Auf der Fahrt ins Abenteuer Sandra Marton
Romana 1386
19 1/2001
scanned by suzi_kay
1. KAPITEL Slade Baron war über...
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Auf der Fahrt ins Abenteuer Sandra Marton
Romana 1386
19 1/2001
scanned by suzi_kay
1. KAPITEL Slade Baron war überzeugt, dass die Blondine in dem grünen Wildlederkostüm genau wusste, wie sich ihr Rock öffnete, wenn sie die Beine übereinander schlug. Und es waren schöne Beine. Lang, gebräunt und gut in Schuss gehalten. Er wartete in der Lounge erster Klasse der "East Coast Air" auf den Abflug seiner Maschine, der sich wegen schlechten Wetters verspätete. Die Blondine war vor ungefähr einer halben Stunde hereingekommen, und sie war allen Männern im Raum aufgefallen. Nur ein kastrierter Mann könnte eine so begehrenswerte Frau ignorieren, besonders wenn es nichts anderes anzusehen gab als den Regen, der ans Fenster prasselte. Trotz ihrer Schönheit wirkte sie sehr geschäftsmäßig. Wie fast jeder Passagier, der das Ende des Sommergewitters abwartete, trug sie eine Computertasche in der einen und ein Bordcase in der anderen Hand. Aber dann setzte sie sich Slade gegenüber, holte ein Buch aus der Außentasche ihres Bordcase und schlug die Beine übereinander. Und es zeigte sich, dass der Schlitz des so schicklich aussehenden Wildlederrocks bis zu den Oberschenkeln ging. Slade bewunderte den Anblick, und jeder andere Mann in der Nähe tat dasselbe. Warum auch nicht? Es brachte nichts, den Regen und die Blitze am schwarzen Himmel zu betrachten. Die Ansicht der Abflugtafel war nicht viel besser. "Delayed" stand
dort immer wieder, und daran würde sich nichts ändern, bis das Unwetter vorbei war. Slade war bereits die Notizen für seine Präsentation durchgegangen, hatte den Wirtschaftsteil des "Boston Globe" gelesen und Edwin Dobbs beim "Beaufort Trust" in Baltimore angerufen. Jetzt blieb nur noch, entweder Blondie zu beobachten oder vor Langeweile verrückt zu werden. Blondie gewann spielend. Sie sah von ihrem Buch auf, bemerkte Slades taxierenden Blick und lächelte. Er erwiderte das Lächeln. Sie las weiter, blätterte eine Seite um und schob sachte ein Bein an das andere. Der Rock öffnete sich noch ein bisschen weiter. Slade verschränkte die Arme, lehnte sich zurück und ließ seiner Fantasie freien Lauf. Was verbarg der Rock immer noch? Schwarze Spitze wahrscheinlich. Mit fast dreißig Jahren hatte er schon viele Frauen kennen gelernt - mehr als ihm zustanden, wie seine Brüder scherzhaft behaupteten -, und er war sicher, dass Blondie der Typ dafür war. Andererseits würde Zartrosa großartig zu ihrer Sonnenbräune passen. Sie bewegte die langen Beine. Schwarze Spitze. Da war sie. Nur einen Moment lang, doch es genügte, um einen Passagier zwei Plätze weiter aufstöhnen zu lassen. Der arme Narr verbarg es gut, indem er einen Hustenanfall vortäuschte, aber Blondie wusste Bescheid. Sie sah auf, blickte erst ihn und dann Slade an. Als sie lächelnd noch einmal ihren Slip vorführte, nahm Slade seine Computertasche und das Bordcase, stand auf, ging auf sie zu... Und blieb auf halbem Weg stehen. Die Blondine zog die Augenbrauen hoch. Sie wartete. Verdammt, er merkte, dass alle warteten und ihn beobachteten. Nur ein Mann im Koma hätte die Einladung nicht verstanden. Und nur ein toter Mann würde sie nicht annehmen.
Slade war weder komatös noch tot, aber er würde passen. Erinnerungen hatten die Vorfreude plötzlich verdrängt und ihn wütend gemacht. Nicht auf die Blondine. Auf sich selbst. Stirnrunzelnd ging er an ihr vorbei und hörte sie enttäuscht seufzen. Er ging weiter zum Empfang, wo sich irgendein Kerl mit rotem Gesicht laut darüber beschwerte, dass er seinen Anschlussflug verpassen würde, und stieß die Tür zum allgemeinen Wartebereich auf. Leute liefen ziellos durch die Halle. Nicht einmal die Klimaanlage konnte mit der Hitze und Feuchtigkeit Schritt halten. Slade blickte aus dem Fenster und sah Flug vierhundertfünfunddreißig nach Baltimore. Es kam ihm so vor, als würde sich die Maschine wie ein großer, nasser grauer Vogel neben dem Gate ducken. Erst am Ende des Gangs blieb Slade stehen. "Hör auf, ein Idiot zu sein", befahl er sich. "Es ist achtzehn Monate her. Anderthalb Jahre sind im Leben eines Mannes fast eine Ewigkeit." Er presste die Lippen zusammen, stellte die Laptoptasche und das Bordcase ab, zog sein Handy heraus und rief im Büro an. "Ich bin's", sagte er, als sich seine Sekretärin meldete. "Irgendwelche Nachrichten für mich?" Nein. Er hatte auch keine erwartet. Schließlich hatte er erst vor einer halben Stunde zuletzt angerufen. Er beendete das Gespräch und begann die Nummer des Beaufort Trusts zu wählen, dann fiel ihm ein, dass er das ebenfalls schon erledigt hatte. Seufzend suchte er sich einen Sitzplatz und schaltete den Computer ein. Mit "Solitär" würde er ein bisschen Zeit herumkriegen. Es brachte ihn immer zum Lachen, wie viele gut angezogene Geschäftsleute auf einem langen Flug über ihre Computer gebeugt dasaßen und spielten. Er könnte fleißig sein und seine Entwürfe für die neue Zentrale des Beaufort-Konzerns aufrufen, die er in Baltimore
bauen sollte. Oder er könnte sich mit der Realität auseinander setzen. Slade runzelte die Stirn, schaltete das Gerät aus und stellte es auf den Boden. Was in Denver passiert war, gehörte doch der Vergangenheit an. Er hatte keinen Grund, sich jetzt wieder daran zu erinnern. Die Blondine mit dem geschlitzten Rock war überhaupt nicht wie Lara. Na gut, die Situation an diesem Tag war ähnlich. Die Verspätung wegen schlechten Wetters, die Lounge für Passagiere der ersten Klasse, ein Mann und eine Frau, die einfach nur hofften, Zeit totzuschlagen ... Trotzdem wäre es letzten Endes nicht genauso ausgegangen wie in Denver. Und er würde nicht anderthalb Jahre später daran denken, was passiert war, und sich fragen, warum er eigentlich immer noch daran dachte. "Verdammt, Baron", schimpfte Slade mit zusammengebissenen Zähnen. Ein Mann, der in der Nähe stand, warf ihm einen seltsamen Blick zu, hob seinen Koffer hoch und ging weg. Slade konnte es ihm nicht verübeln. Normale Menschen mieden Typen, die auf Flughäfen herumsaßen und Selbstgespräche führten. Er überlegte, was der Mann wohl von ihm halten würde, wenn er ihm folgen und sagen würde: Hören Sie, mit mir ist alles in Ordnung. Es ist nur so, dass ich vor langer Zeit diese Frau "aufgegabelt" habe. Wir hatten umwerfenden Sex, und ich kann sie immer noch nicht vergessen. Was völlig verrückt war. Weil der Vorfall unwichtig gewesen war. Ein bedeutungsloser One-Night-Stand. Bedeutungslos, dachte Slade und blickte nach draußen in den Regen. Im Geiste sah er jedoch Schnee. Schwere, dicke Flocken waren an jenem Dezembermorgen vom bleigrauen Himmel über Colorado gefallen. Der Pilot war außerplanmäßig gelandet, da östlich von Denver der gesamte
Flugverkehr zum Erliegen gekommen war. Slade hatte in einer noblen Lounge erster Klasse gewartet. Eine Stunde Verspätung, wurde andauernd durchgesagt, selbst dann noch, als daraus drei Stunden geworden waren. Das Unwetter sei kein Grund zur Beunruhigung. Der planmäßige Flugbetrieb werde so schnell wie möglich wieder aufgenommen. Nur dass es weiterschneite und der Himmel immer dunkler wurde. Und Slades Ungeduld zunahm. Er hatte seinen Bruder in Kalifornien besucht und war auf dem Rückweg nach Boston. Das lange Wochenende war herrlich gewesen. Sie hatten am Strand vor Travis' Haus in Malibu Volleyball gespielt, und Trav hatte wie jedes Mal für den Samstagabend Dates arrangiert, die Weltklasse gewesen waren. Jetzt ist mir das schöne Wochenende verdorben, weil ich den Sonntagabend eingeschneit auf dem "Denver International" verbringe, dachte Slade ärgerlich. Er seufzte. Niemand hatte Schuld an der Verspätung. Er war selbst Pilot, schon seit seiner Jugend. Gerade er wusste, dass sich mit dem Wetter nicht streiten ließ. Wenn er das Warten überstehen wollte, ohne verrückt zu werden, musste er sich beschäftigen. Er hatte bereits seine EMails überprüft und "Time" von der ersten bis zur letzten Seite gelesen. Und was jetzt? überlegte er müde ... In diesem Moment sah er die Frau, die ihm gegenübersaß. Sie war wohl in die Lounge gekommen, während er gelesen hatte, sonst hätte er sie bemerkt. So, wie alle Männer im Raum sie bemerkt hatten. Sie versuchten, lässig zu sein, und warfen ihr über den Rand ihrer Zeitungen vorsichtige Blicke zu. Slade hatte noch nie viel davon gehalten, vorsichtig zu sein. Außerdem hatte es so eine Frau verdient, dass ihr ein Mann seine volle Aufmerksamkeit zuwandte. Sie hatte rotblondes Haar, aber er fand, dass es eine fade Bezeichnung für eine Farbe war, die ihn an einen frühen Herbstmorgen erinnerte. Ihre Augen konnte er nicht sehen, da
sie den Laptop auf ihrem Schoß anblickte, doch er hatte das Gefühl, dass sie blau waren. Sie trug ein sehr zweckmäßiges und sittsames Kostüm, nur dass es an ihr nicht ganz so sittsam aussah. Wütend versetzte sie ihrem Computer einen Faustschlag, sagte leise irgendetwas und sah auf. Ihre Augen waren tatsächlich blau, und sie hatte ein sensationell schönes Gesicht. Slade zögerte nicht. Er nahm seine Sachen, legte die wenigen Schritte zwischen ihnen zurück und lächelte sie an. "Jetzt geht's los, Darling." Sie warf ihm einen Blick zu, der den Schnee draußen hätte gefrieren lassen. "Wie bitte?" Slade sah den Mann neben ihr scharf an und nickte dankend, als er nervös aufstand und davoneilte. "Ich bin die Antwort auf Ihr Flehen, Süße." Slade setzte sich auf den frei gewordenen Platz. "Ich heiße nicht ,Süße'." Sie musterte ihn von oben bis unten und verzog verächtlich den Mund. "An mich kommen Sie nicht heran, Cowboy. Verziehen Sie sich." "Ah", sagte er, "ich verstehe. Sie halten das für einen altmodischen Annäherungsversuch." "Du meine Güte. Jetzt werden Sie behaupten, ich irre mich, stimmt's?" Slade schüttelte seufzend den Kopf, öffnete seine Laptoptasche und holte eine Ersatzbatterie heraus. "Es ist schmerzlich, falsch eingeschätzt zu werden, Süße. Sie brauchen eine Batterie für Ihren Computer, und ich habe zufällig eine zweite dabei." Er hielt sie ihr hin. "Sieht das nach einer Aufreißermasche aus?" Sie blickte ihn lange an. "Ja", sagte sie schließlich lächelnd. "Na schön, Sie haben Recht. Aber es ist eine originelle, das müssen Sie doch zugeben." Sie lachte, er lachte, und so begann alles. "Hallo, ich bin Slade."
"Lara." Sie zögerte, dann gab sie ihm die Hand. Es war genau der richtige Name für diese Frau. Sanft und weiblich, aber er hatte auch etwas Starkes. Ein kleiner Stromschlag sprang zwischen ihnen über. "Statische Elektrizität", sagte Lara schnell und entzog ihm die Hand. "Klar", erwiderte Slade, glaubte jedoch nicht daran. Sie auch nicht, nach der Röte zu urteilen, die ihr ins Gesicht stieg. "Ich habe nicht gehört, wie Sie Ihre leere Batterie genannt haben, kann es mir aber ziemlich gut vorstellen." Sie lachte. "Ich fürchte, ich war nicht besonders höflich." "Es ist mir ernst damit, Ihnen meine Ersatzbatterie zu schenken." "Nein, danke. Ich komme ohne aus." "Dann leihe ich sie Ihnen, und Sie können zumindest beenden, was Sie gerade gemacht haben." Sie lächelte. "Ich wollte Solitär spielen." Slade zog die Augenbrauen hoch. "Das Wunderwerk des Zeitalters", sagte er gespielt feierlich. "Eine oder drei Karten?" "Eine natürlich", erwiderte Lara. "Beim Vegas-System, mit Zeitanzeige." "Das Deckblatt mit dem Palmenstrand?" Lara lachte. "Jawohl. Ich mag das kleine Gesicht, das erscheint und grinst, wenn man es am wenigsten erwartet." Slade lachte auch, und sie begannen, sich über alles Mögliche zu unterhalten, wie Fremde es meistens tun, nur dass er nicht wirklich mitbekam, was sie sagten. Er war zu sehr damit beschäftigt, ihr schönes Gesicht zu beobachten und auf ihre sanfte, heisere Stimme zu hören. Er hatte den Eindruck, dass sie nicht wusste, wie sexy ihre Stimme war und wie aufreizend es wirkte, wenn sie sich das Haar zurückschob. Er musste die Hand zur Faust ballen, um sich davon abzuhalten, es selbst zu tun. Und ihr Duft. Flieder, dachte er. Oder vielleicht Maiglöckchen.
"Finden Sie nicht auch?" fragte sie. "Ja, natürlich", erwiderte Slade und hoffte, dass es die richtige Antwort war, denn er hatte keine Ahnung, wovon Lara gerade sprach. "Deswegen nenne ich es die ,Batterieverschwörung'", sagte sie. "Sie wissen schon. Man macht alles richtig, hält seine Batterien immer aufgeladen ..." O ja, dachte Slade, während er lächelte wie ein Idiot, seine Batterien aufgeladen zu halten ist wirklich gut. "Man macht sie vorsichtig an ..." Verdammt, er wollte nicht vorsichtig angemacht werden. Er wollte Lara sofort in eine dunkle Ecke tragen und sie küssen. "Aber sie funktionieren nicht. Sie tun es niemals, wenn sie es sollen." "Nein", sagte Slade schließlich und wechselte das Thema, bevor er unangenehm auffiel. Sie unterhielten sich noch weiter. Oder vielmehr, er redete, und Lara hörte zu. Nach einer Weile bemerkte er, dass sie ihn seltsam anblickte. Langweilte er sie? Nein, das war es nicht. Sie sah ... nachdenklich aus. Er hatte das Gefühl, dass sie die Konsequenzen irgendeiner wichtigen Entscheidung abwägte. Es gefiel ihm nicht, deshalb verstummte er mitten im Satz und sah Lara forschend an. "Wie wäre es mit Kaffee?" fragte er schließlich. "Ja, gern", sagte sie nach kurzem Zögern. Sie standen auf, gingen in den hinteren Teil der Lounge, schenkten sich Kaffee ein und setzten sich auf ein kleines Sofa in der Ecke. Während sie sich über belanglose Themen wie das Wetter, das Fliegen und Flughäfen unterhielten, war sich Slade bewusst, dass es nur der Deckmantel dessen war, was wirklich zwischen ihnen passierte. Sie erregten sich gegenseitig.
Als er ihr nachschenkte, berührten sich ganz flüchtig ihre Hände, und der dabei entstehende Funke statischer Elektrizität ließ Slade und Lara zusammenzucken. "Hoppla", sagte sie lachend, "einer von uns muss geerdet werden, sonst gehen wir noch beide in Flammen auf." "Ach, ich weiß nicht." Er lächelte. "In Flammen aufzugehen würde vielleicht Spaß machen." Sie blickten sich lange in die Augen. Dann sah Lara weg, und sie sprachen über Teppiche, statische Elektrizität und alles Mögliche, nur nicht über die Spannung zwischen ihnen. Slade sagte sich, es sei völlig normal. Er war ein Mann, der sich mit Frauen vergnügte, seit sich ihm die geschiedene Frau eines Nachbarranchers zu Hause in Texas hingegeben hatte, als Geschenk zu seinem sechzehnten Geburtstag. Er mochte Frauen, und sie mochten ihn. Und ja, er hatte in einer Bar oder auf einer Party eine angesehen, es hatte "gefunkt", und sie beide hatten gewusst, dass sie zusammen im Bett landen würden. Aber verdammt, dies war anders. Wem versuchte er etwas vorzumachen? Er begehrte Lara so sehr, dass es fast eine Qual war. Er wollte sie umarmen, ihre Erregung spüren, sie liebkosen und eins mit ihr sein. Und sie wollte ihn. Er erkannte die Anzeichen. Laras Augen funkelten. Die Wangen waren gerötet. Ihr zitterte die Hand, wenn sie die Kaffeetasse hob. Wann würde sie bereit sein, es sich einzugestehen? Und was konnte er hier in der Lounge schon damit anfangen, wenn sie es tat? "Stimmt's?" fragte Lara. "Wie bitte?" "Ich habe gesagt, es scheint so, als wäre die Welt stehen geblieben und wir wären hier drin gefangen." "Ja." Sie sahen sich an, und Lara erschauerte. Slade wusste, dass es Zeit war. "Sie sind schön", sagte er leise. Sie wurde rot. "Danke."
"Wie lang ist Ihr Haar, wenn Sie es offen tragen? Fällt es Ihnen über die Schultern und Brüste?" Er nahm ihr die Tasse weg und stellte sie auf den Tisch. Als Lara seinen Blick erwiderte, wurde Slade seiner Erregung kaum noch Herr. Sie wusste, dass er gerade daran dachte, ihr dieses sittsame Kostüm auszuziehen, das hoch gesteckte Haar zu lösen und sie zu küssen, bis sie vor Verlangen nach ihm aufschrie. In diesem Moment kam die Durchsage, dass für die nächsten Stunden ein allgemeines Startverbot erteilt worden sei. Passagiere, die im Hotel übernachten wollten, sollten sich zum Auskunftsschalter begeben. Lara räusperte sich. "Tja, das war's dann wohl." Slade nickte. Sie hatte Recht. Es war vorbei, und er war froh darüber. Was zwischen ihnen vorgegangen war, hatte ein Ende. "Ja." Er lächelte höflich. "Wollen Sie hier warten oder versuchen, ein Hotelzimmer zu bekommen?" "Hier, denke ich. Und Sie?" "Ich auch. Oh, zum Teufel damit. Komm mit mir." "Nein", flüsterte Lara. "Ich kann nicht." Slade sah keinen Ring an ihrer linken Hand. "Bist du verheiratet?" Sie schüttelte den Kopf. "Verlobt?" "Nein." "Ich auch nicht. Wir werden niemand wehtun." Slade nahm ihre Hand. "Komm mit mir ins Bett, Lara." Sie wurde rot. "Ich kann nicht." Er verstärkte den Druck seiner Finger. "Wir werden unglaublich zusammen sein." "Ich kenne dich nicht einmal." "Doch. Du kennst mich schon eine Ewigkeit, ebenso wie ich dich kenne", sagte Slade rau. "Was die näheren Einzelheiten betrifft ... Ich bin Architekt und lebe in Boston. Ich bin achtundzwanzig, ,normal' und an niemand gebunden. Gerade
hatte ich meine jährliche Untersuchung, und mein Arzt sagt, ich sei gesund genug, um länger als Methusalem zu leben. Und ich habe noch nie eine Frau so sehr begehrt, wie ich dich begehre. Musst du mehr wissen?" Sie sah ihn an, und er hatte das Gefühl, dass er bewertet wurde, nicht nur als Mann, der sich an eine Frau heranmachte, sondern ... Er wusste es nicht. Vor einer Stunde hatte sie ihn schon einmal so seltsam angeblickt. Es beunruhigte ihn, doch heftige Sehnsucht nach ihr verdrängte das unbehagliche Gefühl. "Allein darüber zu reden ist verrückt..." Er legte ihr flüchtig den Zeigefinger auf den Mund. Die Berührung war alles, was er sich vor all den Leuten in der Lounge zu tun traute. Er wollte Lara küssen, doch dann würde er den Rest seiner Selbstbeherrschung verlieren. "Ich besorge uns ein Taxi. Ganz in der Nähe ist ein Hotel, in dem ich früher schon gewohnt habe. Sie kennen mich dort und werden ein Zimmer für uns auftreiben." "Ein Taxi und ein Hotelzimmer bei diesem Wetter? Du bist sehr selbstsicher, Slade." "Wenn ich es wäre, würde ich nicht den Atem anhalten, während ich auf deine Antwort warte", erwiderte er leise. "Ja", sagte sie. Er konnte sich später nicht daran erinnern, dass sie die Lounge verlassen hatten und er ein Taxi herbeigewinkt hatte. Von der Fahrt zum Hotel bekam er auch kaum etwas mit. Er wusste nur, dass er ihr den Arm um die Taille gelegt, sie in die Halle geführt und zu Lara gesagt hatte, er müsse nur schnell in den Drugstore gehen. "Nein, das ist nicht nötig." Im ersten Moment freute er sich, weil kein Gummi zwischen ihnen sein würde. Dann wurde ihm klar, dass sie sich selbst um Verhütung kümmerte, weil er nicht der Einzige war, mit dem sie sich einließ. Er empfand eine überraschend heftige Wut und primitive Eifersucht. Aber sobald er die Zimmertür hinter ihnen
geschlossen hatte und sich zu Lara umdrehte, hörte er auf zu denken. Sie geriet in Panik. "Nein! Es tut mir Leid; Slade. Ich kann das nicht." Er umfasste ihr Gesicht. Sie blickte ihn mit großen Augen argwöhnisch und ängstlich an. Langsam neigte er den Kopf und küsste sie zärtlich auf den Mund. Es war schwierig, sich zu beherrschen, doch Slade tat es, bis Lara den Kuss erwiderte. Er zog sie an sich, und sie legte ihm die Arme um den Nacken und schob ihm die Hände ins Haar. "Bitte", flüsterte sie. "O Slade, bitte ..." Und er trug sie zum Bett, zog sie aus, löste dieses herrliche Haar und tat alles, was er sich gewünscht hatte, und mehr. Aus dem Schneesturm wurde ein Blizzard, der den ganzen Abend und während der Nacht über die Berge raste. Slade und Lara verbrachten all die Stunden im Bett. Lara in den Armen zu halten war wie ein Traum. Wie viel Glück ich habe, sagte sich Slade, kurz bevor sie erschöpft einschliefen. Der Sex mit dieser schönen Fremden würde in den kommenden Jahren eine unglaubliche Erinnerung sein. Bei Tagesanbruch wachte Slade auf. Er betrachtete Lara und dachte daran, dass sie getrennte Wege gehen würden, wenn der Blizzard vorbei war. Sie wohnte in Atlanta und war Rechnungsprüferin. Das war alles, was sie von sich erzählt hatte. Ihm fiel ein, wie sie ihm klargemacht hatte, dass er sich nicht um Kondome kümmern müsse, und er wurde wieder wütend, weil sie ein Leben hatte, über das er nichts wusste. Sie wohnte in einem Haus, das er niemals gesehen hatte, und lachte mit Freunden, die er nicht kannte. Sie ging mit Männern aus, über die er nicht nachdenken wollte. Lag in den Armen anderer. Ihm wurde das Herz schwer. "Lara", flüsterte er und weckte sie mit Küssen.
Sie öffnete die Augen und lächelte verträumt. "Slade? Was ist los?" 'Ja, was? Sie lebte im Süden, er im Nordosten. Sollte er jetzt etwa sagen, er würde jedes Wochenende nach Atlanta fliegen, um sie zu sehen? Er traf sich mit keiner Frau jedes Wochenende. Na gut, seine Beziehungen dauerten immer einige Monate, aber sich mit einer Frau einzulassen, die Hunderte von Meilen weit weg wohnte, war etwas anderes. Lara würde ihn auffordern, seine Zahnbürste und einige Kleidungsstücke bei ihr zu lassen. Und irgendwann würde sie erwarten, dass er schon freitags statt samstags kam und erst montags statt sonntags abreiste. Früher oder später würde sie vielleicht daran denken, nach Boston zu ziehen ... Er rang sich ein Lächeln ab und sagte, der Blizzard sei vorbei, er habe Schneepflüge gehört und die Straßen seien wahrscheinlich schon geräumt. Es sei wundervoll mit ihr gewesen, und vielleicht könnten sie ja irgendwann einmal wieder zusammenkommen. "Ja, das wäre schön", erwiderte Lara nach kurzem Zögern. Slade fragte sich, ob er ihre Gefühle verletzt hatte, aber sie küsste ihn, berührte ihn und machte ihn so verrückt nach ihr, dass er alles vergaß und sie noch einmal nahm. Hinterher drückte er sie fest an sich und dachte, dass er mehr davon wollte. Mehr von ihr. Es musste ja nicht jedes Wochenende sein. "Ich weiß deine Adresse nicht", sagte er leise. "Nicht einmal deine Telefonnummer." Lara schob ihm lächelnd das Haar aus der Stirn. "Ich schreibe dir nachher alles auf." Sonnenschein und der Motorenlärm von Autos und Flugzeugen weckten Slade. Er lag allein im Bett. Lara war fort. Kein Brief. Keine Nachricht für ihn an der Rezeption. Und er wusste nicht einmal ihren Nachnamen. Sie hatte ihn im Stich gelassen, während er geschlafen hatte. Slade war wütend. Sie konnte nicht wissen, dass er mehr wollte
als die eine Nacht, trotzdem hatte er das Gefühl, benutzt worden zu sein. Es war nur Sex mit einer schönen Fremden gewesen. Er hatte erlebt, wovon jeder Mann träumte. Dass zwischen Lara und ihm etwas Besonderes geschah, hatte er sich eingebildet. Auf dem Flug nach Hause war er zu dem Schluss gekommen, dass es nicht nur eine großartige Erinnerung war, sondern auch eine prima Geschichte. Ich bin in Denver eingeschneit und mit einer unglaublich scharfen Puppe im Bett gelandet, würde er lässig sagen. Nur hatte er die Geschichte niemals erzählt. Nicht seinen Teilhabern und nicht einmal seinen Brüdern. Und jetzt saß er all die Monate später in einer Abflughalle und fragte sich, warum er noch immer von jener Nacht und der Fremden mit dem sinnlichen Mund und den tiefblauen Augen träumte. Er träumte davon, wie sie sich angefühlt hatte. Wie sie sich ihm entgegengebogen und die Beine um ihn gelegt hatte ... "Wir freuen uns, Ihnen mitzuteilen, dass die Passagiere aller Flüge jetzt an Bord gehen können." Slade kehrte auf den Boden der Tatsachen zurück, erkannte, dass es ein langer Weg zu seinem Flugsteig war, und rannte los.
2. KAPITEL Lara saß in ihrem Büro mit Blick auf den Hafen von Baltimore und sagte sich, dass die nächsten Stunden ein Kinderspiel sein würden. Nachdem sie sich zwei Wochen vorbereitet hatte, war sie gerüstet. Sie war das Angebot für die neue Zentrale öfter durchgegangen, als sie zählen konnte. Und sie hatte die Mängel gefunden, die sie benötigte, um Slade Baron von Baltimore und ihrem Leben fern zu halten. Der Name war perfekt. Lara atmete hörbar aus, nahm ihren Kaffeebecher und führte ihn zum Mund. "Baron" mit den ganzen mittelalterlichen Anrechten, an die der Titel erinnerte, passte großartig zu so einem Mann. Ihr zitterte die Hand. Lara stellte fluchend den Becher hin, damit sie sich nicht Kaffee übers Kostüm schüttete. In diese Besprechung zu gehen und nicht tipptopp auszusehen hatte ihr gerade noch gefehlt! Sie würde gut sein. Sehr gut. Lara berührte flüchtig die Mappe auf dem Schreibtisch, dann schob sie den Stuhl zurück und ging zum Fenster. Der Blick auf den Hafen war herrlich. Ein Eckbüro, dachte sie lächelnd. Sie hatte sechs lange Jahre gebraucht, sich in eins hochzuarbeiten. Jetzt hatte sie alles, was sie sich immer gewünscht hatte. Eine leitende Stellung. Ein schönes kleines Haus in einer guten Gegend. Und den eigentlichen Mittelpunkt ihres Lebens, ihre ganze Freude ...
Die Gegensprechanlage summte. Lara kehrte zum Schreibtisch zurück und drückte die Taste. "Ja, Nancy?" "Mr. Dobbs' Sekretärin hat angerufen, Miss Stevens. Mr. Baron ist endlich gelandet. Er müsste bald hier sein." "Danke, Nancy. Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn die Besprechung anfängt." "Natürlich, Miss Stevens." Panik drohte Lara zu überwältigen. Bleib ruhig, befahl sie sich. Sie hatte in der Nacht vor achtzehn Monaten in Denver getan, was sie hatte tun müssen. Und sie bereute es nicht. Slade war ein Mittel zum Zweck gewesen, mehr nicht. Nur ein Mittel zum ... . Seine Umarmungen. Seine Küsse. Wie er sich angefühlt hatte. Wie er sie hinterher gehalten hatte. Als würde er sie sehr gern haben... Lara schauderte. So zu denken war sinnlos. Sie brauchte nicht zu romantisieren, was sie getan hatte. Slade und sie hatten beide bekommen, was sie gewollt hatten. Jetzt musste sie sicherstellen, dass es dabei blieb. Sie drehte sich wieder zum Fenster um. Es war bewölkt und schwül. Als sie Slade kennen gelernt hatte, war völlig anderes Wetter gewesen. An jenem Abend in Denver. Der Himmel war dunkelgrau gewesen, und es hatte stark geschneit. Sie hatte auf dem Flughafen festgesessen und war ungeduldig und gereizt gewesen. Es war ihr dreißigster Geburtstag, und ihn so zu feiern war das Allerletzte. Die ganze Woche war schon furchtbar gewesen. Angefangen hatte sie mit gleich zwei Partys zur Überreichung der Babygeschenke für Kolleginnen, und am Ende hatte Tom ihr superhöflich den Laufpass gegeben. Die Beziehung war niemals über Abendessen und Theaterbesuche hinausgegangen, trotzdem war es nicht gerade angenehm, sich einen ernsten Vortrag darüber anhören zu müssen, was für eine wundervolle, intelligente Frau sie sei...
Tom hatte gemeint, dass sie überhaupt keine Fortschritte machten. Lara wusste, dass sie Männer nicht dazu brachte, an weiße Lattenzäune und Trauringe zu denken. Andere Freunde hatten ihr dasselbe zu verstehen gegeben. Darüber grübelte sie, während sie darauf wartete, dass der Schneefall nachließ. Ihr war gesagt worden, sie sei kühl und distanziert. Und sie hielt Sex nicht für eine umwerfende Erfahrung. Aber sie mochte Männer. Nur war Heiraten etwas anderes. Sie kam allein zurecht und war finanziell unabhängig, und sie hatte gesehen, wie ein Mann das Leben einer Frau verpfuschen konnte. Ihre Mutter und ihre Schwester würden sich bestens eignen, um für die Vorteile des ledigen Stands der Frau zu werben. Nein, die Ehe war nichts für sie, doch sie wäre gern Mutter. Babys zu bekommen war mehr als ein biologisches Bedürfnis: Es war ein Bedürfnis des Herzens. Kinder waren wundervoll. Sie vertrauten einem Menschen, schenkten ihm bedingungslos ihre Liebe und nahmen dafür seine an. Lara hatte alle Liebe der Welt zu schenken, aber die Zeit wurde knapp. Sie war dreißig und meinte, dass ihre Chance, ein Kind zu bekommen, ebenso groß war wie die eines Eskimos, von einer herabfallenden Kokosnuss getroffen zu werden. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie die einzige Frau auf der Welt war, die kein Baby hatte oder erwartete. Auf den Partys zur Überreichung der Babygeschenke hatte sie ihre beiden glücklichen jungen Kolleginnen beobachtet und eine entsetzliche innere Leere empfunden, weil ihr plötzlich klar geworden war, dass sie diese besondere Freude niemals erleben würde. Bei einer künstlichen Befruchtung würde sie kaum etwas über den Vater erfahren, und der Gedanke machte sie nervös. Sie hatte in Erwägung gezogen, Tom oder einen anderen Bekannten zu bitten, sie zu schwängern. Aber in den Fernsehnachrichten war über einen Mann berichtet worden, der mit so einem Abkommen einverstanden gewesen war, bis er
seinen Sohn gesehen hatte. Jetzt klagte er das gemeinsame Sorgerecht ein. "Wenn ich in einer Bar irgendeinen attraktiven, intelligenten Fremden ,aufgegabelt' hätte, dann hätte ich jetzt mein Baby, ohne in diesem Schlamassel zu stecken", hatte die junge Frau mit rot geweinten Augen gesagt. Über all das dachte Lara nach, während sie an dem schicksalhaften Abend im Wartebereich des Flughafens saß. Den Lautsprecherdurchsagen glaubte sie nicht mehr. Man brauchte keinen akademischen Grad in Meteorologie, um zu erkennen, dass der Schneesturm schlimmer und nicht besser wurde. Nach einer Weile nahm Lara ihren Laptop und das Bordcase und ging in die Lounge der ersten Klasse. Ihre Laune war so schlecht wie das Wetter. Sie fand einen Platz, holte den Computer heraus und schaltete ihn ein, um Solitär zu spielen. Nur wollte er nicht starten. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Lara dachte daran, das Gerät auf den Boden zu werfen, dann begnügte sie sich damit, die leere Batterie zu beschimpfen. Ein Mann kam auf sie zu und blieb direkt vor ihr stehen. "Jetzt geht's los, Darling", sagte er. Er war groß, und manche Frauen würden ihn wohl gut aussehend nennen. Wenn er glaubte, sie sei in der Stimmung für Spaß und Spiele, würde ihm sein selbstgefälliges Lächeln schnell vergehen. Lara blickte ihn kühl an. "Wie bitte?" Anscheinend nicht kühl genug. Er sah den Mann neben ihr scharf an, bis der Schwächling seinen Platz aufgab. Lara zog die Augenbrauen hoch. Offensichtlich war er es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen. Na, der Kerl wird eine gewaltige Überraschung erleben, dachte sie. "Ich bin die Antwort auf Ihr Flehen, Süße", sagte er und setzte sich auf den frei gewordenen Platz. Er sprach langsam, mit lang gezogenen Vokalen. Vielleicht war er aus dem Westen. Das würde diese lächerlichen
Cowboystiefel erklären. "Ich heiße nicht ,Süße'. An mich kommen Sie nicht heran, Cowboy. Verziehen Sie sich." Sie musste zugeben, dass er nett aussah. Und er war zweifellos attraktiv, wenn man Männer mochte, die trotz eines maßgeschneiderten Anzugs und eines Burberrymantels wirkten, als wären sie gerade aus den Bergen in die Stadt geritten. Was nichts daran änderte, dass sie nicht interessiert war. "Ah, ich verstehe. Sie halten das für einen altmodischen Annäherungsversuch. " Lara blickte ihn mit großen Augen an. "Du meine Güte. Jetzt werden Sie behaupten, ich irre mich, stimmt's?" Der Fremde seufzte, als hätte sie ihn tief verletzt. Dann öffnete er seine Laptoptasche und nahm eine Batterie heraus. Lara sah sofort, dass es genau die Richtige war. "Es ist schmerzlich, falsch eingeschätzt zu werden, Süße. Sie brauchen eine Batterie für Ihren Computer, und ich habe zufällig eine zweite dabei." Er hielt sie ihr hin. "Sieht das nach einer Aufreißermasche aus?" Natürlich. Lara wollte ihm sagen, dass er seine Zeit verschwendete. Aber was konnte es schaden, einzugestehen, dass sie die Situation amüsant fand? Sich einige Minuten mit ihm zu unterhalten würde ihr die kein Ende nehmende Warterei erleichtern. "Ja", sagte sie und lächelte, um ihm zu zeigen, dass sie sich nicht wirklich beleidigt fühlte. "Na schön, Sie haben Recht. Aber es ist eine originelle, das müssen sie doch zugeben." Sie lachte, er lachte, und so begann alles. "Hallo, ich bin Slade." Sie zögerte, dann gab sie ihm die Hand. "Lara." Ein kleiner Stromschlag sprang zwischen ihnen über. "Statische Elektrizität", sagte sie schnell und entzog ihm die Hand.
"Klar." Slade lächelte. "Ich habe nicht gehört, wie Sie Ihre leere Batterie genannt haben, kann es mir aber ziemlich gut vorstellen." Lara lachte. "Ich fürchte, ich war nicht besonders höflich." "Es ist mir ernst damit, Ihnen meine Ersatzbatterie zu schenken." "Nein, danke. Ich komme ohne aus." "Dann leihe ich sie Ihnen, und Sie können zumindest beenden, was Sie gerade gemacht haben." "Ich wollte Solitär spielen." Slade zog die Augenbrauen hoch. "Das Wunder des Zeitalters. Eine oder drei Karten?" "Eine natürlich. Beim Vegas-System, mit Zeitanzeige." "Das Deckblatt mit dem Palmenstrand?" Lara lachte. "Jawohl. Ich mag das kleine Gesicht, das erscheint und grinst, wenn man es am wenigsten erwartet," Er lachte auch, und sie begannen, sich locker zu unterhalten. Nur war Lara nicht sicher, was sie eigentlich sagten. Sie dachte über den kleinen Schlag nach, den sie gespürt hatte, als sie ihm die Hand gegeben hatte. Es war nicht statische Elektrizität gewesen, sondern das prickelnde Gefühl sexueller Erregung, wie sie es noch nie erlebt hatte. Und warum nicht? Der Fremde namens Slade war sensationell. Groß. Schwarzes Haar. Rauchgraue Augen. Eine gerade Nase und ein energisches Kinn. Und er hatte die athletische Figur, für die sich so viele Männer im Fitnessclub abrackerten, ohne sie jemals zu bekommen. Außerdem hatte er Sinn für Humor, und er war intelligent... Plötzlich fiel Lara ein, was die junge Frau im Fernsehen gesagt hatte: "Wenn ich in einer Bar irgendeinen attraktiven, intelligenten Fremden .aufgegabelt' hätte ..." Lara spürte, dass sie rot wurde. Du lieber Himmel, was war mit ihr los? Neben ihr saß ein sexy Mann, der sich einfach die Zeit vertreiben wollte, solange sie durch den Schnee auf dem Flughafen festgehalten
wurden, und sie dachte darüber nach, dass er der Richtige wäre, um ihr Baby zu zeugen. Natürlich würde sie so etwas niemals tun. Sex mit einem Fremden? Sie doch nicht. Aber sie wusste, wie unkompliziert es wäre. Sie könnte ihm ihre Visitenkarte geben und andeuten, er solle sich bei ihr melden, wenn er nach Atlanta kommen würde. Oder sogar vorschlagen, sich für ein Wochenende irgendwo zu treffen. Nein, es wäre wirklich nicht schwierig. Er war zweifellos an ihr interessiert. Und sie vermutete, dass er gut im Bett war. Nicht, dass man Spaß am Sex haben musste, um schwanger zu werden. Und es war ja sowieso alles nur hypothetisch. Trotzdem, er wusste sicher, wie man einer Frau Lust bereitete. Lara wurde wieder rot. Ausgerechnet sie hatte solche Gedanken, eine Frau, deren sexuelle Vergangenheit fast schon peinlich langweilig war. Na und? Wenn sie sich schon diesem Wunschtraum hingab, konnte es auch nicht schaden, sich vorzustellen, dass der Fremde gut im Bett war. Schließlich würde sie nur die eine Chance haben, schwanger zu werden. Besagten nicht Statistiken, dass der Orgasmus die Chance erhöhte? Ihre nachdenkliche Miene musste ihm irgendetwas verraten haben, denn Slade verstummte mitten im Satz und sah sie forschend an. Lara war kurz davor, ihre Sachen zu nehmen und die Flucht zu ergreifen, als er fragte, ob sie Kaffee wolle. Sie wollte aufhören, sich mit diesen verrückten Gedanken abzugeben. Sag Nein, befahl sie sich. Und dann sollte sie aufstehen und davongehen... "Ja, gern", sagte sie. Sie gingen in den hinteren Teil der Lounge, schenkten sich Kaffee ein und setzten sich auf ein Sofa. Lara versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren, doch stattdessen überlegte sie, wie es wohl wäre, von Slade geküsst zu werden.
Noch nie hatte sie sich mit solchen Fragen beschäftigt. Jetzt tat sie es. Und dann schenkte er ihr nach und berührte dabei flüchtig ihre Hand. Lara hatte das Gefühl, buchstäblich unter Strom zu stehen. Irgendein Fremder in einer Bar ... dachte sie und rang sich ein Lachen ab. "Hoppla. Einer von uns muss geerdet werden, sonst gehen wir noch in Flammen auf." Sofort wusste sie, dass sie etwas Falsches gesagt hatte. Es klang, als wollte sie ihn "anmachen", und so hatte sie es nicht gemeint. Oder? Slades Augen schienen dunkler zu werden. "Ach, ich weiß nicht. In Flammen aufzugehen würde vielleicht Spaß machen." Sein Lächeln ließ sie beben. Sie sah hastig weg und begann, einfach draufloszureden, damit die Spannung zwischen ihnen verschwand. Ein Mann wie er war es wahrscheinlich gewohnt, dass Frauen in Verzückung gerieten, wohin auch immer er kam. Er konnte mit dieser Situation fertig werden. Sie dagegen konnte nicht mehr klar denken. Schließlich schwiegen sie beide. Er blickte sie unverwandt an, und Lara erschauerte. "Sie sind schön", sagte er leise. "Danke." Sie wurde rot. "Wie lang ist Ihr Haar, wenn Sie es offen tragen? Fällt es Ihnen über die Schultern und Brüste?" Er nahm ihr die Tasse weg und stellte sie auf den Tisch. Noch nie hatte ein Mann sie so angesehen. Slade brachte sie dazu, sich begehrenswert, sexy und verführerisch zu fühlen. Lara wusste, dass er daran dachte, sie auszuziehen, sie zu küssen und zu streicheln, bis sie aufschrie ... In diesem Moment kam die Durchsage. Lara konzentrierte sich dankbar auf die geisterhafte Stimme aus dem Lautsprecher. Bis auf weiteres herrschte allgemeines Startverbot. Wer im Hotel übernachten wollte, sollte sich zum Auskunftsschalter begeben. Lara räusperte sich. "Tja, das war's dann wohl."
Slade nickte, und sie war sicher, dass er wusste, was sie meinte. "Ja." Er lächelte höflich. "Wollen Sie hier warten oder versuchen, ein Hotelzimmer zu bekommen?" "Hier, denke ich. Und Sie?" "Ich auch. Oh, zum Teufel damit. Komm mit mir." Sie tat nicht so, als würde sie ihn nicht verstehen. "Nein, ich kann nicht." "Bist du verheiratet?" Sie schüttelte den Kopf. "Verlobt?" "Nein." "Ich auch nicht. Wir werden niemand wehtun." Slade nahm ihre Hand. Lara ließ es zu, obwohl sie wusste, dass es ein Fehler war. "Komm mit mir ins Bett, Lara." Jetzt war es heraus. Woran er gedacht hatte. Woran sie gedacht hatte. Und es war ihre Chance. Aber sie würde nicht mit einem fremden Mann schlafen und bewusst versuchen, ohne sein Wissen schwanger zu werden ... Er verstärkte den Druck seiner Finger. "Wir werden unglaublich zusammen sein." "Ich kenne dich nicht einmal." "Doch. Du kennst mich schon eine Ewigkeit, ebenso wie ich dich kenne. Was die näheren Einzelheiten betrifft... Ich bin Architekt und lebe in Boston. Ich bin achtundzwanzig, ,normal' und an niemand gebunden. Gerade hatte ich meine jährliche Untersuchung, und mein Arzt sagt, ich sei gesund genug, um länger als Methusalem zu leben. Und ich habe noch keine Frau so sehr begehrt, wie ich dich begehre. Musst du mehr wissen?" Lara sah ihn an. Sie hatte das Gefühl, sich in einer anderen Dimension zu befinden, in der alles möglich und alles akzeptabel war. Wem würde sie schaden, wenn sie mit ihm gehen würde? Er wollte sie. Sie wollte ein Kind.
Nein. Nein, das war schlimmer als verrückt. Es war unmoralisch. Oder nicht? "Allein darüber zu reden ist verrückt ..." Hitze durchflutete Lara, als Slade ihr den Zeigefinger auf den Mund legte. Oh, es wäre so einfach. "Ich besorge uns ein Taxi", sagte er. "Ganz in der Nähe ist ein Hotel, in dem ich früher schon gewohnt habe. Sie kennen mich dort und werden ein Zimmer für uns auf treiben." "Ein Taxi und ein Hotelzimmer bei diesem Wetter? Du bist sehr selbstsicher, Slade." "Wenn ich es wäre, würde ich nicht den Atem anhalten, während ich auf deine Antwort warte", sagte er leise. Lara dachte daran, wie es sein würde, mit ihm zu gehen. Sich von ihm berühren zu lassen. Nicht nur, weil sie ein Kind wollte. Weil er der aufregendste Mann war, den sie jemals kennen gelernt hatte. Weil ihr schwindlig war vor Sehnsucht danach, in seinen Armen zu liegen ... Sie atmete tief ein. "Ja." Er fuhr mit ihr zu dem Hotel. Während er sie in die Halle führte, hielt er sie so fest, als glaubte er, sie würde es sich anders überlegen und davonlaufen. Dann sagte er, er müsse nur schnell in den Drugstore, und Lara wusste, dass er Kondome kaufen wollte. Sie atmete wieder tief ein. "Nein, das ist nicht nötig." Slade stellte keine Fragen, aber er verstärkte den Druck seines Arms um ihre Taille. Erst als sie im Zimmer waren und er die Tür abschloss, geriet Lara in Panik. Slade drehte sich zu ihr um, sie sah diesen Fremden ernst an und fragte sich verzweifelt, was sie hier eigentlich tat. Vor Angst schlug ihr Herz wie verrückt. "Nein! Es tut mir Leid, Slade. Ich kann das nicht." Wenn er versucht hätte, sie zu überreden, oder sie an sich gezogen hätte, wäre es vielleicht anders gekommen. Er umfasste jedoch ihr Gesicht und küsste sie so sanft und zärtlich, dass die
Angst einer erregenden Hitze wich und Lara den Kuss erwiderte. Slade küsste sie leidenschaftlicher, bis sie ihm die Arme um den Nacken legte und ihm die Hände ins Haar schob. Jetzt, dachte sie, bevor ich den Mut verliere. "Bitte", flüsterte sie. "O Slade, bitte." Aus dem Schneesturm wurde ein Blizzard. Lara war es gleichgültig. Sie war die ganze Zeit in Slades Armen und vergaß den Grund, warum sie mit ihm ins Hotel gekommen war. Er war der Liebhaber, nach dem sie sich immer gesehnt hatte. Nichts anderes war noch wichtig. Irgendwann schlief sie erschöpft ein und wurde bei Tagesanbruch von Slades Küssen wach. Sie sah ihn lächelnd an, und ihr wurde klar, wie dumm es gewesen war, zu glauben, sie wolle nur ein Baby von ihm. Sie wollte ihn in ihrem Leben haben. Und wenn die vergangenen Stunden irgendeine Bedeutung hatten, dann war er vielleicht auch an mehr interessiert. Sein ernster Blick ließ sie vermuten, dass ihn das bevorstehende Ende der langen, wundervollen Nacht auch beunruhigte. "Slade? Was ist los?" Er lächelte gequält, und plötzlich wusste Lara, dass sie seinen Blick missverstanden hatte. Slade hatte Angst, dass sie sich mehr wünschte, als er geben wollte. "Der Blizzard ist vorbei. Ich habe Schneepflüge gehört, und die Straßen sind wahrscheinlich schon geräumt. Lara, es war wundervoll mit dir. Vielleicht können wir ja irgendwann einmal wieder zusammenkommen." Tränen traten ihr in die Augen, und sie hasste sich deswegen. Sie erinnerte sich daran, dass er ihr keine Versprechen gegeben und sie keine gewollt hatte. "Ja, das wäre schön", erwiderte sie und hatte den Eindruck, dass er sich dafür entschuldigen würde, ihre Gefühle verletzt zu haben. Schnell hinderte sie ihn daran, indem sie ihn küsste und dazu brachte, sie wieder zu begehren und alles andere zu vergessen.
Hinterher versuchte er, sich aufrichtig interessiert zu zeigen. "Ich weiß deine Adresse nicht", sagte er. "Nicht einmal deine Telefonnummer. " "Ich schreibe dir nachher alles auf", hatte Lara gelogen. Sie hatte gewartet, bis Slade eingeschlafen war, sich dann angezogen und leise das Zimmer verlassen. Sie war nicht aus Leidenschaft mit ihm gegangen. Ein Baby. Das war alles, was sie von ihm gewollt hatte. Oder nicht? dachte sie, während sie starr auf den Hafen von Baltimore blickte. Die Gegensprechanlage summte. Lara räusperte sich und drückte die Taste. "Miss Stevens? Mr. Baron ist eingetroffen. Er und die Mitglieder des Aufsichtsrats sind bereits im Konferenzsaal. Mr. Dobbs bittet Sie, jetzt nach oben zu kommen." "Danke, Nancy", sagte Lara. Sie klang ruhig und gelassen. Gut. Und sie sah auch so aus, wie sie feststellte, als sie ihre Puderdose herausholte und sich in dem kleinen Spiegel betrachtete. Aber ihr zitterte die Hand. "Sei nicht albern, Lara", schalt sie sich. Sie war vorbereitet. Sie wusste, was sie tun und wie sie es tun musste. Und sie würde Slade Baron so schnell aus Baltimore hinausbefördern, dass ihm schwindlig werden würde. Ihm gegenüberzutreten . war kein Problem. Ihre Gefühle für ihn waren niemals echt gewesen. Lara nahm die Mappe vom Schreibtisch und verließ ihr Büro.
3. KAPITEL Lara rieb sich die Hände am Rock, während sie mit dem Lift nach oben fuhr. Hör auf! befahl sie sich wütend. Sie war im Vorteil. Slade rechnete nicht damit, sie zu sehen. Sie hatte ihm damals ihren Nachnamen ebenso verschwiegen wie er ihr seinen. Wenn er feststellte, dass Beauforts Hauptrechnungsprüferin die Frau war, mit der er in einer verschneiten Nacht in Denver geschlafen hatte, würde er sich anstrengen müssen, keine Reaktion zu zeigen. Sie musste sich beruhigen, sonst würde sie nicht nur diesen Vorteil verlieren, sondern auch unfähig sein, die Sache durchzustehen. Wenn sie die Nerven verlor, würde ein selbstgefälliger Mann wie Slade glauben, sie werde von Wiedersehensfreude Überwältigt. Überwältigt stimmte. Von Angst. Und sie brauchte vor nichts Angst zu haben. Die Fahrstuhltüren glitten auf. Lara atmete tief ein, straffte die Schultern und ging den Flur entlang. "Sie werden erwartet", sagte Dobbs' Sekretärin. Lara probierte ein Lächeln. "Danke." Es klappte. Die Sekretärin sprang nicht auf und rannte schreiend zum Aufzug. Das falsche Lächeln wirkte offensichtlich nicht abschreckend.
Lara blieb an der offenen Tür stehen und ließ den Blick durch den Konferenzsaal gleiten. Als sie vor sechs Monaten von der Filiale in Atlanta hierher versetzt worden war, hatte sie an einer Besprechung teilgenommen und war über die ungeheure Größe des Raums erstaunt gewesen. Wo war Slade? Dort hinten, am Fenster. Es spielte keine Rolle, dass er mit dem Rücken zu ihr stand. Lara erkannte Slade sofort. Die Größe. Die breiten Schultern. Das schwarze Haar. Und diese erotische, selbstbewusste, arrogante Ausstrahlung. Es war Slade, genau so, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Der fantastische Liebhaber, der sie in jener längst vergangenen Nacht in den Armen gehalten hatte. Der sie in ihren Träumen noch immer in den Armen hielt. Er erstarrte plötzlich. Lara konnte kaum noch atmen. Sie sagte sich, es sei unmöglich, doch sie wusste, dass er ihre Gegenwart gespürt hatte. Im nächsten Moment drehte er sich um, und sie fühlte sich wie ein in die Falle gegangenes Tier. Er sah überrascht aus. Schockiert. Und dann lächelte er erfreut. O nein. Lara wurde schwindlig, aber sie behauptete sich. Sie warf ihm einen kühlen Blick zu und sah dann weg. Slade würde sie nicht noch einmal verführen. Nicht einmal dazu, gefällig zu sein. Je eher er das begriff, desto besser. "Ah, da sind Sie ja, Miss Stevens." "Mr. Dobbs", sagte sie freundlich. "Ich habe Sie hoffentlich nicht warten lassen." "Nein, nein. Sie sind pünktlich." Dobbs führte sie am Arm in den Konferenzsaal. Was nur gut ist, dachte Lara. Sie hatte das Gefühl, dass der Boden schwankte. "Ich glaube, Sie kennen alle Aufsichtsratsmitglieder."
"Gewiss. Guten Tag, Mr. Rogers. Schön, Sie wieder zu sehen, Mr. Kraemer." Lara lächelte. Sie schüttelte Hände und beteiligte sich an der geistlosen Konversation, die zweifellos dazu dienen sollte, die Mitglieder des Aufsichtsrats wie normale Menschen erscheinen zu lassen. Innerlich war sie ein Nervenbündel. Sie hatte Slade aus der Fassung gebracht. Sein Gesichtsausdruck hatte alles gesagt, bevor ihm klar geworden war, dass er keine Wirkung mehr auf sie hatte. Das Problem war, dass sie einen Moment lang in Versuchung gewesen war, sein Lächeln zu erwidern. Sie hatte zu ihm laufen und ihn umarmen wollen. "Unser neuer Architekt, Mr. Slade Baron." Lara schlug das Herz bis zum Hals. Dobbs hatte sie zu Slade geführt. Und Slade lächelte nicht mehr. Er sah sie an, als hätte er einen Stein beiseite geschoben und eine neue Spezies entdeckt. "Mr. Baron", sagte sie höflich und streckte die Hand aus. "So förmlich, Lara?" Er nahm ihre Hand und ließ sie nicht wieder los. Dobbs zog die Augenbrauen hoch. "Kennen Sie sich?" "Nein", log Lara. "Ja", sagte Slade und lachte. "Sie meint wahrscheinlich, dass wir uns nicht besonders gut kennen. Stimmt's, Lara?" Jetzt lächelte er sie an, aber sein Blick war hart. "Ja", erwiderte sie benommen. Slade hatte die Regie übernommen, und sie konnte nur noch mitspielen und hoffen, dass sie die Sache heil überstand. "Wir kennen uns nicht besonders gut", plapperte sie wie ein Papagei nach und entzog Slade die Hand. Dobbs nickte nachdenklich. "Das ist ja interessant. Sie haben niemals erwähnt, dass Sie Mr. Baron kennen, Miss Stevens." "Nein. Sehen Sie..." "Sie konnte nicht", unterbrach Slade sie. "Wir sind nicht dazu gekommen, unsere Nachnamen auszutauschen." O bitte, lass mich im Boden versinken, dachte Lara.
"Wir sind uns vor anderthalb Jahren auf einem Flughafen begegnet und eine Weile zusammengeblieben. Stimmt's, Lara?" "Das Wetter", stieß sie hervor. "Es hat..." "Geschneit. Und wie!" Slade lachte. "Ich hatte noch nie so viel Schnee gesehen, Mr. Dobbs. Aber Ihre Miss Stevens ist eine geistreiche Dame. Wir haben viele Methoden gefunden, uns die Zeit zu vertreiben." "So?" Dobbs lächelte ratlos. "O ja. Wir ... Nein, ich überlasse es Lara, Ihnen alles darüber zu erzählen." "Für die Einzelheiten interessieren Sie sich doch sicher nicht, Sir", sagte sie nervös. "Natürlich tut er das", widersprach Slade. "Natürlich tue ich das", betete Dobbs nach. "Ich habe nach einem Weg gesucht, mir die Warterei zu verkürzen." Slade lächelte Lara an, doch sein Blick war eiskalt. "Und dann haben Ihre Miss Stevens und ich zu meinem Glück ein Gespräch begonnen." "Über nichts." Lara lachte angespannt. "Sie wissen, wie das ist, Mr. Dobbs. Zwei Fremde vertreiben sich die Zeit mit Small Talk." "Aber wir haben festgestellt, dass wir vieles gemeinsam haben", sagte Slade. "Lara brauchte eine Ladung, und mein Akku war gerade voll aufgeladen." Lara brannte das Gesicht, "Er redet von Computern", stieß sie hastig hervor. "Wir benutzen denselben Typ. Und meine Batterie war leer. Mr. Baron wollte mir seine Ersatzbatterie schenken. Und ... und ..." Sie verstummte. Ihr war klar, was Slade wirklich sagte. Eine Frau sollte sich nicht aus dem Bett eines Mannes schleichen, selbst wenn sie nur ein One-NightStand war. Und sie sollte nicht wieder in seinem Leben auftauchen, besonders nicht in einem geschäftlichen Rahmen. Sein Ego stand auf dem Spiel. Ebenso wie alles, was ihr etwas bedeutete. Die Erkenntnis verlieh ihr den Mut, den sie
brauchte. "Jedenfalls war Mr. Baron so nett, mir seine Hilfe anzubieten." Lara lächelte ihn strahlend an und freute sich, weil er offensichtlich nicht damit gerechnet hatte, dass sie die Fassung so schnell wiedergewinnen würde. "Ich muss zugeben, dass ich deine Großzügigkeit völlig vergessen hatte. Wie schön, dich wieder zu sehen und daran erinnert zu werden!" Edwin Dobbs räusperte sich. "Möchten Sie jetzt mit Ihrer Präsentation beginnen, Mr. Baron?" "Natürlich", erwiderte Slade. Er öffnete sein Notebook, schaltete es ein und benutzte einen Projektor, um eine brillante Konstruktionszeichnung nach der anderen vorzuführen und dabei alle wesentlichen Faktoren zu erklären. Nur gut, dass ich so etwas schon tausendmal gemacht habe, sonst würde ich hier wie ein Idiot stehen und Unsinn reden! dachte Slade grimmig. "Unsere Rechnungsprüferin ist Ihr Angebot durchgegangen", hatte Dobbs vor Beginn der Besprechung zu ihm gesagt. "Ich habe sie gebeten, sich uns anzuschließen, damit wir sicher sein können, dass über die geplanten Kosten Ihres Entwurfs Einigkeit herrscht." "Kein Problem", hatte Slade höflich erwidert. Genau in dem Moment hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Er drehte sich um und sah Lara. Die Frau, die ihm nicht aus dem Kopf ging. Unglaublich, dass ich sie wieder gefunden habe, dachte er und lächelte sie an. Ihr kalter Blick holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie war nicht überrascht. Natürlich nicht. Dobbs hatte ihr sein Angebot gegeben. Sie trug die Mappe unter dem Arm, und Slade wusste, was darin war. Alle Konstruktionsdaten. Und alle seine persönlichen Daten. Name. Telefonnummer. Adresse. Sogar ein Foto war dabei.
Lara hatte gewusst, dass sie sich an diesem Tag wieder sehen würden, und sie hatte es für sich behalten. Kein Telefonanruf. Keine E-Mail. Kein "Slade, rate mal, was ..." Sie hatte es absichtlich so eingerichtet, dass er hier ankommen würde und ... Und was? Slade hatte noch immer keine Ahnung. In was war er hineingeraten? Warum war Lara so abweisend? Er war nicht derjenige, der sich aus dem Hotelzimmer geschlichen hatte. "Ich habe Ihren Wunsch, die Tradition zu wahren, berücksichtigt und mit zukunftsorientierten Prinzipien verbunden ..." Klangen seine Erklärungen noch plausibel? Anscheinend. Die Aufsichtsratsmitglieder hörten ihm aufmerksam zu. Er warf Lara einen Blick zu und fröstelte. Sie beobachtete ihn, als würde er mit einer Schaufel in der Hand an seinem eigenen Grab stehen. "Und einen Teich im Atriumgarten ..." Was, zum Teufel, ging hier vor? Es war ein Schock für ihn gewesen, sie wieder zu sehen. Und ja, er hatte sich gefreut. Natürlich hatte es seit jener Nacht andere Frauen in seinem Leben gegeben, aber keine war wie Lara gewesen. Das werde ich ihr nach der Sitzung sagen und sie dann fragen, ob sie das Wochenende mit mir verbringen möchte, hatte er gedacht. Bis sie ihn angesehen hatte, als wäre sie eine Katze und er eine Portion Spatzenbrust. Ihm gefiel das Ganze nicht. Diese Frau würde den Aufsichtsratsmitgliedern der Bank nicht empfehlen, sich auf seine Zahlen zu verlassen. Er würde ihr niemals trauen. Sie mochte ja gut im Bett sein, aber ... O Mann, das war sie. Er erinnerte sich an ihre Leidenschaftlichkeit. An die kleinen Tricks, die sie kannte und die ihn fast veranlasst hatten zu glauben, sie sei süß und unschuldig und habe noch nie mit einem Fremden die Nacht
verbracht. Wie sie ihn am Anfang berührt hatte, ein bisschen scheu und unsicher ... Verdammt. Slade fing sich gerade noch und ließ den Blick schnell um den Konferenztisch gleiten. Halb erwartete er, dass ihn alle ansehen würden, als wäre er völlig verrückt geworden. Aber anscheinend hatte sein Verstand funktioniert, auch wenn seine Libido in einem Hotelzimmer in Denver gewesen war. Slade wurde bewusst, dass er die Präsentation zu Ende gebracht hatte. Und sie war gut gelaufen. Dobbs lächelte zufrieden, und die anderen Herren machten einen begeisterten Eindruck. Laras Miene war ausdruckslos. "Vielen Dank, Mr. Baron", sagte Dobbs. "Das war wirklich sehr aufschlussreich." Ich kann auch gleich zur Sache kommen, dachte Slade. "Freut mich, das zu hören. Miss Stevens scheint allerdings einige Fragen zuhaben." "Ja, habe ich", erwiderte sie. Nicht nur Fragen. Sie hatte Berichte und Vorträge und nahezu unfassbar viele Zahlen. Er hatte sie richtig eingeschätzt. Sie wollte, dass er von hier verschwand, und sie würde alles tun, um es zu erreichen. Nach wenigen Minuten war der Konferenztisch mit Zeitungsartikeln, Aufsätzen und Ausdrucken übersät. Lara legte eine Dokumentation vor, die wahrscheinlich bis zum Bau der Pyramiden zurückging, und jedes Schriftstück hatte die finanziellen Katastrophen zum Thema, die sich zwischen der Planung und Fertigstellung eines Bauvorhabens ereignen konnten. Slade spürte, wie die Männer von Zweifel befallen wurden. Gerade eben hatten sie ihn noch angestrahlt, jetzt runzelten sie die Stirn. Und dann sah Lara auf und lächelte ihn gönnerhaft an. Was war mit der Frau los? Beichte es denn nicht, dass sie ihn in dem Hotelzimmer hatte sitzen lassen? Musste sie ihn hier auch noch zum Trottel machen? Er stellte sich vor, wie er über
den Tisch hechten, sie packen und schütteln würde ... Oder, noch besser, wie er sie an die Wand drängen, dieses aufreizende Lächeln von ihrem Mund küssen und ihre Brüste berühren würde. Das würde ihr zeigen, dass sie nicht einfach so tun konnte, als hätte sie keine Erinnerung an jene Nacht. War das ihr Problem? Glaubte sie, die Bilder auszulöschen, indem sie ihn aus der Stadt jagte? Oder rächte sie sich für seine Äußerung, sie könnten ja vielleicht irgendwann einmal wieder zusammenkommen? Wie dem auch sei, sie hatte einen Fehler gemacht. Wenn das hier ein Schlachtfeld war, würde er kämpfen. Die Hände in den Hosentaschen, damit niemand sah, dass er sie zu Fäusten geballt hatte, wartete Slade geduldig, bis Lara keine Zahlen mehr hatte und Dobbs anblickte. "Ich musste diese negativen Anmerkungen leider vorbringen, Sir", sagte sie. "Mr. Barons Entwurf ist zweifellos ausgezeichnet. Ich sehe nur nicht, wie Beaufort das Projekt innerhalb des festgelegten Finanzplans verwirklichen kann. Es sei denn, ich habe irgendetwas außer Acht gelassen ..." Sie lächelte, als wäre das unmöglich. Im Raum war es still. Dobbs und die anderen Männer blickten von Lara zu Slade. Schließlich räusperte sich der Vorsitzende. "Sie möchten sicher dazu Stellung nehmen, Mr. Baron." "Ja", sagte Slade ruhig. Lara beobachtete ihn wachsam und besorgt. "Mein Kompliment, Miss Stevens. Das war ein wirklich interessanter Vortrag. Interessant, aber falsch. Sie haben mehrere entscheidende Punkte durcheinander gebracht." Er brauchte nicht einmal fünf Minuten, um ihre Argumente zu widerlegen. In ihrem Eifer, ihn aus der Stadt zu jagen - und er war überzeugt, dass es ihr darum gegangen war -, waren Lara Fehler unterlaufen. Sie verstand viel von Zahlen und nichts von Architektur. Und sie hatte ihn als Gegner unterschätzt.
Dobbs warf einen Blick in die Runde und schien sich stillschweigend mit den Aufsichtsratsmitgliedern zu verständigen. "Es ist offensichtlich, dass Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben, Mr. Baron." Slade lächelte liebenswürdig. "Das tue ich immer." Sein Vater hatte ihm die Lebensanschauung eingebläut. "Wollen ist nicht genug, Junge", hatte Jonas dauernd gesagt. "Du musst vorbereitet in den Kampf ziehen, um zu gewinnen." Er hatte diesen Auftrag haben wollen und war vorbereitet gekommen. Nicht darauf, persönlich angegriffen zu werden, aber auf die üblichen pedantischen Einwände der Finanzexperten. Dass er es mit einer Rotblonden namens Lara zu tun haben würde, hatte er allerdings nicht erwartet. Dadurch wurde sein Sieg umso süßer. Er hatte sie gelehrt, dass sie Slade Baron nicht zweimal zum Narren halten konnte. Denn das hatte sie getan, als sie sich aus seinem Bett geschlichen hatte. Dobbs schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Damit war die Sitzung offensichtlich zu Ende. Alle anderen erhoben sich ebenfalls. "Danke für Ihren Beitrag, Miss Stevens. Sie haben wichtige Fragen aufgeworfen, und wir werden sie uns durch den Kopf gehen lassen." "Keine Ursache, Sir", sagte Lara steif. Dobbs kam um den Tisch und klopfte Slade auf die Schulter. "Sind Sie der Meinung, dass Ihnen unsere Miss Stevens das Leben zu schwer gemacht hat?" "Nein, durchaus nicht." Slade blickte Lara an. Ihre Miene war ausdruckslos. Seine hoffentlich auch. Er verstand noch immer nicht, warum sie versucht hatte, ihn zu sabotieren. Keiner der Gründe, die ihm bisher eingefallen waren, ergab wirklich einen Sinn. Außer wenn sie eine Beziehung zu einem anderen Mann hatte.
Slade presste die Lippen zusammen. Ja, das würde es erklären. Sie war mit einem anderen zusammen, und plötzlich tauchte er auf, der wandelnde Beweis dafür, dass sie einmal eine leidenschaftliche Nacht mit einem Fremden verbracht hatte. Er blickte auf ihre linke Hand und sah den schmalen Goldring. Ihm wurde schwindlig. Lara war verheiratet. Na und? Es bedeutete ihm nichts. Sie hatten Sex gehabt, das war alles. Und es war vor langer Zeit passiert. Sie war ihren Weg gegangen und er seinen. Sie schmeichelte sich, wenn sie glaubte, er würde sie wieder so begehren, dass er damit drohen würde, ihrem Mann von ihnen zu erzählen. Am selben Tag, an dem er eine Frau nötigen musste, mit ihm ins Bett zu gehen, würde er sich in einem Altersheim anmelden. Es machte ihn einfach wütend, dass sie gedacht hatte, sie müsse sich schützen, indem sie ihm alles vermasselte. Er wollte ihr das sagen, aber sie hatte bereits ihre Sachen eingepackt und den Konferenzsaal verlassen. Anscheinend lief sie gern davon. Tja, diesmal würde sie nicht damit durchkommen. Slade schüttelte reihum Hände. Dobbs brachte ihn zur Tür. "Sie hören bald von uns, Mr. Baron." "Schön. Ach, übrigens ... Ihre Miss Stevens hat einige Einkaufsverfahren erwähnt, die nicht zutreffend waren." "Eine fleißige junge Frau." Dobbs lachte leise. "Nur unter uns, ich fürchte, sie ist ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen." "Fleißig, wie Sie sagten, Sir. Ich würde das mit den Verfahren gern richtig stellen. Wissen Sie, wo ich Miss Stevens finden kann?" "Finanzabteilung, vierter Stock. Die Empfangsdame wird Ihnen den Weg zeigen. Nett von Ihnen, dass Sie Miss Stevens auf die rechte Bahn bringen wollen, Mr. Baron ... Oder darf ich Sie Slade nennen?"
"Sie dürfen." Slade lächelte. "Und glauben Sie mir, Edwin, es wird mir ein Vergnügen sein, Lara Stevens auf die rechte Bahn zu bringen." Die Empfangsdame war überaus entgegenkommend und führte Slade zu Laras Büro. Laras Sekretärin war es nicht. "Sie können nicht unangemeldet hineingehen", protestierte sie und stand hastig auf. Er hatte die Tür bereits aufgerissen. Lara stand am Fenster. Sie drehte sich um und wurde blass. "Miss Stevens, ich habe versucht, den Herrn aufzuhalten ..." "Sag deiner Sekretärin, dass sie verschwinden soll", verlangte Slade kalt. "Wenn Sie möchten, dass ich den Sicherheitsdienst rufe, Miss Stevens ..." Slade betrat das Zimmer. "Los, sag's ihr." "Ist schon in Ordnung. Mr. Baron und ich hatten während der Sitzung Meinungsverschiedenheiten ..." Lara rang sich ein Lächeln ab. "Danke, Nancy, das wäre alles." Slade wartete, bis die Sekretärin die Tür hinter sich geschlossen hatte. "Ich habe dich unterschätzt, Süße." "Was willst du?" Er legte seine Sachen auf einen Stuhl und ging auf Lara zu. "Ich hatte dich nur für eine scharfe Puppe gehalten, die sich amüsieren möchte." Sie war noch immer blass, verzog jedoch keine Miene. "Und jetzt stellt sich heraus, dass du gefährlicher bist als ein Hai." "Was willst du?" wiederholte Lara. Dies war ihr Revier, nicht seins. Es fiel ihr nicht im Traum ein, sich von ihm einschüchtern zu lassen. "Dir gratulieren." Er lächelte spöttisch. "Du hast eine großartige Vorstellung für die Jungs im Konferenzsaal gegeben, Miss Stevens. Oder sollte ich ,Mrs.' sagen?"
"Mrs. ...?" Sie biss sich auf die Lippe. "Ja." Slade lehnte sich an die Schreibtischkante. "Nur ,Ja'? Na los, Süße. Das kannst du doch besser machen. Wann hast du geheiratet? Nach unserer Begegnung? Oder hast du vielleicht vergessen, deinen Trauring zu tragen, als wir unser kleines ... Treffen hatten?" Sie warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. "Die Frage verdient keine Antwort. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest..." "Wer ist der Glückspilz? Ich könnte ihn ja einfach mal anrufen und zu einem Bier einladen." Lara dachte daran, einen Namen zu erfinden, dann überlegte sie es sich anders. "Dazu wirst du keine Gelegenheit bekommen. Ich bin geschieden." "Tatsächlich?" Slade zog die Augenbrauen hoch. "Verheiratet und geschieden in anderthalb Jahren. Du bist zweifellos beschäftigt gewesen." Lara setzte sich an ihren Schreibtisch. "Ich bin sehr beschäftigt. Wenn du mit diesem Besuch irgendetwas bezweckst..." "Ja, tue ich." Sie begann, einen Stapel Papiere durchzugehen, und Slades Blutdruck schnellte hoch. Er hatte sie zwei Minuten lang aus der Fassung gebracht, aber sie hatte sich wieder unter Kontrolle und benahm sich, als wäre er so wichtig wie ein Fleck an der Wand. "Verdammt, sieh mich an, wenn ich mit dir rede!" Lara warf ihm einen trotzigen Blick zu. "Verlass sofort mein Büro." "Erst will ich eine Erklärung." "Es gibt nichts zu erklären." "O doch. Warum hast du mich an jenem Morgen sitzen lassen?" Eigentlich hatte er fragen wollen, warum sie es darauf angelegt hatte, dass er bei Dobbs scheiterte, warum sie es nicht erwarten konnte, ihn loszuwerden. Jetzt wurde ihm klar, dass er ausgesprochen hatte, was er wirklich wissen wollte.
"Ich schulde dir weder eine Erklärung noch sonst irgendetwas!" Slade blickte Lara an und erinnerte sich daran, wie es gewesen war, sie zu küssen. Er befahl sich, sofort zu verschwinden, anstatt sich lächerlich zu machen. O verdammt! Er ging um den Schreibtisch und zog Lara auf die Füße. "Doch, tust du", sagte er. Und er riss sie an sich und küsste sie.
4. KAPITEL Wie konnte ein Mann nur so dumm sein, ein Problem mit einem anderen zu verschlimmern? Am Montagmorgen, wieder zu Hause in Boston, hatte Slade noch immer keine Antwort darauf gefunden. Zuerst hatte er eine Frau verführt, die er während eines Schneesturms auf einem Flughafen kennen gelernt hatte. Kein Fehler an sich, dachte er, während er sich stirnrunzelnd im Spiegel über dem Waschbecken betrachtete. Sie in den vergangenen achtzehn Monaten nicht aus dem Kopf zu bekommen war unklug gewesen. Slade verteilte Rasierschaum auf seinem Kinn. Und das hatte er noch übertroffen, indem er im Konferenzsaal von Beaufort die Beherrschung verloren hatte. Na gut, nicht ganz. Er war nur dicht davor gewesen. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich, als er das altmodische Rasiermesser nahm, das er bevorzugte. Noch einige Zweideutigkeiten, und sogar der alte Dobbs hätte kapiert, dass zwischen seiner Hauptrechnungsprüferin und dem Architekten der neuen Konzernzentrale mehr als ein Gespräch über Computer vorgefallen war. Aber nichts davon konnte der letzten Verrücktheit das Wasser reichen. Einfach in Laras Büro zu stürmen und eine Schau abzuziehen, nach der ihn die Sekretärin wahrscheinlich für einen Psychopathen hielt. Gegen Lara anzugehen, weil sie
ihn in eine Falle gelockt und gehofft hatte, er würde sich während der Sitzung um den Auftrag bringen. Weil sie sich aus dem Hotelzimmer geschlichen hatte ... Weil sie ihn verlassen hatte, bevor er bereit gewesen war, sich von ihr zu trennen. Er hatte sie noch eine Stunde länger halten wollen. Sie küssen wollen ... Slade rutschte die Klinge weg. "Verdammt", stieß er wütend hervor. Er warf das Rasiermesser ins Waschbecken und griff nach einem Papiertuch. Warum verschwendete er Zeit damit, über diese Sache zu grübeln? Okay, er hatte am Freitag überreagiert. Na und? Es war Wut und nicht Leidenschaft, die ihn dazu getrieben hatte. Das Klingeln des Telefons hatte ihn auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Er hatte Lara von sich geschoben und war hinausgegangen. Aber er hätte schwören können, dass sie seinen Kuss erwidert hatte. Blut durchtränkte das Papiertuch. Slade warf es weg und öffnete alle Schubladen der Kommode unter dem Waschbecken, bis er einen Alaunstift fand. Er rieb mit der Spitze über die Schnittwunde und wartete darauf, dass die Blutung stoppte. Dann ging er ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Und wenn schon! Die Frau war nichts weiter als ein Problem. Er war nach Baltimore geflogen, um einen Auftrag zu bekommen, und er hatte ihn bekommen. Bei seiner Ankunft zu Hause war eine Nachricht von Dobbs auf dem Anrufbeantworter gewesen: "Sie haben den Auftrag." Konnte ein Mann noch mehr verlangen? Slade presste die Lippen zusammen. Ja. Er wollte aufhören, an Lara Stevens zu denken. "Verdammt!" stieß er wieder wütend hervor. Statt eines Anzugs mit weißem Hemd und Seidenkrawatte zog er Shorts, ein altes "Harvard"-T-Shirt und Laufschuhe an und rannte die Treppe hinunter, aus dem Haus und zu dem Weg, der am Charles River entlangführte.
Er hatte sein tägliches Fünfmeilenpensum schon absolviert, doch an diesem Morgen brauchte er es noch einmal. Nach wenigen Minuten klebte ihm das T-Shirt am Leib. Vor einer Stunde war es kühler gewesen. Das machte nichts. Es war sogar ausgezeichnet. Laufen bis zum Zusammenbruch würde ihn vielleicht von den Erinnerungen an Lara befreien. Er hatte es satt, im Geiste ihr Gesicht zu sehen, ihre Stimme zu hören und sie in seinen Armen zu spüren. Seit er Lara am Freitag geküsst hatte, wachte er jede Nacht auf und stellte fest, dass er die Laken weggestrampelt hatte und ein Teil seines Körpers etwas Peinliches zu tun drohte, was er zuletzt vor fünfzehn Jahren getan hatte. Ein ganzes Wochenende. Reichlich Zeit, um sich Lara aus dem Kopf zu schlagen, dachte Slade wütend und lief schneller. Nur war es ihm nicht gelungen. Und er hatte es versucht. Am Samstag hatte er bis abends gearbeitet, in letzter Minute eine fantastische Blondine angerufen und vor sich hin gelächelt, als sie gesagt hatte, sie habe schon etwas anderes vor, aber sie werde ihre Pläne ändern. Sie gingen essen und danach in ein Freiluftkonzert. Als sie schließlich in ihrer Wohnung waren und sie begann, seine Krawatte zu lösen, wollte er plötzlich überall sein, nur nicht, wo er war. Er schob die Blondine sanft von sich. "Mensch, mir ist gerade eingefallen, dass ich noch mal ins Büro muss." "Um Mitternacht?" "Ja, jetzt sofort", sagte er und ergriff die Flucht. Am Sonntag versuchte er es, indem er sich fast mit Sport umbrachte. Morgens lief er die fünf Meilen und trainierte danach eine Stunde im Fitnessraum. Am Nachmittag ruderte er flussaufwärts. Zum Abendessen ließ er Pizza kommen und saß dann stundenlang teilnahmslos vor dem Fernsehgerät. So viel dazu, an Lara zu denken, hatte er sich selbstgefällig gratuliert ... Bis er irgendwann in der Morgendämmerung einen dieser Träume gehabt hatte, an die er sich nicht erinnern wollte.
Und jetzt rannte er atemlos und verschwitzt nach Hause und dachte nur an Lara. Er schleppte sich die Treppe hoch, zog sich aus, ging duschen und dachte noch immer an Lara, fragte sich wieder, warum er sie geküsst hatte und was wohl passiert wäre, wenn das Telefon nicht geklingelt hätte. Weil sie trotz allem dort weitermachen wollte, wo sie aufgehört hatten. Er hatte das leise Stöhnen gehört und gespürt, wie ihr Herz schneller schlug und sie in seinen Armen dahinschmolz. Was für ein Mann würde so eine Frau innerhalb achtzehn Monaten heiraten und sich wieder von ihr scheiden lassen? Warum interessierte es ihn überhaupt? Das war eine bessere Frage. "Tut es nicht", sagte Slade energisch und verließ die Duschkabine. Vielleicht sollte er sich mal eine Zeit lang von den Frauen fern halten. Er musste an dem Gebäude für Beaufort arbeiten und würde sich um einen weiteren Auftrag bewerben. Viele Entwürfe und Besprechungen warteten auf ihn. Einen Termin bei Dobbs in zwei Wochen hatte er sich schon aufgeschrieben. "Kommen Sie fürs ganze Wochenende", hatte Dobbs gesagt. "Ich nehme Sie mit in meinen Klub und stelle Sie allen vor." Es machte ihm nichts aus, dass er zwei Tage in der Stadt verbringen würde, in der Lara lebte. An sie zu denken war Schnee von gestern, stimmt's? "Stimmt", sagte Slade. Er zog sich an und lief munter die Treppe hinunter. Um neun saß Slade an seinem Schreibtisch und sah den Terminkalender durch. Er hatte eine Verabredung zum Mittagessen, ein Konferenzgespräch um drei ... "Travis anrufen" stand da noch. Slade lächelte. Das hatte er selbst eingetragen. Sein Bruder war in irgend so eine Junggesellenversteigerung hineingezogen worden. In seiner Kanzlei hatten alle gewettet, dass er das Höchstgebot erzielen würde. Und warum nicht? Trav war ein Frauenheld. Er hatte versucht, häuslich zu werden, und
festgestellt, dass es nicht funktionierte. Große Überraschung, dachte Slade sarkastisch. Nur sein Bruder David war glücklich verheiratet. Aber Natalie war ja auch ein Engel und keine Frau. Slade legte die Füße auf den Schreibtisch und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Wie Travis hatte er Spaß daran, "nichts anbrennen zu lassen". Und daran, "Baron, Haggerty and Levine" noch größer zu machen. "Wir bringen die Namen in alphabetische Reihenfolge", hatte er an dem Abend gesagt, als Jack, Ted und er den Plan bei guter Pasta und schlechtem Chianti ausgeheckt hatten. Die Trattoria lag nur zwei Straßenblöcke von der großen Baufirma entfernt, bei der sie nach dem Studium an der Harvarduniversität alle drei eingestellt worden waren. "Ich wette, das würden wir nicht tun, wenn dein Name Zambroski wäre", hatte Jack erwidert. "Aber es ist okay. Wenn ich daran denke, wie du die Damen in Back Bay bezaubern wirst, Baron, höre ich die Kassen schon klingeln." Slade lächelte. Er hätte damit leben können, wenn sein Name ganz hinten gestanden hätte. Er hätte es dagegen nicht ertragen, wenn das mit der Firma passiert wäre. Erfolg haben. Darauf kam es an. Er war ein verdammt guter Architekt, trotz der Reaktion des Alten auf das Berufsziel seines jüngsten Sohnes. "Meinetwegen kannst du für andere Leute Häuser zeichnen", hatte Jonas spöttisch gesagt. "Erwarte nur nicht, dass ich diese weibischen Träume finanziere, Junge." Es war keine Enttäuschung gewesen. Slade hatte damit gerechnet. "Das ist in Ordnung, Vater", erwiderte er. "Ich mache es lieber ohne deine Hilfe." Seine Schulnoten waren hundsmiserabel, was nicht erstaunlich war, da er zwischen sechzehn und achtzehn hauptsächlich Motorrad fuhr, ritt und mit Frauen schlief. Wahrscheinlich verschafften ihm nur der Name Baron und die Hoffnung auf Stiftungsgeld einen Platz in dem kleinen College
in Texas. Sobald er dort war, arbeitete Slade hart, hatte nur Einsen und wurde Mitglied in der Vereinigung hervorragender Akademiker. Das brachte ihn an die Harvarduniversität. Um sein Studium dort zu finanzieren, arbeitete er in einem Pub im Geschäftsviertel der Stadt. Der Job änderte alles. Von Börsenmaklern, die an der Theke Scotch tranken, schnappte Slade auf, wie man spekulierte. Er eröffnete ein Konto und kaufte Aktien. Als er sein Studium abschloss, hatte er so viel Geld auf der Bank, dass sogar er beeindruckt war. Ein Jahr später hatte er jeden Penny in die brandneue Firma Baron, Haggerty and Levine gesteckt. Und B, H and L war ein Erfolg geworden. Slade lächelte. Seine Spezialität waren Bürogebäude, die Skylines verwandelten. Ted war eine Autorität auf dem Gebiet des Wiederaufbaus im Zeitstil, und Jack entwarf Wohnhäuser für Klienten, die etwas Außergewöhnliches haben wollten und die Kosten nicht scheuten. Das Leben war schön. Slade liebte seine Arbeit und seine Stadt. Er fuhr einen dunkelgrünen Jaguar und einen schwarzen Kombi. Er besaß eine Hütte in Maine und ein Haus im neoklassizistischen Stil in Boston, das er selbst renovierte. Und genau wie Jack vorhergesagt hatte, kam er bei den Damen in Back Bay gut an. Besser als gut. Und bei denen in Beacon Hill und Cambridge auch. Warum bescheiden sein? Bei Frauen aus allen Himmelsrichtungen. Slade lächelte. Mit Frauen hätte er noch nie Probleme gehabt. Bis jetzt. Slades Lächeln verschwand. Bis er sich mit einer eingelassen hatte, die er auch für leicht durchschaubar gehalten hatte und die in Wirklichkeit komplizierter war als die Serpentinenstraßen durch Beacon Hill. "Mr. Baron?" Slade sah auf. Seine Sekretärin war im Mutterschaftsurlaub. Die Zeitsekretärin war eine süße, tüchtige junge Frau, aber sie wurde jedes Mal rot, wenn er sie anblickte. Manchmal dachte er
daran, ihr klipp und klar zu sagen, dass er niemals mit Frauen spielte, die für ihn oder mit ihm arbeiteten ... Was hatte er denn dann mit Lara getan, als er sie in ihrem Büro geküsst hatte? In ihrem Büro! Er setzte sich ordentlich hin und räusperte sich. "Ja, Betsy?" "Dieses Päckchen ist gerade gekommen, Sir. Durch Boten." "Danke." Er nahm es ihr ab. Interessant. Kein Name. Kein Absender. "Sonst noch etwas, Mr. Baron?" "Nein. Ja. Kaffee. Schwarz. Ein Stück Zucker." Er öffnete das Päckchen. Darin war ein Pergamentumschlag. Slade schnupperte daran, nahm jedoch kein Parfüm wahr. Er riss den Umschlag auf und zog eine vornehme und schöne Einladungskarte heraus. Wir bitten um Ihre Anwesenheit bei der Feier anlässlich des fünfundachtzigsten Geburtstags von Mr. Jonas Baron am Samstag und Sonntag, den vierzehnten und fünfzehnten Juni, auf der Baron Ranch "Espada", Brazos Springs, Texas R.S.V.P. "O verdammt", sagte Slade und verdrehte die Augen. Nicht nur wegen der Einladung, sondern auch wegen der Anmerkung, die darunter gekritzelt war. Keine Ausreden. Die weibliche Bevölkerung von Boston wird eben ein Wochenende lang ohne Dich auskommen müssen. C. Neben das kühne C war ein kleines Herz gemalt.
Slade musste einfach lachen. Seine Stiefschwester Caitlin hatte schon vor Jahren kapiert, dass sie nur mit ihren Stiefbrüdern fertig werden konnte, wenn sie ebenso hart war, wie sie es waren. Diesmal würde sie damit nicht weiterkommen. Das war ein Schocker. Nicht die Party. Catie war ein Schatz und wollte bestimmt etwas Schönes organisieren. Dass Jonas so alt war, bestürzte Slade. Er war vor zwei Jahren zuletzt auf der Ranch gewesen, und sein Vater hatte so robust ausgesehen wie immer, als würde er einfach nicht altern. Aber er tat es, wie die Einladung bewies. Trotzdem fahre ich nicht hin, dachte Slade. Auf keinen Fall. Sein Leben war neuerdings auch ohne ein Wochenende mit dem lieben Dad schon verrückt genug. Slade drehte den Stuhl herum und blickte aus dem Fenster. Andererseits wäre ein Wochenende mit David, Travis und Caitlin vielleicht sogar ganz nett. He, vielleicht war es genau das, was er brauchte. Im Fluss schwimmen. Auf der Veranda sitzen und plaudern. Und, am besten von allem, er hätte einen Grund, den Termin in Baltimore abzusagen. Nicht, dass er Angst davor hatte, Lara Stevens wieder zu sehen. Nur konnte er sehr gut auf weitere Auseinandersetzungen mit einer Frau verzichten, die anscheinend nicht nur seine Libido, sondern auch seinen Verstand durcheinander bringen wollte.
5. KAPITEL "Miss Stevens?" Lara sah von den Notizen auf, die sie gerade gelesen hatte. "Sagen Sie es mir nicht." Ihre Sekretärin lächelte. "Okay. Dann teile ich Ihnen nur mit, dass ich jetzt gehe. Und das bedeutet, dass es sechs Uhr sein muss." Lara seufzte, stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und umfasste ihr Gesicht. "Danke, Nancy. Ist Mr. Dobbs schon zurück?" "Nein. Ich habe gerade eben nachgefragt. Seine Sekretärin sagt, es bleibe dabei, dass sich Mr. Haggerty und Sie hier treffen und zum ,The Flying Fish' fahren. Mr. Dobbs werde so schnell wie möglich nachkommen." "Großartig." Lara seufzte wieder niedergeschlagen. "Zu schade, dass nicht dieser Mr. Baron anreist. Der Typ ist sexy. Wenn ich schon an einem Freitagabend Überstunden machen müsste, hätte ich zumindest gern einen hübschen Anblick." "Das ist ein Geschäftsessen", erwiderte Lara schärfer, als sie beabsichtigt hatte. "Ich meine, wen interessiert denn, wie ein Mann aussieht, wenn man über den Preisunterschied zwischen Marmor und Granit spricht?" "Ach, die Freuden eines romantischen Abends." Nancy verdrehte die Augen.
Lara lächelte. "Grüßen Sie Kevin von mir. Und ein schönes Wochenende, Nancy." "Ihnen auch, Miss Stevens. Bis Montag." Die Tür fiel ins Schloss, und Laras Lächeln verschwand. Es war eine lange Woche gewesen. Zwei lange Wochen sogar. Sie hatte überhaupt keine Lust auf Small Talk mit Jack Haggerty von Baron, Haggerty and Levine, aber sie hatte die Sache am Hals. Dobbs hatte an diesem Morgen angerufen und eine umständliche Erklärung vom Stapel gelassen, die darauf hinauslief, dass er mit einem der Teilhaber aus Slades Firma zum Abendessen verabredet war und sich verspäten würde. Ob sie wohl so freundlich wäre, Mr. Haggerty zu begrüßen, mit ihm zum "The Flying Fish" zu fahren und ihn zu beschäftigen, bis er nachkommen könne? Nein, tut mir Leid, ich möchte nach Hause zu Michael, hatte Lara sagen wollen. Es würde ihr ein Vergnügen sein, hatte sie erwidert. Wenn Dobbs mit Slade verabredet gewesen wäre, hätte sie abgelehnt, und die Konsequenzen wären ihr völlig gleichgültig gewesen. Nicht, dass Slade ein Problem war. Sie mochte ihn einfach nicht. Diese Selbstgefälligkeit. Dieser abscheuliche Machismo ... Lara verzog das Gesicht. Deshalb war er ihr gefolgt und hatte sie geküsst. Der anmaßende Kuss war ein Stempel der Macht gewesen. Der Demütigung. Slade hatte mit ihr abrechnen und ihr sagen wollen, was er von ihr hielt. Und fast hätte es geklappt. Völlig überrascht, war sie eine leichte Beute gewesen. Oh, wenn sie doch nur Zeit gehabt hätte, die Fassung wiederzugewinnen. Sie hätte ihn geohrfeigt. Ihm einen Kinnhaken versetzt. Lara griff laut seufzend nach dem Telefon. Es machte sie so wütend, dass sie den Kuss dem Anschein nach zugelassen hatte.
Wenn sie nur Zeit zum Denken gehabt hätte. Dann hätte sie sich nicht so hilflos gefühlt. Ihr wäre nicht schwindlig geworden. Und ganz bestimmt hätte sie sich nicht schließlich an Slade festgehalten, als würden ihre Beine nachgeben. Lara stöhnte auf. Wozu sich selbst belügen? Ihre Beine hatten nachgegeben. Slade brauchte sie nur zu berühren, und sie vergaß, warum sie ihn hasste. Weil er ein arroganter Macho war. Weil er diese erbärmliche Bindungsangst hatte. Nicht, dass sie sich an ihn oder einen anderen Mann binden wollte. Trotzdem würde sie niemals die ölige kleine Ansprache vergessen, die er gehalten hatte, während sie in seinen Armen gelegen hatte. Wie wundervoll es mit ihr gewesen sei und dass sie vielleicht irgendwann einmal wieder zusammenkommen könnten ... Na gut, sie hatte es verdient gehabt. Mit einem Fremden ins Bett zu gehen war falsch gewesen. Ihre Beweggründe spielten keine Rolle. Es war falsch gewesen. Billig. Unmoralisch. Schmutzig ... "Schluss damit!" sagte Lara scharf und tippte ihre Privatnummer ein. Mrs. Krauss nahm nach dem ersten Klingeln ab. "Ich bin's. Was macht mein Junge?" Lara hörte lächelnd zu und spürte, wie sich ihre Laune besserte. Sie drehte den Stuhl herum und lehnte sich zurück. "Ja, bitte. Lassen Sie mich mit ihm sprechen. Michael? Wie geht es dir, Schatz?" "Ma-ma-ma." Lara schmolz dahin, als sie die Stimme ihres neun Monate alten Sohnes hörte. "Das ist richtig. Hier ist Mama. Bist du heute brav gewesen?" Michael gab noch mehr unsinnige Laute von sich, und Lara lachte. "Ich vermisse dich auch, Liebling. Es tut mir Leid, dass ich nicht mit dir zu Abend essen kann, aber wir werden das ganze Wochenende für uns haben, das verspreche ich dir, Michael." Sie machte ein Kussgeräusch. "Du bekommst noch mehr davon, wenn ich nach Hause komme. Bis dahin denk
daran, wie sehr ich dich liebe." Sie legte auf und seufzte glücklich. "Wie rührend!" sagte in diesem Moment jemand spöttisch. Sie sprang auf und drehte sich um. Slade stand in der Türöffnung. Wie viel hatte er gehört? "Ich bin froh, dass ich eine so entzückende Szene nicht verpasst habe." Bleib ruhig, befahl sich Lara. "Was machst du hier?" "Wer ist Michael?" fragte Slade kalt. "Was hast du hier zu suchen?" "Na hör mal, Süße. Behandelt man so einen Kollegen?" "Du hättest zumindest anklopfen können." "Habe ich. Du hast nicht geantwortet. Und dein Wachhund ist nicht da." Slade kam auf sie zu. "Jetzt bist du an der Reihe. Wer ist Michael?" "Er ... Er ist ein Bekannter von mir." Slade lachte. ",Ich vermisse dich auch, Liebling. Denk daran, wie sehr ich dich liebe.' Ein Bekannter? Oder ein weiterer Gast in deinem Bett?" "Ich schulde dir keine Erklärung. Du hattest kein Recht, ein privates Gespräch ..." "Mit wie vielen Männern bist du schon zusammen gewesen? Hundert?" Slade runzelte die Stirn. Was tat er hier eigentlich? Er war geschäftlich nach Baltimore gekommen. Was kümmerte es ihn denn, wenn diese Frau mit einem Kerl namens Michael schlief? "Verdammt!" stieß Slade wütend hervor und rückte weiter vor, bis er Lara gegenüberstand. "Macht es dir Spaß, von einem armen Trottel zum nächsten zu gehen?" "Baus!" Ihre Stimme zitterte. "Tu uns beiden einen Gefallen, und lass das theatralische Getue. Wir haben keine Zuschauer, die es genießen können." "Ich werde jemand vom Sicherheitsdienst bitten, dich hinauszuwerfen."
Slade lächelte. "Vielleicht solltest du besser erst deinen Boss anrufen und ihn fragen, was er dazu meint." "Mr. Dobbs beschäftigt mich, damit ich mich mit den Finanzen des Unternehmens befasse. Er würde niemals von mir verlangen, dass ich deine Anschuldigungen hinsichtlich meines Privatlebens dulde." "Anschuldigungen, Süße? Es sind Tatsachen." Slade ließ den Zeigefinger über ihren Mund gleiten. "Ich kann mich für deine Moral verbürgen. Oder dafür, dass du keine hast, sollte ich vielleicht sagen. Ich habe mit dir geschlafen, erinnerst du dich? Und wir haben uns nicht einmal mit Nachnamen gekannt." "Du Mistkerl!" "He, ich kann nichts dafür, wenn dir die Wahrheit nicht gefällt." Slade lächelte humorlos. "Ich nehme an, dem alten Ed würden die Augen übergehen, wenn er erfahren würde, wie du Fremde ,aufgabelst' und in Hotels Sex mit ihnen hast." Lara holte zum Schlag aus, doch Slade packte sie am Handgelenk und drehte ihr den Arm auf den Rücken. "Mir ist völlig gleichgültig, was du mit wem tust. Ich nehme nur nicht gern, was ein anderer Mann übrig lässt. Und jetzt, da ich dich in Aktion erlebt habe, frage ich mich, ob du vielleicht noch die hingebungsvolle Ehefrau irgendeines armen Idioten gewesen bist, als wir miteinander geschlafen haben." "Du bist der schrecklichste Mann, den ich jemals kennen gelernt habe!" "Und ich wette, du kennst viele." Slades Augen schienen dunkler zu werden. "Was uns zurück an den Anfang bringt. Wer ist Michael?" Angst durchflutete Lara, aber sie blinzelte nicht einmal. "Michael geht dich nichts an." "Ich bin anderer Meinung." Slade zog ihren Arm höher. Er wusste, dass er ihr wehtat und sie den Druck nur verringern konnte, indem sie näher an ihn heranrückte. Noch nie in seinem Leben hatte er einer Frau wehgetan, aber dieser wollte er etwas
antun. Es hatte ihn verletzt, zu hören, wie sie mit irgendeinem Typ namens Michael fast Sex am Telefon hatte. Jetzt wollte er sie verletzen. Sie küssen, damit sie sich daran erinnerte, wie es mit ihm war. Sie war so nah, dass Slade ihre Brüste spürte und den Duft einatmete, der ihn in jener längst vergangenen Nacht halb verrückt gemacht hatte. Ihr Blick verriet ihm, dass sie entweder Angst vor ihm oder vor den Empfindungen hatte, die er in ihr weckte. Und plötzlich wusste Slade, dass er Lara jetzt sofort den Rock hochschieben, ihr den Slip wegreißen und in sie eindringen könnte. Und dass sie vor Leidenschaft aufschreien würde, wenn er es tun würde. Nur dass er sie nicht aus Wut nehmen wollte. Er wünschte sich, dass sie zu ihm kam, sich ihm hingab, sagte ... Slade ließ Lara los und trat zurück. Sie wusste, dass er sie fast geküsst hätte. Und wenn er es getan hätte... "Entschuldige." Seine Stimme war ausdruckslos. "Ich habe kein Recht, dich zu verurteilen. Du kannst nichts dafür, wie du bist." "Du bist unglaublich! Du sprichst mich auf einem Flughafen an, verführst mich, sagst zu mir, es sei nett gewesen und wir könnten ja vielleicht irgendwann einmal wieder zusammenkommen, und jetzt hältst du mir eine Moralpredigt? Tut mir Leid, aber ich sehe keinen Unterschied zwischen deinem und meinem Handeln." "Und ob es einen gibt! Du bist ein Junkie. Einen Mann in den Wahnsinn zu treiben ist das, was du brauchst. Und wenn du mit jedem Kerl schlafen willst, der dir gefällt, während du zu einem Einfaltspinsel namens Michael eine Beziehung hast, ist das deine Sache. Aber ich werde dieses Spiel nicht spielen, Süße. Ich stehle nicht das Vieh eines anderen Mannes."
"Die Baron-Version der goldenen Sittenregel." Lara lachte, obwohl sie den Tränen nahe war. "Ehrlich, ich bin beeindruckt von so einer Tugendhaftigkeit." "Mach dich nicht noch einmal an mich heran, oder du wirst es bereuen, kapiert?" "Ich habe mich an dich herangemacht? Wer von uns ist denn gerade hereingekommen und hat den anderen an die Wand gedrängt?" "Ich habe dich nicht..." Lara stemmte die Hände in die Seiten. "Hör auf, Slade. Ich bin nicht dumm. Ich weiß, woran du gedacht hast." Er lächelte. "Und ich hätte es tun können. Du wolltest, dass ich es tue." Sie wurde rot. "Du schmeichelst dir." "Ich halte viel von Ehrlichkeit. Darf ich annehmen, dass dir der Begriff bekannt ist?" "Auf dieses Niveau lasse ich mich nicht ein. Gehen wir zurück zum Anfang. Warum bist du hier?" "Ich bin zu einem Geschäftsessen mit deinem Boss verabredet." "Was ist aus Mr. Haggerty geworden?" "Ihm ist etwas dazwischengekommen. Und bevor du voreilige Schlüsse ziehst: Nein, ich hatte keine Ahnung, dass ich dich am Hals haben würde. Vor zwei Stunden habe ich aus dem Flugzeug mit Dobbs telefoniert, und er hat mir mitgeteilt, er werde sich verspäten." Lara nickte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als das zu tun, worum Dobbs sie gebeten hatte. Und sie würde damit fertig werden, jetzt, da die Feindseligkeit zwischen Slade und ihr offen zu Tage getreten war. "Er kommt nach", sagte sie energisch. "Ich habe ein Taxi bestellt. Es müsste jeden Moment da sein." "Gut." Slade musterte Lara kühl. "Es ist bemerkenswert, wie geschäftsmäßig du aussiehst. So ... Wie lautet dieses altmodische Wort? Sittsam. Genau. Du siehst sittsam aus." Er
lächelte. "Allerdings nicht, wenn ich dich berühre. In meinen Armen brichst du zusammen." Sie würde ihm nicht den Gefallen tun zu "kneifen"! "Du schmeichelst dir, wenn du glaubst, mich zu erregen. Ich spiele nur ein Spiel, wie du selbst so klug gesagt hast." Sie hoffte, dass ihr Lächeln ebenso selbstgefällig war wie seins. Ohne ein weiteres Wort ging sie an ihm vorbei zur Tür, Der Oberkellner im "The Flying Fish" lächelte strahlend, als Lara darum bat, zum Tisch von Mr. Dobbs geführt zu werden. "Natürlich, Madam. Sir. Hier entlang, bitte." Er ging voraus auf die breite Veranda mit Blick auf den Hafen. Es war noch hell, trotzdem brannten schon die Kerzen in dem silbernen Halter, der in der Mitte des Tisches auf der zartrosa Decke stand. Es war ein romantischer Rahmen, kein geschäftlicher, und Lara blieb zögernd auf der Schwelle stehen. "Gibt es ein Problem, Madam?" "Ich dachte nur ... Haben Sie vielleicht drinnen einen Tisch?" "Tut mir Leid. In ungefähr einer halben Stunde wird vielleicht einer frei. Wenn Sie in der Bar warten möchten ...?" Hör auf, albern zu sein! dachte Lara und schüttelte den Kopf. "Nein, dieser hier ist ausgezeichnet." Sobald Slade und sie saßen, wurde ihnen die Speisekarte gereicht. "Wir warten noch auf jemand", erklärte sie. "Möchten Sie schon Drinks bestellen?" Nein, wollte Lara sagen, dann fiel ihr ein, was Dobbs wohl von ihrer Gastfreundschaft halten würde. "Weißwein, bitte. Slade?" "Ein Bier." Sie schwiegen einige Minuten, dann fragte Lara: "Wie war dein Flug?" "Gut. Keine Verspätung, kein Blizzard ..." "Sehr witzig. Es war nur eine höfliche Frage." "Ach, ich verstehe. Wir spielen diese Szene kultiviert."
"Nur weil wir es müssen." Laras Augen funkelten. "Glaub mir, ich würde viel lieber ..." "Mich übers Geländer ins Wasser schubsen?" Slade lächelte spöttisch. "Warum konnte Mr. Haggerty nicht kommen?" "Was ich getan habe, um seinen Platz einzunehmen, meinst du wohl? Ich enttäusche dich nur ungern, Süße, aber ich habe ihn weder erschossen noch bestochen, damit ich dich wieder sehen kann. Jack hat sich heute Morgen beim Squash die Schulter verrenkt." "Wie bedauerlich!" "Ich werde ihm erzählen, dass du das gesagt hast. Deine freundliche Anteilnahme rührt ihn sicher ebenso wie mich." Lara ignorierte Slades Sarkasmus. "Dein anderer Teilhaber hätte kommen können." "Du meine Güte, du hast eine hohe Meinung von dir." Slade beugte sich vor. "Glaubst du im Ernst, ich habe Jack ausgeschaltet und Teddy auch? Ich hatte keine Wahl. Jack hat sich die Schulter ruiniert, und Ted ist geschäftlich in New York. Das ist der einzige Grund, warum ich hier bin." Slade lehnte sich wieder zurück. Es stimmte. Auf keinen Fall hätte er sich freiwillig noch einmal der Gesellschaft dieser Frau ausgesetzt. Kein Mann würde das tun, es sei denn, er hatte Spaß daran, wie eine Glühlampe ein- und ausgeschaltet zu werden. "Je eher du wieder weg bist, desto besser", sagte Lara. "Darling, du brichst mir das Herz. Langweilst du dich mit mir?" "Es ist sicher schwierig, deinen egozentrischen Verstand dazu zu bringen, das zu verarbeiten, aber ich würde lieber etwas anderes tun, als hier mit dir zu sitzen." "Dich an den neuesten Mann in deinem Leben kuscheln zum Beispiel? Wie war noch sein Name? Michael, stimmt's?" "Ich werde nicht über Michael sprechen." "Du hast ihn ins Gespräch gebracht, nicht ich."
"Ich habe niemals ..." "Du hast davon angefangen, was du lieber tun würdest, als hier zu sitzen und zu versuchen, höflich zu sein. Ich nehme an, du hattest ein gemütliches Abendessen mit Mike geplant." "Ja", sagte Lara und unterdrückte ein hysterisches Lachen. Sie stellte sich Michael vor, wie er in seinem Kinderhochstuhl saß und einen Löffel voll Kartoffelbrei schwenkte. "Das hatten wir vorgehabt." "Lebt ihr zusammen?" "Ja." Slade presste die Lippen zusammen. "Hat er auf Abruf bereitgestanden, während du dich hast scheiden lassen?" "Das geht dich nichts an." "Weiß er von mir?" Nein. Und er würde niemals von Slade erfahren. "Warum sollte er? Es geht ihn nichts an." "Der liebe Mike wäre vielleicht anderer Meinung, wenn er wüsste, was zwischen uns passiert, wann immer wir allein sind." "Nichts passiert." "'Nichts' nennst du das, wenn du in meinen Armen schwach wirst?" "Verdammt, Slade ..." "Bekommt er auch dieses leise Stöhnen zu hören, wenn er die Hände...?" Lara stand auf. "Das ist einfach unerträglich!" "Miss Stevens? Gibt es ein Problem?" O Himmel! Lara drehte sich um und sah entsetzt Edwin Dobbs an. "Nein", sagte sie schnell. "Ich ..." "Edwin. Schön, Sie wieder zu sehen." Slade stand auf und streckte die Hand aus. Dobbs zögerte, dann schüttelte er Slade die Hand. "Es tut mir Leid, dass ich zu spät komme." Er blickte von Slade zu Lara.
"Das ist okay", sagte Slade locker, während sie sich alle drei setzten. "Lara ist nur wegen der Bedienung beunruhigt. Unser Ober hat die Getränkebestellung aufgenommen und ist spurlos verschwunden." "Sie müssen heute einen schlechten Tag haben." Dobbs lehnte sich entspannt zurück. "Hoffen wir, dass der Küchenchef trotzdem in Form ist. In diesem Restaurant bekommt man ausgezeichnete Krabbenfrikadellen. Und der Rotbarsch ..." Dobbs lächelte. "Wie Poesie. Nur ein Hauch von Gewürzen. Als hätten sie ihn so gerade eben noch berührt." "Gerade eben noch berührt. Das klingt hübsch", meinte Slade freundlich. "Stimmt's, Lara?" "Ja", sagte sie und vertiefte sich in die Speisekarte. Würde der Abend niemals enden? Dobbs und Slade plauderten über das neue Gebäude, die Stadt und alles Mögliche, bis sich Lara fragte, ob sie jemals wieder aufhören würden zu reden. Sie lächelte, schob ihr Essen auf dem Teller herum, trank ihren Wein und sagte: Ja, Nein und Vielleicht, wann immer der Moment richtig zu sein schien. Endlich sah Dobbs auf seine Armbanduhr und signalisierte widerstrebend, dass er die Rechnung wollte. "Bleiben Sie über Nacht, oder fliegen Sie noch heute Abend zurück nach Boston, Slade?" fragte er, als sie draußen vor dem Restaurant standen. "Ich fliege nach Texas, Edwin. Diese Geburtstagsparty, erinnern Sie sich?" "O ja, natürlich. Dann können Sie und Miss Stevens sich ja zusammen ein Taxi nehmen. Sie wollen doch in die Richtung, stimmt's, meine Liebe?" "Nein", sagte Lara schnell. "Ich meine, ich sehe keinen Grund..." "Ich sehe auch keinen Grund, warum wir das nicht tun sollten", unterbrach Slade sie höflich. Er umfasste ihren Ellbogen und verstärkte den Druck seiner Finger, als sie
versuchte, sich loszureißen. "Danke für das Essen, Edwin. Meine Sekretärin wird Ihnen den Namen des Innenarchitekten faxen, den ich erwähnt habe." Dobbs strahlte. "Großartig. Gute Nacht, Miss Stevens. Ich weiß, ich lasse Sie in guten Händen." "In guten Händen!" spottete Lara wütend, sobald sie im Taxi saßen. Sie befreite sich aus seinem Griff und rückte so weit von Slade ab, wie sie konnte. "Fast hätte ich zu ihm gesagt, dass ich lieber zu Fuß gehen würde, als mir mit dir ein Taxi zu teilen." "Was ist dein Problem, Süße?" Slade lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. "Traust du dir nicht zu, dich auf so beengtem Baum zu beherrschen und nicht über mich herzufallen?" "Über dich herfallen? Lächerlich!" Lara verschränkte auch die Arme und blickte schweigend aus dem Seitenfenster, bis sie vor ihrem Haus ankamen. "Soll ich dich hineinbegleiten?" fragte Slade übertrieben höflich. Sie stieg wortlos aus, knallte die Autotür zu und eilte den Weg hoch. Mrs. Krauss machte auf, bevor Lara den Schlüssel herumgedreht hatte. "Gut, dass Sie endlich zurück sind", sagte sie mürrisch. "Eine Frau mit einem Baby sollte nicht so spät nach Hause kommen." "Es war geschäftlich, Mrs. Krauss." Lara bemühte sich, freundlich zu klingen. Ein zuverlässiges Kindermädchen zu finden war nicht einfach. Mrs. Krauss war ihr dritter Versuch in ebenso vielen Monaten. "Tut mir Leid, dass ich Sie aufgehalten habe. Ich bezahle Ihnen wie immer das Doppelte für die zusätzliche Zeit. Danke, dass Sie geblieben sind. Bis Montagmorgen." "Am Montagabend fliege ich nach Florida." Mrs. Krauss drückte eine Baseballmütze auf ihr grau werdendes Haar.
"Meine Schwester ist krank. Ich weiß noch nicht, wann ich zurückkehre." "Nein." Lara eilte ihr nach. "Sie können mich doch nicht einfach im Stich lassen, Mrs. Krauss!" "Ich rufe an, wenn ich wieder zu Hause bin." Mrs. Krauss schlug die Haustür zu. Lara lehnte sich an die Wand. Und was jetzt? Die Tagesstätten hatten endlos lange Wartelisten. Außerdem wollte sie Michael nicht jeden Morgen irgendwo zurücklassen, wo er ein einsamer kleiner Junge unter vielen wäre. Es war schlimm genug, dass seine Mutter ganztags arbeitete und die Großmutter und die Tante nicht einmal vorgaben, sich für ihn zu interessieren. Seufzend schloss Lara die Tür ab und ging nach oben in den ersten Stock. Sie würde am nächsten Morgen die Stellenvermittlungen anrufen. Schlimmstenfalls würde sie sich eben am Montag krankmelden müssen. Die Besprechungen konnte sie neu planen. Nichts war so wichtig wie Michael. Den geliebten Teddy im Arm, lag Michael in seinem Kinderbett. Ein Blick auf ihren schlafenden Sohn, und der Stress des unerträglichen Abends verschwand. Lara ging nach nebenan in ihr Schlafzimmer und streifte Kostüm und Bluse, das typische Rüstzeug ihres Berufs, ab und zog einen alten Morgenmantel aus Baumwolle an. Jetzt wollte sie nur noch Mutter sein. Der einzige Beruf, der von Bedeutung ist, dachte sie, als sie Michael vorsichtig aus dem Kinderbett hob. Es war unmöglich, den ganzen Tag bei ihm zu sein. Sie brauchte den Job, um ihre kleine Familie zu ernähren. Michael rührte sich. "Hallo, Schatz", flüsterte Lara. Er öffnete die Augen und lächelte schläfrig. Sie hielt den Atem an, während sie ihren Sohn betrachtete. Das schwarze Haar, die Nase und sogar das Kinn hatte er von seinem Vater
geerbt. Die rauchgrauen Augen waren unverkennbar ... Sie konnte nicht so tun, als wäre ihr Kind nicht Slade Barons Sohn. Angst durchflutete Lara. Was würde Slade machen, wenn er es herausfinden würde? Das Spiel, das sie seiner Meinung nach getrieben hatte, war nichts im Vergleich zu diesem, bei dem sie das größte Risiko einging. Sie setzte sich in den Schaukelstuhl, drückte Michael an ihre Brust und hing Erinnerungen nach. Am Anfang war es schwer gewesen. Allein mit einem Kind, immer allein ... Sie hatte sich um die Versetzung nach Baltimore beworben und einen Ehemann und eine Scheidung erfunden, weil die Leute dann weniger Fragen stellten. Es klingelte. Um diese Zeit? Es klingelte erneut. Michael war wieder eingeschlafen. Lara stand auf und legte ihn in sein Bett. Vielleicht war es sogar gut, dass Mrs. Krauss fortging. Sie war kurz angebunden und vergesslich. In der vergangenen Woche hatte sie auf halbem Weg nach Hause gemerkt, dass sie ihre Handtasche in der Küche liegen lassen hatte. Was war es diesmal? Es klingelte ein drittes Mal, und Lara rannte die Treppe hinunter. Ärgerlich riss sie die Tür auf. "Um Himmels willen, Mrs. Krauss, Sie wecken ..." Es war Slade. Lara wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, aber er war schneller und stärker. Außerdem hatte er es für den Rest seines Lebens satt, Spiele zu spielen. Sie schob zu, er schob auf und war im Haus. Er hatte gesagt, er laufe keiner Frau nach, die einem anderen gehöre, und das stimmte. Aber Lara hatte ihm den ganzen Abend das Gefühl gegeben, eine Krankheit zu sein, die sie sich zugezogen hatte, und der Grund dafür war jemand namens Michael. Deshalb hatte Slade beschlossen, sich dieses Muster männlicher Tugend anzusehen, bevor er Baltimore verließ. Und
dem Mistkerl vielleicht - nur zum Spaß - eins auf die Nase zu geben. Einige Glas Bier in der Bar, vor der ihn der Taxifahrer abgesetzt hatte, und vier oder fünf Runden um den Block hatten Slade davon überzeugt, dass es vernünftig, sogar notwendig war, so zu handeln. "Wo ist er?" Slade stieß mit dem Fuß die Tür zu. "Wer?" O Michael, gib keinen Laut von dir! dachte Lara. "Ich weiß, dass er hier ist." Slade ging an ihr vorbei, blickte ins Wohnzimmer und dann in die Küche. "Du bist betrunken." Er lächelte feindselig. "Ich habe es versucht, aber glaub mir, ich bin stocknüchtern." "Ich rufe die Polizei. Und mach dir nicht die Mühe, mir zu drohen. Meinetwegen kann die Sache ruhig vor Gericht enden. Niemand bei Beaufort wird mir verübeln, dich angezeigt zu haben, nachdem du in mein Haus eingebrochen bist." "Eingebrochen? Wir haben zu Abend gegessen, uns ein Taxi genommen, und du hast mich hereingebeten. Wenn du es abstreitest, werde ich dem guten alten Ed eben alles über dich, mich und das Hotel in Denver erzählen müssen." Slade ging die Treppe hoch. "Wo ist er? Und lüg mich nicht an. Ich weiß, dass dein geliebter Michael hier ist. Du hast dich ja fast aus dem Taxi gestürzt, so eilig hattest du es, mit ihm zusammen zu sein." "In Ordnung. Er ist hier." Lara folgte Slade nervös nach oben. "Er schläft. Und wenn du ihn weckst, regt er sich auf. Dann ist es schwer, mit ihm fertig zu werden." Slade lachte. "Dafür bin ich in der richtigen Stimmung, Süße." O nein, er war vor Michaels Zimmer! Lara schob sich an Slade vorbei und stellte sich vor die Tür. "Nicht!" Er umfasste ihre Taille, hob Lara beiseite und öffnete die Tür. "Aufwachen, Michael!" sagte Slade und schaltete das Licht ein.
6. KAPITEL Slade hatte seine Maschine verpasst, aber es ging noch eine nach Dallas. Als er zum Flughafen kam, stiegen die Passagiere gerade ein. Er kaufte ein Ticket, rannte zum Gate und schaffte es in der letzten Sekunde. Ihm fiel ein, dass er in Dallas vielleicht herumsitzen und auf einen Anschlussflug nach Austin warten würde. Warum auch nicht? dachte er sarkastisch. Flughäfen spielten in letzter Zeit eine große Rolle in seinem Leben. Im Moment wollte er einfach nur weg. Lara hatte ein Baby. Er konnte es kaum fassen, doch er wusste, dass sich ihm das Bild für immer eingeprägt hatte. Das Zimmer mit dem Kinderbett, das Baby ... Eine Minute lang hatten Lara und er reglos dagestanden. Dann hatte er sie aufschluchzen hören und sich zu ihr umgedreht. "Du hast ein Kind", hatte er gesagt. Slade lehnte sich stöhnend zurück. Was für eine brillante Schlussfolgerung das gewesen war. Genau in dem Moment war das Kind aufgewacht und hatte sich am Gitter des Betts festgehalten. Ein Junge, dachte Slade wie betäubt. Er erkannte es an dem blauen Ding, in dem das Baby bis zu den Füßen steckte. Einen Moment lang sah es ihn mit großen rauchgrauen Augen an, als würde es ihn irgendwie überprüfen, wenn so etwas möglich war. Er erwiderte den Blick starr. Lara hatte einen Sohn. Nur daran konnte Slade noch denken.
Dann fing das Baby an zu weinen. Lara drängte sich an Slade vorbei und nahm es auf die Arme. "Michael, hab keine Angst. Mom ist ja hier, Schatz." Slade machte einen Schritt zurück. "Lara?" brachte er mühsam hervor. Blass, völlig außer sich, sah sie ihn an. "Raus!" flüsterte sie. Er war aus dem Zimmer gegangen, ohne sich noch einmal umzublicken. Und hatte das Haus verlassen, so schnell ihn seine Füße hatten tragen können. Slade schloss die Augen. Zu wissen, dass Lara anderen Männern gehört hatte, war schlimm genug gewesen. Aber ein Kind ... Sie hatte von einem anderen ein Kind bekommen ... "Hallo." Slade sah zur Seite. Eine Frau setzte sich neben ihn. "Mir ist aufgefallen, dass der Platz frei geblieben ist." Sie lächelte. "Ich heiße Janet." "Janet", sagte Slade. "Hübscher Name. Hübsche Stimme. Hübsches Gesicht." Er räusperte sich. "Die Sache ist nur die, Janet, dass Sie Ihre Zeit verschwenden würden. Oder ich würde sie für Sie verschwenden." Ihr Lächeln verschwand. "Wie bitte?" "Das ist eine lange, komplizierte Geschichte, und ich habe keine Lust, sie zu erzählen. Also genießen Sie den Flug, und erwarten Sie einfach nichts von mir, Janet. Was sagen Sie dazu?" Sie stand auf. "Sie sind verrückt!" "Ja, das auch", erwiderte Slade müde und wandte sich zum Fenster. Plötzlich war ihm, als würde sich das Gesicht des Babys in der Scheibe spiegeln. Schwarzes Haar. Rauchgraue Augen ... Slade setzte die Kopfhörer auf und wählte dröhnenden Hard Rock. Die Musik war ihm gleichgültig, er brauchte nur irgendetwas, was ihn ablenkte. Irgendetwas, dachte er und schloss die Augen.
Slade kam mitten in der Nacht auf Espada an. Carmen hörte, dass jemand durch die Hintertür das Haus betrat. "Ich bin's, Slade", sagte er, bevor sie schreien und alle aufwecken konnte. "Genau wie früher als Junge. Du hast dich immer ins Haus geschlichen, wenn die anderen längst geschlafen haben." Sie umarmte ihn. "Und du hast mich immer bei meinem Alten gedeckt." Slade küsste sie auf die Wange. "Du bist noch schöner geworden." "Und du bist noch derselbe gute Lügner", sagte Carmen, wurde aber rot. "Hast du Hunger? Ich kann dir etwas vom Abendessen aufwärmen oder dir ein Sandwich machen." "Ich möchte nur duschen und schlafen. Ist sonst schon jemand hier?" "Deine Brüder, meinst du? Travis und David kommen morgen." Slade küsste die Haushälterin wieder auf die Wange. "Weißt du was, Carmen? Es ist schön, zu Hause zu sein." Und das war es. Noch besser wurde es am nächsten Morgen, als er im Esszimmer gerade zum Sideboard gehen wollte und Catie auf sich zustürzen sah. "Slade!" rief sie und warf sich ihm in die Arme. "Carmen hat mir gesagt, du seist hier. Wann bist du angekommen? Warum hast mich nicht geweckt? Ist es nicht wundervoll, dass Travis und David heute kommen?" "Das sind zu viele Fragen vor meinem ersten Kaffee. Schön, dich zu sehen, Schatz." "Ich war wirklich nicht sicher, ob irgendeiner von euch Jungs sich hier blicken lassen würde." Caitlin trat zurück und schenkte Slade und sich Kaffee ein. "Sollten wir etwa riskieren, dass du uns mit deiner fiesen kleinen Reitpeitsche verfolgst?" Slade lächelte. "Du weißt selbst nicht, wie stark du bist."
"O doch. Das weiß ich. Schließlich habt ihr mich ganz schön rangenommen, bevor ich in eure ,Los Lobos'-Bande durfte." "Du warst ein Mädchen." "Wie scharfsinnig!" Caitlin rümpfte die Nase. "Aber nach nur sechs Monaten hier auf der Ranch konnte ich schon ebenso gut reiten und im Fluss schwimmen wie ihr Jungs." "Ja. Trotzdem warst du ein Mädchen." "Zumindest habt ihr drei Idioten schließlich kapiert, dass Mädchen okay sind." Slades Lächeln verschwand. "Du bist es jedenfalls." Seine Stiefschwester zog die Augenbrauen hoch. "Oha!" "Oha?" "Wie in: Oha, das hört sich bedenklich an. Hat mein gut aussehender Bruder etwa Ärger mit einer Frau?" "Ich?" Slade stellte die Kaffeetasse hin, ging zum Sideboard und tat sich Rührei auf seinen Teller. "Du kennst mich, Schatz. Ich liebe die Frauen und verlasse sie." "Du hast meine Frage nicht beantwortet." Slade seufzte. Seine Stiefschwester konnte hartnäckig sein. " ,Ärger' würde ich es nicht direkt nennen. Ich habe nur eine Pechsträhne." "Was ist passiert, Bruderherz? Bist diesmal du geliebt und verlassen worden?" "Catie, ich weiß dein Interesse wirklich zu schätzen, aber ..." "Du willst es mir nicht erzählen." "Da ist nichts zu erzählen. Ich bin nur auf ein kleines Hindernis gestoßen." "Ich bin eine Frau und kann dir vielleicht helfen, die Sache in die richtige Perspektive zu rücken." Slade blickte sie an. Caties Lächeln strahlte Unschuld aus. Er stellte sich vor, mit ihr über Lara zu sprechen: Weißt du, Kleine, da ist diese Frau, mit der ich ins Bett gegangen bin. Nach langer Zeit habe ich sie dann vor zwei Wochen wieder gesehen. Anscheinend kann ich nicht die Hände von ihr lassen, und bei
ihr ist es das Gleiche, auch wenn wir uns nicht besonders mögen. Ach ja, habe ich schon erwähnt, was ich gerade herausgefunden habe? Sie hat ein Kind. Einen kleinen Jungen mit schwarzem Haar und... "Slade? Was ist los?" Caitlin legte ihm die Hand auf den Arm. "Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen." "Nichts ist los." Er atmete tief ein und lächelte sie an. "Mein Leben ist in letzter Zeit verrückt gewesen. Zwei Tage mit dir, Travis und David, und mir geht es wieder gut." "Erstaunlich, wie mein eigen Fleisch und Blut es geschafft hat, seinen Vater bei dieser herzerwärmenden kleinen Ansprache wegzulassen." Slade drehte sich um. Jonas Baron stand an der Tür, so robust, gerade und groß wie immer. "Vater", sagte er höflich, "schön, dich zu sehen." Jonas lächelte spöttisch. "Quatsch." Allerdings, dachte Slade. Zumindest manche Dinge änderten sich niemals. Als Travis ankam, war Slade fast wieder ganz der Alte. Bei Trav war er sich nicht so sicher. Irgendetwas nagte an seinem älteren Bruder. Irgendetwas Weibliches wahrscheinlich. Travis wollte nicht darüber reden. Tja, das war verständlich. Welchen Sinn hatte es, über seine Probleme mit Frauen zu sprechen, wenn sich die Probleme ohnehin nicht logisch lösen ließen? Frauen waren wie Kreuzworträtsel. Gerade wenn man dachte, man könne sie ausknobeln, wurde einem klar, dass man doch nicht aus ihnen schlau wurde. David traf als Nächster ein. Schockiert erfuhr Slade während eines Gesprächs der drei Brüder auf dem Heuboden der alten Scheune, dass David von Natalie verlassen worden war. Und dann schloss sich ihnen Grant Landon an, Jonas' Anwalt, den David von früher kannte. Er schien okay zu sein, aber Slade war überzeugt, dass Landon ebenso wie David Probleme mit seiner Frau hatte.
Was macht es so schwer, die Frauen zu verstehen? überlegte Slade, während er sich später für Jonas' Geburtstagsparty anzog. Davids Ehe war kaputt. Kopfschüttelnd band Slade die Smokingschleife um und blickte in den Spiegel. So tief steckte Travis immerhin nicht in Schwierigkeiten. Irgendetwas bedrückte ihn, und wahrscheinlich hatte es mit der Frau zu tun, die ihn bei der Auktion ersteigert hatte. Er hatte neulich am Telefon nicht über sie sprechen wollen. Aber das war bestimmt vorübergehend. Nach dem, was er ausgestanden hatte, würde er sich keinesfalls noch einmal auf eine feste Beziehung einlassen. "Verdammt", sagte Slade. Die Schleife wollte einfach nicht richtig liegen. Ein Ende war zu lang, das andere zu kurz. Er könnte über den Flur in Caties Zimmer gehen und sie bitten, ihm das Ding zu binden. Frauen konnten das normalerweise. Konnte Lara es? Hatte sie jemals ihrem Exmann dabei geholfen? Er hatte sie nicht gefragt, wie der Kerl hieß oder was er machte ... oder welche Haar- und Augenfarbe er hatte. Slade riss wütend die Schleife ab, steckte sie in die Hosentasche und ging nach unten. Ich amüsiere mich großartig, sagte sich Slade zwei Stunden später. Wenn er es oft genug wiederholte, würde es vielleicht wahr werden. Er sagte es zu Catie, die mit Cousin Leighton, dieser alten Schlange, vorbeitanzte. Und zu Leightons Sohn Gray, der seinem alten Herrn überhaupt nicht ähnlich war. Und zu Marta, nachdem er sie auf die Wange geküsst und ihr versichert hatte, sie sei die schönste Frau auf der Party. "Das ist eine charmante Lüge", erwiderte seine Stiefmutter. "Aber da sie vom bestaussehenden Mann hier kommt, werde ich sie hoch schätzen." Sie hakte Slade unter. "Warum tanzt du nicht? Jede Frau im Raum wartet nur darauf, dass du ihr das Herz brichst."
Slade lachte. "Ich werde mein Möglichstes tun, gefällig zu sein. Was ist mit dir? Wie kommt es, dass mein Vater dich aus den Augen gelassen hat?" Lächelnd nahm sich Marta ein Glas Champagner vom Tablett eines vorbeigehenden Obers. "Du kennst doch Jonas. Er plaudert in der Bibliothek mit alten Freunden." Sie trank einen Schluck, dann blickte sie Slade an. "Was ist los?" "Warum stellen Frauen immer diese Frage?" Er rang sich ein Lächeln ab. "Erst Catie, jetzt du. Mit geht es gut. Ich hatte in letzter Zeit viel zu tun, das ist alles." "Ich will mich nicht in deine Angelegenheiten mischen, Slade. Es ist nur, dass du aussiehst, als ... Ach, nichts. Du hast Recht. Wir Frauen sind manchmal unmöglich. Wenn wir keine Probleme haben, suchen wir nach welchen, wie dein Vater sagt." "Tja, dieses eine Mal bin ich einer Meinung mit ihm." Slade blickte an seiner Stiefmutter vorbei in eine Ecke, wo sich mehrere Männer im Kreis zusammendrängten. "Was ist dort drüben denn los?" Marta drehte sich um und lachte. "In der Mitte stehen meine Töchter." "Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen. Sam, Mandy und Carrie, stimmt's?" "Heutzutage ist es unter Androhung der Todesstrafe verboten, sie so zu nennen. Samantha, Amanda und Carin, wenn ich bitten darf. Los, ich bringe dich zu ihnen." Die kleine Gruppe löste sich auf, und zum Vorschein kamen drei junge Frauen, die so schön waren, dass einem Mann bei ihrem Anblick das Herz stehen bleiben konnte. "Ich weiß nicht, ob ihr euch nach so langer Zeit noch erinnert, also lasst mich euch miteinander bekannt machen. Mädchen, das ist Jonas' jüngster Sohn Slade. Slade, das ist Samantha." "Hallo", sagte die Rothaarige freundlich. "Amanda."
"Hallo." Amanda war blond und ihr Lächeln faszinierend kühl. "Und Carin, meine Älteste." Carin war brünett "Freut mich", sagte sie geschäftsmäßig und schüttelte Slade die Hand. Er lächelte charmant und dachte zum ersten Mal, dass er den Abend vielleicht doch noch genießen würde. Slade versuchte es. Martas Töchter gaben sich Mühe. Aber so reizend die drei Schwestern auch waren, die Chemie stimmte nicht. Eine nach der anderen ging davon. Carin war die Letzte. "Wer immer sie ist, du musst sie vergessen", sagte sie freundlich. Einen Moment lang dachte Slade daran, verblüfft zu tun und es abzustreiten, dann nickte er und erwiderte, das sei ein großartiger Ratschlag, er sehe nur keine Möglichkeit, ihn zu befolgen. Er tanzte mit schönen Frauen, unterhielt sich mit Gray, aß Kanapees und trank Champagner, bis er es schließlich satt hatte, sich unaufhörlich ein Lächeln abzuringen. Er ging auf die Veranda an der Rückseite des Hauses, suchte sich eine Sitzbank in einer ruhigen Ecke und setzte sich. Vielleicht konnte er sich hier draußen, wo es still und dunkel war, darüber Klarheit verschaffen, was zur Zeit mit seinem Leben geschah ... Der Geruch von Zigarrenrauch störte ihn dabei. Slade runzelte die Stirn und stand auf. "Vater?" Aus der Dunkelheit links von ihm hörte er Jonas' tiefes Lachen. "Die Havanna hat mich verraten." Slade ging zu ihm. Die Zigarre zwischen die Zähne geklemmt, stützte sein Vater die Ellbogen auf das Verandageländer. "Ich dachte, du seist im Haus. Marta hat gesagt, du würdest mit deinen alten Freunden reden." "Habe ich. Was machst du hier draußen, Junge? Gefällt dir das extravagante Getue drinnen nicht?" "Es ist eine wundervolle Party."
"Ja. Du kennst Catie. Wenn sie etwas macht, dann macht sie es richtig." "Sie liebt dich. Obwohl du dein Bestes tust, um sie vom Gegenteil zu überzeugen." Jonas nickte. "Fast als wäre sie mein eigen Fleisch und Blut." "Blutsverwandtschaft zählt nicht immer, Vater." "Sie zählt, wenn man an den Punkt kommt, an dem man das Ende des Weges deutlich vor sich sieht." Slade lachte. "Du wirst uns alle überleben." "Espada nicht, so viel ist sicher, und deshalb muss die Ranch an einen Baron gehen." "Catie ist besser als ein Baron. Sie liebt dich und die Ranch." "Hältst du mich für dumm? Das weiß ich alles." "Tja, dann..." "Dann was? Heraus mit der Sprache, Junge. Ich kann keine Gedanken lesen." "Das stimmt", sagte Slade kalt. "Wenn du es könntest, würdest du wissen, was passiert, wenn du mich noch ein einziges Mal ,Junge' nennst." "Nun hör sich einer das an!" Jonas warf lachend seine Zigarre weg und sah seinen Sohn an. "Ein bisschen Mumm hast du also noch übrig. Dieser unmännliche Beruf hat also nicht völlig deinen Charakter verdorben." "Ich entwerfe Bürogebäude", erwiderte Slade mit zusammengebissenen Zähnen und verachtete sich, weil er sich verteidigte. "Verdammt gute, wie du wissen würdest, wenn du dich gelegentlich mal für etwas anderes interessieren würdest als deine ..." "Das in New York City ist nicht übel." Slade blinzelte. "Das ,Stahl'-Gebäude. Du hast es gesehen?" "Aber das in Philadelphia gefällt mir besser. Hübsche Form, dieser ... Wie nennt man so einen Park mit Wasserfällen im Haus?"
"Ein Atrium." Slade hörte, wie ungläubig er klang, und räusperte sich. "Wann hast du meine Bauten besichtigt?" "Ach, ich komme herum." Jonas lächelte breit. "Ein Mann will sehen, was sein Sprössling so macht, auch wenn er nicht damit einverstanden ist." "Tja ..." Sag etwas Intelligentes, befahl sich Slade, doch ihm fiel nichts ein. "Tja, das ist... sehr interessant." "Du wärst überrascht, wenn ich dir erzählen würde, was ein so alter Mann wie ich denkt." "Du bist nicht alt", widersprach Slade und meinte es. "Ich hoffe, ich sehe halb so gut aus wie du, wenn Catie an meinem fünfundachtzigsten Geburtstag eine Party gibt." Er wartete darauf, dass sein Vater lachte. Jonas tat es nicht. Er griff in seine Hosentasche und holte eine kleine, flache silberne Flasche heraus. "Bourbon." Er schraubte den Verschluss ab. "Nimm." Bourbon. Natürlich, dachte Slade. Jonas liebte das Zeug. Wahrscheinlich war das der Grund, warum seine Söhne es hassten. Trotzdem nahm Slade die Taschenflasche und hob sie an den Mund. Zum ersten Mal erlebte er einen umgänglichen Moment mit seinem Vater, und er wollte das Ereignis nicht wegen eines kleinen Schlucks Bourbon ruinieren. "Danke", sagte er und versuchte, nicht zu schaudern. Jonas lächelte flüchtig. "Bitte." Er trank, seufzte zufrieden und schraubte den Verschluss wieder auf die Flasche. "Du meinst also, deine Stiefschwester gibt eine große Party für dich, wenn du fünfundachtzig wirst." "So ungefähr." Slade lachte. "Warum sollte sie?" fragte Jonas kühl. "Das war nur ein Scherz." "Weiß ich. Denk trotzdem darüber nach. Warum sollte sie so etwas tun? Bis dahin hat sie einen Ehemann und Kinder, wahrscheinlich auch Enkelkinder." Jonas holte eine neue Zigarre aus der Brusttasche, biss die Spitze ab und spuckte sie in die
Dunkelheit, dann zog er ein goldenes Feuerzeug hervor und zündete die Zigarre an. "Wenn du willst, dass sich irgendjemand für dich interessiert, während du alt wirst, musst du selbst Söhne haben. Es kann natürlich sein, dass du den Rat nicht brauchst." "Tue ich nicht. Ich plane mein Leben allein, seit ich achtzehn geworden bin." "Ich habe gemeint, dass du den Rat nicht brauchst, weil du vielleicht schon angefangen hast, für Erben zu sorgen." Slades Herz hämmerte. "Wovon redest du?" "Babys." Jonas stieß eine Reihe von perfekten Rauchringen aus. "Du weißt, wie man sie macht, Junge. Zumindest übst du, seitdem du vor vielen Jahren von Archers Frau dieses besondere Geburtstagsgeschenk bekommen hast." Slade packte den alten Mann am Arm. "Was sollte die Bemerkung, ich würde schon Erben zeugen?" "Das habe ich nicht direkt gesagt." "Und was hast du gesagt?" "Nur dass ein Mann, der mit vielen Frauen schläft, vielleicht mal eine von ihnen mit mehr als glücklichen Erinnerungen zurücklässt." Jonas blickte demonstrativ auf die Hand seines Sohnes. "Willst du mir den Ärmel abreißen, Junge? Mir wäre es gleichgültig. Ich hasse es, den Smoking zu tragen. Marta könnte es jedoch stören, wenn ich auf meiner Geburtstagsparty aussehe, als hätte mich ein bösartiger Bulle niedergetrampelt." Slade ließ seinen Vater los. "Nicht, dass es dich etwas angeht", sagte er angespannt, "aber ich bin immer auf Schutz bedacht." "Ein einziges Mal genügt schon." Jonas' Stimme wurde rau. "Wenn Männer und Frauen im Bett herumspielen, zahlen sie schließlich den Preis dafür." "Meinst du, das weiß ich nicht? Ich habe gerade gesagt, ich passe immer auf." Immer, bis auf das eine Mal, als er Lara mit in das Hotel genommen hatte. Er hatte Kondome kaufen wollen, und sie hatte
behauptet, es sei nicht nötig. Sein Verlangen war so stark gewesen, dass er es akzeptiert hatte, anstatt vernünftig zu bleiben. Jetzt hatte sie einen Sohn mit schwarzem Haar und grauen Augen, dessen Gesicht ihm trotz der kindlichen Unschuld so vertraut war wie sein eigenes. Slade kannte das Alter des Jungen nicht, aber Jack hatte einen neun Monate alten Neffen, und die Größe kam hin. Slade umklammerte das Geländer und rang nach Atem. Es war zwecklos, sich zu befehlen, nicht darüber nachzudenken. Er wusste, was er gesehen hatte und was es bedeutete. Was er zu tun hatte. Er blickte zur Seite. "Dad ..." Neben ihm stand niemand mehr. Nur der glühende Stummel einer kubanischen Zigarre zeigte an, dass sein Vater vor kurzem noch da gewesen war.
7. KAPITEL Slade stand allein auf der Veranda und blickte starr in die Dunkelheit. Er hatte einen Sohn. Und Lara hatte es ihm nicht gesagt. Sie würde seiner Wut nicht entkommen. Glaubte sie, es sei ihm gleichgültig, ein Leben gezeugt zu haben? Kinder hatten nicht zu seinen Plänen gehört. Kinder brauchten Stabilität und die Liebe von Vater und Mutter. Er hatte im Grunde seines Herzens immer gewusst, dass er etwas Wundervolles nicht bekommen hatte. Alle hielten ihn für einen sorgenfreien Junggesellen, der sich mit einer Frau nach der anderen amüsierte. Es steckte jedoch mehr dahinter. Slade war als Kind und Jugendlicher von seinem Vater lieblos behandelt worden und hatte gelernt, an keiner Stiefmutter zu hängen, weil jede von ihnen nach kurzer Zeit wieder gegangen war. Dieses Leben hatte ihm eine Lektion erteilt. Heiraten war sinnlos. Die Ehe funktionierte nicht, besonders nicht, wenn man mit Nachnamen Baron hieß. Der Alte hatte es auf fünf Ehefrauen gebracht. Travis hatte geheiratet und war schneller wieder geschieden worden, als eine Klapperschlange zubeißen konnte. Slade atmete tief ein und aus. Es war ganz einfach. Kinder hatten eine Mutter, einen Vater und ein glückliches Zuhause verdient, und wenn man ein Baron war, hatte man kaum eine Chance, einem Kind das zu geben. Deshalb hatte er niemals den Fehler gemacht, eine Zukunft zu planen, bei der es auf eine feste
Beziehung ankam. Jetzt hatte Lara Stevens das für immer geändert. Er hatte einen Sohn. Glaubte sie im Ernst, er wollte es nicht erfahren? Und was war mit dem Jungen? Das Kind hatte das Recht zu wissen, dass es einen Vater hatte. "Slade?" Was maßte sich Lara an? "Bist du das, Slade?" Catie, die Königin der Scharfsichtigkeit. Sie war der letzte Mensch, mit dem Slade jetzt sprechen wollte, aber er hatte keine andere Wahl. Er straffte die Schultern und drehte sich um. "Ja. Was machst du hier draußen?" "Ich habe dich gesucht." Sie legte ihm die Hand auf den Arm. "Bist du okay?" "Klar. Mir ist es drinnen nur zu laut. Ich dachte, ich lege mal eine Verschnaufpause ein." "Du bist ein schlechter Lügner", sagte Caitlin freundlich. "Möchtest du darüber reden?" Auf keinen Fall würde er irgendjemand erzählen, was passiert war. Das würde er erst tun, wenn er die Einzelheiten kannte. Erst wenn er Lara gegenübergetreten war und ihr vielleicht den hübschen kleinen Hals umgedreht hatte. "Slade?" "Mir geht es gut." Er legte Catie den Arm um die Schultern, sagte, sie schulde ihm einen Tanz, und führte sie ins Haus. Irgendwie stand Slade den Rest des Abends und den nächsten Tag durch. Er schlief nicht viel, doch niemand schien die dunklen Schatten unter seinen Augen zu bemerken, wahrscheinlich weil alle ihre eigenen Sorgen hatten. Grant Landon bestätigte den drei Brüdern, dass Jonas die Ranch nicht Catie vererben wollte, obwohl es das Richtige wäre. Natalie fuhr mit Landons Frau weg und ließ David zurück. Und Travis war schon völlig "weggetreten", seit er am Vorabend aus der
Bibliothek gekommen war, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen. Das ist das Allerletzte, dachte Slade, während er am Sonntagnachmittag seinen Koffer packte. Er musste schon ganz schön "hinüber" sein, wenn er erleichtert war, weil seine Brüder so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt waren, dass ihnen nicht auffiel, was mit ihm los war. Aber nicht so "hinüber", dass er vergessen hatte, was ein intelligenter Mann mit einer Kreditkarte, einem Telefon und einigen diskreten Anrufen bei einflussreichen Leuten erreichen konnte. Auf seinem Flugticket stand Boston, doch Slade flog nach Baltimore. Er würde Lara vom Flughafen aus anrufen. Dann hatte sie wenig Zeit, sich auf die Konfrontation vorzubereiten. Außerdem würde er nicht bei ihr zu Hause mit ihr reden. In einem Restaurant oder Caf6 konnte sie nicht zu einem hysterischen Anfall greifen, wenn sie hörte, was sie würde tun müssen. Er hatte die Entscheidung getroffen, und sie war unwiderruflich. Ihr Telefon klingelte mehrere Male, bevor Lara abnahm. Sie klang, als hätte er sie geweckt, und nur einen Moment lang stellte er sie sich im Bett vor, warm und schläfrig. Er dachte an ihre zarte Haut, ihren sinnlichen, süßen Duft... Warm und süß? Das waren nicht die Worte, mit denen sich Lara beschreiben ließ. Die Erkenntnis verstärkte seine Zurückhaltung. "Slade hier", sagte er kühl. "Nenn einen Ort, wo wir uns treffen können." Lara erwiderte, es sei zu spät und sie habe nicht die Absicht, ihn jemals wieder zu sehen. Sie fragte nicht, was er wollte. Weil sie es weiß! dachte Slade und empfand eine grimmige Freude, als er die Panik aus ihrer Stimme heraushörte. "Das ist keine Bitte, sondern ein Befehl, Lara. Nenn ein Restaurant. Eine Bar. Es ist mir gleichgültig. Besorg dir einen Babysitter, und triff mich in einer Stunde. Oder ich komme morgen früh zu dir ins Büro, und die Sache wird allgemein bekannt."
Ein Schweigen folgte. Dann gab ihm Lara die Adresse eines Lokals. Jetzt versuchte sie nicht einmal mehr, ihre Angst zu verbergen, und das freute Slade noch mehr. "In einer Stunde", sagte er und legte auf. Slade wusste Bescheid. Was würde er tun? Nichts, dachte Lara. Was konnte er denn tun? Er hatte Michael ein Mal flüchtig gesehen. Er hatte keinen Beweis. Sie brauchte es nur abzustreiten und ihm zu zeigen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen würde, dann würde ihr nichts passieren. Aber sie musste sich an diesem Abend mit Slade treffen. Wenn er ins Büro kommen und eine Szene machen würde, wäre sie ihren Job los. Sie rief Mrs. Krauss an, die mürrisch reagierte - das war nichts Neues -, aber versprach, sofort loszufahren, für doppelte Bezahlung und Taxigeld. Lara ging ins Kinderzimmer und sah ihren schlafenden Sohn an. Er gehörte ihr, und das konnte Slade nicht ändern. Sie zog Jeans und ein T-Shirt an und verließ das Haus, sobald Mrs. Krauss kam. Slade saß an einem Tisch im hinteren Teil des Lokals, das um diese Zeit an einem Sonntagabend halb leer war. Die Serviererinnen standen neben der Kaffeemaschine, warfen Slade verstohlene Blicke zu und flüsterten miteinander. Natürlich. Er war ein Mann, der die Frauen anzog und dazu brachte, Dinge zu tun, von denen sie immer nur geträumt hatten. Keine wusste das besser als Lara. Er stand auf. Reine Gewohnheit, wie sie wusste. Höflichkeit hatte sie an diesem Abend nicht von ihm zu erwarten. Er trug verwaschene Jeans, Cowboystiefel und ein enges schwarzes TShirt, das seinen muskulösen Oberkörper betonte. Er wirkte hart, männlich und gefährlich. Angsterfüllt glitt Lara auf die Sitzbank ihm gegenüber, und er setzte sich wieder. Lass dir nichts anmerken, befahl sie sich.
Eine Serviererin kam mit einer Kanne und einem Becher. "Der Herr sagte, Sie würden Kaffee nehmen." Lara bemerkte den Becher, der vor Slade auf dem Tisch stand. "Ja, danke." "Sonst noch etwas? Kuchen? Die Kirschtorte ist selbst geba..." "Nichts", unterbrach Slade die Serviererin. Sie entfernte sich hastig. Lara konnte es ihr nicht verdenken. Er strahlte eine beunruhigende Anspannung und Wut aus. "Hast du wirklich geglaubt, mich zum Narren halten zu können, Lara?" fragte er drohend. Sie sah von ihrem Kaffee auf und erwiderte Slades kalten Blick lächelnd. "Ehrlich, Slade, man würde meinen, dass dir noch nie eine Frau einen Korb gegeben hat. Du musst ein sehr schwaches Ego haben, wenn du ..." Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Lara zuckte zusammen. "Treib keine Spiele mit mir." Slade beugte sich vor. "Michael ist mein Sohn." "Wie bist du denn auf den verrückten Gedanken gekom...?" Lara hielt den Atem an, als Slade sie am Handgelenk packte. "Du tust mir weh." "Du hast Glück, dass ich dich nicht bewusstlos schlage." Er verstärkte den Druck seiner Finger noch. "Keine Spiele, habe ich gesagt. Michael ist mein Sohn. Gib es zu." "Ich werde nichts zugeben, was nicht stimmt." Sie war gut. Sehr gut. Sie sah ihn unerschrocken an und hob herausfordernd das Kinn. Slade spürte jedoch ihren verräterisch rasenden Puls. "Wir können die Sache regeln, wie du willst. Die Wahrheit wäre die einfachste Lösung." "Ich sage die Wahrheit. Michael ist nicht..." "Wir können es uns auch schwer machen. Anwälte. Richter. DNS-Tests." Slade ließ ihr Handgelenk los, sah die Druckstellen, die seine Finger hinterlassen hatten, und wollte die
Male mit dem Mund liebkosen. Was, zum Teufel, war mit ihm los? Sollte sie doch ein bisschen von dem Schmerz empfinden, den er empfand. "Wie du willst." "Slade, hör mir zu. Michael ist nicht dein Kind. Ich verstehe überhaupt nicht, warum du glaubst..." "Ich glaube es nicht, ich weiß es! Mein Sohn ist auf den Tag genau neun Monate nach unserer gemeinsamen Nacht auf die Welt gekommen." Lara wurde blass. "Du kannst unmöglich wissen, wann er geboren wurde!" "Am neunzehnten September um sieben Uhr abends. Er wog sechseinhalb Pfund. Und in seiner Geburtsurkunde steht auf deinen Wunsch ,Vater unbekannt'." Slades Stimme wurde rau. ",Vater unbekannt'. Wie konntest du meinem Sohn so etwas antun?" "Zum letzten Mal, Michael ist nicht dein Sohn. Mein Mann ..." "Wenn du einen Ehemann hattest und er der Vater des Jungen ist, warum steht dann sein Name nicht in der Geburtsurkunde?" Denk dir etwas aus! befahl sich Lara verzweifelt. "Wir waren gerade dabei, uns scheiden zu lassen. Und mein Mann ..." "Du hattest niemals einen Ehemann. Wann immer du einen Kerl brauchst, suchst du dir einfach irgendwo einen. Warum solltest du dich auf einen beschränken, wenn du so viele ins Bett kriegen kannst, wie du willst?" Lara wurde noch blasser. "Ich muss dir gegenüber nicht meine Moral rechtfertigen." "Nein, musst du nicht. Mir geht es nur darum, dass deine Geschichte eine Lüge ist. Du warst niemals verheiratet. Der Ring an deinem Finger ist nur Schau." "Du kannst unmöglich wissen ..." "Ich weiß alles. Ich verstehe nur nicht, warum du meinen Sohn in dem Glauben aufwachsen lassen wolltest, er habe keinen Vater."
"Er ist nicht dein Sohn." "Hör auf, mich anzulügen! Warum hast du mir nicht erzählt, dass du ein Kind von mir erwartest? Hast du gedacht, ich würde sagen, du sollst zum Mond gehen? Du wusstest meinen Vornamen, Beruf und Wohnort und hättest mich finden können. Na gut, vielleicht hattest du keine Ahnung, wie du das anpacken solltest. Aber dann hat Dobbs dir die Akte gegeben. Damit hattest du alles Nötige. Nachnamen, Adresse, Telefon." "Hast du das aus irgendeiner billigen Seifenoper? Nichts davon stimmt. Es ist eine reine Fiktion, verstanden?" "Und als ich aufgetaucht bin, hast du mit aller Macht erreichen wollen, dass ich von hier verschwinde", sprach Slade unbeeindruckt weiter. Lara blickte ihn starr an. Sie wusste, dass sie ruhig bleiben musste. Wenn man es auf eine Kraftprobe mit einem Raubtier ankommen ließ, durfte man keine Schwäche zeigen. Sie trank langsam ihren Kaffee aus und stellte den Becher hin. "Deine Fantasievorstellungen sind sehr interessant", sagte sie gelassen. "Aber es ist spät, und ich muss nach Hause." Sie stand auf. "Gute Nacht, Slade." Auf dem Weg zum Ausgang wartete sie darauf, dass er ihr folgte und sie zurückhielt. Nichts geschah. Sie ging schneller und rannte los, sobald sie draußen war. Er holte sie auf dem Parkplatz hinter dem Lokal ein. Sie hatte die Autoschlüssel schon in der Hand, als sie seine Schritte hörte. Verzweifelt versuchte sie, die Tür aufzuschließen, doch sie schaffte es nicht mehr. Slade umfasste ihre Schultern und drehte Lara zu sich herum. "Willst du mich nicht fragen, woher ich so viel weiß, Süße?" Er lächelte boshaft. "Das mit der vorgetäuschten Ehe. Die Einzelheiten über die Geburt meines Sohnes." "Nimm deine Hände weg, du Bastard, oder ..." "Dank deines Betrugs ist Michael der Bastard."
"Was willst du?" Lara riss sich los und stieß mit dem Rücken gegen das Auto. "Ich erhebe Anspruch auf meinen Sohn." Ihr wurde schwindlig. "Nein. Er ist nicht..." Slade stützte sich am Auto ab, so dass sie in seinen Armen gefangen war. "Ich habe bereits Vorkehrungen für DNS-Tests getroffen", sagte er leise. "Wenn man die Umstände seiner Zeugung bedenkt und die Lügen, die du seitdem ersonnen hast, werde ich keine Schwierigkeiten damit haben, auf das Sorgerecht zu klagen und es zu bekommen." Er wird es tun, dachte Lara verzweifelt. Und welche Chance würde sie vor Gericht haben? "Was ist passiert, Süße? Hast du vergessen, die Pille zu nehmen, und dann nicht den Mut gehabt, das Versehen loszuwerden?" "Mein Sohn ist kein Versehen. Er ist mir das Liebste im Leben, du Mistkerl! Ich wollte ein Baby. Nur deshalb bin ich an jenem Tag mit dir gegangen und habe mich von dir berühren lassen. Ich hatte schon sehr lange daran gedacht, ein Kind zu bekommen. Das Wie war ein Problem. Keine Methode schien richtig zu sein. Und dann hat mich das Schicksal mit dir zusammengebracht." "Quatsch! Du hast mit mir geschlafen, weil du mich ebenso begehrt hast, wie ich dich begehrt habe." Es stimmte. Irgendwann in jener langen, unglaublichen Nacht hatte sie sich eingestanden, dass sie nicht wegen eines Babys mit ihm im Bett war, sondern wegen der Empfindungen, die er in ihr weckte. Aber das würde sie ihm gegenüber niemals zugeben. Es würde sie verwundbar machen. Außerdem würde er es ihr sowieso nicht glauben. "Es war der richtige Zeitpunkt in meinem Zyklus", sprach sie kühl weiter. "Ich hatte einen gesunden, intelligenten, attraktiven Mann vor mir, der so redete, als wäre er gut im Bett."
Slades Gesichtszüge wurden härter. Er legte ihr die Hand um den Hals, und Lara wusste, dass er dicht davor war, jedes zivilisierte Benehmen zu vergessen. "Dann war ich also ein Samenspender?" fragte er leise. "Du tust mir weh." "Lara Stevens' private Samenbank." "Ich wollte ein Baby." "Du wolltest." Sein Lachen ließ sie schaudern. "Ja. Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst, ich bin eine gute Mut..." Einen Moment lang drückte Slade fester zu, und sie rang nach Atem. "Was ich wollte, war nicht wichtig." "Es hatte nichts mit dir zu tun." "Du hast mich benutzt, um schwanger zu werden. Du hast mein Kind zur Welt gebracht. Und es hatte nichts mit mir zu tun?" Zum ersten Mal seit jener Nacht war Lara verunsichert. Damals war es ihr so richtig vorgekommen. So pragmatisch. Nein, stell jetzt nicht infrage, was du getan hast, dachte sie. "Ich will nichts von dir", sagte sie schnell. "Michael gehört mir. Ich ziehe ihn groß ..." "Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als ich am Freitagabend vor dem Kinderbett gestanden und meinen Sohn gesehen habe? Meinen Sohn, Lara. Ich sollte ihn niemals kennen lernen und er mich nicht. Er sollte in dem Glauben aufwachsen, sein Vater sei ein nichtsnutziger Mistkerl, habe seine Mutter sitzen lassen und interessiere sich nicht für ihn." "Er hat mich", sagte Lara scharf. "Er braucht keinen Vater." "Ich wollte keine Kinder. Ich habe die Ehekriege in meiner Familie miterlebt..." "Das hat doch überhaupt nichts damit zu tun. Eine Frau muss keinen Ehemann haben, um eine gute Mutter zu sein."
"Ich habe sie miterlebt"; sprach Slade unbeirrt weiter. "Und ich habe mir geschworen, mein Leben nicht so zu verpfuschen. Ich habe mir aber auch geschworen, ein guter Vater zu sein, falls ich jemals die Dummheit begehen würde, zu heiraten und ein Kind zu bekommen. Ein Vater, dessen Kind ihn lieben kann, anstatt ihn ..." Slade atmete tief ein. "Mich als Samenspender auszuwählen war ein schlechter Einfall." "Vielleicht hätte ich nicht eine so einseitige Entscheidung treffen dürfen ..." Slade lachte scharf. "Haben die Worte .Recht' und ,Unrecht' irgendeine Bedeutung in deiner Welt, Süße?" "Ich habe mir ein Baby gewünscht. Und ich verspreche dir, dass ich Michael mit Liebe aufziehen werde. Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Über nichts. Ich habe gesagt, ich will nichts von dir." "Bis auf meine Spende an deine private Samenbank. Und die hast du ja schon bekommen." Slade presste die Lippen zusammen. "Du hättest jeden haben können. Warum war ich der glückliche Einfaltspinsel?" Er rückte näher und ließ die Hand zu ihrer Wange gleiten. "Das habe ich dir schon erklärt. Du hattest die richtigen Eigenschaften und warst zum richtigen Zeitpunkt da." Slade blickte Lara in die Augen. "Du hast in meinen Armen gebebt." "Ich ... ich verstehe nicht, was das damit zu tun hat. Slade, bitte..." "Das hast du geflüstert, als ich dich zum ersten Mal geküsst habe. ,Slade, bitte ...'" Verdammt, was machst du denn jetzt? fragte er sich, während er sie an sich zog. Er begehrte sie nicht. Sie hatte ihn benutzt und angelogen. Wenn nicht dieser verrückte Zufall gewesen wäre, hätte sie ihm die Wahrheit vorenthalten. "Sag mir, dass du mich gewollt hast und nicht nur einen Ersatz für ein Reagenzglas." Er umfasste ihren Po und drückte sie an sich, so dass sie seine Erregung spürte.
Lara hob die Hände, um Slade wegzustoßen. Stattdessen legte sie ihm aufstöhnend die Arme um den Nacken, bewegte sich am Rande des Wahnsinns ... Entsetzt riss sie sich los. "In Ordnung. Michael ist dein Sohn, und ich werde die Geburtsurkunde ändern lassen." Sie wartete darauf, dass Slade etwas sagte, aber er sah sie nur kühl und wachsam an. Das Schweigen war zermürbend. "Und ich werde ihm von dir erzählen, wenn er alt genug ist, um es zu verstehen." Slade sagte noch immer nichts. "Was willst du denn noch?" rief sie. "Du passt nicht auf, Süße, sonst müsstest du nicht fragen. Ich habe vor, meinem Jungen ein guter Vater zu sein." Ihre Welt stürzte zusammen, und sie konnte nichts dagegen tun. "Na schön. Wir setzen ein Besuchsrecht fest. Du kannst kommen und einen Samstag im Monat mit ihm verbringen." "Großartig!" lobte Slade sarkastisch. Lara ballte die Hände zu Fäusten. "Meinst du, es wird einfach für mich sein, ihn dir einen Tag lang zu überlassen?" "Wie es dir dabei geht, interessiert mich nicht." Slade sprach ruhig, was ihn überraschte, denn sein Herz schlug wie verrückt. "Ich will nicht, dass unser Sohn Samstage mit einem Mann verbringt, der für ihn im Grunde ein Fremder ist." Unser Sohn. In ihrer Verzweiflung bemerkte Lara das unheilvolle Vorzeichen nicht, das den Worten anhaftete. "Und was schlägst du vor? Ich werde nicht zulassen, dass du ihn mir wegnimmst, Slade. Ich schwöre, wenn du versuchst..." "Heirat." Lara blickte ihn starr an. "Wie bitte?" "Wir heiraten. Morgen um zwölf." "Du bist ja verrückt." Sie lachte hysterisch. "Es ist die einzige Lösung", sagte er kalt. "Mein Sohn wird eine Mutter und einen Vater haben." "Nein! Ich würde niemals einwilligen, zu ..."
"Du wirst ihm eine gute Mutter und mir eine treue Ehefrau sein, oder ich nehme ihn dir weg. Wenn es dazu kommt, dass Michael nur einen von uns haben kann, werde ich es sein. Glaub ja nicht, ich schaffe das nicht." Sie wusste, dass Slade ihr Leben zerstören könnte und es tun würde, wenn sie ihm nicht gehorchte. "Ich hasse dich", flüsterte sie. Tränen der Wut traten ihr in die Augen. "Ich werde dich immer hassen!" "Das ist mir gleichgültig." Er umfasste ihr Gesicht. "Ich will nur meinen Sohn." Slade atmete tief ein. "Und dich in meinem Bett." "Nein", sagte Lara. "Nein, Slade." Aber er hörte nicht zu. Er küsste sie, und sie stöhnte erst vor Verzweiflung und dann vor Selbstekel, als sie sich dem Kuss hingab.
8. KAPITEL Manche Frauen träumten von ihrem Hochzeitstag. Lara gehörte nicht zu ihnen. Sie hatte sich niemals vorgestellt, eine Braut zu sein. Warum sollte sie, wenn sie doch wusste, wie die Ehe in Wirklichkeit war? Die fürchterliche Wut ihres Vaters. Die herzzerreißenden Tränen ihrer Mutter und ihr blinder Gehorsam gegenüber jedem seiner Befehle, bis er an einem Sommerabend aus dem Haus gegangen und niemals zurückgekommen war. Ihre Schwester führte jetzt das gleiche Leben, als hätte sie niemals etwas vom Elend ihrer Mutter gehört. Auch Emily war völlig ausgelaugt und auf einen Mann angewiesen, weil sie allein nicht überleben konnte. Lara hatte sich geschworen, dass aus ihr nicht so eine Frau werden würde. Sie hatte fleißig studiert und dafür gesorgt, dass sie finanziell unabhängig war. Ihr Beruf, Reisen, Musik und Bücher füllten ihr Leben aus, und als sie eine nagende Leere empfand, war ihr klar, dass es nicht die Sehnsucht nach einem Mann war. Welche intelligente Frau würde das schon glauben? Sie sehnte sich nach einem Kind. Aber bei der Planung machte sie einen entsetzlichen Fehler. Sie wählte Slade aus Gründen als Vater ihres Kindes aus, die ihr völlig logisch erschienen. Gut aussehend. Intelligent. Gesund. Dass er nicht der Typ war, der länger mit ihr zusammenbleiben
wollte, war ihr recht. Und dass er sie erregte, wie es noch kein Mann getan hatte ... Tja, das war eine Zugabe. Aussehen, Gesundheit, Intelligenz, sexuelle Anziehungskraft. Sie hatte alle Merkmale abgehakt wie Punkte auf einer Einkaufsliste. Aber er hatte an jenem Tag in Denver noch eine Eigenschaft gezeigt. Eine, die sie dummerweise nicht berücksichtigt hatte. Slade Baron war der zielstrebigste Mensch, den sie jemals kennen gelernt hatte. Wenn er etwas wollte, verfolgte er es. Und zum Teufel mit allem, was im Weg war. Er wollte Michael. Und an diesem Tag würde er kommen und Anspruch auf ihn erheben. Lara hatte sich die ganze Nacht gesagt, Slade habe auf dem Parkplatz nur demonstriert, dass er stärker war als eine Frau. Sie glaubte es einfach nicht, bis sie um acht Uhr die Tür öffnete und ihn auf der kleinen Veranda stehen sah. "Das kannst du mir nicht antun, Slade." "Ich habe es schon getan, Süße. Dobbs erwartet uns in einer Stunde." "Du hast mit Dobbs gesprochen?" Laras Verzweiflung verwandelte sich in Wut. "Es ist mein Leben! Du hast kein Recht..." "Ich habe jedes Recht." Slade blickte auf ihren Mund, dann sah er ihr in die Augen. "Soll ich es dir beweisen?" Was bedeutete die Drohung? Dass sie sich vor Gericht treffen würden? Oder dass er sie wie am Vorabend umarmen und ihren Widerstand als Heuchelei entlarven würde? "Ich hasse dich", sagte sie zittrig. "Du kannst mit meinem Leben und dem meines Sohnes deine Spiele treiben, aber meine Gefühle kannst du nicht ändern. Ich hasse dich und werde es immer tun." Seine Augen funkelten gefährlich. "Hast du gepackt?" "Nein. Wir haben nicht darüber gesprochen ..." "Spielt keine Rolle." Er ging an ihr vorbei. "Mir ist es sogar lieber so."
"Dir ist es ...?" Lara folgte ihm nach oben. '"Michael schläft. Nicht, bitte ..." Es war zu spät. Slade war bereits im Kinderzimmer. Unsicher hielt sich Michael am Gitter des Betts fest und sah Slade staunend an. "Hallo, Mike", sagte Slade leise. "Sein Name ist Michael. Und er hat Angst vor Fremden. Du kannst ihn nicht einfach ..." Slade hatte Michael schon aus dem Kinderbett gehoben. Und ihr geliebter, verräterischer kleiner Junge lächelte ihn an. "Mike", flüsterte Slade. Das Baby legte ihm die Hand auf den Mund, und Slade küsste sie. Ihm war die Kehle wie zugeschnürt. Mein Sohn, dachte er. Ein seltsamer Laut veranlasste ihn, sich umzudrehen. Tränen schimmerten in Laras Augen. Sie sah aus wie eine Frau, die alles verloren hatte, und nur einen Moment lang tat sie ihm fast Leid. Dann dachte er daran, was er verloren hatte, weil er all die Monate nicht gewusst hatte, dass er einen Sohn hatte. "Wenn du irgendetwas unbedingt mitnehmen willst, hol es jetzt", sagte er kühl. "Ich verstehe nicht." "Und pack ein, was mein Sohn braucht." "Er ist mein Sohn. leih habe ihn geplant, zur Welt gebracht und ohne deine Hilfe aufgezogen ..." "Beeil dich. Wir haben bis ein Uhr noch viel zu erledigen." "Wie bitte?" "Das Treffen mit Dobbs. Danach müssen wir zu einem Immobilienmakler. Um zwölf ist die Trauung ..." "Nein!" "Und unser Flugzeug startet um eins." "Flugzeug? Slade, hör mir zu! Sei doch vernünftig. Ich habe hier ein Leben; ein Zuhause ..." "Mrs. Krauss wartet unten in einem Taxi. Sie kümmert sich heute Vormittag um meinen Sohn." "Woher weißt du von ihr? Hast du mir nachspioniert?"
"Dein Haus kannst du vermieten oder verkaufen. Du wirst nicht hierher zurückkehren." "Du hast mir nachspioniert!" "Ich habe Informationen gesammelt, Süße." "Überleg doch mal, was du tust. Du bittest mich, alles aufzugeben. Meinen Arbeitsplatz, meine Karriere ..." "Ich bitte dich nicht, ich befehle es dir. Ab heute bist du Mutter und Ehefrau, und du solltest besser beide Jobs gut machen." Lara schreckte zurück, als Slade an ihr vorbeiging. Er sagte sich, es sei richtig so. Sie hatte alles verdient, was passierte. Aber ihr ängstlicher, verzweifelter Blick deprimierte ihn, als er seinen Sohn aus dem Haus trug. Um neun stand Lara neben Slade in Edwin Dobbs' Büro. Slade legte ihr fest den Arm um die Schultern und erklärte, sie hätten sich ineinander verliebt. Lara war nicht sicher, was falscher wirkte, Slades Lächeln oder die Geschichte, die er sich ausgedacht hatte. Sie wartete darauf, dass der Vorsitzende lachte. Er lächelte. "Ein Banker sollte ja nicht zugeben, dass er im Grunde seines Herzens Romantiker ist, aber ich bin es. Allerdings kann ich es kaum fassen." "Das geht uns genauso", sagte Slade und verstärkte seinen Griff warnend. "Stimmt's, Liebling?" Erwartete er von ihr, dass sie ihm half? Kam nicht infrage. Er hatte diese Show choreographiert. Sollte er selbst tanzen. "Und Sie heiraten sofort?" Dobbs schüttelte ungläubig den Kopf. "Wann ist das passiert?" "Wer kann genau bestimmen, wann sich ein Mann und eine Frau verlieben, Edwin? Lara wollte es Ihnen selbst sagen, ich dachte jedoch, Sie würden es zu schätzen wissen, die Neuigkeit von uns beiden zu hören."
"Das ist wundervoll für Sie, Slade", erwiderte Dobbs, dann lachte er leise. "Für mich nicht. Ich verliere eine hervorragende leitende Angestellte." "Es tut mir Leid, Mr. Dobbs. Ich wünschte ... Ich wünschte, es wäre anders." "Lara meint, sie bedauert, so plötzlich kündigen zu müssen", erklärte Slade rasch. Er blickte sie an. "Ich bin sicher, Edwin hat Verständnis dafür, Liebling." "Wenn Sie darauf bestehen, bleibe ich noch zwei Wochen, Mr. Dobbs", bot sie schnell an. "Wollen Sie Ihre eigenen Flitterwochen verpassen?" Er lachte. Slade lachte. Die beiden Männer sahen sie an, als wäre sie schwachsinnig, und einen entsetzlichen Moment lang fürchtete Lara, sie würden ihr zärtlich unters Kinn fassen. Unsinn, sagte Dobbs. Sie sei ein Muster an Effizienz. Zweifellos könne ihre Assistentin den Job problemlos übernehmen. Anscheinend findet es niemand außer mir wichtig, dass mein Leben aus der Umlaufbahn geschleudert wird, dachte Lara kurz vor Mittag. Ihr Haus stand zum Verkauf, und der Makler freute sich wahrscheinlich schon auf die Provision. Mrs. Krauss wurde für den Morgen gut bezahlt. Dobbs würde seine Hauptrechnungsprüferin durch eine andere ersetzen. Alle waren zufrieden, nur sie war es nicht. Aber was konnte eine Marionette tun, wenn jemand die Fäden in der Hand hielt? Um zwölf standen Slade und Lara vor einem Friedensrichter, der entweder nicht bemerkte, dass sie am ganzen Körper zitterte, oder es bei einer Braut für völlig normal hielt. Mrs. Krauss stand mit Michael auf dem Arm neben ihnen. Die Trauung dauerte nicht einmal fünf Minuten. Als der Friedensrichter am Ende zu Slade sagte, er dürfe die Braut jetzt küssen, wurde Lara starr.
Was auch immer er erwartete, sie würde den Kuss nicht erwidern. Am vergangenen Abend hatte sie auf Slade reagiert. Es war ein Zeichen von Schwäche gewesen, und Schwäche konnte überwunden werden. Sex würde nicht zu dieser Ehe gehören, es sei denn, Slade würde sie vergewaltigen, und das schloss Lara aus. Sie verachtete und hasste ihn, aber sie wusste, dass er niemals eine Frau zum Sex zwingen würde. Vor achtzehn Monaten hatte sie mit ihm schlafen wollen, und jetzt würde sie bis an ihr Lebensende für die Nacht bezahlen müssen. Slade küsste Lara nicht. Er sah sie nicht einmal an. Er dankte dem Friedensrichter, umfasste ihren Ellbogen und führte sie nach draußen, wo zwei Taxis bereitstanden, eins für Mrs. Krauss und das andere für Slade, Lara und Michael. Lara umarmte die verblüffte Mrs. Krauss. "Auf Wiedersehen", sagte sie mit Tränen in den Augen. Dann stieg sie ins Auto. Slade stieg mit Michael auf dem Arm ein, und sie fuhren zum Flughafen. Lara wusste, dass sie ein gefährliches Spiel gespielt hatte. Sie hatte Michael gewonnen, aber alles andere verloren. Ihren Stolz. Ihre Unabhängigkeit. Ihre Freiheit. Sie war nicht mehr Lara Stevens. Sie war Slade Barons Frau. Sie saßen nebeneinander in der ersten Klasse. Zwei Fremde, die nichts gemeinsam hatten außer einer leidenschaftlichen Nacht. Und einem Kind. Schaudernd zog Lara ihren Sohn fester an sich. Während der ersten Minuten des Fluges hatte er geweint. Die Stewardess hatte gemeint, der Grund sei wahrscheinlich die Druckänderung. Es war eine logische Erklärung, aber Laras Gefühl sagte ihr, dass ihr Baby um das Leben trauerte, das sie zurückließen, und sich vor dem Unbekannten fürchtete, das vor ihnen lag. Slade hatte Michael zu trösten versucht und ihn ihr wegnehmen wollen. Sie hatte sich geweigert, ihn herzugeben.
Slade hatte sie finster angeblickt, seinen Aktenkoffer geöffnet und einen Stoß Papiere herausgeholt. Er arbeitete immer noch und schien Michael völlig vergessen zu haben. Um Michael war es Slade nicht wirklich gegangen. Er hatte siegen wollen. Jetzt, da er sein Ziel erreicht hatte, verlor er das Interesse an seinem Sohn. Obwohl er Michael am Morgen so liebevoll angesehen hatte, als er ihn aus dem Kinderbett gehoben hatte. Das hatte sie zumindest gedacht. Liebevoll? Ein Mann, der klargestellt hatte, dass ihm die gemeinsam verbrachten leidenschaftlichen Stunden nichts bedeuteten? Lara unterdrückte ein Schluchzen. Dieser überhebliche Mann liebte nur sich selbst. Wenn sie Glück hatte, würde es ihn bald langweilen, Vater zu sein. Vielleicht würde er seine unerwünschte Frau und die Siegesbeute Michael dann in ihr eigenes Leben zurückkehren lassen. Sie klappte die Rückenlehne zurück und schloss die Augen. Bis dahin würde sie um Michaels willen das Beste aus der Sache machen müssen. Slade blickte starr auf die Papiere, ohne sie wirklich zu lesen. Was sollte er jetzt nur tun? Uni seines Sohnes willen das Beste aus der Sache machen. Na gut, so viel hatte er schon gewusst. Aber was war mit Lara? Mit seiner Frau. Slade konnte es noch immer kaum glauben. Am Freitag war er in den Süden geflogen. Geplant gewesen waren ein Geschäftsessen in Baltimore und ein Wochenende in Texas. Und jetzt kehrte er mit einer Ehefrau und einem Sohn nach Hause zurück. Er hatte keine Kinder haben wollen. Es war eine große Verantwortung, und er war nicht sicher, ob er sie bewältigen würde. Außerdem bedeutete es, sich für den Rest seines Lebens an eine Frau zu binden, denn er hatte sich geschworen, nicht die Fehler seines Vaters zu wiederholen. Ein Mann schuldete seinem Kind Zeit und Respekt, Liebe und Stabilität. Auf Espada
hatten die Stiefmütter zwischen acht Uhr morgens und drei Uhr nachmittags gewechselt. Aber ein Kind hatte ein Recht darauf, noch dieselben Eltern vorzufinden, wenn es aus der Schule kam. Dann hatte er einen Blick auf ein Baby geworfen, und alle seine Überzeugungen waren auf den Kopf gestellt worden. Und als er das Baby an diesem Morgen auf die Arme genommen hatte ... O verdammt. Slade runzelte die Stirn. Es schnürte ihm schon wieder vor Rührung die Kehle zu. Das musste aufhören, oder er würde niemals klar denken können. Und er hatte es nötig, klar zu denken, weil er nicht der hartherzige, kaltblütige Mistkerl war, für den Lara ihn hielt. Im Grunde seines Herzens hatte er schreckliche Angst. Was er an diesem Morgen getan hatte, war ebenso unwiderruflich wie unfassbar. Er hatte eine Ehefrau. Sie hieß Lara. Viel mehr wusste er nicht über sie. Ja klar, sie war gut im Bett. Da sie ihn jetzt behandelte, als wäre er eine Kreuzung zwischen Graf Dracula und Frankenstein, konnte er diesen Aspekt ihrer Beziehung wohl vergessen. Slade unterdrückte ein Stöhnen. Er hatte keine Beziehung zu der Frau. Sie hatte das Mittagessen abgelehnt. Hummersalat war es gewesen. Hatte Lara Nein gesagt, weil sie keinen Hummer mochte? Weil sie niemals zu Mittag aß? Oder weil sie mich wie die Pest hasst? fragte sich Slade. Er blickte seine Frau verstohlen an. Schlief sie wirklich, oder versuchte sie nur, ihn zu meiden? So viele Fragen, und er hatte keine Antworten. Was nicht weiter schlimm war. Er würde mit der Zeit lernen, was in Lara vorging. Wenn er es wollte. Wirklich notwendig war es nicht. Zwei zivilisierte Menschen konnten ihrem gemeinsamen Sohn zuliebe ja wohl zusammenleben, pro forma höflich sein und so tun, als würden sie sich nicht verabscheuen. Nur war es nicht das, was er von Lara wollte. Er hasste sie, weil sie ihn benutzt hatte, um schwanger zu werden, und ihm dann nichts gesagt hatte. Er hasste sie wegen ihres Seufzens und
der Liebkosungen vor anderthalb Jahren. Wegen ihrer Leidenschaftlichkeit ... Alles war vorgetäuscht gewesen. Lara war nicht an ihm interessiert gewesen, sondern an dem, was jeder gesunde Mann mittels eines Reagenzglases hätte liefern können. Alles vorgetäuscht. Oder nicht? Am Vorabend war sie in seinen Armen dahingeschmolzen. Er hätte sie dort auf dem Parkplatz nehmen können. "Flugbegleiter, bitte Landung auf ,Logan Airport' vorbereiten. Meine Damen und Herren, das Wetter in Boston ist heiter und sonnig..." Heiter und sonnig. Slade hätte fast gelacht. Neben ihm stellte Lara die Rückenlehne gerade, und er streckte die Arme aus. "Gib mir meinen Sohn", sagte er kalt. Lara wurde blass und hielt ihm das Baby hin. Er nahm es ihr ab und spürte, dass ihr die Hände zitterten. Sie hatte Angst. Gut, dachte Slade. Sie sollte schreckliche Angst haben. Weil er sie auch hatte. Der einzige Unterschied war, dass Lara von seiner niemals erfahren würde. Slade hatte sein Auto am Flughafen abgestellt. Es war nicht einfach, eine Frau, ein Baby, einen Babysitz, allerlei Gepäck und eine mit Windeln, Spielzeug, Saftdosen und Keksschachteln voll gestopfte Reisetasche in seinem Jaguar unterzubringen. Lara trug Michael und sah zu. Sie sagte nichts, aber Slade hatte das Gefühl, dass sie über ihn lachte. Lach doch, dachte er grimmig. War es seine Schuld, dass er Boston als Junggeselle verlassen hatte und als verheirateter Mann mit einem Sohn zurückgekommen war? Schließlich waren sie auf dem Highway und fuhren nach Beacon HUI. Sie hatten kein Wort mehr miteinander gesprochen, seit er ihr im Flugzeug Michael weggenommen hatte, und Slade hatte das Schweigen satt. "Brauchst du irgendetwas?" "Meine Freiheit", erwiderte Lara.
Er presste die Lippen zusammen und warnte sich davor, "anzubeißen". "Für Michael, meinte ich. Ich kann bei einem Einkaufszentrum halten, wenn du willst." "Ich brauche viele Dinge, wenn es dir ernst damit ist, uns hier zu behalten." Slade lächelte angespannt. "Hoffst du, dass ich es mir anders überlegt habe und dich zurück zum Flughafen bringe? Gib es auf, Lara. Du wirst bleiben, und ich versuche, höflich zu sein. Sag mir, was du benötigst, und wir besorgen es." Lara sah starr nach vorn. Sogar an einem schönen Sommerabend wirkte die Stadt düster. Grau, alt und fremd. "Kinderbett, Sportwagen, Laufstall, Kinderhochstuhl..." "Das können wir alles morgen kaufen. Was brauchst du jetzt?" "Nichts. Ich kann Michael auf meinem Schoß füttern." "Und wo soll er schlafen? Geht das in einem Bett?" Lara lachte verächtlich. "Du weißt nicht viel über Babys." "Nein, tue ich nicht", sagte Slade kühl. Sie wurde rot. Es war eine dumme Bemerkung gewesen, aber entschuldigen würde sie sich nicht. "Michael wird bei mir schlafen." "Für heute Nacht." Lara blickte Slade an. Seine unnachgiebige Miene ließ ihr Herz schneller schlagen. "Du irrst dich, wenn du glaubst, aus meiner ... Knechtschaft irgendein Vergnügen herauszuholen. Du hast mich zu dieser Ehe gezwungen, aber du kannst mich nicht zwingen, mit dir zu schlafen." Slade fuhr vom Highway ab und bog in ein Labyrinth aus Wohnstraßen ein. Sie waren fast am Ziel, und Lara spürte es anscheinend, denn die Spannung zwischen ihnen wurde noch größer. Er warf ihr einen Blick zu. Sie war blass, hatte dunkle Schatten unter den Augen und sah erschöpft und ängstlich aus. Einen Moment lang dachte Slade daran, am Straßenrand zu halten, Lara an sich zu ziehen und ihr zu sagen, dass sie nichts
zu befürchten habe. Dass er für sie und ihren gemeinsamen Sohn sorgen und nichts von ihr verlangen würde, weil es keine richtige Ehe sein würde. Am vergangenen Abend und an diesem Morgen hatte er etwas anderes gesagt, aber da war er wütend gewesen. Jetzt war er gelassen, und er hatte den Krieg gewonnen. Er konnte großzügig sein und Lara beruhigen. Jeder Mann würde es tun, wenn er eine Hand voll Stolz besaß. Slade hielt auf der Auffahrt seines Heims, drückte auf den Knopf der Fernbedienung, so dass sich das Tor öffnete, und fuhr den Jaguar in die Garage. Es war nur, dass er sich an zu viel erinnerte. Daran, wie perfekt ihre Brüste waren. Wie die Spitzen hart geworden waren, als er sie mit der Zunge berührt hatte. Er erinnerte sich an die zarte Haut ihrer Oberschenkel... Inzwischen hatte Lara seinen Sohn zur Welt gebracht. Hatte sich ihre Figur verändert? War sie noch weiblicher geworden? Damals hatte sie nur die Arme nach ihm ausgestreckt, und der Anblick hatte genügt, um ihn zu erregen. Würde es immer noch so sein? Er hoffte es, wenn er an jene Nacht zurückdachte. Und er betete, dass es nicht so sein würde, weil er Lara hasste. Slade stieg aus, ging ums Auto herum und öffnete seiner Frau die Beifahrertür.
9. KAPITEL Lara wachte mit klopfendem Herzen und nach Atem ringend auf. Sie hatte einen schrecklichen Traum gehabt, in dem sie in einem fremden Zimmer in einem fernen Land gewesen war ... Es war kein Traum. Sie war in einem Schlafzimmer in Slades Haus. Ihr eigenes Heim war Hunderte von Meilen weit weg. Sie war hier gefangen, zusammen mit ... Erschrocken setzte sie sich auf. "Michael?" Nur sein Teddy lag neben ihr. Sie stand auf, durchsuchte das Schlaf- und das Badezimmer, sah unter alle Möbelstücke und öffnete den Kleiderschrank. Ihr Baby war verschwunden. Außer sich vor Angst, rannte Lara auf den Flur hinaus. Durch ein Oberlicht schien die Sonne auf eine gefährliche Wendeltreppe. "Michael", flüsterte Lara verzweifelt. Plötzlich hörte sie das hell klingende Lachen eines Babys und das tiefe eines Mannes. Sie lief den Flur entlang bis zu einer offenen Tür ganz am Ende ... und blickte in Slades Schlafzimmer. Slade lag auf dem Bett, Michael saß auf seinem Bauch. Der Mann und das Kind hielten sich an den Händen. "Alles einsteigen!" sagte Slade und zog sanft erst an Michaels linker, dann an seiner rechten Hand. "Puff-Puff. Puff-Puff. Puff-PuffPuff ..." Michael lachte ausgelassen, während er mit Slade spielte. Mit dem Fremden, der sein Vater sein wollte.
Lara ging ins Zimmer. "Was machst du hier mit meinem Sohn?" Das Lachen hörte auf. Sie eilte zum Bett und riss ihr Baby an sich. Slade setzte sich auf, und jetzt wurde ihr bewusst, dass er nur seidene weiße Boxershorts trug. Hitze durchflutete sie, und das machte Lara noch wütender. "Ich habe dich etwas gefragt, Slade." Michael verzog weinerlich den Mund, und Slade warf Lara einen warnenden Blick zu. "He, Mike", sagte er sanft, "ist schon gut. Wahrscheinlich hat sich deine Mom um dich gesorgt." "Ich wache auf und stelle fest, dass mein Sohn nicht mehr da ist, und du meinst, ich hätte mich wahrscheinlich' gesorgt?" Slade zerzauste dem Baby das Haar. "Es tut mir Leid, dass du dich aufgeregt hast. Ich bin aufgewacht und habe Michael schreien hören. Als er sich nicht beruhigt hat, habe ich ihn geholt." "Ich hätte ihn gehört." "Er hat geschrien, okay?" Slade stand auf. "Hätte ich dir eine Nachricht hinterlassen sollen?" "Du hättest..." Lara ließ den Blick über ihn gleiten und wurde rot. "Musst du so herumlaufen?" "Meinst du die Boxershorts?" "Ja. Dies ist dein Haus, aber ein bisschen Anstand ..." Slade lachte. "Ich schlafe nackt und habe sie heute Morgen angezogen, bevor ich meinen Sohn geholt habe. Das ist ein bisschen Anstand." Er musterte Lara, nahm das zerzauste Haar in sich auf und das T-Shirt, in dem sie geschlafen hatte. "Du bist auch nicht für ein Treffen mit der Queen angezogen." Laras Röte nahm zu. "Ich war außer mir, als ich Michael nicht finden konnte." "Ja, okay", sagte Slade rau. Ich werde wirklich wahnsinnig, dachte er. Spitze und Seide waren sexy. Nicht T-Shirts. Bestimmt nicht ein übergroßes T-Shirt aus seiner Kommode. Lara hatte es nicht annehmen wollen, aber sie hatte kein
Nachthemd mitgebracht. Er hatte eine schlimme Zeit lang schlaflos im Bett gelegen und sie sich in dem Ding vorgestellt. Jetzt sah er, wie sich ihre Brüste unter dem Stoff abzeichneten. Sah die langen Beine. Sie stand rosig vom Schlaf halb nackt in seinem Zimmer, und sie war seine Ehefrau ... O verdammt. Slade wandte sich ab, zog Jeans an und machte den Reißverschluss zu. "Ich wollte dich nicht ängstigen. Du hast geschlafen, deshalb habe ich ihn gewindelt, gefüttert und ..." "Du hast ihn gewindelt?" "Mehr oder weniger. Ich habe die Anweisungen auf dem Karton befolgt." "Und woher wusstest du, was man einem Baby zu essen geben darf?" Slade ging auf Lara zu. "Ach, ich habe ihm einfach das gemacht, was mir morgens am besten schmeckt. Knusprigen Schinken, ein Omelett mit Champignons und Zwiebeln, Kaffee ..." "Nein!" rief Lara entsetzt. Slade lachte. "Reg dich ab. Süße. Er hat Orangensaft bekommen, Rührei und Toast. Und er hat alles aufgegessen, stimmt's, Mike?" "Sein Name ist Michael", verbesserte ihn Lara kühl. "Das ist zu förmlich für einen Jungen und seinen Dad." Slade streckte die Arme aus. Lara versuchte, ihren Sohn festzuhalten, aber er wollte zu seinem Vater. "Uns gefällt Mike, stimmt's?" Slade hob das Baby hoch in die Luft. Michael strampelte. "Da-da", schrie er ausgelassen. "Ganz richtig, Kumpel. Ich bin dein Daddy." "Das hat er nicht gesagt." Lara wurde rot. Sie wusste, dass sie sich überfürsorglich und wütend anhörte, aber sie konnte es nicht ändern. Vierundzwanzig Stunden waren vergangen, und
schon war sie dabei, ihren Sohn zu verlieren. "Er kann noch nicht sprechen." "Er sagt Mama oder zumindest etwas, was dafür gelten kann." "Es sind nur Laute. Wie dem auch sei, das ist etwas anderes. Ich bin seine Mutter." "Und ich bin sein Vater. Je eher du dich daran gewöhnst, desto besser." "Du weißt überhaupt nichts von Michael." "Verlass dich drauf, ich werde alles lernen. Es hat immerhin gut angefangen. Er spielt gern Eisenbahn und hat eine Vorliebe für das Rührei seines Alten." "Natürlich ist dir nicht eingefallen, mich zu fragen, was er isst." "Du hast geschlafen. Deshalb habe ich Helga angerufen." "Helga. Soso." "Und sie hat mir geraten ..." "Kaviar. Champagner. Vielleicht eine Pastete." "Hör auf damit." "Du hast mir nichts zu befehlen." "Ich habe gesagt, du sollst damit aufhören. Du erschreckst meinen Sohn." "Deinen Sohn?" Michael begann zu weinen. Lara nahm ihn Slade weg. "Jetzt sieh, was du angerichtet hast", schimpfte sie und ging aus dem Zimmer, bevor sie sich noch lächerlicher machen würde. Sie wusste, dass sie überreagiert hatte, aber sie war außer sich vor Sorge gewesen. Konnte Slade das nicht verstehen? Und musste er so herumstehen, mit offenem Hosenknopf und nacktem Oberkörper? Musste er diese muskulösen Arme und Schultern zur Schau stellen? Lara schloss ihre Zimmertür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Was diese Helga und ihre Ratschläge betraf ... Wen interessierte die Frau?
Mich bestimmt nicht, dachte Lara. Ihre einzige Sorge galt Michael. Er war erschöpft. Sie wusste, dass die Reise am Vortag der Grund war, redete sich jedoch ein, Slade habe ihn mit dem Spiel überfordert. Sie sang Michael vor und wiegte ihn in ihren Armen, bis er einschlief. Dann baute sie ihm auf dem Fußboden ein Bett und sicherte es mit einer Mauer aus Kopfkissen und Decken. Geduscht und angezogen, trug sie das fest schlafende Baby nach unten und machte ihm im Wohnzimmer ein neues sicheres Bett. Als sie überzeugt war, dass Michael nicht aufwachen würde, ging sie in die Küche. Sie wusste, wo der Raum war. Slade hatte sie am vergangenen Abend durch das Haus geführt, obwohl sie ihm klipp und klar gesagt hatte, es sei ihr völlig gleichgültig, wie es aussehe. "Und mir ist gleichgültig, ob dir mein Haus gefällt oder nicht", hatte er kalt erwidert. "Ich will nur nicht, dass du die Treppe hinunterfällst und dir den Hals brichst, wenn du in der Nacht aufstehst." Wie sich herausgestellt hatte, war sie nicht aufgestanden. Sie hatte bis zum Morgen durchgeschlafen, so fest, dass sie nicht einmal Slade hatte hereinkommen hören. Slade, in ihrem Schlafzimmer. An ihrem Bett. Sie ansehend. Der Gedanke raubte Lara den Atem. Und das hielt ihre Wut in Schwung. Slade saß auf einem Hocker an der weißen Frühstückstheke aus Marmor und las Zeitung. Sein Haar war noch feucht vom Duschen und lockte sich im Nacken. Zum Glück trug er jetzt ein T-Shirt, aber es war ebenso eng wie die Jeans. Lara stellte sich vor, wie sie zu ihm gehen, ihm von hinten die Hände auf die Schultern legen und ihn auf den Mund küssen würde, wenn er sich umdrehte. Eine schwindlig machende Hitze durchflutete sie. Dieser Prachtkerl war ihr Ehemann. Gerade als sie die Flucht ergreifen wollte, drehte sich Slade um. Einen Moment lang bereute Lara, dass sie sich das Haar zu
einem Zopf geflochten und Jeans und ein ausgeleiertes T-Shirt angezogen hatte, die ältesten von den wenigen Sachen, die sie in letzter Minute in einen kleinen Koffer gestopft hatte. Slade sah jedoch an ihr vorbei, als wäre sie nicht beachtenswert, und ihre Wut kehrte zurück. "Ich hoffe, ich störe dich nicht." Er bemerkte ihren Sarkasmus anscheinend nicht. "Überhaupt nicht", sagte er höflich. "Wo ist Mike?" "Michael", erwiderte Lara spitz, "schläft." "Ist er allein okay?" Sie warf Slade einen mitleidigen Blick zu, während sie zur Kaffeemaschine ging und sich eine Tasse einschenkte. "Sonst hätte ich ihn nicht allein gelassen." "Hier sind Zucker und Sahne." "Danke, aber ich trinke meinen Kaffee schwarz." "Ich auch." "Soll ich deswegen Freudensprünge machen?" "Ich wollte nur ... Meinst du nicht, es würde die Sache vereinfachen, wenn wir ein bisschen über die Gewohnheiten des anderen wissen?" "Nein, meine ich nicht", erwiderte Lara honigsüß. Slade atmete tief ein und aus. "Okay, halten wir uns an ein ungefährliches Thema. Erzähl mir von Michael. Ich habe keine große Ahnung von Kindern ..." "Was du nicht sagst." "Schläft er immer morgens?" "Nein. Er ist erschöpft." "Ja." Slade stützte die Ellbogen auf die Frühstückstheke. "Wir sind gestern lange unterwegs gewesen." "Das Spielen mit dir hat ihn ermüdet." "Glaubst du?" Slade lächelte Lara an. "Es hat ihm gefallen." "Er ist so eine Toberei nicht gewohnt." "Dann wird er sich daran gewöhnen. Wir haben viel Spaß zusammen gehabt."
Die Erinnerung an die Szene schnürte Lara die Kehle zu. "Sobald ich ihm Spielzeug gekauft habe, wirst du sehen, dass er ruhige Beschäftigungen lieber mag." Es stimmte nicht. Slade sollte nur begreifen, dass er ein Außenseiter war. Wenn der Mann nur nicht so ein dickes Fell hätte. "Tja, er wird beides machen können. Die ruhigen Sachen mit dir, die wilden mit mir." Slade räusperte sich. "Da wir gerade von Spielzeug sprechen ... Ich habe einige Dinge bestellt. Bauklötzchen. Eine Holzeisenbahn. Zwei Stofftiere, ein Lamm und einen Dinosaurier." Er lächelte stolz. "Einen Dinosaurier", wiederholte Lara schwach. "Den roten. Helga hat gesagt, Kinder würden Dinosaurier lieben." "Helga", flüsterte Lara. "Ja. Und was du gestern erwähnt hast. Kinderbett, Laufstall, Hochstuhl... Oh, und einen Sportwagen." Slade stand auf, lehnte sich an die Frühstückstheke und verschränkte die Arme. Lara dachte daran, dass sie all diese Dinge in Baltimore hatte zurücklassen müssen. Daran, wie viel Freude es ihr bereitet hatte, sie auszusuchen, und wie lässig Slade sie jetzt ersetzte. "Du hast Michael all das gekauft, ohne dich mit mir zu beraten?" "Du hast geschlafen, deshalb ..." "Schlafen ist offensichtlich ein Fehler", sagte Lara angespannt. "Ich habe Ted angerufen und ..." "Ist das die Kurzform von Theodora?" "Ted Levine, mein Teilhaber. Er hat zwei Kinder. Ich habe ihn um den Namen des besten Geschäfts für Babysachen in Boston gebeten." Er hatte zu Ted gesagt, die Information sei für einen neuen Nachbarn. Wie konnte man am Telefon erklären, dass man plötzlich eine Ehefrau und einen Sohn hatte? "Du hast die Sachen ungesehen telefonisch bestellt?" Slades Lächeln verschwand. "Wenn sie dir nicht gefallen, kannst du sie zurückgeben, okay? Ich dachte nur ..."
"Du dachtest, du könntest mit Michael spielen, ihm Geschenke kaufen, mich in den Hintergrund schieben und aus dem Leben meines Sohnes ausschließen!" "Bist du verrückt?" "Hast du etwa geglaubt, ich würde es nicht durchschauen? Hast du nicht ..." Lara verstummte. Slade hatte Recht. Was sie ihm vorwarf > war unsinnig. Michael liebte sie und nicht Gegenstände, die sie ihm kaufte. Warum stritt sie sich überhaupt mit einem Mann, der wie ein Penner aussah? Das feuchte Haar. Die nackten Füße. Das enge T-Shirt und die engen verwaschenen Jeans. Besaß er nichts, was ihm nicht wie eine zweite Haut am Körper klebte? Und warum hatte er sich nicht rasiert? Jawohl, er sah wie ein Penner aus. Wem wollte sie etwas vormachen? Er sah sexy aus. Sündhaft sexy, wie der schlimme Junge ihrer Mädchenträume. Dies war ihr Ehemann, sie hasste ihn, und er ließ ihren Puls rasen. "Habe ich was nicht?" fragte Slade. "Nichts! Vergiss, dass ich überhaupt..." Lara zählte bis zehn und begann von vorn. "Wir werden einige Grundregeln ausarbeiten müssen." "Für was?" "Für ... alles. Sieh dir nur an, was heute Morgen passiert ist. Du hast Michael gefüttert und mit ihm gespielt." Slade streckte die Arme aus. "Verhaften Sie mich, Officer. Ich bin schuldig." "Du hast Michael Sachen gekauft..." "Und ich habe den Geschäftsführer überredet, sie ..." Slade blickte selbstgefällig auf seine Armbanduhr. "... in einer Stunde zu liefern." "Du hättest dich mit mir beraten sollen." Er zuckte die Schultern. "Okay, das sehe ich ein." "Und du bist in mein Zimmer gekommen, ohne anzuklopfen." "Michael hat geschrien."
"Das hast du behauptet. In Zukunft..." "In Zukunft brauche ich vielleicht nicht mehr in dein Zimmer zu gehen", sagte Slade sanft. Was er meinte, war klar. Lara wollte etwas erwidern, überlegte es sich anders und räusperte sich. "Dann ist da noch diese Helga. Wenn ich daran denke, dass du auf den Rat eines Flittchens hörst..." "Helga? Ein Flittchen?" Lara wurde rot. "Mir ist gleichgültig, was du mit wem tust, aber dir wegen Michael Rat bei einer ... einer skandinavischen Blondine zu holen ..." "Halt, Süße." Slade hob die Hände. "Helga ist kein Flittchen. Sie ist nicht einmal blond. Sie ist..." "Das interessiert mich nicht. Ich weiß, was mein Sohn braucht und was nicht. Hol dir nie wieder seinetwegen Rat bei deinen Freundinnen, verstanden?" "Erstaunlich, wie du so viele voreilige Schlüsse gezogen hast." "Du bist leicht zu durchschauen, Slade. Du meinst, wenn du mir die Namen deines Harems unter die Nase reibst, werde ich..." "Du bist eifersüchtig." Lara lachte. "Ich, eifersüchtig auf deine Freundinnen? Sei nicht albern." "Ich habe keine ,Freundinnen'. Keinen Harem." Slade lächelte sexy. "Ich konzentriere mich immer nur auf eine Frau, Liebling." "Es interessiert mich nicht. Was mich anbelangt..." "Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Wir beide sind verheiratet und werden unserem Sohn gute Eltern sein. Du bist meine Frau." "Nicht freiwillig."
"Meine Frau." Slade stieß sich von der Frühstückstheke ab und umfasste Laras Schultern. "Warum sollte ich eine andere brauchen, wenn ich doch dich habe?" Laras Herz setzte einen Schlag aus. "Lass mich los." "Warum?" Slade blickte auf ihren Mund. "Ein Mann hat das Recht, seine Ehefrau zu berühren." "Ein Stück Papier, auf dem steht, dass wir verheiratet sind, bedeutet nicht..." "Weib, du redest zu viel", sagte Slade leise und küsste sie, bis sie zu beben begann. "Du willst Regeln? Hier sind sie, Süße. Ich "bin dir treu. Du bist mir treu. Keine andere Frau. Kein anderer Mann. Kapiert?" "Ich kann mir nicht vorstellen, dass du ein Leben ohne Sex führen wirst." Slade lächelte. "Du bist ein kluges Mädchen. Zweifellos kennst du den Unterschied zwischen ehelicher Treue und sexueller Enthaltsamkeit." "Lass mich los." Er küsste sie sanft, bis sie aufstöhnte. "Wir müssen viele Probleme zwischen uns lösen, aber im Bett werden wir bestimmt keine haben." "Ich denke nicht daran, mit dir ..." "Lüg mich nicht an. Belüg dich nicht selbst." Slade lehnte sich wieder zurück an die Frühstückstheke und zog Lara fest an sich. "Unsere gemeinsame Nacht war etwas ganz Besonderes." Lara schloss einen Moment lang die Augen. "Ich will nicht über die Nacht sprechen." Er lachte leise. "Wir brauchen nicht darüber zu reden. Ich möchte sie nur noch einmal erleben." "Hast du deshalb auf dieser Heirat bestanden? Dann hast du einen Fehler gemacht. Ich schlafe nicht mit dir." "Wir werden eine richtige Ehe führen. Unser Sohn wird ein richtiges Zuhause haben. Mit Eltern, die ihn lieben."
"Ich liebe Michael, aber ich bin nicht bereit, so zu tun, als würde ich etwas für dich empfinden." "Liebe, meinst du? Irgendwann erzähle ich dir alles über Liebe. Darüber, wie viele Frauen meinem Alten die Lüge schon ins Ohr geflüstert haben." Slade verstärkte den Druck seiner Arme um Lara. "Hör auf, mich zu hassen, und denk nach. Wir haben ein Kind, das wir lieben. Die meisten Menschen träumen nicht einmal von so gutem Sex, wie wir ihn haben. Sei ehrlich, gib es zu, und diese Ehe geht gut." "Die Worte hättest du dir sparen können. Ich werde nicht..." Lara schrie auf, als Slade sie herumdrehte und gegen die Frühstückstheke drückte. "Du bist eine Frau, die die Aufmerksamkeit eines Mannes braucht. Das ist in Ordnung, weil ich ein Mann bin, der nicht ohne eine Frau auskommen kann. Und da es kein Herumspielen außerhalb unserer Ehe geben wird, bleibt uns beiden ja nur eine einzige Möglichkeit." "Wie romantisch!" Tränen traten Lara in die Augen. Sie blinzelte sie weg. Was er sagte, tat ihr nicht weh. Warum sollte es? Sie erwartete nicht, dass er irgendetwas Besonderes für sie empfand. Zwischen ihnen war niemals mehr als Sex gewesen. "Weißt du was, Slade Baron? Du bist widerlich." "Ich bin ehrlich." "Ehrlich!" Sie lachte. "Du hast schon am ersten Tag unserer Ehe mit deiner innig geliebten Helga telefoniert, und ich soll glauben, dass du mir treu sein wirst?" "Helga?" Slade wollte die Sache erklären, dann überlegte er es sich anders. Er hatte das Gefühl, Lara in diesem Spiel voraus zu sein. Es war nicht der passende Moment für eine Richtigstellung. "Okay, du hast Recht. Ich werde mir nicht mehr bei Helga Rat holen." "Das ändert nichts." "Sie bedeutet mir nichts."
"Lüg nicht. Du konntest es nicht erwarten, sie anzurufen und mir ihren Namen unter die Nase zu reiben!" "Du meine Güte." Slade atmete tief ein und aus. "Pass auf, lass uns noch einmal von vorn anfangen. Du kommst in die Küche, ich sage Guten Morgen ..." "Du hast schon mit Helga geprahlt, während du noch halb nackt in deinem Zimmer vor mir herumgelaufen bist. Als könnte es mich interessieren, wie du aussiehst!" "Würdest du bitte mal einen Moment lang den Mund halten und mir zuhören?" "Nein! Du glaubst, alles müsse nach dir gehen. Du hast mich in diese Ehe gedrängt, und jetzt soll ich dich im Bett amüsieren und deine Geliebten tolerieren ..." Verdammt, dachte Slade. Man konnte nicht mit einer Frau streiten, die sich an einer Meinung festgebissen hatte. "Das reicht", sagte er und küsste Lara. Sie blieb starr in seinen Armen, doch er schien es nicht zu bemerken. Sein Kuss wurde leidenschaftlicher, und schließlich erwiderte sie ihn aufstöhnend. Slade schob ihr T-Shirt hoch und umfasste ihre Brüste.- "Du gehörst jetzt mir, Lara. Noch einmal wirst du dich nicht davonschleichen und mich mit nichts außer Erinnerungen zurücklassen." Er liebkoste mit der Zunge ihren Hals und atmete ihren Duft ein. Sie war so weich und nachgiebig, und er konnte nicht warten, konnte das Tempo nicht verlangsamen. Er musste sie sofort haben. Ihm zitterten ein bisschen die Hände, als er nach dem Verschluss ihres BHs tastete. Sobald er ihn geöffnet hatte, neigte sich Slade hinunter und nahm eine Brustspitze in den Mund. "O Slade", flüsterte sie und legte ihm die Arme um den Nacken. "Sag mir, dass du mich begehrst", verlangte Slade rau. Lara hütete sich davor, das zu sagen. Er stellte ihr Leben auf den Kopf und verpasste ihr ein Image, das nichts mit ihr zu tun
hatte. Sie kannte den Mann nicht, traute ihm nicht und liebte ihn ganz sicher nicht... Aber er hatte Recht. Etwas Unglaubliches passierte, wenn sie sich umarmten. Das war nicht zu leugnen. Zum ersten Mal sah Lara einen Hoffnungsschimmer. Es konnte gut gehen. Wie eine normale Ehe hatte diese nicht angefangen, doch was war überhaupt eine "normale Ehe"? Sie hatte erlebt, was daraus wurde, wenn sich zwei Menschen ewige Liebe schworen. Slade wollte sie als seine Ehefrau. Er wollte Michael. Er hatte ihr versprochen, treu zu sein. Und ja, sie begehrte ihn. "Sag es, Süße. Sag mir, was du willst." Er küsste sie, bis sie schwach war vor Verlangen, seinen Namen schluchzte und den Kampf aufgab. "Ich will dich, Slade. Ich habe niemals aufgehört, dich zu wollen, und millionenmal an jene Nacht gedacht." Er zog den Reißverschluss hinunter und ließ die Finger in ihre Jeans gleiten. Als er sie fand, schrie Lara auf und rieb sich an seiner Hand. "Berühr mich", flüsterte Slade. Und Lara tat, wonach sie sich seit so langer Zeit gesehnt hatte. Sie umfasste ihn durch den Stoff seiner Jeans, spürte seine Erregung und seufzte seinen Namen. "Ich kann nicht warten. Jetzt, Lara. Ich brauche dich." Slade fegte mit dem Arm die Tassen und Untertassen zu Boden und setzte Lara auf die Frühstückstheke, dann zog er sich das T-Shirt aus. Lara streichelte seine muskulösen Schultern. "Nicht." Slade erschauerte. "Wenn du mich weiter berührst, komme ich, bevor wir ..." Er schob ihr T-Shirt hoch und barg das Gesicht zwischen ihren Brüsten. Lara stöhnte auf. "Mr. Baron? Wo sind Sie, Sir?" Lara erstarrte. "Slade!"
"Mmm. Köstlich." Er liebkoste mit dem Mund ihre Brustspitzen. "Slade!" Er umfasste ihre Taille und zog Lara zum Rand der Frühstückstheke. "Rück einfach vor, Schatz. So ist es recht. Einfach ein Stück..." "Mr. Baron? Sind Sie ...? Oh!" Die Frau mittleren Alters blieb in der Türöffnung stehen und sah Lara mit großen Augen an. Lara erwiderte starr den Blick über Slades Schulter. Und Michael, auf dem Arm der Frau, jauchzte vor Freude. Slade hielt Lara fest, als sie von der Frühstückstheke springen wollte. Er sah sich gelassen um, als wäre es nicht der Rede wert, von seiner Haushälterin und seinem kleinen Sohn überrascht zu werden, wenn man kurz davor war ... Heiliger Strohsack. Slade atmete tief ein, zog Lara das T-Shirt herunter, blickte schnell an sich hinunter und wandte sich zu Helga um, ohne Lara loszulassen. "Das ist aber schön", sagte er fröhlich. "Ich habe schon auf eine Gelegenheit gehofft, euch miteinander bekannt zu machen. Helga, das ist Lara, meine Frau. Und wie ich sehe, haben Sie mit meinem Sohn Michael bereits Freundschaft geschlossen." Falls sich Helga über ihn gewundert hatte, als er sie vor zwei Stunden angerufen und gefragt hatte, was ein Baby zum Frühstück essen würde, musste sie ihn jetzt für völlig übergeschnappt halten. Slade fand es bemerkenswert, dass sie keine Miene verzog. "Guten Tag, Mrs. Baron", sagte sie höflich. Er meinte, erleichtert aufatmen zu können. Zweifellos erkannte Lara, dass das Schlimmste vorbei war. Er lächelte sie charmant an. "Lara, ich möchte dir Helga vorstellen, meine Haus..."
"Du nichtsnutziger Mistkerl." Lara holte zu einer harten Rechten aus.
10. KAPITEL Slade stand in seinem Büro am Fenster und blickte hinaus auf den Charles River. Auch nach vier Tagen sah die Prellung unter seinem Auge noch immer aus wie ein Beispiel schlechter moderner Kunst. O ja, er hatte zweifellos den richtigen Weg gefunden, die Ehe zu beginnen. Was konnte romantischer sein, als seine neue Ehefrau auf der Frühstückstheke zu begrapschen, dabei von der Haushälterin erwischt zu werden und zu guter Letzt ein "Veilchen" verpasst zu bekommen? "Eine Woche eisiges Schweigen", beantwortete Slade seine eigene Frage. Es war wirklich eine Freude, verheiratet zu sein. Vorsichtig tastete er den Bereich um das Auge ab. Es tat noch immer weh. Slade lächelte widerwillig. Seine Frau hatte einen harten Schlag, das musste er zugeben. O Mann, das Chaos danach. Helgas heftige Proteste auf Finnisch. Michael, der gelacht hatte, als wäre die Szene nur zum Spaß inszeniert worden. Er hatte die Hand auf sein Auge gelegt und ungläubig gefragt: "Warum hast du das getan?" Und Lara hatte erwidert: "Slade Baron, wenn du noch einmal in meine Nähe kommst, bringe ich dich um!" Dann hatte sie Helga das Baby abgenommen und war aus der Küche stolziert. Helga war ihr gefolgt. Und er, der Schurke in dem Stück, hatte sich die Treppe hinauf geschlichen,
um zu duschen, sich anzuziehen und heil aus dem Haus zu gelangen, solange er es noch konnte. Slade drückte die Stirn an die kühle Fensterscheibe. Was war nur aus seinem friedlichen Junggesellendasein geworden? Er hatte das Gefühl, in einer Irrenanstalt zu leben. Seine Haushälterin gab ihm nur einsilbige Antworten, seine Frau wollte die Kreditkarten nicht anrühren, die er ihr hinlegte, und hatte die ganze Woche kein Wort mit ihm gesprochen. Wenn er abends nach Hause kam, freute sich nur sein Sohn. Mein Sohn, dachte Slade und lächelte. Erstaunlich, wie schnell er sich bis über beide Ohren in dieses Energiebündel verliebt hatte. Mike war ein wundervolles Kind. Intelligent. Niedlich. Gutmütig. Er wäre gern so ein Vater, der bei jeder Gelegenheit Babyfotos aus der Brieftasche zog. Zuerst musste er den Leuten mal erzählen, dass er verheiratet war und einen Sohn hatte. Der Dienstagmorgen war kein günstiger Zeitpunkt gewesen. Jack, Ted und alle technischen Zeichner hatten ein außergewöhnliches Interesse an seinem verfärbten Auge gezeigt. "Ich bin gegen eine Tür gelaufen", hatte Slade behauptet. Jack hatte spöttisch gelächelt. "Was immer du sagst, Kumpel." Nein, es war nicht der richtige Moment gewesen. Trotzdem, alle im Büro spürten, dass etwas los war. Slade wusste, dass er miese Laune hatte und aufbrausend war, aber erst vor einer Stunde hatte er begriffen, wie schlimm die Sache war. Er hatte Betsy angeboten, als seine ständige Sekretärin zu bleiben, und sie hatte das Gesicht verzogen und erwidert, sie müsse einige Tage darüber nachdenken. An der Heimatfront schnitt er nicht viel besser ab. Slade sank fluchend in den Schreibtischsessel. Er war ein Paria in seinem eigenen Haus. Und wessen Schuld war das? "Laras", sagte Slade laut.
Natürlich war er schuldlos. Er hatte herausgefunden, dass er einen Sohn hatte. War es etwa eine Sünde, Anspruch auf ihn zu erheben? Er hatte mustergültig gehandelt. Okay, vielleicht war er ein bisschen... kurz angebunden gewesen. Hart, wenn man es überspitzt ausdrücken wollte. Aber welche Alternative hatte er gehabt? "Keine", sagte er. Nicht eine einzige. Er hatte Lara buchstäblich über Nacht zur Heirat zwingen und sie aus ihrem gewohnten Leben herausreißen müssen, weil Michael eine Familie und ein glückliches Zuhause haben sollte ... O verdammt. Slade nahm sein Jackett von der Sessellehne und haute auf die Gegensprechanlage. "Sagen Sie meine Nachmittagstermine ab, Betsy. Ich fahre nach Hause." Helga stand an der Arbeitsfläche und schnitt Karotten in Würfel. Michael saß in seinem Hochstuhl, schwenkte einen Keks und sah der Haushälterin interessiert zu. Er strahlte vor Glück, als Slade durch die Hintertür hereinkam. "Hallo, Champion." Slade hob seinen Sohn hoch in die Luft, küsste ihn und setzte ihn zurück in den Hochstuhl. "Hallo, Helga. Wo ist meine Frau?" Helga drehte sich nicht um und ließ sich mit der Antwort Zeit. "Oben." Ihr Messer klapperte rhythmisch auf dem Brett. "Ich glaube nicht, dass Mrs. Baron Sie sehen möchte." Sein Leben war nicht nur ein Schlamassel, es wurde auch noch Allgemeingut. "Danke für die Information", sagte Slade höflich. "Ich weiß die auf den neuesten Stand gebrachte Version zu schätzen." Helga schnaufte verächtlich. Slade räusperte sich. "Und? Wie kommen Sie mit meinem Kind zurecht?"
Die Haushälterin warf ihm über die Schulter einen vernichtenden Blick zu. "Ihr Sohn ist wundervoll. Er schlägt seiner Mutter nach." Slade nickte, als hätte er das immer schon gewusst. "Könnten Sie das Wochenende über bleiben? Sagen wir, das verlängerte Wochenende, von heute Nachmittag bis Montagabend?" "Wenn Mrs. Baron mich braucht, bleibe ich." "Ich brauche Sie. Ich möchte mit meiner Frau wegfahren." Slade räusperte sich wieder. "Wir haben einige Probleme zu lösen." "In der Tat." "Also? Was meinen Sie?" Helga legte das Messer hin und drehte sich um. "Ich halte das für einen ausgezeichneten Einfall, Mr. Baron." Lara zu überzeugen war nicht ganz so einfach. "Ich lasse meinen Sohn nicht allein", sagte sie eisig. "Helga wird gut auf ihn aufpassen." "Das würde sie sicher tun, wenn ich so dumm wäre, das Wochenende mit dir in einem Hotel zu verbringen." Slade umfasste ihre Schultern und drehte Lara herum. Sie blickte ihn kühl und wachsam an. Er dachte daran, wie anders sie ihn angesehen hatte, als sie vor all den Monaten in seinen Armen aufgewacht war. Und plötzlich fragte er sich, was wohl geschehen wäre, wenn er ihr damals nicht eine Abfuhr erteilt hätte. Wenn er stattdessen gesagt hätte: Lara, ich möchte dich wieder sehen. Dich zu finden und mit dir zu schlafen war ... Er runzelte die Stirn. "Du hast mich falsch verstanden. Ich bitte dich nicht um ein Wochenende im Bett." Lara wurde rot. "Nein?" "Nein." Er ließ sie los und schob die Hände in die Hosentaschen. "Ich glaube, ich bin mit allem falsch umgegangen. Vielleicht hätte ich es anders anfangen sollen." Zum ersten Mal seit Tagen lächelte Lara. Und Slades Stimmung hob sich. Bis zu diesem Moment war er sich nicht
bewusst gewesen, wie unglücklich ihn der hasserfüllte Blick seiner Frau gemacht hatte. "Ist das dein Ernst?" "Ja." "O Slade, danke! Ich bin gleich fertig. Viel habe ich ja nicht zu packen." "Ich weiß. Ich habe dir nicht einmal Gelegenheit gegeben, deine Sachen zusammenzusuchen. Deshalb habe ich dir die Kreditkarten dagelassen. Du hättest dir ..." "Nein. Ich wollte nichts von dir annehmen." Lara sah ihn wieder an. "Du wirst diese Entscheidung nicht bereuen, ich verspreche es", sagte sie freundlich. Slade nickte. Er traute sich nicht, zu sprechen. Sie warf einen Arm voll Sachen aufs Bett. "Beaufort nimmt mich sicher zurück. Vielleicht kann ich sogar noch mein Haus wiederbekommen. Wenn nicht, teile ich dir unsere neue Adresse und Telefonnummer mit." "Wie bitte?" Slade packte Lara an den Schultern. "Unsere Adresse. Michaels und meine." Sie lächelte strahlend. "Ich hatte auch Unrecht. Michael braucht dich. Ich kann erkennen, wie viel es ihm bedeutet, mit dir zusammen zu sein. Du kannst ihn jedes Wochenende besuchen. Du rufst einfach an und sagst mir ..." Lara rang nach Atem, als Slade fester Zugriff. "Was ist? Warum siehst du mich so an?" "Erstaunlich, dass ich so schnell vergessen konnte, wie gefühllos und berechnend du sein kannst." Laras Lächeln verschwand. "Ich verstehe nicht." Er ließ sie los, weil er sich ganz plötzlich nicht mehr zutraute, sie zu berühren. Noch nie in seinem Leben war er so wütend gewesen. Glaubte sie wirklich, er würde Michael loslassen? Glaubt sie wirklich, du würdest sie loslassen? flüsterte eine innere Stimme, und das machte ihn nur noch wütender. "Ich beende nicht unsere Ehe." "Aber du hast doch gesagt..."
"Ich habe gemeint, dass ich zu schnell vorgegangen bin. Vielleicht hätte ich dir einige Tage Zeit geben sollen, dich an den Gedanken zu gewöhnen, meine Frau zu werden." "Nein. Nein, Slade." "Ich sehe ein, dass mein Timing schlecht war. Michael soll nicht in einem Militärlager aufwachsen. Und das ist dieses Haus, seit ich dich hierher gebracht habe." "Dein Timing war schlecht. Und das Problem willst du lösen, indem du mit mir übers Wochenende ins Hotel ziehst." Lara lachte. "Du musst mich wirklich für blöd halten!" "Wir werden uns an diesem Wochenende besser kennen lernen und unsere Differenzen beilegen, damit wir unserem Sohn anständige Eltern sein können." "Oh, sicher. Ein bisschen Musik, Kerzenschein ..." "Ich enttäusche dich nur ungern, Süße, aber Verführung gehört nicht zu meinem Plan." "Das ist genau der Punkt. Dein Plan." Laras Stimme wurde lauter, als Slade zur Tür ging. "Dein Plan. Dein Sohn. Dein Leben. Du glaubst, die Welt zu besitzen." Slade drehte sich um. "Ich besitze dich. Vergiss das ja nicht." "Niemals", sagte Lara hasserfüllt. Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, schlug sie die Hände vors Gesicht. "Niemals", flüsterte sie verzweifelt. Warum machte sie ihn so wütend? Slade biss die Zähne zusammen. Jedes Mal, wenn er versuchte, vernünftig mit Lara zu reden, drehte sie ihm die Worte im Mund um, und schließlich sagte er etwas, was er nicht meinte. Er besaß sie nicht. Sie war zu unabhängig, als dass irgendein Mann sie "besitzen" konnte. Slade gab Gas, obwohl er schon zu schnell fuhr. Wenn er halbwegs intelligent wäre, hätte er ihr beim Packen geholfen. Er hätte zu ihr sagen sollen: Leb wohl, Lara. Ich bin froh, dich wieder los zu sein. Lass einfach meinen Sohn hier, und verschwinde aus meinem Leben. Er hatte es nur deshalb nicht
getan, weil Mike eine Mutter und einen Vater verdiente. Nur deshalb ertrug er das Benehmen seiner Frau. Slade blickte zur Seite. Lara saß so weit von ihm entfernt, wie sie konnte. Na schön! Dass sie geglaubt hatte, er nehme sie mit, um sie zu verführen ... Das war zum Lachen. Sie war die Mutter seines Kindes. Punkt. Ende der Geschichte. Er verspürte wirklich nicht den Wunsch, mit ihr ins Bett zu gehen. Welcher Mann wollte schon mit einer Furie schlafen? Sie überall streicheln und küssen, ihre Augen dunkler werden sehen vor Lust, wenn er tief in sie eindrang ... Er unterdrückte ein Stöhnen und konzentrierte sich auf die Straße. Wenn Lara doch nur irgendetwas sagen, ihn zumindest fragen würde, wohin sie fuhren ... Aber sie schwieg, seit sie die Treppe hinuntergekommen und nach draußen zum Auto stolziert war. Slade seufzte. Das Wochenende fängt nicht gut an, dachte er unglücklich. Verdammt, was ging in ihr vor? Verdammt, was geht in Slade vor? dachte Lara. Wahrscheinlich wartete er darauf, dass sie ihn fragte, wohin sie fuhren. Sollte er warten. Aber sie überlegte, wohin sie unterwegs sein könnten. Die Abzweigung nach Cape Cod lag lange hinter ihnen. Sogar die eleganten Landhotels und hübschen Pensionen an der Küste von Massachusetts waren inzwischen nur noch Erinnerungen. Und Slade sagte noch immer nichts. Lara warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Durch die zusammengepressten Lippen und das trotzig erhobene Kinn wirkten seine markanten Gesichtszüge noch härter. Es machte ihr nichts aus, wie wütend er war. Unmöglich, so ihre Hoffnungen zu beflügeln. Sie glauben zu lassen, er würde sie von dieser lächerlichen Ehe befreien. Lara verschränkte stirnrunzelnd die Arme. Warum war Slade so halsstarrig? Sah er denn nicht, dass ihre Ehe nicht funktionieren konnte? Michael
würde kein glückliches Zuhause haben, wenn sich seine Mutter und sein Vater verabscheuten. Es war jedoch sinnlos, Slade darauf hinzuweisen. Slade Baron war nicht nur arrogant und egozentrisch, sondern auch störrisch wie ein Maulesel. Außerdem war er der wundervollste Mann der Welt. Und er küsste fantastisch. Lara blinzelte. Woher war jetzt der dumme Gedanke aufgetaucht? Also küsste er gut. Na und? Er wusste, wie er sie berühren musste, damit sie bebte vor Lust. Wen interessierten diese Dinge schon? Er war neulich Morgen nur so weit gekommen, weil... Weil sie es gewollt hatte. Sie hatte gewollt, dass er sie küsste und berührte und gleich dort auf der Frühstückstheke nahm. Es war verrückt. Sie hatte niemals auch nur daran gedacht, so etwas zu tun. Gut, dass Helga hereingeplatzt war. Wenn sie nicht... Hitze durchflutete Lara. Sie wandte das Gesicht zum Fenster, gerade als Slade vom Highway auf eine Landstraße abbog. Sie waren inzwischen in Maine. Lara hatte vor einer Weile das Schild gesehen. Die Straße wurde schmaler und begann anzusteigen. Bei Einbruch der Dunkelheit hielt Slade vor einem schiefen Holzhaus. Er stellte den Motor abstieg aus, kam ums Auto und öffnete die Beifahrertür. "Willst du aussteigen oder nicht?" fragte er kurz angebunden. Lara blickte an ihm vorbei auf das Haus, dann wieder starr nach vorn auf die Straße. "Ich schlafe lieber im Auto." "Das ist eine Gemischtwarenhandlung", sagte Slade trocken. "Möchtest du etwas essen oder hier sitzen und schmollen, während ich Vorräte kaufe?" Lara sah ihn wütend an. "Mach doch, was du willst." Slade schlug die Beifahrertür zu. Er blieb lange weg. Lara horchte auf ihren knurrenden Magen und gab den Gedanken an ein Hotel endgültig auf. Schließlich kam Slade mit einem großen Pappkarton zurück, den er auf den Rücksitz stellte. Dann stieg er ein und warf ihr
ein kleines Paket auf den Schoß. Lara betrachtete es, als könnte es lebendig sein. "Was ist das?" fragte sie geringschätzig. "Ein Roastbeefbrötchen." Slade fuhr zurück auf die Straße. "Mein Einfall war es nicht. Ernie - ihm gehört der Laden - hat dich wie eine Märtyrerin im Auto sitzen sehen ..." "Ich bin keine Märtyrerin. Ich will nur nichts von dir." "Ja, schon gut. Es ist nicht von mir, aber wenn du das Brötchen nicht willst, dann gib es her. Seit ich hier heraufkomme, habe ich mir Ernies Roastbeef noch nie entgehen lassen." Lara wickelte das knusprige Brötchen aus und biss hinein. "Gut?" fragte Slade, nachdem sie es aufgegessen hatte. Sie leckte sich die Finger ab und zuckte die Schultern. Warum sollte sie es nicht zugeben? Er hatte ihr das Brötchen nicht gemacht und es ihr nicht einmal gekauft. "Sehr gut." Er versuchte, sich auf die immer schmaler werdende Straße zu konzentrieren. Wie sie sich einen Finger nach dem anderen in den Mund gesteckt und sauber gelutscht hatte. Wie sich seine Frau die Finger sauber gelutscht hatte ... Slade erschauerte heftig und gab Gas. Die Bäume wurden höher, der Wald wurde dichter. Lara hatte jede Hoffnung aufgegeben, herauszubekommen, wohin sie fuhren. Sie wusste nur, dass in so einer Gegend bestimmt kein gutes Hotel zu finden war. Es war jetzt völlig dunkel, Sterne funkelten wie Juwelen am Himmel, und sie fuhren immer noch weiter. Schließlich bog Slade auf einen Feldweg ab, der auf eine Lichtung führte. Im Strahl der Schweinwerfer war eine Hütte zu erkennen. Er schaltete die Scheinwerfer und dann den Motor aus. "Das ist es." Und was ist "es"? dachte Lara. Hier waren nur die Hütte, der Wald und Dunkelheit. Und der Mann, der neben ihr saß. Der Fremde, mit dem sie verheiratet war. "Wo sind wir?"
"Lake Arrowpoint. Ich habe das Haus vor zwei Jahren gebaut." Slade stieg aus, ging ums Auto, öffnete die Beifahrertür und hielt Lara die Hand hin. Lara ignorierte sie, glitt aus dem Wagen und schob sich lässig an Slade vorbei. Es ärgerte ihn, er versuchte jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen. "Der Boden ist uneben, und die unterste Stufe senkt sich. Ich wollte sie reparieren, aber ..." "Das interessiert mich wirklich nicht", unterbrach ihn Lara kurz angebunden. Slade ballte die Hände zu Fäusten, während sie die Treppe zur Veranda hochging. Plötzlich stellte er sich vor, wie es sein würde, drei Tage lang mit Lara allein in der abgeschiedenen Hütte zu verbringen, mit nichts als Abneigung gegen die Gesellschaft des anderen zwischen ihnen. Es war dumm von mir, Lara hierher zu bringen, dachte er, während er die Lebensmittel und Reisetaschen auslud. Sie hatten Probleme zu besprechen, doch das könnten sie woanders auch tun. Wie war es nur möglich, dass er so eine Fehlentscheidung getroffen hatte? Bisher hatte er sich davor gehütet, eine Frau hierher mitzunehmen. Wenn ein Mann mit einer Frau an so einen Ort kam, musste sie etwas Besonderes sein. Keine für eine Nacht. Eine, mit der er tagelang allein sein wollte. Wochenlang, vielleicht für den Rest seines Lebens ... "Schließt du endlich die Tür auf, oder soll ich die ganze Nacht hier draußen stehen?" Lara blickte Slade von der Veranda wütend an. Im Mondlicht war sein Gesicht gerade eben zu erkennen. Seine Miene verriet Zorn und Verachtung. Sie würde genauso reagieren, wenn sich jemand ihr gegenüber diesen unverschämten Ton erlauben würde. Es war nur, dass sie nichts dagegen tun konnte. Sie zu einer Hütte mitten in der Wildnis zu bringen! Hatte er hier überhaupt fließendes Wasser? Telefon? Strom? Was sollte
sie während der nächsten Tage anfangen, außer Slades unerwünschte Gesellschaft zu ertragen? Lara wandte ihm den Rücken zu und schob die Hände in die Hosentaschen. Er wollte reden? Na schön. In Boston, New York, irgendwo mitten auf der Straße, aber nicht hier. Nicht an diesem friedlichen, stillen Ort, wo sie nur Slade ansehen konnte und nichts anderes zu tun hatte, als sich zu fragen, wie es wohl wäre, wenn er sie lieben würde und mit ihr hierher gekommen wäre, um sie in den nächsten Tagen und Nächten in den Armen zu halten... Sie drehte sich wieder um. "Fahr mich zurück in die Stadt!" Slade kam die Stufen hoch. "Sei nicht albern." "An diesem verlassenen Ort will ich nicht bleiben." "Es ist spät, und wir sind beide müde und reizbar." Slade schloss die Tür auf. "Morgen früh wirst du alles anders sehen." "Nein. Ich will hier nicht bleiben! Ist das klar?" Er stellte die Reisetaschen und den Karton ab und schaltete das Licht an. Lara wusste, dass sie den Raum wohl bewundert hätte, wenn sie nicht so wütend gewesen wäre. Die Wände waren aus handgefertigten Holzblöcken. Der Boden hatte einen Bohlenbelag. Ein langes, niedriges Sofa stand vor einem großen Kamin aus Naturstein. Slade schob Lara weiter in den Raum hinein und stieß mit der Schulter die Tür zu. "Ja. Und es bricht mir wirklich das Herz, dass dir die Unterkunft nicht gefällt." "Hast du erwartet, ich würde nach einem Blick auf dein Waldversteck zu dem Schluss kommen, dass du doch kein so schlechter Kerl bist? Ich mag dich nicht, und du magst mich nicht. Alles Reden der Welt über Michael und unsere Differenzen wird daran nichts ändern." Lara ging zur Tür und streckte die Hand nach dem Griff aus. Slade spürte eine überwältigende Wut in sich aufsteigen, die nichts mit dem zu tun hatte, was Lara gesagt oder getan hatte. Diese Wut hatte mit dem zu tun, woran er schon seit Tagen
dachte, und es war an der Zeit, dass er sich damit befasste. "Du hast Recht. Über unseren Sohn zu reden wird nicht helfen." "Ehrlichkeit, endlich", erwiderte sie verächtlich. Und Slade verlor die Beherrschung. Er packte Lara, drehte sie herum und drängte sie an die Wand. "Wenn du Ehrlichkeit willst, bekommst du sie." Sein Zorn machte ihr Angst. "Lass mich los", sagte sie leise. "Hast du jemals darüber nachgedacht, dass ich über die Situation nicht glücklicher bin, als du es bist? Dass ich vielleicht auch Pläne für mein Leben hatte und auf keinen Fall eine Ehefrau wollte, die mir alles vermasselt?" "Ich bin nicht diejenige, die auf diesem Witz von einer Heirat bestanden hat!" "Das stimmt." Slade verzog den Mund. "Was dich anbelangt, braucht Michael keinen Vater." "Ich habe dir gesagt, ich habe meine Meinung geändert. Du kannst Michael besuchen, sooft du willst, wenn du mich nur aus der Ehe herauslässt." "Wenn ich dich nach Baltimore zurückgehen lasse." "Es ist mein Zuhause. Ich hatte dort ein Leben. Eine Karriere. Freunde." "Freunde", stieß Slade höhnisch hervor. "Was willst du damit sagen?" "Ich spreche von Liebhabern, Schatz. Eine Frau wie du hat keine anderen Freunde." "Du weißt nichts über eine Frau wie mich." "Ich weiß alles, was ich wissen muss. Oder erwartest du von mir, dass ich vergesse, wie wir uns kennen gelernt haben?" "Ich fasse es nicht!" Lara lachte ungläubig. "Du hast mich angesprochen, erinnerst du dich? Du hast mich gebeten, mit dir in das Hotel zu gehen. Du hast klargemacht, dass du nur an einer einzigen Nacht interessiert bist. Und jetzt tust du so, als wäre ich eine unmoralische Verführerin!"
"Du hast mich wie eine brünstige Stute aus der Herde ausgesucht, Süße." "Ein Fehler, für den ich offensichtlich mein ganzes Leben lang bezahlen muss." Slade umfasste Laras Kinn. "Wie oft hattest du dich schon an einen Mann herangemacht und ihn veranlasst zu glauben, du würdest ihm das Paradies bieten, obwohl du nur schwanger werden wolltest?" fragte er wütend. "Wie viele waren vor mir? Ein Dutzend? Einhundert?" Einen verrückten Moment lang fragte sich Lara, was passieren würde, wenn sie Slade sagte, dass seine Vorstellung von ihrer bewegten sexuellen Vergangenheit lächerlich weit an der Wahrheit vorbeiging. Dass sie eine Frau war, die einen Mann beim ersten Date nicht einmal küsste ... "Zu viele, um sie zu zählen?" fragte Slade. Verärgert und gekränkt, bestätigte Lara seine Anschuldigungen mit einer Lüge. "Richtig. Viel zu viele, um sie zu zählen." Slades Augen schienen dunkler zu werden. "Ich verstehe. Tja, zumindest machen wir Fortschritte." Er schob ihr die Hände ins Haar und zog grob den Klipp heraus, so dass es ihr offen über die Schultern fiel. "Die Dame hat sich entschlossen, ehrlich zu sein. Wie viele danach?" "Ich verstehe nicht..." Er rückte näher, bis sich ihre Körper berührten. "Los, Süße. Mit wie vielen Männern bist du nach mir zusammen gewesen?" Mit keinem. Aber sie wusste, dass Slade ihr nicht glauben würde. "Das geht dich nichts an." Er lachte leise. "Natürlich geht es mich etwas an. Schließlich bist du meine Frau." Lara versuchte, sich loszureißen. Es war zwecklos. Er lehnte jetzt fast an ihr. Hitze durchflutete sie, als sie seine Erregung spürte. "Tu das nicht", flüsterte sie.
"Was nicht? Soll ich dich nicht nach all den Männern fragen, mit denen du geschlafen hast?" Er neigte den Kopf und liebkoste mit dem Mund ihren Hals. "Okay. Du hast Recht. Sie sind Vergangenheit." Slades Stimme wurde rau. "Es sei denn, du hast in Baltimore einen zurückgelassen." "Slade, bitte..." Er packte sie an den Handgelenken, so dass sie hilflos war. Verwundbar und von Verlangen nach ihm durchflutet. Nur nach ihm. "Gab es einen Mann in deinem Leben, als ich dich aus Baltimore weggeholt habe?" Was war die richtige Antwort? Welche würde sie schützen? Nicht vor seiner Wut. Lara wusste, dass er ihr körperlich nicht wehtun würde. Sie benötigte vielmehr Schutz vor ihren eigenen Gefühlen... Bevor sie eine Antwort gefunden hatte, küsste er sie hart auf den Mund. Lara versuchte, den Kopf wegzudrehen. Slade ließ ihre Handgelenke los und umfasste ihr Gesicht. Sie wehrte sich, aber er war unbarmherzig und nahm sich, was er brauchte. Was sie brauchte. Sie wollte Slade. Sie liebte ihn. Es war zwecklos, sich noch länger zu belügen. Sie wusste jetzt, dass sie ihn von Anfang an geliebt hatte, doch das konnte sie ihm niemals sagen. Wenn sie es tun würde, hätte er völlige Macht über sie. Dann würde er sie wirklich besitzen. Ihren Körper und ihre Seele. Sie konnte sich ihm nur hingeben. Es war nicht genug, aber mehr war nicht möglich. Tränen traten ihr in die Augen. "Bitte schlaf mit mir, Slade", flüsterte sie und legte ihm die Arme um den Nacken. Slade zog sich zurück und sah Lara an. Sie weinte, und dennoch umspielte ein Lächeln ihre Lippen, das ihn glücklich machte. "Ja", sagte er nur, hob seine Frau hoch und trug sie zum Bett.
11. KAPITEL Slade hatte noch nie eine Frau in diese Hütte mitgenommen. Deshalb fand er es so richtig, hier zum ersten Mal seit ihrer Heirat mit Lara zu schlafen. Das Bett enthielt keine Erinnerungen. Es bedeutete die Zukunft und was Lara und er daraus machen würden. Er stellte sie neben dem Bett auf die Füße und begann, sie auszuziehen. Mondlicht schien durchs Fenster und verlieh ihrer Haut eine elfenbeinfarbene Tönung. "Du bist so schön", sagte er leise, küsste sie auf den Mund und berührte mit der Zungenspitze ihre. Er war angespannt vor Verlangen, aber zwischen ihnen war von dem Tag an, als sie sich begegnet waren, alles zu schnell gegangen. Diesmal würde er jeden Moment auskosten. Slade küsste Lara auf den Hals und spürte ihren rasenden Puls an seinen Lippen. Langsam, befahl er sich. Sie gehörte ihm, und die Nacht hatte gerade erst begonnen. Doch seine Erregung nahm zu. Seine Ehefrau war so wunderschön, als sie schließlich nackt vor ihm stand. Er umfasste ihre Brüste und beobachtete Laras Gesicht, während er mit den Daumen die Brustspitzen streichelte. "O Slade ..." flüsterte sie. Er neigte den Kopf, küsste die Spitzen und reizte sie mit der Zunge. Laras Knie gaben nach, und Slade hob seine Frau aufs Bett und legte sich neben sie. Er ließ die Hand über ihren Körper
gleiten, immer tiefer, bis er ihren Mittelpunkt berührte. Lara stöhnte auf, und das war fast sein Verderben. Meine Frau, dachte er. Sie war seine Frau und alles, wovon ein Mann träumen konnte. Und sie küsste ihn, berührte ihn, als wäre er die Erfüllung ihrer Träume. Als wäre er der einzige Mann, der ihr jemals etwas bedeutet hatte. Wenn es doch nur stimmen würde. Hör auf, nachzudenken! befahl sich Slade wütend. Nach dieser Nacht würde es keine Rolle mehr spielen, wie viele Männer es in Laras Leben schon gegeben hatte. Von jetzt an würde sie nur ihm gehören und von ihm träumen, wie er in den vergangenen achtzehn Monaten von ihr geträumt hatte. Sie würde in der Dunkelheit seinen Namen flüstern ... Slade stand auf und zog seine Sachen aus. Lara streckte ihm die Arme entgegen, und er legte sich wieder neben sie und küsste sie immer leidenschaftlicher. "Jetzt", bat sie zittrig, "bitte jetzt, Slade." Er schob sich auf sie, und sie bog sich ihm entgegen, sobald sie ihn spürte, doch er hielt sein Verlangen weiter zurück. "Sieh mich an", forderte er sie rau auf. Sie öffnete die Augen. "Jetzt sag meinen Namen. Sag ihn, während ich in dich eindringe." "Slade", flüsterte sie. "Slade ..." Er stöhnte auf und verlor sich in ihr. Es war spät, irgendwann in den dunkelsten Stunden der Nacht. Der Mond war untergegangen, aber die Morgendämmerung musste erst noch anbrechen. Lara lag an Slade geschmiegt da und dachte daran, wie viel Glück sie hatte, diesen Mann gefunden zu haben, der jetzt ihr Ehemann war. Er hatte wild und leidenschaftlich mit ihr geschlafen und dann so zärtlich, dass sie geweint hatte. Hinterher hatte er sie fest an sich gezogen, und sie war eingeschlafen. Es war so dumm gewesen, gegen die Ehe mit ihm zu kämpfen und zu glauben, sie brauche nur Michael. Ihr Kind war
die Freude ihres Lebens und würde es immer sein, aber Slade war die Wärme ihrer Seele, der Schlag ihres Herzens ... Oh, wie sie ihn liebte. Und jetzt hoffte sie sogar, es ihm eines Tages sagen zu können. Es musste der geeignete Moment sein. "Ich liebe dich" zu einem Mann zu sagen, der einen nicht liebte, wäre möglicherweise eher eine Bürde als ein Segen, auch wenn sie mit ihm verheiratet war. Slade hatte sie wegen Michael geheiratet und hierher gebracht, um sie davon zu überzeugen, dass sie sich ein gutes Leben zusammen aufbauen, höflich zueinander sein und Spaß im Bett haben konnten. Das bedeutete nicht, dass er von ihr "Ich liebe dich" hören wollte. Es wäre nur so schön. Sich über ihn zu beugen, ihn mit einem sanften Kuss zu wecken und zu sagen ... "Süße?" "Hallo", sagte sie. "Tut mir Leid, wenn ich dich geweckt habe." "Entschuldige dich nicht." Slade drehte sich auf die Seite und küsste Lara auf den Mund. "Ich habe von dir geträumt." "War es ein schöner Traum?" "Wundervoll, Liebling. Allerdings nichts im Vergleich dazu, aufzuwachen und festzustellen, dass du direkt neben mir liegst." Er küsste sie wieder, drehte sie auf den Rücken und schob sich auf sie. Lara legte ihm die Arme um den Nacken. Schon spürte sie, wie sich die Hitze in ihr ausbreitete. "Mmm, das fühlt sich so gut an." "Für mich auch", flüsterte Slade und bewegte sich. "Du kannst nicht. Nicht so schnell. Nicht nach ... Oh." "O ja, Mrs. Baron." Sie lachte leise. "Das ist wohl einer der Vorteile, wenn man einen jüngeren Mann heiratet." "Einen jüngeren Mann?" "Hast du es nicht gesehen? Es steht in unserer Heiratsurkunde. Ich bin zwei Jahre älter als du."
"Ich habe nächsten Freitag Geburtstag. Zumindest eine Zeit lang wird der Altersunterschied also nicht so furchtbar groß sein ... He!" Slade lachte, als sich Lara gespielt wütend wand. "Ich mag ältere Frauen. Es erfordert so wenig, sie glücklich zu machen. Zum Beispiel..." Er küsste ihre Brüste, ließ den Mund tiefer gleiten zu ihren Oberschenkeln und liebkoste ihren Mittelpunkt, dann schob er sich wieder auf sie und drang langsam in sie ein. Lara vergaß die Welt um sich her und nahm nur noch Slade wahr. Das erste rötliche Morgenlicht und Mäuse in der Küche weckten Slade. Während er auf das leise Klirren von Metall und Glas horchte, dachte er jedenfalls an die beiden Feldmäuse, die bei ihm hereingeschneit waren, während er die Hütte gebaut hatte. Dann schnupperte er. Mäuse brieten keinen Schinken. Sie schalteten nicht das Radio ein und sangen nicht. Slade zog seine Jeans an, machte den Reißverschluss zu und ging barfuß zur Küche. An der Tür blieb er stehen. Lara stand mit dem Rücken zu ihm am Herd, nahm mit einer Gabel knusprig gebratene Streifen Schinken aus einer Pfanne und legte sie auf einen Teller. Sie erhitzte eine zweite Pfanne, und Slade hoffte, dass in der Schüssel auf der Arbeitsfläche Pfannkuchenteig war. Er verschränkte die Arme und lehnte sich breit lächelnd an den Türrahmen. Seine Frau hatte eine häusliche Ader. Schön zu wissen. Sie eilte geschäftig vom Herd zum Kühlschrank und zurück und tanzte dabei zu einem alten Song von Elton John. Wahrscheinlich würde es ihr nicht gefallen, beobachtet zu werden. Vielleicht würde sie ihn sogar wieder schlagen, aber es lohnte sich, das Risiko einzugehen. Ein Mann musste schon ein Heiliger sein, wenn er den Anblick nicht bewundern wollte. Lara, mit dem rotblonden Haar, das ihr über die Schultern fiel, in seinem abgelegten T-Shirt und ihrem Spitzenslip ...
Das war lächerlich. Er beobachtete seine Ehefrau, und es erregte ihn und ... Lara drehte sich um und schrie auf. "He, ich wollte dich nicht erschrecken." Slade lachte über ihren Gesichtsausdruck, ging zu ihr und küsste sie lange. "Guten Morgen, Liebling." Sie lächelte. "Guten Morgen. Frühstück ist fast fertig." Er nahm sich eine Scheibe Schinken. "Mmm, schön knusprig. Ist das da Pfannkuchenteig?" "Ja. Du magst doch Pfannkuchen, oder?" Slade lehnte sich lächelnd an die Arbeitsfläche. "Zeig mir einen Baron, der es nicht tut, und ich zeige dir einen Hochstapler." "Wie viele seid ihr denn? Barons, meine ich." Lara goss Teig in die Pfanne. "Da sind der Alte - Jonas, unser Vater -, meine Brüder Travis und David und unsere Stiefschwester Caitlin, obwohl sie eigentlich keine Baron ist." Slades Stimme wurde weicher. "Du wirst sie alle mögen, sogar meinen alten Herrn. Und sie werden dich mögen." Lara lachte nervös. "Ich hoffe es. Hast du ihnen schon von uns erzählt?" "Noch nicht. Meine Brüder haben selbst Probleme. Und das mit dir und mir ist alles so schnell passiert..." Slade wollte nicht über die unerfreulichen Umstände ihrer Heirat sprechen, nicht gerade jetzt, nach ihrer gemeinsamen Nacht. "Hast du es schon irgendjemand erzählt?" Lara wendete einen Pfannkuchen. "Nein. Ich habe nur meine Mutter und meine Schwester. Und ich stehe beiden nicht nahe." "Oh." Slade versuchte, sich vorzustellen, Travis und David nicht nahe zu stehen. Es war unmöglich. "Und wo wohnen sie?" "Außerhalb von Atlanta." Lara schichtete Pfannkuchen auf zwei Teller. "Meine Mutter ist beim dritten Ehemann. Oder
vielleicht lebt sie nur mit ihm zusammen. Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nur, dass er sie wie den letzten Dreck behandelt. Meine Schwester ist verheiratet. Ihr Mann behandelt sie genauso." Lara sah auf. Ihre Augen funkelten herausfordernd. "Lara, Liebling ..." Slade stieß sich von der Arbeitsfläche ab. Sie ging an ihm vorbei und stellte die Teller auf den Tisch. "Lass uns essen, bevor alles kalt wird." "Lara." Er zog sie an sich. Sie schauderte und blieb starr in seinen Armen, doch er ließ sie nicht los. Er streichelte ihr beruhigend den Rücken, und nach einer langen Zeit barg sie schließlich das Gesicht an seinem Hals. "Tut mir Leid", flüsterte sie. "Nicht. Würde es helfen, darüber zu sprechen?" Sie hatte noch nie mit irgendjemand darüber geredet. Es war nicht so, dass sie sich für ihre Mutter schämte ... Na gut, ein bisschen. Aber wenn sie Slade von ihr erzählte und wie hart sie gearbeitet hatte, damit sie nicht wie ihre Mutter wurde, würde Slade vielleicht verstehen ... "Süße?" Lara sah ihn an und fragte sich, ob ihre Mutter jemals so wie sie empfunden hatte. Es schien unmöglich zu sein. Doch vielleicht hat sie meinen Vater früher einmal so geliebt, wie ich jetzt Slade liebe, dachte Lara. Und hatte ihm so vertraut, wie sie jetzt versucht war, Slade zu vertrauen. Liebe und Vertrauen. Eine Ehe erforderte beides. Lara schauderte wieder. "Was ist los?" Slade zog sie fester an sich. "Nichts." "Ich hatte auch nicht gerade eine glückliche Kindheit", sagte er ernst. "Wir beide werden es besser machen. Für unseren Sohn." Slade hob ihr Kinn an, und sein Herz setzte einen Schlag aus, als er Tränen in ihren Augen schimmern sah. "Und für uns. Ich verspreche es."
Lara schüttelte den Kopf. Slade sollte keine Versprechen geben, weil sie leicht zu brechen waren. Bevor sie es ihm sagen konnte, küsste er sie. "Frühstück kann warten", flüsterte er. "Lass mich dir die beste Möglichkeit zeigen, den Morgen zu begrüßen und unser gemeinsames Leben zu beginnen." Unser gemeinsames Leben. Die Worte gingen Lara zu Herzen. "Wie?" fragte sie leise. , Slade hob sie hoch und trug sie zurück ins Bett. Das Wochenende endete viel zu schnell, aber es führte zu einer wundervollen Woche. Am Freitag fühlte sich Slade schon wie ein alter Ehemann. Slade Baron, Ehemann und Vater. Wer hätte das geglaubt? Ich bin glücklich, dachte er, während er die Briefe unterschrieb, die ihm Betsy vor einigen Minuten gebracht hatte. Er hatte eine schöne, leidenschaftliche Ehefrau und einen Sohn, der offensichtlich Raketenwissenschaftler, Baseballstar oder ein Architekt werden würde, der sogar seinen Alten in den Schatten stellte. Slade lächelte breit. Er war mehr als nur glücklich. Mit dreißig Jahren - fast dreißig Jahren - fühlte er sich zum ersten Mal wie ein ganzer Mensch. Seine Ehefrau und sein Sohn hatten einen Kreis geschlossen. Es war an der Zeit, dass er Trav, David und Catie die Neuigkeit mitteilte. Und seinen Teilhabern, die bereits ahnten, dass irgendetwas los war, weil er nur noch gute Laune hatte. Gleich nach diesem Wochenende würde er es allen sagen. Er vermutete, dass Lara ein Geburtstagsgeschenk für ihn hatte. In den vergangenen Tagen hatte sie so geheimnisvoll getan. Er lächelte. Auf ihn mochte eine Überraschung warten, doch sie würde auch eine erleben. Er wollte seiner Frau in einem ganz besonderen Rahmen sagen, dass sie ihm schon die wertvollsten Geschenke der Welt gemacht hatte. Zuerst Michael und jetzt sich selbst. Sie war das Beste, was ihm jemals passiert
war. Slade zog sein Jackett an und verließ leise pfeifend sein Büro. Das vergangene Wochenende war wundervoll gewesen. Lara und er waren im Wald spazieren gegangen und hatten geangelt. Na ja, er hatte geangelt. Lara mochte nicht einmal daran denken, einen Wurm an einen Haken zu tun. Sie hatte am See neben ihm gesessen und die Füße ins Wasser baumeln lassen. Später hatte er die Forellen ausgenommen und sie auf dem Grill gebraten. Er hatte Lara dazu verleitet, nackt schwimmen zu gehen, und sie hatten sich im Wasser geliebt und später in der Hütte noch einmal. Slade stieg breit lächelnd in den Jaguar. Es war herrlich gewesen, und dieses Wochenende würde noch besser werden. Deshalb fuhr er zwei Stunden früher nach Hause. Er hatte schon vor Tagen alles geplant. Er würde Lara in seiner Comanche nach New York bringen und niedrig fliegen, damit er ihr zeigen konnte, wie schön die Stadt aus der Luft war. Nach der Landung würden sie mit dem Taxi zum "Plaza" fahren, wo er eine Suite mit Blick auf den Park hatte reservieren lassen. Sie würden in einem französischen Restaurant essen, das ihm Ted Levine empfohlen hatte, hinterher tanzen gehen und den Abend mit einer Droschkenfahrt durch den Central Park beenden. Am nächsten Morgen würde er mit Lara zu "Tiffany's" gehen. Seine Frau sollte nachträglich einen Verlobungs- und einen Trauring bekommen. Er wollte ihr ein unvergessliches Wochenende schenken und ihr sagen, was sie ihm bedeutete ... Und versuchen, sich nicht zu fragen, wie viele andere Männer schon dieselbe Dummheit begangen hatten. "Verdammt!" Slade fuhr an den Bordstein, ohne das Hupen hinter ihm zu beachten. Warum dachte er noch immer darüber nach? Es spielte keine Rolle, wie viele Männer vor ihm gewesen waren. Es würde keinen anderen mehr in Laras Leben geben, nur das zählte. Er
hatte ihr klipp und klar gesagt, dass er Treue erwartete. Außerdem machten sie sich gegenseitig glücklich. Sie würde sich nicht nach einem anderen umsehen. Sie würde nicht das Bedürfnis haben. "Genau. Wird sie nicht." Slade fädelte sich wieder in den Verkehr ein. Er betrat das Haus durch die Hintertür. Helga stand an der Spüle und sah überrascht auf. Er legte den Zeigefinger auf seinen Mund. "Oben", flüsterte Helga. Slade ging nach oben zu seinem Schlafzimmer. Unser Schlafzimmer, dachte er lächelnd. Nach dem vergangenen Wochenende hatte keiner von ihnen beiden auch nur angedeutet, allein schlafen zu wollen. Erstaunlich, wie sich sein Leben in wenigen Tagen von einer Katastrophe in ein Paradies verwandelt hatte. Er blieb an der offenen Tür stehen. Lara saß mit dem Rücken zu ihm auf der Bettkante und telefonierte. "Nein", sagte sie und lachte leise, "er vermutet überhaupt nichts." Slades Lächeln verschwand. Er befahl sich, irgendein Geräusch zu machen, sie wissen zu lassen, dass er mithörte ... "Er kann unmöglich dahinter kommen, nicht wenn ich es ihm nicht verrate, und das werde ich nicht tun. Ja, ja. Viel Champagner. Die Einzelheiten überlasse ich gern dir. Ich weiß, wir kennen uns nicht besonders gut, aber ... Fein. Wir treffen uns dort. Ja, in der Suite. Um sieben. Oder vielleicht auch ein bisschen später, wenn mir kein Vorwand einfällt, den mir mein Mann ,abkauft'. Ich auch. Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich auf morgen Abend freue, Elliott. Ja. Auf Wiederhören." Slade beobachtete, wie Lara auflegte und wohlig die Arme hochreckte. In diesem Moment hasste er sie, wie er noch nie einen Menschen gehasst hatte. Es war alles eine Lüge. Was sie ihm zuflüsterte, wenn sie miteinander schliefen. Wie sie ihn
ansah ... Als wäre er der Mittelpunkt ihrer Welt. Alles eine Lüge. Er wollte sie sich über die Schulter legen, die Treppe hinuntertragen und aus seinem Haus werfen. Oder ihr die Kleidung vom Leib reißen, seinen Reißverschluss aufmachen und sie nehmen, sie einfach immer wieder nehmen, bis sie wusste, wem sie gehörte ... Er musste einen Laut von sich gegeben haben, denn sie blickte sich plötzlich um. "Slade." Sie biss sich auf die Lippe und stand auf. "Du bist früh zu Hause." Er schwieg. Was konnte er sagen, während seine Frau ihn schuldbewusst anblickte und zu lächeln versuchte? "Wie lange stehst du dort schon? Ich meine ..." Er schob die Hände in die Hosentaschen, weil ihm davor graute, was er sonst vielleicht mit ihnen tun würde. "Ich weiß genau, was du meinst, Lara", unterbrach er sie ausdruckslos. Sie kam auf ihn zu. "Hast du mit angehört...?" Die rasende Wut musste ihm anzusehen sein, denn Lara wich hastig zurück, sobald er sich bewegte. Aber nicht schnell genug. Er packte sie an den Schultern. "Wer ist der Mann, mit dem du dich treffen willst?" Laras Augen wurden groß. "Der Mistkerl am Telefon eben." Slade schüttelte sie heftig. "Sag mir seinen Namen!" "Da ist kein Mann. Es gibt nur dich." Ihre Stimme zitterte. Slade ließ Lara los. Er wollte ihr so gern glauben. "Du vertraust mir nicht." "Wie soll ich dir denn vertrauen? Du lügst so mühelos, wie die meisten Menschen atmen. Sag mir, mit wem du gesprochen hast." Lara blickte ihren Mann starr an. Sie könnte es ihm sagen. Und was für einen Sinn hätte das? Slade mochte dann vorgeben, ihr zu glauben, aber das Gleiche würde immer wieder passieren. Früher oder später würde er ihr alles nehmen. Ihren Stolz. Ihre
Würde. Vielleicht sogar ihre Liebe. Eine Ehe erforderte Liebe und Vertrauen. Und bei ihr war Slade zu keinem von beiden fähig. Die Erkenntnis war vernichtend. Slade würde es jedoch niemals erfahren. Ihr Stolz würde ihr bleiben. "Nein", erwiderte sie leise. Slades Gesicht verzerrte sich vor Wut. Er hob die Hand, und Lara wartete auf den Schlag. Er kam nicht. Slade drehte sich von ihr weg und hämmerte die Faust gegen die Wand. Er spürte, dass Lara an ihm vorbeiging. Er hörte ihre Schritte auf der Treppe. Trotzdem rührte er sich nicht. Es war zu Ende. Seine Träume und Hoffnungen, alles war zu Ende. Er hatte eine Ehefrau und einen Sohn, aber nichts sonst, weil er jetzt die Wahrheit wusste, die er so hartnäckig zu leugnen versucht hatte. Seine Frau war genau das, wofür er sie gehalten hatte. Sie war die Verkörperung aller Frauen, die den Baron-Clan geplagt hatten. Sie war unmoralisch. Falsch. Untreu. Und er hatte sich in sie verliebt.
12. KAPITEL Das Tageslicht wurde schwächer. Es dämmerte. Die Dämmerung wich dem Einbruch der Dunkelheit. Slade bemerkte es kaum. Lara war fort. Sie war vor einer Stunde mit einem Taxi weggefahren und hatte Michael mitgenommen. Slade hatte am Fenster gestanden und zugesehen. Er hatte es geschehen lassen, weil er inzwischen wusste, dass er sich eine Fantasiewelt erschaffen hatte. Vater und Mutter und ein liebevolles Zuhause hatte er für seinen Sohn gewollt, aber so etwas ließ sich nicht inszenieren. Er war traurig. Nicht weil er Lara verloren hatte. Er hatte gewusst, wie sie war, als er sie geheiratet hatte. Er liebte sie nicht. Diese dumme Illusion hatte er sich in den vergangenen Stunden aus dem Kopf geschlagen. Es war Michael, den er vermissen würde. Slade presste die Lippen zusammen. Als Erstes am nächsten Morgen würde er seinen Anwalt anrufen und ihn beauftragen, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, damit er das Sorgerecht bekam. Nein. Verdammt, das konnte er nicht tun. Slade rieb sich die Augen. Der Junge liebte seine Mutter, und sie liebte ihn. Und ganz gleich, was sie sonst war, Lara war eine gute Mutter. Dann also gemeinsames Sorgerecht. Er würde seinen Sohn an den Wochenenden, in den Ferien, in den Sommermonaten haben ... Sollte sein Anwalt das ausarbeiten.
Das wäre von Anfang an die bessere Lösung gewesen. Wie dumm es gewesen war, Lara zur Heirat zu zwingen! Ein Mann, eine Frau und ein Kind ergaben keine Familie, nicht ohne Liebe. Eine Ehe ohne Liebe war keine Ehe. Und er hatte Lara niemals geliebt. Er hatte sie begehrt. Im Bett war sie unglaublich, aber sonst war nichts zwischen ihnen ... Das Telefon klingelte. "Hallo. Wer immer es ist, ich habe keine Lust, gemütlich zu plaudern", stieß Slade wütend hervor. "Ich auch nicht." "Trav?" Slade setzte sich auf die Bettkante. "He, woher wusstest du, dass ich das Bedürfnis habe ..." "Ich muss dich etwas fragen", unterbrach ihn sein Bruder. "Was, zum Teufel, ist mit den Frauen los?" "Sie sind Frauen, das ist mit ihnen los." "Ja. Da ist diese Frau ..." "Da ist immer eine." "Ich habe sie gebeten, bei mir einzuziehen." Slade stand auf. "Du hast was? Bevor du etwas Ernstes anfängst, denk lieber noch mal nach." "Es ist nicht ernst. Okay, jetzt ist es ernst. Aber nicht für immer. Wir haben abgemacht, dass wir zusammenbleiben, ohne uns festzulegen ... Hör auf zu lachen, Kleiner!" "Sie wollen alle, dass du dich festlegst", sagte Slade. "Zumindest dann, wenn sie es wollen. Nicht wenn du es tust." "Wovon redest du?" "Nichts. Wegen dieser Puppe ..." "Alexandra ist keine ,Puppe'", sagte Travis kühl. "Ziemlich vornehmer Name für eine ... Warte mal einen Moment. Ist das die Frau, die dich ersteigert hat?" "Und wenn?" "Ich bin nur überrascht. Die Lady hat dich doch für ein heißes Abenteuer gekauft..." "Pass auf, wie du über sie sprichst."
Slade seufzte. "Ich finde es nur irgendwie ungewöhnlich, dass sie deine Geliebte geworden ist." "Sie ist nicht meine Geliebte." "Wie würdest du sie denn nennen?" "Ich weiß es nicht", sagte Travis. "Das gehört mit zum Problem. Ich muss sie als irgendetwas bezeichnen, verstehst du? Wenn ich sie Leuten vorstelle." "Sie hat einen Namen, richtig? Benutz ihn einfach." "Darum geht es nicht, Slade. Wir leben zusammen. Wie lasse ich die Leute das wissen?" Ich habe eine Ehefrau, die mich hasst, dachte Slade. Wie sollte er die Leute das wissen lassen? "Warum müssen sie es wissen?" "Tja, also ... Weil sie nicht so etwas wie ein Geheimnis sein möchte. Als würde sie keine richtige Rolle in meinem Leben spielen." "Ist dir klar, dass du in großen Schwierigkeiten steckst, Trav?" "Ich muss sie nur irgendwie nennen, Kleiner." "Deine Partnerin?" "Ach nein." "Deinen Schatz?" "Nein, das würde ihr überhaupt nicht gefallen." "Stell sie als ,gute Bekannte' vor." Travis lachte. Du könntest tun, was ich getan habe, sie heiraten und deine Frau nennen, dachte Slade. "Ich habe dir schon geraten, einfach ihren Namen zu nennen. Die Leute kapieren von selbst, dass' sie deine Geliebte ist." "Ist sie nicht. Oder möglicherweise doch. Die Sache ist die, dass sie mehr als eine Geliebte ist." "Sag ihr das." Slade versuchte, seine Ungeduld zu zügeln. Sein Bruder war völlig durcheinander, weil eine Frau mit ihm zusammenlebte, aber verdammt, er war nicht mit ihr verheiratet.
Sie war nicht gegangen, weil er zu blöd oder vielleicht zu stolz war, um ihr zu gestehen, was er wirklich empfand, dass er ... "Ja? Ja, vielleicht würde sie das gern hören. .Prinzessin', könnte ich sagen, ,du sollst wissen, dass du mir mehr bedeutest als eine Geliebte.'" Die Leitung war plötzlich tot. Slade blickte das Telefon an und wollte Travis zurückrufen, dann überlegte er es sich anders. Sein Bruder holte sich bei ihm Rat wegen einer Frau? Nicht schlecht! Er hatte keine Ahnung von Frauen. Sonst hätte er nicht vor einer Minute gedacht, dass er vielleicht ... vielleicht etwas für Lara empfunden hatte. Okay, mit ihr zu schlafen war fantastisch. Und er war gern mit ihr zusammen. Mit ihr redete er über Dinge, über die er mit anderen Frauen niemals gesprochen hatte. Er hatte ihr von den Habichten erzählt, die in der alten Eiche neben der Hütte nisteten. Er hatte ihr geschildert, wie er ganz allein die Hütte gebaut hatte. Und wie er es vor Jahren in seiner ersten Woche als Barkeeper fertig gebracht hatte, einem Gast ein Glas Scotch in den Schoß zu schütten. Lara hatte ihm aufmerksam zugehört und ihm lächelnd erzählt, sie habe sich ihr Studium als Serviererin verdient und Tomatensuppe über ihren ersten Gast gekippt. Stöhnend fuhr sich Slade mit den Fingern durchs Haar. Wem wollte er etwas vormachen? Ja, er vermisste Michael. Der Verlust seiner Frau kam ihm jedoch vor, als hätte er seine Seele verloren. Er würde seinen Sohn wieder sehen, ihn umarmen, küssen und an seinem Leben teilhaben. Laras Lächeln und ihr entzückendes Lachen würden ihm für immer versagt bleiben. Wie sie morgens gleich nach dem Aufwachen strahlte vor Freude, wenn er sie an sich zog und küsste ... Das Telefon klingelte wieder. Slades Herz hämmerte. Vielleicht war es Lara. Es war wieder Travis. "Hör zu, Kleiner, David hat Probleme."
"Ja, die sind in letzter Zeit im Umlauf." "Ruf ihn an, okay? Er ist nicht zu Hause, aber ich habe seine Nummer. Schreib sie dir auf." Slade kritzelte die Zahlen auf einen Block, dann rieb er sich die Stirn. "Dies ist nicht der beste ..." "Sag ihm, er solle Natalie nicht gehen lassen. Kein Mann sollte die Frau gehen lassen, die er liebt." "Liebe. Wer weiß überhaupt, was das Wort bedeutet?" "Wenn es passiert, weißt du es, Kleiner", erwiderte Travis und beendete das Gespräch. Slade seufzte und wählte die Nummer, die ihm Travis gegeben hatte. Es war kein guter Abend für die Baron-Brüder. "Hallo?" "David?" . "Slade? Wie, zum Teufel ...?" "Travis hat mich angerufen." "Ich habe ihm diese Nummer nicht gegeben." "Willkommen im Zeitalter des Chips. Er hat sie von seiner Caller-ID-Box. Wo bist du übrigens? Ich erkenne die Vorwahlnummer nicht." "In Palm Beach. Und frag nicht, okay? Es ist eine lange Geschichte." "Ja, also ... Ich wollte dir nur sagen, dass Travis Recht hat." "Womit?" "Damit, dass du Natalie nicht gehen lassen sollst." David seufzte. "Ihr beiden freien und ungebundenen Junggesellen steckt ja wirklich voller Ratschläge für die Liebeskranken." "Ich scherze nicht", sagte Slade leise. "Wenn du eine Frau liebst und dabei zusiehst, wie sie aus deinem Leben verschwindet, bist du ein verdammter Idiot. Verstehst du?" "Eigentlich nicht. Ich meine, mit dem Ratschlag bin ich einverstanden, aber bist du nicht der Mann, der Legionen von Frauen ziehen lassen hat?"
"Legionen zählen nicht, Bruder. Nur eine zählt. Die Richtige. Wenn ein Mann sie gefunden hat und nicht festhält, sollte sein Kopf untersucht werden. Hast du das kapiert?" "Ja. Allerdings bist du der Letzte, von dem ich erwartet hätte ..." Slade legte einfach auf. Er ging langsam zum Fenster und blickte auf die dunkle Straße. Lara musste inzwischen am Flughafen sein. Mit der nächsten Maschine nach Baltimore würde sie für immer aus seinem Leben verschwinden. "Verdammt", flüsterte Slade. Vielleicht war die Lara, die er geliebt hatte, nur eine Illusion. Aber er hatte sie geliebt. Und er würde sie immer lieben. Ihm blieben die Erinnerungen daran, wie sie sich jeden Abend gefreut hatte, wenn er nach Hause gekommen war. Wie sie jede Nacht an ihn geschmiegt geschlafen hatte. Sie genügten nicht. Er wollte Lara bei sich haben, sie halten ... "Mr. Baron?" Er sah auf. Helga kam ins Zimmer. Ihre Miene verriet ihm, dass sie sich lieber nicht mit ihm abgeben würde. Er lächelte angespannt. "Ja, Helga?" "Ich wüsste gern, ob Sie zu Abend essen möchten, Sir. Es ist spät, und..." "Nein. Kein Abendessen, danke." "Es tut mir Leid, dass ..." Sie räusperte sich. "Mrs. Baron hat gesagt, sie würde nicht zurückkommen." "Das ist richtig." "Soll ich an ihrer Stelle Elliott anrufen, Sir?" Es war ihm, als würde er Laras Stimme hören: Er vermutet überhaupt nichts ... "Sir?" "Nein, das ist in Ordnung, Helga. Geben Sie mir einfach seine Nummer, dann werde ich mich mit Elliott befassen", sagte er sehr ruhig.
Helga zog eine Visitenkarte aus der Schürzentasche und gab sie Slade. Er las die Karte und runzelte die Stirn. "'Elliott and Stefan. Catering a la carte'?" "Ja, Sir. Stefan ist mein Neffe. Deshalb habe ich Mrs. Baron die beiden empfohlen." "Ich kann Ihnen nicht folgen, Helga. Sie haben meine Frau mit diesem Elliott bekannt gemacht..." "Es schadet wohl nichts mehr, es Ihnen jetzt zu verraten, Sir. Das mit der Party, die Mrs. Baron geplant hat, meine ich. Na ja, ein Abendessen für zwei ist keine Party, aber Stefan hat gesagt, Elliott und er würden den Auftrag gern übernehmen. Elliott - so ein netter Mann, Sir - kennt den Direktor des Hotels, wissen Sie, und er ..." "Des Hotels", wiederholte Slade und musste sich davon abhalten, Helga zu packen und zu schütteln, damit sie die Geschichte schneller erzählte. "Das, in dem Mrs. Baron die Suite hat reservieren lassen. Für morgen Abend. Ihren Geburtstag? Oh, sie hat sich so große Mühe gegeben. Sie hat mich nach dem Champagner gefragt, den Sie bevorzugen, und nach Ihrem Lieblingsgericht ... Mr. Baron? Ist mit Ihnen alles in Ordnung?" "Nein", sagte Slade. "Ich habe einen Holzklotz, wo mein Gehirn sein sollte, und ..." Warum verschwendete er kostbare Zeit? Slade umarmte und küsste die schockierte Haushälterin und rannte aus dem Zimmer. Auf der Fahrt zum Flughafen rief er mit seinem Autotelefon bei jeder Fluggesellschaft an, die ihm einfiel. Niemand wollte ihm mitteilen, ob eine Lara Stevens oder Lara Baron ein Ticket nach Baltimore gekauft hatte. "Sicherheitsvorschriften", erklärte ein Angestellter, als Slade schließlich seine Frustration hinausschrie.
Immerhin erfuhr er, dass in der nächsten Stunde nur eine einzige Gesellschaft einen Flug nach Baltimore hatte. Er konnte nur hoffen, dass Lara einen Platz in der Maschine gebucht hatte. Mit der Suche nach einem Parkplatz gab sich Slade nicht ab. Er hielt einfach vor dem Terminal der East Coast Air und stieg aus. "He!" schrie jemand. "Sie dürfen Ihr Auto nicht hier stehen lassen ..." Slade sah sich nicht um. Er hatte das Gefühl, dass er um sein Leben lief. Die Zeit zerrann ihm unter den Händen. Wie dumm er gewesen war! Er hätte seiner Frau schon vor Tagen sagen sollen, was er ihr jetzt sagen würde ... Wenn sie ihm zuhören würde. Sie musste ihm zuhören. Er raste durch die Abflughalle und überprüfte die Flugsteignummern. Als er die Sicherheitskontrolle erreichte, wurde er langsamer. Er würde niemals daran vorbeikommen, wenn er die Leute vor ihm einfach zur Seite stoßen würde. Man würde ihn für einen Verrückten halten. Und zu Recht. Er war verrückt. Sonst hätte er Lara nicht aus seinem Leben ausgeschlossen. Sonst hätte er erkannt, dass sie ihn ebenso liebte wie er sie und er ihr von ganzem Herzen vertrauen konnte. Wie sie sich ihm jedes Mal hingegeben hatte, wenn sie miteinander geschlafen hatten. Warum war er nur so blind gewesen? Er kannte sich mit Frauen und Sex aus. Und was Lara und er zusammen erlebt hatten, war mehr als Sex gewesen. Sie hatten "Ich liebe dich" ohne Worte gesagt. Wo war sie? Es war der richtige Flugsteig und der richtige Warteraum. So viele Menschen. Er konnte Lara nicht finden Slades Herz setzte einen Schlag aus. Da war sie. Seine schöne, innig geliebte Frau stand am Fenster und blickte hinaus in die Dunkelheit. Michael schlief in ihren Armen. Slade atmete tief ein. Er dachte an den Moment, als er seinem Vater zum ersten Mal Paroli geboten hatte. Als er ins College
aufgenommen worden war und später einen Studienplatz an der Harvarduniversität bekommen hatte. Wendepunkte in seinem Leben. Aber nichts im Vergleich zu diesem. Wenn er Lara verlor, verlor er alles. Langsam ging Slade auf sie zu und überlegte fieberhaft, was er sagen sollte. Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht. Kannst du mir verzeihen? Gibst du mir noch eine Chance? Als hätte sie seine Gegenwart gespürt, drehte sich Lara plötzlich um. Sie warf ihm einen gequälten Blick zu, und Slade vergaß seine zurechtgelegte Entschuldigung. "Lara. Ich liebe dich. Ich brauche dich und kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Es tut mir Leid, Süße. Ich habe mich in allem geirrt. Es tut mir so Leid, dass ich dir wehgetan habe ..." Er verstummte. Sie stand einfach da und sah ihn traurig an. Er hatte sie verloren. Ihm wurde kalt. "Ich liebe dich", sagte er leise. "Ich liebe dich schon seit jenem Tag in Denver. Weißt du noch? Du hast gedacht, ich sei nur ein weiterer Typ, der sich an dich heranmachen würde. Vielleicht war ich das. Aber dann habe ich dich geküsst und mich sofort in dich verliebt." Sie schwieg immer noch. Er atmete tief ein. "Ich habe mich gescheut, es einzugestehen. Ich habe nichts von Liebe gehalten, Süße. Wegen meines Vaters und dessen, was ich in meiner Kindheit und Jugend erlebt habe. Ich hatte Angst davor, wehrlos zu sein, wenn ich jemals einer Frau mein Herz schenken würde." Slade lächelte trübselig. "Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass eine es im Sturm erobern würde, ganz gleich, ob ich es ihr schenken wollte oder nicht." Sein Lächeln verschwand. "Bitte, Liebling. Gib mir noch eine Chance. Komm mit mir nach Hause, und lass mich mein Leben damit verbringen, dir meine Liebe zu beweisen." "Du hast mir heute Abend das Herz gebrochen", sagte Lara leise.
Slade umfasste ihre Schultern. Ihr gemeinsamer Sohn seufzte im Schlaf. "Ich weiß, Liebling. Wenn ich es ungeschehen machen könnte..." "Ich habe eine Überraschung für deinen Geburtstag geplant." Tränen schimmerten in Laras Augen. "Und dann bist du ins Zimmer gekommen und hast mich verdächtigt..." "Es tut mir Leid. Ich weiß, dass dir kein anderer etwas bedeutet, ebenso wie mir keine andere etwas bedeutet." "Ich bin nicht die Frau, für die du mich gehalten hast, Slade. In meiner Vergangenheit gibt es keine lange Reihe von Männern. Dass ich in Denver mit dir in das Hotel gegangen bin ..." "Ist meine Schuld. Ich habe dich dazu überredet, Schatz. Ich habe dich verführt." "Ich wollte, dass du es tust." Lara lächelte zittrig. "Wirklich?" fragte Slade hoffnungsvoll. Sie nickte. "Und nicht, weil..." Sie blickte hinunter auf ihren schlafenden Sohn, dann sah sie wieder Slade an. "Nicht weil ich ein Kind wollte. Oh, ich habe mir ein Baby gewünscht, aber ich bin wegen der Empfindungen mitgegangen, die du in mir geweckt hast. Bei dir hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich einen fehlenden Teil von mir selbst gefunden hatte. Es war, als würde ich jetzt..." "Ein ganzer Mensch sein." "Ja." Slade umfasste Laras Gesicht. "Ich liebe dich. Mein Herz und meine Seele gehören dir. Und ich möchte, dass du mich heiratest." Lara lachte unter Tränen. "Haben Sie nicht etwas vergessen, Mr. Baron? Eine Heiratsurkunde? Einen Friedensrichter? Eine Trauung, die vor fast zwei Wochen stattgefunden hat?" "Wir haben aus den falschen Gründen geheiratet. Das zählt nicht. Ich möchte, dass du mich noch einmal heiratest. Aus den richtigen Gründen. Weil wir uns lieben und keiner von uns
beiden ohne den anderen ein ganzer Mensch ist." Slade blickte Lara forschend an. "Willst du?" Sie zögerte nicht. "Ja", flüsterte sie. "O Slade, ja!" Er küsste sie sanft auf den Mund. "Diesmal machen wir es richtig, Liebling. Auf Espada. Mit meiner ganzen Familie. Du im Brautkleid, ich im Smoking." "Klingt wundervoll. Aber du musst das nicht tun." Lara berührte Slades Wange. "Die Trauung in Baltimore ..." "Sie ist rechtsgültig." Er lächelte breit. "Und das bedeutet, meine schöne Frau, dass ich dir deine ehelichen Pflichten bis zu unserer richtigen Hochzeit in einigen Wochen nicht erlassen werde." Lara erwiderte sein Lächeln. Dann wurden sie beide ernst. Slade nahm ihr vorsichtig Michael ab, umfasste ihn mit einem Arm und legte ihr den anderen um die Schultern. "Fahren wir nach Hause." Freudentränen schimmerten in Laras Augen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihren Mann. "Ja, einverstanden."
-ENDE