Leitfaden des Baubetriebs und der Bauwirtschaft Jens H. Liebchen, Markus G. Viering, Christian Zanner
Baumanagement und Bauökonomie Gewidmet Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer zum 60. Geburtstag
Leitfaden des Baubetriebs und der Bauwirtschaft Herausgegeben von: Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer
Der Leitfaden des Baubetriebs und der Bauwirtschaft will die in Praxis, Lehre und Forschung als Querschnittsfunktionen angelegten Felder – von der Verfahrenstechnik über die Kalkulation bis hin zum Vertrags- und Projektmanagement – in einheitlich konzipierten und inhaltlich zusammenhängenden Darstellungen erschließen. Die Reihe möchte alle an der Planung, dem Bau und dem Betrieb von baulichen Anlagen Beteiligten, vom Studierenden über den Planer bis hin zum Bauleiter ansprechen. Auch der konstruierende Ingenieur, der schon im Entwurf über das anzuwendende Bauverfahren und damit auch über die Wirtschaftlichkeit und die Risiken bestimmt, soll in dieser Buchreihe praxisorientierte und methodisch abgesicherte Arbeitshilfen finden.
Jens H. Liebchen, Markus G. Viering, Christian Zanner
Baumanagement und Bauökonomie Aktuelle Entwicklungen
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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Herausgeber siehe Autorenverzeichnis.
1. Auflage Februar 2007
Alle Rechte vorbehalten © B.G. Teubner Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Dipl.-Ing. Ralf Harms / Sabine Koch Der B.G. Teubner Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.teubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Waren- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8351-0152-4
Vorwort der Herausgeber Der 60. Geburtstag von Herrn Universitätsprofessor Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer am 08. Januar 2007 diente seinen Kommilitonen, Studenten, Mitarbeitern, befreundeten Fachkollegen und wissenschaftlichen wie privatwirtschaftlichen Weggefährten als Anlass, sein mehr als 35jähriges Wirken als Ingenieur und Forscher auf den Gebieten der Bauwirtschaft, des Projektmanagements und des Public Private Partnerships mit einer Festschrift zu würdigen. Für die Herausgeber, die mit der Initiierung des Werkes ihre persönliche Wertschätzung hervorheben möchten, war es ein Leichtes, renommierte Autorinnen und Autoren, die Herrn Kochendörfer in den vergangenen Jahrzehnten begleitet haben, für ein Mitwirken an dieser Festschrift zu begeistern. Dies verdeutlicht nicht zuletzt das hohe Ansehen des Jubilars. In den 29 Fachaufsätzen werden Themen aus den Bereichen des allgemeinen Baubetriebs und der Bauwirtschaft, des Managements nationaler und internationaler Bauprojekte und baujuristische Fragestellungen behandelt. Ferner beschäftigen sich einige Beiträge mit technologischen Fragestellungen zum nachhaltigen Bauen. Die in diesem Buch dargestellte Vielfalt der Beiträge richtet sich daher sowohl an Lehrende und Forschende als auch an Ingenieure, die auf diesen Gebieten tätig sind. Großer Dank gilt den Autoren für ihre Mühen bei der Ausarbeitung ihrer Beiträge. Beim Teubner-Verlag und seinen Mitarbeitern möchten wir uns für die unkomplizierte und sehr zügige Vorbereitung und Begleitung des Drucks bedanken, sowie die stets freundliche und kompetente Unterstützung bei der Herausgabe des Buches. Besonderer Dank gilt Frau Margit Buder vom Lehrstuhl Bauwirtschaft der BTU Cottbus und Frau Susanne Alleborn für die administrative Tätigkeit und das Korrekturlesen der Beiträge.
Berlin, 08.01.2007 Markus G. Viering Jens H. Liebchen Christian Zanner
Autorenverzeichnis Dipl.-Kfm. Christian Baumgart studierte nach Abschluss einer Banklehre Betriebswirtschaftslehre an der TU Bergakademie Freiberg. Derzeit arbeitet er als Manager in der Projektfinanzierungsabteilung der Bayerischen Landesbank in München. Dipl.-Kfm. Gerhard Becher studierte nach vorheriger Banklehre bei der Deutschen Bank an den Universitäten in Frankfurt und Newcastle Betriebswirtschaftslehre. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums arbeitete er sieben Jahre bei der Weltbank in Washington als Finanzanalyst für Industrieprojekte. Bei der Philipp Holzmann AG war er dann 14 Jahre, unter anderem als Leiter der Infrastrukturprojektentwicklung tätig. Seit sieben Jahren ist Gerhard Becher bei der Bilfinger Berger BOT GmbH, dort begleitet er als Vorsitzender der Geschäftsführung weltweite Projekte mit. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner studierte Bauingenieurwesen an der Universität Stuttgart und schloss sein Diplom mit der Untersuchung eines Traglufthallenstoffs ab. Nach dreijähriger Tätigkeit als verantwortlicher Tragwerksplaner und Bauleiter in einer Bauunternehmung sowie weiteren fünf Jahren Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart, promovierte er 1983 zum Doktor-Ingenieur. Nach einigen Berufsjahren, zuletzt als Niederlassungsleiter, übernahm er 1987 die Geschäftsführung in einer großen Bauunternehmung. Seit 1994 ist er dort als Geschäftsführender Gesellschafter tätig. 1994 übernahm er als Universitätsprofessor die Leitung des Instituts für Baubetriebslehre an der Universität Stuttgart. Univ.-Prof. Dr. Erich Cziesielski. Studium des Bauingenieurwesens und wissenschaftlicher Assistent mit Abschluss Promotion; Tätigkeit in der Bauindustrie als Geschäftsführer eines international Tätigen Baustoffkonzerns; Berufung an die Technische Universität Berlin als Ordinarius auf den Lehrstuhl für Allgemeinen Ingenieurbau (Bauphysik und Ingenieurhochbau); Zahlreiche Veröffentlichungen und Forschungsarbeiten, Mitglied in Norm- und Sachverständigenausschüssen und ö. b. u. v. Sachverständiger. Dipl.-Ing. Reinhard Dietrich war langjährig als Projektmanager in der Drees & Sommer AG tätig und war unter anderem für das Generalmanagement des DaimlerChrysler-Projektes Potsdamer Platz in Berlin verantwortlich. Als Geschäftsführer und Gesellschafter war er anschließend bei der Albis GmbH verantwortlich für die technische Entwicklung von Immobilien. Als Autor zahlreicher Vorträge und Veröffentlichungen und als Lehrbeauftragter der TU Berlin für Projektentwicklung und Immobilienmanagement ist er aktiv an der Weiterentwicklung von Verfahren und Werkzeugen der Bauwirtschaft beteiligt. Dipl.-Ing. Marcus von Drygalski studierte an der Technischen Universität Berlin und der Lund Universität, Schweden Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Bauingenieurwesen. Seit 2004 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der Technischen Universität Berlin. Dort ist er sowohl für die Lehre, als auch für die Forschung im Bereich Public Privat Partnership (PPP), sowie für das Regionalforum PPP BerlinBrandenburg (RfBB) zuständig. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler studierte an der TU Dresden mit Fachrichtung Konstruktiver Ingenieurbau und promovierte dort 1995. Er ist Gründungspartner und seit 1995 Geschäftsführer der GMG Ingenieurgesellschaft Dresden. Die Anerkennung als Prüfingenieur für
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Autorenverzeichnis Baustatik (Fachrichtung Metallbau und Massivbau) wurde 2002 ausgesprochen. Im Jahr 2005 wurde er zum Professor im Fachgebiet Metall- und Leichtbau an der TU Berlin berufen. Dr.-Ing. Ines Gottling studierte Wirtschaftsingenieurwesen/Fachrichtung Bau an der Technischen Universität Dresden. Von 1995 bis 2005 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der Technischen Universität Berlin. Sie begleitete dort verschiedene Forschungsprojekte im Themengebiet PPP. 2005 promovierte sie im Bereich PPP. Seit 2004 ist sie Mitarbeiterin der PPP Task Force im BMVBS. Prof. Dr.-Ing. Peter Haller hat nach seinem Studium des Bauingenieurwesens an der Technischen Universität Stuttgart als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baubetriebslehre der TU Stuttgart bei Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. G. Dress promoviert. 1978 begann er seine Tätigkeit bei der Deutschen Lufthansa AG als Projektingenieur. 1983 wurde er zum Hauptabteilungsleiter Bauten und Technische Anlagen und 1991 zum Bereichsleiter für Bauwesen und Liegenschaften ernannt. Von 1995 bis 2004 war er Geschäftsführer der Lufthansa Gebäudemanagement Holding GmbH. Seit 1997 ist er Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Berlin und wurde 2002 zum Honorarprofessor berufen. Derzeit ist er als Unternehmensberater für die Immobilienwirtschaft und das Facility Management tätig. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Hillemeier studierte Bauingenieurwesen an der TU Karlsruhe. Er war von 1978 bis 1990 Leiter Zentrales Qualitätswesen in einem Baukonzern. Seit 1990 ist er Professor für Baustoffe und Baustoffprüfung an der Technischen Universität Berlin und seit 1992 gleichzeitig Direktor des Instituts für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken (IEMB). Arbeitsschwerpunkte sind Dauerhaftigkeit von Werkstoffen, Betontechnologie, zerstörungsfreie Prüfverfahren sowie energiesparendes Bauen. Herr Prof. Hillemeier ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und der Akademie der Technikwissenschaften (acatech.) Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard Hinkelmann studierte und promovierte an der Universität Hannover. Nach Habilitation an der Universität Stuttgart ist er seit 2004 Professor an der TU Berlin und Leiter des Fachgebiets Wasserwirtschaft und Hydroinformatik. Sein Forschungsgebiet ist die Hydrosystemmodellierung, d. h. die Entwicklung und Anwendung von Simulationsmethoden im Wasserwesen. Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Huhnt studierte an der TU Berlin Bauingenieurwesen. Nach seiner Promotion wechselte er an die Bauhaus-Universität Weimar und habilitierte dort im Fachgebiet „Informatik im Bauwesen“. Seit 2003 leitet er das Fachgebiet „Internetbasierte Prozessmodellierung für ad-hoc-Organisation im Bauwesen“ am Institut für Bauingenieurwesen an der TU Berlin. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Dieter Jacob studierte Betriebswirtschaftslehre und Bauingenieurwesen. Er ist Ordinarius für allgemeine Betriebswirtschaftslehre, speziell Baubetriebslehre, Infrastrukturmanagement und Betriebliche Steuern an der TU Bergakademie Freiberg. Gleichzeitig ist er Lehrbeauftragter an der TU Berlin, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb. Vor 5 Jahren hat er die PSPC GmbH mitgegründet, die sich als Universitätsausgründung auf die Beratung von Public Private Partnerships spezialisiert hat. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Wolfdietrich Kalusche ist seit 1996 Inhaber des Lehrstuhls Planungs- und Bauökonomie an der BTU Cottbus. 2003 war er außerdem Gastprofessor am Institut Bauplanung und Baubetrieb der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Leistungsbild und Vergütung des Architekten, Projektmanagement, Betrieb und Unterhalt von baulichen Anlagen sowie das wirtschaftliche Architekturbüro.
Autorenverzeichnis Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Hans-Peter Keitel studierte Bauingenieurwesen, Arbeits- und Wirtschaftswissenschaften in Stuttgart und München. 1975 promovierte er am Institut für Baubetriebswissenschaft der TU München. Für Lahmeyer International, Frankfurt am Main, übernahm er bis 1987 verschiedene leitende Positionen im In- und Ausland. 1988 kam er zu HOCHTIEF, dessen Vorstandsvorsitzender er seit 1992 ist. Seit Mitte 2005 ist Herr Keitel zudem Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Dr.-Ing. Tanja Kohnke studierte an der TU Berlin Bauingenieurwesen und promovierte am Lehrstuhl für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Berlin. Während der Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitete sie an zahlreichen Studien und Veröffentlichungen zum Thema Public Private Partnerschaft, welche auch Grundlage ihrer Promotion wurden. Heute arbeitet sie als Geschäftsführende Gesellschafterin in einem mittelständischen Beratungsunternehmen mit Spezialisierung auf alternative Beschaffungsvarianten für Bauinvestitionen. Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Michael Korn studierte Wirtschaftsingenieurwesen und Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin. Nach Studienabschluss war er 2 Jahre als Projektingenieur in einem Großunternehmen der deutschen Bauindustrie tätig. Von 1998-2003 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Lehraufgaben am Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der Technischen Universität Berlin tätig. Im Anschluss promovierte er zum Dr.Ing. an diesem Fachgebiet der Technischen Universität Berlin. Es folgte eine mehrjährige Tätigkeit als Projektleiter für die Private Sector Participation Consult (PSPC) GmbH in der Beratung öffentlicher Auftraggeber für Public Private Partnership- (PPP-) Hochbau- und Verkehrsinfrastrukturprojekte. Beteiligung an wissenschaftlichen Untersuchungen zu Fördermitteleinbindung in PPP-Projekte und PPP-Vergabeprozesse. Seit 2006 ist er Professor an der Hochschule Karlsruhe (FH) – Technik und Wirtschaft (HsKA), Fakultät für Architektur und Bauwesen und leitet das Fachgebiet für Ausschreibung, Vergabe, Abrechnung/Projektplanung. Dipl.-Wirtsch.-Ing. MBA Thomas D. Kowalski studierte an der Technischen Universität in Braunschweig Wirtschaftingenieurwesen und der Universität of Rhode Island. Nach seinem Studium zum MBA in den USA arbeitete er als Junior Consultant bei Pricewaterhouse Cooper im Cooperate Finance. Er wechselte dann als Trainee zur Bilfinger Berger BOT GmbH, arbeitete dann bei Bilfinger Berger Concession in Sydney als Project Manager und kehrte wieder zurück zu Bilfinger Berger BOT, wo er heute als Finance Manager tätig ist. Nancy Krenkel studiert Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin. Neben ihrem Studium ist sie am Fachgebiet Bauwirtschaft und Baumaschinen der TU-Berlin als Studentische Hilfskraft beschäftigt. Praktische Erfahrungen in den Bereichen Bauausführung, Bauüberwachung und Projektmanagement sammelte sie in Praktika, als Werkstudentin und in Freiberuflicher Tätigkeit für verschiedene Bauunternehmen und Ingenieurbüros. Sie ist fasziniert von der Idee des Baumeisters als Dienstleister entlang der Wertschöpfungskette des Bauens und des Betriebs von Immobilien, Industriebauwerken und Infrastruktur. Dipl.-Ing. Tristan Kunze studierte Bauingenieurwesen an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Als Mitarbeiter bei der KVL Bauconsult GmbH arbeitete er an mehreren Projekten u. a. in Hamburg, Berlin und Ekaterinburg (Rus) mit und beschäftigt sich neben den Themen der Projektentwicklung und -steuerung mit Anlageformen auf dem deutschen und internationalen Immobilienmarkt. Dr.-Ing. Jens H. Liebchen studierte Bauingenieurwesen an der TU Berlin. Während des Studiums Mitarbeit im Architekturbüro des Vaters mit den Schwerpunkten Ausführungsplanung und Objektüberwachung. Nach Abschluss des Studiums Tätigkeit als Projektmanager in einem Berliner Unternehmen. Seit 1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bauingeni-
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Autorenverzeichnis eurwesen an der TU Berlin mit Lehrauftrag für das Fach „Bauwirtschaft und Baubetrieb“. In dieser Zeit Promotion bei Prof. Kochendörfer zum Dr.-Ing. im Bereich „Target Costing“. Seit 2002 Beratender Ingenieur im Bauwesen mit Bauvorlageberechtigung. 2003 Gründung der KVL Bauconsult GmbH mit Bernd Kochendörfer und Markus G. Viering. Dr.-Ing. Jan Miksch hat das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit der Fachrichtung Bauwesen an der TU Berlin im Jahr 2000 abgeschlossen. Nach seiner Tätigkeit bei der Zentrum für Logistik- und Unternehmensberatung GmbH arbeitete er ab 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet von Herrn Prof. Kochendörfer an der TU Berlin. Seit 2002 ist er für die PSPC GmbH tätig. Seit August 2006 ist er Geschäftsführender Gesellschafter der PSPC GmbH. em. o. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Jan Pahl hat am Massachusetts Institute of Technology im Bauingenieurwesen promoviert und dort von 1965 bis 2005 am M.I.T. und an der Technischen Universität Berlin als Professor für Theoretische Methoden der Bau- und Verkehrstechnik gewirkt. Er hat die Gründung und den Ausbau des Fachgebietes Bauinformatik in Deutschland wesentlich beeinflusst. Er war Präsident der International Society for Computing in Civil and Building Engineering. Die Universität Stellenbosch, die Bauhaus-Universität Weimar und die Staatliche Hochschule für Architektur und Bauingenieurwesen Moskau haben ihm die Würde eines Ehrendoktors verliehen. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Elke Pahl-Weber begann ihre Lehr- und Forschungstätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, wo sie auch ihr Architekturstudium absolvierte. Im Anschluss an den Wechsel an die TU HamburgHarburg erfolgte 1989 die Gründung des Büros BPW für Stadtplanung, Forschung und Beratung. Im Kontext nachhaltiger Stadtentwicklung war Frau Pahl-Weber u. a. deutsche Ländervertreterin im OECD-Projekt „Ecological Cities“ sowie Mitglied der deutschen Delegation HABITAT II. Seit 2004 ist sie als Professorin für Bestandsentwicklung und Erneuerung von Siedlungseinheiten an der TU Berlin tätig. Dipl.-Ing. Nicole Riediger studierte Wirtschaftsingenieurwesen, Fachrichtung Bauingenieurwesen, an der TU Berlin. Sie begleitete seit 1995 mehrere Projekte für Hornfeldt & Scheel, Berlin und PMA, Inc., San Francisco, USA. Von 2002 bis 2004 leitete sie Projekte am FG Wirtschaftsinformatik/AEDV der TU Berlin. Seit 2004 ist sie tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Forschung, Lehre und Projektarbeit am FG Bauwirtschaft und Baubetrieb an der TU Berlin sowie im Weiterbildungsstudiengang Real Estate Management (MSc.). Dr.-Ing. Frank Rackwitz studierte Bauingenieurwesen an der TU Berlin und war anschließend in der Bauleitung und Bauüberwachung tätig. Seit 1998 ist er am Fachgebiet Grundbau und Bodenmechanik – Degebo im Institut für Bauingenieurwesen an der TU Berlin beschäftigt, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und nach seiner Promotion im Jahr 2002 als Akademischer Rat. Dr.-Ing. Jörg Röder. Studium des Bauingenieurwesens an der TU Berlin von 1991 bis 1997, anschließend Tätigkeit in einem Ingenieurbüro. Von 1999 bis 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin am Fachgebiet Allgemeiner Ingenieurbau, Univ.-Prof. Dr. E. Cziesielski, Promotion. Seit 2003 Lehrbeauftragter für Bauphysik und Ingenieurhochbau an der TU Berlin. Seit 2006 Tätigkeit in einem Ingenieurbüro. Andreas J. Roquette, LL.M., Rechtsanwalt und Attorney at Law (New York), studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten München, Paris und New York. 1992 war er für ein Jahr als Foreign Associate bei Sullivan and Cromwell in New York tätig. Nach dem Eintritt in die Sozietät CMS Hasche Sigle wurde er dort 1996 Partner. Der Schwerpunkt seiner anwalt-
Autorenverzeichnis lichen Tätigkeit liegt neben dem privaten Baurecht im Bereich Public Private Partnership. Dort berät er sowohl die öffentliche Hand als auch Unternehmen bei der Konzeption, der Vergabe und der Verhandlung von Verträgen bei PPP-Projekten. Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Stavros A. Savidis ist seit 1987 Leiter des Fachgebietes Grundbau und Bodenmechanik – Degebo im Institut für Bauingenieurwesen an der TU Berlin. Er ist Autor von mehr als 150 wissenschaftlichen Publikationen. Seit 1990 ist er Geschäftsführer der GuD Geotechnik und Dynamik GmbH, Berlin, und als Geotechnischer Berater und Sachverständiger an verschiedenen nationalen und internationalen Großprojekten beteiligt. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Rainer Schach. Studium des Bauingenieurwesens mit Schwerpunkt Konstruktiver Ingenieurbau an der Universität Stuttgart. Anschließend tätig als Structural Engineer bei einem Ingenieurbüro in Kanada. 1982 Promotion bei Prof. Drees am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart. Es folgten verantwortliche Tätigkeiten in einer mittelständischen Bauunternehmung anfangs für Organisation und EDV, zuletzt als Niederlassungsleiter. Seit 1996 Direktor des Instituts für Baubetriebswesen der Technischen Universität Dresden mit Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Projektorganisation und Projektmanagement, Facility Management, Kostenermittlungen für Bauwerke und Infrastruktur, Transrapid und Hochleistungsbahnen, Organisation in Bauunternehmen, Projektentwicklung sowie Sicherheits- und Gesundheitsschutz auf Baustellen. Univ.-Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich studierte an der Universität in Stuttgart bis zum Vordiplom Bauingenieurwesen und ging anschließend an die ETH Zürich, um dort sein Studium abzuschließen. Anschließend war er als Assistent für Lehre und Forschung am Lehrstuhl für Informatik im Ingenieurwesen tätig und promovierte (Dr. sc. techn.) dort auch. Nach Abschluss seiner Promotion arbeitete er als Bauingenieur, mit Schwerpunkt Brückenbau, in einem spanischen Ingenieurbüro in Madrid und ging anschließend ins Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner nach Stuttgart. Gleichzeitig war Prof. Schlaich von 2000 bis 2004 Lehrbeauftragter an der Universität Stuttgart für „Bauen mit Seilen“ Seit 1999 ist Mike Schlaich Partner bei Schlaich Bergermann und seit 2002 Geschäftsführer. 2004 erfolgte die Berufung zum Professor für Massivbau an die TU-Berlin und 2005 die Ernennung zum Prüfingenieur für Baustatik. Dr.-Ing. Steffen Schmitt studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Bau an der Technischen Universität Berlin. Vor und während seiner berufsbegleitenden Promotion an der Technischen Universität Berlin über das Thema „Integriertes Vertragsmanagement“ arbeitete er in einem Ingenieurbüro als Berater und Gutachter in baubetrieblichen und betriebswirtschaftlichen Themen. Heute ist er Mitglied der Geschäftsleitung der KVL Bauconsult GmbH und im Projekt-, Vertrags- und Nachtragsmanagement tätig und hält Vorträge in diesen Bereichen. Dipl.-Ing. Nadine Schröter studierte Bauingenieurwesen an der TU Berlin. Anschließend betreute sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Lehrstuhls Bauwirtschaft und Baubetrieb verschiedene Studien zum Thema PPP im Bundesfernstraßenbau. Daneben arbeitete sie für die Private Sector Participation Consult GmbH (PSPC, Berlin) und ist seit Dezember 2006 bei dem Unternehmen als Projektleiterin für Infrastruktur tätig. Dipl.-Ing. Sebastian Seelig studierte Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin und an der Oxford Brookes University. Während des Studiums Mitarbeit in den Planungsbüros Stadtlandprojekte und Freie Planungsgruppe Berlin GmbH. Nach dem Studium freie Mitarbeit bei Ecologic – Institut für Internationale und Europäische Umweltpolitik. Seit 2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, FG Baurecht und Bauverwaltungslehre, Projekt „Young Cities – New Towns in Iran“, TU Berlin.
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Autorenverzeichnis Prof. Dr. Dieter Stassen studierte an der FU Berlin. 1991 Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und seit 1995 Partner in der auf Baurecht spezialisierten Kanzlei HECKER, WERNER, HIMMELREICH & NACKEN. Herr Stassen ist seit 2000 Notar im Kammergerichtsbezirk Berlin. 2005 erhielt er die Ernennung zum Honorarprofessor an der Potsdam School of Architecture (ehemals Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Architektur und Städtebau). Weiter ist er im Vorstand des Berlin Brandenburger Baurechtstag e. V. tätig und Mitglied des Fachausschusses der Rechtsanwaltskammer Berlin für Bestellung der Fachanwälte und Bau- und Architektenrecht. Dr.-Ing. Markus G. Viering, Studium des Bauingenieurwesens an der Technischen Universität in Darmstadt, Tätigkeit in mehreren Projektmanagement- und Projektentwicklungsbüros in Frankfurt am Main, Hamburg und Berlin (z. T. als Partner und Niederlassungsleiter). Parallel zu dieser Tätigkeit promovierte er an der TU Berlin. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger beschäftigt er sich mit den Themengebieten Kosten und Abrechnung im Hochbau. Von 2003 bis 2006 leitete Herr Viering als Gastprofessor den Lehrstuhl Bauwirtschaft und Projektmanagement an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. 2003 Gründung der KVL Bauconsult GmbH mit Bernd Kochendörfer und Jens Liebchen und seitdem Geschäftsführender Gesellschafter Herr Viering ist Gründungsvorstandsvorsitzender des IVKM – Deutschland e. V. (Internationale Vereinigung für Konfliktmanagement und Mediation) und sowie Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen. Dr.-Ing. Brigitte Westphal-Kay studierte an der Universität Rostock Bauingenieurwesen. Seit 1998 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Baustoffe und Baustoffprüfung der TU Berlin. Sie beschäftigt sich vorwiegend mit Untersuchungen zum Verformungsverhalten von Fugenabdichtungssystemen. RA Axel Wunschel studierte nach seiner Lehre zum Speditionskaufmann in Hamburg Rechtswissenschaften in Freiburg und Bordeaux. Als deutscher und französischer Jurist arbeitete er als stellvertretender Geschäftsführer des Europäischen Auslandsbauverbandes European International Contractors von 1991 bis 1994 sowie im Bereich Auslandsbau beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, wo er ab 1994 die Leitung der Hauptabteilung Wirtschaft als zuständiger Geschäftsführer übernahm. Seit 1996 leitet er als Hauptgeschäftsführer den Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg e.V., den regionalen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Bauindustrie. Axel Wunschel ist zugelassener Rechtsanwalt und in vielfältigen ehrenamtlichen Aktivitäten in der Region engagiert. RA Christian Zanner studierte an der Ludwig-Maximilian Universität München und an der Freien Universität Berlin Rechtswissenschaften. Seit 1993 ist er Leiter des Berliner Büros der auf Bau-, Immobilienwirtschaft und Vergaberecht spezialisierten Kanzlei Heiermann Franke Knipp. Seine Schwerpunkte liegen im privaten Baurecht, Vertragsrecht sowie Schiedsgericht, Schlichtung und Mediation. Er ist Lehrbeauftragter an der TU Berlin für Vergaberecht und Bauvertragsrecht nach VOB sowie Vorsitzender des Deutschen Baurechtstags e.V.; und Vorstandsmitglied des Berlin-Brandenburger Baurechtstags e.V. und hat eine Vielzahl von Büchern verfasst und mit herausgegeben.
Inhaltsverzeichnis 1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit ................................................................................ 1 1.1 Worauf baut Deutschland? .......................................................................................... 1 1.1.1 Die Baukrise – Impuls für neue Entwicklung ................................................. 1 1.1.2 Wege aus der Krise – die Etablierung neuer Strukturen ................................. 2 1.1.3 Darauf baut Deutschland: Qualität, Innovation, Partnerschaft........................ 3 1.1.3.1 Qualitätsoffensive............................................................................. 3 1.1.3.2 Innovation......................................................................................... 4 1.1.3.3 Partnerschaft ..................................................................................... 5 1.1.4 Das Fundament für die Zukunft ...................................................................... 6 1.2 Wie kann ein großer Mittelständler im deutschen Baumarkt überleben?.................... 6 1.2.1 Einleitung ........................................................................................................ 6 1.2.2 Die Entwicklung des deutschen Baumarktes in den vergangenen 10 Jahren.................................................................................... 8 1.2.3 Anpassungsstrategien im Allgemeinen ........................................................... 9 1.2.4 Strategien des Beispielunternehmens............................................................ 10 1.2.4.1 Personal......................................................................................................... 10 1.2.4.2 Organisation ................................................................................... 11 1.2.4.3 Firmenphilosophie .......................................................................... 11 1.2.4.4 Projektauswahl ............................................................................... 12 1.2.5 Fazit und Ausblick ........................................................................................ 14 1.3 Entwicklung der Bauwirtschaft von 1946 – 2006 ..................................................... 14 1.3.1 Aktuelle Situation.......................................................................................... 14 1.3.2 Ursachen und Wirkungen.............................................................................. 15 1.3.3 Notwendige Schritte...................................................................................... 17 1.3.4 Planen und Bauen mit Zielsystemen ............................................................. 19 1.3.5 Ausblick ........................................................................................................ 19 2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen.............................................................. 21 2.1 Der wettbewerbliche Dialog als neues Vergabeverfahren für die öffentliche Hand am Beispiel der Kaiserschleuse Bremerhaven ............................... 21 2.1.1 Einleitung Bremerhaven Kaiserschleuse....................................................... 21 2.1.2 Neubau der Kaiserschleuse ........................................................................... 22 2.1.3 Vergabeverfahren – wettbewerblicher Dialog – ........................................... 25 2.1.4 Zusammenfassung......................................................................................... 29 2.2 Die Ausgestaltung der Kalkulationsgrundlagen in Public Private Partnership-Projekten .................................................................................... 29 2.2.1 Einleitung ...................................................................................................... 29 2.2.2 Aufbau der Verdingungsunterlagen in PPP-Projekten.................................. 30 2.2.3 Abfrage der Kalkulationsgrundlagen ............................................................ 34 2.2.4 Fazit............................................................................................................... 37 2.3 Öffentlich Private Partnerschaften – Erstes Pilotprojekt in Berlin? .......................... 37 2.3.1 Grundlagen der Vorteilhaftigkeit von Öffentlich Privaten Partnerschaften ..... 37 2.3.1.1 Wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit .................................................... 38 2.3.1.2 Reduzierung der Tätigkeiten der öffentlichen Hand auf die Kernaufgaben ..................................................................... 40
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Inhaltsverzeichnis
2.4
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2.3.1.3 Abbau des Investitionsstaus............................................................ 40 2.3.1.4 Mehr Bauvolumen stabilisiert die Baukonjunktur.......................... 41 2.3.1.5 Schnellere Umsetzung von Bauprojekten....................................... 41 2.3.1.6 Höhere Qualität bei Bauausführung und Materialien ..................... 41 2.3.1.7 Neue Wege der Risikoverteilung im Hochbau ............................... 42 2.3.1.8 Wiedererwecken der Innovationsmaschine Bau............................. 42 2.3.1.9 Tilgung der Kredite nach Ablauf eines PPP-Projekts..................... 43 2.3.1.10 Lebenszyklusbetrachtung bei Bauprojekten ................................... 43 2.3.1.11 Nutzung der Innovationskraft ......................................................... 44 2.3.1.12 Gewinner von ÖPP sind die Nutzer................................................ 44 2.3.2 Arbeitsprogramm des RfBB .......................................................................... 44 2.3.3 Vorstudie im Bezirk Spandau........................................................................ 45 2.3.3.1 Ausgangslage.................................................................................. 45 2.2.3.2 Durchführung ................................................................................. 45 2.3.3.3 Ergebnis der Studie......................................................................... 46 2.3.4 Wirtschaftlichkeitsberechnung im Bezirk Spandau ...................................... 47 2.3.4.1 Ausgangslage.................................................................................. 47 2.3.4.2 Durchführung ................................................................................. 48 2.3.4.3 Ergebnis des Wirtschaftlichkeitsvergleichs .................................... 48 2.3.5 Aussichten ..................................................................................................... 49 Der Lebenszyklusansatz im Bundesfernstraßenbau................................................... 50 2.4.1 Einleitung ...................................................................................................... 50 2.4.2 Rahmenbedingungen im Bundesfernstraßensektor ....................................... 50 2.4.3 Lebenszyklen Erhaltung und Betrieb ............................................................ 51 2.4.3.1 Erhaltung ........................................................................................ 52 2.4.3.2 Betrieb ............................................................................................ 53 2.4.4 Einbindung der Privatwirtschaft zur Effizienzsteigerung ............................. 55 2.4.5 Rahmenbedingungen für PPP-Modelle in Deutschland ................................ 56 2.4.6 PPP-Modelle im Bundesfernstraßenbau........................................................ 57 2.4.6.1 Funktionsbauvertrag ....................................................................... 57 2.4.6.2 F-Modell ......................................................................................... 58 2.4.6.3 A-Modell ........................................................................................ 59 2.4.7 Fazit............................................................................................................... 61 PPP im öffentlichen Hochbau.................................................................................... 62 2.5.1 Einleitung ...................................................................................................... 62 2.5.2 Public Private Partnership ............................................................................. 62 2.5.2.1 Grundlagen ..................................................................................... 62 2.5.2.2 PPP-Vertragsmodelle in Deutschland............................................. 64 2.5.2.3 Finanzierung ................................................................................... 65 2.5.2.4 ÖPP-Beschleunigungsgesetz .......................................................... 65 2.5.3 PPP im Schulsektor ....................................................................................... 66 2.5.3.1 Notwendige Schritte seitens der Kommunen bis zum Vertragsbeginn........................................................................ 67 2.5.3.2 Ergänzende Elemente zur Absicherung der öffentlichen Hand ...... 71 2.5.4 Integration kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) in PPP-Schulprojekte........................................................................ 72 2.5.4.1 Ausgangssituation........................................................................... 72 2.5.4.2 Projektspezifische Ansätze ............................................................. 72 2.5.4.3 Verfahrensspezifische Ansätze ....................................................... 73
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Inhaltsverzeichnis 2.5.5
Fazit............................................................................................................... 73
3 Entwerfen und Konstruieren............................................................................................ 75 3.1 Werkstoffübergreifendes Entwerfen und Konstruieren in der Lehre ........................ 75 3.1.1 Einleitung ...................................................................................................... 75 3.1.2 Warum Entwerfen und Konstruieren ............................................................ 75 3.1.3 Wann Entwerfen und Konstruieren............................................................... 77 3.1.4 Werkstoffübergreifendes Entwerfen und Konstruieren ................................ 78 3.1.5 Berlin, Technische Universität...................................................................... 80 3.1.6 Literatur......................................................................................................... 81 3.2 Nachhaltiges Bauen unter Aspekten des Konstruktiven Ingenieurbaus .................... 82 3.2.1 Ursprünge nachhaltigen Denkens ................................................................. 82 3.2.2 Was bedeutet Nachhaltigkeit für das Bauwesen? ......................................... 83 3.2.3 Nachhaltigkeit von Gebäuden ....................................................................... 84 3.2.3.1 Methoden zur Erfassung der Nachhaltigkeit bei Gebäuden ........... 84 3.3.3.2 Zwischenbilanz............................................................................... 85 3.2.4 Nachhaltigkeit von Ingenieurbauwerken ...................................................... 86 3.2.4.1 Korrekturwertmethode.................................................................... 86 3.2.4.2 Anwendung der Korrekturwertmethode auf Brückenbauwerke..... 88 3.2.5 Zusammenfassung......................................................................................... 91 3.2.6 Literatur......................................................................................................... 91 3.3 Wärmedämmverbundsysteme auf hölzernen Untergründen...................................... 92 3.3.1 Einführung und Problemstellung .................................................................. 92 3.3.1.1 Ausgangssituation........................................................................... 92 3.3.1.2 Aufbau einer Holzrahmenbauwand mit Wärmedämmverbundsystem .......................................................... 92 3.31.3 Schäden von Wärmedämmverbundsystemen auf hölzernen Untergründen.................................................................................. 93 3.3.1.4 Untersuchungsbedarf...................................................................... 93 3.3.2 Verklebung von WDVS auf Beplankungswerkstoffe des Holzrahmenbaus ..................................................................................... 93 3.3.2.1 Bei den Untersuchungen verwendete Klebemörtelarten ................ 93 3.3.2.2 Bei den Untersuchungen verwendete Beplankungswerkstoffe ...... 94 3.3.3 Beanspruchungen der Verbundzone zwischen Klebemörtel und Beplankung ............................................................................................ 95 3.3.3.1 Beanspruchung der Verbundzone während der Aushärtung der Klebemörtel .......................................................... 95 3.3.3.2 Beanspruchung der Verbundzone während der Standzeit des WDVS ...................................................................................... 98 3.3.4 Untersuchungen zur Verklebung von WDVS auf Holzwerkstoffplatten...... 98 3.3.4.1 Ergebnisse der Haftzugfestigkeitsuntersuchungen ......................... 98 3.3.4.2 Quantifizierung der hygrischen Veränderungen der Holzwerkstoffoberflächen ............................................................ 100 3.3.4.3 Ableitung von Beurteilungskriterien zur Prognose von Haftzugfestigkeiten................................................................ 105 3.3.4.4 Schlussfolgerungen und Anwendung der Haftzug-Prognosen..... 105 3.3.5 Zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse............................................................................ 107 3.3.6 Literatur....................................................................................................... 107
XVI
Inhaltsverzeichnis 3.4
Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen – Vergleich Experiment und Berechnung....................................................................................................... 108 3.4.1 Anwendung von Fugendichtstoffen ............................................................ 108 3.4.2 Beschreibung des Materialverhaltens.......................................................... 109 3.4.3 Experimentelle Untersuchungen des Verformungsverhaltens .................... 112 3.4.3.1 Prüfvorrichtung und Prüfbedingungen ......................................... 112 3.4.3.2 Versuchsergebnisse ...................................................................... 114 3.4.4 Numerische Untersuchungen des Verformungsverhaltens.......................... 115 3.4.5 Gegenüberstellung 3D-photogrammetrisch und numerisch ermittelte Verformung ................................................................................. 116 3.4.6 Literatur....................................................................................................... 121
4 Bauwirtschaft und Management .................................................................................... 123 4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich des Bauprojektmanagements ..... 123 4.1.1 Einleitung .................................................................................................... 123 4.1.2 Begriffe und Grundlagen............................................................................. 123 4.1.3 Bauprojektbegleitender Vertragsmanagementprozess ................................ 126 4.1.3.1 Überlegungen zur Vertragsbeziehung .......................................... 127 4.1.3.2 Phasen der Vertragsbeziehung...................................................... 129 4.1.4 Abgrenzung zu anderen Projektleistungen.................................................. 132 4.1.4.1 Objektplanung .............................................................................. 133 4.1.4.2 Projektsteuerung ........................................................................... 135 4.1.5 Zusammenfassung ....................................................................................... 136 4.2 Internetbasiertes Informations- und Managementsystem für die Bauausführung im Spezialtiefbau ................................................................ 138 4.2.1 Einleitung .................................................................................................... 138 4.2.2 Informations- und Managementsystem für den Spezialtiefbau ................... 140 4.2.2.1 Allgemeines .................................................................................. 140 4.2.2.2 Randbedingungen und Anforderungen an ein Informations- und Managementsystem für den Spezialtiefbau ....... 141 4.2.2.3 Theoretische Modellierung und Implementierung........................ 142 4.2.3 Praktisches Anwendungsbeispiel ................................................................ 144 4.2.3.1 Projektbeschreibung ..................................................................... 144 4.2.3.2 Anwendung des Informations- und Managementsystems in der Bauausführung.................................................................... 145 4.2.3.3 Erfahrungen aus dem Praxiseinsatz .............................................. 146 4.2.4 Schlussfolgerungen und Ausblick ............................................................... 147 4.2.5 Danksagung................................................................................................. 148 4.3 Die generalisierte Wegalgebra als Werkzeug des Computational Management im Bauwesen ............................................................. 148 4.3.1 Computational Management ....................................................................... 148 4.3.2 Mathematische Grundlagen......................................................................... 150 4.3.2.1 Aufgabenstellung.......................................................................... 150 4.3.2.2 Mathematische Eigenschaften gerichteter Graphen...................... 151 4.3.2.3 Wegmengen .................................................................................. 152 4.3.2.4 Bewertung von Wegmengen......................................................... 155 4.3.2.5 Wegalgebra................................................................................... 156 4.3.2.6 Boolesche Wegalgebra ................................................................. 156 4.3.2.7 Reelle Wegalgebra für Minimale Weglänge................................. 156
XVII
Inhaltsverzeichnis 4.3.2.8 4.3.2.9 4.2.2.10 4.3.2.11
Reelle Wegalgebra für Maximale Weglänge................................ 157 Reelle Wegalgebra für Wege mit Maximaler Zuverlässigkeit ..... 157 Reelle Wegalgebra für Wege mit Maximaler Kapazität............... 158 Literale Wegalgebra für die Kanten auf den Wegen zwischen zwei Knoten .................................................................. 159 4.3.2.12 Literale Wegalgebra für die gemeinsamen Kanten auf den Wegen zwischen zwei Knoten............................................... 159 4.3.2.13 Literale Wegalgebra für die Menge der einfachen Wege zwischen zwei Knoten........................................................ 160 4.3.2.14 Literale Wegalgebra für die Menge der kürzesten einfachen Wege zwischen zwei Knoten........................................................ 161 4.3.3 Bestimmung der Hülle der Bewertungsmatrix ............................................ 162 4.3.3.1 Eigenschaften der Wegalgebren ................................................... 162 4.3.3.2 Lösungen des Gleichungssystems ................................................ 163 4.3.3.3 Direkte Elimination analog zum Verfahren von Gauß für lineare Gleichungen ................................................................ 164 4.3.4 Implementierung der Computeranwendung................................................ 165 4.3.4.1 Struktur der Anwendung .............................................................. 165 4.3.4.2 Spezielle Klassen der Implementierung ....................................... 166 4.3.4.3 Implementierung des Gleichungslösers ........................................ 168 4.3.5 Folgerungen ................................................................................................ 168 4.3.6 Literatur....................................................................................................... 169 4.4 Aspekte des Facility Management im Lebenszyklus einer Immobilie – Beispiel einer ganzheitlichen Informationsstrategie in einer öffentlichen Verwaltung .......................................................................................... 170 4.4.1 Einleitung .................................................................................................... 170 4.4.2 Lebenszyklusansatz bei Immobilien ........................................................... 170 4.4.3 Zugrundeliegendes Konzept des CAFM-Systems der TU Berlin ............... 173 4.4.3.1 Ziele bei der Projektinitiierung an der TU Berlin......................... 174 4.4.3.2 Aufbau der entwickelten CAFM-Lösung ..................................... 174 4.4.4 Integrierte Systemmodule des CAFM-Systems der TU Berlin ................... 175 4.4.4.1 Flächenmanagement ..................................................................... 175 4.4.4.2 Grafikkomponente ........................................................................ 176 4.4.4.3 Leistungsmanagement .................................................................. 179 4.4.4.4 Vertragsmanagement .................................................................... 179 4.4.4.5 Inventarverwaltung....................................................................... 179 4.4.4.6 Auftragsverwaltung ...................................................................... 180 4.4.4.7 Instandhaltung und Wartung ........................................................ 180 4.4.4.8 Gefahrstoffverwaltung.................................................................. 181 4.4.4.9 Zusätzliche Funktionalitäten des Systems .................................... 181 4.4.5 Beispielhafte Funktionsweise des CAFM-Systems der TU Berlin ............. 181 4.4.6 Potenziale des CAFM für den Lebenszyklusansatz .................................... 184 4.4.7 Fazit............................................................................................................. 185 4.4.8 Literatur....................................................................................................... 185 4.5 Qualität im Facility Management ............................................................................ 186 4.5.1 Status Quo des Facility Management ...................................................................... 186 4.5.2 Die Dienstleistung im Facility Management ............................................... 187 4.5.3 Die Verbraucher von FM – Leistungen....................................................... 188 4.5.4 Der Immobilienwert .................................................................................... 189
XVIII
Inhaltsverzeichnis 4.5.5
4.6
4.7
4.8
4.9
Konsequenzen für den Immobilien-/FM-Bereich und das Rollenverständnis der Beteiligten................................................................ 189 4.5.6 Lösungsansatz ............................................................................................. 190 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig! .................................................. 191 4.6.1 Vorbemerkung............................................................................................. 191 4.6.2 Planung von Gebäuden und Aufgabenstellung ........................................... 191 4.6.3 Geschossfläche nach Baugesetzbuch .......................................................... 193 4.6.4 Raum- und Funktionsprogramm ................................................................. 194 4.6.5 Brutto-Grundfläche ..................................................................................... 197 4.6.6 Einflüsse auf die Grundflächen eines Gebäudes ......................................... 199 4.6.6.1 Anteil der Technischen Funktionsfläche (TF/BGF) ..................... 199 4.6.6.2 Anteil der Verkehrsfläche (VF/BGF) ........................................... 201 4.6.6.3 Anteil der Konstruktions-Grundfläche (KGF/BGF)..................... 202 4.6.7 Schlussbetrachtung...................................................................................... 202 4.6.8 Literatur....................................................................................................... 203 4.6.9 Gesetze, Normen und Verordnungen .......................................................... 203 4.6.10 Anhang: Planungs- und Flächenkennwerte ausgewählter Nutzungen ........ 204 Technologische Abhängigkeiten zwischen Ausführungsvorgängen ....................... 207 4.7.1 Einleitung .................................................................................................... 207 4.7.2 Bauteile und ihre Zustände.......................................................................... 208 4.7.3 Ausführungsvorgänge ................................................................................. 210 4.7.4 Berechnung der Abhängigkeiten ................................................................. 212 4.7.5 Nachbearbeitung des Terminplans .............................................................. 214 4.7.6 Zusammenfassung und Ausblick................................................................. 215 Die Auswirkungen von Basel II auf Projektfinanzierungen.................................... 215 4.8.1 Einführung................................................................................................... 215 4.8.2 Basel I und Basel II ..................................................................................... 216 4.8.3 Ziele und Grundsätze von Basel II .............................................................. 216 4.8.4 Projektfinanzierungen ................................................................................. 218 4.8.4.1 Charakteristikum........................................................................... 218 4.8.4.2 Vor- und Nachteile ....................................................................... 220 4.8.4.3 Wettbewerbssituation ................................................................... 221 4.8.5 Behandlung von Projektfinanzierungen durch Basel II .............................. 222 4.8.5.1 Vorläufige Handhabung durch den Baseler Ausschuss................ 222 4.8.5.2 Endgültige Handhabung im Juni 2004 ......................................... 224 4.8.6 Zentrale Bedeutung des internen Ratings.................................................... 225 4.8.7 Literatur....................................................................................................... 227 Der Real Estate Investment Trust (REIT)................................................................ 228 4.9.1 Einleitung .................................................................................................... 228 4.9.2 Historie des Der Real Estate Investment ..................................................... 228 4.9.2.1 Konzeption und Konstruktion ...................................................... 230 4.9.2.2 Bewertung..................................................................................... 236 4.9.2.3 Angebotsanalyse ........................................................................... 237 4.9.3 Vorteile und Gründe der Einführung eines Deutschen REIT...................... 240 4.9.4 Vorstellung eines möglichen German REIT nach Empfehlung der IFD..... 242 4.9.4.1 Allgemein ..................................................................................... 242 4.9.4.2 Konzept und Konstruktion des G-REIT ....................................... 242 4.9.4.3 Besteuerung .................................................................................. 243 4.9.5 Schlussbetrachtung...................................................................................... 244
Inhaltsverzeichnis 4.9.6 Literaturverzeichnis..................................................................................... 245 4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen – Die Schlichtungsordnung für Bausachen (SchliO Bau) im „Drei Säulen Modell“ der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V................. 246 4.10.1 Ausgangslage .............................................................................................. 246 4.10.2 Die Schlichtungsordnung für Bausachen – SchliO Bau –........................... 249 4.10.2.1 Vertragsschluss............................................................................. 250 4.10.2.2 Persönliche Voraussetzungen des Schlichters .............................. 251 4.10.2.3 Dauer der Ernennung.................................................................... 251 4.10.2.4 Rechte und Pflichten des Schlichters............................................ 251 4.10.2.5 Anrufung des Schlichters ............................................................. 252 4.10.2.6 Schlichterspruch ........................................................................... 253 4.10.2.7 Einrichtung eines Schlichtergremiums ......................................... 253 4.10.2.8 Anrufung eines Schiedsgerichts ................................................... 253 4.10.3 Fazit und Ausblick ...................................................................................... 254 4.10.4 Anhang ........................................................................................................ 255 5 Herausforderungen im Ausland..................................................................................... 263 5.1 Forschung für die nachhaltige Entwicklung der Megastädte von morgen: Projektmanagement im BMBF-Projekt „Young Cities – New Towns in Iran“....... 263 5.1.1 Neue Aufgaben: Projektmanagement als Forschungsgegenstand............... 263 5.1.1.1 Herausforderungen ....................................................................... 263 5.1.1.2 Projektziele ................................................................................... 264 5.1.1.3 Dimensionen des Projektmanagements ........................................ 265 5.1.2 Projektentwicklung – Projektmanagement – Leitfragen ............................. 266 5.1.2.1 Identifizierung der lokalen Rahmenbedingungen und Problemlagen ......................................................................... 266 5.1.2.2 Projektmanagement in der Projektentwicklung............................ 269 5.1.3 Schlussfolgerungen ..................................................................................... 271 5.1.4 Literatur....................................................................................................... 272 5.2 Immobilieninvestitionen in Russland/der Ablauf von der Idee bis zur Realisierung ......................................................................................... 272 5.2.1 Einleitung .................................................................................................... 272 5.5.2 Immobilienmarkt......................................................................................... 273 5.2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen................................................................. 275 5.2.4 Ablauf der Projektentwicklung ................................................................... 276 5.2.4.1 Ablauf und Inhalt der Vorplanungsphase..................................... 276 5.2.4.2 Von Planungsdokumentation bis zur Baugenehmigung............... 281 5.2.4.3 Realisierung.................................................................................. 285 5.2.5 Fazit............................................................................................................. 285 5.2.6 Literatur....................................................................................................... 285 5.3 Verfügbarkeitskonzept bei Autobahnen – dargestellt am Beispiel der M 6 in Ungarn .............................................................................. 286 5.3.1 Das Projekt M6 in Ungarn .......................................................................... 286 5.3.2 Was ist ein „Verfügbarkeitskonzept“? ........................................................ 286 5.3.3 Abzüge vom/oder Zuschläge zum Verfügbarkeitsentgelt: wofür und wie viel?..................................................................................... 287 5.3.4 Was passiert am Ende der Vertragslaufzeit?............................................... 292 5.3.5 Schlussbetrachtung...................................................................................... 292
XIX
XX
Inhaltsverzeichnis 6 Kosten und Bauzeit.......................................................................................................... 293 6.1 Risikobewertung bei frühen Kostenkalkulationen................................................... 293 6.1.1 Die Kostenermittlung des Bauherrn nach DIN 276 und HOAI – kritische Anmerkungen ............................................................................... 293 6.1.2 Die Kostenkalkulation des Bauunternehmers bei einer Ausschreibung mit Leistungsverzeichnis .................................................... 296 6.1.3 Andere Arten der Kostenermittlung ............................................................ 297 6.1.4 Kostenermittlung mit stochastischen Ansätzen ........................................... 298 6.1.4.1 Stochastische Kosten- und Mengenansätze .................................. 299 6.1.4.2 Mathematischer Modellansatz ...................................................... 300 6.1.4.3 Kostenermittlung für eine Rad-Schiene- und eine Transrapid-Hochgeschwindigkeitsstrecke .................................... 301 6.1.5 Zusammenfassung und Wertung ................................................................. 303 6.1.6 Literatur....................................................................................................... 304 6.2 Der Streit um des Kaisers Bart ................................................................................ 305 6.2.1 Einleitung .................................................................................................... 305 6.2.2 Die Analyse von Thode............................................................................... 305 6.2.2.1 Ausgangspunkt ............................................................................. 305 6.2.2.2 Reaktionen auf Thode................................................................... 306 6.2.3 Aus der Thode-Analyse folgende Probleme der Praxis .............................. 307 6.2.3.1 Überlappung der Fallgruppen – Mischfälle .................................. 307 6.2.3.2 Folgen für die Anspruchsberechnung........................................... 309 6.2.4 Lösungsansätze............................................................................................ 309 6.2.4.1 Ausgangspunkt: Hilfestellungen der Rechtsordnung ................... 309 6.2.4.2 Anwendung des § 642 BGB statt des § 6 Nr. 6 VOB/B............... 311 6.2.4.3 Schwerpunkttheorie ...................................................................... 312 6.2.4.4 Anpassung durch Schätzung......................................................... 313 6.2.4.5 Es bleibt komplex ......................................................................... 314 6.2.5 Ergebnis....................................................................................................... 315 6.3 Der Bauzeitnachtrag des Architekten ...................................................................... 316 6.3.1 Einführung................................................................................................... 316 6.3.2 Ansprüche bei vertraglicher Vereinbarung ................................................. 317 6.3.2.1 Die Rechtsprechung des BGH ...................................................... 317 6.3.2.2 Die unterschiedlichen Formulierungsvorschläge für Verlängerungen....................................................................... 318 6.3.2.3 Mehraufwendungen und ihre Berechnung anhand der Rechtsprechung ...................................................................... 320 6.3.3 Honoraransprüche, wenn keine vertragliche Regelung besteht .................. 321 6.3.3.1 Der Wegfall der Geschäftsgrundlage............................................ 322 6.3.3.2 Die Regelung des § 642 BGB....................................................... 323 6.3.4 Fazit............................................................................................................. 325 6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel beim Bauvertrag ................................. 325 6.4.1 Einleitung .................................................................................................... 325 6.4.2 Der Begriff des Sachmangels ...................................................................... 326 6.4.2.1 Der frühere Sachmangelbegriff in § 13 Nr. 1 VOB/B und § 633 BGB bis zum 31.12.2001 ...................... 326 6.4.2.2 Der heutige Sachmangelbegriff seit der Schuldrechtsreform ....... 327 6.4.3 Überblick des bisherigen Diskussionsstandes ............................................. 329 6.4.4 Fazit............................................................................................................. 331
XXI
Inhaltsverzeichnis 6.4.5
Rechtsfolgen der hier vertretenen Auffassung ............................................ 331 6.4.5.1 Die Bauzeitüberschreitung als zulässiges Beweisthema des selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 Abs. 2 ZPO....... 331 6.4.5.2 Die Bauzeitüberschreitung als Gegenstand der Sachmangelhaftung gemäß § 13 VOB/B und § 633 ff. BGB....... 332
7 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer..................................................................... 339 7.1 Lebens- und Berufsweg........................................................................................... 339 7.2 Das Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb........................................................ 341 7.3 Publikations- und Vortragsverzeichnis (ein Auszug) .............................................. 343 7.3.1 Herausgebertätigkeiten................................................................................ 343 7.3.2 Buchveröffentlichungen.............................................................................. 344 7.3.3 Publikationen in Sammelbänden ................................................................. 344 7.3.4 Publikationen in Zeitschriften ..................................................................... 345 7.3.5 Vorträge bis dato in 2006............................................................................ 345 7.3.6 Dissertationen – Schriftenreihe des Fachgebietes Bauwirtschaft und Baubetrieb ............................................................................................ 348 Sachwortverzeichnis.............................................................................................................. 351
1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit 1.1 Worauf baut Deutschland? bearbeitet von Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Hans-Peter Keitel
1.1.1 Die Baukrise – Impuls für neue Entwicklung Wirtschaftsunternehmen und ihre Mitarbeiter, Industrien und Branchen unterliegen einem kontinuierlichen Wandel. Kaum ein Wirtschaftszweig Branche hat jedoch in so kurzer Zeit eine so grundlegende Veränderung erfahren wie die deutsche Bauindustrie, die sich innerhalb nur einer Dekade völlig neu strukturieren musste. Doch trotz der schwierigen Bedingungen ist es gelungen, diesen Wandel erfolgreich zu gestalten. Um die Situation der Branche in ihrer Entwicklung der vergangenen Jahre zu verstehen, ist ein kleiner Exkurs in die jüngere Geschichte der Bauindustrie hilfreich. Denn historisch gesehen hat die Baubranche in Deutschland viele Jahre lang eigentlich außerhalb der Marktwirtschaft gearbeitet. Ansprüche an besondere Zusatzleistungen und Services waren im Wettbewerb kaum ausgeprägt, denn die Auftragsbücher der Unternehmen waren jahrzehntelang komfortabel gefüllt. Zuerst in der Wiederaufbau-Phase nach dem Zweiten Weltkrieg, dann während des Ölbooms in den siebziger Jahren, als die deutsche Bauwirtschaft von dem unerwarteten Reichtum der ölexportierenden Länder profitierte und in Saudi-Arabien und den Arabischen Emiraten Geld verdiente. Die Bauphase nach der deutschen Wiedervereinigung schließlich brachte noch einmal einen bedeutenden Wachstumsschub. In Deutschland herrschte zu dieser Zeit – also um 1990 – eine überaus optimistische, vielfach euphorische Aufbruchstimmung. Insbesondere in der Baubranche war die Stimmung „bullish“, denn die enormen Investitionen in den Wohnungs-, Wirtschafts- und Infrastrukturbau sowie die großen Bauaufgaben im Osten Deutschlands führten zu einem regelrechten Boom am Bau. Große, mittlere und vor allem auch kleine Bauunternehmen profitierten von der „Sonderkonjunktur Ost“. Zwischen 1991 und 1995 nahm das Bauvolumen um 25 Prozent zu. Mit mehr als 1,4 Millionen Arbeitnehmern war die Bauwirtschaft einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Bis 1995 setzte sich der positive Trend fort. Die Zahl der Bauunternehmen stieg deutlich an; auf ein Großunternehmen kamen zu dieser Zeit etwa 110 mittelständische und kleinere Betriebe. Das Jahr 1995 stellte allerdings auch den Höhepunkt des Marktzyklus in Deutschland dar; danach ging es steil bergab. Die Branche erlebte ihre tiefste Krise und eine damals unvorstellbare Talfahrt, deren Ende hoffentlich das Jahr 2005 gebildet hat. Fast 800.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz in der Bauwirtschaft. Mehr als 80.000 Unternehmen meldeten Insolvenz an. Die Bruttowertschöpfung der Bauwirtschaft liegt heute bei etwa vier Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistungserstellung – 1994 waren es mehr als sieben Prozent. Noch immer tobt in der Branche ein unerbittlicher Verdrängungswettbewerb. Die Folge: Statt Qualität zählt am Markt der Preis. Das Ausmaß der Baukrise traf die Unternehmen unvorbereitet; ihre Handlungsspielräume waren in der schwierigen Situation ausgesprochen begrenzt. Mitte und Ende der 90er Jahre herrschte bei manchen Unternehmen der Glaube, man könne sich dem Preisverfall durch die Konzentration auf den Bau komplexer Großprojekte entziehen. Diese Vermutung erwies sich als falsch, denn es stiegen nicht die Margen, sondern die Risiken. Das Ergebnis war eine rasche Beschleunigung der Abwärtsspirale. Mehrere ganz große Bauunternehmen sind auf diese
2
1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit
1
Weise aus dem Wettbewerb ausgeschieden. Die Zahl der frei an der deutschen Börse gehandelten Bau-Aktiengesellschaften hat sich auf heute gerade noch zwei reduziert. Für das traditionsreiche Bauunternehmen HOCHTIEF, dessen Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, lag die Lösung angesichts der Marktsituation der 1990er Jahre in der konsequenten Transformation und Weiterentwicklung seiner bestehenden Strukturen. Wir haben die Organisation von Projekten und die Steuerung von Prozessen in den Fokus genommen.
1.1.2 Wege aus der Krise – die Etablierung neuer Strukturen Die große Herausforderung beim Bauen liegt zum einen in der Technik, zum anderen in der Natur der nicht-stationären Produktion: des Herstellens von Prototypen an ständig wechselnden Einsatzorten unter völlig verschiedenen regionalen, wirtschaftlichen, politischen oder vertraglichen Randbedingungen. Baustellen mit Tagesleistungen von einer Million Euro und mehr sind vergleichbar mit bedeutenden mittelständischen Betrieben – doch sie werden nicht nach lange überlegten Businessplänen an optimalen Standorten geführt, sondern stets nur vorübergehend installiert und in kürzester Zeit nach fremden Plänen auf volle Produktion hochgefahren. Genau dann und dort, wo der Kunde dies wünscht. Der Markt für Bauleistungen ist in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden. Immer häufiger wurden – und werden – von den Bauherren nicht nur reine Bauleistungen nachgefragt, sondern die Bereitstellung von Ressourcen für bestimmte Aufgaben, Budgets und Zeiträume. So schreiben Unternehmen heute oft nicht mehr den Bau eines vom Architekten fertig geplanten Produktionswerks aus, sondern die Übernahme von Planung, Bau und Betrieb des Gebäudes und der Produktionslogistik für einen bestimmten Zeitraum und zu einem Festpreis. Auch die öffentliche Hand hat die Aufgaben für die Realisierung öffentlicher Infrastruktur – also etwa Schulen, Krankenhäuser und Mautstraßen – erheblich erweitert: Das PublicPrivate-Partnership-Modell etwa beinhaltet auch die Organisation der erforderlichen Voraussetzungen für den Bau: die Einrichtung rechtlicher und betrieblicher Strukturen, die Projektfinanzierung oder das Erstellen von Betreiberkonzepten ebenso wie den langfristigen Betrieb der Projekte. Das bedeutet, dass sich ein Markt für baunahe Dienstleistungen und für die Steuerung von baunahen Prozessen entwickelt hat. HOCHTIEF ist diesen veränderten Anforderungen mit einer grundlegenden Neuorientierung des Leistungsangebots begegnet. Das Steuern der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens rückte in den Fokus des Konzerns. Dazu gehörte die Übertragung der Prozess-Kompetenz auf weitere Felder, etwa das Management von Flughäfen und Kohleminen. Und dazu gehörte auch die schlüssige Ergänzung von Bauleistungen um Services. Einige Beispiele: • HOCHTIEF ist einer der größten unabhängigen Flughafenmanager. • HOCHTIEF ist globaler Marktführer im Contract-Mining, also als Vertragspartner im oberund unterirdischen Bergbau. • HOCHTIEF ist ein internationaler Erfahrungsträger für die Realisierung privatisierter Infrastruktur und hat wesentliche Impulse für die Entwicklung von Public Private Partnership in Deutschland gesetzt. • HOCHTIEF ist in der Spitze der Projektentwickler in Deutschland. • HOCHTIEF ist einer der führenden Anbieter für integriertes Facility-Management in Deutschland. Eine Grundvoraussetzung für diese Erfolge war die konsequente Internationalisierung des Unternehmens. HOCHTIEF ist heute der drittgrößte und der internationalste Baudienstleister der Welt. Ausländische Beteiligungen ermöglichten es, wichtige Marktanteile in entwicklungs-
1.1 Worauf baut Deutschland?
3
fähigen Ländern zu sichern – dazu zählen vor allem Australien und die USA. Erst so wurde der Schritt ins weltweite Baudienstleistungsgeschäft möglich.
1
Mit seiner grundlegenden Neuausrichtung ist es HOCHTIEF gelungen, das Risikopotenzial des Baugeschäfts insgesamt positiv zu beeinflussen. Das stark zyklische Projektgeschäft mit großen Chancen, aber auch relativ hohen Risiken, wird abgefedert durch Geschäfte mit kontinuierlichem Verlauf – sie stehen für langfristige Kundenbeziehungen, stetigen Cashflow und geringeres Risiko bei gleichzeitig guten Wachstumschancen. HOCHTIEF verfügt heute über eine modulare Angebotspalette: Die Leistungen reichen von der Entwicklung über den Bau bis zu Dienstleistungen sowie Konzessionen und Betrieb. Die Kunden können integrierte Leistungspakete erwerben – für die Phasen vor, während und nach dem Bau. Wichtig ist dabei: Ohne das Know-how aus dem Kerngeschäft könnte HOCHTIEF dies nicht leisten. Darum ist das Bauen ein essenzielles Modul im Baudienstleistungsgeschäft. Neue Strukturen zu definieren und Portfolios zu erweitern – das ist eine Entwicklung, die nicht nur bei HOCHTIEF initiiert wurde. Zahlreiche Bauunternehmen in Deutschland haben eine Phase des tief greifenden Wandels hinter sich. Gerade die dramatische Entwicklung des Marktes war für viele Unternehmen ein Impuls, sich aktiv neu zu positionieren. Im Mittelpunkt standen dabei folgende Aktivitäten: • die Stärkung der technischen Kompetenz, • die Erschließung ausländischer Märkte sowie • der Aufbau von Dienstleistungsmärkten rund um Bauwerke. Immer stärker werden Bauwerke innerhalb ihrer Lebenszyklen wahrgenommen – die Aufgaben der Bauunternehmen werden damit vielfältiger und reichen von der Immobilienentwicklung bis zum professionellen Betrieb. Damit ist die Bauindustrie heute bestens für neue Herausforderungen gerüstet. Und diese sind vielfältig.
1.1.3 Darauf baut Deutschland: Qualität, Innovation, Partnerschaft Einen reinen Preiswettbewerb gegen internationale Niedriglohnkonkurrenz kann die deutsche Wirtschaft – auch die Bauwirtschaft – nicht gewinnen. Wo es zum Kostenwettbewerb kommt, sind weitere Verdrängungseffekte programmiert. Zugleich ist das Qualitäts- und Imageproblem beim Bau in Deutschland gravierend. Es gilt darum, zu handeln und die Herausforderungen unserer Zeit aktiv zu gestalten. Neue Impulse für den Wettbewerb und frische Ideen für die Lösung heutiger Probleme sind unverzichtbar. Für einen Wettbewerb der Innovationen und Ideen bringen die deutschen Bauunternehmen die besten Voraussetzungen mit. Auf diesem Fundament muss in Deutschland künftig wieder gebaut werden können!
1.1.3.1 Qualitätsoffensive Insbesondere in der Bauwirtschaft brauchen wir eine Qualitätsoffensive, über die wir uns im Wettbewerb mit unseren europäischen Konkurrenten neu positionieren können. Angefangen bei der Ausbildung qualifizierter Kräfte bis in alle Stufen des Bauprozesses hinein. Für Kunden scheint Qualität oft zunächst einen höheren Preis zu haben – das überzeugende Argument muss jedoch sein, dass sie langfristig von geringeren Kosten profitieren. Ein neues Qualitätsdenken muss an die Stelle des tradierten Preisdenkens treten.
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1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit Mit der Einführung verbindlicher Qualifizierungssysteme kann unseriöser, illegaler und unqualifizierter Wettbewerb nachhaltig bekämpft werden. Verlässliche, transparente Vertragsvereinbarungen müssen die Grundlage für alle Prozesse rund ums Bauen sein. So wird ein neues Qualitätsdenken in den Markt transportiert. Die ersten Schritte sind bereits gemacht: Öffentliche Hand und private Wirtschaft haben gemeinsam den „Verein für Präqualifikation von Bauunternehmen“ gegründet. Sechs Stellen werden eingerichtet, bei denen sich Unternehmen für öffentliche Aufträge präqualifizieren können. Die freiwillige, aber verbindliche einmalige Eignungsprüfung ist für seriöse Unternehmen eine leichte Übung – für die schwarzen Schafe der Branche jedoch eine unüberwindliche Hürde. Die Präqualifizierung, im Ausland längst erfolgreiche Praxis, ist ein wichtiger Schritt für die gesamte Branche. Auf dem Weg hin zum Qualitätswettbewerb brauchen wir den Schulterschluss zwischen allen Projektbeteiligten. Denn Nachträge in Millionenhöhe und langwierige Rechtsstreitigkeiten zwischen Bauherr und Generalunternehmer sind nicht nur für beide Seiten unerfreulich, sondern auch nicht gerade eine verlässliche Basis für eine weitere Zusammenarbeit. Wo hingegen Bauherr, Architekt, Planer, Projektsteuerer und Generalunternehmer schon lange vor dem ersten Spatenstich zusammenarbeiten, lassen sich alle Prozess-Phasen verbindlich gemeinsam definieren. Funktionale Partnering-Modelle sind die Basis für Projekterfolge, von denen alle profitieren. Mit dem partnerschaftlichen Vertragsmodell „PreFair“ hat HOCHTIEF auf dem deutschen Baumarkt bereits 2002 ein solches Partnering-Modell eingeführt. Transparenz in allen Projektphasen und die Zusammenarbeit der Beteiligten von Anfang an statt unkoordinierter Schnittstellen und kostenintensiver Änderungen – das war ein Novum auf dem deutschen Baumarkt. Die Effizienzsteigerung, die durch die frühzeitige Beeinflussung der Lebenszykluskosten erreicht werden kann, sowie Termin-, Budget- und Qualitätssicherheit sind überzeugende Kundenargumente. Der Markt hat auf PreFair ausgesprochen positiv reagiert. Kunden erleben, dass das Modell zum Besten aller Beteiligten und zum Besten ihrer Projekte funktioniert – und sie sind bereit, diese Sicherheit auch zu vergüten. Wie in jeder anderen Branche gilt dabei: Zufriedene Kunden kommen wieder. Mit dem schon jetzt spürbaren Nachwuchsmangel kommt eine große Herausforderung auf die Bauindustrie zu. Qualität ist auch in diesem Zusammenhang ein Leitwort, das insbesondere für die Ausbildung des Nachwuchses gilt – ob auf der Baustelle oder an der Hochschule. Wir benötigen qualifiziertes Personal, junge Menschen, die nicht nur technische Kompetenz, sondern auch innovative Ideen, Managementfähigkeiten und Fachkenntnisse zu neuen Disziplinen im Baubereich mitbringen. Für die Ausbildungsbetriebe ebenso wie für die Hochschulen ist dies zwar ein klarer Auftrag – aber auch ein hoher Anspruch. Um die Branche für die Zukunft fit zu machen, brauchen wir neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Schulen, Hochschulen und Unternehmen. Wir müssen funktionale Kooperationen schaffen, um Ausbildung, Wissenschaft und Forschung bedarfsorientiert zu gestalten und einen effektiven Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Universitäten zu erreichen. Den fachlichen und personellen Austausch deutlich zu verstärken, ist eine gemeinsame Aufgabe für Wirtschaft, Lehre und Politik.
1.1.3.2 Innovation In den vergangenen Jahrzehnten haben bautechnische Neuerungen die Planung und Umsetzung von Bauten, die verwendeten Baustoffe und die auf Baustellen eingesetzten Methoden stark verändert. Dennoch gilt die Branche nicht eben als innovationsfreudig – das zeigt sich unter anderem in den sehr geringen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Der Grund ist vor allem die Atomisierung des Marktes. Von den etwa 75.000 Bauunternehmen in
1.1 Worauf baut Deutschland?
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Deutschland haben 97 Prozent weniger als 50 Beschäftigte – und welches Kleinunternehmen leistet sich schon eine Forschungsabteilung?
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Doch trotz dieser eher schwierigen Voraussetzungen beweisen deutsche Bauunternehmen große Innovationskraft. Zu den aktuellen Themen im Bereich Forschung und Entwicklung gehören etwa Geotechnik für unterirdische Bauten, Feuerschutz oder Erdbebenschutz. Auch bei HOCHTIEF beschäftigen wir uns derzeit mit neuen Formen der Gebäudesicherheit und haben ein Gebäude konzipiert, das einem Terrorangriff wie dem vom 9. September 2001 standhalten würde. Klar ist: Wo schöpferisches Potenzial genutzt und kreatives Unternehmertum zugelassen wird, können neue Aktionsfelder erschlossen und innovative Verbesserungen erzielt werden. So nimmt bei HOCHTIEF derzeit das Virtual Design and Construction (ViCon) den Weg aus der Forschungs- und Entwicklungsphase. Mit dieser Schlüsseltechnologie, die in ähnlicher Form in der Automobilentwicklung eingesetzt wird, sollen neue Standards für die Planung und Realisierung von Bauprojekten gesetzt werden. Mit ViCon lassen sich alle Dimensionen künftiger Gebäude schon in der Planungsphase realistisch darstellen: Die Konstruktion, die Kosten, die Zeitabläufe, die Raumnutzung ebenso wie die jeweils zugehörigen Arbeitspakete. Das vielschichtige digitale ViCon-Modell ermöglicht die Vorwegnahme des Bauens am Computer und liefert über den gesamten Lebenszyklus hinweg prozessverbessernde Informationen. So spart ViCon den Kunden Zeit und Geld – und birgt erhebliche Chancen für die Gestaltung innovativer Prozesse am Bau.
1.1.3.3 Partnerschaft Großes Potenzial liegt auch im Public-Private-Partnership-Modell, kurz PPP – es ist das internationale Erfolgsrezept für die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft. Bei PPP werden der Baubedarf für die öffentliche Infrastruktur und anlagebereites privates Kapital sinnvoll zusammen gebracht. So kann Investitionspotenzial freigesetzt und zugleich der Verschuldung der öffentlichen Haushalte effektiv entgegen gewirkt werden. Die Einbindung privaten Know-hows und privaten Kapitals in öffentliche Projekte führt zu erheblichen Kosteneinsparungen. HOCHTIEF realisiert mit PPP-Projekten Effizienzgewinne zwischen zehn und 18 Prozent. Im Wesentlichen wirken folgende Effizienztreiber: • Mehr Wettbewerb: Auch öffentliche Lösungen lassen sich am besten am Markt überprüfen. • Mehr Raum für private Ideen: „Funktionale“ Ausschreibungen können dafür sorgen, dass nicht das „Wie“, sondern vielmehr das „Was“ zählt. • Die Optimierung über den Lebenszyklus: Die Projekte werden vom Ende, also vom Betrieb her, gedacht – so werden die laufenden Betriebskosten schon in der Planungsphase optimiert. • Klare Synergieeffekte: Statt zahlreicher einzelner Baumaßnahmen, also etwa vieler kleiner Reparaturen, gibt es ein Großprojekt, das ganzheitlich, professionell und wirtschaftlich umgesetzt wird. Im öffentlichen Sektor in Deutschland hat die jahrelange Skepsis einer neuen Offenheit für das Thema Platz gemacht. Zahlreiche Projekte werden im öffentlichen Hochbau realisiert, auch die A-Modelle im Straßenfernverkehr sind als Pilotprojekte in der Umsetzung. PPP ist damit endlich Realität in Deutschland. Allerdings stehen wir erst ganz am Anfang. Ein klares Bekenntnis der Politik ist unabdingbar, um aus PPP eine dauerhafte Erfolgsgeschichte zu machen.
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1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit
1.1.4 Das Fundament für die Zukunft
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Die Bauwirtschaft in Deutschland hat in den vergangenen zehn Jahren einen tief greifenden Wandel durchlaufen – und sie hat die Phase der Krise genutzt, um sich neu zu definieren. Es ist zu hoffen, dass die sich jetzt abzeichnende Trendwende wirklich geschafft ist und die deutsche Bauwirtschaft die Talsohle durchschritten hat. Nun gilt es, sich auf die Gestaltung der Zukunft zu konzentrieren. Die Herausforderungen dafür sind vielfältig und spannend. Doch das Fundament für Zukunftsfähigkeit und Wachstum können die Unternehmen nicht allein legen. Im internationalen Standortwettbewerb ist auch die Politik gefragt, um in Deutschland optimale Bedingungen zu schaffen. Drei zentrale Forderungen sind Schlüsselelemente dafür. Sie heißen: Mehr Investitionen, weniger Bürokratie und mehr Partnerschaft. Dieses Umdenken müssen alle gesellschaftlichen Kräfte mit- und nachvollziehen: • Wir brauchen eine Gesetzgebung, die den Wandel unterstützt, Initiative zulässt und fördert. Dabei können wir gezielt von anderen lernen – der Blick ins Ausland bietet funktionale Lösungen für viele Herausforderungen. • Wir brauchen ein neues Verständnis von Partnerschaft zwischen Staat, Wirtschaft und Bürgern. Ein Vertrauensverhältnis, in dem Transparenz und Ehrlichkeit groß geschrieben werden. • Wir brauchen die Überzeugung, dass „Qualität“, „Leistung“ und „Wettbewerb“ positive Begriffe sind, die einen festen Platz im öffentlichen Diskurs haben. So können wir uns und unsere Traditionen auch neu entdecken – Qualität und Verlässlichkeit gehören zu den in aller Welt geschätzten deutschen Werten ebenso wie Erfindungsreichtum und Wissenschaft. • Wir brauchen Menschen, die sich selbst und nicht von anderen fordern. Energie, Innovationsbereitschaft und der Mut, gemeinsam Neues zu wagen, setzen positive Produktivitätspotenziale frei und machen Fortschritt möglich. Wenn es gelingt, dies engagiert umzusetzen, dann können wir auf ein Deutschland mit einem tragfähigen, verlässlichen Fundament bauen.
1.2 Wie kann ein großer Mittelständler im deutschen Baumarkt überleben? Univ.-Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner
1.2.1 Einleitung Die Belebung der Baunachfrage, die seit Mai des Jahres 2005 zu beobachten ist, hat dazu geführt, dass die deutsche Bauwirtschaft erstmals seit längerer Zeit mit Optimismus in ein neues Baujahr gestartet ist. Von den steigenden Auftragseingängen profitieren alle Bausparten, inwieweit dies jedoch zu einer Trendwende auf dem Bauarbeitsmarkt und einer Angleichung der regional stark unterschiedlichen Nachfragesituation beitragen kann, bleibt abzuwarten. Auch aufgrund der Entwicklung des europäischen Baumarktes ist weiterhin mit einer Dominanz des Preiswettbewerbs und einem Verdrängungswettbewerb mit ausländischen Unternehmen zu rechnen. Wie es angesichts dieser Rahmenbedingungen möglich ist, sich mit Hilfe geeigneter Strategien erfolgreich im deutschen Baumarkt zu behaupten, wird im Folgenden am Beispiel eines großen mittelständischen Bauunternehmens aufgezeigt.
7
Mrd. EUR (in jeweiligen Preisen)
1.2 Mittelständler im deutschen Baumarkt
1
300 250 200 150 100 50 0 1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Jahr Bauinvestitionen Baugewerblicher Umsatz Bauhauptgewerbe gesamt Baugewerblicher Umsatz Bauhauptgewerbe West Baugewerblicher Umsatz Bauhauptgewerbe Ost
1200 1000 800 600 400 200 0 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05
Anzahl der Arbeitskräfte in 1.000
Abbildung 1.1: Bauinvestitionen und baugewerblicher Umsatz in Deutschland von 1995 – 20051
Jahr
Arbeiter in deutschen Betrieben
Arbeiter aus MOE
Arbeiter a 2
Abbildung 1.2: Arbeitskräfte im Bauhauptgewerbe nach ihrer Herkunft
1
2
vgl. Statistisches Bundesamt (2006), Bauhauptgewerbe/Ausbaugewerbe, Lange Reihen 2005; Deutsche Zementindustrie, Zahlen und Daten (http://www.bdzement.de/550.98.html?tab=BIP_Bauinvest_E1, Stand 26.05.2006) vgl. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2001), Die Bauwirtschaft im Zahlenbild, S. 40 (Zahlen 2001 bis 2005: Ergänzung mit Hilfe von http://hvb.epgmbh.de/seiten/medien/angestellte_und_arbeiter.JPG, Stand 21.02.2006, und http://hvb.epgmbh.de/seiten/medien/entsandte.jpg, Stand 02.03.2006)
8
1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit
1.2.2 Die Entwicklung des deutschen Baumarktes in den vergangenen 10 Jahren
1
Seit Beginn des wirtschaftlichen Abschwungs im Jahr 1993 muss sich die deutsche Bauwirtschaft sowohl mit konjunkturellen als auch strukturellen Problemen auseinandersetzen. Die anhaltende Rezession wird deutlich, wenn man die Entwicklung der Bauinvestitionen und des Bauvolumens (vgl. Abbildung 1.1) betrachtet. So lagen die Bauinvestitionen im Jahr 1995 noch bei umgerechnet 259,1 Mrd. €, während sie im Jahr 2005 auf 205,6 Mrd. € sanken. Eine entsprechende Entwicklung ist auch bezüglich des baugewerblichen Umsatzes zu beobachten. Er ist von 116,8 Mrd. € im Jahr 1995 auf 74,3 Mrd. € im Jahr 2005 zurückgegangen. Während die deutsche Bauwirtschaft in vergangenen Rezessionsphasen bereits häufiger mit einem vergleichbaren Nachfragerückgang konfrontiert war, stellt die zunehmende Konkurrenz von Niedriglohnunternehmen aus dem Ausland – vor allem den Mittel- und Osteuropäischen Staaten (MOE-Staaten) – eine veränderte Situation dar. So hat sich die Anzahl der Arbeitskräfte in deutschen Betrieben von 1995 bis 2004 um rund 464.000 verringert (vgl. Abbildung 1.2). Aufgrund des weiterhin hohen Personalkostenanteils am Bruttoproduktionswert von durchschnittlich 31,1 % (im Jahr 2003) im Bauhauptgewerbe und den gleichzeitig hohen deutschen Arbeitskosten im Vergleich mit süd- und osteuropäi3 schen Ländern ist nicht mit einer Umkehr dieses Trends zu rechnen. Gleichzeitig ist im deutschen Baugewerbe eine Zunahme der Insolvenzen zu beobachten. So haben im Jahr 1995 ca. 5.500 Betriebe Insolvenz beantragt, während diese Zahlen im Jahr 2005 auf ca. 7.800 angestiegen sind. Insgesamt verzeichnet das deutsche Bauhauptgewerbe im Jahr 2005 eine Insolvenzhäufigkeit von 408 Betrieben bezogen auf 10.000 Betriebe. Sie ist damit mehr als dreimal so hoch wie die Insolvenzquote über alle Wirtschaftbereiche, die bei 125 Insolvenzen, bezogen auf 10.000 Unternehmen, liegt.4 Wie die Veränderungen in der Anzahl der Betriebe nach Beschäftigungsgrößenklassen zeigen (vgl. Abbildung 1.3), sind von den Insolvenzen vorwiegend mittelständische Betriebe betroffen. Der hohe Anteil der Kosten für Nachunternehmerleistungen am Bruttoproduktionswert der Betriebe des Bauhauptgewerbes macht deutlich, dass zahlreiche Bauunternehmen als Generalunter- und -übernehmer auftreten und die Lohnleistungen über kleine und kleinste Unternehmen als Nachunternehmer zukaufen.5 Die Nachfrage verändert sich jedoch nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. So fragen die Auftraggeber der Bauwirtschaft vermehrt Leistungen aus einer Hand nach, die sich nicht nur auf die Bauausführung an sich beziehen, sondern auch vor- und nachgelagerte Stufen des baulichen Wertschöpfungsprozesses umfassen, wie z. B. Projektentwicklung, Planung, Finanzierung, Grundstücksbeschaffung sowie den Gebäudebetrieb.6
3
4
5
6
vgl. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2006), Personalkosten im Bauhauptgewerbe (http://hvb.epgmbh.de/seiten/medien/personalkosten.JPG, Stand 08.03.2006), Arbeitskosten je Stunde im Baugewerbe in Europa 2004, (http://hvb.epgmbh.de/seiten/medien/arbeitskosten_europa.jpg, Stand 08.02.2006, http://hvb.epgmbh.de/seiten/medien/arbeitskosten_osteuropa.jpg, Stand 08.02.2006) vgl. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2006), Insolvenzen im deutschen Bauhaupt- und Baugewerbe (http://hvb.epgmbh.de/seiten/medien/insolvenzen.jpg, Stand 03.03.2006); Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2006), Insolvenzhäufigkeit im Branchenvergleich (http://hvb.epgmbh.de/ seiten/medien/insolvenzhaeufigkeit_branchen.jpg, Stand 15.03.2006) vgl. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2006), Kosten für Subunternehmertätigkeit im Bauhauptgewerbe (http://hvb.epgmbh.de/seiten/medien/subunternehmer.jpg, Stand 05.07.2005) vgl. Girmscheid (2003), Herausforderung Life-Cycle-Orientierung, in: Bauingenieur 78 (2003), S. A3
9
1.2 Mittelständler im deutschen Baumarkt
Juni 1995
Anzahl der Beschäftigten
Juni 2005
0,9 %
200 und mehr
0,2 %
2,1 %
100 bis 199
0,7 %
4,8 %
50 bis 99
1,9 %
14,7 %
20 bis 49
6,7 %
77,5 %
1 bis 19
90,5 %
73.853
Baubetriebe insgesamt
76.075
Abbildung 1.3: Betriebe im Bauhauptgewerbe nach Beschäftigungsgrößenklassen7
1.2.3 Anpassungsstrategien im Allgemeinen Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen des marktwirtschaftlichen Strukturwandels ist es nicht verwunderlich, dass sich in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Untersuchungen damit beschäftigt haben, wie Bauunternehmen ihre Leistungsfähigkeit verbessern und wettbewerbsfähig bleiben können.8 Als Erfolgsfaktoren für die Zukunft gelten v. a. • Kostensenkung, z. B. durch Optimierung der Beschaffungsaktivitäten (intensivere Nutzung von Rahmenverträgen, Kooperationen mit Materialzulieferern), durch Optimierung der Planung (Kooperationen mit Planern und Nachunternehmern, Standardisierung von Bauteilen, verbesserte Arbeitsvorbereitung und Baustellenorganisation), durch Optimierung der Fertigung (detaillierte Fertigungs- und Logistikplanung, Kooperationen mit Nachunternehmern) oder durch Reduktion bzw. Umstrukturierung des Personals; • Prozessoptimierung, z. B. aktivere Akquisition von Aufträgen, verstärkte Vermarktung des eigenen Leistungsangebots durch Kooperationen mit Planern und Nachunternehmern, Einsatz von Instrumenten des Risikomanagements und des Controllings, Umstrukturierungen zur Erzielung einer schlankeren Organisation (Abbau von Hierarchieebenen, Zentralisierung von Bereichen), Einsatz moderner Datenverarbeitung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie; • Strategieanpassung, z. B. Ausweitung des eigenen Leistungsspektrums, Spezialisierung oder Diversifikation, Aufbau von Kooperationen mit Auftraggebern, Nachunternehmern und Materialzulieferern, Aufbau neuer Geschäftsfelder (PPP-Projekte, Bauen im Bestand). Gleichzeitig zeigen alle Untersuchungen, dass die Notwendigkeit der Reorganisation und Neuorientierung erkannt wurde, der Prozess jedoch bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Dies gilt in besonderem Maße für die kleinen und mittleren Bauunternehmen.
7
8
vgl. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2005), Die Bauwirtschaft im Zahlenbild, S. 26; Zentralverband Deutsches Baugewerbe (2006), Baumarkt 2005, S. 53 vgl. Seefeldt/Pekrul (2004), Zukunftsstrategien der Bauindustrie: Ein Vergleich mit dem Anlagenbau, Hamburg: Hansebuch, 2004; Unternehmensberatung Roland Berger (2004), Erfolgsfaktoren der Bauindustrie 2004 (http://www.rolandberger.com/pdf/rb_press/public/RB_Erfolgsfaktoren_20040804.pdf, Stand 08.03.2006)
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10
1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit
1.2.4 Strategien des Beispielunternehmens Das Unternehmen, dessen Strategien beispielhaft dargestellt werden sollen, wurde in den 1930er Jahren gegründet. Es ist in Süddeutschland ansässig und verfügt über eine Außenstelle in den neuen Bundesländern. Seit 1989 konzentriert sich das Unternehmen auf die Abwicklung von großen schlüsselfertigen Bauvorhaben mit Spezialisierungen sowie die Ausführung großer Rohbauten ab einem Auftragsvolumen von 5 Mio. €. Das Unternehmen ist dabei deutschlandweit tätig. Mit ca. 400 Mitarbeitern wurden im Jahr 2005 rund 250 Mio. € umgesetzt.
1.2.4.1 Personal Aus der sinkenden Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe ist abzulesen, dass Kosteneinsparungen häufig durch den Abbau von Personal realisiert werden. Wie die Übersicht über Personalstand und -struktur des Beispielunternehmens zeigt, hat in den vergangenen Jahren kein Personalabbau, sondern eine Umstrukturierung des Personals stattgefunden.
450 400 350 300
Jahr
1
250 200 150 100 50 0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Anzahl der Mitarbeiter Technische Angestellte
Kfm. Angestellte
Auszubildende
Gesamtzahl
Gew. MA und Poliere
Abbildung 1.4: Personalstand und -struktur des Beispielunternehmens
Die Gesamtzahl der Beschäftigten blieb über den Betrachtungszeitraum etwa gleich. So wurde das gewerbliche Personal seit dem Jahr 1992 von 234 auf 47 im Jahr 2005 reduziert, während die Anzahl der technischen Angestellten von 61 im Jahr 1992 auf 229 im Jahr 2005 aufgestockt wurde. Die Anzahl der kaufmännischen Angestellten ist in diesem Zeitraum von 39 auf 87 angestiegen, während die Zahl der Auszubildenden nahezu konstant geblieben ist. Die Veränderung der Personalstruktur zeigt, dass sich auch das Beispielunternehmen zu einem Dienstleistungsunternehmen hin entwickelt, das vermehrt Bauherrenaufgaben übernimmt und seinen Eigenanteil an der klassischen Ausführung von Bauleistungen zugunsten der Steuerung
11
1.2 Mittelständler im deutschen Baumarkt der Wertschöpfungskette vermindert hat. Dabei steigt der Bedarf an qualifiziertem Personal für die Aufgaben der Kalkulation, Arbeitsvorbereitung, Bau- und Projektleitung.
1.2.4.2 Organisation Neben der Personalstruktur selbst muss auch die Organisation eines Unternehmens an die veränderten Gegebenheiten des Marktes angepasst werden, um eine optimale Aufgabenerfüllung zu gewährleisten (Abbildung 1.5). Geschäftsleitung
Oberbauleitung
Managementsystem
Außenstelle
Kalkulation
Arbeitsvorbereitung Rohbau
Arbeitsvorbereitung Ausbau
Controlling / BAB
Einkauf
Personalabteilung
MTA / Lagerplatz
Datenverarbeitung
Finanzbuchhaltung
Debitoren / ARGEN
Kreditoren
Projektentwicklung
Baustofftechnologie
Gewährleistung
Sicherheit / Gesundheit / Umwelt
Allgemeine Dienste
Abbildung 1.5: Organigramm des Beispielunternehmens
Die Organisation des Beispielunternehmens zeichnet sich dabei durch eine flache Hierarchie aus, so dass alle Mitarbeiter nahe am Geschäft sind. Es gibt keine Niederlassungen, sondern Abwicklungs- und Verwaltungsbereiche. Die Auftragsbeschaffung ist zentral organisiert, so dass eine abgestimmte Projektauswahl und eine effektivere Angebotsbearbeitung durchgeführt werden kann. Auch die Arbeitsvorbereitung wird weitestgehend zentral durchgeführt. Dies ermöglicht eine flexible Unterstützung der einzelnen Baustellen und erleichtert zudem den Wissenstransfer zwischen verschiedenen Projekten. Die Projektteams, die die Bauvorhaben vor Ort betreuen, werden je nach Erfordernis zusammengesetzt. Dadurch kann auf unterschiedliche Projektgrößen und Kompetenzanforderungen optimal reagiert werden. Das Projektteam vor Ort arbeitet weitestgehend eigenverantwortlich. Dies bietet den Vorteil, dass Entscheidungen aus dem Projekt heraus getroffen werden und auch kurzfristig umgesetzt werden können. Um bei der Auswahl von Projekten nicht auf eine bestimmte Region eingeschränkt zu sein, wird bei der Auswahl der Mitarbeiter großer Wert auf örtliche Flexibilität gelegt.
1.2.4.3 Firmenphilosophie Firmenphilosophie des Beispielunternehmens ist es, mit Flexibilität, Offenheit und der Ausrichtung auf das Kerngeschäft einen nachhaltigen Unternehmenserfolg zu erzielen. Dies bedeutet, die richtigen Mitarbeiter für die richtige Arbeit am richtigen Ort und zu der richtigen Zeit einzusetzen. Die Offenheit bezieht sich dabei einerseits auf die Offenheit gegenüber sich selbst, d.h.
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1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit • eigene Stärken erkennen und umsetzen • Schwächen eingrenzen • Ziele festlegen und verfolgen • Zielerreichung analysieren und Schlussfolgerungen umsetzen auf die Offenheit gegenüber dem Bauherrn: • individuelle Kontaktpflege • Fairness • Probleme und Positionen deutlich machen sowie die Offenheit gegenüber den Nachunternehmern: • effektives und konstruktives Miteinander • korrekte gegenseitige Leistungserfüllung
1.2.4.4 Projektauswahl Um auf dem Markt erfolgreich bestehen zu können, müssen Bauunternehmen versuchen, ihre Leistung nicht nur unter Kostengesichtspunkten vergleichbar zu machen, sondern dem Bauherrn als Kunden eine individuelle Komplettlösung für seinen ganz bestimmten Bedarf anzubieten.9 Dies erfordert die strategische Entscheidung, ob ein Unternehmen als Spezialist in einem engen Marktsegment auftreten oder sich als Generalist auf verschiedenen Teilmärkten bewegen möchte. Das Beispielunternehmen hat sich für die Strategie des Generalisten mit Spezialisierungen entschieden. So wurden bisher v. a. Verwaltungsgebäude, Schulen und Bildungseinrichtungen, Kliniken und Forschungseinrichtungen, Justizgebäude und Justizvollzugsanstalten sowie Sonderbauten realisiert. Im Durchschnitt befinden sich 14 bis 18 solcher Projekte gleichzeitig in der Abwicklung. Die Projektauswahl erfolgt nach festgelegten Kriterien, wobei neben der passenden Personalbesetzung, der fachlichen Kernkompetenz sowie Projektgröße und Bauzeit auch Bauherr und Bedarf des Projekts in die Überlegungen einbezogen werden. Um nur Projekte mit einer kalkulierbaren, ausgewogenen Risikoverteilung zu akquirieren, werden Instrumente des Risikomanagements eingesetzt und Nachunternehmer bei der Kalkulation einbezogen. Die folgenden Abbildungen zeigen beispielhaft einige Bauvorhaben aus der Referenzliste. Allianz Hauptverwaltung HVU Unterföhring Bauherr Allianz Versicherungs AG, München Allianz Immobilien GmbH, Stuttgart Daten BRI Bauzeit Bausumme
402.000 m3 05/2002 - 04/2004 136 Mio. €
Abbildung 1.6: Allianz Hauptverwaltung HVU, Unterföhring 9
vgl. Girmscheid/Hofmann (2000), Industrielles Bauen - Fertigungstechnologie oder Managementkonzept?, in: Bauingenieur 75 (2000), S. 590
13
1.2 Mittelständler im deutschen Baumarkt Skyper Frankfurt an Main
1
Bauherr Allgemeine Bauträger- und Gewerbeimmobiliengesellschaft mbH & Co. Objekt Taunusanlage Köln DEKA Immobilien Investment Frankfurt/Main Daten BRI gesamt Geschosse Bauzeit Bausumme
317.000 m3 EG + 38 OG, 3 UG 05/2002 - 12/2004 117 Mio. €
Abbildung 1.7: Skyper, Frankfurt am Main DomAquaré Berlin Bauherr DIFA, Hamburg Daten GU II + GU II/A Aquarium 1 Mio. Liter Bauzeit 08/2001 - 05/2003 Bausumme 21 Mio. €
Abbildung 1.8: Salzwasseraquarium im DomAquarée, Berlin
Darüber hinaus hat das Beispielunternehmen im Jahr 2003 mit der Durchführung von Investorenprojekten ein neues Geschäftsfeld betreten. Bislang konnten zwei Projekte erfolgreich abgeschlossen werden. Es handelt sich um ein Bildungszentrum in Frankfurt am Main (vgl. Abbildung 1.9) sowie eine Sonderschule mit Dreifach-Sporthalle in Frechen.
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1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit Bildungszentrum Ostend, Frankfurt am Main
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Bauherr Theo Grundstücksverwaltungs GmbH, Mannheim Daten BRI gesamt Bauzeit Bausumme Betriebszeit Betriebssumme
120.000 m3 10/2003 - 02/2005 34 Mio. € 2005 - 2025 1 Mio. €/Jahr
Abbildung 1.9: Bildungszentrum Ostend, Frankfurt am Main
Bei beiden Projekten umfasste der Leistungsumfang die vollständige Planung, die schlüsselfertige Errichtung und den Betrieb über 20 bzw. 25 Jahre. Der Gebäudebetrieb wurde in beiden Fällen von einer Tochtergesellschaft des Beispielunternehmens übernommen.
1.2.5 Fazit und Ausblick Das Beispielunternehmen setzt auf eine starke Zunahme der Investorenprojekte in Deutschland, bei denen die Verantwortung von der Planung bis zum Betrieb über 20 Jahre in der Hand eines ganzheitlichen Entscheidungsträgers liegt. Zudem wird angestrebt, mehr partnerschaftliche Vertrags- und Abwicklungsprojekte mit Schlüsselkunden zu akquirieren. Darüber hinaus stellt das Unternehmen sowohl Leistungs- als auch Kostenführerschaft in den Vordergrund. Als Wettbewerbsvorteil werden zum einen neue Perspektiven in der Bauwerkserstellung gesehen, zum anderen wird der Reduktion der Bau- und Projektzeit durch eine vermehrte Detailplanung in der Logistik beim Bauen zukünftig eine verstärkte Bedeutung zukommen.
1.3 Entwicklung der Bauwirtschaft von 1946 – 2006 bearbeitet von Dipl.-Ing. Reinhard Dietrich
1.3.1 Aktuelle Situation Die deutsche Bauwirtschaft befindet sich in einem noch nie da gewesenen Strukturwandel. Während in der Vergangenheit überwiegend geeignete Baukonstruktionen und Bauverfahren den wirtschaftlichen Erfolg von Bauunternehmen bestimmten, stehen heute Faktoren der Kundenzufriedenheit wie Marktattraktivität, Kapitalwachstum und nachhaltige Ökonomie im Vordergrund. Aus Bauunternehmen, die traditionell verantwortlich für die punktgenaue Umsetzung von Vorgaben Dritter (Architekten und Ingenieure) zuständig waren, sind Baupartner geworden, die maßgeblich zum Erfolg von Immobilieninvestitionen beitragen. In ihrer neuen Rolle sind die Bauunternehmen gezwungen, sich bereits in den frühen Projektphasen der Projektkonzeption ganzheitlich mit Investitionszielen wie Terminen, Rendite und Wirtschaftlichkeit zu beschäftigen. Dabei geraten sie häufig in Zielkonflikte, die ohne seriöse Vorgaben kaum zu bewältigen sind.
1.3 Entwicklung der Bauwirtschaft von 1946 – 2006
15
1
Abbildung 1.10:
Zielkonflikte der Projektentwicklung
Es ist grundsätzlich unerheblich, ob die Vorgaben selbst gesetzt sind oder ob sie von Dritten, z. B. im Rahmen von Partnerschafts- oder GMP-Modellen10 stammen. In der Folge nicht funktionierender Partnerschafts- oder GMP-Modelle entstehen daher sehr häufig Immobilien, bei denen • Kostenvorteile einseitig verteilt werden, • bewährte Konstruktionselemente zur Gewinnmaximierung bis an die Grenzen des technisch Vertretbaren minimiert werden, • sinnvolle Vorhaltungen für absehbar zukünftige Entwicklungen unterbleiben, • Veränderungen aus der Werteskala negiert werden, • das Niveau der Bauqualität sinkt.
1.3.2 Ursachen und Wirkungen Anknüpfend an die Tradition des Bauhauses und der Stuttgarter Schule der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts verstand sich der Architekt im Geburtsjahr des Jubilars als Baumeister. Soweit erforderlich, arbeitete er mit Spezialisten zusammen, die ihn bei der Umsetzung seiner Konzeption unterstützten. Die Aufgabenstellung war in der Regel wenig komplex, da moderne Prinzipien der möglichen Drittverwendungsmöglichkeiten bereits damals im Vordergrund von Risikoanalysen standen. Mit dem zunehmenden Einfluss berechenbarer betriebswirtschaftlicher Größen wuchs der Einfluss von Kaufleuten und Juristen, die ihren eigenen Erfolg mit dem Erfolg der Immobilieninvestition verknüpften. Der unternehmerische Visionär, der seinen Architekten mit der Lösung konkreter Aufgaben beschäftigte, wurde durch ein schwer einschätzbares Konglomerat von Entscheidungsträgern abgelöst.
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Garantierter Maximalpreis
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1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit
1
• Anknüpfen an die Tradition des Bauhauses und der Stuttgarter Schule der 20er Jahre, verstand sich als Architekt der Baumeister. • Als Treuhänder des Auftraggebers trug er die Gesamtverantwortung für alle Projektbestimmenden Faktoren. • Soweit erforderlich, arbeitete er mit Spezialisten zusammen, die ihn in der Umsetzung seiner Entwurfskonzeption unterstützten. Abbildung 1.11:
Die Stellung des Architekten nach 1945
Projektvorgaben entwickelten sich in der Folge aus jeweils subjektiven Sichtweisen, ohne dass eine unbedingt erforderliche Synchronisation der Einzelziele stattfand. In vielen Fällen fand eine konstruktive Auseinandersetzung um insgesamt angemessene Lösungsansätze nicht mehr statt, da tagesaktuelle Größen maßgeblich wurden. Um die Verhältnisse zu ändern, die zu einer Entfremdung von Kapitaleinsatz einerseits und der sozioökonomischen Wirkung andererseits geführt haben, ist eine Rückwendung zu den Prinzipien des Baumeisters dringend erforderlich. Ganzheitlich bauen setzt ganzheitliches Denken voraus. Hauptziele sind dabei: • Kosten- und Terminsicherheit, • Verkürzung der Planungs- und Errichtungszeiträume, • Senkung der Gesamtkosten, • Qualitätssicherung, • nachhaltige Ökonomie.
1.3 Entwicklung der Bauwirtschaft von 1946 – 2006
17
1
• Größer gewordene Bauaufgaben mit wachsender Komplexität zwangen den Architekten, Teile der Verantwortung abzugeben. In vielen Fällen entstanden ein schwer kontrollierbares Insiderwissen und nicht selten chaotische Abwicklungsstrukturen. • Projektvorgaben entwickelten sich in der Regel aus subjektiven Sichtweiten, ohne ausreichenden Bezug auf das Gesamtergebnis. Abbildung 1.12:
Die Stellung des Architekten in den 80er Jahren
1.3.3 Notwendige Schritte Die derzeit für alle Beteiligten unbefriedigende Situation erfordert eine Anpassung der Planungsabläufe. Der Konzeptions- und Planungsphase11 von Gebäuden muss sehr viel mehr Beachtung geschenkt werden als bisher üblich, da in ihr mehr als 80 % der Kosteneinflüsse wirksam werden. Mit Baubeginn sinkt der Einfluss auf ca. 20 %. Wichtige Erfolgsfaktoren der integralen Planung sind: • • • •
die Installation eines interdisziplinären Planungsteams von Anfang an, die Formulierung von klaren Projektzielen, die Vermeidung von Grauzonen, dass die Projektleitung über außerordentliche fachliche und soziale Kompetenz verfügt.
Entscheidend ist jedoch, dass sich alle Beteiligten vor dem Beginn der eigentlichen Planung auf die Wichtigkeit Projekt bestimmender Faktoren einigen. Sie bilden die Grundlage für den Interessensausgleich und für die Bewertung von alternativen Planungsansätzen.
11
Reinhard Dietrich, „Entwicklung werthaltiger Immobilien“
18
1 Die Bauindustrie im Wandel der Zeit
1
Abbildung 1.13:
1.3 Entwicklung der Bauwirtschaft von 1946 – 2006
19
1.3.4 Planen und Bauen mit Zielsystemen Ohne klare Zielvorgaben enden Planungs- und Bauprozesse in der Regel im Chaos. Für alle wesentlichen Projektfaktoren müssen klare Zielvorgaben existieren. Ohne sie ist im Projektverlauf kein seriöser Soll-Ist-Vergleich möglich.
1.3.5 Ausblick Manchmal ist ein Rückblick ein wichtiges Element des Vorblicks. Jeder Vermessungsingenieur wird mir dabei Recht geben. Zukünftige Entwicklungen lassen sich auch in der Bauwirtschaft nicht nur an der wirtschaftlichen und sozialen Kompetenz der Mitarbeiter verlässlich festmachen sondern entscheidend ist das Ergebnis und die Zufriedenheit der Kunden. Insoweit hat sich zwischen 1946 und heute nichts geändert.
1
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen 2.1 Der wettbewerbliche Dialog als neues Vergabeverfahren für die öffentliche Hand am Beispiel der Kaiserschleuse Bremerhaven bearbeitet von Stephan Schwenke1, Reinhard Marth1, Dr.-Ing. Pascale Rouault1, Dr.-Ing. Stefan Woltering2, Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard Hinkelmann1
2.1.1 Einleitung Bremerhaven Kaiserschleuse Grundlage dieses Beitrages ist eine Diplomarbeit am FG Wasserbau der TU Berlin. Diese Diplomarbeit erfolgte in Kooperation mit der bremenports GmbH & Co. KG und beschäftigt sich mit Risiken im Bauablauf der Kaiserschleuse Bremerhaven und in diesem Rahmen mit dem neuartigen Vergabeverfahren wettbewerblicher Dialog.3
Abbildung 2.1: Übersicht des Freihafenbereiches von Bremerhaven mit Kaiserschleuse, Nordschleuse, Kaiserhafenbecken und weiteren Hafenbecken (Quelle: bremenports)
1 2 3
TU Berlin, FG Wasserbau bremenports GmbH & Co. KG, Geschäftsführer bremenports consult GmbH cand. Dipl. Ing. Stephan Schwenke: Risiken im Bauablauf bei der Seeschleuse Kaiserschleuse Bremerhaven, Diplomarbeit am FG Wasserbau der TU Berlin und bremenports GmbH & Co. KG, 2006
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2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Die Geschichte von Bremerhaven als Hafenstadt an der Weser geht zurück bis ins Jahr 1827. Die Bremer Verantwortlichen entschlossen sich mit Unterstützung von holländischen Ingenieuren und Unternehmern, einen von den tidebeeinflussten Wasserständen unabhängigen Hafen an der Mündung der Geeste in die Weser zu bauen. Im Zuge einer Erweiterung des „KaiserHafens“ in den Jahren 1892-1897 wurde die Kaiserschleuse errichtet, die noch heute in Betrieb ist. Die Hafenanlagen von Bremerhaven bieten heute die Möglichkeiten eines modernen Vielzweck-Seehafens. Mit einem Containerumschlag von 3.469.104 TEU (Twenty-footContainer Equivalent Unit) im Jahre 2004 zählt der Containerterminal von Bremerhaven mit seiner 3039 m langen Stromkaje direkt an der unter Tideeinfluss stehenden Weser, die im Zuge des Neubaues vom Container-Terminal 4 auf 4720 m nutzbare Länge erweitert wird, zu den Top 25 der Welt.4 Daneben ist der Im- und Export von Fahrzeugen ein weiteres wertschöpfungsintensives Standbein des Hafens. Hier hat der Hafen mit 1,6 Millionen Fahrzeugumschlägen eine führende Position in Europa.5 Neben den Hafenanlagen direkt an der Weser, gibt es im Überseehafen von Bremerhaven mehrere tidefreie Hafenbecken, die über ein Verbindungsbecken und zwei Wendeplätze miteinander verbunden sind (vgl. Abb. 2.1). Der Anschluss der für den Weltseeverkehr wichtigen Hafenbereiche an die Weser wird über zwei Kammerschleusen (Kaiserschleuse, Nordschleuse) hergestellt.
2.1.2 Neubau der Kaiserschleuse „Die historisch gewachsene Infra- und Suprastruktur des Hafens wird kontinuierlich den veränderten Rahmenbedingungen und Erfordernissen der Hafenkunden angepasst.“6 Die Nordschleuse und die Kaiserschleuse stellen zwei Zugänge zu dem wirtschaftlich wichtigen tidefreien Überseehafen her, in dem sich unter anderem die Kaianlagen und Lagerflächen für den Fahrzeugumschlag befinden. Während die 1929-1931 errichtete Nordschleuse mit 372 m Länge und 45 m Breite noch heute zu den größten Schleusen der Welt gehört und damit die für die Schifffahrt benötigten Abmessungen aufweist, wird die Kaiserschleuse den modernen Anforderungen nicht mehr gerecht. Mit der bestehenden Kaiserschleuse (vgl. Abb. 2.2) können in Abhängigkeit von Wasserstands- und Windverhältnissen Schiffe mit einer Länge von 165 m, in Einzelfällen auch bis zu 185 m Länge, und einer Breite von 25 m bei einem Tiefgang von maximal 8,5 m befördert werden. Am weserseitigen Außenhaupt sind Stemmtore angeordnet, und am Binnenhaupt befindet sich ein für Pkw überfahrbares Schiebetor. Die Hochwasserschutzlinie verläuft über das äußere der beiden Stemmtore (Fluttor). Die Wände der Schleusenkammer bestehen aus unbewehrtem Beton, der mit Mauerwerksziegeln verkleidet ist. Diese Konstruktion ist auf einem Balkenrost gelagert, das sich wiederum auf eng gestellten hölzernen Pfählen abstützt.
4 5 6
www.bremenports.de nach internen Unterlagen der bremenports GmbH & Co. KG Vorlage für die Sitzung des Senats der Stadt Bremen am 05. Juli 2005: Neubau der Kaiserschleuse, Seite 1
2.1 Der wettbewerbliche Dialog
23
2
Abbildung 2.2: Luftbild mit Blick auf die bestehende Kaiserschleuse Bremerhaven, mit Außenhaupt, Kammer, Binnenhaupt und Steuerhaus (Quelle: bremenports)
Die Entwicklung von Deep Sea Carriern (Automobiltransportern im Überseeverkehr), die als Ro-Ro-Fähren (Roll-on Roll-off) konzipiert sind, führt zu Schiffen, die Längen von bis zu 270 m bei maximalen Breiten von 50 m aufweisen. Um im Wettbewerb weiterhin erfolgreich zu sein, hat der Senator für Wirtschaft und Häfen der Freien Hansestadt Bremen daher beschlossen, einen Masterplan zur Optimierung des „Automobile-Logistics-Centers“ in Bremerhaven umzusetzen, der die Schaffung von zusätzlichen Liegeplätzen und Operationsflächen sowie die Verbesserung der seewärtigen Zufahrt durch den Neubau der Kaiserschleuse vorsieht.7 Nach einer öffentlichen Ausschreibung für die Planung des Neubaues der Kaiserschleuse wurde die Ingenieurgemeinschaft „Neubau Kaiserschleuse Bremerhaven“, bestehend aus den Ingenieurbüros Inros Lackner AG (ehemals Prof. Dr. Lackner & Partner GmbH) aus Bremen, Windels Timm Morgen Partnerschaft aus Hamburg und Maierform Maritim Technology GmbH aus Bremerhaven von bremenports mit der Planung eines Ersatzbauwerks für die Kaiserschleuse beauftragt. Die Aufgabe der Ingenieurgemeinschaft (Inge) ist es, einen BauherrenEntwurf für den wettbewerblichen Dialog als eine mögliche Ausführungsvariante zu entwi7
nach internen Unterlagen der bremenports GmbH & Co. KG
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2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen ckeln. Weiterhin wird die Inge bremenports bei der Beurteilung der angebotenen Unternehmerentwürfe beratend zur Seite zu stehen (vgl. Abb. 2.3).
2
Abbildung 2.3: Geplante Kaiserschleuse Bremerhaven (Quelle: bremenports)
Die neue Kaiserschleuse soll am Ort der vorhandenen Anlage errichtet werden und wird eine Kammerbreite von 55 m und eine Kammerlänge von 305 m aufweisen, damit die zukünftig geplanten Schiffstypen aufgenommen werden können. Für das Außenhaupt und das Binnenhaupt sind baugleiche befahrbare Schiebetore vorgesehen, die beide auch Teil der doppelten Hochwasserschutzlinie sind (vgl. Abb. 2.3). Der Umbau der Kaiserschleuse stellt ein sehr komplexes Bauvorhaben dar, da Rückbau und Neubau der Kaiserschleuse einerseits unter laufendem Hafenbetrieb erfolgen müssen und andererseits möglichst zeitnah umgesetzt werden sollen. Es ist eine Vielzahl von Randbedingungen zu berücksichtigen. So sind beispielsweise Schallemissionen während der Bauzeit zu begrenzen. Für den Zeitraum und den Zeitpunkt der Sperrzeit der Kaiserschleuse, während dessen der gesamte Schiffsverkehr des Überseehafens nur über die Nordschleuse und in Ausnahmefällen über eine weitere Sportbootschleuse abgewickelt werden kann, muss ein Optimum gefunden werden, um einerseits einen reibungslosen Hafenbetrieb und andererseits einen schnellen und qualitätsorientierten Bauablauf zu ermöglichen. Die Umgestaltung des Vorhafens wird veränderte Strömungsverhältnisse zur Folge haben, deren Einfluss auf ungewollte Sedimentationen abgeschätzt und beherrscht werden muss. Neben den baulichen und logistischen Fragestellungen ist auch die Verlegung der Zollgrenze des Freihafenbereiches dabei zu berücksichtigen und zu koordinieren, um die neue Kaiserschleuse mit ihren größeren Abmessungen als Ganzes in den Freihafen einzubeziehen.
2.1 Der wettbewerbliche Dialog
25
2.1.3 Vergabeverfahren – wettbewerblicher Dialog – Der Aufraggeber für den Neubau der Kaiserschleuse ist die Freie Hansestadt Bremen, vertreten durch ihre Hafenmanagementgesellschaft bremenports GmbH & CO. KG. Die bremenports handelt in diesem Fall, da es sich um eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte Infrastrukturinvestition handelt, als öffentlicher Auftraggeber und muss sich den entsprechenden Vergabeverordnungen und -gesetzen unterordnen. Für die Genehmigung des Bauvorhabens ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung und nachfolgend ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren nach § 111a (2) BrWG (Bremisches Wassergesetz) durchzuführen und ein landschaftspflegerischer Begleitplan nach dem Bremischen Naturschutzgesetz § 11 (BremNatSchG) zu erstellen. Für die Vergabeentscheidung über den Neubau der Kaiserschleuse hat sich die bremenports für das neu zugelassene Vergabeverfahren „wettbewerblicher Dialog“ entschieden. Der wettbewerbliche Dialog stellt seit Ende des Jahres 2005 neben dem offenen Verfahren und dem nicht offenen Verfahren gemäß § 3a (/b/SKR (Sektorenrichtlinie)) VOB/A (Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen) ein gleichberechtigtes Vergabeverfahren dar.8 Der Gesetzestext zum wettbewerblichen Dialogverfahren selbst beinhaltet keine explizite Vorgabe zur Vorgehensweise des eigentlichen Dialogablaufes. Eine mögliche Handhabung lässt sich allerdings auf nationaler Ebene durch einen Vergleich zur Bewerberauswahl im öffentlichen Teilnehmerwettbewerb bei herkömmlichen Vergabearten herleiten.9 Der wettbewerbliche Dialog bietet dem Auftraggeber, der sich den Bestimmungen der öffentlichen Vergabe unterwerfen muss, erstmalig die Möglichkeit, die Innovationskraft der Bauwirtschaft im Dialoggespräch zu nutzen (Bauentwürfe, Bauverfahren, Bauabläufe) und auf Einzelheiten der unternehmensseitig vorgeschlagen Angebote Einfluss zu nehmen. Das war bisher z. B. bei Nebenangeboten und Sondervorschlägen in den herkömmlichen Vergabearten so nicht möglich. Hinzu kommt, dass ebenfalls erstmals die technischen Belange eines Projektes, auch unter Berücksichtigung der Preisbildung, zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern diskutiert werden können. Der endgültige Angebotspreis wird erst zum Ende der zweiten Phase des aus drei Phasen bestehenden Verfahrens von den Bietern abgefordert. Darüber hinaus bietet das Verfahren die Möglichkeit, die Risiken, welche ein komplexes Bauvorhaben mit sich bringt, zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu verhandeln und die Verantwortlichkeiten abzustimmen. Die bremenports betritt durch den wettbewerblichen Dialog Neuland, weil sie der erste öffentliche Auftraggeber in Deutschland ist, der diese neue Vergabeart zur Anwendung bringt. Das Vergabeverfahren birgt neben den genannten Vorteilen das übliche Risiko, dass es zu Problemen im Ablauf des Verfahrens kommen kann, welche wiederum zu einer Vergabebeschwerde führen können. Aufgrund der mangelnden Erfahrung mit diesem Verfahren steht jedoch zu erwarten, dass trotz eventuell unterschiedlicher Auffassungen zu dessen Ausgestaltung auf Auftraggeberseite und Bieterseite, beide Parteien lösungs- und zielorientiert zusammenarbeiten. Der Auftrag soll schließlich in einem Generalunternehmer-Vertrag formuliert werden, der zusätzlich zu der Bauaufgabe, wie bei solchen komplexen Ingenieurbauwerken üblich, die Planungsaufgaben zur Ausführung einschließt.
8
9
nach Dr. Christian Scherer-Leydecker: Das ÖPP-Beschleunigungsgesetz -rechtliche Bedeutung und Auswirkung auf PPP- Praxis, Regionalforum PPP Berlin-Brandenburg Vortrag (CMS Hasche Sigle),2006 Seite 5 nach Prof. Wolfgang Heiermann: Der wettbewerbliche Dialog, Sonderdruck, Frankfurt am Main, Seite 11
2
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2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Die Grundlage für das Verfahren ist die Neufassung der europäischen Vergabekoordinierungsrichtlinie in der Fassung 2004/18/EG (VkR), die mit dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz (Öffentlich Private Partnerschaft) letztendlich in den § 101 Abs. 5 GWb (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und § 6a VgV (Vergabeverordnung) in nationale Gesetze umgesetzt wurde.10 Das bedeutet aber nicht, dass sich die Gesetze in ihrem Umfang und ihrer wörtlichen Ausbildung genau entsprechen. Um die Vergabeform wettbewerblicher Dialog durchführen zu dürfen, müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein: • Der Schwellenwert von 5 Mio. Euro ohne Umsatzsteuer muss bei den Investitionskosten überschritten werden.11 (Nach §1a VOB/A) • Der Auftrag muss eine besondere Komplexität aufweisen. Diese Komplexität ist dann gegeben, wenn der Auftraggeber objektiv nicht in der Lage ist, die technischen Mittel angeben zu können, mit denen seine Bedürfnisse und Ziele erfüllt werden können oder der Auftraggeber kann objektiv nicht die rechtlichen oder finanziellen Bedingungen des Vorhaben angeben.12 Zwar bleiben die Richtlinienbestimmung und die nationalen Umsetzungen eine genaue Definition des „besonders komplexen Auftrags“ schuldig,13 jedoch heißt es in der Erläuterung zum wettbewerblichen Dialog der Europäischen Kommission unter der Überschrift „Technischer Komplexität“: „ (…) der Auftraggeber ist nicht in der Lage zu bestimmen, welche der zahlreichen in Frage kommenden Lösungen seinen Bedürfnissen am besten gerecht wird.“14 Der Neubau der Kaiserschleuse erfüllt sowohl die Bedingung der Investitionskostenhöhe als auch die Bedingung der Komplexität, so dass die formale Grundlage besteht, einen wettbewerblichen Dialog durchführen zu dürfen. Der Ablauf des wettbewerblichen Dialogs besteht aus den nachfolgend dargestellten drei Phasen, in denen jeweils verschiedene Tätigkeiten vom Auftraggeber und vom Bieter verlangt werden: • Phase 1: Bekanntmachung, Beschreibung und Auswahl der Verfahrensteilnehmer durch Auftraggeber („Präqualifikationsphase“) • Phase 2: Der Dialog („Dialogphase“) • Phase 3: Abschluss des Dialogs, endgültige Angebote und Zuschlagserteilung („Angebots- und Vergabephase“). Die bremenports hat sich für die Aufteilung der Phase 2 „Der Dialog“ in zwei Stufen entschieden:
10 11
12 13 14
nach Prof. Wolfgang Heiermann: Der wettbewerbliche Dialog, Sonderdruck, Frankfurt am Main, Seite 1 Prof. Dr. Ulrich Werner, Dr. Walter Pastor: Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A und B, Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und der Ingenieure, Verlag: Deutscher Taschenbuch 2003, Seite 36 nach § 6a VgV http://bundesrecht.juris.de/vgv_2001/__6a.html nach Prof. Wolfgang Heiermann: Der wettbewerbliche Dialog, Sonderdruck, Frankfurt am Main, Seite 6 Europäische Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen: Erläuterungen - wettbewerblicher Dialog – Klassische Richtlinie, Vergabewesen 5.10.2005, Seite 2,3
2.1 Der wettbewerbliche Dialog
27
• Phase 2: „Dialogphase 1“ + „Dialogphase 2“. Ziel ist es dabei, den Bieterkreis beim Übergang von der Dialogphase 1 zur Dialogphase 2 auf eine vorher festgelegte Anzahl zu verringern. Damit wird sowohl der Planungsaufwand für Bieter, die in Dialogphase 2 nicht berücksichtigt werden, als auch der Koordinierungs- und Beurteilungsaufwand für bremenports reduziert. Nach der o. g. formalen Prüfung der Eignung des Projekts für den wettbewerblichen Dialog beginnt das eigentliche Verfahren mit Phase 1 („Präqualifikationsphase“), indem der Auftraggeber seiner europaweiten Bekanntmachungspflicht über das Vergabevorhaben gemäß § 6a Abs. 2 VgV nachkommt. Damit startet ein Verfahren, das mit dem Teilnahmewettbewerb der herkömmlichen Verfahrensarten vergleichbar ist.15 In dieser Bekanntmachung schildert der Auftraggeber seine „Bedürfnisse und Anforderungen“, wobei die Vergabevorschriften auch hier genaue Begriffsbestimmungen schuldig bleiben. „An den Umfang des Bekanntmachungsinhaltes sind dennoch keine überzogenen Anforderungen gestellt.“16 Für den Neubau der Kaiserschleuse hat bremenports eine Reihe von Mindestanforderungen und Nachweispflichten an die Bieter gestellt, um die Teilnehmer für Phase 2 (Der Dialog) auswählen zu können. Dafür hat bremenports die folgenden Auswahlkriterien zusammengestellt und in der Bekanntmachung zusammen mit einer Gewichtung zwischen den einzelnen Kriterien veröffentlicht: • • • •
Referenzen Umsatz Personal Technische Ausstattung.
Die Phase 2 („Dialogphase 1“ + „Dialogphase 2“) ist der eigentliche inhaltliche Kern des Vergabeverfahrens, in dem das beste Lösungskonzept und die besten Bauverfahren für die Umsetzung der Bedürfnisse des Auftraggebers gefunden werden sollen. Dazu dürfen alle Aspekte des Auftrags mit den Bietern erörtert werden.17 „Der Dialog kann sich demnach nicht nur auf die „technischen“ Aspekte, sondern auch auf die wirtschaftlichen (Preis, Kosten, Einkünfte usw.) oder rechtlichen Aspekte (Risikoverteilung und -begrenzung, Garantien, mögliche Schaffung von „Zweckgesellschaften“ usw.) erstrecken.“18 Die einzureichenden Konzeptstudien der Auftragnehmer in Dialogphase 1 dürfen im Falle des Neubaus der Kaiserschleuse maximal zwei Konzepte beinhalten. Ein Konzept darf sich dabei auf den von bremenports zur Verfügung gestellten Vorentwurf stützen. Hier kann der bietende Unternehmer unter Anwendung seines Herstellungsknowhows technische und wirtschaftliche Optimierungen einbringen. In einem zweiten Konzept kann der bietende Unternehmer unter Einhaltung der vorgegebenen Randbedingungen eine aus seiner Sicht technisch und wirtschaftlich optimale Lösung präsentieren, die in ihren konzeptionellen Zügen durchaus deutlich vom Bauherrenvorschlag abweichen kann. Zusammenfassend bedeutet dies, dass der Bauherr aufgrund der Komplexität des Bauvorhabens durchaus akzeptiert, dass es mehrere baubare Lö15 16
17
18
nach Prof. Wolfgang Heiermann: Der wettbewerbliche Dialog, Sonderdruck, Frankfurt am Main, Seite 9 Prof. Wolfgang Heiermann: Der wettbewerbliche Dialog, Sonderdruck, Frankfurt am Main, Seite 10 ( Vgl. Knauff, Vergabe R 2004, 287292) nach Europäisches Parlament und Rat, Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträgen und Dienstleistungsaufträgen, Amtsblatt 30.04.2004 Artikel 29 Abs. 3 Europäische Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen: Erläuterungen – wettbewerblicher Dialog – Klassische Richtlinie, Vergabewesen 5.10.2005, Seite 7
2
28
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen sungsmöglichkeiten für die Aufgabe gibt. Übergeordnetes Ziel des Vergabeverfahrens ist es, der technisch-wirtschaftlichen Optimallösung am nächsten zu kommen.
2
Für die Verringerung auf drei verbleibende Teilnehmer mit jeweils maximal zwei Konzepten innerhalb der Phase 2 hat bremenports die folgenden Bewertungskriterien für die in Dialogphase 1 eingereichten Unterlagen und die bis dahin von den Bietern gehaltene Präsentation festgelegt: • Preis auf Grundlage der Kostenschätzung mit einem Genauigkeitsgrad von +/– 25 % • Bauablauf einschließlich der Minimierung von Risiken auf der Grundlage des Bauablaufplanes und der Risikoanalyse • Minimierung von Sperrzeiten auf der Grundlage des Bauzeitenplanes • Wartungskosten auf der Grundlage der überschlägigen Darstellung der Wartungskosten • Gesamteindruck des Konzepts hinsichtlich Qualität und technischen Wertes. Auch für diese Kriterien wurde eine Gewichtung formuliert und den Bietern mitgeteilt. Alle Anforderungen an die Transparenz der Bewertungsmethodik gelten als erfüllt. Die Richtlinie für das Vergabeverfahren schafft in Artikel 29 Absatz 3 lediglich einen Rahmen, der die Vergabegrundsätze wie die Gleichberechtigung der Bieter, die Unterlassung von diskriminierenden Weitergaben von Informationen sowie Weitergabe von Lösungsvorschlägen oder vertraulichen Informationen eines Bieters enthält.19 Aus diesem Grund hat der Dialog mit jedem Bewerber einzeln zu erfolgen und sich auf die Vorschläge und Lösungen dieses Bewerbers zu stützen, um der Gefahr des Plagiates entgegen zu wirken.20 Für den eigentlichen Dialog hat die bremenports mit den Bietern einzelne Erörterungstermine angesetzt, in denen die Anforderungen des Auftraggebers und die Lösungsansätze der Bieter unter technischen und preisbildenden Aspekten erörtert werden können. Für das Kaiserschleusenprojekt hat die bremenports festgelegt, dass die in der Dialogphase 2 verbliebenen Bieter ihre Vorschläge und Entwürfe zum Ende der Dialogphase 2 zu einer umfassenden Projektstudie ausgebaut haben müssen. Neben der Präsentation der Projektstudie müssen die Bieter genaue Konzepte bezüglich der Termine, Kosten und Qualitäten der Bauabwicklung aufweisen. Mit dem Ende der Phase 2 wird von den Bietern eine Kostenberechnung mit einem Genauigkeitsgrad von +/– 10 % gefordert. Die Phase 2 findet ihren Abschluss, wenn der Auftraggeber der Meinung ist, dass es entweder keine Lösung gibt oder er mit einem oder mehreren Bieterlösungskonzepten seine Anforderungen erfüllt sieht und nach Meinung des Auftraggebers diese Konzepte ausreichend präzise diskutiert wurden.21 In Phase 3 („Angebots- & Vergabephase“) erklärt der Auftraggeber den Dialog für beendet und teilt dies auch allen in Dialogphase 2 verbliebenen Teilnehmern mit, womit die Möglichkeit von weiteren Verhandlungen endgültig beendet ist. Gleichzeitig oder anschließend fordert der Auftraggeber die verbliebenen Bieter auf, „ (…) auf der Grundlage der eingereichten und
19
20
21
nach Europäisches Parlament und Rat, Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträgen und Dienstleistungsaufträgen, Amtsblatt 30.04.2004 Artikel 29 Abs. 3 nach Europäische Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen: Erläuterungen wettbewerblicher Dialog – Klassische Richtlinie, Vergabewesen 5.10.2005, Seite 7 nach Prof. Wolfgang Heiermann: Der wettbewerbliche Dialog, Sonderdruck, Frankfurt am Main, Seite 13/14
2.2 Die Ausgestaltung der Kalkulationsgrundlagen
29
in Dialogphase näher ausgeführten (und zielführenden) Lösungen ihre endgültigen Angebote einzureichen“.22 Schließlich werden die so verbliebenen und präzisierten Angebote unter Verwendung der zuvor genannten Bewertungskriterien von der bremenports abschließend bewertet und das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ unter diesen ausgesucht.
2.1.4 Zusammenfassung Für die bremenports ist der wettbewerbliche Dialog ein effizientes Vergabeverfahren, um den Auftrag für den Neubau der Kaiserschleuse unter Einbeziehung der Innovationskraft der Bauwirtschaft zeitnah und schnell zu vergeben, ohne dabei den Einfluss auf einzelne Details zu verlieren. Das Verfahren bietet die außerordentliche und neue Chance, das Planungs- und Betriebsknowhow des Bauherren mit dem Herstellungsknowhow der Unternehmen zusammenzubringen, um einer allen Anforderungen gerecht werdenden technisch-wirtschaftlichen Optimallösung für die Bauaufgabe sehr nahe zu kommen. Auch wenn das Verfahren für alle Beteiligten Neuland bedeutet und neue Verfahrensmuster erst noch eingeübt werden müssen, so besteht doch die Aussicht, dass der Arbeitsaufwand für den Auftraggeber und für die Bieter durch den wettbewerblichen Dialog reduziert wird. In Zukunft werden sicherlich auch andere öffentliche Auftraggeber dieses Vergabeverfahren mit seinen Vorteilen für sich entdecken. An dieser Stelle seien auch die Public Private Partnership (PPP) Bauprojekte genannt, bei denen ebenfalls eine genaue Festlegung der Konzepte für die Erreichung eines Ziels ein Teil der vergebenen Leistung ist. Sobald sich auch für dieses Verfahren ein Erfahrungshorizont in der Branche, auch dank der Vorreiterrolle der bremenports, gebildet hat, wird es sicherlich zu einem in der Praxis gleichwertig angewendeten Verfahren neben dem offenen Verfahren und dem nicht offenen Verfahren werden.
2.2 Die Ausgestaltung der Kalkulationsgrundlagen in Public Private Partnership-Projekten bearbeitet von Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Korn
2.2.1 Einleitung Nach zunächst sehr zögerlichen Anfängen hat es in den letzten drei Jahren in Deutschland einen starken Anstieg in der Konzeption und Umsetzung von so genannten Public Private Partnership-Projekten (PPP-Projekten23) gegeben. Dabei soll in diesem Beitrag insbesondere auf die Infrastrukturprojekte im Rahmen des umfassenden Feldes 'PPP' abgestellt werden. Ein PPP-Infrastrukturprojekt ist eine am Lebenszyklus der Infrastruktur orientierte vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft unter Nutzung dieser Infrastruktur zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Dabei erfolgt i.d.R. auch eine Aufgabenteilung in der Durchführung der infrastrukturbezogenen Dienstleistungen über die Betriebsphase.
22
23
Europäisches Parlament und Rat, Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträgen und Dienstleistungsaufträgen, Amtsblatt 30.04.2004 Artikel 29 Abs. 3 Der Terminus „PPP-Projekte“ (von öffentlich privater Partnerschaff) setzt sich in Deutschland zunehmend durch
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30
2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Die ersten PPP-Projekte haben bereits die Betriebsphase erreicht, für einige erfolgt aktuell die Baudurchführung, und verschiedene Projekte befinden sich zur Zeit in der Ausschreibungsphase. Mehrere Projekte sind seitens des Verfassers über die letztgenannte Phase des PPPBeschaffungsprozesses begleitet worden, so dass auf Basis dieser Erfahrungen Schlüsse für eine optimierte Gestaltung der Ausschreibungsunterlagen gezogen werden können. Innerhalb des Ausschreibungsverfahrens ist insbesondere die Abfrage der Nutzungsentgelte von den Bietern in verschiedenen Verfahren bisher sehr unterschiedlich detailliert erfolgt. Dabei reicht die Spanne von einer beinahe globalen Abfrage eines Pauschalpreises bis zur Vorgabe sehr detaillierter Leistungsverzeichnisse. Hier sollte sich schon im Rahmen der Bestrebungen, Standards für die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in PPP-Projekten zu etablieren, ein standardisiertes Verfahren durchsetzen, das jedoch die nötigen Freiräume für die projektindividuellen Ausgestaltungen der Projektunterlagen lässt.
2.2.2 Aufbau der Verdingungsunterlagen in PPP-Projekten Die Gestaltung der Vergütungsstruktur sollte innerhalb des PPP-Vergabeprozesses schon zu Beginn der Konzeption der Vergabeunterlagen berücksichtigt werden. Die Gestaltung des Nutzungsentgelts ist damit innerhalb des idealtypischen Vergabeprozesses einer der primären Teilprozesse der Stufe III24, die sich an die Stufe des Eignungstests (Stufe I) und der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (Stufe II) anschließt. In der Regel wird die Zusammensetzung des Nutzungsentgelts als Prognose innerhalb der zum Zweck der Untersuchung der Wirtschaftlichkeit vorzunehmenden PPP-Modellierung in Stufe II formuliert. Werden die prognostizierten Nutzungsentgelte dabei schon in der später von den Bietern abgefragten Form modelliert, lassen sich nach Eingang der Bieterangebote in Stufe III Vergleiche mit den Bieterangeboten durchführen, ohne dass umfangreiche Berechnungen durchzuführen sind oder im schlechtesten Fall Annahmen zu treffen wären. Ohne eine detaillierte Ausarbeitung der CashflowKomponenten in der Wirtschaftlichkeitsberechnung fehlt diese Vergleichsmöglichkeit völlig oder ist zumindest erschwert. Stellt sich im Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung heraus, dass die PPP-Variante gegenüber der Variante der Eigenrealisierung das wirtschaftlichere Modell darstellt, und entscheidet sich der Auftraggeber, dieses Modell zu realisieren, tritt er mit Konzeption der Ausschreibungsunterlagen in die Phase III des Vergabeprozesses ein. Schon zu diesem Zeitpunkt sollte sich die ausschreibende Stelle darüber im Klaren sein, welche Angebotsinformationen sie von ihren Bietern benötigt und wie eine optimierte Abfrage dieser Informationen zu gestalten ist. Dazu ist zunächst die Gesamtheit der Vergabeunterlagen geeignet zu strukturieren. Die Vergabeunterlagen stellen ein in sich geschlossenes Vertragswerk dar. Innerhalb dieses Vertragswerks lassen sich verschiedene Untergruppen von Dokumenten identifizieren, die alle dem Zweck dienen, dem Bieter Klarheit über die Randbedingungen der von ihm gewünschten Leistung zu verschaffen. Inhaltlicher Kern der Vertragsgesamtheit sind die in der Regel umfangreichen Musterverträge, die den von Seiten der ausschreibenden Stelle gewünschten Vertragsinhalt textlich fixieren. Sie umfassen häufig ihrerseits verschiedene Detail-Vertragswerke zu einzelnen TeilleistungsBereichen. Weiterhin dienen verschiedene technische Ausführungen und Gutachten der genaueren Information der Bieter hinsichtlich der Rahmenbedingungen der von ihnen erwarteten Leistungsinhalte. Dazu gehören beispielsweise: 24
Vgl. Bundesgutachten des BMVBW „PPP im öffentlichen Hochbau“, Band I „Leitfaden“, S. 23 ff., Berlin 2003
31
2.2 Die Ausgestaltung der Kalkulationsgrundlagen • • • •
Baugrundgutachten Schallschutzgutachten Sanierungsgutachten Tragwerk Sanierungsgutachten Technische Gebäudeausstattung, etc.
2 Warteraum
Speiseraum
Foyer
Sitzungssaal
Austeilung
Hausverwaltung
Tiefgarage
Büro
Vorbereitung
Lagerraum
Postverteilung
Abbildung 2.4: Funktionsdiagramm
Zusätzlich können im Einzelfall Beschreibungen der zu erwartenden archäologischen Bestandserfassungen, Wasserschutzbestimmungen, Kampfmittelbeseitigungsmaßnahmen o.ä. dem Bieter Klarheit über besondere zeitliche oder monetäre Belastungen verschaffen. Die seitens des Auftraggebers räumlich gewünschte Situation wird häufig in einem Funktionsdiagramm beschrieben (Abb. 2.4). In diesem wird die funktionale Abhängigkeit bestimmter Bereiche und eine damit verbundene gewünschte räumliche Nähe oder im Gegenteil die Anforderung einer räumlichen Trennung bestimmter Bereiche formuliert. Die Gesamtheit der Flächenanforderungen ist somit in Funktionsbereiche zu unterteilen, welche zueinander in Abhängigkeit gesetzt werden. Im Ergebnis erhält man einen ungerichteten Graph mit Knoten und Kanten, wobei die Knoten die Funktionsbereiche darstellen, während die Kanten über bestimmte Kennzeichnungen Auskunft über die Abhängigkeitsbeziehungen je zweier Funktionsbereiche geben. Ein wesentliches Element der Ausschreibungsunterlagen ist das Raumprogramm (Abb. 2.5). Dieses enthält die zu erstellenden Räume einschließlich der Raumqualitäten und spezifischen Anforderungen bezüglich Oberflächen und Ausstattung in standardisierter Form. Dabei wird in der Regel nicht jeder Raum einzeln beschrieben, sondern die Räume werden, wo möglich, innerhalb der oben genannten Funktionsbereiche zu Raumtypen zusammengefasst, und pro Raumtyp wird lediglich ein Musterraum beschrieben, wobei eventuell Variationen einzelner Parameter vorgegeben werden. Aus dem Raumprogramm erhält der Bieter seine erforderlichen Informationen über Raumanzahl, m2 Hauptnutzfläche und eventuell weitere Kennwerte wie erforderliche (Mindest-) raumhöhen etc. Zu einer zielorientierten Planung des Privaten im Sinne des Zielsystems des Auftraggebers trägt die Angabe weiterer Parameter bei, welche die Bauelemente beschreiben. In diesem Sinne können alle Bauelemente und Oberflächen eines
32
2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Raumes, wie Wände, Böden, Decken, Fenster oder Türen mit ihren Mindestanforderungen erfasst werden. Wo dies möglich ist, sollte auf konkrete Anforderungen an die Bieter verzichtet werden. Zusätzlich sollten Anforderungen des in der Regel bekannten späteren Nutzers, wie Mindestflächenangaben pro Arbeitsplatz in das Raumbuch aufgenommen werden. Auch wenn sich diese häufig aus den seitens des Bieters zu beachtenden Normen, Richtlinien und weiteren Regelwerken ergeben, werden sie so konkret einer Raumgruppe zugeordnet. Auszug Raumprogramm:
1
Büroräume
AP pro Raum
Anzahl Räume
m²
AP gesamt
m² gesamt
Bemerkungen
1.1
Standardbüro
2
124
25,00
248
3.100,00
s. Detailanforderungen zu 1.1
1.2
Büro Abteilungsleiter
1
6
16,00
6
96,00
s. Detailanforderungen zu 1.2
1.3
Büro Leitung
1
2
30,50
s. Detailanforderungen zu 1.3
2
61,00
256
3.257,00
15,00
-
30,00
s. Detailanforderungen zu 2.1
Summe Büroräume 2.1 2
Technik
Heizung
-
2
2.2
ELT
-
8
4,50
-
36,00
s. Detailanforderungen zu 2.2
2.3
EDV
-
2
10,50
-
21,00
s. Detailanforderungen zu 2.3
-
87,00
Summe Technik
Abbildung 2.5: Raumprogramm
In gleicher Weise wie die Anforderungen an die Bauelemente sollten dem Bieter Anforderungen an die Technische Gebäudeausrüstung verdeutlicht werden. Für die einzelnen Raumtypen können auch für die technische Ausstattung Mindestanforderungen formuliert werden. In der Regel werden raumbezogen einzuhaltende Raumklimaparameter und der Einbau von Sondersystemen wie beispielsweise in EDV-Serverräumen definiert. Raumübergreifend sind aufgrund ihrer Ausdehnung Anforderungen an die wesentlichen einzubauenden technischen Systeme, gegliedert in Gewerke wie Heizung/Kühlung, Lüftung, Elektro, Sanitär, IT/Telekommunikation etc. formuliert. Dabei kann auf die einzuhaltenden Vorschriften Bezug genommen werden. Der Auftraggeber sollte allerdings darüber hinaus in einer Generalklausel die Einhaltung des aktuellen Standes der Technik einfordern. Sollte der Auftraggeber bestimmte Energiekonzepte aus politischen Gründen präferieren25, sollte er dies ebenfalls in den Anforderungen an die Technische Gebäudeausrüstung formulieren. Der Bieter wird in einem PPP-Vertrag aufgrund der vernünftigerweise in seinen Verantwortungsbereich fallenden Mengenrisiken des Energieverbrauchs stets eine wirtschaftliche Variante wählen, die sich möglicherweise nicht mit der politischen Zielrichtung deckt. Ist beispielsweise eine teilweise Versorgung des Gebäudes mittels Solarkollektoren gewünscht, sollte dies explizit als Anforderung in den Ausschreibungsunterlagen fixiert werden. Neben diesen gebäudebezogenen Informationen benötigt der Bieter für seine Kalkulation Auskünfte über die Randbedingungen der gebäudenahen und falls erforderlich auch weiterer Dienstleistungen, die ihm innerhalb des PPP-Projektes übertragen werden sollen. Die gebäudenahen Dienstleistungen wie beispielsweise Reinigung sind stark standardisiert und können häufig mittels weniger Angaben und Schlüsselwörter, wie „Grundreinigung“, „Winterdienst“ o.ä. beschrieben werden. Sind dagegen größere Funktionsbereiche für die Übertragung auf 25
Die Vorgabe bestimmter Systeme ist allerdings nicht im Sinne einer konsequent outputorientierten Ausschreibung
33
2.2 Die Ausgestaltung der Kalkulationsgrundlagen einen Privaten vorgesehen, für die darüber hinaus eine Übertragung auf Private nicht erfolgt ist, werden weitergehende Beschreibungen der vom Privaten zu leistenden Tätigkeiten benötigt. Wesentlich für die Kalkulation der Betriebsleistungen der Bieter sind Angaben zu Nutzungszeiten, klassifiziert nach Funktionsflächen, und zu gewünschten Zeiträumen der Erbringung der Dienstleistungen (Abb. 2.6).
Die üblichen Nutzungszeiten des Objekts sind:
Randarbeitszeit:
Kernarbeitszeit:
Montag - Freitag
Von xx:xx bis xx:xx Uhr und von xx:xx bis xx:xx Uhr
Von xx:xx bis xx:xx Uhr
Samstag
Von xx:xx bis xx:xx Uhr und von xx:xx bis xx:xx Uhr
Von xx:xx bis xx:xx Uhr
Sonntag
Von xx:xx bis xx:xx Uhr und von xx:xx bis xx:xx Uhr
Von xx:xx bis xx:xx Uhr
Abbildung 2.6: Beispiel der Vorgabe von Nutzungszeiten
Auch die Anzahl der Nutzer sollte gestaffelt nach Beschäftigungsgruppen angegeben werden, um dem Bieter einen Anhaltspunkt für die Verbräuche an Energie und anderen Medien zu geben. Beispielverbräuche von Referenzobjekten in die Ausschreibungsunterlagen aufzunehmen, ist möglich. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass diese Werte nur Hinweise geben können und der Bieter die tatsächlichen Verbräuche unter Einbeziehung der von ihm zu planenden Objekteigenschaften zu kalkulieren hat. Für die Kalkulation weiterer Dienstleistungen seitens des Privaten hat es sich als sinnvoll herausgestellt, die auf den Privaten zu übertragenden Teilleistungen innerhalb der Leistungsgesamtheit des Projektes prozessbezogen darzustellen. Somit werden Schnittstellen und Abgrenzungen zu Leistungsinhalten, die von der öffentlichen Hand erbracht werden, deutlich. Solche in den Ausschreibungsunterlagen vorgegebenen Prozessdiagramme stellen für den Bieter einen ersten Entwurf der von ihm erwarteten Dienstleistungserbringung dar, die er nun seinerseits optimieren und auf deren Basis er seine Kalkulation vornehmen kann. Dabei ist es unbedingt erforderlich, dem Bieter mittels eines Bonus-/Malussystems einen Rahmen für die Gestaltung seiner Dienstleistungen vorzugeben. Indem Fehler definiert und klassifiziert werden sowie Reaktions- und Behebungszeiten26 vorgegeben werden, wird dem Privaten verdeutlicht, worauf er sein Hauptaugenmerk in der Gestaltung seines Qualitätskonzeptes zu legen hat. Innerhalb dieses Anreiz- bzw. Sanktionierungssystems sollte die Leistungsgesamtheit, die dem Bieter übertragen wird, differenziert und in Leistungsgruppen klassifiziert werden. Für jede Leistungsgruppe ist dann neben der Reaktionszeit auch die Lösungszeit zu definieren und sind Fehler, die infolge einer nicht ordnungsgemäßen Abwicklung der Leistung 26
Unter Reaktionszeit versteht man den Zeitraum vom Zeitpunkt der Feststellung einer Störung seitens der Störungserfassungssysteme, des Nutzers oder des Auftragnehmers bis zum Zeitpunkt der Einleitung von Gegenmaßnahmen. Dagegen stellt die Behebungszeit den Zeitraum vom Zeitpunkt des Einleitens von Gegenmaßnahmen bis zum Zeitpunkt der Behebung der Störung dar.
2
34
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen entstehen, bestimmten Fehlerklassen zuzuordnen. Allerdings sollte die Klassifizierung nicht zu detailliert erfolgen, um Zuordnungs- und Auswertungsprobleme in der Anwendung des Systems möglichst zu minimieren.
2
Ein möglicher Ansatz, innerhalb der Malus-Systematik ist es, den Malus der durch Fehlerpunkte bewerteten Fehler vom Bieter selbst mit einem Preis versehen zu lassen. Der Bieter hat dann anzugeben, welchen Abzug (in € oder % des betroffenen Nutzungsentgeltbestandteils) er pro Fehlerpunkt zulassen will. Dann hat allerdings die bewertende Stelle das Problem, dass sich das Nutzungsentgelt nunmehr aus 2 Komponenten zusammensetzt: Neben den Grundbestandteil des vom Bieter angebotenen Entgeltes tritt der potenzielle Abzugsbetrag, dessen Höhe nicht im Voraus bestimmt werden kann. Der Bewertende hat dann die Möglichkeit, im Rahmen einer Nutzwertanalyse den beiden Bestandteilen des Entgelts jeweils eine Gewichtung zuzuordnen. Es wäre auch denkbar, die Maluskomponente über eine geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeit der Fehler zu quantifizieren und den so quantifizierten Malus von der angebotenen Entgelthöhe abzuziehen. Die inhaltliche Konzeption der Dienstleistungsbeschreibung in den Ausschreibungsunterlagen wird in aktuellen Projekten häufig noch mit zu geringem Aufwand vorgenommen. Dies hat zur Folge, dass die auftraggeberseitig gewünschten Leistungsbestandteile von den Bietern unterschiedlich ausgelegt und kalkuliert werden, ja teilweise überhaupt nicht in die Kalkulation der Bieter, eingehen. In solchen Fällen kommt es häufig zu Kalkulationsirrtümern der Bieter, und es bedarf umfangreicher Aufklärungen, um die Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen.
2.2.3 Abfrage der Kalkulationsgrundlagen Die Abfrage der Vergütungshöhe von den Bietern in einer von der Auftraggeberseite vorgegebenen Struktur hat im Wesentlichen zwei Funktionen. Zum einen verfügt die Vergabestelle mit den Entgeltansprüchen der Bieter über die benötigten Ausgangswerte zur Ermittlung des Barwertes der PPP-Lösung. Der Wirtschaftlichkeitsnachweis erfolgt für den obsiegenden Bieter, indem die an diesen Bieter zu zahlenden Entgelte in das PPP-Finanzierungsmodell einfließen und der Barwert des Modells mit dem Barwert der Eigenrealisierung (Public Sector Comparator – PSC) verglichen wird. Zum anderen können die Vergütungsansprüche der verschiedenen Bieter untereinander verglichen und somit ein Ranking für die gewählten monetären Kriterien erstellt werden. Darüber hinaus wird durch eine Abfrage einzelner Elemente der vom Bieter beanspruchten Vergütung eine Nachtragskalkulation bei auftraggeberseitig veranlassten Veränderungen im Bau- oder Betriebsablauf für den Auftraggeber nachvollziehbar. Da der Auftragnehmer bei der Preiskalkulation für geänderte Leistungen an die Grundlagen seiner ursprünglichen Kalkulation gebunden ist, verhindert eine detaillierte Abfrage der Preisgestaltung für einzelne Leistungselemente eine willkürliche Neukalkulation dieser Elemente seitens des Auftragnehmers. Anders verhält es sich bei zusätzlich vom Auftraggeber geforderten Leistungen: Hier ist der Auftragnehmer an seine ursprüngliche Preiskalkulation nicht gebunden. Welches sind nun die Charakteristika, die an eine optimierte Abfrage von Leistungsbestandteilen und deren Preisfindung von den Bietern in einem PPP-Vergabeverfahren zu stellen sind? Zur Beantwortung dieser Frage soll zunächst beispielhaft der Fall betrachtet werden, in welchem ohne weitere Detaillierung ein monatliches Nutzungsentgelt von den Bietern abgefragt wird. Die Belastung des Auftraggebers ergibt sich dann aus den über die gesamte Nutzungsdauer an den obsiegenden Bieter zu zahlenden Entgelten. Ein solches Verfahren ist für einen Vergleich der Bieter untereinander sowie für die Erstellung des Wirtschaftlichkeitsnachweises
2.2 Die Ausgestaltung der Kalkulationsgrundlagen
35
vor Erteilung des Zuschlages ausreichend. Es kann für die monetäre Bewertung eindeutig bestimmt werden, ob der obsiegende Bieter mit seinem Angebot unter Berücksichtigung der bei der öffentlichen Hand verbleibenden Kosten barwertig unterhalb des Benchmarks Public Sector Comparator (PSC) liegt. Bei einer solch rudimentären Preisabfrage ist es jedoch nicht möglich, Kalkulationsirrtümer des Bieters im Vorfeld der Zuschlagserteilung aufzudecken. Da es an einer Strukturierung der Vergütung des Bieters fehlt, fallen Preis- oder Mengenirrtümer seitens des Bieters nicht auf und können von der Vergabestelle nicht aufgeklärt werden. Auch Spekulationspreise sind so im Vorfeld der Zuschlagserteilung nicht über den Vergleich mit Benchmarks zu erkennen. Darüber hinaus ist in diesem Fall die Ableitung von Preisen für erforderliche Änderungen des ursprünglichen Vertragsinhaltes unmöglich. Zu solchen Änderungen kann es insbesondere während der Nutzungsphase aufgrund der langen PPP-Vertragslaufzeiten durchaus kommen, so dass sich dieser Mangel bei oben genannter Vorgehensweise erst im weiteren Projektablauf offenbaren wird. Im Fall von Änderungen der vertraglich formulierten Leistungsinhalte sollte es den Parteien möglich sein, analog zu klassischen Vergaben auf Basis von EPLeistungsverzeichnissen die Preisfindung der Urkalkulation als Grundlage der Neukalkulation der geänderten Leistungsbestandteile zu verwenden. Wohlgemerkt – dies betrifft nur geänderte Leistungen, während zusätzliche Leistungen frei kalkulierbar sind. Eine Möglichkeit zur Minderung dieser Problematik insbesondere für die Betriebsleistungen ist die in Großbritannien regelmäßig angewandte Methode des Market-Testing. Bestimmte Teilleistungen des Betriebes werden in diesem Fall nur für eine relativ geringe Anzahl von Jahren an den zunächst obsiegenden Bieter vergeben. Dieser Auftragnehmer hat sich nach Ablauf des Zeitraumes einem erneuten Wettbewerb um die Leistungserbringung über den nächstfolgenden Zeitraum zu stellen. Somit können spätestens zum Zeitpunkt der erneuten Vergabe vom Auftraggeber gewünschte Leistungsänderungen in den Ausschreibungsbedingungen berücksichtigt werden. In dem Verfahren des Market-Testing liegt allerdings auch eine gewisse Gefahr. Sollten die gebäudenahen Betriebsleistungen in Verbindung mit der Erstellung des Objektes nur über eine kurze Zeit ausgeschrieben werden, sinkt für den Ersteller der Anreiz, das Objekt so zu planen, dass die Versorgungs- und Bauunterhaltungskosten minimiert werden. Ein böswilliger Auftragnehmer könnte so ein Gebäude in gerade ausreichender Qualität erstellen, um sich nach Ablauf der kurzen Betriebsphase aus dem Projekt zurückzuziehen. Für diesen Fall muss bei der Gestaltung der Ausschreibungsunterlagen ein besonderes Augenmerk auf die Endschaftsregelungen gelegt werden. Auch sollte das Versorgungs- und Energiekonzept durch die Bieter schon im Vorfeld der Zuschlagserteilung ausführlich dokumentiert werden. Dessen ungeachtet ist zu überlegen, wie detailliert die Abfrage der Urkalkulation der Bieter vorgenommen werden darf, ohne die Bieter ihrer Innovationspotenziale in der Planung und Umsetzung des Bauobjektes sowie in der Konzeption des Betriebes zu sehr zu beschränken: Die Abfrage der Planungs- und Baukosten sollte unbedingt auf der Gliederungsebene 3 gemäß der Struktur der DIN 276 erfolgen. Durch die bieterseitige Angabe der Kosten für einzelne Komponenten in der Durchführung von Planungs- und Bauleistungen ist es über den Vergleich mit Benchmarks häufig möglich, offensichtliche Kalkulationsirrtümer aufzudecken. Der Bieter kann dann in Folge von Aufklärungshinweisen seine Kalkulation korrigieren. Die Baunutzungskosten sind vom Bieter in Entgeltbestandteile aufgespalten anzugeben. Dabei bietet sich eine Gliederung nach der Richtlinie GEFMA 200 an. Die Kosten der Betriebs- und
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2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Nutzungsphase können so relativ detailliert nach Kostengruppen gegliedert abgefragt werden. Insbesondere für Kosten des infrastrukturellen und kaufmännischen Gebäudemanagements bietet die GEFMA-Richtlinie eine weitaus detailliertere Gliederung als die DIN 18960 „Nutzungskosten im Hochbau“.
2
Im Rahmen der Kalkulation der Gebäudeversorgung sollte vom Bieter verlangt werden, für die einzelnen Ver- und Entsorgungsmedien einen Preis pro Einheit des jeweiligen Mediums anzugeben. Für die Verbräuche können darüber hinaus bestimmte Mengenszenarien definiert werden. Für jedes dieser Szenarien ist dann vom Bieter ein Preis pro Mengeneinheit zu nennen. Sollte der Weg gewählt werden, dem Bieter eine Vergütung für die Medienver- und Entsorgung in Abhängigkeit des Nutzerverhaltens zu zahlen, hat dieses Vorgehen den Vorteil, dass der Bieter Economies of Scale in seine Kalkulation einfließen lassen kann. Selbstverständlich können die Einzelkosten einzelner Teilleistungen auch detailliert über den Ausschreibungsunterlagen beigefügte Teilleistungsverzeichnisse abgefragt werden. Dabei ließe sich zum Beispiel bauelementeweise vorgehen, indem für die Erstellung eines bestimmten Bauelementes, wie beispielsweise dem laufenden Meter leichter Trennwand in einem bestimmten Höhenbereich, Preise vom Bieter einzutragen sind. Auch erscheint es sinnvoll, sich vom Bieter Verrechnungssätze für Stundenlohnarbeiten von Personal in verschiedenen Funktionsstufen nennen zu lassen. In gleicher Weise könnten für andere Leistungen auftraggeberseitig vorgefertigte Leistungsverzeichnisse erstellt werden. So besteht für Leistungen des Gebäudemanagements die Möglichkeit, sich an der GEFMA-Richtlinie 530 zu orientieren. Diese stellt ein Muster-Leistungsverzeichnis dar, über das die Kalkulationsgrundlagen von 24 Gewerken einschließlich der Qualitäten von den Bietern abgefragt werden können. Kritisch erscheint vor diesem Hintergrund das Verfahren, solche Leistungsverzeichnisse für die Leistungsgesamtheit oder für vollständige Funktionsbereiche zu erstellen. Ein solches Vorgehen widerspricht dem PPP-Gedanken, mittels der Einbeziehung der Innovationskraft des Bieters eine wirtschaftlich optimierte Gesamtlösung zu erhalten. Bei derartig strukturierten Ausschreibungsunterlagen könnte darüber hinaus der Bieter zu der Annahme gelangen, dass die vom Auftraggeber geforderten Teilleistungen nur auf die in den Leistungsverzeichnissen genannten begrenzt sind. Im Fall von Detail-Pauschalverträgen wird auftraggeberseitig versucht, mittels einer so genannten „Komplettheitsklausel“ der Gefahr einer solchen Argumentation zu begegnen. Danach sind unabhängig vom Inhalt der Leistungsbeschreibung alle Teilleistungen vertraglich vereinbart, die zum Erreichen des auftraggeberseitig gewünschten Zieles erforderlich sind und deren Erfordernis der Auftragnehmer hätte erkennen können. Wenn Auftraggeber und Auftragnehmer im Verhandlungsverfahren zu einer individuell getroffenen Vereinbarung auf Basis einer pauschalen Vergütung kommen, hat die Rechtsprechung eine solche Klausel für zulässig erklärt. Da für PPP-Projekte momentan in der Regel das Verhandlungsverfahren zur Anwendung kommt, somit eine einzelvertragliche Regelung mit dem obsiegenden Bieter getroffen wird, könnte wohl von der Gültigkeit einer solchen Komplettheitsklausel ausgegangen werden. Es erscheint für PPP-Verfahren gleichwohl sinnvoller, eine Kalkulationsabfrage nur für wesentliche Kostenträger vorzugeben. Dabei könnte die ausschreibende Stelle sich beispielsweise an den „EFB-Preis“ (Einheitliche Formblätter-Preis) orientieren, die von den Oberfinanz- und Baudirektionen als Hilfsmittel für die Bewertung von Angeboten eingeführt wurden. In den EFB-Preis Formblättern haben die Bieter bei öffentlichen Ausschreibungen über verschiedene Einzelkosten, wie Lohn-, Stoff- oder Gerätekosten, aber auch über Gemeinkosten Auskunft zu erteilen. Infolge der so hergestellten auftraggeberseitigen Kenntnis von Einheitspreisen wesentlicher Positionen ist auf diese Weise eine ausreichende Grundlage für Nachtragskalkulationen gegeben. Darüber
2.3 Öffentlich Private Partnerschaften hinaus sollten die Bieter aber dazu aufgefordert werden, ihre Kalkulation in ihren Angeboten transparent darzustellen. Ein solches Vorgehen erscheint insbesondere vor dem Hintergrund sinnvoll, dass bei einem unzureichenden Kalkulationsausweis seitens eines Bieters in den weiteren Verhandlungsrunden eine ausreichende Aufklärungsmöglichkeit der ausschreibenden Stelle besteht.
2.2.4 Fazit Die Ausgestaltung der Abfrage der bieterseitigen Kalkulation durch die ausschreibende Stelle ist ein Themengebiet, dem bisher in aktuellen Veröffentlichungen noch wenig Beachtung geschenkt wird. Dies steht im Widerspruch zu der enormen Bedeutung, die eine optimierte Abfrage der Kalkulationsgrundlagen für den Bewertungsprozess und eventuelle Nachtragsverhandlungen im weiteren Projektfortgang nach Erteilung des Zuschlags haben. Schon innerhalb der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung sollte innerhalb der Modellierung des PPP-Modells darauf geachtet werden, dass die später vom Bieter abgefragten wesentlichen Entgeltbestandteile ausgewiesen werden können. So können Kalkulationsirrtümer der Bieter schnell aufgeklärt werden. Die Vergütung sollte innerhalb der konzipierten Struktur der Entgeltbestandteile weiter systematisch untergliedert werden, um für einzelne Komponenten einen Vergleich der Bieter untereinander und mit projektexternen Benchmarks vornehmen zu können. Wesentliche Kalkulationsbestandteile sollten explizit von den Bietern abgefordert werden, ohne diese in ihrer Planungsfreiheit zu beschneiden. Je besser die Abfrage der Preisgestaltung den oben genannten Kriterien entspricht, desto reibungsloser wird ceteris paribus der Ausschreibungsprozess und die Betriebsphase verlaufen. Es ist vor diesem Hintergrund zu hoffen, dass insbesondere für die Abfrage der Dienstleistungskomponenten zeitnah eine weit reichende Standardisierung der Ausschreibungsunterlagen erfolgen wird.
2.3 Öffentlich Private Partnerschaften – Erstes Pilotprojekt in Berlin? bearbeitet von Dipl.-Ing. Marcus von Drygalski
2.3.1 Grundlagen der Vorteilhaftigkeit von Öffentlich Privaten Partnerschaften Wenn es um das Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) geht, teilen sich die Meinungen oftmals in drei unterschiedliche Lager. Zum einen in die meist leidenschaftlichen, weil überzeugten Befürworter von ÖPP, zum anderen in die meist ebenfalls leidenschaftlichen Gegner und zum dritten in die, die das ÖPP-Modell in seiner engeren Form noch nicht im Detail kennen. Im weiteren Sinn kann jede Art von Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft als eine Partnerschaft verstanden werden. Nach herrschender Meinung kann von einem echten ÖPP jedoch nur dann gesprochen werden, wenn mindestens drei von vier Lebenszyklusphasen (Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb) durch einen Vertrag abgedeckt werden. Des Weiteren ist es unbedingt notwendig, dass der Betrieb der Immobilie enthalten sein muss, da sich nur hierdurch viele der potentiellen Vorteile eines ÖPP ausbilden können. Die folgende Grafik (Abb. 2.7) stellt die Mindestanforderungen an den Leistungsumfang eines ÖPP-Projektes dar. Aus den vier dargestellten Phasen sollten sich mindestens drei – unter Einbeziehung des Betriebs – zu einem echten ÖPP zusammenfügen. Idealerweise sollten aber
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2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen alle vier Phasen und – abhängig von der jeweiligen Vertragsart – auch die Verwertung der Immobilie Inhalt einer öffentlichen privaten Partnerschaft sein.
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Leistungsphasen eines echten ÖPP-Modells
Bau
Finanzierung
Planung
Betrieb
Abbildung 2.7: Mindestanforderung an ein ÖPP-Modell
2.3.1.1 Wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit Die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von ÖPP-Modellen im Vergleich zu traditionellen Beschaffungsverfahren ist stets nachzuweisen. Dies geht unter anderem aus den Landeshaushaltsordnungen (LHO) hervor. In § 7 Abs. 1 S. 1 der Landeshaushaltsordnung Berlins heißt es: „Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.“ Dies bedeutet also, dass ein privatwirtschaftliches Modell nur zum Einsatz kommen kann, wenn es wirtschaftlicher ist als die Eigenrealisierung durch die öffentliche Hand. Hier stellt sich die Frage, wie dies im Vorfeld sichergestellt werden kann. Zunächst erfolgt eine Vorstudie, in welcher eine mögliche Vorteilhaftigkeit des Projektes überschlägig geprüft wird. Nach dieser ersten Berechnung mit zunächst nur groben Kostenansätzen steht einer detaillierten Prüfung in Form einer Wirtschaftlichkeitsvergleichsrechnung nichts mehr entgegen. Hier wird zunächst – teilweise unter erheblichem Ressourceneinsatz – der Ist-Zustand der Immobilien festgestellt. Bei Infrastrukturobjekten ist dies meist unproblematisch, da hier regelmäßig gute Datengrundlagen vorhanden sind. Das ist bei Hochbauprojekten jedoch häufig nicht der Fall. Nach Ermittlung des Ist-Zustandes kann der notwendige Sanierungsbedarf und gegebenenfalls auch der Neubaubedarf beziffert werden. Durch weitere Inputwerte in das Modell, wie zum Beispiel Finanzierungs-, Betriebs-, Risiko-, Unterhaltungs- und Verwaltungskosten, kann der so genannte Public Sector Comparator (PSC) berechnet werden. Dieser bildet die Benchmark, an der sich ein mögliches ÖPP-Projekt messen lassen muss. Der PSC setzt sich aus den gesamten direkten und indirekten Kosten, die über die Vertragsdauer bei der Realisierung des Projektes durch die öffentliche Hand anfallen würden, zusammen.
2.3 Öffentlich Private Partnerschaften Nach der Ermittlung des PSC kann der ÖPP-Vergleichswert errechnet werden. Hier fließen sämtliche Kosten für die öffentliche Hand ein, die bei der Erstellung durch einen Privaten entstehen würden. Jedoch sind dies nur Schätz- bzw. Erfahrungswerte, wodurch die errechnete Vorteilhaftigkeit angreifbar wird. Dass ein ÖPP-Projekt vorteilhaft sein kann und es sich lohnt, dieses Thema weiterzuverfolgen, muss nicht mehr nur auf Daten aus dem Mutterland des ÖPP, Großbritannien, beruhen:
Abbildung 2.8: Übersicht einiger laufender ÖPP-Projekte und deren Wirtschaftlichkeit27
Neben häufig zitierten Projekten aus Großbritannien gibt es mittlerweile ausreichend deutsche Projekte, an denen die Vorteilhaftigkeit von ÖPP gegenüber der herkömmlichen Eigenrealisierung ablesbar ist. Denn spätestens nach der Vertragsunterschrift lässt sich die tatsächliche Vorteilhaftigkeit eindeutig ablesen. Die Abbildung 2.8 zeigt eine Auswahl an derzeit aktuellen Projekten. Deutlich zu erkennen ist hier eine große Bandbreite der möglichen Vorteilhaftigkeit. Diese resultiert aus einer Szenarioanalyse, bei der starke Abweichungen der Eingangswerte abgeschätzt werden28 und in eine positive (Best-Case) und eine negative (Worst-Case) Variante eingehen. Hierdurch entsteht ein Ergebniskorridor, in dem die tatsächliche Vorteilhaftigkeit liegen wird. Trotz der hohen Bandbreite wurde zumindest der wahre Effizienzgewinn bis auf zwei Ausnahmen immer umschlossen. Bei den beiden Ausnahmen lag die Effizienz dabei sogar höher als prognostiziert. Des Weiteren heißt es in § 7 Abs. 1 S. 2 der Landeshaushaltsordnung: „Diese Grundsätze verpflichten auch zur Prüfung, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können.“
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Vgl. Präsentation der PPP-Task Force des Bundes beim 2. Workshop (März 2006) des RfBB: Aktuelle Entwicklungen im PPP-Sektor. Für die Berechnung der Szenarioanalyse werden unter Zuhilfenahme der Sensitivitätsanalyse zunächst die Werte identifiziert, die am stärksten das Ergebnis beeinflussen. Dies geschieht, indem jeweils ein Eingangswert um ein Prozent verändert wird, während die anderen Werte unverändert bleiben. Aus dem Ergebnis können dann die größten Einflüsse abgelesen werden.
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2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Dies impliziert, dass grundsätzlich jedes Projekt auf eine mögliche Vorteilhaftigkeit bei der Erfüllung durch eine ÖPP hin überprüft werden muss. Das sollte allerdings nur diejenigen Sanierungs- bzw. Baumaßnahmen betreffen, die eine Größenordnung haben, in der sich eine Vorteilhaftigkeit ergeben kann. Die Höhe hängt hierbei von vielen Faktoren ab. Dieses sind Faktoren wie z.B. der Grad der Standardisierung der Verträge und damit der Reduzierung der Rechtsanwaltskosten, das Vorwissen der öffentlichen Hand zum Thema ÖPP und damit der Möglichkeit zur Reduzierung der Beratungskosten und der Art der Finanzierung. Bei der Finanzierung ist die Forfaitierung mit Einredeverzicht besonders geeignet für kleinere ÖPP-Projekte, da die Kosten der Bank bei dieser Finanzierung gegenüber der Projektfinanzierung deutlich geringer sind.
2.3.1.2 Reduzierung der Tätigkeiten der öffentlichen Hand auf die Kernaufgaben Die öffentliche Hand hat die Kompetenz Gebäude zu bauen, zu sanieren und zu betreiben. Wieso kann dann aber die Privatwirtschaft wirtschaftlicher in diesem Bereich arbeiten? Ein Erklärungsansatz hierfür ist, dass bei einer lebenszyklusübergreifenden Planung unter Beteiligung Privater bereits zu Beginn die gesamten anfallenden Kosten in einem Finanzierungspaket zusammengefasst werden. Diese Gelder stehen dann dem Projekt zur Verfügung und stellen sicher, dass zu dem jeweils ökonomisch sinnvollsten Zeitpunkt die Gelder dem Projekt zugeführt werden. Bei der öffentlichen Hand geht dies meist nicht, da hier die zur Verfügung stehenden Mittel in Konkurrenz zu anderen Projekten stehen. Somit kommt es regelmäßig zu Kürzungen der eigentlich benötigten monetären Zuwendungen. Es stellt sich die Frage, ob dies eine Benachteiligung anderer Bereiche zugunsten einiger weniger ÖPP-Projekte bedeutet. Durch ÖPP stehen nicht plötzlich mehr Finanzmittel zur Verfügung. Allerdings kann durch die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit zumindest eine Verminderung der sonst in Eigenregie anfallenden Kosten erreicht werden. Hierdurch stellt sich die Gefahr, dass benötigte Mittel in anderen Bereichen fehlen, wenn Gelder für ein Projekt über 20-25 Jahre festgeschrieben werden. Die alternativen Möglichkeiten hierzu sind aber oftmals nicht besser. Wenn die sinnvollen Investitionen bzw. Unterhaltungsmaßnahmen nicht zeitnah getätigt werden, erhöhen sich die Kosten für das Objekt zunehmend, da der Verschleiß größer wird. Dadurch steigen die gesamten Lebenszykluskosten des Objektes. Insofern ist die von einigen scherzhaft geäußerte Meinung, dass ÖPP zwar günstiger sein kann als eine Eigenrealisierung, aber niemals günstiger sein kann, als nichts auszugeben, auch nur als eine scherzhafte Äußerung zu verstehen.
2.3.1.3 Abbau des Investitionsstaus Der Abbau des vorherrschenden Investitionsstaus ist ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gegenüber anderen Ländern geht. Hierbei sind sowohl die Infrastrukturmaßnahmen als auch Hochbaumaßnahmen zu nennen. Zusammen stellen sie einen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge dar. Dass dieser Investitionsstau in Deutschland vorhanden und unter der momentanen konjunkturellen Entwicklung Deutschlands als problematisch zu werten ist, ist in der Fachwelt unbestritten. Die Beschaffungsvariante ÖPP stellt zwar kein Allheilmittel zu dessen Senkung dar, wie es auch in dem Finanzierungsleitfaden des Landes NRW heißt, allerdings kann es zur Konsolidierung beitragen und so zu einem wichtigen Schritt in Richtung Zukunftssicherheit führen. Hierfür soll der Anteil der
2.3 Öffentlich Private Partnerschaften
41
durch ÖPP umgesetzten Projekte von derzeit 2-3 % auf 15 % erhöht werden, wie es der parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann im März 2006 als Ziel formulierte.29
2.3.1.4 Mehr Bauvolumen stabilisiert die Baukonjunktur Die Baukonjunktur hat in den letzten zehn Jahren bis zuletzt deutlich abgenommen. Die Anzahl der Beschäftigten des Bauhauptgewerbes hat sich fast halbiert. Waren 1995 noch 1,4 Millionen im Bauhauptgewerbe beschäftigt, verringerten sich die Arbeitsplätze im Jahr 2005 weiter auf 0,72 Millionen.30 Durch die Beschaffungsvariante ÖPP kann durch früheres Umsetzen von notwendigen Sanierungs- und Baumaßnahmen dazu beigetragen werden, dass dieser Abwärtstrend gestoppt wird. Das erklärte Ziel der Bundesregierung, den Anteil von ÖPPProjekten an den öffentlichen Investitionen auf 15 % bis zum Jahre 2009 zu steigern, beinhaltet die große Chance, dass hierdurch auch das Bauvolumen in Deutschland signifikant steigt.
2.3.1.5 Schnellere Umsetzung von Bauprojekten Bei öffentlichen Bauleistungen, aber auch bei Bauleistungen zwischen privaten Vertragspartnern, kommt es häufig zu Unterbrechungen im Bauablauf. Dies liegt darin begründet, dass zunächst die Ursachen der Unterbrechung geklärt und die Folgen abgeschätzt werden müssen. Voraussichtlich werden solche Probleme auch bei ÖPP-Projekten vorkommen. Allerdings kann es durch bestimmte Anreizmechanismen bei ÖPP-Projekten zu einer Verringerung der Anzahl an Bauunterbrechungen kommen. Denn der Auftragnehmer erhält erst die Investitionskosten vom Auftraggeber, wenn der Bau abgenommen ist. Das kann in Form einer ordentlichen Abnahme oder durch eine Mieterabnahme geschehen. Die Folge daraus ist eindeutig: Der Auftraggeber möchte schnellstmöglich die Umsetzung des Projekts, und der Auftragnehmer ist daran interessiert, seine Finanzierungskosten gering zu halten. Beide haben also einen Anreiz – auch bei eintretenden Problemen – eine schnelle und für beide Seiten tragbare Lösung zu finden.
2.3.1.6 Höhere Qualität bei Bauausführung und Materialien Bei ÖPP-Projekten kann es für den privaten Partner sinnvoll sein, die Qualität der Bauausführung höher zu gestalten als dies von der öffentlichen Hand in der Ausschreibung verlangt wird. Trotz der funktionalen Ausschreibung kann es also interessant sein, zum Beispiel eine voll funktionstüchtige, aber veraltete Heizungsanlage auszutauschen. Die hierdurch entstehenden höheren Investitionskosten in der Anfangsphase können durch den niedrigeren Verbrauch – soweit dieser zum Risiko des Privaten gehört – aber auch durch geringere Wartungskosten und höhere Zuverlässigkeit über den Lebenszyklus wieder ausgeglichen bzw. in einen zusätzlichen Gewinn transformiert werden. Gleiches gilt auch für verwendete Materialien, wie zum Beispiel für Fußbodenbeläge. Hier kann es sich auszahlen, einen teureren aber pflegeleichteren Steinfußboden zu verwenden als einen günstigeren Linoleumboden oder Teppich. Es kann allerdings auch eintreten, dass der Private noch gut erhaltene Bauteile wieder verwendet. Gerade bei Keramiken (z.B. Sanitäranlagen) oder Heizkörpern könnte dies durchaus wirtschaftlich sein. Hier sollte man im Vertrag festschreiben, ob eine solche effiziente Nutzung von bereits genutzten Bauteilen im Sinne des Projektes ist oder ob ausschließlich Neubauteile 29 30
Vgl. http://www.ppp-bund.de/download/069-PPP.pdf. Vgl. http://hvb.epgmbh.de/seiten/medien/beschaeftigte_ab_1970.jpg.
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2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen verwendet werden sollen. Hierdurch kann es dann allerdings zu einer Reduzierung der sonst möglichen Wirtschaftlichkeit kommen.
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Ein weiterer Anreiz für höhere Qualität entsteht durch die Tatsache, dass der Private für die gesamte Laufzeit des Vertrages für die Funktionstüchtigkeit des Gebäudes und deren Bauteile verantwortlich ist. Hier könnte man auch an eine indirekte Verlängerung der Gewährleistungspflicht denken. Da es dadurch zu finanziellen Einbußen kommen kann, wenn die Qualität nicht entsprechend hoch ist, hat der Private einen weiteren Anreiz, seinen Aufgaben auf hohem Niveau nachzukommen. Des Weiteren wird in einem PPP-Vertrag neben einem Malus für Schlechtleistung meist auch ein Bonus für besonders gute Leistungen verankert. Auch hierbei kann es für den Privaten sinnvoll sein, über das bei einer gewöhnlichen Realisierung erforderliche Maß hinaus eine hohe Qualität zu liefern.
2.3.1.7 Neue Wege der Risikoverteilung im Hochbau Bei der Realisierung von Bauprojekten gibt es in den meisten Fällen Nachträge zu der verabredeten Bauleistung. Dies kann zum einen durch Fehler in der Planung gekommen sein, die dadurch ausgeglichen werden müssen. Oder aber bei der Planung wurde ein wichtiges Detail übersehen. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. In den meisten Fällen haben sie aber gemeinsam, dass die Nachträge höhere Kosten verursachen als in der ursprünglichen Planung ermittelt. Um dieses Feld an Unwirtschaftlichkeit zu minimieren, kann man das Risiko hierfür an den Ausführenden übergeben. Das hat zwar zur Folge, dass auch die Planungsleistung zu großen Teilen von dem Privaten erbracht werden muss, birgt dafür allerdings ein enormes Einsparpotential in Form ausbleibender Nachträge. Ein weiteres Beispiel einer Neuverteilung von Risiken in einer öffentlich privaten Partnerschaft kann wiederum anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Der Private baut in eine Schule eine Heizungsanlage ein. Anstatt dabei einen reinen Wartungsvertrag mit der Produktionsfirma einzugehen, kann der Private auch eine Art Betreibervertrag mit dem Produzenten eingehen. Das Risiko wird somit an den Hersteller der Heizungsanlage weitergegeben, der das Risiko eines Defektes und die erforderlichen Wartungsmaßnahmen optimal einschätzen kann. So können die Kosten realitätsnah geschätzt werden, sodass es insgesamt zu geringeren Gesamtkosten kommen kann. Ein weiteres Beispiel für eine Verbesserung der Verteilung von Risiken kann außerdem durch den Abschluss von Versicherungen erreicht werden. So kann sich der Private gegen die vorzeitige Abnutzung von Bauteilen, wie zum Beispiel dem Dach, versichern. Auf diese Weise müssen Kosten für unvorhergesehene Schäden nicht als Risiko in das Projekt mit eingerechnet werden, da bei dem Auftreten derartiger Schäden der Versicherer zahlt.
2.3.1.8 Wiedererwecken der Innovationsmaschine Bau Bei der Eigenrealisierung von Sanierungen und Neubauten der öffentlichen Hand ist es üblich, die Baumaßnahme bzw. deren Materialien durch ein Leistungsverzeichnis detailliert aufzulisten. Es kommt durchaus vor, dass Private, wenn dies zulässig ist, ein Nebenangebot mit einer abweichenden Bauweise anbieten. Die Ausschreibung bei ÖPP-Projekten basiert auf einer funktionalen Ausschreibung. Der Private ist grundsätzlich völlig frei in seiner Wahl der Materialien, sofern diese dem Stand der Technik in Deutschland entsprechen. Trotzdem ergeben sich hier für den Privaten große Möglichkeiten. Die Bauwirtschaft erhält einen Anreiz, neue Materialien zu erfinden und marktreif zu machen und neue Bauverfahren zu erproben. Dies
2.3 Öffentlich Private Partnerschaften könnte mittelfristig eine der größten Potentiale sein, die ÖPP zu bieten hat. Bereits in den letzten Jahren wurden Funktionsbauverträge für Autobahnabschnitte ausgeschrieben. Hier wurde in der Ausschreibung eine Vorgabe der Bauweise gemacht, welche allerdings nicht bindend war. Der Private entschied sich meist für eine alternative Bauweise. Schon hier zeigt sich der Wille des Marktes, neue Methoden und Materialien anzuwenden.
2.3.1.9 Tilgung der Kredite nach Ablauf eines PPP-Projekts Bei einer heutigen Baumaßnahme der öffentlichen Hand werden die Kosten meist zu 100 % durch Kredite finanziert. Dies ist sicherlich nicht überall der Fall, aber aufgrund der grundsätzlich schlechten Haushaltslage doch häufig. Der Kredit wird dann zu einem bestimmten Zins aufgenommen, wodurch Kosten entstehen. Problematisch ist, dass häufig zu den Zinszahlungen keine Tilgungsvereinbarungen getroffen werden. So werden ausschließlich die Zinsen bezahlt, ohne dass der Kredit getilgt wird. Da dieser am Ende der Kreditlaufzeit noch in seiner vollen Höhe besteht, findet eine Umschuldung statt. Bei einem ÖPP-Vertrag übernimmt der Private die Finanzierung des Projektes, was immer teurer ist, als wenn sich die öffentliche Hand verschulden würde. Die Höhe der Verteuerung hängt dabei unter anderem von der Finanzierungsart ab. Bei einer Forfaitierung mit Einredeverzicht wird meist ein Aufschlag von ca. 30 Basispunkten festgesetzt. Bei einer Projektfinanzierung sind diese Kosten deutlich höher. Aber trotz dieser teureren Finanzierung des Projektes gibt es einen entscheidenden Vorteil: Bei Ablauf des Vertrages ist die volle Schuldenhöhe abbezahlt. Dies bedeutet, dass die öffentliche Hand nach Ablauf des ÖPP-Vertrages z.B. Schulen in einem ‚guten’ Zustand schuldenfrei zurückerhält.
2.3.1.10 Lebenszyklusbetrachtung bei Bauprojekten In den 70er Jahren waren Steuergelder vorhanden, um viele öffentliche Gebäude zu errichten. Dabei wurde aber außer Acht gelassen, dass die Kosten eines Gebäudes nur zu einem kleinen Teil beim eigentlichen Neubau anfallen. Der Großteil der Kosten entsteht erst während der Betriebsphase nach der Fertigstellung. Je nach Gebäudeart differiert diese Aufteilung der Kosten. Bei einem Einfamilienhaus fallen nur verhältnismäßig geringe Folgekosten an. Bei Gebäuden mit einer etwas höheren technischen Gebäudeausstattung verschieben sich die Kosten des Gebäudes schon deutlich, und bei Spezialimmobilien wie zum Beispiel Krankenhäusern oder Schulen, fallen die meisten Kosten erst nach der Baufertigstellung an. Leider wurden bislang aber nur die Investitionskosten als Entscheidungsvariable ins Kalkül genommen. Dies ist bei ÖPP-Projekten grundsätzlich anders. Hier werden die Kosten über den gesamten Lebenszyklus noch während der Planung und vor der Ausschreibung berechnet, sodass von Anfang an die gesamten Kosten erfasst und in die langfristige Planung der öffentlichen Haushalte eingehen können. Neben dem grundlegenden Vorteil, dass die ÖPP-Projekte von vorne herein transparent sind und die gesamten Kosten der Gebäude oder der Infrastruktur ersichtlich sind, gibt es einen weiteren hieraus resultierenden Vorteil. Die Art der transparenten Erfassung der Kosten über alle Lebenszyklusphasen wird auch Einzug in die normalen Bauprojekte halten. Dies wird dazu führen, dass die Entscheidung für Baumaßnahmen nicht mehr von den Investitions-, sondern von den Lebenszykluskosten abhängig gemacht wird. Hierdurch erhöht sich die Transparenz zukünftiger finanzieller Freiheiten und auch Bindungen in den Haushalten. Denn auch ein Gebäude oder eine Straße, die in Eigenrealisierung der öffentlichen Hand entsteht, bindet zukünftige Kosten.
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2
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2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen
2.3.1.11 Nutzung der Innovationskraft
2
Die Planung von Gebäuden und Infrastruktur ist seit jeher die Aufgabe der öffentlichen Hand. Daraus kann man schließen, dass sie in dem Bereich eine hohe Kompetenz hat. Allerdings kommt es gerade in den letzten Jahrzehnten immer seltener zu größeren Neubauten. Daher sind die in Personen gebundenen Erfahrungen in den Baubehörden teilweise zurückgegangen. Trotzdem wird es in keinem Fall ein Problem darstellen, eine gut funktionierende Brücke entwerfen zu lassen und auszuschreiben. Auf der anderen Seite hat ein Bauunternehmen, welches sich ausschließlich mit der Erstellung von Brücken beschäftigt, einen weitaus größeren Erfahrungshaushalt gegenüber der öffentlichen Hand. Dies liegt daran, dass eine Kommune oder auch eine Stadt wenige Brücken im Jahrzehnt baut, ein Bauunternehmen dagegen ein paar pro Jahr. Daher ist es offensichtlich, dass es ein sehr großes Marktpotential gibt, welches bei der Planung, der Erstellung und des Betriebes eine Vielzahl neuer guter Konzepte liefern kann. Dieses Marktpotential auszuschöpfen, ist ein großer Vorteil eines ÖPP-Betreibermodells.
2.3.1.12 Gewinner von ÖPP sind die Nutzer Neben den oben genannten Argumenten für die Einbeziehung der Beschaffungsvariante ÖPP in die Daseinsvorsorge des Staates gibt es noch eine Vielzahl weiterer Argumente, sowohl dafür als auch dagegen. Hierunter fallen auch nicht ökonomische Gesichtspunkte. So ist ein weiterer wichtiger, nicht unmittelbar mit der Optimierung der Lebenszykluskosten zusammenhängender Grund für die Realisierung von ÖPP-Projekten der Nutzer selbst. Am Beispiel der in den bisher umgesetzten Schulprojekten betroffenen Lehrer, Schüler und Eltern wird deutlich, dass diese die Gewinner sind. Denn sie werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten saubere, gut erhaltene und gut unterhaltene Schulgebäude nutzen können.
2.3.2 Arbeitsprogramm des RfBB Das im Jahr 2003 initiierte Kompetenzzentrum PPP Berlin-Brandenburg (KBB) kam im April 2004 zum Abschluss und wird seither unter der Alleinverantwortung der Technischen Universität Berlin als Regionalforum PPP Berlin-Brandenburg (RfBB) weitergeführt. Hierdurch wurde eine klare Abgrenzung einerseits zu den vorhandenen Zuständigkeiten der öffentlichen Hand und andererseits zu einem eventuell zukünftig auf Länderebene entstehenden Kompetenzzentrum erreicht. Projektziel Die Zielsetzung des Regionalforums PPP besteht vorrangig in der Einrichtung einer Informations- und Wissensplattform zur Förderung von ÖPP-Modellen in der Region BerlinBrandenburg, sowie in Unterstützungsfunktionen für das mögliche Landeskompetenzzentrum in öffentlicher Trägerschaft. Darüber hinaus soll es einen Beitrag zur Generierung und erfolgreichen Umsetzung von Pilotprojekten leisten. Aufgaben Das Regionalforum PPP Berlin-Brandenburg soll in Kooperation mit öffentlichen Institutionen und privater Wirtschaft vorrangig folgende Aufgaben erfüllen: • Bereitstellung einer Informationsplattform für die beteiligten Organisationen zu den Entwicklungen auf Bundes- und Landesebene sowie im kommunalen Sektor • Sammlung und Bereitstellung von Veröffentlichungen über eine Wissensplattform
2.3 Öffentlich Private Partnerschaften • Unternehmensunabhängige Unterstützung der öffentlichen Hand bei der Identifikation geeigneter Pilotprojekte • Vermittlung aktueller Informationen zu laufenden (Pilot-) Projekten und zur Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen • Bereitstellung und Vermittlung von Informationen und Ansprechpartnern für interessierte Gebietskörperschaften und Institutionen Durchführung Der Wissens- und Erfahrungsaustausch erfolgt neben der Informationsbereitstellung via Internet insbesondere durch regelmäßige, möglichst monatliche Workshops. Dabei werden wechselnde, durch die Teilnehmer auch selbst bestimmbare Schwerpunktthemen aufgenommen und zum Gegenstand eines Impulsreferates gemacht. Hierzu werden Experten und Gäste eingeladen. Außerdem wird der notwendige Freiraum für Diskussionen und Informationsgespräche geschaffen. Trägerschaft Das Regionalforum PPP Berlin-Brandenburg wird von der TU Berlin, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb, unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer organisiert und im freiwilligen Verbund von den beteiligten Institutionen getragen. Die Finanzierung erfolgt durch Mittel der Privatwirtschaft.
2.3.3 Vorstudie im Bezirk Spandau 2.3.3.1 Ausgangslage Aufgrund knapper Haushaltsmittel und dem daraus resultierenden Investitionsstau bei der Realisierung bzw. Bereitstellung notwendiger Infrastruktur im Berliner Bezirk Spandau wurde nach Möglichkeiten gesucht, Effizienzpotentiale ausfindig zu machen und zu heben. Nach ersten Vorgesprächen im Juli 2004 hat der Bezirk Spandau im Oktober 2004 die Technische Universität Berlin beauftragt, eine entsprechende Untersuchung durchzuführen. Diese Untersuchung sollte sich speziell auf die Sanierung und den Ausbau von Grundschulen beziehen und hierbei die mögliche Einführung der Ganztagsbetreuung im Rahmen des Investitionsprogramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ (IZBB) betrachten. Im Einzelnen sollte überprüft werden, ob ein effizienter Einsatz zukünftiger Haushaltsmittel durch die Anwendung alternativer Finanzierungs-/Organisationsmodelle zu erreichen ist. Bei den Finanzierungsmodellen handelt es sich um so genannte Investorenmodelle, bei denen neben dem Bau zusätzlich die Finanzierung und Teile der Planung an einen Privaten vergeben werden. Bei den zu betrachtenden Organisationsmodellen handelt es sich um ÖPP-Modelle. Diese sollten neben Planung, Bau und Finanzierung auch den Betrieb und die Bauunterhaltung an eine privatrechtliche Projektgesellschaft vergeben und somit der gesamte Lebenszyklus durch den Vertrag abgedeckt werden.
2.2.3.2 Durchführung Ein Ziel dieser Vorstudie war es, nicht bestimmte Schulen, sondern zunächst unterschiedliche Schultypen der Vergleichsrechnung zu unterwerfen. Hierdurch sollte eine qualifizierte Auswahl während der Vorstudie ermöglicht werden. So sollte der Vergleich zeigen, ob ein Schultyp besser für die Realisierung mit einem bestimmten Organisationsmodell geeignet ist als der andere. Falls dies der Fall ist, kann so ein Projekt aus mehreren Grundschulen eines Typs zu-
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2
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2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen sammengesetzt werden, um eine höhere Vorteilhaftigkeit und damit wirtschaftliche Effizienz zu erreichen. Ergibt sich allerdings kein nennenswerter Unterschied zwischen den Schultypen, kann die Auswahl der Schulen für ein Projekt anhand anderer Auswahlkriterien erfolgen. Hierzu gehören Kriterien wie der Zustand der einzelnen Schulgebäude, Erfüllung bestimmter Gesetzesnormen, topografische Anordnung innerhalb des Bezirks oder der langfristigen Bedeutung zur Versorgung des Schulangebots im Hinblick auf demografisch bedingte Änderungen in der Bevölkerungsstruktur. Schultyp „Kestingbau“ Der Schultyp „Kestingbau“ verdankt seinen Namen dem Baukonzept der Firma Kesting, mit dem in den 70er Jahren eine Vielzahl von Schulen für den Bezirk Spandau errichtet wurden. Mithilfe dieses Baukonzeptes sollte eine möglichst hohe Zeit- und Kosteneffizienz erreicht werden. Grundlage zur Erreichung dieser Ziele war die Standardisierung von Gebäuden. Verschiedene Gebäudemodule wie zum Beispiel Klassenräume, Fachräume, Lehrerzimmer und Sportstätten konnten in verschiedenen Zusammensetzungen miteinander kombiniert werden. Hierdurch war es möglich, verschiedenste Arten und Größen von Grundschulen innerhalb kurzer Planungs- und Realisierungszeit bereitzustellen. Heutzutage entsprechen alle Schulen dieses Typs nicht mehr den aktuellen Brandschutzanforderungen, mit der Folge, dass unter anderem Schulgebäude mit zusätzlichen Feuertreppen ausgestattet werden müssen, um einen zweiten Rettungsweg für den Notfall zur Verfügung zu stellen. Schultyp „Altbau“ Der zweite zu betrachtende Schultyp setzte sich aus Gebäuden zusammen, die um das Jahr 1900 gebaut wurden. Hierbei sollte ein Zeitraum von plus/minus 20 Jahren um die Jahrhundertwende die Grenzen bilden. Die Gebäude zeichnen sich durch bestimmte Gemeinsamkeiten aus und lassen sich daher zu einem Schultyp sinnvoll zusammenfassen. Sie sind meist aus solidem Mauerwerk erstellt und verfügen über große Raumhöhen. Dies führt zu bestimmten Ausprägungen bei der betrieblichen Unterhaltung der Gebäude. Des Weiteren decken sich die Raumgrößen meist nicht mit den heutzutage für sinnvoll erachteten Raumgrößen. Das kann zur Folge haben, dass bei diesem Schultyp vermehrt Anbauten oder Zusatzgebäude benötigt werden.
2.3.3.3 Ergebnis der Studie Der Barwertvergleich zeigte, dass sowohl das Investoren- als auch das ÖPP-Modell eine höhere wirtschaftliche Effizienz gegenüber der Eigenrealisierung aufweisen (Abb. 2.9). Aus mehreren Gründen war daher die Anwendung eines der Modelle zu empfehlen. Einerseits kann durch die Verwendung geringerer Haushaltsmittel für eine vergleichbare Leistung den knappen Kassen der öffentlichen Hand Rechnung getragen werden. Andererseits kann für das gleiche Geld einer höheren Anzahl von Schülern im Bezirk Spandau eine Schulversorgung über 25 Jahre gesichert werden. Geht man im besten Fall von einer 10 %igen Vorteilhaftigkeit aus, so könnte bei einer Paketgröße von zehn Schulen eine „durchschnittliche“ Schule ohne zusätzliche Kosten saniert und über die gesamte Vertragsdauer baulich unterhalten und betrieben werden. Da selbst bei einer schlechten Umsetzung eines ÖPP-Modells durch die Projektgesellschaft noch immer eine Vorteilhaftigkeit gegenüber der Eigenrealisierung in Höhe von 2,2 % erzielt wird, gab das RfBB die Empfehlung zur Weiterverfolgung der Untersuchung alternativer Vertragsmodelle.
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2.3 Öffentlich Private Partnerschaften
27,5 24,0
25
25,2 -5,5 %
20 15 10 5 0
Barwert PPP
-10,1 %
Best-CaseSzenario
26,1 -5,1 %
27,1 -1,6 %
28,3
27,7 -2,2 %
28,3 +0,1 %
2
Barwert Investorenmodell
26,7
Barwert ER (PSC)
Barwerte in Mio. €
30
Ausgangsszenario
Worst-CaseSzenario
Abbildung 2.9: Grafische Ergebnisübersicht der Vorstudie
Die Entscheidung zwischen dem Investorenmodell und dem ÖPP-Modell kann ebenfalls aus der höheren wirtschaftlichen Effizienz abgelesen werden. Selbst bei denkbar schlechten Bedingungen für das ÖPP-Modell, also einer Vorteilhaftigkeit von 2,2 % gegenüber der Eigenrealisierung, ist das ÖPP-Modell noch wirtschaftlicher als das Investorenmodell bei „normalen“ Bedingungen. Daher wird die Realisierung mithilfe des ÖPP-Betreibermodells gegenüber dem Investorenmodell empfohlen. Aufgrund der nicht eindeutigen Zahlen der Schultypenunterscheidung kann hierzu keine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden. Gegen die Beschränkung auf einen Schultyp bei der Projektzusammenstellung sprechen die nicht eindeutigen Zahlen. Hier kann es sinnvoll sein, eher anderen Kriterien für die Auswahl der Schulen den Vortritt zu lassen. So kann es aus unserer Sicht sinnvoll sein, dringend sanierungsbedürftige Schulen verschiedener Typen auszuwählen, um einen Mindeststandard an Schulinfrastruktur bieten zu können. Dagegen spricht für die Wahl nur eines Schultyps in einem ÖPP-Projekt neben den positiven Zahlen für den Schultyp Kestingbau auch die große bauliche Gleichheit dieses Typs. Hierdurch könnten zusätzliche Synergieeffekte entstehen, die dann zu einer höheren Wirtschaftlichkeit führen. Die Synergieeffekte sind in den Bereichen Planung, Bauteilbeschaffung (z.B. Heizungsanlagen) und der Wartung durch das Personal vorstellbar, aber in die Berechnung nicht einbezogen worden.
2.3.4 Wirtschaftlichkeitsberechnung im Bezirk Spandau 2.3.4.1 Ausgangslage Nach der Erstellung der oben dargestellten Vorstudie im Februar 2005 wurde nun vom Bezirk Spandau die Technische Universität Berlin im Januar 2006 beauftragt, mittels einer Wirtschaftlichkeitsvergleichsrechnung zu prüfen, ob sich eine privatwirtschaftliche Lösung gegenüber einer Eigenrealisierung als vorteilhaft darstellt. Dabei sollte sich die Untersuchung speziell auf die Sanierung-, den Neu- und Erweiterungsbau, sowie deren Betrieb und Unterhaltung von Grundschulen im Rahmen einer öffentlich privaten Partnerschaft beziehen. Diese Berechnung sollte in unterschiedlichen Projektgrößen und unterschiedlichen Projektlaufzeiten erfolgen.
48
2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Gegenüber der Vorstudie wurde eine deutlich detailliertere Betrachtung der anfallenden Kosten mit dem Ziel durchgeführt, dem Bezirk Spandau eine belastbare Grundlage für die Auswahl der zu bevorzugenden Realisierungsvariante zur Verfügung zu stellen. So wurde vom Bezirksamt ein externes Ingenieurbüro beauftragt, um den Zustand der zu betrachtenden Schulen und deren Sanierungs-, Neu- und Erweiterungsbaukosten zusammenzustellen. In Abstimmung mit dem Bezirksamt wurden drei Pakete mit unterschiedlichen Investitionshöhen, sowie unterschiedlichen Neubau- und Sanierungsanteilen als Grundlage der Berechnung festgelegt. Die Auswahl der Objekte im Hinblick auf die Schultypen basierte auf den Ergebnissen der Vorstudie. Die Ergebnisse der Studie liegen zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Artikels vor. Allerdings wurde der Endbericht noch nicht übergeben und damit die Zahlen noch nicht öffentlich gemacht. Daher kann bei der Beschreibung dieses Projekts leider nicht auf genaue Ergebnisse eingegangen werden.
2.3.4.2 Durchführung Entgegen dem Vorgehen bei der Vorstudie wurde in der vorliegenden Wirtschaftlichkeitsvergleichsrechnung kein reines Finanzierungs- bzw. Investorenmodell untersucht. So bezieht sich die Untersuchung ausschließlich auf eine Gegenüberstellung der Eigenrealisierung und dem PPP-Betreibermodell, bei dem neben Planung, Bau und Finanzierung auch der Betrieb und die Bauunterhaltung an eine privatrechtliche Projektgesellschaft vergeben werden. Die Paketzusammensetzung Von den insgesamt zehn Schulen wurden fünf dem Paket I zugeordnet. Bei drei der fünf Schulen sind Neu-, oder Umbaumaßnahmen von Sporthallen notwendig, und bei einer ist ein benötigter Erweiterungsbau geplant. Dieses Paket umfasst insgesamt einen Investitionsbedarf in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrags. Paket II besteht aus allen zehn Schulen, wobei keine Neu-, Um- oder Erweiterungsbaumaßnahmen mit eingeplant wurden. Dieses Projekt sollte zumindest die Schulen wieder in einen adäquaten Zustand versetzen und diesen Zustand über die Vertragslaufzeit halten. Da bei diesem Paket allerdings keine der benötigten zusätzlichen Baumaßnahmen enthalten sind, kann es nicht als das Vorteilhafteste von Seiten der Nutzer gesehen werden. Die Investitionskosten liegen weniger als 10 % über den Kosten des ersten Paketes. Paket III umfasst alle zehn Schulen und die dazu notwendigen Neu-, Um- und Erweiterungsbaumaßnahmen. Damit ist das Projekt das umfassendste und – nach den bisherigen Berechnungen – auch das wirtschaftlichste. Die Investitionskosten liegen ca. 75 % über dem ersten Paket. Dieses Investitionsvolumen entspricht einer guten Größenordnung für ein Pilotprojekt in Berlin, da hierdurch gewährleistet ist, dass die Privatwirtschaft ein großes Interesse an dem ersten wirklichen PPP-Pilotprojekt in Berlin haben wird.
2.3.4.3 Ergebnis des Wirtschaftlichkeitsvergleichs Die Ergebnisse in Zahlen können an dieser Stelle aus oben genannten Gründen leider nicht dargestellt werden. Zumindest aber kann hier qualitativ über die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit gesprochen werden. Nach der Untersuchung der drei Pakete wurde eines einheitlich festgestellt: Alle Pakete weisen einen positiven Barwertvorteil bei der Realisierung durch ein ÖPP-Modell auf. In Abbildung 2.10 ist das Ergebnis qualitativ dargestellt.
49
2.3 Öffentlich Private Partnerschaften Zu erkennen ist weiterhin, dass mit einem Ansteigen der Projektgröße auch der Vorteil des jeweiligen ÖPP-Modells steigt. Dies liegt unter anderem an den fixen und daher für jedes Projekt in gleicher Höhe auftretenden Transaktionskosten. Da sie bei jedem Projekt eingerechnet werden müssen, können meist kleinere Projekte nicht die gleiche Vorteilhaftigkeit erreichen. Auch eine Szenarioanalyse, also eine Empfindlichkeitsüberprüfung der Ergebnisse, wurde durchgeführt. Die zur positiven und negativen Seite veränderten Inputfaktoren stellten dabei die für uns denkbaren sinnvollen Grenzen einer Betrachtung dar. Es wurden die Inputwerte „Effektivität des Privaten“ und einzelne Risikofaktoren für die Untersuchung herangezogen. Auch das den schlimmsten Fall darstellende Worst-Case-Szenario brachte hierbei in keinem der drei Paketbetrachtungen ein negatives Ergebnis. Es kann aufgrund dieser Untersuchung davon ausgegangen werden, dass jedes ÖPP-Paket eine höhere Wirtschaftlichkeit im Umgang mit staatlichen Finanzmitteln entwickeln wird.
Barwert
Vergleich der Schulpakete
Paket I
Paket II Barwert PSC
Paket III
Barwert ÖPP
Abbildung 2.10: Qualitative Ergebnisübersicht aller Pakete
2.3.5 Aussichten Bevor die Ergebnisse abgewogen und Empfehlungen gegeben werden, soll eines grundsätzlich festgestellt werden. ÖPP-Modelle können in bestimmten Fällen Effizienzen heben und zum Beispiel gleiche Qualitäten zu geringeren Kosten bieten. Allerdings können auch durch ÖPP-Modelle keine neuen Finanzmittel geschaffen werden. Obwohl die Lebenszykluskosten geringer sind und verteilt über einen langen Zeitraum anfallen, müssen sie doch finanziert werden. Daher muss vor einer Entscheidung für oder gegen ein ÖPP-Modell immer zunächst sichergestellt werden, ob Finanzmittel für eine Eigenrealisierung mit baulicher und betrieblicher Unterhaltung über einen Lebenszyklus zur Disposition stehen. Erst dann kann versucht werden, mit Hilfe alternativer Vertragsmodelle langfristig höhere wirtschaftliche Effizienzen zu erreichen.
2
50
2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Aufgrund der Vorteilhaftigkeit der drei Realisierungsalternativen (Pakete) und auch unter der Berücksichtigung, dass bei keiner Szenarioanalyse eine Umkehr der Vorteilhaftigkeit zu erwarten ist, konnte hier die Empfehlung zur Durchführung eines Pilotprojektes im Berliner Bezirk Spandau gegeben werden. Weiterhin wurde empfohlen, dass entweder das erste oder dritte Paket zur Umsetzung gelangt. Beide Projekte weisen einen ausgeglichenen Anteil an Sanierungen sowie Neu- und Erweiterungsbauten auf. Bei einer partnerschaftlichen Vertragsausgestaltung und vor allem einer partnerschaftlichen Vertragserfüllung können beide Parteien einen Vorteil aus dem Betreibermodell ziehen. Damit haben aber nicht nur diese eine so genannte Win-Win-Situation erschaffen. Vielmehr ist der Nutzer durch eine Verbesserung der Staatshaushalte und einer guten Qualität öffentlicher Güter der wahre Gewinner.
2.4 Der Lebenszyklusansatz im Bundesfernstraßenbau bearbeitet von Dipl.-Ing. Nadine Schröter
2.4.1 Einleitung Der Begriff des Lebenszyklus wird sowohl in Europa als auch weltweit seit einigen Jahren verstärkt diskutiert. Grund hierfür ist die Erkenntnis, dass im Durchschnitt nur etwa 20 % der Gesamtkosten einer Immobilie die Investitionskosten darstellen31. Den weitaus größeren Anteil nehmen die im Lebenszyklus folgenden Phasen des Bauunterhalts, des Betriebs und der Bewirtschaftung in Anspruch. Zwischen den Qualitäts- und Herstellungsmerkmalen der Immobilie und den späteren Kosten der Betriebsphase besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Es liegt auf der Hand, dass schon mit der Planung von Immobilien die späteren Nutzungskosten stark beeinflusst werden und somit ein optimales wirtschaftliches Verhältnis zwischen Investitions- und Betriebskosten gefunden werden muss. Das größte Interesse an einer lebenszyklusorientierten Lösung hat derjenige Investor, welcher die Gesamtkosten über die Phasen und die damit verbundenen Risiken zu tragen hat. Für die Bundesfernstraßen in Deutschland stellt das der Bund dar. Dieser plant, baut, finanziert, erhält und betreibt das aus Steuergeldern finanzierte öffentliche Gut Straße in Deutschland. In diesem Beitrag wird erläutert, welche Lebenszykluskosten im Bundesfernstraßenbau anfallen und wie diese durch ein besseres Kostenmanagement effizienter gestaltet werden können. Dabei wird Bezug genommen auf Ansätze, in denen die Privatwirtschaft in Form von Öffentlichen Privaten Partnerschaften (ÖPP), in Europa auch bekannt unter dem Begriff Public Private Partnership (PPP), Aufgaben der Öffentlichen Hand für mehrere Lebenszyklusphasen übernimmt, wodurch eine bessere Bau- und Erhaltungsqualität erzielt werden kann.
2.4.2 Rahmenbedingungen im Bundesfernstraßensektor Nach geltendem Gesetz ist in Deutschland der Bund Eigentümer der Bundesfernstraßen32 und damit für deren Finanzierung, Planung, Bau, Erhaltung sowie deren Betrieb verantwortlich. Im Rahmen der Auftragsverwaltung hat der Bund die Verwaltung per Gesetz33 an die Bundesländer delegiert. Die Verwaltung umfasst über den Lebenszyklus gesehen drei sich gegenseitig
31
32 33
Vgl. Haller, P.: Gebäudemanagement, TU Berlin, Institut für Bauingenieurwesen, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb, 2004, S. 2.7. Vgl. Art. 90 Abs. 1 GG. Vgl. Art. 90 Abs. 2 GG.
2.4 Der Lebenszyklusansatz im Bundesfernstraßenbau
51
beeinflussende Aufgabenkreise: den Bau und die damit verbundene Planung, den Betrieb auf der Strecke über die gesamte Lebensdauer sowie die bauliche Erhaltung des Bauwerks Straße. Somit verbleiben die Finanzierung und die grundsätzliche Entscheidung über den Bau eines Bundesfernstraßenabschnittes beim Bund. Dieser legt in unregelmäßigen Intervallen in Abstimmung mit den Ländern im so genannten Bundesverkehrswegeplan fest, welche Neubaumaßnahmen durchgeführt werden sollen und welche investiven Erhaltungsmaßnahmen durch die im Bundeshaushalt eingestellten Gelder finanziert werden. Für den über die gesamte Nutzungsdauer durchzuführenden Betrieb werden jährlich im Vorhinein festgelegte Mittel für jedes Bundesland im Bundeshaushalt eingestellt. Die Länder erhalten derzeit für jeden der drei Bereiche getrennt voneinander spezifisch festgelegte Geldmittel aus dem Bundeshaushalt. Nach der Entscheidung zum Bau eines Streckenabschnittes plant und baut die im Bundesland zuständige Baubehörde die Strecke auf Basis der für diesen Streckenabschnitt zur Verfügung gestellten Gelder. Im Anschluss daran wird die Strecke durch Autobahnmeistereien betrieben, welche organisatorisch und finanziell dem Bundesland unterstellt sind. Entsprechend der Lebensdauer der einzelnen Bauwerksbestandteile des Straßenkörpers ergeben sich über die Nutzungsdauer gesehen notwendige bauliche Erhaltungsmaßnahmen, die in Abhängigkeit der Bauweise, des Verkehrsaufkommens und anderer Einflussfaktoren in unterschiedlichen, vorher nicht immer zu bestimmenden Zeitintervallen auftreten. Für solche großflächigen Erhaltungsmaßnahmen muss der Bund, nach einem fünf Jahre im Vorhinein gestellten Antrag, den Ländern Mittel zur Verfügung stellen, welche projektbezogen eingesetzt werden müssen. Die finanziellen Mittel für den gesamten Verkehrssektor sind unter Berücksichtigung des zum Teil sehr maroden Zustandes der Verkehrswege in den vergangenen Jahren immer zu gering ausgefallen. So forderte schon im Jahr 2000 der Bericht der so genannten PällmannKommission jährliche Investitionen in Höhe von EUR 12,5 Mrd. für den Verkehrssektor34. Im Jahr 2005 wurden jedoch nur EUR 10,6 Mrd. investiert, wovon EUR 4,6 Mrd. in den Bundesfernstraßenbau flossen. Die Folge dieser Sparpolitik ist eine aus volkswirtschaftlicher Sicht gesehen ineffiziente Straßenerhaltung und beinhaltet auch einen zu geringen Anteil an geforderten Straßenum- und -ausbau.
2.4.3 Lebenszyklen Erhaltung und Betrieb Die Lebenszykluskosten des Betriebs und der Erhaltung können zum einen direkt durch den Bau einer Straße beeinflusst werden, und zum anderen können die Kosten durch ein effizientes Management innerhalb der Lebensdauer der Straße minimiert werden. Dabei beeinflussen sich die Erhaltung und der Betrieb gegenseitig. Bei einem guten Straßenzustand müssen im Rahmen des Betriebs seltener bauliche Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, wodurch ein reibungsloser und kosteneffizienter Ablauf der Betriebsdienstleistungen an der Straße möglich sind. Eine gute Wartung und Pflege der Straße und deren baulichen Anlagen durch den Betriebsdienst hat wiederum zur Folge, dass Instandsetzungsmaßnahmen oder Erneuerungen zeitlich später anfallen und geringere Ausmaße annehmen können.
34
Die so genannte Pällmann-Kommission wurde als Sachverständigen-Kommission unter dem Titel „Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ vom Bund eingesetzt, um neue Modelle der Verkehrswegefinanzierung zu entwickeln. Der Abschlußbericht wurde im September 2000 der Bundesregierung vorgelegt.
2
52
2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Daraus ergibt sich, dass sich die Straßen in einem möglichst guten Ausgangszustand befinden sollten, damit der Betriebsdienst kostengünstig agieren kann. Im Gegenzug muss durch den Betriebsdienst sichergestellt werden, dass eine umfassende Wartung und Pflege stattfindet. Dazu gehört insbesondere, dass bei kleinen auftretenden Schäden, die bei längeren Liegedauern verstärkt auftreten können, sofort reagiert wird, damit der kleine Schaden sich nicht überproportional schnell zu einem großen Schaden entwickelt, der in der Behebung deutlich kostenintensiver ist.
2.4.3.1 Erhaltung Für die Erhaltung ergibt sich eine volkswirtschaftlich sinnvolle Vorgehensweise in der Wahl der richtigen Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt. Dabei müssen die auftretenden Gesamtkosten, bestehend aus den Straßenbaulastträgerkosten und den Straßennutzerkosten, minimiert werden. Um dies bestimmen zu können, müssen alle relevanten Kosten, die mit der Straße in Verbindung gebracht werden können, berücksichtigt werden. Eine Übersicht der auftretenden Kostenarten ergibt sich aus folgender Grafik (Abb. 2.11).
Abbildung 2.11: Überblick der Kostenarten35
Das Ziel sowohl für die Nutzer als auch für den Straßenbaulastträger ist, einen optimalen Straßenzustand zu erreichen. Die Kostenarten korrelieren jedoch, weshalb das Gesamtkostenminimum zwischen den Kostenarten gesucht wird. Die Straßenbaulastträgerkosten sind bei einem sehr guten Straßenzustand hoch, da intensive Baumaßnahmen zur Erreichung dieses Zustandes notwendig waren. Mit der Liegedauer der Straße amortisieren sich die Baukosten bis zu dem Punkt, wo die baulichen Unterhaltungskosten wegen des schlechten Straßenzustandes wieder ansteigen. Die Straßennutzerkosten hingegen sinken proportional zu einem verbesserten Straßenzustand, bis sie sich einem optimalen Grenzwert annähern. Einflüsse auf soziale Gegebenheiten und die Umwelt können sowohl 35
Vgl. Huschek, S.: Straßenerhaltung, TU Berlin, Institut für Bauingenieurwesen, Fachgebiet Straßenbau, Berlin, 2004.
53
2.4 Der Lebenszyklusansatz im Bundesfernstraßenbau Nutzen als auch Kosten verursachen. Ein besserer Straßenzustand kann die Lärm- und Emissionskosten verringern, dem gegenüber stehen jedoch die anfänglich auftretenden Kosten für die soziale und räumliche Trennwirkung, die durch den Straßenbau verursacht wurden, und die Lärm- und Emissionskosten während der Bauphase. Dieses sich ergebende Kosten/Nutzenverhältnis ist für jedes Projekt individuell zu betrachten. Der Verlauf der Straßenbaulastkosten und der Straßennutzerkosten, als allgemein beschreibbare Kostenverläufe, sind in Abhängigkeit des Straßenzustandes und der damit verbundenen Kosten in der nachfolgenden Abbildung grafisch dargestellt (Abb. 2.12).
y
A
Kosten des Baulastträgers
B
Kosten der Nutzer
C=A+B Gesamtkosten
Kosten
C=A+B A
B XBopt
XAopt
XC =A+Bopt
gering
x hoch
Straßenzustandsqualität Abbildung 2.12: Verläufe der Kostenarten in Abhängigkeit vom Straßenzustand36
Wenn für diese gesamtwirtschaftlich ermittelten sinnvollen Maßnahmen nach einem fundierten Erhaltungskonzept das Geld zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung steht, kann man von einer effizienten Straßeninfrastrukturbereitstellung sprechen. Auf Grund der administrativen Struktur der Geldzuweisung beim Fernstraßenbau und der Sparpolitik ist dies in Deutschland derzeit nicht in erforderlichem Umfang gegeben.
2.4.3.2 Betrieb Die Erhaltung und der Betrieb besitzen eine Schnittmenge, welche auf die entstehende Gesamtkostenstruktur über die Lebensdauer eine entscheidende Größe bildet. Zurückzuführen ist dies auf die Verteilung der Leistungen zwischen Betrieb und Erhaltung. In nachfolgender Grafik (Abb. 2.13) werden die durch die Autobahnmeistereien zu erbringenden Leistungen der
36
Darstellung in Anlehnung an das Erhaltungsmodell der Private Sector Participation Consult GmbH.
2
54
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen betrieblichen Straßenunterhaltung und die Leistungen der Erhaltung, welche durch die obere Straßenbauverwaltung zu planen und umzusetzen sind, dargestellt.
Begriffe Betrieb und Erhaltung
2
Kontrolle Betriebliche Unterhaltung (Wartung)
Erhaltung
Betriebliche
Betriebliche
Straßenunterhaltung
Erhaltung
Grünpflege Wartung, Instandhaltung der Straßenausstattung Reinigung Winterdienst Weitere Leistungen
Bauliche
Bauliche Unterhaltung (Instandhaltung)
Erhaltung
Instandsetzung Erneuerung
• FGSV BegriffsbestimmungenStraßenbautechnik (1990)
ZTV BEA-StB 98
• RPE-Stra 01
Leistungsheft für die betriebliche Straßenunterhaltung auf Bundesfernstraßen (2001)
• FGSV Arbeitspapier Nr. 9/R zur Erhaltungsplanung (2001)
Abbildung 2.13: Darstellung der Leistungsspektren Betrieb und Erhaltung37
Wie aus der Grafik zu ersehen ist, wird die bauliche Unterhaltung, d.h. Instandhaltung, durch den Betriebsdienst realisiert. Dabei handelt es sich um kleinflächige, örtlich begrenzte bauliche Maßnahmen am Straßenkörper, der Straßenausstattung sowie an anderen Bauwerken38. Aber wie oben erläutert, ist gerade die schnelle und ordnungsgemäße Beseitigung von kleinen Schäden für die Erhaltung von Bedeutung. Werden solche Schäden nicht umgehend beseitigt, entwickeln sie sich in kurzer Zeit zu größeren Schäden, die nur durch größere Erhaltungsmaßnahmen zu beseitigen sind. Die investiven Gelder für solche Maßnahmen müssen jedoch fünf Jahre im Vorhinein beim Bund beantragt werden, weshalb die Kosten bis zur erfolgten Schadensbeseitigung überproportional ansteigen. Deshalb ist ein qualitativ hochwertiger Betriebsdienst von enormer Bedeutung.
37 38
Eigene Darstellung. Vgl. Verband Deutscher Straßenwärter: Leistungsheft für die betriebliche Straßenunterhaltung auf Bundesfernstraßen, Version 1.1, April 2004, S. 1.02.
2.4 Der Lebenszyklusansatz im Bundesfernstraßenbau Die Organisationsstrukturen des Betriebs und der Erhaltung entwickelten sich durch die Delegation der Straßenverwaltung vom Bund an die Länder in jedem Bundesland unterschiedlich39. In allen Ländern ist jedoch die Durchführung des Betriebs in Autobahnmeistereien organisiert. Dabei übernehmen die Autobahnmeistereien alle anfallenden Aufgaben. Zur Vergabe von Leistungen an Dritte kommt es nur in sehr geringem Umfang, wie in einer Studie zur Organisation des Straßenbetriebsdienstes40 festgestellt wurde. Weiterhin ergab sich, dass nur zwei von sechs, der an der Befragung teilgenommenen Bundesländer41, nach eigenen Angaben eine Kosten- und Leistungsrechnung für den Betriebsdienst durchführen. Damit können derzeit keine gesicherten Aussagen zur Effizienz der Bereitstellung des Betriebsdienstes und damit zu Effizienzpotentialen getroffen werden. Allerdings lassen generell erhöhte Mitarbeiterzahlen bei den Autobahnmeistereien im Vergleich zur staatlichen Empfehlung durch die „Meisterei 2000“42 vermuten, dass eine Effizienzsteigerung in der Bereitstellung des Betriebsdienstes möglich wäre.
2.4.4 Einbindung der Privatwirtschaft zur Effizienzsteigerung Die Effizienzen bei der Erhaltung und dem Betrieb auf Bundesfernstraßen, können besonders gut durch den PPP-Gedanken realisiert werden. Ein wichtiges Element bei PPP stellt eben gerade die Lebenszyklusbetrachtung dar, d.h., es werden nicht einzelne Elemente wie die Bau- oder die Betriebsphase getrennt voneinander betrachtet, sondern Projekte werden im Kontext ihres gesamten Lebenszyklus gesehen. Wird eine Straße für 30 Jahre von einem Privaten betrieben, wird dieser unter Umständen schon in der Bauphase höhere investive Maßnahmen ergreifen, die notwendig werdende investive Erhaltungsmaßnahmen verzögern und einen kostengünstigeren Betrieb ermöglichen. Auf Grund der Sparpolitik in Deutschland schreiben die öffentlichen Stellen die teureren, aber langfristig kostengünstigeren Maßnahmen nicht aus bzw. entscheiden sich für die Durchführung mehrerer Maßnahmen zu Lasten einer finanztechnisch optimalen Bereitstellung. Hinzu kommt, dass der Private während des Konzessionszeitraums in der Regel bestrebt ist, zum richtigen Zeitpunkt Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen, während der Staat durch die angespannte Haushaltslage häufig nicht zeitnah reagieren kann. Insofern stellt der Lebenszyklusansatz ein entsprechendes Anreizsystem für den privaten Anbieter dar. Grundsätzlich gibt es neben den Effizienzgedanken bei der Bereitstellung der Verkehrsinfrastruktur und der damit verbundenen notwendigen Kapitalbereitstellung noch andere Gründe für die Entscheidung zu Gunsten von PPP im Bundesfernstraßensektor. So spielt die Überführung von Risiken an die Privatwirtschaft, wie z.B. die Entwicklung des Verkehrsaufkommens oder der Anreiz zu Neuentwicklungen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Die Risikoallokation zwischen den privaten Partnern und der öffentlichen Hand stellt derzeit für beide Seiten ein wichtiges Forschungsthema dar.
39
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41
42
Vgl. Kochendörfer, B., von Drygalski, M., Schröter, N., Ehrlich, S.: Organisation des Straßenbetriebsdienstes auf Bundesautobahnen, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb, TU Berlin (Hrsg.), Berlin, November 2005. Kochendörfer, B., von Drygalski, M., Schröter, N., Ehrlich, S.: Organisation des Straßenbetriebsdienstes auf Bundesautobahnen, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb, TU Berlin (Hrsg.), Berlin, November 2005. An der Befragung teilgenommene Bundesländer: Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen. Vgl. Länderfachausschuß Straßenunterhaltung und Betriebsdienst, unter Federführung Oberste Baubehörde im Bayr. Staatsministerium des Innern: Rationalisierung der Straßenunterhaltung „Meisterei 2000“, Dezember 1995.
55
2
56
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen
2.4.5 Rahmenbedingungen für PPP-Modelle in Deutschland
2
Im Bundesfernstraßensektor existieren in Deutschland derzeit drei unterschiedliche PPPModelle, die schon zum Einsatz gekommen sind oder sich gerade in der Umsetzungsphase befinden. Dazu zählen der Funktionsbauvertrag, das F-Modell und das A-Modell. Das F-Modell und das A-Modell basieren auf dem Lebenszyklusansatz, d.h. sie beinhalten die Phasen Bau, Erhaltung und Betrieb sowie die Finanzierung. Die Refinanzierung soll entsprechend des politischen Willens nutzerabhängig erfolgen, d.h. beide Modelle beruhen auf einer so genannten Nutzerfinanzierung. Hintergrund ist die Überlegung, ein anreizorientiertes System zu schaffen, damit der Private eine hochwertige Straße baut, erhält und betreibt. Durch die Abhängigkeit der Refinanzierung vom tatsächlichen Verkehrsaufkommen, d.h. von der Zufriedenheit des Nutzers, entsteht für den Konzessionär ein großer Anreiz, eine hochwertige Straße bereitzustellen. Um eine Nutzerfinanzierung zu ermöglichen, waren in Deutschland verschiedene gesetzliche bzw. technologische Schritte notwendig. Der Funktionsbauvertrag umfasst, im Gegensatz zu den anderen beiden Modellen, nur zwei Lebenszyklusphasen, den Bau und die Erhaltung. Dieses Modell beruht auf einem Bauvertrag, der zur Umsetzung keine neuen gesetzlichen Bestimmungen bedarf. Die ersten Schritte in Richtung Nutzerfinanzierung wurden 1994 mit dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG)43 gelegt. Mit diesem Gesetz wurde die Möglichkeit der Nutzerfinanzierung durch die Beleihung eines Privaten mit dem Recht zur Erhebung einer Mautgebühr für ein vertraglich festgelegtes Fernstraßenprojekt eröffnet. Dies bildete die Grundlage für das F-Modell als das erste PPP-Modell im Fernstraßenbau Deutschlands. Die nächsten Schritte wurden im Jahr 2000 durch den Bericht der Pällmann-Kommission in Gang gesetzt. Die Kommission forderte die verstärkte Einbindung der Privatwirtschaft, wobei die Erweiterung auf eine strecken- oder netzbezogene Nutzerfinanzierung als wichtige Voraussetzung gesehen wurde. Um eine transparente Verwaltung der Nutzungsentgelte zu garantieren, wurde empfohlen, eine privatrechtlich organisierte Bundesfernstraßengesellschaft zu gründen.44 Einige der Forderungen wurden in den darauf folgenden Jahren umgesetzt. So wurde 2002 das Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge (ABMautG)45 zur Erhebung der LKW-Maut verabschiedet. 2003 wurde dann die gesetzliche Grundlage zur Gründung der privatrechtlichen Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG)46 geschaffen, die dann auch mit dem Ziel der transparenten Verwaltung der Mauteinnahmen 2004 gegründet wurde. Die lange geplante und schließlich 2005 tatsächlich umgesetzte Einführung der nutzungsbezogenen LKWMaut stellte den entscheidenden Meilenstein für die Umsetzung des dritten PPP-Modells im Bundesfernstraßenbau, des A-Modells, dar.
43 44
45 46
Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz, letzte Änderung 01.09.2005. Vgl. Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (2000): Schlussbericht der im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen tätigen Kommission vom 05.09.2000. Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge, Neufassung vom 02.12.2004. Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaftsgesetz, vom 28.06.2003.
2.4 Der Lebenszyklusansatz im Bundesfernstraßenbau
57
2.4.6 PPP-Modelle im Bundesfernstraßenbau Die bisher beschriebenen PPP-Modelle sind im Bundesfernstraßenbau bereits umgesetzt worden oder befinden sich aktuell in der Umsetzungsphase. Im folgenden Abschnitt wird die praktische Umsetzung bezüglich der Lebenszykluseinbindung kurz erläutert.
2.4.6.1 Funktionsbauvertrag Beim Funktionsbauvertrag werden die Lebenszyklen Bau und Erhaltung zusammen vergeben. Der Vertragspartner baut oder grunderneuert einen Bundesfernstraßenabschnitt, den er nach Fertigstellung für die vereinbarte Vertragslaufzeit auch baulich erhält. Die Erhaltung umfasst hierbei, abweichend vom derzeitigen deutschen Organisationssystem, sowohl die bauliche Unterhaltung, die bisher durch die Autobahnmeistereien durchgeführt wird, die Straßeninstandsetzung und die Erneuerung. Das Ziel besteht darin, den privaten Partner über die normale Gewährleistungszeit hinaus an die Qualität des Bauwerks zu binden, um dadurch eine Straße mit einer hohen Lebensdauer und im Hinblick auf eine größtmögliche Gesamtwirtschaftlichkeit herzustellen. Durch die Herauslösung der bisher gemeinsamen Schnittmenge bauliche Unterhaltung des Betriebs und der Erhaltung wird die Schnittstellenproblematik verringert. Allerdings ist bei diesem Modell Voraussetzung, dass der Vertragspartner durch den Streckenkontrolldienst der Autobahnmeisterei, der täglich werktags die Strecke abfährt, umgehend informiert wird, wenn Schäden auftreten. Insbesondere kleine, eher unscheinbare Schäden sind dabei von Interesse. Die Grundlage für dieses Modell bildet ein Bauvertrag, welcher in drei Leistungsteile gegliedert ist. In den ersten beiden Teilen (A und B) sind die funktionalen baulichen Anforderungen an den Straßenkörper festgelegt. In Teil C sind die funktionalen Anforderungen an die Erhaltung über die Vertragslaufzeit definiert.47 Der Funktionsbauvertrag ist bisher in Deutschland in drei Fällen umgesetzt worden. Zwei weitere Projekte befinden sich zurzeit noch in der Planungsphase. Die ersten beiden Pilotprojekte in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind im Jahr 2002 mit Losgrößen von 10 km vergeben worden. Im Anschluss wurde ein weiteres Los von 12 km in Bayern umgesetzt, wie in Abbildung 2.14 ersichtlich ist. Bei diesen Projekten übernimmt der Private für einen Zeitraum von 20 Jahren nach der Fertigstellung des Bauwerks die Erhaltung des Straßenabschnittes. Die Vergütung für die erbrachten Leistungen ist gebunden an die Erfüllung der funktional festgelegten Anforderungen. Die Zahlungen durch den Bund erfolgen dann weitgehend parallel zu den Ausgaben des privaten Partners. Die Planungen für die zwei weiteren Funktionsbauverträge gehen von größeren Losen und längeren Vertragszeiten aus.48
47
48
Vgl. Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (Hrsg.): Aktuelle ÖPP-Modelle für die Bundesfernstraßen, München, 2005, S. 49. Vgl. Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (Hrsg.): Aktuelle ÖPP-Modelle für die Bundesfernstraßen, München, 2005, S. 49.
2
58
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen
Funktionsbauverträge geplante Projekte
2
umgesetzte Projekte A31 in Nordrhein-Westfalen A9 in Thüringen A61 in Rheinland-Pfalz (Koblenz - Kruft) A81 in Baden-Württemberg (Oberndorf - Rottweil) A93 in Bayern (Brannenburg - Kiefersfeld)
Abbildung 2.14: Funktionsbauverträge in Deutschland49
2.4.6.2 F-Modell Beim F-Modell baut und finanziert ein privater Konzessionär Einzelbauwerke, wie beispielsweise Brücken, Tunnel oder Pässe, die er anschließend für 30 Jahre erhält und betreibt. Danach wird das Bauwerk an die öffentliche Hand übergeben.50 Somit deckt dieses Modell alle drei entscheidenden Lebenszyklusphasen Bau, Erhaltung und Betrieb ab. Deshalb sind bei diesem Modell, bezogen auf die anfallenden Gesamtkosten, die größten Effizienzgewinne bei der Bereitstellung zu erwarten. Allerdings beruht die Refinanzierung der Lebenszykluskosten auf einer Nutzerfinanzierung. Die bisherigen Erfahrungen bei der Umsetzung dieses Modells zeigen, dass die Nutzer auf zu nahe gelegene Umgehungsstrecken ausweichen, wodurch die Gesamtwirtschaftlichkeit des Modells gefährdet werden kann. Nachdem 1994 die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen mit dem FStrPrivFinG geschaffen wurden, kam es zur Ausschreibung von drei Projekten, von denen zwei an Konzessionäre vergeben wurden. Dabei handelt es sich zum einen um die Warnowquerung in Rostock, die schon 2003 in den Betrieb ging, und zum anderen um die Travequerung in Lübeck, auch als Herrentunnel bezeichnet, bei der im August 2005 die Bauphase abgeschlossen werden 49 50
Eigene Darstellung in Anlehnung an das Seminar für Straßenwesen, TU Berlin, Februar 2006. Vgl. Kohnke (2002): Die Gestaltung des Beschaffungsprozesses im Fernstraßenbau unter Einbeziehung privatwirtschaftlicher Modelle; in: B. Kochendörfer (Hrsg.): Bauwirtschaft und Baubetrieb - Mitteilungen Heft 15, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb, TU Berlin, Berlin 2002.
59
2.4 Der Lebenszyklusansatz im Bundesfernstraßenbau konnte.51 Aktuell wurden vier weitere Projekte zur Umsetzung mit dem F-Modell identifiziert. Ein Überblick der F-Modelle in Deutschland ist in Abbildung 2.15 dargestellt.
2
Projekte F-Modell Warnowtunnel in Rostock Herrentunnel in Lübeck Elbquerung bei Glückstadt Weserquerung Hochmoselübergang Albaufstieg umgesetzte Projekte geplante Projekte Abbildung 2.15: F-Modelle in Deutschland52
2.4.6.3 A-Modell Beim A-Modell finanziert und baut ein privater Konzessionär eine bestehende Strecke auf sechs Spuren aus. Im Anschluss daran erhält und betreibt er die komplette Strecke für 30 Jahre. Somit umfasst das A-Modell die Lebenszyklen Erhaltung und Betrieb. Dazu kommen Maßnahmen aus dem Lebenszyklus Bau durch den Ausbau der Strecke auf sechs Spuren. Auf Grund der meist inhomogenen Streckenabschnitte der bisherigen A-Modell-Projekte, werden einige Abschnitte durch den sechsspurigen Ausbau teilweise erneuert, einige sechsspurige Abschnitte bestehen schon, so dass nur eine Instandsetzung entsprechend den Anforderungen durchgeführt wird, und in einem A-Modell wird ein Teilabschnitt komplett neu gebaut. Dadurch können die Straßenzustände bei der Übernahme durch den Konzessionär variieren und nicht in allen Bereichen die Synergien zwischen Neubau, Erhaltung und Betrieb realisiert werden. Allerdings kann durch die vereinheitlichte Erhaltung und Betrieb eine effizientere Bewirtschaftung der Strecke über die Konzessionslaufzeit erfolgen.
51 52
Vgl. B., Kochendörfer: Stand der PPP-Modelle im Fernstraßenbau (zur Veröffentlichung eingereicht). Eigene Darstellung in Anlehnung an das Seminar für Straßenwesen, TU Berlin, Februar 2006.
60
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Beim A-Modell erhält der Konzessionär die Einnahmen aus der LKW-Maut für seinen Konzessionsabschnitt als nutzerfinanzierten Anteil sowie eine staatliche Anschubfinanzierung zum Baubeginn, die bei der Vergabe das eigentliche Wettbewerbselement bildet. Die grundsätzliche Struktur eines A-Modells, mit allen relevanten beteiligten Größen, ist aus Abbildung 2.16 ersichtlich.
2 Struktur des A-Modells
Konzessionär (A-Modell Betreiber)
Bund
MautweiterAnschubleitung finanzierung (max. 50% durch die der Bausumme) VIFG
Kontrollorgan des Bundes BAG
Toll Collect (Konzessionär des Mautsystems)
Rückgabe der Strecke nach 30 Jahren Zahlungen an den Konzessionsnehmer
Nutzer des A-Modells
Abbildung 2.16: Struktur des A-Modells53
Die ersten Pilotprojekte des A-Modells in Deutschland wurden auf Grundlage von Machbarkeitsstudien identifiziert. Im März 2005 fiel durch das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen54 die Entscheidung für insgesamt fünf Pilotprojekte in fünf verschiedenen Bundesländern, wie in Abbildung 2.17 dargestellt. Derzeit befinden sich vier dieser fünf Pilotprojekte im Vergabeverfahren. Bei den Bundesautobahnprojekten in Bayern (A8) und in Thüringen (A4) ist die Präqualifikation, d.h. die Einschränkung auf maximal vier Bieter, schon erfolgt. Bei der A8 in Bayern wurden von den vier verbliebenen Bietern Ende März detaillierte Angebote abgegeben, auf deren Basis weitere Verhandlungen folgen werden. Mit der Zuschlagserteilung für das A-Modell in Bayern wird Ende 2006 gerechnet. Die Angebote der präqualifizierten Konsortien für die A4 in Thüringen sind im August eingereicht worden, von einer Vertragsunterzeichnung wird Mitte 2007 ausgegangen. Die Präqualifikation der anderen Projekte wird zeitnah erwartet.
53 54
Eigene Darstellung. Seit November 2005 in Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung umbenannt.
61
2.4 Der Lebenszyklusansatz im Bundesfernstraßenbau
Pilotprojekte A-Modell
2 A1 in Niedersachsen (Buchholz – Bremer Kreuz) A1 / A4 in Nordrhein-Westfalen (Düren – Köln Nord) A4 in Thüringen (Umfahrung Hörselberge) A5 in Baden-Württemberg (Baden-Baden – Offenburg) A8 in Bayern (Augsburg-West – MünchenAllach)
Abbildung 2.17: A-Modelle in Deutschland55
2.4.7 Fazit Im Bundesfernstraßensektor wurde in den vergangenen Jahren mehrfach die Initiative ergriffen, die Privatwirtschaft in die Leistungserbringung einzubeziehen. In den bisher angedachten und umgesetzten drei Modellen in Deutschland wurde dabei jeweils versucht, mehrere Lebenszyklen miteinander zu kombinieren. Durch diese Kombination wird zum einen der Privatwirtschaft der Anreiz gegeben, die dadurch realisierbaren Effizienzgewinne abzuschöpfen, und zum anderen erhält der Staat für die jeweiligen Bundesfernstraßen einen optimalen Straßenzustand. Die Einbeziehung der Privaten wird durch festgelegte vertragliche Regelungen strukturiert, wobei insbesondere im A- und F-Modell die Nutzerfinanzierung zum Tragen kommen soll. Die zwar erst kurze Erfahrungsspanne, vor allem mit den F-Modellen, zeigt jedoch, dass ein sehr guter Straßenzustand nicht ausreicht, um die Verkehrsteilnehmer gegen ein Entgelt zur Nutzung dieser Straßenabschnitte zu motivieren. Dies stellt ein entscheidendes Problem für die Privatwirtschaft dar. Für den Staat entsteht durch die Errichtung, Ausbau oder Erneuerung eines Streckenabschnittes ein Vermögenswert, der wiederum durch einen optimalen Betrieb sowie Erhaltung den Vermögenswert über die Nutzungsdauer beibehält. Dieser fällt nach Beendigung des Vertrages bzw. der Konzession an den Staat. Damit ist der Ansatz, eine Wirtschaftlichkeit über den gesamten Lebenszyklus zu erbringen, erfüllt. Es stellt sich nur die Frage, ob dieser Anspruch nur mit Hilfe der Privatwirtschaft zu erfüllen ist und nicht auch unter Umständen durch Reformierung der derzeitigen administrativen Struktur erreicht werden kann. 55
Eigene Darstellung in Anlehnung an das Seminar für Straßenwesen, TU Berlin, Februar 2006.
62
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen
2.5 PPP im öffentlichen Hochbau bearbeitet von Dr.-Ing. Tanja Kohnke, Dr.-Ing. Jan Miksch, Dr.-Ing. Ines Gottling
2.5.1 Einleitung
2
Die Bereitstellung von Schulen gehört zu den grundlegenden Aufgaben der Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand. Die angespannte Haushaltslage der Kommunen führte in den letzten Jahren vielerorts zu Investitionsstaus, die nicht selten zu einem besorgniserregenden baulichen Zustand von Schulgebäuden führte. Aktuell wird nach wirtschaftlichen Konzepten gesucht, die, unter Berücksichtigung der finanziellen Situation der Kommunen, dem entstandenen Investitionsbedarf gerecht werden können. Public Private Partnership (PPP), zu Deutsch öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP)56, ist ein möglicher Lösungsansatz, um diese Herausforderung zu bewältigen. Im Zuge der Realisierung solcher Kooperationen steht die effiziente Leistungserbringung unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus im Vordergrund. Laut einer Difu-Studie wurden seit dem Jahr 2000 hochgerechnet ca. 300 PPP-Projekte geplant und realisiert, wovon 80 % auf den kommunalen Bereich entfallen. Der Großteil der kommunalen PPP-Projekte betraf den Ausbau, Neubau oder die Sanierung von Schulgebäuden.57 Die bislang überwiegend positiven Erfahrungen aus solchen Projekten zeigen, dass öffentliche Aufgaben mit Hilfe von PPP wirtschaftlicher als bisher erfüllt werden können. Die Frage, wie bei der öffentlichen Leistungserstellung über partnerschaftliche Modelle der regionale und lokale Mittelstand besser integriert werden kann, ist ein zentrales Thema der aktuellen Wirtschaftspolitik. 58 Der vorliegende Aufsatz soll einen Beitrag zu dieser aktuellen Diskussion leisten, indem zunächst die Konzeption von PPP-Modellen in Deutschland erläutert wird. Darauf aufbauend werden PPP-Prozesse im Schulsektor umrissen sowie die Thematik der Integration kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) in PPP-Schulprojekte erläutert. Die Beschreibung der PPP-Modelle erfolgt anhand der Darstellung der Vertragsmodelle und der Gesetzeslage. Die Prozesse von PPP im Schulsektor werden durch Erläuterung der bis zum Vertragsbeginn notwendigen Schritte sowie durch die Beschreibung von Vertragselementen zur Absicherung der öffentlichen Hand aufgezeigt. Die Darstellung der Integration von kleinen und mittelständischen Unternehmen in PPP-Schulprojekte umfasst die Ausgangssituation und die Erläuterung projekt- und verfahrensspezifischer Ansätze.
2.5.2 Public Private Partnership 2.5.2.1 Grundlagen PPP bezeichnet verschiedene Formen von Kooperationen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Es existiert in Deutschland derzeit keine gesetzliche Definition von PPP, weshalb hierunter oftmals auch alle Formen der Privatisierung erfasst werden. Grundsätzlich ist dabei zwischen formeller, materieller und funktionaler Privatisierung zu unterscheiden. In diesem Artikel wird PPP als eine langfristige, vertraglich geregelte Kooperation zwischen öffentlichem und privatem Sektor verstanden. Somit soll PPP ausschließlich Formen der funk56 57
58
ÖPP und PPP werden im Folgenden als Synonyme verwendet. Deutsches Institut für Urbanistik: „PPP-Projekte: Eine aktuelle Bestandsaufnahme in Bund, Ländern und Kommunen“, Berlin 2005. Siehe dazu BMVBS (Hrsg.): Fragen zum Mittelstand, http://www.ppp-bund.de/fragen.htm, Stand: 29.08.2006.
2.5 PPP im öffentlichen Hochbau
63
tionalen Privatisierung umfassen, bei denen die Erbringung bestimmter Aufgaben oder Leistungen von der öffentlichen Hand auf den privaten Sektor übergeht. Die hoheitliche Aufgabenverantwortung verbleibt bei der öffentlichen Hand. Für die öffentliche Hand stellen PPP-Modelle eine Möglichkeit dar, Teile der Aufgaben im Lebenszyklus einer Immobilie im Rahmen einer auf Effizienz und Qualität ausgerichteten Vertragsbeziehung mit der Privatwirtschaft zu erbringen. Die nachfolgende Grafik (Abb. 2.18) zeigt die Effizienz erzeugenden Faktoren des PPP Ansatzes in hierarchischer Reihenfolge:
Abbildung 2.18: Effizienzpyramide59
Die Optimierung der Risikoverteilung ist der wichtigste Erfolgsfaktor in dieser Rangordnung. In einer optimierten Risikoverteilung trägt die Partei die Risiken, die sie am besten managen und steuern kann. Weitere wichtige Faktoren für die Erzielung von Effizienzgewinnen sind der Lebenszyklusansatz, der Wettbewerb und die Outputorientierung. Wettbewerb bildet die Grundlage für effiziente Markttransaktionen. Durch den frühzeitigen Einbezug der privaten Wirtschaft in den Projektlebenszyklus und die Vergabe im Wettbewerb kann dieser optimiert werden.
59
Quelle: Jacob Dieter, Kochendörfer Bernd (2002): „Effizienzgewinne bei privatwirtschaftlichen Realisierungen von Infrastrukturvorhaben“, S. 19.
2
64
2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Bei öffentlichen Bau- und Sanierungsvorhaben wurde bisher fast ausschließlich auf der Basis einer inputorientierten Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis ausgeschrieben. Bei der Auswahl der Bieter wurden vorrangig die Preise berücksichtigt. Auf Seiten der Bieter eröffneten sich damit kaum Möglichkeiten und Anreize für Innovationen und Kreativität. Im Rahmen der bei PPP üblichen outputorientierten Leistungsbeschreibung werden lediglich die zu erreichenden Ergebnisse und Zielgrößen definiert. Somit entsteht Spielraum für innovative Projektlösungen: Der private Auftragnehmer hat einen Anreiz, die bestmögliche technische Lösung zu suchen und zu implementieren. Es handelt sich bei einer Outputorientierung somit nicht um einen reinen Preiswettbewerb, sondern um einen Preis- und Leistungswettbewerb, in dem die möglichen Auftragnehmer in einem Innovationswettbewerb um die langfristig beste Lösung eines Preis-Leistungs-Angebotes stehen. Die Betrachtung der anfallenden Kosten und Erlöse des Projekts über den gesamten Lebenszyklus bildet die Basis für ein erfolgreiches PPP-Projekt. Die Internalisierung aller zukünftigen Effekte rund um ein Schulgebäude offenbart erst die langfristigen Wirkungen und befördert umgekehrt auch die kritische Auseinandersetzung des Projektträgers mit der Frage, ob das öffentliche Gebäude angesichts der vermuteten Bevölkerungsentwicklung überhaupt notwendig – oder gar finanzierbar – ist.
2.5.2.2 PPP-Vertragsmodelle in Deutschland Unter Bezug auf das Bundesgutachten „PPP im öffentlichen Hochbau“60 können die folgenden vier grundsätzlichen Vertragsmodelle angeführt werden: PPP-Erwerbermodell Der Private übernimmt Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb gegen ein monatliches Entgelt. Nach Ablauf einer festgeschriebenen Vertragslaufzeit geht das Eigentum, das während der Vertragslaufzeit beim Privaten liegt, auf die öffentliche Hand über. PPP-FM-Leasingmodell Im Unterschied zum vorhergehenden Modell ist der Eigentumsverbleib nach der Vertragslaufzeit hier nicht festgelegt. Dem Auftraggeber wird ein Optionsrecht auf den Erwerb eingeräumt. Der Kaufpreis ist nach dem kalkulierten Restwert festzulegen. PPP-Vermietungsmodell Nach Ablauf der Betriebszeit ist kein Eigentumsübergang auf den Auftraggeber vorgesehen. Kaufoptionen können vereinbart werden. Der Kaufpreis richtet sich nach dem Verkehrswert des Objekts am Vertragsende. PPP-Inhabermodell Die öffentliche Hand bleibt Eigentümer des Grundstücks. Das Eigentum am Gebäude geht sukzessive mit Errichtung auf die öffentliche Hand über. Der Auftragnehmer kann während der Betriebsphase ein Nutzungs- und Besitzrecht erhalten.61
60 61
Vgl. Gutachten der Beratergruppe (2003) „PPP im öffentlichen Hochbau“. Vgl. Jacob Dieter, Stuhr Constanze (2006): „Finanzierung und Bilanzierung in der Bauwirtschaft“, S. 46f.
2.5 PPP im öffentlichen Hochbau
65
2.5.2.3 Finanzierung 2.5.2.3.1 Projektfinanzierung Unter Projektfinanzierung versteht man die Finanzierung von wirtschaftlich und rechtlich selbständigen Projektgesellschaften. Der zu leistende Kapitaldienst wird aus dem Projekt selbst erwirtschaftet, und künftige Erträge dienen als Sicherheit. Eine sorgfältige Risikobehandlung sowie der Einbezug von juristischem und wirtschaftlichem Know-how sind bei der Umsetzung von Projektfinanzierungen unumgänglich. Für den Kreditgeber stehen nicht die Bonität des Kreditnehmers, sondern die künftigen Erträge und die damit einhergehenden Cashflows im Vordergrund. Zur Evaluation der Cashflows wird von Seiten der Kreditgeber in der Regel auf Kennzahlen wie Debt-Service-Cover-Ratio und Interest-Service-Cover-Ratio, die den Schulden- und Zinsdienst betrachten, zurückgegriffen.
Im Bereich von PPP-Projekten ist zu unterscheiden, ob die Zahlungsströme vom Auslastungsgrad abhängig sind, oder ob es sich um gesicherte Zahlungsströme aus dem Haushalt der öffentlichen Hand handelt. Im Falle von gesicherten Zahlungsströmen wird der Ansatz von sog. Bonus-Malus-Systemen unterstellt, die üblicherweise um die Vereinbarung von Vertragsstrafen und Vertragsverlängerungsoptionen ergänzt werden. Das wesentliche Risiko aus Sicht der Kapitalgeber liegt somit entweder in der Änderung des Auslastungsgrads bzw. in der Kürzung der Entgelte aufgrund von Defiziten in der Leistungserbringung durch die Projektgesellschaft. Da sich diese Faktoren auf die Bedienung des Schuldendienstes auswirken können, sind sie im Sinne der Risikoverteilung durch einen angemessenen Eigenkapitalanteil zu berücksichtigen statt reduzierten. Dadurch sind die Kosten einer Projektfinanzierung i. d. R. höher als bei anderen Finanzierungsformen. Dennoch lässt sich feststellen, dass der Vorteil der Projektfinanzierung in einem stimmigen Gesamtkonzept der wesentlichen Projektdeterminanten Risiko, Ertrag und Laufzeit zu sehen ist. 2.5.2.3.2 Forfaitierung mit Einredeverzicht Bei einer Forfaitierung mit Einredeverzicht verkauft der private Auftragnehmer seine Forderungen gegenüber der öffentlichen Hand an eine Bank. Dabei erklärt der öffentliche Auftraggeber durch den Einredeverzicht, dass die Entgelte in Höhe der Werklohnforderungen nicht gekürzt werden können. Folglich besteht, aufgrund der optimalen Bonität der öffentlichen Hand, aus Sicht der Bank kein Risiko bezüglich der Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Kredits.
Der wesentliche Vorteil einer Einredeverzichtserklärung sind damit die günstigen Finanzierungskonditionen. Zum einen sind keine Risikoaufschläge zu zahlen, und zum anderen ist nur eine geringe oder gar keine Ausstattung mit Eigenkapital notwendig. Wesentliche Risiken verbleiben dabei jedoch bei der öffentlichen Hand, sofern sie sich nicht gegen die Gefahr des Ausfalls der Leistungserbringung auf andere Weise absichert. Zu diesem Zweck wird daher oftmals ein Sicherheitenkonzept in Form von Bürgschaften o.a. Instrumenten gefordert.
2.5.2.4 ÖPP-Beschleunigungsgesetz Im September 2005 ist das durch den Gesetzgeber beschlossene ÖPP-Beschleunigungsgesetz in Kraft getreten. Das Ziel der neuen Gesetzgebung war die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse zur Verbesserung der Rahmenbedingungen von PPP-Projekten. So wurde beispielsweise im haushaltsrechtlichen Bereich eine gesetzliche Klarstellung in § 7 Abs. 2 BHO erreicht, so dass im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der finanzielle Wert des Risikotransfers zu berücksichtigen ist.
2
66
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen Des Weiteren erfolgte die Abmilderung des Veräußerungsverbotes nach § 63 Abs. 2 BHO. Demnach ist eine Veräußerung von Vermögensgegenständen auch zulässig, wenn die Nutzung zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes durch einen schuldrechtlichen Vertrag sichergestellt wird.
2
Auch im Steuerrecht wurden Ungleichbehandlungen zwischen konventioneller Realisierung und PPP beseitigt, so dass auch der Private unter bestimmten Voraussetzungen von Grund- und Grunderwerbsteuer befreit ist. Die wesentlichen Anforderungen für die Steuerbefreiung sind: • Übertragung des Grundstücks durch die öffentliche Hand an den privaten Unternehmer zu Beginn der Vertragslaufzeit. • Während der Vertragslaufzeit stellt der private Unternehmer der öffentlichen Hand das Grundstück zur Nutzung zur Verfügung. • eindeutige Vereinbarung des Rückgangs des Grundstücks nach Vertragsende an die öffentliche Hand.62
Eine weitere Klarstellung erfolgte im Investmentrecht. Vor dem Inkrafttreten des ÖPPBeschleunigungsgesetzes war es offenen Immobilienfonds lediglich erlaubt, in Immobilien zu investieren, bei denen sie das Eigentum oder Erbbaurechte erworben haben. Dieser Anlagekatalog wurde um den Erwerb von Nießbrauchsrechten an Grundstücken erweitert. So können offene Immobilienfonds nun auch in PPP-Projekte investieren, bei denen die öffentliche Hand Eigentümerin der Immobilie bleibt. Eine Beschränkung der Investition in PPP-Projekte erfolgt lediglich hinsichtlich der Höhe. So darf der Wert aller im Fonds enthaltenen Nießbrauchrechte 10 % des Wertes des Sondervermögens nicht überschreiten. Darüber hinaus erfolgten Klarstellungen im Gebührenrecht, die für den privaten Betreiber beispielsweise die Wahlmöglichkeit zwischen öffentlich-rechtlicher Gebühr und privatrechtlichem Entgelt im Rahmen des FStrPrivFinG schaffen. Gemäß dem Koalitionsvertrag wird das ÖPP-Beschleunigungsgesetz weiterentwickelt. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben dazu eine gemeinsame Koalitionsprojektarbeitsgruppe eingesetzt, die einen gemeinsamen Gesetzesentwurf zu noch offenen Punkten, wie zum Beispiel im Bereich des Krankenhausfinanzierungs- und Sozialhilfegesetzes, erarbeitet. Dieses PPP-Vereinfachungsgesetz soll Anfang 2007 vom Bundestag verabschiedet werden.
2.5.3 PPP im Schulsektor Die Umsetzung von PPP-Schulprojekten erfolgt derzeit in der Regel in Form von Inhabermodellen. Die Vertragskonstellationen zwischen der Projektgesellschaft und ihren Vertragspartnern lassen sich wie folgt beschreiben (Abb. 2.19): Der Private übernimmt beim Inhabermodell Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb. Es ist ein ausführliches Vertragswerk notwendig, um die Risiko- und Leistungsverteilung zu regeln. Das Verwertungsrisiko der Immobilie liegt bei der öffentlichen Hand. Als Gegenleistung für die erbrachten Leistungen erhält die Projektgesellschaft abhängig von der Qualität der erbrachten Leistung ein Entgelt, welches die entstandenen Kosten abdeckt.
62
Siehe dazu Grunderwerbsteuergesetz.
67
2.5 PPP im öffentlichen Hochbau
Kommune Pacht (Erbbaurecht)
Gesellschafter
Eigenkapital
Projektvertrag
Projektgesellschaft
Finanzierungsberater
Planer / Bauunternehmen
2 Darlehen
Bank
Betreiber / Facility Manager
Abbildung 2.19: Vertragsbeziehungen im PPP-Inhabermodell63
2.5.3.1 Notwendige Schritte seitens der Kommunen bis zum Vertragsbeginn Bis zur Vergabe der Planungs-, Bau-, Finanzierungs- und Betriebsleistungen eines PPPModells sind einige Schritte notwenig. Der folgende Projektstrukturplan zeigt exemplarisch die bis zum Vertragsbeginn notwendigen Schritte auf (Abb. 2.20):
Abbildung 2.20: Projektstrukturplan
63
Vgl. Köchendörfer Bernd, Miksch Jan (2004): „PPP-Schulprojekte in Deutschland“ in Lechner H., Hofstadler C., Nöstlhalter R. (Hrsg.): „Baubetrieb und Bauwirtschaft – Festschrift Prof. Gert Stadler“, S.87.
68
2.5.3.1.1 Eignungstest Der Eignungstest soll die grundsätzliche Zweckmäßigkeit einer öffentlich-privaten Partnerschaft als Bereitstellungsalternative prüfen. Hierbei wird anhand projektunabhängiger und projektabhängiger Kriterien, wie z.B. der Dringlichkeit, der politischen Umsetzbarkeit, der Einbeziehung von Fördermitteln, der Risikostruktur und der Finanzierbarkeit die PPP-Eignung bewertet. 2.5.3.1.2 Wirtschaftlichkeitsanalyse Auf Basis finanzmathematischer Investitionsrechnungen wird ein Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen Eigenrealisierung und PPP-Modell durchgeführt. Hierzu werden die Kosten des jeweiligen Modells unter Berücksichtigung ihres zeitlichen Anfalls auf einen gemeinsamen Bezugszeitpunkt diskontiert. Dem Barwert der Eigenrealisierung (PSC – Public Sector Comparator) steht dabei im Ergebnis der Ausgabenbarwert für die Beschaffungsvariante PPP gegenüber. Konventionelle Realisierung:
ÖPP-Modell:
Transaktionskosten
Risikokosten
K. nicht delegierter Aufg. K. verbleibender Risiken
Baukosten
Kosten Betrieb/ Unterhaltung
Ausgabenbarwert Eigenrealisierung (PSC)
Risikokosten Planungskosten Baukosten Kosten Betrieb/ Unterhaltung
Finanzierung
Planungskosten
Finanzierung
2
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen
Ausgabenbarwert ÖPP-Modell
Abbildung 2.21: Vorgehen Wirtschaftlichkeitsvergleich
Der PSC entspricht dem Barwert der Kosten für den Fall der Eigenrealisierung. Berücksichtigt werden neben den Planungs-, Bau- und Betriebskosten die Risikokosten sowie die Personalund Sachmittelkosten der Verwaltung (Abb. 2.21). Im PPP-Modell setzt sich der Barwert aus den bei der Kommune verbleibenden (oberer Block) und den auf den privaten Sektor übertragenen Kosten (unterer Block) zusammen. Bei der öffentlichen Hand verbleiben die Kosten nicht delegierbarer Aufgaben und die Kosten der verbleibenden Risiken. Zusätzlich entstehen Transaktionskosten bei einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Die Kosten für den privaten Sektor umfassen Risiko-, Planungs- und Finanzierungs Baukosten sowie Kosten für Betrieb und Unterhalt.
2.5 PPP im öffentlichen Hochbau
69
Die Aufgabenverteilung zwischen öffentlicher Hand und privatem Sektor lässt sich beispielsweise folgendermaßen darstellen (Abb. 2.22):
2
Abbildung 2.22: Beispielhafte Aufgabenverteilung
Im Eigenrealisierungsmodell trägt die Kommune zahlreiche Risiken. In der PPP-Variante werden die Risiken möglichst effizient zwischen den beteiligten Parteien verteilt. Bereits zum Zeitpunkt der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für ein PPP-Projekt ist es notwendig, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wie die grundsätzliche Aufteilung der Risiken aussehen soll und wie die prinzipiellen vertraglichen Regelungen strukturiert sein werden. So ist beispielsweise die Gestaltung des Zahlungsmechanismus als wesentliches Element des Anreizsystems ein wichtiger Bestandteil bei der Risikoallokation und gleichzeitig ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Interessen des öffentlichen Auftraggebers. Wie bereits zuvor ausgeführt, sollte stets derjenige Projektpartner ein Risiko übernehmen, der es am besten einschätzen und steuern kann. Dies impliziert, dass die Vertragspartei, die die größte Managementkompetenz bezüglich eines bestimmten Risikos aufweist, auch dessen Folgen tragen, also das Risiko übernehmen soll. Als weitere Kriterien der Risikozuordnung werden die Versicherbarkeit eines Risikos sowie die finanzielle Tragfähigkeit im Falle des Risikoeintritts herangezogen. Durch die Realisierung von Schulprojekten in Form von PPP-Modellen konnten in der Vergangenheit teilweise erhebliche Effizienzvorteile festgestellt werden. Die folgende Abbildung 6 zeigt Erfahrungswerte aus der jüngsten Vergangenheit:
70
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen
2
Abbildung 2.23: Effizienzvorteile bei ausgewählten ÖPP-Projekten im Schulsektor64
2.5.3.1.3 Vergabeverfahren In der Regel erfolgt die Vergabe bei PPP im wettbewerblichen Dialog oder im Verhandlungsverfahren. Bei Letzterem gliedert sich der Ablauf in zwei Abschnitte, um eine angemessene Relation von Bietungskosten und Erfolgswahrscheinlichkeit herzustellen, da die Angebotserstellung mit hohem Aufwand verbunden ist. Zunächst findet ein Teilnahmewettbewerb statt. Im Anschluss daran erfolgt das Verhandlungsverfahren mit einer engen Bieterauswahl.
Ab einem Investitionsvolumen von 5 Mio. Euro ist eine EU-weite Ausschreibung durchzuführen. Folglich sind zur Vorbereitung des Vergabeverfahrens die Unterlagen für einen EUweiten Teilnahmewettbewerb sowie die Vertragsentwürfe und die Leistungsbeschreibung für das anschließende Verhandlungsverfahren zu erstellen. Teilnahmewettbewerb
Die Intention des Teilnahmewettbewerbs ist die Auswahl eines engeren Bieterkreises. Praxiserfahrungen zeigen, dass die Anbieterzahl im Teilnahmewettbewerb bei 15 bis 20 Bewerbungen liegt. Kriterien zur Auswahl der Unternehmen in dieser Phase sind beispielsweise Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Verhandlungsverfahren
Zwischen 3 und 6 Bewerber werden üblicherweise zur Beteiligung am Verhandlungsverfahren aufgefordert. Nach Vorlage der Angebote, die die Bieter auf Basis der Vertragsentwürfe und der Leistungsbeschreibung erstellen, werden in den Verhandlungen Details bezüglich der Leistungserbringung sowie der damit einhergehenden Risiken und angebotenen Preise geregelt. Abschließend erfolgt die Auswahl des bevorzugten Bieters.
64
Quelle: PPP Task Force im BMVBS
2.5 PPP im öffentlichen Hochbau
71
2.5.3.2 Ergänzende Elemente zur Absicherung der öffentlichen Hand Die Zielsetzung der Vertragsgestaltung der öffentlichen Hand betrifft die Wirtschaftlichkeit sowie die Kosten- und Qualitätssicherung des PPP-Projektes (Abb. 2.24). Zur Umsetzung dieser Ziele gibt es eine Vielzahl von Instrumenten, die sowohl Anreize schaffen als auch Spielräume der Vertragspartner regeln. Im Folgenden werden ausgewählte Möglichkeiten aufgezeigt, um Schadensfälle aus Sicht der öffentlichen Hand, wie Schlechtleistung, Vertragsauflösung oder Insolvenz der Projektgesellschaft, abzusichern.
Abbildung 2.24: Ausgewählte Vertragselemente zur Absicherung der öffentlichen Hand
Die Elemente des so genannten Garantiesystems dienen im besonderen Maße der Absicherung der Insolvenz bzw. des Ausfalls der Projektgesellschaft. Sachsicherheiten sind bedingte Rückgriffsrechte auf Sicherungsgüter. Einige Beispiele sind Eigentumsvorbehalt, Pfandrechte, und Grundpfandrechte.65 Bei Personensicherheiten handelt es sich um Haftungszusagen Dritter. Einige Personensicherheiten sind Bürgschaften, Garantien und Schuldbeitritte. Bürgschaften sind Verpflichtungen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten Dritter. Zu differenzieren ist zwischen Ausfallbürgschaften und selbstschuldnerischen Bürgschaften. Bei Garantien handelt es sich um abstrakte, unwiderrufliche Zahlungsversprechen, die bei erster Auforderung zu erfolgen haben. Der Schuldbeitritt entspricht einer gesamtschuldnerischen Haftung eines Dritten für den Schuldner.66 Daneben besteht die Möglichkeit, dem Auftraggeber im Rahmen von flexiblen Bestrafungs- und Belohnungssystemen ein schlagkräftiges Werkzeug zur Absicherung potentieller Schäden aufgrund von Schlechtleistungen an die Hand zu geben und gleichzeitig eine effektive Anreizsituation beim Auftragnehmer zu implementieren. Mit dem Bonus-Malus-System kann anhand geeigneter Indikatoren eine objektive Überprüfung der Leistungserbringung des Auftragnehmers erfolgen, so dass im Sinne eines Sanktions- bzw. Belohnungsverfahren, die Möglichkeit besteht, Schlechtleistungen zu ahnden und Gutleistungen zu belohnen. Mittels der Vertragsstrafe können darüber hinaus gezielte Anreize für eine zeitgerechte Leistungserbringung gesetzt werden.
65 66
Siehe dazu Bürgerliches Gesetzbuch. Vgl. Jacob Dieter, Stuhr Constanze (2006): „Finanzierung und Bilanzierung in der Bauwirtschaft“, S. 65.
2
72
2 PPP-Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen
2.5.4 Integration kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) in PPPSchulprojekte 2.5.4.1 Ausgangssituation
2
KMUs haben sich bislang schwer getan, wenn es um die Vergabe von Aufträgen im Rahmen von PPP-Modellen ging. Dies gilt auch im Bereich von Schulsanierungen bzw. Schulneubau. Diese Tatsache hat vielfältige Ursachen. Zum einen fallen durch fehlende Standardisierungen im Vertragsrecht immer noch hohe Transaktionskosten in der Vorbereitung eines PPP-Projekts an, die wiederum verhindern, dass in mittelstandsadäquaten Losgrößen ausgeschrieben wird. Zum anderen bestehen auf Seiten der mittelständischen Bauwirtschaft häufig noch Ressentiments gegen eine längerfristige Bindung in einer Geschäftsbeziehung einerseits und die notwendigen Kooperationsbeziehungen mit anderen Wirtschaftssubjekten andererseits. Dabei liegt es im Interesse der Politik, den KMU auf die langfristigen Chancen solcher netzwerkgebundenen Geschäftsmodelle aufmerksam zu machen und kleinere gesetzliche Anpassungen zur Beförderung mittelständischer Teilhabe an PPP-Modellen zügig umzusetzen. Denn es liegt im zentralen Interesse der öffentlichen Auftraggeber, ein breites Spektrum an Unternehmen als mögliche Auftragnehmer zu haben, um nicht langfristig einem oligopolistischen Markt gegenüber zu stehen. Dieses breite Spektrum lässt sich gerade in der hiesigen, von Familienbetrieben geprägten Wirtschaft vor allem unter Einbeziehung der mittelständischen Unternehmen erreichen.
2.5.4.2 Projektspezifische Ansätze Die Grundlagen für projektspezifische Ansätze zur besseren Integration von KMU können beispielsweise die Investitionshöhe und die Wahl der Finanzierungsmodelle bilden. Im Rahmen des ersten Aspekts sind die Interdependenzen zwischen Investitionsvolumen, Wirtschaftlichkeit und Tragfähigkeit durch KMU zu betrachten. Bei kleinen Investitionsvolumina, die problemlos durch KMU bewältigt werden könnten, haben die Transaktionskosten im Rahmen von PPP eine anteilig so hohe Bedeutung, dass die Wirtschaftlichkeit oft nicht gegeben ist. Folglich muss die Relation zwischen Transaktionskosten und Investitionsvolumen betrachtet werden. Bei der Auswahl des Finanzierungsmodells kann festgestellt werden, dass Forfaitierungen mit Einredeverzicht mittelstandsfreundlicher sind als Projektfinanzierungen. Die Gründe dafür liegen zum einen in den Kapitalanforderungen und den damit einhergehenden Kapitalkosten. Zum anderen fallen bei Projektfinanzierungen höhere Transaktionskosten an als bei Forfaitierungen mit Einredeverzichtserklärung. Bei letzteren ist im Gegensatz zu Projektfinanzierungen dagegen ein zusätzliches Sicherheitenkonzept notwendig. Eine Übersicherung des Projekts durch den Auftragnehmer sollte vermieden werden. Damit verbessern sich die Kreditkonditionen für den Auftragnehmer sowie die Kosten-NutzenRelation des gesamten Projekts. Auch muss der Auftragnehmer bei einer Forfaitierung weniger Eigenkapital vorhalten, was zur Folge hat, dass mittelständische Unternehmen solche Projekte in der Regel deutlich besser darstellen können als eine Projektfinanzierung. Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Finanzierungsmodell hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit unter Einbezug der Interessen und Kapazitäten des Mittelstandes untersucht werden sollte. Die Anpassungen des Finanzierungsmodells an die Investitionshöhe und die zukünftige Konzeption von Mischmodellen empfehlen sich.
2.5 PPP im öffentlichen Hochbau
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2.5.4.3 Verfahrensspezifische Ansätze Die behandelten verfahrensspezifischen Ansätze orientieren sich an der Reduktion der Transaktions- und Verfahrenskosten sowie der Strukturierung des Vergabeverfahrens. Erst die signifikante Senkung der mittleren Transaktions- und Verfahrenskosten ermöglicht KMU die Teilnahme an Ausschreibungen zu PPP-Projekten, weil die Bedeutung der Kosten der Angebotserstellung in Relation zum gesamten Unternehmensumsatz abnimmt. Damit können auch vom Investitionsvolumen her kleinere Projekte wirtschaftlich ausgeschrieben werden, die für mittelständische Unternehmen aufgrund ihrer Flexibilität und Innovationskraft vielfach besser darstellbar sind. Es sind mehrere Maßnahmen denkbar, die von Seiten der Kommunen zur Senkung der mit der Angebotserstellung verbundenen Kosten ergriffen werden: • Vollständige, widerspruchsfreie und klare Strukturierung der Verdingungsunterlagen inkl. Bestandsdokumentation, • Standardisierte Bewerbungsunterlagen, • Zeitlich stringentes Vergabeverfahren, • Reduzierung der Planungsvorleistungen auf das notwendige Maß zur Bewertung der Angebote, • Versendung digitalisierter Planunterlagen in weiterverarbeitbarem Format.
Daneben betrifft der Bereich der Standardisierung der vertragsrechtlichen Rahmenbedingungen vor allem die Verantwortung des Gesetzgebers. Die Entwicklung eines standardisierten Vergabeverfahrens sowie von einheitlichen Musterverträgen könnten neben klaren gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung von technischen und wirtschaftlichen Gutachten den Umfang der auf den Auftragnehmer übertragenen Dienstleistungen – und damit auch den Anteil der Transaktionskosten deutlich reduzieren.
2.5.5 Fazit Durch die Durchführung von transparent, effizient und zielgerichtet strukturierten Vergabeverfahren wird es KMU ermöglicht, mit überschaubarem Aufwand wettbewerbsfähige Angebote zu erstellen. Zukünftige Standardisierungen werden helfen, die Transaktionskosten deutlich zu senken.
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3 Entwerfen und Konstruieren 3.1 Werkstoffübergreifendes Entwerfen und Konstruieren in der Lehre bearbeitet von Univ.-Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich
3.1.1 Einleitung Wie kaum ein anderer Beruf verbindet das Bauingenieurwesen technisch-naturwissenschaftliches Wissen und Kreativität. Diese Kombination macht unseren Beruf so besonders, sie erlaubt es uns, Tragwerke zu entwerfen, die über das Nützliche und Wirtschaftliche hinaus auch einen Beitrag zur Baukultur leisten. Während in der Praxis der Tragwerksplanung ganz selbstverständlich beide Aspekte gefordert sind, wird die Lehre an den Hochschulen oft auf die Vermittlung materialorientierter theoretischer Grundlagen reduziert. Ansätze, die entwerferische Kreativität der Studierenden zu fördern, sind selten. Die von Kindheit an entwickelte Fähigkeit zu basteln, zu entwerfen und konstruieren läuft deshalb Gefahr, während des Studiums zu verkümmern. Was sollten also die Inhalte einer zeitgemäßen Ausbildung im „konstruktiven Ingenieurbau“ sein und in welcher Reihenfolge sollten sie vermittelt werden? Die Antwort liegt im werkstoffübergreifenden Entwerfen und Konstruieren. Warum dies so ist und wie dies derzeit an der Technischen Universität in Berlin umgesetzt wird, wird hier beschrieben.
3.1.2 Warum Entwerfen und Konstruieren Die Planung eines Tragwerks ist kein normierbarer, kein geradliniger, aber hoffentlich konzentrisch zum Ziel führender Prozess. Auf dem Weg zum tragfähigen, wirtschaftlichen und schönen Tragwerk wird iteriert, tauchen zufällige und manchmal sogar chaotische Elemente auf und müssen Kompromisse geschlossen werden. Die Grundbausteine dieses Prozesses des Entwerfens und Konstruierens lassen sich trotzdem eindeutig identifizieren. Die tägliche, immer den Bauablauf berücksichtigende, Arbeit des „Tragwerkplaners“ besteht aus folgenden Schritten: a. Entwerfen: in diesem ersten und deshalb ganz wichtigen Schritt der Planung werden das Konzept des Tragwerks und signifikante Details festgelegt. Der Entwurf entsteht aus dem örtlichen Kontext, der topographisch-physikalischer, technisch-konstruktiver oder politisch-kultureller Natur sein kann. b. Modellieren: Abstraktion des Konzeptes. Modellbildung für die statische oder dynamische Berechung, Festlegung der Lasten sowie Bestimmung der Schnittkräfte und Verformungen. c. Bemessen: Bestimmung der Querschnittsabmessungen in Abhängigkeit von der Art und der Kombination der gewählten Werkstoffe. d. Konstruktives Durchbilden: endgültige Detaillierung aller Verbindungen und Knoten des Tragwerks und Zeichnen der Pläne.
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3 Entwerfen und Konstruieren
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Abbildung 3.1: Der Prozess des Entwerfens und Konstruieren.
Wenn wir unsere Studierenden für die Praxis vorbereiten wollen, müssen wir sie deshalb alle diese Schritte, das Entwerfen und Konstruieren also, lehren. Diese Lehre muss deutlich machen, dass: a. der Entwurf die Geburtsstunde des Tragwerks ist, und dass viele spätere Probleme bei der Berechnung und der Bemessung Folge eines nachlässigen Entwurfes sind; b. wir Bauingenieure eine kulturelle und soziale Verantwortung für unsere Ingenieurbauten haben, die nicht delegierbar ist, und dass wir im Hochbau anspruchvolle Planungspartner der Architekten sein sollen, nicht auf Berechnung und Bemessung reduzierte „Statiker“; c. ohne profunde Kenntnisse der theoretischen Grundlagenfächer wie Mathematik, Mechanik, Statik und Dynamik, Werkstoffkunde, Bauphysik, Geotechnik und Management „state-ofthe-art“-Tragwerke nicht möglich sind. Diese Kenntnisse sind Voraussetzung für Bearbeitung so anspruchsvoller Aufgaben wie: – aerodynamische Untersuchungen moderner seilgestützter Brücken und weitgespannter Dächer, die immer leichter und lebendiger werden; – Formfindung, Berechung, (CNC)-Fabrikation und Bau freigeformter Dächer und Schalen; – Planung integraler Tragwerke, d.h. von Bauwerken ohne Fugen und Lager, unter Berücksichtigung von Baugrundsetzungen, rheologischer Effekte und Temperaturlastfällen; – Nachhaltigkeits- und „life-cycle“-Untersuchungen, die theoretisch ganzheitlich zu betrachten sind. Bei „Ingenieurbauten“, wie Brücken, Türmen und weitgespannten Dächern sind wir Bauingenieure in besonderem Maße für die visuelle Qualität verantwortlich und müssen, um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, eine entsprechende Ausbildung haben. Die Lehre des Entwerfens und Konstruierens baut auf deduktivem technisch-wissenschaftlichen Wissen, den theoretischen Grundlagen, auf und soll die Entwicklung kreativer induktiver Fähigkeiten fördern.
3.1 Werkstoffübergreifendes Entwerfen
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3.1.3 Wann Entwerfen und Konstruieren Sowohl die theoretischen Grundlagen als auch das Entwerfen und Konstruieren müssen gelehrt werden. Kurioserweise ist dies aber an den wenigsten Universitäten der Fall. Theoretische Grundlagen wie Mathematik, Mechanik und Statik werden vom ersten Semester an und bis ins Detail behandelt. In den höheren Semestern wird dann das Konstruieren, nach Materialien getrennt und auf die Querschnittsbemessung reduziert, vermittelt. Das Entwerfen selbst, der konzeptionelle und schöpferische Aspekt des Planungsprozesses, wird – wenn überhaupt – nur am Ende des Curriculums gestreift1. Die Wirklichkeit unserer Arbeit zeigt, dass dieser Ansatz verkehrt ist, weil, wie im 2. Abschnitt schon gezeigt, das Entwerfen eines Tragwerks ja der erste Planungsschritt ist. Wäre es deshalb nicht besser, wie bei den Architekten, mit einer Entwurfslehre zu beginnen und das Modellieren und Bemessen möglich früh zu lehren? Mathematik und Mechanik könnten als Vertiefungsfächer für die wirklich Interessierten und dann, wenn man weiß wofür diese Fächer gebraucht werden, nachgeschoben werden? Nein, auch dieser Ansatz wäre falsch, weil das Entwerfen und Konstruieren der Bauingenieure ja gerade profundes theoretisches Wissen voraussetzt! Wir können eben keine integrale Brücke konzipieren, ohne das mechanische Verhalten des gerissenen Betons sowie Kriech- und Schwindeffekte verstanden zu haben. So wie der Entwurf selbst immer ein Kompromiss zwischen sich zu Teil ausschließenden Anforderungen bezüglich Sicherheit, Gebrauchstauglichkeit, Dauerhaftigkeit, Ästhetik und Wirtschaftlichkeit ist, müssen wir auch in der Lehre einen Kompromiss suchen. Die Herausforderung besteht darin, die Grundlagen und das Entwerfen und Konstruieren parallel zu lehren! Gleichzeitig mit der Vermittlung der Grundlagen und von Anfang an sollten unsere Studierenden an das Entwerfen und Konstruieren herangeführt werden. In den ersten Jahren muss das Verhältnis Grundlagen/Entwerfen und Konstruieren > 0 sein. Den Studierenden fällt es leichter die – hoffentlich von Bauingenieuren gelehrten – Fächer Analysis und Mechanik zu büffeln, wenn ihnen in den Vorlesungen über Entwerfen und Konstruieren gezeigt wird, wo sie die Theorie später nutzbringend anwenden können. In den höheren Semestern sollten sich dann die Schwerpunkte in Richtung projektorientierter Planung verschieben. Vorlesungen wie „Brückenbau“, „Hochbau“ und „Flächentragwerke“ werden im Masterstudium zu einer Umkehrung des Verhältnisses von Grundlagen/Entwerfen und Konstruieren führen. Genauso wichtig wie der gute Entwurf selbst ist es aber auch, diesen „verkaufen“ zu können, d.h. Zuhörer, eine Jury oder den Bauherrn von seinem Wert überzeugen zu können. Deshalb muss auch die Fähigkeit, ein Projekt vorzustellen, ein Konzept, einen Entwurf zu kommunizieren, schon an der Universität geübt werden.
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Eine Ausnahme (und Ausgangspunkt für die Überlegungen in Berlin) ist die „Stuttgarter Ingenieurschule”. An der Universität Stuttgart haben Jörg Schlaich und Kurt Schäfer schon anfangs der neunziger Jahre Entwurfsseminare für die Studierenden des Bauingenieurwesens eingeführt. Im Jahr 1996 benannten Jörg Schlaich und Ulrike Kuhlmann dann ihre Lehrstühle „Massivbau“ und „Stahlbau“ in „Konstruktion und Entwurf“ um, und führten zusammen mit Kurt Schäfer das Konzept der werkstoffübergreifenden Lehre ein. Heute wird diese Schule von Werner Sobek und Ulrike Kuhlmann weitergeführt und weiter entwickelt [1], [2], [3]. Auch an der Universität in Dortmund wurde das Entwerfen schon früh und zusammen mit der Ausbildung der Architekten eingeführt [4].
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3 Entwerfen und Konstruieren
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Abbildung 3.2: Der Kompromiss: Parallele Lehre der Grundlagen und des Entwerfens und Konstruierens
Von fundamentaler Bedeutung ist auch das Wissen um die Geschichte der Ingenieurbaukunst. Auf die Frage nach ihren Lieblingsingenieuren und Lieblingsingenieurbauten können viele Erstsemestrige des Bauingenieurswesen, keine Antwort geben. Allenfalls können sie Stararchitekten und deren „Landmarken“ nennen. Es ist schwer zu glauben, dass selbst nach mehreren Semestern an der Universität, große Namen wie Röbling, Telford, Eiffel, Maillart, Suchov, Torroja oder Leonhardt keinerlei Reaktion hervorrufen. Gibt es Musikstudenten, die noch nie den Namen Bach gehört haben?
3.1.4 Werkstoffübergreifendes Entwerfen und Konstruieren Aus historischen Gründen und sicher auch durch die Entwicklung der Industrie geprägt, gibt es an den meisten Universitäten Lehrstühle für Massiv- Stahl- und Holzbau. Ganz im Gegensatz dazu werden aber Fächer wie Mechanik, Werkstoffkunde und Bauinformatik für alle Werkstoffe, d.h. werkstoffübergreifend gelesen. Die Aufteilung der Lehre des Entwerfens und Konstruierens, des „konstruktiven Ingenieurbaus“, in drei Materialien entpuppt sich als Anachronismus, wenn man bedenkt, welche Vielzahl von neuen Werkstoffen und Werkstoffkombinationen heute im Bauwesen verwendet wird und wie sich parallel dazu die Berechnungs- und Fertigungsmethoden entwickelt haben. Diese Entwicklung muss in die Lehre (und natürlich auch in die Forschung) eingehen. Das akademische Curriculum muss auf dem neuesten Stand der Technik sein und darf nicht den status quo der Siebziger zelebrieren. Entwerfen und Konstruieren ist werkstoffübergreifend zu lehren: a. aus didaktischen Gründen: viele moderne Baumaterialien wie Glas, textile Membrane, Folien und „composites“ werden in der Lehre vernachlässigt, wenn wir uns auf Professuren für Beton, Stahl und Holz beschränken. Alle diese Werkstoffe verbindet viel mehr als die Mauer, die durch die Trennung der Lehre nach Materialien aufgebaut wird, impliziert. Oft werden Stabilitätsprobleme und Effekte zweiter Ordnung oder dynamische Phänomene sowohl im Stahlals auch im Massivbau gelesen. Dies geschieht dann aber so materialspezifisch unterschied-
3.1 Werkstoffübergreifendes Entwerfen lich, dass die zugrunde liegenden Entwurfskonzepte und verbindenden Prinzipien verloren gehen. Schon Kleinigkeiten in der nach Materialien getrennten Lehre bergen Verwirrungspotential. Wenn in einer Vorlesung das Prinzip der Teilsicherheitsbeiwerte für Stahl mit γs = 1.15 (DIN 1045-1) und in der anderen mit γm = 1.1 (DIN 18800) erklärt wird, fällt es einem Anfänger schwer zu verstehen, dass in beiden Fällen das gleiche gemeint ist. b. aus praktischen Gründen: die Lehre sollte Absolventen zum Ziel haben, die in der Lage sind, zeitgemässe Tragwerke von höchster Qualität zu planen. Ein Bauherr „bestellt“ in der Regel aber weder eine Betonhohlkastenbrücke noch ein Stahlskeletthochhaus. Er möchte eine gute Brücke und ein gutes Hochhaus. Bild 3 zeigt eine Ordnung der Tragwerke, die unabhängig ist von Werkstoffen. Diese werden erst im Laufe der Planung gewählt. Nur ein guter Entwurf und die Fähigkeit, werkstoffübergreifend das passenden Material bzw. eine werkstoffgerechte Materialkombination wählen zu können, führt zu ganzheitlicher Qualität, zum guten Tragwerk. Nur ein Ingenieur, der mit allen Materialien vertraut ist, wagt sich an den kreativen Akt, eine seilgestützte Brücke oder ein weitgespanntes Dach zu entwerfen. Nur dann ist er ein ernstzunehmender Partner im Planungsteam mit Architekten, wenn es um Hochbauten geht. Die Abgänger der Universitäten müssen Antworten auf die derzeitigen Fragen und Anforderungen der Architekten, Bauherren und Baufirmen bieten können. Um sie zu befähigen, mit ganzheitlicher Planung antworten zu können, dürfen in Lehre und Forschung auf dem Gebiet des werkstoffübergreifenden Entwerfens und Konstruierens folgende Themen nicht fehlen: a. Konstruieren mit „neuen“ Werkstoffen: – hoch- und höchstfeste Stähle und Betone, rostfreie Stähle und Leichtmetalle. – Ultraleicht- bzw. Isolationsbeton. – Seile aus Stahl, Edelstahl und Verbundmaterialien sowie deren Verbindungen.
Abbildung 3.3: Eine werkstoffübergreifende Ordnung der Tragwerke
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3 Entwerfen und Konstruieren – Glas (ESG, TVG, Verbund, Beschichtung und „Bewehrung“ etc.). – Membrane, beschichtete Gewebe und Folien (PVC-beschichtetes Polyester, Teflonbeschichtete Glasfasergewebe, ETFE-Folien etc.). – moderne „composites“ (faserbewehrte Materialien, Sandwich-Komponenten, Holzwerkstoffe).
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b. Werkstoffübergreifendes Entwerfen zeitgemässer Hochleistungstragwerke: – Hochbau (Niedrigenergie und Adaptivität). – Hochhäuser (von New York über Taiwan nach Dubai …). – Brücken: integrale, bewegliche und autonome, extra-dosed und „signature“ Tragwerke. – Weitgespannte und leichte Dächer: Membrantragwerke, Gitternetze und Netzkuppeln, aktive und wandelbare Tragwerke. – Freie Formen, leichte und adaptive Fassaden. – Tragwerke für Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien (Windkraftanlagen, Spiegel, Rinnen, Aufwindkraftwerk).
3.1.5 Berlin, Technische Universität An der Technischen Universität in Berlin haben die Bauingenieure aus der Not, vom über Jahrzehnte erfolgreichen Diplomstudiengang zum Bachelor-Master-System wechseln zu müssen, eine Tugend gemacht. Der Wechsel wurde zum Anlass genommen, den Studienplan zu überdenken und komplett neu auszurichten. Eine der wichtigsten Änderungen ist die kompromisslose Einführung des oben beschriebenen Konzeptes mit drei Professuren für Entwerfen und Konstruieren. Werkstoffübergreifendes und projektorientiertes Entwerfen und Konstruieren bildet nun einen der Schwerpunkte der Lehre in Berlin. Die schon besetzten Lehrstühle für Massivbau und Stahlbau werden in „Entwerfen und Konstruieren“ umbenannt. Weil das weite Feld der Lehre und Forschung auf diesem Gebiet mit zwei Professoren nicht abgedeckt werden kann, durften die Bauingenieure im Frühjahr 2006 die dritte Stelle mit folgender Anzeige international ausschreiben: „The Department of Structural and Civil Engineering of the Technische Universität in Berlin, Germany, introduces important changes to its curriculum. Our holistic approach not only includes the communication of sound technical knowledge but complements this with the creative aspects of our profession: join us and strengthen our team as the third professor for Conceptual and Structural Design“. Der gleiche Name für alle drei Lehrstühle ist Programm. Aus historischen Gründen und um Ansprechpartner für Universitäten mit dem klassischen Lehrangebot zu identifizieren, werden die drei Professuren zumindest bis auf Weiteres die Bezeichnungen „Massivbau“, „Stahlbau“ und „Verbundstrukturen“ als Untertitel haben. Die werkstoffübergreifende Ausrichtung der Lehrstühle erlaubt grundsätzlich auch die Rotation. Ein Mittel, die Lehre lebendig und zeitgemäss zu halten, könnte also der periodische Vorlesungstausch unter den drei Professoren sein. Mit der Besetzung von drei Lehrstühlen für Entwerfen und Konstruieren setzt das Institut für Bauingenieurwesen der Technischen Universität Berlin Maßstäbe für zeitgemäße und ganzheitliche Lehre und Forschung.
3.1 Werkstoffübergreifendes Entwerfen
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Abbildung 3.4: Der „Campus Wedding“, auf dem das Institut für Bauingenieurwesen der TU Berlin untergebracht ist, und die 180 m lange Versuchshalle (in den erst kürzlich renovierten AEG-Gebäuden des Architekten Peter Behrens, 1910).
3.1.6 Literatur [1] Schlaich J.: „Zum Entwerfen von Ingenieurbauten“, VDI-Jahrbuch 1991. [2] Kuhlmann U., Ressel W.: Das Studium des Bauingenieurwesens an der Universität Stuttgart, VDI Jahrbuch 2004. [3] Integrale Planung – ein Gespräch mit Werner Sobek, Detail 12/2005. [4] Polonyi S.: „Architektur und Tragwerk“, Chapter 18, Ernst und Sohn, 2003.
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3 Entwerfen und Konstruieren
3.2 Nachhaltiges Bauen unter Aspekten des Konstruktiven Ingenieurbaus bearbeitet von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler
3.2.1 Ursprünge nachhaltigen Denkens
3
Die Auswirkungen der Endlichkeit der natürlichen Rohstoffquellen werden schon seit längerer Zeit diskutiert. Als erster hat sich Hans Carl von Carlowitz im 17. Jahrhundert damit auseinandergesetzt. Aufgrund des Holzmangels seiner Zeit plädierte er für einen „pfleglichen Umgang“ mit dem Wald und ersetzte diesen Ausdruck später durch die Formulierungen „continuirlich“, „beständig“ und „nachhaltend“. Er kann daher als Begründer der Nachhaltigkeit gelten. Der Forstökonom Wilhelm Gottfried Moser griff diese Begriffe wieder auf und forderte in seinen 1757 erschienenen „Grundsätzen der Forst-Oeconomie“ eine „nachhaltige Wirtschaft mit unseren Wäldern“2. Beiden gemein ist die Überlegung, dass einem natürlichen System nicht mehr an Nutzung abverlangt werden darf als es in der Lage ist, durch Produktion in derselben Zeit bereitzustellen. Für die Forstwirtschaft bedeutete dies eine Beschränkung des Holzverbrauches. Diese Feststellung ist aber auf beliebige Systeme übertragbar. Zweihundert Jahre später wurde 1968 der Club of Rome gegründet, eine nichtkommerzielle Organisation, die es sich u. a. zum Ziel gesetzt hatte, sich mit der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft und deren Folgen zu befassen. In ihrem Auftrag wurde von Dennis L. Meadows ein Modell3 entwickelt, mit dessen Hilfe die Entwicklung des Systems „Erde“ insgesamt abgeschätzt werden sollte. Meadows kam zu dem Schluss, dass ein weiteres Wachstum unter gleichbleibenden Bedingungen zu einem Kollaps der gesamten Weltwirtschaft führen muss. Das Modell wird bis in die heutige Zeit stetig weiterentwickelt und berücksichtigt neuere Erkenntnisse und eingeleitete Maßnahmen wie z.B. hinsichtlich des Umweltschutzes. Aber auch aus den neueren Simulationen geht hervor, dass ein unbegrenztes weiteres Wachstum der Weltwirtschaft aufgrund der begrenzten Ressourcen nicht möglich ist. Trotz berechtigter Kritik an Meadows Modell wird eines jedoch deutlich: Eine Bewältigung der Probleme, die sich aus der Endlichkeit der zur Verfügung stehenden Ressourcen ergeben, erfordert neue Denkansätze. Weiteres Wachstum kann langfristig nur durch andere Prozesse erreicht werden. Nicht ein Mehr an Verbrauch, sondern Wertschöpfung muss der Maßstab für Wachstum werden. In einem Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung an die Vereinten Nationen aus dem Jahre 1987, der sich unter Berücksichtigung der o. a. Probleme ebenfalls mit der weltweiten Entwicklung auseinandersetzte, wurde erstmals wieder der Begriff der Nachhaltigkeit aufgegriffen. Im Konzept der Nachhaltigen Entwicklung heißt es: „Entwicklung zukunftsfähig zu machen heißt, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können.“
2 3
vgl. /8/ Dennis L. Meadows simulierte die Welt in einem Modell, welches das Zusammenspiel und die Folgen des Wachstums der Bevölkerung, des Industriekapitals, der Nahrungsmittelproduktion, des Rohstoffverbrauchs und der Umweltverschmutzung zu analysieren versucht.
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3.2 Nachhaltiges Bauen Die Veröffentlichung dieses Brundtland-Berichts4 setzte die weltweite Diskussion um Nachhaltigkeit und zukunftsorientiertes Handeln in Gang. Aus diesem Denkansatz hervorgegangen ist das Energie- und Stoffstrommanagement, eine Methode zur ganzheitlichen Betrachtung von Verbräuchen. Dabei werden Ressourcen wie z.B. Rohstoffe, Energie oder Flächen als „Stoffe“ bezeichnet. Stoffströme kennzeichnen den Weg eines Stoffes von seiner Gewinnung über die Verarbeitung und Nutzung bis zur Entsorgung oder Rückgewinnung. Alle abgrenzbaren Systeme stellen Stoffstromsysteme dar, in denen Stoffströme bewegt und transformiert werden. Angesichts steigender Rohstoffpreise wie z.B. für Stahl oder Erdöl in den letzten Jahren wird deutlich, dass eine ganzheitliche Betrachtungsweise große ökonomische Vorteile für die gesamte Wirtschaft mit sich bringt. Maßnahmen zielen daher auf die Minderung des Materialund Ressourcenverbrauches durch eine Verbesserung der Qualität, Optimierung von Produktionsprozessen, Recycling oder Mehrfachnutzung. Stoff- und Energiestrommanagement sind somit geeignete Werkzeuge, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sowohl ökologische als auch ökonomische Zielsetzungen umsetzen zu helfen. Auch im Bauwesen wurde mittlerweile die Notwendigkeit erkannt, Baukonstruktionen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit ganzheitlich beurteilen zu können. Dieser Wunsch besteht sowohl für neu zu errichtende Bauwerke als auch für Gebäude und Bauwerke im Bestand.
3.2.2 Was bedeutet Nachhaltigkeit für das Bauwesen? Nachhaltigkeit bedeutet in erster Linie, einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen durchzusetzen. Dazu zählen Flächenressourcen ebenso wie Rohstoff- und Energieressourcen. Nachhaltigkeit kann als ein Interessenausgleich durch Abwägung verschiedenster Aspekte im Sinne einer Optimierung verstanden werden. Ziel der Betrachtung eines Bauwerks unter Nachhaltigkeitsaspekten ist eine ganzheitliche Analyse seiner ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen über den gesamten Lebensdauerzyklus (Abb. 3.5).
Nachhaltigkeit von Bauwerken ökonomische Aspekte
ökologische Aspekte
soziale Aspekte
Abbildung 3.5: Aspekte der Nachhaltigkeit 5
Zu den wirtschaftlichen Kriterien zählen u.a. die Lebenszykluskosten und die Möglichkeiten einer flexiblen Nutzung. Bei der Abwägung ökologischer Interessen geht es um die Auswirkungen auf das Ökosystem, den Verbrauch natürlicher Ressourcen sowie den Schutz der Gesundheit im weitesten Sinne. Zu den sozialen Aspekten zählen z.B. die regionalen Auswirkungen des Bauwerks und die Zufriedenheit seiner Nutzer.
4
5
Gro Harlem Brundtland, ehem. norwegische Ministerpräsidentin und bei Veröffentlichung des Berichts Vorsitzende der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung vgl. /3/
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3 Entwerfen und Konstruieren Ein Bauwerk verursacht Kosten über seine gesamte Lebensdauer hinweg. Man unterscheidet grundsätzlich die verschiedenen Lebensphasen: • • • •
3
Erstellung, Nutzung, Umnutzung sowie Abbruch und Entsorgung.
Die Erstellungsphase umfasst die Planung und die Realisierung des Bauvorhabens; die Nutzungsphase beinhaltet neben der reinen Nutzung auch die Kosten für Wartung und Erneuerung. Besondere Beachtung erfordern die ökologischen Auswirkungen einer Baumaßnahme. Für die Nachhaltigkeitsanalyse einer Baumaßnahme sind daher Angaben erforderlich wie z.B. hinsichtlich • • • • • • • • • •
der Naturraum- bzw. Flächeninanspruchnahme, des Treibhauspotentials (Greenhouse Warming Potential, GWP), des Ozonabbaupotentials (Ozone Depletion Potential, ODP), des Versauerungspotentials (Acidification Potential, AP), des Eutrophierungspotentials (Eutrophication Potential, EP), des Photooxidatienpotentials (POCP), der Schwermetalle (Heavy Metals), krebserregender Stoffe (Carcinogenic Substances), des Energiebedarfs (Energy Supply), der nicht erneuerbaren Primärenergie (PE).
Die einzelnen Wirkungen werden auf ein Äquivalent bezogen, das sich zur Beschreibung der jeweiligen Schädigung gut eignet, z.B. CO2 – Äquivalent für das Treibhauspotential. Die Quantifizierung ist Gegenstand aktueller Forschungen.
3.2.3 Nachhaltigkeit von Gebäuden 3.2.3.1 Methoden zur Erfassung der Nachhaltigkeit bei Gebäuden Auf internationaler Ebene gibt es bei ISO und CEN bereits seit einiger Zeit Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Beurteilung der Nachhaltigkeit von Gebäuden. Der Schwerpunkt aktueller europäischer Normungstätigkeiten liegt auf der Beschreibung umwelt- und gesundheitsrelevanter Eigenschaften von Bauprodukten in Form von „environmental product declarations“ (EPD) sowie die Beurteilung der Umweltqualität und Nachhaltigkeit von Bauwerken. Während die Grundlagen für die Erstellung von EPDs relativ weit entwickelt sind, wird über die Vorgehensweisen und Indikatoren zur Beurteilung des Beitrags von einzelnen Bauwerken zu einer nachhaltigen Entwicklung mit dem Schwerpunkt der Bewertung der Umweltqualität noch intensiv diskutiert. Es ist abzusehen, dass eine Bewertung der Nachhaltigkeit anhand von Indikatoren vorzunehmen sein wird. Die Definition von Grenz- oder Zielwerten jedoch soll – nach derzeitigem Stand - nationalen Bewertungsmethoden vorbehalten bleiben.6 Mit Hilfe des europäischen Normungsprojekts CEN TC 350 soll ein System zur Gebäudebewertung geschaffen werden, das zum einen Begriffe und Methoden zur Beschreibung und Beurteilung der Umweltauswirkungen eines Gebäudes regelt, zum anderen die Prozesse erfasst, welche über den Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg berücksichtigt werden müssen. 6
vgl. /4/
3.2 Nachhaltiges Bauen
85
Des Weiteren sollen damit Begriffe und Methoden zur Erarbeitung von EPDs harmonisiert werden. Bisher konnten die Ergebnisse aus Nachhaltigkeitsbetrachtungen mangels Vergleichbarkeit nur schwer als Grundlage für Investitionsentscheidungen herangezogen werden und wurden daher kaum nachgefragt. Diese Einstellung beginnt sich jedoch zu verändern und wird perspektivisch zu einem wachsenden Bedarf an umwelt- und gesundheitsrelevanten Produktinformationen führen. Die Ergebnisse aus einer Beurteilung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen könnten als Nachweis der Vorbildwirkung der öffentlichen Hand sowie für Entscheidungen bei Beschaffungsvorgängen herangezogen werden. Die Gewährung von Fördermitteln, steuerlichen oder sonstigen Vergünstigungen könnte von dem Ergebnis einer Nachhaltigkeitsanalyse abhängig gemacht werden. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat einen Leitfaden7 herausgegeben, der für den Hochbau eine Orientierungshilfe darstellt. Mit Hilfe des Leitfadens sollen ganzheitliche Grundsätze zum nachhaltigen Bauen umgesetzt werden können. Es ist u. a. darauf zu achten, dass der Energie- und Betriebsaufwand, der Reinigungsaufwand sowie der Inspektions- und Wartungsaufwand minimiert werden. Die Gesundheit und Behaglichkeit in der Nutzungsphase sollen ebenso wie eine wirtschaftliche, umwelt- und ressourcenschonende Erstellung gewährleistet werden. Die wesentlichen Anforderungen sind detailliert in einer Checkliste zusammengestellt. Die Art und Weise der Umsetzung dieser Anforderungen wird im Leitfaden nicht näher spezifiziert. Es fehlen die Werkzeuge, diese Prinzipien in die Planung zu integrieren. In den letzten Jahren wurden daher bereits einige Methoden zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Gebäuden entwickelt (/5/,/6/,/7/). Die meisten Bemühungen zielen auf eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs während der Nutzungsphase und bedienen sich als Vergleichsgröße der anfallenden Kosten. Für gewöhnliche Hochbauten lässt sich feststellen, dass die Kosten, die aus der Nutzung und Unterhaltung resultieren, um ein Vielfaches größer sind als die Erstellungskosten. Die Kosten der Nutzungsphase werden hauptsächlich durch die Kosten für Heizung, Strom und Reinigung verursacht. Der Planung der konstruktiven und technischen Maßnahmen kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
3.3.3.2 Zwischenbilanz Bei den zur Verfügung stehenden Modellen besteht nicht die Möglichkeit, die Auswirkungen von komplexen Konstruktionstypen und -systemen auf die Nachhaltigkeit eines Bauwerkes in ihrer übergreifenden Art zu berücksichtigen, welche für die Beurteilung eines Gebäudes, aber auch von Ingenieurbauwerken, von besonderer Bedeutung sind. Bisher werden die Bauwerke schichtenweise durch Masse- und Volumenangaben in ihrem Aufbau erfasst. Das reicht aber nicht aus, die Komplexität eines Baukörpers widerzuspiegeln. Ein Bauwerk stellt mehr als die Summe seiner Einzelteile dar. Die zahlenmäßige Erfassung verbaler Anforderungskriterien ist bisher ebenfalls nicht vorgesehen. Zur Erfassung derartiger Effekte muss ein Bewertungssystem erstellt werden, welches übergreifende Zusammenhänge und Auswirkungen über Wichtungsfaktoren erfasst. Um einen planerischen Entwurf auf seine Nachhaltigkeit hin beurteilen und mit anderen Entwürfen vergleichen zu können, müssen bereits im Vorfeld alle Konsequenzen einer Planungsentscheidung
7
vgl. /1/ und /2/
3
86
3 Entwerfen und Konstruieren über den gesamten Lebenszyklus hinweg in seiner Gesamtheit durchdacht werden und in der Nachhaltigkeitsanalyse Berücksichtigung finden.
3.2.4 Nachhaltigkeit von Ingenieurbauwerken
3
Die meisten vorhandenen Methoden und Anforderungskriterien zur Beurteilung der Nachhaltigkeit sind auf den Hochbau ausgerichtet und daher für Ingenieurbauwerke nicht sinnvoll anwendbar. Während im Hochbau Heizungs-, Strom- und Reinigungskosten während der Nutzungsphase eines Gebäudes die meisten Kosten verursachen und die Planung der diese Faktoren beeinflussenden Details demzufolge die Lebenszykluskosten und die ökologischen Auswirkungen maßgeblich bestimmen, spielen derartige Dinge für Brücken praktisch keine Rolle. Im Hochbau maßgebende, komplexe bauphysikalische Prozesse sind für Ingenieurbauwerke nicht relevant. Die Möglichkeiten einer flexiblen Umnutzung der Konstruktion sind für Brücken von untergeordneter Bedeutung. Ziel der zu entwickelnden Methode war insbesondere die Erfassung verbaler Kriterien und das Erfassen von Konstruktionsformen und -systemen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit. Zur Verdeutlichung dieses Zusammenhangs sei an dieser Stelle am Beispiel des Hochbaus erwähnt, dass es einen wesentlichen Unterschied darstellt, ob bei einer Wandkonstruktion die Wärmedämmung innen oder außen angeordnet wird, da dadurch die Tauwasserbildung und somit das Raumklima maßgeblich beeinflusst werden, was zu Schäden und zusätzlichen Instandsetzungsmaßnahmen während der Nutzungsphase führen kann. Daher ist es wichtig, die Konstruktion als Ganzes in Form von Konstruktionssystemen bzw. Bauformen zu erfassen. Diese Überlegungen gelten für Bauwerke des Ingenieurbaus gleichermaßen. Erreicht wurde das Ziel über die Bewertung der einzelnen Kostenpositionen, um somit Bauvarianten miteinander vergleichbar zu machen.
3.2.4.1 Korrekturwertmethode Auf Basis einer Lebenskostenrechnung wurde eine Bewertungsmethode entwickelt8, die den einzelnen Positionen der Massenermittlung Einheitskosten zuweist und diese dann durch Korrekturwerte an die tatsächlichen Verhältnisse anpasst. Zur besseren Veranschaulichung des prinzipiellen Vorgehens erfolgt dies ohne Berücksichtigung der Auswirkungen des Kapitaleinsatzes im Sinne einer Investitionskostenrechnung.
Liste der Kostenpositionen
Korrekturvektor ij
Bewertete Kostenpositionen
Abbildung 3.6: Darstellung des Bewertungsvektors als komponentenweises Produkt
8
vgl. /8/
3.2 Nachhaltiges Bauen
87
Die einzelnen Positionen einer Energie- und Stoffstrombetrachtung werden zunächst lebensphasenweise standardisiert und mit Einheitskosten je Einheit versehen, um Vergleichbarkeit zu erreichen. Diese Kostenbetrachtung wird anschließend durch eine Beaufschlagung mit „Faktoren“ erweitert, welche den Einfluss der gewählten Bauform eines Details in seiner Wirkung auf die Gesamtkonstruktion abbildet, wobei die Einheitskosten für alle zu vergleichenden Ausführungsvarianten übernommen werden. Ein solcher „Faktor“ steht für eine bestimmte Bauform und beeinflusst im Allgemeinen mehrere Einzelpositionen in unterschiedlicher Art und Weise (vgl. Abb. 3.6). Die Auswirkungen müssen entsprechend bestimmt werden. Sicherlich ist die Festlegung der Wichtungsfaktoren in gewisser Weise subjektiv, andererseits ist das Ziel der Untersuchungen zunächst die Entwicklung von Methoden; die Bauformen werden vergleichbar. Eine Einzelposition bezeichnet einen bestimmten Kostenpunkt zu einer bestimmten Lebensphase. Aus diesem Grund muss die Positionsliste alle Lebensphasen separat aufschlüsseln. Wird eine Einzelposition in ihren verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich beeinflusst, erhält man demzufolge dafür mehrere unterschiedliche Korrekturwerte. Die sich für einen Konstruktionstyp oder eine spezielle Bauform ergebenden Korrekturwerte ϕi der beeinflussten Einzelpositionen in all ihren Lebensphasen bilden zusammen einen Korrekturvektor. Der Vektor wird mit ϕ bezeichnet. Zur Bestimmung der Korrekturwerte des Vektors ϕ ist es notwendig, für die Positionen einen Bezugshorizont zu definieren, welcher sich auf die erwartete Lebensdauer bezieht. Damit lassen sich die Korrekturwerte wie folgt bestimmen:
ϕi =
Si Hi
mit Si Erwartungshorizont für die einzelnen Positionen Hi Bezugshorizont i Index der jeweiligen Position Darüber hinaus werden Effekte, die die gesamten einmaligen Kosten eines Bauwerkes beeinflussen – wie z. B. die erwartete Gesamtlebensdauer – durch einen globalen Korrekturwert ΦL berücksichtigt. Auf diese Weise werden sämtliche Korrekturwerte für eine bestimmte Detaillösung ermittelt und den einzelnen Positionen zugeordnet. Anschließend lässt sich der Korrekturvektor ϕ aufstellen (vgl. Abb. 3.7). Für verschiedene Konstruktionstypen und Ausführungsvarianten können so entsprechende Korrekturvektoren erstellt werden, die in einem Verzeichnis abgelegt werden und damit für äquivalente Baumaßnahmen wieder zur Verfügung stehen. Neben den wirtschaftlichen Aspekten können auch die ökologischen Kriterien sinnvoll durch Korrekturvektoren abgebildet und gewichtet bzw. verglichen werden. Das Ergebnis dieser Berechnung sind bewertete Kosten. Die Korrekturwertmethode hat gegenüber einer herkömmlichen Berechnung für verschiedene Bauvarianten den Vorteil, dass zum einen die Kostenrechnung vereinfacht wird; zum anderen wird es so möglich, auch kostenmäßig schwer erfassbare Effekte durch einfache Korrekturwerte abzubilden und so einen schnellen und übersichtlichen Vergleich der Varianten zu erhalten.
3
88
3
3 Entwerfen und Konstruieren
Einzelposten Erstellung Menge 1.1.1.1 Beton Haupttragwerk 554,70 1.1.1.2 Beton Kappen 38,50 1.1.1.3 Beton Widerlager (Endauflager) 0,00 1.1.1.4 Beton Pfeiler (Mittelauflager) 0,00 1.1.2.1 Schalung Haupttragwerk 2185,00 1.1.2.2 Schalung Kappen 174,00 1.1.2.3 Schalung Widerlager (Endauflager) 0,00 1.1.2.4 Schalung Pfeiler(Mittelauflager) 0,00 1.1.3 Bewehrung 87,17 1.1.4 Stahlbeton Arbeit 593,00 1.2.1 Spannstahl inklusive Hüllrohr 15,70 1.2.2 Stahlträger 0,00 1.2.3 Fahrbahnblech 0,00 1.2.4 Rippen (bei Orthotroper Platte) 0,00 1.2.5 Seile 0,00 1.2.6 Maste/Pylone 0,00 1.2.7 Geländer 143,00 1.3.1 Asphaltdecke 806,00 1.3.2 Abdichtung 806,00 1.4.1 Lager 1.4.1.1 – Festlager 1,00 1.4.1.2 – Loslager 5,00 1.4.1.3 besondere Lager 0,00 1.4.2 Dehnungsfugen/FÜ 1.4.2.1 – für Festlager 1,00 1.4.2.2 – für Loslager 1,00 1.5 Abnahmeprüfung 2,00
[] m2 m2 m2 m2 m2 m2 m2 m2 t m2 t t t t t t m m2 m2 St. St. St. St. St. St.
€ je Einheit 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 40,00 40,00 600,00 100,00 4500,00 1600,00 1600,00 1600,00 6000,00 1600,00 175,00 21,00 42,00
1020 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000
€* je Einheit 127,50 125,00 125,00 125,00 206,25 125,00 50,00 50,00 765,00 131,00 5625,00 2000,00 2000,00 2000,00 7500,00 2000,00 218,75 26,25 52,50
€* gesamt 70724,25 4812,50 0,00 0,00 45065,625 21750,00 0,00 0,00 66662,10 77831,25 88312,50 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 31281,25 21157,50 42315,00
3500,00 1000 4500,00 1000 4500,00 1000
4375,00 5625,00 5625,00
4375,00 28128,00 0,00
33000,00 1000 41250,00 46000,00 1000 57500,00 10350,00 1000 12937,50
41250,00 57500,00 25875,00
ϕ1
Abbildung 3.7: Ausschnitt aus bewerteter Kostenübersicht für Brückenoberbau als Spannbeton-Hohlkasten in Lebensphase 1/8/
3.2.4.2 Anwendung der Korrekturwertmethode auf Brückenbauwerke An Hand einer Beispielbrücke wird gezeigt, wie sich unterschiedliche Ausführungsvarianten und die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit durch Korrekturvektoren auf die Entwicklung der Lebenszykluskosten auswirken können9. Ein Brückenentwurf in drei Ausführungsvarianten wird zunächst mit den herkömmlichen Methoden der Massenermittlung quantifiziert und die einzelnen Energie- und Stoffströme jeweils für alle Lebensphasen des Bauwerks ermittelt und bilanziert, um die ökonomischen und ökologischen Werte des Gesamtbauwerks zu erfassen. Die so ermittelten Kosten werden als unbewertete Kosten bezeichnet. 9
vgl. /8/
89
3.2 Nachhaltiges Bauen Die Akkumulation dieser Lebenszykluskosten ist in Abbildung 3.8 dargestellt. Die größeren Sprünge resultieren z.B. aus Maßnahmen wie Lagerwechsel oder Korrosionsschutzerneuerung. Die Verbund-Plattenbalken-Lösung ist in der Herstellung hier die preiswerteste Variante; am Ende der Lebensdauer ist er jedoch aufgrund der höheren Unterhaltskosten für dieses Beispiel teurer als der Spannbeton-Hohlkasten und der Spannbeton-Plattenbalken.
Lebenszykluskosten unbewertet 3.250.000,000 3.000.000,000 2.750.000,000 2.500.000,000
Kosten in €
2.250.000,000 2.000.000,000 1.750.000,000 1.500.000,000 1.250.000,000 Spannbeton-Hohlkasten Verbund-Plattenbalken Spannbeton-Platten balken
1.000.000,000 750.000,000 500.000,000 250.000,000
0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 56 60 64 68 72 76 80 84 88 92 96 100
0,000
Lebensdauer in Jahren Abbildung 3.8: Brückenvarianten mit unbewerteten Lebenszykluskosten/8/
Die Abbildung 3.9 veranschaulicht ausgewählte Umwelteinwirkungen der Entwurfsvarianten. Es handelt sich hierbei um eine unbewertete Darstellung. Die umschriebene Fläche ist ein Maß für die Umweltbelastung der jeweiligen Variante. Die geringsten ökologischen Belastungen ergeben sich hier für den Verbund-Plattenbalken. Die Gründe dafür liegen u.a. im geringeren Stahlbetonanteil. Bei Berücksichtigung einer Bewertung der unterschiedlichen Entwurfsvarianten mit Hilfe von Korrekturvektoren ergeben sich die bewerteten Lebenszykluskosten nach Abbildung 3.10. Dabei stellt sich ein anderer Gesamteindruck dar. Der Spannbeton-Plattenbalken verursacht aufgrund seiner geringeren Gesamtlebensdauer infolge der nicht auswechselbaren Spannglieder größere bewertete Kosten als die anderen Varianten. Der Verbund-Plattenbalken erweist sich dagegen als nachhaltigere Variante, die erst nach ca. 75 Jahren mit dem SpannbetonHohlkasten gleiche bewertete Kosten verursacht. Es sei aber angemerkt, dass der Vergleich der Bauweisen – und dabei insbesondere die Festlegung der Bewertungsfaktoren – hier nur exemplarisch erfolgt.
3
90
3 Entwerfen und Konstruieren
3
Abbildung 3.9: Vergleich der Entwurfsvarianten für ökologisch relevante Aspekte/8/
*
Abbildung 3.10: Brückenvarianten mit bewerteten Lebenszykluskosten/8/
3.2 Nachhaltiges Bauen Soziale Aspekte sind stets subjektive Einschätzungen und stark vom Standpunkt des Betrachters abhängig: Eine bestimmte Straßenführung kann z.B. einerseits den Verkehrsfluss in einen Ort hinein lenken und damit die Wirtschaft und den Tourismus in dieser Region stärken, aber andererseits auch zu mehr Lärm und sonstigen Immissionen führen. Unterschiedliche Interessengruppen werden deshalb diesen Aspekt völlig unterschiedlich bewerten. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle auf die weitergehende Betrachtung und Bewertung sozialer Aspekte verzichtet. Grundsätzlich besteht jedoch die Möglichkeit, auch diese mit der Korrekturwertmethode einfach zu erfassen.
3.2.5 Zusammenfassung Zur Beurteilung der Umweltqualität und Nachhaltigkeit von Bauwerken – Hoch- und Ingenieurbauten – sind die dafür relevanten Einflussparameter herauszuarbeiten. Die Einflussparameter sind abhängig vom Bauwerkstyp. Neben einer schichtenweisen Volumen- und Massenbestimmung sind die verschiedenen Konstruktionselemente zu sinnvollen Konstruktionstypen und -systemen zusammenzufassen und deren Einfluss zusätzlich in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Für verschiedene Konstruktionstypen und Ausführungsarten sind die Korrekturvektoren zu bestimmen. Für bauphysikalische und ökologische Einflussparameter wie z. B. den Primärenergieverbrauch sind Grenzbzw. Zielwerte bereitzustellen. Damit ist auch hier eine Bewertung über Korrekturvektoren möglich. Neben der gezeigten Methode der Ermittlung bewerteter Lebenszykluskosten sind die Methoden der Investitionskostenrechnung (z.B. Kapitalwertmethode) zu berücksichtigen. Mit der Korrekturwertmethode lassen sich über die ökonomische Betrachtung hinaus auch die Umweltbelastungen und sozialen Aspekte verschiedener Lösungsvorschläge einfach und übersichtlich zueinander ins Verhältnis setzen. Die Korrekturwertmethode stellt damit ein effizientes Verfahren dar, um Entscheidungsprozesse für oder wider bestimmte Bauvarianten transparent zu machen. Gerade für die öffentliche Hand ist das wichtig, da neben dem sparsamen Umgang mit Finanzmitteln auch die Belange der Umweltverträglichkeit immer stärker Beachtung finden und entsprechende Nachweise erforderlich machen.
3.2.6 Literatur [1] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Leitfaden Nachhaltiges Bauen. Stand Januar 2001, 1. Nachdruck. [2] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Leitfaden Nachhaltiges Bauen im Gebäudebestand des Bundes. Entwurf, Stand September 2005. [3] Schäfer, B.; Litzner, H.-U.: Nachhaltiges Bauen aus Sicht der Bauwirtschaft. Beton- und Stahlbetonbau 100 (2005), Heft 9, S. 771-774. [4] Lützkendorf, T.; Schmincke, E.: Stand der Normung bei ISO und CEN; Überblick zu internationalen Entwicklungen. Runder Tisch Nachhaltiges Bauen des BMVBS vom 19.05.2006. [5] Graubner, C.-A.; Hüske, K.: Nachhaltigkeit im Bauwesen. Ernst & Sohn, Berlin, 2003. [6] Graubner, C.-A.: Prognose der Lebenszykluskosten von Bauwerken – Grundlagen, Prinzipien und Stand der Anwendung. Runder Tisch Nachhaltiges Bauen des BMVBS vom 19.05.2006. [7] Kreißig, J.: Grundlagen für die Ermittlung von Lebenszykluskosten – Ergebnisse eines BBRForschungsvorhabens. Runder Tisch Nachhaltiges Bauen des BMVBS vom 19.05.2006. [8] Köper, Ph.: Nachhaltiges Bauen unter Aspekten des Konstruktiven Ingenieurbaus – Ausarbeitung eines Kriterienkatalogs mit Bewertung ökonomischer und ökologischer Aspekte. Diplomarbeit TU Berlin, Fachgebiet Metall- und Leichtbau, unveröffentlicht, 2006.
91
3
92
3 Entwerfen und Konstruieren
3.3 Wärmedämmverbundsysteme auf hölzernen Untergründen bearbeitet von Univ.-Prof. Dr. Erich Cziesielski und Dipl.-Ing. Jörg Röder
3.3.1 Einführung und Problemstellung 3.3.1.1 Ausgangssituation
3
Im Holzrahmenbau werden zur Energieeinsparung immer häufiger zusätzlich zur Gefachdämmung außenseitig Wärmedämmverbundsysteme eingesetzt.
3.3.1.2 Aufbau einer Holzrahmenbauwand mit Wärmedämmverbundsystem Den Aufbau einer Holzrahmenbauwand mit einem aufgeklebten Wärmedämmverbundsystem (WDVS) zeigt Abbildung 3.11. Im Holzrahmenbau kommen bevorzugt WDVS zum Einsatz, die auf die äußere Beplankung ohne zusätzliche mechanische Sicherung verklebt werden; zeitaufwändige und teure mechanische Befestigungen in der dünnen Beplankung der Holzrahmenbauwände entfallen in der Regel. Als Wärmedämmstoff des WDVS werden überwiegend expandiertes Polystyrol und in geringerem Umfang Mineralfaserlamellenplatten eingesetzt.
Abbildung 3.11: Aufbau einer Holzrahmenbauwand mit Wärmedämmverbundsystem (WDVS) [1]
3.3 Wärmedämmverbundsysteme
93
3.31.3 Schäden von Wärmedämmverbundsystemen auf hölzernen Untergründen In der Vergangenheit sind bei der Verklebung von WDVS auf Beplankungswerkstoffen von Holzrahmenbauwänden Schäden aufgetreten, die zur Beeinträchtigung der Standsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit der WDVS geführt haben. Abbildung 3.12 zeigt einen typischen Schaden: Der Klebemörtel hat sich von der Holzwerkstoffplatte nahezu vollständig gelöst. Die Schadensursache solcher Adhäsionsbrüche konnte bisher meist nicht eindeutig geklärt werden. Grundlegende Untersuchungen zum Tragverhalten der Verklebung von Polystyrol- und Mineralfaserlamellendämmstoffen auf Beplankungswerkstoffen des Holzrahmenbaus liegen nicht vor, so dass die Beurteilung solcher Systeme bisher im wesentlichen empirisch erfolgte.
Abbildung 3.12: Adhäsionsbrüche zwischen Klebemörtel und Holzspan-Flachpressplatte sowie Rissbildung in der Klebemörtelschicht im Fugenbereich der Holzspan-Flachpressplatten [1]
3.3.1.4 Untersuchungsbedarf Unsicherheit besteht darüber, ob auf den Beplankungswerkstoffen neben flexiblen kunststoffgebundenen Klebemörteln auch überwiegend mineralisch gebundene Klebemörtel mit Kunststoffvergütung eingesetzt werden können oder ob es bei dieser Werkstoffkombination zu Verbundproblemen zwischen der Klebemörtelschicht und dem Beplankungswerkstoff kommen kann.
3.3.2 Verklebung von WDVS auf Beplankungswerkstoffe des Holzrahmenbaus An der Technischen Universität Berlin wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, um objektive Kriterien für die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit der Verklebung von WDVS auf Beplankungswerkstoffen des Holzrahmenbaus zu schaffen. Dazu wurden unterschiedliche Klebemörtelarten und Beplankungswerkstoffe verwendet.
3.3.2.1 Bei den Untersuchungen verwendete Klebemörtelarten Zur Verklebung von WDVS auf Beplankungen des Holzrahmenbaus werden derzeit im wesentlichen drei Klebemörtelarten eingesetzt:
3
94
3 Entwerfen und Konstruieren • kunststoffgebundene Klebemörtel, • mineralisch gebundene Klebemörtel mit Kunststoffvergütung bis ca. 5 Masse- % und • Mischklebemörtel (kunststoffgebundene Klebemörtel mit Portlandzementzugabe).
3.3.2.2 Bei den Untersuchungen verwendete Beplankungswerkstoffe Als Beplankungswerkstoffe werden verwendet (siehe auch Abbildung 3.13):
3
• • • •
geschliffene Holzspan-Flachpressplatten mit feinen, homogen verteilten Spänen, geschliffene und ungeschliffene Holzspan-Flachpressplatten mit groben Spänen, geschliffene und ungeschliffene OSB3-Platten sowie Gipsfaserplatten mit hydrophober Oberfläche.
Holzwerkstofftyp
Kürzel
Holzspan-Flachpressplatte (geschliffen)
SP2G
Holzspan-Flachpressplatte (ungeschliffen, Übergang zu einer OSB-Struktur)
SP3U
Oberflächenstruktur der Holzwerkstoffe
Abbildung 3.13: Vergleichende Darstellung der Oberflächenstruktur von Holzspan-Flachpressplatten und OSB-Platten (Ausschnitte: 3,7 mal 2,5 cm) [1] (Fortsetzung nächste Seite)
3.3 Wärmedämmverbundsysteme OSB3-Platte (ungeschliffen)
95
OS1U
3
OSB3-Platte (geschliffen)
OS1G
Abbildung 3.13: Vergleichende Darstellung der Oberflächenstruktur von Holzspan-Flachpressplatten und OSB3-Platten (Ausschnitte: 3,7 mal 2,5 cm) [1]
3.3.3 Beanspruchungen der Verbundzone zwischen Klebemörtel und Beplankung Die Beanspruchung der Verbundzone zwischen Klebemörtel und Beplankung kann in zwei Phasen, auf die nachfolgend eingegangen wird, aufgeteilt werden: • Beanspruchung während der Aushärtung des Klebemörtels und • Beanspruchung während der Standzeit des WDVS (hygrothermische Beanspruchung). Entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung einer festen Adhäsion hat das Verhalten der Holzwerkstoffoberfläche unter Feuchtebeanspruchung infolge des Klebemörtelauftrages während der Aushärtung. Daher konzentrieren sich die im Nachfolgenden vorgestellten Untersuchungsmethoden und Ergebnisse weitgehend auf diesen Bereich.
3.3.3.1 Beanspruchung der Verbundzone während der Aushärtung der Klebemörtel Die auftretenden Verbundspannungen infolge der inhomogenen Dickenquellung von kunstharzgebundenen Holzwerkstoffplatten durch den Feuchteeintrag nach dem Auftrag der Klebemörtel zeigt Abbildung 3.14.
96
3 Entwerfen und Konstruieren
3
Abbildung 3.14: Modell zur Erklärung der Beanspruchungen der Verbundzone durch das inhomogene Quellen der vom Klebemörtel abgegebenen Feuchte und der damit verbundenen Topografieänderungen der Oberfläche von grobspanigen Holzwerkstoffen [1]
Die wesentlich größeren und ungleichmäßigen, hygrisch bedingten Verformungen der Holzwerkstoffe infolge der unterschiedlichen Spangröße an der Plattenoberfläche führen dazu, dass die Verklebung auf Holzwerkstoffplatten bereits während der Aushärtung der Klebemörtel und der Austrocknung der Holzwerkstoffplatten anderen und größeren Beanspruchungen als auf mineralischen Untergründen ausgesetzt ist. Abbildung 3.14 erläutert modellhaft die durch die Topografieänderung der Holzwerkstoffoberfläche entstehenden Druck- und Zugbeanspruchungen in der Grenzfläche zwischen grobspanigen Holzwerkstoffen und schnell aushärtenden, mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörteln. Der Quelldruck der Holzspäne führt bei den schnell aushärtenden und damit nur noch wenig verformbaren mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörteln zu Zwängungsbeanspruchungen und partiellen Adhäsionsbrüchen. Im Gegensatz dazu können kunststoffgebundene Klebemörtel die Quellverformungen durch eigene Verformungen ausgleichen (siehe Abbildung 3.16), da diese beim Auftreten der Quellverformungen aufgrund der langsamer voranschreitenden Festigkeitsentwicklung weitestgehend zwängungsfrei verformbar sind. Die Abbildung 3.15 veranschaulicht qualitativ die durch die Feuchteaufnahme der Holzwerkstoffe nach dem Klebemörtelauftrag hervorgerufenen Topografieänderungen der Holzwerkstoffoberflächen.
3.3 Wärmedämmverbundsysteme
Zeit [h] SP3U
97
Änderung der Oberflächentopografie nach 48 h Wasserlagerung 0h 48 h
3
OS1U
SP2G
Abbildung 3.15: Veränderung des Oberflächenprofils der Holzwerkstoffe SP3U, OS1U und SP2G durch eine 48-stündige Wasserlagerung: in der linken Spalte sind die Oberflächen vor und in der rechten Spalte nach der Wasserlagerung dargestellt (die eingezeichneten Rechtecke haben eine Größe von 12 mal 8 cm) [1]
Abbildung 3.16 zeigt die Aufwölbung der Klebemörteloberfläche durch das Quellen der Holzspäne abhängig von der verwendeten Klebemörtelart. Bei dem langsamer erhärtenden kunststoffgebundenen Klebemörtel in (Abbildung 3.16a) führt das Quellen der Holzspäne der OSB3-Trägerplatte zu deutlichen Verformungen des Klebemörtels mit teilweiser Rissbildung. Im Gegensatz dazu sind auf der Oberfläche des mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörtels (Abbildung 3.16b) kaum Verformungen zu erkennen, was darauf schließen lässt, dass die Quellverformungen durch den mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörtel, der aufgrund der
98
3 Entwerfen und Konstruieren schnelleren Aushärtung zum Zeitpunkt der Quellverformungen bereits deutlich steifer ist, behindert werden und es statt dessen zu Zwängungsspannungen in der Verbundzone kommt.
3
Abbildung 3.16: Durch Quellen auf der Oberfläche der Klebemörtelschicht sich abzeichnende Spanstruktur eine ungeschliffenen OSB3-Platte [1]: a) kunststoffgebundener Klebemörtel b) mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel
3.3.3.2 Beanspruchung der Verbundzone während der Standzeit des WDVS Während der Lebensdauer einer Holzrahmenbauwand mit WDVS kommt es durch wechselnde Außenklimabedingungen zu hygrothermischen Beanspruchungen in der Verbundzone zwischen Beplankungswerkstoff und Klebemörtel. Diese Beanspruchungen äußern sich im wesentlichen in Schäl- und Scherbeanspruchungen im Randbereich der Klebemörtelschicht, die durch die unterschiedlichen hygrisch bedingten Längenänderungen der Beplankungswerkstoffe und Klebemörtel bedingt sind. Liegt ein guter anfänglicher Haftverbund vor, kann es bei der Verwendung mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel auf Holzwerkstoffplatten dennoch zu einer Reduzierung der Adhäsion durch hygrothermische Beanspruchungen kommen, wenn die Feuchteschwankungen in der Verbundzone zu groß werden. Daher sind die Wandaufbauten bauphysikalisch so zu konzipieren, dass die Feuchteamplitude in der Verbundzone und damit im Holzwerkstoff möglichst gering ist. In diesem Fall führen die hygrisch bedingten Verformungsdifferenzen zwischen Klebemörtel und Beplankung zu keiner merklichen Reduktion des Haftverbundes.
3.3.4 Untersuchungen zur Verklebung von WDVS auf Holzwerkstoffplatten Umfangreiche Versuchsreihen mit den vorgestellten Klebemörtelarten und Beplankungswerkstoffen zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen der Adhäsionsfestigkeit mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel und der Oberflächenstruktur von Holzwerkstoffplatten gibt.
3.3.4.1 Ergebnisse der Haftzugfestigkeitsuntersuchungen Die Ergebnisse der Haftzugfestigkeitsuntersuchungen ließen darauf schließen, dass bereits die anfängliche Haftzugfestigkeit mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel immer dann sehr niedrig oder gleich null ist, wenn die Holzwerkstoffoberflächen eine sehr grobspanige
3.3 Wärmedämmverbundsysteme
99
Struktur aufweisen (OS1U: siehe Abbildung 3.13) bzw. die Oberflächenspäne relativ dick sind (SP3U: siehe Abbildung 3.13). Diesen Zusammenhang zeigt Abbildung 3.17.
3
Abbildung 3.17: Haftzugfestigkeiten und Adhäsionsbruchanteile eines mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörtels auf Holzwerkstoffplatten mit von links nach rechts zunehmender Oberflächeninhomogenität nach 7 bzw. mindestens 56 Tagen Aushärtung bei 20° C und 65 % relativer Luftfeuchte (Daten aus [1])
In Abbildung 3.17 ist im oberen Teilbild die Haftzugfestigkeit eines mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörtels auf Holzwerkstoffplatten in Abhängigkeit von deren Oberflächeninhomogenität dargestellt. Dabei nimmt die Inhomogenität der Holzwerkstoffplatten von links nach rechts zu. Werden die Platten geschliffen (G = geschliffen, U = ungeschliffen: siehe letzten Buchstaben der Plattenbezeichnung), so kann mit der Rauhigkeit auch die Haftung gesteigert werden. Tendenziell nimmt mit zunehmender Aushärtungsdauer die Haftzugfestigkeit nochmals leicht ab. Diese Abnahme ist auf sehr glatten Oberflächen, wie der melaminharzbeschichteten Schaltafel STMH, besonders ausgeprägt. Die Auswertung der Adhäsionsbruchanteile in Abbildung 3.17 deutet ebenfalls auf die sinkende Haftung mit zunehmender Inhomogenität hin. Im Gegensatz dazu hafteten die mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörtel auf geschliffenen feinspanigen Holzspan-Flachpressplatten (SP2G: siehe Abbildung 3.13), die eine homogene Spanstruktur an der Oberfläche aufweisen, sehr gut (siehe Abbildung 3.17). Bei rein kunststoffgebundenen Klebemörteln bzw. Mischklebemörteln mit niedriger Portlandzementzugabe konnte hingegen keine Abhängigkeit zwischen der Adhäsionsfestigkeit und der Oberflächentopografie festgestellt werden. Dies deutete sich bereits in Abbildung 3.16 an. Offensichtlich entstehen bei diesen Klebemörteln durch die Quellprozesse kaum Zwängungsspannungen. Der Klebemörtel nimmt die Topografieänderungen der Holzwerkstoffoberfläche durch eigene Verformungen auf.
100
3 Entwerfen und Konstruieren Die Unterschiede im Verbundverhalten von kunststoffgebundenen bzw. mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörteln zeigt Abbildung 3.18 modellhaft.
3
Abbildung 3.18: Auswirkungen des inhomogenen Quellens grobspaniger Holzwerkstoffe auf den Haftverbund mit kunststoffgebundenen bzw. mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörteln [1]
3.3.4.2 Quantifizierung der hygrischen Veränderungen der Holzwerkstoffoberflächen Die Ergebnisse der Haftzugfestigkeitsuntersuchungen zeigen, dass bereits über einen optischen Vergleich die zu erwartenden Haftzugfestigkeiten tendenziell abgeschätzt werden können. Um jedoch unabhängig von subjektiven Bewertungskriterien wie dem optischen Eindruck zu sein, wurden Untersuchungen zur Quantifizierung der Topografieänderungen der Holzwerkstoffoberflächen und der Spanstruktur sowie der Rauigkeit und Porosität der Oberflächen durchgeführt, aus denen auf den Wert „1“ normierte Prognosen zur „kurzfristigen (7 Tage) und mittelfristigen (56 bis 365 Tage) Adhäsion“ abgeleitet wurden. Zur Quantifizierung der durch hygrische Beanspruchungen auftretenden Topografieänderungen der Holzwerkstoffoberflächen wurden deren Oberflächen vor und nach einer 24-stündigen Lagerung auf einem feuchten Schwamm mit Hilfe der Nahbereichsphotogrammetrie sowie mit Hilfe von Tastschnittmessungen untersucht und die Veränderungen ermittelt. Eine 3DDarstellung der Veränderung der SP3U-Oberfläche zeigt Abbildung 3.19.
3.3 Wärmedämmverbundsysteme
101
3
Abbildung 3.19: 3D-Darstellung der Oberflächentopografie des Holzwerkstoffs SP3U vor und nach der 24-stündigen Lagerung auf einem feuchten Schwamm (Ausschnitt etwa 5,2 mal 4,1 cm) [1]: a) Oberfläche vor der Feuchtebelastung bei 65 % relativer Luftfeuchte b) Oberfläche nach der 24-stündigen Schwammlagerung
Die Abbildungen 3.20 und 3.21 zeigen die Oberflächentopografie der sehr inhomogenen SP3U-Oberfläche und der sehr homogenen SP2G-Oberfläche vor und nach der Lagerung auf einem wassergetränkten Schwamm. Bei beiden Abbildungen ist dabei die verwendete Skala identisch. Aus einem Vergleich der beiden Holzwerkstoffe wird deutlich, dass die Oberfläche der SP3U-Platte sich sehr inhomogen verändert; es entstehen vereinzelte Hügel. Im Gegensatz dazu verändert sich die Oberfläche der SP2G-Platte kaum. Die Abbildungen 3.22 und 3.23 zeigen ebenfalls exemplarisch für die Holzwerkstoffe SP3U und SP2G die Ergebnisse der Tast-Schnittmessungen, bei der die Oberflächentopografie mechanisch über einen Wegaufnehmer aufgenommen wird. In Abbildung 3.22 sind die Oberflächenprofile vor und nach der 24-stündigen Lagerung auf einem feuchten Schwamm dargestellt. Die Veränderung der Oberfläche ist deutlich zu erkennen. In Abbildung 3.23 ist die auf Null abgeglichene Differenz der beiden Kurven, das so genannte Differenzprofil dargestellt. Dieses Differenzprofil stellt ein Maß für die Veränderung der Oberfläche infolge hygrischer Beanspruchungen dar. Solche Profile wurden für alle untersuchten Holzwerkstoffe ermittelt.
102
3 Entwerfen und Konstruieren Zeit [h] 0h
SP3U
3
24 h
Abbildung 3.20: Grobspanige Holzspan-Flachpressplatte: Veränderung der Oberflächentopografie vor und nach der 24-stündigen Lagerung auf einem feuchten Schwamm von einer recht ebenen Oberfläche zu einer Oberfläche mit hervortretenden Hügeln im Bereich einzelner Späne (Fläche 4,5 *3,3 cm) [1]
103
3.3 Wärmedämmverbundsysteme Zeit [h] 0h
SP2G
3
24 h
Abbildung 3.21: Feinspanige Holzspan-Flachpressplatte: Veränderung der Oberflächentopografie vor und nach der 24-stündigen Lagerung auf einem feuchten Schwamm von einer sehr ebenen Oberfläche zu einer Oberfläche mit leichten Unebenheiten (Fläche 4,5 *3,3 cm) [1]
104
3 Entwerfen und Konstruieren
Profilverlauf [mm]
a)
SP3U
3,0 2,0 1,0
Wasserfilm
0,0
3
65% rel. LF
0
Profilverlauf [mm]
b)
50
100
150
200
[mm] SP2G
3,0 2,0 1,0
Wasserfilm
0,0
65% rel. LF
0
50
100
150
200
[mm]
Abbildung 3.22: Oberflächenprofile vor (65 % - rel. LF) und nach der 24-stündigen Lagerung (Wasserfilm) auf einem feuchten Schwamm [1]: a) ungeschliffene, grobspanige Holzspan-Flachpressplatte SP3U b) geschliffene, feinspanige Holzspan-Flachpressplatte SP2G
Differenzprofil [mm]
a)
SP3U
0,6 0,3 0,0 -0,3
Wasserfilm 65% rel. LF
-0,6 0
Differenzprofil [mm]
b)
50
100
150
200
[mm] SP2G
0,6 0,3 0,0 -0,3
Wasserfilm 65% rel. LF
-0,6 0
50
100
150
200
[mm]
Abbildung 3.23: Aus der Subtraktion der Wasserfilm- und 65 %-Profile gewonnene, auf Null abgeglichene Differenzprofile [1]: a) ungeschliffene, grobspanige Holzspan-Flachpressplatte SP3U b) geschliffene, feinspanige Holzspan-Flachpressplatte SP2G
105
3.3 Wärmedämmverbundsysteme
3.3.4.3 Ableitung von Beurteilungskriterien zur Prognose von Haftzugfestigkeiten Die Differenzprofile und die Profile vor der Schwammlagerung wurden mit Hilfe eigens entwickelter Algorithmen hinsichtlich der Anzahl neu entstandener Hügel mit einer Mindesthöhendifferenz, der Standardabweichung sowie der Spanstruktur untersucht und ausgewertet. Daraus wurde für jede einzelne Holzoberfläche eine Beurteilung abgeleitet. Diese Beurteilungen wurden in einer auf den Wert „1“ normierten Haftzugprognose für die „kurzfristige Adhäsion“ (7 Tage), die in Abbildung 3.24 als durchgezogene Linie dargestellt ist, zusammengefasst. In Abbildung 3.24 wird die normierte Haftzug-Prognose für die erwartete Festigkeit nach 7 Tagen Aushärtung mit den normierten Haftzug-Werten für diesen Zeitpunkt exemplarisch für einen mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörtel verglichen. Bei der Normierung wurde dem Untergrund mit den besten Adhäsionsvoraussetzungen bzw. dem Untergrund mit den höchsten Haftzug-Werten der Wert „1“ zugeordnet. Die Normierung der Haftzugwerte in Abbildung 3.24 erfolgte anhand der auf der STMH-Oberfläche ermittelten Haftzugfestigkeit. Es ergibt sich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen der normierten Haftzug-Prognose und den normierten Haftzug-Werten.
normierte Haftung [-]
mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 STMH SP4G SP2G SP1G OS1G OS2G OS2U OS1U SP3H SP3U Referenzwert
normierte HZ-Werte - 7d
normierte HZ-Prognose - 7d
Abbildung 3.24: Gute Übereinstimmung der normierten Haftzug-Prognose mit den normierten HaftzugWerten nach 7 Tagen Aushärtung bei 20° C und 65 % relativer Luftfeuchte für einen mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörtel auf verschiedenen Holzwerkstoffplatten [1]
Werden neben der Topografieänderung und der Spanstruktur auch die Rauigkeit und Porosität der Oberflächen berücksichtigt, so ergibt sich daraus eine Haftzug-Prognose für die „mittelfristige Adhäsion“ (56 bis 365 Tage). In Abbildung 3.25 sind den einzelnen Holzwerkstoffplatten, die in den Untersuchungen verwendet wurden, die Prognosen zur „kurzfristigen und mittelfristigen Adhäsion“ zugeordnet.
3.3.4.4 Schlussfolgerungen und Anwendung der Haftzug-Prognosen Die gute Übereinstimmung der normierten Haftzug-Prognose mit den normierten HaftzugWerten dieses Klebemörtels und drei weiterer untersuchter, mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel ermöglicht drei wesentliche Aussagen:
3
106
3
3 Entwerfen und Konstruieren 1. Bei der Ableitung der normierten Haftzug-Prognose wurden offensichtlich die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Adhäsionsfestigkeit berücksichtigt. 2. Die normierte Haftzug-Prognose erlaubt eine konkrete Vorhersage der zu erwartenden Haftzugfestigkeiten mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel auf Holzwerkstoffoberflächen abhängig von deren Oberflächenstruktur. 3. Wird die normierte Haftzug-Prognose mit Hilfe einer Haftzugprüfung auf einem bekannten Holzwerkstoff skaliert, so kann die Festigkeit dieses Klebemörtels auf den übrigen Holzwerkstoffen vorhergesagt werden, indem diese den in der normierten Haftzug-Prognose enthaltenen Holzwerkstoffen zugeordnet werden (siehe Abbildung 3.25). Damit kann der Untersuchungsumfang zur Feststellung der Adhäsion von mineralisch gebundenen vergüteten Klebemörteln auf Holzwerkstoffplatten erheblich reduziert werden. Durch die Kenntnis der wesentlichen Einflussfaktoren auf die Adhäsion können die Klebemörtelzusammensetzungen optimiert und falsche Materialkombinationen vermieden werden.
Abbildung 3.25: Adhäsion mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel auf Holzwerkstoffplatten abhängig von deren Topografieänderung sowie der Span- und Oberflächenstruktur mit grafischer Darstellung der zugehörigen Oberflächen [1]: a) „kurzfristige Adhäsion“ (7 Tage) b) „mittelfristige Adhäsion“ (56 bis 365 Tage)
3.3 Wärmedämmverbundsysteme
107
3.3.5 Zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse zur Adhäsion mineralisch gebundener vergüteter Klebemörtel sowie rein kunststoffgebundener Klebemörtel und von Mischklebemörteln werden in Tabelle 1 in Form von Anwendungsempfehlungen bestimmter Klebemörtel – Beplankungswerkstoff – Kombinationen zusammengefasst. Die Anwendungsempfehlungen wurden im wesentlichen auf der Grundlage folgender Untersuchungen abgeleitet: • Auswertung der hygrisch bedingten Topografieänderungen der Holzwerkstoffe, • Untersuchungen zur Rauigkeit und Porosität der Beplankungen, • Langzeituntersuchungen zum Einfluss klimatisch bedingter hygrothermischer Beanspruchungen auf den Haftverbund und • Berücksichtigung chemischer Wechselwirkungen in der Verbundzone. Die grundlegende Beurteilung all dieser Einflussgrößen erfolgte anhand von Haftzugfestigkeitsversuchen. Eignung von Klebemörtel – Beplankungswerkstoff – Kombinationen Beplankung kunstharzgebundene Holzwerkstoffplatten Gipsfaserplatte große/grobe/dicke Späne mäßig feine/feine Späne GF1 ungeschliffen geschliffen geschliffen Kunststoffkl.2 + ++ ++ + Mischklebem.3 + + ++ + mineral. geb. Kl.4 – – +5 + 1 Die Symbole geben die Eignung der verschiedenen Klebemörtel auf den Beplankungswerkstoffen an: + + : diese Kombination Klebemörtel – Beplankungswerkstoff ist gut geeignet, eine gute Einarbeitung des Klebemörtels mit dem Kammspachtel in die Oberfläche der Beplankung ist zu empfehlen + : diese Kombination Klebemörtel – Beplankung ist geeignet; eine gute Einarbeitung des Klebemörtels mit dem Kammspachtel in die Oberfläche der Beplankung ist durchzuführen – : diese Kombination Klebemörtel – Beplankungswerkstoff ist nicht geeignet 2 kunststoffgebundene Klebemörtel 3 kunststoffgebundene Klebemörtel mit einer Portlandzementzugabe von ≤ 5 M- % bezogen auf die verarbeitungsfertige Kunststoffdispersion 4 mineralisch gebundene Klebemörtel mit einem Kunststoffvergütungsanteil > 2,5 M- % bezogen auf die Trockenmörtelmasse bzw. kunststoffgebundene Klebemörtel mit einer Portlandzementzugabe von > 5 M- % bezogen auf die verarbeitungsfertige Kunststoffdispersion 5 die jahreszeitliche Schwankung des Feuchtegehaltes in der Außenbeplankung ist bei der Verwendung dieser Klebemörtel nach dem Erkenntnisstand der vorliegenden Arbeit auf maximal 5 M- % zu begrenzen Klebemörtelart
Tabelle 3.1: Empfehlungen und Grenzen für die Anwendung der verschiedenen Klebemörtelarten auf kunstharzgebundenen Holzwerkstoffplatten sowie auf Gipsfaserplatten [1]
3.3.6 Literatur [1] Röder, J.: Zur Verklebung von WDVS auf Beplankungswerkstoffen des Holzrahmenbaus, Disserstation an der Technischen Universtität Berlin, 2006. D 83
3
108
3 Entwerfen und Konstruieren
3.4 Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen – Vergleich Experiment und Berechnung bearbeitet von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Hillemeier, Dr.-Ing. Brigitte Westphal-Kay Kurzfassung
3
Die Dauerhaftigkeit von Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe (LAU-Anlagen) hängt maßgeblich von der Dichtheit der Fugen ab. Das Materialverhalten der zur Fugenabdichtung verwendeten Fugendichtstoffe ist u.a. von der Temperatur abhängig. Untersuchungen hierzu werden an der Parallelfuge und an der Kreuzfuge unter zyklischen Dehn- und Stauchbeanspruchungen bei – 20° C bzw. + 50° C durchgeführt. Das Materialverhalten lässt sich mit verschiedenen Materialmodellen nachrechnen. Numerisch ermittelte Verformungen werden mit 3D-photogrammetrisch ermittelten Verformungen verglichen, um so die Gültigkeit der verwendeten Materialmodelle aufzuzeigen. Abstract The durability of plants for storage, disposal and handling of water pollutants (so-called LAUplants) is largely dependent on the tightness of the joints. Among other factors, material behaviour of joint sealing materials is affected by temperature. Investigations of parallel joints and joints at crossover sections under the effect of cyclic tension and compression at temperatures of – 20° C and + 50° C were made. The material behaviour can be calculated with different material models. The comparison of numerically and photogrammetrically determined distortions shows the validity of the chosen material models. The paper presents results.
3.4.1 Anwendung von Fugendichtstoffen Die Dichtflächen bestehen aus Fertigteilelementen oder Ortbetonplatten. Die zwischen den Bauteilen entstehenden Fugen werden durch einen Fugendichtstoff verschlossen. Wie die Abbildung 3.26 zeigt, entstehen durch das Aufeinandertreffen von zwei Bauteilen Parallelstöße und durch das Aufeinandertreffen von drei bzw. vier Bauteilen T- bzw. Kreuzstöße.
Abbildung 3.26: Fugenbereich in Dichtflächen zwischen Fertigteilen (links) und Ortbetonplatten (rechts)
Infolge tages- und jahreszeitlich bedingter Temperaturänderungen kommt es zur Vergrößerung bzw. Verringerung der Fugenbreite. Das führt zur Dehnung bzw. Stauchung des Fugendichtstoffs. Des Weiteren verursachen Bauteilsetzungen oder das Überfahren der Betonplatten eine Scherung des Fugendichtstoffs. Der Fugendichtstoff wird also permanent durch Bewegungen beansprucht. Die Bewegungen rufen Spannungen im Fugendichtstoff hervor. Im Bereich der parallelen Fugen wird der Fugendichtstoff in der Nähe der Fugenflanken am stärksten beansprucht. In der T- bzw. Kreuzfuge kommt es in der Nähe der Ecken zu den maximalen Spannungen. Bei gleicher Fugendehnung sind die in der Kreuzfuge maximal
3.4 Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen
109
auftretenden Spannungen größer als die in der Parallelfuge maximal auftretenden Spannungen. Die betrachteten Fugendichtstoffe werden in Dichtflächen von Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen (LAU-Anlagen) wassergefährdender Stoffe eingebaut. Dichtflächen und Einbauten in diese müssen dauerhaft flüssigkeitsundurchlässig sein. Damit wird verhindert, dass das Grundwasser durch den Eintritt von wassergefährdenden Stoffen nachhaltig verunreinigt wird [1] [2]. Das Verformungsverhalten der in LAU-Anlagen eingebauten Fugendichtstoffe wird durch eine zyklische Prüfung am parallelflankigen Probekörper gemäß der Zulassungsgrundsätze für Fugenabdichtungssysteme für LAU-Anlagen des Deutschen Instituts für Bautechnik [3] geprüft. Dabei richtet sich die Prüfdehnung danach, ob der Fugendichtstoff einaxial (als Parallelfuge) oder mehraxial (als T- oder Kreuzfuge) beansprucht wird. Die zurzeit erhältlichen Fugendichtstoffe haben eine zulässige Gesamtverformung von maximal 25 %. Die zulässige Gesamtverformung ist die Summe aus Dehn- und Stauchverformung, die der Fugendichtstoff im eingebauten Zustand zu ertragen hat. Fugendichtstoffe, die in LAU-Anlagen eingebaut werden, müssen neben der mechanischen Beanspruchung einer Beaufschlagung mit chemischen Medien standhalten. In der Praxis haben sich für dieses Einsatzgebiet Fugendichtstoffe bewährt, die auf den Polymeren Polysulfid oder Polyurethan basieren. Für einen Fugendichtstoff auf Polysulfidbasis wurden an Parallel- und Kreuzfugen zyklische Zugversuche bei – 20° C und + 20° C sowie zyklische Druckversuche bei + 50° C gefahren. Der erste Zyklus der bei + 20° C gefahrenen zyklischen Zugversuche wurde mit dem FEMProgramm ANSYS nachgerechnet. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der Technischen Universität Dresden wurde das Verformungsverhalten einer Parallelfuge 3D-photogrammetrisch erfasst. Der Vergleich von numerisch und 3Dphotogrammetrisch ermittelten Verformungen lässt Aussagen über die für die numerischen Berechnungen gewählten Materialmodelle zu.
3.4.2 Beschreibung des Materialverhaltens Der Fugendichtstoff wird als Flüssigkunststoff in die Fugen eingebracht und erhärtet dann zu einem Dichtstoff mit vorwiegend elastischen Eigenschaften. Das Materialverhalten des Fugendichtstoffs lässt sich mit hyperelastischen Materialmodellen beschreiben. Grundlage der hyperelastischen Materialmodelle ist die Änderung der Formänderungsenergiedichte W. Mit den hyperelastischen Materialmodellen lässt sich ideal-elastisches Materialverhalten beschreiben. Das setzt einen homogenen, isotropen, inkompressiblen und rein elastischen Werkstoff voraus, der einer quasistatischen Belastung ausgesetzt ist. Viskoelastische Effekte, wie Hystereseeffekte oder Spannungsrelaxation, können mit hyperelastischen Materialmodellen nicht beschrieben werden. Das Materialverhalten kann nur mit folgenden Einschränkungen beschrieben werden [4]: • Bei zyklischen Beanspruchungen kann nicht zwischen Erstbelastung und folgender Belastung unterschieden werden. • Die Spannungs-Dehnungs-Funktion ist unabhängig von der maximal erfahrenen Dehnung. • Die Spannungs-Dehnungs-Funktion ist reversibel. Das Spannungs-Dehnungs-Verhalten bei zunehmenden und abnehmenden Dehnungen unterliegt derselben Spannungs – DehnungsFunktion.
3
110
3 Entwerfen und Konstruieren • Das Materialverhalten ist ideal-elastisch. Eine bleibende Dehnung kann nicht abgebildet werden. Für hyperelastische Materialmodelle ergibt sich die technische Hauptspannung σ i aus den partiellen Ableitungen der Formänderungsenergiedichte W nach den Hauptstreckungsgraden λi (Gleichung 1):
3
σi =
mit:
∂W § ∂W ∂I1 ∂W ∂I 2 ∂W ∂I3 · = + + ∂λi ¨© ∂I1 ∂λi ∂I 2 ∂λi ∂I3 ∂λi ¸¹
σi :
technische Hauptspannung in Richtung i
W:
Formänderungsenergiedichte
λi mit i = 1, 2,3 :
Hauptstreckungsgrad in Richtung i
(1)
λi = li l0i = εi + 1 : li :
aktuelle Länge in Richtung i
l0i :
Ausgangslänge in Richtung i
εi :
technische Dehnung in Richtung i
I i mit i = 1, 2, 3 :
erste, zweite und dritte Invariante des GreenLagrangeschen-Deformationstensors
Die Invarianten des Green-Lagrangeschen-Deformationstensors ergeben sich nach Gleichung 2 bis 4: I1 = λ12 + λ 22 + λ32
(2)
I 2 = λ12 λ 22 + λ 22 λ32 + λ32 λ12
(3)
I3 = λ12 λ 22 λ32
(4)
Die dritte Invariante steht für die Volumenänderung infolge Deformation und nimmt bei vollständiger Inkompressibilität den Wert 1 an. In der Literatur finden sich statistische und phänomenologische Materialmodelle zur Beschreibung der Hyperelastizität. Vorrangig werden allerdings die phänomenologischen Materialmodelle verwendet [5]. Mit diesen werden die makroskopisch zu erfassenden elastischen Eigenschaften mathematisch beschrieben. Die Formänderungsenergiedichte W lässt sich mit verschiedenen Materialmodellen berechnen. Die Tabelle 3.2 enthält für die in den numerischen Simulationsrechnungen verwendeten Materialmodelle nach Mooney-Rivlin, Yeoh und Ogden die Formeln zur Berechnung der Formänderungsenergiedichte.
111
3.4 Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen Tabelle 3.2: Formeln zur Berechnung der Formänderungsenergiedichte W mit den Materialmodellen nach Mooney-Rivlin, Yeoh und Ogden Materialmodell nach
Berechnung der Formänderungsenergiedichte W mit:
MOONEY-RIVLIN
W =
C10 (λ12
+
λ 22
+
λ32
− 3) +
C01 (λ1−2
+
λ 2−2
+
in
λ3−2
− 3)
W = C10 ( I1 − 3) + C01 ( I 2 − 3) W = C10 ( I1 − 3) + C20 ( I1 − 3)2 + C30 ( I1 − 3)3
YEOH OGDEN
W =
∞
µ
¦ αnn (λ1α n + λ2α n + λ3α n − 3)
[6] [7] [8]
n =1
mit:
Cab
Materialparameter
λi mit i = 1, 2,3 :
Hauptstreckungsgrad in Richtung i
I i mit i = 1, 2
erste und zweite Invariante des Green-LagrangeschenDeformationstensors
µn , α n
Materialparameter
Der Ansatz nach Mooney-Rivlin ist der in der Technik am weitesten verbreitete Ansatz zur Berechnung der Formänderungsenergiedichte [5] [9] und damit zur Beschreibung des hyperelastischen Materialverhaltens. Die Materialparameter Cab bzw. µn und α n werden aus den Spannungs-Dehnungs-Verläufen einaxialer Grundversuche ermittelt. Im vorliegenden Fall wurden hierfür zyklische einaxiale Zugversuche am Schulterstab bei + 20° C durchgeführt. Liegt vollständige Inkompressibilität vor, nimmt die dritte Invariante I3 den Wert 1 an. Vollständige Inkompressibiliät entspricht nicht der Realität. Deshalb wird besser nahezu inkompressibles Materialverhalten angenommen. Liegt dieser Fall vor, ist der Kompressionsmodul K sehr viel größer als der Schubmodul G. In der Berechnung spiegelt sich das durch Aufspaltung der Formänderungsenergiedichte W in zwei Terme wider (Gleichung 5). Mit dem ersten Term WD wird der deviatorische Anteil der Formänderungsenergiedichte berechnet. Dieser steht für die Formänderungsenergiedichte infolge Gestaltänderung. Mit dem zweiten Term WH wird der hydrostatische Anteil der Formänderungsenergiedichte berechnet, der für die Formänderungsenergiedichte infolge Volumenänderung steht. Die Gleichungen (6) und (7) zeigen, wie die Terme für das Materialmodell nach Mooney-Rivlin berechnet werden. Für die Berechnungen müssen die Invarianten in die reduzierten Invarianten umgerechnet werden (Gleichungen 8 bis 10). W = WD + WH
(5)
WD = C10 ( J1 − 3) + C01 ( J 2 − 3)
(6)
1 WH = K ( J 3 − 1)2 2
(7)
3
112
3 Entwerfen und Konstruieren mit:
WD : WH : J i mit i = 1, 2,3 : K:
deviatorischer Anteil der Formänderungsenergiedichte hydrostatischer Anteil der Formänderungsenergiedichte reduzierte Invarianten des Green-Lagrangeschen Deformationstensors Kompressionsmodul
1
3
− J1 = I1 I 3 3
(8)
2
− J 2 = I 2 I3 3
(9)
1
J3 = I3 2
(10)
3.4.3 Experimentelle Untersuchungen des Verformungsverhaltens 3.4.3.1 Prüfvorrichtung und Prüfbedingungen Der Fugendichtstoff wurde im eingebauten Zustand zyklisch als Parallel- und Kreuzfuge untersucht. Für die Durchführung der zyklischen Versuche an der Kreuzfuge wurde am Fachgebiet Baustoffe und Baustoffprüfung der Technischen Universität Berlin eine neuartige Prüfvorrichtung entwickelt. Abbildung 3.27 zeigt die Prüfvorrichtung mit einer Kreuzfuge als Probekörper.
Abbildung 3.27: Prüfvorrichtung mit Kreuzfuge als eingespanntem Probekörper
Die Prüfvorrichtung arbeitet im Temperaturbereich von – 20° C bis + 50° C. In der x-y-Ebene kann jeder der vier Antriebsmodule um 100 mm verfahren werden. In der z-Ebene lässt sich der Antriebsmodul um ± 50 mm verfahren. Die Geschwindigkeit beträgt zwischen 1 mm/min und 200 mm/min. Haltezeiten und Zyklenzahlen sind frei wählbar. Die Antriebsmodule sind separat anwählbar.
3.4 Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen
113
Die zyklischen Versuche bilden die Beanspruchung des Fugendichtstoffs im eingebauten Zustand ab. So wird der Fugendichtstoff im Winter durch die temperaturbedingte Verkürzung der anschließenden Bauteile gedehnt und im Sommer durch die temperaturbedingte Verlängerung der anschließenden Bauteile gestaucht. Der während der Versuche einzutragende Dehn- bzw. Stauchweg ist abhängig von der zulässigen Gesamtverformung. Für die Untersuchungen wurden die in Abbildung 3.28 dargestellten Probekörper verwendet. Die Prüfbedingungen enthält Tabelle 3.3.
3
Abbildung 3.28: Probekörper mit Parallelfuge (links) und Kreuzfuge (rechts) für Dehn-/Stauchbelastung schematisch
Tabelle 3.3: Prüfbedingungen bei Beanspruchung als Parallelfuge oder T- bzw. Kreuzfuge im eingebauten Zustand für den parallelflankigen Probekörper nach [3]
Prüfverformung Zyklenanzahl Prüftemperatur Beanspruchungsgeschwindigkeit *: **:
Dehnung bei Stauchung bei Beanspruchung als Beanspruchung als T- bzw. T- bzw. Parallelfuge Parallelfuge Kreuzfuge Kreuzfuge 2 X* 3X 2X 2X 50 100 – 20° C/+ 20° C** + 50° C 6 mm/min
X = Zulässige Gesamtverformung in % nur für 3D-photogrammetrische Aufnahmen und Simulationsrechnungen
114
3 Entwerfen und Konstruieren
3.4.3.2 Versuchsergebnisse Die Abbildung 3.29 stellt den Spannungs-Dehnungs-Verlauf infolge der zyklischen Zugbeanspruchung an einer Kreuzfuge bei – 20° C und + 20° C dar.
3
Abbildung 3.29: Spannungs-Dehnungs-Verlauf infolge zyklischer Zugbeanspruchung bei – 20° C (links) und + 20° C (rechts) an der Kreuzfuge (50 Zyklen)
Unabhängig von der Beanspruchungstemperatur ist qualitativ kein Unterschied zwischen den Spannungs-Dehnungs-Verläufen festzustellen: • Bei Be- und Entlastung ist die Spannung nichtlinear von der Dehnung abhängig. • Bei Entlastung verbleibt eine Restdehnung. • Infolge Erstbelastung ist die Spannung größer als bei den folgenden Belastungen. Diese Mullins-Effekt genannte Spannungserweichung verringert sich mit zunehmender Zyklenanzahl. • Die Verringerung der Beanspruchungstemperatur hat eine deutliche Versteifung des Materials zur Folge. Die Abbildung 3.30 zeigt den Spannungs-Dehnungs – Verlauf infolge zyklischer Druckbeanspruchung bei + 50° C an der Kreuzfuge. Wie bei der Beanspruchung infolge Zug ist die Spannung nichtlinear von der Dehnung abhängig. Allerdings ist die Nichtlinearität nicht so stark ausgeprägt wie bei der Zugbeanspruchung. Bei Entlastung bleibt eine Restdehnung. Ebenfalls lässt sich eine Spannungserweichung mit zunehmender Zyklenanzahl beobachten.
Abbildung 3.30: Spannungs-Dehnungs-Verlauf infolge zyklischer Druckbeanspruchung bei + 50° C an der Kreuzfuge (100 Zykle)
3.4 Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen
115
3.4.4 Numerische Untersuchungen des Verformungsverhaltens Für die numerischen Berechnungen wurde das Finite-Elemente-Programm ANSYS verwendet. Die strukturmechanischen Modelle sind aus den dreidimensionalen Elementen SOLID 186 aufgebaut. Die Elemente werden aus 8 Eckknoten aufgespannt und besitzen auf jeder Elementkante einen weiteren Knoten. Sie lassen u. a. Berechnungen mit den Materialmodellen nach Mooney-Rivlin, Ogden und Yeoh zu. Je nach Kompressibilität stehen in der Elementformulierung eine reine Verschiebungsformulierung oder eine gemischte Verschiebungs-Druck-Formulierung zur Verfügung. Die reine Verschiebungsformulierung muss bei kompressiblem Materialverhalten gewählt werden. Dieser Fall trifft z.B. für die Parallel- und Kreuzfuge zu. Applikationsbedingt weist der Fugendichtstoff Poren auf, die zur Volumenänderung infolge Beanspruchung führen. Mit der gemischten Verschiebungs-Druck-Formulierung kann vollständig inkompressibles Materialverhalten berechnet werden. Das ist z.B. bei der Simulation des einaxialen Versuchs am Schulterstab der Fall. Aufgrund der Abmessungen des Probekörpers liegen keine Poren vor, und das Material verhält sich inkompressibel. Die Abbildung 3.31 zeigt für eine Parallelfuge den gemessenen und berechneten SpannungsDehnungs-Verlauf für den ersten Zyklus infolge Zugbeanspruchung.
Abbildung 3.31: Spannungs-Dehnungs-Verlauf infolge Zugbeanspruchung: Vergleich numerisch ermittelte Ergebnisse und Messergebnisse (6 mm/min, + 20° C, Parallelfuge, Zyklus 1)
3
116
3 Entwerfen und Konstruieren Für die drei verwendeten Materialmodelle stimmen Messergebnisse und numerisch ermittelte Ergebnisse gut überein.
3.4.5 Gegenüberstellung 3D-photogrammetrisch und numerisch ermittelte Verformung
3
Die 3D-photogrammetrischen Aufnahmen entstanden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der Technischen Universität Dresden. Für die 3D-photogrammetrischen Aufnahmen wurde ein Kamerasystem, bestehend aus zwei Kameras Megaplus 4.2i der Firma Kodak, verwendet. Durch den Einsatz einer zweiten Kamera ist es möglich, die Verformungen dreidimensional zu erfassen. Die Abbildung 3.32 zeigt den Versuchsaufbau.
Abbildung 3.32: Während der photogrammetrischen Aufnahmen: im Vordergrund die beiden Kameras; im Hintergrund die Prüfvorrichtung mit einem als Kreuzfuge applizierten Probekörper
Die Aufnahmen fanden im Klimaraum bei + 20° C ± 2K statt. Es wurde beginnend mit dem ersten Zyklus jeder zehnte Zyklus aufgenommen. Die Aufnahmefrequenz der Bilder betrug 0,5 Hz. Bislang wurden nur an der Parallelfuge gemachte photogrammetrische Aufnahmen ausgewertet. Aufgrund der großen Verformungen des elastischen Fugendichtstoffs gestaltet sich die Auswertung der photogrammetrischen Aufnahmen sehr schwierig, da sich die Punktzuordnungen zwischen den einzelnen aufgenommenen Bildern als problematisch erweisen. Die Abbildung 3.33 und die Abbildung 3.34 zeigt für eine Parallelfuge die Messergebnisse und die numerisch ermittelten Ergebnisse für die x-y-Ebene bei einer Fugendehnung von 70 %. Verglichen wurden für ein festgelegtes Punktraster die gemessenen und berechneten Verformungen. Die numerisch ermittelten Ergebnisse stimmen mit den photogrammetrisch ermittelten Ergebnissen gut überein. Exemplarisch zeigt die Markierung in Abbildung 3.33 (a) den Bereich mit der größten Abweichung. Eine Ursache hierfür ist die Abweichung zwischen der realen, der photogrammetrischen Aufnahme zugrunde liegenden, Fugenabmessung und der idealen, den numerischen Rechnung zugrunde liegenden, Fugenabmessung.
3.4 Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen (a)
117
MR
3
(b)
OG
Abbildung 3.33: Vergleich der photogrammetrischen Aufnahmen mit den numerisch ermittelten Ergebnissen für eine Fugendehnung von 70 % (Zyklus 1, + 20° C, 6 mm/min): (a) Mooney-Rivlin (MR), (b) Ogden (OG)
118
3 Entwerfen und Konstruieren (c)
YE
3
(d)
Abbildung 3.34: Vergleich der photogrammetrischen Aufnahmen mit den numerisch ermittelten Ergebnissen für eine Fugendehnung von 70 % (Zyklus 1, + 20° C, 6 mm/min): (c) Yeoh (YE), (d) Vergleich miteinander (nicht transformiert)
3.4 Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen
119
Die Abbildung 3.35 und Abbildung 3.36 zeigt den Vergleich der 3D-photogrammetrisch ermittelten Verformungen mit den numerisch ermittelten Verformungen für die z-Richtung. (a)
MR (gut)
3
(b)
OG (mäßig)
Abbildung 3.34: Vergleich der Ergebnisse der photogrammetrischen Aufnahmen mit den Ergebnissen aus den Simulationsrechnungen für eine Fugendehnung von 70 %; (a) Mooney-Rivlin (MR); (b) Ogden (OG)
120
3 Entwerfen und Konstruieren (c)
YE (weniger gut)
3
(d)
Abbildung 3.36: Vergleich der Ergebnisse der photogrammetrischen Aufnahmen mit den Ergebnissen aus den Simulationsrechnungen für eine Fugendehnung von 70 %; (c) Yeoh (YE); (d) Vergleich der Simulationsergebnisse miteinander
3.4 Verformungsverhalten von Fugendichtstoffen
121
Für das Materialmodell nach Mooney-Rivlin kann die Übereinstimmung als gut bezeichnet werden. Für die Materialmodelle nach Ogden und Yeoh stimmen die mit Photogrammetrie und die numerisch ermittelten Verformungen in z-Richtung weniger gut überein. Der Vergleich der numerisch ermittelten Verformungen mit den photogrammetrisch ermittelten Verformungen zeigt, dass mit den gewählten hyperelastischen Materialmodellen das Verformungsverhalten der Fugendichtstoffe gut abgebildet werden kann. Wünschenswert ist die Auswertung der photogrammetrischen Aufnahmen für die Kreuzfuge, damit auch für diese Probekörperform die Gültigkeit der gewählten Materialmodelle überprüft werden kann.
3.4.6 Literatur [1] DWA-Regelwerk: Arbeitsblatt DWA-A 786, Technische Regel wassergefährdender Stoffe (TRwS): Ausführung von Dichtflächen. April 2004 [2] Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) in der Bekanntmachung vom 12.11.1996 (BGBl. I S. 1695, geändert durch G v. 30.04.1998, BGBl. I S. 823) [3] Deutsches Institut für Bautechnik: Zulassungsgrundsätze. Fugenabdichtungssysteme für LAUAnlagen Teil 1 – Fugendichtstoffe. Schriften des Deutschen Instituts für Bautechnik. Reihe 8, Heft 16/1. Fassung Dezember 2003 [4] Miller, K.: Testing Elastomers for Hyperelastic Material Models in Finite Element Analysis. Axel Products Incorporating. Ann Arbor. 2000. Online im Internet: URL: http://www.axelproducts.com/downloads/TestingForHyperelastic.pdf [Stand: 04.01.2005] [5] Stommel, M.: Beschreibung der viskoelastischen Eigenschaften, der Betriebsfestigkeit und des Bruchverhaltens von Elastomerbauteilen mit der Finite-Elemente-Methode. Band 92, IKV Berichte aus der Kunststoffverarbeitung. Aachen. 1999. Dissertation. [6] Mooney, M.: A Theory of Large Elastic Deformation. Journal of Applied Physics. 11 (1940), 9, S. 582 – 592 [7] Yeoh, O. H.: Characterization of Elastic Properties of Carbon-Black-Filled Rubber Vulcanizates. Rubber Chemistry and Technology. 63 (1990), 5, S. 792 – 805 [8] Ogden, R. W.: Large Deformation Isotropic Elasticity – on the Correlation of Theory and Experiment for Incompressible Rubberlike Solids. Proc. R. Soc., Lond. A326 (1972), S. 565 – 584 [9] Yeoh, O. H.: Some Forms of the Strain Energy Function for Rubber. Rubber Chemistry and Technology. 66 (1993), 5, S. 754 – 771
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4 Bauwirtschaft und Management 4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich des Bauprojektmanagements bearbeitet von Dr.-Ing. Steffen Schmitt
4.1.1 Einleitung Die Vertragsfragen, Vergabe- und Vertragsformen gewinnen in der Baupraxis immer mehr an Gewicht. Das Thema „Vertragsmanagement“ ist für die meisten Beteiligten in diesem Zusammenhang vergleichsweise neu, wenn nicht sogar im Rahmen des Managements gar nicht existent. Nicht selten findet sich daher heute noch die Auffassung, dass diese Managementaufgaben überhaupt nicht erforderlich seien oder bereits von anderen Projektbeteiligten erbracht werden. Dies ist aus mehreren Gründen ein gefährlicher Trugschluss. Die wichtigsten Argumente zur Stützung dieser Aussage seien zu Beginn des vorliegenden Beitrages kurz angeführt. Jedes Unternehmen wird im Bauvorhaben mit der Ausgestaltung und Abwicklung von Verträgen konfrontiert. Daraus wird unmittelbar deutlich, dass dem Unternehmen grundsätzlich zwei Stellschrauben zur Verbesserung seines wirtschaftlichen Erfolgs zur Verfügung stehen: Zum einen kann es an der Verbesserung der Ausgestaltung arbeiten, indem es die Verträge so formuliert, dass die Risikoschnittstellen eindeutig bestimmbar sind und nicht später in aufwendigen Auslegungsritualien münden. Diese Option wurde in der Vergangenheit eher vernachlässigt, da die Einsicht in die Notwendigkeit einer systematischen Analyse vor Vertragsabschluss vielfach nicht gegeben war und ist. Dabei ist es offenkundig, dass sich vielfältige Meinungsverschiedenheiten bereits in der Vertragsgestaltung vermeiden lassen. Zum anderen aber kann eine Verbesserung der Erfolgssituation durch den gezielten Einsatz von Methoden, Instrumenten und Tools auch auf der Abwicklungsseite ansetzen. Um ein gezieltes Vertragsmanagement betreiben zu können, ist ein Basisverständnis der Grundbegriffe erforderlich. Daher werden im vorliegenden Beitrag in Kapitel 2 in aller Kürze einige Kernaspekte erörtert, die für das Verständnis der weiteren Ausführungen unabdingbar erscheinen. Im Kapitel 3 werden dann die Grundzüge des bauprojektbegleitenden Vertragsmanagementprozesses dargelegt, bevor in Kapitel 4 konkrete Abgrenzungen zu anderen Bauprojektleistungen vorzustellen sind. Auf diese Weise wird ein Überblick über die wesentlichen Möglichkeiten angestrebt.
4.1.2 Begriffe und Grundlagen Ein Bauprojekt ist ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z. B. Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Begrenzungen, projektspezifische Organisation. Bauprojekte unterscheiden sich nach Zielen, Größe, Komplexität, Zeitbedarf, erforderlichem Aufwand, Anzahl der Mitwirkenden und Betroffenen. Der Zeitraum eines Bauprojektes von der ersten Projektidee bis zur Beseitigung der baulichen Anlage lässt sich in die Projektphasen „Entwicklung“, „Realisierung“ und „Nutzung“ untergliedern. In der Realisierung tritt das Bauprojektmanagement als Aufgabenschwerpunkt auf.1 Das Bauprojektmanagement ist die Gesamtheit aller 1
Vgl. Kochendörfer, B./Viering, M.G./Liebchen, J.H., Bau-Projektmanagement. 2. Auflage, 2005, S. 5.
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4 Bauwirtschaft und Management Führungsaufgaben, Führungsorganisation, Führungstechniken und Führungsmittel für die Abwicklung eines Bauprojektes. Unter Führung wird überwiegend die Steuerung2 der verschiedenen Einzelaktivitäten in einem Bauprojekt auf die Ziele „Kosten“, „Termine“ und „Qualität“ verstanden. Im rechtlichen Sinne kommt ein Vertrag durch ein Angebot und dessen Annahme zustande. Ein Angebot ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Anbietende dem anderen Teil den Abschluss eines Vertrages mit einem bestimmten Inhalt anbietet, der durch dessen Zustimmung zustande kommen soll. Der Vertrag gilt als geschlossen, wenn eine beidseitige Willenserklärung vorliegt.
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Der Vertrag ist aus ökonomischer Sicht ein grundstrukturpolitisches Instrument und Mittel zur Organisation arbeitsteiliger Beziehungen.3 Über die Beziehungsebene definiert sich die Menge der Projektbeteiligten. Konstruiert werden diese sozialen Beziehungen bzw. Vertragsbeziehungen durch Absprachen oder schriftliche Regelungen, also den Verträgen. Charakteristisch für Bauprojekte ist die dominante Stellung eines einzelnen Auftraggebers, insbesondere die asymmetrische Verteilung der Einflussmöglichkeiten. Die Steuerungsform ist daher im Regelfall fokal.4 Weiter ist für Bauprojekte die zeitliche Befristung der Vertragsbeziehungen auf die Abwicklungsdauer eines Auftrages typisch. Die Vertragsbeziehungen sind in der Regel dynamisch.5 Dies führt dazu, dass in der Realisierung die Verträge in der Regel unvollständig formuliert werden. Unvollständig bedeutet, dass Ereignisse existieren, denen vertraglich keine (optimalen) Konsequenzen zugeordnet wurden. Die Unvollständigkeit äußert sich z. B. darin, dass gewisse Umweltzustände und -entwicklungen im Moment des Vertragsabschlusses nicht antizipiert werden können oder schlicht vergessen werden (z. B. Planungsfehler). Daneben existieren Ereignisse, die nicht verifizierbar oder beobachtbar sind (z. B. Witterungseinflüsse; Bodeneigenschaften). Verträge der Baupraxis sind allerdings weder vollkommen vollständig noch vollkommen unvollständig, da die für die Beschaffung und Formulierung eines vollständigen Vertrages notwendige Informationen nicht nur kaum möglich ist, sondern auch mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Vollkommen unvollständige Verträge erschweren dagegen das Bauprojektgeschäft zwischen den Vertragsparteien so sehr, dass der Vertrag selbst dann entbehrlich ist.
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In der einschlägigen Literatur wird häufig viel Aufwand betrieben, um gewisse Nuancen zwischen den Termini „Führung“, „Leitung“, „Management“ und „Steuerung“ herauszuarbeiten. Im Ergebnis sind die entwickelten Abgrenzungen allerdings zu klein, um sich in der Praxis konsequent anwenden zu lassen. In der folgenden Betrachtung werden diese Begriffe daher bedeutungsgleich gebraucht. Vgl. Picot, A./ Reichwald, R./Wigard, R.T., Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organisation und Management, 5. Auflage, Wiesbaden ,2003, S. 44. In Anlehnung an Sydow, J./Winand, U., Unternehmensvernetzung und -vitualisierung: Die Zukunft der unternehmerischen Partnerschaft. In: Winand, U./ Nathusisus, U. (Hrsg.): Unternehmensnetzwerke und virtuelle Organisationen, 1998, S. 17 (S. 11-31). In Anlehnung an Ebers, M./Hermsch, M./Matzke, M./Mehldorn, A., Strukturwandel und Steuerungsformen von Netzwerken in der deutschen Bauindustrie. In: Sydow, J./Windeler, A. (Hrsg.): Steuerung von Netzwerken, 2000, S. 251-279.
4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich
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Die Definition des Begriffs „Vertragsmanagements“ erfolgt in der einschlägigen Literatur6 fast ausschließlich aus funktionaler Perspektive.7 Darunter sind – prinzipiell ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Person oder Führungsebene – alle Handlungen zu verstehen, die der Steuerung der Vertragsprozesse dienen. Ein Vergleich der dem Vertragsmanagement zugedachten Aufgaben offenbart nur partiell Gemeinsamkeiten. Verantwortlich sind neben unterschiedlichen Disziplinrichtungen vor allem die Systematisierungsansätze der Autoren, die sich nicht ineinander überführen lassen. In der Gesamtschau lässt sich für das projektbegleitende Vertragsmanagement die folgende Definition (im funktionalen Sinne) geben: Das Vertragsmanagement wird als Aufgabengebiet innerhalb des Bauprojektmanagements zur Steuerung der Gestaltung des Abschlusses und der Abwicklung von Vertragsbeziehungen und Verträgen zur Erreichung der Bauprojektziele verstanden. Zur Entscheidung über Mittel und deren Anwendung benötigt das Vertragsmanagement Ziele. Vordergründig handelt es sich dabei um Ziele des Bauprojektes. Diese stellen jedoch stets ein Abbild derjenigen Erwartungen und Anforderungen dar, welche die Projektbeteiligten an die Vertragsbeziehung stellen. Das breite Spektrum des Vertragsmanagement berührt die Belange verschiedener Disziplinen. Eine sinnvolle Abgrenzung zwischen den einzelnen Berufsgruppen – Juristen, Techniker und Kaufleute – ist vielfach schwierig, weil in der Praxis häufig eine Besorgung von technischen und wirtschaftlichen Belangen mit rechtlichen Abläufen verbunden ist. Der Schwerpunkt des rechtlichen Aufgabenbereichs liegt im Rahmen der Rechtsberatung bzw. Rechtsdienstleistung. Im Vordergrund stehen die vertragliche Ausgestaltung der Pflichten und Vertragsverhältnisse sowie die rechtliche Abwicklung der Verträge. Der Jurist hat die Aufgabe, den Mandanten über die Rechtslage eines Einzelfalls sowie die zu ergreifenden Maßnahmen zu unterrichten und bei der Sammlung der Unterlagen Hilfe zu leisten. Diese Tätigkeiten werden nur dem Mandanten gegenüber entfaltet. Hierunter fallen nicht Belehrungen allgemeiner Art oder die Beratung auf rein technischem oder wirtschaftlichem Gebiet. Dagegen befasst sich der nachfolgend dargestellte technisch-wirtschaftliche Aufgabenbereich mit der Gestaltung des Vertragsmanagements als Managementkonzept. Der sachliche Kern der Aufgaben bezieht sich auf das Management der Vertragsbeziehungen. Beim Management des Objektgegenstandes „Vertrag“ handelt es sich hingegen um eine Hilfsund Nebentätigkeit, die sich im Rahmen der eigentlichen technisch-wirtschaftlichen Berufsaufgabe vollzieht.
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Vgl. Hamann, M., Bedeutung der Projektstrukturierung für die Gestaltung von Projektverträgen, in: Reschle, H. (Hrsg.), Symposium Projektstrukturierung, 1989, S. 109 ff.; Hamann, M., Qualitätssicherung durch Vertragsmanagement, in: VDI Gesellschaft Bautechnik, Projektmanagement beim Bauen für Industrie, Gewerbe, Kommune, Tagung in Hannover, 1992, S. 185 ff.; Weber, K.E., Vertragsrechtliche Fragen, in: Schelle, H./ Reschke, H./ Schnopp, R., Projekte erfolgreich managen, 1994, S. 23, 25; Sommer, H., Projektmanagement am Hochbau, 1994, S. 107 ff. Die anderen zwei grundlegenden Managementdimensionen sind die institutionalen und instrumentalen Perspektiven. Unter Management im institutionalen Sinne wird gesprochen, wenn die Beschreibung der Personen(-gruppen), die Managementaufgaben wahrnehmen, ihre Tätigkeiten sowie ihre Rollen abgestellt wird. Im instrumentalen Sinne steht Management ausschließlich für die Gesamtheit der Hilfsmittel, die bei der Ausübung der Managementaufgaben eingesetzt werden können, vgl. Bessai, B., Eine Analyse des Begriffs Management in der deutschsprachigen betriebwirtschaftlichen Literatur, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 26 Jg., H. 4, S. 353-362.
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4 Bauwirtschaft und Management
4.1.3 Bauprojektbegleitender Vertragsmanagementprozess Die gesamte Gestaltung und Abwicklung einer Vertragsbeziehung lässt sich in die zusammenhängenden Phasen „Vertragsanbahnung“, „Vertragskonzipierung“, „Vertragsverhandlung“ und „Vertragsdurchführung“ unterteilen. Durch diese zeitliche Strukturierung wird die Vertragsbeziehung in überschaubare Teilabschnitte gegliedert, die vor allem die Entscheidungsfindung für die Fortsetzung, die Wiederholung einer Phase oder deren Abbruch erleichtern. Im Rahmen dieser Phasen werden vielfältige Aufgaben aufgeführt, die auf den Vollzug der Vertragsbeziehung gerichtet sind. Die Hauptfunktionen sind:
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• Vertragsplanung: Analysieren und Formulieren der Ausgangslage, Suche und Bewerten der Alternativen, Vorgabe der Soll-Werte. • Vertragskontrolle: Erkennen eingetretener Abweichungen (Soll-Ist-Vergleich) und deren Auswirkungen auf die Zielerreichung. • Vertragssteuerung: Zielführende Eingriffe zur Behebung der Abweichung durch Abweichungsanalyse und Anpassungsmaßnahmen. • Vertragskoordination: Zielorientierte und wechselseitige Abstimmung der Vertragsplanung, -kontrolle und -steuerung. Die Betrachtung des Vertragsmanagements als Prozess stellt eine Erweiterung des funktionalen Ansatzes dar. Die Hauptfunktionen werden als zeitlich und sachlogisch abhängig betrachtet. Die Funktionsverknüpfung erfolgt zu einer geschlossenen, iterativen, vor- und rückgekoppelten Ablauffolge, die als Vertragsmanagementzyklus bezeichnet wird. Das damit konstruierte Modell – der sog. kybernetische Regelkreis – wird als Bezugsrahmen verwendet (siehe Abbildung 4.1). Vertragsplanung
Vertragskoordination
Vertragsziele
Vertragssteuerung
Analyse Vorgaben
Veränderung
nein
Abweichung anpassbar? ja
Soll-IstVergleich
Abweichung Anpassung
Vertragskontrolle
Vertragsanbahnung
Vertragskonzipierung
Störungen
Vertragsverhandlung
Störungen
Abbildung 4.1: Vertragsmanagementzyklus
Vertragsdurchführung
Störungen
4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich
127
4.1.3.1 Überlegungen zur Vertragsbeziehung Bevor man sich mit der Gestaltung und Abwicklung der Vertragsbeziehung innerhalb der einzelnen Phasen beschäftigt, ist es notwendig, ein Verständnis darüber zu gewinnen, wie sie sich im Unternehmen überhaupt bildet. Da es hierfür nicht nur einen, sondern mehrere Erklärungsansätze gibt, werden im Folgenden die für die Ausarbeitung wichtigsten Ansätze in ihren Grundzügen vorgestellt.8 Davon zu unterscheiden sind die vertragstheoretischen Ansätze mit primär juristischer Ausrichtung, die insbesondere die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten von Verträgen zum Inhalt haben. 4.1.3.1.1 Transaktionskosten Beim Zustandekommen von Vertragsbeziehungen entstehen Kosten für die Übertragung von Rechten und Pflichten (= Transaktion) mit Hilfe eines Vertrages. Die Aufteilung der Transaktionskosten ist Voraussetzung für ihre Operationalisierung. Die Transaktionskosten können folgendermaßen unterteilt werden: • Anbahnungskosten: Kosten der Identifikation von möglichen Vertragspartnern und deren Angebote über Vertragskonstellationen (z. B. funktionale Leistungsbeschreibung). • Aushandlungskosten: Kosten der Verhandlung, Einigung und Formulierung von Vertragsinhalten (z. B. Vergabeverfahren, zusätzliche Vertragsbedingungen). • Kontrollkosten: Kosten der Überwachung der Einhaltung von Vertragsinhalten (z. B. Führen von Bautagesberichten). • Anpassungskosten: Kosten der Anpassung der Vertragsinhalte an neue Bedingungen (z. B. Nachträge, Schiedsgerichtsverfahren). Alle Arten von Transaktionskosten sind Resultat unvollständiger Informationen.9 Das bedeutet, dass bei vollständigen Informationen keine Transaktionskosten auftreten, weil alle relevanten Informationen vorliegen. Die Höhe der Transaktionskosten bei unvollständigen Informationen wird im Wesentlichen bestimmt durch die Eigenschaften der zu erbringenden Leistungen. Für jeden Leistungstyp ist dann die passende Beziehungsform herauszufinden. In der Baupraxis entstehen hohe Transaktionskosten aufgrund der vielfältigen rechtlichen Rahmenbedingungen, der langen vertraglichen Anbahnung, der langfristigen Laufzeit der Beziehung und der hohen Spezifizität der Aufgaben (z. B. beim Spezialtiefbau durch Erfahrungen, Know-how und innovative Verfahrenstechnologien).
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Theoretischen Ansatz bildet die Institutionenökonomie. Dort geht es um die Analyse von Institutionen – wie Unternehmen, Märkten, Rechtssystemen etc. – in deren Rahmen ökonomischer Austausch betrieben wird. Ziel ist es, Gestaltungsformen für einzelne Vertragsbeziehungen zu finden, die zu einer ökonomisch effizienten Vertragserfüllung führen. Das ist dann der Fall, wenn es keine andere Form der Vertragsgestaltung gibt, die für einen Beteiligten zu einem besseren Ergebnis führt, ohne das Ergebnis des anderen zu verschlechtern. Das Unternehmen wird als Nexus von Verträgen im Sinne sozialer Vereinbarungen zwischen den Handelnden betrachtet, vgl. Wiliamson, O.E., The Firm as an Nexus of Treaties, 1990, S. 1 ff. Im deutschsprachigen Raum wurde der Ansatz insbesondere durch Picot verbreitet, vgl. Picot, A., Ökonomische Theorien der Organistation. Ein Überblick über neuere Ansätze und deren betriebswirtschaftliche Anwendungspotentiale. In: Ordelheide, D./Rudolph, B./Brüsselmann, E. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie, 1991, S. 143-170. Vgl. Dahlmann, C.J., The Problem of Externality, in: Journal of Law an Economics 22, 1979, S. 141 – 162.
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4 Bauwirtschaft und Management 4.1.3.1.2 Informationsasymmetrie Für die ökonomische Vertragsanalyse ist es von großer Bedeutung, welcher der Partner besser informiert ist bzw. einen Informationsvorsprung besitzt. Verfügen die Partner nicht über die gleichen Informationen, so ist die Information asymmetrisch unter den Partner verteilt.10 Die entscheidende Frage bei der Beschreibung von Situationen mit asymmetrisch verteilten Informationen lautet: Wer weiß wann was? Besteht ein Informationsgefälle zwischen den Partnern, so resultieren daraus Risiken. Das Informationsgefälle kann sich grundsätzlich auf zwei Arten vollziehen.
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(1) Die Informationsasymmetrie tritt erst nach Vertragsabschluss auf. Die Partner verfügen bei Vertragsabschluss über ein gleiches Maß relevanter, d. h. auf den Vertragsgegenstand bezogener Informationen, jedoch herrscht Ungewissheit über zukünftige Zustände (ex-post Risiken). Je nach Art der Information, die einem Partner fehlt, ist der passende Lösungsansatz zu entwickeln. Dabei ist zwischen zwei Fällen zu unterscheiden. Die Information über vertragsendogene bzw. verhaltensbedingte Einflussfaktoren sind unterschiedlich verteilt. Der Auftraggeber kann die Tätigkeiten des von ihm beauftragten Auftragnehmers nicht beobachten, sondern lediglich das Ergebnis seiner Tätigkeiten. Für den Auftraggeber ist es nicht möglich, von einem eingetretenen Ereignis auf die Ursache und damit auf die vom Auftragnehmer geleistete Tätigkeit zurück zu schließen (z. B. Sorgfaltspflicht). Die Information lässt nur bedingt Rückschlüsse auf das Anstrengungsniveau des Auftragnehmers zu. Der Auftragnehmer erbringt eine vom Auftraggeber nicht beobachtbare Leistung, zu der die Umwelteinflüsse hinzutreten. Die Gefahr ist, dass der Auftragnehmer die Erbringung einer für den Auftraggeber nicht zufrieden stellenden Leistung mit dem Eintreten bestimmter, durch den Auftraggeber nicht beobachtbarer Umweltzustände entschuldigen kann, auch wenn er ein besseres Ergebnis durch die Wahl eines höheren Aktivitätsniveaus hätte erreichen können. Die Partner können unterschiedlich über die Umweltzustände bzw. vertragsexogene Einflussgrößen informiert sein. Der Auftragnehmer kann durch die während des Bauprojektes erlangten Daten den Erfolg seiner Anstrengungen besser beurteilen als der Auftraggeber. Der Auftragnehmer hat demnach die Möglichkeit Indikatoren zu beobachten, die Rückschlüsse über Umweltveränderungen zulassen. Der Auftragnehmer handelt, nachdem er die Umweltveränderung kennt, und gibt eine Information über die Umweltveränderung an den Auftraggeber weiter. Der Auftraggeber kann zwar die Tätigkeiten beobachten, der Auftragnehmer verfügt dabei aber über Informationen, die er nicht (oder jedenfalls nicht kostenlos) zugänglich macht (z. B. Lieferzeit für bestimmte Materialien, Fertigungsprozess von besonderen Bauteilen usw.). (2) Die Informationsasymmetrie besteht bereits vor Vertragsabschluss (ex-ante Risiken). Bei der Entwicklung der Lösungsansätze ist danach zu unterscheiden, welche der potentiellen Vertragspartner die Initiative ergreift, das Informationsgefälle zu verringern. Es bestehen unvollständige Informationen für die Vertragspartner, aber nicht notwendigerweise Unsicherheit über zukünftige Umweltzustände. Bei vorvertraglicher Informationsasymmetrie besitzt der Auftraggeber keine ausreichenden Informationen über die Qualität der durch die möglichen Auftragnehmer angebotenen Leistungen (z. B. Produktivität). In der Baupraxis liegen die Informationsvorsprünge wechselseitig vor. Es besteht häufig der Kombinationsfall aus ex-ante und ex-post Risiken. 10
Im Ergebnis führt das zu einer second-best-Lösung. First-best-Lösung sind aufgrund unvollständiger und ungleich verteilter Informationen zwischen beiden Parteien nicht erreichbar, vgl. ausführlich Spremann, Reputation, Garantie, Information, In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 59. Jg., H. 5/6, 1988, S. 614-616.
4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich
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4.1.3.1.3 Opportunistisches Verhalten Opportunistisches Verhalten beschreibt das von Partnern konsequente Ausnutzen von Gelegenheiten. Das Verhalten wird geleitet von persönlichen Zielen und dem strategischen Interesse, Informationsaktivitäten jedweder Art optimal auszuwählen. Zur Verfolgung eigener Vorteilsinteressen können sich die Partner auch über die vertraglichen Regelungen hinweg setzen. Durch die enge Bindung der Vertragspartner und der nicht eindeutig definierbaren Leistung der Vertragspartner, verbunden mit asymmetrischer Informationsverteilung in der Baupraxis, wird das Potenzial für opportunistisches Verhalten gerade gefördert. Durch einseitige Spezifizität im Rahmen einer Vertragsbeziehung kann es durch opportunistische Ausnutzung von Verhaltensspielräumen zu Störungen kommen. Hier besteht ein Verhaltensrisiko aus einer einseitigen Abhängigkeit eines Vertragspartners vom anderen. Häufig entsteht die Abhängigkeit in der Baupraxis erst durch die ungünstigen Umweltveränderungen nach Vertragsabschluss, die der Auftraggeber vor Vertragsabschluss nicht exakt antizipieren kann.
4.1.3.2 Phasen der Vertragsbeziehung 4.1.3.2.1 Vertragsanbahnung Die Vertragsanbahnung dient zur Informationsgewinnung und -abgabe mit dem Ziel der Kontaktaufnahme und Vertragsinitiierung. Ausgangspunkt ist die bedarfsgerechte Auswahl der Unternehmenseinsatzform. Ergebnis ist die Grobauswahl möglicher Vertragspartner. Die Informationsgewinnung ist bei der Vertragsplanung von entscheidender Bedeutung. Sie begleitet die gesamte Vertragsgestaltung. Es ist zunächst der ungefähre Wille über die Gestaltung der Vertragsbeziehung festzustellen, um den Vertragszweck und die Vertragsziele grob zu definieren und erste Schritte in Richtung auf die Vertragskonzipierung unternehmen zu können. Der Vertragszweck beschreibt im Wesentlichen den Vertragsgegenstand, wie z. B. die schlüsselfertige Herstellung eines Verwaltungsgebäudes als Generalunternehmer. Die Vertragsziele sind in dieser Phase zumindest durch Qualitäts-, Termin- und Kostenziele zu beschreiben. Grundsätzlich soll mit diesen Zielen die prinzipielle Forderung nach minimierten Kosten und Zeitanteilen bei gleichzeitiger höchstmöglicher Qualität realisiert werden. Aufgrund einer Vielzahl möglicher Zielkonflikte sind die drei Zielgrößen prinzipiell als gegenläufig einzustufen, denn beim Versuch, eine der Zielgrößen zu maximieren, wird nur allzu oft der Erfüllungsgrad einer anderen Zielgröße verschlechtert. Eine Harmonisierung aller drei Ziele lässt sich durch die Formulierung möglichst neutraler, vor allem aber komplementärer Ziele erreichen und somit ein Gesamtoptimum ermitteln. Neutrale Ziele liegen dann vor, wenn die Erfüllung einer Zielgröße auf die gleichzeitige Erfüllung einer anderen Zielgröße keinen Einfluss hat. Bewirkt hingegen die zunehmende Erfüllung einer Zielgröße eine gleichzeitige (zunehmende) Erfüllung einer anderen Zielgröße, so liegt Zielkomplementarität vor. Komplementäre Ziele sind z. B. häufig in der Abwicklung von Nachträgen zu erzielen, wo eine Verringerung der Prüfdurchlaufzeit oft mit Senkung der Anpassungskosten verbunden ist. Zur Harmonisierung der Zielgrößen ist es erforderlich, alle Zielgrößen in einem gemeinsamen Zielsystem abzubilden und bezüglich ihrer Relevanz für das Bauprojekt zu gewichten. Besonderes Augenmerk ist auf die zukünftigen Umweltzustände (= vertragsexogene) zu richten. Dafür sind die ex-ante Risiken zu identifizieren, die das Bauprojekt gefährden können. Nicht exakt fixiert werden können jedoch alle möglichen Vertragsziele für alle möglichen, nach Vertragsabschluss nicht eindeutig abzuschätzenden Umweltzustände (z. B. abweichende
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4 Bauwirtschaft und Management Bodenverhältnisse). Der Vertragspartner soll dabei den Anreiz haben, sein spezifisches Wissen über sich neu ergebende Möglichkeiten zum Vorteil der Vertragsbeziehung zu nutzen. Deshalb ist ein hohes Maß an Flexibilität zu wahren. Die Informationsgewinnung wird dabei zunehmend von den zu erwartenden Leistungen gesteuert. Bei der Wahl der Leistungen spielt die Höhe der Transaktionskosten in Abhängigkeit von den Eigenschaften der zu erbringenden Leistungen (= positive Kosten-Nutzen-Erwartung) eine wesentliche Rolle. Es ist die Auswahl der (kosten-)günstigsten Form der Aufgabenbewältigung anzustreben. Ziel ist, die Kosten der Organisation des Leistungsaustausches zu minimieren. Dafür ist die bestmögliche Vertragsbeziehungsart zu bestimmen.
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Hinsichtlich der Informationsabgabe besteht aus der Sicht des Auftragnehmers die Möglichkeit darin, dass er, bevor der Auftraggeber ihm den Kontakt anbietet, dem Auftraggeber Informationen über relevante Eigenschaften des potentiellen Vertragsgegenstandes zukommen lässt. Dabei ist jede Art von Indikator geeignet (z. B. Qualitäts-Zertifikate). 4.1.3.2.2 Vertragskonzipierung Die Vertragskonzipierung beinhaltet die Gestaltung der Vertragsbeziehung auf der Grundlage des Vertragszweckes und der Vertragsziele sowie die Bewertung und Auswahl der zu erbringenden Leistungen und Gegenleistungen. Ausgangspunkt ist die Entscheidung zum Vertragsanstoß. Auf der Grundlage der zunächst eingeholten Informationen sind die Gestaltungsprobleme zu definieren und sodann passende Vertragsbeziehungsmuster auszusuchen bzw. nicht passende Vertragsbeziehungsmuster auszusortieren. Die passenden Vertragsbeziehungsmuster sind in der Folgezeit aufgrund zusätzlicher Informationen zu alternativen Gestaltungsmöglichkeiten zu konkretisieren und zu bewerten. Mit der Entscheidung über eine bestimmte Gestaltungsmöglichkeit beginnt das Stadium, in dem die Detailarbeit geleistet werden muss. Dies schließt die Strukturierung und Ausgestaltung des Vertrages im Einzelnen mit ein. Hier tritt dann die spezifisch juristische Arbeit in den Vordergrund. Ergebnis ist der fertig gestellte Vertragsentwurf (z. B. Besondere Vertragsbedingungen, Leistungsbeschreibung, Zeichnungen, Gutachten usw.) der an die (ausgewählten) Bieter übergeben wird. Auf dessen Grundlage erstellen die Bieter ihre Angebote. Risiken für das Bauprojekt oder die Durchführung des Bauvertrages, die aus unvorhergesehenen Veränderungen in der Sphäre einer Partei (= vertragsendogen) oder aus der Umwelt (= vertragsexogen) stammen, umfassen einen weiten Bereich, der sich nur schwer erfassen lässt. Es ist Vorsorge für die Anpassungsfähigkeit des Vertrages an die mögliche Veränderung zu treffen. Gegenstand ist die Zuweisung von ex-ante Risiken an die Vertragsparteien oder auch Dritte. Es ist zwar theoretisch möglich, mit aufwendigen Analysemethoden detaillierte Aussagen über die ex-ante Risiken zu bekommen. Um hierfür alle notwendigen Informationen zu gewinnen, sind allerdings nicht mehr zu vertretende hohe Kosten erforderlich. In den Verträgen sind unmittelbar die ex-ante Risiken zu verringern, die im Verhalten des Vertragspartners (= vertragsendogen) liegen. Das Verhalten ist durch ein starkes Abhängigkeitsverhältnis geprägt. Es besteht die Gefahr, dass der eine Vertragspartner nicht mehr in der Lage ist, den anderen Vertragspartner so zu beeinflussen, dass sich dieser konform zu seinen eigenen Interessen verhält. Die Kooperationsunsicherheit besteht darin, dass sich die Motive für eine Zusammenarbeit sowie das Verhalten während der Vertragsbeziehung (z. B. Entgegenkommen, Fairness, Kulanz usw.) schlecht oder gar nicht einschätzen lassen. Sollen Verträge kooperativ sein, so müssen sich die Vertragspartner erfolgreich dran hindern, Verhaltensspielräume opportunistisch zu nutzen. Hierbei ist zu beachten, dass bei langfristigen Vertrags-
4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich
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nach Vertragsabschluss zum Vorteil der Vertragsbeziehung zu nutzen. Das opportunistische Verhalten lässt sich durch Kontroll- und Sicherungsvorkehrungen beschränken, insbesondere die Bildung von wechselseitigen Abhängigkeiten. Dahinter steht die Überlegung, dass ein opportunistisches Verhalten für einen Partner umso unattraktiver wird, je höher seine Investitionen in das Bauprojekt sind. Übersteigen sie den Differenzbetrag aus den potenziellen Erlösen eines eigennützigen Agierens und den Kosten für den Vertragsbruch, ist der Partner auf Fortbestand und Erfolg des Bauprojektes angewiesen. Mittelbar sind jedoch auch die ex-ante Risiken zu begrenzen, die in Veränderung von Umweltzuständen (= vertragsexogen) liegen. Die lange Dauer von Vertragsbeziehungen kann zu einer hohen Dynamik führen, da es während der Laufzeit zu starken Umweltveränderungen kommen kann. Die Komplexität ergibt sich aus der Anzahl der Projektbeteiligten, die in wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten zueinander stehen. Dabei handelt es sich nicht nur um eine einmalige Leistung und Gegenleistung, wie sie bei punktuellen Austauschverträgen im alltäglichen Leben stattfindet, bei der die Vertragspartner anonym bleiben, sondern um eine Vertragsbeziehung mit sozialer Verpflichtung der Parteien und verschiedensten Leistungsverpflichtungen für jede der Parteien. Die Vertragsbeziehungen gehen über den Austausch von Leistung und Gegenleistung einer Markttransaktion hinaus. Durch diese Vernetztheit der Zusammenarbeit sind die Leistungen und Gegenleistungen nicht jederzeit beobachtbar und verifizierbar. Die Vergütungsregelungen sind ein wichtiges Bindeglied zwischen den vorgegebenen Leistungen und den späteren Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Auftraggebers. Die im Vertrag vereinbarten Vergütungsmechanismen müssen individuell zugeschnitten werden und Anreize für den Auftragnehmer beinhalten, seine Leistungen qualitäts-, kosten- und zeitgerecht zu erbringen. Diese Vergütungsregelungen sind aber auch von entscheidender Bedeutung für die Kalkulation des Auftragnehmers. Vergütungsregelungen sollen sachlich, objektiv, transparent und einfach zu handhaben sein. 4.1.3.3.3 Vertragsverhandlung Die Vertragsverhandlung soll dazu führen, mit einem potentiellen Bieter einen Vertrag abzuschließen. Ausgangspunkte sind die bestehenden Kontakte zu den Bieter und deren eingereichten und noch nicht geprüften Angebote. In der Verhandlung stellt der potentielle Partner den Kernpunkt seiner Vorstellungen über den Vertragsinhalt zur Disposition dem anderen Partner und jeder Partner hat die – mehr oder weniger aussichtsreiche – Möglichkeit, eine Veränderung der Vorstellung des anderen Partners zu erreichen, andererseits aber auch bereit ist seine Vorstellungen zu revidieren. Ergebnis ist der Vertragsabschluss mit übereinstimmender Willenserklärung. Bei der Verhandlung ist zu beachten, dass der Vertrag kein Nullsummen-Spiel ist. Ein Vertrag, der überhaupt implementiert werden kann, muss stets entweder maximale Verbesserung für die Vertragspartner generieren oder drohende Verluste minimieren. Die Allokation von Anreizen und Risiko ist so zu gestalten, dass ebendies erfüllt wird. Während ein risikoneutraler Vertragspartner auch Risiken übernimmt, wenn er dadurch seinen Nutzen vermehren kann, zahlt ein risikoaverser Vertragspartner einen Betrag dafür, dass er kein Risiko übernehmen muss. Deshalb hat die Risikoneigung der Vertragspartner praktische Auswirkungen auf den Vertragsabschluss.
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4 Bauwirtschaft und Management Der Auftraggeber kann sich nicht mit Gewissheit darauf verlassen, dass der potentielle Bieter die im Angebot gemachten Zusagen sowie die erforderlichen Leistungen auch tatsächlich erbringen wird (ex-poste Risiken). Der Auftraggeber hat sich genauere Informationen über die Qualitätsmerkmale der Bieter zu beschaffen. So kann durch das Ausschreiben sich unterscheidender Leistungen (z. B. zulassen von Nebenangeboten oder Alternativvorschlägen) und das Beobachten der Reaktionen der potentiellen Auftragnehmer der Auftraggeber von diesem Informationen erhalten.
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Es kommt im Wesentlichen darauf an, unverträgliche Absichten und Vorstellungen zu identifizieren und zu beseitigen. Auf diese Weise können Transaktionskosten in der nachfolgenden Vertragsdurchführung reduziert werden. Der Abgleich der unterschiedlichen Vorstellungen in der Verhandlung dient auch dem Aufbau von Vertrauen. Das Vertrauen setzt die Parteien über Informationsdefizite hinweg fördert den kommunikativen Austausch zwischen den Parteien fördert. Allerdings baut sich das Vertrauen nur schrittweise auf, so dass sich die Ergebnisse erst mit zunehmender Dauer der Zusammenarbeit erschließen lassen. 4.1.3.3.1 Vertragsdurchführung Die Vertragsdurchführung beginnt im Anschluss an die Verhandlung. Ausgangspunkt ist die vereinbarte Zusammenarbeit. Die mit dem Vertrag verfolgten Vertragsziele sollen gemeinsam erreicht werden. Die Vertragsparteien haben die im Vertrag getroffenen Absprachen durchzuführen und ihre Pflichten zu erfüllen. Der Vertrag endet mit der vollständigen Erfüllung des Vertragsgegenstandes oder mit Abbruch der Vertragsbeziehung bei Nichterfüllung. Wesentliche Aufgabe ist die ordnungsgemäße Erfüllung zu kontrollieren, zu steuern und zu dokumentieren. Es ist zu überprüfen, ob die vorgegebenen Vertragsziele durch den Partner erreicht werden. Kontrolle und Steuerung stellen das Bindglied zwischen der Erfüllung und dem Abgleich zu den Vertragszielen dar und bilden damit ein Instrumentarium, das letztlich zum Erfolg des Vertrages beiträgt. Dies beinhaltet jede Art von Aktivität, die der Feststellung dient, ob ein Vertragspartner seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Hilfsmittel ist das Dokumentationssystem. Es beinhaltet die Erhebung, Erfassung und Aufbereitung aller Daten bzw. Informationen während der Vertragserfüllung. Das Ziel besteht darin, Ereignisse rechtzeitig zu erkennen, den aktuellen Stand festzustellen und die zukünftige Entwicklung aufzuzeigen. Der Aufbau der Dokumentation muss sich an den Schwerpunkten der zu erwartenden Probleme und der Beobachtbarkeit orientieren. Sie hat nachprüfbare Belege zu schaffen und die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Behauptungen zu fördern.
4.1.4 Abgrenzung zu anderen Projektleistungen Die Abgrenzung des Vertragsmanagements von anderen Projektbeteiligten in der Realisierung ist nicht konsequent zu ziehen. Es ist eine große Schnittmenge der Aufgaben auffällig. Dennoch handelt es sich, wie die nachfolgenden Ausführungen an den Beispielen „Objektplanung“ und „Projektsteuerung“ zeigen, um sehr unterschiedliche Ansätze. Die Inhalte werden an einer Bauvertragsbeziehung erklärt. Dabei wird im Sinne der VOB/B ein konventionelles Bauvorhaben, d. h. der Auftraggeber erbringt allein die Planungsleistungen, zugrunde gelegt. Das bauausführende Unternehmen als Auftragnehmer erbringt dann ausschließlich Bauleistungen.
4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich
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4.1.4.1 Objektplanung Die Abgrenzung wird anhand der HOAI11 vorgenommen. Die Einteilung erfolgt in Leistungsphasen, Grundleistungen und Besondere Leistungen. Die dort in den Leistungsphasen 5 bis 8 beschriebenen Grundleistungen werden hier ausschließlich als Orientierungsrahmen herangezogen. Ausführungsplanung (Leistungsphase 5) Die Ausführungsplanung beinhaltet die Planung, vor allem im zeichnerischen Bereich, vor der jeweiligen Bauausführung. Bei der Anfertigung der Ausführungsplanung muss der Objektplaner städtebauliche, gestalterische, funktionale, technische, bauphysikalische, wirtschaftliche, energiewirtschaftliche und landschaftsökologische Anorderungen beachten. Dafür hat der Objektplaner die Beiträge anderer, an der Planung fachlich Beteiligter zu berücksichtigen. Es handelt sich hier um Leistungen, die vor Abschluss des Bauvertrages erforderlich sind. Schnittstellen zu den Phasen der Vertragsbeziehung bestehen nicht. Vorbereitung der Vergabe (Leistungsphase 6) Die Leistungsphase 6 umfasst Tätigkeiten des Objektplaners im planerischen Bereich, welche der späteren Vergabe von Bauleistungsaufträgen dienen, diese also im Sinne der Vorbereitung in die Wege leiten soll. Es handelt sich um Leistungen, die vor Abschluss des Bauvertrages erforderlich sind. Schnittstellen bestehen zur Phase Vertragskonzipierung. Der Objektplaner hat die erforderlichen Ausschreibungsunterlagen, insbesondere die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnissen nach Leistungsbereichen, aufzustellen. Hierfür sind zunächst die Mengen zu ermitteln und zusammenzustellen. Danach sind die Leistungsanforderungen im Wege einer einheitlichen Aufstellung, welche gleiche Teilleistungen in einzelnen Positionen zusammenfasst, und zwar unter einer bestimmten Ordnungszahl, aufzustellen. Dazu sind die Begriffe, Einteilungen und Anforderungen der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (vor allem VOB/C) richtig anzuwenden. Die Leistungsbeschreibung hat sich auf die technischen Angaben zu beschränken. Vertragsrechtliche Inhalte dürfen nicht in die Baubeschreibung aufgenommen werden, sie gehören in die Vertragsunterlagen (z. B. Besondere oder Zusätzliche Vertragsbedingungen). Zur Wahrung der berechtigten Interessen des Auftraggebers hat der Objektplaner im Rahmen seiner obliegenden Koordinationsaufgabe die vorgesehenen Leistungen der verschiedenen Fachunternehmen abzustimmen, und zwar mit dem Ziel der Verhinderung von technischen und rechnerischen Überscheidungen, Widersprüchen und Unvollständigkeiten usw. Der Objektplaner hat nach der HOAI die Leistungsbeschreibung in fachtechnischer und rechnerischer Sicht aufzustellen und zu koordinieren. Die Gestaltung des Abschlusses von Bauverträgen fällt jedoch nicht in seinen Verantwortungsbereich. Mitwirkung bei der Vergabe (Leistungsphase 7) Die Tätigkeiten des Objektplaners stehen im Zusammenhang mit der Erteilung von Bauaufträgen an die beim vorgesehenen Bauobjekt zum Einsatz gelangenden bauausführenden Unternehmen. In dieser Leistungsphase wirkt der Objektplaner bei der Zusammenstellung der Verdingungsunterlagen und den Verhandlungen mit den Bietern im Hinblick auf die sachgerechte Bauausführung mit. Erfasst ist dabei alles, was Inhalt des mit dem bauausführenden Unternehmen abzu11
Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen, 5. Novelle, Stand: 01.01.1996. In diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass die HOAI keine normativen Leistungsbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurleistungen enthält, sondern dass es sich bei der HOAI um zwingendes Preisrecht handelt und damit keine vertragsrechtliche Leitbildfunktion hat.
4
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4 Bauwirtschaft und Management schließenden Bauvertrages werden soll. Es handelt sich um Leistungen, die vor Abschluss des Bauvertrages erforderlich sind. Schnittstellen bestehen zur Phase Vertragsverhandlung. Eine wesentliche Aufgabe des Objektplaners ist die nach Einholung und Öffnung der Angebote von ihm anzustellende Prüfung und Wertung der Angebote. Dabei geht es um die rechnerische, technische und wirtschaftliche Angebotsprüfung, ob die Angebote in fachtechnischer Hinsicht den voll an die spätere Ausführung zu stellenden technischen Erfordernisse entsprechen und ob sie in wirtschaftlicher Hinsicht mit den von dem Auftraggeber verfolgten Ziele in Einklang stehen. Das Ergebnis hat der Architekt in einem Preisspiegel zusammenzustellen.
4
Der Auftraggeber hat grundsätzlich keinen Anspruch an den Objektplaner, diesen Mitwirkungsrahmen zu überschreiten. Das gilt vornehmlich im Hinblick auf die Gestaltung der Bauverträge und auf Verhandlungen über die Änderung der Angebote oder der Preise. Objektüberwachung (Leistungsphase 8) Das Überwachen der Ausführung in Übereinstimmung mit der Baugenehmigung oder Zustimmung, den Ausführungsplänen und der Leistungsbeschreibung mit den anerkannten Regeln der Technik und den einschlägigen Vorschriften ist zentrale Aufgabe der Objektüberwachung. Die Leistungen, die zu überwachen sind, sind vorab im Bauvertrag vereinbart worden. Es handelt sich um Leistungen die nach Abschluss des Bauvertrages anfallen. Schnittstellen bestehen zur Phase Vertragsdurchführung. Wesentliche Aufgabe ist, den Ist-Bauablauf zu kontrollieren, dokumentieren und koordinieren. Hierzu ist u. a. ein Bauzeitenplan in Abstimmung mit allen für die ausführenden Firmen verbindlichen Terminvorgaben aufzustellen und zu überwachen. Die Terminvorgaben sind aus den Bauverträgen zu entnehmen. Der Bauzeitenplan hat im Wesentlichen den Zweck, die Termin- und Forschrittskontrolle periodisch durchführen zu können. Ein weiteres Dokumentationsmittel ist das Bautagebuch. Eine weitere Aufgabe ist die Rechungsprüfung, insbesondere die fachtechnische und rechnerische Prüfung der Abschlags-, Teilschluss- oder Schlussrechnungen. Hier geht es im Wesentlichen um die Überprüfung auf Richtigkeit und Übereinstimmung mit den vertraglich vereinbarten Preisen. Zusätzliche Vergütungsansprüche der Unternehmer sind darauf zu prüfen, ob sie nicht Leistungen betreffen, die bereits durch den Hauptvertrag abgegolten sind. Grundlage hierfür ist die Ermittlung und Feststellung der tatsächlich erbrachten Leistungen durch das Aufmass. Die Rechungsunterlagen sind nach Prüfung an den Auftraggeber weiterzuleiten, mit der gleichzeitigen Empfehlung, die Leistung rechnerisch zu akzeptieren oder einzelne, hinsichtlich Grund und Höhe näher genannter Positionen zu beanstanden. Über das Ergebnis ist ein Prüfvermerk zu verfassen. Der Auftraggeber ist bei der Abnahme zu unterstützen. Die rechtsgeschäftliche Abnahme ist eine Hauptverpflichtung des Auftraggebers selbst gegenüber den betreffenden Unternehmen. Daher beinhaltet die von der HOAI erwähnte Abnahme nur die Entgegennahme der Leistung und deren technische Überprüfung. Es geht hier um die technische Kontrolle der Qualität der Bauleistungen. Der Objektplaner hat nach der HOAI die tatsächlich erbrachten Leistungen in fachtechnischer und rechnerischer Sicht zu überwachen und zu koordinieren. Durch diese Aufsichtstätigkeit soll ein Gleichgewicht zwischen der planerischen Tätigkeit und der Kontrolle der praktischen Ausführung herbeigeführt werden.
4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich
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4.1.4.2 Projektsteuerung Zur Beschreibung der einzelnen Aufgaben für die Projektsteuerung wird als Ergänzung zur HOAI § 31 in der Regel das Leistungsbildschema der AHO12 verwendet. Die Einteilung erfolgt in Projektstufen und Handlungsbereichen. Da die Leistungen des Projektsteuerers mit den Leistungen der Objekt- und Fachplaner korrespondieren, weisen die Projektstufen einen sachlichen Zusammenhang zur HOAI-Leistungsphasengliederung auf. Innerhalb jeder Projektstufe sind die Leistungen des Projektsteuerers in die vier Handlungsbereiche „Organisation, Information, Koordination und Dokumentation“, „Qualitäten und Quantitäten“, „Kosten und Finanzierung“, „Termine und Kapazitäten“ sowie in Grundleistungen und Besondere Leistungen unterteilt. Die dort in den Projektstufen 3 und 4 innerhalb der Handlungsbereiche beschriebenen Grundleistungen werden hier ausschließlich als Orientierungsrahmen herangezogen. Ausführungsvorbereitung (Projektphase 3) Die Ausführungsvorbereitung beginnt mit der Erstellung der Ausführungsplanung und endet mit der Unterzeichung des Bauvertrages durch den Auftraggeber und Auftragnehmer. Es handelt sich hier um Leistungen, die vor Abschluss des Bauvertrages erforderlich werden. Schnittstellen bestehen zu den Phasen der Vertragsanbahnung, -konzipierung und -verhandlung. Der Projektsteuerer unterstützt den Auftraggeber bei der Vorbereitung des Bauvertrages hinsichtlich der technisch-wirtschaftlichen Vertragsinhalte (z. B. Prüfung der Leistungsbeschreibung auf Plausibilität in technisch wirtschaftlicher Hinsicht). Die vom Objektplaner aufgestellten Leistungsbeschreibungen sind auf Plausibilität und Vollständigkeit zu prüfen. Hierzu gehört auch die Unterstützung des Auftraggebers in der Ausschreibungsart (z. B. öffentlich, beschränkt), der Vergabeart (z. B. Einzelgewerke, Paketvergabe) und in den Vergabe- bzw. Vertragsverhandlungen. Der Terminplan ist weiter fortzuschreiben einschließlich der Ausarbeitung von Vertragsfristen und Vertragsterminen für die Ausführung sowie der Festlegung weiteren Mitwirkungspflichten des Auftraggebers (z. B. Planlieferfristen). Diese Ausarbeitung dient dem Auftraggeber als Entscheidungsvorbereitung hinsichtlich der Vereinbarung von Terminen und Fristen. Der Projektsteuerer trifft keine erforderlichen vertragsrelevanten Entscheidungen im Hinblick auf die Gestaltung der Bauverträge. Er führt keine Vertragsverhandlungen mit projektbezogener vertragsrechtlicher Bindungswirkung durch. Diese originären Aufgaben obliegen dem Auftraggeber bzw. der Projektleitung. Ausführung (Projektphase 4) Die Ausführung beginnt mit der Beauftragung des bauausführenden Unternehmens und endet mit den rechtsgeschäftlichen Abnahmen einschließlich der Übergabe an den Auftraggeber. Es handelt sich hier um Leistungen, die nach Abschluss des Bauvertrages erforderlich sind. Schnittstellen bestehen zur Phase Vertragsdurchführung. Beim Durchsetzen der Vertragspflichten hat der Projektsteuerer den Auftraggeber fachlich zu unterstützen. Dafür sind die beauftragten Leistungen, erbrachten Leistungen, eingereichten Rechnungen und geleisteten Zahlungen kontinuierlich zu erfassen. Die Leistungserfüllung der bauausführenden Unternehmen ist zu dokumentieren (z. B. Anzeige von Leistungsstörungen, Aufforderung zur Vertragserfüllung, Mängelanzeigen usw.). Die Ausführungsänderungen hat 12
Ausschuss der Verbände und Kammern der Architekten und Ingenieure für die Honorarordnung e.V., Untersuchungen zum Leistungsbild, zur Honorierung und zur Beauftragung von Projektmanagementleistungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft 2. Auflage Januar 2004, Heft 9.
4
136
4 Bauwirtschaft und Management der Projektsteuerer auf die Qualitätsstandards nach Art und Umfang zu überprüfen. Darauf aufbauend sind Entscheidungshilfen bzw. Vorschläge zu formulieren. Das beinhaltet auch den Hinweis auf das rechtzeitige Hinzuziehen von Rechtsberatern, Fachingenieuren, Gutachtern usw. Über das Berichtswesen ist der Auftraggeber laufend zu informieren.
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Die von dem Objektplaner geprüften Abschlags-, Teilschluss- oder Schlussrechnungen auf ihre fachtechnische und rechnerische Richtigkeit sind auf vertragliche Konformität und Plausibilität zu prüfen. Dabei sind die Vorschriften aus dem Bauvertrag (z. B. Verfahrensweisen zur Einreichung von Rechnungen) zu beachten. Die eingereichten Nachtragsangebote sind aus technisch-wirtschaftlicher Sicht zu prüfen, insbesondere bzgl. der Änderung der Qualitätsstandards und damit die technischen Konsequenzen für andere Vergabeeinheiten. Die von dem Objektplaner geprüften Nachtragsangebote sind dem Grunde und der Höhe nach zu beurteilen. Gleichzeitig ist die finanzielle Deckung des Nachtragsangebotes zu bestätigen. Abschließend sind Entscheidungsvorlagen zu den Nachträgen zu erstellen. Zur Einhaltung der Terminziele ist der Ablauf zu steuern. Dafür sind die vorherzusehenden Terminverzüge aus Ablaufstörungen dem Auftraggeber rechtzeitig anzuzeigen. Die Gegenmaßnahmen sind mit dem Auftraggeber abzustimmen und ggf. zu veranlassen (z. B. Fälligstellung und Inverzugsetzung). Bei der Abnahme ist der Auftraggeber zu unterstützen. Hierfür sind die Voraussetzungen für die Abnahme (z. B. alle vertraglich vereinbarten Nachweise über bestimmte Eigenschaften der Baustoffe, besondere Prüfverfahren usw.) festzustellen. Der Auftraggeber bzw. Projektleiter ist für den Vollzug der Bauverträge verantwortlich. Dafür hat er die erforderlichen Maßnahmen durchzusetzen. Der Projektsteuerer unterstützt den Auftraggeber und trifft keine vertragsrelevanten Entscheidungen.
4.1.5 Zusammenfassung Den einzelnen Phasen der Vertragsbeziehung werden die Leistungsphasen des Objektplaners der Projektstufen des Projektsteuerers gegenüber gestellt. Die in den einzelnen Projekt-/Leistungsphasen festgelegten Leistungen haben allerdings dort ihre Grenzen, wo die Leistungen in den Leistungsbildern als zusätzliche Leistungen beschrieben werden. In Betracht kommt eine solche zusätzliche Leistung regelmäßig dann, wenn erhöhte, sei es über fehlende Fachkompetenz, über die reine Objektplanung und Projektsteuern hinausgehende Leistungen vorliegen. Die nachfolgende Abbildung 4.2 fasst die Unterschiede übersichtlich zusammen.
4.1 Vertragsmanagement als integrierter Teilbereich
137
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Abbildung 4.2: Abgrenzung des Vertragsmanagements von der Projektsteuerung und Objektplanung – am Beispiel der Bauvertragsbeziehung
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4 Bauwirtschaft und Management
4.2 Internetbasiertes Informations- und Managementsystem für die Bauausführung im Spezialtiefbau bearbeitet von Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Stavros A. Savidis und Dr.-Ing. Frank Rackwitz
4.2.1 Einleitung
4
Die Planung und Ausführung von Bauwerken wird maßgeblich durch den Umstand beeinflusst, dass es sich dabei fast immer um Prototypen handelt. Hierdurch unterscheiden sich Bauprozesse von den Gegebenheiten in der industriellen Fertigung. Selbst wenn das Bauwerk hinsichtlich der Abmessungen, Materialkompositionen und Bauart in vergleichbarer Weise bereits an anderem Ort errichtet wurde, so sind doch im Allgemeinen mindestens die natürlichen Randbedingungen stets unterschiedlich. Diese Randbedingungen können maßgeblichen Einfluss auf die Dimensionierung und die Wahl der Baustoffe sowie die Herstellungstechnologie haben. In besonderer Weise sind die Grundbauwerke, wie beispielsweise Tunnel oder Baugruben, sowie alle Bauwerksgründungen von der Variation der natürlichen Randbedingungen betroffen. Die Beschaffenheit des Baugrunds und die Art des oft anstehenden Grundwassers, d.h. ein freier oder gespannter Grundwasserleiter, beeinflussen wesentlich die Wahl der Gründungsart bzw. des Grundbauwerkes. Hinzu kommen zahlreiche weitere Randbedingungen, wie häufig vorhandene Nachbarbebauungen oder zu berücksichtigende dynamische Einwirkungen, die auch für den Entwurf und die Ausführung der Hochbaukonstruktionen von Bedeutung sind. Die Entwurfs- und Genehmigungsplanung eines Bauwerks erfolgt oft mit zu wenig Detailwissen gerade auch im Hinblick auf den Baugrund. Die anschließende Ausführungsplanung, bei der es insbesondere auf Details ankommt, muss dann sehr häufig „just-in-time“, d.h. baubegleitend, und unter großem Zeitdruck erfolgen. Besonders beim Bauen im Untergrund kann es dabei zu unliebsamen Überraschungen kommen, die gelegentlich auch zu Ausnahmezuständen, Havarien oder gar Katastrophen führen. Ein Beispiel einer Spezialtiefbaumaßnahme, die zu einer Katastrophe führte, ist die Tiefe Baugrube am Nicoll Highway in Singapur zur Herstellung eines Bahntunnels in offener Bauweise. Die Baugrube wurde außergewöhnlich tief, bis zu 33 m, in marinen Tonböden hergestellt. Als vertikale Umschließung kamen übliche Stahlbetonschlitzwände zum Einsatz, die in verschiedenen Ebenen durch Stahlprofile ausgesteift wurden. Die Herstellung der Baugrubensohle erfolgte im Düsenstrahlverfahren in zwei Lagen13. Am Nachmittag des 20. April 2004 versagte die Aussteifung der Schlitzwände, und infolgedessen kam es zu einem Einsturz der ca. 10 – 15 m breiten Baugrube auf ca. 110 m Länge (Abb. 4.3). Zu diesem Zeitpunkt war die Baugrube bis auf ca. 30 m Tiefe ausgehoben. Durch den massiven Bodeneintrag in die Baugrube hinein wurde auch der benachbarte Nicoll Highway in einem Teilbereich vollständig zerstört. Eine Gasrohrleitung wurde ebenfalls zerstört und verursachte eine Explosion und anschließendes Feuer. Insgesamt vier Personen verloren bei dieser Katastrophe ihr Leben. Wie so oft bei Havarien und Katastrophen, war die Ursache eine Verkettung vieler ungünstiger Umstände, Nachlässigkeiten und Fehler. Unter den maßgeblichen Ursachen, die zur Katastro13
vgl. Magnus, R.R.; Ing, T.C.; Ming, L.J. (2004), Interim Report on the Incident at the MRT Circle Line Worksite that Led to the Collapse of the Nicoll Highway on 20 April 2004, Singapore Ministry of Manpower, 21 pp.
4.2 Internetbasiertes Informationssystemen
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phe führten, werden schwerwiegende Fehler in der Kommunikation und im Management sowie fehlende und falsche Entscheidungen vor dem Eintritt der Havarie benannt.
4
Abbildung 4.3: Baugrube am Nicoll Highway in Singapur nach dem Einsturz am 20. April 200414
Die umfangreichen Spezialtiefbaumaßnahmen in Berlin, auf der größten Baustelle der Neunziger Jahre in Europa, zeigten ebenfalls, dass gerade beim Bauen im Untergrund auch bei unseren Verhältnissen Ausnahmesituationen auftreten können. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Undichtigkeiten in Wand- und Sohlenkonstruktionen der Trogbaugruben, in ihrem Ausmaß nicht mit dem Baugrubeneinsturz in Singapur vergleichbar. Die Beseitigung der Leckagen führte häufig zu längeren Ausführungszeiten und zusätzlichen Kosten. Ziel muss es daher sein, die Eintrittswahrscheinlichkeit für jegliche Ausnahmesituationen zu verringern, um einerseits die Sicherheit der am Bau Beteiligten zu gewährleisten, andererseits aber auch, um Bauzeitverlängerungen und steigende Baukosten zu vermeiden.
14
Quelle: http://www.channelnewsasia.com
140
4 Bauwirtschaft und Management
4.2.2 Informations- und Managementsystem für den Spezialtiefbau 4.2.2.1 Allgemeines Zur Minimierung der Eintrittswahrscheinlichkeit für Ausnahmesituationen bei der Bauausführung im Spezialtiefbau ist es erforderlich, dass die direkt beteiligten Fachleute zu jeder Zeit und in allen Bauphasen die notwendigen Informationen besitzen, um richtige und notwendige Entscheidungen kurzfristig treffen zu können – right information at right time in right place. Hierzu gehört insbesondere auch die genaue Kenntnis des aktuellen Zustands der Bauteile und des Bauwerkverhaltens bzw. der Boden-Bauwerk-Interaktion. Darüber hinaus sind kurze Kommunikationswege in Verbindung mit eindeutig festgelegten Zuständigkeiten von Bedeutung.
4
Abb. 4.4 stellt den Ablauf eines Projekts im Spezialtiefbau, wie beispielsweise die Herstellung eines Tunnels in offener Bauweise oder einer tiefen Baugrube in Trogbauweise, schematisch dar. Der wesentliche Unterschied zu allgemeinen Bauprojekten besteht in der Ausführungsphase, weil bei komplexen Spezialtiefbaumaßnahmen das Monitoring eine zunehmende Bedeutung besitzt15. Das Monitoring, d.h. die messtechnische Erfassung verschiedener physikalischer Größen während der Herstellungsprozesse und nach der Fertigstellung eines Grundbauwerks, ist der Kern der sog. Geotechnischen Beobachtungsmethode, die aufgrund ihrer wachsenden Bedeutung auch Eingang in die aktuelle Normung gefunden hat16.
Abbildung 4.4: Ablauf eines Spezialtiefbauprojekts von der Projektidee bis zum Nutzungsbeginn
15
16
vgl. Riedmüller, G.; Schubert, W.; Semprich, S. (Hrsg.): Beiträge zum 14. Christian Veder Kolloquium. Die Beobachtungsmethode in der Geotechnik. Konzeption und ausgewählte Beispiele. Technische Universität Graz, 1999, 246 S. vgl. DIN 1054: 2005-01: Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau. 118 S., Beuth Verlag.
4.2 Internetbasiertes Informationssystemen
141
Die Geotechnische Beobachtungsmethode umfasst die Überwachung und Kontrolle der Boden-Bauwerk-Wechselwirkung durch Messungen, beispielsweise von Kräften und Verformungen, im Boden und am Bauwerk. Ziel dieser Methode ist es, die Unsicherheiten und geotechnischen Unwägbarkeiten bei Planung und Entwurf während der Ausführungsphase erfassen und gesichert beurteilen zu können. Besonders bei komplexen und technisch anspruchsvollen Bauvorhaben sowie bei schwierigen Baugrundverhältnissen, wie durchlässigen nichtbindigen Böden mit hohem Grundwasserstand, ist dieses Monitoring unverzichtbar. Die unabhängige Messung verschiedener Messgrößen an unterschiedlichen Bauteilen und im Boden sowie deren anschließende, vorwiegend manuelle Auswertung und Beurteilung ist gegenwärtig Stand der Technik. Bei engen zeitlichen Vorgaben, wie sie heute bei nahezu allen Bauprojekten als Vertragsbestandteil vereinbart werden, hat eine schnelle Auswertung und eindeutige Interpretation der Messergebnisse eine besondere Bedeutung, um unmittelbare Entscheidungen treffen zu können. In der gegenwärtigen Baupraxis ist es üblich, die Monitoring-Daten zentral zu sammeln, auszuwerten, zu beurteilen und anschließend vorwiegend in Papierform zu archivieren. Vorhandene elektronische Daten bzw. Dateien werden lokal oder auf einem Dateiserver archiviert. Mit zunehmender Projektgröße wird jedoch der spätere gezielte Zugriff auf einzelne Daten problematisch, weil die Datenmenge stetig zunimmt und nur eine evt. zeitaufwändige manuelle Suche möglich ist.
4.2.2.2 Randbedingungen und Anforderungen an ein Informations- und Managementsystem für den Spezialtiefbau Die im Spezialtiefbau anfallenden großen Mengen an Zeichnungen, Herstellungsdaten der verschiedenen Bauteile sowie Daten von Kontroll- und Routinemessungen sind in geeigneter Weise, unter Verwendung eines Datenbanksystems, zu erfassen, zu aktualisieren, geeignet aufzubereiten und zu archivieren. Diese Dokumente und Daten bilden die Entscheidungsgrundlage für den Betriebsablauf auf Baustellen, für laufende Kontrollen im Rahmen der Qualitätssicherungsmaßnahmen und damit auch für vorbeugende Maßnahmen zur Abwendung von Ausnahmesituationen und Havarien. Die Daten sind für jeden Zugangsberechtigten zu jeder Zeit und von jedem Ort aus zugänglich vorzuhalten, wodurch eine vernetzkooperative Projektbearbeitung ermöglicht wird. Die Verwendung eines Datenbanksystems erleichtert das Auffinden der notwendigen Informationen in kürzestmöglicher Zeit. Diese Forderungen kann ein internetbasiertes Informations- und Managementsystem erfüllen, so dass jeder Nutzer unter ausschließlicher Verwendung eines Internetbrowsers zu jeder Zeit und von jedem Ort Zugang zu allen aktuell verfügbaren Projektinformationen erhält. Eine intuitiv bedienbare graphische Oberfläche, die wesentliche Elemente und Bauteile des Projekts visuell darstellt, ist wichtig, um den schnellen Zugang und das Auffinden der wichtigen Informationen zu unterstützen. Grundsätzlich wird ein derartiges System in der Praxis nur dann Anwendung finden, wenn der Arbeitsaufwand zur Dateneingabe und -pflege zu einem akzeptablen Kosten-Nutzen Verhältnis führt. In diesem Zusammenhang muss eine geeignete Beschreibungssprache (Ontologie) für die Datenobjekte und wesentlichen Informationen (Schlüsselinformationen) gefunden und eingeführt werden. Diese Ontologie ist so zu gestalten, dass projektspezifische Anpassungen auch während der Projektlaufzeit möglich sind. Ebenso sollte
4
142
4 Bauwirtschaft und Management eine leichte Anpassbarkeit und Übertragbarkeit des Systems auf neue Projekte möglich sein. Darüber hinaus sind grundlegende Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Dazu zählen einerseits zuverlässige Datensicherungsmöglichkeiten und andererseits Zugriffsbeschränkungen, um die Vertraulichkeit der im System enthaltenen Daten zu gewährleisten. Auch die Authentizität bzw. Unveränderbarkeit der Daten ist von praktischer Wichtigkeit. Zusammengefasst ergeben sich die folgenden Anforderungen an ein Informations- und Managementsystem für den Spezialtiefbau:
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• Zugriffsmöglichkeit auf alle wesentlichen Projektunterlagen (Baugrunddaten, Zeichnungen, Herstellungsdaten, Messdaten, Fotodokumentation) • Einbindung des Monitorings • Intuitive Bedienbarkeit des Systems • Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit • Interne und externe Zugangsmöglichkeiten zum System von beliebigem Ort • Projektspezifische leichte Anpassbarkeit • Sicherheitsrelevante Aspekte (Backup, Vertraulichkeit der Daten) • Rechtliche Aspekte (Unveränderbarkeit der Daten) Diese Anforderungen können den Komponenten Informations-, Kommunikations-, Monitoring- und Managementsystem zugeordnet werden. Nach der Festlegung der Systemanforderungen und zu beachtenden Randbedingungen sind geeignete theoretische Modelle zu wählen und zu implementieren.
4.2.2.3 Theoretische Modellierung und Implementierung Grundlage der Modellierung der entwickelten Informations- und Kooperationsplattform bildet ein hybrides, zweistufiges Informations-Managementsystem17. In der ersten, dokumentbasierten Stufe wird mit Hilfe von webbasierten Technologien ein semantisch beschriebenes, ressourcenbasiertes Informationsmanagement erstellt. Diese Informationsressourcen sind in ein System zu integrieren, welches das Auffinden von Informationen erleichtert und die Transparenz für die Nutzer steigert. In der zweiten Stufe wurde deshalb ein modellbasiertes Informationssystem für den Spezialtiefbau mit einer geeigneten Benutzerschnittstelle (Interface) entwickelt. In diesem Informationssystem werden die Schlüsselinformationen abgelegt. Als Interface dient ein Grafischer Navigator, der webbasiert allen intern und extern beteiligten Fachleuten und Entscheidungsträgern zeitgleich zur Verfügung steht. Der Grafische Navigator erlaubt zunächst einen schnellen Projektüberblick, besonders wichtig für nur zeitweise hinzu kommende Fachexperten. Das Auffinden von notwendigen Informationen wird dadurch ebenfalls beschleunigt. Vorhandene Präsentationsformen aus Plänen und Protokollen werden auf das Wesentliche reduziert.
17
vgl. Schley, F.; Brüggemann, B.M.; Holz, K.-P.; Rackwitz, F.; Savidis, S.A.: Multilevel Information Management between diverse Domain Models in Geotechnical Engineering. in: Rivard, H.; Miresco, E.; Melhem, H. (Hrsg.): Proceedings of the Joint International Conference on Computing and Decision Making in Civil and Building Engineering, Montreal, June 2006.
4.2 Internetbasiertes Informationssystemen
143
Das Informationsmodell besteht aus drei Komponenten zur Abbildung der Bauobjekte eines Bauprojekts, zur Abbildung der Ausführungsprozesse und zur Abbildung der Organisationsstrukturen. Komponentenübergreifende Beziehungen zwischen den Modellelementen kennzeichnen beispielsweise Verantwortlichkeiten für einzelne Bauobjekte oder deren zeitliche Gültigkeit oder bilden eine Verknüpfung von Bauaktivitäten, verantwortlichen Organisationseinheiten und zugehörigen Bauobjekten.
4
Abbildung 4.5: Modellmanagement und Informationstransfer zwischen den Fachmodellen17
Das Modellmanagement besteht aus einer Transferkomponente und einer Managementkomponente (Abb. 4.5). Die Managementkomponente verwaltet die Abhängigkeiten zwischen den modellbeschreibenden Elementen im Spezialtiefbaumodell und den externen Fachmodellen. Bei Ingenieurprojekten werden im Allgemeinen viele verschiedene Modelle angewendet, die jeweils eng abgesteckte Teilbereiche des gesamten Projekts aus unterschiedlichen Sichtweisen abbilden (z. B. Baugrundmodelle, Tragwerksmodelle, Terminplanmodelle, Monitoringmodelle etc.). Die praktische Umsetzung dieser verschiedenen Fachmodelle erfolgt durch spezielle Softwarelösungen, die meist parallel und unabhängig voneinander Anwendung finden. Erforderlich wird daher eine Transferkomponente, die als Zwischenschicht zwischen dem Spezialtiefbaumodell und den externen Fachmodellen dient. Der entwickelte Informationsmodelltyp für den Spezialtiefbau sowie die zugehörigen Werkzeuge zur Präsentation und Bearbeitung wurden in ihrer Grundfunktionalität vollständig in Java implementiert. Die zentrale Komponente bildet der Grafische Navigator. Er dient zur übersichtlichen Darstellung des Bauprojekts mit seinen wesentlichen Bauteilen und Bauobjekten in schematischer Form und ermöglicht dem Benutzer das schnelle Auffinden von Bauobjektinformationen und das Erkennen von räumlichen Zusammenhängen. Die zeitlichen Zusammenhänge werden im Navigator durch eine variable Zeitsteuerung auf Basis der (aktuellen) Modellzeit und einer einstellbaren Präsentationszeit dargestellt. Das Bauvorhaben ist dadurch in jedem beliebigen Planungs- und Fertigstellungszustand mit den jeweils aktuellen Bauobjekt-, Organisations- und Prozessinformationen einsehbar. Die Projektdokumentation ist eine auf dem Informationsmodell basierende Funktionalität des Navigators.
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4 Bauwirtschaft und Management
4.2.3 Praktisches Anwendungsbeispiel 4.2.3.1 Projektbeschreibung Der erste Praxiseinsatz des oben beschriebenen Informations- und Managementsystems erfolgte bei einem großen innerstädtischen Bauvorhaben im Zentrum von Berlin. Dabei handelte es sich um die Erstellung einer tiefen Baugrube in Trogbauweise für ein neues Shopping- und Freizeit-Center am Alexanderplatz mit bis zu vier Untergeschossen. Die Baugrube hatte eine Grundfläche von ca. 22.000 m2 und eine mittlere Länge von ca. 270 m. Sie wurde durch Dichtschotts in insgesamt vier Baufelder unterteilt. In einem der Baufelder betrug die Aushubtiefe ca. 17 m, in den übrigen Baufeldern jeweils ca. 14 m.
4
Der Baugrund ist durch stark wasserdurchlässige glaziale Fein- und Mittelsande gekennzeichnet. Die Lagerungsdichte ist bis ca. 10 m unter Geländeniveau locker bis mitteldicht. Mit weiter zunehmender Tiefe ist eine dichte Lagerung feststellbar. In Teilbereichen des gesamten Baufeldes wurden Geschiebemergel und Schluffeinlagerungen angetroffen. Zur wasserdichten Umschließung der Trogbaugrube wurden insgesamt ca. 750 m rückverankerte Stahlbetonschlitzwände mit Breiten von 60 und 80 cm ausgeführt. In Teilbereichen der Baugrube konnte keine Rückverankerung ausgeführt werden, weshalb eine Schrägabstützung in die Baugrube hinein erforderlich war. Die Sohlherstellung erfolgte im Düsenstrahlverfahren (HDI-Verfahren) als tiefliegende Dichtsohle. Aufgrund des in Berlin üblichen hohen Grundwasserstandes bei ca. 3 bis 4 m unter dem Geländeniveau wurde im tiefsten Baufeld zur Auftriebssicherung der Sohle eine Rückverankerung mit GEWI-Pfählen hergestellt. Abbildung 4.6 zeigt eine Teilansicht der Baugrube nach der Fertigstellung der Schlitz- und Dichtwände, während der Erdaushubarbeiten im tiefsten Baufeld (in Abb. 4.6 links). Erkennbar sind dort u.a. die Köpfe der Wandverankerung, ca. 4 m unter dem Geländeniveau und mit einem gegenseitigen horizontalen Abstand von ca. 1 m.
Abbildung 4.6: Teilansicht der Baugrube während der Erdaushubarbeiten im ersten Baufeld
4.2 Internetbasiertes Informationssystemen
145
Ein unweit gelegener S-Bahn Viadukt und ein darunter befindlicher U-Bahn Tunnel erforderten zusätzliche Monitoring-Maßnahmen zur Feststellung des Erschütterungseintrags von der Baustelle auf die Verkehrsbauwerke im Bestand, deren zulässige baubedingte Setzungen auf maximal 5 mm festgesetzt wurden.
4.2.3.2 Anwendung des Informations- und Managementsystems in der Bauausführung Die Praxiserprobung des internetbasierten Informations- und Managementsystems erfolgte in enger Abstimmung mit dem Praxispartner. Aufgrund enger zeitlicher Rahmenbedingungen und dem abzusehenden enormen Datenumfang aus dem Gesamtprojekt wurde für die erste Testphase die Beschränkung auf die Dokumentenmanagementkomponente vereinbart (Abb. 4.7). Neben Zeichnungen und Baugrunddaten wurden sämtliche Herstellungsprotokolle der Wände, Sohlen und Verankerungselemente mit einem Einzugscanner erfasst und im PDF-Datenformat in das Dokumentenmanagementsystem (DCMS) eingefügt. Nach einer zu Projektbeginn vereinbarten Ontologie erfolgte eine Vergabe von definierten Schlagworten zu jedem einzelnen Dokument. Dadurch wird das Auffinden von Dokumenten im Informationssystem erheblich vereinfacht. Die Messdaten von Grundwassermesspegeln außerhalb und innerhalb der Baufelder wurden als Tabellendateien vom Qualitätssicherungsingenieur des Praxispartners direkt in das System eingefügt und laufend aktualisiert. Alle weiteren Messdaten aus dem geotechnischen Monitoring, wie beispielsweise von Inklinometermessungen der horizontalen Wandverformungen und aus Ankerkraftmessungen, wurden im PDF-Datenformat integriert. Die Authentizität der vertragsrelevanten Daten wurde auf diese Weise sichergestellt. Während der Bauausführung neu gewonnene Baugrunddaten, z. B. aus Sondierungen in den einzelnen Baufeldern, wurden ebenfalls als PDF-Dokumente in das System eingefügt.
Abbildung 4.7: Dokumentmanagementsystem als Bestandteil des Informationssystems
Die Terminplanfunktionalität des Informations- und Managementsystems wurde bei diesem ersten Praxistest nicht eingesetzt. Deshalb lieferte der Grafische Navigator zwar den geometrischen Bezug der Bauteile zum Gesamtprojekt und die Lage der Messquerschnitte sowie die Darstellung des aktuellen Ausführungsstands, der mögliche zeitliche Soll-Ist-Vergleich der
4
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4 Bauwirtschaft und Management Ausführungszeiten wurde jedoch in diesem Projekt noch nicht genutzt. Abb. 4.8 gibt in Form eines Screenshots einen kleinen Überblick zum Informationsgehalt des mit den Projektdaten bestückten Informations- und Mangementsystems.
4
Abbildung 4.8: Internetbasierte Informationsplattform für eine tiefe Baugrube in Berlin
Die aktive und passive Nutzung des Systems erfordert jeweils nur die Zugangsmöglichkeit zum Internet und einen beliebigen Webbrowser sowie das Herunterladen und die Installation der Java Runtime Environment (JRE), in der für die Implementierung verwendeten Version, auf dem lokalen Rechner.
4.2.3.3 Erfahrungen aus dem Praxiseinsatz Die Einweisung und Einarbeitung in das internetbasierte Informations- und Managementsystem erwies sich als reibungslos und zügig, weil eine intuitive Bedienbarkeit des Systems gegeben ist. Während der ca. sechsmonatigen Projektlaufzeit erfolgten daher sowohl regelmäßige interne Systemzugriffe durch die Projektbeteiligten, aber auch externe Zugriffe durch zeitweise hinzugezogene Fachexperten. Die Evaluierung unter Einbeziehung der externen Benutzer zeigte eine eindeutig positive Resonanz und Akzeptanz des Systems. In Abb. 4.9 ist die Anzahl der im Zeitraum von fünf Monaten jeweils monatlich hinzugefügten Herstellungsprotokolle der Schlitzwände, der Düsenstrahlsohle (HDI) sowie der Verankerung dargestellt.
4.2 Internetbasiertes Informationssystemen
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4
Abbildung 4.9: Anzahl der Dokumente zu Herstellungsvorgängen im Informationssystem
Insgesamt mehr als 8.500 Dokumente und Dateien waren am Ende des Projekts im System enthalten. Zwischenzeitlich erforderte die enorme Datenmenge eine Hardwareerweiterung des Systemservers, was sich durch zunehmende Zugriffszeiten und Systeminstabilitäten ankündigte. Praktisch genutzt wurde das System auch im Zusammenhang mit der Identifikation möglicher Herstellungsabweichungen und der sich daraus ergebenden Konsequenzen. Ein kritischer Ausnahmefall ist während der Testphase nicht eingetreten. Von allen Beteiligten aus der Praxis wurden dennoch, oder auch gerade deshalb die Vorteile des Systems erkannt, weil Ausnahmesituationen durch eine umfassende Abbildung der aktuellen Bauzustände und Verfügbarkeit der relevanten Informationen vermeidbar sind. Mit verhältnismäßig geringem personellen und zeitlichen Aufwand und bei zunächst nur eingeschränkter Anwendung der Systemfunktionalitäten konnten in verschiedenen Situationen Nutzeffekte aus der Anwendung des Systems gezogen werden. Insbesondere auch nach dem Abschluss der Bauausführung erwies sich das Dokumentenarchiv des Systems als sehr zweckmäßig und nützlich.
4.2.4 Schlussfolgerungen und Ausblick Die in ihrer technischen Komplexität stetig anspruchsvoller werdenden Spezialtiefbauprojekte, die darüber hinaus in immer kürzeren Zeiträumen realisiert werden müssen, verlangen nach einer geeigneten Unterstützung zur Abbildung der wesentlichen Projektinformationen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit für Ausnahmesituationen während der Bauausführung lässt sich reduzieren, wenn jederzeit allen am Projekt Beteiligten und Verantwortlichen die für notwendige Entscheidungen relevanten Informationen schnell und in übersichtlicher Form zur Verfügung stehen. Hierfür eignet sich ein internetbasiertes Informations- und RessourcenManagementsystem.
148
4 Bauwirtschaft und Management Im Rahmen einer ersten Praxiserprobung wurden insgesamt mehr als 8.500 Dokumente aus einem Spezialtiefbauprojekt im Informations- und Managementsystem sukzessive erfasst und verwaltet. Gegenstand des Bauvorhabens war die Herstellung einer technisch sehr anspruchsvollen, ca. 22.000 m2 großen Trogbaugrube, bestehend aus 4 Teilbaufeldern mit Aushubtiefen von bis zu 17 m. Das Informations- und Managementsystem wurde sowohl von internen als auch von externen Projektbeteiligten genutzt und positiv evaluiert. Diese ersten Erfahrungen zeigen eine Akzeptanz und einen Nutzen des Systems in der Baupraxis. Die Weiterentwicklung des Informations- und Managementsystems orientiert sich daher an den Anforderungen aus der Praxis, beispielsweise zur Sicherstellung der Authentizität aller Daten und zur direkten Einbindung der Monitoring-Elemente.
4 4.2.5 Danksagung Wesentliche Teile des in diesem Beitrag vorgestellten internetbasierten Informations- und Managementsystems für den Spezialtiefbau sowie die Ergebnisse des Praxiseinsatzes entstanden im Rahmen des Teilprojekts „Berücksichtigung von Ausnahmefällen bei der kooperativen Bearbeitung von Projekten des Konstruktiven Tiefbaus“ im Schwerpunktprogramm SPP 1103 „Vernetzt-kooperative Planungsprozesse im Konstruktiven Ingenieurbau“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Der DFG wird für die Förderung dieser Arbeiten sehr gedankt. Ein weiterer Dank geht an Herrn Professor Dr.-Ing. habil. K.-P. Holz, Lehrstuhl für Bauinformatik, Brandenburgische Technische Universität Cottbus, für die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit in diesem Teilprojekt des SPP 1103. Für die bereitwillige und engagierte Kooperation bei der Praxiserprobung wird Herrn Dipl.-Ing. T. Schröder, Züblin Spezialtiefbau GmbH, Niederlassung Nord, Berlin, besonders gedankt.
4.3 Die generalisierte Wegalgebra als Werkzeug des Computational Management im Bauwesen bearbeitet von em. o. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Jan Pahl
4.3.1 Computational Management Das Management im Bauwesen befasst sich mit drei grundlegend verschiedenen Informationsmengen. Die erste Menge umfasst die Beschreibung der betrachteten Anlagen, Projekte und Organisationen in Modellen; die zweite Menge umfasst die Beschreibung der Prozesse, die im Zusammenhang mit den Anlagen, Projekten und Organisationen stattfinden; die dritte Menge umfasst die Beschreibung der Prozesse für das Management der Prozesse der zweiten Menge. Diese drei Mengen werden im Folgenden als Substanzinformation, Prozessinformation und Managementinformation bezeichnet. Die Leistungsfähigkeit der Rechner und Rechnernetze hat neue Randbedingungen für das Management im Bauwesen geschaffen. Die Substanzinformation wird in umfangreiche Mengen von Objekten mit ihren Relationen zerlegt, im Rechner gespeichert und dort bearbeitet. Die Prozess- und Managementinformation wird in eine große Anzahl von Aktivitäten mit vielseitigen Beziehungen zerlegt und im Rechner mit Objekten und ihren Attributen beschrieben. Die zahlreichen, bei der Durchführung dieser Aktivitäten eintretenden Ereignisse können ebenfalls im Rechner als Objekte festgehalten und hinsichtlich ihrer Beziehungen und Auswirkungen analysiert werden. So kommt es zu einer feinteiligen Abbildung der drei Informationsmengen, die vor Einführung des Rechners in die Baupraxis nicht möglich war.
4.3 Die generalisierte Wegalgebra
149
Der Umfang und die Komplexität der Informationsmengen des Bauwesens erfordern ihre Strukturierung auf einer systematischen Grundlage. Ziel der Strukturierung ist die Ordnung der Informationsobjekte und das Aufzeigen von Zusammenhängen zwischen den Objekten. Wichtigstes Hilfsmittel für diese Strukturierung ist die Relationale Algebra, ein seit langem etablierter Bereich der Mathematik. Mit der Einführung der relationalen Algebra erhält das Management im Bauwesen eine in der Mathematik verankerte wissenschaftliche Grundlage, die mit der traditionell starken Grundlage der Fachgebiete mit physikalischer Aufgabenstellung im Bereich der Differential- und Integralrechnung vergleichbar ist. Eine bekannte Form der relationalen Algebra ist die Graphentheorie, die durch ihre Anschaulichkeit besticht. Obwohl rechnerintern die Matrixform der relationalen Algebra genutzt wird, werden die Methoden des Computational Management vorwiegend mit der Graphentheorie formuliert und erst bei der Implementierung im Rechner auf die Matrixform umgestellt. Beispiele für Teilgebiete des Computational Management, die mit der Graphentheorie formuliert werden, sind die Petri Netze, das Workflow Management und die Wegalgebren. Das Bauwesen ist nicht deterministisch. Neben den Relationen ist daher die Stochastik eine wichtige theoretische Grundlage des Managements im Bauwesen. Mit Hilfe der Stochastik werden statistische Kennwerte und Methoden entwickelt, die das Urteil des Ingenieurs in der Sicherheitstheorie und Entscheidungstheorie unterstützen. Deterministische Prozesse werden zum Teil durch stochastische Prozesse ersetzt. Die für stochastische Betrachtungen üblichen großen Datenmengen können nur durch den effizienten Einsatz des Computers und der Computernetze gesammelt, strukturiert, verwaltet und genutzt werden. Die erweiterte theoretische Grundlage des Managements im Bauwesen wird durch die Entwicklung leistungsfähiger Software nutzbar gemacht. In dieser Software werden die theoretischen Methoden mit Datenbasen, Algorithmen und Anwenderoberflächen der Baupraxis zur Verfügung gestellt. Die Entwicklung der rechner-orientierten theoretischen Grundlagen des Managements im Bauwesen sowie ihre Umsetzung in nützliche Software für Computer und Computernetze sind die Aufgaben der Disziplin Computational Management. Das Computational Management befasst sich mit der systematischen Abbildung der Informationsmengen des Bauwesens auf Modelle im Computer. In diesen Modellen wird die Aufgabe abgebildet, deren Ablauf durch das Management gesteuert wird, ebenso der Managementprozess mit seinen Aktivitäten, Entscheidungen und Kontrollen. Mit dem Modell werden Prognosen des Ablaufs der behandelten Aufgabe und ihres Managements erstellt, beurteilt und optimiert. Der tatsächliche Ablauf der Durchführung der Aufgabe und ihres Managements in der Baupraxis wird mit Hilfe des Computers erfasst und protokolliert. Die Güte des Managements wird durch quantitativen Vergleich von Prognose und Realität beurteilt. Der Ablauf des Managements wird den Ergebnissen entsprechend modifiziert. Die Vielfalt und die Komplexität der heutigen Aufgaben des Bauwesens und ihres Managements sowie die hohen Kosten der Entwicklung, Einführung und Wartung von Software erlauben es nicht, die Unterstützung des Managements durch den Computer mit Einzellösungen zu betreiben. Die für Handrechnung entwickelten speziellen Methoden sind daher für den Computereinsatz im Management unzweckmäßig. Gefordert werden stattdessen generalisierte Theorien, die als allgemeine Anwendungen auf dem Computer implementiert werden und so flexibel sind, dass sie den Anforderungen der Projekte, Organisationen und Unternehmen im Einzelfall gut angepasst werden können. Als Beispiel wird im Folgenden eine Generalisierung der Theorie der Wegalgebren behandelt.
4
150
4 Bauwirtschaft und Management
4.3.2 Mathematische Grundlagen 4.3.2.1 Aufgabenstellung Gegeben seien ein gerichteter Graphen G: = ( M ; R) mit einer Knotenmenge M und einer binären Relation R ⊆ M × M . Die Elemente x ∈ M werden als Knoten des Graphen dargestellt, die Elemente ( x, y ) ∈ R als gerichtete Kanten von Knoten x nach Knoten y.
4
Jede Kante des Graphen G sei mit einem Element z ∈ Z bewertet. Die Menge Z enthält je nach Aufgabentyp boolesche, reelle oder literale Werte. Eine Algebra zur Bestimmung von Wegen zwischen zwei Knoten des Graphen, die zu einem Extremalwert einer gegebenen Funktion der Kantenwerte führen, heißt eine Wegalgebra. Wegalgebren können beispielsweise zur Lösung der folgenden Aufgaben entwickelt werden. Die Aufgaben (a) und (b) der aufgezählten Punkte führen zu identischen mathematischen Modellen. Abhängigkeit: (a) Bestimme, ob ein Ereignis eines Prozesses von einem anderen Ereignis des Prozesses abhängig ist. (b) Bestimme, ob es im Graphen einen Weg von Knoten x nach Knoten y gibt. Aufwand: (a) Bestimme den geringsten Zeitbedarf für einen Prozess, der von einem gegebenen Zustand x zu einem gegebenen Zustand y führt. (b) Bestimme im Graphen die minimale Weglänge von einem gegebenen Knoten x nach einem gegebenen Knoten y. Reihenfolge: (a) Bestimme die Reihenfolge der Operationen eines Prozesses, welcher eine Datenbasis aktualisiert. (b) Bestimme in einem zyklenfreien Graphen die maximale Weglänge von einem gegebenen Knoten x nach einem gegebenen Knoten y. Sicherheit: (a) Bestimme diejenige Konfiguration eines Tragwerks, welche den größten Sicherheitsbeiwert besitzt. (b) Bestimme im Graphen den Weg mit der höchsten Zuverlässigkeit von einem gegebenen Knoten x nach einem gegebenen Knoten y. Kapazität: (a) Bestimme diejenige serielle Anordnung gegebener Bauteile, welche die Tragfähigkeit eines Bauwerks maximiert. (b) Bestimme im Graphen den Weg mit der höchsten Kapazität von einem gegebenen Knoten x nach einem gegebenen Knoten y. Änderung: (a) Bestimme alle Objekte, die bei einer Aktualisierung einer Datenbasis zu berücksichtigen sind. (b) Bestimme im Graphen alle Kanten, die auf mindestens einem Weg von einem gegebenen Knoten x zu einem gegebenen Knoten y liegen. Engpass: (a) Bestimme alle Bauteile, deren individuelles Versagen zum Versagen des Bauwerks führt. (b) Bestimme im Graphen alle Kanten, die auf jedem der Wege von einem gegebenen Knoten x nach einem gegebenen Knoten y liegen. Wiederholung: (a) Vermeide die Wiederholung einer Operation bei der Ausführung einer Aufgabe. (b) Bestimme alle Wege von einem gegebenen Knoten x nach einem gegebenen Knoten y, die keine Kante häufiger als einmal enthalten. Die erste Aufgabe ist eine boolesche Wegalgebra, die folgenden vier sind reell, die letzten drei sind literal. Es stellt sich nun die Frage, ob für jede dieser Aufgaben eine eigene Algebra erforderlich ist. Im Folgenden ist gezeigt, dass es eine generalisierte Wegalgebra gibt, welche die aufgezählten Beispiele als Sonderfälle enthält. Vorbereitend werden zunächst die mathematischen Grundlagen [1] zusammengestellt.
151
4.3 Die generalisierte Wegalgebra
4.3.2.2 Mathematische Eigenschaften gerichteter Graphen Definitionen: Gegeben seien eine Menge M und eine binäre Relation R ⊆ M × M . Dann heißt das Gebilde G = ( M ; R ) gerichteter Graph. Die Relation R wird mit einer booleschen Matrix R dargestellt, deren Element (i, k) wahr ist, wenn das Paar (m[i], m[k]) in R enthalten ist. Spezielle Graphen besitzen spezielle Relationen: die Nullrelation 0, die Identitätsrelation I oder die Allrelation E. Zwei Graphen G = ( M ; R ) und H = (Q; S ) heißen gleich, wenn ihre Basismengen gleich sind und ihre Relationen gleich sind. G = H → ( M ; R ) = (Q; S ) → M = Q ∧ R = S
(1)
Der Graph H heißt in dem Graphen G enthalten, wenn Basismenge Q in M und Relation S in R enthalten ist: H ⊆ G → (Q; S ) ⊆ ( M ; R) → Q ⊆ M ∧ S ⊆ R
(2)
Die Eigenschaften antireflexiv, symmetrisch, antisymmetrisch und asymmetrisch eines Graphen werden durch die entsprechenden Eigenschaften seiner Relation bestimmt. Transponierter Graph: Der Graph ( M ; R T ) heißt der transponierte Graph von G: = ( M ; R) , wenn R T die Transponierte von R ist, und wird mit G T bezeichnet. R T = {( y, x) ∈ M × M | ( x, y ) ∈ M × M }
(3)
R = [rim ] ⇔ R T = [rmi ]
Komplement eines Graphen: Der Graph ( M ; R ) heißt das Komplement des Graphen G: = ( M ; R) , wenn R das Komplement von R ist, und wird mit G bezeichnet. R: = {( x, y ) ∈ M × M | ( x, y ) ∉ R}
(4)
R = [rim ] ⇔ R = [¬rim ]
Durchschnitt zweier Graphen: Der Graph ( M ∩ Q; R ∩ S ) heißt Durchschnitt der Graphen G und H und wird mit G ∩ H bezeichnet. M ∩ Q := {x | x ∈ M ∧ x ∈ Q}
(5)
R ∩ S : = {( x, y ) | ( x, y ) ∈ R ∧ ( x, y ) ∈ S} R ∩ S: = [rim ∧ sim ]
Vereinigung zweier Graphen: Der Graph ( M ∪ Q; R ∪ S ) heißt Vereinigung der Graphen G und H und wird mit G ∪ H bezeichnet. M ∪ Q := {x | x ∈ M ∨ x ∈ Q}
(6)
R ∪ S : = {( x, y ) | ( x, y ) ∈ R ∨ ( x, y ) ∈ S} R ∪ S: = [rim ∨ sim ]
Differenz zweier Graphen: Der Graph ( M − Q; R − S ) heißt Differenz der Graphen G und H und wird mit G − H bezeichnet. M − Q: = {x | x ∈ M ∧ x ∉ Q} R − S: = {( x, y ) | ( x, y ) ∈ R ∧ ( x, y ) ∉ S} R − S: = [rim ∧ (¬sim )]
(7)
4
152
4 Bauwirtschaft und Management Produkt zweier Graphen: Der Graph ( M ; R D S ) heißt Produkt der Graphen G = ( M ; R ) und H = ( M ; S ) , wenn R D S das Produkt der Relationen ist, und wird mit G D H bezeichnet. M − Q: = {x | x ∈ M ∧ x ∉ Q}
(8)
R D S : = {( x, z ) | ∀y ∈ M : ( x, y ) ∈ R ∧ ( y, z ) ∈ S} R D S: = [∀k : rik ∧ skm ]
4
Induzierte Relation: Gegeben seien Mengen A und B, eine Abbildung F : A → B und eine Relation RA ⊆ A × A. . Eine Teilmenge RB ⊆ B × B , die für jedes Element (a1 , a2 ) ∈ RA das Bildpaar ( F (a1 ), F (a2 )) enthält, heißt die von RA und F auf B induzierte Relation. RB : = {(b1 , b2 ) ∈ B × B | ((a1 , a2 ) ∈ A × A ∧ (a1 , b1 ) ∈ F ∧ (a2 , b2 ) ∈ F }
(9)
RB = F T D RA D F
Abbildung eines Graphen: Gegeben seien ein Graph G: = ( A; RA ) und eine Abbildung F : A → B. Der Graph ( B; RB ) heißt das Bild des Graphen G unter der Abbildung F, wenn B das Bild von A und RB die von RA und F auf B induzierte Relation ist. Homomorphe Abbildung eines Graphen: Gegeben seien die Graphen ( A; RA ) und ( B; RB ) sowie eine Abbildung F : A → B. Die Abbildung F heißt homomorph (strukturerhaltend), wenn RB für jedes (a1 , a2 ) ∈ RA das Bildelement (b1 , b2 ) mit bi = F (ai ) enthält. F : A → B ist homomorph
:⇔ ∀a1 , a2 : (a1 , a2 ) ∈ RA (b1 , b2 ) ∈ RB
(10)
:⇔ F T D RA D F ⊆ RB
Isomorphe Abbildung eines Graphen: Gegeben seien die Graphen ( A; RA ) und ( B; RB ) sowie eine Abbildung F : A → B. Die Abbildung F heißt isomorph, wenn sie bijektiv ist und sowohl F als auch FT homomorph sind. F : A → B ist isomorph
:⇔ RA = F D RB D F T
(11)
:⇔ RB = F T D RA D F
4.3.2.3 Wegmengen In der Wegalgebra werden Wegmengen behandelt. Daher werden im Folgenden die mathematischen Eigenschaften von Wegmengen zusammengestellt. Weg: Eine Abbildung f : N → R mit N = {1,..., n} heißt ein Weg mit den gerichteten Kanten (ai , ei ) im Graphen ( A; R ), wenn für i = 1,..., n − 1 der Endknoten ei der Kante i gleich dem Anfangsknoten ai+1 der Kante i + 1 ist. Der Weg heißt geschlossen, wenn a1 = en . Die Anzahl n der Elemente in N heißt die Weglänge. f :N →R
mit
f (i ) = (ai , ei ) ∧ N = {1, 2,..., n}
ei = ai+1
für i ∈ {1, 2,..., n − 1}
(12)
Kantenbezeichnung: Jede Kante eines gerichteten Graphen wird mit einem eindeutigen Zeichen a eines Alphabets A bezeichnet. Enthält ein Weg mehr als eine Kante von Knoten mi nach Knoten mk , so besitzen diese die gleiche Bezeichnung. Enthalten mehrere Wege dieselbe Kante, so besitzt die Kante in allen Wegen dieselbe Bezeichnung.
153
4.3 Die generalisierte Wegalgebra a ∈ A ∧ A: = {ai | ai ist ein Zeichen}
(13)
Wegbezeichnung: Eine Abbildung s : N → A mit N = {1,..., n} heißt Wort und wird mit w bezeichnet. Die Wortlänge ist n. Ein Wort ohne Zeichen heißt Leerwort und wird mit Ȝ bezeichnet. Die Menge aller Worte einschließlich Ȝ wird mit A bezeichnet. Jeder Weg in einem Graphen wird mit dem Wort bezeichnet, das aus den Bezeichnungen der Kanten des Weges gebildet wird. Dabei ist die Reihenfolge der Kanten einzuhalten. w ∈ A ∧ A: = {wi | wi ist ein Wort oder das Leerwort λ}
(14)
Kettung von Wegen: In einem Graphen ( A; R ) seien die Wege f : M → R und g : N → R mit M = {1,..., m} und N = {1,..., n} gegeben. Der Endknoten des Weges f sei gleich dem Anfangsknoten des Weges g. Die Kettung h : H → R der Wege f und g wird mit f D g bezeichnet und gebildet, indem der Weg g wie folgt an den Weg f angeschlossen wird: h:J → R
mit
h( j ) = ( a j , e j )
j ≤ m:
h( j ) =
f ( j)
j > m:
h( j ) = g ( j − m)
(15)
Wegmenge: Die Menge aller Wege von Knoten mi nach Knoten mk in einem gegebenen Graphen ( M ; R) heißt die vollständige Wegmenge von mi nach mk und wird mit Wik bezeichnet. Jede Teilmenge von Wik heißt Wegmenge von mi nach mk und wird mit Aik bezeichnet. Die Menge aller Wegmengen, die aus Wik gebildet werden können, heißt Potenzwegmenge von mi nach mk und wird mit P (Wik ) bezeichnet. Ein leerer Weg (Schlinge von Knoten k nach Knoten k) wird mit dem Leerwort Ȝ bezeichnet. Eine leere Wegmenge wird mit 0 w bezeichnet. Eine Wegmenge, die nur den leeren Weg Ȝ enthält, wird mit 1W bezeichnet. Eine Wegmenge, die genau einen Weg enthält, der aus einer Kante besteht, heißt elementare Wegmenge und wird mit Aik bezeichnet. Wegmengenmatrix: Gegeben sei ein Graph mit n Knoten. Eine quadratische Matrix der Dimension n, deren Koeffizienten Wegmengen des Graphen sind, heißt Wegmengenmatrix und wird mit A bezeichnet. Folgende Belegungen von A sind zulässig: A: = [aik ]
(16)
Elemente aii :
0W ∨ 1W ∨ Aii ∨ Wii
Elemente aik :
0W ∨ Aik ∨ Aik ∨ Wik
Spezielle Wegmengenmatrizen werden wie folgt bezeichnet: Elementare Wegmengenmatrix:
A = [diagonal 0w oder 1W , sonst Aik oder 0 W ]
Null − Wegmengenmatrix:
0 W = [0W ]
Eins − Wegmengenmatrix:
1W = [diagonal 1W , sonst0W ]
(17)
Vereinigung von Wegmengen: Gegeben seien die Wegmengen Aik , Bik ∈ P(Wik ). Die Wegmenge Cik ∈ P (Wik ) heißt Vereinigung von Aik und Bik , wenn Cik jeden Weg w enthält, der in Aik oder Bik enthalten ist, und wird mit Aik ∪ Bik bezeichnet. Cik = Aik ∪ Bik : = {w ∈ Aik ∨ w ∈ Bik }
(18)
4
154
4 Bauwirtschaft und Management idempotent kommutativ assoziativ neutrales Element 0W
Aik ∪ Aik = Aik Aik ∪ Bik = Bik ∪ Aik ( Aik ∪ Bik ) ∪ Cik = Aik ∪ ( Bik ∪ Cik ) Aik ∪ 0 W = Aik
Kettung von Wegmengen: Gegeben seien Wegmengen Aik ∈ P(Wik ) und Bkm ∈ P(Wkm ). Die Wegmenge Cim ∈ P (Wim ) heißt Kettung von Aik und Bkm , wenn Cim jeden Weg enthält, der durch Kettung eines Weges x ∈ Aik mit einem Weg y ∈ Bkm gebildet wird. Die Kettung von Aik und Bkm wird mit Aik D Bkm bezeichnet.
4
Cim = Aik D Bkm : = {x D y | x ∈ Aik ∧ y ∈ Bkm } assoziativ neutrales Element 1W = {λ} invariantes Element 0W = { }
(19)
( Aik D Bkm ) D Cmn = Aik D ( Bkm D Cmn ) 1W D Aik = Aik 0 W D Aik = 0 W
Vereinigung von Wegmengenmatrizen: Die Vereinigung A ∪ B der Wegmengenmatrizen A und B enthält für jedes Knotenpaar (i, k) die Vereinigung der Wegmengen Aik und Bik : A ∪ B = [ Aik ∪ Bik ]
(20)
Kettung von Wegmengenmatrizen: Die Kettung A D B der Wegmengenmatrizen A und B enthält für jedes Knotenpaar (i, k) jeden Weg, der durch Kettung einer Wegmenge Aik mit einer Wegmenge Bkm gebildet werden kann:
*
AD B = [
Aik D Bkm ]
(21)
k
Hülle der elementaren Wegmengenmatrix: Gegeben sei die elementare Wegmengenmatrix A eines gerichteten Graphen. Die Potenz A m enthält für jedes Knotenpaar (i, k) die Wege der Länge m von Knoten i nach Knoten k. Die Potenz A0 ist die Identitätsmatrix I w . Die Hülle AH des Graphen enthält für jedes Knotenpaar (i, k) jeden Weg von Knoten i nach Knoten k: AH : = I W ∪ A ∪ A 2 ∪ ...
(22)
Stabile Wegmengenmatrix: Eine elementare Wegmengenmatrix A heißt stabil, wenn es einen Stabilitätsindex s gibt, sodass die Vereinigung von W = I W ∪ A ∪ ... ∪ As mit As +1 gleich W ist. Die Hülle einer stabilen Wegmengenmatrix ist: AH = I W ∪ A ∪ ... ∪ As
(23)
Die Wegmengenmatrix eines azyklischen Graphen mit n Knoten ist stabil. Ihr Stabilitätsindex ist kleiner als n, da die maximale Weglänge n – 1 ist. Die Wegmengenmatrix eines zyklischen Graphen ist instabil, da der Zyklus beliebig oft durchlaufen werden kann. Spaltenweise Bestimmung der Hülle: Die Spalte k der Hülle AH eines Graphen enthält die vollständigen Wegmengen von den Knoten 1,…,n nach Knoten k. Diese Spalte wird mit x bezeichnet. Der Identitätsvektor mit der Einsmenge 1W in Zeile k wird mit ek bezeichnet. Ist AH bekannt, so folgt x aus der Gleichung x = AH D ek
(24)
Zur Bestimmung von x wird (24) wie folgt transformiert. Die Lösung der Gleichung (25) wird in Abschnitt 4 behandelt.
155
4.3 Die generalisierte Wegalgebra AH = I W ∪ A D ( I W ∪ A ∪ A 2 ∪ ...) = A D A ∪ I W x = ( A D A ∪ I W ) D ek = A D ( A D ek ) ∪ I W D ek x
= A D x ∪ ek
(25)
4.3.2.4 Bewertung von Wegmengen Bewertete Wegmenge: Für ein Knotenpaar (i, k) sei die vollständige Wegmenge Wik gegeben. Die Wegmenge heißt bewertet, wenn es eine Abbildung f : P (Wik ) → Z gibt, die jeder Wegmenge Aik ∈ P (Wik ) einen Wert zik ∈ Z zuordnet. Der Nullmenge 0 W wird das Nullelement 0 Z zugeordnet, der Einsmenge 1W das Einselement 1Z. Abbildung
f : P(Wik ) → Z mit f ( Aik ) = zik
Nullelement
f (0 W ) = 0Z
Einselement
f (1W ) = 1Z
(26)
Verknüpfung von Bewertungen: In der Wertmenge Z sind die Vereinigung ∪ und die Kettung D definiert. Die Verknüpfungsregeln sind vom Typ der Wegalgebra abhängig und sind in Abschnitt 3 behandelt. Vereinigung der Bewertungen xik , yik ∈ Z : Kettung der Bewertungen xik , ykm ∈ Z :
xik ∪ yik xik D ykm
(27)
Homomorphe Abbildung von Wegmengen auf Bewertungen: Die Abbildung f : P(Wik ) → Z ist homomorph, wenn das Bild der Verknüpfungen zweier Wegmengen gleich der Verknüpfung der Bilder der Wegmengen ist: f ( Aik ∪ Bik ) = f ( Aik ) ∪ f ( Bik )
(28)
f ( Aik D Bik ) = f ( Aik ) D f ( Bik )
Für eine homomorphe Abbildung f kann die Bewertung einer Verknüpfung zweier Wegmengen folglich bestimmt werden, ohne dass die Verknüpfungen der Wegmengen explizit bestimmt werden. Diese Eigenschaft ist für die Wegalgebra von großer Bedeutung. Cik = Aik ∪ Bik zik = xik ∪ yik
(29)
Cim = Aik D Bkm zik = xik D ykm mit f ( Aik ) = xik , f ( Bik ) = yik , f (Cik ) = zik ,
Verknüpfungen einer Wegalgebra: Die Eigenschaften der Verknüpfungen ∪ und D für Wegmengen sind in Abschnitt 2.3 beschrieben. Da die Abbildung f homomorph ist, müssen die Verknüpfungen ∪ und D in der Wertmenge Z dieselben Eigenschaften besitzen. Das Gebilde ( Z ; ∪, D) heißt daher eine Wegalgebra, wenn die Verknüpfungen in Z folgende Eigenschaften besitzen: Vereinigung ∪ Kettung D Distributiv
idempotent, assoziativ, kommutativ neutrales Element 0z assoziativ invariantes Element 0 Z , neutrales Element 1Z x D ( y ∪ z) = ( x D y) ∪ ( x D z) ( x ∪ y) D z = ( x D z) ∪ ( y D z)
4
156
4 Bauwirtschaft und Management
4.3.2.5 Wegalgebra Die in den vorangehenden Abschnitten definierten Begriffe werden im Folgenden zu einer einheitlichen Definition der Wegalgebra für die in Abschnitt 2.1 aufgezählten Aufgaben eingesetzt. Die verschiedenen Algebren unterscheiden sich insbesondere in der Definition ihrer Bewertungsmengen und Verknüpfungen, die aufgabenspezifisch sind. Von besonderer Bedeutung sind die Null- und Einselemente und die Verknüpfungen für diese Elemente.
4.3.2.6 Boolesche Wegalgebra
4
Aufgabe: Für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) ist zu untersuchen, ob es einen Weg von Knoten i nach Knoten k gibt. Bewertungsmenge: Definiere Z : = {0,1} mit den booleschen Konstanten 0 und 1. Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist: f (0W ) = 0 Z
= 0
f (1W ) = 1Z f ( Aik ) = zik
= 1 = 1
(30) für
Aik ≠ 0 W
Verknüpfungen: Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit dem logischen Operator ∨ (oder), die Kettung mit dem logischen Operator ∧ (und) ausgeführt: xik ∪ yik : = xik ∨ yik
(31)
xik D yik : = xik ∧ yik
Elementare Bewertungsmatrix: Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = 0 zik = 1
es gibt keine Kante von i nach k es gibt eine Kante von i nach k
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt:
zik = 0 zik = 1
es gibt keinen Weg von i nach k es gibt einen Weg von i nach k
4.3.2.7 Reelle Wegalgebra für Minimale Weglänge Aufgabe: Für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) ist die minimale Weglänge von Knoten i nach Knoten k zu bestimmen. Bewertungsmenge: Die Bewertungsmenge Z enthält die nichtnegativen reellen Zahlen und die Bewertung ∞ der Nullmenge 0 W . Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist: Z:
= \ 0+ ∪ { ∞ }
f (0 W ) = 0 Z f (1W ) = 1Z
(32)
= ∞ = 0
f ( Aik ) = zik ∈ \ +
für
Aik ∉ {0 W ,1W }
Verknüpfungen: Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit dem Minimum der Werte, die Kettung D mit der Summe der Werte ausgeführt: xik ∪ yik : = Min( xik , yik )
(33)
157
4.3 Die generalisierte Wegalgebra xik D yik : = xik + yik
Elementare Bewertungsmatrix: Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = ∞ zik ∈
\+
es gibt keine Kante von i nach k
gegebene Kantenlänge von i nach k
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt: zik = ∞ es gibt keinen Weg von i nach k
zik ∈ \ + zii = 0
die minimale Weglänge von i nach k die Weglänge der Schlinge ist null
4
4.3.2.8 Reelle Wegalgebra für Maximale Weglänge Aufgabe: In einem zyklenfreien Graphen ist für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) die maximale Weglänge von Knoten i nach Knoten k zu bestimmen. Bewertungsmenge: Die Bewertungsmenge Z enthält die nichtnegativen reellen Zahlen und die Bewertung – ∞ der Nullmenge 0 W . Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist: = \ 0+ ∪ { − ∞ } f (0 W ) = 0 Z = − ∞ f (1W ) = 1Z = 0 f ( Aik ) = zik ∈ \ +
Z:
(34)
für
Aik ∉ {0 W ,1W }
Verknüpfungen: Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit dem Maximum der Werte, die Kettung D mit der Summe der Werte ausgeführt: xik ∪ yik := Max( xik , yik ) xik D yik := xik + yik
(35)
Elementare Bewertungsmatrix: Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = − ∞
es gibt keine Kante von i nach k
zik ∈ \ +
gegebene Kantenlänge von i nach k
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt:
zik = − ∞ zik ∈ \ + zii = 0
es gibt keinen Weg von i nach k
die minimale Weglänge von i nach k die Weglänge der Schlinge ist null
4.3.2.9 Reelle Wegalgebra für Wege mit Maximaler Zuverlässigkeit Aufgabe: Jeder Kante ist eine reelle Zahl z ∈ [ 0.0, 1.0 ] als Zuverlässigkeit zugeordnet. Die Zuverlässigkeit eines Weges sei das Produkt der Zuverlässigkeiten seiner Kanten. Für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) ist der Weg mit der maximalen Zuverlässigkeit von Knoten i nach Knoten k zu bestimmen. Bewertungsmenge: Die Bewertungsmenge Z ist das geschlossene reelle Einheitsintervall [ 0.0, 1.0 ]. Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist:
158
4 Bauwirtschaft und Management Z:
= [ 0.0,1.0 ] ∈ \
(36)
f (0 W ) = 0 Z = 0.0 f (1W ) = 1Z = 1.0 f ( Aik ) = zik ∈ ]0.0,1.0]
für
Aik ∉ {0 W ,1W }
Verknüpfungen: Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit dem Maximum der Werte, die Kettung D mit dem Produkt der Werte ausgeführt: xik ∪ yik := Max( xik , yik ) xik D yik := xik < yik
4
(37)
Elementare Bewertungsmatrix: Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = 0.0 zik ∈ [0.0,1.0]
es gibt keine Kante von i nach k gegebene Zuverlässigkeit der Kante von i nach k
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt:
zik = 0.0 zik ∈ [ 0.0,1.0]
es gibt keinen Weg von i nach k maximale Zuverlässigkeit des Weges von i nach k
4.2.2.10 Reelle Wegalgebra für Wege mit Maximaler Kapazität Aufgabe: Jeder Kante ist eine positive reelle Zahl als Kapazität zugeordnet. Die Kapazität eines Weges sei das Minimum der Kapazitäten der Kanten des Weges. Für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) ist der Weg mit der maximalen Kapazität von Knoten i nach Knoten k zu bestimmen. Bewertungsmenge: Die Bewertungsmenge Z enthält die nichtnegativen reellen Zahlen und die Bewertung ∞ der Einsmenge 1W . Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist: = \ 0+ ∪ { ∞ } f (0 W ) = 0 Z = 0.0 f (1W ) = 1Z = ∞ f ( Aik ) = zik ∈ \ +
Z:
(38)
für
Aik ∉ {0 W ,1W }
Verknüpfungen: Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit dem Maximum der Werte, die Kettung D mit dem Minimum der Werte ausgeführt: xik ∪ yik : = Max ( xik , yik ) xik D yik : = Min ( xik , yik )
Elementare Bewertungsmatrix: Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = 0.0
es gibt keine Kante von i nach k
\+
gegebene Kapazität der Kante von i nach k
zik ∈
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt:
zik = 0.0 zik ∈ \ +
es gibt keinen Weg von i nach k
maximale Kapazität des Weges von i nach k
(39)
159
4.3 Die generalisierte Wegalgebra
4.3.2.11 Literale Wegalgebra für die Kanten auf den Wegen zwischen zwei Knoten Aufgabe: Jeder Kante ist ein Zeichen eines Alphabets A zugeordnet. Jeder Weg von Knoten i nach Knoten k wird mit der Zeichenmenge bewertet, die genau die Zeichen derjenigen Kanten enthält, die mindestens einmal in dem Weg auftreten. Für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) ist die Menge der Kanten zu bestimmen, die in der Zeichenmenge mindestens eines der Wege von Knoten i nach Knoten k enthalten sind. Bewertungsmenge: Die Bewertungsmenge Z enthält die Potenzmenge P(A) des Alphabets A und die Bewertung { ∞ } der Nullmenge 0 W . Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist: Z:
= P ( A) ∪ { ∞ }
f (0 W ) = 0 Z = { ∞ } f (1W ) = 1Z = {} f ( Aik ) = zik ∈ P ( A)
(40)
für
Aik ∉ {0 W ,1W }
Verknüpfungen: Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit der Vereinigung ∪ der Werte, die Kettung D ebenfalls mit der Vereinigung ∪ der Werte ausgeführt: xik ∪ yik : = xik ∪ yik
für
xik, yik ≠ 0 Z
(41)
xik D yik : = xik ∪ yik
Für die Nullmenge werden die Verknüpfungen speziell definiert, damit sie die in Abschnitt 2.4 angegebenen Eigenschaften für homomorphen Abbildungen besitzen: xik ∪ 0 Z : = xik xik D 0 Z : = 0Z
0 Z ∪ xik : = xik 0 Z D xkm : = 0 Z
(42)
Elementare Bewertungsmatrix: Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = 0 Z zik ∈ {a}
es gibt keine Kante von i nach k es gibt eine Kante mit Zeichen a ∈ A von i nach k
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt:
zik = 0 Z zik ∈ P ( A)
es gibt keinen Weg von i nach k Zeichenmenge der Kanten, die in mindestens einem Weg von i nach k mindestens einmal enthalten sind
Die Diagonalelemente der Hülle AH haben folgende Bedeutung:
zii = 1Z zii ∈ P ( A)
es gibt keinen Zyklus durch Knoten i Zeichenmenge der Kanten, die in mindestens einem Zyklus durch i mindestens einmal enthalten sind
4.3.2.12 Literale Wegalgebra für die gemeinsamen Kanten auf den Wegen zwischen zwei Knoten Aufgabe: Jeder Kante ist ein Zeichen eines Alphabets A zugeordnet. Jeder Weg von Knoten i nach Knoten k wird mit der Zeichenmenge bewertet, die genau die Zeichen derjenigen Kanten enthält, die mindestens einmal in dem Weg auftreten. Für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) ist die Menge der Kanten zu bestimmen, die in der Zeichenmenge jedes Weges von Knoten i nach Knoten k enthalten sind.
4
160
4 Bauwirtschaft und Management Bewertungsmenge: Die Bewertungsmenge Z enthält die Potenzmenge P(A) des Alphabets A und die Bewertung { ∞ } der Nullmenge 0 W . Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist: Z:
= P ( A) ∪ { ∞ }
f (0 W ) = 0 Z = { ∞ } f (1W ) = 1Z = {} f ( Aik ) = zik ∈ P ( A)
4
(43)
für
Aik ∉ {0 W ,1W }
Verknüpfungen: Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit dem Durchschnitt ∩ der Werte, die Kettung D mit der Vereinigung ∪ der Werte ausgeführt: xik ∪ yik : = xik ∩ yik
für
xik, yik ≠ 0Z
(44)
xik D yik : = xik ∪ yik
Für die Nullmenge werden die Verknüpfungen speziell definiert, damit sie die in Abschnitt 2.4 angegebenen Eigenschaften für homomorphen Abbildungen besitzen: xik ∪ 0Z : = xik
0 Z ∪ xik : = xik
xik D 0 Z : = 0Z
0 Z D xkm : = 0Z
(45)
Elementare Bewertungsmatrix: Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = 0Z zik ∈ { a }
es gibt keine Kante von i nach k es gibt eine Kante mit Zeichen a ∈ A von i nach k
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt:
zik = 0Z zik ∈ P( A)
es gibt keinen Weg von i nach k Zeichenmenge der Kanten, die in jedem Weg von i nach k mindestens einmal enthalten sind
Die Diagonalelemente der Hülle AH haben folgende Bedeutung:
zii = 1Z zii ∈ P( A)
es gibt keinen Zyklus durch Knoten i Zeichenmenge der Kanten, die in jedem Zyklus durch i mindestens einmal enthalten sind
4.3.2.13 Literale Wegalgebra für die Menge der einfachen Wege zwischen zwei Knoten Aufgabe: Jeder Kante ist ein Zeichen eines Alphabets A zugeordnet. Jeder Weg von Knoten i nach Knoten k wird mit einem Wort bewertet. Ein Weg heißt einfach, wenn er keine Kante mehrfach enthält. Für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) ist die Menge der einfachen Wege zu bestimmen. Bewertungsmenge: Die Menge der einfachen Worte über dem Alphabet A, einschließlich des Leerwortes Ȝ, sei S. Die Bewertungsmenge Z enthält die Potenzmenge P(S) und die Bewertung { λ } der Einsmenge 1W . Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist: Z:
=
P(S ) ∪ { λ }
(46)
161
4.3 Die generalisierte Wegalgebra (46) f (0 W ) = 0 Z = { } f (1W ) = 1Z = { λ } f ( Aik ) = zik ∈ P( S )
für
Aik ∉ {0 W ,1W }
Verknüpfungen: Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit der Vereinigung ∪ der Werte ausgeführt. Die Kettung D ist die Menge der einfachen Worte, die durch die Kettung jedes einfachen Wortes des ersten und mit jedem des zweiten Operanden entsteht. xik ∪ yik := xik ∪ yik xik D ykm := { x D y ∈ S | x ∈ xik ∧ y ∈ ykm }
(47)
4
Elementare Bewertungsmatrix: Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = 0Z zik ∈ { a }
es gibt keine Kante von i nach k es gibt eine Kante mit Zeichen a ∈ A von i nach k
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt:
zik = 0Z zik ∈ P( S )
es gibt keinen Weg von i nach k Wörter der einfachen Wege von i nach k
Die Diagonalelemente der Hülle AH haben folgende Bedeutung:
zii zii
= 1Z ∈ P( S )
es gibt keinen einfachen Zyklus durch Knoten i λ und die Wörter der einfachen Zyklen durch i
4.3.2.14 Literale Wegalgebra für die Menge der kürzesten einfachen Wege zwischen zwei Knoten Aufgabe: Jeder Kante ist ein Zeichen eines Alphabets A zugeordnet. Jeder Weg von Knoten i nach Knoten k wird mit einem Wort bewertet. Ein Weg heißt einfach, wenn er keine Kante mehrfach enthält. Für ein gegebenes Knotenpaar (i, k) ist die Menge der kürzesten einfachen Wege zu bestimmen. Bewertungsmenge: Die Menge der einfachen Worte über dem Alphabet A, einschließlich des Leerwortes Ȝ, sei S. Die Bewertungsmenge Z enthält die Potenzmenge P(S) und die Bewertung { λ } der Einsmenge 1W . Die Abbildung f : P (Wik ) → Z der Wegmengen auf die Bewertungsmenge ist: Z
:=
P( S )
f (0 W ) = 0 Z = { } f (1W ) = 1Z = { λ } f ( Aik ) = zik ∈ P( S )
(48)
für
Aik ∉ {0 W ,1W }
Verknüpfungen: Der Menge der kürzesten Wege in der Wortmenge zik wird mit min ( zik ) bezeichnet. Die Vereinigung ∪ wird auf der Menge Z mit der Menge min ( zik ) der Vereinigung ∪ der Werte ausgeführt. Die Kettung D ist die Menge der einfachen Worte, die durch die Kettung jedes einfachen Wortes des ersten Operanden mit jedem einfachen Wort des zweiten Operanden entsteht. xik ∪ yik :=
min( xik ∪ yik )
(49)
162
4 Bauwirtschaft und Management xik D ykm := { x D y ∈ S | x ∈ xik ∧ y ∈ ykm }
Elementare Bewertungsmatrix: Die Menge der Wortmengen, die genau ein Wort enthalten dessen Zeichenmenge genau ein Zeichen enthält, wird mit S bezeichnet. Die Matrix A wird wie folgt belegt: zik = 0Z zik ∈ S
es gibt keine Kante von i nach k
es gibt eine Kante von i nach k
Hülle der Bewertungsmatrix: Die Hülle AH ist wie folgt belegt:
4
zik = 0Z zik ∈ P( S )
es gibt keinen Weg von i nach k Wörter der minimalen einfachen Wege von i nach k
Die Diagonalelemente der Hülle AH sind Einselemente, da die Schlinge ohne Kante der kürzeste Weg von i nach i ist.
4.3.3 Bestimmung der Hülle der Bewertungsmatrix Die allgemeine Lösung der in Abschnitt 2 formulierten Aufgaben der Wegalgebra erfordert die Bestimmung der Hülle der Bewertungsmatrizen durch Lösung von Gleichung (25) mit einem allgemeinen Verfahren. Zu diesem Zweck werden einige allgemeine Eigenschaften von Wegalgebren untersucht und zur Entwicklung eines Eliminationsverfahrens genutzt.
4.3.3.1 Eigenschaften der Wegalgebren Ordnungsstruktur: Auf der Bewertungsmenge Z wird die Ordnungsrelation Inklusion ⊆ definiert. Ein Element x ∈ Z ist in einem Element y ∈ Z enthalten, wenn die Vereinigung von x und y gleich y ist: Inklusion
x ⊆ y: = x ∪ y = y
(50)
Werden x und y mit z ∈ Z vereinigt oder gekettet, so gelten folgende Rechenregeln: Vereinigung Kettung
x⊆ y x⊆ y
x∪z ⊆ y∪z x Dz ⊆ y Dz
(51)
Das kleinste Element in einer Bewertungsmenge ist das Nullement 0 Z. Gibt es ein größtes Element von Z, so kann dies 1Z oder ein anderes Element von Z sein. Ein Element x ⊆ 1Z heißt subunitär. Potenzen eines Elementes: Die 0-te Potenz eines Bewertungselementes x ∈ Z ist 1Z . Die m-te Potenz von x ist die Kettung von x m −1 mit x. Ein Element, das durch Kettung mit sich selbst unverändert bleibt, heißt idempotent. Ein Element heißt nilpotent vom Grad s, wenn seine Potenzen 0 bis s – 1 ungleich 0 Z sind und seine Potenz s gleich 0 Z ist. Hülle eines Elementes: Bleibt die Vereinigung x0 ∪ x1 ∪ ... ∪ x p eines Bewertungselementes x ∈ Z durch die Vereinigung mit x p +1 unverändert, so heißt x0 ∪ x1 ∪ ... ∪ x p reflexive transitive Hülle von x und wird mit xˆ bezeichnet. Das Element heißt stabil mit Stabilitätsindex p. Subunitäre, idempotente und nilpotente Elemente sind stabil mit folgenden Hüllen: subunitäres Element : idempotentes Element :
xˆ = 1Z xˆ = 1Z ∪ x
nilpotentes Element:
xˆ = 1Z ∪ x ∪ ... ∪ xs −1
(52)
163
4.3 Die generalisierte Wegalgebra Stabilität einer Wegalgebra: Die Stabilität einer Wegalgebra ergibt sich aus der Stabilität der Elemente ihrer Bewertungsmenge Z wie folgt: unbedingt stabile Algebra unitäre stabile Algebra begingt stabile Algebra
:= := :=
∀ x ∈ Z : x ist stabil ∀ x ∈ Z : xˆ = 1Z ∃ x ∈ Z : x ist nicht stabil
(53)
Beispiel: Minimale Weglänge, siehe Abschnitt 3.2 Die Elemente der Bewertungsmenge Z = \ 0+ ∪ {0 Z } mit 0 Z = ∞ und 1Z = 0 besitzen folgende Eigenschaften, welche die Algebra unitär stabil machen: Inklusion Subunitär Größtes El.
x⊆ y ⇔ x∪ y = y ⇔ ⇔ x ∈Z ⇔ x ≥ 0 ⇔ 0 Z ⊆ x ⊆ 1Z
Min( x, y ) = y x ⊆ 1Z ∞ ≥ x ≥0
⇔
x≥ y
Hülle
xˆ = 1Z ∪ x ∪ x 2 ∪ ... = Min(0, x, x + x,...) = 0 = 1Z
(54)
4.3.3.2 Lösungen des Gleichungssystems Eindeutigkeit: Die Form des zu lösenden Gleichungssystems (25) wird generalisiert: x = ADx ∪ b xk = a1k x1 ∪ ... ∪ ank xn ∪ bi
(55) i ∈ {1,..., n }
Die Bewertungsmatrix A sei stabil mit Index p und Hülle AH . Dann besitzt (55) die Lösung x = AH b. Die Lösung ist eindeutig wenn A nilpotent ist. Sonst können mehrere Lösungen existieren, die alle x = AH b als kleinste Lösung enthalten. Beweis der Eindeutigkeit: Für die Hülle der Bewertungsmatrix gilt: AH = I ∪ A ∪ ... ∪ A p ∪ A p +1 = I ∪ A AH
(56)
Substitution von (56) und x = AH b in (55) zeigt dass AH b eine Lösung von (55) ist: A x ∪ b = ( A AH ∪ I ) b = AHb = x
(57)
Die allgemeine Lösung von (55) sei x0 = A x0 ∪ b. Die Lösung x0 wird s-mal auf der rechten Seite substituiert: x0 = As +1x0 ∪ AH b = As +1x0 + x
(58)
Ist die Bewertungsmatrix A nilpotent von Grad s mit = 0, so ist die Lösung x = AH b von (55) eindeutig. Ist A nicht nilpotent, so folgt aus (58) dass AH b die kleinste Lösung ist. As
Staffelung: Das Gleichungssystem (55) heißt linksgestaffelt, wenn A auf und oberhalb der Diagonalen nur Nullelemente enthält. Das System heißt rechtsgestaffelt, wenn A auf und unterhalb der Diagonalen nur Nullelemente enthält. Die Lösung eines gestaffelten Gleichungssystems ist eindeutig. Beispielsweise gilt für eine linksgestaffelte Matrix A mit Dimension n dass A n = 0. Folglich ist A nilpotent, sodass die Lösung von (55) eindeutig ist.
4
164
4 Bauwirtschaft und Management
4.3.3.3 Direkte Elimination analog zum Verfahren von Gauß für lineare Gleichungen Gegeben sei das Gleichungssystem (55) mit n Unbekannten. Das System wird in n Schritten durch Elimination in ein rechtsgestaffeltes Gleichungssystem überführt. Die Lösung des gestaffelten Systems wird durch Rückwärtsauflösung bestimmt.
k
i
0
4 k
m
k
i
~a ki
~
~
~ bm
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
akk
amk
a ki
bk
ami
k
bm
As-1
m
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
ami
As
b s-1
bk
bs
Abbildung 4.10: Elimination der Zeile k einer Bewertungsmatrix zur Bestimmung ihrer Hülle
Für k = 1,...,n – 1 wird die k-te Gleichung nach xk aufgelöst und xk in die Gleichungen k + 1,...,n substituiert. Zur Auflösung der k-ten Gleichung nach xk werden die Terme, die xk nicht enthalten, zu einer Variablen ck zusammengefasst: xk = akk xk ∪ ck mit
ck =
*
aki xi ∪ bk
(59)
i≠k
Das Diagonalelement sei stabil mit Hülle aˆkk . Die kleinste Lösung der k-ten Gleichung ist: xk = akk xk ∪ ck mit
ck =
*
aki xi ∪ bk
(60)
i≠k
In der m-ten Gleichung wird xk durch Substitution von (60) eliminiert: xm =
*
( ami ∪ amk aˆkk aki ) xi ∪ ( bm ∪ amk aˆkk bk )
(61)
i≠k
Die Bewertungsmatrix in Abbildung 1 wird mit (60) und (61) wie folgt transformiert: b = aˆ b aki = aˆkk aki i, m = k + 1,..., n k kk k ami = ami ∪ amk aki
b
m
= bm ∪ amk
(62)
b
k
Nach Abschluss der Transformation (62) ist die Bewertungsmatrix rechtsgestaffelt. Die Lösung x wird durch Rückwärtsauflösung bestimmt: xn = bn
(63)
165
4.3 Die generalisierte Wegalgebra n
xi =
*
aik xk ∪ bi
i = n − 1,...,1
k = i +1
Das Verfahren liefert die kleinste Lösung der Gleichung (55).
4.3.4 Implementierung der Computeranwendung 4.3.4.1 Struktur der Anwendung In den Abschnitten 2 und 3 wurde gezeigt, dass die untersuchten Wegalgebren gemeinsame Eigenschaften besitzen: • Jede Wegalgebra ( Z ; ∪, D) besitzt eine Bewertungsmenge Z sowie die Verknüpfungen Vereinigung ∪ und Kettung D. • Jede Wegalgebra besitzt eine elementare Bewertungsmatrix mit einer Hülle. • Die Spalten der Hülle können mit einem allgemeinen Eliminationsverfahren berechnet werden. Sie enthalten die Lösung der Aufgabe. In folgenden Punkten unterscheiden sich die Wegalgebren wesentlich: • Die Bewertungsmenge ist aufgabenspezifisch. • Die Operationen zur Ausführung der Verknüpfungen Vereinigung und Kettung sind aufgabenspezifisch. Auf der objekt-orientierten Java-Plattform werden für die Bewertungsmengen Datentypen definiert. Für die boolesche und die reellen Algebren genügt je ein Datentyp. In den literalen Algebren werden die Kanten mit Strings bezeichnet. Jeder Weg ist die geordnete Menge der Strings seiner Kanten. Als Datentypen sind Stringmengen und Wegmengen implementiert. Die Anwendung enthält folgende Klassen für die Datentypen der Bewertungsmengen: WgtBool WgtDouble WgtStringSet WgtPathSet
Bewertungen für boolesche Wegalgebren Bewertungen für reelle Wegalgebren Bewertungen mit Zeichenmengen für Kanten Bewertungen mit Wortmengen für Wege
Für die Verknüpfungen ist das in Abschnitt 4.2 spezifizierte Interface IcOperator zwischen dem allgemeinen und dem aufgabenspezifischen Teil der Anwendung zweckmäßig. Das Interface enthält die Methoden, die für jede Wegalgebra bereitzustellen sind. Zum Einbau einer neuen Wegalgebra in die Anwendung wird jeweils eine Klasse definiert, die das Interface IcOperator für diese Wegalgebra implementiert. Der generelle Teil der Implementierung besteht hauptsächlich aus der Klasse Session zur Steuerung der Sitzung, der Klasse Base für die Datenbasis, der Klasse Graph zur Beschreibung und Berechnung des Graphen und der Klasse Display zur Steuerung der interaktiven graphischen Anwenderoberfläche. Die Klasse Graph verwaltet die Referenzen der persistenten Objekte der Anwendung. Die Graphen können zwischen Sitzungen der Anwendung in Dateien gespeichert werden. Die Klasse Graph konstruiert und nutzt Objekte der Klassen Node und Arc zur Beschreibung des Graphen sowie ein Objekt der Klasse Equation für den Aufbau und für die Lösung der Bestimmungsgleichungen für die Hülle der Bewertungsmatrix. Die Klasse Equation nutzt die oben genannten Datentypen für die Bewertungsmengen. Zur Durchführung der Verknüpfungen der Wegalgebren nutzt sie je ein Objekt der in Abschnitt 4.2 beschriebenen Klassen, die das Interface IcOperator für jeweils eine Algebra implementieren.
4
166
4 Bauwirtschaft und Management Die Klasse Display verwaltet den Inhalt des in Abbildung 4.11 gezeigten Fensters, in dem Graphen definiert, ihre Berechnung gesteuert und die Berechnungsergebnisse für den Graphen dargestellt werden. Das Fenster enthält eine Kontrollfläche zur Steuerung der Transaktionen, eine Zeichnung der Klasse Drawing als interaktive Arbeitsfläche und ein Nachrichtenfeld. Auf der Zeichnung sind die Knoten und Kanten des Graphen dargestellt. Im Verlauf der Transaktionen werden auf der Zeichnung Editoren sichtbar, mit denen der Anwender die Eigenschaften des Graphen setzen, ihre Berechnung steuern und Details der Berechnungsergebnisse abfragen kann. Die Editoren sind in Abschnitt 4.3.4.2 zusammengestellt.
4
4.3.4.2 Spezielle Klassen der Implementierung Das Interface IcOperator enthält folgende Methoden: Object Object void void void void
newNullElelement( ) newOneElement( ) getElementHull (Object result,Object element) setEqual (Object result,Object a) plus (Object result,Object a,Object b) times (Object result,Object a,Object b)
// result = a // result = a ∪ b // result = a D b
Das Interface IcOperator ist in folgenden Klassen implementiert: OpAllEdges OpBool OpCapacity OpCommonEdges OpLength OpSafety OpSimple
siehe Abschnitt 3.6 siehe Abschnitt 3.1 siehe Abschnitt 3.5 siehe Abschnitt 3.7 siehe Abschnitt 3.2 siehe Abschnitt 3.4 siehe Abschnitt 3.7
Folgende Klassen definieren die Editoren der Computeranwendung: AlgebraEditor ArcEditor FileEditor NodeEditor ResultsEditor
Wahl der Wealgebra und der zu bestimmenden Spalte der Hülle Eigenschaften einer Kante des Graphen Steurung der Datenhaltung Eigenschaften eines Knoten des Graphen Steuerung der Darstellung der Erebnisse der Berechnung
4.3 Die generalisierte Wegalgebra
167
4
Abbildung 4.11: Wegalgebra zur Bestimmung der maximalen Kapazität zwischen zwei Knoten
168
4 Bauwirtschaft und Management
4.3.4.3 Implementierung des Gleichungslösers Der folgende Java Code zeigt den Kern des Gleichungslösers in Klasse Equation. Object op ist die Implementierung des Interface IcOperator für die aktuelle Wegalgebra. public void eliminate() { Object hull = op.newNullElement() ; Object save = op.newNullElement() ;
4
for (int k = 0; k < dimension; k ++) { op.getElementHull(hull,matrix[k][k]) ; op.times(vector[k],hull,vector[k])
;
for (int i = k + 1; i < dimension; i ++) { op.times(matrix[k][i],hull,matrix[k][i]) ; } for (int m = k + 1; m < dimension; m ++) { factor = matrix[m][k]
;
op.times(save,factor,vector[k]) ; op.plus(vector[m],vector[m],save) ; for (int j = k + 1; j < dimension; j ++) { op.times(save,factor,matrix[k][j])
;
op.plus(matrix[m][j],matrix[m][j],save) ; } } } } public void substitute() { Object save = op.newNullElement() ; for (int i = dimension - 1; i >= 0; i--) { for (int k = i + 1; k < dimension; k ++) { op.times(save,matrix[i][k],vector[k]) ; op.plus(vector[i],vector[i],save)
;
} } } Der Code belegt den hohen Grad der durch die mathematische Strukturierung erreichten Generalisierung. Der Gleichungslöser wird für alle Wegalgebren genutzt und ist daher ein Bestandteil des generellen Teils der Computeranwendung.
4.3.5 Folgerungen In der vorliegenden Arbeit ist nachgewiesen, dass die betrachteten Wegalgebren auf eine gemeinsame mathematische Grundlage zurückgeführt werden können. Es ist vorteilhaft, dass es nicht notwendig ist, die bewerteten Wege explizit zu bestimmen. Vielmehr genügt die Bewer-
4.3 Die generalisierte Wegalgebra
169
tungsmenge der Graphen zu verknüpfen. Dieses Ergebnis ist eine Folge der homomorphen Abbildung der Wegmengen auf die Bewertungsmenge. Auf der entwickelten mathematischen Grundlage kann die Computeranwendung in einen generalisierten Teil und spezielle Ergänzungen für einzelne Wegalgebren gegliedert werden. Der generalisierte Teil enthält die Funktionen zur interaktiven graphischen Beschreibung und Darstellung der Graphen sowie die Funktionen zum Aufstellen der elementaren Bewertungsmatrix des Graphen und zum Lösen der Bestimmungsgleichungen für die Hülle der Bewertungsmatrix. Die graphische Oberfläche wird mit Transaktionen gesteuert, die mit Editoren durchgeführt werden. Der Aufwand zum Einbau einer neuen Wegalgebra ist gering. Die erforderliche Java-Codierung ist übersichtlich und lokalisiert. Der Aufwand zur Bestimmung der Lösungen wird durch die Berechnung der Hülle bestimmt. Besitzt die elementare Bewertungsmatrix keine Profilstruktur, so ist die Anzahl der erforderlichen Operationen analog zum Gauß-Verfahren proportional zur dritten Potenz der Dimension der Matrix. Im Gegensatz zur Gauß-Elimination ist der Aufwand je Operation jedoch nicht konstant. Insbesondere für literale Wegalgebren ist dieser Aufwand stark von der Größe der Zeichen- und Wortmengen abhängig, die im Rahmen der Bestimmung der Hülle entstehen. Die Leistungsfähigkeit der Algorithmen ist daher stark von der Güte der Programmierung der Operationen und von der Struktur des untersuchten Graphen abhängig. Eine Untersuchung von Petri-Netzen und Workflow-Graphen zeigt, dass auch für diese Werkzeuge des Computational Management ein hohes Maß an Generalisierung erreichbar ist. Diese Generalität begründet das Potential des Computational Management für das Bauwesen. Herr Kollege Kochendörfer hat durch eigene wissenschaftliche Arbeiten und durch seinen Einsatz zur Förderung innovativer Entwicklungen auf dem Gebiet des Computational Management wesentlich dazu beigetragen, dass diese Einsicht in Fachkreisen heute weit verbreitet ist. Der weitere Ausbau des Computational Management ist für das Bauwesen in Deutschland wesentlich, da die deutsche Bauwirtschaft einen großen Teil ihrer Leistungen im Management erbringt.
4.3.6 Literatur [1] Pahl, P.J., Damrath, R.: Mathematische Grundlagen der Ingenieurinformatik
4
170
4 Bauwirtschaft und Management
4.4 Aspekte des Facility Management im Lebenszyklus einer Immobilie – Beispiel einer ganzheitlichen Informationsstrategie in einer öffentlichen Verwaltung bearbeitet von Dipl.-Ing. Nicole Riediger
4.4.1 Einleitung
4
Facility Management (FM) zu definieren ist schwierig, denn es existiert derzeit keine feststehende, allgemein anerkannte Definition von Facility Management. Vielmehr tauchen in der Literatur eine Vielzahl an Definitionen auf und jede einzelne erweitert den Begriff Facility Management. Beispielhaft sollen zwei Definitionen angeführt werden. In der GEFMA 100 heißt es: „Facility Management ist die Betrachtung, Analyse und Optimierung aller kostenrelevanten Vorgänge rund um ein Gebäude, ein anderes bauliches Objekt oder eine im Unternehmen erbrachte (Dienst-) Leistung, die nicht zum Kerngeschäft gehört.“ Nach der VDMA ist Facility Management „… die Gesamtheit aller Leistungen zur optimalen Nutzung der betrieblichen Infrastruktur auf Grundlage einer ganzheitlichen Strategie.“ Facility Management beschäftigt sich demnach nicht im eigentlichen Sinne mit dem Kerngeschäft eines Unternehmens, sondern unterstützt und versorgt dieses mit der notwendigen Logistik und Infrastruktur, den Services und Technologien, um Gebäude, bauliche Anlagen, ihre Systeme und Inhalte kontinuierlich bereitzustellen, funktionsfähig zu halten und an wechselnde organisatorische Bedürfnisse anpassen zu können. Andere Definitionen berücksichtigen zusätzlich die Aspekte der wirtschaftlichen Betriebsweise und der Kundenorientierung. Insbesondere die gezielte Verwendung aller Informationen über die Objekte in einem Unternehmen zugunsten einer betrieblichen Effizienzsteigerung bietet Kostensenkungspotentiale, die es auszuschöpfen gilt. Der Datenorganisation und damit dem Einsatz moderner Informationstechnologie, dem sogenannten CAFM (Computer Aided Facility Management), kommt demnach innerhalb des FM eine entscheidende Rolle zu. Welcher Zusammenhang kann nun zwischen Lebenszyklusmanagement und Facility Management identifiziert werden? Ein erfolgreiches FM findet auf Grundlage einer ganzheitlichen Strategie statt, d.h., die hierfür notwendigen Informationen, die mit Hilfe des CAFM besonders innerhalb der Nutzungs- oder Betriebsphase bereitgestellt werden, haben ihren Ursprung häufig schon in der Planungs- und Ausführungsphase. Gleichermaßen können sie Auswirkungen auf nachgelagerte Lebenszyklusphasen, wie der Umnutzung oder den Rückbau, haben. Ziel der folgenden Ausführungen ist zunächst eine kurze Vorstellung des Lebenszyklusansatzes bei Immobilien. Anschließend werden wesentliche Aspekte eines Systems zur Einführung von CAFM bei einer bestehenden, baulichen Anlage, hier die öffentliche Verwaltung in Form der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), dargestellt, bei dem erste Effizienzsteigerungen aufgrund einer ganzheitlichen Informationsstrategie angestrebt wurden. Abschließend wird aufgezeigt, inwieweit durch die zugrunde liegende Informationsstrategie des CAFMSystems in der Nutzungsphase einer Immobilie bereits eine phasenübergreifende Lebenszyklusbetrachtung unterstützt werden kann.
4.4.2 Lebenszyklusansatz bei Immobilien Basierend auf der Erkenntnis, dass die Nutzungskosten von Gebäuden ein Vielfaches der Errichtungskosten betragen sowie durch die durch den starken Wettbewerbsdruck gekennzeichnete Marktsituation setzt sich die lebenszyklusorientierte Herangehensweise im Umgang mit
4.4 Aspekte des Facility Management
171
baulichen Anlagen zunehmend durch. Während des gesamten Lebenszyklus bietet ein Informationssystem eine qualifizierte Grundlage zur Entscheidungsfindung. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bedarf es einer zeitnahen Datenorganisation und einer geeigneten Datenpräsentation.18 Auf dieser Grundlage wird klar, welche Bedeutung einem effizienten, ganzheitlichen FM innerhalb des Gebäudelebenszyklus zukommt. Das Lebenszykluskonzept rückt die gesamte bauliche Anlage in den Fokus der Betrachtung, beleuchtet deren Lebenszyklusphasen19 und beinhaltet die Erarbeitung eines durchgängigen, strukturierten, aktuellen und konsistenten Informationssystems über alle Phasen als Vorraussetzung für ein erfolgreiches FM.20 Im Wesentlichen kann man von fünf Phasen im Lebenszyklus einer Immobile (siehe Abbildung 4.12) ausgehen, die in der Regel von unterschiedlichen Projektbeteiligten gestaltet werden:21 • • • • •
Konzeption/Beratung Planung Realisierung Betrieb/(Um-)Nutzung Stilllegung/Abriss
Insbesondere die Schnittstellen zwischen den Phasen bedürfen bezüglich des Informationsflusses erhöhter Aufmerksamkeit, da hier traditionell auch die Projektbeteiligten wechseln.22 Der Lebenszyklus beginnt in der Regel mit einer Idee und der Phase der Konzeption in der Projektentwicklung. Hier liegt der Ursprung aller relevanten Informationen und Daten einer Immobilie, also zeitlich lange bevor die bauliche Anlage selbst physisch vorhanden ist. Bereits hier wird die Basis für einen kontinuierlichen Lernprozess im Zyklus der baulichen Anlagen gelegt. Die Informationen dieser Lebenszyklusphase sollten also mit Hilfe moderner Informationstechnik den nachfolgenden Phasen und Beteiligten zugänglich gemacht werden, um Effizienzvorteile über den Gebäudelebenszyklus hinweg nutzen zu können. Zusätzlich sollten in dieser, aber auch in den folgenden Phasen, Erfahrungen aus anderen Projekten unter Berücksichtigung spezifischer Anforderungen einfließen.23 In der nachfolgenden Phase der Planung wird die Konzeption unter Einbeziehung aller verfügbaren Wissensstände weiterentwickelt und optimiert. Dabei muss allen Beteiligten trotz gegensätzlicher Interessenlagen bewusst sein, dass die Beeinflussbarkeit der gesamten Lebenszykluskosten in erheblichem Maße bereits in der Planungsphase festgelegt wird. Besondere Bedeutung erhält die Planungsphase vor dem Hintergrund, dass die Nutzungskosten die Baukosten im Lebenszyklus häufig um ein Vielfaches übersteigen. Häufig wird der Erfolg der Planungs- und auch der folgenden Realisierungsphase an der Einhaltung von Baukosten und Terminvorgaben gemessen. Vielmehr sollten aber zur Beurteilung der Planung neben den gesamten Lebenszykluskosten, unter anderem Kosten-Nutzenrelationen, die Produktivität und Effektivität der baulichen Anlage und die Berücksichtigung langfristiger Bedürfnisse nach Erweiterung, Änderung oder Wiederverwertung herangezogen werden.24 Neuere Ansätze bei 18 19 20 21 22 23 24
Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 101 Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 16 Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 255; May, M. (2004), S. 123; Kochendörfer, B., Riediger, N. (2006), S. 2274f Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 250f; Krimmling, J. (2005), S. 24; Lutz, U. (2002), S. 4 Vgl. Kochendörfer, B., Riediger, N. (2006), S. 2276f Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 21, 246 und 255 Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 17, 253, 256, 257 und 258; Krimmling, J. (2005), S. 25 und 27; Lutz, U. (2002), S. 147
4
172
4 Bauwirtschaft und Management der Berechnung von Lebenszykluskosten gehen daher von der erweiterten Betrachtung des Lebenszyklus-Erfolgs aus – einem Begriff der das sogenannte „Leistungs-Niveau“ einer Immobilie berücksichtigt.25 Während der Realisierungsphase auftretende Änderungen gegenüber der Ausführungsplanung müssen dokumentiert werden, um Informationslücken zu vermeiden. Für diese Zwecke ist grundsätzlich ein Informationssystem notwendig.26
4
Abbildung 4.12: Lebenszyklus einer Immobilie27
Daran schließt die Nutzungsphase mit eventuellen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen an. Nach der Inbetriebnahme ist der Informationsstand über die bauliche Anlage in der Regel am höchsten. Um die Dauerhaftigkeit dieses Zustandes zu gewährleisten, bedarf es einer stetigen Daten- beziehungsweise Informationspflege. Das Informationssystem mit den bis dato gesammelten Informationen sollte hierbei unter anderem möglichst viele Leistungsfelder des Anlagenmanagement unterstützen. Eventuelle Baumaßnahmen in dieser Phase bedingen eine ständige Anpassung des Informationssystems hinsichtlich der Systeminhalte und Systemstrukturen.28 Der Abbruch oder Rückbau beendet den Lebenszyklus der baulichen Anlage und auch für diese Phase können die Daten aus dem Informationssystem eine wichtige Rolle spielen, z. B.
25 26 27 28
Vgl. Pelzeter, A. (2006), S. 53f Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 258; Kochendörfer, B., Riediger, N. (2006), S. 2280 Vgl. Kochendörfer, B. et al. (2004), S. 6 Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 246f und 259
4.4 Aspekte des Facility Management
173
hinsichtlich ökologischer Gesichtspunkte bei Fragen der Verwertung oder Lagerung.29 Besondere Anforderungen werden an das Informationssystem im Falle des Umbaus bzw. der Umnutzung gestellt. Die einzelnen Phasen und deren Erfolgskriterien dürfen nicht voneinander losgelöst, sondern müssen als Ganzes betrachtet werden, und daher muss auch eine Optimierung auf den Gesamtverlauf ausgerichtet werden und nicht etwa nur auf einzelne Abschnitte.30
4.4.3 Zugrundeliegendes Konzept des CAFM-Systems der TU Berlin Die angespannte wirtschaftliche Lage, insbesondere im Land Berlin, zwingt Unternehmen und Institutionen mit großen Liegenschaften dazu, über Möglichkeiten der Kostensenkung im Bereich der Gebäudebewirtschaftung nachzudenken. Vermehrt erkennen auch Einrichtungen des öffentlichen Dienstes die Kostensenkungspotenziale eines professionellen FM im Hinblick auf eine Lebenszyklusbetrachtung. Die Erkenntnis über den Zusammenhang zwischen Planungs-, Ausführungs- und Nutzungsphase und den daraus entstehenden Potentialen äußert sich dabei sowohl in der öffentlich geführten Diskussion über PPP- und BOT-Verträge, als auch auf regionaler Ebene durch die Gründung der BIM GmbH (Berliner Immobilien Management GmbH) in 2003, zur Verwaltung von Liegenschaften im Rahmen des Konzepts zur Neuordnung des Facility Management im Land Berlin. Im Gegensatz zu einigen Teilen der USA besteht in Deutschland31 derzeit allerdings noch keine gesetzliche Verpflichtung, die anfallenden Lebenszykluskosten bei öffentlichen Bauvorhaben zu berücksichtigen. Das im Folgenden in Auszügen dargestellte Projekt der TU Berlin zur Erstellung eines computergestützten, ganzheitlichen Facility Management Systems32 beschreibt dabei ein Konzept, das erfolgreich die FM-Grundlagen für den Lebenszyklus übergreifenden Einsatz eines Informationssystems in einer öffentlichen Verwaltung schafft. Das Projekt zur Erstellung eines umfassenden IT-Systems für das Gebäude- und Infrastrukturmanagement der TU Berlin startete im August 2001. Projektträger hierfür sind der Präsident selbst, der Kanzler sowie der Leiter Abteilung IV der TU Berlin – Gebäude- und Dienstemanagement. Die Projektleitung und -durchführung sowie die Konzeption oblag dem Fachgebiet Wirtschaftsinformatik/AEDV der TU Berlin. Die dargestellten Inhalte sind in Anlehnung an den Konzeptbericht des Fachgebietes Wirtschaftsinformatik/AEDV33 gewählt. Entwickelt wurde ein computergestütztes Facility Management System (CAFM) mit dem Ziel, die etwa 400.000 m2 Hauptnutzungsfläche, 300 Gebäude, 16.000 Räume, 4.000 Verkehrsflächen sowie 4.500 Angestellten der TU Berlin nach ökonomischen Gesichtspunkten zu verwalten. Das Konzept der CAFM-Lösung, als ein wesentliches Werkzeug eines erfolgreichen FM, wurde erstmals auf der CeBIT 2003 in Hannover vorgestellt und stieß auf großes Interesse der Messebesucher. Dies kann sicherlich auf die vielfach von Experten prognostizierten Kostensenkungspotenziale zurückgeführt werden. An der TU Berlin könnten entsprechend einer internen Hochrechnung allein im Reinigungsmanagement bis zu 30 % der Kosten eingespart werden. 29 30 31 32 33
Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 259 Vgl. Kahlen, H. (2001), S. 254; FM (2005), S. 26 Vgl. Pelzeter, A. (2006), S. 8 Vgl. hierfür und im Folgenden Riediger, N., Fietz, N. (2004) Vgl. Riediger, N., Fietz, N. (2004)
4
174
4 Bauwirtschaft und Management Die Software wird derzeit in verschiedenen Fachabteilungen der TU Berlin genutzt bzw. befindet sich in anderen Fachabteilungen in der Testphase. Es wurde prognostiziert, dass das System zukünftig von etwa 200 TU-Mitarbeitern genutzt wird.
4.4.3.1 Ziele bei der Projektinitiierung an der TU Berlin
4
Ziel der Entwicklung war in erster Linie, durch den Einsatz moderner Informationstechnologie in Form des CAFM-Systems, die Effizienz der FM Prozesse an der Universität maßgeblich zu verbessern. Die Universität verfolgte mit dem Projekt neben den allgemein bekannten Potentialen eines ganzheitlichen FM insbesondere folgende Ziele, die kurz- bis mittelfristig erreicht werden sollten: • Zuordnung der Gebäudekosten nach dem Verursacherprinzip • Erhöhung der Wirtschaftlichkeit durch Kostentransparenz • Reduzierung der Reaktions- und Durchlaufzeiten durch IT-Unterstützung und optimierte Abläufe • Erhöhung der Flächeneffizienz • Erhöhung der Werterhaltung • Erhöhung der Transparenz der Darstellung der Werte von Leistungen durch Kostenstellen • Nutzung graphisch aufbereiteter Entscheidungsgrundlagen • Verbesserung der internen und externen Zusammenarbeit durch Transparenz • Minimierung des Ressourceneinsatzes zum Schutz der Umwelt Auf der Grundlage einer ganzheitlichen Informationsstrategie wurde die Verknüpfung aller wesentlichen FM-Bereiche der Universität angestrebt.
4.4.3.2 Aufbau der entwickelten CAFM-Lösung Bei der für die Verwaltung der Universität entwickelten Lösung handelt es sich um ein modular aufgebautes, integriertes System, das Bereiche des technischen, kaufmännischen und infrastrukturellen FM sowie ein Flächenmanagement und übergeordnete Funktionen (CAD, Dokumentenverwaltung, Vorgangsmanagement und Systemadministration) gleichermaßen enthält. Auf diese Weise unterstützt es alle wesentlichen Gebäudemanagement-Leistungen während der Nutzungsphase eines Gebäudes (Abbildung 4.12) und kann bei Bedarf auf davor oder dahinter liegende Phasen des Lebenszyklus ausgeweitet werden. Entgegen der aktuellen Praxis, kann die Nutzungsphase dann bereits während des Planungs- oder Realisierungsprozesses berücksichtigt werden. Vervollständigt wird die entwickelte Software durch die Systemmodule User/Application Management, das die Benutzer- und Applikationsrechteverwaltung enthält, dem zugehörigen User/Application Management Server, einem PDA Synchronizer, einer Synchronisationsschnittstelle, mit der ein PDA mit den aktuellen Daten aus der CAFM-Datenbank bestückt bzw. über den PDA aktualisierte Daten in die Datenbank zurück geschrieben werden können, sowie einem Dokumentenmanagement Server, der die volle Funktionalität einer Dokumentenverwaltung über eine DCOM basierte Schnittstelle zur Verfügung stellt.
175
4.4 Aspekte des Facility Management
Flächen- und Umzugsmanagement
Auftragsabwicklung
Instandhaltung / Wartung
Vertragsmanagement
Kabelmanagement
Sicherheitsmanagement
Reinigungsmanagement
Energiemanagement
4 CAD
Dokumentenverwaltung
Vorgangsmanagement
Systemadministration
Abbildung 4.13: Die Module des CAFM, gegliedert nach prozessbegleitenden (unten) und anwendungsspezifischen Funktionen (oben)34
4.4.4 Integrierte Systemmodule des CAFM-Systems der TU Berlin Die umfassende Darstellung des individuell auf die Bedürfnisse der Universität angepassten Systems erweist sich aufgrund des komplexen technischen Aufbaus sowie der vielfältigen Schnittstellen und Abhängigkeiten als schwierig. Daher werden sowohl das Konzept des Systems als auch dessen Funktionalität und dessen technische Bestandteile in den folgenden Abschnitten anhand ausgewählter Beispiele beschrieben.
4.4.4.1 Flächenmanagement Die Informationen des Flächenmanagements bilden die Basisinformationen innerhalb des CAFM-Systems. Sie dienen allen anderen Modulen des Systems als Grundlage, wodurch in diesem Zusammenhang auch häufig von einem ganzheitlichen Flächenmanagement gesprochen wird. Die Basisflächeninformationen des CAFM-Systems umfassen im Wesentlichen die Daten für Flächen- und Raumverwaltung, die Raum- und Belegungsplanung sowie bei Bedarf die Umzugsplanung. Aufgrund des grafischen Bezugs dieser Flächeninformationen werden diese innerhalb des Systems zur besseren Übersichtlichkeit optional durch Gebäudepläne ergänzt. Ermöglicht wird dies durch die Verknüpfung von CAD- und Raumdaten innerhalb des Moduls (Abbildung 4.13), wodurch sowohl die grafische Darstellung von Flächen als auch beispielsweise Flächenbudgetierungen ermöglicht werden. Das System unterstützt folgende Leistungen im Speziellen: • Automatisierter Datenbank-Import von Flächen- und Raumdaten aus CAD-Plänen (Schnittstelle AutoCAD) • Zuordnung der Flächen zu Kostenstellen
34
Vgl. Riediger, N., Fietz, N. (2004)
176
4 Bauwirtschaft und Management • • • •
Dokumentation der Flächennutzung Erstellung von Statistiken und Auswertungen (Schnittstelle Reporting Modul) Flächen- bzw. Raumnummerierung Umzugsplanung (Schnittstelle Umzugsplanung)
4
Abbildung 4.14: Flächenmanagement des CAFM, Geschossansicht & Raumselektion35
Optional können bestimmte raumspezifische Daten auch dezentral über einen speziellen WebClient im Internet durch die System-Nutzer selbst gepflegt werden.
4.4.4.2 Grafikkomponente Ein wesentlicher Bestandteil des Flächenmanagements ist ein in AutoCAD integriertes PlugIn, das die Verwaltung und Versionierung von CAD-Plänen im System übernimmt (Abbildung 4.14). Die Ablage der CAD-Pläne geschieht hierbei automatisiert über die ebenfalls integrierte Dokumentenverwaltung. Über das AutoCad-PlugIn erfolgt die Verknüpfung der Raumdaten aus der Datenbank mit Flächenpolygonen aus der Zeichnung. Bei der automatischen Raumlokalisierung werden sämtliche im CAD-Plan erkannten Flächen den entsprechenden Räumen in der Datenbank zugeordnet bzw. entsprechende Räume in die Datenbank eingefügt. Die Verknüpfung von CADPlänen (als Ganzes) mit entsprechenden Flächen-, Gebäude- und Geschossdaten wird mit Hilfe der systematischen Ablage im Dokumentenmanagement Systems realisiert. Die Verknüpfung von Flächendaten mit den entsprechenden Objekten im Plan erfolgt über speziell eingefügte Polygone, die über eine Datenbank-ID mit den Daten verknüpft werden. Für die Bereitstellung der Pläne im CAFM System werden die CAD-Pläne in ein unabhängiges Zwischenformat exportiert und ebenfalls im integrierten Dokumentenmanagementsystem abgelegt. Vorteil dieser Vorgehensweise ist einerseits die sichere und übersichtliche Planablage und andererseits die größtmögliche Unabhängigkeit von AutoCAD bzw. anderen CAD-Programmen. Grundlage des CAFM-Systems ist im Bereich der Visualisierung und der grafisch gestützten Operationen eine integrierte Objektverwaltung. Dieses Modul importiert Vektordaten aus CADAnwendungen und verwaltet diese Informationen in einem vektordarstellenden Zwischenformat. Hierbei werden einzelne Layer (Zeichnungsebenen) der CAD-Zeichnung einzelnen Dateien zuge35
Vgl. Riediger, N., Fietz, N. (2004)
4.4 Aspekte des Facility Management
177
ordnet. Dieses Vorgehen erlaubt grundsätzlich einen flexiblen, Layer bezogenen Zugriff auf die Zeichnungsinformationen, ohne an eine bestimmte CAD-Spezial-Anwendung gebunden zu sein. So stehen die Planinformationen für eine Nutzung in der Produktivumgebung der CAD-Anwendungen, aber auch für die Darstellung innerhalb des Informationssystems im Internet zur Verfügung.
4
Abbildung 4.15: AutoCAD-PlugIn des CAFM36
In den Planinformationen umschließen sogenannte Polygonzüge die wesentlichen Planobjekte, dieses sind beispielsweise Raumkonturen, Geschossumrisse, Grünflächenmarkierungen oder andere Flächenbegrenzungen. Die Polygonzüge werden beim Importieren aus den CADAnwendungen im CAFM-System einzelnen Kategorien automatisch zugeordnet. So kann, insbesondere bei der Datenersterfassung, äußerst effektiv auf die Flächeninformation im Rahmen der Bearbeitung zugegriffen werden. Es können alle in den CAD-Plänen enthaltene Flächeninformationen automatisch in die Datenbank des CAFM-Systems übernommen und außerhalb der Pläne genutzt sowie bearbeitet werden. Das System liest hierfür die grafischen Informationen ein und überträgt zusätzliche Planinformationen, wie beispielsweise den Inhalt sogenannter Raumstempel, auf Plänen und Zeichnungen. Zusätzlich zu den Planinformationen können auf Grundlage der Vektorbeziehungen verschiedene Objekte auf die Plangrundlage verweisen. Die Objekte gehören wiederum Kategorien an und besitzen eigene Attribute, die sie näher kennzeichnen. Das bedeutet, dass beliebige Objekte, wie Gegenstände des Inventars, Maschinen oder Anlagen auf den jeweiligen CAD-Plänen frei angeordnet sowie mit entsprechenden Beschreibungen versehen werden können. Per Mausklick können diese Objekte dann „umziehen“. So können gebäude- bzw. raumbezogene Objekte wie „Inventar“, „Anlagen“, „Maschinen/Geräte“ oder „Möbel“ mittels des CAFMSystems ohne spezifische CAD-Kenntnisse angelegt und verwaltet werden. Die Flexibilität des Ansatzes wird im Fall der Zuordnung von „Geländeobjekten“ auf einem Freiflächenplan ersichtlich. Auch diese werden als Objekte mit Verweis auf spezifische Koordinaten des zugrunde liegenden Planausschnitts eingepflegt. Es ist also möglich, per Mausklick 36
Vgl. Riediger, N., Fietz, N. (2004)
178
4 Bauwirtschaft und Management einen Baum exakt richtig auf einem Plan zu platzieren, sofern man dessen Standort kennt und diese Information im System gespeichert werden soll (Abbildung 4.16). Wenn eine Georeferenzierung gewünscht ist, so werden entweder die Plankoordinaten mit den Georeferenzen synchronisiert oder zusätzlich zu den Koordinaten der Objektzuordnung die Georeferenzen der Objekte verwaltet. Somit ist formal eine eindeutige Lokalisierung von Objekten via GPS (Global Positioning System) möglich. Dieses unterstützt das Auffinden der Objekte beispielsweise in weitläufigem Gelände oder ermöglicht eine Art „Routenplanung“ bei der Objektbegehung.
4
Abbildung 4.16: Flächenmanagement mit Grünflächenplan37
Bei der Erstintegration der Daten (Primärimport, Erstdatenerfassung) kann jeweils festgelegt werden, auf welchem Weg diese dem CAFM-System bekannt gemacht werden. An der TU Berlin wurde folgendes Vorgehen gewählt: Aus den CAD-Plänen werden alle verfügbaren Informationen, wie Bezeichnungen, Raum- und Flächenstempel und die objektrelevanten Daten (Objekt und zugehörige Koordinaten) aus dem CAD-Plan automatisch importiert und im CAFM-System – wie oben dargestellt – als Objekte verwaltet. Über einen Re-Import können dann alle Informationen, auch die im CAFM-System verwalteten Objekte, wieder nach AutoCAD exportiert werden. Es erfolgen Differenzabgleiche aller Änderungen sowohl auf Seiten des CAFM-Systems als auch im CAD-Programm. D.h. die Plandaten sind stets aktuell, alle Textinformationen werden über die Datenbank des CAFMSystems aktualisiert. Auf diese Weise steht allen Benutzern jederzeit der gleiche, aktuelle Datenbestand zur Verfügung, der in dieser aufbereiteten Form detaillierte Auswertungen zulässt, die bei Nutzung des reinen Planmaterials kaum möglich wären. Grundsätzlich unterstützt das System die Daten (Erst-) Erfassung über Excel-Listen, über CVS (Comma Separated Values) sowie eine integrierte XML-Schnittstelle. Vorteile dieses Vorgehens sind neben der Flexibilität auch die Nutzungsmöglichkeiten der Plandaten des Flächenmanagements in den verschiedenen Modulen des CAFM-Systems sowie 37
Vgl. Riediger, N., Fietz, N. (2004)
4.4 Aspekte des Facility Management
179
den webbasierten Ausgaben. Spezialanwendungen, die auch Spezial-Know-How der Mitarbeiter erfordern, werden auf ihre Kernaufgaben reduziert. Plandaten, die ausgegeben werden, sind stets aktuell und grundsätzlich leicht pflegbar.
4.4.4.3 Leistungsmanagement Diese Komponente basiert auf detaillierten und abgestimmten bzw. bedarfsorientierten Leistungsbildern. Aus der Funktionalität heraus ist sowohl die Arbeitsorganisation als auch die Zusammenfassung aller Daten als Gesamtüberblick und zur Historienbetrachtung innerhalb des Systems möglich. Das Leistungsmanagement bildet somit die Basis einer genaueren Kenntnis der Leistungsdaten, kürzere Reaktionszeiten sowie ein standardisiertes Controlling. Durch einfache Handhabung wird ein laufendes, tagesaktuelles Controlling ermöglicht, das eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige Entscheidungsgrundlagen bereitstellt. Für jedes innerhalb des Systems zu erfassende Objekt muss hierfür zunächst der Attributumfang erörtert werden, d.h. die objektrelevanten Daten sind festzulegen. Optional können zu jedem Objekt neben diesen festen Daten auch weitere Attribute (zusätzliche Objektmerkmale) im Nachgang hinzugefügt werden. Hierfür muss durch einen entsprechend autorisierten Anwender die Definition des Objekts erweitert, also eine frei wählbare Menge an zusätzlichen Merkmalen hinzugefügt werden können. Beispielsweise kann ein Objekt „Klimaanlage“ per Definition die objektrelevanten Attribute „Inventarnummer“, „Fabrikat“ und „Art“ besitzen. Die speziell angepasste Metadatenmaske würde zunächst auch nur die Erfassung und Pflege dieser Daten ermöglichen. Im Nachgang könnte jedoch durch einen (autorisierten) Anwender das Objekt „Klimaanlage“ um die Zusatzattribute „Anschaffungsjahr“, „Anschaffungspreis“ und „Kältemittel“ erweitert werden.
4.4.4.4 Vertragsmanagement In diesem Modul werden jegliche Arten von anfallenden Verträgen innerhalb des CAFMSystems ausschließlich verwaltet. Die Kosten, die aus einem Vertrag resultieren, werden im System erfasst und den entsprechenden Fachmodulen zugeordnet. Die Vertragsdokumente werden in digitalisierter Form in der Dokumentverwaltung lediglich abgelegt und bei Bedarf archiviert. Der rein archivierende Charakter des Moduls Vertragsmanagement entsteht durch den großen Umfang an unterschiedlichen Vertragsarten und Inhalten, die einen sinnvollen Übertrag ins CAFM-System ausschließen. Weiterhin ist die vollständige Ablage der digitalisierten Vertragsunterlagen notwendig, da im Falle einer Vertragsunklarheit der komplette Vertragstext im richtigen Zusammenhang von Bedeutung ist.
4.4.4.5 Inventarverwaltung In diesem Modul kann bei Bedarf das Inventar definiert und über eine grafische Oberfläche auf den Flächen- bzw. Geschossplänen positioniert werden. Hieraus resultieren eine Inventarliste einerseits und eine Erweiterung der CAD-Pläne um variabel definierbares Inventar andererseits. Die genauen Positionen der Objekte in einem Raum oder auf einer Fläche können somit jederzeit ermittelt werden. Die Speicherung der Objekte geschieht dabei völlig unabhängig vom CAD-Plan. Dieser wird durch das Inventarmanagement nicht verändert. Die Objektverwaltung stellt diese Funktionalität sowohl für die Inventarverwaltung, als auch beispielsweise für ein Grün- und Freiflächenmanagement zur Verfügung.
4
180
4 Bauwirtschaft und Management
4.4.4.6 Auftragsverwaltung Über die Auftragsverwaltung werden Störmeldungen, Zusatzaufträge und Leistungen infolge von Baumaßnahmen zentral erfasst sowie deren Abwicklung unterstützt (Abbildung 4.17) und überwacht. Die Stati der entsprechenden Aufträge werden gepflegt, wodurch jederzeit Informationen über einen bestimmten Auftrag und dessen Erledigungsstatus, sowohl für die Bearbeiter als auch für die „Kunden“, zur Verfügung stehen. Die Besonderheit dieses Moduls liegt in der Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung der Universität in diesem Bereich, die derzeit noch sowohl Elemente der Kameralistik als auch der Kostenund Leistungsrechnung enthält, sowie in der Komponente der Nutzerorientierung.
4
Abbildung 4.17: Eingabemaske für Serviceaufträge38
Neben der Abfrage der Auftragsstati lassen sich über das Internet, im sogenannten ServiceBriefkasten, Stör- oder Bedarfsmeldungen mit Hilfe eines Web-Clients ins CAFM-System eintragen. Die entsprechende Meldung wird dann im System gegebenenfalls als Serviceauftrag erfasst und weiterbearbeitet.
4.4.4.7 Instandhaltung und Wartung Dieses Modul dient der Erfassung der zu pflegenden bzw. zu begehenden Objekte sowie der Erfassung und Unterstützung der durchgeführten Pflegemaßnahmen, Reinigungsarbeiten sowie Kontrollen. Die Pflegezyklen für die Objekte werden bestimmt und stehen somit für eine entsprechende Terminplanung zur Verfügung. Alle Arbeiten werden dokumentiert. Insbesondere im Rahmen der externen Auftragsvergabe werden spezielle Anforderungen an die Dokumentation gestellt, um die Qualität der Daten im System sicherzustellen. Mit der PDA-Komponente stehen die Daten und gegebenenfalls auch die Historie einer Anlage oder eines Bauteils auch direkt vor Ort zur Verfügung. Auswertungen unterstützen Entscheidungen im Rahmen der Planung und Durchführung von Pflegemaßnahmen.
38
Vgl. Riediger, N., Fietz, N. (2004)
4.4 Aspekte des Facility Management
181
4.4.4.8 Gefahrstoffverwaltung Sämtliche im CAFM-Einsatzgebiet relevanten Gefahrstoffe werden über dieses Modul in einem Gefahrstoffverzeichnis erfasst (diese Daten können aus entsprechenden Herstellerdatenbanken importiert werden) sowie deren Lagermengen und -orte angegeben. Für die Lokalisierung der Gefahrstoffe besteht eine Verbindung zum Flächenmanagement. Eine spezielle Gefahrstoffbörse ermittelt, welche Gefahrstoffe, in welchen Mengen, sich an welchem Ort befinden (Gebäude, Geschoss, Raum). Diese Funktionalität erleichtert den organisationsinternen Austausch von Gefahrstoffen. Der Bestand an Gefahrstoffen kann über variabel definierbare Auswertungen ermittelt werden. Da die Basis der Gefahrstoffverwaltung eine Lagerhaltung darstellt, lassen sich hierdurch beliebige Arten von Gefahrengut verwalten. Bei Bedarf bietet es Schnittstellen zu anderen Modulen des Systems sowie die Option einer GPS-Lokalisierung für den Havariefall. Ein Modul dieser Art war aufgrund der besonderen Bedürfnisse der Universität mit einer Vielzahl von Laboreinrichtungen notwendig.
4.4.4.9 Zusätzliche Funktionalitäten des Systems Das CAFM-System verfügt weiterhin über zusätzliche Funktionen, wie • die PDA-Komponente, • die Dokumentenverwaltung und • das Reporting Modul. Das System ist mit einer PDA-Schnittstelle ausgestattet, so dass die CAFM-Daten auch für mobile Einheiten bereitgestellt werden können. Optional besteht die Möglichkeit, die einzelnen Objekte mit einem Barcode zu versehen und direkt nach einem Scannen des Objektbarcodes über den PDA die Daten des jeweiligen Objekts anzuzeigen. Somit steht mit der PDAKomponente ein leicht bedienbares und tragbares Informationssystem zur Verfügung, das bei Bedarf durch eine GPS Komponente erweitert werden kann. Optional ist hierbei auch die Verwendung von entsprechenden Transpondern möglich. Die Einsatzgebiete der PDA-Komponente innerhalb des CAFM-Systems sind vielfältig. Insbesondere im Rahmen der Daten (Erst-) Erfassung, des Controllings sowie der Qualitätssicherung ist die PDA-Komponente ein effektives und kostensparendes Element. Durch die Verwendung eines Dokumentenmanagementsystems innerhalb des CAFM werden im System enthaltene Dokumente allen Nutzern systematisch zur Verfügung gestellt und archiviert, so dass eine redundante Datenhaltung weitgehend vermieden wird. Über das Reporting Modul besteht die Möglichkeit, für die einzelnen Module im CAFMSystem Auswertungen XML-basiert zu definieren und das Layout bedarfsgerecht zu gestalten. Diese Auswertungen stehen dann in unterschiedlichen Dateiformaten über einen Report-Server für die jeweiligen Module zur Verfügung.
4.4.5 Beispielhafte Funktionsweise des CAFM-Systems der TU Berlin Eine grundlegende Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz eines CAFM-Systems ist die kontinuierliche Datenpflege insbesondere während der Nutzungsphase, um jederzeit auf aktuelle Daten zugreifen zu können. Änderungen der Bestandsdaten müssen durch die Nutzer auf möglichst einfache Art und Weise gefunden sowie eingepflegt werden können. Besondere
4
182
4 Bauwirtschaft und Management Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der klar gegliederten, übersichtlichen Darstellung der benötigten Informationen zu, die aufwändiges suchen verhindert. Am Beispiel des Flächenmanagements wird im Folgenden die einfache Darstellung und Korrigierbarkeit von Bestandsdaten beschrieben.
4
Alle wichtigen Daten des Flächenmanagements des CAFM der TU Berlin werden in Systemmasken übersichtlich in einer Baumstruktur dargestellt, die durch eine Plan- und Datenansicht ergänzt wird (Abbildung 4.18). Hierbei ist das System unabhängig von der Art der Flächen oder Objekte, die verwaltet werden. Auf diese Weise können die Flächen von Gebäuden, Geschossen und Räumen ebenso dargestellt werden, wie Parkanlagen mit Rasenflächen oder Außenanlagen. Wird eine bestimmte Fläche in der Baumstruktur markiert (beispielsweise aufgrund einer Reparaturmaßnahme oder Begehung) erscheint gleichzeitig der entsprechende Gebäude- oder Außenanlagenplan in der Planansicht, auf dem die gesuchte Fläche farblich gekennzeichnet ist. Zusätzlich zur graphischen Zuordnung werden beliebige Detaildaten (z. B. Größe, Nutzer, Kostenstelle, Leistungsmethode) zur gesuchten Fläche in der Datenansicht angezeigt oder auch aus den Plandaten berechnet. Die gleiche Information erhält der Nutzer, wenn er die gesuchte Fläche innerhalb der Planansicht selektiert und auf diese Weise markiert.
Planansicht
Baumstruktur
Datenansicht
Abbildung 4.18: Systemmaske des Flächenmanagements39
39
Vgl. Riediger, N., Fietz, N. (2004)
4.4 Aspekte des Facility Management
183
Sollen Bestandsdaten innerhalb des laufenden Betriebs verändert oder ergänzt werden, so können diese Änderungen direkt in die Datenansicht des Flächenmanagements eingegeben werden. Einzige Voraussetzung hierfür ist, dass der entsprechende Nutzer innerhalb des CAFM-Systems berechtigt wurde, diese Daten zu verändern. Um anfallende Kosten verursachungsgerecht zuordnen zu können, lässt sich innerhalb des Flächenmanagements die Kostenstellenstruktur der Organisation in das CAFM-System übernehmen, so dass Kostenstellen beliebigen Objekten im Gebäude oder im Gelände zugeordnet werden können. Zur besseren Übersicht sind auch die Kostenstellen in einer Baumstruktur dargestellt. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Funktion steigt bei der Erweiterung des Flächenmanagements durch bspw. die Anwendung der Module Leistungsmanagement und/oder Instandhaltung/Wartung. Zusätzlich sieht das System die Möglichkeit der Raumbelegung vor. Die Raumbelegungen können für einen Raum oder für eine in der Baumstruktur bzw. dem CAD-Plan markierte Gruppe von Räumen parallel durchgeführt werden. Diese Funktionalität ermöglicht es zusätzlich, alle Flächen eines Planes mit einer bestimmten Eigenschaft, wie dem Merkmal sowie oder zu visualisieren. Beispielsweise werden bei Bedarf Belegungszeiten von Räumen angezeigt, die erkennen lassen, wann und in welchen Zeiträumen eine Reinigung bei einem bestimmten Objekt durchgeführt werden soll. Auf diese Weise können z. B. Reinigungsdienstleistungen optimal in den Betriebsablauf integriert werden. Falls vorhanden, können in der Fotoansicht beliebig viele Bilder oder Multimedia-Daten zu Gebäuden, Räumen oder Inventar angezeigt werden (Abbildung 4.18). Zu dem jeweiligen Foto werden zugehörige Detailinformationen angezeigt (z. B. Nutzer, Vertragsnummer, Fassadendetails). Funktionalitäten des Basismoduls Flächenmanagement stehen dem Nutzer innerhalb der anderen Anwendungsmodule zur Verfügung. Eine sinnvolle Anwendung oben genannter Funktion ist hier beispielsweise im Rahmen des Leistungsmanagements das Abbilden von verschiedenen Fassadenoberflächen an einem Gebäude. Hierbei werden zusätzliche Angaben zur Fassadenfläche (brutto/netto), der Fensterfläche, zum Material und der entsprechenden Reinigungsmethode verwaltet. Zusätzliche Detaildaten zu den Flächen sind innerhalb des Flächenmanagements individuell wählbar. Besteht Bedarf, neben dem Raumnutzer, der Kostenstelle, einer Telefonnummer o.ä. weitere raumspezifische Informationen im Modul zu speichern, so können diese mit geringem Aufwand ergänzt und auf die Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden. Sämtliche Detaildaten innerhalb der Datenansicht, wie Kostenstellen, Belegungen etc., lassen sich durch berechtigte Nutzer jederzeit beliebig und schnell verändern. Die Änderungen werden dabei vollständig in die Datenbank des Systems übernommen, so dass allen Nutzern gleichermaßen aktuelle Daten zur Verfügung stehen. Gleichzeitig werden alle Bestandsdatenveränderungen vom System protokolliert bzw. dokumentiert, so dass beispielsweise die Instandhaltungs-Historie einer maschinellen Anlage dargestellt werden kann. Auswertungen oder Reports aller Art können vollkommen individuell erstellt und in beliebigem Format ausgegeben werden (z. B. MS Excel, HTML, PDF oder XML bzw. MS ACCESS). Einmal erstellte Reports können beliebig oft weiterverwendet werden, so dass ein interner Standard unterstützt wird. Die Definition dieser Auswertungen erfolgt mit dem Reporting Modul.
4
184
4 Bauwirtschaft und Management
4
Abbildung 4.19: Systemansicht des Flächenmanagements mit Foto
4.4.6 Potenziale des CAFM für den Lebenszyklusansatz Das CAFM stellt als Informationssystem mit einer strukturierten, aktuellen und konsistenten Datenbasis eine grundsätzliche Voraussetzung für ein erfolgreiches FM dar und trägt wesentlich zur Verbesserung der Effizienz der FM-Prozesse bei. Eine vollständige und systematische Informationsbereitstellung ist sowohl die Grundlage für ein erfolgreiches FM als auch für ein ganzheitliches Lebenszyklusmanagement, so dass das Ziel eine den Lebenszyklus begleitende Informationsstrategie sein sollte.40 Das Projekt zur Erstellung einer CAFM Software an der TU Berlin war zu Beginn im Wesentlichen an das Ziel geknüpft, die Prozesse des FM innerhalb der Nutzungsphase zu strukturieren und zu optimieren. Vordergründig wichtig waren hierbei die Erhöhung der Transparenz im Bereich Kosten und Prozesse sowie die Bereitstellung von Informationen und Entscheidungshilfen in Form einer einheitlichen Datenbasis. Im Wesentlichen wurde also der Bestand an baulichen Anlagen erfasst und in das System integriert. Da die vorhandenen Informationen aus verschiedenen Gründen nicht vollständig vorlagen, ist der Bezug zu den davor liegenden Phasen der baulichen Anlagen teilweise nur schwer ins System zu integrieren und oft mit erhöhtem Aufwand wie Neuaufmassen oder Digitalisierung vorhandener Daten verbunden gewesen. Dennoch stehen die Daten der Nutzungsphase bereits auch für folgende Phasen, wie Umbau oder Rückbau zur Verfügung. Besonders vorteilhaft im Rahmen der Lebenszyklusbetrachtung
40
Vgl. May, M. (2004), S. 123; Krimmling, J. (2005), S. 130f
4.4 Aspekte des Facility Management
185
ist hierbei, dass bereits Erfahrungswerte im System vorliegen, die in die Planungsphase späterer Neubauten einfließen können. Der gewählte modulare Aufbau des betrachteten Systems unterstützt hierbei bereits eine mögliche Erweiterung des Systems hinsichtlich weiterer Lebenszyklusphasen. So ist vorstellbar, dass das CAFM-System durch ein Modul für die Planungs- und Ausführungsphase neuer Bauteile oder baulicher Anlagen ergänzt wird, das sowohl die vorhandenen Informationen und Erfahrungen aus dem System zwecks Optimierung nutzt, als auch Daten der Planung und Ausführung für die spätere Bewirtschaftung bereitstellt. Besonders das Flächenmanagement und das AutoCad-PlugIn würden bereits jetzt die Integration von Planungsunterlagen unterstützen und gleichermaßen davon profitieren. Ein weiterer Vorteil in diesem Zusammenhang wäre die Möglichkeit, einheitliche Konventionen für die Planerstellung in der Planungsphase einzuführen. Auf diese Weise würden sich bestehende Schwierigkeiten aufgrund heterogener Bestandsdaten auf ein Minimum reduzieren. Als nachteilig muss in diesem Zusammenhang jedoch die fehlende Konzeption des Systems hinsichtlich einer ganzheitlichen und phasenübergreifenden Informationsstrategie betrachtet werden. Obwohl in einem ersten Schritt nur die Prozesse der Nutzungsphase Relevanz hatten, wäre eine vorausschauende Planung hinsichtlich einer Lebenszyklusplanung wünschenswert gewesen.
4.4.7 Fazit Zusammenfassend kann das Projekt der TU Berlin als erfolgreicher Schritt betrachtet werden, mit Hilfe eines CAFM-Systems eine solide Datenbasis geschaffen zu haben, die die Grundlage für ein umfassendes Informationssystem und somit auch für ein erfolgreiches FM bildet. Gleichzeitig konnte anhand des betrachteten Beispiels in Ansätzen gezeigt werden, dass die Schaffung eines ganzheitlichen Informationssystems in Form eines CAFM-Systems in der Nutzungsphase einer Immobilie wesentliche Grundlagen für die Initiierung eines phasenübergreifenden Lebenszyklusmanagements bei Bestandsbauten sein kann. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist einerseits der flexible und erweiterbare Aufbau des Systems sowie die Möglichkeit der Integration von Plandaten, als bedeutendes Element der Planungs- und Realisierungsphase. Andererseits ist auch bei diesem Ansatz bei der Systemerstellung die Integration der Beteiligten anderer Phasen erforderlich, um ein Informationssystem schaffen zu können, das den bestehenden Anforderungen gerecht wird.
4.4.8 Literatur Kahlen, H.: Facility Management, Entstehung-Konzeption-Perspektiven, Springer-Verlag, Berlin, 2001 Kochendörfer, B., Liebchen, J., Viering M.: Bau-Projektmanagement – Grundlagen und Vorgehensweisen, 2. Auflage, Teubner Verlag, 2004 Kochendörfer, B., Riediger, N.: Informationmanagement as a Basis for CALM – Computer Aided Lifecycle Management in Civil and Building Engineering, in: Rivard, H., Miresco, E., Melhem, H. (Hrsg.): Proceedings of the Joint International Conference on Computing and Decision Making in Civil an Building Engineering, June 14-16, 2006 – Montreal, Canada Krimmling, J.: Facility Management, Strukturen und methodische Instrumente, Frauenhofer IRB Verlag, 2005 Lutz, U.: Facility Management Jahrbuch 2002/2003, Springer-Verlag, Heidelberg Berlin, 2002
4
186
4 Bauwirtschaft und Management May, M.: IT im Facility Management erfolgreich einsetzen – Das CAFM Handbuch, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 2004 Pelzeter, A.: Lebenszykluskosten von Immobilien, Immobilien Informationsverlag Rudolf Müller GmbH & Co. KG, Köln, 2006 Riediger, N., Fietz, N. (2004): CAFM (Computer Aided Facility Management) – Gesamtkonzept einer öffentlichen Verwaltung, TU Berlin, FG Wirtschaftsinformatik/ADEV. http://aedv.cs.tuberlin.de/projects/facilities.html, Abruf 01.12.2006
4.5 Qualität im Facility Management
4
bearbeitet von Prof. Dr.-Ing. Peter Haller Die Herausforderung an die Immobilienwirtschaft Die Dacheinstürze, ausgelöst durch die extremen Schneefälle im Winter 2005/06, haben schlagartig den Ruf nach einem Bau-TÜV laut werden lassen. Aufgeschreckte Minister, Landräte und Bauverwaltungen wurden bedenkenlos der mangelhaften Bauausführung und der fehlenden Wartung/Inspektion bezichtigt, obwohl die Ursachenforschung teilweise noch nicht einmal aufgenommen oder geschweige denn abgeschlossen war. Dass sich dabei auch selbst ernannte Experten zu Wort gemeldet haben, muss man wohl angesichts der sensationshungrigen Medienwelt in Kauf nehmen. Beachtenswert bleibt aber die allseits bekannte Feststellung, dass die Systembrüche bei Planung und Bauausführung sowie in der späteren Nutzungsphase bei der Instandhaltung, d.h. über den Lebenszyklus der Immobilien hinweg ein durchgängiges Qualitätsmanagement dringend erforderlich machen. Uns Bürgern vermittelt die Werbung, beste Qualität sei in fast allen Lebensbereichen zu niedrigsten Preisen erreichbar. Für diesen Qualitätsanspruch besteht lange schon eine ISO-Norm. Unter deren Anwendung soll der Lieferant über definierte Verfahrensabläufe die Erzeugung der versprochenen Qualität sicherstellen, so dass sich sein Kunde darauf verlassen kann. Zugelassene Prüforganisationen zertifizieren die Unternehmen und überwachen bei Geschäftsleitung und Mitarbeitern die Einhaltung der anhand der Norm selbst gesetzten Verfahrensabläufe in entsprechenden Zeitabständen. Diese Vorgehensweise ist in vielen Bereichen unserer Wirtschaft Standard geworden. Dennoch kommt es immer wieder zu spektakulären Ausreißern, stellvertretend seien die Rückholaktionen der Automobilhersteller genannt. Verfahrensanweisungen sind es offensichtlich nicht alleine, die Qualität entstehen lassen. Klare, mess- und nachvollziehbare, aber auch für den Kunden verständliche Parameter, was für den Dienstleistungssektor manchmal schwierig ist, müssen es sein, an denen Qualität festgemacht wird. Dies gilt auch für das zunehmend an Bedeutung gewinnende Facility Management, zumal wenn langfristige Vertragsverhältnisse eine Partnerschaft zwischen Auftraggeber und Lieferant sowie der Lieferanten untereinander im Lebenszyklus des Prototyps „Immobilie“ begründen sollen.
5.4.1 Status Quo des Facility Management Der schillernde Begriff Facility Management wird in den unterschiedlichsten Zusammenhängen benutzt. Alles dreht sich zwar irgendwie um die Immobilie, ihre technischen Anlagen und die dazugehörigen Services, aber die Inhalte differieren stark. So steht der Begriff heute für: • Integrierte EDV-Lösungen für umfangreichste Flächen-, Raum- und BewirtschaftungsDatensätze,
4.5 Qualität im Facility Management
187
• Eine erwünschte, aber nicht vorhandene, höhere Integration der Zusammenarbeit aller Beteiligten, die in den Lebenszyklusphasen des Gebäudes (Planen, Bauen und Bewirtschaften) Verantwortung tragen, • Zunehmende Erkenntnis über die Wichtigkeit der Betriebskosten und der Serviceleistungen rund um die Immobilie, • Outsourcing-Maßnahmen zur Lösung von Produktivitäts- und Kostenproblemen insbesondere bei den Serviceleistungen als geschäftsunterstützende Sekundärprozesse, und damit Lösung der bestehenden vielfältigen Personalprobleme, • Spezielle Finanzierungsformen in der Immobilienwirtschaft. Bereits diese knappe Schilderung zeigt die unterschiedlichen Blickrichtungen der Beteiligten. Sie lassen zudem ihr unterschiedliches Rollenverständnis, und aufgrund der Überschneidung von Verantwortlichkeiten, die Divergenz der verfolgten Ziele erahnen, ohne diese im Einzelnen darstellen zu wollen. Da die Beteiligten zudem in den jeweiligen Phasen der FMAktivitäten sehr unterschiedlichen Wettbewerbssituationen ausgesetzt sind, ist die Erarbeitung und Ausgestaltung einheitlicher Denk- und Lösungsansätze deutlich erschwert. Abweichende Qualitätsansätze in Planung, Durchführung und Bewirtschaftung der Gebäude sind erkennbar vorhanden und führen zu den allseits bekannten Missverständnissen und Beanstandungen, bisweilen auch zu juristischen Auseinandersetzungen. Die Grossen der Baubranche verfolgen mit verschiedenen Modellen das Ziel, dem Kunden einen integrierten Lösungsansatz aus einer Hand mit einer Verantwortlichkeit und Haftung für den gesamten Lebenszyklus der Immobilie zu geben. Ziel scheint neben einem langen und partnerschaftlichen Vertragsverhältnis die Beseitigung der immer wieder kritisierten Verantwortungsbrüche und der auftretenden Qualitätsmängel zu sein. Diese Vorgehensweise muss dann zwangsläufig auch den Dienstleistungsbereich des Facility Management einbeziehen.
4.5.2 Die Dienstleistung im Facility Management Marktstudien der Vergangenheit haben den Dienstleistungssektor des Facility Management als einen herausragenden Wachstumsmarkt durch Wandlung der Eigenleistung in Fremdleistung angesehen. Er hat sich in den vergangenen 10 Jahren als ein eigenständiges Marktsegment herausgebildet. In den letzten Jahren hat zudem ein Konzentrationsprozess eingesetzt, bei dem verschiedene Unternehmen ihre ehemals ausgegründeten FM-Tochterunternehmen veräußert haben. Dies lässt auf eine deutliche Marktdynamik schließen. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass diese Substitution per Saldo gesamtwirtschaftlich noch keine neuen Arbeitsplätze geschaffen hat, sondern – trotz vieler wirtschaftlicher Erfolge – nur in eventuell kostengünstigere verlagert. Deshalb ist das Outsourcing der FM-Dienstleistungen bei Vielen in starken Verruf geraten, was sich durchaus als hemmend für die weitere Entwicklung des FM-Bereichs herausstellen könnte. Die Chance auf weiteres Wachstum dieses jungen Marktsegments wird sich allerdings nur aus zwei Quellen speisen: • Wachstum des industriellen produzierenden Sektors in Deutschland, • Zunehmende Professionalität und Bereitschaft zur Risikoübernahme sowie Bezahlbarkeit der Dienstleistung. Die Professionalität auf der Anbieterseite im Gebäudemanagement nimmt erkennbar und deutlich zu, das Problem einer sauberen und durchgängigen Qualitätsdefinition wird damit aber umso notwendiger. Die Forderung nach klaren nachvollziehbaren Qualitätskriterien und damit auch einer Wiederherstellung der vernünftigen Preisrelation wird verstärkt durch eine allge-
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4 Bauwirtschaft und Management meine Entwicklung in unserer Republik, die durch Marketingmaßnahmen verschiedener Anbieter mit Schlagworten wie „Geiz ist geil“ zu charakterisieren ist.
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Hohe Sparquoten entziehen der Volkswirtschaft Kaufkraft, denn die Bürger erkennen, dass der Staat die bisherige Altervorsorge nicht mehr leisten wird. Die jetzt einsetzende Selbstvorsorge hierfür und für eine mögliche Arbeitslosigkeit stellt ein weiteres Hindernis für ein steigendes Konsumverhalten dar. Eine Stärkung der Inlandsnachfrage ist trotz Verbesserung des Geschäftsklimas durch höhere Investitionen im Inland noch nicht festzustellen. Das Problem der stotternden Konjunktur löst sich damit nicht, obwohl uns ein stabiler Export auszeichnet. Fortbestehende Arbeitslosigkeit bei den gleichzeitig noch ungelösten Haushaltsproblemen sind durch weiter steigende soziale Ausgabenlasten fast zwangsläufig, selbst wenn die Steuereinnahmen in 2006 gestiegen sind. Wir leben immer noch auf Pump bei unserer nachfolgenden Generation durch die sich fortsetzende Staatsverschuldung und steigende Zinslast. Die Spirale dreht sich nach unten. Der Staat muss dies vermeiden, daher ist der verstärkte Griff auf die Zahlungsfähigkeit des Bürgers über erhöhte Steuern (z. B. Mehrwertsteuer), Zuschläge oder andere Abgaben zu erwarten. Die weltpolitische Entwicklung lässt zudem stark steigende Ölund Energiepreise erwarten. Die Konsequenz für den Bürger aus dieser Entwicklung lautet jetzt immer mehr: „Billig ist Besser“, weil man sich nicht weniger leisten kann oder will. Der nicht nachlassende Kostendruck und der damit zunehmende Preis- und Rationalisierungsdruck entwickelt einen ständig wachsenden Druck auf die Qualität, die sofort nachgibt, wenn die vom Kunden geforderte Qualität einerseits und die lieferbare andererseits mangels klarer Definition auseinanderklaffen. Austauschbarkeit des Lieferanten aufgrund der hohen Anbieterzahl und Verwechselbarkeit des Produkts erhöhen den Preisdruck noch mehr, da der Preis dann zum alleinigen Kriterium für die Lieferantenauswahl wird. Den Preisdruck nur über die verringerte Bezahlung der Mitarbeiter zu kompensieren, was häufig kurzfristig versucht wird, ist mindestens langfristig zum Scheitern verurteilt, denn nur Ausbildung und Qualifikation der Mitarbeiter sind die Garanten, Qualität zu schaffen, und diese hat auch ihren Preis. Das „Entweder-Oder“ der traditionellen Wettbewerbsstrategie im Konsumgüterbereich nämlich „Qualitätsführerschaft“ oder „Preisführerschaft“ hat sich durch die beschriebene Verbrauchereinstellung in ein Miteinander gewandelt. Dies fordert die Notwendigkeit zur Entwicklung einer klaren Qualitätsstrategie und -segmentierung, die für den Kunden ähnlich wie in der Hotelbranche jederzeit nachvollzieh- und reproduzierbar und erlebbar sein muss, sowie die ständige Suche nach der effizienteren Leistungserbringung. Der FM-Bereich macht hier keine Ausnahme. Eine durchgängige Qualitätsstrategie fehlt allerdings bis heute, sie ist nur in Teilbereichen vorhanden.
4.5.3 Die Verbraucher von FM – Leistungen Der Endverbraucher als Nutzer der Gebäude, um welche Zweckbindung oder Dienstleistung es sich auch immer handelt, kommt in den seltensten Fällen als Diskussionsteilnehmer für die Qualitätsfragen vor, obwohl gerade ihn eine mangelhafte Qualität triff. Die Vertragsverhältnisse sehen ihn allerdings fast nie vor, aber alle Beteiligten beziehen sich auf ihn. Seine Ansprüche sind fast immer nur mittelbar erfasst und artikuliert von Beauftragten wie: • • • •
Betriebsrat Bau-/Verwaltungsabteilung Planer/Berater Behörde.
4.5 Qualität im Facility Management
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Häufig genug tauchen somit Lücken zwischen den Wünschen, Erwartungen und Ansprüchen des Nutzers und dem schriftlich Vereinbarten, dem Expliziten auf, insbesondere wenn auch noch Risiken auf den Schwächeren verlagert werden. Der Verbraucher impliziert Wünsche in die Vertragsdurchführung, ohne diese tatsächlich auszuformulieren, die der Lieferant der Dienstleistung, dann auch unentgeltlich, zu erbringen hat. Es sind Aufgaben wie Beratungsleistungen gemeint oder angesprochen: „Der professionelle Lieferant müsse seinem Kunden von sich aus Verbesserungsvorschläge ausarbeiten oder zusätzliche Dienstleistungen erbringen.“ Von einer klaren Qualitätsdefinition, evtl. sogar einer ausgewogenen Risikobalance, kann also nicht die Rede sein. Von einer vernünftigen Preis-/Leistungsrelation ist man weit entfernt. Deshalb muss das Kunden-/Lieferantenverhältnis schon vom Beginn einer Vertragsbeziehung belastet sein. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit scheint sich daraus schwerlich entwickeln zu können. Nur „good will“ könnte diese am Leben erhalten. Inzwischen ist kulantes Verhalten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer aufgrund des enormen Kosten- und Preisdrucks zur Seltenheit geworden, juristische Auseinandersetzungen gewinnen die Oberhand.
4.5.4 Der Immobilienwert Mit diesem beschäftigen sich viele der am Immobilien-Lebenszyklus Beteiligten, wie auch der Staat als Steuerbemessungsgrundlage. Der Anschaffungswert der Immobilie hat als Anlagevermögen der Bilanz, wie die letzten Jahrzehnte gezeigt haben, eine ständige Wertsteigerung erfahren und zum Aufbau stiller Reserven geführt, die jetzt durchaus als strategisches Erfolgspotential genutzt werden können. Der Verkehrswert einer Immobilie wird in der Regel über den Ertragswert getrieben, insbesondere bei vermieteten Gebäudeflächen. Dieser kann allerdings im Laufe der Jahre eine deutliche Diskrepanz zum Substanzwert aufweisen, insbesondere wenn die Ausstattungsstandards nicht mehr zeitgemäß sind, der Erhaltungszustand deutliche Mängel aufweist, der Nutzungskomfort oder die Gebäudeservices schlecht sind. In diesen Fällen werden derartige Qualitätsprobleme zum Prüfstein eines realistischen Gebäudewerts. Eine Relation zwischen Immobilienwert und signifikanter Qualitätsparameter fehlt, weil letztere nur in Teilen definiert sind.
4.5.5 Konsequenzen für den Immobilien-/FM-Bereich und das Rollenverständnis der Beteiligten Beleuchten wir die Ausgangssituation. Die Lebenszykluskosten setzen sich aus den Anschaffungskosten sowie den verschiedenen Betriebskosten zusammen, die in einer frühen Phase der Projektentstehung am intensivsten zu beeinflussen und mit zunehmender Dauer des Projekts fixiert sind. Jeder weiß auch: Die während der Nutzung entstehenden Kosten sind um ein Mehrfaches höher als die einmaligen Investitionsaufwendungen bei der Anschaffung. Für die Ermittlung der Lebenszykluskosten und evtl. Optimierungsmaßnahmen wäre es also notwendig, die Bedeutung und den Umfang der späteren Betreibermaßnahmen und die Höhe der daraus resultierenden Kosten zu ermitteln. Derartige Anforderungswerte müssten also auch vertragliche Kenngrößen werden, die eventuell einer Bonus/Malusregelung unterlegt werden können. Sie schaffen die zweifelsfreie und unbestreitbare Grundlage für eine spätere Auseinandersetzung in Gewährleistungsfällen und bei Haftungsfragen. Solches Bewusstsein ist z. Zt. gering ausgeprägt. Es fehlt an der häufig zitierten, fehlenden ganzheitlichen Bindung der Beteiligten, da sie, wie bekannt, unterschiedliche Ziele verfolgen.
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4 Bauwirtschaft und Management Planungsphase Gestaltungswille des Architekten, Funktionalität, konstruktive Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit sind vielfache Gegensätze, die nur durch Konsensfähigkeit der handelnden Personen und Hintanstellen der eigenen Dominanz überbrückt werden können. Wir beschreiben teilweise Bauqualitäten sehr detailliert, über die erforderlichen Festlegungen und Begründungen für eine wirtschaftliche Betriebsführung verlieren wir in der Phase der Planung und Baudurchführung selten ein Wort. Der FM-Dienstleister kommt im Planungsprozess so gut wie nicht vor. Beschaffungsmanagement und Bauausführung
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Die Wettbewerbssituation für den Planungsprozess sowie für die Baudurchführung und den späteren Bewirtschaftungsprozess (Gebäudemanagement) scheint zunehmend zu einer Ungleichheit der Waffen bei den Beteiligten zu führen. Grosse Einkaufsorganisationen, gleichermaßen wie Kartelle, sind vorhanden. Geld zu verdienen und Kosten zu sparen stoßen sich hart im Wettbewerbsverfahren bis zur Auftragsvergabe. Die im Vergabeprozess zunehmend für den Auftraggeber attraktiver werdenden Auktionsverfahren werden zwangsläufig den Trend zu Nachtragsmanagement verstärken. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit muss leiden, wenn in letzter Sekunde erstaunliche Nachlässe gegeben werden. Inbetriebnahmephase Eine Feststellung wiederholt sich fast immer bei jedem Bauvorhaben: Die Inbetriebnahmephase ist kurz geplant. Häufig genug werden damit auch noch eingetretene Bauzeitverzögerungen ausgeglichen. Erforderliche Prüfungen unterbleiben; evtl. schon bei der Abnahme nicht erkannte Mängel werden erst in die Gewährleistungsfrist erkannt. Der Schuldvorwurf richtet sich dann häufig genug nicht an den Ausführenden, sondern an den Dienstleister, der sowohl bei der Planung als auch bei Ausführung nicht beteiligt war. Haftungsprobleme sind nicht gelöst. Zudem sind häufig genug die erforderlichen Revisionsunterlagen und Dokumente bei der Abnahme oder Übergabe nicht fertiggestellt, obwohl sie Basis für eine professionelle Bewirtschaftung der Immobilie sind. Bewirtschaftungsphase Der Gebäudemanager/Serviceleistende wird selten oder fast gar nicht in den Planungsprozess einbezogen. Erfahrungen über die System- und Materialwahl sowie die spätere Betriebsweise in Relation zu den Kosten bleiben brach liegen, wenn sie denn überhaupt systematisch vorhanden sind. Man erwartet vom Dienstleister den professionellen, gut ausgebildeten und erfahrenen „Kümmerer“, der sich möglichst ständig im Objekt aufhält. Allerdings vergisst man dabei, dass eine solche Mitarbeiter-Vorhaltung Geld kostet.
4.5.6 Lösungsansatz Die Problemstellungen und Ursachen sind hinlänglich bekannt, Die Lösung der verschiedenen Einzelprobleme im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung und eines ausgewogenen Wertemanagements ist die • Durchgängige Qualitätsdefinition im Sinne eines Gebäudepasses und • ein konsequentes „Requirement-Engineering“ mit messbaren und nachprüfbaren Leistungsparametern.
4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig!
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Wir müssen an der jeder Stelle des Lebenszyklus: „Das Richtige richtig tun“, was grundsätzlich eine durchgängige Qualitätsdefinitionen (Gebäudepass) als verbindendes Element über alle Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes sowie alle Bau- und Serviceleistungen voraussetzt. Der Gebäudepass kann damit zur Grundlage und Maßstab werden für • die verschiedenen Stufen der Leistungserbringung und • den Kostenrahmen bzw. Kostenvergleich. Solche durchgängige Qualitätsdefinitionen setzen in den verschiedenen Bauphasen die Anforderungen (requirements) für alle Baubereiche des Roh- und Ausbaus, aber auch der technischen Gebäudeausrüstung. Das „Requirement-Engineering“ erfasst und prüft diese in allen Phasen des Gebäude-Lebenszyklus auf die späteren Auswirkungen bei der Bewirtschaftung (Kosten/Nutzen), korrigiert oder verwirft diese, wenn keine nachvollziehbare Begründung vorliegt. Es müssen daher auch die Prozessabläufe besser und folgerichtiger strukturiert werden. Es ist genügend Zeit zur Verfügung zu stellen, um die in allen Phasen des Prozesses anforderungsgerecht arbeiten zu können. Hektik schadet Allem und Allen. Diese Erwartungshaltung an die Prozesse gilt auch für den künftigen Betreiberprozess. Die Qualitätsziele sind in der Planungsphase zu definieren und ggfls. in der Bausauführung noch anpassen. Die Erkenntnisse aus der Nutzungs- und Bewirtschaftungsphase aus anderen Immobilien und technischen Anlagen sind aber bereits zu diesem frühen Zeitpunkt einzubringen. Der professionelle Gebäudemanager muss solche Erfahrungen/Erkenntnisse nachprüfbar vorweisen können.
4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig! Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Wolfdietrich Kalusche
4.6.1 Vorbemerkung Die Planung von Gebäuden setzt eine Aufgabenstellung voraus, die den Nutzeranforderungen gerecht wird und alle Rahmenbedingungen berücksichtigt. Gegenstand der Aufgabenstellung sollen Informationen sein, die bereits vor der Erarbeitung eines Planungskonzepts und zeichnerischer Darstellung eine erste Bemessung des Gebäudes erlauben. Es soll überprüft werden, wie groß das Gebäude unter Berücksichtigung aller weiteren Grundflächen nach DIN 277 (02.05), wie Technische Funktionsflächen, Verkehrsflächen und Konstruktions-Grundflächen, sein muss, um die geforderten Nutzungen aufnehmen zu können. Hierfür ist lediglich eine Berechnung der Gebäudegröße auf der Grundlage ausgewählter Mengeneinheiten und Verhältniswerte zu erstellen. Die Gebäudegröße wiederum ist mit den städtebaulichen Rahmenbedingungen, insbesondere dem Bebauungsplan, und den finanziellen Möglichkeiten des Bauherrn abzugleichen. Schließlich können aus einer solchen Überprüfung messbare Zielgrößen, z. B. Brutto-Grundfläche (BGF) in m2 und Kostenkennwerte in €/m2 BGF, für die Steuerung der Objektplanung abgeleitet werden.
4.6.2 Planung von Gebäuden und Aufgabenstellung Die Bemessung von Gebäuden kann erfolgen auf der Grundlage von Nutzeinheiten, z. B. Arbeitsplätze in einem Bürogebäude, Nutzungsprozessen, z. B. Übernachtungen in einem Hotel, oder Grundflächen, z. B. Lagerflächen in einem Speditionsgebäude. Ausgehend von der jeweiligen Bemessungsgrundlage kann die Größe eines Gebäudes über eine einfache Verhältnisrechnung ermittelt werden. Voraussetzung hierfür sind eindeutige Vorgaben, z. B. die Menge
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4 Bauwirtschaft und Management der Grundflächen nach einer entsprechenden Norm oder Verordnung, und ein auf diese Mengeneinheit bezogener Verhältniswert. Dieser kann durch statistische Erhebungen vergleichbarer Gebäude gewonnen werden. In manchen Fällen wird ein solcher Verhältniswert auch vom Bauherrn vorgegeben. Die Bemessung von Gebäuden und das daraus abgeleitete Raum- und Funktionsprogramm finden ihre Begrenzung durch städtebauliche Vorgaben. Das ist der Fall bei Vorhandensein einer verbindlichen Bauleitplanung in Form eines Bebauungsplanes. Durch die bestehende oder voraussichtliche Nachfrage, bezogen auf die jeweilige Nutzung und durch die finanziellen Möglichkeiten des Investors, wird das Gebäude ebenfalls begrenzt.
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Die zur Bemessung notwendigen Ermittlungen sind im Grunde recht einfach. Sie werden erfahrungsgemäß dennoch sehr oft nicht oder nicht richtig gemacht. Welche sind hierbei die häufigsten Fehler? • Es wird aus Zeitgründen mit der Objektplanung begonnen, bevor der Bedarf ausreichend sorgfältig ermittelt oder das Raum- und Funktionsprogramm vollständig aufgestellt worden ist. • Bei den Flächenangaben im Raum- und Funktionsprogramm handelt es sich nicht nur um die Nutzflächen (NF), sondern es werden auch entwurfsabhängige Flächen, z. B. Verkehrsflächen (VF), in das Raum- und Funktionsprogramm aufgenommen. • Die voraussichtliche Brutto-Grundfläche (BGF), die aus den Flächen des Raum- und Funktionsprogramms abgeleitet werden kann, wird vor der Objektplanung nicht ermittelt. • Die bei der Objektplanung zu beachtenden Flächenarten, insbesondere die Geschossfläche und die Brutto-Grundfläche, werden nicht unterschieden oder sie werden verwechselt. Anmerkung: Es gibt sogar „Experten“, die mit einer „sogenannten Brutto-Geschossfläche“ arbeiten, diese gibt es jedoch als definierte Fläche nicht. • Die Ermittlung der Brutto-Grundfläche erfolgt mit ungeeigneten Verhältniswerten oder es werden Verhältniswerte falsch angewendet. Anmerkung: Verhältniswerte können auf unterschiedliche Flächenarten bezogen werden und als Auf-Hundert- oder Von-HundertWerte angeben werden, z. B. BGF/NF = 151,0 entspricht NF/BGF = 66,2. Bei der Berechnung ist deshalb auf die Bezugsgröße, insbesondere BGF oder NF, zu achten. • Der erforderliche Umfang entwurfsabhängiger Flächenarten, insbesondere der Technischen Funktionsfläche (TF) und der Verkehrsfläche (VF) wird unterschätzt. • Die Nutzeinheiten oder Nutzungsprozesse werden während der Objektplanung geändert, aber die Auswirkungen auf die Grundflächen werden nicht festgestellt.
Abbildung 4.20: Nutzeinheit (NE) Stellplatz für ein Feuerwehreinsatzfahrzeug als Bemessungsgrundlage für Feuerwehrhäuser, Verhältniswert 181,14 m2 BGF/NE (siehe dazu auch die Flächen- und Planungskennwerte im Anhang)
4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig!
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Zur Vermeidung der aufgezählten Fehler, die zu Flächen- und damit Kostenüberschreitungen, zu nachträglichen Planungsänderungen und zu Terminüberschreitungen führen können, ist die Kenntnis des Baugesetzbuches sowie der Normen und Verordnungen für die Flächenermittlung unverzichtbar. Hierzu folgen die notwendigen Hinweise, die insbesondere auch beim Aufstellen des Raum- und Funktionsprogramms zu beachten sind. Für die Objektplanung ist es weiterhin erforderlich, die Flächen des Raum- und Funktionsprogramms mit der zulässigen Geschossfläche (Baugesetzbuch) eines Baugrundstücks zu vergleichen. Die voraussichtliche Brutto-Grundfläche des Gebäudes (DIN 277) ist zu ermitteln, damit die Machbarkeit des Projektes in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht überprüft werden kann. Dies ist nur möglich, wenn die Flächenarten des Raum- und Funktionsprogramms eindeutig sind und wenn die nicht enthaltenen, vom Entwurf abhängigen Grundflächen, z. B. die Verkehrsfläche und die Technische Funktionsfläche, ausreichend genau abgeschätzt werden können.
4.6.3 Geschossfläche nach Baugesetzbuch Die Geschossfläche ist Gegenstand des Bau- und Planungsrechts. Sie ist Ausdruck für das Maß der baulichen Nutzung auf einem Grundstück und im Baugesetzbuch definiert. Siehe dazu § 20 Baunutzungsverordnung (BauNVO) in Verbindung mit der Geschossflächenzahl (GFZ). Die Geschossflächenzahl gehört im Regelfall zu den Feststellungsinhalten eines qualifizierten Bebauungsplanes. Die Geschossflächenzahl ist ein dimensionsloser Verhältniswert für die zulässige Geschossfläche auf einem Baugrundstück. So bedeutet zum Beispiel eine GFZ von 0,8, dass ein Baugrundstück mit einer Fläche von 1.000 m2 zu 80 %, d.h. bis zu 800 m2 Geschossfläche des Baugrundstücks, bebaut werden darf. Die Geschossfläche wird nach den Außenmaßen aller Vollgeschosse eines Gebäudes berechnet. So werden Geschosse im Erdreich, zum Beispiel Kellergeschosse oder die Geschosse einer Tiefgarage sowie in vielen Fällen auch Flächen von Dachgeschossen unter Dachschrägen nicht zur Geschossfläche gezählt. Auch Balkone, Loggien und Terrassen bleiben bei der Geschossfläche unberücksichtigt. Die genaue Definition der Vollgeschosse ist in der jeweils geltenden Landesbauordnung zu finden. So heißt es beispielsweise in der Bauordnung für Berlin (BauO Bln): „§ 2 Begriffe … (11) Vollgeschosse sind Geschosse, deren Oberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die festgelegte Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ein gegenüber den Außenwänden zurückgesetztes oberstes Geschoss (Staffelgeschoss) und Geschosse im Dachraum sind nur dann Vollgeschosse, wenn sie die lichte Höhe gemäß Satz 1 über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses haben.“ (Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29. September 2005 (GVBl. S. 495)) Beim Vergleich mit der Definition der Brutto-Grundfläche (BGF), welche nach DIN 277 (02.05) aus der Summe der Grundflächen aller Grundrissebenen zu ermitteln ist, wird deutlich, dass sich die ähnlich klingenden Flächenarten wesentlich voneinander unterscheiden (siehe auch übernächster Abschnitt).
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4 Bauwirtschaft und Management Gebäude mit mehreren Geschossen
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Grundflächenzahl/ Geschossflächenzahl
Brutto-Grundfläche
Dachgeschoss, nicht begehbar nicht angerechnet Dachgeschoss, z. B. Trockenboden bedingt angerechnet 3) angerechnet 1. Obergeschoss, z. B. Wohnen angerechnet Erdgeschoss, z. B. Ladengeschäft angerechnet Kellergeschoss, z. B. Tiefgarage nicht angerechnet 1 + 2) angerechnet Kriechkeller, nicht begehbar nicht angerechnet Anmerkungen: 1) soweit die Deckenoberkante im Mittel nicht mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt 2) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen, z. B. in einem Kellergeschoss, einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind (BauNVO § 20 Vollgeschosse, Geschossflächenzahl, Geschoßfläche, Abs. 3) 3) Ist im Bebauungsplan die Höhe baulicher Anlagen oder die Baumassenzahl nicht festgesetzt, darf bei Gebäuden, die Geschosse von mehr als 3,50 m Höhe haben, eine Baumassenzahl, die das Dreieinhalbfache der zulässigen Geschossflächenzahl beträgt, nicht überschritten werden (BauNVO § 21 Baumassenzahl, Baumasse, Abs. 4). Abbildung 4.21: Grundflächen eines Gebäudes werden als Geschossfläche oder Brutto-Grundfläche angerechnet oder nicht angerechnet
4.6.4 Raum- und Funktionsprogramm Das Raum- und Funktionsprogramm für die Objektplanung wird in der Regel vom Bauherrn erstellt. Es ist ein Ergebnis der Bedarfsplanung und dient der Klärung der Aufgabenstellung für den Architekten. Nach DIN 18205 bedeutet Bedarfsplanung im Bauwesen „die methodische Ermittlung der Bedürfnisse von Bauherren und Nutzern, deren zielgerichtete Aufbereitung als Bedarf und dessen Umsetzung in bauliche Anforderungen“. Gegenstand des Raum- und Funktionsprogramms sind Vorgaben für die Objektplanung in Form von • einer Liste aller einzelnen, gegebenenfalls der Mehrzahl der Räume oder Funktionen mit Raumnummer, Nutzungsart oder Raumbezeichnung sowie Angabe der geforderten Grundfläche; • Bemerkungen zu den Räumen und Funktionen hinsichtlich der geforderten Raumeigenschaften, z. B. Art und Anzahl Nutzeinheiten oder Nutzungsprozesse, Raumerschließung und Geschosslage sowie Verbindung zu anderen Räumen und Funktionen oder zum Außenraum, Raumhöhe, Belichtung, Raumklima und Raumhygiene, Sicherheitstechnik, Ausstattung, gegebenenfalls Anforderungen zur Umnutzung oder konstruktiven Veränderbarkeit, Hinweise auf Normen, Richtlinien oder besondere Nutzeranforderungen; • Funktionsschema mit einer funktionalen oder geometrischen Gesamtdarstellung des Objektes oder Matrix mit Darstellung der Gebäudeerschließung sowie der Beziehungen der Räume und Funktionen untereinander. Das Raum- und Funktionsprogramm ist grundsätzlich an keine äußere Form oder Gliederung gebunden. Lediglich im Krankenhausbau ist die DIN 13080 Gliederung des Krankenhauses in Funktionsbereiche und Funktionsstellen – Hinweise zur Anwendung für Allgemeine Krankenhäuser (07.03) verbindlich. Die Uneinheitlichkeit von Raum- und Funktionsprogrammen hinsichtlich der Gliederung und Bezeichnung von Räumen und Funktionen sowie die oft fehlende
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4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig! Angabe der Flächenart in der Praxis erschwert deren Vergleichbarkeit untereinander sowie mit gebauten Beispielen. Eindeutige und der jeweiligen Nutzung entsprechende Gliederungen und Flächenarten sind die Voraussetzung für die oben beschriebene Überprüfung. Für den Wohnungsbau ist deshalb die Wohnflächenverordnung – WoFlV (01.04), für den Krankenhausbau die DIN 13080 (07.03) und für alle anderen Nutzungen möglichst die DIN 277 (02.05) anzuwenden. Die DIN 277-3: Mengen und Berechnungen (04.04) gliedert die Grundflächen bis in die dritte Ebene und enthält einen Raumzuordnungskatalog. Dieser ist eine Ergänzung zur DIN 277-2 und bietet über die weitergehende Gliederung Beispiele sowohl in numerischer (RC = Raumcode) als auch in alphabetischer Reihenfolge Beispiele an (Auszug):
4 RC … 200 210 211 212 213
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215 …
Grundflächen, Räume, Beispiele … Büroräume Büroräume Büroräume allgemein Schreibräume Büroräume mit manuellem/ experimentellem Arbeitsplatz Büroräume mit Archivfunktion – Büroraum mit Handbibliothek – Büroraum mit Handarchiv – Büroraum mit Registratur Büroräume mit Materialausgabe …
RC …
341 328 354 355 352 412 536 674 623 642 …
Grundflächen, Räume, Beispiele … N Nachrichtentechniklabor Nähraum Nährbodenraum Nährbodenraum Nassanalytisch-chemisches Labor Nasslagerraum Nasspräparative Übungsräume Neurogeborenenpflegebettenräume Neurophysiologische U + B-Räume Neuroradiologisches Röntgen …
Abbildung 4.22: Grundflächen und Räume mit Beispielen in numerischer und alphabetischer Reihenfolge – jeweils Auszug (DIN 277-3: Mengen und Berechnungen (04.04))
Ein Raum- und Funktionsprogramm soll deshalb in einer dafür vorgesehenen Spalte ausschließlich Nutzflächen (NF) enthalten. Die Räume und Flächen sind vorzugsweise nach DIN 277-3 zu bezeichnen. Anforderungen und Bemerkungen zu den Räumen und Flächen, z. B. besondere Anforderungen an den Schallschutz oder gewünschte Mindestabmessungen für die Erschließung, sind in einer gesonderten Spalte zu erwähnen. Der folgende Auszug entstammt dem Raum- und Funktionsprogramm für die Instandsetzung und Umnutzung des U-Turms in Dortmund. Es handelt sich hierbei um das 1926 errichtete Kellereihochhaus, das bis 1994 von der Union-Brauerei genutzt wurde und schließlich zu einem Museum umgebaut werden soll. Bauherr ist die Stadt Dortmund. Die Vorbereitung und Durchführung des Architekturwettbewerbes erfolgte durch die Ingenieurgesellschaft Assmann Beraten + Planen GmbH, Dortmund. Das Raum- und Funktionsprogramm der neuen Nutzung als Museum wurde vor der Auslobung des Wettbewerbs mit dem Bauvolumen des unter Denkmalschutz stehenden U-Turms abgeglichen. Den Preisrichtern wurden Flächenbilanzen und Kostenermittlungen zu allen 37 eingereichten Arbeiten zur Verfügung gestellt. Die Machbarkeit jedes einzelnen Beitrages konnte auf dieser Grundlage sehr gut beurteilt werden.
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4 Bauwirtschaft und Management
Abbildung 4.23: Ausstellung der eingereichten Arbeiten zum Architektenwettbewerb Instandsetzung und Umnutzung des U-Turms in Dortmund Instandsetzung und Umnutzung des U-Turms Raumprogramm Raum Raumbezeichnung Fläche Anforderungen/Bemerkungen Nr. [m2 NF] … 4 Studienbereich 4.1 Bibliothek und Graphische Sammlung 4.1.1 Bibliothek 125 – Regale, PC-Arbeitsplätze 4.1.2 Sammlung von Fotos 175 – konservatorische Bedingungen zur Aufbewahrung von Grafik und und Grafiken Fotografie – Kompaktanlage für Großformate, Schubladenschränke, Schränke 4.2 Studien- und Lesesaal 4.2.1 Studien- und Lese75 – wird von der Graphischen Sammlung und der Bibliothek gemeinsaal sam genutzt – Tageslicht und optimale Beleuchtung, große Bibliothekstische, Tischlampen; PC- (für Netzkunst), Video- und AudioArbeitsplätze 4.3 Vortrags-/ Projektionssaal 4.3.1 Vortrags- und 250 – Anbindung an das Foyer (Synergieeffekte ausnutzen: z. B. BewirProjektionssaal tung durch Gastronomie – Mitnutzung des Foyers/Öffnung zum Foyer (Erweiterung der Räumlichkeiten) – Zugang auch außerhalb der Öffnungszeiten der Ausstellung – erhöhte Anforderungen an den Schallschutz, variable Bestuhlung, Projektionsfläche, Verdunkelung, Konferenzeinrichtung, optimale raumakustische Maßnahmen 4.3.2 35 – Abstellraum für den Vortrags- und Projektionssaal – Anbindung an den Vortragssaal 4.3.3 Umkleide 15 – in räumlicher Nähe zum Vortrags- und Projektionsbereich 4.4 Lounge 4.4.1 Lounge 50 – in der obersten Etage der Dauerausstellung mit Blick über Dortmund – VIP-Bereich für Freunde des Museums – Nutzung auch für Sponsorenempfänge und Pressekonferenzen – direkt an einer Haupterschließung (für Abendveranstaltungen – außerhalb des Sicherheitsbereichs „Dauerausstellung“ Gesamt Studienbereich: 725
Abbildung 4.24: Gliederung des Raum- und Funktionsprogramms – Beispiel U-Turm Dortmund (Stadt Dortmund – Der Oberbürgermeister (Auslober): Raumprogramm zum begrenzten Wettbewerb im Regelverfahren nach RAW 2004 mit vorgeschaltetem EU-weitem Bewerbungsverfahren, bearbeitet von Assmann Beraten + Planen GmbH, Dortmund, 2006, S. 4)
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4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig! Die erforderliche Nutzfläche kann durch den sachkundigen Bauherrn, einen Betriebsplaner oder den Architekten (Besondere Leistung nach § 15 HOAI) vorgegeben werden. Zur Aufstellung oder zur Überprüfung der Nutzflächen im Raum- und Funktionsprogramm können aber auch Verhältniswerte herangezogen werden, die sich auf Nutzeinheiten beziehen. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft statistisch ermittelte Verhältniswerte Nutzfläche zu Nutzeinheit mit Von-bis-Werten. Nutzungsart und Nutzeinheit Tiefgaragen, Nutzeinheit Stellplätze (Pkw) Bürogebäude, mittlerer Standard, Nutzeinheit Arbeitsplätze Krankenhäuser, Nutzeinheit Betten Feuerwehrhäuser, Nutzeinheit Stellplätze (Feuerwehrfahrzeug)
von NF/Einheit (m2) bis 14,30 14,73 17,21 25,37 27,75 33,51 42,61 42,99 45,13 148,78 181,14 226,34
Abbildung 4.25: Verhältniswert Nutzfläche zu Nutzeinheit (NF/NE) von ausgewählten Nutzungsarten (siehe dazu auch die Flächen- und Planungskennwerte im Anhang)
4.6.5 Brutto-Grundfläche Die Brutto-Grundfläche (BGF) wird in DIN 277 (02.05) wie folgt definiert: „Summe der Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerkes mit Nutzungen nach DIN 277-2:2005-02, Tabelle 1, Nr. 1 bis Nr. 9, und deren konstruktive Umschließungen. Nicht zur Brutto-Grundfläche gehören Flächen, die ausschließlich der Wartung, Inspektion und Instandsetzung von Baukonstruktionen und technischen Anlagen dienen, z. B. nicht nutzbare Dachflächen, fest installierte Dachleitern und -stege, Wartungsstege und KonstruktionsGrundfläche.“ (DIN 277 (02.05)) Auf der Grundlage der Nutzfläche eines Raum- und Funktionsprogramms kann die BruttoGrundfläche mit Hilfe statistischer Verhältniswerte ermittelt werden, ohne dass skizzenhafte Lösungsversuche angefertigt werden müssen. In einem solchen Verhältniswert sind nicht nur die weiteren notwendigen Grundflächen (Technische Funktionsfläche, Verkehrsfläche, und Konstruktions-Grundfläche) enthalten, sondern es können auch der Standard und die Gebäudegeometrie berücksichtigt werden. Die Nutzflächen im Raum- und Funktionsprogramm U-Turm Dortmund sind der Objektgruppe Gebäude für kulturelle und musische Zwecke zuzuordnen. Grundflächen und Rauminhalte NF Nutzfläche TF Technische Funktionsfläche VF Verkehrsfläche NGF Netto-Grundfläche KGF Konstruktions-Grundfläche BGF Brutto-Grundfläche Brutto-Rauminhalt BRI Brutto-Rauminhalt Sonstige Planungskennwerte Nutzeinheit: –
von Menge/NF (%) bis 100,0 7,4 9,2 12,3 16,5 19,0 27,1 118,3 128,2 133,2 10,1 14,0 17,1 134,5 142,2 144,2 von BRI/NF (m) bis 5,78 6,10 6,32 von NF/Einheit (m2) bis – – –
von Menge/BGF (%) bis 70,5 70,3 76,4 4,6 6,5 7,9 8,7 13,4 17,2 88,7 90,2 92,3 7,7 9,8 11,3 100,0 von BRI/BGF (m) bis 3,84 4,33 4,56 von BGF/Einheit (m2) bis – – –
Abbildung 4.26: Planungskennwerte für Flächen und Rauminhalte – Beispiel Gebäude für kulturelle und musische Zwecke (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2006. Teil 1: Statistische Kennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2006, S. 571)
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4 Bauwirtschaft und Management Die Brutto-Grundfläche (BGF) steht zur Nutzfläche (NF), wie das Flächendiagramm erkennen lässt, im Verhältnis von 134,5/100,0 bis 144,2/100,0 bei einem Mittelwert von 142,2/100,0. Aus den im Raum- und Funktionsprogramm für den gesamten Studienbereich geforderten 725,00 m2 NF können in der Planung Flächen zwischen rund 975,00 m2 BGF und 1.045,00 m2 BGF entstehen. Gleichgültig, ob es sich um einen Neubau oder den Umbau eines Gebäudes, wie im Fall des U-Turms handelt, ist die Überprüfung des Raum- und Funktionsprogramms durch Vergleich mit der zulässigen Brutto-Grundfläche unverzichtbar. Bei der Wahl des richtigen Verhältniswertes ist eine geeignete Anzahl vergleichbarer Objekte heranzuziehen. Weiterhin sind die Einflussgrößen auf den Verhältniswert BGF/NF zu berücksichtigen.
4
Abbildung 4.27: Fachpreisrichter (Professoren Weinmiller, Podrecca, Noebel und Kalusche) bewerten die Arbeiten zum Architektenwettbewerb Instandsetzung und Umnutzung des U-Turms in Dortmund, dabei sind die Erfüllung des Raum- und Funktionsprogramms und eine angemessene Brutto-Grundfläche wichtige Gesichtspunkte
Wie man an den Verhältniswerten weiterer Nutzungsarten leicht erkennen kann, ist die Spanne der Von-bis-Werte sehr groß, sie kann zwischen etwa 110,0/100,0 und 200,0/100,0 und sogar noch darüber liegen.
199
4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig!
Nutzungsart (Auswahl)
Lager ohne Mischnutzung Feuerwehrhäuser Gebäude für kulturelle und musische Zwecke Bürogebäude, mittlerer Standard Krankenhäuser Tiefgaragen Schwimmhallen
Verhältniswerte BGF/NF (%) von Mittelwert bis 108,1 112,1 129,7 127,5 135,3 147,0 134,5 142,2 144,2 142,0 151,0 162,6 170,6 181,2 189,4 167,4 195,6 213,0 183,4 202,8 223,6
Abbildung 4.28: Verhältniswerte BGF/NF (%) verschiedener Nutzungsarten (siehe dazu auch die Flächen- und Planungskennwerte im Anhang)
4.6.6 Einflüsse auf die Grundflächen eines Gebäudes Das Verhältnis der Brutto-Grundfläche zur Nutzfläche wird durch eine Vielzahl von Einflüssen bestimmt. Je nach Nutzungsart ergibt sich der Flächenverbrauch über die Nutzfläche hinaus aus den notwendigen Flächen für die Gebäudetechnik, also den Technischen Funktionsflächen, der verkehrlichen Erschließung des Gebäudes einschließlich der aus Sicherheitsgründen notwendigen Fluchtwege, zusammen der Verkehrsfläche, und schließlich der Konstruktion, insbesondere der tragenden und raumschließenden Bauteile, der Konstruktions-Grundfläche. Am Beispiel von Lagergebäuden, Feuerwehrhäusern, Bürogebäuden, Krankenhäusern, Tiefgaragen und Schwimmhallen werden Einflüsse und Bedeutung der Nutzung auf den Flächenverbrauch und damit auf das Verhältnis von Brutto-Grundfläche zur Nutzfläche erläutert. Dabei haben die entwurfsbedingten Flächenarten, also die Technische Funktionsfläche, die Verkehrsfläche und die Konstruktions-Grundfläche jeweils einen sehr unterschiedlichen Anteil an der insgesamt sich daraus ergebenden Brutto-Grundfläche. Weitere Einflüsse wie die Gebäudegeometrie, hierzu zählen insbesondere die Anzahl der Geschosse und die Gliederung des Grundrisses, können nicht anhand der vorliegenden Verhältniswerte, sondern nur an einem Gebäudeentwurf, einem Architekturmodell oder einem bereits erstellten Gebäude erhannt werden. Zu den Verhältniswerten geben die als Anhang beigefügten Flächen- und Planungskennwerte Aufschluss. In einzelnen Fällen scheinen dort die Von-bis-Werte und die Mittelwerte nicht ganz logisch zu sein, wenn z. B. ein Von-bis-Wert sehr nahe dem Mittelwert liegt oder diesem sogar entspricht. Das liegt daran, dass die vom Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (BKI) verwendeten Daten auch bei gleicher Nutzungsart in unterschiedlicher Tiefe der Flächenermittlung vorliegen. Für die praktische Anwendung der Verhältniswerte Menge/NF und Menge/BGF steht die nachvollziehbare Von- oder Auf-HundertRechnung im Vordergrund.
4.6.6.1 Anteil der Technischen Funktionsfläche (TF/BGF) Die Technische Funktionsfläche (TF) wird in DIN 277 (02.05) wie folgt definiert: „Summe der Grundflächen mit Nutzungen nach DIN 277-2:2005-02, Tabelle 1, Nr. 8.
4
200
4 Bauwirtschaft und Management Sofern es die Zweckbestimmung eines Bauwerkes ist, eine oder mehrere betriebstechnische Anlagen unterzubringen, die der Ver- und Entsorgung anderer Bauwerke dienen, z. B. bei einem Heizhaus, sind die dafür erforderlichen Grundflächen jedoch Nutzflächen nach DIN 277-2:2005-02, Tabelle 1, Nr. 7.“ (DIN 277 (02.05))
4
In den ersten skizzenhaften Lösungsversuchen des Architekten, wie in der Vorplanung oder in den Beiträgen zu Architekturwettbewerben, sind die Technischen Funktionsflächen oft zu klein. Werden die fachlich Beteiligten im Rahmen der Entwurfsplanung hinzugezogen, sind deren Anforderungen an die entsprechenden Räume dagegen zuweilen zu hoch. Für die Mehrzahl der Nutzungen ist ein Anteil für die Technische Funktionsfläche an der BruttoGrundfläche (TF/BGF) von 3 bis 5 % ausreichend. Ausnahmen sind sehr einfache Gebäude wie Lagergebäude ohne Mischnutzung, die nicht oder nur in geringem Umfang über Heizung oder Kühlung verfügen. Hier sind die erforderlichen Flächen deutlich kleiner, meist unter 1 %.
Abbildung 4.29: Betriebstechnische Anlagen benötigen ausreichend Technische Funktionsfläche (TF) – Technikraum im Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum Cottbus (IKMZ)
Ganz anders sieht es bei Gebäuden mit einem hohen Anteil an technischen Anlagen wie zum Beispiel Schwimmhallen aus. Für Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Schwimmbadtechnik werden Technikräume benötigt, die 20 bis fast 30 % der Brutto-Grundfläche erreichen können. Grundsätzlich wächst der Flächenbedarf mit dem Anteil der Technischen Anlagen am Bauwerk (KG 300 + 400 nach DIN 276). Noch höhere Werte als bei Schwimmhallen werden bei Rechenzentren erreicht. Allein für die Kühlung von Großrechnern (KG 470 nach DIN 276) sind die Technischen Funktionsflächen größer als die Nutzflächen, die für das Aufstellen und Bedienen der Rechner benötigt werden.
4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig!
201
4.6.6.2 Anteil der Verkehrsfläche (VF/BGF) Die Verkehrsfläche (VF) wird in DIN 277 (02.05) wie folgt definiert: „Summe der Grundflächen mit Nutzungen nach DIN 277-2:2005-02, Tabelle 1, Nr. 9. Bewegungsflächen innerhalb von Räumen, z. B. Gänge zwischen Einrichtungsgegenständen, zählen nicht zur Verkehrsfläche.“ (DIN 277 (02.05)) Die Flächen der verkehrlichen Erschließung eines Gebäudes sind zum einen abhängig von dessen Raumstruktur und zum anderen von seiner Größe. Große und mehrgeschossige Objekte mit einer Vielzahl von Wegebeziehungen, wie zum Beispiel Krankenhäuser, benötigen 20 bis 30 % der Brutto-Grundfläche als Verkehrsfläche (VF/BGF). Krankenhäuser verfügen in vielen Bereichen über doppelte Erschließungen. So sind zum Beispiel im Untersuchungs- und Behandlungsbereich häufig die Flure für Patienten und medizinisches Personal getrennt. Besonders hoch ist der Verkehrsflächenanteil bei allen Gebäuden für den ruhenden Verkehr mit mehreren oder vielen Nutzeinheiten, also Parkhäusern und Tiefgaragen. Der Flächenbedarf für Ein- und Ausfahrten, Rampen und Fahrgassen sowie Wendeflächen ist mindestens halb, im ungünstigsten Fall genauso groß wie die Grundfläche für das Abstellen der Fahrzeuge, die für einen Personenkraftwagen meist mit 12,5 m2 NF ausreichend bemessen ist (siehe dazu Garagenverordnung). Der Anteil der Verkehrsfläche am Gebäude (VF/BGF) liegt deshalb in der Regel deutlich über 20 % und kann leicht über 40 % erreichen. Eine weitere Ausnahme sind Lagergebäude mit Verkehrsflächen um oder unter 1 %, bezogen auf die Brutto-Grundfläche. Sie werden hier hauptsächlich zur Erschließung der Nebenfunktionen, z. B. das Büro des Lagerleiters, Aufenthalts- oder Sozialräume benötigt.
Abbildung 4.30: Großzügig bemessene Flure in einem Bürohochhaus lassen sich am Verhältnis Verkehrsfläche zur Brutto-Grundfläche (VF/BGF) ablesen
Sehr unterschiedlich ist dagegen der Verkehrsflächenanteil bei Bürogebäuden. Bei Gebäuden mit Großraumbüros gehen die Verkehrswege sozusagen in die Nutzflächen ein. Bei Bürohochhäusern steigt der Erschließungsaufwand in besonderem Maße durch die zusätzlich geforder-
4
202
4 Bauwirtschaft und Management ten Fluchtwege im Brandfall (siehe insbesondere Landesbauordnung). Ansonsten liegen Bürogebäude im Bereich von etwa 15 bis 20 % Verkehrsfläche an der gesamten Gebäudefläche (BGF). Die Mehrzahl der übrigen Gebäude kann bei einem Verkehrsflächenanteil von 10 bis 20 % gut erschlossen werden.
4.6.6.3 Anteil der Konstruktions-Grundfläche (KGF/BGF) Die Konstruktions-Grundfläche (KGF) wird in DIN 277 (02.05) wie folgt definiert:
4
„Summe der Grundflächen der aufgehenden Bauteile aller Grundrissebenen eines Bauwerkes, z. B. von: • • • • • • • • •
Wänden, Stützen, Pfeilern, Schornsteinen, raumhohen Vormauerungen und Bekleidungen, Installationshohlräumen der aufgehenden Bauteile, Wandnischen und Schlitzen, Wandöffnungen, z. B. Türen, Fenster, Durchgänge, Installationskanälen und -schächten sowie Kriechkellern bis 1,0 m2 lichtem Querschnitt.
Die Konstruktions-Grundfläche ist die Differenz zwischen Brutto- und Netto-Grundfläche.“ (DIN 277 (02.05) Bei der Mehrzahl von Gebäuden in Massivbauweise und mit mehreren oder vielen Einzelräumen macht die Konstruktions-Grundfläche 10 bis 13 % der Brutto-Grundfläche aus. Besteht der Grundriss aus großen Flächen, sind die Decken weit gespannt oder werden überwiegend von Stützen getragen, sind die Außenwände ungedämmt, wie dies bei Lagerhallen und Tiefgaragen in der Regel der Fall ist, wird hierfür nur etwa halb so viel Fläche benötigt. Bei Nutzungen mit besonderen Lastfällen, wie zum Beispiel Wasserbecken in Schwimmhallen, kann der Konstruktionsflächenanteil gut 20 % der Gebäudefläche erreichen.
4.6.7 Schlussbetrachtung Auf der Grundlage eines Raum- und Funktionsprogramms, welches ausschließlich Nutzflächen nach DIN 277 enthält, lässt sich mit Hilfe der gezeigten und weiterer Planungskennwerte, wie sie vom Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (BKI) in großem Umfang veröffentlicht werden, ein Gebäude sehr einfach bemessen. Dadurch ist die Realisierbarkeit eines geplanten Gebäudes an einem bestimmten Standort in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht bereits vor den ersten skizzenhaften Lösungsversuchen feststellbar. Damit soll nicht die architektonische Gestaltung eines Gebäudes von vornherein eingeschränkt werden. Vielmehr soll vermieden werden, dass wertvolle Zeit und Kraft auf Lösungsansätze verwendet wird, die aufgrund von zu viel Grundflächen, zu hohen Baukosten und der Überschreitung der Geschossfläche keine Aussicht auf Verwirklichung haben.
4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig!
203
4.6.8 Literatur Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2006. Teil 1: Statistische Kennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2006 Raumprogramm zum begrenzten Wettbewerb im Regelverfahren nach RAW 2004 mit vorgeschaltetem EU-weitem Bewerbungsverfahren, bearbeitet von Assmann Beraten + Planen GmbH, Dortmund, 2006, S. 4, unveröffentlicht
4.6.9 Gesetze, Normen und Verordnungen DIN 18205 Bedarfsplanung im Bauwesen (04.96) DIN 276 Kosten im Hochbau (06.93) DIN 277 Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau, DIN 277-1: Begriffe und Ermittlungsunterlagen (02.05) DIN 277-2: Gliederung der Netto-Grundflächen (02.05) DIN 277-3: Mengen und Berechnungen (04.04) DIN 13080 Gliederung des Krankenhauses in Funktionsbereiche und Funktionsstellen (07.03) HOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (01.96) Baugesetzbuch (BauGB) vom 8. Dezember 1986 (BGBl.I, S. 2253), zuletzt geändert am 23. November 1994 (BGBl.I S. 3486) Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung – BauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl.1 S. 132), zuletzt geändert am 22. April 1993 (BGBl.1 S. 466) Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29. September 2005 (GVBl. S. 495) Wohnflächenverordnung – WoFlV (01.04)
4
204
4 Bauwirtschaft und Management
4.6.10 Anhang: Planungs- und Flächenkennwerte ausgewählter Nutzungen 1. Lagergebäude ohne Mischnutzung BGF/NF = 112,1/100,0
4
Grundflächen und Rauminhalte NF Nutzfläche TF Technische Funktionsfläche VF Verkehrsfläche NGF Netto-Grundfläche KGF Konstruktions-Grundfläche BGF Brutto-Grundfläche Brutto-Rauminhalt BRI Brutto-Rauminhalt Sonstige Planungskennwerte Nutzeinheit: –
von Menge/NF (%) bis 100,0 – 0,3 – 13,0 14,1 14,5 104,4 104,4 109,8 3,1 7,7 6,4 108,1 112,1 129,7 von BRI/NF (m) bis 6,50 7,50 8,12 von NF/Einheit (m2) bis – – –
von Menge/BGF (%) bis 79,9 89,2 93,8 – 0,3 – 9,9 3,7 10,3 87,4 93,1 95,2 2,9 6,9 6,5 100,0 von BRI/BGF (m) bis 5,93 6,70 7,33 von BGF/Einheit (m2) bis – – –
Abbildung 4.31: Planungskennwerte für Flächen und Rauminhalte – Beispiel Lagergebäude ohne Mischnutzung (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2006. Teil 1: Statistische Kennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2006, S. 513)
2. Feuerwehrhäuser BGF/NF = 135,3/100,0 Grundflächen und Rauminhalte NF Nutzfläche TF Technische Funktionsfläche VF Verkehrsfläche NGF Netto-Grundfläche KGF Konstruktions-Grundfläche BGF Brutto-Grundfläche Brutto-Rauminhalt BRI Brutto-Rauminhalt Sonstige Planungskennwerte Nutzeinheit: Stellplätze
von Menge/NF (%) bis 100,0 2,9 3,8 7,4 10,6 13,8 24,1 111,6 117,7 127,7 13,4 17,6 21,7 127,5 135,3 147,0 von BRI/NF (m) bis 4,86 5,33 5,74 von NF/Einheit (m2) bis 148,78 181,14 226,34
von Menge/BGF (%) bis 69,7 73,9 79,7 2,1 2,8 5,1 7,4 10,2 15,0 84,5 87,0 89,9 10,1 13,0 15,5 100,0 von BRI/BGF (m) bis 3,62 3,97 4,38 von BGF/Einheit (m2) bis 200,62 248,31 317,50
Abbildung 4.32: Planungskennwerte für Flächen und Rauminhalte – Beispiel Feuerwehrhäuser (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2006. Teil 1: Statistische Kennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2006, S. 555)
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4.6 Bemessung von Gebäuden – einfach aber richtig! 3. Bürogebäude, mittlerer Standard BGF/NF = 156,1/100,0 Grundflächen und Rauminhalte NF Nutzfläche TF Technische Funktionsfläche VF Verkehrsfläche NGF Netto-Grundfläche KGF Konstruktions-Grundfläche BGF Brutto-Grundfläche Brutto-Rauminhalt BRI Brutto-Rauminhalt Sonstige Planungskennwerte Nutzeinheit: Arbeitsplätze
von Menge/NF (%) bis 100,0 4,3 5,8 12,0 20,0 26,1 35,6 124,6 131,9 143,8 16,2 19,1 23,3 142,0 151,0 162,6 von BRI/NF (m) bis 4,78 5,31 5,78 von NF/Einheit (m2) bis 25,37 27,75 33,51
von Menge/BGF (%) bis 63,0 66,2 72,3 2,7 3,8 6,9 13,1 17,3 20,9 85,2 87,3 89,2 10,8 12,7 14,8 100,0 von BRI/BGF (m) bis 3,25 3,55 3,96 von BGF/Einheit (m2) bis 36,41 40,12 46,61
Abbildung 4.33: Planungskennwerte für Flächen und Rauminhalte – Beispiel Bürogebäude, mittlerer Standard (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2006. Teil 1: Statistische Kennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2006, S. 61)
4. Krankenhäuser BGF/NF = 181,2/100,0 Grundflächen und Rauminhalte NF Nutzfläche TF Technische Funktionsfläche VF Verkehrsfläche NGF Netto-Grundfläche KGF Konstruktions-Grundfläche BGF Brutto-Grundfläche Brutto-Rauminhalt BRI Brutto-Rauminhalt Sonstige Planungskennwerte Nutzeinheit: Betten
von Menge/NF (%) bis 100,0 6,8 9,9 13,4 38,4 45,3 54,0 145,4 155,3 164,2 19,7 26,0 25,4 170,6 181,2 189,4 von BRI/NF (m) bis 6,27 6,80 7,45 von NF/Einheit (m2) bis 42,61 42,99 45,13
von Menge/BGF (%) bis 53,6 55,2 60,2 3,9 5,5 6,9 21,7 25,0 28,0 83,7 85,7 87,4 11,0 14,3 14,3 100,0 von BRI/BGF (m) bis 3,45 3,75 3,84 von BGF/Einheit (m2) bis 75,65 79,45 83,92
Abbildung 4.34: Planungskennwerte für Flächen und Rauminhalte – Beispiel Krankenhäuser (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2006. Teil 1: Statistische Kennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2006, S. 87)
4
206
4 Bauwirtschaft und Management
5. Tiefgaragen BGF/NF = 195,6/100,0
4
Grundflächen und Rauminhalte NF Nutzfläche TF Technische Funktionsfläche VF Verkehrsfläche NGF Netto-Grundfläche KGF Konstruktions-Grundfläche BGF Brutto-Grundfläche Brutto-Rauminhalt BRI Brutto-Rauminhalt Sonstige Planungskennwerte Nutzeinheit: Stellplätze
von Menge/NF (%) bis 100,0 2,7 2,8 4,4 51,3 81,4 96,8 152,9 184,2 198,8 9,7 11,4 13,7 167,4 195,6 213,0 von BRI/NF (m) bis 4,92 5,81 6,45 von NF/Einheit (m2) bis 14,30 14,73 17,21
von Menge/BGF (%) bis 50,7 51,1 68,1 1,3 1,4 1,8 21,2 41,6 43,4 91,5 94,2 94,6 5,4 5,8 8,5 100,0 von BRI/BGF (m) bis 2,76 2,96 3,06 von BGF/Einheit (m2) bis 26,18 27,78 28,93
Abbildung 4.35: Planungskennwerte für Flächen und Rauminhalte – Beispiel Tiefgaragen (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2006. Teil 1: Statistische Kennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2006, S. 549)
6. Schwimmhallen BGF/NF = 202,8/100,0 Grundflächen und Rauminhalte NF Nutzfläche TF Technische Funktionsfläche VF Verkehrsfläche NGF Netto-Grundfläche KGF Konstruktions-Grundfläche BGF Brutto-Grundfläche Brutto-Rauminhalt BRI Brutto-Rauminhalt Sonstige Planungskennwerte Nutzeinheit: –
von Menge/NF (%) bis 100,0 34,5 45,3 55,9 16,3 21,8 21,8 148,0 167,1 174,9 33,5 35,8 56,6 183,4 202,8 223,6 von BRI/NF (m) bis 8,73 9,19 9,44 von NF/Einheit (m2) bis – – –
von Menge/BGF (%) bis 47,4 49,3 58,5 20,4 22,3 28,1 8,1 10,7 13,3 78,4 82,4 88,2 11,8 17,6 21,6 100,0 von BRI/BGF (m) bis 5,05 5,49 7,44 von BGF/Einheit (m2) bis – – –
Abbildung 4.36: Planungskennwerte für Flächen und Rauminhalte – Beispiel Schwimmhallen (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2006. Teil 1: Statistische Kennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2006, S. 187)
4.7 Eine Methodik zur Bestimmung technologischer
207
4.7 Technologische Abhängigkeiten zwischen Ausführungsvorgängen Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Huhnt
4.7.1 Einleitung Bauprojekte sind komplex. Viele Beteilige aus unterschiedlichen Fachdisziplinen arbeiten zusammen. Bauherrn wünschen individuelle Lösungen. Bauwerke unterscheiden sich in Funktion, in Konstruktion und in den verwendeten Materialien. Unterschiedliche Bauverfahren werden angewandt. Die Variationsvielfalt an Detaillösungen ist schier unerschöpflich. Zeitliche und finanzielle Rahmenbedingungen variieren von Projekt zu Projekt. Die Liste der Unterschiede zwischen Bauprojekten ist lang, und viele weitere Unterschiede zwischen Bauprojekten lassen sich benennen. Als Konsequenz dieser Eigenschaften der Bauprojekte müssen die Bauprozesse individuell für jedes Projekt neu betrachtet und durchdacht werden. Dies betrifft insbesondere die Erarbeitung der Terminpläne. Ausführungsterminpläne können dabei mehrere tausend Vorgänge umfassen. In der Projektvorbereitung sind diese Terminpläne zu entwickeln mit dem Ziel, konsistente und korrekte Vorgaben für die Ausführung eines Projektes machen zu können. Die Terminplanung ist heute gekennzeichnet durch drei verschiedene Teilaufgaben: • Vorgänge sind zu definieren. • Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Vorgängen sind festzulegen. • Die Dauern der Vorgänge sind zu ermitteln und anzugeben. Diese Aufgaben werden heute in der Regel von erfahrenen Projektmanagern bearbeitet. Das Erfahrungswissen der Beteiligten ist dabei von essentieller Bedeutung. Die erarbeiteten Terminpläne werden per Inspektion geprüft. In den Terminplänen wird dokumentiert, wie das jeweilige Projekt durchzuführen ist. Informationen, warum ein erarbeiteter Ablauf genau so auszuführen ist, werden in der Regel nicht erfasst. Die Terminpläne selbst entziehen sich dabei weitestgehend einer methodisch abgesicherten Überprüfung. In vielfältigen Forschungsvorhaben wurde diese Problematik aufgegriffen mit dem Ziel, den Aufwand bei der Erarbeitung von Ausführungsterminplänen zu reduzieren und die Qualität der Terminpläne zu erhöhen. Wissensbasierte Systeme41 und fallbasierte Systeme42 sind Beispiele derartiger Ansätze. Ein zentraler Aspekt ist es, auf die Abhängigkeiten zwischen den Vorgängen zu schließen. Herbei wurden auch Ansätze veröffentlicht, bei denen verschiedene Semantiken für Abhängigkeiten zwischen Vorgängen unterschieden werden.43 41
42
43
vgl. beispielsweise Hendrickson, C., Zozaya-Gorostiza, C., Rehak, D., Baracco-Miller, E., and Lim. P.: Expert System for Construction Planning, J. of Comp. in Civil Engrg., ASCE, 1(4), pp. 253-269, 1987; Navinchandra, D., Sriram D., Logcher, R.D.: GHOST: Project Network Generator, J. of Comp. in Civil Engrg., ASCE, 2(3), pp. 239-254, 1988; Winstanley G., Chacon M and Levitt R.E.: An Integrated Project Planning Environment. International Journal of Intelligent Systems Engineering, Vol 2, No.2, pp. 91-106, 1993. vgl. beispielsweise Dzeng, R.J. and Tommelein, I.D.: Using Product Models to Plan Construction, Proc. 5th Intl. Conf. On Comp. in Civil and Building Engrg., June 7-9, Anaheim, CA, ASCE, New York, NY, pp. 1778-1785, 1993; Dzeng, R.J. and Tommelein, I.D.: Boiler Erection Scheduling Using Product Models and Case-Based Reasoning, J. of Constr. Engrg. and Mgmt., ASCE, 123(3), pp. 338-347, 1997. vgl. beispielsweise Fischer, M.A. and Aalami, F.: Scheduling with Computer-Interpretable Construction Method Models, J. of Constr. Engrg. and Mgmt., ASCE, 122(4), pp. 337-347, 1996; Aalami, F., Levitt, R.E., and Fischer, M.: A Customizable Representation for Construction Method Models, Working Paper Nr. 51, CIFE, Stanford University, Stanford, CA, 1998.
4
208
4 Bauwirtschaft und Management Die veröffentlichten Ansätze erzielten teilweise sehr gute Resultate. Insbesondere bei gleichartigen oder ähnlichen Bauprojekten können wissensbasierte Systeme zweckmäßig genutzt werden. Sie stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn das aktuelle Projekt über zu viele Besonderheiten verfügt. Bei derartigen Projekten müssen das abgelegte Wissen oder die gespeicherten Fälle ergänzt werden. Hierbei steht wiederum der Mensch vor der Herausforderung, die Komplexität zu beherrschen und korrekte und konsistente Erweiterungen vorzunehmen.
4
In diesem Beitrag wird eine Methodik vorgestellt, die ausgerichtet ist auf die Bestimmung technologischer Abhängigkeiten zwischen Ausführungsvorgängen. In der Literatur werden verschiedenartige Abhängigkeiten unterschieden.44 In diesem Beitrag werden ausschließlich technologische Abhängigkeiten betrachtet, beispielsweise „erst mauern dann verputzen“ oder „erst Stütze herstellen dann Decke herstellen“. Es handelt sich bei den hier betrachteten Abhängigkeiten um zwingende Abhängigkeiten. Ziel der hier vorgestellten Methodik ist es, die technologisch zwingenden Abhängigkeiten vollständig und konsistent zu bestimmen. Als Ausgangsinformationen sind die einzelnen Vorgänge zu beschreiben. Die einzelnen Vorgänge werden unabhängig voneinander beschrieben, indem ihre Voraussetzungen und ihre Ergebnisse angegeben werden. Aus diesen Informationen werden die Abhängigkeiten zwischen den Vorgängen berechnet. Damit entsteht ein Rohgerüst für einen Terminplan, das durch den erfahrenen Projektmanager zu überprüfen und um weitere Angaben, beispielsweise zweckmäßige Abhängigkeiten, zu ergänzen ist. Die hier vorgestellte Methodik kann als halb-automatisch bezeichnet werden. Sie erfordert eine vollständige und korrekte Beschreibung der einzelnen Vorgänge als Eingabe. Das Ergebnis ist ein Rohgerüst eines Terminplans, in dem technologisch zwingende Abhängigkeiten bereits berücksichtigt sind. Das Rohgerüst des Ablaufs ist Ergebnis einer Berechnung. Es ist methodisch abgeleitet aus den Angaben des Nutzers.
4.7.2 Bauteile und ihre Zustände Voraussetzung für die Anwendung der in diesem Beitrag vorgestellten Methodik ist eine Beschreibung des Bauwerks, das im jeweiligen Bauprojekt herzustellen, umzubauen oder rückzubauen ist. Das Bauwerk muss in Bauteile zerlegt werden, die einzelnen Bauteile des Bauwerks müssen benannt sein. Hierbei schreibt die Methodik nicht den Detaillierungsgrad vor. Was als Bauteil betrachtet wird, ist durch den Nutzer festzulegen. Beispielsweise kann jede einzelne Wand eines Bauwerks als Bauteil benannt werden, es ist aber ebenso möglich, die Begrenzungswände einer Flurseite oder eine Wand mit einer in ihr enthaltenen Tür zu einem Bauteil zusammenzufassen. Abbildung 4.37 zeigt beispielhaft fünf Bauteile eines Bauwerks. Der gewählte Detaillierungsgrad ist relativ fein. Abbildung 4.38 zeigt den Aufbau der Decke und der Wände. Ausbauelemente wie Wärmedämmung und Putz werden in der gewählten Detaillierung nicht als eigenständige Bauteile betrachtet. Für jedes Bauteil ist anzugeben, welche Zustände es im Verlauf des Bauprojektes in welcher Reihenfolge annimmt. Wie detailliert die Zustände eingeführt werden, wird durch die Methodik
44
vgl. beispielsweise Brandenberger, J., Ruosch, E.: Ablaufplanung im Bauwesen, 3. Auflage, Baufachverlag, Dietikon, CH, 1993, S. 54; Koo, B., Fischer, M.: Formalizing Construction Sequencing Constraints for Rapid Generation of Schedule Alternatives, Working Paper Nr. 75, CIFE, Stanford University, Stanford, CA, 2003, S 11.
209
4.7 Eine Methodik zur Bestimmung technologischer nicht vorgegeben. Die gewählte Detaillierungsstufe hat jedoch – wie in Abschnitt 4.7.3 erläutert – Einfluss auf den Detaillierungsgrad, der für die einzelnen Vorgänge gewählt werden kann. Decke
Wand 1 Wand 2
4
Fundament 1 Fundament 2
Abbildung 4.37: Bauteile eines Bauwerks
Teerpappe Innenputz Wärmedämmung
Mauerwerk Wärmedämmung
Stahlbeton Außenputz
Abbildung 4.38: Aufbau von Decke und Wand
Es ist zweckmäßig, die Beschreibung der Zustände nicht für jedes Bauteil einzeln vorzunehmen. Bauteile können typisiert werden, indem die Bauteile, die dieselben Zustände in derselben Reihenfolge annehmen, zu einem Typ zusammengefasst werden. Abbildung 4.39 zeigt die Zustände, die die Fundamte aus Abbildung 4.37 im Verlauf ihres Herstellungsprozesses annehmen. Im Allgemeinen ist die Entwicklung der Zustände eines Bauteils keine Sequenz. Die Entwicklung der Zustände müssen zyklenfreie Graphen sein.45 Sonderfälle wie Bäume können sich ergeben, wenn beispielsweise die Herstellung der in Abbildung 4.38 gezeigten Decke und der Wände betrachtet werden. Die Bäume, die die Entwicklung dieser Zustände beschreiben, sind in den Abbildungen 4.44 und 4.45 dargestellt.
45
Enge, F.: Zustandsmodellierung als Grundlage für Ausführungsterminpläne, in Schley, F., Weber, L. (Hrsg.): Forum Bauinformatik 2005, Brandenburgische Technische Universität Cottbus, 2005, S. 123 – 130
210
4 Bauwirtschaft und Management
eingeschalt
bewehrt
betoniert
ausgeschalt
Abbildung 4.39: Zustände der Fundamente Innenseite verputzt
Innenseite gestrichen
Außenseite Wärmedämmung angebracht
Außenseite verputzt
Mauerwerk hergestellt
4
Außenseite gestrichen
Abbildung 4.40: Zustände der Wände
Schalung gestellt
Ränder ausgeschalt
Wärmedämmung eingebaut
ausgeschalt
Unterseite gestrichen
Teerpappe eingebaut
betoniert
bewehrt
Abbildung 4.41: Zustände der Decke
4.7.3 Ausführungsvorgänge Die einzelnen Vorgänge müssen definiert werden. Dies erfolgt, indem jeder Vorgang benannt wird und für jeden Vorgang seine technologischen Voraussetzungen und seine Ergebnisse angegeben werden. Voraussetzungen und Ergebnisse sind Bauteile in bestimmten Zuständen. Ein Bauteil kann dabei entweder Voraussetzung oder Ergebnis sein. Das Prinzip der Definition der Vorgänge ist in Abbildung 4.46 gezeigt. Voraussetzungen Bauteile in Zuständen
Vorgang
Bauteile in Zuständen
Ergebnisse
Abbildung 4.42: Prinzip der Definition der Vorgänge
4.7 Eine Methodik zur Bestimmung technologischer
211
Das Prinzip, Vorgänge über Voraussetzungen und Ergebnisse zu definieren, schreibt den Detaillierungsgrad nicht vor. Beispielsweise kann als ein Vorgang das Mauern mehrerer Wände eingeführt werden, es kann aber auch für das Mauern einer jeden Wand ein einzelner Vorgang eingeführt werden. Die Frage, wie detailliert ein Vorgang definiert wird, steht in direktem Zusammenhang mit den eingeführten Zuständen, die die Bauteile im Verlauf des Projektes annehmen können. Diese untere Grenze wird durch die eingeführten Zustände festgelegt. In der detailliertesten Betrachtung kann jeder Vorgang als Ergebnis genau ein Bauteil in einen Zustand versetzen.
Vorgang Decke: betonieren Decke: bewehren Decke: Ränder ausschalen Decke: Schalung abbauen Decke: Schalung stellen Decke: Teerpappe verlegen Decke: Wärmedämmung einbauen Fundament 1: ausschalen Fundament 1: betonieren Fundament 1: bewehren Fundament 1: einschalen Fundament 2: ausschalen Fundament 2: betonieren Fundament 2: bewehren Fundament 2: einschalen Innenraum: anstreichen Wand 1: Außenseite anstreichen Wand 1: Außenseite verputzen Wand 1: Innenseite verputzen Wand 1: Mauerwerk herstellen Wand 1: Wärmedämmung einbauen Wand 2: Außenseite anstreichen Wand 2: Außenseite verputzen Wand 2: Innenseite verputzen Wand 2: Mauerwerk herstellen Wand 2: Wärmedämmung einbauen
Abbildung 4.43: Ausführungsvorgänge für die Herstellung des in Abbildung 1 gezeigten Bauwerks
In Abbildung 4.43 ist die Liste der Vorgänge für die Herstellung des in Abbildung 4.37 gezeigten Bauwerks dargestellt. Beispiele für Vorgänge sind in den Abbildungen 4.44 und 4.45 gezeigt. Das Einschalen der Decke, dargestellt in Abbildung 4.44, erfordert als technologische Voraussetzung, dass die Wände gemauert sind. Als Ergebnis dieses Vorgangs wird die Decke in den Zustand „Schalung gestellt“ versetzt. Hier wurde die detaillierteste
4
212
4 Bauwirtschaft und Management in den Zustand „Schalung gestellt“ versetzt. Hier wurde die detaillierteste Betrachtung gewählt. Der Vorgang „Innenraum anstreichen“ hat als Ergebnis, dass die Innenseiten der ihn umgebenden Bauteile, der Wände 1 und 2 sowie der Decke angestrichen sind. Für diesen Vorgang wurde eine gröbere Detaillierung gewählt.
Voraussetzungen Wand 1: Mauerwerk hergestellt Wand 2: Mauerwerk hergestellt
4
Decke: Schalung stellen
Decke: Schalung gestellt Ergebnis
Abbildung 4.44: Vorgang „Decke: Schalung stellen“
Voraussetzungen –
Innenraum: anstreichen
Ergebnisse
Wand 1: Innenseite gestrichen Wand 2: Innenseite gestrichen Decke: Unterseite gestrichen
Abbildung 4.45: Vorgang „Innenraum anstreichen“
4.7.4 Berechnung der Abhängigkeiten Damit ein Vorgang ausgeführt werden kann, müssen seine Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Regel wird angewandt für die explizit angegebenen Voraussetzungen eines jeden Vorgangs und für die impliziten Voraussetzungen. Eine implizite Voraussetzung ergibt sich durch die Angabe eines Ergebnisses eines Vorgangs. Die implizite Voraussetzung ist, dass sich das Bauteil in dem Zustand befinden muss, der direkt vor dem Zustand ist, den das Bauteil im betrachteten Vorgang als Ergebnis annimmt. Formelmäßig lässt sich dies entsprechend der Konventionen der Mengenlehre wie folgt ausdrücken:
4.7 Eine Methodik zur Bestimmung technologischer
213
A = RAufgabe – explizite Voraussetzung ο RErgebnis – Aufgaben ∪ RAufgabe – implizite Voraussetzung ο RErgebnis – Aufgaben A: RAufgabe – explizite Voraussetzung: RAufgabe – implizite Voraussetzung: RErgebnis – Aufgaben:
Abhängigkeiten zwischen den Vorgängen Relation zwischen Aufgaben und expliziten Voraussetzungen Relation zwischen Aufgaben und impliziten Voraussetzungen Relation zwischen Ergebnissen und Aufgaben
Die so bestimmten Abhängigkeiten sind die technologischen Abhängigkeiten zwischen den Vorgängen, wenn bei der Beschreibung der Vorgänge die technologischen Voraussetzungen angegeben wurden. Das entstandene Gebilde kann topologisch sortiert werden. Verwendet man bei der topologischen Sortierung die Breitensuche, so ergibt sich der kürzeste Ablauf, bei dem alle Vorgänge so früh wie möglich einsortiert sind46. Das Ergebnis einer derartigen Berechnung kann an ein Terminplanungswerkzeug übergeben werden. Es ist als Rohgerüst für einen Terminplan verfügbar und enthält die Vorgänge und ihre technologischen Abhängigkeiten. Abbildung 4.46 zeigt dieses Rohgerüst für das in Abbildung 4.37 gezeigte Bauwerk. Die Dauern aller Vorgänge wurden in der Darstellung in Abbildung 4.46 vorbelegt mit dem Wert „1 Tag“, die Dauern der Abhängigkeiten mit dem Wert „0 Tage“. Als Beginn des Projektes wurde der 12. Juni 2006 gewählt.
Abbildung 4.46: Rohgerüst des Terminplans
Aufbauend auf dem Rohgerüst des Terminplans können weitere Informationen berechnet werden. Beispielsweise lässt sich – wie in Abbildung 4.47 gezeigt – die Entwicklung der Bauteile bestimmen. Das Rohgerüst des Terminplans beschreibt die Logik des Ablaufs der 46
Pahl, P. J., Damrath, R.: Mathematische Grundlagen der Ingenieurinformatik, Springer Verlag, Berlin, 2000, S. 608 ff.
4
214
4 Bauwirtschaft und Management Vorgänge. Die Vorgänge können dementsprechend Bearbeitungsschritten zugeordnet werden. Für jeden logischen Bearbeitungsschritt können die Bauteile bestimmt werden, die Ergebnis in dem betrachteten Schritt sind. Der im jeweiligen Schritt erreichte Zustand kann angegeben werden.
4
Abbildung 4.47: Entwicklung der Bauteile (Auszug)
4.7.5 Nachbearbeitung des Terminplans Das berechnete Rohgerüst des Terminplans muss nachbearbeitet werden. Die Dauern der einzelnen Vorgänge sind festzulegen. Für Abhängigkeiten zwischen Vorgängen sind gegebenenfalls Dauern anzugeben. Es kann erforderlich sein, weitere Abhängigkeiten anzugeben, die sich beispielsweise aus Beschränkungen in der Verfügbarkeit der Ressourcen ergeben. Abbildung 4.48 zeigt einen nachbearbeiteten Terminplan. Ausgangspunkt für die Nachbearbeitung war das in Abbildung 4.46 gezeigte Rohgerüst.
Abbildung 4.48: Terminplan
4.8 Die Auswirkungen von Basel II
215
4.7.6 Zusammenfassung und Ausblick Die hier vorgestellte Methodik ändert die Herangehensweise bei der Erstellung von Ausführungsterminplänen. In einem ersten Schritt werden technologische Abhängigkeiten betrachtet. Diese werden jedoch nicht direkt durch den Menschen vorgegeben, sie werden auf der Grundlage der Beschreibung eines jeden Vorgangs nach Regeln der Relationenalgebra ausgerechnet. Der Bearbeiter muss in einem ersten Schritt das Bauwerk zerlegen in Bauteile und alle Vorgänge so durcharbeiten, dass für jeden Vorgang seine Voraussetzungen und seine Ergebnisse spezifiziert sind. Voraussetzungen und Ergebnisse sind Bauteile in bestimmten Zuständen. Abhängigkeiten zwischen den Vorgängen sind nicht vorzugeben. Beim Durcharbeiten der Vorgänge ist jeder Vorgang individuell zu betrachten. Auf der Grundlage der durch den Nutzer vorzugebenden Beschreibung eines jeden Vorgangs werden Abhängigkeiten zwischen den Vorgängen ausgerechnet. Damit entsteht ein Rohgerüst des Terminplans. Der Bearbeiter muss dieses Rohgerüst beurteilen und überprüfen. Ein Nacharbeiten ist erforderlich, da die vorgestellte Methodik nicht alle Abhängigkeiten zwischen Vorgängen erfasst und darüber hinaus die Dauern der Vorgänge und der Abhängigkeiten festzulegen sind. Die vorgestellte Methodik befindet sich derzeit in einer Phase, in welcher der theoretische Hintergrund erarbeitet wurde. Die Erprobung in realen Projekten ist Gegenstand weiterer Arbeiten. Die Ergebnisse dieser weiteren Arbeiten werden zeigen, inwieweit die vorgestellte Methodik zu Verbesserungen bei der Erarbeitung von Ausführungsterminplänen führen wird.
4.8 Die Auswirkungen von Basel II auf Projektfinanzierungen bearbeitet von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Dieter Jacob, Dipl.-Kfm. Christian Baumgart
4.8.1 Einführung Kreditinstitute und Unternehmen gleichermaßen stehen vor einer neuen Herausforderung. Mit dem im Juni 2004 verabschiedeten Dokument zur internationalen Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalforderungen, kurz Basel II genannt, wurde für die meisten Banken dieser Welt eine neue Zeitrechnung eingeläutet. Der Kampf um die optimale Allokation des Eigenkapitals wird auf einem ganz neuen Niveau ausgetragen. Banken bekommen mehr Möglichkeiten, ihre Kreditrisiken zu bestimmen; damit wird im gleichen Moment der Anreiz geschaffen, die eigenen Systeme zu überdenken und auf einen Basel-II-kompatiblen Standard zu bringen. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen Basel II auf projektfinanzierende Banken haben wird. Insbesondere vor dem Hintergrund der zukünftigen Möglichkeit, mit eigenen Ratings Kreditrisiken zu quantifizieren, müssen Systeme und Prozesse optimiert und auf dieses interne Rating als zentrales Element ausgerichtet werden. In einer Zeit des intensivsten Wettbewerbs auf dem Projektfinanzierungsmarkt kann die erfolgreiche Bewältigung dieses Prozesses zu einem kritischen Erfolgsfaktor werden. Die Bedeutung des internen Ratings geht zukünftig aber weit darüber hinaus, einfach nur die Kreditwürdigkeit eines Kunden angemessen zu erfassen. Im Zusammenspiel aus Risiko und adäquater Preisgestaltung lassen sich richtungsweisende Kennzahlen ableiten, um den Erfolg der Geschäftsaktivitäten zu messen. In einem weiteren Schritt wird idealerweise ein aktives Portfoliomanagement implementiert, um unter anderem im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen die Aktivitäten, die über das primäre Tätigkeitsfeld, das Finanzieren von Projekten, hinausgehen, effizient zu steuern.
4
216
4 Bauwirtschaft und Management
4.8.2 Basel I und Basel II Anfang der 80er Jahre sah der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht die Gefahr, dass durch unzureichende Eigenkapitaldeckung nicht nur einzelne Kreditinstitute, sondern ganze Finanzsysteme zusammenbrechen könnten. Um diesem Risiko entgegen zu wirken, entwickelte man ein Konzept über die „internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen“, besser bekannt als der Basel-I-Akkord.
4
Mit den immer deutlicher werdenden Unzulänglichkeiten von Basel I wurde Ende der 1990er Jahre erkannt, dass es notwendig ist, diese internationalen Rahmenbedingungen zu verbessern. In der Konsequenz begann ein Prozess, der heute immer noch nicht abgeschlossen ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund steht wohl außer Frage, dass mit den neuen Baseler Eigenkapitalvorschriften, kurz Basel II genannt, die gravierendste Änderung des Bankenaufsichtsrechts seit Ende der Achtziger Jahre vollzogen wird. Mit den neuen Richtlinien verfolgt der Baseler Ausschuss das vordergründige Ziel, die Solidarität und die Stabilität des internationalen Bankensystems weiter zu stärken. Damit eng verbunden ist das Bestreben zu verhindern, dass die neuen Vereinbarungen zwischen weltweit agierenden Banken zu Wettbewerbsverzerrungen führen.47 Mit Basel II soll es zudem in Zukunft gelingen, die aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen an das tatsächliche Risiko, dem eine Bank ausgesetzt ist, anzunähern. Es ist ein Weg, der von dem eher quantitativen Ansatz, mit Kennzahlenanalysen und Berichten durch Wirtschaftsprüfer, „ … hin zu einer stärker qualitativen, präventiv agierenden Aufsicht“48 führen soll.
4.8.3 Ziele und Grundsätze von Basel II Wie bereits angedeutet, hat der Baseler Ausschuss beim Überarbeiten des Regulierungsrahmens versucht, zu wesentlich risikosensitiveren Kapitalanforderungen zu kommen. Das bedeutet, Banken und Aufsicht werden eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Bestimmung der Kapitalanforderungen für Kreditrisiken und operationelle Risiken zur Seite gestellt, um auf diesem Wege das Erreichen einer optimalen Lösung zu ermöglichen. Gleichzeitig hält der Ausschuss aber auch an Schlüsselelementen aus dem Basel-I-Akkord von 1988 fest. So wird beispielsweise die grundsätzliche Anforderung an die Banken beibehalten, mindestens 8 % der gewichteten Risikoaktiva mit Eigenkapital zu unterlegen. Als eine entscheidende Neuerung wird angesehen, dass in der Eigenkapitalberechnung bankinterne Risikomessverfahren, als eine bedeutende Einflussgröße, stärkere Berücksichtigung finden werden. Dies zusammengenommen zeigt, dass die erneuerte Rahmenvereinbarung mit Sicherheit risikosensitiver ist als Basel I.49 Trotzdem geht dem Baseler Ausschuss dieser Ansatz scheinbar nicht weit genug, denn er betont, dass Banken in Ländern mit verhältnismäßig hohem Risiko auf dem Bankenmarkt gegebenenfalls dazu angehalten werden sollten, Mindestanforderungen zu erfüllen, die über die Vorschläge von Basel II hinausgehen. Mit dem verbesserten Baseler Eigenkapitalakkord wird im Sinne von Jochen Sanio50, eine „ … neue Aufsichtsphilosophie, die sich auf drei gleichwertig nebeneinander stehende Säulen gründet“51, eingeleitet. Mit wenigen Worten ausgedrückt, wird mit der ersten Säule die Berechnung der Mindesteigenkapitalanforderung erfasst, mit der zweiten Säule wird eine konti47 48 49 50 51
Vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), S. 2 Sanio (2003), S. 7 Vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), S. 3 Jochen Sanio ist Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Sanio (2003), S. 7
4.8 Die Auswirkungen von Basel II
217
nuierliche, aufsichtliche Überprüfung etabliert, und mit der dritten Säule ist das Ziel einer erhöhten Marktdisziplin verbunden. Dabei muss man anmerken, dass die drei Säulen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden dürfen. Vielmehr sollen sie ergänzend ineinander greifen und damit die Grundlage für das neue Regelwerk bilden. Im Prinzip erinnert die Festlegung der Mindestkapitalanforderungen stark an den Basel-IAkkord. Allerdings, und das ist eine der schwerwiegenden Neuerungen, wird es unter den neuen Rahmenbedingungen eine umfangreichere Risikobetrachtung geben, die neben Marktund Kreditrisiken auch das operationelle Risiko in die Berechnung des regulatorischen Eigenkapitals einfließen lässt52. Basel II geht zudem weg von der absoluten Pauschalisierung und orientiert sich in Zukunft stärker an dem Kreditrisiko des Einzelengagements. Vom Baseler Ausschuss werden hierfür zwei Ansätze vorgeschlagen: Der Standardansatz und der so genannte IRB-Ansatz (auf internen Ratings basierender Ansatz). Im Standardansatz werden Banken zukünftig die Möglichkeit bekommen, bei der Risikogewichtung externe Ratings zu nutzen. In den normalen Fällen erfolgt dies durch Ratingagenturen oder, bei Kreditvereinbarungen mit Staaten, durch Exportkredit-versicherungsagenturen der OECD. Von dem auf internen Ratings basierenden Ansatz wird es wiederum zwei Varianten geben, einen Basisansatz und einen fortgeschrittenen Ansatz. Für beide Varianten ist eine staatliche Genehmigung notwendig, denn die Institute müssen vorweisen können, dass sie über hinreichende Modellerfahrungen, Datenbasen, Kontrollmechanismen und natürlich Fachkräfte verfügen. Eine Qualifizierung für den fortgeschrittenen Ansatz ist folgerichtig mit einem sehr erheblichen Aufwand verbunden, denn es müssen hohe Anforderungen an die Datenerhebung und die Methodik des Schätzverfahrens erfüllt werden. Sanio ist aber überzeugt, dass Banken mit Hilfe des fortgeschrittenen Ansatzes zu einer geringeren Eigenkapitalbelastung gelangen.53 Positiv für die Kreditinstitute ist, dass durch das zweistufige Verfahren innerhalb des IRBAnsatzes quasi indirekt die Möglichkeit eröffnet wird, sich langsam an die fortgeschrittenere Variante heranzutasten. Werden beim Standardansatz die Risikogewichte noch vorgegeben, so werden diese beim IRB-Ansatz für jeden Kredit von der Bank gesondert berechnet. Zur Ermittlung der Eigenkapitalquoten werden dabei die Risikoparameter Ausfallwahrscheinlichkeit (PD), Verlustquote bei Ausfall (LGD), ausstehende Forderungen bei Ausfall (EAD) und die effektive Restlaufzeit (M) zu Hilfe genommen. Der Basisansatz sieht vor, dass die Risikoparameter EAD, LGD und M bankenaufsichtlich vorgegeben werden, während PD von dem Finanzinstitut individuell berechnet wird. Dies macht deutlich, dass nur über diesen Parameter die Höhe des regulatorischen Eigenkapitals beeinflusst werden kann. Anders gestaltet sich dies beim fortgeschrittenen Ansatz, denn hier können zum einen alle Risikoparameter selbst geschätzt werden, und zum anderen finden auch Kreditsicherheiten weitestgehend Berücksichtigung. Der hier kurz dargestellte Ansatz und insbesondere die Umsetzung der Wahlmöglichkeiten sollen auf lange Sicht dazu führen, dass immer bessere Risikomessverfahren und Risikosteuerungsmethoden entwickelt werden und natürlich auch zum Einsatz kommen. Um sicherzustellen, dass Banken auch tatsächlich zu jeder Zeit über ausreichende Eigenkapitalreserven verfügen um ihre Geschäftsrisiken abzufedern, wurde, wie bereits angesprochen, mit Säule 2 ein umfassendes Überprüfungsverfahren implementiert. So wird die Aufsicht prü52 53
Vgl. ausführlicher Jacob/Stuhr (2006), Kapitel 1.5 Vgl. Sanio (2003), S. 9, vgl. auch Deutsche Bundesbank (2001), S. 29
4
218
4 Bauwirtschaft und Management fen und bewerten, inwieweit die bankinternen Prozesse fähig sind, die Eigenmittelausstattung richtig abzuschätzen. Das gilt auch für die Fähigkeit der Banken, die Höhe des regulatorischen Eigenkapitals zu überwachen und damit die Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu gewährleisten. Konsequenterweise sind die Aufsichtsorgane in Zukunft aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, falls sie mit dem Ergebnis dieses Prozesses nicht zufrieden sind.
4
Mit dem Konzept einer dritten Säule verfolgt der Baseler Ausschuss das Ziel, die Mindestkapitalanforderungen und das aufsichtsrechtliche Überprüfungsverfahren zu komplementieren. Man setzt an der Idee an, über Offenlegungsanforderungen ein diszipliniertes Verhalten der Finanzinstitutionen zu erzwingen. Informationen über das Eigenkapital, die Risikopositionen oder auch das Risikomessverfahren sollen für andere Marktteilnehmer transparent gemacht werden, so dass diese sich ein unabhängiges Bild über die Eigenkapitalsituation der Institution machen können. Diese Transparenz und die damit verbundene ständige „Überwachung“ durch andere Marktteilnehmer sollte – idealerweise – zu einer sorgfältigen Risikopolitik der Kreditinstitute führen und damit die Eingriffe der Bankenaufsicht vermindern.54 Das neue Baseler Rahmenwerk wird vor allem auch für die Banksteuerung Implikationen nach sich ziehen. Die stärkere Risikosensitivität veranlasst die Banken dazu, ausgereifte Ratingsysteme zu nutzen und der Performancemessung eine ganz neue Priorität beizumessen. Die knappe Ressource regulatorisches Eigenkapital muss mehr den je mit Bedacht den ertragsstärksten Geschäftsfeldern zugewiesen werden. Jede Kreditvergabe muss einzeln kalkuliert und nach Risiko- und Rentabilitätsaspekten sinnvoll bewertet werden. Basel II definiert dabei die Rahmenbedingungen für einen fortschreitenden Prozess im banklichen Wettbewerb. Das eigene Kreditportfolio wird in Zukunft noch maßgeblicher für die eigene Stellung und die damit verbundenen Refinanzierungsmöglichkeiten sein.
4.8.4 Projektfinanzierungen 4.8.4.1 Charakteristikum Am Anfang einer jeden Projektfinanzierung steht mindestens ein Unternehmen, der Sponsor, das nach einer Möglichkeit sucht, ein großes und meist sehr kostenintensives Investitionsvorhaben (z. B. Bau eines Kraftwerks, einer Pipeline oder Chemiefabrik) zu verwirklichen. Wie Banken sind auch Unternehmen stets und ständig bestrebt, mit ihrem Eigenkapital optimale Fremdkapitalstrukturen zu erreichen. Gleichermaßen ist eine starke Bilanz schwerwiegender denn je, da sie Ausgangspunkt für ein gutes Rating ist und damit essentiell, um zukünftige Fremdkapitalkosten so niedrig wie möglich zu halten. Mit dem Instrument der Projektfinanzierung ergibt sich für Unternehmen die Möglichkeit, mit optimalem Eigenkapitaleinsatz kostspielige Investitionen zu realisieren, ohne die eigene Bilanz in großem Maße zu belasten.55 Damit dieser Gedanke klarer wird, ist es dienlich, den Begriff der Projektfinanzierung näher zu charakterisieren. Eine kurze, aber sehr geeignete Beschreibung der Projektfinanzierung bieten Schöning und Weber an, sie definieren mit Projektfinanzierung „ … die Finanzierung einer technisch und wirtschaftlich weitgehend abgrenzbaren selbstständigen Wirtschaftseinheit … , wobei der Kapitaldienst, bestehend aus Zins- und Tilgungszahlungen, ausschließlich aus dem wirtschaftlichen Ertrag (Cash-Flow) des Projektes aufgebracht wird.“56 54
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2004), S. 175 Vgl. hierzu Esty (2004), S. 25 56 Schöning/Weber (2005), S. 291 55
4.8 Die Auswirkungen von Basel II Ein wesentlicher Aspekt einer jeden Projektfinanzierung ist damit die Gründung einer separaten Projektgesellschaft. Dieses so genannte „Special Purpose Vehicle“ (SPV) wird von den Sponsoren mit Grundkapital ausgestattet und ist von da an selbstständig verantwortlich, das Projekt zu entwickeln, die Geschäfte zu leiten und gegenüber den Banken als Kreditnehmer aufzutreten. Für die Fremdkapitalgeber ergibt sich daraus die Situation, dass in der Regel kein oder nur ein begrenzter Rückgriff auf die Projektsponsoren möglich ist. Da das SPV zudem in den seltensten Fällen über weitreichende Finanzaktiva verfügt, dienen als Sicherheit und zur Rückführung des Kredits einzig die zukünftig erwirtschafteten Cashflows. Diesem einfach erscheinenden Prinzip liegt ein sehr ausführliches – und ausgiebig verhandeltes – Vertragswerk zugrunde. Dementsprechend definiert Standard & Poor’s das gesamte Wesen der Projektgesellschaft als ein Konstrukt aus Verträgen und Vereinbarungen zwischen Geldgebern, Projektsponsoren und anderen Beteiligten, mit dem eine Anfangsfinanzierung realisiert wird. Mit diesem Kapital wird zum einen ein ganz bestimmtes Geschäftsziel verfolgt und zum anderen typischerweise gewährleistet, dass sich das Risikoprofil der Projektgesellschaft nicht verändert. Aufgrund der Tatsache, dass die Tilgung des Kredits einzig auf den Cashflows beruht, muss durch die Vertragsstruktur unbedingt sichergestellt sein, dass das Fremdkapital innerhalb der Projektlaufzeit zurückgeführt wird. Überdies muss ein finanzielles Sicherheitspolster vorhanden sein, um eventuelle Schwierigkeiten abfedern zu können. Darüber hinaus ist es für Projekte nicht angedacht, Eigenkapital aufzubauen. Erzielte Gewinne werden umgehend verwendet, um Betriebsaufwendungen zu begleichen, den Kapitaldienst zu leisten (meist der größte Posten) und Dividenden an die Sponsoren auszuzahlen.57 Dieses Prinzip wird „Cashflow-Wasserfall“ genannt und bedeutet, dass vertraglich geregelt ist, in welcher Reihenfolge die Verbindlichkeiten des SPV beglichen werden. Erträge, die nach dem Begleichen der Schulden und unter Berücksichtigung des Risikopuffers als überschüssiges Eigenkapital verbleiben, werden von den Sponsoren entnommen. Je besser das Projekt läuft, desto höher ist also auch die Rendite der Sponsoren.
Abbildung 4.53: Typische Projektstruktur
57
Vgl. Rigby/Penrose (2005), S. 82
219
4
220
4 Bauwirtschaft und Management
4.8.4.2 Vor- und Nachteile Der entscheidende Vorteil von Projektfinanzierungen ist, dass Unternehmen auf diesem Wege Investitionsvorhaben realisieren können, die sonst nicht zu bewältigen wären, überwiegend weil die Projekte zu groß sind, um von einem Unternehmen gestemmt zu werden, oder dies nur unter sehr großen finanziellen Belastungen geschehen könnte. Mit Hilfe einer Projektfinanzierung kann die Investition jedoch verwirklicht werden, ohne dass das Unternehmen die eigene Bilanz strapaziert. Durch den Gebrauch des SPV gelingt es, die Transaktion und das damit verbundene Risiko von der eigenen Unternehmung zu trennen und so das eigene Risikoprofil – und damit das eigene Rating – nicht zu belasten.
4
Ein weiterer Aspekt, der diese besondere Form der Finanzierung für Unternehmen so reizvoll macht, ist die Laufzeit der Kredite. Durch die klaren und harten Vertragsstrukturen sind bei manchen Projekten lange Laufzeiten von bis zu 30 Jahren möglich. Ein weiterer Punkt, der unter anderem diese langen Laufzeiten ermöglicht, ist das so genannte „Risk Sharing“, was nichts anderes bedeutet, als dass beim Strukturieren der Verträge die auftretenden Risiken so auf die Beteiligten verteilt werden, dass die Risiken von den Parteien getragen werden, die diese am besten handhaben bzw. kontrollieren können.58 Obwohl dies die eindeutige Meinung in der Literatur ist, klingt das Prinzip des Risk Sharing ganz und gar nicht nach harten Verhandlungen und starken Managern. Ein bisschen realer erscheint daher die Aussage von Tinsley, wenn er meint: „ … risk is a matter of heavy negotiation and trade off. Risk is not simply allocated to ‘the party best able to bear it’. It is negotiated as far away as possible and mitigated in a way it cannot spring back.”59 Für Unternehmen ist darüber hinaus mit Sicherheit reizvoll, dass sie über die Projektfinanzierung einen erhöhten Verschuldungsgrad realisieren können, denn ein hoher Fremdmittelanteil ist durchaus normal. Damit verbunden und durch die Struktur von Projektfinanzierungen gegeben, tragen die Sponsoren ein relativ überschaubares Risiko, denn durch keinen oder nur einen begrenzten Rückgriff ist ein möglicher Verlust maximal auf den entsprechenden Eigenkapitalanteil beschränkt. Aus Sicht der Banken ist natürlich das Ertragspotential von Projektfinanzierungen vordergründig. Die Natur der Projektfinanzierung mit ihrem begrenzten Rückgriff auf die Sponsoren und der von den Cashflows abhängigen Kreditrückführung stellt für die Fremdkapitalgeber eine anspruchsvolle Situation dar, denn es muss eine sehr komplexe Struktur bewältigt werden. Der erhöhte Aufwand, im Gegensatz zu klassischen Unternehmensfinanzierungen, wird durch höhere Zinskonditionen kompensiert. Die Trennung von Projektgesellschaft und Sponsorunternehmen ist für Banken dabei durchaus positiv, denn dadurch haben sie sehr großen Einfluss auf die Verwendung des bereitgestellten Kapitals, und es kommt zu keiner Vermischung mit anderen Geschäftstätigkeiten des Sponsors. Im Ergebnis hat man also klare und transparente Strukturen, die es relativ einfach machen, die Entwicklung des Projektes zu verfolgen und zu überwachen.60 Nicht zuletzt aus diesem Grund gelten Projektfinanzierungen als relativ risikoarm. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Banken schon im Vorfeld des Projekts einen enormen Aufwand betreiben, um möglichst alle Risiken zu identifizieren und wenn möglich abzusichern. In Fällen, in denen das Projekt nicht die erwarteten Cashflows liefert, sehen sich die Banken mit der Situation konfrontiert, dass eine Verwertung von bestehenden Vermögensgegenständen oftmals kaum möglich ist, da diese sehr speziell in ihrer Art und Verwendung sind. Im Normalfall ist es daher für alle Beteiligten effizienter, schlecht 58 59 60
Vgl. Esty (1999), S. 33 Tinsley (2000), S. xi Vgl. Esty (1999), S. 30
221
4.8 Die Auswirkungen von Basel II laufende Projekte zu restrukturieren, gegebenenfalls eine neue Betreibergesellschaft einzusetzen und die Transaktion weiter laufen zu lassen.61 Als schwerwiegender negativer Aspekt muss in diesem Zusammenhang allerdings ganz klar gesagt werden, dass diese Form der Fremdmittelbeschaffung mit einem sehr langwierigen und mitunter sehr aufwändigen Strukturierungsprozess einhergeht. Dieser kann sich über Wochen, Monate, bei manchen Transaktionen gar über Jahre erstrecken. Banken sehen sich zudem durch extensive Projektstudien im Vorfeld der Finanzierung mit hohen Analysekosten konfrontiert. Esty meint diesbezüglich: „Negotiating the deal structure, including the financial, construction and operational contracts, is extremely time-consuming and expensive. It is, in fact, the biggest disadvantage of using project finance.“62
4 4.8.4.3 Wettbewerbssituation Bei der Einschätzung der Wettbewerbssituation kann man feststellen, dass auf dem Primärmarkt zwischen den Banken ein intensiver Wettbewerb um die steigende Anzahl an Projekten herrscht. Tatsächlich erfährt der Projektfinanzierungsmarkt eine sehr positive Phase. Standard & Poor’s meint sogar: „In 2005, there has been a resurgence of project finance.”63 Für das Jahr 2006 wird erwartet, dass dieses Momentum weiter anhält. Externe Gründe, die diese Entwicklung unterstützen könnten, sieht man unter anderem in dem weltweit anhaltenden Bedarf an Elektrizität und Trinkwasser oder beispielsweise in einer steigenden Nachfrage nach Projekten im Bereich Infrastruktur.64 Dieser Trend wird auch durch Zahlen von Thomson Financial untermauert. Betrachtet man die Gesamtheit aller Projekte, so wurde im vergangenen Jahr weltweit ein Finanzierungsvolumen von ca. 140,3 Mrd. US$ erreicht, was eine Steigerung um 20 %, im Vergleich zu 116,7 Mrd. US$ in 2004, bedeutet.65 Abbildung 4.54 zeigt, dass in den Sektoren Power und Transportation in 2005 die meiste Aktivität herrschte. Auch wenn die ersten Projektfinanzierungen weit zurück datiert werden können, so gilt diese Finanzierungsform trotzdem immer noch als relativ neu, denn erst mit den 1990er Jahren konnte man eine rapide Entwicklung beobachten. So ist in Tabelle 4.1 zu erkennen, dass das gesamte Projektfinanzierungsvolumen zwischen 1994 und 2005 um nahezu das Achtfache angestiegen ist. Tabelle 4.1: Projektfinanzierungen von 1994 bis 2005 in Mrd. US$66 Jahr Projektfinanzierungen gesamt
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
…
2004
2005
17,7
27,1
47,6
74,9
66,5
92,4
131,7
133,5
…
116,7
140,3
Im Vergleich zum klassischen Unternehmenskredit konnte der Baseler Ausschuss folglich auf keinen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen, um mögliche zukünftige Besonderheiten zu antizipieren.
61
Vgl. hierzu ebd. (1999), S. 32 Esty (1999), S. 29 Standard & Poor’s (2005), S. 5 64 Vgl. ebd. (2005), S. 5 65 Vgl. Thomson Financial (2006), S. 1 66 Daten entnommen aus Esty (2004), S. 467 und Thomson Financial (2006), S. 1 62 63
222
4 Bauwirtschaft und Management
4
Abbildung 4.54: Projektfinanzierungen 2004-2005 nach Sektoren, in Mio US$67
4.8.5 Behandlung von Projektfinanzierungen durch Basel II 4.8.5.1 Vorläufige Handhabung durch den Baseler Ausschuss Bei der Entwicklung von Basel II sahen sich Banken, die in Projektfinanzierungen involviert waren, Ende 2001 mit der Situation konfrontiert, dass die Vorschläge des Baseler Ausschusses für die Risikogewichte zu einer sehr nachteiligen Situation für das Produkt Projektfinanzierung führen würden. In dem Arbeitspapier „Working Paper on the Internal Ratings-Based Approach to Specialised Lending Exposures“ beschrieb der Baseler Ausschuss seine Herangehensweise an die Risikoquantifizierung von Projektfinanzierungen. Im Endeffekt nahm man in solchen Finanzierungen – im Vergleich zu normalen Unternehmenskrediten – ein höheres Risiko wahr und sah daher die Notwendigkeit, höhere Risikogewichte zu veranschlagen. Dies basierte auf dem Gedanken: „ such loans possess unique loss distribution and risk characteristics. In particular, given the source of repayment, the exposures exhibit greater risk volatility – in times of distress, banks are likely to be faced with both high default rates and high loss rates.”68 Darüber hinaus merkte der Baseler Ausschuss negativ an, dass es keine ausreichenden historischen Daten über die Performance von Projektfinanzierungen gäbe und es daher für Banken 67 68
Entnommen aus Thomson Financial (2006), S. 1 Basel Committee on Banking Supervision (2001), S. 1
223
4.8 Die Auswirkungen von Basel II schwierig sei, im Sinne des IRB-Ansatzes verlässliche Abschätzungen für die Risikofaktoren vorzunehmen.69 In der Konsequenz wird deutlich – siehe Tabelle 4.2 – , dass man damit einen Weg einschlug, der bei Banken, die sich in Projektfinanzierungen engagieren, unweigerlich dazu führen würde, weitere Aktivitäten auf diesem Gebiet ernsthaft zu überdenken. Tabelle 4.2: Beabsichtigte Risikogewichtung für Projektfinanzierungen im IRB Basis Ansatz70 Aufsichtliche Kategorie Rating Risikogewicht
Strong
Fair
AAA bis BBB75 %
BB + bis B+ 150 %
Weak
Default
B bis C
Default
300 %
750 %
Diese Entwicklung alarmierte zahlreiche bedeutende Projektfinanzierungsbanken, denn in ihren Augen war es nicht möglich, unter den geplanten Rahmenbedingungen eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung zu kalkulieren. Es kam zu einem verstärkten Dialog mit dem Baseler Ausschuss. Im Endeffekt wurde deutlich, dass der Baseler Ausschuss eine Vorstellung über Projektfinanzierung hatte, welche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach. Dies lag zum Teil an der Definition von Projektfinanzierung, aber vor allem auch an der Frage, wie man einen Ausfall (Default) charakterisiert und welche Verlustquoten man zugrunde (Problematik des LGD) legt. Um gegenüber dem Baseler Ausschuss überzeugend auftreten zu können, initiierten die Kreditinstitute Citigroup, Société Générale, ABN AMRO und Deutsche Bank in Zusammenarbeit mit Standard & Poor’s Risk Solutions eine Studie, mit der man beweisen wollte, dass Projektfinanzierungen nicht den nachteiligen Risikocharakter haben, der in den Vorschlägen zu den neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarungen augenscheinlich wurde.71 Die Studie wurde im Jahre 2003-2004 weitergeführt und auf 27 Banken ausgedehnt, wodurch man 70 % der weltweiten Projektfinanzierungen abdeckte. Diese breit angelegte Erhebung kam zu dem Ergebnis, dass Projektfinanzierungen in Bezug auf das Risiko eines Ausfalls besser einzuschätzen sind als normale Unternehmensfinanzierungen. Betrachtet man die historischen Ausfallwahrscheinlichkeiten, so sind zwar beide Finanzierungsformen vergleichbar, aber „ … recoveries are much higher than for traditional corporate loans“72. Die entsprechende Rückführungsquote bei notleidenden Krediten lag bei den analysierten Projektfinanzierungen bei über 70 %. Auf Sicht von 10 Jahren konnte zudem eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit von knapp über 12 % ermittelt werden. Neben dieser umfangreichen Studie gab es auch von anderen Institutionen wie der IPFA oder IFC zahlreiche Reaktionen auf die ursprünglichen Vorschläge des Baseler Ausschusses mit dem Ergebnis, dass die Behandlung von Projektfinanzierungen unter Basel II noch einmal überdacht und geändert wurde.
69 70 71 72
Vgl. ebd. (2001), S. 1 Vgl. dazu Esty (2004), S. 468 Vgl. Beale et al. (2002), S. 5 Standard & Poor’s (2004), S. 3
4
224
4 Bauwirtschaft und Management
4.8.5.2 Endgültige Handhabung im Juni 2004
4
Um das Risiko von Projektfinanzierungen zu erfassen, geht die Betrachtung von Basel II heute prinzipiell von dem Basis-IRB-Ansatz aus, d.h. im Standardansatz findet keine gesonderte Behandlung von Projektfinanzierungen statt. Darüber hinaus konzentriert sich die Eigenkapitalunterlegung gemäß den IRB-Ansätzen lediglich auf unerwartete Verluste (UL) also Ausfälle, die nicht durch Wertberichtigungen abgesichert sind. Davon ausgehend gelten für die auf internen Ratings basierenden Ansätze – in Bezug auf die Herleitung der Parameter für die Risikogewichtungsfunktion (PD, LGD, EAD, M, S) – die gleichen Bestimmungen wie bei Forderungen an Unternehmen (siehe dazu Tabelle 4.4). Sollte eine Bank allerdings nicht in der Lage sein, die Mindestanforderungen an die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit wie im Basis-Ansatz gefordert zu erfüllen, kommt es zur Anwendung eines auf aufsichtlichen Kriterien basierenden Ansatzes, kurz Elementaransatz genannt. In diesem Ansatz müssen die Banken „ … ihre internen Risikoklassen auf fünf aufsichtlich vorgegebenen Risikoklassen abbilden, die alle mit einem bestimmten Risikogewicht verbunden sind.“73 Gemäß den vom Baseler Ausschuss bereitgestellten Zuordnungskriterien verteilen sich die Projektfinanzierungen im Elementaransatz dann auf folgende Kategorien: Tabelle 4.3: Aufsichtliche Kategorien und UL-Risikogewichte für Projektfinanzierungen74 Aufsichtliche Kategorie
Sehr gut
Gut
Mittel
Schwach
Ausgefallen
Rating
BBB- oder besser
BB + oder BB
BB- oder B +
B bis C-
nicht anwendbar
UL-Risikogewicht
70 %
90 %
115 %
250 %
0%
Über diese Aufteilung hinaus ist es der nationalen Aufsicht freigestellt, in ihrem Ermessen die Risikogewichte für sehr gute Forderungen auf 50 % und für gute Forderungen auf 70 % zu senken. Allerdings muss in diesen Fällen entweder die Restlaufzeit weniger als 2,5 Jahre betragen oder die Aufsichtsbehörde muss festlegen, dass für diese Finanzierungen eine deutlich positivere Gesamteinschätzung vorliegt als eigentlich durch die Einordnungskriterien von Basel II charakterisiert. Wie auch schon in den ursprünglichen Vorschlägen des Baseler Ausschusses muss ein Institut, wenn es sich in einer Forderungsklasse für den IRB-Ansatz entschieden hat, diesen auf alle Forderungsklassen anwenden. Dem Ausschuss ist aber klar, dass die gleichzeitige Umsetzung in allen Forderungsklassen und Geschäftsbereichen nur schwer möglich sein wird. Bei einigen Forderungsklassen, insbesondere bei Projektfinanzierungen bzw. Spezialfinanzierungen im Allgemeinen, ist sich der Baseler Ausschuss zudem über die Problematik der begrenzten Datenverfügbarkeit bewusst. Sollte das Problem mangelnder Daten tatsächlich akut werden, so können die Finanzinstitute in diesem Forderungssegment vorübergehend weiterhin den Elementaransatz anwenden, während sie bei den klassischen Unternehmensfinanzierungen bereits zur Nutzung des IRB-Ansatzes übergehen.
73 74
Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), S. 69 Vgl. ebd. (2004), S. 69
225
4.8 Die Auswirkungen von Basel II Tabelle 4.4: Risikogewichte für Forderungen an extern geratete Unternehmen und an Staaten75 Rating
AAA bis AA-
A + bis A-
BBB + bis BB-
Unter BB-
Nicht beurteilt
Risikogewicht bei Unternehmen
20 %
50 %
100 %
150 %
100 %
Risikogewicht bei öffentlicher Hand
0%
20 %
BBB + bis BBB-: 50 % BB + bis B-: 100 % Unter B-: 150 %
100 %
Es wird deutlich, dass im Gegensatz zu den ursprünglichen Ideen aus dem Jahr 2001 hinsichtlich des Risikocharakters von Projektfinanzierungen ein deutliches Umdenken beim Baseler Ausschuss stattgefunden hat. Die niedrigeren Risikogewichte für unerwartete Verluste – im Vergleich zur ursprünglichen Herangehensweise – und eine zusätzliche Risikokategorie sprechen für eine geänderte und differenzierte Sichtweise.
4.8.6 Zentrale Bedeutung des internen Ratings Ausgehend von den durch den Baseler Ausschuss entworfenen „Principles for the Management of Credit Risk“ aus dem Jahr 2000 veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Dezember 2002 die „Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute“ (MaK). Damit wurden qualitative Standards definiert, die bei der Organisation des Kreditgeschäfts zu beachten sind. Vor dem Hintergrund des zu erwartenden Basel-II-Akkords wollte der deutsche Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt seinen Teil dazu beitragen, das deutsche Bankensystem sicherer und transparenter zu gestalten und für mehr Solidität bei den einzelnen Kreditinstituten zu sorgen. Eines der Kernelemente dieser Anforderungen ist die klare organisatorische Trennung zwischen den Bereichen „Markt“ und „Marktfolge“. Als Markt wird dabei der Bereich verstanden, der die Geschäfte initiiert. Die Überwachung von Risiken auf Portfolioebene muss außerhalb dieses Bereichs wahrgenommen werden. In der Konsequenz bedeutet dies nichts anderes, als dass bei jedem Neugeschäft der Kundenbetreuer auf die im Hintergrund stehenden Entscheidungsträger trifft, die in ihrer Grundeinstellung eher darauf programmiert sind, Risiko zu verhindern, anstatt neue Chancen wahrzunehmen. Die Entscheidungsfindung wird dabei zunehmend auf automatisierten Abläufen und internen Systemen aufgebaut. Den MaK folgten Ende 2005 die „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) mit dem klaren Ziel, die „ … qualitativen Anforderungen der Säule 2“76 des Basel-IIAkkords abzudecken. Sie bilden damit den Mittelpunkt einer neuen, qualitativ ausgerichteten Aufsicht in Deutschland. Die MaRisk stehen dabei für die Abkehr von einer traditionellen, auf Regeln basierenden Aufsicht hin zu einer Aufsicht, die sich an Prinzipien orientiert. Die neuen Anforderungen läuten somit einen Paradigmenwechsel ein, „ … der sowohl Form und Stil der Regulierung als auch die bankaufsichtliche Praxis verändern wird.“77 Betrachtet man Abbildung 4.55, dann nimmt das interne Rating augenscheinlich eine elementare Position ein. Auf Einzelkreditebene ist es maßgebliches Instrument für die Risikosteuerung auf der einen und die Preisgestaltung auf der anderen Seite. Wie auch in der Darstellung erkenn75 76 77
Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), S. 17 und S. 21. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2005), S. 2 Ebd. (2005), S. 3-4
4
226
4
4 Bauwirtschaft und Management bar, fungiert das Ratingsystem dabei als Bindeglied dieser beiden Aspekte, die jede Projektfinanzierung mit sich bringt. Nur über ein gut funktionierendes Instrument ist es möglich, das Risikoprofil der Transaktion zu erfassen und in Form einer adäquat bestimmten Ausfallwahrscheinlichkeit greifbar zu machen. Dies ist absolut essenziell, denn wenn das generierte Rating zu schlecht ausfällt, dann wird die daraus abgeleitete Preisvorstellung keine Chancen am Markt eröffnen. Mit zu schlechten Ratings drückt man sich also selber aus dem Wettbewerb. Auf der anderen Seite kommt man über zu gute Ratings in die Position einer sehr aggressiven Preisgestaltung. Dies resultiert in der Gefahr, dass man in Bezug auf die zu erwartenden Verluste eine zu geringe Risikovorsorge getroffen hat. Gelingt es aber, diese Schwierigkeiten zu bewältigen, dann hat man die Grundlage geschaffen, auf Einzelkreditebene wettbewerbsfähig zu handeln, da man unabhängig von externen Daten – mit einer hohen Reaktionsgeschwindigkeit – risikoeffizient agieren kann. Dies trifft ohne Frage für die Beurteilung von potenziellem Neugeschäft zu, schließt aber auch punktuelle Engagements am Sekundärmarkt ein.
Abbildung 4.55: Zentrale Bedeutung des Internen Rating
Über das Ratingtool ist es in einem nächsten Schritt sinnvoll, diesen Prozess in Form eines aktiven Managements auf die Portfolioebene auszuweiten. Mit Portfolioebene ist in diesem Zusammenhang nicht nur das Portfolio eines einzelnen Geschäftsbereiches gemeint, sondern der gesamtbankliche Bestand an Krediten. Auf diesem Wege ist eine effiziente Steuerung der regulatorisch geforderten Eigenkapitalunterlegung möglich, und zudem können die Sekundärmarktaktivitäten schneller und effektiver gestaltet werden. Bei diesen Punkten wird die Bedeutung des internen Ratings verstärkt deutlich. Hierbei kann man sagen, dass das Wirkungsprinzip greift: das interne Rating ist nur soviel wert, wie es gelingt, Investoren von eben diesem zu überzeugen. Nur wenn es gelingt, sofern kein externes Rating vorliegt, die Investoren von der Güte des eigenen Systems zu überzeugen, können Transaktionen, wie beispielsweise Ausplatzierungsmaßnahmen mit Hilfe von Verbriefungen, später auch der kritischen Bewertung durch den Markt gerecht werden. Zu guter Letzt ist ein übergreifendes Portfoliomanagement in Verbindung mit dem Gebrauch einer PerformanceKennzahl ein Instrument, mit dem aktiv das Risikokapital den Bereichen zugeführt werden kann, die den meisten wirtschaftlichen Erfolg versprechen.
4.8 Die Auswirkungen von Basel II
227
4.8.7 Literatur Basel Committee on Banking Supervision (2001 Abruf: 08.12.05), Working Paper on the Internal RatingsBased Approach to Specialised Lending Exposures, unter: http://www.bis.org/publ/bcbs_wp9.pdf. Basel Committee on Banking Supervision (2004 Abruf: 30.10.05), International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards – A Revised Framework, unter: http://www.bis.org/publ/bcbs107.pdf. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004 Abruf: 30.10.05), Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung, unter: http://www.bis.org/publ/bcbs107ger.pdf. Beale, Chris; Chatain, Michel; Fox, Nathan; Bell, Sandra; Berner, James; Preminger, Robert; Prins, Jan (2002), Credit Attributes of Project Finance, in: The Journal of Structured Finance, Fall 2002, S. 5-9. online abrufbar unter: http://www.standardandpoors.co.jp/spf/pdf/fixedincome/Credit %20Attributes %20of %20PF.pdf. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2005 Abruf: 20.03.06), Veröffentlichung der Endfassung der MaRisk, unter: http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/marisk/051220_final.pdf. Deutsche Bundesbank (2001 Abruf: 24.11.05), Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II), in: Monatsbericht April 2001, 53. Jahrgang, Nr. 4, 2001, S. 15-44, unter: http://www.bundesbank. de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2001/200104mb.pdf. Esty, Benjamin C. (1999), Petrozuata: A case study of the effective use of project finance, in: Journal of Applied Corporate Finance, Volume 12, Issue 3, S. 26-42. Esty, Benjamin C. (2004), Modern Project Finance – A Casebook, o.A. [John Wiley & Sons, Inc.], 2004. Jacob, Dieter, Stuhr, Constanze (2006), Finanzierung und Bilanzierung in der Bauwirtschaft, Wiesbaden 2006 Rigby, Peter; Penrose, James (2005), Project Finance Summary Debt Rating Criteria, in: Standard & Poor’s: Global Project Finance Yearbook 2006, S. 82-95. Sanio, Jochen (2003), Basel II: Ein neuer Ansatz in der Bankenaufsicht, in: Hadding, Walther (Hrsg.); Hopt, Klaus J. (Hrsg.), Schimansky, Herbert (Hrsg.) Basel II: Folgen für Kreditinstitute und ihre Kunden Bankgeheimnis und Bekämpfung von Geldwäsche, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung Band 22, Berlin [De Gruyter Recht], 2004, S. 3-18. Schöning, Stephan; Weber, Marcus (2005), Projektfinanzierungen in Zeiten aufsichtsrechtlicher Veränderungen, in: Immobilien und Finanzierung, Nr. 8, 2. Ausgabe April 2005, S. 291-296. Standard & Poor’s (2004), Project Finance Default and Recovery Study – Final Report, 2004. Standard & Poor’s (2005), Global Project Finance Yearbook 2006. Dieses Yearbook ist auf www.standardandpoors.com erhältlich, eine kostenfreie Registrierung ist notwendig.
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4
228
4 Bauwirtschaft und Management
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT) bearbeitet von Dr.-Ing. Markus G.Viering und Dipl.-Ing. Tristan Kunze
4.9.1 Einleitung Die Bedeutung einer Immobilie für private wie auch für institutionelle Investoren ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass etwa ein Drittel des Weltvermögens sowie rund die Hälfte des amerikanischen Vermögens aus Immobilien bestehen.
4
Während in den 1960er und 1970er Jahren Investitionen in Immobilien dem Zweck dienten, Steuervorteile zu nutzen und sein Kapital langfristig anzulegen, hat sich diese Einstellung bis zum heutigen Zeitpunkt stark geändert. Der Großteil der heutigen Anleger, ob privat oder institutionell, ist renditeorientiert und achtet nur bedingt auf Steuervorteile. Im Zuge der Globalisierung und des Zusammenwachsens Europas stellt sich nun die Frage, inwieweit die indirekten Immobilienanlageformen in Deutschland der kommenden Zukunft gewachsen sind. In den USA wurde 1960 eine Anlageform ins Leben gerufen, die seitdem einen überdurchschnittlichen Erfolg verzeichnen konnte, der Real Estate Investment Trust, kurz REIT genannt. Diese Anlageform ist durch hohe Ausschüttungsquoten und eine große steuerliche Transparenz gekennzeichnet. Aus diesem Grund genehmigen immer mehr Länder die Einführung eines solchen Anlage-Vehikels. Lediglich Deutschland, als eine führende Wirtschaftsmacht, bewahrte diesbezüglich einen Abstand und begründete diesen mit der Existenz des Offenen Immobilienfonds. Aber nicht allein durch die fallenden Renditen in den letzten Jahren und der anhaltenden Immobilienkrise fordert die Branche die Einführung eines deutschen REIT. Das Ende September 2006 vom Bundesfinanzministerium veröffentlichte REIT-Referentenentwurf ist ein erster – wenn auch eingeschränkte – Schritt in die richtige Richtung.
4.9.2 Historie des Der Real Estate Investment REITs wurden durch den Real Estate Investment Trust Act von 1960 ins Leben gerufen. Das Ziel war, Kleinanlegern die Möglichkeit zu geben, sich an einem diversifizierten Portfolio immobilienbezogener Kapitalanlagen bei Ausschaltung der Doppelbesteuerung zu beteiligen.78 Die REIT-Industrie wuchs jedoch in den Anfangsjahren nur sehr schleppend. Deutlich wird dies dadurch, dass sich in den Jahren von 1961 bis 1967 lediglich 38 Real Estate Investment Trusts neu gründeten. Der erste REIT-Boom fand erst Ende der 60er Jahre, ungefähr gleichzeitig mit dem Beginn großer Aktivitäten bei den Immobilienentwicklungen im Jahre 1969, statt. Zahlreiche Regional- und Geschäftsbanken, bei denen ein bedeutender Teil des Geschäfts auf Hypothekenkredite entfiel und die entsprechend hohe Mittel benötigten, gründeten so genannte Mortage-REITs79, um sich Kapital für das Hypothekenkreditgeschäft zu besorgen. Dadurch drängten zwischen 1968 und 1973 insgesamt 322 neue REITs auf den Markt, deren Geschäfte bis in die frühen 70er Jahre ausgezeichnet liefen. Die amerikanische Wirtschaft wurde 1973 von einer Rezession hart getroffen. Ein Überangebot an Mietflächen am Immobilienmarkt verschlechterte die Ergebnisse vieler REITs deutlich. Es kam zu zahlreichen Firmenzusammenbrüchen, in deren Folge die REIT-Industrie insgesamt erheblich schrumpfte und an der Börse einen drastischen Kursrutsch erlitt.
78 79
Vgl. Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 226 und Wurtzebach/Miles, Real Estate, S.366 von „mortage loans“ (engl. Hypothekenkredite)
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
229
Eine erneute REIT-Euphorie trat Anfang der 90er Jahre auf, welche maßgeblich auf das Steuerreformgesetz80 von 1986 zurückzuführen ist. Bis dahin war es den REITs nicht möglich, sich in anderen Geschäftsfeldern als dem Besitz von Immobilien und Hypotheken zu engagieren. Die Steuerreform von 1986 reduzierte zudem die Möglichkeiten der Anleger, bei direkter Immobilienanlage steuerliche Vorteile zu erringen. Das machte wiederum die REITs, welche als ein langfristiges Immobilien-Anlagevehikel konstruiert wurden, als Alternative zu direktem Immobilienbesitz zusätzlich sehr attraktiv. Mit dem „Omnibus Budget Reconciliation Act“ von 1993 wurde den amerikanischen Pensionsfonds erstmals umfangreiche REIT-Engagements erlaubt. Das Zusammenspiel eines sich wieder belebenden US-Immobilienmarktes und niedriger Zinsen bildete ein sehr günstiges wirtschaftliches Umfeld für Immobiliengesellschaften und damit für REITs, was eine große Anzahl von erstmalig an die Börse gebrachten Unternehmen bei den REIT-Neuemissionen, die 1993 mit einem Kapitalvolumen in der Summe von rund 9 Mrd. US-Dollar immerhin 22 % der gesamten Aktienneuemissionen in den USA repräsentierten, beweist. In den Jahren 1992 bis 1996 vervierfachte sich die Marktkapitalisierung der REIT-Industrie und betrug schließlich rund 80 Mrd. US-Dollar. An diesem beachtlichen Erfolg hatten so genannte Umbrella-Partnership-REITs (UP-REITs) einen maßgeblichen Anteil. Dabei handelt es sich um REITs, die nur indirekt an Immobilien beteiligt sind, dafür aber an einer Betreibergesellschaft, der Umbrella-Partnership. Diese Partnership wiederum besitzt Immobilien, die in einer klassischen REIT-Struktur dem REIT gehören würden.
Abbildung 4.56: US-Dollar-Volumen der Neuemissionen und Kapitalerhöhungen an US-Bören im REIT-Sektor (1982 – 1996)81
80 81
„Tax Reform Act“ (TRA) Vgl. Wetteskind/Sommer, REITs, S. 745 (abgeschätzt, da keine konkreten Zahlenwerte vorhanden); es soll lediglich die verhältnismäßige Entwicklung darstellen
4
230
4 Bauwirtschaft und Management Einer der Hauptunterschiede zwischen den REIT-Generationen der ersten Stunde und den modernen REITs liegt darin, dass sich die Gesellschaften früher Mittel beschafften, um diese für Hypotheken- und Baukredite zu verwenden, während sich die derzeit am Markt befindlichen Gesellschaften auf die Reduzierung des Fremdkapitals und die Stärkung der Eigenkapitalbasis konzentrieren.
4.9.2.1 Konzeption und Konstruktion
4
REITs werden nicht durch ein Investmentgesetz, siehe Deutschland, sondern durch das Steuerrecht geregelt. Die Regulierung erfolgt im Internal Revenue Code (IRC) durch die Sections 856 – 859. Aber trotz des IRCs trägt die REIT-Regelung investmentrechtliche Züge, da sich die REIT-Qualifikation auf verschiedene Organisations-, Vermögens-, und Einkommensstrukturen und die Ausschüttungsregelung bezieht, bei deren Erfüllung die Ausschüttung auf REITEbene nicht besteuert wird.82 Während die Sections 857 – 859 die eigentlichen steuerrechtlichen Regelungen enthalten, legt die Section 856 (Definition of real estate investment trust) die einzelnen investmentrechtlich geprägten Vorraussetzungen fest. Unter den zahlreichen Voraussetzungen, für die Qualifikation als REIT, sind folgende Anforderungen als Schlüsselkriterien hervorzuheben:83 • Als Rechtsform gelten eine Corporation, ein Business Trust oder eine Association, wodurch REITs sowohl auf dem Gesellschafts- als auch auf dem Vertragstyp basieren. • Es muss ein Board of Directors oder Trustees etabliert und die uneingeschränkte Handelbarkeit der Anteile gewährleistet sein. • Mindestens 100 Anteilseigner müssen beteiligt sein, wobei fünf oder weniger Anleger maximal 50 % der Anteile halten dürfen.84 • Mindestens 75 % des Vermögens müssen aus Immobilien oder Immobilienkrediten bestehen und mindestens 75 % der Erträge müssen aus Mieteinnahmen, Veräußerungsgewinnen oder der Verzinsung von Immobilienfinanzierungen stammen. • Maximal 30 % der Erträge dürfen aus Immobilienverkäufen mit einer Haltedauer von unter vier Jahren oder Wertpapierverkäufen mit einer Haltedauer von unter einem Jahr erzielt werden. • Mindestens 90 % der Erträge müssen an die Anleger ausgeschüttet werden.85 Die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist dem IRC jährlich nachzuweisen. UP-REITs und Down-REITs stellen neben den Traditional REITs zwei wichtige Sonderformen dar, die auf Kombinationen zwischen einem REIT und einer Operating Partnership basieren. Daneben kommt den Emissionsbanken eine Schlüsselrolle zu, da diese über die Börsenfähigkeit entscheiden und das Going Public federführend vorbereiten und umsetzen.
82 83 84 85
„Pass Through Entity”; vgl. Knight/Knight, Reemerge, S. 43 Vgl. Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 226 und Knight/Knight, Reemerge, S. 43f „Five or Fewer Rule“; siehe hierzu Ross/Klein, REITs, S.41 Dieser Zwang lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass in den USA Veräußerungsgewinne auf Immobilien in jedem Fall der Capital Gains Tax unterliegen, d. h. die Stundung dieser Steuern durch Thesaurierung im steuerbefreiten REIT wird von vornherein ausgeschlossen.
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
231
4
Abbildung 4.57: Konzeption der REITs86
4.9.2.1.1 Securities Exchange Commission (SEC) Im Gegensatz zur alleinigen Aufsicht durch das BAK bei den deutschen Investmentgesellschaften spiegelt sich bei den REITs der amerikanische Föderalismus wider, wobei man zwischen Public und Private REITs unterscheidet. Während die Private REITs keiner eigenen Regelung unterliegen, fallen die Public REITs unter den Securities Act von 1933 und müssen deshalb ihre Offerings bei der Securities Exchange Commission registrieren lassen.87 Die SEC nimmt dabei lediglich die Rolle der Börsenaufsicht auf Bundesebene wahr und regelt ausschließlich Interstate Sales. Ergänzend dazu gibt es in jedem Bundesstaat eigene Gesetze, denen die Emission von Securities Offices und/oder deren Handel unterworfen sind88 und die durch eigene Securities Offices überwacht werden, bei denen die REITs ebenfalls registriert sein müssen. Hinzuweisen ist aber, dass es für REITs keinen eigenen gesetzlichen Anlegerschutz gibt, der konkrete Vorschriften zur Risikostreuung etc. enthält. 4.9.2.1.2 Board Die Rolle der amerikanischen Boards (Aufsichtsräte) geht weit über die deutschen Aufsichtsräte hinaus, da beide Institutionen unterschiedliche Aufsichtsmodelle verkörpern. US-amerikanische Unternehmen sind durch ein einstufiges Corporate Governance-Modell gekennzeichnet, bei dem
86 87 88
Vgl. Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 233 Vgl. Plattner, Real Estate Investment, S.219 und Jarchow, REITs, S. 109 „Blue Sky Laws“; siehe Brueggeman/Fisher, Real Estate Finance, S. 711 Fn 7
232
4 Bauwirtschaft und Management ein Board sowohl die Unternehmenskontrolle als auch die Unternehmensführung übernimmt (Vereinigungsmodell). Im Vereinigungsmodell ist die Mischung unternehmensinterner und -externer Mitglieder im Aufsichtsrat üblich. Dabei ist der „Chairman of the Board“ dem Aufsichtsratsvorsitzenden, und der „Chief Executive Officer“ dem Vorstandsvorsitzenden gleich, wobei aber auch beide Ämter gleichzeitig bekleidet werden können. Dadurch kann sich eine erhebliche Machtkonzentration bei einer einzelnen Person ergeben.
4
Demnach würde es für die Qualifikation als REIT prinzipiell ausreichen, einen einzigen Trustee (Trust) oder Director (Corporation oder Association) zu ernennen. Trotzdem hat der Großteil der REITs ein mehrköpfiges Board. Nach einem Statement of Policy der „North American Securities Administration“(NASAA), welches von der Mehrzahl der US-Bundesstaaten bei der Incorporation angewandt wird, sollte der Vorstand eines REIT mindestens drei Mitglieder haben, die durch die Aktionäre/Beneficiaries für einen Zeitraum von maximal einem Jahr gewählt werden und von der Geschäftstätigkeit des REIT wirtschaftlich unabhängig sein müssen.89 Die Aufgabe des Aufsichtsrates besteht primär in der Überwachung der Corporate Performance und Corporate Strategy. Sekundäre Aufgaben umfassen das Deal Approval90, Portfolio Management und die Corporate Governance im Sinne der Kontrolle des Managements bezüglich Besetzung, Beaufsichtigung, Kompensation etc.91 Letztlich dienen alle Maßnahmen jedoch dem Ziel der Maximierung des Shareholder Value.92 Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sollte das Board eines REIT folgende Anforderungen erfüllen: • Die meisten Members sollten über langjährige Erfahrungen im Geschäftsbereich des jeweiligen REIT verfügen, d.h. es sollte sich primär um Immobilien-Professionals handeln. • Es sollte mindestens eine dominante Führungspersönlichkeit vertreten sein, die in der Rolle als „Meinungsmacher“ einen Gegenpol zum „Chairman of the Board“ bzw. „Chief Executive Officer“ darstellt. • Die „Outside Board Members“ sollten sich auch inoffiziell und informell treffen, um Geschäftsfragen ohne Gegenwart von Insidern offen diskutieren zu können. • Im Idealfall sollten alle Board Members selbst an dem jeweiligen REIT persönlich beteiligt sein, um Interessenkongruenz zu gewährleisten. Das führt meist dazu, dass sich die Tätigkeit der externen Board Members nicht nur auf die Teilnahme an Meetings beschränkt, sondern dass deren Engagement auch Ortsbesuche von Immobilien einschließt, um deren Objektqualität und die des jeweiligen Objektmanagements gewissenhaft beurteilen zu können. 4.9.2.1.3 Fondsmanagement Mit der Verabschiedung des REIT Acts von 1960 hat der Gesetzgeber die Aktivitäten des Fondsmanagements zunächst auf passive Anlagetätigkeiten beschränkt, um zu verhindern, dass die REITs den Charakter herkömmlicher, im Immobilienbereich tätiger Unternehmen, der so genannten Real Estate Operating Companies (REOC), annehmen konnten und umgekehrt. Damit ergab sich zwar eine klare Abgrenzung zwischen den REITs und den REOCs, aber das 89 90 91
92
Vgl. Jarchow, REITs, S. 179 „Geschäftszustimmung“ Vgl. Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 235 f und Ferguson, Corporate Governance Issues, S. 17 Vgl. hierzu und zum folgenden Jorgensen, Boards, S. 22 ff
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
233
gesamte Management musste an externe Dienstleister, den so genannten Advisors vergeben werden.93 Die Aufhebung dieses Zwangs durch den TRA von 1986 führte jedoch dazu, dass REITs mit eigenem Fondsmanagement zunehmend dominierten und sich deren wirtschaftlicher Charakter weitgehend veränderte. Obwohl die Entscheidung zwischen Eigen- und Fremdmanagement wesentlich durch die Fondsgröße bestimmt wird, sind auch Kosten- und Nutzengesichtspunkte, sowie konzeptionelle Probleme, wie z. B. potentielle Interessenkonflikte, von Bedeutung. Advisory REITs basieren rechtlich auf einem Managementvertrag, dem sog. AdvisoryAgreement. Die Tätigkeiten des externen Fondsmanagements umfassen meist das eigentliche REIT-Management mit Registration, Offering, Rechnungslegung etc., aber auch das Immobilienportfoliomanagement. Advisors sind in den meisten Fällen Tochter-gesellschaften von Banken, Versicherungen oder spezialisierte Beratungsunternehmen, die von etablierten Immobilien-Professionals gegründet wurden. Meist werden die Advisory-REITs auch durch Advisors, welche in diesem Fall Sponsors genannt werden, initiiert. Die Vergütung eines Advisors hängt in der Regel vom Wert des Immobilienbestandes, dem laufenden Mieteinkommen oder einer Kombination beider ab und lässt sich durch Performance- oder Incentive-Fees durchaus erfolgsabhängig gestalten. Allerdings verrechnen Advisors häufig jede von ihnen durchgeführte Transaktion (Finanzierung, Ankauf, Verkauf usw.) mit entsprechenden Honoraren (Fees). Self-Administered REITs ähneln dagegen eher REOCs, da das Fondsmanagement intern übernommen wird. Das führt natürlich meist zu Kostenersparnissen, da die entstehenden Kosten üblicherweise erheblich unter den Honoraren eines Advisors liegen. Zusätzlich werden potentielle Interessenkonflikte stark dezimiert. Im Hinblick auf die Interessenidentität lassen sich drei Fälle unterscheiden: • Die Vergütung des Managements kann erfolgsunabhängig ausgestaltet sein – was ein Ausnahmefall ist. • Das Management kann bei börsennotierten REITs mit „Stock Option Plans“, also AktienAnleihen, motiviert werden, was der Regel entspricht. • Seit Ende der neunziger Jahre ist immer häufiger zu beobachten, dass das Management auch direkt am REIT beteiligt ist.94 4.9.2.1.4 REIT-Vermögen Aus Sicht der Zusammensetzung des Gesellschafts- bzw. Trustvermögens ist zwischen Traditional-, UP- und Down-REITs als innovativen Fondskonstruktionen zu unterscheiden. Bis 1992 wurden REITs als Traditional REITs konzipiert, d.h. als Direktanlage. Das hat den Vorteil einer hohen Rechnungslegungstransparenz und einer übersichtlichen Struktur der Eigentums- und Beteiligungsverhältnisse, jedoch sind Beteiligungen an bestehenden Grundstücksgesellschaften nicht möglich, was das Akquisitionspotenzial einschränkt. Aus diesem Grunde wurden später (nach 1992) die UP-REITs und die Down-REITs entwickelt, bei denen der REIT mit einer Partnerschaft kombiniert wird.
93 94
Sog. „Handcuffs-Regelung“ vgl. dazu Brueggeman/Fisher, Real Estate Finance, S. 697f; „Diese Kombination aus Self-Administration und Insider-Ownership ist aus Anlegersicht vor dem Hintergrund der unumgänglichen Principal Agent Problematik [Hauptvertreter Problematik] als optimal zu bezeichnen.“, aus: Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 238
4
234
4 Bauwirtschaft und Management Die Bildung eines UP-REIT lässt sich anhand dreier Schritte vereinfachend zeigen:
4
• Einzelne Partnerships, welche als geschlossene Immobilienfonds einzelne Objekte oder Portfolios besitzen, haben einen gemeinsamen Komplementär (Anleger A). Der Komplementär diente i. d. R. über einen längeren Zeitraum als Initiator, Developer, Manager oder Financier. • Mit seiner Entscheidung zum Going Public als UP-REIT, aus Gründen der Refinanzierung seiner Immobilienaktivitäten, gründet er eine „Umbrella Partnership“(UP) als Limited Partnership. Diese soll später als vorgeschalteter Geschlossener Immobilien-Dachfonds sämtliche Immobilienanlagen des UP-REIT übernehmen und wird deshalb auch als Operating Partnership bezeichnet.95 Der Anleger A bringt nun seine Partnership-Anteile in die UP ein und erhält im Gegenzug UP-Anteile mit entsprechendem Wert. Zusätzlich werden natürlich die anderen Kommanditisten umworben, denselben Tausch vorzunehmen, um möglichst vollständige bzw. mehrheitliche Beteiligungen der UP an den einzelnen Partnerships sicherzustellen und ein möglichst großes Fondsvolumen auf der UP-Ebene zu erreichen. Ihnen bleibt aber die freie Wahl, ob sie in die UP tauschen (Anleger B) oder ihre ursprüngliche Beteiligung behalten wollen (Anleger C).
Abbildung 4.58: Ablaufschema der Formierung eines UP-REIT96
• Indem der Komplementär (Anleger A) seine UP-Anteile gegen UP-REIT-Anteile eintauscht und/oder diese an den UP-REIT veräußert, erfolgt die UP-REIT-Formierung. Bei einer Veräußerung dienen die Erlöse meist der Rückführung seiner eigenen Verbindlichkeiten. Die an95 96
In Anlehnung an Frank, UP-REIT, S. 16f Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 240
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
235
deren Kommanditisten (Anleger B) haben dieselbe Option, doch aus steuerlichen Gründen verschieben diese ihre Ausübung bzw. tauschen nur allmählich.97 Ein großer Vorteil der UP-REIT-Konstruktion ist, dass der Tausch der Partnership-Anteile gegen UP-Anteile (Anleger A und B) im US-Steuerrecht keiner Besteuerung unterliegt.98 Wenn aber Partnership-Anteile direkt an den REIT veräußert oder gegen REIT-Shares getauscht würden, käme es zu einer Wertsteigerung und somit zu einer Besteuerung nach dem „Capital Gains Tax“. Obwohl der Tausch von UP-Anteilen in UP-REIT-Anteile oder die Veräußerung an den UP-REIT steuerpflichtig ist, können die Anleger diese Transaktionen entweder aufschieben (Steuerstundungseffekt) oder sie sukzessiv vornehmen (Steuerstreckungseffekt). Im Endeffekt stellt die Umbrella Partnership ein Zweckvehikel zur flexiblen Liquidisierung von illiquiden Fondsbeteiligungen dar, was Steuervorteile zur Folge hat. Down-REITs wurden aus den UP-REITs entwickelt und leiten sich namentlich davon ab, dass die Formierung in umgekehrter Reihenfolge verläuft. Im Gegensatz zu den drei Konzeptionsstufen Partnership-Pool, Umbrella-Partnership und UP-REIT erfolgt erst die Formierung des Down-REIT, der daraufhin über eine Down-Partnership (DownP) Anteile an bestehenden Partnerships erwirbt.99 Damit besteht der Unterschied zum UP-REIT hauptsächlich darin, dass die DownP in den meisten Fällen zu 100 % durch den Down-REIT gehalten wird. Somit ergibt sich eine Reihe von Vereinfachungen bezüglich der Bewertung, Besteuerung, Management usw.. Ein Down-REIT ist in erster Linie auf die Akquisition von Partnerships ausgerichtet, die von Developern, Financiers, Managern und kleineren Initiatoren aufgelegt wurden und denen die „kritische Masse“ für die Initiierung eines eigenen UP-REIT fehlt.100 Traditional REITs, UP-REITs und Down-REITs lassen sich aber auch kombinieren. Ein bestehender REIT, der bisher ausnahmslos direkt investierte, kann somit, durch Gründung einer Operating Partnership als Down-REIT tätig werden und umgekehrt. Weiterhin kann sich ein UP-REIT auch als DownREIT engagieren, indem sich die Operating Partnership an neuen Partnerships beteiligt. Dabei können sich sehr komplizierte Fondskonstruktionen ergeben. Diese konzeptionelle Flexibilität eröffnet den REITs zwar ein breites Geschäftsspektrum, aber es erschwert dem einzelnen Anleger eine Beurteilung zur wirtschaftlichen Position des REIT zu treffen.101 REITs lassen sich des Weiteren und im Hinblick auf das Anlegerspektrum in Private REIT (nicht-börsennotiert) und Public REITs (börsennotiert), welche den Markt dominieren, unterteilen. Private REITs werden i. d. R. durch eine größere Zahl privater und/oder institutioneller Investoren gehalten, denn auch für sie ist die Mindestzahl von 100 Anteilseignern Gesetz. 4.9.2.1.5 Emissionsbanken Da für REITs keine der Depotbank vergleichbare Institution existiert, kommt den Investmentbanken eine Schlüsselrolle zu, weil sie als Emissionsbanken die Initial Public Offerings (IPOs/ Börsenerstnotierungen) und eventuelle Secondary Public Offerings (SPOs) übernehmen. Durch die wirtschaftlichen Gepflogenheiten des Trennbankensystems der USA und den recht-
97
98 99 100 101
Eine Begründung hierfür liegt darin, dass in den USA Wertsteigerungen aus Immobilienverkäufen, damit auch aus Limited Partnerships, der Kapitalertragssteuer („Capital Gains Tax“) unterliegen. „tax deferred contribution to a partnership“ Vgl. Schindler/Fox, A Close Look, S. 69 und Ross/ Klein, REITs, S. 42 Vgl. Ross/Klein, REITs, S. 42 Vgl. Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 242
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4 Bauwirtschaft und Management lichen Gegebenheiten, wird die Funktion der Emissionsbanken nicht durch Geschäftsbanken, sondern durch Investmentbanken wahrgenommen.
4
Das IPO eines REIT erfordert die Einbindung zahlreicher Berater und Spezialisten, da eine Reihe vielschichtiger Aufgaben wie Produktgestaltung, Underwriting, Finanzierungsstrukturierung, Accounting und Reporting sowie die gesamten rechtlichen Probleme gleichzeitig zu koordinieren sind, wobei ein Investor Relations Programm flankierend hinzukommt.102 Aus diesem Grunde zieht sich ein IPO zumeist mindestens ein halbes Jahr hin und verursacht neben fixen konzeptionsabhängigen Initiierungskosten zwischen US Dollar 750.000 und US Dollar 2 Mio.103 auch noch variable Platzierungskosten in Höhe von 6,5 % bis 7 % des Emissionsvolumens. Häufig nutzen REIT auch die Gelegenheit der IPOs, um neben der Eigenkapitalbeschaffung auch gleichzeitig Fremdkapital aufzunehmen. Das führt einerseits zu Kosteneinsparungen, erlaubt aber auch eine Optimierung der Finanzstruktur. Da SPOs vielfach innerhalb eines Monats konzipiert und platziert werden können, stellt sich die Kapitalaufnahme wesentlich einfacher und weitaus kostengünstiger dar, wenn ein IPO erstmal erfolgt ist.104 4.9.2.1.6 Immobilienmanagement Für das operative Management schalten Advisory REITs meist Property Management Companies, Leasing Agents und weitere Dienstleistungsunternehmen ein, wodurch sich gravierende Interessenkonflikte ergeben, wenn diese Firmen mit den Advisors wirtschaftlich verknüpft sind.105 Bei Selfadministered REITs wird das Immobilienmanagement, wie die Bezeichnung schon verrät, selbst übernommen, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass bspw. spezialisierten Real Estate Consultants bestimmte Tätigkeiten anvertraut werden.
4.9.2.2 Bewertung 4.9.2.2.1 Börsenbewertungen Public REITs werden ausschließlich an der Börse bewertet. Somit entfällt ein Sachverständigenausschuss oder ein ähnliches Konstrukt. REITs sind im Grunde eine Kombination aus Grundstücksgesellschaften und Unternehmen. Das spiegelt sich unter anderem in den Bewertungsverfahren wider; zum einen durch die verschiedenen NAV-Verfahren bezüglich der Immobilienwertermittlung und zum anderen durch das „Dividend Discount Model“ (DDM) als Unternehmensbewertung. Mit zunehmender Managementintensität rückt jedoch die Unternehmensbeurteilung mehr und mehr in den Vordergrund. Der Grundgedanke bei Anwendung des DDM liegt in der Diskontierung eines über einen Zeitraum von meist fünf Jahren prognostizierten Cash-Flows zur Ermittlung seines aktuellen Barwertes. Eine Anwendung des DDM ist dahingehend schwierig, als dass die Qualität und der Aufbau des Immobilienportfolios, Entwicklungsgrundstücke oder -projekte, Leverage-Effekte und ganz besonders die strukturellen und organisatorischen Komplikationen der entsprechenden REIT-Konzeption nicht berücksichtigt werden. Deshalb wird dieses Verfahren zumeist nur bei REITs mit ausgeprägtem Managementcharakter, wie z. B. Hotel-REITs, angewandt. Aus diesen Gründen orientiert sich die Börsenbewertung von REITs i. d. R. am NAV-Verfahren.
102 103 104 105
Vgl. Berquist/Davis/van Horn, Hot, S. 30ff Werte aus Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 244 Vgl. Hauser, Securitization, S. 29 Vgl. Cannon/Vogt, Management, S. 298
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
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4.9.2.2.2 Rechnungslegung REITs müssen im Rahmen ihrer Rechnungslegung jährlich nachweisen, dass sie sämtliche Anforderungen des IRC erfüllt haben. Zusätzlich müssen sämtliche Public REITs, welche nach SEC-Definition mehr als 500 Aktionäre aufweisen, die Voraussetzungen der SEC bezüglich Registration und Reporting erfüllen, sowie den Anforderungen des Investment Company Act von 1940, den NASAA Guidelines sowie den NAREIT Rules genügen.106 Diese Maßnahmen werden um das Financial Reporting ergänzt, dem aus Anlegersicht die größte Bedeutung zukommt. 4.9.2.2.3 Steuerliche Transparenz US-amerikanische Unternehmen unterliegen der Corporate Income Tax als Körperschaftssteuer sowie diversen State und Local Taxes, die im Grunde der deutschen Gewerbesteuer ähneln. Das klassische amerikanische Körperschaftssteuersystem ist aber durch eine Doppelbesteuerung gekennzeichnet, d.h. Gewinne werden auf Gesellschafts- und auf Gesellschafterebene besteuert. Damit unterliegen börsennotierte Real Estate Operating Companies (REOCs), also herkömmliche Immobilienunternehmen in der Rechtsform der C-Corporation, eben diesem Grundsatz. Bei REITs werden dagegen ausgeschüttete Gewinne nicht mit der Corporate Income Tax besteuert, d.h. der Gewinn wird nur mit dem individuellen Einkommenssteuersatz des Anlegers belastet. Wenn REITs einzelnen Anforderungen nicht entsprechen, werden sie nicht vollständig von der Steuerbefreiung enthoben107, sondern werden stattdessen mit Penalty Taxes belegt. Liegt bspw. die Ausschüttung unter dem 90 %-Limit, wird der fehlende Betrag mit einer 100 %-igen Corporate Income Tax besteuert, was einer Konfiszierung des Fehlbetrages gleichkommt.108 Aus diesem Grund wird auf die Einhaltung der Anforderungen penibel geachtet. Für die Anleger führt die Eliminierung der Besteuerung auf Gesellschaftsebene dazu, dass Beteiligungen an REITs im Vergleich zu ROCs deutlich günstiger sind, da sich die Steuervorteile natürlich direkt auf die Börsenbewertung auswirken. Daher erklärt sich das Anstreben vieler Immobilienunternehmen zum REIT-Status.109
4.9.2.3 Angebotsanalyse 4.9.2.3.1 Anlagespektrum REITs lassen sich zwar hinsichtlich des Anlagespektrums in Equity-, Mortage- und HybridREITs unterscheiden, aber diese Differenzierung beruht nicht auf der Regelung im IRC. Dessen Anforderungen beziehen sich nämlich auf den Grad der Immobilienorientierung der Vermögensstruktur (Asset Tests), der Einkommensstruktur (Income Tests) und weiteren Vorschriften zur Begrenzung spekulativer Aktivitäten.110
106 107
108 109 110
Vgl. ausführlich Jarchow, REITs, S. 85f und S. 204 ff Seit der Novellierung des IRC 1976; vorher wurden REITs, sobald sie von den Anforderungen abwichen, vollständig von der Steuerbefreiung enthoben Siehe Knight/Knight, Reemerge, S. 45 Vgl. Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 258 Vgl. Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 259
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4 Bauwirtschaft und Management Drei Asset Tests, die zu jedem Quartalsende des Steuerjahres zu erfüllen sind, spiegeln die Anforderungen an die Vermögensstruktur wider.111 Das Vermögen muss zu mindestens 75 % aus immobilienbezogenen Kapitalanlagen, Barmitteln oder Staatsanleihen bestehen (75 % Asset Requirement). Für die verbleibenden 25 % gilt bei Wertpapieranlagen für die einzelnen Securities ein Höchstanteil von jeweils 5 % bezogen auf das REIT-Vermögen und von 10 % bezogen auf das Emissionsvolumen. Obwohl die beiden letztgenannten Anforderungen der Risikostreuung dienen, ist darauf hinzuweisen, dass keine Vorschriften über eine Risikostreuung für immobilienbezogene Kapitalanlagen existieren, d.h. ein REIT könnte bspw. nur eine einzige Immobilie im Eigentum haben. Immobilienbezogene Kapitalanlagen werden als Eigentum, Erbbaurechte (Leaseholds), Hypothekendarlehen, Beteiligungen an anderen REITs sowie anderen Grundstücksrechten (z. B. Kaufoptionen) definiert.112 Schlussfolgernd muss ein Equity REIT mindestens 75 % seines Vermögens in Immobilien-Direktanlagen oder in Beteiligungen investiert haben. Entsprechend ergeben sich drei Income Tests als Anforderungen an die Einkommensstruktur. Dabei hängt die wichtigste Voraussetzung eng mit den Vermögensvorschriften zusammen, denn mindestens 75 % des Einkommens muss aus immobilienbezogenen Kapitalanlagen erzielt werden, sprich aus Miet- oder Pachteinnahmen, Hypothekenzinsen, Veräußerungserlöse, Real Estate Tax Refunds und entsprechenden Gebühren (75 % Requirement)113. Außerdem müssen zusätzliche 20 % des Einkommens entweder durch genannte Einkommensarten oder durch sonstige Dividenden- und Zinserträge sowie Veräußerungserlöse aus Wertpapiergeschäften erzielt werden (95 % Income Requirement). Kriterium Anlagespektrum Spezialisierungsstrategie Managementstrategie
Ausprägungen Equity - REIT Mortage - REIT Hybrid - REIT Standardfonds Spezialitätenfbnds Mischformen Fixed Type Flexible Type Semi-Flexible (Passive Anlagepolitik) (Aktive Anlagepolitik) Type Gründungsmethode Cash Method Appropriation Method Mischformen (erst Kapitalbeschaffung) (erst Kapitalanlage) Beendigungsmethode Non-Finite-Life REITs Finite-Life REITs Mischformen Emissionskostenregelung Initial Public Offering Secondary Public Offering Sonderformen Ausschüttungsregelung Obligatorische Ausschüttung aufgrund der 95 % Anforderung Anlegerspektrum Börsennotiert Nicht Börsennotiert Mischformen (alle Investoren) (v.a. institutionelle Investoren) Anlegervolumina Börsennotiert Nicht Börsennotiert Mischformen (alle Investoren) (v.a. institutionelle Investoren) Abbildung 4.59: Übersicht des Fondsangebots der REITs114
Weiterhin dürfen nicht mehr als 30 % des Einkommens aus dem Verkauf von Wertpapieren, die weniger als sechs Monate gehalten wurden, oder durch die Veräußerung von Immobilien, die weniger als vier Jahre im Bestand gehalten wurden, erzielt werden.115 111 112 113 114 115
Und nachfolgend vgl. Brueggeman/ Fisher, Real Estate Finance, S. 697 Vgl. Robinson, REITs, S. 749 Vgl. Jarchow, REITs, S. 77 Väth, Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften, S. 259 Vgl. Brueggeman/Fisher, Real Estate Finance, S. 697; Diese 30 % – Limitation soll gewährleisten, dass REITs sich nicht übermäßig in Spekulationsgeschäften engagieren.
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
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4.9.2.3.2 Spezialisierungsstrategie Im Gegensatz zu deutschen Offenen Immobilienfonds sind in den USA Standardfonds (Diversified REITs), also mehr oder weniger stark diversifizierte Immobilienfonds, eher unbedeutend, während die Spezialitätenfonds (Specialized REITs) den Markt dominieren. Standardfonds investieren i. d. R. in sämtliche Gewerbeimmobilientypen, aber auch in Wohn- und/oder Spezialimmobilien. Deren Bedeutung ging aber wegen des professionelleren Pricings bei Specialized REITs und des Einflusses der Analysten zurück. REITs lassen sich auch als Spezialitätenfonds nach Kriterien wie Größenordnung, Managementstil, Timingstrategien oder sonstigen Strategien ausgestalten. Bezüglich des Standortes lassen sich REITs mit nationaler, regionaler und lokaler Ausrichtung unterscheiden. Bei einer geographischen Ausrichtung von Specialized REITs steht dem Nachteil der Abhängigkeit von örtlichen Marktsituationen der Vorteil eines effizienteren Managements gegenüber, wobei anzumerken ist, dass es auch Unterschiede hinsichtlich des Mikrostandorts gibt. Hinsichtlich der verschiedenen Marktsegmente differenziert der NAREIT116 u. a. Industrial/Office, Retail (Einzelhandel)117, Residential118 sowie Lodging/Ressorts, Health Care, Self Storage und Specialty. Hinsichtlich der Größenordnung werden REITs in Analogie zu Wertpapierfonds in Blue Chip REITs, Mid Cap REITs und Small Cap REITs unterschieden. Einen Blue Chip REIT kennzeichnet eine Marktkapitalisierung von mindestens US Dollar 1 Mrd. und ein hochwertiger Immobilienbestand, was seinerseits für ein professionelles Management, Wachstumspotenzial, gesunde Bilanzstrukturen und möglichst wenig potentielle Interessenkonflikte spricht. Small Cap REITs werden i. d. R. durch eine Kapitalisierung von bis zu US Dollar 300 Mio. abgegrenzt. Durch die immobilienspezifischen Wertschöpfungspotenziale kommt der Spezialisierung bezüglich des Managements eine große Bedeutung zu. Hier seien als Beispiel die sog. Developmental- Joint Venture REITs genannt, die ausschließlich auf die Beteiligung an Entwicklungsprojekten ausgerichtet sind, und damit die Verzinsung dieser REITs überwiegend aus Entwicklungsgewinnen erfolgt. Für REITs gilt in Hinsicht auf die Unterteilung in Fixed und Flexible Type im Prinzip dasselbe wie für das Management Offener Immobilienfonds, wobei man aber anmerken muss, dass REITs durch den Ausschüttungszwang und dem daraus resultierendem Kapitalmarktdruck i. d. R. durch eine ausgeprägte Flexible Type-Konzeption ausgezeichnet sind. Praktisch alle REITs versuchen entweder mit internen Wachstumsstrategien die Ertragskraft des aktuellen Portfolios zu steigern oder durch externe Wachstumsstrategien das bestehende Portfolio um hochwertige Akquisitionen zu ergänzen.119 Interne Wachstumsstrategien sind auf die Steigerung der FFO ausgerichtet. Deshalb stehen Mieterhöhungen an erster Stelle des Maßnahmenkatalogs, zumindest wenn die Standort-, Markt-, Gebäude- und Mietvertragssituation der Objekte im Bestand dies zulässt. Meist lassen sich sowohl Mieterhöhungen als auch Kostenreduktionen gleichzeitig erreichen, indem Bestandsimmobilien renoviert, modernisiert oder saniert werden. Dazu ergänzend wird eine Optimierung der Mieterstruktur angestrebt, um die Bonität der Mieter zu steigern und die Attraktivität der Objekte für andere zu erhöhen.
116 117 118 119
NAREIT = National Association of Real Estate Investment Trusts Untergruppen: Strip Centers, Regional Malls, Free Standing und Factory Outlet Centers Untergruppen: Apartments und Manufatured Homes Vgl. Block, REIT, S.112
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4 Bauwirtschaft und Management Externe Wachstumsstrategien zeichnen sich durch die Neuakquisition durch Positive Spread Investment (PSI) und der Projektentwicklungstätigkeit aus, wobei die jeweilige Strategieoption primär durch das Stadium im Marktzyklus vorgegeben wird. Eine Kombination aus internen und externen Wachstumsstrategien stellt die Portfolioumschichtung dar, bei der Objekte mit geringem Marktpotenzial verkauft werden, um stattdessen aussichtsreichere Akquisitionen zu tätigen.
4.9.3 Vorteile und Gründe der Einführung eines Deutschen REIT
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Die Einführung des deutschen REIT bietet eine einzigartige Chance für den Finanzplatz Deutschland und für die deutsche Immobilienwirtschaft, denn dadurch kann endlich das immense Immobilienkapital, das noch in deutschen Unternehmen schlummert, aktiviert werden. Eine Alternative in Deutschland bietet noch der Offene Immobilienfonds, der zwar noch Marktführer ist, aber mit hohen Mittelabflüssen zu kämpfen hat. Dieser Fonds ist zwar ebenso wenig transparent, bietet dem Anleger aber mehr Steuervorteile als bspw. die Immobilienaktie und ist gegenüber dem Geschlossenen Immobilienfonds durch seine Rücknahmepflicht der Anteile im Vorteil. Die Risiken resultieren hier aber aus den gesetzlichen Vorgaben, die eigentlich zum Anlegerschutz eingerichtet wurden. Ein Offener Immobilienfonds darf maximal 50 % und mindestens 5 % des Fondsvermögens an Liquidität vorhalten, um zum einen nicht den Status als Immobilienfonds zu verlieren und zum anderen nicht bei massenhafter Anteilsrückgabe in Liquiditätsschwierigkeiten zu kommen. Der Börseneinbruch Anfang dieses Jahrhunderts brachte auf der einen Seite den Immobilien-Aktiengesellschaften einen herben Rückschlag und auf der anderen Seite die Offenen Immobilienfonds in Anlagenöte. Der massenhafte Zustrom zum Offenen Immobilienfonds aufgrund des Börsencrashs führte dazu, dass diese Fonds aufgrund der 50 Prozent-Regelung unter erheblichen Anlagedruck gerieten und eine weltweite „Einkaufstour“ starteten. Ob dabei marktgerechte Preise bezahlt wurden, wird sich zeigen. Die Umkehrung sieht aber bis heute recht düster aus, denn sowohl Geschlossene als auch Offene Immobilienfonds sind typisch deutsche Anlageprodukte. Ausländisches Geld ist hier so gut wie nicht investiert. Ein Grund dafür ist, dass sie internationalen Standards nicht genügen. Aber gerade im Hinblick auf die Globalisierung der Finanzwelt, wird nach international anerkannten Anlageprodukten verlangt. Die Einführung eines REIT-Status würde mit Sicherheit dazu führen, dass der Finanzstandort Deutschland erheblich an Attraktivität gewinnt und die wachsende Diskrepanz zum großen Konkurrenten London nicht noch größer wird. Ein weiterer bedeutender Vorteil, der mit einer Einführung verbunden ist, liegt darin, dass ausländisches Kapital in den deutschen Immobilienmarkt fließen würde, da REITs einen internationalen Standard darstellen. Ein Investor eines REIT erwirbt mit dem Kauf einer Immobilienaktie nicht nur einen mittelbaren Anteil an Immobilien, sondern auch die Dienstleistung eines kompetenten Managements, welches ein ganzheitlich zu betrachtendes Immobilien-Portfolio bewirtschaftet. Damit sind für ihn Informationen wichtig, wie z. B. der Verkehrswert des gesamten Portfolios, die Projektentwicklungsrisiken oder auch geplante Aktivitäten bzw. Strategieentwürfe des Managements. „Transparenz, Transparenz, Transparenz“ 120 umreißt also in kurzer Form die Anforderungen an die europäischen und speziell auch deutschen ImmobilienGesellschaften. Es ist anzumerken, dass die Diskussion, ob Verkehrswerte, Mietverhältnisse 120
Beck, REITs, S. 112
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
241
und -konditionen oder Einzelheiten der jüngst abgeschlossenen Immobiliendeals veröffentlicht werden sollen, nur in Deutschland geführt wird. Beispielsweise sind in Großbritannien diese Daten jedermann zugänglich. Im Gegensatz zum Offenen Immobilienfonds ist die spezielle Ausrichtung von REITs die Voraussetzung für den Erfolg bei institutionellen Anlegern. Durch die Beschränkung auf bestimmte Immobilientypen oder geographische Regionen entwickelt sich ein Kerngeschäft und eine größere Kompetenz des Managements hinsichtlich des Segments, als bei den stark diversifizierten Offenen Fonds. Dadurch werden gleichzeitig miteinander vergleichbare Gesellschaften erschaffen. Institutionellen Anlegern wird damit die Möglichkeit gegeben, eine eigene Asset-Allokation zu entwerfen und taktische Investments vorzunehmen, ohne dabei direkt investieren zu müssen. Ein großer Vorteil von börsennotierten REITs besteht in der Fungiblität seiner Anteile. Diese erlaubt den Investoren, ob privat oder institutionell, diejenigen REITs auszuwählen, die in ihre jeweilige Strategie passen, und deren Anteile ohne großen Aufwand über die Börse gegen andere Investitionen zu tauschen. Aufgrund dieser Börsentätigkeit ist eine Rücknahmeverpflichtung wie bei Offenen Immobilienfonds überflüssig. Dabei ist zu sagen, dass REITs unabhängig von Börsenumsätzen ihre Portfolios bewirtschaften. Ein Faktor, an dem ein REIT gemessen wird, ist die Fähigkeit, nachhaltig hohe Dividendenrendite darzustellen und unabhängig von der Börsennotiz ein ausgewogeneres RisikoRendite-Verhältnis im Vergleich zum allgemeinen Aktienmarkt zu erreichen. Die Verpflichtung zu einer hohen Ausschüttungsquote beinhaltet bei erfolgreichem Management und einer weitgehend steuerfreien Behandlung auf Unternehmensseite, dass die Anleger hohe Dividendenrenditen vereinnahmen können. Auf dem Kapitalmarkt wird grundsätzlich die erzielbare Rendite mit dem eingegangenen Risiko ins Verhältnis gesetzt. Es muss also eine hohe Rendite mit einem relativ großen Maß an Risiko aufgebracht werden. Das ist bei REIT natürlich nicht anders. Die letzten Jahre zeigen allerdings, dass die Volatilität von REIT zwar höher als bei Offenen Immobilienfonds, aber weitaus geringer gegenüber dem gesamten Aktienmarkt ist. Somit stellen Marktschwankungen und Zinsverwerfungen ein gewisses Risiko bei REITs dar, die bei falschem Timing zu empfindlichen Kursverlusten führen können. Hinzu kommen Risiken hinsichtlich eines eventuellen Projektentwicklungsgeschäftes, welches in den Niederlanden schon von Anfang an verboten ist, oder bezüglich des Ausmaßes der eingesetzten Fremdfinanzierungsmittel.121 Diese bestimmen aber auch gleichzeitig den Erfolg eines REIT und entscheiden, ob dieser an der Börse mit einem Premium oder Discount bewertet wird. Ein weiterer Vorteil eines REIT gegenüber den ansässigen Fonds ist der, dass wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, die Körperschaftssteuer für die Gesellschaft entfällt, und damit eine hohe Ausschüttung an die Aktionäre erfolgen kann. Eine Besteuerung findet auf der Anlegerseite hinsichtlich der erhaltenen Dividenden und jeglicher Art von Kapitalgewinnen statt. Grundsätzlich unterliegen die ausgeschütteten Dividenden auf (amerikanische) Aktien einer US-amerikanischen Quellensteuer von 30 %, und Ausschüttungen aufgrund von Veräußerungsgeschäften von Immobilien werden mit einer 35 %igen (Stand 1998) Quellensteuer belegt. Ein weiterer Vorteil für den Anleger besteht darin, dass die Erträge des REIT nicht auf der Ebene der Körperschaft, sondern lediglich bei der persönlichen Einkommensveranlagung des Aktionärs besteuert werden und sie damit einer in den USA üblichen Doppelbesteuerung entgehen. 121
In den USA i. d. R. 50 – 55 %
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242
4 Bauwirtschaft und Management Hinsichtlich der steuerlichen Begünstigung der Gesellschaften tritt hierzulande häufig der Gedanke auf, eine Einführung des REIT würde die Steuereinnahmen des Staates noch mehr schwächen. Dabei wären Real Estate Investment Trusts eine „treffliche Medizin“ für die „kranken Kassen“, denn in den USA stützt das Steueraufkommen der börsennotierten Trusts erheblich den Haushalt. Eine Studie der „Initiative Finanzstandort Deutschland“ zeigt, dass pro Jahr mehr als 2 Mrd. Euro zusätzlich in die Staatskasse fließen könnten, gäbe es REITs und würden ihre Dividenden beim Privatanleger nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert werden – Geld, das dem Staat momentan verloren geht.
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Eine REIT-Einführung könnte demnach auch ein Motor für eine gesamtwirtschaftliche Konjunktur sein, denn eine Geldanlage in Immobilien als interessante Alternative zu anderen Geldanlagemöglichkeiten würde mehr privates Geld in die krisengeschüttelte Immobilienbranche lenken. Die Nachfrage an relativ arbeitsintensiven Bauleistungen und dementsprechend auch an vor- und nachgelagerten Segmenten der Bauwirtschaft würde steigen. Das täte nicht nur der in einer katastrophalen Situation befindlichen deutschen Bauindustrie gut, sondern würde auch andere Wirtschaftszweige, aufgrund steigender Einkommen in der Baubranche, positiv beeinflussen. Nach B. Knobloch, Vorstandsvorsitzender der Eurohypo AG, wird, unter der Voraussetzung der fallenden Doppelbesteuerung, das Marktvolumen für REITs in Deutschland auf 37 bis 86 Mrd. Euro bis 2010 geschätzt. Damit wäre Deutschland Marktführer in Europa auf dem REIT-Sektor.
4.9.4 Vorstellung eines möglichen German REIT nach Empfehlung der IFD 4.9.4.1 Allgemein Der am 31. Januar 2005 Abschlussbericht vor der „Initiative Finanzstandort Deutschland“ (IFD) veröffentlichte Abschlussbericht zum Thema „Einführung eines deutschen REIT“ umfasste Empfehlungen zu einer regulatorischen und steuerrechtlichen Ausgestaltung eines deutschen „G-REIT“. Gegenüber den Aussagen von B. Knobloch schätzte die IFD das Marktpotenzial des G-REITs weit höher ein, nämlich auf Euro 127 Mrd. im Jahr 2010. Des Weiteren erwartete die Initiative noch Steuermehreinnahmen von Euro 8,2 Mrd. im gleichen Zeitraum. Weiterhin erklärt sie aber auch, dass ein Erfolg des G-REIT entscheidend abhängig ist von der klaren Abgrenzung zu anderen Immobilienanlageformen.
4.9.4.2 Konzept und Konstruktion des G-REIT Als G-REIT werden, sobald die notwendigen Kriterien erfüllt sind, auf Antrag hin inländische Aktiengesellschaften durch die Finanzverwaltung zugelassen. Dabei muss die Gesellschaft ihre Einkünfte hauptsächlich aus Erwerb, Errichtung, Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von eigenen Immobilien erzielen, in geeigneter Weise gesellschaftsrechtlich organisiert sein und mindestens 90 % ihrer ausschüttungsfähigen Erträge an ihre Anleger ausschütten. Diese Regelung entspricht im Großen und Ganzen dem US-amerikanischen REIT, der seit 2001 ebenfalls nur noch 90 % ausschütten muss (davor: 95 %-Rate). Aber im Gegensatz zum Niederländischen BI wäre es dem G-REIT möglich, Projektentwicklungen für das eigene Portfolio zu betreiben. Das Haupttätigkeitsfeld sollte weiterhin das aktive Management des eigenen Immobilienbestands beinhalten, wobei unterstützende Nebentätigkeiten, wie Hausverwaltung und Projektsteuerung, wie eine Haupttätigkeit behandelt werden. Aus diesem Grunde muss das Vermögen eines G-REIT zu 75 % aus Immobilieninvestitionen bestehen, und er muss weiterhin seine Erträge zu 75 % aus Vermietung, Verpachtung und Veräußerung von Immobilien erwirt-
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
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schaften. Um eine Abgrenzung zu einem Immobilienhändler zu schaffen, wird eine Regelung empfohlen, die besagt, dass ein G-REIT über einen Zeitraum von fünf Jahren lediglich Immobilien im Wert von 50 % des durchschnittlichen Anlagevolumens veräußern darf. Diese Regelung weicht etwas von dem US-Prinzip ab, bei dem maximal 30 % bei einer Haltedauer von vier Jahren festlegt sind. Der Status eines G-REIT setzt die Rechtsform einer in Deutschland ansässigen Aktiengesellschaft nach deutschem Recht voraus. Aus diesem Grunde kann erwartet werden, dass momentane deutsche Immobilien-AGs mit Einführung des beschriebenen G-REIT in einen solchen übergehen werden. Weiterhin wird eine Notierung der Gesellschaft an einer deutschen Wertpapierbörse im amtlichen oder geregelten Markt gefordert. Inländische Hundert-ProzentTochtergesellschaften, die ausschließlich im Kerngeschäft des G-REIT tätig sind, erlangen aber auch ohne Börsennotierung den G-REIT-Status, sofern sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllt. Dabei wird der G-REIT-Status bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen mit dem Tag der Erst-Notiz erteilt, wobei mindestens 25 % der Aktien bei Anlegern platziert sein müssen. Der G-REIT ist durch seinen Vorstand als eigenständige Gesellschaft nach den Regeln des Aktiengesetzes zu führen, dabei dürfen die leitenden Mitglieder ausschließlich für diesen GREIT tätig sein. Der empfohlene deutsche REIT hat seinen Jahresabschlussbericht nach internationalem Rechnungslegungsstandard aufzustellen. Um den europäischen Transparenzvorstellungen nachzukommen, wird eine Gliederung des Jahresabschlusses nach den Empfehlungen der European Public Real Estate Association (EPRA) angeraten. Wie bereits erwähnt, muss ein G-REIT nach amerikanischem Prinzip 90 % seiner ausschüttungsfähigen Gewinne an die Aktionäre ausschütten. Dabei dient natürlich der beschriebene Jahresabschlussbericht als Bemessungsgrundlage. Zu diesen Gewinnen zählen uneingeschränkt die Erträge aus Vermietung, Verpachtung und der Saldo aus den durch Verkäufe entstandenen Wertsteigerungen und -verlusten. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Prinzip sollte es aber einem G-REIT gestattet sein, Verkaufsgewinne für bis zu zwei Jahre in einer Rücklage unterzubringen. Sollten die Rücklagen aber innerhalb dieses Zeitraums nicht in Immobilienanlage reinvestiert werden, so müssen sie danach zusätzlich an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Von einer Begrenzung der Fremdfinanzierung wird in der IFD-Empfehlung abgesehen. Eine uneingeschränkte Fungibilität der G-REIT-Anteile und damit auch die Übernahmemöglichkeit des G-REIT durch Dritte ist eine wesentliche Voraussetzung für einen effizienten Kapitalmarkt. Der Minderheitenschutz wird weiterhin durch die Vorschriften des Aktienrechtes, des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) gewährleistet.
4.9.4.3 Besteuerung Eine Aktiengesellschaft, die auf dem G-REIT-Status operiert, ist nach Börsennotierung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit, was ja an sich auch das kennzeichnende Merkmal eines jeden REIT ist. Die ausgeschütteten Dividenden (mit Ausnahme der nachfolgend geschilderten Anteile) eines G-REIT sind in vollem Umfang beim Aktionär individuell zu besteuern, dabei kommen das Halbeinkünfteverfahren oder eine Steuerbefreiungsregelung nach § 8b KStG nicht zur Anwendung.
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4 Bauwirtschaft und Management Im Rahmen des Jahresabschlussberichtes hat der G-REIT seine Dividendenanteile u. a. nach ausländischen Einkünften, Einkünften aus Beteiligungen und Einkünften aus inländischen Immobilienvermögen aufzuschlüsseln, damit auch bei Zwischenschaltung eines REIT bestimmte Steuervorteile auf die Aktionärsebene weitergeleitet werden können. Neben der oben angeführten, in vollem Umfang zu besteuernden ausgeschütteten Dividende, sind aber auch Ausnahmeregelungen hinsichtlich der im Jahresabschlussbericht aufgeschlüsselten Dividendenanteile zu treffen.
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Da Gewinne/Verluste aus ausländischen Immobilien bereits im Ausland besteuert werden, und Deutschland eine Doppelbesteuerung vermeiden will, kann dieser Anteil der Dividende vom Anleger steuerfrei vereinnahmt werden. Weiterhin sind Ausschüttungen aus vereinnahmten Kapitalgesellschaften beim Anleger mit dem Halbeinkünfteverfahren beziehungsweise nach der Steuerbefreiungsregelung nach § 8b KStG zu besteuern. Die restlichen Einkünfte bspw. aus dem inländischen Immobilienvermögen sind wie oben erwähnt in vollem Umfang beim Aktionär zu besteuern und unterliegen keinen Einschränkungen. Auf die beim ausländischen Aktionär steuerpflichtigen Ausschüttungen wird eine Kapitalertragssteuer von 20 % erhoben. Soweit Doppelbesteuerungsabkommen der Einführung von GREITs noch nicht ausreichend Rechnung tragen, sollten diese bald an die bereits bestehenden internationalen Vorbilder angepasst werden. Hinsichtlich der Veräußerung von G-REIT-Anteilen ist zu sagen, dass eventuelle Gewinne diesbezüglich wie Veräußerungsgewinne bei Aktien anderer Marktsegmente behandelt werden sollten, also steuerfrei. Der IFD-Abschlussbericht gibt weiterhin noch ausführliche Empfehlungen zum Thema einer Sachwerteinlage an, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll. Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein solcher G-REIT ein wichtiger Schritt sein könnte, um den deutschen Immobilienmarkt mit seinem riesigen Potenzial auf internationaler Ebene zu etablieren und damit mehr ausländische Investoren und ausländisches Kapital nach Deutschland zu bringen.
4.9.5 Schlussbetrachtung Durch die Probleme mit denen die momentanen Immobilienanlageformen in Deutschland derzeit zu kämpfen haben, wurde die Notwendigkeit eines deutschen Real Estate Investment Trusts deutlich. Dass eine Einführung aber gleichzeitig mit Änderungen in der Gesetzgebung, besonders der Steuergesetzgebung, einhergeht, wurde anhand kurzer Schilderungen dargestellt. Genau dieser Sachverhalt dürfte auch ein Grund sein, weshalb sich die deutsche Legislative so vermeintlich schwer mit diesem Thema tut und in November 2005 die Ausklammerung bestehender Wohnimmobilien aus dem Gesetzentwurf vorgenommen hat. In dem Entwurf des REIT-Gesetzes ist u.a. vorgesehen, dass die Ausschüttungen des REIT voll steuerpflichtig sind und nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen. Für die steuerlich nicht vorbelasteten Ausschüttungen ist das Konsequent. Jedoch führt die Regelung darin, dass ausländischen Immobilien-Investments und Gewinnausschüttungen von REIT-Dienstleistungsgesellschaften, die zuvor schon besteuert wurden, einer doppelten Besteuerung unterliegen. Eine Einführung von REITs würde sowohl den deutschen Immobilienmarkt stärken, als auch Deutschland selbst, denn mit den Immobilien als dem deutschen Vermögensbestand Nummer eins könnte einer Stärkung dieses Sektors ein allgemeiner konjunktureller Aufschwung folgen. Damit besitzt eine REIT-Implementierung also auch einen volkswirtschaftlichen Charakter und dies nicht zuletzt auch durch die von verschiedenen Markt-Experten prognostizierten Steuermehreinnahmen.
4.9 Der Real Estate Investment Trust (REIT)
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4.9.6 Literaturverzeichnis Beck, M.; (REITs) „REITs in Deutschland und Europa – Chance durch Transparenz“; in Zeitschrift: „Immobilien & Finanzierung“, Nr. 04- 2005, S.112-115 Berquist, C./Davis, R./van Horn, J.; (Hot) „REITs are Hot“; in Zeitschrift: „Urban Land“, November 1993, S.29 – 32 Block, R.L.; (REIT) „The Essential REIT: A Guide to profitable Investing in Real Estate Investment Trusts“; San Francisco CA 1997 Brueggeman, W.B./Fisher, J.D.; (Real Estate Finance) „Real Estate Finance and Investments“; Homewood IL/Boston MA 1993 Cannon, S.E./Vogt, S.C.; (Management) „REITs and their Management: An analysis of Organizational Structure, Performance and Management Compensation“; in Zeitschrift: „The Journal of Real Estate Research“, Vol.10 Nr.3 1995, S.297 – 318 Ferguson, W.J.; (Corporate Governance Issues) „Corporate Governance Issues in a Rapidly Maturing Industry – Public Real Estate Companies“; in Zeitschrift: „The REIT Report“, Vol.17 Nr.3, Sommer 1997, S. 17 – 18 Frank, R.A.; (UPREIT) „The Umbrella REIT: Keys to the Real Estate Kingdom?“; in: „The REIT Report“, Vol.13 Nr.4, Winter 1993, S.16 – 18 Hauser, W.E.; (Securitization) „A Securitization Primer for Property Owners and Developers“; in Zeitschrift: „Urban Land“, Juni 1994, S.27 – 30 Jarchow, S. P.; (REITs) „Real Estate Investment Trusts“; New York 1985 Jorgensen, M.A.; (Boards) „Do boards really add value or are they just window dressing?“; in Zeitschrift: „The Journal of Real Estate Investment Trusts“, Vol.2 Nr.1, Juni 1997, S.22 – 24 Knight, R.A./Knight, L.G.; (Reemerge) „REITs Reemerge as Attractive Investment Vehicle“; in: „Real Estate Review“, Sommer 1992, S.42 – 48 Laux, M./Ohl, K.; (Grundstücksinvestment) „Grundstücksinvestment – Die offenen Immobilienfonds“; Frankfurt 1988 Plattner, R.H.; (Real Estate Investment) „Real Estate Investment“; Columbus OH 1988 Robinson, T.E.; (REITs) „Real Estate Investment Trusts“; aus: „The Real Estate Handbook“, Seldin/Boykin (Hrsg.), Homewood IL 1990, S.740 – 755 Ross, S./Klein, R.; (REITs) „Real Estate Investment Trusts fort he 90s“; in Zeitschrift: „The Real Estate Finance Journal“, Sommer 1994, S.37 – 44 Schindler, M.D./Fox, R.D.; (A Close Look) „A Close Look at Upreits and Downreits“, E&Y Kenneth Leventhal Real Estate Group; New York 1997 Väth, A.; (Grundstücks-Investmentaktiengesellschaften) „Grundstücks-Investmentaktien-gesellschaft als Pendant zum REIT – Entwicklung einer Konzeption auf Basis der KAGG-Novelle ´98“; aus: „Schriften zur Immobilienökonomie – Band 11“, Hrsg.: K.W. Schulte; Köln 1999 Wetteskind, B.T./Sommer, B.; (REITs) „Real Estate Investment Trusts“; in: „Handbuch Immobilieninvestition“, Schulte/Bone-Winkel/Thomas (Hrsg.), Köln 1998.
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4 Bauwirtschaft und Management
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen – Die Schlichtungsordnung für Bausachen (SchliO Bau) im „Drei Säulen Modell“ der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. bearbeitet von RA Axel Wunschel
4.10.1 Ausgangslage
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Im Gefolge des kurzfristigen Baubooms nach der Wiedervereinigung und der seit Mitte der neunziger Jahre anschließenden Baukrise hat sich auf dem Bau in Deutschland eine Fehlentwicklung zugetragen, die heute zu einer für alle Seiten unbefriedigenden Situation führt: Der ständig schrumpfende Markt hat zu einem extremen Wettbewerb zwischen den ausführenden Unternehmen geführt, der sich regelmäßig in Vertragsabschlüssen unter den erwarteten Gestehungskosten manifestiert. Ihre Rechtfertigung finden diese Preise allein in der Hoffnung bzw. Erwartung, aufgrund fehlerhafter Planungen, Ausschreibungen und gestörter Bauabläufe über ein Nachtragsmanagement zu letztlich auskömmlichen Erträgen zu gelangen. Dem gegenüber steht der verständliche Versuch des Auftraggebers, den häufig als Unterkosten erkannten Preis am Ende auch durchsetzen zu können. Vor diesem Hintergrund sind beide Seiten häufig von vorn herein mit umfangreicher juristischer Begleitung sowohl in der Projektvorbereitung als auch in der anschließenden Durchführung tätig. Der Erfolg eines solchen Projektes, bei dem die Unterschrift auf dem Bauvertrag quasi zur „Kriegserklärung zwischen den Parteien“ mutiert, ist daher häufig massiv von der Qualität der juristischen Begleitung und weniger von derjenigen der Bauausführung abhängig. Ein so – praktisch zwangsläufig initiierter – gestörter Bauablauf führt sodann zu Kostensteigerungen sowohl beim Auftraggeber als auch beim Auftragnehmer u.a. durch Terminverzug, Qualitätsverlust, vor allem aber durch den fundamentalen Vertrauensverlust der Parteien. Statt einer „win-win“- entsteht so eine „lose-lose“-Situation. In einer aus anderen Gründen entstandenen, im Ergebnis aber vergleichbaren Situation entstand Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre im internationalen Bauen die Idee der „alternative dispute resolution“. Dabei wurden insbesondere für komplexe Projekte verschiedenste Formen einer baubegleitenden Streitbeilegung entwickelt (mediator, adjudicator, dispute resolution board etc.)122. Ausgangspunkt war dabei die frühere Rolle des „contract engineers“, der im angelsächsischen Baurecht traditionell trotz seiner Beauftragung durch den Auftraggeber eine neutrale Schiedsrichterfunktion inne hatte. Zentrales Anliegen all dieser Modelle ist es, die Parteien zu kooperativem, partnerschaftlichen Verhalten auf der Baustelle zu motivieren. Ausgangspunkt war und ist die Erkennt-
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Ihren „Durchbruch“ erlangte die „alternative dispute resolution“ mit der Aufnahme in die Vergabebedingungen („Standard Bidding Documents-Procurement of Works“) der Weltbank im Jahr 1995, nachdem bereits die Ausgabe 1991 die Nutzung derartiger Mechanismen empfohlen hatte, ohne aber eine konkrete Klausel vorzugeben. Nur wenige Monate später im gleichen Jahr ergänzte die FIDIC (Federation Internationale des Ingénieurs-Conseils, Lausanne) ihre Conditions of Contract for Design/Build and Turnkey ( „Orange Book“) ebenfalls um ein entsprechendes System. Schließlich erschien 1996 ein Supplement zu den FIDIC Conditions of Contract for Works of Civil Engineering Construction, fourth edition, 1987 („Red Book”), der „Bibel” des internationalen Baugeschehens. Hierin wurde die Einsetzung eines „dispute resolution board” ausdrücklich als „acceptable alternative” zu der bis dahin in Cl. 67 geregelten Rolle des „Engineers“ bei der Streitlösung bezeichnete. Vgl. hierzu insbes. Bowcock, „The New Supplement to the FIDIC Red Book“, The International Constrution Law Review (ICLR), 1997 S. 49 und Seppala, „The New FIDIC Provision for a Dispute Adjudication Board”, ICLR, 1997, S.443.
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen nis, dass am Bau letztlich nur durch gemeinsames Handeln ein Maximum an Effizienz, Qualität und Kostensicherheit zum beiderseitigen Vorteil erreicht werden kann. Dass Konfrontation auf der Baustelle demgegenüber bestenfalls im Einzelfall einmal zu einem – relativen – Erfolg einer Partei auf Kosten der anderen führt, bedarf nach den Erfahrungen der letzten 15 Jahre in Deutschland wohl keiner weiteren Erläuterung mehr. Erstritten werden diese „Erfolge“ – jedenfalls dann, wenn von den Parteien keine anderweitigen Vorkehrungen getroffen wurden – vor den staatlichen Gerichten. Diese Verfahren sind dabei zumeist gekennzeichnet von extrem komplexen, unübersichtlichen und für die Parteien und die Gerichte kaum beherrschbaren Sach- und Streitständen. Der Gang vor ein staatliches Gericht in Baurechtsstreitigkeiten ist demzufolge in aller Regel mit hohen Kosten, hohem Zeit- und Arbeitsaufwand und hoher Unsicherheit in Bezug auf Entscheidungsgerechtigkeit verbunden. Und letztlich „entscheiden“ diese komplexen technischen Streitfragen häufig eben doch Sachverständige. Diese Tatsachen sind jedem Praktiker bewusst. Gleichzeitig steigen seit Jahren die Eingangszahlen und verlängern sich die Zeitspannen, bis eine Entscheidung getroffen wird. Es findet weder eine ausreichende, zur Beschleunigung beitragende Spezialisierung statt, noch wird dem Baurecht in der Ausbildung die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. Quantitative Überforderung und damit einhergehende qualitative Verluste zumindest in den Eingangsinstanzen prägen mithin die Realität der Baurechtsstreitigkeiten vor staatlichen Gerichten. Außerdem ist jedes gerichtliche Verfahren im starren Korsett der Zivilprozessordnung (ZPO) gefangen. Entscheidungen sind so oft unkalkulierbar, für beide Parteien unbefriedigend und dem zeitlichen und finanziellen Aufwand inadäquat. In dieser Situation wird zumeist versucht, den Konflikt „ex post“ durch einen gerichtlichen Vergleich zu beenden, der zu diesem Zeitpunkt aber gerade nicht mehr eine interessengerechte Lösung der eigentlichen Streitfragen beinhaltet, sondern letztlich der Resignation aller Beteiligten vor der Komplexität der aufgelaufenen Probleme entspringt. Ein sachgerechtes Ergebnis wird hierdurch in aller Regel nicht erzielt. Es gibt also viele Gründe, nach einer die vorskizzierten Probleme umgehenden Alternative zu suchen. Eine Bestandsaufnahme ergibt jedoch, dass es den Rechtsstreit mit den Parteien und den Konflikt nicht gibt, weshalb eine einzige Alternative nicht ausreichen kann. Als Lösung kommen daher Verfahren in Betracht, die auf die Parteien, ihre Interessen und das jeweilige Problem in seiner konkreten Ausprägung abgestimmt sind. Was in dem einen Fall sinnvoller Weise autoritativ zu entscheiden ist, kann im anderen Fall besser von den Parteien selbst gelöst werden. So reich bisher die Überlegungen der Bauvertragsparteien in bezug auf Planung und Gestaltung des Bauvorhabens oder Vertragstexte etc. auch sind, so dürftig sind regelmäßig die Vorstellungen darüber, wie Konflikte verhindert und angemessen gelöst werden können. Vor diesem Hintergrund wurde unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. im Jahr 2004 eine Arbeitsgruppe123 eingerichtet mit dem Ziel, die Parteien für diese Problematik zu sensibilisieren und gleichzeitig zu motivieren, schon mit Vertragsschluss entsprechende Konfliktlösungsinstrumente zu vereinbaren. Dabei konnte die Arbeitsgruppe
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Die Arbeitsgruppe bestand neben dem Autor aus: Rain Eva-Martina Meyer-Postelt, Stuttgart; RA Holger Saubert, Schwerin; RA Martin Wittjen, Berlin/Potsdam. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt, denn ihre Arbeit an den neuen Verfahrensordnungen, die letztlich zum „Drei Säulen Modell“ führten, kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Wenn auch in Deutschland der Durchbruch dieser alternativen Streitlösungsmodelle gelingen sollte, wird dies ganz wesentlich ihr Verdienst sein.
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4 Bauwirtschaft und Management auf umfangreiche Vorarbeiten des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg insbesondere zu einem Schlichtungsverfahren zurückgreifen, die bis in das Jahr 1999 zurückreichten124. Das auf dieser Basis von der Arbeitsgruppe entwickelte „Drei Säulen Modell“ bietet Alternativen für die verschiedenen Interessenlagen der Parteien und ihre Bedürfnisse an, die eine Vielzahl von verschiedenen bautechnologischen, projektabhängigen Situationen berücksichtigen. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, durch Einbeziehung kompetenter Dritter zu schnellen und sachgerechten Ergebnissen bei Konflikten zu kommen, bzw. deren Entstehung von vornherein zu verhindern.
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Der Aufbau aller drei Ordnungen ist aufeinander abgestimmt und gleich strukturiert, so dass die Übergänge von einer „Säule“ in die nächste nicht nur normativ nachvollziehbar, sondern auch denklogisch sind. Dabei wird eine klare Linie von der parteibestimmten Mediationsordnung ohne Entscheidungskompetenz des Mediators, über die „strengere“ Schlichtungsordnung mit eingeschränkter Entscheidungsbefugnis des Schlichters bis hin zur verbindlichen Entscheidung des Schiedsrichters in der Schiedsgerichtsordnung verfolgt. Die „Mediationsordnung für Bausachen (MedO Bau)“125 als erste „Säule“ bietet den Parteien die Möglichkeit, schon zu Vertragsbeginn oder später in völliger Freiwilligkeit und unter Erhalt der eigenen uneingeschränkten Entscheidungskompetenz einen Weg zur Lösung von auftretenden Konflikten durch Hinzuziehung eines Mediators zu beschreiten. Als zweite „Säule“ bietet die „Schlichtungsordnung für Bausachen (SchliO Bau)“126 den Parteien Instrumente an, die nicht nur auf eine einvernehmliche Lösung von Streitfragen hinwirken, sondern insbesondere auch für deren Scheitern zu einer verbindlichen Entscheidung durch den Schlichter führen können, die jedoch der Nachprüfung durch ein Schiedsgericht zugänglich ist. Anders als bei der Mediation geben die Parteien hier ein Stück eigene Entscheidungskompetenz an den Schlichter ab. Die SchliO Bau ist bereits mit dem Bauvertrag zu vereinbaren. Die bewährte „Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen einschließlich Anlagenbau (SGO Bau)“127 bildet als klassisches Schiedsgerichtsverfahren die dritte „Säule“ des Modells. Hierbei unterwerfen sich die Parteien im Konfliktfall dem verbindlichen Spruch eines Schiedsgerichtes, verzichten also insoweit auf ihre Entscheidungskompetenz. Diese drei Säulen können jeweils einzeln vereinbart werden. Sie bauen jedoch aufeinander auf. Der Übergang von der einen zur anderen Säule ist freiwillig jederzeit möglich (MedO → SchliO; MedO → SGO Bau), in der Ordnung bereits vorgesehen (SchliO → SGO Bau) oder – wenn die Parteien dies wollen – zwingend aufgrund Parteivereinbarung.
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Der Autor ist Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg und hatte Anfang der 90iger Jahre in seiner Funktion als Mitarbeiter des europäischen Auslandsbauverbandes „European International Contractors“ in vielfältiger Weise an der Entwicklung der „Alternative Dispute Resolution“ im internationalen Bereich mitgearbeitet. Ein besonderer Dank geht in diesem Zusammenhang an Frau Rain Waltraud Hegels, die in ihrer damaligen Funktion als Justitiarin des Verbandes entscheidenden Anteil an dieser Arbeit hatte, ebenso wie an die Mitglieder des Verbandsarbeitskreises „Recht und Verdingungswesen“, die ihre Erfahrungen und Kenntnisse in vielfältiger Weise einbrachten. Abgedruckt unter www.baurecht-ges.de, Button „MediationsO“ Abgedruckt unter www.baurecht-ges.de, Button „SchlichtungsO“ Zu beziehen über die Deutsche Gesellschaft für Baurecht e.V., Kettenhofweg 126, 60325 Frankfurt/M oder den Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e.V., Kurfürstenstr. 129, 10785 Berlin; abgedruckt in der ZfBR 2001, 357 und www.baurecht-ges.de
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen
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Den Bedürfnissen der Praxis folgend wird jede dieser Ordnungen ergänzt durch Muster für ihre Vereinbarung durch die Parteien. Für die MedO Bau und die SchliO Bau wurden zusätzlich Muster für einen Mediatoren- bzw. Schlichtervertrag entworfen128. Im Folgenden wird weder auf die seit Jahrzehnten bekannte und bewährte SGO Bau noch auf die ebenfalls neu eingeführte Mediationsordnung für Bausachen (MedO Bau) näher eingegangen. Letztere kann in aller Kürze dahingehend erläutert werden, dass sie den Parteien einen auf völliger Freiwilligkeit und Parteiautonomie beruhenden Zugang zu dem Gesamtsystem bietet. Dieser Weg kann von ihnen jederzeit gegangen, aber auch wieder abgebrochen werden. Mediation als solche hat bereits seit einiger Zeit in den verschiedensten Formen auch in Deutschland Eingang in das Bauwesen gefunden129, führt aber leider allzu häufig noch immer ein Schattendasein. Vielmehr soll die Schlichtungsordnung für Bausachen näher erläutert werden, da sie die wesentlichen Parameter der im internationalen Geschäft für komplexere Projekte mittlerweile üblichen Regelungen aufgreift und auf deutsche Verhältnisse überträgt. Eine simple „Übersetzung“ scheitert schon daran, dass das deutsche, anders als das angelsächsisch beeinflusste internationale Bauwesen bisher von einer reinen „Bipolarität“ (Auftraggeber/Auftragnehmer) ausgeht. Der Gedanke der Anwesenheit einer neutralen dritten, gleichsam „schiedsrichtenden“ Kraft auf der Baustelle ist dem Angelsachsen traditionell Selbstverständlichkeit (in Person des „Engineers“), dem Deutschen jedoch in aller Regel unvorstellbar. Vor diesem Hintergrund schlägt diesem Ansatz in unserem Land viel Abwehr und „Unwille“ entgegen, der seinen Grund aber in der Regel in Informationsdefiziten findet. Diesen abzuhelfen, soll im Folgenden versucht werden.
4.10.2 Die Schlichtungsordnung für Bausachen – SchliO Bau – In gewisser Weise der „Mittelteil“ des „Drei Säulen Modells“ der Deutschen Gesellschaft für Baurecht ist die „Schlichtungsordnung für Bausachen“, die Elemente der Mediation mit solchen klassischer Streitentscheidung verbindet und gleichzeitig die Verbindung zur SGO Bau herstellt. Mit der vorliegenden Schlichtungsordnung wird versucht, die Grundgedanken der im internationalen Baurecht entwickelten Modelle, soweit sie über ein reines Vermitteln hinausgehen und den „Adjudicator“ mit eigener – beschränkter – Entscheidungskompetenz ausstatten, auf die Wirklichkeit des deutschen Bauens anzuwenden. Die wesentlichen Eckpunkte einer solchen Regelung ergeben sich aus dem zentralen Anliegen, partnerschaftliches Verhalten auf der Baustelle zu erzielen, um so ein Maximum an Effizienz, Qualität und Kostensicherheit zum beiderseitigen Vorteil zu erreichen. Oberstes Ziel eines derartigen Verfahrens muss es sein, Streit entweder gar nicht erst entstehen zu lassen oder aber doch aufgetretene Streitpunkte vor einer möglichen Verhärtung der Fronten, vor allem aber vor dem Entstehen weiterer Folgeschäden und zusätzlicher Kausalketten zu schlichten. Dies setzt ein kooperatives, vertrauensvolles Zusammenarbeiten der Baubeteiligten über die gesamte Bauzeit voraus. Zu diesem Zweck bedarf es einer einvernehmlichen Vereinbarung eines Schlichtungsverfahrens bereits mit Vertragsschluss und damit zu einem Zeitpunkt, an dem die Gemeinsamkeit der Parteien noch im Vordergrund steht.
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Die SchliO Bau sowie die zugehörige Schlichtungsvereinbarung und der Schlichtervertrag sind im Anhang abgedruckt. Einen guten Überblick über den Stand der Diskussion bieten Flucher, Kochendörfer, v.Minckwitz, Viering, „Mediation im Bauwesen“, Ernst & Sohn, 2003
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4 Bauwirtschaft und Management Während des Baugeschehens handelt der Schlichter zunächst als reiner Moderator oder Vermittler (ähnlich einem klassischen Mediator), dessen Aufgabe es ist, ohne eigenen unmittelbaren Eingriff die Parteien bei der Suche nach einvernehmlichen Lösungen zu unterstützen. Darüber hinaus erhält er aber eine eigene Entscheidungskompetenz, die ihm dann, aber auch nur dann zuwächst, wenn eine einvernehmliche Lösung zuvor gescheitert ist. Diese Kompetenz wird dem Schlichter bereits mit Vertragsschluss mit Wirkung für die gesamte Bauzeit zugebilligt. Eine derartige Entscheidung wird, da bereits im Vorfeld („ex ante“) von beiden Parteien als für sich verbindlich anerkannt, endgültig wirksam, wenn sie nicht in kurzer Frist angefochten und so der Gang zum Schiedsgericht eröffnet wird. Wird – und dies sollte ein absoluter Ausnahmefall bleiben – die Entscheidung angefochten und das Schiedsgericht angerufen, so bleibt die Entscheidung des Schlichters wirksam bis zum Schiedsspruch gemäß SGO Bau. Das gesamte Verfahren stellt sich also als ein mehrstufiges dar, dessen Übergang von der ersten, rein mediativen Stufe zur zweiten Stufe mit Entscheidung des Schlichters von jeder Seite jederzeit ausgelöst werden kann. Dabei steht es jeder Seite offen, gegen eine Entscheidung in dieser zweiten Stufe die dritte Stufe, das Schiedsgericht, anzurufen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Beauftragung des Schlichters im Zusammenhang mit dem Bauvertrag durch beide Parteien diesen dennoch ein Maximum an eigener Entscheidungskompetenz belässt. Gleichzeitig führt diese Konstellation dazu, dass keine Partei durch einseitige Obstruktion den Fortlauf der Baustelle und damit die notwendige Effizienz des Bauens gefährden kann. Im einzelnen gelten folgende Regeln130:
4.10.2.1 Vertragsschluss Die Parteien vereinbaren bereits bei Abschluss des Bauvertrages im Rahmen einer Schlichtungsvereinbarung die Schlichtungsordnung für Bausachen und müssen sich bei dieser Gelegenheit auch auf die Person des Schlichters einigen, den sie in gesonderter Urkunde im „Schlichtervertrag“ beauftragen. Dabei ist entscheidend, dass sowohl die Beauftragung als auch die Tragung der Kosten des Schlichters beide Parteien in gleichem Maß trifft131. Beide sind auch verpflichtet, sich darum zu bemühen, die Geltung der Schlichtungsordnung auf alle an der Vertragsabwicklung Beteiligten zu erstrecken132. Ziel der Schlichtungsvereinbarung ist, den gesamten Bauprozess zu überspannen und alle Beteiligten zu kooperativem Handeln zu bewegen.
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Die Nummerierung folgt derjenigen in der SchliO Bau. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, die einzelnen Abschnitte dort jeweils parallel zu verfolgen. Hier wie überall gälte ansonsten die klassische Erkenntnis: „Wer zahlt, schafft an!“ An diesem Punkt werden sich in der Realität die größten Probleme stellen, da jeder Seite die Umsetzung selbst überlassen bleibt. Praktisch wird dies wie im internationalen Bereich üblich so erfolgen, dass vom Streit betroffene Dritte zu der Schlichtungsverhandlung hinzugezogen und das Ergebnis auf sie erstreckt wird. Hierzu sind von jeder Seite in ihren jeweiligen Verträgen die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, wozu entsprechende Klauseln und Standardtexte noch entwickelt werden müssen. Grundsätzlich sollte dies aber kein unüberwindliches Problem darstellen.
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen
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4.10.2.2 Persönliche Voraussetzungen des Schlichters Erfolg und Misserfolg einer Schlichtung am Bau stehen und fallen mit der fachlichen Kompetenz, vor allem aber auch der Persönlichkeit des Schlichters. Seine Neutralität und Vertrauenswürdigkeit für beide Seiten ist unabdingbare Voraussetzung für ein Gelingen des Verfahrens. Die Schlichtungsordnung für Bausachen verlangt daher neben bautechnischer und baurechtlicher Kompetenz die persönliche Neutralität des Schlichters. Letztlich wird diese Rolle am ehesten von juristisch erfahrenen Bausachverständigen oder technisch beschlagenen Baujuristen erfolgreich erfüllt werden können. Der Auswahl dieser Person kommt daher die allerhöchste Bedeutung zu. Im internationalen Bereich hat sich hier mittlerweile eine Spezialisierung entwickelt, die in Deutschland (noch) nicht besteht133.
4.10.2.3 Dauer der Ernennung Die Rolle des Schlichters verlangt seine Begleitung des Projektes „von der Wiege bis zur Bahre“, d.h. vom Abschluss des Bauvertrages bis zur Einigung über die Schlussrechnung. Die Wirkungszeit kann aber einvernehmlich bis zum Ende der Gewährleistungsfrist verlängert werden, da auch in dieser Phase Streitigkeiten auftreten können134. Aufgrund der langen Dauer der Tätigkeit und der Notwendigkeit zur Kontinuität trifft die Schlichtungsordnung für Bausachen auch Regeln für den Fall, dass ein Schlichter im Verlauf des Bauvorhabens ausfällt. In diesem Fall ist eine Nachbenennung erforderlich, die ggf., also wenn sich die Parteien nicht selbst einigen können, durch einen neutralen Dritten (IHK/HWK) erfolgt.
4.10.2.4 Rechte und Pflichten des Schlichters Um die gewünschte Effizienz insbesondere auch bei der Streitvermeidung zu erzielen, hat sich im internationalen Bereich eine regelmäßige Präsenz auf der Baustelle als unverzichtbar erwiesen. Umfang und Intervalle dieser Präsenz liegen grundsätzlich im Ermessen der Parteien135. Gleichzeitig muss der Schlichter in der Lage sein, alle Vorgänge auch zur Kenntnis zu nehmen, weshalb die Schlichtungsordnung für Bausachen ein umfangreiches Informationsrecht des Schlichters vorsieht. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Regelung, dass sowohl der Auftraggeber wie der Auftragnehmer dem Schlichter einen kompetenten Ansprechpartner und
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Sollte sich der Denkansatz der „Alternative Dispute Resolution (ADR)“ auch in Deutschland durchsetzen, wird sich ein entsprechendes auch akademisches Berufsbild mit Sicherheit entwickeln, voraussichtlich aus einer Kombination von ingenieurtechnischen und juristischen Studiengängen, ähnlich dem angelsächsischen „Quantity Surveyor“. Gegenwärtig müsste auf die bestehenden Schiedsrichter- und Schiedsgutachterlisten ebenso zurückgegriffen werden wie auf die „Anschauung der betroffenen Verkehrskreise“. Wurde das Bauvorhaben „reibungsarm“ abgewickelt, wird man hierauf in aller Regel verzichten können. Grundsätzlich sollten die Intervalle nicht zu lang gewählt werden, um eine zeitnahe Befassung mit kritischen Punkten zu ermöglichen. Die Kosten der Anwesenheit des Schlichters werden in aller Regel einen Bruchteil der Kosten ausmachen, die durch einen zeitlich verschleppten Streitpunkt entstehen können.
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4 Bauwirtschaft und Management seinen Vertreter benennen muss, um so beide Parteien in die Lage zu versetzen, zu schnellen und verantwortlichen Entscheidungen „vor Ort“ zu gelangen136. Darüber hinaus kann der Schlichter bei technischen oder rechtlichen Spezialfragen mit Zustimmung der Parteien sogenannte „fachkundige Dritte“ zu seiner Unterstützung berufen, wenn er diese Unterstützung für erforderlich hält. Damit keine der Parteien eine solche Zustimmung aus taktischen Gründen und entgegen Treu und Glauben zurückhalten kann, erlaubt die Schlichtungsordnung für Bausachen dem Schlichter für den Fall der Verweigerung, den Vortrag der jeweils anderen Partei als richtig zu unterstellen137.
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Schließlich wird eine Haftungsregelung getroffen, wonach der Schlichter nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet und eine entsprechende Haftpflichtversicherung abschließen muss. Die Vergütung des Schlichters ist im Schlichtervertrag festzulegen und wird sich in aller Regel nach Stundensätzen berechnen.
4.10.2.5 Anrufung des Schlichters Während die Ziffern 1 bis 4 ein rein freiwilliges und formloses Verfahren beschreiben, das man sich bildlich wie eine regelmäßige Baubesprechung vorstellen muss, in der allfällige Probleme einer einvernehmlichen Lösung zugeführt werden, regeln die Ziffern 5 bis 8 ein formalisierteres Verfahren, in dem der Schlichter eine eigene Entscheidungsbefugnis besitzt. Dieses Verfahren kann von jeder der Parteien durch Schriftsatz dann ausgelöst werden, wenn eine einvernehmliche Regelung zu einem Streitpunkt nicht gefunden wurde. Der Schlichter hat daraufhin unverzüglich das Streitschlichtungsverfahren einzuleiten, das von beiden Seiten den Vortrag ihrer Standpunkte in schriftlicher Form verlangt, ebenso wie die Beibringung aller Unterlagen, die vom Schlichter angefordert werden. Das Schlichtungsverfahren ist an einem vom Schlichter zu bestimmenden Ort nicht öffentlich durchzuführen und unterliegt keinen besonderen Verfahrensregeln. Tatsächlich wird hier der Persönlichkeit des Schlichters eine besondere Verantwortung zukommen. Er muss Zeit und Ort der Schlichtungsverhandlung so wählen, dass beide Parteien ihre Positionen so umfassend und detailliert darstellen können, wie sie es für nötig erachten, denn nur dann wird der Schlichterspruch von ihnen auch akzeptiert werden können. Oberstes Ziel bleibt aber auch in diesem Stadium selbstverständlich die Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung. Während des Verfahrens soll die Baustelle grundsätzlich fortgeführt werden. Ggf. kann der Schlichter vorläufige Maßnahmen anordnen, die sicherstellen, dass dies ohne Gefährdung der Interessen einer Partei möglich ist.
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Dies ist eine zentrale Regelung, durch die Verantwortlichkeit und Entscheidungskompetenz auf der Baustelle überhaupt erst ermöglicht wird. In den letzten Jahren war zunehmend zu beobachten, dass durch die häufig nicht sauber gegeneinander abgegrenzte Zuständigkeit der verschiedensten Baudienstleister (General-, Spezialplaner, Projektmanager, sonstigen Beauftragten etc.) Entscheidungen nicht zeitnah oder gar nicht gefällt werden konnten, mit verheerenden Folgen für den Bauablauf und das Verhältnis der Parteien. Auch diese Regelung dient in erster Linie dazu, „taktische Spielchen“ zu verhindern, wie sie in der jüngeren Vergangenheit vermehrt zu beobachten waren, welche ein grundsätzlich nötiges Vertrauensverhältnis der Parteien untergraben. Die Regelung signalisiert den Parteien: „Konfrontatives Verhalten wird bestraft!“
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen
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Wie im gesamten Verfahren gilt ganz besonders auch hier der Grundsatz, dass die Parteien selbst durch ihren kompetenten Vertreter bei der Verhandlung anwesend sein müssen und sich nicht durch Dritte vertreten lassen können. Selbstverständlich können sie dabei ihre Berater, wie Rechtsanwälte, beratende Ingenieure etc. zur Unterstützung mitbringen. Eine Vertretung im Rechtssinn ohne Anwesenheit der entscheidungsbefugten Parteivertreter bleibt jedoch ausgeschlossen, um so auch in diesem Stadium noch eine sofortige und einvernehmliche Lösung zu ermöglichen.
4.10.2.6 Schlichterspruch Kommt es bis zuletzt nicht zu einer einvernehmlichen Lösung der Parteien, ist der Schlichter verpflichtet, in kurzer Frist (in der Regel maximal 28 Tage nach Einleitung des Verfahrens) eine Streitentscheidung zu verkünden. Nach der Philosophie der Schlichtungsordnung für Bausachen, die von der maximalen Eigenverantwortlichkeit der Parteien ausgeht, sollte dies ein Ausnahmefall bleiben, da in der Regel die Parteien selbst unter der Moderation des Schlichters die zur Streitentscheidung nötigen Erkenntnisse gewinnen und zu einer Lösung finden sollen. Dieser Schlichterspruch, der für die Parteien zunächst uneingeschränkt verbindlich ist, wird den Bevollmächtigten beider Parteien mündlich mitgeteilt. Des weiteren wird ein Protokoll aufgenommen, das von den Parteien eigenhändig zu unterzeichnen ist. Im Kern wird der Schlichterspruch damit Teil des Bauvertrages (sofern nicht eine der Parteien hiergegen das Schiedsgericht anruft, siehe unten Ziffer 8).
4.10.2.7 Einrichtung eines Schlichtergremiums Insbesondere bei sehr großen und komplexen Projekten wird es, wie im internationalen Bereich sinnvoll sein, statt eines Einzelschlichters ein Gremium bestehend aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern mit der Schlichtung zu beauftragen. Die Besetzung verläuft dabei ähnlich wie bei einem Schiedsgericht: Beide Parteien benennen je einen Beisitzer, die sich ihrerseits auf einen Vorsitzenden einigen. Alternativ können sich die Parteien auch auf alle drei Mitglieder des Schlichtergremiums einigen. Kommt eine Einigung über die Benennung des Vorsitzenden nicht zustande, so erfolgt diese durch eine dritte Institution (IHK/HWK). Ein solches Schlichtergremium wird sinnvollerweise sowohl Baujuristen wie Techniker umfassen.
4.10.2.8 Anrufung eines Schiedsgerichts Innerhalb einer Woche nach Verkündung des Schlichterspruches muss eine Partei, die hiergegen vorgehen will, diese Absicht der anderen Partei schriftlich mitteilen und innerhalb einer weiteren Woche das Verfahren (nach der SGO Bau) einleiten. Das Schiedsgericht kann den Spruch des Schlichters bestätigen, aufheben oder ändern, wobei die Sachverhaltsfeststellungen des Schlichters jedoch bindende Wirkung für das Schiedsgericht entfalten (ähnlich wie bei einer Revisionsinstanz). Hierdurch soll insbesondere eine Verfahrensbeschleunigung erreicht werden. Gleichzeitig wird so sichergestellt, dass im Schlichtungsverfahren wirklich alle Tatsachen vorgetragen werden138. 138
Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen können selbstverständlich ebenso in das Verfahren eingeführt werden, wie es den Parteien unbenommen bleibt, in dieser „Instanz“ gerade die Sachverhaltsfeststellungen des Schlichters als fehlerhaft oder unvollständig anzugreifen. Beides hat jedoch Ausnahmecharakter und muss im Einzelfall beantragt werden.
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4 Bauwirtschaft und Management Das Schiedsgericht entscheidet nicht nur über die eigentlich streitige Frage, sondern im Falle der Aufhebung oder Abänderung des Schlichterspruchs auch darüber, welche Partei die Kosten zu tragen hat, welche auf der Baustelle durch die vorgängige Entscheidung des Schlichters, die das Schiedsgericht aufgehoben bzw. abgeändert hat, angefallen sind139. Schließlich ist der ordentliche Rechtsweg – wie bei jeder Schiedsvereinbarung – auch hier ausgeschlossen.
4.10.3 Fazit und Ausblick
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Insgesamt führt das Schlichtungsverfahren auf der Baustelle so zu einer schnellen Klarheit über allfällig auftretende Unstimmigkeiten. Insbesondere wird der gegenwärtig herrschenden – schlechten – Praxis ein Riegel vorgeschoben, sich Problemen während der Bauphase nicht zu stellen, sondern diese „auf später“ (d.h. auf die Zeit nach Fertigstellung, bzw. auf die Schlussrechnung) zu verschieben140. Da die Probleme demzufolge auch einzeln so behandelt werden wie sie auftauchen, bleiben die jeweils zu behandelnden Punkte übersichtlich und damit für alle Beteiligten handhabbar. Schließlich übt das System auf die Beteiligten einen sinnvollen Druck dahingehend aus, sich selbst der eigenen Verantwortung zu stellen und Entscheidungen zu fällen, anstatt sich diese von einer dritten Stelle, sei es durch den Schlichter oder das Schiedsgericht, vorgeben zu lassen. Insgesamt verfolgt das Schlichtungsverfahren damit das Ziel, die Lösung von Problemen wieder auf die Baustelle zu verlagern und in die individuelle Kompetenz der Parteien zu geben. Diese großen Vorteile werden allerdings erkauft durch die Ausstattung des Schlichters mit einer relativ großen Entscheidungsmacht, an die sich die Parteien von vorn herein binden. Eine umso größere Wichtigkeit wird daher der Person des Schlichters bzw. der Zusammensetzung des Schlichtergremiums zukommen. Nur Persönlichkeiten, deren Objektivität und Überparteilichkeit für alle Beteiligten am Bau außer Frage stehen, wird von beiden Seiten das hier nötige Vertrauen entgegen gebracht werden. Ein Punkt ist dabei von potentiellen Nutzern dieses Verfahrens besonders zu bedenken. Das System fördert nämlich kooperatives und richtet konfrontatives Verhalten der Parteien. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Möglichkeiten für spekulatives Verhalten und daraus resultierendes Nachtrags- bzw. Nachtragsabwehrmanagement der Parteien deutlich eingeschränkt werden. Die Parteien sind quasi „zur Partnerschaft verpflichtet“. Dies muss aber wiederum bei der Leistungsfestlegung und insbesondere der Preisgestaltung berücksichtigt werden. Gleichzeitig besteht aber schon in der Angebotsphase die Möglichkeit, die wahren Absichten des potentiellen Vertragspartners zu erkennen: Erklärt dieser sich mit der Berufung eines anerkannt neutralen, kompetenten Schlichters oder Schlichterteams einverstanden, kann von einem klaren Willen zu kooperativem, partnerschaftlichem Handeln ausgegangen werden. Anderenfalls muss – wie bisher – mit dem Schlimmsten gerechnet und das eigene – auch juristische – Arsenal aufgerüstet werden.
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Dabei kann es sich letztlich um die ob ihrer finanziellen Auswirkungen eigentlich wichtige Frage handeln. Diese Praxis führt heute dazu, dass in aller Regel die Gerichte in Bauprozessen mit extrem umfangreichem Aktenmaterial, vielfach „verschlungenen“ Kausalketten und aufgrund des Zeitablaufes nur noch unvollständig aufklärbaren Sachverhalten konfrontiert werden. In der Regel führt dies zu mehr oder weniger „faulen“ Vergleichen oder zu Urteilen, die bei allen Beteiligten einen unguten „Nachgeschmack“ hinterlassen.
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen
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Schließlich ist das gesamte System nicht zum „Nulltarif“ zu haben. Schlichter/Schlichtergremium verursachen Kosten, die sich in der Regel nach einem Stundensatz berechnen werden. Die Erfahrung sowohl im internationalen Bereich als auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zeigt jedoch, dass gerade die streitigen Auseinandersetzungen am Bau sowohl auf Auftraggeber- wie Auftragnehmerseite zu erheblichen Kostensteigerungen für alle Beteiligten geführt haben. Diese direkten, noch mehr aber die indirekten Kosten aus gestörten Bauabläufen, werden die Kosten des vorliegenden Verfahrens nach aller Erfahrung um ein Vielfaches übersteigen. Im Ergebnis könnte und sollte die Nutzung dieses Verfahrens also zu zweierlei führen, nämlich einerseits zu realistischeren Preisen im Bauvertrag, aber im Gegenzug auch zu gegenüber heute deutlich abgesenkten Kosten in der Gesamtschau. Diese „win-win“ Situation hat sich im internationalen Bereich bei der Nutzung derartiger Systeme regelmäßig eingestellt und darf auch in Deutschland erwartet werden. Entscheidend wird es nun darauf ankommen, dieses für Deutschland neue Verfahren in unserem Land so zu etablieren, wie es auf internationaler Ebene mittlerweile selbstverständlich ist. Dass damit für alle am Bau Beteiligten gegenüber der gegenwärtigen Situation eine deutliche Verbesserung eintreten würde, ist die sichere Erwartung des Autors dieser Zeilen. Allein, es ist zu befürchten, dass in diesem Zusammenhang noch umfassende Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Wie erwähnt, entspricht die Grundstruktur dieses Verfahrens nicht der deutschen Bautradition, woraus vielfältige mentale und psychologische Hemmnisse resultieren. So ist es bis zum Redaktionsschluss dieser Zeilen trotz vieler Versuche nicht gelungen, Auftraggeber zu finden, die bereit wären, dieses System einmal „am lebenden Objekt“ zu testen. Aber auch vom Auftragnehmer würde die Vereinbarung der SchliO Bau ein deutlich verändertes Verhalten erfordern: Wie erwähnt, müssen wir gegenwärtig nur allzu häufig konstatieren, dass auf der Baustelle kein konstruktives Miteinander zum beiderseitigen Wohl, sondern ein verbissenes Gegeneinander herrscht, in dem jede Seite peinlich darauf bedacht ist, möglichst keinen Millimeter nachzugeben. Ein Schlichtungsverfahren setzt jedoch das genaue Gegenteil voraus, nämlich den beiderseitigen Willen zum Kompromiss mit dem Ziel, das Bauvorhaben effizient, fair und dennoch „on time and within budget“ zu realisieren. „Nachtragsmanagement“ auf der Basis spekulativer Preisgestaltung ist damit ebenso zum Scheitern verurteilt wie der Versuch, reale Kostenmehrungen durch Rechts- und Verfahrenstricks dem „Vertragsgegner überzuhelfen“. Kurz gesagt: Von beiden Parteien wird schon in der Angebotsphase, aber auch danach, höchste Seriosität und Professionalität abverlangt. Das ist nicht weniger als heute, jedoch mit drastisch verbesserter Aussicht auf nachhaltigen und beiderseitigen Erfolg.
4.10.4 Anhang Schlichtungsordnung für Bausachen – SchliO Bau – Präambel Die Schlichtungsordnung hat zum Ziel, kooperative Verhaltensweisen der Parteien eines Bauvorhabens zu fördern, indem sie ihnen Instrumente zur Verfügung stellt, die nicht nur auf eine einvernehmliche Lösung von Streitfragen hinwirken, sondern insbesondere auch für deren Scheitern zu einer verbindlichen Entscheidung durch einen Dritten führen.
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4 Bauwirtschaft und Management 1. Vertragsschluss
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(1) Die Parteien sind verpflichtet, sich bei Vertragsschluss über eine zu erbringende Bau- und/oder Planungsleistung auf einen Schlichter zu verständigen und diesen im Vertrag zu benennen.*) (2) Die Parteien schließen gemeinsam einen Schlichtervertrag über ein Bauvorhaben mit dem Schlichter. Die Vereinbarung ist schriftlich in einer gesonderten Urkunde zu treffen. (3) Die Parteien tragen zu gleichen Teilen die Kosten für die Tätigkeit des Schlichters sowie sonstige im Zusammenhang mit der Schlichtertätigkeit anfallende Kosten. Die eigenen Kosten trägt jede Partei selbst. (4) Die Parteien bemühen sich, die Geltung dieser Schlichtungsordnung auf alle an der Vertragsabwicklung Beteiligten (Planer, Projektmanager, Subunternehmer, Versicherer etc.) zu erstrecken. 2. Persönliche Voraussetzungen des Schlichters (1) Der Schlichter muss über dem Bauvorhaben angemessene bau-technische und baurechtliche Kenntnisse sowie über eine bauspezifische Berufserfahrung von mindestens fünf Jahren verfügen. (2) Der Schlichter hat unparteiisch und ohne finanzielles oder sonstiges Interesse an dem von den Parteien geschlossenen Vertrag tätig zu werden. (3) Ausgeschlossen von einer Schlichtertätigkeit sind solche Personen, die als Organmitglieder, Mitglieder eines Aufsichtsgremiums, leitende Mitarbeiter oder externe Berater für eine der Parteien tätig sind oder waren, es sei denn, die Parteien stellen übereinstimmend fest, dass für die betreffende Person kein Interessenkonflikt besteht. 3. Dauer der Ernennung (1) Der Schlichter wird für die gesamte Bauzeit, d.h. bis zur Einigung über die Schlussrechnung bestellt. Die Bestellung kann bis zum Ablauf der Gewährleistungszeit verlängert werden. (2) Ist der Schlichter nicht nur vorübergehend verhindert und wollen die Parteien auch nicht an ihm festhalten, sind sie verpflichtet, sich binnen 10 Tagen ab Kenntnis der Verhinderung auf einen anderen Schlichter zu verständigen. Gelingt dies nicht, erfolgt die Benennung auf Antrag einer Partei durch die für das Bauvorhaben örtlich zuständige Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer. 4. Rechte und Pflichten des Schlichters (1) Der Schlichter besucht die Baustelle in regelmäßigen, festzulegenden Intervallen sowie bei Bedarf. Der Besuch kann auch unangemeldet erfolgen. (2) Sofern Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien auftreten, soll der Schlichter gemeinsam mit den Parteien eine einvernehmliche Lösung herbeiführen. (3) Dem Schlichter sind auf seine Anforderung hin alle Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Bauvorhabens stehen, zur Verfügung zu stellen. Die Parteien benennen je einen Ansprechpartner und seinen Vertreter gegenüber dem Schlichter. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten kann der Schlichter über alle ihm erforderlich erscheinenden Vorgänge Auskunft verlangen. Der Schlichter ist befugt, auch Einzelgespräche mit Mitarbeitern einer Partei zu führen, ohne dass Vertreter der anderen Vertragspartei anwesend sind. Dabei gewonnene Sachinformationen sind den Parteien zugänglich zu machen.
*)
Die Parteien sollten sich gleichzeitig auf einen Stellvertreter für den Fall der Verhinderung des Schlichters verständigen. „Schlichter“ bezeichnet auch eine Schlichterin oder ein Schlichterteam.
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen (4) Der Schlichter kann im Einzelfall mit Zustimmung der Parteien, einen oder mehrere fachkundige Dritte hinzuziehen, wenn er dies für erforderlich hält. Verweigert eine Partei die Zustimmung, kann der Schlichter den Vortrag der anderen Partei als richtig unterstellen. (5) Der Schlichter haftet nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz. Die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen. Der Schlichter hat eine Haftpflichtversicherung vor Aufnahme seiner Tätigkeit abzuschließen und die Police den Vertragsparteien vorzulegen. Die Höhe der Haftungsgrenze im Einzelfall richtet sich nach dem Bauvolumen. (6) Der Schlichter hat über alle ihm zur Kenntnis gelangenden Vorgänge auch nach Beendigung des Bauvorhabens absolutes Stillschweigen zu bewahren. (7) Während des Schlichtungsverfahrens und nach dessen Beendigung darf der Schlichter keine der Parteien beraten oder vertreten, soweit Gegenstände dieser Schlichtung berührt sind. Die Parteien sind verpflichtet, den Schlichter insoweit auch nicht als Zeugen oder Sachverständigen in einem Verfahren zu benennen. (8) Die Vergütung des Schlichters ist im Schlichtervertrag festzulegen. Der Schlichter ist berechtigt, angemessene Vorschüsse zu verlangen. 5. Anrufung des Schlichters (1) Sofern Meinungsverschiedenheiten von den Parteien nicht gelöst werden können, kann jede Partei jederzeit den Schlichter anrufen. (2) Die Partei, die den Schlichter anruft, hat den Streitgegenstand schriftlich dem Schlichter vorzutragen unter genauer Angabe der gegenteiligen Standpunkte. Hiervon ist der anderen Vertragspartei gleichzeitig eine Kopie zu übergeben. (3) Der Schlichter hat das Verfahren unverzüglich einzuleiten und zügig durchzuführen. Er hat die Tatsachen und Umstände zu ermitteln, die für eine Entscheidung benötigt werden. Die Parteien sind verpflichtet, ihn hierbei zu unterstützen, alle Unterlagen, die vom Schlichter angefordert werden, diesem unverzüglich zu übergeben und für Auskünfte und Hinweise jeder Art, jederzeit zur Verfügung zu stehen. Kommt eine der Parteien diesen Verpflichtungen nicht nach, so gilt Ziff. 4 Abs. 4 Satz 2 entsprechend, sofern der Schlichter die Parteien auf die Ausschlusswirkung hingewiesen hat. Das Schlichtungsverfahren ist nicht öffentlich. Den Ort der Schlichtung bestimmt der Schlichter. (4) Die bauleistungspflichtige Partei hat ihre Arbeiten nach Maßgabe des Bauvertrages fortzusetzen. Bei Maßnahmen, die im Streit sind, ist der Schlichter berechtigt, die Ausführung oder Fortsetzung anzuordnen, ggf. gegen Sicherheitsleistungen. Im Rahmen des Bauvertrages gelten Entscheidungen des Schlichters, die auf Antrag der Partei getroffen werden, die Auftraggeber einer Bauleistung ist, stets als dessen Anordnungen. Die Sätze 1 und 2 gelten für Planungsleistungen entsprechend. (5) Der Schlichter kann vorläufige Maßnahmen anordnen, denen nachzukommen die Parteien verpflichtet sind. Hierzu gehören auch Sicherungsmaßnahmen und Zahlungen, jeweils gegen Sicherheitsleistung der anderen Partei. (6) Im Schlichtungsverfahren ist die persönliche Anwesenheit der Parteien (Ziff. 4 Abs. 3 Satz 2) zwingend. Sie können sich auch nicht durch außenstehende Bevollmächtigte vertreten lassen. 6. Schlichterspruch (1) Der Schlichter ist in der Regel verpflichtet, binnen 28 Tagen eine Entscheidung zu verkünden. Nur in Ausnahmefällen kann diese Frist von den Parteien gemeinsam verlängert werden. (2) Der Schlichter hat seinen Spruch den Bevollmächtigten der Vertragsparteien mündlich mitzuteilen. Hierüber ist ein Protokoll aufzunehmen und von den Beteiligten zu unterzeichnen.
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4 Bauwirtschaft und Management (3) Der Schlichterspruch ist für die Parteien uneingeschränkt verbindlich. Im Falle der Ziff. 8 gilt dies bis zur Entscheidung durch das Schiedsgericht. (4) Die Parteien verpflichten sich, den Schlichterspruch umzusetzen. Geschieht dies nicht, ist hierfür der ordentliche Rechtsweg eröffnet. 7. Einrichtung eines Schlichtergremiums
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Verständigen sich die Vertragsparteien darauf, statt eines Schlichters drei Schlichter einzusetzen, so hat jede Vertragspartei bei Vertragsschluss einen Beisitzer zu benennen. Die Beisitzer haben sich auf einen Vorsitzenden zu verständigen. Sollte dies bis zum Datum des Baubeginns nicht erfolgt sein, erfolgt die Benennung durch die für das Bauvorhaben örtlich zuständige Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer. 8. Anrufung eines Schiedsgerichts (1) Ist eine der Parteien mit dem Spruch des Schlichters nicht einverstanden, hat sie dem Schlichter und der anderen Vertragspartei binnen einer Woche nach Protokollunterzeichnung schriftlich mitzuteilen, dass sie das Schiedsgericht anrufen wird. Die Einleitung des Schiedsverfahrens hat binnen einer Ausschlussfrist von einer weiteren Woche zu erfolgen. (2) Das Schiedsgericht hat antragsgemäß darüber zu befinden, ob der Schlichterspruch zu bestätigen, aufzuheben oder abzuändern ist. Die Sachverhaltsfeststellungen des Schlichters haben bindende Wirkung für das Schiedsgericht. (3) Kommt das Schiedsgericht zu dem Ergebnis, dass der Schlichterspruch aufzuheben oder abzuändern ist, hat es darüber zu entscheiden, welche Partei die aufgrund der korrigierten Entscheidung entstandenen zusätzlichen Kosten einschließlich Baukosten, ggf. anteilsmäßig, zu tragen hat. (4) Das Schiedsgerichtsverfahren richtet sich nach der Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen einschließlich Anlagenbau (SGO Bau). (5) Sofern eine Partei gegen einen Schlichterspruch das Schiedsgericht anruft, ist insoweit der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen.
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen
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VEREINBARUNG der SCHLICHTUNGSORDNUNG für BAUSACHEN – SchliO Bau –
Zwischen
.................................................................................................................
und
.................................................................................................................
wird hiermit vereinbart, dass alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag vom .............................................. betreffend ...................................................... durch die Schlichtungsordnung für Bausachen – SchliO Bau – der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. erledigt werden.
Sollte eine der Parteien mit dem Spruch des Schlichters nicht einverstanden sein, wird hiermit vereinbart, dass hierüber ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen einschließlich Anlagenbau (SGO Bau), herausgegeben vom Deutschen Beton- und Bautechnikverein e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. in der jeweils gültigen Fassung, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges, entscheidet. Das Schiedsgericht entscheidet auch über die Rechtswirksamkeit und den Geltungsbereich der Schiedsgerichtsvereinbarung. Sollte ein ordentliches Gericht den Schiedsspruch aufheben, so kann die Partei, die einen Anspruch gegen die andere Partei auch weiterhin geltend machen will, dies nur dadurch tun, dass sie von neuem das Schiedsgerichtsverfahren einleitet. Für das neue Schiedsgericht gelten die Absätze 1 und 2 dieser Schiedsgerichtsvereinbarung entsprechend. Für die Vornahme gerichtlicher Entscheidungen wird das Oberlandesgericht............ vereinbart.
Ort: ......................................................... Datum: ........................................................ Rechtsgültige Unterschriften:
.................................................................... .................................................................
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4 Bauwirtschaft und Management SCHLICHTERVERTRAG
Zwischen Firma A ......................,................................... und
4
Firma B ......................,...................................
Zwischen Firma A .......................................................... und
ARGE ............................................................ im Nachfolgenden Auftraggeber (AG) genannt
und Herrn, Frau ......................................................................... im Nachfolgenden Schlichter genannt wird Folgendes vereinbart:
1. Der Schlichter wird für das Bauvorhaben *) ............................................................... bestellt. Die beigefügte Schlichtungsordnung für Bausachen – SchliO Bau – ist Vertragsbestandteil.
2. (1) Der Schlichter nimmt seine Tätigkeit am ..................................., spätestens mit Baubeginn auf. (2) Der Schlichter wird für die Dauer der Bauzeit, d.h. bis zur Einigung der AG über die Schlussrechnung bestellt. Die AG behalten sich vor, die Bestellung bis zum Ablauf der Gewährleistungszeit zu verlängern. Der Schlichter stimmt einer solchen Vertragsverlängerung im voraus zu. (3) Der Schlichter verpflichtet sich, seine Arbeitskraft im jeweils erforderlichen Maße nach pflichtgemäßem Ermessen den AG zur Verfügung zu stellen. (4) Im Falle der Verhinderung ist der Schlichter verpflichtet, alle Unterlagen und Feststellungen seinem Vertreter unverzüglich zur Verfügung zu stellen. *) Genaue Bezeichnung auf Grund des Bauvertrages.
261
4.10 Alternative Konfliktbewältigung im Bauwesen (5) Der Vertrag kann jederzeit durch Kündigung, die entweder durch den Schlichter oder die Parteien erklärt werden kann, oder durch einvernehmliche Aufhebung beendet werden. In diesem Fall hat der Schlichter die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen unverzüglich an die Parteien herauszugeben.
3. (1) Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, richten sich die Rechte und Pflichten des Schlichters nach der Schlichtungsordnung für Bausachen – SchliO Bau, insbesondere deren Ziffer 4. (2) Die Besuchsintervalle sind von den AG in Abstimmung mit dem Schlichter festzulegen. (3) Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, wird die Tätigkeit des Schlichters mit einem Stundensatz von 200,00 EURO/Std. zuzüglich Mehrwertsteuer abgegolten. Die notwendigen Fahrtkosten und Auslagen des Schlichters sowie die Verfahrenskosten, die durch Schlichtungstermine/-sitzungen entstehen, z. B. durch Anmietung eines Sitzungsraums, werden dem Schlichter von den Parteien auf Nachweis erstattet. Die Abrechnung erfolgt in der Regel monatlich. (4) Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, werden die unter Ziffer 3. (3) genannten Kosten, Vergütung und Aufwendungen, von den Parteien zu gleichen Anteilen getragen. Dem Schlichter haften die Parteien als Gesamtschuldner.
4. Besondere Vereinbarungen
Ort: …………………………………………. Datum: ………………………………………
Rechtsgültige Unterschriften: ……………………………………………………… …………………………………………………………. (Parteien)
(Schlichter)
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5 Herausforderungen im Ausland 5.1 Forschung für die nachhaltige Entwicklung der Megastädte von morgen: Projektmanagement im BMBF-Projekt „Young Cities – New Towns in Iran“ bearbeitet von Univ.-Prof. Dipl.-Ing Elke Pahl-Weber, Dipl.-Ing. Sebastian Seelig
5.1.1 Neue Aufgaben: Projektmanagement als Forschungsgegenstand Professionelles Projektmanagement in groß angelegten Forschungsprojekten ist ein entscheidender Moment für die erfolgreiche Durchführung, die unerlässliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss. Projektmanagement in internationalen Projekten stellt hohe Anforderungen an interkulturelle Kompetenz und Geschick in Verständigungsprozessen. Interdisziplinarität, in den meisten Projekten gegeben, ist für das Projektmanagement eine Standardaufgabe. Transdisziplinarität, die die komplexen interdisziplinären Ansätze an die Nutzer eines Produktes vermittelt, gehört zunehmend zum Projektmanagement. Wenn aber beides zusammenkommt und dazu noch das Forschungsfeld eines ist, welches im mitteleuropäischen Kulturkreis kaum existiert – Megacities und mögliche Entlastungsstrategien – dann kann Projektmanagement im Rahmen des Forschungsprojektes selbst zum notwendigen Forschungsgegenstand werden. Im Forschungsprojekt „Young Cities – New Towns in Iran. Strategien für die nachhaltige Entwicklung von Megastädten von morgen“, dessen zweijährige Vorlaufphase im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Förderschwerpunktes „Forschung für die nachhaltige Entwicklung der Megastädte von morgen“ unter Federführung der TU Berlin seit dem Jahr 2005 durchgeführt wird, sind diese Anforderungen in hoher Komplexität präsent.
5.1.1.1 Herausforderungen Nahezu das gesamte globale Bevölkerungswachstum der nächsten dreißig Jahre wird sich in urban geprägten Räumen abspielen. Medial präsent ist dabei vor allem das Wachstum der globalen Megastädte. Dabei werden aber vor allem die kleinen und mittelgroßen Städte1 im Mittelpunkt der „urbanen Wende“ stehen – so werden im Jahr 2015 weltweit rund 500 Millionenstädte existieren.2 Mittelgroße und kleine Städte teilen viele der komplexen Problemlagen mit Megastädten, verfügen dabei jedoch über noch weniger Ressourcen und sind damit den Problemen noch stärker ausgeliefert, bieten aber anderseits weitergehende Handlungskorridore und Eingriffsmöglichkeiten. In der Folge rückt besonders die Entwicklung der „Megastädte von morgen“, die eben noch keine Megastädte sind, sich aber dahin entwickeln können oder
1
2
Unter Megastädten werden Städte mit mehr als 5 Millionen Einwohnern verstanden. Mittelgroße Städte sind Orte mit einer Einwohnerzahl zwischen 0,5 und 1 Millionen Menschen, als kleine Städte werden Orte mit einer Bevölkerungszahl von unter 0,5 Million Einwohnern definiert (vgl. World Bank, Entering the 21st Century. World Development Report 1999/2000, Washington D.C., 2000, S. 130). United Nations, Economics and Social Affairs, World Urbanization Prospects – The 2003
Revision, New York, 2004, S. 176
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5 Herausforderungen im Ausland gar werden, in den Fokus von Politik und Forschung, in deren Kontext der Förderschwerpunkt des BMBF eingebettet ist.3
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Ansatzpunkt des „Young-Cities“-Projektes sind die rapiden Wachstumsprozesse zukünftiger Megastädte im Iran, die unter anderem eine Folge der enormen Nachfrage nach Wohnraum durch nachwachsende Generationen sind – zur Zeit sind etwa 70 % aller Einwohner des Iran unter 30 Jahre alt, das Durchschnittalter der Bevölkerung liegt bei 23,5 Jahren. Um die unter dem resultierenden Siedlungsdruck stehenden Agglomerationsräume zu entlasten, planen und bauen die iranischen Regierungen seit Mitte der siebziger Jahre „New Towns“, räumlich wie administrativ unabhängige Stadtneugründungen im Umkreis der Metropolen. In Entwicklungs- wie in Schwellenländern gelten New Towns heute in politischer wie auch in wissenschaftlicher Hinsicht – auch im Sinne einer „Renaissance der New Towns“4 – immer noch als eine geeignete planerische Entlastungsstrategie für schnell wachsende Agglomerationen. Trotz aller bekannten Risiken, die die Implementation von staatlichen New Towns-Programmen mit sich bringt, stellt die Planung von New Towns vielfach – wie auch im Iran – eine der bevorzugten Strategien dar, Stadterneuerung und Modernisierung im baulichen Bestand der Bezugsstädte zu ermöglichen und gleichzeitig die Wohnraumversorgung der Bevölkerung in den neuen Städten zu gewährleisten.
5.1.1.2 Projektziele Das Forschungsvorhaben „Young Cities“ widmet sich der Frage, ob die Entwicklung und der Bau von New Towns als eine zentrale planerische Strategie für den zukünftigen Umgang mit schnell wachsenden Megastädten von morgen auf der städtischen wie auch der regionalen Ebene weiterhin Bestand haben kann. Auf Grundlage der extensiven, weltweiten Erfahrungen mit New Towns-Strategien hat sich das Projekt gemeinsam mit den iranischen Partnern zum Ziel gesetzt, die mit dem Konzept von New Towns verbundenen Chancen und Risiken zu analysieren, hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit zu überprüfen und entsprechende Strategien der nachhaltigen Entwicklung zu erarbeiten. Federführend auf iranischer Seite wirken das Building and Housing Research Center (BHRC) des Ministeriums für Wohnungsbau und Stadtentwicklung sowie die New Towns Development Corporation (NTDC). Im Hinblick auf das „Querschnittsthema“ New Town und die weit angelegte Zielsetzung des Projektes wurde ein breiter methodischer Zugang entwickelt. Das Projekt wird im Sinne von Aktionsforschung vorrangig in der New Town Hashtgerd, die ca. 65 km nord-westlich der Megastadt Teheran und ca. 35 km westlich der entstehenden Megastadt Karaj liegt, durchgeführt (siehe Abb. 1). Im Rahmen von drei baulichen bzw. planerischen Pilotprojekten, dem High Technology Pilotprojekt, dem New Quality Pilotprojekt und dem 35 ha Area Pilotprojekt (siehe Abb. 2 und 3) sollen innovative Ansätze entwickelt und getestet werden, um die geplanten Städte nachhaltig zu entwickeln. Dadurch sollen positive Effekte evaluiert und weiterführende Strategien für die sich im Bau befindlichen New Towns im Iran benannt werden, die zu einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung im Iran beitragen können. Gemeinsam mit den iranischen Partnern sollen im Laufe des Projektes Leitlinien für eine nachhaltige Entwicklung von New Towns formuliert werden. In einem weiteren Schritt sollen diese sukzessive umgesetzt werden, so dass langfristig ein Transfer der erlangten Erkenntnisse auf andere Schwellenländer initiiert werden kann.
3 4
Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Die urbane Wende: Forschung für die nachhaltige Entwicklung der Megastädte von morgen, Hintergrundpapier, Berlin, 2004 Vgl. Gotsch, Peter und Peterek, Michael, Neue Städte im Süden. Urbane Modelle für das 21. Jahrhundert?, in: Trialog, Zeitschrift für das Planen und Bauen in der Dritten Welt, Darmstadt, 2002, S. 42
265
5.1 Forschung für die nachhaltige Entwicklung
5
Abbildung 5.1.: Siedlungsraum Teheran-Karaj-Hashtgerd New Town, Quelle: TU Berlin, 2006
Abbildung 5.2: High Technology Pilotprojekt, Quelle: Fachgebiet Tragwerksentwurf und konstruktion, TU Berlin, 2006
Abbildung 5.3: Masterplan Hashtgerd New Town mit der Lage der 35 ha Pilotprojekt Fläche, Quelle: New Towns Development Corporation (NTDC), 2006
5.1.1.3 Dimensionen des Projektmanagements Das deutsche Konsortium setzt sich aus 14 Fachgebieten verschiedener Disziplinen der TU Berlin, aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Verbänden zusammen; es deckt die Bereiche der Stadt- und Regionalplanung, der Architektur, der Verkehrsplanung, der Landschaftsplanung, der Explorationsgeologie, der Wasserwirtschaft, des Bauingenieurwesens, des Baurechts, der Ökonomie und der Soziologie sowie der Prozessgestaltung und des Projektmanagements ab. Diese Konsortiumszusammensetzung ermöglicht ein transdisziplinäres, anwendungsorientiertes Projektdesign, das an die komplexen Herausforderungen angepasst ist. Damit wird das Projektmanagement in drei Dimensionen gleichzeitig als Forschungsgegenstand und als unterstützendes Instrument relevant:
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5 Herausforderungen im Ausland 1. Internes Projektmanagement des Konsortiums: Das interne Projektmanagement des iranisch-deutschen Konsortiums umfasst das Management, das Monitoring und das Controlling des Forschungsvorhabens; explizit wird dies für die deutsche Seite durchgeführt, betrifft aber auch das Management der bilateralen Beziehungen. Die Herausforderungen des Projektmanagements liegen vor allem im interkulturellen Agieren und dem inter- und transdisziplinären Arbeiten. Effizientes internes Projektmanagement erfordert vorrangig den Einsatz von Methoden und Instrumenten der Projektsteuerung, die Unterstützung der Kommunikation zwischen den deutschen und iranischen Projektmitgliedern sowie das Management des Zusammenspiels mit den Projektakteuren und dem externen Projektumfeld. In dieser Dimension stellt Projektmanagement weitestgehend ein unterstützendes Managementinstrument dar, welches aber wissenschaftlich begleitet und dokumentiert wird. 2. Projektmanagement der Pilotprojekte: Im Mittelpunkt des Forschungsdesigns steht die Methode der anwendungsbezogenen Aktions- und Erkenntnisforschung – daher ist das Projekt schon in der zweijährigen Vorlaufphase (2005-2007) über die drei Pilotprojekte stark von der Umsetzungsorientierung geprägt. Die Pilotprojekte dienen zum einen der Exploration der lokalen und regionalen Bedingungen im Iran und führen zum anderen schrittweise zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien in den New Towns. Die parallele Entwicklung von vorwiegend auf die Baukonstruktion bezogenen Pilotprojekten zur Erstellung von modellhaften Gebäuden mit dem Fokus auf Erdbebensicherheit, Energieoptimierung und Konstruktionsmethoden sowie auf die planerische Entwicklung eines 35 ha großen Quartiers in einer New Town unterstützt diesen mehrdimensionalen Ansatz. Das Projektmanagement unterstützt die Planung und den Bau der Gebäude durch professionelles BauProjekt-Management. 3. Projektmanagement von New Towns: Die Erfahrungen, die auf diesen beiden Ebenen des Projektmanagements gesammelt werden, werden systematisch dokumentiert, aufbereitet und schrittweise weiterentwickelt und sollen schließlich in die Projektmanagementstrukturen für die Planung und den Bau ganzer New Towns einfließen. Ein wesentliches Instrument stellt dabei das Analytical Grid dar, in das die gewonnenen Erkenntnisse sukzessive eingespeist, um systematisiert und schließlich mit anderen Referenzprojekten verglichen zu werden. Damit soll die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auch im internationalen Maßstab gewährleistet werden.
5.1.2 Projektentwicklung – Projektmanagement – Leitfragen Die Entwicklung des Forschungsprojektes und der forschungsleitenden Fragestellungen erfolgte ab dem Frühling 2004, nachdem die lokalen Rahmenbedingungen und Problemlagen im Dialog mit den iranischen Partnern identifiziert wurden. Auf der strukturellen Ebene wurden parallel dazu in der Entwicklungsphase des bilateralen Forschungsprojekts die Arbeits- und Kommunikationsstrukturen definiert und ein provisorisches Projektmanagement aufgebaut.
5.1.2.1 Identifizierung der lokalen Rahmenbedingungen und Problemlagen Urbanisierungsprozesse im Iran In den vergangenen Jahrzehnten hat der Anteil der Bewohner städtischer Agglomerationen so stark zugenommen (und wird dies weiter anhaltend tun), dass man heute vom 21. Jahrhundert
5.1 Forschung für die nachhaltige Entwicklung
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als dem „Jahrtausend der Städte“ spricht. Diese „Umschichtung der Menschheit“5 zeichnet sich vor allem durch ihre ungeheure Dynamik aus; lebt heute knapp die Hälfte der Menschheit in Städten, werden es im Jahr 2030 schon knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung sein.6 Analog zu den globalen Trends unterliegt auch der Iran massiven Urbanisierungsprozessen. 1956 lebten 31,4 % der Bevölkerung in städtischen Räumen, während es 40 Jahre später schon 61,3 % der Gesamtbevölkerung waren.7 Die Hauptgründe für diese massiven Verstädterungsprozesse liegen zum einen in einer starken Land-Stadt-Migration, die vor allem durch fehlende Arbeitsund Ausbildungsmöglichkeiten und schlechte Lebensverhältnisse der ländlichen Regionen ausgelöst wird, und zum anderen in der – eingangs des Artikels bereits skizzierten – demographischen Entwicklung. Auch zukünftig ist von einer weiteren, starken Verstädterung auszugehen: es wird geschätzt, dass sich die Bevölkerungszahl der in städtischen Agglomerationen lebenden Menschen im Iran von 48 Millionen Menschen im Jahr 2005 auf 75 Millionen Menschen im Jahr 2030 erhöhen wird.8 Neue Anforderungen für den Wohnungsmarkt Der Wohnungsmarkt des Iran ist – und wird auch zukünftig – von einem starken Wohnraummangel gekennzeichnet. Aufbauend auf einem strukturellen Mangel an Wohnraum seit den sechziger Jahren (schon 1966 gab es ein Defizit von über 650.000 Wohnungen) hat sich der Druck auf dem Wohnungsmarkt durch die demographische Entwicklung nach der islamischen Revolution 1979 und in Folge der Land-Stadt-Migration noch verstärkt.9 Zudem wurde aufgrund des Iran-IrakKrieges in den achtziger Jahren von öffentlicher Hand kaum in den Wohnungsneubau und die Wohnraummodernisierung investiert. Dazu kommen weitere Ursachen der Defizite der Wohnraumversorgung: Aufgrund der schlechten Qualität der vorhandenen Gebäude im baukonstruktiven Bereich und in der Bauausführung haben die Wohngebäude eine niedrige Lebenserwartung. Zudem besteht auch durch die eminente Erdbebengefahr im Iran ein hoher Erneuerungsbedarf des Wohnungsbestands. Schließlich hat sich die Nachfrage auf dem Markt aufgrund sich ändernder Familien- und Wohnstrukturen verschoben. Durch den Rückgang der durchschnittlichen Haushaltsgröße ist in den letzen Jahren die Nachfrage nach kleineren Wohnungen gestiegen. In der Folge ist ein struktureller Mangel an Wohnraum vor allem bei den sozial schwachen Gruppen entstanden, der besonders die urbanen Agglomerationsräume betrifft. In den nächsten 15 Jahren müssen jährlich geschätzte 800.000 Wohneinheiten fertig gestellt werden. Dabei muss neben der Verbesserung der baukonstruktiven Qualität der Gebäude vor allem ein angemessenes Wohnungsangebot für stark differierende Nachfragergruppen mit einem hohen Anteil junger Menschen geschaffen werden. Deshalb muss die Errichtung von Gebäudetypen Priorität haben, die mit flexiblen Grundrissen, generationengerechter Erschließung erschlossen werden und einer möglichst hohen Flexibilität hinsichtlich absehbarer demographischer Veränderungen im Iran ausgestaltet sind.
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Bundesministerium für Bildung und Forschung, Die urbane Wende: Forschung für die nachhaltige Entwicklung der Megastädte von morgen, Hintergrundpapier, Berlin, 2004, S. 3 United Nations, Economics and Social Affairs, World Urbanization Prospects - The 2003 Revision., New York, 2004, S. 1 Atash, Fahrad, New towns and future urbansisation in Iran, in: Third World Planning Review,22/2000, 69 ff. United Nations, Economics and Social Affairs, World Urbanization Prospects - The 2003 Revision, New York, 2004, S. 43 Azimi, Nooreddin, Recent urban housing change in Iran, A case study of Rasht, Guilan Province, nicht veröffentlicht, Guilan, 2004
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5 Herausforderungen im Ausland Die „Megacity Region“ Teheran-Karaj
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Das massive Bevölkerungswachstum des Iran, gekoppelt mit einer starken Migration in die städtischen Ballungsräume, hat zu urbanen Entwicklungen geführt, die den ökologischen, ökonomischen und sozialen Prinzipien der Nachhaltigkeit entgegenlaufen. Das liegt auch darin begründet, dass sich die Siedlungsstruktur im Iran aufgrund des ariden und semiariden Klimas und der hohen Erdbebengefahr stark nach den klimatischen und geologischen Rahmenbedingungen und den vorhandenen natürlichen Ressourcen richtet und sich damit auf einige Regionen, wie beispielsweise den Siedlungsraum Teheran-Karaj, konzentriert. Die Stadt Karaj, die westlich Teherans liegt, ist die am schnellsten wachsende Stadt im Iran (Karaj hatte im Jahr 1950 noch etwas 7.000 Einwohner, im Jahr 2005 waren es 1,23 Millionen) und ist siedlungsstrukturell, funktional und ökonomisch zunehmend mit der Megastadt Teheran verwoben. Das schnelle Bevölkerungswachstum und die Siedlungsentwicklung in der Metropolregion Teheran-Karaj hat in dieser urbanen Agglomeration zu ökologischen und sozialen Defiziten geführt, die symptomatisch für die Problemlagen schnell wachsender Megastädte sind und die hier kurz angerissen werden sollen. Die mit der Siedlungsentwicklung einhergehende Verkehrsentwicklung und der hohe Anteil des motorisierten Individualverkehrs an der Gesamtverkehrsleistung, gekoppelt mit einem nur unzureichend ausgebildeten System des öffentlichen Nahverkehrs, haben im Raum Teheran zu eminenten Problemen im Bereich der Mobilität geführt. Täglich schieben sich fast zwei Millionen PKWs durch die Stadt, mit der Folge eines völligen Verkehrskollapses: so liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit von Fahrten in Teheran bei 18 km/h.10 Ein weiterer negativer Effekt ist die starke Belastung mit Emissionen, die, verstärkt durch den Schadstoffausstoß der Industrien, essentiell durch die Kessellage Teherans am Fuße des Elburz-Gebirges verstärkt wird. Die fehlende natürliche Ventilation und die Höhenlage der Stadt haben zu einer starken Smogbildung geführt. Ein weiteres ökologisches Defizit ist die unzureichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen, die innerhalb Teherans und der anderen wachsenden Städte aufgrund von baulicher Nachverdichtung zunehmend versiegelt werden. Im Hinterland dieser Städte werden durch den ungezügelten „Urban Sprawl“ zudem landwirtschaftliche Flächen und fruchtbarer Boden dezimiert. In der sozialen Dimension hat der Zuzug von armen, bildungsschwachen Migranten aus den ländlichen Räumen Irans zu einer sozialen Polarisierung Teherans geführt, die ihren räumlichen Niederschlag in der starken Nord-Süd-Trennung der Stadt findet. Die Steuerungsverluste der Stadtpolitik haben zu einer Ausbreitung von informellen Siedlungen in der Region geführt; das Resultat dieses ungezügelten Bevölkerungs- und Siedlungswachstums ist eine Überforderung sozialer und technischer Infrastrukturen. Das iranische New Towns-Programm Das iranische New Towns-Programm ist eine Reaktion auf die oben skizzierten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Das New Towns-Programm wurde Mitte der siebziger Jahre von der iranischen Regierung initiiert, um den Siedlungsdruck, der auf die großen iranischen Städte einwirkte, zu minimieren, Bevölkerung zu dezentralisieren und eine räumlich ausgeglichene ökonomische Entwicklung zu fördern. Der Fokus lag dabei zunächst klar auf der räumlichen und funktionalen Entlastung der Hauptstadt Teheran. Die Realisierung dieser nationalen Raumentwicklungsstrategie wurde aber aufgrund des Iran-Irak-Krieges zurückgestellt. Die New Towns, deren Bau in dieser ersten Phase ab Mitte der siebziger Jahre aufgenommen worden war, konnten aufgrund der fehlenden Finanzierung nicht fertig gestellt werden. Erst im Jahr 1985 wurde die nationale New Towns-Strategie wieder aufgelegt, diesmal aber räumlich breiter über den gesamten Iran gestreut. 10
Madanipour, Ali, Tehran, The Making of a Metropolis, Chichester, 1998, S. 128
5.1 Forschung für die nachhaltige Entwicklung Im gleichen Jahr wurde die Errichtung von zwölf neuen Städten in der Nähe der größten Städte Irans beschlossen; 1989 wurde die NTDC als staatliche Entwicklungsagentur durch das Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung eingesetzt. Bis zum Jahr 1994 wurde die Zahl der zu bauenden New Towns auf insgesamt 26 erhöht; in diesen 26 New Towns sollen zukünftig insgesamt über 4,65 Millionen Einwohner leben. Zwanzig dieser New Towns sind im Moment in der Bauphase, bisher konnte aber keine der neuen Städte fertig gestellt werden. Dies stellt eines der essentiellen Probleme der Umsetzung des Programms dar, da durch die lange Dauer der Implementation der Projekte und des Baus der New Towns eine nur geringe Bevölkerungsentwicklung in diesen Städten stattfindet; nach einer Programmlaufdauer von über 20 Jahren leben lediglich 350.000 Menschen in den neuen Städten Irans, das sind etwa 7,5 % der avisierten Zielgröße.11 Damit können die New Towns ihrer wesentlichen Funktion – der Entlastung der Metropolen – nicht nachkommen. Als wesentlicher Grund werden dabei Attraktivitätsprobleme wie das unzureichende Angebot von Wohnungsgrößen und -zuschnitten für die unterschiedlichen Nutzergruppen und die fehlenden Arbeitsplatzangebote identifiziert. Zudem zeichnet sich eine Vielzahl der iranischen New Towns durch gesichtslosen Städtebau aus, der Architektur mangelt es oftmals an lokaler Identität. Die Attraktivität der New Towns wird zudem oftmals durch die nicht ausreichende Versorgung der Städte mit sozialen und technischen Infrastruktureinrichtungen beschnitten. Ein zentrales Problem vieler iranischer New Towns ist die fehlende ökonomische Selbständigkeit der Städte, die durch selbsttragende regionale Wirtschaftskreisläufe geschaffen werden könnte. Dies ist auch in der fehlenden Einbindung der New Towns in eine abgestimmte und integrierte, nationale und regionale Raumordnungspolitik begründet. Gerade diese Abstimmung zwischen New Towns und den be- und entstehenden Megastädten wäre zentral, um eine Bevölkerungsumverteilung und eine ausgeglichen ökonomische Entwicklung zu erreichen und damit eine gezielte Entlastung der Megastädte zu ermöglichen. Aus der Identifizierung dieser Rahmenbedingungen und Problemlagen ergeben sich die forschungsleitenden Fragen des Gesamtprojektes „Young Cities – New Towns in Iran“: 1. Stellen New Towns eine zeitgemäße Entlastungsstrategie für schnell wachsende Megastädte dar? 2. Unter welchen Voraussetzungen können New Towns die Megastädte von morgen tatsächlich entlasten? 3. Welche Risiken und welche Chancen haben Megastädte im Verhältnis zu New Towns?
5.1.2.2 Projektmanagement in der Projektentwicklung Der Kontakt zu den iranischen Partnern wurde über die TU-Alumna Dr.-Ing. Tayebeh Parhizkar, die bereits seit vielen Jahren eine intensive Zusammenarbeit mit dem Institut für Bauingenieurwesen der TU Berlin betreibt, hergestellt. Nach intensivem Erfahrungsaustausch mit Frau Dr. Parhizkar auf einer DAAD-geförderten Sommerschule im Juni 2003 wurde vereinbart, mehrere bilaterale Workshops im Rahmen einer systematischen Kooperation zum Thema „Industrielles Bauen“ zu initiieren. Bei der inhaltlichen Strukturierung dieser Workshops wurde aber auch deutlich, in welch engem Zusammenhang die Bautechnologie und die Stadtentwicklung aufgrund der besonderen New Towns-Problematik im Iran stehen. Noch im Rahmen der Sommerschule wurde der Beschluss zu einer wissenschaftlichen Kooperation in diesem Themenfeld gefällt, gemeinsam ein „Plan of Operation“ erarbeitet und dieser sowohl von Frau Dr. Parhizkar als auch von Vertretern der beiden TU-Fakultäten VI und VII unterzeichnet. Aufgrund der guten Kooperation mit dem BHRC beschlossen die beteiligten Fachgebiete der TU Berlin, das gemeinsame Projekt in 11
Madanipour, Ali, New Towns in Iran: Planning, Development, Appraisal, Vortrag an der TU Berlin, 31.01.2006
269
5
270
5 Herausforderungen im Ausland das im Frühjahr 2004 aufgelegte Forschungsprogramm des Bundesministeriums einzubringen. In der Folge wurde in der Phase der Antragstellung die „Megacities of Tomorrow“-Arbeitsgruppe und ein zentrales Projektmanagement eingerichtet. Die Aufgabe des Projektmanagements in der Entwicklungsphase bestand vor allem in der Abstimmung der zu bearbeitenden Inhalte mit den beteiligten iranischen Partnern, in der zeitlichen und inhaltlichen Strukturierung der Entwicklungsphase (siehe Abbildung 5.4 und 5.5) sowie im Aufbau von langfristigen Arbeits- und Kommunikationsstrukturen. Diese Strukturen wurden mit der Förderung des Ministeriums ab dem Juli 2005 in die oben skizzierten Projektstrukturen überführt.
5
Abbildung 5.4: Projektmanagement in der Projektentwicklungsphase: Prozessdiagramm, Quelle: Prof. B. Kochendörfer, FG Bauwirtschaft und Baubetrieb, TU Berlin, 2004
Abbildung 5.5: Projektmanagement in der Projektentwicklungsphase: Meilensteinplan, Quelle: Prof. B. Kochendörfer, FG Bauwirtschaft und Baubetrieb, TU Berlin, 2004
5.1 Forschung für die nachhaltige Entwicklung
271
5.1.3 Schlussfolgerungen Die Initialphase des Forschungsprojektes „Young Cities – New Towns in Iran“ dient der Findung und Kommunikation der Forschungsfragen, der Methoden, der anzustrebenden Ergebnisse und des Projektdesigns zwischen allen beteiligten Partnern. Ohne ein umfassendes Projektmanagement kann diese Phase nicht gelingen, die Folge wäre ein Scheitern der Fortführung des Projektes. Im Sinne des „perspektivischen Inkrementalismus“ sind dabei die unterschiedlichen Ebenen des Projektes zu koordinieren: diese Ebenen managen sich selbst, sie bekommen ein Eigengewicht und bleiben – verbunden über das Analytical Grid und die Forschungsleitfragen – konstitutive Bestandteile des gesamten Projektes. Die methodischen Ansätze in den einzelnen Bestandteilen des Projektes sind nicht neu, der Innovationsgehalt liegt in ihrer Kombination und der interkulturellen Verständigung, die zwischen zwei sehr verschiedenen Kulturkreisen stattfindet. Ausdruck dieser Verständigungsprozesse ist nicht zuletzt die Erarbeitung von Dissertationen im weiteren Kontext des Forschungsfeldes, erarbeitet von iranischen Partnern, betreut von den Partnern der TU Berlin. Zusammengefasst können als die zentralen Herausforderungen des „Young Cities“-Projektes an das Projektmanagement die folgenden Aspekte formuliert werden: 1. Die starke Orientierung des Projektes auf Anwendungsbezogenheit im Sinne von Aktionsforschung durch die Implementation von drei Pilotprojekten mit einer Formulierung und Umsetzung von Handlungsempfehlungen: Die Pilotprojekte werden in Abschnitten als Verbundprojekt mit der Privatwirtschaft wie beispielsweise mit Unternehmen der Bauindustrie und dem Berufsförderwerk des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg e.V. durchgeführt. Hier verknüpfen sich vor allem die zwei Dimensionen des Projektmanagements, die auf das interne Management und das Management der Pilotprojekte orientiert sind. 2. Die Integration unterschiedlicher Disziplinen, mit dem Ziel, eine nachhaltige Entwicklung der New Towns zu erreiche: Dies erfordert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen, die auch weite Bereiche einschließen, die über die iranischen Partner und deren Organisationsstruktur nicht abgebildet sind, so etwa im Bereich Wasserwirtschaft, Landschaftsschutz oder Umweltökonomie; die daraus resultierenden komplexen Probleme umsetzungsorientiert zu lösen, ist auch Aufgabe eines konsequenten, auf Anwendungsorientierung und Verständigung setzenden Projektmanagements. Hier verknüpfen sich alle drei Dimensionen des Projektmanagements. 3. Der interkulturelle Dialog von Partnern mit stark unterschiedlichen Erfahrungshintergründen, verbunden mit der Erwartung an eine umsetzungsorientierte Bearbeitung, die zugleich sichtbare Ergebnisse vor Ort schafft und Erkenntnisse in der Forschungsthematik produziert. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den Partnern vor Ort, die nicht zuletzt über zahlreiche face-to-face-Kontakte bei Reisen beider Partner jeweils in das Partnerland hergestellt wird. Darüber hinaus kommt im Rahmen des Projektes das internetbasierte Dialogwerkzeug Proman zum Einsatz. Transdisziplinäre, internationale Verbundprojekte verlangen aufgrund der hohen Komplexität (Forschungsgegenstand New Town) ein professionelles Projektmanagement in der Projektentwicklungsphase wie auch in der Umsetzungsphase. Daraus resultiert der Bedarf an Forschung zu der Thematik. Die Forschungslücken liegen dabei vor allem in der strategischen Verknüpfung der drei Dimensionen sowie in der Frage der Übertragbarkeit, zumindest deren Anwendbarkeit in thematisch vergleichbaren Bereichen, kulturell aber stark unterschiedlichen Ländern.
5
272
5 Herausforderungen im Ausland
5.1.4 Literatur Atash, Fahrad, New towns and future urbansisation in Iran, in: Third World Planning Review, No. 22, 2000, S.67-86 Azimi, Nooreddin, Recent urban housing change in Iran, A case study of Rasht, Guilan Province, nicht veröffentlicht, Guilan, 2004 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Die urbane Wende: Forschung für die nachhaltige Entwicklung der Megastädte von morgen, Hintergrundpapier, Berlin, 2004 Gotsch, Peter und Peterek, Michael, Neue Städte im Süden. Urbane Modelle für das 21. Jahrhundert?, in: Trialog, Zeitschrift für das Planen und Bauen in der Dritten Welt, Darmstadt, 2002, S. 42-47 Madanipour, Ali, Tehran, The Making of a Metropolis, Chichester, 1998 United Nations, Economics and Social Affairs, World Urbanization Prospects - The 2003 Revision, New York, 2004
5 5.2 Immobilieninvestitionen in Russland/der Ablauf von der Idee bis zur Realisierung bearbeitet von Dr.-Ing. Jens H. Liebchen und Nancy Krenkel
5.2.1 Einleitung Zweistellige Anfangsrenditen sind der Grund, weshalb Immobilieninvestitionen in Russlands Großstädten zur Zeit attraktiv sind. Die Nachfrage nach hochwertigen Wohnungen und Ein/Zweifamilienhäusern ist ungebremst vorhanden, gleiches gilt für Büroflächen und Mittelklassehotels. Die Nachfrage stützt sich auf ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum und eine stabile Binnennachfrage. Hinzu treten Gesetzesnovellierungen, die Investitionen in Russland erleichtern sollen. Investoren verlieren hierdurch langsam die Angst, Kapital aufgrund einer vermeintlich unsicheren Rechtslage abschreiben zu müssen. Einige deutsche Großunternehmen aus dem Bereich „cash & carry“ und „do it yourself“ haben sich bereits im russischen Markt etabliert und expandieren weiter. Diese Expansion erfolgte zunächst in Form von Solitärbauten an Hauptverkehrsstraßen. Der aktuelle Trend geht jedoch eindeutig zu Shopping Malls mit Größen von 120.000 bis 180.000 m2, in denen die Unternehmen als Ankermieter fungieren. Die Kunden erhalten hier ein Angebot das internationalem Standard entspricht. Neben dem Angebot, ist es vor allem die Unabhängigkeit von den Witterungseinflüssen und die ausreichende Anzahl von Parkplätzen, die die Besucher in die Malls zieht. Diese positive Entwicklung trifft vor allem auf die russischen Großstädte (Moskau, St. Petersburg, Nischni Nowgorod und Ekaterinburg) zu. Hiervon hebt sich Moskau hervor, da die Entwicklung in der Hauptstadt mit einem noch größeren Tempo voranschreitet. Ferner existieren für Moskau in einzelnen Bereichen, wie beispielsweise dem Städtebau, besondere Regelungen. Die Erfahrungen vieler deutscher Unternehmen aus dem Bau- und Dienstleistungssektor zeigen jedoch, dass der Zugang zu diesem attraktiven Markt nicht einfach ist. Die Abwicklung von Bauvorhaben ist mit einer großen Anzahl von Rechtsakten verbunden, die von ausländischen Unternehmen kaum zu beherrschen sind. Hinzu kommt, dass viele Leistungen, dazu gehören auch einzelne Beratungsleistungen rund um Immobilien, nur nach vorheriger staatlicher Zertifizierung erbracht werden dürfen.
273
5.2 Immobilieninvestitionen in Russland
Mrd. US Dollar
60
Quelle: Staatliches Komitee für Statistik
50 40 30 20 10 0 1995
1997
1999
gesamte ausländische Investitionen
2001
2003
2005
ausländische Direktinvestitionen
5 Abbildung 5.6: Ausländische Investitionen in der Russischen Föderation
5.5.2 Immobilienmarkt Der russische Immobilienmarkt konzentriert sich bis dato auf die 15 größten Städte Russlands. Grundsätzlich zeigt sich hierbei ein deutliches Ost-West-Gefälle. So liegen die beiden größten Städte, Moskau und St. Petersburg, mit deutlichem Abstand an der Spitze, was Miet- und Kaufpreise angeht. Als Besonderheit ist hervorzuheben, dass es in Moskau bis zum Jahr 2000 kein Grundstückseigentum gab. Grundstücke wurden bis dahin im Sinne einer Erbpacht (Zeitfenster 50 Jahre) von der Stadt Moskau zur Verfügung gestellt. Die geänderte föderale Gesetzgebung sieht nun auch Grundstückseigentum vor. Der Erwerb erfolgt über Versteigerungen oder Wettbewerbe. Die Geschwindigkeit der „Privatisierung“ zeigt jedoch, dass ein Großteil der Grundstücke im Besitz der Stadt Moskau verbleiben wird. Von der Stadt Moskau wurde ein städtebauliches Programm (Generalplan) mit dem Zeithorizont 2020 verabschiedet. Das Programm sieht eine umfassende städtebauliche Umstrukturierung vor. Ein Hauptziel besteht darin, das historische Zentrum verkehrstechnisch zu entlasten und damit auch ökologischen Aspekten mehr Bedeutung zu geben. Durch Rekonstruktion, Abbruch oder Verlagerung von Industrieobjekten, die teilweise in guten Innenstadtlagen angesiedelt sind, sollen freie Flächen für neue Immobilienprojekte geschaffen werden.12 Aufgrund der historischen Entwicklung ist die Stadt Moskau der zentrale Marktteilnehmer. Sie besitzt und verwaltet große Immobilienbestände, die weiter entwickelt werden müssen. Hierbei findet zunehmend eine Zusammenarbeit mit privaten Investoren über einen sog. Investitionsvertrag statt. Der Vertrag garantiert der Stadt die Rekonstruktion, bzw. den Neubau von Immobilien ohne Belastung des Hauhaltsbudgets. Der Investor erhält ein Teileigentumsrecht, das individualvertraglich regelt, über welche Flächenanteile er an der Immobilie verfügen kann. Die übliche Bandbreite reicht von 50 % bis 70 % und gilt auch für Neubauten.13 D. h., die Stadt erhält einen Anteil an der neu errichteten Immobilie. Da dieser Umstand für viele Investoren 12 13
Vgl. Golovine (2006), S. 26 Vgl. Kuschenko (2005), S. 295 f, zitiert in Golovine (2006), S. 27
274
5 Herausforderungen im Ausland nicht akzeptabel ist, kommt es in der Regel zu Kompensationsgeschäften in Form von Neubauten an anderer Stelle. Wie Eingangs erwähnt, übersteigt die Nachfrage das Angebot in allen Bereichen des Immobilienmarktes. Im Wohnungsbau liegt der Preis bei einem durchschnittlichen Ausstattungsstandard und mittlerer Lagequalität in der Stadt Moskau bei 3.000 USD/m2 - am Stadtrand ca. 1.500 USD/m2. Für Toplagen und entsprechender Wohnungsgröße sind bis zu 10.000 USD/m2 zu bezahlen (vgl. a. Abbildung 5.7). Aufgrund der geringen Freiflächen in Moskaus Innenstadt und dem großen Nachholbedarf ist mittelfristig mit diesen Zahlen zu rechnen. Optimisten kalkulieren sogar mit zweistelligen Preissteigerungsraten.
5
Büroimmobilien werden als Mietobjekte nach internationalem Standard seit 2003 entwickelt. Aufgrund der fehlenden repräsentativen Flächen wurden diese vorher hauptsächlich zur eigenen Nutzung und nicht mit der Zielstellung einer Vermietung gebaut. Ferner lagen die Investitionsschwerpunkte bei Wohn- und Handelsimmobilien.14 Wie die Abbildung 5.8 zeigt, sind insbesondere in den russischen Großstädten hochwertige Büroflächen bisher noch nicht vorhanden. Da diese Städte eine zeitversetzte Entwicklung zur Hauptstadt Moskau vollziehen, wird die bestehende Nachfrage langfristig anhalten. Untersuchungen von internationalen Maklerunternehmen zeigen hier eine gleichgewichtete Nachfrage nach A und B Flächen.
Abbildung 5.7: Preisentwicklung von Wohnungen in Moskau mit hohem Ausstattungsstandard in guter Lage 15
Die Preisniveaus für Büroflächen liegen deutlich über denen deutscher Großstädte (vgl. Abbildung 5.9) und lassen sich vielmehr mit denen europäischer Metropolen, wie Paris und London vergleichen. In diesen ist die Nachfrage jedoch bei weitem nicht mehr so groß wie in den russischen Großstädten. Wenn die Entwicklung im Immobilienmarkt und die unweigerlich eintretende Sättigung der Nachfrage jedoch in der gleichen Geschwindigkeit voranschreitet wie die freie Marktwirtschaft seit Anfang der 90er Jahre, werden internationale Investoren die beschriebenen Randbedingungen, die sich in Westeuropa aktuell nicht finden lassen, vermutlich nur noch mittelfristig vorfinden.
14 15
Vgl. Knight Frank (2006) Swiss Reality Group (2005)
5.2 Immobilieninvestitionen in Russland
Abbildung 5.8: Angebotsstruktur Büroflächen 2005 16
Abbildung 5.9: Mietpreise russischer Großstädte in USD/m2,a 17
5.2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen Für ausländische Investoren sind die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen kaum zu beherrschen. Das liegt zum einen an der Vielzahl der Gesetze, Verordnungen und Richtlinien. Zum anderen an der Dynamik, mit der diese modifiziert werden. Das ist auch der Grund, weshalb Investoren nicht ohne eine kompetente Rechtsberatung auf dem russischen Markt agieren können. Vor diesem Hintergrund erleichtern Joint Ventures mit russischen Unternehmen den Markteintritt.
16 17
Knight Frank (2006) Knight Frank (2006)
275
5
276
5 Herausforderungen im Ausland Neben der Verfassung und dem Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation finden sich auf föderaler und regionaler Ebene Gesetze und Verordnungen, die die Bau- und Investitionstätigkeiten im Zusammenhang mit Immobilienprojekten regeln. Ferner existieren – analog zu Deutschland – Regelungen hinsichtlich des Städtebaus sowie der Tätigkeit des Architekten und der Ingenieure. Hervorzuheben sind die SNiP-Vorschriften, die allgemeine und spezielle Regeln für die Organisation des Baubetriebs, die Objektplanung und die Ausführung von Bauleistungen umfassen. Sie sind mit den deutschen DIN-Normen vergleichbar, haben aber im rechtlichen Sinne eine größere Tragweite.
5
Entscheidend ist, dass Tätigkeiten im Planungs- und Baubereich nur mit einer Lizenz ausgeübt werden dürfen. Diese Lizenz wird von einer staatlichen Stelle (Gosstroj) vergeben, die prüft, ob der Antragsteller – das Unternehmen – über die ausreichende Kompetenz verfügt und steuerrechtlich angemeldet ist. Die Anforderungen stellen für Unternehmen i. d. R. kein Hindernis dar. Zu berücksichtigen ist lediglich der Zeitraum, den das Lizenzierungsverfahren in Anspruch nimmt. Die Tätigkeit des Architekten, bzw. der Planer ist im Gesetz über „Architektentätigkeit in der Russischen Föderation“ vom 07.11.1995 geregelt. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens ist der architektonische Entwurf elementarer Bestanteil des „architektonischen Teils der Planungsunterlagen für die Errichtung eines Bauwerks …“18. Die Inhalte und die Anforderungen an die Planungsunterlagen sind in den Vorschriften über „einheitliche Regelungen zur Ausführung der Vorplanungs- und Planungsarbeiten bei Bauprojekten der Stadt Moskau“ vom 11.04.2000 festgelegt. Darüber hinaus finden sich weitere Vorgaben hinsichtlich der Planungsdokumentation im Städtebaugesetzbuch der Russischen Föderation und im Gesetz über die „Regelungen zur Vorbereitung und Erhalt der Genehmigung für die Errichtung und Rekonstruktion der städtebaulichen Objekte in Moskau“ vom 09.07.2003. 19 Abschließend sei hierzu angemerkt, dass die Unterlagen, die Bestandteil der Genehmigungsplanung sind – die russische Bezeichnung hierfür ist Planungsdokumentation – wesentlich detaillierter auszuarbeiten sind, als in Deutschland (vgl. hierzu die folgenden Kapitel).
5.2.4 Ablauf der Projektentwicklung 5.2.4.1 Ablauf und Inhalt der Vorplanungsphase Aufgrund der Gesetze und Verordnungen der Russischen Föderation und der Stadt Moskau gliedert sich die Planungsphase eines Bauvorhabens i. d. R. in drei Phasen: • die Planung der Investitionstätigkeit bis zur Entscheidung über den Bau oder die Rekonstruktion eines Immobilienobjektes; • die Investitionsbegründung und • die Planungsdokumentation bis zur Erteilung der Baugenehmigung (vgl. Abschnitt 5.2.4.2) Ausgangpunkt der Projektentwicklung ist die Definition des Investitionszieles. Ferner werden Anforderungen an die Lage und Funktionalität des Immobilenobjektes bestimmt, Markt- und Standortanalysen erarbeitet und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in Abhängigkeit der Finanzierungsmöglichkeiten vorgenommen, um die Investitionsmöglichkeit bewerten zu können. 18
19
Vgl. Föderales Gesetz über „Architektentätigkeiten in der Russischen Föderation“ zitiert in Golovine (2006), S. 43 Vgl. Golovine (2006), 44f
5.2 Immobilieninvestitionen in Russland Anhand der Entscheidungsunterlagen der Investition stellt der Investor einen Antrag auf Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit auf einem vorhandenen oder noch zu eruierenden Grundstück und der Errichtung eines Immobilienobjektes zum Zwecke der beschriebenen unternehmerischen Tätigkeit bei der Präfektur des zuständigen Bezirkes der Stadt Moskau. Der Antrag soll folgende Unterlagen umfassen: 20 • allgemeine Information über den Bauherrn (Investor), Angaben zur Registrierung; • voraussichtliche rechtliche Form der Eigentums- und Grundstückverhältnisse; • funktionelle Hauptbestimmung des Objektes; • technische Hauptcharakteristiken des zukünftigen Objektes; • voraussichtlicher Bedarf an Boden-, Material-, Wasser-, Energie-, Arbeits- und anderen Ressourcen; • mögliche Umwelteinwirkungen (radioaktive und ökologische Sicherheit); • voraussichtliche Fristen für Realisierung des Investitionsprojektes; • Nachweis der Lizenz auf die Erfüllung der Bauherrenfunktionen. Da ein Großteil der Liegenschaften der Stadt selbst gehören, kann der Antrag auch ohne vorhandenes Grundstück gestellt werden. Im Anschluss der Genehmigung der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit werden dann Grundstücke in der gewünschten Lage mit den für das Projekt notwendigen Nutzungsbedingungen gesichtet und mittels Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung oder Antrag auf Überlassung der Rechte auf das Grundstück von der Stadt Moskau gepachtet oder gekauft. Auf der Grundlage der Genehmigung der unternehmerischen Tätigkeit an einem nunmehr vorhandenen Grundstück erfolgt die Bearbeitung der „Ausgangs- und Erlaubnisdokumentation“ 21 durch Moskomarchitektur – dem Moskauer Stadtkomitee für Architektur und Städtebau. Die Ausgangs- und Erlaubnisdokumentation definiert die Anforderungen an die Grundstücksnutzung und beinhaltet somit: 22 • grundlegende Anforderungen und Empfehlungen zur Lage, sowie Raum- und Grundrisslösungen des Objektes; • die Grenzen des Grundstücks und technisch-wirtschaftliche Kennwerte des Objektes, an denen man sich orientieren soll; • zusammengefasste Empfehlungen und Anforderungen der zustimmenden Organisationen bei der Planung und der Baurealisierung; • ökologische Anforderungen aufgrund der Objektlage, seiner funktionalen Bestimmung, den Betriebsbedingungen und Einwirkungen auf die Umwelt; • technische Bedingungen für den Anschluss des Objektes an das Ver- und Entsorgungsnetz. Zur Erstellung der Erlaubnisdokumentation muss der Bauherr folgende Unterlagen einreichen: 23 • eine standardisierte Aufforderung zur Vorbereitung der Ausgangs- und Erlaubnisdokumentation; • Dokumente, die eventuell vorhandene Rechte auf das Grundstück bestätigen; 20
21
22
23
Vgl. Gesetz der Stadt Moskau „Über die Regelungen zur Vorbereitung und Erhalt der Genehmigung für Errichtung und Rekonstruktion der städtebaulichen Objekte in Moskau“ vom 09.07.2003, Art. 13 Abs. 1. Vgl. Vorschrift „Über die einheitliche Regelung zur Ausführung der Vorplanungs- und Planungsarbeiten bei Bauprojekten in der Stadt Moskau“ vom 11.04.2000, § 2 Art. 1 Abs. 3.2 Vgl. Vorschrift „Über die einheitliche Regelung zur Ausführung der Vorplanungs- und Planungsarbeiten bei Bauprojekten in der Stadt Moskau“ vom 11.04.2000, § 2 Art. 1 Abs. 3.1. Vgl. Vorschrift „Über einheitliche Regelung zur Ausführung der Vorplanungs- und Planungsarbeiten bei Bauprojekten in der Stadt Moskau“ vom 11.04.2000, § 2 Art 1 Abs. 3.3.
277
5
278
5 Herausforderungen im Ausland • eine Lizenz für Erfüllung der Bauherrenfunktionen im Rahmen der Vorplanungsarbeiten; • und die genehmigte Dokumentation zum Umweltschutz (bei Industrieanlagen). Liegt für das Grundstück keine städtebauliche Dokumentation vor, muss der Bauherr innerhalb von zwei Wochen zusätzlich die Unterlagen der Vorplanung zur Begründung der Lage des Objektes einreichen. Während der Bearbeitung der Ausgangs- und Erlaubnisdokumentation fordert Moskomarchitektur alle notwendigen Gutachten der beteiligten staatlichen und städtischen Organe ab und präsentiert das Ergebnis der Ausgangs- und Erlaubnisdokumentation im „Akt der erlaubten Nutzung des Grundstücks“. Er beinhaltet 24:
5
• Lage des Grundstücks auf dem Lageplan des Bezirks; • Plan des Grundstücks in Maßstab 1:2000 oder 1:500 mit seinen Grenzen und Grenzen der benachbarten Grundstücken sowie die Lage des Objektes und vorhandenen Objekten auf den Grundstück; • festgesetzte Art der funktionalen, baulichen und landschaftlichen Grundstückbestimmung; • festgesetzte Bestimmung des Objektes mit zulässigen Höhen, Volumen und Flächen der Bebauung; • Anforderungen an die Sicherung, Änderung oder Begrenzung der Nutzung der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude, Anlagen und Grünanlagen; • Bedingungen für die Bauarbeiten außerhalb der Grundstücksgrenzen, die Bau- oder Rekonstruktionsarbeiten an Objekten der Verkehrs-, Versorgungs- und sozialen Infrastruktur vorsehen (falls notwendig); • Anforderungen an die Bearbeitung der Planungsunterlagen mit Angaben zur Beschaffung der Ausgangsdaten und Planungsbedingungen, zum architektonischen Entwurf, zur Verkehrsanbindung und Erschließung des Objektes, zur Sicherheit der Bevölkerung und des Territoriums, zum Umweltschutz, Denkmalschutz sowie zur Gestaltung und Begrünung des Territoriums; • Dienstbarkeiten, die gemäß der Gesetzgebung für das Grundstück festgesetzt sind; Anforderungen an die Sicherung der Rechte der Eigentümer der Immobilienobjekte, die in Zusammenhang mit dem Bauvorhaben Änderungen unterliegen; • Auflistung von Unterlagen und Dokumenten, anhand derer die Anforderungen an die erlaubte Grundstücksnutzung festgelegt wurden. Der gesamte Prozess der ersten Phase von der Investitionsentscheidung bis zur Aufstellung des Aktes über die erlaubte Grundstücksnutzung ist für den Fall eines vorhandenen Grundstücks in Abbildung 5.5 anhand eines Flussdiagramms beispielhaft dargestellt. Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen aus der Investitionsentscheidung und den Anforderungen aus dem Akt der erlaubten Nutzung des Grundstücks wird die Vorplanung erstellt. Die Planung von Bauvorhaben, die ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, müssen öffentlich ausgeschrieben werden. Bei privat finanzierten Immobilienprojekten können die Planungsleistungen auch ohne öffentliche Ausschreibung vergeben werden. Die beauftragten Planer benötigen eine Lizenz für die Ausführung dieser Arbeiten. Auch der Bauherr selbst kann die Planungsleistungen erbringen, wenn der die genannte Lizenz besitzt.
24
Inhalt des Aktes über erlaubte Grundstücksnutzung ist im Gesetz „Über die Regelungen zur Vorbereitung und Erhalt der Genehmigung für Errichtung und Rekonstruktion der städtebaulichen Objekte in Moskau“ vom 09.07.2003 festgelegt.
279
5.2 Immobilieninvestitionen in Russland
Grundstück ist vorhanden
1.1 Bestimmung und voraussichtliche Charakteristiken des Objektes 1.2 Angaben zum vorhandenen Grundstück
ja Bauherr (Investor )
Antrag auf Ausübung der Geschäftstätigkeit und Errichtung des Gebäudes
1.1 Gesetz „Über örtliche Selbstverwaltung in der RF“ 2.1 Baulagepläne
Organe örtlicher Selbstverwaltung Prüfung des Antrages
Organe örtlicher Selbstverwaltung Vorbereitung, Zustimmung und Vorliegen zur Genehmigung der Entscheidung über den Bau eines Immobilienobjektes
Bearbeitung der Ausgangs- und Erlaubnisdokumentation
Aufstellung des Aktes Über die erlaubte Grundstücknutzung
1.1 Städtebauliche Dokumentation oder Begründung der Objektlage 1.2 Anweisung vom Präfekten 1.3 Unterlagen von dem Bauherrn
Organ für Architektur u. Städtebau
Organ für Architektur u. Städtebau Ausschreibung und Vergabe der Vorplanungsleistungen
Abbildung 5.10: Bearbeitung der Entscheidung über den Bau eines Immobilienobjektes, falls ein Grundstück vorhanden ist 25
Ein besonders wichtiger Teil der Vorplanungsunterlagen ist die „Investitionsbegründung“. Sie bedarf für aus öffentlichen Mittel finanzierte Projekte und für technisch anspruchsvolle und/oder gefährdende Projekte – wie zum Beispiel der Bau eines Kernkraftwerkes – der Zustimmung und staatlicher Gutachten, welche für private Investoren entfallen. Möglicher Inhalt der Investitionsbegründung sind nach der „Anweisung zur Bearbeitung, Zustimmung, und Zusammensetzung der Investitionsbegründung von Bauprojekten“ vom 01.07.1995 folgende Punkte: 26 (1) Informationen zu den Ausgangsdaten der Investition wie • Investitionsziele; wirtschaftliche, soziale und kommerzielle Auswirkungen, die von den Aktivitäten des Vorhabens am vorgesehenen Ort erwartet werden; • Ergebnisse der technisch-wirtschaftlichen Bewertungen auf Grundlage der vorhandenen Unterlagen und Analysen sowie den Anforderungen und Bedingungen an das Bauvorhaben aus den vorhergehenden Beschlüssen; • Allgemeine Informationen des Investitionsobjektes und der Bedarf an geplanten Produkten oder Dienstleistungen. 25 26
Golowine (2006), S. 65 Vgl. Golovine (2006), Anhang 6, S. V ff
5
280
5 Herausforderungen im Ausland (2) Angaben zu geplanten Produkten und Produktionsleistungen
5
• Bewertung des gegenwärtigen Angebots und der Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen; • Sicherstellung der erforderlichen Qualität und Wettbewerbsfähigkeit; • Effizienz des Geschäftsfeldes und mögliche Perspektiven für die weitere Entwicklung; • Begründung der Vertriebspolitik anhand der Prognosen der Marktkonjunktur, Untersuchung der Nachfrage unter Berücksichtigung des Preisniveaus, der Inflation und der Marktaktivität; • Erarbeitung der Maßnahmen zur Stimulation des Vertriebes; • Umfang des jährlichen Absatzes; • Umfang der Produktion gemäß des prognostizierten Bedarfs und der optimalen Ausnutzung der Ressourcen und seine wichtigsten technischen, wirtschaftlichen und qualitativen Kennwerte; • Prognostizierte Produktionsleistung und deren Begründung ausgehend von der Analyse des zukünftigen Bedarfs und der Absatzmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Konkurrenz, der notwendigen Ressourcen, des Qualitätsniveaus und des Preises der Produkte; (3) Wichtige technologische Lösungen • Begründung der ausgewählten Produktionstechnologie anhand des Vergleiches von möglichen Alternativen technologischer Prozesse unter der Berücksichtigung der Wirtschaftseffizienz, der technischen Sicherheit, des Ressourceneinsatzes und des Risikoniveaus; • Beseitigung und Lagerung der Abfalls; • Produktionstechnologische Struktur und Bestand des Vorhabens. (4) Notwendige Ressourcen • jährlicher Bedarf an Ressourcen, wie Wasser, Energie, Halberzeugnisse, andere Einsatzfaktoren, angenommene Technologien und Ausstattung; • Analyse und Begründung der möglichen Quellen und Bedingungen der Beschaffung von Ressourcen, einschließlich möglicher Produktionskooperationen und Bewertung der Liefersicherheit; • Anforderungen an Qualität und Vorbereitung von Ressourcen; • Berechnung der jährlichen Aufwendungen für Beschaffung der Ressourcen. (5) Lage des künftigen Unternehmens • wichtigste Anforderungen an den Standort der Immobilie und Analyse und Bewertung der möglichen Alternativen; • Begründung des ausgewählten Ortes unter Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Situation der Region, des Vorhandenseins eines Marktes für den Vertrieb der Produkte, von Verkehrsanbindungen, Versorgungsleitungsnetzen und anderen Objekten der sozialen und Produktionsinfrastruktur sowie der Bedarf der Region an zusätzlichen Arbeitsplätzen; • Kurze Darstellung des ausgewählten Standortes und der wichtigsten Kriterien seiner Optimalität. (6) Wichtige bauliche Lösungen • • • •
prinzipielle konstruktive sowie Raum- und Grundrisslösungen; Wichtigste Parameter der technisch schwierigen Gebäude und Anlagen; Bedarf an Baumaterialien; Überlegungen zur Bauorganisation und Entscheidungen zur Energieeinsparung, Wasser- und Wärmeversorgung.
5.2 Immobilieninvestitionen in Russland
281
(7) Bewertung der Umwelteinwirkung gemäß der ökologischen Vorschriften. (8) Parameter der Personalplanung und sozialen Entwicklung • Bedarf an Personal mit der Berücksichtigung der Qualifikation der Arbeitskräfte; Vorschläge zur Organisation der Schulungen der Arbeitskräfte; • Analyse der alternativen Varianten zur Bereitstellung der Wohnmöglichkeiten für Mitarbeiter. (9) Informationen zur Investitionseffizienz • geschätzte Baukosten; • Präzisierung der möglichen Finanzierungsquellen und -bedingungen, die in früheren Stadien angenommen wurden; • Bestimmung der Selbstkosten der Produktion; • Prognose für Änderungen der wichtigsten Parameter innerhalb eines festgelegten Zeitraums, Investitionsklima; • Analyse der Tendenzen der Änderung der Rentabilität und Maßnahmen zur Minimierung des möglichen Verlustes, Risikobewertung der Investition; • Begründung der Auswahl der Zeiträume für die wirtschaftlichen Berechnungen. (10) Ergebnisse und Vorschläge • allgemeine Ergebnisse zur Notwendigkeit, zu den technischen Möglichkeiten und zu den kommerziellen, wirtschaftlichen und sozialen Zweckmäßigkeit der Investition in Bauvorhaben; • Vorschläge zur optimalen Durchführung der nachfolgenden Planungsarbeiten, Baurealisierung und des Betriebes des Objektes. Der Inhalt und Umfang der Investitionsbegründung wird durch das Projekt selbst bestimmt. D. h. nicht jeder der dargestellten Punkte muss in die Investitionsbegründung einfließen. Vielmehr ist es sinnvoll, sich auf die erforderlichen Informationen der geplanten Investition zu beschränken. Der positive Bescheid der Investitionsbegründung geht mit der Genehmigung der Grundstücksauswahl einher. Anschließend kann mit der Erarbeitung der Planungsdokumentation 27 begonnen werden.
5.2.4.2 Von Planungsdokumentation bis zur Baugenehmigung Grundlagen für die Erstellung der „Planungsdokumentation“ sind der Akt über die erlaubte Grundstücksnutzung und die genehmigte Investitionsbegründung (vgl. Abschnitt 5.2.4.1) sowie städtebauliche und technische Normen, die Ergebnisse der Vermessungsarbeiten, Boden- und Umweltgutachten und die Aufgabenstellung für die Planungsleistung, die die Anforderungen des Investors an das Objekt umfasst. Sie ist Ausgangspunkt der Planungsdokumentation und bedarf der Zustimmung des Bauherrn. Der gesamte Ablauf der Planungsdokumentationbis zur Genehmigung und dem Erhalt der Rechte auf das Grundstück ist in Abbildung 5.11 beispielhaft dargestellt. Die Anforderungen an die Planungsunterlagen sind in der Vorschrift „Über einheitliche Regelungen zur Ausführung der Vorplanungs- und Planungsarbeiten bei Bauprojekten in der Stadt Moskau“ vom 11.04.2000 definiert. Demnach muss die Planungsdokumentation folgende Informationen und Unterlagen beinhalten: 28 27 28
Planungsdokumentation entspricht der Phase der Genehmigungsplanung in Deutschland vgl. Golovine (2006): Anhang 7, S. VIII f
5
282
5 Herausforderungen im Ausland (1) Allgemeine Baubeschreibung (2) Generalplan und Verkehrswege • • • • • •
allgemeine Beschreibung Lageplan 1:2000 mit vorhandenen baulichen Anlagen und Erschließungsmöglichkeiten Generalplan 1:500 Plan mit Höhenlagen 1:500 und Berechnungen zur Bodenbewegung Plan für die Gestaltung und Begrünung des Territoriums 1:500 Plan für den Baustellentransport
(3) Architektonisch-bauliche Entscheidungen (Bauzeichnungen)
5
• • • • • •
allgemeine Beschreibung Grundrisse aller Geschosse 1:100 (1:50, 1:200) Fassaden und Schnitte 1:100 konstruktive Anschlüsse (bei ungewöhnlichen Anschlüssen) besonders wichtige tragende Elemente architektonische Beleuchtung (bei Objekten in zentralen Stadtteilen und in historischen Zonen der Stadt)
(4) Technologische Entscheidungen • allgemeine Beschreibung • Geschossgrundrisse mit Anordnung und Spezifikation der Ausstattung (5) Ingenieurbauwerke • allgemeine Beschreibung • Pläne und Schemata der Ingenieurbauwerke • Schemata der Anschlüsse (6) Versorgungsleitungen • allgemeine Beschreibung • Plan des Versorgungsleitungsnetzes innerhalb und außerhalb der Baustelle (7) Umweltschutz • allgemeine Angaben zur ökologischen Situation im Bereich der Baustelle und den umliegenden Territorien • Prognose für die mögliche Änderungen des Umweltzustandes • Abwasserbehandlungsanlagen • Maßnahmen zum Schutz gegen Lärm, Vibrationen, elektromagnetische Strahlungen, radioaktive Verschmutzung usw. (8) Ingenieur-technische Maßnahmen für Sicherheit der Personen und Vorbeugung der Ausnahmesituationen (9) Maßnahmen zum behindertengerechten Bauen (10) Bauorganisation • allgemeine Beschreibung mit Begründung der getroffenen Entscheidungen • Baustellenplan 1:500 (11) Kalkulationsunterlagen (bei öffentlichen Aufträgen) (12) Nachweis der Investitionseffizienz (nach Anforderung des Bauherrn)
5.2 Immobilieninvestitionen in Russland
283
• Gegenüberstellung der Ergebnisse der Berechnungen mit wichtigsten technisch-wirtschaftlichen Kennwerten, die in Rahmen der Investitionsbegründung definiert wurden. Der durch den Architekten aufgestellten Planungsdokumentation muss der Bauherr zustimmen. Danach erfolgt die Prüfung der eingereichten Unterlagen durch Moskomarchitektur, Moskompriroda – dem staatlichen Ausschuss für Umweltschutz der Stadt Moskau – und ZGSEN – dem staatlichen Ausschuss für sanitär-epidemiologische Aufsicht der Stadt Moskau. Ferner ist die Erstellung eines staatlichen unabhängigen Gutachtens durch Mosgosexpertise für alle Bauvorhaben zwingend. Dazu wird die Planungsdokumentation vorgelegt und ggf. durch den Architekten verteidigt. Es wird die Konformität zur erlaubten Grundstücksnutzung, der Aufgabenstellung für die Planung, zu den staatlichen städtebaulichen und sanitärepidemiologischen Normen, den technischen Bedingungen des Anschlusses des Objektes an das Versorgungsnetz und zu den geltenden Baunormen und -regeln geprüft. 29 Weiterhin kann Mosgosexpertise kann ggf. weitere Gutachten veranlassen und zusätzliche Unterlagen vom Bauherrn fordern. Die Genehmigung der Planungsdokumentation erfolgt für Bauvorhaben, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, durch die Stadtverwaltung und bei privat finanzierten Objekten durch den Bauherrn selbst. Die Überlassung des Grundstücks wird anhand der Ergebnisse des Gutachtens freigegeben. Die übertragenen Rechte am Grundstück werden staatlich registriert. Das Ergebnis der Genehmigung der Planungsdokumentation und der Überlassung des Grundstücks entspricht der Baugenehmigung, die auch bei der Änderung der Eigentums- und Bodenrechte bestehen bleibt. Die Erstellung des architektonischen Entwurfes erfolgt entweder zusammen mit der bereits beschriebenen Planungsdokumentation oder eigenständig. Es kann auch auf Initiative des Bauherrn ein Architekturwettbewerb 30 ausgeschrieben werden. Grundsätzlich muss der Entwurf die architektonischen Anforderungen von Moskomarchitektur und die Anforderungen des Aktes über die erlaubte Grundstücksnutzung berücksichtigen. Er wird dahingehend durch den Architekturrat von Moskomarchitektur geprüft und nach einem positiven Prüfergebnis genehmigt entsprechend signiert, anderenfalls werden Anforderungen an die Korrektur des Entwurfes festgelegt. Bei wichtigen Projekten wird die Prüfung des architektonischen Entwurfes während der Sitzung des öffentlichen Rates beim Bürgermeister der Stadt Moskau zu Fragen der städtebaulichen Gestaltung der Stadt durchgeführt. Treten im Entwurf oder auch während der Bauausführung wesentliche Änderungen der bisher dokumentierten technisch-wirtschaftlichen Parameter um mehr als 10 % auf, so müssen die vorhergehenden entscheidenden Instanzen nochmals den Änderungen zustimmen. Änderungen nach der Entwurfsgenehmigung sind nur mit einer erneuten Prüfung durch den Architekturrat von Moskomarchitektur und der Änderung der Ausgangs- und Erlaubnisdokumentation zulässig.
29
30
Vgl. Vorschrift „Über einheitliche Regelung zur Ausführung der Vorplanungs- und Planungsarbeiten bei Bauprojekten in der Stadt Moskau“ vom 11.04.2000, § 2 Art 2 Abs. 4.6. Die Regeln zur Durchführung eines Architekturwettbewerbes sind im Beschluss der Stadt Moskau vom 25.08.1998 festgelegt.
5
284
5 Herausforderungen im Ausland
1. Bauherr 2. territoriale Exekutivorgane 3. Organe örtlicher Selbstverwaltung 4. Kommunale Organe
Beschaffung der Ausgangsdaten für Planungsarbeiten
1. Bauherr (Investor) 2. Architekturbüro 3. Planungsbüro
Bearbeitung und Genehmigung der Aufgabenstellung für die Planungsleistungen
1. Bauherr 2. Architekturbüro 3. Planungsbüro
Vergabe der Planungsleistungen
nein
Vergabe der Planungsleistungen stattgefunden
5 1.1 Zivilgesetzbuch 1.2 Gesetz „Über Ausschreibungen der Lieferung von Waren und Ausführung von Leistungen für staatlichen Bedarf“ 1.3 Anordnung des Gosstroj „Über die Organisation und Durchführung der Ausschreibungen von Bauleistungen“
ja
Bearbeitung der Planungsunterlagen
Zustimmung der Planungsdokumentation
1. Organ für Architektur und Städtebau 2. Staatliches Ausschuss für Umweltschutz 3. Staatliches Ausschuss für sanitärepidemiologischeAufsicht
1. Planungsbüro zusammen mit dem Bauherr 2. Mosgosexpertise 3. föderale Exekutivorgane
1. Goststroj RF 2. Bauherrn
1.1 Bodengesetzbuch 2.1 Staatliches Gutachten der Planungsunterlagen
Quelle: Golowine (2006), S. 77
1.1 Gesetz „Über Architektentätigkeit“ 2.1 Ausgangs- und Genehmigungsdokumentation
1. Bauherr 2. Architekturbüro 3. Planungsbüro 1.1 Städtebaugesetzbuch 2.1 Vorschrift „Über einheitliche Regelungen zur Ausführung der Vorplanungs- u. Planungsarbeiten bei Bauprojekten in Stadt Moskau“ 2.2 SNiP 11-01-95 2.3 Investitionsbegründung 2.4 Akt über erlaubte Grundstücknutzung 2.5 Aufgabenstellung
1. Bauherr 2. territoriale Exekutivorgane 3. Organe örtlicher Selbstverwaltung 4. Kommunale Organe
Prüfung der Planungsunterlagen
Staatliches Gutachten
1.1 Vorschrift „Über Durchführung der staatlichen Gutachten und Genehmigung der städtebaulichen , Vorplanungs- und Planungsdokumentation in der RF“ 1.2 Methodische Empfehlungen zur Durchführung von Gutachten der Planungsdokumentation
Genehmigung der Planungsdokumentation
Überlassung der Rechte auf das Grundstück
Abbildung 5.11: Ablauf der Planungsarbeiten 31
31
1.1 Vorschrift „Über einheitliche Regelungen zur Ausführung der Vorplanungs- u. Planungsarbeiten bei Bauprojekten in Stadt Moskau“ 1.2 SNiP 11-01-95 1.3 Vorschrift „mit Regelung der Ausgabe von Ausgangsdaten und technischen Bedingungen für die Planung und Zustimmung der Bauunterlagen“
1. Bauherr(Investor) 2. staatliche Exekutivorgane 3. Organe örtlicher Selbstverwaltung, 4. Justizorgane für die Registrierung der Rechten auf Immobilien
5.2 Immobilieninvestitionen in Russland
285
5.2.4.3 Realisierung Die Realisierung des zuvor genehmigten Projektes weist ähnliche Ablaufstrukturen auf, wie man sie aus Deutschland kennt. Tendenziell erfolgt jedoch die Ausschreibung und Vergabe der Bau- und Überwachungsleistungen auf der Grundlage einer abgeschlossenen Ausführungsplanung. Die Realisierung erfolgt dann i. d. R. über Generalunternehmer. Die Bauüberwachung ist in gesonderten Vorschriften32; geregelt und kann nur von Unternehmen erbracht werden, die über eine entsprechende Lizenz verfügen. Der sog. „Technitscheskij Sakaschik“ (Technischer Auftragnehmer) erfüllt damit quasi die Aufgaben des Bauleiters gemäß Landesbauordnung. Der eigentliche Bauprozess unterscheidet sich nicht wesentlich von dem vergleichbarer Vorhaben in Deutschland. In beiden Ländern sind eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Normen zu berücksichtigen. Interessanterweise existieren in Russland auch zahlreiche Vorschriften hinsichtlich des Arbeitsschutzes auf der Baustelle.
5.2.5 Fazit Der russische Immobilienmarkt ist für ausländische Investoren aufgrund der zu erzielenden Renditen attraktiv. Vorbehalte internationaler Geldgeber bestehen jedoch noch insbesondere im Hinblick auf die Rechtssicherheit. Die russische Regierung hat durch die Novellierung von Gesetzen eine Basis geschaffen, um diese Vorbehalte abzubauen. In fast allen Bereichen werden ausländische Investoren, den russischen gleichgestellt. Der Investitionsprozess ist durch eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien geregelt, die von ausländischen Unternehmen nicht beherrschbar sind. Ohne eine kompetente Unterstützung bei der Umsetzung der technischen, organisatorischen und rechtlichen Vorgaben, sind Projekte in Russland nicht handelbar. Insbesondere die organisatorischen Aufgaben stellen eine Herausforderung dar, da in viele Geschäftsprozesse staatliche Behörden eingebunden sind. Ausländische Unternehmen können auf diesem Markt nur existieren, wenn sie sich in das russische Know-how einkaufen. Ob dies über die Anstellung russischer Mitarbeiter oder in Form eines Joint Ventures erfolgt, ist eine unternehmerische Entscheidung. In diesem Sinne: „Go East“.
5.2.6 Literatur Golovine, Pavel (2006): „Abwicklung von Immobilienprojekten in der Russischen Föderation aus Sicht internationaler Investoren am Beispiel der Stadt Moskau“, Diplomarbeit, TU Berlin, 2006. Knight Frank (2006): Research Report „Moscow – Commercial Real Estate 2005“ Swiss Reality Group (2005): „Marktbericht Wohnimmobilien Moskau“
32
Vgl. Vorschrift „Über Bauüberwachung bei Gebäuden und Industrieanlagen in der Stadt Moskau“ vom 30.12.1997; Sammlung von Regelungen zur Bauüberwachung vom 01.07.1999, § 3 Art 1. Vgl. Vorschrift „Über technischen Aufsicht bei Gebäuden und Anlagen in der Stadt Moskau“ vom 22.07.1998, § 2 Art. 1.
5
286
5 Herausforderungen im Ausland
5.3 Verfügbarkeitskonzept bei Autobahnen – dargestellt am Beispiel der M 6 in Ungarn 34 bearbeitet von Dipl.-Kfm. Gerhard Becher, und Dipl.-Wirtsch.-Ing. MBA Thomas D. Kowalski
5.3.1 Das Projekt M6 in Ungarn
5
Am 02. Oktober 2004 hat der ungarische Minister für Wirtschaft und Verkehr mit Bilfinger Berger und den österreichischen Partnerfirmen Porr und Swietelsky das Vertragswerk über den Bau, die Finanzierung und den anschließenden Betrieb der Autobahn M6 in Ungarn unterschrieben. Es handelt sich um 58,6 km Autobahn, von Budapest direkt nach Süden der Donau folgend, bis südlich von Dunaujvaros, einschließlich der Kreuzung mit der von West nach Ost die Donau überquerenden, ebenfalls im Bau befindlichen Autobahn M8. In von der ungarischen Regierung geplanten weiteren Ausschreibungen soll der Ausbau der M 6 nach Süden bis zur Grenze mit Kroatien fortgesetzt werden. Der als Ergebnis einer EU-weiten Ausschreibung an Bilfinger Berger und seine Partner vergebene Abschnitt ist mit zwei Fahrbahnen je Fahrtrichtung sowie Mittelstreifen und Standstreifen gebaut. Der Abschnitt umfasst u.a. insgesamt 61 Brücken. Am 11. Juni 2006, nach weniger als zwei Jahren Bauzeit, wurde die Autobahn vom ungarischen Ministerpräsidenten feierlich für den Betrieb freigegeben. Das Projekt wurde als Public Private Partnership (PPP) ausgeschrieben, d.h. der erfolgreichen Bietergemeinschaft aus Bilfinger Berger, Porr und Swietelsky wurde die Aufgabe zum Bau, der Finanzierung und des anschließenden Betriebs der Autobahn übertragen. Die Planung wurde vom ungarischen Staat zur Verfügung gestellt. Vertragspartner des ungarischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr ist, wie bei PPP-Projekten üblich, eine für das Projekt speziell gegründete Projektgesellschaft, die M 6 Duna Autópálya Koncesszios Zrt, an der Bilfinger Berger und Porr jeweils mit 40 % und Swietelsky mit 20 % beteiligt sind. Die Projektgesellschaft hat ihrerseits eine Bauarbeitsgemeinschaft aus Bilfinger Berger, Porr und Swietelsky mit dem schlüsselfertigen Bau der Autobahn beauftragt. Die Gesamtlaufzeit des vereinbarten Vertragswerkes ist 22 Jahre, d. h. nach Freigabe der Autobahn für den Betrieb wird die Projektgesellschaft die Autobahn noch gut 20 Jahre lang betreiben, bevor sie dann im vertraglich vereinbarten Zustand an den ungarischen Staat übergeben wird. Das erforderliche Gesamtfinanzierungsvolumen für das Projekt betrug knapp Euro 500 Mio., und wurde zu ca. 10 % durch Eigenkapitaleinlagen der drei beteiligten Firmen in die Projektgesellschaft und zu 90 % durch langfristige Kredite eines internationalen Bankenkonsortiums aufgebracht.
5.3.2 Was ist ein „Verfügbarkeitskonzept“? Maut wird in Ungarn nicht erhoben. Das Vertragswerk sieht deshalb vor, dass ab Fertigstellung der Autobahn und Abnahme durch den ungarischen Staat, dieser der Projektgesellschaft monatlich ein vereinbartes Entgelt bezahlt, von dem der ungarische Staat jedoch Abzüge machen kann, wenn die Autobahn nicht dem vertraglich vereinbarten Zustand entspricht. Dem Vertragswerk liegt das Verfügbarkeitskonzept zu Grunde, d.h. der private Partner ist verpflichtet, die Autobahn komplett und betriebsbereit zu errichten und während der gesamten Vertragslaufzeit „verfügbar“ (englisch: „available“) zu halten, und nur dann erhält er auch das vollständige vereinbarte Entgelt. 34
Wir danken dem ungarischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels.
5.3 Verfügbarkeitskonzept bei Autobahnen
287
Welcher Gedanke steckt hinter dem Verfügbarkeitskonzept? Eigentlich könnte es doch auf das gleiche hinauslaufen, ob der ungarische Staat einen Kredit aufnimmt, mit dem er die Autobahn baut und anschließend betreibt, und den Kredit dann über seine Laufzeit verzinst und tilgt, oder ob er stattdessen ein monatliches Verfügbarkeitsentgelt an einen Dritten zahlen muss. Der wesentliche Gedanke des Verfügbarkeitskonzeptes ist jedoch, dass dieses dem privaten Partner Anreize gibt, das Objekt, hier die Autobahn M 6, sorgfältig zu bauen und über die lange Vertragslaufzeit gut instand zu halten, um Abzüge vom Verfügbarkeitsentgelt zu vermeiden und die von ihm eingeplante Rendite auf sein eingesetztes Kapital zu erwirtschaften. Wie sieht das vereinbarte Verfügbarkeitsentgelt aus? Es ist zahlbar monatlich, aber erst nachdem die Autobahn fertiggestellt und von den staatlichen Behörden als betriebsbereit abgenommen wurde. Das Verfügbarkeitsentgelt wurde im Angebot des privaten Anbieters so berechnet, dass es bei voller Bezahlung die von ihm erwarteten Kosten des laufenden Betriebs, der laufenden Instandhaltung und größerer Erneuerungsmaßnahmen abdeckt, sowie die Zahlung der Zinsen und Tilgung der aufgenommenen langfristigen Kredite ermöglicht. Darüber hinaus soll die Projektgesellschaft natürlich für ihre Gesellschafter angemessene Dividenden und bis zum Ende der Vertragslaufzeit auch die Rückführung des eingezahlten Eigenkapitals erwirtschaften. Da die Gesamtfinanzierung des Projektes in Euro erfolgte, ist mit dem ungarischen Staat vereinbart, dass er den überwiegenden Teil des Verfügbarkeitsentgelts in Euro bezahlt, damit sich für die Projektgesellschaft kein Wechselkursrisiko ergibt. Lediglich ein kleinerer Teil des Verfügbarkeitsentgelts wird in ungarischen Forint bezahlt für die Abdeckung laufender Betriebs- und Instandhaltungskosten, die ebenfalls in ungarischen Forint anfallen. Der Anteil des Verfügbarkeitsentgeltes, der den Kosten des laufenden Betriebs, der laufenden Instandhaltung und größerer Erneuerungsmaßnahmen entspricht, wird jährlich gemäß vereinbarter Inflationsindizes angepasst.
5.3.3 Abzüge vom/oder Zuschläge zum Verfügbarkeitsentgelt: wofür und wie viel? Wofür kann der ungarische Staat Abzüge vom monatlichen Verfügbarkeitsentgelt vornehmen? Abzüge sind primär möglich, wenn Fahrbahnen gesperrt werden, sei es, weil ihr Zustand einen sicheren Verkehr nicht ermöglicht oder weil Instandhaltungs- bzw. Erneuerungsmaßnahmen erforderlich sind. Ebenso sind Abzüge vom monatlichen Verfügbarkeitsentgelt möglich, wenn die laufenden Betriebs- oder Instandhaltungsleistungen des privaten Betreibers mangelhaft sind. Die Berechnung des zulässigen Abzuges für Fahrbahnsperrungen ist im Vertragswerk im Detail geregelt und richtet sich nach der Länge der gesperrten Fahrbahn, der Anzahl der gesperrten Fahrbahnen, der Frage, ob die Fahrbahnen einer Fahrtrichtung im Gegenverkehr genutzt werden müssen, der Dauer der Fahrbahnsperrung sowie der Tages-, bzw. der Jahreszeit, in der die Sperrung erfolgt. Kein Abzug erfolgt, wenn Fahrbahnen wegen eines Unfalls temporär gesperrt werden. Zur exakten Berechnung der Abzüge wurden im Konzessionsvertrag detaillierte Formeln und Gewichtungsfaktoren vereinbart, die auf die Besonderheiten des Projektes abstellen. Die Abzüge insgesamt dürfen das monatliche Verfügbarkeitsentgelt nicht überschreiten, d. h. schlimmsten Falls arbeitet die Projektgesellschaft „umsonst“. Der monatliche Gesamtkorrekturfaktor (TADFm – Total Availability Deduction Factor) ist gleich der Summe der Korrekturfaktoren sämtlicher Verfügbarkeitseinschränkungen i im Monat m: TADFm = ¦ ADFi,m , wobei ADFi,m definiert ist als i
5
288
5 Herausforderungen im Ausland UDi,m
ADFi,m =
max (0,5;URLi,m ) TRL
¦
TFd,i UPH i,m UOPH i,m · 12 § d =1 × × ¨ UHDi,m + + ¸ ×SFi,m × 365 © PHW OPHW ¹ UDi,m
Wie wirkt sich diese scheinbar sperrige Formel in der Realität auf die Einnahmesituation der Projektgesellschaft aus? Anhand folgenden Beispiels soll dies dargestellt werden.
5
Aufgrund starker Regenfälle am Montag, den 1. Oktober um 23.00 Uhr, sind auf einer Länge von 0,5 km die Böschungen entlang der M6 abgerutscht. Zur Beseitigung des Schadens muss der Seitenstreifen sowie eine Fahrbahn auf 0,5 km Länge für 10 Tage bis zum 11. Oktober um 11.00 Uhr gesperrt werden. Ferner blockieren auf einem anderen Teilstück von 2 km Länge umgestürzte Bäume und abgerissene Äste den reibungslosen Verkehrsfluss in einer Fahrtrichtung auf beiden Fahrbahnen sowie dem Seitenstreifen. Die Räumung dieses Abschnitts dauert vom 1. Oktober, 23.00 Uhr bis 11.00 Uhr am 2. Oktober. Die Berechnung der Abzüge erfolgt gemäß oben dargestellter Formel, als Summe der Einzelabzüge jeder Verfügbarkeitseinschränkung: TADF = ADF1 + ADF2 mit URLi,m
TRL UHDi,m
UDi,m
UPHi,m
PHW
UOPHi,m
– Streckenlänge der Autobahn in Kilometern, deren Nutzung durch die Verfügbarkeitseinschränkung i im Monat m nicht störungsfrei möglich ist. Gemäß obiger Formel wird für Kürzungen des Verfügbarkeitsentgelts eine Mindeststreckenlänge von 0,5 km unterstellt; in unserem Beispiel werden URL1,10 = 0,5 km und URL2,10 = 2 km Streckenlänge angesetzt; – Gesamtlänge der Autobahn, bei diesem Projekt 58,6 km; – Anzahl ganzer Kalendertage (von Mitternacht bis Mitternacht), an denen die Verfügbarkeit durch die Verfügbarkeitseinschränkung i im Monat m nicht vollständig gegeben ist; bei dem Abrutschen der Böschungen beträgt die Dauer der Einschränkung UHD1,10 = 9 ganze Kalendertage. Im Rahmen der Räumung der Strecke von umgestürzten Bäumen etc. kommt es zu Einschränkungen des freien Verkehrsflusses an zwei anteiligen Kalendertagen, folglich gilt UHD2,10 = 0 ganze Kalendertage; – Anzahl Kalendertage oder anteiliger Kalendertage, an denen die Verfügbarkeit durch die Verfügbarkeitseinschränkung i im Monat m nicht vollständig gegeben ist; in beiden Beispielen beginnt die Einschränkung am 1. Oktober um 23.00 Uhr und dauert im ersten Fall bis zum 11. Oktober 11.00 Uhr (UD1,10 = 11 anteilige Kalendertage) und im zweiten Fall bis zum folgenden Tag, dem 2. Oktober, 11.00 Uhr (UD2,10 = 2 anteilige Kalendertage); – Dauer der eingeschränkten Verfügbarkeit während Hauptverkehrszeiten in Stunden durch die Verfügbarkeitseinschränkung i im Monat m, die nicht in UHDi,m enthalten sind; es fällt in beiden Szenarien nur der Tag der Wiederfreigabe der gesamten Fahrbahn für den Verkehr in diese Kategorie, somit beträgt die Dauer der eingeschränkten Verfügbarkeit während Hauptverkehrszeiten (UPH1,10 = UPH2,10 = 3 Stunden); – Hauptverkehrszeitengewichtungsfaktor, wochentags = 9,6, samstags = 4,8 und sonntags = 8,0; die Einschränkungen treten an einem Dienstag bzw. Donnerstag auf, daher ergibt sich PHW1 = PHW2 = 9,6; – Dauer der eingeschränkten Verfügbarkeit während Nebenzeiten in Stunden durch die Verfügbarkeitseinschränkung i im Monat m; in beiden Beispielen fallen sowohl
5.3 Verfügbarkeitskonzept bei Autobahnen der Tag des Schadensereignisses, als auch der Tag der Wiederfreigabe aller Fahrbahnen für den Verkehr in diese Kategorie; somit beträgt die Dauer der eingeschränkten Verfügbarkeit während Nebenzeiten (UOPH1,10 = UOPH2,10 = 9 Stunden); OPHW – Nebenzeitengewichtungsfaktor, wochentags = 48, samstags = 24 und sonntags = 40; die Einschränkungen treten an einem Montag (1. Oktober), einem Dienstag (2. Oktober) sowie einem Donnerstag (11. Oktober) auf, daher ergibt sich OPHW1 = OPHW2 = 48; – Gewichtungsfaktor nach Umfang der Einschränkung, abhängig von der Anzahl SFi,m gesperrter Fahrbahnen sowie der Art der möglichen Verkehrsführung gemäß vertraglich vereinbarter Regelung; in Abhängigkeit des Umfangs der Einschränkung auf die Verkehrsführung ergeben sich SF1,10 = 0,25 sowie SF2,10 = 0,75; – Zeitlicher Gewichtungsfaktor in Abhängigkeit von Wochentag und Monat des TFd,i Auftretens der Verfügbarkeitseinschränkung i; in Abhängigkeit der Wochentage, der Anzahl der Wochentage und des Monats. In diesem Fall Oktober, ergeben sich TF1,10 = 10,83586 sowie TF2,10 = 1,88062. In die Formel eingesetzt ergibt sich: TADF =
max ( 0,5;0,5) 12 § 3 9· 10,83586 + × × 9+ + ×0, 25× 58, 6 365 ¨© 9, 6 48 ¸¹ 11
max ( 0,5; 2) 12 § 3 9· 1,88062 × × 0+ + ×0, 75× 58, 6 365 ¨© 9, 6 48 ¸¹ 2
= 0,66 ‰ + 0,40 ‰ = 1,06 ‰ Der Gesamtkorrekturfaktor für nicht zur Verfügung stehende Streckenabschnitte beläuft sich in diesem Beispiel auf 1,06 ‰ der monatlichen Verfügbarkeitszahlung und überschreitet folglich die vertraglich vereinbarte Maßgeblichkeitsschwelle für monatliche Reduktionen des Verfügbarkeitsentgelts von 1,0 ‰. Kann eine Reduktion des Verfügbarkeitsentgelts in dieser auf den ersten Blick moderaten Höhe motivierend auf die Projektgesellschaft wirken? Die Antwort ist, dass Einbehalte vom monatlichen Verfügbarkeitsentgelt aufgrund des hohen Gearing direkten Einfluss auf die Rentabilität des Projektes für den privatwirtschaftlichen Partner haben und dieser somit motiviert ist, seine Leistung ordnungsgemäß zu liefern. Zur Höhe der Reduktion in unserem Beispiel ist anzumerken: • Die Reduktion des Verfügbarkeitsentgelts ist nicht durch eine Schlecht- oder Minderleistung des privatwirtschaftlichen Partners verursacht, sondern soll diesen lediglich dazu anhalten, schnell und umfassend auf die Störung zu reagieren. Dieser Verfügbarkeitsentgeltsminderung steht kein Verschulden des privatwirtschaftlichen Partners gegenüber. • Neben den Abzügen aufgrund von Störungen des Verkehrsflusses sieht der Vertrag weitere, wesentlich stärkere Abzüge für Schlecht- oder Minderleistungen vor. • Es werden zwei Beeinträchtigungen unterstellt. Das Abrutschen der Böschung stellt eine langwierige, aber nur mäßige Beeinträchtigung des Verkehrsflusses dar, wohin gegen der massive Eingriff in den Verkehrsfluss aufgrund umgestürzter Bäume nur von kurzer Dauer ist. Beide Ereignisse können folglich als nur leichte bis mittlere Beeinträchtigungen eingestuft werden. • PPP-Verkehrsprojekte, die auf Verfügbarkeitskonzepten basieren, reagieren wegen des hohen Fremd – zu Eigenkapitalverhältnisses (Gearing) sehr sensitiv auf Schwankungen des Einnahmenstromes. Auch geringe Reduktionen wirken sich für den privatwirtschaftlichen Partner direkt auf die Rentabilität des Projektes aus.
289
5
290
5 Herausforderungen im Ausland Abzüge wegen mangelhafter Betriebs- oder Instandhaltungsleistungen sind möglich, wenn diese nicht den vertraglich vereinbarten Standards entsprechen und die Mängel nicht innerhalb der ebenfalls vertraglich vereinbarten Fristen beseitigt werden. Jede Betriebs- bzw. Instandhaltungsleistung ist, in Abhängigkeit von ihrer Wichtigkeit, mit einem Punktesystem bewertet. Beispiele für Abzüge sind nicht rechtzeitig beseitigte Schlaglöcher, fehlende oder mangelhafte Straßenmarkierungen, beschädigte oder fehlende Verkehrszeichen, Auswaschungen an den Straßenböschungen oder Brückenbeschädigungen (soweit diese Fahrbahnsperrungen erforderlich machen, gelten zusätzlich die oben beschriebenen Regelungen). Weitere Beispiele sind nicht standardgemäße Grünarbeiten oder fristgerechte Schneeräumung. Insgesamt umfasst das Vertragswerk 51 Leistungspunkte mit definierten Standards, bei deren Nichteinhaltung Abzüge unterschiedlicher Größenordnung vorgenommen werden können. Prinzipiell erfolgt die Berechnung der Gesamtabzüge für mangelhafte Leistung (Total Performance Deduction) pro Monat m auf Basis folgender Formel:
5
TPDm =
¦ PPj,m ×PPD×FI m , mit j
PPj,m Anzahl Leistungspunkte pro Leistungsbereich, in dem die geschuldete Leistung nicht vollständig oder gemäß vereinbartem Standard erbracht wurde. Die jeweiligen Leistungsbereiche erfahren eine unterschiedliche Gewichtung durch Leistungspunkte; PPD Monetärer Abzug pro Leistungspunkt (ist indiziert mit FI m ) Auch für diese Abzugskategorie wurde eine Maßgeblichkeitsschwelle eingeführt. Sofern nicht mehr als 14 Leistungspunkte in einer Periode angesammelt wurden, kommt es zu keiner Reduktion der Vergütung. Abzüge können, bei entsprechender Schlechtleistung, in einzelnen Perioden zu einer signifikanten Minderung des Verfügbarkeitsentgelts führen. Weitere Abzüge vom Verfügbarkeitsentgelt, aber in diesem Fall auch Zuschläge, sind möglich, wenn die Anzahl der Verkehrsunfälle auf der M 6-Autobahn höher bzw. niedriger ist als im Durchschnitt auf allen anderen ungarischen Autobahnen. Die Höhe dieses Abzugs bzw. Zuschlages ist allerdings auf Euro 20.000,-- im Jahr begrenzt. Berechnet wird der Sicherheitsabzug bzw. -zuschlag jeweils zum 31. Dezember gemäß folgender Formel: SPm = min( MAXSD, max(( ABt −1 − AARt −1 )× SPR, − MAXSD))×
mit ABt – 1 AARt – 1
PEm , PE0
– Unfallrate auf ungarischen Autobahnen (ohne M6) in dem Kalenderjahr, das am 31. Dezember endete; – Unfallrate auf der M6 in dem Kalenderjahr, das am 31. Dezember endete, unter Berücksichtigung spezifischer Gewichtungsfaktoren für tödliche, schwere, leichte und sonstige Unfälle, berechnet als (( FAt −1×130) + ( SAt −1×70) + ( LAt −1×5) + OAt −1 )×1, 000, 000 AARt-1 = 365×AADTt -1×TRL
mit FAt – 1
– Anzahl tödlicher Unfälle gemäß Polizeibericht in dem Kalenderjahr, das am 31. Dezember endete; beispielhaft unterstellt 13 tödliche Unfälle;
SAt – 1
– Anzahl schwerer Unfälle gemäß Polizeibericht in dem Kalenderjahr, das am 31. Dezember endete; beispielhaft unterstellt 52 schwere Unfälle;
5.3 Verfügbarkeitskonzept bei Autobahnen LAt – 1
– Anzahl leichter Unfälle gemäß Polizeibericht in dem Kalenderjahr, das am 31. Dezember endete; beispielhaft unterstellt 104 leichte Unfälle;
OAt – 1
– Anzahl anderer Zwischenfälle gemäß Polizeibericht in dem Kalenderjahr, das am 31. Dezember endete; zur Veranschaulichung unterstellt 104 andere Zwischenfälle;
291
AADTt – 1 – jährlicher Tagesdurchschnittsverkehr aller Verkehrsteilnehmer auf der M6 gemäß Bericht der Konzessionsgesellschaft an das Verkehrsministerium in dem Kalenderjahr, das am 31. Dezember endete; zur Veranschaulichung unterstellt 50.000 AADT; SPR
– Sicherheitsabzugssatz; in diesem Projekt EUR 8.600;
MAXSD – Maximaler, jährlicher Sicherheitsabzug bzw. -zuschlag; in diesem Projekt EUR 20.000,--; PEm
PE0
– EURO Preisindex gemäß EUROSTAT für den ersten Kalendermonat des Halbjahres, in dem Kalendermonat m liegt; zur Vereinfachung der Beispielrechnung wird dieser Korrekturfaktor nicht beachtet; – EURO Preisindex gemäß EUROSTAT für Januar 2004; zur Vereinfachung der Beispielrechnung wird dieser Korrekturfaktor nicht beachtet.
Bei einer unterstellten Unfallrate auf der M6, die aufgrund intensiver Instandhaltungsmaßnahmen entlang des Streckenabschnitts bei 90 % der durchschnittlichen, ungarischen Unfallrate liegt, ergibt sich ein nominaler Sicherheitszuschlag von SP = min (20.000, max((0,619)×8.600, −20.000)) = EUR 5.323,40. Zuschläge zum Verfügbarkeitsentgelt erfolgen auch, wenn der LKW-Verkehr auf der Autobahn 4000 LKW pro Tag übersteigt. Dies soll den privaten Betreiber für zusätzlichen Erhaltungsaufwand entschädigen. Der entsprechenden Zuschlag (TRPm) im Monat m des Konzessionsjahres T wird anhand folgender Formel ermittelt: § HVT · TRPm = TRHV ×max ¨ 0, − 4.000¸ ×365×TRL×FI m , © 365 ¹
mit TRHV
– Monatlicher Mautsatz pro Heavy Vehicle (HV) Kilometer; in diesem Projekt gilt TRHV = 3 HUF pro HV Kilometer;
HVT
– Anzahl Heavy Vehicles im Jahr T, die auf der Autobahn M6 gezählt werden; in dem Fallbeispiel soll eine HV-Anzahl von durchschnittlich 4400 pro Tag (10 % über dem zur Zeit als mittel- bis langfristig prognostizierten Maximalwert) unterstellt werden;
FIm
– Preisgleitungsindex des ungarischen Forint im Monat m, zur Vereinfachung der Beispielrechnung wird dieser Korrekturfaktor nicht beachtet.
Unter oben definierten Annahmen ergibt sich gemäß Formel ein nominaler Zuschlag für diesen Monat zur Deckung zusätzlicher Instandhaltungsmaßnahmen aufgrund stärkerer Beanspruchung durch LKWs in Höhe von § 1.606.000 · − 4.000¸ ×365×58, 6 = HUF 25.666.800,-TRP = 3×max ¨ 0, © ¹ 365
Bei einem Wechselkurs HUF/EUR von 277,45 (per 30.06.2006) ergibt sich ein Zuschlag in Höhe von EUR 92.509,64.
5
292
5 Herausforderungen im Ausland
5.3.4 Was passiert am Ende der Vertragslaufzeit? Schließlich sei noch kurz beschrieben, wie die Übergabe der Autobahn am Ende der 22jährigen Vertragslaufzeit erfolgt. Die Straßenoberfläche und die Brückenbauwerke müssen den vereinbarten ungarischen Normen entsprechen. Verkehrsschilder, Notrufsysteme, Beleuchtungen etc. müssen voll funktionsfähig sein. Zwei Jahre vor Ende der Vertragslaufzeit werden Vertreter des ungarischen Staates und des privaten Partners eine gemeinsame Inspektion der Autobahn vornehmen. Wenn und insoweit bei dieser Inspektion Mängel festgestellt werden, müssen diese vom privaten Betreiber innerhalb vereinbarter Fristen beseitigt werden. Im Streitfalle, ob ein Mangel vorliegt oder nicht, entscheidet ein Expertengremium. Der private Partner stellt als Sicherheit eine Bankgarantie in Höhe von 20 % der für die Beseitigung der festgestellten Mängel erforderlichen Aufwendungen für Instandhaltungs- oder Erneuerungsmaßnahmen.
5
5.3.5 Schlussbetrachtung Abschließend kann man feststellen, dass das Verfügbarkeitskonzept dem privaten Partner zahlreiche finanzielle Anreize gibt, das Projekt bzw. die Autobahn so zu bauen und über die gesamte Vertragslaufzeit so regelmäßig instand zu halten, dass er keine finanziellen Nachteile erleidet. Er wird deshalb nicht nur sorgfältig bauen, sondern auch frühzeitig und proaktiv Instandhaltungs- oder Erneuerungsmaßnahmen durchführen, so dass der Staat keinen Anlass hat, Abzüge vom monatlichen Verfügbarkeitsentgelt vorzunehmen. Für Baustellen zum Beispiel wird dies bedeuten, dass der private Betreiber Fahrbahnsperrungen zeitlich auf das erforderliche Minimum reduzieren und in verkehrsärmere Zeiten legen wird. Für den Autobahnbenutzer in Ungarn wiederum heißt dies, dass er weniger von Staus wegen Baustellen betroffen wird. Würden wir uns das nicht auch für unsere deutschen Autobahnen wünschen?
6 Kosten und Bauzeit 6.1 Risikobewertung bei frühen Kostenkalkulationen bearbeitet von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Rainer Schach
6.1.1 Die Kostenermittlung des Bauherrn nach DIN 276 und HOAI – kritische Anmerkungen Die Entscheidung zur Realisierung einer Baumaßnahme ist ein mehrstufiger Prozess, bei dem wirtschaftliche Betrachtungen eine zentrale Rolle spielen. Traditionell werden bei den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen die Investitionskosten ermittelt, denen Erträge in der Nutzungsphase des Objekts gegenübergestellt werden. Generell ist festzustellen, dass mit zunehmender Planungstiefe die Informationen über die zu erwartenden Baukosten genauer und detaillierter werden. In der HOAI 1 und der DIN 276, Kosten im Hochbau (6.1993), werden vier Stufen der Kostenermittlung definiert: die Kostenschätzung, die Kostenberechnung, der Kostenanschlag und die Kostenfeststellung. In vielen Fällen dürfte es jedoch bereits bei der zielklärenden und aufgabenstellenden Planung, die der Grundlagenermittlung nach HOAI vorausgeht, sinnvoll sein, eine vorlaufende Kosten- und Nutzenberechnung durchzuführen. Häufig wird der Bauherr einen Architekten mit der Grundlagenermittlung und der Vorplanung erst dann beauftragen, nachdem er auf der Basis dieser Berechnungen eine generelle Realisierbarkeit des Investitionswunsches positiv beurteilen kann. Die HOAI sieht vor, dass nach der Vorplanung die Kostenschätzung durchgeführt wird. Kennzeichen dieser Kostenschätzung ist, dass mit Hilfe grober Kennzahlen, wie zum Beispiel Euro pro Kubikmeter BRI oder Euro pro Krankenhausplatz, die Kosten für das Gesamtprojekt ermittelt werden. Dabei wird eine Kostenaufschlüsselung nur nach der ersten Ebene der Kostenartenstruktur nach DIN 276, Tabelle 1 (siehe Abbildung 6.1) vorgesehen. Kostengruppe 100 200 300 400 500 600 700
Kostenbezeichnung Grundstück Herrichten und Erschließen Bauwerk – Baukonstruktion Bauwerk – Technische Anlagen Außenanlagen Ausstattungen und Kunstwerke Baunebenkosten
Abbildung 6.1: Kostengruppengliederung nach DIN 276, Tabelle 6.1, 1. Gliederungsebene
Eine große Unsicherheit beim Erstellen einer Kostenschätzung nach dieser Methodik liegt in der Ermittlung der Kennzahlen. Beim Hochbau sind diese zum Beispiel stark beeinflusst durch Raumhöhen, Ausbau der Untergeschosse, Art und Ausbau des Dachgeschosses sowie der Fassade. Detaillierte Untersuchungen hierzu werden in Schach/Sperling, Baukosten 2 durchgeführt. 1 2
HOAI: Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Schach, Sperling: Baukosten – Kostensteuerung in Planung und Ausführung. Seite 289
294
6 Kosten und Bauzeit Bereits nach der Entwurfsplanung (siehe Abbildung 6.2) wird nach der HOAI eine Kostenberechnung durchgeführt, die auf der grundlegenden Strukturierung der Kostenschätzung beruht, jedoch eine Aufgliederung der Kosten bis zur zweiten Kosten-Gliederungsebene vorsieht (siehe Abbildung 6.3). Methodisch werden die Gesamtkosten wie bei der Kostenschätzung ermittelt. Die so ermittelten Kosten werden innerhalb jeder einzelnen Kostengruppe der ersten Ebene auf die Kostengruppen der zweiten Ebene aufgeteilt.
Vorlaufende Kosten - und Nutzenrechnung zur Zielklärung
Zielklärende und Aufgabenstellende Planung
Grundlagenermittlung Kostenschätzung nach HOAI Kostenberechnung nach HOAI
Entwurfsplanung
Genehmigungsplanung Vorläufiger Kostenanschlag
Ausführungsplanung
Vorbereitung der Vergabe
Kostenanschlag Kostenfeststellung
Mitwirkung bei der Vergabe Baubetreuung und Bauüberwachung
Zeitdauer
Abrechnung und Dokumentation Nutzungskosten
6
Vorplanung
Gebäudenutzung
Abbildung 6.2: Kostenermittlung während der Planungsphasen
Die HOAI geht traditionell von Einzelvergaben an Leistungsbereiche, auch Gewerke genannt, aus. Daher sieht der Kostenanschlag eine Zusammenstellung der einzelnen Vergabesummen vor. Somit ist ein struktureller Bruch notwendig, der die Kostengliederung nun nach den einzelnen Gewerken vorsieht. Ein Beispiel für eine Gliederung nach Vergabegruppen wird in DIN 276, Tabelle 2 gegeben (siehe Abbildung 6.4).
6.1 Risikobewertung bei frühen Kostenkalkulationen Kostengruppe 310 320 330 340 350 360 370 390
295
Kostenbezeichnung Baugrube Gründung Außenwände Innenwände Decken Dächer Baukonstruktive Einbauten Sonstige Maßnahmen Baukonstruktion
Abbildung 6.3: Kostengruppen der zweiten Ebene nach DIN 276 – Auswahl Kostengruppe 300 Bauwerk – Baukonstruktion Kostengruppe 000 001 002 … 012 013 014 016
Kostenbezeichnung Baustelleneinrichtung Gerüstarbeiten Erdarbeiten Maurerarbeiten Beton- und Stahlbetonarbeiten Naturwerksteinarbeiten, Betonwerksteinarbeiten Zimmer- und Holzbauarbeiten
Abbildung 6.4: Auszug aus DIN 276, 1993, Tabelle 6.2: Leistungsbereiche nach Standardleistungsbuch
Falls ein über die gesamte Bauzeit durchgehendes Kostencontrolling eingeführt werden soll, ist es jedoch zwingend erforderlich, die Kosten aus der Kostenberechnung in eine Struktur entsprechend des Kostenanschlags zu überführen, damit diese als Soll-Kosten zur Verfügung stehen. Hierfür ist ein „vorläufiger Kostenanschlag“ oder auch „Kostenvoranschlag“ im Zusammenhang mit der Ausführungsplanung notwendig. Dieser Kostenvoranschlag gibt somit Budgetzahlen für die einzelnen Vergaben vor. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Stufe in der HOAI nicht vorgesehen ist (siehe Abbildung 6.2). Der Abschluss der Kostenermittlung stellt die Kostenfeststellung dar, in der nach Abrechnung die Kosten der einzelnen Bauleistungen zusammengestellt werden. In einer kritischen Betrachtung der durch die HOAI und die DIN 276 vorgegebenen Kostenermittlung kann festgestellt werden, dass eine durchgehende, alle Phasen einer Projektentwicklung abdeckende Kostenermittlung nicht gegeben ist. Insbesondere fehlt eine „Vorlaufende Kostenermittlung“ zur Zielklärung. Auf den strukturellen Bruch zwischen der Kostenberechnung und dem Kostenanschlag ist hinzuweisen. Dieser ist zwar notwendig und richtig, es fehlt jedoch eine Umwandlung des Budgets, das durch die Kostenberechnung gegeben ist. Hierzu wäre ein „Vorläufiger Kostenanschlag“, der auch als Kostenvoranschlag bezeichnet werden könnte, notwendig. Dieser methodische Mangel ist umso gravierender, da der Kostenanschlag erst fertig gestellt werden kann, nachdem alle Vergaben erfolgt sind. Dies wird in der Regel erst kurz vor Fertigstellung der Gesamtbaumaßnahme sein. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass Strukturen und Ansätze für Controllingprozesse und das Risikomanagement nicht vorgesehen sind.
6
296
6 Kosten und Bauzeit
6.1.2 Die Kostenkalkulation des Bauunternehmers bei einer Ausschreibung mit Leistungsverzeichnis In der Kalkulation werden vom Bauunternehmer die durch die Erstellung der Bauleistung entstehenden oder entstandenen Kosten berechnet. 3 In Abbildung 6.5 sind die einzelnen Kalkulationen dargestellt, die in der Bauunternehmung anfallen. Am Anfang steht die Angebotskalkulation, in der der Unternehmer für die vom Auftraggeber ausgeschriebenen Teilleistungen Preise kalkuliert. Unter Ansatz der Vollkostenkalkulation werden dabei jeder Teilleistung sowohl die spezifischen Einzelkosten als auch Anteile aus den Baustellengemeinkosten, den allgemeinen Geschäftskosten und einem Ansatz für Wagnis und Gewinn zugewiesen. Ziel der Angebotskalkulation ist es, ein Angebot zu unterbreiten und damit für die spätere Abrechnung Rechnungspreise zu erhalten. Ausschreibung
Vergabe
Baubeginn
Bauende
Bauausführung
6 Erstellung des Angebots
Arbeitsvorbereitung Arbeitsvorbereitung
Auftragsverhandlungen
Zeit
vor Auftragserteilung
nach Auftragserteilung
Kalkulation
Nachkalkulation
Vorkalkulation
Angebotskalkulation
Angebotskalkulation Auftragskalkulation (Vertragskalkulation)
Abbildung 6.5: Arten der Kalkulation in Bauunternehmen
3
Drees, Paul: Kalkulation von Baupreisen. Seite 17
Nachtragskalkulation
6.1 Risikobewertung bei frühen Kostenkalkulationen
297
Es ist davon auszugehen, dass bis zur Auftragserteilung Klarstellungen zu Nebenangeboten sowie ausgeschriebenen Bedarfs- und Alternativpositionen vorgenommen werden. Der private Bauherr wird darüber hinaus im Rahmen der Auftragsverhandlungen über einzelne Preise und auch über Gesamtnachlässe verhandeln. Ziel der Auftragskalkulation (auch Vergabekalkulation genannt) ist es, nach Erteilung des Auftrages das Bausoll kostenmäßig festzuschreiben. Dabei werden alle genannten Änderungen dokumentiert. Die Kalkulationsendsumme ist dann mit der Auftragssumme identisch. Weitere Schritte im Rahmen der Kalkulation auf Unternehmerseite sind die Arbeitskalkulation, in der Ergebnisse der Arbeitsvorbereitung und aktuelle Preise aus den Einkaufsverhandlungen für Baustoffe und Nachunternehmer eingepflegt werden. Somit kann aus der aktualisierten Arbeitskalkulation aus der Differenz der kalkulierten Kosten und des Erlöses jederzeit eine Hochrechnung über den Deckungsbeitrag und den zu erwartenden Gewinn oder Verlust der Baustelle ermittelt werden. In der Nachtragskalkulation werden auf der Basis der Urkalkulation (Angebotskalkulation) die Preise für jene Teilleistungen ermittelt, für die insbesondere nach § 2 Nr. 5 VOB/B – Geänderte Leistungen – und § 2 Nr. 6 VOB/B – Zusätzliche Leistungen – Preise zu ermitteln sind. Die Nachkalkulation hat einen vollkommen anderen Charakter. Sie dient dazu, während und nach Abschluss der Baumaßnahme die Leistungs- und Aufwandswerte zu überprüfen und zu generieren, die für die Angebotskalkulation verwendet werden. Darüber hinaus werden bei der Nachkalkulation die Gründe für aufgetretene Verluste, aber auch von Gewinnen analysiert. Die Risikobewertung erfolgt bei der Angebotskalkulation über einen pauschalen, prozentualen Zuschlag auf die Selbstkosten. Sie erfolgt projektspezifisch, jedoch in der Regel qualitativ, „aus dem Bauch heraus“. Als Ergebnis wird bei höherem Risiko dann der Ansatz für Wagnis und Gewinn zum Beispiel von 2 % auf 5 % heraufgesetzt. Dem Autor ist nicht bekannt, dass systematisch quantitative Methoden, zum Beispiel mit Hilfe der Simulation, in dieser Phase genutzt werden. Nemuth 4 schlägt jedoch für die spezielle Risikobewertung im Auslandsbau eine MonteCarlo-Simulation vor und empfiehlt, diese auch bei Kalkulationen im Inland anzuwenden. Auch in den anderen genannten Kalkulationen sind systematische Risikobetrachtungen eher selten anzutreffen.
6.1.3 Andere Arten der Kostenermittlung In den vergangenen Jahren haben sich zunehmend Situationen ergeben, in denen Kosten für Projekte zu bestimmen sind, auf welche die in den vorigen Abschnitten beschriebenen Verfahren der Kostenermittlung und der Kostenkalkulation nicht befriedigend angewandt werden können.5 Zu nennen sind zum Beispiel: • Kostenermittlungen auf Seiten des Bauherrn, zum Beispiel durch seine Planer oder Projektsteuerer vor oder nach Abschluss der Vorplanung, die jedoch eine höhere Genauigkeit aufweisen soll als die traditionelle Kostenschätzung. • Kostenkalkulation durch Unternehmer, wobei jedoch durch den Auftraggeber kein Leistungsverzeichnis zur Verfügung gestellt wird. Diese Situation ist insbesondere dann gegeben, wenn im Schlüsselfertigbau auf der Basis eines Global-Pauschalvertrages 6 in manch-
4 5
6
Nemuth: Risikomanagement bei internationalen Bauprojekten. Seite 151 ff. Es soll weiter der Begriff „Kostenermittlung“ verwendet werden. Es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Methode nicht mit den Verfahren nach HOAI/DIN 276 identisch ist. Kapellmann, Schiffers: Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag. Seite 125 ff.
6
298
6 Kosten und Bauzeit mal sehr kurzer Zeit ein erster Preis ermittelt oder sogar ein verbindliches Angebot unterbreitet werden muss. Ähnliche Situationen ergeben sich bei verschiedenen neueren Bauvertragsformen, wobei insbesondere an GMP-Verträge 7 oder an PPP-Verträge 8 gedacht wird. • Kostenermittlungen in frühen Planungsphasen z. B. auch für Infrastrukturprojekte. Kennzeichen der Situation ist, dass häufig überschlägige Massen für Hauptpositionen zur Verfügung stehen. Unter Hauptpositionen sollen hierbei solche Teilleistungen verstanden werden, die in diesen frühen Planungsphasen bereits ohne Detailspezifikation überschlägig bekannt sind. Dies können zum Beispiel bei einem Gebäude die Fläche der Decken, bei einer Brücke die Brückenfläche, aber auch die Länge aller zu errichtender Stützen, das Volumen der Fundamente oder das Volumen der Erdarbeiten sein. In all diesen Situationen kann die traditionelle Vollkostenkalkulation mit einem detaillierten Leistungsverzeichnis nicht angewandt werden, insbesondere wegen des sehr hohen Aufwandes zur Erstellung des Leistungsverzeichnisses. Außerdem ist die Kalkulation selbst mit einer großen Anzahl von Positionen aufwändig.
6
Wegen der Risikominimierung sollten Bauunternehmen bei der Kalkulation von schlüsselfertig ausgeschriebenen Objekten jedoch zumindest einen Ansatz mit Hauptpositionen und einer Kalkulation über die Angebotssumme wählen.9 Insbesondere für unverbindliche „Richtpreisermittlungen“ werden jedoch auch Methoden angewandt, die sich sehr stark an der Kostenschätzung nach HOAI/DIN 267 orientieren. Typisch für diese methodischen Ansätze ist, dass eine Abschätzung der Kostenrisiken meist selten erfolgt. Wenn überhaupt, kommen meistens die Sensitivitätsanalyse oder Extremwertbetrachtungen zur Anwendung. Die Ergebnisse von Sensitivitätsanalysen und Extremwertbetrachtungen sind zwar hilfreich, ihr Einfluss auf eine konkrete Angebotssumme ist jedoch schwierig festzulegen. Nachfolgend soll nun ein stochastisches Verfahren beschrieben werden, das von Hauptpositionen ausgeht, gleichzeitig jedoch auch die vorhandenen Kostenrisiken abbildet.
6.1.4 Kostenermittlung mit stochastischen Ansätzen Kennzeichen der beschriebenen Ausgangssituation ist, dass • die Mengenansätze nicht deterministisch bekannt sind, • sondern mit Unsicherheiten und Risiken behaftet sind, 10 • die Preise für die Hauptleistungen (Hauptpositionen) nicht detailliert angegeben werden können, da – Zeitpunkt und Randbedingungen der Bauausführung, – Markteinflüsse und Einflüsse der Baukonjunktur weitgehend unbekannt sind und – Qualitätsstandards noch nicht ausreichend bekannt sind. • neben den Hauptleistungspositionen weitere Leistungspositionen mit abgedeckt werden müssen. Ein Beispiel hierfür sind Preise für eine Decke einschließlich Schalung, Bewehrung, Aussparung, Einbauteile etc. Gegebenenfalls können in der Deckenposition aber auch noch Anstrich, Putz, Estrich und Bodenbelag einschließlich der Fußbodenleisten und allen Nebenleistungen abgebildet werden.
7 8 9 10
Gralla: Garantierter Maximalpreis. S. 97 ff. Heiermann, Riedl, Rusam: Handkommentar zur VOB. S. 1585 f. Wanner: Neue Kalkulation Schlüsselfertigbau. Seite 94 ff Situationen bei Risiko und bei Unsicherheit sind durch einen Mangel an Informationen charakterisiert. vgl. Schneeweiß: Planung. S. 34
299
6.1 Risikobewertung bei frühen Kostenkalkulationen
6.1.4.1 Stochastische Kosten- und Mengenansätze Auf Grund der beschriebenen Ausgangssituation ist es objektiv nicht möglich, exakte Kosten für die Hauptleistungen anzugeben. Methodisch und faktisch ist es jedoch möglich, stochastische Kostenverteilungen anzusetzen, um damit die Preisrisiken zu beschreiben. In Abbildung 6.6 sind typische Verteilungen dargestellt: die Gleichverteilung, eine schiefe Dreiecksverteilung sowie die Beta- und Pertverteilung. Es gibt weitere Verteilungen, welche grundsätzlich geeignet sind. Jedoch eignen sich nur solche Verteilungen, die nach oben und unten begrenzt sind. Aus diesem Grunde kommt die Gaußsche Normalverteilung nicht in Frage, da diese auch negative Kosten zulassen würde. Zu beachten ist, dass sowohl die Dreiecks-, die Beta- wie auch die Pertverteilung schief sein können und daher typische Kostenverteilungen besonders gut repräsentieren. Sehr häufig wird man von den dargestellten rechtsschiefen Verteilungen ausgehen müssen, da minimale Kosten in einer relativen Nähe zum Erwartungswert liegen, maximale Kosten jedoch vom Erwartungswert weit entfernt sein können. Eine Gleichverteilung wird man immer dann annehmen, wenn zwischen dem minimalen und dem maximalen Kostenansatz alle Werte mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten können. Prinzipiell kann auch eine stochastische Verteilung der Mengenansätze unterstellt werden. Je nach Risikobewertung eignen sich hierfür insbesondere die Gleichverteilung und die Dreiecksverteilung. Uniform (10; 12)
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0
0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 9,5
10
10,5
11
11,5
12
12,5
Triang (3; 3,5; 5)
2,5
3
3,5
4
4,5
5
5,5
10
12
Pert (1; 3,1; 11,4)
Beta (1,6; 2,7) 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0
0,25 0,2 0,15 0,1 0,05 0
-0,2
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,2
0
2
4
6
8
Abbildung 6.6: Typische Verteilung zur Beschreibung von Kosten
Mit Hilfe der stochastischen Ansätze ist es somit möglich, Massen- und Preisrisiken abzubilden, die in diesen frühen Planungsphasen im Vergleich zu späteren Planungs- und Bauphasen in deutlich größerem Maße vorhanden sind. Ziel der Berechnung ist somit, nicht nur eine Aussage über die höchstwahrscheinlichen Kosten zu erhalten, sondern auch Angaben über mögliche Gesamtrisiken.
6
300
6 Kosten und Bauzeit
6.1.4.2 Mathematischer Modellansatz Es existieren keine geschlossenen mathematischen Ansätze, mit denen stochastisch verteilte Mengen mit stochastisch verteilten Preisen multipliziert und diese dann zu einer Gesamtsumme aufaddiert werden könnten. Einen Lösungsansatz stellt jedoch die Simulation dar, zum Beispiel die Monte-Carlo-Simulation oder die Latin-Hypercube-Simulation. Letztere führt in der Regel mit wesentlich weniger Simulationsläufen zu stabilen Ergebnissen. Relativ leicht umsetzen lässt sich dies mit dem Programmpaket MS Excel und spezifischen Add-Ons, wie zum Beispiel Palisade @Risk. 11 Das Prinzip der stochastischen Kostenermittlung soll an einem kleinen Beispiel demonstriert werden:
Verteilung Addition Dreiecksverteilungen X <=72,41 5% Werte in 10^ -3
6
Es sollen eine linksschiefe Dreieckskostenverteilung mit einem Modus (Wert mit größter Wahrscheinlichkeit) 6,00 €/m2, untere Grenze 3,00 €/m2, obere Grenze 8,00 €/m2 12 und eine rechtsschiefe Dreieckskostenverteilung mit einem Modus von 120,00 €/m2, untere Grenze 40,00 €/m2, obere Grenze 240,00 €/m2 13addiert werden. Eine Simulation mit relativ stabilem Ergebnis führte zu einer rechtsschiefen Verteilung mit dem Mittelwert von 138,02 €/m2 (siehe Abbildung 6.7)14. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser Wert nicht der Addition der beiden Modi (6,00 €/m2 + 120,00 €/m2 = 126,00 €/m2) entspricht. Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Aussage, dass mit 90 %iger Wahrscheinlichkeit das Ergebnis zwischen 72,41 €/m2 und 211,48 €/m2 liegt. Dieses Ergebnis stellte sich nach einer Monte-CarloSimulation mit 10 000 Durchläufen ein.
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 40
X <=211,48 95 % Mean = 138,02
95
150
205
260
Abbildung 6.7: Ergebnis der Addition stochastisch verteilter Kosten
Von zentraler Aussage ist somit die Erkenntnis, dass die Addition der Werte mit der größten Wahrscheinlichkeit, die gedanklich meistens mit den deterministisch angenommenen Werten gleich gesetzt wird, zu falschen Ergebnissen führt. Allein mit der Simulation lässt sich insbesondere bei komplizierteren, unterstellten Kostenverteilungen sicher und einfach der Mittelwert der Gesamtkostensumme ermitteln. 11 12 13
14
Palisade Europe: www.palisade.com Das Dreieck hat dann einen Median von 5,74 €/m2 und ein gewichtetes arithmetisches Mittel von 5,67 €/m2. Das Dreieck hat dann einen Median von 136,46 €/m2 und ein gewichtetes arithmetisches Mittel von 133,33 €/m2. Das Simulationsergebnis kommt der Addition der beiden geometrischen Mittel 5,67 €/m2 + 133,33 €/m2 = 139,00 €/m2 sehr nahe.
301
6.1 Risikobewertung bei frühen Kostenkalkulationen
6.1.4.3 Kostenermittlung für eine Rad-Schiene- und eine TransrapidHochgeschwindigkeitsstrecke Nachfolgend soll die Methodik an Szenarien dargestellt werden, bei denen die Baukosten für Hochgeschwindigkeitstrassen für das Rad-Schiene-System und den Transrapid ermittelt wurden. 15 Zu beachten ist, dass ausschließlich die Kostenansätze stochastisch untersetzt wurden, die Mengenansätze auf Grund der Szenarienanalyse jedoch deterministisch vorgegeben wurden. In Abbildung 6.8 ist das Ergebnis der Simulationsberechnung (aus rechentechnischen Gründen mit einer Länge von 100 km) einer aufgeständerten Transrapidstrecke dargestellt, wie diese außerhalb dichter städtischer Agglomerationen typisch ist. Wichtige Annahmen waren dabei: • • • • •
nur land- und forstwirtschaftliche Flächen (freies Land), 100 % der Strecke aufgeständert, 0 % Tunnelanteil, kein Schalschutz, keine Ausgleichsflächen für Versiegelung.
Values in 10^ -9
Für die ermittelten Kosten des Fahrwegs ergibt sich ein Mittelwert von 15,17 Mio. €/Dkm, 16 wobei mit 90 %iger Wahrscheinlichkeit die Kosten zwischen 13,81 Mio. €/Dkm und 16,71 Mio. €/Dkm liegen. In Abbildung 6.8 ist die Verteilung dargestellt. Es wird darauf hingewiesen, dass die Verteilung rechtsschief ist. Dies entspricht der Erwartung, da eher mit außergewöhnlichen Kostensteigerungen zu rechnen ist als mit Kostenreduktionen. 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1,35
Mean = 1,517001E+09
1,4375
1,525
1,6125
Values in Billions 5% 90 % 5% 1,4357 1,6065
1,7 Abbildung 6.8: Kosten des Fahrwegs einer 100 km langen Transrapid-Strecke (Szenarium 1: Aufgeständerte Fahrbahn, freies Land)
In Abbildung 6.9 sind die Ergebnisse aus Simulationsberechnungen für vier verschiedene Trassenszenarien für den Transrapid und einer Berechnung für das Rad-Schiene-System zusammengefasst. Folgende Situationen wurden angenommen: Szenarium 1: Szenarium 2:
15
16
Trasse aufgeständert auf freier Strecke (identisch mit obigem Beispiel), keine Ausgleichsflächen, kein Schallschutz. Trasse ebenerdig (keine Aufständerung, sonst wie Szenarium 1), Urgelände weitgehend eben; Ausgleichsflächen berücksichtigt, kein Schallschutz.
Berechnungen auf der Grundlage des Gutachtens SIC! Modul HGV zum Vergleich von Hochgeschwindigkeitstrassen zwischen Berlin und Budapest. €/Dkm: Euro pro Doppelkilometer Strecke
6
302
6 Kosten und Bauzeit Szenarium 3:
Szenarium 4:
6
Mischfall. Dieses Szenarium beschreibt eine Trassierung, die für Deutschland als typisch bezeichnet werden kann: Flächen: 80 % landwirtschaftlich, 10 % Stadtbereiche, 10 % Großstädte; • Trassenführung: 30 % ebenerdig (vorwiegend in städtischen Gebieten), 62 % aufgeständert; • Tunnelanteil: 5 %; • Großbrücken: 3 %; • Kosten für bauliche Anlagen (Bahnhöfe) eingerechnet; • Ausgleichsflächen berücksichtigt; • Schallschutz 10 % der Trassenlänge. Ballungsgebiete als typischer Fall für Ein- und Durchfahrt in stark besiedelten Gebieten, auch Großstädte: Flächen: 50 % landwirtschaftlich, 10 % Stadtbereiche, 40 % Großstädte; • Trassenführung: 30 % ebenerdig (vorwiegend in städtischen Gebieten), 50 % aufgeständert; • Tunnelanteil: 15 %; • Großbrücken: 5 %; • Kosten für bauliche Anlagen (Bahnhöfe) eingerechnet; • Ausgleichsflächen berücksichtigt; • Schallschutz 20 % der Trassenlänge.
Zum Vergleich wird noch eine Berechnung für das Rad-Schiene-System angeben. Es entspricht dem Mischfall beim Transrapid (Szenarium 3). Trassierungsbedingt ist jedoch der Tunnelanteil auf 25 %, der Großbrückenanteil auf 10 % und der Bereich mit Schallschutz auf 20 % angehoben worden (Fall Nr. 5). In Abbildung 6.9 sind die Mittelwerte und die 90 %-Quantilsabstände sowie die vergleichbaren Standardabweichungen der simulierten Trassenkosten wiedergegeben. Nr. Fall
1 2 3 4 5
Transrapid Transrapid Transrapid Transrapid Rad-Schiene
Trasse aufgeständert Trasse ebenerdig Mischfall Ballungsgebiet Mischfall
Mittelwert [Mio. €/km]
5 %-Quantil [Mio. €/km]
95 %-Quantil [Mio. €/km]
15,17 10,48 21,53 28,38 17,69
14,36 9,74 20,05 25,92 15,73
16,06 11,24 23,31 30,98 19,60
StandardAbweichung [Mio. €/km] 0,520 0,456 0,993 1,552 1,204
Abbildung 6.9: Simulationsergebnisse – Kennzahlen der Verteilungen
Besonders interessant sind die unterschiedlichen Verteilungen, die in Abbildung 6.9 mit Hilfe der 90 %-Quantilsabstände sowie der vergleichbaren Standardabweichung nur unzureichend charakterisiert sind. In Abbildung 6.10 sind die Verteilungen der Szenarien 3 (Transrapid, Mischfall) und von Fall 5 (Rad-Schiene, Mischfall) dargestellt. Die Verteilung unterscheidet sich deutlich. Die mittleren Kosten des Transrapid sind zwar höher (21,53 Mio. €/Dkm) als die beim Rad-SchieneSystem (17,69 Mio. €/Dkm). Das 5 %-Quantil liegt beim Transrapid jedoch mit 6,87 % unter dem Mittelwert (20,05 Mio. €/Dkm zu 21,53 Mio. €/Dkm) während dieses beim Rad-SchieneSystem um 11,08 % (15,74 Mio. €/Dkm zu 17,69 Mio. €/Dkm) unter dem Mittelwert liegt. Auch das 95 %-Quantil liegt beim Rad-Schiene-System mit 10,80 % relativ betrachtet weiter
6.1 Risikobewertung bei frühen Kostenkalkulationen
303
vom Mittelwert entfernt als beim Transrapid mit 8,27 %. Damit wird deutlich, dass das Risiko für Kostenüber- und -unterschreitung beim Transrapid kleiner als beim Rad-Schiene-System ist. Hintergrund hierfür sind einerseits die hohen Tunnelanteile beim Rad-Schiene-System, die mit wesentlich größeren Kostenrisiken verbunden sind, andererseits aber auch wesentlich umfangreichere Erdarbeiten beim Rad-Schiene-System im Vergleich zum Transrapid, der je nach Situation aufgeständert oder ebenerdig geführt werden kann.
Values in 10^ -9
3,5
Mean = 1,768604E+09
3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1,4
6 1,575
1,75
1,925
2,1
Values in 10^ -9
Values in Billions 5% 90 % 5% 1,5738 1,9604 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1,8
Mean = 2,153106E+09
2,1
2,4
Values in Billions 5% 90 % 2,3314 2,0048
2,7
5%
Abbildung 6.10: Kostenverteilung für Transrapid (oben) und Rad-Schiene (unten), jeweils Mischfall
6.1.5 Zusammenfassung und Wertung Das vorgestellte Verfahren der stochastischen Kostenermittlung an Hand von Hauptleistungen stellt eine Methode dar, die dann angewandt werden sollte, wenn bei Kostenermittlungen nach der HOAI/DIN 276 oder der die traditionellen Kostenkalkulation bei Bauunternehmen Risiken
304
6 Kosten und Bauzeit quantitativ verfolgt werden müssen. Es ist normal, dass Risiken in frühen Planungsphasen in den Kosten (als Preisrisiken) in großem Maße vorhanden sind. Grundlage des Verfahrens sind dabei stochastische Kostenansätze der Hauptleistungen. Diese Verteilungen können von Experten auch in frühen Planungsphasen gut angegeben werden. Darüber hinaus bestehen bedeutende Mengenrisiken, die ebenfalls abgebildet werden können. Ungewohnt dürfte der Umgang mit den stochastischen Ergebnissen, die sich insbesondere durch die Quantile ergeben, sein. Prinzipiell ist es jedoch erforderlich, dass sich Bauherren, Planer und Unternehmer in wesentlich größerem Maße mit Risiken und Risikomanagementsystemen beschäftigen. Mit Hilfe von stochastischen Kostenberechnungen lässt sich innerhalb bestimmter Quantile gut ermitteln, wie sich Risiken kostenmäßig auswirken und welche Kosten dann gegebenenfalls übernommen werden müssen. Die vorgestellte Methode bildet daher eine wertvolle Grundlage zum Umgang mit real existierenden Risiken.
6.1.6 Literatur
6
DIN 276: Kosten im Hochbau. Beuth-Verlag. 2003. Drees G.; Paul W: Kalkulation von Baupreisen – Hochbau, Tiefbau, Schlüsselfertiges Bauen mit kompletten Berechnungsbeispielen. 8. Auflage. Bauwerk Verlag. Berlin 2005. Gralla M.: Garantierter Maximalpreis – GMP-Partnering-Modelle – Ein neuer und innovativer Ansatz für die Baupraxis. 1. Auflage. B. G. Teubner Verlag Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden. 2001. HOAI – Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und der Ingenieure. Textausgabe. 2. Auflage. Werner Verlag Braunschweig/Wiesbaden. 2002. Heiermann W.; Riedl R.; Rusam M.; Kullack A. M.; Weyand R.: Handkommentar zur VOB – Teile A und B, Rechtsschutz im Vergabeverfahren. 10. Auflage. Friedrich Vieweg & Sohn Verlag Wiesbaden. 2003. Kapellmann K. D.; Schiffers K.-H.: Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag – Rechtliche und baubetriebliche Darstellung der geschuldeten Leistung und Vergütung sowie der Ansprüche des Auftragnehmers aus unklarer Ausschreibung, Mengenänderung, geänderter oder zusätzlicher Leistung und aus Behinderung gemäß VOB/B und BGB. 2. Auflage. Werner Verlag Düsseldorf. 1997. Nemuth, T.: Risikomanagement bei internationalen Bauprojekten Schriftenreihe des Instituts für Baubetriebswesen der Technischen Universität Dresden. Expert Verlag Renningen. 2006. Schach R.; Sperling W.: Baukosten – Kostensteuerung in Planung und Ausführung. 1. Auflage. Springer Verlag Berlin/Heidelberg. 2001. Schneeweiß C.: Planung I – Systemanalytische und entscheidungstheoretische Grundlagen. Springer Verlag Berlin. 1991. SIC! Modul HGV: Vergleichende Untersuchung von Hochgeschwindigkeitssystemen im Paneuropäischen Verkehrskorridor IV Berlin – Budapest. Forschungsvorhaben des Instituts für Baubetriebwesen der Technischen Universität Dresden in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Hochleistungsbahnen und Magnetbahnsysteme der Technischen Universität Dresden und dem Institut für Bahntechnik GmbH, Berlin. Wanner, A.: Neue Kalkulation Schlüsselfertigbau. Expert Verlag Renningen. 2001.
6.2 Der Streit um des Kaisers Bart
305
6.2 Der Streit um des Kaisers Bart Sind Bauzeitclaims noch justiziabel? bearbeitet von RA Andreas J. Roquette, LL.M.17
6.2.1 Einleitung Prof. Kochendörfer, der mit dieser Festschrift geehrt wird, hat sich seit Beginn seiner Kariere mit dem Thema Bauzeit beschäftigt.18 Dieses Thema begleitete ihn bei seiner Tätigkeit als Hochschullehrer, Gutachter und Berater. Dieser Beitrag der Festschrift behandelt ebenfalls ein Bauzeitthema, nämlich die Frage, wie Ansprüche auf Ausgleich des beim Auftragnehmer durch einen gestörten Bauablauf eingetretenen Mehraufwandes begründet, hergeleitet und berechnet werden können. Dabei geht es um die richtige juristische Begründung, d.h. die Wahl der Anspruchsgrundlage und die Grundlagen zur Berechnung der Höhe des Anspruchs. Auslöser dieses Themas ist ein Aufsatz von Prof. Thode (ehemals Richter im für Baurecht zuständigen 7. Senat des BGH), der ein lebhaftes Echo in der juristischen Literatur ausgelöst hat. Die von Prof. Thode ausgelöste Diskussion ist bei genauerem Hinsehen nicht zielführend.19 Thode hat die bestehende Rechtslage auf den Punkt gebracht. Die dazu laufende Diskussion zeigt, dass nur die Behandlung einer von vier Fallgruppen, die Thode skizziert, strittig ist. Unabhängig davon, welcher Meinung über die strittige Frage man sich anschließt, führt die geltende Rechtslage dazu, dass ein Anspruch des Auftragnehmers wegen Bauzeitverzögerung wegen der Komplexität des Themas nur schwierig zu begründen und zu berechnen ist. Dazu will dieser Beitrag Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
6.2.2 Die Analyse von Thode Thode hat in seiner ihm eigenen und nicht unumstrittenen Art in seinem Beitrag „Nachträge wegen gestörten Bauablaufs im VOB/B-Vertrag, eine kritische Bestandsaufnahme20 erläutert, dass Auftragnehmer, die einen Anspruch wegen Bauzeitverzögerung geltend machen, die rechtlichen Rahmenbedingungen oft nicht ausreichend würdigen.
6.2.2.1 Ausgangspunkt Für einen Anspruch des Auftragnehmers auf Ausgleich des Mehraufwandes durch eine von ihm nicht zu vertretende Bauablaufstörung kommen folgende Anspruchsgrundlagen in Frage: • § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B, • § 6 Nr. 6 VOB/B und • § 642 BGB.
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Rechtsanwalt Roquette ist Partner im Berliner Büro der Sozietät CMS Hasche Sigle. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier aus seinen Veröffentlichungen folgende genannt: Kochendörfer, Bauzeit und Baukosten von Hochbauten, Schriftenreihe des Institutes für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart, 1978; Kochendörfer/Viering, Dokumentation und Kostenerfassung aufgrund gestörter Bauabläufe in Heiermann/Franke/Knipp, Baubegleitende Rechtsberatung, 2002, S. 649 ff. Die Diskussion ist außerdem einseitig, da nur Ansprüche des Auftragnehmers beleuchtet werden. Selbstverständlich ist eine Bauzeitverzögerung in vielen Fällen auch vom Auftragnehmer zu vertreten, was zu entsprechenden Ansprüchen des Auftraggebers führen kann. Thode, ZfBR 2004, 214 ff.
6
306
6 Kosten und Bauzeit Thode erläutert, dass jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen gegeben sind. Dabei unterscheidet er die folgenden vier Fallgruppen: Auslöser gestörter Bauabläufe und anwendbare Anspruchsgrundlage Auslöser
Anspruchsgrundlage
Anordnung des AG Leistungsbestimmungsrecht gem. § 1 Nrn. 3, 4 VOB/B Vergütungsanspruch des AN gem. § 2 Nrn. 5, 6 VOB/B
AG-seitige Störung ohne rechtliche Grundlage schuldhafte Pflicht(= vertragswidrig) verletzung Schadensersatzanspruch oder Entschädigungsanspruch des AN gem. § 6 Nr. 6 VOB/B oder § 642 BGB
Schadensersatzanspruch des AN gem. § 6 Nr. 6 VOB/B
fehlende Mitwirkungshandlung Entschädigungsanspruch des AN gem. § 642 BGB
Abbildung 6.11: Systematik nach Thode
6
Thode unterscheidet zutreffend zwischen Vergütungsansprüchen (nämlich solchen nach § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B) und Schadensersatzansprüchen (nach § 6 Nr. 6 VOB/B) bzw. Entschädigungsansprüchen (gem. § 642 BGB). Vergütungsansprüche setzen rechtmäßiges Verhalten voraus, während Schadensersatzansprüche auf rechtswidrigem Verhalten beruhen. Nach der Analyse von Thode kommt ein Vergütungsanspruch nach § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B nur im Fall einer rechtmäßigen Anordnung des Auftraggebers gemäß § 1 Nrn. 3 bzw. 4 VOB/B in Frage. In den übrigen im Abbildung 1 genannten Fällen kommen danach nur Schadensersatzansprüche bzw. Ansprüche auf Entschädigung in Frage. Dies ist im Falle der schuldhaften Pflichtverletzung bzw. der fehlenden Mitwirkungshandlung des Auftraggebers einleuchtend. Dies ist aber auch dann zutreffend, wenn der gestörte Bauablauf zwar auf eine Anordnung des Auftraggebers zurückzuführen ist, aber gar keine Rechtsgrundlage für diese Anordnung vorliegt. In diesem Fall ist die Anordnung des Auftraggebers nämlich auch „rechtswidrig“, so dass ein Vergütungsanspruch, der ja rechtmäßiges Handeln voraussetzt, nicht in Frage kommt. Nach Thode sind einseitige Anordnungen des Auftraggebers zur Bauzeit oder zum Bauablauf nicht durch das Anordnungsrecht des § 1 Nr. 3 VOB/B gedeckt. Damit fehlt die Rechtsgrundlage für eine solche Anordnung, so dass diese Anordnungen dann „rechtswidrig“ sind mit der Folge, dass kein Anspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B bestehen kann, sondern nur ein Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B oder ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB.21
6.2.2.2 Reaktionen auf Thode Die Analyse von Thode hat ein lebhaftes Echo in der Literatur ausgelöst.22 Unstrittig ist nach den neueren Beiträgen, dass ein Vergütungsanspruch bei schuldhaften Pflichtverlet21 22
Thode (Fn. 19), 221 ff. zur sog. „anderen Anordnung“ i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B. Siehe dazu die Beiträge von Zanner/Keller, NZBau 2004, 353 ff.; Genschow, ZfBR 2004, 642 ff.; Quack, IBR 2004, 558 ; Schwenker, IBR 2005, 4; Leinemann, VOB/B, 2. Auflage 2005, § 2 Rn. 96 sowie § 6, Rn. 86; Wirth/Würfele, in Kapellmann/Vygen, Jahrbuch Baurecht 2006, 119 ff.; Vygen, BauR 2006, 166; Niemöller, BauR 2006, 170; Zanner, BauR 2006, 177; Boldt, BauR 2006, 185; Diehr, ZfBR 2006, 312 f.; Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 24.10.2006, § 631, Rn. 369 ff.; Kapellmann/Schiffers, Vergütung Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, 5. Auflage 2006, Rn. 785 ff, 798 ff.; Markus, NZBau 2006, 537 ff.; Breyer, BauR 2006, 1222 ff.
6.2 Der Streit um des Kaisers Bart
307
zungen oder fehlender Mitwirkungshandlung nicht in Betracht kommt; in diesen Fällen kann lediglich ein Schadensersatzanspruch gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B oder ein Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB bestehen.23 Umstritten ist der Fall der sog. „anderen Anordnung“. Der Begriff der „anderen Anordnung“ ist in § 2 Nr. 5 VOB/B enthalten und wirft die Frage auf, ob neben den in § 1 Nrn. 3 und 4 VOB/B definierten Anordnungsrechten des Auftraggebers noch weitere Anordnungsrechte bestehen. Nach Thode ist eine Anordnung des Auftraggebers, die nicht auf einem Leistungsbestimmungsrecht i.S.v. § 1 Nr. 3 VOB/B beruht,24 vertragswidrig.25 Nach anderen Autoren kann diese andere Anordnung dagegen unter den weit auszulegenden Begriff „Bauentwurf“ (als Bauumstand definiert) des § 1 Nr. 3 VOB/B subsumiert werden.26 Damit wäre die Anordnung entgegen Thode vertragsgemäß, so dass dem Auftragnehmer als Folge ein Vergütungsanspruch gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B zustünde. Andere Lösungen gehen davon aus, dass die sog. andere Anordnung zwar nicht unter das Leistungsbestimmungsrecht i.S.v. § 1 Nr. 3 VOB/B fällt, aber damit als Angebot zum Abschluss eines Änderungsvertrages ausgelegt werden muss, welches der Auftragnehmer bei Durchführung der Leistung konkludent annimmt, womit wiederum ein Vergütungsanspruch entstünde.27 Schließlich wird noch versucht, zur anderen Anordnung einen Einigungszwang der Parteien unter dem Stichwort Kooperationspflicht der Bauvertragsparteien zu postulieren, infolge derer der Auftragnehmer ebenfalls einen Vergütungsanspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B haben soll.28 Ob diese Versuche, das Anordnungsrecht des § 1 Nr. 3 VOB/B weiter auszulegen, richtig sind,29 soll an dieser Stelle dahinstehen.
6.2.3 Aus der Thode-Analyse folgende Probleme der Praxis Die vorstehend unter Ziff. 2.2 erläuterte Diskussion ist nicht zielführend. Unabhängig davon, welcher Meinung man sich anschließt, führt nämlich die von Thode aufgezeigte Problematik dazu, dass ein Auftragnehmer bei mehreren Ereignissen, die gestörte Bauabläufe auslösen, große Schwierigkeiten hat, seine Ansprüche richtig zu begründen bzw. zu berechnen.
6.2.3.1 Überlappung der Fallgruppen – Mischfälle In der Praxis sind gestörte Bauabläufe komplexe Ereignisse. So liegen regelmäßig mehrere Auslöser für gestörte Bauabläufe vor, und diese verschiedenen Auslöser sind oft zum einen auf Anordnungen des Auftraggebers und zum anderen auf eingetretene Störungen zurückzuführen. Man hat es also mit „Mischfällen“ zu tun, bei denen der Auftragnehmer seinen Anspruch nicht nur als Vergütungsanspruch oder nur als Schadensersatzanspruch berechnen kann. Er müsste
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28 29
So im Anschluss an Thode auch OLG Hamm, BauR 2005, 1480 sowie LG Hamburg, IBR 2004, 412. Siehe die grau unterlegte Fallgruppe in Abbildung 1. So Thode (Fn. 19), 225 und auch die in Fn. 21 erwähnten Beiträge von Kapellmann/Schiffers und Markus, die aber zu einem anderen Ergebnis kommen: der AN soll zwischen Vergütung gem. § 2 Nr. 5 VOB/B und Schadensersatz gem. § 2 Nr. 6 VOB/B wählen können. So die in Fn. 21 erwähnten Beiträge von Zanner bzw. Zanner/Keller, Wirth/Würfele, Leinemann und Kniffka sowie Breyer, der allerdings § 1 Nr. 4 VOB/B heranzieht. So Genschow (Fn. 21), 643 f. und Wirth/Würfele (Fn. 21), 119, 162 - Ob bei einer solchen Änderungsvereinbarung aber automatisch die Rechtsfolge des § 2 Nr. 5 VOB/B greift, mit der Folge, dass der Auftragnehmer an das Vertragspreisniveau gebunden ist oder ob dieser dann mangels einer neuen Preisvereinbarung nicht die übliche Vergütung i.S.v. § 632 Abs. 2 BGB gilt, ist keineswegs klar. So Wirth/Würfele (Fn. 21), 119, 163 f. Kritisch dazu die Beiträge von Quack und Schwenker in Fn. 5 und OLG Hamm, BauR 2005, 1480.
6
308
6 Kosten und Bauzeit also für getrennte Zeiträume verschiedene Berechnungen vornehmen. Dies macht die Sache kompliziert und ist in der Praxis kaum durchführbar. Diese Schwierigkeit besteht auch dann, wenn man den Autoren folgt, die auch bei einer „anderen Anordnung“ im Sinne des § 2 Nr. 5 VOB/B von einem Vergütungsanspruch des Auftragnehmers ausgehen. Auch in diesem Fall wird neben einer Anordnung des Bauherrn (unabhängig davon, ob diese auf einem Leistungsbestimmungsrecht beruht oder nicht) oft auch eine nicht auf einer Anordnung beruhende Störung vorliegen. Damit bestehen Vergütungsansprüche und Schadensersatzansprüche nebeneinander. Noch komplizierter wird es, wenn die durch den jeweiligen Anlass eingetretene Bauzeitverzögerung „überlappt“. Die Problematik ergibt sich aus folgendem Schaubild:
6
Abbildung 6.12: Überlappung der Fallgruppen/Mischfälle
An dieser – bewusst vereinfachenden und den § 642 BGB ignorierenden – Darstellung zeigt sich Folgendes: Es gibt vier Störungsereignisse: • • • •
eine verspäte Baugenehmigung (= Störung), eine Änderungsanordnung durch Vorlage neuer Pläne (= Anordnung), eine fehlende Bemusterungsentscheidung des Auftraggebers (= Störung) und die Anordnung eines Baustopps wegen archäologischer Funde (= Anordnung – nach Thode vertragswidrig und daher Anspruch gem. § 6 Nr. 6 VOB/B). Diese Ereignisse führen „kumuliert“ zu einem gestörten Bauablauf. Wie man der Darstellung im unteren Teil des Schaubildes entnehmen kann, ist der Anspruch auf Ausgleich des durch die Bauzeitverzögerung entstandenen Mehraufwandes für Teile der aufgetretenen Bauzeitverzögerung gem. § 2 Nr. 5 VOB/B und für andere Teile der eingetretenen Bauzeitverzögerung gem. § 6 Nr. 6 VOB/B (bzw. § 642 BGB) geltend zu machen. Schlimmer noch: Zum Teil gibt es Verzögerungszeiträume, bei denen der Anspruch – da die Verzögerung auf zwei verschiedene Ereignisse zurückzuführen ist – auf § 2 Nr. 5 VOB/B und § 6 Nr. 6 VOB/B (bzw. § 642
6.2 Der Streit um des Kaisers Bart
309
BGB) gestützt werden könnte. Eine anteilige Zurechnung dieses „Mischfalls“ zu der jeweiligen Anspruchsgrundlage ist in vielen Fällen unmöglich.
6.2.3.2 Folgen für die Anspruchsberechnung Der Auftragnehmer, der vom Auftraggeber den Ausgleich des ihm aufgrund der Bauablaufstörung entstandenen Mehraufwands fordert, macht in dem Beispiel bei genauer Betrachtung nicht einen, sondern mehrere Ansprüche geltend. Ein Teil seiner Ansprüche sind Vergütungsansprüche und ein Teil seiner Ansprüche Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche. Dies muss man auch präzise trennen, da ein Anspruch auf Ersatz des genannten Mehraufwands dem Auftragnehmer nur dann zustehen kann, wenn ihm eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht und deren Voraussetzungen vorliegen. Ein Wahlrecht gibt es insoweit nicht. Auf der anderen Seite muss Recht auch praktikabel sein. Es kann nicht angehen, dass die Voraussetzungen für die Durchsetzung von Ansprüchen so ausgestaltet sind, dass es in der Praxis auch bei entsprechendem Aufwand nicht möglich ist, diese zu erfüllen. Bei gestörten Bauabläufen ist dies aber oft der Fall. Leineweber30 formuliert dies treffend wie folgt: „Schon die wenigen veröffentlichten Entscheidungen machen deutlich, dass die Gerichte von dem so genannten ‚Radio-Eriwan'-Prinzip ausgehen: Im Prinzip gibt es den Anspruch des Auftragnehmers auf Mehrkosten wegen gestörten Bauablaufs im konkreten Fall jedoch nicht.“ Ist es dem Auftraggeber tatsächlich zuzumuten, dass er seine Anspruchsberechnung beim gleichen Fall sowohl als Vergütungsanspruch als auch als Schadensersatzanspruch durchführt (d.h. einmal auf Basis seiner Kalkulation und einmal auf Basis der ihm tatsächlich entstandenen Ist-Kosten)?31 Wie ist dann zu verfahren, wenn ein Teil des gestörten Bauablaufs auf mehreren Ereignissen beruht, die auf der einen Seite Vergütungsansprüche und auf der anderen Seite Schadensersatzansprüche auslösen? Wie ist zu verfahren, wenn die Folgen der verschiedenen Ereignisse sich bei der Berechnung des gestörten Bauablaufs überlappen, wie oben in Abbildung 2 dargestellt? Auf diese Fragen geben weder Thode noch die anderen Autoren, die zu seinem Beitrag Stellung genommen haben, eine Antwort.32
6.2.4 Lösungsansätze Im Folgenden werden praktische Lösungsansätze aufgezeigt, die sich am vorhandenen System der Anspruchsgrundlagen orientieren.
6.2.4.1 Ausgangspunkt: Hilfestellungen der Rechtsordnung Ausgangspunkt aller Überlegungen muss die Tatsache sein, dass die Rechtsordnung einem Anspruchsteller, der einen berechtigten Anspruch geltend macht, dazu das Instrumentarium zur Verfügung stellen muss. Er darf bildlich gesprochen nicht im Regen stehen bleiben. Dies hat die Rechtsordnung – d.h. Gesetz und Rechtsprechung – immer berücksichtigt. Dies vorausgeschickt, wird im Folgenden an einigen Beispielen belegt, in welchen Fällen die Rechtsordnung dem Anspruchsteller „Hilfen durch Vereinfachung“ gibt. 30
31 32
Leineweber Mehrkostenforderungen des Auftragnehmers bei gestörtem Bauablauf, in Kapellmann/ Vygen, Jahrbuch Baurecht 2002, 107 ff., 124. So im Ergebnis OLG Hamm, BauR 2005, 1480. Wenig zielführend ist die Diskussion auch deshalb, weil der gut beratene Auftraggeber es in Kenntnis der Diskussion zur sog. „anderen Anordnung“ vermeiden wird, eine solche Anordnung zur Bauzeit auszusprechen.
6
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6 Kosten und Bauzeit 6.2.4.1.1 Schätzung gemäß § 287 ZPO § 287 ZPO sieht die Möglichkeit vor, die Höhe eines Anspruchs zu schätzen. Voraussetzung einer solchen Schätzung ist, dass • der Haftungsgrund unstreitig oder bewiesen ist, • ein Schadenseintritt zumindest wahrscheinlich ist und • greifbare Anhaltspunkte für eine richterliche Schadensschätzung vorhanden sind.33 Allerdings orientiert sich die Rechtsprechung hier streng an den Kriterien, dass greifbare Anhaltspunkte für eine Schätzung vorhanden sein müssen, d.h. es muss doch soviel vorgetragen werden, dass nicht alles offen ist bzw. eine Schätzung nicht völlig in der Luft hängen würde.34 6.2.4.1.2 Beweiserleichterungen und vereinfachte Schadensberechnung Ferner hat die Rechtsprechung bei Konstellationen, in denen der Anspruchsteller typischerweise Schwierigkeiten hat, die Grundlagen seines Anspruchs darzulegen und unter Beweis zu stellen, durch richterliche Rechtsfortbildung verfahrensrechtliche oder materiellrechtliche Erleichterungen geschaffen.
6
Zum einen gibt es Beweiserleichterungen für den Anspruchsteller. So hat die Rechtsprechung den sog. Anscheinsbeweis kreiert. Danach besteht bei einem typischen Geschehensablauf die tatsächliche Vermutung für die Kausalität oder das Verschulden. Es ist dann Aufgabe des Anspruchsgegners, diese Vermutung zu widerlegen. Dies gilt beispielsweise im Bereich der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.35 Ferner nimmt die Rechtsprechung in bestimmten Fällen eine Beweislastumkehr an. Danach muss der Anspruchsgegner den Beweis dafür führen, dass ein vom Anspruchsteller dargelegter Sachverhalt nicht zutrifft. Die Beweislastumkehr wurde von der Rechtsprechung beispielsweise im Bereich der Arzthaftung oder im Bereich der Produkthaftung angenommen.36 Zum anderen hat die Rechtsprechung – vor allen Dingen im Bereich des Verkehrshaftpflichtrechts – Erleichterungen für die Schadensberechnung geschaffen. Beispielhaft seien die Schadensberechnung auf Neupreisbasis, die auch dann noch zulässig sein soll, wenn das Kfz nicht mehr neu, sondern bis zu 3.000 km gelaufen ist,37 sowie die sog. fiktive Schadensberechnung genannt, wonach der Anspruchsteller die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten verlangen kann, auch wenn er die Reparatur gar nicht oder erheblich billiger durchführen lässt38. Diese Beispiele zeigen, dass die Rechtsprechung den Grundsatz, dass ein Anspruchsteller bildlich gesprochen nicht im Regen stehen bleiben darf, tatsächlich berücksichtigt. Dieser gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Grundsätzlich ist es Sache des Anspruchstellers, den Anspruch darzulegen und zu beweisen. Darlegungs- und Beweiserleichterungen sollen nur dann greifen, wenn es ihm trotz zumutbarer Bemühungen objektiv gesehen nicht möglich ist, die normal geltenden Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast zu erfüllen.
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Siehe dazu beispielsweise die BGH-Urteile vom 20.02.1986, BauR 1986, 347 und vom 14.01.1993, BauR 1993, 600. Siehe zu dieser Abgrenzung im Einzelnen Roquette/Laumann, Dichter Nebel bei Bauzeitclaims, Navigationshilfen zur Darlegungs- und Beweislast sowie zur Schätzung, BauR 2005, 1829, 1839 ff. BGH, NJW 1994, 945; BGH, NJW 1997, 528. Vgl. BGH, NJW 1968, 1185; BGH, NJW 1978, 2337 f.; BGH, NJW 1988, 2948 f.; BGH, NJW 1998, 814; BGH, NJW 1969, 269; BGH, NJW 1981, 1603; BGH, NJW 1991, 1948; BGH, NJW 1999, 1028. BGH, NJW 1982, 443; BGH, NJW 1983, 2694. BGH, NJW 1985, 1222; BGH, NJW 2003, 2085.
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6.2.4.2 Anwendung des § 642 BGB statt des § 6 Nr. 6 VOB/B Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist, dass es angesichts der beschriebenen rechtlichen Systematik zu kurz gesprungen wäre, sich nur die Anspruchsgrundlage herauszusuchen, die die Berechnung des Anspruchs möglichst einfach macht. Dennoch muss wie oben unter Ziff. 3.2 erläutert der Anspruchsteller die Möglichkeit haben, seinen Anspruch auch tatsächlich herzuleiten und zu berechnen. Er muss nach Ansicht des Verfassers daher in der Lage sein, nur eine Berechnung seines Anspruchs durchzuführen, da Bauzeitclaims sonst nicht justiziabel sind. Eine Möglichkeit, nur eine einheitliche Anspruchsberechnung durchzuführen, besteht darin, dass der Auftragnehmer sich für Ansprüche aufgrund von Störungen aus der Sphäre des Auftraggebers statt auf § 6 Nr. 6 VOB/B auf § 642 BGB stützt. Bei mehreren Auslösern, die auf vertragsgemäßen Anordnungen einerseits und Störungen aus der Sphäre des Auftraggebers andererseits beruhen, kämen damit die Anspruchsgrundlagen des § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B einerseits und des § 642 BGB andererseits zur Anwendung. Da die Berechnung von Vergütung nach § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B und einer Entschädigung gemäß § 642 BGB nach nahezu den gleichen Grundsätzen erfolgt (dazu gleich), ist es dem Auftragnehmer möglich, für seinen gesamten Anspruch (genauer gesagt die Summe seiner verschiedenen Ansprüche) eine einheitliche Anspruchsberechnung durchzuführen, auch wenn der Anspruch auf zwei Anspruchsgrundlagen gestützt wird. Ausgangspunkt ist die Entscheidung des BGH vom 21.10.199939 zur Vorunternehmerhaftung, in der der BGH entschied, dass die §§ 6 Nr. 6 VOB/B und 642 BGB nebeneinander anwendbar sind. Die Folgen dieser Entscheidungen gehen deutlich über den damals vom BGH entschiedenen Fall hinaus. Nach einhelliger Meinung ist § 642 BGB seit dieser Entscheidung nun für alle Fälle anwendbar, in denen der Auftragnehmer gestört ist, seine Leistung zu erbringen, soweit dies vom Auftraggeber verursacht ist oder aus seiner Sphäre stammt.40 Leinemann spricht insoweit vom „Bedeutungsverlust von § 6 Nr. 6 für Ansprüche des AN“.41 Liegen die Voraussetzungen des § 642 BGB vor, kommt es auf die Einzelheiten der Berechnung der Höhe des Anspruchs an. Während im Falle eines Anspruchs nach § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B der Auftragnehmer einen Vergütungsanspruch geltend macht, den er auf Basis seiner Vertragskalkulation zu berechnen hat, liegt bei einem Anspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B ein Schadensersatzanspruch vor, den er gem. §§ 249 ff. BGB nach der Differenzhypothese auf Basis seiner Ist-Kosten zu berechnen hat. Bei einem Anspruch aus § 642 BGB liegt ein Entschädigungsanspruch vor. Die Rechtsnatur dieses Anspruchs ist umstritten. Es ist kein Vergütungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch. Da die Entschädigung nach § 642 Abs. 2 BGB sich nach der Höhe der vereinbarten Vergütung bestimmt, spricht man von einem vergütungsähnlichen Anspruch.42 Daher kann der Auftragnehmer zur Berechnung der Höhe des Anspruchs aus § 642 BGB auf seine Kalkulation als Berechnungsgrundlage zurückgreifen.43
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41 42
43
BGH, BauR 2000, 722 (Vorunternehmer II). So Boldt (Fn. 21), 186; Kapellmann/Messerschmidt-Kapellmann; VOB, 2003, § 6 VOB/B, Rn. 63 und 89 ff.; Leinemann (Fn. 21), § 6 Rn. 100; Vygen/Schubert/Lang, Bauverzögerung und Leistungsänderung, 4. Auflage 2002, Rn. 319. So Leinemann (Fn. 21), § 6 Rn. 100. Vgl. Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 10.04.2006, § 642 Rn. 53, 54; Boldt (Fn. 21), 193; Kapellmann/Messerschmidt-Kapellmann (Fn. 39), Rn. 90.; Leinemann (Fn. 21), Rn. 164 Vgl. Leinemann (Fn. 21), Rn. 166; Kapellmann/Messerschmidt-Kapellmann (Fn. 39), Rn. 91; Kniffka (Fn. 41), Rn. 57.
6
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6 Kosten und Bauzeit Dies führt zu dem bereits vorher genannten Ergebnis: Ein Auftragnehmer, der verschiedene Ansprüche, die teilweise auf § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B und teilweise auf § 642 BGB gestützt werden, kann bei der Berechnung seines Gesamtanspruchs diesen auf Basis seiner Kalkulation berechnen. Es ist also – was die Höhe des Anspruchs angeht – eine einheitliche Berechnung des Gesamtanspruchs möglich, auch wenn verschiedene Ereignisse, die zusammen einen gestörten Bauablauf verursachen, zu verschiedenen Anspruchsgrundlagen führen. Unterschiede in der Berechnung ergeben sich allerdings, was die Position „Wagnis und Gewinn“ angeht. Während der Vergütungsanspruch nach § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B grundsätzlich Wagnis und Gewinn beinhaltet, entschied der BGH in der o.g. Entscheidung zur Vorunternehmerhaftung, dass der Anspruch aus § 642 BGB entgangenen Gewinn und Wagnis nicht umfasst.44
6
Einzelfragen bei der Berechnung des Anspruchs nach § 642 BGB sind ungelöst. Thode führt aus, dass die Frage, was Gegenstand des Entschädigungsanspruchs gemäß § 642 BGB sein kann, weitgehend ungeklärt ist.45 Dies betrifft beispielsweise die Frage, ob der Anspruch mit Umsatzsteuer zu beaufschlagen ist,46 wie ersparte Aufwendungen zu berücksichtigen sind oder dass im Gegensatz zur Berechnung eines Vergütungsanspruchs gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B der der Berechnung zugrunde liegende Bauzeitverlängerungsanspruch sich nur bis zum tatsächlich Ist-Bauenden erstreckt.47 Ferner soll bei einem gestörten Bauablauf, der sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftragnehmer zu vertreten ist, beim Entschädigungsanspruch gem. § 642 BGB eine Schadensteilung gem. § 254 BGB nicht möglich sein.48 Einzelheiten müssen hier nicht vertieft werden und sollten in der Praxis lösbar sein.
6.2.4.3 Schwerpunkttheorie Es ist aber nicht immer eine Lösung, für die Fälle von Störungen aus der Sphäre des Auftraggebers auf § 642 BGB statt auf § 6 Nr. 6 VOB/B zurückzugreifen. Zum einen gibt es – wie oben ausgeführt – auch bei der Berechnung des Anspruchs nach § 642 BGB Probleme, und zum anderen kann dies in der Praxis dazu führen, dass der Anspruch des Auftragnehmers deutlich niedriger ist als der Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B. Bei der heutigen Auftragslage kalkulieren Auftragnehmer oft sehr niedrige Preise, was dazu führt, dass eine „schwarze Null“ geschrieben wird oder nur die Gemeinkosten gedeckt werden. Die tatsächlichen Kosten der Abwicklung des Auftrags können dann unter Umständen erheblich höher sein. Liegt ein gestörter Bauablauf vor und ist dies vom Auftraggeber zu vertreten, so ist nicht einzusehen, warum der Auftragnehmer in solchen Fällen nur die äußerst knapp kalkulierte Vergütung beanspruchen darf und nicht den ihm tatsächlich entstandenen Schaden geltend machen kann. Daher muss es auch möglich sein, die Fälle, bei denen auf der einen Seite Vergütungsansprüche des Auftragnehmers nach § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B bestehen und für andere Verzögerungszeiträume Schadenersatzansprüche nach § 6 Nr. 6 VOB/B, zu einer einheitlichen Berechnung zu gelangen, ohne § 642 BGB heranzuziehen. Auch in diesen Fällen muss der Auftragnehmer nach Ansicht des Verfassers trotz verschiedener Anspruchsgrundlagen in der Lage sein, nur eine einheitliche Gesamtberechnung seines Anspruchs durchzuführen, damit der Anspruch justiziabel bleibt. Konkret muss es ihm, was die Höhe seines Gesamtanspruchs angeht, möglich sein, entweder eine Vergütungsberechnung oder eine Schadensersatzberechnung durchzuführen. 44
45 46 47 48
BGH (Fn. 41); a.A.; Boldt (Fn. 39), 196 ff. sowie Kapellmann/Messerschmidt-Messerschmidt (Fn. 39), Rn. 92 m.w.N. (Fn. 35, 221. Vgl. dazu Kniffka (Fn. 41), Rn. 61. Darauf weist zutreffend Leinemann (Fn. 21), Rn. 166, hin; a.A. offensichtlich Boldt (Fn. 21), 194. So Boldt (Fn. 21), 200 f.
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Dabei ist allerdings Voraussetzung, dass ein Großteil des durch die Bauzeitverzögerung entstandenen Mehraufwandes auf die gleiche Fallgruppe von Ereignissen zurückzuführen ist und nur ein kleinerer Teil der eingetretenen Bauzeitverzögerung auf Ereignisse zurückzuführen ist, die zu einer anderen Fallgruppe gehören. Zur Verdeutlichung: Wenn der gestörte Bauablauf überwiegend auf Anordnungen des Bauherren zurückzuführen ist, die auf dem Leistungsbestimmungsrecht des § 1 Nr. 3 oder 1 Nr. 4 VOB/B beruhen, dann muss es möglich sein, dass der Anspruchsteller seinen ganzen Anspruch als Vergütungsanspruch berechnet. Ist dagegen ein Großteil der Bauzeitverzögerung auf Störungen zurückzuführen, so muss der Anspruchsteller den ganzen Anspruch als Schadensersatzanspruch berechnen dürfen. Insoweit kann – dies ist die These des Verfassers – der Anspruchsteller den „Schwerpunkt“ seines Falles ermitteln und den Anspruch dann nur nach einer Anspruchsgrundlage berechnen. Dies wird im Folgenden Schwerpunkttheorie genannt. Zur Klarstellung: Es geht hier nicht darum, dem Auftragnehmer quasi durch die Hintertür doch ein Wahlrecht im Hinblick auf die Anspruchsgrundlage einzuräumen. Der Auftragnehmer muss vielmehr nach Ansicht des Verfassers bei der Darlegung des gestörten Bauablaufs die Voraussetzungen der jeweiligen Anspruchsgrundlage im Einzelnen vortragen. Dazu gehört auch, dass er die Umstände, aus denen sich die Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ableiten, im Einzelnen darlegt. Damit muss er auch die einzelne Anordnung oder Pflichtverletzung, die Behinderung und den Kausalzusammenhang zwischen beiden etc. genau vortragen und unter Beweis stellen.49 Er müsste sogar darlegen, wenn Ereignisse, die den gestörten Bauablauf verursachen, verschiedenen Kategorien zuzuordnen sind und sich teilweise überlappen. Dies ist zumutbar. Was den Anspruchsgrund angeht, hilft die hier vertretende Schwerpunkttheorie also nicht. In den meisten Fällen müssen daher die Voraussetzungen mehrerer Anspruchsgrundlagen dargelegt werden. Die Schwerpunkttheorie greift aber für die Berechnung der Anspruchshöhe. Es ist ausreichend präzise, wenn der Anspruchsteller, der nachgewiesen hat, dass die von ihm im Einzelnen aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach vorliegen, die Höhe seines Anspruchs entweder als Vergütungsanspruch oder als Schadensersatzanspruch bzw. Entschädigungsanspruch berechnet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Großteil der eingetretenen Bauablaufstörung zu einer Anspruchskategorie, d.h. entweder zu einem Vergütungsanspruch oder zu einem Schadensersatzanspruch bzw. Entschädigungsanspruch, führt. Hier dürfte die vorgeschlagene Vereinfachung auch nicht zu wesentlichen Abweichungen führen.
6.2.4.4 Anpassung durch Schätzung Wie oben bereits ausgeführt, sieht § 287 ZPO die Schätzung der Höhe eines Anspruchs vor. Dies gilt sowohl für Vergütungsansprüche als auch für Schadensersatzansprüche.50 Bei der Schätzung nach § 287 ZPO gilt das Prinzip: Je mehr und je detaillierter ein Anspruchsteller Angaben macht und seinen Anspruch substantiiert, um so eher dürfen der Schätzung die Angaben im vollen Umfang zugrunde gelegt werden. Je weniger Angaben dagegen ein Anspruchsteller macht, um seinen Anspruch zu substantiieren, desto eher müssen im Rahmen der Schätzung von den gemachten Angaben Abschläge nach unten vorgenommen werden.51 49
50 51
Siehe dazu die beiden Entscheidungen des BGH vom 24.02.2005 – VII ZR 141/03 – BauR 2005, 857 sowie – VII ZR 225/03 – BauR 2005, 861 sowie die dazu veröffentlichte Urteilsbesprechung von Roquette/Laumann, (Fn. 34). Roquette/Laumann (Fn. 33), 1838 f. Roquette/Laumann (Fn. 33), 1842.
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6 Kosten und Bauzeit Im Rahmen der Schätzung können daher vom Gericht Abschläge nach unten vorgenommen werden, wenn der Anspruchsteller basierend auf der Schwerpunkttheorie seinen Anspruch, ohne weitere Angaben zu machen, nur als Vergütungsanspruch oder nur als Schadensersatzanspruch berechnet. Macht der Anspruchsteller beispielsweise Angaben dazu, warum sein Anspruch ganz überwiegend ein Vergütungsanspruch ist und dass ihm bei der Ausführung tatsächlich höhere Kosten als die kalkulierten Kosten entstanden sind, so dass ein Schadensersatzanspruch sogar noch höher wäre, dann wäre im Rahmen des § 287 ZPO einer Schätzung der volle rechnerisch nachgewiesene Anspruch zugrunde zu legen oder dieser sogar noch leicht nach oben zu korrigieren (beispielsweise wenn die Schadensersatzkomponente nicht unerheblich ist). Im Rahmen der Schätzung kann andererseits berücksichtigt werden, dass ein Schadensersatzanspruch im Regelfall (wenn keine Fahrlässigkeit oder Vorsatz seitens des Auftraggebers vorliegen) nach § 6 Nr. 6 VOB/B keinen entgangenen Gewinn beinhaltet, so dass der vom Auftragnehmer auf Basis von § 2 Nr. 5 VOB/B berechnete Vergütungsanspruch dann teilweise (für den Anteil des Anspruchs, der an sich ein Schadensersatzanspruch ist) um den kalkulierten Gewinn zu kürzen wäre. Die Schätzung kann daher zur „Korrektur“ der durch die Schwerpunkttheorie entstandenen Vereinfachung dienen. Genauso kann die Schätzung natürlich bei einer Berechnung des Anspruchs auf Basis von § 6 Nr. 6 VOB/B und § 642 BGB als Korrektur herangezogen werden.
6.2.4.5 Es bleibt komplex Sowohl bei einer Abrechnung gemäß § 642 BGB statt nach § 6 Nr. 6 VOB/B als auch bei der hier vertretenen Schwerpunkttheorie ist es dem Anspruchsteller möglich, mit zumutbarem Aufwand eine Berechnung des ihm durch den gestörten Bauablauf entstandenen Mehraufwandes durchzuführen. Die entsprechende Vereinfachung muss aber nachvollziehbar und transparent auf Basis eines dem Grunde nach konkret nachgewiesenen Anspruchs geschehen. Tatsächlich handelt es sich um eine Vielfalt von Ansprüchen, die dargelegt werden müssen und zwar mit den einzelnen Ereignissen, die den jeweiligen Teil des gestörten Bauablaufs auslösen, und dem Nachweis, dass die Voraussetzungen für den sich daraus ergebenden Vergütungs- oder Schadensersatzanspruch bzw. Entschädigungsanspruch bestehen. Es ist für den Anspruchsteller daher immer noch aufwendig, einen entsprechenden Anspruch darzulegen, zu begründen und unter Beweis zu stellen. Dies entspricht aber dem von der Rechtsordnung aufgestellten Prinzip, dass derjenige, der einen Anspruch geltend macht, auch verpflichtet ist nachzuweisen, dass ein solcher besteht. Dies kommt beispielsweise auch in der Rechtsprechung des BGH zum Ausdruck, wonach der Anspruchsgrund bei einem Bauzeitanspruch nicht geschätzt werden kann, während die Anspruchshöhe (einschließlich der Auswirkung des einzelnen Ereignisses auf den Bauverlauf) der Schätzung nach § 287 ZPO zugänglich ist.52 Nur wenn man diesen Maßstab an die Darlegung von Bauzeitansprüchen stellt, können der Rückgriff auf § 642 BGB als Ersatz für § 6 Nr. 6 VOB/B oder die hier vorgeschlagene Schwerpunkttheorie Anwendung finden. Nur dann entspricht dies der Systematik der Rechtsordnung. Auf den Punkt gebracht: Wir brauchen eine gewisse Vereinfachung, die es dem Anspruchsteller möglich macht, seinen Anspruch durchzusetzen, aber diese Vereinfachung ist nur in klar abgesteckten engen Grenzen zulässig.
52
BGH, Urteil vom 24.02.2005 – VII ZR 141/03 – BauR 2005, 857.
6.2 Der Streit um des Kaisers Bart
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6.2.5 Ergebnis Thode ist zuzustimmen, dass rechtmäßiges Verhalten nur Vergütungsansprüche auslösen kann und rechtswidriges Verhalten nur Schadensersatzansprüche bzw. Entschädigungsansprüche nach § 642 BGB. Daher schließen die entsprechenden Rechtsgrundlagen sich gegenseitig aus. Unabhängig davon, ob man die „andere Anordnung“ im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B mit einem Teil der Literatur als rechtmäßige Anordnung nach § 1 Nr. 3 VOB/B ansieht, so dass in diesem Fall ein Vergütungsanspruch bestünde, bleibt in der Praxis das Problem, dass der Anspruchsteller bei einem gestörten Bauablauf die Berechnung seines Anspruchs auf mehrere Arten vornehmen müsste, wenn verschiedene Ereignisse zum gestörten Bauablauf führen, die jeweils entweder Vergütungsansprüche oder Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche auslösen. Dies führt dazu, dass die Voraussetzungen, die an die Darlegung und den Beweis des Anspruchs gestellt werden, in der Praxis kaum zu erfüllen sind. Es gilt, den Widerspruch aufzulösen, der dadurch entsteht, dass man auf der einen Seite die Systematik der Rechtsordnung zu berücksichtigen hat, womit die Voraussetzungen an die Darlegung und den Beweis des Anspruches sehr hoch werden, und dass auf der anderen Seite Ansprüche durchsetzbar bleiben müssen, d.h. dass Recht praktikabel sein muss. Dies ist durch den Rückgriff auf § 642 BGB als Ersatz für § 6 Nr. 6 VOB/B oder durch die Anwendung der in diesem Beitrag postulierten Schwerpunkttheorie möglich. Der Auftragnehmer muss zum Anspruchsgrund vollständig und unter Beachtung der jeweils einschlägigen Anspruchsgrundlagen vortragen. Was die Anspruchshöhe angeht, kann er aber (i) entweder eine einheitliche Berechnung auf Basis der Kalkulation vornehmen, wenn § 2 Nrn. 5 bzw. § 642 BGB parallel zur Anwendung kommen, oder (ii) wenn ein Schwerpunkt feststellbar ist, die Höhe seines Anspruchs entweder als Vergütungsanspruch oder als Schadensersatzanspruch berechnen. Im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO lässt sich das berechnete Ergebnis gegebenenfalls noch nach unten oder oben korrigieren, um sicherzustellen, dass die vorgeschlagene Vereinfachung nicht dazu führt, dass der Auftragnehmer mehr bekommt als ihm zusteht.
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6 Kosten und Bauzeit
6.3 Der Bauzeitnachtrag des Architekten bearbeitet von Prof. Dr. Dieter Stassen
6.3.1 Einführung Die Zeit (in diesem Fall als Bauzeit bezeichnet) hat baubetriebliche Bedeutung. Arbeitskräfte und Maschinen können ihre Kosten nur erwirtschaften, wenn sie ungestört eingesetzt werden; wenn sie jedoch gestört oder behindert werden und die Dinge länger dauern als geplant, wird ein Bauvorhaben ineffektiv53. Die Baubetriebswirtschaft beschäftigt sich mit diesen Themen intensiv, und auch in der forensischen Praxis kommen die sogenannten Bauzeiten-Claims immer häufiger vor. „Time is money“ heißt es jedoch nur scheinbar beim gewerblichen Auftragnehmer, dem „klassischen“ Werkunternehmer. Architekten und Ingenieure hingegen stellen ihre Zeit nach Auffassung der noch vorherrschenden Rechtsprechung und Literatur wohl gern auch unentgeltlich zur Verfügung.
6
Der Architekt (und dieser soll nachfolgend besonders betrachtet werden, obwohl die nachstehenden Gedanken sicherlich auf jeden Ingenieurvertrag genauso angewendet werden können) ist jedoch auch ein Werkvertragsleistender. Dies ist seit einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 195954 unstreitig, und zwar auch wenn der Architekt nur die Objektüberwachung übernimmt55. Der BGH jedenfalls geht davon aus, dass der Architektenvertrag ein Werkvertrag ist, dessen Ziel vor allem darin besteht, dass der Architekt durch die Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben das Bauwerk mangelfrei entstehen lässt. Dabei sei es – so der BGH – „ohne Interesse, wie der Architekt den angestrebten Erfolg herbeiführt und welchen Arbeitseinsatz er dazu für erforderlich hält“56. In der Praxis führt dies dazu, dass Architekten regelmäßig die Risiken mittragen, die aus einer Verlängerung der Bauzeit resultieren, weil Honorare trotz der längeren Bauzeit und des Umstandes, dass sie hierfür gegebenenfalls ihre bauleitenden Ingenieure weiter monatlich fortlaufend bezahlen müssen, statisch bleiben, obwohl sie keinerlei eigenes Verschulden an dieser Verlängerung haben. Das Honorar bleibt meist gleich. Gegebenenfalls wird nicht nur ein möglicher Gewinn aufgezehrt werden, sondern die Architekten haben baubetrieblich wie real betrachtet einen Verlust zu gegenwärtigen. Die HOAI negiert diesen Sachverhalt57, und nicht nur laut Werner58 besteht hier ein dringender Regelungsbedarf. Die Literatur hat sich in der Vergangenheit und unter Darlegung des beklagenswerten Zustandes damit beholfen, den Baubeteiligten Vertragsformulierungen zu unterbreiten, die häufig genug das Problem nur verlagert haben.
53
54 55 56 57
58
vgl. statt vieler zur baubetrieblichen Bedeutung der Bauzeit: Vygen/Schubert/Lang, Bauzeitverzögerung und Leistungsänderung, 4. Auflage, Rn. 4. vgl. BGH, NJW 1960, S. 431. vgl. BGH, NJW 1982, S. 483. vgl. BGH, BauR 1982, S. 219. so sehr pointiert: Preussner, Der Honoraranspruch des Architekten bei Bauzeitverlängerung, BauR 2006, 203; sowie die ausführliche baubetriebliche Betrachtung von Schramm, Störungen der Architekten- und Ingenieurleistungen: Anwendungsprobleme der HOAI und Mehrkostenermittlung, Jahrbuch Baurecht 2004, S. 139 ff.. vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, Rn. 874 ff., auf den auch Preussner (a. a. O.) hinweist.
6.3 Der Bauzeitnachtrag des Architekten
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Der BGH hat sich nun in einer neueren Entscheidung mit einer derartigen Klausel beschäftigt und hat in diesem Kontext einige Überlegungen angestellt, die zum Weiterdenken anregen. In der nachfolgenden kleinen Abhandlung sollen einmal die (möglichen) Ansprüche bei einer vertraglicher Regelung und (zusätzlich) die vorgeschlagenen Klauseln untersucht werden und schließlich die Frage aufgegriffen werden, ob eine Rechtsgrundlage für etwaige Ansprüche besteht, falls eine Klausel zwischen den Parteien nicht vereinbart worden ist.
6.3.2 Ansprüche bei vertraglicher Vereinbarung 6.3.2.1 Die Rechtsprechung des BGH Der der Entscheidung des BGH vom 30.04.2004 (Aktenzeichen VII ZR 456/01)59, zugrunde liegende Sachverhalt beinhaltete folgende vertragliche Klausel: „Dauert die Bauausführung länger als 15 Monate, so sind die Parteien verpflichtet, über eine angemessene Erhöhung des Honorars für die Bauüberwachung (§ 15 Abs. 2 HOAI, Leistungsphase 8) zu verhandeln. Der nachgewiesene Mehraufwand ist dem Architekten in jedem Fall zu erstatten, es sei denn, dass der Architekt die Bauzeitüberschreitung zu vertreten hat.“ Diese Klausel stellt zwar keine unter preisrechtlichen Gesichtspunkten zulässige Honorarvereinbarung im Sinne des § 4 Abs. 1 HOAI dar, da die Höhe des Honorars respektive der Umfang der Erhöhung nicht bestimmbar sind. Diese (reine) preisrechtliche Unwirksamkeit führt nun aber nicht etwa dazu, dass keine vertragsrechtlichen Folgen aus dieser Regelung resultieren können. Der BGH hat – völlig richtig – die Klausel als vertragliche Regelung eines Sonderfalls des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verstanden, dessen Voraussetzungen auch gegeben gewesen seien. Derartige Voraussetzungen für den Anpassungsanspruch seien nämlich, dass die Störung des Äquivalenzverhältnisses auf Umständen beruht, die von keiner Partei vorauszusehen waren. Können die Parteien im maßgeblichen Zeitpunkt – das ist der des Vertragsschlusses – voraussehen, dass die Leistungszeit länger als gewöhnlich sein wird, können sie dies berücksichtigen, indem sie höhere als die Mindestsätze vereinbaren. Die Grenze liegt bei den Höchstsätzen, die nur in dem Fall einer ungewöhnlich langen Dauer der Leistung gemäß § 4 Abs. 3 HOAI überschritten werden können60. Eine solche Regelung ist natürlich nur möglich, wenn die Parteien die Dauer der Bauzeit bereits bei Vertragsschluss tatsächlich kennen. Die in der Praxis üblichen unvorhersehbaren Ereignisse können hiermit nicht berücksichtigt werden; solche Ereignisse führen aber dann gegebenenfalls zum Wegfall der Geschäftsgrundlage und – falls vereinbart – zu einem Preisanpassungsanspruch. Der Umstand, dass die Parteien in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nur eine Verhandlungspflicht vorgesehen hatten, ist nach Auffassung des BGH unerheblich. In einem Rechtsstreit tritt an die Stelle des Anspruchs auf Verhandlung der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen erhöhten Vergütung. Voraussetzung jedoch für die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist nach Ansicht des BGH weiterhin, dass eine realistische Bauzeit, d. h. realistische Annahmen hierzu, der Vereinbarung zugrunde gelegt werden. Eine solche Klausel darf
59 60
vgl. BauR 2005, 118; IBR 2005, S. 94 f. zu den unterschiedlichen Ansichten zu der Frage, was „ungewöhnlich“ bedeutet, vgl. Preussner, a. a. O., S. 204 m. w. N.
6
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6 Kosten und Bauzeit nämlich nicht dazu dienen, die Höchstpreisbegrenzung der HOAI zu umgehen (was sie würde, wenn man z. B. eine unrealistisch kurze Bauzeit vertraglich vereinbarte).
6.3.2.2 Die unterschiedlichen Formulierungsvorschläge für Verlängerungen Die Rechtsprechung des BGH betraf eine in den seinerzeitigen Einheitsarchitektenverträgen gebräuchliche Klausel. Ähnliche Formulierungsvorschläge wurden in den verschiedenen Musterverträgen und der Literatur empfohlen. So zitiert Werner61 die Klausel: „Verlängert sich die Bauzeit durch Umstände, die der Auftragnehmer nicht zu verantworten hat, wesentlich, wird für die Mehraufwendungen im Rahmen der Objektüberwachung eine zusätzliche Vergütung vereinbart. Eine Überschreitung bis zu 20 % der festgelegten Ausführungszeit, maximal jedoch … Monate, ist durch das Honorar abgegolten.“ Völlig zu Recht kritisiert Werner62, dass sie im Konfliktfall wenig helfe, weil insbesondere keine Kriterien zur Bemessung der Erhöhung benannt werden.
6
Das Problem bei diesen Vorschlägen ist, dass zwar jeweils die Tatbestandsvoraussetzungen mehr oder minder exakt eingegrenzt werden können (und auch werden), die Rechtsfolgenseite jedoch unbestimmt bleibt. Die Parteien müssen daher, wenn die Voraussetzungen vorliegen, erneut in eine Verhandlung eintreten, die ein erhebliches Konfliktpotential birgt. In der vorstehenden Klausel wird zudem auf den Begriff Mehraufwendungen abgestellt, wobei dies, wie nachstehend noch ausgeführt wird, keine wirklich glückliche Begriffswahl ist. Andere Vorschläge sind dann auch auf der Rechtsfolgenseite eingrenzbar, z. B.: „Der Architekt erhält eine entsprechende Mehrvergütung für eine Verlängerung der Regelbauzeit (einschließlich einer Toleranz von … Monaten), die im Einzelnen von den Vertragsparteien auszuhandeln ist, sich aber an dem hier vereinbarten Honorar für die Objektüberwachung einerseits und der vereinbarten Regelbauzeit andererseits orientieren soll.“ Eine derart (nach Abzug der Toleranz) fast lineare Steigerung ist zwar dann einfach zu berechnen, führt aber zu einer erheblichen Honorarmehrung des Architekten, die möglicherweise nicht gerechtfertigt sein könnte. Etwas geringer wird das Honorar des Architekten bei der nachstehenden Klausel, weil hier die Toleranzzeit als Bemessungs- und Berechnungsgrundlage für den anzustellenden Dreisatz mit einbezogen wird. Dennoch kann es auch hier zu einem mehr als auskömmlichen Honorar des Architekten kommen. „Wird die Bauzeit aus nicht vom Auftragnehmer zu vertretenen Gründen um mehr als … Monate (Toleranz) überschritten, so erhöht sich das Honorar für die Objektüberwachung im gleichen Verhältnis wie die tatsächliche Bauzeit zur vorgesehenen und um die Toleranz erhöhten Bauzeit.“ Werner63 empfiehlt diese Regelung unter dem Gesichtspunkt, dass eine entsprechende Mehrvergütung für die verlängerte Bauzeit von dem konkreten Bauaufwand abgekoppelt ist und das Honorar von Vornherein nur an eine bestimmte Regelbauzeit angeknüpft wird.
61 62 63
vgl. Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 876. vgl. Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 876. vgl. Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 878.
6.3 Der Bauzeitnachtrag des Architekten
319
Diese Klauselvorschläge sind für den Architekten insofern sinnvoll, als sie einen Weg zur Erhöhung des Honorars öffnen. Dabei sind jedoch diejenigen Klauseln problembehaftet, die jeweils nur eine Verhandlungspflicht konstatieren. Was nutzt dem Architekten die Pflicht des Bauherrn, mit ihm über eine angemessene Erhöhung des Honorars für die Bauüberwachung zu verhandeln, wenn sich dieser dann weigert, die Verhandlungen zu führen oder im Rahmen der zu führenden Verhandlungen keine Einigkeit erzielt wird, formuliert noch Wirth64. Dies hat sich heute zwar (etwas) überholt, da in Ansehung der Rechtsprechung des BGH65 ja an die Stelle des Anspruchs auf Verhandlung ein Anspruch auf Zahlung der angemessenen Vergütung getreten ist, aber in der Praxis entstehen die Probleme dann bei der Berechnung der Höhe. Die einfachste Möglichkeit (sicherlich auch für den Architekten die angenehmste) ist eine Formulierung, die von Vornherein nach Ablauf der festgelegten Bauzeit eine direkte Erhöhung des Honorars pro Monat oder Woche vorsieht. So hat Wirth hierzu vorgeschlagen66: „Verlängert sich diese Bauzeit, ohne dass dies auf eine Pflichtverletzung des Auftragnehmers zurückzuführen ist, erhält dieser für jede weitere Woche der Bauüberwachungstätigkeit einen Betrag in Höhe von … EUR. Angefangene Wochen werden anteilig (sieben Tage) bezahlt.“ Ähnliches schlagen auch Motzke/Wolf67 vor: „Bei einer Verlängerung der Planungszeit um mehr als … Wochen/Monate erhöht sich das Honorar für die Leistungsphasen 1 – 7 je Verlängerungswoche/Verlängerungsmonat um … EUR/%. Der Ansatz ist erst gerechtfertigt, wenn die Verlängerung … Wochen/Monate übersteigt.“ Dergestalt gefasste Vertragsklauseln sind (wenn nicht vergessen wird, die relevante Bauzeit an anderer Stelle zu definieren) dann in der Handhabung möglicherweise einfach (weil einfach zu berechnen), führen aber, je nachdem welche Honorarhöhe pro Woche oder Monat vereinbart wird, zu pauschalen Ergebnissen, die sich dann nicht an den tatsächlichen Mehraufwendungen (zur Begriffsbestimmung nachfolgend) orientieren und insofern unbillig erscheinen. Sinnvoll, angemessen und billig (im Gegensatz zu unbillig) schiene eine vertragliche Regelung, die hinsichtlich der einzelnen Leistungen des Architekten differenziert, nämlich einmal zwischen denjenigen Leistungen, die sich infolge der Bauzeitverlängerung ebenso verlängern, und andererseits denjenigen Leistungen, die sich lediglich verschieben. Diese Differenzierung ist auch sachgerecht. Das Überwachen der Ausführung des Objektes oder das Aufstellen des Zeitplanes sind bei einer verlängerten Objektüberwachung eben auch „länger“ zu erbringen ebenso wie die Leistung des Führens eines Bautagebuchs. Hingegen sind andere Grundleistungen wie z. B. das Mitwirken bei der Abnahme oder das Zusammenstellen der Revisionsunterlagen, die Kostenfeststellung oder das Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme der Bauleistung festgestellten Mängel Leistungen, die lediglich verschoben werden und insofern zeitlich lediglich versetzt erbracht werden müssen. Die Differenzierung der zeitlich versetzten und zeitlich gestreckten Leistungen kann anhand der Grundleistungen einer jeden Leistungsphase erfolgen. Erfahrungsgemäß werden ca. 70 bis 80 % der Leistungen gestreckt sein, während der Rest lediglich versetzt ist. 64 65 66 67
vg. Wirth in: Architekt und Bauherr 1997, S. 561. vgl. BGH, a. a. O. vgl. Wirth in: Architekt und Bauherr 1997, S. 560. Motzke/Wolf, Praxis der HOAI, S. 83.
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6 Kosten und Bauzeit Anhand dieser dann theoretischen Annahme (die aber natürlich in der Praxis zwischen den Parteien individuell festgelegt werden könnten und sollten) kann eine auf den ersten Blick recht komplexe aber sehr viel Einzellfallgerechtigkeit beinhaltende Klausel formuliert werden, die wie folgt lautet: „Die Bauausführung wird mit … Monaten vereinbart. Wird die Bauausführung um mehr als 20 % der vertraglich vereinbarten Bauzeit (oder um eine bestimmte Anzahl von Monaten) ohne Verschulden des Planers verlängert, erhöht sich das Honorar für die Leistungsphase 8 für den über 20 % (oder … Monate) hinausgehenden Verzögerungszeitraum im Verhältnis zur Bauzeitverlängerung nach folgender Berechnungsformel: ursp. Honorar x Honorarfähige Verlängerung in Monaten x 0,75 (Abminderungsfaktor) ursprünglich vereinbarte Bauzeit in Monaten Bauzeitverlängerungen von weniger als … Monaten berechtigen nicht zur Erhöhung des Honorars für die Leistungsphase 8.“
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In dieser Klausel wäre dann alles enthalten: die Voraussetzungen, die Karenzzeit, die Berechenbarkeit bzw. Bestimmbarkeit und sie wäre zudem „billig und gerecht“. Diese Formulierung wurde in ähnlicher Form bereits abgedruckt und empfohlen vom Wirtschaftsdienst für Ingenieure und Architekten, 10/2003, leider ohne Nennung des Verfassers. Diese Vertragspassage ist unter der Maßgabe, dass die ursprüngliche Bauzeit richtig berechnet wurde, dann in Ansehung der Rechtsprechung des BGH sicher auch wirksam und bietet die einfachste Möglichkeit, differenzierte Sachverhalte angemessen zu regeln.
6.3.2.3 Mehraufwendungen und ihre Berechnung anhand der Rechtsprechung Mehraufwendungen sind, das ist wohl unstreitig, nicht etwa Mehrleistungen, sondern Mehrkosten aufgrund der verlängerten Bauzeit bei ansonsten unverändertem Leistungsinhalt. Die vertraglich geschuldeten Leistungen werden nicht geändert, sie werden nur verzögert erbracht. Mehraufwendungen sind insofern sicher der falsche Begriff. Hierauf weist auch Werner68 zu recht hin. Der Mehraufwand sind die entsprechenden Mehrkosten, die der Architekt dadurch erleidet, dass er unverschuldet ineffizient arbeitet. Mehraufwand ist also Zeit, die nach Stunden berechnet werden kann. Wie nun ist dieser Mehraufwand nach der Rechtsprechung nachzuweisen? Die Rechtsprechung lässt im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast wohl zunächst den Vortrag ausreichen, dass der Architekt respektive dessen Bauleiter während der verlängerten Bauzeit mit ihrer vollen Arbeitskraft tätig waren. Diese Zeiten könnten dann berechnet werden. Wenn dieser Vortrag allerdings bestritten wird, dann wird die Nachweisführung doch recht komplex. Der Architekt hat dann nämlich die jeweiligen Tätigkeiten seiner Mitarbeiter im Rahmen der verlängerten Bauzeit im Einzelnen darzulegen69. Weiter geht an dieser Stelle noch Preussner70, der unter Hinweis auf das Urteil des Brandenburgischen OLG vom 16.12.199971 fordert, dass der Architekt – als weitere Anspruchsvoraussetzung – darlegen und beweisen 68 69 70 71
Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 876b. vgl. BGH, BauR 1998, 184; OLG Bbg, BauR 2001, S. 1772, 1775. vgl. Preussner, a. a. O., S. 208. vgl. OLG Bbg, BauR 2001, S. 1772.
6.3 Der Bauzeitnachtrag des Architekten
321
muss, dass die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter einschließlich eines Gemeinkostenzuschlages das vereinbarte Honorar für die jeweilige Leistungsphase übertroffen haben. Diese Ansicht dürfte jedoch unzutreffend sein. Das Brandenburgische OLG hat in diesem Fall wohl aufgrund der Rechtsprechung des BGH noch aus der Zeit der alten GoA diesen Gedanken des „Gewinnverzehrs“ übernommen, ohne sich hiermit differenziert auseinander zu setzen. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit, einen Gewinnverzehr darzulegen, lassen sich ansonsten nämlich nicht finden. Sowohl Messerschmidt72 als auch Preussner73 übernehmen diese Rechtsprechung des Brandenburgischen OLG, ohne hierfür eine eigenständige Begründung zu geben. Dabei beachten sie eine zwischenzeitlich ergangene, ebenso lesenswerte Entscheidung des OLG Celle74 nicht. Das OLG Celle hat dort verschiedene, sehr vernünftige Überlegungen angestellt, nämlich dass nicht jeder Zeitaufwand, der in der Bauverzögerungsphase entstanden ist, als „Mehraufwand“ zu betrachten ist, sondern nur die Tätigkeiten, die tatsächlich auf die Bauzeitverlängerung zurückzuführen sind, berücksichtigt werden können; diese sind dann jedoch im Einzelnen, d. h. nach Zeit, Tagen und Stunden, Personen und Tätigkeitsinhalt darzulegen und unter Beweis zu stellen. Selbst die Tätigkeit muss exakt angegeben werden, um dem Bauherrn eine Prüfung zu ermöglichen, und zwar ob es sich um zeitlich gestreckte oder lediglich versetzten Leistungen handelt. Hier weist das OLG Celle konkret auf die Gefahr hin, dass ansonsten (ohne Bezeichnung des Tätigkeitsinhaltes) ein Auftraggeber Gefahr läuft, die Leistungen doppelt zu vergüten, die – erstmals und ausschließlich – in der Bauverzögerungsphase angefallen sind, und zwar einmal nach Stundenaufwand und (dieselben Tätigkeiten dann) ein weiteres Mal im Rahmen des Grundhonorars. Eine dergestalte Art der Dokumentation dürfte technisch sicher möglich sein, da in den meisten Büros die Zeit der Mitarbeiter sowie die tatsächlich erbrachte Tätigkeit inhaltlich erfasst werden. Jedenfalls sollte ein Architekt ab dem Beginn einer Verlängerung dazu übergehen, dies alles minutiös zu erfassen.
6.3.3 Honoraransprüche, wenn keine vertragliche Regelung besteht Diejenigen Fälle, bei denen von Anfang an klar ist, dass die Bauzeit ungewöhnlich lang, beziehungsweise in Abschnitte aufgeteilt ist, sind im Rahmen der HOAI zu berücksichtigen. Hier wird eine Honorarvereinbarung im Hinblick auf die Bestimmungen des § 21 HOAI respektive des § 4 Abs. 3 S. 1 HOAI zu treffen sein. Dieses sind jedoch nicht die spannenden und typischen Fälle. Der Konflikt entsteht ja erst, wenn sich die Bauzeit verlängert und keine Vereinbarung hierzu getroffen ist und auch der Auftraggeber eine Vereinbarung nach § 4a S. 3 HOAI ablehnt. Dort ist ja nur geregelt: „Verlängert sich die Planungs- und Bauzeit wesentlich durch Umstände, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten hat, kann für die dadurch verursachten Mehraufwendungen ein zusätzliches Honorar vereinbart werden.“
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73 74
vgl. Messerschmidt, Die Mehraufwendungen des Architekten aus verlängerter Bauzeit: Festschrift für Jagenburg, 2002, S. 607 ff. vgl. Preussner, a. a. O., 208. vgl. OLG Celle, BauR 2003, S. 1248.
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6 Kosten und Bauzeit Wenn aber nichts dergleichen vereinbart ist, könnten dem Architekten nur Ansprüche aus dem Rechtsgrund des Wegfalles der Geschäftsgrundlage oder § 642 BGB zustehen.
6.3.3.1 Der Wegfall der Geschäftsgrundlage In der bereits vorstehend zitierten Entscheidung vom 30.09.200475 hat der BGH ausgeführt: „Unvorhersehbare Ereignisse mit ungewisser Dauer können grundsätzlich bei der Honorarvereinbarung für die Bauzeit nicht berücksichtigt werden; die HOAI sieht dafür keinen Regelungstatbestand vor, aber diese unvorhergesehenen Ereignisse können zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen und einen Preisanpassungsanspruch auslösen.“ Nach Auffassung des BGH sind die Parteien: „nicht gehindert, einzelne Kriterien für einen sich aus § 242 BGB ohnehin ergebenen gesetzlichen Preisanpassungsanspruch im Vertrag zu umschreiben und damit einen vertraglichen Anspruch zu begründen.“
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Der BGH hat in diesem Fall noch die Rechtslage vor Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetztes herangezogen, der Wegfall der Geschäftsgrundlage wird nunmehr in § 313 BGB als sogenannte Störung der Geschäftsgrundlage bezeichnet. Voraussetzung für derartige Ansprüche sind: • Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, haben sich nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert, respektive • wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, stellen sich als falsch heraus. Die Abweichung muss so schwerwiegend sein, dass die Parteien den Vertrag nicht oder nur mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Änderung vorausgesehen hätten. Also nur eine schwerwiegende Veränderung rechtfertigt eine Anpassung und auch nur, wenn dem von der Störung betroffene Vertragspartner die unveränderte Vertragserfüllung nicht zugemutet werden kann76. Die Literatur hat in der Vergangenheit jeweils angenommen, dass eine Verlängerung der Bauzeit einen Wegfall der Geschäftsgrundlage darstellen könnte77. Die Rechtsprechung nahm sich des Themas erst stiefmütterlich an. Das häufig zitierte LG Heidelberg78 ging davon aus, dass selbst bei einer dreifachen Verlängerung der vorgesehenen Bauzeit kein Anspruch des Architekten auf Erhöhung des Honorars bestehe, begründet dies allerdings damit, dass § 4 HOAI, d. h. die vorherige schriftliche Vereinbarung zwingend sei und diese Bestimmung nicht umgegangen werden dürfe. Dem ist der BGH ja nun mit sehr vernünftigen Gründen entgegengetreten. Das in diesem Zusammenhang auch häufig zitierte Brandenburgische OLG79 verweist immerhin auf Locher/Koeble/Frik und konstatiert, dass ein Anspruch auf Anpassung des Honorars bei ungewöhnlich lange dauernden Leistungen in Betracht kommen kann, wenn die erhebliche Überschreitung der Regelbauzeit bei Vertragsschluss noch nicht vorhersehbar war. Dann aller75 76 77 78 79
vgl. BGH, BauR 2005, S. 118. vgl. Heinrichs in Palandt, § 313, Rn. 14. vgl. Locher/Koeble/Frik, § 4, Rn. 97; Neuenfeld, § 4, Rn. 8. vgl. LG Heidelberg, BauR 1994, S. 802. vgl. OLG Bbg, a. a. O.
6.3 Der Bauzeitnachtrag des Architekten
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dings vermengt das Brandenburgische OLG Tatbestand und Rechtsfolge, indem es als Anspruchsvoraussetzung auch noch fordert, dass die Verlängerung der Bauzeit zu einem unzumutbaren Arbeitsmehraufwand des Architekten führt. Auch dem ist der BGH (richtigerweise) nicht gefolgt. Ein Mehraufwand (oder gar ein Arbeitsmehraufwand – was immer das genau sein mag) ist nicht Voraussetzung für den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder nach neuem Recht einer Störung derselben. Der BGH hat in dieser Entscheidung jedoch darüber hinaus en passant eine Tür aufgestoßen, indem er mit einer logischen und nachvollziehbaren Begründung all diejenigen Argumente beiseite gewischt hat, die in der Vergangenheit es für den Architekten unerreichbar erscheinen ließen, bei einer erheblichen Verlängerung der Bauzeit sich auf das Institut des Wegfalles der Geschäftsgrundlage berufen zu können. In Ansehung dieser Rechtsprechung scheint es auch zukünftig nicht ausgeschlossen, sich hierauf zu berufen, auch wenn eine derartige vertragliche Preisanpassungsklausel für die Verlängerung nicht getroffen wurde. Voraussetzung scheint nur, dass die Bauzeit bestimmt ist, diese Geschäftsgrundlage geworden ist und dass die Störung dem Architekten nicht zuzurechnen ist. Die Rechtsprechung zunächst der Instanzgerichte wird sich sicher konkret mit der Frage zu beschäftigen haben, wann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Grenze zur Störung der Geschäftsgrundlage überschritten ist. Vygen80 sieht eine Analogie zur VOB/B und geht von einer Bauzeitverlängerung von 20 % aus; darüber hinausgehende Verlängerungen würden die Geschäftsgrundlage „stören“. Die in der kürzesten Vergangenheit häufig gezogenen Parallelen vom Bau- zum Architektenrecht sind sicher logisch und auch angemessen. Ob dies dann auch so entschieden wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sind die Aussichten für Architekten erfreulich(er) und die Entscheidung des BGH lädt dazu ein, die Grenzen der Rechtsprechung auszutesten.
6.3.3.2 Die Regelung des § 642 BGB Schon ein Aufsatz aus dem Jahre 1992 beschäftigte sich mit dem Schattendasein des § 642 BGB81. Werner82 formuliert unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur völlig zutreffend: „Fällt die Bauzeitverlängerung in den Verantwortungsbereich des Bauherrn, kommen § 642 BGB bzw. die Grundsätze der Pflichtverletzung als Grundlage für einen Entschädigungs- bzw. Schadenersatzanspruch des Architekten in Betracht.“ Auch Messerschmidt83 beschäftigt sich hiermit (im Gegensatz zu Preussner), formuliert allerdings nur recht kryptisch: „Schließlich kann regelmäßig auch vom Architekten über § 642 Abs. 1 und 2 BGB im Fall verlängerter Bauzeit keine zusätzliche Entschädigung beansprucht werden.“
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Korbion/Mantscheff/Vygen, a. a. O., § 4a, Rn. 33; zum Umfang der zeitlichen Überschreitung vgl. ansonsten auch Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 875. Heinle, Ansprüche des Architekten bei Bauzeitverlängerung, Zum Schattendasein des § 642 BGB, BauR 1992, S. 428. Werner/Pastor a.a.O. Rn. 878 Messerschmidt, a. a. O., S. 611.
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6 Kosten und Bauzeit Er begründet dies nicht, sondern verweist auf die Entscheidung des Brandenburgischen OLG84. Dort steht dann aber das genaue Gegenteil, nämlich dass § 642 BGB einen Entschädigungsanspruch begründen kann. Der (dortige) Kläger hatte jedoch die Voraussetzungen, nämlich den Verstoß gegen die Mitwirkungsverpflichtungen nur nicht ausreichend dargelegt. Richtig ist sicher, dass eine unterlassene Mitwirkung Voraussetzung sein muss, und es dann dadurch zu einem Annahmeverzug des Auftraggebers gekommen ist. Der BGH85 hat jedoch in seiner viel beachteten Nachunternehmerentscheidung dem Nachunternehmer einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch bei Gläubigerverzug zugestanden.
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Der Nachunternehmer habe zwar keinen Anspruch auf Schadenersatz, jedoch einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, wenn der Auftraggeber durch das Unterlassen einer bei Herstellung der Bauleistung ihm obliegenden Mitwirkungshandlung – als nicht selbstständig einklagbare Gläubigerobliegenheit – in Annahmeverzug kommt. Der BGH hat klargestellt, dass Annahmeverzug immer dann vorliegt, wenn der Auftraggeber seine Leistung nicht oder nicht rechtzeitig erbringt und der Unternehmer seinerseits leisten darf, zur Leistung bereit und im Stande ist und seine Leistung wie geschuldet anbietet. Dieser Anspruch umfasst nach Auffassung des BGH86 die angemessene Entschädigung, nicht aber Wagnis und Gewinn. Ob diese Entscheidung richtig ist87, mag dahinstehen, beachtlich ist hier nur die Parallele: Architekt wie Werkunternehmer sind Werkvertragsleistende. Der BGH hat in dem Urteil festgestellt, dass das Unterlassen der Mitwirkungshandlung des Auftraggebers weit zu verstehen ist und sowohl in einem Tun als auch in einem Unterlassen bestehen kann. Anwendungsbeispiele wird es in der Praxis viele geben, angefangen von der nicht rechtzeitigen Beauftragung der Werkunternehmer, dem Nicht-Treffen (oder dem nicht rechtzeitigen Treffen) der gebotenen Entscheidungen, möglicherweise sogar in der Änderung der bisherigen Leistungsvorgaben, d. h. dem Planungskonzept. Die seinerzeitige Entscheidung des BGH geht jedoch möglicherweise sogar noch weiter. Der BGH88 ging davon aus, dass der Auftraggeber die zur Herstellung des Werkes erforderlichen und ihm obliegenden Mitwirkungshandlungen nicht vornimmt und führt diesen Gedanken dann weiter: „Diese besteht bei Bauverträgen darin, dass er (also der Auftraggeber) das Baugrundstück als für die Leistung des Auftragnehmers aufnahmebereit zur Verfügung stellt. Das gilt auch, wenn noch andere Unternehmer Vorarbeiten zu erbringen haben.“ Wenn es also zu einer Verzögerung oder einer Unterbrechung des Baus kommt und der leistungswillige Architekt ein nicht für die Objektüberwachung „aufnahmebereites“, weil stillstehendes Bauvorhaben vorfindet, lässt dies vermuten, dass auch ihm, dem Architekten als Werkunternehmer Entschädigungsansprüche zustehen. Ansatzpunkt für diese Ansprüche allerdings dürfte die Phase der Entstehung einer derartigen Behinderung sein, d. h. der Architekt hätte in der Phase, in der es zu Verzögerungen kommt, die im Nachhinein Auswirkungen auf die Bauzeit haben und die dann in die Verlängerung münden, die Mitwirkungsverpflichtungen des Auftraggebers einzufordern. Nicht in Analogie zu § 6 Nr. 6 VOB/B (das vielleicht auch), sondern 84 85 86 87 88
OLG Bbg, a. a. O. BGH, BauR 2000, S. 722. BGH, a. a. O. Andere Ansicht: Kleine/Müller, NZBau 2000, S. 401. vgl. BGH, a. a. O.
6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel
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dem Rechtsgedanken des § 642 BGB folgend sollte ein Architekt die Mitwirkung auch konkret einfordern, d. h. mitteilen, dass er in der Durchführung seiner Leistungen behindert sei. Nach einer solchen Behinderungsanzeige des Architekten dürfte die Addition der Behinderungen (die sich dann ja spiegelbildlich in der Verlängerung darstellt) dann möglicherweise der Entscheidung des BGH folgend auch zu einem Entschädigungsanspruch des Architekten führen – ob mit oder ohne Wagnis und Gewinn wird offen bleiben. Entscheidungen hierzu sind, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht. Die zitierte Entscheidung des BGH lässt ob der theoretischen Herleitung sicher nicht nur den Schluss auf das Verhältnis Vor-/Nachunternehmer zum Auftraggeber zu, sondern kann ebenso als Begründung für entsprechende Ansprüche des „Werkunternehmers Architekt“ gelten.
6.3.4 Fazit Bauherren und Architekten sollten im Rahmen der vertraglichen Gestaltung angemessene Vereinbarungen finden, die zukünftigen Streit vermeiden. Diejenigen Architekten, die eine solche vertraglich Regelung nicht haben treffen können, sollten in Ansehung der Rechtsprechung des BGH zum Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen durchaus den Mut haben, Folgeentscheidungen der Instanzgerichte zu erstreiten. Wenn der Architekt zudem (oder statt dessen) durch unterlassene Mitwirkung des Bauherrn in der Ausführung seiner Leistung behindert ist, er dies angezeigt hat und die Behinderung dann zu einer Bauzeitverlängerung führt, könnten dem Architekten ebenso Entschädigungsansprüche nach § 642 BGB zustehen; hier ist die Rechtsprechung des BGH zur VOB/B richtungsweisend und durchaus analogiefähig.
6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel beim Bauvertrag bearbeitet von RA Christian Zanner
6.4.1 Einleitung Der Werkvertrag im Allgemeinen und der VOB/B-Bauvertrag im Besonderen sind nicht als punktuelle Austauschverhältnisse ausgestaltet, sondern enthalten Elemente eines Dauerschuldverhältnisses. Dies wird besonders deutlich, wenn die Parteien, wie in der Baupraxis die Regel, verbindliche Ausführungsfristen vereinbaren, innerhalb derer die Bauleistung fertig zu stellen ist. Geschuldet ist in diesem Fall nicht nur die körperliche Herstellung der Bauleistung, sondern auch die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Fristen. Die zunehmende Thematisierung der Bauzeit in der baurechtlichen Fachliteratur und Rechtsprechung befasst sich nahezu ausschließlich mit den Fragen, ob dem Auftraggeber ein nachträgliches einseitiges Anordnungsrecht zur Bauzeit gemäß § 1 Nr. 3 VOB/B zusteht und welche Vergütungsfolgen an eine bauzeitbezogene Anordnung geknüpft sind. Während die bislang herrschende Auffassung dem Auftraggeber kein Recht zur Änderung der Bauzeit nach § 1 Nr. 3 VOB/B zubilligt, bei dennoch erfolgter Bauzeitanordnung durch den Auftraggeber indes gleichwohl einen Preisanpassungsanspruch gemäß § 2 Nr. 5 bzw. 6 VOB/B bejaht89, sollen 89
Riedl, in: Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB/B, 10. Aufl., § 1 VOB/B Rdnr. 31a, § 2 VOB/B Rdnr. 108, Rndr. 10 f.; von Rintelen, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B, § 1 VOB/B Rdnr. 52 ff.; Kapellmann, ebenda, § 2 VOB/B Rdnr. 185; Kleine-Möller/Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 91, § 10 Rdnr. 479; vgl. auch Keldungs, in: Ingenstau/Korbion, VOB/BKommentar, 15. Aufl., § 1 Nr. 3 VOB/B Rdnr. 7 ff, § 2 Nr. 5 VOB/B Rdnr. 16; Quack IBR 2004, 558.
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6 Kosten und Bauzeit nach einer anderen Ansicht die „vertragswidrigen“ Anordnungen des Auftraggebers zur Bauzeit lediglich zu Schadensersatzansprüchen nach § 6 Nr. 6 VOB/B führen90. Nach der hier vertretenen Auffassung hat der Auftraggeber durchaus ein einseitiges Anordnungsrecht aus § 1 Nr. 3 bzw. 4 VOB/B zur nachträglichen Änderung der Bauzeit, die Vergütung bemisst sich nach § 2 Nr. 5 bzw. § 6 VOB/B91. In dem Änderungsentwurf des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss (DVA), Hauptausschuss Allgemeines, vom 17.05.2006 war sogar die Aufnahme eines ausdrücklichen bauzeitlichen Anordnungsrechts des Auftraggebers in die VOB/B 2006 vorgesehen, welches jedoch bedauerlicherweise nicht in den Änderungsbeschluss vom 27.06.2006 zur VOB/B 2006 aufgenommen wurde.
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Unabhängig von der vorstehenden Diskussion zum bauzeitlichen Anordnungsrecht des Auftraggebers besteht jedoch Einigkeit, dass die Bauzeit ein wesentlicher Bestandteil des vertraglichen Leistungsinhalts, des Bau-Solls, gemäß § 1 Nr. 1 VOB/B bildet. Daher stellt sich die Frage nach den Konsequenzen, wenn der Auftragnehmer die vertraglich vereinbarte Bauzeit überschreitet. Ist der Auftraggeber in diesem Fall allein auf Verzugsansprüche beschränkt? Oder begründet die Bauzeitüberschreitung zugleich einen Mangel der Bauleistung i.S.v. § 13 Nr. 1 VOB/B, so dass dem Auftraggeber bei Überschreitung der Bauzeit beim VOB/B - Bauvertrag die Mängelrechte aus § 13 Nr. 5 – 7 VOB/B bzw. beim BGB-Vertrag aus § 634 BGB i. V. m. den dort genannten Vorschriften zustehen? Die folgenden Untersuchungen sollen einen Beitrag zur Klärung dieser Fragen leisten.
6.4.2 Der Begriff des Sachmangels 6.4.2.1 Der frühere Sachmangelbegriff in § 13 Nr. 1 VOB/B und § 633 BGB bis zum 31.12.2001 Das bis zum 31.12.2001 geltende gesetzliche Leistungsstörungsrecht des BGB enthielt eine strikte Trennung der Haftung des Schuldners für Vertragsverletzungen. Sachmängel, Leistungsverzögerungen und die Unmöglichkeit der Leistungserbringung stellten im Rahmen des früheren allgemeinen Leistungsstörungs- und des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts jeweils unterschiedliche Tatbestände mit eigenen Rechtsfolgen dar. Entsprechend eng war der Begriff des Sachmangels in § 13 Nr. 1 VOB/B und in der zugrunde liegenden gesetzlichen Gewährleistungsnorm § 633 BGB a. F. definiert. Gemäß § 633 a. F. BGB lag ein Sachmangel vor, wenn das hergestellte Werk nicht die zugesicherten Eigenschaften aufwies oder mit Fehlern behaftet war, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufhoben oder minderten. Für VOB/B-Bauverträge enthielt § 13 Nr. 1 VOB/B in den Fassungen bis zum 31.12.2001 eine im Wesentlichen gleich lautende Regelung des Sachmangels. Zusätzlich waren ebenso wie in der heute gültigen Regelung des § 13 Nr. 1 VOB/B 2002 die Einhaltung der anerkannten Technik als weiterer Maßstab für die Mangelfreiheit
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Thode, ZfBR 2004, 214; OLG Hamm, Urt. v. 14.04.2005 - 21 U 133/04 = BauR 2005, 1480- allerdings wurde hier die erste Frage, ob der Auftraggeber gemäß § 1 Nr. 3 VOB/B ein nachträgliches Anordnungsrecht zur Bauzeit hat, ausdrücklich offen gelassen. Zanner/Keller, NZBau 2004, 353; Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB/B-Kommentar, 2. Aufl., § 1 VOB/B Rdnr. 60; Kniffka, ibr-online-Kommentar, Bauvertragsrecht, § 631 BGB Rdnr. 347 ff. (Stand 10.04.2006).
6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel
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sowie die Abnahme als maßgeblicher Zeitpunkt für die Mangelbeurteilung ausdrücklich erwähnt. Das Vorliegen eines Sachmangels richtete sich daher beim VOB/B-Bauvertrag ebenso wie beim BGB-Vertrag vor allem nach den Begriffen der zugesicherten Eigenschaft und des Fehlers. Als zusicherungsfähige Eigenschaften erkannten Literatur und Rechtsprechung zu § 13 VOB/B in der Fassung bis zum 31.12.2001 in Entsprechung der Kommentierung zu § 633 BGB a. F. neben der physischen Beschaffenheit der Bauleistung bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Materialien alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse an, welche die Beziehung der Bauleistung zur Umwelt betrafen und wegen der ihr auf gewisse Dauer anhaftenden Merkmale die Brauchbarkeit oder den Wert des Werks beeinflussten92. Daneben wurde der Fehler in der Baurechtsliteratur im Einklang mit der Kommentierung zu § 633 BGB a. F. nach dem subjektiven Fehlerbegriff bestimmt: Als Fehler galt jede ungünstige, nicht unerhebliche Abweichung der tatsächlichen Beschaffenheit der Bauleistung von der vertraglichen oder zumindest normalen Beschaffenheit derartiger Werke, sofern die Abweichung den Wert oder – vertraglichen oder gewöhnlichen – Gebrauchszweck der Bauleistung beeinträchtigte93. Ausgangspunkt der Gewährleistungsregeln für Sachmängel in § 13 VOB/B in der Fassung bis zum 31.12.2001 war somit ebenso wie bei dem zugrunde liegenden gesetzlichen Werkvertragsrecht stets der Zustand der körperlich hergestellten Sache bzw. Sachgesamtheit, mindestens mittelbar in Gestalt ihrer Beziehung zur Umwelt. Dies gilt sowohl für den Begriff der zusicherungsfähigen Eigenschaften als auch den Fehlerbegriff. Demgegenüber wurden Verzögerungen bei der Ausführung der Bauleistung über die Verzugsvorschriften der §§ 284 ff. BGB a. F. abgewickelt: Hatte der Auftragnehmer die geschuldete Leistung trotz Fälligkeit ganz oder teilweise nicht erbracht, so geriet er gemäß § 284 BGB a. F. regelmäßig in Verzug, wenn er von dem Auftraggeber nach Eintritt der Fälligkeit gemahnt worden war. Im Verhältnis zum Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Leistung bestand zudem ein Wahlrecht, den Verzugsschaden eigenständig nach den §§ 284 ff. BGB a. F. geltend zu machen oder im Rahmen des Ersatzanspruchs gemäß § 325 BGB a. F. in den Nichterfüllungsschaden einzubeziehen94. Daneben bestand aufgrund der engen Definition des Mangelbegriffs in § 13 Nr. 1 VOB/B in Entsprechung der gesetzlichen Mangeldefinition zu § 633 BGB a. F. kein Anlass, die Überschreitung der Bauzeit als Mangel der Bauleistung anzusehen.
6.4.2.2 Der heutige Sachmangelbegriff seit der Schuldrechtsreform 6.4.2.2.1 Vereinbarte Beschaffenheit Im Zuge der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 wurde § 633 BGB neu gefasst und enthält nunmehr einen dreistufigen Aufbau. Vornehmlich bemisst sich das Vorliegen eines Sachmangels gemäß § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB danach, ob das hergestellte Werk die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Für VOB/B-Bauverträge wurde der Mangelbegriff in § 13 Nr. 1 VOB/B 2002 entsprechend geändert. Abgesehen von der zusätzlichen Erwähnung der anerkannten
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Riedl, in: Heiermann/Riedl/Rusam, § 13 Rdnr. 16; Nicklisch/Weick, VOB/B, 3. Aufl., § 13 VOB/B Rdnr. 21; Wirth, in: Ingenstau/Korbion, 14. Aufl., § 13 VOB/B Rdnr. 116; BGH, Urt. v. 17.05.1994 – X ZR 39/93 = NJW-RR 1994, 1134. Riedl, a. a. O. Rn. 25; Nicklisch/Weick, a. a. O., Rdnr. 32; Wirth, a. a. O., Rdnr. 138 ff.; BGH, Urt. v. 17.12.1996 – X ZR 76/94 = NJW-RR 1997, 688. BGH, Urt. v. 17.01.1997 – V ZR 285/95 = NJW 1997, 1231; Emmerich, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 325 BGB Rdnr. 66; Otto, in: Staudinger, 12. Aufl., § 326 Rdnr. 147.
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6 Kosten und Bauzeit Regeln der Technik und des Abnahmezeitpunkts ist dort ferner weiterhin von der „Leistung“ insgesamt und nicht wie in § 633 BGB nur von dem „Werk“ die Rede. Die heutige Formulierung der vereinbarten Beschaffenheit ist vom Wortsinn offener gehalten als die Mangelbegriffe des früheren Rechts. Schon deshalb ist die hierzu in der baurechtlichen Fachliteratur und Kommentierung zu § 633 BGB teilweise vertretene Definition zu eng, wonach die Beschaffenheit mit dem tatsächlichen Zustand der Sache gleichzusetzen sei. Neben den physischen Merkmalen der Sache selbst soll die Beschaffenheit hiernach lediglich auch die äußeren Umstände, denen die Sache unterliegt, sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Bezüge umfassen, die ihren Grund im Zustand der Sache selbst haben und ihr für gewisse Dauer anhaften95. Der Sache nach stellt diese Definition freilich nichts anderes dar als bloß eine Zusammenfassung der Rechtsprechung zum Begriff der zusicherungsfähigen Eigenschaften des früheren Gewährleistungsrechts.
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Zutreffend ist vielmehr die weitergehende, u. a. von Kniffka vertretene Formulierung, derzufolge ein Sachmangel ohne Einschränkungen stets dann vorliegt, wenn die IstBeschaffenheit der Bauleistung nicht der vereinbarten Soll-Beschaffenheit entspricht96. Dabei können sich die Beschaffenheitsmerkmale der Bauleistung aus sämtlichen Vertragsunterlagen ergeben, insbesondere aus dem Bauvertrag selbst und dem Leistungsverzeichnis97. Der Mangelbegriff des neuen Rechts enthält also keine mittelbare oder unmittelbare Begrenzung mehr auf das körperlich hergestellte Werk, sondern umfasst vielmehr jede Abweichung der tatsächlich ausgeführten Leistung von dem vertraglichen Leistungs-Soll. Demzufolge unterfällt auch die Bauzeitüberschreitung, sofern deren Auswirkungen zum Abnahmezeitpunkt noch vorliegen, dem heutigen Mangelbegriff in § 13 Nr. 1 VOB/B bzw. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB. 6.4.2.2.2 Die Bauleistung/das Werk Dem steht auch die Beschreibung des geschuldeten Leistungserfolges in der VOB/B sowie im Werkvertragsrecht des BGB nicht entgegen. In § 1 Nr. 1 VOB/B ist der Leistungserfolg, ebenso wie in den früheren Fassungen der VOB/B, offen formuliert: Art und Umfang der auszuführenden Bauleistung bestimmen sich durch die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, ohne dass mit Blick auf den werkvertraglichen Charakter des Bauvertrages eine Einschränkung der in Betracht kommenden Leistungen erfolgt. Da der Leistungsbegriff der Mangeldefinition in § 13 Nr. 1 VOB/B hieran anknüpft, gehört somit der gesamte vertragliche Pflichtenkreis, und damit auch die Einhaltung der Bauzeit, zu der für die Mangelfreiheit der Bauleistung maßgeblichen Soll-Beschaffenheit. Demgegenüber benennt die Ausgangsregelung des gesetzlichen Werkvertragsrechts in § 631 Abs. 1 BGB zwar nur das herzustellende „Werk“ als ausdrücklich geschuldeten Leistungserfolg, was eine Beschränkung auf die Sache bzw. Sachgesamtheit vermuten lässt. Ebenso wie vor der Schuldrechtsreform ist allerdings in § 631 Abs. 2 BGB weiterhin ausdrücklich klargestellt, dass der Vertragstyp des Werkvertrages nicht auf die Herstellung 95
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So für § 13 VOB/B: von Rintelen, in: Kappellmann/Messerschmidt, § 13 VOB/B Rdnr. 19 ff.; für § 633 BGB: Sprau, in: Palandt, 65. Aufl., § 633 BGB Rdnr. 2 unter Verweis auf die Kommentierung von Putzo zu § 434 BGB (Rdnr. 10 f.); Peters, in: Staudinger, Neubearb. 2003, § 633 BGB Rdnr. 152 ff.; Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 633 BGB Rdnr. 10 f. IBR-online-Kommentar, § 633 BGB Rdnr. 7 ff.; ihm folgend Wirth, in: Ingenstau/Korbion, § 13 Nr. 1 VOB/B Rdnr. 17 ff.; die offenere Fassung des neuen Mangelbegriffs betonen auch Riedl, in: Heiermann/Riedl/Rusam, § 13 VOB/B Rdnr. 43; Kleine-Möller/Merl, § 12 Rdnr. 167 ff. Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 13 VOB/B Rdnr. 27.
6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel
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(oder Veränderung) einer Sache beschränkt ist, sondern auch einen anderen durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführenden Erfolg zum Gegenstand haben kann. Auch bei einem auf die Herstellung eines körperlichen Werks gerichteten Werkvertrag ist deshalb unter dem geschuldeten Leistungserfolg nach altem und neuem Recht nicht nur das Werk selbst anzusehen, sondern auch jeder erfolgsbezogene Beitrag zu seiner Verwirklichung98. Zweifellos stellt die Einhaltung der vereinbarten Fristen einen solchen erfolgsbezogenen Beitrag dar.
6.4.3 Überblick des bisherigen Diskussionsstandes In Schrifttum und Rechtsprechung wird die Bauzeit wie erwähnt nahezu ausschließlich im Rahmen der Zulässigkeit bauzeitbezogener Anordnungen des Auftraggebers gemäß § 1 Nr. 3 VOB/B diskutiert. In diesem Zusammenhang geht, soweit ersichtlich, allein Thode ausdrücklich auf die grundsätzliche Bedeutung der Bauzeit für den vertraglichen Leistungserfolg ein – vertritt hierbei jedoch die Auffassung, dass die fristgerechte Leistung, abgesehen von den besonderen Vereinbarungen eines absoluten Fixgeschäfts, kein Regelungsgegenstand des Synallagmas zwischen Sachleistung und Vergütung sei99. Für die Erfüllung des Werkvertrages sei es vielmehr hinreichend und notwendig, dass der Auftraggeber ein abnahmereifes Werk erstelle. Etwaige vertragswidrige Verzögerungen seien für die Vertragserfüllung und den mit der Abnahme fälligen Werklohn unerheblich. Für vertragswidrige Verzögerungen durch den Auftraggeber oder den Auftragnehmer, sei es aufgrund eines Schuldner- oder Gläubigerverzugs oder der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, sehe das BGB als Rechtsfolge keine Vergütung, sondern einen Schadensersatzanspruch oder einen Entschädigungsanspruch vor100. Unabhängig von der erst im Folgenden aufzugreifenden Frage nach der Vergleichbarkeit der Situation des VOB/B - Bauvertrages mit derjenigen beim Fixgeschäft ist klarzustellen, dass die Einhaltung der vertraglichen Bauzeit, also die fristgerechte Leistung, entgegen der Annahme von Thode durchaus zu dem Synallagma der gegenseitigen Verpflichtungen eines Bauvertrages gehört101. In Abgrenzung zu den vertraglichen Nebenpflichten fallen hierunter alle diejenigen Leistungspflichten, die das vertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis („do ut des“) bestimmen102. Dass aber die Einhaltung der vereinbarten Bauzeit ein wichtiger Aspekt der Leistungspflicht des Auftragnehmers ist, der die Höhe der vertraglich vereinbarten Vergütung wesentlich beeinflusst, steht außer Frage. Im Übrigen greifen auch die von Thode in Bezug genommenen Schadensersatzansprüche für vertragswidrige Verzögerungen, § 6 Nr. 6 VOB/B sowie §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, nur bei Nichtleistung einer – stets im vertraglichen Synallagma stehenden – Hauptleistungspflicht ein103. Ähnliches gilt für den Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB, in dessen Rahmen es nach dem Wortlaut in Abs. 1 zur Folge ausdrücklich auf eine Mitwirkungshandlung des 98
BGH, Urt. v. 11.10.2001 – VII ZR 475/00 = BauR 2002, 315; Wirth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, Vor §§ 631 bis 651 BGB Rdnr. 1. 99 ZfBR, 214 (225). 100 Thode, a. a. O. 101 Siehe hierzu auch den 1. Leitzsatz des OLG Köln, Urt. v. 18.08.2005 – 7 U 129/04 = NZBau 2006, 45, in dem ausdrücklich von einer „synallagmatischen Verknüpfung mit bestimmten Terminen“ die Rede ist. 102 Vgl. statt Vieler: Medicus, in: Prütting/Wegen/Weinreich, Vor §§ 320 ff. BGB Rdnr. 1. 103 Vgl. Döring, in: Ingenstau/Korbion, § 6 Nr. 6 VOB/B Rdnr. 13; Ernst, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 286 BGB Rdnr. 5; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, § 286 Rdnr. 4; a. A. jedenfalls für solche Nebenpflichten, die die Hauptleistungspflicht ergänzen und nicht (bloß) das Integritätsinteresse des Gläubigers schützen: Löwisch, in: Staudinger, Neubearb. 2004, § Vorbem. zu §§ 286-292 BGB Rdnr. 19.
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6 Kosten und Bauzeit Bestellers „bei der Herstellung des Werkes“ ankommt104. Damit folgt aber aus den Ausführungen von Thode nichts anderes, als dass die Einhaltung der vertraglichen Bauzeit zu den synallagmatischen vertraglichen Leistungspflichten gehört. Daneben lassen die Äußerungen der Autoren, die ein einseitiges Anordnungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich der Bauzeit bejahen, erkennen, dass diese die Bauzeit ebenfalls als Teil der vereinbarten Beschaffenheit ansehen, bei deren Fehlen ein Mangel der Bauleistung vorliegt: So ist nach Kniffka der Begriff des Bauentwurfs gemäß § 1 Nr. 3 VOB/B im Sinne einer umfassenden Darstellung der geschuldeten Leistung zu verstehen, die nicht nur die technischen, sondern auch die sonstigen Umstände des Bauens betreffe105. Zu diesen sonstigen Umständen zählt Kniffka angesichts seiner weiteren Ausführungen offensichtlich nicht nur die im Weiteren beispielhaft angeführten Pausenzeiten, sondern die Bauzeit im Allgemeinen106. Auch Zanner/Keller betonen, dass das Bausoll neben der gegenständlichen Planung ebenso die Bestimmungen über Bauzeit und Bauablauf umfasse107. Ferner hebt Kemper ausdrücklich hervor, dass auch die Bauzeit ein die Leistungserbringung (ebenso wie die Vergütung) maßgeblich bestimmender Faktor sei108.
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Von den Autoren, die ein Anordnungsrecht des Auftraggebers zur Bauzeit aus § 1 Nr. 3 VOB/B ablehnen, führen beispielsweise Eichberger/Kleine-Möller aus, dass die Leistungszeit für den Inhalt der Bauleistungspflicht unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten von wesentlicher Bedeutung sei, weil die Verwirklichung der Bauaufgabe in der witterungsgünstigen Jahreszeit andere Vorkehrungen und Kosten bedinge als in der Schlechtwetterzeit. Eine zeitliche Verschiebung der Bauausführung könne auch zu steigenden Lohn- und Stoffkosten führen. Demgemäß ziele eine Forderung des Auftraggebers auf eine Änderung der Leistungszeit (…) auf eine Änderung der Bauleistungspflicht ab109. Zum Inhalt und Gegenstand der Herstellungspflicht des Auftragnehmers im Allgemeinen stellen die Autoren überdies fest, dass der vereinbarte Leistungserfolg einerseits nach Art, Beschaffenheit, Umfang und Ort der Bauausführung durch körperliche Merkmale, andererseits hinsichtlich des Zeitraumes der Bauausführung und des Zeitpunkts der Fälligkeit, aber auch durch den Zeitfaktor bestimmt sei110. Ferner hat Kapellmann kürzlich ausdrücklich betont, dass die Vertragsvereinbarung zur Bauzeit „Basis jeder Kalkulation und jeder Logistik“ ist111. Von der unzutreffenden Schlussfolgerung Thodes abgesehen, lässt also der bisherige Diskussionsstand zum bauzeitbezogenen Anordnungsrecht des Auftraggebers darauf schließen, dass die Einhaltung der Bauzeit mehrheitlich als Beschaffenheitsmerkmal im Sinne von § 13 Nr. 1 VOB/B bzw. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB angesehen wird. Dem steht schließlich nicht entgegen, dass der Auftragnehmer nach der gesetzlichen Pflichtenkonzeption des Werkvertrages in § 631 Abs. 1 BGB allein die Herstellung des versprochenen Werkes, also den Leistungserfolg schuldet, in der Ausführungsart jedoch frei ist. 104
Freilich handelt es sich hier um eine Obliegenheit des Gläubigers, vgl. statt Vieler Sprau, in: Palandt, § 642 BGB Rdnr. 2 m. w. N.; Wirth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 642 BGB Rdnr. 2. 105 ibr-online-Kommentar, § 631 BGB Rdnr. 349 f.; s. auch BGH Urt. v. 11.03.1999 – VII ZR 179/98 = BauR 1999, 897 106 Vgl. ibr-online-Kommentar, a. a. O., Rdnr. 349 ff. 107 NZBau 2004, 354 108 Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 1 VOB/B Rdnr. 60. 109 Kleine-Möller/Merl, § 9 Rdnr. 91. 110 Kleine-Möller/Merl, § 9 Rdnr. 24. 111 NJW-Editorial, Heft 24/2006.
6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel
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Zwar ist deshalb grundsätzlich das „wie“ der Ausführung, also auf welche Weise er das geschuldete Werk herstellt, allein Sache des Auftragnehmers. Kapellmann spricht in diesem Zusammenhang von dem Bauumstände-Soll, welches er in das Ablauf-Soll und das Verfahrens-Soll untergliedert112, freilich ohne dass diese Begriffe eine Stütze in der VOB/B oder im Gesetz finden.
6.4.4 Fazit Es besteht Einigkeit, dass die Parteien des Bauvertrages eine bestimmte Ausführungsart113 sowie den zeitlichen Ablauf, also Beginn, Zwischenfristen und den Fertigstellungstermin verbindlich vereinbaren können. § 5 VOB/B enthält deshalb ausdrückliche Regelungen zur Vereinbarung von Ausführungsfristen. Hat sich aber der Auftragnehmer, wie in der Praxis die Regel, in dem Bauvertrag zur Ausführung der Leistung innerhalb bestimmter Ausführungsfristen verpflichtet, so gehört auch die Einhaltung der Bauzeit zum vertraglich vereinbarten Leistungssoll und damit zur vereinbarten Beschaffenheit. Eine Bauzeitüberschreitung begründet daher, sofern verbindliche Vertragsfristen betroffen sind, einen Sachmangel der Bauleistung im Sinne von § 13 Nr. 1 VOB/B, § 633 Abs. 2 BGB.
6.4.5 Rechtsfolgen der hier vertretenen Auffassung 6.4.5.1 Die Bauzeitüberschreitung als zulässiges Beweisthema des selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 Abs. 2 ZPO Die hier vertretene Auffassung hat prozessuale Auswirkungen auf den Katalog der zulässigen Beweisthemen im selbstständigen Beweisverfahren gemäß § 485 Abs. 2 Nr. 1 – 3 ZPO. Ebenso wie sich die Zustandsfeststellung nach Nr. 1 auf Personen oder Sachen bezieht, sind auch die Fälle der Ursachenfeststellung in Nr. 2 und Beseitigungsaufwandsfeststellung in Nr. 3 neben Personenschäden auf Sachschäden oder Sachmängel beschränkt. Angesichts der hinter dieser Eingrenzung stehenden gesetzgeberischen Zielsetzung, das selbstständige Beweisverfahren auf einem Sachverständigengutachten zugängliche Themen zu begrenzen, die auf der Grundlage des Gutachtens am ehesten eine gütliche Einigung erwarten lassen114, wird der Begriff des Sachmangels im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens ebenso wie der materiell-rechtliche Sachmangelbegriff interpretiert115. Die Klärung von Rechtsfragen ohne unmittelbaren Bezug zu einem Personen- oder Sachschaden bzw. Sachmangel fällt dagegen nicht unter den Beweisthemenkatalog in § 485 Abs. 2 ZPO116. Da die Bauzeitüberschreitung von den Gewährleistungsbestimmungen in § 13 VOB/B in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung und § 633 BGB a. F. nicht erfasst war und der Verzug gemäß §§ 284 ff. BGB a. F. als Rechtsverhältnis ohne unmittelbaren Sachbezug kein zulässiges Beweisthema darstellte, konnten die Fragen nach Umfang, Ursächlichkeit und Verantwortlichkeit bei Bauzeitüberschreitungen nicht in ein selbstständiges Beweisverfahren eingebracht werden. Für eine gerichtliche Klärung war somit regelmäßig die Durchführung eines kosten112 113 114 115
116
Kapellmann/Messerschmidt, § 2 VOB/B Rdnr. 33 f. BGH, Urt. v. 16.07.1998 – VII ZR 350/96 = BauR 1999, 37. Herget, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 485 ZPO Rdnr. 9. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 485 ZPO Rdnr. 12 f.; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.1996 – 21 W 42/96 = NJW-RR 1997, 1312. Hartmann, a. a. O., Rdnr. 18 unter Verweis auf OLG Schleswig SchlHA 89, 142.
6
332
6 Kosten und Bauzeit und zeitintensiveren Hauptsacheverfahrens notwendig. Dies ist seit der Schuldrechtsreform und der Einführung des neuen Mangelbegriffs in § 13 Nr. 1 VOB/B und § 633 Abs. 2 BGB und der hier vertretenen Auffassung nun nicht mehr aktuell. Ebenso wie jede andere Abweichung der tatsächlichen Ist-Beschaffenheit von der vertraglich vereinbarten SollBeschaffenheit sind nun auch die Fälle der Bauzeitüberschreitung einer Zustands, Ursachenund Beseitigungsaufwandsfeststellung gemäß § 485 Abs. 2 Nr. 1 – 3 ZPO im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens zugänglich.
6.4.5.2 Die Bauzeitüberschreitung als Gegenstand der Sachmangelhaftung gemäß § 13 VOB/B und § 633 ff. BGB In materiell-rechtlicher Hinsicht stellt sich ferner die Frage, inwiefern Bauzeitüberschreitungen nunmehr auch Gegenstand der Sachmängelhaftung gemäß § 13 VOB/B bzw. §§ 633 ff. sind. Dem scheint zunächst das Argument entgegen zu stehen, dass hierdurch entgegen § 280 Abs. 2 BGB die Verzugsvoraussetzungen umgangen würden.
6
6.4.5.2.1 Gegenüberstellung der Voraussetzungen von Mängelhaftung und Verzug Beim VOB/B-Bauvertrag erhält der Auftraggeber, der einen Mangel der Bauleistung selbst beseitigt, seine hierfür aufgewendeten Kosten gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B nur dann von dem Auftragnehmer erstattet, wenn er diesem vor der Selbstvornahme erfolglos eine angemessene Nachfrist gesetzt hat. Gleiches gilt für die Schadensersatzansprüche wegen Mängeln der Bauleistung: Obwohl das Erfordernis der Nachfristsetzung nicht ausdrücklich in den Tatbeständen des § 13 Nr. 7 VOB/B enthalten ist, handelt es sich hierbei um eine ungeschriebene Voraussetzung, um eine Umgehung der Voraussetzungen des § 13 Nr. 5 VOB/B zu vermeiden117. Nach dem gesetzlichen Mängelrechtekatalog des Werkvertrages in § 634 BGB kann der Besteller ebenfalls grundsätzlich nur dann Aufwendungsersatz gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 BGB oder Schadensersatz gemäß §§ 634 Nr. 4, 281 BGB verlangen, wenn er dem Unternehmer zuvor eine angemessene Nachfrist zur Nacherfüllung bzw. zur Beseitigung des Mangels gesetzt hat und diese erfolglos abgelaufen ist. Der nicht von einer Nachfristsetzung abhängige Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB ist hingegen bei Mängeln, die die Werkleistung selbst beeinträchtigen, nicht einschlägig. Der so genannte Mangelschaden fällt vielmehr allein unter §§ 634 Nr. 4, 281 BGB (Schadensersatz statt der Leistung)118. In Abgrenzung hierzu erfasst §§ 634 Nr. 4, 280 BGB allein sonstige Schäden, die durch eine erfolgreiche Nacherfüllung nicht beseitigt werden können, sowie Mangelfolgeschäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers119. Beim VOB/B-Bauvertrag sind die auf den Ersatz (auch) des Mangelschadens gerichteten Anspruchsgrundlagen in § 13 Nr. 7 VOB/B zudem über das gesetzliche Werkvertragsrecht hinaus an die zusätzlichen Voraussetzungen gebunden, dass der Mangel entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde (§13 Nr. 7 Abs. 2 VOB/B) oder aber es sich um einen wesentlichen Mangel handelt (§ 13 Nr. 7 Abs. 3 Satz 1 VOB/B). Im Ergebnis sind daher die Voraussetzungen des gemäß § 286 Abs. 1 BGB grundsätzlich durch eine Mahnung begründeten 117
118
119
BGH, Urt. v. 07.11.1985 – VII ZR 270/83 = BauR 1986, 211; Riedel, in: Heiermann/Riedel/Rusam, § 13 VOB/B Rdnr. 179 a; Wirth, in: Ingenstau/Korbion, § 13 Nr. 7 VOB/B Rdnr. 15; Weyer, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 13 VOB/B Rdnr. 341. Wirth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 634 BGB Rdnr. 8; Sprau, in: Palandt, § 634 BGB Rdnr. 7; vgl. zum Begriff des Mangelschadens auch BGH, Urt. v. 10.04.2003 – VII ZR 251/02 = BauR 2003, 1211. Wirth a. a. O.; Sprau a. a. O. Rdnr. 8.
6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel
333
Verzuges nicht höher als diejenigen der Aufwendungs- bzw. Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln der Bauleistung, sondern schlicht anders gelagert. Gleiches gilt für die jeweiligen Ausnahmekonstellationen im Rahmen der Mangelhaftung und des Verzuges, in denen eine Nachfristsetzung bzw. eine Mahnung entbehrlich ist: Beim VOB/B-Bauvertrag enthält zwar der Kostenerstattungsanspruch in § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B keine ausdrücklichen Regelungen zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung. Gleiches gilt für die Schadensersatzansprüche in § 13 Nr. 7 VOB/B, in denen wie erwähnt schon das Erfordernis der Nachfristsetzung selbst nicht genannt ist. Allerdings sieht die hierzu ergangene Rechtsprechung die Nachfristsetzung durch den Auftraggeber in solchen Fällen als entbehrlich an, in denen diese eine nutzlose Förmelei wäre, etwa weil der Auftragnehmer die Erfüllung seiner Nachbesserungspflicht bereits ernsthaft und endgültig abgelehnt hat120. Daneben bedarf es keiner Fristsetzung, wenn der Auftragnehmer sich bei der Bauausführung als derart unzuverlässig erwiesen hat, dass dem Auftraggeber die Mängelbeseitigung durch ihn nicht mehr zumutbar ist121. Weiterhin ist eine Fristsetzung ausnahmsweise bei Gefahr im Verzug und Vorliegen sonstiger Umstände entbehrlich, die ein sofortiges Handeln gebieten122. Ähnlich formuliert sind die gesetzlich ausgestalteten Ausnahmetatbestände des gesetzlichen Werkvertragsrechts: Beim Schadensersatzanspruch wegen Mängeln der Werkleistung ist gemäß §§ 634 Nr. 4, 281 Abs. 2 BGB die Nachfristsetzung durch den Besteller entbehrlich, wenn der Unternehmer die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. Zusätzlich bedarf es gemäß § 636 BGB der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung nach § 635 Abs. 3 BGB wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigert oder wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen bzw. dem Besteller unzumutbar ist. Ähnlich lauten die Ausnahmekonstellationen in § 286 Abs. 2 BGB zur Entbehrlichkeit der Mahnung für die Begründung des Verzugs. Abgesehen von den spezifisch auf die Leistungszeit zugeschnittenen Voraussetzungen der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit nach dem Kalender (Abs. 2 Nr. 1 und 2) bzw. der 30-Tage-Frist in Abs. 3 stellt das Gesetz auch hier darauf ab, ob der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (Abs. 2 Nr. 3) oder aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Verzugseintritt gerechtfertigt ist (Abs. 2 Nr. 4). 6.4.5.2.2 Besonderheiten beim Fixgeschäft Einen besonders gelagerten Fall stellen ferner die so genannten Fixgeschäfte dar, wobei zwischen absoluten und relativen Fixgeschäften unterschieden wird. Um ein absolutes Fixgeschäft, bei dem wie erwähnt, Thode ausnahmsweise die fristgerechte Leistung als Regelungsgegenstand des Synallagmas zwischen Sachleistung und Vergütung bejaht123, handelt es sich, wenn die geschuldete Leistung von vornherein nur zu einer ganz bestimmten Zeit oder innerhalb eines ganz bestimmten Zeitraumes erfolgen kann, weil sie zu jeder anderen Zeit ihren
120
121 122
123
BGH, Urt. v. 22.11.1984 – VII ZR 287/82 = BauR 1985, 198; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.08.1996 – 22 U 42/96 = BauR 1997, 312. OLG Düsseldorf, a. a. O. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.1992 – 22 U 63/96 = NJW-RR 1993 S. 477; vgl. auch BGH, Urt. v. 15.01.2002 – X 233/00 = BauR 2002, 940. ZfBR 2004, 214 (225).
6
334
6 Kosten und Bauzeit Zweck verfehlen würde und deshalb mit Terminablauf unmöglich wird124. Eine Beschreibung des relativen Fixgeschäfts findet sich dagegen heute noch in § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Hiernach kann der Gläubiger ohne Nachfristsetzung vom Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner die Leistung zu einem vertraglich bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat. Gemeint ist natürlich nicht die einseitige Erklärung des Gläubigers, sondern eine entsprechende Parteivereinbarung in dem Vertrag125. Diese muss so ausgestaltet sein, dass das Geschäft mit ihrer Einhaltung entsprechend der früheren Rechtsprechung zu § 361 BGB a. F. stehen und fallen soll126.
6
Obwohl der Ausnahmetatbestand zur Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung im Rahmen des Schadensersatzanspruchs gemäß § 281 Abs. 2 BGB im Unterschied zu § 323 Abs. 2 BGB das relative Fixgeschäft nicht erwähnt, wird zum Teil angenommen, dass bei Vorliegen eines Mangels im Rahmen eines Fixgeschäfts ohne Weiteres Aufwendungs- oder Schadensersatz begehrt werden kann127. Ein anderes Ergebnis wäre auch praktisch widersinnig: Was für einen Zweck sollte eine Nachfristsetzung haben, wenn nach der vertraglichen Vereinbarung das Geschäft schon mit der Einhaltung des ursprünglichen Termins stehen oder fallen sollte? Der Gläubiger muss in diesem Fall vielmehr sofort Schadensersatz verlangen können, sofern sich der Schuldner hinsichtlich seines Verschuldens an der Pflichtverletzung nicht entlasten kann. 6.4.5.2.3 Besonderheiten beim VOB/B - Bauvertrag Ebenso wie das relative Fixgeschäft stellt sich die Situation des VOB/B-Bauvertrages besonders dar, und dies nicht nur wegen seiner Zwitterstellung zwischen punktuellem Austauschverhältnis und Dauerschuldverhältnis. Hinzu kommt, dass bei Vertragsschluss die Planung insgesamt, sei es in ihrer gestalterischen, technischen oder auch organisatorischen Dimension, mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden ist. Vor allem die zeitliche Komponente, also die Einhaltung der vereinbarten verbindlichen Vertragsfristen, ist von besonderer Bedeutung für die Stabilität der zu vergütenden Baukosten und gehört somit ebenfalls zu den essentialia negotii des Bauvertrages mit der Folge, dass sie Bestandteil des Synallagmas ist128. Ein anschauliches Beispiel aus der jüngsten Rechtsprechung für die Besonderheiten des VOB/B - Bauvertrages bietet das vorerwähnte Urteil des OLG Köln vom 18.08.2005 129: Dem veröffentlichten Sachverhalt zufolge schloss die Auftraggeberin mit der Generalunternehmerin angesichts erheblicher Verzögerungen im Verlauf der Bauausführung zwei Änderungsvereinbarungen, die vor allem Beschleunigungsmaßnahmen betrafen. Das Gericht sah sich bei der 2. Änderungsvereinbarung vor die Frage gestellt, ob es sich hierbei tatsächlich um einen Werkvertrag handelte oder „nicht vielmehr in eine in den Gesamtvertrag eingebundene Abrede sui generis, wonach gerade kein bestimmter Werkerfolg geschuldet war, sondern (…) nur die nicht näher bestimmte (…) Vornahme von Beschleunigungsmaßnah-
124 125 126
127
128 129
BGH, Urt. v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85 = NJW 1987, 831. Grothe, in: Bamberger/Roth § 323 BGB Rdnr. 25. Grothe, a. a. O.; Otto, in: Staudinger § 323 BGB Rdnr. B 97; Ernst, in: MünchKomm § 323 BGB Rdnr. 111; Westermann, in: Erman § 323 BGB Rdnr. 19; Gsell, in: Soergel § 323 Rdnr. 105. Grüneberg, in: Bamberger/Roth, § 281 BGB Rdnr. 26; Jaensch, NJW 2003, 3613; Schmidt-Kessel, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 281 BGB Rdnr. 17; i. E. auch Otto, in: Staudinger, § 281 BGB Rdnr. B 117 ff.; a. A. Ernst, in: MünchKomm, § 281 BGB Rdnr. 59; Westermann, in: Erman § 281 BGB Rdnr. 17; Heinrichs, in: Palandt § 281 BGB Rdnr. 15. Zanner/Keller, NZBau 2004, 353 (358); Zanner, BauR (1a) 2006, 177 (181). Siehe oben (Fn. 13).
6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel
335
men mit eher dienstvertraglichem oder auftragsähnlichem Charakter“130. Auf einen bestimmten Erfolg käme es dann nicht an. Selbst wenn man der 2. Änderungsvereinbarung jedoch werkvertraglichen Charakter beimesse, habe die Generalunternehmerin die geschuldete Gegenleistung erbracht, weil die in der Vereinbarung getroffene Honorarabrede keinerlei synallagmatische Verknüpfung zur Einhaltung mit den vertraglich vereinbarten Terminen aufweise131. Mangels genauer Sachverhaltkenntnis soll eine Bewertung der Annahmen des OLG Köln hier unterbleiben. Dennoch lässt sich hieran gut erkennen, dass die Unwägbarkeiten der Organisation eines Bauvertrages bei Vertragsschluss, die regelmäßig erst während der Bauausführungen zutage treten und häufig eine Abänderung des ursprünglich Vereinbarten erforderlich machen, mit dem der VOB/B zugrunde liegenden gesetzlichen Leistungsstörungsrecht des BGB schwer oder gar nicht zu bewältigen sind. Dies gilt auch und insbesondere für die zeitliche Komponente der Bauausführung. Freilich soll hier nicht so weit gegangen werden, deshalb eine generelle Ausnahme für VOB/B - Bauverträge von der Nachfristsetzungsobliegenheit bei den Mängelrechten entsprechend der Diskussion zum relativen Fixgeschäft zu fordern. Mindestens aber müssen die Regelungen des Leistungsstörungsrechts bei dem VOB/B-Bauvertrag so flexibel angewendet werden, wie dies die besonderen praktischen Umstände erfordern. Nur am Rande ist in diesem Zusammenhang auf die in der Diskussion zum zeitlichen Anordnungsrecht des Auftraggebers vereinzelt laut gewordenen Stimmen einzugehen, die den praktischen Notwendigkeiten offenbar nur geringe Bedeutung für die rechtliche Argumentation beimessen132. Zu den die Auslegung von Rechtssätzen mitbestimmenden Faktoren gehören aber immer auch die spezifischen tatsächlichen Gegebenheiten, innerhalb derer sich das Recht bewähren muss. Nur so können praktisch ausgewogene Ergebnisse erreicht und die Normsituation im modernen Wirtschaftsleben berücksichtigt werden133. 6.4.5.2.4 Der Verzug im System des reformierten Leistungsstörungsrechts Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des reformierten Leistungsstörungsrechts, in dem die vormalig bestehenden rechtsdogmatischen Grenzen zwischen Mängelhaftung und Verzug heute aufgehoben sind. Dabei ist zunächst zu betonen, dass ein eigenständiges werkvertragliches Mängelhaftungssystem jedenfalls im gesetzlichen Werkvertragsrecht nur noch in Ansätzen existiert134. Neben dem Nacherfüllungsanspruch in §§ 634 Nr. 1, 635 BGB sind lediglich der Aufwendungsersatzanspruch in §§ 634 Nr. 2, 637 BGB und das Minderungsrecht in §§ 634 Nr. 3, 2. HS, 638 BGB eigenständig geregelt. Im Übrigen verweist § 634 Nr. 3 und 4 BGB für das Rücktrittsrecht und die Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Werkleistung auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht. Dort wurde aber mit der Schuldrechtsreform die unter dem früheren Recht geltende Haftungsdreiteilung nach den Tatbeständen der Unmöglichkeit, des Verzugs und der positiven Forde-
130 131 132 133 134
NZBau 2006, 45 (46). Ebenda. Vgl. Thode, ZfBR 2004, 214 (225); OLG Hamm (Fn. 2) = BauR 2005, 1480 (1481 f.). Eingehend hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., Kap. 4 Ziff. 3. Instruktiv unter anderem Gesichtspunkt, der Vereinheitlichung des in der EG unbekannten Kauf- und Werkvertragsrechts zu dem dort vorherrschenden Dienstleistungsvertrag: Wirth, in: Ingenstau/Korbion, § 13 VOB/B Rdnr. 10 ff.; demgegenüber für die Eigenständigkeit des Werkvertrags als eigenen Vertragstyp Thode, NZBau 2002, 297 (298 ff.).
6
336
6 Kosten und Bauzeit rungsverletzung abgeschafft135. Seither wird das allgemeine Leistungsstörungsrecht von dem zentralen Haftungstatbestand des § 280 Abs. 1 BGB und dem darin enthaltenen Begriff der Pflichtverletzung beherrscht136. Angesichts dieser offenen Formulierung und des weiten Anwendungsbereichs fällt hierunter jede Abweichung von dem vertraglichen Leistungsinhalt (bzw. den Vorgaben eines gesetzlichen Schuldverhältnisses)137. Auch die verzögerte Leistungserbringung stellt somit eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB dar. Deshalb bedurfte es der ausdrücklichen Anordnung in § 280 Abs. 2 BGB, Schadensersatz wegen Verzögerungen der Leistung über § 286 BGB abzuwickeln. Hierbei ist in § 280 Abs. 2 BGB allerdings nur von der „zusätzlichen Voraussetzung des § 286 BGB“ die Rede.
6
Eine Sondervorschrift wie § 284 BGB a. F., die den Verzug als eigenständigen haftungsbegründenden Tatbestand der Nichtleistung regelte, existiert dagegen heute nicht mehr. Daher bemerkt Schmidt-Kessel zu Recht, dass für die Verzugsregeln in § 286 heute kein Bedarf mehr besteht, da dem Gläubiger bei verspäteter Leistung infolge ihres Charakters als Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB weiterhin der Erfüllungsanspruch sowie die Rechtsbehelfe des Rücktritts (§ 323 ff. BGB) und des Schadensersatzes statt der Leistung (§§ 281 – 283 BGB) zur Verfügung stehen138. Eigenständige Bedeutung hat der Verzugstatbestand in § 286 BGB nur noch für die Haftungsverschärfungen der §§ 287, 290 BGB, für die Verzinsung gemäß §§ 288 ff. BGB und für die Ersatzfähigkeit des Verzögerungsschadens – letzteres allerdings nur in Ergänzung zu § 280 Abs. 2 BGB (hierzu sogleich unter 5). Richtigerweise bemängelt Schmidt-Kessel daher die Systemwidrigkeit der Verzugsregelungen, sofern diese nach neuem Schuldrecht noch bestehen139. Festzuhalten ist hiernach also, dass die Verzugsregelung des § 286 BGB keinen eigenständigen Schadensersatzanspruch mehr darstellt, sondern nur noch ergänzend zu der zentralen Haftungsnorm bei Pflichtverletzungen gemäß § 280 Abs. 1 BGB gilt140. Dann aber existiert konsequenterweise in Ermangelung eines eigenen Haftungstatbestandes auch der Verzugsschaden als eigenständiger Schadensbegriff nicht mehr141. 6.4.5.2.5 Reichweite der Verweisungsnorm in § 280 Abs. 2 BGB Demzufolge geht es bei der Frage nach der Reichweite der Verweisungsnorm in § 280 Abs. 2 BGB bei Bauzeitüberschreitungen allein darum, welche der durch die Verzögerung entstandenen Schadenspositionen der Auftraggeber im Rahmen der Mängelhaftung nach § 13 VOB/B bzw. §§ 633 ff. BGB geltend machen kann und welche nach den §§ 280 Abs. 2, 286 BGB abzuwickeln sind. Zum Teil wird vertreten, dass das eingangs erwähnte Wahlrecht des Gläubigers nach dem alten Leistungsstörungsrecht, den Schaden aus der Leistungsverzögerung selbstständig als Verzugsschaden gemäß §§ 284 ff. BGB a. F. oder als Teil des Nichterfüllungsschadens im Rahmen des Ersatzanspruchs wegen Unmöglichkeit aus §§ 325 ff. BGB
135
136
137 138 139 140 141
Im Einzelnen Löwisch, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 286 – 292 BGB Rdnr. 1 ff.; a. A., der Schuldnerverzug sei auch nach der Reform eine eigenständige Fallgruppe der Leistungsstörung: Hager, in: Erman, § 286 BGB Rdnr. 1 - freilich ohne Begründung. Schmidt-Kessel, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 280 BGB Rdnr. 9 ff.; Otto, in: Staudinger, Neubearb. 2004, § 280 BGB Rdnr. C 1 ff. spricht insofern vom Zentral- bzw. Schlüsselbegriff; Ernst, in: MünchKomm, § 280 Rdnr. 9 ff. vom Sammelbegriff. Die Einzelheiten sind freilich umstritten, ausführlich hierzu Otto, a. a. O.; Ernst, a. a. O. Prütting/Wegen/Weinreich, § 286 BGB Rdnr. 1. A. a. O. Rdnr. 2, unter Bezeichnung des Verzugs als „systematisches Fossil“. Löwisch, in: Staudinger, § 286 BGB Rdnr. 170. Schmidt-Kessel, Prütting/Wegen/Weinreich, § 280 BGB Rdnr. 24.
6.4 Die Bauzeitüberschreitung als Sachmangel
337
a. F. geltend zu machen142, auch nach der Schuldrechtsreform weiterhin in vollem Umfang fortbesteht – wenngleich mit der Änderung, dass sich das Wahlrecht nunmehr auf den Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus § 281 BGB bezieht143. Hiernach könnte der Auftraggeber also unbegrenzt sämtliche Mehraufwendungen oder Schäden aus einer Bauzeitüberschreitung im Rahmen der Sachmängelhaftung über § 13 Nr. 5 – 7 VOB/B bzw. §§ 633 ff. BGB ersetzt verlangen. Die Verzugsregelungen wären damit nicht nur rechtssystematisch überflüssig, sondern auch weitgehend ihres praktischen Anwendungsbereichs beraubt. Diese gläubigerfreundliche Lösung ist jedoch wegen des entgegenstehenden Gesetzeswortlauts in § 280 Abs. 2 BGB abzulehnen, wonach der Gläubiger Schadensersatz wegen Leistungsverzögerungen „nur“ unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 BGB verlangen kann. Die gegenteilige Auffassung entnimmt dem Wortlaut des § 280 Abs. 2 BGB einen grundsätzlichen Vorrang der Verzugsregelung gegenüber den Pflichtverletzungsnormen und hält deshalb sämtliche kausal auf einer Leistungsverzögerung beruhenden Schäden nur unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 286 ff. BGB für ersatzfähig144. Dieser Ansatz ist allerdings wegen der Einführung des zentralen Haftungstatbestandes der Pflichtverletzung in § 280 Abs. 1 BGB für alle Leistungsstörungen bei gleichzeitigem Verlust eines eigenständigen Tatbestandes auf Seiten des Verzuges gesetzessystematisch nicht haltbar. Richtigerweise kommt es wegen der Beseitigung der Unterschiede auf Tatbestandsebene für die Frage nach der Schadensabwicklung bei Bauzeitüberschreitungen nach den Mängelhaftungs- oder den Verzugregelungen nicht mehr darauf an, ob eine verspätete Leistungserbringung den Schaden verursacht hat145. Vielmehr ist auf der Rechtsfolgeseite nach Art der entstandenen Schäden zu differenzieren. Maßgebliches Anwendungskriterium für die Verweisungsnorm des § 280 Abs. 2 BGB ist die fortlaufende Erneuerung und Ausweitung des Schadens allein mit fortschreitender Zeit146. Ausschließlich diese Schadenspositionen sind als Schäden wegen der Leistungsverzögerung zu charakterisieren und stellen somit Verzögerungsschäden dar, die nach §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB zu behandeln sind. Hierunter fallen einerseits die so genannten Verzugsschäden des früheren Rechts wie z. B. Mietausfälle bei einer verspäteten Fertigstellung oder erhöhten Finanzierungskosten147. Diese durch Bauzeitüberschreitungen entstandenen Schäden sind auch nach neuem Recht ausschließlich unter den Voraussetzungen des Verzuges ersatzfähig. Demgegenüber greift die Verweisungsnorm nicht für solche Schäden, die nur aus Anlass der Verzögerung durch die Bauzeitüberschreitung entstehen, der Sache nach aber, zumindest teilweise, an die Stelle des Erfüllungsanspruchs treten. Dies sind diejenigen Schadenspositionen, die vor der Schuldrechtsreform als Nichterfüllungsschäden nach Unmöglichkeitsrecht (§§ 280 ff., 325 ff. BGB a. F.) zu ersetzen waren, z. B. die Kosten einer Ersatzvornahme148 oder die Mehrkosten eines Deckungsgeschäfts149. Aber auch andere Schäden, die sich mit fortlaufender Zeit nicht stetig erneuern, wie z. B. entfallene Weiterveräußerungsgewinne sind keine Verzögerungsschäden
142 143
144 145 146 147 148 149
Siehe hierzu Fn. 6. Löwisch, in: Staudinger, § 286 BGB Rdnr. 172; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, § 286 BGB Rdnr. 65. Hager, in: Erman, § 286 BGB Rdnr. 12. Schmidt-Kessel, a. a. O., § 280 BGB Rdnr. 24. Schmidt-Kessel, in: Prütting/Wegen/Weinreich; vgl. auch Heinrichs, in: Palandt, § 280 Rdnr. 13. Vgl. hierzu die Beispiele m. w. N. bei Ernst, in: MünchKomm, § 286 BGB Rdnr. 125. Vgl. Ernst, a. a. O., Rdnr. 118. Schmidt-Kessel, a. a. O., § 280 Rdnr. 29.
6
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6 Kosten und Bauzeit im Sinne von § 280 Abs. 2 BGB150. Auch insofern sind vertragswidrige Bauzeitüberschreitungen, die die Bauleistung beeinträchtigen, also über die Kostenerstattungs- und Schadensersatzansprüche der Sachmängelhaftung gemäß § 13 Nr. 5 – 7 VOB/B bzw. bei BGB-Vertrag gemäß §§ 633 ff. BGB abzuwickeln.
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A. A. Otto, in: Staudinger, § 280 BGB Rdnr. E 3
7 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer 7.1 Lebens- und Berufsweg Geboren am 08.01.1947 in Mühlacker, Kreis Vaihingen/Enz, damals noch Reg.-Bezirk Nordwürttemberg, bei der späteren Verwaltungsreform nach Nordbaden „zwangsreformiert“ (Schwabe von Geburt und aus Überzeugung). Vater war Ind.-Kfm. und Prokurist in einer international tätigen Fabrik für Ziegeleimaschinen, seit der Lehrzeit dort über 50 Jahre beschäftigt; Mutter war Stenokontoristin. Vater war Leichtathlet, Schwimmer und Wasserballer, deshalb im Sommer meistens auf dem „Badeplatz“ an der Enz, dort mit etwa 4 Jahren Schwimmen gelernt – außerdem harte Arbeit im ehemaligen „Wengert“ (Weinberg) mit etwa 9 ar auf 8 verschiedenen Ebenen, Fahrzeuge waren damals 1 Fahrrad in der Familie sowie ein Leiterwagen – Fußmarsch etwa 1 Stunde. Das erste Auto war 1958 ein gebrauchter VW-Käfer, der erste Fernseher kam erst im Abiturjahr 1966. Nach dem Kindergarten Einschulung 1953 in die Volksschule. In der Volksschule gab es noch „Tatzen“ mit dem Rohrstock – sonst keine besonderen Vorkommnisse. 1957 Wechsel zum Gymnasium und damit zu einer langen „Leidenszeit“ – Sommer im Freibad – Winter pauken – Versetzung damals noch im Frühjahr. Über 6 Jahre hieß es bei der Zeugnisverteilung „Unserem Saisonarbeiter hat es gerade wieder einmal gereicht“ – kein Wiederholungsjahr. Gymnasium ebenfalls mit rüden Methoden, wie z. B. „Liegestützen mit Musik“ im Lateinunterricht – bis in die Abi-Klasse! Ab 1954 machten die Eltern Urlaub an der Nordsee (Insel Langeoog), aber 1960 war der letzte „große“ Familienurlaub, weil in diesem Jahr die „Karriere“ in der Landwirtschaft begann – einmal Landwirtschaft mit mindestens einer Woche war ursprünglich geplant – daraus sind dann mehr als 20 Jahre und eine heute noch andauernde Freundschaft mit der Familie Linck („Sternenschanz“ Ötisheim, Land- und Gastwirtschaft) geworden. Die Arbeit auf dem 50-haHof reichte vom Stall ausmisten über die Assistenz für den Tierarzt beim Impfen von bis zu 100 freilaufenden Bullen bis zum Mähdrescher fahren. Daneben Hobbies im Schwimmverein, bei der DLRG und bei den christl. Pfadfindern (Stamm „Henri Arnaud“) mit Zeltlager etc. – am Wochenende dann ausgedehnte Wanderungen zu Fuß oder Fahrrad. Führerschein Klasse 4 (Traktor) mit 16, mit 18 dann Klasse 1 + 3 mit nur 1 bzw. 3 Fahrstunden – sonst keine Auskünfte – wann verjährt Fahren ohne Führerschein? Abitur 1966 – sonst keine weiteren Auskünfte (s. o.) – danach 6 Monate Baustellen- und Stahlbaupraktikum – der Berufswunsch entstand während eines Schullandaufenthaltes schon 1961 – dazwischen über „Diplomlandwirt“ nachgedacht – die Idee aber mangels eigenem Hof wieder verworfen. Erster Job im Ing.-Büro 1965 noch mit Pläne pausen + falten, danach Tätigkeit im geteilten Ferienjob zur Finanzierung des Studiums – Beginn 1966 an der TH Stuttgart, später Uni Stuttgart – Pendelstudent mit 100 DM/Monat von zu Hause – aber mit Vespa und später auch Auto! Hiwi bei Prof. Drees nach dem Vordiplom ab 1969, Diplomabschluss im 10. Sem. (1971) – ohne jede Wiederholungsprüfung. Der Wunsch war, nach dem Studium nicht die damals noch übliche Karriere im Bauunternehmen zu machen (Konstruktionsbüro-
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7 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer Arbeitsvorbereitung-Baustelle), sondern gleich auf die Baustelle zu kommen – deshalb am 01.10.1971 Beginn bei der STRABAG AG auf der Baustelle „Umschlaganlage Rüstersieler Groden“ – eine geplante Erz-Umschlaganlage im Jadebusen – Einsatz von Hubinsel, Schwimmkran (400 t), etc. Wechsel zum Jahresbeginn 1972 zur Baustelle „Reynolds Aluminium“ in Hamburg-Finkenwerder als Abschnittsbauleiter – bereits nach 9 Monaten Kündigung, weil ein Angebot von Prof. Drees für eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter (WM) – ab 01.09.1972 vorlag. Verkauf des ersten Käfers in Hamburg und Investition von viel Geld (inkl. Baustellenprämie) in einen Alfa Romeo 1750 GTV, bei dem leider schon die Zylinderkopfdichtungen „im Eimer“ waren. WM-Zeit von 01.09.1972 bis 31.03.1978 war relativ lange, mit ein Grund dafür das Buch „Kalkulation von Baupreisen“ mit Drees/Haller/Kochendörfer als Verfasser der Erst-Auflage, Promotion zum Dr.-Ing. 1977 mit der Arbeit „Bauzeit und Baukosten bei Hochbauten“, eine Untersuchung zur Bauzeitoptimierung unter Anwendung von Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung. Von 1975 bis 1985 Stadtrat der Großen Kreisstadt Mühlacker, davon 5 Jahre als Fraktionsvorsitzender der „Freien Wählerschaft“ – einer Gruppierung mit 20 bis 25 % Stimmenanteil.
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Joboptionen nach der WM-Zeit waren Bauabteilung der Lufthansa, Lahmeyer-International mit Einsatz in Guatemala, Drees & Sommer München oder selbstständig – daraus wurde zum 01.04.1978 der Geschäftsführende Gesellschafter der BRB Baucontrol Stuttgart GmbH, eine Neugründung im Franchisesystem. Die BRB Baucontrol Stuttgart hatte in ihrer besten Zeit 10 Mitarbeiter, startete mit nichts außer guten Ideen und viel Elan in der Eugenstrasse 7 in Stuttgart, später Richard-Wagner-Strasse und dann Lenzhalde. Dann 1983 das Angebot von Drees & Sommer, nach Hamburg zu gehen und zusammen mit Günter Krause das Hamburger Büro aufzubauen. Arbeitsbeginn dann 1985 im Projekt „Volksfürsorge Hamburg“ – Wohnung in der Alstertwiete zwischen St. Georg, Hotel Atlantic und Außenalster – daneben Projekte auf der Lufthansa-Werft (Flugzeug-Lackierhalle, JumboÜberholungszentrum). Im Frühjahr 1989 Einladung zum Probevortrag für die Baubetriebsprofessur in Berlin – abgesagt wegen Doppelbelastung in Folge der gerade anlaufenden Lufthansa-Projekte – DiMiDoProfessur nicht denkbar – Ausstieg aus dem Berufungsverfahren – dann im Herbst 1989 der Mauerfall!! Ab 1991 dann erste Aktivitäten in den neuen Bundesländern, insbesondere Sachsen (Sachsenmilch Leppersdorf – ein Roland-Ernst-Südmilch-Projekt, bei dem die wesentlichen Projektbeteiligten auf AG-Seite dann hinter den berühmten „Gardinen“ landeten und die Deutsche Bank ihre erste Ost- Emissions-AG „Sachsenmilch“ später rückabwickeln musste) – Gründung von Drees & Sommer Dresden – Betreuung u. a. World Trade Center Dresden, AOK Dresden. Im Jahr 1993 Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens in Berlin in Folge eines nicht angenommenen Rufes – erneute Bewerbung – Probevortrag – Ruferteilung – Aufnahme der Lehrtätigkeit 1994 und endgültiger Beginn als Univ.-Prof. zum 01.07.1995. Die TU-Aktivitäten reichen von der Spezialisierung auf Prozessoptimierung und PPP-Modelle ber Autorenschaft bis hin zu Auslandskooperationen in Moskau und Teheran sowie Entwicklungshilfe mit der GTZ an der Universität in Addis Abeba – außerdem Mitbegründer des postgradualen Masterstudienganges Real Estate Management an der TU Berlin. 1995 Wechsel zur Drees & Sommer Berlin GmbH – gemeinsame Geschäftsführung mit Peter Backwinkel – Tätigkeitsfeld war Berlin (mit Ausnahme Potsdamer Platz) – Beginn mit ca. 8
7.2 Das Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb
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Mitarbeitern anwachsend auf über 40 Mitarbeiter (immer noch ohne Potsdamer Platz) – Hauptprojekte waren Dorotheenblöcke/Deutscher Bundestag (heute Jakob-Kaiser-Haus) sowie Kulturbrauerei/TLG. Nach Abwicklung Potsdamer Platz und mit erfolgter Umstrukturierung der Geschäftsleitung und im Hinblick auf Doppelbelastung Wechsel von GF auf Generalbevollmächtigter, dann sukzessive Rückzug vom operativen Geschäft – ab 2003 noch als Berater tätig. Daneben ehrenamtliches Engagement u.a. in der Baukammer Berlin und im Förderverein für den Wiederaufbau der Schinkel'schen Bauakademie. 2001 Gründung der Private Sector Participation Consult (PSPC GmbH) als TU-Ausgründung mit Prof. Ewers und Prof. Jacob als Mitgesellschafter Tätigkeitsschwerpunkte in der Beratung für PPP-Modelle, Ausstieg aus der Gesellschaft in 2005. 2002 neues Projekt: Eheschließung mit Katharina – Geburt von Maximilian am 24.02.2003. 2003 Gründung der KVL Bauconsult GmbH (Kochendörfer-Viering-Liebchen) mit den Namensgebern als Mitgesellschafter, Tätigkeitsschwerpunkte im Projekt- und Nachtragsmanagement, Ausstieg aus der Gesellschaft 2005. Als beratender Ingenieur in den Bereichen Projektmanagement und technisch-wirtschaftliche Beratung und als Gutachter tätig. Am 08. Januar 2007 Feiern des 60. Geburtstags und Erhalt der Festschrift. Katharina Kochendörfer
7.2 Das Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb Zum Wintersemester 1927/28 wurde die Fakultät für Bauwesen der damaligen Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg um den „Lehrstuhl für Maschinenwesen beim Baubetrieb“ erweitert. Auf diesen Lehrstuhl war Dr.-Ing. Georg Garbotz berufen worden. Diesem Lehrstuhl wurde dann kurze Zeit später – als weitere Neugründung – das mit dem Materialprüfungsamt Berlin-Dahlem verbundene „Forschungsinstitut für Baumaschinen und Baubetrieb“ mit einer Versuchshalle in Berlin-Siemensstadt angegliedert. Die Wurzeln der TU Berlin reichen zurück bis in das 18. Jahrhundert. Die wesentlichen Vorläufereinrichtungen der TU Berlin bestanden aus der: • Bergakademie, gegründet 1770 von Friedrich dem Großen • Bauakademie, gegründet 1799 • Gewerbeakademie, gegründet 1821. Die Bauakademie und die Gewerbeakademie wurden 1879 zur Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin zusammengeführt, die ihren Sitz im damals noch eigenständigen Charlottenburg hatte. Die Bergakademie wurde dann 1916 in die Technische Hochschule eingegliedert. Besonders an der Bauakademie und an der Gewerbeakademie lehrten und studierten Männer – Frauen suchte man damals noch vergeblich an diesen Schulen. Beide Einrichtungen erlangten eine Bedeutung, die weit über die Grenzen Berlins hinausging. Einer der Lehrer und Leiter der Bauakademie war Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), der neben anderen bedeutenden Bauten auch für die Planung und Ausführung des 1835 fertig gestellten Gebäudes für die Bauakademie am Werderschen Markt in Berlin-Mitte verantwortlich zeichnete.
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7 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer An der Gewerbeakademie, die von Christian W. Beuth (1781 – 1853) begründet wurde und der häufig als „Vater der Ingenieure“ bezeichnet wird, wurden zahlreiche Persönlichkeiten ausgebildet, die sich dann im Rahmen der Industrialisierung als Gründer bedeutender Unternehmen betätigt haben, wie z. B. August Borsig. Die Bauakademie und die Gewerbeakademie waren zwar höhere Bildungsanstalten, hatten jedoch ausschließlich einen Lehr- und keinen Forschungsauftrag. Erst mit der Gründung der Königlichen Technischen Hochschule im Jahre 1879 wurde eine den Universitäten gleichrangige wissenschaftliche Ausbildungsstätte für technisch orientierte Berufe geschaffen. Der Aufbau von Technischen Hochschulen in Deutschland trug zudem der wachsenden Bedeutung der Technikwissenschaften und dem steigenden Bedarf der aufstrebenden Industrie an ausgebildeten Ingenieuren Rechnung.
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Die am Technikfortschritt ausgerichtete Planung der TH Berlin-Charlottenburg führte dann 1927 zum „Lehrstuhl für das Maschinenwesen beim Baubetrieb“. Dieser Lehrstuhl und die o. a. Neugründung des Forschungsinstitutes waren für längere Zeit einzigartig und es hat einige Jahrzehnte gedauert, bis ähnliche Lehrstühle und Institute an anderen Hochschulen gegründet worden sind. Das Prädikat des „ersten“ Lehrstuhls für Baubetrieb und Baumaschinen kann die TU Berlin jedoch nicht in Anspruch nehmen, weil zumindest an der Technischen Hochschule München im Studienjahr 1906/07 der „Lehrstuhl für Tunnelbau und Maschinenkunde für Bauingenieure“ eingerichtet wurde, dessen erster Ordinarius Prof. Dr. Konrad Pressel war. Der erste Ordinarius für Baubetrieb an der TH/TU Berlin war Prof. Dr. Georg Garbotz. Er hat sich mit Nachdruck und Erfolg dafür eingesetzt, dass die Ausbildung von Bauingenieuren neben den fachspezifischen bauplanerischen und bautechnischen Lehrinhalten durch Vorlesungen und Übungen zu betriebstechnischen, bauverfahrenstechnischen und organisatorischen Fragen bei der eigentlichen Bauausführung – einschließlich des Einsatzes von Baumaschinen – ergänzt werden. Die von Garbotz maßgeblich geprägten Entwicklungslinien der Baubetriebslehre als spezifischem Zweig der Betriebswirtschaftslehre spiegeln sich wider in den Vorlesungen und Veröffentlichungen aller seit der Gründung des Lehrstuhls berufenen Ordinarien und Professoren. • • • • • •
Prof. Dr. Georg Garbotz Prof. Dr. Wilhelm-Ernst Fauner Prof. Dr. Hermann Bauer Prof. Dipl.-Ing. Horst Becker Prof. Dr. Hanskarl Gutsche Prof. Dr. Bernd Kochendörfer
1927 – 1946 1956 – 1964 1966 – 1973 1971 – 1988 1976 – 1989 seit 1995
Die Tatsache, dass Prof. Garbotz für die Baubetriebslehre wirklich nachhaltige Entwicklungen eingeleitet hat, lässt sich vielleicht auch daran ablesen, dass u. a. Prof. Drees im Jahre 1956 bei Prof. Garbotz an der RWTH promoviert hat. Prof. Drees war dann von 1963 bis 1993 Ordinarius für Baubetriebslehre an der Universität Stuttgart und in dieser Funktion im Jahre 1977 Hauptberichter im Promotionsverfahren des jetzigen Stelleninhabers. Mit der Wiederbesetzung des Fachgebietes zum 01.07.1995 wurde die Lücke geschlossen, die nach dem Ableben von Prof. Gutsche Anfang 1989 begonnen hatte und in der zumindest der Lehrbetrieb im Grundfach durch den Einsatz von Prof. Becker und Prof. Poppy sowie durch Lehraufträge der ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Schofer und Dr. Vedder aufrecht erhalten wurde. Seit 1995 bietet Prof. Kochendörfer ein breites Spektrum an Lehrveranstaltungen an. Die Bandbreite umfasst hier den gesamten Lebenszyklus von baulichen Anlagen, d. h. von der ersten Projektidee bis zur finalen Verwertung.
7.3 Publikations- und Vortragsverzeichnis (ein Auszug)
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7.3 Publikations- und Vortragsverzeichnis (ein Auszug) 7.3.1 Herausgebertätigkeiten • Managementleistungen im Lebenszyklus von Immobilien, Teubner Verlag, Wiesbaden, 2007 • Finanzierung und Bilanzierung in der Bauwirtschaft, Teubner Verlag Wiesbaden, 2006 • System Project Target Control als Beitrag zur Verbesserung von Planungs- und Überwachungsprozessen, TU Verlag Berlin, 2005 • Private Participation in Transport: Case of Indonesia's Build, Operate, Transfer (BOT) Toll Roads, TU Verlag Berlin, 2005 • Projektanalyse und Wirtschaftlichkeitsvergleich bei PPP-Projekten im Hochbau – Entscheidungsgrundlagen für Schulprojekte, TU Verlag Berlin, 2005 • Internationale Verlagerung der Erstellung innerbetrieblicher Dienstleistungs- und Verwaltungsfunktionen – Eine Analyse der Möglichkeiten für die Bauzulieferindustrie, TU Verlag Berlin, 2005 • Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Privatisierung von öffentlichen baulichen Anlagen, TU Verlag Berlin, 2005 • Aspekte der marktorientierten Unternehmensführung mittelständischer Bauunternehmen, TU Verlag Berlin, 2005 • Aspekte des Einsatzes von Controllinginstrumenten in der mittelständischen Bauwirtschaft, TU Verlag Berlin, 2005 • Ein Controlling-Konzept für den effizienten Einsatz von Projektkommunikationssystemen in Bauprojekten, TU Verlag Berlin, 2004 • Target Investment – Beitrag zur systematischen Steigerung der Kapitalproduktivität industrieller Großinvestitionen, TU Verlag Berlin, 2004 • Prozesskostenoptimierung im schlüsselfertigen Bauen durch Verbesserung von Logistikkonzepten dargestellt am Beispiel der Nachunternehmervergabe, TU Verlag Berlin, 2003 • Integriertes Vertragsmanagement. Anleitung für das Bauwesen zur Steigerung der Nutzen-, Erfolgs- und Optimierungspoteniale, TU Verlag Berlin, 2003 • Steigerung der Produktivität in der Bauindustrie durch Veränderung von Organisationsstrukturen zur Nutzung von E-Commerce, TU Verlag Berlin, 2002 • Die Gestaltung des Beschaffungsprozesses im Fernstraßenbau unter Einbeziehung privatwirtschaftlicher Modelle, TU Verlag Berlin, 2002 • Interaktionsstrukturen in der Bauwirtschaft unter dem Einfluss von E-Commerce, TU Verlag Berlin, 2002 • Die Umsetzung marktspezifischer Zielanforderungen mit einer differenzierten Kostenplanung für die Projektentwicklung von Immobilien, TU Verlag Berlin, 2002 • Analyse von Fusionen und Unternehmenskäufen in der deutschen Bauwirtschaft, dargestellt am Beispiel ausgewählter Sektoren, TU Verlag Berlin, 2002 • Grundlagen des Krisenmanagements für mittelständische Bauunternehmen, TU Verlag Berlin, 2002 • Festschrift 75. Jahre Baubetrieb an der TU Berlin, TU Verlag Berlin, 2002 • Schriftreihe Leitfaden der Bauwirtschaft und des Baubetriebs, Teubner Verlag Stuttgart, 2002
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7 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer
7.3.2 Buchveröffentlichungen • Bernd Kochendörfer, Jens H. Liebchen, Markus G. Viering, Bau-Projekt-Management, Grundlagen und Vorgehensweisen, 3. Auflage, Teubner Verlag Wiesbaden, 2006 • Bernd Kochendörfer, Jan Miksch, PPP-Schulprojekte in Deutschland, Status und Tendenzen, TU Graz, 2004 • Bernd Kochendörfer, Jens H. Liebchen, Markus G. Viering, Bau-Projekt-Management, Grundlagen und Vorgehensweisen, 2. Auflage, Teubner Verlag Wiesbaden, 2004 • Bernd Kochendörfer, Hartmut Zadek, Jörg Risse, Führungskräfte für ein integriertes Management, Springer Verlag Berlin, 2003 • Bernd Kochendörfer, Thomas Flucher, Ursula von Minckwitz, Markus G. Viering, Mediation im Bauwesen, Ernst & Sohn Verlag Berlin, 2002 • Bernd Kochendörfer, Dieter Jacob, Effizienzgewinne bei privatwirtschaftlicher Realisierung von Infrastrukturvorhaben, Bundesanzeiger-Verlag, Köln 2002. • Bernd Kochendörfer, Jens Liebchen, Bau-Projekt-Management, 1. Auflage, Teubner Verlag Wiesbaden, 2001
7.3.3 Publikationen in Sammelbänden
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• Bernd Kochendörfer, Jan Miksch in Lechner/Hofstadler/Nöstlthaller, PPP-Schulprojekte in Deutschland, Status und Tendenzen, Festschrift Prof. Gert Stadler,TU Graz 2005 • Bernd Kochendörfer, Silke Hertel, Markus Viering in G.Schelle/Reschke/Schnopp/Schub, Mediation bei Bauprojekten als klassische PM-Aufgabe, Projekte erfolgreich managen, TÜV-Verlag Köln, 2005 • Bernd Kochendörfer, Nicole Riediger, Katharina Laube, Huhnt,Wolfgang in Scherer, Katranuschkov, Schapke, WEB-Services as a Technology to Support Construction Processes, Proceedings of 22nd CIB-W78 International Conference on Information Technology in Construction, TU Dresden 2005 • Bernd Kochendörfer, Prof. Unruh und Prof. Viering, Mediative Sachverständigenermittlung zu Nachtragsforderungen beim Bau eines Straßentunnels in Norddeutschland, Schnelle Regelung über zahlreiche strittige Forderungen mit erheblichem Nachtragsvolumen in Neue Wege der Konfliktlösung im Immobilien- und Bauwesen, BTU Cottbus, 2004 • Bernd Kochendörfer, Bauer, Hermann; Becker, Horst; Beckers, Thorsten; Biesterfeld, Andreas; Clemm, Nils; Dietrich, Reinhard; Fabritius, Joachim; Gottschling, Ines; Haase, Ronny; Haller, Peter; Jacob, Dieter; Kiehl, Peter; Kohnke, Tanja; Korn, Michael; Krausch, Stefan; Liebchen, Jens; Marschel, Michael; Masing, Tobias; Miksch, Jan; Nöhmer, Frank; Petzschmann, Eberhardt; Poppy, Wolfgang; Stuhr, Constanze; Urmersbach, Matthias; Viering, Markus; Wirth, Christian; Witthaus, Gerd, Festschrift 75 Jahre Baubetrieb an der TU Berlin, TU Verlag Berlin,2002, • Bernd Kochendörfer, Viering, Markus im C.H. Beck Verlag, Baubegleitende Rechtsberatung-Dokumentation und Kostenerfassung, Baubegleitende Rechtsberatung, 2002, • Bernd Kochendörfer, Zadek/Risse, Integration von Technologie und Management aus Sicht der Wissenschaft in Führungskräfte für ein integriertes Management, Springerverlag Berlin, 2002,
7.3 Publikations- und Vortragsverzeichnis (ein Auszug)
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7.3.4 Publikationen in Zeitschriften • Bernd Kochendörfer, v. Drygalski Marcus, Einredeverzicht reduzieren, RfBB: Standardisierung bei PPP ist teilweise schon weit gediehen, Behördenspiegel, 21. Jg., IX 36. KW, ProPress Verlag 2005 • Bernd Kochendörfer, Pekrul, Steffen; Seefeldt, Melich, Zukunftsstrategien, wie Bauunternehmen wettbewerbsfähiger werden, Baumagazin, bi medien GmbH, 2005 • Bernd Kochendörfer, Pekrul Steffen; Seefeldt, Melich, Wer erfolgreich Bauen will, muss mit den Augen des Kunden sehen, Bauindustrie Aktuell, Die Deutsche Bauindustrie, 2005 • Bernd Kochendörfer, Riediger, Nicole, Effizienzsteigerung durch prozessorientiertes Planen, Bundesbaublatt, Bauverlag, 2005 • Andreas Wibowo, Kochendörfer, Bernd, Financial Risk Analysis of Project Finance in Indonesian Toll Roads, Journal of Construction Engineering an Management, American Society of Civil Engineers, 2005 • Bernd Kochendörfer, Enshassi, Adnan, Proposed Methodology for Community-Based Infrastructure Projects, AUEJ-Al Azhar University Engieering Journal, AUEJ Kairo, 2004 • Bernd Kochendörfer, Hertel, Silke; Viering, Markus G., Alternative Konfliktbewältigungsverfahren für das Bauwesen in SEM Radar 2/2004 • Bernd Kochendörfer, PPP-Modelle und die Rolle des Architekten, Auftragsberater 2004 • Bernd Kochendörfer, PPP im öffentlichen Hochbau im westeuropäischen Raum und die Umsetzungsschwierigkeiten in Deutschland, vhw Forum Wohneigentum 2004 • Bernd Kochendörfer, Mediation bei Bauprojekten, Eine klassische PM-Aufgabe im Rahmen von freiwilligen Konfliktlösungsverfahren, Fachzeitschrift Projektmanagement, TÜVVerlag 2004 • Bernd Kochendörfer, Private Finanzierung öffentlicher Bauinvestitionen im EU-Vergleich, Fachzeitschrift Beton- und Stahlbetonbau, Ausgabe 4, Verlag Ernst & Sohn, 2001
7.3.5 Vorträge bis dato in 2006 • 06/2006, PPP als Modell zum Abbau des Investitions-Staus im Hochbau, Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg, ABN-AMRO, TU Berlin, 11. Berlin- Brandenburger Baurechtstag in Berlin • 06/2006, Public Private Partnership – eine Chance für das ICC?, Berliner Wirtschaftsgespräche e.V., Tagung Public Private Partnership – eine Chance für das ICC? in Berlin • 06/2006, Störquellen im Baumanagement von Produktionsanlagen, E.ON Kraftwerke, Aufbau Projektmanagement Workshop Baustellenmanagement in Hannover • 03/2006, Die zentrale Problemstellung und Lösungsansätze „PPP“, Friedrich-NaumannStiftung, Tagung Public Private Partnership – Eine Chance für kommunale Investitionen in Berlin • 02/2006, Gestaltung urbaner Infrastrukturen und Betreibermodelle, Freunde der TU und IHK Berlin, Think Tank der Innovationen in Berlin • 01/2006, Möglichkeiten und Grenzen von Public Private Partnership, Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft, Tagung Erfolgreiche Innenstädte in Berlin • 01/2006, Verfahren des Baumanagements basierend auf der Logik der Bauprozesse, DFGPräsentation in Bonn • 12/2005, Grundzüge des operativen Projektmanagements, TU Berlin, FH Lausitz, BTU Cottbus, FHTW Berlin, Hochschulverbund in Berlin • 12/2005, PPP in Deutschland – Status und Erfahrungen, Bezirksamt Treptow-Köpenick, Bezirksverordnetenversammlung vor dem Bildungsausschuss in Berlin
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7 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer • 11/2005, PPP als Modell zum Abbau des Investitionsstaus im Hochbau, BremenNiedersächsischer Baurechtstag e.V., Public-Private-Partnership in Hannover • 11/2005, Risikomanagement, Berlin-Brandenburger Baurechtstag e.V.,10. Berlin Brandenburger Baurechtstag – Bauen im Bestand in Berlin • 11/2005, Wie rechnet sich PPP? Gratwanderung zwischen unternehmerischer Risikobetrachtung und kameralistischer Schematik, Bernd Heuer Dialog Düsseldorf GmbH, PPP-Trendwende für Deutschlands Infrastruktur in Berlin • 09/2005, Einführungsvortrag und Moderation, TU Berlin, TU Bergakademie Freiberg und University of Leeds, 6. Europäisches Symposium PPP in der europäischen Straßen- und Schieneninfrastruktur in Berlin • 08/2005, PPP-Schulprojekte für Berlin ein Ausweg aus der Instandhaltungskrise, Bernd Heuer Dialog Düsseldorf GmbH, Tagung Tendenz steigend? Schafft Berlin 2006 den Turnaround? In Berlin • 07/2005, Public Private Partnership – Ziel und Struktur des Regionalforums PPP BerlinBrandenburg (RfBB) – Erfahrungen aus deutschen Pilotprojekten, GTZ GmbH + BVVG Consortium, Study Tour Support for the Implementation of Land and Property Policy Tools in Berlin • 06/2005, Moderation der Podiumsdiskussion Zeit ist Geld – wer bezahlt bei Bauablaufstörungen, Berlin-Brandenburg Baurechtstag e.V., 9. Berlin-Brandenburger Baurechtstag in Berlin • 06/2005, Public Private Partnership-Finanzierung, Technologiestiftung Berlin, Bauforum Berlin 2005 Bauen für weniger Menschen – Umbau, Rückbau, Neubau in Berlin • 04/2005, Unternehmensziele/Unternehmensphilosophie der städtischen Immobilienwirtschaft, Stadt Kiel, Workshop für Führungskräfte der Immobilienwirtschaft der Landeshauptstadt Kiel in Kiel • 03/2005, Zukunftsstrategien der Bau- und Anlagenbauindustrie,TU Berlin, Universität Erlangen-Nürnberg und Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Symposium in Berlin • 01/2005, Innovation und Effizienzsteigerung durch prozessorientiertes Planen, Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Tagung Innovatives Bauen in Netzwerken in München • 11/2004, PPP-Mut zu neuen Wegen, Bundesvereinigung der Landesentwicklungsgesellschaften, PPP-Kongress in Essen • 06/2004, Planungs- und Ausführungsmängel aus baubetrieblicher Sicht, Berlin-Brandenburger Baurechtstag e.V.,7. Berlin-Brandenburger Baurechtstag in Berlin • 06/2004, Real Estate & Investment Forum: Public Private Partnership – Wer profitiert davon?, Leipziger Messe, Reallocation Expandieren, Kooperieren und Investieren in Mittel- und Osteuropa in Leipzig • 06/2004, Regionalforum PPP Berlin-Brandenburg, Französische Botschaft, Fachkonferenz vor den französischen Außenhandelsräten in Berlin • 05/2004, Agenda4-community, Masterstudium Real Estate Management, Institut für Baurecht e.V. an der HU Berlin, Praktiker-Seminar „Bau- und Planungsrecht“ in Berlin • 03/2004, Mediative Sachverständigenvermittlung zu Nachtragsforderungen beim Bau eines Straßentunnels in Norddeutschland, Internationale Vereinigung für Konfliktmanagement und Mediation, Neue Wege der Konfliktlösung im Immobilien- und Bauwesen in Berlin • 03/2004, PPP- eine Chance für Berlin und Brandenburg, Bauindustrieverband BerlinBrandenburg, Fachgruppe Schlüsselfertigbau in Potsdam • 03/2004, Unternehmerisches Engagement in der Stadt – PPP im Hoch- und Tiefbau, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Stadt und Wirtschaft-Strategische Allianzen in Berlin • 02/2004, PPP: Mit öffentlichen-privaten Partnerschaften neue Wege gehen, aus der Sicht der Immobilienwirtschaft, Messe Berlin GmbH, Immobilia Berlin 2004 im Dialog in Berlin
7.3 Publikations- und Vortragsverzeichnis (ein Auszug) • 02/2004, Praxisorientierung in modularisierten TU-Studiengängen, Innovationszentrum Bau Berlin e.V., Statusseminar Innovationen in der Aus- und Weiterbildung des Bauwesens in Berlin • 02/2004, Schnellere Inbetriebnahme nach Bauabschluss, TSB Technologiestiftung Innovationsagentur Berlin GmbH, Schnittstellen und Strategien zur Übernahme der Baudokumentation in Berlin • 09/2003, Das PPP-Kompetenzzentrum Berlin-Brandenburg, Management Circle, AG Public Private Partnership in Berlin • 09/2003, Moderation des 4. Europäischen Symposiums Europäische und deutsche Kompetenzzentren für Public Private Partnership in Berlin • 09/2003, Nutzen von PPP-Kompetenzzentren für die Bauwirtschaft, Bundesvereinigung der Landesentwicklungsgesellschaften e.V., Ausschusssitzung Stadtentwicklung/Strukturpolitik in Berlin • 09/2003; Aspekte der Erwartungshaltung auf der Nachfrageseite, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Tagung Erfolgsfaktoren der Bauindustrie in Berlin • 06/2003, Kooperation aus der Sicht eines Projektsteuers, Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V., Tagung Städtebau und Wirtschaft-Staat und Privatwirtschaft! In Hamburg • 06/2003, Vergabe und Abwicklung von Bauaufträgen- Was machen Nachbarländer anders?, Siemens/Otis~Fachforum in Berlin • 05/2003, Moderation und Kernthesen zur Lebenszyklusbetrachtung, Technologiestiftung Berlin, Bauforum Berlin 2003 in Berlin • 04/2003, Projekt ILS – Internetbasiertes Logistik-System, TU Bergakademie Freiberg, Einkauf und Logistik als strategische Erfolgsfaktoren der Bauwirtschaft in Freiberg • 02/2003, Prozessoptimierung durch EDV-Plattformen-Neuerungen und Nutzen, Innovationszentrum Bau Berlin e.V., Build IT Berlin • 02/2003, Wirtschaftlichkeit bei Baumaßnahmen, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Workshop BBR-Referendare in Berlin • 02/2003, Zukünftige Herausforderungen für die Hochschulausbildung und Weiterbildung im Bereich der Bau- und Immobilienwirtschaft, Institut für Arbeitswissenschaft für die Bauwirtschaft, Internationaler Bauwirtschaftsgipfel in Zermatt/Schweiz • 01/2003, Grundlagen der Kostenrechnung, Drees & Sommer AG Weiterbildungsakademie Stuttgart • 11/2002, Struktur des Wirtschaftlichkeitsvergleichs, Luther Menold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Düsseldorf, Workshop Privatfinanzierte Neubau- und Sanierungsprojekte im PPP/PFI-Verfahren • 09/2002, Baubetriebslehre – quo vadis, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb, Festakt 75. Jahre Baubetrieb an der TU Berlin • 09/2002, Moderation der Podiumsdiskussion beim 3. Europäischen PPP-Symposium in Berlin • 06/2002, Moderation der Podiumsdiskussion beim 3. Berlin-Brandenburger Baurechtstag, • 05/2002, Moderation der Podiumsdiskussion beim Verband unabhängiger beratender Ingenieure und Consultants e.V., Management von Bauverträgen in Berlin • 05/2002, Wissenschafts- und Forschungspotential in der Region Berlin BrandenburgRückblick und Ausblick, agenda 4, Berlin/Brandenburg-Wissens- und Forschungsstandort für Stadt- und Raumplaner, Architekten, Bauingenieure, Ökonomen, Ökologen, Soziologen und Juristen in Berlin • 03/2002, Chancen und Risiken von PPP-Modellen im EU-Vergleich, Österreichische Vereinigung für Beton- und Bautechnik, Betontag 2002 in Wien/Österreich
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7 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer • 03/2002, Projekt- und Workflowmanagement – Koordination von firmenübergreifenden Prozessen, Consulting Group, 6. Forum Unternehmen im Dialog in Berlin • 02/2002, Der Gebäudepass für die Wohnungswirtschaft, Bautec/IZB/Berlin-Brandenburgische Akademie der Wohnungswirtschaft e.V., Kooperationsveranstaltung auf der Bautec in Berlin • 02/2002, Veränderungen im Ausbildungsprofil Bauwirtschaft und Baubetrieb an der TU Berlin, Fachgemeinschaft Bau Berlin/Brandenburg e.V. und Bauindustrieverband Berlin/Brandenburg, Ausbildung am Bau – Weg aus der Krise oder vertane Zeit? In Berlin • 01/2002, Grundlagen der Kostenrechnung, Drees & Sommer AG, Weiterbildungsakademie Stuttgart • 01/2002, Institut für Bauingenieurwesen, TU Berlin, Kolloquium Fakultät VI (WS 01/02) in Berlin • 12/2001, Grundlagen des Projektmanagements, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Projektmanagementseminar in Berlin • 11/2001, E-Business in der Logistik von Baustellen, ACS-Fachkongress • 06/2001, Dokumentation und baubetrieblicher Nachweis, Ermittlung von störungsbedingten Mehrforderungen, Berlin-Brandenburger-Baurechtstag e.V., Beschleunigung-BehinderungMehrkosten • 05/2001, Private Finanzierung öffentlicher Bauinvestitionen im EU-Vergleich, Beton- und Bautechnik-Tag 2001, Neue Vertrags- und Finanzierungsformen in München • 04/2001, Prozessoptimierung von Baustellentransporten, Streif Baulogistik, Internationale Baumaschinenmesse in München 2001 • 03/2001, Informations- und Wissensmanagement auf der Baustelle von morgen, BAUFORUM BERLIN 2001,Zukunft des Bauens – Bauen für die Zukunft in Berlin • 03/2001, Welche Erwartungen hat der Kunde an einen GU/GÜ?, Unternehmensgruppe Nitzsche & Weiss, Klausurtagung in Berlin • 02/2001, Facility Management in Industriebetrieben – Warum und Wie?, EUROFORUM, Der Facility Manager im Industrieunternehmen in Frankfurt/Main • electronic-business in Frankfurt/Main
7.3.6 Dissertationen – Schriftenreihe des Fachgebietes Bauwirtschaft und Baubetrieb Die von den Vorgängern Prof. Gutsche/Prof. Becker begründete Schriftenreihe zur Veröffentlichung von Promotionen weist seit 1995 folgende Neuerscheinungen auf, bei denen Prof. Kochendörfer als Erstgutachter tätig war: Heft 11: Al-Arja, Naji. – 1997 Analyse der Produktivitätsentwicklung im Baugewerbe auf verschiedenen Ebenen Heft 12: Bahr, Matthias – 1999 Kundenzufriedenheit als Strategieelement in der Bauindustrie Heft 13: Biesterfeld, Andreas, 1999 Informationsmanagement im schlüsselfertigen Bauen durch datenbankgestützten Organisationsaufbau mit kompatiblen Vertragsmodulen Heft 14: Viering, Markus – 2000 Outsourcing-Modell für baunahe Dienstleistungen, dargestellt am Beispiel des Projektmanagements
7.3 Publikations- und Vortragsverzeichnis (ein Auszug)
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Heft 15: Kohnke, Tanja – 2002 Die Gestaltung des Beschaffungsprozesses im Fernstrassenbau unter Einbeziehung privatwirtschaftlicher Modelle Heft 16: Krausch, Stefan – 2002 Interaktionsstrukturen in der Bauwirtschaft unter dem Einfluß von E-Commerce Heft 17: Liebchen, Jens Hendrik – 2002 Die Umsetzung marktspezifischer Zielanforderungen mit einer differenzierten Kostenplanung für die Projektentwicklung von Immobilien Heft 18: Nöhmer, Frank Heinrich – 2002 Analyse von Fusionen und Unternehmenskäufen in der deutschen Bauwirtschaft, dargestellt am Beispiel ausgewählter Sektoren Heft 19: Fabritius, Joachim Michael – 2002 Steigerung der Produktivität in der Bauindustrie durch Veränderungen von Organisationsstrukturen zur Nutzung von E-Commerce Heft 20: Urmersbach, Matthias – 2002 Grundlagen des Krisenmanagements für mittelständische Bauunternehmen Heft 21: Kalkühler, Jan – 2003 Prozesskostenoptimierung im schlüsselfertigen Bauen durch Verbesserung von Logistikkonzepten dargestellt am Beispiel der Nachunternehmervergabe Heft 22: Schmitt, Steffen – 2003 Integriertes Vertragsmanagement. Anleitungen für das Bauwesen zur Steigerung der Nutzen-, Erfolgs- und Optimierungspotenziale Heft 23: Korn, Michael – 2004 Ein Controlling-Konzept für den effizienten Einsatz von Projektkommunikationssystemen in Bauprojekten Heft 24: Weiss, Alexander – 2004 Target Investment – Beitrag zur systematischen Steigerung der Kapitalproduktivität industrieller Großinvestitionen Heft 25:
Lang, Marco – 2005 Internationale Verlagerung der Erstellung innerbetrieblicher Dienstleistungs- und Verwaltungsfunktionen – Eine Analyse der Möglichkeiten für die Bauzulieferindustrie
Heft 26: Gottschling, Ines – 2005 Projektanalyse und Wirtschaftlichkeitsvergleich bei PPP-Projekten im Hochbau – Entscheidungsgrundlagen für Schulprojekt Heft 27: Lanzinger, Arno – 2005 System Project Target Control als Beitrag zur Verbesserung von Planungs- und Überwachungsprozessen Heft 28: Lehmitz, Soenke – 2005 Volkswirtschaftliche Auswirkungen der „Privatisierung“ von öffentlichen baulichen Anlagen – Untersuchung der Wirkungszusammenhänge sowie quantitative Abschätzung ausgewählter Effekte anhand eines Simulationsmodells Heft 29: Wibowo, Andreas – 2005 Private Participation in Transport: Case on Indonesia's Build, Operate, Transfer (BOT) Toll Roads
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7 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kochendörfer Heft 30: Pietsch, Robert-Sebastian – 2005 Aspekte der Marktorientierten Unternehmensführung mittelständischer Bauunternehmen. Eine empirische Untersuchung zu Stand, Trends und Möglichkeiten ausgewählter Instrumente Heft 31: Heim, Harald Michael – 2005 Aspekte des Einsatzes von Controllinginstrumenten in der mittelständischen Bauwirtschaft. Eine empirische Studie Heft 32: Pekrul, Steffen – 2006 Strategien und Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Bauunternehmen.. Ein Branchenvergleich mit dem Anlagenbau
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Sachwortverzeichnis 3D-photogrammetrisch 116 A- Modell 59 Abhängigkeit 212 Abnahme 134, 136 AHO 135 A-Modelle 5 Angebotspalette, modulare 3 Anordnungsrecht zur Bauzeit 325 Anpassungsstrategie 9 Anspruchsgrundlage 306 Arbeitskraft 8 Architekt 16, 17 Architekturwettbewerb 195 Auftragsverwaltung 180 Ausführung 135 Ausführungsplanung 133 Ausführungsvorbereitung 135 Ausführungsvorgang 207, 210 Ausnahmesituation 139 Ausschreibung 296 Ausschreibung, funktional 5 Autobahn 286 Bauauftrag 133 Baudienstleister 2 Baugenehmigung 281 Baugesetzbuch 193 baugewerbliches Umsatz 8 Bauherr 4 Bauinvestition 8 Baukrise 1 Bauleistung 328 Baumarkt 6 Baunachfrage 6 baunahen Prozess 2 Bauprojekt 123 Bauprojektmanagement 123 Bauteil 208 Bauunternehmer 296 Bauvertrag 133, 134, 135 Bauvolumen 8 Bauwirtschaft 14 Bauzeit 293, 328, 330 Bauzeitclaims 305
Bauzeitenplan 134 Bauzeitnachtrag 316 Bauzeitüberschreitung 331, 336, 337 Bauzeitverzögerung 305, 308, 313 Bedarfsplanung im Bauwesen 194 Bemessung von Gebäuden 191 Beplankungswerkstoff 93 Berner, Fritz 6 Beschäftigungsgroßklasse 8 Betreiberkonzept 2 Bonus-Malus-System 65, 71 Brutto-Grundfläche 197 Bruttowertschöpfung 1 Bundesfernstraßenbau 50 Bürogebäude 201, 204 CAFM 170 Cashflow 3 Cziesielski, Erich 92 Computational Management 148 Computer Aided Facility Management 170 Contract-Mining 2 Deep Sea Carriern 23 Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss 326 Dienstleistung 3 Dietrich, Reinhard 14 DIN 276 293 Dokumentationssystem 132 Dokumentenmanagementsystem 145 Drygalski, Marcus von 37 Effizienzgewinn 5 Effizienzsteigerung 55 Eignungstest 68 Einredeverzicht 65 Emissionskosten 52 Entwerfen 76 Entwurf 193 entwurfsbedingten Flächenart 199 Erfolgsfaktor 9 Facility Management (FM) 2, 170 Festpreis 2
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Sachwortverzeichnis Feuerwehrhaus 204 Firmenphilosophie 11 Fixgeschäft 333 Flächenkennwert 199 Flächenmanagement 170 Flughafenmanager 2 F-Modell 58 Forfaitierung 43, 65, 72 Forschung und Entwicklung 4 Fugendichtstoff 108 Führung 124 Funktionsbauvertrag 43, 58 Funktionsprogramm 192, 194 ganzheitlichen Flächenmanagement 170
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Gauß 164 Gebäude für kulturelle und musische Zwecke 198 Gebäudegröße 191 Gebäudelebenszyklus 171 Gebäudesicherheit 5 Gebäudetechnik 199 Geißler, Karsten 82 Generalunternehmer 4 Geotechnik 5 Geotechnische Beobachtungsmethode 141 Geschäftsgrundlage 322 Geschossfläche 193, 194 Geschossflächenzahl 194 GMP-Modelle 15 Grafischer Navigator 142 Grundfläche 191 Handlungsbereich 135 Hillemeier, Bernd 108 Hinkelmann, Reinhard 21 HOAI 133, 293 Hochgeschwindigkeitsstrecke 301 Holzrahmenbaus 93 Holzrahmenbauwand 92 Honoraranspruch 321 Immobilienentwicklung 3 Immobilieninvestition 272 Immobilienmarkt 273 Informationsasymmetrie 128 Informationsmodell 143 Informationssystem 171, 173 Informationsvorsprung 128
Infrastrukturbau 1 Ingenieurbauten 76 Inhabermodell 66 Insolvenz 8 Instandhaltung und Wartung 180 Internationalisierung 2 Internetbasiertes -, Informationssystem 138 -, Managementsystem 138 Inventarverwaltung 179 Investorenprojekt 13 Kaisers Bart 305 Kaiserschleuse Bremerhaven 21 Kalkulationsgrundlage 29, 34 Kalusche, Wolfdietrich 191 Keitel, Hans-Peter 1 Kerngeschäft 3 Klimakosten 52 Kohnke, Tanja 62 Konstruieren 76 Konstruktions-Grundfläche 202 Konzessionen und Betrieb 3 Korn, Michael 29 Korrekturwertmethode 86 Kosten 293 Kostenart 52 Kostenermittlung 293, 298 Kostenkalkulation 293, 296 Kostensenkung 9 Krankenhaus 201, 205 Krankenhausbau 194 Lagergebäude ohne Mischnutzung 200, 203 Lärmkosten 52 Lebenszyklus 170, 186, 3, 49 Lebenszyklusansatz 63 Lebenszyklusbetrachtung 184, 43 Lebenszykluskosten 189, 89 Lebenszyklusmanagement 170 Lebenszyklusphase 171, 37 Leistungsbeschreibung 133, 135, 64 Leistungserfolg 330 Leistungsmanagement 179 Leistungspakete, integrierte 3 Leistungsstörungsrecht 326 Leistungsverzeichnis 296 Liebchen, Jens H. 272
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Sachwortverzeichnis Machbarkeit des Projektes 193 Mangelhaftung 333 Marge 1 Materialverhalten 109 Mathematische Grundlage 150 Mautstraße 2 Mehraufwendung 320 Mietpreis 270 Mittelständler 6 Mitwirkung bei der Vergabe 133 Monitoring 140 Nachfrage 8 Nachhaltiges Bauen 82 Nachhaltigkeit 83 Nachtrag 136, 4 Nutzeinheit 191, 197 Nutzeranforderung 191 Nutzfläche 197 Nutzungsphase 172 Nutzungsprozess 191 Objektplanung 132, 133 Öffentlich Private Partnerschaft 37 öffentliche Hand 2 öffentlich-private Partnerschaft 62 Ökonomie 16 ÖPP 37 -,-Beschleunigungsgesetz 65 opportunistische Verhalten 129, 131 Optimierung der Lebenszykluskost 44 Organisation 11 Organisationsmodell 45 Outputorientierung 63, 64 Pahl-Weber 148 Parkhaus 201 Partnering-Modell 4 Personalstruktur 10 Planungsarbeit 284 Planungsdokumentation 281 Planungskennwert 199 PPP -,-Erfahrung 21 -,-Inhabermodell 64 -,-Modelle 57 -,-Projekt 30 Präqualifikation 4 PreFair 4
Preiswettbewerb 3 Privatisierung 63 Produktion, nicht-stationären 2 Projekt M 6 286 Projektauswahl 12 Projektentwicklung 15, 2, 276 Projektfinanzierung 2, 43, 65, 72 Projektgeschäft, stark zyklische 3 Projektsteuerer 4 Projektsteuerung 132, 135 Projektstufe 135 Projektteams 11 Prototyp 2 Prozessoptimierung 9 Public Sector Comparator (PSC) 38, 68 Public Private Partnership (PPP) 2, 62 -,-Projekt 29 Qualitätsdefinition 189 Qualitätsoffensive 1, 3 Qualitätssegmentierung 188 Qualitätsstrategie 188 Qualitätswettbewerb 4 Raumprogramm 192, 194, 32 Raumzuordnungskatalog 195 Rechtsberatung 125 Rechtsdienstleistung 125 Rechtsprechung 317, 320 Rechungsprüfung 134 relativen Fixgeschäft 335 Requirement-Engineering 190 Ressource 280 Riediger, Nicole 170 Risiken 42 Risikobalance 189 Risikobewertung 293 Risikokosten 68 Risikoverteilung 42, 63 Ro-Ro-Fähren 23 Roquette, Andreas J. 305 Russland 272 Sachmangel 326, 328 Sachmangelhaftung 332 Schadensberechnung 310 Schadensersatzanspruch 329 Schlussrechnung 136 Schmitt, Steffen 123
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Sachwortverzeichnis Schwerpunkttheorie 315, 312, 313, 314 Schwimmhalle 200, 206 selbstständigen Beweisverfahren 331 Sonderkonjunktur Ost 1 Sozialkosten 52 Spezialtiefbau 138 Steuerung 124 Straßenbaulastträgerkosten 52 Straßennutzerkosten 52 Strategieanpassung 9 Szenarioanalyse 49 Technischen Funktionsfläche 199 Teilnahmewettbewerb 67, 70 Terminplan 135, 213 Thode 305 -,-Analyse 307 Tiefgarage 201, 205 Transaktion 127 Transaktionskosten 127, 130, 132, 68, 72, 73 Trogbaugrube 144
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Umweltkosten 52 Unmöglichkeit 326 unvollständiger Information 127 Verdrängungswettbewerb 1 vereinbarter Beschaffenheit 328, 331 Verformungsverhalten 108, 112 Verfügbarkeitsentgelt 287 Verfügbarkeitskonzept 286 Vergabeverfahren 21, 25 Verhandlungsverfahren 67, 70 Verkehrsfläche 199, 201 Vertrag 124
Vertragsabschluss 131 Vertragsanalyse 128 Vertragsanbahnung 129, 135 Vertragsbeziehung 124, 127, 136 Vertragsdurchführung 132, 134, 135 Vertragskonzipierung 130, 133, 135 Vertragslaufzeit 292 Vertragsmanagement 125, 179 Vertragsmanagementzyklus 126 Vertragsverhandlung 131, 134, 135 Vertrauen 132 Verzugsregelung 336 Verzugsschaden 327 Virtual Design und Construction(ViCon) 5 VOB/B-Bauevertrag 334 Vollgeschosse 193 Vorbereitung der Vergabe 133 Vorteilhaftigkeit, wirtschaftliche 48 Wahlrecht 327 Wärmedämmverbundsystem 92 Wegmenge 153, 155 Wegmengenmatrix 153 Wertschöpfungskette 2 wettbewerblichen Dialog 70 Wirtschaftlichkeitsanalyse 68 Wirtschaftlichkeitsberechnung 47 Wirtschaftlichkeitsvergleichs 48 Wirtschaftsbau 1 Wohnflächenverordnung 195 Wohnungsbau 1 Zahlungsmechanismus 69 Zanner, Christian 325 Zielsystem 19