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PARKERS Razzia in Athen Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Butler Parker war äußerst angenehm berührt. Er be fand sich auf der Akropolis und ließ die Schönheiten der Tempelanlagen auf sich wirken. Er hatte sich den alles beherrschenden Parthenon angesehen und war hinübergewechselt zum Erechtheion und genoß das Ebenmaß der Karyatiden, jener marmornen Frauenfi guren, die das Dach dieses kleinen Tempels trugen. Jo suah Parker übersah und überhörte das Stimmengewirr der vielen Besucher, die wie Heuschrecken ausge schwärmt waren und den Tempelberg von Athen bevöl kerten. Josuah Parker war nicht allein nach Athen ge kommen. Er begleitete Lady Agatha Simpson, die es sich urplötzlich in den Kopf gesetzt hatte, Griechenland zu besuchen. Für den Kriminal-Bestseller, den sie zu schreiben gedachte, benötigte sie einige Lokalstudien von Athen. Da die ältere Dame, die das sechzigste Le bensjahr überschritten hatte, immens vermögend war, spielte dieser kleine Ausflug für sie überhaupt keine
Rolle. Sie hatte an einer Stadtrundfahrt teilgenommen, sich mit Prospekten versorgt und ihren Butler gebeten, einige Farbfilme zu belichten. Sie plante, bereits einen Tag später wieder nach London zurück zu fliegen. Im Augenblick war die Lady nicht zu sehen. Sie hatte sich unters Volk gemischt, und der Butler brauchte sich keine Sorgen zu machen. Mit einem Kriminalfall war hier nicht zu rechnen. Dennoch blieb er nicht zu lange vor dem Erechtheion stehen. Er kannte schließ lich das unberechenbare Temperament seiner Herrin, die keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Zu dem gab es hier oben auf der Akropolis Scharen von ambulanten Händlern, die den Touristen einmalige Kaufangebote machten und mit Grabungsfunden lock ten. Josuah Parker verließ also die Schönheiten aus Marmor, schlenderte zurück zu den Propyläen und ent deckte dann Lady Agatha, die sich gerade von zwei Männern trennte, die es eilig hatten, den Tempelberg zu verlassen. »Da sind Sie ja endlich, Mr. Parker«, sagte sie und nickte ihm wohlwollend zu, »wie lange wollen Sie noch zwischen den Trümmern herummarschieren?« »Mylady haben sich an der klassischen Schönheit der Tempelanlagen ergötzt?« erkundigte sich Josuah Par ker. »Nun übertreiben Sie nicht gleich«, gab sie zurück, »es geht nichts über den Trafalgar Square in London, Mr. Parker... Sehen Sie sich doch diese Unordnung an! Überall Steine und Trümmer. Kennen die Griechen kei
ne Müllabfuhr?« »Es handelt sich um, wenn ich dies in aller Beschei denheit sagen darf, steinerne Zeugnisse einer ruhmrei chen Vergangenheit«, bemerkte Josuah Parker. »Nun ja«, meinte die Lady, »Sie liefern mir da gerade ein nettes Stichwort, Mr. Parker: ruhmreiche Vergan genheit.« »Mylady verspüren den Atem der Geschichte hier auf der Akropolis?« fragte Parker hoffnungsfroh. »Papperlapapp, Mr. Parker.« Sie winkte ihn näher zu sich heran. »Ich verspüre nicht den Atem der Geschich te, nein, ich habe sie in meinem Pompadour, um genau zu sein.« »Mylady erwecken mein bescheidenes Interesse.« »Ich habe Bronze aus Mykenä gekauft. Was sagen Sie jetzt?« »Mylady sehen meine Wenigkeit überrascht und er staunt.« »Eine einmalige Gelegenheit, Mr. Parker«, flüsterte sie fast, »ein kleines Standbild, eine Krieger-Plastik.« »Würden Mylady meine Wenigkeit in den Genuß eines flüchtigen Anblicks kommen lassen?« »Doch nicht hier, wo es von Spitzeln nur so wimmelt«, sagte sie betont vorsichtig, »Sie wissen doch, daß der Kauf solcher Altertümer verboten ist.« »Mylady konnte sich von der Echtheit des Kunstwerks überzeugen?« »Selbstverständlich«, behauptete sie, »eine Lady Simpson führt man nicht hinters Licht, Mr. Parker, das
sollten Sie aber inzwischen wissen.« »Gewiß, Mylady. Darf man höflichst fragen, was Myla dy zahlten?« »Achtzig Pfund«, flüsterte sie nun wieder, »und mit weiteren Altertümern ist fest zu rechnen.« »Mylady planen, noch mehr Kostbarkeiten dieser Pro venienz zu erstehen?« »Natürlich«, entgegnete sie triumphierend, »man muß die Gelegenheiten nützen. Kommen Sie, ich glau be, ich werde bereits beobachtet.« Parker war zwar nicht dieser Ansicht, doch er deutete eine knappe Verbeugung an, lüftete die schwarze Melo ne und geleitete seine resolute Herrin zum Eingang stor. Sie ließ den perlenbestickten Pompadour freudig pendeln. »Werde ich noch immer verfolgt?« fragte sie dann, als man das Tor passiert hatte, »ich möchte mich nicht umdrehen. Das könnte auffallen.« »Mylady dürften die Verfolger abgeschüttelt haben«, erklärte Parker in seiner höflichen Art, »möchten Myla dy sich noch das Dionysos-Theater ansehen, das im sechsten Jahrhundert vor der Zeitwende errichtet wur de?« »Mein Bedarf an Antike ist gedeckt«, gab sie zurück, »man kann alles übertreiben, Mr. Parker. Zudem habe ich meine Bronze-Plastik. Die werde ich jetzt erst in Si cherheit bringen. Und Sie sollten dafür sorgen, daß ich sie durch den Zoll bringe. Lassen Sie sich etwas einfal len, Mr. Parker...«
»Wie Mylady wünschen.« Parker war durch nichts zu erschüttern. Zudem ahnte er, was seine Herrin da ge kauft hatte. Bronzestücke dieser Art wurden sicher zu Hunderten an einem Vormittag an Touristen verkauft. Ein ganzer Berufszweig lebte davon. Daher war Josuah Parker auch etwas irritiert, als zwei Männer in hellen Sommeranzügen genau auf Lady Simpson und ihn zu kamen. Sie machten einen entschlossenen, sogar ver bissenen Eindruck. Josuah Parker entging keineswegs, daß die beiden Männer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich keit Schulterhalfter trugen, die sicher nicht leer waren. *** »Ihre Handtasche«, forderte der Mann mit dem aus geprägten Schnurrbart. Er hatte sich vor Lady Agatha aufgebaut und griff ahnungslos nach dem perlenbe stickten Pompadour der älteren Dame, der an langen Lederriemen an ihrem linken Handgelenk hing. Der Grieche sprach übrigens ein recht passables Englisch. »Was soll das?« donnerte Agatha Simpson, »wollen Sie sich an einer hilflosen Dame vergreifen, Sie Lüm mel?« »Die Handtasche«, wiederholte der Mann und wurde nachdrücklicher. Er ahnte keineswegs, in welcher Ge fahr er bereits schwebte. Er wußte nichts vom Inhalt des Pompadours. In ihm befand sich nämlich der soge nannte »Glücksbringer« der Lady Agatha, ein echtes
Pferdehufeisen, das aus Gründen der Humanität nur oberflächlich in dünnen Schaumstoff gehüllt war. »Würden die Herren sich möglicherweise identifizie ren?« schaltete sich der Butler ein. Er hatte mitbekom men, in welch gefährliche Schwingungen der Pompa dour geraten war. »Los, machen Sie schon!« Der zweite Mann, ein wenig kleiner als der erste, verlor die Geduld und faßte leicht sinnigerweise nach den Lederriemen des Handbeutels. Bevor er seine Finger jedoch zu schließen vermochte, verfärbte er sich und produzierte ein ersticktes Keu chen. Dann verbeugte er sich tief vor der älteren Dame und faßte nach seinem rechten Schienbein, gegen das Lady Simpson getreten hatte. »Sie Flegel«, tobte die Sechzigerin, »Sie wollen mich tatsächlich unsittlich belästigen?« Der erste Mann schaute fassungslos auf seinen Beglei ter, bekam einen roten Kopf vor Wut und wollte die äl tere Dame angreifen. Er übersah dabei den Pompa dour, der von unten nach oben pendelte und sich auf seine linke Bac-kenseite legte. Das Resultat war beeindruckend. Der Mann knickte in der Hüfte ein, verlor das Gleich gewicht und legte sich anschließend entkräftet auf die mächtigen Quadersteine, mit denen der Boden bedeckt war. Dann scharrte er noch ein wenig mit den Füßen und schloß unmittelbar darauf die Augen. »Mr. Parker, schützen Sie mich vor diesen Unholden«, verlangte die ältere Dame, um sich dann anklagend an
die Touristen zu wenden, die einen ersten, vorerst noch schütteren Halbkreis gebildet hatten. Nach dieser Auf forderung an ihren Butler verbreitete Agatha Simpson sich über die rohen und verwilderten Sitten gewisser Griechen und machte ihren Zuhörern deutlich, daß sie nicht gewillt war, sich bestehlen zu lassen. Man applaudierte der Lady und würdigte ihren Mut und ihre Einsatzbereitschaft. Sie maß den am Boden liegenden Mann mit grimmigem Blick und versetzte dann dem anderen, auf einem Bein tanzenden Frech ling einen energischen Rippenstoß. Daraufhin verlor auch er verständlicherweise sein Gleichgewicht, rutsch te weg und legte sich auf seinen Begleiter. »Kommen Sie, Mr. Parker«, sagte sie dann mit ihrer baritonal gefärbten Stimme, »ich möchte mich nicht weiter provozieren lassen.« Parker lüftete die schwarze Melone und geleitete Lady Simpson die breite Treppe hinunter. Aus Gründen ei ner gewissen Vorsicht war es seine Absicht, möglichst schnell in die engen Gassen der Altstadt hinabzustei gen. Parker hatte die Schulterhalfter unter den Jacketts der beiden Männer keineswegs übersehen. Er konnte sich zudem diesen Zwischenfall nicht erklären. Sollte dies alles tatsächlich nur mit der Bronze' zusammen hängen, die Lady Simpson für achtzig Pfund sich hatte aufschwätzen lassen? Plastiken dieser Art wurden doch überall feilgeboten und stammten seiner Ansicht nach keineswegs aus einem vorgeschichtlichen Grab. »Sie haben hoffentlich bemerkt, wie gut mein Kauf ge
wesen ist, Mr. Parker«, betonte Lady Agatha selbstzu frieden, »man wollte ihn mir wahrscheinlich wieder ab jagen und erneut verkaufen. Aber mit einer Agatha Simpson kann man so etwas nicht machen!« »In der Tat, Mylady«, pflichtete Parker seiner Herrin höflich bei, »haben Mylady bedacht, daß die beiden Männer möglicherweise Angehörige der hiesigen Poli zei sein könnten?« »Das würde mir nichts ausmachen«, erwiderte sie prompt, »aber sicherheitshalber werde ich mich natür lich umgehend beschweren, Mr. Parker, setzen Sie sich mit der britischen Botschaft in Verbindung. Solch eine Attacke kann ich nicht hinnehmen.« »Die beiden Männer dürften die Verfolgung aufneh men, Mylady.« Parker drehte sich um und hielt Aus schau nach den beiden Trägern der hellen Sommeran züge. Noch waren sie nicht zu sehen. »Was macht das schon«, gab sie erfreut zurück, »ich bin bereit, mich mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Eine Lady Simpson nimmt jede Herausforderung an, das sollten Sie wissen!« Parker wußte es nur zu gut... *** »Ein recht hübscher Nachmittag«, meinte Lady Simp son eine halbe Stunde später im Hotel. Das weltbe kannte Haus am Syntagma-Platz bot einen herrlichen
Blick auf das königliche Schloß und den angrenzenden Park. Lady Agatha aber hatte für das alles keinen Blick. Sie packte ihre Bronze-Plastik aus und bewunderte sie nachgiebig. Die kleine Statuette sah in der Tat archa isch aus, erinnerte entfernt an ein langbeiniges Strich männchen und vermittelte dennoch überzeugend den Eindruck von Altertum und Weihe. »Man sieht's doch auf den ersten Blick«, stellte die äl tere Dame fest, »echter kann keine Grabbeigabe sein, Mr. Parker. Ich hoffe, Sie sind nicht anderer Meinung!« »Mein bescheidenes Kunstverständnis, Mylady, reicht nicht aus, ein endgültiges Urteil zu fällen«, erwiderte Josuah Parker, »auf jeden 'Fall aber scheint es sich um ein Kunstwerk besonderer Art zu handeln.« »Nicht wahr?« Sie sah ihn triumphierend an. »Und das für nur achtzig Pfund. Geschenkt, würde ich sagen.« »Meine Wenigkeit dachte mehr an die beiden Männer, die es wagten, Mylady zu belästigen«, redete der Butler weiter, »ohne Grund kann dies nicht geschehen sein.« »Natürlich nicht, Mr. Parker«, freute sich Lady Agatha diebisch; »man hat eingesehen, daß ich einen Spott preis gezahlt habe.« »Waren es jene beiden Männer, die Mylady die Statu ette anboten, wenn man fragen darf?« »Aber nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber das inter essiert mich auch nicht weiter. Sie haben die Lupe be sorgt?« »Selbstverständlich, Mylady.« Josuah Parker reichte
seiner Herrin eine große Lupe, mit der sie ihre Beute näher untersuchen wollte. Er hatte sie sich unten an der Rezeption des Hotels geben lassen. Lady Agatha nahm in einem bequemen Sessel Platz, holte die Statu ette vom Tisch und unterzog sie einer ausgiebigen Mus terung. Josuah Parker hingegen war auf den Balkon der Hotelsuite getreten und schaute hinüber auf den Vor platz des Gebäudes. . Die ältere Dame hielt das kleine Kunstwerk in der lin ken Hand und murmelte anerkennende Worte. Sie war mehr denn je davon überzeugt, einen einmaligen Fang gemacht zu haben. Sie schaute sich den rohen Bronze guß mit der schwarz-grünen Patina wohlgefällig an und blickte dann zu Parker hinüber, der gerade wieder ins Zimmer trat. »Sie hätten wahrscheinlich ein Vermögen dafür ausge geben«, behauptete sie. »Eine Möglichkeit, Mylady, die keineswegs auszu schließen ist«, lautete die Antwort des Butlers. ' »Oder Sie hätten den einmaligen Wert dieser Figur nicht erkannt«, stichelte sie munter weiter. »Auch dies, Mylady, hätte zutreffen können.« »Man muß eben einen besonderen Blick für solche ... Was ist denn das?!« Sie stutzte, schob die Hand mit der etwa zwanzig Zentimeter großen Statuette näher an ihre Augen heran und prüfte mit der Lupe nach. Ihr Gesicht nahm einen sehr ernsten Ausdruck an und färbte sich leicht rot.
»Mylady haben eine Entdeckung gemacht?« erkundig te sich Parker in seiner höflichen Art. »Ich ... Ich weiß nicht recht«, murmelte sie, »noch glaube ich an eine Täuschung.« »Mylady werden sicher in wenigen Sekunden endgül tige Gewißheit haben.« »Made in Hongkong«, las sie leise, aber durchaus deutlich, »das ... das kann doch nicht wahr sein, Mr. Parker!« »Die Kron-Kolonie Hongkong dürfte mit Sicherheit zur Zeit des griechischen Altertums noch nicht gegrün det worden sein«, verlautbarte der Butler. »Made in Hongkong«, wiederholte die bestürzte Lady noch mal. Ihr Gesicht hatte sich inzwischen krebsrot gefärbt, »Mr. Parker, was sage ich dazu?« »Mylady wurde offensichtlich das Opfer eines kleinen Betruges«, antwortete der Butler. »Kleiner Betrug? Achtzig Pfund, Mr. Parker! Das lasse ich mir nicht gefallen! Warum haben Sie mich nicht ge warnt? Es wäre Ihre Pflicht gewesen, mich auf diesen Irrtum aufmerksam zu machen!« »Mylady tätigten diesen Kauf, wenn ich darauf verwei sen darf, ohne meine Anwesenheit«, erklärte Parker ge messen. »Sie hätten es eben wissen müssen«, meinte sie grol lend, »selbstverständlich will ich mein Geld zurück ha ben.« »Dies, Mylady, wird sich nur schwer bewerkstelligen lassen.«
»Die Einzelheiten kümmern mich nicht, Mr. Parker. Tun Sie endlich etwas!« »Myladys Wunsch wird meiner Wenigkeit Befehl sein«, erwiderte der Butler, »wenn Mylady mich für einen Moment entschuldigen wollen ...« Parker ergriff seine schwarze Melone, deutete eine knappe Verbeugung an und verließ das Zimmer. Er hatte unten vor dem Hotel die beiden sommerlich ge kleideten Männer ausgemacht, als er auf dem Balkon war. Parker gedachte, diese beiden Verfolger in ein kur zes Gespräch zu verwickeln. *** Josuah Parker blieb etwa drei Minuten allein in der Halle des Hotels, dann erschienen bereits die sommer lich Gekleideten, die einen leidenden Eindruck mach ten. Einer von ihnen humpelte leicht, der andere zeigte ein einseitig geschwollenes Gesicht. Beide Lädierte nahmen links und rechts von Parker in Sesseln Platz. »Sie kennen uns?« fragte der Mann, dessen Wange ge schwollen war. Er sprach etwas zischend, was wohl mit einem inzwischen locker sitzenden Backenzahn zu tun hatte. , »Versuchten Sie nicht, Lady Simpson zu belästigen?« erkundigte sich der Butler. »Und das wird auch so bleiben«, trumpfte der Mann auf, »aus der Belästigung kann noch viel mehr werden, verlassen Sie sich darauf!«
»Könnten Sie mir freundlicherweise diesen Satz inter pretieren?« »Wir wollen die Statuette zurückhaben«, sagte der an dere Mann, »sobald das geschehen ist, werden Sie uns nicht wiedersehen. Sie werden dann keinen Ärger mehr mit uns haben.« »Darf ich mir gestatten, Ihnen vorab ein Kompliment zu machen?« fragte Josuah Parker, »Es ist Ihnen auf geschickte Weise gelungen, Mylady und meine Wenig keit zu verfolgen.« »Kleinigkeit«, sagte der Wangengeschädigte, »wir sind ja schließlich keine Anfänger.« »Und noch mal wird man uns nicht reinlegen«, sagte der andere Mann, »wer konnte denn auch wissen, daß die Dame so hart zuschlagen würde. Wir sind einfach überrascht worden.« »Ihre Lady wird für die Statuette natürlich entschä digt, werden«, erklärte der Mann, der eindeutig Schwierigkeiten mit seinem Backenzahn hatte. »Sie denken an die achtzig Pfund?« »Sie hat achtzig Pfund bezahlt?« Der Mann lächelte schief. »Sie bekommt sie zurück. Und dazu noch eine andere Figur, die garantiert aus dem Altertum stammt.« »Wenn Sie erlauben, werde ich Mylady diesen Vor schlag unterbreiten.« »Wir werden das Kriegsbeil für eine halbe Stunde be graben«, bekam Parker zu hören, »danach werden wir zu anderen Mitteln greifen. Das ist keine leere Dro
hung.« »Sie scheinen sich demnach für Hongkong-Nachbil dungen zu interessieren.« »Wieso Hongkong-Nachbildungen?« »Ein Warenzeichen, das dies ausweist, ist auf der Un terseite der kleinen Statuette deutlich zu erkennen, falls man eine wirksame Lupe benutzt.« »Zerbrechen Sie sich nicht unseren Kopf. Hören Sie, wir werden gleich mit Ihnen rauf zu der Lady fahren.« »Mylady könnte sich gestört fühlen, Mylady dürfte um diese Zeit ein wenig meditieren.« »Wir gehen«, sagte der Mann, der an seiner Wange tastete, »Sie wissen hoffentlich, daß wir nicht unbe waffnet sind.« »Dies ist meiner Aufmerksamkeit keineswegs entgan gen. Ich weiche natürlich der Gewalt, wenn ich so sagen darf.« Parker erhob sich und schritt würdevoll hinüber zum Fahrstuhl. Die beiden Männer, von denen jeder etwa dreißig Jahre zählte, folgten zwanglos, doch sie ließen keinen Zweifel daran, daß sie einen Fluchtversuch des Butlers im Keim ersticken würden. »Darf ich unterstellen, daß die von Mylady gekaufte Statuette einen Wert repräsentiert, der von einem Lai en gar nicht abzuschätzen ist?« fragte Josuah Parker, als man im Fahrstuhl stand. »Je weniger Sie wissen, desto besser für Sie und die Lady«, meinte der Mann, der Schwierigkeiten mit sei nem Bein hatte.
»Ein Hinweis, den man keineswegs auf die sogenannte leichte Schulter nehmen sollte«, erwiderte Josuah Par ker, um anschließend die scharfe Spitze seines Univer sal-Regenschirms auf die Zehenpartie des links von ihm stehenden Mannes zu stoßen. Dieser Mann, der bereits Ärger mit seinem Bein hatte, zog zischend die Luft in die Lungen und wurde von ei ner mächtigen Schmerzwelle überflutet. Er senkte un willkürlich den Kopf und kam daher mit dem bleigefüt terten Bambusgriff des Regenschirms in Kontakt. Der Mann verdrehte daraufhin die Augen und rutschte an der Wand des aufwärtsstrebenden Fahrstuhls hinunter. Der zweite Mann war natürlich aufmerksam gewor den, hatte die Lage allerdings noch nicht völlig durch schaut. Er schob sich von der Wand ab, gegen die er sich gelehnt hatte, und beugte sich vor, um an Parker vorbei besser sehen zu können. Er sah allerdings nur eine erstaunliche Fülle von bun ten Sternen, da der Butler es nicht versäumt hatte, den Griff des Schirmdaches gegen seinen Magen zu drücken. Der Mann gurgelte, schnappte nach Luft und besuchte anschließend ebenfalls den Boden des Fahr stuhles. Josuah Parker kümmerte sich nur noch um den Ta scheninhalt der beiden Männer, lüftete dann in seiner höflichen Art die schwarze Melone und verließ an schließend den Fahrstuhl, um zu Lady Simpson zurück zugehen. An den beiden Männern war er im Moment nicht weiter interessiert. Er wußte mit letzter Sicher
heit, daß er sie wiedersehen würde. *** »Wenn man Sie braucht, sind Sie natürlich nicht da«, behauptete Lady Agatha gereizt und funkelte Parker an. Sie saß fest verschnürt im Sessel und schien giftig. Ihr Haar war zerzaust, ihre Bluse leicht eingerissen. »Mylady erhielten ungebetenen Besuch?« fragte Par ker, während er fachkundig die Stricke löste, mit denen man seine Herrin gefesselt hatte. »Man hat mich auf unfaire Art überlistet«, sagte sie, »angeblich wollte das Zimmermädchen Handtücher bringen.« »Mylady sehen meine Wenigkeit bestürzt.« »Es waren drei Personen«, sagte sie, als sie endlich wieder frei war, »eine junge Frau und zwei Männer. Al les natürlich Gangster.« »Mylady wurden in eine handgreifliche Auseinander setzung verwickelt?« fragte Parker. »Ich habe es diesen Subjekten gegeben«, sagte sie, »einem der Lümmel dürfte ich das Nasenbein gebro chen haben. Es war ein herber Schlag.« »Darf man erfahren, Mylady, aus welchen Gründen dieser ungebetene Besuch abgestattet wurde?« »Man wollte mir diesen Tand aus Hongkong abjagen«, gab sie zurück, »aber das ist den Gangstern nicht ge lungen.« »Mylady befinden sich nach wie vor im Besitz der klei
nen Statuette?« »Natürlich, was dachten Sie denn?« Sie zwinkerte ih rem Butler zu und erhob sich. Dann deutete sie auf das Strichmännchen aus Bronze, auf dem sie gesessen hat te. Die kleine Figur hatte sich unter der ansehnlichen Körperlast der Lady ein wenig verformt. Agatha Simp son hob die' Figur hoch, betrachtete sie einen Moment und warf sie dann verächtlich auf ein Sofa. »Mylady verfügen über eine Geistesgegenwart, die man nur als traumhaft bezeichnen kann«, behauptete Josuah Parker, »man durchsuchte die Hotelsuite?« »Nur flüchtig, Mr. Parker. Viel Zeit scheinen die drei Subjekte nicht zu haben. Man konnte mich übrigens nur fesseln, weil man mich mit einem Revolver bedroh te.« »Mylady beugten sich der nackten Gewalt«, konsta tierte Josuah Parker, »eine Entscheidung, die man nur als weise bezeichnen kann und muß.« Während Parker zum nahen Sofa ging, um sich die Statuette anzusehen, fragte Agatha Simpson nach den beiden sommerlich gekleideten Verfolgern. Parker gab die gewünschte Auskunft und handelte sich prompt ein Grollen ein. »Sie haben diesen Lümmeln die Freiheit geschenkt?« entrüstete sie sich dann intensiv. »Ich hätte sie unbe dingt verhören müssen.« »Die beiden Herren werden mit Sicherheit erneut Myladys Weg kreuzen«, stellte Parker fest, »bis zu die sem Zeitpunkt wissen Mylady sicher mehr über diese
Statuette.« Er hatte sie in die Hand genommen und wog sie nach denklich. Er konnte sich diese Bronzefigur zum ersten Mal aus nächster Nähe ansehen, und Parker war beein druckt. Schon nach wenigen Sekunden wußte er, warum die kleine Figur so begehrt war. »Werfen Sie diese Imitation in den Papierkorb«, for derte Lady Agatha ihn auf, »ich möchte an dieses Ge schäft nicht mehr erinnert werden.« »Mylady mögen verzeihen, daß meine Wenigkeit sich erlaubt, entschieden zu widersprechen«, ließ Parker sich vernehmen. Er hob die Statuette höher und prä sentierte sie seiner Herrin. »Achtzig Pfund für diese Imitation«, ärgerte sich Lady Agatha. »Achtzig Pfund für eine Statuette aus reinem Gold, Mylady.« »Wie war das?« Sie sah den Butler entgeistert an. »Diese angebliche Bronzefigur besteht offensichtlich aus Gold, wie man bereits am Gewicht unschwer erken nen kann.« »Gold?« Ihre Stimme klang ein wenig belegt. »Davon, Mylady, sollte man ausgehen. Die letzte Si cherheit wird allerdings erst eine Prüfung durch den Fachmann erbringen.« »Lassen Sie doch mal sehen ...« Sie griff nach der Fi gur und ging an ein Fenster. Dann kratzte sie mit ihrem Fingernagel an der Patina und machte sich anschlie ßend daran, das Figürchen zu verbiegen.
»Ich ahnte doch gleich so etwas«, meinte sie dann und schaute den Butler triumphierend an, »ich wollte es na türlich nicht, sagen, aber ich ahnte es. Sie müssen zuge ben, Mr. Parker, daß man eine Lady Simpson wirklich nicht hereinlegen kann, oder?« »Mylady muß man immer wieder Bewunderung zol len«, entgegnete Josuah Parker, der mit dieser Behaup tung gerechnet hatte. In seinem glatten Pokergesicht rührte sich selbst jetzt kein Muskel. *** Josuah Parker sah sich die Statuette noch mal gründ lich an, während Agatha Simpson hinüber in ihr Schlaf zimmer gegangen war, um sich umzuziehen. Parker be nutzte die Lupe, um damit das »Made in Hongkong« genau zu studieren. Er hatte sich inzwischen ver gewissert, daß die angebliche Bronze tatsächlich aus massivem Gold bestand. Er konnte sich diesen mehr als seltsamen Wider spruch nicht erklären. Warum, so fragte er sich, hatte man das Gold als Bronze getarnt? Warum war die kost bare Statuette für den lächerlichen Preis von achtzig Pfund an Lady-Agatha verkauft worden? Warum hatte man das »Made in Hongkong« eingestempelt? Wer aber mochten die beiden Männer sein, die um das Geheimnis der kleinen, zwanzig Zentimeter hohen Fi gur wußten? Wer war der Verkäufer dieser Figur gewe sen? Hatte er nicht gewußt, um was es sich tatsächlich
handelte? Parker entschied sich, dies erst mal zu unter stellen. Zwei Herren hatten versucht, Lady Agatha die Statuet te bereits auf der Akropolis abzunehmen. Sie waren ihr und ihm, Josuah Parker, bis ins Hotel gefolgt. Wer mochten die beiden Männer und die Frau sein, die Lady Simpson im Zimmer überfallen hatten? Gehörten sie einer Bande an? Handelte es sich um zwei verschie dene Gruppen? »Ich habe mich entschlossen, noch "mal zur Akropolis zu gehen, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame, als sie zurück in den Wohnraum der Suite kam. Sie hatte sich umgekleidet, was man allerdings kaum sah. Die stattli che Lady hatte ihre majestätische Fülle in ein viel zu weites Tweed-Kostüm gehüllt, ihre Lieblingskleidung, die sie bereits vorher getragen hatte. »Mylady möchten sich noch mal an dem klassischen Ebenmaß der Tempelbauten erfreuen?« fragte Parker. »Ich möchte versuchen, eine zweite Figur zu bekom men«, erwiderte sie, »ein besseres Geschäft könnte ich kaum machen, Mr. Parker.« »Mylady würden sich einer akuten Gefahr aussetzen.« »Schnickschnack,' Mr. Parker, ich bin nicht ängstlich.« »Darf man fragen, warum die drei Eindringlinge hier in der Suite so plötzlich das Feld räumten?« erkundigte sich der Butler. »Weil angerufen wurde«, gab Lady Agatha wegwer fend zurück, »irgendwer läutete. Die junge Frau ging
ans Telefon, hörte nur kurz zu und forderte die beiden Flegel dann auf, schleunigst zu verschwinden. Ich neh me an, daß sie so etwas gesagt hat, denn Griechisch versteht ja kein vernünftiger Mensch.« »Man verzichtete also darauf, die Suite und Myladys Gepäck eingehend zu durchsuchen? « »Man hätte nichts gefunden. Ich saß ja auf der Statu ette«, meinte sie triumphierend, »und keine Gewalt der Welt hätte mich dazu gebracht, aufzustehen, Mr. Par ker. Ich wußte, daß ich auf einem Goldschatz saß.« »Eine Geschichte, Mylady, die man nur als rätselhaft bezeichnen kann.« »Eine Geschichte, die ich klären werde«, erwiderte sie unternehmungslustig, »falls nötig, werde ich noch ein paar Tage länger in Athen bleiben.« »Mylady wollen darauf verzichten, sich mit der hiesigen Polizei in Ver bindung zu setzen?« »Damit man mir diesen Goldschatz wegnimmt? Mr. Parker, wo denken Sie hin? Ich habe ihn rechtmäßig er worben. « »Die Statuette könnte gestohlen worden sein.« »Dann hätte der Besitzer eben besser aufpassen müs sen. Jetzt gehört sie mir.« Sie nahm die Statuette in die Hand und betrachtete sie geradezu liebevoll. Sie wog sie in ihrer rechten Hand und genoß eindeutig das Gewicht, das Gold bedeutete. »Man sollte vielleicht einen Experten befragen, Myla dy, ob diese kleine Statue echt ist, was ihr Alter be trifft.«
»Das interessiert mich nicht, Mr. Parker. Gold ist zeit los«, lautete die Antwort der Lady, »und nur achtzig Pfund habe ich dafür bezahlt. Es ist einfach nicht zu glauben.« Parker war nicht in der Lage, dazu Stellung zu neh men. Wieder mal schien ein Stichwort gefallen zu sein, denn das Telefon läutete. Parker begab sich an den Ap parat und nannte seinen Namen. »Sie kennen mich nicht, mein Name tut auch nichts zur Sache«, sagte eine Männerstimme in einem akzent freien Englisch, »ist Ihre Lady an weiteren Statuetten interessiert?« »Mylady hat inzwischen erkannt, daß es sich um eine an sich wertlose Imitation aus Hongkong handelt«, er widerte Parker höflich, »Mylady möchte nicht noch mal hintergangen werden.« »Na schön«, gab die Männerstimme klein bei, »aber falls sie interessiert ist, ich meine, es könnte ja sein, dann braucht sie nur um elf ins Stadion zu kommen. Sie kann mich dort treffen, ich werde mich schon be merkbar machen. « Bevor Parker antworten konnte, wurde auf der Gegen seite aufgelegt. *** »Ich traue meinen Augen nicht, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha eine Stunde später, »Sie haben gewußt, wo es weitere Statuetten gibt?«
»Der Chefportier des Hotels war so entgegenkom mend, mir einige Adressen zu empfehlen«, erwiderte der Butler. Er hatte den soeben gemieteten Land-Rover vor einem Souvenirladen am Rand der Altstadt ange halten und stieg aus, um Lady Simpson die Wagentür zu öffnen. Doch sie konnte und wollte nicht antworten. Bereits in den beiden Schaufensterauslagen hatte sie eine erhebliche Anzahl jener kleinen Figuren entdeckt, die ihr nur zu bekannt waren. Es handelte sich um überschlanke Bronze-Statuetten, die entweder Rund schild samt Schwert, oder aber eine Leier trugen. Es gab auch sehr vorgeschichtlich aussehende Gestalten, die ihre langen Arme bittend ausstreckten. »So beeilen Sie sich doch, Mr. Parker«, drängte Myla dy, als Parker in seiner beherrscht-korrekten Art die Wagentür schloß. »Mylady zu Diensten.« Der Butler lüftete seine schwarze Melone, legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes über den angewinkelten Un terarm und folgte seiner Herrin, die bereits den Souve nirladen stürmte. Aus dem Hintergrund des Raumes erschien ein kleiner rundlicher Grieche, der eine akute Umsatzsteigerung witterte. Mit schnellem Blick seiner dunklen Augen hatte er die beiden Eintretenden als Engländer einge stuft. Er fragte deshalb in gutem Englisch nach den di versen Wünschen der Kunden. »Keine Umstände, mein Lieber«, meinte Agatha Simpson, die sich wohlwollend gab. Sie stand bereits
vor der Auslage und entdeckte dann ein Wandregal, das ebenfalls mit ähnlichen Figürchen gefüllt war. »Original-Nachbildungen aus dem Akropolis-Muse um«, sagte er, »echte Bronze, beste Qualität.« »Beste Qualität aus Hongkong?« fragte die ältere Dame sarkastisch. »Möglich, aber wenn, dann nach unseren Formen, Madam.« »Sie sprechen mit einer Lady«, warf Josuah Parker ein, »wie teuer sind diese Nachbildungen, die an sich als recht hübsch bezeichnet werden können?« »Nach Ihrer Währung von drei bis zwanzig Pfund, je nach Größe.« Der Grieche musterte verstohlen seine Kundschaft. »Mylady wurde auf eine Nachbildung aufmerksam ge macht, die einen Wert von achtzig Pfund hat.« »Nein, so etwas haben wir nicht, so etwas werden Sie auch nirgendwo finden, wenigstens nicht in dieser Art.« Der Grieche breitete erst mal bedauernd die Hän de auseinander, um dann auf die Regale zu deuten. »Ich bin ein seriöser Geschäftsmann. Es kann natürlich sein, daß man solche Imitationen als echte Kunstwerke verkauft und dann frei kalkulierte Preise verlangt. Auf solche billigen Tricks aber fallen eigentlich nur noch touristische Dummköpfe herein.« »Wem sagen Sie das, junger Mann!« Mylady lächelte wissend und dachte eindeutig an ihre Statuette aus Gold. »Wie gern und oft werden diese Nachbildungen hier denn gekauft?«
»Sie sind beliebte Mitbringsel, Mylady«, lautete die Antwort, »sie sind geschmacklich einwandfrei und be stehen durchaus aus Bronze.« »Sie beziehen diese Imitationen von einem Großhänd ler?« fragte der Butler. »Mylady wird Ihnen später den tieferen Sinn dieser Frage erläutern.« »Ich möchte über meine Geschäftspraktiken eigentlich nichts sagen«, entschuldigte sich der Geschäftsmann, »mißverstehen Sie mich bitte nicht, aber...« »Ich will Ihnen keine Konkurrenz machen, junger Mann«, beruhigte die ältere Dame den Griechen, der doch immerhin fünfzig sein mochte, »mein Butler wird Sie für die Auskunft entschädigen.« »Wir alle beziehen sie von einem Großhändler, der eine Art Monopol hat«, gab der Grieche sofort Aus kunft. Er hatte in der rechten, schwarz behandschuhten Hand des Butlers eine englische Banknote entdeckt, die für ihn bestimmt war. Er nahm sie diskret an sich und ließ sie wie durch Zauberei in der Außentasche seines Jacketts verschwinden. Anschließend lieferte der er freute Geschäftsmann dann auch noch die Adresse dieses Großhändlers. »Es gibt natürlich noch einige kleinere Hersteller«, lieferte er dann noch eine zusätzliche Information, »aber die dürften wohl kaum von Interessen sein, ja?« »Auch diese Namen und Adressen könnten Mylady nützen«, meinte Josuah Parker und deutete auf einen Notizblock, »würden Sie die Güte haben, entsprechen de Hinweise schriftlich zu fixieren? «
»Um was geht es denn eigentlich?« wollte der Grieche wissen. Ihm waren Bedenken gekommen. »Mylady arbeitet an einer Enzyklopädie über interna tionale Souvenirs«, behauptete Parker aus dem Steg reif. »Ach so.« Der Grieche nickte verstehend. »Das wird bestimmt ein toller Bestseller.« »Die Fachwelt wartet bereits mit Spannung darauf«, meinte der Butler, »sobald Sie alle Adressen niederge schrieben haben, könnten Sie meiner Wenigkeit ein kleines Sortiment an Statuetten zusammenstellen. Ich denke an etwa zwölf Exemplare.« »Was soll ich denn mit diesem Schund?« fragte Lady Agatha mißbilligend. »Schließlich kostet das alles Geld.« »Falls Mylady belästigt werden sollten, könnten Myla dy Ausweichexemplare jener Statuette anbieten, die Mylady auf der Akropolis kauften.« »Richtig, das wollte ich Ihnen ja gerade vorschlagen«, sagte sie und errötete noch nicht mal ob dieser Behaup tung, »nur mit List kann man diesen Gangstern begeg nen.« Sie hoffte wohl immer noch, einen besonderen Fang machen zu können, und sah sich die vielen Exemplare der kleinen Imitationen an. Sie wog sie in der Hand, prüfte und war schließlich enttäuscht. »Hier ist für mich nichts mehr zu holen«, sagte sie schließlich leise zu Parker, der sich gerade den Notiz zettel geben ließ, »wir sollten doch noch mal hinauf zu
diesen fliegenden Händlern auf der Akropolis gehen.« »Mylady hoffen, den Händler zu sehen, der Mylady die Statuette verkaufte?« »Vielleicht weiß dieser Trottel überhaupt nicht, was er anzubieten hat«, hoffte sie. »Dafür aber gewisse Leute, die Mylady bereits beläs tigten«, erinnerte der Butler. »Darf man anregen und sogar vorschlagen, nun einen Juwelier aufzusuchen, der den Wert der Statuette abschätzen könnte?« »Einverstanden«, sagte sie überraschenderweise, »ich will meinen Triumph voll auskosten.« »Verfügen Sie über einen Hinterausgang?« Parker wandte sich noch mal dem Griechen zu, der die gekauf ten Imitationen gerade verpackt hatte. »Einen Hinterausgang?« fragte der Mann verdutzt. »Mylady legt keinen Wert darauf, lästigen Bekannten zu begegnen«, sagte Josuah Parker. Mit der Spitze sei nes Universal-Regenschirmes deutete er auf jene bei den Männer, die zusammen mit ihm im Lift nach oben ins Hotel gefahren waren. Sie standen auf der anderen Seite der schmalen Straße und warteten eindeutig dar auf, daß Mylady und Butler Parker endlich das Geschäft verließen. *** »Sie glauben doch nicht etwa, daß ich der Gewalt wei chen werde, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha grimmig und brachte ihren Pompadour in Schwingungen, »ich
werde die Herausforderung selbstverständlich anneh men.« »Dies, Mylady, erlaubte ich mir zu unterstellen«, erwi derte Josuah Parker, der das Temperament seiner Her rin nur zu gut kannte, »Mylady wollen und werden aber allein den Schauplatz einer möglichen Auseinanderset zung bestimmen.« »Das ist allerdings richtig, ich lasse mir nichts auf zwingen.« Sie nickte dem Butler wohlwollend zu, »wie gut Sie das doch sehen. Gehen wir.« Parker bezahlte die Kopien und ließ sich dann zusam men mit Lady Simpson durch einen schmalen Korridor in einen Hinterhof bringen. Der Grieche deutete auf eine Mauer, in die eine Pforte eingelassen war. Sie sei unverschlossen, sagte er, dahinter erreiche man eine Parallelstraße. Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und schritt voraus. Er wollte so schnell wie möglich die schmale Pforte hinter sich bringen. Seiner Schätzung nach mußten die beiden Männer inzwischen bemerkt haben, daß Agatha Simpson und er das Souvenirgeschäft längst verlassen hatten. Mit einer recht aufdringlichen Verfolgung war also zu rechnen, eine Tatsache allerdings, gegen die Butler Parker nichts einzuwenden hatte. Ja, er hoffte sogar, daß man ihnen bedenkenlos und konsequent fol gen würde. Die Pforte war tatsächlich unverschlossen. Parker ließ Mylady selbstverständlich den Vortritt. Dann wandte er sich um und sah bereits die beiden Verfolger, die gera
de aus dem Haupthaus kamen und in den Hinterhof liefen. Sie waren sehr schnell, entdeckten ihrerseits das Duo Parker-Lady Simpson und wurden noch schneller. Parker, stets überaus höflich, lüftete grüßend die schwarze Melone und deutete eine leichte Verbeugung an. Um dann aber eventuellen Schüssen zu ent kommen, passierte auch er die Pforte und zog sie hinter sich zu, achtete jedoch darauf, daß sie nicht ins Schloß fiel. »Mir paßt das überhaupt nicht, Mr. Parker«, stellte Lady Agatha klar, »ich möchte mir nicht nachsagen las sen, daß eine Lady Simpson die Flucht ergreift.« »Mylady flüchten keineswegs«, erwiderte Parker, »Mylady werden, wie gewünscht, innerhalb weniger Se kunden zur sogenannten Offensive übergehen.« »Das hört sich bereits besser an.« Sie sah ihn wohl wollend und unternehmungslustig an. »Mylady haben natürlich längst bemerkt, daß ich mir erlaubte, die Pforte nur anzulehnen.« »Habe ich das? Äh, natürlich, so etwas entgeht mir nicht.« »Sobald die beiden Verfolger die Pforte erreicht haben werden, könnte man das Türblatt der Pforte dazu be nutzen, die beiden Männer in einige Verlegenheit zu bringen.« »So was schwebte mir bereits vor«, behauptete sie prompt, »es versteht sich, daß ich die Tür aufstoßen werde, Mr. Parker ...« Parker spähte vorsichtig durch den schmalen Spalt der
Pforte in den Innenhof. Die beiden Verfolger hasteten bereits heran. Sie kamen offensichtlich gar nicht auf den Gedanken, hier überrascht werden zu können. Sie rechneten mit blinder Flucht der beiden Opfer, die sie sich aufs Korn genommen hatten. »Wenn Mylady jetzt freundlicherweise offensiv wer den könnten ...?« Parker trat zur Seite und deutete auf die schwere, schmale Tür. Agatha Simpson nahm einen Anlauf und brachte ihre majestätische Fülle in Bewe gung. Sekunden später warf sie sich kraftvoll gegen das Türblatt, das unter dem Eindruck der freigesetzten Energie förmlich explodierte. Parkers an sich hoch gesteckte Erwartungen wurden voll erfüllt. Er hörte beim Herumkrachen der schmalen, aber schweren Tür pforte auf der anderen Seite einen erstickten Aufschrei, der von einem leichten Brüller begleitet wurde. Dann herrschte Stille. »Man soll eine Lady Simpson nicht unterschätzen«, sagte die ältere Dame und schob sich ungeniert durch die nun halb geöffnete Tür in den Innenhof. Parker, der unmittelbar folgte, blieb beeindruckt ste hen. Auf dem Boden lagen die beiden Männer, die er vom Hotel-Fahrstuhl her kannte. Sie machten einen sehr lädierten Eindruck und waren keineswegs in der Verfassung, etwaige Fragen zu beant worten. Parker kassierte zwei kurzläufige Revolver, die die beiden Männer verloren hatten, und deutete dann in Richtung Lady Agatha eine Verbeugung an. »Schon gut«, meinte sie großzügig, »nur keine Kom
plimente, Mr. Parker. Was glauben Sie, sollte ich diese beiden Flegel nicht noch sicherheitshalber mit dem Pompadour behandeln?« »Momentan, Mylady, dürfte dies nicht notwendig sein«, erwiderte Josuah Parker, »die beiden Männer sind kaum in der Lage, solch eine Sonderbehandlung werten zu können.« *** »Ein recht hübscher Nachmittag«, bemerkte Agatha Simpson, als sie wieder im Hotel waren. Parker hatte Tee kommen lassen, servierte ihn jedoch selbst in sei ner unnachahmlichen Manier. Er war ein Butler, wie man ihn nur noch auf dem Bildschirm oder auf der Leinwand bewunderte. Für diese Zeremonie hatte er sich selbstverständlich weiße Handschuhe überge streift. »Mylady genießen den Aufenthalt in Athen?« erkun digte sich Parker. »Ich freue mich auf den Besuch im Stadion«, meinte sie, »man spielt dort doch Fußball, wie?« »Nicht unbedingt und direkt«, lautete Parkers Ant wort, »dieses Stadion wurde um etwa dreihundert vor der Zeitenwende ansatzweise errichtet und um hun dertdreißig nach Christi vollendet. Nach seiner Zerstö rung während der Türkenbesetzung wurde es um die Jahrhundertwende für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit neu erbaut.«
»Richtig«, bestätigte sie, »ich wollte nur hören, ob Sie sich auch informiert haben, Mr. Parker. Wer wird in diesem Stadion wohl auf mich warten? Habe ich da eine bestimmte Vorstellung?« »Mylady denken gewiß an jenen fliegenden Händler, der die Goldstatuette verkaufte.« »Richtig«, wiederholt sie noch mal, »er hat also weite re Kopien in Gold anzubieten. Ich werde mich überra schen lassen, Mr. Parker. Wahrscheinlich weiß dieser Mann inzwischen, daß ich nicht gerade unbemittelt bin.« »Er könnte sich in der Tat informiert haben, Mylady, es könnte sich aber, wie Mylady längst wissen, um eine Falle handeln.« »Ich fürchte keine Fallen, Mr. Parker.« Ihr Blick zeigte leichte Empörung. »Gewiß nicht, Mylady, doch gegen einen möglichen Schuß aus dem Hinterhalt sollten Mylady gewisse Vor kehrungen treffen.« »Und wie stelle ich mir die vor, Mr. Parker? Noch et was mehr Rum für den Tee, bitte. Ich möchte nicht an der falschen Stelle sparen.« Parker wertete im Sinn seiner Herrin den Tee ein we nig auf und widmete sich dann der Frage, die an ihn ge richtet worden war. Er schlug vor, weit vor der verein barten Zeit ins Stadion zu fahren. »Ich soll mich in dieser Arena langweilen?« empörte sie sich. »Mylady dürfen davon ausgehen, daß auch die Gegen
seite wesentlich früher dort erscheinen wird.« »Das könnte sein.« Sie dachte einen Moment nach. »Gut denn, Mr. Parker, ich werde diese Variante durch spielen.« »Bis Einbruch der ersten Dämmerung ist das Stadion Ziel vieler Touristen«, redete Parker weiter, »Mylady könnten sich unter das Volk mischen und dann Positi on beziehen.« »Ich werde eine der Beutewaffen mitnehmen, Mr. Par ker. Was hat sich denn bisher so angesammelt?« »Vier Revolver stehen momentan zur Verfügung«, zählte der Butler auf, »sie stammen von den beiden Männern, die Mylady auf dem Innenhof zur Strecke brachten. Zwei Schußwaffen konnte meine We nigkeit im Fahrstuhl des Hotels bergen, zwei im Innen hof.« »Recht nett«, sagte sie wohlwollend, »ich werde alle vier Waffen mitnehmen.« »Die hiesigen Behörden könnten eine etwaige Kano nade mißverstehen, Mylady«, warnte 'Josuah Parker, »zudem erkühnte ich mich bereits, diese vier Waffen per Päckchen der Polizei zuzusenden.« »Ja, warum denn das?« Sie sah ihn gereizt an. »Man sollte unterstellen, daß die beiden geschädigten Waffenträger der Polizei einen Tip zukommen lassen, die dann ihrerseits eine Durchsuchung der Suite vor nehmen würde.« »Das sollte man nur wagen«, gab die ältere Dame er freut zurück, »ich glaube, Mr. Parker, ich würde dann
wohl ärgerlich werden.« Während ihrer Worte langte sie fast automatisch nach ihrem Pompadour und zog den darin befindlichen Glücksbringer prüfend in der Hand. »Während der Fahrt hinüber in das an sich nahe Sta dion, Mylady, könnte man zusätzlich einen Juwelier aufsuchen und ihn um eine Expertise bitten«, schlug Parker vor, »danach können Mylady dann, falls er wünscht, die Statuette möglicherweise an einem siche ren Ort unterbringen.« »An einem sicheren Ort...« Sie nickte nachdenklich. »Mylady denken, wie meine Wenigkeit vermutet, an ein Banksafe, das nur in Myladys Gegenwart geöffnet werden könnte.« »Richtig«, bestätigte sie munter, »daran habe ich tat sächlich gerade gedacht. Was für ein Zufall!« Parker wollte die Suite verlassen, um sich in sein eige nes Hotelzimmer zu begeben, als er vor der Tür, die auf den Korridor führte, ein dumpfes Geräusch hörte, das ihn an einen Fall erinnerte. Der Butler blickte hinüber zum Türgriff und stellte fest, daß er sich langsam, fast im Zeitlupentempo senkte, um dann wieder zurück in die Normallage zu schnellen. Er kam umgehend zu dem Schluß, daß sich draußen auf dem Korridor etwas ereig net haben mußte ... *** »Das ist ja dieser Statuettenverkäufer«; staunte Lady
Agatha, als Parker einen mittelgroßen, schlanken Mann ins Zimmer führte, der ungefähr dreißig sein mochte. Der Mann machte einen mehr als angeschlagenen Ein druck. Er schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. »Der Herr bedarf meiner Hilfe, Mylady, er scheint ein deutig verletzt zu sein«, sagte Parker und führte den er schöpften Mann zu einem Sessel. Der Statuettenver käufer, dessen Gesicht wachsbleich war, ließ sich vor sichtig nieder und stöhnte dabei. »Eine Rückenverletzung«, meinte Parker, »meiner be scheidenen Ansicht nach dürfte es sich um eine Stichoder Schußverletzung handeln.« »Ich war Pfadfinderin«, erklärte die ältere Dame, »ich kenne mich in Erster Hilfe aus, Mr. Parker. Überlassen Sie mir den Mann ... Eine Schere, Handtücher, heißes Wasser, Pflaster, Antibiotika und ... Ich denke, ich wer de erst mal überprüfen, ob Sie zurechtkommen, Mr. Parker.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker entwickelte Schnelligkeit und Feingefühl, als er dem Mann das Jackett abstreifte. Er holte aus einer seiner vielen Westentaschen wie durch Zauberei eine kleine, zusammenklappbare Sche re, öffnete sie und durchtrennte dann das Oberhemd des Verletzten. Anschließend begutachtete Parker die Wunde. »Genieren Sie sich nicht, mich um Hilfe zu bitten, Mr. Parker«, ließ die ältere Dame sich vernehmen, »sieht es schlimm aus?«
»Ein Messerstich, Mylady, der bereits einen großen Blutverlust bewirkte.« »Muß der Mann ins Hospital?« Agatha Simpson näherte sich dem Verletzten und warf einen flüchtigen Blick auf die Wunde. Sie verzog ihr Gesicht und begab sich ins Badezimmer. Nach wenigen Augenblicken kam sie mit nassen und trockenen Hand tüchern zurück. »Wo nehme ich Heftpflaster her?« fragte sie Parker. »Mylady haben sich geschnitten und benötigen von der Rezeption einen Verbandskasten«, schlug Parker vor, »wenn Mylady erlauben, werde ich den Verletzten ins Schlafzimmer tragen.« Diesmal beharrte Agatha Simpson nicht darauf, diesen Vorschlag bereits vorgedacht zu haben. Sie eilte ans Te lefon und donnerte ihre Wünsche und Anweisungen per Draht nach unten in die Rezeption. Parker trug den stöhnenden Mann in den großen Schlafraum und legte ihn vorsichtig auf ein Sofa am Fenster. »Sprechen Sie Englisch?« erkundigte er sich. »Wann sind Sie verletzt worden?« »Vor zehn Minuten oder so«, erwiderte der Grieche stöhnend. Sein Englisch war gut zu verstehen, »ich bin mit einem Messer angegriffen worden.« »Die Messerspitze dürfte nur Ihr Schulterblatt getrof fen haben«, beruhigte Parker den Mann, was allerdings nicht ganz zutraf, »möchten Sie in ein Hospital ge bracht werden?« »Nein, nein«, wehrte der Grieche ab, »dort werden sie mich finden und umbringen. «
»Wie interessant«, fand Lady Agatha, die zurückge kommen war, »und wer will Sie warum umbringen?« »Ich schließe mich Myladys Frage durchaus an«, sagte Parker, »Sie haben Ärger wegen der Statuette aus Gold, nicht wahr?« »Ich Idiot«, sagte der Grieche und riß sich zusammen, »ich wollte nur ein paar Kopien abzweigen ...« »Von wem und wo?« Parker versorgte bereits die Wunde und wartete auf den Verbandskasten. Er wurde schneller gebracht als gedacht. Als vorn an der Tür der Suite angeklopft wurde, winkte Mylady ab und ging selbst, um den Verbandskasten in Empfang zu nehmen. Parker schob sich noch näher an den Verletzten heran. »Sie sind in Sicherheit«, sagte er eindringlich und sprach bewußt langsam, damit der Verletzte ihn ver stand, »Sie haben nichts mehr zu befürchten. Woher haben Sie die Statuette, die Sie Mylady verkauft haben? Wie viele dieser Kopien haben Sie an sich gebracht?« »Ich habe sie aus einem Wagen«, erwiderte der Mann mühsam und mit schwacher Stimme, »aus einem klei nen Lastwagen.« »Wer ist der Besitzer dieses Wagens und wo stand er? « »Sie wissen von dem Gold, Sir?« fragte der Verletzte. »Wußten Sie es nicht?« antwortete Parker mit einer Gegenfrage. »Ich habe nichts gewußt«, beteuerte der Mann, »glau ben Sie mir, ich hatte keine Ahnung.« »Wo war dieser Lastwagen?« Wenn es sein mußte,
konnte Josuah Parker auch durchaus knapp und gezielt Fragen stellen. »In Piräus«, stöhnte der Mann, »da war ein Zusam menstoß. Ein Lastwagen mit einem anderen. Dabei fie len ein paar kleine Kisten auf die Straße und platzten auf.« »Wie viele dieser Statuetten nahmen Sie an sich?« »Gut zwanzig oder so. Mehr ganz sicher nicht.« »Und wo befinden sich die Statuetten jetzt?« wollte Lady Agatha wissen. Sie war mit dem Verbandskasten zurückgekommen. »Bei einem Freund«, erwiderte der Mann mit deutlich schwächer werdender Stimme, »ich will alles zurückge ben, aber ich brauche noch Ihre Kopie, Sir. Bitte, ich brauche sie, sonst bringt man mich um ...« »Die Adresse Ihres Freundes«, Parker sah den Ver letzten erwartungsvoll an, doch er glitt in eine Ohn macht hinüber und war nicht mehr in der Lage, diese wichtige Frage zu beantworten. Butler Parker versuchte erst gar nicht, den Mann aus seiner geistigen Abwesen heit herauszuholen. Er verfügte jetzt über richtiges Ver bandsmaterial und konnte dem Verletzten einen or dentlichen Notverband anlegen. »Muß er ins Hospital?« fragte Agatha Simpson. »Meiner bescheidenen Meinung nach unbedingt, Mylady.« »Dort wird man ihn umbringen, Mr. Parker.« »Die Täter, die diesem Mann den Messerstich beige bracht haben, dürften in der Tat vor und hinter dem
Hospital auf den Bedauernswerten lauern, Mylady. Man könnte sich allerdings eine kleine List einfallen lassen.« »So etwas wollte ich gerade vorschlagen.« Sie nickte begeistert. »Man könnte einen Krankenwagen anfordern, Myla dy. Nach den Regeln der internationalen Hotellerie müßte solch ein Krankenwagen an einen möglichst un auffälligen Seiteneingang des Hauses geschleust wer den, um jedes Aufsehen zu vermeiden.« »Der oder die Täter bekommen das aber mit und kon zentrieren sich auf diesen Wagen, nicht wahr?« »Davon können Mylady ausgehen. Während man also auf den Abtransport wartet, müßte man den Verletzten ganz offiziell durch den Vordereingang aus dem Hotel und dann in Sicherheit bringen.« »Dieser Plan könnte von mir sein, Mr. Parker.« »Mit Sicherheit, Mylady«, pflichtete Parker ihr höflich bei, »die Frage ist nur, wie man den Verletzten ungese hen durch die belebte Hotelhalle bringt. »Um solche Details kümmere ich mich nie, Mr. Par ker«, lautete die umgehende Antwort der passionierten Detektivin, »diese Kleinigkeiten überlasse ich Ihnen!« *** Josuah Parker stand am Fenster einer Etagen-Teekü che und schaute auf dem Innenhof des Hotels. Dort schob sich gerade ein Krankenwagen mit der Rückseite
an einen Kelleraufgang heran. Zwei Krankenträger stie gen aus, öffneten die hinteren Wagentüren und ver schwanden kurz darauf mit einer Trage im Haus. Wenig später entdeckte der Butler zwei Bekannte. Es handelte sich um jene beiden Männer, die er inzwi schen schon zweimal nachdrücklich ausgeschaltet hat te. Einmal war dies im Hotel-Fahrstuhl gewesen, zum zweiten an der Mauerpforte, die von Lady Agatha be wegt worden war. Die beiden Männer schienen zäh wie die Kletten zu sein. Auch hier hatten sie sich wieder eingefunden und beobachteten den Krankenwagen. Sie standen bereits auf dem Innenhof und hatten ein wenig Maske gemacht. Sie trugen graue Kittel und ga ben sich als Handwerker aus. Einer von ihnen hielt eine Ölkanne in der Hand und versorgte die Scharniere des Tores. Der zweite hämmerte mit einer Zange am Schloß herum. Nun, besonders überzeugend wirkten die bei den Pseudo-Handwerker gerade nicht, doch es reichte vollkommen aus, um keine neugierigen Fragen beant worten zu müssen. Parkers Aufmerksamkeit konzentrierte sich keines wegs nur auf diese beiden Männer. Er beobachtete wei ter und rechnete damit, daß auch jene Dreiergruppe in der Nähe war, von der Lady Agatha in ihrer Hotelsuite überrascht und gefesselt worden war. Trotz sorgfältiger Aufmerksamkeit konnte er keine weiteren verdächtigen Personen ausmachen. Möglich, daß diese Dreiergruppe auf der schmalen Straße hinter dem Hotelhof Stellung bezogen hatte.
Um jede Eventualität zu vermeiden, holte Josuah Par ker seine Patent-Gabelschleuder aus der Innentasche seines schwarzen Zweireihers. Es handelte sich, vom Urprinzip her gesehen, um eine Gabelschleuder oder Zwille, wie sie von Jungen immer wieder gern benutzt wird. Parker hatte dieses Prinzip selbstverständlich er weitert und wesentlich effektiver gemacht. Seine Ga belschleuder ließ sich erst mal zusammenklappen und raumsparend transportieren. Zum anderen verfügte sie über besonders starke Gummistränge, die in der Lage waren, die Spezialgeschosse des Butlers selbst über er staunliche Entfernungen hinweg zu befördern. Als Mu nition dienten ihm dabei hart oder nur oberflächlich gebrannte Tonmurmeln verschiedener Größe. Für den Fall der äußersten Notwehr konnte der Butler darüber hinaus auch noch kleine Stahlkugeln verschießen, doch diese Munition wandte er nur in Extremfällen an. Er entschied sich für nur oberflächlich gebrannte Ton murmeln und wartete, bis die beiden Krankentranspor teure mit ihrer Bahre erschienen. Dann öffnete Parker das Fenster der kleinen Teeküche, legte eine erste Ton murmel in die Lederschlaufe, die die beiden Gum mistränge miteinander verband, spannte und visierte den ersten Mann unten am Tor an. Eine Sekunde spä ter zischte sein Geschoß nach unten und erwischte den Mann, der nach wie vor hartnäckig die Scharniere ölte. Der Getroffene blieb wie erstarrt stehen, zuckte dann mit erheblicher Spätzündung und warf die Ölkanne zu Boden. Danach beeilte er sich, ihr zu folgen. Er blieb
regungslos auf den Steinplatten des Innenhofes liegen. Sein Partner, der natürlich nichts gehört hatte, mußte wohl gerade gesehen haben, daß die beiden Kranken träger auf der Kellertreppe erschienen. Er drehte sich um, wollte seinen Begleiter informieren und starrte dann fassungslos auf den Mann am Boden. Bevor der zweite Pseudo-Handwerker reagieren konnte, traf ihn das nächste Tongeschoß des Butlers. Der Mann tat einen Hüpfer wie eine fußkranke Heuschrecke, sprang gegen die Begrenzungsmauer und rutschte dann eben falls zu Boden. Die beiden Krankenträger, die mit einer leeren Bahre zurückgekommen waren, erwiesen sich als diensteifrig und dankbar. Im Hotel selbst waren sie nicht fündig ge worden. Nun aber entdeckten sie zwei am Boden lie gende Männer, die sich nicht rührten. Nach einem blitzschnellen Meinungsaustausch stürzten sie sich förmlich auf die beiden Bewußtlosen und beeilten sich, sie in den Krankenwagen zu verladen. Parker war mit dieser nicht geplanten Reaktion und Einlage äußerst zufrieden. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Krankenwagen sich in Bewegung setzte. Er wischte in Höchstfahrt durch das geöffnete Tor und verschwand dann in der schmalen Straße hinter dem Hotel. Butler Parker verließ die Teeküche und begab sich ge messen hinüber zu den Fahrstühlen. Er fuhr in das Kellergeschoß des Hotels und erreichte die Wirtschafts räume des großen Hauses. Er hatte genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. Zwei Hotelangestellte waren gerade
damit beschäftigt, eine große Transport-Kleiderkiste aus Sperrholz, die auf einem Rolluntersatz stand, über eine Rampe zu schieben. Das Ziel dieses Transports war ein geschlossener Lieferwagen des Hotels, der zur Aufnahme der gebrauchten Wäsche diente. Parker lüftete grüßend seine schwarze Melone, als die beiden Angestellten ihm freundlich zuwinkten. Parker verteilte noch mal je eine Banknote und machte den beiden Männern deutlich, daß jetzt der geeignete Zeit punkt gekommen sei, die Kleiderkiste wegzuschaffen. »Sie haben alle Kleinigkeiten geregelt, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha eine Viertelstunde später, als er die Suite der älteren Dame betrat. »Sehr wohl, Mylady, wobei es überraschende Nebenef fekte gab, wie ich bemerken möchte.« »Erzählen Sie mir das während der Fahrt«, gab sie zu rück, »ich möchte den Verkäufer der Statuette nicht zu länge allein lassen.« »Die Fahrt nach Faliron kann sofort angetreten wer den, Mylady«, antwortete der Butler, »der Chef der Pri vatklinik hat bereits alle Vorbereitungen für eine Ope ration getroffen.« »Und wie sieht es mit Verfolgern aus, Mr. Parker?« »Sie dürften einem Krankenwagen folgen, in dem sie jedoch keineswegs den Andenkenverkäufer antreffen werden«, schloß Josuah Parker höflich. »Dieser Mann liegt wohlversorgt in einer bequem ausgestatteten Wä schekiste.«
*** Es war noch heiß in der Stadt, obwohl die Sonne be reits tief stand. Josuah Parker saß auf dem Beifahrersitz des gemiete ten Land-Rover und hatte sich den Sicherheitsgurt um geschnallt. Er kannte die mehr als eigenwillige Fahr weise seiner Herrin, die sie natürlich auch gerade hier in Athen beweisen wollte. Sie verblüffte selbst routinierte Taxifahrer, die ihre Fahrspur blitzschnell und völlig nach Belieben wechsel ten. Sie schockierte altgediente Großstadtfahrer, die immerhin versuchten, sich möglichst ohne Blechscha den durch den wilden Verkehr zu schlängeln. Lady Agatha kurvte mit dem geländegängigen Wagen begeis tert durch die Straßen und erinnerte irgendwie an jene legendären Kamikazeflieger, die den Selbstmord auf ihre Stirnbänder geschrieben hatten. Sie pflügte durch die Blechlawine, die die Straße füllte und hinterließ hinter sich quietschende Reifen und Bremsen. Verzwei felte Taxifahrer, in Ehren ergraut, hämmerten auf ihre Lenkräder und glaubten, ein Phantom zu sehen. Myla dy visierte jeden hinderlichen Wagen entweder frontal an, oder aber sie schnitt, überholte Autos in einer Art, die zwangsläufig Notbremsungen auslösten. »Diese Leute hier haben einfach keine Disziplin«, sag te sie im Plauderton zu Butler Parker. »Mylady sehen dies außerordentlich scharfsichtig«, gab Parker in seiner höflichen Art zurück.
»Wozu gibt es Regeln für den Straßenverkehr?« redete sie munter weiter, »und dann dieses Gehupe! Man soll te eine Eingabe an das hiesige Parlament machen, fin den Sie nicht auch? Auf uns unerfahrene, hilflose Tou risten sollte man doch etwas mehr Rücksicht nehmen.« »Wie Mylady meinen.« Parker war ein Mann der Selbstbeherrschung. Lady Agatha hatte gerade zu ei nem Überholmanöver angesetzt und übersah souverän einen entgegenkommenden Lastwagen, der frontal auf sie zuhielt. »Alles eine Frage der Nerven, Mr. Parker«, sagte sie wohlgelaunt, »wollen wir wetten, daß er zurückstecken wird?« »Mylady würden solch eine Wette mit Sicherheit ge winnen«, erklärte der Butler und sollte sich nicht ge täuscht haben. Der Lastwagenfahrer bremste ur plötzlich und pflügte dann einen hölzernen Blumenkü bel am Straßenrand um. Der schwere Wagen wurde zur Seite gerissen und drängte einen Zivilfahrer in den Stand eines Obstverkäufers. Das Ergebnis war verheerend. Südfrüchte aller Art flo gen durch die Luft, überreife Tomaten zerplatzten auf den Windschutzscheiben verdutzter und gänzlich unbe teiligter Mitfahrer. Eine Massenbremsung führte dann zum Zusammenbruch des Verkehrs. Mylady aber fuhr zielsicher weiter und fühlte sich äußerst wohl. Sie wink te einigen Fahrern zu, die ihr drohend die Fäuste zeig ten. »Nette Menschen, im Grund genommen«, fand sie,
»hier scheint man noch Damen zu schätzen, Mr. Par ker.« »Mylady wollten einen Juwelier aufsuchen«, erinnerte Parker, »Mylady könnten vielleicht in eine Seitenstraße einbiegen, falls es sich nicht gerade um eine Einbahn straße handelt.« »Und dann zu einer vertrauenswürdigen Bank«, sagte sie, »oder sollte ich die Statuette nicht doch lieber zur Botschaft bringen? « »Dazu müßte man zurück in die City, Mylady«, erklär te Parker, »möglicherweise verlöre man dadurch viel Zeit.« »Nun gut.« Sie nickte gewährend, »die griechischen Banken sollen ja auch nicht gerade schlecht sein, wenn man sie auch nicht mit der Bank von England verglei chen kann.« Parker deutete diskret auf ein attraktives Juwelierge schäft, als Agatha Simpson in eine Seitenstraße einbog. Sie reagierte verblüffend schnell und bremste sehr un geniert. Hinter ihr kreischten andere Bremsen und fluchten Fahrer. Sie stieg aus und maß die empört verzweifelten Verkehrsteilnehmer mit eisiger Miene. »Diese Leute scheinen ihren Führerschein per Ver sandhaus-Katalog bekommen zu haben«, stellte sie dann fest, »Mr. Parker, sehen Sie doch, wie dicht man aufgefahren ist. Unglaublich!« »Myladys Fahrstil ist eben unnachahmlich«, urteilte Parker, »falls man übrigens hätte verfolgt werden sol len, dürften inzwischen alle Verfolger mehr oder weni
ger nachhaltig gestrandet sein, wenn ich mir diese Be merkung erlauben darf.« *** Das klassische Stadion glich einem offenen Rechteck, das auf der entgegengesetzten Seite durch ein Halb rund begrenzt wurde. Die Sitzreihen stiegen steil an. Das blendende Weiß des verwendeten Steines blendete selbst um diese Tageszeit noch die Augen. »Recht nett, aber nichts gegen Wembley«, meinte Agatha Simpson. Sie hatte für einen Moment gehalten und schaute in die Anlage hinein, die sich durch Eben maß auszeichnete. Als begeisterte Anhängerin des Fuß ballspiels englischer Prägung gab es für sie keine Alter native. Wie Parker es vorausgesagt hatte, waren auch um die se Zeit noch viele Touristengruppen unterwegs, um sich diese Sportanlage anzusehen. Parker hatte sich in nerlich entspannt. Die Statuette, übrigens tatsächlich aus reinem Gold, wie der Juwelier bestätigt hatte, be fand sich im Safe einer Bankfiliale. Der Gegenstand, der die bisherigen Zwischenfälle ausgelöst hatte, be fand sich damit in Sicherheit. Eine Statuette aus Bronze hatte Parker sicherheitshalber mitgenommen, um auf dringliche Verfolger abzulenken. »Ich denke, jetzt sollten Sie weiterfahren«, meinte die passionierte Detektivin und deutete auf das Lenkrad, »diese Schnellstraßen langweilen mich.«
Butler Parker kam diesem Wunsch nur zu gern nach. Er wechselte mit seiner Herrin den Sitz und bewegte den Land-Rover anschließend in Richtung Faliron, wo sich die Privatklinik befand, in die er den Verletzten hatte schaffen lassen. Die Fahrt verlief ohne Zwischen fälle. Mylady aber langweilte sich sichtlich und wartete voller Ungeduld auf Attacken. Sie fühlte sich nur dann wohl, wenn es turbulent zuging. Josuah Parker blieb auf der Hut. »Mochte Lady Simpson auch während der Fahrt durch die Stadt ein mittleres Chaos angerichtet haben, es war nach wie vor nicht ausgeschlossen, daß die Verfolger ihre Spur wiederentdeckten. Diese Leute durften auf keinen Fall wissen, wo man den verletzten Anden kenhändler untergebracht hatte. Der Chef der kleinen, aber exklusiven Privatklinik, ein gewisser Georgios, schlank, etwa fünfundfünfzig Jahre alt, empfing seine Gäste bereits auf der Treppe der Kli nik. Er versicherte wortreich und in fast akzentfreiem Englisch, er sei glücklich und stolz, Lady Simpson be grüßen zu dürfen. »Es ist selbstverständlich, daß ich helfen werde«, meinte er dann, »die Wunde des Mannes ist bereits versorgt worden.« »Ist dieser Mann ansprechbar?« erkundigte sich Aga tha Simpson. »Man wird sehen«, gab Georgios zurück, »er ist natür lich sehr geschwächt, sein Blutverlust ist hoch gewesen. Darf ich fragen, wie Sie an meine Adresse gekommen
sind?« »Mr. Parker ist für solche Dinge zuständig«, infor mierte Lady Agatha den griechischen Arzt, »ich glaube, er kennt in London einen Ihrer Kollegen.« »In der Tat«, bestätigte Parker, »ich war so frei, die sen Herrn vom Hotel aus in London anzurufen und um eine erstklassige Adresse zu bitten. Ihr Name, Sir, wur de spontan genannt.« »Wie auch immer«, meinte Agatha Simpson ungedul dig, »ich möchte jetzt diesen jungen Mann sehen, Dok tor. Im Vertrauen, ich bin da einer einmaligen, interna tionalen Gangsterbande auf der Spur.« »Der Verletzte ist ein Gangster?« Dr. Georgios schluckte beeindruckt. »Ich muß Ihnen da etwas mit teilen, was vielleicht von Bedeutung sein könnte.« »Genieren Sie sich nicht, mein Bester«, ermunterte die Detektivin den Arzt, »ich werde meinen Freunden und Bekannten Ihre Praxis hier in Athen empfehlen. Und sollten Sie mal nach London kommen, würde ich mich freuen, wenn Sie bei mir den Tee nehmen wür den.« »Eine Auszeichnung«, bedankte sich Georgios und führte seine Gäste ins Haus. Mit einem Fahrstuhl ging es in die zweite Etage der Klinik. Nach wenigen Minu ten standen Lady Simpson und Butler Parker vor dem Bett, in dem der Verletzte lag. Er hatte die Augen ge schlossen und schien noch unter der Nachwirkung ei ner leichten Narkose zu stehen. »Sie wollten Mylady eine Mitteilung von eventueller
Bedeutung machen«, erinnerte der Butler den Arzt. »Es war während der Behandlung«, sagte Dr. Georgi os leise, »der Mann dort erwähnte mehrfach den Na men > Goldhelm <. Ich kann Ihnen natürlich nicht sa gen, was dieser Name zu bedeuten hat.« »Goldhelm?« Agatha Simpson runzelte die Stirn und schaute ihren Butler erwartungsvoll an. »Ich bin sicher, mich nicht verhört zu haben«, warf der Arzt ein. »Möglicherweise handelt es sich bei diesem Ausdruck um das Synonym für eine Person, die der Mann dort fürchtet«, erklärte Parker. »Mit anderen Worten, der Gangsterchef nennt sich also „Goldhelm“«, sagte Agatha Simpson nachdrück lich. Sie vereinfachte gern, um die Übersicht zu behal ten. »Und dieser Mann dort im Bett dürfte ihn ken nen.« »So könnte man es in der Tat umschreiben oder gar ausdrücken, Mylady«, antwortete der Butler. Er hatte bemerkt, daß der Verletzte eine Muskelreaktion im Ge sicht zeigte, nachdem dieser Ausdruck gefallen war. *** Sie standen wieder vor dem Krankenzimmer. Der Arzt und Chef der Klinik, Georgios, hatte seine Besucher ge beten, dem Verletzten noch Ruhe zu gönnen. Er bat Mylady zu einer Tasse Tee in sein Privatbüro. Parker, für den diese Einladung selbstverständlich ebenfalls
galt, bat darum, sich im Garten ein wenig ergehen zu können. Lady Agatha stutzte zwar, doch sie nickte dann gewährend. Sie war klug genug, keine Fragen zu stel len. Josuah Parker verließ die Klinik durch einen Hinter ausgang und nahm auf einer Bank Platz, die von hohen Sträuchern kreisförmig umgeben war. Seiner Schät zung nach brauchte er nicht mehr lange warten ... und er verrechnete sich nicht. Der Verletzte erschien! Er war sehr unsicher auf den Beinen, hatte sich einen weißen Bademantel über die Schultern geworfen und hielt ein Bündel in der Hand. Er passierte die Bank, ohne den Butler zu sehen. Der Atem des Verletzten ging schnell und hechelnd. »Darf ich Sie einladen, ein wenig Platz zu nehmen?« bat Josuah Parker in seiner höflichen Art. Der Mann blieb jäh stehen und geriet fast aus dem Gleichgewicht. Er starrte den Butler an und senkte dann ergeben den Kopf. »Ich hätte es wahrscheinlich gar nicht bis zur Garten mauer geschafft«, sagte er dann. »Sie spielen mit Ihrem Leben, wenn ich so sagen darf«, meinte Parker, »hier in der Klinik sind Sie vor erst sicher.« »Ich ... Ich weiß inzwischen mehr«, lautete die Ant wort des Mannes. Er ließ sich helfen und nahm auf der Bank Platz. »Sie wissen, daß Sie es mit einer Person zu tun haben,
die sich „Goldhelm« nennt, nicht wahr?« »Da muß der Doktor sich verhört haben. Ich kenne keinen „Goldhelm«, Sir.« »Einer seiner Leute brachte Ihnen die Messerwunde bei«, sagte Parker ihm auf den Kopf zu, »es passierte, als sie sich ins Hotel stehlen wollten, nicht wahr?« »Die erwischen mich überall.« »Nicht, wenn Sie sich unter den Schutz von Lady Simpson und meiner bescheidenen Wenigkeit stellen. Wer ist der „Goldhelm«? Es scheint sich um eine in der Unterwelt bekannte Erscheinung zu handeln.« »Sie wollen meine Sicherheit garantieren? Sie sind Ausländer. Sie ahnen doch gar nicht, wie groß die Macht dieses Mannes ist.« »Sie kennen ihn persönlich?« »Nur den Namen, Sir. Sie wollen wirklich meine Si cherheit garantieren? Dann fliegen Sie mich aus, dann muß ich so schnell wir möglich 'raus aus Griechen land.« »Ihr Wunsch kann umgehend erfüllt werden. Sie den ken an ein bestimmtes Land, in dem Sie sicher sind?« »Wo bin ich wirklich sicher?« Der Verletzte lehnte sich vorsichtig zurück und schloß für einen Moment die Augen. »Auf einem Landgut der Lady Simpson«, entschied Josuah Parker, »würde Ihnen ein Flug nach England konvenieren?« »Bitte, was?« Er öffnete wieder die Augen. »Wären Sie damit einverstanden?«
»Sie wollen mich nach England fliegen lassen? Ich habe keine Papiere, ich komme nicht durch die Paß kontrolle.« »Dies sollten Sie meiner Wenigkeit überlassen«, mein te Parker, »aber nun zu den Tatsachen. Würden Sie Ihre Geschichte noch mal wiederholen? Wie kamen Sie in den Besitz der fünfzig Statuetten, von denen Sie sprachen?« »Bei einem Autozusammenstoß fielen ein paar Kisten auf die Straße und ich sammelte eine davon auf und schaffte sie in mein Zimmer. Und da merkte ich erst, was ich mir eingebrockt hatte.« »Sie entdeckten, daß die weit über hundert Statuetten aus Gold bestanden, oder sollte ich mich sehr irren?« »Gold!« Der Verletzte nickte. »Ich war fertig, glauben Sie mir. Von Gold hatte ich nichts gewußt. Ich wußte sofort, daß ich in ein Wespennest gegriffen hatte. Ich wollte das Zeug so schnell wie möglich wieder loswer den.« »Sie schafften die Kisten mit den Goldstatuetten erst mal aus Ihrem Zimmer, wenn ich nicht sehr irre?« »Sofort, Sir. Ich konnte sie nicht schnell genug 'raus schaffen.« »Und wo befinden sich die Kisten zur Zeit?« »In... In einem Versteck. Und das werde ich erst verra ten, wenn ich aus Griechenland 'raus bin.« »Wieso bekamen Sie Kontakt zu dem mehrfach er wähnten „Goldhelm«?« »Reiner Zufall, Sir. Ich hab' mir das zusammenge
reimt.« »Sie haben diesen sogenannten >Goldhelm < angeru fen und ihm eine Art Tausch vorgeschlagen, oder?« »Wo ... Woher wissen Sie das?« Der Verletzte sah den Butler überrascht an. »Weil es recht leicht ist, Ihre Geschichte auf die Tatsa chen zu reduzieren. Sie haben ein Lager des > Gold helms < ausgeraubt und einige Kisten gestohlen, die mit Statuetten gefüllt waren. Ich will zugeben, daß Sie vom wahren Wert dieser kleinen Statuen nichts wuß ten, als Sie dies jedoch entdeckten, hofften Sie auf ein einmalig gutes Geschäft. Ist es so gewesen? « »So ungefähr, Sir.« Der Verletzte senkte den Kopf. »Einen Autounfall hat es demnach nicht gegeben«, re dete der Butler höflich und gemessen weiter, »ich möchte es noch mal verdeutlichen und daher wiederho len: Sie haben das Lager des > Goldhelms < besucht, ohne vielleicht zu wissen, daß es ihm gehört. Sie waren an Bronzestatuen interessiert und wollten eigentlich nur auf recht billige Art bei einem einschlägigen Groß händler einkaufen.« »So ist es genau gewesen, Sir, von Gold habe ich nichts gewußt. Aber als ich es dann sah, fiel's mir wie Schup pen von den Augen. Ich habe Blut und Wasser ge schwitzt.« »Der sogenannte „Goldhelm« ging auf Ihren Vor schlag, den Sie natürlich per Telefon unterbreiteten, ein?« »Er wollte mir fünftausend Dollar zahlen. Und ich
habe daran geglaubt, ich Esel. Ich hätte es besser wis sen müssen.« »Könnte Ihr Freund Sie nicht verraten haben?« »Mein Freund? Wie kommen Sie auf meinen Freund?« »Weil Sie diesen Großeinkauf, um es mal so zu nen nen, schon aus Gewichtsgründen nicht allein tätigten.« »Daran habe ich auch schon gedacht, Sir. Aber eigent lich ist er nicht der Mann, der einen verrät.« »Gold verdirbt bekanntlich den Charakter«, erinnerte der Butler, »nennen Sie mir Name und Adresse dieses Freundes. Auch Ihr Name wäre von einigem Interesse.« »Hören Sie, ich liefere mich Ihnen damit doch glatt aus!« »Ausgeliefert sind Sie bereits«, erklärte Josuah Par ker, »und es dürfte sich für Sie gelohnt haben. Sie wur den aus dem Hotel geschmuggelt und befinden sich hier in relativer Sicherheit.« »Sie wollen das Gold für sich behalten, wie?« »Vorerst möchte ich wissen, warum Sie Mylady die Statuette verkauften, obwohl Sie doch bereits wußten, daß sie aus Gold besteht.« »Weil man hinter mir her war«, sagte der Verletzte, »ich hatte da ein paar Leute vom „Goldhelm« auf der Akropolis erkannt und wollte das Ding so schnell wie möglich loswerden.« »Sie brachten die Statuette aus Gold ohne zwingenden Grund zur Akropolis? Sie werden verstehen und begrei
fen, daß ich Ihren Worten kaum Glauben schenken kann.« »Ich suchte nach Ausländern, denen ich nach der ers ten Figur weitere Kopien verkaufen konnte, verstehen Sie? Diese eine Kopie war so eine Art Köder. Ich wußte doch, daß man früher oder später merken würde, daß die Statuette aus Gold ist.« »Eine Erklärung, die ich vorerst akzeptiere«, erwider te Josuah Parker, »nun aber sollten Sie wieder der Ruhe pflegen und neue Kräfte für den versprochenen Flug sammeln.« Der Verletzte stand auf, verließ das Halbrund der Sträucher und .. . wurde dann wie von einer unsichtba ren Faust niedergestreckt. Er wurde förmlich zur Seite geschleudert und fiel in einen Strauch. Josuah Parker sah sich daraufhin veranlaßt, erst mal in Deckung zu gehen. Er ging davon aus, daß hier scharf geschossen wurde! *** »Bedauerlicherweise kam es nicht mehr zu einer Nen nung der Namen und Adressen, Mylady«, sagte Josuah Parker, »der Schuß kam ein wenig zu überraschend, wenn ich so sagen darf.« »Nun ja, mir wäre das nicht passiert, Mr. Parker, aber geschehen ist eben geschehen. Wann wird dieser Statu ettenverkäufer wieder ansprechbar sein?« »Seine Verletzung ist außerordentlich schwer,
Mylady«, erklärte Parker, »Dr. Georgios wird den Be dauernswerten in eine größere Klinik bringen müssen. Die erforderlichen Schritte wurden von ihm bereits ein geleitet. Darüber hinaus ist jeden Moment mit dem Er scheinen der Polizei zu rechnen.« »Das ist aber sehr dumm.« Die Detektivin schüttelte ärgerlich den Kopf. »Ich habe absolut keine Lust, mich ausfragen zu lassen, Mr. Parker. Am liebsten würde ich zurück in die Stadt fahren. Da ist ja schließlich immer noch das Treffen mit diesem Subjekt, das mich im Sta dion sehen möchte. Werde ich das zeitlich noch schaf fen?« »Mylady können den Garten dieser Privatklinik sofort und umgehend verlassen«, sagte Parker und deutete zur Mauer hinüber, die unter schwerem üppigem Blatt werk fast verborgen war, »meine Wenigkeit könnte in zwischen den Wagen holen.« »So werde ich es machen, Mr. Parker. Später werde ich der Polizei dann Rede und Antwort stehen.« Die Signale der herankommenden Polizeiwagen waren bereits zu hören, als Agatha Simpson in den Land-Ro ver stieg. Sie rückte wie eine mächtige Glucke auf den Beifahrersitz und stieß einen Seufzer der Zufriedenheit aus. Parker beeilte sich, den ein wenig auffallenden Wagen erst mal in Seitenstraßen zu bringen. Er konnte sich mehr als lebhaft vorstellen, daß die griechische Po lizei nach ihnen fahndete. Er hatte Dr. Georgios übri gens vor der Abfahrt grünes Licht gegeben. Der Arzt konnte alles aussagen, was immer er wußte.
»Was halten denn Sie von der Geschichte, die der Ver letzte Ihnen da aufgetischt hat?« erkundigte sich die äl tere Dame schließlich. »Seine letzte Version, Mylady, dürfte den Tatsachen entsprechen«, erwiderte Josuah Parker, »es handelte sich zuerst wohl um einen Diebstahl, der dann al lerdings geradezu katastrophale Ausmaße annahm. Es dürfte sich um sehr viel Gold handeln, das jetzt in ei nem unbekannten Versteck liegt, falls es von dem Freund des Verletzten nicht bereits weggeschafft wor den ist.« »Sehr schön.« Die Lady nickte. »Und jetzt wird dieser „Goldhelm« annehmen, daß ich eingeweiht worden bin. Der Schütze im Garten der Klinik hat doch gesehen, daß Sie sich eingehend mit dem Andenkenverkäufer unterhalten haben.« »Die Aktivitäten des sogenannten >Goldhelms<, Mylady, werden sich auf Mylady richten.« »Erfreulich, sehr erfreulich.« Sie sah sehr unterneh mungslustig aus. »Und das wird diesen Kerl den Hals kosten, Mr. Parker. Ich frage mich übrigens die ganze Zeit, woher dieses- Gold wohl stammen könnte. Es ist doch nicht ohne Grund in Statuetten umgeschmolzen worden.« »Es bieten sich zwei Möglichkeiten, Mylady«, erwider te der Butler, »entweder wollte man das Gold ins Land schmuggeln, oder aber es sollte von Griechenland ins Ausland geschafft werden.« »Richtig«, gab sie zurück, »genau das denke ich auch.
Nun ja, in ein paar Tagen werde ich diese Frage beant worten können. Sie, Mr. Parker, sollten sich um die De tails kümmern. Das kann ja nicht so schwer sein ...« *** »Wer mich zu sprechen wünscht, hat pünktlich zu sein, Mr. Parker«, grollte die ältere Dame eine Stunde später. Sie befand sich zusammen mit ihrem Butler im langgestreckten Oval des Stadions und wirkte sehr un gnädig. Die vereinbarte Zeit, nämlich 23 Uhr, war längst überschritten. Lady Simpson und Butler Parker waren allein in diesem klassisch anmutenden Bau. Für Touristen war der Zugang längst gesperrt worden. Parker hatte seine Herrin durch einen Seiteneingang auf das Gelände geführt und dabei ein kleines Spezialbesteck benutzt, eine Sammlung seltsam geformter Schlüssel und Haken,, mit denen er prak tisch jedes Schloß zu öffnen vermochte. Das Duo aus London saß weit oben auf den Rängen und konnte das Stadion gut einsehen, ohne selbst einen heimlichen An griff zu riskieren. »Darf man sich erlauben, Myladys Aufmerksamkeit auf den Wagen dort zu richten?« Parker deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes auf die ab geblendeten Scheinwerfer eines kleinen Sportwagens, der am Eingang zum Stadion zu sehen war. »Ich lasse mich überraschen, Mr. Parker«, gab sie zu rück, »ich werde diesen Platz aber auf keinen Fall ver
lassen.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker beobachtete den kleinen Wagen, der gut zu erkennen war. Er fuhr ein Stück über die Laufbahn, hielt dann und entließ zwei Gestalten, die kaum auszumachen waren. Diese beiden Typen schritten unbefangen über die Laufbahn in die Tiefe des Stadions. »Ziemlich unverfroren, sich so zu zeigen«, grollte die Detektivin, »man scheint keinen Respekt vor mir zu haben.« »Oder man scheint Mylady ablenken zu wollen«, ant wortete der Butler, wandte sich um und prüfte die Rückseite der steil ansteigenden Sitzreihen, doch er konnte keine verdächtigen Bewegungen ausmachen. »Lady Simpson?« war dann ein klarer Ruf zu hören. »Hier oben«, meldete sich die ältere Dame spontan, »beeilen Sie sich endlich! Ich möchte mir noch Athen bei Nacht ansehen.« Die Gestalten waren stehen geblieben, orteten die Richtung, aus der Lady Agatha geantwortet hatte, und... machten sich dann unbefangen daran, heraufzu steigen. Sie fühlten sich absolut sicher. Butler Parker war und blieb vorsichtig. Er hatte einen seiner Patentkugelschreiber aus einer der vielen Westentaschen hervorgeholt und machte sich bereit, die beiden Näherkommenden zu blenden. Dieses Schreibgerät stammte aus Parkers Privatlabor, das er sich im Haus seiner Herrin in London einge richtet hatte.
»Eine Frau und ein Mann«, konstatierte Agatha Simp son inzwischen, »man will mich doch wohl nicht mit subalternem Personal abspeisen, wie?« »Wohl kaum, Mylady«, gab Parker zurück, »diese bei den Personen dürften mit reichen Vollmachten ausge stattet sein, nachdem der Andenkenverkäufer Zeit und Gelegenheit hatte, sich zu offenbaren. Man dürfte ver muten, daß Mylady jetzt über das Versteck des Gold schatzes informiert sind.« »Lady Simpson?« rief jetzt die Frau, die einen hellen, modisch geschnittenen Sommeranzug trug. »Dumme Frage! Wer sonst?« Die Stimme der älteren Dame klang wieder mal ungnädig und ungeduldig. Es ging ihr alles nicht schnell genug. »Wir verzichten auf alle Tricks, Mylady«, redete die Frau weiter. Sie und ihr Begleiter standen etwa fünf Sitzreihen unterhalb von Lady Agatha und Butler Par ker. »Nun kommen Sie schon endlich«, drängte die Detek tivin, »oder haben Sie etwa Angst vor mir?« Während Agatha Simpson antwortete, beobachtete Jo suah Parker sehr eingehend die weitere und nähere Umgebung. Hatte man es verstanden, sich an Lady Simpson und ihn heranzupirschen? Die Gegenseite kannte sich hier im Stadion sicher gut aus und hatte diesen Treffpunkt wohl nicht ohne Grund gewählt. Parker wollte sich gerade wieder abwenden, als er plötzlich eine Bewegung links von sich ausmachte. Er schaute nun keineswegs besonders intensiv in diese
Richtung, sondern nahm wieder den Kopf herum und schien den Mann und die Frau zu beobachten. Verstoh len aber, aus den Augenwinkeln heraus, hielt er jene Stelle im Visier seiner Augen, die ihm eben verdächtig vorgekommen war. Nein, er hatte sich nicht getäuscht... Die flüchtige Bewegung, die eine optische Täuschung hätte sein können, entpuppte sich eindeutig als eine Gestalt, die sich schlangengleich heranpirschte. Sie trug einen schneeweißen Anzug oder Overall und ver schmolz daher fast mit den weißen Sitzreihen aus Stein. Parker machte sich bereit, diese Gestalt ein wenig springen zu lassen. Er wußte auch schon, wie dies zu bewerkstelligen war. *** Durch eine kaum merkbare Bewegung vermittels sei ner Hand, die den Bambusgriff seines Universal-Re genschirms umspannte, kippte er die Verschlußkappe unten an der Stahlzwinge seines Regenschutzes zur Sei te und gab damit eine Art Mündung frei. Durch den hohlen Schirmstock konnte Josuah Parker nun seine Geschosse absetzen, stricknadellange und dünne, aber ungemein scharfe und wirkungsvolle Pfei le, die während ihres Fluges durch kleine bunte Federn stabilisiert wurden. Die Spitzen dieser Blasrohrpfeile waren selbstverständlich chemisch präpariert und lös ten Zustände verschiedener Art aus. Angetrieben wur
den die Geschosse wahlweise von Preßluft oder kom primierter Kohlensäure. Abschuß und Flug der kleinen Pfeile waren absolut geräuschlos. Durch das rasterweise Verdrehen seines Schirmgriffes konnte Josuah Parker eine Vielzahl dieser schlanken Geschosse einsetzen. Das Magazin war im oberen Schirmstock untergebracht und ließ sich selbstver ständlich nachladen. Reservemunition war in kleinen, kaum auszumachenden Köchern an den inneren Spannstäben des Schirmes untergebracht. Auch diese Gesamtkonstruktion stammte natürlich aus dem Pri vatlabor des Butlers. Während die beiden weiß gekleideten Gestalten sich noch näher an Lady Simpson heranschoben, während sie erneut beteuerten, daß auf alle Tricks verzichtet würde, machte Josuah Parker seinen Universalschirm schußfertig. Er legte anschließend diese Waffe quer über seine Knie und visierte unauffällig die dritte Per son an. Sie hatte sicher die Aufgabe, Lady Agatha und ihm in den Rücken zu fallen, wahrscheinlich sollte sie wohl dafür sorgen, daß das Duo aus London gezwungen wurde, eine Fahrt durch das nächtliche Athen anzutre ten. Parker drückte auf den Auslöseknopf und verspürte einen kaum wahrnehmbaren Ruck, als der Pfeil den Lauf verließ. Unmittelbar darauf war ein verwehtes Quieken zu hören, ein sicheres Zeichen dafür, daß die Pfeilspitze ihr Ziel erreicht hatte. »Was war das?« fragte Lady Agatha, die bis zu diesem
Zeitpunkt ahnungslos geblieben war. »Ich war so frei, Mylady vor einem geplanten und heimtückischen Überfall zu bewahren«, antwortete Parker und deutete mit der Schirmspitze fast beiläufig auf die dritte Gestalt, die inzwischen recht munter ge worden war. Sie zeigte eine Art Tanz, hüpfte über die Sitzreihen nach unten und begann sich zu entkleiden. Dieses selt same Tun hing eindeutig mit dem chemischen Präparat zusammen, das bereits wirkte, das mit der Pfeilspitze in den Kreislauf gebracht worden war. Es löste einen un heimlichen Juckreis aus, gegen den ein akutes Nessel fieber nur ein harmloses Kinderspiel war. Lady Agatha, ärgerlich geworden, hatte begriffen, daß man sie übertölpeln wollte. Ihr Pompadour war bereits in heftige Schwingungen geraten. Sie ließ den perlenbe stickten Handbeutel kreisen und gab urplötzlich die Le derschnüre frei. Der im Pompadour befindliche > Glücksbringer < nahm rasch Fahrt auf und zischte durch die Luft. Er landete, wohl mehr aus Zufall, auf der Stirn der schlanken Frau, die sofort zu Boden ging. Das echte Pferdehufeisen, nur oberflächlich in Schaum stoff gehüllt, hatte seine Wirkung getan. »Falls Sie möglicherweise eine Bewegung machen, die man falsch deuten könnte, sähe man sich gezwungen, Sie drastisch in Ordnung zu rufen«, rief Parker dem Mann zu, der tatsächlich nach einer Waffe greifen woll te. Der Man, tief davon beeindruckt, daß seine Begleite rin auf den Steinquadern lag, hob umgehend die Arme.
»Nicht schießen«, rief er hastig, »nur nicht schießen! Wir haben das nicht geplant.« »Das werden Sie mir näher erklären müssen, Sie Lüm mel!« Agatha Simpson stieg zusammen mit Parker nach unten und baute sich dann vor dem Mann auf, der etwa dreißig Jahre zählte. »Sie wollten tatsächlich eine Lady Simpson überlisten?« erkundigte sich die Detektivin grimmig. »Ich glaube, ich muß Sie ohrfeigen.« Der Mann beging einen Kardinalfehler. Er sah die ältere Dame vor sich und rechnete sich eine Chance aus, doch noch entwischen zu können. Er ver zichtete auf alle Höflichkeit und wollte Lady Simpson mit einem blitzschnellen Schlag zu Boden strecken. Die resolute Dame, deren Arme und Hände goldgestählt waren, erwies sich allerdings als schneller. Sie versetzte dem Mann eine ihrer derben Ohrfeigen, die es in sich hatten. Der Mann absolvierte umgehend einen Über schlag zur Seite und dann nach hinten, legte sich auf die Sitzreihe, rutschte ab und landete völlig benommen zwei Reihen tiefer. »Haben Sie das mitbekommen, Mr. Parker?« entrüs tete sie sich freudig, »dieses Subjekt wollte mich schla gen. Über dieses Thema werde ich mich mit ihm noch ausführlich unterhalten. Unhöflichkeiten dieser Art dulde ich grundsätzlich nicht!« ***
»Ich glaube, mein Kreislauf ist ein wenig angegriffen«, stellte Agatha Simpson eine Viertelstunde später fest. »Wenn ich mir erlauben darf, Mylady eine kleine Er frischung anzubieten?« Während Parker fragte, langte er in die rechte Innentasche seines schwarzen Zweirei hers und holte eine lederbezogene Taschenflasche her vor, deren Verschluß er abschraubte und als Becher be nützte. Parker, auf fast jede Eventualität eingerichtet, war in der Lage, seiner Herrin einen Kognak anzubie ten. »Schon besser«, sagte sie und musterte dann wohlge fällig die beiden Gefangenen, die Parker in einen der Umkleideräume geschafft hatte. Sie saßen ziemlich be treten auf harten Bänken und sahen sich außerstande, überraschende Angriffe zu starten. Nach bewährter Methode hatte der Butler ihre jeweiligen Daumen mit einander verschnürt. Als Bindemittel dient eine Ny lonschnur, wie sie zum Angeln benutzt wird. Einige Meter davon - auf einem entsprechenden Stück Karton gewickelt - führte Parker stets mit sich. Der dritte Mann, der sich nach dem Pfeilschuß in wilden Sprün gen und langen Sätzen nach unten in Richtung Aschen bahn abgesetzt hatte, war von Parker nicht aufgehalten worden. Wahrscheinlich rannte dieser Mann jetzt wie ein Irrwisch durch die Straßen und juckte und kratzte sich wie besessen. »Handelt es sich bei diesen beiden Herrschaften um jene, Mylady, die sich
in Myladys Suite ungebeten einfanden?« fragte Par ker. Agatha Simpson, die sich bereits informiert hatte, nickte. »Eindeutig«, erklärte sie dann, »ein Irrtum ist ausge schlossen, Mr. Parker.« »Der sogenannte „Goldhelm« wird mit Ihrem Versa gen nicht so recht einverstanden sein«, redete der But ler weiter, »nehmen Sie bitte möglichst davon Abstand, Mylady beteuern zu wollen, daß Ihnen der Name > Goldhelm < unbekannt ist.« »Sie machen einen Riesenfehler«, sagte die junge Frau, die schmal, schlank und sportlich durchtrainiert war. Sie mochte etwa fünfundzwanzig sein, hatte ein exotisch geschnittenes Gesicht, grüne Augen und blon des Haar. »Bei dieser Ihrer Bemerkung handelt es sich schon fast um einen Standardausspruch wenn ich so sagen darf«, meinte Parker, »kann ich unterstellen, daß Sie jetzt umgehend Ihre Freilassung fordern werden?« »Die ist Ihre einzige Chance«, erwiderte die junge Frau, »ich werde dafür sorgen, daß Sie unbehelligt aus Athen kommen, das verspreche ich Ihnen.« »Und wie wollen Sie verhindern, daß Lady Simpson oder meine Wenigkeit von dem Goldschatz sprechen werden, um den es doch offen geht?« »Sie werden ihn zurückgeben und ihr Ehrenwort ge ben, den Mund zu halten.« »Was für ein Ausdruck!? Eine Lady Simpson hält nicht den Mund, merken Sie sich das gefälligst«, grollte die
ältere Dame. »Entschuldigen Sie«, entgegnete die junge Frau schnell, »so war das nicht gemeint. Von mir aus kön nen Sie später auch reden, Hauptsache, das Gold kommt wieder in die Hand seines Eigentümers.« »In die Hände dieses >Goldhelms<, nicht wahr?« fragte Lady Agatha. »Von mir aus auch „Goldhelm«, wenn Sie unbedingt darauf bestehen.« Die junge Frau zuckte die Achseln. »Was sind schon Namen!« »Würden Sie Mylady entgegenkommenderweise er zählen, wie es zu dem Verlust der goldenen Statuetten gekommen ist?« Parker hatte sich wieder eingeschaltet. Er wollte feststellen, ob der angeschossene Straßen händler die Wahrheit gesagt hatte. »Die Statuetten sind gestohlen worden«, lautete die prompte Antwort, »und inzwischen wissen wir auch, wer das getan hat.« »Nähere Einzelheiten wären erwünscht.« »Sie sind aus einem Magazin gestohlen worden. Sie haben ja erlebt, was dem Dieb passiert ist.« »Er wurde in zwei Fällen verletzt, einmal mit einem Messer, dann durch einen Schuß im Garten einer Pri vatklinik.« »Und er wird sterben, früher oder später«, redete die junge Frau weiter, kühl, fast sachlich, »und Sie werden es auch, wenn Sie uns nicht sagen, wo das Gold ver steckt ist.« »Woher wußten Sie, wohin Mylady und meine Wenig
keit den Verletzten brachten?« wollte Butler Parker wissen. »Sie wurden beobachtet und verfolgt. Und hier wer den auch bald unsere Freunde auftauchen. Verlassen Sie sich darauf!« »Mit solch einer Möglichkeit dürfte kaum zu rechnen sein«, erwiderte Josuah Parker, »Ihre Auftraggeber, falls sie inzwischen bereits informiert worden sein soll ten, werden Mylady hier am Ort des Geschehens kaum vermuten.« Parker wußte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie sehr er sich diesmal irrte... *** »Mir wäre so etwas nie passiert«, sagte Lady Simpson eine halbe Stunde später, »ich weiß im Gegensatz zu Ihnen zwischen Theorie und Praxis zu unterscheiden.« »Mylady sehen meine Wenigkeit schier untröstlich«, meinte Parker, der -wie seine Herrin - an Händen und Füßen gefesselt war. Das Duo aus London befand sich in dem Kastenaufbau eines Citroen-Kleintransporters und sah nicht, wohin die Fahrt ging. Parker hatte sich längst eingestanden, daß er die Lage ein wenig falsch einschätzte. Bevor Mylady und er ge zielte Fragen hatten stellen können, waren sie von zwei Männern überrascht worden. In Anbetracht zweier schußbereiter Maschinenpistolen hatten sowohl Lady
Agatha als auch er auf jede Gegenwehr verzichtet. »Und wie soll es nun weitergehen?« forschte die De tektivin grimmig, »ich stand immerhin dicht vor der Lösung dieses Falles, Mr. Parker!« »Mit einer akuten Gefahr dürfte kaum zu rechnen sein, Mylady«, erwiderte der. Butler. »Hoffentlich sieht die Praxis nicht wieder anders aus«, spottete sie und zwar voller Genuß. Selbst in der augen blicklichen Lage freute sie sich darüber, daß gerade Parker eine Niederlage hatte einstecken müssen. »Der „Goldhelm«, Mylady, um bei diesem Namen zu bleiben, dürfte davon ausgehen, daß Mylady und auch meine Wenigkeit über den Verbleib des Goldschatzes orientiert sind.« »Nun gut, dann werde ich endlich diesen Mr. „Gold helm« sehen», meinte die ältere Dame optimistisch, »aber bis dahin könnten Sie etwas für meine Hand gelenke tun, Mr. Parker. Man hat sie unverschämter weise zu fest aneinan-dergebunden.« »Mylady dürfen versichert sein, daß meine Wenigkeit bereits an der Lösung des Problems und der Fesselung arbeitet«, versicherte der Butler in seiner angemessenhöflichen Art, die auch in dieser Situation nicht durch Ungeduld abgeändert wurde. Er hatte übrigens nicht zu viel versprochen und bereits erhebliche Fortschritte ge macht. Mit den Fingerspitzen hatte er den linken Ab satz seines schwarzen Schuhs zur Seite geschoben und bearbeitete nun die Stricke, die seine Handgelenke zu sammenhielten.
Er hatte seine Handgelenke gerade befreit, als der Kastenwagen jäh gebremst wurde. »Eine Unverschämtheit«, grollte die ältere Dame, »das hat man mit Absicht getan.« »Möglicherweise, Mylady«, erwiderte Parker und brachte seinen Schuhabsatz schleunigst wieder in Ord nung. Dann schlang er die gelösten Stricke so geschickt zurück um die Handgelenke, daß man bei oberflächli cher Nachprüfung keinen Verdacht schöpfen konnte. »Haben Sie etwas erreicht?« erkundigte sich Lady Simpson. »In Grenzen«, lautete Parkers vage Antwort. Seiner Ansicht nach brauchte seine Herrin nicht zu wissen, daß er nach Bedarf frei über seine Hände verfügen konnte. Hätte sie es gewußt, wäre ihre Neigung, Ver wirrung zu stiften, noch größer als sonst geworden. Die beiden hinteren Türen wurden geöffnet. Dann langten die Träger der Maschinenpistolen ungeniert nach den kräftigen Beinen der älteren Dame und zogen sie nach vorn. »Ich verbitte mir jede unsittliche Berührung«, donner te die Lady. Sie zog die Beine an, um sie dann aber blitzschnell wieder nach vorn zu stoßen. Ihre nicht ge rade kleinen Füße, die in besonders bequemen Schu hen steckten, erwischten eine Männerbrust. Und der Besitzer dieser Brust brüllte erstickt auf, als er von dem doppelten Fußtritt zurückkatapultiert wurde. Er lande te rücklings auf einem Kiesweg, wie deutlich zu hören war - und zwar erst nach der Überwindung einer
längeren Rutschpartie. Ein amüsiertes Lachen war zu vernehmen. »So sind sie mir beschrieben worden«, sagte dann eine sonore Männerstimme, »ich freue mich, Ihre Be kanntschaft machen zu können.« »Schade, daß ich nicht Sie erwischt habe«, ärgerte sich Lady Agatha, »Sie müssen der „Goldhelm« sein, wie?« »So nennt man mich hin und wieder, stimmt. Wollen. Sie nicht aussteigen, Mylady?« »Ich hoffe, Sie werden mir dabei helfen, ich bin nicht mehr die Jüngste.« »Ich werde mich hüten, in Ihre Nähe zu kommen«, er widerte der Mann, der nur in vagen Umrissen zu erken nen war. »Mr. Parker, zieren Sie sich nicht! Sie sind ebenfalls eingeladen ...« »Darf man höflichst fragen, wo man sich befindet?« wollte der Butler wissen. Er hatte sich nach vorn ge schoben, stieg aus und wartete, bis man Lady Simpson vorsichtig an den Rand der kleinen Ladefläche gezogen hatte. Er versuchte, das Gesicht des Mannes zu erken nen, doch das war nicht möglich. Der Besitzer der so noren Stimme stand hinter einem Strauch, der ihn fast völlig verdeckte. »Wir sind in einem Außenort, am Fuß des Hymettos«, sagte der Mann, der offenbar der > Goldhelm < war,» eine freundlichere Villengegend können Sie sich gar nicht vorstellen. Hier werden wir ganz unter uns sein.«
»Sorgen Sie gefälligst dafür, daß man mir die Fesseln abnimmt«, schaltete sich die Detektivin ein, »oder ha ben Sie Angst vor einer hilflosen Frau?« »Ich fürchte mich vor unkontrollierbaren Natureigen schaften«, lautete die Antwort des >Goldhelms<, »und Sie, Mylady, sind so ein Naturereignis! Die Hände wer den gefesselt bleiben! Wer bringt sich schon freiwillig in Gefahr!?« *** Es handelte sich um eine Sommervilla, die den Butler an einen glatten Schuhkarton erinnerte. Im Mondlicht war das Weiß des Außenanstrichs besonders deutlich zu sehen. Einige Bäume und viel übermannshohes Ge sträuch lockerten die strengen Formen des Hauses auf. Mylady und er wurden über einen breiten Kiesweg auf die Rückseite des Hauses geführt. Hier gab es Terrassen, die etagenförmig angelegt wa ren, noch mehr Sträucher und Büsche, einen schmalen Balkon und schließlich ein breit ausgespanntes Son nensegel dicht am Haus. Mylady und Parker wurden von den beiden Maschi nenpistolenträgern bewacht. Parker wandte sich nicht um, als er im Vorgarten das Motorgeräusch des Lan d-Rover hörte. In diesem Wagen saßen sicher die junge Blondine und ihr Begleiter. Der „Goldhelm« schien einen anderen Weg genommen zu haben. Er legte sichtlich Wert darauf, nicht gesehen zu werden.
»Ist das hier ein ehemaliges Badezimmer?« fragte Lady Simpson, als sie zusammen mit Butler Parker ein einen großen Raum geführt wurde, dessen Wände bis hinauf zur Decke gekachelt waren. Das Mobiliar war modern, die Sitzgruppen muteten fast futuristisch an. Auf dem Boden, der ebenfalls mit Kachelfliesen ausge legt war, lagen kostbare Teppiche. »Das ist unser heimischer Schutz gegen die Sommer hitze, Mylady«, ließ die sonore Stimme sich verneh men. Lady Agatha wandte sich um und stand einem mittelgroßen, schlanken Mann gegenüber, der durch eine Seitentür eingetreten war. Dieser Mann mochte etwa fünfzig sein und zeigte volles, weißblondes Haar. »Sie sind also der „Goldhelm««, stellte die ältere Dame fest, »wollen Sie mir nichts anbieten? Ich habe schließlich eine anstrengende Fahrt hinter mir.« »Sie werden alles bekommen, was immer Sie sich wünschen, Mylady«, sagte der »Goldhelm« und beugte sich vor. Sein ovales Gesicht war tief gebräunt, die Au gen pechschwarz. »Ich warte«, sagte Lady Agatha. »Ich ebenfalls«, lautete die Antwort des »Goldhelms«, »ich warte auf einige Hinweise, Mylady. Sie werden verstehen, daß ich gern wieder in den Besitz meiner Goldstatuetten kommen möchte.« »Davon weiß ich nichts«, sagte die Detektivin, »wen den Sie sich an meinen Butler.« »Ich hoffe, daß Sie ein vernünftiger Mensch sind, Mr. Parker«, schickte der »Goldhelm« voraus und nickte
dem Butler zu, »inzwischen habe ich Erkundigungen über Sie und Lady Simpson eingezogen. Informationen aus erster Hand, direkt aus London. Sie sollen dort einen guten Ruf als Kriminalisten haben.« »Die Statuetten gehören Ihnen?« fragte Parker. »Eindeutig, Mr. Parker, sie sind mir gestohlen wor den. Ein dummer Zufall, ein unglückliches Zusammen treffen verschiedener Umstände. Der Dieb wird Ihnen inzwischen seine Geschichte erzählt haben, oder?« »Bevor man ihn niederschoß.« Parker deutete ein zu stimmendes Nicken an. »Dieser Naivling wollte mit mir handeln«, redete der »Goldhelm« weiter, »er glaubte, das Geschäft seines Lebens machen zu können. Er wird dafür sterben.« »Im Moment befindet er sich in Obhut der Behörden.« »Das wird sich früher oder später ändern, Mr. Parker. Wer sich mit mir anlegt, muß mit seinem Tod rechnen.« »Sie sollen nach meinen bescheidenen Wissensstand eine allumfassende Organisation aufgebaut haben und leiten.« »Richtig, Mr. Parker. Darum legen Sie sich besser nicht mit mir an. Ich bin es gewöhnt, meinen Willen durchzusetzen. Ich werde Ihnen und Lady Simpson folgenden Vorschlag unterbreiten: Sie sagen mir, wo meine Leute die Statuetten holen kön nen. Sobald ich sie im Besitz habe, können Sie und Mylady wieder zurück nach Athen und haben nichts zu
befürchten.« »Für den Fall einer Weigerung dürfte mit Repressalien zu rechnen sein.« »Um welches Gold handelt es sich denn eigentlich?« fragte Lady Simpson dazwischen. »Echt können diese vielen Statuetten doch nicht sein. Sie sind nachgegos sen worden, wie ich sofort erkannt habe.« »Es sind Kopien«, gab der »Goldhelm« zurück und lä chelt mokant, »auf diese Art und Weise läßt sich Gold ohne jede Formalität transferieren.« »Sie lassen es also einschmuggeln?« Agatha Simpson zeigte großes Interesse. »Für Liebhaber.« Der »Goldhelm« nickte. »Unsere Währung ist nicht gerade stabil, Mylady. Ich tausche andere Werte gegen Statuetten aus Gold, ein streng re elles Geschäft.« »Ihr Gewinn wird nicht gerade klein sein, junger Mann«, stellte Lady Simpson fest. »Umsonst ist noch nicht mal der Tod«, lautete die Antwort, »ist Ihr Wissensdurst damit gestillt, Mylady?« »Mein Wissensdurst schon«, gab Lady Agatha zurück, »nur mein körperlicher Durst nicht... Sie wollten mir Erfrischungen anbieten.« »Sobald Sie das Versteck meiner Goldstatuetten verra ten haben«, sagte der »Goldhelm«, »bis dahin werden Sie sich gedulden müssen. Denken Sie daran, daß der kommende Tag wieder sehr heiß werden wird. Ich möchte wetten, daß Sie bald schon ein Vermögen für einen Schluck Wasser zahlen würden. Übrigens, wenn
ich es mir recht überlege, so ließe sich auch daraus Ka pital schlagen, Sie sollen doch eine recht reiche Frau sein, wie meine Freunde in London mir verrieten.« »Sie wollen eine Lady Simpson erpressen?« Sie fun kelte den Gangster an. »Geschäfte machen«, erklärte der sogenannte »Gold helm«, »Wasser, eisgekühlte Limonade, Kalte Frucht säfte, was immer Sie wollen, Mylady, gegen, sagen wir, Schecks, die Sie auf meinen Namen oder den einiger Strohmänner ausstellen werden.« »Lieber werde ich verdursten«, behauptete Lady Aga tha gereizt. »Warten wir es gemeinsam ab, Mylady. Und hoffen Sie, daß ich später dann noch Ihre Schecks annehmen werde.« »Ich habe kein Scheckbuch bei mir.« »Ich werde es aus Ihrer Hotelsuite beschaffen lassen, das ist keine Affäre, Mylady.« Der »Goldhelm« wandte sich an die beiden Träger der Maschinenpistolen und gab ihnen in einem unwahr scheinlich schnellen Stakkato in seiner Heimatsprache Befehle und Anweisungen. Lady Simpson und Josuah Parker wurden daraufhin aus dem gekachelten Raum geführt und zurück in den Garten gebracht. »Sagen Sie mir, wohin man uns bringen will?« fuhr Lady Simpson einen der Männer wütend an. »In eine ehemalige Zisterne«, sagte der junge Mann in schlechtem Englisch, »ein Backofen ist dagegen noch kalt wie ein Gefrierschrank.«
»Ich glaube, ich werde ärgerlich werden, Mr. Parker«, stellte Lady Simpson daraufhin fest, ihre Stimme klang allerdings ein wenig nachdenklich, wie Parker heraus hörte. *** Butler Parker war nicht gewillt, seine Herrin unnöti gen Strapazen auszusetzen. Um die Diskussion mit dem sogenannten »Goldhelm« zu fördern, hatte er von seiner Freiheit bisher keinen Gebrauch gemacht, doch nun sah die Sache erheblich anders aus. Der weiß blonde Fünfziger schien tatsächlich gewillt zu sein, Druckmittel besonderer Art anzuwenden. Darüber hin aus wollte er nun auch noch Geld von Lady Simpson er pressen. Dies konnte im Endeffekt nur bedeuten, daß der Mann vor einem Doppelmord sicher nicht zurück schrecken würde. Ihm mußte später daran gelegen sein, lästige Zeugen aus dem Weg zu räumen. Parker stolperte. Die beiden Maschinenwaffenträger ergingen sich ein wenig taktvollen Bemerkungen über dieses Ungeschick und sprachen in diesem Zusammenhang von einem al ten Mann, der sich vor Angst kaum noch auf den Bei nen halten konnte. Eine Sekunde später aber bekamen sie es mit diesem Fußkranken zu tun. Parker, ohne seinen Universal-Regenschirm, der vom »Goldhelm« zurückgehalten worden war, kam auch ohne diese Waffe zurecht. Er verfügte schließlich über
eine Krawattennadel, die unscheinbar und durch schnittlich aussah. Er hatte sie plötzlich in seiner rech ten Hand und stach damit nachdrücklich zu. Er ver senkte die Hälfte dieser Nadel in das Körpergewebe des links von ihm gehenden Gangsters. Parker traf den Oberschenkel des verdutzten Mannes, der sich diesen Einstich im Moment nicht zu erklären vermochte. Be vor der Mann aufschreien konnte, legte Parker ihm die stahlblechunterfütterte Wölbung seiner Melone auf die Stirn. Die Wirkung war außerordentlich. Der Mann warf freiwillig seine Maschinenwaffe weg, lehnte sich weit zurück und schloß fast genußvoll die Augen. Dann bewegte er sich im Zeitlupentempo noch weiter nach hinten und breitete sich im federnden Zweigwerk eines Strauches aus. Um den zweiten Mann brauchte der Butler sich nicht weiter zu kümmern denn Lady Agatha war bereits auf ihre unverwechselbare Art und Weise aktiv geworden. Da auch sie ihren Pompadour nicht bei sich hatte, be nutzte sie die Spitze ihres rechten derben Schuhs. Der zweite Mann jaulte erstickt auf, als sein Schien bein getroffen würde. Er verbeugte sich unwillkürlich vor der älteren Dame, die die gute Gelegenheit nutzte, ihm einen Stoß zu verabreichen. Er genügte, um den Mann auf der anderen Seite des Wagens ins Gebüsch zu befördern. Dort blieb er benommen liegen und rang nach Luft. »Sie konnten die ganze Zeit über ihre Hände
bewegen?« entrüstete sich Lady Simpson. Ihr ausge prägter Busen, den sie als Waffe eingesetzt hatte, wog te. »Selbstverständlich habe ich mir erlaubt, Mylady 'still schweigendes Einverständnis vorauszusetzen«, gab Jo suah Parker zurück, während er die beiden Maschinen waffen einsammelte, »nur so war es möglich, daß Myla dy das Geschäftsprinzip des Mr. „Goldhelm« in Erfah rung bringen konnten.« »Ach ja.« Sie nickte. »Nun gut, Mr. Parker, das war tatsächlich meine Absicht. Man muß ja schließlich wis sen, worum es geht. Aber jetzt möchte ich endlich los gebunden werden.« Aus einer seiner vielen Westentaschen holte Parker ein flaches Taschenmesser und brauchte nur wenige Sekunden, bis die Lady ihre Hände wieder frei bewegen konnte. Um ihre Funktion auszuprobieren, befaßte sie sich noch mal kurz mit dem Mann, den sie ins nahe Ge sträuch befördert hatte. Der Gangster hatte seine Be nommenheit fast abgeschüttelt und wollte aus den Zweigen heraus. Die Ohrfeige, die er von Lady Agatha erhielt, reichte vollkommen, ihn noch tiefer ins Gesträuch zu beför dern. Agatha Simpson wischte sich symbolisch die Handflächen ab und wandte sich dann wieder ihrem Butler zu. »Was werde ich jetzt tun?« fragte sie, »ich habe große Lust, mich mit diesem Mr. „Goldhelm« zu unterhal ten.«
»Eine Absicht, die man voll und ganz unterstützen kann, Mylady«, gab der Butler zurück, »verfügen Sie über meine Wenigkeit.« Mylady nahm eine der Maschinenpistolen an sich und stürmte los. Sie war fest entschlossen, den Gangsterboß zu stellen und ihn auf ihre eigene, unverwechselbare Art zur Rede zu stellen. Parker folgte unmittelbar, um Schaden von ihr abzuwenden. Er kannte das Tempera ment seiner Herrin. Der Butler stand dicht hinter der Lady, die inzwischen die untere Terrasse erreicht hatte. Im Haus brannte kein Licht. Es machte sogar einen völlig unbewohnten Eindruck. »Wenn Sie gestatten, Mylady, wird meine Wenigkeit die Lage sondieren«, schlug er vor und setzte sich so fort in Bewegung, bevor ein Protest möglich war. Par ker pirschte sich an jene Terrasse heran, über die man das Innere der Villa erreichte. Die beiden großen Türen waren geschlossen. Er hörte vorn in Richtung Straße das diskrete Aufrauschen eines starken Motors, ging ums Haus herum und sah gerade noch im Mondlicht, wie ein weißer Mercedes anfuhr. Selbstverständlich konnte Parker nicht das Feuer auf diesen Wagen eröffnen. Möglich, daß der sogenannte »Goldhelm« in ihm saß, doch sicher war es nicht. Par ker machte aber den kleinen Citroen-Kastenwagen aus. Vorn auf dem Fahrersitz glühte eine Zigarette. Butler Parker näherte sich diesem Fahrzeug, um dem Fahrer einige gezielte Fragen zu stellen, die den »Gold
helm« betrafen. Illusionen machte er sich allerdings nicht. Dieser Kleingangster hatte wohl kaum eine Ah nung, wie und wo sein Chef wohnte. *** »Da sind Sie ja endlich«, sagte ein sehr agil wirkender, schwarzhaariger Mann, der um die vierzig sein mochte. Er stellte sich als Inspektor Telemonos vor. Sicherheits halber erkundigte er sich dann doch noch, ob er das Vergnügen habe, Mylady und Mr. Parker vor sich zu se hen. »Sie sehen eine empörte Lady Simpson vor sich«, er widerte die ältere Dame, die sofort zum Angriff über ging, bevor der Inspektor weitere Fragen stellen konn te, »wieso konnte man es nicht verhindern, daß ich quasi entführt wurde!?« »Sie wurden entführt, Mylady?« Inspektor Telemonos sah die entrüstete Britin verwirrt an, »war es nicht so, daß Sie vor dem Erscheinen der Polizei in der Privatkli nik weggefahren sind?« »Papperlapapp, mein Bester«, gab sie zurück, »es war eine halbe Entführung, doch ich werde Ihnen noch mal verzeihen.« »Sie wollen mir verzeihen?« Telemonos schluckte und sah die Lady konsterniert an. »Äh, nun gut, wer bitte, hat Sie entführt? Was ist passiert? Ich bitte um Einzel heiten.« »Wenden Sie sich an Mr. Parker«, sagte die Detekti
vin, »ich fühle mich zu erschöpft. Sie wollen doch wohl nicht die körperliche Notlage einer hilflosen Frau aus nutzen, wie?« »Aber nein, natürlich nicht, Mylady.« Der Inspektor sprach ein gutes Englisch, was die Verständigung er leichterte. »Dann werde ich Sie morgen vielleicht ver nehmen.« »Hoffen Sie, junger Mann«, gab sie zurück und ging zum Fahrstuhl des Hotels. Der Grieche sah ihr beein druckt nach, um sich dann an den Butler zu wenden. »Ich denke, Sie haben mir viel zu erzählen«, schickte er voraus, »Sie haben Kontakt mit dem „Goldhelm« be kommen?« »Einen ungemein engen und intensiven, Sir«, entgeg nete der Butler, »darf ich mir erlauben, Sie in Myladys Namen zu einer Erfrischung einzuladen?« »Ich glaube, die brauche ich jetzt, Mr. Parker. Lady Simpson ist eine - nun, sagen wir - recht ungewöhnli che Frau, nicht wahr?« »Sie haben selbstverständlich bereits Erkundigungen über Mylady und meine Wenigkeit eingezogen?« »Ich bin mit einem Chief-Superintendent McWarden im Yard verbunden worden«, erklärte Telemonos, »hier sind übrigens auch noch meine Dienstausweise.« Parker schaute sie sich genau an und führte den In spektor dann in die Hotelbar. Sie nahmen in einer Ni sche Platz. Parker erzählte dem Inspektor das, was er glaubte, ihm erzählen zu müssen. »Der „Goldhelm« also«, meinte Telemonos danach und nickte schwer,
»dieser Name ist uns nicht gerade unbekannt. Sie wis sen nicht, wie die anderen Gangster sich nannten?« »Die Namen dieser Statisten dürften unwichtig sein«, meinte Parker, »zudem wurden Namen nicht genannt.« »Aber Sie müßten doch wissen, wie dieser Mann heißt, der den > Goldhelm < bestohlen hat.« »Ein Name fiel in der Tat, doch meine Wenigkeit sah sich nicht in der Lage, ihn zu merken«, bedauerte Par ker, leicht schwindelnd, »Sie werden ihn inzwischen si cher kennen. Wurde dieser Mann nicht nach der Schußverletzung im Garten der Privatklinik in ein Hos pital verbracht?« »Der Mann ist tatsächlich nur ein kleiner Gauner, der durch Zufall eine Riesenaffäre ausgelöst hat«, bestätig te Inspektor Telemonos, »um es gleich vor wegzunehmen, Mr. Parker. Er hat gestanden, wo er die Statuetten versteckt hat.« »Sie konnten demnach bereits den Goldschatz bergen und sicherstellen?« »Eben nicht. Das Versteck war geräumt worden.« »Sollte der Gangster namens >Goldhelm< dies bereits geschafft haben?« wunderte sich Josuah Parker. »Kaum«, meinte Inspektor Telemonos, »dann hätte er Lady Simpson und Sie ja nicht entführt.« »Eine Schlußfolgerung, die man nur als logisch be zeichnen kann«, erwiderte Josuah Parker höflich, »demnach dürfte der kleine Gauner, wie Sie ihn zu nennen belieben, Sie belogen haben.«
»Das glaube ich ebenfalls nicht«, wandte Inspektor Telemonos ein, »ich nehme an, daß sein Freund es ge tan hat.« »Nach dem sicher bereits gefahndet wird, oder?« »In ganz Athen haben wir eine Razzia ausgeschrieben«, sagte der Inspektor, »es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn erwischt haben. Und diese Razzia werde ich jetzt auf den „Goldhelm« ausdehnen lassen.« »Gibt es einen bürgerlichen Namen für diesen Gangs ter, Sir?« »Er heißt Stefanos Smyrnos«, gab der Inspektor zu rück, »Sie und Lady Simpson Würden vor Gericht ge gen ihn aussagen? Sie könnten ihn identifizieren?« »Könnten Sie meiner Wenigkeit eine, wenn auch flüchtige Beschreibung der Person dieses Gangsters lie fern, Sir?« »Etwa fünfzig Jahre alt, weißblondes Haar, mittelgroß und schlank.« »Mit solch einem Mann wurden Lady Simpson und meine Wenigkeit in der Tat konfrontiert«, sagte Parker und nickte andeutungsweise, »darf man fragen, warum eine solch außerordentlich bekannte Figur der Unter welt bisher nicht gestellt und überführt werden konnte?« »Weil wir ihm bisher nichts nachzuweisen vermoch ten, Mr. Parker. So schrecklich einfach ist das. Wir sind schon seit Jahren hinter diesem Stefanos Smyrnos her, doch er wies immer wieder wasserdichte Alibis vor.
Dieser „Goldhelm« ist gerissen.« »Und arbeitet auf welchen Gebieten seiner Unterwelt branche, Sir?« »Antiquitätenschmuggel, Versicherungsbetrug, aber das in großem Stil, verstehen Sie?« »Leider vermag ich dieser Andeutung nicht ganz zu folgen«, bedauerte der Butler. »Er inszeniert Schiffsunfälle mit Totalverlust, läßt Häuser abbrennen, setzt Wälder in Brand, damit man bisher nicht bebaubare Bezirke endlich bebauen darf, und schmuggelt Gold.« »Ein Gangster, den man nur als im negativen Sinne vielseitig bezeichnen kann und muß.« »Darauf können Sie sich verlassen, Mr. Parker. Ich brenne darauf, ihm endlich das Handwerk legen zu können. Sie wären wichtige Augenzeugen für mich.« »Verfügen Sie über Mylady und meine Wenigkeit«, wiederholte der Butler noch mal, »darf ich fragen, ob Ihnen im Zusammenhang mit Stefanos Smyrnos eine junge Frau bekannt ist, die blondes Haar besitzt und grüne Augen?« . »Die schöne Helena«, lautete die spontane Antwort des Inspektors. »Bitte, was sollte man sich darunter vorstellen, Sir? Handelt es sich um die Tochter des >Goldhelms« »Aber nein, Mr. Parker, sie ist seine Freundin und Vertraute. Glauben Sie mir, sie ist vielleicht noch raffi nierter als der „Goldhelm«. Und wohl auch be denkenloser, was die Wahl der Mittel angeht.«
Parker informierte sich ausgiebig, und Inspektor Tele monos merkte nicht, wie nachdrücklich er ausgefragt wurde. Als er dann endlich seinerseits gezielte Fragen stellen wollte, erinnerte sich der Butler an eine ehema lige Zisterne. »Sie werden darin drei sogenannte Gangster-Statisten finden«, schloß der Butler seinen Hinweis, »ich war so frei, sie auf Anweisung der Lady dort unterzubringen. Es empfiehlt sich meiner bescheidenen Ansicht nach, diese drei Männer zu bergen, wenn ich so sagen darf.« »Und das sagen Sie mir erst jetzt?« Der Inspektor wischte aus seinem Sessel und wirkte verärgert. »Sie haben es, falls Ihnen dies entgangen sein sollte, mit einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann zu tun, der die Mitte seines Lebens überschritten hat«, erklärte Josuah Parker, »daraus resultieren zwangsläufig gewisse Ausfallerscheinungen, wie ich be kennen möchte und muß.« Telemonos analysierte diesen Satz noch, als er bereits in seinem Streifenwagen saß. *** Josuah Parker hatte sich niedergelegt. Es war inzwischen weit nach Mitternacht, doch er glaubte nicht daran, daß der sogenannte »Goldhelm« Ruhe geben würde. Mit einiger Sicherheit wußte dieser Gangster inzwischen, was sich zugetragen hatte. Dieser wohl eitle Mr. »Goldhelm« würde alles daransetzen,
sich für seine Niederlage zu rächen. Vor rund andert halb Stunden hatte der Gangster noch geglaubt, alle Fä den fest in der Hand zu halten, und nun waren diese Hände leer. Für Stefanos Smyrnos mußte das ein uner träglicher Zustand sein. Das internationale Hotel bot im Endeffekt kaum Schutz. Ein Gangster wie dieser Stefanos Smyrnos wür de leicht Mittel und Wege finden, Handlanger in dieses Haus einzuschleusen. Diese Gangster sahen dann be stimmt nicht wie Schurken aus, wie sie im Film auf traten. Sie kamen sicher als seriöse Gäste angereist und konnten sich teure Zimmer mieten. Um Lady Agatha vor Schäden zu bewahren, hatte Par ker einige Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Er kann te den festen Schlaf seiner Herrin, neben deren Bett man eine Kanone abfeuern konnte, ohne daß sie wach wurde. Wenn sie meditierte, wie sie ihren Schlaf pau schal nannte, tat sie es stets gründlich. Parker ging ohnehin davon aus, daß etwaige Besucher sich erst mal mit ihm befassen würden. Der Gangster, der sich »Goldhelm« nannte, hatte sich bei Freunden in London erkundigt und wußte inzwischen, daß der Weg zu Lady Simpson wohl nur über ihn führte. Ent sprechend hatte der Butler seine Taktik eingerichtet. Er verfügte im Gegensatz zu Lady Agatha über einen sehr leichten Schlaf. Und aus ihm erwachte er, als er an seiner Zimmertür ein irreguläres Geräusch hörte. Par ker griff nach seiner Kugelschreiber-Taschenlampe und schaltete sie ein. Ein scharf gebündelter Lichtstrahl
schnitt seinen Weg durch das dunkle Zimmer und leuchtete ein Stück Papier aus, das er oben auf den Tür knauf gelegt hatte. Dieser Papierfetzen segelte gerade lautlos zu Boden, ein sicheres Zeichen dafür, daß der Türknauf bewegt worden war. Nach Parkers Rechnung versuchte man nun, das Schloß zu öffnen. Es handelte sich um ein altmodisches Schloß, wie er bereits festge stellt hatte. Und es gab Mittel und Wege, den Schlüssel aus dem Schloß zu schieben, ohne ihn zu Boden fallen zu lassen. Mittels einer langen, sehr flachen Zange oder auch Pinzette konnte man den Schlüssel aus dem Schloß drücken und frei in der Schwebe halten. Mit ei nem entsprechenden Nachschlüssel war es dann eine Kleinigkeit, das Schloß aufzusperren. Genau nach diesem Verfahren ging man jenseits der Tür vor. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Schlüssel, der sicher nicht leichtgewichtig war, wie durch Zauberei aus dem Schlüsselloch kam, um dann frei in der Schwebe zu bleiben. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis ein Dietrich ins Schloß einge führt wurde.. Parker, der inzwischen unhörbar aufgestanden war, machte sich daran, gewisse Abwehrmaßnahmen zu er greifen. Die dazu passenden Vorbereitungen hatte er bereits erledigt, bevor er sich niedergelegt hatte. Er nahm einen kleinen ballähnlichen Gegenstand vom Nachttisch, der in eine lange Kanüle aus Kunststoff überging, deren Durchmesser mit der einer Zigarette identisch war. Er führte das flach gedrückte Mundstück
ins Schlüsselloch und drückte herzhaft auf den Gummi ball. Sekunden später war draußen vor der Tür ein erst un terdrücktes, dann bellendes Husten zu vernehmen, das in ein Stakkato von Nieslauten überging. Man hörte un terdrücktes Fluchen, dann Stöhnen und schließlich das Umfallen eines größeren Gegenstandes. Parker wartete noch, bevor er die Tür öffnete. Er kannte die Wirkung des Reizstoffes, das aus seinem Privatlabor stammte, nur zu gut. Als seiner Ansicht nach dieser Reizstoff seine Wirkung voll entfaltet hatte, schob Parker seine Klemme über die Nase und setzte sich eine Art Taucherbrille auf. Er öffnete höflich die Tür und hatte drei Männer vor sich, die ihn allerdings nicht sahen. Sie schnieften, als seien sie völlig ver schnupft, fuchtelten wie blind mit ihren Armen und Händen in der Luft herum und folgten der herzlichen Einladung des Butlers, ihm doch Gesellschaft zu leis ten. *** »Auf die besonders leichte Schulter sollten Sie die Rei zung Ihres Augenlichtes nicht nehmen«, sagte Parker zu einem der drei nächtlichen Besucher, »falls Sie sich nicht fachärztlich behandeln lassen, könnten sich ge wisse Komplikationen einstellen.«. Der Mann saß heulend wie ein Schloßhund in einem Sessel und hielt ein Papiertaschentuch vor seine Augen,
das aus Parkers Privatbesitz stammte. Die beiden ande ren Besucher befanden sich im Badezimmer und hatten keine Chance, störend eingreifen zu können. Noch hat te Josuah Parker Lady Simpson nicht aus ihrer Medita tion geholt. Sie hielt sich immer noch in ihrer Suite auf. »Was ... Was haben Sie uns da in die Augen gespritzt?« stöhnte der Mann. Er mochte etwa fünf unddreißig sein, war untersetzt und hatte einen kleinen Bauch. Er verfügte allerdings nicht mehr über das dolchartige Messer, das Parker ihm weggenommen hat te. Und er konnte auch nicht mehr über die Automatik verfügen, die mit einem langen, modernen Schalldämp fer versehen war. »Es handelt sich um eine Art Kampfstoff aus meinen privaten Beständen«, übertrieb Josuah Parker maßlos. Er wußte selbstverständlich, daß mit einer wirklichen Schädigung der Augen nicht zu rechnen war, »aber widmen wir uns doch Ihrem Auftrag, der Sie hierher ins Hotel geführt hat.« »Ich ... Ich muß das falsche Zimmer erwischt haben«, erklärte der Mann in schlechtem Englisch. »Hoffentlich bestehen Sie nicht darauf, daß ich Ihnen das glaube«, antwortete Parker, »Sie und Ihre beiden Begleiter sind mit letzter Sicherheit von einem Mann geschickt worden, der sich „Goldhelm« nennt.« »„Goldhelm«? Kenne ich nicht.« »Das macht nichts, Sie werden sich erinnern«, meinte Josuah Parker, »ich werde Sie zu Ihren Freunden ins Bad schicken. Dort können Sie über diese Frage in aller
Ruhe nachdenken.« »Und ... meine Augen?« »Sie werden meine Wenigkeit sicher nicht für grausam halten, wenn ich Ihnen mitteile, daß mich ihre Augen nur peripher kümmern«, lautete die Antwort des But lers, »immerhin war es Ihre Absicht, Waffengewalt an zuwenden, was meine Person betrifft.« »Was wollen Sie wissen? Sagen Sie's schon endlich! Ich will zu einem Arzt.« »Zu einem Polizeiarzt, damit kein Mißverständnis auf kommt.« »Das ist mir doch egal, Hauptsache, ich komm' zu ei nem Arzt.« »Wo wartet der „Goldhelm« zur Zeit auf das Ergebnis Ihrer nächtlichen Exkursion?« erkundigte sich der But ler. Der Mann wischte sich wieder mal Krokodilstränen aus den Augen und bequemte sich dann, Parkers Fra gen zu beantworten. *** »Werden diese drei Subjekte mir auch nicht entwi schen?« fragte die ältere Dame. Sie barst förmlich vor Tatendrang und saß auf dem Beifahrersitz des Lan d-Rover, den Parker durch die um diese Zeit fast men schenleeren Straßen steuerte. »Ich folgte dem Wunsch der drei Beteiligten, die nach einem Gegenmittel dringend verlangten, Mylady«, ant wortete Parker, »um psychische Fehlreaktionen zu ver
meiden, war ich so frei, diesem angeblichen Gegenmit tel einige Schlaftabletten beizumischen.« »Hoffentlich sind Sie damit nicht zu sparsam umge gangen«, sorgte sich Lady Simpson. »In solchen Fällen sollten Sie niemals Ausgaben scheuen.« »Der Schlaf der drei erwähnten Besucher wird tief und von einiger Dauer sein«, gab der Butler zurück, »In spektor Telemonos wird selbst gegen Mittag dieses be reits begonnenen Tages Schwierigkeiten haben, sie zu verhören. « »Hoffentlich erwische ich diesen „Goldhelm« und sei ne schöne Helena«, wünschte Lady Agatha, »glauben Sie, daß dieser Lümmel Ihnen die Wahrheit gesagt hat?« »Dies, Mylady, wird sich wohl nach zehn Minuten er weisen. Meiner bescheidenen Ansicht nach dürfte man die erwähnte und genau beschriebene Villa bald er reicht haben.« »Und vielleicht in einer Falle landen, Mr. Parker. Ha ben Sie daran schon mal gedacht?« »In der Tat, Mylady! Der Ortsteil Ilysia wird bald er reicht sein.« »Und dort soll der ständige Wohnsitz des >Gold helms< sein?« »Eine seiner Villen, die über die ganze Stadt und die Außenbezirke verstreut sein sollen, Mylady.« »Ich drücke mir die Daumen.« Die Detektivin nestelte an ihrem eigen willig aussehenden Hut, der an einen etwas verunglückten Napfkuchen erinnerte und von ei
nigen Nadeln im Haar festgehalten wurde. Diese Na deln hätten sich, was ihre Länge betraf, durchaus als kleine Bratspieße verwenden lassen. Sie waren zudem spitz und chemisch behandelt. Falls die Lady damit zu stieß, löste sie entweder ein plötzliches Schlafbedürfnis aus, oder aber hochallergische Reaktionen. Sie brauch te zwischen diesen Hutnadeln nur entsprechend zu wählen. Parker hatte den östlichen Vorort am Fuß des Berges Evzonas inzwischen erreicht und minderte das Tempo. Er hatte sich die Lage der Villa genau beschreiben las sen und brauchte nicht lange zu suchen, bis er das Grundstück fand. »Dort scheint man eine Siegesfeier zu veranstalten«, grollte Agatha Simpson, als Parker diskret auf ein großes Haus deutete, das von einer hohen Mauer um geben war. »Wahrscheinlich glaubt dieses Subjekt von einem „Goldhelm«, ich hätte bereits das Zeitliche ge segnet.« »Die Zahl der parkenden Wagen in der Auffahrt läßt solch einen Schluß durchaus zu«, erwiderte Parker, »in Anbetracht dieser Tatsache werden Mylady sicher die Taktik ändern.« »Aber natürlich.« Sie wirkte sehr animiert. »Ich werde diesen Flegel öffentlich bloßstellen und bis auf die Kno chen blamieren.« »Mr. Stefanos Smyrnos wird im Kreis Gleichdenken der feiern, Mylady.« »Dann werden auch diese Leute eine Lady Simpson
kennenlernen.« »Viele Schakale, Mylady, sind der Tod der Löwin«, sagte Butler Parker, »es handelt sich um eine alte afri kanische Volksweisheit, falls meine Erinnerung nicht trügt.« »Sie sind gegen diesen Besuch?« fragte sie empört. »Nur, falls Mylady eine andere Version vorschlagen sollten.« »Nun ja«, sie wirkte ein wenig ratlos, »was könnte mir denn da einfallen, Mr. Parker? « »Mylady denken sicher an einen Auftritt, der Rätsel, Staunen, Verblüffung und schließlich Unsicherheit zu rückläßt.« »Das denke ich tatsächlich«, tat sie überrascht und er staunt, »wie gut Sie mich inzwischen schon kennen. Und was werde ich tun?« »Diese teuren Wagen dort, dürften sogenannte Status symbole der Gäste des Mr. „Goldhelm« sein«, schickte Parker voraus, »sein Ansehen wird immens sinken, falls man diese Fahrzeuge im übertragenen, vielleicht aber auch konkreten Sinne ankratzt.« »Sehr schön, Mr. Parker«, lobte sie, »ich denke, dazu wird mir einiges einfallen!« *** Josuah Parker hatte den Land-Rover verlassen und stand vor der Auffahrt, die zum Haus führte. Erst jetzt konnte er genau sehen, wie viele Luxuswagen hier ver
sammelt waren. Alle europäischen Nobelmarken waren mit Sonderausführungen vertreten. Stefanos Smyrnos, der „Goldhelm«, schien die Creme der Unterwelt zu sich geladen zu haben, um ein rauschendes Fest zu fei ern. Links vom Haupthaus befand sich noch ein Park platz, auf dem diese Wagen in dichter Folge standen. Parker konnte sich leicht ausrechnen, daß die Fahr zeuge und auch das Haus von ausgesuchten Spezialis ten bewacht wurden. Ein Gangsterchef wie der »Gold helm« war nicht der Mann, der ein unnötiges Risiko einging. Er schien diese nächtliche Party übrigens zu feiern, um später ein Alibi vorweisen zu können. Parker verzichtete auf alle Heimlichkeiten. Gemessen und würdevoll, als nähere er sich dem Buckingham-Pa last, schritt er auf die ersten Wagen zu. Sein UniversalRegenschirm hing korrekt am angewinkelten linken Unterarm. Die schwarze Melone saß fest auf dem Kopf. Schon nach wenigen Schritten erschienen zwei Gestal ten vor ihm, die hinter Sträuchern vorkamen, die bei derseits die Auffahrt säumten. Parker reagierte auf sei ne unverwechselbare Art, lüftete höflich die schwarze Melone und blieb abwartend stehen. Er setzte darauf, daß man gerade ihn hier keineswegs vermutete. Er wurde in griechischer Sprache angeredet und wahr scheinlich gefragt, wer er war und ob er eine Einladung vorzuweisen habe. Parker erwiderte in seiner Mutter sprache und griff in die linke Außentasche seines schwarzen Zweireihers. Die beiden Männer kamen neugierig näher heran und begaben sich damit leicht
sinnigerweise in die Reichweite des Regenschirmes. »Das hier ist privat«, sagte der Mann, der links vor ihm stand. Er sprach ein recht gutes Englisch. »Vielen Dank für diesen freundlichen Hinweis«, gab Josuah Parker zurück und ... tippte mit dem bleigefüt terten Griff seines Regendaches auf die Stirn des ver dutzten Mannes, der ihn sofort aus großen Augen mus terte und dann sein Gleichgewicht verlor. Der zweite Mann war sehr schnell, wollte wohl seine Schußwaffe ziehen, war aber im Endeffekt doch nicht schnell genug. Parker hatte seine Kopfbedeckung gelüf tet und brachte die Wölbung der Melone mit der ausge prägten Nase des Mannes in Kontakt. Der Getroffene schluchzte auf, vergaß seine Waffe und griff erst mal nach seinem Riechorgan, das ein wenig verstaucht schi en. Er bekam überhaupt nicht mit, daß der Bambusgriff des Regenschirmes zu seiner Stirn wischte. Parker räumte auf, er war schließlich ein korrekter Mensch. Er zog die beiden Männer hinter einen Strauch und verwandte Leukoplast, um diese Außen wärter schnell und gründlich zu fesseln. Zwei Streifen Heftpflaster sorgten dafür, daß spätere Unmutsäuße rungen nicht laut werden konnten. Josuah Parker suchte nach weiteren Männern, vor al len Dingen nach möglichen Fahrern der Luxuskaros sen. Doch diese Männer befanden sieh wohl in einem einstöckigen Seitentrakt des Anwesens, um sich hier zu entspannen. Parker vergewisserte sich, daß dies den Tatsachen entsprach. Er entdeckte etwa acht Männer,
die alle eine Art Livree oder Dienstuniform trugen. Sie saßen um einen Tisch herum und spielten Karten. Dies mußten die Fahrer sein, die sich die Zeit vertrieben. Ein Radio plärrte und schuf eine günstige Geräuschkulisse. »Wie weit bin ich, Mr. Parker?« erkundigte sich die äl tere Dame, zu der Parker zurückgekommen war. »Man könnte durchaus mit gewissen Maßnahmen be ginnen, Mylady«, erklärte der Butler, »wenn Sie»erlau ben, werde ich mich mit den Motoren befassen.« »Und ich mit den Reifen und dem Lack«, sagte sie, »die Gäste des Mr. »Goldhelm« werden Herzinfarkte bekommen.« Sie ging methodisch vor und ruinierte die Reifen der Luxuswagen. Lady Agatha benutzte dazu eine ihrer Hutnadeln. Und jetzt zeigte sich, welch erstklassiges Material diese kleinen Bratspieße repräsentierten. Sie gingen durch die Flanken der Reifen wie durch weiche Butter. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis ein fei nes Zischen zu vernehmen war. Selbst die Grillen, die reichhaltig vertreten waren, schwiegen beeindruckt oder waren irritiert. Geräusche dieser Art waren ihnen fremd. Der Butler hatte ebenfalls keine Schwierigkeiten, seine Absichten in die Tat umzusetzen. Er öffnete die Motor hauben, wobei es ihm zustatten kam, daß die Luxuswa gen auf dem Privatgrundstück natürlich nicht ver schlossen waren. Er stellte die Motorhauben hoch und bastelte an den Zündungen und Verteilern herum. Le benswichtige Einzelteile dieser Anlagen trug er dann
zusammen und brachte sie zu einem Brunnen, der einen kleinen Vorgartenteich speiste. Diskret ließ er hier die diversen Gegenstände verschwinden. »Ich komme mir zwar ziemlich albern vor«, sagte die Detektivin später, als sie mit Parker zurückging zum Land-Rover, »aber Spaß hat's gemacht.« »Mylady setzen zu Recht auf das psychologische Mo ment«, erwiderte der Butler, »die Gangster werden, wenn man so sagen darf, zutiefst beeindruckt sein.« *** Inspektor Telemonos strahlte. Es war gegen 11 Uhr, als er in der Suite der Agatha Simpson erschien. Parker war gerade dabei, seiner Herrin das Frühstück zu servieren. Da sie nach wie vor auch in Athen auf strenge Diät hielt, begnügte sie sich mit einigen Scheiben Speck, der kroß gebraten war, mit einer mittelgroßen Portion Rührei, einem kleinen Steak und geeister Melone, in die man Parma-Schinken ge bettet hatte. Dazu verspeiste sie frisches Backwerk und Brot und trank starken Kaffee. »Ich würde Sie ja gern einladen, Inspektor«, versi cherte Lady Agatha dem Besucher und deutete auf den Frühstückstisch, »aber mit Resten möchte ich Sie auf keinen Fall abspeisen.« »Ich bin bereits beschenkt, Mylady«, erwiderte Tele monos lächelnd, »die drei Gangster aus Mr. Parkers Badezimmer standen schon lange auf meiner Liste.
Jetzt habe ich sie endlich festnehmen können.« »Sie gehören zur Bande dieses Mr. Stefanos Smyrnos, Sir?« fragte Parker. »Zu seinem engen Kreis«, bestätigte der griechische Kriminalist, »diesen Verlust wird Smyrnos nicht leicht verschmerzen. Sie streiten übrigens hartnäckig ab, daß sie gewaltsam in Ihr Hotelzimmer eindringen wollten, Mr. Parker.« »Die Tatsachen werden hoffentlich ihre eigene, unver wechselbare Sprache sprechen«, meinte der Butler. »Sie sitzen in der Falle«, erwiderte der Kriminal-In spektor, »aber machen Sie sich darauf gefaßt, da Smyr nos alles daransetzen wird, sich zu rächen.« »Mylady hat sich bereits darauf eingerichtet«, erklärte Parker, »darf man sich nach dem Befinden jenes Man nes erkundigen, der im Garten des Dr. Georgios nieder geschossen wurde?« »Der Mann befindet sich zwar nicht mehr in Lebens gefahr, aber es geht ihm noch schlecht. An eine Verneh mung war bisher nicht zu denken.« »Die Identität aber konnte festgestellt werden, mein lieber Inspektor?« schaltete sich die ältere Dame unge wöhnlich freundlich ein. »Das alles haben wir jetzt inzwischen auf dem Tisch«, sagte Telemonos und nickte, »es stimmt, daß dieser kleine Gauner tagsüber sogenannte Grabungsfunde auf der Akropolis verkaufte und die Touristen übers Ohr haute.«
»Wie kann einem nur so etwas passieren«, mokierte sich Lady Agatha prompt, »aber lassen wir das, mein Bester. Dieser Mann war und ist ein Einzelgänger?« »Er arbeitete fast immer mit einem Partner zusam men, der dann als Käufer auftrat und die jeweiligen Preise hochtrieb. Darüber hinaus ist der Angeschossene mit einer Frau befreundet, die auch hin und wieder an gebliche Altertümer anzubieten hat. Sie wandte sich vor allen Dingen an Bildungstouristen, verstehen Sie?« »Nicht ein Wort«, gestand Agatha Simpson. »An Touristen,, die das Land der Griechen mit der Seele suchen, Mylady«, warf Josuah Parker ein, »eine gängige Floskel, die vor allen Dingen im deutschspra chigen Raum immer wieder gern verwendet wird.« »Aha.« Agatha Simpson nickte betont und sicherheits halber, obwohl sie kein Wort verstanden hatte. »Es handelt sich um Touristen mit klassischer Bil dung«, interpretierte der Inspektor, »sie sind beson ders anfällig, wenn man ihnen Grabfunde aus dem Al tertum zeigt.« »Darf man fragen, Sir, wie diese junge Frau heißt und wo sie zu finden ist?« »Mit dem Namen und der Adresse werden Sie kaum etwas anfangen können, Mr. Parker«, antwortete Tele monos, »die junge Frau hat sich abgesetzt, wie's eigent lich zu erwarten war. Möglich, daß sie sich mit dem Freund des Angeschossenen zusammengetan hat.« »Ist Ihre Razzia für den Raum Athen auch auf diese junge Frau ausgedehnt worden?« mischte sich Agatha
Simpson ein. »Selbstverständlich. Wir kämmen die Stadt und ihre Außenorte durch, Viertel um Viertel. Es geht ja immer hin auch um eine beträchtliche Menge Gold.« »Der Name dieser jungen Frau könnte möglicherweise doch noch recht wertvoll sein, Sir«, meinte Parker. »Sie heißt Christina Palladion, Mr. Parker, aber sie be nutzt natürlich auch noch andere Namen.« »Jetzt würde Mylady gern auch den Namen dieses ob skuren Freundes erfahren.'« »Stavros Pentheklis«, gab der Inspektor Auskunft, »aber Sie wissen ja, daß auch er sich abgesetzt hat. Ich glaube, daß die beiden Personen die Stadt längst verlas sen haben. Vergessen Sie nicht, daß auch der >Gold helm< eine Razzia ausgeschrieben haben wird... Es geht schließlich um ein Vermögen, das man ihm ge stohlen hat. Ich möchte nicht in der Haut von Christina Palladion oder Stavros Pentheklis stecken. Sie werden keine ruhige Minute mehr haben.« »Ihr wunderschönes Land verfügt über eine Unzahl von Inseln, Sir«, erinnerte der Butler. »Und der „Goldhelm« verfügt über eine Unzahl von Agenten und Mitarbeitern«, lautete die Antwort des In spektors, »diese Leute sind längst alarmiert worden und werden ununterbrochen nach diesen beiden Perso nen Ausschau halten. Wie man auch hinter Mylady und Ihnen her sein wird. Könnten Sie sich nicht entschlie ßen, Athen zu verlassen? Eine Garantie für Ihre Sicher heit und Ihr Leben kann ich nicht geben.«
»Ein „Goldhelm« wird mich nicht dazu bringen, Ihr Land gegen meinen Willen zu verlassen, junger Mann«, meinte Lady Agatha, »aber Sie können beruhigt sein, daß ich diesen Goldschatz wieder herbeischaffen wer de. Und den „Goldhelm« natürlich dazu. Dieser Gangs ter ahnt noch nicht mal, was da auf ihn zukommt.« Bevor der Inspektor antworten konnte, klingelte das Telefon. Parker hob ab und nannte seinen Namen. Auf der Gegenseite war erst mal ein Räuspern zu verneh men, dann hörte man die Stimme des Mr. »Goldhelm«. »Bisher habe ich noch Rücksicht genommen«, sagte Stefanos Smyrnos, dessen Stimme vor unterdrückter Empörung deutlich vibrierte, »aber jetzt ist die Schon zeit vorüber, Mr. Parker.« »Könnte es möglich sein, Mr. Smyrnos, daß Sie sich im Zustand der Erregung befinden?« erkundigte sich Parker. »Ich weiß genau, wer mir diesen Streich auf meinem Grundstück gespielt hat«, redete Smyrnos weiter, »was Sie da getan haben, werde ich Ihnen niemals verzei hen.« »Was könnte Ihren momentanen Unmut ausgelöst ha ben?« wollte Josuah Parker wissen. »Sie haben die ganzen Wagen ruiniert«, brüllte der »Goldhelm«, »Sie haben mich lächerlich gemacht, ver stehen Sie? Sie haben mich zum Gespött meiner Gäste gemacht. Das, Mr. Parker, werde ich Ihnen nicht ver zeihen! Jetzt geht es nicht mehr um die Statuetten aus Gold, jetzt ist daraus eine persönliche Sache zwischen
uns geworden ...« »Sollten Ihre Freunde und Gäste Verteilerkappen, Zündkabel und sonstiges Kleinzeug vermissen, so wer den Sie es in Ihrem hübschen Teich finden. Ich hoffe, Ihnen mit diesem Hinweis gedient zu haben.« Parker legte auf und wandte sich wieder Inspektor Te lemonos und Lady Simpson zu. »Ärgert er sich? « fragte die alte Dame, die sehr wohl verstanden hatte. »Mr. Stefanos Smyrnos dürfte einem Vulkan gleichen, Mylady, der kurz vor dem Ausbruch steht«, lautete Parkers Antwort. *** »Ich glaube, Mr. Parker, dieser Tag hat eine positive Bestrahlung für mich«, stellte Lady Simpson eine Stun de später fest, »ich sollte etwas unternehmen.« »Mylady denken an bestimmte Aktivitäten?« erkun digte sich Parker. »Ich werde weiter an der Goldauflage dieses Mr. Smyrnos kratzen«, sagte sie, »jeder meiner Schritte wird doch hoffentlich überwacht, oder?« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady. Mr. > Goldhelm < wird sein ganzes Sinnen und Trachten nur darauf konzentrieren, Mylady in sei ne Gewalt zu bringen.« »Sehr schön, dann werde ich eine Ausfahrt in die nä here Umgebung unternehmen«, entschied sie, übrigens
ganz im Sinn des Butlers, »machen Sie mir ein paar nette Vorschläge, Mr. Parker. Ich bin sicher, daß Sie den Stadtplan genauestens kennen.« »In etwa, Mylady«, bestätigte Parker, »könnten Myla dy sich eventuell entschließen, in Kifissia Wohnung zu nehmen?« »Was stelle ich mir darunter vor?« wollte sie wissen und sah ihn mißtrauisch an. »Es handelt sich um einen vielgerühmtem Vorort, Mylady, der einer einzigen Sommerfrische gleicht«, er läuterte Parker, »die Sommerhäuser und Villen dort sollen Legion sein.« »Und was tue ich in dieser Sommerfrische?« fragte sie. »Mylady richten sich in einem passenden Haus ein und warten auf den Besuch des Mr. „Goldhelm«.« »Das klingt bereits besser.« Die Detektivin nickte zö gernd. »Myladys Zustimmung vorausahnend, habe ich mir erlaubt, einen Makler zu kontaktieren.« »Mit anderen Worten, Sie haben bereits ein Haus ge mietet?« »So könnte man es allerdings auch ausdrücken, Myla dy. Besagter Makler schwärmte geradezu von dem klei nen Sommersitz, der einer Königin gerecht würde.« »Ich lasse mich überraschen.« Sie war einverstanden. »Aber ich werde meine Adresse hier im Hotel hinterle gen, Mr. Parker. Man soll wissen, wo ich ab sofort woh ne. Eine Lady Simpson versteckt sich nicht!«
»Gewiß nicht, Mylady. Darf ich darauf verweisen, daß der gemietete Sommersitz ein wenig abseits liegt?« »Was hat denn das schon wieder zu bedeuten?« Ihr Mißtrauen wurde sofort wieder geweckt. »Mylady könnten sich ungestört Mr. Stefanos Smyr nos widmen, ohne andere Sommerfrischler zu stören.« »Wollen Sie mich etwa doch verstecken? Falls dieser „Goldhelm« sich innerhalb von vierundzwanzig Stun den nicht meldet, werde ich ihn in seiner Stadtvilla be suchen, Mr. Parker!« »Mylady können sicher sein, daß Myladys Fahrt nach Kifissia in allen Einzelheiten beobachtet werden wird. Mr. Smyrnos wird die Gelegenheit nutzen, wie ich ver sichern möchte. In der Zwischenzeit könnten sich Mylady ja Marmorsteinbrüche und eine alte Kultstätte im nahen Kalandri ansehen.« »Kaufen Sie ein paar Ansichtskarten«, erwiderte sie, »ich werde mir das alles dann später in London be trachten, Mr. Parker. Worauf warten wir eigentlich noch? Ich möchte möglichst schnell Kontakt mit dem > Goldhelm < bekommen. Vielleicht sollte man dieses Subjekt sogar anrufen und entsprechend informieren.« »Dies, Mylady, könnte den Gangster mißtrauisch wer den lassen«, warnte Josuah Parker, »Myladys Orts wechsel müßte daher wie eine Flucht aussehen, wenn ich mich erkühnen darf, die sen Rat zu äußern.« »Ich werde den Hinterausgang des Hotels wählen«, entschied sie sich umgehend, »ich denke, ich werde so
gar verschweigen, wohin ich umziehen werde.« »Eine taktische Variante, Mylady, die Bewunderung auslösen wollte.« »Ich weiß.« Sie winkt freundlich ab und merkte wie der mal nicht, daß sie genau das tat, was Parker wünschte. »Sie haben alles bei sich, um diesem Mr. > Goldhelm < eine Lektion zu erteilen?« »Fehlende Kleinigkeiten, Mylady, könnte man noch während der Fahrt einkaufen«, schlug Parker vor, »wie Mylady andeuteten, sollte man allerdings Inspektor Te lemonos informieren.« »Ich traue diesem Griechen nicht über den Weg«, sag te sie, »weiß ich, ob er nicht mit diesem Smyrnos unter einer Decke steckt? Wie denken denn Sie darüber?« »Ein gesundes Mißtrauen, Mylady, sollte stets vorhan den sein und gepflegt werden«, lautete Parkers Ant wort; er verbeugte sich knapp und verließ die Suite, um die Reisevorbereitungen zu treffen. *** »Ist man mir bereits auf der Spur?« fragte Agatha Simpson ungeduldig, als man den nordöstlichen Au ßenbezirk von Athen erreichte. Die ältere Dame saß auf dem Beifahrersitz des Land-Rover und wartete unge duldig auf auf Zwischenfälle. »Der Verkehr ist außerordentlich rege, Mylady«, ant wortete Parker, »ein spezieller Wagen, in dem Verfol ger sitzen könnten, hat sich noch nicht herausgeschält,
wenn ich es so ausdrücken darf.« »Smyrnos wird mich doch hoffentlich nicht enttäu schen.« »Mit letzter Sicherheit nicht, Mylady. Dieser Gangster ist zutiefst gedemütigt worden und hat gegenüber sei nen Freunden sein Gesicht verloren.« »Wollten Sie nicht unterwegs etwas einkaufen?« »Eine Durchsicht meines Privatgepäcks, Mylady, hat ergeben, daß Zusatzeinkäufe nicht vonnöten sind«, be ruhigte der Butler seine Herrin, »zudem dürfte Mr. > Goldhelm < keinesfalls die speziellen Waffen kennen oder richtig einordnen, über die Mylady jederzeit verfü gen können.« Parker warf einen schnellen Blick in den Außenspiegel des Rover. Ihm war bereits ein Volkswagen aufgefallen, der beharrlich hinter ihnen blieb und eine gewisse Di stanz hielt. Der Butler ging davon aus, daß der Fahrer, der allein im VW saß, in Diensten des Gangsters stand. Sicherheitshalber aber sagte er Lady Simpson kein Wort von seiner Beobachtung, denn die resolute Dame neigte dazu, schnell und grundsätzlich unüberlegt zu reagieren. »Was ist, wenn diese beiden Griechen den Goldschatz bereits weggeschafft haben, Mr. Parker?« sagte sie. »Mylady sprechen von der Freundin und dem Freund des verletzten Andenkenverkäufers?« »Wie heißen sie denn noch, Mr. Parker? Ich kann mir diese unmöglichen Namen einfach nicht merken.« »Christina Palladion und Stavros Pentheklis«, entgeg
nete Parker, »im Gegensatz zu Inspektor Telemonos möchte ich annehmen, daß sie die Stadt oder deren Weichbild auf keinen Fall verlassen haben.« »Was spricht dafür?« wollte Lady Agatha wissen. »Die Tatsache, daß Mr. >Goldhelms< Agenten und Mitarbeiter gerade eine Stadt wie Athen hermetisch ab schnüren können, was eine umfassende Beobachtung betrifft, Mylady. Es gibt nur einige wenige Hauptstra ßen, die nach Norden führen. Die Häfen von Athen sind ebenfalls recht leicht abzuschotten, und es steht kaum zu erwarten, daß die beiden genannten und ge suchten Personen mittels eines Flugapparates die grie chische Hauptstadt verlassen können.« »Sehr schön, sehr treffend.« Sie nickte wohlwollend. »Ich sagte ja schon, daß ich diesen Inspektor nicht ge rade für ein Kirchenlicht halte. Oder habe ich so etwas nicht gesagt?« »Andeutungsweise«, meinte Parker in seiner höflichen Art, »es ist zu erwarten, daß die beiden Personen sich früher oder später bei Mylady melden werden.« »Warum sollten sie?« Sie sah Parker verblüfft an. »Um an Bargeld zu kommen, Mylady. Das Gold in der Form der bekannten Statuetten ist für die beiden Per sonen so wertlos wie Sand, wenn ich diesen Vergleich wählen darf. Den beiden Personen aber dürfte inzwi schen bekannt sein, wer Mylady sind und über welches Kapital Mylady verfügen.« »Diese beiden kleinen Gauner könnten das Gold doch unter Preis anbieten, Mr. Parker«,, wandte Agatha
Simpson ein. »Dies dürfen sie um den Preis ihres Lebens nicht wa gen, Mylady, man würde sie sofort an den Gangster Smyrnos weitermelden.« »Richtig, so sehe ich es natürlich auch, Mr. Parker.« Sie nickte. »Okay, dann werde ich also auch auf diese beiden Griechen warten, mir soll es nicht darauf an kommen. Nun ja, ich glaube wirklich, daß ich die Wei chen gut gestellt habe.« »In einer Art und Weise, Mylady, die man nur als be merkenswert bezeichnen kann«, antwortete der Butler in seiner höflichen Art, während er erneut in den Au ßenspiegel sah, Der Volkswagen war nach wie vor hin ter ihnen. »Mir kommt da gerade eine Idee«, schickte Lady Simpson plötzlich voraus und setzte sich kerzengerade hoch, »wie hießt noch dieser Arzt, der die Privatklinik leitet?« »Dr. Georgios, Mylady.« »Er ist Ihnen per Telefon aus London empfohlen wor den, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady, ein zuverlässiger Mann, wie sich gezeigt hat.« »Sind Sie sicher?« Die Detektivin lächelte skeptischabfällig, »und was ist, wenn er uns nur die halbe Wahr heit gesagt hat, Mr. Parker? Haben Sie daran schon mal gedacht?« »Die halbe Wahrheit, Mylady?« Parkers Gedanken lie fen sofort auf Hochtouren.
»Er hat uns etwas von diesem >Goldhelm< erzählt, Mr. Parker, schön und gut. Das war ein Teil der Wahr heit. Hat er mir aber vielleicht verschwiegen, wo der Goldschatz sich befindet? Hat der verletzte Andenken verkäufer ihm in der Narkose nicht doch viel mehr ge sagt?« »Ein außerordentlich bemerkenswerter Gedanke, Mylady«, gab Josuah Parker zurück, »man sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt noch mal mit Dr. Georgios in Verbindung setzen.« »Während ich mich mit diesem >Goldhelm< befasse, hat Georgios bestimmt schon den Goldschatz an sich gebracht«, redete die ältere Dame eifrig weiter und nickte bekräftigend, »wie schon gesagt, ich traue die sem Griechen nicht. Und das ist kein Vorurteil!« »Natürlich nicht«, meinte Parker in einem Ton, der eindeutig das Gegenteil ausdrückte. *** Parker hatte sich aus guten Gründen eingehend über den kleinen Sommersitz erkundigt und war zufrieden, als er das Ziel erreichte. Der Makler erwartete ihn be reits und öffnete das Gittertor des Grundstücks. Das einstöckige, rechteckige Haus, das aus dicken Steinqua dern errichtet worden war, sah solide aus. Es gab eine Terrasse zur Straße hin, eine zweite in Richtung Hang, an dem das Haus lag. Weite Rasenflächen umgaben den Bau. In der näheren Umgebung waren keine Som
merhäuser zu sehen. Hier war man also ganz unter sich. »Ich hätte wesentlich schönere Objekte anzubieten«, sagte der Makler, ein seriös aussehender Vierziger, »dieser Sommersitz hier ist ein Neubau in einer Ge gend, die erst noch richtig erschlossen werden soll.« »Mylady will ungestört sein«, erklärte der Butler, wäh rend seine Herrin das Haus bereits inspizierte, »Myla dy ist Schriftstellerin und arbeitet an einem bedeuten den Werk.« »Dann verstehe ich alles«, erwiderte der Makler, »ha ben Sie sonst noch Wünsche?« »Die gewünschten Vorräte an Eßwaren und Getränken befinden sich bereits im Haus?« »Alles ist vorhanden. Das Telefon ist selbstverständ lich angeschlossen. Noch etwas, der kleine Wald ober halb vom Haus ist kaum zugänglich, Störungen sind also nicht zu befürchten.« »Mylady wird zufrieden sein«, sagte Parker und entließ den Makler, der sich nach wie vor wunderte, warum und wieso eine so reiche Lady sich solch ein im Grund doch einfaches Haus ausgesucht hatte. Parker schloß das Gittertor und steuerte den Land-Rover zum Haus. Lady Agatha erschien auf der Terrasse und nick te Parker wohlwollend zu. »Recht passabel eingerichtet«, meinte sie, »ich denke, daß ich ein gutes Schußfeld habe.« »Mylady wünschen den Tee?« erkundigte sich der Butler, ohne auf diese Bemerkung einzugehen.
»Tee und einen kleinen Kreislaufbeschleuniger«, erwi derte sie, »die Hitze ist beachtlich.« Parker brauchte nur wenige Minuten, um sich in der gut ausgestatteten Küche zurecht zu finden. Er bereite te den Tee und servierte ihn zusammen mit einem gu ten Kognak. Lady Agatha hatte es sich auf der Terrasse bequem gemacht und musterte die nähere Umgebung. Dieser Hang war Teil einer braunweiß-ockerfarben ge musterten Bergflanke. Einen zusammenhängenden Bergwald gab es nicht, nur kleinere Ansammlungen von Kiefern und Strauchwerk. Das Wäldchen, von dem der Makler gesprochen hatte, war recht schütter und stand vor einer Steilwand, die bizarr und irgendwie un heimlich aufragte. »Sie haben natürlich nichts bemerkt«, meinte Lady Simpson, die Tee nachgoß. »Spielen Mylady auf eine Tatsache an, die meine We nigkeit übersehen haben könnte?« erkundigte sich Par ker. »Ich spiele auf einen Volkswagen an«, erwiderte Lady Agatha und deutete ungeniert auf die schmale, gewun dene Durchgangsstraße, »dieses Fahrzeug passiert das Tor bereits zum dritten Mal.« »Mylady ziehen daraus gewisse Schlüsse.« Parker kannte diesen VW. »Der „Goldhelm« hat bereits angebissen«, sagt sie, »es war doch eine gute Idee von mir, dieses Haus zu mieten. Ich rechne mit einem baldigen Angriff.« »Man sollte ihn auf keinen Fall gänzlich ausschließen,
Mylady.« »Ich werde vorher noch ein wenig meditieren«, gab die Detektivin zurück und erhob sich, »während dieser Nachmittagshitze wird selbst ein Gangster wie der „Goldhelm« eine kleine Ruhepause einlegen, denke ich.« »Er dürfte sich an die Normen dieses Landes halten, Mylady«, versicherte Parker und geleitete seine Herrin ins Haus zurück. Nachdem sie in ihrem Schlafraum war, einen übrigens völlig gekachelten, legte Parker die schwarze Melone als eine Art Schalldämpfer über den Telefonapparat. Er rechnete mit einem baldigen Anruf. *** Parker saß im Wohnraum und hielt Siesta. Die beginnende Nachmittagshitze war intensiv. Den noch dachte der Butler nicht im Traum daran, seinen schwarzen Zweireiher auszuziehen, um sich Erleichte rung zu verschaffen. Er lockerte noch nicht mal seinen schwarzen Binder. Steif und korrekt, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß er in einem Korbsessel und ließ sich gewisse Behauptungen der Lady durch den Kopf gehen. Sie hatte von Dr. Georgios gesprochen, dem sie nicht über den Weg traute. Lag es im Bereich der Möglich keit, daß der Arzt mehr wußte, als er gesagt hatte? War ihm bekannt, wo der verwundete Andenkenverkäufer den Goldschatz versteckt hatte? Versuchte dieser
Mann, sich dieses Vermögen anzueignen? Die Versu chung war immerhin groß. Parker hatte die Adresse des Dr. Georgios telefonisch aus London bekommen. Er hatte einen Beamten im In nenministerium angerufen und in Lady Simpsons Na men kurz und knapp nach einem Arzt gefragt, der in Athen ansässig war und dem man Vertrauen schenken konnte. Der Name des Dr. Georgios war ihm danach genannt worden. Wie vertrauenswürdig der Mann tat sächlich war, mußte die Zukunft erweisen. Parker zuckte weder zusammen, noch bewegte er sich hastig, als das Telefon anschlug. Er hob seine Melone ab, griff nach dem Hörer und meldete sich. »Spreche ich mit einem Mr. Parker?« fragte eine jün gere Frauenstimme. »In der Tat«, erwiderte Parker, »Ihr Englisch ist be merkenswert, wenn ich dies gleich bemerken darf.« »Sie übertreiben schamlos, Mr. Parker.« Auf der Ge genseite lachte die Frau leise. »Aber hören Sie, ich lege auf Komplimente keinen Wert, habe Ihnen und Ihrer Lady einen Vorschlag zu unterbreiten.« »Mit wem habe ich das offensichtliche Vergnügen?« »Ich heiße Christina Palladion, wahrscheinlich wissen Sie jetzt, wer ich bin.« »Die Freundin eines Griechen, der irrtümlicherweise Statuetten in seinen Besitz brachte, die aus reinem Gold bestehen.« »Richtig, ich bin die Freundin von Dimitros Costis, aber dieser Name sagt Ihnen wohl nichts, wie?«
»Es dürfte sich um jenen jungen Mann handeln, der jetzt in einem Hospital liegt und sich den Zorn eines gewissen >Goldhelms< zugezogen hat.« »Das ist Dimitros«, bestätigte die junge Frau, »hof fentlich steht er das alles durch.« »Dies dürfte in Ihrer und in der Hand eines Mr. Pentheklis liegen«, entgegnete Parker, »falls Sie die Statuetten aus Gold zurückgeben, dürfte Mr. Costis au ßer jeder Gefahr sein.« »Da kennen Sie aber Smyrnos schlecht«, erwiderte die Frauenstimme, »die Sache mit den gestohlenen Statu etten hat sich inzwischen herumgesprochen. Smyrnos hat sich völlig lächerlich gemacht. Man gönnt ihm na türlich diese Panne, aber man sagt es nur hinter vorge haltener Hand. Smyrnos weiß das alles. Jetzt geht es längst nicht mehr nur noch um das Gold, nein, nein, Mr. Parker, Mr. Smyrnos fühlt sich in seiner Ehre ge kränkt und verletzt. Er will Blut sehen.« »Er dürfte demnach ein unangenehmer Mensch sein, Miß Palladion. Wieso konnte sich dieser Diebstahl in der Athener Unterwelt herumsprechen? Irgendwer muß meiner bescheidenen Meinung nach doch indis kret gewesen sein.« »Das ist Stavros Pentheklis gewesen«, lautete die überraschende Antwort, »Sie wissen, der Freund von Costis, der ihm bei der Sache im Magazin geholfen hat.« »Sie haben meine Wenigkeit angerufen, um ein Ange bot zu unterbreiten?«
»Ich könnte ihnen sagen, wo das Gold ist, Mr. Parker.« »Ich darf und sollte Ihnen versichern, daß meine We nigkeit an Edelmetallen, gleich welcher Art, nicht inter essiert ist.« »Aber vielleicht denkt Ihre Lady anders darüber, Mr. Parker.« »Solch eine Möglichkeit wäre nicht auszuschließen, Miß Palladion. Falls Sie sich hier einfinden, könnten Sie mit Lady Simpson darüber sprechen. Wann darf oder könnte man Sie erwarten?« »Ich weiß nicht, ob ich mich zu Ihnen trauen kann.« »Was veranlaßt Sie zu dieser Einschätzung, Miß Palla dion?« »Der „Goldhelm« weiß bestimmt, wo Sie sich versteckt halten.« »Wie Sie es herausgefunden haben, nicht wahr? Sie benutzten welchen Wagen während der Verfolgung?« »Einen Volkswagen«, lautete die erwartete Antwort, »Sie haben ihn nicht bemerkt?« »Vor kurzer Zeit erst, als dieser Wagen einige Male das Grundstück passierte«, sagte der Butler, »nun, könnte man Sie vielleicht aufsuchen und zwar an einem Ort Ihrer Wahl?« »Dann müßten Sie aber sehr vorsichtig sein. Ich möchte von Smyrnos nicht erwischt werden.« »Sobald ich Mylady verständigt habe, wird Mylady sich entscheiden«, sagte Parker, »rufen Sie doch bitte in einer halben Stunde noch mal an.«
Parker legte auf, stülpte die schwarze Melone wieder über den Telefonapparat und gab sich wieder seiner Siesta hin. Er hatte es überhaupt nicht eilig, seine Her rin zu wecken. Ob er da gerade mit Christina Palladion gesprochen hatte, war nicht erwiesen. Es konnte sich schließlich auch um die sogenannte schöne Helena ge handelt haben, die Freundin und Gespielin des Gangs ters Smyrnos. Parker ging gewisse Einzelheiten in Gedanken noch mal durch und beschäftigte sich mit dem Volkswagen. Falls er richtig gesehen hatte, war dieser VW von einem jungen Mann gesteuert worden. Warum hatte der Volkswagen sich mehrfach so deutlich gezeigt? Hatte man Wert darauf gelegt, daß dieser Wagen unbedingt zur Kenntnis genommen werden mußte? Handelte es sich um einen Trick des Mr. »Goldhelm«, der auf diese Art und Weise seine Freundin an Lady Simpson und ihn heranbringen wollte? Inspektor Telemonos lag mit seiner Meinung wohl richtig: Die Freundin und der Freund des angeschosse nen Andenkenverkäufers konnten mit dem Goldschatz, falls sie ihn an sich gebracht hatten, überhaupt nichts anfangen. Sie hatten einfach keine Möglichkeit, die Sta tuetten in gängige Währungen umzutauschen. Da sie es wissen mußten und Todesangst vor dem »Goldhelm« hatten, hätten sie sich doch niemals getraut, den LandRover so deutlich und auffällig zu verfolgen. Sie konn ten doch unterstellen, daß auch die Agenten und Mitar beiter des > Goldhelms < den Land-Rover beschatten
würden. Es dauerte nur knapp fünfzehn Minuten, bis das Tele fon erneut läutete. Parker nahm Melone und Hörer ab, meldete sich und hörte wieder die Stimme der jungen Frau. »Haben Sie mit der Lady gesprochen?« erkundigte sich die Frau, die sich als Christina Palladion vorge stellt hatte. »Mylady besteht auf Beweisen«, erwiderte Parker höf lich, »ließe es sich einrichten, einige Statuetten vorzu zeigen? Sie könnten Sie ja auf eine Art und Weise, über die man noch sprechen könnte, hierher bringen ...« »Sie würde dann die ganze Partie an Statuetten abneh men?« »Dies liegt im Bereich der Möglichkeiten, Miß Palladi on.« »Gut, ich werde ein paar von diesen Statuetten über die Mauer des GrundStücks werfen, Mr. Parker.« »An welche Summe in Pfund oder Dollar denken Sie, Miß Palladion?« »Eine Million Dollar müßten wir schon haben, Mr. Parker.« »Selbst für eine Lady Simpson ist das eine beachtliche Summe.« ; »Der Wert der Statuetten dürfte doppelt so hoch lie gen.« »Und wie denkt Ihr Freund und Begleiter, Mr. Stavros Pentheklis über dieses Geschäft? Kann man davon aus
gehen, daß Sie auch in seinem Namen sprechen?« »Natürlich, er ist einverstanden, Mr. Parker. Warten Sie etwa zwanzig Minuten, dann werden Sie im Garten einige Statuetten finden.« »Ich möchte Ihnen Vorsicht anempfehlen«, schloß Parker die Unterhaltung, »Mr. Stefanos Smyrnos wird nicht gerade untätig sein.« »Ich passe schon auf mich auf«, sagte sie optimistisch, »ich lasse mich nicht erwischen wie mein Freund Costis.« Parker legte den Hörer auf und machte sich daran, ge wisse Abwehrmaßnahmen in die Wege zu leiten. Seiner Meinung nach konnte es nun nicht mehr lange dauern, bis der »Goldhelm« den ersten Angriff einleitete. *** Als Parker auf der Terrasse stand, erschien unten auf der Straße ein kleiner Lastwagen, auf dessen Ladeflä che Baugerät aller Art stand. Mit dem Rücken zum Fahrerhaus saßen drei Arbeiter, die keinen sonderlich munteren Eindruck machten. Nachdem der Wagen in der Nähe des Grundstücks gestoppt worden war, stie gen die drei Bauarbeiter ohne jede Hast von der Lade fläche und machten sich daran, das Gerät abzuladen. Sie erledigten das im Zeitlupentempo, mühten sich ab, eine Art Schutzzelt aufzustellen und legten danach erst mal eine Erfrischungspause ein. Der Fahrer des Fahrzeuges, offenbar der Vorarbeiter,
rauchte und trank Wein aus einer Flasche. Er und seine drei Mitarbeiter kümmerten sich überhaupt nicht um den kleinen Sommersitz. Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis einer der drei Männer eine Spitzhacke in die Hand nahm, um damit mehr als halbherzig an der Böschung zu arbeiten. Schon nach wenigen Schlägen legte er eine Verschnauf pause ein und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ein zweiter Bauarbeiter nahm einen Blecheimer in die Hand und verschwand aus dem Blickfeld des Butlers. Nach einigen Minuten kam er zurück und verwickelte den Vorarbeiter in eine längere Debatte. Er schien das benötigte Wasser nicht gefunden zu haben. Der Vorar beiter wandte sich um, entdeckte erst jetzt den Butler auf der Terrasse und winkte ihm. Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und grüßte zurück. Der Vorarbeiter ließ sich herab, den Blecheimer in die Hand zu nehmen und hielt ihn hoch. Er deutete damit wohl an, daß er um Hilfe bat. Parker winkte diskret zu rück. Der Vorarbeiter reicht den Eimer zurück an den Straßenbauarbeiter, der sich langsam in Bewegung setzte und zum Tor ging. Echt konnte dieser Bautrupp nicht sein ... Um die hei ße Nachmittagszeit arbeitete man einfach nicht, es wäre selbstmörderisch gewesen. Stefanos Smyrnos, der »Goldhelm«, schien hier einige seiner Mitarbeiter ge schickt zu haben, um Lady Simpson und Butler Parker zu überwältigen. Parker hätte dem Gangster etwas mehr Phantasie zugetraut.
Der Arbeiter hatte das Tor geöffnet und kam langsam auf den kleinen Sommersitz zu. Er trug Jeans, ein zer schlissenes und verschwitztes Hemd und eben den Blecheimer. Er winkte dem Butler zu, lächelte und gab sich überaus harmlos. »Kann man davon ausgehen, daß Sie Wasser wün schen?« erkundigte sich der Butler in seiner Mutter sprache. Der Grieche blieb stehen und hob hilflos fra gend die Schultern. »Sie brauchen Wasser?« Parker deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf den Eimer. Jetzt endlich schien der Straßenarbeiter ihn verstanden zu haben. Er nickte, lächelte noch strahlender und kam näher. Parker zeigte, einladend ins Haus und verließ die Terrasse. Er blieb jedoch gleich hinter der Tür ste hen und beobachtete den müden Arbeiter, der plötzlich schnell und aktiv wurde. Der Mann langte in den Ei mer, holte einen Revolver samt Schalldämpfer hervor, stellte den Eimer ab und verwandelte sich sogar in einen Sprinter. Auf seinen Tennisschuhen lief er lautlos zur Terrasse und machte sich bereit, Parker zu über raschen. Er erlebte eine kleine Enttäuschung ... Als er in den großen Wohnraum kurvte, stolperte er über den Schirmstock, den Parker in die entsprechende Schräglage gebracht hatte. Der Mann stieß einen unter drückten Schrei aus, segelte durch die Luft und krachte mit dem Kopf gegen die gekachelte Wand. Bevor er sich wieder aufraffen konnte, hatte Parker bereits die Waffe
an sich gebracht. Parker verzichtete in Anbetracht der allgemeinen Lage auf eine erste Befragung. Er klopfte mit dem Griffstück der Waffe leicht auf den Hinterkopf des Mannes und verhalf ihm auf diese Art und Weise zu einer Ruhepau se. Dann holte Parker seine Gabelschleuder aus der rechten Tasche seines schwarzen Zweireihers und bau te sich rechts von der Terrassentür auf. Er war bereit, die übrigen Arbeiter zu empfangen. Auch sie hatten sich in echte Leistungssportler ver wandelt und rannten auf die Terrasse zu. Sie entwickel ten dabei eine Geschwindigkeit, die Parker in Anbe tracht der Hitze nur als beachtlich bezeichnen konnte. Der Butler verwandte hart gebrannte Tonmurmeln und schickte sein erstes Geschoß auf die Reise. Er hatte den Vorarbeiter anvisiert, der aus dem Lauf heraus plötz lich einen Salto rückwärts schlug und dann regungslos auf dem Rasen hegen blieb. Die beiden anderen Leistungssportler hatten das be obachtet und waren irritiert. Solch eine Einlage war mit Sicherheit vorher nicht abgesprochen worden. Bevor sie sich neu zu orientieren vermochten, waren zwei weitere Tonmurmeln unterwegs, die voll trafen. Parker holte einen Servierwagen aus dem Wohnraum und machte sich daran, die Sportler einzusammeln ... *** »Eine hübsche Strecke«, sagte Lady-Agatha und mus
terte die vier Männer, die einen betretenen Eindruck machten. Parker hatte sie im Keller des Hauses unter gebracht und zusätzlich noch mit Leukoplast gesichert. »Wenn Sie erlauben, Mylady, sollte man sich mit Mr. Smyrnos in Verbindung setzen«, schlug Parker vor, als man wieder hinauf ins Erdgeschoß ging. »Was verspreche ich mir davon?« wollte sie wissen. »Eine weitere Reizung des Gangsters, Mylady. Es könnte natürlich auch sein, daß Mr. Smyrnos sich mel det.« »Sind die Statuetten bereits abgeliefert worden? « er kundigte sich die ältere Dame. »Bisher wurde Abstand davon genommen, Mylady, ein sicheres Zeichen dafür, daß der Goldhelm damit nicht dienen kann.« »Das klingt durchaus logisch, Mr. Parker.« Sie lachte dröhnend. »Wie soll er etwas werfen lassen, was er nicht hat. Ich glaube, meine Position ist gar nicht so schlecht.« »Mylady denken natürlich daran, daß der > Goldhelm < auch die Nerven verlieren könnte.« »Wie stellen Sie sich das denn vor, Mr. Parker.« »Er könnte aus der Distanz heraus auf Mylady schie ßen lassen.« »Würde das seinen Rachedurst befriedigen, Mr. Par ker?« »Im Grund wohl kaum, Mylady, Mr. Smyrnos benötigt eine spektakuläre Tat, um wieder in den Besitz seines Gesichtes zu kommen.«
»Haben Sie sich Gedanken über den Doktor gemacht, Mr. Parker? Sie wissen, ich habe meditiert. Ich glaube inzwischen fest daran, daß Dr. Georgios sich einge schaltet hat.« »Könnte nicht auch der „Goldhelm« auf solch einen Gedanken gekommen sein, Mylady?« Par ker ging auf die Theorie seiner Herrin ein. »Dazu braucht man Phantasie, Mr. Parker, und die wird Smyrnos nicht aufbringen«, vermutete und hoffte Lady Agatha, »aber ich könnte diesen Arzt ja mal anru fen.« »Mylady wollen gewisse Andeutungen zu Gehör brin gen?« »Eine gute Idee«, redete die Detektivin weiter, »ich denke, ich habe wieder mal eine sehr gute Idee gehabt, Mr. Parker.« Das Telefon läutete. Parker nahm den Hörer ab und meldete sich. »Spreche ich mit dem Butler der Lady Simpson?« fragte eine dunkel gefärbte Frauenstimme, die dem Butler unbekannt war. »Parker, Josuah Parker«, antwortete der Butler. »Miß Palladion, wie ich vermuten darf?« »Christina Palladion«, antwortete die dunkle Frauen stimme, die hastig klang, »Sie kennen mich?« »Nur Ihren Namen. Zudem wurde meiner Wenigkeit gesagt, daß Sie die Freundin des Mr. Dimitros Costis sind.« »Ich habe Ihre Adresse im Hotel bekommen, in dem Sie gewohnt haben«, sagte die Frau weiter, »hören Sie,
ich brauche Ihre Hilfe.« »Sie fühlen sich von wem bedrängt?« »Von Stefanos Smyrnos, Mr. Parker. Er glaubt, daß ich die Statuetten habe.« »Wie heißt der Freund jenes Mannes, der jetzt in ei nem Hospital liegt?« fragte Parker. »Stavros Pentheklis«, lautete die prompte Antwort, »aber der hat die Statuetten auch nicht.« »Sie sind mit ihm zusammen?« »Wir haben uns getrennt. Jeder für sich allein kann sich vielleicht durchschlagen.« »Sie baten um die Hilfe meiner Wenigkeit«, erinnerte der Butler. »Wenn Sie die Statuetten haben, Sir, dann geben Sie sie bitte zurück an Smyrnos. Er läßt uns sonst alle um bringen.« »Dies wäre dem > Goldhelm < durchaus zuzutrauen, Miß Palladion. Und wie stellen Sie sich meine Hilfe vor?« »Ich brauche Geld, Sir. Nicht viel, wirklich nicht, aber ich muß hier in Athen untertauchen.« »Sie gestatten die Frage, Miß Palladion, warum man Ihnen helfen soll, nicht wahr?« »Weil ich nicht weiß, an wen ich mich sonst wenden sollte.« »Mylady würde eine Gegenleistung erwarten, Miß Pal ladion.« »Ich werde tun, was ich kann, bestimmt.« »Wo könnten die Statuetten sich momentan
befinden?« »Stavros und ich haben sie ganz sicher nicht.« »Eine Erklärung, die meine Wenigkeit nur mehr als zögernd unterschreiben würde, Miß Palladion. Ihre bei den Freunde stahlen die Statuetten aus einem Magazin des Mr. Smyrnos. Beide Männer brachten die Beute in ein gemeinsam bekanntes Versteck, das wohl auch Ih nen bekannt gewesen sein muß. Wer sollte die GoldStatuetten wohin geschafft haben? Sie werden verste hen, daß solch eine Frage sich aufdrängt.« »Darauf könnte eigentlich nur mein Freund Costis antworten, aber an den kommt man nicht heran. Er liegt im Hospital und wird von der Polizei bewacht.« »Ihr Freund Dimitros Costis soll die Kisten heimlich weggeschafft haben? Sie werden verstehen, daß sich in meiner Wenigkeit erhebliche Zweifel hegen.« »Entweder wollte er uns aus der Sache heraushalten, oder er hatte vor, uns zu hintergehen, Mr. Parker.« »Dies könnte durchaus im Bereich der Möglichkeiten liegen, Miß Palladion, wie ich einräumen möchte.« »Vielleicht weiß ich sogar, wo die Kisten sind«, redete sie hastig weiter, »doch ich kann mein Versteck nicht verlassen.. Die Leute von Smyrnos veranstalten eine Razzia in Athen.« »Die Polizei dürfte sich daran ebenfalls beteiligen, Miß Palladion. Wo könnten also die Kisten möglicherweise sein?« »Für diesen Tip möchte ich Geld haben, Mr. Parker. Ich könnte Athen heimlich verlassen, doch dazu brau
che ich - wie gesagt - Geld.« »Könnten Sie mir sagen, wieviel Sie benötigen?« »Tausend Dollar würden mir schon reichen. Ich will mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Ich wußte ja gar nichts von dem Diebstahl, ich hatte damit nichts zu tun.« »Über die von Ihnen geforderte Summe könnte man sich durchaus unterhalten«, entgegnete der Butler, »wann und wo könne man sich treffen?« »Am Abend, irgendwo in der Stadt.« »Wäre es möglich, ein wenig präziser zu werden?« »Auf der Akropolis, da fällt man nicht auf, da geht man unter zwischen den vielen Touristen.« »Ich werde Ihren Vorschlag Mylady unterbreiten, Miß Palladion. Könnte Ihr gemeinsamer Freund Stavros Pentheklis ebenfalls ahnen, wohin die Kisten verbracht wurden?« »Kaum«, gab sie zurück, »es gibt da eine Wohnung, die er nicht kennen kann. Mein Freund Dimitros und ich haben dort mal gewohnt. Nein, diese Wohnung kennt er nicht.« Parker wechselte noch einige Sätze mit der Frau, die sich ebenfalls als Christina Palladion vorgestellt hatte, legte dann auf und informierte Lady Agatha, die bereits ungeduldig auf ihn gewartet hatte. Sie hörte nur knapp zu und deutete dann nach unten auf die Begren zungsmauer. »Dort ist eben etwas herübergeworfen worden«, sagte sie, »ein kleines Paket. Ich wette, es enthält die Statu
etten.« »Oder eine Überraschung, die man nicht als ange nehm bezeichnen könnte, Mylady.« »Sie denken an eine Sprengladung, Mr. Parker?« »Mr. Smyrnos könnte inzwischen ungeduldig und un beherrscht geworden sein, Mylady.« »Nun, das werden Sie ja merken, wenn Sie das Päck chen öffnen«, sagte die Detektivin ungeduldig. »Dies könnte man als sicher unterstellen, Mylady. Wenn Sie gestatten, werde ich ein Spezialverfahren an wenden.« »Hauptsache, Sie schnüren das Päckchen auf. Mit wem haben Sie da eben so ausgiebig gesprochen? Ich habe wohl nicht genau zugehört. Oder vielleicht haben Sie sich auch nicht genau ausgedrückt.« »Mit Sicherheit, Mylady.« Parker ließ offen, an welche Möglichkeit er dachte. Er wiederholte noch mal, daß eine zweite Christina Palladion sich gemeldet hatte. »Wieder so ein Trick dieses Mr. >Goldhelm<«, gab Agatha Simpson zurück, »aber jetzt möchte ich endlich wissen, was sich in dem Päckchen befindet. Es könnte ja sein, daß weitere Statuetten aus Gold abgeliefert worden sind, oder?« *** Das Päckchen war etwa so groß wie eine Zigarrenkiste, in Packpapier eingeschlagen und mit Klebstreifen gesi
chert. Von der Größe her konnte dieses Päckchen durchaus einige Statuetten aus Gold enthalten. Josuah Parker war fest davon überzeugt, daß der »Goldhelm« inzwischen eine härtere Gangart einzu schlagen gedachte. Der Mann hatte eingesehen, daß man Lady Simpson und Butler Parker mit normalen Mitteln nicht beikam. Auf einen gezielten Schuß wollte Smyrnos es wohl auch nicht ankommen lassen. Wenn er schon mordete, dann in jedem Fall spektakulär. Nur auf diese Weise konnte ein Mann wie Smyrnos sich wieder den alten Respekt verschaffen. Josuah Parker benutzte einen seltsamen Paketöffner, nämlich eine Gabelschleuder. Er setzte diese eigenwilli ge Waffe zusammen, arretierte beide Hälften und such te sich einen passenden Stein, der für seine Zwecke ge eignet war. »Übertreiben Sie nicht etwas?« fragte Agatha Simpson grollend. »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste«, erwiderte Parker, »ein altes Sprichwort, das seine Berechtigung hat.« »Das Päckchen ist immerhin über die Mauer geworfen worden und nicht hochgegangen, Mr. Parker«, reagier te Lady Agatha ungeduldig, »auch mit einem Stein wer den Sie eine Sprengladung nicht zünden können.« »Der Aufprall nach dem Wurf über die Mauer könnte eine Zündung aktiviert haben, Mylady«, erwiderte Jo suah Parker, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Er hielt den passenden Stein inzwischen in der linken
Hand, wog ihn auf seiner Handfläche und legte ihn dann in die Lederschlaufe. Er spannte die beiden star ken Gummistränge, visierte das Päckchen kurz an und ließ die Lederschlaufe los. Die beiden Gummistränge schossen nach vorn, kata pultierten den recht ansehnlichen Stein nach vorn und ließen ihn durch die Luft zischen. Das Geschoß traf voll, und Agatha Simpson duckte sich unwillkürlich, als unmittelbar darauf eine grelle Detonation zu verneh men war. Eine Säule aus Feuer und Rauch schoß hoch, Staub, Erde und Steinsplitter wirbelten durch die Luft. »Ich hatte Sie ja gleich gewarnt«, sagte sie, als sie sich von ihrer Überraschung erholte. »Myladys Anregungen sind immer wieder Überden kenswert«, entgegnete Parker, wartete, bis der Rauch sich etwas verzogen hatte, und begutachtete dann aus der Entfernung den flachen Trichter, den die Explosion ins Erdreich gerissen hatte. »Im Grund eine Unverschämtheit«, konstatierte die ältere Dame verärgert, »wie leicht hätte Ihnen etwas passieren können. Mr. Parker, ich glaube, mein Kreis lauf bedarf einer kleinen Erfrischung, mein Blutdruck dürfte rapide gesunken sein.« Josuah Parker begab sich in den Wohnraum, um sei ner Herrin umgehend einen Kognak zu servieren. Sie genoß diese Medizin und fühlte sich danach wieder wohler. »Es hätte Sie umbringen können«, meinte sie, »Sie sollten in Zukunft nicht immer so leichtsinnig sein.«
»Man wird sich bemühen, Mylady. Damit dürfte übrigens feststehen, daß die erste Anru ferin wohl mit der sogenannten schönen Helena iden tisch ist.« »Und die zweite Cristina Palladion?« Sie stutzte und strahlte dann plötzlich. »Was sagen Sie zu meinem Na mensgedächtnis, Mr. Parker?« »Rühmenswert, Mylady«, behauptete Parker, »was Miß Palladion betrifft, dürfte ebenfalls eine gewisse Vorsichtigkeit am Platz sein.« »Ob sie auch bereits für diesen >Goldhelm< arbeitet, Mr. Parker?« »Dies wäre in der Tat nicht auszuschließen, Mylady. Vielleicht ist Christina Palladion aus Angst zu diesem Gangster übergelaufen.« »Smyrnos hat sie sicherheitshalber als eine Art Ersatz anrufen lassen«, meinte die Detektivin eifrig, »meine Theorie bestätigt sich auf der ganzen Linie, nicht wahr? Nein, nein, sagen Sie nicht, wie gut ich bin, ich weiß es ohnehin.« »Mylady verstehen es, meine bescheidene Wenigkeit immer wieder zu verblüffen«, gestand Josuah Parker. In seinem glatten Gesicht rührte sich wieder mal kein Muskel. »Darf ich übrigens darauf verweisen, daß mit weiteren Belästigungen zu rechnen ist? Mr. Goldhelm wird inzwischen wissen, daß sein Mordversuch per Pa ket ein Fehlschlag war.« »Er wird hoffentlich keine Bomben aus der Luft ab werfen«, spottete die resolute Sechzigerin.
»Selbst solch eine Möglichkeit läßt sich nicht von der Hand weisen, Mylady«, lautete Parkers ernste Antwort. *** »Ich bringe keine guten Nachrichten«, sagte Inspektor Telemonos bei der Begrüßung von Lady Simpson und Butler Parker. Er deutete hinunter in den Garten. »Hat es hier eine Explosion gegeben?« »Man hat versucht, mich in die Luft zu sprengen, In spektor«, erwiderte Lady Agatha, »ein gastliches Land, das muß ich schon sagen.« »Darüber möchte ich mehr erfahren.« Telemonos nahm Platz, und Josuah Parker erstattete einen Kurz bericht. Er verschwieg den zweiten Anruf, den eine Pseudo-Christina Palladion getätigt hatte. »Dieser Smyrnos wird sich noch mehr einfallen las sen«, warnte der Inspektor, »jetzt geht es wirklich nur noch um sein Image. Irgendwer sorgt in der Unterwelt dafür, daß seine Blamagen bekannt werden. Sie werden bereits überall kolportiert. Offen gesagt, mir tut es gut. Endlich wird mal am Lack dieses Smyrnos gekratzt.« »Sie wollten keine guten Nachrichten überbringen«, erinnerte der Butler, der inzwischen Wein serviert hat te. »Dimitros Costis ist tot«, erwiderte der Inspektor. »Wer ist denn das?« fragte Lady Agatha, die vor kurz er Zeit noch ihr einmalig gutes Namensgedächtnis ge rühmt hatte.
»Der Andenkenverkäufer auf der Akropolis, Mylady«, warf Josuah Parker ein, »jener Mann, der im Garten der Privatklinik des Dr. Georgios angeschossen wurde.« »Natürlich, ich weiß Bescheid«, gab die Lady gereizt zurück, um sich dann wieder an den Inspektor zu wen den, »er ist in seinem Bett ermordet worden, nicht wahr?« »Er ist an einer Embolie gestorben«, sagte Telemonos, »seine Schußverletzung war einfach zu schwer. Die Ärzte hatten ohnehin nicht viel Hoffnung.« »Damit ist der Goldschatz also endgültig verschwun den«, stellte Agatha Simpson energisch fest. »Das möchte ich nicht sagen.« Inspektor Telemonos wiegte den Kopf zweifelnd hin und her. »Da wäre ja im mer noch seine Freundin, diese Christina Palladion, dann der Freund des Toten . . Stavros Pentheklis.« »Ihre Razzia war bisher ohne jeden Erfolg, nicht wahr?« freute sich die ältere Dame. »Diese beiden Personen sind wie vom Erdboden ver schwunden. Und mit ihnen wohl auch der Goldschatz, Mylady.« »Wird man eine Obduktion vornehmen, was den Ver blichenen betrifft, Sir?« erkundigte sich Parker. »Sie meinen Dimitros Costis?« »In der Tat, Sir! Vielleicht stößt man doch noch auf Hinweise, die den eindeutigen Schluß zulassen, daß er ermordet worden ist.« »Das würde mich zwar wundern, aber gegen eine Ob
duktion ist nichts einzuwenden. Denken Sie an Gift?« »Mit präzisen Hinweisen vermag meine Wenigkeit lei der nicht zu dienen, Inspektor.« »Ich werde eine Obduktion veranlassen«, versprach Telemonos, »der >Goldhelm< selbst hat sich bisher nicht gemeldet?« »Er scheint wütend auf mich zu sein«, spottete die De tektivin, »und er ahnt wohl auch, daß ich ihn bald stel len werde. Viel Zeit werde ich ihm nicht mehr lassen.« »Sie haben einen bestimmten Plan, Mylady?« Tele monos sah die ältere Dame mehr als nur neugierig an. »Sie verschweigen mir etwas, Mylady? Das sollten Sie auf keinen Fall tun. Alles, was zur Aufklärung eines Verbrechens dient, müssen Sie mir mitteilen.« »Ich vermute nur«, korrigierte Lady Agatha genußvoll. Sie hatte ihrem Butler schließlich anvertraut, daß sie dem Inspektor nicht über den Weg traute. Dabei blieb sie auch jetzt. »Sie haben inzwischen sicher das gesamte Umfeld des toten Mr. Costis nach dem Goldschatz absuchen lassen, Sir?« »Worauf Sie sich verlassen können, Mr. Parker, Sein Umfeld und auch das seiner Freundin Christina Palla dion und des Freundes Pentheklis. Wir haben die Be kannten des Trios unter die Lupe genommen und eine Unmenge von Zeugen vernommen, doch alles ohne Er gebnis. Die Kisten mit den Statuetten sind wie vom Erdboden verschwunden.« »Könnte es sein, Sir, daß Smyrnos bereits wieder im
Besitz dieser Statuetten ist?« warf Josuah Parker ein. Inspektor Telemonos zuckte zusammen und sah den Butler irritiert an. »Daran, offen gesagt, habe ich noch nicht gedacht«, gestand er dann. »Vielleicht hat Costis' Freund Pentheklis sich so sein Leben erkauft.« »Wenn man diesen Kerl nur erwischen könnte«, meinte Telemonos, »aber wie gesagt, er und diese Pal ladion sind untergetaucht. Sie wollen sich hier draußen in Kifissia weiter als Ziel für den „Goldhelm« anbieten?« »Mylady vermögen hier ungemein gut zu entspannen«, sagte der Butler, »zudem verschafft Mylady Ihnen und ihren Mitarbeitern die Gelegenheit, weitere Gangster festzunehmen. Bei dieser Gelegenheit möchte Mylady Ihnen vier weitere Smyrnos-Agenten offerieren. Wenn Sie erlauben, werde ich sie aus dem Keller holen.« Inspektor Telemonos staunte das, was der Volksmund laut Parker Bauklötze genannt hätte! *** Der Mann war klein, dick und schwitzte. Er trug einen zerknitterten Baumwollanzug, der längst nicht mehr wußte, was strahlendes Weiß war. Der Schwitzende bot Butler Parker eine einmalige Gelegenheit. »Sie machen 'meine Wenigkeit neugierig«, sagte Par
ker. Er und Agatha Simpson hatten sich auf der Akro polis eingefunden, um sich hier mit der vermutlich richtigen Christina Palladion zu treffen. Da ein präziser Zeitpunkt nicht vereinbart worden war, hatte das Duo aus London sich rechtzeitig eingefunden. Auf der Burg von Athen schwärmten immer noch die Touristen aus. Es war später Nachmittag, doch bis zur Schließung war noch viel Zeit. Die Fahrt von Kifissia bis in die Stadt war unruhig gewesen. »Eine Grabbeigabe aus der Gegend von Korinth«, ver sicherte der Händler mit geheimnisvoller Stimme. »Sie lassen meine Wenigkeit stutzig werden«, sagte Parker, »befindet sich dort nicht die Ausgrabungsstätte von Mykenä?« »Ich habe einen Rundschild und ein Kurzschwert«, flüsterte der Händler, »aus familiären Gründen muß ich mich leider davon trennen. Meine Frau ist krank, meine Kinder...« »Könnte man die angepriesenen Kostbarkeiten sehen?« fragte Parker. »Drüben, Sir, in der Reisetasche.« »Komme ich doch noch zu einem echten Andenken?« frage Lady Simpson. »Es dürften sich um Nachbildungen aus Hongkong handeln, Mylady«, sagte Parker. »Dann werde ich diesem Flegel den Rundschild um die Ohren schlagen«, meinte die ältere Dame und stampfte energisch voraus. Am Fuß einer umgestürzten Säule öffnete der Schwitzende ein wenig umständlich
die Reisetasche, und Parker war auf der Hut. Doch zu seiner Überraschung entdeckt er in der Tasche aus Kunstleder tatsächlich einen sehr antik aussehenden Rundschild und ein Schwert, das ausgezeichnet dazu paßte. »Jedes Museum der Welt würde mir dafür ein Vermö gen zahlen«, behauptete der Händler, »aber ich kann die beiden Schätze ja nicht anbieten, der Staat würde sie mir wegnehmen.« »Sie haben die Gegenstände selbst ausgegraben?« forschte der Butler. »Mit meinen eigenen Händen«, versicherte ihm der Händler, »und mit den kleinen, ungeschickten Händen meiner Kinder. Ich werde Ihnen diese beiden Antiqui täten für, sagen wir, fünfhundert Dollar sofort überlas sen.« »Sie erlauben, daß man eine kurze Prüfung vornimmt?« »Sie wollen das Schwert und das Schild herausneh men? Nur ja nicht, man könnte sie ja sehen. Nein, nein, tun Sie's nicht!« Parker hielt das Kurzschwert bereits in der rechten Hand. Es schien aus Bronze oder Eisen zu sein, sah sehr alt, verwittert und damit ungemein echt aus. Er schlug damit ein paar Mal durch die Luft und ließ sich von dem Halbwüchsigen dann auch noch den Schild reichen. »Echt oder nicht?« fragte Agatha Simpson, die wieder mal das Geschäft ihres Lebens witterte.
»Echt, was die Statuetten betrifft«, sagte der Händler plötzlich. »Könnten Sie vielleicht mit einem Namen dienen«, fragte der Butler, ohne Überraschung zu zeigen. »Christina Palladion hat Sie angerufen. Sie wollte sich hier mit Ihnen treffen, war es nicht so?« »Miß Palladion ist verhindert?« »Sie traut sich nicht heraus«, antwortete der Händler, »aber ich soll sie zu ihr führen.« »Ist es weit von hier?« Parker fragte knapp, während Lady Agatha aufmerksam zuhörte. »Nur ein paar Minuten. Sie wartet in meinem Wagen.« »Gehen wir«, sagte Parker und ... stieß dem Schwit zenden die Spitze des Kurzschwerts in die Leibfülle. Der Mann quiekte überrascht auf, der Halbwüchsige zog plötzlich ein Messer. Der Zweikampf dauerte nur wenige Augenblicke. Parker erwies sich auch als Mei ster in der Handhabung eines angeblich in Mykenä ge fundenen Schwertes. Mit einem blitzschnellen Strich schlug er dem jungen Mann das Messer aus der Hand, ohrfeigte ihn mit der Breitseite der Waffe und schickte ihn zu Boden. Der Schwitzende, der sich inzwischen vom Stoß erholt hat te, wollte die Flucht ergreifen und kam recht gut voran, doch nicht sonderlich weit. Parker verwandte den Schild als eine Art überdimen sional großen Diskus. Er warf diese Scheibe aus dem Handgelenk in die Luft und verfolgte dann interessiert
den Flug dieses Marschkörpers. Der Schild sirrte hinter dem Flüchtenden her, erreichte ihn und landete zwi schen den Schulterblättern des Dicken. Die Touristen, die diese Vorstellung mitbekommen hatten, applaudierten begeistert und wollten dem But ler Ovationen darbringen. Parker aber hielt es für ange bracht, zusammen mit Lady Agatha die Akropolis so schnell wie möglich zu verlassen. *** »Was soll ich davon halten?« ärgerte sich die ältere Dame wenig später, als sie im Land-Rover saß. »Hat dieser „Goldhelm« etwa diese beiden Lümmel auf mich hetzen lassen?« »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, gab Parker zu rück und warf den obligaten Blick in den Außenspiegel des Wagens, »dies war und wäre nicht der Stil des Mr. Smyrnos.« »Dann wollte mir diese Palladion wohl einen Streich spielen, nicht wahr?« »Auch das werden Mylady ausschließen«, erklärte der Butler, »eine Christina Palladion hätte sich anderer Mittelsmänner versichert.« »Vielleicht können Sie sich etwas deutlicher aus drücken, Mr. Parker«, grollte die ältere Dame. »Christina Palladion und Stavros Pentheklis wissen nicht, wo sich die Gold-Statuetten befinden«, schickte Parker voraus, »sie hätten sonst
eine dieser Statuetten gezeigt. Nein, Mylady, hier dürfte ein Amateur in Sachen Kriminalität sich versucht ha ben.« »Was ich ja die ganze Zeit über sage.« Die Detektivin nickte. »Der inzwischen verblichene Mr. Costis, der Mylady die erste Statuette verkaufte, hat es verstanden, die Kis ten mit den Kopien in ein nur ihm bekanntes Versteck zu schaffen.« »Und das ich wie finden werde?« »Myladys zwingende Logik deuteten dies bereits an.« »Aha.« Sie wußte nicht mehr, was sie gesagt hatte. »Der momentane Besitzer der Gold-Statuetten dürfte Dr. Georgios sein«, redete der Butler weiter, »und wie Mylady inzwischen längst bemerkt haben, geht die Fahrt nach Süden, zu seiner Privatklinik.« »Ich kannte die Lösung von Beginn an«, sagte sie und warf sich in ihre beachtliche Brustfülle, »ich hatte dies alles sofort durchschaut, das müssen Sie doch zugeben, Mr. Parker.« »Mylady trafen wieder mal den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf«, antwortete der Butler, »darüber hinaus ist sogar zu vermuten, daß Dr. Georgios für den Tod des kleinen Diebes und Straßenhändlers Costis verant wortlich ist.« »Wenn Sie mich nicht hätten, Mr. Parker!« Sie lehnte sich entspannt zurück und war stolz. »Was wären Sie ohne mich!?« »Ein Nichts, Mylady, wie meine Wenigkeit immer wie
der neidlos anerkennen muß«, entgegnete der Butler in seiner höflichen Art, »nun ist nur zu hoffen, daß der „Goldhelm« nicht bereits bei Dr. Georgios erschienen ist. Früher oder später wird auch er mißtrauisch wer den, oder es bereits geworden sein.« »Dann fahren Sie gefälligst etwas schneller«, drängte sie, »oder soll ich das Steuer übernehmen?« Weit vor der Privatklinik des Dr. Georgios hielt Parker den Land-Rover an, stieg aus dem Wagen und brauchte seine hilfreiche Hand erst gar nicht auszustrecken. Lady Agatha stand bereits federnd neben dem Wagen und ließ ihren Pompadour kreisen. »Gehen wir, ich will es abschließen«, sagte sie, »jetzt werden einige Gauner und Gangster einiges erleben.« *** »Wie ich es vermutet habe!« Agatha Simpson flüster te. Sie deutete auf einen Lastwagen, der gerade mit ei nigen Holzkisten beladen wurde. Der Inhalt dieser Kis ten mußte schwer sein, denn die Transportinhaber mühten sich ab. »Vielleicht könnte man noch einen Blick in die Klinik werfen«, schlug Parker vor. Er befand sich mit Lady Agatha im Garten des großen Hauses und deutete sei nerseits auf einen schweren amerikanischen Wagen, dessen Besitzer über viel Geld verfügen mußte. Bevor Parker und Lady Agatha sich jedoch in Bewegung set zen konnten, erschienen einige Männer im rückwärti
gen Ausgang. »Der Goldhelm«, flüsterte die ältere Dame erfreut. »Und Dr. Georgios samt der schönen Helena«, fügte Josuah Parker hinzu, »Myladys Prophezeiung erfüllen sich auf der ganzen Linie.« Das Duo aus London schob sich noch näher an die Li mousine heran. »Hören Sie, Smyrnos«, sagte Dr. Georgios gerade, »geht das alles auch wirklich in Ordnung? Habe ich nichts zu befürchten?« »Sie sind mein Partner, Doktor«, erklärte der „Gold helm«, »Sie haben mir schließlich den Tip mit den Gold-Statuetten gegeben. Was übrigens Ihr Glück war, denn früher oder später wäre ich Ihnen doch auf die Schliche gekommen.« »Ich habe die Kisten hierher gebracht, um sie erst mal aus der Schußlinie zu schaffen«, sagte der Leiter der Privatklinik, »das war gar nicht so leicht, ich konnte ja keinen Menschen ins Vertrauen ziehen, nachdem Costis mir alles erzählt hatte.« »Nur eigenartig, daß Sie so lange gewartet haben«, schaltete die schöne Helena sich spöttisch ein, »erst als Mr. Smyrnos hier auftauchte, wollten Sie mit uns zu sammenarbeiten.« »Was wirklich erstaunlich ist«, meinte Smyrnos süffi sant, »wollten Sie die Statuetten nicht doch für sich al lein behalten?« »Niemals«, beteuerte der Arzt. »Nun, darüber können wir uns ja noch ausführlich un
terhalten«, sagte der »Goldhelm« und wandte sich an seine Begleiterin, »oder ist das überhaupt noch nötig?« »Nein«, sagte sie kühl, »er stört uns nur und ist ein Zeuge, der bei der nächstbesten Gelegenheit reden wird, Stefanos.« »Dann lassen wir ihn doch hier.« »Ich bin dafür, Stefanos.« Sie lächelte und trat zur Sei te, als der »Goldhelm« plötzlich eine schallgedämpfte Schußwaffe zog. »Was ... Was hat das zu bedeuten?« stieß Dr. Georgios hervor. »Haben Sie Gimpel etwa geglaubt, wir würden Ihnen Ihre Geschichte abnehmen?« meinte Smyrnos verächt lich, »Sie wollten das Gold für sich allein behalten. Erst als wir hier aufkreuzten, wollten sie's angeblich an mich weiterleiten. Sie haben es doch nicht mit einem Idioten zu tun!« »Aber mit einer Lady Simpson«, schaltete Parker sich in diesem Moment ein und schickte sein Spezialge schoß auf die Luftreise. Seine Gabelschleuder katapul tierte eine Stahlkugel auf die Stirn des Gangsters, der sofort zusammenbrach, ohne noch einen Schuß ab feuern zu können. Die schöne Helena, wie seine Freundin genannt wur de, wollte sich blitzschnell absetzen, doch sie wurde be reits von dem Pompadour der älteren Dame verfolgt. Eine Sekunde später landete der »Glücksbringer« im Genick der jungen Frau, die einen mächtigen Satz nach vorn machte und dann in einem dornenreichen Ge
strüpp verschwand. »Gut, daß Sie gekommen sind«, freute sich Dr. Georgi os, »Sie haben mir das Leben gerettet, Mylady, Sie wer den bezeugen können, daß man mich umbringen woll te.« »Weil Sie Gauner einen anderen Gangster betrügen wollten«, erwiderte Agatha Simpson grimmig, »aber darüber werde ich mich jetzt in Ihrem Büro ausführlich unterhalten.« »Was soll... Was soll das bedeuten?« »Das werden Ihnen meine Handflächen gleich sagen«, meinte die resolute Lady genußvoll und wandte sich dann an Josuah Parker, »sorgen Sie dafür, daß ich nicht gestört werde! Meine Fragen werden sehr inten siv ausfallen ...« »Mylady können sich auf die absolute Diskretion mei ner Wenigkeit verlassen«, erwiderte der Butler, »und Mylady sollten sich durchaus Zeit nehmen. Vielleicht wäre auch die Frage zu klären, woran der kleine Stra ßenverkäufer wirklich verstarb.« »Ich werde keine Frage auslassen.« Die Lady versetzte Georgios eine Ohrfeige und trieb ihn zurück ins Haus. Parker machte sich daran, diverse Gangster einzusam meln, um anschließend den Abtransport des Goldschat zes in seine schwarz behandschuhten Hände zu neh men. Was er zu tun hatte, tat er gründlich. Er dachte intensiv an die Theorie der Lady Simpson, die diesmal erstaunlicherweise richtig gewesen war. Parker erlaub te sich in diesem Zusammenhang, ein wenig irritiert
und erstaunt zu sein. ENDE
Scan: crazy2001 @02/2011 Corrected: santos22
Günter Dönges schrieb für Sie wieder einen
Nr. 230: PARKER scheucht die Raumflug-Monster Lady Agatha war gerade begeistert, als sie »FutureLand« betrat, in dem sich seltsam-unheimliche Wesen aus dem All ein munteres Stelldichein gaben. Als man dann aber versuchte, sie bei Sphärenmusik umzubrin gen, reagierte sie aggressiv wie stets und ließ ihren Pompadour wirbeln. Sie reizte die Weltall-Monster bis aufs Blut, und Josuah Parker hatte wieder mal alle Hände voll zu tun, Mylady vor Schaden zu bewahren. Er mußte sehr tief in seine bekannte Trickkiste greifen, um nicht zu einem Raumflug ins All eingeladen zu wer den. Er besuchte »Future-Land« und sorgte dafür, daß raffinierte Gangster im Gegensatz zu ihrer Umgebung keineswegs eine rosige Zukunft hatten. Günter Dönges schrieb einen seiner skurrilen und spannenden ParkerKrimis, die voller Action sind, In denen aber auch be freiend gelacht werden darf. Auch bei diesem Parker Sie werden's erleben…