WALTER SCHMITHALS
Paulus und Jakobus
WALTER SCHMITHALS
Paulus und Jakobus
GÖTTINGEN. VANDENHOECK & RUPRECHT· 1963
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WALTER SCHMITHALS
Paulus und Jakobus
WALTER SCHMITHALS
Paulus und Jakobus
GÖTTINGEN. VANDENHOECK & RUPRECHT· 1963
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testamentes Herausgegeben von Ernst Käaemann und Ernst Würthwein Der ganzen Reihe 85. Heft
UDIICblac: Cbrtl&el S&elpawm. C Vmdenboeck & Baprecbt, GOtUDPD 1908. - PriD&ed lD Oerman:y. Olme audrtlctl.lcme GeDe1uD11uD1 dll Vedaael II* ea DJoht aeatat&et, du Buch oder TeUe d.araua auf roto· oder akuatomecbaDJicbem Wep 1111 vervlelfiltlpo. OeumtbenteUunc: Buben & Co., «Mttblaen 8081
in memoriam Professor Dr. theol. HANS GttNTEB GR'Ö'NWELLER
• 1926
t 1961
VORWORT D&& vorliegende Büchlein enthält einen in sich abgeschlossenen Teil meiner Habilitationsschrüt, die im Jahre 1962 von der Theologischen Fakultät der Philipps-Universität in Marburg angenommen wurde. Es bildet den vorläufigen Abschluß einer Reihe von Studien zu den urchristlichen Parteiverhältnissen. Zu diesen Studien gehört meine Untersuchung über "Die Gnosis in Korinth', die demnächst in neubearbeiteter Auflage erscheinen wird, und eine Anzahl zum größten Teil bereits veröffentlichter Aufsätze, deren gemeinsamer Abdruck zu erwarten ist. Wenn auch die hier vorgelegte Untersuchung in engem Zusammenhang mit diesen früheren Studien gesehen und gelesen werden möchte, so ist sie doch unabhängig von ihnen durchgeführt; sie möchte darum in ihren exegetischen Teilen auch unabhängig von ihnen beurteilt werden. Mein Dank gilt der Theologischen Fakultät der Marburger Universität, insbesondere Herrn Prof. D. W. G. Kümmel, für die Bereitwilligkeit, mir die venia legendi für das Fach Neues Testament zu erteilen. Ferner danke ich herzlich Herausgeber und Verleger für die Freundlichkeit, diese Untersuchung in die angesehene Reihe aufzunehmen, in der sie erschienen ist. Wie die Widmung zu erkennen gibt, möchte diese Arbeit zugleich ein bescheidenes Denkmal einer früh zerrissenen Freundschaft sein. Raumland, im April 1963
Walter Schmithals
INHALT Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Paulus und Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
I S'tephanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
li Das
~Apostelkonzil'
III Der Zwischenfall in Antiochien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 51
IV Die Sammlung der Kollekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 V Der letzte Besuch des Paulus in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . .
70
VI Das •Aposteldekret' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
VII J udaisten 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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PAULUS UND JAKOBUS Die Beurteilung des Verhältnisses von Paulus zu J akobus, d. h. der von Paulus gegründeten hellenistischen Gemeinden zu der judenchristlichen Urgemeinde in Jerusalem 1 , steht bis heute unter dem Einfluß der historischen Ergebnisse der exegetischen Arbeiten F. C. BAUBS. Nach F. C. BAUR waren es Judaisten aus Jerusalem, die für die von den Paulusbriefen bezeugten heftigen Kontroversen auf dem paulinischen Missionsgebiet verantwortlich zu machen sind. Das Urteil ~Lügena.postel' und ~satansdiener' (2.Kor. 11, 13ft'.) trifft direkt die Urapostel in Jerusalem. Damit ist dann ein eindeutiges Urteil über das Verhältnis von Paulus zu Jakobus gefällt. Daß sich dies Urteil der Tübinger Schule nicht aufrechterhalten läßt, ist längst erkannt. Zwar besteht heute weniger denn je Einmütigkeit über Charakter und Hintergründe der antipaulinischen Aktionen in Galatien und Korinth, Philippi und Thessalonich; kaum jemand aber wagt es heute noch, in der Jerusalemer Gemeinde und ihren Säulen Petrus und Jakobus die Gegner des Paulus in seinen Briefen zu sehen. Wer, wie es üblich ist, mit mehr oder weniger umfangreicher j1Ulaisti8cker Agitation gegen Paulus rechnet, macht für diesen Judaismus meist eine extreme Sonderrichtung des pa.lä.stinischen Judenchristentums verantwortlich. Wer die Träger der Gegenmission in den paulinischen Gemeinden als hellenistische oder gnostische Judenchristen oder gar als judaisierende Heidenchristen ansieht, muß schon deshalb jede besondere Beziehung dieser Gegner des Paulus zu der Urgemeinde in Jerusalem bestreiten. Dann steht die Forschung aber von neuem vor der Frage, wie das Verhältnis von Paulus zu Jakobus zu beurteilen ist, und diese Frage stellt die Aufgabe, dies Verhältnis erneut zu untersuchen. Natürlich ist an dieser Aufgabe stets gearbeitet worden. Zahlreiche Aufsätze und die entsprechenden Abschnitte in den Kommentaren beschäftigen sich mit den einschlägigen Texten vor a.llem aus dem Korpus Paulinum und der Apostelgeschichte und mit den von diesen Texten aufgeworfenen Problemen. Jedoch ist es, wie mir scheint, ein besonderes Verdienst von J. MUNCK, in seinem Buch ~Paulus und die Heilsgeschichte' 1 die Frage nach dem Verhältnis von Paulus zu J a.kobus umfassend aufgeworfen und damit darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß hier ein Problem, das der Tübinger Schule schon gelöst 1 In diesem Sinne ist im folgenden von 'Paulus' und 'Jakobus' die Rede. ' Kopenhagen 1954.
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schien, als Ganzes noch seiner Lösung harrt 1 • Was J. MuNCK selbst als Lösung anbietet, ist allerdings kaum als solche zu bezeichnen. Daß, wie J. MUNCK meint, Paulus und Ja.kobus, Heidenchristen und Judenchristen stets in gänzlicher Obereinstimmung lebten und lehrten, wird man nicht von vornherein für unmöglich halten müssen; aber die oft geradezu abenteuerlichen Begründungen, auf die J. MuNCK seine These stützt 1 , dürften kaum breitere Zustimmung finden. Nun ist es in der Tat gar nicht so leicht, die hier gestellte Frage zu beantworten. Die Tübinger hatten als ausgedehnten Grund ihres Urteils jene zahlreichen Ausführungen der Briefe, in denen Paulus sich mit seinen Gegnern auseinandersetzt. Dieser Grund fällt nunmehr fort, und es verbleiben vor allem jene gelegentlichen Äußerungen, in denen Paulus explizit über sein Verhältnis zu Jerusalem Auskunft gibt, sowie die nur mit allergrößter Vorsicht zu benutzenden Angaben der Apostelgeschichte. Andere Quellen stehen uns für die Beschreibung des Verhältnisses von Paulus zu Jakobus nicht zur Verfügung; denn mit Recht wagt es heute niemand mehr, mit den Tübingern aus späteren Schriften wie den Pseudo-Clementinen und apokryphen Evangelien angeblich judenchristlicher Observanz Schlüsse auf die Verhältnisse innerhalb der christlichen Gemeinden vor dem jüdischen Aufstand zu ziehen. Auch der Jakobusbrief, die Petrusbriefe, die Offenbarung des Johannes und andere Schriften können doch unter unserer Fragestellung kein ersnthaftes Interesse verdienen. Allerdings ist das Verhältnis von Paulus zur J erusa.lemer Gemeinde nur ein- bedeutsamer- Sonderfall des Verhältnisses vom Judenchristentum zum Heidenchristentum überhaupt. Darum wäre uns viel geholfen, wenn wir über dieses umfa.ssende Verhältnis Genaues wüßten. Das aber ist nicht der Fall, wie jeder Kenner der Geschichte der frühen Christenheit weiß. Die eben genannten und andere nachapostolische Schriften erlauben, wie heute allgemein anerkannt ist, keinerlei zuverlässige Rückschlüsse auf irgendwelche Richtungen des Judenchristentums vor dem Jahre 70. Die besonderen Beziehungen des Paulus zu Jerusalem bilden vornehmlich die Quelle unserer Kenntnis der im 1. Jh. bestehenden Beziehungen zwischen Heidenchristentum und Judenchristentum überhaupt, nicht umgekehrt. Eine gewichtige Nachricht aus früher Zeit, die nicht das besondere Verhältnis von Paulus zu Jakobus betrifft, vermittelt uns allerdings der Bericht der Apostelgeschichte über das Martyrium des Stephanus und die dazu führenden Vorgänge: Apg. 6, 1-8, 3. Freilich handelt es 1 A.a.O. 8. 61-78; diese Seiten sind das Beste von J. MUNCJtS Buch undaufs Ganze ~eeehen - überaus lesenswert. 1 Zur Kritik von J. MUNOKS Buch s. R. BuLTMANN in ThLZ 84, 1959, Sp. 481---486.
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sich hierbei um nichts weniger als um einen getreuen historischen Bericht. Trotzdem sei der Versuch gewagt, uns von diesem Text in die Probleme des Verhältnisses von Judenchristentum und Heidenchristentum überhaupt, deren Sonderfa.ll Paulus- Ja.kobus uns dann vor allem interessieren soll, einführen zu l.a.ssen.
I. STEPHANUS 1. Die Szene Apg. 6,1-7 bezeugt eine Spa.ltung in der Jerusa.lemer Urgemeinde. Luka.s hatte aber bisher mit Empha.se die Einheit der Gemeinde zu Jerusalem beschrieben: 1,14; 2,1. 46; 4,32; 5,12 u.ö. Er läßt denn auch die Apostel prompt die beginnenden Streitigkeiten beseitigen. Schon diese Beobachtung zeigt, daß Lukas die seiner Tendenz widerstreitende Szene Apg. 6,1-7 nicht einfach erfunden haben kann 1 , wie H. J. SCHOEPS [2] S. 439ff.; [3] S. 5f.; 13 meint. Die Gemeinde ist in 'Eßeaiot und 'Ell.""unal gespa.lten. Wir erfahren nicht, welches der Unterschied dieser Gruppen ist. Der Begriff 'Ell'l",
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Stephanus
entscheiden ist diese Frage hier nicht 1 • Wir werden auf sie zurückkommen. Daß die Unzufriedenheit über die Versorgung der Witwen niemals die Ursache der von Lukas berichteten Spaltung in der Gemeinde gewesen sein kann, hat nach anderen die glänzende Exegese von E. IIAENCHEN so überzeugend gezeigt', daß wir diese Frage als erledigt ansehen können. Wenn der Streit um die Witwenversorgung überhaupt historisch ist, so ist er nur ein konkreter Ausdruck latenter Spannungen gewesen 1 • Die 7 •Diakone', offenbar sämtlich 'EllfJ'I'unal•, haben, wie der weitere Bericht des Lukas selbst zu erkennen gibt, nichts Spezielles mit der Armenpflege zu tun gehabt. Sie waren Evangelisten: 6, 8 ff. ; 8,5ff.; 21,8 1 . Es wäre ja auch mehr als seltsam, wenn der diakonieehe Dienst in der gesamten Jerusalemer Gemeinde nur Hellenisten übertragen worden wäre, wie es die Darstellung des Lukas voraussetzt. Wir haben es bei den Sieben mit den Führern des hellenistischen Gemeindeteils zu tun; so nimmt die moderne Forschung übereinstimmend an •. Dieser hellenistische Gemeindeteil hat sich also von der •urgemeinde' separiert. Nun erheben sich Fragen. Wie konnte eine solche Sondergruppe in J erusalem entstehen~ Mit Recht schreibt E. HAENCHEN 7 : "Daß die Hellenisten diesen Absprung 1 Es sei noch auf B. REICXES vennittelnde Hypothese hingewiesen, der in den Hellenisten vorwiegend ehemalige Proselyten sieht ([2] S. 116f.). 1 A. a. 0. S. 223ff./218ff. 1 Vgl. dazu jetzt E. IIAENCBEN a.a.0. 11 S. 221f. ' Sie tragen alle griechische Namen. Waren sie alle Proselyten wie Nikolaus, der dann nicht als Proselyt überhaupt, sondern als antiocheni8cher Proselyt hervor· gehoben wird? (So B. R.EICXE a.a.O. S.117; vgl. W. GRUNDMANN a.a.O. S. 57). Oder wird Nikolaus Proselyt genannt, weil die anderen geborene Juden waren 1 (So E. HABNCHEN a.a.O. S. 220/217 und die meisten anderen Exegeten.) Oder wird der Proselyt Nikolaus von den anderen Hellenisten unterschieden, weil er als einziger beschnitten war, sie aber alle unbeschnittene Heidenchristen waren? (vgl. G.P.WETTEB a.a.O. 8.412). Leider bleibt auch diese Frage zu· niehat ungeklärt. • E. IIABNOBEN a.a.O. S. 225/219; H. LIETZMANN, Geschichte der Alten Kirche, I, S. 63; R. BULTKANN [2] S. 57; M. SIMON a. a. 0. S. 6f.; C. T. CR.uo, The Beginninga of Christianity, 1943, S. 147; J. WBISS a.a.O. S. 10f. • Zuletzt M. SIMON a.a.O. S. 6ft'. Daß die Hellenisten sich unter Leit~ der 'Sieben' erst auf Grund der Streitigkeiten um die Witwenversorgung als eigene Gn1ppe organisierten, wie E.IIAENOBEN a.a.0. 10 S. 226 annimmt, ist nicht von vomherein ausgeecblOBBen. Sollte H. J. CADBUBY recht und es sich bei ihnen um Heidenchristen gehandelt haben, müssen sie freilich von Anfang an seih· ständig organisiert gewesen sein. Das wäre auch dann als ziemlich sicher anzu. nehmen, wenn die •Hellenisten• nur der griechischen Sprache mächtig waren oder wenn sich ihre theologische Einstellung wesentlich von der der 'Hebräer' unterschied. 7 A.a.0. 10 S. 227; vgl. a.a.O. •• S. 222.
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wagten, daß sie aus diesem Magnetfeld herauskamen, ist das Erstaunliche." Aus welchen Voraussetzungen erklärt sich diese Entwicklung? Weiter: Worin lagen die eigentlichen Differenzen zwischen •Hebräern' und •Hellenisten', von denen wir jedenfalls in Apg. 6,1-7 kein Wort erfahren 1 Und schließlich: Warum verschweigt Lukas uns diese Differenzen 1 Warum berichtet er auch nichts vom Aufkommen der Hellenisten t Weil er nichts davon gewußt hat? Nun, er hat jedenfalls mehr davon gewußt, als in Apg. 6, 1-7 sichtbar wird. Das nämlich zeigt der Fortgang des lukanischen Stephanusberichtes. 2. Zweifellos verwertet Lukas für seinen nun folgenden Bericht vom Martyrium des Stepha.nus eine ihm vorliegende Tradition. Das zeigt schon die Tatsache, daß das Auftreten der mit Stephanus disputierenden hellenistischen Juden durch die bisherige Darstellung der Apostelgeschichte nicht motiviert wird, um so mehr, als ja. auch Stephanus von Lukas keineswegs als Hellenist in Apg. 6, 1-7 eingeführt worden ist 1 • Auch widerspricht die Darstellung des Stepha.nus als eines gewaltigen Predigers stracks der luka.nischen Konstruktion von 6, 1-7, die ihn einen Almosenpfleger und das Predigen Sache der Apostel sein läßt. Dieser Tradition gehört nicht die große Rede des Stephanus a.n, wie denn überhaupt die ganze Verhandlung vor dem hohen Rat in den überlieferten Bericht eingefügt worden ist 1 • Die Beziehungen der Rede zu den nach Apg. 6, 11 gegen Stephanus erhobenen Vorwürfen sind denn auch denkbar gering•. In Verbindung mit dem Martyrium des Stepha.nus ergeht "eine große Verfolgung über die Gemeinde in Jerusa.lem" (Apg. 8, 1). Da Lukas seinen Lesern Stephanus stets als einen Vertreter der Jerusa.lemer Gesamtgemeinde vorstellte, muß die Verfolgung konsequenterweise die Gemeinde als ganze treffen. So meint Lukas es auch in 8, 1 : "Alle wurden zerstreut." Nun wissen wir, daß Stepha.nus keineswegs die gesamte Jerusa.lemer Christenheit, sondern nur deren hellenistischen Teil repräsentierte. Wir wissen ferner, daß das Verhältnis dieses Siehe noch E. IIABNom:N a.a.O. S. 230f./220. H. H. WENDT a.a.O. S. 13~ Anm. 2; E. HAENcm::N a.a.O. S. 232/226: H. TBYEN, Der Stil der Jüdisch-Hellenistischen Homilie, FRLANT 66, S. 19f.; M. DmBLIUs [2] S. 1üff. 1 W. FoEBSTER, Stephanus und die Urgemeinde (in ·nienst unter dem Wort', Feetgabe für H. Schreiner, 1953, S. 9-30), macht freilich gerade diese Rede zur Grundlage seiner These, daß der Unterachied zwischen Hebräem und Hellenisten in der nur von den letzteren vertretenen Meinung bestanden habe, daß ein neuee Exil der Juden und die diesem vorangehende Zerstörung dee Tempels zu erwarten sei. Schwerlich wird diese Erklärung Zustimmung finden. Solche Erwartung ist für die auf die Parusie wartende Gemeinde kaum denkbar, von allen anderen Schwierigkeiten dieser Hypotheee abgeeehen. 1
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Stephanua
Teiles zu den ~Hebräern' nicht spannungsfrei war. Es ist also mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Verfolgung nur die Hellenisten traf. Daß es sich so in der Tat verhielt, zeigt Lukas selbst durch seine Bemerkuug, es seien alle zerstreut worden "nl?)v Tci'W dnoOTolaw" (8, 1 ). Nun ist ja wohl undenkbar, daß die ganze Gemeinde zerstreut wurde, ihre Leiter aber unbehelligt in Jerus&lem bleiben konnten. Das Umgekehrte wäre glaubwürdig. Das "nl?)v Tci'W dnoo-tolaw" ist also lukanisches lnterpret&ment 1• Soll diese Bemerkung nur die für Lukas theologisch so überaus wichtige Kontinuität der Gemeinde bzw. der apostolischen Autorität in J erusalem sichern, so daß in Wahrheit doch die ganze Gemeinde zerstreut worden wäre 1 Kaum ! Weder in der Apostelgeschichte noch in den Paulusbriefen ist uns irgendeine Überlieferungsspur erhalten, die darauf schließen ließe, daß die Urgemeinde in früher Zeit Jerus&lem als ganze hat verl&SSen müssen und erst später wieder zurückkehren durfte. So ist die allgemein vertretene Annahme wahrscheinlicher, daß das "nJ.~ Tci'W dnoOTolaw" die Reduktion der dem Inkanischen Interesse widerstreitenden Tatsache ist, daß die Verfolgung nur über einen Teil der Gemeinde erging. Da Stephanus das Haupt dieses Teiles war, kann es sich bei den Verfolgten nur um die Hellenisten gehandelt haben. Die ~Hebräer', nicht nur ihre Führer, blieben unbehelligt 1• 3. Dann aber erhebt sich in verstärktem Maße die Frage, welcherart der wesentliche Unterschied zwischen 'Hebräern' und ~Hellenisten' war, der nicht nur die Spaltung der Urgemeinde selbst, sondern auch die so unterschiedliche Behandlung durch die Juden erklärt. Es bedarf keiner Frage, daß der Hinweis auf eine verschiedene Muttersprache beider Gruppen hier nicht weiterhilft. E. HAENCHEN h&t sich in seiner glänzenden Analyse der Stephanusgeschichte auch dieser Frage angenommen. Er weiß darum, daß "sich - das erweist die Verfolgung die Verkündigung der Hellenisten von derjenigen der Hebräer tief unterschieden hat" 1 • Des näheren ergibt sich aus der Verfolgung der Hellenisten "notwendig, daß ihre Verkündigung etwas für die Juden Unerträgliches enthielt, das in der Predigt der ~Hebräer' fehlte" •. Was war die Besonderheit in der Predigt der Hellenisten 1 Die vorlnkanische Tradition der Stephanusgeschichte gibt uns einen Hinweis, wenn sie von den Anklagepunkten gegen Stephanus spricht. Freilich liegt auch diese Tradition nur in lukanischer Fassung vor, und 1 Vgl. M. SDION a.a.O. S. 27. F. F. BBu<m, The Aots of the Apostlea, 1966 1, S. 181 meint, die Apostel hätten aus Pffiohtgefühl auf ihrem Posten ausgeharrt. .Ähnlich G. B. CAIBD, The Apostolle AJr,e, 1958, S. 87. • E. HAIINOBBN a. a. 0. S. 256/24t8; lt BU'L'l'IUNN [2] S. 57. 1 A.a.O. S. 226; vgl. a.a.O. •• S. 220f. • Ebd.
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Lukas ist sehr daran interessiert, die Vorwürfe gegen Stephanus zu entschärfen 1 • Das zeigt schon die Tatsache, daß er sie rfa.lschen Zeugen' in den Mund legt, die zu ihrer AUSBa.ge angestiftet wurden (Apg. 6, 11 ff.), und daß er durch seine Einschübe in die große Rede des Stephanus (nach E. JIABNOHJCN a.. a.. 0. S. 246f./240 stammen die Verse 35. 37. 39-43. 48-53 von der Hand des Lukas) den Hauptpunkt der Anklage widerlegt: Nicht die Christen, sondern die Juden selbst haben Moses und das Gesetz verworfen, wie die alttestamentliche Geschichte zeigt. Gewiß ist es auch luka.nische Interpretation, wenn diese falschen Vorwürfe blasphemische Reden gegen Moses und Gott zum Inhalt haben (6, 11). Dem wahren Sachverhalt a.m nächsten dürfte der Vorwurf kommen, Stephanus rede gegen den Tempel und das Gesetz, was für Lukas konkret heißt: Jesus wird den Tempel zerstören und die mosaischen Gebräuche verändern. Das sind Worte, die der von Lukas bis hierher aufgewiesenen überaus positiven Einstellung der Urgemeinde zu Tempel und Gesetz durchaus widersprechen 1 • Lukas läßt sie deshalb ja. auch dem Stepha.nus von •falschen Zeugen' vorgeworfen werden. Gerade darum aber erweisen sie sich als in ihrer ursprünglichen Form einer vorluka.nischen Tradition angehörend, wenn auch ihre jetzige Formulierung luka.nisch ist, wie ein Vergleich mit Apg. 21,28 zeigt 1• E. HABNOHJCN meinte in Übereinstimmung mit der Forschung überhaupt, damit die Besonderheit der Verkündigung der Hellenisten und den Grund zu ihrer Verfolgung gefunden zu haben c, zumal beide Motive in der Stepha.nusrede geringfügig wieder anklingen (7,48.53) 1• Gegen diese Sicht der Dinge hat schon G. KLEIN in seiner Besprechung des Kommentars von E. HABNCHBN Einspruch erhoben •. Die Aufhebung des Tempels in der letzten Zeit durfte jeder Jude verkündigen. Selbst die Mißachtung des gegenwärtigen Opferkultes war im Judentum nichts Ungewöhnliches. Das Judentum war längst keine Religion des Kultus mehr, sondern des Gesetzes. Schon das Alte Testament kennt kritische Worte zur Genüge: l.Kön. 8,27; l.Sa.m. 15,22; Ps. 40,7; 50, 9ff.; 51, 18; Jes. 1,11 ff.; 66, 1; Jer. 7, 21 f.; Hos. 6, 6; Micha 6, 6-8. Die Essener vor den Toren der Heiligen Stadt mißachteten den Tempelkult konstant, ohne deswegen behelligt zu werden 7 , von den Ga.liläern oder gar den Samaritanern ganz zu schweigen. 1 Die Motive, die dieses Interesse wachrufen, sind unten angesprochen; 8. 24, Anm. 1. 1 Vgl. H. CONZBLKANN, Die Mitte der Zeit, 1954, 8. 142f. 1 Siehe unten S. 19f. ' A.a.O. 1t S. 226. I Ebd. • ZKG 68, 1957' 8. 368. 7 Gewiß wird diese Mißacht des Tempelkultes damit bearöndet, daß der gegenwärtige Kult in Jerusale~ Heiligtum verunreinigt. Eben. die in dieser Kritik liegende Mißachttmg des Tempels aber läßt sich das Judentum gefallen.
8.
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Stephanue
Die hellenistischen Juden hatten nur ein sehr lockeres Verhältnis zum Tempelkult; Justin (Dial. 117,2) gibt a.n, jüdische Kreise der Diaspora hätten Mal. 1, tOff. so ausgelegt, daß Gott den Opferkult in Jerusalem zugunsten der Gebete verworfen habe, die die Juden in der Zerstreuung darbrachten. Vgl. auch Or. Sib. IV Sff.; 24ff. 1 . Die tempelkritische Einstellung der Stephanusrede ist zwar nicht genuin jüdisch, aber auch nicht unjüdisch 1 . Die Zerstörung des Tempels hat das Judentum denn auch ohne große Erschütterung überstanden. Vor allem konnte sich in dieser Frage keine Kluft zwischen •Hebräern' und •Hellenisten• auftun. Was auch immer a.n der luka.nischen Auffa.ssung dran sein mag, daß die Urgemeinde sich im Tempel versammelte: daß sie sich regelmäßig a.m Opferkult beteiligte, kann selbst er nicht behaupten 1 . Ebensowenig war es schon ein todeswürdiges Verbrechen, über einzelne Bestimmungen des mosaischen Gesetzes zu diskutieren oder sich über sie hinwegzusetzen. Das Judentum bestand auch in Palästina nicht aus lauter Pharisäern, und selbst diese diskutierten das Gesetz. Noch von dem Jesus der Synoptiker gilt: "Seine kritische Gesetzesinterpretation steht ... trotz ihres Radikalismus innerhalb der SChriftgelehrten Diskussion."' Das ·volk des Landes' war wohl beschnitten, damit auch der jüdischen Volksgemeinschaft eingefügt, aber keineswegs gesetzesstreng. Über diesem Am haarez steht zwar das Urteil: "Dieses Volk, das das Gesetz nicht kennt, ist verflucht" (Joh. 7,49) 5 , aber ihm wurde natürlich nicht das Schicksal des Stephanus bereitet. Selbst Priester werden häufig zu diesem Am laaarez gezählt (BILLBBBECK II S. 495). Wäre eine gewisse Laxheit in der Gesetzesbeobachtung oder -bewertung dem Stephanus zum Verhängnis geworden, so hätte man konsequenterweise halb Palästina. entvölkern müssen. "Galiläa., Ga.liläa., du hassest die Lehre; du wirst schließlich zu den Räubern gehören", ist ein bezeichnender rabbinischer Satz (s. bei ßuJ.EBBEOX I S. 157). Das Miteinander von strengen und laxen Juden machte zwar Vgl. G. STBBOXBB [1] s. 183f. Vgl. R. BtTLTilANN, Daa Evangelium des Johannes, S. 88 Anm. 7; G. F'BIJm. RICB, Meaaianiscbe Hohepriestererwartung in den Synoptikern, ZThK 1966, S. 289ft'. Man hat denn auch nicht ohne Grund behauptet, daß es eich bei der Rede dee Stephanus einBChlüßl~ der gesetzeskritischen Stellen um einen von Lukas benutzten Vortrag handele, der aus einer hellenistischen Synagog~ stammt (H. TKYBN, Der Stil der Jüdisch-Hellenistischen Homilie, FRLANT 66, 1966, S. 19f.). Vgl. auch M. SOION a.a.O. S. 84ft".; P. DALBERT a.a.O. s. 66; 115; 136. 1 Mt. 6, 23 könnte allerdinge andeuten, daß die Christen J eruealeme eich nioht prinzipiell vom Opferkult distanzierten. ' R. BtJLTilANN [2] S. 35; vgl. A. v. IIARNACX, Die Miseion und Ausbreitung des Christentums, 1916 1 , I S. 61. 6 Siehe dazu R. BtTLTilANN, Daa Evangelium des Johannes, S. 23~f.; BILL. U S. ~N--619; R. MBnm, Der Am haare&, Judaica 3 (1H7), S. 169---199. 1 1
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Schwierigkeiten, wie das umfangreiche Material bei BILLERBECK zeigt, aber man schlug sich doch gegenseitig nicht tot 1 • Noch stärker als der Am haarez hat sich das hellenistische Judentum stellenweise vom Gesetz emanzipiert, ohne deswegen verfolgt zu werden 1 • Man denke nur an Philo, der - auf seine Weise -die Gesetzesfreiheit theologisch bewältigte. Wie fern steht der ganzen apokalyptischen Literatur• der Tempel und das pharisäisch verstandene Gesetz •! Man geht gewiß nicht fehl in der Annahme, daß auch die •Hebräer' in Jerusalem nicht gesetzeBBtreng gewesen sind, zumal Galiläa die Heimat der ersten Christen war. Mt. 5,18 ist im urchristlichen Schrifttum durchaus singulär. Auch die Urgemeinde hat nicht pharisäisch das Gesetz als Heilsweg angesehen 6 • Der Grund zur Spaltung in Hebräer und Hellenisten und die darin begründete unterschiedliche Behandlung bei der Verfolgung durch die Juden kann also kaum in einem Mehr oder Weniger der Gesetzesbeobachtung beider Gruppen gelegen haben. Das hat auch E.IIABNCHEN in der Neuauflage seines Kommentars erkannt •. Die Gesetzeskritik der •Hellenisten' muß grundsätzlicher Natur gewesen sein und an die Grundlagen der jüdischen Existenz gerührt haben, wenn die Spaltung in der Urgemeinde und die blutige Verfolgung der Hellenisten Erklärung finden sollen. So meint denn auch G.KLEIN[1]S.368,manhabe"dashinterder 11, 19ft'.geschildertenTätigkeit der Hellenisten wirksame Selbstverständnis auch schon ftir ihre jerusalemer Periode in Ansatz zu bringen". Demgemäß erblickt er "im Bekenntnis zur gesetzesfreien Heidenmission ihre für jüdische und •hebräisch' -christliche Ohren fundamentale Ketzerei". Das bringt unser Problem einer Lösung näher, löst es aber noch nicht ganz. Die grundsätzlich richtige Erkenntnis G. KLEINs muß radikalisiert werden. Wenn man beachtet, daß die Jerusalemer Urgemeinde durch ihre Führer dem Apostel Pa.ulus die Gemeinschaft a.ngesichts seiner 1 Vgl. zum Problem neue~ E. KÄSBKANN, Zum Thema der urchristlichen Apokalyptik, ZThK 69, 1962, 8. 266f. 1 Siehe S. 21, Anm. 1. 1 Vgl. dazu die vorzügliche Untersuchung von D. RössLBB, Gesetz und Geschichte, WMANT 3, 1960. • Das Judentum der neutestamentlichen Zeit war keine Einheit, und eine jüdische Orthodoxie hat es nicht vor der Zerstörung des Tempels gegeben. Blutige Auseinandersetzungen innerhalb des Judentums haben m jener Zeit, wenn ich recht sehe, stete einen vornehmlich politiachen Akzent gehabt, nicht einen theologischen, wie er durch die Frage des Gesetzes für uns zunächst anvisiert wird Mit Recht spricht darum B. RBIOKE [2] 8. 12,ft'. mehrmals betont von einer "radikal nationalistischen Aktion ge~ Stephanus", ohne freilich konsequent der Frage nachzugehen, welche Emstellung des Stephanus den blutigen Haß der •Nationalisten' hervorzurufen geeignet war. ' Siehe dazu 8. 28 Anrn. 3. • A.a.o.u S. 221.
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gesetzesfreien HeidenmiMion ausdrücklich zusicherte (Gal. 2, 9), so wird ma.n nämlich fra.gen müssen, ob denn in früherer Zeit in Jerusa.lem eine a.ndere Einstellung herrschte 1 • Ma.n ma.g antworten: Das Abkommen des sogenannten Apostelkonzils ka.m unter dem Druck der inzwischen gescha.ffenen Tatsachen zustande und bedeutete ein Verlassen des älteren Jerusa.lemer Grundsatzes, auch die Heiden unter das Gesetz zu stellen•. Das ma.g sein, ist aber nicht zu beweisen und, wie wir später sehen werden, durchaus unwahrscheinlich. Solchen Beweis a.uf Mt. 10,5f. 23; 8,5-10; Mk. 7,24-30 zu stützen -wir werden a.uf diese Stellen zurückkommen - ist schon deshalb mißlich, weil diese Traditionen nicht sicher zu lokalisieren sind. Anderseits erklärt Pa.ulus ausdrücklich, daß die Gemeinden in Judäa. von Anfang seiner Tätigkeit a.n Gott wegen des von Pa.ulus verkündigten, natürlich gesetzesfreien Evangeliums priesen (Ga.l. 1, 23f.). Wo bleibt da. noch Zeit für eine ursprünglich solches Evangelium ablehnende Einstellung der Christenheit Judäa.s? Ob es also nur wegen der gesetzesfreien Heidenmission in der Jerusa.lemer Urgemeinde zu einer Spaltung kommen konnte, ist durchaus fraglich. Ferner ist höchst unwahrscheinlich, da.ß das Problem der gesetzesfreien Heidenmission ausgerechnet in Jerusalem aufkommen konnte, ja., da.ß sich dort überhaupt eine Gemeindegruppe konsolidierte, deren theologisches Fündlein die gesetzesfreie Heidenmission war, die mit diesem Fündlein auffiel und tödlichen Ärger hervorrief. Dies Problem ist in der Diaspora. zu Hause, und insofern ha.t Lukas ganz recht, wenn er die Heidenmission der Hellenisten erst in Antiochien beginnen läßt. Jerusa.lem war der denkbar ungünstigste Ausgangspunkt der gesetzesfreien Heidenmission. 1 So auch E. HA.li:NOBBN a.a.0. 11 S. 221. Er meint jetzt mit Recht, daß "das, was die Juden in Jerusalem gegen die Stepbanusleute aufbrachte, et:,; lieh nur in einer großen Freiheit gegenüber dem Gesetz gelegen haben" (ebd.). Er nimmt damit die begründete Kritik G. KLEINs an seiner Behandlung unseres Problems in der erBten von ihm bearbeiteten Auflage des Meyerachen Kommentare zur Apoete~hichte auf und weist zugleich G. KLEINs These von der durch die Hellenisten in J erusalem propagierten Heidenmission (mit Recht, aber mit unzureichender Begründung) ab. Dann aber versagt auch E. HABNOBBNs eigene Deutung. Er erinnert an Jesu Freiheit gegenüber den Fragen des Sabbate und der Reinheit und meint, vielleicht hätten die •Hellenisten' das Gesetz eher im Sinne J esu ausgelegt als die •Hebräer'. Nun, einmal spiegeln die synoptischen Berichte von der laxen Geeetzesauffaasung J esu zweifellos das Verhalten der palästiniaohen Urgemeinde überhaupt, aleo gerade der •Hebräer', wider (a. 8. 28 Anm. 3). Zum anderen ist dieses laxe Verhalten ungewöhnlioh nur im Vergleich mit der Strenge der pharisäischen Lehre, nicht aber im VerJdeioh mit dem praktischen Verhalten der Masse des Am hoo.ru in Palästina. ~inen Grund zu blutiger Verfolgung bot Freiheit gegenüber dem Gesetz also niemal•. Die •Hellenisten' müaaen aioh folglich eine größere Freiheit gegenüber dem Gesetz herausgenommen haben. 1 So G. KLmN jetzt anläßtich der Besprechung von E.IIABNOBEN a.a.0. 11 in ZKG 73, 1962, S. 360.
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Vor allem aber ist wenig glaubhaft, daß die Juden Stephanus totschlagen, weil er einem Heiden, der Chri8t wird, nicht das j1ldi8che Gesetz auflegt. Die jüdische Existenz wurde nicht berührt, wenn die Heiden auch als Christen genauso gesetzesfrei leben konnten wie zuvor. Auch später lief ja. die ·urgemeinde• offenbar keine Gefahr, von den Juden verfolgt zu werden, nur weil sie sich mit der gesetzesfreien Heidenmission des Pa.ulus einverstanden erklärte (Gal. 2, 1-10). Die gesetzesfreie Heidenmission als solche tastete noch nicht die Geltung des Gesetzes für den Juden an. So ist auch nicht bezeugt, daß die Juden gegen die christliche Heidenmission als solche vorgegangen sind 1 • Was betraf es den frommen Juden schon, wenn die Christen die Heiden in ein Reich einluden, dessen Herr der gekreuzigte Jesus von Na.zareth war? Dessen Reich war jedenfa.lls nicht das von ihnen erwartete Gottesreich. Man wird also die Beobachtung G. KLEINS dahingehend erweitern müssen, daß Stephanus und sein Kreis das Gesetz überhaupt, also auch für die Juden bzw. Judenchristen und einschließlich der Beschneidung, für aufgehoben erklärten, wie auchPaulus es tat 1 • Darüber mußte es zur Spaltung in der Jerusalemer Gemeinde kommen. Selbst wenn nämlich die ·Hebräer• diesen Schritt zur Gesetzesfreiheit theologisch hätten mitvollziehen können, so mußten sie schon um ihrer 1 Was nicht ausschließt, daß man dem Apostaten Paulus bei seiner Heidenmission auf mancherlei Weise Schwierigkeiten machte. 1. Thess. 2,15 ist allerdings ernsthaft als Glosse verdächtigt worden (vgl. Komm.). Doch ist auch Gal. 5,11; 6,12 zu vergleichen. Daß die paulinische Mission offenbar geme bei den Heiden anknüpfte, die als •Gottesfürchtige' bereits in einer losen Verbindung zum Judentum standen (s. S. 49f.), kann der Synagoge nicht angenehm gewesen sein. Denn nun fielen die mühsamen Früchte der jüdischen Propaganda als leichte Beute den Christen in den Schoß, die darauf verzichteten, den •Gottesfürchtigen' das schwere Joch des Gesetzes auf den Hals zu laden, bevor sie sie ganz in ihre Gemeinschaft aufnahmen. Den Juden muß dieser Weg als ebenso geschickte wie gemeine Taktik erschienen sein. Da für die Zeit vor 70 der Umfang der missionarischen Bemühungen der Synagoge schwerlich überschätzt werden, demnach auch das missionarische Interesse des Judentums nicht bezweifelt werden kann (s. S. 50), waren Auseinandereetzungen zwischen Paulus und den Juden unausbleiblich. P. H. MlcNOUD (L'eglise naissante et le Judaisme, EThR 27, 1952, S. 1-52) weist vielleicht mit Recht auch darauf hin, daß die Juden kein Interesse daran haben konnten, die Christen an dem ihnen gewährten religiösen Schutz teilhaben zu lassen. Gerade weil sie die (Heiden)christen nicht als Juden anerkannten, klagten sie sie bei den römischen Behörden an. Daß Paulus Bedrängnissen vonseitender Juden ausgesetzt war, ist femer auch abgesehen von seiner Missionstätigkeit schon darin begründet, daß er Apoetat war. 1 Der Schritt zur gesetzesfreien Heidenmission schloß den zur gesetzesfreien Judenmission im Grunde genommen mit ein - und umgekehrt. Denn wenn den Heiden ohne das Gesetz durch den Glauben an Christus der Zugang in das Reich Gottes eröffnet war, konnte man den Judenchristen unmöglich mehr das Gesetz als Heilsweg auferlegen. Und wenn das Reich Gottes zu dem gesetzlosen Juden kam, konnte man den gesetzlosen Heiden schwerlich von diesem Reich aUSBOhließen.
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Sicherheit willen am Gesetz festha.lten. Denn die Verfolgung der Hellenisten zeigt deutlich, wie das Judentum die Herausforderung solcher Volksgenossen beantworten mußte, die das Gesetz überhaupt verwarfen und damit nicht nur das besondere Gottesverhältnis Israels bestritten 1 , sondern auch die völkische Existenz aufs Spiel setzten; war doch das •Gesetz' auch die Grundlage der jüdischen Selbstverwaltung in Palästina. "Die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk erforderte die Einhaltung von bestimmten Vorschriften und Bräuchen'' 1 • Die Verfolgung der gesetzesfreien Hellenisten war darum ein unumgänglicher Akt nationaler und kirchlicher Notwehr. Daß die Hebräer unbehelligt blieben, zeigt, daß auch schlechte Juden in Jerusa.lem leben konnten•. Man durfte nur dem Judentum nicht den Grund unter den Füßen wegziehen •. Nun lohnt es sich, noch einmal auf die Terminologie 'EfJeaiot 'EllrJvurral zurückzukommen. Es ist zur Genüge deutlich geworden, daß sie in der von Apg. 6ff. beschriebenen Situation nicht primär sprachliche Differenzen bezeichnen kann. Unwahrscheinlich ist nun aber auch H. J. ÜADBURYs These, daß mit den •Hellenisten' Heidenchristen gemeint sind. Je früher desto eher müssen hellenistische Judenchristen, zumal in Jerusalem, Vorkämpfer der Gesetzesfreiheit gewesen sein. So ist auch am wahrscheinlichsten, daß Nikolaus deswegen unter den 7 Führern der hellenistischen Gemeinde als Proselyt besonders hervorgehoben wird, weil er der einzige geborene Heide unter ihnen war. Nun ist 'EfJeaio' in neutestamentlicher Zeit Bezeichnung für den genuinen Juden, der sich den Überlieferungen der Väter, der Nation und der palästinischen Heimat eng verbunden weiß 5 , spreche er auch 1 "(Der Gesetzgeber) ... umgab uns mit einem undurchdringlichen Gehege und mit ehernen Mauem, damit wir mit keinem der anderen Völker irgendeine Gemeinschaft pflegten, rein an Leib und Seele, frei von törichtem Glauben, den einen und mächtigen Gott über alle Kreatur verehrend" (Ari.steasbrief 139). 1 G. STRECKER, Christentum und Judentum in den ersten beiden Jahrhunderten, EvTh 1956, S. 462. 1 Nichts deutet darauf hin, daß unter den •Hebräern' eine eigentliche Jerusalemer Gruppe unter Jakobus und eine galiläische unter Petrus zu unterscheiden seien, W1e W. GRUNDKANN in ZNW 38, 1939, S. 54 meint. ' Ich zitiere noch einmal E. HABNeBEN nach der neubearbeiteten Auflage seines Kommentars zur Apostelgeschichte: "Wie dem auch sei, auf alle Fälle muß dieses Element in der Verkündigung der 'Hellenisten' nicht nur die Juden, sondern auch die 'Hebräer' befremdet und abgeschreckt haben (denn daß sie nicht mitverfolgt wurden, zeigt uns, daß sie dieses Element nicht übernommen hatten)" (a.a.0. 11 S. 221). Gemeint ist das gesetzeskritische Element. Ob E. H.u:NCHEN, der dies Element genauer zu bestimmen nicht unternimmt, zu. geben würde, daß seine soeben angeführte richtige Beobachtung nur den Schluß zuläßt, daß die Hellenisten in Jerusalem Antinomisten nach der Art z.B. des Paulus sein müssen, wenn die radikale Spaltung in der Urgemeinde zu Jerusalem und die blutige Verfolgung der Hellenisten verständlich werden sollen? 11 H. J. CADBUB.Y a.a.O. S. 62ft'.; W. GUTBROD in ThWNT lll 374ft'.; 392ft'.
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die griechische Sprache. Eßeaio' ist der "Vollblutjude" 1 , wobei es nicht schon in dem Begriff E{Jeai.o' selbst liegt, in welchem Sinne das Jüdisch-sein verstanden werden soll. Auch Paulus nennt sich in einer bestimmten Situation ~Hebräer' (Phil. 3,5; 2.Kor. 11,22)! Entsprechend ist in dem Ellrrvto'T?]' ein Mensch zu sehen, der sich der griechischen Lebensweise verpflichtet weiß, sei es auch ein geborener oder gar aramäisch sprechender Jude. Das Wort ist von W""LCe'" = wie ein Grieche leben, abgeleitet; es ist vom jeweiligen Gegenbegriff her genau zu bestimmen. Es will weder speziell Volkstum noch Sprache, sondern die Lebensanschauung überhaupt bezeichnen'. So nennen einige spätere Schriftsteller die heidnisch gebliebenen Griechen 'E).).TJ"'a-ral i. G. zu den Christen 1 • Apg. 9,29 sind die EllrrvtUTal Diasporajuden i. G. zu den Palästinajuden, Apg. 11,20 Griechen i. G. zu den Juden überhaupt. Wenn in Apg. 6,1 unter den Christen EfJeaiot und Ellrrvta-ral unterschieden werden, so können angesichts des im Zusammenhang von Apg. 6ff. eindeutig zu erkennenden Sinnes von 'EfJeaiot = gesetzestraue Judenchristen unter den 'E).).."."urral nur un~hebräisch', d. h. : nach griechischer Lebensart, hier: gesetzesfrei lebende Christen zu verstehen sein, seien sie nun jüdischer oder griechischer Herkunft und Sprache. So hat schon G. P. WErrrER• den Ausdruck in Apg. 6,1 erklärt. Möglich ist, daß er als dieser technische Ausdruck für die gesetzesfreien Christen auch allererst entstanden ist, wie G. P. WETTER vermutet 5 • So läßt also bereits das Gegensatzpaar 'EfJeaiot -'Ell1p'tUTal für die Hellenisten eine unjüdische Einstellung zum Gesetz erschließen, die sich angesichts der Verfolgung der Hellenisten als ausgesprochener Antinomismus erweist. Hinter der luka.nischen Formulierung, Stephanus schmähe mit seinen Reden den Tempel und das Gesetz (Apg. 6, 14), verbirgt sich demnach der AntiDomismus der theologischen Einstellung des Stephanus. Es scheint, als habe Lukas das durchaus noch gewußt. In Apg. 21, 28 nämlich läßt Lukas die Juden mit denselben Vorwürfen gegen Paulus auftreten, die sie Apg. 6, 13 gegen Stephanus erheben, und nur mit Mühe entgeht Paulus dem ihm zugedachten Schicksal des StephaH. LmTZMANN [1] zu 2.Kor. 11,22. H. J. CADBUBY a..a.O. S. 60; H. WINDISCH in ThWNT li 508; 0. CuLLHANN, Die Christologie des Neuen Testaments, 1957, S. 168 Anm. Der Gegenbe~ ist loOOaiCew. . H. J. CADBUBY a.a.O. S. 59; H. WINDISCH m ThWNT II 509. ' A. a. 0. S. 41Oft'. ; vgl. außerdem 0. CULLJrtANN, The Significance of the Qumran Texts for Research into the Beginnings of Christianity (JBL 74, 1955, S. 220f.); W. BAUJ:B, Jesus der Galiläer, in •Festgabe für A. Jülicher', 1927, S. 32f.; vor allem aber M. SDION a.a.O. S. 12f.; H. WINDISCH in ThWNT II 508f. • Vgl. auch H. J. CADBUBY a.a.O. S. 70. 1
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nus. Der Wortlaut des Berichtes von der Verhaftung des Paulus, zumal V. 28, geht wie 6,13 auf das Konto des Lukas 1 • Er ist im wesentlichen derselbe. In der Geschichte von des Paulus Ankunft in J erusalem aber überliefert Lukas uns auf Grund einer guten Quelle 1 den Sinn dieses Vorwurfes gegen Paulus. Nach Apg. 21,21 nämlich hat man den Juden(christen) über Paulus erzählt, und Paulus erfährt dies durch die Christen Jerusalems, "daß du allen Juden in der Diaspora lehrst, von Moses abzufallen, indem du ihnen sagst, sie sollten ihre Kinder nicht beschneiden und nicht nach den (jüdischen) Sitten leben". Wenn Lukas diesen eindeutigen Vorwurf des Antinomismus in 21,28 mit denselben Worten wiederholt, in die er die jüdischen Vorwürfe gegen Stephanus kleidet, so dürfte er auch bei dem letzteren um dessen wahre Einstellung gewußt haben. Wer bezweifelt, daß in der frühesten Christenheit solcher Antinomismus lebendig gewesen sein könnte•, sei hier nur auf die unbestreitbare Tatsache verwiesen, daß Paulus vor seiner Bekehrung die Christen verfolgte, und zwar wegen seines Eifers für das Gesetz. Seine Bekehrung war, wie Gal. 1, 13 ff. zeigt, eine Bekehrung zu dem von ihm verfolgten gesetzesfreien Evangelium. Also hat es dies gesetzesfreie Evangelium bereits frühzeitig außerhalb Jerusalems gegeben•, und zwar als ein Evangelium, das auch den Juden neben das Gesetz stellte; denn Paulus gab durch seine Bekehrung als Jude den Gesetzesgehorsam auf. Die zeitliche Einordnung der Stephanusgeschichte dürfte zudem auf Lukas zurückgehen, der dies Ereignis an dieser Stelle brauchte (s. u.). Es mag tatsächlich später als des Paulus Bekehrung gelegen haben. Wie aber konnte solche Sondergruppe in Jerusalem entstehen! Nun, offenbar gar nicht I Wenn es eine Stadt in neutestamentlicher Zeit gab, die man zuletzt als Entstehungsort der christlichen Gesetzesfreiheit a.nsehen möchte, so ist es Jerusalem. Das gilt, wie auch immer man den Hellenismus der 'Ellf(llurral im einzelnen bestimmt 6 • Das helleE.!Lu:NCHEN a.a.O. S. 551f./546ff. Siehe S. 71 ff. 1 Mit einer hellenistischen Gemeinde oor Stephanus rechnet mit Recht auch W. G. KÜMMEL, ThR 17, 1948/49, S. 22f. • Vgl. R. BULTMANN in 'Glauben und Verstehen' I S. 189. 1 G. P. WETI'ER (a.a.O. S. 412f. passim), der in den Hellenisten vornehmlich Heidenchristen sieht, meint, die Quelle des Lukas habe zuerst von der Gründung der beiden christlichen Gemeinden in Jerusalem erzählt, ohne aber zu fragen, wie es gerade in Jenutalem zur Gründung der heidenchristliehen Urgemeinde kommen konnte. W. GRUNDKANN erkennt in G. P. WETI'ER.S Nachfolge die in dieser Frage verborgen liegende Schwierigkeit und rechnet offenbar mit einer größeren heidnischen Einwohnerschaft in Jerusalem (ZNW 38, 1939, S. 57). Das ist extrem unwahrscheinUch. Zur Kritik an W. GRUNDKANN s. im übrigen Ktimo:L 1 1
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nistische Urchristentum ist nicht in Jerusalem entstanden 1 , sondern in der hellenistischen Welt, vielleicht in ursächlichem Zusammenhang in ThR 17, 1948, S. 23ff. Man bedenke nur, daß es die hellenistischen Juden Jerusalems gewesen zu sein scheinen (Apg. 6, 9), die Stephanus umbringen. Wie entfernt muß demnach selbst ihnen die theologische Einstellung des Stephanus gelegen haben. Ahnlieh wie W. GRUNDKANN stellt sich H. J. CADBURY (a.a.O. S. 69) die Entwicklung vor. Er rechnet freilich auch mit der Möglichkeit, daß Lukas V erhältniese seiner Zeit in die Stephanus-Geschichte zurückträgt. W. BAUER (Jesus der Galiläer, S. 32f.) schließlich nimmt an, daß die •Hellenisten' aus Galiläa kommen. Das ist möglich, obschon ich andere unmittelbare Herkunft vermute (s. u.). Aber jedenfalls hat W. Bauer richtig gesehen, daß die •Hellenisten' von außerhalb Jerusalems stammen müssen, und zwar aus einer heidnischen, gesetzlosen Umwelt. 1 Gewiß gab es auch in J erusalem hellenistische Synagogen, die als solche zweifellos Wegbereiter des gesetzesfreien Christentums waren. Denn es gibt vor allem in dem hellenistischen Judentum Zeichen einer freieren Einstellung zum Gesetz, sogar zur Beschneidung. Von Rabbi Meir (um 150) wird mehrfach die Bemerkung überliefert, auch ein Nichtjude, der die Thora beobachtet, würde Lohn empfangen, nämlich durch das Tun der Gebote (BQ 38a; San 58b u. ö.; s. BILL. I 362f; III 79). Rabbi Jehoschua behauptete, ein Getaufter habe nach allgemeiner, d. h. alter Ansicht als Proselyt zu gelten, auch wenn er nicht beschnitten wurde (Jeb. 46a = Bill. I S. 106f'.). Vgl. Orak. Syb. 4, 162ff. und dazu Bill. I S. 106 Anm. J osephus berichtet, daß der König Izates von Adiabene, der zum Judentum übertritt, anfangs auf Rat seines Lehrers, des Kaufmanns Ananias, die Beschneidung unterläßt. "Er sagte, daß er auch ohne die Beschneidung fähig sei, '1'0 fdOII ai{Je,v, dye mlV'f(.I.IC; xbt(],X8 C7JAoiiv Td naTe'a 'I'CÜV 1ov6alwv· 'l'oVT' elvru ""f!'WTE:I!OII Toti me''~'il'veafru." Später holt er die Beschneidung jedoch auf Anregung eines galiläischen gesetzesstrengen Lehrers nach (Jos. Ant. XX 2, 4). Philo (de migr. Abr. 89ff.) wendet sich gegen Leute, die mit solchem Eifer der allegorischen Deutung des Gesetzes nachgehen, daß sie dessen Wortsinn darüber vernachlässigen. Ihnen gegenüber stellt er fest, daß man die Ordn~en von Sabbat und Festtagen, die Anordnung der Beschneidung und die Besttmmungen über den Tempelkult auch wörtlich befolgen müsse. "Werden sie nämlich recht beobachtet, so wird auch das klarer erkannt, woiür sie Symbole sind, abgesehen davon, daß man dann auch den Anklagen und Vorwürfen vieler entgeht." Dreimal begegnet bei Paulus in verschiedener Variation der Grundsatz: "Die Beschneidung ist nichts und die Vorhaut ist nichts, sondern die Erfüllung der Gebote Gottes" (l.Kor. 7,19; Gal. 5,6; 6, 15; vgl. Röm. 2,26). Offensichtlich stammt dieser Grundsatz aus der hellenistischen Synagoge. Nach einem Scholion zu Gal. 6,15 (s. HNT z. St.) soll er sich auch in einem Mose-Apokryphon gefunden haben. Vgl. auch P. DALBERT a.a.O. S. 16; 65. Daß freilich die J ert.UJalemer hellenistischen Synagogen so frei dachten, ist nicht gerade wahrscheinlich. Aber wenn auch: Der Antinomiemus des Stephanuskreises (und des Paulus) ist etwas ganz anderes als die gewisse Reserve gegen den als optl8 operatum verstandenen Vollzug der Beschneidung in einigen jüdischen Kreisen. Wenn der hellenistische Jude sagte, es ginge nicht um den Vollzug der Beschneidung, sondern um das Halten der Gebote Gottes, so wurde damit das ausschließliche Gottesverhältnis Israels gar nicht in Frage gestellt. Nur wurde di('l8 Verhältnis weniger durch die Beschneidung als vielmehr durch die Beachtung der sittlichen Gebote des Gottesvolkes konstituiert. Wenn Stephanus oder Paulus sagen, Beschneidung und Unbeschnittensein seien nichts, so heißt das, daß es gar keinen religiösen Vorzug Israels mehr gibt. Das exklusive Gottesverhältnis Israels wird bestritten. Darum kann Paulus auch statt vom "Halten der Gebote Gottes" (l.Kor. 7, 19) vom "Glauben" (Gal. 5,6) oder von der
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mit der Heidenmission. Wo im einzelnen der Ursprung der unter Führung des Stephanus und der Sieben stehenden gesetzesfreien Gemeinde in Jerusalem zu suchen ist, wissen wir nicht sicher. Man möchte den syrisch-antiochenischen Raum annehmen (s. u.)l. Daß diese Hellenisten sich früh auch in J erusalem als Gemeinde konstituieren, erklärt sich am einfachsten aus demselben Grund, der noch früher auch die in Galilä& beheimateten rHebräer" nach Jerusalem führte: In Jerusalem erwa.rtete man die nahe bevorstehende Pa.rusie 1 • 4. Die Annahme, daß das hellenistische Christentum J erusa.Iems nicht in Jerusalem selbst entstanden ist, widerstreitet nun freilich der lukanischen Darstellung, nach der die christliche Botschaft erst infolge der durch des Stephanus Tod ausgelösten Verfolgung die Grenzen der Stadt Jerusalem überschritt und Judäa., Sam&rien, G&liläa (!) und schließlich Antiochien erreichte (Apg. 8, 1. 4f.; 11, 19). Die Historizität dieses Geschichtsbildes 1 wurde um so zuversichtlicher behauptet, je ,,neuen Kreatur" (Gal. 6, 15) als von den Wirklichkeiten sprechen, durch die die Beechneidung abgelöst worden ist. Die darin liegende grundsätzliche Aufhebung des besonderen Vorzuges Israels konnte nicht in rein jüdischer Umgebung, sondern nur in der Heidenwelt erfolgen. Das Dunkel über den Anfängen dieses Antinomismus läßt eich kaum noch aufhellen. Es ist zwar durch jene Auffasaung gewisser hellenistischjüdischer Kreise in etwa vorbereitet, die das sittliche Gebot der Beachneidungaforderung vorordnen, aber das ei~entlich Neue, die Bestreitung der einzigartigen Gotteavolkachaft Israels, ist dam1t noch nicht erklärt. Liegt hier die theologische Leistung einer besonderen urchristlichen Persönlichkeit vor 1 Schwerlich! Paulus jedenfalls fand diesen Antinomismus, den er verfolgte, schon vor. Ich möchte hier fremde Einßüsse im antiochenischen Raum vermuten, in dem der Antinomiemus zu Hause ist (s. u. und Da8 kirchliche ApoBtelamt S. 187ff.). 1 Den direkten Ursprung der Hellenisten unter den Eaaenem zu suchen (0. Ct7I.LJruNN, The Significance of the Qumran Texts for Research into the Beginninga of Christianity, JBL 74, 1955, 8. 21~226; vorsichtig auch J. DANIBLOU, Qumran und der Ursprung des Christentums, 1958, S. 120ff.), dünkt mich unbegründet. Die Qumran-Leute waren Gesetzesrigoristen und insoweit fern vom lllfJl'ICec~t. Vgl. E. HAENCBEN a.a.0. 13 S. 214ff., der auch anderes zur Kritik an Ct7I.LJruNN vorbringt. Gewisse Berührungen bezeugen keine Abhängigkeit, sondern erklären sich aus dem gemeinsamen Milieu des orientalischen Synkretismus. 0. Ct7I.LJruNN führt seine These weiter in "L'Oppoaition contre le Temple de J~rusalem, Motif Commun de Ia Th~ologie J ohannique et du Monde Ambiant", NTS 5, 1969, S. 157-173. Vgl. auch P. GEOLTBAIN, Esseniens et Hellenistea, ThZ 15, 1959, S. 241-254; A. F. J. KLIJN, Stephen'a Speech-Acts VII 2-53, NTS 4, 1957, S. 25ff. 1 Freilich ist ea auch ohne diese absichtsvolle theologische Motivierung nur natürlich, daß sich Christen jener gesetzesfreien Richtun~ aus den verschiedensten persönlichen Motiven nach J erusalem begaben und s1ch dort zur Gemeinde zusammenfanden. Jerusalem war die jüdische Hauptstadt, mit der die Juden durch vielerlei Fäden verbunden waren. Entsprechend treffen sich sehr früh ja auch in Rom Christen, die durch die verschiedensten Gründe, aber kaum durch eine planmäßige Mission in die Reichshauptstadt geführt wurden, und bilden eine Gemeinde. 1 Sie ist auch von G. P. WETI'ER und W. GRUNDMANN nicht beatritten worden; beide lassen das Heidenchristentum in Jerusalem entstanden seinl
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mehr man der Überzeugung war, in Apg. 11,19-30 einen rantiochenischen") Quellenbericht vor sich zu haben, der sich direkt an 8, 4 anschloß1. Aber was schon 0. BAUERNFEIND 2 zeigte, hat E. IiAENCHEN 8 gewiß gemacht: In 11, 19-30 liegt ein typisch lukanisches Summarium vor 4 • Natürlich verwertet Lukas dafür alte Traditionen aus Antiochien. Am sichersten sind diesen Traditionen die Namen der frühesten Propheten und Lehrer aus Antiochien zuzurechnen, die Apg. 13,1 begegnen5. Von Barnabas wußte Lukas, daß er Zypriote war (Apg. 4,36), Lukios st-ammte aus der Cyrenaika (13, 1). Daraus kombiniert er in 11, 20: Einige der Jerusalemer Verfolgten, Männer aus Zypern und der Cyrenaika, brachten das Evangelium nach Antiochien. Aber die Namen von Apg. 13,1 haben mit denen von Apg. 6,5 nichts zu tun. Die in 13,1 genannten Personen in 11,20 als Jerusalemer Flüchtlinge auszugeben, ist Konstruktion des Lukas•. Tatsächlich also ist von einer Quelle, die 11, 19ff. mit 8,4 verbindet, nichts zu entdecken. Die spürbare Spannung, in der Apg. 11, 19ff. zu der Comeliusgeschichte steht, berechtigt dazu, auch darin eine echte Tradition zu erkennen, daß Antiochien die Heimat der Gesetzesfreiheit ist, eben jener Gesetzesfreiheit, der die hellenistische Gemeinde in Jerusalem zum Opfer fiel. Die von Lukas in der Zeit von 11, 19ff. angesetzten Anfänge der antiochenischen Gemeinde gehen dem Martyrium des Stephanus also zeitlich voraus. Daß mindestens einer der hellenistischen Gemeindeleiter in Jerusalem, nämlich Nikolaus, aus Antiochien 1 A. v. IIARNACK, Die Apostelgeschichte, Beiträge zur Einleitung in das NT, 3. Heft, 1908, S. 157; W. GRUNDMANN in ZNW 38, 1939, S. 54f.; J. JEBEHIAS, Untersuchungen zum Quellenproblem der Apostelgeschichte, ZNW 36, 1937, S. 205-221; H. H. WENDT, D1e Hauptquelle der Apostelgeschichte, ZNW 24, 1925, 293ff. 1 A.a.O. S. 153. 1 A.a.O. S. 320/313f. t An dieser Erkenntnis ist m. E. unbedingt feetzuhalten. R. BULTMANNS (in •New Testament Essays' hrsg. von A. J. B. Higgins, Manchester, 1959, S. 68--80) erneutes Eintreten itir eine Apg. 8,4a mit 11,19 verbindende fort· laufende Quelle aus Antioohien erscheint mir nicht hinreichend begründet; vgl. auch E. IIEANOBEN a.a.0. 11 S. 75f. 5 M. DmELIUS [2] S. 17 Anm. 3. • Bamabae begegnet freilich Apg. 4,36f. in Jerusalem. Aber er ist fest nur in der antioohenischen Tradition verankert, und schon E. ScHWABZ hat mit Recht vermutet (NGG 1907, S. 282 Anm. 1), daß jene erste Notiz über Bamabae aus der in 13,1ff. verwerteten Vorlage stammt und erst von Lukas nach Jerusalem versetzt wurde. So ließe sich nämlich die unmögliche Deutung des Namens Bamabae mit •sohn des Trostes' erklären: Lukas hat irrtümlicherweise eine Notiz über den in 13,1 begegnenden Manaen ( = Menachem: 2.Kön. 15,14 = Tröster) auf Bamabae bezogen. Lukas brauchte den Hellenisten Bamabas zunächst in J erusalem, um die Heidenmission in Antioohien von der apostolischen Kirchenaufsichtsbehörde sanktionieren zu hassen (E. HAENOHBN S. 321f./314f.). Die historisch unmögliche Notiz Apg. 9,27 (E. IIAENCBEN S. 289f./282f.) erweist ihn als den dazu befähigten Mann.
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stammte, schlägt die Brücke von Antiochien nach J erusa.lem-nicht umgekehrt, wenn sich auch Glieder des Stephanuskreises nach dessen Martyrium der antiochenischen Muttergemeinde angeschlossen haben mögen. Für diese Sicht der Dinge spricht auch die Tatsache, daß in den Anfangszeiten der Gemeinde Paulus als Verfolger der gesetzlosen Christen entgegen der Darstellung der Apostelgeschichte im syrischkiJikischen Raum tätig gewesen sein muß (vgl. Gal. 1,21); denn er erklärt ausdrücklich, daß er den Gemeinden Judäa.s persönlich unbekannt gewesen sei (Ga.l. 1, 22). Lukas freilich mußte seine Verfolgertätigkeit schon deshalb nach Judäa verlegen, weil nach der Darstellung der Apostelgeschichte das Christentum z. Zt. der Bekehrung des Paulus Antiochien und Umgebung noch gar nicht erreicht hatte. Nun erkennt man auch die Intention, die Lukas bei seiner Darstellung der Ereignisse um Stephanus bestimmte. Nur aus Andeutungen erfuhren wir bei Lukas, daß die Gemeinde in Jerusa.lem ernsthaft gespalten war, daß Stephanus als AntiDomist auftrat, daß nur ein Teil der Gemeinde verfolgt wurde. Lukas selbst läßt die Gemeinde in großer Einmütigkeit handeln, insgesamt auch verfolgt werden, und für die Anklage gegen Stephanus bietet er falsche Zeugen auf. Warum 1 Eine wesentliche Tendenz des luka.nischen Geschichtsbildes zeigt sich in dem Bestreben, Jerusalem konsequent als Vorort des Christentums hinzustellen, von dem alle Entwicklungen des Christentums ausgehen oder doch zum mindesten sanktioniert werden, dessen Behörde alle Christenheit, auch die paulinische, unterworfen ist 1 • Lukas führt dieses Bild, soweit die Gegebenheiten es eben zulassen, konsequent durch. So ist Galiläa bereits in den Osterberichten des Evangeliums gänzlich ausgeschaltet 1 • Die ganze christliche Gemeinde lebt von 1 Die Motive für diese eindnJckavollste Tendenz der lukanischen Berichterstattung, die zuletzt G. KLEIN [2] nachdrücklich aufgewiesen hat, brauchen wir hier nicht zu untersuchen. Gewiß ist der Versuch des Lukas, das Christen· tum als das wahre Judentum zu erweisen, von der gleichen Tendenz getragen. E. IIABNOBEN vermutet apologetische Motive: Das Christentum solle "als innerjüdische afeea" und danut als religio licita anerkannt werden" (a.a.O. S. 666/ 560).Das hatteschonH. J. HoLTZMANN behauptet(a.a.O. S. 17). S.aberS. 47f. 1 W. MABXSEN (Der Evangelist Markus, FRLANT 67, 1956, S. 47ft'.) hat - nach Vorgan~ anderer - diese lukanische AuffaBSung von den Osterereignissen für die historisch zutreffende erklärt. Die Jünger seien nach J eeu Tod keineswegs nach Galiläa zurückgekehrt. Die dies behauptenden Stellen bei Mk., Mt. und Job. gehen nach W. Marxsen alle auf redaktionelle Einschübe des Mk.-Evangelisten zurück. 1. Kor. 15 soll von Galiläa nichts wissen. loh halte diese Auffassung nicht für berechtigt. Alle älteren Spuren der Auferstehungsberichte weisen nach Galiläa, und daß die Anhängerschaft Jeeu nach dessen Hinrichtung in J udäa geblieben sei, ist wenig wahrscheinlich. Gewiß hatte sie, als sie zum Passahfest nach Jerusalem zog, nicht alle Brücken zu ihrer Heimat abgebrochen I Aber selbst wenn es so gewesen sein sollte, wie W. Marxsen annimmt, so wäre doch in Galiläa eine Anhängerschaft J eeu zurückgeblieben. Eben das beetreitet die Darstellung des Lukas.
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Anfang an in Jerusalem. Von dort breitet sie sich nach Judäa, Samaria (8, 1), schließlich auch nach Ga.liläa. (9,31) und weiter aus. E. HAENCHEN stellt mit Recht fest, daß Lukas über die Christianisierung Ga.liläas "anscheinend kein Material besaß" 1 • Wie sollte er auch! Dieses Material paßte ja nicht in die Apostelgeschichte, sondern steht schon im Evangelium 1 • Nicht Jerusalem, sondern GaJiläa ist die Heimat des Christentums 1 • Daß sich sehr bald das Schwergewicht der Gemeinde nach Jerusalem verlagerte, wo man die Parusie des dort Gekreuzigten erwartete, ist sicher•. Aber natürlich blieb in Galiläa eine Urgemeinde lebendig 5, und deren Ausstrahlungen haben nicht nur über Samarien Jerusalem erreicht, sondern auch Syrien, Damaskus, Antiochien, wo überall die Apostelgeschichte frühe ChristenA.a.O. S. 287/280. Das synoptische Material harrt freilich noch der Auswertung in Blick auf die Ausbreitung des Christentums in nachösterlicher Zeit in Galilä.a. 1 Es muß daran erinnert werden, daß dies schon von R. SCJIÖTZ (Apostel und Jünger, 1921) behauptet wurde. R. Schütz ~ht von einem schroffen Gegensatz zwischen Paulus und Jakobus aus. Darin irrt er. Vor allem aber ist seine Untersuchung wegen der unmöglichen Quellenscheidung in der Apoatelgeechichte mit Recht allgemein abgelehnt worden. R. SoH'ÖTZ rekonstruiert eine Apostel- und eine Jüngerquelle; die erstere ist judaistisch, die letztere hellenistisch. Auf dieser These beruhen die Ergebnisse seiner Arbeit. Aber so unmöglich auch die Lösung des von R. ScH'ÖTZ gesehenen Problems sein mag, das Problem selbst bleibt durch die Ablehnung dieser Lösung bestehen. Darum bleibt auch lesenswert die Einleitung seiner Untersuchung, die auf die Tatsache hinweist, daß bereits in den frühen Anfängen der Christenheit "judenchristliche und hellenistische Elemente nebeneinander zu konstatieren" sind. Und lesenswert bleibt der Schluß (S. 94-107), der, mit wieviel Vorsicht er auch gelesen werden mag, doch vieles Richtige zu derinderneueren Forschung in Nachfolge des Lukas so sehr vernachlässigten Bedeutung von Galiläa in der urchristlichen Geschichte sagt. Unsere Fragutellung steht bis zu einem gewissen Grade auch hinter C. C. ToBREYB Aufsatz •The Aramaie Period of the Naacent Christian Church" (ZNW 4:4:, 1952/53, S. 205---223). Man vgl. auch L. E. ELLIOTT-BINNs, Galilean Christianity, 1956, bes. S. 43ft"., der trotz vieler schlechter Argumente richtig die Bedeutung Galilii.as für die frühe Christenheit erkennt. ' Vielleicht hat sich J erusalem auch bald, wie K. RoLL vermutet, im Selbstbewußtsein der J erusalemer zum rechtlichen Vorort der gesamten Christenheit entwickelt. Anderseits sollte man die Bedeutung Jerusalems in der fri.lhuten Zeit nicht überschätzen. Wir haben z. B. keine zuverlässige Nachricht, die uns den Kreis der Zwölf als auch nur zeitweilig in Jerusalem beheimatet erscheinen ließe. 1 Mit der von uns angesprochenen Problematik beschäftigt sich auch E. LouMEYER in seinem bekannten Buch ·oalilä.a und Jerusafem' (FRLANT 52, 1936) sowie andernorts, vor allem in dem Aufsatz 'Das Abendmahl in der Urgemeinde' (JBL 56, 1937, S. 217-252). E. LommYEB. sieht richtig, daß in Galilä.a zu B~ der Kirchengeschichte eine Gemeinde existiert haben muß. Verfehlt aber ISt schon, von zwei Urtnm:inden zu reden. Entweder muß man von einer Urgemeinde sprechen, die die galiläische ist, oder man spricht von mehreren U~einden, wobei dann neben der galiläischen Muttergemeinde die Tochtergernemden in Jerusalem und Judäa, in Antiochien, in Damaskus und Syrien, in Samarien und vielleicht noch anderswo hinsichtlich ihrer Entstehung - nicht ihrer Bedeutung - wesentlich auf einer Stufe stehen. Erst recht ist verfehlt, auf die zu Unrecht vermuteten beiden Urgemeinden einzelne 1 1
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gemeinden voraussetzt 1 • Die religiösen und politischen Beziehungen des ~Ga.liläa der Heiden' 1 waren na.ch Norden mindestens so stark wie nach Süden. Anders bliebe nicht nur die ganze Stephanus-Affäre unbegreiflich, sondern auch Paulus und seine Bekehrung zu dem zuvor von ihm verfolgten gesetzlosen Christentum. Mk. sieht mit Recht in Ga.liläa. da.s Heilige Land 1 , und die synoptische Tradition ist nicht nur herkunftsmäßig, sondern auch überlieferungsgeschichtlich wesentlich in Ga.liläa und Umgebung verankert•. Die von Paulus 1. Kor. 9, 5 bezeugte Mission der Herrenbrüder dürfte in Ga.liläa beheimatet gewesen sein. theologische Vorstellungskreise zu verteilen. Grundsätzlich ist es natürlich berechtigt, mit lokalen theologischen Besonderheiten zu rechnen ; aber mit zwei urgemeindlichen Lokalitäten kommt man dann nicht aus. Wenn man dennoch von zwei Urgemeinden in früher Zeit reden will, so kann man es nur im Blick darauf tun, daß neben den vom Osterglauben geprägten Gemeinden, die Jesus als den Christus bekannten, anfangs noch längere Zeit in Galiläa Gemeinden lebendig blieben, die in der Nachfolge des historischen J esus den mit ihm nicht identischen Menschensohn erwarteten. Freilich sind diese letzteren Gemeinden m. W. noch nicht in den Gesichtskreis der historischen Forschung getreten, sehr zum Nachteil aller Versuche, die Anfänge des Christentums und die Ursprünge der synoptischen Tradition aufzuhellen. Ein Problem ftir sich ist die Frage, ob die frühe Ausbreitun~ des Evan~~~ums von Galiläa aus in die verschiedensten Richtungen eme bewußte ion und also eigentliche Missionare voraussetzt. Notwendig ist diese Annahme nicht. Eschatologische Bewegungen pflegen sich oft sehr schnell auszubreiten. Aber ich möchte darauf hinwe1sen, daß Paulus nach Gal. 1, 17ft'. z. Zt. seiner Bekehrung in Jerusalem •Apostel' voraussetzt. Es ist um· stritten, wer im einzelnen zu diesen Aposteln zu rechnen ist. Aber unbestritten sollte sein, daß der hier verwendete Apostelbegrif/ der paulinische ist, nach dem der Apostel ein von Christus mit der Ausbreitung des Evangeliums berufener Gesandter ist. Andere als solche Apostel kennt Paulus nie (wenn man von der untheologischen Verwendung des Apostelbegriffs bei den ·aemeindeaposteln' 2. Kor. 8, 23; Phil. 2, 25 absieht). Drei Jahre nach des Paulus Bekehrung sind denn ja auch die Apostel in ihrer Mehrzahl - vennutlich dienstlich - unterwegs (Gal. 1, 19). DM läßt sich doch nur so verstehen, daß es spätestens z. Zt. der Bekehrung des Paulus, und dSB heißt praktisch von Anfang der Gemeinde an, eine christliche Mission gegeben hat.. Man wende nicht ein, daß dSB allem widerspreche, wSB wir vom Judentum wissen. Allerdingst (Vgl. jedoch Mt. 23,15 und J. JEREMIAS, Jesu Verheißung flir die Völker, 1956 S. 9-16.) Aber die Heimat des Christentums ist nicht Jerusalem und dSB orthodoxe Judentum, sondern dSB synkretistisch durchsetzte ·oaliläa der Heiden'. Außerdem ist der Begriff •Mission' vielgestaltiger konkreter Füllung fähig und nicht sofort im Lichte der paulinischen Missionsmethode zu sehen; vgl. auch unten S. 50. Die synoptische Tradition kennt jedoch nicht wenige Logien, die eine planmäßige Mission judenchristlicher Missionare in früher Zeit voraussetzen; vgl. noch l.Kor. 9,5 und u. S. 93f. 1 Siehe W. G. KÜJDIEL in ThR 17, 1948/49, S. 18f. 1 Zur Verbreitung des Heidenturns in Galiläa vgl. L. E. ELLIOTT-BINNS, Galilean Christianity, 1956, S. 17 ff. Vgl. auch M. DmELIUS, Die Fonngeschichte des Evangeliums, 1959 1 , S. 27 ff. 1 Siehe bei W. G. KfuomL (vorletzte Anm.) S. 17f.; vgl. W. MABXSEN (S. 24 Anm. 2) S. 33ft'., der den ·sitz im Leben' der markmischen GaliläaTradition freilich in der Situation der Gemeinde z. Zt. des Markus sucht. ' So ist ee nicht verwunderlich, daß uns als alte Bezeichnung der Christen verschiedentlich •ol Fal&.taio,• bezeugt ist; s. die Stellen bei E. PETEBSON, Frühkirche, Judentum und Gnosis, 1959, S. 64f. und Epikt. IV 7,6.
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Die Tatsache, daß Paulus frühzeitig in der Nähe von Damaskus als Verfolger tätig war, konnte auch Lukas nicht ignorieren, da bei Damaskus die Bekehrung des Paulus erfolgte, eine Tatsache, die sich dem Bewußtsein der Christenheit eingeprägt hatte. Indem Lukas vermutlich gegen den historischen Sachverhalt - die Bekehrung des Paulus der Verfolgung des Stephanus zeitlich nachordnet und Paulus nach Damaskus gehen läßt, um festzustellen, ob sich die neue Lehre in der kurzen Zeit nach dem Tode des Stephanus schon bis dorthin ausgebreitet hat, gelingt es ihm, die hier liegende Schwierigkeit zu umgehen. Dabei muß er die Unwahrscheinlichkeit in Kauf nehmen, daß man die Christen zunächst in Jerusalem laufen läßt, um ihnen dann bis Damaskus nachzueilen, wo die Jerusalemer Behörden zudem keinerlei Rechtsbefugnisse mehr besaßen. Tatsächlich zeigt die Verfolgertätigkeit des Paulus in der Gegend von Damaskus, daß das Christentum nicht erst nach der Verfolgung des Stephanus Jerusalems Mauem verließ und allmählich von Judäa nach Syrien vordrang, sondern daß es bereits frühzeitig, und zwar anscheinend von Ga.liläa aus, Syrien erreichte. Schon an diesen Überlegungen scheitert die Konstruktion des Lukas. Sie bestimmt aber seine Darbietung des Stephanusmartyriums. Auf diese Geschichte konnte Lukas nicht verzichten. Sie gab ihm die glänzendE' Gelegenheit, den Beginn der christlichen Mission, den Weg des Evangeliums über die Grenzen Jerusalems hinaus, zu begründen und ihn gar noch der (auch für die Römer unliebsamen) jüdischen Behörde in die Schuhe zu schieben 1 • Die in voller Harmonie mit Tempel, Volk und Gesetz lebende Christengemeinde hätte von sich aus an ein derartiges Unternehmen nie gedacht 2 ! Da Stephanus als wesentliche Gestalt der Urgemeinde neben den Aposteln, die bisher allein die Szene beherrschten, erst noch eingeführt werden mußte, konnte Lukas auch den Bericht über die Spaltung der Gemeinde Apg. 6, 1-7 nicht einfach auslassen. Den wahren Grund für diese Spaltung, also auch die eigentliche Einstellung des Stephanus und das Motiv seines Märtyrertodes und darum auch die wirklichen Vorgänge der Verfolgung, mußte Lukas unterdrücken, obschon seine Darstellung verrät, daß er davon mehr wußte, als er uns sagt 3 • Denn sonst hätte er erklären müssen, wie denn Vgl. J. WEISS a.a.O. S. 11 f. Beachtet man die Rolle, die die StephantlSgeschichte gerade 'an diuer Stelle des Inkanischen Berichtes notwendig einnehmen muß, so wird man sich hüten, der lukanischen Datierung dieses Martyriums allzu sicher zu folgen. Als Paulus zu dem •Apostelkonzil" in Jerusalem war, dürfte die Verfolgung freilich schon einige Zeit zurückgelegen haben, aber noch 1. Thess. 2,14 könnte darauf anspielen; vgl. H. J. SCHOEPS [3] S. 14. 1 Siehe S. 19f. 1
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eine gesetzesfreie judenchristliche Gemeinde aus den Voraussetzungen der - nach der Inkanischen Da.rstellung streng gesetzlichen - frühen Jerusalemer Christenheit entstehen konnte, d. h. praktisch, er hätte die Fiktion aufgeben müssen, daß Stephanus die eigentliche Ursache der weltweiten Mission wurde, während er in Wahrheit ein Opfer des jenseits der judäischen Grenzen längst aktiven christlichen Antinornismus war 1 • Luka.s hätte also auf die wesentliche Tendenz seines Buches verzichten müssen, Jerusalem zum unbestrittenen Ausgangsund Mittelpunkt der Kirchengeschichte zu machen 1 • Aus der Tatsache, daß er das nicht vermochte, erklärt sich seine Behandlung der Stephanus-Überlieferung. Die bisherige Untersuchung sollte uns in das Problem des VerhältniSBeB von Paulus zu Jakobus einführen. Wir fassen das Ergebnis zusammen: Früh schon gab es in Jerusalem eine gesetzestreue und eine gesetzesfreie Richtung des Urchristentums. Beide waren getrennt organisiert, was schon durch die unterschiedliche Einstellung zum Gesetz gefordert wurde. Ihr Verhältnis zueinander ist nicht sicher zu charakterisieren. Daß sie sich geradezu feindlich gegenüberstanden, ist kaum anzunehmen. Auch die an der Beschneidung Festhaltenden waren nicht gesetzesstreng 1 , und das Verhältnis zwischen Paulus und 1 Für die Darstellung der Verhaftung des Paulus in J erusalem sind diese Bedenken natürlich in Fortfall gekommen. So kann Lukas in Apg. 21,21 die antinomistische Form der antipaulinischen Vorwürfe ne~n seiner gemäßigten Fassung dieser Vorwürfe (Apg. 21, 28) ohne Skrupel stehenlassen. 1 H. J. SoHOEPS übernimmt für seine Sicht der urchristlichen Geschichte das lukanische Geschichtsbild und läßt Paulus den ersten hellenistischen Christen sein. Wohl aus diesem Grunde erkennt er scharfsinniger als irgendein anderer Exeget, daß die Stephanusgeschichte innerhalb der lukanischen Darstellung einen diese Darstellung sprengenden Fremdkörper bildet. Seine •Lösung' dieser Schwierigkeit besteht darin, in den Hellernsten eine •Landsmannschaft' zu sehen und die Gestalt des Stephanus von Lukas erfunden sein zulassen! ([2] S. 440f.; [3] S. 5f. 13). Aber man darfbei allerkritischen Einstellung gegen den Bericht der Apostelgeschichte nicht übersehen, daß Lukas für die Stephanusgeschichte ihm vorliegende Traditionen verwertet. 1 Dafür spricht u. a. Galiläa als Ursprungsgebiet der christlichen Bewegung (,Galiläa, Galiläa, du hassest das Gesetz, deshalb wird dein Ende das der Räuber sein" jer. Schab. 16, 15d, 50; vgl. W. GRUNDHANN, Die Geschichte Jesu Christi, 1956, S. 95f.; Bill. I 156ff.; W. BAUER, Jesus der Galiläer, S. 16ff.). Dafür spricht die Gesamtheit der synoptischen Tradition (s. S. 91 f. ). Dafür sprechen die Oeterberichte, die uns ein ekstatischen Erlebnissen aufgeschlossenes und darum kaum kasuistisch-gesetzliches Christentum zeigen. Dalt.ir sprechen die wiederholten Verfolgungen, denen z.B. der Zebedaide und später der Herrenbruder Jakobus zum Opfer fallen. (Auch manche Worte der synoptischen Tradition setzen die Verfolgungssituation voraus; vgl. G. STRECKER, EvTh 1956, S. 464, der diese Verfolgungen in der Messiaslehre der Judenchristen motiviert sieht. Aber daß die- politisch zudem ungefährliche - Messiashoffnung der Jesusgläubigen angesiohts der Mannigfaltigkeit der meesianischen Erwartungen auch im orthodoxen Judentum Anlaß zu blutiger Verfolgung hätte geben können, dünkt mich unglaublich ; diese These bedürfte zumindest eingehender Begründung.) Dafür spricht das Verhalten des Petrus in Antiochien
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Jerusalem schließt, wie wir gleich sehen werden, für wenig jüngere Zeit eine ausgesprochene Feindschaft gänzlich aus. Spannungsfrei ist das Verhältnie freilich gewiß nicht gewesen. Die Verfolgung der Hellenisten aber ging nicht von den ~Judaisten' aus, sondern von den Juden. Die ~Judaisten' blieben allerdings unbehelligt. Das heißt aber, daß Judenchristen, die die Gültigkeit des Gesetzes für die Juden nicht bestritten, innerhalb der jüdischen Volksgemeinschaft leben konnten, während der sich vom Gesetz grundsätzlich emanzipierende Judenchrist aus dieser Volksgemeinschaft verstoßen wurde 1 • Die Frage nach ihrer EinBtellung zum Ge8etz war darum f1lr die J udenchri8ten in Pal48tina nicht allein, vielleicht nicht einmal vf»?tehmlich, ein theologische8 Problem, Bondern die Frage nach der Möglichkeit ihrer gemeindlichen Existenz im j1ldischen Lande. II. DAS
~APOSTELKONZIL'
1. Grundlegend für die Beurteilung des Verhältnisses von Paulus
zu den Jerusalemer Judenchristen ist seine Darstellung des sogenannten Apostelkonzils Gal. 2,1-10. Daneben den entsprechenden Bericht des Lukas Apg. 15 heranzuziehen, würde nur verwirren; denn "die Darstellung der Verhandlung bei Lukas ist nur literarisch-theologisch und kann auf geschichtlichen Wert keinen Anspruch machen"•. Historisch bedeutsam ist der Bericht höchstens darin, daß er als Hauptverhandlungspunkt das Problem des Gesetzes herausstellt, eine Tatsache, an der freilich auch des Paulus Darstellung keinen Zweifel läßt. Doch bleibt auch so noch die Frage, in welchem Sinne die Gültigkeit des Gesetzes zur Diskussion gestanden hat. Der Bericht des Paulus dient einem bestimmten Zweck. Paulus will gegnerischen Vorwürfen gegenüber die Unabhängigkeit seines Evangeliums und seines Dienstes von der Autorität der Jerusalemer ~Kirchenleitung' beweisen. Das Zentrum seines Anliegens ist darum in V. 6 ausgesprochen: "Mir haben die maßgebenden Männer nichts auferlegt." Wir erfahren allerdings mehr als dieses für den Bericht des Paulus entscheidende Fazit der Jerusalemer Verhandlungen, bei denen es in actu natürlich um anderes ging als um die schließliehe Feststellung, daß Paulus nichts auferlegt wurde. Aber der ganze Bericht will von diesem Zentrum der Berichterstattung her gelesen werden. (s. S. 51ff.). Auch die eschatologische Nächsterwartung läßt sich schwerlich mit Gesetzesrigorismus verbinden. Manche gute Beobachtungen zu dem hier angeschnittenen Problem bei J. MUNCK a.a.O. 8. 208-212. 1 Dieaar Sachverhalt liegt der Argumentation des Paulus in Gal. 5, 11 ; 6, 12f. zugrunde; vgl. E. HmsOH in ZNW 29, 1930, 8. 195. I M. DIBBLIUB (2] 8. 90.
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Das "Apostelkonzil"
Paulus reist nicht als Privatmann; Bamabas reist mit ihm als gleichberechtigter Partner. Ihren Mitarbeiter Titus nehmen sie als Begleiter mit. Daß sie aJs offizielle Abgesandte der antiochenischen Gemeinde auftreten 1 , ist nicht angedeutet. Sollte es so gewesen sein, so wäre bezeichnend, daß die Antiochener ihr erfolgreichstes Missionsteam sandten. So oder so ging es in J erusalem um Fragen, die mit der Mission des Paulus, nämlich der Heidenmission, zusammenhingen. Wenn Paulus in V. 1 f. und auch weiterhin gelegentlich in der 1. Pers. Sing. redet, so deshalb, weil er sich selbst, nicht sich und Barnabas, verteidigen muß. Auch galt er sicher schon z. Zt. des •Konzils' als der führende Teil des Zweigespanns. Warum ist Paulus überhaupt nach Jerusalem gezogen~ Welcher konkrete Anlaß erforderte das Gespräch 1 Es kam zu ausgesprochenen Verhandlungen und bestimmten Abmachungen. Das schließt es aus, daß man sich nur einmal sehen, unterhalten, besser kennenlernen wollte. Paulus wurde nicht nach Jerusalem zitiert, sondern kam aus freien Stücken kraft einer Offenbarung 1 (V. 2); so erfahren wir von ihm selbst. Er hält also offenbar das Mißverständnis für möglich, die Jerusalemer hätten ihn herbeibefohlen. Das legt die Annahme nahe, daß besonders die Jerusalemer an dem Gespräch interessiert waren. Hätte nämlich die Notwendigkeit zu dem Gespräch in den Umständen der paulinischen Arbeit gelegen, konnte man auch unter den Gegnern des Paulus schlecht auf den Gedanken kommen, die J erusalemer hätten Paulus herzitiert 1 • Schon darum ist unwahrscheinlich, daß E. HAENCHEN mit seiner Behauptung recht hat: "Tatsächlich sind ja jene Verhandlungen in Jerusalem nur nötig geworden, weil man von den Heidenchristen Antiochias die Annahme der Beschneidung verlangt hatte" ... Wäre das der Fall gewesen, so hätte für Paulus eine so alarmierende Notwendigkeit für ein Gespräch vorgelegen, daß 2, 2a ganz unverständlich wäre. Auch kann man dieses Motiv nur aus der auch für E. lLu:NCHEN mit Recht unmaßgeblichen Darstellung von Apg. 15, niemals aus Ga.l. 2,1-10 herauslesen. Von Antiochien ist in Gal. 2,1-10 überhaupt So E. H.u:NCHGN a.a.O. S. 411ff./406ff.; E. MEYER a.a.O. S. 415f. "Daß Paulus versichert, in folge einer Offenbarung nach Jeru.salem gegangen zu sein V. 2, schließt nicht aus, daß die Reise eine Nachgiebigkeit gegen eine von außen kommende Nötigung war" (T. ZAHN [2] S. 93). 1 F. SIEJTERT a.a.O. S. 85 hält es nach dem Vorgang von B. WEISS sogar ltir möglich, daß der Hinweis auf die Offenbarung die Meinung ausechließen soll, die Reise sei "aus ejgenem Bedürfnis" erfolgt. • A.a.O. S. 414/409. Ahnlieh R. A. LIPSIUS a.a.O. zu Gal. 2,2; T. ZAHN [2] S. 93f.; 106; B. RBICXE, Der ~eschichtliche Hintergrund des Apostelkonzils und der Antiochia-Episode, Studia Paulina, 1953, S. 172ft".; E. MEYBR a.a.O. s. 416. 1
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nicht die Rede, und sollten tatsächlich auf dem paulinischen MiBBionsgebiet Abgesandte aus Jerusalem die Beschneidung gefordert haben, so könnte es sich dabei nur um eine Sondergruppe gehandelt haben; denn Schwierigkeiten haben nach der Darstellung des Paulus in Jerusalem nur die 'eingeschlichenen Falschbrüder' gemacht. Die maßgeblichen Leute hat er nicht erst für ein Einverständnis zur gesetzesfreien Heidenmission gewinnen mÜBBen. Es wäre auch mehr als seltsam gewesen, wenn Paulus nach 17 Jahren erfolgreicher HeidenmiBSion auf einmal auf den grundsätzlichen Widerstand der Jerusalemer Judenchristen gestoßen wäre. Und hätte er sie dann seiner Überzeugung unterworfen: auf den Bericht hätte er in Gal. 2 nicht verzichtet! Geht aber, wie denn auch E. HAENCHEN annimmt, die Beschneidungsforderung von einer sektiererischen Sondergruppe aus, so ist nicht einzusehen, warum Paulus dann mit den 'Säulen' ein Abkommen treffen mußte. Nun gibt H. ScHLIER eine andere Begründung für die Reise des Paulus nach Jerusalem, die diese freilich auch in den paulini8chen Verhältnissen motiviert sein läßt: "Aber nun gibt es doch nur eine Kirche und nur ein Evangelium . . . Das aber erforderte die Aussprache des neuen und außerordentlichen Apostels mit den alten und ordentlichen Aposteln, zu der ihn Gott in einer besonderen Offenbarung nötigte. Der Zweck der zweiten Reise ist, wie ausdrücklich gesagt wird, der, eine Übereinstimmung über das paulinische Evangelium herbeizuführen." 1 H. ScHLIER ist, wie seine weiteren Ausführungen zeigen, der Meinung, es genüge für Paulus nicht, daß er Evangelium und Apostolat von Gott empfangen hat. Um der Einheit der Kirche willen müsse die entscheidende kirchliche Autorität, nämlich die zu Jerusalem, sein Evangelium beglaubigen. Diese Ausführungen stehen nicht nur deutlich im Zeichen von H. SCHLIERS besonderem theologischen Anliegen, sie laufen auch dem, was Paulus sagt, geradewegs entgegen. Gal. 1 ist ein emphatischer Nachweis dessen, daß des Paulus Evangelium und sein Apostolat von allen Menschen gänzlich unabhängig ist. Gal. 2,1-10 sollen diesen Nachweis bekräftigen: Die 'Säulen' in Jerusalem haben die Selbständigkeit des paulinischen Heidenevangeliums bewußt bejaht (Gal. 2, 7ff.). Daß "ausdrücklich gesagt wird", der Zweck der Reise sei gewesen, eine Übereinstimmung über das paulinische Evangelium herbeizuführen, behauptet H. SCHLIER auf Grund seiner Übersetzung von 'd11e8ep:rrl (2, 2) mit: ich habe zur Entscheidung vorgelegt. Aber d11adO."Ju hat höchstens die Nebenbedeutung: zur Begutachtung vorlegen, und heißt gemeinhin einfach: jemand etwas eröffnen. So steht 1 [1] S. 3l5. In diese Richtung zielte schon die AUBlegung von F. Smi'I'BBT a.a.O. S. 91.
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es in Ga.l. 2, 2. Es wäre ja. auch reichlich spät, wenn Pa.ulus sich nach 17 J a.hren intensiver Predigttätigkeit a.uf einmal die Legitimation zu solcher Predigt hätte holen müssen. Pa.ulus betont den langen Zeitraum von 17 Jahren gerade zu dem Zweck, die Absurdität solcher Deutung seines Besuches durch die Gegner zu verdeutlichen. Kurzum : Es ist ausgeschlossen, daß der konkrete Anlaß für da.s •Apostelkonzil' da.s Bestreben des Pa.ulus wa.r, sein Evangelium aufsichtsbehördlich sa.nktionieren zu la.ssen 1. Anders a.ls H. SCHLIER und doch ähnlich wie er argumentiert P. ALTHAus 1 : "Den Heidenapostel mußte die bange Frage bewegen, ob die Jünger Jesu in Jerusalem seine Predigt anerkennen würden." Dies nicht, weil sein Evangelium von der AutoritiU der Jerusa.lemer abhängig wa.r. Aber Paulus wußte nach P. ALTHAus, da.ß er vergeblich gearbeitet hätte, wenn der Zusammenhang seiner Gemeinden mit den historischen J 1lngern du historischen J e8U8 zerrissen worden wäre. Ähnlich auch C. K. BARBETT a.a. 0. S. 18, der von den •Säulenaposteln' schreibt: " ... they a.re the indispensable connecting links between the historical Jesus a.nd the community of the NewAge. As such they must be consulted, a.nd fellowship with them must be maintained, at almost any cost. Upon them rested the prima.ry responsibility of bearing witness to the resurrection." Wie man da.s überhaupt und speziell nach der Exegese von Gal. 1 schreiben kann, ist mir nur schwer verständlich. P. ALTHAUS berichtigt sich denn auch selbst. Zu Ga.I. 2, 6 schreibt er: "Paulus ist seiner Vollmacht und seiner Verkündigung gewiß, ob die Urapostel zustimmen oder nicht (1,8f.). Ihr Urteil ist ein menschliches - wa.s besagt es angesiohts dessen, daß Jesus Christus ihn berufen hat." In der Tat! Man sieht an diesen verschiedenen Versuchen, da.ß die Frage nach dem Anlaß der Reise des Paulus nach J erusalem schwerer zu beantworten ist, als es zunächst den Anschein haben ma.g 1 • Sowohl E. HAENCHEN als auch H. SCHLIER und P. ALTHAus gehen davon aus, daß Paulus zu Anfang seiner Schilderung des •Apostel1 Auch hätte diese Aufgabe spätestens bei dem ersten Besuch des Paulus in Jerusalem gelöst worden sein müssen. 1 A.a. 0. S. 14f. 1 Das zeigt auch der unhaltbare Versuch von E. KLo8TJI:BK.ANN, Zur Apologie des Paulus Galater 1,10-2,21 (Wiss. Ztschr. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Vl/5, S. 763-766), den Zweck der Reise in 2,4f. dargelegt zu sehen. E. KLosTERMANN zieht in 2,5 den •westlichen' Text vor und paraphrasiert die Verse: "(4) (Übrigens) aber war es (nur) wegen der (in Antiochien, vgl. Apg. 15,1f.) eingedrungenen Falschbrüder, die sich eingeschlichen hatten, um unsere Freiheit zu bespitzeln, die wir in Christus haben, um uns unter das Joch zu bringen, (5) daß wir (Führer Antiochiens) uns für einen Augenblick der Unterordnung fügten, damit die Wahrheit des Evangeliums für euch verbleibe." Die bei diesem Verständnis dee Textes erwähnte Unterordnung soll dann in der Reise nach J erusalem bestanden haben!
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konzils' den Anlaß zu seiner Reise darlegt. Sie berücksichtigen nicht, aus welchem Interesse Paulus den Bericht überhaupt gibt. Tut man das, so läßt sich der Berichterstattung des Paulus zunächst nur entnehmen, was ihm a.n den Jerusalemer Gesprächen im Blick auf seine gegenwitrtigen galati8chen Gegner besonders wichtig erschien: daß in Jerusalem die Unabhängigkeit seines gesetzesfreien Evangeliums nicht in Frage gestellt, sondern ausdrücklich anerkannt worden war. Darum erklärt Paulus, daß er erst nach 14: Jahren selbständigen Dienstes nach Jerusalem gefahren sei (2, 1). Darum spricht er von der 'Offenbarung' (Christi), die ihn nach Jerusalem rief, und die die Behauptung unmöglich macht, er sei von der Jerusa.lemer Gemeindeleitung herbeibefohlen worden (2, 2). Darum schreibt er, er habe die Jerusalemer, und zwar auch und gerade die doxoüvre~ dort, mit dem Evangelium vertraut gemacht, das er unter den Heiden bisher verkündigt hat, habe also das Evangelium bereits nach Jerusalem mitgebracht, es aber keineswegs von den Jerusalemem erst empfangen (2, 2). Darum verweist er auf den Erfolg seiner Predigt (2,2), der ihm als das beste Zeichen auch für die Wahrheit seines unabhängig von den J erusalemern empfangenen Evangeliums gilt (vgl. l.Kor. 9, 1-3; 2.Kor. 3, 1-3; 10,12-18; Phil. 2,15f u.ö.)l: wie kann man mit einem von Menschen stammenden Evangelium Erfolg haben, wenn man es von diesen Menschen noch gar nicht hat empfangen können 1 Also stammt es nicht von diesen Menschen! Darum betont er, daß sein enger Mitarbeiter Titus nicht zur Beschneidung gezwungen wurde, eine Feststellung, die ganz auf die galatische Situation gerichtet ist und nicht einmal Auskunft darüber gibt, ob die Beschneidung des Titus seinerzeit in J erusalem von irgend jemand gefordert war. Es ist deutlich: Paulus will in Ga.l. 2,1 f. kein historisches Referat über die Gründe geben, die zum Zustandekommen des Treffens in Jerusalem führten. Sein Blick in Ga.l. 2,1 f. ist ganz auf die galatische Situation gerichtet. Über den Anlaß seiner Reise ist damit noch nichts gesagt. Gewiß, über sein Evangelium ist - da.ran läßt Paulus auch gar keinen Zweifel- gesprochen worden. Sollte also Paulus nach Jerusalem gefahren sein, um sich die Unabkltngigkeit seines Evangeliums bestätigen zu lassen 1 Aber dazu hätte es doch eines konkreten Anlasses bedurft, den Paulus nirgendwo erkennen läßt. Und schwerlich läßt man sich die Unabhängigkeit des Evangeliums be8tiitigen. Gewiß ist es Paulus auch recht und lieb gewesen, wenn ein Gespräch mit den Jerusalemem die Gemein11amkeit des Dienstes auf den unterschiedlichen Wegen seiner Ausübung bekräftigte; lag ihm doch viel an der 1
Vgl. Da8 kirchliche Apoatelamt S. 23ft'.
8 8081 Sebmltbala, Paulua
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Einheit gerade mit der ·urgemeinde'. Aber der Anlaß zu seiner Reise kann nicht nur ein solcher frommer Wunsch gewesen sein. Oder war die Gemeinschaft zerstört und wurde in J erusa.lem erst wieder geflickt~ Paulus deutet nichts dergleichen an. Müssen wir uns also mit seiner Auskunft begnügen, er sei auf eine Oflenbarung hin mit Bama.ba.s und Titus nach Jerusa.lem gereist~ 2. Nun, wir sahen, daß schon Ga.l. 2, 2a nahelegt, den Anlaß zu der Reise des Paulus nicht in den Interessen 8einer Arbeit, sondern in Problemen der Jerusalemer Gemeinde zu suchen, natürlich in solchen Problemen, die mit der Heidenmission des Pa.ulus zusammenhingen. Diese Vermutung bestätigt sich, wenn wir jene Nachrichten des Paulus betrachten, die am ehesten geeignet sind, über den Zweck der Zusammenkunft Auskunft zu geben: die in Jerusalem getroffenen Abmachungen. Sie sind das eigentliche Ergebnis und darum gewiß auch das beabsichtigte Ziel der Gespräche gewesen. Die - jedenfa.lls nach der Darstellung des Paulus - weniger wichtige Übereinkunft besagte, daß die Paulusgemeinden sich verpilichtet wissen sollten, der finanziellen Not innerhalb der Judenchristenheit J udäas zu gedenken 1• Was auch immer man an rechtlichen Forderungen der J erusa.lemer Gemeinde hinter dieser Abmachung vermuten mag, sie ist in jedem Fall ein untrügliches Zeichen dessen, daß Judenchristen und Heidenchristen an der Einheit der Gemeinden festhalten wollten. Man fühlte sich aneinander gewiesen, füreinander verantwortlich, miteinander verbunden. D. h. aber auch, daß gegenüber der jüdischen Behörde in Jerusalem die Jerusalemer Christengemeinde mit verantwortlich zeichnete für das, was in den Christengemeinden des Paulus geschah. Nun bemerkten wir bereits bei der Untersuchung der Stephanusgeschichte, daß die gesetzesfreie christliche Heidenmission das jüdische Selbstverständnis nur wenig berührte 2 • Für die nationale Existenz Israels hatte es überhaupt keine Bedeutung, wenn gesetzlose Heiden zu gesetzlosen Christen wurden 1 . Die religiö8e Existenz der Juden war aber weithin mit der nationalen identisch, und auch eine rein theologische Beurteilung der gesetzesfreien Heidenmission konnte das religiöse Bewußtsein derJudennur dann bewegen, wenn diese das Reich J esu mit dem von ihnen erwarteten Gottesreich identifizierten. Das aber ist wenn überhaupt- so doch je später desto weniger der Fall gewesen. Anders verhielt es sich mit der gesetzesfreien Judenmission. Jeder Versuch, den Juden grundsätzlich vom Gesetz zu lösen, mußte den geschlossenen Widerstand des Judentums hervorrufen; denn die Auf1 1
Siehe S. 64ff. Siehe jedoch S. 17 Anm. 1.
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Siehe S. 17.
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hebungdes Gesetzes bedeutete die nationale und religiöse Selbstpreisgabe des Judentums. Ein gesetzloses Judentum mußte sich in den anderen Völkern verlieren. Wer die Gültigkeit des Gesetzes bestritt, gab darum die eschatologische Erwartung Israels auf. Ein Angriff gegen das Gesetz der Juden war ein Angriff gegen das Judentum überhaupt. Das Judentum konnte eine laxe Gesetzesauffassung dulden, die Apostasie einzelner mußte es hinnehmen, gegen eine a.ntinomistische Propaganda. mußte es sich mit allen Mitteln wehren. E. HAUPT 1 hat die Konsequenzen sehr richtig gesehen, die diese Tatsache für die Jerusalemer Urgemeinde haben mußte: "Ein Loslassen von den Formen des Judentums war gleichbedeutend mit einem Aufgeben des Friedens in der Urgemeinde, gleichbedeutend mit einem Verzicht auf nennenswerten Erfolg ihrer Mission, gleichbedeutend mit einem Krieg bis aufs Messer, den das offizielle Judentum gegen sie eröffnet haben würde." Das haben die Hellenisten in Jerusa.lem erfahren müssen. Das haben J a.kobus und sein Kreis wie auch Pa.ulus 2 und seine Mitarbeiter gewußt. Wenn eine christliche Mission den Juden die Gesetzesfreiheit predigte, so mußte die Gemeinde in Palästina. um ihrer Existenz willen mit diesem Christentum brechen und sich als unabhängige Kirche konstituieren. Ein solcher Bruch in der Gemeinde wird von der Stepha.nusgeschichte bezeugt; er bewahrte die •Hebräer' vor dem Schicksal der ·Hellenisten'. Wenn darum die Kirche ihre Einheit wiedergewinnen und wahren wollte, so mußte sie darauf verzichten, den Juden die Gesetzesfreiheit zu verkündigen; andernfalls hätte sie den Gemeinden J udäa.s das Schicksal des Stepha.nuskreises bereitet. Die eine Abmachung des •Apostelk.onzils' bezeugt den Willen zur Einheit der Kirche. So ist es nur konsequent, wenn der andere und eigentliche Beschluß den Verzicht des Paulus auf die gesetzesfreie Judenmission zum Inhalt hat: "16:xwßor; "ai Kf}ffär; "ai 1wa"f'Jr;, ol 6omVvt'er; DT'Vi.ot el"at, deEuir; ldw"av lpoi "ai Baevaßij. "otvwvlar;, r"a Tjpeir; ek Ta l-Ov?], aÜ'roi de elr; -rfjv neet-rop~v" (Ga.l. 2, 9). Der Wortlaut dieser Abmachung ist eindeutig: Pa.ulus befaßt sich mit der gesetzesfreien Heidenmission; die Judenmission ist Aufgabe der Judenchristen J erusalems 1, die nach V. 8 seit längerem bereits dem Petrus die Leitung ihrer Mission übertragen hatten. 1 Zum Verständnis des Apostolats im Neuen Testament, Halle 1896, S. 91. • Vgl. Gal. 5,11; 6, 12. • In diesem einfachen Sinn versteht auch 0. Cu!.I..H.um die Abmachung: "Paulus und seine Mitarbeiter sollten zu den Heiden gehen, die Jerusalemer zu den Beschnittenen.... Im Gegensatz zu den späteren Spaltungen ... ist jedoch damals bei aller gegenseitig anerkannten restlosen Unabhängigkeit die Zusammengehörigkeit in jenem gemeinsamen Werk der Kollekte zum Ausdruck gekommen" (a.a.O. S. 49f.) .
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Diese Einteilung kann nur ethnographisch verstanden werden 1. Ta llJvt] ist bei Pa.ulus ausnahmslos ethnographisch gebraucht und bezeichnet die Heiden bzw. Heidenchristen i. G. zu den Juden, vereinzelt auch die Heiden i. G. zu den Christen (z.B. l.Kor. 5, 1); nie ist unter Ta llJvt] ein Jude einbegriffen 1 • Ta RJvq ist in Gal. 2, 9 ja. auch Wechselbegriff zu dem ebenfalls ethnographisch zu verstehenden~ dxeofJvUTla (Gal. 2, 7; vgl. Röm. 3, 30; 4, 9). Entsprechend bezeichnet ~ neetTOIJ~, sofern nicht der Vorgang der Beschneidung oder der Zustand des Beschnittenseins gemeint ist, bei Paulus stets ethnographisch die Judenschaft (Röm. 3,30; 4,9; 4,12; 15,8; Gal. 2,12) und einmal die Christen als das wahre Gottesvolk (Phil. 3, 3). So ist auch das in Gal. 2, 7-9 dreimal begegnende neetTOIJ~ im Sinne von ~Judenscha.ft' zu verstehen. Angesichts dieses eindeutigen Befundes ist es schwer verständlich, daß man versucht hat, die Unterscheidung von Ta llJvt] und 7) nee'TOIJ~ anders als ethnographisch zu deuten. Nach H. ScHLIER 1 werden in Ga.l. 2, 9 die Gebiete angegeben, in denen jeweils verkündigt werden soll. Leider sagt H. ScHLIER nicht, welche geographische Einteilung jener Unterscheidung denn zugrunde liegt. T. ZAHN' scheint einerseits an Palästina, anderseits an die übrige Welt zu denken 5 • Aber der Sprachgebrauch von Ta RJvq- ~ neetTOIJ~ bei Paulus ist zu eindeutig, als daß er eine geographische Trennung bezeichnen könnte, die auch aus anderen Überlegungen ausscheidet •. E. HAENCHEN 7 lehnt beide Deutungen ab und sieht in der Formel nur eine paulinische Formulierung des eigentlichen Ergebnisses der Konferenz, das in Wahrheit in der einseitigen Erlaubnis der gesetzesfreien Heidenmission bestand, die die Jerusalemer dem Paulus erteilten. Um mit Barnabas gleichwertig neben den ~Säulen' dazustehen, kleidet Paulus diese Konzession nach E. HAENCHEN in die Form des Sou. a. R. A. LIPSros a.a.O. S. 26; A. ScHWElTZER a.a.O. S. 199; 0. CuLL· a. a. 0. S. 49. 1 Dies Urteil berücksichtigt die alttestamentlichen Zitate und die Deuteropaulinen nicht. 1 [1] S. 46; vgl. F. Smi'J"EBT a.a.O. S. 120; T. ZAHN [2] S. 107; E. HAUPT [2] S. 67; W. FoEBBTER (s. S. 11 Anm. 3) S. 24; R. LmcBTRNHAN a.a.o. S. 57f. ' [2] s. 106f. 1 " ••• the missionfield was divided in a strictly geographical sense: Paleetine on one side, on the other side the world outside the Holy Land" (A. FRIDRICH· SEN, The Apostle and bis Message, Uppsala 1947, S. 12). • Vgl. E.IIABNCHBN a.a.O. S. 413/408. H. J. HoLTZKANN a.a.O. S. 103 (vgl. auch F. Smi'J"EBT a.a.O. S. 120 und die dort genannten älteren Forscher) meint, Paulus habe die Abmachung geographisch, die J erusalemer ethnographlach verstanden. Aber ee ist undenkbar, daß die Abmachung derart vage und alao von vomherein unbrauchbar gewesen sein könnte. Nach J. MUNCK (a.a.O. S. 112) ist die Vereinbarung zugleich geographlach und ethnographisch gemeint; das ist mir schlechterdings unvorstellbar. ' A.a.O. B. 414/409. 1
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zweiseitigen Abkommens. Diese Deutung beruht auf der bereits abgewiesenen Hypothese, daß Paulus nach J erusa.lem gereist sei, um Schwierigkeiten auszuräumen, die Jerusa.lemer Abgesandte seiner Heidenmission machten. Sie bedeutet zudem nicht eine Nuancierung, sondern eine wesentliche Verschiebung dessen, was Paulus tatsächlich sagt. 3. Der Inhalt der Abmachungen von Jerusalem besteht also in der Teilung der Missionsarbeit derart, daß Paulus sich die JudenmiBBion, Petrus die Heidenmission versagte•. Begründet ist diese Abmachung in der verschiedenen Missionsmethode. Paulus verzichtete auf das Gesetz; die Jerusalemer hielten am Gesetz fest. Einige Exegeten sehen diesen Unterschied in V. 7 ausgedrückt. Aber To et)ayyeAwv Tij~ dxeofJt,(ITla~ bzw. Tij~ neetTopij~ meint doch nicht zwei inhaltlich verschiedene Evangelien 2 , sondern das eine Evangelium von 2, 5 wird, wie es auch in 2, Sf. gemeint ist, hier den Heiden und dort den Juden in getrennter Missionsarbeit gepredigt 8 • Es kann a.llerdings im Blick auf 2, 1 ff. kein Zweifel daran sein, daß die Jerusalemer im Gegensatz zu Paulus am Gesetz festhielten. Nun hatte Paulus gerade (1, 6-9) mit beschwörendem Nachdruck festgestellt, es gäbe nur ein Evangelium und kein anderes. Ein Evangelium ist es also auch, das Paulus unter AuBBchluß, Petrus mit Einschluß des Gesetzes predigt. Es steht aber unzweifelhaft fest, daß für Paulus das Gesetz als Heilsweg mit dem einen Evangelium, das Paulus wie Petrus verkündigen, unvereinbar ist. Gerade der Galaterbrief ist das klassische Dokument dieses gesetzesfreien Evangeliums. Will man in dem Verfasser des Galaterbriefes nicht einen raffinierten Heuchler sehen, kann darum die Judenmission, die Paulus den J erusalemern überläßt, das Gesetz nicht derart eingeschlossen haben, daß es in der Predigt des Petrus der Heilsgrund war. Und umgekehrt konnten die Judenchristen Jerusa.lems nicht das gesetzesfreie Evangelium des Paulus anerkennen, wenn für sie das Gesetz heilsnotwendig war. Das bedeutet aber, daß die verschiedene Einstellung zum Gesetz bei Paulus und bei Jakobus nicht, jedenfa.lls 1 E. MEYER schreibt a.a.O. S. 416f., "Barnabas und Paulus wurden als Missionare für die Heidenwelt anerkannt. Die weitere Verbreitung des Evangeliums unter den Juden dagegen behielt Petrus sich und den Seinen vor, zweifellos ohne damit auf das Recht verzichten zu wollen, auch seinerseits Heiden zu bekehren. Ebenso haben um~kehrt Barnabas und Paulus sich auch an die jüdischen Gemeinden gewendet.' Er ist also der Ansicht, daß man in J erusalem ein offizielles Abkommen schließt, daa von Anfang an keiner der beiden Teile zu respektieren willig war. Eben dies lehre die "weitere Geschichte" (S. 416f. Anm. 4). Man sieht, wozu es führt, wenn man die Texte durch die Brille eines vorausgesetzten und dogmatisch verfestigten Geschichtsbildes liest, statt daa Geschichtsbild nach den Texten zu formen. 1 So z.B. A. FluDRICHSBN a.a.O. S. Sff. 1 H. SCHLIER [1] S. 44; R. A. LIPSros a.a.O. S. 26; F. SIEJ"J'BRT a.a.O. S. 116; T. ZAHN [2] S. 100.
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nicht primär, theologische Gründe gehabt haben kann. Darüber muß Einverständnis bestanden haben, daß das Evangelium den Glauben fordert, nicht durch das Gesetz, sondern "durch die Gnade des Herrn Jesus selig zu werden" 1 • Das entspricht im übrigen nur dem vorne (S. 28f.) bereits erkannten. Wenn die Judenchristen dennoch a.m Gesetz festhielten, so kann das nur praktische Gründe gehabt haben. Wir haben uns diese Gründe oben bereits verdeutlicht: Die Möglichkeit, als judenchristliche Gemeinde in Judäa zu leben, beruhte auf der wenigstens formalen Anerkenntnis der Autorität des jüdischen Gesetzes. Damit wäre auch dieN otwendigkeit der erwähnten Teilung der MiBBionsarbeit erklärt, die demnach keineswegs, wie E. MEYER a. a. 0. S. 417 meinte, in der "Natur der Sache" begründet war, weil "Petrus und seine GenoBSen ... Griechisch überhaupt nicht oder höchstens ganz notdürftig reden'' konnten; Paulus verzichtete ja gerade gegen die "Natur der Sache" auf die MiBBion unter den griechisch sprechenden Juden. Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit der beschriebenen Teilung aus den genannten Überlegungen: Würde Paulus auf seinem weltweiten MiBBionsgebiet den Juden das gesetzesfreie Evangelium verkündigt und sie seinen gesetzesfrei lebenden Gemeinden eingegliedert haben, hätte er damit - die Einheit der Christenheit vorausgesetzt - die Lage der judäischen Christengemeinden unhaltbar gemacht 1 • Jetzt konnten die Jerusalemer Christen darauf verweisen, daß kein Jude durch die christliche Mission dem Geltungsbereich des Gesetzes entnommen wurde. Daß aber der Christ, der noch die Beschneidung predigt, erfahrungsgemäß vor Verfolgung sicher war, bezeugt Paulus ausdrücklich G&l. 5, 11 und 6, 12. Theoretisch hätte sich als Lösung des Dilemmas derWeg angeboten, daß jeder Prediger jeweils konkret den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche geworden wäre, das eine Evangelium &lso so gepredigt hätte, daß keiner der Getauften den gewohnten jüdischen oder heidnischen Lebensverband verlassen mußte. Aber das wäre praktisch doch kaum durchführbar gewesen. Die Wirklichkeit dieser Teilung sah demnach so aus, daß einerseits Paulus auf die organisierte MiBSionierung der Juden verzichtete. 1 Apg. 15, 11. Man braucht natürlich das paulinische Vel'Btändnie dieses Satzes ilir die Gemeinde in J erusalem so wenig vorauszusetzen wie für den V erfasaer der Apostelgeschichte. 1 Man erinnere eich in diesem Zusammenhang daran, daß die Judenschaft in der Diaspora einigermaßen organisiert gewesen ist, zumal zur Entrichtung der Tempeleteuer, auf die Jerusalem angewiesen war (H. LIETZMANN, Ge· schichte der Alten Kirche, I S. 70f.). Schon aus diesem finanziellen Grund konnten die Jerusalemer Behörden nicht zulaseen, daß die Diasporajuden dem Gesetz entfremdet wurden. Mt. 17, 24-27 bezeugt denn auch zur Genüge, daß die Judenchristenheit die jährliche Doppeldrachme dem Tempel zahlte, und zwar, wie ausdrücklich feetgestellt wird, aus taktischen Gründen!
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Gewiß brachte er damit in jener Jerusalemer Vereinbarung das größere Opfer. Aber er konnte dies Opfer im Blick auf die ihm wichtige Urgemeinde in Jerusalem und auf die ihm nicht minder wichtige Einheit der Christenheit nicht unterlassen. Selbstverständliche Voraussetzung seines Verzichtes muß die Erkenntnis gewesen sein, daß auch Petrus kein anderes Evangelium verkündigte als er. Gegen ein untheologisches Gesetzesverständnis aber machte Paulus keine theologischen Bedenken geltend. Im Gegenteil: "nE(!tTeTIJfJP.bO~ Tt~ ix).~lhJ; 1-'~ emcmdu{}w· b dxeofJvaTlq. XExÄ1JTal T~; 1-'~ neetTEIJ'VEcN?w. 1] nE(!tTOIJ~ oMb la·n", xal 1] dxeofJva-rla oMb eaTt'll, älla -r~efJat~ b-ro).w" Deoo. lxaaTo~ b Tfi x).~aet fj lx).?]{}t], b TczVTn pE'IIhw" (1. Kor. 7, 18-20)1. Die Jerusalemer haben das Gesetz, dem sie treu blieben, jedenfalls nach der Überzeugung des Paulus in diesem Sinne als x).ijat~ angesehen. So bestätigt sich noch einmal die Erkenntnis, daß die Mehrheit der Judenchristen in J erusa.lem keine gesetzesstrengen t J uda.isten' gewesen sein können 1 • Anderseits verzichteten die Jerusalemer 1 auf die Mission unter den Heiden. Das war ein wichtiges, wenn auch kaum umkämpftes Zu1 Daa ist später auch die Meinung des Justin (Dial. 47). 1 Vgl. G. Krrr!:L, Die Stellung des Jakobus zu Judentum und Heidenchristentum, ZNW 30, 1931, S. 145ft'. Anders z.B. E. MEYER, nach dem die Gleichberechtigun~ von Judenchristen und Heidenchristen "nicht wenigen dieser schlichten, m strengster Observanz des Gesetzes aufgewachsenen Leute als eine Ungeheuerlichkeit, als ein unsühnbarer Frevel gegen Gott und sein Gesetz erscheinen .. mußte (a.a.O. S. 415). Woher er so genau über die gesetzesstrenge Herkunft der Christen in der Urgemeinde Bescheid weiß, erfahren wir leider von E. MEYI:R nicht. 1 Daß in Gal. 2, 7 f. einerseits Paulus, anderseits Petrus, in GaJ. 2, 9 aber einerseits Jakobus-Petrus-Johannes, anderseits Paulus-Bamabaa genannt werden, erklärt G. KLEIN [3] S. 282ft'. damit, daß 2, 7f. die Verhältnisse z. Zt. des •Konzils', die übrigen Verse aber die Verhältnisse z. Zt. der Abfassung des Galaterbriefes widerspiegeln. Daa ist aber nirgendwo angedeutet und aus mancherlei andernorts genannten Gründen ausgeschlossen (s. S. 69, Anm. 1). Man bedenke nur, daß in V. 9, der nach G. KLEIN die Verhältnisse während des Galaterbriefes widerspiegelt, Paulus und Bamabaa genannt werden, obschon deren Gemeinschaft z. Zt. des Galaterbriefes längst nicht mehr bestand, in V. 7 f. aber nur Paulus, obschon Bamabaa mit Paulus nach J erusalem gezogen war. Vielmehr ist in dem ganzen Abschnitt 2,1-10 deutlich, daß die Verhandlungen zwischen Jakobus-Petru&---Johannes und Paulus-Bamabaa geführt wurden. Zwischen diesen Delegationen wurde auch daa Abkommen geschlossen, das faktisch ein Abkommen der von J erusalem repräsentierten Judenchristen mit den von Antiochien repräsentierten Heidenchristen war. Daa .ql'er~ ek Ta UW", mnoi d~ ek Tf}11 nB!]&TOf'tlv meint darum: die Jerusalemer ZU den Judenobristen, die Antiochener zu den Heidenchristen; denn es handelte sich natürlich nicht um ein persönliches Abkommen zwischen einzelnen Missionaren. Die beiden Delegationen repräsentierten die gesamte und sehr viel umfassendere missionarische Aktivität beider kirchlicher Gruppen. Gal. 2, 7 f. zeigt dann einfach die Tateache, daß Paulus einerseits, Petrus anderseits die damals bereite herausragenden Missionare waren. Diese Tateache hat hinsichtlich der missionarischen Aktivität des Petrus E. ILucNCHEN m. E. zu Unrecht in Frage gestellt (Petrus-Probleme, NTS 7, 1960/61, S. 192ft'.). Wenn in Gal. 2, 7f. ein Protokoll zitiert worden sein sollte (s. u.), kann daran schon deshalb kein Zweifel sein.
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geständnis. Es enthielt die ausdrückliche Bejahung des gesetzesfreien Evangeliums des Pa.ulus; denn die J erusa.lemer Gemeinde verzichtete auf jede gesetzgebundene Mission bei denen, die nicht schon vor ihrer Bekehrung unter dem Gesetz standen. Dies Zugeständnis war für die Jerusa.lemer ohne Problematik. Denn für heilsnotwendig hielten sie das Gesetz nicht, auch für Juden nicht (s. u.). Die Beschränkung auf die Mission im Rahmen des Gesetzes (vgl. Mt. 10, 5f.) bewahrte sie zudem vor jedem Abgleiten in eine Gesetzesfreiheit, die ihnen in Palästina. hätte gefährlich werden können. Es ist nicht anzunehmen, daß die besprochenen Abmachungen wesentlich neue VerhältniBBe schufen. Sie bestätigten und klärten da.s, was sich längst als mehr oder weniger praktikabel herausgestellt hatte. Die Stephanus-Affare muß für die Urchristenheit eine wichtige Lehre bedeutet haben. Auch ist dara.n zu erinnern, daß Pa.ulus den Weg seiner Mission zu den Heiden von seiner Bekehrung her vorgezeichnet sah (Ga.l. 1, 16). Und kann man annehmen, daß die Frage des Verhältnisses der pa.ulinischen Mission zu den Juden bzw. den Judenchristen bei dem ersten Besuch des Pa.ulus in Jerusalem (Ga.l. 1, 18f.) unbeantwortet oder ga.r unbesprochen geblieben ist 1 ? Unmöglich! Also gilt wohl für die Jerusalemer Vereinbarung: "Jeder von beiden Theilen sollte sein Werk nach den bisher befolgten Grundsätzen fortführen." 1 Auch Petrus hat nämlich zweüellos bereits als eine Art judenchristlicher Missionsleiter an dem •Apostelkonzil' teilgenommen. In Ga.l. 2, 7 f. parallelisiert Paulus sich und seine Missionsarbeit unter den Heiden mit Petrus und deBBen Judenmission. Dann kann Petrus nicht bis zu dieser Zeit Jerusalemer Gemeindeleiter gewesen sein, sondern muß - im Unterschied von Jakobus - eine Missionsarbeit 1 So E. IIABNCHEN (s. vorige Anm.) S. 187 f., weil sonst der "schwere Kon· flikt" nicht denkbar sei, der 14 Jahre später zu dem •Apostelkonzil' führte. Aber wir sahen, daß keineswegs ein "schwerer Konflikt" Paulus zum zweiten Male nach J erusalem führte. 1 H. J. HoLTZKANN a.a.O. S. 102. Anders 0. CULLMANN a.a.O. S. 49ff. Nach 0. Cui.I.luNN hat man auf dem •Apostelkonzil' eine Trennung der missionarischen Arbeit beschlossen, die es vorher nicht gab. Vielmehr seien die Gemeinden bis zur Zeit des •Apostelkonzils' gemischt gewesen. Tragisch war nun, "daß das Jerusalemer Abkommen die unvermeidliche gemischte Zusammensetzung der Gemeinden nicht ins Auge gefaßt hatte" (S. 51). Dadurch kam es unausbleiblich zu ständigen Übergriffen der judenchristliehen Missionsorganisationen in die Gemeinden der paulinischen Richtung, da es auch dort von altersher "judenchristliche Elemente" gab (S. 51). Paulus dagegen habe sich anständigerweise solcher Übergriffe enthalten. Diese Erwägungen setzen als selbstverständlich voraus, was sich doch je länger desto mehr als unhaltbar erweist: Auseinandersetzungen zwischen Paulus und den Jerusalemem auf seinem Missionsgebiet. Zudem machen sie die führenden Köpfe der frühen Christenheit zu Tölpeln, wenn sie ihnen ein Abkommen zutrauen, dessen Undurchführbarkeit sie gar nicht bedacht hatten, weil sie die gemischte Zusammensetzung ihrer Gemeinden ganz vergessen hatten I
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getrieben haben, die der paulinischen vergleichbar war (s. S. 39 Anm. 3 am Ende). Damit stimmt überein, daß Paulus ihm bereits im Rückblick auf seinen ersten Besuch in Jerusalem den Aposteltitel gibt (Ga.l. 1, 18f.), der für Paulus eine spezifische Missionstätigkeit seines Trägers zur Voraussetzung hat. So erklärt sich auch die Vorordnung des Jakobus vor Kepha.s bei der Darstellung der Vertragsschließung in Ga.l. 2, 9f. ungezwungen; denn in der Jerusalemer Gemeinde hatte zur Zeit des Konzils Jakobus die leitende Stellung inne, die ihn zugleich zu der für die organisatorischen Fragen des gesamten Judenchristentums entscheidenden Persönlichkeit machten. Diese Vorordnung des Jakobus ist ohne Schwierigkeit und ohne zugrunde liegende Degradierung des Petrus nur vorstellbar, wenn Petrus normalerweise von Jerusalem abwesend war. Solche Abwesenheit bezeugt auch 1. Kor. 9, 5, wo Petrus neben den Aposteln besonders aufgeführt wird als einer von denen, die von ihren Frauen auf ihren Missionsreisen begleitet werden. Die späteren in Palästina beheimateten 'Ebioniten' berufen sich auf Jakobus, nicht auf Petrus (s. auch S. 87 Anm. 1), ein Zeichen dessen, daß Petrus nicht vornehmlich in Palästina wirkte und in Geltung stand, sondern, wie der 1. Petrushrief bezeugt, in der Dia.spora. Die Notiz des Papia.s (bei Euseb K. G. ITI 39, 15), daß Petrus von einem Dolmetscher begleitet wurde, dürfte insofern auf einer historischen Tradition beruhen, a.ls sie die missionarische Tätigkeit des Petrus in der Diaspora voraussetzt. Der Tod des Petrus in Rom ist zumindest sehr wahrscheinlich (vgl. 0. CuLLMANN a.a.O. S. 78ff. [Lit.]). Daß die mit allem Gesagten behauptete missionarische Tätigkeit des Petrus diesen zu einem "abhängigen Funktionär" mache, wie 0. ÜULLMANN a.a.O. S. 47f. andeutet und H. GRAss a. a. 0. S. 97 Anm. 3 kritisch gegen 0. CuLLM.A.NN einwendet, dürfte freilich ein Mißverständnis jener Behauptung sein. Schwerlich nämlich wird ein Glied der urchristlichen Gemeinden das kollegiale Amt der Jerusalemer Gemeindeleitung für höher als da.s missionarische Amt der Apostel eingeschätzt haben. Auf dem ~ Apostelkonzil' dürften also in· der Tat bestehende Verhältnisse verbindlich fixiert worden sein. Warum war dann aber ein förmliches Abkommen erforderlich 1 Hier ist der Zeitpunkt des ~ Apostelkonzils' von Bedeutung. Es bezeichnet den Übergang von der mehr lokalen Mission des Paulus in den Küstenlandschaften des östlichen Mittelmeeres zu der weltweiten Mission, die ihn in den Westen führte. Mehr: Paulus verläßt das Gebiet, in dem andere schon vor ihm und neben ihm missionierten und beginnt eine selbständige Missionsarbeit (Röm. 15, 19ff.). Zu diesem Zeitpunkt 1 1 Er lag vermutlich vor den von Lukas als 1. Missionsreise (Apg. 13f.) ge· schilderten Ereignissen (s. HAENOHEN a.a.O. S. 386/380). Anders W. G. Kt1x· KEL in ThRs 17, 1948, S. 30ft'. (Lit. ).
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war eine grundsätzliche Klärung der beiderseitigen Standpunkte wohl begründet. Hierin ist der konkrete Anlaß des •Konzils' zu suchen. Daß dessen Ergebnis vornehmlich im Interesse der Jerusalemer lag, hat unsere Analyse deutlich gemacht. Die Dringlichkeit einer offiziellen Vereinbarung würde unterstrichen, wenn die von Apg. 12 bezeugte Verfolgung der Gemeinde in Jerusalem durch die Juden in die Zeit um das •Apostelkonzil' fa.llen sollte. Mit gutem Grund hat man vermutet, in Jerusa.lem sei ein offizielles Protokoll des VerhandlungsergebniBBes angefertigt worden, aus dem Paulus in Gal. 2, 7ff. zitiert•. Dann aber dürfte dieses Protokoll kaum für den innerkirchlichen Gebrauch bestimmt gewesen sein, sondern als Ausweis gegenüber der jüdischen Behörde gedient haben, die möglicherweise durch Beobachter bei den Beratungen vertreten war (s. S. 89f.). In jedem Fall schützten die Vereinbarungen die Jerusa.lemer Gemeinde so gut, wie es angesichts der Fortführung der Heidenmission möglich war, vor Verfolgungen durch die jüdischen Behörden; sie schufen freilich auch für die neu zu gründenden Gemeinden in der Diaspora. klare Verhältnisse. Dem ist eine weitere Überlegung anzufügen. Das Apostelkonzil, so wurde bereits gesagt, bezeichnet den Beginn der selbständigen paulinischen MiBBionsarbeit. Diese Arbeit wurde zunächst mit Ba.rnabas als engstem Mitarbeiter durchgeführt; die Apostelgeschichte berichtet davon in Kap. 13f. in Form einer Darstellung der sogenannten ersten Missionsreise. Nach dem antiochenischen Zwischenfall nehmen Silvanus und später Timotheus den Platz des Ba.rna.bas ein; nun führt die Mission in das westliche Kleinasien und nach Griechenland. In allen diesen Gebieten gab es noch keine organisierte christliche MiBBion. Pa.ulus gründet die ersten Gemeinden. Es sind heidenchristliehe Gemeinden, deren erste Glieder vermutlich vor allem dem Kreis der aeßope'Jiot entstammten (s. u.). In den Städten, in denen Pa.ulus den Heiden predigte, gab es aber auch mehr oder weniger große jüdische Minderheiten. Die Rücksicht auf die Jerusalemer Brüder in Christus verbot es Pa.ulus, auch diesen Juden sein gesetzesfreies Evangelium zu predigen und sie seinen gesetzesfrei lebenden Gemeinden einzufügen. Anderseits war ihm das Schicksal seiner •Brüder nach dem Fleisch' nicht gleichgültig. Im Gegenteil. Röm. 9-11 legt beredtes Zeugnis ab von dem im tiefsten Herzen wurzelnden Eifer um sein Volk: "Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht, wozu mir mein Gewissen Zeugnis gibt im heiligen Geist, 1 Vgl. z.B. 0. CULLKANN a.a.O. S. 19 und in ThWNT VI S. 100 Anm. 6; E. DINKLEK in VF 1953/55, S. 182f.; G. KLEIN [3] S. 283f. E. DINKLEK schlägt vor, das Stück der Quelle, das Paulus zitiert, etwa so zu rekonstruieren: ... lfr,
lla6J.o~ n&OTeVe& TO et}ayyiJ.uw Tjj~ d"f!ofJvOTia~ )(afro~ llheo~ Tjj~ m(!&TO/'jj~. & yag iVeQy~aa; llET(!tp el~ MoOToJ.q. Tjj~ Teefl&TO/'jj~ iV~(}i''Jt7e1' )(ai llavÄI.p el, Td l{J"'l ...
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daß ich große Trauer und immerwährenden Schmerz in meinem Herzen habe; denn ich würde selbst gerne verflucht und aus der Gemeinschaft mit Christus gestoßen sein an Stelle meiner Brüder, meiner Verwandten nach dem Fleisch, die Israeliten sind, denen die Sohnschaft gehört und die Herrlichkeit und die Bundesschließungen und die Gesetzgebung und der Gottesdienst und die Verheißungen, denen die Väter angehören und aus denen Christus nach dem Fleisch stammt ... " (Röm. 9, 1-5). Die hinter solchen Worten stehende Einstellung des Apostels seinem Volk und dem Gott seiner Väter gegenüber läßt es als undenkbar erscheinen, daß Paulus den Heiden hat predigen und Gemeinden aus ihnen hat gründen können, ohne nach den Juden zu fragen, die an dem gleichen Ort oder in der gleichen Landschaft wohnten. Eine Heidenmission ohne gleichzeitige Judenmission dürfte für Paulus schwerlich denkbar gewesen sein. Er mußte also von vornherein die Gewähr haben, daß parallel zu seiner Heidenmission eine Judenmission organisiert und durchgeführt wurde. Zwar konnte er den Juden sein gesetzesfreies Evangelium nicht predigen, aber er sah doch in seiner Heidenpredigt ein wesentliches Stück Dienst auch an den 'Brüdern nach dem Fleisch': Gerade hinsichtlich dessen, sagt er, daß ich Heidenapostel bin, preise ich meinen Dienst, weil ich durch diesen Dienst meine Brüder nach dem Fleisch eifersüchtig machen kann und einige von ihnen retten könnte ( Röm. 11, 13f). Solche Erwartung aber setzt voraus, daß auch den Juden das Evangelium gepredigt wird und sie in Gemeinden ihrer Observanz gesammelt werden. Das bedeutet: Paulus mußte sich vor Beginn seiner selbständigen Missionsarbeit in Gebieten, in denen bisher nicht gepredigt worden war, dessen versichern, daß seiner heidenchristliehen Mission eine judenchristliche Mission zur Seite trat. Genau das ist auf dem· Apostelkonzil' geschehen. Daß die dort getroffenen Abmachungen keine wesentlich neuen Verhältnisse schufen, stellten wir bereits fest. Folglich dürftR. die ausdrückliche Fixierung und möglicherweise protokollarische oder gar vertragliche Aufzeichnung des Abkommens im Blick auf das in Aussicht genommene neue Missionsgebiet erfolgt sein. Man verabredet sich hinsichtlich dieses neu zu erschließenden Gebietes so, "r.,a ~pelr; elr; Tal~, aüroi ~e elr; -rfrv ne(!tTol'~.," (Gal. 2,9b). Das Abkommen verpflichtete also die Judenchristen J erusa.lems zur Mission unter den Juden dort, wo Paulus den Heiden predigte, und dieser Aspekt des Abkommens dürfte für Paulus von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen sein. Daß Paulus später vor seiner Reise nach Spanien noch einmal den gefährlichen Weg nach Jerusalem macht, möchte zu einem wesentlichen Teil in der Absicht begründet sein, die Durchführung des Jerusalemer Abkommens auch für die Mission im
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westlichen Mittelmeergebiet abzusprechen und zu sichern. Wenn Petrus und Paulus gemeinsam in Rom waren, ist das kein Zufall! Mit allem Gesagten wird die Erkenntnis, daß das Abkommen in Jerusalem im Interesse der JudenchriBten lag, keineswegs korrigiert. Denn daß Paulus die ihn interessierende Mission unter den Juden seines Missionsgebietes durch ein Abkommen mit Jerusalem gewährleistet sehen wollte, ist ja eben darin begründet, daß er im Interesse der Jerusalemer auf eine eigene Mission unter den Juden verzichten mußte. 4. Gegen diese Darstellung erheben sich nun gewichtige Bedenken. Es sind eben jene Bedenken, die die Exegetentrotz des klaren dahingehenden Wortlautes gegen ein ethnographisches Verständnis der von Paulus überlieferten Abmachung meinen geltend machen zu müssen. E. HAENCHEN erledigt dies Verständnis unter unausgesprochenem Blick auf die Darstellung der paulinischen Missionstätigkeit in der Apostelgeschichte nämlich mit der Bemerkung, solche Abmachung hätte es Paulus verboten, in den Synagogen anzuknüpfen 1 • Man wird diesen Einwand zu der grundsätzlichen Frage erweitern müssen: Hat denn Paulus tatsächlich auf die Judenmission verzichtet? Als Paulus Gal. 2 schreibt, muß das Jerusalemer Abkommen noch in Geltung gewesen sein. Da der Galaterbrief während der sogenannten 3. Missionsreise des Paulus entstanden sein dürfte, ist jene Vereinbarung also wenigstens während der wichtigsten paulinischen Missionsepoche für den Apostel verpflichtend gewesen. Hat Paulus in dieser Zeit nicht unter den Juden missioniert? Man wird beachten müssen, daß das Problem nicht durch einen Hinweis auf mehr oder weniger viele geborene Juden in den PaulusGemeinden zu beantworten ist. Paulus wollte, konnte und brauchte keinen Einspruch erheben, wenn sich Juden einer seiner Gemeinden anschlossen und damit - wie er - auf die Beobachtung des Gesetzes verzichteten. Im römischen Reich lebten nach begründeten Schätzungen mehr als 5 Millionen Juden. Nicht alle waren fromme Juden. Die Beobachtung des Gesetzes inmitten der heidnischen Umwelt brachte soziale Beschränkungen mit sich. Nicht jeder nahm sie auf sich, und die Synagoge hatte keine Macht, die Abtrünnigen zurückzuhalten. Schwerlich wurden viele der Apostaten des Judentums •gläubige' Heiden. Wer den Synagogenverband verließ, lebte im •Niemandsland'1. Solch ein verlorenes Schaf fand natürlich leicht den Weg zur heidenchristliehen Gemeinde, die das Erbe seiner Väter mit der Freiheit vom Gesetz vereinte. Die Synagoge hatte diese Menschen längst verloren. Für ihre Gesetzlosigkeit war nicht Paulus verantwortlich. I
Vgl.
w. FöRSTER
[2] li
s. 25,f.
Das "Apostelkonzil"
Kein Geringerer als Timotheus, unbeschnittener Sproß einer jüdischheidnischen Mischehe, ist ein Beispiel dieser Menschengruppe (Apg. 16, 1). Auch aus dem freiwilligen Anschluß einzelner Glieder der Synagoge konnte man nur mit Unrecht gegen Paulus den Vorwurf erheben, er treibe gesetzesfreie Judenmission (Apg. 18,8; die Bekehrung des Krispus ist offenbar als Besonderheit im Gedächtnis der Gemeinde haften geblieben; vgl. l.Kor. 1, 14). Nun scheinen freilich den paulinischen Gemeinden kaum Juden angehört zu haben. Es ist heute anerkannt, daß die Briefe nach Korinth, Galatien, Philippi und Thessalonich an heidenchristliche Gemeinden gerichtet sind. l.Thess. 1,9 (vgl. l.Kor. 12,2; Gal. 4,8) gilt von den Gemeinden der 3. Missionsreise insgesamt: " ... wie ihr euch habt hingewandt zu Gott von den Götzen, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen." Paulus nennt die Gemeinden geradewegs "Gemeinden der Heiden" (Röm. 16,4)1; ja, er redet die Gemeindeglieder direkt als "ihr Heiden" an (Röm. 11, 13). Juden können unter ihnen nur vereinzelt und ausnahmsweise vertreten gewesen sein 1 . Weiter: Paulus bezeichnet sich stets betont als Apostel der Heiden 1 : Röm. 11,13; 15,16.18; Gal. 2,2; l.Thess. 2,16. Als solcher lebt er in dem Bewußtsein der Christenheit weiter: Eph. 3, 1. 8; 1. Tim. 2, 7. Gott hat ihn schon bei seiner Bekehrung zum Heidenmissionar berufen: Gal. 1, 16 4 • Die genannten Stellen lassen keinen Zweüel daran, daß Paulus nicht neben der Judenmission auch noch Heidenmission betreibt 6 , sondern daß er Heidenmissionar war im Unterschied von anderen, die Judenmissionare waren. Eben das erfahren wir ja auch Gal. 2, 9. In Röm. 9--11 spricht Paulus ausführlich über die erwartete Bekehrung der Juden. Er würde Gottes Fluch auf sich nehmen, wenn 1 Diese Bezeichnung setzt die andere: "Gemeinden der Juden" voraus. Es handelt sich offenbar um die technischen Bezeichnungen iür die nach den Abmachungen des 'Apoetelkonzils' getrennt zu organisierenden Gemeinden. 1 Weiteres Material dazu aus den Paulus-Briefen bei J. MUNcx a.a.O. s. 194ft". 1 Vgl. J. MuNCX a.a.O. S. 33; W. GRUNDMANN, Paulus, aus dem Volke Israel, Apostel der Völker, Nov. Test. 4:, 1960, S. 267ff. ' Das ist eine zweifellos korrekte Angabe. Denn Paulus hatte die Christen verfolgt, weil sie den exklusiven Heilsanspruch der jüdischen Gemeinde, der auf dem Gesetz fundiert war, verleugneten. Seine Bekehrung war eine Bekehrung zu der universalen Heilsbotschaft der christlichen Verkündigung. Paulus hat darum schwerlich erst seit dem Abkommen von Jerusalem betont, daß er Heidenapostel ist; vielmehr liegt diese betonte Tatsache den Abmachungen in Jerusalem bereits zugrunde (vgl. Gal. 2, 7f.). • Unbegründet ist E. HAUPTS Urteil ([2] S. 66), die genannten Stellen sagten nur aus, daß faktiBch der Beruf des Paulus sich mehr und mehr auf das Heidentum beachränkte und er darin seine ~Wk Domäne sah. Nicht besser steht es mit der Behauptung von W. MlcHA..BLIS, auch Paulus habe anfangs die Beschneidung gepredigt (Judaistische Heidenchristen, ZNW 30, 1931, S. 88).
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Das "Apoetelkonzil"
nur seine •Brüder nach dem Fleisch" zu Christus hinfänden (9, 1ff.). Israels Rettung ist seines Herzens Wunsch und flehendes Gebet (10, 1). Predigt ist zu dieser Rettung nötig (10, 12ff.). Worin aber besteht der Beitrag des Paulus zur Rettung Israels1 In der Heidenmission! Paulus preist angesichts der Blindheit Israels ausdrücklich seinen Heidenapostolat, weil das Heil der Heiden Israel vielleicht eifersüchtig machen und nachfolgen lassen könnte (11, 11 ff. ). Das alles ist so eindeutig, das es als kaum begreiflich erscheint, wie moderne Theologen als 8elb8tver8t4ndlick voraussetzen können, daß Paulus natürlich den Juden ebenso wie den Heiden gepredigt habe. E. HAuPT macht sich freilich anheischig zu beweiBen, "daß Paulus auf Wirksamkeit unter den Juden nicht verzichtet hat'' 1 • Er stützt diesen Beweis allein auf 1. Kor. 9' 20 : "eyevOJ.l'TJ" TO i'" 'Iovdalou; w'" 'Iovdaio'", lva 'Iovdalov'" XE(!Ö1}CTc.o. TOi'" WtO 'IIOJ.lOV w'" VJtO VOJ.'(YI1, I'~ ä>v aV-rd, t1no voJ.lOV, tva Too'" V3to vOJ.lO'II xeeln]uw." Aber diese Stelle vermag die ihr zugemutete Beweislast nicht zu tragen. Sie würde, wenn sie den von E. HAUPT gewünschten Dienst tun wollte, voraussetzen, daß Paulus je nach Bedarf den Heiden das Evangelium ohne und den Juden mit Gesetz verkündigt habe. Aber das wäre eine unmögliche Missionsmethode gewesen, zumal sie praktisch auch eine getrennte Gemeindeorganisation zur Folge gehabt haben müßte. Vielmehr sind 1.Kor.9,20 mit H.LIETZMANN 2 Stellen wie Apg.16,3; 18,18; 21, 20---26 sachlich zuzuordnen, Stellen, die freilich noch einer kritischen Überprüfung bedürfen, die wir uns für später aufsparen (s. S. 70ff. ). Jedoch ist nicht daran zu zweifeln, daß Paulus gesetzliche Observanzen beobachten konnte, wenn er dadurch dem Lauf des Evangelimns ein Hindernis aus dem Weg räumte, gleichgültig, ob er oder ob die Jerusalemer oder ob andere vor solchen Hindernissen standen; eine Predigt de8 Paulw unter den Juden ist damit noch in keiner Weise bezeugt oder auch nur von ihm behauptet. H. ScHLIER verweist für die Judenpredigt des Paulus noch auf Röm. 11, 13 fl. Das leuchtet mir nicht ein •. Bliebe noch die Darstellung der Apostelgeschichte. In ihr erscheint Paulus als verhinderter Judenmissionar, der den Heiden nur predigt, weil die Juden ihn verwerfen: 13,5. 14. 42ff.; 14,1ff.; 17,1ff.10; 18, 4ff. 19. (26); 19, 8f.; 22, 17ff.; 28, 17-28. Schon bei seiner Berufung war er wie zu den Heiden so zu den Juden gesandt: 9, 15; 22, 15; 26, 19ff. Es herrscht Einmütigkeit darüber, daß hinter der schematischen Darstellung der Apostelgeschichte, die Paulus stets in den Syn1
(2) S. 65; vgl. E.
s. 56ft'.
PREUSCHBN
a.a.O. S. 86; bes. R.
LIECHTENHAN
a.a.O.
3 (1) 8. 46 Arun. 2. I (1) 8. 43. ' Erst recht ist A. Flm>BIOHSBN8 Verweis auf Röm. 1, 13f. (a.a.O. S. 12) verfehlt. Paulus scheint die Juden hier gerade von denen auszuschließen, deren •Schuldner' er als Apostel ist.
Daa "Apostelkonzil"
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a.gogen anknüpfen und von dort zu den Heiden getrieben sieht, luka.nische Tendenz zu suchen ist 1 • Der eigentliche Zweck dieser Tendenz ist m. E. noch nicht hinreichend gedeutet worden. E. li.AENcm:N ist es, der sich dieser Problematik besonders angenommen und die lukanische Tendenz als eine apologeti8che näher bestimmt hat: In dem ausgedehnten apologetischen Gespräch mit dem römischen Staat innerhalb der Apostelgeschichte geht es Lukas unter anderem und vor allem darum, das Christentum als eine jüdische aleeatt; und damit als religio licita zu deklarieren 1 . Diesem Zweck dienen die zahlreichen Züge der lukanischen Darstellung, in denen die innere Bindung der christlichen Gemeinschaft an die jüdische Religion aufgezeigt wird 1 • Dem widerspricht H. CONZELKANN' mit Recht. Er sieht die Darstellung des Lukas innerkirchlich in einem Interesse des Lukas an der Heilsgeschichte begründet. Das ist richtig, aber nicht ausreichend; denn nun ist zu fragen, wie es zu diesem Interesse kam. Die Tatsache der Parusieverzögerung als solche motiviert dieses spezifische Interesse, das u. a. Paulus zum Pharisäer macht, noch nicht. W. ELTESTEB 1 beantwortet diese Frage mit der Erklärung, dem Heidenchristentum sei z. Zt. des Lukas fraglich geworden, ob es ein Recht habe, das Alte Testament, das Buch der Juden, als eigene Glaubensurkunde zu benutzen. Die lukaniscbe Konstruktion bejahe diese Frage. Auch das ist zugleich richtig 1 und nicht ausreichend; denn nun ist zu fragen, wer der Kirche die anfangs selbstverständliche Berufung auf das Alte Testament denn zweifelhaft gemacht hat. Gibt es jemanden vor Marcion, der das tat T E.IIABNOBEN 7 lehnt zwar die Deutung W. ELTESTEBS ab, gibt aber nun eine andere Erklärung für die Darstellung des Paulus als eines frommen und gesetzestreuen Juden durch Lukas. Lukas habe sich mit dem Problem herumgeschlagen, wie die Juden, die zu seiner Zeit von der Kirche bereits •abgeschrieben" waren, das ihnen verheißene Heil haben verscherzen können. Er antwortet: "Es lag nicht an der ersten Christenheit, wenn die Juden das angebotene Heil zurückstießen"; denn die ersten Christen einschließlich Paulus lebten als fromme Juden. Aber, 80 ist E. IIAENCREN zu fragen, hat denn jemand z. Zt. des Lukas den Christen, die die Juden längst •abgeschrieben' hatten, 80 sehr den Vorwurf gemacht, sie seien an der Heillosigkeit der Juden schuld, daß Lukas zu seiner die wirklichen Verhältnisse grotesk verzeichnenden Apologie genötigt wurdeT Gewiß nicht! Und als eigentliches theologisches Problem kann der Unglaube der Juden den Lukas nicht bedrückt haben; denn dies Problem wird durch den Hinweis auf die Unschuld der Christen nicht gelöst (anders Röm. 9-11). Schließlich hätte Lukas durch seine Lösung ein größeres Problem Vgl. M. DIBBLIUS [2] S. 129. E.liABNOHENa.a.O. S.565/560;H.J.HoLTZKANN a.a.O. S.17;G.P. WETTER a .a. o. S. 414. • Siehe bei E. H.u:NOHEN a.a.O. S. 186/182; 178/174; 283/276; 48:1:~6; 565/560; 57lf./566; 575ff./570ff.; 624ff./619ff.; 663ff./654ff.; vgl. G. IN [1] s. 369f. • In seiner Besprechung des Kommentars von E.ILu:NCBEN, ThLZ 85, 1960, Sp. 244f. 1 Lukas und Paulus, in •Eranion', Festschrift für H. Hommel, 1961,8.1-17. • Daß es der Paulusgefährte Lukas war, der in seiner eigenen Zeit aus den genannten Erfordernissen das Bild seines apostolischen Lehrers so sehr verzeichnet hat, halte ich freilich anders als W. ELTESTER für gänzlich ausgeaobloasen. Vgl. auch E. IIAENOBEN a.a.0. 11 S. 674f. ' A.a.0. 11 S. 680f. 1
1
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Daa ,,Apoatelkonzil"
geschaffen, als das gelöste schHmmstenfalls hätte sein können; denn nun stellt sich die Frage nach dem Recht der Kirche unter den Heiden, in nachpauliniscber Zeit die jüdischen Grundlagen zu verl888en. Es ist deutlich: Die Tendenz dee Lukas, das Christentum als das wahre Judentum darzustellen, ist noch nicht hinreichend gedeutet. An dieser Tendenz selbst aber kann kein Zweifel sein.
Ein besonderes Problem bildete für Lukas dann aber die Heidenmission. Sie erfolgte nach Lukas einerseits auf ausdrücklichen Auftrag Gottes gegen den Widerstand der Gemeinde bzw. Missionare (Apg.lOf.; 15,7-21; 22, 17ft'.). Anderseits ist es allein Schuld der Juden, daß die Christen sich außerhalb der Synagogen organisieren mußten (vgl. Apg. 13,42ff. und die anderen o. a. Stellen). "Es liegt nicht an den Christen und am Christentum, daß es eine vom Judentum unterschiedene und angefeindet neben ihm stehende Religion geworden ist." 1 Jenes Bemühen also, Paulus als verhinderten Judenmissionar darzustellen, ist in der Intention der lukanischen Schriftstellerei ausreichend begründet. Freilich: "Daß Paulus tatsächlich die vorhandenen Synagogen aufsuchte, um mit den aeßof'B'VOt Fühlung zu bekommen, hätte man nicht bestreiten sollen." 2 "Daß sich Paulus immer erst dann zu den Heiden wenden darf, wenn ihn die Juden ablehnen, macht aus der selbstverständlichen Anknüpfung in der Synagoge eine falsche Theorie." 8 In diesen Sätzen wird die heute herrschende Überzeugung wiedergegeben, berufe man sich dafür nun auf einen historischen Kern der lukanischen Darstellung oder mit E. HAENCHEN auf die allgemeine Überlegung, daß Paulus aus Zweckmäßigkeitsgründen "selbstverständlich" jeweils in der Synagoge mit der Mission begonnen habe. Aber gegen den eindeutigen Befund dessen, was Paulus selbst sagt, kommt weder ein angeblich historischer Kern des Inkanischen Tendenzberichtes noch auch eine allgemeine Überlegung über die praktischste Methode der paulinischen Missionsarbeit auf. Trotz der Apostelgeschichte hat Paulus keine Judenmission getrieben, auch wenn es noch so unbequem gewesen sein sollte. Freilich wird man schwerlich überhaupt sagen können, daß es für Paulus bequem gewesen sei, in den Synagogen anzuknüpfen. Der Kern seiner Predigt war die Botschaft, daß Christus das Ende des Gesetzes ist. Nirgendwo mußte er sicherer mit Widerstand gegen seine Predigt rechnen, nirgendwo mußte dieser Widerstand auch heftiger und gewalttätiger sein als in der Synagoge. Hätte Paulus mit seiner Predigt tatsächlich in der Synagoge angeknüpft, so hätte solche Anknüpfung 1 E. ILucNOBBN 1
E. ILucNOBBN 1 E.ILucNOBBN
a. a. 0. S. 4:82/4:76. a. a. 0. S. 4:150/4:4:15. a.a.O. S. 362/3156. Vgl. H.
GRASS
a.a.O. S. 214: Anm. 1.
Das ,,Apoetelkonzil"
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den Willen eingeschlossen, gleich zu Beginn seiner Predigt den schärfsten Widerstand bewußt zu provozieren, jeden Erfolg seiner Predigt von vornherein zu gefährden und die Heidenmission-wieLukas es darstellt - als erzwungene Folge des jüdischen Widerstandes gegen die Botschaft von Christus zumindest erscheinen zu lassen. Das a.lles konnte nicht Absicht des Apostels sein. Ebensowenig wird man es Paulus zutrauen, daß er den eigentlichen Inhalt seiner Christusbotschaft vor seinen jüdischen Hörern zunächst verborgen hat, um die Katze erst aus dem Sack zu lassen, wenn er das nötige persönliche Ansehen gewonnen hatte. Auch würde ihm solcher Versuch schwerlich geglückt sein; denn wenn er tatsächlich von Synagoge zu Synagoge reiste, konnte er kaum als ganz Unbekannter eine neue Synagoge besuchen; sein Gerücht eilte ihm voraus. Kurzum: daß Paulus mit seiner Predigt in den Synagogen begann, ist kaum vorstellbar. Geradezu unbegreiflich ist das UrteilE. MEYERS a.a.O. S. 417, daß Ba.rnabas und Paulus sich trotz des solche Praxis ausdrücklich verbietenden~ Apostelkonzils' auch an die jüdischen Gemeinden gewendet haben ; denn "anders konnten sie ja., wenn sie einen neuen Ort in Angriff nahmen, an die Heiden überhaupt nicht herankommen". Damit ist nicht bestritten, sondern vielmehr behauptet, daß Pa.ulus sich bemüht hat, zu Beginn der Mission an den einzelnen Orten Verbindung mit ~Gottesfürchtigen' zu bekommen 1 • Bei diesen handelte es sich ja. nicht um dem Gesetz unterworfene Glieder der jüdischen Gemeinde, sondern um unbeschnittene Heiden, die von den Juden nicht zu den Ihren gerechnet, vielmehr später ausdrücklich verworfen wurden 2 • In Apg. 17, 11-15 dürfte eine auf Augenzeugenschaft beruhende N a.chricht aus einem Reisebericht wiedergegeben worden sein. Sie zeigt Pa.ulus nach seiner Ankunft in Philippi auf der Suche nach solchen ueßop.F:J~ot. Im Gegensatz zu den typisch luka.nischen Berichten begegnen dabei weder Juden noch eine Synagoge. Auch in Korinth predigt Pa.ulus erfolgreich in dem Hause eines Gottesfürchtigen mit Namen Titius J ustus; der Synagogenvorsteher Krispus ist dort getauft worden (Apg. 18, 7f.). Diese Angaben machen einen zuverlässigen Eindruck und dürften auf eine Quelle zurückgehen, die berichtete, daß Pa.ulus zunächst bei Aquila und Priscilla seinem Handwerk nachging (18, 1-3), nach der Ankunft von Silas und Timotheus aber energisch mit der Missionsarbeit begann (18,5a.), und zwar in dem Hause des Titius Justue (18, 7f.). Die dazwischen stehenden Bemerkungen über die Predigt des Pa.ulus in der Synagoge machen an keiner Stelle den Eindruck, daß Lukas sie bereits vorgefunden hat; 1
Vgl. die gute Untersuchung unseres Problems bei H. J.
1
W.
s. 13ft".
FoERSTER
HOLTZIIANN
[2] II S. 233f.; K. G. KUHN in ThWNT VI 7'3f.
6 11081 SchmiUW., Paulua
a.a.O.
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Daa ,,.Apoetelkonzil"
sie zeigen vielmehr in allem typisch lu.kanisches Gepräge und dürften ganz auf Lukas selbst zurückgehen 1 : Die von Lukas verarbeitete Quelle hat von einer Predigt des Paulus in der Synagoge nichts gewußt; sie erzählte lediglich, wie Paulus bei den aeßope:vot anknüpft. Vermutlich bestanden die ersten Gemeinden des Paulus überwiegend aus solchen rGottesfürchtigen' 1 • Leider wissen wir nur sehr wenig über den Umfang des Proselytismus in der Zeit vor 70, da nach 70 das Judentum sich von den Heiden separierte. Aber H. J. ScHOEPS [1] S. 233ff. 8 hat mich davon überzeugt, daß wir den Erfolg der jüdischen Propaganda unter den Heiden vor 70 nur schwer überschätzen können, daß diese Propaganda z. Zt. des Paulus auf ihrem Höhepunkt stand und daß ihre Erfolge der jungen Christenheit in den Schoß fielen. Jedenfalls bestand für Paulus kein Anlaß, auch nur aus Zweckmäßigkeitsgründen mit seiner Mission bei den Juden anzufangen. Die heidnischen 'Gottesfürchtigen' waren für sein gesetzesfreies Evangelium weit geneigtere und geeignetere Hörer. H. J. ScHOEPS [1] S. 249 urteilt mit Recht: "Röm. 9-11 läßt sich am besten als eine Paränese an Heidenchristen verstehen, die schon durch die jüdische Mission durchgegangen waren, also zu den ueßope:vot gehört hatten." Dann bestand also auch die von Paulus nicht gegründete Gemeinde zu Rom im wesentlichen aus ehemaligen 'Gottesfürchtigen'. Dafür spricht auch die Unbefangenheit, mit der Paulus in seinen Briefen das Alte Testament als seinen Gemeinden vertraut und bekannt voraussetzt. Schließlich sei darauf verwiesen, daß wir die Trennung der Paulusund Petrus-Gemeinden' an einzelnen Orten auf Grund der spärlichen erhaltenen Nachrichten noch beobachten können, und zwar sicher für Korinth (1.Kor. 1, 12) und Antiochien, möglicherweise auch für Ephesus und Rom 11 • In den kleinen Orten mit geringfügiger Judenschaft sind selbständige judenchristliche Gemeinden ohnedies nicht zu erwarten. Die Adresse des l.Petr. setzt zwar nicht ausdrücklich die tatsächliche Selbständigkeit judenchristlicher Gemeinden voraus; sie zeigt 1 Daß, wie Lukas dabei voraussetzt, die Weltstadt Korinth nur eim Synagoge hatte, dürfte mehr als zweüelhaft sein. 1 So auch A. v.liABNAcx, Marcion, 1924 1 , S. 22. 1 Dort auch weitere Literatur. Vgl. auch P. DALBERT a.a.O. S. 21ft'.; J. I..EIPOLDT a.a.Q. S. 4ft'. ' E. Hmscu (Petrus und Paulus, ZNW 29, 1930, S. 73) urteilt: " ... sowohl die jerus. wie die paul. Anschauung von der Einheit der Kirche schließen daa Nebeneinander von zwei Gemeinden in einem Orte aus." Das steht durchaus im Widerspruch zu den Abmachungen des •Apostelkonzils' und ist auch sonst unbegründet. 11 Siehe Die Gnom in Korinth S. 167 Anm. 1; W. SoHMITHALB, Die Irrlehrer von Röm. 16,17-20, Stud. Theol. XIII, 1959, S. 53; 0. CuL!.MANN a. a.O. s. 58ft'.
Der Zwischenfall in Antiochien
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aber, daß man Petrus am Ende des 1. Jh.s als den Missionar der Diasporajuden angesehen hat, eine richtige Ansicht, die auch bei Euseb. K.G. lli 4, 1ff. begegnet. Es kann ernsthaft nicht bestritten werden, daß Petrus als J udenm.issionar in der Diaspora tätig war, und für seine Tätigkeit gilt: " ... mit Paulus hat er nie konkurriert." 1
III. DER ZWISCHENFALL IN ANTIOCHIEN 1. An dem von Paulus im Anschluß an seine Darstellung des Apostelkonzils gegebenen Bericht über seinen Streit mit Petrus in Antiochien (Gal. 2,11 ff.) muß sich das bisher gewonnene Verständnis vom Verhältnis zwischen Paulus und Jakobus bewähren. Paulus gibt keinen Zeitpunkt für seinen Zusa.mmenstoß mit Petrus an. Daß dies unangenehme Ereignis dem ~ Apostelkonzil' zeitlich folgt, sollte angesichts des seit 1, 13 chronologisch aufgebauten Berichtes a.llerdings unzweifelhaft sein. Nur überaus gewichtige Gründe könnten uns bewegen, die von Paulus berichtete Reihenfolge umzukehren. Solche Gründe liegen nicht vor 2 • Anderseits braucht der Zusammenstoß in Antiochien nicht unmittelbar auf das ~ Apostelkonzil' gefolgt zu sein. Fand, wie wahrscheinlich 8 , das Gespräch in Jerusalem vor der Apg. 13f. berichteten Missionstätigkeit statt, so ist Paulus nach. dieser Missionsreise mit Petrus zusammengestoßen; denn es ist sicher, daß dieser Zusammenstoß die Arbeitsgemeinschaft zwischen Paulus und Barnabas beendete (s. u.), die während der 1. Missionsreise noch bestand. Genaueres ist freilich nicht auszumachen. Mehr noch als bei Gal. 2, 1-10 ist in dem nun zu untersuchenden Abschnitt auf die Absicht zu achten, mit der Paulus berichtet. Er will seine Unabhängigkeit von den Säulen in Jerusalem, hier von Petrus, aufzeigen. Das Ereignis selbst geschah selbstverständlich aus anderen Ul'B&Chen, und seine Folgen bestanden gewiß auch nicht primär in dem Erweis der paulinischen Selbständigkeit. Von diesen eigentlichen Vorgängen in Antiochien erfahren wir aber nur innerhalb einer sehr gezielten Berichterstattung. In Antiochien muß Paulus dem dort wirkenden Petrus entgegentreten, da dieser sich durch sein eigenes Verhalten verurteilte (Gal. 2, M. DmzLIUs, Botachaft und Geschichte, II S. 202. Vgl. auch H. LIE'l'ZDie Reisen des Petrus, in Kleine Schriften, II S. 287ft'. 1 Vgl. J. DUPONT, Pierreet Paul 8. Antioche et 8. J~rusalem, Recherehes de Scienoe religieuse 45, 1957, S. 42-60; 225-239, der die Versuche von T. ZAHN, J. MUNox und H. M. Flf::u:T, die Reihenfolge der Ereignisse umzustellen, untersucht und kritisiert. 1 E. HAlcNOBBN a.a.O. S. 386f./380f. 1
KANN,
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Der Zwischenfall in Antiochien
11). Was war geschehen~ Anfangs pflegte Petrus mit den Heidenchristen Tischgemeinschaft (2, 12). Das war kein schweres Vergehen gegen das Gesetz. Das Alte Testament enthält keine Bestimmung, die dem Juden die Tischgemeinschaft mit den Heiden untersagt. Solche Bestimmungen kamen später auf. Ob und wieweit die dahingehenden Weisungen der Schrütgelehrten in neutestamentlicher Zeit schon ausgebildet waren, ist ungewiß, doch steht bereits für den Verfasser der Apostelgeschichte, der allerdings nicht vor dem 2. Jh. geschrieben hat, fest, daß Juden und Heiden nicht miteinander essen dürfen: Apg. 10, 28; 11,3; vgl. Joh. 18,28; Lk. 15,2; Mk. 7,1ff.; Juat. Dial. 47. Zahlreiche Berichte des rabbinischen Schrifttums zeigen allerdings, daß die Tischgemeinschaft tatsächlich nicht selten und unter bestimmten Kautelen auch erlaubt war. Fromme Juden brachten sich auch wohl eigene Speisen an den Tisch des heidnischen Gastgebers mit 1 • Angesichts dieses Tatbestandes braucht die Freiheit, die Petrus sich in Antiochien um der kirchlichen Gemeinschaftwillen nahm, nicht notwendig einen radikalen Bruch mit dem Gesetz anzuzeigen. Die Tischgemeinschaft mit den Heiden bedeutete darum auch für Petrus - und erst recht für Paulua- kaum ein bewußtes Verneinen der Jerusalemer Übereinkunft, die von Petrus als J udenmiaaionar eine gewisse Beobachtung des Gesetzes verlangte. Immerhin bestätigt sich unsere bisherige Erkenntnis, daß Petrus und die Jerusalemer keine Gesetzeseiferer waren. Aber der Gebrauch, den Petrua von seiner vermutlich innerhalb des Judenchristentums möglichen Freiheit machte, hatte noch eine andere Seite. A. ScHWElTZER schreibt: "Daß es sich in Antiochien um die Frage des gemeinsamen Essens beim Herrenmahl handelte, ist so selbstverständlich, daß Paulua es nicht besonders erwähnt." 1 Dies Urteil dünkt mich etwas zu sicher im Blick auf den allgemeinen Satz: p,e-ra TCÖJI HfväW <1'VVI}u0tn~. Aber es besteht begründete Übereinstimmung unter den Exegeten darüber, daß das gemeinsame Essen gerade bei der kultischen Mahlfeier sein Gewicht bekam 1 . Gemeinsame Mahlfeiern bedeuteten aber im Grunde die Aufhebung der Trennung von judenchristliehen und heidenchristliehen Gemeinden. Wohlgemerkt: Das Verhalten des Petrua setzt nicht einmal eine allgemeine Emanzipation &einer selbst oder gar der J udenchriaten überhaupt vom Gesetz, erst recht keine gesetzesfreie J udenm.iasion voraus; insofern dürften die Jeruaalemer Abmachungen auch in Antiochien nicht ver1 Siehe zu diesem allen Bill. 111 S. 421f.; IV 1 S. 374ft'.; A. SOliWEITZER a.a.O. S. 193f. 1 A.a.O. S. 193. 1 Daß Paulua besonders an kultische Mahlzeiten denkt, ist freilich von ihm nicht angedeutet.
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Ietzt worden sein. Aber die sichtbare Unterscheidung der verschiedenen Gemeindegruppen ging durch das gemeinsame Mahl verloren, auch wenn im übrigen die Judenchristen gesetzlich lebten 1 • Das Verhalten des Petrus widersprach nicht unbedingt dem Wortlaut des Jerusalemer Abkommens; aber es lief seiner Intention entgegen. Das mußte die Gemeinde in Jerusalem auf den Plan rufen. Die Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen war ein erster Schritt auf einem Wege, auf dem es kein Halten mehr gab, und optisch mußte dieser Schritt zur Vereinigung der Gemeindegruppen für die außenatehenden Juden so wirken, als habe das Judenchristentum das Gesetz bereits überhaupt preisgegeben. Daß ausgerechnet Petrus, das Haupt der gesetzestreuen JudenmiSBion, an diesen Vorgängen beteiligt war, und daß diese sich in der einflußreichen Metropole Antiochien abspielten, muß den Jerusalemern als besonders bedenklich erschienen sein. Wir wiBBen nicht, ob ihnen die Juden wegen des Verhaltens der antiochenischen Judenchristen bereits Schwierigkeiten gemacht hatten oder ob sie solche nur befürchteten. So oder so sehen sie sich gezwungen, der sich in Antioch.ien anbahnenden Entwicklung Einhalt zu gebieten. So sieht man denn eines Tages Twci, dnO 1axwßov in Antiochien auftauchen. Ihre Vorhaltungen blieben auf Petrus nicht ohne Eindruck. Er zieht sich von den Heidenchristen zurück und ~sondert sich ab" (Gal. 2, 12). Seinem Beispiel folgen die übrigen Judenchristen nach (Gal. 2, 13); selbst Ba.rna.bas besinnt sich auf seine jüdische Herkunft und schließt sich den Judenchristen an, die damit wieder zu der ungeschmälerten Selbständigkeit ihrer gemeindlichen Existenz zurückkehren. 2. Paulus sagt ausdrücklich, daß Petrus aus Furcht vor denen be neetTOJI.ij' (2, 12) seinen verhängnisvollen Schritt unternahm. Wenn Menschenfurcht ihn bestimmte, dann jedenfalls nicht theologische Erkenntnis. Nicht um einer besseren Gerechtigkeit willen trat Petrus wieder für das judenchristliche Eigenleben ein, sondern aus irgendwelchen praktischen Erwägungen. Vor wem fürchtete er sich 1 1 Wir sehen hier, welche Probleme die- notwendige- Vereinbarung von J erusalem aufwarf, wenn und weil die Christen sich als eine Gemeinde wußten. Das Nebeneinander war auf die Dauer- mit der man im Urchristentum allerdings nicht rechnete- nicht durchführbar. Es hat sich darum auch nicht lange erhalten, brauchte sich zwn Glück auch nicht lange erhalten. Mit dem Untergang Jerusalems im Jahre 70 verloren die Juden die Möglichkeit, den Christen Palästinas ihre Lebensfonn vorzuschreiben. Es bestand keine N otwen~eit mehr, im römischen Reich die judenchristliehen Gemeinden von den Heldenobristen zu trennen. Der Kampf gegen die Gnosis mag ein übriges getan haben, die beiden Gruppen zusammenzuiühren. So ist es nicht verwunderlich, daß wir aohon aus dem 2. Jh. - von Palästina und den Sekten abgesehen - keine sicheren Nachrichten von selbständigen großkirchlichen Gemeinden judenchristlicher Observanz mehr haben. Siehe auch oben S. 96ft'.
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Den Exegeten gilt als ausgemacht, daß mit denen be nB(!tTopij' Judenchristen gemeint seien; eben die Leute, die in Antiochien auftauchen bzw. ihre Jerusalemer Auftraggeber, die Jerusalemer Gemeinde unter der Leitung des Jakobus. Diese Meinung erscheint als so selbstverständlich 1 , daß die Möglichkeit, Petrus könnte aus Furcht vor den Juden so gehandelt haben, meist gar nicht erwogen wird. Und doch ist sie m. E. die einzig richtige. Daß Petrus vor den Leuten des J a.kobus Furcht haben konnte, ist doch ausgeschlossen. Wa.s hätten diese ihm und der Gemeinde denn tun können? Es ist absurd anzunehmen, daß die Urgemeinde in Jerusa.lem, die genug Sorge um ihre eigene nackte Existenz hatte, irgendwelche Machtmittel gegen die antiochenische Christenheit besessen haben könnte. Solche Machtmittel besaß sie nicht einmal den eigenen Gemeindegliedern gegenüber. Oder sollte Petrus den moralischen Bannfluch Jerusa.lems gefürchtet haben 1 Aber die Judenchristen Antiochiens standen doch auf seiner Seite, wie 2,13 zeigt. Warum sollte er auch überhaupt etwas von seiten des Jakobus zu fürchten gehabt haben 1 Die von Petrus gezeigte Laxheit im Gesetzesverständnis konnte nur in gesetzesstrengen Judaisten bedrohlichen Zorn wecken; wir sahen, daß die Jerusalemer Christenschar jedenfalls als ganze keine gesetzeseüernde Gemeinschaft bildete 1 • Und wäre sie es gewesen, so wäre noch immer einem gesetzlosen Petrus billig gewesen, was dem gesetzlosen Paulus an Gemeinschaft mit den Jerusalemem recht war. Weiter erscheint es auch vom Sprachlichen her unwahrscheinlich, daß in dem Satz: lhe lJe 1}).!?011, 15neO"TellEP Hat dtpcbetCEP iaur&v, q;oßoopEPO' -roo, lx neet-ropij' (2, 12) das Subjekt in 1}).f?o" und das Objekt identisch gedacht waren; war das beabsichtigt, wäre ein einfaches und unmißverständliches av-roo, statt TOO' be nE(!tTopij, zu erwarten. Schließlich bezeichnet Paulus mit ~ l.x neetTopij'' immer den gebürtigen Juden als solchen im Gegensatz zu dem Heiden, nie den Judenchristen im Gegensatz zum Heidenchristen. Gerade noch war der Ausdruck so gebraucht worden (2, 7ff.) 1 . Darum kann ~lx neetTopij'' 1 " ••• wird es fast unausweichlich, in den ol lx mq'Topij' Jeruealemer, und dann natürlich die Jakobusleute, zu sehen" (G. KLEIN ['l S. 321 Anm. ')· Wieso "natürlich"? 1 T. ZAHN [2] S. 11'f deutet das 'iMiEiv nva, dnO 1axwfJoo' danun so, daß die Boten nicht von Jakobus gesandt seien, sondern sich unrechtmäßig auf ihn berufen hatten. Unmöglich I Ahnliehe Überlegungen stehen vermutlich hinter der Meinung W. G. KÜ!OIELs (RQG1 VI Sp. 1189), "eine radikal konservative Minderheit der Jeruealemer Gemeinde" habe sich der zwischen Jakobus und Paulus beechloesenen Regelung des 'Apostel.konzils' widersetzt. Aber einmal sagt Paulus ausdrücklich, die Jerusalemer Abgesandten seien von Ja.Jcobu8 gekommen, zum anderen bestehen sie ja Petrus gegenüber gerade auf der Einhaltung des J eruealemer Abkommens I 1 Vgl. G. DIX, Jew and Greek, 1953, S. 42f.
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erst recht nicht eine Bezeichnung speziell der guetUBstrengen Judenchristen sein. Diese spezifische Bedeutung müßte bei der traditionellen Auslegung aber in G&l. 2,12 vorliegen, da zu den Judenchristen 1lberhaupt ja auch Petrus mitsamt der antiochenischen Judenchristenschaft gehört. Petrus kann sich doch nicht vor sich selbst fürchten! Aus dem allen folgt: Es war Furcht vor den Juden, die des Petrus Entscheidung bestimmte 1 • Es dürfte sich dabei weniger um Furcht im Blick auf die antiochenische Gemeinde gehandelt haben, obschon die Judenschaft in Antiochien ähnlich wie in Alexandrien unter einem Archonten stand, dem Machtmittel kaum abgingen 2 • Entscheidend aber waren ohne Frage seine Befürchtungen um die Gemeinden Judäas, eben jene Befürchtungen, die die Boten des Jakobus nach Antiochien führten 1 • Bedenken wir doch, daß die antiochenische Auseinandersetzung in die Zeit zwischen dem gewaltsamen Tode des Zebedaiden Jakobus (Apg. 12,2) und dem Märtyrertod des Herrenbruders Jakobus fällt! Petrus selbst scheint vor kurzem einem Martyrium nur knapp entgangen zu sein (Apg. 12). Man wirdangesichtsdessen dem Petrus 1 So auch, wie ich nachträglich sehe, B. REIOKE in: Studia Paulina, S. 176ff. B. RBIOKE spricht mit Recht von dem furchtbaren Druck, unter dem sich die J erusalemer Christenheit befand und erklärt von daher die in der Gesandtschaft an Petrus zum Ausdruck kommende •judaistische' Tendenz des Jakobus. Freilich sieht er nicht, daß eben dieser Druck schon hinter der Abmachun~ des •Apostelkonzils' stand und meint, von jenem Konzil bis zur Antiochia-Episode ein starkes judaistisches Gefälle der Judenchristen annehmen zu miiBsen. Das ist unnötig und unbegründet, auch wenn B. REIOKE mit seinem Nachweis recht haben dürfte, daß der Druck der Juden auf die Judenchristen zunehmend stärker wurde. Auch G. DIX a.a.O. S. 42ff. versteht unter ol be nee&Topij; die Juden. Die Deutung der ollx 118{!'Topij' auf Juden vertritt auch- und offenbar als erster - J. MuNOK a. a. 0. S. 98ff. Angesichts der oft ganz abwegigen Thesen und Exegesen seines Buches beruft man sich nicht gerne darauf. Jedoch sind seine Erwägungen zu dieser Sache wie manches andere sehr weitsichtig, wenn J. MUNOK auch die Ursachen für die Furcht vor den Juden gänzlich mißdeutet. Die Einwände von K. WEGENAST a.a.O. S. 48 Anm. 2 gegenüber J. MUNCK lassen m. E. nur die Verlegenheit dessen erkennen, der die Deutung des umstrittenen P888us auf die Jerusalemer Judenchristen verteidigen will. I J 08. bell. VII 3, 3. 1 So im wesentlichen richtig auch G. DIX a.a.O. S. 43ft'.: "What the messengerB •trom James' brought to S. Peter was not an ultimaturn from a suddenly overwhelming Jewish-Christian faction of extremists, butanurgent warning that the increasing rumours of Jewish-Christian fratemising with uncircumcised Gentiles in Antioch and Galatia are now putting all the JewishChristian Churches in Judaea in considerable jeopardy from non-Christian Jews. In such circumstanoes S. Peter might weil feef botmd to do all he could to reduoe the provocation." Inkonsequent ist die Darstellung der Verhältnisse durch H. J. SoHOEPS. Er sieht [1] S. 57ff., bes. S. 62f. sehr richtig, daß man auf Grund von Gal. 2, 9f. von "einem echten Einvernehmen" (S. 63) zwischen Paulus und Jakobus sprechen muß. Die Ttve, dnO 1axcb{Jov von Gal. 2, 12 rechnet er aber doch den Jerusalemer Extremisten zu, gegen die Jakobus steht. Aber wenn man der Baurechen Konstruktion in Gal. 2,1-10 nicht folgt, muß man sie auch in 2, 11 ff. aufgeben !
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die Ehrenhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit seiner Entscheidung nicht bestreiten dürfen. Verhält es sich so, so wundert es uns auch nicht, daß Paulus die Abgesandten des Jakobus oder diesen selbst mit keinem Wort der Kritik bedenkt 1• Er konnte deren Forderung auf Absonderung der judenchristliehen Gemeinde nicht als unberechtigt ansehen, zumaJ sie dem Sinn der Jerusalemer Vereinbarung entsprach. "Der Übereinkunft von Jerusalem wurden weder die Abgesandten des Jakobus, noch Petrus und Barnabas untreu." 1 In der Tat! Nicht die Wünsche der Urgemeinde in Jerusalem, sondern das persönliche Verhalten des Petrus 1 erregt in Paulus Zorn und Kritik. Das klingt paradox und wäre es auch, wenn das Verhalten des Petrus nur in der Unterwerfung unter die Forderungen des Jakobus bestanden hätte. Die Argumentation des Paulus gegenüber Petrus aber zeigt, daß er den Schritt des Petrus noch in ganz anderer Perspektive ansah. Der Vorwurf gegen Petrus lautet: "el a1J "lov~aior; t.mdexlLW Uht>ewr; >eal ~" 1~ai">ecör; Cfir;, nwr; Ta llhr] dJ~ay>eaCetr; lov~a'/CetJI" (2, 14 b). Gewiß formuliert Pa.ulus hier wie noch mehr in den folgenden Versen schon im Blick auf seine große Rechtfertigung der Glaubensgerechtigkeit gegenüber den beschneidungsfreudigen Galatern. Der Übergang von Kap. 2 zu Kap. 3 ist so ja. auch ein unmerklicher. Aber diese Verbindung beider Themen ist doch nur möglich, wenn das Thema von Kap. 3f. in irgendeiner Weise auch in dem Gespräch mit Petrus begegnete. Es darf also nicht bezweüelt werden, daß Pa.ulus den in 2,14 wiedergegebenen Vorwurf sinngemäß gegen Petrus erhoben hat. Viele Exegeten übersehen die Schwierigkeit, die diese Erkenntnis mit sich bringt. Pa.ulus hatte sich wahrlich nicht gescheut, das Verhalten des Petrus in schroffer Form zu schildern: Er selbst, dann die anderen Judenchristen, schließlich sogar Ba.ma.ba.s separierten sich von der heidenchristliehen Gemeinde. Kein Wort aber davon, daß man dabei die Heidenchristen zur Übernahme des Gesetzes animiert oder gar gezwungen habe. Das wäre auch ein glatter Bruch des Jerusalemer Abkommens und sehr viel schwerwiegender gewesen als die bloße Separation der Judenchristen. Solches Vorgehen hätte Paulus bei der Schilderung des Verhaltens des Petrus vor allem anderen und am schärfsten kennzeichnen müssen. Doch schweigt er davon, und wenn er das Verhalten des Petrus mit Menschenfurcht erklärt, so ist deutlich, wie wenig er selbst mit einer theologischen Sinnesänderung des Petrus 1 Darauf macht mit Recht schon G. Krrr!:L, ZNW 30, 1931, S. 152 auf. merksam, ohne freilich den Grund dazu richtig gesehen zu haben. I R. A. LIPSros a. a. 0. S. 30. 1 Und dea Barnabaa, von dessen Verhalten Paulus gewiß mehr getroffen wurde als von dem dea Petrus. Aber im Zusammenhang von Gal. 1 f. intereesiert ihn natürlich nur seine Auseinandersetzung mit Petrm.
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rechnet, die ihn den Heiden das Gesetz hätte predigen lassen können. Auch konnte er unmöglich das Verhalten des Petrus mit 'Heuchelei' treffend und genügend scharf charakterisieren, wenn dieser die Heidenchristen aufgefordert hätte, das jüdische Gesetz zu beobachten 1 • Somit kann das 'ävay"dee~ lov~at/:ew' nur die "mittelbare Nötigung" bezeichnen 1 • Paulus befürchtet offenbar, daß, was auch immer die persönlichen Motive des Verhaltens des Petrus sein mögen, seine Rückkehr unter das Gesetz von den Heiden als eine theologische Entscheidung für die Gesetzesgerechtigkeit verstanden werden könnte. Wenn der Christ Petrus meint, nicht mehr heidnisch leben zu können, müssen dann nicht auch die Christen aus den Heiden meinen, jüdisch leben zu müssen? Solches Fragen kann laut werden, und die damit angedeutete mögliche Konsequenz der Entscheidung der Judenchristen ist es, die Paulus an dem Verhalten des Petrus Anstoß nehmen läßt. Man versteht, daß und warum Paulus so scharf reagiert. Natürlich sieht sich Paulus schon durch die Existenzgesetzestreuer judenchristlicher Gemeinden überhaupt vor die Aufgabe gestellt, diese Gesetzesbeobachtung seinen heidenchristliehen Gemeinden gegenüber zu motivieren. Aber es ist klar, daß der R1lckzug einer großen judenchristliehen Gemeinde unter maßgeblicher Führung innerhalb der bedeutendsten Gemeinde des Heidenlandes aus der Gemeinschaft mit den Heidenchristen das Problem entscheidend verschärfen mußte, zumal dieser Rückzug mit den dahinterstehenden taktischen Erwägungen - q;ofJoopB'tlo~ -roo~ i" xeet-ropij~ - zwar hinreichend, aber nicht gerade sehr ehrenvoll zu begründen war, auch der Heidenmissionar Barnaba.s mit von der Partie war und schließlich Antiochien immer noch die Zentrale der Heidenmission war. Paulus greift also nicht die persönliche Entscheidung des Petrus insofern an, als sie sich mit der Jerusalemer Übereinkunft rechtfertigen ließ. Die Tatsache des lov~a'teetv des Petrus ist nicht a.n sich schon verwerflich. Sonst hätte der Zorn des Paulus auch den Jakobus und seine Boten, ja, die Judenchristen insgesamt und selbst das von Paulus mit ihnen geschlossene Abkommen treffen müBBen, das das ~at/:ew der Judenchristen zur selbstverständlichen Voraussetzung hatte. Erst angesichts der befürchteten Konsequenzen für seine Gemeinden forderte die lnkon8equenz im Verhalten des Petrus seine Kritik heraus. Von daher erklären sich die anderen Einzelheiten der paulinischen Argumentation zwanglos. So H. LIETZKANN in: Kleine Schriften, II S. 287. F. SIEJ'J'ERT a.a.O. S. 137. Auch T. ZAHN spricht von "indirekter" Nötigung ([2] S. 118). Am klarsten drückt sich - wie oft - J. B. LIGHTFOOT aus: "d•ayxdCe''· i.e. practically oblige them, though such was not bis intention", a.a.O. S. 114. Vgl. auch J. MUNCK a.a.O. S. 117f. 1 1
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Paulus betont, er ha.be Petrus lp.neou-Oev xavrwv kritisiert. Der Hinweis auf diesen Begleitumstand der Auseinandersetzung ist hinreichend durch die Zielsetzung des paulinischen Berichtes motiviert: Der Apostel zeigt, daß er so selbständig war, Petrus öffentlich seines Unrechts zu zeihen. Natürlich kann das nicht der ursprüngliche Grund für die Öffentlichkeit jenes Vorgangs gewesen sein. Paulus zerrte gewiß auch nicht boshaft persönliche Dinge an die Öffentlichkeit. Wenn es ihm wesentlich war, Petrus öffentlich anzugreifen, so muß das in der Absicht geschehen sein, unliebsamen öffentlichen Wirkungen des judenchristlichen Schrittes entgegenzutreten. Also waren es in der Tat die öffentlichen Konsequenzen der Entscheidung des Petrus, die die Kritik des Paulus herausforderten. Das zeigt auch der betonte Hinweis auf seinen bisherigen Mitarbeiter Bamabas, der sich dem judenchristliehen Verhalten zum besonderen Ärger des Paulus anschloß. Nicht von ungefähr nennt Paulus nur ihn neben Petrus mit Namen. Wir wissen, daß dieser Zwist mit Barnabas dazu geführt hat, daß Paulus sich neue Begleiter für seine Missionsreisen - Silas, dann Timotheus - gesucht hat. Was wir Apg. 15, 36-41 lesen, motiviert den Bruch zwischen Paulus und Ba.rnabas zwar anders, kann aber nur als lukanische Modifikation jener Situation verstanden werden, von der Paulus Gal. 2,13 spricht 1 : aus dem grundsätzlichen Zerwürfnis ist bei Lukas persönliches Gezänk geworden 2 • Die Hervorhebung des Ba.rnabas in Gal. 2,13 und die durch Paulus vollzogene Trennung von ihm zeigen erneut, daß der Apostel die Bedeutsamkeit der Entscheidung des Petrus in deren Auswirkungen für seine Missionsarbeit gesehen hat; war doch Ba.rnabas sein engster und durchaus gleichberechtigter Mitarbeiter gewesen. Wie sollte man gerade seine Entscheidung den Heidenchristen verständlich machen . .Als Mitarbeiter des Paulus hatte er sich unmöglich gemacht, selbst wenn er nie darangerlacht haben sollte-wie man annehmen möchte-, auch außerhalb Antiochiens bei seiner Heidenmission gesetzlich zu leben. Wenn Paulus sich auch in Gal. 2,11 ff. wesentlich an einem Bericht über seine Auseinandersetzung mit Petrus interessiert zeigt, so kann doch kein Zweifel daran sein, daß sein Zerwürfnis mit Barnabas den eigentlichen Inhalt jenes Zwischenfalles in Antiochien bildete. Der Ärger über Petrus wuchs zu einem guten Teil aus der Konsequenz, zu der sein Verhalten gerade den Barnabas nötigte. Nicht zufällig berichtet Lukas nur von dem Konflikt zwischen Paulus und Barnaba8; als dieser Konflikt ist die antiochenische Episode im Gedächtnis der Christenheit haften geblieben. 1
K
HAENCHEN
a.a.O. S. 42lff./416ff.
I
E.
PREUSCHEN
a.a.O. S. 98.
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Schließlich sei noch auf die Charakteristik ·~mo"ew~· für das judenchristliche Verhalten verwiesen, wie sie zweimal in Ga.l. 2, 13 begegnet. Schwerlich ist das im Sinne von 'Scheinheiligkeit' zu verstehen, von jener Heuchelei also, bei der das sichtbare Verhalten mit der inneren Überzeugung nicht übereinstimmt. Denn die Furcht vor den Juden, die Pa.ulus als Motiv der judenchristliehen Separation angibt, war sicherlich berechtigt und in jedem Fall echt. Eher hat Pa.ulus die Heuchelei darin gesehen, daß des Petrus Verhalten den Schluß erlaubte, er wolle in der Gesetzesgerechtigkeit sein Heil suchen, obschon er sich nur aus Furcht vor den Juden zur Gesetzesbeoba.chtung entschloß. Das wäre dann freilich keine subjektive Heuchelei gewesen, da. Petrus ja. keineswegs beabsichtigte, den Eindruck zu erwecken, er wolle durch das Gesetz selig werden. Aber die von Paulus in 2, 14b befürchtete Wirkung seines Entschlusses ließ diesen dann freilich objektiv als Heuchelei erscheinen. Wahrscheinlich aber soll '{m6"f!U1t~' einfach die /nkon8equenz der Haltung des Petrus charakterisieren: Er kann so und auch anders. Dafür spricht unter anderem das sonst selten bezeugte •oe{JonoMw' = •mit geraden Füßen gehen' 1 , das Pa.ulus dem Petrus abstreitet und das offenbar im Gegensatz steht zu dem •Hinken auf beiden Seiten' ( 1. Kön. 18, 21) 2 , als welches die Handlungsweise des Petrus erscheint 3 • Diese Inkonsequenz war es ja., die sein Verhalten so mißverständlich und für die Missionsarbeit des Pa.ulus gefährlich machte. Hätte Petrus in entsprechender Auslegung der Jerusalemer Vereinbarung das Eigenleben der Judenchristen konsequent gewahrt, wäre kein Grund zur Kritik gegeben gewesen. Gegen das allein von Petrus zu verantwortende l{}vt'Jtoi~ Cij-v hatte Pa.ulus erst recht nichts einzuwenden. Erst die Abwendung von den Heidenchristen nach erfolgtem l{}vt"cö~ Cij-v schuf das Problem. Wie immer man auch gena.u da.s •imo"el-vew' verstehen will, es schließt unter allen Umständen aus, daß Petrus aus einer inneren Entscheidung gegen die Predigt von der Glaubensgerechtigkeit den Bruch mit der heidenchristliehen Gemeinde vollzog. Dann nämlich hätte Pa.ulus ihm nicht Heuchelei, sondern Abfall in den Unglauben, Aufgabe der christlichen Gemeinschaft überhaupt, vorwerfen müssen 4 • Das liegt ihm fern. Mit all seiner Kritik kündigt er Petrus nicht die 1 V. 14; vgl. T. ZAHN (2] S. 116f. E. MEYER a.a.O. S. 426 spricht mit Recht von "der Inkonsequenz und der Halbheit" des Petrus. I R. A. LIPSIUS a.a.O. S. 29f. I Vgl. dazu G. D. Ku.PATRICK in: Neutestamentliche Studien für R. BuLT· KANN, 1954, S. 269-274. t ''8. Paul could fairly describe such conduct, even with such motives, by the unpleasant word •hypocrisy'- whereas a reversion to strict Jewisb principle on this matter, openly acknowledged. could not be so described with any justice" (G. D1x a.a.O. S. 43f.).
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Bruderschaft auf. Das zeigt auch der folgende schwierige Abschnitt 2, 15ff., der sich nicht gegen den Irrglauben, sondern gegen die Inkonsequenz des Petrus richtet. 3. Gelegentlich 1 ist versucht worden, nach V. 14 eine scharfe Zäsur zu machen und V. 15ff. nicht mehr der Ansprache an Petrus zuzurechnen. Diese Auffassung vertritt, soweit ich sehe, keiner der neueren Exegeten mehr 1 . Mit Recht. Paulus hält also dem Petrus vor: "Wir sind von Natur Juden und nicht Sünder aus den Heiden. Weil wir aber wissen, daß kein Mensch aus Gesetzeswerken gerecht wird, sondern durch den Glauben an Christus Jesus, sind auch wir an Christus Jesus gläubig geworden, damit wir aus dem Glauben an Christus gerechtfertigt würden und nicht aus Gesetzeswerken; denn aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch gerechtfertigt." 3 Das ist die Rechtfertigungslehre des Paulus in nuce. Daß Paulus nicht historisch im Blick auf Petrus, sondern aktuell im Blick auf die Galater formuliert, liegt am Tage. Sachlich aber kann er dem Petrus nichts anderes gesagt haben, als er hier angesichts der Galater vorträgt; denn die Angaben des Paulus waren für seine Leser jederzeit nachprüfbar. Vor allem muß es der damaligen Situation entsprochen haben, daß er Petrus auf die Gnadengerechtigkeit als auf den gemeinBamen Grund des Glaubens hin anspricht•. In 2, 15f. argumentiert Paulus ja noch nicht, sondern legt er erst den Grund zu der folgenden Argumentation. Darin, so setzt er voraus, ist man sich einig: auch die Sünder aus den Juden werden nicht durch die Werke des Gesetzes, sondern durch den Glauben gerechtfertigt. Das ~~p.ei'' umfaßt in der Anrede an Petrus diesen notwendig mit, und zwar den Petrus, der wieder begonnen hatte, •Iovdai'"w' zu leben 5 • Das setzt voraus, daß Petrus mit der Rückkehr unter das Gesetz keineswegs den Weg der Gesetzesgerechtigkeit gehen wollte, was wiederum mit der Angabe des Paulus übereinstimmt, Petrus habe sich aus MenBchenfurcht von den Heidenchristen separiert. Siehe T. ZAHN [2] S. 119. jedoch B. REico: in: Studia Paulina, 1953, S. 175. 1 Em etwas anderes Verständnis der logischen Zuordnung der Sätze bei H. ScBLIEB, dem sich P. ALTHAus a.a.O. z. St. anschließt; dagegen R. BULTKANN [4) 8. 41ft'. ' Man bedenke, daß die Judenchristen Palästinas schwerlich zugestehen konnten, daß die Heiden ohne das Gesetz durch den Glauben an Christus selig würden, während sie für die Juden das Gesetz als notwendige Vorbedingung für den Eingang in das Reich Gottes ansahen. Die zweifellos erfolgte Anerkennung der gesetzesfreien Heidenmission durch die Judenchristen Palästinas umschloß notwendigerweise die Preisgabe des Gesetzes als desWegeszum Heil überhaupt, also auch für sie selbst. In andererWeise als in Gal. 2, aber noch expliziter bezeugt Paulus in l.Kor. 15,11 die Einheit der Predigt in Jerusalem und auf dem paulinischen Missionsgebiet. & F. SIEJTEBT a.a.O. S. 146. 1 1
V~l.
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Angesichts dieser gemeinsamen Voraussetzung erweist sich das Verhalten des Petrus als verurteilungswürdig. Das zeigen V. 17 f., die sich konkret dem Verhalten des Petrus zuwenden; denn es ist bisher ja. noch gar nicht begründet worden, warum Petrus mit seinem Tun nicht nach der W a.hrheit des Evangeliums lebte: "el 6e C1JToüYre~ dt"aw~at A." XetUTip e1JeelhJ!lEII "ai aüroi dJ.'aeTw).ol, d(?a XetUTo~ d.J.'CJ!!Tla~ du:Ucov~; J.'~ ')'EvOtTO." Man versteht V. 17f. nicht, wenn man nicht sieht, daß die Argumentation gegen Petrus in diesen Versen gipfelt. So läßt z. B. H. ScHLIER die eigentliche Argumentation mit V. 16 bereits abgeschlossen sein und sieht in V. 17 f. nur einen Einwand der judenchristliehen Gegner zurückgewiesen 1 • Als ob Paulus die Argumentation gegen Petrus mit der Feststellung der Einmütigkeit hätte abschließen können! Der Einwand von V. 17 lautet nach H. SOHLlEB sinngemäß: Wenn Christus die 81lnder gerecht spricht, so begünstigt er ja die Sünde, indem er das Gesetz außer Kraft setzt. Paulus verneine das mit der Begründung von V. 18: Sünder wird, wer das Gesetz wieder in Geltung setzt. Aber mir ist nicht verständlich, wie dieser letzte -richtige Satz beweist, daß die Gnadengerechtigkeit keine Begünstigung der Sünde ist. Darum ist H. ScHLIERS Verständnis dieser schwierigen Stelle unbefriedigend. Wie sollen wir aber verstehen 1 Wesentlich ist zunächst die Frage, wie sich das E'Ve€D-q/lf:ll "ai wToi dJ.'aeTw).ol zu dem CfJToiNre~ 6t"atw8frvat /.." XetUTip verhält. Wird der Mensch vor bzw. bei seiner Rechtfertigung als Sünder erfunden 1 1 Natürlich wird er das, aber dadurch wird Christus nicht zum Sündendiener in der an unserer Stelle gemeinten schlechten Bedeutung dieses Wortes. Bleibt der Mensch in und wegen seiner Rechtfertigung Sünder 1 Das wäre der gegnerische Vorwurf gegen die Gna.dengerechtigkeit, den H. ScHLIER zurückgewiesen sieht; wir sahen, daß dies Verständnis a.n V. 18 scheitert. Oder wird er durch seine Rechtfertigung zum Sünder, wie z.B. R. A. LIPsros 1 versteht: Die Aufhebung des Gesetzes verleitet den Gläubigen zur Sünde? Aber auch dann erklärt V.18 nicht d8e I'~ yivotTo. Das ist auch gegen H. LlETZMANNS Deutung [3] z. St. einzuwenden, der hinter V. 17 den jüdischen Vorwurf stehen sieht, Christus ziehe vom Gesetz a.b und also zur Sünde hin. Oder sagt Paulw, daß auch der Gerechtfertigte noch Sünden tut 1 Aber dieser Gedanke wäre ganz unpaulinisch, führte auch nicht zu der Konsequenz, in Christus einen (1) S. 59f. So T. ZAHN [2] S. 126, der meint, in der Rechtfertigung erführen auch die frommen Juden, daß sie Sünder sind; vgl. F. SIBJTBBT a.a.O. S. 150. 1 A.a.O. S. 32. I
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Sündendiener sehen zu können, ganz abgesehen von dem auch dann unpassenden V. 18. Es bleibt nur die Möglichkeit, den Versuch selbst, durch Christus gerecht zu werden, als die in V. 17 gemeinte Sünde zu verstehen. Das ist auch sprachlich das Nächstliegende: Wenn wir, indem bzw. dadurch daß wir die Gerechtigkeit in Christus suchen, als Sünder erfunden werden ... ; d. h., wenn der Weg der Gerechtigkeit durch Glauben selbst Sünde ist. So verstehen auch R. BULTMANN und P. ALTHAus 1 • R. BuLTMANN läßt nun in V. 17 folgen: IJ.ea Xeurro~ ap.aeTla~ ~tdxo "o~ = ... dann ist Christus ein Sündendiener. Das ·p~ y&otTo' weist diesen absurden Satz zurück. So ergibt sich ein guter Sinn. Da •p.-Y} yE"otTo' bei Paulus sonst immer auf eine Frage folgt, möchte man freilich lieber lesen: d(>a Xe und, ap.aeTla~ <StaxOJIO~; So tut es auch P. ALTHAus: ... ist dann nicht Christus ein Sündendiener1 Das kann dann freilich nur eine rhetorische Frage sein, denn Christus ist unter der vorausgesetzten Bedingung ja in der Tat ein Sündendiener, und das •p.-Y} ybotTo' wehrte wiederum die Absurdität des zu solcher Konsequenz führenden Satzes ab. Der Sinn ist in beiden Fällen der gleiche. R. BuLTMANN hält nun den Satz wegen seiner Absurdität für einen Irrealis: Wenn wir ... als Sünder erfunden wUrden. Das ist sprachlich möglich. Aber auch R. BuLTMANN übersieht den konkreten Bezug dieses Satzes innerhalb der Auseinandersetzung mit Petrus. Er interpretiert ihn nicht von 2, 11-16, sondern von 2, 20f. her. Paulus trifft jedoch in V. 17 geradewegs das Verhalten des Petrus. Wieso 1 Nun, V. 18 sagt es uns: "el l'tle a "aTEÄvaa TaiiTa m:UtJI ol"o~opw, naeaf.M.TrJ'II EpaVTcW O"VJJtO'TQJIW." Man nimmt weithin an, daß V. 18 eine Parenthese ist, während V. 19 den Gedankengang bis V. 17 fortsetzt 1 . Die Aufgabe dieser Parenthese kann nur sein, den Sinn von V. 17 innerhalb der Argumentation mit Petrus deutlich werden zu lassen. Aber auch ohne diese Annahme ist klar, daß V. 18 den V. 17 erläutert. Dann aber entspricht der naeaPaT1f' von V. 18 den ap.aeTroÄol von V. 17. Wodurch erweist sich der naeaP&TTJ, als Sünder? Er setzt wieder in Kraft, was er vorher verworfen hat. Damit zeigt sich, daß er zu Unrecht r aufgelöst' hatte. Die rückgängig gemachte Entscheidung- nicht das Rückgängigmachen der Entscheidung! - wird als Übertretung erkannt. Petrus aber hatte wieder in Kraft gesetzt, was er bereits aufgegeben hatte: das Gesetz. Sein Verhalten ist in V. 17f. beschrieben•. Paulus sagt ihm: "Wir sind, obschon Juden, an Christus gläubig geworden, weil die Werke des Gesetzes nicht rechtfertigen. Wenn aber t I 1
A.a.O. z. St. R. BULTJUNN, H. LIBTZIU.NN, H. P . .AIIrHA.us a.a.O. S. 20
SCHLIER u. 8.
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das Bestreben, in Christus gerechtfertigt zu werden, Sünde ist, ist Christusdann nicht einSündendiener? Das ist natürlich ausgeschlossen! Aber tatsächlich machst Du, Petrus, ihn dazu, wenn Du die erlangte Gesetzesfreiheit wieder preisgibst und zu den Werken des Gesetzes zurückkehrst; denn damit erklärst Du, bei der Bejahung der Gesetzesfreiheit als Sünder gehandelt zu haben.'' 1 Es ist mir sehr fraglich, ob Paulus tatsächlich so vereinfachend gegenüber Petrus selbst argumentiert hat. Er unterstellt ihm in dieser Argumentation nämlich indirekt, daß seine Wiederaufrichtung des Gesetzes eine theologische Entscheidung gegen die Glaubensgerechtigkeit gewesen sei. Er motiviert hier also die Entscheidung des Petrus mit dem, was er als Folge dieser Entscheidung bei seinen Gemeinden befürchtet: Zweifel an der Gültigkeit der Glaubensgerechtigkeit. Dabei weiß Paulus, daß es bloße Menschenfurcht war, die die Entscheidung des Petrus bestimmte. Die Problematik war also nicht so einfach, wie Paulus in 2,15-18 zu erkennen gibt. Die Geschraubtheit seiner Argumentation mag sich von daher erklären, doch bleibt deutlich, daß das 'Heuchelei' genannte Schwanken in der Haltung des Petrus den eigentlichen Ansatzpunkt der paulinischen Kritik bildete. Im übrigen aber hatte Paulus ja kein Interesse an einer Aufzeichnung der historischen Details. Er berichtet 'tendenziös', und zwar in unserem Abschnitt in doppelter Richtung. Er will zunächst seine Unabhängigkeit von Petrus nachweisen. Das geschieht schon dadurch, daß er ihn überhaupt zurechtgewiesen sein läßt. Der Inhalt dieser Zurechtweisung aber ist von V. 14 an je länger desto mehr im Blick auf die Galater formuliert, mit deren Hinwendung zum Gesetz Paulus sich nun auseinandersetzen muß. Vollends die V. 19-21 sind, wenn auch formal noch der Rede an Petrus zugehörend, doch ganz ihnen gesagt, und die vorhergehenden Verse 17 f. waren es wenigstens in der 1 P. ALTHAus, der den konkreten Bezug von V. 18 richtig sieht, interpretiert so: Wenn Petrus zum Gesetz zurückkehrt, so ist er vom Gesetz nicht wirklich frei gewesen; dann aber ist, nach Meinung des Paulus, solche Übertretung tatsächlich Sünde gewesen. Aber unmöglich will Paulus dem Petrus sagen, er habe bei Beginn seines gesetzesfreien Lebens tat8dchlich als Sünder gehandelt! Richtig dagegen A. OEPXE, dessen Verständnis der Stelle auch H. ScHLIER als (die ihm unwahrscheinlichere) Deutung wiedergibt: "Nachträgliches Wiederinkraftsetzen des Gesetzes bedeutet also nichts Geringeres, als daß Petrus sich mit seinem Christus-Glauben in WidersP.ruch setzt, diesen Glauben nachträglich zu einem schweren Unrecht stempelt' (Der Brief des Paulus an die Galater, ThHK, 1957 1 , S. 61; H. LJE'l'ZIIANN [3] z. St. gibt diese von ihm nicht übernommene Deutung als die 'übliche• wieder). Daß das eigentlich der Sinn des Satzes sein muß, sieht auch J. MUNcK a.a.O. S. 119f. und paraphrasiert: " ... wie du (Petrus) in Antiochien, weil du mit den Heidenchristen zusammen gegessen hattest, dann aber bei der Ankunft der Jerusalemer Brüder in deinem Gewi.seen fühltest, verkehrt gehandelt zu haben." Er zieht dann aber doch ein recht abstruses anderes Verständnis vor.
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unausgesprochenen Unterstellung, Petrus habe aus theologischen Gründen in seiner Einstellung zum Gesetz geschwankt. Denn nur aus solchen Gründen sieht Paulus die Galater die Beschneidung auf sich nehmen. Paulus hat nicht berichten können, daß Petrus die Mahlgemeinschaft mit den Heiden wieder aufgenommen hat. Also hat er es auch nicht getan; denn einen Erfolg seines Widerspruchs gegen Petrus hätte Paulus nicht verschwiegen 1 • Mit einem solchen Erfolg wa.r auch nicht zu rechnen. Es ist schon fraglich, ob Paulus überhaupt auf solchen Erfolg gedrungen hat. Ihm kam es darauf an, öffentlich klarzustellen, daß trotz des Verhaltene der Judenchristen Antiochiens die Gerechtigkeit nicht in den Werken des Gesetzes, sondern im Glauben an Christus zu suchen sei. Petrus dürfte ihm da kaum widersprochen haben. Anderseits konnte Paulus die zweifellos berechtigte Furcht vor jüdischen Repressalien nicht einfach ignorieren, die das Verhalten des Petrus bestimmte, so unangenehm ihm solches Hin und Her auch sein mußte. Von Ba.rnabas hat Paulus sich, wie wir sahen, getrennt. Er konnte unmöglich mit einem judaisierenden Mitarbeiter Heidenmission treiben. Sein Zwist mit Ba.rnabas wa.r gewiß in jeder Weise gewichtiger gewesen als der Disput mit Petrus, von dem Paulus ausführlich berichtet. Alle Auseinandersetzungen aber bedeuteten keine grundsätzliche Aufkündigung der Gemeinschaft in Christus. Paulus spricht von Petrus wie von Ba.rnabas stets ganz unbefangen als von Gliedern der einen Christenheit (Gal. 1, 18; 2, 7f.; 1. Kor. 9, 5f.; 15, 5); die Petrusleute, d. h. die gesetzestreuen Judenchristen, rechnet er wie selbstverständlich der korinthischen Gemeinde zu (1. Kor. 1, 12; 3, 22 )1. Das wäre unmöglich, wenn durch die Affäre in Antiochien die Paulus und Petrus verbindende Gemeinschaft des Glaubens an die Gerechtigkeit Christi zerbrochen worden wäre. Sie hatte direkt ga.r nicht zur Diskussion gestanden, und auch das Abkommen von Jerusalem ist durch den Zwischenfall in Antiochien nicht im mindesten in Frage gestellt oder ga.r außer Kraft gesetzt worden.
IV. DIE SAMMLUNG DER KOLLEKTE Zu den Abmachungen des Apostelkonzils gehörte die von Paulus übernommene Verpflichtung, der ~Armen' zu gedenken (Ga.l. 2, 10). K. HoLL hat in seinem bekannten Aufsatz 1 nachzuweisen versucht, 1 E.ll.ucNCHBN a.a.O. S. 4:22/417. • Vgl. DM (}noN in Korinth, S. 164ft'. 1 Der Kirchenbegriff dee Paulus in seinem Verhältnis zu dem der Urgemeinde, SBA 1921, S. 92~947 = Gesammelte Aufsätze II, B. 44-67.
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daß diese Kollekte eine rechtliche Auflage der J erusalemer Gemeinde gewesen sei. Das ist nicht unmöglich, aber auch nicht zu beweisen. Sicher ist, daß Paulus diese Verpfiichtung nicht als eine rechtliche verstanden hat, wie auch immer sie gemeint war 1 • Sollten die J erusalemer die Kollekte als Zeichen der Anerkennung ihrer rechtlichen Kirchenhoheit angesehen haben, so wäre nur um so deutlicher, was auch die Kollekte als sittlich-religiöse Verpfiichtung zur Genüge zeigt: Man wollte an der Einheit der Kirche festhalten. Damit stimmt überein, daß ja auch die andere Abmachung, die Trennung der Missionsgebiete, nicht die Einheit der Gemeinde auflösen, sondern angesichts der Gefährdung der judäischen Gemeinden durch die Juden gerade ermöglichen sollte. Paulus versichert in Gal. 2, 10, er habe sich sehr darum bemüht, die arme Gemeinde in Jerusalem zu unterstützen. Die Richtigkeit dieser Behauptung stehtangesichtsvon Stellen wie Röm. 15,25-32; l.Kor. 16, 1-4; 2.Kor. Sf. fest. Die Kollektensammlung hat ihm in Korinth und Thessalonich zudem viel Ärger eingebracht, da seine Gegner sie zum Vorwand nahmen, Paulus persönliche Habsucht vorzuwerfen: 2.Kor. 12, 14-18 1 ; 1. Thess. 2,5-12 3 • Dennoch hat Paulus sie durchgeführt. Den Ertrag will er selbst nach Jerusalem überbringen: Röm. 15,25-32. Diesen Zweck gibt er als einzigen Grund seiner Jerusalemreise an (Röm. 15,25). Ihm liegt also sehr viel an der durch die Gabe seiner Gemeinden dokumentierten Einheit mit den Judenchristen Palästinas •. Diese ganze Behandlung der Kollektenangelegenheit würde normalerweise nur den Schluß zulassen, daß die Beziehungen zwischen Paulus und Jerusalem durchaus gut sind. Nach Gal. 2,10 kann man eigentlich nur annehmen, daß dieselbe Einmütigkeit, die bei der Abmachung des heidenchristlichen Hilfsdienstes herrschte, auch dessen Durchführung noch bestimmte. Dem aber scheint nun Röm. 15, 30f. zu widerstreiten. 2.Kor. 8,14; Röm. 15,27. Die Gnosis in Korinth, S. 29ff.; DtU lcirchlicM Apostelamt, S. 205ff. 3 Dazu verweise ich auf meinen noch unveröffentlichten Aufsatz über "Die historische Situation der Thessalonicherbriefe". ' Die theologische Bedeutung der Kollekte sollte man nicht unterschätzen. Sie war mehr als ein Liebesdienst. Ich finde sehr treffend, was R. SCHNACKENBURG (Die Kirche im Neuen Testament, Quaestiones Disputatae 14, 1961, S. 75) dazu schreibt: "So wird Paulus der Mahner und Erzieher zur christlichen Eintracht in allen seinen Gemeinden, darüber hinaus aber auch zum Förderar des Einklangs zwischen der Jerusalemer Mutterkirche und seinen Neugründungen (große Kollekte!). Damit hat er wesentlich zur Ausbildung eines geaamtlcirchlichen Bewußtseins beigetragen, theologisch und praktisch. Ein Hauptverdienst dafür, daß sich die schnell in die Breite wachsende Kirche innerheb nicht aufspaltete, wird, menschlich gesprochen, in der Theologie Pauli zu suchen sein, die allen Gläubigen ihre von Gott geschenkte und gebieterisch zur Einigkeit rufende Einheit lebendig zu Bewußteein brachte ... " I 1
6 8091 Schmltbala, Paulus
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Paulus bittet die Christen Roms, sie möchten für ihn beten,
"l~a
evm?w cino TWV dmtDoVvrcov Ev Tfl1ovl>al(/. "al ~ l>ta)Covla p.ov ~ ei~ 1eeovaol-Yjp. Wn{!Oal>E)C't'O~ Toi~ aylo~ yivrJ-rat". H. LIETZMANN [2] s. 123 folgert aus diesem Satz, "daß der Gegensatz der Jerusalemer zur heidenchristliehen Gemeinde der denkbar schärfste ist, trotz des rApostelkonzils' ".Nicht alle Exegeten drücken so scharfwie H. LIETZ:MANN aus, was Röm. 15,30f. über das Verhältnis zwischen Paulus und der Jerusalemer Urgemeinde aussagt, aber ein grundsätzlich anderes Verständnis dieser Verse habe ich nirgendwo gefunden 1 • Nun bereitet dieses Verständnis Schwierigkeiten. Es ist deutlich, daß Paulus sonst derartige Spannungen nicht andeutet, und seine Behandlung der Kollektenfrage schließt sie eigentlich aus. Waren die Spannungen aber vorhanden, war die Kollekte möglicherweise unwillkommen, warum sammelt er sie dann so eifrig und warum reist er überhaupt noch nach Jerusalem, obschon ihn alles über Rom nach Spanien drängt, wo die Heiden ihn gewiß nicht nach seinen Beziehungen zur Jerusalemer Christenheit gefragt haben werden? Und weiter: Aus welcher Ursache sollten die Jerusalemer vor Paulus mitsamt seiner Kollekte die Tür verschließen? Welche katastrophale Wendung müßten dann die Dinge nach dem rApostelkonzil', ja, nach der Abf&BSung von Gal. 2,1-10 genommen haben; denn im Galaterbrief schildert Paulus die Abmachungen des rApostelkonzils' als noch gültige 2 • Eine dringend benötigte Geldsendung abzulehnen, zumal wenn sie als gehorsamer Tribut an die leitende Behörde verstanden worden sein sollte, setzt eine so totale Zerstörung der Gemeinsamkeit voraus, daß man sie nur auf Grund von Röm. 15, 30f. äußerst ungern annimmt. Schließlich: Paulus ist von der Jerusalemer Gemeinde keineswegs unfreundlich aufgenommen worden. Das ist dem Bericht der Apostelgeschichte mit Sicherheit zu entnehmen, wie vorsichtig man sich ihm auch anvertraut 1 . Wie kommt Paulus dazu, mit einem gegenteiligen Empfang zu rechnen? Ist aber nicht Röm. 15,31 so eindeutig, daß vor dem klaren Wortlaut des Verses alle Bedenken zurückgestellt werden müssen? Keineswegs! Im Gegenteil! Die Exegeten pflegen, um das traditionelle VerZuletzt noch E. LoHSE, Glaube und Werke, ZNW 48, 1957, S. 18. Man kann sich- wie E. IIAENCHEN a.a.O. S. 549/544- mit der Annahme helfen, daß inzwischen ja des Paulus "Kampf mit den Judaisten entbra.nnt" sei, aber dann muß man zugleich erklären, wie Paulus inmitten des Kampfes mit den angeblich judaistischen 'Sate.nsdienem' und 'Lügenaposteln' für eben diese Leute bzw. ihre Jeruse.lemer Hintennärmer in den von ihnen heimgesuchten Gemeinden eine Kollekte sammelt und diese Kollekte persönlich nach J eruse.lem bringt. Diese Erklärung muß jeder schuldig bleiben. 1 ~. HAENCHEN a.a.O. 8. 542ff./537ff; s. u. 8. 70ff. 1
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ständnis der Stelle zu ermöglichen, sogar stillschweigend eine Textänderung vorzunehmen. Darin folgen sie freilich nur dem Koine-Text, dem alle guten Textzeugen jedoch widersprechen. Im Textus rezeptus wird zwischen )tal und~ 6w.x011la noch ein l11a eingeschoben. Ohne diese späte Lesart zu übernehmen, übersetzen doch R. A. LrPsros, H. WETZMANN, 0. MICHEL und viele andere im Sinne des Textus rezeptus: "Ich ermahne euch aber, ... daß ihr mit mir in den Gebeten für mich vor Gott ringt, damit ich gerettet werde vor den Ungehorsamen in J udäa, und damit mein Dienst, der mich nach Jerusalem führt, den Heiligen wohlgefällig werde." So lassen die Worte des Paulus allerdings kaum einen Zweifel daran, daß er sich vor zwei Gefährdungen in Jerusalem fürchtet: Die Juden möchten ihm das Schicksal des Stephanus bereiten; die Ohri8ten möchten die Annahme der Kollekte und damit erst recht die Aufnahme des Paulus "rundweg verweigem" 1 • Aber Paulus hatte etwas ganz anderes geschrieben: Betet für mich, "daß ich von den Ungläubigen in J udäa gerettet werde und mein Dienst für Jerusalem den Heiligen willkommen sei". Wäre das traditionelle Verständnis dieser Aussage richtig, so würde freilich das eingefügte lva nur der Verdeutlichung dienen. Diese Verdeutlichung würde dann aber sogar notwendig sein, wie die genannten Exegeten mit Recht empfinden; denn was Paulus wörtlich sagt, führt zunächst zu dem Verständnis, daß Paulus von einer Furcht bewegt wird und die Bedrohung durch die Juden mit der möglichen Ablehnung der Kollekte einen Zusammenhang bildet: Bittet, daß die Juden mir nichts tun und (darum) meine Kollekte den Christen willkommen ist. Ist solcher Zusammenhang aber gegeben~ Allerdings, und schon E. HA.ENCHEN hat- von ganz anderem Ausgangspunkt her, freilich auch ohne die Konsequenzen aus seiner Erkenntnis ganz zu ziehen ihn genau beschrieben: "Der Besuch des Paulus fiel wenige Jahre vor die Ermordung des Herrenbruders Jakobus durch die Juden. Die jerusalemische Gemeinde rang damals schon um die letzte Möglichkeit einer Mission in Israel. Nahm sie die paulinische Kollekte an, dann erklärte sie sich damit in den Augen der Juden mit ihm solidarisch. Damit drohte sie sich ihre eigene Missionsmöglichkeit zu vernichten. Das übersieht jeder Exeget, der den Jakobus und die Ältesten freudig die paulinische Kollekte annehmen läßt." 2 Das, wasE.HAENCHENhierfüreineeinzelneAussagedesPaulusscharfsinnig erkannte, entspricht genau dem, was unsere ganze bisherige Untersuchung als den für die Kompliziertheit des Verhältnisses von Paulus zu Jakobus bestimmenden Faktor erkannt hat: das Verhältnis der Judenchristen zu den Juden Palästinas. Machte man dem Paulus in 1
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E. IIABNOIIEN a.a.O. S. 549/544. A.a.O. S. 550/544.
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Judäa den Prozeß, so konnte jede Dokumentation der Einmütigkeit zwischen Paulus und der Jakobusgemeinde - nicht nur eine Vereitelung der judenchristliehen Missionsbemühungen, sondern - die Verfolgung der Judenchristen nach sich ziehen. Das galt vor allem dann, wenn von jüdischer Seite die Kollekte mit Recht oder Unrecht als eine Abgabe an die Jerusalemer Kirchenleitung angesehen wurde, die sich durch die Annahme dieser Abgabe als für des Paulus Tätigkeit verantwortlich bezeichnete. Je schärfer die Reaktion der Juden auf die Ankunft des Paulus war, um so weniger konnte den Judenchristen die von Paulus überbrachte Kollekte willkommen sein, hätten sie sie auch noch so gerne angenommen; um so gefährdeter war also auch das von Paulus und seiner Gemeinde mit so großer Mühe und Opferbereitschaft unternommene Liebeswerk für die judäische Christenheit 1 - und umgekehrt. Die Besorgnis um die Annahme seiner Kollekteangesichts der jüdischen Feindschaft, die Paulus in Röm. 15, 31 ausdrückt, ist also in jeder Weise begründet 2 • Röm. 15,30f. zwingt uns folglich nicht, die bisher gewonnene Auffassung vom Verhältnis zwischen Paulus und den Judenchristen Jerusalems zu revidieren; auch ist es zur Rettung dieser Auffassung nicht erforderlich, eine katastrophale Verschlechterung dieses Verhältnisses 1 Paulus ist von den Juden denkbar schlecht empfan~n worden. Ist die Gemeinde in J erusalem verschont geblieben 1 Sie verschwmdet schon vor der Verhaftung des Paulus mit Apg. 21,25 gänzlich aus der Darstellung des Lukas. Dafür gibt es manche Erklärungen. Eine davon wäre: Die Gemeinde ist nicht unbehelligt geblieben, und weil Lukas die Differenzen zwischen Juden und Christen tunliehst verschweigt, läßt er die Gemeinde weiterhin unerwähnt. Damit könnte dann auch die auffällige Nichterwähnung der Kollekte zusammenhängen, wenn diese tatsächlich, wie Paulus nach Röm. 15,31 be1\irchtet hatte, der Gemeinde zum Schaden gereichte. Nach Apg. 24, 17 scheint die Tatsache der Kollektenreise dem Lukas nicht unbekannt gewesen zu sein. Eine andere Begründung für diese Nichterwähnung bei E. HAENCHEN a. a. 0. s. 550f/545. 1 Als Paulus etwa ein Jahr vor seinem letzten Besuch in J erusalem 1. Kor. 16,1-4 schreibt, weiß er noch nicht, ob er die Gemeinde zu Jerusalem vor seiner Reise nach dem Westen noch einmal aufsuchen wird. Er will, wenn er nach Karinth kommt, Boten mit Empfehlungsachreiben ausrüsten und sie mit der in Korinth (und anderswo) gesammelten Kollekte nach Jerusalem schicken . .,Wenn es aber angebracht ist, daß auch ich reise, mögen sie mit mir reisen" (l.Kor. 16,4). Worauf sich das idt~ 6i il~uw fl bezieht, ist nur zu vennuten. Schwerlich wird Paulus den Besuch in Jerusalem von der Höhe der Kollekte abhängig gemacht haben. Wartet er auf einen besonderen Wink Gottes? Aber das müßte doch wie in 1. Kor. 4, 19 deutlich gesagt sein: la11 o xtJe'o' {}e).t]an. Röm. 15,31 legt die Vennutung nahe, daß er wegen der Lage in Jerusalem unschlüssig ist, ob er persönlich nach dort reisen soll. Er wartet also z. Zt. des t.Kor. noch aufNachriebt aus Jerusalem, ob sein Besuch angebracht oder nicht vielmehr unerwünscht ist, weil er die dortige Gemeinde belasten und das Leben des Paulus gefährden könnte. Aus Röm. 15,31 wäre dann zu entnehmen, daß die Jerusalemer Gemeinde Paulus von einem Besuch nicht abgeraten hat, ohne daß sie jedoch Bedenken im Blick auf seine persönliche Sicherheit und den Erfolg seiner Jerusalemer Mission hat zerstreuen können.
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während der letzten Zeit der sogenannten 3. Missionsreise vorauszusetzen 1 • Vielmehr wird jene Auffassung bestätigt, wenn man Röm. 15, 1 G. KLEIN [4] S. 321 meint freilich, das Problem löse sich nur unter der Vora.uSBetzung, "daß seit dem Konzil in Jerusalem eine Machtvel'BChiebung stattgefunden hat ; eben die Ablösung des dem Kollektenwerk zugetanen Petrus durch den in dieser Sache intransigenteren Herrenbruder". Aber schwerlich ist das überhaupt eine Lösung. Denn warum setzt sich Paulus so sehr für die Kollekte ein, wenn die Empfänger sie gar nicht haben wollen und die Jerusalemer Abmachung, die u. a. die Kollektenpflicht enthielt, längst als ganze verworfen hatten 1 Ferner: nach dem Bericht in Gal. 2 stand bereits z. Zt. des sogenannten Apostelkonzils Jakobus an der Spitze der Jerusalemer Autoritäten; er kann also nicht nachher den Petrus abgelöst haben. G. KLEIN freilich hält die Darstellung des Paulus in Gal. 2 in dieser Hinsicht für unhistorisch: z. Zt. des •Apostelkonzils' habe Petrus noch allein die führende Rolle gespielt; Jakobus sei erst später hervorgetreten und zu den c5meoiivre~ zu zählen. Aber hier wird die eine unhaltbare Hypothese auf die andere gebaut. Denn unmöglich kann Paulus in Gal. 2 derart die Wirklichkeit verzeichnen. Meinen diesbezüglichen Einwand (Das kirchliche Apoatelamt S. 75 Anm. 133) weist G. KLEIN mit dem Hinweis auf die Mitverantwortlichkeit von Johannes und Jakobus zurück, die sie bereits während des •Apostelkonzils' für die Abmachungen trugen ([4] S. 318f.). Aber es ist fatal und flir die These tödlich, einerseits Jakobus und Johannes nicht zu den während des •Konzils' in Geltung stehenden zu zählen, sie anderseits aber für die damaligen Abmachungen verantwortlich zu machen. Und hat Jakobus der Abmachung des Petrus verantwortlich zugestimmt, um sie mit Petrus zu verleugnen, nachdem er diesen an die zweite Stelle der Jerusalemer Autoritäten gedrängt hattet Auch hatte ich geschrieben: Dazu kommt, daß die Hypothese gar nicht leistet, was sie leisten soll. Sie soll vor allem den Vers 6 verständlich machen, der ihr zufolge besagt: "Die, die heute in Geltung stehen - daß sie damals noch nichts galten, ist für mich ohne Belang; Gott urteilt nicht nach dem Außeren des Menschen - mir haben die, die heute in Geltung stehen, damals nichts auferlegt." Es liegt am Tage, daß solche Feststelltmg, die freilich dem Paulus niemand bestreiten wird, sinnlos und als Apologie absurd ist. Zudem kann •ol c5oxmivTt'' in V. 6 nur wie in V. 2 und in V. 9 verstanden werden, also: Die damals in Geltung standen. Während G. KLEIN auf den entscheidenden letzteren Einwand nicht eingeht, repliziert er den vorangehenden: "Gerade die gegenwärtige, aller Welt sichtbare Machtstellung der von Jakobus angeführten ·säulen' konnte die galatischen Gegner reizen, dem Paulus eine Abhängigkeit speziell von ihnen nachzusagen" ([4] S. 318f.). Aber damit wird die Absurdität doch nur verdoppelt. Denn nun müßten die Gegner des Paulus ihm Abhängigkeit von Autoritäten vorgeworfen haben, die (nach G. KLEIN) solche Autoritäten damals noch gar nicht waren, und Paulus müßte, statt sich gegen diese Verfälschung der historischen Wirklichkeit zu wehren, diese Verfälschung in der Parenthese von V. 6 ausdrücklich als bedeutungslos erklärt haben, obschon der Vorwurf gegen ihn allein auf dieser Verfalschung beruhtel Wenn G. KLEIN schließlich meint, seine These sei die einzige Möglichkeit, die Probleme in Gal. 2,1-10 zu lösen, so vermag ich solchen Pessimismus nicht zu teilen. Das floaP in dem entscheidenden Vers 6 bezieht sich offenbar darauf, daß z. Zt. des Galaterbriefes der Kreis der 6oxoiivrt' bzw. der on";).o, als solcher nicht mehr existierte: Johannes hatte den Märtyrertod erlitten, Petnl8 war (V. 7) als Missionar außerhalb Jerusalems tätig, und die Stellung des Jakobus war darum auch nicht mehr die eines der drei c5oxot"Wre,, welcherart auch immer sie gewesen sein mag. Der Ton in der Parenthese in V. 6 liegt freilich nicht auf dem floav, sondern auf dem onoiol no-re, und V. 6 will sinngemäß sagen: Von denen, die in einer gewissen Geltung standen- welche Geltung dies war, interessiert mich nicht, denn sie gilt auch vor Gott nichts-, wurde mir nichts aufgelegt. So handelt es sich bei der Parenthese um eine gut paulinische Bemerkung.
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30f. unbelastet durch die Tübinger Hypothek liest, nach der •Paulinismus' und •Judaismus' als zwei im Grunde unversöhnliche Antipoden überall im urchristlichen Schrifttum vora'U8z'U8etzen sind. V. DER LETZTE BESUCH DES PAULUS IN JER USALEM 1. Wir wenden uns nun dem Bericht von dem Empfang des Paulua in Jerusalemzu :Apg.21,15-26. Dieserßerichtda.rffreilichnurdannunsere Aufmerksamkeit erwecken, wenn er auch einiges historische Zutrauen verdient. So ist ein Wort über die Quellen der Apostelgeschichte nötig 1 • Darüber sind sich alle Exegeten einig, daß dem Verfasser der Apostelgeschichte stellenweise gutes Material für die Darstellung der paulinischen Missionstätigkeit vorlag. Viele Anzeichen sprechen dafür, daß er eine fortlaufende Quelle mit Angaben für die Missionsarbeit des Paulus besessen hat. M. DIBELIUS hat sich in seinen Aufsätzen zur Apostelgeschichte mehrfach dafür ausgesprochen, daß diese Quelle ein Itinerar war, d. h. ein Verzeichnis der Reisestationen. "In diesem Itinerar waren anscheinend auch Bemerkungen über Aufnahme, Gastfreunde, Tätigkeit und Erfolg enthalten." z Der ·sitz im Leben' dieses Itinerars wird von M. DIBELIUS -er äußert sich dazu nur gelegentlich - darin gesehen, daß "man es bei solchen Fahrten wohl schon aus praktischen Gründen anlegte, um bei einer Wiederholung der Reise die Wege und die alten Gastfreunde wiederzufinden" 8 • Gegen diese Ansicht hat mit Recht kürzlich G. SCHILLE 4 Einspruch erhoben. Das Bild von der Missionsarbeit des Paulus, wie es ein solcherart entstandenes Itinerar voraussetzt, widerspricht allem, was wir sicher von der paulinischen Missionstätigkeit wissen. Auch geht das Itinerar selbst in der kärglichen Begrenzung, die DIBELIUS ihm gibt, weit über eine Aufzeichnung zu solch praktischem Zweck hinaus. Es hat durchaus literarischen Charakter. So sieht es denn auch so aus, als sei das Itinerar für DIBELIUS das Einzelstück einer Gattung. Wiederum macht ScHILLE 5 mit Recht darauf aufmerksam, daß wir kein anderes Beispiel für eine derartige Literaturgattung haben. Damit ist die Fragwürdigkeit eines Itinerars als Quelle der Apostelgeschichte zur Genüge dargetan. Was nun 1 Soll man, wie G. SCHILLE vorschlägt, mit "Hinweis auf die schriftstellerische Fähigkeit des Lukas" 8 erklären, was bisher durch Vgl. E. ILu!:NOHEN a. a. 0. 11 S. 72-80. 1 [2] S. 110; vgl. S. 169. [2] S. 93; vgl. S. 64. ' Die Fragwürdigkeit eines Itinerars der Paulusreisen, ThLZ 84, 1959, Sp. 165ft'., bes. Sp. 174. I Ebd. Sp. 174. • Ebd. Sp. 174. 1 1
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die Annahme des Itinerars erklärt schien? Dem widerstrebt da.s Material, da.s Luka.s verwendet, gänzlich, und kaum etwas von dem, wa.s aus dem •Itinerar' zu stammen scheint, läßt sich mit den aus den anderen Abschnitten der Apostelgeschichte erkennbaren schriftstellerischen Motiven des Lukas erklären 1 • Der Weg aus diesem Dilemma. ist in umgekehrter Richtung zu suchen. "Es gehört zum Stil der antiken MiBBionsareta.logien, a.n dem Leitfaden der Wanderungen eines Apostels eine Anzahl von Einzelerzählungen aufzureihen." 1 Diese Missionsa.reta.logien haben in der sonstigen antiken Reiseliteratur ihre Parallelen 3 • Ihnen ist, wie E. NoRDEN zeigt, der Wechsel von ·Ich'- oder ·wir'-Stil mit Erzählung in der dritten Person geläufig'. Dieser Literaturgattung ist auch jene Quelle zuzurechnen, die wir fälschlich als Itinerar bezeichnen. Sie war mehr als ein Sta.tionsverzeichnis. Nur hat Lukas die spröden Angaben über die Reisestationen oft wenig verändert stehen gelassen, so daß sie sich in seinem Buch auffällig abheben und leicht Anlaß zu der Itinerar-Hypothese werden konnten, während er mit dem erzählenden Stoff des Missionsberichtes sehr frei umgegangen ist und ihn in weitem Maße seiner eigenen Berichterstattung dienstbar gemacht hat. Es ist darum unmöglich, die Quelle des Lukas im einzelnen zu rekonstruieren 6 • Diese Auffassung vom Quellenproblem im Pa.ulus-Teil der Apostelgeschichte kann hier nicht im einzelnen demonstriert werden, wird sich aber an dem Abschnitt Apg. 21,15-26 bewähren. 2. Die Verse 15-18 sind nach allgemeiner und begründeter Auffassung mehr oder weniger wörtliche Wiedergabe des älteren Reiseberichtes. Vielleicht gehört auch V. 19 noch zu diesem Quellenstück, und Apg. 15,4. 12 ist von Lukas danach formuliert worden. Von V.20 an aber redet zweifellos Luka.s selbst, freilich auch auf Grund einer Vgl. E. HAENCHEN a.a.0. 11 S. 14•f. G. BOBNK.UDI, Mythos und Legende, FRLANT NF 31, 1933, S. 2. 1 E. NoRDEN, Agnostos Theos, 1956', S. 313-327. Man darfbei berechtigter Ablehnung der von E. NoRDEN entwickelten unhaltbaren Quellentheorie der Apostelgeschichte nicht übersehen, was er an brauchbarem antiken Material beigebracht hat. Vgl. auch die wichtige Untersuchung von R. SöDEB, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, 1932. ' Es gibt keinen Grund für das UrteilE. HAENCHENs, das Itinerar und das 'Wir' hätten "nichts miteinander zu tun" (a.a.O. S. 434f./429f.). Die sogenannte "Wir-Quelle" ist ein Bestandteil des sogenannten "Itinerars". Vgl. H. CoNZELKANN in seiner Besprechung des Kommentars von E. JlAENCHEN in: ThLZ 85, 1960, Sp. 244. Das genannte Urteil hält E. !Lu:NCHEN nun nicht mehr aufrecht; s. folgende Anm. • Vgl. E.IIAENOHEN, Das 'Wir' in der Apostelgeschichte und das Itinerar, ZThK 68, 1961, S. 329--366, bes. S. 366. Die Ergebnisse dieses wichtigen Aufsatzes leiden jedoch m. E. darunter, daß der Verfasser von der Voraussetzung ausgeht, dem 'Lukas' habe ein Itinerar vorgelegen, statt daß er diese Voraussetzung prüft. 1
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Quelle. Unmöglich ist die ganze Geschichte 21,20-27 einfach aus der Luft gegriffen. Dafür spricht neben vielem anderen, daß die Darstellung, die Lukas V. 23ft'. von dem Paulus zugemuteten kultischen Ritus gibt, sachlich unverständlich bleibt; ein Nasiräat, dem Paulus sich für 7 Tage anschließt, gibt es nicht 1 • Dagegen ist der Bericht des Lukas als halbverstandene Wiedergabe einer Vorlage wohl verständlich 1 • Dafür spricht weiter, daß der Reisebericht schwerlich mit der Ankunft in Jerusalem geendet haben wird, zum.al in ihm vorher auf die zu erwartende Gefangennahme hingewiesen worden war (Apg. 21, 4. 10ff.) 1 . Lukas gibt demnach seine Quelle in eigener Version wieder. Typisch lukanisch ist dabei z. B. die Angabe von V. 20, es gäbe unter den Juden viele Zehntausende zum Glauben gekommene Christen. Das ist eine maßlose Übertreibung, die besonders auffällt, wenn man beachtet, daß diese Zehntausende nach V. 22 alle in Jerusalem leben sollen t. Für Lukas ist diese Zahl freilich selbstverständlich ; läßt er doch schon in frühester Zeit an einem Tage der Gemeinde in Jerusalem 3000 Glieder durch die Taufe zugeführt werden (Apg. 2, 41 ). Nach V. 17 wurden Paulus und seine Begleiter bei ihrer Ankunft in Jerusalem von den 'Brüdern' freundlich empfangen. Das will nicht besagen, daß die ganze Gemeinde zum Empfang des Paulus erschienen war; aber erst recht ist nicht angedeutet, daß die 'Brüder' "in erster Linie die Hellenisten" waren 6 • Es kann nur die Jerusalemer Gemeinde als solche gemeint sein, die Paulus durch ihre bei Mnason anwesenden Glieder freundlich empfing. Damit stimmt überein, daß am folgenden Tag die Leitung dieser Gemeinde bereits versammelt war, als Paulus mit seinen Begleitern Jakobus aufsucht: das Gespräch war am Vortage schon verabredet worden (21, 18). Nickt stimmt damit überein, daß nach V. 22 die Gemeinde in Jerusalem noch nichts von der Ankunft des Paulus weiß. Dieser Widerspruch läßt sich aber nicht mit der erwähnten Erklärung beseitigen, daß man unter den Brüdern von V. l 7 die Angehörigen einer exklusiven hellenistischen Gemeindegruppe zu sehen habe•. Denn die Unwissenheit der Gemeinde über die Ankunft 1 Eine gute DiskUSBion dieser Frage bei E. HAENCHEN a. a. 0. S. 546ff./540ff.; wie wenig Lukas mit dem Wesen des Nasiräats vertraut war, zeigt nachdrücklich auch Apg. 18,18 (s. S. 80). • E. IIAENCHEN a.a.O. S. 548f./542f. 1 Siehe noch bei E. HAENCHEN a.a.O. S. 548/542. ' Jerusalem hatte nach der Berechnung von J. JEREMIAS zur Römerzeit etwa 25000 Einwohner (Die Einwohnerzahl Jerusalems z. Zt. Jesu, Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, 1943, S. 24-31). 11 R. KNoPF in: Die Schriften des NT, 1907 2 , I S. 632; so auch E. HAENCHEN, a.a.O. S. 544/538; W. BEYER a.a.O. S. 129; vgl. H. H. WENDT a.a.O. z. St. • Schon die Existenz einer solchen Gruppe überhaupt ist sehr unwahrscheinlich. Schwerlich nämlich werden sich nach der Verfolgung des Steph&nus die Bedingungen für die Hellenisten so gebessert haben, daß die zerstörte Gemeinde wieder gesammelt werden konnte. Im Gegenteil ! Der Tod des einen wie des
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des Pa.ulus ist ja auch mit der Tatsache nicht zu vereinen, daß die Ältesten der Gemeinde bereits zum Gespräch mit Paulus zusammengerufen worden waren 1 • Auch in V. 22 ist also die Hand des Luka.s spürbar. Nun erheben sich gegen die Darstellung des Luka.s in V. 20 ff. aber auch grundsätzliche Bedenken. Waren denn die Judenchristen Jerusa.lems wirklich C7JAWTal t'oV vopov1 Alles, was wir bisher feststellten, spricht dagegen. Sie hielten am Gesetz fest, aber eiferten nicht um das Gesetz. Sollte Lukas dennoch recht haben mit seiner Charakterisierung der Jerusalemer Gemeinde, so bliebe die Frage, aus welchem Grunde Paulus ihr gegenüber seine -gar nicht vorhandene- Gesetzestreue hätte dokumentieren müssen. Drohte ihm denn vonseitender Judenchristen eine physische Gefahr, vor der die freundlichen Ältesten dieser Christen ihn schützen möchten? Das wäre eine törichte Annahme. Die Leitung der Gemeinde ist zudem nach der Darstellung des Lukas sowieso von der Unrichtigkeit der Gerüchte überzeugt, die Paulus zum antinomistischen Agitator unter den Diasporajuden stempeln. Wie kann dann die Gemeinde insgesamt diesen Gerüchten Glauben schenken? Die Darstellung des Lukas ist also unglaubhaft. Man hat diese Schwierigkeiten literarkritisch zu lösen vet'Bucht: "Die Worte der Gemeindeglieder 20ff. haben nichts Auffallendes, wenn sie sich auf Juden und nicht auf die Judenchristen beziehen. Daher ist 20 nem
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zu beschneiden und nicht nach dem Gesetz zu wandeln. Wie Luka8 nämlich formuliert, zeigt 21,28 1 • Genau diesen Vorwurf von seiten der Juden mußten die Judenchristen fürchten, wenn sie Paulus zu ihrer Gemeinschaft zählten. Dessen waren sie sich spätestens seit der Verfolgung der Stephanusgemeinde bewußt. Die Furcht vor diesem Vorwurf hatte zu dem Abkommen des •Apostelkonzils' geführt, in dem Pa.ulus auf die Judenmission verzichtete. Die Furcht vor diesem Vorwurf war es auch, die Petrus (9'ofJoope-vo~ Too~ lx neetTop~~!) auf Drängen des Jakobus hin das judenchristliche Sonderleben in Antioebien wieder aufnehmen ließ. Daß die jüdische Behörde in Jerusalem über die Tätigkeit des Paulus ebenso unterrichtet war wie über die Zustände in der Jerusalemer Gemeinde, unterliegt keinem Zweifel. Daß der Vorwurf gegen Paulus in der V. 21 wiedergegebenen Form unberechtigt gewesen ist, ergibt sich mit Sicherheit aus dem vorne S. 38ft". Gesagten. 1 Jakobus und die Ältesten gehen mit Recht davon aus, daß Paulus den Juden nicht den Abfall vom Gesetz (sondern den Heiden das Evangelium) verkündigt hat, wie es der Vereinbarung von Gal. 2, 9 entsprach. Daß freilich ein solcher Vorwurf gegen Paulus entstehen konnte, ist nun auch nicht weiter verwunderlich. Zweifellos haben sich den Gemeinden des Paulus auch Juden angeschlossen, die damit auf die Gesetzesbeobachtung verzichteten, wenn sie es nicht bereits vorher getan hatten; gewiß verzichteten von diesen Juden auch viele darauf, ihre Kinder beschneiden zu lassen 1 • Daß man aus diesen Fällen Erfolge der antijüdischen Agitation des verhaßten Apostaten Paulus machte, ist nur sei batverständlich 3 • Der judenchristliehen Gemeinde aber konnte das nicht gleichgültig sein. Sie mußte versuchen, wollte sie sich nicht von Paulus - und seiner Kollekte! - distanzieren, die Vorwürfe gegen Paulus zu entschärfen. Bevor wir diesen Versuch betrachten, sei die Frage gestellt, warum Lukas den historischen Tatbestand insofern verschoben hat, als er an Stelle der Juden die Judenchristen selbst zu den um die Erfüllung des Gesetzes besorgten Eiferern gemacht hat. Daß er diese Verschiebung vorgenommen hat, dürfte nach dem Gesagten klar sein. • Siehe S. 19f. Vgl. noch J. WEISS a.a.O. S. 36: "Daß dieser Vorwurf gegen Paulus wirk· lieh ungerecht ist, muß, wie mir scheint, ganz einfach zugestanden werden. Denn daß Paulus weder den Juden die Befreiung vom Gesetz gepredigt, noch den Judenchri8ten die Beschneidung ihrer Kinder widerraten hat, scheint mir ganz tmzweifelhaft zu sein. Und daß dem Paulus daran liegen mußte, ein der· artiges Vorurteil zu widerlegen, kann man gleichfalls nicht bezweifeln." 1 Siehe S. 44f. • Vgl. W. FoERSTER [1] S. 289: " ... die Besorgnis der Urgemeinde stammt nicht aus der Heidenpredigt dee Paulus, sondern aus dem Gerücht über die Ver· kiindigung dt>.s Paulus an die Judenchristen." 1
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Es wird zu allem Überfluß dadurch bestätigt, daß es tatsächlich nicht die Judenchristen waren, die Hand an Paulus legten, sondern die Juden. Die Antwort auf unsere Frage ist in der von uns schon früher bemerkten und besprochenen Tendenz des Lukas zu finden, die christliche Gemeinde als das wahre Judentum darzustellen 1 • Diese die ganze Apostelgeschichte durchziehende Tendenz wird ja bald auf jene Spitze getrieben, da auch Paulus im Angesicht des Hohen Rates als Muster des Gesetzesgehorsams erscheint: Apg. 23, 1 ff.; 24, 14ff.; 26, 4ff. Der historische Bericht, der eine Lukas unangenehme Spannung zwischen Juden und Judenchristen voraussetzte, verschwand so in Apg. 21, 19-26 zugunsten einer Erzählung, die die Judenchristen zu Anwälten des Pharisäismus machte 1 . Diese U merzählung kostete Lukas nicht mehr Mühe, als E. PREUSCHEN anzunehmen geneigt war, der mit der Streichungzweier Worte den historischen Bericht wiederherstellen wollte 3 • Ob ihm die Unwahrscheinlichkeit der vorliegenden Berichterstattung nicht selbst aufgefallen sei, darf man Lukas natürlich nicht fragen. 3. Nach dem Gesagten kann als gesichert gelten, daß Paulus sich den Juden gegenüber von den erhobenen Vorwürfen reinigen mußte. Zweifel erregt immer wieder, ob er es so versucht hat, wie Lukas es darstellt. Nun wiesen wir schon darauf hin, daß E. IIAENCHEN die sachliche Unmöglichkeit des entsprechenden Berichtes aufgewiesen hat. Dieser setzt eine mißverstandene Quelle voraus, die nach E. HAENCHENs Annahme berichtete, wie Paulus sich zunächst von der auf Grund seines Auslandsaufenthaltes ihm anhaftenden Ievitischen Unreinigkeit reinigte •, um im Anschluß daran an der von ihm bezahlten Ausweihungszeremonie der 4 Nasiräer teilzunehmen. Verhält es sich so, hätte also bereits die Quelle von dem in diesem Fall gesetzestreuen Paulus erzählt 6 • Diese Quelle aber ist zuverlässig. Man könnte dann Zusammenhänge zwischen der für die Armen Jerusa.lems gesammelten Kollekte und der finanziellen Hilfe für die armen N asiräer sehen und es in solchem Zusammenhang begründet sein lassen, daß Paulus in Siehe S. 24 Anrn. 1; vgl. H. CONZELMANN, Die Mitte der Zeit, 1954, 125f. 1 Außerdem macht der Bericht des LukBB und dBB ist dem Verfa.seer besondere wichtig - Palästina zu einem halb christlichen Land! 1 Diese Streichung, die schon F. C. BAUR vorgeschlagen hatte, ist u. a. auch von R. BuLTMANN akzeptiert tmd neuerlich noch von J. MuNCK (Paulue und die Heilsgeschichte, Kopenhagen, 1954, S. 235ff.) übernommen und begründet worden - in rechter Einschätzung des historischen Sachverhaltes, freilich in Verkennung des literarischen Charaktere der Apostelgeschichte. • Bill. II S. 758ff. 6 Freilich ist zu beachten, daß Paulus selbst kein Gelübde ablegte und für eich selbst auch kein Opfer darbrachte. Es ging in J eruealem weniger um das persönliche Verhalten des Paulus dem Gesetz gegenüber als vielmehr um seine Einstellung zu der Gesetzesbeobachtung der in die christliche Gemeinde auf. genommenen geborenen Juden.
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die8er Form dokumentieren sollte, daß er keineswegs den Juden die Befolgung des Gesetzes verbiete. Nun ist E. HAENCHENs These nicht mehr aJs ein- wenn auch geschickter - VerBUCk, die Probleme unserer Stelle zu lösen, und als solcher kein zwingender Bewei8 für die Tatsächlichkeit des Paulus zugeschriebenen VerhaJtens. Doch wüßte ich nicht, wie man den Bericht des Lukas erkJären kann, wenn er keinen historischen Hintergrund hat. Daß Lukas diese komplizierte Geschichte erdacht hat, ist doch gerade bei seiner Arbeitsweise unmöglich anzunehmen. Und daß er hier einem unhistorischen Gerücht folgt - dessen Entstehung man erst erkJären müßte - obschon er bis mindestens 21, 18 einer vorzüglichen Quelle folgte, ist doch auch schwerlich anzunehmen, zumal dann auch die ganze Szene des Aufruhrs im Tempel und der Gefangennahme vor dem Tempel unhistarisch würde. Zudem sind, wie wir sahen, auch in 21, 20ff. die Spuren quellenmäßiger Traditionen nicht zu ü hersehen 1 , und diese Quelle kann doch nichts gänzlich anderes enthalten haben, als Lukas ihr zufolge berichtet. Nur schwerste Bedenken gegen das von Lukas geschilderte Verhalten des Paulus könnten uns bewegen, den Bericht des Lukas gänzlich zu verwerfen. Ich wüßte nicht, welcher Art diese Bedenken sein sollten. Natürlich darf man das Verhalten des Paulus nicht mit Lukas als ein Zeichen dessen interpretieren, daß er selbst in Treue zum Gesetz wandele (21, 24) 1 • Mit seinem Verhalten wollte und sollte Paulus lediglich demonstrieren, daß er keineswegs von den Juden und Judenchristen die Aufgabe des Gesetzesgehorsams fordere. Das aber hat er in der Tat nie getan. Es sei nur wiederum an die Vereinbarung des ~ Apostelkonzils' erinnert, wo er sich zu der gesetzestreuen Judenmission des Petrus ausdrückJich bekannte. Hielt er es aber für möglich oder gar geboten (l.Kor. 7, 18f.), daß man als Judenchrist in der durch das Gesetz konstituierten jüdischen Volksgemeinschaft verblieb, wenn man das Gesetz nur nicht pharisäisch als Heilsweg ansah 1 , so konnte 1 Ich möchte auch die Tatsache, daß in Apg. 21 die 12 Apostel, die bisher bei Lukas die J erusalemer Szene beherrschten, unversehens verschwunden sind, und nur Jakobus mit den Altesten begegnet, auf den Einfluß der Quelle zurückführen. 1 H. J. HoLTZMANN a.a.O. z. St. sieht sehr richtig, daß der ganze Bericht Apg. 21,20--26 von einem Bekenntnis-, nicht von einem Akkomodationsakt des Paulus spricht. Angesichts der verbreiteten Neigung, unseren Abschnitt als eine kommentierte Quelle anzusehen, sprach das gegen die Zuverlässigkeit des Berichtes; denn die Streichung der letzten 7 Worte von V. 2• konnte die Quelle nicht glaubwürdig machen. Richtig gedeutet, zeigt die Beobachtung H. J. HoLTZMANNS, daß der ganze Bericht literarisch von Luka8 stammt, der den Akkomodationsakt zu einem Bekenntnisakt umfonnte. 1 Es handelt sich dabei ja um keine unnonnale jüdische Existenz. Die Ma.sae des jüdischen Volkes war keineswegs pharisäisch gesinnt. Die an die Gesetzes. gerechtigkeit gelegten hohen Maßstäbe konnten bei weitem nicht von allen erflillt werden. Aber auch der verfluchte Am haare:, flir den es im Gesetz keine
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er es auch nicht als verboten ansehen, selbst eine gesetzliche Observanz zu beobachten, wenn es zweckmäßig war und ohne Gefahr für seine Verkündigung geschehen konnte. Er bekennt sich ausdrücklich zu solcher Praxis: "al iyev&p1JV -roi' 1ov~alot' eh, 1ov~aio,, lva 1ov~alov' "eeö~aw· -roi' 11no ."&po." eh, VnD ."&pcw, p-fj &)." mi-ro, 11no 71opo71, r."a -roo' 15no 'llopcw "eeÖ?Jaw ( 1. Kor. 9, 20). Wann hätte er diesen Grundsatz anwenden sollen, wenn nicht in der beschriebenen Situation seines letzten Jerusalemer Aufenthaltes? Ein prinzipieller Antinomiemus wäre in den Jerusalemer VerhältniBBen die beste Garantie gewesen, keine Juden zu gewinnen; darauf aber wartet er - obschon selbst nur Heidenmissionar- sehnlichst, daß auch seine Volksgenossen Jesus als den Christus bekennen möchten (Röm. 9-11). Die Auslösung einiger N asiräer nach vorhergegangener kultischer Reinigung ist zudem ein sehr milder Fall von Gesetzlichkeit, kt nnte man dieses Unternehmen doch eher als einen Akt der Wohltätigkeit ansehen, der er zweüellos war, als daß man ihn als ein Stück persönlicher Unterwerfung unter das Gesetz verstehen mußte. Zu fragen wäre nur- und hier liegt der ernsthafteste Einwand - , ob Paulus sich nicht mit seinem Verhalten derselben Heuchelei schuldig machte, die er dem Petrus in Antiochien in so großer Entrüstung vorwirft. Aber wenn wir recht gesehen hatten, waren es die möglichen Auswirkungen der Entscheidung des Petrus auf die heidenchristlichen Gemeinden, in denen Paulus das Gewicht dieser Entscheidung sah, nicht die Tat des Petrus als solche; solche Auswirkungen waren in Jerusalem nicht zu befürchten. Vor allem aber bestand die verwerfliche Handlungsweise der antiochenischen Judenchristen darin, daß sie sich von den Heidenchristen absonderten. Paulus hätte ihnen nie zum Vorwurf gemacht, wenn sie in der Zeit, da sie mit den Heidenchristen aßen, anderseits noch gesetzliche Observanzen beobachteten; vermutlich war das letztere, wir sahen, auch geschehen. Paulus dagegen tut nichts anderes, als daß er, der nicht daran denkt, seine Gesetzesfreiheit aufzugeben, zeigt, daß er die Beobachtung des Gesetzes nicht verbietet. Traut man dies dem Apostel nicht zu, so läßt man ihn sein Heil statt im Gesetzesgehorsam in der Gesetzesfreiheit finden, während er es doch in Christus findet, der jene Liebe zum Bruder fordert, die auch auf die christliche Freiheit verzichten kann (l.Kor. 8-10). 4. In diesem Zusammenhang müssen zwei andere Notizen der
Apostelgeschichte geprüft werden, die im wesentlichen dieselben Gerechtigkeit gab, hielt sich an das Gesetz. Anders konnte man als Jude nicht mit Juden leben. Es konnte für Paulus keine Bedenken geben, diesee praktische Geeetzesverständnis für die Judenchristen beizubehalten, die gewiß in ihrer Mehrzahl nicht aus pharisäischen Kreisen stammten. Sie gehörten, wie der Anti-Pharisäismus der synoptischen Tradition zeigt, zum Am hao.r~z.
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Probleme aufweisen wiediezuletzt betrachtete. lnApg.16, 1-3 wird berichtet, daß sich dem Paulus auf seiner Reise durch Lykaonien Timotheus aus Lystra als Mitarbeiter anschloß, Paulus ihn aber zuvor beschneidet. Mit Fug und Recht wird von den Exegeten nicht bestritten, daß in der Erzählung über Timotheus zuverlässige Traditionen sichtbar werden. Während 16,4f. mit Sicherheit die lukanische Handschrüt verraten 1 , könnten V. 1-3 einer Quelle entstammen. Die Verse enthalten in der Formulierung nichts typisch Lukanisches. Aber ihr Inhalt erscheint selbst E. HAENCHEN als so bedenklich, daß er in diesem Fall den Tübingern recht gibt und Lukas das Opfer einer unzuverlässigen Überlieferung geworden sein läßt 1 , ein Urteil, das nicht ganz verständlich ist angesichts seiner Behandlung der Szene in Jerusalem. Timotheus entstammt einer Mischehe; die Mutter ist Jüdin. Nach jüdischem Recht war Timotheus darum Jude 3 • Lukas gibt an, Paulus habe ihn wegen der umwohnenden Juden beschnitten. Diese hätten gewußt, daß sein Vater ein Heide war, und hätten deshalb- so stellt Lukas sich das offenbar vor- dem Paulus bei seiner Mission Schwierigkeiten gemacht. Natürlich, wenn Paulus mit seiner Mission stets in den Synagogen beginnt, kann er schlecht einen unbeschnittenen Juden als Mitarbeiter haben •! Aber wir sahen, daß es lukanische Konstruktion ist, die Missionsarbeit in den Synagogen beginnen zu lassen. Dann liegt es nahe, den Bericht von der Beschneidung des Timotheus dieser Konstruktion zuzurechnen, die in allen ihren Teilen den für Lukas so wichtigen Nachweis erbringen soll, daß das Christentum eine Spielart des Judentums ist. Jedenfalls erscheint als gewiß: Um der Mission willen, wie der lukanische Bericht meint, brauchte Paulus den Timotheus kaum beschneiden zu lassen; er war kein Judenmissionar. Was aber würde die Gemeinde in Jerusalem sagen, wenn Paulus bei seiner Mission von einem unbeschnittenen Juden als engstem Mitarbeiter begleitet worden wäre 1 Das würde dem Vorwurf, Paulus verführe die Juden zum Abfall vom Gesetz, jede nur erdenkliche Nahrung gegeben haben 6 • Der unbeschnittene Jude Timotheus hätte eine nicht geringe Belastung des Verhältnisses von Paulus zu den Judenchristen in Jerusalem werden können, dieangesichtsder Einheit der Christenheit gegenüber der jüdischen Behörde geradezustehen hatten für das, was Paulus tat. Paulus aber ist stets mit Ernst und in Einmütigkeit mit 1 A.a.O. S. 425ff./420ff. Siehe die Kommentare. Bill. II S. 741. Angesichts der Tatsache, daß Timotheus einer ungesetz· liehen Mischehe entstammt und unbeschnitten war, erweisen sich die Angaben 2. Tim. 1, 5; 3, 15 als fromme Legende. Oder war die Liberalität des hellenisti· sehen Judentums so groß, daß derart ungesetzliches Verhalten sich mit aner· kannter Frömmigkeit vertrug 7 ' Ich verstehe nicht, wie man zugleich die Beschneidung des Timotheus bestreiten und die Anknüpfung des Paulus in den Synagogen behaupten kann. 1 0. BAUBRNJ'li:IND a.a.O. S. 204. 1 3
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den Jerusa.lemern bemüht gewesen, solche Belastung zu vermeiden, um den Judenchristen J erusalems nicht das Schicksal des Stephanus zu bereiten oder ihnen die Trennung von den Heidenchristen aufzuzwingen. Angesichts dessen ist es gut denkbar, daß er Timotheus beschneiden ließ. Man darf dem nicht Gal. 2, 3 entgegensetzen. Titus, der nach dieser Stelle des Galaterbriefes nicht beschnitten wurde, war Heide, wie Paulus ausdrücklich hinzusetzt (bei einem geborenen Juden hätte sich das Problem also in anderer Weise gestellt). Ebenso ist die Bemerkung Gal. 5, 3 1 Heiden gesagt, für die die Beschneidung nichts anderes bedeuten konnte als die Übernahme des Gesetzes als einer religiösen Verpflichtung. Für den Juden dagegen war die Beschneidung zunächst Einfügung in den jüdischen Volksverband, und für viele Juden ist sie mehr nie gewesen, für den Judenchristen ist sie nur dies geblieben. In diesem Sinne hat Paulus die Gesetzesbeobachtung der Judenchristen anerkannt 1 und aus einsichtigen praktischen Gründen auf die gesetzesfreie Judenmission verzichtet. Tat er das aber, so ist nicht einzusehen, warum er nicht aus den gleichen Gründen auch den Judenchristen Timotheus beschneiden durfte. Lukas behielte dann mit seinem Bericht insofern recht, als Paulus den Timotheus um der Juden willen beschnitt, nun nicht freilich um der zu missionierenden Juden, sondern um der feindlichen Judenschaft in Jerusalem willen 8 , denen kein unnötiger und vermeidbarer Vorwand zum Eingreifen gegen die Christen geliefert werden sollte. Mit dem allen sollte nicht bewiesen werden, daß Paulus den Timatheus tatsächlich beschnitten hat. Es ist nur aufgezeigt, aus welchem Grunde sich solche Beschneidung zwanglos erklärt, ja, sie eigentlich sogar notwendig war, wenn Timot.heus tatsächlich unbeschnitten gewesen ist. Wenn darum die übrigen Bemerkungen in Apg. 16,1-3 dem kritischen Blick vertrauenerweckend erscheinen, steht der Annahme nichts im Wege, daß Timotheus wirklich von Paulus beschnitten 1 "Ich bezeuge erneut jedem Menschen, der sich beschneiden läßt, daß er das ganze Gesetz halten muß." 1 "Hatte er auch die alten Bedingungen (sc. das Gesetz) gründlich zerstört, so hatte er sie den Juden gegenüber doch nur als meritoriache zerstört. Sie als gegebene Lebensformen ftir die Juden außer Kraft zu setzen, ist ihm nie in den Sinn gekommen. So lebte er ftir gewöhnlich ·ungesetzlich', aber unter gewissen Umständen auch gesetzlich" (A. v.liARNACK, Beiträge zur Einleitung in das NT, IV, 1911, S. 38f.). 1 Natürlich mußte es auch lmd zunächst den Zorn der Juden auf dem paulinischen Missionsgebiet reizen, wenn Paulus sich mit unbeschnittenen Juden umgeben hätte. Erst von ihnen wurde auch die Behörde in Jeruealem informiert. Die ersten Folgen seines Tuns hätte Paulus also selbst zu spüren bekommen. In diesem Sinne könnte die in 16,3 gegebene Begründung für die Beschneidung des Timotheus in einer Quelle gestanden haben. 6ui ToV' 1ov6a{ov, heißt nicht notwendig: um die Judenmission zu erleichtern, sondern kann heißen: um unnötige Schwierigkeiten seitens der Juden (bei der Heidenmission) zu vermeiden.
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wurde. Bei dieser Annahme kann man dann auch auf die schwierige Aufgabe verzichten, eine Erklärung für das Aufkommen der unhistorischen Legende von der Beschneidung des Timotheus zu finden; denn daß Lukas die ganze Geschichte frei erfunden hat, widerspricht durchaus seiner schriftstellerischen Art 1 • Die andere in diesen Zusammenhang gehörende Notiz findet sich Apg. 18, 18: Paulus fährt nach Syrien ""Etf!apEVot; ev Kerxeeait; n}v "EfPaÄ?}v. elxev eüx?]v". Diese Bemerkung bezieht sich schwerlich auf Aquila, der Paulus begleitet, sondern auf den Apostel selbst, wie die Exegeten mit wenigen Ausnahmen annehmen 1 . Offenbar ist an ein Nasiräatsgelübde gedacht 8 • Dazu ließ man sich aber die Haare ~en. nicht schneiden. Die Auslösung solchen Gelübdes hatte in Jerusalem zu erfolgen. Daß man sich bereits vorher im Ausland die Haare abschneiden durfte, ist nicht bezeugt •. Mindestens 30 Tage mußte der aus dem Ausland kommende Jude in Judäa leben, bevor er die Ausweihungszeremonien im Tempel vornehmen konnte 6 • Paulus hätte sich also zum wenigsten einen Monat in J erusalem aufhalten müssen. Dabei wird die hier genannte Reise nach Jerusalem überhaupt ernsthaft in Zweifel gezogen•. Die ganze Bemerkung des Lukas ist demnach in sich kaum verständlich. Daß sie auf irgendeine Nachricht zurückgeht, die Lukas verwertet, ist nicht ausgeschlossen. Aber nichts erfahren wir, das uns solche Nachricht verstehen ließe. Wenn Paulus wirklich nach Jerusalem gereist ist, könnte er vorbeugend das getan haben, was ihm bei seiner letzten Ankunft in Jerusalem die Judenchristen nahelegen. Aber solche Annahme bleibt reine Spekulation und ist überdies wenig wahrscheinlich. Näherliegend ist die Vermutung, Lukas habe - wenn auch nicht unbedingt die ganze Reise, so doch- das Gelübde in 18,18 der Szene von Apg. 21,15-26 nachgebildet, um damit dasselbe deutlich zu machen, was er dem späteren Bericht interpretierend hinzufügt: welch ein gesetzestreuer Christ Paulus doch gewesen sei. Nicht unmöglich ist auch, daß Lukas neben der guten Quelle vom letzten Jerusalemer Aufenthalt des Paulus eine sehr schlechte Tradition desselben Ereignisses besaß, die er, vielleicht ohne die Dublette zu bemerken, in die syrische Reise des Paulus einbaute. Die Nachriebt von dieser Reise nach Syrien nämlich verdient einiges Zutrauen, während es unerklärlich ist, warum Paulus von Ephesus nach Antioebien ü her Cäsa.rea fährt 7 •
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1 Natürlich konnte Lukas diesen Bericht gut verwerten. Ließ sich doch an ihm emeut demonstrieren, wie eng Paulus und die Heidenchristen dem Judentum verbunden blieben. 1 Z.B. E. PREusCHEN a.a.O. a Vgl. Apg. 18,18 mit 21,23f. ~ Ebd. t Bill. II S. 749. 1 E. HAENCHEN a. a. 0. 8. 489f./483 f. 7 E. HAENCHEN a.a.O. 8. 489f./483f.
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VI. DAS "APOSTELDEKRET' Da.s Problem des Aposteldekrets hat durch E. HAENCHEN 1 eine so vortreffliche Behandlung erfahren, daß wir uns zu dieser Frage kurz fassen können. Die vier Bestimmungen des Dekrets entstammen dem Helligkeitsgesetz des Alten Testaments und finden sich dort in der Apg. 15,29 und 21,25 1 vorliegenden Reihenfolge•: Enthaltung von Götzenopfer•, Blut, Ersticktem 6 , Hurerei' (Lev. 17f.)'7. Diese Bestimmungen werden nicht nur den Juden, sondern auch den Heiden im jüdischen Lande eingeschärft: Lev. 17,8. 12. 13; 18,26. Ihre Übertretung verunreinigt nämlich das ganze Land. Ihre Beachtung durch die Heiden ermöglichte dagegen ein jüdisch-heidnisches Zusammenleben. Diese Bestimmungen dienten also nicht der Abschließung der jüdischen Bevölkerung von den fremdländischen Personen, sondern der Heilighaltung des Gelobten Landes und damit der Ermöglichung des gesetzlichen Lebens dortselbst. Sie blieben für das Leben in Pa.lästina bis in die rabbinische Zeit hinein gültig 8 und haben zweüellos auch für die Gottesfürchtigen in der Diaspora in Geltung gestanden •, jeweils ergänzt durch das auch für Nichtjuden verbindliche Sabbatgesetz und andere Bestimmungen (Verbot von Schweinefleisch u. ä.). Sie bilden auch den Grundstock der 7 sogenannten noachischen Gebote, die von den rabbinischen Gelehrten als die alle Menschen verpflichtenden Ordnungen Gottes zusammengestellt wurden, freilich kaum praktische Bedeutung gehabt haben werden 10 • Die Anordnungen des Aposteldekrets sind also mosaische Regeln für die Heiden. Das hat Luka.s gewußt, wie Apg. 15, 20f. zeigt. Im Rahmen 1 A.a.O. S. 415-419/410--414; vgl. ders. in 'Judentwn, Urchristentwn, Kirche', Festschrift für J. Jeremias, BZNW 26, S. 160ff. 1 Wir lassen die zweifellos spätere 'westliche' Formulierung des •Aposteldekrets• unberücksichtigt. V~l. W. G. K'ÖlOIBL, Die älteste Fonn des Aposteldekrets (in "Spiritus et Ventas", 1953, S. 83-98). 1 Vgl. H. W AITZ, Das Problem des sogenannten Aposteldekrets, ZKG 55, 1936, s. 228f. • Verbot des Essens von Götzenopferßeisch, damit erst recht des Opfers in heidnischen Tempeln. • Ungeschä.chtetes Fleisch. ' ~ela steht hier für die nach Lev. 18,~18 verbotenen Verwandtenehen; Bill. 11 S. 729f. Anders W. G. KtnomL, Die älteste Form des Aposteldekrets (in "Spiritus et Veritas", 1953, S. 83-98). 7 Keineswegs meinen die ersten drei Bestimmungen dasselbe, wie H. Lu:TZKANN (Kleine Schriften, II S. 292ff.) meint. Ein Blick in Lev. 17f. widerlegt dieee Au.ffaasung. 1 Bill. li S. 721 ff. 1 Die rabbinischen Schriften erwähnen aus naheliegenden Gründen (s. Bill. li S. 716f.) die aep&IU'Po' nur selten. So sind wir für ihre Kenntnis vor allem auf das Neue Testament angewiesen. Vgl. auch Joeephus c. Apion 2, 10. 39. Vgl. auoh H. J. 8ouoBPS [1] 8. 232ff.; s.o. 8. 50. Je Bill. II S. 722; 111 8. 36ff.
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Das "Apoeteldekret"
seiner Da.rstellung bezeugt das ~Aposteldekret' folglich den von Lukas stets betonten Einklang von (Heiden)christentum. und Judentum. 1 . Wie aber ist dies Dekret historisch zu bewerten 1 Daß es auf dem ~Apostelkonzil" beschlossen wurde, scheitert rundweg an Gal. 2, 6 1 • Die Mehrzahl der Exegeten nimmt heute an, daß es aus der Zeit nach der von Paulus berichteten Szene in Antiochien (Gal. 2, 11 ff.) stammt und von den Judenchristen den Heidenchristen empfohlen wurde, um die Tischgemeinschaft beider zu ermöglichen 3 • Man stützt sich für diese These auf Apg. 21,25. Hier wird, so argumentiert man, das ~ Aposteldekret' als etwas dem Paulus Unbekanntes eingeführt, obschon Paulus es doch selbst von Jerusalem nach Antiochien (Apg.15, 22ff.) und in sein Missionsgebiet (Apg. 16,4) gebracht haben soll. Folglich liegt in 21, 25 ein Quellenbericht vor, den Lukas mit seiner sonstigen Da.rstellung nicht ausgeglichen hat. Dieser Quellenbericht weiß von der Entstehung des Aposteldekrets in J erusalem und läßt es hier dem Paulus zum ersten Male mitgeteilt sein. Diese Erklärung stimmt mit der Tatsache überein, daß Paulus in keinem seiner Briefe Kenntnis der in dieser Anordnung erlassenen Bestimmungen zeigt, wohl aber im Gegensatz zu diesen Bestimmungen den Heidenchristen das Essen von Götzenopferfleisch gestattet (l.Kor. 8-10)•. Aber schon F. ÜVERBECK 6 und H. J. HoLTZMANN 1 haben besser gesehen, worauf auch E. HAENCHEN 7 mit Recht besteht, daß es nicht eine Quelle, sondern Luka8 ist, der in Apg. 21, 25 das ~ Aposteldekret' anführt. Nicht, um Paulus etwas Neues mitgeteilt sein zu lassen, sondern um die LeBer davon zu unterrichten, wie man es mit den Heidenchristen halte, nachdem sie gehört hatten, daß die Judenchristen das Gesetz gänzlich beachten sollten. Solche Nachricht dem Leser E.ILu:NOBEN a.a.O. S. 416f./411f. Anders z.B. LYDER BRUN, Apostelkoncil und Aposteldekret, in "Paulus und die Urgemeinde", 1921; A. S. 0EYSER a.a.O. S. 124ft". 1 Die lange Liste der Forscher (bei E. HAENCHEN a.a.O. S. 415/410; vgl. 0. Cui.LMANN a.a.O. S. 53ft".), die diesen Standpunkt vertreten, ließe sich ver· längem. Hier hat sich ein erstaunlicher Konsensus herausgebildet, erstaunlich vor allem augesichte seiner geringen exegetischen Basis. • R. BULTMANN (Zur Frage nach den Quellen der Apostelgeschichte, in: •New Testament EBB&ys', Sturlies in memory ofT. W. MANSON, 1959, S. 71ft".) vennutet in Auseinandersetzung mit E. IIAENCBEN und nach Vorgang von W. BousSET (ZNW 14, 1913, S. 156-162) darüberhinaus, daß in Apg. 15 eine schrütliche Quelle benutzt ist, "die von einer Verhandlung in Jerusalem be· richtete, deren Ergebnis das Dekret war" (a. a. 0. S. 73). Erst Lukas soll Paulus und Barnabas in diese Quelle eingeführt haben. Dagegen mit RechtE. IIAEN· CBEN (s. S. 81 Anm. 1) S. 160ft". 5 Kurze Erklärung der Apostelgeschichte, von W. M. L. de WETTE, Leipzig 1870•, s. 379f.; 383f. • A. a. 0. S. 132. Vgl. auch A. LoiSY, Lee Actee des Apötree, Paris 1920, S. 799 f. 7 A.a.O. S. 417/412; 547/541; s. auch H. DmELIUS [2] S. 89. 1
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wiederholt einzuschärfen, war Lukas wichtig; zeigte doch die Tatsache des ~Aposteldekrets' die ~juda.isierende' Tendenz der Heidenchristen - d. h. in W a.hrheit des Lukas eigene Tendenz - a.uf. Da.ß Lukas das ~ Aposteldekret' dem Pa.ulus zweimal zum ersten Male mitgeteilt sein läßt, ist selbst einem so großzügigen Schriftsteller, wie Lukas war, nicht zuzutrauen. Wir erfahren also von Lukas in W a.hrheit überhaupt nicht, wo das Dekret entstanden ist, da. es a.uf dem Apostelkonzil jedenfalls nicht entstanden sein kann. E. HAENCHEN 1 nimmt an, es sei z. Zt. des Lukas in Geltung gewesen, vielleicht schon vor ihm den Aposteln zugeschrieben und von ihm in der bekannten Weise historisch eingeordnet worden. Nun ist in der Tat richtig, daß die Christen das Verbot der Verwandtenehen (noe"ela) beibehielten; es entspricht im wesentlichen ja. auch römischem Recht 1 . Auch ist für das 2. Jh. eine starke Aversion gegen das Essen von Götzenopferfleisch festzustellen: J ust. Dia.l. 34, 8; 35, lff; Apk. 2, 14. 20; Iren. I 6, 3; 24,5; 26,3; 28,2; Tert. ha.er. 33. Diese- zu vermehrenden- Stellen lassen aber keinen Zweifel da.ra.n, daß es stets der Kampf mit der Iibertinistischen Gnosis ist, der den kirchlichen Christen das Verbot des Götzenopferfleisches na.helegt. Schließlich zeigen Minucius Felix 9,5; Euseb. K.G. V 1, 26 und Tert. Apol. 9, 13, daß die Christen sich gegen den stereotypen Vorwurf 1 des Kindermordens und -verzehrens mit dem ebenso ständigen Hinweis auf den Inhalt des ~ Aposteldekrets' wehren, das ihnen sogar den Genuß von Tierblut und Ersticktem verbiete; man wird sich demnach, jedenfalls in Verfolgungszeiten, auch entsprechend verhalten haben. Aus sehr verschiedenen aktuellen Gründen hatten also die Verhaltensweisen, die auch das ~ Aposteldekret' empfiehlt, für die Christen im 2. Jh. Bedeutung, nicht aber, um das Zusammenleben von Judenchristen und Heidenchristen zu ermöglichen. Darum ist nicht zu schließen, daß bis in diese Epoche das ~ Aposteldekret' in Geltung geblieben sei. Nicht die judenchristliehen Forderungen des sogenannten Aposteldekrets bewegten die Christen, Götzenopferfleisoh, Ersticktes und Blut nicht zu essen und Verwandtenehen zu unterlassen, ebensowenig natürlich der Abschnitt Lev.17f. selbst, sondern der Kampf gegen die Gnosis hier, die Abwehr heidnischer Vorwürfe dort und die Beachtung der staatlichen Gesetze da.. Die Parallelität dieser jeweils einzelnen und voneinander unabhängigen Handlungsweisen mit dem summarischen Inhalt des ~ Aposteldekrets' ist zufällig, und die Verhält_ nissedes 2. Jh.s helfen nicht, den Ursprung des ~Dekrets' aufzuklären ' 3 1 A.a.O. S. 417f./412f.; vgl. H. CoNZELKANN in: RGG Ill Sp. 136f.: "In nachapostolischer Zeit finden wir es in allgemeiner Geltung." 1 Vgl. H. BALTENBWEILER, Die Ehebru~hsklauseln bei Matthäus, ThZ 15, 1969, S. 350f.; ders., Erwägungen zu l.Thess. 4,3-8, ThZ 19, 1963, S. 7f. 1 Vgl. noch K. RunoLPH, Die Mandäer, I, FRLANT 74, 1960 S. 39 Anm. 6.
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auch wenn man im 2. Jh.gelegentlich das kirchliche Verhalten mit diesem durch Lukas bekannt gewordenem Dekret in Verbindung brachte. So bleibt man auf Vermutungen angewiesen. Zu den unwahrscheinlichen dieser Vermutungen gehört jene, die die 4 Forderungen irgendwo erlassen denkt, um die Mahlgemeinschaft zwischen Judenchristen und Heidenchristen zu ermöglichen. Jene 4 Gebote haben Sinn, wenn sie die Heiligkeit Palästinas bewahren sollen. Sie sind auch als Grundstock der einem Gottesfürchtigen empfohlenen Observanzen sinnvoll. Aber speziell als Grundlage der Mahlgemeinschaft waren sie nicht geeignet 1 . Sie hätten nicht einmal Gewähr dafür geboten, daß kein verbotenes Fleisch, z.B. Schweinefleisch, serviert wurde, oder daß der Wein nicht Libationswein wa.r. So spielt denn Lev.17f. auch keine Rolle innerhalb der rabbinischen Regeln für die Tischgemeinschaft mit den Heiden 1 • Speziell für die Abendmahlsgemeinschaft, bei der kein Fleischgenua üblich wa.r, war das ~Dekret' gänzlich unpassend. Und doch war die gemeinsame Abendmahlsfeier gewiß der Präzedenzfall der Tischgemeinschaft zwischen Judenchristen und Heidenchristen überhaupt. Vielleicht haben die Bestimmungen des ~ Aposteldekrets' darum ihren ~sitz im Leben' nie in der christlichen Gemeinde gehabt•, sondern sind Lukas, da er sie kaum direkt aus Lev. 17f. entnommen haben wird, aus Kreisen des Diasporajudentums zugeßossen •, wo sie als eine Mindestregel für die unbeschnittenen, jedoch im Verband mit der Synagoge lebenden gottesfürchtigen Heiden in Geltung gestanden haben könnten und dürften; denn das Zusammenleben von Juden und Heiden in der Synagoge benötigte zweifellos ähnliche Reinheitsvorschriften, wie sie Lev.17f. für das Zusammenleben beider auf dem Boden Palästinas bezeugt 5 • Wie gut Lukas dies ~Dekret' verwerten konnte, haben wir gesehen. 1 V~l.
K. T. SciiÄDR, Art. •Aposteldekret' in RAC I Sp. 556f. Blll. IV 1 S. 374ft'. Auch Lukas wird kaum eine Beziehung zwischen dem •Ap
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Es möchte freilich auch sein, "daß eine ursprünglich von den sog. ae{Jop.not ausgebildete Lebensordnung allmählich auch bei den Heidenchristen, die ja vielfach in einem solchen Verhältnis zum Judentum gestanden hatten, Eingang gefunden habe" 1 • Das könnte dann aber nur in sehr beschränktem Maße der Fall gewesen sein, denn außerhalb der Berichte der Apostelgeschichte sind keine Spuren von der Existenz des •Aposteldekrets' in der frühchristlichen Literatur zu finden 1 • Auch wissen die Paulusbriefe nichts von dem von H. J. HoLTZMANN vermuteten Vorgang, der doch je später desto unvorstellbarer ist. Gänzlich ausgeschlossen ist, daß sich in den heidenchristliehen Gemeinden nach dem Tode des Paulus - denn zu seiner Zeit waren den Gemeinden die 4 Gebote unbekannt - das •Aposteldekret' als judenchri8tliche Forderung noch hätte durchsetzen können. Das könnte nur ausnahmsweise dort geschehen sein, wo die Judenchristen in der Mehrheit waren, also kaum anderswo als in Jerusalem. Da{J es dort geschehen ist, dafür gibt es aber keinen Hinweis, auch nicht bei Lukas. Wie es sich im einzelnen damit auch verhalten mag, so oder so kommt dem ·Dekret' keine gewichtige Bedeutung für die Frage nach dem Verhältnis zwischen J udenohristen und Heidenchristen zu; denn nach allem Gesagten ist es nicht nur zweifelhaft, ob es im Urchristentum entstanden ist, sondern auch, ob es dort jemals überhaupt in Geltung gestanden hat. VII. JUDAISTEN? Wir fassen das Ergebnis dieser Untersuchung zusammen. Paulus und die J erusalemer waren stets um die Wahrung der kirchlichen Einheit besorgt 1 . Daß das keine ganz einfache Aufgabe war, lag nicht Zusammenhang sieht, um so weniger läßt sich ein Sitz des •Aposteldekrets• im Leben der frühchriatlichen Gemeinden behaupten. Schließlich verweise ich auf E. DINKLER, Zum Problem der Ethik bei Paulus, ZThK 49, 1952, S. 195f. und auf die dort S. 195 Anm. 5 angegebene Literatur, aus der ersichtlich ist, welchen großen Einßuß Lev. 17-20 überhaupt auf das hellenistische Christentum gehabt hat, und zwar, wie man annehmen muß, in Übernahme synagogaler Anweisungen fdr Proeelyten und Gottesfdrchtige, denen das Helligkeitsgesetz Lev. 17-20 zugrunde gelegt wurde. I H. J. HoL".l"ZJUNN a.a.O. S. 98. 1 H. LIETZMANN vermutet (Kleine Schriften, II S. 297f.), da.ß es in Korinth in verkürzter Form bekannt gewesen und von den Korinthern zum Gegenstand einer Anfrage in ihrem von Paulus in l.Kor. beantworteten Brief ~macht worden sei. Aber diese Anfrage hat einen anderen Hintergrund; vgl. Die GnoN in Korinth, S. 183ff. 1 So auch H. J. SoHOEPS [1] S. 57--64, der zu dem Ergebnis kommt, da.ß Paulus und die J erusalemer "zusammen und nicht gegeneinander gewirkt haben''. ,,Die Tübinger Vorstellung von der tiefen Kluft zwischen Paulus einerseits, Jakobus und Petrus anderseits ... hält unparteilicher Nachprüfung nicht stand" (S. 62f.).
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zuerst an möglicherweise vorhandenen theologischen Unterschieden zwischen Paulus und Jakobus 1 , sondern an der Notwendigkeit und Schwierigkeit, für die judenchristliche Gemeinde eine Existenzmöglichkeit in Jerus&lem bzw. Palästina zu bewahren. Diese Notwendigkeit verlangte von den Heidenchristen bestimmte Rücksichtnahmen im Blick auf ihre Agitation unter den Juden, die von Paulus zugesichert und beachtet wurden: Er verzichtete auf die J udenm.ission, zu der die J erusalemer sich verpflichteten. Auf diese Weise konnte die Einheit der Kirche bis über das J &hr 60 hinaus - und das heißt praktisch bis zum jüdischen Aufstand, der sowieso neue Verhältnisse schuf - gesichert werden, wenn auch die Jerusalemer Judenchristenheit nicht ganz von blutigen Verfolgungen verschont blieb. 1 Die im engeren Sinne theologieeben Fragen hat tmsere Untersuchtmg weitgehend beiseite gel888en. Das geschah nicht aus Desinteresse an dieser Problematik, sondern lag in den Texten begründet, die über das Verhältnis von Paulus zu Jakobus mancherlei sagen, dabei aber gerade nicht theologische Differenzen anvisieren. Gerade solche theologischen Differenzen freilich gelten der bisherigen Forschung als die eigentliche Quelle der Spanmmgen zwischen Judenchristen tmd Heidenchristen. Nun liegt es mir fern, die theologische Mannigfaltigkeit des Urchristentums im geringsten in Zweifel zu ziehen. Aber theologische Unterschiede zwieehen Paulus und Jakobus hatten jedenfalls keine kirchentrennende Bedeuttmg; vgl. 0. Cul.I.JuNN a.a.O. S. 56ft'. Man mag fragen: Wie stand es mit der Christologie? Nun, es stand so mit ihr, daß selbst Paulus eine Christologie in unserem Sinne gar nicht besaß. Für die gesamte Urchristenheit ist die Christologie das Variable (H. BRAUN, Der Sinn der Neutestamentlichen Christologie, ZThK 54, 1957, S. 341ft'.). Und die Frage des Gesetzes? Wir waren gelegentlich bereits darauf zu sprechen gekommen. Gewiß lebte die Urgemeinde in Jerusalem so wenig wie die ganze synoptieehe Tradition in den Begriffen der paulinischen Rechtfertigungslehre. Aber wie Paulus suchte sie ihr Heil in Christus und nicht im Gesetz. Die Rechtfertigungslehre des Paulus ist anti-pharisäieeh und wird an keiner Stelle in antijudenchristlicher Frontstellung entwickelt. Ein falsches historisches Verständnis des Galaterbriefes hat in dieser Hinsicht viel Verwirrung gestiftet. Bestanden entscheidende Differenzen zwieehen Paulus und den Jerusalemern in ihrer Stellung zum historischen Jesus? Angesichts der Tatsache, daß Paulus den historischen Jesus praktisch ignorierte, scheint dies der Fall gewesen zu sein; denn daß auf der Seite der J erusalemer die gleiche Ignoranz vorliegen könnte, hat m. W. noch niemand erwogen. Indessen muß man sich auch hier vor einem zu sicheren Urteil hüten. Die Stellung des Paulus zum historischen Jesus scheint im Urchristentum nicht singulär, sondern viel eher typieeh gewesen zu sein (s. W. ScBKITHALS, Paulus und der historische J esus, ZNW 53, 1962, S. 145ft'.), und die Tatsache, daß Paulus nie gegen den historieeben Jesus oder gegen eine auf ihn sich stützende Theologie oder Verkündigung polemisiert, gelegentlich vielmehr bedauert, kein Herrenwort zur Ventigung zu haben und überhaupt kaum Kenntnis der historischen Jesus-Tradition besitzt, läßt es angesichts der relativ engen Verbindung, die zwischen Paulus und Jerusalem bei der gemeinsamenMissioll881'beit bestand, nicht eben als wahrscheinlich erscheinen, daß sich die Stellung der J erusalemer Gemeinde zum historischen J esus radikal von der des Paulus unterschied. Kurzum: Die Selbstverständlichkeit, mit der unsere Forschung seit der Tübinger Epoche schwerwiegende theologische Gegen8iüu zwischen Paulus und Jakobus zur selbstverständlichen Voraussetzung aller Untersuchungen über daa Urchristentum macht, ist der Revision dringend bedürftig.
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Nun ist das Verhältnis von Paulus zur Urgemeinde in Jerusalem zwar nur ein Sonderfall der Beziehungen zwischen Heidenchristen und Judenchristen überhaupt, aber dieser Sonderfall ist ohne Frage kennzeichnend für dies gesamte Verhältnis, zumal der Einflußbereich von Paulus auf der einen Seite und Jakobus bzw. Petrus 1 auf der anderen einen beträchtlichen, wenn nicht den überwiegenden Teil der damaligen Christenheit umfaßte. Damit ist nicht gesagt, daß sich alle Richtungen der Urchristenheit in das von uns gezeichnete, im Grunde recht einfache Bild einordnen lassen. Auch wenn man von der Gnosis absieht, bleiben noch Reste, die sich mit diesem Bild auf den ersten Blick sohlecht vertragen. Sie sind bei genauem Zusehen freilich geringer, als die moderne Forschung auch in der Auseinandersetzung mit F. C. ßAUR anzunehmen geneigt ist 1 • Wo finden sich solche Reste 1 Wir kennen, von Gnostikern abgesehen, kein Glied der Urchristenheit mit Namen, das sich außerhalb der durch die Gestalten des Paulus und Jakobus bezeichneten schiedlich-friedlichen Gemeinschaft der Christenheit stellte. Die Auseinandersetzung zwischen Paulus einerseits und Petrus und Ba.rnabas anderseits spielte sich innerhalb dieser Gemeinschaft ab und hat sie nicht in Frage gestellt. Apollos ist nur durch eine falsche Exegese gelegentlich zu einem Gegenspieler des Pa.ulus gemacht worden, der von ihm nur als von einem Mitarbeiter spricht. 1 Nicht selten rechnet man mit Spannungen oder Differenzen zwischen Petrus und Jakobus bzw. den von beiden vertretenen judenchristliehen Kreisen; vgl. z.B. 0. CULLMANN a.a.O. S. 51. 56ff.; s. auch u. S. 96 Anm. 1. Unsere Untersuchung der in Frage kommenden Texte hat nichts ergeben, was in diese Richtung deutet. Die von Paulus in Gal. 2, 11 ff. berichteten Ereignisse in Antiochien bezeugen im Gegenteil die grundsätzliche Gemeinsamkeit im Handeln von Petrus und Jakobus: Petrus fügt sich den Wünschen der Jerusalemer offenbar ohne Vorbehalt. Paulus sieht in allen Fällen die Judenchristen Palästinas als eine von Petrus und Jakobus vertretene Einheit an. Theologische Unterschiede dürften natürlich auch im judäischen Judenchristentum bestanden haben; doch wissen wir darüber nichts, weil wir von der judenchristliehen Theologie Judäa.s aus der Zeit vor 70 überhaupt kaum etwas Sicheres wissen. Wenn sich die späteren Ebioniten auf Jakobus und nicht auf Petrus stützen, so ist das ein Zeichen dessen, daß sie aus dem frühen palästinischenJudenchristentwn hervorgegangen sind, an dessen Spitze in J erusalem Jakobus stand, während Petrus, wie z.B. der 1. Petrushrief zetgt, in der Judenchristenheit der Diaspora das Ansehen der führenden Gestalt besaß (vgl. o. S. 40f.). Spannungen zwischen Jakobus und Petrus sind daraus nicht zu erschließen, auch keine mehr als bei Petrus zum Judaismus tendierende Einstellung des J akobus, die natürlich möflich ist. Auch H. J. SCHOEPS [1] S. 57-64 überschätzt bei richtiger Einschätzung der Stellung des Jakobus zu Paulus bei weitem die Bedeutung der intransigenten Judaisten. Er läßt sich durch Apg. 15 irreführen, Jakobus und Petrus die maßgebenden M&nner einer Mittelgruppe sein zu lassen, zu deren Linken Paulus steht, während zu ihrer Rechten "die pharisäisch-konservativen Urchristen in Jerusalem", die eigentlichen Judaisten, eine starke Stellung haben sollen (S. 59).
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Zweifellos sind die Anfänge des Judenchristentums nicht ohne Einfluß geblieben auf die späteren judenchristliehen Sekten, über die wir durch die Kirchenväter, durch Evangelienfragmente, da.s PseudoClementinische Schrifttum und einige andere Quellen leidlich unterrichtet sind. Das beweist schon die Tatsache, daß Jakobus der 'Heros' dieser Kreise ist 1 • Diese Sekten aber zeigen von der großkirchlichen bis hin zur gnostischen Ausrichtung eine solche Mannigfaltigkeit und dabei zahlreiche eindeutig fremde Einflüsse, daß es unmöglich ist, aus ihren Überlieferungen authentisches Material für die Einstellung der judenchristliehen Urgemeinde zu gewinnen 1 . H. J. ScHOEPS beschränkt sich darum in seiner 'Theologie und Geschichte des Judenchristentums' ([2] vgl. z. B. S. 7) mit Recht auf das Judenchristentum nach 70 1• Diese Feststellung will nicht besagen, daß die häretische Entwicklung des Judenchristentums erst nach 70 eingesetzt haben muß; sie besagt aber, daß den Quellen des von der Kirche als häretisch ausgeschiedenen Judenchristentums kein Beweis für ein vor dem J a.hre 70 existierendes häretisches Judenchristentum entnommen werden kann, erst recht keine gesicherte Nachricht über das Wesen solcher Häresie •. Für die Beantwortung unserer Frage scheiden natürlich auch die Gegner aus, die Paulus in seinen Briefen als Eindringlinge in seine Gemeinden bekämpft. Es ist heute in Modifizierung und Erweichung des F. C. BAURSchen Geschichtsentwurfs üblich geworden, sie oder doch Gruppen von ihnen irgendwelchen judenchristliehen Kreisen Palästinas mit ultra-jakobinischer Tendenz zuzurechnen 1 , die zwar nicht direkt von Jakobus gesandt wurden, sich aber doch mit gewissem Recht auf ihn beriefen; meist schreibt man diesen Gruppen neben der extrem judaistischen auch mehr oder weniger starke hellenistische oder gnostisierende Tendenzen zu •. Aber es ist mißlich, aus einzelnen Abschnitten der Paulusbriefe die verschiedensten Häresien zu konstruieren, von denen wir weder vorher noch nachher etwas hören. Es ist erst recht mißlich, widerstreitende Hypothesen mit der mehr als problematischen und durch keinen Text gedeckten Auskunft zu Vgl. auch H. J. SoBOEPS [3] S. 8; s. u. Vgl. K. RUDOLPB, Die Mandäer, I S. 245. Leider hält er diesen löblichen Grundsatz nicht konsequent genug durch, was ihm den berechtigten Tadel seiner Kritiker eingetragen hat. Seine Ver· teidigung gegen diese Kritik [3] S. 3---29 macht die letztere in dieser Hinsiebt nur noch berechtigter. ' Vgl. z.B. das Urteil von G. STBBCXEB a.a.O. über die älteste Quelle dieser Literatur: "Freilich läßt sich nicht nachweisen, daß der Kll-Autor in irgend· einer Form auf die Urgemeinde zurückgehendes Traditionsgut verwandt habe" (8. 196; vgl. S. 253). • Vgl. w. o. K'ÖJOIEL in: Roo• m sp. 969; H. J. ScBoEPS [31 s. 7. 1 H. KösTEB in: RGG 1 111 Sp. 18. l 1 1
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harmonisieren, jene Leute hätten sich zwar tatsächlich, aber zu Unrecht auf Jakobus (und Petrus) berufen. Es erscheint mir als sicher, daß diese Gegner sämtlich jüdische oder judenchristliche Gnostiker waren. Als solche haben sie mit der judenchristliehen Urgemeinde wenig oder nichts zu tun. Daß und warum das sogenannte Aposteldekret für unsere Fragestellung nichts einträgt, wurde bereits gezeigt. Übrig bleiben als mögliche Belege eines häretischen Christentums in frühchristlicher Zeit - immer abgesehen von der Gnosis 1 - je eine Bemerkung bei Paulus und in der Apostelgeschichte sowie einige Abschnitte der synoptischen Tradition. Dabei handelt es sich stets um mögliche Hinweise auf ein extremes Judenchristentum. Daß aus der Zeit vor 70 Spuren eines kirchlichen Heidenchristentums erhalten geblieben sind, das in ultrapaulinischer Radikalität den Antinomiemus für Juden und damit die Aufgabe der Jerusalemer Vereinbarung forderte, ist mir nicht bewußt 1 • Leider haben wir keinerlei Nachrichten aus jenem Raum, der die eigentliche Heimat der frühchristlichen Häresien gewesen zu sein scheint: Ostsyrien und das Zweistromland. Besäßen wir solche Nachrichten, würden sie freilich für unsere Fragestellung vermutlich uninteressant sein; allem Anschein nach ist in jenem Raum eher ein gnostisches als ein judaistisches Judenchristentum zu Hause gewesen. Die erwähnte eine Bemerkung bei Paulus findet sich Ga.l. 2, 4f. : "6ca 6e 'roV' nCJ(!swmaov, tpev&l6i).qJov,, olTt"s' nCJ(!staiji.l}o" xaTamconijaat np, i).eviJsela" fJp.öw 1}-v lzop.BJ~ b X(!taTip 1YJaoii, l"a fJp.ä, xa'raOOvÄcbaovat-v· ok oo6e n(!O, W(!a" siEap.s-v 'rfi tmoTayfi, l-va fJ tll?}Deta TOO wayyeÄlov 6tap.elvn ne0' vp.ä,.'' Dieser Satz enthält viele Probleme. Uns interessiert nur die Frage, wer die hier genannten falschen Brüder waren. Sie haben sich in die Beratungen hineingeschlichen, gehören also eigentlich nicht zu dem sich versammelnden Bruderkreis; sie wollen die (Gesetzes)freiheit der Christen auskundschaften oder gar amtlich inspizieren 8 ; ihr Ziel ist offenbar die neuerliche Unterwerfung des Paulus unter das Gesetz. Bei diesen Leuten kann es sich um Juden gehandelt haben, die in amtlichem Auftrag die Einstellung der Christengemeinde untersuchten. Es kann ja kein Zweifel daran sein, daß die Christengemeinde, zumal nach der Verfolgung des Stephanuskreises, unter behördlicher Beobachtung stand. Die Juden mußten über die Stellung der Christen zum 1 Auch die S. 26f. Anm. 6 Absatz 2 angesprochene Problematik bleibt hier unberücksichtigt. 1 Der früh aufgelöste Stephanuskreis darf hier unberücksichtigt bleiben. • Siehe H. SoHLlEB [1] S. 39.
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Gesetz unterrichtet bleiben, und die •falschen Brüder' 1 haben doch mit einigem Gewicht auftreten können. Damit würde die vorne (S. 42) ausgesprochene Vermutung harmonieren, daß die Abmachungen des •Apostelkonzils' für die jüdische Behörde offiziell protokolliert wurden. Verhält es sich so, dann könnte das ·wir' in exoJJE'fl und das ~J.lät; Paulus und die ·säulen', also die gesamte Christenheit, umfassen. Durchweg nimmt man allerdings an, diese falschen Brüder seien Glieder einer zwar extrem judaistischen Gruppe der Urgemeinde, aber doch getaufte Christen gewesen 1 . Das Gewicht, mit dem sie auftreten und sich auch Gehör zu verschaffen vermögen, spricht freilich dagegen, in ihnen nur eine kleine christliche Sondergruppe zu sehen. Auch begegnen solche Leute bei Paulus sonst nie. Die Urgemeinde erscheint bei ihm als eine Einheit, und seine Gegner in Jerusalem sind sonst stets die Juden. Das nae . .. in naeeurax-rovt; und in naeeurij).{}ov bezeichnet die Eindringlinge betont als solche, die in der christlichen Gemeindeversammlung nichts zu suchen haben; das gilt für Juden, schwerlich aber für irgendwelche Judenchristen in Jerusalem. Anderseits läßt sich natürlich gut verstehen, wenn in Teilen der gefährdeten Jerusa.lemer Christenheit, insonderheit unter dem Eindruck der Verfolgungen, eine größere Neigung zu gesetzestreuem Leben sich zeigte, um so einer drohenden Verfolgung zu entgehen. An solche Tendenzen denkt Paulus offenbar Gal. 5,11; 6, 12f., und es steht nichts im Wege, die Ansätze zum Antipaulinismus des häretischen Ebionitismus in dieser frühen Zeit zu suchen. Eine verbindliche Entscheidung in dieser Frage wage ich nicht zu fällen, obschon mir die erstere Vermutung die weitaus wahrscheinlichere zu sein scheint 3 • 1 Daß Paulus ungetaufte Juden nicht habe Y'Etl«5a«5d«pat nennen können, sollte man nicht sagen. Die Anrede 'Bruder' Iür den Religionsgenossen stammt aus dem Judentum, und es ist nur natürlich, daß die Abgesandten der J erusalemer Judenschaft sich auf dem 'Apostelkonzil' als 'Brüder' einitihrten, zumal wenn sie das korrekte Judentum der Christen überprüfen wollten. Für Paulus sind diese Brüder natürlich 'falsche Brüder'. Vgl. H. v. SoDEN in ThWNT I 145f. Jedenfalls ist es kein Einwand, wenn K. WEGENAST a.a.O. S. 47 Anm. 1 feststellt, Paulus bezeichne Juden nicht als Brüder, sondern als Brüder nach dem Fleisch. Das letztere tut er zwar, und das erstere stimmt auch, stimmt aber gerade auch f"tir Gal. 2,4, wo er ausdrücklich von falschen Brüdern spricht. Er konnte doch nicht von 'falschen Brüdern nach dem Fleisch' sprechen! Für ganz abwegig halte ich übrigens die These von A. S. GEYSER a. a. 0. S. 124ff., Gal. 2,4f. sei in Parenthese zu setzen und schildere gar nicht die einstige Jerusalemer, sondern die gegenwärtige galatische Situation. Ernsthaft erwägen kann man mit einigen Forschern höchstens die Möglichkeit, Gal. 2, 4 f. auf antiochenische Vorkommnisse vor dem •Apostelkonzil' zu beziehen; doch auch das dünkt mich äußerst unwahrscheinlich. In diesem Zusammenhang ist auch auf D. WARNER, Galatians 2,3-8 as an Interpolation, ExpT 62, 1950/51, S. 380, zu verweisen. I H. J. SOHOEPS (3] S. 7. 1 Die Frage, was die "eingedrungenen Falschbrüder" von Paulus gefordert hatten und was Paulus also zu geben sich geweigert hatte, "damit die Wahrheit
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Schwerlich erleichtert die Notiz Apg. 15, 5. 24 solche Entscheidung. Die lukanische Da.rstellung des •Apostelkonzils' besitzt keinen historischen Wert. Unhistorisch ist schon, daß 1lberhaupt die ReschDeidungsforderung gewisser christlicher Kreise den Anlaß des Treffens in Jerusa.Iem bildete. Da. a.uch na.ch der luka.nischen Darstellung z. Zt. des Apostelkonzils die Heidenmission längst im Gange und überdies von seiten der Jerus&lemer gebilligt war (Apg. 10f.), konnte die von Lukas als Ursache des •Konzils' angegebene Beschneidungsforderung nur von einer Minderheit der Gemeinde ausgehen. Dabei lag es dann a.m nächsten, an , ,nvi; Twv cbto Tij~ a[eiasw~ Twv tPaeu1alwv nsmaTsv"o-rs;" zu denken. Historische Erinnerungen wird man in dieser Notiz kaum finden können. In jedem Fall kann Apg. 15, 5. 24 ebensowenig wie Gal. 2, 4{. die Existenz einer schroff judaistischen und ultrajakobinischen Gruppe von Judenchristen in Jerusalem beweisen. 1 Aufschlußreicher sind für unsere Frage einige Stellen der synoptischen Tradition. Es liegt am Tage, daß die synoptische Tradition als ganze nicht gesetzlich eingestellt ist, sondern die freie Stellung der Christen zum Gesetz, z. T. in Form von Streitgesprächen mit den Pharisäern, immerfort verteidigt 1 . In diesem Punkt treffen sich offenbar palästinische und hellenistische Traditionen 8 • Die von der Zugehörigkeit 'Zur palästinischen Judenschaft gebotene und a.uch in der synoptischen Tradition zu beobachtende' gewisse Beachtung gedes Evangeliums bei euch bleibe" (2, 5), ist bei beiden oben erwogenen Möglichkeiten des Verständnisses nicht zu beantworten; denn Paulus sagt darüber nichts. Hat man die Beschneidung aller Heidenchristen verlangt? Sollen die Heidenchristen den Status von Proselyten bekommen? Hat man von den Heidenchristen die Beachtung eines Gesetzesminimums erwartet, wie es ohne Frage für die Gottesfürchtigen der Fall war? Hat man von Paulus und den judenchristlichen Heidenmissionaren ein persönliches Leben nach dem Gesetz ge· fordert? Wir wissen es nicht. 1 Erst recht läßt sich aus Gal. 2,11ff. nicht mit W. G. Küm.IEL eine "radikal konservative Minderheit der Jerusalemer Gemeinde" erschließen; s. S. 45 Anm.2. 1 Dabei verdient Mt. 17,24-27 besonderes Interesse. Dieser Abschnitt bezeugt, daß man in judenchristlieben Kreisen zwar noch die Tempelsteuer zahlte, aber erklärt zugleich, daß die Christen grundsätzlich von dieser Zahlung frei sind. Nur aus taktischen Erwägungen soll sie erfolgen: um keinen Anstoß zu geben. Das darf man nicht mit SCHNIEWIND interpretieren: "Jesus zahlt die Steuer, weil der Tempel Gottes Heiligturn ist" (NTD 2 z. St.) - in diesem kultischen Sinne sind die Christen gerade von der Zahlung befreit - , sondern die rtir die Zahlung gegebene Begründung heißt konkret: Um des Friedens mit den Juden willen; um Verfolgungen zu vermeiden. "Jesu Jünger zahlen die Tempelsteuer als die freien Söhne, nur um nicht Argernis zu geben" (G. BoBN'LUO( [2] S. 17; ebenso G. BARTH a.a.O. S. 84). 1 " ••• konnte man Jesu kritische und polemische Worte gegen die jüdische Gesetzlichkeit bewahren, ohne sich an ihnen zu orientieren? Konnte man seine Worte gegen die Lohnrechnerei und den Hochmut der gesetzlich Korrekten weiter überliefern und gleichzeitig die Teilnahme am Heil unter die Bedingung der gesetzlichen Leistung stellen?" (R. BULTKANN [2] S. 55). ' Vgl. G. STRECKER [3] s. 462.
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setzlieber Bräuche schränkt dieses Urteil nicht ein. Eine Ausnahme macht aber vielleicht Mt. 5,17-20 (vgl. Lk. 16, 17). V. 17 könnte ursprünglich ein selbständiges Logion gewesen sein. Wenn ma.n es im Sinne von Röm. 10,4 (Christus ist das Ziel des Gesetzes) versteht, sagt es nichts zugunsten einer judaistischen Gesetzlichkeit aus. Wahrscheinlich aber ist V. 17 eine Bildung des Matthäus 1 und als solche jedenfalls nicht ·juda.istisch', wie immer ma.n das nl1Jeiilaat versteht. Auch V. 20 ist wahrscheinlich von Matthäus als Einleitung zu den folgenden Antithesen gebildet worden 1 ; jedenfalls liegt der Sinn des Verses nicht in der Proklamation einer besonders radikalen Gesetzlichkeit, sondern der Liebe als einer höheren Gerechtigkeit als der der pharisäischen Gesetzlichkeit•: Das Wort ist also gesetzeskritisch. V. 18f. bieten einen verbreiteten rabbinischen Grundsatz•, zu dem Mk. 13,31 pa.r; l.Clem. 27,5 zu vergleichen sind. Die Verse enthalten nichts spezifisch Christliches. Angesichts der Verwendung dieser übernommenen Verse durch Matthäus muß man sich entweder fragen, ob sie den Zusammenhang, in dem sie begegnen, von V. 17 her interpretiert werden wollen: In Christus ist das Gesetz bis zum letzten Jota. erfüllt. Oder- mit J. ScHNIEWIND 11 - von V. 20 her, in dessen Sinne dann auch V. 17 zu verstehen wäre: Durch Jesu Gesetzesinterpretation wird der letzte und unverbrüchliche Sinn des Gesetzes herausgestellt. Das ist natürlich nicht ihre ursprüngliche Meinung, a.ber jedenfalls der Sinn, den Matthäus ihnen im Zusammenhang mit seiner Theologie gibt und vielleicht bereits der Sinn, dem sie die Übernahme a.us einer jüdischen in die kirchliche Tradition überhaupt verdanken, falls nicht, was die nächstliegende Annahme ist, erst Matthäus diesen bekannten jüdischen Grundsatz aufgenommen und mit Bedacht christlich interpretiert ha.t•. Vgl. G. BARTH a.a.O. S. 62ft'.; G. STRECKER [2] S. 144f. R. BULTKANN [3] s. 146f; G. STRECKER [2] s. 151 f. : V~l. G. BABTH a.a.O. S. 74. . .. .. . Bdl. I S. 2üff.; G. BABTH a.a.O. S. 60. Be1de Verse dürften ursprungheb voneinande~ isoliert existiert haben. Zu V. 18 ist Lk. 16,17 zu vergleichen. Zum Überhefe~roblem s. H. ScBitBJIA.NN a.a.O. S. 238ff.; W. TBILLING a.a.O. S. 138ff. (L1t.); V.IIAsLBB, Gesetz und Evangelium in der Alten Kirche bis Origenes, 1953, S. 9ff. 1 NTD 2, 1937, z. St.; G. Bo:aNLUD~ [2] S. 21ff.; G. STRECKER [2] S. 146f. 1 Die Absicht, mit der Matthäus diese Worte bearbeitet (! ) und aufnimmt, ist offenkundig: Er wendet sich g~n Antinomisten, wie auch Mt. 7, 15 ff. ; 24, 11 ff. zeigen. Welcherart diese Antmomisten sind, läßt sich schwerlich genau entscheiden. Da es sich vermutlich um Libertinisten handelt, scheiden die paulinischen Gemeinden jedenfalls aus. Vgl. zu dieser Frage G. BARTH a. a. 0. S. 149ff. Wenn man zudem beachtet, daß Mt. 5, 17-20 die Einleitung zu den teilweise fast marcionitisoh anmutenden Antithesen der Bergpredigt bildet, versteht man die Aufgabe dieser aus jüdischem Traditionsgut schöpfenden Verse ohne weiteres und wird sich zugleich hüten, aus ihnen auf eine judenchristliche Einstellung des Matthius zu schließen. 1
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Möglicherweise jedoch sind sie aus den Traditionen eines Kreises gesetzeBStrenger Christen über Q in die synoptische Tradition eingedrungen. So ist die gewöhnliche Annahme 1 , die aber durchaus unsicher ist und bei der Singularität der Verse diese bestenfalls nur einen Nebenzweig der Judenchristenheit repräsentieren läßt, keinesfalls die durch Jakobus repräsentierte Mehrheit. Da die Verse nichts Christliches enthalten, ist diese zuletzt genannte Interpretation als die weniger wahrscheinliche zu bezeichnen. Umfangreicher ist das Material für solche Tendenzen im Urchristentum, die in einer reservierten Einstellung gewisser christlicher Kreise zur HeidenmiBBion bestehen. Wieder gilt, daß aufs Ganze gesehen die synoptische Tradition die Heidenmission als selbstverständlich bejaht 1 und dem Judentum gegenüber a.gressiv verteidigt. Aber die Geschichten vom syro-phönikischen Weib (Mk. 7,24-30 par) und vom Hauptmann von Kapemaum (Mt. 8, 5-10 par) wurden doch offenbar überliefert, um Einwänden gegen die Heidenmission mit der Feststellung begegnen zu können, auch Jesus habe -wenn auch nur ausnahmsweise - Heiden die Tür in sein Reich geöffnet. Freilich wird damit das Vorhandensein von schroffen Judenchristen noch keineswegs bewiesen. Vielmehr dürften die genannten Erzählungen ihren Sitz im Leben jener Zeit der frühen Christenheit haben, da man von Galiläa aus - dort sind die Geschichten lokalisiert - auch zur HeidenmiBBion überging. Sie bezeugen dann keinen Widerstand gegen, sondern nur die Zustimmung zu solcher neuartigen Mission. Dabei zeigt die Geschichte vom syro-phönizischen Weib zumal in der -möglicherweise älteren•- Fassung bei Matthäus (15,21-28), daß man die HeidenmiBBion zunächst als Ausnahme ansah. Wie aber steht es mit Mt. 10,5f. 231 Beide Logien sind zweifellos christlichen Ursprungs. Man kann sie mit J. JEBEMIA.S• für jesuanisch halten; man kann sie sich als in den Anfangszeiten der HeidenmiBBion im galiläischen oder antiochenischen Raum oder in der DiskUBBion zwischen ~Hebräern' und ~Hellenisten' inJerusalem entstanden denken; oder sie haben bei Judenchristen ihren Ursprung, die mit den Abmachungen des ~ Apostelkonzils' nicht einverstanden waren; vielleicht stammen sie auch aus dem Munde jener gesetzesstrengen Gruppe, deren mögliche Spuren wir aufgezeigt haben 5 • 1 J. MUNcx a.a.O. S. 249; R. BULTKANN [3] S. 146f.; G. BoRNLUDI [2] S. 21; G. BABTH a.a.O. S. 60f.; E. K.isJ:KANN in: ZThK 57, 1960, S. 165f.; H. ScH'Ö'BKANN a.a.O. S. 238ft'., bes. S. 249f. 1 Siehe bei J. JBBEJIIAS, Jesu Verheißung für die Völker, 1956, S. 34ft'. I Vgl. R. BULTKANN [3] s. 38. • Siehe vorletzte Anm., S. 16---33. 1 Freilich braucht eine Ablehnung der Heidenmission nicht mit Oeeetzearigoriamus verbunden gewesen zu sein - und umgekehrt.
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Mir scheint aJ.lerdings fraglich, daß wir hier so oder so "die Stimme der strengsten Judenchristenheit" hören, die sich "gegen eine Mission über Israels Grenzen hinaus gesträubt hat" 1 . Beide Stellen stehen innerhalb alter Zusammenstellungen von Regeln für judenchristliche Missionare. Mt. 10,23 ist dabei in der vorliegenden Form ein Trostwort angesichts der Verfolgungen 1 : Die Parusie steht unmittelbar bevor; selbst wenn die Missionare schnell eine Stadt nach der anderen fluchtartig verlassen müssen, werden sie vor Eintritt der Parusie nicht in allen Städten Israels predigen können. Auf irgendeine Heidenmission reflektiert dieses Wort gar nicht; solche Reflexion kann auch noch nicht in seinem Vorstellungsbereich liegen. Mt. 10,5b-6 ist dagegen eine Anweisung an judenchristliche Missionare, ihre Missionstätigkeit auf die Juden zu beschränken und Heiden und Samaritaner auszulassen. Will dieses Wort die Heiden und Samaritaner vom Heil ausschließen 1 Schwerlich! Vielmehr entspricht diese Anweisung durchaus den Abmachungen des Apostelkonzils, das eine längst übliche Praxis rechtlich fixierte: Die Mission unter den Heiden (und Samaritanern) ist Angelegenheit der antiochenischen Heidenchristenheit; die palästinischen Judenchristen beschränken sich auf die Mission unter den Juden. Wir sahen, daß und wieso diese Beschränkung im Interesse der Judenchristenheit Palästinas lag; die Herausgabe entsprechender Anweisungen an die eigenen Missionare ist also wohl verständlich. Eine Ablehnung der Heidenmission ist damit keineswegs verbunden. Es findet sich a.Jso auch in der synoptischen Tradition nicht eine einzige Bichere Spur für ein schroff gesetzliches, die Heidenmission ablehnendes Judenchristentum 1 . 1 Mit diesen Worten gibt E. KÄSEKANN in ZThK 57, 1960, S. 167 die allgemeine Auffassung dieser Stellen wieder. 1 Vgl. H. E. TÖDT a.a.O. S. 56f. und zuletzt E. BAlDIEL, Mt. 10,23 (Stud. Theol. XV, 1962, S. 79ft'.); hier auch eine kurze Einführung in die traditionsgeschichtlichen Probleme und die Literatur dazu. Sollte E. BAJOIEL recht haben mit seiner Erklärung, das das Wort ursprünglich gar nichts mit der Mission zu tun hatte, scheidet es unter unserer Fragestellung gänzlich aus. 1 Oft wird von einer antipetrinischen Partei im Urchristentum gesprochen, hinter der man dann häufig die Anhänger des Jakobus stehen sieht. Nicht selten wird mit dem Vorhandensein dieser Partei als mit einer unbestrittenen Tatsache gerechnet (z.B. E. BA!Oili:L in ThZ 11, 1955, S. 401--419). G. KLEIN [4] sucht den Ursprung der Verleugnungsgeschichte in dieser Partei, die auf Grund eines dreimaligen angeblichen Positionswechsels des Petrus (vom Leiter des Zwölferkreises zunächst zum Apostel, sodann in Unterordnung unter Jakobus zu einem der OTiiAo, in Jerusalem und schließlich zu einem von Jakobus unabhängigen Diasporamissionar) die Geschichte von seiner dreifachen Verleugnung gebildet haben soll. Nun hat G. KLEIN zweifellos recht darin, daß die Verleugnungsgeschichte an ihrer jetzigen Stelle in der Passionsgeschichte nicht ursprünglich verankert gewesen sein kann; seine Behandlung dieser Frage ist glänzend. Auch kann an
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In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß sich die häretischen Judenchristen des 2. Jh.s auf Jakobus aJs auf ihre maßgebliche urchristliche Autorität beriefen. Bestand aber, wie wir sahen, zwischen Paulus und Jakobus ein Verhältnis der Gemeinsamkeit, bedeutet die Berufung der späteren Judaisten auf Jakobus, daß die Judenchristen Palästinas, die die Autorität des Jakobus anerkannten, erst split eine sektiererische Richtung einschlugen. Dieser Entwicklung innerhalb des Judenchristentums geht die mit dem Jahre 70 einsetzende völlige Umorientierung des Judentums gegenüber dem Proselytismus in der Heidenwelt und der Verzicht auf die bis dahin starke missionarische Aktivität pa.rallel 1 • Die zur Gesetzlichkeit tendierende Entwicklung der judenchristliehen Gruppen Palästinas dürfte dann die gleichen dem literarischen Charakter der vorliegenden Erzählung kein Zweifel sein. G. KLEINs Deutung der Tradition dünkt mir freilich aus mancherlei Gründen, die hier nicht im einzelnen dargelegt werden können, als unmöglich. Schon die behauptete Fonn der Positionswechsel ist in der vorgetragenen Weise m. E. nicht haltbar. Auf keinen Fall konnte auch nur einer dieser •positionswechsel' den Petrus als ein Zeichen menschlicher Unzuverlässigkeit moralisch disqualifizieren und 80 Anlaß zu der Verleugnungsgeschichte geben. Ich glaube aber auch nicht, daß man die Historizität einer Verleugnung durch Petrus überhaupt in Frage stellen kann. Der historische Sitz der Verleugnungstradition dürfte allerdings in die Zeit zwischen Karfreitag und Ostern fallen, in der Petrus- offenbar im Unterschied zu anderen Jüngern- Jesus und die von ihm geweckte Hoffnung verleugnete. Der Bericht darüber wurde tradiert, weil durch ihn ein willkommener Kontrasteffekt zum späteren Osterzeugnis des Petrus erzielt wurde, der diesem Zeugnis ebenso zugute kam wie die Erzählungen von der Verfolgerzeit des Paulus deBSen Predigt. Die Absicht einer Disqualifikation des Petrus liegt also der Verleugnungstradition genauso fern wie eine entsprechende Absicht der Verfolgertradition des Paulus. Die Verleugnungsgeschichte fand wie die Ul'Bprünglich ebenfalls nachösterliche Verratstradition des Judas (s. Das kirchliche Apostelamt S. 59) bald ihren literarisch geschickt ausgewählten Platz in der Passionsgeschichte. ReB.exe der historischen Verleugnung des Petrus finden sich auch in Mk. 8,32 par. und Mt. 14:,28-31, Stellen, deren Überlieferung ebenfalls ihrem Kontrast zum Osterzeugnis des Petrus zu verdanken sein dürfte. Nur 80 läßt sich auch die frühe Aufnahme der Verleugnungstraditionen in die Evangelienliteratur erklären; denn diese Literatur ist keineswegs Petrus-feindlich eingestellt. Die genannten Traditionen besagen folglich nichts für eine angebliche antipetrinische Fronde. Das gilt erst recht von den sonstigen Spuren dieser Fronde, die G. KLEIN S. 324ft'. aufzählt. Die wichtigste dieser Spuren, das spätere Zurücktreten der Berichte von der Ostererscheinung des Petrus (und der anderen alten Zeugen I) zugunsten der Berichte vom leeren Grab, dient offensichtlich der objektiven Sicherung des Auferstehungszeugnisses und kann unmöglich mit G. KLEIN aus antipetrinischen Ressentiments erklärt werden. Von solchen gibt es aus der Zeit vor 70 tatsächlich kein Zeugnis. J. ScHREIBER (Die Christologie des Markusevangeliums, ZThK 58, 1961, S. 154--183) kommt bei seinem an sich dankenswerten Versuch, den Sitz des Markus-Evangeliums im Leben der frühen Christenheit festzulegen, zu dem Ergebnis, Markus schreibe als Exponent des in Galiläa beheimateten hellenistischen Christentums sein Evangelium gegen das durch die Gestalt des Petrus repräsentierte Judenchristentum Judäas; mich hat nichts an dieser Aufstellung überzeugt. 1 Vgl. H. J. SCHOEPS [1] s. 232ff.
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Ursachen haben: die Katastrophe des jüdischen Krieges. Das aber würde bedeuten, daß der eigentliche Judaismus erst der Zeit nach 70 angehört 1 • Nun erwarte ich von niemandem, daß er dieser Konsequenz unserer Überlegungen zustimmt. Immerhin: Die Spuren eines frühen nonkonformistischen Judenchristentums sind im Vergleich zu der Gesamtheit unserer Traditionen auch im besten Fall äußerst gering, und die im Blick auf Jesu 1 freie Stellung zum Gesetz ausgesprochene Vermutung R. BULTMANNS: "Vermutlich hat eine Rückentwicklung stattgefunden und haben Ängstlichkeit und Gesetzestreue allmählich Platz gegriffen, wie es später bei den judenchristliehen Sekten vollends der Fall war", gilt noch nicht für Jakobus und für die Mehrheit der Judenchristenheit vor 70 1 , sofern man nicht die notwendige und vielleicht auch wachsende taktische Rücksichtnahme auf die Erfordernisse der judäischen Umwelt mit ~Rückkehr zum Gesetz' bezeichnen will. Natürlich hat jenes Urteil unumschränkt sein Recht z.B. bei einem Vergleich der synoptischen Tradition mit dem Ebionitismus. Gleichgültig aber, ob man die Entstehung des sogenannten J udaismus in die Jahre vor oder in die Zeit nach der Zerstörung Jerusalems ansetzt: Für die Entwicklung der frühen Kirche ist die Geschichte dieses Judaismus ohne wesentliche Bedeutung gewesen. Dagegen kann man den Einfluß jenes Judenchristentums, das sich unter Führung des Petrus auf dem sogenannten Apostelkonzil mit Paulus in die Missionsarbeit teilte, schwerlich überschätzen, wenn man die Entwicklung der Kirche im ersten und zweit~n Jahrhundert verfolgt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß dieses Judenchristentum keine unwandelbare Einheit bildete. Im palä.stinischen Raum war es bis 70 in vermutlich steigendem Maße an das Gesetz gebunden; Teile dieses palästinischen Judenchristentums haben sioh 1 J. MUNcx ist eben dieeer Überzeugung. Vgl. Judekristendomen efter apostlarnas dagar (Svenak Exeget. Arsbok 25, 1960, S. 78-96); Jewish Christianity in f>ost-Apostolic Times (NTS 6, 1960, S. 103--116). Erbestreitet freilich zugleich jede Kontinuität zwischen dem Judenchristentum Palästinas vor 70 und dem späteren Ebionitismus. Das frühe Judenchristentum habe die jüdische Katastrophe des Jahres 70 überhaupt nicht überlebt. Der Ebionitismus soll aus dem Heidenchristentum herausgewachsen sein, das sich in nachapostolischer Zeit zu einem nomistischen Verständnis des Alten Testaments hin entwickelte. Ahnlieh hatte J. MUNCK schon früher (a.a.O. S. 79ff.) die angebliche judaistische Häresie in Galatien aus einem ad hoc unter den Galatern ent· standenen Mißverständnis der paulinischen Predigt erklärt I Das alles halte ich für eine ganz willkürliche Aufstellung, die sich exegetisch in keiner diskutablen Weise begründen läßt. Auch ist der Untergang des Judenchristentums im Jahre 70 unbeweisbar, ja, angesichtsder nicht geringen Zeugnisse für ein Judenchristentum in Paläatina in nachapostolischer Zeit und der steigenden Wertachätzung des Jakobus ausgeschlossen (s. S. 88). 1 [2] S. 66; vgl. G. STBBOXER [3] S. 462. 1 Siehe auch G. Krrn:L in: ZNW 30, 1931, S. 146----167.
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früher oder später zu dem erwähnten Judaismus umgebildet. Außerhalb Palä.stina.s trug dieses Judenchristentum dagegen von Anfang an hellenistische Züge, (wobei der Begriff ~Palästina' sehr eng zu fassen ist und schon auf Galilä.a nicht uneingeschränkt ausgedehnt werden darf, während der Begriff ~hellenistisch' kaum umfassend genug verstanden werden kann). Ja mehr: der ausschließlich judenchristliche Charakter dieser Richtung des Urchristentums ging je länger desto mehr und im Westen des römischen Reiches zuerst verloren. Die Abmachungen von Jerusalem verpflichteten Petrus und seinen Kreis zwar betont zur Judenmission, d&B heißt faktisch zur Mission im Umkreis der Synagogen, aber diese Mission führte notwendigerweise zu missionarischem Bemühen um die Heiden in eben dem Maße, in dem die Synagoge Gottesfürchtige und Proselyten in ihren Bann gezogen hatte. Je stärker und enger Heiden sich an die Synagoge angeschlossen hatten - und daß dies in starkem Maße der Fall war, wurde oben S. 50 angedeutet - um so stärker war auch das hellenistische Judenchristentum von ehemals heidnischen Gliedern durchsetzt 1 • Da schon vor dem J a.hre 70 das hellenistische Judenchristentum eine stärkere Freiheit vom Gesetz praktiziert haben dürfte als die Synagoge- man denke nur an Petrus in Antioebien- war schon früh die Anziehungskraft auch des Judenchristentums auf Proselyten und Gottesfürchtige nicht gering. Nach 70, als das Judentum die liberalen Elemente ausstieß und sich gesetzlich verhärtete, fand die große Schar der Gottesfürchtigen keine Heimat mehr in der Synagoge, und das hellenistische Judenchristentum teilte sich mit den Heidenchristen in da.s synagogale Erbe; da.s hat im Westen frühzeitig zur Verwischung der Grenzen beider ursprünglich getrennter Gemeindegruppen geführt (vgl. S. 53 Anm. 1). Im Osten dagegen hat das hellenistische Judenchristentum seine Eigenständigkeit vermutlich länger bewahrt (s. u.), wenn es auch die Charakterisierung als Judenchristentum je mehr die Zeit verstrich und je entfernter die Gemeinden von Palästina lagen desto weniger verdiente und betonte. Der bedeutsamste Einfluß dieser Gemeinden auf die frühkatholische Kirche besteht in der Ausbildung und Vermittlung der synoptischen Tradition. Diese synoptische Tradition ist freilich keine Einheit. Der Stoff der Spruchquelle bildet einen selbständigen Überlieferungskreis 1 Ein Bruch der Abmachungen dee ,Apoetelkonzils' darf darin nicht gesehen werden. Nicht nur, daß Proeelyten als Juden galten: Die Frage, ob Beiden ·in die judenchristliehen Gemeinden aufgenommen werden dürften und unter welchen Bedingungen das geschehen könne, bildete gar keinen Gegenstand der Jerusalemer Abmachungen. Soweit ee geschah, dürfte von Anfang an der Vollzug der Taufe kaum von der vorherigen Beschneidung abhängig gemacht worden sein.
7 &Oel BobmlUW., Palilai
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neben dem Erzählstoff, den uns Markus tradiert hat und den Matthäus und Lukas mit ihrem Sondergut ergänzen, und neben der Leidensund Auferstehungsgeschichte, die ursprünglich ohne den vorangehenden Stoff aus dem ~Leben Jesu' überliefert wurde 1• Der Bericht von Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen war, wie l.Kor. 15,1-5 zeigt, schon z.Zt. des Paulus in Anfängen in der judenchristliehen Urgemeinde ausgebildet; er bildete schon früh das Grundbekenntnis der Christengemeinden Palästinas. Der Erzählstoff trat später in ausgedehnter, vielfältig gespeister Tradition hinzu; Paulus und zwei Generationen kirchlicher Schriftsteller nach ihm haben von diesem Stoff noch keine Notiz genommen 1 ; er ist im wesentlichen in hellenistisch-judenchristliehen Kreisen aufgekommen oder aufgenommen worden. Die Spruchquelle enthält älteste Überlieferung; jedoch hat diese Überlieferung ihren frühen Sitz nicht im Leben jener Gemeinden, deren ~Säulen' und erste Sprecher Jakobus, Petrus und Johe.nnes waren; der Stoff der Spruchquelle entstammt zum großen Teil vorkirchlicher J esusü berlieferung; ich suche seinen ältesten Sitz im Leben jener Gemeinden, auf die S. 25f. Anm. 5 Absatz 2 hingewiesen wurde; die literarischen Quellen, die Mt. und Lk. benutzen, enthielten dies alte Gut freilich schon in einer kirchlichen Ausprägung, die wir denselben Kreisen verdanken, in denen die synoptische Tradition insgesamt zu Hause war: dem hellenistischen Judenchristentum der östlichen Kirche. Daß die synoptische Tradition bis hin zu Justin ,apokryphe' Literatur war 1 , weist mit aller Deutlichkeit auf die relative Selbständigkeit hin, in der die hellenistischen Gemeinden judenchristliehen Ursprungs im Osten des römischen Reiches - auch in Kleina.sien - bis in da.s zweite Jahrhundert hinein lebten •. Diese kurzen abschließenden Bemerkungen führen zum Anfang unserer Untersuchung zurück. Die Bildung des neutestamentlichen Kanons ist durch die Zusammenfügung zweier bis dahin getrennter Traditionskreise bestimmt: Die paulinische Literatur und die synoptische Tradition werden gemein8amer Inhalt des kirchlichen Bekennt1 Vgl. R. BULTMANN [3] S. 297ft'.; M. DIBELIUS, Die Formgeschichte des Evangeliums, 1969 1 , S. 178ft'. 1 Vgl. W. SCHKITHALS, Paulus und der historische J esus, ZNW 53, 1962, s. 146ft'. • Vgl. ebd. S. 156ft'. ' Vgl. zu der hier angesprochenen Problematik der nebeneinander beetehenden Paulus- und Petrusgemeinden, d. h. der hellenistischen Gemeinden heidenchristlichen und judenchristliehen Ursprungs, noch oben S. 50f. und S. 53 Anm. 1. Ferner und vor allem verwel86 ich auf D(JIJ kirchliche .Apoatelamt S. 244---256, wo der Nachweis versucht wurde, daß der doppelte Apostelbegriff, der sich im Neuen Testament findet, auf diese Doppelung des hellenistischen Christentums zurückgeht.
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nisses. Damit wurden - allen Akteuren dieses bedeutsamen Vorganges vermutlich unbewußt - jenes Werk dauerhaft vollendet, dessen Grundstein von den Vätern beider Traditionen mit dem denkwürdigen Abkommen von Jerusalem gelegt wurde: Die schiedlich-friedliche Gemeinschaft, die Paulus und Jakobus verband, ist keine andere als die, die den synoptischen und den paulinisohen Teil des neutestamentlichen Kanons verbindet!. War es in Jerusalem unumgänglich, das •schiedlich' zu betonen, so ist nun das •friedlich' alleinbestimmend geblieben. Ob mit Recht ist eine Frage, deren Beantwortung uns weder die Partner des •Apostelkonzils' noch die für die Bildung des Kanons verantwortlichen (römischen?) 1 Kreise abnehmen können. Sie zu beantworten, bleibt die ständige Aufgabe aller Bemühungen um eine Theologie des Neuen Testaments. 1 Ob bei dieser Sicht der Dinge nun doch F. Chr. BAUB wieder zu seinem Recht kommt? Vielleicht, aber dann ganz anders, als er ee meinte. 1 Vgl. Da~~ kirchliche Apostelamt S. 255ff.
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Literaturverzeichnis
LITERATURVERZEICHNIS Die hier aufgeführten Arbeiten werden in der Untersuchung nur mit Verfaaaemamen und a.a.O. angeführt. Sind in dem folgenden Verzeichnis mehrere Arbeiten desselben Verfaaaers aufgeführt, 80 werden diese in der untenstehenden Reihenfolge mit [1], [2], [3] usw. angeführt. Nur vereinzelt benutzte Abhandlungen sind in den Anmerkungen verzeichnet. Meine eigenen Untersuchungen werden folgendermaßen angeführt: Das leirehliehe ApoMeZamt
IM Gnom in Korinlh
= =
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Register
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REGISTER der besprochenen Stellen aus dem Neuen Testament Mt.
6,17-20 8,5-10 10,5f. 10,23 17,24-27 Mk. 7,24-30 Apg. 4,36f. 6,1-8,3 6,1-7 6,11 6,13f. 7,1-63 8,1 8,4f. 9,27 9,29 9,31 11,19-30 11,20 13-14 13,1 16,6 15,24 16,29 15,36--41 16,1-3 18,1-8 18,8 18,18 21,15-26 21,17 21,20
92f. 93 93f. 93f. 91 Anm. 2 93 23 Anm. 6 9-29 9-11; 18f.; 27 13 13; 19 13; 14 Anm. 2 11f. 22f. 23 19 26 22-27 9; 19; 23 41f. 23 91 91 81-85 58 78-80 49
"
80 70--80 72 73
21,21 21,25 21,28 Röm. 9,1-5 11,13f. 15,19-21 16, 30f. l.Kor. 7,18--20 7,19 9,5 9,20 16,1--4 Gal. 1,21f. 1,23f. 2,1-10 2,1 2,2 2,4f. 2,6 2, 7f. 2,9 2,10 2,11-21 2,12 2,13 2,14 2,16-18 5,6 5,11 6,12 6,15 1. Thess. 2,14
28; 73f. 81-85 19f.; 28 42f. 43; 46f. 41 65-70 39 21 Anm. 1 41 46 68 Anm.2 24 16 29-51 ; 69 Anm. 33 30--33 89f. 69 Anm. 1; 82 37; 39 Anm.3;40 36f.; 39 Anm. 3 64-70 51-64 53-55 59 56f. 60-64 21 Anm. 1 17; 29 Anm. 1 17; 29 Anm. 1 21 Anm. 1 27