Uwe Probst Servoantriebe in der Automatisierungstechnik
Uwe Probst
Servoantriebe in der Automatisierungstechnik Komp...
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Uwe Probst Servoantriebe in der Automatisierungstechnik
Uwe Probst
Servoantriebe in der Automatisierungstechnik Komponenten, Aufbau und Regelverfahren Mit 141 Abbildungen und 16 Tabellen STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
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1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Reinhard Dapper | Walburga Himmel Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0927-8
V
Vorwort Im Zuge des Bologna–Prozesses wurden nahezu alle Diplom-Studiengänge auf die neuen Bachelor– und Masterprogramme umgestellt. Durch die Neuordnung werden die Präsenzphasen an den Hochschulen gekürzt und Studierende zu mehr Eigenarbeit veranlasst. Diese Eigenarbeit anhand von Beispielen und überschaubaren Übungsaufgaben zielgerichtet zu strukturieren sowie mit einfach handhabbaren und über das Internet bedienbaren Simulationsprogrammen zu unterstützen, ist ein wesentliches Ziel dieses Buches. Die Inhalte basieren auf der Vorlesung Antriebe der Automatisierungstechnik, die ich seit 2003 an der Technischen Hochschule Mittelhessen in dieser Form anbiete. Nach einer Einführung in das Themengebiet werden regelungstechnische Grundlagen, die für die Auslegung der Antriebsregelungen unerlässlich sind, im zweiten Kapitel vorgestellt. Kapitel 3 behandelt die wesentlichen Motorarten, die heutige Automatisierungssysteme dominieren und erläutert die mathematischen Grundlagen für die feldorientierte Regelung, ohne die moderne Servoantriebe nicht denkbar sind. In Kapitel 4 folgt eine Darstellung der wichtigsten Sensoren. Das fünfte Kapitel ist der Auslegung der Regelkreise gewidmet und beschreibt wichtige Standardfunktionen, die modernen Antrieben Alleinstellungsmerkmale verleihen. Den Abschluss bildet Kapitel 6, in dem die Bemessung der Antriebe dargelegt wird. Neben vielen Beispielen enthält das Buch eine Fülle von Übungsaufgaben mit ausführlichen Lösungsvorschlägen. Sie sollen die Studierenden bei der intensiven Auseinandersetzung mit dem behandelten Stoff begleiten. Für viele der erläuterten Themen stehen kleine funktionsfähige Simulationsprogramme auf meiner Homepage zur Verfügung. Auf diese Java–Applets wird durch das Symbol der Weltkugel hingewiesen. Sie zeigen charakteristische Zeitverläufe, illustrieren das Verhalten unterschiedlicher Übertragungsfunktionen und legen komplexe Sachverhalte der Regelungstechnik und der Zweiachsentheorie anschaulich dar. Dieses Buch richtet sich an Studierende und Mitarbeiter der Elektrotechnik an Universitäten und Fachhochschulen sowie an Ingenieure in der Praxis, die sich einen Einblick in den Aufbau und die Leistungsfähigkeit moderner Antriebe verschaffen wollen. Ich danke allen an dieser Arbeit beteiligten Studierenden und Mitarbeitern der Technischen Hochschule Mittelhessen, insbesondere Dipl.-Ing. Mark Weber, der entscheidend an den Grundlagen der Applet–Programmierung beteiligt war, sowie Dipl.-Ing. Matthias Loth für den engagierten Einsatz bei der Ausarbeitung praxisgerechter Laborversuche. Schließlich gebührt ein besonderer Dank meinem Sohn Joris, der große Teile der Arbeit Korrektur gelesen und wertvolle sprachliche Verbesserungsvorschläge gegeben hat.
Gießen, im Mai 2011
Uwe Probst
URL der Applets zum Buch: http://www.elektrischeAntriebstechnik.de.vu w w w
URL meiner Homepage: http://homepages.fh-giessen.de/Probst/index.html
VII
Inhaltsverzeichnis
1
KOMPONENTEN ELEKTRISCHER ANTRIEBE ............................ 1
1.1
Begriffe ........................................................................................................................... 1
1.2
Aufbau von Antriebsregelgeräten................................................................................ 4
2
GRUNDLAGEN DER REGELUNGSTECHNIK ............................. 11
2.1 Charakterisierung von Übertragungsgliedern ......................................................... 11 2.1.1 Allgemeines zu Übertragungsgliedern .................................................................. 11 2.1.2 Proportionalglied ................................................................................................... 12 2.1.3 Integrierglied ......................................................................................................... 13 2.1.4 Differenzierglied.................................................................................................... 14 2.1.5 Summierglied ........................................................................................................ 14 2.1.6 Verzögerungsglied erster Ordnung........................................................................ 15 2.1.7 Verzögerungsglied zweiter Ordnung..................................................................... 16 2.1.8 Totzeitglied............................................................................................................ 19 2.2 Frequenzgang von Übertragungsgliedern................................................................. 19 2.2.1 Darstellung als Frequenzkennlinie (Bode–Diagramm) ......................................... 20 2.2.2 Darstellung als Ortskurve ...................................................................................... 23 2.3 Modellbildung technischer Systeme........................................................................... 24 2.3.1 Reihenschaltung von Übertragungsgliedern.......................................................... 24 2.3.2 Parallelschaltung von Übertragungsgliedern......................................................... 25 2.3.3 Rückkopplung von Übertragungsgliedern............................................................. 25 2.4 Eigenschaften von Regelkreisen................................................................................. 26 2.4.1 Unterschiede zwischen Steuerung und Regelung.................................................. 26 2.4.2 Führungs– und Störübertragungsfunktion............................................................. 31 2.4.3 Stabilitätsprüfung von Regelkreisen...................................................................... 33 2.5
3
Lösungen ...................................................................................................................... 41
ANTRIEBSARTEN IN DER AUTOMATISIERUNG....................... 49
3.1 Motorarten in automatisierten Systemen.................................................................. 49 3.1.1 Mechanisch kommmutierter bürstenbehafteter Motor .......................................... 51 3.1.2 Elektronisch kommmutierte bürstenlose Motoren................................................. 52 3.1.3 Permanent erregte Synchronmaschine mit sinusförmiger EMK ........................... 61
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.2
4
Asynchronmaschinen.............................................................................................76 Schrittmotoren .......................................................................................................77 Direktantriebe ........................................................................................................81
Lösungen ......................................................................................................................84
SENSOREN BEI ELEKTRISCHEN ANTRIEBEN ..........................89
4.1 Stromsensoren..............................................................................................................89 4.1.1 Shunt und Stromwandler .......................................................................................89 4.1.2 Hall–Wandler ........................................................................................................90 4.1.3 Magnetoresistive Sensoren ....................................................................................92 4.2 Sensoren zur Messung der Drehzahl .........................................................................93 4.2.1 Gleichstromtacho...................................................................................................93 4.2.2 Drehstromtacho .....................................................................................................93 4.3 Sensoren zur Weg und Winkelmessung ....................................................................94 4.3.1 Resolver .................................................................................................................94 4.3.2 Inkrementalgeber mit optischer Abtastung............................................................96 4.3.3 Auswertung von inkrementellen Gebersignalen..................................................101 4.3.4 Optischer Absolutwertgeber ................................................................................109 4.3.5 Direkte Wegmesssysteme ....................................................................................111 4.3.6 Ermittlung von Drehzahlen und Verfahrgeschwindigkeiten ...............................114 4.4
5
Lösungen ....................................................................................................................117
ANTRIEBS–EINZELLEITEBENE ................................................121
5.1 Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe .........................................................121 5.1.1 Drehmomentbildung ............................................................................................122 5.1.2 Kaskadenregelung ...............................................................................................123 5.1.3 Auslegung der Stromregler..................................................................................124 5.1.4 Auslegung des Drehzahlreglers ...........................................................................129 5.1.5 Auslegung des Lageregelkreises..........................................................................133 5.1.6 Steuerungstechnische Maßnahmen zur Verringerung des Schleppfehlers ..........141 5.1.7 Beeinflussung der Führungsgrößen .....................................................................142 5.2 Verfügbare Antriebsfunktionen...............................................................................149 5.2.1 Stromrichterspezifische Funktionen ....................................................................150 5.2.2 Motorspezifische Funktionen ..............................................................................150 5.2.3 Standardfunktionen..............................................................................................150 5.2.4 Projektierbare Funktionen ...................................................................................164 5.3
Lösungen ....................................................................................................................165
Inhaltsverzeichnis
6
IX
BEMESSUNG VON ANTRIEBEN ............................................... 169
6.1 Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen............................................................. 169 6.1.1 Trägheitsmoment einer punktförmigen Masse .................................................... 169 6.1.2 Trägheitsmoment einer realen Masse .................................................................. 170 6.1.3 Aufstellen der Bewegungsgleichung ................................................................... 172 6.1.4 Stationäre Bemessung eines Vorschubantriebs mit Gewindespindel .................. 177 6.1.5 Dynamische Bemessung...................................................................................... 183 6.2
Lösungen .................................................................................................................... 193
A
LITERATUR ............................................................................. 197
B
FORMELZEICHEN UND ABKÜRZUNGEN ............................. 199
C
STICHWORTVERZEICHNIS .................................................... 201
1
1
Komponenten elektrischer Antriebe
Elektromotorische Antriebe sind Energiewandler mit großer Bedeutung. In hoch entwickelten Ländern werden etwa 60% der erzeugten elektrischen Energie mittels elektrischer Antriebe in mechanische Energie gewandelt, wobei der Anteil der geregelten Antriebe beständig wächst. Viele Gleichstrommaschinen geringer Leistung werden ohne Regelung direkt von einer Batterie versorgt. Darunter fallen beispielsweise in Kraftfahrzeugen die Motoren für Anlasser, Scheibenwischer und Fensterheber oder einfache Lüfter. Früher wurden auch große Antriebe in Lokomotiven und Straßenbahnen zwar ohne Leistungselektronik betrieben, aber mit Schaltwerken ausgerüstet, die sowohl zum Anfahren als auch zum Verändern der Betriebsdrehzahl dienten. Aus Effizienzgründen setzen sich drehzahlveränderliche und regelbare Antriebe heutzutage immer stärker durch. Ein Antrieb kann drehzahlveränderlich sein aber dennoch ungeregelt betrieben werden, wenn ein Frequenzumrichter zwar eine einstellbare Frequenz und Spannung liefert, die Drehzahl des Antriebs aber nicht erfasst wird. Geregelte Antriebe zeichnen sich dadurch aus, dass der Motor an ein Leistungsstellglied angeschlossen wird und eine Regelung dafür sorgt, dass gewünschte Prozessgrößen eingehalten werden.
1.1 Begriffe Der Begriff Servomotor wurde durch sein ursprüngliches Einsatzgebiet als Hilfsantrieb geprägt. Seine eigentliche Aufgabe gegenüber dem zumeist leistungsstärkeren Hauptantrieb einer Maschine war es, Werkzeuge den von einer NC–Steuerung vorgegebenen Positionssollwerten nachzuführen. Heute steht die Bezeichnung Servomotor allgemein für einen drehzahlvariablen elektromotorischen Antrieb, der grundsätzlich geregelt betrieben wird. Umgangssprachlich werden sie geregelter Achsantrieb oder einfacher geregelte Achse genannt, weil bei einer Vielzahl von Bearbeitungsmaschinen Werkstück– und Werkzeugbewegungen auf zumeist mehreren geometrischen Achsen vollzogen werden. Servomotoren sind bürstenlose Gleichstrom– oder Drehstrommaschinen und benötigen leistungselektronische Stellglieder in Form von Pulsstellern für Gleich– bzw. für Drehstrom, die umgangssprachlich auch Servoverstärker, Servoregler oder einfach Antriebsregelgerät heißen. Als r bezeichnet man die Kombination von Servomotor und zugehörigem Stellglied. Auch Schrittmotoren können die Aufgaben von Servomotoren übernehmen. Sie werden vorrangig dort eingesetzt, wo die Positionierung im eigentlichen Sinne schrittweise erfolgt und kleine Drehmomente sowie geringe Momentenschwankungen vorliegen. In der Umgangssprache wird streng zwischen Schrittantrieben und drehzahlgeregelten Servoantrieben unterschieden. Bei Anlagen größerer Leistung und immer dann, wenn große Drehmomentschwankungen auftreten, werden Servoantriebe mit Drehfeldmaschinen ausgestattet. Gegenüber der Gleichstromtechnik bieten sie neben einer höheren Lebensdauer auch besseres statisches und dynamisches Verhalten. Durch den Einsatz anspruchsvoller Sensortechnik, effizienter Leistungs-
U. Probst, Servoantriebe in der Automatisierungstechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-8169-4_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Komponenten elektrischer Antriebe
elektronik und fortgeschrittener Mikroprozessortechnik gelingt es, Synchron– und Asynchronmotoren die Eigenschaften von Servoantrieben zu verleihen. Regelgröße bei Bewegungssteuerungen ist die Position des Objektes, das durch den Antrieb bewegt wird: Hauptaufgabe des Antriebs ist es, den von der Steuerung errechneten Positionssollwerten möglichst verzögerungsfrei zu folgen und eine hohe Steifigkeit gegenüber Lastmomenten an der Welle aufzuweisen. Manche Anwendungen, beispielsweise Wickelantriebe bei Walz– oder Druckwerken, benötigen die gezielte Beeinflussung von Drehmoment, Beschleunigung oder Geschwindigkeit an der Welle. Grundsätzlich muss das Führungs– und das Störverhalten der Regelung beherrscht werden, wobei das Drehmoment, das der Arbeitsmaschine durch die Bearbeitung abverlangt wird, die entscheidende Störgröße darstellt. Die Regelung selbst ist anspruchsvoll, da als Regelstrecke eine Kombination von leistungselektronischem Stellglied, Elektromotor, Antriebsmechanik und Arbeitsmaschine auftritt. Einzelne Glieder dieser Kette zeigen nichtlineares Übertragungsverhalten, weshalb die Regelung in Form einer Kaskade mit Regelkreisen für Position, Drehzahl und Strom aufgebaut wird. Als Sensoren kommen Lagegeber, Drehzahlgeber und spezielle Elemente für die Erfassung von Motorstrom und/oder Magnetfluss zum Einsatz. Zur Kostensenkung im Bereich der Sensoren wird versucht, bestimmte Messgrößen ausgehend von einfach zu messenden Größen wie Motorstrom und –spannung zu errechnen. Aus der breiten Palette von Anwendungen wird schwerpunktmäßig der Bereich der industriellen Antriebstechnik im unteren und mittleren Leistungsbereich zwischen 1 kW und 100 kW Antriebsleistung behandelt. Ein kompletter Antriebsstrang, dessen grundsätzlicher Aufbau für einen Drehstrommotor in Bild 1.1 dargestellt wird, besteht aus vielen einzelnen Komponenten. Bei kleinen Leistungen wird das Regelgerät einphasig an das Wechselstrom–, ansonsten aber dreiphasig an das Drehstromnetz angeschlossen. Eine Kondensatorbatterie dient als Energiespeicher für die gleichgerichtete Netzspannung. Die Versorgungsspannung für den Servomotor wird von einer leistungselektronischen Schaltung erzeugt, die mit hohem Wirkungsgrad arbeitet und bei einem Gleichstrommotor eine Gleichspannung mit einstellbarer Amplitude zur Verfügung stellt. Wenn Drehstromservomotoren eingesetzt werden, muss das Leistungsteil eine Drehspannung liefern, deren Frequenz und Scheitelwert in weiten Grenzen verändert werden können. Die Schalttransistoren des Leistungsteils werden von der Signalverarbeitung angesteuert und überwacht, zu deren Aufgaben die Berechnung der unterschiedlichen Regelalgorithmen ebenso gehört wie die Kommunikation mit der überlagerten Steuerung. Das Leistungsteil transportiert und wandelt Energie vom Netz zum Motor und umgekehrt. Im Bereich der Signalverarbeitung fließen im Wesentlichen keine Energie sondern Informationen (Signale). Mechanische Übertragungsglieder – in Bild 1.1 ein Gewindetrieb – formen die Rotation der Motorwelle in eine translatorische Bewegung um. Die Motorwelle ist durch eine Kupplung mit einer beidseitig gelagerten Gewindespindel verbunden, deren Rotation die Spindelmutter auf der Spindel in beiden Richtungen bewegt. An der Spindelmutter ist die zu bewegende Last – beispielsweise der Werktisch mit dem Werkstück – befestigt. Weitere Arten mechanischer Übertragungsglieder werden in [Groß00] besprochen.
Begriffe
R e g e lu n g s -, S te u e ru n g s - u n d Ü b e rw a c h u n g s fu n k tio n e n K o m m u n ik a tio n m it d e r ü b e rla g e rte n S te u e ru n g
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Bild 1.1
Aufbau und Struktur eines modernen elektrischen Antriebs; Motor und Gewindespindel sind ohne Getriebe über eine Kupplung direkt miteinander verbunden.
Leistungsteil Die elektrische Energie wird vom Netz zur Verfügung gestellt oder beim Bremsen in das Netz zurückgespeist. Statt einem Netz kann auch eine Batterie vorhanden sein. Das Leistungsteil beinhaltet den Netzgleichrichter und den eigentlichen Wechselrichter [Probst08], der den Motor versorgt. Regelgerät und Motor sind nicht in allen Fällen voneinander getrennt. Im unteren Leistungsbereich gibt es immer mehr Anbieter, die Motor und Antriebssteller samt Antriebssteuerung und –regelung in einem Gerät kombinieren. Auf diese Weisen entstehen kostengünstige und kompakte Lösungen, bei denen lediglich die Energieversorgung sowie die Anbindung an die Prozesssteuerung verkabelt werden müssen.
Aufgaben der Signalverarbeitung Neben den Regelungs–, Steuerungs– und Überwachungsfunktionen wird auch die Kommunikation mit der überlagerten Steuerung von der Signalverarbeitung ausgeführt, die aus einem oder mehreren Prozessoren und der erforderlichen Analog– und Digitalelektronik besteht. Einzelnen Komponenten des Leistungsteils sind Funktionen der Signalverarbeitung zugeordnet, die oft durch ein Programmteil im Prozessor realisiert werden. Normalerweise ist eine Stromregelung vorhanden, die mit Hilfe einer Pulsweitenmodulation die Ansteuersignale für
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Komponenten elektrischer Antriebe
die Leistungstransistoren liefert und dadurch Ströme in die Motorleitungen einprägt. Inzwischen sind Abtastraten zwischen 31.25 Ps und 125 μs üblich. Die Drehzahlregelung berechnet den Stromsollwert so, dass der Motor das geforderte Drehmoment erzeugt. In diesem Rahmen müssen mechanische Größen (Drehzahl, Lage) gemessen werden. Übliche Abtastraten liegen zwischen 125 Ps für hochdynamische Vorschubantriebe in einer Werkzeugmaschine und 5 ms für die Drehzahlregelung in einem Walzwerk. Wieviele Antriebe innerhalb eines Prozesses zu koordinieren sind, hängt von der jeweiligen Aufgabe ab: Einfache Werkzeugmaschinen besitzen drei Vorschubachsen sowie zusätzliche Hilfsachsen für Werkzeug– bzw. Werkstückwechsler. Vertikal–Knickarmroboter benötigen bereits sechs Antriebe, um alle Freiheitsgrade im Raum einstellen zu können. Bei Verpackungs– oder Druckmaschinen sind oft mehr als 20 Antriebe im Einsatz.
Prozessregelung Verantwortlich dafür, dass die Regelaufgabe des Antriebs innerhalb des jeweiligen Prozesses erfüllt wird, ist die Prozessregelung, welche die notwendigen Prozessgrößen erfasst und daraus die Sollwerte für unterlagerte Regelkreise bildet. Anspruchsvolle Lageregelungen erfordern Abtastzeiten von höchstens 125 μs. Bei langsam veränderlichen Prozessgrößen können die Abtastintervalle allerdings weit größer gewählt werden. Die gesamte Prozessführung ist dezentral, also verteilt ausgeführt, wobei jedem Antrieb eine Teilaufgabe zugeordnet wird. Die erforderlichen Sollwerte für die einzelnen Antriebe werden durch eine übergeordnete Prozesssteuerung berechnet und vorgegeben. Je nach Anwendung wird diese Prozesssteuerung durch eine SPS–, eine CNC– oder eine Bewegungssteuerung realisiert, die mit den Antrieben Daten über den Feldbus austauscht. Welche Funktionen zentral und welche dezentral erledigt werden, hängt vom Automatisierungskonzept ab. Oft ist der Drehzahlsollwert die Schnittstelle zum dezentralen Teil (SIEMENS): Die zentrale Steuerung muss in diesem Fall die Lageregelalgorithmen von allen angeschlossenen Antrieben berechnen können. Andere Konzepte sehen die Lageregelung im Antrieb vor (LTi–Drives, BOSCH–REXROTH), sodass die übergeordnete Steuerung Lagesollwerte vorgeben kann.
1.2 Aufbau von Antriebsregelgeräten In Bild 1.2 sind am Beispiel eines Servoantriebs mit Spannungszwischenkreisumrichter wesentliche Bestandteile eines Regelgeräts dargestellt, wobei die am Eingang des Gleichrichters abgebildeten Drosseln, das Netzschütz und die Sicherungen Zusatzkomponenten darstellen. Bild 1.2 zeigt im oberen Teil den dreiphasigen Wechselrichter mit einem dreiphasigen Netzanschluss über eine netzgeführte B6–Brücke. Bremssteller, Ladewiderstand und Zwischenkreiskondensatoren sind für den praktischen Betrieb erforderlich: Letztere weisen große Kapazitätswerte auf und sind anfangs noch ungeladen. Unmittelbar nach dem Einschalten der Netzspannung stellen sie einen Kurzschluss dar, was zu hohen Ladeströmen führt, die den Netzgleichrichter gefährden. Aus diesem Grund wird der Zwischenkreis um den Ladewiderstand RL ergänzt, welcher den Ladestrom auf unkritische Werte begrenzt. An ihm entstehen stromabhängige Verluste, die im Dauerbetrieb unerwünscht sind. Nach dem Aufladen der Kondensatoren wird RL über ein Zeitrelais kurzgeschlossen.
Aufbau von Antriebsregelgeräten L 2
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Struktureller Aufbau eines Antriebsregelgeräts
Zum Schutz des Leistungsteils muss ein unzulässiger Anstieg der Zwischenkreisspannung vermieden werden. Ein Erhöhen der Motordrehzahl erfordert zusätzliche Energie, die aus dem Zwischenkreis entnommen wird und den Motor beschleunigt. Vermindert man die Drehzahl, so wird diese Energie wieder frei und über den Wechselrichter zurück in den Zwischenkreis gespeist. Wenn der Netzgleichrichter mit Dioden aufgebaut ist, kann die Bremsenergie nicht in das Wechselstromnetz zurückgespeist werden, sondern lädt die Zwischenkreiskondensatoren auf. Wie jeder Strom, der in einen Kondensator fließt, transportiert der Strom iC Ladungsträger auf die Kapazität. Am Kondensator gilt folgende Gleichung:
iC
C
dU C dt
C
dU ZK dt
dU ZK
iC dt ǻU ZK C
iC ǻt C
Der Spannungsanstieg 'UZK am Kondensator ist umso größer, je länger der Strom iC in den Kondensator fließt und je geringer seine Kapazität ist. Während des Bremsbetriebs steigt die Zwischenkreisspannung daher an. Eine Erhöhung der Spannung über einen Maximalwert hinaus muss aufgrund der begrenzten Spannungsfestigkeit von Kondensatoren und Wechselrichtertransistoren unterbunden werden. Ein Tiefsetzsteller, welcher aus dem Schalter SBr und dem zugehörigen Lastwiderstand RBr besteht, entlädt die Zwischenkreiskondensatoren über den Widerstand RBr. Er wird Bremssteller genannt [Probst08] und so angesteuert, dass die Zwischenkreisspannung UZK stets kleiner als der zulässige Maximalwert bleibt. An die Klemmen a, b und c des Wechselrichters wird der Motor angeschlossen. Servomotoren beinhalten einen Winkelgeber, mit dem die Winkelstellung des Rotors gemessen werden kann. In der Praxis werden dafür Systeme mit unterschiedlichen Messprinzipien herangezogen (vgl. Abschnitt 4.3).
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Komponenten elektrischer Antriebe
Beim Betrieb von hängenden Achsen darf sich die Last – auch bei Ausfall der Netzspannung – unter keinen Umständen ungewollt absenken, sodass Motoren, die hängende Lasten bedienen, mit einer Haltebremse ausgestattet sind. Sobald das Regelgerät aufgrund von Energieausfall oder fehlender Reglerfreigabe die Last nicht mehr sicher halten kann, fällt sie ein und verhindert das unkontrollierte Absenken der Last. Die Signalverarbeitung wird heute meist von einem oder mehreren Mikrocontrollern ausgeführt. Zwischen Signalverarbeitung und Leistungsteil ist die Baugruppe Signalanpassung geschaltet, die Messgrößen aus dem Leistungsteil und angeschlossenen Sensoren (z. B. Netzspannung UN, Zwischenkreisspannung UZK, Motorströme, etc.) aufbereitet. Daneben liefert sie die Zündimpulse an die Halbleiterbauelemente, steuert das Netzschütz an und sorgt gegebenenfalls für Potenzialtrennung und Leistungsverstärkung der Zündimpulse und bei der Ansteuerung der Schütze. Der Datenaustausch zwischen Signalverarbeitung und Signalanpassung erfolgt über Binärsignale mit TTL–Pegel und störungsfreie Analogsignale. Ein Netzteil liefert die Versorgungsspannungen für die Baugruppen Signalverarbeitung und Signalanpassung. Meist sind dies 5V für die Digitaltechnik, r15V für die Analogtechnik und 24V für Binärsignale und Zündimpulse. In Bild 1.2 wird das Netzgerät vom gleichen Netz versorgt, an dem auch der Leistungsteil hängt; sein Anschluss bleibt auch dann bestehen, wenn z.B. eine der Sicherungen in den Zuleitungen zum Leistungsteil auslöst. Es muss zwingend vor dem Hauptschütz angeschlossen sein, wenn das Antriebsregelgerät selbst sein Hauptschütz bedienen soll. Auch wenn der Antrieb infolge einer Störung abschaltet, muss die Hilfsenergieversorgung aufrechterhalten werden, weil nur so die Kommunikation mit der überlagerten Steuerung weiter erfolgen kann und die Steuerung Kenntnis über die möglichen Störungsursachen erhält. Es gibt daher Konzepte, das Netzteil nicht mit 230 V Wechselspannung sondern direkt mit 24 V Gleichspannung aus einem externen Netzteil zu versorgen. Drehstromantriebe, die über Frequenzumrichter betrieben werden, beinhalten einen Gleichspannungszwischenkreis, der über Kondensatoren gepuffert ist, und manchmal das Netzteil versorgt. Bei einem Netzspannungsausfall kann für die Zeit, in der noch Energie im Zwischenkreis ist, die Hilfsenergieversorgung aufrechterhalten werden.
Schnittstellen des Regelgerätes Moderne Regelgeräte bieten eine Fülle unterschiedlicher Schnittstellen, die teilweise vom Anwender konfiguriert werden können. Immer vorhanden ist eine konventionelle Schnittstelle, über die per Klemmleiste einige digitale und analoge Ein– und Ausgänge kontaktiert werden können. Die digitalen Signale werden meist in 24 V Technik ausgeführt. Über diese Eingänge kann eine Steuerung Kommandos wie Ein/Aus bzw. Start/Stopp an den Antrieb übermitteln. Auch das Freigeben der Ansteuersignale für die Leistungstransistoren über den Befehl Reglerfreigabe ist ein binäres Steuersignal. Der Status von Endschaltern wird ebenfalls über binäre Eingänge eingelesen. Digitale Ausgänge ermöglichen es dem Antrieb, binäre Statusinformationen wie Störung oder Bereit an die Steuerung zu melden. Analoge Signale haben einen Wertebereich von r10 V und dienen zur Vorgabe eines analogen Drehzahlsollwertes oder zum Erfassen von Temperaturen o. ä. Größen. Ihre Bedeutung ist stark rückläufig. Vor der Einführung digitaler Geräte wurden sie verwendet, um die Zeitverläufe antriebsinterner Größen zur Unterstützung bei der Reglereinstellung auf Oszilloskope auszugeben. Heutzutage sind in die Regelgeräte einfache Datenrekorder integriert, welche die analogen Ausgänge überflüssig machen.
Aufbau von Antriebsregelgeräten
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Jedes moderne Antriebsregelgerät verfügt über eine Feldbusschnittstelle, da vermehrt digital arbeitende Steuerungen verwendet werden, welche Sollwerte und Steuerbefehle (Ein/Aus etc.) über serielle Telegramme an das Antriebsregelgerät übertragen. In umgekehrter Richtung erfolgt die Rückmeldung von Istwerten und Statusinformationen an die Steuerung. Abhängig vom verwendeten Feldbus können Antriebsregelgeräte, die am selben Bus angeschlossen sind, auch untereinander Informationen austauschen. Die Feldbusschnittstelle macht die konventionelle Schnittstelle, soweit sie nicht für Prozesssignale benötigt wird, überflüssig, spart Verkabelungsaufwand und ermöglicht auch noch nachträgliche Änderungen im Signalaustausch, ohne dass die Verkabelung geändert werden muss. Auf diese Weise ist sowohl das Parametrieren des Regelgerätes als auch eine detaillierte Diagnose per Feldbus möglich. Schließlich können sowohl Soll– als auch Istwerte mit höherer Auflösung übertragen werden, als dies die konventionelle Schnittstelle erlaubt. Feldbusse und in zunehmendem Maße auch Industrial Ethernet sind Schlüsseltechnologien für die Automatisierung, durch deren Einsatz im Vergleich zur konventionellen Verkabelung durchschnittlich 40% der Kosten eingespart werden können. Es gibt heute ca. 50 verschiedene Feldbusse mit mehr als 20 unterschiedlichen Industrial–Ethernet–Protokollen, die sich hinsichtlich ihrer technischen Funktionen, Einsatzgebiete und Anwendungshäufigkeit grundsätzlich von einander unterscheiden. Tabelle 1.1 Feldbusse bei Antrieben Feldbus CAN Industrial Ethernet Interbus–S Profibus Sercos Interface
Protokolle CANopen, DeviceNet, Smart Distributed Systems SDS PowerLink, Profinet, Ethercat, Sercos III
Neben firmenspezifischen Feldbussen, die vorwiegend im Anlagenbereich eingesetzt werden und eine Kommunikation nur zwischen Steuerungen und Antrieben eines Herstellers ermöglichen, gewinnen offene Feldbusse immer mehr an Bedeutung. Offen bedeutet hier, dass Komponenten verschiedener Hersteller zusammengeschaltet werden und untereinander Daten austauschen können. Anfangs nutzte die Antriebstechnik bestehende Feldbusse. Um deren Schwächen hinsichtlich Pünktlichkeit der Übertragung und deterministischem Verhalten zu beheben, wurden für diese Busse spezielle Protokolle für die Antriebstechnik entwickelt. Bei besonderen Anforderungen werden spezielle Feldbusse für Antriebe wie Sercos–Interface verwendet. Tabelle 1.1 gibt einen Überblick über einige bestehende Busse, die in der Antriebstechnik Verwendung finden. Es kommt häufig vor, dass der Kunde einen bestimmten Feldbus vorschreibt, sodass Antriebshersteller in der Regel mehrere verschiedene Feldbusse unterstützen.
Digitale Signalverarbeitung Bei modernen Antrieben erfolgt die Signalverarbeitung nahezu ausschließlich mit einem oder mehreren Mikrocontrollern. Antriebsregelgeräte gab es allerdings auch schon vor der Erfindung des Mikroprozessors und es gibt auch heute noch Antriebe, die ausschließlich mit analoger Signalverarbeitung auskommen und in ihren Regeleigenschaften keineswegs schlechter als digital arbeitende Geräte sind. Der Zusatznutzen der Digitaltechnik zeigt sich immer dann,
8
Komponenten elektrischer Antriebe
wenn komplexe Regelalgorithmen implementiert werden müssen, wie sie bei der polradorientierten Regelung der permanent erregten Synchronmaschine vorkommen (vgl. Abschnitt 3.1.3). Des Weiteren besitzen Digitalgeräte die Fähigkeit, Regelparameter im Rahmen einer Selbsteinstellung aus bekannten Streckengrößen anhand der Gleichungen aus den Abschnitten 5.1.3 und 5.1.4 zu ermitteln. Ebenso sind Programme zur Diagnose implementiert. Ein Beispiel dafür ist ein Transientenrekorder, der ähnlich arbeitet, wie ein digitales Speicheroszilloskop: beim Eintreffen von wählbaren Triggerbedingungen werden die Werte antriebsinterner Größen (Sollwerte, Istwerte) im Speicher des Prozessors abgelegt, auf den angeschlossenen PC übertragen und dort als Zeitverläufe dargestellt. Ist die Kommunikation zwischen Antrieb und PC schnell genug, können die Kurven wie bei einem Oszilloskop am PC wiedergegeben werden, sodass bei Inbetriebnahme und Fehlersuchen auf herkömmliche Messgeräte und Oszilloskope verzichtet werden kann [Best01]. Ein Unterschied zwischen digitaler und analoger Signalverarbeitung besteht in der Handhabung: Bei analoger Signalverarbeitung erfolgte die Inbetriebnahme, also die Anpassung des Regelgerätes an Motor und Arbeitsmaschine, vielfach durch Einstellen von Potentiometern und Einlöten von Widerständen und Kondensatoren, deren Werte zuvor mit Hilfe von Widerstands– und Kondensatordekaden bestimmt wurden. Serienanwendungen erforderten die Ermittlung dieser Werte selbstverständlich nur einmal bei der Erstinbetriebnahme; für alle weiteren Anwendungen wurden diese Werte übernommen. Alle Potentiometer und anzupassenden Bauelemente waren auf einer eigenen, steckbaren Leiterplatte, dem sogenannten Motorprint, untergebracht. Musste im Servicefall ein defektes Antriebsregelgerät ausgetauscht werden, wurden das vorhandene Motorprint und damit alle Einstellungen des defekten Gerätes in das neue Gerät eingebaut. Bei einem digitalen Regelgerät werden die Antriebsparameter in einem nichtflüchtigen Speicher – üblicherweise ein EEPROM oder ein Flash–Speicher – abgelegt. Das Parametrieren kann über eine lokale Bedienung erfolgen, die aus einer LED– oder LCD–Anzeige und einigen wenigen Tasten besteht und entweder fest in das Gerät eingebaut ist oder als separate Einheit zur Verfügung steht. Mit Hilfe eines Inbetriebnahme– und Diagnoseprogramms kann der Antrieb alternativ über eine geeignete Schnittstelle (z.B. RS232) an einen Laptop angeschlossen werden. Diese Variante bietet eine wesentlich komfortablere Bedienung; nach erfolgter Inbetriebnahme können die Parameter zudem auf einen Datenträger gesichert und bei Seriengeräten in weitere Antriebe geladen werden. Auch bei Digitalantrieben muss dem Austausch defekter Geräte im Servicefall große Beachtung geschenkt werden, da ein Digitalgerät oft mehrere 100 Parameter hat und auch verschiedene Firmwareversionen vorliegen können. Geht ein Digitalgerät defekt und es wurde versäumt, die eingestellten Parameter in irgendeiner Form zu sichern, so ist ein Gerätetausch problematisch. Mitunter verfügen digitale Antriebe über die Möglichkeit der Anwenderprogrammierung (vgl. Abschnitt 5.2.4) ähnlich einer SPS. Bestehende Funktionsblöcke können vom Anwender aktiviert und zu komplexen Ablaufprogrammen verbunden werden. Für den Servicefall gelten ähnliche Überlegungen wie für die Parameter: Es muss dafür gesorgt werden, dass bei einem notwendigen Gerätetausch das Anwenderprogramm auf den Ersatzantrieb kopiert werden kann. Die Service–Problematik wird manchmal so gelöst, dass der Parameter– und eventuell auch der Firmwarespeicher in ein steckbares Speichermodul eingebaut werden, welches dem Mo-
Aufbau von Antriebsregelgeräten
9
Z K
= 7 5 0 V
= 5 4 0 V
1 m F
U
U
U
Z K
1 m F
Z K
1 m F
= 5 4 0 V
torprint beim Analogantrieb vergleichbar ist. In der Regel ist ein Gerätetausch unproblematisch, allerdings muss man auch mit dem Fall rechnen, dass das Speichermodul selbst defekt geht oder die Speicher ungewollt beschrieben werden. Aus diesem Grund ist es trotzdem notwendig, dass Einstellparameter und Anwenderprogramme zusätzlich auf andere Art gesichert werden.
a )
x schlechte elektromagnetische Verträglichkeit x erhebliche Verzerrung der Netzspannung x Zwischenkreisspannung ist abhängig von der Netzspannung: UZK = f(UL1) x keine Energierückspeisung und keine Blindleistungskompensation x kostengünstig Bild 1.3
b )
x Aufnahme von GS– Blindleistung x Reduktion der Netzspannungsverzerrungen x Zwischenkreisspannung ist abhängig von der Netzspannung: UZK = f(UL1) x keine Energierückspeisung und keine Blindleistungskompensation x mittlere Kosten
c )
x keine Aufnahme von GS– Blindleistung, cosM | 1 x geringe Verzerrung der Netzspannung x hohe geregelte Zwischenkreisspannung: UZK != f(UL1) x Energierückspeisung und Blindleistungskompensation möglich x höhere Kosten
Einspeisestromrichter für Umrichter mit Spannungszwischenkreis; a) ungesteuerte Diodenbrücke direkt am Netz; b) ungesteuerte Diodenbrücke mit Drosseln zur Korrektur des Leistungsfaktors c) Active–Front–End–Umrichter
Elektromagnetische Verträglichkeit In Bild 1.2 ist als Einspeisestromrichter für den Zwischenkreis eine passive B6–Diodenbrücke dargestellt, die direkt an das Drehstromnetz angeschlossen wird. Alternativ dazu können weitere Schaltungen gem. Bild 1.3 verwendet werden, die unterschiedliche Vor–/Nachteile gegenüber der konventionellen Schaltung aufweisen. Bild 1.3 a) zeigt das Schaltungsbeispiel eines solchen Diodengleichrichters mit kapazitiver Glättung der Gleichspannung. Der netzseitige Ladestrom des Kondensators weicht mit zwei hohen Impulsen pro Halbperiode erheblich von dem wünschenswerten sinusförmigen Stromverlauf ab. Bereits bei einer relativ kleinen Leistung erreicht der Spitzenwert des Stromes sehr hohe Werte. Eine harmonische Analyse des Stromverlaufes ergibt, dass das Drehstromnetz hierbei mit einer fünften, siebten, elften und dreizehnten Oberschwingung stark belastet wird. Die Oberschwingungen stellen ein Vielfaches der 50–Hz–Grundschwingung dar, wobei der
10
Komponenten elektrischer Antriebe
Scheitelwert der fünften Oberschwingung mit 250 Hz z.B. noch ca. 80% der Grundschwingung beträgt.
w w w
Die genannten Aussagen können mit dem Applet B6U mit kapazitiver Glättung nachvollzogen werden
Diese so genannten Netzrückwirkungen verursachen eine Verzerrung der ursprünglich sinusförmigen Netzspannung, führen zu einer schlechten Qualität des elektrischen Energieversorgungsnetzes und können die Funktion anderer elektrischer Verbraucher beeinträchtigen. Um die erheblichen Netzrückwirkungen der Diodengleichrichter zu vermeiden, werden den Diodenbrücken nach Bild 1.3 b) drehstromseitig Drosseln vorgeschaltet. Sie bewirken zwar eine Reduktion der Stromamplitude und der Stromoberschwingungen, führen aber zu einem erhöhten Bezug von Grundschwingungsblindleistung und einer Absenkung der Zwischenkreisspannung. Zusätzliche Forderungen, wie z.B. nach einer hohen, konstanten und von der Netzspannung unabhängigen Zwischenkreisspannung, der Rückspeisefähigkeit des Antriebs oder der Option auf Blindleistungskompensation, lassen sich durch Einsatz eines selbstgeführten Stromrichters nach Bild 1.3 c) erfüllen [Wolff97], welcher Active–Front–End–Umrichter genannt wird. Dabei handelt es sich um einen geregelten Netzgleichrichter, welcher am Eingang zusätzlich zu den passiven Dioden aktive Leistungsschalter beinhaltet. Netz– und motorseitiger Stromrichter haben denselben Aufbau. Schaltungen mit Diodengleichrichter nach Bild 1.3 a) und b) sind passiver Natur und benötigen praktisch keine Steuerung. Active–Front–End–Umrichter nach Bild 1.3 c) dagegen erfordern einen erheblichen Zusatzaufwand für die notwendige Ansteuerelektronik der Transistoren und die Regelung der Zwischenkreisspannung. Trotz des höheren Steueraufwandes für die Einspeisung ergeben sich bei ihnen deutliche Vorteile gegenüber den passiven Schaltungen: x
Energierückspeisung ins Netz , wenn z.B. vom Motor angetriebene Massen abgebremst werden müssen,
x
nahezu sinusförmige Stromaufnahme aus dem Netz, die deutlich weniger Oberschwingungen niedriger Ordnungszahl aufweist
x
schnelles Umschalten zwischen motorischem und generatorischem Betrieb.
Die konstante und hohe Zwischenkreisspannung unterstützt eine ausgeglichene und hohe Regeldynamik. Bei dynamischen Antriebssystemen werden Lasten mit teilweise großen Trägheitsmomenten schnell und häufig abgebremst. Eine Energierückspeisung in das Drehstromnetz ist für solche Anwendungen ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich lohnend. Der Leistungsteil des Active–Front–End–Umrichters benötigt ebenfalls eine Netzdrossel, um ein ruhiges Regelverhalten und einen kleinen, den Netzströmen überlagerter Wechselanteil des Stroms zu gewährleisten. Der Zwischenkreiskondensator dient auch hier zur Glättung der Gleichspannung und zur Entkopplung von netzseitigem und maschinenseitigem Stromrichter. Aufgrund der Dioden beträgt die Zwischenkreisspannung beim Anschluss an das 400 V Drehstromnetz mindestens 540 V, allerdings wird in der Praxis eine höhere Zwischenkreisspannung in der Größenordnung von 750 V gewählt. Der relativ hohe Wert führt zu einer guten Dynamik der Antriebsregelung und liegt ausreichend unterhalb der zulässigen Spannungsbeanspruchung der Leistungstransistoren.
11
2
Grundlagen der Regelungstechnik
Lernziele: Der Lernende … x
benennt verschiedene Beschreibungsarten von Übertragungsgliedern
x
kennt unterschiedliche Übertragungsfunktionen
x
unterscheidet zwischen Steuerung und Regelung
x
wendet die Fachbegriffe zur Beschreibung von Regelkreisen an
x
benennt die grundlegenden Aufgaben eines Regelkreises
2.1 Charakterisierung von Übertragungsgliedern In der heutigen Welt gibt es eine große Vielfalt von technischen Anlagen, die aus unterschiedlichsten gerätetechnischen Komponenten bestehen. So existieren Anlagen, die mit hydraulischer, pneumatischer oder elektrischer Antriebstechnik arbeiten. Maschinen werden gebaut, die Papier bedrucken, Lebensmittel verpacken oder hochpräzise spanabhebende Bearbeitungen durchführen. Trotz dieser großen Vielfalt in gerätetechnischer Sicht können solche Systeme durch einige wenige funktionale Grundtypen von Übertragungsgliedern beschrieben werden. Der Übergang vom realen technischen System zum Blockschaltbild und damit zum mathematischen Modell der Übertragungsfunktion erleichtert die Untersuchung der dynamischen Vorgänge außerordentlich. Zudem werden ganz allgemeine Aussagen über das Verhalten der Regelung unabhängig von der gerätetechnischen Natur des Systems ermöglicht.
2.1.1 Allgemeines zu Übertragungsgliedern Das Übertragungsglied aus Bild 2.1 ordnet seiner Eingangsgröße u in eindeutiger Weise über die Funktion f eine Ausgangsgröße y zu. Der Zusammenhang wird durch die Schreibweise y = f(u) ausgedrückt. u
f
y Bild 2.1
Allgemeine Darstellung eines Übertragungsgliedes
Eine Beschreibung der Ein– und Ausgangsgrößen im Zeitbereich erfolgt durch die Bezeichnungen u(t) bzw. y(t). Kann die Funktion f der Laplace–Transformation unterworfen werden, wird die Beziehung zwischen Ein– und Ausgang im sogenannten Bild– oder Frequenzbereich ausgedrückt. Im Bildbereich wird ein Übertragungsglied durch seine Übertragungsfunktion G(s) beschrieben; Ein– und Ausgangsgröße u(s) bzw. y(s) sind die Laplace–Transformierten der zugehörigen Zeitfunktionen u(t) und y(t).
U. Probst, Servoantriebe in der Automatisierungstechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-8169-4_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
12
Grundlagen der Regelungstechnik G ( s) u ( s)
y ( s)
(2.1)
Bisweilen werden Grossbuchstaben U(s) bzw. Y(s) zur Darstellung von Signalen im Bildbereich und Kleinbuchstaben u(t) bzw. y(t) zur Beschreibung im Zeitbereich verwendet. Dies führt nach Ansicht des Autors häufig zur Verwirrung der Leser. Aus diesem Grund werden in diesem Buch nach Tabelle 2.1 durchgängig Kleinbuchstaben für Ein– und Ausgangsgrößen benutzt. Signale im Bildbereich erhalten den Parameter s, Signale im Zeitbereich den Parameter t. Tabelle 2.1 Beschreibung im Zeitbereich u(t) ist eine Zeitfunktion Beschreibung im Bild– bzw. Frequenzbereich u(s) ist die Laplace–Transformierte L {u(t)} der Zeitfunktion u(t)
u(t) u(s) = L {u(t)}
Mit der Darstellung der Sprungantwort hat sich eine weitere Beschreibungsart von einfachen Übertragungsgliedern etabliert. Als Sprungantwort wird die Reaktion der Ausgangsgröße y(t) auf eine sprungförmige Änderung der Eingangsgröße u(t) bezeichnet. Wenn statt der Übertragungsfunktion G(s) das Bild der Sprungantwort in den Block eingetragen wird, erhält man eine anschauliche Charakterisierung des Übertragungsverhaltens (vgl. Bild 2.2 bis Bild 2.8). Übung 2.1 Welche Beschreibungsarten für Übertragungslieder kennen Sie?
2.1.2 Proportionalglied Bei einem Proportionalglied (P–Glied) ist der Zusammenhang zwischen Ein– und Ausgangssignal nach Gl. (2.2) besonders einfach. Der Parameter K heißt Verstärkungsfaktor des P– Gliedes, und bildet seine Übertragungsfunktion G(s). K u (t )
y (t )
y ( s)
K u ( s)
R S R
1
R 2
u
R 2
G( s)
(2.2)
K
u u
u
u
S R
u R 2
R
S R
R 1
u
2
+ R
R 2
u
u
S R
R 2
2
t a )
Bild 2.2
b )
c )
d )
a) Spannungsteiler; b) Sprungantwort der Spannung uR2 bei einer sprungförmigen Änderung von uSR; c) Beschreibung als Übertragungsfunktion; d) Beschreibung als Sprungantwort
Übung 2.2 Ermitteln Sie den Verstärkungsfaktor des Übertragungsgliedes aus Bild 2.2 für den Fall, dass R1 = 10 : und R2 = 30 : betragen. Wie groß wird die Ausgangsgröße uR2 bei einem Sprung von uSR auf 30 V?
Charakterisierung von Übertragungsgliedern
13
2.1.3 Integrierglied Die Funktionalbeziehung des Integriergliedes (I–Glied) aus Bild 2.3 lautet t
K ³ u (W ) dW mit K ! 0
y
0
u C , iC u
iC u C
C
C
iC
1 sC
iC
u C
iC
u C
t a )
Bild 2.3
c )
b )
d )
a) Kapazitiver Stromkreis mit Vorgabe des Stromes iC; b) Sprungantwort der Kondensatorspannung uC auf eine sprungförmige Änderung des Stromes iC; c) Beschreibung als Übertragungsfunktion; d) Beschreibung als Sprungantwort
Mit Hilfe der Laplace–Transformation ergibt sich die zugehörige Übertragungsfunktion G(s), die auf ein sprungförmiges Eingangssignal mit einer zeitlinear ansteigende Ausgangsgröße antwortet. Der Kehrwert Ti des Verstärkungsfaktors K heißt Integrationszeitkonstante. Beide Bezeichnungen werden in der Praxis benutzt. y ( s)
K u ( s) s
1 u(s) s Ti
G ( s)
1 s Ti
12 A
1,5 V
9A
1V
6A
0,5 V
3A
0V
i [A]
u C [V]
2V
K s
0A 0
0,05
0,1
0,15
0,2 t [s]
0,25
0,3
0,35
Bild 2.4
Sprungantwort Beispiel 2.1
aus
Beispiel 2.1 Sprungantwort bei der Aufladung eines Kondensators Der Kondensator aus Bild 2.3 wird mit dem konstanten Strom i = 2 A geladen. Ermitteln Sie den Verstärkungsfaktor K sowie den Verlauf der Sprungantwort für C = 1 mF. Wie ändert sich der Verlauf, wenn nach 200 ms der Kondensatorstrom auf 11 A erhöht wird?
Lösung: Aus der Übertragungsfunktion G(s) wird der Verstärkungsfaktor errechnet:
14
Grundlagen der Regelungstechnik G( s)
K s
1 Cs
K
1 C
1 1mF
1 0.001F
1000 F-1
Je kleiner die Kapazität gewählt wird, desto größer ist der Verstärkungsfaktor K des I– Gliedes und umso steiler steigt die Sprungantwort in Bild 2.4 an.
2.1.4 Differenzierglied Das Differenzierglied (D–Glied) bildet am Ausgang die zeitliche Ableitung der Eingangsgröße u: K u mit K ! 0
y
Die Laplace–Transformation der Differentiation liefert die Übertragungsfunktion G(s) y ( s)
s K y( s)
G( s)
sK
Differenzierglieder kommen in realen praktischen Systemen zwar selten und nur in Verbindung mit Verzögerungsgliedern vor, haben aber dennoch praktische Bedeutung, weil Regelalgorithmen gelegentlich differenzierende Anteile beinhalten. u
, iC T
iC u
S R
C
S R
u d
iC
S R
u
S R
sC
iC
u
iC
S R
t a )
b )
c )
d )
a) Kapazitiver Stromkreis mit Vorgabe der Spannung uSR; b) Sprungantwort des Stromes iC auf eine (nahezu) sprungförmige Änderung der Kondensatorspannung uC; c) Beschreibung als Übertragungsfunktion; d) Beschreibung als Sprungantwort
Bild 2.5
Die Problematik des D–Gliedes wird bereits bei der Darstellung seiner Sprungantwort in Bild 2.5 b) deutlich: Aus mathematischer Sicht ist die Ableitung eines Sprunges an der Sprungstelle überhaupt nicht definiert. Fasst man den Sprung der Eingangsspannung uSR aber näherungsweise als kontinuierliche und sehr steile Übergangsfunktion während der Zeit Td auf, so liefert ihre Ableitung einen schmalen Impuls, dessen Höhe zunimmt, je steiler der Anstieg von uSR ist. Üblicherweise wird die Sprungantwort als G–Funktion bezeichnet [Föllinger92].
2.1.5 Summierglied Die Ausgangsgröße y des Summiergliedes ist die Summe aller Eingangsgrößen ui; für das Summierglied aus Bild 2.6 lautet die Funktionalbeziehung: y
u1 (u2 )
u1 u2
Charakterisierung von Übertragungsgliedern
u
15
y 1
u
2
Bild 2.6
Darstellung des Summiergliedes
2.1.6 Verzögerungsglied erster Ordnung Häufig liegt der Fall vor, dass die Ausgangsgröße eines Systems zeitverzögert auf die Änderung einer Eingangsgröße reagiert. In elektronischen Schaltungen ist das beispielsweise beim ohmsch–induktiven Stromkreis aus Bild 2.7 der Fall. u u
i R
L
R
S R
i u
S R
T L
Bild 2.7
1 R (1 + sT L
)
i
u
i
S R
t
= L /R
a )
S R
b )
c )
d )
a) Ohmsch–induktiver Stromkreis; b) Sprungantwort des Stroms i auf eine sprungförmige Änderung der Spannung uSR; c) Beschreibung als Übertragungsfunktion; d) Beschreibung als Sprungantwort
Wenn eine solche Reihenschaltung aus Bild 2.7 a) einer sprungförmig ansteigenden Spannung uSR ausgesetzt wird, dann ändert sich der Strom i keineswegs schlagartig, sondern steigt laut Teilbild b) zeitverzögert an. Die Anstiegsgeschwindigkeit hängt von den Werten der Bauelemente R und L ab. Teilbild c) stellt den Zusammenhang zwischen der Eingangsgröße uSR und der Ausgangsgröße i als Übertragungsfunktion dar, die sich formal aus der Maschengleichung des Stromkreises ergibt, wenn man bei der Berechnung der Reaktanz die Kreisfrequenz jZ durch den Laplace–Operator s ersetzt. R i jZ L i G (s )
i (s ) u SR (s )
uSR uSR R jZ L R s L 1 1 1 1 L R s R 1 s TL 1 R
uSR 1 R sL
i
Eine sprungförmige Änderung der Eingangsspannung führt zum Zeitverlauf des Stromes aus Teilbild b), der nachfolgender Gleichung unterliegt. i (t )
t § uSR ¨ TL ¨1 e R ¨ ©
· ¸ ¸ ¸ ¹
16
Grundlagen der Regelungstechnik
Übertragungsglieder, die ein solches Zeitverhalten aufweisen, werden Verzögerungsglieder erster Ordnung (PT1–Glied) genannt. Der Parameter TL heißt Zeitkonstante. Viele technische Systeme reagieren verzögert auf veränderliche Eingangsgrößen. Sie können daher näherungsweise durch PT1–Glieder beschrieben werden. Das grundlegende Verhalten eines PT1–Gliedes kann mit dem Applet PT1– Verhalten nachvollzogen werden.
w w w
2.1.7 Verzögerungsglied zweiter Ordnung Beinhaltet der Stromkreis wie in Bild 2.8 zusätzlich eine Kapazität, dann wird das Verhalten komplizierter. Auf eine sprungförmige Änderung der Eingangsgröße uSR reagiert die Kondensatorspannung uC ebenfalls nicht schlagartig. Ihr Zeitverhalten ist allerdings anders als das eines PT1–Gliedes. Anhand des Zeitverlaufs der Ausgangsgröße uC in Bild 2.8 b) wird deutlich, dass die Reaktion der Kondensatorspannung uC bei sprungförmiger Anregung durch die Eingangsspannung uSR einer gedämpften Schwingung entspricht. Dies ist nicht verwunderlich, schließlich bildet die Reihenschaltung von L und C einen Schwingkreis, dessen Eigenschwingung durch den Serienwiderstand R gedämpft wird. i u
u
u R
R
L
u
L
S R
C
u
u C
S R
u
1 /f C
S R
1 1 + s R C + s 2L C
u C
u
u
S R
C
t a )
b )
Bild 2.8
c )
d )
a) Ohmsch–induktiver–kapazitiver Stromkreis; b) Sprungantwort der Kondensatorspannung uC auf eine sprungförmige Veränderung von uSR; c) Beschreibung als Übertragungsfunktion; d) Beschreibung als Sprungantwort
Darstellung als Differenzialgleichung Die Maschengleichung für Bild 2.8 a) liefert uSR
uR uL uC
(2.3)
Zwischen dem Strom und der Spannung an Widerstand, Induktivität und Kondensator gelten die elementaren Zusammenhänge aus Gl. (2.4) uR
R i
uL
L
Mit deren Hilfe wird aus Gl. (2.3)
di dt
i
C
duC dt
(2.4)
Charakterisierung von Übertragungsgliedern
uSR
i
du dC C duC dt u RC L C d t d t
17
R C
duC d 2 uC LC uC dt dt 2
i
mit uC
duC und uC dt
d 2 uC
R C uC L C uC uC
folgt: uSR
dt 2
(2.5)
Mathematisch betrachtet handelt es sich bei Gl. (2.5) um eine homogene lineare Differenzialgleichung zweiter Ordnung mit den konstanten Koeffizienten R, L und C.
Darstellung als Übertragungsfunktion Unter Verwendung der Spannungsteilerregel kann der Zusammenhang zwischen Eingangsgröße uSR und der Ausgangsgröße uC auch als Übertragungsfunktion angegeben werden: uC ( s ) uSR ( s )
G(s)
1 s C
1
1 R sL s C
1 s R C s2 L C
(2.6)
Eine Übertragungsfunktion, bei der der Laplace–Operator im Nenner in einem quadratischen Polynom vorliegt, beschreibt ein schwingungsfähiges System und heißt Verzögerungsglied zweiter Ordnung (PT2–Glied), für die nach [Föllinger92] die Normalform aus Gl. (2.7) existiert: uC uSR
1
(2.7)
1 s 2 d T s2 T 2
Der Koeffizientenvergleich zwischen Gl. (2.6) und (2.7) liefert die Ausdrücke nach Gl. (2.8). T2
L C
2 d T
R C
T d
L C R C 2 T
1
Z0 R C 2 L C
R C 2 L
(2.8)
Der Parameter d wird Dämpfungsfaktor oder Dämpfungsmaß genannt. Im theoretischen dämpfungslosen Fall d = 0 schwingt das System, ohne je zur Ruhe zu kommen. Für Dämpfungsfaktoren 0 < d < 1 ist ebenfalls eine Schwingung erkennbar, welche jedoch – abhängig von der Höhe der Dämpfung – nach endlicher Zeit abklingt. Für d = 1 stellt sich gerade keine Schwingung mehr ein. Werte von d > 1 bewirken langsame und stark gedämpfte Übergangsvorgänge. Wie beim PT1–Glied wird T ebenfalls als Zeitkonstante bezeichnet. Sie ist gleichzeitig der Kehrwert der Resonanzfrequenz Z0. Mit dieser Frequenz würde das System im dämpfungslosen Fall (im Beispiel aus Bild 2.8 wäre das wegen Gl. (2.8) R = 0) schwingen. Aufgrund der Dämpfung oszilliert das System für 0 < d < 1 jedoch nicht mit der Resonanzfrequenz Z0, sondern mit der gedämpften Eigenfrequenz Z, die sich von der Resonanzfrequenz bei kleinen Dämpfungswerten nach Gl. (2.9) nur geringfügig unterscheidet. Die Schwingungsamplituden gehen mit der Abklingzeitkonstante TG = 1/G zurück, wie die Sprungantwort des Serienschwingkreises aus Bild 2.8 a) in Bild 2.9 verdeutlicht.
18
Grundlagen der Regelungstechnik 200%
Tδ
u C/u SR
150% 100% 50% 1/f 0% 0
0,02
0,04
0,06
0,08
0,1
t
Bild 2.9
Sprungantwort des Serienschwingkreises aus Bild 2.8 a)
Sind Dämpfungsfaktor und Zeitkonstante bekannt, so kann das Zeitverhalten eines PT2– Gliedes durch folgende Parameter beschrieben werden: f0
Z0 2S
1 1 2S T
G
d Z0
Z Z0 1 d 2
(2.9)
Vergleich zwischen Differentialgleichung und Übertragungsfunktion Ein Vergleich zwischen Gl. (2.5) und Gl. (2.6) zeigt, dass die Koeffizienten der ersten und zweiten Ableitung aus Gl. (2.5) mit den Koeffizienten für s und s2 aus Gl. (2.6) übereinstimmen. Eine homogene lineare Differenzialgleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten beschreibt ein schwingfähiges System. Wird die Differenzialgleichung so umgestellt, dass der Vorfaktor der Zustandsgröße (in Gl. (2.5) uC) 1 beträgt, dann kann aus dem Koeffizienten der zweiten Ableitung nach Gl. (2.8) die Resonanzfrequenz ermittelt werden. Der Koeffizient der ersten Ableitung liefert in diesem Fall nach Gl. (2.8) den Dämpfungsfaktor. Übung 2.3 Ermitteln Sie für den Serienschwingkreis aus Bild 2.8 die Resonanzfrequenz f0 für die Parameter L = 3.375 mH und C = 533 μF. Wie groß muss der Widerstand R werden, damit der Dämpfungsfaktor d = 0.2 beträgt? Mit welcher Frequenz schwingt die Kondensatorspannung unter diesen Umständen?
w w w
Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet PT2–Verhalten.
Schwingungsfähige technische Systeme lassen sich näherungsweise durch PT2–Glieder charakterisieren, deren grundlegende Eigenschaften durch die Resonanzkreisfrequenz Z0 sowie den Dämpfungsfaktor d festgelegt werden.
Frequenzgang von Übertragungsgliedern
19
2.1.8 Totzeitglied Transportvorgänge – beispielsweise von Informationen – lassen sich durch ein Totzeitglied (TZ–Glied) beschreiben. Sendet der Controller μCA in Bild 2.10 Daten über die serielle Schnittstelle RS 232 an den Controller μCB, so beansprucht die Übertragung von 8 Bit bei einer Übertragungsrate von 115 kBit/s etwa 70 μs. Erst nach der vollständigen Übertragung des letzten Bits kann μCB die erhaltene Information weiterverarbeiten. Dieser Vorgang kann durch ein Totzeitglied von Tt = 70 μs modelliert werden. 8 . B it a b µ C A
1 . B it a b µ C A µ C A
R S 2 3 2
µ C
T B
u t
t
-T t s
y
u
y
8 . B it a n µ C B
1 . B it a n µ C B a )
K e
c )
b )
d )
Bild 2.10 a) Kommunikation zweier μ–Controller; b) zeitlicher Verlauf von Senden und Empfangen; c) Beschreibung als Übertragungsfunktion; d) Beschreibung als Sprungantwort
Das Zeitverhalten vieler Stellglieder der Leistungselektronik wird durch Totzeitglieder nachgebildet. Erhöht man beispielsweise den Steuerwinkel D eines netzgeführten Stromrichters, so wird sich dessen Ausgangsspannung erst nach Ablauf der Reaktionszeit verändern [Probst08]. Wie groß die Zeitverzögerung tatsächlich ist, hängt vom jeweiligen Betriebspunkt des Stromrichters ab. In der Praxis wird eine mittlere Totzeit zur Berücksichtigung des Stellgliedverhaltens angesetzt. Allgemein wird ein TZ–Glied durch nachfolgende Gleichung charakterisiert: y
K u (t Tt )
mit K , Tt ! 0
Mit dem Parameter K als Verstärkung des Totzeitgliedes ergibt sich seine Übertragungsfunktion zu y ( s)
K eTt s u ( s )
G ( s)
K eTt s
Das Totzeitglied bewirkt eine zeitliche Verschiebung der Eingangsgröße u um die Totzeit Tt. Ist der Parameter K z 1, so wird das zeitverschobene Eingangssignal am Ausgang noch um den Faktor K verstärkt.
2.2 Frequenzgang von Übertragungsgliedern Die Übertragungsglieder des vorigen Abschnitts treten in der Antriebsregelung häufig auf und werden durch ihre Sprungantworten im Zeitbereich beschrieben. Wenn sie durch sinusförmige Eingangsgrößen mit variabler Frequenz angeregt werden, untersucht man ihr Verhalten im Frequenzbereich. Das System aus Bild 2.11 wird mit der sinusförmigen Eingangsgröße ue(t) versorgt. Im eingeschwungenen Zustand wird die Ausgangsgröße ua(t) ebenfalls sinusförmig sein und dieselbe
20
Grundlagen der Regelungstechnik
Frequenz wie das Eingangssignal aufweisen. Abhängig von der Frequenz Z weichen jedoch die Amplitude und der Phasenwinkel des Ausgangssignals vom Eingangssignal ab. ue (t ) Uˆ e cos(Zt )
ua (t ) Uˆ a (Z ) cos(Zt I (Z ))
Uˆ e z Uˆ a (Z )
Der Frequenzgang des Übertragungsgliedes ergibt sich aus dem Quotienten von Ausgangs– und Eingangssignal. Er ist frequenzabhängig und identisch mit der Übertragungsfunktion G(s), wenn dort formal s durch jZ ersetzt wird. u e( t)
lin e a re s p h y s ik a lis c h e s S y s te m
u a(t)
u e(jw )
F (jw )
u a( jw )
u e(jw )
1 + jw R C -w
b )
a )
u a(jw ) 1
2
L C
c )
Bild 2.11 a) Lineares Übertragungsglied mit Ein– und Ausgangsgröße; b) Frequenzbetrachtung; c) Beispiel des Verzögerungsgliedes 2. Ordnung aus Bild 2.8
Beispiel 2.2 Herleitung des Frequenzgangs für den Serienschwingkreis Leiten Sie den Frequenzgang für den Serienschwingkreis aus Bild 2.8 ab.
Lösung: Die Übertragungsfunktion G(s) für den Serienschwingkreis beträgt laut Gl. (2.6) G ( s)
1 2
1 s R C s L C
wegen ( jZ ) 2
j2 Z2
Z 2
F ( jZ )
F ( jZ )
1
1 jZ R C jZ 2 L C (2.10) 1 1 jZ R C Z 2 L C
2.2.1 Darstellung als Frequenzkennlinie (Bode–Diagramm) Der Frequenzgang beschreibt das Verhältnis von Ausgangs– zu Eingangsgröße bei sinusförmiger Anregung. Normalerweise hängen in Gl. (2.10) sowohl der Betrag |F(jZ)| als auch der Phasenwinkel M(jZ) von der Frequenz ab. F ( jZ )
Uˆ a ( jZ ) Uˆ ( jZ )
Re 2 {F ( jZ )} Im 2 {F ( jZ )}
e
I ( jZ ) arctan
Im{F ( jZ )} Re{F ( jZ )}
Die Visualisierung des Frequenzganges erfolgt in logarithmischer Skalierung getrennt für Amplituden– und Phasengang und heißt Bode–Diagramm oder Frequenzkennliniendarstellung. In Bild 2.12 sind die Frequenzkennlinien der Übertragungsglieder aus Abschnitt 2.1 wiedergegeben.
25 0 -25 -50 -75
90 °
1 ω [s-1] 10
100
1 ω [s-1] 10
100
1000
0° -90 °
1000
25 0 -25 -50 -75
0,1
1 ω [s-1] 10
100
1000
180 °
ϕ(jω )
|G (jω )| [dB]
0,1
1000
ϕ(jω )
|G (jω )| [dB]
b) c)
90 ° 0° -90 °
1 ω [s-1] 10
100
1000
25 0 -25 -50 -75
0,1
1 ω [s-1] 10
100
1000
1 ω [s-1] 10
100
1000
1 ω [s-1] 10
100
1000
1 ω [s-1] 10
100
1000
90 °
ϕ(jω )
d)
|G (jω )| [dB]
100
-180 °
0°
-90 °
-180 °
0,1
1 ω [s-1] 10
100
0,1
1000
25 0 -25 -50 -75
90 °
ϕ(jω )
e)
-90 °
90 °
0,1
|G (jω )| [dB]
1 ω [s-1] 10
25 0 -25 -50 -75 0,1
0° -90 °
-180 °
0,1
1 ω [s-1] 10
100
1000
25 0 -25 -50 -75
0,1 90 °
ϕ(jω )
f)
0°
-180 °
0,1
|G (jω )| [dB]
21
ϕ(jω )
a)
|G (jω )| [dB]
Frequenzgang von Übertragungsgliedern
0° -90 °
-180 °
0,1
1 ω [s-1] 10
100
1000
0,1
Bild 2.12 Frequenzkennlinien der Übertragungsglieder aus Abschnitt 2.1, Amplitudengang links, Phasengang rechts; a) P–Glied, K = 3; b) I–Glied, K = 16; c) D–Glied, K = 0.0909; d) PT1–Glied, T = 0.1 s; e) PT2–Glied, T = 0.2 s, d = 0.7; f) TZ–Glied, K = 1, Tt = 0.01 s
22
Grundlagen der Regelungstechnik Beispiel 2.3 Darstellung des Frequenzganges als Bode–Diagramm Stellen Sie den Frequenzgang des Stromkreises aus Bild 2.7 für die Parameter R = 0.2 : und L = 0.2 H im Bode–Diagramm dar.
Lösung: Aus Bild 2.7 c) ergibt sich der gesuchte Frequenzgang, indem s durch jZ ersetzt wird. F ( jZ )
i ( jZ ) uSR ( jZ )
1 R (1 jZ TL )
Hieraus können Amplituden– und Phasengang berechnet werden: F ( jZ )
1 R (1 jZ TL )
F ( jZ )
1
R [1 Z TL ] 2
1 jZ TL R (1 jZ TL ) 1 jZ TL
jZ TL
R [1 Z TL 2 ]
1 jZ TL
R [1 Z TL 2 ]
Re^F ( jZ )` j Im^F ( jZ )`
Die Trennung in Real– und den Imaginärteil liefert Re{F ( jZ )}
1
R [1 Z TL 2 ]
Im{F ( jZ )}
Z TL R [1 Z TL 2 ]
|F (jω )| [dB]
20 0
-20 -40 -60 0,0001
0,001
0,01
0,1
10 f [Hz] 100
1
1000
ϕ (jω ) [°]
0 -30 -60 -90 0,0001
0,001
0,01
0,1
1
10 f [Hz] 100
1000
Bild 2.13 Frequenzgang des PT1–Gliedes aus Bild 2.7 als Bode–Diagramm
Der Amplitudengang ist definiert als Betrag des Real– und des Imaginärteils und errechnet sich für die Parameter R = 0.2 : und L = 0.2 H zu:
Frequenzgang von Übertragungsgliedern
23
2
F ( jZ )
F ( jZ )
ª º ª º Z TL 1 « » « » 2 » 2 » « « ¬ R [1 Z TL ] ¼ ¬ R [1 Z TL ] ¼ (1 Z TL
2
R [1 Z TL ] 2
2
1
1
R (1 Z TL
0.2ȍ (1 Z 1s
2
2
Für den Phasengang erhält man
M (Z ) arctan
Z TL 1
arctan Z 1s arctanZ 1s
Insgesamt ergibt sich das Bode–Diagramm aus Bild 2.13.
2.2.2 Darstellung als Ortskurve Alternativ zum Bode–Diagramm ist eine Darstellung als Ortskurve in der komplexen Ebene möglich. Für jede Frequenz Z ergibt sich ein Punkt der Ortskurve, wenn die zugehörigen Real– und Imaginärteile in ein rechtwinkliges Koordinatensystem eingetragen werden. Die Verbindung aller Punkte stellt den Frequenzgang dar [Schröder09]. Der Fahrstrahl zwischen dem Koordinatenursprung und der Ortskurve ist gem. Bild 2.14 eine anschauliche graphische Darstellung des Frequenzganges F(jZ), wobei seine Länge den Betrag |F(jZ)| wiedergibt. Der Winkel, den Fahrstrahl und Abszisse einschließen, ist ein Maß für den Phasenwinkel M(jZ). Beispiel 2.4 Darstellung des Frequenzganges als Ortskurve Stellen Sie den ermittelten Frequenzgang aus Beispiel 2.3 als Ortskurve dar.
Verwenden Sie zur Lösung das Applet PT1–Verhalten.
w w w
Lösung: Bestandteil der Ortskurve sind drei ausgezeichnete Punkte:
Z
0:
F ( jZ )
1 § · ¨ 1 ¸ 0.2ȍ (1 ¨ 0 1s ¸ s ¸ ¨, © Z ¹
Z
1 : F ( jZ ) TL
2
1 § 1 · 1s ¸ 0.2ȍ (1 ¨ © TL ¹
1 0.2ȍ
5
1 2
0.2ȍ 2
1 ȍ
5
1 ȍ 2
24
Grundlagen der Regelungstechnik
Z
1
f : F ( jZ )
0.2ȍ (1 f 1s
2
|
1 fȍ
0
1 ȍ
Die resultierende Ortskurve ist nach Bild 2.14 ein Halbkreis im 4. Quadranten der komplexen Ebene. 1
Im
ω =∝
0 -1
0
ω =0 1
2
ϕ (j ω )
3
4
5
Re
6
-1 |F (j ω )|
ω
-2
-3
Bild 2.14 Darstellung des Frequenzganges aus Bild 2.7 als Ortskurve
Übung 2.4 Stellen Sie den Frequenzgang aus Beispiel 2.2 als Bode–Diagramm und als Ortskurve dar. Verwenden Sie zur Berechnung von Real– und Imaginärteil ein Tabellenkalkulationsprogramm.
w w w
Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet PT2–Verhalten.
2.3 Modellbildung technischer Systeme Die beiden vorherigen Abschnitte legen dar, welche Übertragungsglieder bei der Modellierung elektrischer Antriebe vorwiegend auftreten und stellen einige ihrer unterschiedlichen Darstellungsformen vor. Der gesamte Antriebsstrang setzt sich aus einzelnen Übertragungsgliedern zusammen, die auf drei verschiedene Arten miteinander verbunden werden können.
2.3.1 Reihenschaltung von Übertragungsgliedern Bei der Reihenschaltung, auch Kettenstruktur genannt, ist gem. Bild 2.15 die Ausgangsgröße des ersten Übertragungsgliedes die Eingangsgröße des folgenden. Ausgehend von Gl. (2.1) gilt für jede Teilübertragungsfunktion Gi(s): y1 ( s )
G1 ( s) u1 ( s )
y2 ( s )
G2 ( s) y1 ( s)
usw.
Modellbildung technischer Systeme
u 1
G 1
(s)
y
G 1
2
y
(s)
25
G 2
3
(s)
y 3
Bild 2.15 Reihenschaltung von Übertragungsgliedern
Die Gesamtübertragungsfunktion ergibt sich aus dem Produkt der Übertragungsfunktionen, die in Reihe geschaltet sind. y3 ( s )
G3 ( s ) G2 ( s ) G1 ( s ) u1 ( s )
oder
y3 ( s ) u1 ( s )
G3 ( s ) G2 ( s ) G1 ( s )
G( s)
G3 ( s ) G2 ( s ) G1 ( s )
2.3.2 Parallelschaltung von Übertragungsgliedern Werden Übertragungsglieder in parallelen Zweigen angeordnet, kommt die Struktur nach Bild 2.16 zustande, deren Gesamtübertragungsfunktion lautet y3 ( s)
u1 ( s) G1 ( s) u1 ( s) G2 ( s)
u1 ( s ) G1 ( s) G2 ( s )
y3 ( s) u1 ( s )
G1 ( s) G2 ( s)
G u
y
(s) 1
y +
2
(s)
y
G1 ( s ) G2 ( s )
1
1
G
G(s)
3
+ 2
Bild 2.16 Parallelschaltung gungsgliedern
von
Übertra-
2.3.3 Rückkopplung von Übertragungsgliedern Rückkopplungen nach Bild 2.17 entstehen u. a. dann, wenn Ausgangsgrößen gezielt auf den Eingang zurückgeführt werden, sodass eine Kreisstruktur vorliegt. Bei Regelkreisen wird die Ausgangsgröße nach Bild 2.17 von der Eingangsgröße subtrahiert. Die negative Rückführung des Ausgangs auf den Eingang wird Gegenkopplung genannt; es gelten folgende Beziehungen: x( s )
xd ( s ) G1 ( s )
xm ( s )
x( s ) G2 ( s )
xd ( s )
w( s ) xm ( s )
x( s)
w(s) xm ( s) G1 ( s) w(s) x(s) G2 (s) G1 (s)
x( s ) 1 G1 ( s ) G2 ( s)
w( s) G1 ( s )
x( s ) w( s )
G1 ( s) 1 G1 ( s ) G2 ( s )
(2.11)
26
Grundlagen der Regelungstechnik
w
x +
d
1
(s)
G 2
(s)
-
G
x m
x
Bild 2.17 Gegenkopplung gliedern
von Übertragungs-
Eine positive Rückführung heißt Mitkopplung; das rückgeführte Signal xm wird nicht subtrahiert, sondern zum Signal w addiert. Für mitgekoppelte Systeme ergibt sich bei vergleichbarer Rechnung wie in Gl. (2.11): x( s ) 1 G1 ( s) G2 ( s )
w( s) G1 ( s)
x( s) w( s )
G1 ( s) 1 G1 ( s ) G2 ( s )
Weiterführende Umwandlungsregeln für Strukturbilder werden beispielsweise in [Föllinger92] und [Schröder09] erörtert.
2.4 Eigenschaften von Regelkreisen 2.4.1 Unterschiede zwischen Steuerung und Regelung Automatisierte Systeme müssen ein oder mehrere Ausgangsgrößen y auf vorgegebene Werte bringen und trotz sich verändernder Umgebungsbedingen beibehalten. Damit dies gelingt, muss das System über geeignete Eingangsgrößen u beeinflusst werden können. iA u
m
S tö rg rö ß e z iE L
A
iE
n , w a )
u A
E in g a n g s g rö ß e u
S tre c k e G S(s)
n A u sg a n g sg rö ß e y
b )
Bild 2.18 Steuerung eines Gleichstrommotors a) Schaltsymbol der Anordnung; b) Darstellung des Systems gesteuerter Gleichstrommotor in Form eines Blockschaltbildes mit der Übertragungsfunktion GS(s)
Bild 2.18 zeigt im Bildteil a) das Schaltsymbol eines Gleichstrommotors, der mit der Ankerspannung uA versorgt wird und den Ankerstrom iA führt. Wird die Ankerspannung variiert, so ändert sich die Motordrehzahl n, die auch als mechanische Winkelgeschwindigkeit Z angege-
Eigenschaften von Regelkreisen
27
ben werden kann. Wenn die Beziehung zwischen uA und n genau bekannt ist, kann durch die Steuerung der Ankerspannung die gewünschte Drehzahl eingestellt und gehalten werden. Üblicherweise ist der Zusammenhang zwischen Ein– und Ausgangsgröße allerdings nicht exakt bekannt oder unterliegt äußeren Einflüssen. Ändert sich beispielsweise der Erregerstrom iE der Feldwicklung, so hat dies Auswirkungen auf die tatsächliche Drehzahl n des Motors, weil der Erregerstrom das Erregerfeld und mittelbar das Drehmoment beeinflusst. Eine Last, die der Motor antreibt, wirkt über das Lastdrehmoment mL bremsend auf den Antrieb. Wenn mL variiert wird, verstärkt sich die bremsende Wirkung oder sie schwächt sich ab. Beide Einflussgrößen, iE und mL, bewirken demnach unerwünschte Änderungen der Motordrehzahl und werden Störgrößen genannt, die das Formelzeichen z erhalten. Das System Gleichstrommotor mit Last kann übersichtlich als Blockschaltbild gemäß Teilbild b) dargestellt werden, wobei die angegebene Übertragungsfunktion GS(s) i. A. aus Kombinationen der Übertragungsglieder aus Abschnitt 2.1 besteht. Sämtliche Systemeigenschaften können aus der Übertragungsfunktion abgeleitet werden: Zum einen ergibt sich nach Abschnitt 2.4.3 aus der Lage ihrer Pol– und Nullstellen, ob der Regelkreis stabil ist und welche Verstärkung und Zeitkonstanten vorliegen. Zum anderen berechnet sich das zeitliche Verhalten der Ausgangsgröße y(t) nach Gl. (2.12) mit Hilfe der Laplace– Rücktransformation L–1 als Funktion der Eingangsgröße u(t). L1 ^u ( s ) G ( s )`
y (t )
(2.12)
Beispiel 2.5 gesteuerter Betrieb eines Gleichstrommotors Bei einem DC–Motor nach Bild 2.19 beträgt die Spannungskonstante ke = 1.42 Vs für einen Erregerstrom von 15 A. Im Stationärbetrieb wird die Ankerspannung bei Leerlauf aus der Motorwinkelgeschwindigkeit aus uA = Z · ke ermittelt. 1,6
k e [Vs]
1,2 0,8 0,4 0 0
5
10 i [A] E
15
Bild 2.19 Spannungskonstante ke = f (iE)
Wie groß muss die Ankerspannung sein, damit sich bei Leerlauf eine Motordrehzahl von 700 min–1 einstellt? Auf welchen Wert geht die Drehzahl zurück, wenn der Erregerstrom auf 5 A einbricht? Lösung: Eine Motordrehzahl von 700 min–1 entspricht einer Winkelgeschwindigkeit von
Z
700 min 1 2ʌ 60
73.3s -1
Damit ergibt sich die einzustellende Ankerspannung zu
28
Grundlagen der Regelungstechnik uA
Z 1.42Vs 73.3 s 1 1.42Vs 104 V
Bricht der Erregerstrom auf 5 A ein, so geht die Spannungskonstante auf 1.2 Vs zurück und die Drehzahl steigt auf 827.6 min–1 an, sofern die Ankerspannung unverändert bleibt.
Z
uA ke
104 V 1.2 Vs
86.66 s 1
827.6 min 1
Um die Motordrehzahl – allen Einflüssen der Störgrößen zum Trotz – auf dem gewünschten Wert zu halten, muss die Stellgröße u (in diesem Fall also die Ankerspannung uA) verringert werden. Automatisierte Systeme erreichen dieses Ziel durch den Übergang von der Steuerung zur Regelung. Hauptaufgabe eines Regelkreises ist es, eine Regelgröße x unabhängig von äußeren Einflussgrößen innerhalb eines Toleranzbereiches zu halten. Dazu ist es erforderlich, die Stellgröße u so nachzuführen, dass x den Toleranzbereich nicht verlässt. Typischerweise wird x dazu durch eine geeignete Messeinrichtung erfasst. Man erhält den Grundaufbau eines Regelkreises nach Bild 2.20. Jeder der vier Blöcke Regler, Stellglied, System und Messeinrichtung wird durch eine eigene Teilübertragungsfunktion charakterisiert. Anhand der Rechenregeln aus Abschnitt 2.3 kann die Gesamtübertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises bestimmt werden. R e g e ld iffe re n z x F ü h ru n g sg rö ß e w
-
S te llg rö ß e u d
R e g le r G R(s)
S tö rg rö ß e z
R e g e ls tre c k e G g e m e s s e n e R e g e lg rö ß e x
S y s te m
S te llg lie d
m
S
R e g e lg rö ß e x
(s)
M e s s e in ric h tu n g K m
Bild 2.20 Grundaufbau eines Regelkreises
Die Regelstrecke besteht aus dem zu regelnden technischen System – in Beispiel 2.5 die Gleichstrommaschine – und einem Stellglied, welches das System entsprechend der geforderten Stellgröße u beeinflussen kann. Bei elektrischen Antrieben wird zu diesem Zweck eine leistungselektronische Stelleinrichtung eingesetzt [Probst08]. Auf das System wirken ein oder mehrere Störgrößen z ein, deren Auswirkung auf die Regelgröße x durch die Messeinrichtung erfasst wird. Der resultierende Messwert der Regelgröße erhält die Bezeichnung xm. Die Führungsgröße w kennzeichnet den Wert, den die Regelgröße x annehmen soll und heißt auch Sollwert der Regelgröße x. Um festzustellen, ob der Istwert der Regelgröße x mit dem Sollwert w übereinstimmt, wird xm mit dem Wert der Führungsgröße w verglichen. Bei analogen Regelungen erfolgt dieser Vergleich kontinuierlich, digitale Regelungen dagegen führen den Vergleich nur zu den diskreten Abtastzeitpunkten durch.
Eigenschaften von Regelkreisen
29
Die Abweichung zwischen der Führungsgröße w und dem gemessenen Wert xm wird Regeldifferenz xd genannt. Ein Wert ungleich Null führt zu einer Reaktion seitens des Reglers, welcher diejenige Stellgröße u errechnet, unter deren Einfluss die Regeldifferenz wieder verschwindet. Die Reihenschaltung der Übertragungsblöcke zwischen w und x bestehend aus Regler, Stellglied und System wird Vorwärtszweig genannt. Unterstellt man vereinfachend für die Übertragungsfunktionen des Vorwärtszweiges rein proportionale Beziehungen, so gilt: mit GR(s)
K R und GS(s)
KS
x
K R K S xd
(2.13)
Da die Messeinrichtung in Bild 2.20 im Rückwärtszweig liegt, unterscheidet sich der tatsächliche Wert der Regelgröße x von dem Messwert xm, der für die Berechnung der Regeldifferenz herangezogen wird. Zumindest im stationären Fall sind xm und x einander über Km proportional, sodass gilt: mit xm
Km x
xd
w xm
w Km x
(2.14)
Setzt man Gl. (2.13) in Gl. (2.14) ein und löst nach xd auf, so ergibt sich w Km x
xd
w K m K R K S xd
xd
w 1 K m K R KS
Die Regeldifferenz xd und damit die Abweichung zwischen Soll– und Istwert wird umso kleiner, je größer die Gesamtverstärkung Km · KR · KS des Regelkreises ist. Wenn Gl. (2.14) in Gl. (2.13) eingesetzt und nach x/w aufgelöst wird, entsteht die Übertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises. K R K S xd
K R K S ( w K m x) K R K S w K R KS K m x K R KS x x (1 K R KS K m ) K R K S w w 1 K R KS K m x
(2.15)
Gl. (2.15) besagt, dass bei Regelkreises mit reinem Proportionalverhalten im Vorwärtszweig eine bleibende Regelabweichung entsteht, sodass der Istwert x den Sollwert w unter dieser Voraussetzung nicht exakt erreichen kann. w G im
R
(s)
u K
S R
S R
1 /R
i
R B
Bild 2.21 Strukturbild
des
Regelkreises
aus
Beispiel 2.6
Beispiel 2.6 bleibende Regelabweichung Der Regelkreis nach Bild 2.21 mit GR(s) = KR soll die Stromstärke in einem Leiter mit dem Widerstand R = 150 : kontrollieren. Das leistungselektronische Stellglied besitzt die Verstärkung KSR = 300 und liefert eine Ausgangsspannung uSR, die in Verbindung mit dem Leiterwiderstand den Leiterstrom i ergibt, der mit Hilfe eines Bürdenwiderstandes RB von 1 : gemessen wird. Welcher Leiterstrom i stellt sich ein, wenn der Sollwert 1 A beträgt und der Regler auf die Verstärkung KR = 5 eingestellt wird?
30
Grundlagen der Regelungstechnik
Verwenden Sie zur Bearbeitung das Applet Einfacher Regelkreis.
w w w
Lösung: Der Aufgabenstellung werden folgende Werte entnommen: GR ( s)
KR
5
GS ( s )
K SR
1 R
300
1 150
2
Km
RB
1
Die Regelgröße x entspricht dem gesuchten Leiterstrom i. Beträgt der Sollwert w = 1 A, so erhält man für den Istwert des Leiterstroms i mit Gl. (2.15) i w
K R KS 1 K R KS K m
52 1 5 2 1
10 11
0.909
Der vom Regelkreis bei einem geforderten Sollwert von 1 A tatsächlich eingestellte Strom beträgt lediglich 0.909 A. Eine Regelabweichung von 0.091 A bleibt dauerhaft bestehen. Übung 2.5 Wie groß muss die Reglerverstärkung gewählt werden, damit die bleibende Regelabweichung kleiner als 5 % bleibt?
w w w
Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet Einfacher Regelkreis.
Bei einer Änderung der Führungsgröße w sorgt der Regler dafür, dass die Regelgröße dem Sollwert nachgeführt wird. Steigt w beispielsweise an, so wird die Regeldifferenz bei unveränderter Regelgröße zunächst ebenfalls zunehmen. Als Folge davon gibt der Regler wegen u = KR · xd eine höhere Stellgröße u aus, die wiederum wegen uSR = KS · u zu einer höheren Spannung am Leiter führt. Diese sorgt für einen größeren Strom i, wodurch die Regeldifferenz wieder abnimmt. Obwohl der Regler den geforderten Sollwert w unter den genannten Bedingungen nicht exakt einstellen kann, ergibt sich dennoch ein Vorteil gegenüber der reinen Steuerung, wenn Störgrößen auf die Regelstrecke einwirken. Ist der Leiter aus Beispiel 2.6 Teil der Ankerwicklung eines Motors, wird in diesem Leiter beim Drehen des Motors eine Spannung uq induziert, die als Störgröße wirkt, weil sie die angelegte Spannung uSR vermindert. Bild 2.22 zeigt eine erweiterte Version von Bild 2.21, bei der die Auswirkung der Störgröße uq auf den Regelkreis durch eine Summationsstelle berücksichtigt wird. Liegt eine positive Spannung uq vor, so wird die wirksame Spannung, die den Strom durch den Leiter treibt, auf die Differenz uSR – uq zurückgehen. Dadurch verringert sich der tatsächlich fließende Strom auf (uSR – uq) / R, was sich ebenfalls im Messwert im widerspiegelt. Bei konstantem Sollwert w nimmt die Regelabweichung xd zu, sodass der Regler als Reaktion eine höhere Stellgröße ausgibt, welche die Ausgangsspannung uSR des Stellgliedes erhöht. In einem solchen Fall begrenzt der Regelkreis die Auswirkung der Störgröße z auf die Regelgröße x.
Eigenschaften von Regelkreisen u w G
(s) R
u K
S R
S R
31
q
-
i
1 /R
-
im
R
Bild 2.22 Berücksichtigung einer Störgröße im Blockschaltbild B
Ein Regelkreis hat eine zweifache Aufgabe: Zum einen muss er die Regelgröße x möglichst schnell und genau der Führungsgröße w angleichen. Diese Eigenschaft wird durch sein Führungsverhalten beschrieben. Zum anderen sind die Auswirkungen der Störgröße z auf die Regelgröße x durch ein gutes Störverhalten zu begrenzen.
2.4.2 Führungs– und Störübertragungsfunktion Sowohl das Führungs– als auch das Störverhalten von Regelkreisen werden durch die jeweiligen Übertragungsfunktionen festgelegt, die für einschleifige Regelkreise sehr einfach aus dem Blockschaltbild in Bild 2.23 abgeleitet werden können. z w G R
(s)
u G
S
(s)
x
Bild 2.23 Blockschaltbild des Standardregelkreises
Mit Hilfe der Rechenregeln aus Abschnitt 2.3 kann jeder Regelkreis in die Form aus Bild 2.23 gebracht werden, welche die Übertragungsfunktion 1 im Rückwärtszweig enthält. Die Anwendung von Gl. (2.11) liefert in diesem Fall: x( s )
GS ( s ) u ( s ) z ( s )
mit xd ( s ) x( s )
w( s ) x( s ) und
u (s )
xd ( s ) GR (s ) folgt
GS ( s ) > w( s ) x( s ) @ GR (s ) z (s )
Diese Gleichung wird nach x(s) aufgelöst x( s)
GS ( s ) GR (s) w( s ) x( s ) GS ( s ) GR (s ) GS ( s ) z (s )
x( s ) ¬ª1 GS ( s ) GR ( s ) ¼º GS ( s ) GR (s) w( s ) GS ( s ) z (s ) x( s )
GS ( s ) GR ( s ) GS ( s ) w( s ) z (s ) 1 GS ( s ) GR ( s ) 1 GS ( s) GR ( s)
32
Grundlagen der Regelungstechnik mit G0 ( s )
GS ( s ) GR ( s ) folgt x( s )
G0 ( s ) GS ( s ) w( s ) z (s ) 1 G0 ( s ) 1 G0 ( s )
(2.16)
Die Übertragungsfunktion des offenen Kreises wird mit G0(s) bezeichnet und ergibt sich aus der Reihenschaltung aller Übertragungsglieder im Vorwärtszweig. Wenn nur das Führungsverhalten untersucht werden soll, wird die Störgröße z(s) auf Null gesetzt und man erhält: für z ( s )
0:
x( s)
G0 ( s ) w( s ) 1 G0 ( s )
Gw ( s ) w( s )
(2.17)
Gw(s) heißt Führungsübertragungsfunktion und beschreibt die Reaktion des Istwertes x aufgrund von Änderungen des Sollwertes w. Um die Auswirkungen von Störgrößen auf die Regelgröße zu bestimmen, wird die Führungsgröße w(s) zu Null angenommen. Die Störübertragungsfunktion Gz(s), die die Reaktion des Regelkreises aufgrund von Änderungen der Störgröße z darstellt, ergibt sich ebenfalls aus Gl. (2.16). für w( s )
0:
x( s)
GS ( s ) z (s) 1 G0 ( s )
Gz ( s ) z ( s )
Die Übertragungsfunktionen für das Führungsverhalten Gw(s) und für das Störverhalten Gz(s) weisen denselben Nenner 1+G0(s) auf. Aufgrund ihrer großen Bedeutung wird sie charakteristische Gleichung oder charakteristisches Polynom (CP) genannt. Die höchste Potenz von s, die in der charakteristischen Gleichung vorkommt, gibt die Ordnung des Regelkreises an. Für die Stabilität des Regelkreises sind allein die Nullstellen dieser Gleichung maßgebend welche gleichzeitig die Polstellen der Stör– und Führungsübertragungsfunktion sind. w , x
T
t 1
Bild 2.24 Sprungförmiger Verlauf des Sollwertes
Übung 2.6 Der Sollwert eines Regelkreises ändert sich gem. Bild 2.24 zum Zeitpunkt T1 sprungförmig. Welchen Zeitverlauf erwarten Sie für den Istwert, wenn der Regelkreis sich ideal verhält? Übung 2.7 Ein Regelkreis weist folgende Übertragungsfunktion des offenen Kreises auf: G0 ( s )
K 1 1 s 0.005 s 1
Aus welchen Übertragungsgliedern besteht der offene Kreis? Wie lautet seine charakteristische Gleichung? Welche Ordnung besitzt der Regelkreis?
Eigenschaften von Regelkreisen
33
2.4.3 Stabilitätsprüfung von Regelkreisen Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Istwert der Regelgröße den Sollwert erreicht, ist die Stabilität des Regelkreises. Ob ein Regelkreis stabil ist oder nicht, kann durch eine ganze Reihe unterschiedlicher Verfahren überprüft werden [Föllinger92], [Schröder09].
Stabilitätsprüfung anhand der Frequenzkennlinien Nach Abschnitt 2.3.1 berechnet sich bei einer Reihenschaltung von Übertragungsgliedern die Gesamtübertragungsfunktion durch die Multiplikation der Teilübertragungsfunktionen. Aus der Mathematik ist bekannt, dass das Ergebnis einer Multiplikation auch durch die Addition der Logarithmen der Faktoren errechnet werden kann. Beispiel 2.7 Anwendung von Logarithmen zur Berechnung von Produkten Gegeben ist der ohmsche Widerstand R = 484 : sowie die an ihm liegende Gleichspannung uR = 33 V. Berechnen Sie die im Widerstand umgesetzte Leistung P mit Hilfe des natürlichen und des dekadischen Logarithmus. Lösung: Für die Leistung im Widerstand gilt P
uR2 R
uR uR
1 R
33V 33V
1 484 ȍ
2.25 W
Diese Rechnung kann ebenso mit Logarithmen durchgeführt werden. Zunächst erfolgt die Rechnung mit dem natürlichen Logarithmus zur Basis e. ln(33) ln(33) ln(
P
1 ) 484
e0.8109
3.4965 3.4965 (6.182)
0.8109
2.25 W
Die Berechnung mit dem dekadischen Logarithmus zur Basis 10 liefert dasselbe Ergebnis: log(33) log(33) log(
P 100.3521
1 ) 1.5185 1.5185 (2.6848) 484
0.3521
2.25 W
Nach den Ausführungen in Abschnitt 2.2.1 kann jede Übertragungsfunktion im logarithmischen Koordinatensystem in Form ihrer Frequenzkennlinie dargestellt werden. Die Multiplikationen, die zur Bestimmung der Gesamtübertragungsfunktion notwendig sind, können ebenso wie in Beispiel 2.7 durch die Addition der Frequenzgänge getrennt nach Amplituden– und Phasengang in logarithmischer Darstellung vorgenommen werden. Beispiel 2.8 Frequenzkennlinie einer Reihenschaltung von Übertragungsgliedern Ermitteln Sie für die Reihenschaltung der drei Übertragungsglieder aus Bild 2.15 die resultierende Frequenzkennlinie. Die Teilübertragungsfunktionen sollen durch folgende Gleichungen beschrieben werden: G1 ( s )
1 1 2 s
G2 ( s )
1 1 0.5 s
G3 ( s ) 16
1 s
34
Grundlagen der Regelungstechnik
Veranschaulichen Sie sich das prinzipielle Vorgehen zur Lösung mit dem Applet Frequenzkennlinien.
w w w
Lösung: Die Gesamtübertragungsfunktion G0(s) besteht aus dem Integrierglied G2(s), den beiden PT1–Gliedern G1(s) sowie G3(s) und berechnet sich nach Gl. (2.16)aus deren Produkt: G0 ( s )
G1 ( s ) G2 ( s ) G3 ( s )
Zunächst werden die Frequenzkennlinien der Teilübertragungsfunktionen mit Hilfe von Bild 2.12 gezeichnet. Daraus konstruiert man – getrennt für Betrag und Phasenwinkel – die resultierende Frequenzkennlinie von G0(s) durch Addition der einzelnen Frequenzkennlinien. Die Ergebnisse für G1(jZ), G2(jZ), G3(jZ) sowie G0(jZ) sind in Bild 2.25 dargestellt. 40
|G (jω )| [dB]
20
|G 3(j ω )|
0
|G 2(j ω )|
-20 -40 -60
|G 0(j ω )|
|G 1(j ω )|
10
100
-80 0,1
1
ωD
ω [s-1]
1000
0°
ϕ 2(j ω )
ϕ 1(j ω ) -90 °
aa
ϕ [°]
ϕ 3(j ω ) ϕ 0(j ω )
-180 ° -218° -270 ° 0,1
1
ωD
10
100
ω [s-1]
1000
Bild 2.25 Frequenzkennlinien der Teilübertragungsfunktionen G1(jZ), G2(jZ), G3(jZ) sowie des offenen Kreises G0(jZ) aus Beispiel 2.8; oben: |G(jZ)|; unten: M(jZ)
Eigenschaften von Regelkreisen
35
Viele technische Systeme lassen sich durch eine Kombination einfacher Übertragungsglieder aus Abschnitt 2.1 modellieren, deren Frequenzkennlinien unter Verwendung von Bild 2.12 sehr leicht konstruiert werden können und den Frequenzgang des offenen Kreises liefern. Entscheidend für die praktische Einsetzbarkeit des Verfahrens ist, dass anhand der Frequenzkennlinie des offenen Kreises G0(jZ) auf die Stabilität des geschlossenen Kreises Gw(jZ) geschlossen werden kann. Die Frequenz, an der der Amplitudengang des offenen Kreises |G0(s)| die 0 dB Linie schneidet, wird Durchtrittsfrequenz ZD genannt. Ein Regelkreis ist dann stabil, wenn a) bei einem Phasenwinkel von –180° der Betrag des Amplitudengangs kleiner als 1 ist G0 ( jZ )
1 ° 1 M 180q ® °! 1 ¯
Stabilität Stabilitätsgrenze Instabilität
(2.18)
b) der Phasenwinkel bei der Durchtrittsfrequenz größer als –180° ist ! 180q Stabilität ° M ( jZ ) G ( jZ ) 1 ® 180q Stabilitätsgrenze 0 ° 180q Instabilität ¯
(2.19)
Die Differenz zwischen dem aktuellen Phasenwinkel an der Durchtrittsfrequenz und –180° heißt Phasenrand (phase margin) oder Phasenreserve. Je größer die Phasenreserve ist, umso mehr Abstand hat der Regelkreis von der Grenze zur Instabilität. Als Amplitudenrand (gain margin) wird der Faktor bezeichnet, um den die Verstärkung des Regelkreises beim Phasenwinkel von –180° vergrößert werden kann, bis die Stabilitätsgrenze erreicht wird. Aus Bild 2.25 liest man im Amplitudengang als Durchtrittsfrequenz ZD | 2.17 Hz ab. Bei dieser Frequenz weist G0(jZ) einen Gesamtphasenwinkel M(ZD) von ca. –218° auf. Dies bedeutet, dass der Regelkreis, der sich durch Schließen von G0(jZ) ergibt, nicht stabil wäre. w +
x d
G 0
(s)
a )
x
w
x + -
d
G 0
(s)
x
b )
Bild 2.26 a) Offener Regelkreis mit Anregungsfunktion w; b) geschlossener Regelkreis
Beispiel 2.9 Veranschaulichen Sie obigen Merksatz anhand von Bild 2.26 und einfachen Signalverläufen. Lösung: Man geht davon aus, dass der offene Regelkreis G0(jZ) nach Bild 2.26 a) einem sinusförmigen Eingangssignal w ausgesetzt wird. Solange der Regelkreis nicht geschlossen wird, ist eine Rückführung des Ausgangssignals x auf den Eingang nicht vorhanden. In diesem Fall ist das Signal xd in Bild 2.26 a) gleich dem Eingangssignal w.
36
Grundlagen der Regelungstechnik Durch die in G0(jZ) enthaltenen Übertragungsglieder erfährt das Eingangssignal sowohl eine Dämpfung als auch eine Phasendrehung, die von der Frequenz des Eingangssignals abhängen. Ist w ein rein sinusförmiges Signal, so wird auch das Signal x am Ausgang des offenen Regelkreises ein rein sinusförmiges Signal gleicher Frequenz sein. Es wird durch G0(jZ) lediglich in Amplitude und Phasenlage gegenüber w verändert. Abhängig von den Parametern von G0(jZ) und der Frequenz des Eingangssignals ergeben sich für w und x Zeitverläufe nach Bild 2.27.
w w w
Diese grundlegenden Eigenschaften können mit den Applets PT1– Verhalten sowie PT2–Verhalten nachvollzogen werden. Die Zeitverläufe von Eingangs– und Ausgangssignal sind in den Appletdarstellungen im Bild unten rechts wiedergegeben. Die Änderung der Signalfrequenzen erfolgt durch die vertikale rote Linie im Bode–Diagramm links daneben.
Je nachdem, welchen Wert die Verstärkung von G0(jZ) bei der jeweiligen Frequenz Z hat, kann das Ausgangssignal x bei dieser Frequenz in seiner Amplitude durchaus größer sein als das Eingangssignal w. Dies ist immer dann der Fall, wenn |G0(jZ)| > 1 ist. Das Schließen des Regelkreises nach Bild 2.26 b) bedeutet, dass das Ausgangssignal x vom Eingangssignal w subtrahiert wird. Die Subtraktion sorgt für die erforderliche Gegenkopplung von Eingangs– und Ausgangssignal. Ist das Ausgangssignal allerdings um mehr als –180° gegenüber dem Eingangssignal phasenverschoben, so wird aus der gewünschten Gegenkopplung eine schädliche Mitkopplung. Beim geschlossenen Regelkreis nach Bild 2.26 b) entspricht das Eingangssignal w dem Sollwert sowie das Ausgangssignal x dem Istwert der Regelgröße. Der Wert, um den der Istwert x vom Sollwert w abweicht, ist die Regeldifferenz xd = w – x. Bild 2.28 stellt mit denselben Parametern aus Bild 2.27 unten rechts zusätzlich zu w und x auch den Zeitverlauf von xd dar. Man erkennt, dass sich die Scheitelwerte wmax und xmax von Soll– und Istwert lediglich um ca. 20% unterscheiden. Die große Phasenverschiebung von nahezu –180° führt aber dazu, dass Werte von w und x verglichen werden, die zeitlich nicht zusammen passen. Dadurch entsteht eine scheinbare Regelabweichung xd,max, deren Scheitelwert nahezu das Doppelte von wmax beträgt.
w
x
w
x
w
x
w
x
Bild 2.27 Zeitverläufe der Signale w und x beim offenen Regelkreis nach Bild 2.26 für unterschiedliche Frequenzen
Phasenwinkel kleiner als –180° im Bereich der Durchtrittsfrequenz führen beim Schließen eines Regelkreises dazu, dass sich die gewünschte Gegenkopplung in eine unbeabsichtigte
Eigenschaften von Regelkreisen
37
Mitkopplung verwandelt und die Instabilität bewirkt. Regelkreise sind immer dann instabil, wenn die Bedingungen aus Gl. (2.18) oder Gl. (2.19) verletzt werden. w max
w
x
x max
x d,max
xd
Bild 2.28 Zeitverläufe der Signale w, xd und x die beim Schließen des Regelkreis nach Bild 2.26 b) entstehen
Um Regelkreise zu stabilisieren, deren Übertragungsfunktion G0(jZ) der Stabilitätsbedingung aus Gl. (2.18) oder Gl. (2.19) nicht genügt, kann man in den offenen Kreis gezielt zusätzliche Teilübertragungsfunktionen einfügen, um den Phasenwinkel im Bereich der Durchtrittsfrequenz auf Werte größer als –180° zu erhöhen. Ein solches Vorgehen wird in Übung 2.8 diskutiert. Beispiel 2.10 Bestimmung von Amplituden– und Phasenrand Die Reihenschaltung der drei Übertragungsglieder aus Bild 2.15 wird als offener Regelkreis aufgefasst. Bestimmen Sie mit dem Applet Frequenzkennlinien die Werte, welche sich für Amplituden– und Phasenrand ergeben, wenn der Regelkreis geschlossen wird und die Teilübertragungsfunktionen durch folgende Gleichungen beschrieben werden:
w w w
1 1 0.01 s
G1 ( s)
G2 ( s)
1 1 0.05 s
G3 ( s)
4
1 s
Lösung: Die Frequenzkennlinie für die gegebenen Parameter wird gemäß Beispiel 2.8 konstruiert und ist in Bild 2.29 wiedergegeben. Aus dem Amplitudengang wird die Durchtrittsfrequenz ZD = 4 s-1 abgelesen. Der Phasenrand kann berechnet oder aus dem Phasengang bestimmt werden, und ergibt sich zu: ǻM
180q M1 (ZD ) M2 (ZD ) M3 (ZD )
ǻM
180q arctan(ZD 0.01s) arctan(ZD 0.05s) 90q
ǻM
180q 2.29q 11.3q 90q
76.1q
Die Ermittlung des Amplitudenrands wird beim Phasenwinkel –180° vorgenommen, bei dem die Gesamtübertragungsfunktion eine Verstärkung von –30 dB aufweist. Wenn die Kreisverstärkung erhöht wird, verschiebt sich der Amplitudengang |G0(jZ)| parallel nach oben. Die Stabilitätsgrenze wird erreicht, wenn eine Erhöhung um 30 dB stattfin-
38
Grundlagen der Regelungstechnik det. Im vorliegenden Fall beträgt der Amplitudenrand demnach 30 dB, sodass die Kreisverstärkung um den Faktor 31.6 erhöht werden kann, bevor das System an die Stabilitätsgrenze kommt. 30
20 log( K )
30 dB
K
10 20
101.5 | 31.6
|G (jω )| [dB]
40 |G 3(j ω )|
20
|G 2(j ω )| |G 1(j ω )|
0
-20 -30 dB -40
|G 0(j ω )|
-60 -80 0,1
1
ω D 10
100
ω [s-1]
1000
ω (ϕ = 180°) ≈ 45 s-1
0°
aa
ϕ 1(j ω )
ϕ 2(j ω ) -90 °
ϕ [°]
ϕ 3(j ω ) Δϕ = 76.1°
ϕ 0(j ω )
-180 °
-270 ° 0,1
1
ωD
10
100
ω (ϕ = 180°) ≈ 45 s-1
ω [s-1]
1000
Bild 2.29 Frequenzkennlinie zur Ermittlung von Phasen– und Amplitudenrand aus Beispiel 2.10
Übung 2.8 Gegeben ist der Regelkreis aus Bild 2.30, bei dem ein PI–Regler auf eine Regelstrecke arbeitet, die aus einem Verzögerungs– und einem Integrierglied besteht. Die Teilübertragungsfunktionen sind folgendermaßen beschrieben: GR ( s )
KP
1 s Tn s Tn
GS ( s )
KS 1 1 Tı s TI s
Eigenschaften von Regelkreisen w
x +
d
-
G R
(s)
G
39
S
x
(s)
Bild 2.30 Regelkreis zur Übung 2.8
Dimensionieren Sie KP und Tn mit dem Verfahren der Frequenzkennlinien so, dass sich eine maximale Phasenreserve ergibt. Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet Frequenzkennlinienverfahren bei PI– Regler.
w w w
Stabilitätsprüfung anhand der Übertragungsfunktion Eine weitere Möglichkeit zur Stabilitätsprüfung beurteilt die Polstellen der Übertragungsfunktion anhand ihrer Lage in der komplexen Ebene. Beispiel 2.11 Bestimmung der Übertragungsfunktionen Gw(s) Bestimmen Sie die Übertragungsfunktionen Gw(s) für den Regelkreis aus Übung 2.7. Lösung: Nach Gl. (2.17) erhält man Gw(s) aus G0(s) Gw ( s )
Gw ( s )
K 1 1 s 0.005 s 1 K 1 1 1 s 0.005 s 1
G0 ( s) 1 G0 ( s )
K K (1 s 0.005) s 1
(2.20)
1 1 s
1 0.005 s2 K K
Das Nennerpolynom von Gw(s) ist die charakteristische Gleichung und bereits aus Übung 2.7 für diesen Regelkreis bekannt. Es ist für Stör– und Führungsübertragungsfunktion gleich. Die Nullstellen der charakteristischen Gleichung sind demnach die Polstellen der Übertragungsfunktionen Gw(s) und Gz(s). Der Grundgedanke des Verfahrens besteht darin, festzustellen, ob die angesprochenen Nullstellen links oder rechts der imaginären Achse der s–Ebene liegen. Eine nähere Betrachtung des Nenners von Gw(s) aus Gl. (2.20) zeigt, dass seine Nullstellen vom Faktor K abhängig sind. Die Ordnung des Nenners beträgt zwei, daher kann Gw(s) als Verzögerungsglied zweiter Ordnung aufgefasst werden. Somit ergibt sich folgender Ansatz: 1 s
1 0.005 s2 K K
1 s 2 d T s2 T 2
Aus dem Koeffizientenvergleich erhält man 1 K
2 d T
Damit berechnet man
sowie
0.005 K
T2
40
Grundlagen der Regelungstechnik
T
§ 1 · ¨ ¸ © K 2d ¹
d2
1 4 K 0.005
d
Z0
1 T
1 K 2d
2
T2
0.005 K
1 4 K 0.005
50 K
(2.21)
K 0.005
Aus Abschnitt 2.1.7 ist bekannt, dass für d t 1 zwei reelle Nullstellen vorliegen. Den Grenzfall d = 1 erhält man nach obiger Gleichung, wenn K = 50 wird.
w w w
Diese Zusammenhänge können mit dem Applet Stabilitätsprüfung nachvollzogen werden. Dort ist der Regelkreis aus Übung 2.7 nachgebildet. Der Faktor K kann vom Bediener verändert werden.
Im genannten Applet zeigt das Diagramm unten links die Sprungantwort des Regelkreises. Im rechten Diagramm werden die Nullstellen von Gl. (2.20) als dunkle Punkte dargestellt. Werte von K < 50 führen zu zwei reellen Nullstellen, deren konkrete Lage allerdings veränderlich ist und vom jeweiligen Verstärkungsfaktor K abhängt. Für K = 50 fallen beide Nullstellen in eine doppelte reelle Nullstelle zusammen. Wird K über den Wert 50 hinaus erhöht, so werden die reellen zu komplexen Nullstellen. Der Regelkreis ist bei Werten 50 < K < 250 zwar immer noch stabil, allerdings nimmt die Überschwingweite der Sprungantwort umso stärker zu, je höher der Wert von K ansteigt. Betrachtet man ein allgemeines PT2–Glied nach Bild 2.8, so können d und T im Allgemeinen unabhängig voneinander verändert werden. Im Fall des Serienschwingkreises beeinflusst die Variation von R nach Gl. (2.8) lediglich den Dämpfungsfaktor d aber nicht die Resonanzfrequenz Z0. Im
P 1
w w
a
P
d
2
R e
Bild 2.31 Lage der Pole eines PT2–Gliedes in der komplexen Ebene abhängig vom Dämpfungsfaktor d
Lösungen
41
Tiefere Einblicke in die Zusammenhänge erschließen sich, wenn man in einem solchen Fall die Veränderung der Pollage in Abhängigkeit der Dämpfung 0 < d < 1 untersucht. Da es sich um konjugiert komplexe Polstellen handelt, genügt die Betrachtung der oberen Halbebene nach Bild 2.31. Bei aperiodischer Dämpfung d = 1 fallen die beiden Polstellen P1 und P2 auf der reellen Achse zusammen. Wenn die Dämpfung verringert wird, wandert P1 auf dem grauen Kreisbogen nach oben und P2 gleichermaßen nach unten; im ungedämpften Fall d = 0 kommt P1 auf der positiven und P2 auf der negativen imaginären Achse zu liegen. Aus Bild 2.31 ergeben sich die Beziehungen, welche für jede Pollage gelten:
G 2 Z 2 Z0 2 G Z0 cos D Z0 d Z Z0 sin D
(2.22)
Z0 1 (cos D ) 2
Z0 1 d 2
Der Vergleich von Gl. (2.22) mit Gl. (2.9) verdeutlicht, dass cos(D) ein Maß für die Dämpfung des jeweiligen Pols darstellt. Ob ein Regelkreis stabil ist, wird durch die Übertragungsfunktion des offenen Kreises G0(s) und die daraus resultierende charakteristische Gleichung 1 + G0(s) festgelegt. Die Nullstellen der charakteristischen Gleichung sind gleichzeitig Polstellen des geschlossenen Regelkreises. Liegen sie in der linken Halbebene, so ist der Regelkreis stabil. Die Entfernung des Pols zum Koordinatennullpunkt entspricht der auftretenden Resonanzfrequenz. Der Winkel D ist ein Maß dafür, wie stark die Resonanzfrequenz gedämpft wird. Übung 2.9 Ermitteln Sie den Dämpfungsfaktor und die tatsächliche Schwingfrequenz des PT2– Gliedes mit den beiden Polstellen P1,2 = –100 r j173.
2.5 Lösungen Übung 2.1 Übertragungsglieder können entweder durch ihre Funktionalbeziehung, die Übertragungsfunktion oder ihre Sprungantwort charakterisiert werden. Übung 2.2 K uR2
R2 R1 R2 K uSR
30 ȍ 30 ȍ 10 ȍ
0.75
0.75 30 V
22.5 V
Übung 2.3 Mit Gl. (2.8) erhält man:
42
Grundlagen der Regelungstechnik 1
Z0
1
L C
2 d T
745.6
0.003375 H 533 ȝF
R C
2 d T C
R
1 s
f0 2 0.2
2d Z0 C
745.6 s 1 533 ȝF
118.6 Hz 1ȍ
Die Kondensatorspannung schwingt mit der Frequenz f, die gegenüber der Resonanzfrequenz geringfügig verstimmt ist und mit Gl. (2.9) berechnet werden kann:
Z0 1 d 2 2S
f
Z 2S
f
116.2 Hz
f0 1 d 2
118.6 Hz 1 - 0.2 2
118.6 Hz 0.9798
10 0 -10
|F (jω )|
-20 -30 -40 -50 -60 0,01
0,1
1
10
100
1000
10000
f [Hz]
0 -30
ϕ [°]
-60 -90
-120 -150 -180 0,01
0,1
1
10
100
1000
10000
f [Hz]
Bild 2.32 Frequenzgang des PT2–Gliedes aus Beispiel 2.2 als Bode–Diagramm
Übung 2.4 Aus dem ermittelten Frequenzgang nach Gl. (2.10) ergeben sich Amplituden– und Phasengang folgendermaßen: F ( jZ ) F ( jZ ) F ( jZ )
1
1
2
1 jZ R C Z L C
1 Z
2
1 Z L C j Z R C 2
L C j Z R C
[(1 Z L C ) j Z R C ] [(1 Z 2 L C ) j Z R C ] 2
1 Z 2 L C j Z R C
1 Z
2
L C
2
Z R C 2
Der Real– und der Imaginärteil des Frequenzganges betragen
Lösungen
43
Re{F ( jZ )}
1 Z
Im{F ( jZ )}
1 Z
1 Z2 L C 2
L C
2
Z R C
2
Z R C 2
L C
2
Z R C
2
Somit wird der Amplitudengang 2
ª º ª º 1 Z2 L C Z R C « » « » « 1 Z 2 L C 2 Z R C 2 » « 1 Z 2 L C 2 Z R C 2 » ¬ ¼ ¬ ¼
F ( jZ )
(1 Z 2 L C ) 2 Z R C 2
F ( jZ )
1 Z
M (Z ) arctan
(1 2 Z 2 L C Z 4 L2 C 2 ) Z R C 2
1 Z
2
L C Z R C 2 Der Phasengang errechnet sich zu 2
2
2
L C
Z R C 2
2
Z R C 1Z2 L C
Trägt man Amplituden– und Phasengang in Abhängigkeit von der Frequenz Z auf, so ergibt sich das Bode–Diagramm. Das Ergebnis in Bild 2.32 wurde mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms ermittelt. Übung 2.5 Darf die Abweichung maximal 5 % betragen, so muss der Istwert bei w = 1 A auf 0.95 A ansteigen. Die Regelverstärkung wird mit Gl. (2.15) ausgerechnet. i w
KR 2 1 K R 2 1
KR 2
0.95
KR 2
0.95 (1 K R 2 1)
0.95 K R 1.9
K R 0.1 0.95
KR
9.5
Übung 2.6 Ein idealer Regelkreis würde unendlich schnell auf Änderungen des Sollwertes reagieren und den Istwert x ohne Überschwingen auf den Sollwert w einregeln. Daher erwartet man von einem idealen Regelkreis, dass der Istwert dem Sollwert verzögerungsfrei ohne Abweichung folgt und ebenfalls sprungförmig verläuft. w , x w
T
x
1
t
Bild 2.33 Realer Verlauf der Sprungantwort
44
Grundlagen der Regelungstechnik In Realität ist ein solches Verhalten jedoch nicht möglich; je nach Einstellung der Regelverstärkung wird der Istwert x dem Sollwert w gem. Bild 2.33 lediglich zeitverzögert und möglicherweise sogar nur mit Überschwingen folgen können.
Übung 2.7 Der offene Regelkreis besteht aus einem Integrator und einem PT1–Glied. Die charakteristische Gleichung CP(s) hat die Ordnung zwei und lautet: CP ( s ) 1 G0 ( s ) 1 CP( s )
1 K 1 s 0.005 s 1
K 1 s 0.005 s 1
1 s 0.005 s 1
K s 1 s 2 0.005 1 s 0.005 s 1
(2.23)
Übung 2.8 Um zu Einstellwerten für KP und Tn zu gelangen, werden das Bode–Diagramm des offenen Kreises gezeichnet und Rückschlüsse für eine geeignete Parameterwahl gezogen [Best01]. Der Frequenzgang des offenen Kreises lautet: G0 ( jZ )
KS K P
1 jZ Tn 1 1 jZ Tn 1 Tı jZ TI jZ
(2.24)
Zunächst werden die Teilfrequenzgänge für jeden Faktor aus Gl. (2.24) unter der Annahme konstruiert, dass KP = KS = 1 ist. Der Amplitudengang des PI–Reglers setzt sich aus zwei Anteilen zusammen. Sein I– Anteil weist neben einer negativen Steigung von –20 dB pro Dekade einen konstanten Phasenwinkel von –90° auf und schneidet die 0 dB Linie bei der Frequenz ZE1 = 1/Tn. Sein Zähler entspricht einem Vorhaltglied, dessen Eckfrequenz ebenfalls 1/Tn beträgt. Die zugehörige Asymptote folgt zunächst der 0 dB Linie und geht ab der Eckfrequenz ZE1 in eine positive Steigung von +20 dB pro Dekade über. Der Phasenwinkel ändert sich kontinuierlich von 0° auf +90°. Die Addition beider Teilfrequenzgänge liefert den Frequenzgang des PI–Reglers. Bis zur ersten Eckfrequenz ZE1 dominiert der I–Anteil, sodass sich für den Frequenzbereich Z < ZE1 die Steigung –20 dB pro Dekade ergibt. Ab der Eckfrequenz ZE1 heben sich die positive Steigung des Vorhalteglieds und die negative Steigung des I–Anteils auf und die Asymptote des Amplitudengangs verläuft für Z > ZE1 horizontal. Der Phasengang steigt von –90° auf 0° an. Bis zur Eckfrequenz des PT1–Glieds, die ZE2 = 1/TV beträgt, folgt sein Amplitudengang der 0 dB Linie und fällt danach mit der Steigung –20 dB pro Dekade. Der Phasenwinkel nimmt von 0° auf –90° ab. Der Amplitudengang des I–Gliedes fällt mit der Steigung –20 dB pro Dekade und schneidet die 0 dB Linie bei der Frequenz Z = 1/TI; sein Phasenwinkel beträgt konstant –90°. Bild 2.34 zeigt die diskutierten Frequenzkennlinien für den Fall, dass KP und KS gleich 1 sind. Dargestellt sind die Asymptoten der Betragskennlinien sowohl der einzelnen Teilfunktionen aus Gl. (2.24) als auch die der resultierenden Funktion G0(Z).
Lösungen
45
Man erkennt, dass für Werte von KP und KS gleich 1 die Knickpunkte von G0(Z) auf der Betragskennlinie des Integriergliedes liegen. Es ergeben sich die Zusammenhänge aus Gl. (2.25) und (2.26). § G0 ¨¨ ZE1 ©
1 Tn
· ¸¸ ¹
ZTI
§ G0 ¨¨ Z E2 ©
1 Tı
· ¸¸ ¹
1 ZTI Z
1 1 Z Tn
1 Tı
Tn TI
(2.25)
Tı TI
(2.26)
|G (w )| |G 0(w )|
1 + jw T jw T n
1
w T
|G 0(w
E 1
|G 0(w D
|G 0(w
E 2
= 1 /T n)|= = 1 /(2 T s))|= = 1 /T s)|=
T
1 /T n
T
I
1 /T I
1 /T n
n
w 1
s
1 + jw T
I
s
2 T n T I T n 4 T I
w
E 1
w D
w
E 2
Bild 2.34 Asymptoten der Betragskennlinien für den Regelkreis aus Bild 2.30 für KP = KS = 1
Die genauen Verläufe der Frequenzkennlinien sind in Bild 2.35 dargestellt. Sehr kleine Frequenzen führen beim PI–Regler zu einem Phasenwinkel von –90°. In diesem Bereich weist das PT1–Glied noch einen Phasenwinkel von 0° auf. Bei hohen Frequenzen steigt der Phasenwinkel des PI–Reglers auf 0° an; dagegen liefert das PT1–Glied in diesem Frequenzbereich einen Phasenwinkel von nahezu –90°. Das Integrierglied hat durchgängig einen Phasenwinkel von –90°. Insgesamt weist G0(Z) bei kleinen und bei großen Frequenzen einen Phasenwinkel von –180° auf; lediglich zwischen den Frequenzen ZE1 = 1/Tn und ZE2 = 1/Tı steigt die Phase an. Stabilität des geschlossenen Kreises ist nur dann gegeben, wenn bei der Durchtrittsfrequenz ZD der Phasenrand genügend groß ist. Je weiter 1/Tn sowie 1/Tı auseinander liegen, umso stärker wird offensichtlich die Phase angehoben. Gutes Verhalten erhält man für
46
Grundlagen der Regelungstechnik 4 TV
Tn
(2.27)
Mit dem Parameter Kp des PI–Reglers kann Betragskennlinie |G0(jZ)| beeinflusst werden. Vergrößert man Kp, so verschiebt sich |G0(jZ)| nach oben. Die Durchtrittsfrequenz ZD erhöht sich. Wird Kp verringert, bewegt sich |G0(jZ)| nach unten und die Durchtrittsfrequenz nimmt ab. Kp wird so eingestellt, dass die Durchtrittsfrequenz ZD bei der Frequenz zu liegen kommt, an dem der Phasenwinkel sein Maximum hat. Dies ist der Fall, wenn ZD genau in der Mitte zwischen 1/Tn und 1/Tı liegt. Mit Hilfe von Gl. (2.25) und (2.26) ermittelt man für diesen Fall: § G0 ¨¨ Z D ©
1 2 Tı
· ¸¸ ¹
Tn 2 TI
2 Tı TI
80 60 |G (jω )| [dB]
40
KP
20 0 -20 -40 -60 -80 0,01
0,1
1
PI-Regler
-1 100 ω [s ]
10 PT1-Glied
I-Glied
1000
|G0|
ϕ [°]
90 °
0°
-45° -90 °
-180 ° 0,01
0,1
ω=1/T n
1
10
100 ω=1/T σ
-1 ω [s ]
1000
Bild 2.35 Frequenzkennlinien des Regelkreises aus Bild 2.30
Unter Berücksichtigung von realen Werten von KP und KS muss |G0(ZD)| = 1 sein.
Lösungen
47
§ G0 ¨¨ ZD ©
1 2 Tı
· ¸¸ ¹
K P KS
Tn 2 TI
K P KS
2 Tı ! 1 TI
Daraus erhält man die Bestimmungsgleichung für KP. KP
TI K S 2 Tı
2 TI K S Tn
Übung 2.9 Aus der Lage der Polstelle P1 kann die Resonanzfrequenz ermittelt werden:
Z0 2
G 2 Z 2 1002 1732
Z0 199.8
1 s
Der Dämpfungsgrad wird über die Berechnung von D bestimmt. cos D
d
G Z0
0.5
D
60q
Dämpfungsgrad und Resonanzfrequenz liefern die Frequenz Z, mit der das gedämpfte System schwingt.
Z Z0 sin D
Z0 1 d 2
1 s
Z 199.8 1 0.52
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1 s
49
3
Antriebsarten in der Automatisierung
Lernziele: Der Lernende … x
versteht die Anforderungen der Mechatronik an Aktoren
x
unterscheidet die typischen Motorarten der Automatisierung
x
benennt Vor– und Nachteile der Motorkonzepte
x
kennt die Grundlagen der elektronischen Kommutierung
x
nennt Eigenschaften und Vorteile von Linearmotoren
Der Begriff Mechatronik ist ein Kunstwort und verknüpft die technischen Themengebiete Mechanik, Elektronik und Informatik miteinander. Ziel ist die Entwicklung einer Gesamtsicht auf eine Maschine oder eine Fertigungsanlage unter Einbeziehung aller drei genannten Disziplinen. Diese ist erforderlich, da moderne Maschinen und Anlagen weitgehend automatisiert arbeiten sollen und daher in enger Kooperation von Mechanik, Elektronik und Informatik entwickelt werden müssen. Auftretende Probleme können typischerweise nur durch Zusammenwirken aller drei Wissensgebiete gelöst werden. Anstatt isolierte Modelle für Mechanik, Elektrik und die steuernden Programme zu verwenden, wird eine Maschine oder Anlage heutzutage als ein mechatronisches Gesamtsystem beschrieben und in Funktionsgruppen unterteilt. Die jeweiligen Funktionsgruppen sind aus einzelnen Modulen zusammengesetzt und bestehen zu einem großen Teil aus Aktoren, die elektromotorisch angetriebene Stelleinrichtungen beinhalten. Üblicherweise werden sie nicht im Dauerlauf und in einer Vorzugsdrehrichtung betrieben, sondern dienen stattdessen zur Einstellung bestimmter Kräfte bzw. Drehmomente, Geschwindigkeiten oder Positionen. Sie unterscheiden sich demnach deutlich von Elektromotoren, wie sie bei Pumpen, Lüftern oder Förderbändern als Kraft– und Arbeitsmaschinen vorzufinden sind und unterliegen gänzlich anderen Anforderungen. Tabelle 3.1 GM BLDC SM–P ASM STP
in der industriellen Automatisierung fremderregte Gleichstrommaschine mit netzgeführtem Stromrichter elektronisch kommutierte Gleichstrommaschine Permanenterregte Synchronmaschine am Spannungszwischenkreisumrichter als Servoantrieb Asynchronmaschine mit Kurzschlussläufer am Spannungszwischenkreisumrichter als Hauptantrieb Schrittmotor mit Vollschritt, Halbschritt oder Mikroschrittbetrieb
3.1 Motorarten in automatisierten Systemen Elektromechanische Stellantriebe können in translatorische Aktoren (Elektromagnet, Linearmotor) und rotatorische Wandler (Elektromotoren) unterteilt werden, die sich wiederum in elektronisch kommmutierte, bürstenlose und mechanisch kommmutierte, bürstenbehaftete Antriebe gliedern lassen. Dem rotierenden Elektromotor ist in der Regel ein Getriebe oder Vorschubmechanismus nachgeschaltet, mit dessen Hilfe die Motordrehung in eine andere
U. Probst, Servoantriebe in der Automatisierungstechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-8169-4_3, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
50
Antriebsarten in der Automatisierung
rotatorische oder translatorische Bewegung umgewandelt wird. Die große Typenvielfalt der motorischen Stellantriebe erlaubt eine flexible Anpassung an die unterschiedlichsten Stellaufgaben. Elektrische Antriebe besitzen im Bereich kleiner bis mittlerer Stellleistungen eine dominierende Stellung und bieten ein Stellverhalten, das sowohl hohe Positioniergenauigkeiten als auch gute dynamische Eigenschaften – also schnelle Bewegungsänderungen – zulässt. Ihr hoher Wirkungsgrad liegt über dem vergleichbarer pneumatischer und hydraulischer Komponenten.
Grundlegende Antriebsaufgaben Zu den grundlegenden Aufgaben von Antrieben gehört es, an der Motorwelle das gewünschte Drehmoment in einem vorgegebenen zeitlichen Verlauf bereitzustellen. Sofern mechanische Übertragungselemente die Drehbewegung des Motors in eine translatorische Bewegung umformen, wird das Antriebsdrehmoment in eine Vorschubkraft umgewandelt. Wickelantriebe bei Walz– oder Druckwerken verlangen zusätzlich die Bewegung mit einer einstellbaren aber zeitlich veränderlichen Geschwindigkeit. Im Bereich der Förder– und Montagetechnik ist das genaue und schnelle Anfahren einer vorgegebenen Position unabdingbar. Bei numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen müssen mehrere Achsen ein Werkstück auf einer Bahnkurve im Raum relativ zu einem Werkzeug bewegen, wobei die geforderten Genauigkeiten in jedem Bahnpunkt unter 10μm liegen. Dies gelingt nur, wenn alle beteiligten Achsen koordinierte Bewegungen ausführen. Tabelle 3.2 Anforderungen an Stellantriebe hohe Dynamik kleines Rotorträgheitsmoment, also kleine mechanische Zeitkonstante niederinduktive Motoren, also kleine elektrische Zeitkonstante hohes Impulsdrehmoment, also hohe Kurzzeitüberlastbarkeit guter Rundlauf auch bei kleinsten geringste Drehmomentwelligkeit Drehzahlen drehwinkelunabhängiges Drehmoment hohe Positioniergenauigkeit bei Vorschubantrieben besser als 1/1000 Umdrehung großer Drehzahlstellbereich bei Vorschubantrieben bis zu 1/10.000 bei Hauptantrieben bis zu 1/100.000 hohes Drehmoment / große elektrische und mechanische Überlastbarkeit Erzeugung von Haltemomenten und diesbezügliche Verschleißarmut geringes Volumen / Gewicht nach Möglichkeit wartungsfrei hoher Wirkungsgrad, geringe Erwärmung hoher Schutzgrad, besser als IP54 Einbau von Zusatzausrüstungen Tacho, Lagegeber, Haltebremse
Insgesamt ergeben sich also drei grundlegende Aufgaben, die jeweils mit ganz bestimmten, durch die jeweilige Anwendung vorgegebenen Qualitätsmerkmalen erfüllt werden müssen: x Aufbringen eines gewünschten Drehmomentes x Bewegung mit einer geforderten Geschwindigkeit oder Drehzahl
Motorarten in automatisierten Systemen
51
x Anfahren einer vorgegebenen Position Den Bereich industrieller Automatisierung dominieren die Motorarten aus Tabelle 3.1. Mit Ausnahme der Gleichstrommaschinen sind alle anderen Antriebsarten auch als Direktantriebe (Torquemotor, Linearmotor) verfügbar. Hierbei erzeugt der Motor unmittelbar, also ohne Zwischenschaltung mechanischer Übertragungselemente, die Vorschubkräfte für die translatorische Bewegung. Tabelle 3.2 fasst die grundlegenden Anforderungen an Antriebe zusammen, die in den vergangenen Jahren zur Entwicklung spezieller Servomotoren geführt haben. Ihr Leistungsbereich erstreckt sich von Kleinstmotoren mit wenigen Watt Ausgangsleistung bis hin zu Antrieben im dreistelligen kW–Bereich.
3.1.1 Mechanisch kommmutierter bürstenbehafteter Motor Mechanisch kommmutierte Gleichstrommotoren für dynamisch schnelle Stell– und Positionieraufgaben werden als permanenterregte Nebenschlussmotoren ausgelegt. Sie zeichnen sich durch einen linearen Strom–Drehmoment Verlauf aus, der von der Winkellage des Rotors nahezu unabhängig ist. Drehrichtung und –geschwindigkeit können stufenlos über eine Veränderung der Ankerspannung beeinflusst werden. Große Drehzahlstellbereiche bis zu 1:10000 und eine hohe Gleichlaufgüte sind keine Seltenheit. Gleichstrommotoren bieten für Standardaufgaben im Bereich kleiner und mittlerer Stellleistungen daher auch heute noch eine sehr gute und auch kostengünstige Lösung. A n k e rs tro m IA
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Bild 3.1
Prinzipaufbau eines elektrisch erregten Gleichstrommotors mit mechanischer Kommutierung
Der Prinzipaufbau eines solchen Motors – allerdings mit elektrischer Erregung – ist in Bild 3.1 dargestellt. Eine feststehende Feldwicklung im Stator erzeugt das Magnetfeld, welches den Rotor durchsetzt, der auch die Ankerwicklung trägt. In Verbindung mit dem Kommutator sorgen Bürsten dafür, dass die Leiter der Ankerwicklung, die unter den jeweiligen Polen der Feldwicklung liegen, immer in derselben Richtung vom Ankerstrom durchflossen werden; in Bild 3.1 fließt der Ankerstrom unter dem linken Feldpol in die Zeichenebene hinein und unter dem rechten Feldpol aus der Zeichenebene heraus. Die Wechselwirkung zwischen Magnetfeld
52
Antriebsarten in der Automatisierung
und Ankerstrom erzeugt eine Kraft auf die Ankerwicklung, die den Rotor entgegen dem Uhrzeigersinn bewegt. Im Vergleich zu anderen Motorkonzepten ergeben sich die wesentlichen negativen Eigenschaften des bürstenbehafteten Motors aus seinem prinzipiellen Aufbau. In der Ankerwicklung entstehen Stromwärmeverluste, die aufgrund ihrer Rotation nicht gut abgeführt werden können. Eine Überlastung des Motors erwärmt die Wicklung zusätzlich, auch wenn sie nur kurzzeitig auftritt. Weiterhin begrenzen die Kohlebürsten bei der mechanischen Kommutierung die maximal möglichen Ankerströme im Stillstand (Durchbrennen) und auch bei hohen Drehzahlen (Bürstenfeuer). Verschleißende Kohlebürsten erfordern insbesondere bei preiswerten Antrieben immer einen gewissen Wartungsaufwand. Das Trägheitsmoment solcher Motoren ist aufgrund des ferromagnetischen Rotors vergleichsweise groß. Beim Gleichstrommotor ist durch den konstruktiven Aufbau sichergestellt, dass die magnetischen Feldlinien des Erregerfeldes stets senkrecht auf den Wicklungen stehen, welche den Ankerstrom führen. Das Motordrehmoment kann über die Höhe des Ankerstroms verändert werden; im Grunddrehzahlbereich besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem erzeugten Drehmoment und dem Betrag des Ankerstroms. Tabelle 3.3 Vor– und Nachteile von Gleichstrommotoren Vorteile Nachteile x gutes Regelverhalten durch lineare Strom– x Verschleiß von Kommutator und Bürsten Drehmoment Charakteristik (Wartungsaufwand, Verschmutzung) x gute dynamische Eigenschaften (Stromaufbau) x Stelldynamik und Stillstandsmoment und sehr hohe Gleichlaufgüte durch Kommutator begrenzt x großer Drehzahlstellbereich x schlechte Wärmeabfuhr der Rotorverluste
Gleichstromantriebe finden nach wie vor Anwendung bei Walzwerksantrieben und Extrudern, wo Leistungen über 100kW notwendig sind. Eine hohe Dynamik – also schnelle Drehzahl– oder Drehrichtungswechsel – spielt bei diesen Anwendungen kaum eine Rolle, sodass auch netzgeführte Stromrichter [Probst08] eingesetzt werden können, deren Leistungsteil bei gleicher Leistung deutlich kleiner als das eines Drehstromantriebs ist.
3.1.2 Elektronisch kommmutierte bürstenlose Motoren Im Bereich kleiner bis mittlerer Stellleistung werden zunehmend Motoren mit Permanentmagneten aus Neodym–Eisen–Bor (NdFeB) im Rotor eingesetzt, bei denen keine Kohlebürsten mehr erforderlich sind. Sie werden bürstenlose Motoren (brushless dc–Motor, BLDC–Motor) oder elektronisch kommutierte Motoren (electronically commutated motor, EC Motor) genannt und erfordern Leistungsteile, die mit einer elektronischen Kommutierungseinrichtung ausgestattet sind. Motoren dieser Art sind wartungsfrei und auch höher überlastbar, weil kein mechanischer Kommutator mehr vorhanden ist. Die Stromwärmeverluste entstehen in den Statorwicklungen, sodass die entstehende Verlustwärme bedeutend besser abgeführt werden kann als bei Kommutatormotoren. Insgesamt werden die Motoren leichter, weil die Feldwicklung durch Permanentmagnete ersetzt wird; solche Antriebe weisen daher ein günstigeres Leistungsgewicht auf. Kennzeichen der konventionellen Gleichstrommaschinen aus Abschnitt 0 ist ein linearer Zusammenhang zwischen Ankerstrom und Motordrehmoment im Grunddrehzahlbereich. Damit diese lineare Strom–Drehmoment Charakteristik auch bei bürstenlosen Motoren erhalten
Motorarten in automatisierten Systemen
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bleibt, müssen sie elektronisch kommutiert werden. Je nach Motortyp bedingt dies einen deutlich höheren Mehraufwand und erfordert eine komplexe Schaltungstechnik zur Motoransteuerung sowie teilweise aufwändige Sensorsysteme. Manche dieser Konzepte verschlechtern zudem das Regelverhalten durch auftretende Drehmomentwelligkeiten und schränken die Gleichlaufgüte ein, was sich besonders bei langsamen Drehbewegungen negativ auswirkt. Tabelle 3.4 Vor– und Nachteile von bürstenlosen Motoren Vorteile Nachteile x sehr gute Dynamik x Sensorsystem und aufwändige Steuerlogik erforderlich x hohe Überlastbarkeit x häufig eingeschränkte Gleichlaufgüte (Drehmomentwelligkeit) x wartungsfrei x höhere Systemkosten als bei Gleichstrommotoren x geringes Trägheitsmoment und besseres Leistungsgewicht als ein Gleichstrommotor
Grundlegende Funktionsweise der elektronischen Kommutierung Der Verzicht auf den Kommutator erzwingt, dass die Ankerströme in feststehenden Wicklungen fließen, die direkt an das Antriebsregelgerät angeschlossen sind. Permanentmagnete im Rotor ersetzen die konventionelle Feldwicklung, wodurch im Vergleich zum herkömmlichen Gleichstrommotor aus Bild 3.1 bei elektronisch kommutierten daher Ständer und Läufer miteinander vertauscht sind. m a g n e tis c h e F e ld lin ie W ic k lu n g 2
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Bild 3.2
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Funktionsprinzip der elektronischen Kommutierung mit Permanentmagneten im Rotor und der zweiphasigen Ankerwicklung bestehend aus Wicklung 1 und Wicklung 2 im Stator
Die grundlegende Funktionsweise der elektronischen Kommutierung erläutert Bild 3.2. Dort ist der schematische Aufbau eines solchen Motors dargestellt, welcher zunächst mit einer zweiphasigen, feststehenden Wicklung im Stator ausgestattet ist, die sich über 90° des Umfangs erstreckt. Pro Wicklung ist vereinfachend nur ein Leiter dargestellt. Damit der Motor ein Drehmoment entwickelt, das proportional zum Wicklungsstrom ist, wird immer der Wicklungsteil bestromt, der dem Permanentmagneten direkt gegenüberliegt. Im Teilbild a) führt lediglich Wicklung 1 den Strom, der über die Leiter der oberen Wicklungs-
54
Antriebsarten in der Automatisierung
hälfte aus der Zeichenebene heraus und durch die Leiter der unteren Wicklungshälfte in die Zeichenebene wieder hineinfließt. Exemplarisch ist in Teilbild a) eine der magnetischen Feldlinien gezeichnet, welche radial vom Nordpol ausgehen, die Statorwicklung durchsetzen und am Südpol enden. Das Feld des Permanentmagneten bewirkt in Bild 3.2 a) zusammen mit dem dargestellten Wicklungsstrom eine Kraft auf die stromführenden Leiter, deren Richtung sich aus der Rechte–Hand–Regel ergibt: wenn der Daumen in Stromrichtung und der Zeigefinger in Richtung des Magnetfeldes zeigt, dann gibt der Mittelfinger in Richtung der resultierenden Kraft an. Sie wirkt im Gegenuhrzeigersinn (GUZ) auf den Leiter, der im Rahmen des Stators aber feststeht und sich nicht bewegen kann. Die Gegenkraft dreht den permanentmagnetischen Läufer in die entgegengesetzte Richtung, also im Uhrzeigersinn (UZS). Die Höhe der Kraft hängt ab von der konstanten Feldstärke des Permanentmagneten und dem einstellbaren Betrag des Wicklungsstromes. Wird dieser ausgehend von Bild 3.2 a) nicht verändert, so erreicht der Rotor nach einer Drehung um 90° eine stabile Ruhelage. Eine weitere Kraftwirkung tritt erst wieder auf, wenn der Strom in Wicklung 1 abgeschaltet und stattdessen die Wicklung 2 nach Bild 3.2 b) mit Strom versorgt wird. Erneut wirkt die Kraft – diesmal auf die Leiter der Wicklung 2 – im GUZ und der Rotor dreht sich im UZS in die Lage nach Bild 3.2 c) weiter. Bestromt man die Wicklungen nun nach Bild 3.2 c), so dreht sich der Rotor wiederum im UZS in die Position von Bild 3.2 d). Die Umschaltung der Wicklungsströme der Ständerwicklung wird durch ein leistungselektronisches Stellglied in Abhängigkeit von der Rotorstellung und unabhängig von der Rotordrehzahl vorgenommen und elektronische Kommutierung genannt. Um die richtige Umschaltreihenfolge und den korrekten Umschaltzeitpunkt zu bestimmen, ist eine ständige Lageerfassung des Rotors erforderlich. Handelsübliche BLDC–Motoren sind mit einer dreiphasigen Drehstromwicklung ausgestattet, die in den Nuten des Statorblechpakets untergebracht ist. Seit Mitte der neunziger Jahre werden solche Wicklungen als verteilte Drehstromwicklungen hergestellt, bei der die einzelnen Spulen jeder Phase für sich gewickelt und anschließend Phase für Phase nacheinander in die Nuten des Blechpakets eingezogen werden. Abschließend verbindet man die Anschlussdrähte der Wicklungen außerhalb des Blechpakets, die den sogenannten Wickelkopf bilden. Überlappungen im Bereich der Wickelköpfe sind bei dieser Fertigungsart unvermeidlich. Seit 2003 zeichnet sich der Übergang zur Zahnspulentechnik ab, bei der jeweils ein Statorzahn mit einer Spule bewickelt wird. Die einzelnen Spulen können vorgefertigt werden und weisen einfachere Wickelköpfe auf. Nach Herstellerangaben [Weyer06] führt diese Art der Fertigung neben geringeren Kosten zu einer Reduktion der Baulänge um bis zu 30 %. Die Grundlage des Rotors bildet ein geschichtetes Blechpaket, auf dem nach Bild 3.3 radial magnetisierte Permanentmagnete aufgebracht sind. Das Hauptproblem bei der Rotorherstellung ist die Befestigung und Ausrichtung der spröden und zerbrechlichen Magnete, die genau positioniert werden müssen, damit der Luftspalt möglichst klein wird. Oft werden sie einfach festgeklebt und durch unmagnetische Bandagen zusätzlich gehalten. Alternativ können die Magnetsegmente auch formschlüssig in ausgestanzte Nuten geschoben und mit Epoxidharz vergossen werden. Die Drehmomentbildung funktioniert hier genauso, wie sie prinzipiell für den zweiphasigen Motor in Bild 3.2 erläutert wurde. Das erzeugte Drehmoment hängt vom Wicklungsstrom ab
Motorarten in automatisierten Systemen
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und weist Nebenschlussverhalten auf. Grenzen für die Höchstdrehzahl bilden die Lebensdauer der Kugellager und die Fliehkräfte, die auf die Magnetbefestigung wirken. Stator Nuten mit 3-phasiger Wicklung Permanentmagnete Rotor aus geschichteten Blechen
Bild 3.3
Querschnitt einer dreiphasigen elektronisch kommutierten Gleichstrommaschine
Elektronische Kommutierung beim dreiphasigen BLDC–Motor Ein BLDC–Motor wird typischerweise an einem dreiphasigen spannungseinprägenden Wechselrichter nach Bild 3.4 betrieben [Probst08], der über einen Zwischenkreiskondensator mit einer Gleichspannung Ud versorgt wird. Üblicherweise sind die Motorwicklungen im Stern geschaltet, sodass die Wicklungsanschlüsse X, Y und Z am Sternpunkt leitend miteinander verbunden sind.
Tu+
PWM StromRegler mit PWM
Impulsverteilung
Zündimpulse Tu - Tw
Stromsollwert
Tv+
Tw+
Ud
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Tv-
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Z
iu PLG
Tw-
Stromistwerte Stromistwert aufbereitung H1, H2, H3
Bild 3.4
Blockschaltbild eines dreiphasigen BLDC–Motors an einem spannungseinprägenden Wechselrichter mit einer Regelung des Ankerstromes
Von den 6 Transistoren des Wechselrichters sind je ein oberer und ein unterer Transistor ein– und die anderen 4 Transistoren ausgeschaltet. Dadurch werden immer genau zwei der drei
56
Antriebsarten in der Automatisierung
Motorwicklungen über den Wechselrichter mit dem positiven und negativen Pol der Zwischenkreisspannung verbunden, während die dritte Wicklung stromlos bleibt. Bild 3.5 zeigt für 6 unterschiedliche Rotorstellungen den Querschnitt durch einen dreiphasigen BLDC–Motor mit einem Polpaar. Jede Wicklung überdeckt nun 60° einer Polteilung. Die magnetischen Feldlinien des permanent erregten Motors durchsetzen den Stator radial. Damit der Rotor sich ausgehend vom Teilbild I im UZS bewegt, werden die Wicklungen U–X und W–Z mit einem Strom I so versorgt, dass dieser in die Klemmen X und W hinein– und aus den Klemmen U und Z heraus fließt. Während der folgenden 60° der Rotordrehung ändert sich bei gleich bleibender Stromverteilung in den Wicklungen U–X und W–Z das Drehmoment nicht. In Teilbild II hat sich der Rotor um 60° weitergedreht. Bei unveränderter Stromverteilung aus Teilbild I würde das Drehmoment nun abnehmen, da sich ein Teil des Rotorsüdpols unter die Wicklung U schiebt. Der entstehende Einbruch im Drehmoment wäre umso größer, je mehr der aktuelle Drehwinkel und damit die Überdeckung zwischen dem Rotorsüdpol und der Wicklung U zunimmt. U
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Bild 3.5
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Prinzip der elektronischen Kommutierung eines dreiphasigen BLDC–Motors
Eine Drehmomentabnahme wird verhindert, wenn rechtzeitig – also nach einem Drehwinkel von genau 60°– der Strom der Wicklung U–X wie im Teilbild II dargestellt auf die Wicklung V–Y kommutiert wird. Dieser Leitzustand kann nun für weitere 60° konstant bleiben, ohne dass ein erneuter Rückgang des Drehmoments auftritt. Beim Drehwinkel aus Teilbild III ist dann eine weitere Kommutierung erforderlich.
Motorarten in automatisierten Systemen
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Beispiel 3.1 Ermitteln der leitenden Transistoren Ermitteln Sie anhand von Bild 3.4 die leitenden Transistoren des Wechselrichters, damit die Stromverteilung nach Bild 3.5, Teilbild I zustande kommt. Lösung: Der Wicklungsstrom muss in die Klemmen W und X hinein– und aus den Klemmen U und Z heraus fließen. Dies gelingt, wenn im Wechselrichter nach Bild 3.4 der obere Transistor Tw+ sowie der untere Transistor Tu– angesteuert werden. In der Halbbrücke der Phase V leitet kein Transistor; diese ist zu diesem Zeitpunkt daher stromlos. Beispiel 3.2 Wicklungsstromverteilung für einen Rotorumlauf Vervollständigen Sie die Wicklungsstromverteilung in den Teilbildern III bis VI von Bild 3.5, sodass der Rotor eine vollständige Umdrehung im UZS durchführt. Lösung: Nach einer Drehung von jeweils 60° muss diejenige Wicklung abgeschaltet werden, welche bereits für einen Drehwinkel von 120° stromführend war. Als Ersatz wird die bislang stromlose Wicklung aktiviert. Beispielsweise wird in Teilbild III die Wicklung W–Z ab– und dafür die Wicklung U–X eingeschaltet. U
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Bild 3.6
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Stromverteilung der Wicklungen in Beispiel 3.2 für einen vollen Umlauf im UZS
Übung 3.1 Wie groß muss die erforderliche Auflösung des Polradlagegebers mindestens sein?
58
Antriebsarten in der Automatisierung
Ausgehend von Beispiel 3.1 kann der prinzipielle Verlauf der Wicklungsströme für den Stationärbetrieb ermittelt werden. Zur eindeutigen Darstellung wird der Drehwinkel in Bild 3.6, Teilbild I, zu 0° angenommen. Während der ersten 60° ist die Wicklung U–X bestromt. Bezogen auf den Zählpfeil in Bild 3.4 ist die Stromrichtung allerdings negativ, sodass sich als Wert –I ergibt. Nach dem ersten 60° Sektor wird die Phase U–X für weitere 60° stromlos geschaltet und nachfolgend für 120° mit positivem Strom +I beaufschlagt. An eine weitere stromlose Pause von 60° schließt sich erneut ein Phasenstrom in negativer Richtung an. Insgesamt ergibt sich der Stromverlauf aus Bild 3.7. Die Zeitverläufe der beiden verbleibenden Strangströme sind jeweils um 120° verschoben. Anhand der Zeitverläufe wird deutlich, dass der Name elektronisch kommutierte Gleichstrommaschine berechtigt ist. Auch bei einem konventionellen Gleichstrommotor nach dem Bauprinzip aus Bild 3.1 ändert sich die Stromrichtung in den Ankerwicklungen, wenn sie sich vom linken unter den rechten Pol bewegen. Über eine volle Motorumdrehung betrachtet ist der Wicklungsstrom hier wie dort ein Wechselstrom. iU iV
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Drehwinkel [°] Bild 3.7
Zeitlicher Verlauf der Phasenströme beim dreiphasigen BLDC–Motor
Rotorlageerfassung Auf der Rotorwelle ist ein geeigneter Sensor montiert, der Polradlagegeber (PLG) genannt wird und typischerweise drei Hallsensoren enthält, welche die digitalen TTL–Signale H1, H2 und H3 ausgeben. Mechanisch wurden die Hallelemente für Bild 3.8 so justiert, dass die positive Flanke der Strangspannung UU des Stranges U mit der negativen Flanke des Hall–Signals H1 übereinstimmt. Die Ansteuerelektronik des Wechselrichters aus Bild 3.4 enthält die Baugruppe Impulsverteilungslogik, welche die Hall–Signale auswertet und dadurch die elektronische Kommutierung steuert: in Abhängigkeit von H1, H2 und H3 werden die Ansteuersignale der einzuschaltenden Transistoren ermittelt und auf die jeweils richtigen Phasen verteilt. Die Messwerte der Phasenströme bilden den Istwert der Stromregelung. Welche der Wicklungen gerade leitet und damit den Wicklungsstrom führt, wird ebenfalls mithilfe des PLG ermittelt. Aus diesem Grund werden die Hall–Signale in Bild 3.4 auch an den Block Strom– Istwertaufbereitung angeschlossen.
Motorarten in automatisierten Systemen
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Tabelle 3.5 Ermittlung der leitenden Zweige beim Wechselrichter für BLDC–Motoren Rotor Startposition Rotor Endposition
Tu+
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60
Antriebsarten in der Automatisierung
Wenn der EC–Motor mit einer Drehzahlregelung ausgestattet werden soll, ist ein weiterer Sensor erforderlich, der in Bild 3.4 nicht abgebildet ist. Er muss den Drehzahlistwert des Motors mit der notwendigen Auflösung erfassen. Übung 3.2 Gegeben ist ein BLDC–Motor am dreiphasigen Umrichter nach Bild 3.4. Vervollständigen Sie die Tabelle 3.5. Markieren Sie dazu in den beiden rechten Spalten die Lage von Süd– und Nordpol des Rotormagnetfeldes für die Rotorstart– und Rotorendposition der jeweiligen Leitphase. Markieren Sie die jeweils gültigen Strompfade im Schaltbild des Wechselrichters. Verwenden Sie zur Lösung der Aufgabe das Applet BLDC–Motor am dreiphasigen Wechselrichter.
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Übung 3.3 Ermitteln Sie die logischen Gleichungen für den Impulsverteiler aus Bild 3.4 und tragen Sie ausgehend von Bild 3.8 in Tabelle 3.6 die Werte von H1 bis H3 für die jeweiligen Drehwinkel ein. Überlegen Sie anschließend, welche Transistoren im jeweiligen Drehwinkelbereich leiten müssen. Berechnen Sie daraus die Ansteuergleichungen für die Transistoren Tu+, Tu–, Tv+, Tv–, Tw+, Tw– des Wechselrichters aus Bild 3.4 als Funktion des PWM–Signals sowie der Hall–Signale H1 bis H3. H1 H2 H3 uU uV uW
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180
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360
420
480
Drehwinkel [°] Bild 3.8
Ausgangssignale H1 bis H3 des Polradlagegebers in Bezug zu den Phasenspannungen uU, uV sowie uW
Weil bei dieser Bauform prinzipbedingt Drehmomentwelligkeiten auftreten, werden die beschriebenen Motoren vorwiegend für Anwendungen eingesetzt, die keine hohen Anforderun-
Motorarten in automatisierten Systemen
61
gen an Drehmomentkonstanz, Gleichlaufgüte und Positioniergenauigkeit stellen, Andere Bauformen elektronisch kommutierter Motoren weisen keinen trapez– sondern einen sinusförmigen Verlauf der induzierten Spannung auf und haben diesen Nachteil nicht. Um mit diesen Motoren ein konstantes Drehmoment zu erzeugen sind, keine blockförmigen sondern sinusförmige Phasenströme notwendig. Tabelle 3.6 Ermittlung der Ansteuergleichungen Tu+ Tu– Tv+ Nr Rotorlage M H1, H2, H3 1 0 – 60 2 60 – 120 3 120 – 180 4 180 – 240 5 240 – 300 6 300 – 360
Tv–
Tw+
Tw–
Ansteuergleichungen
3.1.3 Permanent erregte Synchronmaschine mit sinusförmiger EMK Eine Weiterentwicklung der elektronisch kommutierten Gleichstrommaschine aus Abschnitt 3.1.2 lässt den grundsätzlichen Aufbau nach Bild 3.3 unverändert. Ihre Statorwicklung ist jedoch so ausgebildet, dass die induzierte Gegenspannung nicht mehr trapezförmig ist wie beim BLDC–Motor, sondern einen sinusförmigen Charakter annimmt. Diese Motorenart bildet die Grundlage der modernen Servoantriebe, wie sie heutzutage eingesetzt werden. In Verbindung mit einer polradorientierten Regelung besitzen solche Antriebe ein exzellentes dynamisches Verhalten und eine sehr gute Regelbarkeit. Um diesen Antriebstyp und die zugehörige Regelung verständlich zu beschreiben, wird zunächst der Begriff des Raumzeigers eingeführt, seine Anwendung auf die Ansteuerung der Motoren erläutert und schließlich das Regelkonzept dargestellt, das für diese Antriebe verwendet wird.
Raumzeiger Als Raumzeiger wird eine mathematische Darstellungsweise bezeichnet, die speziell für Berechnungen in Drei– und Vierleitersystemen geeignet ist, die in der Netz– und Antriebstechnik häufig auftreten. Ihr Einsatz erlaubt eine sehr einfache, übersichtliche und anschauliche Beschreibung und Berechnung von stationären und dynamischen Vorgängen und ist ein vergleichsweise neues Rechenverfahren, das in den letzten Jahren vor allem bei der Behandlung dynamischer Vorgänge in Drehfeldmaschinen stark an Bedeutung gewonnen hat. In Bild 3.9 ist vereinfachend eine Motorwicklung mit einer Windung gezeichnet, die aus einem Hin– und einem Rückleiter besteht. Wird die Wicklung in der dargestellten Weise von einem Strom durchflossen, entsteht eine Durchflutung T und damit ein Magnetfeld B, das zwischen den beiden Leitern von links nach rechts gerichtet ist. Zur mathematischen Beschreibung mit Hilfe von Raumzeigern wird die Richtung der von der Wicklung erzeugten Durchflutung T als Wicklungsachse definiert. Elektrisch kann die Wicklung als Spule mit den Anschlussklemmen 0 und a modelliert werden, die räumlich in Richtung der Spulenachse zu liegen kommt. Eine Drehstromwicklung besteht aus drei einzelnen Wicklungen nach Bild 3.9, die über den Umfang des Stators räumlich um 120° gegeneinander versetzt angebracht sind. Die räumliche
62
Antriebsarten in der Automatisierung
Verschiebung der drei Wicklungen wird mathematisch durch das abc–Koordinatensystem ausgedrückt, dessen Achsen mit den Wicklungsachsen zusammen fallen und ebenfalls um 120° gegeneinander verdreht sind. q , B H in le ite r + ia 0 W ic k lu n g s a c h s e a :
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Bild 3.9
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Wicklung bestehend aus einer Windung, eingezeichneter Wicklungsachse und konzentrierter Wicklungsspule
Bild 3.10 zeigt im Teilbild a) den Querschnitt einer dreiphasigen Maschine mit einem Polpaar bestehend aus Stator, Rotor und dazwischen liegendem Luftspalt, deren Wicklungen räumlich um 120° versetzt sind und mit a, b und c bezeichnet werden. Fließt ein Strom ia durch die Wicklung a in der eingezeichneten Richtung (oben aus der Zeichenebene heraus und unten in die Zeichenebene hinein), so wird eine Durchflutung T in Richtung der Wicklungsachse a erzeugt; entsprechendes gilt für die Wicklungen b und c. b ic
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b )
c )
Bild 3.10 Mathematische Behandlung einer Drehstromwicklung a) Modell der dreiphasigen Ständerwicklung einer Maschine mit einem Polpaaren b) Darstellung der Wicklung durch je eine konzentrierte Wicklungsspule c) zugehöriges dreiphasiges abc–Koordinatensystem der Drehstromwicklung
Teilbild b) illustriert dieselbe Anordnung, wobei die Wicklungen hier als konzentrierte Spulen wiedergegeben sind. Die Darstellung aus Teilbild c) wird nachfolgend verwendet und enthält nur noch das abc–Koordinatensystem, das die Richtung der Wicklungsachsen festlegt. In Bild 3.10 sind die Wicklungen schematisch im Luftspalt angeordnet. Es ist zweckmäßig, diese Vorstellung zu benutzen, weil so die Kraftwirkung auf die Leiter im Magnetfeld leicht vorstellbar wird. Bei realen Maschinen sind die Wicklungen in Nuten angebracht. Da das Luftspaltfeld an der Nut aber praktisch vorbeigeht, wirkt auf die Wicklung selbst nahezu keine Kraft, sodass die Vorstellung, die Wicklungen seien im Luftspalt angebracht, deshalb zu richtigen Ergebnissen führt [Best01].
Motorarten in automatisierten Systemen
63
Wie im vorigen Abschnitt ist auch in dieser Zeichnung jede Wicklung nur durch eine Windung angedeutet. In Wirklichkeit werden sie aber mit mehreren Windungen ausgeführt, sodass die von ihnen erzeugte Durchflutung sinusförmig über den Umfang verteilt ist. Das Maximum der Durchflutungswelle der Wicklung a zeigt immer in Richtung der Achse a. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass bei der Überlagerung der Durchflutungen zweier Wicklungen wiederum eine sinusförmige Durchflutungswelle entsteht. Raumzeiger werden zur Beschreibung von Strömen und Spannungen verwendet und entstehen bildlich gesprochen dadurch, dass jedem Wicklungsstrom bzw. jeder Wicklungsspannung ein Vektor in der betreffenden Wicklungsachse des abc–Koordinatensystems zugeordnet wird. Die Länge dieses Vektors entspricht der Amplitude des Wicklungsstroms bzw. der Wicklungsspannung. Ändert sich die Amplitude, so ändert sich zwar seine Länge, die Richtung bleibt jedoch durch die Wicklungsachse festgelegt. Solange die Wicklung und damit auch die Wicklungsachse ortsfest bleiben, ist die Ausrichtung des Raumzeigers konstant. Abhängig davon, ob Ströme oder Spannungen betrachtet werden, spricht man von Strom– oder Spannungsraumzeigern. Bei einer dreiphasigen Maschine wird jeder Wicklung ein Raumzeiger zugeordnet, deren geometrische Addition den resultierenden Gesamtraumzeiger ergibt. ia
t1
ib
ic
t2
Bild 3.11 Angenommener Stromverlauf in den Wicklungen des Stators in Beispiel 3.3
Beispiel 3.3 Ermittlung des Summenstromraumzeigers Es wird angenommen, dass die Wicklungen a und b mit zwei sinusförmigen Strömen gleicher Amplitude nach Bild 3.11 gespeist werden, wobei ib gegenüber ia um 120° in der Phase nacheilt. Bei einem symmetrischen Drehstromsystem ohne angeschlossenen Nullleiter ist der Strom ic aufgrund von Gl. (3.1) zwangsläufig ebenfalls sinusförmig. ia ib ic
0
(3.1)
Die Stromverteilung in den Wicklungen bewirkt eine Durchflutung, die von den Augenblickswerten der Strangströme und damit von der Zeit abhängt. Wir betrachten nun die Größe und Richtung der Durchflutung zu zwei verschiedenen Zeitpunkten t1 und t2.
w w w
Die nachfolgenden Erläuterungen können anschaulich mit dem Applet Raumzeiger nachvollzogen werden.
Zum Zeitpunkt t1 hat ia sein positives Maximum, ib und ic sind jeweils gerade halb so groß und negativ. Jeder Wicklungsstrom kann durch den zugehörigen Raumzeiger be-
64
Antriebsarten in der Automatisierung schrieben werden, der in Richtung der betreffenden Spulenachse zeigt. Seine Länge wird durch den Augenblickswert des Stromes bestimmt; ist er gerade negativ, so ist der Raumzeiger entgegen der Spulenachse gerichtet. Raumzeiger sind Vektoren in der Ebene und werden durch einen Unterstrich gekennzeichnet. Demzufolge ist ia der Momentanwert des Wicklungsstroms der Wicklung a und ia der zugehörige Raumzeiger. Zum Zeitpunkt t1 liegt ein Stromzeiger ia in Richtung der Achse a vor, sowie zwei Zeiger ib und ic halber Länge entgegen den Achsen b und c. Aus der geometrischen Addition der Einzelzeiger resultiert der Summenstromzeiger i, der in Richtung der a–Achse zeigt, aber die 1.5–fache Länge des Raumzeigers ia hat. Nach weiteren 60° ist ia zum Zeitpunkt t2 nur noch halb so groß. Verglichen mit dem Zeitpunkt t1 hat ib sein Vorzeichen umgekehrt; der Strom ic hat gerade sein negatives Maximum erreicht. Offensichtlich behält der Summenstromraumzeiger i seine Länge bei, hat sich aber um 60° im mathematisch positiven Sinne weitergedreht.
b b
i ic i ib
ia
ib a
ia
Z e itp u n k t t1 c
ic a
Z e itp u n k t t2 c
Bild 3.12 Ermittlung des Gesamtraumzeigers für die Zeitpunkte t1 und t2
Speist man eine Drehstromwicklung mit einem symmetrischen Drehstromsystem, so entsteht ein Stromraumzeiger konstanter Länge, der sich gleichmäßig mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit weiterdreht, die der Frequenz des speisenden Drehstromsystems entspricht. In Beispiel 3.3 wurden sinusförmige Wicklungsströme zur Erläuterung der Raumzeigerbildung herangezogen, was aber nicht zwingend erforderlich ist: Der Raumzeiger des Ständerstroms gibt einfach an, in welche räumliche Richtung der Ständerstrom in der Maschine wirkt, unabhängig davon, ob er durch sinusförmige Wicklungsströme hervorgerufen wird oder nicht. Dadurch eignet sich die Raumzeigertheorie auch für die Beschreibung des dynamischen Verhaltens. Im Folgenden soll der Zusammenhang zwischen dem resultierenden Ständerstromraumzeiger und den zugehörigen Wicklungsströmen genauer betrachtet werden. In Bild 3.13 a) sind die Projektionen eines Raumzeigers i auf die Achsen a, b und c dargestellt. Die Raumzeiger ia und ib zeigen in Richtung der zugehörigen Wicklungsachsen, die Ströme sind positiv. Der Zeiger ic ist entgegen der Wicklungsachse gerichtet, der zugehörige Strom ist negativ. Geometrische Überlegungen bestätigen, dass die Längen der projizierten Zeiger bei arithmetischer Addition zusammen Null ergeben, wenn ic negativ gezählt wird. Addiert man die Zeiger ia, ib und ic
Motorarten in automatisierten Systemen
65
dagegen gemäß Teilbild b) geometrisch, so erhält man einen Zeiger in Richtung des ursprünglichen Raumzeigers, der allerdings die 1.5– fache Länge hat. b
ib b
ic i
ib
ia
c
ia
ic
a
ib
a )
i
c
ia
a
b )
Bild 3.13 Zusammenhang zwischen dem Stromraumzeiger i und den zugehörigen Raumzeigern ia, ib und ic; a) Projektion des Gesamtraumzeigers auf die Wicklungsachsen; b) geometrische Addition der einzelnen Wicklungsraumzeiger
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein beliebiger Stromraumzeiger i dadurch vorgegeben werden kann, dass seine Projektionen auf die Achsen a und b als Wicklungsströme ia und ib einprägt werden. Da sich der Strom ic wegen Gl. (3.1) zwangsläufig einstellt, ergibt sich dann ein resultierender Raumzeiger der 1,5–fachen Länge. In der Literatur wird deshalb bisweilen ein Faktor 2/3 eingeführt, damit der resultierende Raumzeiger die gleiche Länge wie die Amplituden seiner einzelnen Komponenten erhält. Zur eindeutigen Beschreibung eines Raumzeigers sind bei einem symmetrischen Drehstromsystem lediglich zwei Wicklungsströme erforderlich. Der dritte Wicklungsstrom ergibt sich zwangsläufig aus Gl. (3.1).
Zweiachsentransformation Man kann sich den resultierenden Raumzeiger i statt durch die echten Wicklungsraumzeiger ia und ib auch durch zwei Stromvektoren aus virtuellen Wicklungen entstanden denken. Da in einer Ebene genau zwei Vektoren linear unabhängig sind, können die Achsen der beiden virtuellen Wicklungen unter einem beliebigen Winkel angeordnet sein. Damit die Stromvektoren der einen Achse die der anderen Achse nicht beeinflussen, werden die Achsen der virtuellen Wicklungen so gewählt, dass sie gegeneinander um 90° versetzt sind. Diesen Wicklungsachsen wird ebenfalls ein Koordinatensystem zugeordnet, dessen Achsen die Bezeichnungen D und E erhalten. Seine Ausrichtung in der Ebene ist zwar prinzipiell beliebig, allerdings werden die mathematischen Operationen zur Umrechnung zwischen dem dreiphasigen abc–System und dem zweiphasigen DEKoordinatensystem einfacher, wenn man die D– Achse in Richtung der a–Achse legt. Der Stromraumzeiger i kann anstelle von ia und ib alternativ auch durch die Komponenten i1Į und i1ȕ beschrieben werden, wie in Bild 3.14 gezeigt wird.
66
Antriebsarten in der Automatisierung b b
i1b
i1b
3 0
c o s3 0 °
ib i1a
i i=, i1a a , a
6 0
c o s6 0 °
Bild 3.14 Zerlegung des Stromraumzeigers i in die Komponenten ia und ib bzw. in die Komponenten i1Į und i1ȕ
Mit dem Übergang auf rechtwinklige DEKoordinaten wurde der Index 1 eingeführt. Dieser dient dazu, den Ständerstrom, mit dem man es bei der Synchronmaschine ausschließlich zu tun hat, vom Läuferstrom, der bei der Asynchronmaschine dazu kommt, zu unterscheiden. Aus Bild 3.14 ergeben sich die Beziehungen zwischen ia bzw. ib und i1Į bzw. i1ȕ nach Gl. (3.2). ia
1 i1Į 0 i1ȕ
ib
cos 60q i1Į cos 30q i1ȕ
1 3 i1Į i1ȕ 2 2
(3.2)
Schreibt man den Zusammenhang in Matrizenschreibweise, so ergibt sich § ia · ¨ ¸ ¨ ¸ © ib ¹
§ 1 ¨ ¨ ¨ 1 ¨ © 2
0 · § i1Į · ¸ § i1Į · ¸ ¨ ¸ T 1 ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ 3 ¸ ¨¨ i ¸¸ ¸ © 1ȕ ¹ © i1ȕ ¹ 2 ¹
(3.3)
Mit der Matrix T–1 werden die Größen der virtuellen D– und E–Wicklungen in die tatsächlich vorhandenen Größen der Wicklungen a und b umgerechnet. Sie wird inverse Transformationsmatrix genannt. Natürlich ist auch der umgekehrte Rechengang möglich. Mit der Transformationsmatrix T lassen sich reale Wicklungsströme aus a und b in virtuelle Wicklungsströme der D– und E–Wicklungen überführen. § i1Į · ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ © i1ȕ ¹
§ 1 ¨ ¨ 1 ¨ © 3
0 · §i · § ia · ¸ ¨a¸ ¨ ¸ T 2 ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¸ i © ib ¹ 3¹ © b¹
(3.4)
Unter Verwendung der Zweiachsentransformation kann man so tun, als läge eine Maschine mit nur zwei senkrecht zueinander stehenden Ständerwicklungen vor. Beispiel 3.4 Transformation in das DE–System Die Wicklungsströme ia = –2A, ib = 4A sowie ic = –2A erzeugen einen Stromraumzeiger. Wie lauten dessen Komponenten im DE–System?
w w w
Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet Raumzeiger.
Motorarten in automatisierten Systemen
67
Lösung: Zur Berechnung wird Gl. (3.4) verwendet: § i1Į · ¨ ¸ ¨¨ i1ȕ ¸¸ © ¹
§ 1 ¨ ¨ 1 ¨ © 3
0 · § 2A · ¸ ¨ ¸ 2 ¸¨ ¸ ¸ 4A ¹ 3¹ ©
§ i1Į · § 2A 0A · § 2A · ¸ ¨ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ ¨ 2A 2 4A ¸ ¨ ¸ ¸ © 3.46A ¹ © i1ȕ ¹ ¨© 3 ¹
Übung 3.4 Ermitteln Sie den zeitlichen Verlauf der virtuellen Wicklungsströme i1Į und i1ȕ unter der Bedingung, dass die Wicklungsströme ia, ib und ic sinusförmig verlaufen und einen Scheitelwert von 5A aufweisen. Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet Raumzeiger.
w w w
Drehmomentbildung Die Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld wird als Lorentzkraft FL bezeichnet und ergibt sich aus dem Produkt von Stromstärke I, dem magnetischen Feld B und Leiterlänge l der Wicklung, wenn die magnetischen Feldlinien senkrecht auf den Leiter auftreffen. Beim konventionellen Gleichstrommotor aus Abschnitt 0 liegen die Feldlinien in einer Ebene senkrecht zu den Wicklungsdrähten der Ankerwicklung, sodass für die Lorentzkraft gilt: FL
B I l
Die Richtung der Kraft FL ergibt sich aus der Rechte–Hand–Regel: zeigt der Daumen in Stromrichtung und der Zeigefinger in Richtung des Magnetfeldes, dann zeigt der Mittelfinger in Richtung der Lorentzkraft. Bild 3.15 skizziert die Kraftrichtung auf den oberen Leiter der Wicklung a. Der Stator, der die Wicklung trägt, ist ortsfest und unbeweglich; daher bewirkt die am Rotor angreifende Gegenkraft –FL ein Drehmoment Mel im Uhrzeigersinn auf den Rotor, dessen Höhe neben dem Betrag der Lorentzkraft auch vom Radius des Rotors abhängt. M el
FL r
B I l r
(3.5)
Beim konventionellen Gleichstrommotor aus Bild 3.1 fließt lediglich ein Ankerstrom, dessen Wert das Motordrehmoment bestimmt. Bei der dreiphasigen Synchronmaschine nehmen alle drei Wicklungsströme gleichzeitig Einfluss auf das Drehmoment. Die Ableitung eines klaren und eindeutig linearen Zusammenhangs zwischen Motordrehmoment und Wicklungsströmen gelingt unter Verwendung der Raumzeiger und der Zweiachsentheorie. Bild 3.15 verdeutlicht den prinzipiellen Aufbau eines dreiphasigen permanent erregten Synchronmotors, bei dem erneut alle Wicklungen nur durch einen Leiter repräsentiert werden. Der Rotor trägt die Permanentmagnete, deren B–Feld die Statorwicklungen durchsetzt. In dieser Darstellung ist zunächst nur die Wicklung a bestromt und bedeutet, dass zum dargestellten Zeitpunkt aufgrund des B–Feldes der Rotormagnete die Lorentzkraft FL auf die Leiter der Wicklung a wirkt, deren Richtung mit der Rechte–Hand–Regel ermittelt werden kann. Sind Rotorradius r, Wicklungslänge l und B–Feld konstant, so hängt das Drehmoment nach
68
Antriebsarten in der Automatisierung
Gl. (3.5) nur von der Höhe des Wicklungsstromes ia ab. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Sie wurde bereits bei der Erläuterung der elektronischen Kommutierung in Bild 3.2 herangezogen.
b F
B
L
j
ia
ic N
-F L
r
ib
q
S
ia c
B
ib
a
ic :
Bild 3.15 Prinzip der Drehmomentbildung bei der permanent erregten Synchronmaschine
Unter Verwendung von Raumzeigern kann man denselben Sachverhalt aber auch folgendermaßen beschreiben: Die von der stromführenden Wicklung erzeugte Durchflutung T liegt vollständig in der Wicklungsachse a. Weil die Wicklung a als einzige bestromt ist, gibt T gleichzeitig auch die Richtung des resultierenden Stromraumzeigers vor, dessen Länge durch den Wicklungsstrom ia bestimmt wird. Der Winkel M zwischen dem resultierenden Stromraumzeiger und den magnetischen Feldlinien des B–Feldes beträgt in diesem Fall exakt 90°. Diese Erkenntnis kann noch abstrakter formuliert werden: Steht der resultierende Stromraumzeiger senkrecht zum Vektor B der magnetischen Feldlinien des Rotors, so hängt die Größe der Lorentzkraft auf die bestromten Wicklungsleiter und damit das vom Motor erzeugte Drehmoment nur vom Betrag des Stromraumzeigers ab. Der Zusammenhang bleibt auch dann gültig, wenn nicht eine, sondern alle drei Wicklungen bestromt werden. In diesem Fall legen die Augenblickswerte aller Wicklungsströme nach Bild 3.12 den Betrag und die Richtung des resultierenden Stromraumzeigers fest. Steht dieser senkrecht zum Vektor des B–Feldes, so ist das erzeugte Drehmoment – auch bei drei bestromten Wicklungen – wiederum proportional zum Betrag des Stromraumzeigers. Die Richtung des Drehmoments wird von der Lage des Stromraumzeigers bestimmt: In Bild 3.15 hat der Winkel M den Wert +90°; das Drehmoment wirkt im UZS. Wenn durch eine Umkehr des Wicklungsstromes ia der Stromraumzeiger in Bild 3.15 so eingestellt wird, dass der Winkel M negativ wird und –90° beträgt, wirkt das Drehmoment im GUZS. Die Magnete eines permanent erregten Rotors sind fest mit der Rotorwelle verbunden, sodass die Winkellage des B–Feldes nur abhängig von der Winkelstellung des Rotors ist, die durch geeignete Messsysteme mit hoher Auflösung kontinuierlich ermittelt werden kann. Gibt man die Wicklungsströme so vor, dass ein resultierender Stromraumzeiger entsteht, der dem Vektor des B–Feldes um 90° vor– oder nacheilt, kann die Richtung des Drehmoments festgelegt werden. Sein Betrag wird durch die Länge des resultierenden Stromraumzeigers bestimmt.
Motorarten in automatisierten Systemen
69
Das Drehmoment einer permanent erregten Synchronmaschine hängt bei gegebener Induktion B und festen geometrischen Größen r und l lediglich vom Betrag und der Winkellage des resultierenden Stromraumzeigers ab. Wird dieser so vorgegeben, dass er bezogen auf die Feldlinien des Rotors um 90° versetzt liegt, so ist für das elektrische Drehmoment Mel der Synchronmaschine direkt proportional zur Länge I des Stromraumzeigers M el ~ I
Aus diesem Zusammenhang leitet sich der Begriff der polradorientierten Regelung ab: Der Stromraumzeiger der Wicklungsströme wird so eingestellt, dass er senkrecht zum Rotorfeld steht. Dreht sich der Rotor, so ändert sich die Lage des Rotorfeldes und der Stromraumzeiger muss nachgeführt werden. Mit Hilfe eines dreiphasigen Wechselrichters können die Wicklungsströme i1Į und i1ȕ mit kleiner Zeitverzögerung in die Wicklungen eingeprägt werden. Die beiden fiktiven D– und EWicklungen bringen, genauso wie die drei tatsächlich vorhandenen Wicklungen a, b und c, eine über den Umfang cosinusförmig verteilte Durchflutung zustande; mit den beiden Komponenten i1Į bzw. i1ȕ kann demnach ein Durchflutungs–Raumzeiger in beliebiger Richtung mit nur kleinem Zeitverzug eingestellt werden.
Drehmoment– und feldbildende Stromkomponenten Nur diejenige Komponente des Stromraumzeigers, die orthogonal zum Rotorfeld B steht, bewirkt ein Drehmoment, und wird drehmomentbildende Stromkomponente genannt. Eine Raumzeigerkomponente in oder entgegen der Feldrichtung B verstärkt bzw. schwächt das Feld des Permanentmagneten und heißt daher feldbildende Stromkomponente. In Bild 3.16 hat sich der Rotor gegenüber Bild 3.15 um 15° im Uhrzeigersinn weitergedreht. Damit lediglich eine drehmomentbildende aber keine feldbildende Komponente des Stromraumzeigers wirksam wird, muss der Stromraumzeiger ebenfalls um 15° im Uhrzeigersinn weitergedreht werden. Es ist leicht einzusehen, dass dies nur gelingt, wenn die bisher stromlosen Wicklungen b und c mit in die Stromführung einbezogen werden. Zur systematischen mathematischen Beschreibung wird ein weiteres rechtwinkliges Koordinatensystem eingeführt, dessen Achsen mit d und q bezeichnet werden und das dq–System genannt wird. Es wird so ausgerichtet, dass die d–Achse (direct axis) immer in Richtung des B– Feldes zeigt; die q–Achse gibt dann die Richtung vor, in der der resultierende Stromraumzeiger liegen muss: x x
in der +q–Achse, wenn ein Drehmoment im Gegenuhrzeigersinn erforderlich ist in der –q–Achse, wenn ein Drehmoment im Uhrzeigersinn erzeugt werden soll
Im normalen Betrieb drehen der Rotor und damit natürlich auch das B–Feld der Permanentmagneten mit einer Frequenz, die proportional zur Rotordrehzahl ist. Dies bedeutet, dass auch das dq–Koordinatensystem mit der Drehfrequenz des Rotorfeldes seine Lage verändern muss, damit die Orientierung der d–Achse an die Richtung des B–Feldes erhalten bleibt. Man spricht beim dq–System daher von einem rotierenden Koordinatensystem. Das Drehmoment, das der Motor bereitstellen soll, gibt den Betrag des Stromraumzeigers vor, seine Richtung ist durch die Lage der q–Achse festgelegt. Diese beiden Bedingungen bestimmen eindeutig Lage und Betrag des notwendigen Stromraumzeigers und ermöglichen die Berechnung der erforderlichen Wicklungsströme.
70
Antriebsarten in der Automatisierung
B d
b b ic q
ib N
ia
q S
:
ib
ia
j g
ia
ic :
c
:
ib
a , a ic
Bild 3.16 Drehmomentbildung bei der permanent erregten Synchronmaschine im dq– System; ia, ib und ic sind die jeweiligen Wicklungsstromraumzeiger
Deren jeweilige Werte ergeben sich graphisch nach Bild 3.16 aus den Wicklungsstromraumzeigern ia, ib und ic, die aus dem resultierenden Stromraumzeiger durch dessen Projektion auf die Wicklungsachsen a, b und c entstehen.
w w w
Diese Überlegungen können mit dem Applet Raumzeiger nachvollzogen werden.
Transformationsvorschriften Mathematisch werden die Wicklungsströme, die einen vorgegebenen Stromraumzeiger erzeugen sollen, in einem zweistufigen Verfahren berechnet. Zunächst werden aus dem gegebenen Stromraumzeiger die erforderlichen Raumzeigerkomponenten im zweiphasigen DE–System ermittelt. Hierfür muss der Drehwinkel J zwischen dem dq–System und dem DE–System bekannt sein. Im zweiten Schritt erhält man mit Hilfe der inversen Transformationsmatrix T–1 aus Gl. (3.3) die gesuchten Wicklungsströme ia, ib und ic. Die Umrechnung der tatsächlichen Phasengrößen aus dem abc–System in entsprechende Größen des rotierenden dq–Systems wird Hintransformation genannt. Die Ermittlung der Phasengrößen im abc–System aus vorgegebenen Größen im dq–System heißt Rücktransformation. Im Folgenden wird die Rücktransformation anhand von Bild 3.17 beispielhaft erläutert. Der umgekehrte Weg der Hintransformation verläuft entsprechend. Wie vorab erläutert wurde, erzeugt die Komponente i1q ein Drehmoment. In den meisten Fällen wird die feldbildende Komponente i1d zu Null gesetzt, da das Feld durch die Permanentmagnete bereitgestellt wird. Wenn sehr hohe Drehzahlen erforderlich sind, werden aber auch permanent erregte Synchronmaschinen im Feldschwächbereich betrieben; i1d ist in diesem Fall ungleich Null. Der grau gezeichnete Stromraumzeiger i1 in Bild 3.17 stellt den allgemeinen Fall |i1d| z 0 dar. Seine Komponenten i1q und i1d werden von der überlagerten Drehzahl– bzw. Feld-
Motorarten in automatisierten Systemen
71
regelung vorgegeben. Mit Hilfe der Rücktransformation wird berechnet, durch welche Wicklungsströme im abc–System dieser Raumzeiger eingestellt werden kann. b b
g q i1q c o s g
i1q
d i1 i1d
g
i1d c o s g
i1q s in g
i1d c o s g a , a
Bild 3.17 Ableitung der Transformationsgleichungen vom dq–System ins abc– System
c
Zuerst muss die augenblickliche Position des dq–Systems ermittelt werden, die eindeutig durch den Winkel J zwischen der ortsfesten D– und der rotierenden d–Achse bestimmt ist und mit einem Messsystem, das auf der Motorwelle angebracht ist, gemessen werden kann. Tabelle 3.7: Gleichungen zur Hin– und Rücktransformation Hintransformation
§ GĮ · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ Gȕ ¸ © ¹
§ 1 ¨ ¨ 1 ¨ © 3
0 · §G · § Ga · ¸ ¨ a¸ ¨ ¸ T ¸ 2 ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ ¸ ¨G ¸ b © Gb ¹ ¹ © 3¹
§ GĮ · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ Gȕ ¸ © ¹
Rücktransformation
§ cos J ¨ ¨¨ © sin J
abc nach DE
§ Gd · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ Gq ¸ © ¹
§ cos J ¨ ¨¨ © sin J
sin J · § GĮ · ¸ ¨ ¸ ¸¨ ¸ cos J ¸¹ ¨© Gȕ ¸¹ DE nach dq
sin J · § Gd · ¸ ¨ ¸ ¸¨ ¸ cos J ¸¹ ¨© Gq ¸¹
§ Gd · ¨ ¸ D 1 ¨ ¸ ¨ Gq ¸ © ¹
dq nach DE
§ GĮ · ¨ ¸ D ¨ ¸ ¨ Gȕ ¸ © ¹
§ Ga · ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ © Gb ¹
§ 1 ¨ ¨ 1 ¨ © 2
0 · § GĮ · § GĮ · ¸ ¨ ¸ ¸ 1 ¨ T ¸ ¨ ¸ 3 ¨ ¸ ¨ Gȕ ¸ ¸ ¨G ¸ © ¹ 2 ¹ © ȕ¹ DE nach abc
Man entnimmt der Darstellung in Bild 3.17, dass sich die Komponente i1D sowohl aus einem Anteil von i1d als auch einem Anteil von i1q zusammensetzt. Geometrische Überlegungen liefern i1Į
i1d cos J i1q sin J
Gleichermaßen gilt für i1E i1ȕ
i1d sin J i1q cos J
Die Beziehungen werden in Matrixform zusammengefasst und ergeben die Werte im zweiphasigen statorfesten DE–System:
72
Antriebsarten in der Automatisierung § i1Į · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ i1ȕ ¸ © ¹
§ cos J ¨ ¨¨ © sin J
sin J · § i1d · ¸ ¨ ¸ ¸¨ ¸ cos J ¸¹ ¨© i1q ¸¹
Im zweiten Schritt werden die Größen aus dem DE–System mit der inversen Transformationsmatrix T–1 gem. Gl. (3.3) in das abc–System umgerechnet. Tabelle 3.7 fasst alle Gleichungen für die Hin– und Rücktransformation zusammen, die sowohl für Ströme als auch für Spannungen durchgeführt werden können; daher wird in den Angaben der Tabelle stellvertretend für Ströme bzw. Spannungen das Formelzeichen G verwendet. Beispiel 3.5 Ermittlung von Strangströmen zur Drehmomentbildung Die Messung der Polradlage ergibt einen Winkel J = 45°. In Verbindung mit den gegebenen geometrischen und magnetischen Größen des Rotors ist ein Betrag des Stromraumzeigers von 5A für die Drehmomenterzeugung notwendig. Berechnen Sie die erforderlichen Momentanwerte der einzelnen Phasenströme, wenn der Rotor im Uhrzeigersinn weitergedreht werden soll. Lösung: Das dq–System wird so orientiert, dass die d–Achse um J = 45° gegenüber der D–Achse nach oben geneigt ist. Um ein Drehmoment im Uhrzeigersinn zu bewirken, muss der Stromraumzeiger in –q–Richtung liegen. Bild 3.18 zeigt hierzu die Koordinatensysteme und den Stromraumzeiger i1. Geometrische Überlegungen verdeutlichen, dass der Winkel J um den die d–Achse gegenüber der D–Achse verdreht ist, zwischen i1E und i1 nochmals auftritt. Die Komponenten des Raumzeigers im DE–Koordinatensystem können somit aus dem Winkel J und der Länge |i1| des Stromraumzeigers berechnet werden. iĮ
i1 sin J
iȕ
i1 cos J
5 A sin J
5 A sin 45q 5 A 0.707
5 A cos J
5 A cos 45q
3.535 A
5 A 0.707
3.535 A
Mit Hilfe von Gl. (3.3) werden die ermittelten Komponenten nun in das dreiphasige abc–System übertragen. § ia · ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ © ib ¹
0 · § i1Į · § 1 ¨ ¸ ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ ¨ ¸ ¨ ¸ 0 . 5 0 . 866 © ¹ © i1ȕ ¹
1 i1Į 0 i1ȕ § · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ 0.5 i1Į 0.866 i1ȕ ¸ © ¹
1 3.535 A § ia · § · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ ¨¨ ¸¸ © ib ¹ © 0.5 3.535 A 0.866 ( 3.535 A) ¹ 3.535 A § ia · § · § 3.535 A · ¨ ¸ ¨ ¸ ¸ ¨ ¨¨ ¸¸ ¨¨ ¸¸ ¸¸ ¨¨ © ib ¹ © 0.5 3.535 A 0.866 ( 3.535 A) ¹ © 4.828 A ¹ ic (ia ib ) (3.535 A 4.828 A) 1.293 A
Die Augenblickswerte der Ströme im betrachteten Zeitpunkt betragen ia = 3.535A, ib = 4.828A und ic = 1.293A.
Motorarten in automatisierten Systemen
73
b b
d q i1a
i1c
a , a
g
i1b
g
i1a
i1 Bild 3.18 Umrechnung vom dq–System über das DE– ins abc–System im Beispiel 3.5
i1b
c
Grundlagen der polradorientierten Regelung Servoantriebe verwenden die Kaskadenregelung, bei welcher der Drehzahlregler den drehmomentbildenden Strom i*1q vorgibt, der für die Einstellung der geforderten Drehzahl notwendig ist. Üblicherweise werden die Antriebe im Grunddrehzahlbereich und damit ohne Feldschwächung betrieben, sodass die feldbildende Stromkomponente i*1d zu Null gesetzt wird. Der Betrag der drehmomentbildenden Komponente i*1q ist also gleichzeitig der Betrag des Stromraumzeigers; seine erforderliche Winkellage ergibt sich aus der momentanen Polradstellung, die mit einem geeigneten Encoder (vgl. Abschnitt 3) gemessen wird und den wichtigen Transformationswinkel J bereitstellt. Aus beiden Informationen werden i*1D, i*1E und mit Hilfe der Rücktransformation nach Tabelle 3.7 die Sollwerte i*a, i*b und i*c der einzustellenden Phasenströme berechnet. U
u n
i*1q *
n
i*1a
-
d q
a b
*
0
i*1b
g
a b
a b c
i *
U
Z K
E n c o d e r
ia
i*a i*b
i*1d
D
a
u *
u *
b
P W M
c
-
ib -
3 ~ W R
c
p m S m
ia
ic -
-
ib
Bild 3.19 Prinzipielle Regelstruktur der polradorientierten Regelung
Bild 3.19 illustriert ein einfaches Konzept für eine polradorientierte Regelung: Je ein PI– Regler sorgt dafür, dass die Strangströme ia, ib und ic den geforderten Sollwerten i*a, i*b und i*c
74
Antriebsarten in der Automatisierung
|F (jw )| [dB]
entsprechen. Ausgangsgrößen der Stromregler sind die Spannungen, die an die Motorphasen angelegt werden müssen, damit unter Berücksichtigung der Motorimpedanzen und der Rotationsspannung die geforderten Strangströme fließen. Mit Hilfe des Unterschwingungsverfahren [pro08] wird der Wechselrichter so angesteuert, dass diese Spannungen am Motor eingestellt werden. 0 -20 -40 -60 0,0001
0,001
0,01
0,1
1
10
100
1000
10000
ϕ [°]
f [Hz]
0 -15 -30 -45 -60 -75 -90 0,0001
0,001
0,01
0,1
1
10
100
1000
f [Hz]
10000
Bild 3.20 Vereinfachtes Bode– Diagramm eines Regelkreises; oben Amplitudengang, unten Phasengang
Praxistaugliche polradorientierte Regelung Das Zeitverhalten geschlossener Regelkreise kann nach Bild 3.20 durch ein Verzögerungsglied erster Ordnung angenähert werden (vgl. Abschnitt 2.1.6, Bild 2.7). Am Bode– Diagramm eines solchen Verzögerungsgliedes erkennt man, dass die Ausgangsgröße, also der Istwert, einen frequenzabhängigen Amplituden– und Phasenunterschied zur Eingangsgröße, dem gewünschten Sollwert, aufweist. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Istwert eines solchen Regelkreises dem Sollwert nicht exakt sondern lediglich mit den genannten Abweichungen folgen kann, was bei dieser Lösungsvariante zu systembedingten Regelabweichungen führt. Beispiel 3.6 systembedingte Regelabweichungen eines Regelkreises Das dynamische Verhalten eines Regelkreises wird durch das Bode–Diagramm in Bild 3.20 beschrieben. Der Sollwert weist die Frequenz von 100 Hz auf und gehorcht nachfolgendem Zeitverlauf: i * (t ) 10A sin(2S f t )
Wie groß wird der zu erwartende Scheitelwert des Istwertes und welche Phasenlage hat i(t) im Vergleich zum Sollwert? Lösung: Aus dem Amplitudengang von Bild 3.20 oben liest man ab, dass bei einer Frequenz von 100 Hz eine Dämpfung von –3 dB vorliegt und die Amplitude des Ausgangssignals auf 70 % des Eingangssignals gedämpft wird. Der Scheitelwert des Istwertes wird daher nur 0.7 * 10 A = 7A betragen. Aus Bild 3.20, unten, ist ersichtlich, dass der Istwert gegenüber dem Sollwert um einen Winkel von 45° phasenverschoben ist. Man erhält für den Istwert den Zeitverlauf aus Bild 3.21. Offensichtlich ist der Stromregelkreis
Motorarten in automatisierten Systemen
75
den Istwert den Zeitverlauf aus Bild 3.21. Offensichtlich ist der Stromregelkreis nicht in der Lage, den geforderten Sollwert verzögerungsfrei und exakt auszuregeln. Dadurch, dass der tatsächlich eingestellte Strom–Istwert vom geforderten Sollwert abweicht, wird der geforderte Stromraumzeiger nicht korrekt eingestellt. 10
i*
5 i [A]
i 0 0
0,1
0,2
-5 -10 t [s]
Bild 3.21 Tatsächlicher Zeitverlauf von Sollwert i*(t) und Istwert i(t) aus Beispiel 3.6
Wenn der Motor mit konstanter Drehzahl betrieben und mit einem konstanten Drehmoment belastet wird, spricht man vom stationären Zustand, bei dem die Stromsollwerte sinusförmige Zeitverläufe sind. Die Regelstruktur aus Bild 3.19 führt in der Praxis zu den Problemen aus Beispiel 3.6: Die Istwerte der Strangströme entsprechen nicht den Sollwerten, sodass ein anderer Raumzeiger tatsächlich eingestellt wird als gefordert wurde. Dies wiederum führt zu fehlerhaften drehmoment– und feldbildenden Stromkomponenten. Um diesen systematischen Problemen abzuhelfen, werden meist nicht die Strangströme sondern direkt die drehmoment– bzw. die feldbildende Stromkomponente geregelt. Man erreicht dies dadurch, dass in Bild 3.19 die Blöcke der Stromregler und Koordinatentransformationen vertauscht werden. In diesem Fall sind die Stromsollwerte i*1q und i*1d Gleichgrößen, für die bei Verzögerungsgliedern erster Ordnung weder eine Dämpfung noch eine Phasenverschiebung auftritt. Selbstverständlich müssen die tatsächlichen Strom–Istwerte ia, ib und ic dann mit den Gleichungen der Hintransformation aus Tabelle 3.7 in die virtuellen Istwerte i1q und i1d umgerechnet werden. Übung 3.5 Entwickeln Sie – ausgehend von Bild 3.19 – ein Blockschaltbild für eine praxistaugliche polradorientierte Regelung, bei der nicht die Strangströme, sondern die feld– und drehmomentbildenden Stromkomponenten geregelt werden. Übung 3.6 Ein permanent erregter Synchronmotor wird mit einer polradorientierten Regelung im Grunddrehzahlbereich betrieben. Die drehmomentbildende Stromkomponente beträgt 0.5A. Tragen Sie in Tabelle 3.8 die Augenblickswerte der Ströme ia, ib, ic, i1D, i1E i1q und i1d für die gegebenen Winkel J ein.
w w w
Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet polradorientierte Regelung.
76 Tabelle 3.8 J 90° 120° 150° 180° 210° 240° 270° 300° 330° 360°
Antriebsarten in der Automatisierung
i1d 0A 0A 0A 0A 0A 0A 0A 0A 0A 0A
i1q 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A
i1D
i1E
ia
ib
ic
3.1.4 Asynchronmaschinen Weil etwa 60% der erzeugten elektrischen Energie durch Antriebe verbraucht werden und Wirkungsgradverbesserungen bei elektrischen Antrieben ein enormes Einsparpotential bereitstellen, wird in jüngsten Entwicklungen versucht, im Haushalts– und Konsumgüterbereich ebenfalls permanent erregte Motoren einzusetzen. Dennoch spielt die Asynchronmaschine (ASM) in der Antriebstechnik wegen ihres einfachen Aufbaus eine große Rolle. Im Leistungsbereich bis etwa 1 kW fand sie in den vergangenen Jahren vielfach im Haushaltsmaschinenbereich Anwendung (z.B. Waschmaschine, Kühlschrank, Ölbrenner, Pumpen, Lüfter). Ein weiteres verbreitetes Anwendungsgebiet sind Hauptantriebe bei Werkzeugmaschinen. Große Asynchronmaschinen mit Antriebsleistungen von 20 MW werden in Kraftwerken zum Antrieb von Kesselspeisepumpen eingesetzt. Vor– und Nachteile der Asynchronmotoren sind in Tabelle 3.9 zusammengefasst. Tabelle 3.9 Vor– und Nachteile der Asynchronmotoren Vorteile Nachteile x einfacher, robuster Aufbau x aufwändige Maßnahmen zur Drehzahlverstellung notwendig x wartungsfrei, wenig Verschleißteile x Servoeigenschaften sind nur in Verbindung mit komplexer Steuerelektronik möglich x kostengünstige Herstellung x höheres Trägheitsmoment als ein permament erregter Motor x im Leistungsbereich > 20 kW gegenüber x EC–Motor geringere Systemkosten
Sie unterscheiden sich von permanent erregten Synchronmaschinen hauptsächlich durch den Kurzschlussläufer, der kostengünstig hergestellt werden kann und keine Permanentmagnete benötigt. Die notwendige Erregung der Maschine wird durch die Statorwicklung vorgenommen, die auch das Drehfeld erzeugt. Ein Drehmoment kommt nur dann zustande, wenn eine Differenzdrehzahl zwischen Statordrehfeld und Rotordrehfrequenz vorliegt. In diesem Fall werden im Rotor Ströme induziert, die den Drehmomentaufbau bewirken. Um Asynchronmotoren mit einer linearen Strom–Drehmoment Charakteristik auszustatten, ist eine aufwändige Regelungs– und Steuerungsstruktur erforderlich, die im Prinzip der polradorientierten Regelung der permanent erregten Synchronmaschine gleicht. Da die Asynchronmaschine keine Permanenterregung besitzt sondern über den Stator magnetisiert wird, sind die
Motorarten in automatisierten Systemen
77
Verhältnisse aber ungleich komplizierter. Das Regelverfahren, mit dem auch die Asynchronmaschine zu einem elektronisch kommutierten Antrieb wird, ist unter dem Begriff feldorientierte Regelung bekannt [Probst94].
3.1.5 Schrittmotoren Schrittmotoren sind im Bereich von Stellleistungen kleiner 500 W eine kostengünstige Alternative zu Servoantrieben. Sie sind zwar auf geringe Leistungen beschränkt, kommen aber durchaus in Anwendungen vor, die hohe Präzision und auch beachtliche Dynamik erfordern. Im Gegensatz zu geregelten Systemen entfallen bei ihnen Messsysteme für Position und Geschwindigkeit, was den hauptsächlichen Kostenvorteil mit sich bringt. Es existiert eine große Zahl von Motortypen, die in Verbindung mit integrierten Ansteuerschaltungen den einfachen Aufbau von gesteuert betriebenen Positioniereinrichtungen ermöglichen und als offene Steuerkette, also ungeregelt, betrieben werden. Ein zuverlässiger Betrieb setzt eine genaue Kenntnis der Lastverhältnisse voraus, sodass Schrittmotoren nur in einer begrenzten Zahl von Anwendungen eingesetzt werden können. Die auftretenden Lastkräfte müssen vorab bekannt sein, da Lastwechsel, Losbrechkräfte oder Vibrationen nur dann sicher keinen Schrittfehler bewirken, wenn sie klein gegenüber dem Maximaldrehmoment des Motors sind. Im Allgemeinen wird ein Schrittantrieb daher überdimensioniert werden müssen. Schrittmotoren weisen im Vergleich zu anderen Motorarten niedrigere Wirkungsgrade und eine geringere Überlastfähigkeit auf. Tabelle 3.10 stellt die Vor– und Nachteile zusammen. Tabelle 3.10 Vor– und Nachteile von Schrittmotoren Vorteile x direkte digitale Ansteuerung über integrierte Schaltungen x zuverlässig, wartungsfrei x kostengünstiges Antriebskonzept
Nachteile
x Lastverhältnisse müssen bekannt sein =>Überdimensionierung erforderlich
x relativ kleine Leistungsdichte x aufgrund des gesteuerten Betriebs besteht die Gefahr von Schrittfehlern
x gesteuerter Betrieb ist ohne Lagesensor möglich
x vergleichsweise geringe Stelldynamik
Aufbau des zweiphasigen Hybridschrittmotors Ein zweiphasiger Hybridschrittmotor besteht aus einem zylindrischen Permanentmagnetrotor sowie einem Stator, der mit ausgeprägten Polen versehen ist. Beide Enden des Rotors sind mit Stahlkappen überzogen, die gezahnt und gegeneinander um eine halbe Zahnteilung versetzt angeordnet sind. Dadurch entstehen über den gesamten Umfang des Rotors verteilt abwechselnd Nord– und Südpole, wie Bild 3.22 schematisch darstellt. Die vom Rotor ausgehenden magnetischen Feldlinien schließen sich über den Stator, der geblecht aufgebaut und mit ausgeprägten Polen versehen ist. Die Pole der beiden Motorphasen sind ihrerseits ebenfalls gezahnt und gegeneinander um 90°el versetzt. Von den Phasenströmen im Stator wird ein Magnetfeld erzeugt, das beim Schrittmotor – genau wie bei einem echten Synchronmotor – unabhängig von der Rotorstellung ist. Der Permanentmagnetrotor folgt dem Vektor des Statormagnetfeldes, wobei wegen der hohen Polpaarzahl des Rotors vergleichsweise große Winkelauflösungen möglich sind. Da die Phasenströme von der externen Steuerung vorgegeben werden, kann der Schrittmotor auch ohne Messsystem für
78
Antriebsarten in der Automatisierung
Positionieraufgaben Verwendung finden. Die erreichbare Auflösung hängt von der Polpaarzahl des Rotors und dem eingesetzten Ansteuerverfahren ab. A d)
d)
e)
B
c)
b)
b)
c) a) e)
a)
B
A
Schnitt A-A
Bild 3.22 a) Permanentmagnet Rotor mit magnetischen Feldlinien; b) gezahnte Stahlkappe, Südpol; c) gezahnte Stahlkappe, Nordpol d) Statorblechpaket mit ausgeprägten Polen; e) Motorwelle
Vollschrittsteuerung Das klassische Ansteuerverfahren für Schrittmotoren ist die Vollschrittsteuerung. Zur Erläuterung zeigt Bild 3.23 schematisch die Abwicklung von Stator und Rotor. Die Breite eines vollständigen Nord– und Südpols wird als Polteilung Tp bezeichnet. Die Wicklungen A und B des Motors sind, bezogen auf die Rotorpole, um Tp/4 gegeneinander versetzt. Wird die Phase A wie in Teilbild a) angedeutet bestromt, so richtet sich der Rotor so aus, dass den Südpolen der Statorphase A die Nordpole des Rotors direkt gegenüberstehen. Die Länge der resultierenden magnetischen Feldlinien zwischen Stator und Rotor nimmt ein Minimum an. Schaltet man den Strom in Phase A ab und Phase B ein wie in Teilbild b) gezeichnet, dreht sich der Rotor im UZS. Weil die Statorspulen A und B um Tp/4 gegeneinander versetzt sind, beträgt der Rotordrehwinkel ebenfalls Tp/4. Nun stehen den Südpolen der Statorphase B die Nordpole des Rotors gegenüber. Für den nächsten Schritt in Teilbild c) wird die Statorphase B erneut stromlos geschaltet. Die Stromrichtung in der Statorphase A wird gegenüber Teilbild a) geändert, sodass dort ein magnetischer Nordpol entsteht. Der Rotor richtet sich so aus, dass diesen Nordpolen nun seine Südpole gegenüberliegen. Teilbild d) zeigt den letzten Schritt, bei dem Phase B positiv bestromt wird. Die entstehenden Nordpole bewegen den Rotor erneut um Tp/4 nach rechts, sodass ihnen Rotorsüdpole gegenüberliegen.
Motorarten in automatisierten Systemen
79
Durch periodisches Aus– und Einschalten der Statorspulen wird der Rotor eines Schrittmotors jeweils um eine Viertelpolteilung weitergedreht. Die Frequenz der Stromverläufe bestimmt in Verbindung mit der Polpaarzahl des Rotors die Motordrehzahl. (n + 0.25) * Tp
(n + 0.25) * Tp
Phase B
Phase A S
Phase B
Phase A
S
S
S
S
S
B
B
S N S N S N S N S N S N S N S
S N S N S N S N S N S N S N S
Tp
Tp 0.25 Tp
a)
b)
Start
Start (n + 0.25) * Tp
(n + 0.25) * Tp
Phase B
Phase A N
Phase B
Phase A
N
N
N
B N S
N
S
N S N
N
N
B S
N S
N
S N
S N
N S N
Tp
S
N
S
N
S
N S
N
S
N
S N
Tp 0.5 Tp
0.75 Tp
c)
Start
d)
Start
Bild 3.23 Erläuterung der Funktionsweise eines Hybridschrittmotors im Vollschrittbetrieb; a) Abwicklung des Stators und Rotors, Phase A negativ bestromt b) Abwicklung des Stators und Rotors, Phase B negativ bestromt c) Abwicklung des Stators und Rotors, Phase A positiv bestromt d) Abwicklung des Stators und Rotors, Phase B positiv bestromt
Diese Ansteuervariante ermöglicht wegen zwei Motorphasen und je zwei Stromrichtungen pro Phase die vier verschiedenen Zustände aus Bild 3.23. Die Phasenströme sind Rechteckwechselströme, deren Zeitverläufe in Bild 3.24 a) wiedergegeben sind. Üblicherweise werden zweiphasige Hybridschrittmotore mit einer Polpaarzahl (Zahnzahl) np von 50 hergestellt und ermöglichen bei Vollschrittsteuerung eine Winkelauflösung 'M von 1.8°. ǻM
360o 4 np
1.8q
80
Antriebsarten in der Automatisierung
Phase B
Phase A
Ohne Einsatz eines Messsystems kann eine Motorumdrehung im einfachsten Fall in 200 Schritte mit je 1.8° Drehwinkel unterteilt werden.
1
2
3
1.8° a)
4
1
2
3
4
5
0.9° b)
6
7
8
0.0072° c)
Bild 3.24 Zeitverläufe der Phasenströme bei verschiedenen Ansteuerverfahren: a) Vollschrittsteuerung, Zustände 1 – 4; b) Halbschrittsteuerung, Zustände 1 – 8; c) Mikroschrittsteuerung
Die verschiedenen Zustände bei Halb– und Vollschrittsteuerung können in Form von Raumzeigern dargestellt werden. Die Zustände 1 – 4 aus Bild 3.24 a) entsprechen den in Bild 3.25 abgebildeten Stromraumzeigern: Bei jedem Übergang von einem Zustand zum nächsten springt der Stromraumzeiger um 90°el, sodass ein Differenzwinkel zwischen dem Rotorfeldvektor und dem Stromraumzeiger des Stators hervorgerufen wird. Dieser Differenzwinkel bewirkt ein antreibendes Drehmoment, welches den Rotor beschleunigt. Mit zunehmendem Drehwinkel des Rotors wird das Moment zwar geringer, allerdings aber erst in dem Augenblick zu Null, wenn der Rotor die Position erreicht hat, die durch die neue Lage des Stromraumzeigers vorgegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt besitzt der Rotor allerdings noch Bewegungsenergie, die zu einem mechanischen Überschwingen des Rotors über die Sollposition führt, welche durch den Stromraumzeiger definiert wird. In Verbindung mit der vergleichsweise groben Auflösung von 1.8° stellt das Überschwingen einen großen Nachteil der Vollschrittsteuerung dar.
Halbschrittsteuerung Alternativ kann der Polaritätswechsel beider Phasenstromverläufe um 90° gegeneinander verschoben werden wie Bild 3.24 b) illustriert. Die stromlose Pause wird gegenüber dem Teilbild a) verkürzt, sodass sich insgesamt 8 unterschiedliche Bestromungszustände und 8 einstellbare Raumzeiger ergeben. Die Raumzeiger, die zusätzlich möglich werden, sind in Bild 3.25 gestrichelt gezeichnet und erhöhen die Auflösung des Antriebs gegenüber der Vollschrittsteuerung um den Faktor zwei auf 0.9°. Mit der Halbschrittsteuerung werden die störenden Effekte der Vollschrittsteuerung zwar vermindert, aber nicht vollständig beseitigt.
Motorarten in automatisierten Systemen
81
Phase B
4
3 1
Phase A
2
Bild 3.25 Schematischer Querschnitt durch einen Schrittmotor mit eingezeichneten Stromraumzeigern 1 – 4 für Vollschrittsteuerung
Mikroschrittsteuerung Für Präzisionsanwendungen sind auch Winkelauflösungen 'M von 0.9° wie sie bei Halbschrittsteuerung möglich werden, völlig unzureichend und es muss auf die Mikroschrittsteuerung übergegangen werden. Die Phasenströme werden nun nicht mehr blockförmig vorgegeben, sondern wie in Bild 3.24 c) gezeigt, sinus– bzw. cosinusförmig moduliert, sodass der Stromraumzeiger sich auf einem Kreis bewegt. Theoretisch kann mit diesem Verfahren jeder beliebige Winkel des Raumzeigers realisiert werden. Praktisch ist diese Auflösung zwar durch die Grenzen der verwendeten Elektronik limitiert, dennoch lassen sich damit Auflösungen bis herab zu einigen Winkelsekunden erreichen. Neben der hohen Auflösung liegt ein entscheidender Vorteil darin, dass die bei Vollschrittsteuerung auftretende Schwingneigung fast vollständig beseitigt wird. Vorteil des Schrittmotors als preiswerter Antrieb ist die mit ihm erreichbare hohe Winkelauflösung ohne jegliches Messsystem. Als Nachteil gilt, dass keine hohen Drehzahlen bei großem Drehmoment möglich sind. Zudem droht ein Schrittverlust, sobald der Motor überlastet wird.
3.1.6 Direktantriebe Üblicherweise besitzen rotierende Servomotoren drei Polpaare und erreichen je nach Ausgangsfrequenz des speisenden Antriebsstromrichters Maximaldrehzahlen bis zu 9000 min–1. Abhängig von der jeweiligen Leistung erzeugt der Motor ein Drehmoment, das mit Gl. (3.6) abgeschätzt werden kann. M el
Pmech 2ʌ n
(3.6)
Tabelle 3.11 enthält die Angaben eines typischen Servomotors und verdeutlicht, dass zwar hohe Drehzahlen aber nur eingeschränkte Drehmomente nutzbar sind. Im Maschinen– und Anlagenbau werden häufig hohe Drehmomente bei reduzierten Anforderungen an die Motordrehzahl benötigt, weshalb Motoren üblicherweise durch Getriebe an das eigentliche Antriebsproblem angepasst werden. Solche Getriebe reduzieren die abtriebsseitige
82
Antriebsarten in der Automatisierung
Drehzahl und erhöhen das abtriebsseitige Drehmoment entsprechend der jeweiligen Getriebeübersetzung i. i
nAntrieb nAbtrieb
M Abtrieb M Antrieb
(3.7)
Leider besitzen solche Lösungen erhebliche Nachteile: Große zu bewegende Massen, Reibung, Spiel sowie Elastizitäten begrenzen die mit den Antrieben erzielbare Dynamik und Positioniergenauigkeit. Des Weiteren sind die Kosten der Folgemechanik, deren Geräuschentwicklung oder auch Partikelemission infolge Abriebes zu berücksichtigen. Tabelle 3.11 Daten eines typischen Servo– und eines Torquemotors [Bosch–Rexroth] Typ nmax [min–1] M0 [Nm] Mmax [Nm] I0 [A] Imax [A] J [kg m2] MSK050C–0300 4700 5 15 3.1 12.4 0.00033 MST290E–0004 130 575 1150 12,5 50 0.17
Diese Nachteile haben zur Entwicklung von elektrischen Antrieben geführt, die hohe Kräfte bzw. Drehmomente ohne zusätzliche mechanische Übertragungselemente erzeugen können. Sie werden Direktantrieb genannt, weil die erzeugte Kraft bzw. das Drehmoment direkt, also ohne Getriebe, an der Last angreift. Dies bedingt mechanische Vorteile hinsichtlich eines geräuscharmen Betriebes, geringen Verschleißes und daraus resultierend einer hohen Lebensdauer. Zudem weisen solche Aufbauten nur kleine Elastizitäten und wenig Reibung auf. Spiel in der Bewegungsübertragung tritt nicht auf. Aufgrund dieser Eigenschaften qualifizieren sich lineare Direktantriebe für Einsätze bei Anwendungen mit hohen Anforderungen an Positioniergenauigkeit und Dynamik. Direktantriebe sind sowohl als rotierende als auch als translatorische Antriebe verfügbar. Im ersten Fall handelt es sich um Synchronmotoren mit hoher Polpaarzahl, die als Torquemotoren bezeichnet werden, da sie bei geringen Drehzahlen trotz eines fehlenden Getriebes ein sehr hohes Drehmoment aufbringen (vgl. Tabelle 3.11). Translatorisch arbeitende Direktantriebe werden Linearmotoren genannt. Mit Ausnahme von Gleichstrommotoren findet man alle anderen erläuterten Motorarten auch als Direktantrieb. Um die Vorteile von Direktantrieben hinsichtlich Positioniergenauigkeit und Dynamik auszunutzen, ist eine starke Integration des Antriebes in das Gesamtsystem notwendig. Problematisch ist bei linearen Direktantrieben das ungünstige Verhältnis von Masse zu Leistung. Zurzeit werden sie noch in kleinen Stückzahlen gefertigt. Aufgrund der stetig steigenden Anforderungen insbesondere bei Geschwindigkeit, Beschleunigung und Genauigkeit von linearen Bewegungen, geraten die herkömmlichen linearen Antriebstechniken allerdings zunehmend an ihre Grenzen. An diesem Punkt setzt die Direktantriebstechnik an und deckt mit ihren besonderen Eigenschaften die gestiegenen Anforderungen ab. Linearmotoren bieten im Zusammenspiel mit hochauflösenden direkten Linearmesssystemen und leistungsfähigen Antriebsreglern die nachfolgenden entscheidenden Vorteile gegenüber den herkömmlichen Lösungen: x
wesentlich höhere Geschwindigkeiten und Beschleunigungen, als mit rotierenden Antrieben erreicht werden können
x
wesentlich höhere Positioniergenauigkeit, ohne dass ein Überschwingen auftritt
x
direkte Kraftübertragung
Motorarten in automatisierten Systemen
83
x
nahezu wartungs– und spielfreier Antrieb
x
hohe statische und dynamische Laststeifigkeit
N
S
Stator mit Drehstromwicklung Rotor mit Permanentmagneten
Führungswagen Führungsschiene B
A Sekundärteil N
S
Primärteil Trägerplatte A Schnitt B-B
Sekundärteil S Primärteil Trägerplatte B Schnitt A-A
Bild 3.26 Prinzipieller Aufbau eines Synchronlinearmotors als Langstator; oben: rotierender Synchronmotor; unten links: schematische Abwicklung des Synchronmotors in die Ebene; unten rechts: Schema des mechanischen Aufbaus von Primär– und Sekundärteil
Aufbau und Funktionsprinzip Der Aufbau eines Torquemotors gleicht im Wesentlichen dem eines Servomotors mit deutlich höherer Polpaarzahl. Den prinzipiellen Aufbau eines Synchron–Linearmotors kann man sich nach Bild 3.26 vereinfacht als einen in Längsachse aufgeschnittenen und in die Ebene abgewickelten Synchronmotor vorstellen, bei dem das Primärteil, bestehend aus einem Eisenkern und der Drehstromwicklung, dem Stator entspricht. Das Sekundärteil ist ein Stahlgrundkörper, auf den Permanentmagnete aufgeklebt werden. Mechanische Führungen nehmen die Anziehungskräfte zwischen Primär– und Sekundärteil auf und erlauben eine Relativbewegung zwischen beiden. Die Drehstromwicklung im Stator erzeugt ein Wanderfeld. Wie bei rotierenden Motoren entsteht die Kraft als Wechselwirkung zwischen dem Magnetfeld der Permanentmagnete und dem Wicklungsstrom, wobei es prinzipiell unerheblich ist, ob Primär– oder Sekundärteil ortsfest sind. Ist das Sekundärteil beweglich und das Primärteil ortsfest, so liegt ein Linearmotor mit
84
Antriebsarten in der Automatisierung
Langstator vor. Linearmotoren mit beweglichem Primärteil und ortsfesten Permanentmagneten werden Kurzstatormotoren genannt. Übung 3.7 Der Transrapid arbeitet mit Linearantriebstechnik. Überlegen Sie, ob für diese Zwecke eher das Langstator– oder das Kurzstatorprinzip geeignet ist. Gelegentlich werden die Synchron–Linearmotoren als sogenannte Bausatzmotoren angeboten, bei denen Primär– und Sekundärteil als Einzelteile geliefert und vom Anwender – komplettiert um die weiteren Bestandteile einer Linearachse – in die Maschine bzw. Anlage eingebaut werden. Eine praxistaugliche Linearachse muss zur Abfuhr der Verlustwärme gekühlt werden und erfordert neben dem Primär– und Sekundärteil noch die in Tabelle 3.12 genannten Komponenten. Tabelle 3.12 erforderliche Komponenten beim Einsatz eines Linearmotors Linearführungen Aufnahme der Anziehungskräfte zwischen Primär– und Sekundärteil Längenmesssystem Positionsmesssystem für den beweglichen Teil Energiezuführung Versorgung mit elektrischer Energie; Zu– und Abfluss des Kühlmittels
3.2 Lösungen Übung 3.1 Der Polradlagegeber benötigt lediglich eine Auflösung von 60°. Dies wird beispielsweise mit Hallgebern erreicht.
Lösungen
85
Übung 3.2 Rotor Startposition
Tu+
Tv+
Tw+
Tu-
Tv-
Tw-
Tu+
Tv+
Tw+
Tu-
Tv-
Tw-
Tu+
Tv+
Tw+
X
V
Y
Y
W
Z
x
Tv-
Tw-
Tu+
Tv+
Tw+
X
V
Y
Y
W
Z
x
Tv-
Tw-
Tu+
Tv+
Tw+
U
X
V
Y
X
V
Y
V
Y
Tv-
Tw-
Tu+
Tv+
Tw+
V
Y
W Tu-
Tv-
Tw-
Ux
Z V
x
W
X Ux
Z
x
Z
x
Y
Y V
V W
X Ux
X Ux
Zx
Zx
Y
Y
V
V W
X U
X U
Zx
Y
Zx
Y V
V
x
W X
U
X
Z
U
X
x
V
W X
x
Y
Z
U
V W
Z
Z
U
Z
x
X
x
W
W Tu-
x
W
W Tu-
V
U
U
U
Z Y
W
W Tu-
U
U
Rotor Endposition
W
X U
X U
Z
Y
x
Z
Y V
Z
W
x x
X
V
W
x x
X
86
Antriebsarten in der Automatisierung
Übung 3.3 Rotorlage M 0 – 60 60 – 120 120 – 180 180 – 240 240 – 300 300 – 360
Nr 1 2 3 4 5 6
H1, H2, H3 1,0,1 1,0,0 1,1,0 0,1,0 0,1,1 0,0,1
Tu+ 0 0 0 1 1 0
Tu– 1 1 0 0 0 0
Tv+ 1 0 0 0 0 1
Tv– 0 0 1 1 0 0
Tw+ 0 1 1 0 0 0
Tw– 0 0 0 0 1 1
Ansteuergleichungen Tv– = H2 &/H3&PWM Tv+ = /H2 & H3&PWM Tu– = H1 & /H2&PWM Tu+ = /H1 & H2&PWM Tw– = /H1 & H3&PWM Tw+ = H1 & /H3&PWM
Übung 3.4 § iĮ · ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ © iȕ ¹
§ 1 ¨ ¨ 1 ¨ © 3
0 · § 5A sin(Zt ) · ¸ ¨ ¸ 2 ¸¨ ¸ ¸ 5A sin(Z t 120q) ¹ 3¹ ©
5A sin(Zt ) § · ¨ ¸ ¨ 5A ¸ >sin(Zt ) 2 sin(Zt 120q) @ ¸ ¨ 3 © ¹
Mit Hilfe der trigonometrischen Additionstheoreme erhält man: sin(Zt ) 2 >sin(Zt ) cos(120q) cos(Zt ) sin(120q) @
sin(Zt ) 2 sin(Zt 120q)
ª 3º § 1· sin(Zt ) 2 «sin(Zt ) ¨ ¸ cos(Zt ) » 2 »¼ © 2¹ ¬«
3 cos(Zt )
Damit ergibt sich § iĮ · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ iȕ ¸ © ¹
5A sin(Zt ) § · ¨ ¸ ¨ 5A ¸ 3 cos(Zt ) ¸ ¨ © 3 ¹
>
§ 5A sin(Zt ) · ¨ ¸ ¨¨ ¸¸ © 5A cos(Zt ) ¹
@
U n
u *
i*1q *
n
1 q
0
i*1d
u *
d q
1 a
u
u
u *
u
1 d
*
a b -
1 b
Z K
a
*
u
U
E n c o d e r
*
a b
D
b *
P W M
3 ~ W R
c
a b c
g iq
id
i1a
d q
a b
i1b
a b
a b c
ia
ib
g
Bild 3.27 Blockschaltbild einer praxistauglichen polradorientierten Regelung
p m S m
Lösungen
87
Übung 3.5 Die Stromregelung erfolgt nach Bild 3.27 mit je einem PI–Regler für i*1d und i*1q. Bei Betrieb im Grunddrehzahlbereich ist der Sollwert der feldbildenden Komponente gleich Null. Die Ausgangsspannungen der beiden Stromregler werden mit den Beziehungen aus Tabelle 3.7 in das dreiphasige abc–System transformiert und die Spannungssollwerte u*1a, u*1b und u*1c mit Hilfe der PWM über den Wechselrichter eingestellt. Ebenfalls mit Tabelle 3.7 werden die tatsächlichen Strangströme vom dreiphasigen abc– System in das rotierende dq–System umgerechnet und liefern die Istwerte i1d und i1q für die Stromregelung. Übung 3.6 Die gesuchten Werte können durch die Rücktransformation unter Verwendung von Tabelle 3.7 berechnet werden. Beispielsweise ergibt sich für J= 210° mit § i1Į · § cos J ¨ ¸ ¨ ¨¨ ¸¸ ¨ © i1ȕ ¹ © sin J § 1 § ia · ¨ ¨ ¸ ¨ ¨ ¸ ¨ 1 © ib ¹ ¨ © 2
sin J · § i1d · § cos 210q sin 210q · § 0A · § 0.25A · ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ cos J ¹ ¨© i1q ¸¹ © sin 210q cos 210q ¹ © 0.5A ¹ © 0.43A ¹ 0 · § 1 ¸ § i1Į · ¨ ¸¨ ¸ ¨ 3 ¸ ¨¨ i ¸¸ ¨ 1 ¸ © 1ȕ ¹ ¨ 2 ¹ © 2
und
0 · ¸ § 0.25A · § 0.25A · ¸ ¨ ¸ ¸¨ 3 ¸ ¨ 0.43A ¸ ¨ 0.5A ¸ ¹ © ¹ ¸ © 2 ¹
Mit Hilfe des Applets polradorientierte Regelung lassen sich die so berechneten Stromwerte einfach überprüfen. J 90° 120° 150° 180° 210° 240° 270° 300° 330° 360°
i1d 0A 0A 0A 0A 0A 0A 0A 0A 0A 0A
i1q 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A 0.5 A
i1D 0.5 A 0.43 0.25A 0A –0.25 A –0.43 A –0.5 A –0.43 A –0.25 A 0A
i1E 0A 0.25 A 0.43 A 0.5 A 0.43 A 0.25 A 0A –0.25 A –0.43 A –0.5 A
ia 0.5 A 0.43 0.25A 0A –0.25 A –0.43 A –0.5 A –0.43 A –0.25 A 0A
ib –0.23 A 0A 0.25 A 0.43 A 0.5 A 0.43 A 0.25 A 0A –0.25 A –0.43 A
ic –0.23A –0.43 A –0.5 A –0.43 A –0.25 A 0A 0.25 A 0.43 A 0.5 A 0.43 A
Übung 3.7 Als Transportmittel legt das Fahrzeug erhebliche Strecken zurück. Bei einer Kurzstatorkonstruktion müssten die Versorgungsleitungen über große Distanzen geführt werden, was nicht möglich ist. Daher wird der Langstator verwendet.
89
4
Sensoren bei elektrischen Antrieben
Lernziele: Der Lernende … x
kennt die verschiedenen Messaufgaben bei elektrischen Antrieben
x
versteht Aufbau und Funktionsweise der einzelnen Sensoren
x
nennt Eigenschaften und Grenzen einzelner Sensoren
x
kann passende Sensoren dimensionieren und auswählen
4.1 Stromsensoren Die vorigen Abschnitte machen deutlich, dass das Motordrehmoment im Grunddrehzahlbereich durch den Wicklungsstrom des Motors eingestellt werden kann. Aus diesem Grund werden Antriebe sehr häufig mit einer Stromregelung ausgestattet – nicht zuletzt auch als Schutzfunktion gegen Überströme. Strommessverfahren
potentialgebunden
potentialfrei AC
Shunt
Stromwandler
Bild 4.1
potentialfrei DC & AC
Hall-Wandler
magneto resisitv
open loop
closed loop
Strommessverfahren [Laimer05]
Für die Messwerterfassung des Strom–Istwertes finden Stromsensoren Einsatz, die ihn mit minimaler Rückwirkung auf den Messkreis in eine proportionale Spannung umformen. Gefordert ist neben der galvanischen Trennung von Mess– und Leistungskreis auch eine möglichst hohe Messbandbreite – in der Praxis meist von Gleichstrom bis mindestens 100 kHz. Bild 4.1 gibt einen Überblick über gängige Verfahren.
4.1.1 Shunt und Stromwandler Die älteste aller Methoden misst den Spannungsabfall an einem Widerstand, dem sogenannten Shunt, der in den Lastkreis eingefügt wird. Um die Verluste niedrig zu halten, ist der ohmsche Widerstand des Shunts sehr klein, sodass sich eine geringe Messspannung ergibt, die eine hohe U. Probst, Servoantriebe in der Automatisierungstechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-8169-4_4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
90
Sensoren bei elektrischen Antrieben
Verstärkung notwendig macht. Der erforderliche Messverstärker darf nur eine geringe Offsetspannung aufweisen und benötigt eine Versorgung auf dem Potential des Messkreises, in dem der Shunt angebracht ist. Das und die nachfolgende galvanische Trennung des Messsignals treiben die Kosten in die Höhe.
Bild 4.2
Shunt–Widerstand mit integrierter Elektronik (Werkbild Isabellenhütte)
Bild 4.2 zeigt als Beispiel eine Anwendung aus dem Automobilbereich, die neben der shunt– basierten Strommessung auch eine Spannungsmessung beinhaltet [Hetzler05]. Neben den eigentlichen Messschaltungen ist ein Mikroprozessor integriert, der die Datenaufbereitung übernimmt. Ein anderes, weit verbreitetes Prinzip ist der Stromwandler, der im Grunde nichts anderes als ein Transformator ist, bei dem der Shunt auf der Sekundärseite angebracht wird. Wegen der transformatorischen Kopplung können mit diesem Messprinzip keine Gleichströme erfasst werden. Aus diesem Grund und wegen seiner begrenzten Bandbreite wird der herkömmliche Stromwandler bei Antrieben mit Frequenzumrichtern nicht eingesetzt, obwohl eine galvanische Trennung zwischen Primär– und Sekundärseite gegeben ist. Übung 4.1 Erläutern Sie den Begriff begrenzte Bandbreite im Zusammenhang mit der Strommessung mit einem Stromwandler.
4.1.2 Hall–Wandler Eine Alternative zur Strommessung per Shunt besteht darin, das Magnetfeld auszuwerten, welches vom fließenden Strom hervorgerufen wird.
Direktabbildender Hall–Wandler In Abhängigkeit von der zu messenden Stromstärke wird das Magnetfeld nach Bild 4.3 a) durch einen hoch permeablen Kern geführt, in seinem Luftspalt konzentriert und mittels eines Hall–Sensors gemessen. Zwischen dem zu messenden Strom I1 und dem erzeugten B–Feld besteht Zusammenhang, der als linear angesehen werden kann. Als Messsignal gibt das Hall– Element eine Spannung U aus, die proportional zum B–Feld und damit zum Strom I1 ist.
Hall–Wandler mit geschlossener Regelschleife Alternativ kann der Hall–Wandler auch mit geschlossener Regelschleife aufgebaut werden. Bei dieser Anordnung wird die im Luftspalt gemessene Flußdichte B nach Bild 4.3 b) durch einen Strom i2 kompensiert, der durch eine zweite, auf dem Kern angebrachte Spule fließt.
Stromsensoren
91 Hall-Sonde
i1
hochpermeabler Kern i1
B N1
u
a)
i2
B N1
N2
b)
+
u
R
Bild 4.3
Prinzip der Strommessung mit einer Hall–Sonde; a) direkt abbildender Hall–Wandler; b) Hall–Wandler mit geschlossener Regelschleife
Der eingesetzte Operationsverstärker erhöht den Kompensationsstrom i2 durch die Spule solange, bis das resultierende B–Feld aus beiden Strömen i1 und i2 Null wird und das Hall– Element keine Spannung mehr abgibt. Am Widerstand R ruft i2 einen proportionalen Spannungsabfall u hervor, der über das Verhältnis der Windungszahlen auch i1 entspricht. Stromsensoren dieser Bauart eignen sich für Frequenzen bis etwa 150 kHz.
Bild 4.4
Prinzipaufbau des magnetoresistiven Stromsensors; Werkbild Sensitec GmbH
92
Sensoren bei elektrischen Antrieben
4.1.3 Magnetoresistive Sensoren Bestimmte Materialien, die eine voreingestellte Magnetisierungsrichtung aufweisen, reagieren beim Anlegen eines äußeren Magnetfeldes mit einer Veränderung des inneren Widerstandes. Das physikalische Prinzip ist seit 1857 bekannt und wird MR–Effekt genannt; Werkstoffe, deren elektrischer Widerstand diesem Prinzip unterliegt, heißen magnetoresistive Widerstände (MR–Widerstände). Bild 4.4 stellt den Aufbau eines solchen Stromsensors schematisch dar: Vier MR–Widerstände werden zu einer Wheatstone–Brücke zusammengeschaltet. Unterhalb der Brückenwiderstände fließt der zu messende Strom Iprim; sein Magnetfeld verstimmt die MR–Widerstände, die so angeordnet sind, dass die Ausgangsspannung des einen Brückenzweiges ansteigt, während sie im anderen Brückenzweig absinkt. Wie beim Hall–Wandler wertet ein Operationsverstärker die Brückenspannung aus und erzeugt einen Ausgleichsstrom icomp, der das Feld Hprim kompensiert, welches vom Primärstrom hervorgerufen wird. Der Spannungsabfall ua an RS ist dem Kompensationsstrom und somit dem zu messenden Strom Iprim mit hoher Genauigkeit proportional.
Bild 4.5
MR–Stromsensoren a) Aufbau eines Sensors b) fertig montierte Sensoren auf der Leistungsplatine eines Frequenzumrichters; Werkbild Sensitec GmbH
Bild 4.5 zeigt ein typisches Exemplar der Fa. Sensitec. Als Substrat dient eine Keramikplatte, auf deren Unterseite der Messleiter angebracht ist. Sensoren dieser Bauart benötigen weder einen Eisenkern noch eine magnetische Abschirmung, erreichen eine Isolationsfestigkeit im kV–Bereich und können sehr kompakt und preiswert aufgebaut werden. Ihre Vorteile sind: x deutlich geringeres Bauvolumen und Gewicht im Vergleich zu herkömmlichen Stromsensoren x keine Remanenz bei Überlastung x verlustfreie Messung von Gleich– und Wechselströmen x große Bandbreite aufgrund des niederinduktiven Aufbaus
Sensoren zur Messung der Drehzahl
93
4.2 Sensoren zur Messung der Drehzahl 4.2.1 Gleichstromtacho Der Tachogenerator entsteht aus der Umkehrung der Gleichstrommaschine und wird starr mit dem B–Wellenende des Motors verbunden. Das Messsignal ist die Rotationsspannung des Tachogenerators Uq,Tacho, die über die Tachokonstante KT proportional zur mechanischen Winkelgeschwindigkeit Z ist. U q, Tacho
KT Z
Seine Bedeutung ist stark rückläufig, da der Tacho wartungsintensiv ist und aufgrund des Bürstenabriebs nicht überall eingesetzt werden kann. Des Weiteren ist eine hohe Auflösung des Drehzahlsignals bei digitaler Realisierung des Antriebsreglers nur schwer möglich.
0
120
240
360
480
600
720
Bild 4.6
Ausgangsspannungen eines Drehstromtachos
4.2.2 Drehstromtacho Der Rotor eines Drehstromtachos wird starr mit der Motorwelle gekoppelt und trägt die Permanentmagnete. An seiner feststehenden Drehstromwicklung werden gem. Bild 4.6 drei um je 120° verschobene Spannungen induziert, deren Spannungsverlauf über einen Bereich von ca. 60° nahezu konstant ist. Sie werden mit einem 6–pulsigen Gleichrichter gleichgerichtet, dessen Ausgangsgleichspannung den Scheitelwerten der Messspannung entspricht und nahezu konstant ist. Ihr Wert ist proportional zur mechanischen Winkelgeschwindigkeit und wird als Messgröße für die Drehzahl verwendet. Sowohl beim Gleichstrom– als auch beim Drehstromtacho liegt ein analoger Spannungswert als Maß für die Drehzahl vor. Da Antriebe heutzutage ausschließlich mit digitaler Signalverarbeitung aufgebaut werden, wäre in solchen Fällen eine Analog–Digital Wandlung für die Messwertverarbeitung erforderlich. Immer dann, wenn zusätzlich zur Drehzahl auch die Position des Antriebs erfasst werden muss, verzichtet man auf eigenständige Drehzahlsensoren und setzt ausschließlich Positionssensoren ein; die aktuelle Drehzahl wird in diesen Fällen durch Bildung des Differenzenquotienten aus den gemessenen Positionswerten errechnet.
94
Sensoren bei elektrischen Antrieben
4.3 Sensoren zur Weg- und Winkelmessung 4.3.1 Resolver Der Resolver ist ein induktiv arbeitendes System, das heute noch in vielen Servoantrieben zu finden ist. Ebenso wie der Tachogenerator wird er als zusätzliches Gerät auf dem B– Wellenende des Motors angebracht. In die Rotorspule des Resolvers wird die Wechselspannung uSrc, deren Frequenz einige kHz beträgt, transformatorisch über eine Erregerspule eingekoppelt. Die Rotorspule bildet mit den beiden ortsfesten Statorspulen des Resolvers nach Bild 4.7 einen Transformator, in dessen Statorspulen aufgrund der Rotorwechselspannung uSrc die Spannungen uCos und uSin gleicher Frequenz induziert werden. Je nach Winkelstellung des Rotors sind die Statorspulen unterschiedlich gut mit der Rotorspule magnetisch gekoppelt; die Güte der Kopplung hat Auswirkung auf die Höhe der induzierten Spannungen in den beiden Statorspulen. b b
u
S ta to rs p u le n s in
d
q
g R o to rs p u le u
c
S rc
u
a , a c o s
Bild 4.7
Prinzipaufbau eines Resolvers aus drehbarer Rotor– und feststehenden Statorspulen sowie die verwendeten Koordinatensysteme
Beim Motordrehwinkel J = 0 liegt die Rotorspule in Richtung der Koordinatenachse D, sodass die Kopplung zwischen Rotorspule und zugehöriger Wicklung der D–Achse maximal, die der Rotorspule und der Wicklung der E–Achse dagegen minimal ist. Wird J vergrößert, so nimmt die Kopplung zur D–Achse ab, die zur E–Achse dagegen zu. Daher verringert sich die Amplitude der induzierten Spannung Ûcos, der Scheitelwert von Ûsin steigt dagegen an.
w w w
Die Scheitelwerte der induzierten Spannungen hängen vom Rotordrehwinkel J ab. Die Drehung des Rotors moduliert die Scheitelwerte Ûcos und Ûsin in Abhängigkeit vom Drehwinkel J. Das Applet Auswertung eines Resolvers verdeutlicht die prinzipielle Auswertung von Resolversignalen in einem Servoantrieb.
Signalauswertung Die Auswertung der Resolversignale erfolgt gem. Bild 4.8 in mehreren Stufen. Zunächst werden die beiden induzierten Spannungen usin und ucos, die im oberen Bildteil dargestellt sind, phasenrichtig gleichgerichtet. Das Ergebnis sind die beiden Zeitverläufe usin,GR und ucos,GR im Mittelteil von Bild 4.9. Diese beiden Signale werden einer Tiefpassfilterung unterzogen, welche die Trägerfrequenz aus den Signalen entfernt.
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
u u
R e s o lv e r
u
s in
u
c o s
95
u
s in ,G R
u
c o s ,G R
s in ,F ilte r c o s ,F ilte r
Bild 4.8
Auswertung der Resolversignale
An seinem Ausgang stehen usin,Filter sowie ucos,Filter zur Verfügung, die im unteren Teil von Bild 4.9 wiedergegeben sind. Zum Messzeitpunkt Tm werden die Augenblickswerte dieser beiden Zeitverläufe ermittelt. u cos
1
u sin
0 0
60
120
180
240
300
360
-1
u sin,GR
u cos,GR
1
0 0
60
120
180
240
120
180
240
300
360
-1 Tm
1
u cos,Filter = 0.8 u sin,Filter = 0.58
0 0 -1
60
300
360
γ = 36°
Bild 4.9
Zeitverläufe bei der Auswertung von Resolversignalen; oben: amplitudenmodulierte Signale ucos, usin; mitte: phasenrichtig gleichgerichtete Signale ucos,GR, usin,GR; unten: Signale ucos,Filter, usin,Filter nach der Tiefpassfilterung
Eine vollständige Umdrehung des Rotors entspricht einer ganzen Periode der beiden Signale usin,Filter sowie ucos,Filter. Aus diesem Grund kann der aktuelle Drehwinkel zum Messzeitpunkt mit Hilfe der arctan–Funktion aus den Augenblickswerten usin,Filter(Tm) sowie ucos,Filter(Tm) nach Gl. (4.1) berechnet werden.
96
Sensoren bei elektrischen Antrieben
J
§ usin, Filter · ¸ arctan¨ ¨ ucos, Filter ¸ © ¹
(4.1)
Da der Rotorpositionswinkel J durch Gl. (4.1) eindeutig bestimmt werden kann, handelt es sich beim Resolver um einen Absolutwertgeber. Beispiel 4.1 Auswertung der Resolversignale Zum Messzeitpunkt werden die Spannungswerte usin,Filter = 0.58 V und ucos,Filter = 0.8 V gemessen. Ermitteln Sie den Rotorpositionswinkel J zum Messzeitpunkt. Lösung: Der Rotorpositionswinkel J wird aus den gemessenen Spannungswerten bestimmt. Es gilt (vgl. Bild 4.9, unten)
J
§ usin, Filter · ¸ arctan¨ ¨ ucos, Filter ¸ © ¹
arctan
0.58 0.8
35.94q | 36q
Dass der Resolver ein absolutes Positionssignal liefert ist sehr vorteilhaft und wird z. B. bei der Lageerfassung von Robotergelenken ausgenutzt: Auch nach einem Spannungsausfall kann der aktuelle Drehwinkel jeder Gelenkachse unmittelbar nach dem Einschalten gem. Gl. (4.1) ermittelt werden, ohne dass eine Referenzfahrt durchgeführt werden muss. Alle geometrischen Daten des Roboters können ohne Kenntnis der Vorgeschichte ermittelt werden. Heutzutage (2011) werden noch etwa 60 – 70% aller Servoantriebe mit Resolvern ausgestattet.
4.3.2 Inkrementalgeber mit optischer Abtastung Der Prinzipaufbau eines Inkrementalgebers mit optischer Abtastung zur Winkelmessung ist in Bild 4.10 dargestellt. Die photoelektrische Abtastung erfolgt berührungslos, verschleißfrei und ist in der Lage, selbst feinste Teilungsstriche von wenigen Mikrometern Breite zu detektieren. Üblicherweise wird das abbildende Messprinzip für Teilungsperioden bis herab zu 10 ȝm eingesetzt, sodass die Ausgangssignale sehr kurze Signalperioden aufweisen. Feine Strichgitter mit Teilungsperioden von 8 ȝm und weniger verwenden das interferentielle Messprinzip.
Bild 4.10 Prinzipaufbau optisch abgetasteter inkrementaler Drehgeber (Dr. Joh. Heidenhain GmbH)
Eine Kondensorlinse bündelt das Licht einer LED oder einer Glühlampe mit langer Lebensdauer in ein paralleles Strahlenbündel. Dieses Licht fällt durch Abtastgitter und Teilscheibe auf
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
97
dahinter angeordnete Fotozellen. Stehen die Lücken von Abtastgitter und Teilscheibe übereinander, fällt Licht hindurch (Abtastgitter A in Bild 4.11). Wenn sich die Striche des Abtastgitters über den Lücken der Teilscheibe befinden wie beim Abtastgitter A’ in Bild 4.11, liegen die Fotozellen im Schatten. Bewegt sich die drehbare Teilscheibe gegenüber der ortsfesten Abtastplatte, so wird der Lichtstrom, der durch Teilscheibe und Abtastgitter hindurch tritt, moduliert. Die Fotoelemente wandeln die Änderungen des Lichtstroms in elektrische Signale um, wobei die speziell strukturierte Teilung der Abtastplatte den Lichtstrom so filtert, dass die elektrischen Ausgangssignale annähernd sinusförmigen Charakter aufweisen. Im Unterschied zu Absolutwertgebern wie dem Resolver können Inkrementalgeber immer nur relative Winkeländerungen bezogen auf eine definierte Ausgangslage erfassen. Beim inkrementellen Messverfahren wird eine Positionsänderung durch Zählen einzelner Inkremente (Messschritte) erkannt. Zur Bestimmung konkreter Positionen ist ein absoluter Maßbezug erforderlich; daher verfügen inkrementelle Messsysteme über eine Referenzmarke, die den Maßbezug, der Referenz– oder Nullpunkt genannt wird, eindeutig festlegt. Nach jedem Einschalten muss der Nullpunkt einmal durch eine Referenzfahrt ermittelt werden, damit der absolute Bezug hergestellt ist. Inkrementalgeber wurden ursprünglich nur zur Lageregelung benutzt; heute werden sie oft anstelle eines analogen Tachogenerators auch dann eingesetzt, wenn nur ein Drehzahlsignal benötigt wird. Lichtstrom b
a A
A'
a B
B' Abtastplatte mit vier Abtastgittern A, A', B, B' Teilscheibe p
1. Fotozelle
2. Fotozelle
3. Fotozelle
Spursignal A
4. Fotozelle
Spursignal B lichtdurchlässiges Trägermaterial
Bild 4.11 Schematische Darstellung von Abtastgitter und Strichscheibe
Funktionsweise optisch abgetasteter Inkrementalgeber Das abbildende Messprinzip arbeitet mit schattenoptischer Signalerzeugung. Zwei Strichgitter – Teilscheibe und Abtastplatte – sind abwechselnd mit lichtdurchlässigen und lichtundurchlässigen Streifen versehen. Der Abstand zweier aufeinander folgender lichtundurchlässiger Streifen wird Teilungsperiode p genannt. Das Trägermaterial der Abtastplatte ist lichtdurchlässig, die Gitterteilung der Teilscheibe kann auf lichtdurchlässigem oder auf reflektierendem Materi-
98
Sensoren bei elektrischen Antrieben
al aufgebracht sein. Auf der Abtastplatte sind verschiedene Abtastgitter angebracht, die gegeneinander um einen festen Winkel versetzt angeordnet sind (vgl. Bild 4.11). Bild 4.11 zeigt die schematische Anordnung von Teilscheibe und Abtastgittern im Detail. Es sind 4 Abtastgitter vorhanden. Die beiden Gitter A und A’ sowie B und B’ sind gegeneinander jeweils um den Abstand a versetzt angeordnet. Der Abstand a wird so gewählt, dass sich ein Versatz um eine halbe Teilungsperiode p – also der Winkel S – zwischen den Gittern ergibt. Die beiden Pärchen A, A’ und B, B’ wiederum weisen den Abstand b auf. Der Versatz zwischen den Pärchen wird auf p/4, also einen Winkel von S/2, eingestellt. a
1· § ¨n ¸ p 2¹ ©
und
b
1· § ¨m ¸ p 4¹ ©
mit
n, m
2, 3, 4...
In der gezeichneten Stellung der Teilscheibe in Bild 4.11 fallen die Schlitze des Abtastgitters A gerade vollständig mit den Schlitzen der Teilscheibe übereinander. Dagegen sind beim Abtastgitter A’ die Schlitze durch die lichtundurchlässigen Teile der Teilscheibe abgedeckt. Die Abtastgitter B und B’ werden jeweils zur Hälfte abgedeckt. Auf das linke Fotoelement trifft also der maximale, auf das zweite Fotoelement überhaupt kein Lichtstrom. Das dritte und vierte Fotoelement sind jeweils den halben maximalen Lichtstrom ausgesetzt. Bei einer Bewegung der Teilscheibe nach rechts nimmt der Lichtstrom auf das erste Fotoelement ab, der auf das zweite dagegen zu. Die Überdeckung beim Gitter B’ vergrößert sich, die Überdeckung beim Gitter B wird geringer. Beim dritten Fotoelement steigt der Lichtstrom daher an und nimmt beim vierten Fotoelement ab. Die Beleuchtungsstärke schwankt zwischen hell und dunkel; die zugehörigen Fotoelemente liefern also viel oder wenig Strom und bewirken unipolare Ausgangssignale. Bildet man jeweils die Differenz zweier um 180° versetzter unipolarer Signale, so erhält man bipolare Signale, die symmetrisch zum Nulldurchgang liegen. Um das zu erreichen, werden die Fotozellen paarweise im Gegentakt geschaltet, sodass sich ihre Ausgangsströme voneinander subtrahieren und die beiden bipolaren Spursignale A und B entstehen. Deren Signalverlauf ist annähernd sinusförmig. Da die Abtastgitter A, A’ sowie B, B’ um ¼ Teilungsperiode versetzt angeordnet sind, weisen die erzeugten Signale A und B eine Phasenverschiebung von 90° zueinander auf und werden Quadratursignale genannt. Ein beispielhafter Verlauf der Ausgangssignale ist in Bild 4.12 für den Fall gezeigt, dass sich die Teilscheibe aus Bild 4.11 nach rechts bewegt. In der Praxis wird von diversen Herstellern eine breite Palette von Drehgebern mit unterschiedlichen Strichzahlen angeboten. Ist die erforderliche Auflösung des Messsystems geringer als 0.05° pro Umdrehung, so können Geber mit rechteckförmigen Ausgangssignalen verwendet werden. Bei dieser Bauart werden die analogen Signale bereits in der Geberelektronik mittels Komparatoren in Binärsignale umgesetzt (Bild 4.12, unten). Solche Signale lassen sich ohne hohen Aufwand zur Störunterdrückung an den Antrieb übertragen und können dort einfach ausgewertet werden. Man darf allerdings nicht übersehen, dass mit der Bildung der Rechtecksignale ein Informationsverlust verbunden ist. Bewegt sich die Motorwelle nämlich im Bereich zwischen zwei Nulldurchgängen der Analogsignale, so ist dies an den Rechtecksignalen nicht zu erkennen. Hohe Anforderungen an die Auflösung stellen Vorschubantriebe in Werkzeugmaschinen. Dort muss eine Motorumdrehung in 106 Inkremente unterteilt werden können, was einer Auflösung von ca. 0.00036° entspricht. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Geber eingesetzt, bei denen die sinusförmigen Analogsignale zum Antrieb übertragen und dort per Interpolation ausgewer-
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
99
tet werden. Die Übertragung der analogen Sinus–Signale erfordert allerdings mehr Sorgfalt zur Störunterdrückung. hell Zelle 1 dunkel hell Zelle 2
f
dunkel hell Zelle 3 dunkel hell Zelle 4
f
dunkel
Spur signal A
Spur signal B
Binär Signal A
Binär Signal B
Bild 4.12 Bildung der Spursignale A und B aus den Ausgangssignalen der Fotozellen; oben: unipolare Ausgangssignale der Zellen 1–4; mitte: bipolare Spursignale A und B als Differenz der Fotozellensignale; unten: aus den Spursignalen gewonnene Binärsignale A und B
Optisch abgetastete Inkrementalgeber sind mit unterschiedlichen Strichzahlen erhältlich. Sie liefern zwei nahezu sinusförmige Ausgangssignale, die um 90° gegeneinander versetzt sind. Bei geringen Anforderungen an die erreichbare Auflösung werden die Signale geberintern in Rechteck–Signale gewandelt. Hohe Auflösungen erfordern die Übertragung der sinusförmigen Analogsignale an die Antriebselektronik.
Mechanischer Aufbau von Drehgebern Bei Winkel– oder Drehgebern werden die Teilungsperioden radial am Umfang einer kreisförmigen Teilscheibe angebracht, die sich zusammen mit der Motorwelle dreht. Solche Inkrementalgeber sind häufig in ein eigenes Gehäuse eingebaut und über eine drehsteife Kupplung mit der Motorwelle verbunden. Daneben gibt es Einbaugeber, die mit einer Hohlwelle ausgestattet
100
Sensoren bei elektrischen Antrieben
und fest in den Motor eingebaut sind. Letzteres ist hauptsächlich bei Servoantrieben üblich, wenn es auf eine besonders gute mechanische Ankopplung ankommt, da der Geber integraler Bestandteil des Motors ist. Die heute eingesetzte Strichzahl von normalen Drehgebern liegt zwischen 500 und 5000 Strichen pro Umdrehung; Geber mit höherer Strichzahl und deutlich höherer Genauigkeit werden als Winkelmesssysteme bezeichnet.
Bild 4.13 Aufbau eines Drehgebers (Dr. Joh. Heidenhain GmbH)
In Bild 4.13 ist der typische Aufbau eines Inkrementalgebers wiedergegeben. Man erkennt Lager, Lampe, Kondensorlinse, Abtastgitter, Teilscheibe und Fotoelemente. Die vier Fotoelemente sind dabei nicht wie in Bild 4.11 alle nebeneinander, sondern in den Ecken eines Rechtecks angeordnet. Darüber hinaus wird ein fünftes Fotoelement eingesetzt, das den sogenannten Referenzimpuls einmal pro Umdrehung liefert. Diese Information liegt allerdings erst nach einer Umdrehung der Welle sicher vor.
Andere Abtastverfahren Statt des optischen werden auch induktive, kapazitive oder magnetische Abtastverfahren eingesetzt. So gibt es als Maßverkörperung eine permanent magnetisierte Teilung, die über magnetoresistive Sensoren abgetastet wird. Diese Messprinzipien weisen deutlich gröbere Auflösungen für die Teilungsperiode der Maßverkörperung auf, die für magnetoresistive Sensoren im Bereich von 0.5mm bis 1mm liegt. Allen Abtastprinzipien von Inkrementalgebern ist gemeinsam, dass bei der Relativbewegung zwischen der Maßstabsteilung und dem Positionssensor zwei periodisch modulierte, sinusförmige analoge Inkrementalsignale erzeugt werden, die gegeneinander um 90° verschoben sind.
Signalübertragung Für Rechtecksignale sind verschiedene Übertragungsarten üblich. Neben der Verwendung von Einzelsignalen mit hohem Pegel (15V oder 24V), ist insbesondere die Verwendung von 5V– Differenzsignalen (RS422) verbreitet. Die Gebersignale werden durch spezielle Leitungstreiber in Differenzsignale umgewandelt. Auf der Antriebsseite werden passende Leitungsemp-
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
101
fänger eingesetzt. Zur Anpassung an den Wellenwiderstand der Leitung und um bei offenen Eingängen (Leitungsbruch oder Geber nicht angeschlossen) die Eingänge auf einen definierten Pegel zu legen, werden die Eingänge zusätzlich diskret beschaltet. Besonderer Aufwand wird notwendig, wenn die Geberleitung sehr lang ist. Unter Umständen benötigt der Antrieb in diesem Fall eine aufwändige Geberspeisung, die über eigene Leitungen die Versorgungsspannung am Geber regelt.
4.3.3 Auswertung von inkrementellen Gebersignalen Unabhängig vom eingesetzten Abtastverfahren gibt es mehrere Wege, die Signale eines Inkrementalgebers auszuwerten. Sie unterscheiden sich im erforderlichen Aufwand, der erreichbaren Auflösung und den dafür notwendigen Kosten.
Auswertung von rechteckförmigen Gebersignalen Die Auswertung rechteckförmiger Gebersignale erfolgt durch drehrichtungsabhängiges Zählen aller 4 Flanken der Gebersignale in einem Vor/Rückwärtszähler, die Vierfachauswertung genannt wird. Bei Bewegungen in positiver Drehrichtung erhöht jede einlaufende Flanke den Zählerstand um ein Inkrement, Bewegungen in negativer Richtung verringern den Zählerstand entsprechend. Drehwinkel– oder Positionsänderungen, die keine Flanke in den Gebersignalen bewirken, werden nicht erkannt. Beispiel 4.2 erreichbare Winkelauflösung Welche Winkelauflösung kann mit einem Drehgeber erreicht werden, der 2048 Striche besitzt und TTL Ausgangssignale liefert? Lösung: Der angesprochene Geber liefert pro Umdrehung 2048 Rechteckperioden, sodass eine vollständige Periode einem Winkelinkrement von 360°/2048 = 0.1758° entspricht. Werden alle 4 Flanken gezählt, die pro Periode eines TTL–Signals auftreten, so kann die Auflösung vervierfacht werden. Man erhält eine Winkelauflösung von 0.1758°/4 = 0.04394°. Der zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichte Zählerstand entspricht der Anzahl, der seit dem Überfahren der Referenzmarke gezählten Flanken und ist ein Maß für die momentane Position. Beispiel 4.3 Ermittlung der Winkelposition aus dem Zählerstand Ein Drehgeber besitzt 1024 Striche. Beim Überfahren der Referenzmarke wird der Vor/Rückwärtszähler auf Null gesetzt. Welchen Drehwinkel hat der Motor erreicht, wenn ein Zählerstand von 325 ausgelesen wird? Lösung: Der Zählerstand von 325 stellt einen Bruchteil einer Umdrehung dar. Wenn alle 4 Flanken einer Geberperiode aufsummiert werden, setzt man für die Berechnung des Drehwinkels M an: S : Strichzahl der Teilscheibe pro 360q
M
z 360q 4S
325 | 0.079 360q 4 1024
28.44q
102
Sensoren bei elektrischen Antrieben
Bild 4.14 gibt den Signalverlauf der Rechtecksignale während einer Drehrichtungsumkehr wieder. Beim Wechsel der Drehrichtung ändert sich offenbar die Phasenlage der Signale A und B zueinander. Eilt bei Rechtslauf das Signal B dem Signal A um 90° nach, ist das bei Linkslauf umgekehrt. Um die Drehrichtung aus den Spursignalen abzuleiten, wird nach Bild 4.14 bei jeder Flanke in A oder B der Pegel des jeweils anderen Signals geprüft. Dieser Zusammenhang ist in Tabelle 4.1 zusammengestellt. A
j B
R e c h ts la u f
L in k s la u f
j
Bild 4.14 Drehrichtungserkennung bei binären TTL–Signalen
Die Auswerteelektronik muss also erkennen, wenn eine positive oder negative Flanke in A oder B vorliegt und dann den Pegel des jeweils anderen Signals prüfen. Jede Flanke inkrementiert den Zähler, wobei die Drehrichtung (links bzw. rechts) die Zählrichtung (aufwärts bzw. abwärts) vorgibt. Tabelle 4.1 Drehrichtungserkennung
Pegel
Flanke A+ A– B+ B– A = high X X R L A = low X X L R B = high L R X X B = low R L X X A+, A– bzw. B+, B–: positive/negative Flanke des Signals A bzw. B; R: Rechtslauf, L: Linkslauf, X: nicht zulässig
Übung 4.2 Entwerfen Sie mit Hilfe von Tabelle 4.1 eine Schaltung, welche aus den beiden Signalen A und B die Drehrichtung ermittelt. Übung 4.3 Entwerfen Sie eine Schaltung, die aus den beiden Signalen A und B ein Rechtecksignal mit der vierfachen Frequenz erzeugt. Der Zählerstand ändert sich umso schneller, je mehr Flanken pro Zeiteinheit auftreten – also je höher die Frequenz der Spursignale ist. Die Veränderung des Zählerstandes 'z pro Zeiteinheit 'T ist demnach ein Maß für die Antriebsdrehzahl. Beispiel 4.4 Berechnung der Verfahrgeschwindigkeit Im Zeitraster von 1ms werden die Zählerstände z1 bis z5 aus Tabelle 4.2 gemessen. Berechnen Sie die mittlere Drehzahl im jeweiligen Zeitraum, wenn das Linearmesssystem eine Periodenteilung von 20μm aufweist und eine Vierfachauswertung erfolgt.
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
103
Tabelle 4.2 gemessene Zählerstände 418 z1 425 z2 434 z3 446 z4 460 z5
Lösung: Bei Vierfachauswertung entspricht eine auftretende Flanke, also ein Zählinkrement, einem zurückgelegten Weg von 5μm. Bezeichnet 'T = 1ms den Abstand zweier aufeinander folgender Messzeitpunkte sowie z1 bzw. z2 die zu diesen Messzeitpunkten vorliegenden Zählerstande, so wird die mittlere Verfahrgeschwindigkeit v wie folgt berechnet: v
z2 z1 1ms
ǻz ǻT
425 418 0.000005 m 1ms
7 0.005 m 1s
0.035
m m # 2.1 s min
Gemäß dieser Vorgehensweise ergeben sich die mittleren Geschwindigkeiten für die anderen Messwerte: z1 z2 z3 z4 z5
Zählerstand 418 425 434 446 460
mittlere Verfahrgeschwindigkeit 0.035m/s | 2.1 m/min 0.045m/s | 2.7 m/min 0.06m/s | 3.6 m/min 0.07m/s | 4.2 m/min
7 1
1
3 10
2
optischer Geber
2
Signalübertragung
3
4
9
5
8
6
Auswerteschaltung
Bild 4.15 Signalverarbeitung mit Hilfe eines μ–Rechners zur Auswertung von Gebern mit Rechtecksignalen
Beispiel 4.5 Signalverarbeitung zur Auswertung von Gebern mit TTL–Signalen Erläutern Sie mit dem Blockschaltbild aus Bild 4.15, wie ein μ–Controller die Gebersignale eines inkrementellen Encoders auswertet. Gehen Sie davon aus, dass der Geber
104
Sensoren bei elektrischen Antrieben mit Differenzsignalen (1, 2) an die Auswerteelektronik angeschlossen ist und ordnen Sie den Ziffern aus Bild 4.15 konkrete Bausteine und Funktionen zu. Lösung: Differenzsignalempfänger (3) wandeln die beiden Geberausgangssignale (1, 2) in massebezogene Signale um. Das XOR–Gatter (4) erzeugt aus den beiden massebezogenen Gebersignalen (10) ein Rechtecksignal mit vierfacher Frequenz (9), dessen Flanken drehrichtungsabhängig im Vor/Rückwärtszähler (5) aufsummiert werden. Zum Messzeitpunkt veranlasst der μ–Rechner (6) über das Signal Speichern (7), dass der aktuelle Zählerstand der V/R–Zählers in dessen Ausgangsregister übernommen wird. Das Ausgangsregister enthält den Zählerstand zum Messzeitpunkt und wird über den Datenbus (8) ausgelesen. Nr 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Blockname Funktionsbeschreibung Differenzsignal Spur A Geberausgangssignal Differenzsignal Spur B Geberausgangssignal Differenzsignalempfänger Wandeln der Differenzsignale in massebezogene Signale XOR Vierfachauswertung Vor/Rückwärts Zähler Zählen der Rechtecksignale μ–Rechner Auslesen d–. Zählers Signal vom μ–Rechner für das Speichern des Zählerstandes in dessen Ausgangsregister Datenbus zwischen Vor/Rückwärts Zähler und μ–Rechner Rechtecksignal mit vierfacher Frequenz der Spursignale massebezogene TTL–Gebersignale
Auswertung sinusförmiger Gebersignale Wenn die analogen sinusförmigen Spursignale A und B nach Bild 4.12, unten bereits im Geber in Rechtecksignale gewandelt werden, werden Bewegungen, die zu keiner Flanke in den Rechtecksignalen führen, von der Auswerteschaltung nach Bild 4.15 nicht erkannt. An Servoantriebe in Druck– oder Werkzeugmaschinen werden hohe Anforderungen an Dynamik und Regelgüte gestellt. Dies bedeutet, dass Regelabweichungen schnellstmöglich ausgeregelt und Positionen mit einer Genauigkeit im μm–Bereich angefahren werden müssen. Mit TTL–Gebern ist die Einhaltung dieser Forderungen nach Beispiel 4.2 auch bei hohen Strichzahlen nicht möglich, sodass Antriebe für Applikationen dieser Art daher in der Lage sein müssen, sinusförmige Gebersignale auszuwerten. Bild 4.16 zeigt einen vergrößerten Ausschnitt aus Bild 4.12, wobei die angegebenen Drehwinkel sich auf eine Teilungsperiode des Messsystems beziehen. Man erkennt, dass die Pegel der Rechtecksignale den Vorzeichen der zugehörigen Spursignale entsprechen. Das Binärsignal B ist während der gesamten positiven Halbperiode des Spursignals B auf ‚1’ und während der negativen Halbperiode auf ‚0’. Vergleichbares gilt für das Binärsignal A, dessen Ausgangspegel erst mit Erreichen von 90°, also dem Nulldurchgang des Spursignals A, von ‚1’ auf ‚0’ wechselt. Dies bedeutet aber, dass eine Änderung des Drehwinkels zwischen 0° und 90° zwar keine Auswirkungen auf die Binärsignale, wohl aber auf die Momentanwerte der sinusförmigen Signale hat. Auch kleine Änderungen des Drehwinkels können erkannt werden, wenn die Augenblickswerte der sinusförmigen Geberausgangssignale nach Bild 4.18 in die Betrachtung einbezogen werden.
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
Spur signal A
Û coscos(ϕ )
ϕ 0
90
Spur signal ϕ B 0 Binär Signal A
Binär Signal B
105
180
Û sinsin(ϕ ) 90
180
0
90
180
0
90
180
Bild 4.16 Auswertung sinusförmiger Gebersignale
Der Augenblickswert eines Spursignals unterliegt dem Drehwinkel M und ergibt sich innerhalb einer Viertelperiode der Gebersignale zu: ucos (M ) Uˆ cos(M ) u (M ) Uˆ sin(M )
(4.2)
sin
Im Allgemeinen ist der Scheitelwert Û der Gebersignale unbekannt und hängt von der Lichtstärke der Beleuchtung ab, sodass zur Berechnung des Drehwinkels die Umkehrung der Gl. (4.2) nicht direkt verwendet werden kann. Wenn die Werte beider Spursignale vorliegen, kann der gesuchte Winkel M innerhalb der aktuellen Viertelperiode aus dem Quotienten der Augenblickswerte bestimmt werden: usin (M ) ucos (M )
M
Uˆ sin(M ) Uˆ cos(M )
arctantan(M )
sin(M ) cos(M )
tan(M )
§ sin(M ) · ¸¸ arctan¨¨ © cos(M ) ¹
§ u (M ) · ¸¸ arctan¨¨ sin © ucos (M ) ¹
(4.3)
Für die konkrete Anwendung bedeutet dies, dass die Augenblickswerte der Spursignale zum Messzeitpunkt abgetastet werden müssen. Der Zählerstand des Vor/Rückwärtszählers im Messzeitpunkt kommt bei Vierfachauswertung dem groben Abstand zur Referenzposition gemessen in Viertelperioden gleich. Als Bruchteil einer solchen Viertelperiode kann der nach Gl. (4.3) ermittelte Winkel M aufgefasst werden. Der exakte Abstand zum Referenzpunkt berechnet sich aus der Summe beider Messwerte. Beispiel 4.6 Auswertung sinusförmiger Gebersignale Zum Messzeitpunkt beträgt der Zählerstand des Vor/Rückwärtszählers 378. Gleichzeitig mit der Abtastung des Zählerstands werden die Momentanwerte der Spursignale ab-
106
Sensoren bei elektrischen Antrieben getastet und betragen ucos(t) = –0.75 V sowie usin(t) = 1.85 V. Wie groß ist zum Messzeitpunkt der genaue Abstand zur Referenzposition, wenn die Teilungsperiode 20 μm beträgt und die TTL–Signale mit Vierfachauswertung gemessen werden? Lösung: Der Zählerstand entspricht der Anzahl der Viertelperioden zwischen momentaner Achsposition und Referenzpunkt. Bei Vierfachauswertung entspricht jedem Zählinkrement ein zurückgelegter Weg von 5μm. Als groben Abstand d berechnet man d
378 5ȝm
(4.4)
0.00189 m
Hinzu kommt der Bruchteil der angefangenen Viertelperiode, der aus der Interpolation der sinusförmigen Spursignale ermittelt wird. Mit Gl. (4.3) ergibt sich
M
§ u (M ) · ¸¸ arctan¨¨ sin © ucos (M ) ¹
§ 1.85V · arctan¨ ¸ © 0.75V ¹
67.93q
Bei der Berechnung muss darauf geachtet werden, dass die arctan–Funktion negative Winkel liefert, wenn die Vorzeichen von sin– und cos–Funktion ungleich sind. In diesen Fällen muss das Ergebnis korrigiert werden. 90
1.85 V
u sin, u cos
ϕ
45 0
-45 -67.9° -90
0
60 -0,75 V
120
180
240
300
360
tatsächlich zurückgelegter Winkel
Bild 4.17 Winkelverlauf M, berechnet mit arctan(usin/ucos)
Zur Erläuterung zeigt Bild 4.17 den Verlauf des Winkels M der mit Hilfe der arctan– Funktion nach Gl. (4.3) berechnet wurde. Für die angegebenen Amplitudenwerte 1.85 V und –0.75 V beträgt der rechnerische Winkel –67.93°. Innerhalb dieser Viertelperiode sind aber nicht 67.93° sondern erst 90° – 67.93° = 22.07° zurückgelegt. Daher gilt für den Bruchteil der angefangenen Viertelperiode b
22.07q 90q
0.2452
(4.5)
Der Gesamtabstand zum Referenzpunkt ergibt sich aus der Summe von Gl. (4.4) und Gl. (4.5) d b
378 0.2452 5ȝm
0.001891m
(4.6)
Wenn die Auswertung sinusförmiger Gebersignale durchgeführt werden soll, muss das Blockschaltbild der Signalverarbeitung aus Bild 4.15 gem. Bild 4.18 angepasst werden. Die Signale
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
107
werden vom Geber zur Auswerteelektronik erneut in differentieller Form übertragen und mit Hilfe von Differenzsignalempfängern (3) in massebezogene Signale überführt. Komparatoren (1) wandeln die sinusförmigen Signale in TTL–Signale, deren Auswertung im Block TTL– Auswertung durch den Vor/Rückwärtszähler wie oben beschrieben erfolgt. Zähler speichern und von Abtasten auf Halten schalten
AH
ADC
AH
ADC
C
sin/cos Auswertung TTL-Auswertung sin
3
1 XOR
cos optischer Geber
3
1
VR CNT
Signal übertragung
Bild 4.18 Blockschaltbild für die Auswertung sinusförmiger Gebersignale
Parallel dazu werden die Momentanwerte der sinusförmigen Signale auf Abtasthalteglieder (AH) geführt, welche zeitgleich mit dem Speichern des Zählerstandes zum Messzeitpunkt auf Halten geschaltet werden. Die AD–Wandler (ADC) digitalisieren die in den AH–Gliedern gespeicherten Analogwerte und stellen die Augenblickswerte der Spursignale A und B zum Messzeitpunkt als digitale Werte zur Verfügung. Der μ–Rechner (μC) liest über den Datenbus sowohl die Ausgangswerte der AD–Wandler als auch den gespeicherten Zählerstand aus, und berechnet nach Gl. (4.3) aus den Abtastwerten der Spursignale den Winkel M innerhalb der aktuellen Viertelperiode. Anschließend wird aus dem Zählerstand des Vor/Rückwärtszählers und dem Winkelwert M mittels Gl. (4.6) der hoch aufgelöste Positionswert bestimmt.
w w w
Natürlich hat die Wortbreite der ADC einen großen Einfluss auf die damit erreichbare Winkelauflösung. Je höher deren Bitzahl ist, desto feiner können die Momentanwerte der Spursignale digitalisiert werden und umso höher wird die erreichbare Winkelauflösung. Dieser Zusammenhang kann mit dem Applet Auswertung inkrementeller Drehgeber untersucht werden.
Beispielhaft stellt Bild 4.19 die Zusammenhänge – wie im Applet gezeigt – dar, wenn die ADC eine Auflösung von 5 bit besitzen. Im oberen Bildteil sind die analogen Spursignale wiedergegeben, wie sie im Idealfall vom Messsystem geliefert werden. Der mittlere Bildteil zeigt die von den Komparatoren aus den Spursignalen erzeugten TTL–Signale, die ihrerseits im Vor/Rückwärtszähler aufsummiert werden.
108
Sensoren bei elektrischen Antrieben
u sin, u cos
Der untere Bildteil ist den abgetasteten Spursignalen vorbehalten, die vom μC eingelesen werden. Die Abtastung wird umso exakter, je höher die Bitbreite der eingesetzten ADC ist. Selbstverständlich schlägt sich die Diskretisierung der Spursignale auch auf dem interpolierten Winkelwert M nieder, den der μC aus den abgetasteten Signalen errechnet. Im Applet können sowohl die Strichzahl des Gebers als auch die Bitbreite der ADC verändert und deren Auswirkungen auf die ermittelte Position nachvollzogen werden.
0
60
120
180
0
60
120
180
0
60
120
240
300
360
TTL sin, TTL cos
-11,5
240
300
360
-12
ϕ
45 0 -45
180
240
300
360
u sin, u cos
90
-90
Bild 4.19 Auswertung sinusförmiger Gebersignale; oben: analoge Spursignale A und B; mitte: aus den Spursignalen ermittelte TTL–Signale; unten: digitalisierte Spursignale und daraus berechneter Winkel M
Übung 4.4 Schätzen Sie mit einem Tabellenkalkulationsprogramm die erreichbare Winkelauflösung ab, wenn ein Encoder mit 512 Strichen angeschlossen wird, der ADC 8bit Auflösung hat und die Gebersignale den vollen Eingangsspannungsbereich des ADC ausnutzen.
w w w
Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet Auswertung inkrementeller Drehgeber
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
109
Übung 4.5 Wie lautet die Berechnungsgleichung zur Ermittlung der Drehzahl n aus den Signalen des Inkrementalgebers mit TTL–Signalen, wenn er die Strichzahl S aufweist und die Drehzahl zeitdiskret mit der Abtastzeit Tab ermittelt wird?
4.3.4 Optischer Absolutwertgeber Unabhängig vom eingesetzten Abtastverfahren liefern Inkrementalgeber erst dann sinnvolle Positionswerte, wenn eine Referenzfahrt durchgeführt und die Referenzposition bestimmt wurde. Bei Anwendungen mit sehr vielen Achsen – beispielsweise bei Robotern oder Werkzeugmaschinen – ist die Referenzfahrt zeitraubend u. U. kompliziert. Dies liegt daran, dass aus kinematischen Gründen meist eine bestimmte Reihenfolge beim Referenzieren der einzelnen Achsen eingehalten werden muss. Übung 4.6 Eine Werkzeugmaschine mit drei kartesischen Achsen wird als Leiterplattenbohrmaschine eingesetzt. Die x– und y–Achse dienen zum Positionieren des Bohrkopfes an der Stelle, an der das Loch gebohrt werden soll; die z–Achse bewirkt den Vortrieb beim Bohren. Muss beim Referenzieren der Maschine eine bestimmte Achsreihenfolge eingehalten werden? Üblicherweise werden die Verfahrgeschwindigkeiten beim Referenzieren auf kleine Werte reduziert, um eine vorgegebene Genauigkeit einzuhalten, sodass die Referenzfahrt aller Achsen vergleichsweise viel Zeit beanspruchen kann. Um den Zeitbedarf für das Referenzieren zu verringern, setzt man immer häufiger optische Absolutwertgeber ein. Sie arbeiten ebenfalls nach dem Durchlichtverfahren, liefern allerdings sofort nach dem Einschalten den absoluten Positionswert der jeweiligen Achse. Eine Referenzfahrt ist dann nicht mehr erforderlich. Manche Anwendungen – beispielsweise Mehrachsroboter – sind ohne absolute Messsysteme nicht denkbar. Bild 4.20 zeigt den prinzipiellen Aufbau dieser Messsysteme.
Bild 4.20 Photoelektrische Abtastung bei Absolutwertgebern (Dr. Joh. Heidenhain GmbH)
Die Teilscheibe enthält neben den äußeren, inkrementellen Spuren innen zusätzliche Gitterteilungen, die die absolute Positionsinformation tragen und meist im Gray–Code angeordnet sind. Jede Bit–Stelle der absoluten Positionsinformation erfordert ein zusätzliches Pärchen von Photoelementen. Wenn der Geber die absolute Information über mehr als eine Umdrehung
110
Sensoren bei elektrischen Antrieben
ermitteln soll, wird die Umdrehungszahl der Teilscheibe durch spezielle Getriebe zusätzlich erfasst. Die absolute Positionsinformation wird unmittelbar nach dem Einschalten digital, d.h. über einen Bus, vom Geber an die Auswerteelektronik übertragen. Die Referenzfahrt entfällt, da die absolute Position der Auswerteelektronik sofort nach dem Einschalten bekannt ist. Als Schnittstelle zwischen Geber und Regelgerät wird eine synchron–serielle Datenschnittstelle (SSI– Interface) verwendet. Herstellerspezifische Übertragungsprotokolle findet man sehr häufig, deren wichtigster Vertreter die Endat–Schnittstelle der Dr. Johannes Heidenhain GmbH ist. Je nach Datenrate der eingesetzten SSI Schnittselle beträgt die Übertragungsdauer des absoluten Positionswertes mehrere μs bis ms. Eine Auswertung der Absolutposition in dieser Form ist daher immer dann ungeeignet, wenn Positionswerte sehr häufig gemessen werden müssen, wie es beim normalen Betrieb der Fall ist. Hier treten Abtastzeiten der Regelkreise bis herab zu 31.25μs auf. Werden Messungen der Achsposition im gleichen Zeitintervall gefordert, scheidet die SSI Schnittstelle aus, weil ihre verfügbare Bandbreite für diese hohen Abtastfrequenzen noch nicht ausreicht. Aus diesem Grund wird die Auswertung der absoluten Spuren nur unmittelbar nach dem Einschalten vorgenommen und dem Antriebsregler übermittelt. Im normalen Betrieb werden die inkrementellen Signale verwendet, um die Positionsänderungen ausgehend von der eingangs ermittelten Absolutposition zu erfassen. Je nach Anwendung werden bei Antrieben Absolutwertgeber eingesetzt, die den Verzicht auf eine Referenzfahrt ermöglichen und direkt nach dem Einschalten die absolute Achsposition zur Verfügung stellen.
Elektronisches Typenschild Werden Absolutwertgeber eingesetzt, so ist im Geber selbst ein μ–Controller untergebracht, der die Auswertung der Absolutspuren übernimmt und die Daten über die SSI–Schnittstelle an den Antriebssteller überträgt. In solchen Fällen können weitere motorbezogene Daten im Geber vorgehalten werden. Dazu enthält ein solcher Geber einen wartungsfreien EEPROM Datenspeicher, worin alle für die Inbetriebnahme des Antriebs wichtigen Daten gespeichert werden können. Welche Daten hier abgelegt werden, entscheidet der Antriebshersteller; neben den Motornenndaten sind kommen u. a. auch Angaben der Geberstrichzahl, Motorinduktivität L, Wicklungswiderstand R sowie die Polpaarzahl in Betracht. Typischerweise lassen sich mit einem Regelgerät je nach Anforderung Motoren unterschiedlicher Baugrößen betreiben, die sich in ihren Parameter großenteils unterscheiden. Bei der Inbetriebnahme muss dies berücksichtigt werden, da die Spannungskonstante die Auslegung der Stromregler beeinflusst und das Trägheitsmoment des Rotors in die Regelparameter des Drehzahlreglers eingeht. Wenn die Parameter in einem EEPROM motorindividuell vorgehalten werden, spricht man vom sogenannten elektronischen Typenschild, das eine schnelle, sichere und automatische Inbetriebnahme des Antriebs unterstützt. Sämtliche relevanten Motordaten werden nach dem Einschalten über die Kommunikationsschnittstelle vom Regelgerät aus dem Datenspeicher im Geber gelesen. Anhand der Werte des elektronischen Typenschildes identifiziert das Regelgerät den jeweiligen Motor. Die Regel-
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
111
kreise und internen Begrenzungen werden danach so voreingestellt, dass sich ein stabiler Betrieb ergibt.
4.3.5 Direkte Wegmesssysteme Alle an der Motorwelle montierten Winkelmesssysteme werden indirekte Positionsmesssysteme genannt, egal ob sie inkrementeller oder absoluter Natur sind. Diese Bezeichnung kommt daher, dass die tatsächliche Position einer an die Motorwelle angeschlossenen Mechanik eben nur indirekt aus dem Drehwinkel der Motorwelle ermittelt werden kann – als Produkt von Motordrehwinkel und nachfolgender mechanischer Übersetzung. Beispiel 4.7 Ermittlung der Lastposition bei einem indirekten Wegmesssystem Ein Motor wandelt nach Bild 4.21 über einen Gewindetrieb eine rotatorische in eine translatorische Bewegung um. Die Steigung der Gewindespindel beträgt 5 mm pro Umdrehung. Welche Position hat der Schlitten ausgehend von der Referenzposition erreicht, wenn sich die Motorwelle um 793° weitergedreht hat? Lösung: Pro Motorumdrehung bewegt sich der angeschlossene Schlitten um den Betrag der Steigung des Gewindetriebes und erreicht daher die Position s: s
793q 5 mm 11.01mm 360q W e rk s tü c k T is c h
M o to r m it in d ire k te m M e s s s y s te m
M o to rw e lle
S p in d e lm u tte r
G e w in d e s p in d e l
L a g e ru n g
K u p p lu n g
Bild 4.21 Umwandlung einer rotatorischen in eine translatorische Bewegung
Die Relativbewegung zwischen Gewindetrieb und Spindelmutter ist reibungsbehaftet. Im Betrieb entsteht Reibungswärme, deren Betrag mit steigender Verfahrgeschwindigkeit zunimmt. Moderne Produktionsmaschinen müssen aus Produktivitätsgründen hohe Verfahrgeschwindigkeiten erreichen können, sodass bei solchen Anwendungen aufgrund der hohen Vorschubgeschwindigkeiten nennenswerte Wärmeeinträge in das mechanische System hervorgerufen werden, die dessen Temperatur deutlich erhöhen. Beispiel 4.8 Längenausdehnung aufgrund von Temperaturerhöhung Ein Gewindetrieb der Länge 1 m besitzt eine Gewindesteigung von 10 mm. Er ist aus Stahl 15CrNi6 gefertigt und unterliegt einer Temperaturerhöhung um 50 K. Ermitteln
112
Sensoren bei elektrischen Antrieben Sie, um welchen Wert sich die Gewindesteigung aufgrund der Temperaturerhöhung ändert. Lösung: Der Ausdehnungskoeffizient für dieses Material beträgt D = 1.1 10–5 1/K. Bei Erwärmung um 50 K verlängert sich der Gewindetrieb um 'l. ǻl
l D ǻ- 1m 1.1 10 5
1 50K K
550 10 6 m
0.55mm
Dadurch ändert sich die mittlere Spindelsteigung von 10 mm auf 10.00055 mm. Bei der Auswertung indirekter Messsysteme wird nach Beispiel 4.7 eine konstante Spindelsteigung unterstellt. In der Praxis ist diese aber Temperatureinflüssen unterworfen und weder räumlich an der Spindel noch zeitlich konstant. Dadurch entstehen bei der Auswertung indirekter Messsysteme nennenswerte Positionsfehler insbesondere dann, wenn hohe Verfahrgeschwindigkeiten und/oder hohe Temperaturunterschiede auftreten. Werkzeugmaschinen müssen Positioniergenauigkeiten im μm–Bereich einhalten. Mit indirekten Messsystemen sind diese Anforderungen üblicherweise nicht zu erreichen, weshalb bei hohen Anforderungen an die Präzision zusätzlich direkte Wegmesssysteme verwendet werden. Auch diese sind mit unterschiedlichen Abtastverfahren erhältlich. Der prinzipielle Aufbau von direkten optisch abgetasteten Längenmesssystemen unterscheidet sich nicht von dem optischer Inkrementalgeber. Auch hier erzeugt die Abtasteinheit bei Bewegungen des Maßstabs zwei um 90° verschobene Ausgangsignale, aus denen mit Hilfe der erläuterten Prinzipien aus Abschnitt 4.3.3 der Weg ermittelt, den der Maschinenschlitten zurückgelegt hat. Hier wie dort kann die Auswertung inkrementell oder absolut erfolgen.
Bild 4.22 Prinzipaufbau eines optisch abgetasteten inkrementellen Längenmesssystems (Dr. Joh. Heidenhain GmbH)
Die typische Periodenteilung bei einem direkten Messsystem liegt heute nach wie vor bei 20 μm. In Präzisionsanwendungen wie bei Halbleiterinspektionssystemen oder in Verbindung mit Linearmotoren werden hin und wieder Systeme mit einer 10–fach höheren Auflösung eingesetzt.
Referenzmarken bei inkrementeller Abtastung Beim Einsatz direkter inkrementeller Wegmesssysteme sind zwei unterschiedliche Methoden des Referenzierens gebräuchlich: a) normale Referenzmarken
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
113
In diesem Fall existieren je eine Referenzmarke am Anfang und Ende des Maßstabes. Der Maschinenkonstrukteur entscheidet, welche davon bei der Referenzfahrt ausgewertet wird. Nachteilig ist auch hier, dass nach jedem Einschalten die Referenzmarke angefahren werden muss. Bei ausgedehnten Anlagen kann dies aufgrund großer Verfahrwege sehr lange dauern, da die Referenzfahrgeschwindigkeit aus Gründen der Messgenauigkeit sehr klein eingestellt wird. Übung 4.7 Gegeben ist eine 3–achsige Werkzeugmaschine mit direkten inkrementellen Messsystemen. Die Verfahrwege betragen x = 2000 mm, y = 5000 mm, z = 500 mm. Die Referenzfahrgeschwindigkeit ist auf 1m/min eingestellt. Der Referenziervorgang gilt als abgeschlossen, wenn alle Achsen referenziert sind. Ermitteln Sie die Dauer des Referenziervorganges für dieses Beispiel. b) abstandskodierte Referenzmarken Der Nachteil der langen Referenzfahrt bei inkrementellen Messsystemen wird umgangen, wenn Lineale mit abstandskodierten Referenzmarken verwendet werden, bei denen nach Bild 4.23 nicht nur zwei, sondern viele Referenzmarken auf dem Maßstab im Abstand von 20 mm angebracht sind. Zwischen zwei dieser Referenzmarken liegt jeweils eine weitere Marke, deren Abstand zu ihrem linken und rechten Nachbarn allerdings verschieden ist. Zudem ändert er sich für aufeinander folgende Pärchen von Referenzmarken. So beträgt in Bild 4.23 der Abstand der ersten zusätzlichen Referenzmarke zu ihrem linken Nachbar 10.02 mm und zum rechten Nachbarn lediglich 9.98 mm. Die zweite zusätzliche Referenzmarke hat dagegen einen Abstand von 10.04 mm zu ihrem linken Nachbarn. Werden drei dieser Referenzmarken überfahren, so ist die Absolutposition aufgrund der veränderlichen Abstände der mittleren zur linken Referenzmarke eindeutig bestimmt, und die absolute Positionsinformation liegt bereits nach einem Verfahrweg von 20 mm vor. Direkte Messsysteme mit abstandskodierten Referenzmarken können daher den Zeitaufwand für das Referenzieren erheblich verringern. Inkrementalspur
20.00 10.02
20.00
20.00 10.04
10.06
Linearmassstab Referenzmarken
Bild 4.23 Prinzipaufbau von direkten Messsystemen mit Abstandskodierung der Referenzmarken
114
Sensoren bei elektrischen Antrieben
Absolute direkte Wegmesssysteme Direkte Wegmesssysteme können ebenfalls mit Absolutspur gebaut werden. Ebenso wie bei indirekt messenden Systemen aus Abschnitt 4.3.4 steht die Positionsinformation unmittelbar nach dem Einschalten zur Verfügung. In diesem Fall erübrigen sich Referenzmarken.
4.3.6 Ermittlung von Drehzahlen und Verfahrgeschwindigkeiten Die Lageerfassung beruht überwiegend auf inkrementellen oder absoluten Drehgebern bzw. Längenmesssystemen mit rechteck– oder sinusförmigen Ausgangssignalen mit denen sich hohe Positionsauflösungen erzielen lassen. Zur Ermittlung der Motordrehzahl n bzw. der Vorschubgeschwindigkeit v aus den gemessenen Lagewerten nutzt man den physikalischen Zusammenhang zwischen Position s und Geschwindigkeit v aus: Nach Gl. (4.7) sind die Motordrehzahl n bzw. die Geschwindigkeit v die zeitlichen Ableitungen des Motordrehwinkels M bzw. der Position s. Rotation : Translation :
M s
³ dZ dt
³ dv dt
Z
2ʌ n
v
ds dt
dM dt
(4.7)
Die Messung des Drehwinkels M bzw. der Vorschubposition s erfolgt nicht kontinuierlich sondern zeitdiskret mit einer festen Abtastzeit TAb. Sie hängt von der konkreten Antriebsaufgabe ab und liegt typischerweise bei 0.5 bis 1 ms, wird aber bei Präzisionsanwendungen auf bis zu 31.25 μs reduziert. Übung 4.8 Weshalb kommen bei Abtastzeiten so ungewöhnliche Werte wie 31.25 μs vor? Die Differentiation aus Gl. (4.7) wird aufgrund der zeitdiskreten Positionswerte durch eine zeitdiskrete Differentiation mit Hilfe des Differenzenquotienten nach Gl. (4.8) ersetzt. Rotation :
Z
2ʌ n
Translation :
v
ǻs ǻt
mit tz
z TAb sowie t z -1
ǻM ǻt
M z M z -1
t z t z -1 sz sz -1 sz sz -1 t z t z -1 TAb
M z M z -1 TAb
(4.8)
( z 1) TAb
Dabei muss beachtet werden, dass die ermittelten Positionswerte sz bzw. Mz aufgrund der inkrementellen Auswerteverfahren diskrete Werte darstellen. Die Diskretisierung im Amplitudenbereich führt zu einem Diskretisierungsrauschen mit einer Amplitude von r ½ LSB, wobei 1 LSB die mögliche Geberauflösung bezeichnet, die sich aus der Strichzahl und dem verwendeten Auswerteverfahren ergibt. Das Diskretisierungsrauschen nimmt demnach zu, je geringer die Geberauflösung und je geringer die Drehzahl ist, weil bei niedrigen Drehzahlen ein Geberinkrement, das pro Abtastintervall mehr oder weniger erkannt wird, einen prozentual hohen Einfluss auf die berechnete Drehzahl hat. Der nach Gl. (4.8) gebildete Drehzahlistwert kann daher stark verrauscht sein.
Sensoren zur Weg- und Winkelmessung
115
Letztlich bedeutet Gl. (4.8), dass die Differenz zweier aufeinander folgender Positionswerte mit dem Kehrwert der Abtastzeit, also dem Wert der Abtastfrequenz, multipliziert wird. Hohe Abtastfrequenzen führen zu einer großen Verstärkung des Diskretisierungsrauschens.
analoge und diskretisierte Spursignale [V]
Die systembedingte Quantisierung des berechneten Geschwindigkeitswertes tritt selbst bei hoher Lageauflösung auf und führt insbesondere bei hohen Abtastfrequenzen zu erheblichen Problemen, die sich in Schwingungsanregung, Geräuschentwicklung und Erwärmung des Motors äußern können. Bei der Auslegung ist stets ein Kompromiss zwischen dem unvermeidbaren Diskretisierungsrauschen und der erzielbaren Steifigkeit bzw. Dynamik des Antriebs zu finden.
0
60
120
180
240
300
360
10
360 300
5
240
0
180 120
-5
60 0
Quantisierungsfehler [°]
diskretisierter Drehwinkel [°]
analoger Drehwinkel [°]
-10 0
60
120
180
240
300
360
analoger Drehwinkel [°]
Bild 4.24 Auswertung sinusförmiger Gebersignale; oben: Analoge und diskretisierte Spursignale; unten: aus den diskretisierten Spursignalen ermittelter Drehwinkel (–) sowie der Quantisierungsfehler (–)
Beispiel 4.9 Quantisierungsfehler bei der Berechnung der Drehzahl Schätzen Sie den Quantisierungsfehler ab, der bei der zeitdiskreten Berechnung der Drehzahl entsteht, wenn die tatsächliche Motordrehzahl 60 min–1 beträgt und ein Inkrementalgeber mit sinusförmigen Ausgangssignalen und 512 Strichen ausgewertet wird. Der Analog–Digitalwandler hat eine Auflösung von 4 Bit, die Abtastzeit zur Berechnung der Drehzahl beträgt 62.5 μs.
116
Sensoren bei elektrischen Antrieben
Verwenden Sie zur Lösung ein Tabellenkalkulationsprogramm und das Applet Geberauswertung.
w w w
Lösung: Aufgrund der Quantisierung des ADC wird nicht jede tatsächliche Änderung des Drehwinkels auch in einen geänderten digitalisierten Spursignalwert umgewandelt. Besonders ausgeprägt ist der Effekt dann, wenn sich ein Spursignal kaum, das andere dagegen sehr stark verändert, wie es vor Allem im Bereich der Nulldurchgänge der Fall ist. Dort erhält man mit den vorliegenden Werten den maximalen Winkelschritt von 8.13°. Um diesen Betrag ändert sich der digitalisierte Winkelwert maximal. Rechnet man dies in eine Winkelauflösung um, so erhält man pro Geberperiode etwa 360° / 8.13°= 44 Inkremente. Bei 512 Geberperioden pro Umdrehung beträgt die Auflösung insgesamt etwa 44 * 512 = 22671 Inkremente / Umdrehung. Der digitalisierte Drehwinkel ändert sich demnach in Quantisierungsschritten von maximal 8.13°. Der Fehler zum eigentlich gesuchten tatsächlichen Drehwinkel wird Quantisierungsfehler genannt. Er hängt natürlich von der Auflösung der ADC ab und beträgt für dieses Beispiel ca. 9.78°. Bild 4.24 zeigt im oberen Bildteil eine beispielhafte Darstellung der analogen und amplitudendiskreten Spursignale. Im unteren Bildteil ist der Drehwinkel wiedergegeben, welcher aus den digitalisierten Spursignalen nach Gl. (4.3) berechnet wurde. Zusätzlich wird der Quantisierungsfehler zwischen dem berechneten und dem analogen Drehwinkel dargestellt. Die Darstellung bezieht sich auf eine Auflösung des ADC von 4 Bit. Die Auflösung wurde für dieses Beispiel bewusst klein gewählt, um die auftretenden Effekte zu verdeutlichen. In Realität ist die Auflösung der Wandler natürlich höher, womit die beschriebenen Effekte entsprechend geringer ausfallen.
n Digital [1/s]
2 1,5 1 0,5 0 125
375
625
875
1125
1375
1625
1875
Zeit [s]
Bild 4.25 Zeitverlauf der aus den digitalisierten Spursignalen berechneten Drehzahl nDigital für die Daten aus Beispiel 4.9
Bei konstanter Motordrehzahl ändert sich der tatsächliche Drehwinkel linear mit der Zeit. Die Problematik besteht nun darin, dass auch bei absolut konstanter Drehzahl der Drehwinkel, der aus den abgetasteten Spursignalen gem. Bild 4.24, unten, ermittelt wird, ein Rauschen beinhaltet, dessen Amplitude und Frequenz u. a. von der Auflösung
Lösungen
117
der AD–Wandler abhängen und das zusätzlich durch die Differentiation nach Gl. (4.8) verstärkt wird. Je höher die Abtastfrequenz gewählt wird, umso stärker erhöht sich der Verstärkungsfaktor. Bild 4.25 zeigt den Zeitverlauf der aus den digitalisierten Spursignalen nach Gl. (4.8) berechneten Drehzahl, wenn die Parameter der Aufgabenstellung verwendet werden. Man erkennt, dass bei diesen – vergleichsweise schlechten – Randbedingungen das Quantisierungsrauschen deutlich größer als 0.5 s–1 ist.
4.4 Lösungen Übung 4.1 Üblicherweise wird ein Stromwandler als idealer Transformator angesehen, der den Primärstrom im Verhältnis der Windungszahlen auf die Sekundärseite transformiert. isekundär
iprimär
wprimär wsekundär
Im regelungstechnischen Sinn kann ein solcher idealer Wandler daher als Proportionalglied (vgl. Abschnitt 2.1.2) mit der Verstärkung wprimär / wsekundär beschrieben werden. Das Übertragungsverhalten realer Wandler weicht aufgrund immer vorhandener Streuinduktivitäten deutlich vom erwarteten idealen Verhalten ab und wird näherungsweise als Verzögerungsglied erster Ordnung (Abschnitt 2.1.6) aufgefasst.
w w w
Mit dem Applet PT1–Verhalten ist nachvollziehbar, dass der Ausgang eines PT1–Gliedes – abhängig von der Signalfrequenz – sich sowohl in Amplitude als auch Phasenlage beträchtlich vom Eingangssignal unterscheiden kann. Dies bedeutet, dass bei einem realen Stromwandler Primär– und Sekundärstrom voneinander abweichen.
Wie groß die Abweichung letztlich ist, hängt von der Zeitkonstanten TE des PT1– Gliedes ab. Ihr Kehrwert Z( wird Eckfrequenz genannt und bezeichnet diejenige Frequenz, bei der die Amplitude des Ausgangssignals auf 1/2 also etwa 70% des Eingangssignals abgefallen ist. Die zugehörige Frequenz f( heißt Bandbreite.
ZE
1 TE
und
fE
ZE 2ʌ
1 2ʌ TE
Typische Stromwandler weisen eine Bandbreite im Bereich von einigen hundert Hertz auf und können lediglich Ströme mit Netzfrequenz unverzerrt übertragen. Moderne Frequenzumrichter erlauben jedoch Ausgangsströme mit Frequenzen bis zu 1000 Hz. Des Weiteren sind Schaltfrequenzen bis 16 kHz üblich. Konventionelle Stromwandler würden die gemessenen Primärströme sekundärseitig nur stark verzerrt wiedergeben und können daher nicht verwendet werden. Übung 4.2 Die Schaltung erhält als Eingänge die beiden TTL–Signale des Gebers. Am Ausgang soll das Signal DIR ausgegeben werden, das die Zählrichtung bestimmt. Beispielsweise könnte definiert werden DIR = 1: Linkslauf, aufwärts zählen; DIR = 0: Rechtslauf, abwärts zählen
118
Sensoren bei elektrischen Antrieben Linkslauf bedeutet gem. Bild 4.26, dass bei der steigenden Flanke der Signals A das Signal B den Wert 1 aufweist. Bei der steigenden Flanke des Signals B hat das Signal A dagegen den Wert 0. Ausgehend von Tabelle 4.1 liegt nach Bild 4.26 für die Spursignale A und B bei Rechtslauf die Signalfolge 00, 10, 11, 01, 00 usw. vor . Bei Linkslauf kommt es zu einem Phasensprung von 180°, sodass dann die Signalfolge 11, 10, 00, 01, 11 usw. entsteht. R e c h ts la u f A
L in k s la u f
j B
j C n t Z u s ta n d
3 0 /R
3 1 /R
3 2 /R
3 3 /R
3 0 /R
3 1 /R
3 2 /R
2 2 /L
2 1 /L
A , B
0 0
1 0
1 1
0 1
0 0
1 0
1 1
1 0
0 0
D IR
R e c h ts la u f: D IR = 0
2 0 /L 0 1
j
2 3 /L 1 1
L in k s la u f: D IR = 1
j Bild 4.26 Quadratursignale A und B sowie daraus ermittelte Signale Cnt und DIR bei der Vierfachauswertung von Gebersignalen nach Übung 4.2
Damit kann das synchrone Schaltwerk Richtungsdiskriminator entworfen werden, das das Ausgangssignal DIR in Abhängigkeit der Eingangssignale A und B ermittelt. Im einfachsten Fall besteht das Schaltwerk gem. Bild 4.27 aus zweimal 4 Zuständen, wobei jeweils eine Viererkette für eine Drehrichtung zuständig ist. Bei einem Phasensprung in den Signalen A und B, also einer Drehrichtungsänderung, wird von der einen in die andere Viererkette gewechselt. Bild 4.27 zeigt das Zustandsdiagramm für den hier beschriebenen Fall.
Lösungen
119
0 0 /L 3 0 1 0 /L
1 0 /L
1 1 /L
1 1 /L
0 1 /L 3 3
2 0 0 1 /R
1 0 /L
1 1 /L 1 1 /R 0 1 /L
N o ta tio n : A B / D IR
0 0 /R 2 1 1 1 /R
0 0 /R
1 0 /R
3 2
0 1 /L
0 0 /L 0 0 /R
3 1 0 0 /L
0 1 /R
0 1 /R
1 0 /R 2 2
1 0 /R
1 1 /R 2 3
Bild 4.27 Zustandsdiagramm für das Synchrone Schaltwerk Richtungsdiskriminator
Übung 4.3 Die zu entwerfende Schaltung soll das Ausgangssignal Cnt liefern, das die vierfache Frequenz eines Gebersignals aufweist. Die Analyse des gewünschten Verhaltens erfolgt mit nachstehender Wahrheitstabelle A 0 0 1 1
B Cnt 0 0 1 1 0 1 1 0
Anhand der Wahrheitstabelle ergibt sich zwischen dem A– und B–Signal die Verknüpfung XOR. Übung 4.4 Jede Änderung des Drehwinkels der Motorwelle bewirkt im Idealfall eine Änderung der Augenblickswerte beider Spursignale. Aufgrund der ADC–Quantisierung wirkt sich aber nicht jede Veränderung der Spursignale auch in einem geänderten digitalisierten Spursignalwert aus. Als Beispiel zeigt Bild 4.28 die Verhältnisse bei der sehr groben ADC–Auflösung von 4 Bit. Der größte Unterschied zweier aufeinander folgender Winkelwerte beträgt laut Tabellenkalkulation in diesem Fall 8.13°. Damit könnte in diesem Fall eine Geberteilungsperiode in 360° / 8.13° = 44.28 | 44 Inkremente unterteilt werden. Als Gesamtauflösung errechnet sich 360° / (Strichzahl * 44) = 0.0159°. Werden, wie in der Aufgabenstellung gefordert, ADC mit 8 Bit eingesetzt, entsteht eine größte erkennbare Winkeländerung von 0.6364°. Rechnet man dies in eine Winkelauf-
120
Sensoren bei elektrischen Antrieben lösung um, so erhält man pro Geberperiode etwa 360° / 0.6364 = 565 Inkremente und bei 512 Geberperioden pro Umdrehung insgesamt etwa 565 * 512 = 289300 Inkremente / Umdrehung. 90
ϕ
45 0
-45
0
60
120
180
240
300
360
u sin, u cos
Δϕ = 8.13°
-90
Bild 4.28 Gröbster Unterschied 'M zweier aufeinander folgender Drehwinkel bei der Auswertung sinusförmiger Spursignale und einer ADC–Bitbreite von 4 Bit
Übung 4.5 n
z neu zalt 1 Tab 4S
Übung 4.6 Man muss damit rechnen, dass die Maschine im ungünstigsten Fall dann ausgeschaltet wurde, als sich der Bohrer noch in einem Loch befand. Daher dürfen auf keinen Fall die x– bzw. y–Achse referenzieren, bevor die z–Achse freigefahren wurde. Freifahren bedeutet in diesem Fall, dass die z–Achse an die obere mögliche Position verfahren wird, bei der sicher keine Kollisionen auftreten, wenn sich x– und y–Achse bewegen. Normalerweise legt man den Referenzpunkt der z–Achse an diese Stelle, sodass zuerst die z– Achse und danach die beiden anderen Achsen referenziert werden. Übung 4.7 Zuerst referenziert die z–Achse: Zeitdauer = 500mm * 1m/min = 30sec. Im Anschluss daran können x und y Achse zeitgleich referenziert werden. Die Achse mit dem längsten Verfahrweg bestimmt die erforderliche Zeitdauer, die sich zu 5 min errechnet. TRef
5000 mm m 1 min
5000 mm mm 1000 min
5 min
Die Gesamtdauer für den Referenziervorgang aller Achsen beträgt demnach 5.5min Übung 4.8 Zeitdiskret arbeitende Bestandteile von Regelkreisen müssen streng aufeinander synchronisiert werden. Wenn mehrere Regelkreise ineinander geschachtelt sind, so muss die Abtastfrequenz der inneren Regelkreise ein ganzzahliges Vielfaches der Abtastfrequenz der äußeren Regelkreise betragen. Eine Verdoppelung der Abtastfrequenz bedeutet eine Halbierung der jeweiligen Abtastzeit; daher findet man sehr häufig folgende Abtastzeiten: 1 ms, 0.5 ms, 0.25 ms, 0.125 ms, 62.5 μs, 31.25 μs.
121
5
Antriebs–Einzelleitebene
5.1 Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe Abgesehen von einigen Randgebieten wird heute die überwiegende Mehrzahl der Anwendungen mit Drehstromantrieben ausgestattet. Fortschritte auf dem Gebiet der Mikrorechner sowie der Einsatz anwendungsspezifischer Schaltkreise (ASIC) senken die Kosten für die notwendigen komplexen Regelungen und aufwändigen Signalverarbeitungen auch bei kleinen und mittleren Leistungen. Elektrische Servomotoren werden als Vorschubantriebe in Werkzeugmaschinen, Handhabungssystemen, Druck– und Verpackungsmaschinen, Industrierobotern u. a. verwendet. Das Wort Servo (lat. Servus: Sklave) bezeichnet einen qualitativ hochwertigen Antrieb, der im Gegensatz zu Hauptspindelantrieben Zustelldienste mit hochgenauen Positionierungen durchzuführen hat. Servoantriebe dienen meist als Stellglieder innerhalb von Lageregelkreisen; hierbei werden die Positionssollwerte von einer numerischen Steuerung erzeugt. Sie beschleunigen oder verzögern die Maschinenteile über mechanische Übertragungselemente wie Kugelrollspindel, Zahnriemen oder Zahnstangen. Dabei nehmen sie die zur Werkstückbearbeitung notwendigen Kräfte – im Gegensatz zu Schrittantrieben – ohne Veränderung ihrer Istposition auf.
2
7
5
Bild 5.1
3 4
1
3 6
Prinzipieller Aufbau eines modernen permanent erregten Synchron Servomotors: 1: Welle, 2: Stator mit Wicklung, 3: Lager, 4: Motorgeber, 5: Leistungsanschluss, 6: Haltebremse, 7: Rotor mit Permanentmagneten
Asynchronmaschinen dienen vor Allem als Hauptantrieb für die Spindel bei Werkzeugmaschinen und stellen die für die Zerspanung benötigte Leistung zur Verfügung. An sie werden die strengsten Anforderungen gestellt: Sie müssen eine größere Leistung und vor allem einen größeren Drehzahlstellbereich abdecken als die Vorschubantriebe. Bis vor wenigen Jahren wurden sie vorwiegend drehzahlgeregelt betrieben. Zunehmend kommen Werkzeugaufnahmen mit formschlüssiger Verbindung zum Einsatz. Wenn automatische Werkzeugwechsler vorgesehen sind, muss die Spindel beim Werkzeugwechsel eine vorgegebene Winkelposition einnehmen, sodass auch Hauptantriebe zunehmend mit Lageregelung ausgerüstet werden.
U. Probst, Servoantriebe in der Automatisierungstechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-8169-4_5, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
122
Antriebs–Einzelleitebene
5.1.1 Drehmomentbildung Die Bildung des Drehmoments bei den verschiedenen Motorarten wurde in Abschnitt 3.1 diskutiert. Die wesentlichen Ergebnisse sind nachfolgend zusammengefasst.
Gleichstrommotor Bei konstantem Erregerfeld wird der Ankerstrom des Motors variiert. Im Grunddrehzahlbereich ist das vom Motor abgegebene Drehmoment proportional zum Ankerstrom. mel
K T iA
(5.1)
Der Proportionalitätsfaktor KT heißt Drehmomentkonstante des Antriebs.
Drehstrommaschinen Sowohl bei Asynchron– als auch bei permanent erregten Synchronmaschinen ist die Abhängigkeit des Drehmoments von den Statorströmen auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Mit den Mitteln der polradorientierten Regelung aus Abschnitt 3.1.3 gelingt es allerdings, bei beiden Motortypen eine Einstellbarkeit des Drehmomentes zu erzeugen, die dem der Gleichstrommaschine entspricht. Der Raumzeiger des Statorstroms wird dazu mit Hilfe von Transformationsgleichungen in einen feldbildenden Anteil id und einen drehmomentbildenden Anteil iq zerlegt. Auch bei Drehfeldmotoren gilt im Grunddrehzahlbereich die direkte Proportionalität zwischen dem erzeugten inneren Drehmoment mel und der Stromkomponente iq nach Gl. (5.2). mel
K T iq
(5.2) F e ld b u s T is c h
E n c o d e r
M o to r
E n d s c h a lte r
M o to rm e s s s y s te m (in d ire k te s M e s s s y s te m )
A n trie b s re g e lg e rä t
S p in d e lm u tte r
d ire k te s M e s s s y s te m
L e is tu n g
P o s itio n s is tw e rt P o s itio n s s o llw e rt
Bild 5.2
-
D re h z a h lis tw e rt L a g e re g le r
-
S tro m is tw e rt D re h z a h lre g le r
A R F
-
S tro m re g le r
Strukturbild eines elektrischen Antriebs bestehend aus Motor, Mechanik und Antriebsregler. Er beinhaltet eine digitale Kaskadenregelung bestehend aus Reglern für Strom, Drehzahl und Lage ergänzt um das Antiresonanzfilter.
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
123
Da das Drehmoment des Motors unmittelbar durch den Ankerstrom iA oder einen vergleichbaren virtuellen Strom iq eingestellt wird, ist der Einsatz eines gleichartigen Regelkonzepts für beide Motorarten möglich. Obwohl in der Antriebsregelung gelegentlich auch Methoden der modernen Regelungstechnik wie Zustandsregelung und Beobachter eingesetzt werden, kommt bei der überwiegenden Mehrzahl der Antriebe die klassische Kaskadenregelung nach Bild 5.2 zur Anwendung. Weltweit hat sie sich als vorteilhafte Struktur für Antriebsregelungen herausgebildet, da die durch sie erreichbare Flexibilität bei gleichzeitig leichter Überschaubarkeit von keiner anderen Regelungsstruktur erreicht wird. Jeder Antriebsstrang weist mechanische Resonanzen auf, die durch den Betrieb angeregt und durch die Regelung meist schlecht gedämpft werden können. Das Antiresonanzfilter (ARF) ist als Bandsperre ausgeführt. Es hat die Aufgabe, die angeregten Schwingungen selektiv zu dämpfen und von der Drehzahlregelung fern zu halten. U I q
U *
q
U *
ro t
I -
q
q
S tro m re g le r
S te llg lie d
W ic k lu n g
m
N
I *
q
I *
m q
K
D re h z a h lre g le r S tro m re g e lk re is
X
N *
*
L
- m
e l
Bild 5.3
P ,x
N
1 /(2 p J ) T
V N
K
N b
D re h z a h lre g e lk re is
h
X
S P
Prinzipielle Regelungsstruktur für steife Antriebe; oben: Stromregelkreis; mitte: Struktur des Drehzahlregelkreises mit unterlagertem Stromregelkreis; unten: Lageregelkreis, der Drehzahl– und Stromregelkreis enthält.
5.1.2 Kaskadenregelung Kennzeichen einer Kaskadenregelung sind ineinander geschachtelte Regelkreise. Bild 5.3 verdeutlicht die prinzipielle Regelungsstruktur bei steifen Antrieben. Der innere Regelkreis im oberen Bildteil stellt die drehmomentbildende Stromkomponente und damit das vom Motor erzeugte Moment mel ein. In Bildmitte ist der Drehzahlregelkreis gezeichnet, der dem Stromregelkreis überlagert wird. Gegebenenfalls wird er um den äußeren Lageregelkreis ergänzt, der
124
Antriebs–Einzelleitebene
im unteren Bildteil wiedergegeben ist. Als Reglertypen kommen P–, PI– und gelegentlich PID–Regler vor. Beginnend mit dem innersten Regler werden die Regelkreise nacheinander von innen nach außen parametriert. Das Zeitverhalten des optimierten inneren Regelkreises wird durch eine möglichst einfache Übertragungsfunktion beschrieben und bei der Auslegung des äußeren Reglers berücksichtigt. Zunächst werden die Parameter des Stromreglers bestimmt. Für die sich anschließende Einstellung des Drehzahlreglers wird der bereits optimierte Stromregelkreis als PT1–Glied angenommen. Die abschließende Berechnung des Lagereglers berücksichtigt das Zeitverhalten des Drehzahlregelkreises samt des unterlagerten Stromregelkreises als PT1– Glied. Ein Vorteil der Kaskadenregelung besteht darin, dass die unterlagerten Regelgrößen durch Begrenzen der zugehörigen Sollwerte limitiert werden können. Dies ist insbesondere bei den Wicklungsströmen wichtig, damit Stromrichter und Motor thermisch nicht überlastet werden. Oft sind die Grenzwerte während des Betriebs veränderlich. Verschiedene Arten der Strombegrenzung, die sich teilweise gegenseitig ablösen, bieten vielfältige Möglichkeiten zum Schutz von Stromrichter und Motor. Sie erlauben den kurzzeitigen Betrieb von Stromrichter und Motor mit einem Wicklungsstrom, der über dem Bemessungswert liegt. Erfahrenen Ingenieuren ist die Wirkung der jeweiligen Regelparameter bekannt, sodass die Reglereinstellung z.B. durch Beurteilung der Sprungantwort manuell erfolgen kann. Liegen die Parameter der Regelstrecke vor, so können die Regelparameter aber alternativ auch aus den Streckendaten berechnet werden. Geeignete Verfahren dazu werden im Folgenden vorgestellt. Auf solchen oder vergleichbaren Vorgehensweisen beruht auch die Fähigkeit zur Selbsteinstellung, über die moderne Antriebsregelgeräte meist verfügen. Ist der Stromregelkreis ausreichend schnell, kann er zur Berechnung der Drehzahlreglerparameter näherungsweise als Strom– bzw. Drehmomenteinprägung für den Motor aufgefasst werden. Gleiches gilt sinngemäß für die Berücksichtigung des optimierten Drehzahlregelkreises bei der Auslegung des Lagereglers. Die Bandbreite der einzelnen Regelkreise nimmt demzufolge von innen nach außen ab.
5.1.3 Auslegung der Stromregler Die Reglereinstellung beginnt nach Bild 5.3 bei der innersten Schleife. Die Regelstrecke nach Bild 5.4 setzt sich aus dem Stellglied, dem Verzögerungsglied, das durch den Widerstand sowie die Induktivität der Wicklung gebildet wird und einer eventuellen Glättung des Messwertes zusammen. Als Reglertyp kommt praktisch immer ein PI–Regler zum Einsatz, der durch die Übertragungsfunktion GR(s) mit der Verstärkung KP und der Nachstellzeit Tn beschrieben wird. GR ( s)
KP
1 s Tn s Tn
Das leistungselektronische Stellglied wird als Verstärker nachgebildet. Er erzeugt aus der Steuerspannung Uq* die Ausgangsspannung Uq. Je nach Art des Stellgliedes erfolgt diese Einstellung mit einer gewissen Zeitverzögerung, die hier als Totzeit erfasst wird. Insgesamt gehorcht das Stellglied der Übertragungsfunktion GSR(s).
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe uq
GSR ( s )
125
KSR eTSR
uq*
Die Differenz von Ausgangsspannung uq und Rotationsspannung urot liegt als treibende Spannung über dem Wicklungswiderstand RA und der Wicklungsinduktivität LA, welche als PT1– Glied mit der Zeitkonstante TA nachgebildet wird. GS ( s )
iq
1 RA s LA
uq
1 RA
1 L 1 s A RA
KA
1 1 s TA
Der Wicklungsstrom iq wird mit einem geeigneten Sensor gemessen und meist mit einem weiteren PT1–Glied geglättet. Ggl ( s )
iqmess iq
1 1 s Tgl u
iq*
u q
u *
q
ro t
iq -
iqm
e ss
S tro m re g le r
Bild 5.4
S te llg lie d
K A
W ic k lu n g T A
M e s s g lie d T
g l
Strukturbild des Stromregelkreises bei elektrischen Antrieben
Mit dem Index I lautet die Übertragungsfunktion G0,I(s) des offenen Stromregelkreises G0, I ( s )
GR ( s) GSR ( s) GS ( s) Ggl ( s )
G0, I ( s)
KP
1 s Tn 1 1 K SR e TSR K A s Tn 1 s TA 1 s Tgl
(5.3)
Moderne Regelgeräte arbeiten mit Schaltfrequenzen im zweistelligen kHz–Bereich [Probst08], und sind in der Lage, vom Stromregler geforderte Sollspannungen innerhalb von wenigen μs einzustellen. Ihre Totzeit ist vergleichsweise gering. Zur Auslegung des Stromreglers ist es aus diesem Grund zulässig, das Totzeitglied durch ein PT1–Glied annähern. Stellt man unter dieser Voraussetzung Gl. (5.3) etwas um, ergibt sich G0, I ( s)
K P K SR K A
G0, I ( s ) | K P K SR K A
1 s Tn 1 1 e TSR s Tn 1 s TA 1 s Tgl 1 s Tn 1 1 1 s Tn 1 s TA 1 s TSR 1 s Tgl
Die Zeitkonstante TA hängt von den Wicklungsparametern ab und ist meist deutlich größer als die Totzeit des Stromrichters sowie die Glättungszeitkonstante. Dann können die kleinen Zeitkonstanten TSR und Tgl zu einer gemeinsamen Zeitkonstanten zusammengefasst werden.
126
Antriebs–Einzelleitebene G0, I ( s ) | K P K SR K A
1 s Tn 1 1 s Tn 1 s TA 1 s (Tgl TSR )
(5.4)
Die Parameter KA, KSR, TSR, Tgl und TSR sind durch die verwendeten Motor– und Gerätedaten bekannt. Gesucht sind nun Einstellwerte für KP und Tn, die ein gutes Regelverhalten ermöglichen. Eine bewährte Einstellregel ist das sogenannte Betragsoptimum. Es beruht auf der Idee, diejenigen Einstellwerte zu finden, für die der Betrag des Führungsfrequenzgangs Gw(s) möglichst für alle Ȧ, wenigstens jedoch für kleine Ȧ den Wert 1 annimmt [Best01]. Angewandt auf den Stromregelkreis mit dem Index I bedeutet dies Gw, I ( s ) | 1
Die große Wicklungszeitkonstante TA bestimmt nach Abschnitt 2.1.6 die mögliche Dynamik bei Änderungen des Wicklungsstromes und damit die Schnelligkeit, mit der das Motordrehmoment angepasst werden kann. Schnelle Veränderungen des Drehmoments sind für eine Vielzahl von Anwendungen unerlässlich. Deshalb wird die Nachstellzeit Tn des Stromreglers häufig so eingestellt, dass sie in Gl. (5.4) die maßgebliche Streckenzeitkonstante TA kompensiert. Gelingt dies exakt, so reduziert sich Gl. (5.4) auf G0, I ( s ) G0, I ( s )
Tn TA
Tn TA
| K P KSR K A
1 s TA 1 1 s Tn 1 s TA 1 s (Tgl TSR )
| K P KSR K A
1 1 s TA 1 s (Tgl TSR )
(5.5)
Die vereinfachte Übertragungsfunktion des offenen Stromregelkreises aus Gl. (5.5) führt zur Führungsübertragungsfunktion nach Gl. (5.6)
Gw, I ( s )
1 1 s TA 1 s (Tgl TSR ) G0, I ( s) | 1 1 G0, I ( s ) 1 K K K 1 P SR A s TA 1 s (Tgl TSR )
Gw, I (s ) |
K P K SR K A s TA (1 s (Tgl TSR )) K P K SR K A
Gw, I ( s ) |
K P K SR K A s TA (1 s (Tgl TSR )) K P KSR K A
K P K SR K A
(5.6)
Gw,I(s) weist einen Nenner 2. Ordnung auf. Sie entspricht damit einem PT2–Glied nach Abschnitt 2.1.7. Gw, I ( s ) | Gw, I ( s ) |
K P K SR K A
K P K SR K A s TA s 2 TA (Tgl TSR ) 1 TA (Tgl TSR ) TA 1 s s2 K P K SR K A K P KSR K A
Die Abkürzungen a1 und a2 liefern
(5.7)
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe TA K P K SR K A
a1
Gw, I ( s ) |
und
a2
127 TA (Tgl TSR ) K P K SR K A
1 1 a1 s a2 s 2
Ziel ist es, |Gw,I(jZ)| = 1 für einen möglichst großen Wertebereich von Z zu erreichen. Allgemein ermittelt man mit a1 und a2 den Betrag des Führungsfrequenzganges zu Gw, I ( jZ ) |
1
1 a1 jZ a2 jZ 2
1 a
!
1 2 2 Z
a Z 2
1
2
1
1
Gw, I ( jZ ) |
§ · ¨ ¸ 2 2 Z 4 ¸ a12 Z 2 2 ¨¨1 2 a2 Z a ¸ |0 © ¹
(5.8)
Für kleine Werte von Z kann der Anteil Z vernachlässigt werden und entfällt. Dann wird Gl. (5.8) genau dann gleich 1, wenn gilt 2 a2 Z
2
a12
a12
2
Z 2 a2
2
TA (Tgl TSR ) K P K SR K A
§ TA ¨¨ © K P KSR K A
· ¸¸ ¹
2
Dieser Zusammenhang liefert die ausstehende Bestimmungsgleichung für Kp. 2
TA (Tgl TSR ) K P KSR K A
2 (Tgl TSR )
TA 2
K P KSR K A 2
TA K P KSR K A
KP
TA 2 (Tgl TSR ) KSR K A
Damit hat man die Einstellwerte für die Stromreglerparameter gefunden. KP
TA 2 (Tgl TSR ) K SR K A
Tn
TA
(5.9)
Setzt man diese Parameter in Gl. (5.7) ein, so ergibt sich in Gl. (5.10) die Führungsübertragungsfunktion für den geschlossenen Stromregelkreis. Gw,I ( s ) |
1 1 s 2 (Tgl TSR ) s 2 2 (Tgl TSR ) 2
(5.10)
Für diese Übertragungsfunktion können durch Koeffizientenvergleich von Gl. (5.10) mit der Standardübertragungsfunktion des PT2–Gliedes nach Gl. (2.8) aus Abschnitt 2.1.7 sowohl Resonanzfrequenz als auch Dämpfung ermittelt werden.
128
Antriebs–Einzelleitebene T2
1
Z0
2
2 (Tgl TSR ) 2
2 (Tgl TSR )
2d
1
Z0
1
2 (Tgl TSR )
Z0
(Tgl TSR ) 2 (Tgl TSR )
d
1
(5.11)
2
Der Stromregelkreis von elektrischen Antrieben wird mit einem PI–Regler ausgestattet. Dieser wird so ausgelegt, dass seine Nachstellzeit die maßgebliche Streckenzeitkonstante kompensiert. Der Proportionalanteil wird nach dem Betragsoptimum bestimmt. Der geschlossene Stromregelkreis verhält sich unter diesen Randbedingungen gem. Gl. (1.3) aus Abschnitt 2.1.6 näherungsweise wie ein PT2–Glied mit einer Dämpfung von ca. 0.7. Zur Auslegung des Drehzahlregelkreises kann das Zeitverhalten des Stromregelkreises auch durch ein PT1–Glied nach Gl. (5.12) beschrieben werden. Gw, I ( s) |
1 2
1 s 2 (Tgl TSR ) s 2 (Tgl TSR )
2
|
1 1 s 2 (Tgl TSR ) TNK , I
Gw, I ( s ) |
1 1 s TGw, I
mit
TGw, I
(5.12)
2 (Tgl TSR )
Ein PT1–Glied mit der Zeitkonstanten TGw,I beschreibt das Zeitverhalten des optimierten Stromregelkreises. Sie setzt sich aus der Summe der nicht–kompensierbaren Zeitkonstanten TNK,I im Stromregelkreis zusammen. Letztere bestimmt das Zeitverhalten sowohl der Stromregelung als auch der ihr überlagerten Regelkreise. Die Annahme, dass der Stromregelkreis vereinfachend als PT1–Glied betrachtet werden kann, wird durch Bild 5.5 gestützt. Dort ist die Sprungantwort PT2–Gliedes mit der Dämpfung 0.7 aus Gl. (5.10) der eines PT1–Gliedes nach Gl. (5.12) gegenübergestellt. Man erkennt, dass sich beide Sprungantworten nur geringfügig unterscheiden. Übung 5.1 Welche Zeitkonstanten bestimmen maßgeblich das dynamische Verhalten des Stromregelkreises? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um bestmögliche Dynamik zu erzielen?
Sprungantwort
125% 100% 75% 50% 25% 0% 0,009
0,014 PT2
0,019 t
0,024
Bild 5.5 Sprung
PT1
Sprungantworten von PT1– und PT2– Glied im Vergleich
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
129
Zusammenfassung Allein die Motor– und Stromrichterdaten bestimmen die Parameter des Stromreglers. Deren Berechnung wird vom Antriebshersteller vorgenommen, wenn Motor und Regelgerät aus einer Hand kommen. Lediglich dann, wenn an einem Regelgerät Fremdmotoren eines anderen Herstellers betrieben werden sollen, muss der Stromregler durch den Anwender parametriert werden. I. A. geschieht dies durch manuelle Berechnung und Anwendung von Gl. (5.9). Manche Hersteller von Regelgeräten verfügen über Auslegungsprogramme. Sie erwarten in diesem Fall die Eingabe der Motorparameter, berechnen daraus die korrekten Parameter des Stromreglers und übertragen sie in das Antriebsregelgerät.
5.1.4 Auslegung des Drehzahlreglers Allgemein besteht zwischen Motorstrom und Drehmoment der Zusammenhang nach Gl. (5.1). Die Differenz zwischen Motordrehmoment mel und äußerem Lastmoment mL ergibt das Beschleunigungsmoment mb. In Verbindung mit dem Trägheitsmoment J gilt die Bewegungsgleichung J
dZ dt
x
J Z
mel mL
(5.13)
mb
Das regelungstechnische Strukturbild für den Drehzahlregelkreis ergibt sich in Verbindung mit der Näherung aus Gl. (5.12) nach Bild 5.6. m
w m
I *
q
*
I
D re h z a h lre g le r S tro m re g e lk re is
Bild 5.6
m q
K T
e l
L
- m
w b
w m
1 /J
Regelungstechnisches Strukturbild für den Drehzahlregelkreis
Beispiel 5.1 Ermittlung der Übertragungsfunktion G0,n(s) Ermitteln Sie aus dem regelungstechnischen Strukturbild nach Bild 5.6 die Übertragungsfunktion G0,n(s) des offenen Drehzahlregelkreises. Lösung: In Form der Bewegungsgleichung Gl. (5.13) beinhaltet die Strecke ein Integrierglied, das seinen Ausgang w solange ändert, bis sein Eingangssignal mb/J Null wird. Dies ist der Fall, wenn nach der Rückführung von Z über den Regler das Motordrehmoment genau gleich dem Lastmoment mL ist. Üblicherweise sind mL und damit auch mel sowie iq und damit iq* ungleich Null. Im Normalfall soll der Drehzahlregler die Regelabweichung zwischen Z und Zauf Null ausregeln. Dies funktioniert im vorliegenden Fall aber nur dann, wenn er ebenfalls einen I–Anteil enthält. Als Drehzahlregler kommt daher ebenfalls ein PI–Regler zum Einsatz.
130
Antriebs–Einzelleitebene Mit der Übertragungsfunktion des geschlossenen Stromregelkreises nach Gl. (5.12) erhält man in Verbindung mit Gl. (5.13) folgende Übertragungsfunktion G0,n(s). G0, n ( s ) G0, n ( s )
1 s Tn 1 K 1 T s Tn 1 s 2 (Tgl TSR ) J s 1 s Tn 1 K 1 KP T s Tn 1 s 2 TNK, I J s KP
(5.14)
Bei starr angekoppelter Last besteht der Drehzahlregelkreis aus einem PI–Regler. Er arbeitet auf eine Regelstrecke, die sich aus einem Integrier– und einem Verzögerungsglied zusammensetzt und IT1–Verhalten zeigt. Die Auslegung des Drehzahlreglers kann rechnerisch oder auch experimentell erfolgen. Neben der Zeitkonstanten des Stromregelkreises nach Gl. (5.12) geht vor allem das Gesamtträgheitsmoment des Antriebs und der angekuppelten mechanischen Baugruppen in die Berechnung ein. Für die rechnerische Auslegung unterstellt man eine steife Mechanik. Dies führt häufig zu Reglerparametern, die in der Realität aufgrund vorliegender Resonanzen nicht realisiert werden können. Die berechneten Werte stellen also eine Abschätzung der maximal erreichbaren Parametereinstellungen dar. Um zu Einstellwerten für KP und Tn zu gelangen, wird beispielsweise das Verfahren der Frequenzkennlinien herangezogen. In Abschnitt 2.4.3, Übung 2.8 ist dies für eine vergleichbare Regelstruktur bereits durchgeführt worden. Überträgt man die dort ermittelten Gleichungen auf den vorliegenden Fall, so erhält man eine Auslegung des Drehzahlreglers nach dem sog. symmetrischen Optimum. Für die Reglerparameter ergibt sich mit K S K T , Tı 2 (Tgl TSR ) Tn 4 TGw, I 8 TNK, I KP
2 TNK, I
TGw, I sowie TI
J
(5.15)
J K T 2 TGw, I
Übung 5.2 Ermitteln und zeichnen Sie die Frequenzkennlinie des offenen Drehzahlregelkreises G0,n(jZ) für die ermittelten Werte für KP und Tn gem. Gl. (5.15). Beispiel 5.2 Bestimmung der Führungsübertragungsfunktion Gw,n(s) Ermitteln Sie ausgehend von Gl. (5.14) die Führungsübertragungsfunktion Gw,n(s) für den Drehzahlregelkreis mit unterlagerter Stromregelung. Lösung: Allgemein gilt für die Ermittlung der Führungsübertragungsfunktion
Gw, n ( s )
G0, n ( s ) 1 G0, n ( s )
1 s Tn K 1 1 T s Tn 1 s TGw, I J s 1 s Tn K 1 1 1 KP T s Tn 1 s TGw, I J s KP
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe G0, n ( s )
Gw, n ( s )
131 K P K T 1 s Tn
s Tn J 1 s TGw, I K P K T 1 s Tn
1 G0, n ( s )
2
Setzt man die ermittelten Werte für KP und Tn gem. Gl. (5.15) ein, erhält man G0, n ( s )
Gw, n ( s)
1 G0, n ( s)
J K T 1 s 4 TGw, I K T 2 TGw, I J s 2 4 TGw, I J 1 s TGw, I K T 1 s 4 TGw, I K T 2 TGw, I
Gw, n ( s)
J 1 s 4 TGw, I 2 TGw, I
Gw, n ( s)
s 3 4 TGw, I 2 J s 2 4 TGw, I J s 2 J
J 2 TGw, I
Die Umformung der rechten Seite liefert Gl. (5.16).
1 s 4 TGw,I
Gw, n ( s )
(5.16)
s 8 TGw, I s 2 8 TGw,I 2 s 4 TGw,I 1 3
3
Ordnungsreduktion Obwohl der unterlagerte Stromregelkreis bereits als PT1–Glied angenähert wurde, ist Gl. (5.16) ein komplexer Ausdruck für das Führungsverhalten des Drehzahlregelkreises. Damit der Lageregler im nächsten Schritt mit überschaubarem Aufwand dimensioniert werden kann, soll das Führungsverhalten des Drehzahlregelkreises im Folgenden ohne großen Genauigkeitsverlust durch einfachere Übertragungsfunktionen beschrieben werden. In Abschnitt 5.1.3 wurde erläutert, dass für den Stromregelkreis durch Minimieren der Zeitkonstante TNK,I ein gutes dynamisches Verhalten angestrebt wird. Ist dies bei der Auslegung des unterlagerten Stromregelkreises gegeben, so wird TNK,I3 sehr klein. Der Term dritter Ordnung kann daher im Nenner von Gl. (5.16) vernachlässigt werden. Somit vereinfacht sich Gl. (5.16) zu Gw, n ( s) |
1 s 4 TGw,I
(5.17)
s 8 TGw, I 2 s 4 TGw, I 1 2
Der reduzierte Nenner von Gl. (5.17) ist zweiter Ordnung und beschreibt ein schwingungsfähiges System. Der Koeffizientenvergleich mit der Normalform für ein PT2–Glied aus Gl. (2.8) im Abschnitt 2.1.7 liefert die Dämpfung d sowie die Resonanzfrequenz Z0. !
Ansatz: 1 s 4 TGw,I s 2 8 TGw,I 2 1
8 TGw,I 2
1
Z0
2
s2d
Z0
Z0
s2
1
Z02 1
2 2 TGw,I
132
Antriebs–Einzelleitebene
4 TGw,I
0,01
0,1
2d
Z0
d
4 TGw,I Z0
4 TGw,I
2
2 2 2 TGw,I
1 2
20
|G w,n(jω )| [dB]
0 -20 -40 -60 -80 -100 1
10 Gwn1
100 Gwn2
1000
10000
100000
ω [s-1]
Gwn3
0°
ϕ [°]
-30 ° -60 ° -90 ° -120 ° -150 ° -180 ° 0,01
0,1
1
10
100
1000
10000
100000 -1
ω [s ]
Bild 5.7
Frequenzgang des geschlossenen Drehzahlregelkreises Gw,n(jZ); oben: Amplitudengang; unten: Phasengang; Gwn1: Führungsübertragungsfunktion nach Gl. (5.18); Gwn2: Führungsübertragungsfunktion nach Gl. (5.17); Gwn3: Führungsübertragungsfunktion nach Gl. (5.16)
Versuchsweise kann das Führungsverhalten des Drehzahlregelkreises auch nach Gl. (5.18) vereinfacht werden. Gw, n ( s ) |
1 1 s 4 TGw, I
1 1 s TGw, n
mit
TGw, n
4 TGw, I
(5.18)
Mit unterschiedlicher Komplexität beschreiben die Gl. (5.16), (5.17) und (5.18) die Frequenzgänge des optimierten Drehzahlregelkreises. In Bild 5.7 wird deutlich, dass alle drei Varianten für den Amplitudengang bis zur Dämpfung von –20 dB etwa gleiches Verhalten aufweisen. Die Amplitudengänge der Gl. (5.17) und (5.18) liegen praktisch aufeinander. Lediglich in den Phasengängen zeigen sich bei höheren Frequenzen Unterschiede zwischen Gl. (5.16) sowie Gl. (5.17) und (5.18).
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
133
Aus dieser Betrachtung folgt, dass das dynamische Verhalten des optimierten Drehzahlregelkreises durch ein PT1–Glied dargestellt werden kann. Dessen Ersatzzeitkonstante beträgt das Vierfache der Zeitkonstanten des optimierten Stromregelkreises. Gw, n ( s) |
1 1 s 4 TGw, I
mit
TGw, I
2 TNK, I
Mitunter ist es ausreichend, die ab Werk voreingestellten Reglerparameter auch für den Drehzahlregler zu verwenden. Diese sind meist für ein bestimmtes Verhältnis von Lastträgheit zu Motorträgheit berechnet und sorgen zumindest für einen stabilen Betrieb. Bei hohen Anforderungen an die Regeleigenschaften, beispielsweise für Vorschubachsen an Werkzeugmaschinen, genügt das im Allgemeinen aber nicht. In diesen Fällen muss eine Anpassung der Reglerkoeffizienten an die jeweilige Anwendung vorgenommen werden.
5.1.5 Auslegung des Lageregelkreises Der Lageregler wird i. A. als reiner Proportionalregler ausgebildet. Er hat die Aufgabe, die vom Motor angetriebene Last auch dann an bestimmte, vom Bearbeitungsprozess geforderte Positionen zu bewegen, wenn auftretende Bearbeitungskräfte die gewünschte Bewegung hemmen. Bei spanabhebenden Werkzeugmaschinen tritt dieser Fall sehr häufig auf. Bild 5.8 verdeutlicht die Zusammenhänge. Über den Kugelgewindetrieb mit der Steigung hSP bewegt der Motor den Tisch mit dem zu bearbeitenden Werkstück durch die Vorschubkraft FV nach rechts gegen das Fräswerkzeug. Die Spindelsteigung hSP bezeichnet die Strecke, die der Tisch bei einer vollständigen Umdrehung der Spindel zurücklegt. Der Eingriff des Fräswerkzeugs in das Werkstück erzeugt eine zeitlich veränderliche Bearbeitungskraft FL, die der Bewegungsrichtung entgegengesetzt ist und den Positioniervorgang stört. Aufgrund der Hebelgesetze wirkt sich die Bearbeitungskraft FL auf den Motor als Bearbeitungs– oder Lastdrehmoment mL aus. Im regelungstechnischen Strukturbild liegt sein Angriffspunkt nach Bild 5.6 innerhalb des Drehzahlregelkreises. F V
F rä sw e rk z e u g W e rk s tü c k F L
M o to r L a g e ru n g
Bild 5.8
h
S P
L a g e ru n g
Vorschubkraft FV und Bearbeitungskraft FL bei Vorschubantrieben
Verallgemeinernd wird bei der Modellbildung des Lageregelkreises von der Drehzahlregelung gesprochen. Oft wird dabei allerdings nicht unterschieden, ob es sich im konkreten Fall um die Regelung der Drehzahl n oder die Regelung der mechanischen Winkelgeschwindigkeit Zm
134
Antriebs–Einzelleitebene
handelt. Die beiden Größen sind einander proportional und hängen über nachfolgende Beziehungen mit der Verfahrgeschwindigkeit v zusammen:
Zm x
2ʌ n
n *
Bild 5.9
P ,x
2ʌ
D re h z a h lre g e lk re is
hSP v
n *
K
Zm
n hSP
v
h
x
S P
Regelungstechnisches Strukturbild der Lageregelung eines Vorschubantriebs mit unterlagerter Drehzahlregelung
Bild 5.9 beschreibt die Struktur der Lageregelung mit unterlagertem Drehzahlregelkreis. Die Übertragungsfunktion für den offenen Lageregelkreises G0,x(s) lautet G0, x ( s )
K P, x
h 1 SP 1 s TGw, n s
1 1 K P, x hSP
1 s TGw, n s
(5.19)
KV
Der P–Anteil des Lagereglers KP,x wird mit den weiteren Verstärkungsfaktoren des Lageregelkreises (in diesem Fall der Spindelsteigung hSP) zur Geschwindigkeitsverstärkung KV zusammengefasst.
Berechnung der Lagereglerverstärkung KP,x Aus Gl. (5.19) wird der Führungsfrequenzgang Gw,x(s) abgeleitet:
Gw, x ( s )
Gw, x ( s )
G0, x ( s ) 1 G0, x ( s )
h 1 SP 1 s TGw,n s h 1 SP 1 K P, x 1 s TGw,n s K P, x
K P, x hSP s (1 s TGw,n ) K P, x hSP
1 1 s
(5.20)
TGw, n 1 s2 K P, x hSP K P, x hSP
Der geschlossene Lageregelkreis weist PT2–Verhalten auf. Resonanzfrequenz und Dämpfung ergeben sich wieder nach Gl. (2.8) aus Abschnitt 2.1.7. Ansatz: 1 s
TGw,n
1
Z0
TGw,n ! 1 s 2d 1 s2 1 s2 K P,x hSP K P,x hSP Z0 Z0 2
2
K P,x hSP
Z0
K P,x hSP TGw,n
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
2
d
Z0
1 K P,x hSP
d
d
135 K P,x hSP
Z0
2 K P,x hSP
TGw,n 4 K P,x hSP
2
1 1 2 TGw,n K P,x hSP
Die Dämpfung wird auf d t 0.7 eingestellt, da bei Positioniervorgängen ein gut gedämpftes Verhalten möglichst ohne Überschwingen erwünscht ist. Die Bestimmungsgleichung für KP,x lautet: d
1 1 1 t 2 TGw, n K P, x hSP 2
K P, x d
1 1 2 TGw, n hSP
(5.21)
Berechnet man KP,x mit Gl. (5.21) für d = 1/2, so verhält sich der lagegeregelte Antrieb näherungsweise wie ein PT2–Glied mit einer Dämpfung von 1/2. Eine solche Auslegung kann bei gutmütigen Antrieben angewendet werden, wenn deren Drehzahlregelkreis durch ein PT1– Glied beschrieben wird und die Motorwelle steif und schwingungsfrei mit den mechanischen Übertragungsgliedern verbunden ist. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, wird die Berechnung komplizierter. Auslegungsverfahren für solche Fälle werden in [Groß00] erläutert.
Berechnung der Geschwindigkeitsverstärkung KV Der Gesamtverstärkungsfaktor des Lageregelkreises wird nach Gl. (5.19) Geschwindigkeitsverstärkung oder Kv–Faktor genannt. Er ergibt sich als Produkt aller P–Anteile im Lageregelkreis und bestimmt sich mit Gl. (5.21) zu K P, x hSP
KV
1 1 hSP 2 TGw, n hSP
1 1 2 TGw, n
(5.22)
Die Geschwindigkeitsverstärkung ist eine wichtige Kenngröße zur Beurteilung von Lageregelkreisen und definiert nach Gl. (5.23) das Verhältnis von Sollgeschwindigkeit v* zur Lageregelabweichung xd. Seine Angabe erfolgt in der Dimension m/(mm min) bzw. s–1. x* x v*
xd
n* hSP
[ xd ] K P, x xd hSP
mm K P, x hSP xd
KV
Dimension :
mit [v* ]
m folgt [ K V ] min
m min mm
KV
v* xd
1000mm 60s mm
(5.23)
16.667
1 s
Die Differenz zwischen Positionssoll– und Positionsistwert heißt Schleppabstand oder auch Schleppfehler. Aufgrund von Gl. (5.23) stellt sich bei einer geradlinigen Bewegung mit der Geschwindigkeit v* der Schleppabstand xd ein: xd
v* KV
(5.24)
136
Antriebs–Einzelleitebene
Er ist offensichtlich umgekehrt proportional zur Geschwindigkeitsverstärkung KV des Lageregelkreises ist. Je höher man demnach KV dimensioniert, desto geringer wird der Schleppabstand. Wie beim Drehzahlregelkreis kann die Ordnung reduziert werden, indem der Term zweiter Ordnung im Nenner von Gl. (5.20) vernachlässigt wird. Für d = 1/2 errechnet sich 1
Gw, x ( s )
1 s
Gw, x ( s) |
TGw, n 1 s2 K P, x hSP K P, x hSP
1 1 s 2 TGw, n
1
| 1 s
1 K P, x hSP
(5.25)
1 1 s TGw, x
Wählt man den KV–Faktor nach Gl. (5.21), dann verhält sich der geschlossene Lageregelkreis näherungsweise wie ein Verzögerungsglied erster Ordnung mit der Zeitkonstanten TGw,x. Der dominierende Einfluss des Stromregelkreises auf das Verhalten der Lageregelung wird unübersehbar, wenn die Gl. (5.12), (5.18) und (5.21) in Gl. (5.25) eingesetzt werden. Gw, x ( s ) |
1 1 s TGw, x
1 1 s 2 TGw, n
1 1 s 4 TGw, I
1 1 s 8 TNK, I
Die nicht kompensierbare Zeitkonstante TNK,I des Stromregelkreises hat entscheidenden Einfluss auf das dynamische Verhalten der Lageregelung. Für hochdynamische Antriebe ist eine schnelle Lageregelung unabdingbar. Deshalb ist ein schnelles Stellglied erforderlich, damit sich eine kleine nicht kompensierbare Zeitkonstante TNK,I ergibt. Die Gl. (5.22) und Gl. (5.24) drücken den Einfluss der nicht kompensierbaren Zeitkonstanten TNK,I auf die Geschwindigkeitsverstärkung KV und den Schleppfehler aus. KV
1 1 2 TGw,n
1 1 8 TNK,I
xd
v* KV
v* 2 TGw,n
v* 8 TNK,I
Mit ansteigender nicht kompensierbarer Zeitkonstante TNK,I sinkt die erreichbare Geschwindigkeitsverstärkung KV. Der Schleppfehler steigt mit größer werdender Vorschubgeschwindigkeit und abnehmendem KV.
w w w
Wird KV über den Wert nach Gl. (5.21) hinaus erhöht, nimmt die Dämpfung des Lageregelkreises ab. Dies äußert sich in deutlich höherem Überschwingen bei Positioniervorgängen und kann zu instabilem Verhalten führen. Vollziehen Sie die Überlegungen mit dem Applet Lageregelkreis eines Servoantriebes nach.
Beispiel 5.3 Abschätzung des Schleppfehlers Gegeben ist ein lagegeregelter Servoantrieb mit folgenden Daten: TGw,n = 5 ms hSP = 7 mm Ermitteln Sie zunächst die Geschwindigkeitsverstärkung für d = 0.68. Berechnen Sie anschließend den Schleppfehler, der sich bei einer Verfahrgeschwindigkeit von 1 m/s einstellt. Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet Lageregelkreis eines Servoantriebs.
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
137
Lösung: Für eine Dämpfung d = 0.68 ergibt sich bei den angegebenen Daten mit Gl. (5.21) 1 1 2 TGw, n K P, x hSP
d
K P, x KV
0.68
1 1 4 TGw, n hSP 0.68 2 K P, x hSP
15.44
1 1 4 0.005s 7mm 0.4624
15.44
1 mm s
1 1 m 7mm 108.13 ˆ 6.48 mm s s min mm
Zur Berechnung des Schleppfehlers sind verschiedene Lösungswege möglich. Zunächst kann mit Gl. (5.24) der Schleppabstand mit ca. 9.25mm ermittelt werden. Dieser Wert stellt sich stationär – also bei sehr langem Verfahrweg und konstanter Verfahrgeschwindigkeit – ein. xd
v* KV
1
m s
108.13
1 s
0.00925m ˆ 9.25mm
Der genaue zeitliche Verlauf des Schleppfehlers lässt sich mit Hilfe eines Programms oder des angeführten Applets simulieren. Alternativ kann auch eine manuelle Rechnung durchgeführt werden: 20 15 0,05
10
x d [mm]
x *, x [m]
0,1
5 0
0 0
0,05 x*
x
t [s]
0,1
xd
Bild 5.10 Zeitverläufe von x*(t), x(t) und dem Schleppabstand xd(t)
Eine konstante Verfahrgeschwindigkeit bedeutet, dass der Positionssollwert zeitlinear ansteigt. Ausgehend vom Anfangswert x0 bestimmt der Betrag der Verfahrgeschwindigkeit die Steigung des Positionssollwertes. Die Laplace–Transformation dieses Zusammenhangs liefert x* (t )
³
v* (t ) dt x0
v* t x0
v*
x* ( s)
s2
Im Bildbereich kann x(s) berechnet werden. x( s ) *
x (s)
Gw,x ( s )
x( s )
x* ( s) Gw,x ( s )
v* s
2
1 1 s TGw,x
138
Antriebs–Einzelleitebene
Mit Hilfe der Rücktransformationstabelle aus [Föllinger03] wird der zu x(s) zugehörige Zeitverlauf x(t) ermittelt. x(s )
v*
1 2 1 s T s Gw,x
x S x(t )
t § § ¨ ¨ TGw,x v ¨ t TGw,x ¨ 1 e ¨ ¨ © © *
·· ¸¸ ¸¸ ¸¸ ¹¹
In Bild 5.10 ist u. a. der Zeitverlauf für x(t) dargestellt. Zu Beginn des Positioniervorgangs baut sich innerhalb von ca. 40 ms ein Schleppfehler auf, der im stationären Zustand den Wert von 10mm annimmt. Übung 5.3 Erläutern Sie den Begriff Schleppfehler. Übung 5.4 Kann der Schleppfehler durch Erhöhen des KV–Faktors prinzipiell beliebig klein gemacht werden?
w w w
Überprüfen Sie Ihre Lösung mit dem Applet Lageregelkreis eines Servoantriebs.
Folgen des Schleppfehlers bei gekoppelten Bewegungen mit mehreren Achsen Der Schleppfehler wird immer achsbezogen angegeben und bedeutet, dass die Achse dem geforderten Sollwert nur zeitverzögert folgen kann. Üblicherweise sind an Bewegungen mehrere Achsen beteiligt. Die Bewegung im Raum entsteht durch Superposition der einzelnen Achsbewegungen. Als Folge muss untersucht werden, ob die achsbezogenen Schleppfehler einen Bahnfehler hervorrufen.
B D x A y x
D x
y
x
Bild 5.11 Kreuztisch
Beispiel 5.4 Auswirkungen des Schleppfehlers im zweidimensionalen Raum Zwei Motoren treiben die kartesischen Achsen x und y des Kreuztisches aus Bild 5.11 an und positionieren ein Werkstück an beliebige Punkte innerhalb der Ebene. Welche Auswirkungen hat ein Schleppfehler der beiden Achsen bei einem Positioniervorgang von A nach B?
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
139
Lösung: Anhand von Bild 5.11 ist ersichtlich, dass die einzelnen Achsen i. A. unterschiedliche Strecken zurücklegen müssen. In diesem Fall ist der Weg 'xx, den die x–Achse zurücklegen muss, deutlich größer als die Wegstrecke 'xy, der von der y–Achse gefahren wird. Soll der Positioniervorgang auf der eingezeichneten Verbindung zwischen den Punkten A und B erfolgen, so muss die x–Achse also deutlich schneller fahren als die y–Achse. Das Verhältnis der Geschwindigkeiten ergibt sich aus dem Quotienten der zu fahrenden Wegstrecken. vx vy
ǻxx ǻxy
xd,x
vx K V,x
xd,y
vy K V,y
Weisen beide Achsen denselben KV–Faktor (KV,x = KV,y) auf, so sind die entstehenden Schleppfehler xd,x und xd,y nach Gl. (5.24) unterschiedlich groß. Trotzdem verursacht der Schleppabstand, wie im linken Teil von Bild 5.12 deutlich wird, bei geradlinigen Bewegungen keine Bahnabweichungen.
0,03 m
0,03 m
0,025 m
0,025 m
0,02 m
0,02 m x y [m]
x y [m]
Liegen bei den an der Bewegung beteiligten Achsen unterschiedliche KV–Faktoren vor, gilt dies nicht mehr. In diesem Fall treten Bahnfehler auch bei geradlinigen Bewegungen auf, wie im rechten Teil von Bild 5.12 aufgezeigt wird.
0,015 m
0,015 m
0,01 m
0,01 m
0,005 m
0,005 m
0m 0m
0m 0,02 m
0,04 m x x [m]
0,06 m
0,08 m
0m
0,02 m
0,04 m x x [m]
0,06 m
0,08 m
Bild 5.12 Auftretende Bahnfehler bei einer geradlinigen Bewegung; links: KV–Faktoren beider Achsen sind identisch, KV,x = KV,y; rechts: KV–Faktoren beider Achsen sind unterschiedlich, KV,x = 2 KV,y
Die Verhältnisse werden deutlich komplizierter, wenn gekrümmte Bahnen gefahren werden müssen. Dann treten – auch bei identischen Geschwindigkeitsverstärkungen der beteiligten Achsen – durch die unvermeidlichen Schleppfehler resultierende Bahnfehler im Raum auf. Die Größe dieser Abweichungen ist umgekehrt proportional zum KV–Faktor. Bei Bewegungen in einer Ebene wird zur Beurteilung der Bahnfehler oft ein so genannter Kreisformtest durchgeführt. Hierbei werden die Achsen mit Positionssollwerten so angesteuert, dass resultierend ein Kreis gefahren wird. Dabei werden Positionssoll– und Istwerte aufgezeichnet und deren Bahnkurven miteinander verglichen. Bild 5.13 zeigt das Simulationsergebnis eines Kreisformtests, bei dem der geschlossene Lageregelkreis durch ein PT1–Glied nachgebildet wird.
140
Antriebs–Einzelleitebene x y*, x y
20 mm 10,1 mm
15 mm Vergrößerung 10 mm -10 mm
-5 mm
0 mm
5 mm
x x*, x x
10 mm
10 mm 10,035 mm
10,045 mm
10,055 mm
5 mm
0 mm 9,9 mm
xy
xy
xy*
xy*
Bild 5.13 Bahnfehler als Auswirkung des Schleppfehlers bei der Bewegung gekoppelter Achsen und identischen KV–Faktoren für alle Achsen; links: Positionssoll– und Positionsistwert bei einem Kreisformtest; rechts: höher aufgelöste Vergrößerung aus dem linken Teilbild.
In der vergrößerten Darstellung des rechten Teilbildes wird deutlich, dass die auftretenden Schleppfehler – obwohl sie bei beiden Achsen identisch sind – zu einem Bahnfehler führen. Der Durchmesser des tatsächlich gefahrenen Kreises ist kleiner, als der geforderte. xy*, xy
20 mm
15 mm
10 mm -10 mm
-5 mm
0 mm
5 mm
xx*, xx
10 mm
5 mm
0 mm
xy
xy*
Bild 5.14 Bahnfehler bei unterschiedlichen KV– Faktoren der beteiligten Achsen
Unterscheiden sich zusätzlich die KV–Faktoren der beteiligten Achsen, entstehen weitere Fehler, die umso größer werden, je höher die Bearbeitungsgeschwindigkeit ist [Groß00]. Dieser Effekt ist in Bild 5.14 dargestellt. Bei dieser Simulation wurde angenommen, dass sich die Zeitkonstanten der beiden Lageregelkreise (und damit deren KV–Faktoren) um den Faktor 5 unterscheiden.
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
141
Als Folge davon entstehen unterschiedlich große Schleppfehler in den beiden Achsen. Diese führen dazu, dass der Kreis, der eigentlich gefahren werden soll, sich zu einer Ellipse verflacht. Die Parameter der entstehenden Ellipse hängen vom Unterschied der KV–Faktoren ab. Bei Bewegungen mit gekoppelten Achsen im Raum hängt die Bahngenauigkeit von den KV– Faktoren der an der Bewegung beteiligten Achsen ab. Bei gekrümmten Bahnkurven entstehen auch bei identischen Geschwindigkeitsverstärkungen Bahnfehler.
5.1.6 Steuerungstechnische Maßnahmen zur Verringerung des Schleppfehlers Durch ein Erhöhen des P–Anteils im Lageregler lässt sich der KV–Faktor und damit der auftretende Schleppfehler nur bedingt vermindern (vgl. Übung 5.4). Um dennoch ein optimales Führungs– und Bahnverhalten zu gewährleisten, kann die Regelungsstruktur um Vorsteueralgorithmen ergänzt werden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist Gl. (5.24), die den Zusammenhang zwischen Geschwindigkeitsverstärkung und Schleppfehler beschreibt. xd
v* KV
KV
v* xd
lim K V
xd o0
f
(5.26)
Aus Gl. (5.26) geht hervor, dass eine Reduktion des Schleppfehlers im Umkehrschluss einer Steigerung der Geschwindigkeitsverstärkung entspricht [Best01]. Bei einem infinitesimal kleinen Schleppfehler steigt der KV–Faktor theoretisch auf Unendlich an. Bild 5.15 zeigt die Lageregelkreise der beiden Achsen xx und xy aus Beispiel 5.4. Sie erhalten ihre Positionssollwerte xx* sowie xy* von einer CNC–Steuerung. Sie ist so ausgelegt, dass sie für die beiden Achsen neben den Positionssollwerten zusätzlich noch die Geschwindigkeitssollwerte vx* sowie vy* ermittelt. Aus den Geschwindigkeitssollwerten können mit Hilfe der beiden Anpassfaktoren KnV,x und KnV,y Vorsteuerwerte nVx* sowie nVy* für die Drehzahlsollwerte berechnet und den beiden Drehzahlreglern als zusätzliche Führungsgrößen aufgeschaltet werden. Für die resultierenden Drehzahlsollwerte, die auf die Drehzahlregler wirken, gilt: nx*
nRx* nVx*
bzw.
ny*
nRy* nVy*
Ist die Vorsteuerung perfekt eingestellt, müssen die Lageregler lediglich die Einflüsse von Störgrößen ausregeln, die in der Modellbildung nicht berücksichtigt wurden. Mit vergleichsweise kleinen Stellbewegungen kann dies erreicht werden, ohne dass interne Begrenzungen der Regelgrößen erreicht werden. Änderungen der Führungsgrößen werden dagegen am Regler vorbeigeleitet. Allgemein führen Vorsteueralgorithmen bei Regelungen zu einem schnelleren Einstellen der geforderten Sollwerte. Bei Lageregelungen, die durch eine Drehzahlvorsteuerung ergänzt werden, verringert sich der geschwindigkeitsabhängige Schleppfehler deutlich. Nähere Informationen zur Auslegung der Vorsteuerung finden sich in [Groß00], Abschnitt 3.4.
142
Antriebs–Einzelleitebene
V
* x
K X
N *
x
N
n V ,x
R x
*
V x
N *
N *
x
V x
S o llw e rte rz e u g u n g (C N C -S te u e ru n g )
K V
h
x
S P
* y
K X
D re h z a h lre g e lk re is
P ,x
X x
y
N
n V ,y
N *
R y
*
*
N
V y
y
*
N
K
P ,x
V y
D re h z a h lre g e lk re is
h
y
X y
S P
Bild 5.15 Lageregelkreise mit Geschwindigkeitsvorsteuerung
5.1.7 Beeinflussung der Führungsgrößen Die Führungsgrößen xi* und vi* der Achse i, die für einen Positioniervorgang oder eine zu fahrende Bahn erforderlich sind, werden in der übergeordneten Steuerung ermittelt. Ihre Berechnung muss so erfolgen, dass keine der an der Bewegung beteiligten Achsen überlastet wird. Beispiel 5.5 Positioniervorgang Gegeben sind zwei Antriebe, die rechtwinklig zueinander angeordnet sind. Sie haben folgende Daten x–Achse: hSP = 5 mm nmax = 3000 min–1 z–Achse: hSP = 5 mm nmax = 3000 min–1 Beide Achsen sollen einen geradlinigen Positioniervorgang von der Stelle (10 mm, 10 mm) an die Position (110 mm, 210 mm) durchführen, bei dem die Bahngeschwindigkeit vBahn 300 mm/s beträgt. Wie lange dauert der Positioniervorgang, wenn die Zeiten für Beschleunigen und Bremsen vernachlässigt werden? Mit welcher Geschwindigkeit bewegen sich die einzelnen Achsen? Ermitteln Sie die für diese Geschwindigkeiten erforderlichen Drehzahlen. Lösung: Die Fahrstrecke 's beträgt ǻs
ǻx 2 ǻz 2
1002 mm 2 2002 mm 2
223.6 mm
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
143
Bei vernachlässigten Beschleunigungs– und Bremszeiten und einer Bahngeschwindigkeit von 300 mm/s dauert der Positioniervorgang 0.745 s. ǻs v
ǻt
223.6 mm mm 300 s
0.745s
( 1 1 0 ,2 1 0 )
D z v
B a h n
( 1 0 ,1 0 ) v
j v
z
D x x
Bild 5.16 Positioniervorgang aus Beispiel 5.5
Die Drehzahlen der beiden zugehörigen Antriebsmotoren ergeben sich nach Bild 5.16 aus der Bahngeschwindigkeit und den relativen Wegstrecken der Achsen.
M
arctan
ǻz ǻx
arctan
200 mm 100 mm
63.43q
vx
cos M vBahn
cos 63.43q 300
vz
sin M vBahn
sin 63.43q 300
mm s
mm s
mm nx s
vx 60 1610 min 1 hSP
mm s
vz 60 hSP
134.2 268.4
nz
3220 min 1
Es wird deutlich, dass die z–Achse bei diesem Positioniervorgang die maximal zulässige Drehzahl nmax überschreiten würde. Der Positioniervorgang kann so nicht durchgeführt werden. Bild 5.17 zeigt die Bahnkurve z = f(x), die sich ergibt, wenn keine der beiden Achsdrehzahlen den Grenzwert überschreitet. In diesem Fall wird der gewünschte Zielpunkt (110, 210) sicher angefahren. Wird die Achsgeschwindigkeit der x–Achse jedoch nicht verringert, obwohl die Drehzahlgrenze der z–Achse erreicht ist, entsteht die Bahnkurve zn,max = f(x). Sie beinhaltet einen deutlich sichtbaren Bahnfehler. Die gewünschte Zielposition wird verfehlt. Aus Beispiel 5.5 und Bild 5.17 wird deutlich, dass die Sollwerte der Achsen innerhalb der Steuerung so berechnet werden müssen, dass keine an der Bewegung beteiligte Achse interne Begrenzungen erreicht. In obigem Beispiel erfolgt dies durch Verringern der Bahngeschwindigkeit. Sie wird auf einen Wert abgesenkt, dass die schnellste Achse, also in diesem Fall die z–Achse, gerade mit maximaler Drehzahl betrieben wird.
144
Antriebs–Einzelleitebene 220 mm z
z
110 mm
z n,max
0 mm 0 mm
60 mm
x
120 mm
Bild 5.17 Auftretender Bahnfehler beim Ansprechen einer antriebsinternen Begrenzung; z = f(x): gefahrene Bahn bei unbegrenzter Drehzahl der z–Achse; zn,max = f(x): gefahrene Bahn, wenn die Drehzahl der z–Achse auf nmax begrenzt wird
Beispiel 5.6 Berechnung der maximalen Bahngeschwindigkeit Ermitteln Sie die maximale Bahngeschwindigkeit für den Positioniervorgang aus Beispiel 5.5. Lösung: Die maximal erlaubte Drehzahl beträgt 3000 min–1. Für den angegebenen Positioniervorgang ergibt sich die Verfahrgeschwindigkeit der schnellsten Achse aus Gl. (5.27). vz
nz hSP 60
3000 min 1 mm 5 mm 250 60 s
(5.27)
Daraus wird die zulässige Bahngeschwindigkeit ermittelt. vx
vz tan 63.43q
mm s tan 63.43q 250 2
vBahn
125
mm · § mm · § ¨ 125 s ¸ ¨ 250 s ¸ © ¹ © ¹
mm s 2
279.5
mm s
Der Lageregelkreis einer Achse verhält sich nichtlinear, wenn bei Positioniervorgängen antriebsinterne Strom– und / oder Spannungsbegrenzungen ansprechen. Dadurch treten dynamische Bahnverzerrungen auf. Bei dem in Beispiel 5.5 und Beispiel 5.6 dargestellten Positioniervorgang handelt es sich um eine sehr einfache Bewegung, bei der die Vermeidung interner Antriebsbegrenzungen durch eine vergleichsweise einfache Gleichung erfolgen kann. Komplexe Bewegungsabläufe, insbesondere wenn sie im Rahmen von mehrachsigen Bahnbewegungen auftreten, erfordern deutlich komplexere Berechnungen. In Abschnitt 6.1.5 wird erläutert, dass Antriebe mechanische Eigenfrequenzen aufweisen und schwingungsfähige Systeme darstellen. Je kleiner die niedrigste mechanische Eigenfrequenz und je geringer der Dämpfungsgrad der mechanischen Elemente ist, desto größer wird das Überschwingen über die Sollposition bei einem Beschleunigungs– oder Bremsvorgang. Bei Werkzeugmaschinen ist ein Überschwingen nur in engen Maßtoleranzen zulässig. Für reine Positionierachsen trifft dies ebenso zu wie für bahngesteuerte Vorschubantriebe, die bei Dreh– und Fräsmaschinen vorkommen. Abhilfe schafft eine Reduktion des KV–Faktors (vgl. Ab-
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe
145
schnitt 5.1.5). Diese Reduktion hätte nach Gl. (5.26) jedoch einen ansteigenden Schleppfehler zur Folge. Alternativ können in der Steuerung aber auch die vorgegebenen Zeitverläufe der Führungsgrößen verändert werden. Deren Beeinflussung erfolgt so, dass kein Bahnfehler auftritt, aber das Erreichen von Strom– und Spannungsbegrenzungen in den Vorschubantrieben sicher verhindert wird. Dies gelingt, wenn die von der Achse geforderten Beschleunigungen und ggf. auch deren zeitliche Ableitung, die Ruck genannt wird, begrenzt werden.
x Soll [mm]
100 75 50 25 0 0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
t [s] 0,7
0,6
Bild 5.18 In der Steuerung berechneter Zeitverlauf für xSoll(t)
Beispiel 5.7 Ermittlung von Geschwindigkeit und Beschleunigung In Bild 5.18 wird der Zeitverlauf für den Positionssollwert xSoll(t) der x–Achse dargestellt. Ermitteln Sie, mit welcher Geschwindigkeit vSoll,x(t) die Achse sich bewegen würde, wenn dieser Sollwert unverändert an den Antrieb übertragen wird. Welchen Beschleunigungen unterliegt die Achse in diesem Fall? Lösung: Am zeitlichen Verlauf von xSoll(t) sind zu den Zeitpunkten 0.1s, 0.2s sowie bei 0.6s Knickstellen zu erkennen. Zu diesen Zeitpunkten ändert sich offenbar die Verfahrgeschwindigkeit, die zwischenzeitlich konstant ist. Aufgrund des zeitlinearen Verlaufs von xSoll(t) kann die Verfahrgeschwindigkeit vSoll,x(t) aus der Steigung der Kurve ermittelt werden. vSoll,x (t )
dxSoll (t ) dt
vSoll,x (t 0.1s)
900
mm s
vSoll,x (0.1s t 0.2s) vSoll,x (0.2s t 0.6s) vSoll,x (0.6s t 0.7 s)
mm s mm 90 s mm 300 s
0
Bild 5.19 zeigt den Zeitverlauf für vSoll,x(t), der sich aus xSoll(t) ergibt. Bei einem unveränderten Sollwertverlauf xSoll(t) ändert sich die daraus abgeleitete Sollgeschwindigkeit an den Zeitpunkten 0.1s, 0.2s sowie 0.6s sprungförmig.
146
Antriebs–Einzelleitebene 1000
v Soll,x [mm/s]
800 600 400 200 0 -200 0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6 t [s]
0,7
-400
Bild 5.19 Aus dem Zeitverlauf xSoll(t) abgeleiteter Verlauf vSoll,x(t)
Abrupte Änderungen der Geschwindigkeit sind aber nur möglich, wenn der antreibende Motor unendlich hohe Beschleunigungen aufbringen kann. Dafür wären unendlich hohe Drehmomente erforderlich, die wiederum nur von unendlich hohen Motorströmen erzeugt werden können. Sprungförmige Änderungen der Sollgeschwindigkeit bedingen, dass Antriebe unendlich hohe Beschleunigungen und Drehmomente bereitstellen. Antriebsintern sprechen als Folge Strom– und Spannungsbegrenzungen an und führen zu dynamischen Bahnverzerrungen. Des Weiteren stimulieren die sprungförmigen Drehmomente vorhandene mechanische Eigenfrequenzen.
Begrenzung der Beschleunigung Unendlich hohe Beschleunigungswerte können vermieden werden, wenn der Führungsgrößenverlauf aus Bild 5.18 verändert wird. Dazu wird zunächst festgelegt, welcher Wert für die Beschleunigung maximal zulässig ist. Ausgehend von diesem Wert werden die Zeitverläufe xSoll(t) und vSoll,x(t) neu berechnet. Beispiel 5.8 Ermittlung von Zeitverläufen mit Begrenzung der Beschleunigung Berechnen Sie im ersten Teilabschnitt für 0 < xSoll(t) d 90 mm die Zeitverläufe aus Bild 5.18 und Bild 5.19 so, dass ein Maximalwert der Beschleunigung von 20 m/s2 nicht überschritten wird. Lösung: Der Zusammenhang zwischen Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung ergibt sich aus den physikalischen Grundgleichungen nach Gl. (5.28).
³ aSoll,x (t ) dt
vSoll,x (t ) xSoll (t )
³
vSoll,x (t ) dt
³³
aSoll,x (t ) dt dt
(5.28)
Die Vorgabe einer konstanten Beschleunigung aSoll,x(t) führt demnach zu einer zeitlinearen Änderung der Geschwindigkeit vSoll,x(t). Der Zeitlauf der Sollposition xSoll(t) wird parabelförmig. Zu Beginn des Zeitverlaufs ist die Berechnung einfach, da Gl. (5.28) auf den Ruhezustand mit vStart = 0 angewendet wird. Man erhält
Grundlagen geregelter elektrischer Antriebe vSoll,x (t ) xSoll (t )
³ aSoll,x (t ) dt ³ vSoll,x (t ) dt
147
mm vStart 20000 t 2 , s 0 1 mm 2 20000 t 2 s2
0 20000
10000
mm s2
t
mm 2 t s2
Wenn die Verfahrgeschwindigkeit von 900 mm/s erreicht ist, endet die Beschleunigungsphase. Mit dem Bremsvorgang muss rechtzeitig vor dem Erreichen des Endwertes von xSoll(t) = 90 mm begonnen werden. Das Abbremsen erfolgt ebenfalls mit der gegebenen Verzögerung von 20 m/s2. Mit Hilfe von Gl. (5.28) wird die Dauer des Bremsvorgangs abgeschätzt. vSoll,x (t )
900
mm aSoll,x (t ) dt s
³
Dauer des Bremsvorgangs: tBrems
mm mm 20000 t s s2 mm 900 s 0.045s mm 20000 2 s 900
Während dieser Zeit legt der Antrieb die Wegstrecke 'xSoll(W) zurück. ǻxSoll (W ) ǻxSoll (W )
tBrems
tBrems
³
ª mm mm º «900 s 20000 2 t » dt s ¬ ¼
0 tBrems 0
³
mm ª º «900 s ³ aSoll,x (W ) » dW ¬ ¼
³
vSoll,x (W ) dW
0
t
ǻxSoll (W ) ǻxSoll (W ) ǻxSoll (W )
ª mm 1 mm 2 º Brems 900 20000 W W » « s 2 s2 ¬ ¼0 ª mm 1 mm 2º «900 s tBrems 2 20000 2 tBrems » s ¬ ¼ mm mm 2 900 20.25 mm 0.045s 10000 0.045s s s2
Die Rechnung zeigt, dass 20.25 mm vor der angestrebten Endposition, also an Position 69.75 mm, mit dem Bremsvorgang begonnen werden muss. Für die weiteren Teilabschnitte des Positioniervorganges erfolgt die Berechnung analog. Insgesamt ergeben sich die Zeitverläufe aus Bild 5.20. Die Begrenzung der Beschleunigung auf 20 m/s2 führt zu linearen Verläufen der Geschwindigkeit während der Beschleunigungs– und Bremsphasen. Während der Beschleunigungsphasen ist der parabelförmige Zeitverlauf von xSoll(t) deutlich zu erkennen. Die Beschleunigungsbegrenzung verbessert die Bahngenauigkeit und reduziert die Beanspruchung der Vorschubantriebe, allerdings verlängert sich die Dauer des Positioniervorgangs. Im Unterschied zum Zeitverlauf aus Bild 5.18 wird bei der angesprochenen Beschleunigungsvorsteuerung die Zielposition xSoll(t) = 90 mm am Ende des ersten Teilabschnitts in Bild 5.20 erst zum Zeitpunkt 0.146 s erreicht.
148
Antriebs–Einzelleitebene
100
x Soll [mm]
75 50 25 0 0
0,1
0,2
0,3
0,4
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0
0,1
0,2
0,3
0,5
0,6 t [s] 0,7
v Soll,x [mm/s]
1000 500 0 0,5
0,6
t [s]
0,7
-500
2
a Soll,x [mm/s ]
21000
0 0,4
0,5
0,6
0,7 t [s]
-21000
Bild 5.20 Zeitverlauf der Führungsgrößen bei Beschleunigungsbegrenzung; oben: xSoll(t); mitte: vSoll,x(t); unten: aSoll,x(t)
Bei der geschwindigkeitsgesteuerten Lagesollwertvorgabe nach Bild 5.18 ist die erste Ableitung des Lagesollwerts xSoll(t), die Führungsgröße der Bahngeschwindigkeit vSoll,x(t), abschnittsweise konstant. Bei der beschleunigungsgesteuerten Lagesollwertvorgabe wird eine Begrenzung der Beschleunigung vorgenommen. Sie bewirkt, dass zusätzlich die zweite Ableitung des Lagesollwerts xSoll(t), die Führungsgröße der Beschleunigung aSoll,x(t), während einer Geschwindigkeitsänderung auf einen konstanten Wert begrenzt wird.
Begrenzung des Rucks Neben der Beschleunigung kann auch die dritte Ableitung des Lagesollwertes, die Führungsgröße der Beschleunigungsänderung, limitiert werden. Die zeitliche Ableitung der Beschleunigung wird Ruck genannt. Man bezeichnet dieses Verfahren auch als ruckgesteuerte Lagesollwertbildung. Die Zeitverläufe beider Vorgehensweisen sind einander in Bild 5.21 gegenübergestellt. Gestrichelt ist der Verlauf des Lagesollwerts gezeichnet, der sich für eine geschwindigkeitsgesteuerte Lagesollwertbildung ergibt, bei der weder eine Ruck– noch eine Beschleunigungsbegrenzung vorliegt. Die Bewegungsdauer verlängert sich mit jeder begrenzten Größe.
x Soll
149
x Soll
Verfügbare Antriebsfunktionen
t
v Soll,x
v Soll,x
t
a Soll,x
t
t
t
r Soll,x
r Soll,x
a Soll,x
t
t
t
Bild 5.21 Verlauf des Lagesollwerts; links: mit beschleunigungsbegrenzter Lagesollwertbildung; rechts: mit ruckgesteuerter Lagesollwertbildung
5.2 Verfügbare Antriebsfunktionen Geregelte Antriebe der beschriebenen Art werden in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Diese reichen von Werkzeug– über Produktionsmaschinen bis hin zu Robotern [Kiel07]. Allen Anwendungen ist gemeinsam, dass praxisgerechte Antriebe mehr Funktionalitäten bieten müssen, als das Anfahren vorgegebener Positionen. Diese Anforderungen werden im Folgenden erörtert. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Antrieb die Einstellung des Drehmomentes mit gewissen Qualitätsanforderungen bezüglich Dynamik und Gleichförmigkeit erfüllt.
150
Antriebs–Einzelleitebene
5.2.1 Stromrichterspezifische Funktionen Unter diesem Stichwort werden alle die Funktionen zusammengefasst, die für die Ansteuerung der Leistungshalbleiter und deren Schutz relevant sind. Neben der bereits angesprochenen Stromregelung aus Abschnitt 5.1.3 fällt darunter die Ermittlung der Zeitpunkte, an denen die einzelnen Leistungshalbleiter angesteuert werden müssen. Eine solche Funktionalität wird Steuersatz genannt. Seine Grundaufgabe besteht darin, den Mittelwert der Motorklemmenspannung so einzustellen, wie vom Stromregler verlangt. Näheres dazu findet sich in [Probst08].
5.2.2 Motorspezifische Funktionen Welche motorspezifischen Funktionen notwendig sind hängt zum Teil vom eingesetzten Motortyp ab. Bei einem Gleichstromantrieb werden hier im Wesentlichen Algorithmen zur Strombegrenzung zu finden sein, die dem Schutz des Motors – speziell des Kommutators – dienen. Um diesen nicht zu überlasten, wird der Ankerstrom bei sehr hohen Drehzahlen zurückgenommen. Die Begrenzungskennlinie muss auf den jeweiligen Motortyp einstellbar sein. Bei hohen Motordrehzahlen wird dessen Erregerfeld durch Vermindern des Erregerstroms geschwächt. Da Gleichstromantriebe heutzutage nur noch in Spezialfällen zum Einsatz kommen, wird diese Thematik hier nicht weiter vertieft. Drehstromantriebe erfordern weitere motorspezifische Funktionen. Dazu gehören u. a. Funktionen, die eine korrekte Feldorientierung gewährleisten. Abschnitt 3.1.3 erläutert die Thematik.
5.2.3 Standardfunktionen Alle Antriebsfunktionen werden in allgemeine und in projektierbare Anwendungsfunktionen gegliedert. Allgemeine Funktionen sind bei vielen Anwendungen erforderlich, für den Antriebshersteller einigermaßen voraussehbar und im Standardlieferumfang enthalten. Da die Antriebe in unterschiedlichen Branchen einsetzbar sein sollen, muss jeder Antriebshersteller auf große Flexibilität achten, um wettbewerbsfähig zu sein. Gegenüber den motor– und stromrichterspezifischen Funktionen sind die Standardfunktionen deutlich weniger zeitkritisch. Sie werden als Teil der Antriebsfirmware vom Hersteller als zeitoptimierte Funktionsblöcke programmiert. Der Anwender hat die Freiheit, diese Blöcke zu aktivieren, oder eben nicht. Üblicherweise geschieht die Aktivierung über Kommandos, die per Laptop und Schnittstelle an den Antrieb geschickt und dort netzausfallsicher gespeichert werden. Manche Hersteller erlauben die Einstellung auch über entsprechende Windows–Bedienoberflächen. Wenn in der gegebenen Anwendung kein Antiresonanzfilter benötigt wird, dann setzt der Anwender an der entsprechenden Stelle der Bedienoberfläche eben kein Häkchen und das Filter bleibt deaktiviert. Bei Standardfunktionen handelt es sich also um reines Aktivieren/Deaktivieren. Eine freie Programmierbarkeit, bei der die jeweilige Funktion an beliebiger Stelle im Signalflussplan erscheinen kann, besteht nicht.
Geschwindigkeitsmessung Jeder Antrieb erlaubt die Drehzahlregelung der Motorwelle. Dafür ist der Istwert der aktuellen Drehzahl notwendig, dessen Messung – abhängig von der erforderlichen Genauigkeit – auf unterschiedliche Arten erfolgen kann:
Verfügbare Antriebsfunktionen
151
x bei geringen Anforderungen an Dynamik und Genauigkeit wird eine Drehzahlregelung geberlos also ohne Messsystem durchgeführt. Bei dieser Vorgehenweise berechnet Antriebsrechner beispielsweise aus gemessenen elektrischen Größen einen Schätzwert für die aktuelle Drehzahl des Motors und verwendet ihn als Istwert für die Regelung. Ein solcher Rechenwert für die Drehzahl Z ergibt sich aus der Rotationsspannung uq. Für die Gleichstrommaschine gilt: uq
cm M Z Z
uq cm M
uA RA iA cm M
x Höhere Anforderungen an Dynamik und Genauigkeit erfordern einen motorseitigen Geber. Es stehen verschiedene Sensoren mit unterschiedlichen Genauigkeiten, Auflösungen und Auswerteverfahren zur Wahl (vgl. Abschnitt 4.3). x Bisweilen wird ein direktes Messsystem, also ein lastseitiger Geber, zur Ermittlung der Lastdrehzahl herangezogen.
Sollwertrampen Neben der Geschwindigkeitsregelung gehört auch eine Sollwertrampe nach Bild 5.22 zu den standardmäßig verfügbaren Funktionen. Sie wird auch Steilheitsbegrenzer genannt. Sie hat die Aufgabe, sprungförmige Änderungen der Zielgeschwindigkeit mehr oder weniger stark in zeitlich linear ansteigende oder abfallende Verläufe zu wandeln. Eingangsgröße ist die Zielgeschwindigkeit vset. Mit den beiden Parametern a1ref und a2ref wird die gewünschte Beschleunigung bzw. Verzögerung eingestellt, sodass sich die Sollgeschwindigkeit vsoll als Rampe einstellt. v
a
se t
-a
v 1 re f
v
s o ll
2 re f
v
se t
v
s o ll
t
Bild 5.22 Vereinfachtes Blockschaltbild der Sollwertrampe
Bei Antrieben, die im Wesentlichen mit konstanter Geschwindigkeit laufen sollen, ist es hin und wieder wünschenswert, auf einem Bedienpult nur die Tasten schneller und langsamer an Stelle eines Sollwertpotentiometers anzuordnen. In diesen Fällen muss kein analoger Sollwert vom Bedienpult bis zum Antriebsregler übertragen werden, sondern man kommt mit Binärsignalen aus. Im Antrieb wird ein Rampengeber benötigt, der auch als elektronisches Motorpotentiometer bezeichnet wird. Je nach Anwendung können weitere Rampengeber implementiert sein, bei denen beispielsweise nicht nur die Beschleunigung sondern auch der Ruck begrenzt wird.
152
Antriebs–Einzelleitebene
Antiresonanzfilter Mit steigender Dynamik der Antriebsregelkreise werden Regelbandbreiten erzielt, die mechanische Resonanzen anregen können. Sie führen bei scharf eingestelltem Drehzahlregelkreis zu Mitkopplungen und können das Gesamtsystem empfindlich stören. Um deren Frequenzanteile aus dem Istwertsignal der Geschwindigkeit zu eliminieren, sind üblicherweise ein oder mehrere parametrierbare Bandsperrenfilter vorgesehen. Nach der Ermittlung der Resonanzfrequenz an der jeweiligen Mechanik werden für das Filter Eckfrequenz und Sperrbreite so eingestellt, dass die störenden Frequenzanteile verschwinden.
Lageregelung Viele Anwendungen erfordern genaue Positioniervorgänge. Bei den erwähnten Werkzeugmaschinen und dem Materialfluss in Fabriken ist dies ebenso der Fall wie bei der Ventilsteuerung in chemischen Anlagen, bei Aufzügen, Schachtförderanlagen oder sonstigen Transportsystemen. Bild 5.3 zeigt im Rahmen der Kaskadenregelung dazu ein vereinfachtes Blockschaltbild. Das dynamische Verhalten der Last ist je nach Anwendung und angeschlossener Mechanik sehr unterschiedlich und enthält in vielen Fällen eine Elastizität, nichtlineare Reibung oder Lose.
Elektronisches Nockenschaltwerk, positionsabhängige Triggersignale Ein Nockenschaltwerk ist ein elektromechanisches Bauelement und dient dazu, mittels einer Nocke elektrische Kontakte zu bestimmten Zeiten zu öffnen oder zu schließen. Das Prinzip wird in Bild 5.23 erläutert. Das mechanische Nockenschaltwerk betätigt den Kontakt, wenn der Tisch sich nach links bewegt. Der Kontakt bleibt über die Länge der Nocke geschlossen. Jeder mechanische Kontakt stellt einen Ausgang dar. Mehrere parallel angeordnete Kreise ergeben die Anzahl der Ausgänge. K o n ta k t T is c h
M o to r
E n c o d e r
S p in d e lm u tte r
N o c k e
Bild 5.23 Prinzipdarstellung eines mechanischen Nockenschaltwerks mit einem Ausgang
Verfügbare Antriebsfunktionen
153
Das Grundprinzip des mechanischen Nockenschaltwerkes wurde auf die elektronischen Nockenschaltwerke übertragen. Die Programmierung einer Nocke geschieht über die Eingabe eines Einschalt– und eines Ausschaltpunktes. Zwischen beiden Punkten wird der Ausgang durch den Antriebsrechner eingeschaltet. Ein– und Ausschaltbedingung werden als Parameter im Antrieb hinterlegt. Sie können orts– oder orts– und zeitabhängig sein. Gegenüber den mechanischen Nockenschaltwerken sind mit den elektronischen Nockenschaltwerken erweiterte Funktionalitäten möglich, beispielsweise können Nocken dynamisch verschoben werden. Manche Applikationen – beispielsweise Halbleiterinspektionssysteme oder Digitalisieranwendungen – erfordern die Erzeugung von Triggersignalen in Abhängigkeit vom zurückgelegten Weg oder der aktuellen Position einer Achse. Beide Verfahren erfordern die Aufnahme von Bildern bzw. Messwerten in äquidistanten Abständen. Um die Bildaufnahme bzw. die Messung zu starten, muss der Antrieb ein Signal bereitstellen. Die Erzeugung eines solchen Triggersignals im Abstand von 0.02 mm setzt eine Auflösung der gemessenen Achsposition voraus, die eine Größenordnung besser ist. Des Weiteren muss der Antrieb die Positionserfassung auch hinreichend schnell durchführen, damit die Ausführungsgeschwindigkeit nicht leidet. Beispiel 5.9 zeitliche Anforderungen für die Ausgabe eines Triggersignals Schätzen Sie ab, welche Messzeit erforderlich ist, um im Abstand von 0.02 mm ein Triggersignal auszugeben, wenn die Verfahrgeschwindigkeit der Achse 0.5 m/s beträgt. Beurteilen Sie, ob diese Anforderung mit einem Servo–Antrieb erfüllt werden kann. Lösung: Der zeitliche Abstand zwischen zwei Messpunkten beträgt ǻt
ǻs v
0.02mm mm 500 s
40μs
Bei konstanter Verfahrgeschwindigkeit v wird also alle 40 μs ein Triggersignal ausgegeben. Zur Einhaltung der erforderlichen Positionsgenauigkeit muss die tatsächliche Istposition wesentlich häufiger ermittelt werden. Bei Antrieben, die Encoder mit sinusförmigen Ausgangssignalen einsetzen, kann eine Positionsermittlung nicht schneller erfolgen, als die Wandlungszeit der beteiligten AD–Umsetzer beträgt (vgl. Abschnitt 4.3.3) und die im unteren μs–Bereich liegt. Herkömmliche Servoantriebe sind hier aufgrund der rechenzeitintensiven Positionserfassung überfordert. Aus diesem Grund ist eine feine Positionsauflösung bei hohen Verfahrgeschwindigkeiten mit Servo– Antrieben nicht möglich. Schrittantriebe können diese Aufgabe wesentlich besser und schneller erledigen, da sie keinerlei Positionsmessung benötigen und – bei Mikroschrittansteuerung – dennoch in der Lage sind, die Achsposition steuerungstechnisch bis in den sub–μ Bereich hinein aufzulösen ([ProAT00], [ProCH00]).
Echtzeiteingang Eine ähnliche Anwendung liegt vor, wenn beim Eintreten externer Ereignisse die zu diesem Zeitpunkt vorliegende Achsposition erfasst und die gerade laufende Bewegung abgebrochen
154
Antriebs–Einzelleitebene
werden soll. Typische Anwendungen sind das automatische Anmessen von Werkstücken bei Werkzeugmaschinen.
M o to r
A n trie b s re g le r
In Bild 5.24 ist schematisch ein Aufbau dargestellt, bei dem das Werkstück an beliebiger Position auf dem Maschinentisch aufgespannt ist, und die Achse sich mit konstanter Geschwindigkeit nach rechts bewegt. Sobald die Kugel des grauen Tastkopfs die Werkstückkante berührt, muss die Bewegung abgebrochen werden. Damit der Antrieb die Position, an der der Messeingang ausgelöst hat, erfassen und an die überlagerte Steuerung weiterreichen kann, muss die zum Messzeitpunkt vorliegende Achsposition gespeichert werden. Bei Servoantrieben sind am Antriebsregelgerät für diese Funktion schnelle Messeingänge notwendig. Ihnen muss ein Programm zugeordnet sein, das sofort beim Auftreten des Signals ausgeführt wird. Es ermittelt die Achsposition und legt sie an geeigneter Stelle zur Weiterverarbeitung ab. Selbstverständlich ist diese Funktion grundsätzlich auch mit Schrittantrieben möglich.
W e rk s tü c k M a s c h in e n tis c h
Bild 5.24 Messwerterfassung mit schnellem Messwerteingang am Beispiel einer Werkzeugmaschine
Auswertung eines direkten Messsystems Wenn die Positionserfassung allein über den Motorgeber vorgenommen wird, muss die mechanische Übersetzung exakt bekannt und zeitinvariant sein, damit die berechnete Lastposition korrekt ist. Verändert sich – etwa durch Reibungswärme – die Steigung der Kugelgewindespindel, so wird die tatsächliche Lastposition von mit dem Motorgeber gemessenen Position abweichen. Präzisionsanwendungen, wie sie bei Werkzeugmaschinen mit hohen Genauigkeitsanforderungen vorliegen, machen die Auswertung eines direkten Messsystems zusätzlich zum Motorgeber erforderlich. Dessen Einsatz bedingt, dass an den beteiligten Antrieben neben dem Motorgeber ein zusätzliches Messsystem angeschlossen und ausgewertet werden kann. Nicht alle Antriebe unterstützen dies, hin und wieder kann diese Funktionalität aber optional durch das Aufstecken einer Erweiterungskarte erreicht werden. Übung 5.5 An einen Motor ist ein optischer Geber angeschlossen, der eine Strichzahl von 1000 Inkrementen pro Umdrehung aufweist und Rechtecksignale ausgibt. Der Motor treibt eine
Verfügbare Antriebsfunktionen
155
vorgespannte Gewindespindel aus Stahl mit einer Steigung von 5 mm an. Ermitteln Sie den absoluten und den relativen Positionierfehler bei einer Temperaturerhöhung der Spindel von 50 K (DStahl = 12 10–6/K). Der Antrieb verfährt im kalten Zustand der Spindel einen Weg von 5.5 mm. Wieviele Zählimpulse des optischen Gebers werden von der Auswerteschaltung erfasst? Wie ändert sich dieser Wert, wenn derselbe Positioniervorgang bei warmer Spindel erfolgt? Welche Problematik erkennen Sie und wie lässt sich diese beseitigen?
Feldbus, Zu Zeiten, in denen die Antriebe mit analoger Regelung ausgestattet wurden, war die Schnittstelle zwischen ihnen und den überlagerten Steuerungen ein Analogsignal. Je nach Antriebseinstellung wurde es entweder als Drehmoment– oder Drehzahlsollwert interpretiert und hatte einen Wertebereich von ±10V. Für jeden Antrieb war ein eigener Analogausgang der SPS erforderlich. Die gesamte Prozessregelung war in der überlagerten Steuerung zentral realisiert. Ein– und Ausgänge der SPS zur Prozessperipherie wurden weitgehend zentral an der Steuerung vorgehalten. Bild 5.25 zeigt Einzelheiten. n A n a lo g K a n ä le +- 1 0 V
1 2
3
...
A n trie b s re g le r
A n trie b s re g le r
... A n trie b s re g le r
A n trie b s re g le r
S P S
E A fü r P ro z e ss
n
Bild 5.25 Steuerungsstruktur und Verkabelung bei Verwendung analog geregelter Antriebe
Digital geregelte Antriebe ermöglichen sehr viel mehr spezifische Intelligenz in den Antrieben und fördern dadurch die Dezentralisierung. Gleichzeitig erfordert dies aber, dass der Informationsaustausch zwischen Steuerung und Antrieben umfangreicher wird und nicht auf reine Sollwertübergabe beschränkt bleibt. Als Schnittstelle zwischen Antrieb und Steuerung wird ein digitales Kommunikationssystem verwendet, mit dem u. a. Daten übertragen werden, die alternativ Drehmoment–, Drehzahl– oder aber Lagesollwert darstellen. Dies ist bei digitaler Übertragung auch für Lagedaten möglich, da die Auflösung der zu übertragenden Größen bei digitaler Übertragung im Gegensatz zur analogen Sollwertvorgabe nicht mehr eingeschränkt ist. Zusätzlich zu den zyklisch über-
156
Antriebs–Einzelleitebene
tragenen Sollwerten kann der Antrieb azyklisch Statusinformationen an die Steuerung weiterleiten. Flexibilität, Fehlerdiagnose, Wartung und Service lassen sich so drastisch verbessern und vereinfachen. Beispiel 5.10 Prüfen Sie, ob Lagesollwerte analog übertragen werden können Gegeben ist ein Antrieb für die Achse einer Werkzeugmaschine. Der Verfahrweg beträgt 500 mm. Die geforderte Positioniergenauigkeit beträgt 10 μm. Ist die Vorgabe des Lagesollwertes über die analoge r 10 V Schnittstelle möglich? Lösung: Es werden 50.000 Inkremente benötigt, um den Sollwert für den maximalen Verfahrweg mit der geforderten Auflösung darzustellen. 500 mm 10μm
50.000
ǻU soll
20 V 50000
400μV
Der analoge Sollwert müsste um 400 μV geändert werden, damit eine Änderung des Lagesollwertes von 10 μm an den Antrieb gemeldet werden kann. Bei einem Spannungshub von 20V wäre ein AD–Wandler mit mindestens 16 bit Auflösung erforderlich. Solche Wandler sind prinzipiell verfügbar. Ebenfalls notwendig ist aber eine Übertragungsstrecke, die diese kleinen Spannungswerte störungsfrei zwischen Steuerung und Antrieb austauscht. Daher scheidet eine analoge Übertragung des Lagesollwertes an Antriebe aus. Das einfachste und bekannteste Beispiel für eine digitale Übertragung ist die RS 232, die in der Bürokommunikation zwar weitgehend verschwunden, bei industriellen Anwendungen jedoch noch häufig zu finden ist. Bei dieser Schnittstelle handelt es sich um eine Punkt zu Punkt Verbindung zwischen zwei Teilnehmern. Bei industriellen Anwendungen kann diese Schnittstelle i. A. nicht verwendet werden, da in der Regel mehr als zwei Geräte an der Kommunikation beteiligt sind. Im Übrigen sind die Übertragungsgeschwindigkeit und –sicherheit vergleichsweise gering. Tabelle 5.1 Anforderungen an echtzeitfähige Kommunikationssysteme für Antriebe Verbinden vieler Antriebe mit der Steuerung Übertragungssicherheit Trennung in Prozessdaten und Bedarfsdaten Echtzeit hohe Datenbandbreite Determinismus Synchronisation
Mehrere (viele) Teilnehmer müssen adressiert werden können auftretende Übertragungsfehler müssen erkannt werden Zyklische Daten müssen pünktlich und mit geringen zeitlichen Schwankungen eintreffen. Alarmmeldungen müssen sich von anderen Meldungen abheben und schneller bearbeitet werden können (Priorität, Wichtigkeit). Die Übertragung muss angemessen schnell vor sich gehen. Die notwendige Übertragungszeit darf den zu steuernden Prozess nicht negativ beeinflussen Das zeitliche Verhalten der Kommunikation muss vorhersagbar sein. Eine Synchronisation mehrerer angeschlossener Teilnehmer über den Feldbus muss möglich sein
In den vergangenen Jahren wurde eine ganze Reihe von speziellen Kommunikationsschnittstellen, sogenannten Feldbussen, zwischen digital arbeitenden Geräten entwickelt. Sie haben
Verfügbare Antriebsfunktionen
157
die Aufgabe, Daten zwischen den Teilnehmern fehlerfrei in Echtzeit auszutauschen. Tabelle 5.1 gibt einen Überblick über die Anforderungen an derartige Kommunikationssysteme. Die eigentliche Kommunikationsgeschwindigkeit darf nicht mit der Datenrate verwechselt werden. Obwohl die allgemeine Datenkommunikation beispielsweise über Postnetze mit sehr hohen Übertragungsraten arbeitet (> 500MBit/s) ist damit keine Zusage über Kommunikationszeiten für beliebige Netzbenutzer verbunden. Für den Austausch von Prozessdaten ist der Zeitbezug aber von ausschlaggebender Bedeutung. Eine wichtige Kenngröße für diese Echtzeitsysteme ist daher die Zeitspanne, die im ungünstigsten Fall vergeht, bis ein Datensatz von der Steuerung in den Antrieb übertragen wurde und dort verfügbar ist. Die Ermittlung dieser Zeitspanne darf sich nicht auf die reine Übertragungszeit beschränken, sondern muss die gesamte Kommunikationszeit auf Anwenderebene berücksichtigen. Bei modernen Antrieben ist der Feldbus Bestandteil hochdynamischer Regelkreise. Dies ist immer dann gegeben, wenn der Lageregler in der Steuerung berechnet wird. In diesem Fall muss der Ausgang des Lagereglers – also der Drehzahlsollwert – an den Drehzahlregler im Antrieb übertragen werden. Die hierfür aufzuwendende Kommunikationszeit tritt aus regelungstechnischer Sicht als Totzeit in Erscheinung. Da Totzeiten destabilisierend wirken können, liegen in diesem Zusammenhang besonders hohe Geschwindigkeits– und Pünktlichkeitsanforderungen vor. Für die Kommunikation bei Antrieben ist daher eine hohe Kommunikationsgeschwindigkeit und geringe räumliche Ausdehnung charakteristisch.
E c h tz e itk la s s e n
IV III II I 1 µ s
1 0 µ s
1 0 0 µ s
1 m s
1 0 m s
1 0 0 m s 1 s 1 0 s R e a k tio n s z e ite n / J itte r
Bild 5.26 Klassifizierung der Echtzeitanwendungen; I: Gebäudetechnik, Leit– und Automationsebene, Lagersysteme; II: Förderanlagen, einfache Regelungen ; III: Werkzeugmaschinen, Roboter, schnelle Prozesse; IV: Hochdynamische, synchronisierte Prozesse, elektronische Getriebe
Mit der Anzahl der an die Steuerung angeschlossenen analogen Antriebe steigt der Verkabelungsaufwand nach Bild 5.25 deutlich an. Zudem ist die analoge r10 V Schnittstelle unidirektional und kann lediglich Informationen von der Steuerung an den Antrieb liefern. Das Auslesen von Diagnosewerten aus den Antrieben durch die Steuerung ist nicht möglich. Ein wichtiges Ziel bei der Entwicklung von Feldbussen war es daher, den Verkabelungsaufwand bei großen Anlagen zu verringern, die Diagnose zu verbessern und die Fehlerrate bei Montage und Betrieb zu senken. Die einzuhaltende Echtzeit lag im Bereich von einigen ms, da die zu steuernden und zu regelnden Prozesse ohnehin nicht schneller reagieren konnten. Es war unerheblich, ob ein digitaler Ausgang A 10ms früher geschaltet wurde als der digitale Ausgang B. Der
158
Antriebs–Einzelleitebene
Einsatz von Feldbussen versprach Vorteile wie eine bessere Übersichtlichkeit, modulare Erweiterbarkeit und drastisch verringerter Verkabelungsaufwand. Anfang der 90er Jahre kamen die ersten digitalen Antriebe auf den Markt. Ursprünglicher Ansatz war es, die bestehenden Feldbusse der allgemeinen Prozessautomation auch zur Kommunikation zwischen Antrieben und den übergeordneten Steuerungen einzusetzen. Zwangsläufig rückte die Echtzeitfähigkeit der bestehenden Feldbusse nach Bild 5.26 in den Blickpunkt. Bei koordinierter Bewegungsführung muss das Kommunikationssystem nämlich nicht nur die Sollwerte übertragen, sondern auch die an der Bewegung beteiligten Antriebe im Bereich weniger μs (!) synchronisieren. Bestehende Feldbusse der Anlagenautomation sind damit völlig überfordert. Eine zyklische, μs–genaue Synchronisation von Antrieben erforderte es, entweder bestehende Bussysteme (CAN) mit zusätzlichen Maßnahmen (CANSync) so auszustatten, dass die Anforderungen der Antriebe sichergestellt werden konnten, oder neue Kommunikationssysteme (Profibus–DP, Sercos, Ethernet–Powerlink, EtherCat u.a.) zu entwerfen. Diese Entwicklung ist keineswegs abgeschlossen. Die Bussysteme zur Zeit so erweitert, dass neben Sollwerten, Parametern und Statusinformationen auch sicherheitsrelevante Informationen über den Bus übertragen werden können. In modernen Anlagen kommen aus diesen Gründen u. U. mehrere unterschiedliche Bussysteme für hohe und geringe Pünktlichkeitsanforderungen zum Einsatz. Bild 5.27 zeigt ein Beispiel aus einer Werkzeugmaschine. s c h n e lle V e rb in d u n g S P S < = > C N C
S P S
C N C S te u e ru n g s c h n e lle r A n trie b s b u s
A n trie b s re g le r
A n trie b s re g le r
A n trie b s re g le r
A n trie b s re g le r
A n trie b s re g le r
... S P S E A
...
S P S E A
la n g s a m e r F e ld b u s
1 2
3
4 5
Bild 5.27 Busstruktur bei einer Werkzeugmaschine
Aufgrund der Vielzahl von augenblicklich konkurrierenden Feldbussen werden entsprechende Kommunikationsadapter bei den meisten Antrieben optional als steckbare Module angeboten. Somit gehört kein bestimmter Feldbus zu den Standardfunktionen, wohl aber die Fähigkeit, einen solchen anzuschließen.
Verfügbare Antriebsfunktionen
159
Begrenzung des Verfahrbereiches Der Verfahrbereich bei translatorischen Antrieben muss zum Schutz der an den Motor angeschlossenen Mechanik eingegrenzt werden. Zu diesem Zweck werden unterschiedliche Maßnahmen eingesetzt: Sicherheitsendschalter sind in die NOTAUS–Kette der Anlage eingebunden. Wenn sie durch Überfahren ausgelöst werden, wird die Energieversorgung der Antriebe über das zugeordnete NOTAUS–Schaltgerät vom Netz getrennt. Je nach programmierter Antriebsreaktion trudeln die Antriebe aus oder bremsen mit dem eingestellten maximalen Bremsmoment die Bewegung ab, um mechanische Beschädigungen durch Kollision beweglicher Teile mit den feststehenden Anschlägen zuverlässig zu vermeiden. Im normalen, störungsfreien Betrieb werden Sicherheitsendschalter nie angefahren. Sicherheitsendschalter werden durch programmierbare Verfahrbereichsgrenzen ergänzt. Da diese mittels der Bediensoftware eingestellt und verändert werden können, werden sie auch Softwareendschalter genannt. Vor der Ausführung einer Bewegung überprüft der Antrieb, ob die von der Steuerung geforderte Sollposition innerhalb des durch die programmierbaren Verfahrbereichsgrenzen zugelassenen Bereiches liegt. Wenn die Sollposition den zulässigen Verfahrbereich über– oder unterschreitet, wird die Bewegung nicht zugelassen. S ic h e rh e its e n d s c h a lte r T is c h
M o to r
E n c o d e r
S p in d e lm u tte r
x
Bild 5.28 Prinzipdarstellung der Sicherheitsendschalter als Fahrbereichsbegrenzung
Übung 5.6 Die Nocken zum Auslösen der Sicherheitsendschalter in Bild 5.28 sind so eingestellt, dass sich Fahrbereichsgrenzen von –5 mm < x < 385 mm ergeben. Bestimmen Sie zulässige Werte für die Softwareendschalter xSWmin sowie xSWmax.
Elektronisches Getriebe Ein mechanisches Getriebe erzeugt aus einer Eingangsdrehzahl mit dem gegebenen Übersetzungsverhältnis eine Abtriebsdrehzahl. Das Drehzahlverhältnis von Ein– und Abtriebsseite entspricht der Getriebeübersetzung. I. d. R. kann das Übersetzungsverhältnis eines mechanischen Getriebes nicht ohne weiteres geändert werden.
160
Antriebs–Einzelleitebene
Elektrische Antriebe ermöglichen die Realisierung von konstanten Drehzahlverhältnissen zwischen einer Führungsachse und einer oder mehreren Getriebeachsen ohne Einsatz mechanischer Getriebe. Eine derartige Funktionalität wird als elektronisches Getriebe bezeichnet. Wie bei einem mechanischen Getriebe stehen die Getriebeachsen in einem bestimmten Verhältnis zur Führungsachse. Letztere muss physikalisch nicht unbedingt vorhanden sein. Viele Hersteller unterstützen auch virtuelle Führungsachsen. Typischerweise wird bei elektronischen Getrieben zwischen Drehzahl– und Winkelgleichlauf der Getriebeachsen unterschieden. Winkelgleichlauf wird eingesetzt, wenn das Material keine Kraft aufnehmen kann und keine bleibende Lageabweichung zwischen den beiden Abtriebsachsen vorhanden sein darf. Ein Drehzahlgleichlauf wird verwendet, wenn das Material Kraft aufnehmen kann. Üblicherweise entsteht ein besserer Rundlauf als beim Winkelgleichlauf. Beispiel 5.11 Typische Anwendungen für Winkel– und Drehzahlgleichlauf Zum Antrieb der Brücke einer Werkzeugmaschine nach Bild 5.29 a) werden häufig zwei Antriebsmotoren verwendet, die von unterschiedlichen Reglern gespeist werden. Damit die Brücke parallel läuft, müssen beide Antriebe im Winkelgleichlauf betrieben werden. Im Unterschied dazu ist in Bild 5.29 b) der Ausschnitt eines Walzwerks dargestellt. Die unteren Walzen der beiden Gerüste werden jeweils von einem Motor angetrieben. Diese Antriebe können im Drehzahlgleichlauf arbeiten, da das Walzgut Zugkräfte aufnehmen kann.
a )
M o to r W a lz g e rü st 2
W a lz g e rü st 1
B rü c k e
M o to r
B rü c k e
b )
Bild 5.29 Vorderansicht (oben) und Draufsicht (unten) auf a) eine Werkzeugmaschine, die zum Antrieb der Brücke zwei unabhängige Antriebe mit Winkelgleichlauf verwendet sowie b) Walzgerüste, die im Drehzahlgleichlauf betrieben werden
Sowohl das Übersetzungsverhältnis als auch der Drehwinkel der Getriebeachsen zueinander können über Antriebsparameter während der Bewegung geändert werden. Dies ist notwendig, wenn – wie bei Wickelmaschinen – die Anpassung des Übersetzungsverhältnisses während des Betriebes erfolgen muss. Im Allgemeinen sind sowohl gleiche als auch unterschiedliche Drehrichtungen für die Getriebeachsen möglich.
Elektronische Kurvenscheiben Aus der KFZ–Technik ist das Prinzip der Nockenwelle von den Verbrennungsmotoren bekannt. Die Hubbewegungen der Ein– und Auslassventile werden nach Bild 5.30 mittels mechanischer Nocken winkelsynchron zur Drehbewegung der Kurbelwelle gesteuert. Zur Beein-
Verfügbare Antriebsfunktionen
161
flussung solcher Bewegungen sind eine Fülle von mechanischen Übertragungselementen und Lagern notwendig. Vergleichbare Maßnahmen sind im Maschinen– und Anlagenbau erforderlich, um komplexe Bewegungen von Nebenachsen aus der Bewegung einer Hauptachse abzuleiten. Bei diesen Anwendungen wird die Nocke als mechanische Kurvenscheibe bezeichnet. Eine Änderung der mechanisch programmierten Bewegung kann nur über ein Verdrehen bzw. den Austausch der jeweiligen mechanischen Nocken erfolgen, die stets zeitaufwändige mechanische Umbauten benötigen. m e c h a n is c h e s Ü b e rtra g u n g s e le m e n t L a g e r m e c h a n is c h e K u rv e n s c h e ib e M o to r
Bild 5.30 Prinzipdarstellung einer mechanischen Kurvenscheibe
In zunehmendem Maß werden derartige mechanische Konstruktionen durch sogenannte elektronische Kurvenscheiben ersetzt, die letztendlich eine Erweiterung des elektronischen Getriebes darstellen. Gegenüber mechanischen Lösungen liegen ihre Vorteile in deutlich geringerem Konstruktionsaufwand und geringerer Ersatzteilhaltung. Zusätzlich ergeben sich bei Produktionsumstellung wesentlich schnellere Umrüstzeiten, da keine mechanischen Kurvenscheiben ausgetauscht werden müssen. Stattdessen kann ein neuer Parametersatz für eine andere elektronische Kurvenscheibe generiert, in den Antrieb eingespielt und aktiviert werden. Eine elektronische Kurvenscheibe beschreibt als Koppelfunktion den nichtlinearen Zusammenhang zwischen einer Leitachse und einer oder mehreren Folgeachsen. Die Koppelfunktion wird als tabellarischer Parametersatz in der Folgeachse hinterlegt. Eingangsgröße der Tabelle ist die Istposition der Masterachse. Ausgehend von deren momentanen Wert wird die Sollposition der Folgeachse aus den tabellierten Werten bestimmt. In einem festen Zeitraster sendet die Leitachse ihre aktuelle Istposition an alle Folgeachsen. Diese ermitteln aus der empfangenen Leitachsposition ihre Lagesollwerte für den kommenden Regelzyklus. Es versteht sich von selbst, dass die Ermittlung und Übertragung der Istposition der Leitachse an die Folgeachsen mit deren Lageregeltakt synchronisiert werden muss. Diese Aufgabe übernimmt der für die Kommunikation zwischen den Antrieben verwendete Feldbus. Als Beispiel zeigt Bild 5.31 eine mögliche Anordnung von Leit– und Folgeachse. Zur Verdeutlichung ist der Umriss der Kurvenscheibe, die die z–Achse in Verbindung mit der Drehachse abfährt, grau dargestellt. Eine mechanische Kurvenscheibe dieser Form wäre auf der Welle der Drehachse notwendig, um die Bewegung der z–Achse konventionell aus dem Drehwinkel der Drehachse abzuleiten.
162
Antriebs–Einzelleitebene
z z
M o to r D re h a c h se Bild 5.31 Beispielhafte Anordnung von Leit– und Folgeachse j
In der konkreten Anwendung ist diese Scheibe so jedoch nicht vorhanden. Die Kopplung beider Achsen erfolgt stattdessen elektronisch über die angesprochene Koppelfunktion, die in Bild 5.32 wiedergegeben ist. Danach verharrt die Folgeachse in ihrer Ruheposition von 75 mm, solange der Drehwinkel der Leitachse kleiner als ca. 10° bleibt. Dreht sich die Leitachse weiter bis zu einem Drehwinkel von ca. 60°, so fährt die Folgeachse gemäß der Koppelfunktion bis auf eine Position von 25 mm. Eine Drehung der Leitachse über 72° hinaus bewirkt ein Hochfahren der Folgeachse bis auf einen Positionswert von 65 mm. Im Drehwinkelbereich zwischen 120° und 240° bewegt sich die Folgeachse nicht. Drehwinkel zwischen 240° und ca. 300° bewegen die Folgeachse wiederum auf die Position 35 mm. Eine weitere Drehung der Leitachse auf 360° sorgt dafür, dass die Folgeachse wieder zurück in ihre Ausgangsposition fährt. 90 mm
zSoll [mm]
75 mm 60 mm 45 mm 30 mm 15 mm 0 mm 0
24
48
72
96 120 144 168 192 216 240 264 288 312 336 360 Ist-Drehwinkel Leitachse [°]
Bild 5.32 Beispiel für eine Definition von Kurvenscheiben: Kurvenscheibe als tabellierte Koppelfunktion zSoll = f(Drehwinkel);
Verfügbare Antriebsfunktionen
163
Jeder Position der Leitachse ist demnach genau eine Position der Folgeachse zugeordnet. Bild 5.33 zeigt einen Umriss der Kurvenscheibe, der aus der Koppelfunktion von Bild 5.32 durch andere graphische Darstellung ermittelt wurde.
336 324 312
348360
0
12 24
48 60
300
72
288
84
276 264 252 240 228 216
36
96
204 192
180 168
108 120 132 144 156
Bild 5.33 Beispiel für eine Definition von Kurvenscheiben; Darstellung der abgefahrenen Kurvenscheibe als Umriss
Die Leitachse kann sich gewöhnlich in beliebiger Richtung vorwärts und rückwärts bewegen. Vor und nach der aktuellen Leitachsenperiode schließen sich für zyklische Kurvenscheiben unbegrenzt viele Kopien der Leitachsenperiode an. Geschwindigkeiten und Beschleunigungen, die an der Folgeachse auftreten, hängen über die Form der Kurvenscheibe von der Geschwindigkeit und Beschleunigung der Leitachse ab. Die Folgeachse muss daher so dimensioniert werden, dass sie die auftretenden Spitzenwerte bereitstellen kann. Üblicherweise bieten die Hersteller, deren Antriebe elektronische Kurvenscheiben unterstützen, eine Softwarelösung an. Mit ihrer Hilfe können Kurvenscheiben erstellt und in den Antrieb übertragen werden. Die erstellten Kurvenscheiben können mit Hilfe dieser Programme beliebig gestaltet werden, ihre Form ist aber im Betrieb nicht mehr veränderbar.
Elektrische Welle Anhand der Daten einer modernen Abfüll– und Verpackungsmaschine für flüssige Lebensmittel wird die elektrische Welle erläutert. Die elektrische Anschlussleistung solcher Anlagen beträgt ca. 100 kW. Innerhalb einer solchen Anlage erfolgt die Flaschenzufuhr, ihr Befüllen mit Füllgut, das Anbringen und Verschweißen der Flaschendeckel sowie das Ausheben der verschlossenen Flaschen auf ein Abtransportband. Die Leistung solcher Maschinen beträgt bis zu 48.000 Flaschen pro Stunde. Zur Abarbeitung der o. g. Aufgaben ist eine Fülle von koordinierten Einzelbewegungen erforderlich. Bei rein mechanischen Lösungen werden diese Einzelbewegungen über eine mechanische Königswelle (auch Hauptwelle genannt) über mechanische Kurvenscheiben erzeugt und abgeleitet. Die Königswelle durchzieht die gesamte Maschine und wird über ein Getriebe von einem zentralen elektrischen Motor angetrieben. Auf der Hauptwelle sind je nach Anwendung mehrere bis viele Kurvenscheiben angebracht, von denen die jeweiligen Einzelbewegungen über Hebel und Rollen abgeleitet werden. Der Durchmesser solcher Hauptwellen kann bis zu 100 mm betragen. Zum Aufbringen der einzelnen Kurvenscheiben muss die Hauptwelle mehr-
164
Antriebs–Einzelleitebene
fach unterteilt und an den Trennstellen abgelagert werden. Schmieren und Überwachen der Bewegung sind notwendig. Der Aufbau einer Maschine mit einer Königswelle ist mechanisch sehr anspruchsvoll und erfordert viele einzelne Baugruppen, sich nur schlecht modularisieren lassen und selten in anderen Anlagen wiederverwendet werden können. Die Einstellung und Wartung derartiger Aufbauten gestaltet sich entsprechend schwierig. In zunehmendem Maße erfolgt aus Effizienzgründen auch im Anlagenbau der Übergang auf elektronische Antriebstechnik. Die ursprüngliche mechanische Hauptwelle wird durch eine elektrische Welle ersetzt. Dahinter verbirgt sich letzten Endes nichts anderes als eine ganze Reihe von elektronischen Kurvenscheiben. Wenn sie von einer Leitachse abhängen, erhält man viele mit der Leitachse gekoppelte Folgeachsen, die in ihrer Gesamtheit die elektrische Welle bilden.
5.2.4 Projektierbare Funktionen Mit den Standardfunktionen kann nur ein Teil der gestellten Aufgaben erledigt werden. Für viele Anwendungen müssen Funktionen flexibel parametriert und miteinander verschaltet werden können. Gerade bei der Inbetriebnahme von großen Anlagen sind vor Ort oft zahlreiche Änderungen notwendig. Vorteil der digitalen Antriebe ist in dieser Hinsicht, dass aufgrund der weitgehenden Programmierbarkeit diese Anpassungen sehr effizient durchgeführt und dadurch die Projektierungskosten deutlich gesenkt werden können. Manche Antriebsregler stellen in geringem Umfang SPS–Funktionalität zur Verfügung. In den meisten Fällen wird die SPS jedoch auf einen eigenen Rechner ausgelagert, der mit den Antrieben über den Feldbus verbunden ist. Bei solchen Anwendungen wird die Antriebsparametrierung auch über den Feldbus vorgenommen, so dass sich die typische Struktur von Automatisierungssystemen ergibt, die in Bild 5.34 wiedergegeben ist. S P S
A n trie b s re g le r
A n trie b s re g le r
A n trie b s re g le r
S P S E A
1 2
3
...
Bild 5.34 Struktur von Antrieben, die mit der Steuerung über Feldbus gekoppelt sind
A n trie b s re g le r
...
F e ld b u s
n
Lösungen
165
5.3 Lösungen Übung 5.1 An Gl. (5.12) wird ersichtlich, dass die Summe aus Totzeit des Stromrichters und Glättungszeitkonstante des Messgliedes die Zeitkonstante und damit das dynamische Verhalten des Stromregelkreises bestimmt. Für gutes dynamisches Verhalten müssen demnach beide Zeitkonstanten so klein wie möglich gemacht werden. Hohe Schaltfrequenzen der leistungselektronischen Stellglieder ermöglichen kleine Totzeiten. Des Weiteren muss die Messwerterfassung des Stromes rauscharm erfolgen, sodass nur eine geringe Glättung des Istwertes erforderlich wird. 80 60
|G (jω )| [dB]
40 20 0 -20 -40 -60 -80 1
10 PI-Regler
100 PT1-Glied
ω D = 251 s-1 1000 I-Glied
|G0|
ω [s-1]
10000
ϕ [°]
0°
-90 °
-180 ° 1
10
100
1000 -1
ω D = 251 s
ω [s-1]
10000
Bild 5.35 Bode–Diagramm von G0,n(jZ) mit optimierten Regelparametern KP und Tn
Übung 5.2 Die ermittelten Werte für KP und Tn lauten: Tn KP
4 TGw,I
8 TNK,I
J K T 2 TGw,I
166
Antriebs–Einzelleitebene Damit erhält man 1 s Tn 1 K 1 T s Tn 1 s TGw, I J s
G0, n (s )
KP
G0, n (s )
1 s 4 TGw, I 1 J K 1 T K T 2 TGw, I s 4 TGw, I 1 s TGw, I J s
G0, n ( s )
1 s 4 TGw, I 1 1 1 2 TGw, I s 4 TGw, I 1 s TGw, I s
G0, n ( s )
1 s 4 TGw, I s 4 TGw, I
(5.29)
1 1 1 s TGw, I s 2 TGw, I
Die Ermittlung der Frequenzkennlinien erfolgt nach der Vorgehensweise in Übung 2.8 aus Abschnitt 2.4.3. Zur Darstellung der Frequenzkennlinien wird am besten ein Tabellenkalkulationsprogramm verwendet. Zunächst wird dazu in Gl. (5.29) der Laplace–Operator s durch die Frequenz jZ ersetzt und die Frequenzkennlinien der Teilfunktionen berechnet. Bild 5.35 zeigt das resultierende Bode–Diagramm. Durch die Optimierung der Reglerparameter liegt die Durchtrittsfrequenz ZD in der Tat an der Stelle, an der die größte Phasenreserve vorhanden ist. Übung 5.3 Der Schleppfehler bezeichnet die Differenz zwischen dem Positionssollwert x*(t1), den ein Antrieb zum Zeitpunkt t1 anfahren soll und dem Positionsistwert x(t1), den die Achse zu diesem Zeitpunkt tatsächlich angefahren hat. Die Achse kann der geforderten Bewegung nur zeitverzögert folgen. xd (t1 )
x* (t1 ) x(t1 )
Die Größe des Schleppfehlers wird vom KV–Faktor der Achse und der gewünschten Verfahrgeschwindigkeit bestimmt. Je größer der Schleppfehler wird, desto mehr hinkt der Positionsistwert dem Positionssollwert der Achse hinterher. Übung 5.4 Das Verringern des Schleppfehler durch Erhöhen des KV–Faktors ist prinzipiell zwar möglich, praktisch aber aus folgendem Grund nicht sinnvoll: Wird im Applet Lageregelkreis eines Servoantriebs die Spindelsteigung auf 40mm gestellt, so kann durch Erhöhen des P–Anteils KP im Lageregler der Schleppfehler beim Sollwertverlauf Rampe tatsächlich verkleinert werden. Dieser kleinere Schleppfehler wird allerdings durch eine verringerte Dämpfung des Lageregelkreises erkauft, was für KP = 80 1/(mm s) beim Einlaufen in den Endwert durch die die höhere Schwingneigung deutlich wird. Wird im Applet auf den sprungförmigen Sollwertverlauf umgeschaltet, zeigt die Sprungantwort, dass der Regelkreis mit dieser Parametereinstellung sehr schwach gedämpft ist. Übung 5.5 Die Erwärmung der Spindel führt zu einer Längendehnung, die vom Ausdehnungskoeffizient D sowie dem Temperaturunterschied '- abhängt.
Lösungen
167
ǻhSp
hSp DStahl ǻ-
ǻhSp
0.003mm 5 mm
hSp
5mm 12 106
1 50 K=0.003mm K
0.06 %
Bei einem Verfahrweg von 5.5 mm legt der Motor 1.1 Umdrehungen zurück. z 1.1 4 1000
4400 Zählimpulse
Bei Vierfachauswertung des motorseitigen Gebers treten insgesamt 4400 Zählimpulse auf. Wenn die Positionsauswertung auf dem motorseitigen Geber basiert, wird die Lastposition aus der bekannten Spindelsteigung und der Anzahl der Zählimpulse ermittelt. Die Temperatur der Spindel und damit ihre Längenausdehnung ist nicht bekannt. Daher verfährt die Antriebssteuerung den Motor solange, bis wieder 4400 Inkremente gezählt wurden. Allerdings entsteht nun ein Positionsfehler, da sich die Last pro Motorumdrehung nun nicht um 5 mm sondern um 5.003 mm weiterbewegt. Der auftretende Fehler von ca. 3.3 μm kann durch Auswertung eines direkten Messsystems erkannt und ausgeregelt werden. Übung 5.6 Die Position der Softwareendschalter muss innerhalb des Fahrbereichs liegen, der durch die Sicherheitsendschalter aufgespannt wird. Sie sollte zusätzlich einen gewissen Sicherheitsabstand zu den mechanischen Endschaltern aufweisen, damit bei einem möglichen Überschwingen beim Einfahren in die Endposition der Sicherheitsendschalter nicht versehentlich ausgelöst wird. Sinnvolle Angaben für die Maximal– und Minimalwerte der Softwareendschalter liegen daher bei xSWmin >= 0 mm sowie xSWmax <= 380 mm.
169
6
Bemessung von Antrieben
Eine korrekte Auslegung von Motor und Mechanik ist für das anforderungsgerechte Verhalten des Vorschubantriebs entscheidend. Bei der Bemessung wird unterschieden zwischen der Auslegung für den Stationärbetrieb und der Auslegung für dynamische Anforderungen, eindeutige Berechnungen sind jedoch nur für das stationäre Verhalten möglich.
6.1 Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen 6.1.1 Trägheitsmoment einer punktförmigen Masse Soll die Masse m mit der Beschleunigung a auf eine translatorische Geschwindigkeit v beschleunigt werden, ist dafür die Kraft F aufzubringen. Die Änderung der Geschwindigkeit ergibt sich aus Newtons Axiom für translatorische Bewegungen. ma
F
m
dv dt
dv dt
F m
(6.1)
Je größer die zu beschleunigende Masse m ist, desto größer muss die Kraft F sein, um die vorgegebene Beschleunigung a aufzubringen. F , v d s
d j , d w r
Bild 6.1
Zur Umrechnung von Längs– in Drehbewegungen:
ds dv
r dM r dZ
Mit Hilfe von Bild 6.1 können grundsätzliche Zusammenhänge zwischen Längs– und Drehbewegung abgeleitet werden, wenn sich die Masse m entlang einer Kreisbahn mit dem Radius r bewegt. v s
Z r r M
dv ds
r dZ r dM
(6.2)
Die Bewegungsgleichung für die Rotation erhält man aus Gl. (6.1) ausgehend vom linken Teil von Bild 6.2. Dazu wird die beschleunigende Kraft F, die auf das Massenelement m wirkt, in das Drehmoment M bzgl. der Drehachse umgerechnet. F r
M
F
M r
Wird Gl. (6.3) in Gl. (6.1) eingesetzt, dann ergibt sich:
U. Probst, Servoantriebe in der Automatisierungstechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-8169-4_6, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
(6.3)
170
Bemessung von Antrieben dv dt
F m
M r m
1 dv r dt
1 M r r m
(6.4)
Ersetzt man in Gl. (6.4) dv mit Hilfe von Gl. (6.2), dann entsteht mit Gl. (6.5) die Bewegungsgleichung für rotierende Körper. dZ dt
M 2
m r,
M J
(6.5)
J
Das Produkt m r2 erhält die Bezeichnung J und wird Trägheitsmoment des drehenden Körpers genannt. Es tritt bei Drehbewegungen an die Stelle der trägen Masse bei der Translation. Zwischen dem Drehmoment M und der Winkelbeschleunigung dZ/dt besteht ein Zusammenhang, der formal genauso aussieht wie bei der Längsbewegung in Gl. (6.1): Das Drehmoment M übernimmt die Rolle der Kraft, die Winkelbeschleunigung dZ/dt entspricht der Längsbeschleunigung a und das Trägheitsmoment J ersetzt die Masse m.
F r r
m
D re h a c h se F
m 1
2
r
1
m 2
2
D re h a c h se F
a )
Bild 6.2 1
b )
Ermittlung des Trägheitsmomentes J; a) der punktförmigen Masse m; b) einer Scheibe
6.1.2 Trägheitsmoment einer realen Masse Die Gesamtmasse eines drehenden Körpers verteilt sich auf unendlich viele Massenelemente über den gesamten Drehkörper. Jedes Massenelement ist unterschiedlich weit von der Drehachse entfernt und liefert mit seinem zugehörigen Radius ein eigenes Teilträgheitsmoment. Am Beispiel zweier Massenelemente werden die Auswirkungen anhand von Bild 6.2 b) näher betrachtet. Das Gesamtträgheitsmoment ergibt sich aus den beiden Teilträgheitsmomenten der Massenelemente m1 und m2. J
m1 r12 m2 r22
Wenn sich der Gesamtkörper aus vielen derartiger Massenelemente zusammensetzt, werden die Teilträgheitsmomente aller Massenelemente addiert. Überträgt man das Berechnungsprinzip aus Bild 6.2 b) auf den allgemeinen Fall mit n Massenelementen, erhält man als Ergebnis: J
m1 r12 m2 r22 ... mn rn2
n
¦ m ri2
i 0
Bei infinitesimal kleinen Massenelementen wird die Summenbildung über alle Massenelemente im gesamten Volumen durch das Integral ersetzt.
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen J
³r
2
171 (6.6)
dm
V
Jedes Massenelement wird jeweils mit dem Quadrat seines Abstandes von der Drehachse gewichtet und über das Volumen des Körpers aufintegriert.
d r
r
r a
Bild 6.3
l
Vorgehensweise zur Ermittlung des Trägheitsmomentes eines Vollzylinders
Beispiel 6.1 Trägheitsmoment eines Vollzylinders Ermitteln Sie das Trägheitsmoment des homogenen Vollzylinders nach Bild 6.3, der sich um seine Längsachse dreht. Lösung: Wenn ein homogener Vollzylinder eine gleichmäßige Dichte U aufweist bedeutet es, dass Elemente mit gleichem Volumen auch eine identische Masse besitzen. Der Zylinder wird gedanklich in Hohlzylinder der Dicke dr zerlegt, die konzentrisch mit dem Radius r um die Drehachse angeordnet sind. Sie weisen selbstverständlich dieselbe Länge l wie der Vollzylinder auf. Das Volumen dV eines solchen Hohlzylinders hängt vom Radius ab und setzt sich aus seiner Stirnfläche und der Länge l zusammen. Es beträgt l 2S r dr
dVHohlzylinder
Mit Hilfe der Dichte U wird die Masse dm eines solchen Zylinderrings berechnet.
U VHohlzylinder
dmHohlzylinder
U l 2S r dr
Dieser Term wird in Gl. (6.6) eingesetzt, mit deren Hilfe alle Masseelemente im gesamten Volumen berücksichtigt werden. J
³r
2
V
J
dm
ra 2
³0 ª1 ¬4
r
ºa
U l 2S « r 4 »
¼0
ra
³0
U l 2S r 3 dr
U l 2S ra 4
U l S ra 4
r U l 2S r dr 1 4
Die Gesamtmasse eines Vollzylinders beträgt mGesamt
U VGesamt
U l S ra 2
Daraus errechnet sich das Trägheitsmoment J zu:
1 2
ra
U l 2S ³ r 3 dr 0
172
Bemessung von Antrieben J
1 2
U l S ra 4
1 U l S ra 2 ra 2 2 mGesamt
mGesamt 2 ra 2
(6.7)
Übung 6.1 Welche Einheit hat das Trägheitsmoment J? Übung 6.2 Berechnen Sie das Trägheitsmoment für einen Hohlzylinder mit dem Innenradius ri und dem Außenradius ra.
6.1.3 Aufstellen der Bewegungsgleichung Zur Behandlung komplexer mechanischer Systeme hat sich die Methode des Freischneidens bewährt, bei der die Teile voneinander getrennt werden, die Momente oder Kräfte übertragen. An den entstehenden Schnittstellen werden entgegengesetzt gerichtete Momente bzw. Kräfte eingetragen. Mit den jeweiligen Trägheitsmomenten und Gl. (6.5) für die Rotationsbewegung können die jeweiligen Bewegungsgleichungen der frei geschnittenen Teilsysteme aufgestellt werden. Beispiel 6.2 illustriert die grundsätzliche Vorgehensweise, die auch bei komplexer Kinematik gem. Beispiel 6.3 korrekte Ergebnisse liefert. Beispiel 6.2 Ermittlung der Bewegungsgleichung für einen Motor mit Last Ermitteln Sie für die Bewegungsgleichung für die Anordnung aus Bild 6.4. Auf die Last wirkt dabei das Gegenmoment ML. Lösung: Die Welle zwischen Last und Motor überträgt das Antriebsdrehmoment und wird daher gedanklich durchtrennt. Durch das Freischneiden entstehen die beiden Teilsysteme Motor und Last. An ihrer Trennstelle wird auf beiden Seiten das Lastmoment ML in entgegen gesetzter Richtung angetragen. Auf den Rotor des Motors wirken nach Bild 6.4 das im Motor erzeugte Motormoment MM und das Lastmoment ML. Die Summe der beiden Momente bildet das Beschleunigungsmoment Mb, das die Ursache der Winkelbeschleunigung dZdt ist. Es gilt: JM
dZ dt
Mb
MM ML
Auch in der Mechanik muss die Richtung der Zählpfeile beachtet werden. Die Drehmomente, deren Zählpfeile in Richtung positiver Z eingetragen werden, zählen positiv, die anderen negativ.
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen
M
173
J L
L
w M M
M
w
M o to r J
L a st
L
M
Bild 6.4
Ermittlung der Bewegungsgleichung für einen Motor mit Last aus Beispiel 6.2
Beispiel 6.3 Bewegungsgleichung für einen Kranantrieb In Bild 6.5 ist schematisch ein Kranantrieb dargestellt. Er treibt über das schematisch dargestellte Getriebe eine Seiltrommel an. Mit der Seiltrommel wird die Last der Masse m gehoben bzw. abgesenkt. Ermitteln Sie die Bewegungsgleichung für die hängende Last. Lösung: Die Darstellung in Bild 6.5 erfolgt in 5 Teilsystemen, die bereits frei geschnitten sind. Für jedes Einzelteil wird die Bewegungsgleichung angegeben. Die Trägheitsmomente der Getriebezahnräder JGZ1 und JGZ2 werden in den Trägheitsmomenten JM bzw. JL berücksichtigt und die Masse der Zahnräder als Null angenommen. Motor (1): An der Motorwelle greifen sowohl das Motormoment MM als auch das über die Welle übertragene Moment MGZ1 an. Mit der positiven Zählrichtung von ZM gilt: JM
dZM dt
M M M GZ1
M GZ1
M M JM
dZ M dt
(6.8)
Linkes Getriebezahnrad (2): Die positive Zählrichtung ist auch hier die von ZM. Das antreibende Drehmoment an der Schnittstelle zum Motor ist MGZ1, ihm entgegen wirkt das Drehmoment, das aus der am Zahnrad angreifenden Kraft F1 und dem Hebelarm r1 entsteht. Da das Trägheitsmoment JGZ1 gedanklich dem Motor zugeschlagen wurde, ist das Zahnrad masselos und die Summe der Momente Null: dZ J GZ1 M , dt
0 da in J M enthalten
0
M GZ1 F1 r1
F1
M GZ1 r1
(6.9)
Rechtes Getriebezahnrad (3): Positive Zählrichtung ist jetzt ZL. Auch dieses Zahnrad wird masselos betrachtet, sodass die Summe der Drehmomente wiederum Null ergibt.
174
Bemessung von Antrieben dZ J GZ2 L , dt
0
M GZ2 F1 r2
M GZ2
F1 r2
(6.10)
0 da in J L enthalten
Seiltrommel (4): Die Seiltrommel besitzt das Trägheitsmoment JL. Angreifende Drehmomente sind MGZ2 von der Schnittstelle zum Zahnrad sowie das Drehmoment, das von der Seilkraft F2 über den Radius rL erzeugt wird: JL
dZL dt
M GZ2 F2 rL
(6.11)
Last (5): Die angehobene bzw. abgesenkte Last unterliegt der Bewegungsgleichung für die Längsbewegung. Der Weg x wird positiv gezählt, wenn die Last angehoben wird. Dann dreht sich der Motor in Richtung ZM und somit die Seiltrommel in Richtung ZL. Die Kräfte, die an der Last angreifen, werden positiv gezählt, wenn sie in Richtung x wirken. Bezeichnet man die Beschleunigung in Richtung der Koordinate x mit ax so gilt: m ax
m
d2 x dt 2
F2 m g
F2
m
d2 x dt 2
m g
(6.12)
Der Zusammenhang zwischen der Koordinate x und der Winkelgeschwindigkeit ZL der Last lautet dx dt
vx
d2 x
ZL rL
dt
2
dZL rL dt
(6.13)
Die Winkelgeschwindigkeiten ZM und ZL verhalten sich umgekehrt wie die Getriebe Übersetzung.
ZM ZL
r2 r1
ZL
r1 ZM r2
dZL dt
r1 dZM r2 dt
ZL dZM ZM dt
(6.14)
Die Bewegungsgleichung für die Last wird ermittelt, indem die einzelnen Gleichungen ineinander eingesetzt werden. Zunächst werden Gl. (6.10) und Gl. (6.12) in Gl. (6.11) integriert. JL
dZL dt
M GZ2 F2 rL
§ d2 x · F1 r2 ¨ m m g ¸ rL ¨ ¸ dt 2 © ¹
Die Kraft F1 ist durch den Ausdruck in Gl. (6.9) gegeben. Mit Hilfe von Gl. (6.13) wird die Linearbeschleunigung durch die Winkelbeschleunigung dZL/dt ausgedrückt:
JL
dZL dt
§ d2 x · F1 r2 ¨ m m g ¸ rL 2 ¨ ¸ dt © ¹
§ · ¨ ¸ ¨ ¸ M GZ1 d ZL ¨ r2 m rL g ¸ rL ¨, ¸ r1 dt ¨ 2 ¸ F1 ¨¨ d x ¸¸ © dt 2 ¹
(6.15)
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen
175
S e iltro m m e l (4 ) r G e trie b e (2 ), (3 ) J M
w M
w
J
r
G Z 1
G Z 1
F
M
G Z 2
w 1
1
r M
M
M M
G Z 1
F 1
J
w 2
J L
F M
L
2
G Z 2
L
F
x 2
L
h ä n g e n d e L a st (5 )
m m g
G Z 2
M
M o to r (1 )
Bild 6.5
Zur Berechnung von komplexen Trägheitsmomenten nach Beispiel 6.3
Das Drehmoment MGZ1 wurde in Gl. (6.8) errechnet. Aus Gl. (6.15) wird so dZ JL L dt
§ · ¨ dZM ¸ r2 § dZ · ¨ M M JM ¸ m ¨ L rL g ¸ rL d t ¸ r1 ¨ © dt ¹ ¨ ¸ M GZ1 © ¹
Mit Hilfe von Gl. (6.14) wird schließlich ZL in ZM umgerechnet und man erhält
Z dZM JL L ZM dt
dZM § ¨ M M JM d t ©
§ ZL dZM · · ZM rL g ¸ rL ¸ Z m ¨ Z ¹ L © M dt ¹
Wenn die Beziehung nach den Kräften und Drehmomenten umgestellt wird, entsteht mit Gl. (6.16) die endgültige Bewegungsgleichung. JM
dZM ZM Z dZM Z dZ M 2 JL L m L r dt ZL ZM dt ZM dt L
ª § « J M J L ¨ ZL « © ZM ¬
2 2º · 2 § ZL · » dZM ¸ m rL ¨ ¸ ¹ © ZM ¹ »¼ dt
Z M M M m g rL ZL
Z M M m g rL L
ZM
(6.16)
176
Bemessung von Antrieben
Gl. (6.16) stellt die Bewegungsgleichung eines Antriebs dar, der über ein Getriebe eine Last antreibt. Insgesamt kann festgehalten werden, dass Trägheitsmomente von Komponenten, die sich auf der Abtriebsseite des Getriebes befinden, mit dem Quadrat des Übersetzungsverhältnisses auf die Motorseite umgerechnet werden müssen. Drehmomente, die abtriebsseitig angreifen, unterliegen dem einfachen Übersetzungsverhältnis. Ausgehend von Bild 6.1 sind in Tabelle 6.1 die wesentlichen Zusammenhänge bei Längs– und Drehbewegungen zusammengestellt. Tabelle 6.1 Gleichungen für Längs– und Drehbewegungen
W
F s
M =const :
W
M M
P
dW dt
F =const:
P
dW dt
)& F
& ma
F
m
F
ma
F =const:
Beschleunigung
F =const :
Wkin
)& ))&
W W
F v
m
1 m v2 2
dv dt
Wkin
M r dM r
³ F ds ³ M dM
allgemein :
W
allgemein: )& & F || a :
Drehbewegung
)& ))& F ds
³ ³ F ds
W
allgemein: )& ))& F || ds :
kin. Energie
Leistung
Arbeit
Längsbewegung
M
M
dv dt F r
M
m r2
dM dt
mr dZ dt
M Z dZ dt J
dZ dt
1 J Z2 2
Übung 6.3 Gegeben ist ein Motor, der über ein masseloses Getriebe eine Schwungmasse antreibt. Die Anlage hat folgende Daten: JM
0.0034 kgm 2
JL
0.1084 kgm 2
nM nL
100
Ermitteln Sie das resultierende Trägheitsmoment, das vom Motor beschleunigt werden muss.
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen
177
r d
S ta h ls c h e ib e
W e rk z e u g e
Bild 6.6
Prinzipdarstellung des Werkzeugwechslers aus Übung 6.4
Übung 6.4 Der Werkzeugwechsler einer Fräsmaschine besteht nach Bild 6.6 aus einer horizontal gelagerten Stahlscheibe mit dem Radius r = 30 cm und der Dicke d = 2 cm. Ihr spezifisches Gewicht beträgt U = 7.8 g / cm3. Am Umfang der Stahlscheibe werden 16 Werkzeuge mit einem Gewicht von je 5 kg eingesetzt. Berechnen Sie das Massenträgheitsmoment der Anordnung, wenn die Masse eines Werkzeugs im Befestigungspunkt konzentriert ist und alle Werkzeuge bestückt sind. Der Antrieb der Scheibe erfolgt über einen Gleichstrommotor mit Getriebe das ein Übersetzungsverhältnis i = 1 : 80 aufweist. Welche Drehzahl erreicht der Motor bei einer maximalen Scheibendrehzahl von 1 s–1? Berechnen Sie das auf die Motorseite umgerechnete Gesamtträgheitsmoment.
6.1.4 Stationäre Bemessung eines Vorschubantriebs mit Gewindespindel Der lagegeregelte Vorschubantrieb besteht aus den Regelkreisen für Lage, Geschwindigkeit und Strom in Verbindung mit dem Leistungsstellglied, dem Servomotor und den mechanischen Übertragungsgliedern. Bei der Antriebsauslegung werden stationäre Belastung und dynamische Anforderungen unterschieden. Eindeutige Berechnungen sind nur für das stationäre Verhalten möglich. Aussagen über das dynamische Verhalten hängen von mehreren Variablen ab, die nicht genau vorherbestimmt werden können. In der Praxis wird dieser Bereich iterativ, unterstützt durch Simulationsrechungen, erschlossen und in Abschnitt 6.1.4 besprochen.
178
Bemessung von Antrieben
Im Folgenden werden Kriterien für die stationäre Auslegung des Motors und der wesentlichen mechanischen Übertragungsglieder abgeleitet. Sowohl beim Antrieb einer Gewindespindel als auch beim Antrieb eines Ritzels kann die vergleichsweise hohe Motordrehzahl durch ein Getriebe untersetzt werden.
F rä sw e rk z e u g F
W e rk s tü c k , m
T is c h , m
R F
n 2, J G Z 2
h
i,h
V L V T
T
S p in d e lm u tte r
µ F, M
F W
M
S M R S M
h
S P
G
n 1, J G Z
Bild 6.7
1
S p in d e l-L a g e ru n g µ SL, M RSL
M o to r
Aufbau einer Vorschubachse mit Servomotor, Getriebe und Gewindetrieb
Bild 6.7 verdeutlicht den Aufbau einer Vorschubachse. Der Antrieb mit Getriebe und Gewindetrieb ist die häufigste Art der Vorschubantriebe. Er kommt bei hohen Anforderungen an die Präzision zum Einsatz, wenn die Verfahrlängen im Bereich bis zu ca. 2000 mm liegen. Die Höhe der aufzubringenden Vorschubkraft FVL hängt von der Anwendung ab und wird vom Maschinenhersteller vorgegeben. Alle erforderlichen Drehmomente für die Erzeugung der Bearbeitungskraft sowie den Ausgleich von Reibung und Verlusten der lastseitigen mechanischen Übertragungselemente können vergleichsweise einfach abgeschätzt werden. Für die korrekte Ermittlung muss berücksichtigt werden, wo das jeweilige Drehmoment benötigt wird. Tritt es nach Bild 6.8 hinter der Spindelmutter auf, muss es vom Motor aufgebracht und über das Getriebe sowie die Spindelmutter übertragen werden. Es unterliegt also beiden Wirkungsgraden KG und KSM. Dieser Fall ist bei Reibmomenten von Führungsbahnen MRF und Abdeckungen MRAbd ebenso gegeben, wie bei Bearbeitungskräften sowie dem Kompensationsmoment MG, welches die Gewichtskraft hängender Achsen ausgleicht. Das Reibmoment für die Spindellagerung dagegen wird nicht über die Spindelmutter übertragen und ist lediglich dem Getriebewirkungsgrad KG unterworfen. Die Gesamtreibung setzt sich aus mehreren Anteilen zusammen. Das Reibmoment MRF der Schlittenführung trägt dazu ebenso bei wie die Reibmomente der Spindellagerung MRSL, der Spindelmutter MRSM oder auch eventuell vorhandener Abdeckungen von Führungsbahnen MRAbd [Groß00]. Nachfolgend werden die einzelnen Anteile ermittelt und abschließend zusammengefasst. Angegeben wird immer das motorseitige Drehmoment. Das ist der Betrag, den
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen
179
der Motor aufbringen muss, damit das jeweilige Drehmoment lastseitig in entsprechender Höhe zur Verfügung steht F ü h ru n g sb a h n M RF
M
M o to r
M
G e trie b e 1 /h G
S p in d e lla g e r M RSL
S p in d e lm u tte r 1 /h SM
A b d e c k u n g M R A bd G e w ic h ts k ra ft M G B e a rb e itu n g M L ,F v
Bild 6.8
Zur Berücksichtigung von auftretenden Drehmomenten
Getriebe: Häufig stimmt die Motordrehzahl nicht mit den gewünschten Abtriebsdrehzahlen überein. Dann werden zur Drehzahlreduktion Getriebe eingesetzt. Gleichzeitig reduziert das Getriebe auch das motorseitig benötigte Drehmoment und trägt so zur Reduktion der Motorbaugröße bei. Die Getriebeübersetzung i wird als Verhältnis der Eintriebs– zur Abtriebsdrehzahl definiert und ist üblicherweise größer als eins. i
Eintriebsdrehzahl Abtriebsdrehzahl
n1 n2
Im Allgemeinen werden die Getriebeverluste über dessen Wirkungsgrad KG erfasst, welcher je nach Getriebeart zwischen 0.7 und 0.97 liegt. Für Zahnriemengetriebe kann ein Wert KG | 0.95 – 0.97 angenommen werden. Reibungsverluste für die Spindellagerung: In Katalogen wird von den Herstellern für jedes Lager das Reibungsdrehmoment MRSL angegeben, sodass sich eine Berechnung meist erübrigt. Reibungsverluste in der Spindelmutter: Das Reibungsmoment MRSM, das bei der Relativbewegung von Spindel und Spindelmutter auftritt, wird durch den Wirkungsgrad KSM berücksichtigt. Der Wert für KSM wird von den jeweiligen Herstellern angegeben. Typische Werte für Spindelmuttern liegen bei KSM | 0.8 – 0.95. Reibungsverluste für die Schlittenführung: Bei horizontalen Achsen wirken die Vertikalkomponente der Bearbeitungskraft FVT und die Massen von Tisch mT und Werkstück mW als Normalkräfte. Bezeichnet μF den Reibungsfaktor der Schlittenführung, wird das erforderliche Drehmoment zur Überwindung dieser Reibung nach Gl. (6.17) berechnet. M RF
PF
hSP ª(mW mT ) g FVT º¼ 2S KSM KG i ¬
(6.17)
180
Bemessung von Antrieben
Reibungsverluste durch Abdeckungen von Führungsbahnen: Insbesondere bei spanabhebender Bearbeitung werden Präzisionsführungen durch Abdeckungen geschützt. Nähere Informationen zum Reibmoment MRAbd von Abdeckungen finden sich in [Groß00]. Drehmoment für die Gewichtskraft: Die Gewichtskraft von hängenden Achsen muss einschließlich aller Anbauten vom Vorschubantrieb aufgebracht werden. Das erforderliche Drehmoment MG unterliegt ebenfalls dem Wirkungsgrad der Spindelmutter KSM und muss auf die Motorseite umgerechnet werden. MG
1
§h
·
SP (mW mT ) g ¸ KG KSM i ¨© 2ʌ ¹
Es belastet den Motor ständig und verursacht dadurch entsprechende Verlustwärme. Bei Aufwärtsfahrten steht es nicht zur Beschleunigung der Last zur Verfügung. Daher sollte die Summe aus MG und dem gesamten Reibdrehmoment maximal ein Drittel des Stillstandsdrehmomentes M0 betragen. Um den Vorschubantrieb zu entlasten, wird bei hängenden Achsen oft ein Gewichtsausgleich eingebaut, welcher so dimensioniert ist, dass er das Halten der Achse inkl. aller Anbauten übernimmt. Der Gewichtsausgleich kann pneumatisch, hydraulisch, durch Gegengewichte oder über Federelemente erfolgen. Letztere müssen dann über den Verfahrweg der Achse eine konstante Kraft bereitstellen können [MagSpring]. Drehmoment für die Bearbeitungskraft: Das Motordrehmoment MM wird durch mechanische Übertragungselemente in die Kraft FV umgewandelt, die sowohl eine Längskomponente FVL als auch eine Normalkomponente FVT aufweisen kann. Mit dem Formelzeichen hSP wird die Steigung der Gewindespindel bezeichnet. Sein Wert gibt an, welchen Weg der Tisch bei einer vollen Motorumdrehung zurücklegt. Mit Hilfe von Gl. (6.18) kann die geforderte Vorschubkraft FVL in ein äquivalentes Lastmoment ML,Fv umgerechnet werden. M L,Fv
FVL hSP 2ʌ KSM KG i
(6.18)
gesamtes Lastmoment: Insgesamt muss motorseitig ein Drehmoment aufgeracht werden, das Lastmoment ML genannt wird und sich durch Addition aller vorgenannter Komponenten ergibt. Es stellt den Mindestwert dar, den der Motor im stationären Fall zur Verfügung stellen muss. ML
ª º 1 « M RSL M RF M RAbd M G M L,Fv » KSM i K G ¬ ¼ 1
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen mit mges
ML
181
mW mT gilt:
§ § · · ª º ¨ ¨ ¸ ¸ 1 ¨ M ¨ hSP « P ª m g F º » M ¸¸ RSL VT ¼ » RAbd « F ¬ ges ¨
¨ ¸ ¸ K 2ʌ
SM « Reibung der Führungsbahn » Reibung der ¸ ¸ ¨ Reibung der , ¨ ¬ ¼ Abdeckungen ¸ ¨ Spindellager Spindel- © ¹ mutter 1 ¨ ¸ ¸ i KG ¨ § · ª º , ¨ ¸ ¨ ¸ « » Getriebe ¨ ¸ 1 ¨h »¸ FVL ¨ SP « mges g ¨ ¸ , « »¸
K 2ʌ SM ¨ ¨ ¸ , « Gewichtskraft Bearbeitungs- » ¸ ¸ Spindel- ¨ kraft ¨¨ ¸¸ ¬« hängende Achse ¼» ¹ mutter © © ¹
Aus dieser Beziehung kann das gesamte Drehmoment ML,Rges, das zur Kompensation der Reibung erforderlich ist, extrahiert werden.
M L,Rges
§ § ¨ ¨ ¨ h 1 1 ¨ M RSL ¨ SP ¨ K 2ʌ i KG ¨ SM , Reibung der , ¨ ¨ Getriebe ¨ Spindellager Spindel- © mutter ©
· ·¸ ª º ¸¸ « » « PF ª¬ mges g FVT º¼ » M RAbd ¸ ¸ ¸ « » Reibung der ¸ ¸ ¬ Reibung der Führungsbahn ¼ Abdeckungen ¸ ¹¸ ¹
Mechanische Übertragungslieder beinhalten Resonanzen und weisen häufig schwingungsfähige Komponenten auf. Reibungskräfte wirken dämpfend auf die Oszillationen; ihre Höhe legt den Dämpfungsgrad dmech der mechanischen Übertragungsglieder fest. Um ein gutes Verhalten der Lageregelung auch bei resonanzbehafteten Übertragungsgliedern zu erreichen, ist eine Mindestdämpfung durch die Reibung ML,Rges erforderlich. Die quantitative Angabe der notwendigen Mindestdämpfung wird auf das Drehmoment M0 bezogen, das der eingesetzte Servomotor im Stillstand aufbringen kann. Es ist umso größer, je höher die zulässige Wicklungstemperatur des Motors ist. Im Folgenden bezeichnet M0(100K) das Stillstandsdrehmoment des eingesetzten Servomotors bei einer Temperaturerhöhung der Wicklung um 100 K. Nach [Groß00] liegen geeignete Werte für das gesamte Reibmoment bei Werten von 0.05 M 0(100K) d M L,Rges d 0.1 M 0(100K)
(6.19)
Tabelle 6.2 Auszug aus dem Datenblatt eines Servomotors Maximaldrehzahl Stillstandsdrehmoment Maximalstrom Trägheitsmoment M0 [Nm] IMax [A] J [kg m2] nMax [min–1] M7C–0150 2500 13 16,4 0,00291 M7C–0300 5500 13 32,8 0,00291 M7C–0450 6000 13 36,9 0,00291 M7D–0150 2700 17,5 24,8 0,00375 M7D–0300 4900 17,5 33 0,00375 M7E–0150 2200 23 25,6 0,00458 M7E–0300 5300 23 49,3 0,00458 Alle Angaben beziehen sich auf die Grundausführung des Motors mit Geber, ohne Haltebremse. Werte bei 750 V Zwischenkreisspannung und 60K Übertemperatur
182
Bemessung von Antrieben
Stationäre Bemessung eines Vorschubantriebs mit Zahnstange / Ritzel Sinngemäß ergeben sich ähnliche Berechnungsgleichungen für Vorschubantriebe mit Zahnstange und Ritzel. Näheres findet sich in [Groß00]. Übung 6.5 Gegeben ist in Tabelle 6.2 ein Auszug des Datenblatts eines Servomotors, der einen Gewindetrieb mit einer Steigung von 10mm antreibt. Die maximale Vorschubgeschwindigkeit muss 1 m/s betragen. Schätzen Sie die Minimal– und Maximalwerte des zulässigen Reibmoments ab, die die an den Motor angeschlossene Mechanik aufweisen sollte. Beispiel 6.4 Auslegung einer Vorschubachse Eine horizontale Vorschubachse mit 300 kg Schlittenmasse und 800 kg maximalem Werkstückgewicht soll mit einem beidseitig gelagerten Kugelgewindetrieb angetrieben werden. Die Spindel weist einen Durchmesser von 30mm, eine Länge von 1000 mm sowie eine Steigung von 10mm auf. Zwischen Motor und Spindel wird ein Zahnriemengetriebe mit der Übersetzung zwei geschaltet. Die Bearbeitungskraft beträgt maximal 15000 N. Berechnen Sie das auf die Motorwelle bezogene Drehmoment für die Bearbeitungskraft ML,Fv wenn der Getriebewirkungsgrad KG = 0.95 und der Wirkungsgrad der Spindelmutter KSM = 0.97 betragen. Wie groß wird das motorseitige Drehmoment, das für die Überwindung der Reibung der Schlittenführung erforderlich ist, wenn die Bearbeitungskraft eine senkrechte Komponente von FVT = 500N beinhaltet? Gehen Sie von μF = 0.1 aus. Ermitteln Sie das motorseitige Drehmoment für die Reibungsverluste der gesamten Spindellagerung, wenn MRSL = 0.6 Nm pro Lager beträgt. Bestimmen Sie das stationäre Lastdrehmoment ML bezogen auf die Motorwelle und wählen Sie einen passenden Motor aus Tabelle 6.2. Lösung: Das für die Bearbeitungskraft erforderliche Drehmoment ergibt sich mit Hilfe von Gl. (6.18). M L,Fv
FVL hSP 2ʌ KSM KG i
15000 N 10 mm 2ʌ 0.97 0.95 2
5000 N 0.01m 2ʌ 0.97 0.95 2
12.945 Nm
Gl. (6.17) liefert eine Beziehung für das Reibmoment der Führungsbahn. M RF
PF
hSP ª(mW mT ) g FVT º¼ 2S KSM KG i ¬
M RF
0.1
ª º 10 mm m 1100 kg 9.81 500 N » « 2 2S 0.97 0.95 2 ¬ s ¼
M RF
8.635 105 m >10791N 500 N @ 0.8635 105 m 11291N
0.975 Nm
Das Reibmoment der Spindellager muss auf die Motorseite umgerechnet werden. Insgesamt werden zwei Lager verwendet.
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen 2
M RSL
1
KG i
0.6 Nm=2
183
1 0.6 Nm=0.6315 Nm 0.95 2
Die Summe der einzelnen Drehmomente ergibt das gesamte Lastdrehmoment ML.
ML
M L,Fv M RF M RSL
12.945 Nm 0.975 Nm 0.6315 Nm=14.5515 Nm (6.20)
Für eine ausreichende Dämpfung wird das gesamte Reibmoment ins Verhältnis zum Stillstandsmoment gesetzt. M L,Rges
M RF M RSL
0.975 Nm + 0.6315 Nm=1.63 Nm
(6.21)
Nach Gl. (6.19) sind die Motortypen M7D und M7E aus Tabelle 6.2 für eine ausreichende Dämpfung grundsätzlich geeignet.
6.1.5 Dynamische Bemessung Neben der Bereitstellung des stationär erforderlichen Drehmomentes muss der Motor die Last zusätzlich beschleunigen und abbremsen können. Zu diesem Zweck muss vom Motor ein zusätzliches Drehmoment MB aufgebracht werden, welches ein Mehrfaches des stationär erforderlichen Lastdrehmomentes ML betragen muss, um eine hohe Beschleunigung bzw. Verzögerung und somit gute dynamische Eigenschaften zu erzielen. Aus diesem Grund weisen sowohl Motor als auch Regelgerät eine hohe kurzzeitige Überlastfähigkeit auf. Neben hohen Drehmomenten für Beschleunigen und Bremsen ist ein gutes Führungs– und Störverhalten wichtig. Maßgebend dafür sind nach Abschnitt 2.4 geringe Verzögerungs– und Totzeiten in den beteiligten Regelkreisen und Stellgliedern. Wichtig ist auch, dass Strom– und Spannungsbegrenzungen hohe Werte aufweisen, um ausreichende Stellreserve für Anregelvorgänge vorzuhalten.
Elastische Ankopplung der Last Das vom Motor erzeugte Drehmoment wird mit mechanischen Antriebselementen an die Last übertragen. Häufig weisen diese mechanischen Übertragungsglieder Elastizitäten auf, die mehr oder weniger stark gedämpft sein können. Jede Elastizität kann durch eine Feder mit der Federkonstante c modelliert werden, deren Schwingungsamplitude durch eine viskose Dämpfung D verringert wird. Beispiel 6.5 Einmassenschwinger Bild 6.9 zeigt eine Masse mL, die über ein solches Feder/Dämpfersystem mit einer starren, unbeweglichen Masse verbunden ist. Wenn die Masse durch die Kraft FL nach rechts ausgelenkt wird, bewirkt die Feder nach dem Gesetz von Hooke eine Gegenkraft, deren Höhe von der Federkonstante c abhängt. Wird die Masse daraufhin losgelassen, also FL zu Null gesetzt, kommt es zu einem Einschwingvorgang, der aufgrund der Dämpfungskraft Fd des viskosen Dämpfers abklingt.
Zum Zeitpunkt des Loslassens gilt: mL xL
c xL D xL FL (t ) c xL d xL , , , Fc
Fd
0
Durch Umstellen entsteht daraus die Differenzialgleichung
184
Bemessung von Antrieben mL D xL xL xL c c
(6.22)
0
Mathematisch betrachtet handelt es sich bei Gl. (6.22) um eine homogene lineare Differenzialgleichung zweiter Ordnung mit den konstanten Koeffizienten c, D und mL. In Abschnitt 2.1.7 wurde für das PT2–Glied gezeigt, wie man aus den Koeffizienten einer Differenzialgleichung zweiter Ordnung auf Resonanzfrequenz und Systemdämpfung schließen kann. Werden die Ergebnisse auf Gl. (6.22) übertragen, so können die Resonanzfrequenz und die Dämpfung mit Gl. (6.23) berechnet werden. mL c D c
1
Z0 2
2
d
Z0 F
c
Z0 D
d
2
c
1 c D 2 mL c
(6.23)
D 2 mL c
c
F
L a st m L F D
c mL
Z0
L
d
x
Bild 6.9 L
Prinzipaufbau des gedämpften Einmassenschwingers
Tabelle 6.3 Wertebereiche des Dämpfungsfaktors d 0 01
d [%] 0% 0% < d < 100% 100% > 100%
System ist … ungedämpft schwingungsfähig aperiodisch gedämpft, gerade nicht schwingungsfähig nicht schwingungsfähig
Beispiel 6.6 welche Dimension haben Dämpfungswert und Federkonstante? Bestimmen Sie die Einheiten für die Federkonstante c und den Dämpfungswert D.
Lösung: Aus Gl. (6.23) ergibt sich: mL c
D c
1
Z0
2
2
d
Z0
c
D
mL Z02
2d c
Z0
[c ]
kg
1 s
kg
[ D]
1 s
2
N m
1 s2
kg s
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen
185
Die Dämpfung D beschreibt die vorliegende viskose Dämpfung in der Einheit kg/s. Dagegen ist der Dämpfungsfaktor d nach Tabelle 6.3 dimensionslos. Bild 6.10 zeigt den Zeitverlauf xL(t), der sich für den Einmassenschwinger aus Bild 6.9 ergibt. Die Masse mL wird dabei um 100 mm aus der Ruhelage ausgelenkt und dann losgelassen. 100
x L [mm]
50 0 -50 0
0,05
0,1
0,15
Bild 6.10 Zeitverlauf xL(t) für den Einmassenschwinger aus Bild 6.9
-100 t [s]
Übung 6.6 Ermitteln Sie die Resonanzfrequenz f0 und den Dämpfungswert D für den Einmassenschwinger aus Bild 6.9, wenn die Federkonstante 107 N/m, die Masse 10 kg und der Dämpfungsfaktor 0.08 betragen.
Antriebe mit angekuppelten mechanischen Übertragungsgliedern enthalten normalerweise mehrere Elastizitäten und müssen daher als Mehrmassenschwinger modelliert werden. Gelegentlich ist es ausreichend, nur eine Elastizität nach Bild 6.11 zu betrachten. In solchen Fällen sind Motor und Last elastisch miteinander verbunden. Im Unterschied zu Bild 6.9 können aber weder Motor noch Last als unbeweglich angenommen werden, stattdessen bewegen sich beide relativ zueinander. Die Zusammenhänge werden hier für ein translatorisches System abgeleitet, sind aber direkt auf rotatorische Zusammenhänge übertragbar. Eine solche Anordnung wird als Zweimassenschwinger bezeichnet und besitzt ebenfalls eine Resonanzfrequenz, die von der Steifigkeit der Feder und beiden beteiligten Massen bestimmt wird [Zirn06]. Wenn man die Masse mA der Kraft FA aussetzt, dann wird FA nicht direkt an die Last weitergegeben, sondern drückt zunächst die Feder zusammen. Ganz allmählich baut sich die Kraft FL auf, die die Last letztendlich nach rechts beschleunigt. F
M o to r m A A
x A
F c
F c
F d
c
D
L a st m L F d
x L
F L
Bild 6.11 Gedämpfter Zweimassenschwinger bestehend aus Motor, Feder, Dämpfungselement und Last
Die Masse mA unterliegt demnach einer Beschleunigung, die sich aus der Summe der Kräfte ergibt, die auf mA wirken. Zum einen ist dies die Kraft FA, die die Dämpfungskraft Fd überwinden muss. Ihr entgegen wirkt ebenso die Federkraft Fc, welche von der Federkonstante c
186
Bemessung von Antrieben
sowie dem Weg xA – xL abhängt, um den die Feder zusammengedrückt wird. Mathematisch wird dieser Vorgang durch nachfolgende Gleichung beschrieben. mA xA
FA c xA xL d xA xL Fc
Fd
Für die Last mL gilt eine ähnliche Beziehung. FL
mL xL
c xA xL d xA xL Fc
Fd
Die Resonanzfrequenz Z0 eines solchen Systems beträgt [Kiel07]
Z0
c c mA mL
c
mA mL mA mL
Nach den Erläuterungen aus Abschnitt 2.1.7, Gl. (2.8) wird die zugehörige mechanische Eigenfrequenz fE mit Berücksichtigung des Dämpfungsfaktors d aus der Resonanzfrequenz Z0 ermittelt.
ZE
Z0 1 d 2
fE
Z0 2ʌ
1 d 2
f0 1 d 2
Mit dieser Eigenfrequenz schwingt das System, wenn es nach einer Anregung ohne äußere Einwirkung sich selbst überlassen wird.
Richtwerte für überschlägige Dimensionierung Normalerweise kann man einen elektrischen Antrieb ohne Berücksichtigung der niedrigsten mechanischen Eigenfrequenz nur sehr eingeschränkt beurteilen. Wenn das mechanische System sehr steif aufgebaut und der Motor starr angekuppelt ist, können die folgenden beiden Regeln die dynamische Bemessung unterstützen: x
Das auf die Motorseite umgerechnete Lastträgheitsmoment JL soll so klein wie möglich sein und den Wert des zweifachen Motorträgheitsmomentes JM nicht überschreiten. JL < 2 JM
x
Das zum Verzögern und Beschleunigen kurzzeitig verfügbare Beschleunigungsmoment MB soll mindestens dem zweifachen Motorstillstandsdrehmoment M0 entsprechen.
Die Auslegung der Antriebe nach den o. g. Richtwerten versagt bei Linearmotoren und dann, wenn höhere Anforderungen an konventionelle Antriebe gestellt werden. In diesen Fällen müssen sowohl der Aufbau der mechanischen Konstruktion als auch die Größe der jeweiligen Massen und Steifigkeiten bekannt sein.
Berechnung aus Anforderungen an Geschwindigkeit und Beschleunigung Das gesamte Drehmoment MM, das der Motor zu jedem Zeitpunkt aufbringen muss, setzt sich zusammen aus dem stationären Anteil ML und dem Anteil MB, der für Beschleunigungsvorgänge erforderlich ist. MM
MB ML
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen
187
Liegen starre, d.h. nicht schwingungsfähige Systeme vor, so gilt die mechanische Bewegungsgleichung, bei der JGes die Summe aller, nach Gl. (6.16) auf die Motorseite umgerechneten Trägheitsmomente bezeichnet. MB
J Ges
d ZM dt
J Ges
Um das Trägheitsmoment JGes während der Hochlaufzeit tH um die Drehzahldifferenz 'nM zu beschleunigen, ist das Drehmoment MB erforderlich. MB
J Ges 2ʌ
ǻnM tH
Bei gegebenem Drehmoment MB kann die Hochlaufzeit ermittelt werden. tH
J Ges 2ʌ
ǻnM MB
(6.24)
Für linear bewegte Vorschubantriebe werden von den Anwendern oft bestimmte Eilgangsgeschwindigkeiten vEil und Linearbeschleunigungen aB gefordert. Aus diesen Angaben kann die Zeit tB ermittelt werden, die für Beschleunigungs– und Bremsvorgänge zur Verfügung steht. tB
vEil aB
Beispiel 6.7 Dynamische Bemessung eines Antriebs Die Eilgangsgeschwindigkeit des Antriebs aus Beispiel 6.4 soll 15 m/min betragen und die Beschleunigung 2.5 m/s2 erreichen. Weitere Daten des Getriebes sind:
Rad 1: Innendurchmesser 15mm, Außendurchmesser 80mm, Länge 60mm Rad 2: Innendurchmesser 40mm, Außendurchmesser 160mm, Länge 60mm
UAlu = 2.7 kg/dm3; UStahl = 7.85 kg/dm3 Welche Drehzahl erreicht der Motor beim Verfahren im Eilgang? Berechnen Sie alle erforderlichen Trägheitsmomente wenn die Spindel aus Stahl sowie beide Getrieberäder aus Aluminium bestehen. Wie groß wird das gesamte Trägheitsmoment bezogen auf die Motorwelle? Welcher der Motortypen aus Tabelle 6.2 ist für die Anwendung geeignet? Lösung: Bei einer Spindelsteigung von 10 mm ist die erforderliche Motordrehzahl bei Eilganggeschwindigkeit vEil
15
m 1000 mm 15 min 60s nEil
i
vEil hSP
mm s mm 250 1 1 s 2 50 3000 10 mm s min 250
Zunächst werden die einzelnen Trägheitsmomente ermittelt. Das gesamte Trägheitsmoment von Schlitten und Werkstück summiert sich auf
188
Bemessung von Antrieben §h · mT mW ¨ SP ¸ © 2ʌ ¹
J T+W
2
0.01m · 300 kg 800 kg §¨ ¸ © 2ʌ ¹
2
0.002786 kgm 2
Wenn die Spindel als Vollzylinder angesehen werden kann, berechnet sich deren Trägheitsmoment nach Gl. (6.7). 1 2
UStahl l S ra 4
JSpindel
1 §d ·
UStahl l S ¨ ¸ 2 2 ©
4
¹
Beim Einsetzen der Zahlenwerte muss auf die Rechnung mit korrekten Dimensionen geachtet werden. 1dm 0.1m 100mm kg 1 kg 1 4 4 J Spindel 7.85 1000 mm S 15 mm 7.85 1m S 0.015 m 3 3 2 2 0.1 m dm 0.000624 kg m 2
J Spindel
Die Getrieberäder werden als Hohlzylinder angenommen. Dessen Trägheitsmoment wurde in Übung 6.2 ermittelt. J GT1
254.47
4 4 kg § § 0.08m · § 0.015m · · ¸ ¨¨ ¸ ¨ 2 ¸¹ ¸ m 2 ¨© © 2 ¹ © ¹
J GT2
254.47
4 4 kg § § 0.16m · § 0.04m · · ¨¨ ¸ ¨ ¸ ¸ m2 ¨© © 2 ¹ © 2 ¹ ¸¹
0.0006385 kg m 2
0.0103kg m 2
Mit Hilfe von Gl. (6.16) werden JL, JSpindel und JGT2 auf die Motorseite umgerechnet, sodass das gesamte motorseitige Lastmoment für den Stationärbetrieb stimmt werden kann. JL JL
J GT1
J GT2 J Spindel J T+W
i2 0.0103 0.000624 0.002786 0.0006385 kg m 2 4
0.004 kg m 2
In Beispiel 6.4 wurde ermittelt, dass die Motortypen M7D und M7E aus Tabelle 6.2 grundsätzlich für die Anwendung geeignet sind. Mit den nun vorliegenden Daten kann die Auswahl weiter eingeschränkt werden. Aufgrund der erforderlichen Eilgangsdrehzahl von 3000 min–1 kommen lediglich die beiden Typen M7D–300 bzw. M7E–300 in Frage. Die Trägheitsmomente beider Motoren passen grundsätzlich zum Lastträgheitsmoment JL, da gilt: JL
0.004 kg m 2
J M7D-300
0.00375 kg m 2
JL
0.004 kg m 2
J M7E-300
0.00458 kg m 2
1.066 2 0.873 2
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen M M
189
[N m ] 5 0
G re n z
M
M ,S 1 ( 1 0 0 )
M
M ,S 1 ( 6 0 )
4 0
S 3
3 0
2 5 %
S 1
O b e rflä c h e n k ü h lu n g
2 0
S 1
1 0
S 1
4
E D
3
2
1
1 0 0 K
6 0 K
1 0 0 0 n
2 0 0 0 M ,A v
n
3 0 0 0 M ,R M S
4 0 0 0 n E il
5 0 0 0
n [ m i n -1 ]
Bild 6.12 Drehmoment–/Drehzahldiagramm des Motors M7D–300 nach EN 60034–1; S1 (60K) Dauerbetriebskennlinie S1 des Motors, Selbstkühlung S1 (100K) Dauerbetriebskennlinie S1 des Motors, Selbstkühlung S1 (surface) Dauerbetriebskennlinie S1 des Motors, Oberflächenkühlung S3 (25 % ED) Aussetzkennlinie mit 25 % ED des Motors; max. Spieldauer 10 min. 1: Mmax bei geregelter Einspeisung 3x AC 400V; 2: Mmax bei ungeregelter Einspeisung 3x AC 480V; 3: Mmax bei ungeregelter Einspeisung 3x AC 440V; 4: Mmax bei ungeregelter Einspeisung 3x AC 400V [Bosch10]
Welcher der beiden verbliebenen Motoren einsetzbar ist, muss anhand des verfügbaren Beschleunigungsmomentes ermittelt werden. Dazu wird die Drehmoment–Drehzahl Kennlinie nach Bild 6.12 herangezogen. Dargestellt sind neben den Kennlinien für S1 und S3–Betrieb auch die Spannungsgrenzkennlinien für unterschiedliche Zwischenkreisspannungen. Ab einer Knickdrehzahl begrenzt dabei die Spannungsgrenzkennlinie das verfügbare Maximalmoment Mmax. Die maximal erreichbare Motordrehzahl ist durch die verwendete Zwischenkreisspannung festgelegt. Es ergeben sich für die einzelnen Antriebsregelgeräte in Verbindung mit dem verwendeten Versorgungsgerät und der Netzanschlussspannung die dargestellten separaten Motorkennlinien 1 bis 4 [Bosch10]. Für den Motor M7D–300 ergibt die Spannungsgrenzkurve in Bild 6.12 für die Eilgangsdrehzahl 3000 min–1 ein maximales Drehmoment von ca. 48 Nm. Als Einspeisung wird hier die Kategorie 4 unterstellt, die die geringste Zwischenkreisspannung und damit das kleinste Grenzdrehmoment liefert. Die Beschleunigung auf Eilgangsgeschwindigkeit findet immer statt, ohne dass eine Werkstückbearbeitung vorliegt. Während der Beschleunigung muss daher lediglich das Reibmoment und nicht zusätzlich noch die Bearbeitungskraft aufgebracht werden. Nach Gl. (6.21) ergibt sich daher für das maximal verfügbare Beschleunigungsmoment MB
M MGrenz M L,RGes
48 Nm 1.63 Nm
46.37 Nm
(6.25)
Mit den ermittelten Werten für das Gesamtträgheitsmoment kann die Hochlaufzeit tH auf die Eilgangsdrehzahl 3000 min–1 berechnet werden.
190
Bemessung von Antrieben
tH
ǻn J Ges 2ʌ M MB
ǻn J M J L 2ʌ M MB
tH
1 1 0.03085 kg m2 s Nm
1 s 0.00375 0.004 kg m 2ʌ 46.37 Nm 2
1 0.03085 kg m2 s
1 m2
50
0.03085 s
kg 2 s
Nach obiger Rechnung beträgt die Hochlaufzeit ca. 31ms. Durch die Berechnung der Beschleunigungszeit tB muss überprüft werden, ob die geforderte Beschleunigung von 2.5 m/s2 sichergestellt werden kann. tB
vEil a
m min m 2.5 2 s
15
0.25
m s m
0.1 s 100 ms
2.5 2 s
Die geforderte Beschleunigung von 2.5 m/s2 bedarf einer Beschleunigungszeit von 100 ms. Da tH < tB ist, ist der Motor M7D–300 für die geforderten dynamischen Daten geeignet. Für die geforderte Beschleunigung ist allerdings ein geringeres Drehmoment notwendig, als es nach Gl. (6.25) abgeschätzt wurde. Man berechnet es mit Gl. (6.26): a
dZM hSP dt 2ʌ i
M B,erf
M B,erf
h SP J Ges 2ʌ i
m 0.00775kg m2 2ʌ 2 2.5 0.01m s2
M B,erf
J 2ʌ i a Ges hSP
(6.26)
24.34 Nm
Bei der Auswahl des zugehörigen Regelgerätes muss sichergestellt werden, dass dessen maximale Stromgrenze höher liegt als der Strom, der zur Erzeugung des Grenzdrehmoments aus Bild 6.12 erforderlich ist. Die vorgestellte Auslegung kann jedoch nicht sicherstellen, dass mechanische Eigenfrequenzen den Drehzahl– und Lageregelkreis nicht ungünstig beeinflussen. Für eine Überprüfung müssen jedoch genauere Angaben über Massen, Steifigkeiten und Dämpfungswerte der verwendeten mechanischen Übertragungselemente vorliegen.
Überprüfung auf ausreichende Dauerlast Im Gegensatz zu Werkzeugmaschinen ist bei vielen Produktionsmaschinen, die Serienteile erzeugen, ein periodisch wiederkehrender Belastungszustand vorhanden. Mit einer Effektivwertberechnung wird geprüft, ob der ausgewählte Antrieb der resultierenden thermischen Beanspruchung dauernd gewachsen ist. Um diese Abschätzung vornehmen zu können, müssen die Zeitverläufe von Drehzahl oder Geschwindigkeit und Drehmoment oder Strom vorliegen. Übung 6.7 Erläutern Sie die in Bild 6.13 enthaltenen Diagramme.
Bewegungsgleichung bei Drehbewegungen n
191
M
n
M 1
n
M 2
0
M
n
t
M 3
t1 M
M
t2 M 1
M
t3
t4
M 2
M
t5
t6
M 3
t9
t8
M
M 4
M M
t7
M
M 5
M 6
M
M
M 9
t10
M
M 1 0
T
M 8
t L a s ts p ie l
M 7
Bild 6.13 Drehzahl– und Drehmomentverlauf bei einem Lastspiel mit rechteckigem Beschleunigungsprofil
Liegen quantitative Daten gem. Bild 6.13 vor, so kann für ein vollständiges Lastspiel das effektive Drehmoment nach Gl. (6.27) ermittelt werden. M M,RMS
1 TLastspiel
2 2 2 2 M M1 t1 M M2 t2 M M3 t3 ... M Mn tn
(6.27)
Bei der Auswertung des Drehzahlverlaufs in Bild 6.13, oben, wird neben dem Effektivwert der Drehzahl bisweilen auch deren arithmetischer Mittelwert berechnet. nM,RMS nM,Av
1 2 2 2 nM1 t1 nM2 t2 ... nMn tn TLastspiel 1 TLastspiel
1 2 ¦ nMn TLastspiel
nM1 t1 nM2 t2 nM3 t3 ... nMn tn
Nun muss geprüft werden, ob das effektive Drehmomentes MM,RMS kleiner ist als das zulässige Motordauerdrehmoment MM,zul.
M M,RMS d M M,zul
(6.28)
Nach [Groß00] wird bei Produktionsmaschinen MM,zul aus der S1–Kennlinie nach Bild 6.12 für die mittlere Drehzahl nM,Av ermittelt. Da Roboter und Handhabungsgeräte häufig im Bereich der Nenndrehzahl betrieben werden, wird zur Ermittlung des zulässigen Motordrehmoments MM,zul aus der S1–Kennlinie der Effektivwert der Drehzahl nM,RMS herangezogen. Ist Gl. (6.28) für das periodische Lastspiel erfüllt, so ist die Auslegung auch thermisch in Ordnung.
192
Bemessung von Antrieben
Tabelle 6.4 Lastspiel eines Vorschubantriebs gem. Bild 6.13 Zeitraum t1 t2 t3 t4 t5 t6 t7 t8 t9 t10
t [ms] 120 600 80 3000 40 500 120 1500 120 3000
n [min– 1 ]
nM,AV,ti [min–1]
3000 1000 0 –3000 0
nM,RMS [min–1]
MM [Nm] 25.97 1.63 22.71 14.55 22.71 0 25.97 1.63 22.71 0
Beschreibung Beschleunigen auf nEil Fahrt mit nEil Abbremsen auf Vorschub Bearbeiten Abbremsen auf Stillstand Halt Beschleunigen auf nEil Fahrt mit nEil Abbremsen auf Stillstand Halt
Übung 6.8 Ermitteln Sie nM,Av sowie nM,RMS für den Drehzahlverlauf aus Bild 6.13 und die Angaben aus Tabelle 6.4. Übung 6.9 Berechnen Sie das effektive Drehmoment für den Zeitverlauf aus Bild 6.13 anhand der Angaben aus Tabelle 6.4 Übung 6.10 Erläutern Sie das Zustandekommen der Drehmomentwerte MM in der zweiten Spalte von rechts der Tabelle 6.4. Beispiel 6.8 Ermittlung von MM,zul Überprüfen Sie anhand des Ergebnisses aus Übung 6.9, ob der Motor M7D–300 thermisch überlastet wird.
Lösung: Der Effektivwert des Drehmoments beträgt beim angegebenen Lastspiel 10.1 Nm. Aus Bild 6.12 liest man ab: M M,S1(60K) (nM,Av ) | 11Nm M M,S1(100K) (nM,RMS ) | 13 Nm
Wenn das gegebene Lastspiel an einer Produktionsmaschine auftritt, so ist die Auslegung thermisch sicher in Ordnung, da das bei der mittleren Drehzahl vom Motor abgegebene Moment 11 Nm beträgt und auf jeden Fall den benötigten Effektivwert von 10.1 Nm decken kann. Wird die Überprüfung dagegen mit der effektiven Drehzahl nM,RMS durchgeführt, wie sie bei Roboterantrieben üblich ist, reicht das Drehmoment der Kennlinie S1(60K) nicht mehr aus. Bei einem zulässigen Temperaturhub von 100K an der Motorwicklung kann der Motor laut der Kennlinie S1(100K) bei der Drehzahl nM,RMS = 1593 min–1 ein Drehmoment von ca. 13 Nm abgeben.
Lösungen
193
6.2 Lösungen Übung 6.1 Die Dimension des Trägheitsmomentes ergibt sich aus Gl. (6.6) und kann in andere Einheiten umgerechnet werden. [ J ] kg m 2 =kg
m s2
m s 2 =Nm s 2 =J s 2 =W s3
Übung 6.2 Das Trägheitsmoment eines Hohlzylinders erhält man nach einer vergleichbaren Vorgehensweise. Lediglich die Massenelemente ab dem Innenradius tragen zum Trägheitsmoment bei. J
³r
2
ra 2
³ri
dm
V
J
ra
³ri
r U l 2S r dr r
ºa
ª1 ¬4
U l 2S « r 4 »
1 2
U l 2S r 3 dr
U l S ra 4 ri 4
¼ ri
ra
U l 2S ³ r 3 dr ri
Die Gesamtmasse des Hohlzylinders beträgt mHohlzylinder
U l S ª ra 2 ri 2 º ¬
¼
Daraus erhält man das Trägheitsmoment J des Hohlzylinders
r r r r folgt: 1 1 U l S r r U l S r r r 2 2
mit ra 4 ri 4 J
a
a
4
2
i
i
2
a
4
2
i
2
a
2
i
2
a
2
ri 2
mHohlzylinder
2
ra 2 ri 2
mHohlzylinder
Übung 6.3 Um das wirksame Gesamtträgheitsmomentes zu bestimmten, muss das Trägheitsmoment der Schwungmasse auf die Motorseite umgerechnet werden. 2
J ges
§Z · JM JL ¨ L ¸ © ZM ¹
§n · JM JL ¨ L ¸ © nM ¹
J ges
0.0034 kgm 2 0.00001084 kgm 2
2
0.0034 kgm 2 0.1084 kgm 2
1 1002
0.0034108 kgm 2
Hoch untersetzende Getriebe reduzieren die lastseitigen Trägheitsmomente ganz enorm. Übung 6.4 Die Werkzeuge sitzen am äußeren Rand der Scheibe. Sie bilden das Trägheitsmoment J Wkzge
2 16 ª5kg 0.3m º »¼ ¬«
7.2kgm2
194
Bemessung von Antrieben Das Trägheitsmoment der Scheibe kann über den Ansatz eines Vollzylinders ermittelt werden JScheibe
1 m r2 2
1 ʌ r2 d U r2 2
JScheibe
1 0.0078kg 4 ʌ 0.02m 106 > 0.3m @ 3 2 m
m
1 ʌ d U r4 2 1.985kgm 2
Das Gesamtträgheitsmoment ergibt sich aus der Summe der Einzelträgheitsmomente J Wkzge JScheibe
J Ges
9.185 kgm 2
Die Motordrehzahl beträgt 80 s–1. Das auf die Motorseite umgerechnete Lastträgheitsmoment ergibt sich aus der Getriebeübersetzung.
J Wkzge JScheibe
J Ges,Motor
i2
9.185 kgm2 6400
0.001435 kgm 2
Übung 6.5 Aus den Anforderungen an die Vorschubachse leitet man ab, dass die Drehzahl des Motors 6000 min–1 betragen muss. v hSP
n
mm s 10mm
1000
100
1 s
100
60 60 s
6000
1 1 6000 60 s min
Für den betreffenden Motor M7C–0450 liefert die Tabelle als Stillstandsdrehmoment M0(60K) einen Wert von 13 Nm. Da der Wert für M0(100K) nicht gegeben ist, muss mit dem vorhandenen Wert M0(60K) gerechnet werden. Wenn Gl. (6.19) angewendet wird, ergibt sich: M 0(60K)
13Nm
0.05 13 Nm d M Rges,M d 0.1 13 Nm 0.65 Nm d M Rges,M d 1.3 Nm
Das gesamte auf die Motorseite umgerechnete Reibmoment sollte zwischen 0.65 Nm und 1.3 Nm liegen. Übung 6.6 Mit den genannten Daten werden Dämfpung und Resonanzfrequenz bestimmt:
Z0
D
2
c mL
2ʌ f0
2 d c
2d c 2ʌ f0
Z0
2
f0
c 2 m 4ʌ L 1
N m 1 2ʌ 159.15 s
N m 4ʌ 2 10 kg 1
107
2 0.08 107 D
1600
kg s
159.15Hz
Lösungen
195
Übung 6.7 Dargestellt sind die zeitlichen Verläufe von Drehmoment und Drehzahl. Man erkennt folgende Abschnitte:
In der Zeit t1 beschleunigt der Motor mit dem Motordrehmoment MM1 auf die Eilgangsdrehzahl nM1. Während der Zeit t2 beträgt die Drehzahl konstant nM1. Das Drehmoment MM2 ist ebenfalls konstant und gleicht die Reibung aus. Im Zeitraum t3 wird der Motor abgebremst und auf die Vorschubdrehzahl nM2 beschleunigt. Das Drehmoment MM3 für diesen Vorgang ist konstant. In der Zeitspanne t4 ist die Drehzahl konstant nM2. Das Drehmoment MM4 deckt die Bearbeitungskraft. Im Intervall t5 wird der Motor mit dem Drehmoment MM5 bis zum Stillstand abgebremst und verharrt dort für den Zeitraum t6. In den Zeiten t7 bis t9 kehrt der Antrieb im Eilgang auf seine Ausgangsposition zurück. Übung 6.8 Die mittleren Werte für die Drehzahl werden für jeden Zeitraum ti separat bestimmt und in Tabelle 6.5 eingetragen. Für die Zeiträume, in denen sich die Drehzahl zeitlinear verändert, gilt: nt
nM,Av,ti
i+1
nt i
2
Mit den ermittelten Werten kann die mittlere Drehzahl ausgerechnet werden: nM,Av
§ · ms 1 ¨ 1500 120 3000 600 ... 1500 120 0 3000 , , , ,¸¸ 9080ms ¨ t1 t2 t9 t10 ¹ min ©
nM,Av
1103min -1
nM,RMS nM,RMS
§ · 1 ¸ ¨15002 120 30002 600 ... 15002 120 02 3000 , , , , ¸ 9080 ms ¨ t t t t 1 2 9 10 ¹ © 1593min 1
Übung 6.9 Für den Effektivwert des Drehmoments gilt M M,RMS
M M,RMS
M M,RMS
1 2 2 2 2 M M1 t1 M M2 t2 M M3 t3 ... M Mn tn TLastspiel
§ 25.97 2 120 1.632 600 ... · , , ¨ ¸ t1 t2 1 ¸ Nm 2 ms ¨ 2 2 ¸ 9080 ms ¨ 22.71 120 , 0 3000 ,¸ ¨ t t 9 10 ¹ © 10.10 Nm
196
Bemessung von Antrieben
Tabelle 6.5 ermittelte Werte für das Lastspiel des Vorschubantriebs Zeitraum t1 t2 t3 t4 t5 t6 t7 t8 t9 t10
t [ms] 120 600 80 3000 40 500 120 1500 120 3000
n [min– 1 ] 3000 1000 0 –3000 0
nM,AV,ti [min–1] 1500 3000 2000 1000 500 0 –1500 –3000 –1500 0
nM,RMS [min–1]
1593
MM [Nm] 25.97 1.63 22.71 14.55 22.71 0 25.97 1.63 22.71 0
Beschreibung Beschleunigen auf nEil Fahrt mit nEil Abbremsen auf Vorschub Bearbeiten Abbremsen auf Stillstand Halt Beschleunigen auf nEil Fahrt mit nEil Abbremsen auf Stillstand Halt
Übung 6.10 Das nach Gl. (6.26) erforderliche Beschleunigungsmoment MB,erf beträgt 24.34 Nm. Beim Beschleunigen auf die Eilgangsgeschwindigkeit ist zusätzlich das Reibmoment von 1.63 Nm zu überwinden. Aus diesem Grund müssen beim Beschleunigen insgesamt 25.97 Nm aufgebracht werden. Bei konstanter Geschwindigkeit im Eilgang ist nur das Reibmoment i. H. v. 1.63 Nm erforderlich. Die Reibung unterstützt den Bremsvorgang, sodass der Motor beim Bremsen lediglich 22.71 Nm erzeugen muss.
Das Drehmoment für den Stationärbetrieb wurde in Gl. (6.20) zu 14.55 Nm ermittelt. Während des eigentlichen Bearbeitungsvorgangs muss es vom Motor zur Verfügung gestellt werden.
197
A
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Probst, U.: Schrittmotorsteuerungen in der Mess– und Prüftechnik; F&M Jahrgang 108 (2000) 1–2; Carl Hanser Verlag; S. 65 – 68
[ProAT00]
Probst, U.: Präzisionsanwendungen mit leistungsfähigen Schrittmotorsteuerungen; antriebstechnik 39 (2000) Nr. 1; S. 46 – 48
[Schnell08]
Schnell, G.: Bussysteme in der Automatisierungs– und Prozesstechnik: Grundlagen, Systeme und Trends der industriellen Kommunikation; GWV Fachverlage GmbH; 7. Auflage 2008
[Wolff97]
Wolff, J. et. al.: Netzfreundlicher Anschluss elektrischer Antriebe an das Drehstromnetz durch verbesserte Regelung; Automatisierungstechnische Praxis atp (1997) 11, S. 44–51
[MagSpring]
NN.: MagSpring, Magnetische Feder MS01–20 Familie; NTI AG
[Zirn06]
Zirn, O.; Weikert, S.: Modellbildung und Simulation hochdynamischer Fertigungssysteme; Springer–Verlag Berlin Heidelberg 2006
[Bosch10]
NN.: Rexroth Indradyn S Synchronmotoren r911296288.pdf Ausgabe 08; Bosch Rexroth AG
[Weyer06]
Weyer, K.: Auf leisen Sohlen – Neue Servomotor Generation; IEE 51. Jahrgang 02–2006, S. 36 ff
MSK;
U. Probst, Servoantriebe in der Automatisierungstechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-8169-4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Dokument
199
B
Formelzeichen und Abkürzungen
ARF
Antiresonanzfilter
G(s)
Übertragungsfunktion
G0(s)
Übertragungsfunktion des offenen Kreises
G0,I(s)
Übertragungsfunktion des offenen Stromregelkreises
G0,n(s)
Übertragungsfunktion des offenen Drehzahlregelkreises
Gw(s)
Führungsübertragungsfunktion des optimierten Kreises
Gw,I(s)
Führungsübertragungsfunktion des optimierten Stromregelkreises
Gw,n(s)
Führungsübertragungsfunktion des optimierten Drehzahlkreises
Gz(s)
Störübertragungsfunktion geschlossenen Kreises
des
wird gefolgt von einer Pause, innerhalb der der Motor den kalten Zustand wieder erreicht. S3
Aussetzbetrieb. Periodischer Betrieb mit einer Folge gleichartiger Spiele, von denen jedes eine konstante Belastung und eine Pause enthält.
Aktor
wandelt eine Eingangsgröße in eine andersartige Ausgangsgröße um, damit eine gewünschte Wirkung hervorgerufen wird. Bsp.: Ein elektrischer Motor erzeugt aus elektrischem Strom eine mechanische Kraft oder ein Drehmoment
Sensor
ein Sensor oder Messwertaufnehmer ist eine optisch/mechanisch-/chemischelektronische Komponente, die eine gemessene physikalische Größe oder einen chemischen Effekt in ein analoges elektrisches Signal umwandelt.
ASIC
Application Specific Integrated Circuit; hochintegrierter elektronischer Schaltkreis, der für spezielle Anwendungen entwickelt wurde.
Spannungskonstante
e
u, U
Eingangsgröße eines Übertragungsglieds
y, Y
Ausgangsgröße eines Übertragungsglieds
z, Z
Störgröße eines Übertragungssystems
UZS
Uhrzeigersinn
GUZ
Gegenuhrzeigersinn
SSI
synchron serielles Interface; typische Schnittstelle bei modernen μ-Controllern
S1
Dauerbetrieb. Der Betrieb mit konstanter Belastung reicht aus, das thermische Gleichgewicht zu erreichen.
S2
Kurzzeitbetrieb. Der Betrieb mit konstanter Belastung reicht nicht aus, das thermische Gleichgewicht zu erreichen. Er
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201
C
Stichwortverzeichnis
Absolutwertgeber optisch 109
Bremssteller 4, 5
bürstenlose Motoren 52
Abtastzeit 4
charakteristische Gleichung 39, 41, 44
Active–Front–End–Umrichter 10
Dämpfungsfaktor 17, 41
Amplitudengang 35
Dauerlast 190
Amplitudenrand 35, 37
Diagnoseprogramm 8
Antiresonanzfilter 152
Differenzierglied 14
Antriebsregelgerät 1, 5
Diodengleichrichter 9
Anwenderprogrammierung 8
Direktantriebe 81
Applet 18
Drehfeldmaschinen 1
Auswertung eines Resolvers 94 Auswertung inkrementeller Drehgeber 107, 108
drehmomentbildende 69
Stromkomponente
Drehmomentbildung 122
B6U 10
Drehrichtungserkennung 102
Einfacher Regelkreis 30
Drehstrommaschine 122
Frequenzkennlinien 34, 37, 39
Drehstromtacho 93
Geberauswertung 116
Drehzahlregelung 133
Lageregelkreis eines Servoantriebs 136, 138, 166
Drehzahlregler 129
polradorientierte Regelung 75
Dynamische Bemessung 183, 187
PT1 16, 36, 117
EC Motor 52
PT2 18, 24, 36
Echtzeiteingang 153
Raumzeiger 63, 66, 67
Einmassenschwinger 183
Stabilitätsprüfung 40
Einspeisestromrichter 9
Durchtrittsfrequenz 36
Asynchronmaschine 121
Elastische Ankopplung 183
Asynchronmaschinen 76
elektrische Welle 163
Bahnfehler 140, 144
Elektronische Kurvenscheiben 160
Bandbreite 90
Elektronisches Getriebe 159
Bearbeitungskraft 180
elektronisches Nockenschaltwerk 152
Bewegungsgleichung 172
Elektronisches Typenschild 110
Bildbereich 11
feldbildende Stromkomponente 69, 75
BLDC–Motor 56, 60
Feldbus 155
Bode–Diagramm 20, 22, 43, 165
firmenspezifisch 7
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202
Stichwortverzeichnis
offen 7
kapazitiv 100
Feldorientierung 150
magnetisch 100
Frequenzbereich 11, 19
optisch 96
Frequenzgang 19, 20, 42, 132
Integriergliedes 13
Frequenzkennlinie 20, 44
Kaskadenregelung 123
Frequenzkennlinien 33
Kettenstruktur 24
Frequenzkennliniendarstellung 20
Koeffizientenvergleich 17
Führungsfrequenzgang 127
Kommutierung
Führungsgröße 28, 142 Führungsübertragungsfunktion 130
elektronisch 52, 53, 55, 58, 68 32, 126,
Führungsverhalten 31
mechanisch 51 komplexen Ebene 39
KV–Faktor 140
Geber 5
Ladewiderstand 4
Gebersignale
Lageregelkreis 133
rechteckförmig 101
Lageregelung 152
sinusförmig 104
Lagereglerverstärkung 134
TTL 101, 103
Lagesollwert 156
Gegenkopplung 25, 36
Laplace 11
Gesamtübertragungsfunktion 28
Laplace–Transformation 13
Geschwindigkeitsmessung 150
Leistungsteil 3
Geschwindigkeitsverstärkung 135
Linearmotor 83
Getriebewirkungsgrad 178
Linearmotoren 82
Gewindespindel 177
lokale Bedienung 8
Gleichstrommotor 27, 122
Magnetoresistive Sensoren 92
Gleichstromtacho 93
Messsystem
Hallsensoren 58 Hall–Wandler direktabbildend 90 Regelschleife 90
direkt 154 Messsystem direkt 111
indirekt 111
Haltebremse 6
Mitkopplung 26, 36
Hintransformation 70
Modellbildung 24
Hochlaufzeit 187
Netzrückwirkungen 10
Impulsverteiler 60
Netzteil 6
Impulsverteilungslogik 58
Ordnungsreduktion 131
Inkrementalgeber
Ortskurve 23, 24
induktiv 100
Parallelschaltung 25
Stichwortverzeichnis
203
Phasengang 42
analog 6
Phasenrand 35, 37
Feldbus 7, 155
Phasenreserve 35
konventionell 6
PI–Regler 38
Schrittmotor
Polradlagegeber 58
Halbschrittsteuerung 80
polradorientierte Regelung 61, 69, 73, 74
Mikroschrittsteuerung 81
Polstelle 41
Vollschrittsteuerung 78
Polstellen 39
Schrittmotoren 1, 77
Projektierbare Funktionen 164
schwingungsfähig 187
Proportionalglied 12
Servoantrieb 1
PT1–Glied 16
Servomotor 1, 121, 178
PT2–Glied 17, 41, 42
Servoregler 1
Pulsweitenmodulation 3
Servoverstärker 1
Quantisierungsfehler 115
Shunt 89
Raumzeiger 61, 63, 68
Sicherheitsendschalter 159
Rechte–Hand–Regel 54, 67
Signalverarbeitung 3, 7
Referenzfahrt 97
Sollwertrampe 151
Referenzmarke 112
Sprungantwort 12
abstandskodiert 113
Stabilität 35
Regelabweichung 74
Stabilitätsprüfung 33, 39
Regelstrecke 28
Steuerung 4, 26
Regelung 26
Störgröße 31
Regelungstechnik 11
Störübertragungsfunktion 31, 32
Reibmoment 178
Störverhalten 31
Reibungsverluste 179
Stromregelkreis 128
Reihenschaltung 24
Stromregler 124
Resolver 94
Stromsensoren 89
Resonanz 181
Stromwandler 89, 117
Resonanzfrequenz 41, 47
Summierglied 14
rotierendes Koordinatensystem 69
Torquemotors 83
Ruck 148
Totzeitglied 19
Rückkopplung 25
Trägheitsmoment 169, 170, 175, 187
Rücktransformation 70
Transformationsmatrix
Rückwärtszweig 29
invers 66
Schleppfehler 136, 138, 141, 166
T 66
Schnittstelle
Transformationswinkel J 73
204
Stichwortverzeichnis
Transientenrekorder 8
Winkelauflösung 101
Übertragungsfunktion 11, 29, 129
Zählerstand 101
Übertragungsglied 11
Zeitbereich 11
Übertragungsgliedern 11
Zweiachsentransformation 65
Verfahrgeschwindigkeit
abc–System 71
Berechnung 102, 114
dqSystem 69
Verzögerungsglied 15, 16
DESystem 65
Vorschubantrieb 177
Zwischenkreiskondensatoren 4
Vorwärtszweig 29
Zwischenkreisspannung 5, 10