 4.1 Systemtheoretische Grundlagen............................................................................... 54 4.1.1 System ...................................................................................................................... 54 4.1.2 Inklusion/Exklusion ................................................................................................. 59 4.1.3 Kontingenz ............................................................................................................... 61 4.1.4 Komplexität.............................................................................................................. 62 4.1.5 Autopoiesis und Selbstreferenz................................................................................ 64 4.1.6 Kommunikation........................................................................................................ 67
X
Inhaltsverzeichnis
4.1.7 Emergenz.................................................................................................................. 70 4.2. Transaktionskostentheoretische Grundlagen............................................................ 74 4.2.1 Begriffliche und konzeptionelle Grundlegung ......................................................... 75 4.2.1.1 Auswahlproblem der Transaktionskostentheorie .............................................. 75 4.2.1.2 Kostenwirkungen einer Variation der Transaktionsmerkmale .......................... 80 4.2.1.3 Relevante Institutions- und Transaktionsmerkmale auf der Binnenebene........ 81 4.2.2 Aus den Transaktionsmerkmalen abgeleitete Strukturformen ................................. 86 5.
Beschreibung der Konziliaren Organisation ............................................................ 92 5.1 Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur).................................................. 92 5.1.1 Organisationsstruktur aus systemtheoretischer Sicht ............................................... 93 5.1.2 Erkenntnisbeitrag „neuer“ Organisationsformen ..................................................... 94 5.1.3 (Post)moderne, intermediäre Organisationsformen als Idealtypen .......................... 97 5.1.3.1 System 4-Organisation...................................................................................... 97 5.1.3.2 Virtuelle Organisation ...................................................................................... 100 5.1.3.3 Netzwerk ......................................................................................................... 105 5.1.3.4 Hypertext-Organisation................................................................................... 109 5.1.3.5 Adhocratie ....................................................................................................... 112 5.1.3.6 Pluralistische/Multikulturelle Organisation ..................................................... 115 5.1.3.7 Vertrauensorganisation.................................................................................... 118 5.1.3.8 Emergente Organisation.................................................................................. 120 5.1.3.9 Gesamteinordnung der Strukturformen .......................................................... 122 5.1.4 Notwendige und hinreichende Elemente der Konziliaren Konfiguration.............. 125 5.2 Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse).............. 134 5.2.1 Sichtweise der Kommunikationswissenschaft ....................................................... 134 5.2.1.1 Klassische Kommunikationsmodelle.............................................................. 136 5.2.1.2 Formen und Funktion der Kommunikation in Gruppen ................................. 139 5.2.2 Konziliare Kommunikation im Sinne der Systemtheorie ...................................... 143 5.2.2.1 Abgrenzung zur Klassik.................................................................................. 143 5.2.2.2 Abgrenzung zum „herrschaftsfreien Diskurs“ ................................................ 145 5.2.2.3 Merkmale konziliarer Kommunikation........................................................... 149 5.3 Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Akteure (Personen)........................... 155 5.3.1 Stellenwert der Person im Kommunikationssystem............................................... 155 5.3.2 Diversität der Aufgabenträger als kommunikationsrelevanter Tatbestand............. 158 5.3.3 Gestaltung von Diversität....................................................................................... 161 5.3.4 Konziliare Qualifikation und Konziliare Kompetenz ............................................ 163 5.4 Relationale Beschreibung der Konziliaren Organisation (Beziehungen)............... 169 5.4.1 Von der Funktionen- zur Beziehungsorientierung.................................................. 169
Inhaltsverzeichnis
XI
5.4.2 Relationales Konstrukt des Sozialkapitals ............................................................. 171 5.4.3 Zusammenfassende Schlussfolgerungen................................................................ 176 6.
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung.................................................... 179 6.1 Vorüberlegungen zum Ziel- und Effizienzbegriff .................................................. 179 6.2 Transaktionskostentheoretische Rationalität.......................................................... 181 6.2.1 Effizienz formaler und informaler Kommunikation .............................................. 181 6.2.2 Begriffliche Einordnung vor dem Hintergrund der Transaktionskostentheorie..... 185 6.2.3 Kostenanalyse der Kommunikation in der Konziliaren Organisation ................... 193 6.3 Systemtheoretische Rationalität ............................................................................. 198 6.3.1 Von der Realitätskonstruktion zur Rationalitätskonstruktion................................. 198 6.3.2 Zur Inkommensurabilität oder Integrierbarkeit der Rationalitätskonzepte ............ 200 6.4
7.
Gesamtkonfiguration der Konziliaren Organisation anhand eines Beispiels......... 202 Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen.......................................................... 208 7.2.1 Prozessberatung...................................................................................................... 214 7.2.2 Selbstentwicklung .................................................................................................. 218 7.2.3 Maßnahmen der Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung ................... 222
8.
Ergebniszusammenfassung und Ausblick .............................................................. 230 8.1 Instrumente der Kopplung zwischen Individuen und System................................ 230 8.2 Zukünftiger Forschungsbedarf ............................................................................... 232 Anhang ................................................................................................................................ 235 Literaturverzeichnis................................................................................................................. 245
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30:
Treiber und Entwicklungsformen intermediärer Organisationen.................... 2 Aufbau der Arbeit.......................................................................................... 20 Interaktionssystem nach Thayer.................................................................... 24 Eigenschaften von Wissenskommunikation im Unterschied zur Kommunikation von Informationen.............................................................. 25 Mehrebenen-Kommunikationsmodell........................................................... 30 Theoriengeschichtliche Genese systemtheoretischer Kategorien ................. 46 Übersicht über die Systemarten..................................................................... 54 Genese des Systembegriffs in der Theoriengeschichte ................................. 58 Der mehrstufige Prozess der Inklusion und Exklusion ................................. 60 Veränderungsformen als Ergebnis von Komplexitätsveränderung ............... 71 Organisation als System ................................................................................ 73 Wiederholung der Auswahlentscheidung auf Ebene der internen Organisation .................................................................................................. 78 Kontinuum der Kooperationsformen ............................................................ 79 Hierarchietypen in Abhängigkeit von Häufigkeit und Spezifität .................. 88 Auf Basis der Transaktionseigenschaften hergeleitete Analyseeinheiten ..... 90 Strukturelemente der Konziliaren Organisation............................................ 91 Kriterien zur Einordnung der postmodernen Organisationsstrukturen ......... 95 Gestaltungsprinzipien der „Partizipativen Gruppenstruktur“ nach Likert .... 98 Gelöste und ungelöste Probleme in der Virtuellen Organisation ................ 104 Struktur der Hypertextorganisation ............................................................. 110 Funktionen und Formen von Konzilen........................................................ 127 Notwendige Elemente der Konziliaren Organisation.................................. 132 Nachrichtentechnisches Kommunikationsmodell von Shannon/Weaver.... 136 Intermediäre Stellung der Gruppe zwischen Organisations- und Interaktionssystem....................................................................................... 142 Gegenstand und Interdependenz kommunikativer Management-Tugenden bei Popkes ................................................................................................... 148 Qualifikation als Inputgröße in der Kompetenzarchitektur......................... 164 Konziliares Prinzip anhand der Gegenüberstellung von funktionaler Hierarchie und funktionalem Netzwerk ...................................................... 170 Kommunikationsfluss in verschiedenen Netzwerkkonfigurationen ........... 183 Gesamtkosten der kollektiven Entscheidungsfindung ................................ 189 Einfluss des Delegationsgrades auf die Transaktionskosten ....................... 192
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 31: Relational erweiterter institutionenökonomischer Erklärungszusammenhang .......................................................................... 201 Abbildung 32: Anlässe und Funktionen der Bildung von Konzilen im Krankenhaus ........ 203 Abbildung 33: Gesamtkonfiguration der Konziliaren Organisation ................................... 205 Abbildung 34: Formen der Intervention in Abhängigkeit vom intervenierenden und intervenierten System.................................................................................. 213 Abbildung 35: Prozessberatung im Rahmen der Systemgestaltung.................................... 214 Abbildung 36: Inhaltsbereiche der Personalentwicklung als Prozessberatung ................... 217 Abbildung 37: Selbstentwicklung im Rahmen der Systemgestaltung ................................ 219 Abbildung 38: Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung im Rahmen der Systemgestaltung......................................................................................... 222 Abbildung 39: Korrespondenz zwischen Systemtyp, Managementtyp und Lerntyp .......... 226 Abbildung 40: Interventionsmatrix ..................................................................................... 231
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9:
Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14:
Merkmale von Kommunikation in klassisch-bürokratischen Organisationen..................................................................................................... 23 Positionen in der Autopoiesis-Diskussion........................................................... 66 Kostenwirkungen der Variation der Transaktionscharakteristika........................ 80 Teamorganisation in Abhängigkeit vom Grad der Humankapitalspezifität und deren Messbarkeit ............................................................................................... 86 Abgrenzung der Virtuellen Organisation von anderen Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit ................................................ 101 Abgrenzende Merkmale der Misstrauens- und der Vertrauensorganisation ..... 118 Originäre Merkmale der Konziliaren Kommunikation auf Basis der Systemtheorie .................................................................................................... 153 Derivative Merkmale der Konziliaren Organisation im Unterschied zur klassischen und soziologischen Kommunikationstheorie ................................. 154 Zusammenhang zwischen den Strukturkomponenten der Konziliaren Organisation und den Konzepten der Handlungskompetenz und des Sozialkapitals .................................................................................................... 168 Indikatoren der sozialen Effizienz..................................................................... 180 Effizienzwirkung der Individual- und Kollektivkommunikation...................... 182 Tätigkeits- und aufgabenträgerabhängige Transaktionskostenausprägung....... 190 Transaktionskosten und korrespondierende Effizienzkriterien als Optimalitätskriterium der internen Organisation .............................................. 194 Kostenmatrix der für die Konziliare Organisation relevanten Transaktionskostenausprägungen...................................................................... 196
Aktualität und Relevanz des Themas
1
1. Zielsetzung und Forschungsfrage 1.1
Aktualität und Relevanz des Themas
Die Anforderungen an Organisationen sind vielfältiger geworden. Nachdem die Produktivitätsvorteile aus Kosten- und Qualitätswettbewerb, hybridem Wettbewerb und Hyperwettbewerb zunehmend ausgeschöpft sind, zeichnet sich, getrieben durch demographischen Wandel, ein Talentewettbewerb ab. Mitarbeiterbindung durch Retention Management und die Gewährung von Handlungsspielräumen und Partizipation gewinnen an Bedeutung. Es scheint, „als seien weitere Produktivitätssteigerungen nur durch die Nutzung dieses Partizipationspotentials – und das heißt letztendlich: durch Formen der Demokratisierung – erreichbar.“1
Die Organisationslandschaft ist als Reflex auf veränderte Umweltbedingungen ebenfalls vielfältiger geworden. Neue Organisationsformen und damit einhergehend neue Formen der Steuerung des Verhaltens in Organisationen haben seit den 90er Jahren unter den Vorzeichen der postmodernen Organisationstheorie zu einer schwer überschaubaren Fülle an Strukturvarianten geführt, die Antworten auf das grundlegende Problem allen Wirtschaftens, die Koordination des arbeitsteiligen, kollektiven Handelns in Organisationen geben. Früh bezog sich Richardson auf die Beziehungen zwischen Unternehmen als „dense network of co-operation and affiliation by which firms are inter-related“2 und verwies damit auf die Ablösung der Konzeption von Unternehmen als klar voneinander unterscheidbare Entitäten mit einer stabilen Grenzziehung zu ihrer Umwelt durch ein netzwerkartig strukturiertes System enger kooperativer Beziehungen mit fließenden Grenzen. Insbesondere institutionenökonomische, medien- und wissensökonomische Disziplinen begründen die Emergenz neuer Organisationsformen mit gestiegener Marktdynamik und Produktkomplexität und einer dem Paradigma „strategy follows structure“ gehorchenden Ausnutzung von Transaktionskostensenkungspotentialen aufgrund der gestiegenen informationstechnologischen Möglichkeiten. Intraorganisatorische Modularisierung und Netzwerkbildung, unternehmensübergreifende Zusammenschlüsse in Form von Wertschöpfungspartnerschaften und die sogenannte Virtuelle Organisation als Strategie der Vernetzung modularer Organisationseinheiten in und zwischen Unternehmen sind Ausfluss gestiegener Komplexität auf Faktor-, Produkt- und Absatzmärkten (vgl. Abbildung 1).
1
2
Rosner (2007), 5. Die stärkere Diffusion der Verfügungsrechte an interner Unternehmenskommunikation, die sich in der Ausdünnung der informationalen Hoheit des Managements und der gestärkten Informationsmacht des Einzelnen zeigt, stufen Karmasin/Freienstein (2006) unter dem Begriff des „Organisationsbürgers“ als rationale Unternehmensstrategie ein. Vgl. Karmasin/Freienstein (2006), 136. Richardson (1972), 883.
Zielsetzung und Forschungsfrage
Marktunsicherheit
2
Vernetzte Organisation
Virtuelle Organisation
Hierarchische Organisation
Modulare Organisation
Produktkomplexität Abbildung 1: Treiber und Entwicklungsformen intermediärer Organisationen Quelle: In Anlehnung an Reichwald/Möslein (2000), 118.
Konkrete Nutzenerwartungen durch die Etablierung hybrider Organisationsformen bestehen in der Explizierung „verteilten“ impliziten Wissens und in der Realisierung von Netzwerkeffekten, die auftreten, sobald unternehmensintern eine kritische Masse an Organisationseinheiten (z. B. bei der Telearbeit, dem Desk-Sharing oder in sozialen Netzwerken3) bzw. unternehmensübergreifend an am Netzwerk partizipierenden Unternehmen erreicht ist.4 Mit einer verstärkt marktlichen Leistungsabwicklung durch Fremdvergabe ist für die Unternehmen aber auch das Risiko verbunden, dass die erzielten Kosteneinsparungen mit einem Verlust an Differenzierung von Wettbewerbern einhergehen.
Die innovationsfördernde Wirkung von Organisationsstrukturen mit geringem Regelungsgrad und offenen, Handlungsspielraum gewährenden Kommunikationsstrukturen, kann als durch die Organisationswissenschaft gut gestützte Erkenntnis betrachtet werden.5 Aufgrund der „Bedeutung strukturspezifischer Kommunikationswege für die Vorteilhaftigkeit von Organisationsalternativen“6 hat die intra- und interorganisatorische Nutzung von Kommunikation als Koordinationsinstrument einen Einfluss auf die Optimalität der gewählten Organisationsstruktur. Der „Move to the Middle“-Hypothese folgend wird keine situationsunabhängige Domi3
4 5 6
Soziale Netzwerke haben sich innerhalb der letzten zwei Jahre z. B. in Form der Internet-Netzwerke „Xing“ und „Youtube“ (z. B. genutzt durch Accenture) gebildet und sind als Instrument zur virtuellen Rekrutierung im „Second Life“ (z. B. genutzt durch Microsoft und T-Mobile) ausgebaut worden. Soziale Netzwerke innerhalb von Unternehmen bestanden aber auch schon zuvor in Form des klassischen Intranets, aktuell erweitert durch Wissenslandkarten, Yellow Pages und andere Expertenverzeichnisse. Auch neue Finanzierungsformen setzen auf soziale Netzwerke, z. B. die Wahkampffinanzierung des amerikanischen Präsidenten Obama, dessen mithilfe von Internet-Communities wie „MySpace“ gesammelte „Mikro“-Spenden (94 % unter 200 $) ein höheres Spendenaufkommen ergaben, als das auf Großspenden basierende traditionelle System der Mitbewerber. Vgl. Neue Zürcher Zeitung v. 26. Juni 2008. Vgl. Reichwald/Möslein (2000), 122. Vgl. Frese (2005), 594. Reichwald/Möslein (2000), 120.
Aktualität und Relevanz des Themas
3
nanz entweder des Marktes oder der Hierarchie, sondern eine Herausbildung sogenannter intermediärer Organisationen – einer Mischform aus Markt und Hierarchie – angenommen. Die Ablösung von Allfunktions- durch Spezialfunktionsunternehmen, die eine hoch qualifizierte Kernbelegschaft zur Erstellung der unverwechselbaren Unternehmensleistung beschäftigen, führt zu einer relativen Bedeutungsverlagerung der Unsicherheitszonen7 unternehmerischer Leistungserstellung von der internen Ebene der Mitarbeiterqualifikation auf die Ebene der externen Beziehungen zu Lieferanten, Partnerunternehmen, Beratern und Kunden. Träger der Beziehungen und verantwortlich für die Beziehungsqualität sind die Mitarbeiter, die als „boundary spanners“ eine einflussreiche und zunehmend schwer kontrollierbare BrokerFunktion im internen und externen Beziehungsmanagement ausüben. Die erhöhte Durchlässigkeit organisatorischer Grenzen rechtfertigt die Einordnung von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern anderer Unternehmen, mit denen temporäre Netzwerkpartnerschaften eingegangen werden, als temporäre personelle Ressourcen des Unternehmens.8 Daraus ist die Existenz eines Kontinuums von Netzwerkformen abzuleiten, das von der intrabis zur interorganisatorischen Ebene reicht. Die durch die wachsende marktliche Leistungsverflechtung zwischen den Unternehmen gestiegene Komplexität ist intern durch eine ausreichende Information und Kommunikation für die verbleibenden Mitarbeiter beherrschbar zu halten.9
Kommunikation ist das Medium der beobachtbaren Formen menschlicher Beziehungen und damit eine „conditio sine qua non“ menschlichen Lebens und gesellschaftlicher Ordnung10, was Organisationen als zentrale ordnungsbildende Institution der Gesellschaft einschließt. Kommunikation wird als Träger der Unternehmenskultur nach innen, als propagierte Unternehmenskultur nach außen und gleichzeitig als Analysegegenstand für die Grundannahmen, Werte und Verhaltensweisen betrachtet, die in einer Organisation vorherrschen.11 Soziale Beziehungen werden als Kosteneinflussfaktor und Koordinationsinstrument entdeckt, da anzunehmen ist, dass „cooperation in an employment relation will be only very imperfectly achieved by what is generally considered in the literature to be a governance structure.“12
7 8 9
10 11
12
Vgl. Crozier/Friedberg (1979). Vgl. hierzu auch Becker (1996). Vgl. Bechtel (2006), 120 f. Die entstandenen „Agenturunternehmen“, die als „Info-Broker“ und Anbieter von Koordinationsleistungen zwischen Spezialfunktionsunternehmen auftreten, sind Ausdruck der Entwicklung zu steigender externer Verflechtung bei gleichzeitig gestiegenem Bedarf an Stabilität der internen Beziehungen. Vgl. Becker (1997), 6 f. Vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson (2003), 13 und 22. Vgl. Semling (2005), 29, die die Informations- und Kommunikationskultur mittels teilnehmender Beobachtung und anschließender Inhaltsanalyse als relevante Beobachtungskategorie der Unternehmenskultur identifiziert hat. Lindenberg (1996), 135. Daher beziehen auch bereits Kieser/Krüger/Röber (1979) eine Bezugnahme auf Beziehungen als Interventionsebene der Organisationsentwicklung vor, allerdings ohne die gleichzeitige Einbeziehung der Prozesse.
4
Zielsetzung und Forschungsfrage
Es mehren sich Anzeichen, dass damit eine systematische Nutzung kommunikativer Prozesse im Unternehmen zunehmend wichtiger wird. Als punktuelle Evidenzen des verstärkten Interesses am Einsatz kommunikativer Strategien in Unternehmen sind zu nennen: Innovationszirkel, Maßnahmen zur Etablierung einer kollegialen Beratung im Unternehmen13, der systematische Aufbau einer Kommunikationsinfrastruktur zum Austausch und zur Einbindung aller relevanten Stakeholdergruppen14 und die Etablierung von unternehmensintern und/oder unternehmensübergreifend mit Spezialisten besetzten „Councils“ wie bei Ford und RWE15, die mit speziellen Aufgabenbereichen, wie der Strategieentwicklung, der Überwachung der Einhaltung der Corporate Governance-Grundsätze oder dem strategischen Diversity Management16 beauftragt werden.
Die Institutionenökonomie adressiert mit „Communities of Practice“ und „Communities of Learning“ Organisationsformen, die Kommunikation zur Wissensgenerierung und zum Wissensaustausch nutzen.17 Die Zielsetzungen reichen vom gegenseitigen beratenden Austausch bis zur Erhöhung der Innovationsfähigkeit von Arbeitsgruppen und der Organisation durch die Institutionalisierung kollektiven Lernens und von Formen kollegialer Beratung, welche die Erfahrungsweitergabe in einem schwach strukturierten Aufgabenumfeld sichern sollen.18 Entsprechende Kooperationsformen zwischen Politik und Wissenschaft finden sich in Form des Wissenschaftsrats und der Nutzung wissenschaftlicher Gutachter- und Beratungskommissionen durch politische Entscheidungsträger. Als Beispiel für eine Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kann das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung angeführt werden, dessen Forschung zu Klimarisiken z. B. durch die Versicherungswirtschaft und Finanzdienstleistungs- und Energieunternehmen zur Schätzung von Kreditausfallrisiken und Schadenshöhen genutzt wird.19 „Runde Tische“ und andere kooperative Initiativen zwischen Wirtschaft und Politik, bei denen diskursiver Aushandlung und Abstimmung ein hoher Stellenwert
13 14 15
16 17 18
19
Vgl. zusammenfassend Bergel (2004). Vgl. Heger (2005). Ford setzt den „Council“-Gedanken im Diversity Management um, vgl. zu den Diversity Councils Macharzina/Wolf (2005), 794. Bei RWE wurde im Jahr 2004 ein „Group Business Comittee“, in dem „die besten Leute des Konzerns über die schwierigsten Probleme diskutieren“ sollen, eingerichtet. Die Besetzung erfolgt zwar ausschließlich mit Vertretern der obersten Führungsebene, diese stammen aber nicht nur aus der Holding, sondern werden auch aus den Führungsgesellschaften der RWE rekrutiert. Es wird laut Selbstbeschreibung des Unternehmens ein offener Dialogstil praktiziert, Wert auf umsetzungsreife Entscheidungen gelegt und ein Gruppenentscheid nach dem Mehrheitsprinzip gefällt. Vgl. Gassmann (2004), 33. Vgl. hierzu grundlegend Kapitel 5.3. Vgl. bereits Barab/Duffy (2000). Vgl. zur Weitergabe impliziten Erfahrungswissens durch „story-telling“ bei Service-Technikern der Xerox AG Gerhard/Seufert (2001). Bei Wartungsarbeiten häufig auftretende Probleme und deren Lösungsweg konnten durch das gegenseitige Berichten von „war stories“, der Erlebnisse bei der Reparatur und deren erfolgreicher Bewältigung, in einer sozial akzeptierten und unmittelbar durch andere Techniker nutzbaren Form weitergegeben werden. Vgl. Krieger (2006).
Aktualität und Relevanz des Themas
5
zukommt, lassen sich bis zur berufsständischen Bewegung der 20er Jahre20 zurückverfolgen. Auch die „Governance“-Strukturen“21 der Industriesoziologie verbinden die organisationswissenschaftliche Problemstellung der Koordination mit dem Problem der Anreizkompatibilität von Institutionen und der Beteiligung an Aushandlungsprozessen. Seit den 60er Jahren hat die Forschung zu industriellen Beziehungen, welche die Aushandlung von Ordnungsarrangements zwischen Intermediären (z. B. dem Betriebsrat) und den beteiligten Interessengruppen (Arbeitnehmern und Arbeitgebern) in Situationen des institutionalisierten Interessenkonflikts zum Gegenstand hat, u. a. über den „negotiated order“-Ansatz die kommunikative Aushandlung als ordnungsbildendes Element in Unternehmen identifiziert.22 Den genannten Organisations(teil)strukturen ist der Rückgriff auf Gruppenstrukturen gemeinsam, die seit den mäßigen Erfolgen der teilautonomen Gruppen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, eine rückläufige Tendenz aufwiesen, die aber zunehmend reaktiviert werden, wie die steigende Zahl an Teamentwicklungstrainings und partizipativen Arbeitsformen zeigt.23 Für die wissenschaftliche Forschung und für Theorie-Praxis-Kooperationen wird ein Übergang von der monologischen („Modus 1“-) zur dialogischen („Modus 2“-) Wissensproduktion postuliert, die aufgrund der Interaktionsabhängigkeit der Wissensgenerierung den Einsatz von Gruppenarbeit forciere. Danach werde das Prinzip, nach dem wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn in einer abgeschlossenen Community mit eigener Normenorientierung und ohne ausreichenden Austausch mit Praktikern und Wissensanwendern erfolge, zunehmend obsolet und durch eine transdisziplinäre, kooperative Form der Wissensgenerierung ersetzt: „Scientific work will increasingly be carried out by temporary teams consisting of academic researchers, private laboratories and small hi-tech or consulting companies.“24 Durch interaktive Wissensproduktion („continuous negotiations“) innerhalb des Anwendungskontexts – z. B. indem die Wissensanwender als Co-Produzenten eingebunden werden, in Universitäten also die Studenten, in Forschungsverbünden mit der Praxis die Anwender in den Unternehmen – soll die Transferlücke zwischen Wissensgenerierung und Wissensanwendung verringert und das Wissen in der Anwendung validiert werden.25 Trotz Unterschieden in der Zielsetzung ist diesen Formen der Organisation des kommunikativen Austauschs gemeinsam, dass ihre Zusammensetzung zunehmend nach dem Kriterium 20
21
22
23 24 25
Vgl. zu einer Erörterung beratender Gremien als Intermediäre zwischen Staat und Wirtschaft und zugehörigen Literaturverweisen Luhmann (1995), 229 f. Vgl. für die Industriesoziologie stellvertretend Braczyk (1997) und für die Unternehmensethik Wieland (1999). Vgl. zu den institutionenökonomischen und handlungstheoretischen Wurzeln der Theorien industrieller Beziehungen sowie zu einer Auswertung einschlägiger empirischer Studien ausführlich König (2005), 27 ff. Vgl. zu einem Brückenschlag zwischen „negotiated order“ und der Forschung zur Mitarbeiterbindung (u. a. commitment) Luhmann (1996), 300 f. Vgl. Comelli (2003), 416. Frost/Osterloh (2003), 83. Vgl. Frost/Osterloh (2003), 83 f.
6
Zielsetzung und Forschungsfrage
Qualifikation und Sachverstand und weniger nach hierarchischer Position erfolgt.26 Die Intensität der Nutzung kooperativer Arbeitsformen wie Gruppen- und Teamarbeit in Unternehmen ist z. B. im Zuge der Einrichtung von Matrixorganisationen aufgrund des erhöhten Koordinationsbedarfs an den bewusst geschaffenen Verantwortungs-Schnittstellen noch angestiegen. Die gestiegene Anwendungsintensität steht dabei im Widerspruch zu den erkannten Risiken wie einer Absenkung des Leistungsniveaus auf den des „schwächsten“ Mitglieds als gemeinsamer Nenner, einer zu starken Binnenorientierung der Teams, einer Förderung von Verantwortungsscheu und den hohen Koordinations- und Kommunikationskosten von Gruppen- gegenüber Einzelarbeit.27 Auch treten dysfunktionale motivationale Effekte wie Social loafing (unbewusste Leistungsreduktion auf ein Niveau unterhalb der Gruppenleistung), Free riderVerhalten (bewusstes Trittbrettfahrer-Verhalten) und der „Sucker“-Effekt (Leistungsreduktion zur Vermeidung des Trittbrettfahrer-Verhaltens anderer Gruppenmitglieder)28 verstärkt in Gruppen auf, da hier das individuelle Leistungsverhalten bewusst oder unbewusst vom Verhalten der anderen Gruppenmitglieder abhängig gemacht wird. Weiter können Konflikte in hierarchieübergreifend besetzten Gruppen auftreten, wenn die Vorgesetztenrolle in der regulären Hierarchie sich mit der Unterordnungsrolle in der hierarchieübergreifenden Projektarbeit überschneidet. Bei der Betrachtung der skizzierten Entwicklungstendenzen der zunehmenden Vernetzung, der Emergenz intermediärer Organisationsformen und des gestiegenen Stellenwertes der Kommunikation stellt sich die Frage, die sich im Konjunkturzyklus der Organisations- und Managementmoden regelmäßig stellt, ob es sich bei der „Wiederentdeckung“ der Kommunikation um einen kurzlebigen organisatorischen „Hype“ mit eingeschränktem Erkenntniswert für die Organisationspraxis bzw. ein neu gewandetes, eigentlich altes Konzept handelt – man bedenke z. B. die schon seit den 80er Jahren geführte Diskussion um den komparativen Stellenwert von Stakeholderinteressen gegenüber der reinen Shareholder-Fokussierung.
26
27 28
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Holtbrüge (2001a), der zusätzlich das Fehlen von Stellenbeschreibungen als Kriterium interner Netzwerke nennt (S. 342). Ob dieser Tatbestand als Regelfall angenommen werden kann, ist allerdings fraglich. Im Vorgriff auf die systemtheoretische Basis der Arbeit kann angeführt werden, dass z. B. die Eignung einer Stelle zur Wahrnehmung von Lenkungsaufgaben auf niedrigeren Stufen der Hierarchie, durch Nolte unter dem Aspekt der „Rekursivität“ behandelt, nicht an der persönlich verfügbaren Komplexität, sondern an der einer Stelle zugebilligten Komplexität bemessen wird. Vgl. Nolte (2007), 134. Die Fähigkeit zur Komplexitätsverarbeitung kann hier, wenn nicht mit Qualifikation, dann doch näherungsweise mit Problemlösefähigkeit assoziiert werden. Vgl. auch die Ablösung einer „Status-Hierarchie“ durch eine „Know-how-Hierarchie“ bei Vier (1996). Vgl. Fiedler-Winter (2006), 23. Vgl. Rosenstiel (2004), 393. Vgl. auch zu den Ursachen verminderter Gruppenleistung am Beispiel des Social Loafing Oelsnitz/Busch (2006).
Forschungsziel
7
Für die vorliegende Arbeit interessant ist der Vergleich der Anwendungsintensität einer Strategie zur Verbesserung der Kommunikationsbeziehungen, welche die genannten unterschiedlichen Formen annehmen kann, mit der vorhandenen theoretischen Fundierung. Ließe sich nachweisen, dass sich in den skizzierten Beispielen ein Trend zu einem kohärenten Ansatz für die organisatorische Kommunikation verdichtet, zugleich aber zu dessen Begründung nicht mehr als eine vage Intuition vorliegt, wäre zunächst die theoretische Basis als explorative Vorbereitung für empirische Untersuchungen zu sichern. Die heterogene Motivlage hinter der Schaffung einer Kommunikationsinfrastruktur, die – wie gezeigt – von erhofften Motivationswirkungen einer erhöhten Beteiligung bis zum verbesserten Wissensmanagement reicht, deutet auf eine Vielfalt in der Zielsetzung und den in diese Projekte eingebrachten Nutzenerwartungen hin, denen eine ebenso heterogene, diffuse theoretische Absicherung gegenübersteht.
1.2
Forschungsziel
Als Entwurf einer kommunikationsorientierten Organisationsform wird in dieser Arbeit die Konziliare Organisation29 vorgestellt. Der aus der katholischen Kirchenlehre bekannte Konzilsbegriff, der in der aktuellen Diskussion beider christlicher Konfessionen unter dem Stichwort „Konziliarer Prozess“ einen unvermindert hohen Stellenwert einnimmt30, dient als begriffliche Vorlage für die Konziliare Organisation. Der Gegenstand von Konziliarität, das gegenseitige „Raten“ und „Beraten“ von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Funktionsbereichen im Unternehmen31, lässt sich für den Bereich Krankenhaus bildhaft durch die Besprechungen am Krankenbett und das gegenseitige Beraten unterschiedlicher Fachbereiche, z. B. vor Operationen, verdeutlichen. Bei sequentieller Aufgabenbearbeitung in Unternehmen besteht die Koordinationsanforderung in der Zusammenfügung interdependenter Abschnitte der Wertschöpfungskette zu einer Gesamtleistung, wobei sich Dysfunktionalitäten in Schnittstellenproblemen, Liegezeiten oder suboptimaler Informationsverwendung äußern können. In „High reliability organizations“32, z. B. singulären Projektorganisationen zum Bau von Space29 30 31
32
Vgl. erstmals Becker (1996). Vgl. Hofmann (2001). Vgl. zur Rolle sozialer Netzwerke als Struktur aus gegenseitigen Beratungsbeziehungen der Mitarbeiter Büchel (2007), 47. Als Synonym wird der Begriff „Organisationen mit hoher Zuverlässigkeit“ verwendet. Weick/Sutcliffe (2007) heben als Charakteristikum solcher Organisationen hervor, dass sie unter hohem Risiko arbeiten und trotzdem weit weniger Unfälle auftreten, als im statistischen Mittel zu erwarten wären. Beispiele sind ihmzufolge Stromnetzbetreiber, atombetriebene Flugzeugträger, Kernkraftwerke, Notaufnahmen und Krisenstäbe zur Geiselbefreiung. Weick/Sutcliffe (2007) zufolge zeichnen sich diese Organisationen durch fünf Merkmale hoher Zuverlässigkeit aus: 1) Konzentrierte Wachsamkeit gegenüber Fehlern (schwache Signale), 2) Abneigung gegen vereinfachende Interpretationen, 3) Sensibilität für betriebliche Abläufe, 4) Streben nach Flexibilität und 5) Respekt vor fachlichem Wissen und Können, vgl. Weick/Sutcliffe (2007), 15 und 22. Vgl. beispielhaft systemtheoretisch auch Marais/Dulac/Leveson (2004) sowie Gfrörer/Schüpfer (2004).
8
Zielsetzung und Forschungsfrage
Shuttles oder Flugzeugen, aber auch regulär und dauerhaft interagierenden Gruppen im Operationssaal, hängt die Leistung aufgrund der geringen Fehlertoleranz in hohem Maße von der realisierten Kooperation zwischen den Leistungsträgern ab, die durch die Zusammenführung funktionaler Spezialisten zur gegenseitigen Beratung zu realisieren ist. Im Idealfall lässt sich die erhoffte Koordinationswirkung wie folgt zusammenfassen: „Die Entscheidungsgewalt ‚wandert’ zu den Mitarbeitern mit dem größten Fachwissen, unabhängig von ihrem Rang“.33 Von Formen des institutionalisierten Wissensaustauschs wie regelmäßigen Treffen zur Präsentation von Leistungskennzahlen, Gremiensitzungen, Strategiezirkeln und Projektarbeit ist die Konziliare Organisation insofern abzugrenzen, als Kommunikation in ihr selbst ein konstitutives Element ist, d. h. sie kann als umfassendere Struktur betrachtet werden, so dass die genannten Formen mehr oder weniger „konziliare“ Formen des gegenseitigen Wissensaustauschs darstellen.
Anknüpfend an die Erkenntnis, dass unter den Mitgliedern eines Führungsteams ein systematisches „Consensus Management“ als funktionales Äquivalent34 für Vertrauen verhindern kann, dass Entscheidungen aufgrund mangelnder Selbstbindung nicht oder nicht optimal umgesetzt werden35, soll überprüft werden, ob eine konziliar aufgestellte Organisation geeignete Rahmenbedingungen, z. B. zur Kooperation in „High reliability“-Organisationen bereitstellen kann. Um einen Ausblick auf mögliche Anwendungsformen der Konziliaren Organisation leisten zu können, ist zuvor das theoretische Grundgerüst so zu erarbeiten, dass sich operationale Ansatzpunkte für die Organisationsgestaltung finden lassen.
Das Forschungsziel dieser Arbeit besteht in der Generierung einer basistheoretisch fundierten Beschreibung der Konziliaren Organisation. Als Subziele ergeben sich die Identifizierung der notwendigen und hinreichenden Elemente der Konziliaren Organisation und in einem weiteren Schritt die Untersuchung von Analogien und abgrenzenden Merkmalen zwischen der Konziliaren Organisation und postmodernen Organisationsformen mit dem Ziel, die distinkten Merkmale von „Konziliarität“ herauszuarbeiten. Analyseobjekt der Arbeit sind auf der Mikroebene die interpersonalen Beziehungen und auf der Mesoebene die Kooperationsbeziehungen zwischen Arbeitsgruppen und einzelnen Teileinheiten wie Abteilungen. Die angeführten Beispiele für unternehmensinterne und unternehmensübergreifende „Governance“-Formen zur Aushandlung haben verdeutlicht, dass sich zwischen den auf der intraorganisationalen Ebene wirksamen Koordinationsmechanismen und solchen, die sich auf die interorganisationale Ebene ausdehnen, Parallelen ziehen lassen. Eine Organisationsgrenzen überschreitende Betrachtung wird in dieser Arbeit aber nicht im Vordergrund stehen, dagegen soll eine objektive Beschreibung 33 34 35
Weick/Sutcliffe (2007), 29. Vgl. Luhmann (1996), 150. Vgl. Simons/Peterson (2006).
Forschungsziel
9
der Konziliaren Organisation als intraorganisatorisches Netzwerk vorgenommen werden. Objektivität soll durch ein intersubjektiv nachvollziehbares Vorgehen sichergestellt werden, das die theoretischen Anleihen offen legt, eigenständige Anschlüsse aufzeigt und unter dem Aspekt der „Optimalität“ einen operationalen Maßstab einführt, so dass eine hohe Anschlussfähigkeit der Erkenntnisse zu institutionenökonomischer und systemtheoretischer Forschung und zur praktischen Anwendung gleichermaßen zu erwarten ist. Inwieweit dieser Anspruch erfüllt werden kann, muss ex post anhand der in dieser Arbeit generierten Merkmale der Konziliarität beurteilt werden. Ein Zusatznutzen durch die Ausweitung des Analysebereichs von der intraorganisationalen auf die interorganisationale Ebene wird für diese Arbeit nicht gesehen, weshalb der Schwerpunkt auf der internen Ebene liegt.
Bei der Beschreibung der Merkmale der Konziliaren Organisation ist es erforderlich, zwischen einer vorwissenschaftlichen, impliziten Arbeitsdefinition und einer wissenschaftlichen, expliziten Begriffsfassung zu unterscheiden. Die implizite Formulierung nimmt notwendig Bezug auf bestehende Organisationsformen, beschreibt das zu erfassende Konstrukt der Konziliaren Organisation auf der Basis bekannter Variablen wie Formalisierung, Spezialisierungsgrad, Struktur der Weisungsbeziehungen, Ausmaß der Entscheidungsdelegation und der eingesetzten Koordinationsinstrumente wie persönlicher Weisung, Selbstabstimmung, Programmierung und Planung.36 Die konziliare Struktur kann auf dieser Ebene nur ex negativo definiert werden, d. h. es wird geklärt, was die Konziliare Organisation nicht ist, z. B. was sie von Arbeitsgruppen oder einer temporären Organisationsform wie der Projektorganisation unterscheidet. In einem weiteren Schritt ist eine abschließende, positive Beschreibung anzufertigen, die sich nicht mehr auf bekannte Variablen stützt. Der im Zusammenhang mit dieser idiosynkratischen Beschreibung zu leistende Aufwand ist nur zu rechtfertigen, wenn ein Nutzen erzielt wird, der über den Erkenntnisgewinn der Erfassung mittels Vergleichsorganisationen hinausgeht.
In Vorwegnahme der Begründung der Wahl der Systemtheorie als Theoriegrundlage zur expliziten Beschreibung der Konziliaren Organisation ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die gestiegene Bedeutung von Kommunikation als Koordinationsinstrument und die hierdurch emergent entstehende soziale Ordnung im Konzil eine anschlussfähige Theoriegrundlage erfordern. Das Konzil als mögliches Umfeld der Entstehung und Nutzung von Sozialkapital wird darüber hinaus mithilfe der Transaktionskostentheorie und der sozialen Netzwerktheorie untersucht. Mit den Aspekten Optimalität (z. B. ökonomische Rationalität und Systemrationalität) und Konziliare Kompetenz wird zusätzlich zur theoretisch systematischen Ableitung aus den basistheoretischen Grundlagen eine Anschließbarkeit an die praktische Or-
36
Zum Zusammenhang der Strukturvariablen der klassischen Organisationstheorie vgl. Kieser/Walgenbach (2007), 71 ff.
10
Zielsetzung und Forschungsfrage
ganisationsgestaltung verfolgt, die sich der Vorläufigkeit ihrer Geltung und der notwendigen empirischen Validierung bewusst ist. Zur Verdeutlichung der Erkenntnismöglichkeiten vor dem Hintergrund der gewählten Forschungsmethode wird im Folgenden eine Klärung des wissenschaftstheoretischen Maßstabs vorgenommen, an dem sich die Arbeit orientiert.37
1.3
Wissenschaftstheoretische Anforderungen
Zur Erschließung der Systemtheorie als basistheoretischer Grundlage dieser Arbeit, bei der im Einzelnen die Konkretisierung der Forschungsfrage, die Bestimmung der relevanten Theoriebestandteile, die Berücksichtigung bestehender Theoriekritik und die Anwendung der erarbeiteten Erkenntnisse auf die Fragestellung zu leisten ist, bestehen zwei alternative Forschungsstrategien.38 Verbleibt man innerhalb des Bereichs der Kognitionsforschung, besteht die Aufgabe darin, die Aussagen der Theorie der Autopoiesis39 auf einen theorieexternen Bereich, die Organisation, zu übertragen, deren Elemente in diesem Fall Individuen als psychische Systeme sind. Diese „biologistische“ Vorgehensweise scheitert an logischen Verwerfungen, die sich z. B. an der Unmöglichkeit zeigen, ein aus Individuen bestehendes System als autopoietisch zu begründen, da es in diesem Fall die Individuen als seine Elemente selbst erzeugen und reproduzieren müsste.40 Größeren Anwendungsbezug und höhere Erklärungsreichweite verspricht die „Entbiologisierung“ der Systemtheorie durch die Konstruktion einer systemtheoretischen Meta-Theorie, wie sie in der Theorie sozialer Systeme in hohem Abstraktionsgrad vorliegt. Als Allgemeine Systemtheorie können auf ihrer Basis sämtliche autopoietischen Phänomene, unabhängig davon, ob es sich bei den betrachteten Systemtypen um psychische oder soziale Systeme, z. B. um Individuen oder Organisationen handelt, unter einem gemeinsamen Theoriedach zusammengeführt werden. Inwieweit die Beziehung der auf dem methodologischen Individualismus fußenden biologistischen Variante und der kollektivistisch argumentierenden Theorie sozialer Systeme als antagonistisch oder komplementär, d. h. sich ergänzend, zu charakterisieren ist, soll hier nicht weiter vertieft werden.41
37
38 39
40
41
Es wird sich im Folgenden nicht vermeiden lassen, partiell systemtheoretische Begriffe vorwegzunehmen. Für eine grundlegende Klärung der Konzepte wird auf Kapitel 4.1 verwiesen. Vgl. zum Folgenden Kirsch/Knyphausen (1991), 83 f. Ein System wird dann als autopoietisch bezeichnet, wenn es “in zirkulärer Weise seine eigenen Komponenten produziert und sich damit über die Herstellung seiner Bestandteile selbst herstellt und erhält”, Kirsch (1992), 109. Vgl. zu systemtheoretischen Grundbegriffen Kapitel 4.1. Vgl. zu einer konsequenten Überpüfung dieser Option mit dem Ergebnis einer Nichtanwendbarkeit der Autopoiesis-Theorie auf Organisationen als soziale Systeme Hejl (1983). Vgl. zu einer eingehenden Diskussion der Komplementarität Knyphausen (1988), 130 ff., vgl. dagegen Kirsch (1992).
Wissenschaftstheoretische Anforderungen
11
Das wissenschaftstheoretische Programm des Konstruktivismus als Ursprung der neueren Systemtheorie prägt auch diese Arbeit, da die Systemtheorie in der Theoriegenese eine wesentliche Schnittmenge mit dem Konstruktivismus aufweist. Dem Konstruktivismus entlehnt die Systemtheorie die Vorstellung, dass Organisationsmitglieder als psychische Systeme und Organisationen als soziale Systeme die Eigenschaft gemeinsam haben, durch die Anwendung von Schemata der Unterscheidung Sinn zu verarbeiten und damit sich selbst und ihre Grenzziehung zur Umwelt in einem fortwährenden Prozess zu „konstruieren“.42 Ebenso wie Organisationen nicht per se rationale Institutionen sind, sondern erst durch die Beschreibung mittels wissenschaftlicher Sprache als solche klassifiziert und konstruiert werden43, eröffnet eine konstruktivistische Betrachtung die Möglichkeit, andere Fragen zu stellen, als es unter dem positivistischen Wissenschaftsverständnis möglich ist. Dass Organisationen als autopoietische Systeme ihre Strukturen produzieren, reproduzieren und nur im Netzwerk eigener Operationen transformieren können, sind analytisch notwendige Konsequenzen aus der AutopoiesisAnnahme, die alle folgenden Entscheidungen der Theoriekonstruktion und die Interpretation von Daten grundlegend prägen.44
Untersuchungen zur autopoietischen Tiefenstruktur von Organisationen wie die eines graduellen Autopoiesiskonzeptes nehmen entgegen ihrem Anspruch, die autopoietische Eigenschaft von Organisationen zu erklären und zu begründen, ihren Ausgangspunkt in der „autopoietischen Organisation ex definitione“.45 Sie leisten zwar einen wichtigen Beitrag, indem sie autopoietische Geschlossenheit nicht als dichotome Variable („Eine Organisation ist autopoietisch geschlossen oder nicht“) behandeln, sondern als kontinuierliche Größe („Eine Organisation ist mehr oder weniger autopoietisch geschlossen“), stellen Autopoiesis jedoch als gegeben an den Anfangspunkt ihrer Überlegungen. Für die im konstruktivistischen Wissenschaftsverständnis wurzelnde Systemtheorie stellt sich damit das Problem, ob a priori von der Existenz von Systemen ausgegangen werden kann („Es gibt soziale Systeme“) oder ob am Beginn jeder systemtheoretischen Forschung die Infragestellung ihres Erkenntnisgegenstands zu erfolgen habe („Gibt es soziale Systeme?“). Zu diesem Grundproblem der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung existiert ein erkenntnistheoretisch begründbarer Lösungszugang.46 Aus erkenntnistheoretischer Sicht ist die a prioriSetzung des Erkenntnisobjekts, d. h. die dem forschenden Handeln vorgängige Annahme, dass der Forschungsgegenstand existiert, die Voraussetzung für Erkenntnisgewinnung. Während in
42 43
44 45 46
Vgl. Becker (2005), 222. Vgl. mit Bezug auf die Betrachtung der wirklichkeitsschaffenden Wirkung wissenschaftlicher Methoden bei Foucault Holtbrügge (2001b), 274. Vgl. Schneider (2005), 383. Vgl. Kirsch/Knyphausen (1991), 77 u. 93. Vgl. zum Folgenden die unter Rückgriff auf Positionen Kants (1976) und Nassehis (1992) geführte Analyse der systemtheoretischen Wissenschaftskonzeption bei Stünzner (1996), 134 ff.
12
Zielsetzung und Forschungsfrage
den Naturwissenschaften die äußere, reale Welt die Erkenntnisfolie abgibt, wird im Konstruktivismus durch „Auto-Ontologisierung“ oder „Selbst-Realisierung“ sichergestellt, dass ein vom Subjekt unterscheidbares Untersuchungsobjekt identifiziert werden kann, wobei anerkannt wird, dass der Erkenntnisprozess subjektiven Wertungen unterliegt und dass er durch die subjektive Kognitionsfähigkeit determiniert und limitiert wird.
Basierend auf dem konstruktivistischen Wissenschaftsverständnis trägt die Fragestellung, ob Organisationen autopoietische Systeme sind, den Charakter einer Tautologie. Dass Organisationen als selbsterzeugende, partiell geschlossene Systeme aufgefasst werden können, steht aus konstruktivistischer Sicht außer Frage, da sie diese Form annehmen, sobald sie auf diese Weise konstruiert werden. In einer systemtheoretischen Untersuchung auf der Basis der Theorie sozialer Systeme ist daher die Fragestellung zu unterlegen, ob Organisationen als selbsterzeugende Systeme aufgefasst werden sollen. Damit ist zu untersuchen, ob die autopoietische Sicht auf Organisationen einen Erklärungsbeitrag liefert47, der es rechtfertigt, eine gegenüber der traditionellen Sicht auf Organisationen als Input-Output-Systeme, als ressourcen- bzw. marktorientierte Entitäten oder als Netz aus Verträgen, wesentlich komplexere Theoriegrundlage zu wählen.
Die Wissenschaftstheorie verweist zudem darauf, dass die These der Existenz von Systemen die Voraussetzung dafür ist, dass diesen gegenüber eine objektivierbare Position eingenommen werden kann, die ihre theoretische Beschreibung erst ermöglicht. Damit wird aber nicht mehr von der tatsächlichen Existenz von Systemen ausgegangen, sondern diese werden als Gedankenkonstrukt erfasst, so dass statt von Beschreibung richtiger von Konstruktion gesprochen werden müsste.48 Dies bestätigt die vorgenommene Vorentscheidung, dass die konstruktivistische Sicht, nach der es Organisationen als soziale Systeme gibt, sobald sie als solche modelliert werden, als gegeben angenommen werden kann. Das Interesse soll daher den theoretischen Konsequenzen eines systemtheoretischen Forschungsdesigns und dem pragmatischen Nutzen49 einer systemtheoretischen Organisationskonzeption für die organisationswissenschaftliche und die personalwirtschaftliche Forschung und Praxis gelten.
47 48 49
Vgl. Kirsch/Knyphausen (1991), 77. Vgl. Nassehi (1992), 46. Kneer (2001) weist auf die Unmöglichkeit hin, theoretische Grundannahmen einem Test auf Wahrheitsgehalt zu unterziehen. Ausgangsentscheidungen der Systemtheorie sind danach daran zu messen, inwieweit sie sich z. B. als zweckmäßig, tragfähig oder erkenntnisfördernd erweisen, d. h. welches heuristische Potential sie aufweisen, vgl. Kneer (2001), 415.
Wissenschaftstheoretische Anforderungen
13
Als weitere wissenschaftstheoretische Vorüberlegung soll geklärt werden, wie sich die Arbeit in der Auseinandersetzung zwischen der methodologisch-individualistischen und der kollektivistischen Forschungstradition einordnet. Die Festlegung der Forschungsperspektive dieser Arbeit auf den methodologischen Kollektivismus hat Folgen für die in der Aussagenebene möglichen Schlussfolgerungen für die Personalwirtschaft, eine Wissenschaft, die sich trotz stetiger Bemühungen um eine kollektivistische Erweiterung – z. B. im Zuge einer integrierten Personal- und Organisationsentwicklung50 – und um eine systemtheoretische Neukonzeptionalisierung (die das kollektivistische Paradigma ebenfalls mit sich bringen würde), immer noch eng in den Bahnen des individualistischen Paradigmas bewegt. Mit der Konstruktion von Organisationen, z. B. Unternehmen, als soziale, selbstreferentiell geschlossene Systeme trennt sich Luhmann vom methodologischen Individualismus. Er nimmt eine dem methodologischen Kollektivismus verbundene Beschreibung von Organisationen vor (Entscheidungen = Kommunikationen als kleinste Elemente sich selbst reproduzierender sozialer Systeme) und behält mit der Kategorie der Entscheidung dennoch einen Aspekt bei, der mit der individualistischen Sicht (Entscheidungen = Ergebnis der Handlungen von Individuen) kompatibel ist. Wie weit sich die Systemtheorie Luhmanns vom individualistischen Paradigma löst, wird daran deutlich, wie die Anschlussfähigkeit zwischen Kommunikationen im System gesichert wird. Kirsch verdeutlicht, dass eine wichtige Konsequenz aus der Systemkonzeption Luhmanns darin besteht, dass Kommunikationen (z. B. die Präsentation einer Prozessinnovation als Voraussetzung für eine Produktinnovation), nicht unmittelbar im System verstanden oder umgesetzt werden müssen, um anschlussfähig zu sein. Über die Brauchbarkeit aufgrund der Anschlussfähigkeit entscheidet ein Beobachter, dieser kann in den an der Entscheidung beteiligten Personen repräsentiert sein, aber auch das System selbst kann als Beobachter auftreten. Die Annahme eines vom System verschiedenen Beobachters und des Systems als Beobachter seiner selbst, ermöglicht die zeitversetzte Selektion einer Kommunikation zu einem Zeitpunkt, zu dem die Aufnahmebereitschaft des Systems, z. B. ressourcenbedingt, höher ist und damit die Idee aufgegriffen und umgesetzt werden kann.51 Auch die Netzwerkmetapher fördert den wissenschaftstheoretischen Schub zur Kollektivierung und die Beziehungsorientierung der Personalwirtschaft. Durch das (temporäre oder permanente) Aufgehen eines einzelnen Unternehmens in einem Netzwerk besteht die Gefahr einer abnehmenden Bindungswirkung gegenüber den Mitarbeitern, da mit dem Aufgehen im Netzwerkverbund Identifikation verloren gehen kann.52 In einer relationalen Sichtweise wird das 50
51
52
Vgl. zu einem integrierten Modell, das Organisationsentwicklung als Teilbereich der Personalentwicklung auffasst, Becker (2005b) sowie die konzeptionellen Überlegungen zur Integrierbarkeit der Bereiche bei Zotto (2000). Nach Kirsch bleibt damit aber offen, nach welchem Kriterium im System über die Anschlussfähigkeit von Kommunikation entschieden wird, wenn man die Vorstellung einer Auswahl durch die an Entscheidungen beteiligten Individuen ablehnt. Vgl. Kirsch (1992), 246 f. Vgl. auch zu einer nach eigener Aussage „Neubestimmung der Position des methodologischen Individualismus“ Kirsch (1992), 252. Vgl. Hansmann/Ringle (2006), 107.
14
Zielsetzung und Forschungsfrage
Sozialkapital der Organisationsmitglieder durch ihre Stellung in der Netzwerkstruktur, die Quantität und Qualität der Beziehungen und den daraus resultierenden Zugang zu Human-, Finanz- und Sachkapital anderer Akteure bestimmt.53 Es ist daher in unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Netzwerken davon auszugehen, dass sich die Aufgaben der Personalwirtschaft und insbesondere der Personalentwicklung von der individuellen Ebene auf die Beziehungsebene verschieben.
53
Vgl. Jans (2003), 19.
Methode
1.4
15
Methode
In dieser Arbeit soll nicht der theoretische Gehalt der Systemtheorie für die Organisationsforschung überprüft werden. Auf dieser generalistischen Ebene soll auf die Aussagen der neueren Organisationsforschung zur Anwendung der Systemtheorie auf Organisationen und zur Kompatibilität des systemtheoretischen zum klassischen Steuerungsbegriff des Strategischen Managements Bezug genommen werden. Soll eine Charakterisierung der Konziliaren Organisation auf Basis der Systemtheorie erfolgen und die Optimalität konziliarer Steuerung im Ansatz beurteilt werden, ist eine durchgängige Verwendung des systemtheoretischen Beschreibungsund Analyserasters erforderlich.54 Als Kontrastfolie wird eine kriteriengeleitete Analyse bestehender „postmoderner“ Organisationsformen vorgenommen, die strukturelle Alternativen zur Erzielung von Stabilität und Flexibilität in komplexer Umwelt darstellen. In die oben formulierten Fragestellungen gehen implizite Annahmen ein, die im weiteren Vorgehen offen zu legen und zu begründen sind. Auch wird unterstellt, dass durch die Theorie aufgeworfene Probleme, z. B. der problematische Steuerungsbegriff der Systemtheorie, sich im Zuge der Erarbeitung auflösen lassen und damit kein Hindernis für die Anwendung der Basistheorie auf die Fragestellung der Arbeit darstellen. Da im Hinblick auf die zugrunde gelegten Basistheorien dieser Arbeit, die Systemtheorie und die Transaktionskostentheorie, eine komplementäre, additive Nutzung zur Analyse der Konziliaren Organisation vorgesehen ist, stellt sich das Problem der Anschlussfähigkeit zwischen den Theorien nicht, dem man sich stellen müßte, wenn das Ziel darin bestünde, eine Theorienintegration vorzunehmen. Aus der Verbindung der Basistheorie mit der betrachteten Problemstellung resultieren Kriterien (mit Albert gesprochen „Auswahlgesichtspunkte“) zur Beurteilung der Relevanz der erarbeiteten Erkenntnisse, die keine Werturteile im Sinne normativer Aussagen erfordern.55
Da die Arbeit als theoretische Arbeit angelegt ist, bewegen sich das verfolgte Wissenschaftsziel und der zu erwartende Erkenntnisgewinn ebenfalls auf einer theoretischen Ebene. Das methodische Vorgehen hat dieser Verortung zu entsprechen. Die Einhaltung eines durchgängigen Anspruchsniveaus wird durch die Eingrenzung von Forschungsfragen und die begründete Festlegung der geeigneten basistheoretischen Grundlage (Basisbereich), durch ein systemati54
55
Vgl. zu einer analogen auf eine Nutzenanalyse der Systemtheorie für die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung bezogenen Argumentation, nach der die Nutzenüberlegungen auf den Kategorien der Systemtheorie aufzubauen haben, Stünzner (1996), 14. Für Albert stellt sich das Wertproblem, d. h. die Frage, ob wissenschaftliche Aussagen in einer präskriptiven Sprache formuliert sein müssen, um ihre praktische Anwendbarkeit sicherzustellen, nur im Basisbereich. Im Basisbereich wird unter Heranziehung von Werthaltungen eine Auswahl für eine Problemstellung vorgenommen, die der Forscher als relevant erkannt hat. Die Auswahl des Problems ist damit wertbehaftet, seine eigentliche Bearbeitung kann aber auf sachliche, nicht wertgebundene und damit objektive Weise erfolgen, vgl. Albert (1993), 202 u. 205 f.
16
Zielsetzung und Forschungsfrage
sches, nachvollziehbares Vorgehen beim Bezug der Basistheorien auf die untersuchte Fragestellung (Objektbereich) und die transparente Darstellung der gewonnenen Ergebnisse (Aussagenbereich) sichergestellt.56 Gestaltungsempfehlungen zur Institutionalisierung der Konziliaren Organisation können, um nicht auf eine spekulative Ebene zu geraten, nur in Tendenzaussagen bestehen, die punktuell auf bestehende empirische Befunde gestützt werden sollen. Die Erforschung von Idealtypen bietet die Möglichkeit, Tendenzaussagen über Entwicklungen zu geben, um so die Emergenz neuer Organisationsprinzipien wie der organisatorischen Netzwerkbildung vor dem Hintergrund der bestehenden Forschung erklären zu können. Williamson bezeichnet die Betrachtung von hypothetischen Organisationsmodi als nützlich, denn „it illustrates the use of comparative analysis of a microanalytic kind to investigate the properties of new forms of organization. Once an abstract mode has been described, its incentive and contracting properties, in relation to other modes, are relatively easy to establish.”57 Die in der Realität vorzufindende Überschneidung der Idealtypen spricht nicht gegen ihre isolierte Analyse, sondern diese kann wertvolle Erkenntnisse im Sinne von „stylized facts“ erbringen.58
Schon Max Weber bediente sich bei seiner Darstellung der Bürokratie, durch ihn verstanden als rationalste Form der Herrschaftsausübung, der Methode der idealtypischen Konstruktion einer Organisationsstruktur, deren Optimalitätsbedingungen durchaus kontextbezogen ermittelt wurden, da sie aus der Eignung, eine reibungslose, formal-aktenmäßige Organisation des Verwaltungsablaufs zu garantieren, begründet wurde. Dass es sich bei der Annahme, Weber habe eine vom Anwendungszweck abstrahierende Korrelation bestimmter Strukturdimensionen von Organisationen behauptet, um ein Missverständnis handelt, wird durch die Erkenntnis offenkundig, dass es ihm vielmehr um „die Formulierung des maximal zweckmässigen Sollschemas“59 als Zusammenstellung von Merkmalen ging, die komplementär zu einem Strukturtyp zu rechnen sind, um diesen hinreichend genau zu charakterisieren. Den auf die adversen Motivationseffekte des Bürokratiemodells und seine situativ monolithische Sicht zielenden kritischen Weiterentwicklungen soll keinesfalls die Berechtigung abgesprochen werden, es wird jedoch auf die Gefahr hingewiesen, idealtypisches Vorgehen aus dem Zusammenhang zu lösen und als pragmatisch-normatives Konzept fehlzuinterpretieren. Thom weist ähnlich mit Bezugnahme auf das Konzept des herrschaftsfreien Diskurses darauf hin, dass konsensorientierte
56
57
58 59
Vgl. zur systematischen Dokumentation der wissenschaftlichen Forschungsleistung durch die Trennung in Basis-, Objekt- und Aussagenbereich Albert (1993). Williamson (1985), 216. Im Unterschied zur in dieser Arbeit eingenommenen mikroanalytischen Sicht beschäftigt sich die makroanalytisch angelegte Institutionenforschung z. B. mit der Begründung der Vorteilhaftigkeit von Markt vs. Organisation oder der Bestimmung der optimalen Unternehmensgrenze. Wie bereits in Kapitel 1.2 ausgeführt, richtet sich das Forschungsinteresse dieser Arbeit im Vergleich zu dieser MakroInstitutionenforschung auf die organisationsinterne Ebene, auf der sich die Auswahlentscheidung zwischen marktlicher und organisatorischer Koordination wiederholt stellt. Vgl. Ménard (1996), 164. Mayntz (1968), 29, zit. n. Hill/Fehlbaum/Ulrich (1998), 415.
Methode
17
Führung („Konsensus-Management“) einen nicht in Reinform zu erreichenden Idealpunkt darstelle, dem eine Funktion als Maßstab für tatsächlich realisiertes Managementhandeln zukomme.60
Der systemtheoretische Fokus hat Konsequenzen für die Forschungsmethode. Empirische Untersuchungen, die mithilfe quantitativer Methoden versuchen, zu verallgemeinerungsfähigen Aussagen zu kommen, scheiden aus systemtheoretischer Sicht zur Erkenntnisgewinnung aus. Es wird davon ausgegangen, dass es nicht möglich ist, kausale Wirkungszusammenhänge aufzudecken, die in unterschiedlichen Unternehmen gleichermaßen gültig sind. Begründet wird diese Annahme mit den bestehenden Freiheitsgraden in der Entscheidungsfindung. Die Kontingenz anderer Systeme (anderer Unternehmen) stellt aus dieser Sicht ein Problem für Entscheidungsträger dar, da sich das Verhalten anderer Systeme nur schwer prognostizieren lässt.61 Die Wahl der Forschungsmethode resultiert aus der basistheoretischen Vorentscheidung der Systemtheorie, Organisationen als operational geschlossene, selbstreferentielle62, äquifinale Systeme aufzufassen, in denen Kommunikation eine herausgehobene Rolle spielt. Während die teilweise Abgeschlossenheit gegenüber der Umwelt und die Selbstbezüglichkeit (Selbstreferentialität) des Systems der Selbstregulierung und der Vermeidung eines Zustands der Überkomplexität dienen, wird durch Äquifinalität ausgesagt, dass funktional äquivalente Organisationsstrukturen existieren, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit im Gestaltungsansatz zu den gleichen Auswirkungen, z. B. einem identischen Effektivitätsgrad, führen können.
60
61 62
Vgl. Thom (Hrsg.) (1989), 82. Vgl. auch zu einem linguistischen Kommunikationstraining, das die Forderung, dominante Verhaltensmuster im Umgang mit irritierender Andersartigkeit zugunsten von Toleranz zurückzustellen, als ethische Maxime bezeichnet, Liebert (2003), 37. Da ein präskriptives Leitbild (z. B. „Vielfalt“ als positiv besetzter Wert) mit Ressourcenneuverteilung etablierte Positionen bedroht, wird durch Maßnahmen zur Umsetzung des Leitbilds (z. B. durch Diversity Management) allenfalls eine Homogenisierung der Haltungen zum Thema Vielfalt erreicht, ohne die zugrundeliegende Abwehrhaltung beseitigen zu können, die durch das „Kontrastbild“ sogar noch stabilisiert werden kann, vgl. Liebert (2003), 40. Vgl. Wolf (2003), 134. Vgl. zum Kontingenzbegriff Kapitel 4.1. Selbstreferentialität bildet systemtheoretisch gesprochen die Grundvoraussetzung für Systembildung. Als selbstreferentiell wird ein System charakerisiert, das seine Elemente aus den Elementen erzeugt, aus denen es besteht. Vgl. Luhmann (1996), 59.
18
Zielsetzung und Forschungsfrage
Die Forschungsmethode kann hieraus resultierend nicht die Bedingungen voraussetzen, die z. B. die Naturwissenschaften vorfinden, deren Forschungsgegenstand Systeme erster Ordnung sind, bei denen eine Variation der Eingangsgrößen zwangsläufig zu einer Veränderung der Zielgröße führt.63
1.5
Überblick über die Arbeit
Im Folgenden wird ein Überblick über den Forschungsstand zur internen Unternehmenskommunikation gegeben und es werden Forschungsfragen formuliert (Kapitel 2). Im Anschluss werden die gewählten Basistheorien in ihrer Eignung für die Verfolgung des Erkenntnisziels der Arbeit begründet (Kapitel 3), so dass der Basisbereich der Arbeit abgesteckt ist.
Im Objektbereich erfolgt beginnend mit Kapitel 4 in gebotener Kürze und Zielbezogenheit die basisbegriffliche Grundlegung der Systemtheorie und der Transaktionskostentheorie. Angestrebt wird hier die Schaffung der Voraussetzungen für die anschließende Anwendung der Basistheorien zur Beantwortung der Forschungsfragen. Die kritische Einordnung und Berücksichtigung aktueller Weiterentwicklungen der Theorien soll dabei der schrittweisen Konkretisierung der in der Arbeit interessierenden Theorieelemente dienen.
In Kapitel 5 werden aufbauend auf den erarbeiteten basistheoretischen Konzepten die notwendigen und hinreichenden Elemente für die Beschreibung der Konziliaren Organisation erarbeitet. Die Darstellung der Merkmale der Konziliaren Organisation erfolgt anhand der Bereiche Struktur, Prozesse, Personen und Beziehungen. Kapitel 5.1 gibt dabei zunächst einen Überblick über das systemtheoretische Strukturverständnis und über postmoderne Organisationsformen als Ausgangspunkt für die Erarbeitung von konziliaren Konfigurationsmerkmalen (Struktur). Anschließend wird mit den Ebenen Kommunikation (Prozesse), Akteure (Personen) und Relationen (Beziehungen) die systematische Beschreibung der Konziliaren Organisation vervollständigt (Kapitel 5.2-5.4). Damit ist der Objektbereich der Arbeit abgeschlossen.
Die aufbauend auf den Erkenntnissen aus Kapitel 5 diskutierte Optimalität der Konziliaren Organisation unter Anwendung verschiedener Optimalitätskriterien ist Gegenstand von Kapitel 6. Hier wird auch die Gesamtkonfiguration der Konziliaren Organisation dargestellt und
63
Vgl. Wolf (2003), 321.
Überblick über die Arbeit
19
damit die in Kapitel 5 erarbeiteten originären Elemente zusammengeführt und anhand eines praktischen Beispiels erläutert. Das für den Aussagenbereich zentrale Kapitel 7 bündelt die Erkenntnisse aus der Betrachtung der Systemebenen in Kapitel 5 und 6 und trifft Aussagen zu Interventionsmöglichkeiten durch personalwirtschaftliche Maßnahmen.
In Kapitel 8 erfolgt unter dem Gütekriterium der Transparenz der Ergebnisdarstellung eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse vor dem Hintergrund konkreter personalwirtschaftlicher Instrumente (Kapitel 8.1) und es wird ein Ausblick auf weitergehenden Forschungsbedarf gegeben (Kapitel 8.2). Dabei werden Möglichkeiten aufgezeigt, die Ergebnisse durch den Anschluss empirischer Forschung zu validieren. Eine Gliederung der Arbeit als Skizze des weiteren Vorgehens enthält Abbildung 2.
20
Zielsetzung und Forschungsfrage
Basisbereich frt
Kapitel 1: Zielsetzung und Forschungsfrage Aktualität des Themas, Methode und Gang der Untersuchung
Kapitel 2: Bestandsaufnahme des Forschungsstands Forschungsstand, Forschungsbedarf und leitende Forschungsfragen
Kapitel 3: Forschungszugänge zur Konziliaren Organisation Eingrenzung und Begründung der theoretischen Bezüge
Objektbereich Kapitel 4: Basistheoretische Grundlagen Spiegelung an den Erkenntnisbeiträgen aus
Systemtheorie
Transaktionskostentheorie
Sozialer Netzwerkforschung
Struktur
Prozess Kapitel 5:
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Kommunikationstheorie Person
Beziehungen
Aussagenbereich Kapitel 6:
Kapitel 7
Kapitel 8:
Gestaltungsaspekte und Optimalität
Schlussfolgerungen
Ergebniszusammenfassung und Ausblick
für die Personalwirtschaft
Erkenntnisertrag und Zukünftiger Forschungsbedarf
Abbildung 2: Aufbau der Arbeit Quelle: Eigene Darstellung
Der Forschungsbedarf wird im Folgenden aus der Sichtung der Forschungsergebnisse empirischer und theoretischer Arbeiten zu Form und Funktion der internen Kommunikation in der betrieblichen Leistungserstellung abgeleitet. Der Forschungsbedarf resultiert zum einen aus fehlenden Erkenntnissen zu den Anwendungsbedingungen und der Wirkung von interner
Überblick über die Arbeit
21
Kommunikation (pragmatisches Forschungsdefizit). Zum anderen folgt Forschungsbedarf aus mangelnder theoretischer Fundierung bestehender, in der Praxis in unterschiedlicher Reichweite implementierter Ansätze zum Zusammenhang zwischen Kommunikation und netzwerkartigen Organisationsformen (theoretisches Forschungsdefizit). Im Anschluss wird das Forschungsziel in Form von Forschungsfragen formuliert.
22
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
2. Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation Im Folgenden wird ein Überblick über die bisherige Forschung zur Instrumentalität und zum Nutzen der internen Unternehmenskommunikation gegeben. Dem binnenorientierten Fokus der Arbeit entsprechend findet dabei eine Beschränkung auf Studien statt, die die Merkmale und Realisierungsbedingungen der internen Unternehmenskommunikation untersuchen. Die betrachteten empirischen Befunde sollen dazu herangezogen werden, die prinzipielle Relevanz der untersuchten Fragestellung zu untermauern, um im Anschluss64 theoriegeleitet distinkte Merkmale der Konziliarität herauszuarbeiten und schließlich Schlussfolgerungen für die Personalwirtschaft und die Organisationswissenschaft abzuleiten.
Eine weitere Zielsetzung des Kapitels ist eine Fundierung des Kommunikationsbegriffs im Sinne der Kommunikationswissenschaft, insbesondere der Kommunikationspsychologie. Es soll damit eine Annäherung an die alltagsweltliche Auffassung der Unternehmenskommunikation erzielt und zugleich ein Vorverständnis der Auffassung von Kommunikation nach den Maßstäben der traditionellen Kommunikationswissenschaft gegeben werden. Im Vorgriff auf Kapitel 5 wird so die Voraussetzung geschaffen, den systemtheoretischen Kommunikationsbegriff, der für diese Arbeit entscheidend ist, vom traditionellen Kommunikationskonzept abgrenzen zu können.
2.1
Erkenntnisstand zur Form der internen Unternehmenskommunikation
Kommunikation (lat. communicatio) bedeutet Austausch, Verständigung, Mitteilung und Vermittlung von Wissen, der Begriff Kommunizieren geht auf die lateinischen Begriffe communis = gemeinsam und communicare = verbinden zurück. Form und Funktion von Kommunikation in der klassischen Organisationswissenschaft, z. B. im Taylorismus oder der Bürokratietheorie Max Webers, können nach den Merkmalen des Inhalts, der Richtung, der Form (Kommunikationskanal) und des Stils der Kommunikation wie folgt charakterisiert werden (vgl. Tabelle 1).
64
Vgl. näher Kapitel 5 und Kapitel 7.
Erkenntnisstand zur Form der internen Unternehmenskommunikation
23
Tabelle 1: Merkmale von Kommunikation in klassisch-bürokratischen Organisationen
Merkmal
Ausprägungen
Kommunikationsinhalt
überwiegend aufgabenorientiert, auf Prozess- und Aufgabenausführung bezogen selten sozial-interaktiv, z. B. innovativ
Kommunikationsrichtung
überwiegend vertikal und top-down
Kommunikationskanal
überwiegend schriftlich
Kommunikationsstil
formal
selten horizontal, zunehmende Abstimmung Gleichgestellter mit steigender Hierarchieebene
Quelle: i. A. an Miller (1995), 35.
Nicht direkt aufgabenbezogene Kommunikation, z. B. die Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten, wird als kontraproduktiv eingestuft, da die Optimalität des Aufgabenvollzugs per definitionem durch die maschinengleich funktionierende Aufbau- und Ablauforganisation sichergestellt ist. Damit findet auch keine systematische Förderung innovativen Verhaltens statt. Ebenso wird soziale, informale Kommunikation, die der Aufrechterhaltung stabiler Arbeitsbeziehungen, z. B. in der sequentiellen Aufgabenbearbeitung oder der Gruppenarbeit, dienen kann, als dysfunktional betrachtet. Die überwiegend top-down in Form der Anweisung erfolgende, häufig schriftlich kodifizierte – um mit Max Weber zu sprechen „aktenmäßige“ – Kommunikation wird erst in höheren hierarchischen Ebenen aufgrund der Zunahme planerisch-koordinierender Tätigkeiten um laterale, gegenseitige Kommunikation innerhalb einer hierarchischen Ebene ergänzt.65 Formale und in schriftlicher Form (z. B. in Handbüchern) festgehaltene Regeln und Verfahren stellen den Standardfall der Kommunikation in der klassisch-bürokratischen Organisation dar, deren Organisationsmodell ein erhebliches Beharrungsvermögen auch in heutigen Unternehmen bewiesen hat.66
Kommunikation dient in der traditionellen Auffassung der Weitergabe von Informationen zwischen Lebewesen und/oder Maschinen. Kommunikative Vorgänge können sich zwischen Personen, zwischen Personen und Maschinen (Mensch-Maschine-Kommunikation) und zwischen 65 66
Vgl. Miller (1995), 35 f. Vgl. Miller (1995), 38 f.
24
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
Maschinen, z. B. Computern (Maschine-Maschine-Kommunikation), vollziehen. Mit Thayer ist darauf hinzuweisen, dass ein Austausch von Informationen im eigentlichen Sinne nicht stattfindet67, sondern dass von einer zweiseitigen Kodierungs- und Dekodierungsleistung bei der Verständigung zwischen einer Person A und einer Person B über eine Information X auszugehen ist (vgl. Abbildung 3).
B1
A1
X1 Person A
Interaktionssystem
A2
Sachverhalt „X“
B2
X2 Person B
Abbildung 3: Interaktionssystem nach Thayer Quelle: Thayer (1967), 90, zit. n. Poensgen (1988), 466.
Die Interpretation des Sachverhalts X durch A (X1) wird unter Berücksichtigung des Begriffs, den A von seinem Gegenüber B hat (B1) und seinem Selbstbild (A1), insoweit dieses in Bezug auf B und X relevant ist, vorgenommen. B trifft die entsprechenden Annahmen in Bezug auf A (X2, A2, B2). Unter Berücksichtigung der intervenierenden, physiologischen und psychologischen Faktoren der Umwelt erfolgt durch B eine Dekodierung der von A erhaltenen Daten in Bedeutung tragende Informationen (X Æ X2). Es wird ersichtlich, dass es zu Abweichungen zwischen dem Informationsset des „Senders“ und „Empfängers“ und damit dem Verständnis des Sachverhalts X kommen kann. Der Kommunikationsvorgang ist nicht trivial. Innerhalb der Kommunikationswissenschaft hat unter Berücksichtigung der mit Kommunikation verbundenen Kodierungs- und Dekodierungsleistung ein Ersatz der unzureichenden „Übertragungsmetapher“ durch einen der Realität der organisatorischen und zwischenmenschlichen Verständigung eher gerecht werdenden Kommunikationsbegriff stattgefunden. Einen Einblick in das veränderte Begriffsverständnis von Kommunikation geben Eppler/Rheinhardt, die eine Verschiebung von der lange vorherrschenden Dominanz des Sender-EmpfängerModells zu einem interdisziplinär verstandenen Konzept der „Wissenskommunikation“ feststellen. Unter Wissenskommunikation wird die „(meist) absichtsvolle, interaktive Konstruktion und Vermittlung von Erkenntnis und Fertigkeit auf der verbalen und nonverbalen Ebene“68 verstanden. Die Autoren identifizieren die nachfolgenden abgrenzenden Merkmale der Wis-
67 68
Vgl. Thayer (1967), zitiert nach Poensgen (1988), 466 f. Eppler/Reinhardt (2004), 2.
Erkenntnisstand zur Form der internen Unternehmenskommunikation
25
senskommunikation, die Kommunikation nicht auf die Funktion der Informationsübertragung reduziert (vgl. Abbildung 4):
Wissenskommunikation als Konstruktion und Vermittlung von:
analytischen oder erfahrungsbasierten Erkenntnissen als Antwort auf „Wie“-, „Warum“- und „Was-passiert-wenn“-Fragen,
kontextbezogenem und perspektivenabhängigem Wissen,
expliziertem, legitimiertem und motiviertem Wissen, da dieses auch als Zumutung aufgefasst werden kann (man denke z. B. an das „not invented here“-Syndrom),
Wissen, auf dessen Verständnis die richtige Umsetzung folgen muss (Konzept des Handlungswissens).
Abbildung 4: Eigenschaften von Wissenskommunikation im Unterschied zur Kommunikation von Informationen Quelle: i. A. a. die Ausführungen bei Eppler/Reinhardt (2004), 3 f.
Während kommunizierte Informationen allenfalls falsch sein können, unterliegt Wissenskommunikation zusätzlich dem Risiko der Unangemessenheit, des „Nichtpassens“.69
Für die postmoderne Organisationsform der Virtuellen Organisation70 wird ein hoher Stellenwert des Vertrauens festgestellt. Wenn es Unternehmen gelingt, Vertrauen (individuelles Vertrauen und außerindividuelles Vertrauen in die Integrität und fortgesetzte Funktionsfähigkeit eines Systems) auf sich zu akkumulieren, fungiert das aufgebaute Vertrauen als Mittel zur Senkung von Transaktionskosten, da es zur Stabilisierung von Geschäftsbeziehungen beiträgt. Zur neuen Rolle der Kommunikation ist festzustellen, dass es gilt, Mechanismen zu finden, die trotz Offenheit und Ungewissheit entweder die Entwicklung von Vertrauen im Vorfeld der eigentlichen Geschäftsbeziehung oder den Aufbau einer ad-hoc Vertrauensbeziehung, eventuell in Form von Vertrauensderivaten, begünstigen. „Somit verschiebt sich an dieser Stelle die Ver-
69 70
Vgl. Eppler/Reinhardt (2004), 3 f. Vgl. hierzu näher Kapitel 5.1.
26
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
trauensfrage von einem Lern- und Sozialisierungsproblem zunehmend hin zu einem Kommunikationsproblem.“71
71
Becker (2001), 6, der darauf hinweist, dass es neben anschlussfähigen Verfahren, Konfliktlösungsmechanismen und moralischen Standards auch auf die „inhaltliche Kommunikationsfähigkeit“ der Partner in der Virtuellen Organisation ankommt, um die Zusammenarbeit erfolgreich zu gestalten.
Erkenntnisstand zur Instrumentalität der internen Unternehmenskommunikation
2.2
27
Erkenntnisstand zur Instrumentalität der internen Unternehmenskommunikation
Kommunikation dient als Substitut für formale Regelungen und füllt Lücken der formalen Koordination aus, wenn eine Kodifizierung von Wissen nur unzureichend möglich ist und eine Ergänzung durch face-to-face-Kontakte erforderlich wird: „Most work just cannot get done without some informal communication. Life is simply too complicated to regulate everything. Standardization must be supplemented with mutual adjustment, even if only to deal with unexpected change.”72
Die Funktion von Kommunikation in Organisationen ist durch die wissenschaftliche Forschung mit unterschiedlichen Schwerpunkten thematisiert worden. Die Ablösung eines mechanistischen durch ein komplexes Systemverständnis hat zur Einsicht in die erhöhte Bedeutung der Kommunikation geführt. Verbuchten ältere Organisationstheorien laterale, den Instanzenweg umgehende, Kommunikation unter dem Begriff des „Informalen“ als zu eliminierenden Störfaktor, der die Zielerreichung durch eine zentrale Managementsteuerung beeinträchtigt (z. B. klassisches Bürokratiemodell der Organisation und trotz der prinzipiellen Erkenntnis der Bedeutung der Bedürfnisse der Menschen in Organisationen der Human Relations-Ansatz), verweisen Ansätze, die Organisationen als komplexe Systeme betrachten (z. B. Theorie der spontanen Ordnung, Selbstorganisationsansatz der St. Galler Schule, Theorie sozialer Systeme), auf die „strukturkonstituierenden Effekte kommunikativer Prozesse“73, während Institutionalistische Ansätze, Kulturansätze, Interaktionalismus und (mikro)politische Organisationsmodelle auf die koordinierende, legitimitätssichernde und strategischen Zwecken dienende Rolle formaler und informaler kommunikativer Codes
72
73
Mit Bezug auf Fallstudien als Beispiele für dysfunktionalen „Dienst nach Vorschrift“ bereits Mintzberg (1979), 49. Theis (1994), 208.
28
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
aufmerksam machen.74 Insgesamt ist eine Akzentverschiebung von einem technizistischen Kommunikationsverständnis als Medium zur Informationsübertragung zu einem Medium zur Kontextualisierung von Information und zur Erschließung strategischer Handlungsoptionen in Organisationen zu beobachten.
Eine Bereicherung hat die Betrachtung der organisationsinternen Kommunikation durch die Forschung zum Diversity Management erfahren, die sich, auch wenn sie sich nicht explizit auf diese Einordnung bezieht, mit dem Einfluss der Heterogenität (z. B. kultureller, demographischer, ethnischer Diversität) von Kommunikationsteilnehmern auf Variablen der Kommunikationssituation, z. B. den Verhandlungsstil75 und das Verhandlungsergebnis beschäftigt. Steigende kulturelle Diversität in der Belegschaft wird in der Diversity-Forschung mit einer Vielfalt in den kognitiven Voraussetzungen, z. B. Motiven, Präferenzen und Einstellungen der Mitarbeiter und ihrer interpretativen Zugänge zu Frage- und Problemstellungen, und einer Pluralität der Wertesysteme assoziiert.76 Eine kritische Sicht nehmen zurecht Peterson/Dietz ein, die auf das Konfliktpotenzial der Perspektivenvielfalt verweisen, das sich in Stereotypen und Vorurteilen zwischen Angehörigen unterschiedlicher in sich homogener, untereinander aber heterogener, Gruppen äußert und das negative Effekte auf die Kooperation von Gruppen haben kann.77
Schon früh untersuchte Thom unter dem Begriff des „Konsensus-Management“ die Voraussetzungen einer nach dem Idealtypus des herrschaftsfreien Diskurses gestalteten Argumentationsgemeinschaft. Das Konsensus-Management ist in zweifacher Hinsicht hier zu erwähnen. Zum einen wurden die Erkenntnisse zur Steuerbarkeit durch Kommunikation und Selbstorganisation durch ein diskursives Verfahren erarbeitet. In systemtheoretischer Tradition, die ihre Aussagensysteme rekursiv auf sich selbst anwendet, wurde im Rahmen einer Managementkonferenz („Freiburger Gespräche“) die Realisierbarkeit des herrschaftsfreien Diskurses in einer Veranstaltungsform diskutiert, die sich selbst den Anforderungen der idealen Kommunikationsgemeinschaft unterstellte.78 Es ist die weitsichtige Einordnung des „Konsensus Management“ als Managementinstrument zu würdigen und die Erkenntnis einer prinzipiellen Realisierbarkeit eines heterogenen Zielbündels in Unternehmen, wobei die Risiken, z. B. in Form von Abstimmungskosten, nicht außer acht gelassen werden, wie nachfolgende Aussage zeigt: 74
75
76 77 78
Anhang 1 gibt einen Überblick über den Stellenwert, den die Organisationstheorie beginnend mit klassischen Bürokratiemodellen bis zu Selbstorganisationsansätzen Kommunikation beigemessen hat. Vgl. Pearson/Stephan (1998), die anhand des Vergleichs des brasilianischen (kollektivistisch geprägten) mit dem amerikanischen (individualistisch geprägten) Verhandlungsstil ein bevorzugt akkomodierendes Vorgehen gegenüber dem Verhandlungspartner in kollektivistischen Kulturen und einen eher wettbewerbsorientierten Umgang mit Vorrang für das Eigeninteresse in individualistischen Kulturen nachweisen. Einen weiten Kulturbegriff verwenden z. B. Baumueller (2007), Leenen/Scheitza/Wiedemeyer (2006). Vgl. Peterson/Dietz (2006). Vgl. zum Konzept genauer das Transkript der Veranstaltungsreihe von Thom (Hrsg.) (1989), 21-25.
Erkenntnisstand zur Instrumentalität der internen Unternehmenskommunikation
29
„Konsensus Management wird als Ansatz eingeführt, der durch (Re-)Aktivierung der Unternehmenskultur auf Basis gleichberechtigter und zwangloser Normenaushandlung, MitarbeiterMotivation und Nutzung der Selbstorganisationsfähigkeit der Organisation das derivative Ziel der Effizienzsicherung bei gleichzeitiger Sicherstellung der langfristigen Produktivität anstrebt. Unter komplementärem Einsatz von Organisation durch Weisung und Selbstorganisation wird angestrebt, entgegen einer rein soziotechnischen Systemgestaltung, emotionale und irrationale Elemente des Verhaltens in Organisationen in die Kommunikation und die erzielten Problemlösungen einfließen zu lassen.“79 Die Nutzenerwartung eines auch auf nicht-rationale Aspekte von Entscheidungen in Organisationen ausgeweiteten Konsenses unter den Beteiligten besteht in einer Verminderung von Widerstand und der Vermeidung des Entstehens von pathologischen Organisationsstrukturen.80
Trotz der differenzierteren Behandlung kommunikativer Phänomene durch die Organisationswissenschaften ist Forschungsbedarf zur koordinativen Funktion von Kommunikation und zu den Bedingungen der Fortsetzbarkeit von Kommunikation festzustellen. Die Strukturationstheorie von Giddens versteht zwar Kommunikation als einen regelgeleiteten Prozess, kann aber nicht erklären, wie es zu einer Systemreproduktion und zu einer Veränderung von diskursiven Regeln kommt.81 Diese Forschungslücke kann durch die Systemtheorie ausgefüllt werden, die sich explizit mit der autopoietischen Reproduktion der Organisationsstruktur durch Kommunikation und mit der koordinativen Funktion der Kommunikation auseinandersetzt. Die Organisationswissenschaft ging in der Vergangenheit auf Basis kontingenztheoretischer Überlegungen zum optimalen Organisations-Umwelt-„fit“ davon aus, mittels zentraler Planung und informationstechnologisch unterstützt eine optimale Verteilung des vorhandenen Wissens auf die Entscheider bewirken zu können. Mit Verweis auf diesen im Rückblick übereilten Optimismus stellt Theis-Berglmair fest:
„Mit zunehmender Selbstkoordination erhalten auch kommunikative Prozesse verstärktes Gewicht: In dem Maße, in dem auf konkrete Anweisungen zugunsten abstrakter Regeln verzichtet wird, bedarf es auf der Ebene einzelner Subsysteme zunehmender kommunikativer Anstrengungen zur Reduktion der sich hier entfaltenden Varietät. Diese kommunikativen Anstrengungen sind zwar einerseits als Kosten zu werten, insofern als zeitlich Energien gebunden werden, andererseits bringt diese Organisationsform auch Vorteile dergestalt, dass die aus stark
79 80
81
Thom (Hrsg.) (1989), 144. Vgl. Thom (Hrsg.) (1989), 144. Als Pathologisch kann eine Organisationsstruktur dann bezeichnet werden, wenn sie, z. B. als Folge eines unhinterfragten, aber nicht mehr adäquaten, Managementmodells oder einer durch Pfadabhängigkeit geprägten Strategie verhindert, dass die Organisation relevante Umweltinformationen aufnimmt, so dass Korrekturen nicht erfolgen können. Vgl. Spandau (2007), 118. Vgl. Theis-Berglmair (2003), 240 f.
30
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
zentralisierten Unternehmen bekannten ‚Informationsverzerrungen’ zumindest teilweise reduziert werden können.“82
Eine Studie, die Licht auf den Zusammenhang zwischen einer auf allen Unternehmensebenen praktizierten offenen Kommunikation und der Sicherung von Flexibilität und Innovationsfähigkeit (unter dem gleichwohl suggestiven Begriff der „Unternehmungsvitalisierung“) wirft, stellt die Fallstudienuntersuchung von Steinle/Schmidt/Spreider83 dar. Eine auf allen hierarchischen Ebenen systematisch gestaltete interne Unternehmenskommunikation ist den Autoren zufolge als Instrument zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit und Flexibilität einzustufen. In einer „Mehr-Ebenen-Analyse“ wird ein Stufenkonzept einer durchgängigen internen Unternehmenskommunikation entworfen, für das auf allen Stufen entsprechende Gestaltungsempfehlungen formuliert werden (vgl. Abbildung 5).
Unternehmensebene x
x
Verankerung von offener Kommunikation im Leitbild (explizit/implizit)
Rückkopplungsschleifen
Verankerung von vitaler Kommunikation in der Unternehmenskultur Bereichs- und Gruppenebene x
Bereichsübergreifende Kommunikation
x
Selbstorganisatorische Kommunikationsprozesse in Teams und Arbeitsgruppen Individualebene
Schnittstellenmanagement
x
Dialogorientierte Führung
x
Non-direktive Mitarbeitergespräche
Abbildung 5: Mehrebenen-Kommunikationsmodell Quelle: verändert übernommen aus Steinle/Schmidt/Spreider (2001), 34.
Der Vorstellung, dass eine funktionierende Kommunikationsinfrastruktur auf eine hierarchische Steuerung angewiesen sei, treten neuere Forschungsergebnisse der Informationsökonomie und Institutionenökonomie entgegen, die das Funktionieren selbstorganisierter, nicht zent82 83
Theis-Berglmair (2003), 270. Vgl. Steinle/Schmidt/Spreider (2001). Die Studie ist aufgrund der Nicht-Generalisierbarkeit ihrer Ergebnisse als explorative Untersuchung zur systematischen, kohärenten Nutzung interner Unternehmenskommunikation einzuordnen.
Erkenntnisstand zur Instrumentalität der internen Unternehmenskommunikation
31
ral koordinierter Kommunikation auf Basis von Organisationsformen nachweisen, die nach dem Prinzip der „Stigmergie“ funktionieren. Aufbauend auf dem Sinnbild des stigmergisch organisierten Termitenhügels wurde aufgezeigt, dass die Produktion von creative commonsGütern, z. B. der open access zur Verfügung gestellten und weiterentwickelten Foren und Enzyklopädien wie Wikipedia, wesentliche Züge einer stigmergischen Organisation aufweist. Ein Prozess wird als stigmergisch bezeichnet, wenn eine von einem Agenten begonnene Arbeit (griech. ergon) ein Zeichen (stigma) hinterlässt, das andere zu einer Fortsetzung dieser Arbeit veranlasst.84 Neuere empirische Forschung weist mit der Analogie zwischen Organisationen und dem Verhalten in Schwärmen, z. B. dem Bienenschwarm, auf den Nutzen kollektiver, kommunikationsgestützter Koordination bei der Entwicklung und Verbreitung von Produktinnovationen hin. Nutzung von Schwarmverhalten wird in einer Studie der MIT Sloan School of Management u. a. zur Erklärung der erfolgreichen Diversifikationsstrategie der Lebensmitteleinzelhandelskette Migros, der kundenintegrierten Innovation bei BMW sowie der Produktion von Open Source-Produkten durch Amazon und IBM herangezogen.85
Mast weist in Analogie zu Marktanteilen auf die Fragilität einmal erworbener „Kommunikationserfolge“ als erzielte Anteile an der öffentlichen Meinung hin. Zu den durch Unternehmenskommunikation zu adressierenden Gruppen zählt sie Mitarbeiter, Markt (Kunden, Lieferanten, Geschäftspartner, Investor Relations) und aufgrund der wettbewerbskritischen Bedeutung des Unternehmensimages die allgemeine Öffentlichkeit. Als Bestandteile einer sogenannten Kommunikationsarchitektur fasst sie zusammen: „Unter Kommunikationsarchitektur einer Firma ist das Zusammenspiel der Medien zu verstehen, die zur Aufwärts- und Abwärtskommunikation sowie zum gegenseitigen Austausch vorhanden sind, sowie die Regeln und der Stil in der schriftlichen und mündlichen Kommunikation. Manager müssen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter nicht nur gut informiert sind, sondern in leistungsfähigen Kommunikationsnetzen agieren und eingebunden sind.“86
Der Nutzen von Kommunikation wird auch durch Williamson hervorgehoben, der von „communication economies“, von Skalenerträgen aus Kommunikation, spricht, die sich zwischen den Vertragspartnern in Transaktionen von hoher Spezifität realisieren lassen: „Specialized language develops as experience accumulates and nuances are signaled and received in a sensitive way.“87 Über die Förderung von Vertrauen, das c. p. zu höherer Anpassungsfähigkeit und
84 85 86 87
Vgl. Heylighen (2007), 174. Vgl. Gloor/Cooper (2007). Mast (2000), 57. Williamson (1979), 240.
32
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
höherer Stresstoleranz in Austauschbeziehungen beiträgt88, wirkt sich Kommunikation in hochfrequenten Transaktionen transaktionskostensenkend aus.
In einer Studie zur Eignung der internen Unternehmenskommunikation als Motivationsinstrument insbesondere in impliziten Arbeitsverträgen kommt Benz zu dem Ergebnis, dass die Bereitstellung von Kommunikationsmöglichkeiten auf verschiedenen Organisationsebenen zu einer Verbesserung der Qualität impliziter Arbeitsverträge beitrage. Die Sekundäranalyse einer im Auftrag des National Bureau of Economic Research durchgeführten großzahligen Befragung einer repräsentativen Arbeitnehmerstichprobe führte zu dem Ergebnis, dass die Antwortenden, die eine hohe Ausprägung bei den Variablen ‚Vertrauen’, ‚Loyalität’ und ‚Firmenbindung’ aufwiesen, sich ausnahmslos in Unternehmen befanden, in denen eine ausgebaute Kommunikationsstruktur unter Einbindung von Arbeitnehmern und allen Hierarchieebenen bis zum oberen Management etabliert war.89
Neuere institutionenökonomische Arbeiten, die sich mit der Lösung von Dilemma-Situationen im Zusammenhang mit der Nutzung von Commons-Gütern beschäftigen, interessieren sich für die Bereitschaft von Individuen, kooperatives Verhalten in Abhängigkeit von äußeren Anreizen (durch Sanktionen und Kontrolle in Kraft gesetzter Regeln) zu zeigen. Hier interessieren vor allem Arbeiten, die den Faktor Kommunikation als Einflussvariable in das Versuchssetting integrieren. In simulativen Gruppenexperimenten wurde z. B. festgestellt, dass eine von außen auferlegte Regel für kooperatives Verhalten in einem 2-Runden-Gefangenen-Dilemma-Spiel zwar in der ersten Runde die Teilnehmer zu Kooperation veranlasste, dass nach Wegfall der Regel in der zweiten Runde diese Gruppe sich aber weniger kooperationsbereit zeigte als eine Kontrollgruppe, der keine Anreize zur Kooperation geboten worden waren und von denen ein Teil untereinander kommunizieren konnte. Diejenigen Teilnehmer der Kontrollgruppe, die einen hohen Anteil an face-to-face-Kommunikation aufwiesen, zeigten das höchste Maß an kooperativem Verhalten. Die extern auferlegte Regel führte offenbar in der regelgesteuerten Gruppe zu einem „crowding out“ der Kooperationsbereitschaft, so dass, nachdem die Regelbindung entfallen war, eine geringere Kooperation zu beobachten war als in der Kontrollgruppe, die starken Gebrauch von face-to-face-Kommunikation machte. Es wurde beobachtet, dass 88 89
Vgl. Williamson (1979), 240 f. Vgl. Benz (2000), 94 f. Die Variable Kommunikation wurde als Indexwert, der die Ausprägungen 0 (keine Kommunikationsmöglichkeiten), 1 („wenige“ Kommunikationsmöglichkeiten), 2 (mittel ausgeprägte Kommunikationsmöglichkeiten) oder 3 („viele“ Kommunikationsmöglichkeiten) annehmen konnte. Um die Existenz von Kommunikationsgelegenheiten zu erfassen, wurde in der Befragung erhoben, ob eine der nachfolgenden Kommunikationsformen im Unternehmen praktiziert wurde: (1) Regelmäßige „town meetings“, die auf Inititative des Managements mit der Belegschaft abgehalten werden, (2) eine „open door policy“, die es den Arbeitnehmern ermöglicht, für sie relevante Themen mit dem oberen Management zu besprechen und (3) mit Vertretern von Management und Belegschaft besetzte Komittees, in denen regelmäßige Besprechungen stattfinden. Zur Aktualität der Ergebnisse muss einschränkend hinzugefügt werden, dass zum Zeitpunkt der Durchführung der Datenauswertung die zugrundegelegte Primärstudie bereits 6 Jahre alt war.
Erkenntnisstand zur Instrumentalität der internen Unternehmenskommunikation
33
eine durch Regeln auferlegte Kooperation nur während der Zeitdauer der Regelgeltung aufrechterhalten wurde, dagegen stieg mit zunehmender Kommunikationsintensität die Vorteilhaftigkeit von sozialen Gruppennormen, die sich emergent entwickelt hatten und eine höhere Dauerhaftigkeit als sanktionierende Regeln aufwiesen.90
Die Nutzung kommunikativer Ressourcen in der Führung und Steuerung von Unternehmen hat in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse unterschiedlicher Disziplinen gefunden. Hierin reflektiert sich der Bedarf der Praxis, eine geschlossene interne Unternehmenskommunikation als Baustein eines umfassenden Stakeholder Value-Ansatzes zu entwickeln, die sich an den professionellen Medieneinsatz der stärker entwickelten externen Kommunikationsstrategie anschließen lässt. Es gilt als Mindestziel, der Gefahr einer uneinheitlichen, widersprüchlichen Selbstdarstellung gegenüber den Stakeholdergruppen durch effektive und effiziente Nutzung der internen Kommunikationswege zu begegnen. Darüber hinaus wird angestrebt, langfristige Kommunikationswirkungen bei den Mitarbeitern zu erzielen (z. B. die Steigerung der Leistungsbereitschaft) und damit die formal und informal ablaufende Kommunikation in eine geplante, erwünschte Richtung zu lenken. Mitarbeiter werden als Adressaten von Imagekommunikation erschlossen.91 Das klassische Anwendungsfeld der Marketing-Kommunikation weitet sich zunehmend auf den unternehmensinternen Bereich aus. Die internen Beziehungen zu bestehenden Mitarbeitern und die externen Beziehungen zu potenziellen Mitarbeitern werden für leistungs- und imagebezogene Kommunikationsmaßnahmen erschlossen, z. B. durch Maßnahmen zum Aufbau eines „Employer Brand“92, eines „Department Brand“ und durch ein analog zum „Customer Relationship Marketing“ praktiziertes „Rentention Management“.93
Obwohl eine funktionierende interne Kommunikation als zentrale Ressource für den Unternehmenserfolg betrachtet wird, werden nur selten Ziele für die interne Kommunikation definiert, die einer Überprüfung mittels Indikatoren zugänglich wären. Eine internationale Produktivitätsstudie der Proudfoot Consulting aus dem Jahr 2005 ergab, dass von mehr als 150 beobachteten Besprechungen in 50 Unternehmen nur 12 % in eine Beschließung konkret einzuleitender Schritte mündete.94 Kommunikationsaudits stellen als „systematische, dialogförmige Untersuchung der Maßnahmen zur Planung, Realisierung und Bewertung interner Kommunikation“95 ein Instrument dar, das auf eine Effizienzbewertung der internen Kommunikations-
90 91 92 93 94 95
Vgl. die Zusammenfassung des Forschungsstandes bei Ostrom (2005), S. 130 f. Vgl. Heger (2005), 53 f. u. 277. Vgl. Petkovic (2004). Vgl. Felfe (2008), vgl. auch Krohn (2007). Vgl. Wolf (2008), 26. Wolf (2008), 26. Der Begriff dialogförmig suggeriert eine neue Erhebungsmethode, bei dem genannten Audit-Verfahren wird aber mit Befragungen von Führungskräften und anderen Personengruppen ein Standardinstument zur Erhebung der Ist-Situation des internen Kommunikationsmanagements eingesetzt.
34
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
strategie und auf eine Gestaltung von Verbesserungsmaßnahmen zur Beseitigung der praxisseitig artikulierten Begründungs- und Implementierungslücke96 zielt.
Unter Nutzung kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse entwirft Heger ein Führungsinstrumentarium für das operative und strategische Management, bestehend aus monetären und nicht-monetären Führungs- und Steuerungsgrößen. Zur Steuerung der Wertschöpfungsbeiträge der Humankapitalträger wird in Anlehnung an das Instrument der Balanced Scorecard eine „Internal Communication Scorecard“ mit den Dimensionen Markt, Medienmix, Medieninhalte, Prozesse, Mitarbeiter und Finanzen entwickelt. Ziel ist es, mithilfe regelmäßig erhobener Kennziffern wie der inhaltlichen Passgenauigkeit der über die internen Medien (inklusive face-to-face-Kommunikation) zur Verfügung gestellten Informationen, der Informationskosten je Mitarbeiter bzw. je Zielgruppe und der Mitarbeiterzufriedenheit eine Aussage über die Wirkung interner Kommunikationsleistungen treffen zu können. Interne Kommunikation wird damit zu einer Vorsteuerungsgröße (intermediäre Variable) der strategischen wertorientierten Unternehmensführung.97 Als weiterer Baustein zur Funktionalität von Kommunikation in Organisationen identifiziert der Ansatz einer anwendungsorientierten Unternehmensethik von Popkes, ausgehend von der fehlenden Anwendungsnähe der unternehmensethischen Vorarbeiten zur internen Kommunikation, mit den Faktoren „Authentizität“, „Wertschätzung“ und „Ausgewogenheit“, sogenannte kommunikative Tugenden im Management als Voraussetzung für die Transformation einer bestehenden Organisation in eine lernende Organisation. Die Tugenden werden in ihrer Funktion als „universale Konstruktionsleistung von individualen Haltungen zum Eintritt in den faktischen Diskurs auf der Anwendungs- bzw. Umsetzungsebene der Diskursethik verstanden, hier in Gestalt des unternehmerischen Handelns.“98 Die Validierung des Rahmenkonzepts seiner „tugenderweiterten kommunikativen Unternehmensethik“ nimmt der Autor auf Basis einer Fallstudie vor. Hervorzuheben ist die durch Popkes geleistete Operationalisierung der Unternehmensethik in ihrer kommunikativen Erweiterung. Die Bedingungen für einen faktischen unternehmensinternen Diskurs werden aus den Barrieren abgeleitet, die einer bruchlosen Übersetzung der herrschaftsfreien Kommunikationsgemeinschaft in Organisationen nach Ansicht des Autors entgegenstehen.
In Insourcing-Projekten, die die Gegenseite zum Outsourcing darstellen, d. h. die Seite des mit einer externen Serviceleistung beauftragten Unternehmens betreffen, wurde Kommunikation aufgrund ihrer Bindungswirkung für vorhandenes Personal und der Integrationswirkung auf vom Outsourcing-Partner übernommenes Personal als erfolgsdeterminierender Faktoridentifi96 97 98
Vgl. Heger (2005), 275 f. Vgl. Heger (2005), 3, 142 ff. sowie 273. Popkes (2004), 14.
Erkenntnisstand zur Instrumentalität der internen Unternehmenskommunikation
35
ziert. Die Untersuchung von Kuit/Natris ist trotz ihrer Nicht-Generalisierbarkeit99 als explorative Fallstudie von Interesse, da sie anschaulich die messbare Relevanz abgestimmter interner Kommunikation vor Augen führt.
99
Es wurden strukturierte Interviews mit den an der organisatorischen Durchführung des Insourcing beteiligten Gruppen einschließlich der betroffenen Mitarbeiter durchgeführt, die durch das Inscourcing-Unternehmen übernommen wurden. Die Untersuchung beschränkte sich auf ein einziges Fallunternehmen, das ein „Big Bang“-Outsourcing durchführte, d. h. zu einem einzigen Zeitpunkt die Übernahme von 750 Mitarbeitern und 250 Subunternehmern in 5 Ländern und 3 Kontinenten mit einem Outsourcingwert von einer Mrd. Euro vorsah. Vgl. Kuit/Natris (2005).
36
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
2.3
Forschungsleitende Fragen
Der aufgeworfene Forschungsbedarf kann in Form forschungsleitender Fragen wie folgt formuliert werden:
Wie sind angesichts der hohen Bedeutung der Kommunikation zusammenfassend „postmoderne“ Organisationsformen anhand eines systematischen Analyserasters zu beurteilen? Æ Begründung des Forschungsbedarfs und implizite Konzeptualisierung der Konziliaren Organisation durch Gegenüberstellung mit einem Vergleichsmaßstab
Welche notwendigen und hinreichenden Elemente konstituieren die Konziliare Organisation als einen Kristallisationspunkt einer kommunikationsbasierten Organisation auf Basis der Systemtheorie? Æ explizite Konzeptualisierung mittels Basistheorie
Wie lässt sich angesichts fehlender operationaler Indikatoren für die Vorteilhaftigkeit einer kommunikationsbasierten Organisationsform die Konziliare Organisation basistheoretisch fundiert hinsichtlich der ökonomischen und sozialen Effizienz bzw. alternativer Optimalitätsmaße einschätzen? Æ explizite Konzeptualisierung mittels Basistheorie
Welche Maßnahmen stehen der Organisationswissenschaft (Organisationsgestaltung und Koordinationsinstrumente) und der Personalwirtschaft (Maßnahmen und Instrumente zur anforderungsgerechten Gestaltung von Wollen, Können und Dürfen) in der Konziliaren Organisation zur Verfügung? Æ Erhöhung der pragmatischen Reichweite der erarbeiteten Erkenntnisse.
Aus diesen Forschungsfragen wird ersichtlich, dass der Schwerpunkt der Arbeit auf die strukturellen Aspekte der Konziliaren Organisation gelegt wurde und daher auf den Teil des systemtheoretischen Aussagenbereichs Bezug nimmt, der sich mit Struktur im Sinne eines Zusammenwirkens aus formaler und informaler Organisation befasst und der alternative Strukturen unter dem Aspekt ihrer Funktion für die Erreichung der Systemziele beurteilt (strukturelle Äquivalenz).
Die Problematik des Struktur-Funktionalismus, der die Systemtheorie unterliegt, wenn sie Strukturen als äquivalent hinsichtlich der Erfüllung bestimmter Zwecke betrachtet und auf dieser Basis Unterschiede in der Aufbauorganisation von Organisationen stark abstrahierend begründet, wird in dieser Arbeit durch geeignete Annahmen über die Rolle der Akteure zu mildern sein. Erforderlich ist die Mitbetrachtung der personalen Komponente wegen der Verhaltensrelevanz organisatorischer Strukturen. Organisationsstrukturen geben den Rahmen für
Forschungsleitende Fragen
37
Verhalten in Organisationen vor und fördern auf direktem Wege, z. B. durch explizite Programme, Regeln und Anweisungen, und auf indirektem Wege, z. B. durch ergänzende informale Strukturen, erwünschtes Verhalten und sanktionieren unerwünschte Verhaltensweisen.
Struktur wird in der Arbeit im Sinne der komparativen Statik als Querschnitt zu einem diskreten Zeitpunkt betrachtet, d. h. es wird keine Betrachtung der Übergangsmuster zwischen verschiedenen Konfigurationen, z. B. zwischen einer funktionalen und einer netzwerkartigen Organisationsstruktur, vorgenommen, wie sie sich z. B. im Rahmen der Strategieforschung am Beispiel der emergenten Strategieentwicklung oder im Zusammenhang mit organisationaler Pfadabhängigkeit finden. Weitgehend ausgeblendet bleiben damit die dynamischen Aspekte, welche die Systemtheorie ausgehend von der Grundeigenschaft sozialer Systeme, der Autopoiesis100, prinzipiell zu erklären im Stande ist. Wie bereits angeführt, erfolgt aber insofern eine dynamische Betrachtung der Organisationsstruktur, als die strukturkonstituierende Eigenschaft von Kommunikationen betrachtet wird. Eine Untersuchung des Wandels zu einer Konziliaren Organisation würde insbesondere auf Pfadabhängigkeiten und spezifische Übergangsmuster, z. B. zwischen der Funktionalen Organisation und der Konziliaren Organisation einzugehen haben.101 Hierfür müssten aber die treibenden Umweltfaktoren einbezogen werden, die als erklärende Variablen eines evolutionären oder radikalen Wandels des Systems in Frage kommen. Eine solche Betrachtung kann nicht Ziel der Arbeit sein, da man aufgrund der interdependenten Verweisungsstruktur zwischen System und Umwelt zunächst das System erfassen müsste, um aus dessen Sicht den relevanten Umweltausschnitt zu bestimmen. Eine von der Umwelt ausgehende Betrachtung birgt die Gefahr, in den Determinismus der frühen Organisationswissenschaft zurückzufallen, der sich in der Frage erschöpft, wie mit dem angenommenen Primat der Umwelt aus Systemsicht umzugehen ist, d. h. wie ein optimaler „fit“ an die Umweltanforderungen zu erzielen ist. Eine Erfassung derjenigen treibenden Umweltfaktoren, die das System zu Veränderungen anregen, muss auf Eigenschaften des Systems Bezug nehmen können, die zuvor erfasst sein müssen, um nicht in einen unendlichen Regress zwischen System und Umwelt zu geraten.
Während die Erweiterungen der Kontingenztheorie, die Evolutionstheorie und die Institutionalistische Theorie in Bezug auf Wandel und Legitimation von Organisationen innerhalb ihrer Umwelt fruchtbarere Anknüpfungspunkte als die Systemtheorie bieten, besteht der Vorteil einer streng systemtheoretischen Analyse in der Möglichkeit, die Mikro-Sicht, d. h. die interne Ausdifferenzierung der Organisation zu einer konziliaren Struktur zu erklären. Es wird als 100 101
Vgl. zu den Begriffen der Autopoiesis und der Selbstreferentialität Kapitel 4.1. Vgl. zu der am Lebenszyklus-Modell der organisationalen Entwicklung angelehnten Netzwerk-Genese, an der sich die Entstehung der Konziliaren Organisation im Sinne eines internen Netzwerks prinzipiell orientieren könnte Riemer/Klein (2006), 19 f.
38
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zur internen Unternehmenskommunikation
notwendig erachtet, einer solchen Dynamisierung von Struktur eine eingehende Darlegung der Strukturmerkmale der Konziliaren Organisation voranzustellen.
Betrachtet man im Anschluss an die Organisationsentwicklung Personen, Strukturen und Prozesse als Grundbestandteile der Organisation, kommt diesen Elementen grundsätzlich ein gleichrangiger Stellenwert zu. Es ist ein enges Wechselspiel der drei Dimensionen in der aufbau- und ablauforganisatorischen Struktur anzunehmen, daher werden alle drei Aspekte dargestellt102 und im Verlauf der Arbeit auf die Anschlusspunkte der drei Ebenen hingewiesen. Das traditionelle Raster der Organisationsentwicklung wird in dieser Arbeit um die Dimension der Beziehungen ergänzt. Diese Ergänzung ergibt sich zum einen aus der Notwendigkeit, Selbstreferentialität als Systemeigenschaft zu erklären und einen erweiterten Kommunikationsbegriff, im Sinne der neueren Systemtheorie, zugrunde zu legen. Daneben soll ein Anschluss an das Konstrukt des Sozialkapitals im Rahmen der Netzwerkforschung, insbesondere an die Erkenntnisse zum Beziehungskapital, erzielt werden, einem Bereich, in dem die Überlegungen zur Reproduktion eines Netzwerks über Kommunikation am weitesten fortgeschritten sind. Die soziale Netzwerktheorie bietet darüber hinaus Ansatzpunkte für „Micro-Macrolinkages“, d. h. für die Ableitung von Aggregationsregeln, die eine Übertragung der auf der individuellen Ebene gewonnen Erkenntnisse auf die Ebene dyadischer Beziehungen (2Personen-Beziehungen), von Gruppenbeziehungen und der Organisation ermöglichen.103
Es wird darüber hinaus davon ausgegangen, dass Kommunikation nicht nur eine instrumentelle Komponente zum Austausch und der Vermehrung von organisationsspezifischem Wissen darstellt, sondern dass Kommunikation (systemtheoretisch betrachtet) die Grundlage der (selbstreferentiellen) Reproduzierbarkeit der Organisation darstellt, wie noch darzustellen sein wird. Zunächst sollen die basistheoretische Verortung und die Forschungsmethode präzisiert und nachvollziehbar gemacht werden. Die „verwandten“ Forschungsleistungen mit transferfähigem Erklärungsgehalt der Möglichkeit, der Funktionsfähigkeit und der Nutzenerwartung einer Konziliaren Organisation werden erarbeitet.
102 103
Vgl. die eingehenden Ausführungen in Kapitel 5. Vgl. Kilduff/Tsai (2003), 10.
Alternative Forschungszugänge zur Konziliaren Organisation
39
3. Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode 3.1
Alternative Forschungszugänge zur Konziliaren Organisation
Als alternative Forschungszugänge zur Beschreibung der Konziliaren Organisation bieten sich Theorien an, die das organisationale Bestandserhaltungsproblem als die Suche nach effektiven Formen der Anpassung an eine veränderliche Umwelt auffassen. Das Bestandsproblem ist gleich bedeutend mit der Anforderung der Aufrechterhaltung adäquater Eigenkomplexität104, die der Umweltkomplexität entgegengesetzt werden kann. In diesem Zusammenhang sind der Situative Ansatz, die Evolutionstheorie mit den Weiterentwicklungen des entwicklungsorientierten Managements und des Evolutionären Managements, der netzwerktheoretische Ansatz105 und die Systemtheorie in Betracht zu ziehen. Diesem Theoriebestand gemeinsam ist die auch für diese Arbeit leitende Erkenntnis, dass Organisationsstrukturen in komplexer Umwelt sich ihren Bestand durch die Fähigkeit sichern, sich an wechselnde Umweltzustände anzupassen. Die genannten Theorien unterscheiden sich hinsichtlich der gewählten Konzeption von Organisationsstruktur und Situation und in bezug auf die Erklärung, die sie für den Anpassungsprozess an die Situation (Umwelt) vorsehen. Auch werden unterschiedliche Grade an Gestaltbarkeit der Situation zugelassen. So folgen einige Ansätze dem Leitbild des Umweltdeterminismus, der eine Anpassung der organisatorischen Strukturen an die Umwelt diktiert, um – in Analogie zu lebenden Organismen gesprochen – Überlebensfähigkeit zu sichern, während andere einem interaktionistischen Umweltverständnis folgen, das dem Management Freiheitsgrade und Wahlmöglichkeiten einräumt. Vor einer Positionierung im Hinblick auf den gewählten Forschungszugang und das damit verbundene System-Umwelt-Modell soll eine Skizze der genannten Ansätze gestellt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf einer vollständigen Erfassung des jeweiligen Ansatzes, sondern vielmehr auf einer Einordnung für diese Arbeit, welche die getroffene Theorieauswahl erklärt.
104 105
Vgl. Willke (1996a), 22. Vgl. zum Komplexitätsbegriff auch Kapitel 4.1.4. Dieser Ansatz wird in der wissenschaftlichen Literatur zur Netzwerkorganisation auch als „social network theory“ bezeichnet.
40
Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode
3.1.1
Situativer Ansatz
Die Fundamentalkritik des Situativen Ansatzes hat verdeutlicht, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine einzige zu einer Umweltkonstellation passende organisatorische Strukturlösung identifiziert werden kann. Die Analyse bleibt insofern statisch, als der Anpassungsprozess der Struktur an die Situation nicht theorieimmanent erklärt werden kann. Der aufgrund seiner umweltdeterministischen Sicht in der Frühphase der Theoriegenese auch als kontingenztheoretischer Ansatz bezeichnete Situative Ansatz vermag zudem lediglich bereits erprobte Strukturalternativen auf ihre relative Vorteilhaftigkeit zu untersuchen und zu legitimieren und propagiert so eine strukturkonservative Organisationsgestaltung, die sich an bewährten Verfahren, z. B. der Organisationsgestaltung tayloristischer Prägung, ausrichtet. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass überlegene strukturelle Alternativen existieren, die, z. B. als technikinduzierte Innovationen, zu effizienteren Lösungen im Vergleich zu den bekannten Strukturkonstellationen führen.106 Die Weiterentwicklung der kontingenztheoretischen Sicht auf Organisationen in Form der idealtypischen Konfigurationen von Mintzberg107 sowie die Erkenntnis, dass angesichts des hybriden Wettbewerbs die Erhaltung von Umstellungsbefähigung durch Ressourcenflexibilität108 eine zentrale strategische Managementaufgabe darstellt, zeigen, dass eine deterministische Umweltsicht einer strategischen Konzeption mit Freiheitsgraden in der Umweltgestaltung gewichen ist. In einer noch weiter reichenden Annahme wird eine Beeinflussbarkeit der für die Organisation relevanten Umweltfaktoren angenommen.
3.1.2
Evolutionstheorie
3.1.2.1
Frühe Evolutionstheorie
Auch die Evolutionstheorie erklärt das Bestandsproblem von Organisationen vor dem Hintergrund der Umwelt. Organisationen sind nach dem evolutionstheoretischen „population ecology“-Ansatz in Analogie zu biologischen Organismen einem Prozess der Variation, Retention und Selektion ausgesetzt, wobei höhere Umweltpassung im Zuge der Umweltauslese mit höherer Überlebenswahrscheinlichkeit prämiert wird.109 Zu würdigen ist die Weiterentwicklung der evolutionstheoretischen Annahmen im Hinblick auf die zugrunde liegenden Selektionsmechanismen (u. a. ökonomische Effizienz als Auswahlkriterium des Marktes, gesellschaftliche Akzeptanz als Voraussetzung zur Akquirierung notwendiger Ressourcen) und die Abschwächung des Umweltdeterminismus in neueren Arbeiten. Die Tatsache, dass Unternehmen vor 106 107 108 109
Vgl. Kieser (2006), 237. Vgl. Mintzberg (1979). Vgl. Rasche (2000). Vgl. Hannan/Freeman (1977).
Alternative Forschungszugänge zur Konziliaren Organisation
41
der Neueinführung eines Produktes z. B. durch F&E-Maßnahmen auf die Zielgerichtetheit der Selektion Einfluss nehmen können, zeigt, dass Variations- und Selektionsmechanismen nicht als stabil zu betrachten sind, sondern selbst einer Variation unterliegen und dass diese durch strategische Entscheidungen beeinflussbar sind.110 Die evolutionstheoretische Argumentation trägt für das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit nicht, da sie den bereits beim Situativen Ansatz monierten Umweltdeterminismus in noch extremerer Weise verkörpert und auch die Weiterentwicklungen dieser Sicht letzlich verhaftet bleiben, auch wenn sich der unterstellte Grad des Zwangs durch Selektion in der neueren Theorielage gemildert hat.
3.1.2.2
Evolutionäres Management
Der evolutionäre Managementansatz als Weiterentwicklung der Evolutionstheorie erklärt das zentrale Problem der Bestandserhaltung von Organisationen durch evolutionäre Wachstumsprozesse und bedient sich dabei der Konzepte der Selbstorganisation, der Autopoiesis und der Selbstreferentialität. An dieser Stelle soll es genügen, auf wesentliche Unterschiede zur Theorie selbstreferentieller Systeme zu verweisen.
Evolutionäres Management beschreibt wie die Systemtheorie die Bestandserhaltung des Systems als Folge einer gelungenen Umweltanpassung, nimmt aber im Unterschied zum kognitionsbiologischen Ansatz von Maturana und Varela und der Theorie sozialer Systeme nach Luhmann einen reaktiven Umweltbezug an. Das über Regelkreise gesteuerte System der Kybernetik wird durch das evolutionäre Management um eine interaktionale Komponente, in Form intensiver Austauschbeziehungen zur Umwelt, erweitert, wobei eine Anpassung an die Umwelt ausschließlich über die Variation bestehender Verhaltensrepertoires des Systems erzielt werden kann. Lernen im Sinne einer aktiven Veränderung der Rahmenbedingungen und als „Lernen zu Lernen“ sind damit ausgeschlossen, obwohl es sich dabei um Lerntypen handelt, die gerade mit zunehmender Umweltdynamik virulent werden.111 Die Gestaltung organisatorischer Veränderungsprozesse beschränkt sich auf die Schaffung günstiger Bedingungen, um die Wahrscheinlichkeit für die Selektion und damit das Überleben in komplexer Umwelt zu erhöhen. Einer biologistischen Systemsicht verpflichtet kann der evolutionäre Managementansatz nicht nur keinen Hinweis auf die Beherrschbarkeit der Veränderungsprozesse geben, er blendet auch Größen wie Kultur, Sinn und Kommunikation, die für soziale Systeme im Gegensatz zu biologischen Systemen von Bedeutung sind, systematisch aus.112
110 111 112
Vgl. Kieser/Woywode (2006), 338 f. und 342. Vgl. zum hier angesprochenen Lerntyp 2 und Lerntyp 3 Kapitel 7.2.3. Vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1991), 112 f.
42
Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode
Es muss ein weiterer Schritt der Systementwicklung vollzogen werden, um die faktischen Gestaltungsspielräume des Managements theorieimmanent abbilden zu können. Instrumente wie die SWOT-Analyse mit der expliziten Ergänzung der „Risiken“ einer ex ante unsicheren Umwelt um frühzeitig zu erkennende und zu ergreifende „Chancen“ und die bewusste Gestaltung dieses Umweltbezugs, z. B. durch Organisation der Marketingaktivitäten als „Key Account Management“, sind ohne eine zumindest partiell offene und nicht ausschließlich reaktive Umweltsicht nicht zu erklären.
3.1.2.3
Entwicklungsorientiertes Management
Das Entwicklungsorientierte Management schlägt eine Brücke zwischen der Funktionsweise der Organisation als soziales System und den Organisationsmitgliedern als psychischen Systemen. Hervorzuheben ist der Fokus auf organisationales Lernen, dessen Erfolg am organisationalen Reifegrad gemessen wird. Weiter wird Motivation eine doppelte Funktion zugeschrieben. Motivation als Eigenschaft des Systems eröffnet mit der Systemidentität und der Flexibilisierung Gestaltungsperspektiven und ist zum anderen auf Ebene der individuellen Akteure wirksam, auf der die Gewährung von Interaktionsspielräumen motivationswirksam wird.113
Als weiterer aus der Evolutionstheorie hervorgegangener Entwicklungszweig überwindet das entwicklungsorientierte Management die umweltdeterministische Sicht und nennt mit der Systementwicklung ein auf das Gesamtsystem gerichtetes Ziel. Hinsichtlich der operationalen Greifbarkeit dieser Zielvariable wird auf das Kriterium der Nützlichkeit aus Sicht der am System beteiligten Individuen verwiesen. Die Frage der Messbarkeit des erreichten Entwicklungsstandes des Systems bleibt damit unbeantwortet. Wandel wird mit radikaler, fundamentaler Veränderung und mit Innovation konnotiert, wobei zugleich die fehlende Planbarkeit der Veränderung betont wird. Zur Erreichung der Teilziele eines gesteigerten Verhaltenspotenzials und einer verbesserten Lern- und Wahrnehmungsfähigkeit werden Selbstorganisation (als interaktiver, rekursiver und eigendynamischer Prozess der Ordnungsentstehung) und eine flexible Organisationsstruktur als erfolgversprechend eingeschätzt. „Typische Systemeigenschaften“ wie Kultur, Sinn, menschliche Kommunikation, Interaktion, Partizipation und Ziel- und Zweckorientierung von Systemen sind der entwicklungsorientierten Argumentation zufolge weder durch eine mechanistische Systemsicht noch durch eine evolutionstheoretische Konzeption erfassbar.114
113 114
Vgl. Klimecki (2004), 919 f. Vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1991), 119 u. 125.
Alternative Forschungszugänge zur Konziliaren Organisation
43
Der Fokus beim entwicklungsorientierten Management liegt auf organisatorischem Lernen und Entwicklung des Systems, wobei letztere ausschließlich als positive Weiterentwicklung im Sinne einer Höherentwicklung denkbar ist und stagnative Entwicklung, man denke an organisatorische Trägheit durch Pfadabhängigkeit oder degenerative Prozesse am Ende des organisatorischen Lebenszyklus, nicht thematisiert werden. Beurteilungsmaßstab für das Managementhandeln ist der Grad, zu dem Entwicklungsfähigkeit gefördert wird und in diesem Sinne „nützliche“ Entscheidungen getroffen werden. Da kaum Aussagen zu einer hierzu erforderlichen Aufbauorganisation getroffen werden, kann dieser Theorieentwurf allenfalls als Gegenbild genutzt werden, um die Unterschiede zu einer systemtheoretisch begründeten Konziliaren Organisation herauszuarbeiten. Hervorzuheben ist die prozessuale Komponente des entwicklungsorientierten Managements, die den Vorgang der Entstehung neuer Ordnungsmuster durch einen „autonomen, interaktiven, rekursiven und eigendynamischen Prozeß“115 als Komplement zur bewussten Planung explizit zulässt.
3.1.3
Netzwerktheoretischer Ansatz
Netzwerke sind dynamisch, netzwerktheoretische Untersuchungen befassen sich daher zwangsläufig mit den Übergangsmustern zwischen Organisationsstrukturen. Einige Untersuchungen schließen aus der beschränkten Variabilität real vorfindbarer Organisationsformen auf vergleichbar uniforme Übergangsmuster zwischen diesen Organisationsstrukturen („common transition gestalts“) und stellen fest, dass „it was logical to expect that the transitional paths that link one stable state to another would be similarly constrained: that is, recurrent or common packages of change linking the stable states are expected to occur.“116 Organisationsstrukturen werden als dynamische, Handeln stimulierende und verstärkende sowie Handlungsspielraum erweiternde und reproduzierende Institutionen aufgefasst, die durch Vernetztheit und Interaktivität geprägt sind.117 Damit ist der Annahme, Vernetzung sei in Bezug auf die intraorganisatorische Ebene kein relevanter Tatbestand118, entgegenzutreten. Die Netzwerk-Metapher, die sich in so prägnanter Weise in die populärwissenschaftliche Managementliteratur und den Wissenschaftsdiskurs eingeprägt hat und die bisher vorwiegend transaktionskostentheoretisch begründet wurde, wurde von der Systemtheorie bereits in einem frühen Stadium als logische Fortsetzung des Systemdenkens erkannt. Baecker weist auf die Funktion des Netzwerks zur Beherrschung von Unordnung und Unsicherheit hin, indem sich Organisationen mit ausgewählten anderen Organisationen zusammenschließen, um damit Bestimmungspunkte innerhalb und außerhalb der Organisation zu gewinnen, die eine Differenz 115 116 117 118
Klimecki/Probst/Eberl (1991), 125. Miller/Friesen (1980), 270. Vgl. Martin (2006), 421. Vgl. auch Schoemaker/Nijhof/Jonker (2006), 451 f. Vgl. Engels (2007), 209.
44
Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode
zu ihrer Umwelt ermöglichen. Baecker stellt auch den hohen Stellenwert der Kommunikation heraus. Das Netzwerk besteht ihm zufolge „aus aktuellen Beziehungen und, fast noch wichtiger, aus aktualisierbaren Beziehungen, die innerhalb der Organisation den Spielraum schlechtdefinierter Systeme bieten, den eine Organisation auf der Grundlage ihrer eigenen Kommunikation und der menschlichen Intelligenz braucht.“119 Im intraorganisatorischen Netzwerk markiert die Unternehmensgrenze nicht mehr Innen und Außen, die sich durch unterschiedliche Struktur (Unternehmen versus Umwelt) auszeichnen, sondern trennt strukturähnliche Systeme, die als Netzwerk miteinander verknüpft sind.
Der netzwerktheoretische Ansatz gibt über „netzwerkinterne Mechanismen und dabei in erster Linie über die die einzelne Unternehmung schützende Funktion des übergeordneten Netzwerks“120 eine Erklärung des Anpassungsprozesses von isolierten Einheiten zu netzwerkartigen Verbünden von Organisationen und füllt damit die durch die kontingenztheoretischen Ansätze hinterlassene Erklärungslücke. Die Forschung zu interorganisatorischen Netzwerken wie strategischen Allianzen weist auf Kosteneinsparung durch Nutzung von Synergien, aber zugleich auf explizite Nutzenaspekte der Netzwerkkooperation hin. Die Senkung der Transaktionskosten, z. B. durch Ressourcenpoolung, ist Ziel des Zusammenschlusses, aber zunehmend wird die Erzielung von Transaktionsnutzen aus dem Aufbau von Beziehungen und der Erzielung von interorganisatorischen Lerneffekten betont.121 Umso näher liegt es, die Potentialität des Netzwerkbegriffs zunächst auf der organisationsinternen Ebene, im intraorganisationalen Netzwerk, zu erproben, da die Ausweitung auf interorganisationale Netzwerke – als Netzwerke aus Netzwerken – dann als die logische Fortsetzung erscheint. Der in methodischer Hinsicht weit ausgereiften sozialen Netzwerkforschung wird zurecht vorgehalten, eine Dopplung zur betriebswirtschaftlichen Netzwerkforschung hinzunehmen, ohne sich ausreichend um Anschlussmöglichkeiten zu bemühen.122 Gleichzeitig werden Theorietraditionen, die der sozialen Netzwerkforschung hinsichtlich Methoden und theoretischen Konstrukten näher stehen als die Betriebswirtschaftslehre, wie der Konstruktivismus, die Strukturationstheorie und nicht zuletzt die Systemtheorie, nicht berücksichtigt.
119 120 121 122
Baecker (1999), 26. Nippa (1988), 248. Vgl. Hoffmann (1999), S. 53. Vgl. Aderhold (2004), 133.
Analyse der Eignung der Systemtheorie
45
Diese Arbeit weist mit ihrer durchgängig systemtheoretisch formulierten Basistheorie und den Bezugnahmen auf transaktionskostentheoretische und netzwerktheoretische Konzepte das Potential auf, eine „theoretisch angemessene Darstellung der Ausgestaltung sozialer Netzwerke im Unterschied zu anderen sozialen Gebilden (Systemen)“123 zu leisten.
3.2
Analyse der Eignung der Systemtheorie
Den Erkenntnisgegenstand der neueren Systemtheorie bilden dynamische und komplexe Systeme, d. h. aus Teilen bestehende Ganzheiten124, die über die reine Bestandserhaltung hinaus gehende Zwecke verfolgen und ständiger Veränderung unterliegen. Das systemtheoretische Erkenntnisinteresse besteht in der Erforschung der allgemeinen Merkmale von Systemen, ihrer Funktionsweise und der darauf aufbauenden Möglichkeiten ihrer zielgerichteten Gestaltung und Lenkung.125 Da es im Folgenden unvermeidlich sein wird, den Begriff “System” bei der Beschreibung von “Systemeigenschaften” und “Systemverhalten” mitzuführen, soll dieser zunächst erläutert werden. Diese Beschreibung ist als Arbeitsgrundlage zu verstehen, die im Zuge der basistheoretischen Darstellung126 durch das elaboriertere Systemkonzept der Theorie selbstreferentieller Systeme ersetzt wird. Der Systembegriff hat eine duale Wertigkeit. Systeme stellen aus kleineren Einheiten zusammengesetzte Ganzheiten dar, die sich durch ihre Organisation und ihre Struktur auszeichnen. Beide Seiten des dualen Begriffs sind erforderlich, um die Natur von Systemen, gleich ob es sich um naturwissenschaftliche, ingenieurwissenschaftliche oder betriebswirtschaftliche Systeme handelt, vollständig zu erfassen. Beschreibt die Organisation des Systems die invarianten Beziehungen von Einheiten, die eine Klassifizierung in eine bestimmte Systemklasse ermöglicht, wird mit der Struktur von Systemen ein “spatiotemporal arrangement of particular components through which the underlying organization is realized in a given space and at a given point in time”127 bezeichnet. Zur statisch-klassifikatorischen Einordnung von Systemen muss die Beschreibung ihrer Anordnung und ihres Bestands, also eine räumliche und temporale Komponente, hinzukommen. Der Zugang zur Systemtheorie kann entsprechend auf zwei 123 124
125 126 127
Aderhold (2004), 134. Dieser bis in die Antike zurückzuverfolgende Systembegriff stellt eine erste, aber noch recht grobe Näherung an den Begriff des Systems dar. Luhmann vermisst an dieser Begriffsfassung eine Erklärung des Zusammenhalts der Teile zu einem Ganzen, also der Beziehungen zwischen den Systemelementen. Darüber hinaus bleibt unklar, worin der „surplus“ besteht, den das Ganze über die Summe der Teile hinaus ausmacht. Vgl. Luhmann (1996), S. 20. Vgl. Ulrich (1989), 188. Vgl. Kapitel 4.1. Zeleny (1981), 5.
46
Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode
grundlegende Arten erfolgen. Wird eine entwicklungsgeschichtliche (Längsschnitts-) Betrachtung gewählt, kann nachvollzogen werden, welche Schwerpunkte die neuere Systemtheorie von den Anfängen der Kybernetik unterscheidet.128 Alternativ kann eine Darstellung anhand wesentlicher Kategorien erfolgen, die als Querschnittsbetrachtung nur punktuell auf historisch kontroverse Aspekte Bezug nimmt. Ein Mittelweg aus temporaler und kategorialer Betrachtung findet sich bei Krink (vgl. Abbildung 6):
Systemtheoretische Thematisierung
Kategoriale Betrachtung
Differenzschema System/Umwelt
Differenzschema System/Elemente
Kategorie: Emergenz, Synergie
Kategorie: Emergenz, Selbstreferentialität
Vorrang der Umwelt
Vorrang des Systems
ÆUmweltdeterminismus
ÆFreiheitsgrade,
Traditionelle Organisationstheorie
Moderne Organisationstheorie
Gestaltung Umwelt
der
(Post-) Moderne Organisationstheorie
Temporale Betrachtung
Abbildung 6: Theoriengeschichtliche Genese systemtheoretischer Kategorien Quelle: grundlegend verändert übernommen von Krink (2006), 261
Wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Systemgedankens in der Betriebswirtschaftslehre hat Barnard genommen. Er versteht unter einer Organisation ein „System bewußt koordinierter Handlungen oder Kräfte von zwei oder mehr Personen“.129 Mit dem Aufbau und der Pflege des unternehmensinternen Kommunikationssystems, dem Management von Interessendivergenzen bei der Gewinnung und der Bindung von Mitarbeitern und der Motivationsfunktion des Führungsverhaltens von Vorgesetzten werden wesentliche Erfolgsfaktoren von Unter128
129
Typische Beispiele solcher theoriengeschichtlichen Überblicke finden sich z. B. zur Wissenschaftstheorie und Organisationstheorie bei Scherer (2006), zur Systemtheorie bei Stünzner (1996), 41 ff. sowie mit einem umfassenderen Systembegriff (“Weltsystem”) bei Aretz (2006). Barnard (1938), 73 ff., zit. nach Geißler (2000).
Analyse der Eignung der Systemtheorie
47
nehmen in den Vordergrund gerückt. Die Betonung des Vorrangs der Pflege von Beziehungen vor der Koordination durch Anweisung als Aufgabe der Führungskraft ist eine Vorwegnahme der Betrachtung der Verknüpfung zwischen den Systemteilen, auf die sich bei Fragen der Koordination spätere Systemtheoretiker bezogen.130 Hervorzuheben ist weiter die Systematisierungsleistung Heinens, der die Betriebswirtschaftslehre versteht als „ein System, das Informationen zum Zweck der Entscheidungsfindung und – durchsetzung verarbeitet.“131 Er nimmt eine Einteilung in drei Subsysteme, das politische System (Grundsatzentscheidungen wie Ziele, Strategien, Ressourcenzuteilung), das administrative System (Umsetzung der Politik nach Inhalt, Umfang und Zeit durch Programme und Pläne) und das operative System (Ausführung der Programme und Pläne) vor132, das im Weiteren prägenden Charakter für die Disziplin entfaltete. Der Ansatz, die Dynamik und Vernetztheit von Systemen durch simultane Differenzengleichungen zu beschreiben, zeugt dagegen von einer im Vergleich zur Betriebswirtschaftslehre eher formal-mathematischen Prägung systemtheoretischer Forschung in der Volkswirtschaftslehre.133 Auch wenn die Bedeutung der informalen Organisationsstruktur in der Organisationswissenschaft (z. B. als Koordinationsinstrument) schon früh erkannt wurde und damit der Beitrag der Pädagogik und der Organisationssoziologie auf diesem Gebiet nicht überschätzt werden darf134, bietet sich auf Basis der Systemtheorie die Möglichkeit, soziale Phänomene, die sich erst auf einer überindividuellen Ebene zeigen, wie kollektives Lernen und gegenseitige Beratungsbeziehungen, in die Analyse einzubeziehen und diese fundierter zu untersuchen als bei Unterlegung einer „generischen“ Theorie wie der Organisationswissenschaft. Die grundlegenden organisationswissenschaftlichen Begriffe wie Aufbau- und Ablauforganisation, Delegation, strukturale und nicht-strukturale Koordination bilden aber den grundlegenden Hintergrund der Ausführungen. Kompatibilität der organisationswissenschaftlichen Theorie mit der soziologischen Theorie selbstreferentieller Systeme kann insofern unterstellt werden, als ein hoher Deckungsgrad des Konzepts der formalen Organisationsstruktur nach organisationswissenschaftlicher und soziologischer Lesart besteht135, der wohl auf einem „Theorieimport“ aus der betriebswirtschaftlichen Organisationswissenschaft in die Soziologie beruht. Auf eine ausführliche Einführung in die organisationswissenschaftlichen Grundbegriffe wird in dieser Arbeit
130 131 132 133 134
135
Vgl. Wolf (2003), 139 f. Heinen (1985), 53. Vgl. Heinen (1985), 53 f. Vgl. Wolf (2003), 130. Im Ansatz findet sich eine Unterschätzung des Beitrags der Organisationswissenschaften und im Gegenzug eine Überschätzung der pädagogisch-soziologischen Beitrags in Bezug auf informale Phänomene in Organisationen bei Ringshausen (2000), insbesondere 120 ff. Vgl. Ringshausen (2000), 119.
48
Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode
aus Gründen der hohen Übereinstimmung in der organisationswissenschaftlichen Literatur136 und zugunsten einer thematischen Konzentration verzichtet.
Weiter besteht eine parallele Argumentation mit dem soziologischen Neoinstitutionalismus, dessen Annahme einer losen Kopplung von Organisationen mit ihrer Umwelt zur gleichzeitigen Erzielung von Effizienz (nach innen) und Legitimität (nach außen) mit dem Ziel der Identitätssicherung von Organisationen in der Systemtheorie korrespondiert. Im Unterschied zu diesem Ansatz werden aus der Differenz des Systems zur Umwelt und der gleichzeitigen Abhängigkeit von der Umwelt in der Systemtheorie andere Schlussfolgerungen gezogen. Der Erhalt des Komplexitätsgefälles zwischen Organisation und Umwelt wird durch die in der Systemtheorie erstmals enthaltene Selbstreferentialität des sozialen Systems erklärt. Vom Neoinstitutionalismus trennt die Systemtheorie außerdem ihr fehlendes Interesse an der sozialen Einbettung von Institutionen, d. h. die Vernachlässigung der Wirkbeziehung zwischen sozialen Beziehungen als unabhängigen und Institutionen als abhängigen Variablen.137
Die Auswahl einer Basistheorie aus dem Bereich der Soziologie ist damit zu begründen, dass im Unterschied zur organisationswissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Forschung die Organisationssoziologie eine vergleichsweise differenziertere Berücksichtigung von informalen Strukturen und Kommunikationsprozessen vornimmt. Damit wird der „Innenbetrachtung“ der Organisation als Sozialstruktur und der individuellen Handlungsorientierung in ihrer „autopoietischen“ Funktion eine hohe Bedeutung beigemessen.138 Mit der Berücksichtigung der Vorleistungen der Organisationssoziologie mit dem Schwerpunkt auf der Theorie selbstreferentieller Systeme wird damit eine Fortsetzung der parallelen Forschungsanstrengungen auf den Gebieten der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere dem Teilgebiet der Organisationswissenschaften, und der Soziologie vermieden und die Vorleistungen auf beiden Bereichen aneinander anschlussfähig gemacht. Nachdem bezogen auf die Systemtheorie bei der Darstellung des weiteren Vorgehens bereits von einer biologistischen Forschungsstrategie Abstand genommen wurde, ist im Folgenden der ausgewählte systemtheoretische Entwicklungsstrang noch von den weniger geeigneten Theorielinien kybernetischer und handlungstheoretischer Prägung abzugrenzen.
136
137
138
Als „blueprint“ kann das in der wissenschaftlichen Community stark rezipierte und empirisch validierte Modell von Kieser/Kubicek (1992) gelten, das in der aktuellen Fassung durch Kieser/Walgenbach (2007) vorgelegt wurde. Das Problem der „embeddedness“ kann mithilfe der Weiterentwicklungen der Transaktionskostentheorie behandelt werden Vgl. hierzu Kapitel 4.2. Vgl. Ringshausen (2000), 199 ff.
Analyse der Eignung der Systemtheorie
49
Zunächst ist in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der systemtheoretischen Analysen und der Theoriekritik festzustellen, dass die Systemtheorie “provides a unified framework for the analysis of social reality at a highly aggregated level.”139 Das hohe Abstraktionsniveau einer solchen „grand theory“ ist nicht per se zu kritisieren oder zu würdigen, sondern hat sich in seiner Eignung zur Beantwortung konkreter Fragestellungen zu bewähren. Die Systemtheorie stellt in der organisationstheoretischen Genese eine wichtige Wegmarke dar, da in ihr die zuvor getrennten verhaltenswissenschaftlichen und formal-strukturellen Entwicklungsstränge zusammengeführt wurden. Die Theorie sozialer Systeme nach Luhmann vereint unter Bezugnahme auf die Arbeiten von Maturana und Varela140 die theoretischen Vorarbeiten des geschlossenen und des offenen Modells zum autopoietischen, teilweise geschlossenen System, das Offenheit und Geschlossenheit als sich gegenseitig bedingende Größen statt als Gegensätze behandelt. Ein autopoietisches System ist „selbsterzeugend“, d. h. seine Operationen bestehen darin, die Elemente und Relationen, aus denen es besteht, zu produzieren, womit das alleinige Ziel des Systems das System selbst ist.141 Der Unterschied zu frühen Systemkonzeptionen besteht in einer „Enttrivialisierung“ des Systems, das nicht mehr als Input-Output-Beziehung aufgefasst wird, so dass das eigentlich interessierende „Innenleben“ der Organisation als „black box“ behandelt wird.
Als Grundelement von Organisationen wird in der Theorie sozialer Systeme Kommunikation identifiziert, die als Reaktion auf Verhaltenserwartungen im etablierten Regelsystem der Organisation verstanden werden kann. Kommunikation wird in Form von Entscheidungen verhaltenswirksam. Entscheidungen sind nach Luhmann „keine prädizierbaren Objekte, sondern differenzerzeugende Operationen.“142 Für die Arbeit ist die Sicht der Systemtheorie von Nutzen, Entscheidungen als regelgebunden und regelbestimmt zu betrachten und insofern vom individuellen Entscheider loszulösen. Organisationen als soziale Systeme setzen sich im Gegensatz zur Handlungstheorie und der traditionellen Organisationstheorie nicht aus handelnden Individuen zusammen, sondern ihre kleinsten Einheiten sind Handlungen143, genauer Kommunikationen bzw. kommunizierte Entscheidungen.144 Mit der Kategorie der kommunizierten Entscheidung wurde eine an die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie anschlussfähige Begriffsfassung gefunden, die im Weiteren zugrundegelegt, werden soll.145 Zwar ist der Refe139 140 141 142 143 144
145
Mayrhofer (2004), 180. Vgl. Maturana/Varela (1987). Vgl. Krieger (1996), 36. Luhmann (2000), 170. Vgl. Luhmann (1982). Vgl. Luhmann (1996). Luhmann hat die genaue Beschreibung der Letztelemente von Systemen im Forschungsverlauf revidiert und konkretisiert. Mit dem Begriff der kommunizierten Entscheidung schließt sich Luhmann an die Theorietradition des Kollektivismus im Gegensatz zum Individualismus an, da das originär Soziale als eine erst im Zusammenspiel von Individuen emergent entstehende Ordnung begriffen wird. Auf die Reibungspunkte zwischen der klassischen Forschungstradition des methodologischen Individualismus und einer kollektivistischen Sicht auf Organisationen wurde in Kapitel 1.3 eingegangen. Die Implikatio-
50
Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode
renzpunkt von Entscheidungen z. B. in der deskriptiven Entscheidungstheorie146 das Subjekt, aber kollektive Einflussfaktoren auf die Entscheidungsbildung gewinnen auch entscheidungstheoretisch an Gewicht. So sind z. B. Verfahren, die Entscheidungen trotz der angenommenen begrenzten Rationalität der Entscheider ermöglichen sollen (z. B. Arbeitsteilung, Entscheidungsprämissen, Macht) in den kollektiven, handlungsleitenden Strukturen verankert, die individuenunabhängig wirksam sind.147 Indem individuelle Entscheider so vom Druck der Komplexität entlastet werden, wird kollektiv konvergentes Verhalten möglich. Im Gegensatz zu handlungstheoretischen Ansätzen stehen systemtheoretisch nicht Absichten und Zwecke, die ein Handelnder verfolgt, im Vordergrund, sondern es wird mit Kommunikation eine hiervon abstrahierende Analyseeinheit gefunden. Kommunikation erzeugt eine Überfülle an Anschlussmöglichkeiten, das Auswahlproblem (Selektion) avanciert damit von der Ebene der Alternativenwahl zur zentralen organisatorischen Aufgabe.148 Mit der Abkehr von der Analyseeinheit der handelnden Person geht eine Vernachlässigung von Machtaspekten durch die Systemtheorie einher. Der klassische Machtbegriff ist systemtheoretisch nicht mehr nutzbar, da er zwingend auf Personen rekurriert. Rother formuliert, dass Macht daher aus systemtheoretischer Sicht nicht auf Personen zugerechnet wird, sondern Einflussmöglichkeiten des Einzelnen dadurch entstehen, dass Individuen in asymmetrischen Beziehungen anderen Macht zusprechen.149 Dass die Systemtheorie Macht auf Fälle der Ausbeutung ‚selbst geschaffener Zwangslagen’150 beschränkt, wird der Machtbezogenheit von Kommunikationsprozessen nicht gerecht und ist gerade angesichts der zentralen Rolle der Kommunikation in der Systemtheorie nicht nachvollziehbar. Die Diskurstheorie und der organisationale Symbolismus weisen hier auf die fundamentale Rolle von Macht durch Gebrauch von Text, im weiten Sinne verstanden als Gebrauch von Sprache in jeder Form, hin und verdeutlichen damit, dass organisationale Strukturen als Ergebnis sozialer Konstruktionen, die durch die mächtigsten Akteure beeinflusst werden, anzusehen sind.151 Der Machtaspekt wird in dieser Arbeit nicht ausgeblendet, sondern davon ausgegangen, dass ein ungleicher Zugang zum Aufbau und zur Nutzung von Sozialkapital besteht und dass die ‚offizielle’ Ordnung durch funktionale (und dysfunktionale) Mikropolitik ergänzt (bzw. unterminiert) wird.152 Es wird von Machtasymmetrie in Zielbildungsprozessen und zwischen dominanten und peripheren Gruppen ausgegangen.153
146 147 148 149 150 151 152 153
nen aus der wissenschaftstheoretischen Verortung der Arbeit für die Reichweite der Ergebnisse werden konzeptionell in Abschnitt 7.1 und bezogen auf konkrete Instrumente in Abschnitt 7.2 dargestellt. Vgl. grundlegend March/Simon (1958). Vgl. Berger/Bernhard-Mehlich (2006), 180. Vgl. Luhmann (2000), 46. Vgl. Rother (1996), 153. Vgl. Luhmann (2003), 169 ff., zit. n. Baecker (2003). Vgl. Gioia/Pitre (1990), zit. n. Scherer (2006), 38. Vgl. insbesondere die Aussagen zu Mikropolitik in Organisationen bei Neuberger (2002) sowie Kapitel 5.3. Vgl. zum Erklärungsansatz des Diversity Management näher Kapitel 5.3.2 und 5.3.3.
Analyse der Eignung der Systemtheorie
51
Die Personalauswahl als machtgeprägter Vorgang der Stabilisierung bestehender Organisations- und Personalstrukturen durch Aushandlung („negotiation of order“) kann damit ebenso betrachtet werden wie die Frage der ungleichen Zugangschancen zur Konziliaren Organisationsstruktur, d. h. der Ressourcenmacht (z. B. Zugang zu Personalinformationssystemen, Gelegenheit zum Aufbau von Kommunikations- und Kooperationskompetenz). Kommunikation ist als konstituierender Bestandteil des sozialen Systems Organisation aufzufassen mit der Funktion der Steuerung der “Chancenverteilung für Teilnehmer und für Beiträge zu weiterer Kommunikation.”154 Die Regelung positionaler Macht, die die formalen Organigramme überlagert und sich z. B. in der Stellung und Dichte der kommunikativen Beziehungen einer Person im organisationsinternen Beziehungsnetzwerk zeigt, lässt die Informationsverdünnung und – rückgewinnung zu einem zentralen Managementproblem werden.
Nicht nur die Rolle der Organisationsmitglieder, auch das Verhältnis zur Umwelt wird durch die Theorie selbstreferentieller Systeme über die Konzepte der operationalen Geschlossenheit und selbstreferentiellen Funktionsweise des Systems auf eine neue Grundlage gestellt. Die Mitglieder der Organisation werden in der Umwelt verortet.155 Die Theorie sozialer Systeme klärt die Beziehung zwischen den Elementen des Systems und deren Verhältnis zum System als Ganzes.156 Es wird eine qualifizierende Aussage darüber getroffen, worin genau der Zugewinn des Ganzen gegenüber den Teilen besteht. Durch Verknüpfung von Elementen zu einem System wird nicht lediglich eine quantitative Erweiterung der möglichen Aktivitäten durch Neukombination der Teile erzielt, sondern die „Möglichkeiten der Teile” werden “auf die Funktionsbedingungen des Ganzen hin“157 ausgerichtet, also zweckorientiert eingeschränkt.158
Aus pragmatischer Perspektive spricht für die Wahl der Systemtheorie für diese Arbeit weiter ihre Eignung, “Phänomene auf der Individual-, Gruppen- und Organisationsebene und das Wechselspiel zwischen diesen Ebenen konzeptionell bruchlos zu diskutieren und miteinander zu verbinden.”159 Es besteht eine hohe Anschlussfähigkeit zwischen der Systemtheorie und der sozialen Netzwerktheorie, da der systemtheoretische Ansatz die „inneren Voraussetzungen (formale/informale Soziogramme zwischen Informations-/Entscheidungsträgern und deren
154
155
156 157 158
159
Luhmann (2000), 60. Hier besteht eine enge Beziehung zur verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie, in der das Gleichgewicht aus Teilnahme- und Beitragsentscheidungen in Organisationen als bestandskritische Größe aufgefasst wird. Vgl. March/Simon (1958). Vgl. Willke (1996b), 154 und 157. Diese Sichtweise ist in hohem Maße an die Sicht der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie anschlussfähig, die die Kluft zwischen Person und Organisation als ein grundsätzliches Bestandsproblem erkennt. Vgl. Berger/Bernhard-Mehlich (2006), 174. Vgl. Rother (1996), 21. Vgl. Willke (1996b), 84. Diese Einschränkung der Verhaltensmöglichkeiten der Mitglieder der Organisation auf eine „Indifferenzzone“ wird unter dem Begriff „Inklusion“ in Kapitel 4 wieder aufgegriffen. Mayrhofer (1996), 96.
52
Begründung der Eignung der Basistheorie und der Forschungsmethode
Vertrauensbasis) [der Netzwerkbildung, I. L.] näher beleuchtet.“160 Die theoretische und methodische Kompatibilität der Systemtheorie für die Analyse sowohl der individuellen Akteursebene als auch der Organisation insgesamt leitet sich aus dem durchgängig gültigen Prinzip der Selbstreferentialität ab.161 Selbstreferentielle Operationen sichern den Fortbestand der Organisation (durch Verknüpfung von kommunizierten Entscheidungen), stellen die Lebensfähigkeit des Organismus (durch Zellerneuerung) sicher und schaffen die Voraussetzung für Identitätsbildung und Lernen von Individuen (durch Verknüpfung von Gedanken und Kognitionen). Die Theorie sozialer Systeme ermöglicht die Betrachtung der Organisation als eigenständiger Entität in ihrer Bedeutung für Verständigungsvorgänge und erweitert damit den durch den methodologischen Individualismus eingeschränkten Forschungszugang. Nicht individuelle Kommunikationsvorgänge und ihre Spiegelung in psychischen Systemen, d. h. ihre Bedeutung für die einzelnen Entscheider, ist von Interesse, sondern die Wirkung von Kommunikation für das gesamte soziale Gefüge.162
Die Systemtheorie Luhmannscher Prägung weist darüber hinaus ein hohes Potenzial zur Erklärung makrostruktureller Phänomene auf, indem z. B. auf die enge Kopplung zwischen Organisationen und ihrer Umwelt verwiesen wird. Im Unterschied zum Neo-Institutionalismus, der soziologischen Variante der Neuen Institutionenökonomie, bleibt die Systemtheorie dabei weniger der Vorstellung der Konvergenz durch mimetische Prozesse verhaftet, sondern postuliert die relativ persistente Emergenz gesellschaftlicher Teilsysteme. Die Existenz der Teilsysteme und der ihnen zugehörigen ökonomischen, wissenschaftlichen und politischen Organisationen wird durch ihre spezifische gesellschaftliche Funktion erklärt.163 Die Makro-Analyseebene soll hier angesichts ihres weiten Blickwinkels und der damit einhergehenden Vernachlässigung der Binnen-Sicht der Organisation nicht weiter verfolgt werden. Stattdessen wird die Leistungsfähigkeit der Systemtheorie auf der Mikro-Ebene der Organisation genutzt. Ebenso wenig wird die Systemtheorie als Gestaltungsansatz verstanden, wie es sich bei Stünzner andeutet, die konstatiert: „Nach wie vor steht die zweckoptimale Gestaltung der Organisation im Vordergrund mit dem Ziel, eine effektive und effiziente Koordination arbeitsteiliger Aufgaben zu erreichen, um eine bzw. mehrere Aufgaben optimal zu erfüllen. Diese Gemeinsamkeit macht den systemtheoretischen Organisationsansatz zu einem betriebswirtschaftlichen Organisationsansatz.“164 Mit der Analyse der organisationsstrukturellen Voraussetzungen für Funktionsfähigkeit und Selbsterhalt von Organisationen und der Erklärung unterschiedlicher Organisationsstrukturen durch ihre Funktion, Unsicherheit bzw. Komplexität zu verarbeiten, steht die binnenorientierte 160 161 162 163 164
Kensy (1995), 244. Vgl. Mayrhofer (1996), 97. Vgl. Picot/Reichwald/Wigand (2001), 105. Vgl. Hasse (2005), 261. Stünzner (1996), 167
Analyse der Eignung der Systemtheorie
53
Systemtheorie in direkter Linie mit der Kontingenztheorie und der deskriptiven Entscheidungstheorie165, erweitert deren Leistungsfähigkeit aber um die Analyse emergenter, kollektiver Phänomene, die z. B. anhand der Kommunikation und Kooperation in Gruppen beobachtbar sind. Die System-Umwelt-Differenz ist konstitutierend für die Trennung zwischen zur Organisation Gehörigem und Nicht-Zugehörigem. Die Systemtheorie steuert hier zum einen das grundlegende Prinzip der Ordnungsbildung, die Selektion mittels Beobachtung und Unterscheidung, bei und bietet über den Vorgang der Inklusion und Exklusion eine Entsprechung für die personalwirtschaftlich relevante Auswahl geeigneter Mitarbeiter, die einen hohen „person-job-fit“ aufweisen. Die Umweltabgrenzung gelingt der Organisation durch die theoretische Figur der selbstreferentiellen Reproduktion, die in der vorliegenden Arbeit auf die aus der Sicht der Organisationswissenschaft und der Personalwirtschaft166 zentralen Kategorien der Qualifikation und Kompetenz bezogen wird. Es wird gefragt, ob und wie unintendierte, emergente Lernvorgänge und bewusst gestaltete Lernvorgänge mithilfe der Systemtheorie erklärt und durch personalwirtschaftliche Maßnahmen, insbesondere solche der Personalentwicklung, gefördert werden können. Bevor die Beschreibung der Konziliaren Organisation erfolgen kann, ist die systemtheoretische Basis konkreter als im bisherigen kurzen Abriss zu fundieren.
165
166
Vgl. auch Hasse (2005), 258. Vgl. grundlegend zum Kontingenzansatz Burns/Stalker (1961) und Mintzberg (1979) und zur deskriptiven Entscheidungstheorie March/Simon (1958). Für die genannten Felder werden in Kapitel 7 Schlussfolgerungen abgeleitet und in Kapitel 8 die wesentlichen Aussagen der Arbeit als Erkenntnisertrag ausgewertet.
54
Basistheoretische Grundlagen
4. Basistheoretische Grundlagen 4.1
Systemtheoretische Grundlagen
4.1.1
System
Die Systemtheorie unterscheidet in sich selbst erzeugende (autopoietische) und fremderzeugte (allopoietische) Systeme (vgl. Abbildung 7).
Systeme
allopoietische Systeme
Maschinen
Mechanische Systeme
autopoietische Systeme
Organismen
Psychische Systeme
Soziale Systeme
Natürliche Systeme
Abbildung 7: Übersicht über die Systemarten Quelle: Schneider (2005), 274.
Soziale Systeme (Organisationen) und psychische Systeme als selbstreferentielle, d. h. sich selbst erzeugende (autopoietische), Systeme unterscheiden sich von fremderzeugten (allopoietischen) Systemen wie Maschinen dadurch, dass sie (a) nicht zu einem eindeutigen Gleichgewicht streben und (b) zu den Sinn verarbeitenden Systemen gehören. Personen als psychische Systeme und Organisationen als soziale Systeme verbindet die Eigenschaft, Strukturen auf der Basis von Erwartungen auszubilden, die durch Zuschreibung von Sinn entstehen. Von Organismen unterscheiden sich Organisationen durch die Art und Weise, wie sie Sinn verarbeiten. Die entsprechende Operation zur Verarbeitung von Sinn auf Ebene der Organisation ist die Kommunikation. Erwartungen bilden dabei eine Verhaltensgrundlage, indem sie den Bereich einschränken, auf den sich Kommunikation beziehen kann und so Anschlussmöglichkeiten für weitere Kommunikation im Voraus definieren. Damit erfüllen Erwartungen die doppelte Funktion, (1) durch Auswahl geeigneter Handlungen den Möglichkeitsspielraum einzuschränken und (2) auf Basis dieser Vorfestlegung Handlungsfähigkeit sicherzustellen, da neue Handlungen an vorherige anschliessbar werden, was als Voraussetzung für Lernprozesse gesehen wer-
Systemtheoretische Grundlagen
55
den kann.167 Im Unterschied zu organischen und neurophysiologischen Systemen, z. B. den Zellen des Nervensystems, ist es der Organisation auf Basis von Sinn möglich, die Unterscheidung zwischen Umwelt und System in die Organisation selbst wieder einzuführen168, d. h. “dass die Differenz von System und Umwelt im System selbst produziert und reproduziert werden muss und dass genau dies die Systeme dazu zwingt, ihre Umwelt zu beachten.”169
Die Entwicklung des Systembegriffs hat sich in mehreren Stadien der zunehmenden Verfeinerung und Konkretisierung vollzogen. Einem mechanistisch-reduktionistischen Verständnis folgend, wurden Unternehmen zunächst als triviale Systeme konzeptualisiert, mit der Aufgabe der Transformation von Inputfaktoren in Outputfaktoren, bewerkstelligt durch eine Transformationsfunktion als kausale Verkettung zwischen Eingangs- und Ausgangsgrößen. Handlungstheoretische und strukturfunktionalistische Theorien erfassten das Verhältnis des Systems zur Umwelt als “Input-Output-Schema, die Strukturen als Regeln der Transformation [zwischen Input und Output, I. L.], die Funktionen als eben diese Transformation, die man durch Variation der Strukturen beinflussen zu können hoffte.”170 Beispiele für diese deterministische Maschinen-Metapher stellen das Modell des Unternehmens als Kombination aus Produktionsfaktoren nach Gutenberg und die Bürokratietheorie Max Webers171 dar. Die wesentliche Eigenschaft dieser stark vereinfachten Systemmodelle besteht in der Ausblendung der Umwelt, weshalb solchermaßen konstruierte Systeme auch als „geschlossene Systeme“ bezeichnet werden. Systeme konstituieren sich dieser Sichtweise zufolge aus dem Zusammenspiel ihrer Teile („order from order“).172 Den Anfangspunkt einer fruchtbareren Systemkonstruktion markieren die Arbeiten Parsons’ und Bertalanffys. Parsons verwies mit der Dualität von Struktur und Funktion auf die funktionalen und dysfunktionalen Effekte des Handelns für die Zielerreichung in Organisationen, während Bertalanffy mit dem Konzept des offenen Systems den Übergang vom nicht einlösbaren Anspruch universaler Gestaltungsempfehlungen zu situativ bedingten, auf die Umwelt konditionierten, Aussagen vollzogen hat.173 Die offene Systemkonzeption, die Ulrich auf Basis der technisch-naturwissenschaftlichen Vorarbeiten der frühen Systemtheorie und der Kyberne167
Vgl. Weik/Lang (2003), 185.
168
Vgl. Luhmann (1996), 64. Luhmann (2000), 36. Luhmann (1996), 24. Vgl. hierzu grundlegend die Unterscheidung Varelas zwischen einer “input-type description”, derzufolge die Struktur des Systems durch die Input-Output-Beziehung zur Umwelt determiniert ist, und einem Systemzustand, den er “operational closure” (operationale Geschlossenheit) nennt. Inputdeterminierte Systeme erzielen Adaptation an die Umwelt durch optimale Ausrichtung an den Anforderungen der eingehenden Inputs. Operational geschlossene Systeme dagegen passen ihre Strukturen an veränderte (eigene) Anforderungen an. Vgl. hierzu die grundlegende, auf biologische Vorgänge wie Gehirnfunktionen bezogene Darstellung bei Varela (1984), 27, die in der Folgezeit durch die neuere Systemtheorie und die betriebswirtschaftliche St. Gallener Managementschule auf soziale Systeme übertragen wurde. Vgl. grundlegend Gutenberg (1983) sowie Weber (1976). Vgl. Mayrhofer (2004), 180. Vgl. grundlegend Parsons (1951), Bertalanffy (1950), vgl. auch Hill/Fehlbaum/Ulrich (1998), 436.
169 170
171 172 173
56
Basistheoretische Grundlagen
tik entwarf, berücksichtigt auch die Umweltbedingtheit und Umwelteinbettung unternehmerischen Handelns. Ein System ist danach eine gegenüber der Umwelt abgegrenzte Einheit von Elementen, die durch Beziehungen miteinander verknüpft sind.174 Mit der Umweltabgrenzung und der Verknüpfung zwischen den Systemteilen waren wesentliche Voraussetzungen der Systembildung in Form einer Minimaldefintion genannt, die in der Folge problem- und situationsbezogen weiterentwickelt wurde. Im Modell des offenen Systems wird der Bezug zur Umwelt als feste oder lose Kopplung erfasst. Die Funktionsweise des Systems wird jedoch in diesem Stadium der Theoriebildung als von außen beobachtbar und beschreibbar und daher optimal im Hinblick auf Umweltanforderungen steuerbar angesehen.175 In der Vorstellung dieses inputorientierten Systembegriffs ist das System nur “in Betrieb”, solange es durch Inputsignale aus der Umwelt stimuliert wird, seinen “fit” zur Umwelt herzustellen. Dieser allgemeine Systembegriff lässt offen, welche Bestandteile des Systems in Abhängigkeit von der organisatorischen Aufgabenstellung als Elemente anzusehen sind und wie die Relationen zwischen diesen gestaltet sind. Als Elemente kommen der traditonellen betriebswirtschaftlichen Systemtheorie zufolge Aufgaben, Aufgabenträger, Informationen und Sachmittel in Frage. Systeme können unter bestimmten Gesichtspunkten, z. B. nach der Intensität der Leistungsbeziehungen, insbesondere der Kommunikationsbeziehungen, weiter in Teilsysteme unterteilt werden. Die Intention bei der Bildung von Teilsystemen ist die Aufteilung des Systems in handhabbare und bearbeitbare Bereiche, für die gestalterische Teillösungen, z. B. Arbeitsstrukturierung oder Maßnahmen der Förderung für eine bestimmte Mitarbeitergruppe, erarbeitet werden können, ohne dabei die Einbindung in den Systemzusammenhang aus dem Blick zu verlieren.176
Von der frühen systemtheoretischen Konzeption unterscheidet sich die neuere Systemtheorie damit durch den Ersatz der Metapher “Maschine” durch die Metapher “Organismus”, d. h. den Übergang von einem rational-mechanistischen zu einem natürlich-organischen Systemverständnis. Hinzukommt die Betonung der vollständigen oder teilweisen Offenheit von Systemen, die die starke Vereinfachung der Anfangszeit der Systemtheorie überwindet. Die jüngste Entwicklung markiert die soziale Systemtheorie, die mit der “autopoietischen Wende” eine bis dahin nicht beschreibbare Eigenbezüglichkeit (Selbstreferentialität) von Systemen einführt, wenn sie diese auf der materiell-energetischen Ebene als offen, auf der operationalen Ebene aber als geschlossen beschreibt.177 Ein solchermaßen operational geschlossenes System weist ein “Eigenverhalten” (Eigenbehavior) auf, das es umweltunabhängig zu Aktivität befähigt, d. h. nicht nur dann aktiv sein lässt, wenn Inputs in Outputs zu transformieren sind. Die Umwelt-
174 175 176 177
Vgl. Schulte-Zurhausen (2000), 76. Vgl. z. B. Katz/Kahn (1966). Vgl. Schulte-Zurhausen (2000), 85. Vgl. Rother (1996), 29.
Systemtheoretische Grundlagen
57
impulse stellen gegenüber dem System Perturbationen (perturbations bzw. noise) dar, die jedoch das System zu einer Änderung seiner Struktur veranlassen können.178 Der für diese Arbeit relevante Systemtyp ist das nicht-triviale System, das dadurch gekennzeichnet ist, dass ein in dieses eingehender Input, z. B. Bildungsinhalte, nicht zu einem eindeutig kalkulierbaren Output, z. B. Transfererfolg, führt. Interventionen in das System werden damit zu verschiedenen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Ergebnisse erbringen.179 Informationen aus der Umwelt stellen Störungen für das System dar und werden erst zu verarbeitbaren und brauchbaren Informationen durch die Organisation des Systems, die bestimmt, was als für das System relevant ausgewählt wird.180 Umwelteinflüsse werden selektiv in die systeminternen Codes übersetzt und so Ordnung erzeugt (“order from noise” oder “order from selectivity”).181 Eine zusammenfassende Übersicht über die Entwicklungsstadien der Systemtheorie und das jeweils hervorgebrachte Systemverständnis bietet Abbildung 8.
178 179 180
181
Vgl. in Erläuterung der grundlegenden Arbeiten von Varela (1984) insbesondere Kirsch (1992), 198. Vgl. Willke (1996b), 148 f. Vgl. Krieger (1996), 38. Vgl. auch Mayrhofer (2004), 181 sowie Luhmann (1996), 236, der die Einschränkung von Komplexität im Zuge des dreistufigen Selektionsprozesses von Kommunikation mit einer „Sinnüberflutung“ des Systems zur Gewinnung von Informationpotential begründet. Es entstehen Strukturen, die sich angesichts der doppelten Kontingenz von System und Umwelt bewähren und die mit einer „order from noise“-Vorstellung der Ordnungsbildung kompatibel sind. Vgl. Mayrhofer (2004), 181. In dynamischen Ungleichgewichts-Systemen wird hieraus “order through fluctuation”, vgl. Jantsch (1981), 68 in Bezug auf die grundlegende Arbeit von Glansdorff/Prigogine (1971).
58
Basistheoretische Grundlagen
System
rational
natürlich
geschlossen Phase I
Phase II
1900-1930
1930-1960
Bürokratietheorie, klassi- Human sche Managementlehre Bewegung, Systeme (Taylor, Fayol, Weber)
Relationskooperative
(Mayo, Whyte, Roethlisberger/Dickson, Barnard) offen
Phase V 1990-aktuell soziale Systemtheorie, Konzept der selbstreferentiellen Geschlossenheit (Luhmann) Phase III
Phase IV
1960-1975
1975-aktuell
Konzept der begrenzten Rationalität, TAK-Theorie, Agenturtheorie, Kontingenztheorie (March/Simon,
Postmoderne Organisation, Organisationen als soziokulturelle Systeme, funktionale Differenzierung (Weick, Williamson, Alchi- Luhmann) an/Demsetz, Burns/Stalker, Lawrence/Lorsch)
Abbildung 8: Genese des Systembegriffs in der Theoriengeschichte Quelle: Eigene Darstellung i. A. a. die Ausführungen bei Baumueller (2007), 35 f.
Der für diese Arbeit relevante Systemtyp ist die Organisation als soziales System. Auch wenn keine nähere Beschäftigung mit Individuen als psychischen Systemen stattfindet, die mit Bewusstsein und Kognition als Voraussetzung für Lernen ausgestattet sind, stellen diese doch aufgrund ihrer Kopplung mit sozialen Systemen eine bedeutsamen Umweltfaktor des Systems dar. Auch ist es Ziel der Arbeit, Empfehlungen für Maßnahmen der Förderung und der Kompetenzentwicklung zu geben, die sich der Frage stellen müssen, wie systemtheoretisch eine Ableitung von „steuernden“ Maßnahmen überhaupt möglich ist.182
182
In Kapitel 7 wird auf die Konsequenzen der strukturellen Kopplung zwischen Individuen und System eingegangen und es werden Schlussfolgerungen für die Steuerung selbstreferentieller, füreinander wechselseitig geschlossener Systeme abgeleitet und adäquate Interventionsmaßnahmen vorgeschlagen.
Systemtheoretische Grundlagen
4.1.2
59
Inklusion/Exklusion
Inklusion und Exklusion sind Bedingungsgrößen für die Existenz von Organisationen und von organisatorischen Subsystemen wie z. B. Arbeitsgruppen. Es sind gleichzeitig zentrale Begriffe in Bezug auf den organisatorischen Diskurs, da sie über die Akzeptanz von Verhaltensbeiträgen der Mitglieder durch die Organisation entscheiden.
Inklusion und Exklusion vollziehen sich in einem mehrstufigen Prozess. Auf der ersten Stufe (Zeitpunkt t) konstituiert sich das soziale System Organisation durch die Entscheidung über die formalisierte Mitgliedschaft bzw. Nichtmitgliedschaft im System. Die Organisation inkludiert ihre Mitglieder durch formale Auswahl und Eingliederung. Durch Inklusion wird die Grenze zur Umwelt festgelegt und zugleich das Nicht-Zugehörige durch Exklusion ausgeschlossen. Die durch den Inklusions-/Exklusions-Mechanismus ermöglichte teilweise Entkopplung der Motive der Mitglieder von den Interessen der Organisation führt zu einer Stabilisierung des Verhältnisses zwischen der Attraktivität des Systems für seine Mitglieder (z. B. Lohnzahlung, soziale Anerkennung) und den an sie gestellten Verhaltenserwartungen (Arbeitsleistung, Regelkonformität).183
Nach der Entscheidung über die formale Mitgliedschaft erhalten die Mitglieder im zweiten Schritt der Inklusion Gewissheit über die eingeforderten Verhaltensbeiträge, wobei kein unbeschränktes Zugriffsrecht der Organisation auf die Person des Mitarbeiters besteht. Die einforderbare Leistung ist als Teil der sogenannten Indifferenzzone zu betrachten. Alle in diese eingeschlossenen Verhaltensbeiträge können von anderen Teilnehmern abverlangt werden, indem durch Kommunikation eine gegenseitige Festlegung auf das als relevant Betrachtete erfolgt und so die Anschlussfähigkeit weiterer Kommunikation gesichert wird.184
Im Weiteren werden die Kommunikationen inkludiert und weiterverfolgt, die für eine Problemlösung als angemessen und relevant betrachtet werden. Was als angemessen und relevant gilt, kann von einer Gesprächssituation zur nächsten varriieren. Situationsdefinitionen werden immer wieder neu ausgehandelt, so dass soziale Interaktion zum Lernprozess der Akteure durch ständig neue Bedeutungszuschreibungen wird.185 Interaktion der Mitglieder des Systems
183 184 185
Vgl. Weik/Lang (2003), 181. Vgl. Weik/Lang (2003), 181 f. Der konstruktivistische Kommunikationsbegriff erfasst Kommunikation als prekären Prozess, in dem Äußerungen der anderen Teilnehmer als „Perturbationen“, also Störungen, in das System des jeweils anderen eindringen. Konsens ist also nicht selbstverständlich, Kommunikation zielt eher auf Kooperation in „konsensuellen Bereichen“ als auf Konsens ab. Vgl. Bardmann (1994), 94 ff. Vgl. auch Luhmann (1996), 237, der die Festlegung der Kommunikation auf eine systemintegrierende Leistung und damit auf Konsens ablehnt, da
60
Basistheoretische Grundlagen
ist dabei nicht als instruktive Einflussnahme zu verstehen, durch die ein erwünschtes Verhalten ausgelöst werden kann, sondern besteht allenfalls in der gegenseitigen Anregung zur Selbständerung.186 Die im zweiten Schritt (Zeitpunkt t+1) zugelassenen Beiträge können weiterverfolgt werden oder für spätere Verwendungen „auf Eis gelegt“, d. h. als kontingente Alternativen mitgeführt und bei Bedarf aktualisiert werden, so dass man von einer „Temporalisierung“ der Alternativen sprechen kann. Auch wenn in Zeitpunkt t+1 ein Lösungsvorschlag als inadäquat für eine Problemstellung eingestuft wird, kann er zum Zeitpunkt t+2 erneut aufgegriffen (aktualisiert) werden, wenn die Organisation mit Problemen konfrontiert wird, von denen sie in t+1 noch nichts weiß. Die temporalisierten Verhaltensbeiträge (eine Art „Problemlösungsvorrat“) werden erneut daraufhin überprüft, ob sie zugelassen oder ausgeschlossen werden sollen, so dass der zweite und dritte Schritt im Zeitablauf wiederholt durchlaufen werden.187 Der beschriebene mehrstufige Prozess der Inklusion und Exklusion ist in Abbildung 9 dargestellt.
Indifferenzzone Inklusion Inklusion Mitgliedschaft NichtMitgliedschaft Exklusion 1. Stufe
Inklusion
Zugelassene Kommunikation
Weiterverfolgte Kommunikation
TemporaliAusgeschlossene sierte KomKommunikation munikation Aktualisierung Exklusion
Exklusion
t
2. Stufe t+1
3. Stufe t+2
Abbildung 9: Der mehrstufige Prozess der Inklusion und Exklusion Quelle: Eigene Darstellung
186
187
dieser die Kommunikation beenden würde und sie damit nur durch hinreichenden Misserfolg fortsetzbar wäre. Grund für die fehlende Kausalbeziehung zwischen Intervention und Veränderung in Systemen ist die sogenannte „Strukturdeterminiertheit“, nach der Systeme Störungen aus der Umwelt autonom, d. h. nach eigenen strukturellen Gesetzmäßigkeiten, verarbeiten. Beispiele für hieran orientierte Maßnahmen sind medizinische und psychologische Therapien als Intervention in psychische Systeme und die Organisationsdiagnose und beratung als Intervention in soziale Systeme. Hier besteht eine Analogie zum „garbage can“-Modell, demzufolge eine Entscheidungssituation einem Mülleimer (garbage can) vergleichbar ist, in dem Probleme, Lösungen, Teilnehmer und Entscheidungsgelegenheiten entkoppelt sind und vergleichsweise zufällig zusammentreffen. Vgl. Berger, U./Bernhard-Mehlich, I. (2006), 187. Damit sind die tatsächlich verhandelten Probleme, die in Betracht gezogenen Lösungen und die sich für eine Lösung engagierenden Teilnehmer variant und kontextabhängig. Es können Lösungen für Probleme eingebracht werden, die sich die Organisation erst zu einem späteren Zeitpunkt bewusst macht, und die dann aktualisiert werden können.
Systemtheoretische Grundlagen
4.1.3
61
Kontingenz
Ein Sachverhalt wird aus Sicht der Systemtheorie als kontingent bezeichnet, wenn sein Eintritt weder notwendig noch unmöglich ist.188 Ein System ist als kontingent zu bezeichnen, wenn es seine Handlungen in Abhängigkeit von den Umweltanforderungen variieren kann. Kontingenz kann in bezug auf die hier interessierende Analyseeinheit der Entscheidung zwei Ausprägungen annehmen. Bevor eine Entscheidung getroffen wird, besteht offene Kontingenz aufgrund der bestehenden Wahlfreiheit zwischen Alternativen, die gleichermaßen zielführend sind. Nachdem eine Entscheidung getroffen worden ist, spricht man von geschlossener Kontingenz, die durch die Nichtmehrverfügbarkeit derjenigen Alternativen gekennzeichnet ist, die durch die Entscheidung ausgeschlossen wurden. Eine Revision der getroffenen Entscheidung ist nur durch erneutes Entscheiden möglich. Beide Formen werden als Kontingenz bezeichnet, denn die “ausgeschlossenen Möglichkeiten bleiben erhalten. Die zurückgesetzten Interessen können sich wieder melden, die nicht ergriffenen Gelegenheiten kehren nicht zurück und gewinnen gerade dadurch an Bedeutung”189, weil sie die Voraussetzung für die Kritisierbarkeit von Entscheidungen sind. Dies verdeutlicht, dass das Risiko von Entscheidern auch darin besteht, dass sie sich einer nachträglichen Umdefinition ihrer Entscheidungsvoraussetzungen und damit der Kriterien ihrer Entscheidung gegenübersehen.190 Das Konzil kann mit Luhmann als „Interaktionssystem“ begriffen werden. Die Themen der Interaktion werden kontingent gewählt, d. h. es erfolgt im Diskurs mit der Benennung konkreter Handlungsalternativen zugleich eine Bezugnahme auf andere „Möglichkeiten des Prozessierens der Interaktion“191, wobei nicht naheliegende Handlungen vornherein ausgeschlossen werden. Voraussetzung dafür, dass Interaktion im Konzil überhaupt stattfinden kann, ist die Existenz „hinreichende(r) Strukturvorgaben“192, durch die ein Übermaß an Kontingenz, also „grundlose(s) und programmlose(s) Beisammensein“193 ausgeschlossen wird. Die Strukturvorgaben sollen in dieser Arbeit als Mindestvorgaben oder Meta-Regeln identifiziert werden, die den Diskurs ermöglichen und die Problemlösung soweit als möglich dem Konzil als Interaktionssystem überlassen. Auf Ebene des Konzils als Teilsystem der Organisation wird es möglich, ohne Infragestellung des Gesamtsystems den Regeln zuwiderzuhandeln, wodurch ein Spielraum zur gezielten Transformation von Regeln entsteht, indem diesen „funktional äquivalente Alternativen“ gegenübergestellt werden.194 Beispiele sind die bewusste Verfolgung wi-
188 189 190 191 192 193 194
Vgl. Luhmann (2000), 170. Luhmann (2000), 170. Vgl. Harrison/March (1984), zit. n. Luhmann (2000), 170. Luhmann (1996), 571. Luhmann (1996), 572. Luhmann (1996), 572. Vgl. Krieger (1996), 112.
62
Basistheoretische Grundlagen
dersprüchlicher Ziele, z. B. von Effizienz und Innovation (die zunächst Kostentreiber ist), um im Ergebnis die Vorteile beider Zielsetzungen zu kombinieren.
Dem Kontingenzbegriff kommt eine wichtige Stellung in der theoretischen Basis dieser Arbeit zu. Es wird zu zeigen sein, dass die Konziliare Organisation durch eine kontingente Ausprägung von Machtverteilung und eine kontingente Wahrnehmung von Entscheidungsbefugnissen geprägt ist. Die situativ offene Ausgestaltung der Konziliaren Organisation eröffnet Entscheidern höhere Freiheitsgrade, um Fach- und Erfahrungswissen der Teilnehmer des Konzils zu nutzen. Es können sich durch erhöhte Partizipation der Beteiligten Motivationseffekte ergeben, deren Realisierung aber (im Anschluss an die Gruppenforschung195) von der gegenseitigen Wahrnehmung, z. B. der wahrgenommenen Ähnlichkeit, und (im Anschluss an personalwirtschaftliche Überlegungen196) von der Gruppenzusammensetzung abhängt. Die Gruppenzusammensetzung entscheidet auch darüber, ob Fehlerausgleich durch eine Erhöhung der Problemlösekapazität oder aber gestiegene Fehleranfälligkeit (z. B. durch erhöhten Kommunikationsaufwand in heterogenen Gruppen) überwiegen. Es wird zu prüfen sein, wie eine unter Umständen erhöhte Fehleranfälligkeit sich durch geeignete Meta-Regeln und durch die Nutzung der Freiheitsgrade zur situativen Korrektur nicht angemessener Verhaltensbeiträge einschränken lässt.
4.1.4
Komplexität
Systemtheoretisch wird ein System, z. B. eine Organisation, dann als komplex bezeichnet, wenn aufgrund der Zahl der Elemente eine Schwelle erreicht wird, ab der „es nicht mehr möglich ist, jedes Element zu jedem anderen in Beziehung zu setzen.“197 Funktionale Differenzierung, z. B. Arbeitsteilung, erhöht Komplexität. Es gilt, dass “the inclusion of all communicative behaviour into one social system is the unavoidable consequence of functional differentiation.” 198 Funktionale Differenzierung ermöglicht als Beobachtung zweiter Ordnung den gegenseitigen Anschluss der differenten Logiken der Teilsysteme, z. B. auf Ebene der Gesellschaft der Codes des Rechtssystems an die des Wirtschaftssystems.199 Triviale technische Systeme, wie der Thermostat einer Heizungsanlage, reagieren auf Komplexität strukturinvariant, d. h. sie können nur zwei determinierte Umweltzustände erfassen (Umgebungstemperatur wärmer oder kälter als die eingestellte Normtemperatur) und auf diese durch Regelung (Ein- oder Ausschalten des Brenners) reagieren. Komplexität kann durch Tri195 196 197 198 199
Vgl. Rosenstiel (2003a). Vgl. z. B. Pelled/Eisenhardt/Xin (1999). Luhmann (1996), 46. Vanderstraeten (2005), 479. Vgl. Vanderstraeten (2005), 479.
Systemtheoretische Grundlagen
63
vialsysteme nur vernichtet, nicht verarbeitet werden. Durch einen ständigen Wechsel zwischen Möglichkeiten (wählbaren Alternativen) und Wirklichkeiten (gewählten und ausgeschlossenen Alternativen) wird in nicht-trivialen Systemen dagegen Komplexität durch explizites Offenlassen von aktuell nicht realisierten Möglichkeiten verarbeitet, es findet eine Verzeitlichung von Komplexität statt, auf deren Grundlage Lernen des Systems möglich wird.200
Nach Willke wird Komplexität neben dem Aspekt der Vielschichtigkeit durch Vernetzung und Folgelastigkeit beeinflusst.201 Unter Vielschichtigkeit wird das Ausmaß der funktionalen Differenzierung, in bezug auf Organisationen der Grad der Spezialisierung, verstanden. Die Bildung spezialisierter Abteilungen wie Rechnungswesen, Produktion, Personal, Marketing und Vertrieb ermöglicht die Wahrnehmung unterschiedlicher Funktionen durch Ausdifferenzierung in Subsysteme, die spezifische Funktionen für das System erfüllen.202 Je größer die Vernetztheit zwischen den Elementen, desto stärker ist die Folgelastigkeit von Handlungen ausgeprägt. Diese stellt einen Gradmesser für “die Anzahl und das Gewicht der durch eine bestimmte Handlung in Gang gesetzten Kausalketten und Folgeprozesse innerhalb und außerhalb des Systems”203 dar. Auf Organisationen angewandt besteht eine hohe Folgelastigkeit bei hoher Interdependenz der Leistungsträger, z. B. bei sequentieller Auftragsbearbeitung.
Abschließend ist das Verhältnis der Konzepte Eigenkomplexität204 und Umweltkomplexität205 zu klären. Die Triebfeder für das Entstehen neuer organisationaler Strukturen ist ein Selektionsvorgang, durch den Eigenkomplexität aufgebaut wird, genauer durch „Wiederholung der Differenz von System und Umwelt innerhalb von Systemen“, so dass „ein differenziertes System nicht mehr einfach aus einer gewissen Zahl von Teilen und Beziehungen zwischen Teilen“ besteht, sondern „aus einer mehr oder weniger großen Zahl von operativ verwendbaren System/Umwelt-Differenzen.“206 Mit Eigenkomplexität wird die Eigenschaft eines Systems bezeichnet, in einer bestimmten Zeitspanne eine große Zahl unterschiedlicher Zustände einnehmen zu können. Diese Systemvarietät wird durch das Zusammenwirken von Elementen mit je eigener Verhaltensvarietät in einem Netzwerk bestimmt.207
200 201 202
203 204 205
206 207
Vgl. Schneider (2005), 254 f. Vgl. Willke (1996a), 22. Vgl. zu einer Übersicht über Komplexitätsbegriffe in der Organisationsgestaltung in Abgrenzung zu den Naturwissenschaften Choi/Krause (2005), 5. Wolf (2003), 133. Vgl. Willke (1996a), 22. Vgl. Duncan (1972), 314 f. Umweltkomplexität hängt von der Anzahl der in die Entscheidungsfindung einzubeziehenden externen Faktoren, deren Verschiedenheit und ihrer Verteilung über verschiedene Umweltsegmente ab. Luhmann (1996), 22. Vgl. Ulrich (1989), 189.
64
Basistheoretische Grundlagen
Die Umweltkomplexität bildet die obere Schranke für die Eigenkomplexität, die zur Aufrechterhaltung des Systembestands geringer als die Komplexität der Umwelt ausfallen muss. Das „Komplexitätsgefälle“ zur Umwelt muss stabilisiert werden.208 Auch die Soziale Netzwerktheorie verweist auf ein kritisches Niveau der Beziehungsintensität („critical value of connectivity“) zwischen den Teilnehmern eines Netzwerks, bei dessen Überschreiten die Vielzahl an Verbindungen die Qualität der Netzwerkbeziehungen beeinträchtigt.209 Die Verarbeitung von Umweltkomplexität wird durch Erhöhung der Eigenkomplexität des Systems geleistet.210
4.1.5
Autopoiesis und Selbstreferenz
Selbstreferenz baut auf der Unterscheidung zwischen System und Umwelt auf. Selbstreferenz bezeichnet „die Einheit, die ein Element, ein Prozeß, ein System für sich selbst ist.“211 Diese Einheit kommt erst in Relation zur Umwelt zustande, von der sich das System durch Beobachtung (im Luhmann’schen Sinne von Unterscheidung) absetzt. Indem Beobachtung nicht mehr, wie noch in der klassischen Erkenntnistheorie, an ein beobachtendes Subjekt gebunden ist, kann die Existenz sozialer Systeme angenommen werden, die sich auf Basis eigener, eben nicht an Bewusstsein gebundener, selbstreferentieller kommunikativer Verknüpfungen, bilden. Damit findet eine Entsubjektivierung statt – das System operiert unabhängig von individuellen Akteuren und ihrem Bewusstsein – und gleichzeitig eine Re-Subjektivierung212 unter geänderten Vorzeichen, da das System als kollektivistisches Subjekt213 auftritt.
Das Konzept der Autopoiesis (griech.: autos = selbst; poiein = machen) ist ausgehend von seiner ursprünglichen Anwendung auf lebende Organismen in der Kognitionsbiologie214 durch Autoren wie Teubner, Hejl, Kirsch und Luhmann mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf den Gegenstandsbereich der Organisation übertragen worden. Ein System wird dann als autopoietisch bezeichnet, wenn es “in zirkulärer Weise seine eigenen Komponenten produziert und sich damit über die Herstellung seiner Bestandteile selbst herstellt und erhält.”215 Ist die “Selbsterzeugung” bei lebenden Systemen noch unmittelbar intuitiv einsichtig, z. B. die Erneuerung von Zellen auf Basis ihres eigenen Zellmaterials, besteht die Leistung bei der An208 209 210
211 212 213
214 215
Vgl. Luhmann (1996), 47 f. u. 53. Vgl. Choi/Dooley/Rungtusanatham (2001), 354. So erfordert z. B. die Erfassung der komplexen Realität durch gesprochene Sprache eine Binnenkomplexität derselben durch eine ausdifferenzierte, komplexe Grammatik. Auf dem Wege der Ausbildung von Eigenkomplexität emergieren Systeme in einer komplexen Umwelt. Vgl. Harste (2003), 81. Luhmann (1996), 58. Nassehi (1992), 55. Nassehi spricht von Multisubjektivität, die sich aus den multiplen System-Umwelt-Differenzen ergibt. Das System bestimmt auf Basis eigener Operationen, welche Umweltinformationen ihm durch Beobachtung zugänglich werden. Vgl. Nassehi (1992), 55. Vgl. grundlegend Maturana/Varela (1987). Kirsch (1992), 109.
Systemtheoretische Grundlagen
65
wendung auf den Bereich sozialer Systeme, insbesondere Organisationen, im Auffinden von Korrespondenzregeln, die eine Übersetzung der ursprünglichen Theorie auf einen neuen Gegenstandsbereich ermöglichen. Dass etwa Hejl soziale Systeme als Systeme höherer Ordnung ansieht, die sich aus Individuen zusammensetzen, hat zur Konsequenz, dass das AutopoiesisKonzept mit Organisationen wie z. B. Unternehmen nicht vereinbar ist. Es ist theoretisch nicht abbildbar und sachlich nicht zutreffend, wollte man die Auswahl und Einstellung von Mitarbeitern als Reproduktion der Organisation durch Mitarbeiter (die an der Auswahl und Einstellung beteiligten Führungskräfte) auffassen. Individuen „erzeugen“ keine Individuen in der Organisation, sondern entscheiden allenfalls über die Inklusion oder Exklusion der potenziellen Mitarbeiter, d. h. über ihre Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft. Sie reproduzieren damit allenfalls die Selektionskriterien.
Luhmanns Konzept der selbstreferentiellen Geschlossenheit sozialer Systeme erachtet dagegen die Autopoiesis sozialer Systeme als zulässig, da seine theoretische Konzeptionalisierung (Kommunikationen statt Individuen als Systemelemente) dies explizit zulässt. Der Autopoiesis-Begriff ist damit von biologischen Systemen und psychischen Systemen auf das soziale System übertragbar. Die Folgen der unterschiedlichen Interpretation und Anwendung des Autopoiesis-Konzepts für seine Aussagefähigkeit bezogen auf Organisationen verdeutlicht Tabelle 2.
66
Basistheoretische Grundlagen
Tabelle 2: Positionen in der Autopoiesis-Diskussion
Elemente
Individuen
Kommunikationen
Autopoiesis als Systemeigenschaft ex definitione vorhanden empirischer Grenzfall
Luhmann Maturana, Kirsch
empirisch wahrscheinlich ex definitione ausgeschlossen
Teubner 216
Hejl
Quelle: i. A. a. Kirsch (1992), 232.
Aus der autopoietischen Geschlossenheit eines Systems kann weder auf dessen Autonomie gegenüber der Umwelt noch auf Resistenz gegenüber Veränderungsimpulsen und einen sich hieraus ergebenden Strukturkonservativismus geschlossen werden.217 Entsprechend ist es nicht notwendig, zwischen einer allopoietischen, klassischen Eigentümerorganisation, einer rein autopoietischen, nur auf die eigene Reproduktion abzielenden, Organisation und einer mittleren Ausprägung zu unterscheiden, die keinem dieser Strukturtypen zuzuordnen ist. Ein gradualistisches Autopoiesis-Konzept218, das eine Neudefintion des Verhältnisses von Offenheit und Geschlossenheit je nach Situation zulässt und hierfür “prozessuale Regeln” definiert, ist im Konzept der selbstreferentiellen Geschlossenheit bereits angelegt.
Dass die Umwelt von Organisationen bei dieser Sicht explizit eingeschlossen ist, wird deutlich wenn die beiden Extreme, die vollständig geschlossene und die vollständig umweltoffene Organisation betrachtet werden: “Eine dominante Innenperspektive tendiert zur geschlossenen Selbstreferentialität und damit zu Stagnation und Entwicklungslosigkeit. Eine dominante Aussenperspektive tendiert zum Identitätsverlust, weil das Vertrauen auf die Kernkompetenz verloren geht und deshalb deren Ausbau gerade nicht stattfinden kann.”219 Unter- und Übersteue-
216
217 218
219
Genauer betrachtet Hejl nicht Individuen, sondern individuelle kognitive Zustände als Letztelemente des Systems, vgl. Kirsch (1992), 194. Die Konsequenz dieses Unterschieds für intersubjektive Verständigung und die Verknüpfung von Indivuum und System bei Lernvorgängen wird in Kapitel 7 diskutiert. Vgl. Luhmann (2000), 50. Vgl. Kirsch/Knyphausen (1991), 95 f., vgl. zuvor bereits Teubner (1989). Dagegen ist Luhmann zufolge Autopoiesis nicht steigerbar, sondern es bestehen lediglich unterschiedliche Grade an struktureller Komplexität, die durch Autopoiesis bewältigt und reproduziert werden können. Vgl. Luhmann (2008), 18. Vgl. Zech (1991), 21.
Systemtheoretische Grundlagen
67
rung220 sind gleichermaßen zu vermeiden. Ebenso stellt der Gegensatz zwischen Selbst- und Fremdorganisation eine künstliche Grenzziehung dar. Es ist nicht von einem antagonistischen, sondern von einem komplementären Verhältnis beider Koordinationsformen auszugehen. Wenn die kybernetischen Ursprünge des Autopoiesis-Konzeptes berücksichtigt werden, wird deutlich, dass auch dort (wenn auch noch mit Bezug auf natürliche Systeme, z. B. Organismen) ein Nebeneinander autopoietischer, allopoietischer und intermediärer Vorgänge im System angenommen wurde.221
4.1.6
Kommunikation
Die Basierung von Organisation auf Kommunikation als spezieller Art von Handlung bietet den Vorteil, dass Merkmale wie Hierarchie, rationales Entscheiden, weisungsgebundene Mitglieder, durch die Organisationen beschrieben werden können, da sie als Entscheidungen in diese Definition eingeschlossen sind.222 Die neuere Systemtheorie nach Luhmann betrachtet kommunizierte Entscheidungen als das grundlegende Bauelement von Organisationen und geht weit über die Annahmen der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre hinaus, wenn sie davon ausgeht, dass sich alle Vorgänge in Organisationen, z. B. Unternehmen, vollständig als Entscheidungen auffassen lassen. Entscheidungen sind der Systemtheorie zufolge eine spezielle Form der Handlung. Handlungen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Handelnde mit ihnen eine Erwartung verknüpft (z. B. entlässt ein Bereichsleiter Mitarbeiter in der Erwartung, dadurch die Personalkosten senken zu können). Demgegenüber handelt es sich um eine Entscheidung, wenn die Handlung selbst erwartet wird (z. B. wenn im Rahmen eines Rationalisierungsprogramms von allen Bereichsleitern ein entsprechender Anteil an Entlassungen erwartet wird).223
Entscheidungen werden hier im Zusammenhang mit dem systemtheoretischen Kommunikationsbegriff angeführt, denn „die aufgezeigte Eigenheit von Entscheidungen als erwartungserzeugten und gleichzeitig erwartungserzeugenden Kommunikationsereignissen ermöglicht ihren Zusammenschluss zu autopoietischen Systemen“ und „ermöglicht es Systemen, die sie als Elemente verwenden, sich kontinuierlich selbst zu reproduzieren“ und „große Handlungsmengen zu koordinieren.“224 Die Theorie selbstreferentieller, autopoietischer Systeme postuliert 220
221 222 223 224
Unter Untersteuerung wird eine unzureichende Kontrollmacht, unter Übersteuerung dagegen ein Zustand verstanden, in dem die Kontrollmacht der Unternehmensführung ihr Kontrollwissen übersteigt. Plädiert wird für ein Subsidiaritätsprinzip auf Unternehmensebene, das die Problemumsicht der operativen Ebene weitgehend nutzt und nur im Bedarfsfall steuernd eingreift. Vgl. Theis-Berglmair (2003), 265. Vgl. Bühl (1987), S. 226. Vgl. Luhmann (2000), 63 und 68. Vgl. Laßleben (2002), 46. Laßleben (2002), 36 f. und 43.
68
Basistheoretische Grundlagen
keine “Strukturlosigkeit” der Organisation, sondern sieht die Funktion bestehender, allerdings kontingenter, Strukturen in der Sicherung von Anschlussfähigkeit. Die Möglichkeit von Anschlussoperationen ist die Voraussetzung für die Fortsetzung der autopoietischen Operationsweise der Organisation.225 Nicht nur die Organisation selbst, auch die Basisoperation der Organisation, die Kommunikation von Entscheidungen, hat eine selbstreferentielle Qualität. Hierin zeigt sich der fraktale226 Charakter selbstreferentieller Organisationen, da sich Autopoiesis sowohl als Selbsterzeugung der Teile (der kommunizierten Entscheidungen) als auch als Selbsterzeugung der Organisation insgesamt auswirkt.
Da die kleinsten Einheiten der Organisation folglich nicht Menschen, Material, Maschinen oder Abteilungen sind, sondern kommunizierte Entscheidungen, kann strukturelle Kontinuität, d. h. das Fortbestehen der Organisation, nicht auf eine Objektmetapher zurückgreifen. Die Reproduktion der Organisation ist damit nicht auf Personen zurückzuführen, sondern auf Kommunikationen. Weisen z. B. Personen eine gewisse Bindungsdauer zur Organisation auf, z. B. bemessen durch die Laufzeit des Arbeitsvertrags analog zur Nutzungsdauer bei Maschinen und Gebäuden, kann bei Kommunikationen von dieser Kontinuität nicht ausgegangen werden. Die systemtheoretische Umstellung von Personen auf Kommunikationen hat, um es in der Sprache der Organisationsentwicklung zu formulieren, den Vorteil der Anschlussfähigkeit zwischen Person (Akteur), Struktur (Konfiguration), Prozess (Kommunikation) und Beziehungen (Relationen), vorausgesetzt, dass diese und die Organisation als ihr Kondensat durchgängig auf derselben Theoriegrundlage – hier der Systemtheorie – basieren.227 Es ergeben sich aus der autopoietischen Auffassung von Kommunikation zwei Konsequenzen228: Da Ereignisse wie Kommunikationen im Gegensatz zu Objekten keinen physischen Bestand haben, ist ihr Fortbestand nur durch ihre sequentielle Verknüpfung gesichert. Systeme als Kommunikationssysteme sind damit Verknüpfungen zeitlich nacheinander auftretender Kommunikationen, die Relationen zu stattgefundenen oder noch stattzufindenden Kommunikationen aufweisen. Systeme, die aus Kommunikationen als bestandslosen Ereignissen bestehen, sind in ihrem Fortbestand permanent gefährdet. Das Bestandsproblem ist ein Produktionsproblem, d. h. es wird gelöst, indem ständig neue Elemente produziert werden. Das soziale System besteht damit weiter, solange neue Kommunikationen produziert werden, die an bisherige anschließen können, d. h. mit diesen in Bezug stehen. Es hört auf zu bestehen, wenn keine Anschlusskommunikation mehr erfolgt. 225 226
227 228
Vgl. Luhmann (2000), 54. Ein Beispiel für eine fraktale Struktur in der Natur ist der Aufbau einer Schneeflocke. Vgl. auf die Personalarbeit bezogen auch Becker/Labucay (2008), 65. Vgl. näher zu den genannten Elementen Kapitel 5. Vgl. Laßleben (2002), 27.
Systemtheoretische Grundlagen
69
Kommunikation zwischen Teilsystemen wie Politik, Wissenschaft, Recht, Wirtschaft basiert auf Leitdifferenzen – in der Wirtschaft auf dem Code ‚Zahlen - Nicht zahlen’ – und symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien – in diesem Fall Geld – die sie von anderen Teilsystemen abgrenzen229 und ihnen eine Kontinuität verschaffen, die den Anschluss weiterer Kommunikation begünstigt.230 So existiert das System der Wirtschaft weiter, auch wenn einzelne Unternehmen untergehen und Unternehmen bestehen weiter, auch wenn einzelne Interaktionen zum Erliegen kommen, z. B. wenn Sitzungen ergebnislos abgebrochen werden.
Damit ist der Begriff des sinnverarbeitenden Systems unter Vermeidung einer biologistischen Sichtweise nutzbar. Hierin schließt sich die Auffassung von Kommunikation als sinnverarbeitender Operation an. Die Funktion von Kommunikation in der Systemtheorie ist nur im Zusammenhang mit dem autopoietisch-selbstreferentiellen Operationsmodus des Systems zu verstehen. Die Elemente sozialer Systeme sind aus Sicht der Theorie sozialer Systeme Kommunikationen. Die Inklusion als Mitglied der Organisation bringt spezifische Kommunikationspflichten mit sich. Mitgliedschaft als zentrale Kategorie zur Erfassung des Akteurs in der Theorie sozialer Systeme erschließt den Zugang zu allen anderen denkbaren formalen und informalen Rollen in der Organisation. Die Rolle als Organisationsmitglied enthält als fixe Komponente die an alle Mitglieder pauschal gestellte Anforderung, Beiträge zum Organisationsbestand zu erbringen, z. B. den Organisationszweck zu akzeptieren und organisatorische Regelungen nach außen zu vertreten und damit zu stabilisieren und zu objektivieren. Variable Bestandteile ermöglichen bei aller Konformitätsanforderung die Einnahme von Sonderrollen, Rollenwechsel und das Praktizieren von informalen, nicht offiziellen aber an die formale Rolle gebundenen und für den Systembestand funktionalen, Rollen. Beispiele sind informale Gruppensprecher, das Fungieren als Mentor und Führungskräfte als Rollenmodell. Damit dient die Mitgliedschaft der kommunikativen Bestätigung der formalen Erwartungen durch eine Kombination aus Elastizität (Sonderrollen und informale Rollen) und Lenkbarkeit (formale Rollen) in der Organisation.231
Kommunikationswege ergeben sich Luhmann zufolge aus der Verteilung von Entscheidungsund Weisungsbefugnissen in der Organisation, zeichnen diese gewissermaßen nach. Weiter wird hinsichtlich des Zwecks von Kommunikationswegen ausgeführt: “Kommunikationswege haben, ob nun generell festgelegt oder fallweise entworfen [hier wird also explizit neben Koordination durch formalisierte Kommunikation der Mechanismus der spontanen Selbstab229 230
231
Vgl. Luhmann (1996), 51. Vgl. Bonacker (1997), 71. Man denke z. B. an die hohe Fungibilität des Zahlungsmittels Geld, für das auf Seiten des Transaktionspartners Annahmezwang besteht und das eine hohe Zahl an Spot-Transaktionen zwischen anonymen Marktpartnern ermöglicht. Die Wahrscheinlichkeit der selbstreferentiellen Reproduktion des Systems Wirtschaft wird durch das Kommunikationsmedium Geld erhöht. Vgl. Luhmann (1995), 47.
70
Basistheoretische Grundlagen
stimmung einbezogen, I. L.], nur den Sinn des Transports von Kompetenz. Organisationsziel müßte deshalb sein, die Kommunikationswege zu verkürzen und zugleich vorhandene (oder “animierbare”) Kompetenzen besser zu nutzen.”232 Indem sich die neuere Systemtheorie von der Vorstellung löst, es handle sich bei Organisationen als sozialen Systemen um ein Aggregat aus Personen oder Gruppen und stattdessen die Beziehungen zwischen den Entscheidungsträgern als Elemente betrachtet, legt sie Kommunikation als distinktes Merkmal sozialer Systeme fest.233 Eine Untersuchung der Konziliaren Organisation, die sich diesem Systembegriff anschließt, hat den Kommunikationsprozessen als Analyseeinheit und als Interventionsebene einen hohen Stellenwert einzuräumen.234
4.1.7
Emergenz
Für diese Arbeit entscheidend ist die Klärung der Bedingungen, unter denen organisatorische Veränderung möglich ist, um den strukturellen Wandel zu einer Konziliaren Organisation systemtheoretisch erklären zu können. Es wurde bereits auf die systemtheoretische Standortbestimmung des Verhältnisses zwischen System und Umwelt hingewiesen, die die traditionell angenommene Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen den Bereichen auflöst. Geht man von einem solchermaßen durch die Differenz zwischen System und Umwelt ausgelösten und durch die Selektionsleistungen des Systems aufrechterhaltenen Veränderungsprozess aus, bleibt zu klären, welche Konnotation mit dem Begriff der Veränderung verbunden wird. Versteht man Veränderung als die Entstehung neuer Eigenschaften, Komplexitäts- und Ordnungsmuster, ist zwar eine eindeutige Parallele zur evolutionstheoretischen Selektion neuer, bewährter Verhaltensmuster zu ziehen, jedoch handelt es sich aufgrund der Eigenlogik des System nicht um umweltbedingte, sondern um durch das System selbst bedingte Selektionen.235 Es ist zwischen Veränderung als Emergenz, durch die eine höhere Komplexitätsebene236 erreicht wird, und Veränderung als Wachstum zu unterscheiden. Während Wachstum eine Weiterentwicklung durch die Erhöhung von Komplexität, d. h. der Anzahl und Art der Elemente und ihrer Beziehungen, meint, erfasst Emergenz eine qualitative Komplexitätszunahme (vgl. Abbildung 10).
232 233 234
235 236
Luhmann (2000), 319. Vgl. Wolf (2003), 320. Vgl. zur Analyseeinheit Kommunikation Kapitel 5.2 und zu Schlussfolgerungen für personalwirtschaftliche Maßnahmen Kapitel 7. Vgl. auch Stünzner (1996), 112 f. Die Systemtheorie spricht von Autopoiesis zweiter Ordnung bzw. darüber hinaus von Autopoiesis höherer Ordnung, wenn durch Emergenz neue Einheiten entstehen, die andere Eigenschaften aufweisen, als die Elemente auf einer niedrigeren Komplexitätsstufe. Bei Luhmann sind diese Elemente Kommunikationen. Vgl. Kirsch (1992), 194.
Systemtheoretische Grundlagen
71
Wachstum = Komplexitätszunahme Veränderung = Temporalisierung von Komplexität Emergenz = Komplexitätsneustrukturierung
Abbildung 10: Veränderungsformen als Ergebnis von Komplexitätsveränderung Quelle: Eigene Darstellung
Von Emergenz wird gesprochen, wenn die Eigenschaften einer Ordnungsebene (z. B. von Gruppen) sich nicht hinreichend aus den Eigenschaften ihrer Bestandteile (z. B. der sie bildenden Individuen) erklären lassen. Der bereits durch Aristoteles (384-322 v. Chr.) benannte TeilGanzes-Aspekt findet sich anschaulich in der Idee der politischen Repräsentation, die eine Interessenvertretung im Sinne des Gemeinwohls, also ein Geltendmachen der Teile im Sinne des Ganzen anstrebt. Mit der Aussage „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“237 wird geklärt, dass das System eine über die Einzelteile hinausgehende, sich nicht im Additiven erschöpfende, Qualität besitzt. Die für die Elemente gültige Analyseebene und Begriffswelt ist dem Ganzen nicht angemessen. Darüber hinaus stellen Prozess, Form und Beziehung zwischen den Teilen wesentliche Systemgesichtspunkte dar und erklärungsbedürftige Phänomene sind nur unter Bezugnahme auf den Kontext, also das Systemganze, zu verstehen und zu erklären.238
Ein illustratives Beispiel für eine quantitative Ergebnisverbesserung, die über die Addition der Einzelbeiträge hinausgeht, lieferte bereits Köhler, der zeigte, dass die gezielte Zusammenstel237
238
In der Mathematik und der formalen Logik wird dagegen die Aussage „das Ganze ist gleich der Summe seiner Teile“ als wahr bezeichnet, was z. B. an der Addition natürlicher ganzer Zahlen, deren Summe wieder eine natürliche ganze Zahl ist, ersichtlich ist. Dass der Vorwurf der Unlogik gegenüber der umgekehrten Aussage („Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“) dennoch nicht gerechtfertigt ist, zeigt Nagel mit dem Verweis auf die notwendige Klärung der Begriffe „Ganzes“, „Teile“ und „Summe“. Die Aussage „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ kann z. B. mit der Ganzheit eines Musikstücks im Vergleich zu den einzelnen Noten oder durch das Verhältnis des Organismus zu seinen Teilen illustriert werden. Die Aussage weist damit auf eine Beziehungsstruktur zwischen den Teilen hin, die zu diesen als Additivum hinzutritt. Es ist dennoch, wie Nagel aufzeigt, möglich, Ganzheiten in Elemente zu zerlegen, auch wenn diese zueinander in Beziehung stehen. Im Falle eines Musikstücks wäre es sonst nicht möglich, einzelne Passagen oder Töne zu extrahieren oder Regeln anzugeben, wie das Stück zu spielen ist. Vgl. Nagel (1993), 249. Vgl. Wolf (2003), 128.
72
Basistheoretische Grundlagen
lung von Arbeitsgruppen aus zwei oder drei Personen Leistungen hervorbringen kann, die die Summe der Teilleistungen übersteigt.239 Durch Ordnungsbildung, z. B. durch Aggregation und Verknüpfung, entsteht aus den Teilen eine neue Qualität, die sich nicht in der Aufsummierung der Merkmale der Teile erschöpft. Als Beispiel können Tatbestände sozialer Systeme wie Hierarchie, Konsens, Konflikt und Kohäsion angeführt werden, die als Attribute der sozialen Struktur des Systems zwar bewusst durch die Akteure gestaltet werden können, die sich aber nicht aus den Eigenschaften der Akteure ableiten lassen.240
Als basale Grundeigenschaft sozialer Systeme soll im folgenden Veränderung als Emergenz zugrundelegt werden, da es mit dem Ziel korrespondiert, die Umstrukturierung bestehender Organisationsstrukturen zu einer konziliaren Struktur zu erklären, die Elemente aufweist, die sich nicht aus den Eigenschaften der Teile herleiten lassen und somit eine emergente Qualität aufweist. Die Zunahme von Umweltkomplexität ist keine notwendige Voraussetzung für diese Art der Veränderung, denn ein struktureller Umbau ist auch bei unveränderter Komplexität denkbar. So weist Luhmann darauf hin, dass zwei Systeme von gleicher Komplexität unterschiedlich strukturiert sein können und Systeme mit niedrigerer Komplexität eine höhere emergente Ordnung aufweisen können als Systeme von höherer Komplexität. Emergenz ist damit dem System nicht strukturell vorgegeben, sondern wird in Interaktion mit dem relevanten Umweltausschnitt bestimmt: “Emergenz ist damit nicht einfach Akkumulation von Komplexität, sondern Unterbrechung und Neubeginn des Aufbaus von Komplexität.”241
Diese Sichtweise auf Emergenz erlaubt es, einen Zusammenhang zum Konzept der Selbstorganisation und zur organisatorischen Transformation herzustellen. Danach kann Emergenz als Ergebnis eines Prozesses der Selbstorganisation betrachtet werden, durch den eine höhere Ebene von Ordnung erreicht wird, die dem gegenwärtigen Stand an Komplexität in einer Organisation besser Rechnung trägt als das bisherige Organisationsprinzip.242 Die optimale Organisationsform ergibt sich aus der Anforderung, ausreichende Varietät (‚requisite variety’243) bereitzustellen. Theis-Berglmair vergleicht diese Anforderung mit einem Handballteam, das im Vergleich zur gegnerischen Mannschaft einen zumindest gleich hohen oder höheren Verhaltensreichtum aufweisen muss, um gegen diese zu gewinnen oder zumindest unentschieden zu spielen. Die Theorie sozialer Systeme hat danach das Potential, sowohl den Steuerungspessimismus der frühen systemtheoretischen Ansätze als auch die Machbarkeitsphantasien der stra239 240 241 242
243
Vgl. Köhler (1927), zit. n. Rosenstiel (2004), S. 393. Vgl. Staber (2007), 269. Luhmann (1996), 44. Ein Beispiel hierfür ist der emergente Übergang vom Modell des mechanistischen zum Modell des biologischen Systems. Vgl. Krieger (1996), 30 f. Emergenz wird außerdem als etwas Unerwartbares angesehen, das sich nicht aus bisheriger Erfahrung ableiten lässt, so dass keine Vorhersagen über den Endzustand einer sich emergent entwickelnden Ordnung getroffen werden können. Vgl. Krieger (1996), 31. Vgl. Ashby (1974), 258 ff.
Systemtheoretische Grundlagen
73
tegischen Managementliteratur zu überwinden.244 Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Systemvarietät eine ausreichende Erklärungsvarietät des theoretischen Ansatzes verlangt, der als Argumentationsgrundlage herangezogen wird.245 Ein die erörterten grundlegenden Konzepte einbauender Systembegriff ist in Abbildung 11 graphisch veranschaulicht.
Umweltdifferenz Exklusion
durch Umwelt
Aufbau von Eigenkomplexität
Teilsystem System
Umweltelement
Selbstreferielle (autopoietische) Reproduktion
Systemelement (Kommunikation)
durch Selektionen Inklusion
Abbildung 11: Organisation als System Quelle: Eigene Darstellung i. A. a. Schulte-Zurhausen, M. (2000), S. 77.
Da die spontane Ordnungsentstehung durch Selbstorganisation der Ziel- und Zweckorientierung von Systemen nicht ausreichend Rechnung trägt, wird hier die Sicht eingenommen, dass es sich bei Systemen um durch Personen bewusst gestaltbare Entitäten handelt: “Social systems must be intentionally designed by human beings for human purposes. The goal is not some ‘self-generated’ system behavior but rather one that is intended to fulfill the desired aims.”246 Eine biologistische Naturgegebenheit des Systems wird damit ebenso verworfen wie die für organisatorische Gestaltungsfragen wenig nutzbare Erkenntnis der basalen NichtSteuerbarkeit von Systemen.
244
245 246
Vgl. ähnlich Theis-Berglmair (2003), 257 f. Unter die Ansätze der Selbstorganisation, für die TheisBerglmair ihre Überlegungen zusammenfasst, subsummiert sie auch die Theorie sozialer Systeme. Vgl. Stein (2000), 29. Ulrich (1984), 81.
74
Basistheoretische Grundlagen
4.2.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
Mit der Erweiterung des theoretischen Fokus der vorliegenden Arbeit um die Transaktionskostentheorie soll ein Optimalitätskriterium zur Analyse der Vorteilhaftigkeit der konziliaren Steuerungsform eingeführt werden. Damit wird der Gefahr einer „maßstabsfreien“ Diskussion begegnet, der sich die Organisationstheorie aussetzt, wenn sie von der Existenz von Organisationen ausgeht und die Frage nicht mehr stellt, welche Vorteile dazu geführt haben, dass die organisatorische Koordination von der Koordination durch den Markt nicht verdrängt wurde. Das paradigmatische Gerüst der Neoklassik ist bereits durch verschiedene theoretische Weiterentwicklungen modifiziert worden. So ist für die neue Institutionenökonomie die Relativierung der Annahme vollkommen informierter und rational handelnder Akteure zugunsten einer eingeschränkten Rationalität kennzeichnend, dagegen bleibt sie dem Paradigma des methodologischen Individualismus verbunden. Weitere Modifikationen der neoklassischen Ausgangsannahmen resultierten aus dem Anspruch, nicht durch die institutionenökonomische Theorie abgedeckte Verhaltenstatbestände wie Altruismus und Vertrauen in Organisationen und organisatorischen Netzwerken erklären zu können. Wies die Frühphase der Transaktionskostentheorie Organisationen unter der Annahme opportunistisch handelnder Akteure den Stellenwert einer „second best solution“ und damit eine „Lückenexistenz“ für Fälle des Marktversagens zu, so dass eine theorieimmanent mitgeführte Hierarchisierung zwischen Markt und Organisation zu beobachten war247, wurde durch eine genaue Beschreibung der Institutionscharakteristika zu einer symmetrischen Analyse der Alternativen übergegangen.248 Gemäß dem neoklassischen Paradigma streben individuelle Akteure nach der Kontrolle über Ressourcen, über deren Einsatz sie zur Erreichung von gesetzten Zielen gemäß ihrer Präferenzen entscheiden. Die Annahme stabiler, exogen gegebener Präferenzen in der Institutionenökonomie übersieht die Freiheitsgrade des Managements zur Einflussnahme auf veränderliche Präferenzen der Organisationsmitglieder.249 Wird die Annahme einer stabilen und vollständigen Präferenzstruktur aufgegeben, eröffnet sich die Möglichkeit, die Wahlhandlung zwischen Entscheidungsalternativen auf die Wahl zwischen alternativen Präferenzstrukturen zu übertragen, die Akteuren eine situationsabhängige Aktivierung von stärker altruistisch oder egoistisch geprägten Handlungspotenzialen ermöglicht und bei der ihnen sogenannte Meta-Präferenzen (Eigennutz, Moral, Zuneigung) als Auswahlkriterium und Leitprinzip dienen.250 Das Konstrukt eines solchen „multiple self“-Akteurs lenkt den Blick auf die präferenzstrukturierende Eigen247
248 249 250
Vgl. Koch (2005), 218. Die Existenz von Organisationen wurde zum erklärungsbedürftigen Tatbestand, während die dysfunktionalen Effekte, nicht aber das generelle Bestehen von Märkten hinterfragt wurden. Vgl. Pies (2001), 15. Vgl. Koza/Thoenig (2003), 1221. Vgl. Sen (1977), zit. n. Pietsch (2005), 24.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
75
schaft von Institutionen und legt eine Endogenisierung von Präferenzen als adäquate Weiterentwicklung des Annahmegerüsts der Transaktionskostentheorie nahe.
Im Folgenden werden grundlegende Begriffe und Prämissen der Transaktionskostentheorie erläutert, insoweit sie für den weiteren Gang der Arbeit von Bedeutung sind.
4.2.1
Begriffliche und konzeptionelle Grundlegung
4.2.1.1
Auswahlproblem der Transaktionskostentheorie
Das Auswahlproblem der Transaktionskostentheorie besteht in der Identifikation der optimalen organisatorischen Form zur Abwicklungen von Transaktionen. Die als generische Grundformen oder diskrete strukturelle Alternativen251 bezeichneten institutionellen Arrangements Markt, Hybrid und Hierarchie werden aus Sicht der Transaktionskostentheorie nicht isoliert betrachtet. Aus einer komparativen Perspektive wird untersucht, welche der sich systematisch hinsichtlich der zugrunde liegenden rechtlichen Vertragsform, ihrer Koordinations- und Kontrollmechanismen und der Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen unterscheidenden Institutionen252 für welche Transaktionen am besten geeignet sind. Grundfragestellung der Transaktionskostentheorie ist es, zu bestimmen, welche Arten von Transaktionen in welchen institutionellen Arrangements relativ am kostengünstigsten abgewickelt werden können.253
Die für die institutionelle Durchführung und Organisation der Transaktion anfallende Summe aus Transaktions- und Produktionskosten dient dabei als Vorteilhaftigkeitskriterium. Die Abgrenzung zwischen Transaktions- und Produktionskosten und die über die empirische Relevanz des Transaktionskostenansatzes entscheidende Bestimmbarkeit und Operationalisierbarkeit der in die Transaktionskosten eingehenden Kostenarten ist intensiv diskutiert worden.254 Windsperger plädiert aufgrund der Interdependenz zwischen Produktions- und Transaktionskosten dafür, dass auf Basis des Transaktionskostenansatzes gefällte Entscheidungen über die optimale Verortung der Unternehmensgrenze und die effiziente Form der internen Unternehmensorganisation nicht ohne eine simultane Betrachtung der Transaktions- und Produktionskosten erfolgen kann.255 Vereinfachend werden dennoch in Übereinstimmung mit dem Mainstream der Transaktionskostenforschung die Produktionskosten als gegeben und über die organisationalen Alternativen hinweg konstant angenommen, so dass die Transaktionskosten 251 252 253 254 255
Vgl. grundlegend Simon (1978). Vgl. Williamson (1991), 269. Vgl. Williamson (1985), 41, zit. n. Ebers/Gotsch (2006), 277. Vgl. zu einem Überblick des Diskussionsstands Hohberger (2001), vgl. zuvor bereits Masten (1996). Zu einer intensiven Diskussion vgl. Windsperger (1998), 269 f.
76
Basistheoretische Grundlagen
das entscheidende Auswahlkriterium bilden. Transaktionskosten (im Einzelnen Anbahnungskosten, Vereinbarungskosten, Abwicklungskosten, Kontrollkosten, Anpassungskosten) sollen vor dem Hintergrund des interessierenden optimalen institutionellen Arrangements der Konziliaren Organisation wie folgt definiert werden:
„Transaktionskosten sind die Kosten der Information und Kommunikation und stellen einen Großteil der Kosten des Arbeitsvertrages dar. Neben der Aufgabenstruktur und der Organisationsstruktur hat dabei auch die bisher in der Transaktionskostentheorie wenig beachtete Beziehungsstruktur zwischen Mitarbeitern einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Transaktionskosten.“256
Vor Beginn des Optimierungsproblems der effizienten Wahl von Institutionen und der optimalen Unternehmensgrenze stellt die Institutionenökonomie die grundlegenderen Fragen nach (a) den Eigenschaften von Institutionen und (b) dem Wandel von Institutionen. Eine Institution ist nach North charakterisiert durch „informal constraints, formal rules, and the enforcement characteristics of both.”257 Von der traditionellen Neoklassik trennt die Neue Institutionenökonomie, dass sie von der postulierten Institutionenneutralität Abstand nimmt. Während die Neoklassik die Eigenschaften von Institutionen zur Abwicklung von wirtschaftlichen Transaktionen als für die Allokationseffizienz unbedeutend betrachtete und allein auf das prinzipiell in jedem institutionellen Arrangement erreichbare Kriterium der Pareto-Optimalität abstellte, erfolgt institutionenökonomisch eine Aufwertung der Institution als Verhalten beeinflussendes Anreizsystem. Entstehung und Wandel von Institutionen wird zum eigenständigen Analysegegenstand und Institutionen werden als Instrumente zur Steuerung sozialen Handelns betrachtet.258
Die Frage, welche Mechanismen zum Entstehen und zum Wandel von Institutionen führen, ist durch zwei gegensätzliche Entwürfe der Ordnungsentstehung beantwortet worden, die als geplanter Wandel und evolutionärer Wandel beschrieben werden können. Im Unterschied zur Auffassung, Institutionen gingen auf zentrale Planung unter vollständiger Information zurück (konstruktivistischer Rationalismus), begreift die Neue Institutionenökonomie Institutionen als Ergebnis eines selbstorganisierenden Prozesses (evolutionärer Rationalismus), der als spontane Entstehung von Ordnung auf dem Eigeninteresse der Akteure beruht.259 Die Verwandschaft 256 257 258 259
Wiegran (1993), 64. North (1989), 239, zit. n. Furubotn/Richter (1991), 3. Vgl. Furubotn/Richter (1991), 2. Vgl. Furubotn/Richter (1991), 3 sowie die dort genannten Vertreter der evolutionären und zentralistischen Erklärung der Institutionenentstehung.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
77
der Transaktionskostentheorie zur Evolutionstheorie, insbesondere zum population ecologyAnsatz von Hannan/Freeman, wird von Williamson hervorgehoben, der die Selektionsbedingungen von an die Umwelt angepassten Strukturen („adaptive fitness“) als Fortschritt gegenüber einer technisch determinierten Sichtweise hervorhebt. Wettbewerb um die Erschließung neuer Produkt-Markt-Kombinationen und um die Allokation knapper finanzieller Ressourcen am Kapitalmarkt stellen das transaktionskostentheoretische Äquivalent zu den Selektionsprozessen der Evolutionstheorie dar.260 Fehlt dem population ecology-Ansatz ein Maßstab zur Vorhersage darüber, welche Organisationen in welchen Umweltsituationen aufgrund ihrer überlegenen adaptiven Eigenschaften überleben werden, untersucht der Transaktionskostenansatz gerade die optimale Passung zwischen Institutionen und Transaktionen auf Basis des Vorteilhaftigkeitskriteriums der Transaktionskosten. Der Anschluss an einen emergenten, evolutionären Begriff von institutionellem Wandel erhöht den Nutzen der Institutionenökonomie und insbesondere der Transaktionskostentheorie als Theoriegrundlage dieser Arbeit.
Die idealtypische Unterscheidung der Transaktionskostentheorie zwischen Markt, Organisation und sogenannten hybriden Organisationsformen wiederholt sich auf einer Binnenstrukturebene, bei der Analyse der optimalen internen Organisationsform, wie Ménard im Anschluss an Coase und Williamson zusammenfasst: „Characteristics of transactions also matter for understanding the internal nature and properties of formal organizations. In this view, the transactions at stake have significant consequences on how organizations are structured, what control systems they implement, and which forms of task interdependence they develop.”261
Der Institutionenbegriff der Transaktionskostentheorie ist insofern für diese Arbeit erweiterungsbedürftig, als die Systematik Markt-Hybrid-Organisation von zu statischer Natur ist. Die Endpunkte des transaktionskostentheoretischen Analyseraums werden durch die aufbauorganisatorischen Gegenspieler Markt und Hierarchie markiert. Eine weitergehende Differenzierung innerhalb dieser Typsierung, d. h. in Bezug auf die Binnenstruktur von Markt und Organisation, findet im Grundmodell nicht statt. Damit fehlt ein analytischer Zugang zu den Charakteristika der Alternativen der es ermöglichte, das Auswahlproblem zu lösen, das sich auf Ebene der Organisation erneut stellt, diesmal als Wahl zwischen alternativen Aufbaustrukturen der Organisation (vgl. Abbildung 12).
260 261
Vgl. Williamson (1981), 568. Ménard (1996), 149.
78
Basistheoretische Grundlagen
Hybrid
K1
K1
Markt
Organisation
O
K2
H
K2
M
Legende: Kt: Auswahlkriterium Transaktionskosten (t=1 Interinstitutionenebene; t=2 Binneninstitutionenebene)
Abbildung 12: Wiederholung der Auswahlentscheidung auf Ebene der internen Organisation Quelle: Eigene Darstellung
Wird die transaktionskostentheoretische Unterscheidung zwischen den Strukturtypen „Markt“ und „Hierarchie“ auf dem Binnenbereich der Organisation erneut angewandt („re-entry“)262, wird deutlich, dass die interne Binnenstrukturierung und die dort eingesetzte Koordinationsform einer transaktionskostentheoretischen Analyse zugänglich sind.
Auch Windsperger betrachtet die Lösung des internen Koordinationsproblems als den eigentlichen Untersuchungsgegenstand der Transaktionskostentheorie, wenn er hervorhebt, das es darum gehe, herauszufinden, „was der effiziente Koordinationsmechanismus zur Ausnützung eines durch Innovations- und Arbitragefähigkeit aufgedeckten Gewinnpotentials ist“ und weiter ausführt: „Er [der Transaktionskostenansatz, I. L.] will daher die Koordinationsfunktion der Unternehmung erklären.“263 Werden Markt und Hierarchie statt als statische Strukturalternativen an den Endpunkten einer einzigen Dimension als zwei Dimensionen betrachtet, lassen sich aufbauorganisatorische Alternativen unter dem Gesichtspunkt der in ihnen repräsentierten „marketness“ und „hierarchicalness“ untersuchen.264
262
263 264
Vgl. zum re-entry-Problem bereits Teubner (1992). Luhmann diskutiert das „re-entry“-Problem am Beispiel des mathematischen Problems der Wiedereinführung des Outputs eines Systems als erneuter Input in das System und am Beispiel der wiederholten Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdreferenz im System. Das System muss über beide Kategorien, Selbstreferenz und Fremdreferenz, verfügen können, damit es sich von der Umwelt unterscheiden kann. Vgl. Luhmann (2008), 21. Der Selbstreferenz des Systems muss also die Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdreferenz wiederum eingeschrieben sein, diese müssen als Teilmenge in der Selbstreferenz des Systems vorkommen. Windsperger (1998), 267. Vgl. Heydebrand (1989), 330, der auf die vorbereitende Studie von Stinchcombe (1985) verweist.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
79
Es lässt sich ein Kontinuum aufspannen, auf dem sich die beobachtbaren Organisationsformen nach dem Vorherrschen zentripetaler, organisationsnaher, oder zentrifugaler, marktnaher, Kräfte einordnen lassen und dessen mittlerer Bereich durch sogenannte hybride Arrangements oder kooperative Zusammenschlüsse gebildet wird (vgl. Abbildung 13).
Projektarbeit, Kooperative
Teamarbeit,
Strategische Allianzen,
Zusammenschlüsse
Organisation
Markt
Gremien,
Netzwerke,
Arbeitskreise,
Joint Ventures
Kollegialorgane Zentripetalkräfte „hierarchicalness“
Zentrifugalkräfte „marketness“
Abbildung 13: Kontinuum der Kooperationsformen Quelle: Eigene Darstellung
Transaktionskosten sind als Effizienzkriterium für das Controlling der internen Organisationsstruktur geeignet, da sie den Anforderungen an ein valides Kriterium zur Beurteilung der internen Organisationsstruktur (Eindeutigkeit, Konsistenz und Erreichbarkeit durch organisatorische Gestaltung), mit Ausnahme der quantitativen Operationalisierbarkeit, genügen.265 Neben der Effizienz bilden Transaktionskosten auch Effektivität als Maßstab für den Beitrag zur Unternehmenszielerreichung ab, z. B. in Form der wirtschaftlichen Nachteile infolge von aus Unternehmenssicht suboptimalen Entscheidungen.266 Auch wenn Transaktionskosten nicht direkt quantifiziert werden können, ist es doch möglich, testbare Hypothesen abzuleiten, indem untersucht wird, wie die Eigenschaften einer Transaktion die relative Effizienz („differential efficiency“) organisatiorischer Alternativen beeinflusst.267 Hierzu werden im Folgenden die Transaktionsmerkmale in ihrer Kostenwirkung genauer betrachtet.
265
266 267
Nicht vollständig erfüllen Transaktionskosten die Anforderung der Operationalisierbarkeit, auch kann der Zielbeitrag einer konkreten Gestaltungsmaßnahme aufgrund der Interaktion mit der Unternehmensführung nicht isoliert werden. Vgl. zu diesen Einwänden und dem vergleichsweise hohen Erfüllungsgrad der anderen genannten Anforderungen an Beurteilungskriterien Stein (1998), 98 f. Vgl. Stein (1998), 98 f. Vgl. Masten (1996), 45 f.
80
Basistheoretische Grundlagen
4.2.1.2
Kostenwirkungen einer Variation der Transaktionsmerkmale
Die transaktionskostenminimale Organisationsform zur Durchführung eines bestimmten Typs von Transaktion wird durch die Merkmale der Transaktion, genauer die Transaktionshäufigkeit, die Transaktionsunsicherheit (Umwelt- und Verhaltensunsicherheit) und das Ausmaß der erforderlichen transaktionsspezifischen Investitionen, bestimmt.268 Die ceteris-paribusKostenwirkungen (kostensteigernd (+), kostensenkend (-), neutral (0)) einer Variation der Transaktionscharakteristika fasst Tabelle 3 zusammen.
Tabelle 3: Kostenwirkungen der Variation der Transaktionscharakteristika
Transaktionshäufigkeit
Transaktionsunsicherheit
Transaktionsspezifische Investitionen
Produktionskosten
-
0
-
Transaktionskosten
-
+
+
Quelle: veränd. übernommen aus Ebers/Gotsch (2006), 284.
Zentrale Annahmen, die durch die Transaktionskostentheorie hinsichtlich der Eigenschaften der Akteure getroffen werden, sind die individuelle Nutzenmaximierung, beschränkte Rationalität und opportunistisches Verhalten. Danach maximieren im Eigeninteresse handelnde Individuen ihren individuellen Nutzen unter der Nebenbedingung des institutionellen Arrangements (Nutzenmaximierung) und auf Basis einer unvollständigen und zeitveränderlichen Präferenzstruktur (unvollständige Rationalität), wobei bei der Verfolgung ihres Eigeninteresses Verhaltensweisen wie List, das Verbergen der wahren Präferenzen oder das Zurückhalten von Informationen nicht ausgeschlossen sind (Opportunismus).269 Als Folge der Verhaltensannahmen der begrenzten Rationalität (in der Regel auf den Tatbestand der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität beschränkt)270 und des Opportunismus der handelnden Akteure stellt die Unvollkommenheit von Verträgen annahmegemäß den Regelfall dar. Ex-postVertragsanpassungen wie bürokratische Steuerungs- und Kontrollmechanismen, Anpassungs268 269 270
Vgl. Williamson (1991), 269. Vgl. Furubotn/Richter (2003), 3 ff. Vgl. Lindenberg (1996), 130. Wie Schramm hervorhebt, ist die beschränkte Rationalität der Institutionenökonomie als Optimierung unter Nebenbedingungen definiert, wobei keine individuelle, sondern eine überindividuelle Annahme getroffen ist, da individuenunabhängig identische Grenznutzen und Informationskosten der Beschaffung einer zusätzlichen Einheit Information vorausgesetzt werden. Vgl. zur Angemessenheit dieser Modellierung ausführlich Schramm (2005), 75 ff.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
81
klauseln in Verträgen und Konfliktlösungsmechanismen wie Schiedsgerichte wirken sich als Modifikation unvollkommener Verträge transaktionskostensteigernd aus.271
Zum Problem wird Opportunismus nur durch die kombinierte Wirkung mit der Transaktionsspezifität. Der Vorteil der autonomen Anpassung und Anreizintensität von Markttransaktionen, bei denen Rivalität die Marktteilnehmer diszipliniert, reduziert sich, sobald eine gegenseitige Abhängigkeit der Transaktionspartner aufgrund getätigter transaktionsspezifischer Investitionen unterstellt wird. Die Kosten der Hierarchie werden ab einer kritischen Schwelle der Spezifität durch den Nutzen der internen Schutzmechanismen gegen Opportunismus kompensiert. Steigende Unsicherheit – z. B. häufige und starke Schocks – führt zudem zu einer Verdrängung hybrider Organisationsformen und machen sowohl marktliche als auch hierarchische Koordination relativ vorteilhafter.272
4.2.1.3
Relevante Institutions- und Transaktionsmerkmale auf der Binnenebene
Das transaktionskostentheoretische Entscheidungsraster, das in Abhängigkeit von den verursachten Transaktionskosten eher marktähnlicher oder eher hierarchischer Organisation den Vorzug gibt, ist für die Fragestellung der Arbeit zu grobmaschig. Wird aufgrund hoher transaktionsspezifischer Investitionen und eines daraus resultierenden hohen Opportunismus-Risikos des Vertragspartners die Hierarchie dem Markt vorgezogen, ist noch keine Aussage über die optimale interne Organisation getroffen. Es ist ausgehend von den Überlegungen zum „reentry“ von Markt und Hierachie in die Hierarchie, notwendig, das Analyseinstrumentarium auf das interne Organisationsproblem, den trade-off zwischen Koordinations- und Motivationseffizienz273, zu übertragen. Der Bogen zu den im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Problem der optimalen internen Organisation arbeitsteilig organisierter Leistungen in der Organisationsform des Konzils kann geschlagen werden, indem ein erweiterter Transaktionsbegriff zugrundegelegt wird, der neben physischen Austauschvorgängen den Einsatzfaktor Humankapital, den Gutenberg’schen dispositiven Faktor, einschließt. Da klassische Arbeitsbeziehungen auf Basis langfristiger Arbeitsverträge mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für wiederkehrende Transaktionen angenommen werden, wird Transaktionshäufigkeit aus der Betrachtung ausgeblendet. Es wird eine kontinuierliche Arbeitsleistung von hoher Wiederholungsrate unterstellt.274 Auch gehen die bereits in die Vertragsaushandlung
271 272 273
274
Vgl. Ebers/Gotsch (2006), 279 u. 287. Vgl. Pies (2001). Vgl. zum antagonistischen Verhältnis von Koordinations- und Motivationskosten Kapitel 6.2. Analog wird vom Flexibilitäts-Stabilitäts-Dilemma gesprochen, vgl. Tomenendal (2002). Vgl. Williamson (1981), 563.
82
Basistheoretische Grundlagen
und –gestaltung investierten Kosten nicht in die ex ante-Transaktionskosten ein, da von bestehenden Arbeitsverhältnissen ausgegangen wird. Vertragsbezogene Anbahnungskosten sind als „sunk costs“ bei der Bestimmung der optimalen Organisationsstruktur nicht mehr entscheidungsrelevant.
Die sich in Bezug auf die Spezifität des Humankapitals stellende Frage ist dann von der Basisfragestellung
„Welches institutionelle Arrangement (Organisation vs. Markt) ist für welche Art von Transaktion (Häufigkeit, Spezifität, Unsicherheit) optimal?“
umzuformulieren zu
„Welche Vertragsform/Organisationsform für die arbeitsteilige Leistungserstellung mehrerer Akteure (Gruppenarbeit) in der Organisation ist für welche Art der Transaktion (Unsicherheit und Humankapitalspezifität) optimal?“
Je höher der Spezifitätsgrad das Humankapitals, desto geringer dessen Substituierbarkeit und desto höher die Quasirenten, die der Beschäftigten- und der Arbeitgeberseite bei einer Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den jeweils anderen verloren gehen. Spezifität in Bezug auf Humankapital versteht Williamson als Grad, zu dem spezifische Kenntnisse erworben wurden, die über die für die Ausübung einer Tätigkeit erforderlichen Fachkenntnisse einer Profession hinausgehen. Als Beispiel für nicht leicht transferierbares Wissen wird die Kenntnis eines Ablage- oder Datenbanksystems, das in dieser Form nur in einem bestimmten Unternehmen zum Einsatz kommt und für das Spezialkenntnisse erforderlich sind, angeführt. Weitere Beispiele sind spezielle Trainingsmaßnahmen und „learning by doing“, z. B. in der Produktion.275 Weitere spezifitätserhöhende Faktoren sind „task idiosyncracies“ als Folge des spezifischen Zuschnitts von Arbeitsaufgaben, der Zugang zu informellen Kommunikationskanälen und eingespielte Interaktionsmuster in selbstorganisierenden Gruppen – für die das Konzil in dieser Arbeit idealtypisch stehen soll. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sich eine Überführung in die zweitbeste Verwendung bei Ausscheiden der Träger des spezifischen Humankapitals für das Unternehmen nicht ohne Verlust der Quasirente vollziehen lässt. Auch Ménard versteht unter spezifischen Humanressourcen Qualifikationen, die durch Interaktionen zwi-
275
Vgl. Williamson (1979), 240. Hier soll davon ausgegangen werden, dass ein hoher Grad an fachspezifischem Wissen auch zum Erwerb von firmenspezifischem Wissen führt, vgl. ähnlich Fritz (2006), 59, Fn. 1.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
83
schen den Organisationsmitgliedern entstehen und innerhalb der Organisation nicht leicht substituierbar bzw. auf dem Arbeitsmarkt nicht fungibel sind, so dass eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründet wird.276 Aus der Humankapitalspezifität ergeben sich Folgeprobleme277:
Die Verteilung der Quasirenten ist Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite, da beide Gruppen versucht sind, um möglichst hohe Anteile an den spezifischen Renten zu „feilschen“.278 Zurückhaltung oder suboptimaler Einsatz von spezifischem Wissen durch den Arbeitnehmer stellt eine solche einseitige Verschiebung der Rentenvereinnahmung zugunsten des Arbeitnehmers dar. Kenntnisse und Lerneffekte in Bezug auf eingespielte Arbeitsvorgänge, die Humankapitalspezifität begründen, verhindern erforderliche Anpassungen an geänderte Umweltanforderungen.279 Die Spezifität des Humankapitals wird durch dessen Träger unter dem Aspekt der Machtsicherung als Wettbewerbsfaktor betrachtet und nicht an nachfolgend einzuarbeitende Mitarbeiter weitergegeben. Aus der Spezifität der Aufgabenträger entstehen Verhaltens- und Ergebniskontrollprobleme. Die fehlende Vergleichbarkeit mit „peers“ und die fehlende fachliche Einsicht der kontrollierenden Führungskraft schafft die Gefahr der opportunistischen Ausnutzung des Expertenwissens, z. B. durch Verfolgung eigener, nicht unternehmenszielkonformer Absichten oder durch Nichterbringung der vereinbarten Leistung. Der Nicht-Einsatz der hochspezialisierten Kenntnisse ist im Vergleich zu generischen Kenntnissen und Fähigkeiten kaum kontrollierbar („Expertenmacht“). Kommunikationsbarrieren entstehen nicht nur zwischen Abteilungen, sondern mit zunehmender Humankapitalspezifität auch zwischen den spezifisch qualifizierten Aufgabenträgern einer Abteilung.
Aufgrund transaktionsspezifischer Investitionen besteht (im Unterschied zu den ebenfalls koalitionäre Züge tragenden Franchise-Kooperationen) bei Organisationen der Bedarf zur Absicherung gegen Quasi-Renten ausbeutendes opportunistisches Verhalten, weshalb ihnen eher „voice“ als „exit“ als Sanktionsmechanismen dient und ihnen ein demokratischer Charakter eigen ist.280 Die Vorteile der organisationsinternen Transaktionsabwicklung liegen im Zugang 276 277 278 279
280
Vgl. Ménard (1996), 159. Vgl. Stein (1998), 106. Vgl. bereits Williamson (1979), 242. Vgl. zur hier erkennbaren Parallele der Humankapitalspezifität zur positiven Rückkopplung, die Pfadabhängigkeit begründen kann, am Beispiel von Netzwerken Kapitel 5.1.3.3. Vgl. Bonus, H. (1986).
84
Basistheoretische Grundlagen
zu einer breiten Informationsbasis, die das für die Ausbildung von Vertrauen notwendige Wissen über die Teilnehmer des Kollektivs (Mitarbeiter) bereitstellt, und in firmenspezifischer Reputation als Surrogat für Vertrauen. Vertrauen ist aus Sicht der Institutionenökonomik als Mechanismus zur Senkung von Transaktionskosten zu betrachten. Organisationen nehmen eine Internalisierung erfolgskritischer Transaktionen (Teilung transaktionsspezifischer Investitionen durch die Partner) vor, um die externe Bedrohung von Quasi-Renten abzuwenden.
Zu den Charakteristika von Organisationen zählt weiter die Koexistenz von Koordinationsinstrumenten von unterschiedlichem Formalisierungsgrad. Zu denken ist dabei nicht ausschließlich an die Unterscheidung zwischen schriftlich fixierten Regeln und Programmen (hoher Grad der Formalisierung) und persönlicher Weisung (geringer Grad der Formalisierung), sondern auch an das Ausmaß der Einbeziehung informaler Mechanismen als koordinationswirksamen Äquivalenten zur formalen Koordination. Es ist sinnvoll, zwischen „rationaler Kontrolle“ und „sozialer Kontrolle“ zu unterscheiden. Während rationale, formal sanktionierende Kontrolle auf mess- und bewertbaren Eigenschaften der Tätigkeit aufbaut, senkt soziale Kontrolle die Wahrscheinlichkeit opportunistischen Verhaltens indirekt über die Einwirkung auf Normen und Werthaltungen und greift zur Sanktionierung abweichenden Verhaltens eher auf informelle Gruppenbeziehungen als auf eine Erhöhung der Regelungsdichte zurück.281 Bonus gibt mit der Unterscheidung in zentrales und peripheres idiosynkratisches282 Wissen eine Begründung für die Existenz von Arbeitsverträgen als langfristig angelegten Koalitionen zwischen Transaktionspartnern zur Gewährung kumulativer Anreize, die auf die technische Nicht-Trennbarkeit als Spezifitätsmaß abstellt. Dass sich z. B. für die kundenindividuelle Aushandlung von Kreditkonditionen eine Internalisierung der Vertragsbeziehung (kumulativer Anreiz zur Erbringung kontinuierlicher Arbeitsleistung durch den Bankmitarbeiter) gegenüber der Beschäftigung auf Provisionsbasis pro abgewickelter Transaktion (diskreter Anreiz zur erfolgreichen Abwicklung von Einzeltransaktionen) als vorteilhafter erweist, wird damit begründet, dass die Anwendung des idiosynkratischen Wissens sich nicht vom Produkt der Bank, dem zu vergebenden Kredit, trennen lässt.283 Um die Verminderung oder Vernichtung ihrer 281 282
283
Vgl. Goshal/Moran (1996), 9 f. zit. n. Fritz (2006), 110 f. Williamson bezeichnet Transaktionen, bei denen transaktionsspezifische Investitionen („nonmarketable expenses“) getätigt werden, so dass „the specific identity of the parties has important cost-bearing consequences“, als idiosynkatisch („idiosyncratic“). Ein „lock“-in-Effekt der investierenden Partei ist die Folge, da der Wert der spezifischen Investition in einer alternativen Verwendung geringer ist. Vgl. Williamson (1979), 240. Spezifisches Humankapital ist damit als idiosynkratisch zu kennzeichnen. Vgl. Bonus, H. (1986). Mit den Begriffen „zentral“ und „peripher“ wird dabei die Nähe des Produktionsfaktors Wissens zum erstellten Produkt oder der angebotenen Dienstleitung gekennzeichnet. Je eher das Kriterium der technischen Trennbarkeit erfüllt ist, desto geringer fällt die Bedrohung der firmeneigenen QuasiRente durch den Inhaber idiosynkratischen Wissens aus. Die kumulative Anreizstruktur des Arbeitsvertrages ist in diesem Fall nicht praktikabel, da die peripheren Inputs durch das Unternehmen nicht messbar sind. Die Ergebniskontrolle verschiebt sich vom Input auf den Output und die Externalisierung der Vertragsbeziehung und damit der Austausch über die Unternehmensgrenze hinweg (z. B. das Outsourcing der Dienstleistung), wird tendenziell vorteilhaft.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
85
Quasirenten durch Zurückhaltung des idiosynkratischen Inputs durch den Bankmitarbeiter zu verhindern, sind unternehmensseitig Sicherungen vorzusehen, die in Form der Weisungsgebundenheit und der geringen Spezifizierung der zukünftigen vertraglichen Leistungen durch den Arbeitsvertrag besser zu gewährleisten sind als z. B. durch einen kurzfristigen Berateroder Werkvertrag mit einem externen Spezialisten.
Unsicherheit wird operationalisiert durch den Grad der Messbarkeit der Produktivität der Humanressourcen, die die technologische Trennbarkeit der Einzelleistungen der Humanvermögensanbieter voraussetzt.284 Dass dies eine anforderungsreiche Voraussetzung ist, zeigt sich an der Schwierigkeit der Berechnung der anteiligen individuellen Grenzprodukte von Arbeitern bei der Erbringung einer Gruppenleistung.285 Williamson trifft ergänzend die Einschränkung, dass die Nicht-Trennbarkeit nur unter der zusätzlichen Annahme opportunistischen Verhaltens und einer Bedingung, die er „information impactedness“ nennt, Unsicherheit erzeugt.286 Auf Organisationen bezogen besteht bei kreativen, anspruchsvollen Aufgaben im Gegensatz zu technisch-handwerklichen Tätigkeiten eine größere Schwierigkeit der Identifikation der einzelnen Leistungsbeiträge, auch besteht als Folge der Leistungskontrolle durch die Organisation die Neigung, opportunistisches Handeln auf weniger kontrollierbare Bereiche zu verlagern oder „Dienst nach Vorschrift“ zu leisten. Die Leistung wird auf leicht kontrollierbare und messbare Tätigkeiten konzentriert und diejenigen Bereiche der Tätigkeit vernachlässigt, die der Kontrolle schwerer zugänglich sind.
Die von der Unsicherheit der Umwelt ausgehenden Veränderungsimpulse ziehen Veränderungen der Tätigkeitsanforderungen und damit einen Anpassungsbedarf der Mitarbeiterqualifikationen nach sich. Unsicherheit besteht aus Sicht des Unternehmens hinsichtlich der Fluktuationsentscheidungen der Arbeitnehmer, die sich auf bestehende Teamstrukturen auswirkt. Alewell und Martin argumentieren darauf aufbauend, dass eine hohe Umweltunsicherheit sich nivellierend auf die bestehenden Qualifikationen auswirkt, indem generelle Qualifikationen, z. B. Lern- und Anpassungsfähigkeit, gegenüber speziellen Qualifikationen an Bedeutung gewinnen und es in diesem Sinne zu einer Entwertung von Spezialqualifikationen kommt.287
Der Zusammenhang zwischen Spezifität und Unsicherheit, gemessen an der Surrogatgröße der Nicht-Trennbarkeit, wird deutlich am Beispiel eines in einer turbulenten Umwelt agierenden,
284 285
286 287
Vgl. Williamson (1981), 563 f. Vgl. Williamson (1981), 564. Vgl. zur Nicht-Trennbarkeit der Gesamtleistung in individuelle Leistungsbeiträge das Beispiel der gemeinsamen Beladung eines LKWs durch zwei Arbeiter bei Alchian/Demsetz (1972). Vgl. Williamson/Wachter/Harris (1975), 255. Vgl. Alewell/Martin (2006), 286 u. S. 288.
86
Basistheoretische Grundlagen
transitionalen Unternehmens.288 Es lässt sich in dieser Situation nicht eindeutig feststellen, welcher Teil einer positiven oder negativen Entwicklung des Unternehmenserfolgs dem Verhalten eines Managers zuzurechnen ist.289
4.2.2
Aus den Transaktionsmerkmalen abgeleitete Strukturformen
Zur Beantwortung der Frage nach der optimalen internen Organisation mit Bezug auf die interessierende Analyseeinheit der Arbeitsgruppe wird die nachstehende Typologie herangezogen, die die Unsicherheit in Arbeitsverhältnissen zur Humankapitalpezifität in Beziehung setzt, woraus vier idealtypische Formen von Arbeitsgruppen resultieren.290
Tabelle 4: Teamorganisation in Abhängigkeit vom Grad der Humankapitalspezifität und deren Messbarkeit
Spezifität
gering
hoch
gering
Spot-Markt
Obligationaler Markt
hoch
Einfaches Team
Relationales Team
Unsicherheit
Quelle: verändert übernommen von Williamson (1981), 566.
Die Situation des internen Spot-Marktes für Arbeitskräfte ist durch eine Humanressourcenausstattung gekennzeichnet, die einen hohen Grad an Transferierbarkeit aufweist. Da durch Fluktuation kaum firmenspezifisches Wissen bedroht wird und als Folge der leichten Messung der Qualifikation (geringe Unsicherheit aufgrund von technologischer Trennbarkeit) diese leicht substituierbar ist, ist das Interesse an längerfristiger Bindung von Unternehmensseite gering. Auch die Beschäftigten haben, vorausgesetzt es bestehen Alternativen, eine geringe Neigung zum Verbleib, da sie ohne Produktivitätsverlust die Arbeitsstelle wechseln können. Ein Beispiel für interne Spot-Märkte für Arbeitskräfte ist Leiharbeit von gering qualifizierten, vorwiegend für manuell-repetitive Tätigkeiten ausgebildeten Arbeitskräften, deren Kenntnisse firmenunspezifisch und daher ohne Verlust investierter Spezifitätsrenten auf andere Beschäftigungsverhältnisse transferierbar sind. Der hohe Mobilitätsdruck legt nahe, dass es sich bei 288 289 290
Vgl. Becker (2008a), 2 f. Goshal/Moran (1996), zit. n. Fritz (2006), 109 ff. Vgl. zum folgenden Williamson (1981), 564 ff.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
87
dieser Arbeitnehmerkategorie um die verhandlungsschwachen Humanvermögenspauperisten291 handelt, die einen vergleichsweise geringen Ertrag aus ihrer Arbeitsleistung ziehen und sich aufgrund der Nicht-Spezifität ihrer Qualifikation einem hohen Risiko des Arbeitsplatzverlustes gegenübersehen. Der Aufbau höherer Spezifität erfolgt in Eigenfinanzierung, Personalentwicklung muss unter Aufbringung von Lohnanteilen oder unbezahlten Urlaubstagen finanziert werden. Die dominierende Vertragsform ist der kurzfristige Arbeitsvertrag.
Das einfache Team stellt ebenfalls eine Arbeitsgruppe bestehend aus Beschäftigten mit wenig spezifischer Qualifikation dar, es unterscheidet sich aber vom geschilderten Fall durch die schwierige Messbarkeit der Einzel-Produktivitäten der Gruppenmitglieder. Zwar ist eine leichte Transferierbarkeit der Qualifikationen gegeben, so dass die Gruppenzusammensetzung ohne Verlust an firmenspezifischem Know-how, z. B. durch Fluktuation oder Umsetzung eines Teils der Mitglieder, leicht veränderbar ist. Es besteht aber ein Problem bei der Bemessung der individuellen Entlohnung, da sich die Grenzprodukte der einzelnen Gruppenmitglieder und damit ihr Anteil am Gruppenoutput nicht leicht bestimmen lassen. Als Beispiel kann die Gruppenmontage von Automobilen durch „blue collar“-workers genannt werden. Im obligationalen Markt, dessen Humankapital sich durch hohe Spezifität verbunden mit geringen Messproblemen auszeichnet, spiegelt sich das Interesse an der Vermeidung des Verlusts der firmenspezifischen Investition im Aufbau einer langfristigen Bindung, z. B. mittels Pensionsplänen. Hier kann durch anfänglichen Gehaltsverzicht verbunden mit der Aussicht auf mit zunehmender Betriebszugehörigkeit steigende Bezüge ein Verbleibeanreiz geschaffen werden. Die individuelle Anreizkompatibilität von Verträgen kann aufgrund der Möglichkeit, zwischen den Produktivitäten der einzelnen Mitglieder zu diskriminieren, sichergestellt werden. Die Vertragsgestaltung ist durch Co-opting charakterisiert.292
Diese Maßnahmen reichen im Fall des relationalen Teams nicht aus, dessen Mitglieder über Qualifikationen von hoher Spezifität verfügen bei gleichzeitiger Nicht-Messbarkeit der individuellen Ergebnisbeiträge. Williamson verweist auf bestimmte Clan-Strukturen in Organisationen293, gibt aber gerade im Hinblick auf diesen wichtigen Extremfall, in dem sowohl Spezifität als auch Unsicherheit stark ausgeprägt sind, keine ausreichend plausiblen Beispiele. Die Charakterisierung der Mitglieder relationaler Teams als Humanvermögenskapitalisten, die zur erfolgskritischen Kernbelegschaft gehören294, liegt nahe. Die hohen Erträge, die diese aus der Vermarktung ihrer Qualifikation ziehen, begründen sich aus dem Knappheitsgrad ihrer Qualifikation, die ihnen ein Alleinstellungsmerkmal verschafft, das Barrieren für Imitation durch 291 292 293 294
Vgl. Becker (2002a), 126 f. Vgl. Williamson (1981), 569. Vgl. Ouchi (1980). Vgl. Becker (2002a), 126 f.
88
Basistheoretische Grundlagen
andere Humanvermögensanbieter aufbaut und einen Schutz gegen Substitution darstellt. Aufgrund der vorliegenden Spezifität, die z. B. zur Folge hat, dass firmenspezifisches Wissen bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe eine verstärkte Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen nahe legt, sind Anreizbedingungen und vertragliche Sicherungen vorzusehen. Zu denken ist an die Verinnerlichung firmenspezifischer Regeln und Programme und an die Sozialisation durch die Unternehmenskultur, deren Duplizierung Einarbeitungskosten für Stellennachfolger erzeugen würden. Die Bindung ihres spezifischen Know-hows kann durch das Unternehmen außerdem über Treueprämien gesichert werden, die den Humanvermögenskapitalisten in Form direkter Lohnbestandteile oder als Subventionierung der Personalentwicklung durch den Arbeitgeber zufließen. In der durch Williamson vorgenommenen Klassifikation, die eine Beschränkung auf die Dimensionen Spezifität und Unsicherheit vornimmt, fehlt der aufbauorganisatorische Bezug. Da es sich um eine Typologie von Gruppenformen handelt und stark auf die aus der Transaktionsunsicherheit resultierende Vertragsform rekurriert wird, bleibt der Ansatz dem „contractarian approach“ verhaftet, der das Unternehmen als Netzwerk von Verträgen auffasst295, ohne damit die Besonderheit der internen Steuerung im Unterschied zu marktlich vermittelten Verträgen erfassen zu können. Es wird keine Aussage über die interne Organisation und über die zu deren Aufrechterhaltung eingesetzte Koordinationsform getroffen.
Eine konsequente Nutzung des transaktionskostentheoretischen Optimalitätskriteriums nicht nur zur Wahl zwischen Governanceformen, sondern zur Beurteilung von aufbauorganisatorischen Gestaltungsalternativen innerhalb dieser Governanceformen, stellt die nachfolgende Typologie der internen Organisation („Hierarchietypen“) dar296 (vgl. Abbildung 14).
hoch Transaktionshäufigkeit
einfache Hierarchie
teilautonome Gruppen komplexe
Hierarchie
niedrig niedrig
hoch
Humankapitalspezifität
Abbildung 14: Hierarchietypen in Abhängigkeit von Häufigkeit und Spezifität Quelle: verändert übernommen aus Ménard (1996), 162.
295 296
Vgl. Alchian/Demsetz (1972). Vgl. zum folgenden Ménard (1996), 162 ff.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
89
Als klassische oder einfache Hierarchie wird der Fall bezeichnet, in dem eine hohe Spezifität der Humanressourcen auf eine hoch repetitive Aufgabenumgebung trifft. Es besteht hohe Interdependenz der spezialisierten Aufgabenträger, die komplementäre und damit ein hohes Maß an Koordination erfordernde Kompetenzen mitbringen. Weisen die Kompetenzen der Humanvermögensträger eine geringe Spezifität bei hoher Transaktionshäufigkeit auf, wie bei Teilautonomen Arbeitsgruppen, kann der erforderliche Koordinationsaufwand durch diskretionäre Entscheidungen mit einer Kombination aus persönlicher Weisung und formaler Koordination (z. B. durch vertragliche Vereinbarungen, Handbücher und formale Regelungen) erbracht werden. Entscheidend für die institutionalisierte interne Organisationsform ist die geringe Spezifität der Humanressourcen, so dass kommunikativ auszuhandelnde Gemeinschaftsentscheidungen sich relativ einfach erzielen lassen. Eine mittlere Stellung nimmt die sogenannte komplexe Hierarchie ein, in der ein mittlerer Grad an Spezifität mit einer relativ geringen Transaktionshäufigkeit zusammentrifft. Im Vergleich zur Situation teilautonomer Gruppen stellt die höhere Humankapitalspezifität eine Quelle der Unsicherheit im Sinne der schweren Beobachtbarkeit und damit Bewertbarkeit individueller Leistungsbeiträge dar. Zu hierarchischer Koordination durch Zentralisierung von Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen können aufgrund der im Vergleich zur klassischen Hierarchie leichteren Bewertbarkeit von Leistungen Elemente der dezentralen Koordination hinzutreten. Als Illustration kann die Organisationsform des multidivisionalen Konzerns angeführt werden mit einer zentralen Gesamtleitung und dezentral koordinierten Produkt-, Kundengruppen- oder Länderdivisionen. Weshalb gerade der komplexen Hierarchie die Eigenschaft zugesprochen wird, durch die Durchführung „wiederholter Spiele“, unter Anlehnung an die Spieltheorie also unter Berücksichtigung von Reputationseffekten, opportunistisches Verhalten zu verringern297, ist allerdings nicht ersichtlich, da gerade in dieser Strukturform die Transaktionshäufigkeit nur mittelstark ausgeprägt ist. Unter der Annahme einer hoch ausgeprägten Transaktionshäufigkeit lässt sich die innerhalb der Organisation im Folgenden relevante Gruppenform als relationales Team in der „einfachen Hierarchie“ verorten, die eine mittlere bis hohe Umweltdynamik (Unsicherheit) mit einer hoch ausgeprägten Humankapitalspezifität verbindet (vgl. Abbildung 15).
297
Vgl. Ménard (1996), 164.
90
Basistheoretische Grundlagen
hoch Unsicherheit Einfaches niedrig Team
Obligationaler Markt
Spotmarkt
hoch
Transaktionshäufigkeit
Teilautonome
Relationales Team
Einfache Hierarchie
Gruppen Komplexe Hierarchie
niedrig
niedrig
Humankapital- hoch spezifität
Abbildung 15: Auf Basis der Transaktionseigenschaften hergeleitete Analyseeinheiten Quelle: Eigene Darstellung
Damit sind die basistheoretischen Voraussetzungen geschaffen, um die nachfolgende Beschreibung der Konziliaren Organisation vornehmen zu können. Neben dem notwendigen organisationswissenschaftlichen Hintergrund wird im Folgenden (Kapitel 5) vorrangig auf die Systemtheorie, die Kommunikationswissenschaften und die soziale Netzwerktheorie Bezug genommen, während das transaktionskostentheoretische Kalkül in Verbindung mit der sozialen Netzwerktheorie den Hintergrund für Kapitel 6 bildet. Bei der Analyse und Zusammenstellung der notwendigen und hinreichenden Elemente erfolgt aus Gründen größerer analytischer Klarheit in Anlehnung an die Systematik der Organisationsentwicklung ein getrenntes Vorgehen anhand der Dimensionen Konfiguration (Struktur), Kommunikation (Prozesse), Akteure (Personen) und – in Erweiterung dieses Strukturierungsrasters – Relationen (Beziehungen) (vgl. Abbildung 16).298
298
Vgl. hierzu die Kapitel 5.1-5.4.
Transaktionskostentheoretische Grundlagen
Struktur
91
Prozess Konziliare Organisation Beziehungen
Person
Abbildung 16: Strukturelemente der Konziliaren Organisation Quelle: Eigene Darstellung
Hervorzuheben ist, dass diese Trennung aus analytischen Gründen geschieht und in keiner Weise von der Überzeugung getragen ist, die betrachteten Teilaspekte könnten voneinander getrennt betrachtet werden. Es ist im Gegenteil von einem Zusammenwirken der Komponenten auszugehen, wie an der Begriffsfassung des in Netzwerken wirksamen Sozialkapitals („social capital“) von Nahapiet und Goshal deutlich wird. Sie unterscheiden zwischen einer strukturalen, einer relationalen und einer kognitiven Dimension von Sozialkapital. Die strukturale Dimension erfasst, korrespondierend mit dem oben genannten Aspekt Konfiguration, die Summe der sozialen Beziehungen zwischen Akteuren – systemtheoretisch gesprochen die Kanten des Netzes – als Voraussetzung für Kooperation. Als Beispiel können die organisationalen Informationskanäle als Wege der Wissensweitergabe, die formalen Weisungsbeziehungen und der Zugang zu Ressourcen angeführt werden. Die relationale Dimension bezieht sich auf die Bereitschaft von Individuen, mit anderen Organisationsmitgliedern, z. B. im Rahmen von Gruppenarbeit, zusammenzuarbeiten. Die kognitive Dimension spiegelt die individuelle Fähigkeit zur Zusammenarbeit wider und beinhaltet u. a. eine übereinstimmende Interpretation von Situationen („shared understanding“).299 Der Aufbau und die systematische Förderung der Fähigkeit zur diskursiven Entscheidungsfindung und Kooperation gehört angesichts der kritischen Position von „boundary spanners“ an den Schnittstellen zur Umwelt und der prospektiven Kosten einer gescheiterten Informations- und Kommunikationspolitik300, zu den wettbewerbskritischen Aufgaben im Unternehmen.
299 300
Vgl. Nahapiet/Goshal (2000). Zu denken ist z. B. an imageschädigende Kommunikationspannen gegenüber Mitarbeitern im Rahmen von Change Management-Projekten und die hohe Anfälligkeit der Kommunikationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit bei potenziell umweltschädlichen Produkten.
92
Beschreibung der Konziliaren Organisation
5. Beschreibung der Konziliaren Organisation 5.1
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
Die Organisationsparadigmen der Individualisierung und der Dezentralisierung, die in die Schaffung flexibler Organisationsstrukturen wie der Prozessorganisation, der modularen Fabrik und eine verstärkte Nutzung der Gruppenarbeit mündeten, stehen für die in der Zeit zwischen den 70er-Jahren und den 90er-Jahren intensivierten Bemühungen, den Nutzen der größeren Problemnähe operativer Einheiten durch Gewährung von Handlungsspielraum mit dem Erhalt der strategischen Steuerbarkeit der dezentralen Einheiten zu verbinden. Als verstärkendes Moment trat im Zuge der Humanisierung der Arbeit das Ziel der Motivation durch eine partizipative, akzeptanzfördernde Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation hinzu. Der Rückbau der Hierarchie erfolgte nur im Ansatz, gestalterische Maßnahmen bestanden in der Dezentralisierung von Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen. Die Entlastung der Unternehmensführung von operativen Entscheidungen wurde durch Selbstorganisation im Rahmen teilautonomer Arbeitsgruppen, z. B. in der Automobilindustrie, mittels quasi-marktlicher Koordinationsmechanismen wie internen Verrechnungspreisen in Cost- und Profit-Centern und durch informale Koordination durch die Unternehmenskultur erreicht.301
Schon Mintzberg wies auf den Nutzen der Etablierung sogenannter „lateral linkages“ zwischen Aufgabenträgern und Arbeitsgruppen hin, die insbesondere in durch hohe Unsicherheit geprägten Situationen eine Reduzierung der Koordination durch direkte Anweisung und damit eine Entlastung der Unternehmensführung erlauben.302 Der durch Fenton/Pettigrew in den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts in Großbritannien und weiteren europäischen Ländern sowie den USA mittels Fragebogen und Fallstudienuntersuchung durchgeführte Vergleich neuer, (im Sinne Schumpeters) ‚innovativer’, Organisationsformen hinsichtlich zentraler Erfolgsgrößen wie der Rendite des eingesetzten Kapitals ergab eine positive Performance-Wirkung konzertierter Veränderungsmaßnahmen, die gleichzeitig in Strukturen, Prozessen und an Schnittstellen durchgeführt wurden (z. B. die Einführung von vertikalen und horizontalen Verbindungsstellen oder einer Projektorganisation) und eine Performance-Einbuße singulärer Maßnahmen. Als Kennzeichen neuer Organisationsformen halten sie fest, dass diese verstärkt Gebrauch von ad hoc eingesetzten interdivisionalen und crossfunktionalen Zusammenkünften machen und die klassische Abteilungsstruktur durch task forces und Teams durchbrochen wird und sie
301 302
Vgl. Semlinger (1999), 35 f. Vgl. Mintzberg (1979).
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
93
betonen das Vorliegen von „highly elaborate formal and informal internal communication systems, lateral as well as hierarchical“.303 Die Anforderungen an ein gleichzeitiges Management von Flexibilität, Stabilität und Effizienz haben zur Etablierung von „Exoten“-Organisationen geführt, die in Analogie zu klassischen sozialen Kooperationsformen als „Ehe“, „Club“, „Kommune“, „Forum“ und „Expedition“ bezeichnet werden und die es ihren Mitgliedern ermöglichen, wenig verbreitete Koordinationsmechanismen zu nutzen (z. B. Werte wie Solidarität in Kommunen) oder neben der Gewinnerzielungsabsicht ergänzend weitere Ziele zu verfolgen (kommunikativer Erfahrungsaustausch, z. B. in Foren).304
5.1.1
Organisationsstruktur aus systemtheoretischer Sicht
Eine Organisation schafft und reproduziert ihre Struktur, indem durch sie “Unterscheidungen getroffen und aufgegriffen [werden], die die Organisation als das schaffen, was sie ist, und dies jeweils im Unterschied zu anderen Unterscheidungen, anderen Gesellschaftsformen, anderen Finanzierungsformen, anderen Arbeitsverträgen [...], Buchführungspraktiken und Rücksichtnahmen, deren Befolgung einen anderen Typ von Organisation schaffen würde.”305 Die Annahme, dass Organisationen in der Lage sind, ihren Bestand zu sichern, indem sie sich selbst reproduzieren, gehört zum Standardrepertoire der Organisationswissenschaft, nur die Operation, durch die ihnen dies gelingt, wurde unterschiedlich verortet, z. B. als Entscheidung306, Handlung307 und Kommunikation308. Eine Synthese von Entscheidung und Kommunikation findet sich im für die Arbeit maßgeblichen Spätwerk Luhmanns, der unterstellt, dass “Organisationen entstehen und sich reproduzieren, wenn es zur Kommunikation von Entscheidungen kommt und das System auf dieser Operationsbasis operativ geschlossen wird.”309 Auch das Kriterium der Strukturbildung aus der klassischen Organisationswissenschaft – die Mitgliedschaft – findet sich in der Systemtheorie wieder. Mitgliedschaft und Teilnahme an Organisationen sind das Ergebnis von kommunzierten Entscheidungen, auf Mitarbeiterseite über die Erbringung von Beiträgen und auf Seite der Organisation über Einstellung und Entlassung, also über Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft in der Organisation. Organisations303 304 305 306
307 308 309
Vgl. Pettigrew/Massini (2003), 7 sowie Pettigrew (2003), 343 f. Vgl. die mittels Fallstudienanalyse gewonnene Typologie bei Roehl/Rollwagen (2005), 170 ff. Baecker (1999), 133. Vgl. mit dem Schwerpunkt auf idealtypischen Phasen eines Entscheidungsprozesses bereits Heinen (1985), vgl. auch Baecker (1999), 138. Nicht die einzelne Entscheidung hat nach Baecker strukturbildendenden Charakter sondern erst die Abfolge von Entscheidungen in Organisationen, d. h. “Entscheidungen im Hinblick auf weitere Entscheidungen”, weshalb er nicht von einer “Entscheidungstheorie” spricht, sondern von einer “Theorie der Verknüpfung von Entscheidungen, der Reproduktion von Entscheidungen durch Entscheidungen”, Baecker (1999), 141. Vgl. auch Luhmann (2000), 170. Vgl. Luhmann (1982). Vgl. Luhmann (1996). Luhmann (2000), 63.
94
Beschreibung der Konziliaren Organisation
struktur wird in dieser Arbeit nicht mit einer hierarchischen Aufbauorganisation gleichgesetzt, sondern mit Miller verstanden als „pattern of relationships that results from coordinated interaction, not as a predetermined „chart“ that directs the subsequent behavior of organizational members.“310 Es wird deutlich, dass in diesen Begriff der Struktur sowohl informale als auch formale, in Handbüchern und Organigrammen kodifizierte, Formen der Leistungsbeziehungen und der Interaktion eingeschlossen sind und dass eine Vielfalt an möglichen Aufbauorganisationen abgedeckt wird.
5.1.2
Erkenntnisbeitrag „neuer“ Organisationsformen
Im Folgenden wird ein kurzer Abriss von Organisationsformen vorgenommen, die sich explizit oder implizit als Alternativen zur klassischen Hierarchie, zu einer zentralen Managementsteuerung, zu einer tayloristischen Aufbaustruktur, zu einer durch „Silo“-Denken geprägten Organisation ohne durchlässigen Wissensaustausch und anderen Vergleichsmaßstäben verstehen. Ziel ist eine genauere Verortung der Konziliaren Organisation innerhalb der Forschung zur Genese „neuer“, häufig schlagwortartig verkürzt als „hierarchiefrei“ bezeichneter, Organisationsformen. Der Ausdruck „hierarchiefrei“ ist irreführend, da von einer vollständigen Aufgabe dieses grundlegenden Gliederungsprinzips in der Mehrheit der (post-)modernen Organisationsformen nicht gesprochen werden kann, sondern eher von einer dauerhaften oder temporären, in jedem Fall komplementären Realisierung von flexibler Aufbauorganisation und Hierarchie. Der nachfolgende Überblick über postmoderne Organisationsformen erfolgt mit dem Ziel, zu vermeiden, dass der Extremform der „bürokratischen“ Organisation eine ebenso überzeichnete „innovationsfördernde“ Organisationsform gegenübergestellt wird311, ohne die Differenziertheit postmoderner Organisationsformen und den interessierenden Stellenwert von Kommunikation ausreichend zu berücksichtigen.
Eine kritisch-wertende Einordnung schließt die Skizzierung der Organisationscharakteristika der einzelnen Ansätze ab, dabei werden aus Gründen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Darstellung nachfolgende Kriterien zugrunde gelegt (vgl. Abbildung 17):312
310 311
312
Miller (1995), 9 (Hervorhebung im Original). Vgl. Frese (2005), 591. Die gleiche Überlegung leitet die transaktionskostentheoretische und systemtheoretische Effizienzkriterienbetrachtung in Kapitel 6.3. In der zusammenfassenden Einschätzung am Ende jedes Abschnitts (vgl. Kapitel 5.1.3.1-5.1.3.9) wird durch Hervorhebung kenntlich gemacht, auf welches Kriterium aus Abbildung 5.1 jeweils Bezug genommen wird.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
95
Stellung der Organisationsform in der Gesamt-Organisationsstruktur Zuordnung nach dem Grad der Dauerhaftigkeit (Primärorganisation oder Sekundärorganisation) Zusammenfassung der Aufgabenträger zu Gruppen (ja/nein) Einbezug von Hierarchieebenen (ausschließlich operative Einheiten, ausschließlich TopManagement, operativ und strategisch gemischt) Einbezug von Funktionen (homogen bezüglich der Fachfunktion, heterogen bezüglich der Fachfunktion) Kommunikation Grad der Institutionalisierung von Kommunikation als Bestandteil der Organisationsstruktur Ausmaß des Einsatzes von Kommunikation zur Koordination Effizienz/Effektivität Existenz von Kriterien zur Einschätzung der Optimalität der Organisationsform Abbildung 17: Kriterien zur Einordnung der postmodernen Organisationsstrukturen Quelle: Eigene Darstellung
Ziel der Darstellung ist die kriteriengeleitete Einordnung der genannten Organisationsformen, um die Ansätze der Konziliaren Organisation gegenüberstellen zu können. Es erfolgt eine Beschränkung auf Konzepte, die sich in einer erkennbaren aufbauorganisatorischen Form niederschlagen. Auf reine Ordnungsprinzipien wie das selbstorganisatorische Konzept der Heterarchie wurde verzichtet, da es sich in verschiedenen Organisationsformen – ähnlich dem Gegenbild der Hierarchie – in unterschiedlichem Grad verwirklicht sieht und eine klare Abgrenzung seiner aufbauorganisatorischen Korrelate nicht möglich ist. Zum Heterarchieprinzip soll lediglich angeführt werden, dass es sich als „fluktuierende Hierarchie“ oder „gegenläufige“ Hierarchie versteht, d. h. die in Stellenbeschreibungen festgelegten hierarchischen Weisungsbefugnisse sollen situativ und lokal begrenzt durch neue Kompetenzzuweisungen ersetzt werden. Preis der Flexibilität ist ein hohes Maß an Redundanz der vorgehaltenen Fähigkeiten („organizational slack“), der Verzicht auf Spezialisierungsvorteile und eine tendenzielle Ressourcenunterauslastung. Bei bereichsbezogen begrenzter Heterarchie stehen zwei im Leistungsaustausch stehende organisatorische Einheiten hinsichtlich eines Merkmals wechselseitig in einem Über- bzw. Unterordnungsverhältnis, d. h. eine der organisatorischen Einheiten ist bezüglich eines Merkmals A einer anderen Einheit hierarchisch übergeordnet, ist ihr aber hinsichtlich eines Merkmals B untergeordnet, so dass eine Verschränkung der hierarchischen Machtbeziehungen stattfindet. Als Beispiel für eine „Hierarchie mit wechselnden Vorzeichen“ nennen Reiß/Beck die Stab-
96
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Linien-Organisation. Die Linienvorgesetzten haben gegenüber den sie unterstützenden Stäben Positionsmacht inne, da sie disziplinarische Weisungsrechte ausüben. Die Stäbe verfügen gegenüber der Linie über Expertenmacht313, da ein Überhang an fachlicher Qualifikation zu ihren Gunsten vorliegt, der z. B. als Informations- und Ressourcenhoheit ein Substitut für die fehlende positionale Macht bilden kann. Besteht heterarchische Gestaltung nicht nur auf Teilbereiche der Organisation bezogen, sondern ist sie ordnendes Prinzip der Aufbauorganisation insgesamt, besteht die Organisation aus einer lenkenden Organisationseinheit und einer ausführenden Ebene mit Arbeitsgruppen. Die zentrale Koordinationseinheit stellt die Konvergenz der Teilziele der Arbeitsgruppen sicher, die über die Zielkaskade an der Managementleistung partizipieren, so dass zu Recht attestiert wird, dass Management (wenn auch in unterschiedlicher Verdünnung) im ganzen System stattfindet.314 Die Generierung neuen Wissens erfolgt, unterstützt durch die lose Kopplung der Unternehmenseinheiten, in einem selbstreferentiellen Prozess.315
Zu den im Weiteren gegeneinander abzugrenzenden und im Hinblick auf die angeführten Kriterien zu analysierenden Organisationsformen zählen
die System-4-Organisation von Likert (1967), die Virtuelle Organisation von Davidow/Malone (1993), die Netzwerkorganisation316 die Hypertextorganisation von Nonaka/Takeuchi (1997) die Adhocratie von Mintzberg (1979) die Pluralistische bzw. Multikulturelle Organisation von Cox (1991), Cox (2001) die Vertrauensorganisation nach Bleicher (1991) die Emergente Organisation von Taylor/Every (2000)
In diesen Organisationsformen wird die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Abteilungen (Leistungsintegration) und hierarchischer Ebenen (vertikale Integration) verstärkt in den Vordergrund gerückt. Im Zuge dessen gewinnen kommunikations- und kooperati313 314 315 316
Vgl. Reiß/Beck (2000), 324. Vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1991), 138 f. Vgl. Hedlund/Nonaka (1993), zit. n. Holtbrügge (2001b), 193. Aufgrund der ad hoc-Theorieentwicklung und der Heterogenität der Beiträge zur “Managementmode” Netzwerk ist es nicht zweckmäßig, einen einzigen Theorievertreter hervorzuheben, vgl. zu typischen Forschungsbeiträgen Kapitel 5.1.3.3.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
97
onsfördernde, Zusammenarbeit unterstützende, aufbauorganisatorische Lösungen stärker an Gewicht317 und es kommt zu einer verstärkten Heterogenisierung der Organisation durch fachliche und hierarchische Durchmischung der Leistungseinheiten, z. B. von Gruppen. Von der traditionellen Organisation unterscheiden sich diese Organisationsformen durch ihren in der Regel temporären Charakter und ihren Anspruch, einen hohen Grad an Durchlässigkeit zu bieten, der im Vergleich zu traditionellen Organisationsstrukturen eine verbesserte Wissensdiffusion ermöglichen und Innovationen fördern soll.318 Zu den häufig angeführten Gestaltungsmerkmalen zählt weiter, dass sich die Beziehungen zwischen den Stelleninhabern bzw. kooperierenden Organisationseinheiten oder ganzen Organisationen durch lose Kopplung319 und einen geringen Formalisierungsgrad auszeichnen. Kommunikation und Vertrauen zwischen den Kooperationspartnern werden als Koordinationsinstrument zusätzlich zur formalen Koordination eingesetzt. Es folgt eine Detailanalyse der genannten Organisationsformen nach den angeführten Kriterien.
5.1.3
(Post)moderne, intermediäre Organisationsformen als Idealtypen
5.1.3.1
System 4-Organisation
Kurzdarstellung Die System 4-Organisation von Likert320 zielt auf eine verbesserte vertikale und laterale Abstimmung zwischen Aufgabenträgern unterschiedlicher Hierarchieebenen. Die Charakterisierung der auch als System 1-4 bezeichneten Organisationsform reicht von „ausbeutend autoritär“ (System 1) bis zum „partizipativen Gruppensystem“ (System 4) als idealtypischem Endpunkt des Kontinuums, dessen Merkmale in Abgrenzung zur traditionellen hierarchischen Organisation (System 1) herausgearbeitet werden. Wesentliches Element der System 4Organisation ist die vertikale, horizontale und laterale Verknüpfung von Aufgaben- und Entscheidungsträgern aufgrund ihrer Multisystempositionierung, d. h. der gleichzeitigen Mitgliedschaft in mehreren organisatorischen Gruppen. Die Ausrichtung der Mitglieder verschiedener organisatorischer Gruppen und Hierarchieebenen auf eine gemeinsame Zielsetzung wird vertikal durch das Prinzip sich überlappender Arbeitsgruppen („linking pins“) erreicht. Mitglieder 317 318
319
320
Vgl. Holtbrügge (2001a), 339. Frese nennt als Merkmale „innovationsorientierter Organisationsstrukturen“ die Existenz individueller Handlungsspielräume, innovationsorientierter Motivationssysteme (z. B. Förderung intrinsischer Motivation durch innovationsfördernde Aufgabenstruktur) und die Absorption und den Transfer von Wissen. Vgl. Frese (2005), 598 und 639. Vgl. Weick (1976). Vgl. auch Mintzberg (1979), 54, der die Kommunikationsnetzwerke, die die formale Aufbauorganisation auf jeder Hierarchiestufe durchziehen, mit „Cliquen“ vergleicht, deren Informationsstand ein ähnliches Aggregationsniveau und einen gemeinsamen Themenbezug (z. B. Marketing) aufweist. Die innerhalb der „Clique“ ausgetauschten Inhalte unterscheiden sich wesentlich von den Informationen, die auf anderen hierarchischen Ebenen (nicht Abteilungen!) verarbeitet werden. Vgl. Likert (1967).
98
Beschreibung der Konziliaren Organisation
einer Arbeitsgruppe sind gleichzeitig gleichberechtigtes Gruppenmitglied in Gruppe A und übergeordnete Instanz in Gruppe B und stellen damit als Verbindungsstellen den vertikalen Informationsfluss zwischen den Gruppen sicher (vgl. Funktionselement 1 in Abbildung 18).
A
B
Funktionselement 1: Vertikale Koordination durch „linking pins“
Funktionselement 3: Laterale Koordination durch
Marketing
Produktion
F&E
“cross linking groups”
Funktionselement 2: Horizontale Koordination durch „cross function work groups“
Abbildung 18: Gestaltungsprinzipien der „Partizipativen Gruppenstruktur“ nach Likert Quelle: In Anlehnung an Likert (1967), 60.
Horizontale Koordination wird durch sogenannte crossfunktionale Gruppen („cross function work groups“) erzielt, deren Mitglieder multisystemisch ihrem Funktionsbereich und zugleich einer horizontalen Koordinationsgruppe angehören, die einem Vorgesetzten der einbezogenen Funktionsbereiche direkt unterstellt ist. Hierin kann eine Maßnahme zur Überwindung der bei
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
99
rein hierarchischer Koordination auftretenden Zentrifugalkräfte und „Bereichsegoismen“ gesehen werden (vgl. Funktionselement 2 in Abbildung 18). Die bestehende Gruppenstruktur wird zusätzlich von einem Netz aus lateralen Beziehungen überzogen, indem Mitglieder verschiedener Hierarchiebenen und Funktionsbereiche aus der regulären Organisationsstruktur projektbezogen und situativ, z. B. bei Auftreten von Dysfunktionalitäten in der vertikalen und horizontalen Koordination, ausgelagert und in lateralen Gruppen („cross linking groups“) zusammengefasst werden (vgl. Funktionselement 3 in Abbildung 18).
Zusammenfassende Einschätzung Dass die System 4-Organisation durch Likert als Primärorganisation konzipiert wird, zeigt sich an seinem Vorgehen, durch Befragung von Führungskräften zu ermitteln, welchem Typ von Organisation (System 1-4) sie ihr Unternehmen zuordnen und welche der IdealtypenOrganisationen sie für die wünschenswerte Organisationsform halten.321 Indikatoren für die Zuordnung waren der praktizierte Führungsstil und das Kommunikationsverhalten. Die durch die Zusammenfassung zu hierarchieübergreifenden und crossfunktionalen Gruppen erreichte Multisystempositionierung ermöglicht einen umfassenden Einsatz von Kommunikation zur Koordination und zur Erfahrungsweitergabe. Es findet keine Evaluation der Effizienz der Organisationsform statt, jedoch wird die Implementierung von Messverfahren vorgeschlagen, die in den Idealtypen System 4 und System 2 die unabhängigen, die intervenierenden und die abhängigen Variablen, die die Bereiche Einstellung und Verhalten betreffen322, mit unterschiedlicher Reichweite erfassen. So wird z. B. im System 2 ein institutionalisierter „Statusbericht“, der z. B. schwache Signale wie eine „verschlechterte“ Mitarbeitereinstellung oder systematisches Verfehlen von Leistungszielen erfasst, aufgestellt und in System 4 das Ziel verfolgt, eine „sehr leistungsfähige, stark motivierte personale Organisation aufzubauen.“323 Es wird von einem wünschenswerten Idealzustand (System 4) ausgegangen, der aber nur vor dem Hintergrund eines Weiterbestehens der hierarchischen Organisation umsetzbar ist und ohne der Kontingenz, z. B. der Korrelation zwischen Umwelt- und Organisationsvariablen, Rechnung zu tragen. Eine Effizienzmessung der als ideal postulierten Organisationsform System 4 findet nicht statt.
321
322
323
Hier wurden signifikante Abweichungen zwischen Wunsch (System 4) und Wirklichkeit (System 1 oder 2) ermittelt. Vgl. Likert (1967), 12 ff. Vgl. Likert (1967), 167. Die Messung erfolgt anhand von Skalen, die z. B. bei der Kommunikation von ausschließlich vertikaler bis zu lateraler Kommunikation reichen. Es wird der Grad zentralisierter bzw. dezentraler Kontrolle (definiert als Deckungsgleichheit zwischen formaler und informaler Organisation) erfasst und Beteiligungsgrade an der Zielbildung von Befehl bis zu partizipativen Gruppendiskussionen ermittelt. Likert (1967), 158.
100
Beschreibung der Konziliaren Organisation
5.1.3.2 Virtuelle Organisation Kurzdarstellung Virtuelle Organisationen können als temporäre Zusammenschlüsse rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmen „zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen und Nutzung neuer Marktchancen durch kooperative Leistungserstellung“ verstanden werden, die „projektspezifisch aus einem Beziehungsnetzwerk konfiguriert werden.“324 Die Marktbearbeitung im jeweiligen Kerngeschäft bleibt vorrangige Aufgabe der an der Kooperation partizipierenden Unternehmen, darüber hinaus zielen diese durch ihre Teilnahme an der virtuellen Kooperation auf die Inklusion nicht im Unternehmen vorhandener, aber zur Nutzung von Marktchancen benötigter, Kernkompetenzen. Weitere Ziele bestehen in der Diversifikation des mit der Wahrnehmung der Marktchancen verbundenen Risikos über den Verbund hinweg. Auch mittelständische Unternehmen können sich mithilfe der virtuellen Partnerschaft zu einer kritischen Masse zusammenschließen, die die Realisierung von andernfalls Großunternehmen vorbehaltenen Größenvorteilen ermöglicht.325 Von Netzwerkunternehmen unterscheidet sich die Virtuelle Organisation durch ihren temporären Charakter, der sich im Extremfall in einer auftragsabhängig wechselnden Konfiguration äußert.
Der Bruch mit der traditionellen hierarchischen Eigentümerorganisation zeigt sich daran, dass die neu gebildete Organisation keine Mitarbeiter einstellt und auf eine formalisierte, zentrale Managementinstanz verzichtet. An die Stelle einer zentral gesteuerten Organisation tritt die virtuelle Zusammenarbeit, wobei die in den Mitgliederorganisationen präsenten qualifikatorischen und finanziellen Ressourcen zur Erfüllung des temporär begrenzten Arbeitsauftrags genutzt werden. Einen Überblick über die Abgrenzung der Virtuellen Organisation von anderen Formen strategischer Zusammenarbeit gibt Tabelle 5.
324 325
Hansmann/Ringle (2006), 96. Vgl. Ringle (2004), zit. n. Hansmann/Ringle (2006), 95 u. 101.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
101
Tabelle 5: Abgrenzung der Virtuellen Organisation von anderen Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit
Ven- Konsortium
Strategische Allianz
Outsourcing
Franchising
Joint ture
Bündelung von Kapazitäten (z. B. in der Produktentwicklung)
Auslagerung ganzer Funktionsbereiche an einen spezialisierten Anbieter
Kooperation zwischen Hersteller und selbständigem Unternehmer
Erzielung von Skaleneffekten durch höhere Marktanteile oder fachliche Synergien
Komplette Übertragung von Verantwortung und Pflicht zur Leistung
Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen unter einem einheitlichen Marketingkonzept
Durch zwei oder mehrere Unternehmen gegründete und strategisch geführte Unternehmung
Unternehmensverbindungen auf vertraglicher Basis zur Projektabwicklung
In aller Regel gleiche Kapitalbeteiligung
Häufig zur Realisierung von Großprojekten
Virtuelle Organisation
Ausnutzung zeitlich begrenzter Marktchancen durch Kooperation Verzicht auf Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen
Quelle: I. A. an Gora/Scheid (2001), 12
Zimmer behandelt in seiner Analyse sogenannter Ad-hoc-Netzwerke, in denen sich Experten (Einzelpersonen oder Unternehmen) mit ihren spezifischen Kernkompetenzen zeitlich begrenzt zusammenschließen, einen speziellen Typus der Virtuellen Organisation.326 Er zeigt auf, dass die Begründung und Pflege auch einfach strukturierter Varianten der Virtuellen Organisation häufig unter zu günstigen Vorzeichen beleuchtet und die Risiken unterschätzt werden. Die Auswahl der für einen Auftrag geeigneten Kooperationspartner, die über die erforderlichen Kompetenzen für die zu erbringenden (Teil-)Leistungen verfügen, und die Kontrolle der Leistungserbringung während der Auftragsbearbeitung werden durch Probleme der Informationsasymmetrie überlagert. Unvollständige Information über die zu erwartende Leistungsqualität bei der Rekrutierung der Partner des Netzwerks erschwert aber ex-ante die genaue Festlegung der durch die Beteiligten zu erbringenden Leistungen. Die durch Expertennetzwerke ange-
326
Vgl. Zimmer (2003).
102
Beschreibung der Konziliaren Organisation
strebten überdurchschnittlichen Ergebnisse („Best of everything“-Organisation327) unterliegen dem Risiko, durch Verdrängungseffekte von intrinsischer durch extrinsische Motivation unterlaufen zu werden. Weiter ist mit Zimmer einzuwenden, ob die geforderte Vertrauenskultur als Ersatz für eine Hierarchisierung der Virtuellen Organisation ein praktikables Koordinationsinstrument oder eher einen metaphorischen Appell darstellt. Da die Etablierung von Vertrauen stabile, langfristige Beziehungen oder die Steuerung durch eine fokale Organisation voraussetzt, widerspricht die Forderung nach einer Vertrauenskultur grundsätzlich der temporären und dezentralen Natur der Virtuellen Organisation. Zimmer tritt daher für einen zeitinvarianten, fokalen Netzwerkkern ein. Ein fester Kern aus Unternehmen unterläuft zwar das Postulat einer vollständigen Flexibilität, dessen Stabilität kann aber die Netzwerkpartner teilweise für die entgangene Best-Solution durch Etablierung von Systemvertrauen kompensieren.328
Zusammenfassende Einschätzung Während in der traditionellen Mitgliedschaftsorganisation die physikalische Präsenz von Gebäuden für dauerhafte Grenzen, die regelgeleitete Koordination für Stabilität und Mitgliedschaftsrollen für Identität sorgen, ersetzt die Virtuelle Organisation die fehlenden Attribute durch eine Informations- und Kommunikationsinfrastruktur unter Einsatz multimedialer Technologien. Die durch den Verzicht auf physische Repräsentation entfallenden Kosten und die aufgrund der temporären Qualität der Partnerschaft hohe Flexibilität329 und Anpassungsfähigkeit an die Kundenbedürfnisse und Marktanforderungen stellen mögliche Nutzeneffekte aus der Virtuellen Organisation dar.330 Eine systematische Effizienzbeurteilung steht noch aus. Zusammenfassend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Nachteile der hierarchischen Organisation durch die Virtuelle Organisation vollständig überwunden werden. Einige der in der Literatur angeführten Risiken der Virtualisierung lesen sich wie die klassischen Problemstellen der hierarchischen Struktur. In der Virtuellen Organisation kommt es zu einer dreifachen Entkopplung331:
327
328
329
330 331
Mit der temporären Partnerschaft ist die Erwartung verbunden, für jeden Auftrag die optimale Zusammensetzung der Kernkompetenzen der Partner zu erzielen, die ein einzelnes Unternehmen aufgrund der notwendigen Spezialisierung nicht vorhalten könnte. Vgl. Zimmer (2003), 233. Für eine nur partielle Substitution der hierarchischen Organisation durch „mediatisierte und virtualisierte Strukturen“ in ausgewählten Bereichen sprechen sich auch Järisch/Preisler/Roehl (2001) aus. Vgl. auch Luhmann (1995), 71. Die erhöhte Flexibilität wird mit dem Rückgang an materieller Gebundenheit im Zuge der „Virtualisierung“ begründet. Beispiele sind der Ersatz von physischen Arbeitsplätzen durch weltweit vernetzte Computerarbeitsplätze, die Internetbestellung von Waren und die „Entmaterialisierung“ von Produkten, z. B. von Musik oder Filmen durch „Streaming“-Technik. Vgl. Järisch/Preissler/Roehl (2001), 105. Vgl. Tomenendal (2002), 19. Vgl. Järisch/Preissler/Roehl (2001), 106.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
103
räumlich, z. B. durch Telearbeit, so dass Wertschöpfung mediatisiert und global verteilt erbracht wird, zeitlich, indem z. B. durch e-mail-Kommunikation eine globale Kooperation ermöglicht wird und institutionell durch den Wegfall des Bezugspunkts des hierarchisch Vorgesetzten durch den Bezugspunkt des Kunden, wobei auch Netzwerkpartner zu den Kunden gezählt werden. In der Folge der Entkopplung entstehen voneinander getrennte „Wissensinseln“, in denen die Bereiche eigene Standards pflegen, spezialisierte Kompetenzen vorhalten und die eigenen Weisungs- und Loyalitätspflichten gegen andere Bereiche der Virtuellen Organisation abgrenzen. Bekannte Phänomene wie „Abteilungsdenken“ und „Bereichsegoismen“ treten auch in der virtuellen Zusammenarbeit wieder zutage. Cross-funktionale und cross-hierarchische Strukturen, z. B. Gruppen, deren Mitglieder aus den Netzwerkpartnerunternehmen stammen, sind nicht vorgesehen.332
Hinzu treten Probleme, die originär aus der Virtualisierung der Leistungserstellung entstehen. Kollegen, Partner und Kunden werden vielfach nur noch in Form ihrer Kreditkartennummer oder aggregierter Konsumprofile überhaupt für die Organisation greifbar.333 Kommunikation wird zwar aufgrund des Wegfalls des Instanzenwegs zwischen den Netzwerkpartnern flexibler, aber die geringere Transaktionshäufigkeit führt zu höherem Kommunikations- und Kontrollaufwand. Zusammenfassend sind folgende Wirkungen der Virtuellen Organisation auf die Zusammenarbeit anzuführen:
332
333
Eine Möglichkeit zu deren Etablierung könnte aber im Aufbau eines Fokalunternehmens bestehen, das nicht identisch mit einem oder wenigen Netzwerkunternehmen ist, sondern sich (multifunktional und interhierarchisch) aus Vertretern aus allen beteiligten Unternehmen, z. B. analog einer „ausgelagerten“ Projektorganisation, zusammensetzt. Vgl. Järisch/Preissler/Roehl (2001), 109.
104
Konfigurationstheoretische Beschreibung (Struktur)
Gelöste Problempunkte der Lange Kommunikationswege innerhalb der HierarTraditionellen Organisation chie Inflexibilität hohe Fixkosten durch physisch-materielle Repräsentation der hierarchischen Organisation fehlende Kernkompetenzorientierung Trotz Virtualisierung ungelös- Abteilungsdenken in te Problempunkte der Traditi- sensinseln“ onellen Organisation Lokale Loyalitäten
abgekoppelten
„Wis-
Zusätzlich hinzukommende dreifache Entkopplung Risiken der Virtualisierung geringere Zeitstabilität und damit höherer Kommunikationsbedarf höhere Anfälligkeit der dislozierten, medienvermittelten Kommunikation (z. B. höhere Wahrscheinlichkeit für Missverständnisse in der e-mailKommunikation) fehlende Eignung der virtuellen Kommunikation zur Lösung komplexer Probleme (fehlender Rückgriff auf face-to-face-Kommunikation) Gefahr der „Atrophierung“ (Verkümmerung) sozialer Kompetenz Barrieren gegen kollektives Lernen aufgrund geringer raum-zeitlicher Überschneidungen Risiko des Identitätsverlusts der Netzwerkteilnehmer Abbildung 19: Gelöste und ungelöste Probleme in der Virtuellen Organisation Quelle: Eigene Darstellung i. A. a. die Ausführungen bei Järisch/Preisler/Roehl (2001).
Bei der Virtuellen Organisation lösen sich, wie aufgezeigt wurde, die Kooperationspartnerunternehmen nicht zugunsten einer neuen Organisationsstruktur auf, sondern diese tritt als Kombinationsform der bestehenden, an der Kooperation beteiligten, Primärorganisationen auf. Da dieser temporäre Zusammenschluss die Primärorganisationen, abgesehen von einer gemeinsamen Koordinationationseinrichtung, z. B. regelmäßigen Treffen oder Reports, unangetastet lässt, liegt eine „Super“-Primärorganisation (bestehend aus mehreren Primärorganisationen) vor.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
105
Vor dem Hintergrund der durch Virtualisierung fortbestehenden und zusätzlich entstehenden Risiken der „Atomisierung“ und Fragmentierung der Leistungserbringung ist der folgende Vorschlag zu lesen, der die Überlagerung der Virtuellen Organisation durch BeziehungsNetzwerke als Möglichkeit zur Überwindung der genannten Risiken ansieht: „…knowledge barriers should be overcome by „networking“ and knowledge islands should be cross-lined in order to stimulate the evolution, dissemination, and application of knowledge.“334 Das Wissensmanagement schreibt damit Netzwerken eine scheinbar unbegrenzte Potenzialität zur Schaffung neuen Wissens zu und sieht in der Bildung dichter Netzwerke335 zur Nutzung des Erfahrungswissens der Mitarbeiter bisher ungeahnte Möglichkeiten zur Steigerung der Innovationsrate. Es wird erwartet, dass die Zusammenarbeit in Netzwerken zu einer Veränderung der Einstellung der Akteure (mehr Kooperation und weniger Wettbewerb) und der Verwendung von Wissen (mehr kollektiver Nutzen und weniger exklusive Nutzungsrechte) führen wird.336 Die Einlösbarkeit dieser Erwartung wird im Folgenden überprüft.
5.1.3.3
Netzwerk
Kurzdarstellung Als Herausforderungen an das Management von Organisationen und damit auch an die Organisationstheorie als theoretischen Überbau bezeichnete Baecker an der Wende zum neuen Jahrtausend ein verändertes Zielsystem der Organisation („Viabilität“ statt Rationalität), eine Ablösung des Ordnungsprinzips der Hierarchie durch das der Heterarchie, das z. B. in der Gruppenarbeit durch Selbstorganisation und Ergebnisverantwortung der Teams umgesetzt wird, und den Ersatz der Mitgliedschaft durch das Netzwerk als einheitsstiftendes Prinzip der Organisation.337
Dass in Bezug auf die Charakterisierung von Netzwerken (z. B. Strategische Allianzen, Wertschöpfungspartnerschaften, Kunden- und Lieferantennetzwerke) noch eine große Begriffsverwirrung herrscht, zeigt sich daran, dass in einem Beitrag zu Netzwerken als Instrument der Organisationsentwicklung diesen gleichzeitig die Eigenschaften hoher und niedriger Eigenkomplexität, von struktureller Kontinuität und Grenzenlosigkeit und von Langfristigkeit und Vergänglichkeit attestiert werden.338
334 335
336 337 338
Back et al. (2005), 4. Dichte wird dabei mit dem durch die psychologische Forschung untersuchten Konzept der motivations- und leistungsfördernden Kohäsion in Gruppen gleichgesetzt, vgl. Büchel (2007), 46. Vgl. Back et al. (2005), 5. Vgl. Baecker (1999), 135. Vgl. Boos/Exner/Heitger (2000), 68, 70 u. 72.
106
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Der Netzwerkbegriff lässt sich ex negativo definieren als Organisationsform, die durch weitgehende Zurückdrängung formaler Organisation geprägt ist. Koordination durch formale Mechanismen wie Regeln und Programme wird durch informale Mechanismen wie Vertrauen ersetzt. Während formale Koordination Freiheitsgrade in der Kommunikation begrenzt, kann man durch den Abbau von Formalisierung „sich die Option von formal oder informal offen halten und sie reproduzieren.“339 Interorganisationale Netzwerke unterscheiden sich von traditionellen Organisationen als dauerhaften Formen der Zusammenarbeit durch ihre Potenzialität zur Aufnahme einer vorläufigen Kooperation, die erst im Bedarfsfall „materialisiert“ wird.340 Die Netzwerkorganisation als sogenannte hybride Organisationsform ist durch zwei grundlegende Merkmale gekennzeichnet:
Ressourcenkomplementarität: Die kooperierenden Partner erschließen sich durch gegenseitigen Ressourcenzugang bisher nicht nutzbares Potenzial Reziproke Handlungsorientierung: Zielformulierung und –anpassung erfolgen unter Berücksichtigung der Ziele des Kooperationspartners und von dessen Veränderungsgeschwindigkeit.341 Als Maßnahmen zur Koordination in Netzwerken kommen die lateralen Koordinationsinstrumente der Verhandlung und demokratische Entscheidungsverfahren in Betracht.342 Koordination durch Anweisung ist insbesondere in zwischenbetrieblichen Netzwerken aufgrund der rechtlichen und organisatorischen Weisungsungebundenheit zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Organisationen nicht umsetzbar. Als Substitut für formale Koordinationsmechanismen tritt Vertrauen, dem eine kohärenzbildende Funktion beim Zustandekommen und für die Stabilität von Netzwerken zukommt. Auf Organisationen angewandt, zeigt sich die dialektische Eigenschaft von Vertrauen, sowohl Vorbedingung als auch Produkt der Kommunikation zu sein: Vertrauen stellt die Voraussetzung und das Ergebnis gelungener Kommunikation bzw. vermiedener Kommunikationsstörungen dar. Letztere können sich in gefilterter Kommunikation äußern, die auftritt, wenn der ungehinderte Informationsaustausch als vorbehaltlose Informationsweitergabe zwischen Netzwerkpartnern durch kalkuliertes Zurückhalten von Informationen überlagert und gestört wird.343
339 340 341 342
343
Luhmann (2000), 25. Vgl. Aderhold (2005), 136. Vgl. Roehl/Rollwagen (2005), 169. Vgl. die Anwendung der lateralen Koordination auf den intra- und interorganisatorischen Bereich bei Jost (2000), 272 ff. sowie 344 ff. Vgl. Schweer/Thies (2003), 77.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
107
Mit dem veränderten Koordinationsbegriff in dislozierten Organisationsformen ist auch die Vorstellung traditioneller zentraler Steuerung obsolet geworden. Genauer ist die Frage zu klären, ob strategische Managemententscheidungen als unabhängige Einflussgröße der Organisationsstruktur zu betrachten sind oder ob diesen allenfalls eine Mittlerposition zwischen unabhängigen Umweltfaktoren und abhängigen Strukturvariablen zukommt.344 So wird etwa dem Einfluss der Umwelt in Gestalt von Kunden, Lieferanten und strategischen Partnern auf das strategische Personalmanagement zunehmende Bedeutung beigemessen345, so dass deren Einbindung in Netzwerkpartnerschaften als folgerichtige Konsequenz erscheint.
In Überwindung der Begriffsunschärfe zu Netzwerken ist in der Betrachtung eine Erweiterung um Netzwerke vorzunehmen, die auf Basis relationaler Verträge agieren und in denen soziale Kontrolle und Kommunikation als alternative Koordinationsformen eingesetzt werden. Nonaka/Toyama betrachten Organisationen als „organic network of meanings” und “configuration of multilayered ba“, in denen neues Wissen durch Interaktion entsteht.346 Mit dem Konzept ba, aus dem Japanischen in ungefährer Entsprechung mit „Ort“ übersetzt, wird eine mehrere Individuen mit unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungshintergründen verbindende Struktur assoziiert, die eine Möglichkeit zum Austausch durch Dialog bietet. Dass es sich eher um einen immateriellen Wert, eine an die Netzwerkmetapher und die Idee des grenzenlosen Unternehmens anknüpfende Denkfigur als um eine reale Konfiguration handelt, wird deutlich, wenn von „meanings that are created at ba, and the relationship among them“347 gesprochen und die Gleichsetzung von ba mit formalisierten Treffen oder Konferenzen abgelehnt wird. Anhand der auf reale Konfigurationen bezogenen Beispiele von Finanzierungs-Netzwerken (hawala) und der chinesischen Handelsnetzwerke (guanxi) führt Schramm vor Augen, dass engmaschige soziale Beziehungen innerhalb evolutionär entstandener Organisationsformen in einem institutionell schwach strukturierten Umfeld für ihre Mitglieder (z. B. durch Reputationserwerb und eine schnelle Verbreitung von Informationen über vertragskonformes bzw. vertragswidriges Verhalten) die Transaktionsunsicherheit und damit die Transaktionskosten senkt.348 Das hawala-Finanzsystem als homogener Club hat sich als „Schatten“-Institution in der arabischsprachigen Welt parallel zum institutionalisierten westlichen Bankensystem etabliert und ist aufgrund der Umgehung des formalen Bankensystems auch Mittel krimineller Transaktionen wie Geldwäsche und Korruption. Die traditionellen guanxi-Netzwerke haben sich in China als personengebundene Beziehungsgeflechte, die ihren Mitgliedern Rechtssicherheit im Rahmen ökonomischer Transaktionen garantieren, entwickelt. Die „social embeddednes“ im Netzwerk 344 345 346
347 348
Vgl. Nippa (1988), 243. Vgl. Swart/Kinnie/Purcell (2004). Nonaka/Toyama (2007), 24. Genauer sprechen sie von „sharing and synthesizing of subjectivity, which is necessary for knowledge to be created“ (24). Nonaka/Toyama (2007), 24. Es entfallen die Anbahnungs- und Kontrollkosten, da die Durchsetzung disponibler Eigentumsrechte durch das Netzwerk garantiert wird. Vgl. Schramm (2005), 127.
108
Beschreibung der Konziliaren Organisation
weist für die Netzwerkmitglieder dabei einen ambivalenten Charakter auf, da sich durch die Tätigung spezifischer Investitionen in das Sozialkapital des Netzwerks die Chance auf Anschlusstransaktionen erhöht, andererseits diese Investitionen die Eigenschaft von „sunk costs“ annehmen, die als Wechselbarriere wirken. Die Investitionen für den Beitritt zum Netzwerk verbuchen die Teilnehmer als Fixkosten, die nicht wieder eingebracht werden können. Der „lock in“-Effekt im Netzwerk wird durch die geringen variablen Kosten der laufenden Transaktionen mit Netzwerkmitgliedern verstärkt, denn die bestehende Netzwerkinfrastruktur lässt zusätzliche Maßnahmen zur Reduzierung des Transaktionsrisikos obsolet werden. Die niedrigen variablen Kosten kombiniert mit der Wechselbarriere der „sunk costs“ machen aus Sicht der Teilnehmer einen Verbleib und eine intensive Nutzung des Netzwerks rational, da ein Ausscheiden den Verlust des akkumulierten Sozialkapitals nach sich zieht und die Aussicht auf zukünftige Transaktionen zunichte macht.349 Auch Kensy betont am Beispiel japanischer Unternehmensnetzwerke ihren ambivalenten Charakter, indem er sie einerseits als „anonyme Change agents“ bezeichnet, in denen schneller organisationaler Wandel ohne das offene Ausbrechen von Konflikten möglich sei und sie als transaktionskostensenkende Strukturen einordnet, zum anderen aber auf die Unmöglichkeit des Ausbrechens aus dem reziproken Relationssystem verweist.350
Hervorzuheben ist, dass im Unterschied zu isolierten, einmaligen oder seltenen relationalen Verträgen zwischen Individuen oder Organisationen in Netzwerken das Risiko der opportunistischen Ausnutzung der spezifischen Investitionen gemindert ist. Die Netzwerkkooperation ermöglicht als wiederholtes Spiel den Erwerb von Reputation351 und verfügt aufgrund der Informationstransparenz über eine starke Sanktionsmacht, die die Bindung des Einzelnen an das Netzwerk erhöht.
Zusammenfassende Einschätzung Zusammenfassend ist festzustellen, dass aus Sicht der Transaktionskostentheorie interorganisatorische Netzwerke als temporärer Zusammenschluss rechtlich selbständiger, wirtschaftlich aber zu unterschiedlichen Graden voneinander abhängiger Unternehmen, eine Mittelstellung zwischen Markt und Hierarchie einnehmen. Gegenüber der hierarchisch koordinierten Organisation eröffnen sich den beteiligten Akteuren größere Autonomiegrade, gleichzeitig fungieren 349
350
351
Vgl. Schramm (2005), 131, vgl. insbesondere Fn. 335. Er spricht im Zusammenhang mit der aus den getätigten „sunk costs“ resultierenden strukturellen Beharrungstendenz (auch als „positive Rückkopplung“ bezeichnet) von Pfadabhängigkeit der einmal gewählten Organisationsstruktur. Diese ist solange wirksam, wie die Opportunitätskosten der gewählten Alternative geringer sind als die Kosten der Etablierung einer alternativen Organisationsstruktur, vgl. Schramm (2005), 154 f. Vgl. Kensy (1995), S. 220, 225 und 245. Kensy betont den Fraktalcharakter der keiretsu und spricht auch von einer Fraktal- oder Rhizomökonomie, die von der internen Mikroebene bis zur volkswirtschaftlichen Makroebene die ganze Ökonomie durchzieht, vgl. Kensy (1995), 264. Vgl. Schramm (2005), 127. Vgl. zu wiederholten Spielen Berninghaus/Ehrhart/Güth (2006), 341 f. u. 348.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
109
enge kooperative Beziehungen als Analogon zur sozialen Kontrolle in Organisationen352 und ermöglichen damit eine quasi-organisationale Koordination des arbeitsteiligen Handelns. In Bezug auf die organisatorische Stellung von interorganisationalen Netzwerken gilt die für die Virtuelle Organisation vorgenommene Einordnung entsprechend, d. h. sie sind eine Kombination (ein Netz) aus Primärorganisationen. Eine Orientierung an Gruppen ist bei der Institutionalisierung eines Fokalunternehmens gegeben, sobald dieses Vertreter der Netzwerkteilnehmer aufnimmt, die unterschiedlichen Fachfunktionen und hierarchischen Ebenen entstammen. Da zur Möglichkeit der fachlichen und funktionalen Mischung keine Aussagen gemacht werden, kann nur darauf verwiesen werden, dass eine solche Mischung in einem Fokalunternehmen, das die dislozierten Netzwerkaktivitäten lenkt, möglich wäre. Kommunikation wird als Koordinationsinstrument eingesetzt. Aushandlung und Vertrauen, z. B. eine gemeinsame Wertebasis, ersetzen die Koordination durch Anweisung. Die Bedeutung von Reputation und sozialer Kontrolle tritt mit zunehmender Transaktionshäufigkeit zutage. Ansätze wenn nicht zur Effizienzmessung, so doch zur Steuerung im Sinne der Unternehmensziele werden mit Verfahren zum „knowledge network measurement“, z. B. durch Scorecards und Checklisten im Rahmen der Früherkennung von Symptomen der Deterioration von Netzwerken und von Kommunikationsrisiken, vorgeschlagen.353
5.1.3.4
Hypertext-Organisation
Kurzdarstellung Die Hypertext-Organisation entstammt originär dem Bereich der Wirtschaftsinformatik und ist durch eine ausgeprägte Individualisierung bei gleichzeitiger Wahrung von Konsistenz der unternehmensintern erarbeiteten und durch die verteilten Nutzer bereitgestellten Wissensinhalte gekennzeichnet. Es wird nicht, wie in der traditionellen Organisation, eine physische Organisationsstruktur durch Informationstechnologie unterstützt, deren Konfiguration durch die Anforderungen der Organisation determiniert wird, sondern in umgekehrter Denkrichtung wird die Organisationsstruktur einem Datenmodell nachgebildet. Ausgeprägt anti-hierarchisch ist die Organisationsform, da es keine zentrale Instanz gibt, die über die Brauchbarbeit des Wissens entscheidet und die die Anbieter und Nachfrager der Wissensinhalte koordiniert. Wissensgenerierung und –verarbeitung vollziehen sich in einem emergenten Prozess, in dem die Anwender selbst darüber entscheiden, welche der in der Organisation vorhandenen Informationen als für sie relevant ausgewählt und in Wissen umgewandelt
352 353
Vgl. Sydow/van Well (1999), 113. Vgl. Back et. al. (2005), 166 ff.
110
Beschreibung der Konziliaren Organisation
werden. An Stelle einer zentralen Steuerungsinstanz treten Transferenzregeln354, die emergent gebildet werden.355 Das aus den drei Schichten Projektteamschicht, Wissensbasisschicht und Geschäftssystemschicht bestehende Modell der Hypertext-Organisation ist mit den zugehörigen Funktionen der Wissensentstehung und –verbreitung in Abbildung 20 dargestellt.
ProjektteamSchicht
WissensbasisSchicht
Wissenszugang Leichter Zugang zur Wissensbasis für einzelne Mitarbeiter, bestehend aus Unternehmenskultur, implizitem Wissen in organisationalen Routinen und explizitem Wissen in Akten und Datenbanken
Zweck: Wissensschaffung Zusammenarbeit zwischen über die Unternehmensvision lose miteinander verknüpften Projektteams zur Förderung der Wissensschaffung Teammitglieder bilden „Hypernetzwerk“, das mehrere Unternehmensbereiche umspannt
Zweck:
Geschäftssystem-Schicht
Zweck: Wissenssammlung und -nutzung Beibehaltung der Hierarchie in der Aufbau- und Ablauforganisation
Abbildung 20: Struktur der Hypertextorganisation Quelle: i. A. an Holtbrügge (2001a), 341.
Die Wissensbasis-Schicht enthält das gespeicherte implizite und explizite, z. B. das in der Organisationskultur geronnene und das in Dokumenten und Datenbanken repräsentierte, Wissen der Organisation. Die Geschäftssystem-Schicht dient der organisatorischen Abwicklung der Wertschöpfung, d. h. sie entspricht der klassischen hierarchischen Aufbauorganisation und der zugehörigen Ablauforganisation mit dem Zweck der arbeitsteiligen Leistungserstellung. 354
355
Transferenzregeln sorgen für eine globale Kohärenz der verteilten „lokalen“ Regeln, d. h. sie integrieren die nutzerorientierten, autonomen Unternehmenseinheiten zu einem datentechnologischen Abbild des Gesamtunternehmens. Vgl. Holtbrügge (2001a), 341. Vgl. Nonaka/Takeuchi (1997).
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
111
Bei isolierter Betrachtung dieser Schicht erhält man das Grundmodell des Organigramms, das die Organisation als mentale Abbildung repräsentiert. Die meisten Unternehmen würden danach aus Sicht der Hxpertextorganisation als „Ein-Schicht-Unternehmen“ gelten. Als dritte Schicht tritt in der Hypertextorganisation mit der Projektteam-Schicht ein Verband lose gekoppelter Gruppen hinzu, die in Selbstorganisation zur Entwicklung neuen Wissens beitragen. Die Teilnehmer entstammen unterschiedlichen Funktionen und Abteilungen des Geschäftssystems, entwickeln in Interaktion mit anderen Projektteams neues Wissen im Sinne der Unternehmensphilosophie und kehren nach Projektende in das Geschäftssystem zur Wiederaufnahme ihrer Routinetätigkeiten zurück. Sie wirken zudem als Multiplikatoren zur Inventarisierung und Implementierung des neuen Wissens bis zum nächsten Projekt.
Die Hypertextorganisation weist Komponenten der durch Nonaka/Toyama beschriebenen wissensbasierten Organisation auf. Dialoge werden als Mittel des Wissensmanagements, genauer als „effective method to articulate tacit knowledge into explicit knowledge (externalization), and to systemize explicit knowledge, to deepen it and to create new knowledge (combination)”356 betrachtet. Weiter wird Internalisierung von Wissen gefördert, z. B. durch Einbeziehung des impliziten Wissens der Mitarbeiter über die Kundenpräferenzen bei der Neuproduktentwicklung. Durch dialektisches Hinterfragen der Gründe für den Einsatz eines bestimmten Produktionsverfahrens oder einer Produktstrategie sollen Gegensätze (z. B. bezogen auf den Automobilbau Effizienz im Kraftstoffverbrauch und Antriebskraft, Qualität und Kosten, Sicherheit und Geschwindigkeit) aufgelöst und Innovationen gefördert werden357, da nicht nur innerhalb bestehender Alternativen Entscheidungen getroffen werden, sondern der Alternativenraum selbst hinterfragt wird.
Zusammenfassende Einschätzung Wesentliche Kennzeichen der Hypertextorganisation sind das Fehlen einer Informationszentrale, die „wertvolles“ von „wertlosem“ Wissen aus Sicht einer übergeordneten Warte unterscheidet, damit fehlt auch ein vollständiger Überblick über das Gesamtsystem. Andererseits ist eine hohe Anpassungsfähigkeit des Systems an unterschiedliche Kontexte der Generierung von Wissen sowie günstige Bedingungen zur Gewinnung verborgenen (impliziten) Wissens gegeben. Zusammenfassend ist die Hypertext-Organisation kein Substitut, sondern ein sekundärorganisatorisches Komplement zur Hierarchie, da sie die jeweils effiziente Organisation für die Formen der Wissenstransformation einsetzt, z. B. die nicht-hierarchischen Teams zur Neuge356 357
Nonaka/Toyama (2007), 22. Vgl. Nonaka/Toyama (2007), 21. Als Beispiele dialogischen Wissensmanagements werden das „Ask why five times“-Prinzip bei Toyota und das dreistufige Qualitätssicherungssystem bei Honda angeführt.
112
Beschreibung der Konziliaren Organisation
nerierung und die hierachische Geschäftssystemschicht zur Nutzung und Externalisierung von Wissen.358 Hervorzuheben ist unter dem Aspekt des Wissensmanagements die multifunktionale und hierarchieübergreifende Besetzung der Projektgruppen, die zur Diffusion neuen Wissens in der Organisation nach Rückkehr der Projektteilnehmer in die Primärorganisation beiträgt. Durch Kombination hierarchischer Organisation (Geschäftssystem-Schicht) mit nichthierarchischen Elementen (Projektteam-Schicht und Wissensbasis-Schicht) wird eine situative Auswahl der jeweils geeigneten Organisationsform in Abhängigkeit von der Aufgabenstellung (Routineaufgaben versus innovative Aufgaben) ermöglicht. Während sich in der klassischen Aufbauorganisation in der Geschäftssystem-Schicht die Routineabläufe vollziehen, kann eine „Parallel-Struktur“ durch den Einsatz nicht-hierarchischer Koordination zur Sozialisation von Mitarbeitern, zur Einbindung in die implizit wirksame Unternehmenskultur und damit zur Retention beitragen. Kommunikation ist über Dialoge als Koordinationsinstrument und darüber hinaus als Mittel für das Wissensmanagement institutionalisiert. Durch den Einsatz von Projektteams wird systematischer Gebrauch von Gruppenarbeit gemacht. Anstelle der Effizienzmessung wird der Annahme folgend, dass sich keine kontextfreie Messung des Nutzens vornehmen lässt und als Folge des in der ostasiatischen Managementkultur verbreiteten Vorgehens, den nichtrationalen, instinktiven Erkenntniszugang zu fördern, um „neues“, „wahres“ Wissen zu erreichen359, eine „weiche“ Erfolgsmessung bevorzugt. Als Erfolgreich wird Wissensmanagement dann eingeschätzt, wenn geteiltes Wissen erzeugt und effektiv mit bestehenden Wissensstrukturen verknüpft wurde (ba oder „shared context“).360
5.1.3.5
Adhocratie
Kurzdarstellung Mintzberg charakterisiert eine Adhocratie wie folgt361:
358 359 360
361
Organische Struktur mit geringem Formalisierungsgrad, die als der Inbegriff der flexiblen, rekonfigurierbaren Organisation gilt und die metaphorisch als „Zeltorganisation“ bezeichnet wird
Starke horizontale Spezialisierung362
Vgl. Holtbrügge (2001a), 341. Vgl. Kensy (1995), 101. Ba ist damit der Kristallisationspunkt, an dem neues Wissen durch Dialoge entsteht. Es wird mit der Gesamtheit der Beziehungen und Interaktionen zwischen den Wissensträgern gleichgesetzt, d. h. deren geteiltem Kontext und den Bedeutungen, die sie Wissensinhalten zuschreiben. Es wird als dynamisch, da mit Kontexten und Teilnehmern wechselnd, angesehen, vgl. Nonaka/Toyama (2007), 23. Vgl. Mintzberg (1979), 432.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
113
Formale Zusammenfassung von Spezialisten in funktionalen Einheiten zum Zweck der organisatorischen Zuordnung und gleichzeitg in kleinen, „marktnahen“ Projektteams als regulärer Struktur zur laufenden Aufgabenerfüllung
Einsatz von „liaison devices“, d. h. von Koordinationsstellen, die die gegenseitige Abstimmung der Experten innerhalb und zwischen den Teams fördern
Funktionale Mischung und Dislozierung der Teams in der gesamten Organisationsstruktur (“selective decentralization“).
Die parallele Verwendung der Ordnungskriterien Funktion („functional grouping“) und Objekt („market grouping“) erinnert an die Matrixorganisation.363 Gemeinsam ist den Strukturen auch die Einrichtung von Koordinationsstellen, in der Matrix zum Abgleich der Funktionsziele mit den Kundenanforderungen und in der Adhocratie zur Steuerung der Experten-Gruppen, die sowohl Teil der funktionalen als auch der objektorientierten Organisation sind. Zusätzlich ist in den Projektgruppen eine funktionale Mischung der Experten, die aus verschiedenen Bereichen der Organisation stammen, vorgesehen, während die Zuordnung der Aufgabenträger zu Funktionen in der Matrix unangetastet bleibt. Die aus der Umweltdynamik begründete herausgehobene Rolle von hochspezialisierten Experten in der Adhocratie unterscheidet sie Mintzberg zufolge von der professionellen Bürokratie durch den Wegfall von Standardisierung als Koordinationsinstrument, da diese die Innovationsfähigkeit der organischen Struktur der Adhocratie behindern würde.364
Zusammenfassende Einschätzung Adhocratie ergänzt die Hierarchie sekundärorganisatorisch durch eine funktionalgemischte Expertenstruktur, die – im Unterschied zur Projektorganisation – in permanent zusammenarbeitenden Gruppen zusammengefasst wird. Heydebrand stellt fest, dass der Position der Organisationswissenschaftler, die Ende der 60er Jahre unter dem Schlagwort „Adhocratie“ postulierten, die Bürokratie habe sich als Organisationsform der Moderne überlebt, im Nachhinein eine Würdigung zukomme, da sich herausge-
362
363
364
Expertenstellen („professionalized jobs“) zeichnen sich Mintzberg zufolge durch eine hohe horizontale und eine niedrige vertikale Spezialisierung aus. Je tiefer eine Expertenstelle in der Hierarchie eingeordnet ist, desto stärker tritt zur horizontalen die vertikale Spezialisierung hinzu, da der Zugriff durch formalisierte Kontrolle steigt. In einer Matrix mit den Dimensionen horizontale Spezialisierung und vertikale Spezialisierung identifiziert Mintzberg die Jobtypen Geringqualifizierte (horizontal hoch spezialisiert, vertikal hoch spezialisiert), Expertenstellen (horizontal hoch spezialisiert, vertikal niedrig spezialisiert), Stellen der niedrigsten Führungsebene (horizontal niedrig spezialisiert, vertikal hoch spezialisiert) und Stellen der höheren Führungsebenen (horizontal niedrig spezialisiert, vertikal niedrig spezialisiert), vgl. Mintzberg (1979), 80. Die Matrix aus den Dimensionen Funktion (Routineaufgaben, z. B. Rekrutierung, Kommunikations- und Steuerungsaufgaben) und Objekt (marktbezogene Projektgruppen mit Innovationsaufgaben) wird auch durch Mintzberg als Lösung für das Steuerungsproblem angesehen, vgl. Mintzberg (1979), 435. Vgl. Mintzberg (1979), 434 f.
114
Beschreibung der Konziliaren Organisation
stellt habe, dass ihre Voraussagen einige Berechtigung beanspruchen könnten. In einer krisenhaften Situation der zunehmenden Auflösung klassischer organisationaler Strukturen im postindustriellen Kapitalismus, in der moderne Managementmethoden sich einer chaotischen Unregierbarkeit von Organisationen gegenübersehen, sieht er die sukzessive Ablösung von bürokratischen Organisationsformen durch „demokratische“ Formen als logische strukturelle Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklung an. Adhocratie führt Heydebrand auf sechs Merkmale zurück365:
1) Informalität: Es findet eine Übergang von der Orientierung an Regeln prozeduraler Rationalität zur Orientierung an Problemlösung, Ergebnissen und Interessenausgleich statt, wobei die Beziehungen in der Organisation durch eine starke Interaktivität geprägt sind: „Bargaining, negotiation, informal communication, and ad hoc agreements and solutions characterize much of the horizontal and vertical interaction patterns, resembling noncontractual market behavior more than either bureaucratic or professional control.“366 Kommunikation ist als Koordinationsinstrument in der Organisation institutionalisiert. Informale Strukturen dienen der Förderung der Flexibilität und der Etablierung einer indirekten, „internalisierten“ Form der Kontrolle.
2) Universalismus: An die Stelle partikulärer Regeln, deren Überwachung und Anpassung mit hohem Pflegeaufwand verbunden ist, treten allgemeine Rahmenregelungen. Spezielle Regeln, die Handlungsorientierung in konkreten Situationen bieten, entstehen als situative Konkretisierung oder Neukombination aus bestehenden Rahmenregelungen.
3) Schwache Klassifikation kognitiver Kategorien: Es wird eine hohe Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Kompetenzbereichen, Hierarchieebenen, kognitiven Kategorien und den sozialen Rollen der Akteure angenommen. Als Beispiel wird das Verschwimmen der Grenzen zwischen Manager- und Expertenrollen und zwischen Mitarbeiter und Kunde, z. B. bei Integration des Kunden („Co-Produzent“367) in die strategische Entscheidungsfindung oder in funktionale Aufgaben wie Vertrieb und Produktion, genannt.
365 366 367
Vgl. zum folgenden Heydebrand (1989), 344 ff. Heydebrand (1989), 344. Dass es sich bei der Verschiebung der Wertschöpfung in den kundenseitigen Bereich um einen seit der Diagnose von Heydebrand ungebrochenen Trend handelt, zeigt die Entwicklung von „Remote Diagnostics“ und „Remote Services“ von beim Kunden installierten Maschinen, die es Herstellern erlauben, frühzeitig Defekten vorzubeugen. Die Entsendung eines Servicemitarbeiters zum Kunden entfällt, da kontinuierlich abgefragte Leistungsdaten beim Kunden die Wartung ersetzen, vgl. Karmasin/Freienstein (2006), 134.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
115
4) Lose Kopplung zwischen organisatorischen Teilsystemen: Modulare, lose verbundene Strukturen weisen annahmegemäß in demokratischen Strukturen einen komparativen Vorteil auf, da sie experimentelle Problemlösungen über Abteilungsgrenzen hinweg fördern und damit Innovationen, z. B. der Änderung von Programmen und Routinen, eher zugänglich sind. Die Funktion der Teilsysteme leitet sich aus ihrem Beitrag zum Gesamtsystem ab.
5) Organisatorische Vernetztheit: Durch den Aufbau von „linkages“ zu Organisationen, insbesondere korporatistischen Akteuren in der Umwelt, bauen Organisationen ein Netzwerk aus Beziehungen auf. Der Aufbau von Netzwerkbeziehungen kann dabei als kurzfristige Krisenreaktion, z. B. aufgrund gestiegenen Wettbewerbs, im Fall von private-public partnerships und joint ventures aber durchaus auch als langfristige, „neo-korporatistische“ Strategie gewertet werden.
6) Förderung von Vertrauen und Loyalität: Aus der dualen Struktur demokratischer Organisationen (einer technischen und einer sozialen Dimension) wird die Notwendigkeit des Aufbaus einer Unternehmenskultur abgeleitetet, die verhindert, dass angesichts loser Kopplung als vorherrschendem Bindungsverhalten der hoch autonomen Unternehmensteile die Zentrifugalkräfte in der Organisation zur dominierenden Entwicklungsrichtung und damit bestandsgefährdend werden.
Eine Effizienzbeurteilung ist nicht erkennbar, allerdings werden mit Flexibilität, Durchlässigkeit und Innovationsfähigkeit Nutzenerwartungen deutlich gemacht, die tendenziell z. B. durch funktionale Mischung und Interaktivität der Expertenteams gefördert werden.
5.1.3.6
Pluralistische/Multikulturelle Organisation
Kurzdarstellung In der pluralistischen Organisation tritt zum Merkmal der Flexibilität durch situative Neukonfiguration, das z. B. Netzwerkorganisationen auszeichnet, eine hohe Intensität der Selbstbeziehungen, verstanden als „Möglichkeit, außerorganisatorische Interessen und Belange beim organisatorischen Handeln berücksichtigen zu können“ hinzu. Kennzeichnend ist weiterhin, dass „nicht nur die eingesetzten Maßnahmen und Mittel, sondern auch die jeweiligen Ziele bzw. Effizienzkriterien individuell gestaltet werden können.“368
368
Holtbrügge (2001b), 162 (zwei Zitate).
116
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Die Pluralisitische Organisation ist durch ein hohes Maß an Heterogentiät der Aufgabenträger gekennzeichnet.369 Die im Zusammenhang mit dem Diversity Management geprägte Multikulturelle Organisation, die individuelle Unterschiede der Mitarbeiter hinsichtlich Alter, Geschlecht, ethnischer Abstammung, Religion, kultureller und sozialer Prägung explizit zulässt und inkludiert (Diversity und „inclusion“) und in den Dienst der Verbesserung von Produktivität und Effizienz der Organisation stellt, versteht sich als Steigerungsform der Pluralistischen Organisation.370 Cox definiert Diversity als „The variation of social and cultural identities among people existing together in a defined employment or market setting“.371 Diversity Management kann als Strategie zur Annäherung der Belegschaft an die Zielheterogenität der Multikulturellen Organisation verstanden werden.372 In die Heterogenität erzeugenden Unterschiede ist neben den oben genannten Faktoren auch „work specialization“ eingeschlossen, d. h. auch funktional-fachliche Heterogenität wird berücksichtigt.
Diversity wird nicht positiv konnotiert, sondern als zweischneidiges Schwert betrachtet, so dass das Ziel einer multikulturellen Organisation ist, „to create conditions that minimize its potential to be a performance barrier while maximizing its potential to enhance organizational performance.“373 Diversity Management bewegt sich zwischen der Vermeidung der Kosten einer vielfältigen Belegschaft (z. B. erhöhte Konflikte, geringeres Team-Commitment aufgrund geringerer wahrgenommener Ähnlichkeit der Teammitglieder, höhere Kommunikationskosten) und der Ausschöpfung des angenommenen Nutzens aus Diversity (verbesserte Problemlösung aufgrund von erhöhter Kreativität, Flexibilität, positive qualitative Auslese des Personals durch verbessertes Recruiting und Retention Management, strategische Produktentwicklungs- und Marketingvorteile aus heterogener Belegschaft).374 Hervorzuheben sind die durch Cox gemessenen Leistungsunterschiede zwischen heterogenen Gruppen, die kein Training zum Umgang mit ihren inhärenten Unterschieden durchlaufen hatten und solchen, die für den Umgang mit diesen Unterschieden trainiert wurden. Zwar zeigten untrainierte heterogene Gruppen einen Leistungsabfall gegenüber homogenen Gruppen, im Gegenzug wurde aber eine um das Sechsfache höhere Problemlösungsfähigkeit diversity-trainierter Gruppen im Vergleich zu homogenen Gruppen nachgewiesen.375
369 370 371 372 373 374
375
Vgl. Cox (2001), 38. Vgl. Cox (1991). Cox (2001), 3. Aretz/Hansen (2003), 193. Cox (2001), 4. Diese und ähnliche Kosten-und-Nutzen-Kataloge finden sich global bezogen auf sämtliche DiversityMerkmale z. B. bei Cox (2001), Krell (1999) und Roberson (2003) und bezogen auf die Variable Kultur, insbesondere in ihrem Einfluss auf die Problemlösefähigkeit, bei Jedrzejczyk (2007) und im Hinblick auf die Variablen Geschlecht, Alter und Behinderung bei Thomas/Mack/Montagliani (2004). Vgl. zu den Ergebnissen des Forschungsprojekts mit kulturell gemischten Gruppen Cox (2001), 7.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
117
Zusammenfassende Einschätzung Waren die Angaben zur Struktur der multikulturellen Organisation im ursprünglichen Entwurf noch detailliert376, wenn auch nicht in allen Fällen eindeutig operationalisierbar, scheint Cox in einer neueren Veröffentlichung diese Kriterien zurückzunehmen zugunsten einer Struktur, die den Übergang zu einer Diversity-orientierten Organisationsstruktur unterstützt, ohne mit dieser Struktur identisch zu sein. Seine Vorschläge beinhalten die temporäre Einsetzung eines Diversity Officers und eines unterstützenden Stabs von 2-3 Personen, der direkt an den Corporate Executive Officer (CEO) berichtet (Sekundärorganisation). Eine Alternative für größere Unternehmen sieht er in der Einsetzung eines Corporate Steering Committee (analog Diversity Council) in der Unternehmenszentrale, dessen Zusammensetzung als Gruppe die Heterogenität der Belegschaft widerspiegeln soll (d. h. es besteht Raum für funktionale und hierarchische Mischung) und das in den lokalen Unternehmenseinheiten von „diversity task forces“ repräsentiert wird, die in monatlichen Sitzungen eine Erfolgskontrolle der durchgeführten Maßnahmen vornehmen und Reporting-Pflichten gegenüber der Zentrale haben. War im ursprünglichen Konzept noch eine dauerhafte multikulturelle Primärorganisation Gestaltungsziel, lässt sich die Revision des Ziels zugunsten pragmatischer Teillösungen daran ablesen, dass lediglich die Einsetzung eines dauerhaften Komitees empfohlen wird, das die Temporärstrukturen ablöst377, das aber seinerseits allenfalls als, zwar dauerhafte, aber letztlich die Primärstruktur ergänzende, nicht ersetzende Sekundärstruktur einzuordnen ist. Der Stellenwert der Kommunikation wird im Zusammenhang mit der strategischen Verankerung des Diversity Management unterstrichen, eine Koordinationsfunktion kann nicht festgestellt werden. Bei der Einschätzung der Effizienz sind die motivationalen Effekte des erweiterten Handlungsspielraums und der Einbringung eines größeren Persönlichkeitsausschnitts in die Arbeitsbeziehungen dem erforderlichen Koordinationsaufwand einer heterogenen Belegschaft gegenüberzustellen. Die Effizienzmessung bezieht sich dabei auf die Ergebnisse des Diversity Management, d. h. auf die Optimalität von Maßnahmen und die Erfolgskontrolle, nicht auf die Optimalität der Organisationsform selbst. Dass aber keine gänzlich kontextfreien Aussagen getroffen werden, wird an der Empfehlung deutlich, den Institutionalisierungsgrad von der Unternehmensgröße und dem Geschäftsfeld abhängig zu machen.378
376
377
378
So gibt Cox die folgenden Messvariablen der Organisationsstruktur an: Modus der kulturellen Anpassung von Gruppen, Grad der strukturellen Integration von Minoritäten in die Organisation (Beschaffung, Einsatz, Stellenprofile), Grad der informellen Integration (Einbezug von Minoritäten in informale Netzwerke), kultureller Bias (Vorurteile und Diskriminierung), Grad der Identifikation der Minorität mit der Organisation im Vergleich zur dominanten Gruppe, Ausmaß von Intergruppenkonflikten, vgl. Cox (1991), 37 ff. Vgl. Cox (2001), 45 ff., vgl. insbesondere 47. Als Beispiele für temporäre Diversity-Institutionen benennt er die Diversity councils bei Ford und Shell Oil und als Beispiel einer Diversity task force das Unternehmen Alcoa. Vgl. Cox (2001), 49 f.
118
Beschreibung der Konziliaren Organisation
5.1.3.7
Vertrauensorganisation
Kurzdarstellung Die auf Bleicher zurückgehende Vertrauensorganisation ist durch eine zunehmende Personenorientierung, eine abnehmende Regelungsdichte und im gleichen Zug eine Erhöhung der Regelungsqualität (Ausweitung der Entscheidungsspielräume) statt – in den Worten Bleichers – durch einen „Regelungsoverkill“ geprägt. Bezogen auf die Personalarbeit stellt er die Tendenz fest, die Besetzung vakanter Stellen ad rem, d. h. orientiert an den Stellenanforderungen, durch eine Orientierung an der „Ordnung von Bereichen“ (d. h. eine Besetzung ad personam) zu ersetzen, die „situativ der Führungskraft Förderung und Entwicklungsmöglichkeit [sic!] gibt.“379 Der Gefahr der Ausnutzung dieser persönlichkeits- und entwicklungsorientierten Organisation durch einen autoritären Führungsstil, der dazu genutzt wird, die eigenen Spielräume auf Kosten „konkurrierender“ Unternehmenseinheiten und der weisungsgebundenen Mitarbeiter auszuweiten, soll durch intensive Personalentwicklung und eine „äußerst kritische“ Personalselektion380 begegnet werden. Die Charakteristika der Vertrauensorganisation werden anhand des Vergleichsmaßstabs der Misstrauensorganisation verdeutlicht (vgl. Tabelle 6) wobei diese als idealtypische Ausprägungen zu verstehen sind, innerhalb derer sich reale Organisationen als Übergangsmuster oder Mischformen befinden.
Tabelle 6: Abgrenzende Merkmale der Misstrauens- und der Vertrauensorganisation
Misstrauensorganisation
Vertrauensorganisation
Sachorientierung
Personenorientierung
Formalisierung
Symbolorientierung
Programmierung durch Einzelregelung
Zweckbezogene Rahmenregelung
Organisation auf Dauer
Organisation auf Zeit
Monolithische Orientierung
Polyzentrische Orientierung
Steile Konfiguration
Flache Konfiguration
Exogene Orientierung
Endogene Orientierung
Fremdgestaltung im Prozessverbund
Eigengestaltung mit Teilautonomie
Quelle: i. A. an die Ausführungen bei Bleicher (1991), 74 f.
379 380
Bleicher (1991), 76 f. Vgl. Bleicher (1991), 77. Vgl. auch Bleicher (2001), 138 ff., hier im Zusammenhang mit Anreizsystemen zur Erhöhung des akquisitorischen Potentials des Unternehmens, z. B. durch Gewinnung und Erhalt kritischer Humanressourcen mittels variabler Vergütung und durch gelebte Kooperation und Kommunikation.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
119
Als eine Anwendungsform der Vertrauensorganisation nennt Bleicher die laterale Kooperation in Virtuellen Unternehmensverbünden. Die Peripherie erfährt nach außen eine „virtuelle Kanalerweiterung und ihre erhöhte Frequentierung“.381 In der Sprache der sozialen Netzwerktheorie gesprochen ist die Gestaltung des Aussenverhältnisses über „boundary spanners“ zu forcieren. Die Gefahr des Entstehens von Zentrifugalkräften, wenn die „Grenzgänger“ ihre positionale Macht nicht im Sinne des Unternehmens einsetzen, z. B. durch „information brokerage“, die dem Individuum Macht über erfolgskritische Ressourcen verschafft, dem Unternehmen aber unter Umständen wichtige Informationen vorenthält, wird nicht thematisiert. Krell nennt mit Blick auf den Umdenkprozess in der organisationswissenschaftlichen Forschung vom Szenario der „menschenleeren Fabrik“ zur Erkenntnis, dass engagiertes und qualifiziertes Personal auch in Zeiten der technischen Machbarkeit erforderlich ist, folgende Merkmale von „High trust“-Organisationen:
Akzeptanz
Einsatzwille/Engagement
Ganzheitlicher Aufgabenzuschnitt
Mehr Autonomie und erweiterte Handlungsspielräume
Mehr Verantwortung
Gruppenarbeit.
Organisationen, die diese Merkmale aufweisen, sind annahmegemäß durch institutionalisiertes Vertrauen geprägt, das einen Gegenpol zur durch Informationstechnologie gestiegenen Kontrolle der Mitarbeiter durch das Management darstellt.382 Die Fähigkeit zur Steuerung sozialer Prozesse und fundierte organisationsübergreifende, interdisziplinäre Kenntnisse und Erfahrungen werden als kritische Managementeigenschaften in Vertrauensorganisationen bezeichnet.383
Zusammenfassende Einschätzung Dass es sich bei der Vertrauensorganisation nicht um eine „strukturlose“ Organisation handelt, wird an dem Raum deutlich, den Bleicher den organisationalen Routinen, z. B. zur formalen Bestimmung der Grenzen der durch Delegation eingeräumten Freiräume, vorbehält.384 Der 381
382 383 384
Bleicher (2001), 136. Vgl. ähnlich zu Organisationen als Quelle von Sozialkapital, das durch hohe Interaktionsdichte und die Entstehung von Reziprozitätsnormen und Vertrauen gefestigt wird, Nahapiet/Goshal (2000), 4. Vgl. Krell (2000), 84. Vgl. Wenger/Thom (2005), 62 f. Vgl. Bleicher (1991), 77.
120
Beschreibung der Konziliaren Organisation
hohe Stellenwert der Mitarbeitergewinnung und Bindung lässt Kommunikation im Zusammenhang mit dem Unternehmensleitbild zu einem kritischen Faktor werden. Als Ergebnis eines alle wesentlichen Einflussfaktoren berücksichtigenden Vorgehens in der Organisationsgestaltung wird durch Bleicher ein „Quantensprung“ in Aussicht gestellt. Die Einordnung der Vertrauensorganisation als temporäre Übergangsorganisation innerhalb eines Zyklus, der wieder zu zentralistischen Formen der Organisation zurückführt, oder als Organisationsform, die sich als neue Primärorganisation etablieren kann, betrachtet er jedoch als offene Frage.385 Zwar werden für die in Tabelle 6 angeführten Dimensionen Messkriterien genannt, so z. B. die Leitungsspanne zur Erfassung der Konfiguration (tendenziell steil oder flach) oder der Partizipationsgrad und der Grad der Top-down-Steuerung zur Messung des Ausmaßes der Fremdgestaltung386, eine kontingente Optimalitätseinschätzung, z. B. die Angabe effizienter Organisationsstruktur-Umweltfaktor-Kombinationen, findet aber nicht statt, so dass der Eindruck eines „one best way“-Ansatzes entsteht. Als Gestaltungsempfehlung wird abgeleitet, kleine sekundärorganisatorische, temporäre Einheiten (entsprechend dem Bild der flexiblen „Zeltorganisation“) mit hoch generalistischen Qualifikationen zu bilden, die in der Produktentwicklung tätig sind, während ein dauerhafter Kern Leistungen wie Fertigung und Logistik bereitstellt, für die eine hohe Spezialisierung vorzusehen ist, um economies of scale zu fördern. Ein Hinweis auf eine Bevorzugung fachlich oder hierarchieübergreifend homogen bzw. heterogen zusammengesetzter Gruppen findet sich nicht, allerdings sollte die generalistische Zusammensetzung der temporären Stäbe die fachliche Homogentität der Gruppen, im Sinne einer Mehrfachqualifikation unter Verzicht auf Spezialisierungseffekte, eher verstärken.
5.1.3.8
Emergente Organisation
Kurzdarstellung Eine radikale Umstellung der traditionell strukturbildenden Prinzipien in Organisationen (z. B. Entscheidungen, durch die Ressourcen in die optimale Verwendung gelenkt werden oder gestalterische Maßnahmen, durch die eine Organisationsstruktur verändert wird) nehmen Taylor und van Every vor, wenn sie Kommunikation als strukturbildendes Moment in Organisationen identifizieren: „The structure of organization is a property of communication“ und „conversation is the site of organizational emergence, text, its surface.“387 Unter Text wird dabei jede durch Sprache konfigurierte Struktur verstanden, unabhängig davon, ob sie in geschriebener oder gesprochener Form vorliegt, basieren doch beide Umsetzungsformen von Sprache auf
385 386
387
Vgl. Bleicher (2001), 142. Vgl. Bleicher (1991), 71 ff. Die Messkriterien werden durch einen Prüfkatalog anhand eines Praxisbeispiels weiter veranschaulicht, vgl. insbesondere 88 ff. Taylor/Every (2000), 37.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
121
den gleichen Bausteinen, die als Sprachvorrat („language resource base“) jedem Individuum einer Sprach-Community zur Verfügung stehen.388 Gesprochene Sprache wird damit als das Ergebnis der Produktion von Text verstanden, der seinerseits aus „conversation“, verstanden als gemeinsam geteilter, durch Sprache vermittelter Interaktion zwischen den Mitgliedern einer Organisation, entsteht.
In diese weite Begriffsfassung von interaktivem Austausch durch Sprache sind alle formalen und informalen Konversationen eingeschlossen: „This obviously includes all the informal occasions of talk they take part in, whether over a drink or supper, in the washroom or on a golf course, in a casual encounter in the corridor or on the way to the airport. But it also includes the more arranged and circumscribed encounters of meetings, interviews, appraisals, briefings, union-management negotiations and so on, that collectively carry forward the interactively constructed themes of organizational life.” Sprachlich vermittelte Interaktion gewinnt Strukturrelevanz durch ihren Zugriff auf Beziehungen, d. h. sie dient dazu, „to create a recognizable system of relationships linking them [die interagierenden Personen, I. L.] to what they do and who they do it with.”389
Zusammenfassende Einschätzung Bei der emergenten Organisation von Taylor/Every handelt es sich um eine Repräsentation der sprachlich gestützten Netzwerke zwischen den Individuen einer Organisation, die von allen beschriebenen Organisationsformen dem Bild einer strukturlosen Organisation am nahesten kommt. Die Wahrnehmung von Managementfunktionen durch zentrale, hierarchisch organisierte Planungs- und Entscheidungszentren entfällt, da es zu ihnen kein Strukturkorrelat gibt. Stattdessen wird postuliert, dass das Management verteilt im Netzwerk wahrgenommen und Kohärenz statt durch rationale Planung und Kontrolle durch die Emergenz gemeinsamer Strukturen, die aus fortgesetzter Kommunikation („conversation“) entstehen, erreicht wird.390 An die Stelle handelnder Subjekte („subject-actor“) tritt – in konsequenter Umsetzung des Emergenzprinzips – ein die Gesamtheit der Subjekte repräsentierender, symbolisch konstruierter Akteur, der sich aus dem durch die Individuen produzierten Text konstitutiert („textualized actor“)391, z. B. in Form einer kognitiven Landkarte.
388
389 390 391
Vgl. Taylor/Every (2000), 37 ff. Hervorzuheben ist hier die Parallelität zur selbstreferentiellen Reproduktion von Kommunikation und dem „re-entry“-Problem bei Luhmann (vgl. Fußnote 279), wenn Taylor/Every betonen, dass Text als Produkt gesprochener Sprache sich kumulativ entwickelt. Jeder zu einem Zeitpunkt geäußerte Text beinhaltet die zuvor geäußerten Texte und schließt an diese an. Zugleich ist er selbst Ausgangspunkt für zukünftige Textproduktion, d. h. er ist zugleich Output (Produkt) und Input (Rohstoff) der Kommunikation. Taylor/Every (2000), 36 f. (zwei Zitate) . Vgl. Taylor/Every (2000), 209 f. Vgl. Taylor/Every (2000), 210.
122
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Im Gegensatz zum dieser Arbeit zugrunde liegenden Systemverständnis stellen Taylor/Every im Anschluss an die Theorie offener Systeme eine Analogie zwischen lebenden Organismen und Organisationen her. Durch sprachliche Interaktionen entsteht eine kollektiv geteilte, organisationale Wirklichkeit – analog zur Kognition als Verknüpfung der Operationen von Nervenzellen im Organismus von Individuen. Organisationen beschreiben sie als Netzwerk aus Individuen und die durch sprachliche Muster generierte Organisationsstruktur als „constitutive of a relation binding individuals to each other in a bonding that is inherently unstable and endlessly subject to renegotiation.“392
Aufgrund der Ubiquität des Netzwerks wird eine Unterteilung in Gruppen obsolet, denn diese erhält nur im Unterschied zu einer greifbaren Organisationsstruktur, die auf Einzelarbeitsplätze rekurriert, einen Sinn. Es besteht zwar der Anspruch, Regularität durch koordiniertes Handeln in der Organisation zu erzeugen393, aber die Flüchtigkeit der emergenten Organisationsstruktur, die sich nur als Momentaufnahme, in der Verdichtung von Konversation zu Text, materialisiert, entzieht sie letztlich dem gestaltenden Zugriff, wodurch auch eine Einordnung als Primär- oder Sekundärorganisation und eine Unterwerfung unter ein Optimalitätskriterium wie Effizienz verunmöglicht wird.
5.1.3.9
Gesamteinordnung der Strukturformen
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die überwiegende Zahl der betrachteten Organisationsformen eine funktions- und teilweise hierarchieübergreifende Mischung vorsieht und damit die traditonell funktional getrennte Aufbauorganisation abgelöst oder sekundärorganisatorisch ergänzt wird. Eine Effizienzmessung der Organisationsform selbst findet nur vereinzelt statt, indem Umwelt-System-Konstellationen angegeben werden, in denen sich mit der Organisationsform ein Kooperations- oder Koordinationsnutzen erzielen lässt (z. B. in der Netzwerkorganisation und der Multikulturellen Organisation). Häufiger werden Zielkriterien genannt, die aufgrund der Flexibilität und Durchlässigkeit leichter zu erreichen sein sollen, als durch eine traditionelle Hierarchie (z. B. in der Adhocratie, der Hypertextorganisation und der Virtuellen Organisation) oder es werden einzelne Instrumente entwickelt und validiert, um eine Einordnung von Organisationen in Entwicklungsstadien vornehmen zu können (z. B. System 4Organisation, Vertrauensorganisation). Selten wird Kommunikation über die Forderung einer kohärenten Kommunikationspolitik (z. B. Multikulturelle Organisation) hinaus systematisch zur Koordination fachlich und/oder hierarchisch gemischter Gruppen und zur Innovation durch Wissensgenerierung und -diffussion eingesetzt (z. B. Hypertextorganisation, System 4392 393
Taylor/Every (2000), 326. Vgl. Taylor/Every (2000), 325.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
123
Organisation). Die Gegenüberstellung mit einem Vergleichsstab als Validierung der Organisationsform selbst findet sich in keiner der betrachteten Organisationsformen. Dass sich die Konziliare Organisation nicht lediglich graduell, sondern grundlegend von postmodernen Organisationsformen unterscheidet, es sich also nicht um eine reine Differenzkonstruktion handelt, soll nachfolgend verdeutlicht werden, indem die Unterschiede zu postmodernen Organisationsformen noch einmal zusammengefasst werden.
Im Unterschied zur Konziliaren Organisation rekurrieren postmoderne Organisationskonzepte nach wie vor auf Personen. Eine Ausnahme bildet die Emergente Organisation, die allerdings ganz auf eine greifbare Organisationsstruktur verzichtet, da diese nur noch in Form von ‚Text’ repräsentiert ist. Die Konziliare Organisation bezieht Personen nur als Teil der Umwelt ein und hat Kommunikation als ihren Referenzpunkt. Die an der Passung von Qualifikation und Aufgabenanforderungen orientierte Zusammensetzung der Konzile verzichtet auf die in der Stellenhierarchie der Postmodernen Organisation noch unverändert präsente Stellenbeschreibung zugunsten situativ wechselnder Aufgabenprofile. Da die Zusammensetzung der Konzile sich an den Aufgabenanforderungen und der Qualifikation der Teilnehmer bemisst, ist keine formalisierte Stellenbeschreibung vorhanden. Die Qualifizierung in der Konziliaren Struktur stellt eine durch Fremdorganisation in Verbindung mit Selbstorganisation zu leistende Maßnahme dar. Der Einsatz der Qualifikation erfolgt nach dem Kriterium der Eignung für die aktuelle Aufgabe, weshalb die Aufgabenprofile situativ wechseln. Aufgrund der Dynamik der Anforderungswechsel ist eine generische Bündelung von erfolgskritischen Tätigkeits- und Anforderungselementen gleicher und hinreichend ähnlicher Stellen in Stellenbündeln394 und deren anlassbezogene Konkretisierung395 in der Konziliaren Organisation zu erwägen. Auf wesentlichen personalwirtschaftlichen Feldern wie der Beschaffung, dem Einsatz, der bündelbezogenen Vergütung und der Förderung wird ein Management of speed ermöglicht.396 Da Stellenbündel auf einem für die Organisation akzeptablen Abstraktionsniveau definiert werden können, kann dem durch die Umwelt determinierten Komplexitätsniveau durch ein ausreichendes Maß an Eigenkomplexität (erforderliche Varietät der zu beschreibenden Kerntätigkeiten) des Stellenbündels entsprochen werden.
Abgeleitet aus der unveränderten Personenhierarchie der Postmodernen Organisationsformen bleibt Kognition in diesen eine zentrale Kategorie, dagegen wird in der Konziliaren Organisation Kognition zur Systemeigenschaft. Kompetenz ist im Unterschied zur Klassik und zur
394 395 396
Vgl. Becker (2005b), 297 ff. Vgl. Becker (2008a), S. 97. Vgl. Becker (2005b), 534.
124
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Postmoderne multipersonal verankert, da durch Interaktion organisationsspezifisches Kontextwissen397 erzeugt wird. Die Reproduktion von Struktur wird in den postmodernen Organisationsformen nach wie vor als durch einen Organisator zu leistende Gestaltungsaufgabe, nur eben postmodern statt klassisch, angesehen. Eine Ausnahme bildet wiederum die emergente Organisation, aber hier wird der Anspruchs auf zielorientierten Einsatz von Kommunikation zugunsten einer für Innovationen jeder Art (und damit auch Fehlern gegenüber) offenen Organisation aufgegeben. In der Konziliaren Organisation erfolgt die Reproduktion von Struktur durch das System selbst (Selbstreferentialität). Die Konstruktion von Unterschieden zur Klassischen Aufbauorganisation, z. B. der Funktionalen Organisation, erfolgt bei den postmodernen Organisationsformen unter Wahrung des funktionalistischen Paradigmas. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, erfolgt bei der Konziliaren Organisation dagegen die Abgrenzung nicht nur durch ein imlizites sondern auch durch ein explizites Differenzschema, indem nämlich die Konziliare Organisation auf Basis der originären Eigenschaften Struktur, Person, Prozess und Beziehungen beschrieben wird. Weiter wird im Gegensatz zu den Postmodernen Organisationsformen eine Evaluation mittels Effizienzkriterien vorgenommen anhand von zwei komplementären Rationalitätskriterien, nämlich der aus der Systemtheorie abgeleiteten Systemrationalität und durch Gegenüberstellung mit Effizienzkriterien, die zusätzliche Ziele neben ökonomischer Effizienz zulassen, z. B. Förderung der sozialen Effizienz und der individuellen Lernfähigkeit, und die auf dem Rationalitätsverständnis der Transaktionskostentheorie gründen. Der gegenüberstellende Vergleich zwischen der Konziliaren Organisation und vorhandenen Konfigurationen kann nur gezogen werden, wenn zuvor in gebotener Kürze ein Überblick darüber gewonnen werden konnte, welche Merkmale bestehende Strukturmuster kennzeichnen. Die Beurteilung des Neuigkeitsgrads der Konziliaren Organisation kann nur vor dem Hintergrund der Erfassung bestehender Organisationsformen erfolgen. Die Merkmale der postmodernen Organisationsformen wurden in angemessener Tiefe dargestellt, um die implizite Beschreibung der Konziliaren Organisation vorzunehmen. Im Folgenden schließt sich eine explizite Beschreibung an, die sich an den basalen Kategorien Konfiguration (Kapitel 5.1.4), Prozess, Person und Beziehungen (Kapitel 5.2-5.4) orientiert.398 Ziel ist eine auf die Systemtheorie gestützte, idiosynkratische Beschreibung der konstitutierenden Elemente der Konziliaren Organisation.
397 398
Vgl. hierzu näher Kapitel 5.3. Vgl. zum Vorgehen auch Kapitel 1.5.
Beschreibung der Konziliaren Organisation
5.1.4
125
Notwendige und hinreichende Elemente der Konziliaren Konfiguration
Sieht sich das inter-organisatorische Netzwerk zu Beginn einem „typically underorganized governance model“ gegenüber, das „needs to be complemented by social mechanisms of integration“399, ist eine solche „Unterdeterminiertheit“400 bei der Konziliaren Organisation nicht gegeben. Die Aufgabe besteht hier nicht in der Erhöhung der Beziehungsdichte, sondern einer teilweisen Substitution der strukturellen durch personal-kommunikative Koordination. Die Festlegung der relevanten Strukturelemente der Konziliaren Organisation ist deshalb nicht trivial, sondern neu und eigenständig zu leisten, da diese sich nicht vollständig aus den traditionell in der Organisationsforschung fokussierten Strukturmerkmalen wie Formalisierung, Delegation und Weisungs- und Entscheidungsbefugnissen ableiten lassen. Die genannten Merkmale der formalen Organisationsstruktur sind an die formal fixierte Mitgliedschaftsrolle in der Organisation gebunden, die eine Entlastung der Entscheidungsträger vom Risiko des Entscheidens in Situationen, in denen nicht alle Parameter in der Reichweite der Kontrolle des Einzelnen liegen, herbeiführt. Die formale Rolle schafft eine generalisierte Plattform, auf die sich das einzelne Organisationsmitglied zurückziehen kann, wenn widersprüchliche Erwartungen, z. B. von Bereichsleiter und Funktionsleiter in der Matrixorganisation oder von Kollegen und Vorgesetzten, gestellt werden. Sie dient außerdem der formalen Trennung von miteinander inkompatiblen informalen Rollen.401 Da die Konziliare Organisation Kommunikationen statt Mitglieder als elementare Bausteine beinhaltet, kann eine solche rollenbezogene und damit notwendig personenbezogene Beschreibung der Struktur dem formulierten Anspruchsniveau nicht genügen.
Die Konziliare Organisation kann unter dem institutionalen und dem instrumentellen Organisationsbegriff analysiert werden. Aus institutionaler Sicht stellt diese im Unterschied zu funktional-hierarchischen Organisationen eine diskursbasierte Organisationsform dar. Mit der Aufgabe der Vorstellung der Organisation als geschlossenes System „zugunsten der Vorstellung einer Institution, die in eine dynamische Umwelt eingegliedert ist, demzufolge auch wechselnde Ziele verfolgen und sich selbst ständig verändern muß, um überleben zu können“402 ist die Notwendigkeit der personalen Koordination, der „Integration durch zwischenmenschliche Kommunikation“403 verbunden. Die Konziliare Organisation ist als Instrument der strategischen Unternehmensführung einzuordnen mit der Doppelfunktion des Ratens und
399 400
401 402 403
Riemer/Klein (2006), 22. Poulymenakou/Klein (2006) sprechen analog von relationalen Verträgen in Netzwerken, die „underspecified“, d. h. unterbestimmt sind, vgl. Poulymenakou/Klein (2006), 8. Vgl. Luhmann (1995), 61 u. 64. Ulrich (1989), 187. Ulrich (1989), 187 f.
126
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Beratens404, d. h. der Etablierung einer Kommunikationskultur der gegenseitigen Kollegialen Beratung (Raten) und einer Expertenorganisation aus „internal consultants“ (Beratung).
Es wird angenommen, dass in der Konziliaren Organisation ein abnehmender Formalisierungsgrad und ein Ersatz struktureller Koordination (mittels Regeln und Programmen) durch personal-kommunikative Kommunikation erfolgt. Das Ausmaß der Formalisierung oder Standardisierung ist ablesbar an dem Grad, zu dem „die Varietät von im System ablaufenden, sich wiederholenden Prozessen durch verhaltensspezifizierende Grundsatzentscheidungen beschränkt wird“405, durch die den Individuen die Bildung spezieller kognitiver Programme und damit eine Bandbreite von innovativ-problemlösendem zu adaptivem oder vollständig routinisiertem Verhalten ermöglicht wird. Diese Begriffsfassung verdeutlicht, dass Formalisierung als graduelle Variable erfasst wird und dass die Auswirkung auf die Freiheitsgrade in der Entscheidung mit betrachtet wird.406 Eine Erfassung des Formalisierungsgrads mittels Maßen wie dem Verhältnis von mündlicher zu schriftlicher Kommunikation oder der Zahl der in Handbüchern und Verfahrensanweisungen kodifizierten Anweisungen unter Berücksichtigung ihrer Nutzungsintensität, sind für die Fragestellung als nicht adäquat zu betrachten, da die Bedeutung, die mündlicher im Vergleich zu schriftlicher Kommunikation aus Sicht der Organisationsmitglieder beigemessen wird, unberücksichtigt bleibt.407
Aus instrumenteller Sicht bilden Konzile als Teilsysteme der Organisation eine institutionalisierte Form der gegenseitigen Information, Verständigung, Abstimmung und Beratung. Es wird deutlich, dass es sich um spezialisierte, aber nicht notwendig hierarchisierte, organisierte Einheiten handelt, die bestimmte Funktionen erfüllen, die sich in den einzelnen Formen auch überlagern können und die nachfolgend anhand von vier Formen von Konzilen aufgezeigt werden (vgl. Abbildung 21)408.
404 405 406
407
408
Vgl. Becker (1996). Hill/Fehlbaum/Ulrich (1994), 270. Die getroffene Annahme zur Ausprägung der Formalisierung stellt eine typisierende Annahme in Bezug auf die Konziliare Organisation dar. Dabei ist sich der Verfasser bewusst, dass es sich um empirisch nicht validierte und damit um idealtypische Aussagen handelt. Vgl. zur Zulässigkeit des methodischen Vorgehens grundsätzlich Kapitel 1.4 und in Bezug auf gestaltungsbezogene Aussagen Kapitel 6.1. Vgl. zur Darstellung und Einschätzung von Instrumenten zur Messung der Formalisierung Kieser/Walgenbach (2007), 196 ff. Die Typologie orientiert sich als ad hoc-Einteilung an beobachteten Typen wie Virtuellen Teams, DiversityCouncils, Strategie- und Entscheidungszirkeln. Vgl. dazu die Ausführungen in den Kapiteln 5.1.3.2 und 5.1.3.6. Die Zuordnung von Strategiezirkeln zur Innovationsfunktion und von Entscheidungszirkeln (z. B. Top-Management-Teams (TMT)) zur Steuerungsfunktion orientiert sich an den Diskurstypen des Effizienzdiskurses (Planungs- und Rationalisierungsgespräche) und des Innovationsdiskurses (Strategieentwicklungsgespräche). Effizienzdiskurse in Organisationen basieren auf bekannten Regeln, während Innovationsdiskurse Regeln modifizieren oder neu einführen. Vgl. z. B. Schnöring (2007).
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
127
Funktionen von Konzilen
Planungsund Entscheidungsfindung
Akzeptanzsicherung
Willensbildung
Wissensmanagement
Kontrollfunktion
Initiativfunktion
Innovationsfunktion
Distanzkonzile
Dislozierte
Integrative
Konzile
Konzile
z. B. Virtuelle Teams
z. B. Strategiezirkel
z. B. Diversity Councils
Steuerungsfunktion
Präsenzkonzile z. B. Kollegiale Beratung, Entscheidungszirkel
Formen von Konzilen
Abbildung 21: Funktionen und Formen von Konzilen Quelle: Eigene Darstellung
Im Folgenden sollen die notwendigen und hinreichenden Elemente der Konziliaren Konfiguration (Aufbauorganisation) bestimmt werden. Notwendige Elemente sind dabei zu verstehen als die unverzichtbaren, generischen organisationalen Merkmale, bei deren Vorliegen eine Grundvoraussetzung, aber noch kein hinreichendes Kriterium der Konziliarität gegeben ist. Hinreichende Kriterien benennen im Unterschied zu den generischen Attributen die spezifischen, abschließenden Merkmale der Konziliaren Organisation. Zu den hinreichenden Anforderungen gehören Kommunikation und Qualifizierung zur Teilnahme an der Konziliaren Organisation, Voraussetzungen, die unter den Begriffen Konziliare Kommunikation und Konziliare Kompetenz noch aufgegriffen werden.409 Als weitere Voraussetzung muss weitgehende Selbstorganisation hinzukommen. Neben Motivations- und Anreizvoraussetzungen („Wollen“) und prozessualen Voraussetzungen („Dürfen“) ist auch sicherzustellen, dass die Mitarbeiter in der Lage sind, den mit der Selbstorganisation verbundenen Handlungsspielraum im Sinne der Unternehmensziele wahrzunehmen und die Verantwortung für die Wahl der Mittel zur Problemlösung und Entscheidungsfindung zu tragen („Können“). Die Anforderung besteht darin, Handlungsspielraum als Voraussetzung für Innovation zu ge409
Vgl. Kapitel 5.4.
128
Beschreibung der Konziliaren Organisation
währen, ohne dass dies „als eine Aufforderung zum organisatorischen Schlendrian“410 oder zu Endlosdebatten verstanden wird und Lernen soweit zuzulassen, dass sich Stabilität durch Routinen, nicht aber Erstarrung einstellt.
Als wesentliche Eigenschaft von Organisationen wurde in den basistheoretischen Grundlagen in Kapitel 4 die Verarbeitung von Sinn durch Kommunikation bezeichnet. Die Systemtheorie nach Luhmann nimmt im Anschluss an die phänomenologische Kommunikationstheorie eine Konkretisierung der Konzepte „Sinn“, „Information“ und „Kommunikation“ vor, an die die nachfolgende Beschreibung der notwendigen und hinreichenden Elemente der Konziliaren Organisation anknüpft. Luhmann zufolge sind drei Dimensionen von „Sinn“ zu unterscheiden: (1) die Sachdimension (Leitdifferenz „innen – außen“), (2) die Zeitdimension (Leitdifferenz „vorher – nachher“) und (3) die Sozialdimension (Leitdifferenz „Konsens – Dissens“). Die im Konzil als selbstreferentiellem System vollzogenen Operationen müssen alle drei Dimensionen aufweisen, um verstanden zu werden und durch weitere Operationen – hier Kommunikationen – fortgesetzt werden zu können. Vereinfacht formuliert bildet die Antwort auf die Frage, „wer was wann sagen kann“ alle drei Dimensionen ab.411 Der zu diskutierende Sachgegenstand wird in der Sachdimension bestimmt, die zudem Regeln zur Durchführung des Konzils (z. B. prozessuale Regeln wie den Mehrheitsentscheid, Regeln zur Themengewinnung und Entscheidungsfindung, z. B. mittels Open-Space-Methode oder Zukunftswerkstatt412) festlegen muss. Die Zeitdimension betrifft neben der zeitlichen Begrenzung des Zusammenseins auch die Entscheidung, frühere Verhandlungen erneut zum Gegenstand der aktuellen Zusammenkunft zu erklären und in diesem Sinne zeitlich zu reaktualisieren. Teilnahmeberechtigung und Kompetenz sowie kommunikative Aspekte wie die Selbstoffenbarung413 der Teilnehmer gehören in den Bereich der Sozialdimension.
Die strukturbildende Eigenschaft von Kommunikation aus Sicht der Systemtheorie setzt einen gegenüber der traditionellen Organisationstheorie und der klassischen Managementlehre veränderten Strukturbegriff voraus. Geht man davon aus, dass Kommunikation das Ergebnis ständig reproduzierter Muster aus Ereignisketten ist, weisen auch die durch Kommunikation erzeugten Strukturmuster eine instabile, dynamische Eigenschaft auf und stellen nur bei oberflächlicher Betrachtung statische Sozialordnungen dar. Die Konsequenz aus dem systemtheo410 411 412 413
Kühl (2001), 87. Vgl. Krieger (1996), 68 f. Vgl. etwa Gutenschwager/Schönrock/Voß (2000) und Schiersmann/Thiel (2009), 139 ff. In der Kommunikation sagen die Teilnehmer mit ihren Beiträgen auch etwas über sich selbst aus, indem sie Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen mitteilen. Die neben der sachlichen Aussage mitlaufende Selbstoffenbarung hat eine Bindungswirkung, da die Teilnehmer sich in einer Weise selbst repräsentieren, auf die sie von anderen zukünftig festgelegt werden können. Vgl. Luhmann (1996), 215.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
129
retischen Struktur- und Kommunikationsbegriff ist eine radikale Verzeitlichung von Struktur.414 Eine weitere Konsequenz ist, dass Struktur im Sinne von Organisationsstruktur, d. h Aufbau- und Ablauforganisation, Verfahrensregeln und Programmen, auf ihre basale Grundform zurückgeführt werden muss, die in Handlungserwartungen415 besteht. Handlungserwartungen stellen das „Rohmaterial“ struktureller Koordination dar. In der Form der Handlungserwartungen ist ein koordinatives Element repräsentiert, das zeigt, dass die Systemtheorie Ansatzpunkte für eine Beschreibung der Vorgänge im Unternehmen bietet, die nicht über direkte Anweisung, sondern indirekt, über Entscheidungsprämissen und Verhaltenserwartungen, wirksam werden.416
Organisationen erzielen eine Stabilisierung ihrer Strukturen durch die Normierung von Erwartungen. Indem Tätigkeitsanforderungen statt an Personen an Rollen gekoppelt werden (z. B. Personen als weisungsgebundene Mitarbeiter) wird eine zeitlich stabile Aufgabenerfüllung in der vordefinierten Art und Weise garantiert, unabhängig von der Fluktuation der Stelleninhaber. Auf weiteren Stufen der Abstraktion von Erwartungen werden Rollen unter Programme subsummiert (z. B. Investitionsprogramme), deren Ausführung sowohl personen- als auch rollenunabhängig möglich ist. Wird auch noch von dem situativen Kontext der Programme abstrahiert, erfolgt die Subsummierung von Programmen unter Werte als Kriterien der Vorziehenswürdigkeit von Handlungen417, z. B. die Änderung von Programmen der Abteilung Forschung und Entwicklung, wenn deutlich wird, dass diese nicht mit der Erfüllung der Unternehmensziele, z. B. des Absatzziels, in Einklang stehen. Der Begriff der Werte korrespondiert in der Sprache der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie mit dem Begriff der Entscheidungskriterien bei der Alternativenwahl.
Ein Beispiel für eine Erwartungsnormierung ist die Kommunikation in Organisationen. Festgelegte Kommunikationswege erfüllen eine strukturstabilisierende Funktion, da sie den Organisationsmitgliedern implizit eine Vorstellung davon vermitteln, welche Erwartungen an Entscheidungen gestellt werden. Kommunikationswege, z. B. formale Programme, Weisungsrechte und Regeln zur Beteiligung, aber auch informale, traditional gewachsene Formen der gegenseitigen Konsultation, sind aber selbst keine Manifestation von Verhaltenserwartungen. 414 415 416 417
Vgl. Malsch (2005), 18. Laßleben spricht von systemspezifischen Verhaltenserwartungen. Vgl. Laßleben (2002), 53. Vgl. hierzu näher Kapitel 7.1. Vgl. Schneider (2005), 268 f. Luhmann behandelt diesen Aspekt unter dem Begriff der Entscheidungsprämisse und verdeutlicht, dass in Organisationen dadurch Entscheidungskosten eingespart werden können, dass nur noch über die Relevanz einer Prämisse für eine Entscheidung und nicht mehr über die Wahrheit, d. h. über die grundsätzliche Geltung und Richtigkeit, des Entscheidungsprogramms (z. B. eines einzuhaltenden Kommunikationsweges) nachgedacht wird. Entscheidungen werden damit unter geringerer Komplexität getroffen, ohne vollständig ex ante determiniert zu sein. Als weiteres Beispiel führt er den Personaleinsatz an. Vgl. Luhmann (2000), 222 f.
130
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Kommunikationswege definieren den Kreis der Personen, die berechtigt sind, generalisierte Erwartungen an das Entscheidungsverhalten anderer zu richten.418 Zusätzlich können Organisationen als soziale Systeme in Situationen des Chaos und der Unsicherheit, z. B. in Krisensituationen, latente Ressourcen – als Beispiel nennt Luhmann „organizational slack“ – mithilfe von Kommunikation aktivieren.419 Der Gefahr einer Überdeterminiertheit des Verhaltens in Organisationen durch einen zu hohen Formalisierungsgrad kann durch ein „Verfallsdatum“420 von Regeln oder Programmen oder durch sich selbst erneuernde, kreative Routinen sowie durch „musterbrechendes“ Verhalten zur Vermeidung der Einschränkung strategischer Entscheidungsalternativen begegnet werden.421 Die formale Organisationsstruktur ist Luhmann zufolge eine ergänzungsbedürftige Teilstruktur, da sich nicht alle in Organisationen auftretenden Probleme durch Formalisierung lösen lassen. Das formale Kommunikationsnetz aus horizontal-vorbereitender und vertikal abschließender Kommunikation ist auf ein Oszillieren zwischen formaler und informaler Kommunikation angewiesen, um sich stabilisieren zu können. Eine wesentliche hieraus abzuleitende Erkenntnis ist, dass die Optimalität einer Organisationsstruktur und „eines Netztyps für die formale Kommunikation nicht allein von Erwägungen innerer Rationalität, von Gesichtspunkten der Sparsamkeit in Kontakten oder der Schnelligkeit und Gründlichkeit der Informationsverarbeitung geleitet sein darf.“422 Informale und formale Institutionen der Organisation haben in komplementärer Weise zusammenzuwirken. Damit kann auch informale Cliquenbildung funktional für die Stabilisierung der formalen Struktur sein.423
Zimmer führt weitere notwendige Strukturkriterien anhand des Beispiels der Open-SourceSoftwareentwicklung vor Augen. Die Produktion der Open-Source-Produkte erfolgt in Zusammenschlüssen aus Experten in „ad hoc“-Netzwerken zur Lösung bisher unbekannter Problemstellungen. Wird das zumeist bei der Bildung einer Virtuellen Organisation angewandte Aus418 419 420
421
422 423
Vgl. Laßleben (2002), 55. Vgl. Luhmann (2008), 20. In der Gesetzgebung wird die zeitlich begrenzte Gültigkeit eines Gesetztes als sunset clause bezeichnet. In der Betriebswirtschaftslehre wird die radikalste Form der zeitlich begrenzten Planung durch das Zero-basebudgeting repräsentiert, das eine Neuaufstellung des Budgets mit jeder neuen Planungsperiode vorsieht. Fehlende Fortschreibung der Budgethöhe aus der Vorperiode soll vermeiden, dass sich Routinen verfestigen, die nicht mehr dem aktuellen Bedarf entsprechen. Vgl. die Handlungsmuster aus Dialogen und Verfahren (kata) bei Nonaka/Toyama (2007), die als ein kontinuierliches Verlernen und Neuerlernen von Routinen in direkter Auseinandersetzung mit dem Arbeitsumfeld („creative routines“) Effizienz fördern, zugleich aber eine Verfestigung von Routinen vermeiden sollen. Das Verharren auf einem einmal eingeschlagenen Entwicklungspfad ist aufgrund der getätigten „sunk costs“ und der sich einstellenden Lerneffekte als rational zu bezeichnen (lock in). Da bewährte Verfahren beherrscht werden, werden sie auch zukünftig angewandt, ein Wechsel im Sinne eines Pfadbruchs würde hohe monetäre und psychische Transaktions- und Wechselkosten verursachen. Vgl. Dievernich (2007), 18 f. Kata stellt demnach ein Instrument zur Durchbrechung von Pfaden dar. Luhmann (1995), 205 f. Vgl. Luhmann (1995), 206 u. 221.
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
131
wahlkriterium, nachdem die Netzwerkpartner fallweise anhand ihrer Kernkompetenzen ausgewählt werden, unverändert auf die Zusammenstellung eines Expertennetzwerks in Organisationen angewandt, ergeben sich spezifische Anreiz- und Motivationsprobleme wie „hidden action“ und die Verdrängung intrinsischer durch extrinsische Motivation, wobei die Projektpartner versuchen, einen höchst möglichen Ertrag aus dem Netzwerk zu gewinnen bei gleichzeitiger Minimierung der eigenen Leistungsbeiträge. Eine Lösungsmöglichkeit besteht im Verzicht auf vollständige Neukonfiguration des Netzwerks zugunsten des Aufbaus stabiler Beziehungen unter Ausnutzung von Vertrauen als Koordinationsinstrument. Ein positiver Nettoeffekt würde erzielt, wenn der durch die zeitweise Inkaufnahme suboptimaler Kooperationspartner entgangene Nutzen durch die Schaffung eines permanenten Kerns kompensiert würde, der die nichthierarchisch organisierte Peripherie stabilisiert.424
Die Theorie selbstreferentieller Systeme begründet zusammenfassend im Unterschied zu den handlungstheoretischen Vorläufern ein radikal anderes Konzept der Organisationsstruktur. Aus Sicht der Systemtheorie stellt strukturelle Kopplung der Organisation an ihre Umwelt ein Mindestmaß an Erwartbarkeit und Berechenbarkeit sicher. Dieses Verhältnis wiederholt sich in der Beziehung zwischen dem Bewusstsein der Individuen als psychischen Systemen und den ablaufenden kommunikativen Handlungen. Strukturelle Kopplung stellt den Fortgang der Kommunikation sicher, indem sie ein Auseinanderdriften der wechselseitigen Erwartungen zwischen psychischen und sozialen Systemen verhindert. Die Beschränkung der Zahl von überraschenden kommunikativen Ereignissen verhindert das „Zerreißen“ der strukturellen Kopplung. Die Aufrechterhaltung der strukturellen Kopplung zwischen psychischen und sozialen Systemen ist Bedingung für die Beteiligung an und die Fortsetzbarkeit von Kommunikation.425 Durch die Nebenbedingung der Konstanz der strukturellen Kopplung wird also eine Beschränkung der möglichen Strukturen erzielt, die das System annehmen kann. Struktur und Autopoiesis werden über strukturelle Kopplung zueinander kompatibel gemacht. Strukturelle Kopplung ermöglicht die „Strukturwahl“, d. h. die Entwicklung einer geeigneten Struktur zur Fortsetzung der Autopoiesis. Während Autopoiesis die Fortsetzung der Kommunikation sicherstellt, gewährleistet strukturelle Kopplung, dass selektionsfähige Themen der Kommunikation gefunden werden426, die sowohl für die Individuen als auch die Organisation anschlussfähig sind. Zur Darstellung der notwendigen und hinreichenden Elemente der Konziliaren Organisation wurde auf die im Grundlagenteil der Arbeit vorgenommene systemtheoretische Beschreibung dieser Organisationsform als selbstreferentielles System zurückgegriffen. Die notwendigen konfiguratorischen Elemente lassen sich aus folgender Definition herleiten: 424 425 426
Vgl. Zimmer (2003), 233. Vgl. Schneider (2005), 288 f. Vgl. auch Luhmann (2008), 17. Vgl. Luhmann (2008), 17.
132
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Die Konziliare Organisation wird als soziales System im Sinne der Systemtheorie begriffen, das operational selbstreferentiell geschlossen ist, seinen Bestand durch Erhalt des Komplexitätsgefälles zur Umwelt und seine Identität durch selbstreferentielle Anschlussoperationen, genauer durch Kommunikation, die an Kommunikation anschließt, sichert. Im Unterschied zu anderen sozialen Systemen sind kommunikative Handlungen statt Mitglieder die kleinsten Elemente des Systems (vgl. Abbildung 22).
Konziliare Organisation als soziales System Kommunikationen
Begrenzte Strukturvariation, Selbstreferentialität
(Zeitdimension) Eigenkomplexität
Strukturelle Kopplung Begrenzte Zahl an überraschenden kommunikativen Ereignissen
Umweltkomplexität
Bestandserhaltung
Erwartungsstabilisierung
(Sachdimension)
Organisationsmitglieder als psychische Systeme (Sozialdimension)
Abbildung 22: Notwendige Elemente der Konziliaren Organisation Quelle: Eigene Darstellung
Die Erhaltung der Strukturellen Kopplung trägt einerseits zur Erwartungsstabilisierung bei, denn nicht jede Kommunikation kann in der Organisation relevant werden und nicht jede Strukturform ist den Organisationsmitgliedern zumutbar, z. B. kollidiert eine vollständige Überwachung mit Persönlichkeitsrechten. Zum anderen sichert strukturelle Kopplung die Aufrechterhaltung des Komplexitätsgefälles durch gegenseitigen Anschluss der Autopoiesis des sozialen Systems und der Organisationsmitglieder.
Die Konziliare Organisation ist durch eine spezifische Ausprägung der Elemente Struktur, Person, Prozess und Beziehungen gekennzeichnet. Wie aufgezeigt wurde, ist die Struktur durch einen geringen Formalisierungsgrad geprägt und es wird durch die Personen eine Doppelrolle aus „Raten“ und „Beraten“ ausgefüllt. In diesem multifunktionalen Umfeld (Beraten im Rah-
Konfigurationsorientierte Beschreibung (Struktur)
133
men einer Expertenorganisation) werden damit besondere Anforderungen an die handelnden Personen gestellt, die im Weiteren unter dem Begriff Konziliare Kompetenz behandelt werden (Kapitel 5.3.4). Beziehungen sind die Voraussetzung und das Ergebnis des Aufbaus von Sozialkapital. Die Konziliare Organisation wird als Umfeld zum Aufbau von relationalem Sozialkapital aufgefasst. Um in einem hinreichenden Sinne von einer Konziliaren Organisation sprechen zu können, werden die Teilaspekte Person, Prozess und Beziehungen im Folgenden dargestellt. Beginnend mit dem Aspekt Prozess wird der in Abbildung 22 als „Black box“ dargestellte Aspekt „Kommunikationen“ geöffnet und die konziliar ablaufenden kommunikativen Interaktionen systemtheoretisch beschrieben. Zunächst erfolgt zur Verdeutlichung der systemtheoretischen Kommunikationskonzeption ein kurzer Überblick über den Erkenntnisstand der Kommunikation in Organisationen mit einem Schwerpunkt auf der Kommunikation in Gruppen.
134
Beschreibung der Konziliaren Organisation
5.2
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
Im Folgenden soll die kommunikative Infrastruktur der Konziliaren Organisation als ein zentraler Bestandteil des Theoriegerüsts beschrieben werden. Nachdem in Kapitel 2 bereits auf den Forschungsstand bezüglich des Stellenwertes und der Nutzenaspekte eines systematischen Einsatzes von Kommunikation in Organisationen eingegangen wurde, wird sich dem Konziliaren Diskurs hier auf zwei Wegen genähert. Zum einen werden ausgehend vom Forschungsstand der klassischen Kommunikationswissenschaft die grundlegenden Ansätze zu Kommunikation mit dem Schwerpunkt auf der Kommunikation in Gruppen erarbeitet. Gruppen werden als systematische Erscheinungsform der Konziliaren Organisation aufgefasst und es findet daher auch eine Eingrenzung der Betrachtung auf die kommunikativen Vorgänge in Arbeitsgruppen statt. Die Konzentration auf Gruppen kann damit begründet werden, dass interagierende Zusammenarbeit, bei der eine gegenseitige Abhängigkeit zur Erreichung des Aufgabenziels gegeben ist, im Unternehmen in der Regel in Form von Gruppenarbeit stattfindet. Bei der interagierenden Zusammenarbeit in Gruppen (z. B. bei komplexen Montagetätigkeiten, in Forschungsteams oder Problemlösegruppen), ist Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Gruppe ein konstituierendes Merkmal.427 Es erfolgt in einem zweiten Schritt eine Gegenüberstellung der klassischen Ansätze mit der systemtheoretischen Kommunikationskonzeption. 5.2.1
Sichtweise der Kommunikationswissenschaft
Kommunikation als ein mögliches Koordinationsinstrument zu betrachten, steht in der Tradition der Organisationswissenschaft, die die kommunikative Abstimmung unter den Begriffen der persönlichen Weisung (bei Kommunikation innerhalb der Stellenhierarchie) und der Selbstabstimmung (bei offizieller Übertragung definierter Entscheidungsbefugnisse an Gruppen durch eine übergeordnete Instanz) zu den strukturalen Koordinationsinstrumenten zählt.428 Selbstabstimmung ist der Regelfall der Koordination in Arbeitsgruppen. Falls Selbstabstimmung nicht durch eine formale Regelung institutionalisiert ist, findet sie durch fallweise Interaktion nach eigenem Ermessen statt, vorausgesetzt, dass für den betreffenden Sachverhalt die Einhaltung des Dienstwegs nicht vorgeschrieben ist und dass Konkurrenzdenken, z. B. zwischen Abteilungen, oder fehlende Information über die Aufgabenverteilung die Selbstabstimmung nicht verhindern. Eine stärkere Formalisierung der Selbstabstimmung kann durch Fest427 428
Vgl. Rosenstiel (2004), 396 f. Strukturale Koordinationsinstrumente sind in die Hierarchie „als das ‚Rückgrat’ jeglicher Koordination in Organisationen“ eingebunden, vgl. Kieser/Kubicek (1992), 118. Weitere Beispiele für strukturale Koordination sind Pläne, z. B. Verfahrensanweisungen, Programme und Regeln (z. B. Regeln richtigen, im Sinne eines erwünschten, Verhaltens, niedergelegt in einem Code of Conduct oder in geronnenen Entscheidungsheuristiken). Vgl. zur Einteilung in strukturale und nicht-strukturale Koordinationsinstrumente Kieser/Walgenbach (2007), 100 ff.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
135
legung abstimmungspflichtiger Themen, die Ausstattung von Gremien mit Entscheidungskompetenzen oder die Festlegung von Kommunikationskanälen erreicht werden.429
Kommunikation hat neben dieser instrumentellen Dimension eine strukturbildende Funktion, da sie Baustein für Kooperation in Organisationen ist: „Collaboration represents a complex set of ongoing communicative processes among individuals who act as members of both the collaboration and of the separate organizational hierarchies to which they are accountable“ und es ist Aufgabe der Organisationsgestaltung und der Personalwirtschaft, “to explore the ways in which conversations can be managed to increase the likelihood of effective collaboration.”430
Im Unterschied zur Auffassung der mathematischen Kommunikationstheorie nach Shannon und Weaver431, die Kommunikation mithilfe eines Sender-Empfänger-Modells konzipiert, um die Bedingungen gelungener Kommunikation durch einen störungsfreien Übertragungskanal zu untersuchen, verankert die Systemtheorie sämtliche Kommunikationsvorgänge im System selbst. Im Anschluss an Luhmann ist hervorzuheben, dass die wissenschaftliche Sicht auf Kommunikation von dem begrifflichen Alltagsverständnis Abstand zu nehmen hat, dem zu Folge mit dem Begriff Kommunikation eine Übereinstimmung, d. h. ein Konsens zwischen Sprecher und Rezipient der Kommunikation konnotiert wird. Die Existenz dieser vorwissenschaftlichen Sicht erklärt die tendenzielle Präferenz für Kommunikation unter Anwesenden („face-to-face-Kommunikation“), da dieser eine höhere Wahrscheinlichkeit der Erzielung von Übereinstimmung zuerkannt wird.432 Zur Analyse der Vorteilhaftigkeit dieser Kommunikationsform sind jedoch differenziertere Überlegungen erforderlich, die an anderer Stelle433 unternommen werden sollen. Zunächst soll ein Überblick über den Kommunikationsbegriff der klassischen Kommunikationswissenschaft gegeben (Kapitel 5.2.1.1), die besonderen Bedingungen der Kommunikation in Gruppen herausgearbeitet (Kapitel 5.2.1.2) und eine präzise systemtheoretische Begriffsfassung von Kommunikation vorgenommen werden (Kapitel 5.2.2), durch die zugleich beide Sichtweisen wertend und schlussfolgernd gegenübergestellt werden.
429 430
431 432 433
Vgl. Kieser/Walgenbach (2007), 107. Hardy/Lawrence/Grant (2005), 59. Es ist anzumerken, dass Hardy/Lawrence/Grant (2005) sich auf Kooperationen zwischen Unternehmen konzentrieren. Dieser Schwerpunkt ist aber nach eigener Aussage der Autoren auf die hohe Bedeutung zurückzuführen, die sie diskursiven Praktiken als Ressource der Teilnehmer einer Kooperation zuschreiben, da sie die Bildung einer kollektiven Identität fördern, so dass die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Kooperation steigt, vgl. ebenda, 59. Eine Inkompatibilität zur hier betrachteten intraorganisationalen Kooperation lässt sich nicht feststellen. Vgl. auch Oelsnitz/Graf (2006), 98, die von einem kollektiven Kooperationsmindset sprechen, das zur Erreichung der Ziele der Teamarbeit auf der intra- und interorganisationalen Ebene beiträgt. Vgl. auch Oelsnitz (2006), 145. Vgl. Shannon/Weaver (1949). Vgl. Luhmann (1996), 224, Fn. 48. Vgl. zum Kriterium Optimalität Kapitel 6.
136
Beschreibung der Konziliaren Organisation
5.2.1.1
Klassische Kommunikationsmodelle
Eines der bekanntesten Kommunikationsmodelle, das nachrichtentechnische Kommunikationsmodell von Shannon/Weaver434, setzt gelungene Kommunikation mit der störungsfreien Übertragung einer Nachricht zwischen Sender und Empfänger gleich. Bezogen auf eine dreifache Ebeneneinteilung von Kommunikation (syntaktische Ebene, semantische Ebene, pragmatische Ebene) wird bei Shannon/Weaver nur die Ebene der Syntaktik, der Übertragung physikalischer Zeichen (z. B. von Worten über Schallwellen) adressiert. Eine Betrachtung der Semantik, bei der die Bedeutungsaufschlüsselung der übertragenen Zeichen hinzutritt und der Pragmatik, die zusätzlich die Absichten des Senders, eine bestimmte Reaktion beim Empfänger auszulösen, beinhaltet, findet nicht statt. Abbildung 23 zeigt den Erklärungszusammenhang des Modells auf.
Informationsquelle Nachricht
Zielort
übertragenes Signal
empfangenes Signal
Nachricht
Empfänger
Sender
Störquelle
Abbildung 23: Nachrichtentechnisches Kommunikationsmodell von Shannon/Weaver Quelle: i. A. an Shannon/Weaver (1949), 34.
Fasst man Kommunikation mit Shannon/Weaver als reines Übertragungsproblem auf, werden die im Zuge des Kommunikationsvorgangs auftretenden Probleme unterschätzt. Kommunikation ließe sich dann sicherstellen, indem man für einen störungsarmen oder störungsfreien Übertragungskanal sorgt, vergleichbar mit einer rauschfreien Telefonleitung, über die Sender und Empfänger kommunizieren. Die Unterschätzung der auftretenden Probleme besteht in der Ausblendung von Sender- und Empfängersystem, die den Kommunikationsvorgang tatsächlich aber beeinflussen. Die Erklärung des nachrichtentechnischen Kommunikationsmodells ist in Vergleich zum zu erklärenden Gegenstand (den kommunizierenden Akteuren und der zwi434
Vgl. Shannon/Weaver (1949).
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
137
schen ihnen stattfindenden Kommunikation als sozialem Vorgang) unterkomplex, d. h. sie weist keine angemessene Komplexität für den Erklärungsgegenstand auf. Nicht berücksichtigt wird die dreifache Selektion, die ein Ereignis erst zu einem kommunikativen Vorgang macht. Am Beginn steht die Selektion der Information, die durch die Fähigkeiten des Sprechers (z. B. fehlerfreie Aussprache) und des Zuhörers (z. B. Anwesenheit, Erreichbarkeit) beeinflusst wird. Der zweite Selektionsschritt, die Selektion der Mitteilung, betrifft die Anforderung, dass der Adressat den mitgeteilten Inhalt versteht, wobei die Kontextgebundenheit (Erfahrungshintergrund, personale Eigenschaften, aktueller Zustand) von Sender und Empfänger sowie die Kommunikationssituation zu berücksichtigen sind.435 Hier wird deutlich, wie unzureichend die Übertragungsmetapher den Kommunikationsvorgang beschreibt, wenn sie davon ausgeht, dass die übertragene Nachricht für Sender und Empfänger identisch ist, obwohl sich diese in ihren personalen Voraussetzungen unterscheiden und sich in unterschiedlichen Situationen befinden können. Sieht man von der Möglichkeit ab, den Kontext als „Störquelle“ im Modell zu subsummieren, werden die Unterschiede vernachlässigt, die sich durch die Kontextgebundenheit bei Sender und Empfänger ergeben und für das Ergebnis (den „Kommunikationserfolg“436) relevant sind. Als dritter Selektionsschritt ist das Verstehen als Bereitschaft zur Internalisierung des Gesagten in das eigene Handeln beim Adressaten der Nachricht zu berücksichtigen.
Von Interesse ist für diese Arbeit der dritte Selektionsschritt – das Verstehen – bzw. die dritte Ebene der Kommunikation, die für das sorgt, was im außerwissenschaftlichen Bereich als „Verständigung“, „Übereinkommen“ oder „coming to terms“ bezeichnet wird. Diese pragmatische Ebene zwischenmenschlicher Kommunikation betrachten Watzlawick/Beavin/Jackson, die die Existenz eines pragmatischen Kalküls in der Kommunikation postulieren, dessen Beachtung zu erfolgreicher und dessen Verletzung zu gestörter Kommunikation führt, wobei die Prämissen für Kommunikationserfolg und –misserfolg den kommunizierenden Akteuren selten bewusst sind.437 Mit der Pragmatik ist der verhaltenswirksame Aspekt der Kommunikation angesprochen, der relevant wird, wenn bereits Einigkeit über die möglichst verlustarme Übertragung (Syntaktik) besteht und eine Verständigung über die Bedeutung der übertragenen Zeichen erzielt wurde (Semantik). Das Modell von Watzlawick/Beavin/Jackson soll hier angeführt werden, da es grundlegenden Charakter im Hinblick auf Kommunikation unter dem für die betriebliche Realität durchaus relevanten Beziehungsaspekt hat und zum anderen sich die 435 436
437
Vgl. Aderhold (2004), 251. Auf die Problematik einer kontextfreien Charakterisierung erfolgreicher Kommunikation verweist auch Schnöring, die pauschale Erfolgsfaktoren wie „Offenheit“ und „Vertrauen“ ablehnt und fordert, zu klären, „für wen“ und „für was“ Erfolg hier definiert wird. Sie schlägt eine Bemessung des Erfolgs in Abhängigkeit von der Unternehmenskultur, der Geschäftssituation, den Interessen der Interaktionspartner und dem Gesprächsinhalt vor. Vgl. Schnöring (2007), 115. Liebrich defniert erfolgreiche Kommunikation als Konvergenz der synaktischen, semantischen und pragmatischen Ebene. Neben dem Sachinhalt sind auch Störungen auf der Beziehungs-, Appell- und Selbstoffenbarungsebene der Nachricht zu minimieren, vgl. Liebrich (2008), 116. Vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson (2003), 13 ff.
138
Beschreibung der Konziliaren Organisation
zugrundeliegende kybernetische Regelkreisauffassung gut durch die Kommunikationskonzeption der Theorie sozialer Systeme teilrevidieren und erweitern lässt.
Im Gegensatz zur Theorie sozialer Systeme folgen die pragmatischen Axiome von Watzlawick/Beavin/Jackson dem Modell des offenen Systems. Grundlegend für das genannte Kommunikationsmodell ist der Inhalts- und Beziehungsaspekt, die in jeder Form von Kommunikation – auch der nicht-verbalen, z. B. Schweigen, Seufzen, Lachen, usw. – enthalten sind. Der Inhaltsaspekt betrifft die „Daten“, über die kommuniziert wird, der Beziehungsaspekt trifft eine Aussage über das Verhältnis der kommunizierenden Personen, d. h. darüber, in welcher Relation die Daten zueinander stehen und wie sie aufzufassen sind (Metakommunikation). Kommunikationsstörungen werden umso wahrscheinlicher, je stärker der Beziehungsaspekt die Kommunikation dominiert – z. B. wenn das Verhältnis zwischen zwei kommunizierenden Personen ständig neu ausgehandelt werden muss – und je weiter im gleichen Zug der Inhaltsaspekt (der eigentliche Gegenstand der Mitteilung) in den Hintergrund tritt.438 Von den abgeleiteten fünf Postulaten sollen hier zwei hervorgehoben werden:
Man kann nicht nicht kommunizieren (z. B. ist auch die Vermeidung von Kommunikation eine Form der Kommunikation). Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.
Aus dem zweiten angeführten Axiom folgt für ein Kommunikationssystem eine eigene Dynamik der negativen oder positiven Rückkopplung, woraus sich eine Stabilisierung oder eine Destabilisierung des Systems ergeben kann. Symmetrischen Interaktionen liegt ein Streben nach Gleichheit durch Vermeidung von Unterschieden zugrunde, wobei eine Konnotation mit „Harmoniestreben“ oder „Konsens“ unangebracht ist. Symmetrie kann auch darin bestehen, dass sich die Interaktionspartner gegenseitig im „Prahlen“ übertreffen wollen und sich dadurch im jeweiligen Verhalten bestärken. Komplementäre Beziehungen sind durch sich ergänzendes Verhalten, wiederum ohne positive Konnotation, geprägt. Gemeint sein kann, dass ein Interaktionspartner durch Dominanz Anpassung erzwingt und die Reaktion des Anderen Unterwerfung ist, wodurch sich das System komplementär stabilisiert.439 Symmetrische Kommunikation tendiert damit zu einer negativen Rückkopplung (negativ im Sinne eines abweichungsreduzierenden Kommunikationsmusters) und komplementäre Kommunikation zu einer positiven Rückkopplung (im Sinne eines die Unterschiede verstärkenden Interaktionsmusters). 438 439
Vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson (2003), 55. Vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson (2003), 53 und 70.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
139
In Würdigung der Beiträge der Linguistik zum Phänomen Kommunikation, die sich in jüngerer Zeit auch um interdisziplinäre Anschlüsse zur Betriebswirtschaftslehre bemüht440, ist schließlich anzumerken, dass die Sprachwissenschaften in Bezug auf Kommunikation (im Anschluss an postmoderne Positionen der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts) schon früh von einer idealistischen und simplifizierenden Übertragungsmetapher Abstand genommen und gegenseitiges Verstehen aufgrund der Vielfalt und subjektiven Prägung von Interpretationen als Ausnahmefall oder „Glücksfall“ statt als „Standardfall“ betrachtet haben.441 Auch wurde die Bedeutung der informalen, meist face-to-face-Kommunikation gegenüber der formalen, tendenziell schriftlichen, durch Managementinformationssysteme (MIS) gestützten, Kommunikation erkannt. Die Gründe für die starke Präferenz und häufige Frequentierung informaler Kommunikationswege durch Manager fasst Mintzberg wie folgt zusammen: „The soft information, intangible and speculative, is simply ignored in the formal MIS despite clear evidence that managers depend on such information. And the MIS, because it must document and then aggregate hard facts, is often too slow for the manager, reporting the open barn door long after the cow has fled.“442
5.2.1.2
Formen und Funktion der Kommunikation in Gruppen
Gruppen stellen in dieser Arbeit eine mögliche Form der Umsetzung einer konziliaren Organisationsstruktur dar. Es sollen aufgrund des Vorherrschens persönlicher Kommunikation unter Anwesenden vorrangig Arbeitsgruppen mit häufigen face-to-face-Kontakten betrachtet werden. Ergänzend soll kritisch hinterfragt werden, inwieweit aus Sicht der Personalwirtschaft Gruppen, die in der Literatur unter den Begriffen des virtuellen und globalen Teams diskutiert werden443 und die im Widerspruch zu klassischen Gruppenkonzepten stehen (im Weiteren als „Distanzkonzile“ bezeichnet), zur Qualifikation und zum Aufbau von Kompetenz geeignet sind. Rosenstiel weist mit Blick auf den Einfluss der IuK-Technologie darauf hin, dass durch die Zunahme der elektronischen Kommunikation der Anteil der verbalen und non-verbalen direkten Kommunikation zwischen den Organisationsmitgliedern abnimmt und sich das Kommunikationsverhalten und die Bedingungen des Zugangs zu Kommunikation ändern. Er rechnet aufgrund der erschwerten Feststellung des Status des Senders einer elektronischen Nachricht eher als bei der face-to-face-Kommunikation mit dem Zustandekommen eines „demokratischen Argumentationswettbewerbs“. Andererseits sei aber auch eine abnehmende
440 441
442 443
Vgl. Schnöring (2007). Gleichwohl können „günstige Bedingungen für diesen Glücksfall“ geschaffen werden. Vgl. zu einer Bestandsaufnahme der Kommunikationsforschung aus linguistischer Sicht Liebert (2003). Mintzberg (1979), 49. Vgl. für einen informativen Überblick über den Forschungsstand zu globalen Teams Berg (2006) und zu virtuellen Teams Hauenschildt/Schmidt/Wagner (2005) und Reichwald/Möslein (2000).
140
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Empfängerorientierung und das Bestreben des Senders einer Nachricht zu beobachten, die eigene Position in Abwesenheit von Statussymbolen (da elektronisch schwer vermittelbar) nachdrücklich zu vertreten. Im Vergleich zu face-to-face-Kommunikation komme es eher zur Verletzung von Kommunikationsnormen und es sei eine höhere Bereitschaft zu beobachten, wegen des Fehlens einer unmittelbaren Rückmeldung auch schlechte Nachrichten mitzuteilen.444 Dagegen führen Eden/Ackermann an, dass die Anonymität computergestützter Gruppenkommunikation dazu beitragen kann, dass sozial unerwünschte oder den bestehenden informalen, sozialen Beziehungen zuwiderlaufende, aber Veränderungen fördernde Kommunikationsinhalte geäußert werden und „group think“ vermieden wird.445 Dass dieses Gruppendenken als dysfunktionaler Tatbestand eingestuft wird, liegt an der individualistischen Prägung der Organisationswissenschaft, wie der Vergleich mit in soziale Beziehungsnetzwerke eingebetteten Gruppen in Japan verdeutlicht, in denen die Gruppe durch das einzelne Mitglied als „das vergrößerte Selbst wahrgenommen und auch als einzig existierendes Selbst verstanden“ wird, woraus sich eine Entgrenzung und eine „Unendlichkeit von ‚Diskursen’“446 ergibt. Eine informale Beziehungskultur ist damit Grundlage, nicht unterminierender Faktor formal kodifizierter Beziehungen.
Als Vorarbeit zur Analyse der systemtheoretischen Kommunikationskonzeption ist zunächst zu klären, welche Funktion Gruppen innerhalb der Organisation zukommt und wodurch die Kommunikation in Gruppen gekennzeichnet ist.
Gruppen in Organisationen sind einer Mesoebene zwischen der individuellen Ebene der Mitarbeiter und der organisationalen Ebene zuzuordnen. Gruppen bieten für die Personalarbeit einen direkten Ansatzpunkt, über den Kommunikation stattfinden kann, wenn eine Ansprache einzelner Mitarbeiter nicht durchführbar oder nicht sinnvoll ist und sich der Umgang mit dem Konstrukt „Organisation“ als zu unoperational erweist. Gleichzeitig kann Widerstand gegen Veränderung wesentlich von formalen und informalen Gruppen ausgehen, so dass diese zugleich den Ausgangspunkt von Veränderungsvorhaben bilden447, da sie eine Multiplikatorenfunktion in der Organisation erfüllen können. Eine Konzeptionalisierung der Funktion von Kommunikation in Gruppen bietet Koall. Sie unterscheidet eine „offizielle“, kontrollierbare Form von Gruppenprozessen und eine latent dysfunktionale, sich dem Maßstab der formalen Korrektheit, der bewussten Planung und Durchführung von strategischen Managementaktivitäten und der instrumentellen Handlungs444 445 446 447
Vgl. Rosenstiel (2003b), 313 f. Vgl. Eden/Ackermann (2000), 4. Kensy (1995), 111 u. 115. Vgl. Joy-Matthews/Megginson/Surtees (2004), 152.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
141
ausrichtung entziehende Form von Gruppenprozessen. Diese „andere Seite“ von Gruppen, die in der Organisationswissenschaft unter dem Begriff der informalen Gruppe oder der Clique diskutiert wird, entzieht sich Koall zufolge „der strukturierenden Wirkung der kommunikativen Situation, bis eventuelle Möglichkeiten den vorhandenen kommunikativen Überschuß aktuell werden lassen. Sie ist das Reservoir an ungenutzten sozialen Möglichkeiten, das sich dem instrumentalisierenden Zugriff entzieht.“448 Diese Gegenseite von Kommunikation in Gruppen kann als „kommunikativer Slack“ bezeichnet werden, repräsentiert er doch eine Potenzialität der Kommunikation, einen kommunikativen Vorrat, der nicht ex ante positiv oder negativ belegt ist, sondern dessen Auswirkung von der Aktualisierung in einer konkreten Situation abhängt. Becker verweist in diesem Zusammenhang auf die Ambivalenz von Slack, der einerseits als Handlungsreserve dient, die sich aber bei Nichtnutzung oder nicht rechtzeitiger Aktualisierung als „bad slack“ manifestiert, der abzubauen bzw. in eine nutzbare Reserve („good slack“) umzuwandeln ist.449 Auch Nolte spricht mit Bezug auf die effektivitätssteigernde, da entscheidungsqualitätverbessernde Auseinandersetzung mit dem eigenen Arbeitshandeln („Reflexion“) von einer „Bevorratung“ von Handlungsplänen, die bei Bedarf, z. B. in mit Handlungsdruck aufgeladenen Situationen, aktiviert werden können, wobei dieses „reflexive“ Potential es dem Unternehmen laut Nolte ermöglicht, „eine höhere individuelle Komplexität nutzbar zu machen als in traditionell hierarchischen [Unternehmen, I. L.].“450 Anhand von gruppendynamischen Fallstudien, die als sogenannte T-Gruppen451 strukturiert waren, konnten mit „Macht“, „Zugehörigkeit“ und „Intimität“ drei basale Themen identifiziert werden, die in Gruppen in Abhängigkeit von der Teilnehmerstruktur in unterschiedlicher Intensität und mit gegenseitiger Überlagerung zutage treten und als Kernprobleme durch jede Gruppe zu lösen sind. Da T-Gruppen ausschließlich zum Zweck der Veränderung der reflexiven Interaktionsmuster gebildet werden und diesen damit die gemeinsame Arbeitsaufgabe fehlt452, ist die Selbstthematisierung der Gruppe die einzige Möglichkeit der Vergemeinschaftung, daher können an ihnen die Abfolge von Leitdifferenzen (Vergemeinschaftungsmodi) von der Gruppenbildung bis zur Auflösung der Gruppe gut beobachtet werden.453
448 449
450 451
452
453
Koall, I. (2001), S. 59. Bad slack wird als quantitativ und/oder qualitativ fehldimensionierter Umfang personaler Ressourcen bezeichnet. Vgl. Becker (2008b), S. 4. Unter personalen Ressourcen sind nicht nur die zahlenmäßig verfügbaren FTEs (full time equivalents) als Gegenstand der quantitativen Personalplanung zu verstehen, sondern auch kommunikative Ressourcen einer Person zu fassen, bezieht doch Becker in das Slack Management ausdrücklich auch die Selbstanalyse ein. Vgl. Becker (2008b), S. 24 ff. Nolte (2007), 77. Die T-Gruppen als Interventionseinheit gehen auf die gruppendynamischen Laborstudien Kurt Lewins zurück. Vgl. grundlegend Lewin (1946). Schattenhofer (2004) betrachtet allerdings auch die Untersuchung und Gestaltung des sich entwickelnden Gruppenprozesses als „Sachaufgabe“ einer T-Gruppe und grenzt sie damit gegen unstrukturierte Therapiegruppen ab. Vgl. Amann (2004), 30 und 38 f.
142
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Die Unterscheidung zwischen der kontrollierten Seite der Kommunikation in der Gruppe und der dem Zugriff entzogenen Seite der Kommunikation kann nach Koall, die Gruppen als intermediäre Organisationsform zwischen der (Makro-)Organisation und dem „Interaktionssystem“ einstuft, gemäß Abbildung 24 dargestellt werden.
Kontrollierte, zugelassene Kommunikation in der Gruppe
Nicht kontrollierte, nicht zugelassene Kommunikation in der Gruppe
instrumentell
sozial
Interaktion
funktional
Gruppe
unbewusst bewusst
Kongruenz dysfunktional
Organisation inhaltlich formal
Erwartbare Gestaltung von Homogenität
Unerwartbares Eindringen von Heterogenität
Abbildung 24: Intermediäre Stellung der Gruppe zwischen Organisations- und Interaktionssystem Quelle: erweitert übernommen von Koall (2001), 57.
Gruppen haben damit für die Organisation nicht alleine eine homogenitätsstabilisierende Funktion, sondern sind gerade dann funktional, wenn Situationen es erfordern, neue, heterogene, ungeordnete Reize aus der Umwelt zuzulassen: „Eine soziale Situation erfordert dann die Offenheit heterogener Interpretationen, wenn bekannte Erwartungen in homogenisierten Gruppen keinen systemrelevanten Problemlösungsbeitrag mehr leisten können.“454 Die personalwirtschaftliche Relevanz besteht in der Bestimmung der „Schallgrenze“ zwischen kontrollierten und unkontrollierten Gruppenprozessen. So können Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit (Mitgliedschaft) definiert, Unsicherheitsabsorption (Unternehmenskultur) erzielt und Erwartungssicherung durch „homogenisierende Selektions-, Platzierungs- und Trainings-
454
Koall, I. (2001), S. 59.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
143
praktiken [...] zur Vorstrukturierung kollektiver Handlungen sowie der Integration neuer Mitarbeiter“455 erreicht werden. Weitere Beispiele für die erwartungsstabilisierende Eigenschaft von Strukturen, die die Ereignishaftigkeit der Kommunikation fixieren, sind Besetzungsregeln (z. B. Senioritätsprinzip vs. fachliche Eignung) und Entscheidungsheuristiken, z. B. der Einsatz von Regeln der Vorteilhaftigkeit im Rahmen der Investitionsentscheidung. Zwar handelt es sich im Fall der Neubesetzung von Stellen bei der jeweiligen Besetzungsentscheidung um einen singulären Vorgang (Ereignis), aber die eingesetzten, institutionalisierten Praktiken (z. B. ein umfassendes Assessment Center anstelle nur eines Interviews) stabilisiert langfristig die Praxis der Besetzung (Struktur) und damit die zukünftigen Entscheidungsereignisse. Der folgende Abschnitt nimmt eine Klärung des Konstrukts Kommunikation aus Sicht der Systemtheorie vor und erarbeitet anhand der Unterschiede zu den klassischen Konzepten der Kommunikationstheorie einen durch verschiedene theoretische Blickwinkel abgesicherten, nachvollziehbaren Entwurf konziliarer Kommunikation.
5.2.2
Konziliare Kommunikation im Sinne der Systemtheorie
5.2.2.1
Abgrenzung zur Klassik
Grundlage der Vorschläge zu einer Steuerung autopoietischer Systeme, die per definitionem nicht mit dem traditionellen Steuerungsbegriff kompatibel sind, bauen auf der selbstreferentiellen Qualität der Systemoperationen auf, wie sie die Systemtheorie annimmt. Entgegen der Auffassung der Strategischen Managementlehre können selbstreferentielle soziale Systeme nicht durch ein Management gesteuert werden, das „von außen“ strategische Entscheidungen an das System heranträgt und dort Folgeprozesse gemäß einer deterministischen Reaktionsfunktion auslöst. Der Kommunikationsbegriff Luhmanns weist wesentlich über die systematisierenden Ansätze klassischer Vordenker wie Schulz von Thun456 hinaus, indem den Elementen und den Beziehungen zwischen diesen eine selbstreferentielle Qualität zukommt, die zusätzlich einen dritten Aspekt einbezieht: die Erneuerbarkeit und Fortsetzbarkeit von Kommunikation. Dass bei Luhmann Kommunikationen und nicht wie in der klassischen Kommunikationskonzeption Personen die Elemente des Systems sind, ermöglicht eine Loslösung von den intrasystemischen, z. B. psychischen, Vorgängen, die sich bei den an der Kommunikation Beteiligten vollziehen. Die durch Luhmann gewählte Ebene des Systems Organisation entspricht der Makroebene, die neben der Mesoebene (Gruppen) im Fokus der Arbeit steht.
455 456
Koall, I. (2001), S. 61 mit Bezug auf Sackmann (1983), S. 402. Vgl. Schultz v. Thun (1977) sowie Schultz v. Thun (2006).
144
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Kommunikation determiniert systemtheoretisch gesprochen, welche Sachverhalte sozial (d. h. im emergierenden System als „dritte“ Komponente zu den kommunizierenden Personen hinzutretend) relevant werden können. Soziale Relevanz erhalten z. B. geäußerte, nicht lediglich gedachte Inhalte457, darüber hinaus wird nur solche Kommunikation weiterverwendet, die als anschlussfähig erkannt und von den Beteiligten aufgegriffen wird.
Luhmann fasst Kommunikation als mehrwertiges Konstrukt auf, indem er sie als Ergebnis eines dreistufigen, basalen (d. h. auf Ebene der Systemelemente wirksamen) selbstreferentiellen Prozesses aus Information, Mitteilung und Verstehen begreift. Kommunikation als dreifache Selektion zu verstehen, trägt der Tatsache Rechnung, dass Kommunikation kein reiner Übertragungsvorgang, sondern ein sozialer Vorgang ist, an dem mehrere Menschen beteiligt sind. Die Kommunikation als „Grundform des Sozialen“458 ist damit Eigenschaft des sozialen Systems – der Organisation – nicht der beteiligten Personen. Damit wird die Senderdominanz in der Kommunikation überwunden und das Ergebnis des Kommunikationsversuchs vom Empfänger abhängig gemacht.459 In der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt lernen Individuen als psychische Systeme, eine adäquate Semantik (Formeln, Unterscheidungen, Bezeichnungen) zu verwenden, die zu sozialer Resonanz (Annahme oder Ablehnung) führt, und sie lernen, ihr Verhaltensrepertoire aufgrund sozialer Erfahrungen (Erwartungserfüllungen oder enttäuschungen) in einer sozial akzeptierten Form einzurichten.460 Die Trennung zwischen den Individuen (kognitive Komponente der Kommunikation, z. B. gedankliche Wertung einer Aussage durch eine Person) und der Kommunikation selbst (als dreifache Selektion aus Information, Mitteilung und Verstehen, an der mehr als eine Person beteiligt ist) ermöglicht die losgelöste Betrachtung der Kommunikation von den kommunizierenden Personen.
Zugunsten des dreistufigen Kommunikationsmodells ist weiter hervorzuheben, dass der Vorgang der Annahme oder Ablehnung des Gesagten aus der eigentlichen Kommunikation herausgehalten wird. Da Kommunikation als originär soziales, emergentes Phänomen erfasst wird, wird durch sie nichts übertragen, sondern es wird Redundanz erzeugt, d. h. ein Gedächtnis des Gesagten hergestellt, das durch alle Beteiligten genutzt werden kann.461 Kommunikation impliziert die Fähigkeit des Adressaten, die Selektion, d. h. Unterscheidung von Information und Mitteilung vollziehen zu können. Er muss das Mitteilungsverhalten von dem trennen können, was mitgeteilt wird. Die Annahme- oder Ablehnungsreaktion auf Seiten des Adressaten gehört selbst nicht mehr zur Kommunikation im engeren Sinne, ist zeitlich der 457 458 459 460
461
Vgl. Seidl (2003), 163. Laßleben (2002), 24. Vgl. Liebrich (2008), 103. Vgl. Luhmann (1996), 361 u. 363. Luhmann spricht von sozial standardisierten Typen, an die sich Erwartungen und Verhalten im Sinne einer Groborientierung halten können. Vgl. Luhmann (2008), 113.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
145
Kommunikation nachgelagert. Erfolgreiche Kommunikation ist damit die gelungene Kopplung der Selektionen, die auf Sprecher- und Adressatenebene zu leisten sind.462 Die notwendige Einheit der drei Stufen Information, Mitteilung und Verstehen als „Beiträge zur Emergenz von Kommunikationen“463 lässt sich damit begründen, dass unter Anwesenden einer Kommunikationssituation eine zeitliche und damit auch soziale Trennung der genannten Kommunikationsstufen im Gegensatz zum Schriftverkehr nicht möglich ist. In der Kommunikation unter Anwesenden „kann das Verstehen der mitgeteilten Information sich nicht sehr viel Zeit nehmen, ohne daß es zu Störungen kommt, und daher kann auch die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung der Kommunikation nicht einfach vertagt werden.“464
5.2.2.2
Abgrenzung zum „herrschaftsfreien Diskurs“
Im Folgenden soll die nahe liegende Analogie des konziliaren Diskurses zu den diskursethischen Reflexionen zum „herrschaftsfreien Diskurs in der unbegrenzten Argumentationsgemeinschaft“, zurückgehend auf Habermas, auf ihre Tragfähigkeit untersucht und das Verhältnis zum kommunikationstheoretisch und systemtheoretisch fundierten Diskursbegriff dieser Arbeit geklärt werden. Ziel ist die abschließende Einordnung der systemtheoretischen Kommunikationskonzeption vor dem Hintergrund der dargestellten kommunikationswissenschaftlichen Position und des verständigungsorientierten (kommunikativen) Handelns465 nach Habermas, im Folgenden als kommunikatives Handeln bezeichnet.
Zunächst ist festzustellen, dass das Konzept des kommunikativen Handelns nicht im Widerspruch zum instrumentellen Handlungsbegriff der Betriebswirtschaftslehre steht. Zwar wird auch durch Habermas das strategische Handeln als das in Unternehmen vorherrschende Verhaltensmuster betrachtet, das verständigungsorientierte (kommunikative) Handeln als ein auf eine gemeinsame Situationsdefinition zielendes und Koordination anstrebendes Handeln ist
462
463 464
465
Luhmann begründet die Unabhängigkeit des Kommunikationsprozesses von Annahme oder Ablehnung des Gesagten durch den Adressaten damit, dass es andernfalls nicht möglich wäre, Kommunikation abzulehnen, in diesem Fall würde es sich dann gar nicht um Kommunikation handeln. Kommunikation muss also begrifflich von der Reaktion des Adressaten unabhängig gemacht werden. Vgl. Luhmann (1996), 204. Kieserling, A. (1999), S. 58. Kieserling, A. (1999), 58. Kieserling betrachtet die spezielle Kommunikationsform der Interaktion unter Anwesenden, die er als nicht differenziertes System bezeichnet, d. h. als System, das nicht weiter in Teilsysteme untergliedert werden kann. Die aus dieser Theorieentscheidung folgende nicht unmittelbare Anschließbarkeit an die auf dem Prinzip der funktionellen Differenzierung basierende Theorie sozialer Systeme stellt er auf dem Umweg über die Wahrnehmung der Kommunikation durch die Individuen her. Unabhängig von der Wahrnehmung von z. B. körperlichen Merkmalen eines Sprechers wird diesem Redezeit zugebilligt, als Widerspruch, wie Kieserling vermerkt, zum in der antiken Sophistik kritisch diskutierten Prinzip des „Rechts des Stärkeren“. Vgl. Kieserling, A. (1999), 73 vgl. auch 73 f. Fn. 15. Vgl. Habermas (1981a), (1981b).
146
Beschreibung der Konziliaren Organisation
aber als Alternative weiterhin wählbar, wenn es auch die Ausnahme darstellt.466 Verständigungsorientiertes Handeln erfüllt aufgrund der Annahme von gemeinsam geteilten, lebensweltlichen Grundannahmen einen funktionalen Zweck, da dieser Grundstock nicht in jeder Situation zu hinterfragen ist und so eine zeitliche Straffung von Entscheidungsvorgängen herbeigeführt wird. Die Verständigungsorientierung als treibender Faktor ist nicht für die alltäglich stattfindenden, „handlungsbelasteten“, da an die unmittelbare Zielerreichung gekoppelten, Handlungen maßgebend, sondern tritt in generellen Interaktionen zutage, in denen „Macht-, Erkenntnis- sowie Konsenspotentiale aufgebaut werden, die dann in konkreten Entscheidungsbzw. Handlungsepisoden gleichsam ‚angezapft’ werden können.“467
Die diskursethische Argumentationslinie zur Unternehmenskommunikation soll insofern mitbetrachtet werden, als der in der Theorie zur idealen Argumentationsgemeinschaft von Habermas beschriebene ideale Diskurs, dem sich die realen Formen der Verständigung anzunähern haben, für die weitere Analyse der konziliaren Verständigung als Anspruchsniveau genutzt werden kann. Der reale Diskurs im Konzil hat sich in den vorgegebenen Rahmenbedingungen von Organisationen zu bewähren und kann daher vom idealen Diskurs abweichen. Hier besteht Übereinstimmung mit Luhmann, der bestreitet, dass sich die Auswahl von Handlungsprämissen aus dem Konsens aller Beteiligten in einer realen Diskurssituation realisieren lasse, wie die Theorie kommunikativen Handelns von Habermas unterstellt. An Stelle des faktischen Konsenses tritt die fiktive Konsensunterstellung, d. h. nicht die Zustimmung aller Beteiligten zu und die Internalisierung von Normen selbst ist entscheidend, sondern die Erwartung, dass alle anderen zustimmen.468 Eine weitere Inkompatibilität zwischen dem Habermas’schen „kommunikativen Handeln“ und der Luhmann’schen Theorie sozialer Systeme besteht darin, dass Handeln bei Luhmann kein großer Raum eingeräumt wird. Das Gleichsetzen des sozialen Systems mit einem „Handlungssystem“ greift zu kurz insofern, als nur ein Bestandteil des Kommunikationsvorgangs als „Handeln“ einzustufen ist, nämlich der Aspekt der Mitteilung, nicht aber die beiden anderen Aspekte – Verstehen und Information. Kommunikationssysteme unterscheiden sich von Handlungssystemen dadurch, dass sie auch Vorgänge, die nicht Handlungen sind, zum Gegenstand der Kommunikation machen können. Indem Mitteilung als Handlung aufgefasst wird, findet eine momentane, vereinfachende Fixierung der Kommunikation statt, die damit als zeitliche Abfolge momenthafter Aufnahmen wahrnehmbar wird, obwohl es sich tatsächlich um einen fortwährenden Prozess handelt. Da bei dieser momentanen Fixierung eine temporäre Festlegung der Gewichtung zwischen den ihrer Natur nach gleichwertigen Dimensionen Information, Mitteilung und Verstehen stattfindet und damit eine Richtung der Kommunikation entsteht, z. B. von Mitteilendem zu Mitteilungsempfänger, spricht 466 467 468
Vgl. Kirsch/Knyphausen (1993), 222. Kirsch/Knyphausen (1993), 224. Vgl. Schneider (2005), 267.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
147
Luhmann auch von einer zeitweisen Asymmetrisierung der Kommunikation, die den Zweck hat, die Reproduktion des Systems zu steuern.469 Indem der Handlungsbegriff zumindest als ein Teil der Kommunikation zugelassen wird, kann der Kommunikationsprozess vereinfacht, da verzeitlicht und beobachtet werden, ohne die allzu vereinfachende Sicht, nur Personen könnten handeln, nicht aber Systeme, von der Handlungstheorie übernehmen zu müssen.
Von verständigungsorientiertem Handeln ist die Kommunikation im Konzil in einigen Punkten abzugrenzen. Kirsch und zu Knyphausen schlagen eine Ergänzung des zweiteiligen Handlungsbegriffs bei Habermas (erfolgsorientiert – verständigungsorientiert) um eine dritte Form des Handelns zu einem dreigliedrigen Handlungsmodell vor (erfolgsorientiert – verständigungsorientiert – identifizierend). Für erforderlich halten sie diese Ergänzung, da Habermas das Verstehen, das der Verständigungsorientierung folgt, notwendig mit Akzeptanz des Inhalts verbunden hat. Es ist damit nicht möglich, einen Redebeitrag eines anderen Akteurs lediglich inhaltlich nachvollzogen und in diesem Sinne verstanden, nicht aber zugleich als richtig anerkannt zu haben. Durch eine identifizierende Handlung nach Kirsch und zu Knyphausen wird analytisch zwischen Verstehen und einem verbindliche Handlungsfolgen nach sich ziehenden Akzeptieren unterschieden. Eine weitere Prämisse des Habermasschen Ansatzes wird damit in Frage gestellt: Die durch Habermas angenommene Unvereinbarkeit zwischen strategischerfolgsorientiertem Handeln und verständigungsorientiertem Handeln. Folge der Erweiterung des Habermasschen Ansatzes ist die Möglichkeit, Verständigungsorientierung und strategische Erfolgsorientierung zu einem hybriden Typ kommunikativen Handelns zusammenzuführen. Durch das Zur-Deckung-Bringen des betriebswirtschaftlichen Konzepts der strategischen Entscheidung mit dem Hybrid aus erfolgsorientiertem Handeln und identifizierendem Handeln wird eine komplementäre Nutzung der Erkenntnisse der systemorientierten Betriebswirtschaftslehre und der Theorie selbstreferentieller Systeme möglich.
Die Erkenntnis der Relevanz von Entscheidungen bzw. Handlungen für die Systemreproduktion reduziert die Erwartung an die Ergebnisse verständigungsorientierten Handelns, das unter der einschränkenden Prämisse der Leistungsfähigkeit von sprachlichem Ausdruck steht. Es wird erkannt, „was Sprache letztlich leisten kann; die Vorstellung, daß verschiedene Aktoren mit je eigener ‚Systemgeschichte’ auf kommunikativem Wege zu einem [...] ’geteilten Wissen’ gelangen, muß (nach Lyotard) letztlich illusionär bleiben.“470 Die kombinierte Nutzung beider Theorietraditionen verdeutlicht, wie im Binnenverhältnis der Organisation (im tatsächlichen Ablauf der Kommunikation im Konzil) durch die Bereitschaft, an die Konsequenzen der Akzeptanz der Aussagen des Gegenübers tatsächlich gebunden zu sein, eine hybride Orientierung
469 470
Vgl. Luhmann (1996), 227 f. Kirsch/Knyphausen (1993), 233.
148
Beschreibung der Konziliaren Organisation
zwischen strategischem Handeln und identifizierender Orientierung entstehen kann. Dieser Mischform wird höhere empirische Relevanz bestätigt als dem rein verständigungsorientierten Handeln, dem bei Dominanz der strategischen Erfolgsorientierung in Unternehmen wenig Raum eingeräumt wird.471 Popkes identifiziert als Voraussetzung für die reale Umsetzung des idealen Diskurses in Unternehmen sogenannte kommunikative Tugenden des Managements, die er in nachstehenden Wirkungszusammenhang stellt (vgl. Abbildung 25).
Authentizität bestärkt
begründet
A Charakter intrapersonaler Beziehungen
Ausgewogenheit
Wertschätzung
a
A
b
B
Charakter interpersonaler Beziehungen
Charakter gewählter Mittel und Wege
begründet
Abbildung 25: Gegenstand und Interdependenz kommunikativer Management-Tugenden bei Popkes Quelle: Popkes (2004), 159.
Authentizität als Basis verständigungsorientierten Handelns stellt eine intraindividuelle Fähigkeit dar, auf der Grundlage von Vernunft und freiem Willen zu argumentieren und ist dadurch gekennzeichnet, dass keine fundamentale Opposition zwischen der personalen Identität und der funktionalen Rolle des Handelnden in der Organisation besteht. Wertschätzung ist darauf aufbauend gekennzeichnet durch die Bereitschaft, die gleiche Authentizität auch dem Gesprächsgegenüber zuzugestehen, d. h. diesen als „gleichwertig Argumentierenden“ anzuerkennen und den Grundsatz der auf fachlicher und sozialer Kompetenz basierenden Achtung des Arguments höher anzusiedeln als eine hierarchisch-machtbasierte Kompetenzzuschreibung.472 Die Interaktionsbeziehungen zwischen Mitarbeitern, Vorgesetzten, Kunden, Lieferanten und
471 472
Vgl. Kirsch/Knyphausen (1993), 224. Vgl. Popkes (2004), 151.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
149
der Umwelt sind dem Postulat der Wertschätzung zu unterstellen. Die faktische Dialoge prägenden Informationsasymmetrien und die Unmöglichkeit der Beteiligung aller von einem auszuhandelnden Sachverhalt Betroffenen an der Argumentationsgemeinschaft erfordert es, dass die Positionen bestimmter Gruppen durch den/die Entscheider stellvertretend eingenommen werden. Ziel der Forderung nach einer weitgehenden Annäherung an die ideale Sprechsituation ist es, trotz der gegebenen Verzerrung der Kommunikationsbedingungen zu einer legitimen Mittel-Zweck-Relation (Ausgewogenheit) zu gelangen, z. B. durch Einnahme der Position eines unparteiischen Dritten.473 Ein kommunikativer Zweck (z. B. eine Bitte oder Behauptung) kann dabei mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden und es kann durch die Fähigkeit, außersprachliche kognitive und perzeptive Leistungen in Dialoge einzubringen, z. B. die Fähigkeit, individuelle Schlussfolgerungen zu ziehen oder den Kommunikationspartner einzuschätzen, Kohärenz (und damit Verständigung) erzielt werden, die auf dem rein verbalen Weg nicht erzielbar wäre.474
5.2.2.3
Merkmale konziliarer Kommunikation
Die Beschreibung der Konziliaren Organisation hat also zum einen die Strukturgebundenheit von Kommunikation in mehr oder weniger stark hierarchischen Kommunikationsnetzwerken als auch deren kontingente Eigenschaft als Kommunikationsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Im Gegensatz zum Instanzenweg, entlang dessen Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse stark formalisiert sind, legt eine systemtheoretisch verstandene Kommunikation nahe, den Verlaufsweg fallweise, d. h. situativ wechselnd, festzulegen. Ein unter allen Umständen „richtiger“ Weg der Kommunikation lässt sich nicht formal kodifizieren.475 Dem ist entgegenzuhalten, dass es einen durch den Instanzenweg vorgegebenen, „erwünschten“ Weg der Kommunikation in Unternehmen gibt, der die Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse nachzeichnet („Dienstweg“) und der durch formale Festlegungen wie Mitzeichnungspflichten und Beratungsrechte abgesichert ist. Außerdem ist anzuführen, dass auch bei nicht-hierarchischer Abstimmung, z. B. in teilautonomen Arbeitsgruppen oder selbstorganisierten Entwicklerteams,
473
474
475
Vgl. Popkes (2004), 156 f. Als Beispiel für eine neutrale Mittlerposition in Besprechungen nennt Schnöring den Geschäftsführer, räumt allerdings mögliche Interessenkonflikte ein. Vgl. Schnöring (2007), 100. Vgl. Schnöring (2007), 36 u. 38. Außerationale Aspekte wie die Überzeugungsfähigkeit des Sprechers und die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen spielen z. B. in der Sprachform der Argumentation eine Rolle, in der unterschiedliche Auffassungen oder Zweifel es erfordern, dass der Sprecher den erhobenen Wahrheitsanspruch seiner Aussage durch Gründe (Argumente) gegen Widerstand akzeptabel macht. Ähnlich wie Popkes (Managementtugenden) sieht Schnöring Argumentationen vorrangig zwischen Mitglieder höherer Hierarchieebenen mit Leitungsfunktion angesiedelt, die Einfluss auf die Strategiebildung haben. Allenfalls Karriereaspiranten könnten darüber hinaus über Argumentation mit dem Zweck der Profilbildung Wahrheitsansprüche in Frage stellen. Vgl. Schnöring (2007), 81. Vgl. Luhmann (1995), 200 f.
150
Beschreibung der Konziliaren Organisation
eine regelhafte Festlegung der Kommunikationsabläufe stattfindet.476 Durch Delegation werden Entscheidungsbefugnisse verdünnt, die Informationsmacht der oberen Führungsebene nimmt ab, aber auch diese, der hierarchischen Bündelung von Entscheidungskompetenzen entgegenwirkende, Maßnahme ist an die Kodifizierung vorgesehener Kommunikationswege gebunden. Es ist daher angezeigt, sowohl die formal durch die Entscheidungs- und Weisungsrechte determinierten als auch die „informalen“ Kommunikationsflüsse unter dem Begriff Konziliare Kommunikation zu berücksichtigen. Unter Kommunikation werden daher mit Laßleben „die offiziellen (gesatzten) Leitungs- und Koordinationsstrukturen einer Organisation, aber auch die inoffiziellen (gewachsenen) Bindungen und Beziehungen zwischen den Organisationsmitgliedern“477 verstanden.
Luhmann bezeichnet die Organisation der kommunikativen Vernetzung des Systems als strukturelles Komplement zur Autopoiesis des Systems. Das Mittel zur Anpassung der bestehenden Stellenverknüpfung an die aktuellen Anforderungen durch Kommunikation stellen Entscheidungsprämissen, z. B. Entscheidungsprogramme in Form von Zweck- oder Konditionalprogrammen478, dar. In einer Sicht auf Organisationen als dynamische Netzwerke aus Kommunikationen stellen diese Programme nichts fest Vorgegebenes, sondern Variablen dar, über deren Gestaltung situativ zu entscheiden ist.479 Selbstreferentielle Kommunikation in Organisationen bedeutet die Verwendung eines jeweils organisationstypischen Kommunikations-Codes. Bezogen auf das Rechtssystem kann z. B. ausgesagt werden, dass es selbstrefentiell operiert, wenn Richter nur noch in den Kategorien des Rechtssystems kommunizieren, die in diesem selbst entstanden sind und unter Bezug auf Kommunikationen, die ebenfalls in diesem System entstanden sind, d. h. „Kommunikationen über ‚Sachverhalte’ werden nur insoweit relevant, als sie in ‚Tatbestände’ und damit in Kategorien des Rechtssystems übersetzt werden [können, I. L.]. Und auch hierfür gibt es Regeln innerhalb des Rechtssystems, die im Rechtssystem selbst produziert werden.“480 Übertragen auf Unternehmen kann man sich die selbstreferentielle Re476
477 478
479
480
Vgl. ähnlich Laßleben mit Bezug auf Formen der Entscheidungsbeteiligung, die „Rahmensicherheit“ schaffen, zu denen er nicht nur Weisung und Delegation, sondern auch Selbstabstimmung zählt. Vgl. Laßleben (2002), 55. Laßleben (2002), 55. Zweckprogramme sorgen im Unterschied zu Sachprogrammen für Handlungsfähigkeit in schlecht strukturierten Entscheidungssituationen, indem Ziele vorgegeben werden bei freier Wahl der Mittel zu deren Erreichung, vgl. Luhmann (1996), 278. Vgl. ähnlich zur entscheidungsvereinfachenden Funktion von Zweckprogrammen in der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie Berger/Bernhard-Mehlich (2006), 182. Vgl. Luhmann (2000), 327. Ähnlich spricht Kieserling bei nicht mehr zu verhandelnden Übereinkünften über den Zweck und die Durchführung einer Zusammenkunft (z. B. einer Party, einer Gerichtsverhandlung, etc.) von sogenannten Typenprogrammen. Diese haben über die Festlegung des allgemein akzeptierten Sinns des Zusammentreffens auch die Funktion von „Lernregeln“, die es den Teilnehmern ermöglichen, das in einem Typ einer Veranstaltung Gelernte für zukünftige, ähnlich verlaufende Veranstaltungen zu übernehmen. Die das Verhalten der Teilnehmer steuernden Programme sind „auswechselbare Strukturen“, d. h. Themen können in weiteren Kontexten fortgesetzt werden, auch wenn sie ursprünglich in einem anderen Zusammenhang und mit anderen Teilnehmern begonnen wurden. Vgl. Kieserling (1999), 18. Kirsch (1992), 253.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
151
produktion durch Kommunikation dadurch verdeutlichen, dass ein Unternehmen in dem Moment seine Teile (nämlich Kommunikationen) selbstreferentiell reproduziert, in dem es nur noch in Kategorien und Regeln folgend kommuniziert, die in der Organisation selbst festgelegt wurden und sich dabei mit Themen, Inhalten, Strategien beschäftigt, die selbst der Organisation entstammen und über Kommunikation erzeugt wurden.
Die Konsequenz der Herausnahme des Individuums aus dem System (Kommunikationen sind die Systembestandteile, Individuen sind Teil der Umwelt) zeigt sich in der Bedeutungsverschiebung vom Element zur Relation in der Systemtheorie.481 Die Referenz auf kommunizierende Individuen in der klassischen Kommunikationstheorie ist aus systemtheoretischer Sicht eine pragmatische Konvention, die es ermöglicht, Kommunikation Adressaten zuzurechnen, auf die im Verlauf der Kommunikation Bezug genommen werden kann (und die für Konsequenzen verantwortlich gemacht werden können). Luhmann schlägt über die Verwendung des Konstrukts des „formalen Kommunikationsnetzes“482 eine Brücke zwischen der Kommunikationstheorie und der formalen Netzwerktheorie. Er hebt hervor, dass die Forschung zur Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Netzwerktypen gezeigt hat, dass strukturlose Netze (die sich z. B. in der Organisation emergent herausbilden, ohne an formal-strukturale Richtlinien, z. B. eine institutionalisierte Abstimmung, gebunden zu sein) eine vergleichsweise geringe Leistungsfähigkeit gezeigt haben. Im Unterschied zur hierarchischen Top-down-Kommunikation stellt Luhmann ein Formalisierungs- und Regelungsdefizit auf der Ebene der horizontalen kommunikativen Abstimmung zwischen gleichrangigen Organisationsmitgliedern fest.483 Das Optimierungsproblem der Wahl der optimalen Netzwerkstruktur hat eine Abwägung zwischen einem vollständig strukturlosen, „anti-hierarchischen“ Modell mit der Fiktion einer gleichmäßigen Verteilung der Informationen und kommunikativen Zugangschancen, und einem streng zentralisierten Netzwerk zu treffen. Zwischen diesen Extremtypen existieren in Abhängigkeit von der Größe des Netzwerks und der Aufgaben- und Tätigkeitsstruktur Zwischenformen, bei denen sich lokale hierarchische Netzwerke in der Organisation überlagern.484 Hier zeigt sich der bisher unterschätzte enge Bezug zwischen der institutionenökonomischen Steuerungsdiskussion und der Steuerung aus systemtheoretischer Sicht.
481
482 483
484
Vgl. zur Ablösung der Individuenzentrierung durch eine Orientierung an Relationen auch Kapitel 5.4 und Kapitel 7.1. Vgl. zu Maßnahmen einer statt von Einzelindividuen von Systemrelationen ausgehenden Personalwirtschaft, die auf den Überlegungen zum organisationalen Lernen und der Organisationsentwicklung aufbaut, Kapitel 8.1. Vgl. bereits Luhmann (1995), 195. Vgl. zu den wenigen Studien mit einem Fokus auf Formalisierung horizontaler Kommunikation Luhmann (1995), 202, Fn. 34. Vgl. Luhmann (1995), 200. Luhmann verweist unter anderem auf das Prinzip der „linking pins“ bei Likert, dessen Argumentation er sich bei der Beschreibung des Aufbaus der Hierarchie aus sich überschneidenden, zentral organisierten Netzen anschließt.
152
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Neben den Eigenschaften der Vernetzung, der Emergenz und der Selbstreferentialität ist Konziliare Kommunikation durch einen „bias“ zugunsten von Kommunikation unter Anwesenden gekennzeichnet. Kieserling schlussfolgert aufbauend auf Luhmann und Bateson, dass face-toface-Kommunikation in Organisationen sich laufend erneuern muss, da Informationen unter den Anwesenden unmittelbar nach ihrer Mitteilung keinen Neuigkeitswert mehr haben können und allenfalls für Außenstehende, die nicht an der Kommunikation teilgenommen haben, nützlich sein können. Für die betrachteten Interaktionen als notwendig seriell und unter körperlicher Anwesenheit stattfindenden Kommunikationen leitet Kieserling einen Zwang zur Autopoiesis ab. Kurz nach der „Entwertung“ der geäußerten Information besteht für die Anwesenden die Anforderung, eine Versorgung mit weiteren, neuen Informationen sicherzustellen.485 Kommunikation ist also neben den genannten Merkmalen durch eine Verzeitlichung gekennzeichnet, die es erforderlich macht, prekäre Situationen zu überbrücken, in denen sich keine oder unterkomplexe Kommunikationsangebote ergeben.
Zusammenfassend entwirft die Theorie sozialer Systeme ein vielschichtiges Bild von Kommunikation486:
485
486
Kieserling betrachtet, wie bereits angemerkt, mit Interaktionen eine Art System, das sich im Unterschied zur Organisation als sozialem System bei Luhmann, nicht mehr binnendifferenziert, d. h. es gibt keine weiteren Teilsysteme, für die eine Interaktion Umwelt wäre. Zudem können Interaktionen nur sequentiell verlaufen, da es in den Grenzfällen (Schweigen trifft auf Schweigen oder Reden trifft auf Reden) zu als störend empfundenen, „peinlichen“ Gesprächspausen bzw. unhöflichem Unterbrechen kommt. Vgl. Kieserling (1999), 41 f. sowie 48 f. Vgl. Baecker (1999), 52 ff. Theoriengeschichtlich ist die systemtheoretische Kommunikationskonzeption unter Einschluss und Weiterentwicklung der Erkenntnisse der Bewusstseinsphilosophie, der postmodernen Sprachkritik, des Konstruktivismus und in der Auseinandersetzung mit der mathematischen Kommunikationstheorie entstanden.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Prozesse)
153
Tabelle 7: Originäre Merkmale der Konziliaren Kommunikation auf Basis der Systemtheorie
Kommunikation ist ungezielt in dem Sinne, dass sie in Form einer Informationsübertragung nicht hinreichend genau beschrieben werden kann, wobei der Fokus sich systemtheoretisch von den Akteuren der Kommunikation auf den Vollzug der Kommunikation selbst (von Personen zu Relationen) verschiebt.
Kommunikation entsteht als Ergebnis eines fortwährenden Selektionsprozesses o
als „Ja-Nein-Entscheidung“ zwischen Kommunikation und NichtKommunikation und
o
als Wahl zwischen verschiedenen Arten von Kommunikation, z. B. Mitteilung oder Information, konstatierenden oder performativen Aussagen.
Kommunikation bedarf der Organisation, um den Möglichkeitenraum für Kommunikation zu determinieren, indem Festlegungen darüber getroffen werden, wie zu kommunizieren ist.
Der Referenzpunkt der Kommunikation verschiebt sich von den „Köpfen“, also den kommunizierenden Individuen, auf die Organisation als soziales System. Kommunikation erhält damit eine eigene, von den Individuen losgelöste, emergente Qualität.
Quelle: Eigene Darstellung
In entscheidenden Aspekten unterscheidet sich damit die systemtheoretische von der früheren soziologischen und der kommunikationswissenschaftlichen Kommunikationsauffassung487:
487
Vgl. Kneer (2001).
154
Beschreibung der Konziliaren Organisation)
Tabelle 8: Derivative Merkmale der Konziliaren Organisation im Unterschied zur klassischen und soziologischen Kommunikationstheorie
Individuen, die in einer Kommunikationssituation aufeinandertreffen, können nicht direkt kommunizieren, d. h. sie können aufgrund ihrer wechselseitigen operativen Geschlossenheit die Grenzen des anderen nicht überschreiten. Sie können sich jedoch gegenseitig beobachten, Erwartungen bilden und sich mit ihren eigenen Operationen am jeweils anderen orientieren
Kommunikation wird nicht mehr als Prozess der Abgleichung oder Angleichung von Perspektiven der Beteiligten gesehen, sondern es entsteht mit dem sozialen System (z. B. der Organisation, dem Konzil in der Organisation) ein „Drittsystem“, das nicht mit den kommunizierenden Personen identisch ist. Kommunikation stellt damit eine emergente Ordnungsebene dar, denn sie geht nicht in den Perspektiven der Mitglieder auf, sondern fügt diesen eine weitere Perspektive hinzu.488
Quelle: Eigene Darstellung i. A. a. die Ausführungen bei Kneer (2001)
488
Vgl. zum Emergenzbegriff Kapitel 4.1.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt derAkteure (Personen)
5.3
155
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Akteure (Personen)
5.3.1
Stellenwert der Person im Kommunikationssystem
Die Berechtigung, trotz des Rekurrierens auf eine kollektivistische Theoriegrundlage wie die Systemtheorie, Individuen als Bestandteil der Konziliaren Organisation zu betrachten, wird aus der Öffnung bezogen, die die Systemtheorie und die ihr übergeordnete konstruktivistische, postmoderne Wissenschaftstheorie gegenüber dem Individuum erlauben. Zwischen der individuellen und der kollektiven Ebene bestehen Korrespondenzen, die eine Übertragung der bisher vorwiegend auf der kollektiven Systemebene generierten Erkenntnisse auf die individuelle Akteursebene zulassen. Eine solche Übertragung wird als erforderlich angesehen, zum einen, weil die Gestaltungsempfehlungen der kollektivistischen Theorietradition unbefriedigend, da unoperational, bleiben. Zum anderen wird ein Transferbedarf auf die individuelle Ebene als Referenzpunkt der personalwirtschaftlichen Theorie gesehen, da personalwirtschaftliche Steuerung und Förderung individuellen Handelns in Organisationen unter rein „systemischen“ Gesichtspunkten, also ohne den Bezug auf Qualifikation und Kompetenz der Stelleninhaber einerseits und Tätigkeitsanforderungen andererseits, ohne (i. e. S. nachprüfbare) Wirkung bleiben.
Die Theorie sozialer Systeme rückt von der traditionellen Konzeption der betriebswirtschaftlichen Managementlehre ab, die Organisationen als Systeme auffasst, deren Elemente Personen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Organisation bilden. Der Fokus auf “the social as an autopoietic nexus of communication, in the way that it is clearly separated from psychic systems”489 dezentriert das Subjekt insofern, als es sich nicht auf kognitive Prozesse, die z. B. Aufgabenträger beim Treffen einer Investitionsentscheidung durchlaufen, sondern auf die Vernetzung von Kommunikationen richtet.490 Es besteht Anschlussfähigkeit an die tradtionelle organisationswissenschaftliche Konzeption von Organisationen als dauerhaft ein Ziel verfolgende soziale Gebilde. Organisationsstrukturen in einem systemtheoretisch geprägten, weiten Verständnis (z. B. Entscheidungsprogramme, Kommunikationskanäle, geschriebene und ungeschriebene Regeln) weisen eine eindeutige soziale Verankerung auf. Der Bereich des Sozialen beansprucht dabei eine Existenz um seiner Selbst willen, die nicht von einzelnen Akteuren abhängt und durch Fluktuation von Entscheidungsträgern in seinem Fortbestand nicht bedroht wird.491 So ist z. B. bei Wechsel des Stelleninhabers oder Verlassen der Organisation aufgrund des Stellenprofils eine Neubesetzung der Stelle mit einem Aufgabenträger vergleichbarer Qualifikation möglich. 489 490 491
Becker (2005), 228. Vgl. Kasper (1991), 6. Vgl. Becker (2005b), 228.
156
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Die Konzeption von Organisationsmitgliedern als Teil der Umwelt hat den häufig geäußerten Vorwurf der Marginalisierung des Subjekts hervorgerufen, der Vernachlässigung der Rolle der Akteure gegenüber dem System. Zutreffend ist, dass sich durch das Verlassen der handlungstheoretischen Tradition der in dieser verwurzelte Zusammenhang zwischen Handlung und Struktur nicht mehr nutzen lässt. So formulieren Martens/Ortmann: “Die fehlende Aufmerksamkeit für Handlungen macht aus Organisationen sehr luftige Gebilde, in der so etwas wie die Arbeit, die Produktion, die dafür erforderlichen Ressourcen und selbst die Transaktionen der neuen Institutionenökonomik keinen rechten Platz haben.”492 Dem lässt sich entgegenhalten, dass Handlungen aus Sicht der Theorie sozialer Systeme zwar ein veränderter Stellenwert zukommt, dass diese aber nicht vollständig aus dem System getilgt werden. Handlungen werden über den Umweg der Kommunikation wieder in das System eingeführt. Kommunikation wird in Handlung transformiert, sobald eine kommunikative Handlung einem bestimmten Adressaten als zurechenbare Einzelselektion zugeschrieben wird, so dass sich Organisationen als Kommunikations- und Handlungssysteme konstitutieren.493 Handlungen, z. B. eine Geste oder verbale Äußerung, werden erst dadurch für die sozialen Beziehungen im System relevant, dass sie Teil von Kommunikation werden und durch deren Adressaten durch ebensolche als Kommunikation zu verstehende Handlungen beantwortet werden, so dass das System seinen Bestand fortsetzen kann.494 Dem Marginalisierungsvorwurf lässt sich weiter begegnen, indem man berücksichtigt, dass die Unterthematisierung von Organisationen in der Soziologie und die zugunsten der Erklärung individuellen Handelns und von Gruppenprozessen erfolgte Zurückdrängung organisationaler Aspekte in der Organisationspsychologie495 durch die Systemtheorie geheilt werden kann.
Die theoretisch getrennte Behandlung von Subjekt und System ist nicht als analytischer Kunstgriff zu betrachten, der es ermöglicht, die postulierte Eigenheit des Systems unabhängig von Personen abbilden zu können. Durch Abstraktion von psychischen Vorgängen ist es vielmehr möglich, den Schwerpunkt auf die Beziehung zwischen System und Akteur zu legen als Sachverhalt der strukturellen Kopplung. Im Unterschied zur ideologiekritisch aufgeladenen “De-Zentrierung” des Subjekts in der postmodernen Organisationstheorie ist die Platzierung des Individuums in der Systemtheorie Luhmann’s als eine aus “theorie-architektonischen” Gründen getroffene Entscheidung zu werten, die ihren Nutzen für eine nicht auf biologische Analogismen zurückgreifende Arbeit erhöht. Die Theorie sozialer Systeme „verdrängt den Menschen nicht. Sie nimmt aber an, daß für ein Verständnis des Sozialen die Analyse der von
492 493
494 495
Martens/Ortmann (2006), 459. Zurechnung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das System die Verantwortung für Handlungen entweder sich selbst oder anderen Systemen der internen (Mitglieder) oder externen (andere Systeme) Umwelt zuweist. Vgl. Kasper (1991), 16. Vgl. Mingers (2003), 115. Vgl. Lang (2007), 7 f.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Akteure (Personen)
157
den Menschen abstrahierbaren Kommunikationen wesentlicher ist, als die ihrer internen Dispositionen.”496
Als Beleg dafür, dass eine systemtheoretisch fundierte Arbeit zulässig auf Individuen rekurrieren und sich dabei auf die zwischen der individuellen und der organisatorisch-systemischen Ebene existierenden Querverbindungen beziehen kann, soll anhand eines theoretischen und eines pragmatischen Aspekts angeführt werden. Aus dem theoretischen Blickwinkel lässt sich das Konzept der Selbstreferentialität sowohl auf den Bereich des Systems als auch auf Individuen anwenden und ermöglicht damit einen bruchlosen Übergang zwischen der individuellen und der organisatorischen Ebene. Die strukturelle Kopplung macht soziales System und psychische Systeme für einander irritierbar, wobei die „Grammatik“ der Selbstreferentialität sie aneinander anschlussfähig hält. Als pragmatische Illustration soll der Aspekt der Identitätsbildung betrachtet werden, der regelhaft auf der Ebene des Individuums verortet wird, seltener auch im Zusammenhang mit der Organisation, und der hier meist unter den Schlagworten des kollektiven Gedächtnisses, der Unternehmenskultur oder der kulturellen Identität („Corporate Identity“) zur Anwendung kommt. Die Formung von Identität aus individueller und kollektiver Erinnerung ist ein sozial vermittelter und daher nicht rein individueller Vorgang. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass kollektive Identität, z. B. in Form von Riten sozialer Ordnung und Symbolen, einen identitätsbildenden Einfluss auf das Individuum ausübt. Dieses wirkt seinerseits durch Auswahl und Kombination des Angebots an kollektiver Identität auf den kollektiven Identitätsvorrat ein.497 Als Beispiele sind die Formulierung von Wertekodizes und Unternehmensleitlinien, aber auch das Mitwirken an emergent entstehenden, unternehmenskulturellen „Selbstverständlichkeiten“ (Fehlertoleranz, Innovationsfreundlichkeit, Kooperation) zu nennen. Es ist daher anzunehmen, dass sich die kollektive und die individuelle Identität nicht trennen lassen, sondern durch Übergangsmuster miteinander verschränkt sind und sich gegenseitig speisen.
Mit der Akteursebene besteht damit ein für das Verständnis des Systems Organisation wesentlicher Aspekt, der in einer basistheoretischen Fundierung der Konziliaren Organisation nicht vernachlässigt werden darf. Nachdem die aus systemtheoretischer Sicht unverminderte Relevanz von Personen aufgezeigt wurde, ist es im Folgenden sinnvoll, die bisher homogen als „Aufgabenträger“ oder „kommunizierende Sender und Adressaten“ erfassten Personen differenzierter zu betrachten. Hierzu sind im Folgenden die Konsequenzen der Verschiedenheit der Aufgabenträger für die Kommunikation in der Konziliaren Organisation zu untersuchen.
496 497
Laßleben (2002), 29 f. Vgl. Weik (1998), 151.
158
Beschreibung der Konziliaren Organisation
5.3.2
Diversität der Aufgabenträger als kommunikationsrelevanter Tatbestand
Eine Diskussion der Akteursebene muss aufgrund der nicht neutralen Wirkung der Heterogenität der Mitarbeiter (z. B. der Mitglieder von fachlich heterogenen Arbeitsgruppen) auf die Effektivität und Effizienz von Kommunikation498 den Aspekt Diversität („Diversity“) einbeziehen. Die Notwendigkeit, die Heterogenisierung der Bewerber zu berücksichtigen, ist durch das Diversity Management in die personalwirtschaftliche Diskussion eingeflossen. Geht man davon aus, dass die Bildung einer Konziliaren Organisation mit einer Verstärkung der personalen Koordination und einer geringeren Regelsteuerung sowie einem Ausbau der Selbstorganisation einhergeht, ist zur Beurteilung der Optimalitätseffekte der Nutzen dieser Abstimmungsform den Kosten gegenüberzustellen. Einen Hinweis auf Situationen, in denen eine konziliare Strukturbildung von Vorteil sein kann, gibt die Forschung zur Heterogenität von Arbeitsgruppen, ein Feld, das in der Vergangenheit durch die (Klein-)Gruppenforschung bearbeitet wurde und das im deutschsprachigen Raum seit Mitte der 90er Jahre durch den Ansatz des Diversity Management wesentliche Erweiterungen erfahren aber auch viele Fragen offen gelassen hat. Diversity Management zielt als individualisierte personalpolitische Teilstrategie auf die Verbesserung von Effizienz, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit durch Bereitstellung einer aus der Unternehmensaufgabe abgeleiteten, passgenauen Belegschaft zu möglichst geringen Kosten.499 Neben arbeitsrelevanten Merkmalen wie der Ausbildung, dem Job-Alter500 und der Erfahrung im Aufgaben- und Tätigkeitsfeld sind Mitarbeiter Träger sogenannter primärer, nicht oder schwer beeinflussbarer Merkmale, und sekundärer, der Kontrolle des Einzelnen unterliegender, Merkmale.501 Beispiele für primäre Diversity-relevante Merkmale sind das demographische Alter, das Geschlecht und die ethnische Zugehörigkeit. Die Sichtbarkeit der Primärmerkmale bedingt eine leichtere Aktivierung zugehöriger Stereotype, so dass mit zunehmender Heterogenität von Gruppen die Auftretenswahrscheinlichkeit von Kommunikationsstörungen, fehlender Integration, Unzufriedenheit und Konflikten steigt.502 Sekundäre Merkmale wie persönliche Gewohnheiten, Religionszugehörigkeit, Familienstand und Bildung 498
499 500
501 502
So steigt aufgrund einer erhöhten aufgabenbezogenen Diversität (z. B. in fachlich heterogenen Gruppen) das Risiko für das „Senden“ unverständlicher Nachrichten, was die Verständigung über die Grenzen der Fachsprachen hinweg erschwert. Auch ist mit einer geringeren Akzeptanz abweichender Positionen auf der Beziehungsebene zu rechnen, z. B. wenn sich eine interne Hierarchie der Disziplinen herausbildet, in der sich ein Fachgebiet dem anderen überlegen fühlt oder seine Probleme als vorrangig betrachtet. Vgl. Liebrich (2008), 114 f. Vgl. Becker (2005a), S. 32. Unter Job-Alter wird die Dauer der Beschäftigung im derzeitigen Beruf verstanden. Vgl. Becker/Labucay/Kownatka (2008), 57. Vgl. Gardenswartz/Rowe (2003), 33. Vgl. Oertel (2007), 80.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Akteure (Personen)
159
gehören einer variablen Merkmalskategorie an, sind für Dritte weniger sichtbar und durch ihre Träger beeinflussbar. Der Forschungsstand zu heterogenen Teams (z. B. multikulturellen Teams, altersgemischten Teams, geschlechtergemischten Teams, cross-funktionalen Teams bestehend aus Experten verschiedener Fachrichtungen, Teams aus Mitgliedern mit unterschiedlichen Erfahrungen) ist uneinheitlich. Es finden sich zunehmend Studien, die eine Kontextabhängigkeit der Vorteile von Heterogenität feststellen, d. h. die Vorteilhaftigkeit der Mischung einer Gruppe hinsichtlich Merkmalen wie Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund, Funktion, Fachrichtung oder Erfahrungshintergrund kann nur in Abhängigkeit von den Tätigkeitsanforderungen beurteilt werden. So wird z. B. festgestellt, dass Altersheterogenität sich in standardisierten Aufgabenbereichen, deren Ablauforganisation weitgehend determiniert ist und wenig kreative Zusammenarbeit erfordert, negativ auf die Produktivität auswirkt. Dagegen wurde ein produktivitätssteigernder Effekt der Altersheterogenität in innovativen Unternehmensbereichen ermittelt, die eine kreative Zusammenarbeit zur Lösung komplexer Aufgaben, z. B. in der Produktentwicklung, erfordern.503 Persönliche und fachliche Homogenität und Kohäsion der Arbeitsgruppen sind teambezogene Merkmale, die zusammen mit den personenbezogenen Merkmalen (Fachkompetenz, Sozialkompetenz, Teamorientierung) die Leistungsfähigkeit von Gruppen mitbestimmen. Teambezogene Merkmale wirken sich indirekt über Gruppenprozesse wie Kooperation und Kommunikation und den Umgang mit aufgaben- und personenbezogenen Konflikten auf Ergebniskennzahlen aus.504 Für die Bearbeitung komplexer Probleme werden komparative Vorteile der Heterogenität (z. B. bzgl. Persönlichkeit, Motivation, Fähigkeiten) angenommen, dagegen erzeugen Unterschiede im Niveau der eingebrachten Fähigkeiten in Problemlösegruppen Prozessverluste. Die Bereitschaft der Individuen zur Kompensation der inter-fachlichen Konflikte kann nicht vorausgesetzt werden, weshalb die Kosten der Heterogenität nicht zu unterschätzen sind. Steht nicht
503
504
Vgl. Veen/Backes-Gellner (2008). Altersheterogenität wurde in der einen Zeitraum von 10 Jahren abdeckenden Studie auf Basis des LIAB, eines ‘linked employer employee’- Panels, mittels des Variationskoeffizienten des Alters in der Belegschaft gemessen. Robustheitschecks ergaben bei Verwendung der Standardabweichung als Heterogenitätsmaß und unter Einsatz alternativer Modellspezifikationen unter Einschluss eines Interaktionsterms unveränderte Ergebnisse. Eine Fallstudie in einem Produktionsunternehmen ermittelte eine geringere Leistung altersheterogener Gruppen, allerdings keine Leistungseinbußen auf individueller Ebene, d. h. im Vergleich zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern, vgl. Börsch-Supan/Düzgün/Weiss (2007). Dagegen fanden für den Bereich der öffentlichen Verwaltung Neubach et al. (2006) eine erhöhte Leistung (gemessen an der Durchlaufzeit der Fallbearbeitung) mit zunehmender Altersheterogenität bei der Bearbeitung von komplexen Aufgaben, konnten aber nicht bestätigen, dass eine hohe Altersmischung in Arbeitsteams mit Routineaufgaben zu geringerer Leistung führte. Neubach et al. (2006) führen diesen Befund auf eine Besonderheit der Stichprobe (Arbeitsgruppen in 111 Dienststellen einer Landesverwaltung) zurück, in denen aufgrund der niedrigen Fluktuation eine hohe Angleichung der Gruppenmitglieder dafür verantwortlich sein könnte, dass Altersunterschiede nicht als Abgrenzungsmerkmal zwischen „in-group“ und „outgroup“ verwendet wurden. Vgl. Oertel (2007), 79.
160
Beschreibung der Konziliaren Organisation
die Effizienz der Problemlösung im Vordergrund, sondern die gegenseitige Verständigung über eine Problemlösung, kann fachliche Heterogenität von Vorteil sein.505 Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass ein Mehr an Unterschieden bereichs- oder aufgabenunabhängig zu besseren Ergebnissen führt. Dieser Befund wird durch die in der Netzwerkforschung untersuchten positiven und negativen Netzwerkeffekte bestätigt und findet sich allmählich auch in der Diversity Management-Forschung. Netzwerke als Voraussetzung (gelegentlich auch als Synonym) für Sozialkapital wurden zunehmend in ihrer Ambivalenz erkannt.506 Positive Netzwerkeffekte (Fehlerausgleich, umfassende, bei Berücksichtigung von Informations-Brokerage unter Umständen effizientere Informationsnutzung) stehen negativen Auswirkungen gegenüber (z. B. Abkopplung dezentral gelegener Teile des Netzwerks, Unterminierung der bestehenden Machtverhältnisse durch Mikropolitik, Ausweitung der Unsicherheitszonen). Der „Nettoeeffekt“ der Netzwerkbildung ist vom Kontext, d. h. dem Tätigkeitsbereich und den etablierten ‚Peer’-Beziehungen, d. h. den Verbindungen zu gleichrangigen Referenzpersonen bzw.- gruppen, abhängig. Für wissenschaftliche Netzwerke aus den Bereichen Sozialpsychologie, Wirtschaftswissenschaften, Ökologie und Astronomie wiesen Guimerà et al. nach, dass mit zunehmender „Erfahrungs“-Diversität der Forschergruppen ihre Erfolgsquote stieg, woraus die Schlussfolgerung gezogen wird, dass es erfolgreichen Teams gelingt, eine adäquate Mischung aus unterschiedlichen Erfahrungen („sampling of the knowledge within a field“) herbeizuführen.507
Für die Sozialkapitalforschung ist festzustellen, dass sich für die verschiedenen Proxyvariablen für Sozialkapital (Bedingungen seiner Entstehung wie Vertrauen, Gruppenkohäsion, Commitment, effektive Kommunikationsbeziehungen) und unter Berücksichtigung moderierender Faktoren (Gruppengröße, organisationaler Kontext) kein eindeutiger positiver Effekt des Sozialkapitals auf Ergebnisvariablen (Produktivität, Arbeitszufriedenheit, Umsatz) nachweisen ließ.508 Die Uneindeutigkeit der Ergebnisse bestätigt die gemischten Befunde zu Gruppenkompositionseffekten. Der Hauptnutzen der Studien zur optimalen Gruppenzusammensetzung scheint derzeit in der systematischen Erschließung des Forschungsfeldes, d. h. der Identi505 506 507
508
Vgl. Martin (1998), 142. Besonders hervorgehoben haben die unbestimmte Qualität des Konstrukts Sozialkapital Adler/Kwon (2000). Diversität wurde anhand der Wahrscheinlichkeit (q) gemessen, mit der ein Mitglied aus der Gesamtheit der Netzwerkbeziehungen zwischen Universitäten und Forschungsinstituten („invisible college“), in einer neuen Forschungskooperation auf einen bekannten Netzwerkpartner zurückgreift. Je höher die Neigung zur Knüpfung wiederholter Kooperationskontakte, desto geringer annahmegemäß die Diversität, da auf diese Weise keine neuen Erfahrungen in das Netzwerk Eingang finden können. Der Erfolg eines Netzwerks wurde über die erfolgte Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in einem hoch gerankten Journal gemessen. Dabei korrelierte q negativ mit dem impact-Faktor der Journals eines Fachgebiets, d. h. steigende Diversität führte zu einer Ergebnisverbesserung. Vgl. Guimerà et al. (2005), 700 f. Vgl. die Auswertung aktueller Studien bei Moldaschl (2007), an denen er vorrangig die Kontextfreiheit der Diskussion (“je mehr Sozialkapital desto besser”) bemängelt und die ihmzufolge den Anspruch verallgemeinerbarer Aussagen zum instrumentellen Nutzen des Sozialkapitals nicht einlösen konnten. Vgl. Moldaschl (2007), S. 210-215.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Akteure (Personen)
161
fikation der wesentlichen Gruppenmerkmale und Kontextfaktoren zu liegen, die einen Einfluss auf die Gruppenleistung haben können. So bestätigen auch Ely/Thomas, dass sich unter den Studien zu den Diversity-Merkmalen kulturelle Identität, Geschlecht, Rasse und nationale Herkunft, solche Untersuchungen, die bessere Gruppenergebnisse als Folge der Heterogenität feststellen, und jene, die keinen positiven Effekt ermitteln können, die Waage halten.509
Die Diversität der Mitglieder der konziliaren Struktur bestimmt, welche Aufgaben mit welchem Ergebnis bearbeitet werden können. So kann sich die vorhandene Heterogenität der Mitglieder (z. B. die Unterschiede hinsichtlich Alter, Geschlecht, Nationalität, ethnischem Hintergrund) darauf auswirken, welche Arbeitsaufgaben sinnvoll an eine Gruppe delegiert werden können. Im Unterschied zum Mainstream der Diversity-Forschung soll hier keine Beschränkung auf das Ziel erfolgen, die vorhandene Diversität optimal für die anstehenden Aufgaben zu nutzen bzw. für eine möglichst große Integration der Diversität im Sinne einer gleichen Teilhabe am Sozialkapital zu sorgen. Es soll auch der Fall betrachtet werden, in dem sich die Organisation mit der Aufgabe konfrontiert sieht, das optimale Maß an Heterogenität zu erzeugen, z. B. durch optimale Gruppenkomposition in Abhängigkeit von den Tätigkeitsanforderungen und durch eine an der Diversität des Beschaffungsmarktes orientierte Rekrutierung. Auch durch Maßnahmen der Qualifizierung kann Diversität bewusst erzeugt (Spezialisierung) oder reduziert (Generalisierung) werden. Mehrfachqualifizierung als „organizational slack“ reduziert den Koordinationsaufwand510 und führt zu einer Angleichung der Qualifikationsprofile (abnehmender Diversität) der Mitarbeiter mit der Folge einer Vereinfachung von Vertretungsregelungen und einer höheren Problemumsicht für vorgelagerte und nachfolgende Arbeitsschritte. Fachkarrieren, die eine Vertiefung der fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten und das Erreichen eines Expertenstatus ermöglichen, erhöhen dagegen die Diversität.
5.3.3
Gestaltung von Diversität
Die personalwirtschaftliche Kernaufgabe, eine optimale Passung zwischen den Anforderungen einer Tätigkeit und den personalen Voraussetzungen des Stelleninhabers zu finden, setzt im Sinne des Diversity Management eine Wertentscheidung über das erwünschte Maß an Heterogenität voraus, das sich z. B. in Rekrutierungs- oder Beförderungsquoten äußert. Die homogene Rekrutierungsstrategie erfüllte in der Vergangenheit die Funktion der Ausrichtung auf die in der formalen Organisationsstruktur und der dominant-kulturellen 509 510
Vgl. Ely/Thomas (2001), S. 234. Vgl. Kieser/Walgenbach (2007), 107. Der Koordinationsaufwand sinkt, weil bei Vorhandensein von Überschussressourcen die Abhängigkeit von Ressourcen gesenkt werden kann. Das Risiko für Engpässe, die durch wenig flexible oder aufgrund geringer Kapazität schwankungsanfällige Ressourcen entstehen, sinkt. Es werden explizit auch „breit ausgebildete Mitarbeiter“ als Beispiel für eine Überschussressource benannt.
162
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Orientierung repräsentierten Erwartungen.511 Die Erwartung der individuellen Anpassung wird bei Eintritt in die Organisation internalisiert, d. h. es findet nicht nur eine Selektion und Ablehnung der als andersartig eingestuften externen Bewerber, sondern auch von als “fremd” definierten Eigenschaften der vorhandenen, homogenisierten Belegschaft statt. Die damit erzeugte Similarität resultierte nicht, weil sie sich als überlegenes Prinzip erwiesen hat, sondern weil sie funktional zur Aufrechterhaltung der Qualitätsstandards und zur Sicherstellung der definierten Effizienzkriterien war. Die Entstehung von Heterogenität als potentiell effizienzsteigernde Verhaltensdeterminante wurde unterbunden. In der Personalwirtschaft hat sich unter den Schlagworten “differentielle Personalwirtschaft”512 und “neue Individualisierung”513 die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich die Personalauswahl bei einer zu starken Homogenisierung selbst Beschränkungen auferlegt (z. B. eingeschränkter Bewerberpool) und dem Anspruch der Anforderungsbezogenheit nicht gerecht werden kann (z. B. wenn Bewerberqualifikation und Aufgabenanforderung eine hohe Passung aufweisen, der Bewerber aber aufgrund von Merkmalen abgelehnt wird, die nicht in das homogene Raster der Organisation passen). Das jugendzentrierte Personalmanagement als Beispiel einer homogenisierenden Strategie in den Bereichen der Rekrutierung und der Personalentwicklung, z. B. durch einen “cut-off” beim Weiterbildungsangebot ab einem Lebensalter der Beschäftigten von 40 Jahren, wird sich aufgrund der Erschwerung der bisherigen Möglichkeiten der Frühpensionierung514 bei unverminderter Alterungsgeschwindigkeit der Belegschaften nicht fortsetzen lassen. Dennoch stellen Maßnahmen eines altersgerechten (“demographiefesten”) Personalmanagements noch die Ausnahme dar.515 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) macht die Einlösung der Forderung nach einer Vermeidung jeglicher Diskriminierung, z. B. aus Gründen des Alters, in der Rekrutierung516 wahrscheinlicher. Die Praxis der Beschaffung und Personalauswahl wird durch das AGG dahin gehend geändert, dass Ausschreibungstexte im Hinblick auf nicht jobrelevante Kriterien wie Geschlecht, Alter, Nationalität und ethnischer Hintergrund neutral zu formulieren sind. Auswahlverfahren sind zur Vermeidung von Beobachtungsfehlern streng anforderungsbezogen zu gestalten. Ungleichbehandlung ist mit wenigen, klar definierten
511 512 513 514 515
516
Vgl. hierzu und zum nachfolgenden Abschnitt Koall (2001), 44. Vgl. z. B. Marr (1989). Vgl. zuerst Drumm (1989). Vgl. Eckardstein (2004), 129. So geben in einer Befragung von 100 deutschen Unternehmen 68 % der befragten Personalvorstände und Arbeitsdirektoren an, dass sie in ihrem Unternehmen als Folge der demographischen Entwicklung mit Problemen rechnen, aber nur 8 % haben Maßnahmen zu deren Bewältigung wie intergenerationellen Wissenstransfer, Mentoring-Tandems aus älteren und jüngeren Mitarbeitern und altersgemischte Gruppen, eingeführt. Vgl. Becker/Bobrichtchev/Henseler (2006). Für eine noch am Beginn stehende Diskussion spricht auch die Orientierung an Best practice-Beispielen, vgl. etwa Naegele/Sporket (2007). Vgl. Eckardstein (2004), 134.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Akteure (Personen)
163
Ausnahmen nur aufgrund tätigkeitsrelevanter Gründe zulässig, d. h. wenn die personalen Voraussetzungen keine ausreichende Passung zu den Aufgabenanforderungen aufweisen.517
Neben der bewussten Schaffung von Heterogenität ist für diese Arbeit außerdem von Interesse, wie die Organisation mit nicht kontrollierter, emergent entstehender Diversität umgeht. Heterogene Belegschaften bergen ein Leistungssteigerungspotential, z. B. über erhöhte Innovation, eine ungesteuerte Entwicklung der Diversität birgt aber, z. B. über anfänglich verminderte Kohäsion, die Gefahr erhöhter Konflikte518, die die „Innovationsrente“ wieder aufzehren können. Die Rekrutierung aus einem heterogener werdenden Beschaffungsmarkt führt ceteris paribus, d. h. bei unveränderter Mitarbeiterstruktur, zu einem direkten „Import“ der Heterogenität in das Unternehmen. Um in einem weiteren Schritt den Bezug zwischen der Aufgabenträgerheterogenität und den Aufgabenanforderungen herzustellen, wird im Folgenden geklärt, welche Qualifikation und Kompetenz die Aufgabenträger in der Konziliaren Organisation aufweisen müssen.
5.3.4
Konziliare Qualifikation und Konziliare Kompetenz
Qualifikation und Kompetenz werden in zahlreichen Veröffentlichungen nicht klar voneinander unterschieden oder sogar synonym verwendet.519 Qualifikation ist aber als ein Basisfaktor der Kompetenz, als eine Voraussetzung zu verstehen, die zusammen mit weiteren Faktoren wie den Sach- und Finanzmitteln, der Erfahrung und Motivation der Mitarbeiter die Ressourcenbasis für den Aufbau von Kompetenz bildet. Erst der zielgerichtete Einsatz der Ressource Qualifikation unter Zuhilfenahme von Aktionsfaktoren, z. B. der Informationstechnologie, und von Analyse-, Planungs-, und Führungstechniken ermöglicht die Erreichung der Ziele (Effektivität, Effizienz, Einkommen, Selbstentfaltung). Das Zusammenspiel der Basisfaktoren (Ressourcen) mit den Aktionsfaktoren (Technologie) zur Erreichung der Zielfaktoren (Markt) ergibt Kompetenz, die als Funktion dieser Größen wie folgt formuliert werden kann (vgl. Abbildung 26):
517 518 519
Vgl. Becker (2007), 48 f. Vgl. Oertel (2007), 79 f. Vgl. z. B. den im übrigen hinsichtlich einer Personalarbeit für globale Teams ergiebigen Beitrag von Benzler/Fabel (2006), die soziale Kompetenz und “weitere Qualifikationsanforderungen” anführen.
164
Beschreibung der Konziliaren Organisation
K= f (R, T, M) K:
Kompetenz
R: Ressourcen (Qualifikation, Verträge, Sachmittel, Finanzmittel, Motivation, Erfahrung) T: Technologie (Sprache, Informationstechnologie, Lern- und Führungstechniken) M:
Marktfaktoren (Effizienz, Effektivität, Einkommen, Selbstentfaltung)
Abbildung 26: Qualifikation als Inputgröße in der Kompetenzarchitektur Quelle: i. A. a. Becker (1998), 174.
Während Qualifikation als Basisfaktor für die Entwicklung von Kompetenz lediglich eine Potentialität repräsentiert (z. B. Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Voraussetzung sind, um eine mehrstufige Auswahlentscheidung zwischen konkurrierenden Alternativen fällen zu können), entspricht Kompetenz einer konkreten Kombination von Qualifikation und Technologie in Bezug auf die Ausführung einer bestimmten Handlung (z. B. Einsatz einer Entscheidungstechnik wie eines vereinfachten Algorithmus mit Hilfe eines IT-Systems).520 Performanz als Leistung ergibt sich aufbauend auf der Kompetenz als Ergebnis der konkreten Handlung (z. B. erfolgreiche Lösung des Algorithmus in Form einer Entscheidung für die kostenminimale Alternative). Die traditionale, auch in der Personalentwicklung dominante Sicht auf Kompetenz betrachtete diese als individuelle Variable.521 Das Zusammenspiel der Teilkompetenzen Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz sind danach als personale Ressourcen einer Person aufzufassen, die diese nutzen kann, um die im beruflichen Handlungskontext aufretenden Probleme zu lösen.522 Um von Handlungskompetenz sprechen zu können, muss zur DürfensKomponente (Zuständigkeit und Befugnis eines Mitarbeiters) und Könnens-Komponente (Sachverstand als Summe der Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Mitarbeiters) der motivationale Aspekt, die Wollens-Komponente, hinzutreten (tatsächliche Inangriffnahme einer Aufgabe durch einen formal berechtigten und qualifizierten Mitarbeiter). Davon ausgehend ist Kompetenz nicht auf die personale Ebene beschränkt, sondern Kompetenzentwicklung ist auf die organisationale Ebene auszuweiten und Lernvorgänge sind integriert für Individuen und Organisation zu initiieren.523
520 521 522 523
Vgl. Becker (2005b), 12. Vgl. Kauffeld (2006), 116. Vgl. Becker (2006), 434. Vgl. Becker (2006), 435.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Akteure (Personen)
165
Auch Oelsnitz/Graf weiten den Kompetenzbegriff auf Kollektive aus Personen aus und gehen dabei so weit, Kompetenz, in diesem Fall Kooperationskompetenz, als „selbstreferentielle Attribution“ zu beschreiben. Kompetenz liegt danach im Auge des Betrachters, d. h. es hängt von den Merkmalen der ihren Teamkollegen einschätzenden Person ab, ob sie dessen Verhalten als kompetent einschätzt, unabhängig von der objektiven Sachlage einer vorhandenen oder fehlenden Kompetenz dieser Person. Die Fähigkeit zur korrekten Einschätzung wird durch die kooperativen und sozialen Fähigkeiten der beurteilenden Person bestimmt, wobei ein „bias“ in die Beurteilung insofern hineinspielt, als diejenigen Merkmale am Gegenüber stark gewichtet werden, denen der Beurteilende eine hohe Bedeutung für die gemeinsame Zusammenarbeit zuschreibt. Im Folgenden wird deutlich werden, dass sich die vorliegende Arbeit diesem wenig operationalen Kompetenzbegriff nicht anschließt. Der Ansatz zur Erfassung der Kooperationskompetenz von Oelsnitz/Graf ist aber insofern von Bedeutung, als die sich aus der gegenseitigen Einschätzung der Teammitglieder ergebenden Beziehungsgeflechte die Basis für Teamprozesse wie Kommunikation und Konflikte darstellen.524 Oelsnitz/Graf betrachten Teams als Scharnier, „das die in konkreten Arbeitsphasen gesammelten Fach- und/oder Beziehungserfahrungen später an die Gesamtunternehmung weitergibt; sie sind damit der Grundbaustein des im günstigsten Fall zur Kooperationskompetenz führenden Organisationslernens.“525 Eine Verortung von Kompetenz gleichsam „zwischen“ den handelnden Personen sieht auch Schnöring vor, wenn sie es als wesentliches Merkmal der Kommunikationskompetenz betrachtet, das Verhalten des Kommunikationspartners zu berücksichtigen, d. h. motivierend auf dessen Verhalten „so Einfluss zu nehmen, dass seine Interessen angesprochen und integriert werden.“526 Von einer „multipersonalen Verankerung“ von Kompetenz sprechen auch Osterloh/Frost/Wartburg, die die Herkunft von Kompetenzen in einem operationaleren Zugang auf eine grundlegende organisationale Problemlösefähigkeit („kollektives Können“) zurückführen, die sich nicht auf personaler Ebene, sondern nur kollektiv durch Interaktionen und Zusammenarbeit entwickeln kann. Die miteinander verwobenen Koordinationsprozesse als organisationsspezifisches Kontextwissen stellen einen eigenständigen strategischen Wettbewerbsvorteil dar.527 Die in einer Person repräsentierten Kenntnisse, Fertigkeiten und Verhaltensweisen (Basisbefähigung) erlangen erst in der Kombination mit vorhandenem Wissen und Können und unter Nutzung der Problemlösungsinfrastruktur einen spezifischen, vorteilsgenerierenden Wert, der sich in der konkreten Handlung zeigt.528 Es ist mithin die relationale Eigenschaft von Kompetenz hervorzuheben, da Kompetenzen mit zunehmender Organisationszugehörigkeit und durch organisationales Lernen spezifischer 524 525 526 527 528
Vgl. Oelsnitz/Graf (2006), 98. Oelsnitz/Graf (2006), 96. Vgl. Schnöring (2007), 94. Vgl. Osterloh/Frost/Wartburg (2001), 208. Vgl. Becker (2008a), 168.
166
Beschreibung der Konziliaren Organisation
werden und damit zur Nicht-Imitierbarkeit der unternehmerischen Leistungen beitragen.529 Das Zusammenwirken der individuellen Kompetenzträger schafft ein Korrelat auf organisationaler Ebene im Sinne einer organisationsweiten Kompetenz. Hier wird die Analogie zu spezifischem Humankapital, dem Kernkompetenzenkonzept530 und zum Sozialkapital deutlich, das sich aufgrund seiner Verankerung in der Tiefenstruktur der Organisation und seiner Eigenschaft als Wirkgröße zwischen Basis- und Technologiefaktoren, d. h. seiner Verortung „zwischen der Organisation und der Person“531, dem strategischen Zugriff532 (genauer der Messung) weitgehend entzieht, mindestens aber durch eine personale statt relationale Sicht nicht adäquat erfassbar und steuerbar ist.
Zur Vervollständigung des Kompetenzkonzepts ist eine weitere Eingrenzung auf die in der Gruppenarbeit relational entstehende Kompetenz vorzunehmen. Hinweise auf die für die konziliare Zusammenarbeit erforderlichen Kompetenzen können die im Zusammenhang mit virtuellen und globalen Teams533 angeführten Aspekte wie die Kommunikationskompetenz und die soziale Kompetenz geben. Den Schwerpunkt der Personalarbeit für Gruppen von steigender Heterogenität, wie sie aufgrund der Cross-Funktionalität und der hierarchieübergreifenden Besetzung in der Konziliaren Organisation anzutreffen sind, sehen Benzler/Fabel534 in folgenden Feldern:
Personalpolitik: Pflege persönlicher Kontakte535, Bereitschaft zur Kooperation und Kommunikation, Beseitigung struktureller und prozessualer Barrieren für Kommunikation.
Personalplanung und –auswahl: Planungs- und Auswahlkriterien wie Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Konflikt- und Kompromissfähigkeit, Lernbereitschaft, soziale Kompetenzen, z. B. im Umgang mit Kollegen unterschiedlicher nationaler Herkunft, physische und psychische Belastbarkeit.
Personalentwicklung: Förderung eines situativen, individualisierten, d. h. auf unterschiedliche Erwartungen, Werte, Bedürfnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen bezogenen Führungsstils.
529 530 531 532 533
534 535
Vgl. Osterloh/Frost/Wartburg (2001), 208. Vgl. hierzu auch Becker (2008a), 167 f. Vgl. Becker (2008a), 167. Vgl. Moldaschl (2007). Vgl. zu virtuellen Teams die analogen Ausführungen zur Virtuellen Organisation in Kapitel 5.1.3.2, vgl. zur vergleichsweise neueren Erscheinung der globalen Teams zusammenfassend Berg (2006) und kritisch Antoni (2006). Vgl. beispielhaft für globale Teams Benzler/Fabel (2006), 390 ff. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei globalen und virtuellen Teams um ortsungebundene und damit auch von persönlichen Kontaktzeiten weitgehend entlastete Kommunikationsformen handelt, überrascht die Betonung der auf persönlichen Beziehungen basierenden offenen Kommunikation als vorrangige Aufgabe der HR-Abteilung in diesen Teamformen bei Benzler/Fabel (2006), 390 f.
Beschreibung unter dem Gesichtspunkt der Akteure (Personen)
167
Personalgrundsatzfragen: Richtlinien, z. B. für die Personalbeurteilung und Informationsbereitstellung.
Für diese Arbeit sind in Übereinstimmung mit einem die individuelle und die kollektive Ebene verschränkenden Kompetenzbegriff sowohl die generischen (relational verankerten), in der kommunikativen Interaktion und Zusammenarbeit entwickelten, organisationalen Kompetenzen, als auch der sie speisende, individuelle Kompetenzaufbau relevant. Ausgehend von Analyse und Abgleich von Tätigkeits-, Anforderungs- und Kompetenzprofil auf individueller Ebene ist als Ansatzpunkt einer kollektiven Kompetenzentwicklung die Förderung der generischen, organisationsweiten Veränderungskompetenz zu nennen, z. B. durch Schaffung einer feedbackfreundlichen Kommunikations- und Infrastruktur durch das strategische Controlling.536 Die Simultanität von Individual- und Gruppenkompetenzen und ihre emergente Verschränkung ermöglicht die Nutzung gruppenbezogener Synergien (z. B. gegenseitige Vertretung), aber auch die Kompensation von Kompetenzmängeln einzelner Gruppenmitglieder durch den Abruf der Kompetenzen bei anderen Gruppenmitgliedern.537 Die Erfassung von Kompetenz als emergente, überindividuelle Kategorie, die nicht lediglich der Summe der Teilkompetenzen entspricht, begründet sich aus der Erfolgswirkung von Gruppenkompetenz, die sich z. B. im Zusammenhang mit Problemlöseaufgaben an einer höheren Zufriedenheit, Güte und Akzeptanz interaktiv ermittelter Lösungen und einer verbesserten Produktivität im Vergleich zur kompetenten Einzelleistung ablesen lässt.538
Zusammenfassend sind im Anschluss an das Konzept der Handlungskompetenz539, das dreiwertige Sozialkapitalkonzept (kognitive, relationale und strukturale Dimension)540 und bezugnehmend auf die Systematik dieser Arbeit (Struktur, Prozess, Person und Beziehungen) die Bestandteile konziliarer Kompetenz wie folgt zusammenzufassen: Während die kognitive Dimension des Sozialkapitals (Prozess) mit der Komponente „Können“ korrespondiert, entsprechen die relationale Dimension (Beziehungen) und die Akteurs-Dimension (Person) dem Aspekt „Wollen“ und die strukturale Dimension dem Aspekt „Dürfen“ als Komponenten der individuellen, konziliaren Handlungskompetenz, die sich im Aufbau von Sozialkapital (als konkrete Performanz) manifestiert (vgl. Tabelle 9).
536 537 538
539
540
Vgl. Becker (2006), 436 u. 440. Vgl. Kauffeld (2006), 117. Vgl. das prozessanalytische „Kasseler Kompetenzraster“ zur Kompetenzmessung in Gruppen bei Kauffeld (2006). Vgl. zu den Erfolgswirkungen von Gruppenkompetenz (analog Teamkompetenz) insbesondere S. 291. Vgl. Becker (1989) sowie Staudt/Kriegesmann (2000), 40 f., die mit „Können“ als Handlungsfähigkeit, „Wollen“ als Handlungsbereitschaft und „Dürfen“ als Zuständigkeit ebenfalls einen umfassenden Zugang zum Konstrukt der Handlungskompetenz erschließen. Vgl. Nahapiet/Goshal (2000).
168
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Tabelle 9: Zusammenhang zwischen den Strukturkomponenten der Konziliaren Organisation und den Konzepten der Handlungskompetenz und des Sozialkapitals
Struktur
Prozess
Person
= Konfiguration
=Kommunikation
=Akteure
Konziliare Handlungskompetenz „Dürfen“
„Können“
„Wollen“
strukturales
kognitives
relationales
Sozialkapital,
Sozialkapital,
Sozialkapital,
z. B. Weisungsbeziehungen, Informationskanäle, Zugang zu positionaler und informationaler Macht durch Mitglieder nicht-dominanter Gruppen
z. B. Fähigkeit zur diskursiven Entscheidungsfindung und Kooperation, Fähigkeit zur Nutzung von Verantwortung innerhalb gegebener Entscheidungsspielräume, fachliche Diversität, Diversität in den Problemzugängen
z. B. Bereitschaft zu Gruppenarbeit und zur Übernahme von Verantwortung im Rahmen der Delegation, Diversität in den Beziehungsnetzwerken, feedbackfreundliche Kommunikations- und Infrastruktur Beziehungen =Relationen
Quelle: Eigene Darstellung
Bevor auf Optimalitätsaspekte, eine Umsetzung der Konziliaren Organisation an einem konkreten Beispiel und auf Konsequenzen für die gestalterische Beeinflussung der Komponenten und der korrespondierenden Sozialkapitalformen eingegangen werden kann, ist der noch fehlende Aspekt der Konziliaren Organisation – die relationale Beschreibung – zu ergänzen.
Vorüberlegungen zum Ziel- und Effizienzbegfriff
5.4
169
Relationale Beschreibung der Konziliaren Organisation (Beziehungen)
5.4.1
Von der Funktionen- zur Beziehungsorientierung
Die Aufbauorganisation der Konziliaren Organisation basiert auf dem in der Literatur noch wenig diskutierten Tatbestand des internen Netzwerks, unterscheidet sich von informalen Beziehungsnetzwerken, die in jeder Form von Organisation anzutreffen sind, aber durch ein konkretes aufbauorganisatorisches Korrelat in Form der verschiedenen Arten von Konzilen. Die Relevanz interner Beziehungen für die Aufgabenerfüllung in Organisationen zeigt sich daran, dass unternehmensübergreifende Netzwerke nicht ohne den „Startpunkt“ der internen Netzwerke auskommen: „Thus, inter-organizational relationships have to be lived and matched by relationships between individuals in the partnering companies. Rather than relying on contracts, the partnering firms and their managers are dependent on a ‘web of inter-personal connections’“.541 Anlässe für die Bildung einer Konziliaren Organisation als temporäre Ergänzung zur strukturalen, z. B. funktionalen, Organisation sind der Aufbau von MentoringBeziehungen, die Bildung kollegialer Beratungsnetzwerke oder Job-Netzwerke und die Führung gemischter Teams, d. h. Organisationsformen, die zur Bildung von Sozialkapital führen können. Kennzeichen der Konziliaren Organisation sind eine dezentrale Ergebnisverantwortung, laterale, d. h. nicht auf den vertikalen Dienstweg restringierte, Kommunikationswege und die nicht an Stellenbeschreibungen orientierte, sondern emergent-situativ zu bestimmende Aufgabenverteilung der Netzwerkmitglieder. Neben natürlicher Fluktuation der Mitglieder, z. B. durch Ausscheiden oder Stellen- bzw. Standortwechsel, ist eine Änderung der strategischen Zielsetzung Anlass für eine Neuverknüpfung der Knoten des Netzwerks. Bei der Erlangung einer Fokalposition im konziliaren Netzwerk, die es Mitgliedern erlaubt, Ressourcenzugang und damit Macht über periphere Teile des Netzwerks zu erlangen, spielt die hierarchische Position eine geringere Rolle als der Grad der qualifikatorischen Eignung zur Lösung einer Aufgabe, wobei die eingegangenen Kommunikations- und Interaktionsbeziehungen einer situations- und aufgabenabhängigen Rekonfigurierbarkeit unterliegen.542 Es handelt es sich um ein „hierarchical framework of functional specialists managed in traditional ways, overlain by temporary structures in which status and power are determined by one’s ability to contribute rather than by one’s position in the hierarchy.“543 Die Teilnahme an der Konziliaren Organisation stellt, wie bereits im Zusammenhang mit der Konziliaren Kompetenz erläutert, besondere Anforderungen an Kommunikationsfähigkeit und erfordert Zeit zum Aufbau von Beziehungskapital. Netzwerke sind durch „Potentialität“ gekennzeichnet, d. h. das Bezie-
541 542 543
Kanter (1994), zit. n. Riemer (2006), 129 f. Vgl. Holtbrügge (2001b), 73 u. 188 f. Bush/Frohmann (1991), 26.
170
Beschreibung der Konziliaren Organisation
hungskapital ist in „absichtslosem Engagement“ zu pflegen, damit es bei Bedarf aktiviert werden kann.544
Die Zusammenarbeit in kontinuierlich in ihrer Zusammensetzung variierenden Flugzeugbesatzungen und zwischen Vertretern unterschiedlicher funktionaler Abteilungen, z. B. in Großprojekten oder der Neuproduktentwicklung, sind mögliche Anwendungsfälle der Konziliaren Organisation. Es findet keine Substitution der bestehenden Primärstruktur (wie bei der Matrixorganisation) und keine Ergänzung um weitere primärorganisationale Attribute wie in der Virtuellen Organisation statt, sondern eine sekundärstrukturelle Überlagerung und Ergänzung der Primärorganisation. Die Zusammenarbeit von funktional spezialisierten Abteilungen wird durch ein Zusammenwirken von Spezialisten ersetzt, das keinem ‚one-way’-Ablaufplan folgt (vgl. Abbildung 27).
F&E
Konstruktion
Identifikation von Gelegenheiten Forschung und Entwicklung
Identifikation von Gelegenheiten F&E
UnterExpertenNetzwerk
nehmensziel
Produktion
Entwurf und Pilotierung
Produktion Marketing
Entwurf und Pilotierung
Produktion
Unternehmensziel Von der sequentiellen Zusammenarbeit
Zur simultanen Zusammenarbeit
Abbildung 27: Konziliares Prinzip anhand der Gegenüberstellung von funktionaler Hierarchie und funktionalem Netzwerk Quelle: i. A. a. Bush/Frohmann, 26 f.
Wie aus der Darstellung ersichtlich, wird die sequentielle Leistungserstellung durch eine Simultaneität ersetzt, in der die Aktivitäten, angefangen bei der „Identifikation von Gelegenhei-
544
Vgl. Boos/Exner/Heitger (2000), 72.
Relationale Beschreibung der Konziliaren Organisation (Beziehungen)
171
ten“ (z. B. Chance zum Vordringen in eine Marktlücke) bis zur Marktreife eines Deckungsbeiträge erwirtschaftenden Produkts, nicht einem top-down-Algorithmus folgen, sondern durch iterative Abstimmung zwischen den Funktionsabteilungen koordiniert werden.
Den Übergang von einer am monadischen Individuum interessierten psychologischen Forschung zu einer an den Beziehungen ansetzenden Forschung vergleichen Watzlawick/Beavin/Jackson mit der Verwendung von Funktionen (als Beziehungen zwischen Variablen) in der Mathematik, die nur in ihrem gesamten Beziehungszusammenhang mit einer Zahl gleichzusetzen sind und die an die Stelle der isolierten Betrachtung von Zahlen treten.545 Im Anschluss an die Ausführungen im Basisbereich kann der Stellenwert relationaler Verträge für die Betriebswirtschaftslehre mit dem Erklärungsbedarf kooperativen Verhaltens und der notwendigen Integration weiterer, nicht-neoklassischer Elemente wie Vertrauen und Reziprozität in die Theorie der Unternehmung, erklärt werden. Werden durch die Institutionenökonomie Netzwerke unter dem Begriff des relationalen Vertrages in den vertragstheoretischen Begriffsapparat eingepasst, wird durch die ergänzende soziologische Netzwerktheorie eine Betrachtung der unterschiedlichen Ebenen ermöglicht, für die die Netzwerkbetrachtung genutzt werden kann. Hier ist von Interesse, welche formalen und inhaltlichen Beschreibungsmöglichkeiten für die Konziliare Organisation aus der Einbeziehung der Beziehungsebene resultieren.
Mit dem Blickwinkel der Arbeit wird dabei insofern eine neue Sichtweise eingenommen, als der Einbezug der Komponente der Beziehungen, gestützt auf den Ansatz der Sozialen Netzwerktheorie, den Aufbau kooperativen Verhaltens, z. B. in gleichberechtigten dyadischen Beziehungen546 zwischen Mitarbeiter und Mitarbeiter, in asymmetrisch-dyadischen Weisungsbeziehungen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter und in der Kooperation in Arbeitsgruppen, durch eine durchgängige Argumentationskette erklären kann, die einen Bezug zwischen Identität, Kooperation und Leistung herstellt. 5.4.2
Relationales Konstrukt des Sozialkapitals
Nahapiet und Goshal definieren Sozialkapital als „the sum of the actual and potential resources embedded within, available through, and derived from the network of relationships possessed by an individual or social unit".547 Damit wird das akkumulierte Sozialkapital auf-
545 546
547
Vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson (2003), 26. Den dyadischen Beziehungen, d. h. der gegenseitigen Bezugnahme von jeweils paarweisen Konstellationen in der Zusammenarbeit in Organisationen, galt bisher das Hauptaugenmerk der Forschung. Aktuell steigt das Interesse an der Generalisierung der gewonnenen Erkenntnisse auf Arbeitsgruppenebene und auf den größeren Kontext der Organisation. Nahapiet/Goshal (2000), 121 f.
172
Beschreibung der Konziliaren Organisation
grund der Einbettung im Netzwerk sowohl als Ergebnis von Netzwerkbeziehungen als auch als ursächlich für den Aufbau weiteren Sozialkapitals angesehen, d. h. als Outcome und als Ressource des Netzwerks. Als Hintergrund zur Klärung der relationalen Eigenschaften der Konziliaren Organisation eignet sich das mit Hilfe der sozialen Netzwerkanalyse beschriebene Konzept des Sozialkapitals, da es im Unterschied zu anderen Kapitalformen wie Sachkapital und finanziellem Kapital explizit Beziehungen als Material betrachtet, aus dem sich Sozialkapital speisen kann. Das Konstrukt ‚Sozialkapital’ weist Adler/Kwon zufolge zahlreiche Parallelen und einige Unterschiede zum ökonomischen Kapitalbegriff (physischem und monetärem Kapital) auf, die nachfolgend aufgeführt sind548:
Gemeinsamkeiten zwischen ökonomischen Kapitalien und Sozialkapital:
Sozialkapital ist eine Ressource: Die Investition von Sozialkapital in den Aufbau von Beziehungen erfolgt mit dem Zweck, zukünftige Erträge (z. B. Zugang zu Kontakten und Informationen) zu erzielen.
Sozialkapital lässt sich in alternative Verwendungen überführen: freundschaftliche Beziehungen sind zum Zweck der gegenseitigen Information und Beratung nutzbar, die über die Steigerung der Effizienz der Leistungserstellung das Finanzkapital erhöhen können.
Sozialkapital kann sich komplementär oder substitutiv zu anderen Formen von Kapital verhalten, z. B. wenn das Fehlen von finanziellem Kapital oder Humankapital durch „gute Kontakte“ kompensiert wird.
Unterschiede zwischen ökonomischen Kapitalien und Sozialkapital:
548 549
Sozialkapital bedarf wie Humankapital, aber im Gegensatz zu physischem Kapital, der stetigen Erneuerung, da Beziehungen in ihrer Beständigkeit zu sichern sind.
Für Sozialkapital lässt sich wie für Humankapital, aber im Gegensatz zu finanziellem Kapital, keine Abschreibungsrate bestimmen. Es findet keine Abnutzung durch Gebrauch von Netzwerkbeziehungen statt, sondern diese können tendenziell durch Nutzung vertieft werden.549 Beeinträchtigungen des Sozialkapitals, die sich durch Veränderungen im Kontext ergeben (z. B. durch Positionswechsel, die es nicht erlauben,
Vgl. Adler/Kwon (2000), 93 f. So zeichnet sich Sozialkapital (z. B. in Form des meist mit diesem gleichgesetzten Beziehungskapitals) durch steigende Skalenerträge aus, vgl. Roos et al. (1997), 107.
Relationale Beschreibung der Konziliaren Organisation (Beziehungen)
173
das bisherige Netzwerk im vollen Umfang weiterzuführen) sind nicht ex ante vorhersehbar.
Der systematische Sitz des Sozialkapitals liegt im Unterschied zu anderen Kapitalarten, z. B. Humankapital, nicht auf der individuellen, sondern auf der kollektiven, relationalen Ebene. Sein Wert bestimmt sich kontingent aus den Bedingungen seines Einsatzes, z. B. der Dichte der bestehenden Beziehungen in einer Arbeitsgruppe.
Sozialkapital unterliegt als öffentliches Gut anders als andere Kapitalien der Gefahr der Übernutzung (‚tragedy of the commons’- risk) und der Verringerung oder Zerstörung durch einseitiges Abweichen eines der Kooperationspartner einer Netzwerkbeziehung.
Sozialkapital entfaltet einen spezifischen Nutzen für seinen Träger nur durch Mitwirken beider Partner der Kooperation, z. B. bei Einholen von Rat oder Hilfe bei einem in der Arbeit auftretenden Problem.550
Da trotz punktueller Unterschiede eine hohe Affinität zu den anderen Arten von betriebswirtschaftlichem Kapital besteht, soll die Bezeichnung Sozialkapital als angemessen akzeptiert werden.
Ein gegebenes Netzwerk aus Beziehungen verbessert die Bedingungen für den Wunsch des Einzelnen nach Bestätigung seiner Identität („identity confirmation"), wenn dieser durch die Gruppe Unterstützung und identitätsbestätigende Rückmeldung erfährt. Es wird postuliert, dass die Neigung von Individuen zur Kooperation umso höher sein wird, je stärker die Identitätsbestätigung durch die Kooperationspartner ausfällt.551 In ihrer empirischen Untersuchung wählten Milton/Westphal552 mit „emergency Response"-Gruppen aus „High Reliability"Organisationen wie Rettungsteams, Gruppen von Feuerwehreinsatzkräften und Gruppen von Arbeitern von Großbaustellen (z. B. Brücken) eine Grundgesamtheit, die konservative Ergebnisse erwarten lässt. Sogar in diesem hoch sensiblen Umfeld, in dem eine dysfunktionale Kooperation kritische, potenziell lebensbedrohliche Folgen zeitigen kann, bestätigte sich, dass die Beziehungsstruktur der Aufgabenträger eine Voraussage des kooperativen Verhaltens der Beteiligten ermöglicht. Die Bestätigung der Identität ist annahmegemäß im Interesse des Individuums, da sie ihm hilft, kognitive Dissonanzen abzubauen. Mitarbeiter mit einer hohen ‚betweenness centrality’ verfügen über starke Beziehungen zu einer Reihe von Personen, die aber untereinander nur schwache Bindungen aufweisen. Eine solchermaßen gekennzeichnete „Broker"-Position verschafft ihrem Inhaber Zugang zu unterstützenden Ressourcen der angeglie550 551 552
Vgl. Kilduff/Tsai (2003), 28. Vgl. Milton/Westphal (2005), 191 f. Vgl. Milton/Westphal (2005), die in ihrer Untersuchung auf Basis von durch die Befragten ausgefüllten Ratingskalen der Gruppenzusammenarbeit zahlreiche Netzwerkmaße wie die „Betweenness-centrality" berechneten und einen Zusammenhang zwischen Identitätsbestätigung und Kooperation im Netzwerk ableiteten.
174
Beschreibung der Konziliaren Organisation
derten Personen seines Beziehungsnetzwerks und führt damit zu einer höheren Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Aufgabenbewältigung.553 Am Beispiel der Kontroverse um die Vorteilhaftigkeit von lose verbundenden oder dichten Netzwerken weist Burt auf die Kontextgebundheit von Sozialkapital hin. Netzwerke, die reich an strukturellen Löchern und damit an Gelegenheiten für Individuen zur Ausübung von „Broker“Funktionen sind, können ebensoviel Sozialkapital generieren wie dichte Netzwerke mit einer hohen Zahl redundanter und hoch kohärenter Beziehungen. Der Vorteil dicht geknüpfter Netzwerke liegt in der hohen adaptive efficiency, d. h. Sozialkapital erhöht die Anreize zu Kooperation und senkt über soziale Kontrolle die Opportunismusneigung, daneben kann eine hohe Diffussionsgeschwindigkeit von Informationen realisiert werden.554 Die Berücksichtigung des organisatorischen Kontextes555 und der Aufgabenanforderungen, z. B. der Komplexität des verarbeiteten Wissens,556 ist wesentlich für die Beurteilung der Auswirkung individueller Netzwerkpositionen (z. B. Karriereerfolg) auf Kooperation, mithin für das Verständnis der emergenten Eigenschaften des Netzwerkes. Festzuhalten ist, dass dicht genüpfte, soziale Netzwerke eine hohe reachability aufweisen und damit eine leichtere Diffusion von Werten und Normen als Bindemittel der Unternehmenskultur erfolgen kann.557
Die soziologische Forschung hat mit soziometrischen Analysen558, in denen Beziehungsnetzwerke („Soziogramme“) sichtbar und messbar gemacht wurden, einen akteurszentrierten Netzwerkbegriff favorisiert559, der den Aspekt der Beziehungen als nachrangig einstuft. Dass Relationen aber auch überindividuell eine Potentialität aufweisen, ist daran ablesbar, dass Beziehungen zwischen Akteuren durch Vertrauensinvestition aufgebaut werden müssen, dass sie bei längerer Inaktivität der Beteiligten reaktiviert werden müssen und bei fehlender Pflege degenerieren können. Die Relationen sind also als veränderlich zu betrachten, Individuen haben an dem durch die Netzwerkbeziehungen repräsentierten Sozialkapital Teil, sind aber mit diesem nicht identisch.
Einen ähnlichen Argumentationsgang verfolgt Aderhold, wenn er feststellt, dass auch die Elemente und Relationen wiederum aus Relationen bestehen, dass sie „veränderliche Kopplungsverhältnisse“ darstellen, „an denen Akteure (Individuen, Organisationen) partizipieren können, 553 554 555 556
557 558 559
Vgl. grundlegend Brass/Burkhardt (1992), zit. n. Milton/Westphal (2005), 194. Vgl. den Jans (2003) und Riemer (2006). Vgl. Burt (2000b). Vgl. Hansen (1999). Starke Beziehungen eignen sich danach besser zum Austausch von komplexem Wissen zwischen den Aufgabenträgern, während schwache Beziehungen den Austausch kodifizierten, standardisierten Wissens begünstigen. Vgl. Kilduff/Tsai (2003), 32. Vgl. zu einer Übersicht über Kennzahlen zur quantitativen Beschreibung von Netzwerken Anhang 2. Vgl. Nahapiet/Goshal (2000), 121 f. Da aber explizit „social units“ als Referenzpunkt des Sozialkapitals genannt werden, sind z. B. auch Gruppen als Träger von Sozialkapital eingeschlossen.
Relationale Beschreibung der Konziliaren Organisation (Beziehungen)
175
die aber nicht mit diesen verwechselt werden sollten“560. Er plädiert daher für einen interaktionsorientierten Netzwerkbegriff, in dem die Erreichbarkeit des Netzwerks für den Einzelnen durch Zugangsschranken („Interaktionskonstellationen“) reguliert ist. Dem Netzwerkbegriff wird das Potential zugeschrieben, das Mikro-Makro-Problem zu lösen, d. h. die Integration zwischen Akteuren und sozialen Strukturen, zu erreichen. Die Erwartung, dass das gelingt, kann damit begründet werden, dass soziale Strukturen nicht mehr als Konstante behandelt, sondern mittels der Theoriefigur der sozialen Einbettung (embeddedness) als Ergebnis aktuell realisierter Beziehungen angesehen werden.561
Es ist an den Forschungsstand der Soziologie anzuknüpfen, der in Bezug auf soziale Netzwerke am ausgereiftesten vorliegt. Dass sich die quantitative soziale Netzwerktheorie bisher auf die Weiterentwicklung ihrer Methoden und Instrumente und auf die Klärung der Kontextfaktoren für die Entstehung von Sozialkapital konzentriert hat, zeigt, dass noch Klärungsbedarf bezüglich der Modellzusammenhänge besteht. Es ist festzustellen, dass zur Koordination des Verhaltens in Netzwerken noch zu wenig Erkenntnisse vorliegen. Fehlende Erkenntnisse zur Steuerung sozialer Netzwerke und zu den Kostenwirkungen unterschiedlicher Ausprägungen von Netzwerkmaßen wie Zentralität, Dichte und Interaktionshäufigkeit562, stellen eine breite Forschungslücke dar.563 Während die Institutionenökonomie die Vorteilhaftigkeit von Organisationen zur Abwicklung von Transaktionen residual aus dem Tatbestand des Marktversagens erklärt, spricht ein wachsender Indizienbestand aus der Netzwerktheorie für die Existenz von Transaktionskostenvorteilen, welche die Wahl des institutionellen Settings des Unternehmens begründet. So weisen Nahapiet und Goshal auf drei Vorteile der organisatorischen Transaktionsabwicklung hin.
560 561 562 563
564
Interdependenz ist aufgrund des praktizieren hohen Grades an Arbeitsteilung ein wesentliches Charakteristikum von Organisation. Die folgerichtig erforderlichen Maßnahmen zur Koordination fördern das Entstehen organisational verankerter Formen von Sozialkapital. Sozialkapital in Organisationen gewährt eine Prämie auf kooperatives Verhalten, indem Kooperationsgewinne nicht für einzelne Mitglieder, sondern für das Netzwerk insgesamt realisiert werden können. Organisationen bieten darüber hinaus eine Transaktionsatmosphäre „for sustained interaction, conversations, and sociability - both by design and by accident."564
Aderhold (2004), 99. Vgl. Aderhold (2004), 99 und 130. Vgl. zu einer Übersicht über Kennzahlen zur quantitativen Beschreibung von Netzwerken Anhang 2. Vgl. auch Ricken (2005), 40. Vgl. aber zu Ansätzen auf dem interorganisatorischen Bereich wie dem Netzwerkcontrolling und der Netzwerkregulation Weber (2005) sowie Windeler (2001) und Sydow/Windeler (2000). Nahapiet/Goshal (2000), 144.
176
Beschreibung der Konziliaren Organisation
Die hohe Interaktionsdichte in Organisationen kann damit als Investition in die institutionelle Erzeugung und Aufrechterhaltung eines engmaschigen Netzwerks und die hierdurch verfügbaren Ressourcen aufgefasst werden.
In organisationalen Netzwerken können sich aufgrund ihrer Geschlossenheit Normen, Identität und Vertrauen herausbilden, die einen Zugang zu den relationalen und kognitiven Aspekten von Sozialkapital bieten, die Märkten aufgrund ihres offenen Charakters verwehrt bleibt.
Sozialkapital als kontextuelles Komplement zu Humankapital ist eine Determinante der Rendite der Humankapitalinvestitionen (z. B. in Bildung oder Weiterbildung), da die Stellung eines Mitarbeiters, z. B. eines Managers, in der Sozialstruktur eines internen Marktes oder eines hierarchischen Gefüges darüber mitbestimmt, welchen Spielraum er als „Broker“ von Informationen und Ressourcen einnehmen kann.565 Die „Brokerage“-Funktion eines Managers ermöglicht diesem z. B. die Realisation einer Kostenersparnis gegenüber der hierarchischen Koordination durch Überbrückung von nur lose verbundenen Teilen des Unternehmens (structural holes) und damit eine Optimierung seines Ressourcenzugangs und der Informationsflüsse im Unternehmen. Burt zufolge realisieren Manager, die über eine nicht-redundante Netzwerkstruktur verfügen, Vorteile hinsichtlich des Informationszugangs (access benefits) und der frühzeitigen Erkennung von Gelegenheiten zur Verknüpfung bisher unverbundener oder schwach verbundener Teile des Netzwerks (timing effects). Eine günstige Position im Netzwerk führt auch dazu, dass Manager mit größerer Wahrscheinlichkeit durch andere Teilnehmer zur Komplettierung ihres Netzwerks ausgewählt werden (referral benefits)566, das Netzwerk damit dichter und die individuelle Netzwerkposition optimiert wird.
5.4.3
Zusammenfassende Schlussfolgerungen
Die Abstraktion vom Kontext des Sozialkapitals läuft Gefahr, die nicht intendierten, zumindest ambivalenten Effekte von Sozialkapital zu ignorieren. Wie Moldaschl betont, führt eine kontextfreie Ableitung von Einflussfaktoren in einigen Sozialkapitalkonzeptionen zu einer Sichtweise „Je mehr Sozialkapital, desto besser“. Eine Ausnahme bildet die in der sozialen Netzwerkforschung intensiv betriebene Forschung zum Kontextbezug des Sozialkapitals unter dem
565 566
Vgl. Burt (2000a), 256. Vgl. Burt (2000a), 258.
Relationale Beschreibung der Konziliaren Organisation (Beziehungen)
177
Begriff der embeddedness.567 Die fehlende Verknüpfung der betriebswirtschaftlichen Netzwerk- und Institutionenforschung mit der soziologischen Netzwerkforschung ist insofern verwunderlich, als sich in den Wirtschaftswissenschaften mit der structural embeddedness der Institutionenökonomie ein direktes Äquivalent zum Konzept der Einbettung von Sozialkapital findet.568 Die Rekrutierung neuer Mitglieder kann zu einer Intensivierung der Netzwerkelemente und einer verstärkten Interaktion der Netzwerkmitglieder führen und so die Akkumulation von Sozialkapital begünstigen. Die Eignung der Konziliaren Organisation zum Aufbau von Sozialkapital ist unterschiedlich für die einzelnen konziliaren Strukturformen einzuschätzen. Es ist davon auszugehen, dass der Aufbau von Sozialkapital insbesondere in Distanzkonzilen, wie sie in Form tele-medial gestützter, virtueller und globaler Teams vorliegen, wesentlich schwerer umzusetzen ist als in Präsenzkonzilen, die an das Kriterium der Anwesenheit aller Betroffenen in face-to-face-Kontakten gebunden sind. Hervorzuheben ist, dass diese Arbeit sich einer kontextunabhängigen Beurteilung von Sozialkapital nicht anschließt, d. h. es kann nicht aus der Existenz eines Netzwerks aus Beziehungen auf die Existenz von Sozialkapital als wertvoller Ressource eines Unternehmens geschlossen werden. Sozialkapital entfaltet seinen Nutzen erst in Abhängigkeit von seiner Verwendungsform (Pflege von Beziehungen vs. Nichtnutzung), von der organisatorischen Einheit, in der es verortet ist (z. B. Kohäsion in einer Gruppe, gleichzeitig aber Ausschluss anderer potenzieller Mitglieder) und in Abhängigkeit vom Umfeld, in das das Netzwerk integriert ist. Die in einigen Studien fehlende explizite Bezugnahme auf den Kontext, der Sozialkapital hervorbringt, und die unzulässige Vereinfachung, wenn angenommen wird, Sozialkapital sei aufgrund seiner bloßen Existenz als vorteilhaft einzuschätzen, wiederholen den schon beim Ressourcenbasierten Ansatz aufgetretenen Fehlschluss, Ressourcen stellten unabhängig von ihrer faktischen Verwertung einen Wettbewerbsvorteil dar. Stattdessen ist klar zwischen Ressourcen und Fähigkeiten und deren Gebrauch zu unterscheiden.569 Hier ist der Zusammenhang zur Kompetenzperspektive zu sehen, die nicht nur an der Potentialität von Qualifikationen, sondern an deren Kombination mit Technologie und Marktfaktoren mit dem Ziel der Umsetzung in Kompetenz interessiert ist.
Für die Konfiguration der Konziliaren Organisation bestätigt sich die Vorteilhaftigkeit einer gruppenbasierten Struktur, da diese Gelegenheit zu identitätsbestätigenden Interaktionen und zur Ausübung von Broker-Funktionen im Beziehungsnetzwerk gibt. Bei der Zusammenset567
568
569
Vgl. die kurze Abhandlung der Kontextlosigkeit der Sozialkapitalforschung bei Moldaschl (2007), 216 f. Vgl. näher zur Einbettung von Sozialkapital Burt (2000a) und zur Ambivalenz des Sozialkapitalbegriffs Adler/Kwon (2000). Die Anerkennung der Parallelität zwischen soziologischer und institutionenökonomischer Einbettung von Transaktionen durch Williamson berichtet Döring (2001), 85. Vgl. Moldaschl (2007), 216.
178
Beschreibung der Konziliaren Organisation
zung der Konzile mit der Doppelfunktion des Ratens und Beratens ist unter Berücksichtigung der dargestellten Ambivalenz der Diversität der Aufgabenträger (Konflikte und Synergien) zu berücksichtigen, dass sowohl generalistische Qualifikationen, z. B. Kommunikationskompetenz als ‚kommunikativer Slack’, vorgehalten werden (Raten) als auch Spezialisierung, z. B. im Rahmen einer Fachkarriere, erfolgt (Beraten). Die Erhöhung der Interaktionsdichte im ‚geschützten’ Rahmen der Konziliaren Organisation gibt Gelegenheit zum Aufbau von relationalem Sozialkapital und ermöglicht ‚Probehandeln’ zum pfadbrechenden Verlernen obsolet gewordener Routinen und zur Einübung neuer Lösungsverfahren. Da Sozialkapital ein relationales Konstrukt mit dem Charakter eines öffentlichen Gutes darstellt, sind organisationale Sicherungen vorzusehen, die dessen opportunistische Übernutzung oder Zweckentfremdung verhindern. Sichernd wirken sich der Aufbau von Reputation aus und die durch das Netzwerk ausgeübte soziale Kontrolle, da abweichendes Verhalten sanktioniert wird, indem es mit dem Verlust der gegenwärtigen und der zukünftigen Netzwerkbeziehungen einhergeht. Zusammenfassend bestehen die Differenzmerkmale, die es rechtfertigen, von einem Idealtyp und nicht lediglich von einer quantitativen Variation bestehender klassischer oder postmoderner Organisationsformen zu sprechen, in der spezifischen Ausprägung der Elemente Person, Struktur, Prozess und Beziehungen. Nicht die Tatsache, dass sich Kommunikation in der Konziliaren Organisation verstärkt vollzieht, sondern deren Verknüpfung mit spezifischen Kompetenzanforderungen (Personen) und einer Doppel-Struktur aus ratenden und beratenden Experten, die sich durch Selbstorganisation austauschen (Struktur), kennzeichnen die Konziliare Organisation. Die Nutzung von Kommunikation als Koordinationsinstrument und „Baumaterial“ der Organisation (Prozesse) und das durch Kommunikation aufgebaute relationale und strukturale Sozialkapital (Beziehungen) wurden als weitere Bestandteile ausgeführt. Die nicht kontextfreie Konzeption von Sozialkapital hat zur Folge, dass bei Aufbau und Pflege der konziliaren Beziehungen mit Kommunikationskosten, aber auch mit ‚communication economies’, mit Skalenerträgen aus Kommunikation, zu rechnen ist, die in die nachfolgende Optimalitätsbetrachtung einzubeziehen sind. Die erarbeiteten Erkenntnisse werden im Anschluss mithilfe eines transaktionkostentheoretischen und eines systemtheoretischen Rationalitätsbegriffs validiert (Kapitel 6).
Vorüberlegungen zum Ziel- und Effizienzbegfriff
179
6. Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung 6.1
Vorüberlegungen zum Ziel- und Effizienzbegriff
Im Anschluss an das institutionenökonomische Kalkül der discrete structural alternatives und das systemtheoretische Konzept der strukturellen Äquivalente sowie der Erkenntnis folgend, dass die Prüfung der Eignung einer Organisationsstruktur einen Vorteilhaftigkeitsmaßstab erfordert, wird im Folgenden auf Optimalitäts- und Effizienzaspekte der Konziliaren Organisation eingegangen. Optimalität, soll sie realistischerweise als relative, nicht globale Optimalität verstanden werden, muss den Zusammenhang zum Zielsystem des Unternehmens berücksichtigen. Bestandserhaltung und Überleben des Systems Organisation erscheinen jedoch als zu global formulierte Ziele570 und werden den differenziellen internen und externen Leistungsanforderungen an das System nicht gerecht. Da Transaktionskosten den Anforderungen an Beurteilungskriterien, im Einzelnen Eindeutigkeit, Operationalisierbarkeit, Konsistenz und Erreichbarkeit, weitgehend entsprechen und diese über den Maßstab der Effektivität eine Referenzgröße für den Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele einschließen571, sollen diese als valides Kriterium der Effzienzbetrachtung verwendet werden.
Die Messung einer Organisationsstruktur an einem Effizienzmaßstab wird durch das zugrundeliegende Wissenschaftsparadigma beeinflusst. Während Effzienz in der traditionellen Organisationswissenschaft und Betriebswirtschaft als Input-Output-Relation beschrieben wird, kann aus postmoderner Sicht Effizienz definiert werden als „Fähigkeit einer Organisation, differenzierte Ansprüche, Ressourcen und Werte zu integrieren, ohne dabei einzelne Teilnehmer auszuschließen, zu unterdrücken oder zu marginalisieren.“572 Dieser Effizienzmaßstab der Postmoderne formuliert implizit eine als optimal angesehene Verteilung573, ist aber in seinem globalen Zuschnitt unoperational.
570
571
572 573
Vgl. auch Kirsch (1992), 23, der den Ersatz des unscharfen Ziels der „Überlebensfähigkeit“, wie es in der Theorie offener Systeme („open systems“-Paradigma) angenommen wird, durch operationalere Ziele wie „Fortschritt“ und „Entstehung des Neuen“ als Leistung der Theorie sozialer Systeme betrachtet. Ähnlich definiert Schloderer „Erhaltung“, „Entwicklung“ und „Wachstum“ als Ziele von Wissensunternehmen, zu denen operative Unternehmensziele und Ziele der „Wissensträger“ in einer Zweck-Mittel-Beziehung stehen, vgl. Schloderer (2005), 134. Vgl. Stein (1998), 98 f. Vgl. zur Operationalisierbarkeit und dem empirischen Bewährungsgrad des Transaktionskostenkonzepts Masten (1996). Holtbrügge (2001b), 131. Vgl. zu den Werturteilen, die implizit ökonomischen und ökologischen Indizes zugrunde liegen, Wagner/Voigt (2006). Die Gleichverteilung von Merkmalen in der Organisation (z. B. gleicher Anteil von Minoritäten auf allen Hierarchieebenen) oder eine gleiche Teilhabe an Ressourcen (z. B. durch Förderprogramme für benachteiligte Gruppen) sind mögliche Ziele eines primär an Antidiskriminierung ansetzenden, rudimentären Diversity Management.
180
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
Es bleibt unklar, wie anhand eines solchen Messkriteriums eine Organisationsstruktur als mehr oder weniger effizient eingestuft werden kann, ohne einen großen Anteil Subjektivität und Willkür zuzulassen. Im Folgenden wird zwischen ökonomischer und sozialer Effizienz unterschieden. Ökonomische Effizienz kann wie folgt definiert werden:
Ökonomische Effizienz ist die Relation zwischen Leistung und Kosten.574
Soziale Effizienz kann z. B. anhand von Indikatoren erfasst werden, für die Schloderer in Anlehnung an Marr/Stitzel folgende Surrogatgrößen vorschlägt575 und die einen Maßstab für die der sozialen Effizienz implizit eingeschriebenen Mitarbeiterziele darstellen:
Tabelle 10: Indikatoren der sozialen Effizienz
Zu vermeidende Nachteile: Beeinträchtigungen durch die organisatorische Tätigkeit Gesundheitliche Schäden Schädigung der Persönlichkeit Zu realisierende Vorteile: Existenzsicherung/Ermöglichung eines angemessenen Lebensstandards Verwirklichung/Entwicklung individueller Fähigkeiten Freiheitsräume und Selbstbestimmungsmöglichkeiten Anerkennung, Erfolg und Einfluss Sozialer Kontakt und angenehmes Organisationsklima
574 575
Vgl. mit Bezug auf den Personalbereich Marr/Stitzel (1979), 70, zit. n. Schloderer (2005), 137. Genau genommen erfasst der aufgeführte Katalog Effizienzziele, die aber nicht den Teilkomponenten der Effizienz, Leistung und Kosten, zugeordnet werden. Schloderer bezeichnet sie daher auch als deduktiv ermittelte soziale Effizienzziele, vgl. Marr/Stitzel (1979), 72, zit n. Schloderer (2005), 145.
Transaktionskostentheoretische Rationalität
181
Die ökonomische Effizienz wird auf Basis noch zu bestimmender Kostenarten in Kapitel 6.2 fundiert und auf die Problemstellung bezogen. Dort erfolgt auch eine Diskussion des zugrundegelegten Konzepts der sozialen Effizienz, das im Unterschied zur oben genannten, qualitativen Erfassung, in einer Kostengröße erfasst werden soll, so dass Anschlussfähigkeit an die Kostengrößen besteht, die die ökonomische Effizienz beeinflussen. Einige der genannten Faktoren gehen aber indirekt in die soziale Effizienz ein, so findet sich der Aspekt ‚Freiheitsräume und Selbstbestimmungsmöglichkeiten’ in Form von Entscheidungsspielräumen und der Faktor ‚sozialer Kontakt und angenehmes Organisationsklima’ in Form von Kommunikationsmöglichkeiten wieder, die bei suboptimaler Ausprägung zu Motivations- und Koordinationskosten führen.576
Das auf Transaktionskosten basierende Effizienzkonzept als Maßstab ökonomischer Rationalität (Kapitel 6.2.) wird in Kapitel 6.3 durch Überlegungen zum systemtheoretischen Optimalitätsbegriff (unter anderem „systemische Rationalität“) flankiert. Eine abschließende Betrachtung zur Komplementarität bzw. Rivalität der Kategorien in Kapitel 6.3.2 schließt die Überlegungen ab.
6.2
Transaktionskostentheoretische Rationalität
6.2.1
Effizienz formaler und informaler Kommunikation
Transaktionskosten schließen neben den für die marktliche Durchführung von Transaktionen anfallenden Kosten (z. B. für Vertragsanbahnung und Vertragsabschluss, Ablauforganisation), auch die Kosten für die Gestaltung der innerbetrieblichen Organisation, z. B. der Aufbauorganisation, ein.577 Für die Effizienz der Wissensteilung durch Kommunikation hat Sukowski die Effizienzwirkung von drei Formen der Unternehmenskommunikaton (Individuum zu Individuum (1:1), Individuum zu Team (1:Team) und Individuum zu Organisation (1:n)) empirisch untersucht. Während mit der individuellen Kommunikation (z. B. Erfahrungsaustausch unter Kollegen) im Vergleich zur organisationsweiten Erfahrungsweitergabe, z. B. über das Intranet, höhere Ausführungskosten und ein unverhältnissmäßig großer „time lag“ in der Wissensverbreitung (In576
577
Vgl. zu den betrachteten Kostenarten und korrespondierenden Ausprägungen Abschnitt 6.3.1. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Mitarbeiter und Unternehmen teilweise konfliktäre Ziele verfolgen können (z. B. steigender Wert von Wissen für das Unternehmen mit zunehmendem Verbreitungsgrad vs. abnehmender Wert für den einzelnen Mitarbeiter, der Informationsmacht aufgeben muss, vgl. Sukowski (2002), 69 f.), soll hier die Unternehmenssicht eingenommen werden. Dies ist in Übereinstimmung mit der Zielpriorisierung zu sehen, die z. B. auch im Rahmen der praktischen Umsetzung der Organisationsentwicklung erfolgt, wenn die Zieldualität zugunsten eine vorrangigen Verfolgung der Unternehmensziele aufgelöst wird. Vgl. Hohberger (2001), 26.
182
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
putseite) verbunden sind, erweist sie sich als überlegen hinsichtlich der Qualität (z. B. Kontextbezogenheit) und der Bereitschaft zur Wissensteilung (Outputseite) (vgl. Tabelle 11).
Tabelle 11: Effizienzwirkung der Individual- und Kollektivkommunikation Merkmal
Kommunikationsbeziehung
Zeit
Kosten
Inputseite
Individuum-Organisation (1:Organisation)
_
&
Bereitschaft
Outputseite
Individuum-Individuum (1:1)
Individuum:Team (1:Team)
Qualität
&
&
_
&
&
&
_
Legende:
_
neutrale Wirkung ungünstige Wirkung
&
günstige Wirkung
Quelle: verändert übernommen von Sukowski (2002), 146.
Sind mit der informationstechnologischen Vernetzung Skaleneffekte der Kommunikation zu erzielen (Informationsbereitstellung nach dem „pull“-Prinzip zu geringen Stückkosten), ist als Nutzeneffekt der persönlichen (1:1)-Kommunikation zu verbuchen, dass auf Basis eines geteilten Zeichen- und Bedeutungsvorrats nur noch bei Bedarf die Bedeutung von Begriffen und Konzepten zwischen den Beteiligten zu klären ist. Anonyme (1:Organisation)-Kommunikation muss dagegen aufgrund fehlender Interaktionsmöglichkeit alle potentiell fraglichen Sachverhalte für alle einheitlich definieren.578 Neben der Akteursebene (Individuum, Gruppe, Organisation) hat die Aufbaustruktur eine Auswirkung auf die Effizienz der Kommunikationsbeziehungen, dabei ist in Übereinstimmung 578
Vgl. Sukowski (2002), 86 f. Für die 1:Team-Kommunikation ist die Datenlage der genannten Untersuchung nicht ausreichend, um valide Interpretationen vorzunehmen. Sukowski verweist hier nur auf Befragungsergebnisse zur individuellen Bereitschaft, Wissen mit einer Gruppe zu teilen. Danach leitet sich die Bereitschaft zur Kooperation aus dem gemeinsamen Gruppenziel her, so dass das Motiv „Altruismus“ nicht in vergleichbarem Umfang wie in der 1:1-Kommunikation im Vordergrund steht. Das Motiv, sich in der Gruppe Anerkennung zu erwerben, determiniert die Kooperationsbereitschaft eher in der „Forming“-Phase der Gruppenbildung. Dass Sukowski die 1:Team-Kommunikation gegenüber der 1:1-Kommunikation kostengünstiger einschätzt, kann mit der Multiplikatorwirkung von Gruppen begründet werden.
Transaktionskostentheoretische Rationalität
183
mit der gewählten Definition der Organisationsstruktur579 ein formaler und ein informaler Strukturaspekt zu berücksichtigen, die sich unterschiedlich auf die Effizienz der Aufgabenerledigung auswirken und entsprechend abweichende Kostenwirkungen nach sich ziehen können. Basale Kommunikationsaspekte betreffen den „informalen“ Aspekt der Gruppenbildung und Interaktion. Kostenauswirkungen sind aufgrund des fehlenden Steuerungszugriffs schwer zu ermitteln.580 Die formale Seite der Gruppenarbeit betrifft die Auswirkung formaler Kommunikationsnetze auf die Effizienz der Aufgabenerledigung in der Gruppe. Es ist zwischen der Gruppenstruktur, die diese bei Selbstorganisation in unterschiedlichem Ausmaß selbst bestimmen kann, und der ‚offiziellen’ Konfiguration der Kommunikationsbeziehungen zu unterscheiden. Die durch die Gruppe gewählte Struktur betrifft die arbeitsteilige Verarbeitung von Informationen mithilfe von Kommunikation, die hinsichtlich ihrer Effizienz beurteilt werden kann. Die Konfiguration dagegen ist als Aufbaustruktur vorgegeben und restringiert die möglichen kommunikativen Austauschvorgänge in der Gruppe, was als Beispiel des arbeitsteiligen Zusammenwirkens zwischen Selbstorganisation und Fremdorganisation angeführt werden kann. Guetzkow/Simon haben durch experimentelle Simulationen mit Problemlösegruppen nachgewiesen, dass kein direkter Zusammenhang zwischen der Konfiguration eines Kommunikationsnetzes (vgl. Abbildung 28) und der Effizienz der Aufgabenbearbeitung besteht.
Totalstruktur:
Rad:
Kreis:
Ungehinderte Kommunikation der aufgabenrelevanten Information „von Jedem zu Jedem“
Informationsaustausch nur mit einer vorgegebenen Zentrale
Informationsaustausch nur mit den unmittelbaren Nachbarn
Abbildung 28: Kommunikationsfluss in verschiedenen Netzwerkkonfigurationen Quelle: i. A. a. Guetzkow/Simon (1955), 237.
579 580
Vgl. Kapitel 5.1.1. So beschränkt sich die Forschung auf die Erfassung von Kommunikationsnetzwerken, z. B. mittels Graphen in der sozialen Netzwerkanalyse, und auf die Erfassung qualitativer Aspekte, z. B. mittels Inhaltsanalyse in der Tradition der „grounded theory“ der gruppendynamischen Forschung.
184
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
In einer experimentellen Aufgabe, deren Gegenstand die Sammlung von Teilinformationen von unterschiedlichen Individuen und deren Verwendung in der Entscheidungsfindung durch die Gruppe war und die damit den tatsächlich auftretenden Aufgaben in der betrieblichen Zusammenarbeit nahe kam, konnte gezeigt werden, dass die mit einer bestimmten Netzwerkstruktur verbundene Struktur der Kommunikationsbeziehungen581 nicht, wie in vorhergehenden Studien unterstellt, einen direkten, sondern einen indirekten Einfluss auf die Kommunikationseffizienz ausübt. Als vermittelnder Faktor (intervenierende Variable) konnte die Fähigkeit der Teilnehmer nachgewiesen werden, sich in Selbstorganisation582 der optimalen Struktur der Kommunikationsbeziehungen anzunähern. Außerdem konnte die Annahme früherer Studien widerlegt werden, dass eine Verminderung der Restriktionen bezüglich der Kommunikationsstruktur eine Erhöhung der Effizienz zur Folge habe. Danach müsste die Totalstruktur, in der jeder Teilnehmer ungehindert mit allen anderen Teilnehmer Informationen austauschen kann, die effizienteste Struktur sein. Stattdessen ergab sich bei Guetzkow/Simon bezüglich der Geschwindigkeit, mit der eine optimale Selbstorganisation herbeigeführt werden konnte, folgende Reihung:
Rad > Totalstruktur > Kreis
Die am stärksten eingeschränkte Struktur (das Rad) wies damit die höchste Effizienz bei der Selbstorganisation auf. Hieraus ist für die folgenden Überlegungen abzuleiten, dass nicht ein Höchstmaß an hierarchieübergreifender und lateraler Kommunikation, sondern das strukturell und situativ angemessene Maß aufzusuchen ist. Strukturelle Einschränkungen wie zentrale Stellen (im Beispiel der zentrale „hub“ zur Informationsbündelung) sind dabei vorzusehen, fremdorganisatorische Regelbindung muss die Selbstorganisation ergänzen und limitieren.
Zur Beurteilung der Optimalität einer partiellen Substitution der hierarchischen internen Organisation durch eine konziliare Struktur soll auf die im basistheoretischen Grundlagenteil dar-
581
582
Untersucht wurde die Effizienz der Kommunikation von Gruppen, die als unrestringierte Totalstruktur, als schwach restringierter Kreis und als stark restringiertes Rad konfiguriert waren. Während die Gruppenstruktur vorgegeben war, war die optimale Selbstorganisation neben der eigentlichen Problemlösung Teil der Gruppenaufgabe. Effizienz wurde durch die durchschnittlich benötigte Zeit gemessen, bis sich die Gruppe dem effizienten Kommunikationsmuster der 2-bzw. 3-stufigen Hierarchie annäherten. Diese Organisation ist durch eine optimale Lösung der drei durch die Gruppen zu leistenden Organisationsaufgaben geprägt: 1) Etablierung von Schlüsselpersonen in einem nicht-symmetrischen Kommunikationsnetz (fehlende Symmetrie prägt z. B. das „Rad“, da die zentrale Spitze („hub“) eine bevorteilte Platzierung gegenüber den untergeordneten Einheiten („spokes“) aufweist), 2) die Organisation der als „Relais“-Stationen fungierenden Personen, und 3) die Nichtnutzung überflüssiger Kommunikationswege. Der Begriff der Selbstorganisation wird von Guetzkow/Simon (1955) nicht explizit gebraucht, er erscheint hier aber angemessen, da die Gruppen in ihren Anpassungsvorgängen zur optimalen Struktur der Informationsweitergabe keine zentralen Vorgaben bekamen und auch keine Sprecherperson bestimmt worden war.
Transaktionskostentheoretische Rationalität
185
gestellten Überlegungen der Transaktionskostentheorie analogiebildend Bezug genommen werden. Von der Notwendigkeit einer analogen, nicht in direkter Übertragung erfolgenden, Anwendung der Transaktionskostentheorie ist auszugehen, da sich innerhalb des Analyserasters Markt-Hybrid-Hierarchie kein direktes Korrelat zur Konziliaren Organisation finden lässt. Diese ist in die genannte Dreiteilung nicht direkt einzuordnen, da die “mittlere” Institutionsform der intermediären Organisation in der Transaktionskostentheorie auf der zwischenbetrieblichen Ebene angesiedelt wird, z. B. in Form von Verhandlungen zwischen Unternehmen, die in einer Wertschöpfungspartnerschaft zueinander stehen. Ein auf der Ebene der zwischenbetrieblichen Beziehungen etabliertes Instrument, das auf den innerbetrieblichen Kontext jedoch unter Angabe der Anwendungsbedingungen übertragbar ist, ist das Koordinationsinstrument der (diskursiven) Verhandlung, auch als laterale Koordination, Selbstorganisation oder Selbstkoordination bezeichnet. Diskursive Verhandlung wird zur Steuerung von Gruppen aus Mitarbeitern eingesetzt, die z. B. aus unterschiedlichen funktionalen Bereichen stammend Koordinationsaufgaben wahrnehmen, teilweise Entscheidungsbefugnisse in der Gruppe, z. B. über Arbeitszeitmodelle, wahrnehmen oder als Projektgruppen fungieren.583 Dem Coase-Theorem584 zufolge sind durch diese Form der Koordination gegenüber der zentralen hierarchischen Steuerung dann Effizienzgewinne zu erzielen, wenn durch Kopplung des Verhandlungsergebnisses an die Entlohnung ein Anreiz zur Teilnahme und effizienten Durchführung der Verhandlung besteht und die Kosten der Implementierung der Verhandlungslösung und für die Abwicklung der Verhandlung nicht zu hoch sind.
6.2.2
Begriffliche Einordnung vor dem Hintergrund der Transaktionskostentheorie
Im Anschluss an die in Kapitel 5 zugrundegelegte Systematik aus Struktur, Prozess, Person und Beziehungen, sollen neben „harten“ Einflussfaktoren auf die Höhe der Transaktionskosten wie den Charakteristika der Organisationsstruktur (z. B. Delegationsgrad) und der Transaktion (z. B. Humankapitalspezifität) auch „weiche“ Faktoren Berücksichtigung finden, die üblicherweise nicht in die Transaktionskostenanalyse eingehen, die gleichwohl aber relevant sind. Es ist davon auszugehen, dass Kommunikation in Verbindung mit der gewachsenen Beziehungsstruktur einen Kosteneinflussfaktor darstellt, d. h. dass Kontrollkosten, Abwicklungskosten und Anpassungskosten durch intakte Beziehungen gesenkt werden können.585 Begründen lässt sich die Kostenwirkung damit, dass langfristige Beziehungen Vertrauen erzeugen, Kontrolle obsolet werden lassen und über gestiegene Mitarbeiterzufriedenheit zu einer Abnahme 583 584 585
Vgl. hierzu und zum Folgenden Jost (2000), 345 ff. Vgl. zur Theorie der Verfügungsrechte grundlegend Coase (1937). Vgl. Wiegran (1993), 66, die zusätzlich zur Aufgaben- und Organisationsstruktur die „Beziehungsstruktur“ als Kosteneinflussgröße identifiziert und ihre Relevanz anhand der Beispiele Rekrutierung, Wissensaustausch, Konfliktmanagement und Vertragsanpassungen demonstriert.
186
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
der Fluktuationsrate beitragen können. Weiter ist die Bereitschaft zur Wissensteilung, z. B. zur gegenseitigen Beratung der „peers“, und zur Lösung von Konflikten höher, wenn die Aufgabenträger Beziehungen aufbauen konnten, die sie in den folgenden Interaktionen nutzen können. Reziprozität, die bei hoher Transaktionshäufigkeit relevant wird, und Reputationseffekte im Umgang der Mitarbeiter untereinander erhalten einen Stellenwert, der anonymen, punktuellen Markttransaktionen fehlt.586 Gruppenarbeit, obgleich in Unternehmen vor allem in der Experimentierphase vorrangig zur Kostensenkung, z. B. aufgrund des flexiblen Arbeitseinsatzes, eingeführt587, ermöglicht daneben die Realisierung von menschlichen Bedürfnissen nach Abwechslung, ganzheitlichen Tätigkeitszuschnitten, Zusammengehörigkeit und sozialer Unterstützung.588 Relationale Signale wie kooperatives Verhalten führen über soziale Anerkennung zur Senkung des Opportunismusrisikos und begünstigen fortgesetzte Interaktionen im „Superspiel“ der organisationsinternen Zusammenarbeit.589
Methodisch sind die nachfolgenden Überlegungen zur Optimalität der Konziliaren Organisation in eine Reihe mit betriebswirtschaftlichen Untersuchungen zu stellen, die meist als Kostenvergleiche bezeichnet werden, obwohl keine absoluten, quantifizierten Kostengrößen den Vergleichspunkt bilden. Aufgrund von methodischen Problemen der Operationalisierung können in diesen Untersuchungen nur auf Plausibilitätsannahmen gestützte Tendenzaussagen – Frese spricht von Wirkannahmen590 – über die Kostenwirkung einer aufbauorganisatorischen Maßnahme oder eines Koordinationsinstruments gemacht werden. Zur Begründung des Vorgehens werden der geringe pragmatische Nutzen einer zur Quantifizierung der Kosten erforderlichen restriktiven modelltheoretischen Betrachtung591 und Messprobleme bei der empirischen Überprüfung angeführt. Die Bestimmung der absoluten Höhe der Transaktionskosten bereitet Probleme, weil weder in der internen noch der externen betrieblichen Rechnungslegung den Transaktionskosten entsprechende Kostengrößen, z. B. Koordinationskosten oder die in diesen enthaltenen Opportunitätskosten, erfasst werden. Daher ist ein Rückgriff auf Indikatoren erforderlich, die eine Tendenzaussage über die Ausprägung der Transaktionskosten erlauben.592 Diese Indikatoren wurden im Grundlagenkapitel zur Transaktionskostentheorie mit
586 587 588 589 590
591 592
Vgl. Wiegran (1993), 66. Vgl. Rosenstiel v. (2004), 388. Vgl. Rosenstiel v. (2004), 390. Vgl. Lindenberg (1996), 134. Frese leitet aus der Präskriptivität seines Ansatzes des Effizienzvergleichs ab, dass „der empirische Beweis der unterstellten Wirkungen im strengen Sinne nicht zu erbringen ist.“ Frese (2005), 106. Vgl. Thom (Hsrg.) (1989), 145. Vgl. Stein (1998), 66.
Transaktionskostentheoretische Rationalität
Transaktionshäufigkeit
Transaktionsunsicherheit
Transaktionsspezifität, insbesondere Humankapitalspezifität
187
angegeben. Die Verhaltensannahmen des Opportunismus und der begrenzten Verarbeitungskapazität stellen Randbedingungen des zu bestimmenden Optimums (des optimalen institutionellen Arrangements) dar. Als Transaktion wird hier der Vollzug von Kommunikation betrachtet, unabhängig davon, ob es sich um direkte face-to-face-Kontakte oder elektronisch vermittelte Kommunikation handelt. Bei beiden Kommunikationsformen erfolgt eine Einschränkung auf Kommunikation in Gruppen, da sich in diesen spezifische Interaktionsmuster vollziehen, die, neben situativen Merkmalen (räumliche Nähe und Grad der Strukturiertheit der Situation) und personalen Variablen (wahrgenommene Ähnlichkeit der Teilnehmer) Einfluss auf die Effizienz der Kommunikationsbeziehungen haben.
Lindstädt verweist am Beispiel der Berechnung des Wertes von Informationen nach dem Informationswertkalkül593 auf die fehlende Loslösbarkeit der Kostenwirkung von Institutionen vom individuellen Entscheider und damit die nicht zu leistende Generalisierung der Aussagen auf idealtypisches Entscheidungsverhalten. Gerade diese Art von Analyse, die nicht nur einen situativ beschränkten Aussagewert hat, ist aber unter dem Gesichtspunkt der Kostenwirkung unterschiedlicher Maßnahmen der Organisationsgestaltung von Interesse. Um zumindest eine tendenzielle Abwägung zwischen Alternativen anstellen zu können, wählt Lindstädt ein thesenartig verkürztes Vorgehen, das auf die explizit einbezogenen kognitiven und aufbauorganisatorischen Beschränkungen der Informationsverarbeitung und korrespondierende Kostenkategorien beschränkte, also relative Vorteilhaftigkeitsaussagen liefert.594 Hier wird ein ähnliches Vorgehen des idealtypischen Kostenvergleichs gewählt, wobei der Schwerpunkt auf die mit steigendem Beteiligungsgrad und durch den Aufbau und die Pflege kooperativer Beziehungen in Gruppen anfallenden Kosten gelegt wird. Hierzu zählen Entscheidungs-, Durchsetzungsund Konsensfindungskosten, Motivationskosten, Autonomiekosten, Informations/Kommunikationskosten und Kosten der Anreizkompatibilität („Disincentive“-Kosten), deren Einordnung in die Kostenarten der Transaktionskostentheorie im Folgenden vorgenommen wird.
593
594
Vorgeschlagen wird z. B. eine Bewertung von Informationen anhand der subjektiven Nutzenveränderung (anhand des Erwartungsnutzenkonzepts), die das Individuum durch eine Information erfährt, z. B. in Form der a posteriori-Bewertung von Information bei annahmegemäß bekannten Indikatorausprägungen (z. B. Nachfragemengen), vgl. Lindstädt (2006), 42 und 44 f. Vgl. Lindstädt (2006), 300.
188
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
6.2.3 Ableitung der relevanten Kostenarten für die Kommunikation in der Konziliaren
Organisation
Thom unterscheidet Durchsetzungs- und Konsensfindungskosten, die annahmegemäß mit steigendem Beteiligungsgrad einen gegensätzlichen Verlauf aufweisen. Die Konsensfindungskosten, definiert als Kosten der kompromisshaften Aushandlung von Lösungen und der Entscheidungsfindung, steigen kontinuierlich mit der Zahl der in Entscheidungen einbezogenen Mitarbeiter an.595 Lässt sich innerhalb einer bezüglich ihres Werte- und Zielsystems als weitgehend homogen angenommenen Gruppe von Führungskräften einer Hierarchieebene eine Entscheidung noch zu geringen Konsensfindungskosten realisieren, steigen diese annahmegemäß sprunghaft an, sobald eine weitere hierarchische Ebene in die Entscheidungsfindung einbezogen wird. Umgekehrt verhalten sich die Durchsetzungskosten, verstanden als die Kosten, die durch die Durchsetzung einer getroffenen Entscheidung entstehen. Je größer die Zahl der an einer Entscheidung beteiligten Mitarbeiter unterschiedlicher hierarchischer Ebenen, desto geringere Kosten durch Effizienzverluste aufgrund von Widerstand und zur Bekanntmachung und Kontrolle der getroffenen Entscheidung sind zu erwarten. Auch wenn die argumentative Auseinandersetzung im Konzil zu einer verbesserten Zielerreichung beitragen kann, da die analytische Lösungsfundierung und die Akzeptanz der getroffenen Entscheidung steigen, kann es dennoch angezeigt sein, nicht ein maximales Maß an Interaktionshäufigkeit und –dauer, sondern ein mittleres Maß anzustreben. Unter dem Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkt ist zwischen den steigenden Aushandlungskosten und dem Nutzen fundierterer Entscheidungsfindung abzuwägen, da sich eine übermäßige Vernetzung durch steigende Beteiligung effizienzsenkend auswirken kann.596
Zwei lokale Minima ergeben sich bei ausschließlicher Einbeziehung der genannten Kostenarten, so dass auf zwei gleichwertige Strategien der Entscheidungsfindung geschlossen werden kann. Zum einen kann die Strategie des engen Zirkels gewählt werden, die nur einen kleinen Kreis von Mitarbeitern einbezieht und sich aufgrund der geringen Konsensfindungskosten empfiehlt. Der andere Extremfall ist die umfassende Beteiligung, die aber noch unter dem theoretischen Grenzfall der Beteiligung sämtlicher betroffener Mitarbeiter liegt, und die ihren Vorteil aus der Einbeziehung einer kritischen Masse von Mitarbeitern bezieht. Die Durchsetzungskosten können ausreichend gesenkt werden, um die steigenden Konsensfindungskosten zu kompensieren (vgl. Abbildung 29).
595 596
Vgl. Thom (Hrsg.) (1989), 146, der sich u. a. auf Buchanan/Tullock (1962) bezieht. Vgl. Werder (1994), der den Fall diskutiert, dass sich (analog zur Optimalität eines mittleren Niveaus der Informiertheit zwischen Informationsmangel und „information overload“) eine mittlere statt maximale Rationalität als optimal erweist und der eine Erfolgshypothese zugunsten („argumentations“-)rationaler Problemlösungen vertritt, vgl. Werder (1994), 120.
Transaktionskostentheoretische Rationalität
189
Gesamtkosten
Durchsetzungskosten
Konsensfindungskosten
100 % Strategie 1: enger Zirkel
Beteiligungsgrad
Strategie 2: umfassende Beteiligung
Abbildung 29: Gesamtkosten der kollektiven Entscheidungsfindung Quelle: i. A. a. Thom (Hrsg.) (1989), 150.
In einer frühen Untersuchung stellt Pharao die Arbeitsformen Einzel- und Gruppenarbeit unter dem Kriterium der verursachten Informations-, Kommunikations- und Entscheidungskosten597 gegenüber. Letztere grenzt sie unter dem Begriff der Strukturkosten als ökonomische Kostenkategorie (ökonomische Effizienz) von den Kostenkomponenten ab, die durch Kontrolle und durch Maßnahmen zur Verhinderung opportunistischen Verhaltens entstehen (Kontrollkosten und Disincentive-Kosten) und die sich in der sozialen Effizienz niederschlagen. Es wird also bei Pharao zwischen den durch die Struktur der Arbeitsprozesse (Tätigkeitsanforderungen) verursachten Kosten und den durch die Aufgabenträger determinierten Kosten unterschieden.598 Einflussfaktoren auf die soziale Effizienz (analog Personeneffizienz) identifiziert Hohberger mit den Determinanten Arbeitszufriedenheit, Verantwortungsübernahme und Kooperationsbereitschaft. Indirekt wirken sich diese Faktoren über Kontroll- und Disincentive-Kosten auf die ökonomische Effizienz aus.599
597 598 599
Die Entscheidungskosten korrespondieren mit den Konsensfindungskosten der Systematik bei Thom (1989). Vgl. Pharao (1996). Vgl. Hohberger (2001), 250.
190
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
Auch wenn die Gleichsetzung von Routineprozessen mit Einzelarbeit und Innovationsprozessen mit Gruppenarbeit zu vereinfacht erscheint, da beide Formen eher als Mischung dieser Tätigkeiten denn als eine idealtypische Verkörperung eines der beiden Tätigkeitsformen anzusehen sind, ist die Systematisierungsleistung des Ansatzes hervorzuheben. Neben einer qualitativen Einschätzung der Ausprägung der Kostenkategorien wird eine Zuordnung zu Effizienzkriterien (ökonomische und soziale Effizienz) vorgenommen (vgl. Tabelle 12).
Tabelle 12: Tätigkeits- und aufgabenträgerabhängige Transaktionskostenausprägung Effizienzkriterien
Effizienzobjekte
Strukturkosten Messgegenstand (Tätigkeitsart bzw. Aufgaben- Informationskosten träger)
Kommunikations-
Entscheidungs-
kosten
kosten
Ökonomische Routineprozess Effizienz Innovationsprozess Soziale Effizienz
Systemmitglieder
Performancekosten Kontrollkosten
Disincentivekosten
Legende: : tendenzielle Zunahme bei Gruppenarbeit im Vergleich zu Einzelarbeit : tendenzielle Abnahme bei Gruppenarbeit im Vergleich zu Einzelarbeit Quelle. i. A. an Pharao (1996), 61.
Die Kontrollkosten sind in der Gruppenarbeit tendenziell geringer als im Einzelarbeitssetting ausgeprägt. Da z. B. bei Gruppen-Zielvereinbarungen ein höherer Allgemeinheitsgrad als zulässig angesehen wird, entfällt der bei Einzelarbeit mit der Feinzielformulierung und gegebenenfalls aufwändigen Anpassung des Zielsystems bei Änderung einzelner Ziele verbundene Ressourcenverzehr. Die Vorgabe generischer Gruppenziele, die als Rahmen für die Verhaltenssteuerung der Gruppe fungieren, ermöglicht einen geringeren Pflegeaufwand bei der Zielan-
Transaktionskostentheoretische Rationalität
191
passung und einen höheren Autonomiegrad bei der Wahl der Mittel zur Zielerreichung. Die Selbstkontrolle der Gruppe reduziert den Ressourcenaufwand für Fremdkontrolle.600 Demgegenüber ist die Ermittlung des Arbeitsergebnisses auf Gruppenebene nur für die Gruppe insgesamt möglich, eine individuelle Zurechnung der Einzelbeiträge ist für den Organisator nicht möglich oder mit nicht vertretbaren Kosten verbunden, die bei Einzelarbeit aufgrund der (1:1)-Zuordnung zwischen Aufgabenträger und Arbeitsleistung entfallen. Die Kontrollkosten der Gruppenarbeit werden dann unter denen der Einzelarbeit liegen, wenn die eingesparten Kontroll- und Zielanpassungskosten die höheren Kosten der Zurechnung der Einzelergebnisse überwiegen.601 Aufgrund des Zusammenhangs zwischen einer zielkonformen Anreizgestaltung und der Arbeitsleistung und Arbeitszufriedenheit der Mitglieder, ist die Gestaltung der Anreizbedingungen (z. B. Delegations- und Partizipationsgrad, Variabilität der Arbeitssituation und materielle Anreize) als zentral für die Erreichung sozialer Effizienz (unmittelbar) und ökonomischer Effizienz (mittelbar) anzusehen.
Disincentive-Kosten fallen nach Pharao zur Schaffung anreizkompatibler Arbeitsbedingungen bzw. für die Verhütung opportunistischen Verhaltens an. Opportunistisches Verhalten (z. B. im Zusammenhang mit der Ausnutzung von Expertenmacht das Verschweigen oder Zurückhalten von Wissen) wird umso wahrscheinlicher werden, je höher die Humankapitalspezifität ausfällt.602 Durch Pharao wird unterstellt, dass die Disincentive-Kosten unter dem Gruppensetting geringer ausfallen, da im Vergleich mit dem Einzelarbeitssetting eine höhere Partizipation, Aufgabenvariabilität (unterstützt durch Mehrfachqualifikation) und eigenverantwortliche Interaktion ermöglicht werden. Diese günstige Transaktionsatmosphäre hat annahmegemäß eine höhere Akzeptanz, eine positive Einstellung zur Arbeit und eine höhere Leistungsbereitschaft zur Folge. Der höhere Aufwand für eine leistungsorientierte Entlohnung auf Gruppenebene erhöht dagegen die Kontrollkosten. Ein Kostenvorteil der Gruppenarbeit kann damit nur festgestellt werden, wenn die zusätzlichen Kontrollkosten durch geringere Anreize zum Opportunismus kompensiert werden.603 Unter diesem Gesichtspunkt sind die Aussagen zu den Kostenwirkungen von Delegation insoweit zu relativieren, als diese von einer „isolierten“ Abgabe von Entscheidungsbefugnissen
600
601
602
603
Vgl. Pharao 1996, 55 f. Dagegen sieht Frese gerade für Routineprozesse einen komparativen Kostenvorteil hybrider Organisationsformen wie Gruppenarbeit, da hier individueller Handlungsspielraum zur Innovation systematisch zu fördern sei und dieser sich im Gegensatz zu innovativen Bereichen wie Forschung und Entwicklung nicht schon aus dem Charakter der Aufgabenanforderungen ergäbe. Vgl. Frese (2005), 594. Vgl. Daxner, F./Schustereder, H. (2007), 50, vgl. auch Pharao (1996), 58. Die erreichte Kosteneinsparung kann allerdings durch Vernachlässigung des individuellen Bedarfs und Potentials des Mitarbeiters kompensiert werden, was seinerseits Motivationskosten verursachen kann. Analog werden Disincentive-Kosten als Folgekosten des bei spezifischen Objekten auftretenden Opportunismus, z. B. des Verschweigens bestimmter Objekteigenschaften, bezeichnet, vgl. Hohberger (2001), 30. Vgl. Pharao (1996), 58 f.
192
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
an niedrigere hierarchische Ebenen ausgehen und das Einsparpotential durch Delegation an Gruppen unberücksichtigt lassen.
Zusammenfassend lautet das Fazit der Überlegungen zu den Vor- und Nachteilen der Entscheidungsdelegation, dass hierdurch die Koordinationskosten aufgrund der Nutzung lokalen Wissens und fehlender „Informationsschleifen“ zwischen übergeordneter Leitungsebene und untergeordneter Ausführungsebene gesenkt werden können, im Gegenzug aber durch „moral hazard“-Probleme die Motivationskosten ansteigen (vgl. Abbildung 30).
Kostenwirkung Transaktionskosten
Motivationskosten
Koordinationskosten
Niedriger Delegations-
A1 A2
Hoher Delegationsgrad
Grad der Entscheidungsautonomie A2: optimaler Autonomiegrad mit Gruppenarbeit (bei unveränderten Annahmen bzgl. Koordination und bei Abwesenheit dysfunktionaler Gruppeneffekte wie Shirking) A1: optimaler Autonomiegrad ohne Gruppenarbeit Abbildung 30: Einfluss des Delegationsgrades auf die Transaktionskosten Quelle: i. A. an Jost (2000), 318.
Es lässt sich der Schluss ziehen, dass die Vorteile einer Entscheidungsfindung „vor Ort“ nur dann nicht durch die Nachteile überkompensiert werden, wenn für geeignete Abstimmungsmöglichkeiten zwischen den Mitarbeitern durch vertikalen und lateralen Informationsfluss gesorgt wird.604 In diesem Zusammenhang ist auf die notwendige Schaffung hierarchieübergreifender Kontaktstellen oder Gruppenstrukturen hinzuweisen, da eine ausgeprägte Delegation auch zur unzureichenden Ausnutzung zentraler Problemumsicht und zur Duplizierung von
604
Vgl. Jost (2000), 316.
Transaktionskostentheoretische Rationalität
193
Informationsbeschaffung führen kann. Entscheidungskosten steigen, wenn Entscheidungen mit unzureichender Ausrichtung auf die Unternehmensziele getroffen werden. Im Gegensatz zur „isolierten“ Delegation von Entscheidungen an einzelne Entscheidungsträger oder von Aufgabenkomplexen an nicht kooperierende Abteilungen ist bei einer Delegation an eine Gruppe davon auszugehen, dass sich die Kostenwirkungen relativieren. Durch die verstärkte Gruppenkohäsion im Gegensatz zur Einzelarbeit wird die Gefahr des „moral hazard“ reduziert, d. h. die Motivationskosten können tendenziell geringer ausfallen. Hier muss davon ausgegangen werden, dass die Kostensenkung nicht durch Phänomene wie „Trittbrettfahrerverhalten“, „Shirking“ oder „Social loafing“ ausgeglichen wird, die ihrerseits Motivationskosten auslösen. Auch die Koordinationskosten lassen sich durch Delegation an eine (funktional heterogene und hierarchieübergreifend besetzte) Gruppe senken, da die Informationsbeschaffungsanforderung geringer ausfällt. Die Kostenwirkung der Delegation an eine Gruppe bei Annahme unverminderter Koordinationskosten ist in Abbildung 30 dargestellt. Danach lässt sich durch Gruppenarbeit aufgrund der günstigeren motivationalen Bedingungen ein höherer Delegationsgrad realisieren. 6.2.3
Kostenanalyse der Kommunikation in der Konziliaren Organisation
Im Folgenden ist davon auszugehen, dass Unsicherheit und Spezifität hohe Ausprägungen annehmen und daher die organisationsinterne Abwicklung als „the organization form of last resort“605 zu wählen ist. Es ist noch zu entscheiden, ob die Funktionale Organisation oder die Konziliare Organisation besser zur Durchführung abstimmungsintensiver Aufgaben606 geeignet ist. Die Humankapitalspezifität ergibt sich für das betrachtete Arrangement des relationalen Teams in der Konziliaren Organisation aus der fachlichen und interhierarchischen Mischung mit einem hohen Anteil an Innovationsprozessen. Dem ist die funktional gegliederte Hierarchie ohne Gruppenarbeit, aber ebenfalls mit hoch ausgeprägter Humankapitalspezifität in Form der beschäftigten Humanvermögenskapitalisten der Kernbelegschaft, gegenüberzustellen. Eine Übersicht über die für die interne Organisation relevanten Transaktionskosten enthält Tabelle 13.607
605
606
607
Williamson (1999), 1091. Danach wird die organisationsinterne Abwicklung aufgrund der höheren bürokratischen Kosten nur als Residualalternative in Betracht gezogen, wenn hohe Spezifität und Unsicherheit einen hohen Grad an kooperativer Anpassung erfordern. Definiert wurde als Transaktion der Vollzug von Kommunikation und als Aufgabenbereiche Planung und Entscheidungsfindung, Akzeptanzsicherung, Willensbildung und Wissensmanagement, vgl. Kapitel 5.1.4. Die ex ante-Transaktionskosten fasst Stein auch unter der Kategorie der Koordinationskosten und die ex interim- und ex post-Transaktionskosten unter der Kategorie der Motivationskosten zusammen. Vgl. Stein (1998), 100.
194
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
Tabelle 13: Transaktionskosten und korrespondierende Effizienzkriterien als Optimalitätskriterium der internen Organisation
Ex interim-
Transaktionskosten
Ex ante-Transaktionskosten
Transaktionskostenart Transaktionsstadium
Fixkosten für die Implementierung von Koor- Kosten für Einrichtung der Organidinationsmaßnahmen: sationsstruktur und die Informationsbeschaffung zur EntscheiKonsensfindungskosten dungsvorbereitung Durchsetzungskosten Kosten für die Durchführung von Informationskosten Abstimmungen Kommunikationskosten Frese (2005), Thom (1989), Pharao (1996) Kosten suboptimaler Entscheidungen aufgrund Kosten der Entscheidung nach Position statt nach Sachverstand von Abstimmungsmängeln und Informationsmängeln: Autonomiekosten
Kosten fehlender entscheidungsrelevanter Informationen
Frese (2005)
Kosten aus „Abteilungsdenken“608
Kosten der Anreizsetzung und Kontrolle: Motivationskosten Jost (2000), Frese (2005)
Ex post-Transaktionskosten
Beispielausprägung
Kosten unzureichend abgeschlossener organisatorischer Einheiten (fehlende Überschaubarkeit und Anreizwirkung)
Kosten suboptimaler Entscheidungen aufgrund Kosten aus zurückgehaltener, entscheidungsrelevanter Information von Zieldivergenzen, Informationsmängeln, Falscher Ziel-Mittel-Relation: Disincentive-Kosten Pharao (1996), Hohberger (2001)
Kosten aufgrund von unangemessener Wahrnehmung von Entscheidungsspielräumen Kosten der suboptimalen Verwendung von Expertenwissen Kosten aus unzureichender Passung aus Aufgabenanforderung und Qualifikation
Quelle: inhaltlich und formal verändert übernommen von Stein (1998); Pharao (1996); Hohberger 2001; Jost (2000); Frese (2005)
608
Frese nennt als Quelle von Autonomiekosten eine extreme Arbeitsteilung, die dazu führt, dass Entscheidungen unzureichend informationell und methodisch gestützt getroffen werden, obwohl an anderer Stelle der Organisation das nötige Fach- und Methodenwissen vorhanden wäre. Vgl. Frese (2005), 323.
Transaktionskostentheoretische Rationalität
195
Die Motivationskosten steigen in der Konziliaren Organisation durch Entscheidungsdelegation an Gruppen an, lassen sich aber teilweise durch die „Moral hazard“ kompensierende soziale Kontrolle wieder senken. Die geringe Delegation in der funktionalen Hierarchie wirkt Motivationskosten senkend, allerdings treten im Gegenzug Autonomiekosten, aufgrund der unzureichenden Nutzung lokalen Wissens, auf. Für die funktionale Hierarchie werden vorwiegend Routineprozesse und eine geringe Beteiligung an Innovationsprozessen für untere Hierarchieebenen angenommen. Die DisincentiveKosten sind sowohl in der Konziliaren Organisation als auch in der funktionalen Organisation aufgrund der angenommen hohen Expertenmacht (hohe Humankapitalspezifität) hoch ausgeprägt. Die eingespielten Interaktionsmuster der auf Kommunikation basierenden Konziliaren Organisation und die größere Expertenmacht aufgrund des höheren Entscheidungsspielraums und der Selbstabstimmung erhöhen die Disincentive-Kosten im Vergleich zur Funktionalorganisation. Die geringere Abschließung der organisatorischen Einheiten im Vergleich zur Funktionalorganisation mit ihrer Trennung in funktionale Abteilungen erhöht tendenziell die Motivationskosten in der Konziliaren Organisation. Angenommen wird eine tendenziell höhere Beteiligung unterer hierarchischer Ebenen in der Problemlösung und Entscheidungsfindung im Vergleich zur Funktionalorganisation.
Die Konziliare Organisation kann dagegen im Vergleich zur funktionalen Organisation auch Transaktionskostenvorteile realisieren, da sie der erhöhten Opportunismusneigung durch eine günstige Transaktionsatmosphäre begegnen kann. Die Gelegenheit zu eigenverantwortlicher Interaktion in heterogenen Gruppen verringert durch die damit verbundene soziale Kontrolle die Anreize zu Opportunismus. Durch den höheren Beteiligungsgrad sinkt das Risiko, dass aufgrund von Abstimmungs- und Informationsmängeln suboptimale Entscheidungen getroffen werden, was sich in geringeren Autonomiekosten niederschlägt.
Zusammenfassend ist die hypothetische Kostenwirkung der Etablierung einer konziliaren Aufbauorganisation im Vergleich mit dem Idealtyp einer vollständig funktional organisierten Struktur wie folgt einzuschätzen:609
609
Es wird wegen der ausschließlichen Betrachtung organisationsinterner Abwicklung eine hohe Ausprägung der Transaktionshäufigkeit angenommen. Unsicherheit resultiert aus der angenommen starken Humankapitalspezifität der in den Konzilen zusammengeführten Spezialisten. Aufgrund der hohen Spezifität der Qualifikation besteht Anreiz für die Spezialisten zu suboptimaler Verwendung ihrer Qualifikation, außerdem ist in den relationalen Gruppen von technischer Nicht-Trennbarkeit der Leistungsbeiträge auszugehen.
196
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
Tabelle 14: Kostenmatrix der für die Konziliare Organisation relevanten Transaktionskostenausprägungen Indikatoren
IndikatorAusprägung
Kostenart
Funktionale Organisation
Konziliare Organisation
Disincentive-Kosten
Autonomie-
(in beiden Organisationsformen) Unsicherheit
niedrig
Kosten-Ausprägung
mittel hoch × kosten Humankapitalspezifität
niedrig
Informationskosten
mittel
Kommunikationskosten
Konsensfindungskosten
niedrig
Motivationskosten
mittel
Koordinationskosten
Durchsetzungskosten
hoch
Transaktionshäufigkeit
hoch
×
×
Quelle: Eigene Darstellung
Bewertet man die Einsparung von Transaktionskosten () mit (+1), die Erzeugung von Transaktionskosten () mit (-1) und gewichtet alle Kriterien gleich stark610, kommt man zu folgendem Ergebnis: Funktionale Organisation -2 und Konziliare Organisation -1. Der Vorteil der Konziliaren Organisation gegenüber der Funktionalorganisation lässt sich erhöhen, wenn für adäquate Abstimmungsmaßnahmen (laterale Koordinationsstellen) gesorgt wird, die die Disincentive-Kosten senken. Bei den angenommenen Transaktionscharakteristika und vorbehaltlich der Gültigkeit der Kostenwirkungen von Delegation und Gruppenarbeit, ist ein komparativer Vorteil der Konziliaren Organisationsform festzustellen.
Ein alternatives Vorgehen der Effizienzkriterienbetrachtung, bei dem der Aspekt der sozialen Effizienz umfassender als über die Disincentive-Kosten einbezogen und eine Nutzwertanalyse vorgenommen wird, kann in Anlehnung an Thom/Wenger erfolgen. Die verbale Beschreibung der Alternativen und die anschließende Einstufung mittels Punktwerten hat den Vorteil einer hohen Informationsverdichtung und der Nachvollziehbarkeit der Berechnung zur Bestimmung 610
Vgl. ähnlich die Effizienzbewertung alternativer Arbeitsorganisationen mittels Punktesystem bei Williamson (1985).
Transaktionskostentheoretische Rationalität
197
der Alternativenrangfolge. Die Bewertung der Effizienz erfolgt einheitlich mittels der gleichen Effizienzkriterien, wobei eine zweckbezogene Auswahl und Gewichtung der relevanten Kriterien als zulässig betrachtet wird.611 Anzumerken ist bei diesem Vorgehen der Anteil an subjektiver Wertung, der die Gefahr der Scheingenauigkeit birgt.612 Subjektive Urteile fließen z. B. bei der Bestimmung der Gewichtung (G) als Ausdruck der Präferenzen der Organisationsgestalter ein und bei der Übersetzung der verbalen Beschreibung in Punktwerte (P). Es wird die Alternative als vorteilhaft bestimmt, die den höchsten Punktwert generiert.613 Die in Anlehnung an das Vorgehen bei Thom/Wenger 2002 durchgeführte Nutzwertanalyse ist Anhang 3 (verbale Kriterienbeschreibung) und Anhang 4 (Alternativenreihung mittels Punktwerten) zu entnehmen.
Im Folgenden wird die bisherige Untersuchung durch eine systemtheoretische Effizienzbetrachtung komplettiert.
611
612
613
Vgl. Thom/Wenger (2002), 113. Aus dem Kriterienkatalog von Thom/Wenger (2002) wurden drei Kriterien mit zugehörigen Teilkriterien ausgewählt, um die betrachteten Alternativen einzuordnen. Vgl. Thom/Wenger (2002), 115. Zur Vervollständigung des Verfahrens kann noch eine Sensitivitätsanalyse vorgenommen werden, die die Robustheit der Ergebnisse bei Veränderung der Gewichtung oder einzelner Punktwerte überprüft. Vgl. Thom/Wenger (2002), 115.
198
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
6.3
Systemtheoretische Rationalität
6.3.1
Von der Realitätskonstruktion zur Rationalitätskonstruktion
Rationalität lässt sich nicht unabhängig von der wissenschaftstheoretischen Grundposition untersuchen.614 Zweckrationale und systemisch rationale Positionen sind fundamental widersprüchlich, d. h. sie können aufgrund ihrer Inkommensurabilität nicht in ein integriertes Konzept überführt werden. Zwar machen beide Zugänge Gebrauch von Hilfskonstruktionen, denn auch originär zweckrationale Ansätze, z. B. das Bürokratiemodell von Max Weber und die wissenschaftliche Betriebsführung von Taylor, können ihr Rationalitätskonzept nur mithilfe gezielter Ausblendungen durchsetzen, z. B. durch Konstantsetzung der Umweltdynamik und den Einsatz standardisierter, Komplexität vereinfachender Entscheidungsheuristiken.615 ZielMittel-Aussagen liegen sowohl der institutionenökonomischen als auch der systemtheoretischen Rationalität zugrunde, was beide Zugänge an den kritischen Rationalismus in der Betriebswirtschaftslehre anschlussfähig macht.616 Die kommunikative Rationalität der intersubjektiven Verständigung ergänzt damit die strategische Rationalität der Effizienzsteigerung617 ohne aber mit dieser in Deckung gebracht werden zu können. Die systemtheoretische Rationalitäts“erfassung“ wird hier zur Vervollständigung des Bildes im Sinne einer notwendigen Ergänzung der zweckrationalen Sicht mit betrachtet.
Die Systemtheorie beschränkt sich nicht, wie häufig verkürzt angenommen wird, auf eine reine Systematisierung sozialer Phänomene durch eine entsprechend generalisierende „System“Sprache, sondern verfügt, wie die Betriebswirtschaftslehre mit ihrem Effizienzbegriff, über Kriterien zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Organisationsstrukturen. Die systemtheoretisch-funktionale Analyse erklärt Unterschiede in bestehenden Strukturformen von Organisationen mit ihrem Nutzen für das System, d. h. der Funktion, die sie für das System erfüllen. Alternative Aufbauorganisationen, die sich z. B. durch den Grad der Formalisierung der Kommunikationsbeziehungen unterscheiden, werden bei Indifferenz bezüglich eines Systemziels als „funktionale Äquivalente“ bezeichnet, da sie unter diesem Aspekt einen identischen Nutzen für das Unternehmen entfalten. Aufgrund der fehlenden gegenseitigen Bezugnahmen der Institutionenökonomie und der Systemtheorie werden die jeweiligen Vorteilhaftigkeitskriterien der Transaktionskosten (ökonomisches Effizienzkriterium) und der „Funktionalität“ bzw. „Systemrationalität“ (systemtheoreti614
615 616 617
Auch Mathematik und Physik bedienen sich konstruierter Realitätsausschnitte in Form von Modellen, deren kulturgeschichtliche Determiniertheit durch die Existenz anderer „Mathematiken“, z. B. in frühen Hochkulturen, unterstrichen wird. Vgl. Saldern (1998), 149. Vgl. Kühl (2001), 77. Vgl. Nolte (2007), 18. Vgl. Bonacker (1997), 22 f.
Systemtheoretische Rationalität
199
sches Effizienzkriterium) beim Vergleich von institutionellen Arrangements in der Regel nicht als komplementär nutzbar betrachtet. Es soll jedoch im Folgenden gezeigt werden, dass sich eine komplementäre Nutzung ohne wissenschaftstheoretisch unzulässige Vermischungen zwischen Paradigmen umsetzen lässt. Das systemtheoretische Effizienzziel misst den Grad der Wirtschaftlichkeit eines institutionellen Arrangements analog zum betriebswirtschaftlichen Effizienzbegriff am übergeordneten Unternehmensziel, das aus Sicht der Systemtheorie im Systemziel besteht. Dabei tritt an die Stelle des globalen Ziels des Überlebens der Unternehmenszweck, dessen Akzeptanz Mitgliedschaftsbedingung ist. Der Unternehmenszweck steht als Ersatzziel in konvergentem Verhältnis zum Ziel der Systemerhaltung618, da z. B. eine rationale Betriebsführung zur Sicherung von Legitimät (als Erwartungsstabilisierung in der Umwelt), damit zur Gewinnung der erforderlichen Ressourcen und schließlich zur Gewinnerzielung beiträgt.
Systemtheoretisch wird das deterministisch-funktionale Denkmuster zugunsten eines Denkens in Zusammenhängen verlassen. Es ist daher auch nicht sinnvoll, einen eindimensionalen Rationalitätsbegriff zu verwenden, sondern es ist als Folge der funktionalen Differenzierung von beobachterabhängigen, multiplen Rationalitäten auszugehen. Die gesellschaftliche Ausdifferenzierung in Teilsysteme führt zu Inter-Systemkonflikten, die dadurch verstärkt werden, dass keine Teilrationalität (z. B. politische gegenüber ökonomischer oder ökologischer Systemrationalität) eine Vorrangstellung beanspruchen kann. Gleichzeitig birgt die gestiegene Kommunikationsintensität ein erhöhtes Dissensrisiko. Planung als Systemaktivität verfügt über Umsteuerungspotential (Puffer, Slack-Potential, zweckindifferente Instrumente) und im Unterschied zur individuellen Rationalität über die Fähigkeit zur Variation der Konsistenz von Plänen und Zielen.619 Über die Bereitstellung von Spezialwissen von Experten und den Aufbau eines „funktionstüchtigen, reziproken Kontaktnetzes innerhalb und außerhalb der Organisation („networking“)“620 tragen die Teilsysteme der Organisation zu einer Erhöhung der Problemlösefähigkeit und Flexibilität bei, über die das plandeterminierte Management allein nicht verfügt.
Zur Beobachterabhängigkeit der konstruktivistischen Rationalität tritt ihre Legitimitätsfunktion. Unternehmen sichern sich ihren Ressourcenzufluss durch Übereinstimmung mit den Rationalitäts-Erwartungen einer strukturell an das System gekoppelten Umwelt. Rationalität wird systemtheoretisch insoweit als Mythos entlarvt, als damit die „Schauseite der Organisation“621
618 619 620 621
Vgl. Luhmann (1995), 109. Vgl. Steinmann/Schreyögg (1991), 282. Steinmann/Schreyögg (1991), 272. Luhmann (1995), 112.
200
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
gepflegt wird, wobei die Parallelität zur Argumentation des Neo-Institutionalismus auffällt.622 An die Stelle einer „best practice“-Organisation als Korrelat für eine bestimmte Umweltsituation, ist systemtheoretisch die von den Effizienzanforderungen entkoppelte Rationalitätskonstruktion, wie sie sich in Managementdiskursen zeigt, kennzeichnend.623 Auch Studien zu Anforderungen an Ressourcen, die Kernkompetenzen begründen, treffen Aussagen zu den Voraussetzungen für Effizienz, die einem systemtheoretischen Effizienzkonzept folgen. So weisen Osterloh/Frost/Wartburg unter dem Begriff der Pfadabhängigkeit auf die Historizität der enstandenen Kompetenzen624 und die diffusen Kausalzusammenhänge zwischen Wettbewerbsvorteil und Effizienz als „Akkumulationseffizienz“ hin, die den Erwerb weiterer Kompetenzen umso leichter macht, je stärker das bereits erworbene ‚Kompetenzpolster’ ist.625 Der systemtheoretische Rationalitäts- und Effizienzbegriff gründet also auf Skaleneffekten, d. h. auf durch Lernen erzeugter und gefestigter Kompetenz.626
6.3.2
Zur Inkommensurabilität oder Integrierbarkeit der Rationalitätskonzepte
Baecker schlägt als dritten Weg anstelle der rein zweckrationalen oder rein systemtheoretischen Rationalität deren Ersatz durch Viabilität627 vor und verwendet damit ein weder ausschließlich innerhalb der Organisation als soziales System (z. B. rationale Betriebsführung) gültiges noch auf Individuen als psychische Systeme (z. B. rationaler Entscheider) beschränktes Kriterium. Viabilität ist erfüllt, wenn das System sich aufgrund der strukturellen Kopplung 622
623 624
625
626 627
Als Beispiel sei die Entkopplung der effizienten Organisation der betrieblichen Prozesse von den legitimitätsfördernden Managementpraktiken genannt, mit der der Neoinstitutionalismus die Entsprechung gegenüber widersprüchlichen Umwelterwartungen (Effizienz und Legitimität) erklärt. Eine ähnliche Entkopplungsthese findet sich bei Luhmann, wenn er davon spricht, dass Vertrauenswürdigkeit durch Idealisierungen gegenüber interessierenden Zielgruppen hergestellt wird, d. h. dass „man die Darstellung auf einen Teil der Wirklichkeit beschränkt, […] man nur einige Räume seines Hauses zugänglich macht“ und Kommunikation mit Kunden selektiv betreibt. Luhmann (1995), 113. Vgl. Kühl (2001), 74. Zu verweisen ist hier auf die Analogie zur Kontextabhängigkeit des Sozialkapitals und zur Verzeitlichung und Historizität von komplex-dynamischen Systemen. Vgl. zur relationalen Einbettung des Sozialkapitals Kapitel 5.4. Vgl. Osterloh/Frost/Wartburg (2001), 205. Statt von diffusem Zusammenhang sollte von rekursivem Zusammenhang gesprochen werden, da ein gegenseitiges Bedingungs- und Steigerungsverhältnis zwischen Ressourcenbestand und Wettbewerbsposition besteht. Der Zugang zu Ressourcen, in diesem Fall zu Kompetenzen, wird umso leichter sein, je größer der Wettbewerbsvorteil bereits ist. Gleichzeitig ist spezifische organisationale Kompetenz die Voraussetzung für den weiteren Ausbau des Wettbewerbsvorteils. Auch hier ist auf die Deckung zum Sozialkapital als Input- und Outputgröße im Gefüge sozialer Beziehungen hinzuweisen. Weiter weist die Beschreibung eine Analogie zum Prinzip abnehmender Stückkosten ab einer kritischen Größe der Ausbringungsmenge auf, man könnte von steigenden Skalenerträgen des Kompetenzerwerbs sprechen. Vgl. zum Verhältnis personaler und organisationaler Kompetenzen Kapitel 5.3. Vgl. Baecker (1999), 135. Vgl. dagegen Ulrich (1984), 89, der Viabilität als Eigenschaft natürlicher Systeme und analog sozialer Systeme beschreibt, die mit Selbststeuerungsfähigkeit („self-controlling capability“) gleichgesetzt wird. Er folgt einem Systemverständnis, das Individuen als Elemente beschreibt. Da damit auch theoriengeschichtlich eine andere Verortung besteht, soll dieser Viabilitäts-Ansatz nicht weiter verfolgt werden.
Systemtheoretische Rationalität
201
durch den Entscheider steuern lässt. Viabilität ist dem isolierten Vorgehen auf Ebene des Individuums (z. B. Rationalität erhöhende Managementinformationssysteme) oder auf Ebene der Organisation (Rationalität erhöhendes Prozessmanagement) überlegen, da es ein relationales Rationalitätskriterium darstellt, das steuernde Individuen und zu steuerndes System einbezieht.
Eine Brücke zwischen der zweckrationalen und der systemtheoretischen Optimalitätsmessung schlägt auch die verhaltenswissenschaftliche Erweiterung der Institutionenökonomik, die eine Rückwirkung der Institution auf das individuelle Handeln und auf die Entstehung von Präferenzen annimmt (vgl. Abbildung 31).
Verhaltens-
Akteur Präferenzen b a Handlung
Restriktion Anreiz
wissenschaftlich erweiterte c
Institutionenökonomik
Normen, Aktivierung von Handlungspotential und Handlungsorientierung
Institution Klassische Institutionenökonomik
Kosten
Effizienz
Abbildung 31: Relational erweiterter institutionenökonomischer Erklärungszusammenhang Quelle: i. A. an Pietsch (2005), 28 sowie Ebers/Gotsch (2006), 248.
Der erste Teil der Rückkopplung von der kollektiven Institutionen- zur individuellen Akteursebene besteht in der schon bei Giddens postulierten dualen Wirkung von Struktur (Restriktion und Handlungsspielraum) auf individuelles Handeln und Präferenzen (Pfeile a und b), der zweite Teil wirkt über die präferenzbildende Einflussnahme über Normen und die Aktivierung von Handlungspotential (Pfeil c, z. B. durch Deutungsmuster für die Selbstattribution von Mo-
202
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
tiven) so, dass – z. B. über die Nichtverdrängung intrinsischer Motivation – Effizienzsteigerungen erreicht werden können.628 Hier findet sich eine Entsprechung zur Transaktionsatmosphäre der klassischen Institutionenökonomik. Auch die Stimmung in Gruppen hat einen Einfluss auf das Ausmaß der Problemorientierung einer Diskussion (Kommunikationsrationalität). Positive Stimmung wird durch Aktivierung von Handlungsorientierung verstärkt (Pfeil c), während eine schlechte Stimmung (z. B. Frustration in der Gruppe) die Kommunikationsrationalität verschlechtern oder die Beschäftigung mit der Aufgabe zusätzlich anregen kann.629 Die solchermaßen erweiterte Institutionenökonomie kann auf einer mit der Systemtheorie kompatiblen Ebene analysieren, welche Handlungsanreize eine originär zweckrational gestaltete Institution bieten muss, um Akteure im Sinne der Zweckrationalität630 zu steuern und akteursseitige Gestaltung im Sinne der Systemrationalität (Viabilität) zuzulassen. Die Erklärungslücke der Systemtheorie – die Unverträglichkeit der basalen Nichtsteuerbarkeit des Systems mit einem originär an Steuerung interessierten strategischen Management – könnte so auch auf der instrumentellen Ebene631 geschlossen werden.
6.4
Gesamtkonfiguration der Konziliaren Organisation anhand eines Beispiels
Die Umsetzung der Konziliaren Organisation soll im Folgenden an einem Beispiel erläutert werden. Damit werden die in den Kapiteln 5 und 6 erfolgten Überlegungen in einer konziliaren Aufbauorganisation gebündelt. Am Beispiel der Krankenhausorganisation als High-Reliability-Organisation sollen die Anlässe zur Bildung einer Konziliaren Organisation und deren aufbauorganisatorische Entsprechung betrachtet werden. Betrachtet man den Ablauf der Krankenhausbehandlung als Prozess beginnend mit der Aufnahme bis zur Entlassung, sind mehrere Anlässe der Bildung von Konzilen denkbar. Durch das Abhalten eines Konzils nach Aufnahme kann bestimmt werden, ob ein Prozess komplett durchlaufen werden muss oder Teilschritte übersprungen werden können. Die Evaluation des Prozesses kann durch ein abschließendes Konzil erfolgen,
628 629 630
631
Vgl. Pietsch (2005), 28 f. Vgl. Martin (1998), 150. Zweckrational handelt nach Max Weber, „wer sein Handeln nach Zweck, Mitteln und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich die verschiedenen Zwecke gegeneinander rational abwägt.“ Weber (1976), 13. Vgl. zu einem systemtheoretischen Anschluss auf der Makroebene der Systeme „Systemtheorie“ und „Strategisches Management“ Rother (1996) sowie am Beispiel der Balanced Scorecard als Steuerungsinstrument Kiunke (2005).
Gesamtkonfiguration der Konziliaren Organisation
203
in dem aus Anlass des Entlassungsgesprächs weitere Empfehlungen gegeben werden können (vgl. Abbildung 32).
Zeitpunkt 1
Zeitpunkt 2
Zeitpunkt 3
Zeitpunkt 4
Stationäre Aufnahme des Patienten
Stationärer Aufenthalt
Stationärer Aufenthalt
Entlassung
Konzil 2
Konzil 1
Konzil 3
Anlass:
Anlass:
Anlass:
9
9
Arbeits-Diagnose
9
9
Diagnostik und Patientenaufklärung/Beratung
Durchfühung der Behandlung
9
9
Definitive Diagnose
9
Therapieplan
Abschließende fachliche Beratung zur Lösung des Falls
9
Durchführung der Behandlung
9
Entlassungsgespräch
9
Einordnung des Falls Veranlassung weiterer Schritte
Abbildung 32: Anlässe und Funktionen der Bildung von Konzilen im Krankenhaus Quelle: Eigene Darstellung
Jedes der gebildeten Konzile fasst unterschiedliche und potentiell in jedem Fall andere, in einem High-Reliability-Umfeld agierende, Aufgabenträger zusammen, die im Operationssaal oder am Krankenbett zusammenarbeiten und deren Mitglieder daneben weitere, unter anderem generalistische Fähigkeiten und Fertigkeiten erfordernde Tätigkeiten zu verrichten haben. Dazu gehören die Kernbereiche der ärztlichen Tätigkeit, das Visitieren, das Anamnesen erstellen, die Durchführung der Diagnostik, die Festlegung und Durchführung der Therapie sowie die Peripherieaufgaben der Erfüllung von Dokumentationspflichten und das Schreiben von Gutachten. Aufgrund der dynamischen Umwelt (Technologie, nur begrenzte Planbarkeit der Patientenzahlen, Abnahmeverpflichtungen gegenüber kooperierenden Krankenhäusern, Gesetzgebung) wird von einer Organisation ausgegangen, die der 2. Generation der Unternehmensführung und der Personalentwicklung zuzuordnen ist.632 Durch die punktuelle Einschaltung von Konzilen wird im Verlauf der Fallbearbeitung vermieden, dass es zu Bearbeitungsschleifen, z. 632
Vgl. zum Generationenmodell Becker/Beck/Herz (2009).
204
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
B. vermeidbaren Wartezeiten kommt. Auch wird die Weitergabe bereits bekannter Fakten und getroffener Entscheidungen, z. B. durch partielle Personenüberschneidung zwischen den Konzilen, erleichtert. Faktisch findet im Krankenhaus eine gegenseitige konziliare Beratung statt, z. B. wenn ein Fall das fachärztliche Urteil eines anderen Fachbereichs erfordert und aus diesem Bereich Rat eingeholt wird, z. B. vor Operationen oder während der Therapie. Auch Frühbesprechungen setzen durch strukturierte Übergaben (Patientenkurven, Diagnosen, Medikamente) und Visiten auf gegenseitigen konziliaren Austausch. In Frühbesprechungen integrierte Kurzvorträge (Interdisziplinarität) und das Abhalten von Veranstaltungen, z. B. von Tumorkonferenzen, an denen Ärzte verschiedener Fachbereiche teilnehmen und damit ihre disziplinäre Sicht durch die der anderen Bereiche vervollständigen können, erhöhen die Gesamtübersicht aller Beteiligten und sorgen für eine schnittstellenarme Durchführung der Behandlung.
Die Organisationsstruktur besteht als primärstruktureller Teil aus einem fokalen Kern, der die Routinetätigkeiten umfasst, die die Organisationsmitglieder in ihrer Rolle als Generalist zu leisten haben. Überlagert wird dieser Teil durch eine sekundärorganisatorische Struktur aus Konzilen, deren Zusammensetzung durch die konkret zu lösende Aufgabe bestimmt wird. Es besteht eine fluide Zugehörigkeit zu den Teams, so kann ein Mitarbeiter zu Beginn und am Ende des Bearbeitungsprozesses eingeschaltet sein und dazwischen nur zum Einsatz kommen, wenn z. B. bei Komplikationen ein ad hoc-Konzil, z. B. zur Änderung der Behandlung bestehend aus dem Assistenzarzt und seinem Oberarzt, gebildet werden muss. In Abhängigkeit von den Aufgabenanforderungen ist zu klären, ob professionshomogene oder professionsheterogene Teams vorzusehen sind. Denkbar sind z. B. funktional und hierarchisch gemischte Teams zur Strategieentwicklung oder in Situationen, die Interdisziplinarität erfordern wie die Zusammenstellung des Therapieplans. Hier treten die Organisationsmitglieder als ‚internal consultants’ auf, die durch ‚Beraten’ ihre Humankapitalspezifität zur Lösung der gemeinsamen Aufgabe einbringen. Mitglieder der Konzile können Organisationsmitglieder ohne Weisungskompetenz (Ausführende Stellen An) und mit Weisungskompetenz (Führungskräfte Fn) sowie Experten (En) sein, die z. B. im Rahmen einer Fach- oder Projektkarriere ebenfalls temporär im Konzil gebündelt werden. In Abhängigkeit vom Institutionalisierungsanlass (Aufgabenanforderungen) werden ad hoc Konzile gebildet, die sich aus Stelleninhabern aus der gesamten Aufbauorganisation zusammensetzen können. Daneben ist eine Virtuelle Konziliare Organisation präsent, da es die entsprechend qualifizierten Personen in der Organisation bereits gibt, diese also bei der Bildung der Konzile nur noch in ihrer komplementären Kompetenz zusammengeführt werden müssen. Die Konzile realisieren das Prinzip des ‚Mehr als die Summe der Teile’, da durch die Interaktion und gegenseitige Beratung bei der Bearbeitung eines komplexen Falls eine qualitative und quantitative Leistungssteigerung verglichen mit den Einzelleistungen erreicht werden kann.
Gesamtkonfiguration der Konziliaren Organisation
205
Eine beispielhafte Aufbauorganisation der Konziliaren Organisation enthält Abbildung 33.
Distanzkonzil Virtuelle Konziliare Organisation Klinikleitung
F1
A1
F2
A2
E4
Konziliare Organisation
A4
A3
E2 E3
E1
Konzil Zeitpunkt 1/Zweck 1 Konzil Zeitpunkt 2/Zweck 2 Legende: E1-E4 : Experte 1-4 F1-F2 : Führungskraft 1-2 A1-A4: Ausführende Stelle 1-4 Abbildung 33: Gesamtkonfiguration der Konziliaren Organisation Quelle: Eigene Darstellung
Regelmäßig stattfindende Vorträge institutionalisieren den multifunktionalen Wissensaustausch und fungieren als nicht-strukturales, auf Kommunikation gestütztes Koordinationsinstrument, da die Problemumsicht erhöht wird und das Verständnis für die Folgelastigkeit von Entscheidungen zunimmt. Die Fähigkeit zur Komplexitätshandhabung kann in einem solchen Umfeld durch bewusst gestaltete Heterogenität (Multidisziplinarität der Teams und Durchmischung durch abteilungsübergreifenden Wissensaustausch) erhöht werden. Die Institutionali-
206
Optimalitäts- und Effizienzkriterienbetrachtung
sierung der Konzile ist im Sinne eines Management of speed nur schwach ausgeprägt, da sich die Zusammensetzung, mit Ausnahme der unterstützende Hilfstätigkeiten ausführenden Personen, häufig ändert. Die Besetzung der Konzile erfolgt nach Sachverstand, da ausschließlich die fachliche Eignung und Erfahrung ausschlaggebende Kriterien für die Gruppenzugehörigkeit und die konkret auszufüllende Stelle beinhalten. Dass die Konziliare Organisation keine hierarchiefreie Organisation ist, sondern hierarchische Elemente beibehält, wurde bereits ausgeführt und zeigt sich in der verbleibenden Rangfolge der Weisungsbefugnisse, die z. B. vom Assistenzarzt zum Oberarzt und schließlich zum Chefarzt zunehmen. Damit wird auch der zuvor formulierten Prämisse entsprochen, dass kein Höchstmaß an hierarchieübergreifender und lateraler Kommunikation, sondern das strukturell und situativ angemessene Maß aufzufinden ist. Mit den Ergebnissen der Optimalitätsbetrachtung gesprochen, ist das Optimum aus Koordinations- und Motivationskosten aufzusuchen, also ein mittlerer Grad an Beteiligung zu realisieren. Das spricht für die Beibehaltung von zentralen, arbeitsteilig organisierten Einheiten innerhalb der Primärstruktur. Zentrale Dienste ohne Konzilstruktur sind zur Sicherung von Effizienz, z. B. durch Ausnutzung von Skaleneffekten, weiterhin erforderlich. In den hierarchieentlasteten Bereichen der Präsenz- und Distanzkonzile kann dagegen Macht sich kontingent entfalten633, können strukturbrechende Innovationen angestoßen werden und kann Wissensaustausch unabhängig von der hierarchischen Position erfolgen. Die Möglichkeit, Verantwortung für einen zusammenhängenden Abschnitt der Wertschöpfungskette zu übernehmen, senkt tendenziell die Disincentive-Kosten. Wie stark sich zukünftig damit Lernkurveneffekte erzielen lassen, hängt vom Ausmaß ab, zu dem die Ärzte im Gegenzug von peripheren Aufgaben wie den wachsenden Dokumentationspflichten wieder entlastet werden.
Durch die wechselnde Besetzung der Konzile sind die Möglichkeiten zum Aufbau von Beziehungskapital (einer Komponente des Sozialkapitals) reduziert, das sich im Sinne einer umfassenden Handlungskompetenz wesentlich aus der wiederholten Zusammenarbeit speist. Neben der spontan entstehenden Heterogenität, die sich z. B. durch Gespräche und Informationsaustausch bei der Übergabe ergibt, kann die Konzilbildung durch interdisziplinäre Vorträge und Innovationszirkel erfolgen, die z. B. multifunktional und interhierarchisch besetzt sind. Die Doppelfunktion des ‚Ratens’ und ‚Beratens’ der Kollegen, d. h. das Agieren in der Spezialisten- und der Generalistenrolle und die Möglichkeit, situativ zwischen beidem zu wechseln, kann z. B. durch Mentorenprogramme zur Einführung neuer Kollegen gefördert werden. Diese stellen eine Ergänzung zu den in der Praxis durchgeführten, betriebsbedingten und zum Erfahrungserwerb genutzten Rotationen der Ärzte dar. Dislozierte Weiterbildung in der Verantwortung des Einzelnen kann systematisch durch organisationsweit etablierte Lernnetzwerke er-
633
Vgl. zu den hierauf bezogenen Vorüberlegungen näher Kapitel 4.1.3.
Gesamtkonfiguration der Konziliaren Organisation
207
gänzt werden. Damit wird eine Mischung aus individueller und standardisierter Weiterbildung institutionalisiert. Die fachspezifische Weiterbildung findet weiterhin individuell und je nach aktuellem Einsatzort statt (z. B. durch Weiterbildungsseminare, und Fachartikelstudium), während die generalistische Weiterbildung kollektiv, z. B. in Präsenzkonzilen zur Kollegialen Beratung oder in Integrativen Konzilen wie Diversity Councils634, durchgeführt wird. Diese stellen dann Sekundärstrukturen dar, die die Primärorganisation ergänzen und temporär, aber regelmäßig genutzt werden. In den überwiegend dem funktionalen Organisationsprinzip folgenden Krankenhausorganisationen können die üblichen Stellenbeschreibungen durch Stellenbündelbeschreibungen ersetzt werden, die sich an den zu leistenden Tätigkeiten und Anforderungen (Tätigkeits- und Anforderungsprofil) orientieren. Konziliare Kompetenz, z. B. Methodenkompetenz zur Beratung und Aufklärung von Patienten, kann in stellenbündelbezogenen Qualifizierungskonzilen systematisch aufgebaut werden. Ergänzend können Distanzkonzile wie Virtuelle Teams, die zum Wissensaustausch im organisationalen Feld, z. B. zwischen Krankenhäusern einer Region oder bundesweit, genutzt werden können, eingerichtet werden.
634
Vgl. zu den Formen von Konzilen Kapitel 5.1.4.
208
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
7.
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
7.1
Änderung der Korrespondenzregeln von der Elementebene zur Beziehungsebene
Für die Personalwirtschaft stellt sich abgeleitet aus der systemtheoretischen Analyse der Arbeit die Frage, wie angesichts der nur losen Kopplung zwischen System und Umwelt (zu denen auch die Mitglieder der Organisation gehören) eine Intervention, z. B. eine Maßnahme zur Erhöhung der Kooperations- und Kommunikationskompetenz in einer Arbeitsgruppe, zu gestalten ist. Kommunikation (als kommunizierte Entscheidungen) wurde als selbstreferentieller Reproduktionsmodus eingeführt, durch den die Organisation ihre eigenen Anschlüsse herstellt und ihren Fortbestand sichert. Die in der Personalwirtschaftslehre traditionell an personale Attribute geknüpften Kategorien “Qualifikation”, “Kompetenz” und “Lernen” sind mithilfe der erarbeiteten systemtheoretischen Basis korrespondenzbildend zu übersetzen, um auf ihren Gegenstandsbereich (die sich selbstreferentiell reproduzierende Konziliare Organisation) anwendbar zu sein.635 Aufgrund des einheitlichen Bauprinzips der Selbstreferentialität bestehen Brücken zwischen der Kollektivebene und der Individualebene, z. B. sind durch die strukturelle Kopplung zwischen Individuum (psychisches System) und Organisation (soziales System) Interventionen, die beide Ebenen betreffen, erst durchführbar. Die individuenzentrierte Personalwirtschaft verschiebt sich zu einer am Sozialen ausgerichteten Personalwirtschaft.636 Dass es Voraussetzung für die Steuerung eines komplexen sozialen Systems durch eine Person (als psychisches System) ist, dass die personale kognitive Struktur eine höhere Komplexität als das intervenierte System aufweist637, hat Folgen für die Konfiguration des Systems.
635 636
637
Dabei kann auf den Vorarbeiten von Kapitel 5.4 aufgebaut werden. Vgl. Mayrhofer (1996), 97. Das „Soziale“ lässt sich ihm zufolge „als ein durch das Zusammenwirken von zumindest zwei Individuen (psychischen Systemen) entstehendes Phänomen auch konzeptionell als eigenständige (emergente) Einheit fassen.“ Mayrhofer (1996), 99. Vgl. Luhmann (1996), 294 f. (Seitenzahl in der Aufl. von 1994), zitiert nach Nolte (2007), 43. Allerdings stellt Nolte an späterer Stelle fest, dass das Unternehmen immer eine höhere Komplexität aufweist als die Mitarbeiter (S. 134). Unklar bleibt damit, wie eine Lenkung durch Entscheidungsträger möglich sein soll, wenn zuvor postuliert wurde, dass diese eine höhere Komplexität ihrer kognitiven Strukturen aufweisen müssen, damit ihre Lenkungsversuche durch das System überhaupt angenommen werden. Dieser Widerspruch kann allenfalls aufgelöst werden, wenn man berücksichtigt, dass auch Managemententscheidungen als kooperierende Aufgabe wahrgenommen werden (z. B. in Strategiesitzungen) und dass die Komplexität der individuellen psychischen Systeme durch eine interpersonelle Vernetzung und die damit verbundene gegenseitige Komplexitätsbereitstellung gesteigert werden kann. Vernetzung wurde in Abschnitt 4.2.4 als komplexitätsverstärkende Eigenschaft eingeführt.
Änderung der Korrespondenzregeln von der Element- zur Beziehungsebene
209
Das soziale System weist einen geringeren Strukturbedarf und damit eine höhere Flexibilität zur Neukonfiguration auf verglichen mit dem Fall der ungelenkten Eigenkomplexität unter Abwesenheit eines intervenierenden psychischen Systems. Als Beispiel für kognitive Strukturen, die dem System zur Komplexitätsverarbeitung bereitgestellt werden, sind vereinfachende Annahmen über Wirkungszusammenhänge zu nennen638, z. B. Entscheidungsheuristiken, Menschenbilder, Motivationstheorien und Führungstheorien. Indem sich die Organisation (soziales System), ihre Mitglieder (psychische Systeme) und Arbeitsgruppen (Interaktionssysteme) über die strukturelle Kopplung gegenseitig Komplexität zur Verfügung stellen, treten sie in ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis ein. Gleichzeitig wird das Potenzial der Organisation erhöht, die neben ihrer eigenen Komplexität die Komplexität der mit ihr gekoppelten Systeme mit verwenden kann.639
Die Nutzung der Eigenkomplexität der Mitglieder vollzieht sich als Teilinklusion, da es (außer in totalitären Systemen) nicht zu einer gänzlichen Inklusion kommen kann. Die Einbeziehung der Komplexität der kognitiven Strukturen der Mitglieder kann am Beispiel „Problemlösefähigkeit“ verdeutlicht werden. Erhöht ein Unternehmen in der Folge einer strategischen Entscheidung zur Einführung von Diversity Management die Zahl der rekrutierten Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, steigt die Komplexität der Organisation durch die Heterogenität der neu eingetretenen Mitarbeiter. Die Komplexität steigt, da die Zahl der Verknüpfungsmöglichkeiten und damit die Zahl der Lösungsmöglichkeiten zunimmt. Ob die gestiegene Lösungsmenge zu einer erhöhten Problemlösefähigkeit führt, hängt dann von der Passung zwischen Aufgabenanforderungen und der Qualifikation der Mitarbeiter ab. Ist es Aufgabe der neuen Mitarbeiter, in einer Arbeitsgruppe in der Abteilung Forschung und Entwicklung kreative Neuproduktentwicklung zu betreiben, wird die Vielzahl an Problemzugängen die Problemlösung tendenziell erleichtern.
Eine weitere Verknüpfung zwischen der individuellen Interventionsebene der Personalwirtschaft und der Systemebene lässt sich mit Bezug auf den radikal-konstruktivistischen Ursprung der Theorie sozialer Systeme herstellen. Die Theorie sozialer Systeme ist radikalkonstruktivistisch insofern, als organisatorische Realität (Handlungen, Wahrnehmung von Chancen und Risiken, Probleme, ausgeblendete und wahrgenommene Problemlösungen, Beteiligung) als durch die Individuen konstruiert betrachtet wird. Die “Austauschmetapher” mit Bezug auf Kommunikation ist – wie gezeigt – unangemessen, da kein Gut “Kommunikation” oder “Information” ausgetauscht wird, sondern alternative Kommunikationen für die psychischen Systeme der Individuen Perturbationen mit unbekanntem Ausgang darstellen. Kommu-
638 639
Vgl. Nolte (2007), 44. Vgl. Mayrhofer/Meyer (2002), 604.
210
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
nikation kann danach zu einer “Reorganisation” subjektiver Erfahrung beitragen, wenn angenommen wird, dass eine Kopplung zwischen Kognition und Kommunikation durch ein drittes System, das geteilte Wissen, erreicht wird.640 Eine verbindende Klammer zwischen psychischen Systemen und dem sozialen System ist erforderlich, da beide zwar selbstreferentiell operieren, dabei aber unterschiedliche Elemente (unterschiedliches “Rohmaterial”) verwenden, soziale Systeme Kommunikationen und psychische Systeme Bewusstsein. Die gegeneinander selbstreferentiell geschlossenen Systeme werden erst durch strukturelle Kopplung aneinander anschlussfähig, denn “ein soziales System kann nicht denken, ein psychisches System kann nicht kommunizieren.”641
Die angenommene Kopplung zwischen den psychischen Systemen der Individuen und dem sozialen System hat es ermöglicht, in dieser Arbeit von psychischen Systemen zu abstrahieren und ausschließlich das soziale System, das durch Kommunikation konstruiert wird, zu betrachten. Gleichzeitig bietet die Kopplung Stellen des ‘Durchgriffs’ auf die Individuen, da die psychischen Systeme an der Konstruktion der organisatorischen Realität beteiligt sind und ihrerseits durch Perturbationen aus dem sozialen System in ihrer Entwicklung beeinflusst werden.
Das systemtheoretische Konzept der “Selbstbeschreibung” des Systems weist Parallelen zum Konzept der “organisationalen Identität” auf, das im Zusammenhang mit Überlegungen zum organisationalen Lernen und zur Unternehmenskultur geprägt wurde. Der Unterschied zwischen beiden Zugängen liegt in der Verortung der identitätsbildenden bzw. systembildenden Vorgänge. Theoretische Ansätze zur organisationalen Identität gehen von einer Verankerung der Repräsentation der Organisation in den “Köpfen”, d. h. den kognitiven Strukturen der psychischen Systeme, aus, über die die Individuen indirekt auf die Organisation Bezug nehmen (integrative Funktion).642 Da angenommen wird, dass das mental konstruierte Bild der Organisation kommuniziert werden muss, um in der Organisation relevant zu werden und diese Kommunikation auch eingesetzt wird, um ein geteiltes mentales Modell der Organisation herzustellen, ist ein enger Zusammenhang zwischen “organisationaler Identität” und der systemtheoretischen “Selbstbeschreibung” erkennbar. Die Herausbildung eines gemeinsamen “mind set” kann damit durch Verfahren der Visualisierung unterstützt werden. Die Systemtheorie nimmt mit der Selbstbeschreibung des Systems eine Verortung der organisationalen Identität im sozialen System, d. h. in den kommunikativen Vorgängen im System, an. Aus Sicht der neueren kybernetischen Forschung wird Organisationen analog zu lebenden Organismen aufgrund ihrer Eigenschaft, Sinn zu verarbeiten, die Fähigkeit zur Kognition zugeschrieben. Aus dem engen Zusammenhang zwischen kognitiven Vorgängen der Wissensge640 641 642
Vgl. Habscheid/Weik (2003), 57. Luhmann (2008), 118. Vgl. hierzu und zum nachfolgenden Abschnitt Seidl (2003), 166 f.
Änderung der Korrespondenzregeln von der Element- zur Beziehungsebene
211
nerierung und –verarbeitung und dem Prinzip der Autopoiesis wird abgeleitet, dass eine Konzeption von Organisationen als autopoietischen Systemen es ermöglicht, die in diesen ablaufenden kognitiven Prozesse zu erfassen643 und die Übergangsmuster von individueller zur organisationaler Kompetenz zu untersuchen. In selbstreferentiell arbeitenden Arbeitsgruppen dient z. B. das vorhandene Wissen als Interpretationsmuster, durch das Informationen aus der Umwelt gefiltert, bewertet und in interne Reize umgewandelt werden. Die bestehende Aufgabenstruktur, aber auch die Kommunikationsbeziehungen und das Lernverhalten bestimmen über die ausgewählten und im Lernprozess weiterverarbeiteten Informationen.644 Die autopoietische Geschlossenheit gegenüber der Umwelt führt dazu, dass interne Strukturen sich autonom verändern können, ohne dass hierfür eine Maßgabe aus der Umwelt vorliegen muss. Interne Strukturveränderung dient dabei der Aufrechterhaltung der Organisation innerhalb der durch die Umwelt vorgegebenen Restriktionen.645 Organisationen werden zu kollektiven Akteuren, die in ihrer Eigenständigkeit mit Personen vergleichbar sind. Daraus leiten kritische Arbeiten zur Systemtheorie Luhmanns den Vorwurf eines überzogenen Autonomiepostulats bezüglich sozialer Systeme – z. B. der Wirtschaft oder des Wissenschaftssystems – ab, deren Eigenständigkeit im Vergleich zur auf Autopoiesis beruhenden Autonomie des Gehirns tatsächlich nur schwach ausgeprägt sei.646 Dem ist entgegenzuhalten, dass partielle Offenheit gegenüber der Umwelt dem Prinzip der selbstreferentiellen Geschlossenheit eingeschrieben ist, dass also Autonomie hier nicht mit Autarkie zu verwechseln ist.
An dieser Stelle soll der letzte Schritt, die Frage der Beeinflussbarkeit und Steuerbarkeit des Systems durch personalwirtschaftliche Instrumente diskutiert werden. Die im Folgenden abzuleitenden personalwirtschaftlichen Maßnahmen müssen daher zentral Kommunikation einsetzen sowie die aufgezeigten Voraussetzungen für das Lernen von Systemen einbeziehen, um die strukturelle Kopplung zwischen Individuum und System für die Maßnahmengestaltung zu nutzen. Im Anschluss an die Erkenntnisse des vorangegangenen Kapitels sind „viable“ personalwirtschaftliche und organisationswissenschaftliche Maßnahmen zu diskutieren, die trotz basaler Nichtsteuerbarkeit den „Durchgriff“ auf selbstreferentielle Systeme ermöglichen. Es ist die Frage zu beantworten, wie sich Kompatibilität und Anschlussfähigkeit zwischen der systemtheoretischen Konzeption und der Personalwirtschaft herstellen lässt, d. h. ob und wie die 643 644
645
646
Vgl. Limone/Bastias (2006), 44. Vgl. Natho (2004), der die in der systemischen Therapie und der Sozialarbeit eingesetzten Gesprächsführungs- und Gruppeninterventionstechniken als “in modifizierter Form” auf Arbeitsgruppen übertragbar erachtet. Vgl. Natho (2004), 53. Auch Varela spricht von Restriktionen aus der Umwelt, die bei aller Autonomie als Mindestbedingung durch das System zu beachten sind, um den Selbsterhalt in der Umwelt zu sichern. Der Unterschied zu inputorientierten Systemen besteht aber darin, dass die Umwelt die Systemstruktur nicht preskriptiv determiniert, sondern lediglich als Randbedingung für die eigengesetzliche Variation der Systemstruktur (das Eigenverhalten des Systems) fungiert. Vgl. Varela (1984), 27. Vgl. Zima (2004), 175.
212
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
selbstreferentielle Operationsweise des Systems für personalwirtschaftliche Maßnahmen aufschließbar wird.
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
7.2
213
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
In der dargestellten Relation zwischen Individuen als psychischen Systemen und der Organisation als sozialem System ergeben sich bei Kreuztabellierung der Herkunft der Intervention und des Ziels der Intervention vier mögliche Kombinationen, die in Abbildung 34 dargestellt sind.
Herkunft der Intervention
Psychisches System
Soziales System
Prozessberatung
Organisationsentwicklung
Soziales System
Selbstentwicklung
Bildung und Förderung
Psychisches System Ziel der Intervention
Abbildung 34: Formen der Intervention in Abhängigkeit vom intervenierenden und intervenierten System Quelle: Eigene Darstellung
Im Folgenden sollen Maßnahmen aus den genannten Feldern vorgestellt und es soll verdeutlicht werden, welche Konsequenzen sich an den “Interventionsschnittpunkten” zwischen sozialem System und psychischem System für die Gestaltung personalwirtschaftlicher Instrumente ergeben. Dabei erfolgt eine konsequente Herleitung der Aussagen aus den erarbeiteten systemtheoretischen Eigenschaften der Systemtypen und den Bezügen der Systeme zueinander. Insbesondere soll die Rolle der Mitarbeiter der Personalabteilung betrachtet werden, aufgrund ihrer Multisystemzugehörigkeit (psychisches und soziales System) und der Professionalität zur Gestaltung und Anwendung von Interventionsmaßnahmen als “boundary spanners” oder Kontaktstellen zu fungieren. Auch wird unter erneutem Bezug auf das Konstrukt der Konziliaren Kompetenz hinterfragt, inwiefern eine Reife zur Selbstentwicklung der Mitarbeiter unterstellt bzw. gefördert werden kann. Damit werden die Aussagen zum Prinzip der strukturellen Kopplung und der
214
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
resultierenden Steuerbarkeit selbstreferentieller Systeme an konkreten Anwendungsfällen veranschaulicht.
7.2.1
Prozessberatung
Systementwicklung als emergente Entstehung von Ordnung impliziert ein durch Rückkopplungsprozesse geprägtes, zirkuläres und damit multikausales Wechselspiel zwischen System und Umwelt. Dies spiegelt sich auch in dem Tatbestand, dass strukturelle Veränderungen des Systems als fortwährende “Strukturevolutionen” selbstreferentiellen Charakter haben, d. h. Entscheidungen über die systemeigene Struktur darstellen, die das System selbst trifft. Das Ziel der Anpassung der Binnenstruktur zur Lösung systemeigener Strukturprobleme (Selbstanpassung) rangiert als unmittelbares Ziel vor der Anpassung an Umweltveränderungen (Fremdanpassung), die nur mittelbar zu erzielen ist.647
Herkunft der Intervention Psychisches System
Soziales System
Prozessberatung
Selbstentwicklung
Organisationsent-
Bildung und Förderung
wicklung
Soziales System
Psychisches System Ziel der Intervention
Abbildung 35: Prozessberatung im Rahmen der Systemgestaltung Quelle: Eigene Darstellung
Es ist fraglich, wie Selbstorganisation des sozialen Systems möglich ist, erfordert diese doch ein gewisses Maß an fremdorganisatorischem Eingriff in die selbstreferentielle Operationswei-
647
Vgl. Luhmann (1996).
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
215
se des Systems. Hier nennt Cromberg drei Anforderungen einer „gelenkten Selbstorganisation“:648
Förderung der Selbstgestaltung bzw. –koordination
Stärkere Berücksichtigung individueller Verhaltensschemata als Basis emergenten Systemverhaltens
Weitmögliche Umsetzung von Selbstlenkung
Festlegung weniger, übergeordneter Regeln (Fremdorganisation) zur Gewährleistung der Ausrichtung der Selbstorganisation an den Unternehmenszielen
Orientierung an den produktions- und prozessbedingten Abstimmungserfordernissen zur Vermeidung unerwünschter, emergenter Phänomene und zur Steigerung von Abstimmungsqualität und –effizienz.
Die angesprochene Passung zwischen sozialem System und psychischem System durch strukturelle Kopplung und Emergenz impliziert eine Zweiweg-Beeinflussung, d. h. die Organisation wirkt nicht nur einseitig durch Perturbationen disziplinierend oder fördernd auf die Organisationsmitglieder ein, sondern diese irritieren ihrerseits das soziale System. Sobald eine interne Operation des psychischen Systems den Weg vom Gedanken zur verbalen oder non-verbalen Äußerung gemacht hat, ist eine systemrelevante Irritation in das soziale System eingedrungen.
Zu einer Überlastung mit Störimpulsen aus der Umwelt kann es dennoch nicht kommen, da nur solche Impulse zugelassen und nicht aussortiert werden, die in der Sprache des Systems – als Kommunikation – in diesem vorkommen. Es kann nicht zu einer Vermischung der Selbstreferenz des sozialen Systems mit der der psychischen Systeme, sondern nur zu einer CoEvolution und eingespielten Reagibilität der psychischen Systeme und des sozialen Systems kommen649, weil die Selektion der Kommunikation durch das System die Systemgrenze stabilisiert. Da das soziale System und die psychischen Systeme über das Medium Sinn strukturell gekoppelt sind, wird Verstehen möglich (Person-System-Beziehung) und es kann ein “Zurückrechnen” der Kommunikation auf das Bewusstsein der Beteiligten (System-Person-Beziehung) erfolgen.650
Die Eigenlogik des Systems, die ihren Ausdruck in der Autopoiesis findet, ermöglicht und erfordert es, dass das System die aufgrund des Komplexitätsgefälles zwischen System und 648 649 650
Vgl. Cromberg (2007), 232. Vgl. Luhmann (2008), 120. Vgl. Luhmann (1996), 297.
216
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
Umwelt mit Zeitverzögerung aus der Umwelt eingehenden Informationen nach dem systeminternen Code bewertet und selektiert. Die Umwelt wird aus der Betrachtung nicht ausgeklammert, da das System Selektionen nur auf Basis der Differenz zur Umwelt erzeugen kann. Die Zuschreibung einer Veränderungsanforderung auf die Umwelt ist aber aus dieser Sicht eine von mehreren möglichen Selektions- und Interpretationsmöglichkeiten des Systems.651 Der Unterschied zu einer umweltbezogenen, evolutionstheoretischen Begründung von Veränderung in und von Organisationen liegt damit darin, dass systemtheoretisch nicht der Veränderungsdruck der Umwelt die Ursache der Veränderung darstellt, sondern die dem System inhärente Instabilität. Diese zwingt das System fortwährend zu Selektionsleistungen und wird damit zum zentralen Veränderungsimpuls. Maßnahmen der Prozessberatung als Intervention der Personalarbeit in das soziale System sind damit gezielte Destabilisierungen, die das System zu Selektionen anregen, um Stabilität wieder herzustellen. Die Anregung kann z. B. mittels sozio-technischer Systemanalyse Kommunikations- und Kooperationsmuster erfassen, deren Veränderung muss aber, z. B. im Rahmen einer gruppendynamischen Intervention, dem sozialen System bzw. den Teilsystemen wie Gruppen überlassen werden. Prozessberatung erfordert eine professionalisierte Personalarbeit in Form hoher sozialkommunikativer Kompetenz bei gleichzeitig hoher Fach- und Methodenkompetenz.652 Personalarbeit als Beratung eigenständiger Individuen und Gruppen von Individuen ist relational und kommunikativ ausgerichtet. Die kommunikative Ausrichtung wird in der Beratung und der Gestaltung von Gruppeninterventionen und in den laufenden formalen und informalen Kommunikationsbeziehungen, z. B. im Rahmen der kollegialen Beratung, umgesetzt. In solchen Expertennetzwerken stellen sich erhebliche Koordinationsprobleme ein, da wenig Redundanz in den Kompetenzen vorliegt und unklar ist, wie ex ante-Vertrauen aufgebaut werden kann, um den erstmaligen Aufbau der Kooperation zu ermöglichen. Da sowohl die Soziale Netzwerktheorie als auch die Sozialkapitaltheorie hierzu keine Aussagen treffen, sondern die kumulative Wirkung von Sozialkapital und damit den Fall bereits aufgebauter Beziehungen betrachten, ist der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen, z. B. über eine kooperationsfördernde Transaktionsatmosphäre653, als Netzwerkaufgabe der Personalarbeit zu bezeichnen. Der Nutzung der kommunikativen Kompetenzen der fokalen Mitglieder des Netzwerks ist dabei
651 652 653
Vgl. Stünzner (1996), 115. Vgl. Becker (2005b), 523. Vgl. zu einer modelltheoretischen Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Humankapitalspezifität der zusammenarbeitenden Experten und der Ergebnisvariablen der „Sozialkapitalproduktion“, z. B. Reputation Jones/Hesterly/Borgatti (2004). Strukturelle Einbettung (analog Transaktionsatmosphäre) wirkt als intervenierender Faktor.
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
217
systematisch zu fördern654, denn “absorptive and communicative abilities augment the effect of shared beliefs.”655
Der organisationale Reifegrad als “Aggregatzustand” des Systems, wird z. B. mithilfe der soziotechnischen Systemanalyse erfasst und reifegradadäquate Maßnahmen eingesetzt (vgl. Abbildung 36).
Planung, Realisierung und Kontrolle in der Personalentwicklung als Prozessberatung
beratend
gestaltend
x
Sozio-technische Systemanalyse
x
Klimastudien und Zufriedenheitsanalysen
x
Gruppendynamische Beratung und Gestaltung
x
Förderung von Führung und Zusammenarbeit
x
Kollegiale Beratung
x
Gestaltung von Arbeitsformen und Kooperationsmustern
Abbildung 36: Inhaltsbereiche der Personalentwicklung als Prozessberatung Quelle: verändert übernommen von Becker (2005b), 506.
Diagnostik und Methodik (z. B. Datensammlung und –auswertung, Ursachenanalyse, Zielvereinbarungen) werden durch eine generalistische Personalentwicklung zur Erhaltung der Sozial-, Methoden- und Fachkompetenz nachfrageorientiert angeboten.656 Personalentwicklung fungiert durch Prozessberatung als individuenbezogener und systemweiter Entwicklungskatalysator.
654
655 656
Führung in Netzwerken wird erleichtert, wenn mindestens zu einer zentralen Person jeder Subgruppe Beziehungen bestehen, die für Multiplikatoreffekte einsetzbar sind, vgl. Krackhardt/Brass (1994), 221. Adler/Kwon (2000), 93. Vgl. Becker (1997), 13.
218
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
7.2.2
Selbstentwicklung
Die Anforderung, dass Individuen ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen und auf dem Wege der Selbstentwicklung nicht auf Angebote durch die Organisation warten, sondern diese einfordern und selbstständig gestalten, ergibt sich aus dem dieser Arbeit zugrundegelegten erweiterten Kompetenzbegriff. Danach ist Kompetenzentwicklung keine alleinige Spezialistenaufgabe, sondern integraler Bestandteil der Arbeitsaufgabe jedes Mitarbeiters.657 Dass Selbstentwicklung ein Stellenwert zukommt, folgt der Annahme, dass sich die Entwicklungsleistungen der Individuen auf einer emergenten Ebene, z. B. der Gruppenebene oder der Gesamtorganisation, wieder einspeisen lassen und damit für das System insgesamt nutzbar gemacht werden können. Von Emergenz wurde gesprochen, wenn die Eigenschaften einer Ordnungsebene (z. B. von Gruppen) sich nicht hinreichend aus den Eigenschaften ihrer Bestandteile (z. B. der sie bildenden Individuen) erklären lassen.658 Emergenz als qualitative Komplexitätszunahme ermöglicht eine Autopoiesis höherer Ordnung, d. h. dass interindividuelle Interaktion zu einer Neustrukturierung von Komplexität beiträgt, die der Organisation die Integration einer höheren Varietät (z. B. die Lösung komplexerer Probleme durch eine heterogenere Belegschaft) ermöglicht als die bisherige Organisationsform. Selbstentwicklung wird anschlussfähig an organisationsweite Entwicklung, weil beide Entwicklungsstufen unterschiedliche „Aggregatzustände“ repräsentieren. Individuelle Größen wie Kognition, Affekt, Verhalten und Persönlichkeit sind elementare Bausteine, gewissermaßen das selbstreferentielle „Rohmaterial“, der Emergenz. Auf Ebene der Gruppen lassen sich emergente Korrelate zu den individuellen Variablen bestimmen. Die Korrelate auf der Gruppenebene sind mentale Modelle (emergente Kognition), Gruppenzusammengehörigkeitsgefühl (emergenter Affekt), Gruppenleistung (emergentes Verhalten) und Vielfalt in Gruppen (emergente Persönlichkeit).659
657 658 659
Vgl. Becker (2006), 443. Vgl. Kapitel 4. Vgl. Klein/Kozlowski (2000), 55 f. Die Bezeichnungen in Klammern sind selbst gewählt (I. L.).
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
Herkunft der Intervention
Prozessberatung
Selbstentwicklung
Organisationsent-
Bildung und Förderung
219
Psychisches System
Soziales System
wicklung
Soziales System
Psychisches System Ziel der Intervention
Abbildung 37: Selbstentwicklung im Rahmen der Systemgestaltung Quelle: Eigene Darstellung
Selbstentwicklung ist für die Personalarbeit relevant, wenn berücksichtigt wird, dass “selfmonitoring” die Bindungsstärke im Netzwerk erhöht und damit die Unterstützung durch den Mentor amplifiziert.660 Auch ist die Unterstützer-Rolle des Vorgesetzten (sponsorship) hervorzuheben, der den Wert des Sozialkapitals des Individuums erhöht.661 Hierzu sind klassische Instrumente weiterzuentwickeln z. B. multiple Mentoring-Beziehungen, die die dyadischen Mentoring-Beziehungen auf das Netzwerk ausweiten, indem zum klassischen MentorenAuswahlkriterium der Erfahrung (gemessen z. B. an der erreichten Hierarchiestufe und der Verweildauer im Unternehmen) die Rolle als „boundary spanner“ hinzutritt und Mentorennetzwerke im Unternehmen gebildet werden.
Ein weiteres Beispiel für Selbstentwicklung sind sich selbst steuernde, selbstlernende Gruppen, die sich von führerlosen, frei floatenden Gruppen durch die Existenz eines Gruppenleiters unterscheiden, der aber nur Anstöße zur Selbstentwicklung gibt. Als nicht-trivialen Systemen wird selbstlernenden Gruppen die Fähigkeit zugeschrieben, ein hohes Maß an Vielfalt integrieren und sich auf Basis vorhandener Informationen neu strukturieren zu können, wobei die Bewusstmachung von Kommunikationsstrukturen auf der Beziehungsebene zur Lösung von Problemen auf der Sachebene genutzt werden kann. Dabei wird die Fähigkeit, die Wechselwirkung zwischen der Mikroebene (z. B. Beziehungen, Rollen, individuelles Wissen) und der
660 661
Vgl. Kim/Kim (2006). Vgl. Sparrow/Liden (2005).
220
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
Makroebene (Gruppenleistung, organisationales Wissen, Überlebensfähigkeit des Systems) systematisch zu nutzen, als „Systemkompetenz“ bezeichnet.662 Selbstentwicklung kann an Pathologien der Problemlösung in Gruppen und an mangelnder Professionalisierung der Nachfrager scheitern. Als Beispiele für Problemlösungspathologien sind ein Verlust der ursprünglichen Zielorientierung, eine überhöhte Selbstreferentialität, die in eine permanente Selbstbeschäftigung von Gruppen führt, und die „problemzentrierte Leitung“, in der das Problem die Führung übernimmt und statt Lösungen zu finden die „Problemlandschaft“ immer genauer erfasst wird, zu nennen.663 Interpretiert man das Konzept der “Virtuellen Personalarbeit” als Netzwerk aus für einzelne personalwirtschaftliche Felder spezialisierten Experten, ist die Virtualisierung nur angebotsseitig, bei der Personalarbeit anzusiedeln. Dieser in letzter Konsequenz und in Steigerung des Referentensystems vollständig dezentralen Wahrnehmung der Personalfunktion ist entgegenzuhalten, dass das professionalisierte Handeln durch “Diffusion der Expertise” verwässert wird, wenn eine institutionelle Anbindung und die damit verbundenen Werte wie Loyalität, Vertrauen und ein professioneller Verhaltenskodex fehlen.664
Wird die Virtualisierung dagegen im Rahmen einer Shared HR665 auch nachfragerseitig institutionalisiert, so dass Entwicklungsleistung an die Mitarbeiter übergeht, wird auch die Personalentwicklungsverantwortung auf die Adressaten verlagert.666 Die doppelte Anforderung, den eigenen Entwicklungsbedarf zu diagnostizieren und die geeignete Methode zur Erhöhung des eigenen Problemlösungspotentials zu ergreifen, wird die dezentralen Einheiten regelmäßig überfordern. In der realen Umsetzung der Selbststeuerung wird daher “trial and error”, d. h. ungerichtete Suchprozesse, dominieren, die innovative Entwicklungen, im Sinne der Höherentwicklungsziele des entwicklungsorientierten Managements, zwar zufällig, aber nicht systematisch zu erreichen im Stande sind. Nimmt man Abstand von einem idealistischen Selbststeuerungskonzept wird deutlich, dass die Anforderung an Analyse-, Reflexions- und Veränderungskompetenz, stellt man diese unterschiedslos an alle Individuen, eine Überwindung des individuellen blinden Flecks und des Professionalisierungsgefälles zur Personalentwicklung voraussetzt, die schlechterdings nicht zu erreichen ist. Inwieweit die erhöhte Aufmerksamkeit für die Binnenstrukturierung der Gruppe, wie sie am Konzept der Selbststeuerung ablesbar ist, einen Nutzen für eine Erhöhung von Variablen wie Arbeitszufriedenheit, Kohäsion, Mitarbeiterbindung und schließlich Gruppenleistung bietet, bleibt unklar. 662 663
664 665
666
Vgl. Natho (2004), 74. Vgl. Natho (2004), 54 ff. Die problemzentrierte Leitung ist vergleichbar mit in Relation zum Verwendungszweck zu genauen Landkarten oder „mind maps“. Vgl. Wächter/Metz (1999), 114 u. 118. Hier wird Shared HR mit kooperativer, verteilter Wahrnehmung von Personalarbeit durch die Betroffenen gleichgesetzt und damit nicht der Eingrenzung auf „employee self services“ gefolgt. Vgl. Becker (2005b), 544.
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
221
Auch ist die erreichbare Rationalität der Problemlösung in selbst gesteuerten Gruppen zu hinterfragen. Selbstentwicklung ist damit allenfalls auf dem Wege selbstgesteuerten Lernens („Selbstlernens“), z. B. über die sogenannte kooperative Selbstqualifikation, erreichbar, die die Lernmittel, -wege und -geschwindigkeit dem Lernenden überlässt und ihm durch Interaktion die Verknüpfung mit dem Wissen anderer ermöglicht, so dass individuelles Wissen soziale Relevanz erhält.667 Die hier erkennbare Erfordernis der personal-kommunikativen Verknüpfung der individuellen Lernleistungen ist an face-to-face-Kontakte gebunden, weshalb die Form des Distanzkonzils als zur Selbstentwickung nicht angemessen betrachtet wird. Dass zusammengefasst die Realisierungsbedingungen der kooperativen Selbstqualifikaton im Vergleich zur Selbstentwicklung der Shared HR höher einzuschätzen sind ist darauf zurückzuführen, dass hier offensichtlich ein auch unter Professionalisierungsgesichtspunkten wesentlich bescheidenerer Anspruch der Selbstentwicklung verfolgt wird.
667
Vgl. Volke-Groh/Martens (2001), 36 ff.
222
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
7.2.3
Maßnahmen der Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung
Die systemtheoretische Beschreibung der Konziliaren Organisation ermöglicht es, im Unterschied zur Kybernetik, nicht nur die Aufrechterhaltung von Gleichgewichtszuständen668 sondern ebenso Wandel der formalen und informalen Organisationsstruktur (Organisationsentwicklung) und individuelle Weiterentwicklung als Wandel der kognitiven Struktur (individuelles Lernen, z. B. im Rahmen von Maßnahmen der Bildung und Förderung) zu erklären.669
Herkunft der Intervention
Prozessberatung
Selbstentwicklung
Organisationsent-
Bildung und Förderung
Psychisches System
Soziales System
wicklung
Soziales System
Psychisches System Ziel der Intervention
Abbildung 38: Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung im Rahmen der Systemgestaltung Quelle: Eigene Darstellung
Maßnahmen der Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung sind Bestandteil der Personalentwicklung der 3. Generation, die alle Maßnahmen einschließt, die “von einer Person oder Organisation zur Erreichung spezieller Zwecke zielgerichtet, systematisch und metho-
668
669
In den Arbeiten Bertalanffys als Vertreter der frühen systemtheoretischen Kybernetik ist organisatorische Gestaltung auf die Feststellung von Regelmäßigkeiten in der Transformation von Inputs in Outputs und die Variation der Außenbedingungen der Transformation beschränkt, wobei das Innere der Organisation, der „throughput“, als „black box“ behandelt wird. Die Systemtheorie nach Luhmann ist dagegen gerade an der Varietät von Strukturen als „funktionalen Äquivalenten“ interessiert ist. Vgl. Luhmann (1996), 275 f. Vgl. Rother (1996), 16. Beibehaltung und Erneuerung sozialer Strukturen unterliegen dem gleichen Erklärungsmuster, da Ordnung (z. B. Organisationsstrukturen) durch Aushandlungsprozesse entsteht. Veränderung von organisatorischen Strukturen (z. B. der Aufbau- und Ablauforganisation einer Organisation) ist damit nicht die Entstehung von etwas originär Neuem, sondern die Beibehaltung einer Struktur im Sinne einer Neubelegung der bekannten Objekte mit geänderten Bedeutungen. Vgl. Sandner/Meyer (1994), 193.
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
223
disch geplant, realisiert und evaluiert werden.”670 Lässt diese Auffassung explizit eine Maßnahmenplanung, Maßnahmendurchführung und Evaluation auf der systemischen Ebene der Organisation und damit eine Emergenz im Sinne einer Entstehung von Ordnung auf einer komplexeren Ebene als der Ebene der Einzelindividuen zu, ist eine emergente Maßnahmenentstehung, im Sinne von sich ungeplant ergebenden Maßnahmen, aus der Definition ausgeschlossen. Emergenz ist damit auf der Ebene des Trägers der Veränderungsmaßnahme (z. B. Gruppen statt Individuen), nicht aber auf der Ebene konkreter Instrumente möglich. Hinzuzufügen ist aber, dass sich emergente Phänomene durch Interaktion ergeben können. So gehört es z. B. auch zu den Aufgaben der Personalentwicklung, Kohäsion zu fördern und damit zu Gruppenzusammenhalt, Identifikation und letztlich zu Mitarbeiterbindung beizutragen. Gruppenemergente Faktoren wie Kohäsion sind nicht auf die einzelnen Individuen rückführbar, sondern entstehen kollektiv und sind auch kollektiv durch die Personalentwicklung zu adressieren. Die Personalentwicklung kann zwar Emergenz aus der Entwicklung ihrer Instrumente heraushalten, indem z. B. durch Budgetfortschreibung und standardisierte Planungsinstrumente auf der Maßnahmenebene Pfadabhängigkeit gefördert wird, der Emergenz ihres Adressatenkreises ist aber Rechnung zu tragen. So sind z. B. Multiplikatoreffekte in einem sozial akzeptierten Umfeld, z. B. durch “Story telling” und Wissensweitergabe in Communities of Practice (CoPs) zu fördern, um die individuellen Entwicklungsleistungen auf die Systemebene zu übertragen.
Kollektivistisch geprägte Personalentwicklung ist auch durch geteilte Wahrnehmung von Personalentwicklung zu erreichen. Die kooperative Durchführung von Personalentwicklung wird durch die gegenseitige Abschließung der Individuen und des Systems erschwert. “Übergangserscheinungen” zwischen dem sozialen System und den psychischen Systemen als direkte gegenseitige Strukturierung sind systemtheoretisch aufgrund der Autopoiesis der Systeme nicht vorgesehen bzw. erklärbar.671 Damit wären Lernimpulse als Anregungen zur Neustrukturierung des psychischen Systems (z. B. durch eine Weiterbildungsmaßnahme) kein gangbarer Weg, um Strukturänderungen zu bewirken. Wie noch zu zeigen ist, stellt die strukturelle Kopplung zwischen psychischem und sozialem System aber einen Kanal dar, über den trotz der gegenseitigen Abschließung der Systemtypen eine gegenseitige Einwirkung und damit z. B. die Gestaltung von Maßnahmen der Personalentwicklung möglich ist.
Das soziale System erzeugt nicht nur seine Elemente (weitere Kommunikationen) selbst, sondern auch seine Strukturen.672 Was in das dreiteilige Schema der Information, der Mitteilung und des Verstehens nicht passt, hat nichts beizutragen. Dagegen ist individuelle Wahrnehmung 670 671 672
Becker (2005b), 3. Vgl. Zima (2004), 183 f. Vgl. Luhmann (2008), 114.
224
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
im Bewusstsein von Personen ein interner Vorgang, der für das soziale System keine Relevanz hat, da das, was eine Person wahrgenommen hat, durch eine andere Person nicht bestätigt oder widerlegt werden kann.673 Erst die Einbringung in das Kommunikationssystem in einer für dieses verständlichen Form (Redebeitrag, Redelänge, Redereihenfolge, Nichtunterbrechung oder gegebenenfalls Sanktionierung usw.) verhilft den Vorgängen im Bewusstsein der Individuen zu Relevanz im Kommunikationssystem.
Es stellt sich die Frage, wie angesichts der selbstreferentiellen Geschlossenheit, die die kognitiven Systeme der Individuen füreinander und im Verhältnis zum sozialen System auszeichnet, Maßnahmen der Förderung, z. B. eine Maßnahme zur Führungskräfteentwicklung, ihr gewünschtes Ergebnis erbringen sollen. Zur Beantwortung der Frage ist ein Schritt zurückzutreten und zu ermitteln, wie sich Lernen in einem sozialen System vollzieht. Im Anschluss kann beantwortet werden, welche Anforderungen eine Maßnahme der Förderung erfüllen muss, um als Anregung durch das intervenierte selbstreferentielle System angenommen und verarbeitet werden zu können. In einem weiteren Schritt ist die Eignung der Konziliaren Organisation zum Aufbau von Kompetenzen und zum Anstoss von Lernvorgängen zu prüfen, die die emergente, selbstreferentielle Funktionsweise des konziliaren Diskurses systematisch als strukturbildende Eigenschaft ausnutzen und aufrechterhalten. Es ist zu prüfen, ob Lernen in der Konziliaren Organisation sich als reines Anpassungslernen (single-loop-learning) vollzieht, oder ob Lernvorgänge angestoßen werden, die eine Revision bestehender Normen (double-looplearning) bzw. eine Reflexion des Lernens selbst (deutero-learning) beinhalten.
Das System selbst legt auf Basis seiner internen Operation (der Beobachtung der Erwartungen aus der Umwelt an systemeigene Entscheidungen) fest, wie die Irritation im System weiter verarbeitet wird. Eine Veränderung der Systemstruktur (Lernen) ist nur möglich, wenn das System unerwartete, überraschende Entscheidungen trifft und als eine Folge seine Erwartungen revidiert674 und damit auch die Prämissen, die nachfolgende Entscheidungen bestimmen. Da Kommunikationen in der vorliegenden Arbeit als „kommunizierte Entscheidungen“ und damit eine Teilmenge von Entscheidungen in Organisationen eingeführt wurden, sind veränderte Entscheidungen gleichbedeutend mit einer Veränderung der Sequenz, durch die Entscheidungen an vorige Entscheidungen angeschlossen werden. Da selbstreferentielle Reproduktion, durch die Entscheidung an Entscheidung gereiht wird, als grundlegende Eigenschaft der Organisation bezeichnet werden kann, ist Lernfähigkeit selbstreferentiellen Systemen von Natur aus eingeschrieben. Dass eine überdauernde Struktur der Organisation überhaupt ent673 674
Vgl. Luhmann (2008),112 und 114. Vgl. sinngemäß Laßleben, der Lernen als „unerwartetes Entscheiden [bezeichnet], das die Veränderung von Erwartungen bewirkt, und die unerwartete Entscheidung als Beobachtung, die mit Hilfe einer Erwartung etwas ausserhalb des Systems unterscheidet und bezeichnet.“ Laßleben (2002), 124.
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
225
steht, ist der Tatsache des Funktionierens fortgesetzten Entscheidens geschuldet und auch nur solange gewährleistet, wie weitere Entscheidungen einen Anknüpfungspunkt an vorherige Entscheidungen finden.
Klassische Lerntheorien rekurrieren auf das Subjekt als systematischen Ausgangspunkt der Verarbeitung neuartigen Lernmaterials durch Integration in die individuellen kognitiven Strukturen. Wie schon an mehreren Stellen der Arbeit angemerkt, implizieren die Systemtheorie, die Organisationswissenschaft (bereits mit beträchtlicher Forschungstradition zur Lernfähigkeit von Organisationen675) und neuere Entwicklungen der Lerntheorie die Möglichkeit, dass Organisationen als Systeme insgesamt lernen, ohne dass der Lernerfolg sich deterministisch aus den Einzellernleistungen der Individuem ergäbe. Es wird also eine kollektive und emergente Qualität des Lernens postuliert. Offene, nicht-triviale Systeme weisen eine Historizität auf, indem sie die vorangegangene Systemgeschichte, bezogen auf Organisationen also die Pfadabhängigkeit organisationaler Entwicklung, in ihre Entscheidungen einbeziehen. Werden Organisationen damit als Entscheidungssubjekte behandelt, ist dieses Vorgehen als Fiktion zu verstehen, die eine vereinfachte Erklärung für den Vorgang bietet, durch den Organisationen Umweltirritationen in eigene Entscheidungen überführen. Nicht-triviale Systeme werden so behandelt, als ob sie frei entscheiden könnten. Durch diese Komplexitätshandhabung werden Entscheidungen des Systems erst beobachtbar. Darüberhinaus führt das “Systemgedächtnis” zu kumulativem Lernen, durch das das System Erfahrung ansammelt. Organisatorische Trägheit, die zu Lernverzögerungen führt, kann dabei auch funktional sein, da hierdurch ein Puffer gegen Zufallsfluktuationen der Umwelt aufgebaut wird, der das System gegen ein zu schnelles, die Stabilität beeinträchtigendes Lernen schützt.676
Indem Rother den drei Generationen der Unternehmensführung (Ufü) jeweils korrespondierende Systemtypen (mechanische, natürliche und soziale Systeme)677 zuordnet, werden distinkte Lernformen ermittelt, die für den jeweils erreichten Entwicklungsstand des Systems (Reifegrad) kennzeichnend sind (Vgl. Abbildung 39).
675
676 677
Baecker weist auf die 20 Jahre andauernde Forschung zur lernfähigen Organisation durch die Organisationsforschung hin. Vgl. Baecker (2003), 179. Vgl. Luhmann (2000), 73 f. Vgl. ausführlich Kapitel 4.1.
226
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
Mechanisches System
Lerntyp 1
Æ Operatives Management
Æ Adaption vorhandener Prozesse
1.Generation der Unternehmensführung/Personalentwicklung
Æ Beobachtung der internen Standards, Normen, Subziele, etc. Æ Initialisierung durch Abweichung Lerntyp 2
Natürliches System Æ Strategische Planung, Strategisches Management
2.Generation der Ufü/PE
Æ Veränderung von Rahmenbedingungen und Strukturen (Effektivitätssteigerungen) Æ Beobachtung der SystemUmweltBeziehung Æ Initialisierung durch System-UmweltUngleichgewichte
Lerntyp 3 Soziales System
Æ Lernen zu lernen
Æ Integratives Strategisches Management
Æ Beobachtung der Adaption und der Veränderung der Rahmenbedingungen
3.Generation Ufü/PE
der
Æ Aktives und reaktives Lernen Æ Initialisierung durch Reflexion
Abbildung 39: Korrespondenz zwischen Systemtyp, Managementtyp und Lerntyp Quelle: Eigene Darstellung grundlegend verändert und erweitert nach Rother (1996), 107 u. 124.
Das weiteste Lernspektrum umfasst danach das soziale System, das als einziges der Systemtypen alle drei Lernformen einschließt, da es in der Lage ist, zusätzlich zu den basalen Lernvorgängen des Anpassungslernens durch Abweichungskontrolle (Lerntyp 1 oder “single looplearning”) und des normverändernden Lernens678 (Lerntyp 2 oder “double-loop learning”), den Lernvorgang selbst zu reflektieren und ihn zum Gegenstand weiteren Lernens zu machen (Lerntyp 3 oder „deutero-learning“). 678
Hier ist die emergente Veränderung von Handlungsregeln zu subsummieren.
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
227
Statt die Möglichkeiten des reflexiven Lernens (des Lernens zu lernen) auszuschöpfen, werden die Lernenden beim Lerntyp 1 als Trivialmaschinen behandelt.679 Ein Rückfall des sozialen Systems in einen zwar prinzipiell zugänglichen, aber unterkomplexen Lernmodus stellt z. B. die Abfrage (auswendig) gelernten Wissens ohne Transferanforderung im Rahmen des Bildungscontrollings, z. B. nach einer Weiterbildungsmaßnahme, dar. Der operativen Ausrichtung des Managements entsprechend ist Personalentwicklung in dieser Generation der Unternehmensführung680 auf individuumszentrierte Bildungsmaßnahmen, z. B. die Ausbildung, beschränkt. Der Lerntyp 2 eröffnet in der Unternehmensführung der 2. Generation dem System den Zugang zu Ausbildung, Weiterbildung und Förderung und ist damit immer noch individuumszentriert ausgerichtet, verfügt aber über ein höheres Lern- und Verhaltensrepertoire als noch in der 1. Generation. Personalentwicklung kann aufgrund der Lernoffenheit des Systems eine Mitverantwortung für die Strategiebildung (Personalentwicklung als “Business Partner des Managements”681) für sich reklamieren und, z. B. durch eine strategiekonforme Personalbedarfsplanung und Rekrutierung, auch einlösen. Der Entwicklungsstufe des sozialen Systems in der dritten Generation der Unternehmensführung schließlich ist ein Lernmodus adäquat, der Lernvorgänge selbst hinterfragt, Lernfeld und Arbeitsfeld in weitgehende Deckung bringt und der das Erlernte durch integriertes strategisches Management in organisationale Kompetenzen, z. B. den Erhalt der organisationsweiten Lern- und Enwicklungsfähigkeit, umsetzt (Kompetenzentwicklung). Das soziale System versorgt die Individuen als psychische Systeme mit Gelegenheiten, ihre Lernvorgänge zu reflektieren und, wenn nötig, an veränderte Voraussetzungen, z. B. geänderte Aufgabenanforderungen, anzupassen. Lernfähigkeit682 wird Individuen als zentrale Basiskompetenz abverlangt, d. h. diese müssen sich laufend lernbereit halten683 (deutero-learning). Als Beispiele für ein Lernen der dritten Generation der Personalentwicklung ist die Nutzung der emergent stattfindenden Interaktionen in interdisziplinären Arbeitsgruppen und teamorientiertes on-the-job-Training, unterstützt durch eine Integration oder weitgehende Deckung zwischen Lern- und Arbeitsfeld, zu nennen.684
Es ist in den vorangegangenen Ausführungen deutlich geworden, dass die Konziliare Organisation aufgrund der selbstreferentiellen Geschlossenheit in der Lage ist, das erforderliche Reflexionspotential den lernenden Individuen – mithilfe der strukturellen Kopplung und in Form eines Komplexitätsangebots – zur Verfügung zu stellen. Sie ist nicht dem Typ des trivialen 679 680
681 682
683 684
Vgl. Gause/Schmidt (1992), 182. Vgl. zur Zuordnung zwischen Systemtyp, Entwicklungsstufen der Unternehmensführung bzw. des Managements und den typischen Lernformen Rother (1996), 107 u. 124. Vgl. auch zu den Inhalten der Personalentwicklung auf den drei Stufen Becker (2005b), 118 ff. Vgl. auch Becker (2005b), 128. Die Lernfähigkeit bei den Individuen besteht in der Ausrichtung ihrer Erwartungen auf die Erwartungen des Systems (“Erwartungserwartungen”). Vgl. Gause/Schmidt (1992), 184 f. Vgl. Becker (1997), 13. Voraussetzung ist die Deckung der Arbeitsstruktur mit den Anforderungen der Aufgaben der Arbeitsgruppen.
228
Personalwirtschaftliche Schlussfolgerungen
Input-Output-Systems zuzuordnen, das in kybernetischer Tradition Lernen nur als Korrektur von Abweichungen der Lernleistung von einem Sollwert erfassen kann. Es wurde durch die systemtheoretische Eigenschaft der Selbstreferentialität vorausgesetzt, dass sich emergent neue Normen und Handlungsregeln herausbilden können. Ein Lernen des Typs 2, das mit Revisionen der handlungsleitenden Rahmenbedingungen rechnet, und das in der Lage ist, die System-Umwelt-Differenz durch Beobachtung herzustellen, ist im sozialen System als Lernmodus damit möglich. Das System ist aber auf das Typ 2-Lernen nicht beschränkt, da es aufgrund der basalen Selbstreferenz buchstäblich seine Elemente selbst aus den Elementen erzeugt, aus denen es besteht. Alle Vorkommnisse im sozialen System lassen sich mithilfe seiner Elemente – der Kommunikationen – beschreiben, auch Lernen. Es ist also möglich, das Lernen selbst durch selbstreferentielle Operationen zu de-konstruieren und zu re-konstruieren (deutero-learning). Durch die ex post-Erörterung der Verhaltens- und Leistungsergebnisse, verbunden mit der ex-ante Analyse des Entwicklungspotentials im Strukturierten Mitarbeitergespräch685, wird die Verknüpfung der organisationsweiten Struktur (Stellenbündel mit fachlichen und persönlichen Anforderungen, Fach- und Projektkarrieren als Entwicklungshorizont) mit den individuellen Anforderungen (Leistungsmöglichkeiten und –grenzen, Entwicklungspotential) ermöglicht. In Communities of practice als virtuellen Gemeinschaften wird das Prinzip der Kollegialen Beratung in großem Maßstab, d. h. aufgrund der informationstechnologischen Vernetzung nicht emergent-zufällig als Ergebnis des personalen Beziehungsnetzwerks, sondern systematisch mit einem erhöhten Wirkungsgrad umgesetzt. Daneben kann dem Bedürfnis der Teilnehmer nach sozialer Interaktion und Anerkennung für eingebrachte Themenbeiträge und Expertenratschläge entsprochen werden, das sich als dominanter Grund für die auf Reziprozität (Tauschprinzip) basierende kollegiale Wissensteilung erwiesen hat.686
Folgt man Baecker in seiner Auffassung der lernenden Organisation als kompetent in dem Sinne, dass sie sich weigert, zu verlernen, was sie bereits kann687, dann stellt der Lerntyp 1 sogar ein Hindernis für Lernen der Organisation als soziales System dar. Lernen nach dem Typ 685 686
687
Vgl. zu diesem Instrument ausführlich Becker (2005b), 379 ff. sowie operationalisiert in Becker (2008), 154. Vgl. die Ergebnisse der Befragung zur Funktion von Communities of practice bei Sukowski (2002). Vgl. auch Waltert (2002), dessen explorative Untersuchung einer CoP der württembergischen genossenschaftlichen Filialbanken (deren Repräsentativität aufgrund der Selbstselektion und Anonymität der Teilnehmer nicht beurteilt werden kann), ergab, dass das Motiv „gegenseitiges Helfen“ mit 91 % das am häufigsten genannte Motiv der CoP-Teilnahme war. Vgl. Waltert (2002), 166. Vgl. Baecker (2003), 179. Es ist ersichtlich, dass sich dieser Kompetenzbegriff von etablierten Kompetenzbegriffen unterscheidet, vgl. etwa Becker (2008a), 41, der Kompetenz als die Fähigkeiten und Fertigkeiten (das Können), die Ordination zur Handlung (das Dürfen) sowie den motivationalen Antrieb (das Wollen) einer Person versteht. Der Kompetenzbegriff bleibt damit eindeutig auf der individuellen Ebene angesiedelt, durch Einordnung in eine Kompetenzarchitektur wird aber die Bezugnahme auf organisationale Kompetenzen bzw. organisationale Ressourcen wie Rahmenbedingungen und Infrastruktur möglich. Der weite Begriff der Personalentwicklung (Bildung, Förderung, Organisationsentwicklung) und die damit einhergehende Ausweitung der Methoden der Förderung (z. B. sozio-technische Systemgestaltung und Projektarbeit) rechtfertigt außerdem, von organisationaler Kompetenz als Ziel der Personalentwicklung, insbesondere der Förderung, zu sprechen. Vgl. Becker (2005b), 10.
Konsequenzen für ausgewählte personalwirtschaftliche Instrumente
229
1 stellt auf Abweichungskontrolle ab. Es ist damit geeignet, die Einhaltung organisationaler Routinen, z. B. einer Verfahrensrichtlinie, sicher zu stellen. Schreibt man mit Baecker Lernen nicht von vornherein eine positive Konnotation zu, sondern fasst es als destabilisierenden Vorgang auf, der das System aus einem eingespielten Gleichgewicht mit der Umwelt bringt, wird deutlich, dass ein gewisses Maß an Lernresistenz die Voraussetzung für selektive Umweltwahrnehmung und für die Aufnahme der relevanten Signale aus der Umwelt ist. Die Förderung von Lernfähigkeit der Organisation muss dann angesichts der “normativen Abdichtung” gegenüber der Umwelt eine “Routine für die Aufhebung von Routinen” angeben können, d. h. es muss erreicht werden, “zu verhindern, dass Abweichungen verhindert” und damit eingefahrene, aber inadäquat gewordene Routinen permanent stabilisiert werden.688 Es muss mit anderen Worten vermieden werden, dass die Organisation im Lernen des Typs 1 verharrt und Änderungsgelegenheiten verpasst. Lernen des für das System funktionalen Verhaltens schließt damit notwendig das Verlernen des nicht passenden Verhaltens und die Weigerung des Verlernens des adäquaten Verhaltens ein.
688
Vgl. Baecker (2003), 182 f.
230
Ergebniszusammenfassung und Ausblick
8. Ergebniszusammenfassung und Ausblick 8.1
Instrumente der Kopplung zwischen Individuen und System
Folgt man der Sichtweise des evolutionären Managements, sind institutionelle Entwicklung (von Organisationen) und individuelle Entwicklung (von Personen) als Managementproblem originär als Selbstentwicklung zu verstehen, d. h. Veränderung, so die Annahme, kann nicht von außen, sondern nur “selbstgesteuert” erfolgen. Systementwicklung erhält dabei als emergentes Phänomen eine eigene Qualität, d. h. es ist nicht auf die Entwicklungsleistungen der Individuen zurückrechenbar, sondern eine durch Interaktionen der Individuen übersetzte, systemeigene Leistung, die dem System als Identität zuzurechnen ist.689 Eine wenig ergiebige Schlussfolgerung wäre, dass das System eine autonome Eigendynamik entfaltet, die weder mit Determinismus durch eine evolutionär selektierende Umwelt noch mit vollständiger Unabhängigkeit gegenüber externen Veränderungsimpulsen gleichzusetzen ist.
Ein vielversprechender Zugang ist gegenüber dieser Veränderungsmetaphorik die Analyse der Anschlusspunkte zwischen einer an Gestaltung interessierten Personalarbeit und lernenden Individuen. Personalarbeit muss im Anschluss an systemtheoretische Erkenntnisse den Reifegrad der zu entwickelnden Individuen und der Organisation insgesamt berücksichtigen, um an diese anschlussfähig gestaltet werden zu können. Auf organisationaler Ebene wirkt der Reifegrad der Unternehmensführung determinierend und strukturierend auf die Personalarbeit, insbesondere die Personalentwicklung ein690, die in Passung, d. h. komplementär bzw. selbstähnlich, als Fraktal zur Unternehmensführung zu gestalten ist. Bei einer komplementären Gestaltung bietet die Personalentwicklung ein lernförderliches Umfeld, damit Individuen und Organisation ihre Entwicklungsziele erreichen. Bei fraktaler Gestaltung besteht strukturelle Ähnlichkeit zwischen der Personalarbeit, den zu entwickelnden Individuen und der Organisation.
689
690
Klimecki/Probst/Eberl (1991), 116. Entwicklung wird mit Höherentwicklung konnotiert und ist eine Folge einer „fundamentalen“ Veränderung durch „intersubjektiv geteilte Wirklichkeitskonstruktionen“ (119). Auch kognitive Veränderung als Erhöhung des Problemlösungspotentials wird dabei entgegen dem üblichen Verständnis von subjektiver Kognition auf der Systemebene verortet. Personalentwicklung ist in transitionalen Unternehmen mit hoher Innovationsrate in der internen und/oder externen Umwelt anders zu gestalten als in traditionalen, weitgehend veränderungsarmen Unternehmen, deren Umgebung Stabilität und Routine prämiert. Vgl. zum Reifegradkonzept Becker (2005b), 3 f. und die empirischen Befunde in Becker (2002b).
Instrumente der Kopplung zwischen Individuen und System
231
Die Veränderung von Normen und Zielen der Organisation im Zuge des double-loop-learning setzt Dialog- und Kommunikationsprozesse voraus, in denen durch die Organisationsmitglieder verschiedene Sichtweisen auf ein Problem erörtert werden, um zu einer revidierten Situationsdefinition zu kommen.691 Die Gefahr, dass Unternehmen als „total learning organizations“692 durch permanentes Hinterfragen und Revidieren der organisationalen Strukturen und Routinen jegliche Struktur einbüßen, da sie nicht auf vergangene Erfahrungen zurückgreifen können, ist durch die selbstreferentielle Operationsweise der Konziliaren Organisation nicht gegeben. Selbstreferentialität beinhaltet ja gerade, dass Kommunikationen immer an vorhergehende Kommunikationen anschließen müssen, um selektionsfähig zu sein. Die Extremfälle einer vollständig pfadabhängigen, lernresistenten Organisation einerseits und einer unselektiert Informationen absorbierenden Organisation andererseits sind hier aufgrund der systemtheoretisch begründeten Funktionsweise der konziliaren Struktur auszuschließen. Einen abschließenden Überblick über die genannten Instrumente und ihre Einordnung in die “Interventionsmatrix” gibt Abbildung 40.
Herkunft der Intervention Psychisches System Soziotechnische Systemanalyse Soziales System Deutero Learning
Kooperative Selbstqualifikation
Kollegiale Beratung
Selbstentwicklung
Prozessberatung
CoPs Organisationsentwicklung
Shared HR Bildung S und M Förderung
Kompetenzentwicklung Soziales System
Selbstlernende Gruppen
Psychisches System
Mentoring
Ziel der Intervention
Abbildung 40: Interventionsmatrix Quelle: Eigene Darstellung
691 692
Vgl. Engels (2007), 145. Vgl. Engels (2007), 173, der vor Strukturlosigkeit als Folge permanenter Veränderung der Wissensbasis und der Unternehmensstruktur und vor einer ungefilterten Umweltoffenheit bezüglich strategierelevanter, “neuer” Informationen warnt. Unklar bleibt, wie die von Engels geforderte “künstliche” Stabilisierung der Wissensbasis gelingen kann.
232
8.2
Ergebniszusammenfassung und Ausblick
Zukünftiger Forschungsbedarf
Als offene Fragen, die für die organisationswissenschaftliche Perspektive durch weitergehende Forschung zu klären sind, bleibt die Gegenüberstellung des Idealtyps Konziliare Organisation mit Realtypen von Organisationen aus unterschiedlichen Branchen, die die strukturale schriftliche und regelgebundene Koordination durch personal-kommunikative Koordination, z. B. durch Selbstabstimmung, in einem Umfang substituiert haben, der es rechtfertigt, von einer strukturellen Reorganisation zu einer konziliaren Struktur zu sprechen. Die erarbeiteten Strukturtypen wie Präsenzkonzile in Abgrenzung zu Distanzkonzilen sind mit aktueller Foschung zu traditionellen Teams in Abgrenzung zu virtuellen Teams zusammenzuführen und empirisch zu validieren. Es ist festzustellen, ob es zutrifft, dass die konziliaren Strukturmuster, wie in dieser Arbeit postuliert, sich nicht als Totalform, d. h. als Primärorganisation, durchsetzen werden, sondern dass ihre vorherrschende Ausprägung in einer sekundärorganisatorischen, temporären Struktur zur Komplexitätsentlastung der hierarchischen Struktur zu sehen ist.
Hinsichtlich der zu erwartenden Entwicklung der organisatorischen Strukturformen ist davon auszugehen, dass die zunehmende Heterogenisierung der Belegschaft eine Heterogenisierung der Aufbauorganisation nach sich ziehen wird, die klassische Organisationsstruktur verliert an Bedeutung. Zeigt sich die der Akteursheterogenität folgende Zeitheterogenität in den Unternehmen bereits an Teilzeitbeschäftigung, Arbeitszeitkonten und Sabbaticals, ist noch nicht absehbar, welche Formen die zu erwartende Strukturheterogenität annehmen wird. Es kann aber angenommen werden, dass mit Arbeitsplatzwechsel (job rotation), Job-Sharing, virtueller und globaler, zeitlich entzerrter Zusammenarbeit die Varietät der strukturellen Adaptionsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft ist. Folgt man der Entwicklung zu Expertennetzwerken, sind Formen der ad hoc-Leistungserbringung, z. B. in spezialisierten Kompetenzagenturen693, zu erwarten. Weiter ist von einer zunehmenden Überlagerung oder Ablösung der funktionalen Hierarchie durch heterogene, funktional und hierarchisch gemischte Arbeitsformen auszugehen, wie sie hier in Form der Konziliaren Organisation vorgestellt wurden.
Ein wichtiger Aspekt, der aus der personalwirtschaftlichen Forschungsperspektive näher auszuleuchten ist, ist die Frage der Kompetenz, mit einer strukturoffeneren Organisation umzugehen, in der eine situationsbezogene Rekonfiguration der Teilnahmemöglichkeiten an
693
Vgl. Becker (2002a).
Zukünftiger Forschungsbedarf
233
Kommunikation stattfindet. Es ist von Interesse, wie in Aufgabenbereichen, die tendenziell von der emergenten Qualität der Kommunikation bei der Lösung von Problemen profitieren (z. B. Strategieentwicklung, Forschung und Entwicklung und interdisziplinäre Teams), gleichzeitig die Vorteile der heterogenen Zusammenarbeit zum Tragen kommen können und eine Ergebnisorientierung sichergestellt werden kann. Die Schlussfolgerungen aus personalwirtschaftlicher Sicht haben gezeigt, dass die erarbeiteten Erkenntnisse zu indirekter Steuerung basal nicht-steuerbarer, da selbstreferentiell agierender Systeme, für die Personalwirtschaft, mit den gemachten Einschränkungen zur “Selbstentwicklungsfähigkeit”, nutzbar gemacht werden und in konkrete Instrumente übersetzt werden können.
Der Aspekt der Reifegradbezogenheit sollte auf Basis der konzeptionellen Überlegungen dieser Arbeit überprüft werden. Die Überprüfung der Generationszugehörigkeit unterschiedlicher Stadien der Konziliarität könnte dabei anhand einer Fallstudienuntersuchung erfolgen. Neben dem unternehmensbezogenen Reifegrad wurde in dieser Arbeit der Reifegrad der Mitarbeiter betrachtet. Dabei ist die Kompetenz der Mitarbeiter, ihre Freiheitsgrade adäquat wahrnehmen zu können, angesprochen, die in dieser Arbeit ausgehend von den verbreiteteren Konzepten der kommunikativen Kompetenz und der Kooperationskompetenz, mit dem Begriff der konziliaren Kompetenz der Mitarbeiter belegt wurde. Es ist zu überlegen, ob die Konziliare Organisation sich als Instrument eignet, um die emergente Herausbildung dieser Kompetenzen zu ermöglichen, oder ob eine bewusste Schaffung dieser Kompetenz und damit eine “Steuerung” der Emergenz möglich ist. Hieran anschließend könnte ein Instrument zur Messung von “Konziliarität” in Organisationen entwickelt werden. Hierdurch würde eine Einschätzung der pragmatischen Relevanz kommunikativer Koordination in Organisationen ermöglicht werden.
Schließlich konnte die Machtbezogenheit von Kommunikationsprozessen nur ansatzweise betrachtet werden. Hier besteht künftiger Forschungsbedarf, um die Kontingenz von Organisationsstrukturen in Bezug auf die bestehende Machtverteilung, z. B. unter Stützung auf die soziale Netzwerktheorie, einer klärenden Analyse zuzuführen. Vor diesem Hintergrund könnte auch das Zustandekommen von Regeln zur kommunikativen Entscheidungsfindung, zur Allokation von Ressourcen und zur Strategiebildung thematisiert und von der zentralen Steuerungsideologie einerseits, aber auch von einer idealistischen Konsensvorstellung andererseits, entfrachtet werden.
Anhang
235
Anhang
Organisations-
Sicht auf und Funktion von Kommunikation
wissenschaftlicher Ansatz
Klassische Bürokratiemodelle der Organisation Hauptvertreter: Taylor, Weber
Human Relations-Ansatz Hauptvertreter: Mayo, Argyris
Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie: Hauptvertreter: March, Simon, Cyert Struktur-Funktionalismus Hauptvertreter: Parsons, Thompson, Katz/Kahn
Kontingenzansätze Hauptvertreter: Burns/Stalker, Lawrence/Lorsch
Theorie der Ressourcenabhängigkeit Hauptverteter: Pfeffer/Salancik
Organisationen als zweckorientierte, arbeitsteilige Gebilde (A) Lineares Kommunikationskonzept („Sender-EmpfängerModell“) (B) Steuerung über Festlegung der Kommunikationskanäle, Richtung und Häufigkeit von Kommunikation (C) Organisationen als zweckorientierte Gebilde, bei denen der Faktor „Mensch“ zu berücksichtigen ist (A) Lineares Kommunikationskonzept (B) Unterschiedliche Wahrnehmung von Kommunikation und „Klima“ stören die Informationsweitergabe durch Kommunikation (C) Organisationen als koordinierte, entschei-dungsgesteuerte Systeme, deren Untereinheiten nur lose miteinander gekoppelt sind (A) Kommunikation als die im Zusammenhang mit Entscheidungsfindung stehende Informationsübertragung basiert auf gemeinsam geteilten Codes (B und C) Organisationen als Gesellschaften im Kleinen sind normativ integrierte Gebilde (A) Kommunikation dient der Erfüllung von Systembedürfnissen (B) Unterstellung eines gemeinsam geteilten interpretationsund handlungsleitenden Codes (C) Organisationen als offene Systeme, bestehend aus mehreren zu koordinierenden Subsystemen (A und C) Umwelt prägt die Kommunikationsstruktur (Netzwerke) (B) Kommunikation = Informationsverarbeitung (B) Organisationen als Konglomerate von Koalitionen (A) Umwelt als Bühne für Machtverteilung Ausbildung von Kommunikations- und Handlungsregeln (B) beim Aufbau interorganisationaler Netzwerke und bei Unternehmenszusammenschlüssen (C)
236
Populationsökologie und Life-cycle-Ansätze Hauptvertreter: Hannan/Freeman Institutionalistische Ansätze Hauptvertreter der älteren Ansätze: Parsons, Meyer/Rowan, DiMaggio/Powell Hauptvertreter der neueren
Anhang
Biologisch orientierte Organisationskonzeption (A) Kommunikationsmuster verschiedener Entwicklungsphasen und –übergänge (B) Prägende Kraft der Anfangskonstellationen (Pfadabhängigkeit) (C) Unterscheidung zwischen „technischen“ und „institutionalisierten“ Organisationen (A) Kommunikation dient der Selbstdarstellung und muss den Legitimationsanforderungen gerecht werden (B) Struktur dient der Erfüllung von Umwelterwartungen, v. a. Rationalitätserwartungen (C)
Ansätze: Silverman Kulturansätze Hauptvertreter der älteren Ansätze: Schein, Smircich, Hofstede Hauptvertreter der neueren Ansätze: Sackmann, Alvesson/Martin (Modifikation
Organisationen als „Kulturen“(A) Ausbildung von organisationsweit gültigen Interpretations- und Handlungsmustern, die von allen Mitgliedern geteilt werden und bei Kommunikationsprozessen zur Anwendung kommen (B und C) Den Kommunikationsformen selbst kommt symbolischer Charakter zu (B) Mittels Symbolverwendung sind Veränderungsprozesse gezielt steuerbar (C)
besteht in der Annahme von Subkulturbildung) Interaktionsorientierter Organisationsansatz Hauptvertreter: Weick
Strukturationstheorie Hauptvertreter: Giddens
Politisches Organisations-
Kognitives Modell von Organisationen: Umwelt ist Produkt des Organisierens (A) Kommunikation bringt „kognitive Einklammerung“ zum Ausdruck (B) Entscheidungen werden erst aus der Retrospektive als solche erkennbar Organisations“gedächtnis“ und Uminterpretationen im Zeitablauf (A) Handlungskoordination bedarf nicht gemeinsamer Orientierungen, sondern wechselseitiger Vorhersagen (C) Organisationen als soziale Gebilde, die durch Anwendung von (Handlungs-)Regeln zustande kommen (A) Bedeutung allokativer und autoritativer Ressourcen bei der Reproduktion hierarchischer Strukturen (A) Kommunikation als analytische Dimension von Interaktion erfordert Optionen seitens der Akteure (B und C) Organisationen als Kombination von Handlungsfeldern, als „künstliche“ Gebilde (A)
Anhang
modell Hauptvertreter: Crozier und Friedberg
Selbstorganisationsansätze Hauptvertreter: Maturana, Varela, Hejl, Probst, Malik, von Foerster
237
Beziehungen zwischen Mitgliedern sind „politische“ Beziehungen (A) Regeln ermöglichen Spielräume, die von Akteuren zu strategischen Zwecken („strategische Ambiguität“) genutzt werden (C) Kommunikation ist ein regelgesteuerter und optionsgeprägter Prozess (B) Es gibt keine „neutralen“ Informationen (strategischer Symbolgebrauch) (C) Organisationen als komplexe Systeme sind nicht das Produkt zweckrationaler Gestaltung (A) Es gibt ein Zusammenwirken allopoietischer und autopoietischer694 Kontrollmechanismen (C) Die Steuerungsvorstellungen dominanter Gruppen sind in den strukturierten Handlungsbedingungen z. B. der Mediennutzung verankert (B) Regeln erfüllen eine Orientierungsfunktion (C) Kommunikation dient nicht nur dem Transfer, sondern vor allem der Kontextualisierung von Information (B) Informationsbedarf wird nicht zentral festgelegt, sondern mittels Kommunikation von einzelnen Einheiten selbst bestimmt (B und C)
Legende:
(A): Zugrunde liegendes Organisationsmodell (B): Konzeption von Kommunikation (C): Beitrag der Kommunikation zur Koordination Anhang 1: Zweck von Kommunikation in ausgewählten Organisationsansätzen Quelle: Verändert übernommen von Theis-Berglmair (2003), 279 ff.
694
Vgl. zu den Begriffen Kapitel 4.1.
238
Anhang
Mess-
Netzwerkmaß
Messgegenstand
Kollektive Netzwerkebene
Individuelle Akteursebene
ebene Verbindungszentralität (betweenness centrality)
Grad, zu dem eine Person als Verbindungsstelle zwischen unverbundenen Personen dient
Akteurs-Zentralität (indegree centrality)
Häufigkeit der Nominierung als fokale Stelle durch andere Personen im Netzwerk
Stärke (strength) einer Verbindung
Häufigkeit, Dauer, emotionale Intensität einer Netzwerkbeziehung
Zentralität (centralisation)
Grad der Konzentration des Netzwerks auf wenige Personen
Dichte (density)
(Anzahl der Verbindungen)/(max. mögliche Anzahl an Verbindungen) [0,1]
Erreichbarkeit (reachability)
Grad des Kontakterfolgs (z. B. Informationsgewinnung) im Netzwerk pro Umweg über einen Intermediär (Multiplikation der Berührungsmatrizen)
Reziprozität (reciprocity) einer Verbindung
Grad der Symmetrie in dyadischen (Zweier-) Verbindungen bzw. im gesamten Netzwerk
Geschlossenheit (closure)
Stärkere Beziehungen innerhalb des Netzwerks als nach außen
Anhang 2: Ausgewählte quantitative Netzwerkmaße Quelle: i. A. a. die Ausführungen bei Kilduff/Tsai (2003), 29 ff.
Anhang
239
Effizienzkriterium
Teilkriterien
Handlungs-, Anpassungsund Innovationsfähigkeit der Organisation
Anforderungsgerechte und friktionsarme Aktion und Reaktion auf Änderungen
Funktionale
Konziliare Organisation
Organisation Horizontale Koordination ist (z. B. aufgrund von hoher Gliederungstiefe) erschwert Aktionen und Reaktionen auf Änderungen wirken meistens auf mehr als eine Organisationseinheit (Stelle/Abteilung) und werden wegen der starken horizontalen Interdependenzen kaum eingedämmt Bei zunehmender Betriebsgröße oder zunehmender Heterogenität des Leistungsprogramms gerät das System an die Grenze seiner Führbarkeit (1) Optimaler Zentralisationsgrad
Gefahr verzögerter Entscheidungen wegen relativ hohem Zentralisationsgrad („Instanzenweg“) (1)
Durch Einsatz hierarchisch und funktional gemischter Gruppen zur Willensbildung, Planung und Entscheidung, Akzeptanzsicherung und zum Wissensmanagement/Innovation wird horizontal-laterale Abstimmung von Zielen erleichtert Die Führbarkeit des Systems wird erhöht (3)
Durch Entscheidungsdelegation unter Einsatz strukturaler (Meta-Regeln) und nichtstrukturaler Koordination (Unternehmens-, insbesondere Kommunikationskultur, persönliche Abstimmung, Selbstorganisation) reduzierte Zentralisation Erhöhte Entscheidungsgeschwindigkeit (3)
Offenheit der Primärstruktur für Sekundärstrukturen und temporäre Ergänzungsstrukturen
Wegen Zentralisationstendenz und Funktionsorientierung Sekundärstrukturen schwer zu etablieren Temporäre Sekundärstrukturen jederzeit implementierbar und je nach Aufgabenstellung wirksam (2)
Aufgrund institutionalisierter Diskurse, z. B. in funktional gemischt zusammengesetzten Strategie- und Innovationszirkeln, ist die sekundärorganisatorische Strukturergänzung ein distinktes Merkmal der Konziliaren Organisation In Abhängigkeit vom Reifegrad im 3Generationenmodell der Unternehmensführung kann auch eine vollständig konziliare Primärstruktur unter Beibehaltung eines fokalen Kerns umgesetzt werden (3)
240
Anhang
Effizienzkriterium
Teilkriterien
Förderung der organisatorischen Lernfähigkeit (Kompetenzbündelungseffizienz)
Möglichkeit zur ebenen-, bereichs- und funktionsübergreifenden Information, Kommunikation und zu persönlichen Kontakten
Funktionale
Konziliare Organisation
Organisation Klare Schnittstellen zwischen Abteilungen und vorgegebene Kommunikations- und Informationsflüsse schaffen schlechte Voraussetzungen für ebenenund bereichsübergreifende Information und Kommunikation Funktionale Spezialisierung schränkt die Sicht auf das unmittelbare Arbeitsumfeld ein (1)
Hohe Anforderungen der Struktur an Kommunikationsund Kooperationskompetenz und im Umgang mit Konflikten Wenn Anforderungen erfüllt werden, bestehen gute Voraussetzungen für bereichs-, ebenen- und funktionsübergreifende Information, Kommunikation und zu persönlichen Kontakten Gegenläufig wirkt die hohe Humankapitalspezifität der „internal consultants“ (Beraten), die aber durch die vorgehaltene Slack-Kompetenz in der Rolle als Generalist (Raten) kompensiert wird (2)
Durchlässigkeit der Strukturen
Mobilität und Kooperation auf die wenigen generischen Funktionen beschränkt, die nicht an der Unternehmensspitze angesiedelt sind (z. B. dezentrale Controlling-Stellen)
Relativ hierarchiefreie Struktur führt zu hoher Durchlässigkeit für innovative Ideen, funktionale Mischung wird begünstigt (3)
Funktionale Spezialisierung wirkt sich einschränkend auf die Durchlässigkeit aus (2) Bündelung spezifischer Wissenspotentiale
Wesentliche Spezialisierungsvorteile durch die Realisierung fachbezogener Lern- und Übungseffekte in den Funktionsbereichen (3)
Die vorgehaltene SlackKompetenz in der Rolle als Generalist (Raten) reduziert den Spezialisierungsgrad Die Generalistenrollen werden durch „internal consultants“ (Beraten) ergänzt, so dass nicht auf Spezialisierungsvorteile verzichtet werden muss (2)
Anhang
241
Effizienzkriterium
Teilkriterien
Förderung der sozialen Effizienz und der individuellen Lernfähigkeit
Abschließende, ganzheitlichintegrierte Bearbeitung einer Aufgabe innerhalb eines Subsystems
Funktionale
Konziliare Organisation
Organisation Stark segmentierte Aufgabenbearbeitung, so dass den Bearbeitern der Endzweck ihrer Leistung nicht immer bekannt ist mit ungünstiger Wirkung auf die individuelle Lernbereitschaft Die Sicherheit des Einliniensystems animiert die Stelleninhaber allerdings, Lerneffekte durch trial and error-Verfahren (innerhalb der Funktion, aber außerhalb des Tagesgeschäfts) anzuwenden Erleichterung funktionsbezogener Spezialisierung on the job, wodurch aber die umfassende Problemsicht und –bearbeitung reduziert wird (2)
Durch die kontingente Nutzung der Qualifikationen, die das Kriterium Sachverstand bei der Aufgabenzuweisung über die hierarchische Einordnung stellt, ist eine anforderungsgerechte Aufgabenbearbeitung gegeben, die die Gefahr eines mangelnden „person-job-fit“ minimiert Die hohe Spezialisierung der Experten (internal consultants) der gemischten Konzile steht einer umfassenden Problemumsicht des einzelnen Teilnehmers entgegen. Kombiniertes individuelles und kollektives Lernen wird begünstigt Die Gesamt-Problemumsicht ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Teilbeiträge und ist höher einzuschätzen als die Aufgabenerledigung in funktional getrennten Abteilungen (2)
Eindeutigkeit der personellen Zuordnung
Durch eindeutige personelle Zuordnung im Einliniensystem Einheitlichkeit des Auftragsempfangs (3)
Die personelle Zuordnung ist durch die Zugehörigkeit zum Stellenbündel nach wie vor gegeben Durch die multipersonelle Wahrnehmung der Aufgaben im Konzil wird das Einliniensystem durchbrochen, d. h. die Trennbarkeit der Einzelbeiträge und eine direktive personale Leistungskontrolle sind nicht mehr gegeben Die zusätzlich entstehenden Kontrollprobleme sind durch eine soziale Form der Kontrolle (Kohäsion, Reputation als Form des Sozialkapitals, Gruppenzielvereinbarungen) auszugleichen (1)
242
Effizienzkriterium
Anhang
Teilkriterien
Funktionale
Konziliare Organisation
Organisation Günstige stellenbezogene Entwicklungsmöglichkeiten für Führungskräfte
Ausreichende Kompetenz- und Verantwortungsspielräume (Autonomie) mit angemessener Fehlertoleranz
Funktionsbezogenes Denken der Führungskräfte behindert die Entwicklung von Generalistenqualifikationen, die Bewährung auf der Funktionsebene qualifiziert nur bedingt für die obere Führungsebene (1)
Stellenbündelbezogene Karriereplanung gibt Transparenz über Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Bündels und in andere Bündel hinein
Enge Verzahnung zwischen Funktionsbereichen durch die Ausrichtung auf die materiellen Input-Output-Prozesse
Möglichkeit der Erweiterung des Kompetenzprofils (Handlungskompetenz) um Kommunikationskompetenz
Fehler erzeugen horizontale Folgewirkungen (sequentielle Aufgabenbearbeitung)
Disincentive-Kosten steigen aufgrund schwer kontrollierbarer Expertenmacht als Folge der hohen Humankapitalspezifität (eingespielte Interaktionsmuster, idiosynkratische Kommunikationsbeziehungen, die „task idiosyncracies“ begründen und verstärken)
Hohe Anzahl an Schnittstellen erfordert übergeordnete Koordination, wodurch die Autonomie der Funktionsbereiche stark eingeschränkt wird (1)
Es besteht Kompatibilität mit Fach- und Führungskarrieren und die Möglichkeit der Sammlung von Erfahrung in der Führung heterogener Gruppen (2)
Bei Bindung der Verantwortungsspielräume an Förderung (positive Potentialergebnisse) und Karriereplanung (Wertschätzung der beratenden Tätigkeit als „internal consultant“ im Rahmen einer Fachkarriere) können Autonomiekosten reduziert werden (2) Anhang 3: Effizienzkriterienbetrachtung durch verbale Beschreibung der Organisationsformen Quelle: i. A. a. das Vorgehen bei Thom/Wenger (2002), 103 ff. Erläuterung: Die in den Spalten 3 und 4 in Klammern angegebenen Punktwerte sind die pro Teilkriterium vergebenen Punkte auf einer Skala von 1=negativ, 2=neutral bis zu 3=positiv
Anhang
Effizienzkriterium
243
Gewichtung
Funktionale Organisa- Konziliare Organisatition on
G
P
G*P
P
G*P
40
1
40
3
120
Förderung der organisatorischen Lernfähigkeit (Kompetenzbündelungseffizienz)
30
2
60
2
60
Förderung der sozialen Effizienz und der individuellen Lernfähigkeit
30
2
60
2
60
Gesamt
100
Handlungs-, Anpassungs- und Innovationsfähigkeit der Organisation
160
240
Anhang 4: Hypothetische Nutzwertanalyse der betrachteten Alternativen Quelle: i. A. a. das Vorgehen bei Thom/Wenger (2002), 114
Erläuterung: Die Gewichtung (G) gibt die relative Bedeutung der Effizienzkriterien aus Sicht des Entscheiders an, wobei diese in der Summe 100 ergeben sollen (vgl. Thom/Wenger (2002), 113). Die Punktwerte werden auf einer Skala von 1=negativ, 2=neutral bis zu 3=positiv vergeben, dabei wurden Punktwerte für alle Teilkriterien aus Anhang 3 vergeben (vgl. Angabe in Anhang 3) und das arithmetische Mittel aus den Teilwerten gebildet sowie eine Rundung der Werte vorgenommen. Der Ergebnispunktwert pro Effizienzkriterium wurde als Punktwert P in die Tabelle übernommen. Auswahlkriterium ist die Summe aus den Einzelprodukten (G*P) pro Kriterium, so dass unter den gewählten Auswahlkriterien die Konziliare Organisation optimal wäre.
Literaturverzeichnis
245
Literaturverzeichnis Aderhold, J. (2004): Form und Funktion sozialer Netzwerke in Wirtschaft und Gesellschaft. Beziehungsgeflechte als Vermittler zwischen Erreichbarkeit und Zugänglichkeit. Wiesbaden. Aderhold, J. (2005): Unternehmen zwischen Netzwerk und Kooperation. Theoretische und pragmatische Folgerungen einer übersehenen Unterscheidung. In: Aderhold, J./Meyer, M./Wetzel, R. (Hrsg.): Modernes Netzwerkmanagement. Anforderungen – Methoden – Anwendungsfelder. Wiesbaden, S. 113-142. Adler, P. S./Kwon, S.-W. (2000): Social Capital: The good, the bad, and the ugly. In: Lesser, E. L. (Hrsg.): Knowledge and Social Capital. Foundations and applications. Woburn, MA, S. 89-115. Albert, H. (1993): Wertfreiheit als methodisches Prinzip. Zur Frage der Notwendigkeit einer normativen Sozialwissenschaft. In: Topitsch, E. (Hrsg.): Logik der Sozialwissenschaften. 12. Aufl. Köln/Berlin, S. 196-225. Alchian, A./Demsetz, H. (1972): Production, Information Costs and Economic Organization. In: The American Economic Review, 62. Jg., H. 5, S. 777-795. Alewell, D./Martin, S. (2006): Transaktionskostenansatz und Personalwirtschaftslehre. Analyse zentraler Problemfelder und Präsentation von Lösungsansätzen. In: Zeitschrift für Management, 1. Jg., H. 3, S. 282-302. Amann, A. (2004): Gruppendynamik als reflexive Vergemeinschaftung. In: Antons, K. et al. (Hrsg.): Gruppenprozesse verstehen. Gruppendynamische Forschung und Praxis. 2., durchgesehene Auflage. Wiesbaden, S. 28-39. Antoni, C. H. (2006): Globale Teams – Probleme und Perspektiven der Forschung zu einem unbestimmten Begriff. In: Zeitschrift für Personalfoschung, 20. Jg., H. 4, S. 377-383. Aretz, H.-J. (2006): Strukturwandel in der Weltgesellschaft und Diversity Management in Unternehmen. In: Becker, M./Seidel, A. (Hrsg.): Diversity Management. Unternehmensund Personalpolitik der Vielfalt. Stuttgart, S. 51-74.
246
Literaturverzeichnis
Aretz, H.-J./Hansen, K. (2003): Diversity Management – ein Konzept für den Umgang mit Vielfalt und Komplexität. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 72. Jg., H. 4, S. 192-198. Ashby, W. R. (1974): Einführung in die Kybernetik. Frankfurt a. Main. Back, A. et al. (2005): Putting Knowledge Networks into Action. Berlin/Heidelberg/New York. Baecker, D. (1999): Organisation als System. Aufsätze. Frankfurt a. M. Baecker, D. (2003): Organisation und Management. Frankfurt a. M. Barab, S. A./Duffy, T. (2000): From practice fields to communities of practice. CLRT technical report No. 1-98. Indiana University. Bloomington. Bardmann, T. M. (1994): Wenn aus Arbeit Abfall wird. Aufbau und Abbau organisatorischer Realitäten. Frankfurt a. M. Barnard, C. I. (1938): The Functions of the Executive. Cambridge, Mass. Baumueller, M. (2007): Managing Cultural Diversity. An empirical examination of cultural networks and organizational structures as governance mechanisms in multinational corporations. Bern. Bechtel, V. (2006): Humankapitalberechnung zwischen Markt- und Ressourcenorientierung. Eine axiomatische Integration. München/Mering. Becker, F. G./Bobrichtchev, R./Henseler, N. (2006): Ältere Arbeitnehmer und alternde Belegschaften.
Eine
empirische
Studie
bei
den
100
größten
deutschen
Unternehmungen. In: Zeitschrift für Management, 1. Jg., H. 1, S. 70-89. Becker, K. H. (2005): Luhmann’s systems theory and theories of social practices. In: Seidl, D./Becker, K. H. (Hrsg.): Niklas Luhmann and Organization Studies. Abingdon, Oxfordshire, S. 215-247. Becker, L. (2001): Wie Unternehmen atmen lernen – Gedanken zur virtuellen Organisation. In: Gora, W./Bauer. H. (Hrsg.): Virtuelle Organisationen im Zeitalter von E-Business und E-Government. Berlin/Heidelberg/New York, S. 1-8. Becker, M. (1989): Anforderungen der Wirtschaft an die Ausbildung des kaufmännischen Nachwuchses. In: Verband der Lehrer an Wirtschaftsschulen in Rheinland-Pfalz e. V., 40 Jahre VWL Rheinland Pfalz, 1949-1989, o. O., S. 49-55.
Literaturverzeichnis
247
Becker, M. (1996): Vorüberlegungen zum Entwurf einer konziliaren Organisation. In: Wagner, D./Nolte, H. (Hrsg.): Grundlagen und Perspektiven. München/Mering, S. 231-250. Becker, M. (1997): Unternehmenstransformation und Personalentwicklung. Betriebswirtschaftliche Diskussionsbeiträge Nr. 97/17 der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle/Saale. Becker, M. (1998): Kompetenzentwicklung für eine dynamische Arbeitswelt. In: Schulz, M. et al. (Hrsg.): Wege zur Ganzheit. Profilbildung einer Pädagogik für das 21. Jahrhundert. Weinheim, S. 170-193. Becker, M. (2002a): Die Bedeutung von Kompetenzagenturen in einem liberalisierten Arbeitsmarkt. In: Becker, M./Schwertner, A. (Hrsg.): Personalentwicklung als Kompetenzentwicklung. München/Mering, S. 122-142. Becker, M. (2002b): Empirische Befunde zur Unternehmenstransformation, Personalentwicklung, Führungskräfteentwicklung, in: Becker, M./Schwertner, A. (Hrsg.): Personalentwicklung als Kompetenzentwicklung, München/Mering, S. 6–39. Becker, M. (2005a): Optimistisch altern. In: Personal, H. 03/2005, S. 32-35. Becker, M. (2005b): Personalentwicklung. Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis. 4., aktualis. u. überarb. Aufl. Stuttgart. Becker, M. (2006): Kompetenzentwicklung. Wirtschaftswissenschaftliche Diskussionsbeiträge, Beitrag Nr. 22/1998. Universität Halle-Wittenberg: Halle/Saale. In: Becker, M. (Hrsg.): Werte-Wandel in turbulenter Zeit. Wertorientierte Personalarbeit im Transformationsprozess der Erwartungen, Systeme und Instrumente. München/Mering, S. 429445. Becker, M. (2007): Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erzwingt Diversity Management. Eine Analys e des AGG und personalwirtschaftliche Gestaltungshinweise. Betriebswirtschaftliche Diskussionsbeiträge, Beitrag Nr. 61/2007. Universität HalleWittenberg. Halle/Saale. Becker, M. (2008a): Messung und Bewertung von Humanressourcen. Konzepte und Instrumente für die betriebliche Praxis. Stuttgart.
248
Literaturverzeichnis
Becker, M. (2008b): Strategische Potentialreserven nutzen. No slack – Bad slack – Good slack. Betriebswirtschaftliche Diskussionsbeiträge, Beitrag Nr. 72/2008. Universität Halle-Wittenberg. Halle/Saale. Becker, M./Beck, A./Herz, A. (2009): Wandel aktiv bewältigen! Empirische Befunde und Gestaltungshinweise
zur
reifegradorientierten
Unternehmensführung
und
Personalentwicklung. München/Mering. Becker, M./Labucay, I. (2008): Nach Maß geschneidert oder von der Stange gekauft? Entwicklungstendenzen und Gestaltungsempfehlungen zur Personalarbeit als Fabrik und Manufaktur. Betriebswirtschaftliche Diskussionsbeiträge. Beitrag Nr. 71/2008. Universität Halle-Wittenberg. Halle/Saale. Becker, M./Labucay, I./Kownatka, C. (2008): Optimistisch altern. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde demographiefester Personalarbeit für altersgemischte Belegschaften. München/Mering. Benz, M. (2000): Partizipation und Kommunikation als Motivatoren. Wie Unternehmen implizite Arbeitsverträge verbessern können. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 69. Jg., H. 1, S. 92-96. Benzler, N./Fabel, M. (2006): Globale Teams – Erfolgsdeterminanten aus praktischer Sicht. In: Zeitschrift für Personalforschung, 20. Jg., H. 4, S. 384-392. Berg, N. (2006): Globale Teams. Eine kritische Analyse des gegenwärtigen Forschungsstands. In: Zeitschrift für Personalforschung; 20. Jg., H. 3, S. 215-232. Bergel, S. (2004): Coaching durch Kollegen. In: managerSeminare, H. 81, November/Dezember 2004, S. 38-46. Berger, U./Bernhard-Mehlich, I. (2006): Die Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie. In: Kieser, A./Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien. 6., erw. Aufl. Stuttgart, S. 170-214. Berninghaus, S. K./Ehrhart, K.-M./Güth, W. (2006): Strategische Spiele. Eine Einführung in die Spieltheorie. 2. Aufl. Berlin/Heidelberg. Bertalanffy, L. v. (1950): The Theory of Open Systems in Physics and Biology. In: Science, 111. Jg., S. 23-29.
Literaturverzeichnis
249
Bleicher, K. (1991): Organisation. Strategien-Strukturen-Kulturen. 2. vollst. neu bearb. und erw. Auflage. Wiesbaden. Bleicher, K. (2001): Das Konzept integriertes Management. Visionen, Missionen, Programme. Frankfurt/New York. Bonacker, Th. (1997): Kommunikation zwischen Konsens und Konflikt. Studien zur Soziologie und Politikwissenschaft. Oldenburg. Bonus, H. (1986): The Cooperative Association as a Business Enterprise. A Study in the Economics of Transactions. Inauguration Lecture held before the Economics Department, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 26. Juni 1985. Erschienen in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 142. Jg., S. 310-399. Boos, F./Exner, A./Heitger, B. (2000): Soziale Netzwerke sind anders. In: Trebesch, K. (Hrsg.): Organisationsentwicklung. Konzepte, Strategien, Fallstudien. Stuttgart, S. 6576. Börsch-Supan, A./Düzgün, I./Weiss, M. (2007): Der Zusammenhang zwischen Alter und Arbeitsproduktivität. Eine empirische Untersuchung auf Betriebsebene. Abschlussbericht. Mannheim Research Institute for the Economics of Aging/Hans Böckler Stiftung. Mannheim. Braczyk, H.-J. (1997): Organisation in industriesoziologischer Perspektive. In: Ortmann, G./Sydow, J./Türk, K. (Hrsg.): Theorien der Organisation. Die Rückkehr der Gesellschaft. Opladen, S. 530-575. Brass, D. J./Burkhardt, M. E. (1992): Centrality and power in organizations. In: Nohria; N./Eccles, R. (Hrsg.): Networks and organizations. Structure, form and action. Boston, S. 191-215. Buchanan, J. M./Tullock, G. (1962): The calculus of consent. Logical foundations of constitutional democracy. Ann Arbor. Büchel, B. (2007): Knowledge creation and transfer. In: Ichijo, K./Nonaka; I. (Hrsg.): Knowledge creation and management. New challenges for Managers. Oxford u. a., S. 44-56. Bühl, W. L. (1987): Grenzen der Autopoiesis. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 39. Jg., H. 2, S. 225-254. Burns, T./Stalker, G. M. (1961): The Management of innovation. London.
250
Literaturverzeichnis
Burt, R. S. (2000a): The contingent value of social capital. In: Lesser, E. L. (Hrsg.): Knowledge and social capital. Foundations and applications. Boston, u. a., S. 255-286. Burt, R. S. (2000b): The Network Structure of Social Capital. Pre-print for a Chapter in Sutton, R. L./Staw, B. M. (Hrsg.): Research in Organizational Behaviour, Bd. 22. Greenwich. Bush, J. B./Frohman, A. L. (1991): Communication in a network organization. In: Organizational dynamics. 20. Jg., H. 2, S. 23-36. Choi, T. Y./Dooley, K. J./Rungtusanatham, M. (2001): Supply networks and complex adaptive systems: control versus emergence. In: Journal of Operations Management, 19. Jg., S. 351-366. Choi, T. Y./Krause, D. R. (2005): The supply base and its complexity: Implications for transaction costs, risks, responsiveness, and innovation. In: Journal of Operations Management, 24. Jg., S. 637-652. Coase, R. H. (1937): The nature of the firm. In: Economica, 4. Jg., H. 4, S. 386-405. Comelli, G. (2003): Qualifikation für Gruppenarbeit: Teamentwicklungstraining. In: Rosenstiel, L. v./Regnet, E./Domsch, M. (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. 5. Auflage. Stuttgart, S. 415-446. Cox, T. (1991) : The multicultural organization. In: Academy of Management Executive, 5. Jg., H. 2, S. 34-47. Cox, T. (2001): Creating the multicultural organization. A strategy for capturing the power of diversity. San Francisco, CA. Cromberg,
C.
(2007):
Selbstorganisation
bei
Koordination
komplexer
Produktentwicklungsprozesse. Frankfurt a. M. Zugl.: Stuttgart, Univ., Diss., 2006. Crozier, M./Friedberg, E. (1979): Macht und Organisationen. Die Zwänge kollektiven Handelns. Königstein/Taunus. Davidow, W. H./Malone, M. S. (1993): Das virtuelle Unternehmen – Der Kunde als CoProduzent. Frankfurt a. M./New York. Daxner, F./Schustereder, H. (2007): Ziele im Team formulieren. In: Personalwirtschaft. Magazin für Human Resources, 34. Jg., H. 6, S. 48-50.
Literaturverzeichnis
251
Dievernich, F. E. P. (2007): Pfadabhängigkeit im Management. Wie Führungsinstrumente zur Entscheidungs- und Innovationsunfähigkeit des Managements beitragen. Stuttgart. Döring, T. (2001): Oliver Williamsons Organisationsökonomik – zwischen allgemeiner Methode und bereichsspezifischer Analyse. In: Pies, I./Leschke, M. (Hrsg.): Oliver Williamsons Organisationsökonomik. Tübingen, S. 80-88. Drumm, H. J. (1989): Vom Einheitskonzept zur Individualisierung: Neue Entwicklungen in der Personalwirtschaft. In: Drumm, H. J. (Hrsg.): Individualisierung der Personalwirtschaft. Bern/Stuttgart, S. 1-14. Duncan, R. B. (1972): Characteristics of organizational environments and perceived environmental uncertainty. In: Administrative Science Quarterly, 17. Jg., S. 313-327. Ebers, M./Gotsch, W. (2006): Institutionenökonomische Theorien der Organisation. In: Kieser, A./ Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien. 6., erw. Aufl. Stuttgart, S. 247-308. Eckardstein, D. v. (2004): Demographische Verschiebungen und ihre Bedeutung für das Personalmanagement. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 73. Jg., H. 3, S. 128135. Eden, C./Ackermann, F. (2000): Group decision and negotiation in strategy making. Working paper 2000/7. Management Science. Theory, Method and practice series, Juni 2000. Department of Management Science. University of Strathclyde. Glasgow. Ely, R. J./Thomas, D. A. (2001): Cultural Diversity at work. The effects of Diversity perspectives on work group processes and outcomes. In: Administrative Science Quarterly, 46. Jg., S. 229-273. Engels,
F.
(2007):
Zum
Spannungsfeld
von
Öffnung
und
Schließung
von
Unternehmensgrenzen. Eine ressourcenorientierte Perspektive am Beispiel von Projektnetzwerken. Frankfurt a. M. Zugl.: Lüneburg, Univ., Diss., 2006. Eppler, M. J./Reinhardt, R. (2004): Zur Einführung: Das Konzept der Wissenskommunikation. In: Reinhardt, R./Eppler, M. J. (Hrsg.): Wissenskommunikation in Organisationen. Methoden, Instrumente, Theorien. Berlin u. a., S. 1-12. Felfe, J. (2008): Mitarbeiterbindung. Göttingen u. a. Fiedler-Winter, R. (2006): Effizienzbremse Teamarbeit. Interview mit Fredmund Malik. In: Personal, 38. Jg., H. 1, S. 22-23.
252
Literaturverzeichnis
Frese, E. (2005): Grundlagen der Organisation. Entscheidungsorientiertes Konzept der Organisationsgestaltung. 9., vollst. überarb. Aufl. Wiesbaden. Fritz, C.-Th. (2006): Die Transaktionskostentheorie und ihre Kritik sowie ihre Beziehung zum soziologischen Neo-Institutionalismus. Frankfurt a. M. Frost, J./Osterloh, M. (2003): Dialogue devices. Bridging between “Mode 1” and “Mode 2”knowledge production. In: Müller, A. P./Kieser, A. (Hrsg.): Communication in organizations. Structures and practices. Frankfurt a. M., S. 81-101. Furubotn, E. G./Richter, R. (1991): The New Institutional Economics: An Assessment. In: Furubotn, E. G./Richter, R. (Hrsg.): The New Institutional Economics. A Collection of Articles from the Journal of Institutional and Theoretical Economics. Tübingen, S. 132. Furubotn, E. G./Richter, R. (2003): Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung. 3., überarb. u. erw. Aufl. Tübingen. Gardenswartz, L./Rowe, A. (2003): Diverse teams at work. Capitalizing on the power of Diversity. Alexandria, Virg. Gassmann, M. (2004): Kein Weg zurück. In: Financial Times Deutschland v. 4. Mai 2004, S. 33. Gause, U./Schmidt, H. (1992): Das Erziehungssystem als soziales System. Codierung und Programmierung – Binnendifferenzierung und Integration. In: Krawietz, W./Welker, M. (Hrsg.): Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk. Frankfurt a. M., S. 178-199. Geißler, H. (2000): Organisationspädagogik. Umrisse einer neuen Herausforderung. München. Gerhard, J./Seufert, S. (2001): Wie gibt man implizites Wissen weiter: „Communities of Practice“ bei der Xerox Group. In: Eppler, M. J./Sukowski, O. (Hrsg.): Fallstudien zum Wissensmanagement: Lösungen aus der Praxis, aufbereitet für die Aus- und Weiterbildung. St. Gallen, S. 119-142. Gfrörer, R./Schüpfer, G. K. (2004): Das Operationssaal-Team. Die Steigerung der Performance im Operationssaal durch Teammanagement. In: Zeitschrift Führung und Organisation. 72. Jg., H. 6, S. 333-339. Giddens, A. (1979): Central problems in social theory. London.
Literaturverzeichnis
253
Gioia, D. A./Pitre, E. (1990): Multiparadigm perspectives on theory building. In: Academy of Management Review, 15. Jg., H. 4, S. 584-602. Glansdorff, P./Prigogine, I. (1971): Thermodynamic Theory of structure, stability, and fluctuations. New York. Gloor, P. A./Cooper, S. M. (2007): The new principles of a swarm business. In: MIT Sloan Management Review, 49. Jg., H. 3, S. 81-84. Goshal, S./Moran, P. (1996): Bad for practice: A critique of the transaction cost theory. In: Academy of Management Review, 21. Jg., H. 1, S. 13-48. Guetzkow, H./Simon, H. A. (1955): The impact of certain communication nets upon organization and performance in task-oriented groups. In: Management science, 2. Jg., S. 233250. Guimerà, R. et al. (2005): Team assembly mechanisms determine collaboration network structure and team performance. In: Science, 308. Jg., S. 697-702. Gutenberg, E. (1983): Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. 24. Aufl. Berlin u. a. Gutenschwager, K./Schönrock, S./Voß, S. (2000): Die Open Space-Technologie als Methode der Organisationsentwicklung. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 69. Jg., H. 4, S. 192-198. Habermas, J. (1981a): Theorie des kommunikativen Handelns. Band I: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. Frankfurt a. M. Habermas, J. (1981b): Theorie des kommunikativen Handelns. Band II: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft. Frankfurt a. M. Habscheid, S./Weik, E. (2003): Talking structure. The shaping of organizational reality in consulting conversations. In: Müller, A. P./Kieser, A. (Hrsg.): Communication in organizations. Structures and practices. Frankfurt a. M., S. 47-64. Hannan, M. T./Freeman, J. (1977): The Population Ecology of Organizations. In: American Journal of Sociology, 82. Jg., S. 929-964. Hansen, M. T. (1999): The search-transfer problem. The role of weak ties in sharing knowledge across organizational subunits. In: Administrative Science Quarterly, 44. Jg., S. 82-111.
254
Literaturverzeichnis
Hansmann, K.-W./Ringle, C. M. (2006): Zur Eignung Virtueller Unternehmungen als Kooperationsform in Zeiten des raschen Wandels. In: Zeitschrift für Management, 1. Jg., H. 2, S. 94-111. Hardy, C./Lawrence, T. B./Grant, D. (2005): Discourse and collaboration. In: The Academy of Management Review, 30. Jg., H. 1, S. 58-77. Harrison, J. R./March, J. G. (1984): Decision Making and Postdecision Surprises. In: Administrative Science Quarterly, 29. Jg., S. 26-42. Harste, G. (2003): The Emergence of autopoietic organisation. In: Bakken, T./Hernes, T. (Hrsg.): Autopoietic organization theory. Drawing on Niklas Luhmann’s Social Systems Perspective. Abingdon, Oxfordshire, S. 75-102. Hasse, R. (2005): Luhmann’s Systems Theory and the New Institutionalism. In: Seidl, D./Becker, K. H. (Hrsg.): Niklas Luhmann and Organization Studies. Abingdon, Oxfordshire, S. 248-261. Hauenschildt, C./Schmidt, C./Wagner, D. (2005): Managing Diversity in virtuellen Teams – didaktische Strategien zur Unterstützung eines wertschätzenden Umgangs mit kultureller Vielfalt. In: Beneke, J./Jarman, F. (Hsrg.): Interkulturalität in Wissenschaft und Praxis. Schriftenreihe der Universitätsbibliothek Hildesheim, S. 211-224. Hedlund, G./Nonaka, I. (1993): Models of Knowledge Management in the West and Japan. In: Lorange, P. et al. (Hrsg.): Implementing Strategic Process: Change, Learning and Cooperation. Oxford, S. 117-144. Heger, W. (2005): Wertorientierte interne Unternehmungskommunikation in internationalen Unternehmungen. Gesamtkonzeption zur Planung, Umsetzung und Kontrolle – mit Fallstudie bei der DaimlerChrysler AG. Münster. Zugl.: Gießen,
Univ., Diss., 2005.
Heinen, E. (1985): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. 9., verb. Aufl. Wiesbaden. Hejl, P. (1983): Kybernetik 2. Ordnung, Selbstorganisation und Biologismusverdacht. In: Die Unternehmung, 37. Jg., S. 41-62. Heydebrand, W. H. (1989): New organizational forms. In: Work and occupations, 16. Jg., H. 8, S. 323-357.
Literaturverzeichnis
255
Heylighen, F. (2007): Warum ist Open-Access-Entwicklung so erfolgreich? Stigmergische Organisation und die Ökonomie der Information. In: Open Source Yearbook 2007, S. 165-180. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1994): Organisationslehre 1. Ziele, Instrumente und Bedingungen der Organisaton sozialer Systeme. 5., überarb. Aufl. Bern/Stuttgart/Wien. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998): Organisationslehre 2. Theoretische Ansätze und praktische
Methoden
der
Organisation
sozialer
Systeme.
5.,
verb.
Aufl.
Bern/Stuttgart/Wien. Hoffmann, W. H. (1999): Ökonomie von Unternehmensnetzwerken: Theoretische Einsichten und empirische Befunde. In: Sydow, J./Wirth, C. (Hrsg.): Arbeit, Personal und Mitbestimmung in Unternehmungsnetzwerken. München/Mering, S. 31-62. Hofmann, M. (2001): Wie demokratisch muss die Kirche sein ? In: Das Baugerüst 4/01. http://www.ejb.de/html/inhalte/bauger/baug4_01.html#2. Eingesehen am 03.01.2007. Hohberger, S. (2001): Operationalisierung der Transaktionskostentheorie im Controlling. Mit einem Geleitw. von Gerd-Michael Hellstein. Wiesbaden. Zugl.: Kassel, Univ., Diss., 2000 u. d. T.: Hohberger, S.: Die Transaktionskostentheorie im operativen und strategischen Controlling. Holtbrügge, D. (2001a): Neue Organisationsformen. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 70. Jg., H. 6, S. 338-345. Holtbrügge, D. (2001b): Postmoderne Organisationstheorie und Organisationsgestaltung. Wiesbaden. Zugl.: Dortmund, Univ., Habil.-Schr., 2000. Jans, M. (2003): Sozialkapitalkonzepte und ihre Brauchbarkeit in der Personal- und Organisationsforschung. Diskussionsbeitrag Nr. 128 aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Universität Duisburg-Essen. Essen. Jantsch, E. (1981): Autopoiesis: A central aspect of dissipative self-organization. In: Zeleny, M. (Hrsg.): Autopoiesis. A theory of living organization. The North Holland Series in General Systems Research. Band 3. New York/Oxford, S. 65-88. Järisch, B./Preissler, H./Roehl, H. (2001): Soziale Kontexte virtueller Organisationen. In: Gora, W./Bauer. H. (Hrsg.): Virtuelle Organisationen im Zeitalter von E-Business und EGovernment. Berlin/Heidelberg/New York, S. 105-113.
256
Literaturverzeichnis
Jedrzejczyk, P. (2007): Multikulturelle Teams in Organisationen. Ein experimentelle Untersuchung des Problemlöseverhaltens unter Wettbewerbsbedingungen. Frankfurt a. M. Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 2007. Jones, C./Hesterly, W. S./Borgatti, S. P. (2004): A general theory of network governance. Exchange conditions and social mechanisms. In: Clarke, T. (Hrsg.): Theories of corporate governance. The philosophical foundations of corporate governance. Oxon/New York, S. 159-170. Zuvor erschienen in Academy of Management Review, 22. Jg., H. 4, S. 911-945. Jost, P-J. (2000): Organisation und Koordination. Eine ökonomische Einführung. Wiesbaden. Joy-Matthews, J./Megginson, D./Surtees, M. (2004): Human resource development. London/Philadelphia (PA). Kant, I. (1976): Kritik der reinen Vernunft. Durchgesehener Nachdruck. Hamburg. Kanter, R. M. (1994): Collaborative advantage: The art of alliances. In: Harvard Business Review, 72. Jg. H. 4, S. 96-108. Karmasin, M./Freienstein, J. (2006): Kommunikation an Schnittstellen. Neue Anforderungen durch technologische Konvergenz in Organisationen. In: Karmasin, M./Winter, C. (Hrsg.): Konvergenzmanagement und Medienwirtschaft. München, S. 131-149. Kasper, H. (1991): Neuerungen durch selbstorganisierende Prozesse. In: Staehle, W. H./Sydow, J. (Hrsg.): Managementforschung 1. Berlin/New York, S. 1-74. Katz, D./Kahn, R. (1966):The Social Psychology of Organizations. New York. Kauffeld, S. (2006): Kompetenzen messen, bewerten, entwickeln. Ein prozessanalytischer Ansatz für Gruppen. Stuttgart. Kensy, R. (1995): Japanische Wirtschaftsstrukturen und multinationale Unternehmungen aus der Sicht der Postmoderne. Diss., St. Gallen. Kieser, A. (2006): Der situative Ansatz. In: Kieser, A./Ebers, M. (Hsrg.): Organisationstheorien. 6., erw. Aufl. Stuttgart, S. 215-245. Kieser, A./Krüger, M./Röber, M. (1979): Organisationsentwicklung. Ziele und Techniken. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, H. 4, S. 149-154. Kieser, A./Kubicek, H. (1992): Organisation. 3., völlig neu bearb. Aufl. Berlin/New York.
Literaturverzeichnis
257
Kieser, A./Walgenbach, P. (2007): Organisation. 5., überarb. Aufl. Stuttgart. Kieser, A./Woywode, M. (2006): Evolutionstheoretische Ansätze. In: Kieser, A./Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien. 6., erw. Aufl. Stuttgart, S. 309-352. Kieserling, A. (1999): Kommunikation unter Anwesenden. Studien über Interaktionssysteme. Frankfurt a. M. Kilduff, M./Tsai, W. (2003): Social Networks and Organizations. London/Thousand Oaks/New Delhi. Kim, S.-K./Kim, M.-J. (2006): Mentoring network and self-monitoring personality. In: Management revue, 18. Jg., H. l, S. 42-54. Kirsch, W. (1992): Kommunikatives Handeln, Autopoiese, Rationalität. München. Kirsch, W./Knyphausen, D. z. (1991): Unternehmungen als „autopoietische“ Systeme? In: Staehle, W. H./Sydow, J. (Hrsg.): Managementforschung 1. Berlin/New York, S. 75101. Kirsch, W./Knyphausen, D. z. (1993): Gibt es in betriebswirtschaftlichen Organisationen ein verständigungsorientiertes Handeln? Zu den handlungstheoretischen Grundlagen der Organisationstheorie. In: Die Betriebswirtschaft, 53. Jg., H. 2, S. 221-234. Kiunke,
S.
(2005):
Strategische
Unternehmensplanung
und
Balanced
Scorecard.
Überlegungen zu den Bedingungen der Entwicklung und Umsetzung von Unternehmensstrategien auf der Basis von Zielvereinbarungen.
München/Mering.
Zugl. Wuppertal, Univ., Diss., 2003. Klein, K. J./Kozlowski, S. W. J. (2000): Multilevel theory, research, and methods in organizations. Foundations, extensions, and new directions. San Francisco, CA. Klimecki, R. G. (2004): Motivationsorientierte Organisationsmodelle. In: Schreyögg, G./Werder, A. V. (Hrsg.): Handwörterbuch der Unternehmensführung und Organisation. 4. Aufl. Stuttgart. Klimecki, R. G./Probst, G./Eberl, P. (1991): Systementwicklung als Managementproblem. In: Staehle, W. H./Sydow, J. (Hrsg.): Managementforschung 1. Berlin/New York, S. 103162.
258
Literaturverzeichnis
Kneer, G. (2001): Organisation und Gesellschaft. Zum ungeklärten Verhältnis von Organisations- und Funktionssystemen in Luhmanns Theorie sozialer Systeme. In: Zeitschrift für Soziologie, 30. Jg., H. 6, S. 407-428. Knyphausen, D. z. (1988): Unternehmungen als evolutionsfähige Systeme. München. Koall, I. (2001): Managing Gender & Diversity. Von der Homogenität zur Heterogenität der Organisation der Unternehmung. Münster. Zugl.: Wuppertal, Univ., Diss., 1999 u. d. T.: Struktur und Funktion des Geschlechterverhältnisses – Ansätze zur Dekonstruktion einer sozialen Differenz in der Organisation der Unternehmung. Koch, J. (2005): Markt und Organisation? – Eine Dekonstruktion. Zum Verhältnis von Transaktionskostenansatz
und
Opportunismusbehauptung
und
Organisationsforschung Opportunismusvorwurf.
jenseits In:
von
Schauenberg,
B./Schreyögg, G./Sydow, J. (Hrsg.): Institutionenökonomik als Managementlehre? Managementforschung Bd. 15. Wiesbaden, S. 185-227. Köhler, O. (1927): Über den Gruppenwirkungsgrad der menschlichen Körperarbeit und die Bedingungen optimaler Kollektivkraftreaktion. In: Industrielle Psychotechnik, 4. Jg., S. 209-226. König, S. (2005): Human Resource Management, Personalauswahl und Theorien industrieller Beziehungen.
Interaktionskulturen
aus
einer
Negotiated
Order-Perspektive.
München/Mering. Koza, M. P./Thoenig, J.-C. (2003): Rethinking the Firm: Organizational Approaches. In: Organization Studies, 24. Jg., H. 8, S. 1219-1229. Krackhardt, D./Brass, D. J. (1994): Intraorganizational networks. In: Wassermann, S./Galaskiewicz, J. (Hrsg.): Advances in social network analysis. Research in the social and behavioural sciences. Thousand oaks/London/New Delhi, S. 207-229. Krell, G. (1999): Managing Diversity: Chancengleichheit als Erfolgsfaktor. In: Personalwirtschaft. Magazin für Human Resources, 25. Jg., H. 4, S. 24-26. Krell, G. (2000): “Vertrauensorganisation” als Antwort auf Wertewandel und Technologieschub? In: Trebesch, K. (Hrsg.): Organisationsentwicklung. Konzepte, Strategien, Fallstudien. Stuttgart, S. 77-89. Krieger, D. J. (1996): Einführung in die allgemeine Systemtheorie. München.
Literaturverzeichnis
259
Krieger, R. (2006): Strategischer Rat beim Kamingespräch. In: Handelsblatt v. 26.09.2006, Nr. 186, S. 18. Krink, J. F. (2006): Organisationen mit Innenperspektive. In: Zeitschrift für Management, 1. Jg., H. 3, S. 254-281. Krohn, M. (2007): Personalbindung in Netzwerkorganisationen durch Investitionen in Sozialkapital. Eine ökonomische Analyse der familienorientierten Gestaltung sozialer Beziehungen in der Informationsgesellschaft und durch Unternehmen und Politik. Frankfurt a. M. Zugl.: Frankfurt (Oder), Europa-Univ., Diss., 2006. Kühl, S. (2001): „Der Wandel als das einzige Stabile in Organisationen.“ Die Rationalität des Organisationswandels und ihre Grenzen. In: Edeling, Th./Jann, W./Wagner, D. (Hrsg.): Reorganisationsstrategien in Wirtschaft und Verwaltung. Opladen, S. 73-90. Kuit, M. van de/Natris, D. de (2005): Interne Kommunikation bei Insourcingdeals. In: Crijns; R./Janich, N. (Hrsg.): Interne Kommunikation von Unternehmen. Psychologische, kommunikationswissenschaftliche und kulturvergleichende Studien. Wiesbaden, S. 205-234. Lang, R. (2007): Individuum und Organisation – Revisited: Neue Konturen eines organisationswissenschaftlichen Forschungsfeldes? In: Lang, R./Schmidt, A. (Hrsg.): Individuum und Organisation. Neue Trends eines organisationswissenschaftlichen Forschungsfeldes. Wiesbaden, S. 1-16. Laßleben, H. (2002): Das Management der lernenden Organisation. Eine systemtheoretische Interpretation. Wiesbaden. Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 2001. Leenen, R./Scheitza, A./Wiedemeyer, M. (2006): Kulturelle Diversität in Unternehmen. Zur Diversitätsorientierung von Personalverantwortlichen. In: Becker, M./Seidel, A. (Hrsg.): Diversity Management. Unternehmens- und Personalpolitik der Vielfalt. Stuttgart, S. 125-146. Lewin, K. (1946): Action research and minority problems. In: Journal of social issues, 4. Jg., H. 2, S. 34-46. Liebert, W.-A. (2003): Verständigung in der Vielfalt. Eine Erörterung über die Differenz als Grundlage menschlicher Sprache und Kommunikation. In: Wächter, H./Vedder, G./Führing, M. (Hrsg.): Personelle Vielfalt in Organisationen. München/Mering, S. 2969.
260
Literaturverzeichnis
Liebrich, A. (2008): Gestaltung einer diversitysensitiven internen Unternehmenskommunikation. München/Mering. Zugl.: Kaiserslautern, Univ. Diss., 2007. Likert, R. (1967): Die integrierte Führungs- und Organisationsstruktur. Frankfurt a. M. Limone, A./Bastias, L. E. (2006): Autopoiesis and Knowledge in the Organization: Conceptual Foundation for Authentic Knowledge Management. In: Systems Research and Organizational Science, 23. Jg., S. 39-49. Lindenberg, S. M. (1996): Short-term prevalence, social approval, and the governance of employment relations. In: Groenewegen, J. (Hrsg.): Transaction cost economics and beyond. Boston u. a., S. 129-147. Lindstädt, H. (2006): Beschränkte Rationalität. Entscheidungsverhalten und Organisationsgestaltung bei beschränkter Informationsverarbeitungskapazität. Schriften zu Management, Organisation und Information. Herausgegeben von Hagen Lindstädt. Band 7. München/Mering. Luhmann, N. (1982): Autopoiesis, Handlung und kommunikative Verständigung. In: Zeitschrift für Soziologie, 11. Jg., H. 4, S. 366-379. Luhmann, N. (1995): Funktionen und Folgen formaler Organisation. Mit einem Epilog von 1994. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 20. 4. Aufl. Berlin. Luhmann, N. (1996): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. 6. Aufl. Frankfurt a. M. Luhmann, N. (1999): Die Wirtschaft der Gesellschaft. 3. Aufl. Frankfurt. Luhmann, N. (2000): Organisation und Entscheidung. Opladen/Wiesbaden. Luhmann, N. (2003): Macht. 3. Aufl. Stuttgart. Luhmann, N. (2008): Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch. 3. Aufl. Wiesbaden. Macharzina, K./Wolf, J. (2005): Unternehmensführung. 5. Aufl. Wiesbaden. Malsch, T. (2005): Kommunikationsanschlüsse. Zur soziologischen Differenz von realer und künstlicher Sozialität. Wiesbaden.
Literaturverzeichnis
261
Marais, K./Dulac, N./Leveson, N. (2004): Beyond Normal Accidents and High Reliability Organizations: The Need for an Alternative Approach to Safety in Complex Systems. MIT
ESD
Symposium,
March
2004.
In:
esd.mit.edu/staging/symposium
/pdfs/papers/marais-b.pdf. March, J. G./Simon, H. A. (1958): Organizations. 2. Aufl. New York. Marr, R. (1989): Überlegungen zu einem Konzept einer „differentiellen Personalwirtschaft“. In: Drumm, H. J. (Hrsg.): Individualisierung der Personalwirtschaft. Bern/Stuttgart, S. 37-47. Marr, R./Stitzel, M. (1979): Personalwirtschaft. Ein konfliktorientierter Ansatz. München. Martens, W./Ortmann, G. (2006): Organisationen in Luhmanns Systemtheorie. In: Kieser, A./Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien. 6., erw. Aufl. Stuttgart, S. 427-461. Martin, A. (1998): Affekt, Kommunikation und Rationalität in Entscheidungsprozessen. Ergebnisse einer Studie über den Einfluss von Gruppenstrukturen auf das Problemlösungsverhalten. Empirische Personal- und Organisationsforschung, Bd. 8. München/Mering. Martin, A. (2006): Dialectical conditions. Leadership structures as productive action generators. In: Management Revue, 17. Jg., H. 4, S. 420-447. Mast, C. (2000): Effektive Kommunikation für Manager. Informieren, Diskutieren, Überzeugen. Landsberg/L. Masten, S. E. (1996): Empirical research in transaction cost economics. Challenges, progress, directions. In: Groenewegen, J. (Hrsg.): Transaction cost economics and beyond. Boston u. a., S. 43-64. Maturana, H. R./Varela, F. J. (1987): Der Baum der Erkenntnis. Bern/München/Wien. Mayntz, R. (1968): Max Webers Idealtypus der Bürokratie und die Organisationssoziologie. In: Mayntz, R. (1968) (Hrsg.): Bürokratische Organisation. Köln/Berlin, S. 27-35. Mayrhofer, W. (1996): Systemtheorie und Personalwirtschaft. Auf der Suche nach dem Sozialen. Plädoyer für ein neues Verständnis von Systemtheorie und Personalwirtschaft. In: Weber, W. (Hrsg.): Grundlagen der Personalwirtschaft. Theorien und Konzepte. Wiesbaden, S. 89-114.
262
Literaturverzeichnis
Mayrhofer, W. (2004): Social Systems Theory as Theoretical Framework for Human Resource Management – Benediction or Curse? In: Management Revue, 15. Jg., H. 2, S. 178191. Mayrhofer, W./Meyer , M. (2002): ”No more shall we part?” Neue Selbstständige und neue Formen der Kopplung zwischen Organisationen und ihrem Personal. In: Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., H. 4, S. 599-614. Ménard, C. (1996): Inside the black box: the variety of hierarchical forms. In: Groenewegen, J. (Hrsg.): Transaction cost economics and beyond. Boston u. a., S. 149-170. Miller, D./Friesen, P. (1980): Archetypes of organizational transition. In: Administrative Science Quarterly, 25. Jg., S. 268-299. Miller, K. (1995): Organizational communication. Approaches and processes. Belmont, CA u. a. Milton, L./Westphal, J. (2005): Identity confirmation networks and cooperation in work groups. In: Academy of Management Journal, 48. Jg., S. 191-212. Mingers, J. (2003): Observing organizations: An evaluation of Luhmann’s organization theory. In: Bakken, T./Hernes, T. (Hrsg.): Autopoietic organization theory. Drawing on Niklas Luhmann’s Social Systems Perspective. Abingdon, Oxfordshire, S. 103-122. Mintzberg, H. (1979): The Structuring of Organizations. A Synthesis of the Research. N. J. Moldaschl, M. (2007): Vom Verschwinden des Sozialkapitals im strategischen Zugriff. Oder: wie Erfolgsfaktorenforschung das Management erfolgreich in die Irre führt. In: Moldaschl, M. (Hrsg.): Verwertung immaterieller Ressourcen. Nachhaltigkeit von Unternehmensführung und Arbeit. Band 3. München/Mering, S. 209-236. Naegele, G./Sporket, M. (2007): Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb. Betriebliche Fallbeispiele zur Beschäftigungsförderung in ausgewählten Ländern der Europäischen Union. Abschlussbericht. In: http://www.boeckler.de/pdf_fof/S-2004-6733-1.pdf Nagel, E. (1993): Über die Aussage: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ In: Topitsch, E. (Hrsg.): Logik der Sozialwissenschaften. Frankfurt a. M., S. 241-251.
Literaturverzeichnis
263
Nahapiet, J./Goshal, S. (2000): Social capital, intellectual capital, and the organizational advantage. Nachdruck aus: Nahapiet, J./Goshal, S. (1998): Social capital, intellectual capital, and the organizational advantage.In: Academy of Management Review, 23. Jg., H. 2, S. 242-266. Nassehi, A. (1992): Wie wirklich sind Systeme? Zum ontologischen und epistemologischen Status von Luhmanns Theorie selbstreferentieller Systeme. In: Krawietz, W./Welker, M. (Hrsg.): Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk. Frankfurt a. M., S. 43-70. Natho, F. (2004): Selbstlernende Teams. Konzepte und Methoden. Systemische Team- und Gruppenleitung in sozialen und anderen Unternehmen. Dessau. Neubach, B./Roth, C./Wegge, J./Schmidt, K.-H. (2006): Alt und Jung in einem Team – wie wirkt sich Altersdiversität auf die Arbeitsleistung aus? In: Wirtschaftspsychologie aktuell. Zeitschrift für Personal und Management, 6. Jg., H. 4, S. 37-40. Neuberger, O. (2002): Mikropolitik und Moral in Organisationen. 2., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart. Neue Zürcher Zeitung v. 26. Juni 2008: Barack Obamas erfolgreiche Geldmaschine. Eine Netzwerkstrategie aus dem Silicon Valley. Nippa, M. (1988): Gestaltungsgrundsätze für die Büroorganisation: Konzepte für eine informationsorientierte Unternehmensentwicklung unter Berücksichtigung neuer Bürokommunikationstechniken. Berlin. Nolte, H. (2007): Die reflexive Organisation. Von Managementbildung zu Unternehmensflexibilität. München/Mering. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997): Die Organisation des Wissens. Wie Japaner eine brachliegende Ressource nutzbar machen. Frankfurt. Nonaka, I./Toyama, R. (2007): Why do firms differ? The theory of the knowledge-creating firm. In: Ichijo, K./Nonaka, I. (Hrsg.): Knowledge creation and management. New challenges for managers. Oxford u. a., S. 13-31. North, D. C. (1989): Institutional Change and Economic History. In: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 145. Jg., S. 238-245.
264
Literaturverzeichnis
Oelsnitz, v. d. D. (2006): Kulturelle Heterogenität. – Leitlinien der Teamführung im interkulturellen Kontext. In: Zeitschrift für Management. 1. Jg., H. 2, S. 142-166. Oeslnitz v. d. D./Busch, M. W. (2006): Social loafing – Leistungsminderung in Teams. In: Personalführung, 36. Jg., H. 9, S. 64-73. Oelsnitz,
v.
d.
D./Graf,
A.
(2006):
Inhalt
und
Aufbau
interorganisationaler
Kooperationskompetenz – Eine Konstruktbestimmung. In: Schreyögg, G./Conrad, P. (Hrsg.): Managementforschung. Band 18. Wiesbaden, S. 83-120. Oertel, J. (2007): Teammanagement in altersdiversen Belegschaften. Gestaltung und Führung von Teams vor dem Hintergrund des Generationswandels. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 76. Jg., H. 2, S. 78-84. Osterloh, M./Frost, J./Wartburg, I. v. (2001): Kernkompetenzen durch Wissens- und Motivationsmanagement. In: Thom, N./Zaugg, R. (Hrsg.): Excellence durch Personal- und Organisationskompetenz. Bern/Stuttgart/Wien, S. 201-222. Ostrom, E. (2005): Understanding institutional diversity. Princeton, New Jersey. Ouchi, W. G. (1980): Markets, Bureaucracies, and Clans. In: Administrative Science Quarterly, 25. Jg., S. 129-141. Parsons, T. (1951): The Social System. Glencoe, Ill. Pearson, V. M. S./Stephan, W. G. (1998): Preferences for styles of negotiation. A comparison of Brazil and the U. S. In: International Journal of intercultural relations, 22. Jg., H. 1, S. 67-83. Pelled, L. H./Eisenhardt, K. M./Xin, K. R. (1999): Exploring the Black Box: An Analysis of Work Group Diversity, Conflict, and Performance. In: Administrative Science Quarterly, 44. Jg., S. 1-28. Peterson, L.-E./Dietz, J. (2006): Die Bedeutung von Stereotypen und Vorurteilen für das Diversity Management. In: Becker, M./Seidel, A. (Hrsg.): Diversity Management. Unternehmens- und Personalpolitik der Vielfalt. Stuttgart, S. 105-122. Petkovic, M. (2004): Geschickte Markenpolitik. In: Personal, 56. Jg., H. 4, S. 7-9. Pettigrew, A. M. (2003): Innovative forms of organizing. Progress, performance and process. In: Pettigrew, A. M. et al. (Hrsg.): Innovative forms of organizing. International perspectives. London u. a., S. 331-351.
Literaturverzeichnis
265
Pettigrew, A. M./Massini, S. (2003): Innovative forms of organizing. Trends in Europe, Japan and the USA in the 1990s. In: Pettigrew, A. M. et al. (Hrsg.): Innovative forms of organizing. International perspectives. London u. a., S. 1-32. Pharao, I. (1996): Personalcontrolling in gruppenorientierten Arbeitsstrukturen. Frankfurt a. M. u. a. zugl.: Passau, Univ., Diss., 1995. Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R. T. (2001): Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organisation und Management. Lehrbuch zur Unternehmensführung im Informationszeitalter. 4., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden. Pies, I. (2001): Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Oliver Williamsons. In: Pies, I./Leschke, M. (Hrsg.): Oliver Williamsons Organisationsökonomik. Konzepte der Gesellschaftstheorie Bd. 7. Tübingen. Pietsch, G. (2005): Institutionenökonomik jenseits des Opportunismus. In: Schauenberg, B./Schreyögg, G./Sydow, J. (Hrsg.): Institutionenökonomik als Managementlehre? Managementforschung Bd. 15. Wiesbaden, S. 1-44. Poensgen, O. H. (1988): Kommunikation. In: Albers, W. et al. (Hrsg.): Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft. Vierter Band. Stuttgart/New York, S. 466-477. Popkes, G. (2004): Kommunikative Tugenden im Management. Der Entwurf einer tugenderweiterten
kommunikativen
Unternehmensethik.
Schriftenreihe
für
Wirtschafts- und Unternehmensethik. Bd. 9. München/Mering. Poulymenakou, A./Klein, S. (2006): Networks as Orchestrations. In: Klein, S./Poulymenakou, A. (Hrsg.): Managing Dynamic Networks. Organizational Perspectives of Technology Enabled Inter-firm Collaboration. Berlin/Heidelberg, S. 3-15. Rasche, C. (2000): Der Resource Based View im Lichte des hybriden Wettbewerbs. In: Hammann, P./Freiling, J. (Hrsg.): Die Ressourcen- und Kompetenzperspektive des Strategischen Managements. Wiesbaden, S. 69-125. Reichwald, R./Möslein, K. (2000): Nutzenpotentiale und Nutzenrealisierung in verteilten Organisationsstrukturen. Experimente, Erprobungen und Erfahrungen auf dem Weg zur virtuellen Unternehmung. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, ZfB-Ergänzungsheft 2/2000, S. 117-136.
266
Literaturverzeichnis
Reiß, M./Beck, T. C. (2000): Netzwerkorganisation im Zeichen der Koopkurrenz. In: Foschiani, S. (Hrsg.): Strategisches Management im Zeichen von Umbruch und Wandel. Festschrift für Professor Dr. Erich Zahn zum 60. Geburtstag. Stuttgart, S. 315-340. Richardson, G. B. (1972): The Organisation of Industry. In: The Economic Journal, 82. Jg., H. 327 (September), S. 883-896. Ricken, B. (2005): Entwicklung eines Instrumentes zur Anaylse und Steuerung informaler Organisationsstrukturen. München/Mering. Zugl.: Diss., Wirtschaftsw. Fakultät, Univ., Zürich, 2005. Riemer, K. (2006): The role of social capital in managing relationships with IT suppliers. A case study in electronic commerce. In: Klein, S./Poulymenakou, A. (Hrsg.): Managing Dynamic Networks. Organizational Perspectives of Technology Enabled Inter-firm Collaboration. Berlin/Heidelberg, S. 125-166. Riemer, K./Klein, S. (2006): Network Management Framework. In: Klein, S./Poulymenakou, A. (Hrsg.): Managing Dynamic Networks. Organizational Perspectives of Technology Enabled Inter-firm Collaboration. Berlin/Heidelberg, S. 17-66. Ringle, C. M. (2004): Kooperation in Virtuellen Unternehmungen. Auswirkungen auf die strategischen Erfolgsfaktoren der Partnerunternehmen. Wiesbaden. Ringshausen, H. (2000): Die Bedeutung von Organisationstheorien für die betriebliche Weiterbildung. Eine theoriekritische Diskussion unter besonderer Berücksichtigung transdisziplinärer Ansätze. München/Mering. Zugl.: Magdeburg, Univ., Diss., 1999. Roberson, L. (2003): Chances and Risks of Diversity. In: Belinszki, E./Hansen, K./Müller, U. (Hrsg.): Diversity Management. Best practices im internationalen Feld. Münster, S. 238-254. Roehl, H./Rollwagen, I. (2005): Organisationale Gestaltung als Gestaltung von Kooperation. In: Aderhold, J./Meyer, M./Wetzel, R. (Hrsg.): Modernes Netzwerkmanagement. Anforderungen – Methoden – Anwendungsfelder. Wiesbaden. S. 165-184. Roos, J./Roos, G./Dragonetti, N. C./Edvinsson, L. (1997): Intellectual Capital. Navigating the new business landscape. Houndmills u. a. Rosenstiel, L. v. (2003a): Die Arbeitsgruppe. In: Rosenstiel/Regnet/Domsch (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. 5., überarb. Aufl. Stuttgart, S. 367-396.
Literaturverzeichnis
267
Rosenstiel. L. v. (2003b): Grundlagen der Organisationspsychologie. Basiswissen und Anwendungshinweise. 5., überarb. Aufl. Stuttgart. Rosenstiel, L. v. (2004): Kommunikation in Arbeitsgruppen. In: Schuler, H. (Hrsg.): Lehrbuch Organisationspsychologie. 3., vollst. überarb. u. erg. Aufl. Bern, S. 387-414. Rosner, S. (2007): Systemaufstellung als Aktionsforschung. Grundlagen, Anwendungsfelder, Perspektiven. Mit Gastbeiträgen von Georg Gombos, Henriette Katharina Lingg, Ruth Sander und Wolfgang Zimmermann. München/Mering. Rother,
G.
(1996):
Personalentwicklung
und
Strategisches
Management.
Eine
systemtheoretische Analyse. Wiesbaden. Zugl.: Duisburg, Univ., Diss., 1996. Sackmann,
S.
(1983):
Organisationskultur
–
eine
unsichtbare
Einflußgröße.
In:
Gruppendynamik, 13. Jg., H. 4, S. 397-405. Saldern, M. v. (1998): Grundlagen systemischer Organisationsentwicklung. Betriebspädagogik aktuell, Bd. 2. Baltmannsweiler. Sandner, K./Meyer, R. (1994): Verhandlung und Struktur. Zur Entstehung organisierten Handelns
in
Unternehmen.
In:
Schreyögg,
G./Conrad,
P.
(Hrsg.):
Managementforschung Bd. 4. Dramaturgie des Managements. Laterale Steuerung. Berlin/New York, S. 185-218. Schattenhofer, K. (2004): Gruppendynamik als Ausdruck manifester und latenter Prozesse. In: Antons, K. et al. (Hrsg.): Gruppenprozesse verstehen. Gruppendynamische Forschung und Praxis. 2., durchgesehene Auflage. Wiesbaden, S. 39-44. Scherer, A. G. (2006): Kritik der Organisation oder Organisation der Kritik? – Wissenschaftstheoretische
Bemerkungen
zum
kritischen
Umgang
mit
Organisationstheorien. In: Kieser, A./Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien. 6., erw. Aufl. Stuttgart, S. 19-62. Schiersmann, C./Thiel. H.-U. (2009): Organisationsentwicklung. Prinzipien und Strategien von Veränderungsprozessen. Wiesbaden. Schloderer, F. (2005): Intellektuelles Kapital und Wissen. Implikationen der institutionellen Einbindungsform von Wissensarbeitern. Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Rainer Marr. Wiesbaden. Zugl.: München/Neubiberg, Univ. d. Bundeswehr, Diss., 2005.
268
Literaturverzeichnis
Schneider, W. L. (2005): Grundlagen der soziologischen Theorie. Band 2: Garfinkel – RC – Habermas – Luhmann. 2. Aufl. Wiesbaden. Schnöring, S. (2007): Kommunikation im Spiegel der Unternehmenskultur. Dialogisches Handeln und unternehmerische Zwecke. Tübingen. Zugl.: Münster, Univ., Diss., 2006. Schoemaker, M./Nijhof, A./Jonker, J. (2006): Human Value Management. The influence of the contemporary developments corporate social responsibility and Social capital on HRM. In: Management Revue, 17. Jg., H. 4, S. 448-465. Schramm,
M.
(2005):
Verhaltensannahmen
der
Transaktionskostentheorie.
Von
eingeschränkter Rationalität zu sozialer Einbettung. Berlin. Zugl.: Duisburg-Essen, Univ., Diss., 2004. Schulte-Zurhausen,
M.
(2000):
Die
Anwendung
des
Systemdenkens
im
Organisationsmanagement. In: Clermont, A./Schmeisser, W./Krimphove, D. (Hrsg.): Personalführung und Organisation. München, S. 75-90. Schultz v. Thun, F. (1977): Psychologische Vorgänge in der zwischenmenschlichen Kommunikation. In: Fittkau, B./Müller-Wolf, H. M./Schultz v. Thun, F. (Hsrg.): Kommunzieren lernen (und umlernen). Braunschweig. Schultz v. Thun, F. (2006): Miteinander reden. Das ‚innere Team’ und situationsgerechte Kommunikation. Kommunikation, Person, Situation. Hamburg. Schweer, M./Thies, B. (2003): Vertrauen als Organisationsprinzip. Perspektiven für komplexe soziale Systeme. Bern. Seidl, D. (2003): Metaphorical self-descriptions of organizations. In: Müller, A. P./Kieser, A. (Hrsg.): Communication in organizations. Structures and practices. Frankfurt a. M., S. 165-182. Semling, C. (2005): Information und Kommunikation in Organisationen – eine Facette der Organisationskultur. Ein verhaltensorientierter Ansatz zur Analyse der Kultur in Organisationen. In: Crijns, R./Janich, N. (Hrsg.): Interne Kommunikation von Unternehmen.
Psychologische,
kommunikationswissenschaftliche
und
kulturvergleichende Studien. Wiesbaden, S. 7-36. Semlinger, K. (1999): Effizienz und Autonomie in Zulieferungsnetzwerken – Zum strategischen Gehalt von Kooperation. In: Sydow, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen. Wiesbaden, S. 29-74.
Literaturverzeichnis
269
Sen, A. (1977): Rational Fools. A critique of the behavioural foundations of economic theory. In: Philosophy and Public Affairs, 11. Jg., S. 95-117. Shannon, C. E./Weaver, W. (1949): The mathematical theory of communication. Urbana, Ill. Simon, H. (1978): Rationality as process and product of thought. In: American Economic Review, 68. Jg., S. 1-16. Simons, T./Peterson, R. S. (2006): Wann Konsens notwendig ist. In: Harvard Business manager, 28. Jg., H. 8, S. 14 -15. Spandau, U. (2007): Organisationslernen und Macht. Eine Fallstudie zur Dialogisierung hierarchischer Kommunikation. In: Göhlich, M./König, E./Schwarzer, C. (Hrsg.): Beratung, Macht und organisationales Lernen. Wiesbaden, S. 111-130. Sparrowe, R. T./Liden, R. C. (2005): Two routes to Influence: Integrating leader-member exchange and social network perspectives. In: Academy of. Management Review, 22. Jg., S. 522–552. Staber, U. (2007): Sleeping with the enemy, oder Vorsicht vor falschen Freunden? Sozioökonomische Überlegungen zum Dilemma der Koopetition. In: Schreyögg, G./Sydow, J. (Hrsg.): Managementforschung Bd. 17, S. 257-285. Staudt, E./Kriegesmann, B. (2000): Trotz Weiterbildung inkompetent. In: Schwuchow, K./Gutmann, J. (Hrsg.): Jahrbuch Personalentwicklung und Weiterbildung 2000/2001. Neuwied/Kriftel, S. 39-44. Stein, C. W. (1998): Transaktionskostenorientiertes Controlling der Organisation und Personalführung. Wiesbaden. Zugl.: Freiberg, Techn. Univ., Diss., 1998. Stein,
V.
(2000):
Emergentes
Organisationswachstum:
Eine
systemtheoretische
“Rationalisierung”. Strategie- und Informationsmanagement Bd. 9. München/Mering. Zugl.: Saarbrücken, Univ., Diss., 1999. Steinle, C./Schmidt, K./Spreider, M. (2001): Unternehmungsvitalisierung und interne Unternehmungskommunikation. Konzeptentwicklung – Empirisches Schlaglicht – Gestaltungsempfehlungen. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 70. Jg., H. 6, S. 354-362. Steinmann, H./Schreyögg, G. (1991): Management. Grundlagen der Unternehmensführung. Konzepte, Funktionen, Praxisfälle. 2. Aufl. Wiesbaden.
270
Literaturverzeichnis
Stinchcombe, A. L. (1985): Contracts as hierarchical documents. In: Stinchcombe, A. L./Heimer, C. A. (Hrsg.): Organization theory and project management. Oslo/London, S. 12-171. Stünzner, L. (1996): Systemtheorie und betriebswirtschaftliche Organisationsforschung. Eine Nutzenanalyse der Theorien autopoietischer und selbstreferentieller Systeme. Betriebswirtschaftliche Schriften H. 143, Berlin. Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1996. Sukowski, O. (2002): Der Einfluss der Kommunikationsbeziehungen auf die Effizienz des Wissenstransfers – Ein Ansatz auf Basis der Neuen Institutionenökonomie. Zugl.: St. Gallen, Univ., Diss., 2002. Swart, J./Kinnie, N./Purcell, J. (2004): Human Resource Advantage in the Networked Organization. In: Management Revue, 15. Jg., H. 3, S. 288-304. Sydow,
J./van
Well,
B.
(1999):
Wissensintensiv
durch
Netzwerkorganisation
–
Strukturationstheoretische Anaylse eines wissensintensiven Netzwerkes. In: Sydow, J. (Hrsg.):
Management
von
Netzwerkorganisationen.
Beiträge
aus
der
Managementforschung. Wiesbaden, S. 107-150. Sydow, J./Windeler, A. (2000): Steuerung von und in Netzwerken – Perspektiven, Konzepte, vor allem aber offene Fragen. In: Sydow, J./ Windeler, A. (Hrsg.): Steuerung von Netzwerken. Konzepte und Praktiken. Wiesbaden, S. 1-24. Taylor, J. R./Every, E. J. van (2000): The Emergent Organization. Communication as Its Site and Surface. Mahwah, New Jersey. Teubner, G. (1989): Recht als autopoietisches System. Frankfurt a. M. Teubner, G. (1992): Die vielköpfige Hydra: Netzwerke als kollektive Akteure höherer Ordnung. In: Krohn, W./Küppers, G. (Hrsg.): Emergenz: Die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung. Frankfurt a. M., S. 189-216. Thayer, L. (1967): Communication and Organization Theory. In: Human Organization Theory, S. 70-115. Theis, A. M. (1994): Organisationskommunikation. Theoretische Grundlagen und empirische Forschungen. Opladen. Theis-Berglmair (2003): Organisationskommunikation. Theoretische Grundlagen und empirische Forschungen. 2. Aufl. Münster/Hamburg/London.
Literaturverzeichnis
271
Thom, N. (Hrsg) (1989): Management im Wandel. Freiburger Gespräche 87/88 zu den Themen „Anforderungen an den Manager der 90er Jahre“ und „Wirtschaft und Ethik“. Hamburg u. a. Thom, N./Wenger, A. P. (2002): Organisationswissen Nr. 9. Die effiziente Organisation. Bewertung und Auswahl von Organisationsformen. Glattbrugg. Thomas, K. M./Mack, D. A./Montagliani, A. (2004): The Arguments against Diversity: are they valid? In: Stockdale, M. S./Crosby, F. J. (Edt.): The Psychology and Management of Workplace Diversity. Malden/Oxford/Carlton, S. 31-51. Tomenendal, M. (2002): Virtuelle Organisation am Rand des Chaos. Eine komplexdynamische Modellierung organisatorischer Virtualität. München/Mering. Zugl.: Saarbrücken, Univ., Diss., 2001. Ulrich, H. (1984): Management – A Misunderstood Societal Function. In: Ulrich, H./Probst, G. J. B. (Hrsg.): Self-Organization and Management of Social Systems. Insights, Promises, Doubts, and Questions. Berlin u.a., S. 80-93. Ulrich, H. (1989): Integrative Unternehmungsführung. In: Kirsch, W./Picot, A. (Hrsg.): Die Betriebswirtschaftslehre im Spannungsfeld zwischen Generalisierung und Spezialisierung. Edmund Heinen zum 70. Geburtstag. Wiesbaden, S. 183-198. Vanderstraeten, R. (2005): System and Environment: Notes on the Autopoiesis of Modern Society. In: Systems Research and Behavioural Science, 22. Jg., S. 471-481. Varela, F. J. (1984): Two principles of self-organization. In: Ulrich, H./Probst, G.-J. B. (Hrsg.): Self-Organization and Management of social systems. Insights, promises, doubts and questions. Berlin u. a., S. 25-32. Veen, S./Backes-Gellner, U. (2008): Altersstrukturen von Belegschaften und betriebliche Produktivität.
Working
paper
No.
Unternehmensökonomik. Universität Zürich.
78.
Institut
für
Strategie
und
272
Literaturverzeichnis
Vier, C. (1996): Unternehmenstransformation und Netzwerkorganisation. St. Galler Beiträge zum Integrierten Management. Bd. 8. Bern/Stuttgart/Wien. Zugl.: St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwiss., Diss., 1995. Volke-Groh, T./Martens, J.-U. (2001): Individuelles Lernen erfordert soziale Phasen. Neue Trends in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. In: Heidack, C. (Hrsg.): Praxis der kooperativen Selbstqualifikation. München/Mering, S. 31-40. Wächter, H./Metz, T. (1999): Professionelle Personalarbeit in virtuellen Unternehmen. In: Freimuth, J./Meyer, A. (Hrsg.): Fraktal, fuzzy oder darf es ein wenig virtueller sein? München/Mering, S. 114-122. Wagner, D./Voigt, B.-F. (2006): Numerische und alternative Darstellungsformen von Heterogenität in der Diversity-Forschung. In: Krell, G./Wächter, H. (Hrsg.). Diversity Management. Impulse aus der Personalforschung. München/Mering, S. 109-133. Waltert, J. (2002): Elektronische Kommunikationsforen als Element des Wissensmanagements. Eine Fallstudie bei genossenschaftlichen Filialbanken. Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 2002. Watzlawick, P./Beavin, J. H./Jackson, D. D. (2003): Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. 11., unv. Auflage. Bern u. a. Weber, M. (1976): Wirtschaft und Gesellschaft. 5., rev. Aufl. Tübingen. Weber, S. M. (2005): Netzwerkmonitoring und Evaluation. Dimensionen und Verfahren zur Generierung reflexiven Handlungswissen in komplexen Akteursettings. In: Aderhold, J./Meyer, M./Wetzel, R. (Hrsg.): Modernes Netzwerkmanagement. Anforderungen, Methoden, Anwendungsfelder. Wiesbaden, S. 277-301. Weick, K. E. (1976): Educational organizations as loosely coupled systems. In: Administrative Science Quarterly, 21. Jg., S. 1-19. Weick, K. E./Sutcliffe, K. M. (2007): Das Unerwartete managen. Wie Unternehmen aus Extremsituationen lernen. 2. Aufl. Stuttgart. Weik, E./Lang, R. (2003): Moderne Organisationstheorien 2. Strukturorientierte Ansätze. Wiesbaden. Wenger, A. P./Thom, N. (2005): Organisationsarbeit – eine Tätigkeit im Wandel. Organisationswissen, Bd. 10. Glattbrugg.
Literaturverzeichnis
273
Werder, A. v. (1994): Unternehmensführung und Argumentationsrationalität. Stuttgart. Wiegran, G. (1993): Transaktionskostenanalyse in der Personalwirtschaft. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 62. Jg., H. 4, S. 64-67. Wieland, G. (1999): Die Ethik der Governance. Marburg. Williamson, O. E. (1979): Transaction-cost economics. The governance of contractual relations. In: The Journal of law and economics, 22. Jg., H. 1, S. 233-261. Williamson, O. E. (1981): The Economics of Organization: The Transaction Cost Approach. In: The American Journal of Sociology, 87. Jg., H. 3, S. 548-577. Williamson, O. E. (1985): The Economic Institutions of Capitalism. Firms, Markets, Relational Contracting. New York. Williamson, O. E. (1991): Comparative Economic Organization: The Analysis of Discrete Structural Alternatives. In: Administrative Science Quarterly, 36. Jg., S. 269-296. Williamson, O. E. (1999): Strategy research. Governance and competence perspectives. In: Strategic management journal, 20. Jg., S. 1087-1108. Williamson, O. E./Wachter, M. L./Harris, J. E. (1975): Understanding the Employment Relation: The Analysis of Idiosyncratic Exchange. In: The Bell Journal of Economics, 6. Jg., H. 1 (Frühjahr 1975), S. 250-278. Willke, H. (1996a): Systemtheorie I: eine Einführung in die Grundprobleme der Theorie sozialer Systeme. 5. Auflage. Stuttgart. Willke, H. (1996b): Systemtheorie II: Interventionstheorie: Grundzüge einer Theorie der Intervention in komplexe Systeme. 2., bearb. Auflage. Stuttgart. Windeler, A. (2001): Unternehmungsnetzwerke. Konstitution und Strukturation. Wiesbaden. Windsperger, J. (1998): Ungelöste Probleme der Transaktionskostentheorie. In: Journal für die Betriebswirtschaft, 48. Jg., H. 5-6, S. 266-276. Wolf, G. (2008): Stiefkind interne Kommunikation. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr 110 v. 13. Mai 2008, S. 26. Wolf, J. (2003): Organisation, Management, Unternehmensführung. Theorien und Kritik. Wiesbaden.
274
Literaturverzeichnis
Zech, R. (1991): Organisation ist Kommunikation – Beratung auch! Ein mittelständisches Unternehmen bewältigt den Wandel. In: Organisationsentwicklung, 1. Jg, H. 1, S. 16-23. Zeleny, M. (1981): What is Autopoiesis? In: Zeleny, M. (Hrsg.): Autopoiesis. A theory of living organization. The North Holland Series in General Systems Research. Band 3. New York/Oxford, S. 4-17. Zima, P. V. (2004): Was ist Theorie? Tübingen/Basel. Zimmer, M. (2003): Virtuelle Organisationen und Experten-Netzwerke. Perspektiven auf Handlungsmotivationen und Rationalitäten. In: Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., H. 2, S. 224-238. Zotto, C. dal (2000): Integrierte Personal- und Organisationsentwicklung als mediengestützter Prozeß. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 69. Jg., H. 3, S. 148-153.