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Die teils phantastischen, teils derb-realistischen Erlebnisse des Ich-Erzählers Lucius vor seiner magischen Verwandlung in einen Esel, in der Eselshaut und nach seiner Rückverwandlung (»Metamorphosen«) sind zu sammen mit mehreren in die Handlung eingelegten pikanten Novellen Gegenstand eines erotischen Abenteuerromans, dem die neuzeitliche Erzählliteratur von Boccaccios >Decamerone< bis zu Thomas Manns >Felix Krull< und Günter Grass' >Biechtrommel< zahlreiche An regungen verdankt. Der zweisprachigen Ausgabe von E. Brandt und W. Ehlers hat Niklas Holzberg für die 5. Auflage ein auf neuesten Untersuchungen zu dem römischen Romanautor Apuleius fußender Anhang mit Erläuterungen, Werkeinführung und Literaturhinweisen beigegeben .
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ARTEMIS VERLAG MÜNCHEN
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Isis-Priesterin (Rom, Kapitolinisches Museum. Foto: Museum für Abgüsse klassischer Bildwerke, München)
APULEIUS
Der goldene Esel Metamorphosen Lateinisch und deutsch Herausgegeben und übersetzt von Edward Brandt und Wilhelm Ehlers. MJ't eiJur Einführung von Niklas Holzberg
ARTEMIS VERLAG MÜNCHEN UND ZÜRICH
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Ap•deius Madaurensis, Lucius: Der goldene Esel: Metamorphosen; lateinisch und deutsch Apuleius. Hrsg. u. übers. von Edward Brandt u. Wilhelm Ehlers. Mit e. Einf. von Nildas Holzberg. 4. Auf!.- München; Zürich: Artemis-Verl.. 1989 (Sammlung Tusculum) Einheitssacht.: Metamorphoses ISBN 3-7608-1508 -I NE: Brandt, Edward IHrsg.l
Vierte, bearbeitete Auflage
© 1989 Artemis Verlag München und Zürich, Verlagsort München. Alle Rechte, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, vorbehalten. Druck: Laupp & Göbel. Nehren Printed in Gennany
INHALT
Text und Übersetzung Vorrede........................................................ Reisebekanntschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hexenrache .. . . . . .. . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . .. . . .. . . . in Hypata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thelyphrons Totenwacht ..................................... : Vor Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zauberlehre und Verwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entführung durch Räuber . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . Räubergeschichten............................................ Amor und Psyche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietreue Gattin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiungvon den Räubern ...................................... Bei den Gutsleuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rache der Charite......................................... Aucht mit den Gutsleuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestrafung eines Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bei den Priestern der Syrischen Göttin . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . Der Galan im Faß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beim Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . Der Galan und die vergessenen Sandalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Galan im Getreidetrog ............ _...... . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Galan unter dem Walkergestell .... , . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . Beim Gärtner..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der gewalttätige Gutsnachbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Soldat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rache der Stiefmutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bei Zuckerbäcker und Koch...................................... Reise nach Korinth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erotische Abenteuer mit einer Dame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mörderin aus Eifersucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aucht nach Kenchreä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlösung durch lsis . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . Einweihung in die lsis- und Osirismysterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 5I 3 59 367 3 71 3 81 38 5 39 3 401 419 42 7 42 9 435 4 53 457 48 5
ANHANG Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pseudo-Lukian, Lukios oder Der Esel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachwott......................................................
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LIBER I 1
At ego tibi sermone isto Milesio varias fabulas conseram auresque tuas benivolas lepido susurro permulceam - modo si papyrum Aegyptiam argutia Nilotici calami inscriptam non spreveris inspicere -, figuras fortunasque hominum in alias imagines conversas et in se rursum mutuo nexu refectas ut mireris.
Exordior. «Quis ille?>> Paucis accipe: Hymettos Attica et lsthmos Ephyrea et Taenaros Spartiatica, glebae felices aeternum libris felicioribus conditae, mea vetus prosapia est. ibi linguamAtthidem primis pueritiae stipendiis merui. mox in urbe Latia advena studiorum Quiritium indigenam sermonem aerumnabili Iabore nullo magistro praeeunte aggressus excolui.
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En ecce praefamur veniam, siquid exotici ac forensis sermonis rudis locutor offendero. iam haec equidem ipsa vocis immutatio desultoriae scientiae stilo, quem accessimus, respondet. fabulam Graecanicam incipimus. Ieetor, intende: laetaberis. 2
Thessaliam - nam et illic originis maternae nostrae fundamenta a Plutarmo illo inclito ac mox Sexto philosopho nepote eius prodita gloriam nobis faciunt - eam Thessaliam ex negotio petebam. postquam ardua montium et lubrica vallium et roscida cespitum et glebosa camporum emersimus, equo indigena peralbovehens iam eo
ERSTES BUCH
Nein, ich will dir hier in milesischem Stil einen bunten Kranz von Geschichten flechten und deine geneigten Ohren mit hübschem Kling-Klang-kitzeln - falls du es nicht verschmähen solltest, einen Blick in die Blätter aus Ägypten zu werfen, die ich mit feinem Nilrohr beschrieben habe -, daß du dich über das Was und Wie bei Leuten, die in fremde Gestalten verwandelt und andersherum wieder zu sich selbst zurückgebildet wurden, nur so· wundern wirst. Ich beginne. "Ja, wer ist denn das?" Vernimms in Kürze: Hymettos in Attika, lsthmos bei Ephyra, Tänaros im Spartanerland, die herrlichen Fluren, in herrlicheren Büchern verewigt, - sie sind die Heimat meines Geschlechtes. Dort habe im mir als Kind in der attischen Sprache die ersten Sporen verdient. Danach habe ich in der latinischen Stadt als Schüler von draußen in mühseliger Arbeit ohne Leitung eines Lehrers die heimische Redeweise der alten Römer in Angriff genommen und beherrschen gelernt. Da, schaut, ich bitte im voraus um Entschuldigung, wenn ich einmal in der fremdländischen Kunstsprache stümperhaft stolpere. Nun paßt gerade dieser Sprachenwechsel zu dem Zirkusreiterprogramm, das ich mir gesetzt habe: es ist eine Geschichte nach dem Griechischen, die ich beginne. Leser, paß auf: du wirst dein Vergnügen haben! Thessalien - denn dort hat ja unser Geschlecht mütterlicherseits mit dem berühmten Plutarch und dann dem Philosophen Sextus, seinemNeffen, einenGrund gelegt, der uns Ehre macht-, Thessalien war es, das ich in Geschäften aufsuchte. Nachdem ich mich aus Bergstürzen und Talmooren und Wiesentau und Heideschollen hinaufgewunden hatte und das einheimische,
Liber primus
quoque admodum fesso, ut ipse etiam fatigationem sedentariam ineessus vegetatione diseuterem, in pedes desilio, equi sudorem fronde euriose exfrieo, auris remuleeo, frenos detraho, in gradum lenem sensim proveho, quoad lassitudinis ineommodum alvi soliturn ae naturale praesidium eliquaret. ae dum is ientaeulum ambulatorium prata, quae praeterit, ore in Iatus detorto pronus adfeetat, duobus eomitum, qui forte paululum proeesserant, tertium me facio. ae dum auseulto, quid sermonis agitarent, alter exerto eachirtno «Paree», inquit, «in verba ista haee tam absurda tamque immania mentiendo».
Isto aeeepto sititor alioquin novitatis «lmmo vero», inquam, <
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Erstes Buch
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schneeweiße Pferd, auf dem ich ritt, gleichfalls schon recht matt war, woHte ich mir auch selbst, um die Sitzmüdigkeit abzuschütteln, die Füße vertreten; ich springe also herunter, reibe meinem Pferd den Schweiß mit Laub sorgsam ab, kraule seine Ohren, mache ihm das Zaumzeug los und führe es in gemächlichem Schritt langsam weiter, bis sein Bauch die übliche und natürliche Abhilfe suchte und die lästige Ursache seiner Schlaffheit ausströmen ließ. Und während das Tier, um im Gehen zu futtern, mit seitwärts gedrehtem Maul und geneigtem i
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Liber primus
Ego denique vespera, dum polentae caseatae modico secus oHulam grandiorem in convivas aemulus contruncare gestio, mollitie cibi glutinosi faucibus inhaerentis et meacula spiritus distinentis minimo minus interii. et tarnen Athenis proxime et ante Poecilen porticum isto gemino obtutu circulatorem aspexi equestrem spatham praeacutam mucrone infesto devorasse ac mox eundem invitamento exiguae stipis venatoriam lanceam, qua parte minatur exitium, in ima viscera condidisse. et ecce pone lanceae ferrum, qua baccillum inversi teli ad occipitium per ingluviem subit, puer in mollitiem decorus insurgit inque flexibus tortuosis enervam et exossam saltationem explicat cum omnium, qui aderamus, admiratione. diceres dei medici baculo, quod ramulis semiamputatis nodosum gerit, serpentem generosum lubricis amplexibus inhaerere. sed iam cedo tu sodes, qui coeperas, fabulam remetire. ego tibi solus haec pro isto credam et, quod ingressui primum fuerit stabulum, prandio participabo. haec tibi merces deposita est.••
At ille: «lstud quidem, quod polliceris, aequi bonique facio, verum quod inchoaveram porro exordiar. sed tibi prius deierabo Solern istum (omni)videntem deum me vera comperta memorare. nec vos ulterius dubitabitis, si Thessaliam proximam civitatem perveneritis, quod ibidem passim per ora populi sermo iactetur quae palam gesta sunt. sed ut prius noritis, cuiatis sim, qui sim: (Aristomenes sum) Aegiensis. audite et quo quaestu me teneam: melle vel caseo et huiusce modi cauponarum mercibus per Thessaliam Aetoliam Boeotiam ultro citro discurrens. comperto itaque Hypatae, quae civitas cuncta'e Thessaliae antepollet, caseum recens et sciti saporis
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Erotes Buch
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es nidtt · nur sidter erfahren, sondern audt leidtt leisten kann. So bin idt erst gestern abend, wie idt um die Wette mit den Tisdtgenossen einen etwas gar zu großen Bissen Käsepolenta hinunterwürgen will, weil mir der zähe Brei in der Kehle hängenblieb und die Luftwege versperrte, um ein Haar eingegangen. Und dodt habe idt ganz vor kurzem in Athen vor der Bunten Halle mit diesen beiden Augen einem Gaukler zugesehen, wie er einen haarscharfen Reitersäbel die Spitze voran versdtluckte und dann ebenso für einen Grosdten einen Jagdspieß an seinem lebensgefährlidten Ende tief in die Eingeweide versenkte. Und da, hinter der Speerspitze, wo der Sdtaft der umgekehrten Waffe in der Kopfbeuge aus dem Sdtlund ragt, klettert ein entzückend zarter Knabe hodt und legt in verrenkten Windungen einenAkrobatenakt hin, so duftig und luftig, daß wir alle mit Staunen zusahen. Man hätte an den Stab des Heilgottes denken können, den er mit seinen halbgestutzten Zweiglein und Knoten in der Hand hat, wie ihn eine prädttige Senlange gesdtmeidig und eng umsdtlingt. - Aber los jetzt, du bitte, der begonnen hatte, fang mit deiner Gesdtidtte nodt einmal an! Idt will dir die Sadte allein statt dem da glauben, und was das erste Wirtshaus zum Einkehren ist, da lade idt didt zu einer Brotzeit ein. Dieser Lohn ist dir sidter." Dagegen der andere: .. Was du da verspridtst, nehme idt mit tausend Freuden an und werde von vorn beginnen, womit idt angefangen hatte. Aber erst will idt dir sdtwören - bei der Sonne da, dem allsehenden Gott -, daß idt aus eigenem Erlebnis die Wahrheit beridtte. Und ihr werdet nidtt länger zweifeln, wenn ihr nadt Thessalien in die nädtste Stadt kommt, weil eben dort allenthalben bei den Leuten die Rede umgeht über Dinge, die sidt vor aller Augen zugetragen haben. Aber damit ihr erst einmal wißt, wer und von wannen idt bin: Aristomenes ist mein Name, aus Ägion. Laßt eudt audt sagen, von weldtem Gewerbe idt existiere: mit Honig oder Käse und derlei Krämerwaren ziehe idt kreuz und quer durdt Thessalien, Ätolien, Böotien. Als idt dabei in Erfahrung bradtte, in Hypata - übrigens der glänzendsten Stadt von ganz Thessalien - werde fri-
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Liber
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admodum commodo pretio distrahi festinus adcucurri id omne praestinaturus. sed, ut fieri adsolet, sinistro pede profeeturn me spes compendii frustrata est; omne enim pridie Lupus negotiator magnarius coemerat. ergo igitur inefficaci celeritate fatigatus commodum vespera oriente ad balneas processeram.
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Ecce Socraten contubernalem meum consplClO. humi sedebat scissili palliastro semiamictus, paene alius lurore, ad miseram maciem deformatus, qualia solent fortunae decermina stipes in triviis erogare. hunc talem, quamquam necessarium et summe cognitum, tarnen dubia mente propius accessi. «Hem», inquam, «mi Socrates, quid istud? quae facies? quod flagitium? at vero domi tuae iam defletus et conclamatus es, liberis tuis tutores iuridici provincialis decreto dati, uxor persolutis feralibus officiis luctu et maerore diuturno deformata diffletis paene ad extremam captivitatem oculis suis domus infortunium novarum nuptiarum gaudiis a suis sibi parentibus hilarare compellitur. at tu hic larvale simulacrum cum summo dedecore nostro viseris. »
«Aristomene», inquit, «ne tu fortunarum lubricas ambages et instabiles incursiones et reciprocas vicissitudines ignoras>>. et cum dicto sutili centunculo faciem suam iam dudum punicantem prae pudore obtexit ita, ut ab umbilico pube tenus cetera corporis renudaret. nec denique perpessus ego tarn miserum aerumnae spectaculum iniecta manu, ut adsurgat, enitor.
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At ille, ut erat, capite velato <<Sine, sine», inquit, «fruatur diutius tropaeo Fortuna, quod fixit ipsa.>> Effeci sequatur, et simul unam e duabus laciniis meis exuo eumque propere vestio dicam an contego et ilico
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E'rstes Buch
scher Käse von delikatem Geschmack ziemlich preiswert verhökert, eilte ich schnellstens hin, um den ganzen Posten zu erstehen. Aber wie es zu gehen pflegt: ich war mit dem linken Fuß losgegangen und sah mich in meiner Hoffnung auf ein gutes Geschäft geprellt; denn tags zuvor hatte der Großhändler Lupus alles aufgekauft. So war ich also, müde von der nutzlosen Eile, eben bei Anbruch des Abends zum Bad ausgegangen. Schau, da erblicke ich meinen Kollegen Sokrates. Am Boden saß er, notdürftig in ein verschlissenes Mäntelchen gehüllt, beinahe nicht wierderzuerkennen vor Geisterblässe, jämmerlich abgemagert und entstellt, ein Stiefkind Fortunas, wie sie an den Ecken um Gaben zu betteln pflegen. Wie er so dasaß, der doch mein Freund und guter Bekannter war, trat ich dennoch nur unsicher näher. "He", sagte ich, "Freund Sokrates, was soll das? Wie schaust du aus? Schämst du dich nicht? Da hast du doch zuhause schon Tränen und Trauerfeier bekommen, deinen Kindern hat eine Verfügung des Kreisrichters Vormünder gegeben, deine Frau hat sich, als die Totenzeremonien vorbei waren, in Trauer und langem Gram verzehrt, hat ihre Augen fast vollkommen blind geweint und wird von ihren eigenen Eltern gedrängt, das verwaiste Heim mit den Freuden einer neuen Ehe aUfzuhellen, - aber du läßt dich hier zur größten Blamage für unsereinen als Gespensterbild sehen!" "Aristomenes", sagte er, "ja, du hast keine Ahnung von den Weltläuften mit ihren Karusselldrehungen und unberechenbaren Ausfällen und ständigen Kehrtwendungen." Mit diesen Worten zog er sein geflicktes Lumpenzeug so über sein Gesicht, das schon längst vor Scham glühte, daß er vom Nabel bis zu den Weichen den übrigen Körper entblößte. Schließlich kann ich ein so elendes Jammerschauspiel nicht mehr ertragen, fasse ihn an und will ihm aufhelfen. Aber er rief, wie er da saß, mit verhülltem Haupt: "Laß, laß! Soll sich Fortuna weiter an dem Denkmal weiden, das sie sich selbst errichtet hat I" Ich brachte es dahin, daß er mir folgte. Dabei ziehe ich eins von meinen beiden Gewändern aus, bekleide, besser gesagt·
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Libcr primus
lavacro trado; quod unctui, quod tersui, ipse praemmtstro, sordium enormem eluviem operose effrico, probe curato ad hospitium lassus ipse fatigatum aegerrime sustinens perduco, lectulo refoveo, cibo satio, poculo mitigo, fabulis permulceo. iam adlubentia proclivis est sermonis et ioci et seiturn [et] cavillum, iam dicacitas timida, cum ille imo de pectore cruciabilem suspiritum ducens dextra saeviente frontem replaudens «Me miserum», infit, «qui, dum voluptatem gladiatorii spectaculi satisfamigerabilis consector,in has aerumnas incidi. nam, ut scis optime, secundum quaestum Macedoniam profectus, dum mense decimo ibidem attentus nummatior revortor,modico prius quamlarissam accederem per transitum spectaculum obiturus, in quadam avia et lacunosa convalli a vastissimis latronibus obsessus atque omnibus privatus tandem evado et utpote ultime adfectus ad quandam cauponam Meroen, anum sed admodum scitulam, devorto eique causas et peregrinationis diuturnae et domuitionis anxiae et spoliationis miserae refero. quae me nimis quam humane tractare adorta cenae gratae atque gratuitae ac mox urigine percita cubili suo adp.licat. et statim miser, ut cum illa adquievi, ab unico congressu annosam ac pestilentem con(suetudinem) contraho et ipsas etiam lacinias, quas boni latrones contegendo mihi concesserant, in eam contuli, operulas etiam, quas adhuc vegetus saccariam faciens merebam, quoad me ad istam faciem, quam paulo ante vidisti, bona uxor et mala fortuna perduxit.••
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«Pol quidem tu dignus••, inquam, «es extrema sustinere, si quid est tarnen novissimo extremius, qui voluptatem Veneriam et scortum scorteum Lari et liberis praetulisti. ••
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bedecke ihn schnell damit und bringe ihn umgehend ins Bad. Etwas zum Salben, etwas zum Abtrocknen stelle im selbst, reibe die gewaltige Sdlmutzkruste gründlich ab; als das ordentlich besorgt ist, führe im ihn - dabei konnte im in der eigenen Müdigkeit den matten Mann nur mit knapper Not aufrecht halten - zum Gasthaus, gebe ihm ein warmes Bet~. tüchtig zu essen, behaglich zu trinken, Hübsches zu hören. Schon gibt es ein angeregt-vergnügliches Plaudern und Scherzen und Schnickschnack, schon ein zaghaftes Frotzeln, als der andere tief aus der Brust einen qualvollen Seufzer ausstößt, mit der Rechten wild an seine Stirn klatscht und anhebt: .. Im Unglücksmannl Wie im dem Vergnügen eines vielberedeten Fechterspiels nachgehe, bin im in dieses Elend geraten. Du weißt ja genau, im hatte eine Geschäftsreise nadl Makedonien unternommen. Dort hatte im neun Monate zu tun, und als im mit vollem Beutel auf dem Heimweg bin und mim eben Larissa nähere, um auf der Durchreise dort ins Theater zu gehen, wird mir in einer unwegsamen und zerklüfteten Sdlludlt von Räubern wüstester Sorte der Weg verlegt. Aller Habe beraubt, entkomme idt sdlließlidl und kehre, natürlich ganz außer mir, bei einer Gastwirtin Meroe einem ältlichen, aber nodl recht netten Weiblein - ein und berichte ihr die Ums.tände erst meiner länglichen Fahrt, dann meiner bänglichen Heimreise und meiner kläglichen Ausplünderung. Sie beginnt mim überfreundlich zu behandeln, zieht mim gratis und franko zu Tisch und bald in geiler Brunst in ihr Bett. Und gleich, wie im mit ihr gesdllafen hatte, hole im armer Teufel mir von einem einzigen Beisammensein eine jahrelange, mim auszehrende Hörigkeit. Selbst die Lappen nodl, die mir die guten Räuber zum Bedecken gelassen hatten, wendete im für sie auf. audl die Groschen, die im mir, solange im nodl bei Kräften war, mit Säcketragen verdiente, - bis im mit einer guten Frau und einem bösen Stern in die Verfassung gekommen war, deren Zeuge du eben geworden bist." .. Weiß Gott, du verdienst es", sagte im, .. das Schlimmste zu tragen, soweit es etwas nodl Schlimmeres gibt als das Ärgste: du, dem Sinnenlust und eine Luderliebste mehr galten als Heim und Haus."
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Liber primus
At ille digitum a pollice proximum ori suo admovens et in stuporem attonitus <
>, inquit, «in feminam divinam, ne quam tibi lingua intemperante noxam contrahas.» «Ain t~ndem?», inquam; «potens illa et tegina caupona quid mulieris est?>> «Saga>>, inquit, «et divini po"tens caelum deponere, terram suspendere, fontes durare, montes diluere, manes· sublimare, deos infimare, sidera extinguere, Tartarum ipsum inluminare.>> «Oro. te», inquam, «aulaeum tragicum dimoveto et siparium scaenicum complicato et cedo verbis communibus.» .. Vis», inquit, «unum vel alterum, immo plurima eius audire facta? nam ut se ament efflictim non modo incolae, verum etiam lndi vel Aethiopes utrique vel ipsi Anticthones, folia sunt artis et nugae merae. sed quod in conspectum plurium perpetravit, audi:
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Amatorem suum, quod in aliam temerasset, unico verbo mutavit in feram castorem, quod ea bestia captivitatis metuens ab insequentibus se praecisione genitalium liberat, ut illi quoque simile [quod venerem habuit in aliam] proveniret. Caup'onem quoque vicinum atque ob id aemulum deformavit in ranam et nunc senex ille dolio innatans vini sui adventores pristinos in faece submissus officiosis roncis raucus appellat. Alium de foro, quod adversus eam locutus esset, in arietem deformavit et nunc aries ille causas agit. Eadem amatoris sui uxorem, quod in eam dicacule probrum dixerat, iam in sarcina praegnationis obsepto utero et repigrato fetu perpetua ptaegnatione damnavit et, ut cuncti numerant, iam octo annorum onere misella illa velut elephantum paritura distenditur.
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Aber er führte den Zeigefin'ger zu seinem Mund und rief, beinahe starr vor Entsetzen: "Still, still!", schaute sich dann um, ob er ruhig sprechen dürfe, und rief: "Vorsicht mit diesem Dämon von Frau, sonst hast du mit deiner vorwitzigen Zunge einen Schaden weg!" "Wieso denn?", erwiderte ich; "diese mächtire Majestät Frau Wirtin, -was ist das für ein Weib?" "Eine Hexe", sagte er, "mit dämonischer Macht, den Himmel niederzulegen, die Erde aufzuhängen, Quellen zu verhärten, Berge zu schmelzen, Geister heraufzuholen, Götter herabzuziehen, Sterne auszulöschen, tatsächlich die Unterwelt zu illuminieren." "Ich bitte dich", rief ich, "du solltest den tragischen Vorhang wegtun und die Theaterdraperie einziehen, und heraus mit einfachen Worten!" "Willst du", sprach er, "das eine oder andere, vielmehr eine ganze Reihe ihrer Kunststücke hören? Denn nicht bloß Einheimische, sondern auch Inder oder Äthiopier hüben und drüben, ja, selbst Antipoden sterblich in sich verliebt zu machen, - das sind nur Blätter vom Baum ihrer Kunst und bloße Farcen. Aber höre, was sie zustande brachte, daß mehrere es sehen konnten: Einen ihrer Liebhaber verwandelte sie, weil er sich· mit einer anderen vergessen hatte, mit einem einzigen Wort in ein Vieh, einen Biber; denn wenn dies Tier von Verfolgern gefangen zu werden fürchtet, sucht es sich durch Abbeißen der Hoden zu befreien, -und ihm sollte es ähnlich ergt>hen. -Einem Gastwirt weiter, der ihr Nachbar und daher Konkurrent war, gab sie die Mißgestalt eines Frosches, und jetzt schwimmt der alte Kerl im eigenen Weinfaß, verneigt sich in der Hefe vor seinen einstigen Gästen und ruft sie mit dienerndem Quaken und Quarren an. Ein anderer, vom Gerichtshof, hatte gegen sie gesprochen; er wurde zu einem Schafbock verunstaltet und führt jetzt als Schafbock Plädoyers. - Auch hat sie die Frau eines Liebhabers, die etwas Beleidigendes über sie geklatscht hatte, als sie schon schwanger ging, durch Verschluß des Mutterleibs und Aufschub der Geburt zu beständiger Schwangerschaft verdammt; und jetzt wird die Ärmste durch eine nunmehr achtjährige Last -
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Quae cum subinde ac multi nocerentur, publicitus indignatio percrebruit statutumque, ut in eam die altera severissime saxorum iaculationibus vindicaretur. quod consilium virtutibus cantionum antevortit et, ut illa Medea unius dieculae a Creone impetratis indutiis totam eius domum filiamque cum ipso sene flammis coronalibus deusserat, sie haec devotionibus sepulchralibus in scrobem procuratis, ut mihi temulenta narravit proxime, cunctos in suis sibi domibus tacita numinum violentia clausit, ut toto biduo non claustra perfringi, non fores evelli, non denique parietes ipsi quiverint perforari, quoad mutua hortatione consone clamitarent quam sanctissime deierantes sese neque ei manus admolituros et, si quis aliud cogitarit, salutare laturos subsidium. et sie illa propitiata totam civitatem absolvit. at vero coetus illius auctorem nocte intempesta cum tota domo, id est parietibus et ipso solo et omni fundamento, ut erat, clausa ad centesimum lapidem in aliam civitatem summo vertice montis exasperati sitam et ob id ad aquas sterilem transtulit. et quoniam densa inhabitantium aedificia locum novo hospiti non dabant, ante portam proiecta domo discessit.»
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«Mira», inquam, «nec minus saeva, mi Socrates, memoras. denique mihi quoque non parvam incussisti sollicitudinem, immo vero formidinem, iniecto non scrupulo, sed lancea, ne quo numinis ministerio similiter usa sermones istos nostros anus illa cognoscat. itaque maturius quieti nos reponamus et somno levata lassitudine noctis antelucio aufugiamus istinc quam pote longissime.»
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Erstes Buch
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so zählt man allgemein - so aufgetrieben, als sollte sie einen Elefanten gebären. Als dies reihum ging und schon viele behext waren, nahm der Unwille in der Öffentlidtkeit überhand, und man besdtloß, andern Tags mit Steinwürfen auf das strengste gegen sie zu verfahren. Diesen Plan wendete sie durdt kräftige Zaubersprüdte im voraus ab, und wie Medea für einen einzigen kurzen Tag von Kreon Aufsmuh erwirkt und dann sein ganzes Haus und die Todtter samt dem Alten selbst mit einem brennenden Stirnreif in Asdte gelegt hatte, so bannte diese Person unter Totenzauber, den sie an einer Gruft vornahm- sie hat es mir kürzlidt im Rausdt erzählt -, durdt stumme Geistergewalt alle in ihren eigenen Häusern fest, so daß volle zwei Tage hindurdt weder die Sdtlösser gesprengt nodt die Türen ausgehoben, sdtließlidt nidtt einmal die Wände aufgebrodten werden konnten. Endlidt verständigte man sidt, sdtrie mit einer Stimme und sdtwor die heiligsten Eide, ihr kein Haar zu krümmen und vielmehr, falls es jemand anders im Sinne habe, Leib und Leben zu sdtützen. So ließ sie sidt wieder versöhnen und erlöste die gesamte Bürgersdtaft. Den Mann dagegen, der jene Zusammenrottung angeregt hatte, versetzte sie in stockfinsterer Nadtt mit seinem gesamten Haus, d. h. mit den Wänden und sogar dem Estridt und dem ganzen Unterbau, versdtlossen wie es war, hundert Meilen entfernt in eine andere Stadt, die oben auf dem Gipfel eines sdtroffen Berges lag und deswegen keinen Tropfen Wasser hatte. Und weil das Häusergedränge bei den Bewohnern dem neuen Gast keinen Raum bot, sdtmiß sie das Haus vor dem Stadttor hin und versdtwand." .. Erstaunlidt", versetzte idt, .,und gruselig zugleidt, was du da beridttest, lieber Sokrates. Sdtließlidt hast du audt mir einige Unruhe, ja wahrhaftig Angst gemadtt, und idt habe nidtt bloß einen Stein im Sdtuh, sondern bin wie von Wespen gestochen, jene Vettel möchte ähnlich ihre Zaubermacht benützen und unsere Unterhaltung hier erfahren. Daher wollen wir uns frühzeitig zur Ruhe legen und uns, wenn der Sdtlaf die Müdigkeit verscheucht hat, im ersten Morgengrauen davonmachen, so weit fort von hier als es irgend geht."
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Liber primus
Haec adhuc me suadente insolita vinolentia ac diuturna fatigatione pertentatus bonus Socrates iam sopitus stertebat altius. ego vero adducta fore pessulisque firmatis grabattulo etiam pone cardinem supposito et probe adgesto super eum me recipio. ac primum prae metu aliquantisper vigilo, dein circa tertiam ferme vigiliam paululum coniveo. commodum quieveram, et repente impulsu maiore, quam ut latrones crederes, ianuae reserantur, immo vero fractis et evolsis funditus cardinibus prosternuntur. grabattulus alioquin breviculus et uno pede mutilus ac putris impetus tanti violentia prosternitur, me quoque evolutum atque excussum humi recidens in inversum cooperit ac tegit.
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Tune ego sensi naturalitus quosdam affectus in contrarium provenire. nam ut lacrimae saepicule de gaudio prodeunt, ita et in illo nimio pavore risum nequivi continere de Aristomene testudo factus. ac dum in fimum deiectus obliquo aspectu, quid rei sit, grabattuli sollertia munitus opperior, video mulieres duas altioris aetatis; lucernam lucidam gerebat una, spongiam et nudum gladium altera. hoc habitu Socratem bene quietum circumstetere. infit illa cum gladio: <> et porrecta dextera meque Panthiae suae demonstrato «At hic bonus>>, inquit, «consiliator Aristomenes, qui fugae huius auctor fuit et nunc morti proximus iam humi prostratus grabattulo subcubans iacet et haec omnia conspicit, impune se laturum meas contumelias putat. faxo eum sero, immo statim, immo vero iam nunc, ut et praecedentis dicacitatis et instantis curiositatis paeniteat.»
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Nom riet im so, da war mein guter Sokrates vom ungewohnten Trunk und den dauernden Strapazen überwältigt, sank in Smlaf und fing ziemlimlaut zu sdlnarmen an. Im aber ziehe die Tür zu, simere die Riegel, smiebe aum nom meine Pritsme hinter die Türangel, rüd<e sie gut hin und verziehe mim hinauf. Anfangs bleibe im vor Angst nom ein Weilmen wam, dann nid<e im etwa um die dritte Namtwame ein wenig ein. Eben war im eingesmlummert, als plötzlim mit einem Stoß - heftiger als daß man Räuber hätte vermuten können - die Türflügel aufspringen, vielmehr mit zerbromenen und völlig ausgehobenen Angeln umstürzen. Mein ohnehin etwas niedlimes und an einem Fuß lädiertes und morsmes Bettgestell stürzt unter dem wumtigen Anprall um, im sehe mim ebenfalls herausgerüttelt und -gesmüttelt und werde, als es umkippt, unter Sad< und Pad< begraben. Da bekam im das Phänomen zu spüren, daß gewisse Gefühle sim entgegengesetzt äußern. Wie nämlim immer einmal vor Freude Tränen kommen, so konnte im bei diesem mämtigen Sdlred< das Lamen nimt verbeißen,. - weil im aus Aristomenes zur Smildkröte geworden war! Und wie im im Dred< liege, unter dem sinnreimen Smutz meiner Pritsme hinübersmiele und lauere, was los sei, erblid<e im zwei ältlime Weiber, die eine mit einer brennenden Lampe, mit Smwamm und bloßem Smwert die andere. In diesem Aufzug umstanden sie den ruhig smlafenden Sokrates. Da hub die mit dein Smwert an: "Da hast du, Smwester Panthia, meinen lieben Endymion, meinen Ganymed, der bei Tag und Namt meine Jährmen poussiert hat; der ists, der meine Liebe versmmäht und mim nimt bloß besmimpft und lästert, nein aum auf und davon will. Und ich, das fehlte nom, soll mim von dem listenreimen Odysseus verlassen sehen und als zweite Kalypso über ewige Einsamkeit weinen!" Dann streckt sie die Remte aus, zeigt mim ihrer Panthia und sprimt: "Aber der trefflime Ränkesdlmied Aristomenes da, der den Flumtplan ausgeheckt hat, nun halbtot smon auf der Nase liegt, unterm Bettgestell auf der Erde kampiert und diesem allen zusmaut, meint mim ungestraft brüskieren zu können. Im will dafür sorgen, daß er später, nein gleim, nimt dom, auf der
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Liber primus
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Haec ego ut accepi, sudore frigido miser perfluo, tremore viscera quatior, ut grabattulus etiam succussu meo inquietus super dorsum meum palpitando saltaret. at bona Panthia «Quin igitur», inquit, «soror, hunc primum bacchatim discerpimus vel membris eius destinatis virilia desecamus?» ad haec' Meroe - sie enim reapse nomen eius tune fabulis Socratis convenire sentiebam «lmmo», ait, «supersit hic saltem, qui miselli huius corpus parvo contumulet humo.» et capite Socratis in alterum dimoto latus per iugulum sinistrum capulo tenus gladium totum ei demergit et sanguinis eruptionem utriculo admoto excipit diligenter, ut nulla stilla compareret usquam. haec ego meis oculis aspexi. nam etiam, ne quid demutaret, credo, a victimae religione, immissa dextera per vulnus illud ad viscera penitus cor miseri contubernalis mei Meroe bona scrutata protulit, cum ille impetu teli praesecata gula vocem, immo stridorem incertum per vulnus effunderet et spiritum rebulliret. quod vulnus, qua maxime patebat, spongia offulciens Panthia «Heus tu», inquit, «Spongia, cave in mari nata per fluvium transeas». his editis abe(unt et) una remoto grabattulo varicus super fadem meam residentes vesicam exonerant, quoad me urinae spurcissimae madore perluerent.
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Commodum limen evaserant, et fores ad pristinum statum integrae resurgunt, cardines ad foramina residunt, ad postes repagula redeunt, ad claustra pessuli recurrunt. At ego, ut eram, etiam nunc humi proiectus, inanimis,
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Erstes Buch
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Stelle seine frechen Reden· vorhin und seine Neugier jetzt bereut." Wie ich das vernahm, fühle ich armer Kerl mich in kalten Schweiß gebadet und bis ins Mark von Schauer geschüttelt, daß auch das Bettgestell durch mein Beben aus der Ruhe kam und wackelnd auf meinem Rücken tanzte. Die gute Panthia aber sprach: "Jetzt los, Schwester, wollen wir also den da erst bacchantisch zerreißen oder seine Glieder festschnüren und ihm die Mannsteile abschneiden?" Darauf erwiderte Meroe- denn so hieß sie in der Tat, und der Name stimmte, ich merkte es jetzt, zu den Erzählungen des Sokrates -: "Nein, der soll wenigstens übrigbleiben, den Leichnam dieses armen Wichts mit einem Schäufelchen Erde zu behäufeln!" Und sie biegt dem Sokrates den Kopf hintüber und stößt ihm durch die linke Halsgrube bis zum Heft das ganze Schwert hinunter; dann hält sie einen kleinen Balg unter und fängt das schießende Blut sorgfältig auf, daß nirgends ein Tropfen zum Vorschein kam. Dem habe ich mit meinen eigenen Augen zugesehen. Dann schob die gute Meroe noch - ich glaube, um sich genau an das Opferzeremoniell zu halten - ihre Rechte durch die Wunde .zu den Eingeweiden hinunter, wühlte nach dem Herzen meines armen Kumpans und zog es hervor; dabei ließ der Mann aus der Gurgel, die ihm der Schwertstoß abgeschnitten hatte, einen Laut, vielmehr ein unbestimmtes Pfeifen durch die Wunde fahren und blubberte seinen Geist aus. Diese Wunde, wo sie am weitesten klaffte, verstopfte Panthia mit dem Schwamm und rief: "He du, Schwamm, gib acht und laß dich Seetüchtigen nicht wegschwemmen!" Nach diesem Spruch ziehen sie ab, räumen zusammen die Pritsche beiseite, hocken sich grätschend über mein Gesicht und leeren ihre Blase, bis sie mich mit ihrem scheußlich stinkenden Harn patschnaß vollgeseicht haben. Kaum hatten sie sich über die Schwelle entfernt, da erhebt sich die Tür wieder und steht wie vorher da, als wäre nichts geschehen; die Angeln setzen sich wieder in ihre Löcher, an die Pfosten kehren wieder die Querhölzer zurück, zu den Schlössern huschen wieder die Riegel. Und ich lag immer noch auf der Nase, besinnungslos, nackt und
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nudus et frigidus et lotio perlutus, quasi recens utero matris editus, immo vero semimortuus, verum etiam ipse mihi supervivens et postumus vel certe destinatae iam cruci candidatus <
Haec identidem mecum replicabam, et nox · ibat in diem. Optimum itaque factu visum est anteluculo furtim evadere et viam licet trepido vestigio capessere. sumo sarcinulam meam, subdita clavi pessulos reduco. at illae probae et fideles ianuae, quae sua sponte reseratae nocte fuerant, vix tandem et aegerrime tune clavis suae crebra immissione patefiunt.
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Et «Heus tu, ubi es?» inquam; «valvas stabuli absolve, anteluciQ volo ire.» ianitor pone stabuli ostium humi cubitans etiam nunc semisomnus «Quid? tu», inquit, <
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frierend und von Urin überrieselt, wie frisch aus dem Mutterleib gekommen, nicht doch, halbtot, ja, miP1 selbst überlebend und nachgeboren oder bestimmt doch Kandidat für einen schon be~ stimmten Galgen! Da sprach ich: .. Wie wird mirs gehen, wenn es morgens an den Tag kommt, daß der da geschächtet ist? Wem kann meine wahre Geschichte wahrscheinlich scheinen? ,Du hättest wenigstens um Hilfe schreien sollen, wenn du dich als so eine Mannsperson nicht gegen ein Weib wehren konntest. Vor deinen Augen wird einer abgemurkst, und du schweigst? Aber warum bist du nicht ähnlich teuflisch umgebracht? Warum hat der Blutrausch, damit das Verbrechen gar Anzeige findet, einen Augenzeugen verschont? Bist du also dem Tod ausge~ kommen, jetzt marsch dahin zurück!'" Dies wiederholte ich mir wieder und wieder, während es auf den Morgen ging. Darum schien mir das beste, was ich tun könnte, noch vor der Dämmerung heimlich zu entwischen und mich mit schlotternden Knien immerhin auf den Weg zu machen. Ich nehme mein Ränzlein, stecke den Schlüssel unter die Riegel und will sie zurückstoßen; aber diese trefflich~treue Tür, die in der Nacht von selber aufgesprungen war, geht jetzt nur mit Ach und Krach, als ich den zugehörigen Schlüssel immer wieder einschiebe, endlich auf. Dann rief ich: .,Holla, wo steckst du? Mach das Herbergstor auf, ich will vor Tagesanbruch fort!" Der Pförtner, der hinter dem Eingang zur Herberge am Boden kampierte, sprach noch halb im Schlaf: .. Was? Du weißt wohl nicht, daß Räuber die Wege unsicher machen, wenn du zu dieser Nachtzeit auf die Reise gehen willst? Du magst dich ja mit einer Schandtat auf dem Gewissen gut und gern ums Sterben reißen: unsereiner hat keinen Kürbiskopf, daß er für dich draufgehen möchte." .. Nicht lange", sprach ich, .,und es wird hell. Und außerdem, was kön~ nen denn Räuber einem Wanderer wegnehmen, wo die Taschen vollkommen leer sind? Oder weißt du Dummkopf nicht, daß auch zehn Athleten einen Nackten nicht plündern können?" Darauf wälzte sich der Kerl faul und schlaftrunken auf die· an~ .dere Seite und sagte: .,Woher soll ich denn wissen, ob du nicht deinen Reisekameraden, mit dem du gestern abend eingekehrt
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Liber primus
Illud horae memini me terra dehiscente ima Tartara inque bis canem Cerherum prorsus esurientem mei prospexisse. ac recordabar profecto bonani Meroen non misericordia iugulo meo pepercisse, sed saevitia cruci me reservasse.
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In cubiculum itaque reversus de gel}ere tumultuario mortis mecum deliberabam. sed cum nullum aliud telum mortiferum Fortuna quam solum mihi grabattulum subministraret, «lam iam, grabattule», inquam, «animo meo carissime, qui mecum tot aerumnas exanclasti conscius et arbiter, quae nocte gesta sunt, quem solum in meo reatu testem innocentiae citare possum, tu mihi ad inferos festinanti sumministra telum salutare.» et cum dicto restim, qua erat intextus, adgredior expedire ac tigillo, quod fenestrae subditum altrinsecus prominebat, iniecta atque obdita parte funiculi et altera firmiter in nodum coacta ascenso grabattulo ad exitium sublimatus et immisso capite laqueum induo. sed dum pede altero fulcimentum, quo sustinebar, repello, ut ponderis deductu restis ad ingluviem adstricta spiritus officia discluderet, repente putris alioquin et vetus funis dirumpitur atque ego de alto recidens Socraten- nam iuxta me iacebatsuperruo cumque eo in terram devolvor.
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Et ecce in ipso momento ianitor introrumpit exerte clamitans: «Ubi es tu, qui alta nocte immodice festinabas et nunc stertis involutus?» ad haec nescio an casu nostro an illius absono clamore experrectus Socrates exsurgit prior et «Non», inquit, «immerito stabularios hos omnes hospites detestantur. nam iste curiosus dum inportune irrumpit - credo studio rapiendi alhiuid -, clamore vasto marcidum alioquin n1e altissimo somno excussit.» ernergo laetus atque alacer insperato gaudio
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warst, abgemurkst hast und dich in Sicherheit bringen willst?" Zu dieser Stunde, erinnere ich mich, tat sich die Erde auf, und ich sah bis zum Grund des Tartarus und darin den Hund Cerberus, wie er gierig nach mir schnappte. Und ich stellte mir vor, daß die gute Meroe bestimmt nicht aus Erbarmen meinen Hals verschont, sondern mich tückisch für den Galgen aufgespart habe. Also kehrte ich ins Schlafzimmer zurück und überlegte mir, auf welche Art ich kurzen Prozeß mit mir machen solle. Aber da mir Fortuna keine andere Mordwaffe bot als allein mein Bettgestell, rief ich: "Jetzt, jetzt, herzallerliebstes Pritschlein, das mit mir so viele Leiden durchlitten hat als Mitwisser und Augenzeuge der nächtlichen Vorgänge, das ich vor Gericht allein zum Zeugen meiner Unschuld aufrufen kann -: biete du mir Lebensmüden eine helfende Waffel" Bei diesen Worten gehe ich daran, einen Strick loszumachen, mit dem es bespannt war, werfe ihn über einen Balken, der am Fenster eingefügt war und mit der anderen Seite vorstand, befestige das eine Ende des Seils daran, ziehe das andere fest zur Schlaufe zusammen, steige auf das Bettgestell, stecke als höhergestellter Todeskandidat den Kopf hinein und lege die Schlinge um. Aber wie ich mit einem Fuß die Stütze wegstieß, die mich hielt, damit mir der Strick unter derZugkraftdes Gewichts die Gurgel zuschnüren und den Atem abriegeln sollte, reißt plötzlich das längst schon morsche, alte Seil, daß ich von oben herunterplumpse, über Sokrates - er lag nämlich in meiner Nähe - hinpurzele und mit ihm auf den Boden rolle. Und da, im selben Augenblick rumpelt der Pförtner herein und brüllt aus Leibeskräften: "Wo bist du, ders in tiefer Nacht unmäßig eilig hatte und jetzt mit der Decke über dem Kopf schnarcht?" Da- ich weiß nicht, ob von unserem Fall oder dem greulichen Geschrei dieses Burschen - wacht Sokrates auf, erhebt sich als erster und sagt: "Kein Wunder, daß diese Kneipenleute allen Gästen zuwider sind! Hat doch der neugierige Kerl da, wie er so unverschämt daherpoltert -wahrscheinlich um was zu stehlen-, mit seinem wiisten Geschrei mich ohnehin maroden Mann aus dem tiefstenSchlaf geschüttelt!" Ich arbeite mich fröh-
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perfusus et «Ecce»,
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Aliquantum processeramus, et iam iubaris exortu cuncta conlustrantur. et ego curiose sedulo arbitrabar iugulum comitis, qua parte gladium delapsum videram, et mecum "Vesane>>, aio, «qui poculis et vino sepultus extrema somniasti. ecce Socrates integer, sanus, incolumis. ubi vulnus, spongia? ubi postremum cicatrix tarn alta, tarn recens?•• et ad illum «Non••, inquam, «immerito medici fidi cibo et crapula distentos saeva et gravia somniare autumant. mihi denique, quod poculis vesperi minus temperavi, nox acerba diras et truces imagines obtulit, ut adhuc me credam cruore humano aspersum atque impiatum.•• ad haec ille subridens «At tu••, inquit, «non sanguine, sed lotio perfusus es. verum tarnen et ipse per somnium iugulari visus sum mihi. nam et iugulum istum dolui et cor ipsum mihi avelli putavi et nunc etiam spiritu deficior et genua quatior et gradu titubo et aliquid cibatus refovendo spiritu desidero.•• «En••, inquam, «paratum tibi adest ientaculum.•• et cum dicto manticam meam humero exuo, caseum cum pane propere ei porrigo et «Juxta platanum istam residamus•• aio.
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lieh in die Höhe und rufe ·munter in unverhofftem
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prickeln: "Da ist er, Herr Musterpförtner, mein Kamerad und Busenfreund! Und du wolltest mich nachts im Rausch verdäch~ tigen, ich hätte ihn umgebracht!" Bei diesen Worten umarmte ich den Sokrates und küßte ihn ab. Aber er schaudert vor dem wirklich scheußlichen Geruch der Jauche. mit der mich die Unholdinnen vollgesudelt hatten, stößt mich heftig von sich und ruft: "Troll dich, Latrinenstinker ordinärster Sorte!", und begann - ein reizender Mensch - nach der Ursache dieses Ge~ ruchs zu fragen. Aber ich in meiner Not erfinde aus dem Stegreif einen albernen Scherz, lenke seine Aufmerksamkeit wieder auf ein anderes Thema, klopfe ihm auf die Schulter und sage: "Komm, gehn wir und genießen die Morgenwanderung!" Ich nehme mein Ränzlein, wir zahlen dem Wirt das Logiergeld und machen uns auf den Weg. Wir waren ein Stück vorangekommen, da geht schon die Sonne auf und alles wird hell. Und ich betrachtete mit emsiger Neugier den Hals meines Begleiters, wo· ich das Schwert hatte hinab~ fahren sehen, und sagte zu mir: "Idiot, du hast ja als voll~ kommene Weinleiche das tollste Zeug geträumt! Da: Sokra~ tes unversehrt, gesund und munter! Wo ist die Wunde; der Sdtwamm? Wo schließlich die tiefe und frische Narbe?" Und zu ihm sprach ich: "Mit gutem Recht halten zuverlässige Ärzte dAfür, daß man mit vollem Bauch und einem Rausdt im Blut greuliche und schwere Träume hat. Mir sind also, weil ich abends die Becher nicht zählte, in einer schlimmen Nacht gräß~ liehe und wüste Bilder vor Augen getreten, daß ich immer noch meine, ich sei mit Menschenblut besudelt und befleckt." Darauf versetzte er grinsend: "Na, du bist nicht mit Blut, sondern mit Urin begossen! Freilich kam es mir auch selber im Traum so vor, als würde ich abgemurkst. Denn der Hals hier tat mir weh, und es war mir, als würde mir gar das Herz herausgerissen. Und jetzt geht mir auch der Atem aus und meine Knie schlottern und meine Schritte wanken und ich sehne mich nadt einem Bissen, um meine Lebensgeister zu ermuntern." "Da", sagte ich, "ich habe einen lmbiß für dich zur Hand." Mit diesen Worten ziehe ich meinen Rucksack von der Schulter, reiche ihm schleunig
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liber primus
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Quo facto et ipse aliquid indidem sumo eumque avide essitantem aspiciens aliquanto intentiore macie atque pallore buxeo defi.cientem video. sie denique eum vitalis color turbaverat, ut mihi prae metu nocturnas etiatn furias illas imaginanti frustulum panis, quod primum sumseram, quamvis admodum modicum mediis faucibus inhaereret ac neque deorsum demeare neque sursum remeare posset. nam et brevitas ipsa commeantium meturn mihi cumulabat. quis enim de duobus corniturn alterum sine alterius noxa perernturn crederet? verum ille, ut satis detruncaverat cibum, sitire inpatienter coeperat. nam et optimi casei bonam partem avide devoraverat. et haud ita longe radices platani lenis fluvius in speciem placidae paludis ignavus ibat argento vel vitro aemulus in colorem. «En», inquam, «explere latice fontis lacteo.» adsurgit ille et oppertus paululum planiorem ripae marginem complicitus in genua adpronat se avidus adfectans poculum. necdum satis extremis labiis summum aquae rorem attigerat, et iugulo eius vulnus dehiscit in profundum patorem et illa spongia de eo repente devolvitur eamque parvus admodum comitatur cruor. denique corpus exanimatum in flumen paene cernuat, nisi ego altero eius pede retento vix et aegre ad ripam superiorem adtraxi, ubi defletum pro tempore comitem misellum arenosa humo in amnis vicinia sempiterna contexi.
Ipse trepidus et eximie metuens mihi per diversas et avias solitudines aufugi et quasi conscius mihi caedis humanae relicta patria et lare ultroneum exilium amplexus nunc Aetoliam novo contracto matrimonio colo."
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Käse und Brot und sage: .. Wir wollen uns bei der Platane dort niedersetzen." So taten wir, und ich hole mir selber auch etwas hervor. Während ich ihn betrachte, wie er gierig ißt und ißt, sehe ich ihn immer stärker einfallen und vor .Schwäche quittegelb werden. Schließlich war seine natürliche Farbe so verändert, daß mir vor Angst- jene nächtlichen Furien standen mir noch vor Augen - ein Brotbissen, den ich gerade in den Mund gesteckt hatte, trotz seiner Winzigkeit mitten im Schlund hängenblieb und weder abwärts hinunter- noch aufwärts zurückpassieren konnte. Dabei steigerte auch der geringe Passantenverkehr überhaupt meine Furcht. Wer würde denn glauben, daß einer von zwei Waudergesellen ohne Schuld des anderen umgekommen sei? - Aber als der andere genug eingehauen hatte, war ihn unerträglicher Durst angekommen. Hatte er doch auch von dem trefflichen Käse eine gute Portion gierig verschlungen. Nun zog nicht eben weit vom Fuß der Platane, einem stillen Weiher gleich, ein sanfter Fluß träge dahin, dessen Farbe es mit Silber oder Glas aufnahm... Da", sagte ich, ,.trink dich satt am Wasser der hellen Quelle." Er erhebt sich, schaut, wo der Ufersaum ein wenig flacher ist, geht in die Knie und beugt sich in gierigem Verlangen nach dem Trunk vor. Aber kaum hatte er eben mit dem Lippenrand den Wasserspiegel berührt, da spaltet sich die Wunde an seinem ·Hals zu einem tiefen Loch, und plötzlich rollt daraus der Schwamm hervor. und den begleitet ein klein wenig Blut. Schließlich wäre sein entseelter Körper beinahe vornüber in den Fluß gestürzt, hätte ich ihn nicht an einem Fuß festgehalten und mit Müh. und Not an eine höhere Stelle des Ufers hinaufgezogen. Hier hielt ich meinem armen lieben Kameraden so gut es ging die Totenklage und bedeckte ihn mit sandiger Erde in ewiger Nachbarschaft des Flusses. Ich selbst machte mich in Hast und Todesangst durch verschiedene unwegsame Einöden davon; als hätte ich Menschenmord auf dem Gewissen, ließ ich Haus und Heimat im Stich, warf mich freiwilligem Exil in die Arme und wohne jetzt in Ätolien, wo ich mich wieder verheiratet habe."
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Haec Aristomenes. at ille comes eius, qui statim initio obstinata incredulitate sermonem eius respuebat, «Nihil», inquit, «hac fabula fabulosius, nihil isto mendacio absurdius.» et ad me conversus ,, Tu autem», inquit, «vir, ut habitus et habitudo demonstrat, ornatus accedis huic fabulae?» «Ego vero», inquam, «nihil impossibile arbitror, sed utcumque fata decreverint, ita cuncta mortalibus provenire. nam et mihi et tibi et cunctis hominibus multa usu venire mira et paene infecta, quae tarnen ignaro relata fidem perdant. sed ego huic et credo hercules et gratas gratias memini, quod lepidae fabulae festivitate nos avocavit. asperam denique ac prolixam viam sine Iabore ac taedio evasi. quod beneficium etiam illum vectorem meum credo laetari sine fatigatione sui me usque ad istam civitatis portam non dorso illius, sed meis auribus pervecto.»
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Is finis nobis et sermonis et itineris communis fuit. nam comites uterque ad villulam proximam laevorsum abierunt. ego vero quod primum ingressui stabulum conspicatus sum, accessi et de quadam anu caupona ilico percontor: «Estne», inquam, «Hypata haec civitas?•• adnuit. «Nostine Milonem quendam e primoribus?» adrisit et <
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Soweit Aristomenes. Aber sein erwähnter Begleiter, der gleich zu Anfang durchaus nichts glauben und von seiner Erzählung nichts wissen wollte, sagte: "Nichts ist phantastischer als diese Phantasie, nichts abgeschmackter als diese Flunkerei!" Und zu mir gewandt sagte er: "Aber du, aus Tracht und Betragen zu schließen ein besserer Herr, hast du für diese Geschichte etwas übrig?" "Meinerseits", erwiderte ich, "halte ich in der Tat dafür, daß nichts unmöglich ist, sondern alles so, wie es in den Sternen liegt, auf Erden vor sich geht; wobei auch mir und dir und jedermann viel Wunderbares und fast Unerhörtes unterkommt, was freilich in den Ohren eines Banausen keinen Kredit hat. Nein, ich glaube dem Mann aufs Wort und zolle ihm tausend Dank, daß er uns mit seiner hübschen und charmanten Geschichte abgelenkt hat. Habe ich doch zu guter Letzt den rauhen und endlosen Weg ohne Beschwer und Verdruß überstanden. Vermutlich wird auch mein Reittier die Sache als angenehm empfinden; bin ich doch ohne es müde zu machen bis zum Stadttor da statt auf seinem Rücken auf meinen Ohren geritten." Damit war unser Gespräch und unsere gemeinsame Reise zu Ende. Denn meine beiden Begleiter bogen zum nächsten Gütchen nach links ab; ich dagegen erblickte kaum das erste offene Gasthaus, als ich hinzutrat und gleich eine alte Wirtin ausforschte: "Ist die Stadt hier Hypata?" Sie nickte. "Kennst du einen gewissen Milo, einen von den Oberen?" Sie grinste und sagte: .. Allerdings kann man behaupten, daß der Milo da oben ist, weil er außerhalb der Mauer und der ganzen Stadt wohnt." "Scherz beiseite", sprach ich, "liebes Mütterchen, sag bitte, was für eine Sorte Mensch er ist und in welchem Haus er logiert." .. Siehst du", sagte sie, "die letzten Fenster, die vor der Stadt ins Freie schauen, und auf der anderen Seite die Tür, die nach dem nächsten Gäßchen zurückschaut? Dadrinnen logiert dieser Milo, ein dicker Geldsack und steinreicher Mann, aber wegen seines unglaublich gemeinen Stinkgeizes ein verrufenes Subjekt; dementsprechend macht er große Wuchergeschäfte mit lauter
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briter exercens, exiguo lare inclusus et aerugini semper intentus, cum uxorem etiam calamitatis suae comitem habeat. neque praeter unicam pascit ancillullam et habitu mendicantis semper incedit.» ad haec ego risum subicio: «Benigne», inquam, «et prospicue Demeas meus in me consuluit, qui peregrinaturum tali viro conciliavit, in cuius hospitio nec fumi nec nidoris nebulam vererer.»
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Et cum dicto modico secus progressus ostium accedo et ianuam finniter oppessulatam pulsare vocaliter incipio. taodem adulescentula quaedam procedens «Heus tu», inquit, «qui tam fortiter fores verberasti, sub qua specie mutuari cupis? an tu solus ignoras praeter aurum argentumque null um nos pignus admittereh «Meliora», inquam, «Ominare et potius responde, an intra aedes erum tuum offenderim.» «Plane», inquit, «sed quae causa quaestionis huius?» «Litteras ei a Corinthio Demea scriptas ad eum reddo.» «Dum annuntio», inquit, «hic ibidem me opperimino.» et cum dicto rursum foribus oppessulatis intro capessit. modico deinde regressa patefactis aedibus «Rogat te», inquit. Intuli me eumque accubantem exiguo admodum grabattulo et commodum cenare incipientem invenio. assidebat pedes uxor et mensa vacua posita, cuius monstratu .cEn», inquit, «hospitium». «Bene», ego et ilico ei litteras Demeae trado. quibus properiter lectis «Amo», inquit, «meum Demean, qui mihi tantum conciliavit hospitem».
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Et cum dicto iubet uxorem decedere utque in eius locum adsidam iubet meque etiam nunc verecundia cunctantem adrepta lacinia detrahens «Adside», inquit, «istic. nam prae metu latronum nulla sessibula ac ne sufficientem supellectilem parare nobis licet». feci. et sie «Ego te••, inquit, «etiam de ista corporis speciosa habi-
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Gold und Silber als Pfand, hält sich in einem winzigen Heim verschlossen und läßt sein Geld rosten, übrigens mit einer Frau als Leidensgefährtin. Außerdem hat er nur ein einziges Dienstmädeleben in Kost und geht immer wie ein Bettler angezogen." Darauf breche ich in Lachen aus und sage: "Liebevoll und vorsorglich hat mich mein Demeas bedacht, daß er mich beim Antritt meiner Reise jemandem empfohlen hat, in dessen Haus ich kein bißeben Rauch oder Fettdampf zu befürchten haben würde." Unter diesen Worten bin ich ein Stückehen weitergekommen, trete an den Eingang und beginne mit Hallo an die fest verschlossene Tür zu pochen. Endlich tritt so ein junges Ding heraus und sagt: "He, du lauter Türtrommler, in welcher Form willst du leihen? Oder weißt bloß du nicht, daß wir außer Gold und Silber kein Pfand zulassen?" "Du könntest mich freundlicher begrüßen", erwiderte ich, "und lieber Bescheid geben, ob ich deinen Herrn zuhause finde." "Freilich", sagte sie, "aber warum die Frage?" "Ich überbringe ihm einen Brief, den Demeas aus Korinth an ihn geschrieben hat." "Während idt anmelde", sprach sie, "magst du eben hier auf mich warten!" Mit diesen Worten verriegelt sie die Tür wieder und macht sich nach drinnen. Ein Weilchen später kommt sie zurück, läßt mich ein und sagt: "Er läßt dich bitten." Ich begab mich hinein und finde ihn auf einem ziemlich winzigen Sofaehen zu Tisch liegen und gerade mit dem Essen beginnen. Zu seinen Füßen saß seine Frau, und ein leerer Tisch stand da, auf den er mit den Worten wies: "Hier, bediene dich!'' "Gut'1, meine Antwort, und gleich übergebe ich ihm den Brief des Demeas. Er liest ihn flüchtig und sagt: "Ich bin meinem Demeas sehr verbunden, daß er mich mit einem so werten Gast bekanntgemacht hat." Hiermit heißt er seine Frau beiseiterükken und heißt mich an ihrer Stelle Platz nehmen. Als ich immer noch anstandshalber zögere, faßt er mich am Gewandzipfel, zieht mich nieder und sagt: "Nimm hier Platz! Aus Furcht vor Räubern dürfen wir uns nämlich keine Sitzgelegenheiten und überhaupt keine komplette Einrichtung anschaffen." Ich tats. Dann fuhr er fort: "Ich möchte schon aus deiner ansehnlichen
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Liber primus
tudine deque hac virginali prorsus verecundia generosa stirpe proditum et recte conicerem. sed et meus Demeas eadem litteris pronuntiat. ergo brevitatem gurgustioli nostri ne spemas peto. erit tibi adiacens en ecce illud cubiculum honestum receptaculum. fac libenter deverseris in nostro. nam et maiorem domum dignatione tua feceris et tibi specimen gloriosum adrogaris, si contentus lare parvulo Thesei illius cognominis patris tui virtutes aemulaveris, qui non est aspernatus Hecales anus hospitium tenue.» et vocata ancillula «Photis», inquit, «sarcinulas hospitis susceptas cum fide conde in illud cubiculum ac simul ex promptuario oleum unctui et lintea tersui et cetera hoc .eidem usui profers ociter et hospitem meum produc ad proximas balneas; satis arduo itinere atque prolixo fatigatus est.»
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His ego auditis mores atque parsimoniam ratioeinans Milonis volensque me artius ei conciliare «Nihil», inquam, «rerum istarum, quae itineris ubique nos comitantur, indigemus. sed et balneas facile percontabimur. plane, quod est mihi summe praecipuum, equo, qui me strenue pervexit, faenum atque hordeum acceptis istis nummulis tu, Photis, emito.» His actis et rebus meis in illo cubiculo conditis pergens ipse ad balneas, ut prius aliquid nobis cibatui prospicerem, forum cupidinis peto inque eo piscatum opiparem expositum video et percontato pretio, quod centum nummis indicaret, aspernatus viginti denariis praestinavi. inde me commodum egredientem continatur Pythias condiscipulus apud Athenas Atticas meus, qui me post aliquam multum temporis amanter agnitum invadit amplexusque ac comiter deosculatus «Mi Luch•, ait, «sat pol diu est, quod intervisimus te, at hercules exinde
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Emheinung und aus dieser direkt mädchenhaften Schüchternheit sicher richtig vermuten, daß du aus gutem Hause stammst. Aber auch mein Demeas meldet dasselbe in seinem Brief. ld1 bitte dich also, die Enge unserer kleinen Hütte nicht zu verschmähen. Das anstoßende Schlafzimmer - das da, schau! wird dir eine anständige Unterkunft bieten. Sieh zu, daß dir das Logis in meinen vier Wänden gefällt! Denn einerseits dürftest du das Haus heben, indem du es beehrst, andererseits auch dir ein Ruhmesblatt holen, wenn du mit einem geringen Heim zufrieden bist und es so dem trefflichen Theseus - er ist der Namensvetter deines Vaters - nachmachst, der die ärmliche Einkehr bei der alten Hekale nicht unter seiner Würde hielt." Dann rief er das Jüngferlein und sagte: "Photis, nimm das bißchen Gepäck des Gastes und verstaue es sorgfältig in diesem Zimmer, hole zugleich aus dem Magazin schnell Öl zum Salben und Handtücher zum Abtrocknen und was sonst zu dem Zweck nötig ist, her und führe meinenGast zur nächstenBadeanstalt!Er hat eine ziemlich beschwerliche und lange Reise hinter sich und ist müde." Als ich das hörte, dachte ich an Milos Charakter und Sparsamkeit, wollte mich bei ihm verbindlich einführen und sagte: "Davon braucht es nichts für unsereinen, der das überall auf der Reise bei sich hat. Und auch das Bad kann ich leicht erfragen. Allerdings, was mir viel wichtiger ist: für das Pferd, das mich so wacker hergetragen hat, Photis, könntest du Heu und Gerste kaufen, da hast du ein paar Heller." Als das erledigt und meine Sachen in jenem Zimmer verstaut waren, mache ich mich allein nach dem Bad auf den Weg und gehe, um unsereinem vorher etwas zu essen zu besorgen, auf den Viktualienmarkt. Hier sehe ich ein leckeres Fischgericht ausgestellt. Ich fragte nach dem Preis, den der Mann mit einem Taler angab, verzichtete und erstand es dann für zwanzig Zehner. Als ich eben von dort weggehe, begegnet mir Pythias, einer meiner Mitschüler von Athen in Attika, der mich nach so reichlich langer Zeit mit Freuden wiedererkennt, auf mich losstürzt, mich umarmt und freundschaftlich abküßt und ruft: "Mein Lucius! Wahrhaftig, lange genug ists her, daß man dich
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Liber primus
cum a Clytio magistro digressi sumus. quae autem tibi causa peregrinationis huiush «Crastino die scies», inquam, «sed quid istud? voti gaudeo. nam et lixas et virgas et habitum prorsus magistratui congruentem in te video.» «Annonam curamus», ait, «et aedilem gerimus, et siquid obsonare cupis, utique commodabimus.» abnuebam, quippe qui iam cenae aHatim piscatum prospexeramus. sed enim Pythias visa sportula succussisque in aspectum planiorem piscibus: «At has quisquilias quanti parasti?» «Vix», inquam, <
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Quo audito statim adrepta dextera postliminio me in forum cupidinis reducens «Et a quo», inquit, «istorum nugamenta haec comparasti?» demonstro seniculum; in angulo sedebat. quem confestim pro aedilitatis imperio voce asperrima increpans «lam iam», inquit, «nec amicis quidem nostris vel omnino ullis hospitibus parcitis, quod tarn magnis pretiis pisces frivolos indicatis et florem Thessalicae regionis ad instar solitudinis et scopuli edulium caritate deducitis? sed non impune. iam enim faxo scias, quem ad modum sub meo magisterio mali debeant coerceri.•• et profusa in medium sportula iubet officialem suum insuper pisces inscendere ac pedibus suis totos obterere. qua contentus morum severitudine meus Pythias ac mihi, ut abirem, suadens «Sufficit mihi, o Luch• . inquit, «seniculi tanta haec contumelia.»
His actis consternatus ac prorsus obstupidus ad balneas me refero prudentis condiscipuli valido consilio et nummis simul privatus et cena lautusque ad hospitium Milonis ac dehinc cubiculum me reporto.
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Et ecce Photis ancilla •Rogat te••, inquit, •hospes». at ego iam inde Milonis abstinentiae cognitor excusavi
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das letztemal gesehen hat, ja' weiß Gott, seit wir unseren Lehrer Clytius verließen! Aber welcher Anlaß führt dich auf diese Reise?" "Das hat bis morgen Zeit", sprach ich; "aber Donnerwetter, ich gratuliere: da sehe ich dich mit Bütteln und Knütteln und genau der Kluft, die einer Amtsperson zusteht." "Ich bin beim Wirtschaftsamt", tönte er, "und bei der Polizei. Und wenn du auf etwas Appetit hast, will ich dir gern gefällig sein." Ich dankte; denn man hatte sich mit dem Fischgericht ausgiebig zum Essen eingedeckt. Freilich als Pythias mein Körbchen erblickte, rüttelte er die Fische hervor, um sie genauer zu betrachten: "Na, was hast du für diesen Schund gezahlt?" "Mit Müh und Not", sagte ich, "konnte man den Fischer dazu bringen, zwanzig Zehner anzunehmen." Als er das hörte, faßte er mich auf der Stelle bei der Hand, führte mich wieder auf den Viktualienmarkt zurück und fragte: "Und bei wem unter den Leuten da hast du den Dreck gekauft?" Ich weise auf ein altes Männlein; es saß in einer Ecke. Den fuhr er sofort als amtierender Kontrollbeamter' mit schneidender Stimme an: "Ja, jetzt respektiert ihr nicht einmal unsere Freunde oder überhaupt einen Fremden, daß ihr so hohe Preise für einen Schmarren von Fischen angebt und dem Kleinod im Land Thessalien das Anseheil einer Wüste und Wildnis gebt durch Lebensmittelteuerung I Aber nicht ungestraft: sofort werde ich dir beibringen, wie den Brüdern das Handwerk gelegt werden soll, solange ich etwas zu sagen habe", schüttet das Körbchen auf den offenen Platz hin und heißt obendrein einen seiner Amtsdiener auf die Fische steigen und sie vollständig zertreten. Von seiner strengen Haltung befriedigt riet mir mein Pythias fortzugehen und sagte: "Mir genügt es, Ludus, das alte Männlein so zu maßregeln." Ich bin von diesem Vorfall bestürzt und wie vor den Kopf geschlagen und begebe mich ins Bad, nachdem mich mein pfiffiger Schulkamerad mit seinem forschen Einfall um Geld und Essen zugleich gebracht hat. Nach dem Bad schleppe ich mich in Milos Quartier und dann ins Schlafzimmer zurück. Und richtig, da erscheint das Dienstmädchen Photis und sagt: "Er läßt dich bitten, Herr Gast." Aber ich kannte nun schon
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Liber primus
comiter, quod viae vexationem non cibo, sed somno censerem diluendam. isto accepto pergit ipse et iniecta dextera clementer me trahere adoritur. ac dum cunctor, dum modeste renitor, «Non prius», inquit, «discedam, quam me sequaris.» et dieturn iure iurando secutus iam obstinationi suae me ingratis oboedientem perducit ad illum suum grabattulum et residenti «Quam salve agit>>, inquit, «Demeas noster? quid uxor? quid liberi? quid vernaculi?>> narro singula. percontatur accuratius causas etiam peregrinationis meae. quas ubi probe protuli, iam et de patria nostra et eius primoribus ac denique de ipso praeside scrupulosissime explorans, ubi me post itineris tarn saevi vexationem sensit fabularum quoque serie fatigatum in verba media somnolentum desinere ac necquicquam defectum iam incerta verborum salebra balbuttire, tandem patitur cubitum concederem. evasi aliquando rancidi senis loquax et famelicum convivium somno, non cibo gravatus, cenatus solis fabulis, et in cubiculum reversus optatae me quieti reddidi.
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Milos Fasterei und entschuldigte mich höflich, ich gedächte die Reisestrapazen statt mit Essen mit Schlaf zu beheben. Auf diesen Bescheid hin macht er sich in eigener Person auf, faßt mich an und will mich mit sanfter Gewalt entführen. Und wie ich zögere, wie ich bescheiden widerstrebe, spricht er: "Ich weiche nicht eher von der Stelle, als bis du mitgehst", läßt seinem Wort einen Schwur folgen und führt mich - denn ich muß seiner Aufdringlichkeit nunmehr wider Willen gehorchen zu seinem bekannten Sofaehen hin, heißt mich niedersitzen und fragt: "Wie ist unser Demeas 'auf dem Posten? Was macht seine Frau? Seine Kinder? Sein Personal?" Ich berichte nach~ einander. Er fragt weiterhin ganz genau nach den Gründen meiner Reise. Als ich sie ihm brav vorgetragen habe, nimmt er mich nunmehr bis ins kleinste Detail über meine Heimat~ stadt, die dortigen Honoratioren und schließlich sogar noch über den Regierungspräsidenten aus. Wie er aber merkt, daß ich nach den Strapazen einer so schlimmen Reise auch noch vom ununterbrochenen Erzählen erschöpft bin, mitten in meinen Worten schlaftrunken steckenbleibe und schon amEndemeiner Kräfte sinnlos undeutlich~wirre Worte stammle, gestattet er mir endlich, mich ins Bett zurückzuziehen. So entrann ich doch einmal dem alten Filz und seinem wortreichen Hungermahl; mit Schläfrigkeit statt Essen beladen, bloße Geschichten im Magen, kehrte ich ins Schlafzimmer zurück und streckte mich wohlig zur Ruhe aus.
LIBER Il 1
Ut prirnurn nocte discussa sol novus diern fecit, et sornno sirnul ernersus et lectulo, anxius alioquin et nirnis cupidus cognoscendi quae rara rniraque sunt, reputansque rne rnedia Thessaliae loca tenere, qua artis rnagicae nativa cantarnina totius orbis consono ore celebrentur, fabularnque illarn optirni cornitis Aristornenis de situ civitatis huius exortarn, suspensus alioquin et voto sirnul et studio, curiose singula considerabarn.
Nec fuit in illa civitate quod aspiciens id esse crederern, quod esset, sed ornnia prorsus ferali murmure in aliarn effigiern translata, ut et Iapides, quos offenderern, de hornine duratos et aves, quas audirern, indidern plurnatas et arbores, quae porneriurn arnbirent, sirniliter foliatas et fontanos latices de corporibus hurnanis fluxos crederern. iarn statuas et irnagines incessuras, parietes locuturos, boves et id genus pecua dicturas praesagiurn, de ipso vero caelo et iubaris orbe subito ventururn oraculurn. 2
Sie attonitus, irnrno vero cruciabili desiderio stupidus nullo quidern initio vel ornnino vestigio cupidinis rneae reperto cuncta circurnibarn tarnen. durn in luxurn nepotalern sirnilis ostiatirn singula pererro, repente rne nescius forurn cupidinis intuli. et ecce rnulierern quarnpiarn frequenti stipatarn farnulitione ibidern gradientern adcelerato vestigio cornprehendo; aururn in gernrnis et in tunicis, ibi inflexurn, hic intexturn, rnatronarn profecto con-
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ZWEITES BUCH
Sobald die Nacht vor der neuen Sonne zerstoben und es Tag geworden war, fuhr ich aus dem Schlaf und zugleich vom Bett empor. Immer steckte ich voll Unruhe und war darauf versessen, kennenzulemen, was es Sonderliches und Wunderliches gibt. So besann ich mich, daß ich mitten in Thessalien war, wo die Zauberei mit ihren in aller Welt einhellig bewunderten Sprüchen zu Hause war, und daß auch die Geschichte meines trefflichen Kameraden Aristomenes von der Lage dieser Stadt ihren Ausgang genommen hatte. Ohnehin voll hochgespannter Wünsche ebenso wie voll Wissensdrang, nahm ich neugierig eins nach dem anderen in Augenschein. Wirklich gab es nichts in der Stadt, dessen Anblick mich hätte glauben machen, es wäre das, was es war: einfach alles schien mir durch Hexengezischel in andere Form verwandelt, und ich vermeinte also, auch die Kiesel, an die ich stieß, seien aus Menschen versteinert, die Vögel, die ich hörte, hätten ebendaher Flügel bekommen, die Bäume, die den Anger umzogen, seien ähnlich zu Blättern und das Brunnenwasser aus Menschenleibern ins Fließen gekommen; weiter, Statuen und Bilder müßten zu gehen anfangen, Wände zu sprechen, Rinder und derlei Vieh die Zukunft zu künden, ja, vom Himmel und der Sonnenscheibe müßte plötzlich ein Orakel kommen. So durcheinander, nein, von Sucht bis zur Tollheit gemartert, ging ich, freilich ohne für mein Verlangen einen Ansatzpunkt oder überhaupt eine Spur zu entdecken, dennoch überall herum. Als ich ähnlich wie ein Liederjan von einer Tür zur anderen bummelte, geriet ich plötzlich unversehens auf den Viktualienmarkt. Schau, da spaziert in einem dichten Dienerschwarm eine Frau einher, die ich mit schnelleren Schritten einhole. Gold an Broschen und Gewändern, dort als Fassung, hier als Muster,
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fitebatur. huius adhaerebat lateri senex iam gravis in annis, qui ut primum me conspexit, «Est», inquit, «her. cules, Lucius.» et offert osculum et statim incertum quidnam in aurem mulieris obganniit. «Quin», inquit, «etiam ipse parentern tuam accedis et salutas?» ,, Vereor», inquam, «ignotae mihi feminae.>> et statim rubore suffusus deiecto capite restiti. at illa optutum in me conversa «En», inquit, «Sanctissimae Salviae matris generosa probitas. sed et cetera corporis execrabiliter ad [regulam qua diligenter aliquid adfingunt] (amus)sim congruentia: inenormis proceritas, suculenta gracilitas, rubor temperatus, flavum et inadfectatum capillitium, oculi caesii quidem, sed vigiles et in aspectu micantes, prorsus aquilini, os quoquoversum floridum, speciosus et immeditatus
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in~feSSUS.»
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Et adiecit: «Ego te, o Luci, meis istis manibus educavi, quidni? parentis tuae non modo sanguinis, verum alimoniarum etiam socia. nam et familia Plutarchi ambae prognatae sumus et eandem nutricem simul bibimus et in nexu germanitatis una coaluimus. nec aliud nos quam dignitas discernit, quod illa clarissimas, ego privatas nuptias fecerimus. ego sum Byrrhena illa, cuius forte saepicule nomeninter tuos educatores frequentatum retines. accede itaque hospitium fiducia, immo vero iam tuum proprium larem.,. Ad haec ego iam sermonis ipsius mora rubore digesto «Absit», inquam, «parens, ut Milonem hospitem sine ulla querela deseram. sed plane, quod officiis integris potest effici, curabo sedulo. quoties itineris huius ratio nascetur, numquam erit, ut non apud te devertar.» Dum hunc et huius modi sermonem altercamur, paucis admodum confectis passibus ad domum Byrrhenae pervenimus.
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Atria Ionge pulcherrima columnis quadrifariam per
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ließ zuverlässig die Dame erkennen. Ihr zur Seite ging ein Alter mit einigen Jahren auf dem Buckel. Sobald der mim sah, rief er: .,Das ist dom der Lucius I", bietet mir einen Kuß und tusmelte alsbald der Frau irgend etwas Unverständlimes ins Ohr. "Na", sagte er, "gehst du nimt auch zu deiner Tante her und sagst Guten Tag?" "Im geniere mim", sagte im, "vor der unbekannten Dame", wurde gleim rot und blieb mit gesenktem Kopf stehen. Aber sie rimtet ihre Blicke auf mim und sagt: "Sieh mal an, ganz die verehrte Mutter Salvia mit ihrem noblen Anstand! Aber aum äußerlich, Sapperlot, stimmt es sonst aufs Tüpfelmen: normale Länge, drall und smlank, rosige Farbe, blonde und unauffällige Frisur, die Augen blau, aber lebhaft und mit rimtig funkelndem Adlerblick, das Gesimt blühend rundherum, der Gang smick und dabei ungeziert." Und sie setzte hinzu: "Im habe dim, lieber Lucius, mit diesen meinen Händen aufgezogen, natürlim, im bin ja mit deiner Mutter nimt nur blutsverwandt, sondern sogar mit ihr zusammen aufgewamsen. Denn erstens stammen wir beide aus Flutarms Familie, haben zweitens gleimzeitig bei derselben Amme getrunken und sind drittens wie Smwestern ein Herz und eine Seele geworden. Nimts anderes trennt uns als unser Stand; denn sie hat eine glänzende Partie gemamt, und im bin nur bürgerlim verheiratet. Im bin die Byrrena, deren Name vielleimt immer einmal bei deinen Erziehern gefallen und dir in Erinnerung geblieben ist. Komm also ungeniert zu mir ins Lo~s, nein, nunmehr in deine eigenen vier Wände!" Darauf erwiderte im, und meine Röte war nun im Verlauf ihrer Ansprame verflogen: "Keine Rede, Tante, daß im meinen Gastgeber Milo ohne allen Grund zur Klage verließe. Aber natürlim: soweit sim ohne ihm zu nahe zu treten etwas mamen läßt, will im mein Möglimstes tun. So oft mich der Weg hierher führt, will im· keine Gelegenheit versäumen, bei dir abzusteigen." Während wir uns so und ähnlim unterhalten, kommen wir nam einigen wenigen Smritten zu Byrrenas Haus. In einer ganz wundersmönen Halle stand, immer eine in jeder
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Liber secundus
singulos angulos stantibus attolerabant statuas, palmaris deae facies, quae pinnis explicitis sine gressu pilae volubilis instabile vestigium plantis roscidis delibantes nec ut maneant inhaerent et iam volare creduntur. ecce Iapis Parius in Dianam factus tenet libratam totius loci medietatem, signum perfecte luculentum, vest~ reflatum, procursu vegetum, introeuntibus obvium et maiestate numinis venerabile. canes utrimquesecus deae latera muniunt, qui canes et ipsi Iapis erant. his oculi minantur, aures rigent, nares hiant, ora saeviunt, et sicunde de proximo latratus ingruerit, eum putabis de faucibus lapidis exire;et,in quo summumspecimen operae fabrilis egregius ille signifex prodidit, sublatis canibus in pectus arduis pedes imi resistunt, currunt priores. pone tergum deae saxum insurgit in speluncae modum muscis et herbis et foliis et virgulis et sicubi pampinis et arbusculis alibi de lapide florentibus. splendet intus umbra signi de nitore lapidis. sub extrema saxi margine poma et uvae faberrime politae dependent, quas ars aemula naturae veritati similes explicuit. putes ad cibum inde quaedam, cum mustulentus autumnus maturum colorem adflaverit, posse decerpi. et si fontem, qui deae vestigio discurrens in lenem vibratur undam, pronus aspexeris, credes illos ut vite pendentes racemos inter cetera veritatis nec agitationis officio carere. inter medias frondes lapidis Actaeon simulacrum curioso optutu in deam [sum) proiectus, iam in cervum ferinus et in saxo simul et in fonte loturam Dianam opperiens visitur.
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s Dum haec identidem rimabundus eximie delector, "Tua sunt», ait Byrrhena, «cuncta, quae vides.» et cum dicto ceteros omnes sermone secreto decedere praecipit.
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Ed<e, ein Quartett von Säulen mit Statuen darauf. Bildern der Siegesgöttin, die mit ausgebreiteten Schwingen ohne zu schreiten einer gleitenden Kugel rollenden Boden mit Wolkentausohlen berühren und nicht zum Verweilen haften und schier zu fliegen scheinen. Da, eine Dianafigur aus parisehern Marmor nimmt genau die Mitte des ganzen Raumes ein, ein Bild von vollendeter Feinheit mit gebauschtem Gewand und lebendiger Bewegung, das auf den Eintretenden zuzukommen scheint und in seiner göttlichen Hoheit Verehrung heischt! Hunde stehen rechts und links der Göttin treu zur Seite, Hunde gleichfalls aus Stein; aber welch drohende Augen, gespitzte Ohren, geblähte Nüstern, fletschende Mäuler, -dränge ein Bellen irgendwo aus der Nähe herein, so würde man glauben, es komme aus den Marmorrachen! Und - damit hat der treffliche Bildhauer das Meisterstüd< seiner Künstlerschaft geliefert - wenn die Hunde sich steil in die Brust heben, so stemmen sich die Hinterfüße auf und die vorderen laufen davon I Hinter dem Rüd<en der Göttin steigt ein Fels empor, grottenartig, mit grünenden Moosen und Gräsern und Blättern und Reisern und Weinlaub hier und Buschwerk dort, - aus Stein. Drinnen schimmert der Widerschein der Statue vom Marmorglast. Am äußersten Rand des Felsens hangen Früchte und Trauben herunter in erlesenster Ausführung, von der Kunst im Wettstreit mit der Natur wahrheitsgetreu dargestellt; man möchte glauben, es ließe sich das eine oder andere davon, wenn der Herbst die Farbe der Kelterreife hinhaucht, zum Essen abpflüd<en. Und wenn sich der Beschauer über das Bassin büd
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quibus dispulsis · omnibus «Per hanc», inquit, «deam, o Luci carissime, ut anxie tibi metuo et ut pote pignori meo Ionge provisum cupio, cave tibi, sed cave fortiter a malis artibus et facinorosis illecebris Pamphiles illius, quae cum Milone isto, quem dicis hospitem, nupta est. maga primi nominis et omnis carminis sepulchralis ma~ gistra creditur, quae surculis et lapillis et id genus frivolis inhalatis omnem istam lucem mundi sideralis imis Tartari et in vetustum chaos submergere novit. nam simul quemque conspexerit speciosae formae iuvenem, venustate eius sumitur et ilico in eum et oculum et animum detorquet. serit blanditias, invadit spiritum, amoris profundi pedicis aetemis alligat. tune minus morigeros et vilis fastidio in saxa et in pecua et quod~ vis animal puncto reformat, alios vero prorsus extingujt. Haec tibi trepido et cavenda censeo. nam et illa uri~ tur perpetuum et tu per aetatem et pulchritudinem capax eius es.» haec mecum Byrrhena satis anxia.
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At ego curiosus alioquin, ut primum artis magicae semper optatum nomen audivi, tantum a cautela Pamphiles afui, ut etiam ultro gestirem tali magisterio me volens ampla cum mercede tradere et prorsus in ipsum barathruin saltu concito praecipitare. festinus denique et vecors animi manu eius velut catena quadam memet expedio et «Salve» propere addito ad Milonis hospitium pemiciter evolo. ac dum amenti similis celero vestigium, «Age», inquam, «O Luci, evigila et tecum esto. habes exoptatam occasionem et voto diutino poteris fabulis miris explere pectus. aufers formidines pueriles, comminus cum re ipsa naviter congredere et a nexu quidem
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uns für ein Gespräch unter vier Augen allein zu lassen. Als sie alle hinauskomplimentiert waren, sprach sie: "Bei dieser Göttin, mein teuerster Lucius, so wahr ich um dich in rasender Angst bin und so wahr ich ja für mein Freundchen auf weite Sicht gesorgt sehen möchte: Vorsicht, aber gründliche Vorsicht vor den schlimmen Künsten und schändlichen Lockungen der Person Pamphile, die mit dem Milo, den du da deinen Gastgeber nennst, verheiratet ist. Eine Zauberin ersten Ranges und Meisterin in jeder Verwünschung soll sie sein, die Zweiglein und Steinehen und derlei Krimskrams anhaucht, um damit all dies Licht des Sternenhimmels in die tiefsten Gründe des Tartarus und ins Ur-Chaos zu versenken. Denn sobald sie irgend einen jungen Mann von schöner Gestalt erblickt, schmilzt sie vor se~nen Reizen und lenkt umgehend auf ihn ihr Sinnen und Trachten. Sie bändelt einen Flirt an, macht sich zum Herrn seiner Lebensgeister, lähmt ihn mit Fesseln ewiger Leidenschaft. Ist ihr dann einer nicht genug zu Willen oder, weil sie ihn satt hat, gleichgültig geworden, so verwandelt sie ihn im Husch zu Stein und Vieh und irgendwas, anderen aber bläst sie vollends das Licht aus. Dies macht mich um dich zittern, davor muß ich dich warnen. Denn sie steht unentwegt in Flammen, du bist nach Jahren und Hübschheit ein Zunder für sie." So zu mir Byrrena in einiger Angst. Aber ich war ohnehin auf Neues aus und, kaum daß ich das immer verlockende Wort Zauberei gehört hatte, weit entfernt, vor Pamphile auf der Hut zu sein; vielmehr machte ich Miene, mich mit vollem Bewußtsein bei reichlichem Lehrgeld in eine solche Schule zu geben und Hals über Kopf grad mitten in den Abgrund zu sr~ingen. Also mache ich mich eilig und versessen von ihrer Hand los, als wäre sie eine Kette, werfe noch geschwind ein Lebewohl hin und fliege wie der Wind nach Milos Quartier. Und während ich wie von Sinnen meinen Schritt beschleunige, sage ich: "Los, Lucius, wach auf und nimm dich zusammen! Die ersehnte Gelegenheit ist da, und du kannst dich nach deinem alten Wunsch mit Wundergeschichten vollstopfen. Weg mit kindischen Gespenstern, Aug in Auge der Sache selbst gegenüber frisch angetreten! Verzichte immerhin
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venerio hospitis tuae tempera et probi Milonis genialem torum religiosus suspice, verum enimvero Photis famula petatur enixe. nam et forma scitula et moribus ludicra et prorsus argutula est. vesperi quoque cum somno concederes, et in cubiculum te deduxit comiter et blande lectulo collocavit et satis amanter cooperuit et osculato tuo capite, quam invita discederet, vultu prodidit, denique saepe retrorsa respiciens substitit. quod bonum felix et faustum itaque, licet salutare non erit, Photis illa temptetur.» 7
Haec mecum ipse disputans fores Milonis accedo et, quod aiunt, pedibus in sententiam meam vado. nec tarnen domi Milonem vel uxorem eius offendo, sed tantum caram meam Photidem. suis parabat isicium fartim concisum et pulpam frustatim consectam, t ambacupascuae iurulenta et, quod naribus iam inde ariolabar, tuccetum perquam sapidissimum. ipsa linea tunica mundule amicta et tussea fasceola praenitente altiuscule sub ipsas papillas succinctula illud cibarium vasculum floridis palmulls rotabat in circulum et in orbis flexibus crebra succutiens et simul membra sua leniter inlubricans, lumbis sensim vibrantibus spinam mobilem quatiens placide decenter undabat. isto aspectu defixus obstupui et mirabundus steti, steterunt et membra, quae iacebant ante. et tandem ad illam «Quam pulehre quamque festive,., inquam, «Photis mea, ollulam istam cum natibus intorques. quam mellitum pulmentum apparas. felix et certius beatus, cui permiseris illuc digitum intingere.,. Tune illa lepida alioquin et dicacula puella ••Discede», inquit, «miselle, quam procul a meo foculo, discede. nam si te vel modice meus igniculus afflaverit, ureris intime nec ullus extinguet ardorem tuum nisi ego, quae dulce condiens et ollam et lectulum suave quatere novi.»
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auf intime Beziehungen zu deiner Gastgeberio und respektiere des braven Milo Ehebett -: aber allerdings die Zofe Photis muß mit allen Mitteln attakiert werden! Ist sie doch ein hübsches Figürchen und ein neckisches Persönchen und ein richtiges Rackerdten. Auch gestern abend, als du dich ins Bett verzogst, führte sie dich erst freundlich in das Zimmer, legte dich dann sanft hin, deckte dich darauf recht liebevoll zu, küßte dich weiter auf die Stirn und verriet durch ihre Miene, wie ungern sie weggehe, um schließlich immer wieder über die Schulter sich umzuschauen und stehenzubleiben. Also Glück, Heil und Segen! Mag es sdtiefgehen, bei dieser Photis gilts die Probe!" Unter dieser Auseinandersetzung mit rn:ir selbst komme ich an Milos Tür und trete sozusagen in der Abstimmung auf meine Seite. Indessen treffe ich zu Hause Milo oder seine Frau nicht an, sondern nur meine liebe Photis. Sie machte für ihre Herrschaft Klopse aus gewiegtem Haschee und Gulasch aus gewürfeltem Filet mit Tunke und- meiner Nase schwante es auf der Stelle - Roulade allerleckerster Sorte. Sie selbst, adrett in ein Leinenkleid gehüllt und mit rotglänzendem Bändlein reizend knapp direkt unter der Büste mit Schick gegürtet, schwang die Kasserolle in rosigen Patschen rundherum und schüttelte sie fleißig im Kreis mit gelinde sdtwappelnden Gliedern, leise wiegenden Hüften, bebende wackelndem Rücken, ganz sanft-gefällige Welle. Der Anblick machte mich benommen, ich blieb wie angewurzelt voll Entzücken stehen, - es standen auch Glieder, die vorher lagen. Endlich sagte ich zu ihr: "Wie hübsch und charmant, liebe Photis, du das Töpflein da nebst deinem Hintern schlenkerst! Was für leckere Schmankerl du bereitest! Der muß sich wie ein König, nein, im Himmel fühlen, den du dahinein seinen Finger stippen läßt!" Da sprach das Kind, neckisch und schlagfertig wie immer: "Scher dich, Tropf! So weit wie möglich von meinem Herdlein scher dich! Denn wenn dich mein Feuerehen nur ein bißeben anzüngelt, brennst du lichterloh, und niemand kann deine Glut löschen außer mir, die mit süßer Würze Topf und Bettehen köstlich zu schaukeln versteht!"
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Haec dicens in me respexit et risit. nec tarnen ego prius inde discessi, quam diligenter omnem eius explorassem habitudinem. vel quid ego de ceteris aio, cum semper mihi unica cura fuerit caput capillumque sedulo et publice prius intueri et domi postea perfrui sitque iudicii huius apud me certa et statuta ratio, vel quod praecipua pars ista corporis in aperto et perspicuo posita prima nostris luminibus occurrit et, quod in ceteris membris floridae vestis hilaris color, hoc in capite nitor nativus operatur. denique pleraeque indolem gratiamque suam probaturae lacinias omnes exuunt, amicula dimovent, nudam pulchritudinem suam praebere se gestiunt magis de cutis roseo rubore quam de vestis aureo colore placiturae. at vero - quod nefas dicere, nec quod sit ullum huius rei tarn dirum exemplum - si cuiuslibet eximiae pulcherrimaeque feminae caput capillo spoliaveris et faciem nativa specie nudaveris, licet illa caelo deiecta, mari edita, fluctibus educata, licet inquam Venus ipsa fuerit, licet omni Gratiarum choro stipata et toto Cupidinum populo comitata et balteo suo cincta, cinnama fraglans et balsama rorans calva processerit, placere non poterit nec Vulcano suo.
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Quid cum capillis color gratus et nitor splendidus inlucet et contra solis aciem vegetus fulgurat vel placidus renitet aut in contrariam gratiam variat aspectum et nunc aurum coruscans in lenem mellis deprimitur umbram, nunc corvina nigredine caerulos columbarum (in) collis flosculos aemulatur vel cum guttis Arabicis obunctus et pectinis arguti dente tenui discriminatus et pone versum coactus amatoris oculis occurrens ad instar speculi reddit imaginem gratiorem? quid cum frequenti subole spissus cumulat verticem vel prolixa serie porrectus dorsa permanat? tanta denique est capillamenti dignitas, ut quamvis auro veste gemmis omnique cetero mundo exornata mulier incedat, tarnen, nisi capillum
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Dabei sah sie mim an und ladJ.te. Aber idJ. ging nidJ.t eher von der Stelle, als bis idJ. ihre ganze .ErsdJ.einung genau inspiziert hätte. Ja, was rede idJ. von allem anderen: immer kam es mir vor allem darauf an, erst einmal Kopf und Haar gründlidJ. und unter Leuten zu besdJ.auen und dann zuhause zu genießen. Für eine soldie Auffassung habe idJ. meine festen und bestimmten Gründe. Denn besonders dieser Teil des Leibes wird offen und frei sidJ.tbar gehalten und begeg~ net zuerst unseren Blicken; und was am übrigen Körper ein sdJ.önes Kleid von heiterer Farbe ausmadJ.t, das bewirkt am Kopf die ihm mitgegebene PradJ.t. Nun ziehen ja die meisten, um die Anmut ihrer BesdJ.affenheit unter Beweis zu stellen, alle Kleider aus, legen ihre Hüllen ab und möchten ihre SdJ.önheit nackt darbieten, um mehr durdJ. die rosarote Haut als durdJ. goldgelbe Kleider zu gefallen. Dagegen aber - Sünde ists, es auszuspre~ dJ.en, und nie sollte ein so gräßlidJ.er Fall vorkommen - entzöge man dem Kopf irgendeiner ausnehmend sdJ.önen Frau das Haar und entblößte das Antlitz von seinem natürlidJ.en SdJ.muck: sie könnte vom Himmel gefallen, aus dem Meer geboren, in den Fluten aufgewadJ.sen, könnte - sage idJ. - Venus seilist sein, könnte den ganzen GraziendJ.or um sidJ. und den gesamten Erotenhaufen bei sidJ. haben und den Liebesgürtel tragen, nadJ. Parfüm riedJ.en und von Essenzen triefen, - käme sie kahl daher, könnte sie selbst ihrem Vulkan nidJ.t gefallen. Anders, wenn das Haar in sdJ.önfarben gleißendem SdJ.immer blinkt, gegen den Sonnenglanz lebhaft anblitzt oder still wider~ sdJ.eint; audJ. wohl mit sdJ.önem Kontrast der ErsdJ.einung Ab~ wedJ.slung gibt und bald goldflimmernd in sanftes Honigdunkel übergeht, bald rabensdJ.warz mit düster sdJ.illernden Tauben~ hälsen konkurriert; oder mit Arabiens WohlgerüdJ.en gesalbt, von einem knisternden, feingezahnten Kamm gesdJ.eitelt und nadJ. hinten gerafft ist, so dem Blick des Liebenden begegnet und dem Spiegel gleidJ. ein sdJ.öneres Bild zurückwirft; weiter, wenn es sidJ. in didJ.ter FledJ.tenfülle auf dem SdJ.eitel türmt oder in breitem Strähnenstrang über den Rücken fließt. über~ haupt ist die Frisur von größter WidJ.tigkeit: mag eine Frau nodJ. so sehr mit Gold, Kleidern, Juwelen und allem erdenklidJ.en
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distinxerit, ornata non possit audire.
Sed in mea Photide non operosus, sed inordinatus ornatus addebat gratiam. uberes enim crines leniter emissos et cervice dependulos ac dein per colla dispositos sensimque sinuato patagio residentes paulisper ad finem conglobatos in summum verticem nodus adstrinxerat.
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Nec diutius quivi tantum cruciatum voluptatis eximiae sustinere, ~ed pronus in eam, qua fine summum cacumen capillus ascendit, mellitissimum illud savium impressi. turn illa cervicem intorsit et ad me conversa limis et morsicantibus oculis «Heus tu, scolastice», ait, «dulce et amarum gustulum carpis. cave ne nimia mellis dulcedine diutinam bilis amaritudinem contrahas.» «Quid istic», inquam, «est, mea festivitas, cum sim paratus vel uno saviolo interim recreatus super istum ignem porrectus assari.» et cum dicto artius eam complexus coepi saviari. iamque aemula libidine in amoris parilitatem congermanescenti mecum, iam patentis oris inhalatu cinnameo et occursantis linguae inlisu nectareo prona cupidine adlibescenti «Pereo», inquam, «immo iam dudum perii, nisi tu propitiaris.» ad haec illa rursum me deosculato «Bono animo esto», inquit; .. nam ego tibi mutua voluntate mancipata sum nec voluptas nostra differetur ulterius, sed prima face cubiculum tuum adero. abi ergo ac te compara, tota enim ·nocte tecum fortiter et ex animo proeliabor.••
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His et talibus obgannitis sermonibus inter nos discessum est. commodum meridies accesserat, et mittit mihi Byrrhena xeniola: porcum opimum et quinque gallinulas et vini cadum in aetate pretiosi. tune ego vocata Photide «Ecce», inquam, «Veneris hortator et armiger Liber
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Schmuck herausgeputzt daherkommen, - wenn sie ihre Haare vernachlässigt, bekommt sie doch ein ,Schmucke Person!' nicht zu hören. Meine Photis aber verdankte nicht ausgedachter, sondern ungemachter Pracht ihren Reiz. Denn üppiges Haar breitete sich sanft aus, ringelte sich den Nacken hinunter, verteilte sich dann über den Hals, lagerte sich sachte auf dem Kragennmd, war etwas gegen Ende zusammengerafft und oben auf dem Scheitel zum Knoten gebunden. Nicht länger vermochte ich eine solche Tortur unbändigen Verlangens zu ertragen, sondern neigte mich vor und drückte auf den Bezirk, wo das Haar den höchsten Punkt erreicht, den allerhonigsüßesten Kuß. Da drehte sie den Nacken um, wandte sich mit seitlichem Augenzwinkern nach mir und sagte: .. He, du Pfiffikus, das ist ein bittersüßer Bissen, den du da probierst! Nimm dich in acht, daß du dir mit zu süßem Honig nicht auf lange Zeit eine bittere Galle zuziehst!" "Was liegt daran, mein Schatz?", sagte ich, "ich bin ja bereit, werde ich nur mit einem einzigen Busserl fürs erste entschädigt, über de01 Feuer hier der Länge nach mich braten zu lassen." Mit diesen Worten umschlang ich sie ganz eng und begann sie zu küssen. Und wie sie schon in gleicher Lust zum Liebes-Einverständnis mit mir ein Herz und eine Seele wurde, schon im frischen Duft aus offenem Mund, im himmlisch vorprellenden Zungenstoß mit allen Sinnen auf mich zuflog, rief ich: "Ich sterbe, nein, ich bin schon längst tot, wenn du mich nicht erhörst!" Da küßte sie mich wieder ab und sagte: .. Tröste dich, denn dein Wille ist mein Wille, und ich bin dir zu eigen! Unser Vergnügen soll nicht länger aufgeschoben werden, sondern beim ersten Lampenschein will ich in deinem Zimmer sein. Geh also und mach dich bereit; denn die ganze Nacht will ich fest und herzhaft mit dir kämpfen." Als wir uns so und ähnlich angegirrt hatten, ging es auseinander. Eben .war der Mittag gekommen, da schickt mir Byrrena Gastgeschenke: ein feistes Ferkel und fünf Hühnchen und einen Krug Wein von Alterswert. Da rief ich Photis und sagte: "Schau, Venus' Schrittmacher und Waffenträger Bacchus kommt unge-
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advenit ultro. vinum istud hodie sorbamus omne, quod nobis restinguat pudoris ignaviam et alacrem vigorem libidinis incutiat. hac enim sitarchia navigium Veneris indiget sola, ut in nocte pervigili et oleo lucerna et vino calix abundet.•• Diem ceterum lavacro ac dein cenae dedimus. nam Milonis boni concinnaticiam mensulam rogatus adcubueram quam pote tutus ab uxoris eius aspectu Byrrhenae monitorum memor et perinde in eius faciem oculos meos ac si in Avemum Iacum formidans deieceram. sed adsidue respiciens praeministran~em Photidem inibi recreabar animi, cum ecce iam vespera lucemam intuens Pamphile «Quam largus», inquit, «imber aderit crastino.» et percentanti marito, qui camperisset istud, respondit sibi lucemam praedicere. quod dieturn ipsius Milo risu secutus «Grandem», inquit, «istam lucernam Sibyllam pascimus, quae cuncta caeli negotia et solem ipsum de specula candelabri contuetur.»
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Ad haec ego subiciens «Sunt», aio, «prima huiusce divinationis experimenta. nec mirum, licet modicum istum igniculum et manibus humanis laboratum, memorem tarnen illius maioris et caelestis ignis velut sui parentis, quid is sit editurus in aetheris vertice, divino praesagio et ipsum scire et nobis enuntiare. nam et Corinthi nunc apud nos passim Chaldaeus quidam hospes miris totam civitatem responsis turbulentat et arcana fatorum ·stipibus emerendis edicit in vulgum, qui dies copulas nuptiarum adfirmet, qui fundamenta moenium perpetuet, qui negotiatori commodus, qui viatori celebris, qui navigiis opportunus. mihi denique proventum huius peregrinationis inquirenti multa respondit et oppido mira et satis varia. nunc enim gloriam satis floridam, nunc historiam magnam et incredundam fabulam et libros me futurum.»
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rufen. Den Wein da wollen wir heut~": ganz ausnuckeln; er soll uns schlaffe Schämigkeit austreiben und quicklebendige Lust einflößen. Denn Venus braucht zum Segeln als Proviant nichts, als daß in schlaffreier Nacht die Lampe Öl und der Becher Wein genug hat." Den Rest des Tages widmeten wir dem Bad und dann dem Essen. Als ich also bei dem guten Milo zu einer aufgetakelten Bettelmahlzeit gebeten war, hatte ich miCh in Erinnerung an Byrrenas Warnung möglichst geschützt vor den Blicken seiner Frau gelagert und, ihrem Gesicht wie dem Höllenpfuhl ausweichend, meine Augen niedergeschlagen. Doch blickte ich mich um so mehr nach der aufwartenden Photis um und labte mich so, bis auf einmal - es war schon Abend - mit einem Blick auf die Lampe Pamphile sagte: "Das wird morgen eine Menge Regen geben." Als ihr Mann sich erkundigte, wie sie das herausbekommen habe, antwortete sie, die Lampe zeige es ihr an, welchen weisen Ausspruch Milo mit lachen begleitete: "Eine gewaltige Sibylle", sagte er, "unterhalten wir mit der Lampe da, die alle Himmelsverrichtungen und gar die Sonne von ihrer Kandelaberwarte aus überschaut." Darauf wendete ich ein: .. Es gibt erstklassige Beweise für diese Vorbedeutung. Kein Wunder auch! Mag dies bißchen Feuer da auch klein und von Menschenhänden gemacht sein, so denkt es doch an jenes größere Himmelsfeuer als seinen Erzeuger, und was von ihm aus dem Zenith des Äthers kommen wird, das weiß es in göttlichem Vorgefühl selbst und kündet es uns an. Übrigens auch bei uns in Korinth bringt jetzt überall so ein Ausländer aus Chaldäa die ganze Stadt durch wunderbare Orakel in Aufregung und gibt, um sich ein Geld zu verdienen, der Menge die Geheimnisse der Zukunft preis: welcher Tag ein festes Hochzeitsband knüpft, welcher Grundmauern haltbar macht, welcher einem Geschäftsmann Vorteil, welcher einem Wanderer Gesellschaft, welcher auf See gute Fahrt verspricht. Ja, auch mir hat er, als ich nach dem Verlauf dieser Reise fragte, viel orakelt, was wirklich seltsam und ziemlich bunt ist: denn was aus mir werden sollte, war das einemal etwas ganz Berühmtes und Bedeutendes, das anderemal ein großes Ereignis, eine un-
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Ad haec renidens Milo «Qua», inquit, «corporis habitudine praeditus quove nomine nuncupatus hic iste Chaldaeus est?» «Procerus», inquam, «et suffusculus, Diophanes nomine... «lpse est», ait, «nec ullus alius. nam et hic apud nos multa multis similiter effatus non parvas stipes, immo vero mercedes opimas iam consecutus fortunam scaevam, an saevam verius dixerim, miser incidit. nam die quadam cum frequentis populi circulo conseptus coronae circumstantium fata donaret, Cerdo quidam nomine negotiator accessit eum diem commodum peregrinationi cupiens. quem cum electum destinasset ille, iam deposita crumina, iam profusis nummulis, iam dinumeratis centum denarium, quos mercedem divinationis auferret, ecce quidam de nobilibus adulescentulus a tergo adrepens eum lacinia prehendit et conversum amplexus exosculatur artissime. at ille, ubi primum consaviatus eum iuxtim se ut adsidat effecit, et repentinae visionis stupore attonitus et praesentis negotii, quod gerebat, oblitus in.fit ad eum: respondit ad haec ille alius:
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Ad haec Diophanes ille Chaldaeus egregius mente viduus necdum suus , inquit, <et omnes inimici nostri tarn diram, immo vero Ulixeam peregrinationem incidant. nam et navis ipsa, (qua) vehebamur, variis turbinibus procellarum quassata, utroque regimine amisso aegre ad ulterioris ripae marginem detrusa praeceps demersa est et nos omnibus amissis vix enatavimus. quodcumque vel ignotorum miseratione vel amicorum
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benivolentia contraximus, id omne latrocinalis invasit manus, quorum audaciae repugnans etiam Arignotus unicus frater meus sub istis oculis miser iugulatus est.> Haec eo adhuc narrante maesto Cerdo ille negotiator correptis nummulis suis, quos divinationis mercedi destinaverat, protinus aufugit. ac dehinc tune demum Diophanes expergitus sensit imprudentiae suae labern, cum etiam nos omnis circumsecus adstantes in darum cachinnum videret effusos.
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Sed tibi plane, Luci domine, soli omnium Chaldaeus ille vera dixerit sisque felix et iter dexterum porrigas.»
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Haec Milone diutine sermocinante tacitus ingemescebam mihique non mediocriter suscensebam, quod ultro inducta serie inopportunarum fabularum partem bonam vesperae eiusque gratissimum fructum amitterem. et tandem denique devorato pudore ad Milonem aio: <
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Commodum cubueram, et ecce Photis mea iam do-
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und gütige Freunde wieder 'zusammenbrachten, das alles fiel Räubern in die Hände, und beim Widerstand gegen die freche Gesellschaft wurde noch mein armer eil)ziger Bruder Arignotus vor diesen meinen Augen 'umgebracht.' Während er dies noch trübselig erzählte, raffte jener Händler Kerdo seine Kreuzer, die er zum Lohn für die Auskunft bestimmt hatte, zusammen und suchte rasch das Weite. Da erwachte Diophanes jetzt endlich und merkte, daß er nicht aufgepaßt hatte und hereingefallen war, zumal er auch noch sah, wie wir alle, die ringsumher als Zaungäste dastanden, in helles Gelächter ausbrachen. Dir allerdings, Herr Lucius, ganz allein wünsche ich, daß dieser Chaldäer die Wahrheit gesagt hat, und daß du Glück hast und deine Reise zu einem guten Ende bringst." Während Milo dies lang und breit daherschwatzte, seufzte ich im stillen und ärgerte mich einigermaßen über mich selbst, daß ich unaufgefordert eine Reihe von ungelegenen Geschichten ausgelöst hatte und dadurch einen guten Teil des Abends und seinen köstlichsten Genuß verlor. Enqlich schluckte ich denn doch meine Blödigkeit hinunter und sagte zu Milo: "Mag sich dieser Diophanes mit seinem Pech abfinden und, was er den Leuten auszieht, dem Meer oder auch dem Land wieder abtreten. Aber ich bin von den gestrigen Strapazen immer noch marode; verstatte, daß ich mich zeitig schlafen lege." Mit diesen Worten mache ich mich davon und eile in mein Zimmer, wo ich recht ansprechende Vorbereitungen für ein Festessen finde. Meinen Burschen war nämlich außerhalb der Schwelle, vermutlich um sie als Zuhörer beim nächtlichen Geschäker fernzuhalten, möglichst weit weg am Boden ihr Lager gerichtet; und bei meinem Pritschlein stand ein kleiner Tisch, beladen mit Kostproben von allen Gängen, die sich sehen lassen konnten; auch tüchtige Pokale standen da, schon halb mit Flüssigkeit vollgeschenkt, nur noch der Mischung gewärtig, und eine Flasche daneben, offen, denn der Hals war mit einem Beilhieb abgeschlagen, handlich zum Eingießen, - wirklich eine rechte Vorspeise vor dem Liebesduell! Eben hatte ich mich niedergelegt, schau da naht fröhlich, nach-
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mina cubitum reddita laeta proximat rosa serta et rosa soluta in sinu tuberante. ac me pressim deosculato et corollis revincto ac flore persperso adripit poculum ac desuper aqua calida iniecta porrigit bibam idque modico prius quam totum exsorberem clementer invadit ac relictum paullulatim labellis minuens meque respiciens sorbillat dulciter. sequens et tertium inter nos vicissim et frequens alternat poculum, cum ego iam vino madens nec animo tantum, verum etiam corpore ipso ad libidinem inquie's alioquin et petulans et iam saucius paulisper inguinum fine lacinia remota inpatientiam veneris Photidi meae monstrans «Miserere», inquam, «et subveni maturius. nam ut vides, proelio, quod nobis sine fetiali officio indixeras, iam proximanti vehementer intentus, ubi primam sagittam saevi Cupidinis i~ ima praecordia mea delapsam excepi, arcum meum et ipse vigorate tetendi et oppido formido, ne nervus rigoris nimietate rumpatur. sed ut mihi morem plenius gesseris, in effusum laxa crinem et capillo fluente undanter ede complexus amabiles.»
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Nec mora, cum omnibus illis cibariis vasculis raptim remotis laciniis cunctis suis renudata crinibusque dissolutis ad hilarem lasciviam in speciem Veneris, quae marines fluctus subit, puldue reformata, paulisper etiam glabellum feminal rosea palmula potius obumbrans de industria quam tegens verecundia «Proeliare», inquit, «et fortiter proeliare; nec enim tibi cedam nec terga vortam. comminus in aspectum, si vir es, derige et grassare naviter et occide moriturus. hodierna pugna non habet missionem.» haec simul dicens inscenso grabattulo super me sensim residens ac crebra subsiliens lubricisque gestibus mobilem spinam quatiens pendulae Veneris fructu me satiavit, usque dum lassis animis et mar-
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dem sie ihre Gnädige bereits zu Bett gebracht hatte, meine Photis mit Rosengewinde und mit Rosenschütte im schwellenden Busen. Sie drückt mich an sich, küßt mich ab, umwindet mid1 mit Kränzlein und bestreut mich mit Blumen, ergreift dann einen Becher, gießt heißes Wasser auf und reicht ihn mir zum Trunk. Kurz bevor ich ihn ganz ausgeschlürft hatte, drängt sie sanft her und schlappert die Neige, indem sie sie Schlückchen für Schlückchen mit ihren Lippen aufsaugt und mich dabei anblickt, in reizender Weise ein. Ein weiterer und ein dritter Becher geht zwischen uns immer wieder wechselnd hin und her, bis ich- jetzt von Wein vollgelaufen, mit den Sinnen und sogar den Gliedern ohnehin nach Lust zappelig und geil und schon seit einer Weile angeschlagen - bis zu den Weichen mein Gewand auf!üpfte, meiner Photis das ungeduldige Verlangen zeigte und rief: .. Erbarm dich und schaff schleunigst Abhilfe! Denn wie du siehst, bin ich auf den jetzt nahenden Kampf. den du mir ohne förmliche Kriegserklärung angesagt hattest, heftig gespannt: sobald der erste Pfeil des schrecklichen Cupido mir tief in die Brust drang und saß, habe ich auch selbst meinen Bogen energisch angezogen und fürchte wahrhaftig, daß die Sehne vor Übersteife platzt. Aber wenn du mir extra einen Gefallen tun willst, so mach dein Haar auf. laß es fließen und gib mit wallender Lockenflut den Umarmungen besonderen Reiz." Im Augenblick räumt sie alles Eßgeschirr rasch beiseite, legt all ihre Kleider ab und löst die Haare zu munterem Spiel. So in ein Bild der Venus, wie sie aus den Meeresfluten taucht, reizend gewandelt, ein Weilchen auch ihre glatte Scham mit rosiger Patsche eher aus Fleiß beschattend als aus Genierlichkeit bedeckend, rief sie: .. Kämpfe, und kämpfe wacker! Denn ich will dir nicht weichen und nicht den Rücken kehren. Im Handgemenge, Aug in Auge, wenn du ein Mann bist, richte dich aus, mach einen beherzten Vorstoß und töte mit Todesverachtung! In der heutigen Schlacht wird kein Pardon gegeben." Mit diesen Worten bestieg sie gleich mein Pritschlein, ließ sich gemach auf mich nieder, hüpfte auf und ab und rüttelte und schüttelte den Rücken in flüssiger Bewegung, um mich so mit dem Genuß der Schwebenden Venus zu befriedigen, bis wir
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cidis artibus defatigati simul ambo corruimus inter mutuos amplexus animas anhelantes. his et huius modi conluctationibus ad confinia lucis usque pervigiles egimus poculis interdum lassitudinem refoventes et libidinem incitantes et voluptatem integrantes. ad cuius noctis exemplar similes adstruximus alias plusculas.
Forte quadam die de me magno opere Byrrhena contendit, apud eam cenulae interessem, et cum impendio excusarem, negavit veniam. ergo igitur Photis erat adeunda deque nutu eius consilium velut auspicium petendum. quae quamquam invita, quod a se ungue latius digrederer, tarnen comiter amatoriae militiae brevem commeatum indulsit. sed «Heus tu», inquit, «cave regrediare cena maturius. nam vesana factio nobilissimorum iuvenum pacem publicam infestat, passim trucidatos per medias plateas videbis iacere. nec praesidis auxilia longinqua levare civitatem tanta clade possunt. tibi vero fortunae splendor insidias, contemptus etiam peregrinationis poterit adferre.» «Fac sine cura>>, inquam, <<sis, Photis mea. nam praeter quod epulis alienis voluptates meas anteferrem, metum etiam istum tibi demam maturata regressione. nec tarnen incomitatus ibo. nam gladiolo solito cinctus altrinsecus ipse salutis meae praesidia gestabo.>> sie paratus cenae me committo.
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Frequens ibi numerus epulonum et utpote apud primatem feminam flos ipse civitatis. (mens)ae opipares citro et ebore nitentes, lecti aureis vestibus intecti, ampli calices variae quidem gratiae, sed pretiositatis unius. hic vitrum fahre sigillatum, ibi crustallum inpunctum,
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mit entspannten Sinnen und ·erschlafften Gliedern beide zugleich todmatt hinsanken und, einander in den Annen haltend, den letzten Atem auskeuchten. Mit diesen und derlei Ringkämpfen betätigten wir uns durchwachend bis zum Morgengrauen und griffen dabei von Zeit zu Zeit zu den Bechern, um die Schlaffheit in Schwung zu bringen, die Lust zu reizen und die Wonne zu erneuern. Nach dem Muster dieser Nacht fügten wir noch manche andere der Art hinzu. Von ungefähr setzte mir eines Tages Byrrena zu, ich möchte bei ihr an einem bescheidenen Essen teilnehmen, und als ich angelegentlich bat, mich zu entschuldigen, ließ sie nicht locker. Demnach also mußte ich mich an Photis wenden und von ihrem Wink einen Rat gleichsam als Parole erbitten. Wenn auch ungern, weil ich mich weiter als Nagels Breite von ihr entfernte, war sie doch so nett, mir einen kurzen Urlaub vom Waffendienst der Liebe zu bewilligen. Aber sie sagte: "Hör mal, nimm dich in acht und komm nicht zu spät vom Essen heim! Denn eine verrückte Bande der vornehmsten jungen Leute beunruhigt den Bürgerfrieden, allenthalben wirst du Ennordete mitten auf den Straßen liegen sehen; und die weit entfernten Bereitschaftstruppen des Gouverneurs können die Stadt nicht von der schlimmen Plage befreien. Und du mußt bei deiner Wohlsituiertheit mit Nachstellungen rechnen, auch macht man mit einem Fremden nicht viel Federlesens." "Sei bitte ohne Sorge", sprach ich, "liebe Photis. Denn abgesehen davon, daß mir meine Pläsiers wichtiger wären als eine Gesellschaft bei fremden Leuten, will ich dir auch diese Furcht benehmen und früh heimgehen. Übrigens bin ich nicht ohne Begleitung unterwegs; denn ich habe wie gewohnt meinen Degen um und trage meine Leibwache an meiner Seite." So versehen begebe ich mich zum Essen. Dort war ein großer Kreis von Gästen versammelt und, wie sich bei einer Dame von Stand versteht, die Elite der Gesellschaft. Prunktische spiegelnd von Zitrusholz und Elfenbein, Sofas mit goldenen Decken behangen, mächtige Pokale in allerlei köstlichen Formen, aber gleichmäßigem Wert: hier kunstreich geschliffenes Glas, dort makelloses Kristall, woanders
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argenturn alibi darum et aurum fulgurans et sucinum mire cavaturn et lapides ut bibas, et quicquid .fieri non potest, ibi est. diribitores plusculi splendide amicti fercula copiosa scitule subministrare, pueri calamistrati pulehre indusiati gemmas formatas in pocula vini vetusti. frequenter offerre. Iam inlatis luminibus epularis sermo percrebuit, iam risus adfluens et ioci liberales et cavillus hinc inde. turn infit ad me Byrrhena: «Quam commode versaris in nostra patria? quod sciam, templis et lavacris et ceteris operibus longe cunctas civitates antecellimus, utensilium praeterea pollemus adfatim. certe libertas otiosa et negotioso quidem advenae· Romana frequentia, modesto vero hospiti quies villatica. omni denique provinciae voluptarii secessus sumus.»
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Ad haec ego subiciens: «Vera memoras nec usquam gentium magis me liberum quam hic fuisse credidi. sed oppido formido caecas et inevitabiles latebras magicae disciplinae. nam ne mortuorum quidem sepulchra tuta dicuntur, sed ex bustis et rogis reliquiae quaedam et cadaverum praesegmina ad exitiabiles viventium fortunas petuntur. et cantatrices anus in ipso momento choragi funebris praepeti celeritate alienam sepulturam antevortunt.» His meis addidit alius: «lmmo vero istic nec viventibus quidem ullis parcitur. et nescio qui simile passus ore undique omnifariam deformato truncatus est.» Inter haec convivium totum in licentiosos cachinnos effunditur omniumque ora et optutus in unum quempiam angulo secubantem conferuntur. qui cunctorum obstinatione confusus indigna murmurabundus cum vellet exsurgere, «lmmo, mi Thelyphron», Byrrhena inquit, <<et subsiste paulisper et more tuae urbanitatis fabulam illam tuam remetire, ut. et .filius meus iste Lucius lepidi ser-
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wieder blinkendes Silber und blitzendes Gold und fabelhaft ausgehöhlter Bernstein und Minerale als Trinkgerät, - die unmöglichsten Dinge sind da! Eine Reihe Servierdiener in prächtiger Livree reichen elegant die vollen Schüsseln herum, ondulierte Knaben in festlichen Kleidern bieten ohne Unterlaß becherförmige Edelsteine mit altem Wein an. Als man jetzt die Lichter hereintrug, wurde das Gespräch lebhaft, schon erhob sich Lachen und lose Scherze und Neckereien hinüber und herüber. Da redete Byrrena mich an: .. Wie sagt dir der Aufenthalt in unseren Mauern zu? Soviel ich weiß, laufen wir mit Tempeln und Bädern und sonstigen Bauten allen Städten den Rang ab, sind auch mit Komfort ziemlich versehen. Bestimmt gibt es Freiheit ohne Geschäfte, für den geschäftigen Ankömmling Trubel wie in Rom, für den anspruchslosen Gast aber ländliche Stille. Für die ganze Provinz sind wir also ein ideales Reiseziel." Darauf versetzte ich: .. Du sprichst ein wahres Wort, und nirgends in der Welt habe ich mich jemals so frei wie hier gefühlt. Aber mir graust mächtig vor den düsteren Winkeln und dem Bann der Zauberkunst. Denn es heißt: nicht einmal die Gräber auf den Friedhöfen sind sicher, sondern von Brandstätten und Scheiterhaufen holt man gewisse Reste und Leichenschnipset um Lebenden den Garaus zu machen; alte Hexenweiber schwirren schon im Augenblick des Leichenzuges mit fliegender Eile voraus, wenn irgendwo jemand begraben werden soll." So meine Worte, und ein anderer setzte hinzu: .,Nein, hier bleibt auch kein Lebendiger verschont. So ungefähr ist es jemand ergangen, dem man das Gesicht kreuz und quer entstellt hat, daß er zum Krüppel wurde." Hier bricht die ganze Gesellschaft in schallendes Gelächter aus, und aller Gesichter und Blicke richten sich auf jemanden, der in einem Winkel abseits lagerte. Der wurde durch die Aufdringlichkeit der gesamten Gesellschaft verwirrt, murrte ärgerlich und wollte aufstehen; aber Byrrena sagte: .,Nicht doch, mein lieber Thelyphron, bleib noch ein Weilchen und nimm, nett wie du bist, deine Geschichte noch einmal durch, damit auch mein junger Freund Lucius hier das Vergnügen hat, deine hüb-
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monis tui perfruatur comitate.» at ille "Tu quidem, domina», ait, «in officio manes sanctae tuae bonitatis, sed ferenda non est quorundam insolentia.» sie ille commotus. sed instantia Byrrhenae, quae eum adiuratione suae salutis ingratis cogebat effari, perfecit, ut vellet.
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Ac sie aggeratis in cumulum stragulis et effultus in cubitum suberectusque [in torum] porrigit dexteram et ad instar oratorum conformat artieulum duobusque infimis conclusis digitis ceteros eminens [porrigens] et infesto pollice clementer subrigens infit Thelyphron:
«Pupillus ego Mileto profectus ad spectaculum Olympicum, cum haec etiam loca provinciae famigerabilis adire cuperem, peragrata cuncta Thessalia fuscis avibus Larissam accessi. ac dum singula pererrans tenuato admodum viatico paupertati meae fomenta conquiro, conspicor medio foro procerum quendam senem. insistebat lapidem claraque voce praedicabat, siqui mortuum servare vellet, de pretio liceretur. et ad quempiam praetereuntium «Quid hoc», inquam, «comperior? hicine mortui solent aufugere?« «Tace», respondit ille; «nam oppido puer et satis peregrinus es meritoque ignoras Thessaliae te consistere, ubi sagae mulieres ora mortuorum passim demorsicant, eaque sunt illis artis magicae supplementa.»
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Contra ego «Et quae, tu», inquam, «die sodes, custodela ista feralis?>> dam primum>>, respondit ille, «perpetem noctem eximie vigilandum est exertis et inconivis oculis semper in cadaver intentis nec acies usquam devertenda, immo ne obliquanda quidem, quippe cum deterrimae versipelles in quodvis animal ore converso latenter adrepant, ut ipsos etiam oculos Solis et Iustitiae facile frustrentur. nam et aves et rursum canes et
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sme Erzählung zu hören!" Der andere aber sprach: "Gnädigste, du bleibst wirklim deiner verehrungswürdigen Güte treu, aber die Unversmämtheit gewisser Leute ist unausstehlim!" So der Mann in Erregung. Aber Byrrena nötigte ihn durmeinen Smwur bei ihrem Leben, wider Willen zu reden, und ihr Drängen bramte es zustande, daß er zusagte. Namdem also Thelyphron seine Decken zu einem Haufen getürmt, sim auf den Ellenbogen gestützt und halb aufgerichtet hat, reckt er die Remte aus und mamt eine Hand nam Art der Redner: die beiden unteren Finger gesmlossen, die übrigen gestreckt und mit aufremtem Daumen gelinde emporgehoben, beginnt er zu reden: "Als Waisenknabe reiste im von Milet zu den Olympismen Spielen, und da im aum diese Gegenden der viel gerühmten Provinz besumen wollte, so durmwanderte im ganz Thessalien und gelangte, weil es mein Pem so wollte, nam Larissa. Und wie mein Zehrgeld smon ziemlim mager geworden ist und im alle Gassen durmirre, um für meine Armut Pflaster aufzutreiben, erblicke im mitten auf dem Markt einen homgewamsenen Alten. Er stand auf einem Stein und rief mit lauter Stimme daher: wenn jemand einen Toten bewamen wolle, mömte ein Kostenangebot gemamt werden. Da spram im zu einem Passanten: "Was höre im da? Pflegen denn hierzulande die Toten davonzulaufen?" "Stillt", erwiderte der, "du bist ja nom ein Grünsmnabel und reimlim fremd und weißt es natürlim nimt: du stehst in Thessalien, wo Zauberweiber die Gesichter der Toten an allen Enden abknabbern, und damit mamen sie ihre Hexenkunst komplett." "Und worin", entgegnete im, "sag bitte, besteht diese Totenwacht7" "Zuallererst", antwortete der, "muß man die ganze Namt hindurm ausnehmend wam sein, mit Glotzaugen ohne Blinzeln immer auf die Leime passen und den Blick nirgendhin wegwenden, ja nimt einmal smielen; denn diese verdammten Wemseibälge verwandeln sim in irgendein Tier und smleimen heimlim heran, so daß sie selbst die Augen der Sonne und der Geremtigkeit leimt täusmen. Sie nehmen nämlim die Gestalt von Vögeln und wieder-
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mures, immo vero etiam muscas induunt. tune diris cantaminibus somno custodes obruunt. nec satis quisquam definire poterit, quantas latebras nequissimae mulieres pro libidine sua comminiscuntur. nec tarnen huius tarn exitiabilis operae merces amplior quam quaterni vel seni ferme offeruntur aurei. ehern et, quod paene praeterieram, siqui non integrum corpus mane restituerit, quidquid inde decerptum deminutumque fuerit, id omne de fade sua desecto sardre compellitur.»
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His cognitis animum meum conmasculo et ilico accedens praeconem «Clamare••, inquam, «iam desine. adest custos paratus, cedo praemium.•> «Mille,., inquit, «nummum deponentur tibi. sed heus, iuvenis, cave diligenter prindpum dvitatis filii cadaver a malis Harpyis probe custodias.» «lneptias», inquam, «mihi narras et nugas meras. vides hominem ferreum et insomnem, certe perspicadorem ipso Lynceo vel Argo et oculeum totum.»
Vix finieram, et ilico me perdudt ad domum quampiam, cuius ipsis foribus obseptis per quandam brevem posticulam intro vocat me et conclave quoddam obseratis luminibus umbrosum •, inquit, <
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Sie pladto consurrexit et ad aliud me cubiculum indudt. ibi corpus splendentibus linteis coopertum introductis quibusdam septem testibus manu revelat et diutine
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um von Hunden und Mäusen: ja, wahrhaftig sogar von Fliegen an. Dann decken sie durch grausige Beschwörungen die Wächter mit Schlaf zu. Und niemand wird einigermaßen bestimmt an~ geben können, was alles für Heimlichkeiten sich die Weibsluder ausdenken, um ihrem Gelüst zu frönen. Und als Lohn für eine so lebensgefährliche Mühe werden nicht mehr als etwa vier oder sechs Goldstücke geboten. Ach ja, und was ich bei~ nahe vergessen hätte: wenn einer den Leichnam in der Frühe nicht unversehrt wieder übergibt, - was davon abgezwackt und abgeknapst ist, das alles muß er mit Schnitzeln vom eigenen Gesicht flicken." Als ich dies höre, gebe ich mir einen Ruck, trete gleich an den Ausrufer heran und sage: "Schluß jetzt mit dem Geschrei! Der Wächter ist da und bereit, her mit dem Lohn!'' "Tausend Kreu~ zer wird man dir hinterlegen", sprach er; "aber hör mal, jun~ ger Mann, gib sorgfältig acht, daß du die Leiche - es ist der Sohn eines Honoratiorenhauses der Stadt - vor den schlimmen Fledderinnen ordentlich bewachst!" "Einen Schmarren erzählst du mir da", sagte ich, "und reine Possen! Du hast einen Mann von Stahl vor dir, der ohne Schlaf auskommt und bestimmt schärfere Luchsaugen hat als selbst Lynkeus oder Argus, - ganz Auge." Kaum hatte ich geendet, so führt er mich auf der Stelle zu einem bestimmten Hause hin. Da dessen eigentliches Tor verrammelt ist, läßt er mich durch ein kleines Hinterpförtchen ein, öffnet ein düsteres Zimmer mit verschlossenen Luken, deutet auf eine weinende Frau in schwarzer Kleidung, tritt zu dieser hin und spricht: "Der hier hat sich verpflichtet und zuversichtlich zur Bewachung deines Gatten gemeldet." Sie aber strich die vorhängenden Haare da und dort zur Seite und ließ ein Antlitz sehen, das noch in der Trauer leuchtete. Jetzt sprach sie mit einem Blick auf mich: "Sieh bitte zu, deinen Dienst so wach als möglich zu verrichten!" "Sei ohne Sorge", sprach ich, "halte nur ein tüchtiges Trinkgeld bereit!" So wurde es vereinbart; dann stand sie auf und führt mich jetzt weiter in ein Schlafgemach. Dort enthüllt sie vor sieben bestimmten Zeugen, die sie hereinführt, mit der Hand den Leich-
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insuper fleto obtestata fidem praesentium singula demonstrat anxie verba concepta de industria quodam tabulis praenotante: «Ecce>>, inquit, «nasus integer, incolumes oculi, salvae aures, inlibatae labiae, mentum solidum. vos in hanc rem, boni Quirites, testimonium perhibetote.>• et cum dieto consignatis illis tabulis facessit.
At ego <•, inquit, «fatue, qui in domo funesta cenas et partes requiris, in qua totiugis iam diebus ne fumus quidem visus est ullus. an istie comisatum te venisse credis? quin sumis potius loco congruentes luctus et lacrimash haec simul dicens respexit ancillulam et «Myrrhine», inquit, «lucernam et oleum trade confestim et incluso custode cubieulo protinus facesse.»
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Sie desolatus ad cadaveris solacium _perfrietis oculis et obarmatis ad vigilias animum permulcebam cantationibus, cum ecce crepusculum et nox provecta et nox altior et dein concubia altiora et iam nox intempesta. mihique oppido formido cumulatior quidem, cum repente introrepens mustela contra me constitit optutumque acerrimum in me destituit, ut tantillula animalis prae nimia sui fiducia mihi turbarit animum. denique sie ad illam: «Quin abis», inquam,, «inpurata bestia, teque ad tui similes musculos recondis, antequam nostri vim praesentariam experiaris? quin abish terga vortit et cubieulo protinus exterminatur. nec mora, cum me som-
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nam, der mit blüteweißen Leihtüchern zugedeckt ist. Nachdem sie eine ziemliche Weile darüber geweint und die Anwesenden beschwörend haftbar gemacht hat, zeigt sie mit Peinlichkeit auf die einzelnen Teile, wobei einer den genauen Wortlaut geflissentlich auf Wachstafeln verzeichnet: "Da", sagt sie, "Nase unberührt, unversehrte Augen, heile Ohren, tadellose Lippen, Kinn ganz. Ihr, werte Herren, wollet für diesen Sachverhalt Zeugnis erstellen!" Mit diesen Worten werden die Tafeln versiegelt, und sie wendet sich zum Geht:n. Ich aber sprach: "Gnädigste, gib Weisung, daß man mir alles stellt, was für den Zweck benötigt wird!" "Aber was sind denn das für Dinge?" fragte sie. "Eine Lampe", sagte ich, "extra groß; und Öl, das bis zum Tageslicht für das Nachtlicht aus~ reicht, und heißes Wasser mit Weingeschirr und einem Becher, und eine mit Resten vom Tische wohlversehene Schüssel." Da schüttelte sie den Kopf und sagte: "Geh, Tropf! Verlangst in einem Trauerhaus ein komplettes Essen, in dem so viele Tage hintereinander nicht einmal der geringste Rauch zu sehen war! Oder meinst du zu einem Diner hergekommen zu sein? Halte dich lieber dem Ort entsprechend an Trauer und Tränen!" Während sie dies sprach, schaute sie sich nach einer Magd um und rief: "Myrrinel Bring gleich eine Lampe und Öl, sperr den Wächter im Schlafzimmer ein und mach dich sofort davon!" So mutterseelenallein gelassen, um den Leichnam zu bemuttern, rieb ich meine Augen, wappnete sie zur Wacht und beschwichtigte mein Herzklopfen mit Singerei. Und da kam die Dämmerung, und die Nacht rückte vor, und es wurde tiefere Nacht, und dann die Zeit des tiefsten Schlafes, und nun schon stockfinstere Nacht. Mich schauderte es durch und durch und immer ärger, als plötzlich ein Wiesel hereinschlich, sich mir gegenüber postierte und seinen Blick blitzscharf auf mich richtete, so daß das winzigkleine Geschöpf mich mit seiner starken Dreistigkeit aus dem Häuschen brachte. Schließlich sprach ich zu ihm: "Gehst du weg, abscheuliches Vieh! Verziehst du dich nicht zu deinesgleichen Mäuslein, bevor du an Ort und Stelle meine Amtsgewalt zu spüren bekommst? Gehst du weg!" Es macht kehrt und verschwindet im Husch aus dem Zimmer. Nicht lange, so
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nus profundus in imum barathrum repente demergit, ut ne deus quidem Delphicus ipse facile discemeret duobus nobis iacentibus, quis esset magis mortuus. sie inanimis et indigens alio custode paene ibi non eram.
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Commodum noctis indutias cantus perstrepebat cristatae cohortis. tandem expergitus et nimio pavore perterritus cadaver accurro et admoto lumine revelataque eius facie rimabar singula, quae cuncta convenerant. ecce uxor misella flens cum hesternis testibus introrumpit anxia et statim corpori superruens multumque ac diu deosculata sub arbitrio luminis recognoscit omliia. et conversa Philodespotum requirit actorem. ei praecipit, bono custodi redderet sine mora praemium. et oblato statim «Summas», inquit, «tibi, iuvenis, gratias agimus et hercules ob sedulum istud ministerium inter ceteros familiares dehinc numerabimus.» ad haec ego insperato lucro diffusus in gaudium et in aureos refulgentes, quos identidem manu mea ventilabam, attonitus «lmmo», inquam, «domina, de famulis tuis unum putato, et quotiens operam nostram desiderabis, fidenter impera.,.
Vix effatum me statim familiares omen nefarium exsecrati raptis cuiusque modi telis insecuntur: pugnis ille m~las offendere, scapulas alius cubitis inpingere, palmis infestis hic latera suffodere, calcibus insultare, capillos distrahere, vestem discindere. sie in modum superbi iuvenis Aoni vel musici vatis Piplei laceratus atque discerptus domo proturbor.
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Ac dum in proxima platea refovens animum infausti atque inprovidi sermonis mei sero reminiscor dignumque me pluribus etiam verberibus fuisse merito consentio, ecce iam ultimum defletus atque conclamatus processerat
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versinke idt plötzlich in bodenlos tiefen Sdtlaf. daß nidtt einmal der Delphisdte Gott persönlidt ohne weiteres hätte unterscheiden können, wer von uns beiden, wie wir dalagen, mehr tot war. So ohne Leben und auf einen anderen Wädtter angewiesen, war idt so gut wie nicht da. Eben durdtsdtmetterte das Signal der kammbewehrten Garde die Waffenruhe der Nadtt. Endlidt wadte idt auf und laufe in maßlosem Angstschauer zur Leidte hin, halte das Lidtt nahe, enthülle ihr Gesidtt und madte midt daran, alle einzelnen Teile zu inspizieren, wie sie in der Abmadtung standen. Und da stürzt auch sdton die ärmste Frau weinend mit ihren Zeugen von gestern voller Angst herein, wirft sidt gleich über den Leidtnam, küßt ihn stürmisch und lange ab und prüft alle Teile unter Kontrolle des Lidttes. Dann wendet sie sidt um und verlangt nadt ihrem Hausverwalter Philodespotus; dem trägt sie auf. dem guten Wädtter unverzüglidt seinen Lohn einzuhändigen. Und als dieser alsbald überreidtt ist, spridtt sie: "Wir sagen dir besten Dank, junger Mann, und werden didt bei Gott wegen dieser eifrigen Dienstleistung von jetzt an mit unter unsere Hausfreunde zählen." Hierauf idt, über das unverhoffte Gesdtäft in Freude zerflossen und benommen von den glänzenden Goldstücken, die idt immer wieder in meiner Hand hin und her wendete: "Vielmehr, Gnädigste, darfst du midt als einen deiner Diener betrachten, und sooft du für midt Verwendung hast, verfüge getrost!" Kaum habe idt ausgesprodten, da rafft das Personal mit .. Unberufen!" und "Unerhörte Unkerei!" allerhand Waffen zusammen und fällt über midt her. Mit Fäusten boxt der eine die Kinnladen, die Sdtultern stößt ein anderer mit Ellbogen, wütende Hände gräbt der dritte in die Seiten, man tritt mit Füßen, zerrauft mein Haar, zerreißt mein Gewand. So wie der rebellisdte Thebanerkönig oder der pierisdte Sänger zerfetzt und zerpflückt, werde ich aus dem Haus geworfen. In der nädtsten Gasse versdtnaufe ich und besinne mich zu spät, wie ominös und achtlos meine Worte gewesen waren, gebe audt billigerweise zu, noch mehr Prügel verdient zu haben. Sdtau, da hatte sidt unterdessen sdton nadt den letzten Trauer-
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mortuus rituque patrio, utpote unus de optimatibus, pompa funeris publici ductabatur per forum. occurrit atratus quidam maestus in lacrimis genialem canitiem revellens senex .et manibus ambabus invadens torum voce contenta quidem, sed adsiduis singultibus impedita «Per fidem vestram», inquit, «Quirites, per pietatem publicam perempto civi subsistite et extremum facinus in nefariam scelestamque istam feminam severiter vindicate. haec enim nec ullus alius miserum adulescentem, sororis me~e filium, in adulteri gratiam et ob praedam hereditariam extinxit veneno.,. sie ille senior lamentabiles questus singulis instrepebat. saevire vulgus interdum et facti verisimilltudine ad criminis credulitatem impelli. conclamant ignem, requirunt saxa, parvulos ad exitium mulieris hortantur. emeditatis ad haec illa fletibus quamque sanctissime poterat adiurans cuncta numina tantum scelus abnuebat.
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Ergo igitur senex ille: "Veritatis arbitrium in divinam providentiam reponamus. Zatchlas adest Aegyptius propheta primarius, qui mecum iam dudum grandi praemio pepigit reducere paulisper ab inferis spiritum corpusque istud postliminio mortis animare.,. et cum dicto iuvenem quempiam linteis amiculis iniectum pedesque palmeis baxeis inductum et adusque deraso capite producit in medium. huius diu manus deosculatus et ipsa genua contingens «Miserere,., ait, «sacerdos, miserere per caelestia sidera, per inferna numina, per naturaHa elementa, per nocturna silentia et adyta Coptica et per incrementa Nilotica et arcana Memphitica et sistra Phariaca. da brevem solis usuram et in aeternum conditis oculis modicam lucem infunde. non obnitimur nec terrae rem suam denegamus, sed ad ultionis solacium exiguum vitae
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und Klagezeremonien der Tot~ auf die Straße bewegt und wurde nach Sitte und Brauch, Standesperson die er war, in öffentlichem Leichenzug über den Markt geleitet. Da kam ein schwarz gekleideter Greis gelaufen, zerraufte voll Trauer in Tränen sein würdiges graues Haar, drang mit beiden Händen auf die Bahre ein und rief mit gehobener, freilich von ständigem Schluchzen behinderter Stimme: "Bei e.urem Gerechtigkeitssinn, liebe Herren, beim Geist der Gemeinschaft, steht einem ermordeten Bürger zur Seite und ahndet streng eine beispiellose ! at an der nichtswürdigen Verbrecherin da I Denn die und niemand sonst hat den armen jungen Mann, den Sohn meiner Schwester, einem Ehebrecher zuliebe und aus Erbsdtleicherei mit Gift umgebracht!" So zeterte der Alte mit jämmerlichen Klagen jedermann die Ohren voll. Inzwischen tobte das Volk und ließ sich, wahrscheinlich wie die Tat war, leicht von der Schuld überzeugen. Man ruft nach Feuer, sucht um Steine, ermuntert die Jüngsten, das Weib totzuschlagen. Sie jetzt schwor mit erkünstelten Tränen bei Gott und der Welt die heiligsten Eide und leugnete ein derartiges Verbrechen ab. So rief denn der Greis: "Die Wahrheit zu entscheiden, wollen wir der göttlichen Vorsehung überlassen. Hier ist der Ägypter Zatchlas, ein Prophet erster Klasse, der mit mir schon vordem gegen gute Bezahlung abgemacht hat, für ein Weilchen den Geist aus der Unterwelt zurückzuholen und diesen Leichnam als Heimkehrer vom Tod lebendig zu machen." Mit diesen Worten führte er so einen jungen Mann in die Mitte vor, der linnene Tücher umhatte und an den Füßen Opanken aus Palmfasern trug, mit ganz kahlrasiertem Kopf. Dem küßte er lange die Hände ab, berührte sogar seine Knie und sagte: "Erbarme dich, Priester, erbarme dich bei den Gestirnen des Himmels, bei den Geistern der Hölle, bei den Elementen der Natur, beim Schweigen der Nacht und den koptischen Krypten, bei den Nilschwellen, den Geheimnissen von Memphis und den Klappern von Pharos! Laß ihn kurz der Sonne sich freuen und laß in die für immer ges,chlossenen Augen ein wenig Licht fluten! Unsereiner hadert nicht und weigert der Erde nicht, was ihr gehört; aber um uns an der Rache zu erheben, flehen wir um eine kurze
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spatium depreeamur.>> propheta sie propitiatus herbulam quampiam ob os eorporis et aliam peetori eius imponit. tune orientem obversus incrementa solis augusti tacitus imprecatus venerabilis scaenae tacie studia praesentium ad miraculum tantum certatim adrexit.
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Immitto me turbae socium et pone ipsum lectulum editiorem quendam lapidem insistens euncta curiosis oculis arbitrabar. iam tumore pectus extolli, iam salebris vena pulsari, iam spiritu corpus impleri. et adsurgit cadaver et profatur adulescens: <> haec audita vox de corpore. sed aliquante propheta commotior «Quin rders», ait, «populo singula tuaeque mortis illuminas areana? an non putas devotionibus meis posse Diras invocari, posse tibi membra lassa torqueri?» suscipit ille de lectulo et imo cum gemitu populum sie adorat: «Malis novae nuptae peremptus artibus et addietus noxio poculo torum tepentem adultero mancipavi.>>
Tune uxor egregia capit praesentem audaciam et mente sacrilega coarguenti marito resistens altercat. populus aestuat diversa tendentes hi pessimam feminam viventern statim cum eorpore mariti sepeliendam, alii mendacio cadaveris fidem non habendam.
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Sed hanc cunctationem sequens adulescentis sermo distinxit. nam rursus altius ingemeseens «Dabo», inquit, <
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Spanne Leben." Darauf läßt sich der Prophet herbei, dem Leichnam ein bestimmtes Kräutlein auf den Mund und ein anderes auf die Brust zu legen. Dann betete er gegen Osten hin schweigend die Majestät der wachsenden Sonne an und bewirkte durch die feierliche Vorstellung, daß die Anwesenden einer gespannter als der andere ihre Aufmerksamkeit auf die Sensation richteten. Ich mische mich als Teilnehmer unter die Menge und stelle mich gerade hinter der Bahre auf einen etwas erhöhten Stein. So konnte ich alles mit neugierigen Augen beobachten. Jetzt hebt sich schwellend die Brust, jetzt schlägt pochend der Puls, jetzt erfüllt Atem den Leib. Und der Leichnam richtet sich auf, und der Mann läßt sich vernehmen: ,.Sagt, warum führt ihr mich, der nach dem Todesbecher schon auf den Stygischen Wassem schwamm, zeitweilig ins Erdendasein zurück? Steh endlich ab, bitte, steh ab und entlaß mich in meine Ruhe!" Diese Stimme war von dem Leichnam zu hören. Aber der Prophet sprach in einigermaßen gesteigerter Erregung: .. Willst du nicht den Leuten Zug um Zug berichten und die Geheimnisse deines Todes beleuchten? Oder glaubst du, meine Beschwörungen könnten nicht die Unholdinnen herbeirufen, dir die schlaffen Glieder zu foltern?" Er fährt fort von seinemSchragen aus und trägt mit einem tiefen Seufzer der Menge folgendes vor: ,.Schlimme Künste meiner jungen Gemahlin haben mich umgebracht: zum Giftbecher war ich verurteilt und mußte den warmen Pfühl einem Buhlen überlassen." Da nimmt sich die treffliche Gattin prompt die Frechheit, unverschämterweise dem belastenden Gatten im Wortwechsel zu parieren. In der Menge gibt es ein Hin und Her: uneins fordern die einen, das verworfene Weib auf der Stelle mit der Leiche des Mannes lebendig zu begraben, andere, der Erfindung eines Leichnams keinen Glauben zu schenken. Aber in dieser Ratlosigkeit gab eine weitere Rede des jungen Mannes den Ausschlag. Denn von neuem und noch tiefer aufseufzend sagte er: ,.Ich werde, ja, ich werde euch eindeutige Beweise für die lautere Wahrheit geben und zur Kenntnis bringen, was schlechthin niemand anderer weiß." Dann, mit dem Finger
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hic sagacissirnus exertarn rnihi teneret vigiliarn, cantatrices anus exuviis rneis inrninentes atque ob id reforrnatae frustra saepius curn industriarn sedularn eius fallere nequivissent, postrernurn iniecta sornni nebula eoque in profundarn quietern sepulto rne nornine eiere non prius desierunt, quarn durn hebetes artus et ~ernbra frigida pigris conatibus ad artis rnagicae nituntur obsequia. hic utpote vivus quidern, sed tanturn sopore rnortuus, quod eodern rnecurn vocabulo nuncupatur, ad suurn nornen ignarus exsurgit et in exanirnis urnbrae rnodurn ultroneus gradiens, quarnquarn foribus cubiculi diligenter obclusis, per quoddarn forarnen prosectis naso prius ac rnox ·auribus vicariarn pro rne lanienarn sustinuit. utque fallaciae reliqua convenirent, cerarn in rnodurn prosectarurn formatarn auriurn ei adplicant exarnussirn nasoque ipsius Sirnilern cornparant. et nunc adsistit rniser hic praerniurn non industriae, sed debilitationis consecutus...
His dictis perterritus ternptare forrnarn adgredior. iniecta manu nasurn prehendo, - sequitur; aures pertracto, - deruunt. ac durn directis digitis et detortis nutibus praesentiurn denotor, durn risus ebullit, inter pedes circurnstantiurn frigide sudore defluens evado. nec postea debilis ac sie ridiculus lari rne patrio reddere potui, sed capillis hinc inde laterurn deiectis auriurn vulnera celavi, nasi vero dedecus linteolo isto pressirn adglutinato decenter obtexi ...
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Curn prirnurn Thelyphron hanc fabularn posuit, conpotores vino rnadidi rursurn cachinnurn integrant. durnque bibere solita Risui postulant, sie ad rne Byrrhena: «Sollernnis», inquit, «dies a prirnis cunabulis huius urbis
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auf mich deutend: .. Als ·nämlich dieser überaus scharfsichtige Wächter meines Leichnams bei mir ausgezeichnet auf Posten stand, waren alte Hexenweiber auf meine sterbliche Hülle aus und hatten sich dazu immer wieder verwandelt, vergeblich, da sein beflissener Eifer nicht zu täuschen war. Da warfen sie zuletzt eine Wolke von Schlaf auf ihn, und als er wie ein Toter schlief, riefen sie mich unablässig beim Namen, bis die steifen Gelenke und kalten Glieder sich träge rührten und dem Zauberbann gefüge sich aufzuraffen versuchten. Nun heißt dieser Mann, der ja lebendig und doch nur im Schlaf so gut wie tot war, geradQ ebenso wie ich, erhebt sich also ahnungslos bei seinem Namen und beginnt willig wie ein seelenloser Schatten zu gehen; ob auch die Zimmertür sorgsam verschlossen war, ließ er sich durch ein zufälliges Loch darin zuerst die Nase und dann die Ohren abschneiden und so an meiner Stelle die Metzelei über sich ergehen. Um den Bluff zu vervollständigen, heften sie ihm Wachs in der Form der abgeschnittenen Ohren haargenau an uml. verschaffen ihm eine Nase, die der echten ähnlich ist. Und jetzt steht der arme Kerl da, und sein Lohn ist -statt Dank für treue Dienste- Verstümmelung." Wie ich das höre, fahre ich bestürzt auf. um bei meinem Gesicht die Probe zu machen. Ich greife mit der Hand nach der Nase,- geht mit! Ich zupfe die Ohren, - fallen ab! Und wie die Anwesenden mit ausgestreckten Fingern und Gezwinker über die Schultern auf mich weisen, wie ein Gelächter aufprustet, renne ich in kalten Schweiß gebadet zwischen den Füßen der Umstehenden davon. Auch später brachte ich es nicht über mich, verstümmelt und lächerlich wie ich war, wieder in meine Heimat zu gehen; vielmehr kämmte ich beiderseits die Haare herunter, um meine wunden Ohren zu verbergen, und bedeckte die verschandelte Nase anstandshalber mit dem fest angeklebten Leinenläppchen da." Als Thelyphron diese Geschichte eben dargelegt hat, brechen die beschwipsten Zecher von neuem in ihr Gewieher aus. Und während sie ein kommentmäßiges "Prost der Heiterkeit!" ausbringen, sagte Byrrena zu mir: "Ein Festtag, der schon seit
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conditus crastinus advenit, quo die soli mortalium sanctissimum deum Risum hilaro atque gaudiali ritu propitiamus. hunc tua praesentia nobis efficies gratiorem. atque utinam aliquid de proprio lepore laetificum honorando deo comminiscaris, quo magis pleniusque tanto numini litemus ... «Bene», inquam, «et fiet, ut iubes. et vellem hercules materiam repperire aliquam, quam deus tantus affluenter indueret.,.
Post haec monitu famuli mei, qui noctis admonebat, iam et ipse crapula distentus protinus exsurgo et appellata propere Byrrhena titubante vestigio domuitionem capesso.
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Sed cum primam plateam vadimus, vento repentino Iumen, quo nitebamur, extinguitur, ut vix inprovidae noctis caligine liberati digitis pedum detunsis ob Iapides hospitium defessi rediremus. dumque iam iunctim proximamus, ecce tres quidam vegetes et vastulis corporibus fores nostras ex summis viribus inruentes ac ne praesentia quidem nostra tantillum conterriti, sed magis cum aemulatione virium crebrius insultantes, ut nobis ac mihi potissimum non immerito latrones esse et quidem saevissimi viderentur. statim denique gladium, quem veste mea contectum ad hos usus extuleram, sinu liberatum adripio. nec cunctatus medios latrones involo ac singulis, ut quemque conluctantem offenderam, altissime demergo, quoad tandem ante ipsa vestigia mea vastis et crebris perforati vulneribus spiritus efflaverint. sie proeliatus iam tumultu eo Photide suscitata patefactis aedibus anhelans et sudore perlutus inrepo meque statim utpote pugna trium latronum in vicem Geryoneae caedis fatigatum lecto simul et somno tradidi.
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Zweites Buch
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den Anfängen dieser Stadt besteht, ist morgen da. An diesem Tage flehen wir, wir allein auf der Welt, den allerheiligsten Gott Heiterkeit durch froh beschwingtes Brauchtum um seine Huld. Deine Gegenwart wird uns den Tag besonders angenehm gestalten. Bitte, sinne auf irgend etwas Lustiges aus eigenem Witz zu Ehren des Gottes, damit wir um so besser und reichlicher dem großen Geist opfern können!" .. Gut", sagte ich, "dein Wunsch ist mir Befehl. Und ich wollte, weiß der Himmel. ich fände einen Stoff, in den sich ein so großer Gott ausgiebig kleiden könnte." , Jetzt mahnte mich mein Diener und erinnerte mich an die vorgeschrittene Stunde: ich erhebe mich sofort, auch selber schon mit einem Rausch zum Bersten, grüße eilig Byrrena und mache mich mit schwankenden Schritten auf den Heimweg. Aber als wir die erste Gasse entlanggehen, löscht ein Windstoß die Laterne, auf die wir uns verließen, so daß wir uns nur mit Mühe durch die undurchdringlich dunkle Nacht tasteten und die Zehen an Steinen zerstießen, bis wir ganz erschöpft zum Quartier heimkehrten. Und wie wir schonArm inArm näherkommen, paß auf. da stürmen doch drei Kerle, kraftstrotzend und mit Mordsleibern, mit aller Wucht auf unsere Türe ein und lassen sich auch durch unser Auftauchen keinen Deut bangemachen, sondern springen eher noch öfter an, einer robuster als der andere, so daß es uns und besonders mich nicht ohne Grund dünkte, es seien Räuber und zwar von der wüstesten Sorte. Gleich nestele ich denn mein Schwert los, das unter meinem Gewand versteckt für solche Gelegenheiten mitgenommen war, zücke es, fahre ohne Zögern mitten unter die Räuber und stoße es einem nach dem anderen, wie ich gerade im Kampf auf sie getroffen bin, tief hinein, bis sie endlich von vielen weiten Wunden durchlöchert sind und gerade vor meinen Füßen ihren Geist aufgeben. Als nach diesem Gefecht Photis, die von dem Tumult wach geworden ist, jetzt das Haus geöffnet hat, schleiche ich keuchend und schweißtriefend hinein; auf der Stelle - denn der Kampf mit den drei Räubern hatte mir zugesetzt, als hätte idt den Geryones erschlagen - warf ich mich aufs Bett und war auch schon eingeschlafen.
LIBER III 1
Commodum punicantibus phaleris Aurora roseum quatiens lacertum caehim inequitabat, et me securae quieti revulsum nox diei reddidit. aestus invadit animum vespertini recordatione facinoris. complicitis denique pedibus ac palmulis in altemas digitorum vicissitudines super genua conexis sie grabattum cossim insidens ubertim flebam iam forum et iudicia, iam sententiam, ipsum denique carnificem imaginabundus. «An mihi quisquam tarn mitis tamque benivolus iudex obtinget, qui me trinae caedis cruore perlitum et tot civium sanguine delibutum innocentem pronuntiare poterit? hanc illam mihi gloriosam peregrinationem fore Chaldaeus Diophanes obstinate praedicabat?» haec identidem mecum replicans fortunas meas eiulabam. Quati fores interdum et frequenti clamore ianuae nostrae perstrepi.
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Nec mora, cum magna inruptione patefactis aedibus magistratibus eorumque ministris et turbae miscellaneae cuncta completa statimqu~ lictores duo de iussu magistratuum immissa manu trahere me sane non renitentem occipiunt. ac dum primum angiportum insistimus, statim civitas omnis in publicum effusa mira densitate nos insequitur. et quamquam capite in terram, immo ad ipsos inferos iam ddecto maestus incederem, obliquato tarnen aspectu rem admirationis maximae conspicio. nam inter tot milia populi circumfluentis nemo prorsum, qui non risu dirumperetur, aderat. Tandem pererratisplateis omnibus et in modum eorum, quibus IustraHbus piamentis minas portentorum hostiis
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DRITTES BUCH
Eben fuhr, im Purpurschein der Brustschilde ihres Gespanns, Aurora mit geschwungenem Rosenarm den Himmel hinan, als ich mich aus sorgloser Ruhe gerissen und von der Nacht wieder in den Tag versetzt sah. Heiß wird mir zumut, wie ich an die Tat von gestern abend denke. Mit angezogenen Füßen jetzt, die Hände Finger hin Finger her über den Knien gefaltet, so saß ich zusammengekauert auf der Pritsche und weinte Ströme; denn mir standen schon Markt und Gericht, schon ·das Urteil, schließlich gar der Henker vor Augen... Oder werde ich je einen so milden, so wohlwollenden Richter erwischen, daß er mich, an dem die Flecken eines dreifachen Mordes haften und so viel Bürgerblut klebt, für unschuldig erklären könnte? Das also ist die ruhmreiche Reise, die mir der Chaldäer Diaphanes beharr· lich verhieß?" Dies wiederholte ich mir immer von neuem und bejammerte mein Los. Man rüttelt unterdessen an der Haustür, und Johlen umdröhnt unser Tor. Nicht lange, so wälzt sich ein Strom ins geöffnete Haus, mit Beamten und ihren Dienern und einer bunt durcheinandergewürfelten Menge füllt sich alles. Und gleich legen zwei Büttel auf amtlichen Befehl Hand an mich und beginnen mich, freilich ohne Gegenwehr, fortzuzerren. Wie wir nun die erste Gasse betreten, flutet alsbald das ganze Publikum auf die Straße und läuft in hellen Haufen hinter uns drein. Und obschon ich den Kopf zur Erde, nein, schon direkt ins Grab senke und trübsinnig Fuß vor Fuß setze, fällt mir doch, wie ich nebenhinaus schiele, etwas höchst Sonderbares auf: im Gewoge all der Tausende ringsum gab es keinen einzigen, der nicht vor Lachen geplatzt wäre! So haben wir alle Gassen dur~kreuzt und bin ich wie ein Schlachtopfer, das man um den Markt leitet, um schreckliche
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Liber tertius
cireumforaneis expiant, cireumduetus angulatim forum eiusque tribunal adstituor. iamque sublimo suggestu magistratibus residentibus, iam praeeone publieo silentium clamante repente euneti eonsona voee flagitant, propter eoetus multitudinem, quae pressurae nimia densitate periclitaretur, iudicium tantum theatro redderetur. nee mora, eum passim populus proeurrens eaveae eonseptum mira eeleritate eonplevit. aditus etiam et teeturn omne fartim stipaverant plerique eolumnis implexi, alii statuis dependuli, nonnulli per fenestras et laeunaria semiconspicui, miro tarnen omnes studio visendi perieula salutis neglegebant. tune me per proseaenium medium velut quandam victimam publiea ministeria produeunt et orchestrae mediae sistunt.
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Sie rursum praeeonis amplo boatu citatus aceusator quidam senior exsurgit et ad dicendi spatium vaseulo quoidam in vicem eoli graciliter ß.stulato ae per hoe guttatim defluo infusa aqua populum sie adorat: «Neque parva res ae praecipue paeem civitatis eunetae respiciens et exemplo serio profutura traetatur, Quirites sanetissimi. quare magis eongruit sedulo singulos atque universos vos pro dignitate publiea providere, ne nefarius homicida tot eaedium lanienam, quam eruenter exereuit, inpune eommiserit.
Nee me putetis privatis simultatibus instinetum odio proprio saevire. sum namque noeturnae eustodiae praefeetus nee in hodiernum eredo quemquam pervigilem diligentiam meam eulpare posse. Rem denique ipsam et quae noete gesta sunt eum fide proferam. nam eum fere iam tertia vigilia serupulosa diligentia eunetae civitatis ostiatim singula eonsiderans
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Drittes Buch
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Vorzeichen mit Sühneriten zu bereinigen, in allen Winkeln herumgeschleppt worden; da stellt man mich endlich auf den Marktplatz und vor sein Tribunal. Schon lassen sich die Amtspersonen auf hoher Estrade nieder, schon gebietet der Staatsherold Ruhe, als plötzlich alle einhellig fordern, man solle wegen der vielen Leute und ihrer Gefährdung durch das zu dichte Gedränge eine so wichtige Gerichtsverhandlung ins Theater verlegen. hn Nu lief das Publikum allenthalben voraus und füllte schnell wie der Wind die Zuschauertribünen. Auch die Zugänge und das ganze Dach hatte man vollgestopft und -gepfropft, viele schlangen sich um Säulen, andere baumelten an Statuen, nicht wenige waren in Fenstern und Luken nur halb zu sehen, - aber vor lauter Gaffsucht fragte kein Mensch nach Lebensgefahr l Dann führen mich die Offizianten wie ein Opfertier mitten durch den Vorraum der Bühne und postieren mich im Zentrum der Orchestra. Jetzt läßt der Herold von neuem sein Gedröhn ertönen und ruft den Ankläger auf. Es erhebt sich ein älterer Mann. Man gießt zur Bemessung der Redezeit Wasser in ein Gefäß, das siebartig mit feinen Röhren versehen und so für Tropfen durchlässig ist, und er läßt sich so zu der Menge vernehmen: "Durchaus kein unbedeutender Fall, einer, der mehr als andere den Frieden der ganzen Einwohnerschaft angeht und durch ein ernstes Exempel Nutzen stiften kann, steht zur Verhandlung, meine verehrungswürdigsten Mitbürger. Daher ist es um so angemessener, daß ihr einzeln und insgesamt im Sinne eines renommierten Gemeinwesens hingebend Sorge tragt, der frevelhafte Totschläger möchte eine solche Mordmetzelei, wie er sie blutig verübte, nicht unbestraft begangen haben. Und meint nicht etwa, daß mich private Feindseligkeiten und persönlicher Haß in Rage bringen! Bin ich ja doch der Chef der Nachtwache und glaube, daß bis auf den heutigen Tag niemand meiner immerwachen Umsicht etwas vorwerfen kann. Nunmehr werde ich den Fall selbst und was sich in der Nacht ereignet hat, wahrheitsgemäß vortragen. Also etwa schon um die dritte Nachtwache kontrollierte ich mit gewissenhafter Peinlichkeit von Tür zu Tür alle Einzelheiten in der ganzen Stadt
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Liber tertius
circumirem, conspicio istum crudelissimum iuvenem mucrone destrieto passim caedibus operantem iamque tris numero saevitia eius interemptos ante pedes ipsius spirantibus adhuc corporibus in multo sanguine palpitantes. et ipse quidem conscientia tanti facinoris merito permotus statim profugit et in domum quandam praesidio tenebrarum elapsus perpetem noctem delituit. sed providentia deum, quae nihil impunitum nocentibus permittit, priusquam iste clandestinis itineribus elaberetur, mane praestolat,us ad gravissimum iudicii vestri sacramentum eum curavi perducere. habetis · itaque reum tot caedibus impiatum, reum coram deprensum, reum peregrinum. constanter itaque in hominem alienum ferte sententias de eo crimine, quod etiam in vestrum civem severiter vindiearetis ...
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Sie profatus accusator acerrimus immanem vocem repressit. ac me statim praeco, si quid ad ea respondere vellem, iubebat incipere. at ego nihil tune temporis amplius quam fiere poteram non tam hercules truculentam accusationem intuens quam meam miseram conscientiam. sed tarnen oborta divinitus audacia sie ad illa: «Nec ipse ignoro, quam sit arduum trinis civium corporibus expositis eum, qui caedis arguatur, quamvis vera dieat et de facto confiteatur ultro, tarnen tantae multitudini, quod sit innocens, persuadere. set si paulisper audientiam publica mihi tribuerit humanitas, facile vos edocebo me discrimen capitis non meo merito, sed rationabilis indignationis eventu fortuito tantam criminis invidiam frustra sustinere.
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s Nam cum a cena me serius aliquanto reciperem, potulentus alioquin, quod plane verum crimen meum non
Drittes Buch
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auf meiner Streife: da erblicke ich den blutrünstigen jungen Mann da, wie er mit gezückter Klinge rechts und links Mord~ arbeit tut und wie schon drei Mann hoch als Opfer seines Wütens vor eben seinen Füßen mit noch atmenden Leibern in einer Blutlache zucken. Er selbst, im Bewußtsein der gräßlichen Tat und in verständlicher Erregung, floh auf der Stelle und ent~ wischte im Schutz der Dunkelheit in ein Haus, wo er sich die ganze Nacht verkroch. Aber dank dem göttlichen Walten, das Schuldigen nichts ungestraft hingehen läßt, habe ich, bevor der da auf heimlichen Wegen entweichen konnte, ihm frühmorgens aufgelauert und ihn eurem strengen Ermessen, hohes Gericht, vorführen lassen. Der Angeklagte vor euch hat eine Serie von Morden auf dem Gewissen, der Angeklagte ist auf frischer Tat ertappt, der Angeklagte ist ein Fremder. Ohne Wanken also fällt euren Spruch gegen eine zugereiste Person für ein Ver~ brechen, das ihr auch an jedem eurer Mitbürger streng ahnden würdet!" Nach dieser grimmigen Erklärung machte der Ankläger seinen ungeschlachten Mund zu. Und gleich hieß mich der Herold be~ ginnen, falls ich etwas darauf erwidern wolle. Aber ich konnte dazumal nichts weiter als weinen, nicht so sehr, weiß Gott, im Hinblick auf die rüde Anklage als auf mein miserables Gewissen. Und doch überkam mich von oben verzweifelter Mut, - so meine Antwort: ,.Auch ich selber weiß sehr wohl, wie überaus schwierig es für den ist, der des Mordes bezichtigt wird, wenn drei Bürgerleichen ausgestellt sind, mag er noch so sehr die Wahrheit sagen und freiwillig ein Geständnis der Tat ablegen,- dennoch eine solche Versammlung zu überzeugen, daß er unschuldig ist. Aber wenn mir der Billigkeitssinn der Allgemeinheit nur ein wenig Gehör schenkt, werde ich euch leicht beweisen, daß ich nicht durch mein Verschulden vor dem Kriminalgericht stehe, sondern durch den zufälligen Ausgang verständlicher Entrüstung grundlos vor so einer- Diskriminierung! Als ich mich nämlich von einer Einladung ein bißchen spät auf den Heimweg machte- etwas angetrunken übrigens, was mein wahres Verbrechen ist und durchaus nicht in Abrede gestellt
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Liber tertius
diffitebor, ante ipsas fores hospitii - ad bonurn autern Milonern civern vestrurn devorto - video quosdarn saevissirnos Iatrones aditurn ternptantes et dornus ianuas cardinibus obtortis evellere gestientes claustrisque ornnibus, quae accuratissirne adfixa fuerant, violenter evulsis securn iarn de inhabitantiurn exitio deliberantes. unus denique et rnanu prornptior et corpore vastior bis adfatibus et ceteros incitabat: «Heus, pueri, quarn rnaribus anirnis et viribus alacribus dorrnientes adgrediarnur. ornnis cunctatio, ignavia ornnis facessat e. pectore. strieto rnucrone per totarn dornurn caedes arnbulet. qui sopitus iacebit, trucidetur; qui repugnare ternptaverit, feriatur. sie salvi recedernus, si salvurn in dorno nerninern reliquerirnus. » Fateor, Quirites, extrernos Iatrones - boni civis oHiciurn arbitratus, sirnul et exirnie rnetuens et hospitibus rneis et rnihi - gladiolo, qui rne propter huius rnodi pericula cornitabatur, annatus fugare atque proterrere eos adgressus surn. at illi barbari prorsus et irnrnanes hornines neque fugarn capessunt et, curn rne viderent in ferro, tarnen audaciter resistunt.
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Dirigitur proeliaris acies. ipse denique dux et signifer ceterorurn validis rne viribus adgressus ilico rnanibus arnbabus capillo adrepturn ac retro reflexurn effligere lapide gestit. quern durn sibi porrigi flagitat, certa rnanu percussurn feliciter prosterno. ac rnox aliurn pedibus rneis rnordieus inhaerentern per scapulas ietu ternperato tertiurnque inprovide occurrentern pectore offenso pererno. sie pace vindieata dornoque hospiturn ac salute cornrnuni protecta non tarn irnpunern rne, verurn etiarn laudabilern publice credebarn fore, qui ne tantillo quidern urnquarn crirnine postulatus, sed probe spectatus apud rneos sernper innocentiarn cornrnodis cunctis antetulerarn. nec possurn repperire, cur iustae ultionis, qua contra
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Drittes Buch
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werden soll -: da, gerade vor der Tür meines Quartiers - ich logiere doch bei dem trefflichen Milo, eurem Mitbürger - sehe ich, wie ein paar ganz verwegene Räuber einzubrechen versuchen und die Haustür durch Abdrehen der Angeln auszuhängen Miene machen; dabei werden alle Schlösser, die tadellos-montiert sind, gewaltsam ausgebrochen und bereits ein Massaker der Bewohner erörtert. Einer schließlich, handfester und riesenhafter als die anderen, spornte sie an und rief ihnen zu: ,Los, Burschen, mutig wie Männer und mit kräftigem Schwung über die Schläfer hergefallen! Alles Zaudern, alle Schlappheit raus aus der Brust! Mit blankem Dolch soll Mord durchs ganze Haus spazieren! Wer eingeratzt liegt, -kaltgemacht! Wer sich zur Wehr setzen will, -umgelegt! Nur dann kommen wir heil davon, wenn keine Seele im Hause heil hinterble'ibt!' Ich gestehe, verehrte Versammlung, diese Muster von Räubern - ich hielt es für guten Bürgers Pflicht und war zugleich in äußerster Angst für meine Gastgeber wie für mich-: mit einem kleinen Säbel bewaffnet, der mich wegen derlei Fährlichkeiten begleitete, - um sie zu verscheuchen und einzuschüchtern, bin ich sie angegangen. Aber sie, richtige Wilde und Unholde, ergreifen keineswegs die Flucht und leisten, wiewohl sie mich in Waffen sehen, gar noch kecken Widerstand. Es bildet sich eine Kampffront. Der Führer und Bandenhauptmann persönlich fällt mich jetzt mit mächtiger Wucht an, packt mich auf der Stelle mit beiden Händen beim Haar und macht Miene, mich hintüber zu beugen und mit einem Stein totzuschlagen. Während er schreit ,Her damit!', durchstoße ich ihn mit sicherer Hand, und er stürzt glücklich nieder. Dann wird ein anderer, der sich an meinen Beinen festgebissen hat, mit wohlgeziertem Stoß durch die Schulterblätter, der dritte bei ungedecktem Anlauf durch einen Treffer in die Brust abgetan. Als so die Ruhe hergestellt und für das Haus meiner Gastgeber wie für die öffentliche Sicherheit gesorgt war, glaubte ich nicht sowohl straffrei auszugehen als vollends von Staats wegen belobigt zu werden; war ich doch niemals auch nur im kleinsten belangt warden, sondern hatte, mit tadellosem Leumund daheim, Unbescholtenheit immer über allen Vorteil gestellt. Auch kann ich
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Libet tertiua
latrones deterrimos commotus sum, nunc istum reatum sustineam, cum nemo possit monstrare vel proprias inter nos inimicitias praecessisse ac ne omnino mihi notos illos latrones usquam fuisse. vel certe ulla praeda monstretur, cuius· cupidine tantum flagitium credatur admissum.,. 7
Haec profatus rursum lacrimis obortis porrectisque in preces manibus per publicam misericordiam, per pignorum caritatem maestus tune hos tune illos deprecabar. cumque iam humanitate commotos, misericordia fletuum adfectos omnis satis crederem, Solis et lustitiae testatus oculum casumque praesentem meum commendans deum providentiae paulo altius aspectu relato conspicio prorsus totum populum: risu cadlinnabili diffluebant, - nec secus illum bonum hospitem parentemque meum Milonem risu maximo dissolutum. at tune sie tacitus mecum: «En fides», inquam, «en conscientia. ego quidem pro hospitis salute et homicida sum et reus capitis inducor, at ille non contentus, quod mihi nec adsistendi solacium perhibuit, insuper exitium meum cadlinnat.»
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Inter haec quaedam mulier per medium theatrum lacrimosa et flebilis atra veste contecta parvulum quendam sinu tolerans decurrit ac pone eam anus alia pannis horridis obsita paribusque maesta fletibus, ramos oleagineos utraeque quatientes. quae circumfusae lectulum, quo peremptorum cadavera contecta fuerant, plangore sublato se lugubriter eiulantes «Per publicam misericordiam, per commune ius humanitatis», aiunt, «miseremini indigne caesorum iuvenum nostraeque viduitati ac solitudini de vindicta solacium date. certe parvuli huius in primis annis destituti fortunis succurrite et de latronis
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Drittes Buch
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nicht finden, warum ich mir wegen ordentlicher Notwehr, mit der ich gegen Räuber übelster Sorte eingeschritten bin, jetzt diese Anklage gefallen lassen muß; kann doch niemand nachweisen, es hätte etwa persönliche Feindschaft zwischen uns vorgelegen, oder auch nur, mir seien jene Räuber überhaupt irgendwie bekannt gewesen. Man weise doch mindestens die geringste Beute vor, deren Reiz die Verübung einer solchen Schandtat glaublich machen könnte!" Als ich dies vorgetragen hatte, brachen mir wieder die Tränen aus; ich streckte bittend die Hände hin und flehte bei der Barmherzigkeit des Gemeinwesens, bei ihrer Kinderliebe bald die einen, bald die anderen um Nachsicht an. Und wie ich schon alle hinreichend von der Stimme des Herzens bewegt und von Mitleid mit meinem Flennen gerührt meinte, rief ich das Auge der Sonne und der Gerechtigkeit zum Zeugen an und befahl meinen jetzigen Fall der göttlichen Vorsehung. Da hebe ich meine Augen wieder etwas höher und sehe, wie das ganze Publikum -: man barst vor schallendem Gelächter, - und wie ebenso der treffliche Milo, mein Wirt und Gönner, hellauf lacht und sich nicht halten kann. Da sprach ich im stillen zu mir: .. Da hast du Verlaß, da hast du Anständigkeit! Ich meinerseits bin für das Leben des Herrn Wirt ein Mörder und werde hochnotpeinlich vor Gericht gestellt, - aber ihm reicht es nicht, daß er mir nicht einmal tröstlichen Beistand gewährt hat, er wiehert noch obendrein über mein Ende!" Unterdessen rennt ein Weib mitten durch das Theater daher und weint und jammert, ganz in Schwarz und ein Kleines am Busen, und hinter ihr drein noch eine Alte in struppigen Lumpenflecken, gleichfalls flennend und verstört, beide mit geschwungenen Ölbaumzweigen. Sie werfen "sich um die Bahre nieder, auf der die Leichen der Getöteten zugedeckt lagen, erheben ein Zetermordio und heulen Weh und Ach über sich: .. Bei der öffentlichen Barmherzigkeit, beim allgemeinen Recht auf Menschlichkeit, habt Mitleid mit den schmählich erschlagenen Männem und richtet unsere Witwenschaft und Verlassenheit durch Ahndung auf I Wenigstens helft diesem armen, in frühsten Jahren verwaisten Kleinen und laßt das Blut dieses
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Liber tertius
huius sanguine Iegibos vestris et disciplinae publicae litate.» Post haec magistratus, qui natu maior, adsurgit et ad populum talia: «De scelere quidem, quod serio vindicandum est, nec ipse, qui commisit, potest diffiteri. sed una tantum subsiciva sollicitudo nobis relicta est, ut ceteros socios tanti facinoris requiramus. nec enim veri simile est hominem solitarium tres tarn validos evitasse iuvenes. prohinc tormentis veritas eruenda. nam et qui comitabatur eum puer clanculo profugit et res ad hoc deducta est, ut per quaestionem sceleris sui participes indicet, ut tarn dirae factionis funditos formido perematur...
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Nec mora, cum ritu Graeciensi ignis et rota, turn omne flagrorum genus inferuntur. augetur oppido, immo duplicatur mihi maestitia, quod integro saltim mori non licuerit. Sed anus illa, quae fletibus cuncta turbaverat, «Prius••, inquit, «optimi cives, quam latronem istum miserorum pignorum meorum peremptorem cruci affigatis, permittite corpora necatorum revelari, ut et formae simul et aetatis contemplatione magis magisque ad iustam indignationem arrecti pro modo facinoris saeviatis.•• His dictis adplauditur et ilico me magistratus ipsum iubet corpora, quae lectulo fuerant posita, mea manu detegere. reluctantem me ac diu rennuentem praecedens facinus instaurare nova ostensione lictores iussu magistratuum quam instantissime compellunt manum denique ipsam e regione lateris trudentes in exitium suum super ipsa cadavera porrigunt. evictus tandem necessitate succumbo et, ingratis licet, abrepto pallio retexi corpora: dii boni, quae facies rei, quod monstrum, quae fortunarum mearum repentina mutatio. quamquam enim
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Drittes Buch
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Wegelagerers fließen, um euren· Gesetzen und der öffentlichen Disziplin Geltung zu verschaffen!" Danach erhebt sich eine ältere Amtsperson, und zum Publikum gewandt: "Das eigentliche Verbrechen, das ernst zu ahnden ist, kann auch der Missetäter selbst nicht in Abrede stellen. Aber eine einzige weitere Sorge ist uns noch geblieben: daß wir die außerdem an dieser Gewalttat Beteiligten ausfindig machen.· Es ist ja durchaus unwahrscheinlich, daß ein Mensch allein drei so starken jungen Männem das Leben genommen haben sollte. Demgemäß ist der Tatbestand durch Foltergerät auszufinden. Denn der Bursche, der ihn begleitete, ist heimlich entwischt, und die Sache hat den Punkt erreicht, wo er in peinlichem Verhör die Spießgesellen seiner Tat anzugeben hat, damit die Angst vor diesem Bandenwesen ein für allemal ein Ende nimmt." Gesagt getan, wurden nach griechischer Manier Feuer und Rad, auch Peitschen aller Art angebracht. Es wächst wirklich, nein, es verdoppelt sich mein Trübsinn, weil mir die Chance genommen ist, wenigstens mit heilen Gliedern zu sterben. Aber jene Alte, die mit ihrem Gezeter alles durcheinandergebracht hatte, rief: "Werte Mitbürger! Bevor ihr den Banditen da, den Mörder meiner armen Kleinen, ans Kreuz schlagt, laßt die Leichen der Erschlagenen enthüllen! Der Anblick ihrer SChönheit und Jugend zugleich wird euch dann mehr und mehr zu gerechter Empörung steifen, daß ihr nach dem Maße der Schandtat Schreckensgericht haltet!" Man klatscht den Worten Beifall. Und mir nichts dir nichts heißt mich der Beamte die Leichen, die auf der Bahre lagen, eigenhändig aufdecken. Als ich mich sträube und lange weigere, die begangene Tat noch durch erneute Schaustellung aufzufrischen, tun mir die Büttel auf Amtsbefehl die zudringlichste Gewalt an, zerren mir schließlich die Hand von der Seite weg und recken sie- es wird ihr Tod sein- gerade über die Leichen. Endlich unterliege ich und kapituliere vor dem Unvermeidlichen, reiße also, ob ich will oder nicht, das Tuch weg und decke die Leichen auf, - guter Gott! Welcher Anblick! Was für ein Wunder! Welche plötzliche Wendung meiner Lage! Denn ob-
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Liber tcrtius
iam in peculio Proserpinae et Orci familia numeratus, subito in: contrariam faciem obstupefactus haesi, nec possum novae illius imaginis rationem idoneis verbis expedire. nam cadavera illa iugulatorum hominum erant tres utres inflati variisque secti foraminibus et, ut vespertinum proelium meum recordabar, his locis hiantes, quibus latrones illos vulneraveram.
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Tune ille quorundam astu paulisper cohibitus risus libere iam exarsit in plebem. hi gaudii nimietate graculari, illi dolorem ventris manuum compressione sedare. et certe laetitia delibuti meque respectantes cuncti theatro facessunt. At ego, ut primum illam laciniam prenderam, fixus in lapidem steti gelidus nihil secus q4am una de ceteris theatri statuis vel columnis. nec priutab inferis emersi, quam Milon hospes accessit et iniecta manu me renitentem lacrimisque rursum promicantibus crebra singultientem clementi violentia secum adtraxit et observatis viae solitudinibus per quosdam amfractus domum suam perduxit maestumque me atque etiam tune trepidum variis solatur affatibus. nec tarnen indignationem iniuriae, quae inhaeserat altius meo pectori, ullo modo permulcere quivit.
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Ecce ilico etiam ipsi magistratus cum suis insignibus domum nostram ingressi talibus me monitis delenire gestiunt: «Neque tuae dignitatis vel etiam prosapiae tuoruin ignari sumus, Luci domine. nam et provinciam totam inclitae vestrae familiae nobilitas conplectitur. ac ne istud, quod vehementer ingemescis, contumeliae causa perpessus es. omnem itaque de tuo pectore praesentem tristitudinem mitte et angorem animi depelle. nam lusus iste, quem publice gratissimo deo Risui per annua reverticula sollemniter celebramus, semper commenti novitate florescit. iste deus auctorem et actorem suum propitius
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schon bereits zu Proserpinas Ve'rmögen und zu Orkus' Personal gezählt, starre ich plötzlich benommen die Kehrseite an, - ich kann den Sinn des neuen Bildes nicht mit passenden Worten erklären! Denn jene Leichen der Erstochenen waren drei Schläuche! Aufgeblasen, von verschiedenen Schnitten durchlöchert und - soweit ich mich an mein Abendgefecht erinnerte - an den Stellen klaffend, an denen ich jene Räuber verwundet hattel · Nun brandete das Lachen, das einige Schelme bisher ein wenig gedämpft hatten, frei über das Publikum hin auf. Die einen krächzten vor lauter Spaß, die anderen hielten sich den Bauch vor Schmerzen. Und jedenfalls in Vergnügen gebadet ziehen alle, indem sie sich nach mir umschauen, aus dem Theater ab. Aber ich stand noch immer mit dem Zipfel in der Hand versteinert und erstarrt da, nicht anders als die Statuen oder Säulen sonst im Theater. Und ich fand mich erst ins Leben zurück, als mein Wirt Milo herantrat, seine Hand auf mich legte und mich- mochte ich auch widerstreben, von neueminTränen ausbrechen und schluchzen und schluchzen - mit sanfter Gewalt mit sich zog. Sorglich führte er mich durch einsame Straßen auf einigen Umwegen heim und begann mich - denn ich war niedergeschlagen und zitterte immer noch- durch allerlei Zuspruch zu trösten. Dod1 konnte er meine Empörung über das Unrecht, die mir tief in der Seele saß, auf keine Weise beschwichtigen. Sieh an, da kommen schnurstracks die Amtsherren höchstpersönlich mit ihren Insignien in unser Haus geschritten und setzen sich in Szene, um mich mit folgenden Vorstellungen zu beruhigen: "Weder dein Rang noch auch deine Familie sind uns unbekannt, Herr Lucius, reicht ja doch der Ruhm eures angesehenen Hauses über die ganze Provinz. Und was dir zugestoße;1 ist und dich so seufzen macht, hat keineswegs etwas Ehrenrühriges. Erleichtere also deine Brust von aller derzeitigen Betrübnis und befreie dein Herz von Kümmernis! Denn dieses Spiel. das wir von Staats wegen Seiner Gnaden dem Gott Heiterkeit alle Jahre aufs neue festlich begehen, treibt an Einfällen immer neue Blüten. Dieser Gott wird seinen Dichter und
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ubique comitabitur amanter nec umquam patietur, ut ex animo doleas, sed frontem tuam serena venustate laetabit adsidue. at tibi civitas omnis pro ista gratia honores egregios obtulit. nam et patronum scripsit et ut in aere staret imago tua decrevit.>>
Ad haec dieta sermonis vicem refero: « Tibi quidem», inquam, «splendidissima et uniea Thessaliae civitas, honorum talium parem gratiam memini, verum statuas et imagines dignioribus meique maioribus reservare suadeo.»
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Sie pudenter allocutus et paulisper hilaro vultu renidens quantumque poteram laetiorem me re.fingens comiter abeuntes magistratus appello. Et ecce quidam intro currens famulus <
Haec adhuc me loquente manu firmiter iniecta Milon iussis balnearibus adsequi producit ad lavacrum proximum. at ego vitans oculos omnium et, quem ipse fabricaveram, risum obviorum declinans lateri eius adambulabam obtectus. nec qui laverim, qui terserim, qui domum rursum reverterim, prae rubore memini; sie omnium oculis, nutibus ac denique manibus denotatus inpos animi stupebam.
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Darsteller überall mit Huld und Liebe begleiten und nie zulassen, daß dir das Herz wehtut, wird vielmehr ohne Unterlaß deine Stirn in froher Heiterkeit glänzen machen. Nun aber ist dir die ganze Stadt für deine Gefälligkeit mit besonderen Auszeichnungen erkenntlich gewesen: denn sie hat dich erstens zum Ehrenbürger ernannt und zweitens genehmigt, daß dein Bild in Erz zu stehen kommt." Auf·diese Eröffnung ergreife ich das Wort als Gegenredner und sage: .. Hochansehnliche und unvergleichliche Stadt Thessaliens, wohl weiß ich dir für solche Ehren angemessenen Dank, empfehle aber, Statuen und Bilder verdienteren und höheren Personen, als ich es bin, vorzubehalten." Nachdem ich so bescheiden zu ihnen geredet, ein Weilchen verbindlich gelächelt und wieder, soweit ich konnte, ein fröhlicheres Gesicht aufgesetzt habe, sage ich den Beamten bei ihrem Weggang höflich Aufwiedersehen. Da, schau her, kommt so ein Diener hergelaufen und sagt: .. Deine Tante Byrrena läßt dich bitten und erinnert dich daran, daß es für die Gesellschaft, für die du gestern abend zugesagt hattest, an der Zeit ist." Darauf versetzte ich - denn mir war angst, und es überlief mich beim bloßen Gedanken an ihr Haus-: .,Wie gern möchte ich, sags der lieben Tante, tun wie du befiehlst, wenn es, ohne anderen zu nahe zu treten, geschehen dürfte! Mein Wirt Milo hat mich nämlich bei dem heute allgegenwärtigen Gott beschworen und dahin gebracht, daß ich ihm für heute zum Essen zugesagt habe; er weicht mir nicht von der Seite und läßt auch mich nicht fortgehen. Also wollen wir das verabredete Diner aufschieben!" Während ich noch so rede, packt mich Milo fest mit der Hand, heißt jemand das Waschgerät nachbringen und führt mich zur nächsten Badeanstalt weg. Ich aber duckte mich im Gehen an seine Seite, mied aller Augen und wich dem Gelächter von Begegnenden aus, das ich selbst angerichtet hatte. Wie ich gebadet, wie ich mich abgetrocknet habe, wie ich ·wieder nach Hause gekommen bin, habe ich vor Scham vergessen: so war ich vor den Kopf geschlagen und benommen, weil alle mit Augen,
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Raptim denique paupertina Milonis cenula perfunctus causatusque capitis acrem dolorem, quem mihi lacri~ marum adsiduitas incusserat, concedo cubitum venia facile tributa. et abiectus in lectulo meo, quae gesta fuerant, singula maestus recordabar, quoad tandem Pho~ tis mea dominae suae cubitu procurato sui Ionge dissimi~ lis advenit. non enim laeta facie nec sermone dicaculo, sed vultuosam frontem rugis insurgentibus adseverabat. cunctanter ac timide denique sermone prolato «Ego», in~ quit, «ipsa, confiteor ultro, ego (origo) tibi huius moles~ tiae fui." et cum dicto lorum quempiam sinu suo de~ promit mihique porrigens «Cape», inquit, «Oro te, et ( de) perfida muliere vindictam, immo vero licet maius quodvis supplicium sume. nec tarnen me putes, oro, sponte angorem istum tibi concinnasse. dii mihi melius, quam ut mei causa vel tantillum scrupulum patiare. ac si quid adversi tuum caput respicit, id omne protinus meo luatur sanguine. sed quod alterius rei causa facere iussa sum, mala quadam mea sorte in tuam reccidit iniuriam.»
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Tuneego familiaris curiositatisadmonitus factique cau~ sam delitescentem nudari gestiens suscipio: «Omnium quidem nequissimus audacissimusque lorus iste, quem tibi verberandae destinasti, prius a me concisus atque laceratus interibit ipse quam tuam plumeam lacteamque contingat cutem. sed mihi cum .fide memora: quod tuum factum (fortunae) scaevitas consecuta in meum con~ vertit exitium7 adiuro enim tuum mihi carissimum caput nulli me prorsus ac ne tibi quidem ipsi adseveranti posse credere, quod tu quicquam in meam cogitaveris pemi~ eiern. porro meditatus innoxios casus incertus vel etiam adversus culpae non potest addicere.» cum isto fine ser~ .monis oculos Photidis meae udos ac tremulos et prona
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Winken und gar mit den Fihgern auf mich deuteten. Hastig absolviere ich dann Milos karges bißeben Essen, schütze heftige Kopfschmerzen vor, die ich vor lauter Tränen bekommen hatte, und erhalte ohne weiteres Urlaub, schlafenzugehen. So warf ich mich auf mein Bett und ließ mir das Geschehene im einzelnen trübsinnig wieder durch den Kopf gehen; bis endlich meine Photis, nachdem sie ihre Gnädige zur Nacht ferti~gemacht hatte, mit ganz verändertem Wesen daherkam: nicht mit fröhlichem Gesicht und munterem Geplauder, - vielmehr zeigte ihre finster gerunzelte Stirn einen ernsten Ausdruck. Zögernd und furchtsam stieß sie endlich hervor: "Ich selbst, ich bekenne es gern, ich war schuld an deinen Scherereien da!" Mit diesen Worten zieht sie einen Riemen aus ihrer Tasche, reicht ihn mir und sagt: "Nimm bitte und maßregele das treulose W-eib, nein martere es meinetwegen so schwer du willst! Aber denk bitte nicht, ich hätte dir mit Absicht diese Not angerichtet! Gott bewahre mich, daß du um meinetwillen auch nur ein Quentehen Unannehmlichkeit hast! Und wenn sich etwas Widriges über deinem Haupt zusammenzieht, das soll alles auf der Stelle mit meinem Blut gesühnt werden. Nein: was ich einer anderen Sache wegen zu tun hatte, das ist in meinem v:erhexten Pech an dir Armem hinausgegangen." Da meldet sich meine alte Neugier, ich will durchaus die Hintergründe des Geschehenen bloßgelegt sehen und versetze: "Dieser verdammte freche Riemen da, den du zu deiner Peitschung bestimmt hast, soll wahrhaftig eher von mir in ein Nichts zerstückt und zerfetzt werden, als daß er den Flaum deiner weißen Haut berührte I Aber berichte mir getreulich: was war das, was du zu tun hattest und was ein Mißgeschick nachher zu meinem Unglück wendete? Denn ich schwöre dir bei deinem Haupt, das ich über alles liebe: keinem einzigen, ja nicht einmal dir selbst, wenn du es versichertest, kann ich glauben, daß du irgend etwas zu meinem Verderben ausgedacht hättest! Und überhaupt kann, wenn man sich nichts Böses denkt und etwas aus Zufall nicht richtig oder gar schlimm ausgeht, von Schuld keine Rede sein." Bei diesen letzten Worten wollte ich die Augen meiner Photis - sie waren feucht und zitterig, schwie-
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libidine marcidos iamiamque semiadopertulos adnixis et sorbillantibus saviis sitienter hauriebam. H
Sie illa laetitia recreata «Patere», inquit, <>, inquit, «et formido solide domus huius operta detegere et arcana dominae meae revelare secreta. sed melius de te doctrinaque tua praesumo, qui praeter generosam natalium dignitatem, praeter sublime ingenium sacris pluribus initiatus profecto nosti sanctam silentii fidem. quaecumque itaque commisero huius religiosi pectoris tui penetralibus, semper haec intra conseptum clausa custodias, oro, et simplicitatem relationis meae tenacitate taciturnitatis tuae remunerare. nam me, quae sola mortalium novi, amor is, quo tibi teneor, indicare, compellit. iam scies omnem domus nostrae statum, iam scies erae meae miranda secreta, quibus obaudiunt manes, turbantur sidera, coguntur numina, serviunt elementa. nec umquam magis artis huius violentia nititur quam cum scitulae formulac iuvenem quempiam libenter aspexit, quod quidem ei solet crebriter evenire.
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Nunc etiam adulescentem quendam Boeotium summe decorum efflictim deperit totasque artis manus, machinas omnes ardenter exercet. audivi vesperi, meis his inquam auribus audivi, quod non celerius sol caelo ruisset noctique ad exercendas inlecebras magiae maturius cessisset, ipsi Soli nubilam caliginem et perpetuas tenebras comminantem.
Hunc iuvenem, cum e balneis rediret ipsa, tons-
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melig vor ungeduldigem Begehten und mehr und mehr halb zugezwinkert - mit drängenden, dürstenden Küssen schier aus~ schlürfen. Da wurde sie wieder fröhlicher und sagte: "Laß mich bitte erst die Zimmertür sorgfältig schließen, damit ich das Gespräch nicht leichtfertig unter die Leute kommen lasse und so etwas ganz Schlimmes anstelle!" Mit diesen Worten stieß sie die Rieg~l vor, steckte den Haken fest hinein, kehrte dann zu mir zurück, schlang beide Arme um meinen Hals und sprach leise mit gedämpfter Stimme: "Ich zittere und bebe ordentlich, das Dunkel dieses Hauses aufzudecken und die stillen Geheim~ nisse meiner Gnädigen zu enthüllen. Aber ich setze einiges von dir und deiner Bildung voraus; denn abgesehen von deiner erst~ rangigen Herkunft und deinen hohen Gaben bist du in mehrere Geheimkulte eingeweiht und kennst sicher die schuldige Schwei~ gepflicht. Was ich also dem Allerheiligsten deiner getreuen Brust hier anvertraue, das alles bewahre bitte immer unter Riegel und Verschluß und belohne die Aufrichtigkeit meines Berichts damit, daß du dich mucksmäuschenstill verhältst. Denn die Liebe, in der ich dir verfallen bin, treibt mich zu sagen, was ich allein auf der Welt weiß. Gleich wirst du die ganze Verfassung unseres Hauses kennen, gleich wirst du die erstaunlichen Geheimnisse meiner Gnädigen kennen, mit denen sie Tote folgen und Gestirne entgleisen läßt, Geister in Bann schlägt und Elemente gefügig macht. Und nie ist sie mehr auf diese allgewaltige Kunst versessen, als wenn sie auf einen netten und adretten jungen Mann ein begehrliches Auge ge~ werfen hat, was ihr freilich häufig zu passieren .pflegt. Auch jetzt ist sie in einen überaus stattlichen jungen Böoter über die Ohren verschossen und versucht es in brennender Hingabe mit den ganzen Handgriffen der Kunst und allen Kniffen. Heute abend habe ichs gehört, mit diesen meinen Ohren, sage ich, ge~ hört: weil die Sonne nicht schneller vom Himmel verschwand und der Nacht nicht eher wich, damit sie ihren Lockzauber in Gang bringen könnte, drohte sie Helios selbst mit Wolken~ dunkel und ewiger Finsternis! Diesen jungen Mann hat sie gestern zufällig bei ihrer Heimkehr
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trinae residentem hesterna die" forte conspexit ac me capillos eius, qui iam caede cultrorum desecti humi iacebant, clanculo praecipit auferre. quos me sedulo furtimque colligentem tonsor invenit et, quod alioquin publicitus malefi.cae disciplinae perinfames sumus, adreptam inclementer increpat: «Tune, ultima, non cessas subinde lectorum iuvenum capillamenta surripere? quod scelus nisi tandem desines, magistratibus te constanter obiciam... et verbum facto secutus immissa manu scrutatus e mediis papillis meis iam capillos absconditos iratus abripit. quo gesto graviter adfecta mecumque reputans dominae meae mores, quod huius modi repulsa satis acriter commoveri meque verberare saevissime consuevit, iam de fuga consilium tenebam, sed istud quidem tui contemplatione abieci statim.
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Verum cum tristis inde discederem, ne prorsus vacuis manibus redirem, conspicor quendam forficulis attondentem caprinos utres. quos cum probe constrictos inflatosque et iam pendentis cemerem, capillos eorum humi · iac.entes flavos ac per hoc illi Boeotio iuveni consimiles plusculos aufero eosque dominae meae dissimulata veritate trado.
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Sie noctis initio, priusquam cena te reciperes, Pamphile mea iam vecors animi teeturn scandulare conscendit, quod altrinsecus aediumpatoreperflabili nudatum ad omnes, orientales ceterosque, aspectus pervium maxime his artibus suis commodatum secreto colit. priusque • apparatu solito instruit feralem officinam, omne genus aromatis et ignorabiliter lamminis litteratis et infelicium navium durantibus damnis, defletorum, sepultorum etiam 5 cadaverum expositis multis admodum membris: hic nares et digiti, illic camosi clavi pendentium, alibi trucidato-
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vom Bad erblickt, wie er in einem Friseurladen saß. Ich bekomme den Auftrag, seine Haare, die schon im Klingengemetzel abgeschnitten am Boden lagen, heimlich auf die Seite zu bringen. Wie ich die emsig und verstohlen sammele, entdeckt mich der Friseur, und da wir ohnehin bei den Leuten im übelsten Geruch schlimmer Künste stehen, so reißt er mich unsanft hoch und schreit mich an: .. Hörst du verworfenes Weib nicht auf; immerfort ausersehenen jungen Männem Haarschnipsel zu stibitzen? Machst du mit diesem Unfug nicht endlich Schluß, so bringe ich dich auf der Stelle zur Polizei!" Dem Wort läßt er die Tat folgen, schiebt seine Hand ein, wühlt herum und reißt mir mitten zwischen den Brüsten wütend die Haare weg, die ich da versteckt hatte. Diese Geschichte setzte mir böse zu, und ich bedachte die Art meiner Gnädigen, die ja bei solchem Rückschlag gewöhnlich in ziemlich heftige Aufregung gerät und mich höllisch prügelt, - überlegte also schon, ob ich mich nicht aus dem Staube machen sollte, verwarf das aber im Gedanken an dich sofort. Aber wie ich bedrückt da weggehe und nicht mit ganz leeren Händen heimkommen will, erblicke ich jemand, der mit einer kleinen Schere Ziegenschläuche zurechtstutzt. Als ich diese ordentlich zugebunden und aufgeblasen bereits hängen sehe, hebe ich von ihren herumliegenden Haaren-sie warer. hell und so denen des jungen Böoters ganz ähnlich - eine hübsche Portion auf und liefere sie meiner Gnädigen ohne ein Wort über den wahren Sachverhalt ab. Also zu Beginn der Nacht, bevor du dich vom Essen zurückzogst, steigt meine Pamphile schon außer sich in einen schindelgedeckten Raum hinauf, der hintenhinaus gelegen offenem Durchzug ausgesetzt ist, nach allen Richtungen - nach Osten usw. freie Sicht hat und wo sie sich, weil der Ort für diese ihre Künste am besten geeignet ist, insgeheim aufhält. Zuerst nun richtet sie ihre Hexenküche mit ihrem Handapparat ein: Würzkräutern aller Art, kleinen Blechen voll unverständlicher Buchstaben, Wrackstücken gescheiterter Schiffe, nicht ohne daß Gliedmaßen von Leichen, die ihre Trauerfeier und gar ihr Begräbnis hinter sich haben, in ziemlicher Menge zur Schaustellung kommen: hier Nasen und Finger, da Nägel von Erhängten mit Fleisch-
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rum servatus cruor et extorta dentibus ferarum trunca calvaria. 18
Tune decantatis spirantibus fibris litat vario latiee, nunc rore fontano, nunc lacte vaccino, nunc melle montano, libat et mulsa. sie illos capillos in mutuos nexus obditos atque nodatos cum multis odoribus dat vivis carbonibus adolendos. tune protinus inexpugnabili magieae disciplinae potestate et caeca numinum coactorum violentia illa corpora, quorum fumabant stridentes capilli, spiritum mutuantur humanum et sentiunt et audiunt et ambulant et, qua nidor suarum ducebat exuviarum, veniunt et pro illo iuvene Boeotio aditum gestientes fores insiliunt, cum ecce crapula madens et inprovidae noctis decepfus caligine audacter mucrone destrieto in insani modum Aiacis armatus, non ut ille vivis pecoribus infestus tota laniavit armenta, sed longe fortius, qui tres inflatos caprinos utres exanimasti, ut ego te prostratis hostibus sine macula sanguinis non homicidam nunc, sed utricidam amplecterer.>>
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Adrisi lepido sermoni Photidis et in vicem cavillatus «Ergo igitur iam et ipse possum>>, inquam, <<mihi primam istam virtutis adoriam ad exemplum duodeni laboris Herculei numerare vel trigemino corpori Geryonis vel triplici formae Cerberi totidem peremptos utres coaequando. sed ut ex animo tibi volens omne delictum, quo me tantis angoribus inplicasti, remittam, praesta, quod summis votis expostulo, et dominam tuam, cum aliquid huius divinae disciplinae molitur, ostende, cum deos invocat, certe cum res ornat, ut videam. sum namque coram magiae noscendae ardentissimus cupitor. quamquam mihi nec ipsa tu videare rerum rudis vel expers. scio istud et plane sentio, cum semper alioquin spretorem m~tronalium amplexuum sie tuis istis mieantibus oculis et rubentibus bucculis et renidentibus crinibus et hianti-
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resten, dortwo konserviertes Mordblut und Schädeltrümmcr, die man wilden Bestien aus dem Maul gerissen hat. Dann singt sie über dampfendem Gekröse Sprüche ab und zelebriert mit verschiedenen Flüssigkeiten, jetzt mit Quellwasser, jetzt mit Kuhmilch, jetzt mit wildem Honig, opfert auch mit Met. Dann verknüpft und verknotet sie jene Haare miteinander und tut sie mit vielen Essenzen zum Räuchern in glühende Kohlen. Da nehmen im Nu durch unwiderstehliche Zaubermacht und unsichtbare Gewalt des Geisterbanns jene Körper, deren Haare zischten und rauchten, menschliches Leben an und fühlen und hören und wandeln und kommen, wohin immer sie der Qualm ihrer Hüllen zieht, und springen statt jenes jungen Böoters Durchlaß begehrend gegen die Tür. Jetzt, stell dir vor, betrunken und von undurchsichtiger Nachtfinsternis irregeführt, mit kühn gezückter Klinge und in Waffen wie der rasende Ajax, nicht wie jener als Angreifer gegen lebende Schafe und Metzger ganzer Herden, sondern weit heldenhafter - hast du drei aufgeblasene Ziegenschläuche entseelt! Sind so deine Feinde ohne Blutflecken zur Strecke gebracht, halte ich dich jetzt nicht als Meuchelmörder, sondern als Schläuchemörder in den Armen!" Ich lachte über Photis' Pikanterie und sagte, den Scherz erwidernd: "Somit kann ich dies also jetzt als erste Bewährungsprobe nach dem Muster der zwölf Herkulesarbeiten zählen, indem ich mit dem dreileibigen Geryones oder dem dreiköpfigen Cerberus ebenso viele Schläuche gleichsetze, die ich hingemacht habe! Aber damit ich dir mit Vergnügen jede Schuld vergebe, durch die du mich in solche Ängste verstrickt hast, so erfülle mir meinen Herzenswunsch: zeige mir deine Gnädige, wenn sie etwas von dieser magischen Kunst ins Werk setzt, wenn sie Geister anruft, wenigstens wenn sie ihre Sachen herrichtet, daß ich zuschaue. Denn mit eigenen Augen die Zauberei kennenzulernen, darauf bin ich ganz versessen. Freilich dünkt mich, daß auch du selber in den Dingen nicht ganz ohne Erfahrung und Übung bist. Das weiß und fühle ich deutlich; denn wenn sonst für mich ein Umgang mit anständigen Frauen nie in Frage kam, so bin ich dir mit deinen glänzenden Augen da und den roten
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bus osculis et fraglantibus papillis in servilem modum addietum atque mancipatum teneas volentem. iam deni. que nec larem requiro nec domuitionem paro et nocte ista nihil antepono.»
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«Quam vellem», [inquit) respondit illa, «praestare tibi, Luci, quod cupis, sed praeter invidos mores in solitudinem semper abstrusa et omnium praesentia viduata solet huius modi secreta perfi.cere. sed tuum postulatum praeponani. perieulo meo idque observatis opportunis temporibus sedulo perfi.ciam, modo, ut initio praefata sum, rei tantae fi.dem silentiumque tribue.»
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Sie nobis garrientibus Iibido mutua et animos simul et ·membra suscitat. omnibus abiectis amieulis hactenus denique intecti ·atque nudati bacchamur in Venerem; cum quidem mihi iam fatigato de propria liberalitate Photis puerile obtulit corollarium. iamque luminibus nostris vigilia marcidis infusus sopor etiam in altum diem nos attinuit. 21
Ad hunc modum transactis voluptarie paucis noctibus quadam die percita Photis ac satis trepida me accurrit indieatque dominam suam, quod nihil etiam tune in suos amores ceteris artibus promoveret, nocte proxima in avem sese plumaturam atque ad suum cupitum sie devolaturam; proin memet ad rei tantae speculam caute praepararem. iamque circa primam noctis vigiliam ad illud superius cubiculum suspenso et insono vestigio me perducit ipsa perque rimam ostiorum quampiam iubet arbitrari, quae sie gesta sunt: iam primum omnibus laciniis se devestit Pamphile et arcula quadam reclusa pyxides plusculas inde depromit, de quis unius operculo remoto atque indidem egesta unguedine diuque palmulis suis adfricta ab imis unguibus sese totam adusque summos capillos perlinit multumque cum lucerna secreto conlocuta membra tremulo succussu quatit. quis leniter
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Bäckchen und schimmernden Haaren und lechzenden Lippen und duftenden Brüsten wie ein Sklave widersprumslos mit Leib und Seele zu eigen. Jetzt will im ja überhaupt nimt mehr nam Hause und treffe keine Anstalten für die Heimreise, und nimts geht mir über eine Namt bei dir." .. Wie gern, Lucius", antwortete sie, "mömte im dir leisten, was du wünsmst. Aber abgesehen von ihrer mißtrauismen Art pflegt sie derlei geheime Dinge stets nur in abgeschiedener Einsamkeit und ohne jeden Zeugen zu erledigen. Dom will ich deinen dringenden Wunsm über meine Gefahr stellen und eifrig erfüllen, sobald sich mir eine günstige Gelegenheit bietet. Nur, wie ich gleich anfangs gesagt habe, behandle so eine Same mit Diskretion und Verschwiegenheit!" Wie wir so plaudern, regt uns das Verlangen nach einander Sinne und Glieder zugleich auf. Wir werfen alle Kleider ab und feiern also ganz splitternackt ein Venus-Bacchanal. Als ich schon abgespannt war, spendierte mir Photis aus eigener Freigebigkeit eine Zugabe nach Knabenart. Und nun senkte sich über unsere übernächtigen Augen der Schlaf und hielt uns bis tief in den Tag hinein fest. Als wir uns nam diesem Muster einige Nächte hindurm amüsiert hatten, kommt eines Tages Photis aufgeregt und ziemlim unruhig zu mir gelaufen und eröffnet mir, ihre Gnädige wolle sich - denn sie bringe für ihren Schwarm mit ihren übrigen Künsten immer nom nichts zuwege - in der nächsten Nacht als Vogel befiedern und so zu ihrem Angebeteten davonfliegen; also solle ich mich behutsam einrichten, bei einer so besonderen S:lme auf der Lauer zu liegen. Und schon um die Zeit der ersten Nachtwache führt sie mim auf lautlosen Zehenspitzen persönlim zu jenem Obergemach und heißt mim durch einen Türspalt folgenden Vorgang beobachten: Erst einmal entledigt sich Pamphile aller Gewänder, dann schließt sie ein Kästchen auf und entnimmt ihm mehrere Büchsen; sie hebt den Deckel von einer, holt da eine Salbe hervor, reibt sie lange zwischen ihren Händen und bestreimt sich damit ganz und gar vom Kopf bis zur Zehe; dann, nam mancher geheimen Zwiesprache mit ihrer
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fluctuantibus promieant molles plumulae, crescunt et fortes pinnulae, duratur nasus incurvus, coguntur ungues adunci. fit bubo Pamphile. sie edito stridore querulo iam sui periclitabunda paulatim terra resultat, mox in altum sublimata forinsecus totis alis evolat.
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Et illa quidem magicis suis arfibus volens reformatur, at ego nullo decantatus carmine, praesentis tantum facti stupore defixus quidvis aliud magis videbar esse quam Lucius; sie exttrminatus animi, attonitus in amentiam vigilans somniabar. defrietis adeo diu pupulis, an vigilarem, scire quaerebam. tandem denique reversus ad sensum praesentium adrepta manu Photidis et admota meis luminibus «Patere, oro te», inquam, «dum dietat occasio, magno et singulari me adfectionis tuae fructu perfrui et impertire nobis. unctulum indi~em, per istas tuas pupillas, mea mellitula, tuumque mancipium inremunerabili beneficio sie tibi perpetuo pignera ac iam perfice, ut meae Veneri Cupido pinnatus adsistam tibi.»
«Ain?», inquit; «vulpinaris, amasio, meque sponte asceam cruribus meis inlidere compellis? sie inermem vix a lupulis conservo Thessalis. hunc alitem factum ubi quaeram, videbo quando?»
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«At mihi scelus istud depellant caelites», inquam, «Ut ego, quamvis ipsius aquilae sublimis volatibus toto caelo pervius et supremi Iovis certus nuntius vel laetus armiger, tamen non ad meum nidulum post illam pinnarum dignitatem subinde devolem. adiuro per dulcem istum capilli tui nodulum, quo meum vinxisti spiritum, me nullam aliam meae Photidi malle. tune etiam istud meis cogitationibus occurrit, cum semel avem talem perunctus induero, domus omnis procul me vitare debere.
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Lampe, rüttelt und schüttelt sie ihre Glieder hin und her. Wie sie gelinde wogen, schimmert weicher Flaum hervor, schon wachsen starke Federn, steift und biegt sich die Nase, ziehen sich krumme Krallen zusammen. Zum Uhu wird Farnphilet Nun stößt sie einen kreischenden Klagelaut aus, hüpft jetzt versuchshalber ein wenig vom Boden auf, erhebt sich dann in die Höhe und fliegt mit ausgebreiteten Flü'geln ins Freie hinaus. Sie, ja, sie verwandelt sich bewußt mit ihren Hexenkünsten! Aber ich war ohne bannenden Zauberspruch vom bloßen Staunen über das Ieibhaft Geschehene angewurzelt und deuchte mir nichts weniger zu sein als Lucius! Denn ich wußte nicht mehr, wil~ mir geschah, war vor den Kopf geschlagen wie ein Verrückter und kam mir mit offenen Augen wie im Traum vor. Eine ganze Weile rieb ich meine Lider, weil ich wissen wollte, ob ich wach sei. Als ich dann endlich an den Dingen um mich wieder teilnahm, ergriff ich Photis' Hand, führte sie an meine Augen und sagte: "Laß mich, ich bitte dich, solange die Gelegenheit Ja sagt, die große und einzigartige Frucht deiner Zuneigung genießen: verschaffe mir ein wenig von der Salbe daheraus - bei diesen Augen, die dein sind, mein Schätzchen und verpflichte dir so deinen Sklaven durch eine unabgeltbare Wohltat für alle Zeit! Bewerkstellige jetzt, daß ich als Cupido vor dich, meine Venus, mit Flügeln hintrete!" "Das fehlte noch", antwortete sie, "ein Schlaufuchs bist du, Schürzenjäger! Mutest mir zu, mir selber die Axt in die Beihe zu schlagen? Wer so wehrlos ist, den schütze ich kaum vor den thessalischen Vamps; wird er zum Vogel, -wo ihn suchen, wann ihn wiedersehen?" "Nein, Gott soll mich vor so einem Verbrechen bewahren", sagte ich, "daß ich- und durchdränge ich selbst in Adlersflügen droben den ganzen Himmel und wäre des hohen Jupiter Leibbote oder frohgemuter Waffenträger-nicht dennoch nach jener Schwingenherrlichkeit alsbald in mein warmes Nest herunterflöge! Ich schwöre dir bei deinem süßen Haarknötlein da, mit dem du meine Lebensgeister eingewickelt hast, daß ich keine andere möchte als meine Photist Dann fällt mir auch das noch ein: bin ich erst einmal eingeschmiert und im Vogelkleid, muß
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quam pulchro enim quamque festivo matronae perfruentur amatore bubone. quid quod istas nocturnas aves. cum penetraverint larem quempiani, sollicite prehensas foribus videmus adfigi, ut, quod infaustis volatibus familiae minantur exitium, suis luant cruciatibus? sed, quod sciscitari paene praeterivi, quo dicto factove rursum exutis pinnulis illis ad meum redibo Lucium?» «Bono animo es, quod ad huius rei curam pertinet», ait; «nam mihi domina singula monstravit, quae possunt rursus in facies hominum tales figuras reformare. nec istud factum putes ulla benivolentia, sed ut ei redeunti medela salubri possem subsistere. specta denique, quam parvis quamque futtilibus tanta res procuretur herbulis: anethi modieuro cum lauri foliis immissum rore fontano datur lavacrum et poculum.,.
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Haec identidem adseverans summa cum trepidatione inrepit cubiculum et pyxidem depromit arcula. quam ego amplexus ac deosculatus prius utque mihi prosperis faveret volatibus deprecatus abiectis propere laciniis totis avide manus immersi et haurito plusculo uncto corporis mei membra perfricui. iamque alternis conatibus libratis bracchiis in avem similem gestiebam. nec ullae plumulae nec usquam pinnulae, sed plane pili mei crassantur in setas et 'cutis tenella duratur in corium et in extimis palmulis perdito numero toti digiti coguntur in singulas ungulas et de spinae meae termino grandis cauda procedit. iam facies enormis et os prolixum et nares hiantes et labiae pendulae. sie et aures immodicis horripilant auctibus. nec ullum miserae reformationis video solacium, nisi quod mihi iam nequeunti tenere Photidem natura crescebat.
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ich alle Häuser von weitem meiden! Denn ein schöner und ein netter Liebhaber wäre das ja, wenn die Damen an einem Uhu Geschmackfinden wollten! Weiter sehen wir doch, daß mandiese Nachtvögel. sobald sie in irgendein Heim eindringen, aufgeregt fängt und an die Türen nagelt; denn ihr Unglücksflug droht der Familie den Tod, und dafür sollen sie mit eigenen Martern büßen. Aber, das zu fragen hätte ich beinahe vergessen: was muß ich sagen oder tun, um dieses Federzeug wieder loszu~ werden und in meine Gestalt als Lucius zurückzutreten?" .. Sei guten Muts, was die Sorge deswegen anlangt", sagte sie; ,.denn meine Gnädige hat mir alles und jedes gezeigt, was solche Gebilde wieder in Menschengestalt zurückverwandeln kann. Du mußt übrigens nicht denken, sie habe das irgend aus Gefälligkeit getan, sondern damit ich ihr, wenn sie zurück will, mit wirksamen Mitteln b.eistehen kann. Schau doch, wie wenige und läppische Kräutlein so eine Sache in Ordnung bringen: ein Schuß Dill mit Lorbeerblättern in Quellwasser wird zum Baden und Trinken gereid1t." Das versichert sie mir immer wieder, schleicht dann voller Auf~ regung in das Zimmer und nimmt eine Büchse aus dem Käst~ chen. Die schloß ich erst in die Hände, küßte sie ab und betete, sie möchte mir glückliche Flüge schenken. Dann warf ich schnell alle Kleider von mir, faßte gierig hinein, nahm eine tüchtige Portion Salbe und rieb mich damit ein. Und jetzt balancierte ich meine Arme auf und ab und probte auf einen entsprechen~ den Vogel. - und kein bißeben Flaum, keine einzige Feder I Aber deutlich wachsen meine Haare zu dicken Borsten, und die feine Haut wird eine Schwarte, und an den Extremitäten ziehen sich Finger und Zehen in summarischer Vereinfachung jeweils zu Hufen zusammen, und unten an meinem Rückgrat tritt ein mächtiger Schwanz heraus. Und· jetzt das Gesicht riesenhaft und der Mund wie ein Scheunentor und die Nasenlöcher sperr~ angelweit und die Lippen ein Wulst; ebenso auch die Ohren wachsen ins Ungemessene mit gesträubten Haaren. Und kein bißeben Ermunterndes kann ich bei der kläglichen Verwand~ lung bemerken als daß, während ich Photis nicht mehr zu halten vermochte, mein Gemächt ins Wachsen kam. Und wie ich in
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Ac dum salutis inopia cuncta corporis mei considerans non avem me, sed asinum video, querens de facto Photidis, sed iam humano gestu simul et voce privatus, quod solum poteram, postrema deiecta Iabia, umidis tarnen oculis oblicum respiciens ad illam tacitus expostulabam. Quae ubi primum me talem aspexit, percussit fadem suam manibus infestis et «Occisa sum misera>>, clamavit; «me trepidatio simul et festinatio fefellit et pyxidum similitudo decepit. sed bene, quod facilior reformationis huius medela suppeditat. nam rosis tantum demorsicatis exibis asinum statimque in meum Lucium postliminio redibis. atque utinam vesperi de more nobis parassem corollas aliquas, ne moram talem patereris vel noctis unius. sed primo diluculo remedium festinabitur tibi.>>
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Sie illa maerebat. ego vero, quamquam perfectus asinus et pro Lucio iumentum, sensum tarnen retinebam humanum. diu denique ac multum mecum ipse deliberavi, an nequissimam facinorosissimamque illam feminam spissis calcibus feriens et mordicus adpetens necare deberem. sed ab incepto temerario melior me sententia revocavit, ne morte multata Photide salutares mihi suppetias rursus extinguerem. deiecto itaque et quassanti capite ac demussata temporali contumelia durissimo casui meo serviens ad equum illum vectorem meum probissimum in stabulum concedo, ubi alium etiam Milonis quondam hospitis mei asinum stabulantem inveni. atque ego rebar, si quod inesset mutis animalibus tacitum ac naturale sacramentum, agnitione ac miseratione quadam inductum equum illum meum hospitium ac loca lautia mihi praebiturum. sed pro luppiter hospitalis et Fidei secreta numina: praeclarus ille vector meus cum asino capita conferunt in meamque perniciem ilico consentiunt et
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meiner verzweifelten Situation· alle Teile meines Körpers überblicke, so sehe ich mich nicht als Vogel, sondern als- Esel! Ich wollte schimpfen, was Photis angestellt hatte, aber schon waren mir menschliche Gebärde und Stimme zugleich genommen; das einzige, was ich konnte, war, sie mit hängender Unterlippe immerhin aus feuchten Augen von der Seite anzusehen und so bei ihr eine Beschwerde ohne Worte vorzubringen. Als sie· mich kaum in diesem Zustand erblickte, zerschlug sie mit wilden Händen ihr Gesicht und schrie: "Ich Ärmste, mit mir ists aus! In der Aufregung und Eile zugleich habe ich mich geirrt und die ähnlichen Büchsen verwechselt! Aber ein Glück, daß sich ganz leicht ein Mittel gegen diese Verwandlung greifen läßt: du mußt nur an Rosen knabbern, um aus der Eselshaut zu steigen und sofort wieder in die Rolle meines Lucius zurückzuschlüpfenl Hätte ich uns doch heute abend wie gewohnt ein paar hübsche Kränze beschafft, daß du dich nicht so lange gedulden müßtest, auch nur eine Nacht! Aber beim ersten Morgengrauen wird dir das Mittel schleunigst besorgt!" So jammerte sie. Ich aber, obwohl statt Lucius ein kompletter Packesel, behielt doch menschlichen Verstand. Am Ende ging ich lange und gründlich mit mir zu Rate, ob ich das ganz nichtsnutzige und vermaledeite Frauenzimmer mit lauter Huftritten erschlagen und totbeißen sollte. Aber von dem übereilten Beginnen kam ich in der besseren Einsicht wieder ab, ich würde mir mit Photis' Hinrichtung eine wirksame Abhilfe wieder zunichte machen. Ich lasse also den Kopf hängen und schlenkern, verbeiße die zeitweilige Schmach, füge mich in mein hartes Ungemach und begebe mich zu meinem Pferd, meinem wackeren Reittier, in den Stall. Hier fand ich noch einen anderen Esel, den meines verflossenen Gastherrn Milo, an der Krippe vor. Und ich vermeinte, wenn stummen Tieren ein stilles und natürliches Gefühl für Solidarität innewohne, so würde mir mein Pferd aus einer ArtErkennen und Erbarmen ein gastliches Luxuslogis gewähren. Aber ade, heiliges Gastrecht und heimlicher Kameradschaftsgeist! Mein treffliches Reittier und der Esel stecken die Köpfe zusammen und kommen sofort überein, mir
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Liber tertius
verentes scilicet cibariis suis vix me praesepio videre proximantem, deiectis auribus iam furentes infestis calcibus insecuntur. et abigor quam procul ab hordeo, quod adposueram vesperi meis manibus illi gratissimo famulo.
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Sie adfectus atque in solitudinem relegatus angulo stabuli concesseram. dumque de insolentia collegarum meorum mecum cogito atque in alterum diem ·auxilio rosario Ludus denuo futurus equi perfidi vindictam meditor, respicio pilae mediae, quae stabuli trabes sustinebat, in ipso fere meditullio Eponae deae simulacrum residens aediculae, quod accurate corollis roseis equidem recentibus fuerat ornatum. denique agnito salutari praesidio pronus spei, quantum extensis prioribus pedibus adniti poteram, insurgo valide et cervice prolixa nimiumque porrectis labiis, quanto maxime nisu poteram, corollas adpetebam. quod me pessima scilicet sorte conantem servulus meus, cui semper equi cura mandata fuerat, repente conspiciens indignatus exsurgit et «Quo usque tandem,., inquit, «cantherium patiemur istum paulo ante cibariis iumentorum, nunc etiam simulacris deorum infestum? quin iam ego istum sacrilegum debilem claudumque reddam7» et statim telum aliquod quaeritans temere fascem lignorum positum offendit rimatusque frondosum fustem cunctis vastiorem non prius miserum me tundere desiit quam sonitu vehementi et largo strepitu percussis ianuis, trepido etiam rumore viciniae conclamatis latronibus profugit territus.
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Nec mora, cum vi patefactis aedibus globus latronum invadit omnia. et singula domus membra cingit armata factio et auxiliis hinc inde convolantibus obsistit discur- . sus hostilis. cuncti gladiis et facibus instructi noctem illuminant, coruscat in modum ortivi solis ignis et mucro.
Drittes Buch
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den Garaus zu machen. Natütlich fürchten sie für ihr Futter, sehen mich also kaum der Krippe nahen, als sie mit zurückgelegten Ohren und gereckten Hufen wie verrückt auf mkh losfahren. Dabei werde ich so weit wie möglich von der Gerste weggedrängt, die ich am Abend mit meinen eigenen Händen diesem Muster eines dankbaren Untergebenen vorgeschüttet hatte. So behandelt und isoliert, war ich gegen einen Winkel des Stalles gewichen. Und während ich über die Unverschämtheit meiner Kollegen nachdenke und für den anderen Tag, wenn ich mit Hilfe der Rosen wieder 'Lucius sein würde, auf Rache an dem treulosen Pferd sinne, sehe ich an dem Mittelpfeiler, der die Balken des Stalles stützte, gerade mittendrin ein Bildnis d.er Göttin Epona in einem Kapeilehen sitzen, das liebevoll mit wahrhaftig frischen Rosenkränzen geschmückt ist. Endlich erkenne ich Hilfe in der Not! In jäher Hoffnung steige ich, soweit ich mich mit ausgestreckten Vorderbeinen hochstemmen konnte, kräftig auf und suche mit vorgerecktem Hals und ganz gespitzten Lippen, so angestrengt ich irgend konnte, die Kränzlein zu erreichen. Aber dieses Vorhaben ging vollkommen schief: denn mein Knecht, der sich regelmäßig um das Pferd zu kümmern hatte, erspäht mich plötzlich, steht entrüstet auf und ruft: .. Wie lange noch sollen-wir denn den Klepper da dulden, der es vorhin erst auf das Futter der Lasttiere absah und jetzt sogar auf die Götterbilder? Soll ich diesen Tempelschänder nicht krumm und lahm schlagen?" Dann sah er sich gleich nach einem Prügel um, stieß von ungefähr auf ein herumliegendes Holzbündel. klaubte einen ästigen Knüppel heraus, der wuchtiger war als alle anderen, und stand nicht eher ab, auf mich armen Kerl loszudreschen, bis - stürmisches Getöse und gewaltiger Lärm an die Türen dröhnte, die Nachbarschaft dazu in wildem Durcheinander .. Räuber!" schrie und er erschrocken davonlief. Im Nu wird das Haus aufgebrochen, und eine Rotte von Räubern fällt über alles her. In Waffen umzingelt die Bande Zug um Zug das ganze Gebäude, und da man von hier und dort zu Hilfe eilt, schwärmt der Feind dagegen auseinander. Sämtlich mit Schwertern und Fackeln ausgerüstet, erhellen sie die Nacht;
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Liber tertius
tune horreum quoddam satis validis claustris obseptum obseratumque, quod mediis aedibus constitutum gazis Milonis fuerat refertum, securibus validis adgressi diffindunt. quo passim recluso totas opes vehunt raptimque constrictis sarcinis singuli partiuntur. sed gestaminum modus numerum gerulorum excedit. tune opulentiae nimiae nimio ad extremas incitas deducti nos duos asinos et equum meum productos e stabulo, quantum potest, gravioribus sarcinis onerant et domo iam vacua minantes baculis exigunt unoque de sociis ad speculandum, qui de facinoris inquisitione nuntiaret, relicto nos crebra tundentes per avia montium ducunt concitos.
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lamque rerum tantarum pondere et montis ardui vertice et prolixo satis itinere nihil a mortuo differebam. sed mihi sero quidem, serio tarnen subvenit ad auxilium civile decurrere et interposito venerabili principis nomine tot aerumnis me liberare. cum denique iam luce clarissima vicum quempiam frequentem et nundinis celebrem praeteriremus, inter ipsas turbelas Graecorum genuino sermone nomen augustum Caesaris invocare temptavi. et «0» quidem tantum disertum ac validum clamitavi, reliquum autem Caesaris nomen enuntiare non potui. aspernati latrones clamorem absonum meum caedentes hinc inde miserum corium nec cribris iam idoneum relinquunt. sed tandem mihi inopinatam salutem luppiter ille tribuit. nam cum multas villulas et casas amplas praeterimus, hortulum quendam prospexi satis amoenum, in quo praeter ceteras gratas herbulas rosae virgines matutino rore florebant. his inhians et spe salutis alacer ac laetus propius accessi, dumque iam labiis undantibus
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Drittes Buch
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wie Sonnenaufgang schimmeni Feuer und Klinge. Dann wird ein Magazin, das sich, mit hinreichend starken Schlössern verrammelt und verriegelt, mitten im Hause befand und mit Milos Schätzen vollgestopft war, mit starken Beilen angefallen, daß es splittert. Als es überall klafft, schleppen sie die gesamten Wertstücke davon und verteilen sie in hastig zusammengebundenen Packen untereinander. Aber das Ausmaß der Lasten übersteigt die Trägerzahl, und der über-übergroße Reichtum bringt sie in arge Verlegenheit. Da führen sie uns zwei Esel und mein Pferd aus dem Stall, laden uns möglichst immer noch schwerere Packen auf und treiben uns mit drohend geschwungenen Knüppeln aus dem nunmehr leeren Hause fort. Einen ihrer Kumpane lassen sie als Beobachter zurück, damit er über die Erhebungen zu dem Anschlag Meldung bringen soll, und führen uns unter ständigen Schlägen in großer Eile durch unwegsames Gebirge fort. Schon war ich jetzt, weil das viele Zeug drückte und der Berg immer steiler wurde und der Weg kein Ende nahm, in nichts mehr von einer Leiche zu unterscheiden. Aber mir kam - jetzt erst, doch im Ernst - der Gedanke, mich unter Staatsschutz zu stellen, den verehrungswürdigen Namen des Herrschers ins Mittel zu legen und mich so von all der Drangsal zu befreien. Als wir, schon am hellichten Tag, einen Flecken mit Verkehr und Marktbetrieb passierten, versuchte ich mittendrin unter dem Gewühl in der einheimischen griechischen Sprache die kaiserliche Majestät anzurufen. Nun, ,l-ah!', - das schrie ich wohl klar und laut, aber das ganze Wort ,Majestät' konnte ich nicht herausbringen! Den Räubern ist mein mißtönendes Geschrei zuwider, sie schlagen von allen Seiten auf mich ein, so daß mein armes Leder nicht einmal zu einem Sieb mehr brauchbar bleibt. Aber endlich ließ mir der Himmel droben unverhofftes Glück widerfahren. Denn wie wir an vielen Gehöften und Herrschaftshäusern vorüberzogen, sah ich von ferne ein recht anmutiges Gärtchen, in dem außer allerlei schönen grünen Pflanzen jungfräuliche Rosen im Morgentau blühten. Lechzend nach ihnen und von Glückshoffnung froh erregt, trat ich näher heran. Wie ich jetzt schon mit schnobernden Lippen danach fasse,
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Liber tertius
adfecto, consilium me subit Ionge salubrius, ne, si rursum asino remoto prodirem in Lucium, evidens exitium inter manus latronum offenderem vel artis magicae suspectione vel indicii futuri criminatione. tune igitur a rosis et quidem necessario temperavi et casum praesentem tolerans in asini faciem faena rodebam.
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kommt mir eine viel bessere Erleuchtung: ich würde ja, wenn ich die Eselshaut ablegte und wieder als Lucius dastünde, zweifelsfrei unter den Händen der Räuber mein Ende finden, sei es wegen Verdacht auf Zauberei, sei es unter dem Vorwurf einer Anzeigeabsichtl Da verzichtete ich also auf die Rosen, wahrlich notgedrungen, ergab mich in mein jetziges Schicksal und kaute schon wie ein richtiger Esel - Heu I
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Diem fenne circa medium, cum iam flagrantia solis caleretur, in pago quodam apud notos ac familiares latronibus senes devertimus. sie enim primus aditus et senno prolixus et oscula mutua quamvis asino sentire praestabant. nam et rebus eos quibusdam dorso meo depromptis munerabantur et secretis gannitibus, quod essent latrocinio partae, videbantur indicare. iamque nos omni sarcina levatos in pratum proximum passim Iibero pastui tradidere. nec me cum asino vel equo meo conpascuus coetus attinere potuit adhuc insolitum alioquin prandere faenum, sed plane pone stabulum prospectum hortulum iam fame perditus fidenter invado et quamvis crudis holeribus, adfatim tarnen ventrem sagino. deosque comprecatus omnes cuncta prospectabam loca, sicubi forte contenninis in hortulis candens repperirem rosarium. nam et ipsa solitudo iam mihi bonam fiduciam tribuebat, si devius et frutectis absconditus sumpto remedio de iumenti quadripedis incurvo gradu rursum erectus in hominem inspectante nullo resurgerem.
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Ergo igitur cum in isto cogitationis salo fluctuarem, aliquanto longius video frondosi nemoris convallem umbrosam, cuius inter varias herbulas et laetissima virecta fulgentium rosarum mineus color renidebat. iamque apud mea non usquequaque ferina praecordia Veneris et Gratiarum lucum illum arbitrabar, cuius inter opaca secreta floris genialis regius nitor relucebat. tune invo-
VIERTES BUCH
Etwa um die Mitte des Tages, als die Sonnenhitze schon glühend wurde, kehrten wir in einem Dorf bei alten Leuten ein, die den Räubern bekannt und befreundet waren; denn dies konnte aus der ersten Begrüßung, dem ausgedehnten Gespräch und den getauschten Küssen selbst ein Esel entnehmen. Auch beschenkten sie ja die Leute mit einigen Sachen, die sie von meinem Rücken luden, und schienen in heimlichem Getuschel anzudeuten, daß es Räuberbeute sei. Jetzt erleichterten sie uns von allem Gepäck und gaben uns frei, auf der nächsten Wiese unbeschränkt nach Belieben zu weiden. Aber mich konnte es nicht locken, mit dem Esel oder meinem Pferd Kopf an Kopf gemeinsam zu grasen, war ich doch überhaupt noch ungewohnt, Gras zu frühstücken; vielmehr dringe ich, halbverhungert wie ich bin, getrost in ein hinter dem Stall erspähtes Gärtlein ein und mäste meinen Bauch mit rohem, aber immerhin reichlichem Gemüse. Und indem ich alle Götter miteinander anrief, spähte ich in jeden Winkel, ob ich etwa irgendwo in den angrenzenden Gärtlein ein schimmerndes Rosenbeet fände. Denn gerade das Alleinsein machte mich schon ganz zuversichtlich, ich möchte abseits im Gebüschversteck das Mittel einnehmen und mich ohne Augenzeugen vom gebückten Gang auf allen Vieren wieder aufrecht erheben können, um statt eines Tiers Mensch zu sein. Wie ich nun also in diesem Gedankenmeer schaukelte, sehe ich in etwas weiterer Entfernung eine schattige Mulde mit dichtem Laubwäldchen, wo zwischen mancherlei Grünzeug und üppigen Rasenplätzen blitzende Rosen zinnoberfarbig erglänzten. Und gleich dämmerte es meinem keineswegs völlig eselhaften Gehirn, dieser Hain sei Venus und den Grazien heilig, wo in geheimnisvollem Dunkel der Blumenkönigin herrlicher Glanz
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Liber quartus
eato hilaro atque prospero Eventu eursu me eoncito proripio, ut hereule ipse sentirem non asinum me, verum etiam equum eurrulem nimio velocitatis eHeetum. sed agilis atque praeclarus ille eonatus fortunae meae seaevitatem anteire non potuit. iam enim loeo proximus non illas rosas teneras et amoenas, madidas divini roris et neetaris, quas rubi feliees, beatae spinae generant, ae ne eonvallem quidem usquam nisi tantum ripae fluvialis marginem densis arboribus septam video. hae arbores in lauri faciem prolixe foliatae pariunt in odori modum floris porreetos ealieulos modice punieantes, quos equidem fraglantis minime rurestri voeabulo vulgus indoetum rosas laureas appellant quarumque euneto peeori cibus letalis est.
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Talibus fatis implicitus etiam ipsam salutem reeusans sponte illud venenum rosarium sumere gestiebam. sed 2 dum .eunetanter aeeedo deeerpere, iuvenis quidam, ut mihi videbatur hortulanus, euius omnia prorsus holera vastaveram, tanto damno eognito eum grandi baeulo 3 furens deeurrit adreptumque me totum plagis obtundit adusque vitae ipsius periculum, nisi tandem - sapienter alioquin - ipse mihi tulissem auxilium. nam lumbis 4 elevatis in altum, pedum posteriorum ealcibus iaetatis in eum erebriter iam mulcato graviter atque iaeente eontra proelive montis attigui fuga me liberavi. sed ilieo s mulier quaepiam, uxor eius seilicet, simul eum prostratum et semianimem ex edito despexit, ululabili eum plangore ad eum statim prosilit, ut sui videlieet miseratione mihi praesens erearet exitium. euneti enim pagani 6 fletibus eius exciti statim eonclamant eanes atque, ad me laniandum rabie perciti ferrent impetum, passim eohortantur. tune igitur proeul dubio iam morti proxi- 7 mus, eum viderem eanes et modo magnos et numero
Vicrt<s Buch
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erstrahlte. Da rufe ich meinen guten Glücksstern an und stürme im Galopp los, so daß ich wahrhaftig selbst meinte, mein enor· mes Tempo hätte mich aus einem Esel direkt in ein Rennpferd verwandelt. Aber dieser glänzend bebende Schwung konnte mein Pech nicht überrunden: schon in Reichweite, sehe ich nicht jene zarten, lieblichen Rosen mit ihren Tropfen von Göttertau und Nektar, wie sie an beglüd<:ten Sträuchern, gesegneten Dor· nen gedeihen, sehe nirgends eine T almulde, - sondern nur den Rand eines Flußufers mit dühter Baumreihe. Es waren dies Bäume, die mit lorbeerähnlich länglichen Blättern, als wären es duftende Blumen, ragende Kelche von matter Purpurfarbe hervorbringen, die kein bißchen riedten und von ungebildeten Leuten mit einer plumpen Bezeichnung Lorbeerrosen genannt werden und derenGenuß allem Vieh den Tod bringt. Im Netz solcher Fatalitäten war mir jetzt sogar mein Leben gleichgültig und ich machte Miene, freiwillig dieses Rosengift einzunehmen. Aber während ich zögernd hinzutrete, um davon zu pflücken, kommt ein junger Mann, wie mir schien der Gärt· ner, dem idt tatsächlich das ganze Gemüse verwüstet hatte. Kaum wird er den beträchtlichen Schaden gewahr, so rennt er mit einem großen Knüttel wütend auf mich los, packt mich und zerwalkt mich von vorn bis hinten mit Schlägen, daß mein Leben an einem Faden hing, hätte ich mir nidtt - wirklich vernünftigerweise - schließlidt selbst geholfen. ldt lupfte näm· lieh meine Lenden in die Höhe und schleuderte meine Hinterhufe ausgiebig gegen ihn, und als er jetzt schwer zerbleut liegen· blieb, nahm ich gegen den anstoßenden Berghang hin Reißaus. Aber im Handumdrehen kommt so ein Weib, seine Frau natür· lieh, die ihn eben hingestreckt und halberschlagen von oben gesehen ·hatte, mit Zetermordio gleich zu ihm dahergesprungen, offenbar um durch Mitleid für ihre Person zu erreidten, daß man mir auf der Stelle den Garaus macht. Denn sämtliche Bauern werden durch ihr Flennen aufmerksam, rufen sofort ihre Hunde zur Stelle und machen sie einer um den anderen scharf, mich tollwütig anzufallen und zu zerfetzen. Da also, in zweifels· freier Lebensgefahr, als ich Hunde von gewaltigem Ausmaß, in
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Liber quartus
rnultos et ursis ac leonibus ad conpugnandurn idoneos in rne convocatos exasperari, e re nata capto consilio fugarn desino ac rne retrorsus celeri gradu rursurn in stabulurn, quo deverterarnus, recipio. at illi canibus iarn aegre cohibitis adrepturn rne loro quarn valido ad ansularn quandarn destinaturn rursurn caedendo confecissent profecto, nisi dolore plagarurn alvus artata crudisque illis holeribus abundans et lubrico fluxu saucia firno fistulatim excusso quosdarn extrerni liquoris aspergine, alios putore nidoris faetidi a rneis iarn quassis scapulis abegisset.
Nec rnora, curn iarn in rneridiern prono iubare rursurn nos ac praecipue rne Ionge gravius onusturn producunt illi latrones stabulo. iarnque confecta bona parte itineris et viae spatio defectus et sarcinae pondere depressus ictibusque fustiurn fatigatus atque etiarn ungulis extritis iarn claudus et titubans rivulurn quendarn serpentis leniter aquae propter insistens subtilem occasionern feliciter nactus cogitabarn toturn rnernet flexis scite cruribus pronurn abicere, certus atque obstinatus nullis verberibus ad ingrediundurn exsurgere, irnrno etiarn paratus non fusti tanturn, sed rnachaera perfossus occurnbere. rebar enirn iarn rne prorsus exanirnaturn ac debilem rnereri causariarn rnissionern, certe laüones partim inpatientia rnorae partim studio festinatae fugae dorsi rnei sarcinarn duobus ceteris iurnentis distributuros rneque in altioris vindictae vicern lupis et vulturiis praedarn relicturos.
Sed tarn bellurn consiliurn rneurn praevertit sors deterrirna. narnque ille alius asinus divinato et antecapto rneo cogitatu statirn se rnentita lassitudine curn rebus totis offudit iacensque in rnortuurn non fustibus, non
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Viertes Buch
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reicher Zahl und mit Kampftauglichkeit für Bären und Löwen gegen mich· zusammengerufen und gehetzt sah, ziehe ich die Konsequenzen aus der Sachlage, verzid).te auf die Flucht und verfüge mich mit Kehrtwendung im Trab wieder in den Stall zurück, wo wir eingekehrt waren. Aber die Bauern, die endlich die Hunde mit Mühe im Zaum hielten, packten mich, banden mich mit einem extra starken Riemen an einer Öse fest und hätten mich mit neuen Hieben wahrhaftig erledigt, hätte nicht mein Bauch, den die schmerzhaften Schläge beengten, das rohe Gemüse von vorher weitete und durchfälliger Stuhlgang quälte, den Kot wie aus einer Kanone herausgeschossen und die einen mit Spritzern einer ganz üblen Soße, andere mit widerlichem Dunstgestank von meinen schon zerschlagenen Flanken verscheucht. Nicht lange, so rückt schon der Sonnenglanz gen Mittag und führen die Räuber uns; und mich besonders schwer beladen, wieder aus dem Stall hervor. Als schon ein gut Teil der Reise geschafft und ich vom langen Weg erschöpft, von der Packlast erdrückt, von Knüppelhieben zermürbt war, auch mit aufgescheuerten Hufen lahmte und torkelte, trat ich nahe an ein Bächlein mit sanft geschlängeltem Wasser hin und gedachte, da die feine Gelegenheit glücklich gegeben sei, mich mit geschickter Schenkelbeuge vornüber hinzuschmeißen; und ich war fest und unbeugsam entschlossen, mich durch keinerlei Schläge zum Aufstehen und Weitermarschieren bringen zu lassen, sogar bereit, unter Knüppelschlägen und meinetwegen auch unter Messerstichen zu sterben. Ich rechnete nämlich, man würde mir infolge völliger Entkräftung und Invalidität Entlassung wegen Dienstuntauglichkeit zubilligen; wenigstens würden die Räuber, teils aus Ungeduld über den Verzug, teils um die Flucht zu beschleunigen, die Last von meinem Rücken auf die beiden anderen Packtiere verteilen und mich anstelle einer gründlicheren Maßregelung den Wölfen und Geiern als Beute überlassen. Aber meinen so schönen Plan vereitelte ein ganz übles Mißgeschick. Denn jener andere Esel erriet meinen Gedanken, nahm ihn vorweg und platschte sich auf der Stelle, Müdigkeit vorschützend, mit der ganzen Ladung hin; wie ein
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Liber quartus
stimulis ac ne cauda et auribus cruribusque undique versurn elevatis ternptavit exsurgere, quoad tandern postumae spei fatigati securnque conlocuti, ne tarn diu rnortuo, immo vero lapideo asino servientes fugarn rnorarentur, sarcinis eius rnihi equoque distributis destricto gladio poplites eius totos arnputant ac paululurn a via retracturn per altissirnurn praeceps in vallern proxirnarn etiarn nunc spirantern praecipitant. tune ego rniseri comrnilitonis fortunarn cogitans statui iam dolis abiectis et fraudibus ·asinurn rne bonae frugi dorninis exhibere.
Narn et securn eos anirnadverterarn conloquentes, quod in proximo nobis esset habenda mansio et totius viae finis quieta eorurnque esset sedes illa et habitatio. clernenti denique transrnisso clivulo pervenirnus ad locum destinaturn, ubi rebus totis exsolutis atque intus conditis iarn pondere liberatus lassitudinern vice lavacri pulvereis volutatibus digerebarn.
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Res ac ternpus ipsum locorurn speluncaeque illius, quarn latrones inhabitabant, descriptionern exponere flagitat. narn et rneurn sirnul periclitabor ingeniurn et faxo vos quoque, an mente etiam sensuque fuerim asinus, sedulo sentiatis. Mons horridus silvestribusque frondibus urnbrosus et in prirnis altus fuit. huius per obliqua devexa, qua saxis asperrirnis et ob id inaccessis cingitur, convalles lacunosae cavaeque nimium spinetis aggeratae et quaqua versus repositae naturalern tutelarn praebentes arnbiebant. de summo vertice fons affluens bullis ingentibus scaturribat perque prona delapsus evornebat undas argenteas iarnque rivulis pluribus dispersus ac valles illas agminibus stagnantibus inrigans in rnodurn stipati rnaris vel ignavi fluminis cuncta cohibebat. insurgit speluncae,
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Toter lag er da und ließ sich. nicht mit Knüppeln, nicht mit Stacheln, nicht als man ihn an Schwanz und Ohren oder Schenkeln überallher auflupfte, zu einem Aufstehversuch bewegen. Da gaben sie endlich die hoffnungslose Mühe auf und einigten sich miteinander, nicht auf die Dauer mit einem Aas, nein, einem Stein von Esel Umstände zu machen und die Flucht zu verzögern; sie verteilen also sein Gepädc auf mich und das Pferd, schlagen ihm mit gezücktem Säbel sämtliche Kniegelenke entzwei, schleppen ihn ein weniS( beiseite und stürzen ihn, während er noch schnauft, über eine jähe Klippe in die nächste Talschlucht hinunter. Da bedachte ich meines armen Kameraden Geschick und beschloß, List und Trug abzulegen und mich meinen Herren als braver Esel zu erweisen. Ich hatte nämlich auch bemerkt, wie sie miteinander sprachen, daß wir in nächster Nähe unsere Bleibe und ein geruhsames Ende des Marsches überhaupt haben sollten, und daß dort ihr Wohnsitz und Quartier sei. Nach Überwindung einer glimpflichen Anhöhe gelangten wir denn auch zum Bestimmungsort, wo man alle Sachen losmachte und im Innern barg, und ich, nunmehr lastfrei, meiner Müdigkeit statt mit einem Bad damit abzuhelfen suchte, daß id1 mich im Staube wälzte. Es ist ein Gebot der Sache und .eben jetzt an der Zeit, eine Beschreibung der Örtlichkeit und der Höhle vorzutragen, die die Räuber bewohnten. Ich will nämlich zugleich mein Talent erproben und euch gründlich zu spüren geben, ob ich auch nach Verstand und Empfindung ein Esel gewesen sei! Da war ein wilder Berg, von Laubwald beschattet und ausnehmend hoch. über seine schrägen Hänge, wo ihn ein Gürtel von schroffen und daher unersteigbaren Felsen umzieht, dehnten sich Mulden mit Hohlschluchten, die über und über mit Dorngestrüpp aufgefüllt waren und, nach jeder Richtung hin verstedct gelegen, einen natürlichen Schutz gewährten. Vom höchsten Gipfel floß mit mächtigem Sprudeln und Blubbern ein Quell her, spie im jähen Hinab silberne Wellen hoch, verteilte sich dann in mehrere Bächlein, bewässerte mit verlangsamten Strömen jene Mulden und hielt somit wie ein überschäumendes Meer oder träger Fluß alles umschlossen. Über einer Höhle, da
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qua rnargines rnontanae desinunt, turris ardua. caulae firmae solidis cratibus, ovili stabulationi cornrnodae por~ rectis undique lateribus ante fores exigui trarnitis viee structi parietis attenduntur. ea tu bono, certe rneo peri~ culo latronurn dixeris atria. nec iuxta quiequarn quarn parva casula cannulis ternere contecta, qua speculatores e nurnero latronurn, ut postea cornperi, sorte ducti nocti~ bus excubabant.
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lbi curn singuli derepsissent stipatis artubus, nobis ante ipsas fores loro valido destinatis anurn quandarn curvatarn gravi senio, cui soli salus atque tutela tot nurnero iuvenurn cornrnissa videbatur, sie infesti corn~ "ellant: «Etiamne tu, busti cadaver extrernurn et vitae dedecus prirnurn et Orci fastidiurn solurn, sie nobis otiosa dorni residens lusitabis nec nostris tarn rnagnis tarnque periculosis laboribus solaciurn de tarn sera refectione tribues7 quae diebus ac noctibus nil quicquarn rei quam rnerurn saevienti ventri tuo soles aviditer ingurgitare.•• Trernens ad haec et stridenti vocula pavida sie anus: «At vobis, fortissirni .fidelissirnique rnei sospitatores iuve~ nes, adfatirn cuncta suavi sapore percocta pulrnenta prae~ sto sunt, panis nurnerosus, vinurn probe calicibus ec~ frieatis affluenter irnrnissurn et ex rnore calida turnul~ tuario lavacro vestro praeparata.» In fine sermonis huius statirn sese devestiunt nuda~ tique et flarnrnae largissirnae vapore recreati calidaque perfusi et oleo peruncti rnensas dapibus largiter instruc~ tas accurnbunt. 8
Cornrnodurn cubuerant et ecce quidarn Ionge plures nurnero iuvenes adveniunt alii, quos incunctanter adae~ que latrones arbitrarere. narn et ipsi praedas aureorum argentariorum
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wo die Bergränder aufhören: erhebt sich ein steiler Turm. Starke Umfriedungen mit dichtem Flechtwerk, wie man sie für Schafpferche verwendet, ziehen sich mit allseits vorgestreckten Flanken vor dem Eingang, einem schmalen Saumpfad, als Blendmauer dahin. Dies magst du riskieren, jedenfalls von mir aus riskieren, den Burghof der Räuber zu nennen. In der Nähe befindet sich nichts als eine nachlässig mit Rohr gedeckte kleine Hütte, wo - wie ich später erfuhr - die aus der Räuberschar gelosten Späher nachts Wache hielten. Dort waren sie eben einzeln mit angeschmiegten Gliedern hineingekrochen, nachdem sie uns gerade vor dem Eingang mit einem starken Riemen angebunden hatten, als sie eine von Alterslast gekrümmte Vettel, der allein Wohl und Betreuung all der Männer anvertraut schien, heftig anfahren: "Du potenziertes Rabenaas und prämiierte Mißgeburt und patentierter Höllenschreck, willst du weiter so faul zu Hause herumsitzen und uns zum Narren halten und, wenn wir so schwere und riskante Arbeit hinter uns haben, uns nicht spät genug mit einem lmbiß Erfrischung schaffen? Und du tust Tag und Nacht nichts anderes als reinen Wein gierig in deinen nimmersatten Bauch hinunterstürzen!" Zitternd und mit piepsender Fistelstimme erwiderte die ängstliche Alte hierauf: "Aber meine trefflichen und treulichen jungen Erhalter, es stehen ja sämtliche Fleischgänge in Hülle und Fülle für euch bereit, lecker zu schlecken und butterweich; Brot in Menge und Wein, die tüchtig ausgewischten Becher bis zum Rande voll, und wie immer ist warmes Wasser für euer eiliges Bad gerichtet." Bei den letzten Worten entkleiden sie sich sofort und lassen sichs nackt an der Hitze einer mächtigen Flamme wohl sein, übergießen sich mit warmem Wasser, salben sich mit Öl und legen sich an den Tischen nieder, die mit Speisen reichlich gedeckt sind. Eben hatten sie sich niedergelassen, schau, da kommen noch andere Männer an, weit mehr an Zahl, die du ohne Zögern ebenfalls für Räuber halten würdest. Denn sie schleppten auch ihrerseits Beute her an Gold- und Silbermünzen, Geschirr und
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que sericae et intextae filis aureis invehebant. hi simili lavaero refoti inter toros sociorum sese reponunt, tune sorte dueti ministerium faciunt~ estur ae potatur ineondite pulmentis aeervatim, panibus aggeratim, poeulis agminatim ingestis. clamore ludunt, strepitu eantilant, eonviciis ioeantur ae iam eetera semiferis Lapithis + tebcinibus Centaurisque similia. Tune inter eos unus, qui robore eeteros antistabat, «Nos quidem», inquit, «Milonis Hypatini domum fortiter expugnavimus. praeter tantam fortunae eopiam, quam nostra virtute naeti sumus, et ineolumi numero eastra nostra petivimus et,. si quid ad rem facit, oeto pedibus auetiores remeavimus. at vos, qui Boeotias urbes adpetistis, ipso duee vestro fortissimo Lamacho deminuti debilem numerum reduxistis, euius salutem merito sarcinis istis, quas advexistis, omnibus antetulerim. sed illum quidem uteumque nimia virtus sua peremit. inter inelitos reges ae duees proeliorum tanti viri memoria eelebrabitur. enim vos bonae frugi latrones inter furta parva atque servilia timidule per balneas et aniles eellulas reptantes serutariam facitis. >>
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Suscipit unus ex illo posteriore numero: «Tune solus ignoras Ionge faciliores ad expugnandum domus esse maiores? quippe quod, lieet numerosa familia latis deversetur aedibus, tarnen quisque magis suae saluti quam domini eonsulat opibus. frugi autem et solitarii homines fortunam parvam vel eerte satis amplam dissimulanter obteetam protegunt aerius et sanguinis sui periculo muniunt. res ipsa denique fidem sermoni meo dabit. vix enim Thebas heptapylos aeeessimus, quod est huic dis-
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Seidenzeug mit goldenen Einsmußfäden. Namdem sie sim ähnlim am Bad erquickt, legen sie sim zwismen die Pfühle ihrer Kumpane, dann mamen Ausgeloste die Bedienung. Man ißt und trinkt ohne Benehmen, verleibt sim haufenweise Fleism, bergeweise Brot, reihenweise Bemer ein. Sie vergnügen sim mit Geschrei, grölen mit Getöse, witzeln mit Gespöttel, und aum sonst geht es zu wie bei den Halbtieren, bei Lapithen und Kentauren. Da sprach einer unter ihnen, der an Stämmigkeit die übrigen übertraf: ,. Was uns betrifft, wir haben das Haus des Milo in Hypata mit Bravour genommen. Abgesehen von all der vielen Beute, die uns unsere Smneid eingebramt hat, sind wir erstens vollzählig zu unserer Burg gelangt und zweitens, beiläufig gesagt, mit einem Plus von amt Füßen heimgekehrt. Ihr dagegen habt beim Smlag gegen die böotismen Städte ausgeremnet euren Anführer, den tümtigen, tLimtigen Lamamus eingebüßt und eine dezimierte Stärke nam Hause gebramt. Daß er nom am Leben wäre, - das hätte im füglim lieber gesehen als all das Gepäck . da, das ihr hergesmleppt habt. Aber gerade ihn' hat irgendwie sein eigenes Draufgängerturn umgebramt. Neben ruhmreimen Königen und Feldherren wird man das Andenken dieses Helden feiern. Nämlim ihr Allerwehsbanditen wollt bloß einmal ein bißmen stibitzen wie die Dienstboten, smleimt hasenfüßig durm Bäder und Altweiberstübmen und bringt nur einen Trödel zusammen." Da ergreift einer von jenen später Angekommenen das Wort: "Bist du der einzige, der nimt weiß, daß man größere Häuser erheblim leimter nehmen kann? Denn zugegeben, daß es in einem weitläufigen Anwesen ein starkes Personal gibt; aber jeder ist dom mehr auf sein eigenes Leben bedacht als auf das Vermögen seines Herrn. Wackere alleinstehend~ Leute dagegen smützen ihr bißmen Habe - oder aum wohl eine remt umfangreime, die sie listig versteckt haben - zäher und verteidigen sie unter Einsatz ihres Lebens. Der Samverhalt selbst wird übrigens meine Worte bestätigen. Wir waren nämlim kaum im Siebentorigen Theben angekommen, so stellten wir - was
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ciplinae primarium studium, [sed dum] sedulo fortunas inquirebamus popularium. nee nos denique latuit Chryseros quidam nummularius eopiosae peeuniae dominus, qui metu officiorum ae munerum publieorum magnis artibus magnam dissimulabat opulentiam.. denique solus ae solitarius parva, sed satis munita domuneula eontentus, pannosus alioquin ae sordidus, aureos folles ineubabat. ergo plaeuit, ad hune primum ferremus aditum, ut eontempta pugna manus unicae nullo negotio eunetis opibus otiose potiremur.
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. Nee mora, eum noetis initio foribus eius praestolamur, quas neque sublevare. neque dimovere ae ne perfringere quidem nobis videbatur, ne valvarum sonus eunetam viciniam nostro suscitaret exitio. tune itaque sublimis ille vexillarius noster Lamachus speetatae virtutis suae .fiducia, qua clavis immittendae foramen patebat, sensim inmissa manu claustrum evellere gestiebat. sed dudum seilicet omnium bipedum nequissimus Chryseros vigilans et singula rerum sentiens, lenem gradum et obnixum silentium tolerans paulatim adrepit grandique clavo manum ducis nostri repente nisu fortissimo ad ostii tabulam of.figit et exitiabili nexu patibulatum relinquens gurgustioli sui teeturn aseendit atque inde eontentissima voee damitans rogansque vicinos et unum quemque proprio nomine ciens et salutis eommunis admonens diffamat ineendio repentino domum suam possideri. sie unus quisque proximi periculi eonfinio territus suppetiatum deeurrunt anxii.
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Tune nos in ancipiti periculo eonstituti vel opprimendi nostri vel deserendi socii remedium e re nata validum eo volente eomminiscimur. antesignani nostri partem, qua manus urnerum subit, ictu per articulum medium temperato prorsus abscidimus atque ibi braechio relieto, mul-
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bei unserem Beruf die erste Sorge ist - eifrige Erhebungen über die Vermögensverhältnisse der Bevölkerung an. Schließlich kam uns ein gewisser Chryseros nicht aus, ein Geldwechsler und steinreicher Mann, der aus Furcht vor Verpflichtungen und öffentlichen Leistungen raffiniert seinen bedeutenden Wohlstand geheimhielt. Senach blieb er mutterseelenallein, gab sich mit einem kleinen, aber hinreichend festen Häuschen zufrieden, ging in verschlissenen Lumpen und hockte dabei auf Geldsäcken. Also wurde beschlossen, fürs erste diesem Mann einen Besuch abzustatten; brachten wir doch den Kampf mit einem einzigen Gegner nicht in Anschlag und hofften, ohne jegliche Mühe sein ganzes Vermögen in Seelenruhe zu schnappen. Gesagt, getan: zu Beginn der Nacht stehen wir an seinem Tor bereit, das wir weder ausheben noch abbauen noch aufbrechen zu sollen meinten, damit nicht auf das Krachen der Türflügel die ganze Nachbarschaft wach würde und uns den Garaus machte. So verließ sich denn unser großer Bannerträger Lamachus auf seine bewährte Bravour, schob seine Hand sachte in das breite Schlüsselloch und versuchte das Schloß herauszureißen. Aber Chryseros, dieser Ausbund von einem nichtsnutzigen Zweibeiner, ist natürlich schon eine Weile wach und verfolgt alle einzelnen Vorgänge, schleicht sich auf leisen Sohlen und mucksmäuschenstill allmählich heran und schlägt mit einem großen Nagel die Hand unseres Hauptmanns plötzlich mit aller Wucht an das Türbrett fest; läßt ihn in tödlicher Klammer am Marterholz haften, besteigt das Dach seiner Kate und schreit von da, so laut er kann, die Nachbarn herbei, ruft einen jeden beim Namen, dringt in sie, es gehe alle an, und verb!eitct die Version, sein Haus sei von plötzlicher Feuersbrunst erfaßt. So kommen sie alle miteinander, weil die Gefahr zum Greifen nahe scheint, in Angst und Schrecken zu Hilfe herbeigelaufen. Da fällt uns in dem Dilemma, entweder überwältigt zu werden oder unseren Kameraden im Stich zu lassen, ein Mittel ein, das nach Lage der Dinge wirksam war und seine Billigung fand. Da wo der Unterarm in den Oberarm übergeht, schlagen wir unserem Hauptmann das Stück mit einem wohlgezielten Hieb
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tis laciniis offulto vulnere, ne stillae sanguinis vestigium proderent, ceterum Lamachum raptim reportamus. ac dum trepidi religionis urguemur gravi tumultu et instantis periculi metu terremur ad fugam nec vel sequi propere vel remanere tuto potest vir sublimis animi virtutisque praecipuus, multis nos adfatibus multisque precibus querens adhortatur per dexteram Martis, per fi.dem sacramenti, bonum commilitonem cruciatu simul et captivitate liberaremus. cur enim manui, quae rapere et iugulare sola posset, fortem latronem supervivere7 sat se beatum, qui manu socia volens occumberet. cumque nulli nostrum spontale parricidium suadens· persuadere posset, manu reliqua sumptum gladium suum diuque deosculatum per medium pectus ictu fortissimo transadigit. tune nos magnanimi ducis vigore venerato corpus reliquum veste lintea diligenter convolutum mari celandum commisimus. et nunc iacet noster Lamachus elemento toto sepultus.
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Et ille quidem dignum virtutibus suis vitae terminum posuit. enim vero Alcimus sollertibus coeptis consecuum Fortunae nutum non potuit adducere. qui cum dormientis anus perfracto tuguriolo conscendisset cubiculum superius iamque protinus oblisis faucibus interstinguere eam d.ebuisset, prius maluit rerum singula per latiorem fenestram forinsecus nobis scilicet rapienda dispergere. cumque iam cuncta rerum naviter emolitus nec toro quidem aniculae quiescentis parcere vellet eaque lectulo suo devoluta vestem stragulam subductarn scilicet iactare similiter destinaret, genibus eius profusa sie nequissima illa deprecatur: «Quid, oro, fili, paupertinas pannosasque resculas miserrimae anus donas vicinis divitibus, quorum haec fenestra domum prospicit?» quo sermone
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ins Mittelgelenk glatt ab, lassen den Arm an Ort und Stelle, verstopfen die Wunde mit lauter Lappen, damit keine Blutstropfen die Spur verrieten, und schleppen den Torso von Lamachus hastig davon. Und wie uns in ängstlicher Gewissenspflicht der heftige Aufruhr bedrängt und Furcht vor naher Gefahr zur Flucht scheucht, er aber weder in Eile folgen noch in Sicherheit zurü
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callido deceptus astu et vera quae dicta sunt credens Alcimus, verens scilicet, ne et ea, quae prius miserat quaeque postea missurus foret, non sociis suis, sed in alienos lares abiCeret, iam certus erroris suspendit se fenestra sagaciter perspecturus omnia, praesertim domus attiguae, quam dixerat illa, fortunas arbitraturus. quod eum strenue quidem, set satis inprovide conantem senile illud facinus quanquam invalido, repentino tarnen et inopinato pulsu nutantem ac pendulum et in prospectu alioquin attonitum praeceps inegit. qui praeter altitudinem nimiam super quendam etiam vastissimum lapidem propter iacentem decidens perfracta diffissaque crate costarum rivos sanguinis vomens imitus narratisque nobis,. quae gesta sunt, non diu cruciatus vitam evasit. quem prioris exemplo sepulturae traditum bonum secutorem Lamacho dedimus.
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Tune orbitatis duplici plaga petiti iamque Thebanis conatibus abnuentes Plataeas proximam conscendimus civitatem. ibi · famam celebrem super quodam Demoehare munus edituro gladiatorium deprehendimus. nam vir et genere primarius et opibus plurimus et liberalitate praecipuus digno fortunae suae splendore publicas voluptates instruebat. quis tantus ingenii, quis facundiae, qui singulas species apparatus multiiugi verbis idoneis posset explicare? gladiatores isti famosae manus, venatores illi probatae pernicitatis, alibi noxii perdita securitate suis epulis bestiarum saginas instruentes. confixilis machinae sublicae, turres s(tructae) tabularum nexibus ad instar circumforaneae domus, florida pictura decora futurae venationis receptacula. qui praeterea numerus, quae fades ferarum: nam praecipuo studio foris etiam advexerat generosa illa damnatorum capitum funera. sed praeter ceteram speciosi muneris supellectilem totis ut-
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diese Finte übertölpeln und nahm die Worte für wahr. Natürlich mußte er befürchten, was er bis jetzt auf den Weg gebracht habe und noch bringen würde, werfe er nicht seinen Kameraden in die Arme, sondern auf ein fremdes Grundstück; jetzt über den Irrtum aufgeklärt, hängte er sich aus dem Fenster, um alles scharf zu mustern, besonders um die Vermögensumstände des besagten Nebenhauses in Augenschein zu nehmen. Als er sich nun eifrig, aber ziemlich unvorsichtig darum bemühte, gab ihm das alte Schandweib einen wenngleich schwachen, so doch plötzlichen und unversehenen Stoß, daß er aus der Kippe und Balance, ins Ausschauhalten vertieft wie er war, kopfüber hinunterstürzte. Die Höhe war groß, und außerdem schlug er noch auf einen herumliegenden gewaltigen Stein auf, so daß ihm der Brustkorb zerquetscht und zersprengt wurde und er Bäche von Blut hervorspie. Er erzählte uns noch, was geschehen war, und verschied nach kurzem Todeskampf. Wir bestatteten ihn wie den anderen, und Lamachus hatte seinen guten Gefolgsmann. Als uns jetzt der Schlag eines doppelten Verlustes getroffen hatte, ließen wir die thebanischen Abenteuer fahren und stiegen zu der nächst gelegenen Stadt Platää hinauf. Dort trafen wir auf ein Gerede unter den Leuten, ein gewisser Dernochares werde ein Fechterspiel veranstalten: es war dies ein Mann mit Ahnen von Rasse, gut bei Kasse und ein Mäzen von Klasse, der seinem Reichtum entsprechend glänzende Volksbelustigungen zu arrangieren pflegte. Wer hätte genug Talent, genug Worte, seinen vielgestaltigen Apparat Stück für Stück mit passenden Worten zu schildern? Hier berühmt geschickte Fechter, dort bewährt flinke Tierkämpfer, weiter vogelfreie Verbrecher, die mit ihrem Appetit die Ration wilder Tiere bereitstellten! Ein wohlverklobtes Pfahlwerk, Turmbauten nach Art einer Marktbude aus Brettern zusammengefugt, eine buntbebilderte Tribüne für die bevorstehende Tierhatz! Welche Mengen außerdem, welche Arten wilder Tiere! Hatte er es sich doch besonders angelegen sein lassen, auch von auswärts jene wundervollen Särge für Leute, die ihren Kopf verwirkt haben, kommen zu lassen. Aber neben dem, was sonst für eine prächtige Veranstaltung dient,
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cumque patrimonii viribus immanis ursae camparabat numerum copiosum. nam praeter domesticis venationibus captas, praeter largis emptionibus partas amicorum etiam donationibus variis certatim oblatas tutela sumptuosa sollicite nutriebat. 14
Nec ille tarn clarus tamque splendidus publicae voluptatis apparatus lnvidiae noxios effugit oculos. nam diutina captivitate fatigatae simul et aestiva flagrantia maceratae, pigra etiam sessione languidae, repentina correptae pestilentia paene ad nullum redivere numerum. passim per plateas plurimas cerneres iacere semivivorum corporum ferina naufragia. tune vulgus ignobile, quos inculta pauperies sine dilectu ciborum tenuato ventri cogit sordentia supplementa et dapes · gratuitas conquirere, passim iacentes epulas accurrunt. tune e re nata subtile consilium ego et iste Babulus tale comminiscimur. unam, quae ceteris sarcina corporis praevalebat, quasi cibo parandamportamus ad nostrum receptaculum eiusqueprobe nudatum carnibus corium servatis sollerter totis unguibus, ipso etiam bestiae capite adusque confinium cervicis solido relicto tergus omne rasura studiosa tenuamus et minuto cinere perspersum soli siccandum tradimus. ac dum caelestis vaporis flammis examurgatur, nos interdum pulpis eius valenter saginantes sie instanti militiae disponimus sacramentum, ut unus e numero nostro, non qui corporis adeo, sed animi robore ceteris antistaret, atque is in primis voluntarius, pelle illa contectus ursae subiret effigiem domumque Democharis inlatus per opportuna noctis silentia nobis ianuae faciles praestaret aditus.
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Nec paucos fortissimi collegii sollers species ad munus obeundum adrexerat, quorum prae ceteris Thrasyleon factionis optione delectus ancipitis machinae subivit aieam. iamque habili corio et mollitie tractabili vultu
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pflegte er mit dem letzten 'Groschen seines Vermögens große Mengen mächtiger Bären zu beschaffen. Er fing sie nämlich nicht nur auf heimischen Jagden, erwarb sie nicht nur durch großzügige Käufe, sondern fütterte mit Fürsorge, Aufwand und Umsicht auch solche Tiere, die ihm seine Freunde um die Wette vielfach geschenkt hatten. Aber dieser ganz herrliche, ganz prachtvolle Apparat zur Volksbelustigung entging doch nicht dem bösen Blick des Neides: matt von langer Gefangenschaft und zugleich mürbe von der Sommerhitze, auch anfällig vom untätigen Sitzen, wurden die Tiere von einer plötzlichen Seuche hingerafft und sanken fast auf die Nullzahl zurück. Immer wieder konnte man überall auf den Straßen Wracks von halbtoten Tieren liegen sehen. Da machen sich die einfachen Leute, die in ihrer kümmerlichen Armut, ohne im Essen wählerisch zu sein, für den abgemagerten Bauch Unappetitliches zum Füllen und kostenlose Mahlzeiten zusammensuchen müssen, über die allerorten daliegenden Festbraten her. In dieser Situation denken ün und der Babulus da uns jetzt folgenden feinen Plan aus: Einen Bären, der die übrigen an Massigkeit übertraf, schleppen wir, als wollten wir ihn zum Essen bereiten, zu unserem Unterschlupf, ziehen sein Fell ordentlich vom Fleische, erhalten dabei geschickt alle Tatzen, lassen vor allem auch den Kopf der Bestie bis zur Nackengrenze heil, schaben fleißig die ganze Pelzhaut dünn, überstreuen sie mit 'feiner Asche und legen sie zum Trocknen in die Sonne. Und während sie von der Gluthitze des Himmels präpariert wird, mästen wir uns inzwischen kräftig an dem zugehörigen Fleisch. Dann machen wir für das bevorstehende Unternehmen aus, daß einer aus unserem Kreis, der den anderen nicht so sehr an Kräften wie an Courage überlegen sei - und in erster Linie ein Freiwilliger -, mit dem Fell bedeckt einen Bären vorstellen solle; er sei so in das Haus des Dernochares zu verbringen und würde uns in günstiger Nachtstille leichten Zugang zur Tür verschaffen. Und gar nicht wenige in der beherzten Gemeinschaft hatte die gute Idee ermutigt, die Aufgabe zu übernehmen; unter ihnen wurde Thrasyleon vor den übrigen durch Wahl der Bande auserlesen, das Risiko dieser Kriegslist zu wagen. Schon
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sereno sese recondit. tune tenui sarcirnine surnrnas oras eius adaequarnus et iuncturae rirnarn, licet gracilern, setae circurnfluentis densitate saepirnus. ad ipsurn confiniurn gulae, qua cervix bestiae fuerat exsecta, Thrasyleonis caput subire cogirnus parvisque respiratui (et obtutui) circa nares et oculos datis forarninibus fortissirnurn sociurn nostrurn prorsus bestiarn facturn irnrnittirnus caveae rnodico praestinatae preiio, quarn constanti vigore festinus inrepsit ipse. ad hunc rnodurn prioribus inchoatis sie ad reHqua fallaciae pergirnus:
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Sciscitati nornen cuiusdarn Nicanoris, qui genere Thracio proditus ius arnicitiae surnrnurn curn illo Dernochare colebat, litteras adfingirnus, ut venationis suae prirnitias bonus arnicus videretl,lr ornando rnuneri dedicasse. iarnque provecta vespera · abusi praesidio tenebrarurn Thrasyleonis cavearn Dernochari curn litteris illis adulterinis offerirnus. qui rniratus bestiae rnagnitudinern suique contubernalis opportuna liberalitate laetatus iubet nobis protinus gaudii sui gerulis decern aureos, ut ipse habebat, e suis loculis adnurnerari.
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Tune, ut novitas consuevit ad repentinas VISiones anirnos· horninurn pellere, multi nurnero rnirabundi bestiarn confluebant, quorurn satis callenter curiosos aspectus Thrasyleon noster irnpetu rninaci frequenter inhibebat. consonaque civiurn voce satis felix ac beatus Dernochares ille saepe !=elebratus, quod post ta'ntarn cladern ferarurn novo proventu quoquo rnodo fortunae resisteret, iubet novalibus suis confestirn bestiarn [iret iubet] sumrna curn diligentia reportari. Sed suscipie'ns ego: 17
«Caveas», inquarn, .. dornine, fraglantia solis et itineris
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versteckt er sich mit fröhliCher Miene im fügsamen Fell mit seiner schmiegsamen Weichheit. Dessen Randsäume passen wir jetzt mit einer feinen Naht aneinander und tarnen die kaum kenntliche Verbindungsfuge mit dem entlanglaufenden Borstendickicht. Gerade an der Halsgrenze, wo der Nacken des Tieres herausgeschnitten war, zwängen wir Thrasyleons Kopf darunter, machen zur Atmung unq Sicht in der Nasen- und Augengegend kleine Löcher und stecken unseren tapferen Kameraden, der nun von oben bis unten in eine Bestie verwandelt ist, in einen für mäßigen Preis erhandelten Käfig; mit fester Beherztheit kroch er von selbst flink hinein. Nachdem wir auf diese Weise den Anfang gemacht haben, fahren wir folgendermaßen mit dem Gaunerstück fort: Wir hatten den Namen eines gewissen Nikanor in Erfahrung gebracht, eines Thrakers der Herkunft nach, der eine enge freundschaftliche Verbindung mit jenem Dernochares pflegte; dem schieben wir einen Brief unter mit der Fiktion, als habe er dem anderen seine beste Jagdtrophäe als guter Freund gestiftet, um die Veranstaltung zu fördern. Und als der Abend schon vorgerückt ist, machen wir uns den Schutz der Dunkelheit zunutze und überbringen dem Dernochares Thrasyleons Käfig mit jenem gefälschten Brief. Der bestaunt das mächtige Tier, ist über seines Busenfreundes erwünschte Großzügigkeit entzückt und läßt uns für die ihm bescherte Freude zehn Goldstücke - er persönlich hatte es ja - aus seiner Schatulle auszahlen. Wo. es etwas Neues gibt, treibt es die Leute gleich zur Besichtigung: so strömte jetzt, das Tier zu bewundern, allerlei Volk zusammen, de·ssen Gaffen und Schauen unser Thrasyleon schlau genug war immer wieder durch drohendes Drauflos zu bremsen. Mit einhelliger Stimme priesen die Bürger jenen Dernochares als wahren Glückspilz, weil er nach dieser Misere mit den Tieren durch Neuzugang der Fügung doch ein Schnippchen schlage. Und er befiehlt jetzt, unverzüglich und mit aller Vorsicht das Tier auf seine Brachfelder zu verbringen. Doch da ergriff ich das Wort und sagte: .. Du solltest dich vorsehen, Herr, den Bären, der von der Sonnenglut und detn weiten
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spatio fatigatam coetui multarum et, ut audio, non recte valentium committere ferarum. quin potius domus tuae patulum ac perflabilem locum, immo et lacu aliquoi conterminum refrigerantemque prospicis? an ignoras hoc genus bestiae lucos consitos et specus roridos et fontes amoenos semper incubare?»
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Talibus monitis Dernochares perterritus numerurnque perditarum secum recensens non difficulter adsensus, ut ex arbitrio nos~ro caveam locaremus, facile permisit. «Sed et nos», inquam, «ipsi parati sumus hic ibidern pro cavea ista excubare noctes, ut aestus et vexationis incomrnodo bestiae fatigatae et cibum tempestivum et potum soliturn accuratius offeramus.» «Nihil indigemus Iabore isto vestro», respondit ille, «iam paene tota familia per diutinam consuetudinem nutriendis ursis exercitata est.»
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Post haec valefacto discessimus et portam civitatis egressi monurnenturn quoddam conspicamur procul a via remoto et abdito loco positum. ibi capulos carie et vetustate semitectos, quis inhabitabant pulverei et iam cinerosi mortui, passim ad futurae praedae receptacula reseramus et ex disciplina sectae servato noctis inlunio tempore-, quo somnus obvius impetu primo corda mortalium validius invadit ac premit, cohortem nostram gladiis armatam ante ipsas fores Democharis velut expilationis vadimonium sistimus. nec setius Thrasyleon examussim capto noctis latrocinali momento prorepit cavea statimque custodes, qui propter sopiti quiescebant, omnes ad unum, mox etiam ianitorem ipsum gladio conficit clavique subtracta fores ianuae repandit nobisque prompte convolantibus et domus alveo receptis demanstrat
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Weg erschöpft ist, mit einer 'Gesellschaft vieler und - wie ich höre - nicht recht gesunder Tiere zusammenzubringen. Willst du nicht lieber einen offenen und durchlüfteten Platz deines Hauses vorsehen, besser noch einen, der an irgendeinen Teich grenzt und Kühlung bietet? Oder weißt du nicht, daß diese Art Tiere immer in buschigen Gehölzen, in feuchten Höhlen und an freundlichen Quellen lagern?" Diese Vorhaltungen jagten dem Dernochares einen Schrecken ein, daß er die Zahl der verlorenen Tiere überschlug, dann ohne Schwierigkeiten zustimmte und uns gern erlaubte, den Käfig nach unserem Dafürhalten aufzustellen. "Aber wir sind auch selber bereit", sagte ich, "hier an Ort und Stelle vor diesem Käfig die Nächte über Wache zu halten, damit wir dem Tier, das vom Ungemach der Hitze und Quälerei erschöpft ist, peinlich genau zur rechten Zeit zu fressen und, wie es gewöhnt ist, zu saufen anbieten." "Es ist gar nicht nötig, daß wir euch damit bemühen", antwortete er, "fast mein ganzes Personal hat aus langem Umgang Übung im Füttern von Bären." Darauf verabschiedeten wir uns und gingen fort. Als wir das Stadttor passiert haben, erblicken wir ein Grabmal, das abseits vom Weg an entlegener und versteckter Stelle errichtet war. Dort brechen wir die Särge, die vor Moder und Alter schon halb verfallen waren und in Staub, ja Asche verwandelte Leichen beherbergten, als Behältnisse für die erwartete Beute in Mengen auf. Nach Zunftregel halten wir uns an die mondfreie Nachtzeit, in welcher der erste Schlaf über die Menschen kommt und ihre Sinne mit Allgewalt bleiern befällt; da postieren wir unseren mit Säbeln bewaffneten Zug gerade vor der Tür des Demochares,. gewissermaßen als Garantie für reinen Tisch. Nicht minder haargenau nimmt Thrasyleon die nächtliche Räuberstunde wahr, kriecht aus seinem Käfig hervor, tut auf der Stelle die Wächter, die in der Nähe schnarchten, bis auf den letzten Mann und dann auch noch den Pförtner mit seinem Säbel ab, entwendet jetzt den Schlüssel. sperrt die Torflügel weit auf und zeigt uns, als wir prompt zur Stelle sind und das Haus uns verschluckt hat,
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horreum, ubi vespera sagaciter argenturn copiosum recondi viderat. quo protinus perfracto confertae manus violentia iubeo singulos commilitonum asportare, quantum quisque poterat auri vel argenti, et in illis aedibus fidelissimorum mortuorum occultare propere rursumque concito gradu recurrentis sarcinas iterare. quod enim ex usu foret omnium, me solum resistentem pro domus limine cuncta rerum exploraturum sollicite, dum redirent. nam e~ facies ursae mediis aedibus discurrentis ad proterrendos, siqui de familia forte evigilassent, videbatur opportuna. quis enim, quamvis fortis et intrepidus, immani forma tantae bestiae noctu praesertim visitata non se ad fugam statim concitaret, non obdito cellae pessulo pavens et trepidus sese cohiberet?
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His omnibus salubri consilio recte dispositis occurrit scaevus eventus. namque dum reduces socios nostros suspensus opperior, quidam servulus strepitu scilicet ( vel certe) divinitus inquietus proserpit leniter visaque bestia, quae libere discurrens totis aedibus commeabat, premens obnixum silentium vestigium suum replicat et utcumque cunctis in domo visa pronuntiat. nec mora, cum numerosae familiae frequentia domus t\)ta completur. taedis, lucernis, cereis, sebaciis et ceteris nocturni luminis instrumentis clarescunt tenebrae. nec inermis quisquam de tanta copia processit, sed singuli fustibus, lanceis, destrictis denique gladiis armati muniunt aditus. nec secus canes etiam venaticos auritos illos et horricomes ad comprimendam bestiam cohortantur.
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Tune ego sensim gliscente adhuc illo tumultu retrogradi fuga domo facesso, sed plane Thrasyleonem mire canibus repugnantem latens pone ianuam ipse prospicio.
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den Tresor, wo am Abend ...:. er hatte es genau beobachtet Silber in Massen geborgen worden war. Der Schrein ist durch einen geballten Stoß der Mannschaft rasch erbrochen. Ich schaffe den einzelnen Kameraden an, so viel Gold und Silber fortzuschleppen, als jeder tragen konnte, und bei jenen absolut redlichen Toten schnell unter Dach und Fach zu geben, dann wieder wie der Wind zurückzusausen und neu zu laden; es würde nämlich im allgemeinen Interesse sein, daß ich allein vor der Schwelle des Hauses stehen bliebe und mich genau umtäte, ob sich etwas rühre, bis sie zurückkämen. Dabei schien auch die Maske des mitten im Hause umherlaufenden Bären wohl geeignet, wenn zufällig jemand von der Dienerschaft erwachen sollte, ihn fortzuscheuchen. Denn wer würde, und wäre er ohne Furcht und Tadel, wenn er ein solches Ungetüm von Bestie zu Gesicht bekommt, zumal bei Nl\cht, sich nicht sofort aus dem Staube machen, nicht den Riegel vorschieben und sich mit schlotternden Knien in seiner Kammer einsperren? So wirksam geplant und richtig angeordnet dies alles war, lief es doch auf einen Fehlschlag hinaus. Während ich nämlich gespannt auf die Rückkehr unserer Kameraden warte, kommt so ein Trottel von Knecht, den jedenfalls das Geräusch oder doch eine Ahnung aufgestört hatte, sachte dahergeschlichen, sieht die Bestie, die sich in freiem Auf und Ab durch das ganze Hau~ umherbewegte, unterdrückt mit Mühe jeden Laut, tappt auf demselben Weg zurück und läßt so oder so alle im Hause wissen, was er gesehen hat. Im Nu füllt sich das ganze Haus mit dem Gewimmel einer großen Dienerschaft. Fackeln, Lampen, Kerzen, Talglichter und was man sonst in der Nacht zum Leuchten braucht, erhellt die Finsternis. Und keiner von dieser starken Truppe kam unbewaffnet daher, sondern je nachdem mit Knüppeln, Spießen, auch mit gezückten Schwertern in der Hand besetzen sie die Zugänge. Außerdem hetzen sie noch Jagdhunde -die mit großen Ohren und struppigem Haar -los, die Bestie zu überwältigen. Jetzt, da d~r Lärm noch im langsamen Anschwellen war, trete ich den Rückzug an und mache mich von dem Hause weg, sehe aber noch, selber hinter der Tür versteckt, wie Thrasyleon sich
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quamquam enim vitae metas ultimas obiret, non tamen sui nostrique vel pristinae virtutis oblitus iam faucibus ipsis hiantis Cerberi reluetabat. seaenam denique, quam sponte sumpserat, euro anima retinens, nune fugiens, nune resistens variis eorporis sui sdtemis ae motibus tandem domo prolapsus est. nee tamen, quamvis publiea potitus libertate, salutem fuga quaerere potuit. quippe euneti eanes de proximo angiportu satis feri satisque eopiosi venaticis illis, qui eommodum domo similiter insequentesproeesserant, se ommiseent agminatim. miserum funestumque speetamen aspexi, Thrasyleonem nostrum eatervis eanum saevientium cinetum atque obsessum multisque numero morsibus laniatum. denique tanti doloris impatiens populi cireumfluentis turbelis immiseeor et, in quo solo poteram eelatum auxilium bono ferre eommilitoni, sie indaginis principes dehortabar: «0 grande», inquam, «et extremum flagitium, magnam et vere pretiosam perdimus bestiam. »
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Nee tamen nostri sermonis artes infelicissimo profuerunt iuveni. quippe quidam proeurrens e domo proeerus et validus ineuntanter laneeam mediis iniecit ursae praeeordiis nee seeus alius et eeee plurimi iam timore diseusso eertatim gladios etiam de proximo eongerunt. enimvero Thrasyleon egregium deeus nostrae faetionis tandem immortalitate digno illo spiritu expugnato magis quam patientia neque clamore ae ne ululatu quidem fidem saeramenti prodidit, sed iam morsibus laeeratus ferroque laniatus obnixo mugitu et ferino fremitu praesentem easum generoso vigore toler~ns gloriam sibi reservavit, vitam fato reddidit. tanto tamen terrore tantaque formidine eoetum illum turbaverat, ut usque dilueulum, immo et in multum diem nemo quisquam fuerit ausus quamvis iaeentem bestiam vel digito eontingere, nisi
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großartig gegen die Hunde schlägt: ging er auch der letzten Station seines Lebens entgegen, blieb er doch sich und uns, also bewährter Größe treu und trotzte noch des Höllenhundes offenem Rachen selbst. Kurz, er behielt die freiwillig übernommene Rolle bis zum letzten Atemzug bei, wich jetzt aus, prellte jetzt vor und konnte unter allerlei Stellungen und Wendungen endlich aus dem Hause schlüpfen. Aber hatte er auch die freie Straße erreicht, konnte er sich doch nicht in Sicherheit bringen. Denn sämtliche Hunde aus der Nachbargasse, wahre Teufel und wahre Horden, mengen sich, ein Trupp um den anderen, unter jene Jagdhunde, die eben zur gleichen Hatz aus dem Haus gestürzt waren. Es war ein jammervoll-gräßliches Schauspiel. das sich meinen Augen bot: unser Thrasyleon von Haufen rasender Hunde eingekreist und belagert und von vielen, vielen Bissen zerfleischt I Schließlich kann ich es nicht mehr mit ansehen, mische mich unter das Gewühl und Gewoge der Leute und versuche - damit allein konnte ich dem guten Kommilitonen heimlich helfen -, die Schrittmacher des Kesseltreibens von der Sache abzubringen: .. Was für ein schlimmer und beispielloser Greuel", rief ich; .. wir machen ein großes und wahrhaft kostbares Tier zunichte!" Aber auch dieser Trick nützte dem unglückseligen Manne nichts. Kam doch ein langer und stämmiger Kerl aus dem Hause gelaufen und schleuderte ohne Zögern dem Bären seine Lanze genau in die Brust, und noch einer, und schon sind sie in Haufen da, haben jetzt die Angst abgeschüttelt und hauen um die Wette auch aus der Nähe mit Schwertern auf ihn ein. Da verlor denn Thrasyleon, der leuchtende Stern unserer Bande, schließlich sein Leben, das die Unsterblichkeit verdiente, verlor aber nicht die Ausdauer: mit keinem Geschrei oder auch nur einem Wehlaut verriet er den heiligen Eid, sondern ließ sich von Bissen zerfetzen, von Waffen zerfleischen und brüllte und brummte dabei angestrengt wie ein Tier, -den Tod vor Augen ein heldenmütiger Dulder, der sich den Ruhm nicht nehmen ließ, als er sein Leben dem Himmel wiedergab. Doch war durch ihn die versammelte Menge so vor Zittern und Schlottern verdattert, daß bis zum Morgengrauen, ja, weit in den Tag hinein auch nicht einer wagte, die doch nun um-
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tandem pigre ac timide quidam lanius paulo fidentior utero bestiae resecto ursae magnificum despoliavit latronem. sie etiam Thrasyleon nobis perivit, sed a gloria non peribit.
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Confestim itaque constrictis sarcinis illis, quas nobis servaverant fideles mortui, Plataeae terminos concito gradu deserentes istud apud nostros animos identidem reputabamus: merito nullam fidem in vita nostra repperiri, quod ad manis iam et mortuos odio perfidiae nostrae demigrarit. Sie onere vecturae simul et asperitate viae toti fatigati tribus comitum desideratis istas, quas videtis, praedas adveximus.••
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Post istum sermonis terminum poculis aureis memoriae defunctorum commilitonum vino mero libant, dehinc canticis quibusdam Marti deo blanditi paululum conquiescunt. Enim nobis anus illa recens hordeum adfatim et sine ulla mensura largita est, ut equus quidem meus tanta copia et quidem solus potitus saliares se cenas cenare crederet. ego vero, numquam alias hordeum (nisi) tunsum minutatim et diutina coquitatione iurulentum semper esse (solitus), rimatus angulum, quo panes reliquiae totius multitudinis congestae fuerant, fauces diutina fame saudas et araneantes valenter · exerceo. et ecce nocte promota latrones expergiti castra commovent instructique varie, partim gladiis armati, partim in lemures reformati concito se gradu proripiunt. nec me tamen instanter ac fortiter manducantem vel somnus imminens impedire potuit. et quamquam prius, cum essem Lucius, unieo vel secundo pane contentus mensa decederem, tune ventri tam profundo serviens iam ferme tertium qualum rumigabam. huie me operi attonitum clara lux oppressit.
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gelegte Bestie auch nur mit'der Fingerspitze zu berühren; bis schließlich sachte und vorsichtig ein leidlich beherzter Metzger dem Tier den Bauch aufschnitt und den Bären als bravourösen Räuber entpuppte. So haben wir auch Thrasyleon verloren, -aber dem Ruhm geht er nicht verloren! Also schnürten wir schleunig das Gepäck zusammen, das uns die redlichen Toten aufgehoben hatten, verließen eilenden Fußes das Gebiet von Platää und machten uns wieder und wieder darüber Gedanken, daß sich klärlich keine Redlichkeit in unserem Leben findet, weil sie aus Abscheu vor unserer Unredlichkeit nunmehr in Gräber und Grüfte abgewandert ist! Von der Traglast wie vom rauben Weg ganz erschöpft, in Trauer um drei Gefährten, haben wir also die Beute hergezogen, die ihr vor euch seht." Als so die Rede zu Ende ist, opfern sie aus goldenen Pokalen mit ungemischtem Wein dem Gedächtnis der toten Kommilitonen, huldigen dann mit einigen Liedern dem Gott Mars und verschnaufen ein wenig. Nun aber spendete uns jene Alte frische Gerste in Hülle und Fülle, so daß mein Pferd, das sich und zwar allein der Portion bemächtigte, seinerseits an einer Festtafel zu tafeln vermeinte. Aber ich war Gerste nie anders als kleingestoßen und immer gut sämig gekocht zu essen gewohnt, durchschnobere also einen Winkel, wo die Brotreste der ganzen Gesellschah gesammelt waren, und nehme meinen Schlund, der schon vor Hunger verkümmert war und Spinnweben ansetzte, kräftig in Betrieb. Da, bei vorgerückter Nacht, stehen die Räuber auf. setzen sich in Marsch und stürmen in verschiedener ·Ausrüstung, mit Schwertern bewaffnet oder zu Gespenstern vermummt, eilig davon. Aber ich kaute und kaute wacker, auch der Schlaf konnte mich nicht halten. Ging ich auch früher alsLucius mit einem oder noch einem Brot zufrieden von Tische: jetzt frönte ich einem abgrundtiefen Wanst und war dabei, schon fast den dritten Korb voii zu verdrücken. Ich war diesem Geschäft noch ganz hingegeben, als mich der helle Tag überraschte. Da lasse ich
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Tandem itaque asinali verecundia ductus, aegerrime tarnen digrediens rivulo proximo sitim lenio. Nec mora, cum latrones ultra anxii atque solliciti remeant nullam quidem prorsus sarcinam vel omnino licet vilem laciniam ferentes, sed tantum gladiis (totis), totis manibus, immo factionis suae cunctis viribus (munitam) unieam virginem filo liberalem et, ut matronatus eius indieabat, summatem regionis, puellam mehercules et asino tali concupiscendam, maerentem et crines cum veste sua lacerailtem advehebant. eam simul intra speluncam verbisque quae dolebat minora facientes sie adloquuntur: "Tu quidem salutis et pudicitiae secura brevem patientiam nostro compendio tribue, quos ad istam sectarn paupertatis necessitas adegit. parentes autem tui de tanto suarum divitiarum cumulo, quamquam satis cupidi, tarnen sine mora parabunt scilicet idoneam sui sanguinis redemptionem.,.
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His et his similibus blateratis necquiequam dolor sedatur puellae. quidni? quae inter genua sua deposito capite sine modo flebat. at illi intro vocatae anui praecipiunt, adsidens eam blando, quantum posset, solaretur alloquio, seque ad sectae sueta conferunt. Nec tarnen puella quivit ullis anieulae sermonibus ab inceptis fletibus avocari, sed altius eiulans sese et assiduis singultibus ilia quatiens mihi etiam lacrimas excussit. ac sie: «An ego», inquit, «misera, tali domo, tanta familia, tarn caris vemulis, tarn sanctis parentibus desolata et infelicis rapinae praeda et mancipium effecta inque isto saxeo carcere serviliter clausa et omnibus deliciis, quis innata atque innutrita sum, privata sub incerto salutis et camificinae laniena, inter tot ac tales latrones et horrendum gladiatorum populum vel fletum desinere vel omnino vivere potero?» lamentata sie et
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mich endlich von Eselsanstand leiten, trenne mich höchst ungern und lösche im nächsten Rinnsal meinen Durst. Keine Minute, so kommen die Räuber ganz ängstlich und aufgeregt zurück, mit gar keinem Pack oder auch nur dem billigsten Fetzen: unter Deckung all ihrer Säbel. aller Fäuste, ja jedes Nervs ihrer Bande schleppten sie einzig und allein ein Fräulein von edler Erscheinung und, aus ihrer Damentracht zu schließen, eins der vornehmsten der Gegend herbei, ein Mädchen zum Verlieben- wahrhaftig auch für so einen Esel!-, das sich vor Gram Haar und Kleid zerriß. Gleich hinein mit ihr in die Höhle, und um ihren Schmerz zu lindern, sagen sie zu ihr: .. Du kannst um Leben und Ehre unbesorgt sein, mußt uns aber kurze Geduld für einen Profit zugestehen, nachdem uns Armut und Not zu diesem Beruf getrieben haben. Deine Eltern werden uns ja von dem Berg ihres Reichtums, wenn sie auch ziemlich darauf aus sind, ohne Säumen ein bestimmt genügendes Lösegeld für ihr eigen Blut hinlegen." Dies und derlei Geschwätz lindert den Schmerz des Mädchens nicht im geringsten; keine Frage, sie hatte ja ihren Kopf zwischen die Knie gelegt und weinte ohne Unterlaß. Da rufen die Männer die Alte herein und schaffen ihr an, sich zu ihr hinzusetzen und sie soweit möglich mit gütiger Ansprache zu trösten. Selber gehen sie dann an ihre Berufsgeschäfte. Aber das Mädchen ließ sich durch keinerlei Reden des alten Weibleins von dem begonnenen Weinen abbringen, sondern wehklagte noch heftiger und schüttelte in unablässigem Schluchzen ihre Weichen, so daß sie sogar mir Tränen entlockte. Somit sagte sie: .. Was meinst du? Ich Arme habe ein herrliches Haus, ein großes Gesinde, die liebsten Zofen, die besten Eltern verloren, bin eines unseligen Raubes Beute, zur Magd gemacht und in dies Kerkergewölbe wie eine Sklavin eingesperrt, aller Freuden beraubt, in denen ich geboren und aufgewachsen bin -: wie kann ich da in Todesangst und unter dem Henkerbeil, unter lauter schrecklichen Räubern und fürchterlichem Verbrechervolk zu weinen aufhören oder überhaupt leben?" So klagte sie, und
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animi dolore et faucium tundore et corporis lassitudine iam fatigata marcentes oculos demisit ad soporem. 25
At commodum coniverat, nec diu, cum repente lymphatico ritu somno recussa (Ionge) longeque vehementius adflictare sese et pectus etiam palmis infestis tundere et faciem illam luculentam verberare incipit et aniculae, quamquam instantissime causas novi et instaurati maeroris requirenti, sie adsuspirans altius infit: «Ern nunc certe, nunc maxime funditus perii, nunc spei salutiferae renuntiavi. laqueus aut gladius aut certe praecipitium procul dubio capessendum est.» Ad haec anus iratior dicere eam saeviore iam vultu iubebat, quid, malum, fieret vel quid repente postliminio pressae quietis lamentationes licentiosas refricaret. «Nimirum», inquit, ••tanto compendio tuae redemptionis defraudare iuvenes meos destinas? quoq si pergis ulterius, iam faxo lacrimis istis, quas parvi pendere latrones consuerunt, insuper habitis viva exurare.»
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Tali puella sermone deterrita manusque eius exosculata ••Parce», inquit, «mi parens, et durissimo casui meo pietatis humanae memor subsiste paululum. nec enim, ut reor, aevo longiore maturae tibi in ista sancta canitie miseratio prorsus exaruit. specta denique scaenam meae calamitatis. speciosus adolescens inter suos principalis, quem filium publicum omnis sibi civitas cooptavit, meus alioquin consobrinus, tantulo triennio maior in aetate, qui mecum primis ab annis nutritus et adultus individuo contubernio domusculae, immo vero cubiculi torique sanctae caritatis adfectione mutua mihi pigneratus votisque nuptialibus pacto iugali pridem destinatus, consensu parentum tabulis etiam maritus nuncupatus, ad nuptias officio frequenti cognatorum et adfinium stipatus templis et aedibus publicis victimas immolabat. domus
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da sie von Weh im Herzen und Schlucken im Hals und Mattigkeit in den Gliedern erschöpft war, wurden ihr die Augen schwer, daß sie in Schlummer sank. Eben war sie eingenickt, ein Augenblick, da fährt sie plötzlich wie eine Besessene aus dem Schlaf-empor und beginnt sich noch weit, weit heftiger zu härmen und die Brust mit bösen Händen zu schlagen und das so entzückende Antlitz zu peitschen. Und mag die Alte mit aller Inständigkeit nach den Gründen des neu aufgelebten Kummers forschen, - sie seufzt nur noch tiefer und hebt so an: "Ach, jetzt bin ich gewiß, jetzt ganz und gar verloren, jetzt ist alle Hoffnung auf Rettung dahin! Unweigerlich muß ich zum Strick oder Schwert greifen oder mich wenigstens in die Tiefe stürzen." Hierauf befahl ihr die Alte, allmählich ärgerlich, mit schon gerunzelter Stirn zu sagen, worüber zum Teufel sie weine oder was plötzlich nach knapper Ruhe wieder ihr hemmungsloses Gejammer erneuere: "Ja freilich, du möchtest meine jungen Leute um das gute Geld für deine Auslösung prellen? Wenn du so weitermachst, dann sorge ich schon dafür - deine Tränen, aus denen sich Räuber im allgemeinen wenig machen, sollen mir gleich sein -, daß du lebendig verbrannt wirst." Das Mädchen erschrak über diese Worte, bedeckte ihre Hände mit Küssen und sagte: "Gnade, liebste Mutter! Besinne dich in meinem entsetzlichen Unglück auf ein mitfühlendes Herz und steh mir ein wenig bei! Denn ich meine, auch im Herbst eines ausgedehnten Lebens ist dir mit deinem ehrwürdigen weißen Haar das Mitgefühl nicht ganz eingetrocknet. Sieh diralsomein Trauerspiel an: Ein stattlicher junger Mann, der erste unter seinesgleichen, von der gesamten Bürgerschaft als Sohn ihrer Stadt adoptiert, zu mir übrigens Geschwisterkind, nur gerade drei Jahre älter, mit mir von frühesten Jahren an erzogen und aufgewachsen als unzertrennlicher Genosse der Kinderstube, ja, von Bett und Kissen, in heiliger Liebe und Gegenliebe mir verpfändet und durch Verlöbnis zum Ehebund längst bestimmt, durch elterliches Übereinkommen urkundlich schon Gatte geheißen, .er brachte zum Hochzeitsfest, vom Gewimmel ergebener Verwandter und Nachbarn umdrängt, in den Tempeln und Ka-
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tota lauris obsita, taedis lucida eonstrepebat hymenaeum. tune me gremio suo mater infelix tolerans munde nuptiali deeenter omabat mellitisque saviis erebriter ingestis iam spem futuram liberorum votis anxiis propagabat, eum inruptionis subitae gladiatorum (fit) impetus ad belli fadem saeviens, nudis et infestis mueronibus eoruseans. non eaedi, non rapinae manus adferunt, sed denso eonglobatoque euneo eubieulum nostrum invadunt protinus. nee ullo de familiaribus nostris repugnante ae ne tantillum quidem resistente miseram exanimem, saevo pavore trepidam de medio matris gremio rapuere. sie ad instar Attidis vel Protesilai dispeetae disturbataeque nuptiae.
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Sed eeee saevissimo somnio mihi nune etiam redintegratur, immo vero eumulatur infortunium meum. nam visa sum mihi de domo, de thalamo, de eubieulo, de toro .denique ipso violenter extraeta per solitudines avias infortunatissimi mariti nomen invoeare eumque, ut primum meis amplexibus viduatus est, adhue ungentis madidum, eoronis floridum eonsequi vestigio me pedibus fugientem alienis. utque clamore percito formonsae rapturn uxoris eonquerens populi testatur auxilium, quidam de latronibus importunaeperseeutionis indignatione permotus saxo grandi pro pedibus adrepto misellum iuvenem mariturn meum pereussum interemit. talis aspeetus atrocitate perterrita somno funesto pavens exeussa sum.» Tune fletibus eius adsuspirans anus sie incipit: «Bono animo esto, mi erilis, nee vanis somniorum figmentis terreare. nam praeter quod diurnae quietis imagines falsae perhibentur, tune etiam noeturnae visiones eontrarios eventus nonnumquam pronuntiant. denique fiere et vapulare et nonnumquam iugulari luerosum prosperumque proventum nuntiant, eontra ridere et mellitis dulciolis ventrem saginare vel in voluptatem veneriam eonvenire tristitie animi. languore eorporis damnisque
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pellen der Stadt Opfer dar. Das ganze Haus, in Lorbeerschmuck und Fackellicht, ließ das Hochzeitslied widerhallen. Da hielt mich meine unselige Mutter auf ihrem Schoß und legte mir den köstlichen Brautschmuck an, drückte mir immer von neuem die innigsten Küsse auf die Lippen und nährte mit zagen Wünschen schon die Hoffnung auf künftige Kinder, - als plötzlich mit Sturmesgewalt ein Überfall von Verbrechern hereinbricht, wie Kriegstanz, mit blankgezogener Klingen Glanz I Nicht zu morden, nicht zu plündern packen sie an, sondern in dichtgeballtem Keil stürzen sie geradeswegs in unser Schlafgemach. Da keiner von unseren Dienern Gegenwehr oder auch nur ein bißeben Widerstand leistet, so reißen sie mich Arme, Ohnmächtige, gräßlich Angstbebende gerade vom Schpß der Mutter hinweg. So wurde wie bei Attis oder Protesilaos die Hochzeit getrennt und gesprengt!- Aber da, in einem schauerlichen Traum wird mir mein Unglück eben jetzt erneuert, nein, gesteigert. Denn mir deuchte, ich würde aus dem Hause, dem Brautgemach, der Lagerstatt, den Kissen selbst gewaltsam weggezerrt und riefe durch unwegsame Öden meinen allerärmsten Bräutigam bei Namen, und er, kaum daß er aus meinen Armen gerissen, noch in Salbenfrische und Blütenkränzen, folgte meiner Spur nach, wie ich auf fremden Füßen floh. Und wie er ein Rufen erhebt, den Raub der schönen Gattin bejammert und das Volk zur Hilfe entbietet, da ergrimmt einer von den Räubern über die lästige Verfolgung, hebt einen mächtigen Stein vor seinen. Füßen auf, - und der arme Mann, mein Bräutigam, ist zu Tode getroffen! Dieser gräßliche Anblick hat mich durchschauert, daß ich in Angst aus dem bösen Schlaf auffuhr." Da seufzt die Alte zu ihren Tränen und beginnt: .. Faß dir ein Herz, gnädiges Fräulein, und laß dich nicht durch leere Traumgespinste schrecken! Denn abgesehen davon, daß die Bilder des Tagesschlafs für falsch gelten, sagen ja auch nächtliche Gesichte zuweilen umgekehrte Geschehnisse voraus. So bedeuten. Tränen und Prügel, mitunter auch Mord und Totschlag Profit und glücklichen Gewinn. Dagegen wenn man lacht und den· Bauch mit leckerem Geschlecker füllt oder sich in Liebeslust vereint, so kann das auf Ungemach weisen: Seelenharm, Leibessiechtum
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ceteris vexatum iri praedicabunt. sed ego te narrationibus lepidis anilibusque fabulis protinus avocabo... et incipit: 28
«Erant in quadam civitate rex et regina. hi tres numero filias forma conspicuas habuere. sed maiores quidem natu, quamvis gratissima specie, idonee tarnen celebrari posse laudibus humanis credebantur; at vero puellae iunioris tarn praecipua, tarn praeclara pulchritudo nec exprimi ac ne sufficienter quidem laudari sermonis humani penuria poterat. multi denique civium et advenae copiosi, quos eximii spectaculi rumor studiosa celebritate congregabat, inaccessae formonsitatis admiratione stupidi et admoventes oribus suis dexteram primore digito in erectum pollicem residente ut ipsam prorsus deam Venerem religiosis ( venerabantur) adorationibus. iamque proximas civitates et attiguas regiones fama pervaserat deam, quam caerulum profundum pelagi peperit et ros spumantium fluctuum educavit, iam numinis sui passim tributa venia in mediis conversari populi coetibus vel certe rursum novo caelestium stillarum germine non maria, sed terras Venerem aliam virginali flore praeditam pullulasse.
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Sie immensum procedit in dies opinio, sie insulas iam proxumas et terrae plusculum provinciasque plurimas fama porrecta pervagatur. iani multi mortalium Iongis itineribus atque altissimis maris meatibus ad saeculi specimen gloriosum confluebant. Paphon nemo, Cnidon nemo, ac ne ipsa quidem Cythera ad conspectum deae Veneris navigabant. sacra differuntur, templa deformantur, pulvinaria proteruntur, caerimoniae negleguntur. incoronata simulacra et arae viduae frigido cinere foedatae. puellae supplicatur et in humanis vultibus deae tantae numina placantur. et in matutino progressu virginis victimis et epulis Veneris absentis nomen propitiatur iamque per plateas commeantem populi frequentes
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und sonstigen Schaden. Aber ·wart, ich will dich mit hübschen Geschichten und Ammenmärchen ablenken." Und sie beginnt:
"Es waren in einer Stadt ein König und eine Königin, die hatten drei Töchter von bedeutender Schönheit. Aber die älteren, obgleich gar lieblich anzusehen, glaubte man dennoch mit Menschenlob angemessen feiern zu können; dagegen des jüngeren Mädchens über die -Maßen herrlich-hehre Holdseligkeit auszudrücken und auch nur annähernd zu preisen, war die menschliche Rede zu arm. Viele Bürger also und zahlreiche Fremde, welche das Gerücht von der ausnehmenden Sehenswürdigkeit in neugierigen Scharen herbeitrieb, bewunderten staunend die unerreichte Wohlgestalt und huldigten ihr, die Hand zum Munde geführt und dabei den Zeigefinger auf den ausgestreckten Daumen gesenkt, mit frommer Anbetung, als ob sie geradezu die Göttin Venus persönlich wäre. Und schon hatte sich in den nächsten Städten und angrenzenden Gebieten die Kunde verbreitet, die Göttin, welche der blaue Meeresgrund geboren und schäumender Flutentau gespeist hat, wandle jetzt mitten unter dem Volksgewimmel und erteile allenthalben ihren göttlichen Liebessegen; oder auch wohl, es hätten aus einem neuen Keim himmlischer Tropfen nicht Meere, sondern Länder eine zweite Venus von blühender Jugend sprießen lassen. So wächst der Glaube unaufhörlich von Stunde zu Stunde, so läuft und läuft schon die Kunde durch die Inseln in der Runde und lauter Länder und aller Munde. Schon beginnen Menschen um Menschen über lange Straßen und tiefe Meerpfade zu dem herrlichen Wunder des Jahrhunderts zusammenzuströmen. Keiner nach Paphos, keiner nach Knidos, selbst nach Kythera segelte keiner,. die Göttin Venus zu schauen. Man vertagt die Opfer, läßt Tempel verfallen, Polster verschleißen, den Dienst verkümmern. Ohne Kränze die Bilder und die Altäre verwaist, mit kalter Asche ~d!iindet. Vor einem Mädchen beugt man die Knie, huldigt im Menschenantlitz der hohen Himmelsmacht. Und beim morgendlichen Ausgang der Jungfrau fleht man mit Opfer und Mahl ohne Liebesgöttin Üm Üeb~ssegen, und wenn
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floribus sertis et solutis adprecantur. Haec honorum caelestium ad puellae mortalis cultum inmodica translatio verae Veneris vehementer incendit animos, et inpatiens indignationis capite quassanti fremens altius sie secum disserit: 30
«En rerum naturae prisca parens, en elementerum origo initialis, en orbis totius alma Venus, quae cum· mortali puella partiario maiestatis honore tractor, et nomen meum caelo conditum terrenis sordibus profanatur. nimirum communi nominis piamento vicariae venerationis incertum sustinebo, et imaginem meam circumferet puella moritura. &ustra me pastor ille, cuius iustitiam .fidemque magnus comprobavit Iuppiter, ob eximiam speciem tantis praetulit deabus. sed non adeo gaudens ista, quaecumque est, meos honores usurpabit. iam faxo huius etiam ipsius inlicitae formonsitatis paeniteat.>>
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Et vocat confestim puerum suum pinnatum illum et satis temerarium, qui malis suis moribus contempta disciplina publica, flammis et sagittis armatus per alienas domos nocte discurrens et omnium matrimonia corrumpens impune committit tanta flagitia et nihil prorsus boni facit. hunc, quamquam genuina licentia procacem, verbis quoque insuper stimulat et perducit ad illam civitatem et Psychen - hoc enim nomine puella nuncupabatur - coram ostendit. 31
Et tota illa perlata de formonsitatis aemulatione fabula gemens ac fremens indignatione «Per ego te», inquit, «maternae caritatis foedera deprecor, per tuae sagittae dulcia vulnera, per flammae istius mellitas uredines, vindictam tuae parenti, sed plenam tribue et in pulchritudinem contumacem severiter vindica idque unum et pro omnibus unicum volens effice: vir20 ista amore
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sie durch die Straßen wandelt, beten die Massen des Volkes zu ihr, Blumen in Haaren up.d Händen. Diese maßlose Übertragung himmlischer Ehren auf ein angebetetes Menschenkind setzt die wahre Venus in Iodemden Zorn, daß sie, nicht mehr Herrin ihrer Entrüstung, mit Kopfsdtütteln in schnaubender Erregung zu sich spricht: "Trefflich, Ahnfrau der Natur! Trefflich, Urgrund der Elemente! Trefflidt, Weltenmutter Venus! Mit einem sterblidten Mädchen habe ich die Ehre meine Hoheit zu teilen, und mein Naine, festgegründet im Himmel, liegt im Schmutz irdischer Gemeinheit! Ja freilich, bei gleicher Namensanrufung soll ich mich mit unbestimmt stellvertretendem Liebesdienst abfinden, mein Bild unter die Leute bringen lassen von einem Mädchen, das eines Tages tot sein wird! Was nützts, daß mich jener Hirt, dessen Gerechtigkeit und redlichen Sinn der große Jupiter bestätigte, wegen meiner ausnehmenden Schönheit Göttinnen von Rang vorgezogen hat? Aber die Person wird nichts zu lachen haben, gleich wer sie sei, die sich meine Ehren anmaßt! Ich werde dafür sorgen, daß sie sich für eben diese unerlaubte Schönheit noch bedankt!" Und eilends ruft sie ihren Jungen, ich meine den mit den Flügeln und r.echten Tunichtgut, der mit seinen schlechten Manieren bürgerliche Zucht mißachtet, sich mit Flammen und Pfeilen bewaffnet, mitten in der Nacht durch fremde Häuser geistert, allen Let~ten eHe. Ehe verdirbt, der ungestraft derlei Schandtaten begeht .und gar nichts Gutes anstellt. Sted<:t der schon von Haus aus voll kecken Mutwillens, so hetzt sie ihn noch Überdies mit Worten auf. führt ihn zu jener Stadt und gibt ihm Psyche- denn so rief man das Mädchen mit Namen - Ieibhaft zu sehen. Dann berichtet sie ihm die ganze Geschichte von der Schönheitskonkurrenz und sagt mit Stöhnen und Unmutstönen: .. Beim Band der Mutterliebe flehe ich dich an, bei deines Pfeiles süßen Wunden, bei deiner Flamme heißer Seligkeit: versdtaffe Genugtuung deiner Mutter, aber schonungslos! Verfahre streng !l'egen die hochmütige Schönheit, sei so gut und bring bloß dies, statt allem einzig dies zuwege: das junge Ding da soll sich in verzehrenden Liebesflammen an den ge-
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fraglantissimo teneatur hominis extremi, quem et dignitatis et patrimonii simul et incolumitatis ipsius Fortuna .famnavit, tamque infimi, ut per totum orbem non inveniat miseriae suae comparem.» Sie effata et osculis hiantibus filium diu ac pressule saviata proximas oras reflui litoris petit plantisque roseis vibrantium fluctuum summo rore calcato ecce iam profundi maris sudo resedit vertice et ipsum, quod incipit velle, set statim, quasi pridem praeceperit, non moratur marinum obsequium: adsunt Nerei filiae chorum canentes et Portunus caerulis barbis hispidus et gravis piscoso sinu Salacia et auriga par~lus delphini Palaemon. iam passim maria persultantes Tritonum catervae hic concha sonaci leniter bucinat, ille serico tegmine flagrantiae solis obsistit inimici, alius sub oculis dominae speculum progerit, curru biiuges alii subnatant. talis ad Oceanum pergentem Venerem comitatur exercitus.
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lntereaPsyche cum sua sibi perspicua pulchritudinenullum decoris sui fructum percipit. spectatur ab omnibus, laudatur ab omnibus, nec quisquam, non rex non regius nec de plebe saltem cupiens eius nuptiarum petitor accedit. mirantur quidem divinam speciem, sed ut simulacrum fahre politum mirantur omnes. olim duae maiores sorores, quarum tem'peratam formonsitatem nulli diffamarant populi, procis regibus desponsae iam beatas nuptias adeptae, sed Psyche virgo vidua domi residens deflet desertam suam solitudinem aegra corporis, animi saucia, et quamvis gentibus totis complacitam odit in se suam formonsitatem. Sie infortunatissimae filiae miserrimus pater suspectatis caelestibus odiis et irae superum metuens dei Milesii vetustissimum percontatur oraculum et (a) tanto numine precibus et victimis ingratae virgini petit nuptias et mari-
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meinsten Menschen verlieren, der an Ehre und auch Besitz und selbst Gesundheit vom Schicksal geschlagen ist und so tief steht, daß er auf der ganzen Erde an Jammer nicht seinesgleichen findet!" Nachdem sie sich so ausgesprochen und ihrem Sohn mit lechzenden Lippen lange, innige Küsse gegeben hat, eilt sie zum brandenden Strand des nächsten Gestades und betritt mit rosigen Sohlen wogender Fluten schaumige Krone. Da, ·nun läßt sie sich nieder auf heiterer Wölbung der Meerestiefe, und· wie sie es eben wünschen will, nein, sofort, als hätte sie es längst befohlen: das Gefolge des Meeres läßt nicht auf sich warten. Zur Stelle sind die Nereustöchter mit Chorgesang, Portunus in struppig schwarzen Zotten, von Fischlast gebauscht Salacia und als Delphinlenker das Bürschlein Palämon. Schon hüpfen allerorten Tritonenscharen durch die Fluten: einer tutet sanft auf tönender Muschel, der zweite hält einen seidenen Schirm gegen die stechend heiße Sonne, der dritte hebt der Herrin einen Spiegel vor Augen, zu zweit schwimmen andere zu ihren Füßen im Wagengeschirr. Solche Heerscharen geleiten Venus auf ihrer Reise zum Ozean. Inzwischen spürt Psyche in ihrer ganzen ätherischen Schönheit keinen Gewinn von ihrer Anmut. Betrachtet wird sie von allen, gelobt von allen; aber keiner, nicht König noch Königssohn, nicht einmal einer aus dem Volk begehrt sie und kommt, um ihre Hand anzuhalten. Man bewundert ihre göttliche Erscheinung, aber jeder bewundert sie wie ein kunstreich vollendetes Standbild. Längst schon hatten die beiden älteren Schwestern, von deren begrenzter Schönheit nichts über die Erde hin verlautet war, es zur Verlobung mit königlichen Freiern und zu glücklicher Hochzeit gebracht; doch Psyche sitzt als Mädchen ohne Mann zuhause, weint sich blind über ihre Verlassenheit und Einsamkeit, siech am Leibe und wunden Herzens, und haßt ihre eigene Schönheit, mag sie auch aller Welt gefallen. So befragt der arme Vater der unglücklichen Tochter, weil er Göttergrimm vermutet und Himmelszorn befürchtet, das uralte Orakel des Gottes von Milet und bittet den hohen Helfer mit Gebet und Opfer· für das verschmähte Mädchen um Hochzeit
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turn. sed Apollo, quamquam Graeeus et lonicus, propter Milesiae eonditorem sie Latina sorte respondit: 33
"Montis in exeelsi seopulo, rex, siste puellam ornatam mundo funerei thalami. nee speres generum mortali stirpe ereatum, sed saevum atque ferum vipereumque malum, quod pinnis volitans super aethera euneta fatigat flammaque et ferro singula debilitat, quod tremit ipse Iovis, quo numina terrifieantur fluminaque horreseunt et Stygiae tenebrae.>>
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Rex olim beatus affatu sanetae vaticinationis aeeepto pigens tristisque retro domum pergit suaeque eoniugi praecepta sortis enodat infaustae. maeretur, fletur, Ia~ mentatur diebus pluseulis. sed dirae sortis iam urget taeter effeetus. iam feralium nuptiarum miserrimae virgini choragium struitur, iam taedae Iumen atrae fuliginis cinere mareescit et sonus tibiae zygiae mutatur in queru~ lum Ludii modum eantusque laetus hymenaei lugubri finitur ululatu et puella nuptura deterget laerimas ipso suo flammeo. sie adfeetae domus triste fatum euneta etiam civitas eongemebat luetuque publieo eonfestim eongruens edicitur iustitium.
Sed monitis eaelestibus parendi neeessitas misellam Psychen ad destinatam poenam efflagitabat. perfeetis igitur feralis thalami eum summo maerore sollemnibus toto prosequente populo vivum producitur funus et Ia~ erimosa Psyche eomitatur non nuptias, sed "exequias suas. ae dum mae~ti parentes et tanto malo perciti nefarium facinus perfieere eunetantur, ipsa illa filia talibus eos adhortatur vocibus: «Quid infelieem seneetam fletu diutino eruciatis? quid
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und Gatten. Da antwortete Apollo, wiewohl Grieche und Ionier, dem Autor des milesischen Romans zuliebe mit einem Spruch auf lateinisch: "Hoch auf Gebirges Felsen, König, stelle das Mädchen, angetan mit dem Schmuck, wie er der Todesbraut ziemtl Nicht erwarte du dir einen Schwiegersohn sterblichen Stammes, sondern ein grausam-wild frevelndes Viperngezücht! Durch die Lüfte flatterts daher und stört jeden Frieden, bringt mit Flamme und Stahl alle Geschöpfe zu Fall. Jupiter selbst erzittert vor ihm, die Götter erbeben, und es schaudert der Pfuhl, schaudert die stygische Nacht." Als der Vater, einst ein glücklicher König, das heilige Seherwort empfangen, reist er voll Mißmut und Traurigkeit nach Hause zurück und enthüllt seiner Gemahlin die Weisungen des Unglücksspruches. Kummer, Weinen, Klagen tagelang! Aber schon drängt des grausamen Orakels entsetzliche Verwirklichung. Schon wird dem ärmsten Mädchen mit Gepränge die Todeshochzeit zugerüstet; schon trübt sich der Fackel Licht in rußig-schwarzer Asche, wandelt sich der Hochzeitsflöte Ton in klagende Lyderweise, endet des Festlieds fröhlicher Sang mit dumpfem Wehgeschrei und trocknet gar das Mädchen zum Ehebeginn ihre Tränen mit dem Brautschleier. An dem traurigen Los des so geschlagenen Hauses nahm auch die gesamte Bürgerschaft mit Seufzen teil, und sofort wird zum Ausdruck der allgemeinen Betrübnis Landestrauer verkündet. Aber gegen den Spruch des Himmels war Gehorsam notwendig und die arme Psyche mußte sich der festgesetzten Buße stellen. Als also die Feierlichkeiten der Todeshochzeit unter tiefster Trauer vollzogen waren, wird im Geleit des ganzen Volkes die lebendige Tote hinausgeführt, und in Tränen schwimmend wandelt Psvche nicht in ihrem Hochzeits-, sondern in ihrem Leichenzug. Und wie die Eltern bekümmert und leidverstört zögern, die Schmach und Schande der Tat zu vollenden, macht ihre Tochter selbst ihnen Mut und spricht: "Was martert ihr euch auf eure armen alten Tage mit Weinen
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spiritum vestrum, qui magis meus est, erebris eiulatibus fatigatis? quid laerimis inefficacibus ora mihi veneranda foedatis? quid laeeratis in vestris oeulis mea Iumina? quid eanitiem scinditis? quid peetora, quid ubera saneta tunditis? haee erunt vobis egregiae formonsitatis meae praeclara praemia. Invidiae nefariae letali plaga pereussi sero sentitis. eum gentes et populi eelebrarent nos divinis honoribus, eum novam me Venerem ore eonsono nuncuparent, tune dolere, tune fiere, tune me iam quasi peremptam lugere debuistis. iam sentio, iam video solo me nomine Veneris perisse. ducite me et eui sors addixit seopulo sistite. festino feliees istas nuptias obire, festino generosum illum mariturn meum videre. quid differo, quid detreeto venientem, qui totius orbis exitio natus est?» Sie profata virgo eonticuit ingressuque iam valido pompae populi prosequentis sese miseuit. itur ad eonstitutum seopulum montis ardui, euius in summo eaeumine statutam puellam euneti deserunt taedasque nuptiales, quibus praeluxerant, ibidem laerimi-s suis extinetas relinquentes deieetis eapitibus domuitionem parant. et miseri quidem parentes eius tanta clade defessi, clausae domus abstrusi tenebris, perpetuae noeti sese dedidere.
Psychen autem paventem ae trepidam et in ipso seopuli vertiee deflentem mitis aura molliter spirantis Zephyri vibratis hine inde laeiniis et reflato sinu sensim levatam suo tranquillo spiritu vehens paulatim per devexa rupis exeelsae vallis subditae florentis eespitis gremio leniter delapsam reclinat.
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ohne Unterlaß? Was quält ihr euren Odem, der eher mir gehört, mit lauter Jammer? Was entstellt ihr mit nutzlosen Tränen eure mir heiligen Züge? Was zerrüttet ihr in euren Augen mein Gesicht? Was zerrauft ihr euer graues Haar? Was schlagt ihr die Brust, den ehrwürdigen Busen? Dies wird euer hoher Lohn sein für meine herrliche Schönheit! Frevlerischer Neid hat euch zu Tode getroffen, ihr merkt es zu spät! Als alle Welt meine Person mit göttlichen Ehren feierte, als sie mich wie aus einem Munde eine neue Venus nannte, da hättet ihr stöhnen, da weinen, da mich betrauern sollen, als wäre ich schon tot. Jetzt fühle ich, jetzt sehe ich, daß allein der Name Venus mir den Tod gebracht hat. Führt mich hin und stellt mich auf die Klippe, der mich das Orakel geweiht hat. Ich eile, die glückliche Hochzeit zu begehen, ich eile, meinen edlen Gatten zu schauen. Was verwehre, was verweigere ich ihm das Kommen, der die ganze Welt zu vernichten geschaffen ist?" So kündete das Mädchen, verstummte jetzt und mischte sich schon mit kräftigem Schritt unter den Zug des geleitenden Volkes. Man geht zu der bestimmten steilen Bergklippe, stellt das Mädchen auf den höchsten Gipfel, und nun gehen alle hinweg, lassen die Hochzeitsfackeln, die vorangeleuchtet hatten und jetzt in ihren Tränen erloschen, an Ort und Stelle zurück und machen sich gesenkten Hauptes auf den Heimweg. Ihre armen Eltern selbst warf der furchtbare Schlag zu Boden, daß sie das Haus versperrten und in seinem Dunkel untertauchten, um sich beständiger Nacht zu befehlen. Psyche aber, die mi~ Furcht und Zittern oben auf de'n Felsgipfel sich die Augen ausweinte, hebt sanft säuselnd ein linder Zephyrhauch mit flatternden Gewändern und geblähtem Bausch sacht empor, trägt sie in ruhigem Wehen gemächlich über die ragenden Berghänge und lehnt sie, da sie hinabgeglitten, im Tale drunten leise auf einen blühenden Rasenschoß.
LIBER V 1
Psyche teneris et herbosis locis in ipso toro roscidi graminis suave recubans tanta mentis perturbatione sedata dulce conquievit. iamque sufficienti recreata somno placido resurgit animo. videt lucum proceris et vastis arboribus consitum, videt fontem vitreo latice perlucidum. medio luci meditullio prope fontis adlapsum domus regia est aedificata non humanis manibus, sed divinis artibus. iam scies ab introitu primo dei cuiuspiam luculentum et amoenum videre te diversorium. nam summa laquearia citro et ebore curiose cavata subeunt aureae columnae, parietes omnes argenteo caelamine conteguntur bestiis et id genus pecudibus occurrentibus ob os introeuntium. mirus prorsum homo, immo semideus vel certe deus, qui magnae artis subtilitate tantum efferavit argentum. enimvero pavimenta ipsa lapide pretioso caesim deminuto in .varia picturae genera discriminantur. vehementer, iterum ac saepius beatos illos, qui super gemmas et monilia calcant. iam ceterae partes longe lateque dispositae domus sine pretio pretiosae totique parietes solidati massis aureis splendore proprio coruscant, ut diem suum sibi domus faciat licet sole nolente; sie cubicula, sie porticus, sie ipsae valvae fulgurant. nec setius opes ceterae maiestati domus responden_t, ut equidem illud recte videatur ad conversationem humanam magno Iovi fabrieatum caeleste palatium.
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Invitata Psyche talium locorum oblectatione propius accessit et paulo fidentior intra limen sese facit, mox
FÜNFTES BUCH In zartem Wiesengrunde gerade auf einem Polster taufrischen Grases lieblich ruhend, sank Psyche, als sichallihre Verwirrung gelegt hatte, in süßen Schlummer. Bald ist sie von reichlichem Schlaf erquickt und erhebt sich mit heiterem Sinn. Sie sieht einen Park mit hohem und mächtigem Baumbestand, sie sieht eine Quelle mit kristallen-durchsichtiger Flut. Mitten im Park, genau mittendrin, nahe am hüpfenden Quell, steht ein Königspalast, gebaut nicht mit Menschenhänden, sondern mit Götterkünsten. Schon gleich beim Eintreten merkt man, daß man irgend eines Gottes prächtig-anmutiges Lustschloß vor sich hat. Denn ein hohes Deckengetäfel mit köstlichen Kassetten aus Zitrus und Elfenbein wird von goldenen Säulen getragen, alle Wände sind mit silbernen Reliefs bedeckt von Raubwild und ähnlichem Getier, das den Eintretenden unter die Augen springt. Ein Wundermann wirklich, nein, ein Halbgott oder gar ein Gott war es, der mit großer Kunst und Feinheit soviel Silber mit Wild belebtel Und nun gar der Fußboden ist mit Mosaiks von kostbaren Steinen in verschiedene Bildgruppen abgeteilt. Ober-, doppelt und mehrfach glücklich, wer auf Gold und Kleinodien tritt! Und erst die übrigen Teile des weitläufig angelegten Hausest Ein unschätzbarer Schatz: die Wände, von oben bis unten massiv aus gediegenem Gold, schimmern im eigenen Glanz, so daß das Haus sich selbst seinen Tag macht, auch wenn die Sonne nicht mag. So blitzen Gemächer, blitzen Säulenhallen, blitzen Türflügel sogar. Und ebenso entspricht die sonstige Pracht dem herrlichen Haus, so daß es wirklich und wahrhaftig scheint, dies sei, zum Umgang mit Menschen für den großen Jupiter gebaut, ein Himmelspalast. Der entzückende Ort lädt Psyche ein, näherzutreten, und sie macht sich ein wenig zutraulicher über die Schwelle hinein.
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Liber quintus
proleetante studio pulcherrimae visionis rimatur singula et altrinseeus aedium horrea sublimi fabrica perfeeta magnisque eongesta gazis eonspicit. nee est quicquam, quod ibi non est. sed praeter eeteram tantarum divitiarum admirationem hoe erat praecipue mirifieum, quod nullo vineulo, nullo claustro, nullo eustode totius orbis thensaurus ille muniebatur. haee ei summa eum voluptate visenti offert sese vo:c quaedam eorporis sui nuda et «Quid», inquit, «domina, tantis obstupescis opibus? tua sunt haee omnia. prohine cubieulo te refer et leetulo lassitudinem refove et ex arbitrio lavaerum pete. nos, quarum voees aecipis, tuae famulae sedulo tibi praeministrabimus nee eorporis euratae tibi regales epulae morabuntur.» 3
Sensit Psyche divinae pr,ovidentiae beatitudinem monitusque vocis informis audiens et prius somno et mox lavaero fatigationem sui diluit; visoque statim proximo semirotundo suggestu propter instrumenturn eenatorium rata refeetui suo eommodum libens aeeumbit. et ilieo vini neetarei eduliumque variarum fereula eopiosa nullo serviente, sed tantum spiritu quodam impulsa subministrantur. nee q1,1emquan'1 tarnen illa videre poterat, sed verba tantum audiebat excidentia et solas voees famulas habebat. post opimas dapes quidam introeessit et eantavit invisus et alius citharam pulsavit, quae videbatur nee ipsa. tune modulatae multitudinis eonserta vox aures eius affertur, ut, quamvis hominum nemo pareret, chorus tarnen esse pateret. 4
Finitis voluptatibus vespera suadente eoneedit Psyche eubitum. iamque proveeta noete clemens quidam sonus aures eius aeeedit. tune virginitati suae pro tanta solitudine metuens et pavet et harreseit et quovis malo plus timet quod ignorat. iamque aderat ignobilis maritus et torum inseenderat et uxorem sibi Psychen feeerat et ante lucis exo~tum propere diseesserat. statim voees eu-
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Fünftes Buch
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Bald wird sie von Neugier· verlockt, die Herrlichkeiten anzuschauen; sie nimmt alles in Augenschein und erblickt auf der anderen Seite des Hauses Magazine von vollendet feiner Bauweise und voll von lauter Kostbarkeiten, -nichts gibt es, was es dort nicht gibt! Aber soviel auch all der Reichtum staunen machte, besonders erstaunlich war, daß kein Schloß, kein Riegel. kein Wächter diese Schatzkammer der ganzen Welt hütete. Als sie die Dinge mit höchstem VergnÜgen besichtigt, läßt sich eine wesenlose Stimme zu ihr vernehmen und spricht: .. Warum stehst du staunend, Herrin, vor soviel Reichtum? Dein ist dies alles. Tritt also ins Gemach, erquicke dich auf weichem Lager und geh nach Belieben ins Bad! Wir, deren Stimmen du vernimmst, werden dir als deine Zofen emsig aufwarten, und hast du dich, gepflegt, wird ein königliches Mahl nicht säumen." Da fühlte Psyche die Seligkeit göttlicher Fürsorge, und wie sie die Weisungen der gestaltlosen Stimme hört, verscheucht sie erst mit Schlaf und dann mit einem Bad ihre Müdigkeit; und als sie sogleich ganz nahe ein Halbrund aufgeführt sieht, glaubt sie es wegen des Speisegeschirrs zu ihrer Labung bestimmt und läßt sich vergnügt nieder. Und auf der Stelle werden ausgiebige Gänge mit Nektarwein und verschiedenen Gerichten ohne Diener, nur von einem Hauch geblasen, aufgetragen. Niemanden aber konnte sie sehen, sondern hörte nur Worte fallen und hatte bloße Stimmen als Dienerinnen. Nach reichlichem Mahl kam jemand herein und sang unsichtbar, und ein anderer schlug eine Zither, die auch selbst nicht zu sehen war. Dann dringt von vielen Stimmen eine harmonische Komposition zu ihren Ohren, so daß es klar war, wiewohl kein Mensch da war, es müsse ein Chor sein. Als die Genüsse zu Ende sind und der Abend ruft, begibt sich Psyche zu Bett. Die Nacht ist schon vorgerückt, als ein gelinder Ton zu ihren Ohren dringt. Da bangt sie für ihre Unschuld bei so großer Einsamkeit und zagt und schaudert und fürchtet mehr als jedes andere Unglück das, was sie nicht kennt. Und schon war der unbekannte Gatte da und hatte das Lager bestiegen und Psyche zu seiner Gattin gemacht und war vor Tagesanbruch eilends entschwunden. Sogleich nehmen im
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Liber quintus
bieulo praestolatae novam nuptam interfectae virginitatis curant. haec diutino tempore sie agebantur. atque ut est natura redditum, novitas per assiduam consuetudinem delectationem ei commendarat et sonus vocis incertae solitudinis erat solacium. Interea parentes eius indefesso luctu atque maerore consenescebant latiusque porrecta fama sorores illae maiores cuncta cognorant propereque maestae atque lugubres deserto lare certatim ad parentum suorum conspectum adfatumque perrexerant. Ea nocte ad suam Psychen sie infit maritus - namque praeter oculos et manibus et auribus (ut praesent)ius nihil sentiebatur -: «Psyche dulcissima et cara uxor, exitiabile tibi perieulum minatur Fortuna saevior, quod observandum pressiore cautela censeo. sorores iam tuae mortis opinione turbatae tuumque vestigium requirentes scopulum istum protinus aderunt. quarum si quas forte lamentationes acceperis, neque respondeas, immo nec prospicias omnino; ceterum mihi quidem gravissimum dolorem, tibi vero summum creabis exitium.» Annuit et ex arbitrio mariti se facturam spopondit. sed eo simul cum nocte dilapso diem totum lacrimis ac plangoribus misella consumit se nunc maxime prorsus perisse iterans, quae beati carceris custodia septa et humanae .conversationis colloquio viduata nec sororibus quidem suis de se maerentibus opem salutarem ferre ac ne videre eas quidem omnino posset. nec lavacro nec cibo nec ulla denique refectione recreata flens ubertim decessit ad somnum.
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Nec mora, cum paulo maturius leeturn maritus accubans eamque etiam nunc lacrimantem complexus sie expostulat: «Haecine mihi pollicebare, Psyche mea? quid iam de te tuus maritus expecto, quid spero? et perdia et pemox nec inter amplexus coniugales desinis cruciatum?
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Schlafgemach harrende Stimmen sich der Neuvermählten ob der vernichteten Unschuld an. Dies geschah so eine lange Zeit. Und wie es von der Natur eingerichtet ist, war ihr durch stete Gewöhnung das Neue lieb geworden, und der Klang der Geisterstimme war ihr Trost in der Einsamkeit. Mittlerweile alterten ihre Eltern in unendlichem Harm und Gram, und als die Kunde sich weiter verbreitete, hatten die älteren Schwestern alles erfahren, eilends in tiefer Trauer ihr Heim verlassen und um die Wette ihre Eltern aufgesucht, sie zu sehen und zu trösten. In jener Nacht begann zu seiner Psyche der Gatte zu sprechen - denn wenn auch nicht mit den Augen, mit Händen und Ohren war er ganz Ieibhaft wahrnehmbar -: "Psyche, herzallerliebste Frau, ein recht grausames Schicksal droht dir tödliche Gefahr an, vor der du dich, meine ich, recht besonnen und vorsichtig hüten mußt. Deine Schwestern glauben dich tot und suchen verstört nach deiner Spur; sie werden jetzt gleich auf dieser Klippe erscheinen. Hörst du sie etwa klagen, so antworte nicht, ja schaue überhaupt nicht hinaus; sonst wirst du mir furchtbaren Schmerz, dir aber tödliches Leid antun." Sie nickte und gelobte, nach dem Willen ihres Gatten zu handeln. Aber als er zugleich mit der Nacht entwichen ist, verbringt die Arme den ganzen Tag mit Tränen und Brüsteschlagen; jetzt sei es, sagt sie sich immer wieder, ganz und gar mit ihr aus, da sie - in traumhafte Kerkerhaft gebannt, von Umgang und Zwiesprache mit Menschen geschieden- nicht einmal ihren Schwestern in deren Kummer um sie selbst wirksame Hilfe bringen und sie überhaupt nicht einmal sehen könne. Kein Bad, keine Speise und keine Labung sonst lockte sie zur Erquickung, sondern tränenüberströmt zog sie sich zum Schlummer zurück. Nicht lange, so legt sich ein wenig zeitiger als sonst ihr Gatte neben ihr zu 'Bett, umarmt die immer noch Weinende und stellt sie zur Rede: "Pas also versprachst du mir, meine Psyche? Was soll ich, dein Gatte, jetzt von dir erwarten, was erhoffen? Bei Tag und Nacht, ja, in meinen Armen hörst du nicht auf,
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age iam nunc, ut voles, et animo tuo damnosa poscenti pareto. tantum memineris meae seriae monitionis, cum coeperis sero paenitere.» Tune illa precibus et dum se morituram comminatur 4 extorquet a marito, cupitis adnuat, ut sorores videat, luctus mulceat, ora conferat. sie ille novae nuptae precibus veniam tribuit et insuper, quibuscumque vellet eas aUri vel monilium donare, concessit, sed identidem mo- 6 nuit ac saepe terruit, ne quando sororum pernicioso consilio suasa de forma mariti quaerat neve se sacrilega curiositate de tanto fortunarum suggestu pessum deiciat nec suum postea contingat amplexum. gratias egit ma- 7 rito iamque laetior animo «Sed prius», inquit, «centies moriar, quam tuo isto dulcissimo conubio caream. amo enim et efflictim te, quicumque es, diligo aeque ut meum spiritum nec ipsi Cupidini comparo. sed istud etiam meis precibus, oro, largire et illi tuo famulo Zephyro praecipe, simili vectura sorores hic mihi sistat.» et imprimens 9 oscula suasoria et ingerens verba mulcentia et inserens membra cogentia haec etiam blanditiis astruit: «Mi mellite, mi marite, tuae Psychae dulcis anima ... vi ac to potestate Venerii susurrus invitus succubuit maritus et cuncta se facturum spopondit atque etiam luce proxumante de manibus uxoris evanuit.
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At illae sorores percontatae scopulum locumque illum, quo fuerat Psyche deserta, festinanter adveniunt ibique difflebant oculos et plangebant ubera, quoad crebris earum eiulatibus saxa cautesque parilern sonum resultarent. iamque nomine proprio sororem miserain ciebant, quoad sono penetrabili vocis ululabilis per prona delapso amens et trepida Psyche procurrit e domo et «Quid»,
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dich zu quälen? Handle also jetzt, wie du willst, und drängt dich dein Herz zu Torheiten, so folge immer! Nur erinnere dich meiner ernsten Warnung, wenn du erst spät zu bereuen beginnst!" Da entwindet Psyche unter Bitten und Drohungen, sie werde sterben, ihrem Gatten ein Ja zu ihrem Begehren: daß sie die Schwestern sehe, ihren Gram lindere, sich mit ihnen unterhalte. So gab er den Bitten seiner jungen Frau nach und verstattete ihr noch dazu, die Schwestern nach Belieben mit Gold und Geschmeide zu beschenken; aber immer wieder warnte er sie und drohte ihr oft, sie solle nie dem bösen Rat ihrer Schwestern folgen und nach der Art ihres Gatten fragen, solle sich nicht durch frevle Neugier von solcher Glückeshöhe zu Boden stürzen, wonach sie seine Umarmung nicht mehr spüren dürfe. Sie dankte ihrem Gemahl, wurde nun schon fröhlicher und sprach: "Nein, eher will ich hundertmal sterben als auf die Seligkeit verzichten, an deiner Seite zu ruhen! Denn ich liebe dich, und von ganzem Herzen, wer immer du seist, halte ich dielt so teuer wie mein Leben und stelle selbst Cupido nicht höher. Aber noch mit einem komm bitte meinen Wünschen nach und befiehl deinem Diener Zephyr, in ähnlicher Weise meine Schwestern hierherzutragen und vor mich zu stellen!" Und sie bedeckt ihn mit verführerischen Küssen und berückt ihn mit schmeichelnden Worten und drückt ihn mit schmiegsamen Gliedern, indem sie ihren Betörungskünsten die Worte hinzufügt: "Mein liebster Freund, mein bester Mann, deiner Psyche Seelenglück!'' Der Gewalt und Macht des Liebesgeflüsters erlag wider Willen der Gemahl, gelobte alles zu tun und entschwand, da der Tag schon nahte, aus den Händen der Gattin. Doch die Schwestern haben die Klippe und die Stelle erkundet, wo man Psyche verlassen hatte, und kommen eilends herbei, um dort ihre Augen auszuweinen und ihre Brüste zu schlagen, bis die Felswände ihr Weh und Ach in gleichem Klang widergaben. Und jetzt riefen sie die arme Schwester bei ihrem Na-. men, bis der Ton ihres durchdringenden Geheuls über den Abhang hinabschwebte und Psyche außer sich vor Erregung
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inquit, «VOS rniseris larnentationibus necquiequarn effligitis? quarn lugetis, adsurn. lugubres voces desinite et diutinis lacrirnis rnadentes genas siecate tandern, quippe curn iarn possitis quarn plangebatis arnplecti.» Tune vocaturn Zephyrurn ~raecepti rnaritalis adrnonet. nec rnora, cum ille parens irnperio statirn clernentissirnis flatibus innoxia vectura deportat illas. iarn rnutuis arnplexibus et festinantibus saviis sese perfruuntur et illae sedatae lacrirnae postlirninio redeunt prolectante gaudio. «Sed et tecturn», inquit, «et larern nostrurn laetae succedite et afflictas anirnas curn Psyche vestra recreate...
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Sie allocuta surnrnas opes dornus aureae vocurnque servientiurn populosarn farniliarn dernonstrat auribus earurn lavacroque pulcherrirno et inhurnanae rnensae lautitiis eas opipare reficit, ut illarurn prorsus caelestiurn divitiarurn copiis affhrentibus satiatae iarn praecordiis penitus nutrirent invidiarn. denique altera earurn satis scrupulose curioseque percontari non desinit, quis illar-urn caelestiurn rerurn dorninus, quisve vel qualis ipsius sit rnaritus. nec tarnen Psyche coniugale illud praecepturn ullo pacto ternerat vel pectoris arcanis exigit, sed e re nata confingit esse iuvenern quendarn et speciosurn, cornrnodurn lanoso barbitio genas inurnbrantern, plerurnque rurestribus ac rnontanis venatibus occupaturn et, ne qua sermonis procedentis labe consiliurn taciturn proderetur, auro facto gernrnosisque rnonilibus onustas eas statirn vocato Zephyro tradit reportandas.
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Quo protinus perpetrato sorores egregiae dornurn redeuntes iarnque gliscentis invidiae feile fraglantes rnulta securn ~ermonibus rnutuis perstrepebant. sie denique infit altera; «En orba et saeva et iniqua Fortuna. hocine tibi corn-
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aus dem Haus gelaufen kam· mit den Worten: .,Was·-härmt ihr euch mit erbärmlichen Klagen ohne Grund zu Tode? Die ihr betrauert, hier bin ich! Laßt das Wehgeschrei und trocknet nach ewigen Tränen endlich eure nassen Wangen; denn ihr könnt die Bejammerte ja jetzt umarmen!" Dann ruft sie den Zephyr und mahnt ihn an ihres Gatten Gebot. Unverzüglich gehorcht er dem Befehl und trägt sogleich in lindern Wehen und behutsamem Geleit die beiden herab. Jetzt tauschen sie beglückte Umarmungen und stürmische Küsse, und von der Freude entlockt kehren die vorhin beruhigten Tränen nachträglich zurück . .,Aber kommt auch ins Haus", sagte sie, .,und in unser Heim und erholt euch von eurem Seelenschmerz bei eurer Psyche!" So spricht sie ihnen zu und zeigt ihnen die Herrlichkeiten des Palastes, weist ihren Ohren das reiche Gesinde dienender Stimmen und erquickt sie dann mit wohligem Bad und den köstlichen Leckerbissen der Geistertafel. Am Ende, als sie sich an der Überfülle dieses geradezu himmlischen Reichtums gesättigt haben, nähren sie schon tief drinnen im Herzen den Neid. Schließlich läßt die eine von ihnen nicht ab, ziemlich genau und neugierig nachzuforschen, wer denn der Herr dieses himmlischen Besitzes und wer oder welcher Art schließlich ihr Gemahl sei. Aber Psyche verletzt mitnichten das Gebot des Gatten und läßt es nicht aus dem Allerheiligsten ihrer Brust, sondern erfindet aus dem Stegreif, er sei ein junger und hübscher Mann, dem eben der erste Bartflaum die Wangen beschatte und der meistens auf den Fluren oder im Gebirge der Jagd obliege. Und um im Verlauf der Unterhaltung- nicht zu straucheln und heimliche Gedanken zu verraten, belädt sie die Schwestern mit Goldschmuck und Juwelengeschmeide, ruft gleich den Zephyr und übergibt sie ihm zum Heimgeleit. So geschah es sofort, und auf dem Nachhauseweg begannen die trefflichen Schwestern schon vor gallig aufsteigendem Neid zu kochen und im Gedankenaustausch miteinander allerlei durchzuklatschen. Schließlich hebt die eine an: .,Da sieht man, wie blind und böse und ungerecht Fortuna ist!
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placuit, ut utroque parente prognatae diversam sortem sustineremus? et nos quidem, quae natu maiores sumus, maritis advenis ancillae deditae, extorres et lare et ipsa patria degamus Ionge parentum velut exulantes, haec autem novissima, quam fetu satiante postremus partus effudit, tantis opibus et deo marito potita sit, quae nec uti recte tanta bonorum copia novit? vidisti, soror, quanta in domo iacent et qualia monilia, quae praenitent vestes, quae splendieant gemmae, quantum praeterea passim calcatur aurum. quodsi mariturn etiam tarn forrnonsum tenet, ut affirmat, nulla nunc in orbe toto felicior vivit. fortassis tarnen procedente consuetudine et adfectione roborata deam quoque illam deus rnaritus efficiet. sie est hercules, sie se gerebat ferebatque. iam iam sursum respicit et dearn spirat rnulier, quae voces ancillas habet et ventis ipsis irnperitat. at ego misera prirnum patre. meo seniorem mariturn sortita sum, dein cucurbita calviorem et quovis puero pusilliorem, cunctam domum seris et catenis obditam custodientem.»
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Suscipit alia: «Ego vero mariturn artieuli·etiam morbo complicatum curvatumque ac per hoc rarissimo venerern rnearn recolentem sustineo, plerurnque detortos et duratos in lapidem digitos eius perfrieans, fomentis olidis et pannis sordidis et faetidis cataplasmatibus rnanus tarn delicatas istas adurens nec uxoris officiosarn faciern, sed rnedieae Iaberiosam personarn sustinens. et tu quidem, soror, videris, quam patienti vel potius servili - dieam enim libere quod sentio - haec perferas anirno; enimvero ego nequeo sustinere ulterius tarn beatam fortunarn allapsam indignae. recordare enirn, quam superbe, quarn adroganter nobiscum egerit et ipsa iactatione inmodicae
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Läßt du dir das gefallen, daß wir als gleicher Eltern Kinder verschieden gestellt sind? Ja freilicht Wir, die Erstgeborenen, sollen bei hergelaufenen Männern die Dienstboten machen, uns von Haus und Heimat vertreiben lassen und fern von den Eltern wie Verbannte unser Leben verbringen; aber diese Person, die Jüngste, die der erschöpfte Schoß als letzte Frucht noch abgestoßen hat, soll solchen Reichtum und einen Gott zum Gatten bekommen haben, wo sie nicht einmal mit soviel Glücksfülle etwas Rechtes anzufangen weiß? Du hast es gesehen, Schwester: wieviel Kleinodien und was für welche liegen da im Hause, was glänzen für Tuche, was glitzern für Juwelen, auf was für Mengen von Gold tritt man schließlich überall! Wenn sie nun auch so einen schönen Mann besitzt, wie sie behauptet, gibt es augenblicklich auf der ganzen Welt kein glücklicheres Frauenzimmer. Doch vielleicht wird bei fortschreitendem Umgang und gefestigter Neigung ihr Göttergatte auch aus ihr eine Göttin machen? Das stimmt, weiß der Himmel: so ist sie gegangen und gestanden! Gleich trägt sie schon die Nase hoch und schnieft wie eine Göttin, das Weibsbild, weil es Stimmen zu Mägden hat und selbst die Winde alle Tage kommandiert. Aber ich Arme-habe einen Gatten erwischt, der erstens älter ist als mein Vater, zweitens kahler als ein Kürbis und knirpsiger als jedes Kind und der das ganze Haus mit Riegeln und Ketten unter Verschluß hält." Die andere erwidert: "Aber ich m1,1ß mir einen Mann gefallen lassen, der obendrein von der Gicht verkrümmt und verkrüppelt ist und deswegen höchst selten mit mir Umgang pflegt. Die ganze Zeit reibe ich seine verbogenen und steinharten Finger ein, verätze mit stinkenden Umschlägen und schmutzigen Lappen und unappetitlichen Pflastern meine überzarten Hände und sehe nicht wie eine liebevolle Gattin aus, sondern spiele die mühevolle Rolle einer Ärztin. Magst du zusehen, Schwester, mit welcher Geduld oder vielmehr Kriecherei -denn ich will offen sagen, was ich denke- du dies erträgst; meinerseits kann ich mich künftig nicht damit abfinden, daß ein solches Glückslos einer Unwürdigen zugefallen ist. Erinnere dich nur, wie hochmütig, wie anmaßend sie mit uns verfahren ist
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ostentationis turnentern suum prodiderit animum deque tantis divitiis exigua nobis invita proiecerit confestimque praesentiam nostram gravata propelli et efflari exsibilarique nos iusserit. nec sum mulier nec omnino spiro, nisi eam pessum de tantis opibus deiecero. ac si tibi etiam, ut par est, inacuit nostra contumelia, consilium validum requiramus ambae. iamque ista, quae ferimus, non parentibus nostris ac nec ulli monstremus alii, immo nec omnino quiequam de eius salute norimus. sat est, quod ipsae vidimus quae vidisse paenitet, nedum ut genitoribus et omnibus populis tarn beatum eius differamus praeconium. nec sunt enim beati, quorum divitias nemo novit. seiet se non ancillas, sed sorores habere maiores. et nunc quidem concedamus ad maritos et lares pauperes nostros, sed plane sobrios revisamus diuque cogitationibus pressioribus instructae ad superbiam poeniendam firmiores redeamus.»
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Placet pro bono duabus malis malum consilium totisque illis tarn pretiosis muneribus absconditis comam trahentes et, proinde ut merebantur, ora lacer~ntes simulatos redintegrant fletus. ac sie parentes quoque redulcerato prorsum dolore raptim deterrentes vesania turgidae domus suas contendunt dolum scelestum, immo vero parricidium struentes contra sororem insontem. Interea Psychen maritus ille, quem nescit, rursum suis illis nocturnis sermonibus sie commonet: « Videsne, quantum tibi periculum? velitatur Fortuna eminus ac, nisi Ionge firmiter praecaves, mox comminus congredietur. perfidae lupulae magnis conatibus nefarias insidias tibi comparant, quarum summa est, ut te suadeant meos explorare vultus, quos, ut tibi saepe praedixi, non videbis,
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und wie sie gerade durch ihre grenzenlos eitle Prahlerei ihre Aufgeblasenheit verriet, uns dann von all dem Reichtum nur ein paar Kleinigkeiten widerwillig hinwarf und uns eilends, weil ihr unsere Gegenwart lästig wurde, wegtreiben und fortpusten und hinauspfeifen ließt Ich will nicht Weib heißen, nein, umfallen will ich, wenn ich sie nicht von all den Kostbarkeiten zu Boden hinunterwerfe! Und wenn auch dir, wie. es billig ist, unsere Schmach die Galle hochtreibt, so wollen wir zusammen nach Abhilfe suchen! Gleich die Sachen~da in unseren Händen wollen wir den Eltern nicht zeigen und auch sonst keinem anderen, wollen vielmehr überhaupt nichts von ihremErgehen wissen! Genug, daß wir selber gesehen haben, was wir besser nicht gesehen hätten; das fehlte uns noch, daß wir bei den Eltern und in aller Welt ihr großes Glück weit und breit ausposaunen, denn der ist gar nicht glücklich, dessen Reichtum niemand kennt! Sie wird es zu spüren bekommen, daß sie es nicht mit Dienstboten, sondern mit älteren Schwestern zu tun hat. Nun, für jetzt wollen wir uns zu unseren Männern begeben und unser dürftiges, aber absolut anständiges He'im aufsuchen, und wenn wir lange und gründlich nachgedacht. haben, wollen wir wohlversehen mit neuen Kräften wiederkommen, um ihren Hochmut zu bestrafen!" So fassen die beiden Bösen statt eines guten einen bösen EntschluG, verbergen all ihre köstlichen Geschenke, raufen ihre Haare, zerkratzen- es geschah ihnen recht!- ihr Gesicht und erneuern heuchlerisch ihr Flennen. So stürzen sie auch ihre Eltern, denen sie tatsächlich die Narbe ihres Schmerzes wieder aufreißen, eben in Schrecken, eilen wutgeschwollen jede nach Hause, auf verbrecherischen Anschlag, nein, auf Mord sinnend an ihrer unschuldigen Schwester. Unterdessen mahnt Psyche der unbekannte Gatte wieder in seinen nächtlichen Anreden: "Siehst du nicht die große Gefahr vor dir? Schon plänkelt Fortuna von ferne, und wenn du dich nicht auf weite Sicht vorsorglich wappnest, wird sie bald zum Nahkampf da sein. Die tückischen Hyänen stellen dir mit allen Mitteln eine unerhörte Falle; dabei ist das Hauptziel, daß sie dir raten, mein Gesicht auszumachen, das du - ich habe es dir
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si videris. ergo igitur, si posthae pessimae illae Lamiae noxiis animis armatae venerint - venient autem, scio -, neque omnino sermonem eonferas et, si id tolerare pro genuina simplicitate proque animi tui teneritudine non potueris, eerte de marito nil quiequam vel audias vel respondeas. nam et familiam nostram iam propagabimus et hic adhue infantilis uterus gestat nobis infantem alium, si texeris nostra seereta silentio, divinum, si profanaveris, mortalem.»
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Nuntio Psyche laeta florebat et divinae subolis solacio plaudebat et futuri pignoris globa gestiebat et materni nominis dignitate gaudebat. ereseentes dies et menses exeuntes anxia numerat et sarcinae nesciae rudimento miratur de brevi punetulo tantum inerementulum loeupletis uteri. Sed iam pestes illae taeterrimaeque furiae anhelantes vipereum virus et festinantes impia eeleritate navigabant. tune sie iterum momentarius maritus suam Psychen admonet: «(En) dies ultima et easus extremus [et]. sexus infestus et sanguis inimicus iam sumpsit arma et eastra eommovit et aciem direxit et classicum personavit. iam muerone destricto iugulum tuum nefariae tuae sorores petunt. heu quantis urguemur cladibus, Psyche dulcissima. tui nostrique miserere religiosaque eontinentia domum mariturn teque et istum parvulum nostrum imminentis ruinae infortunio libera. nee illas seelestas feminas, quas tibi post internecivum odium et ealcata sanguinis foedera sorores appellare non lieet, vel videas vel audias, eum in morem Sirenum seopulo prominentes funestis vocibus saxa personabunt.»
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Suscipit Psyche singultu laerimoso sermonem ineertans: «lam dudum, quod sciam, fidei atque pareiloquio meo perpendisti doeumenta nee eo setius adprobabitur
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oft angekündigt - nicht wiedersiehst, wenn du es siehst. Also nun, wenn späterhin die schlimmen Upgeheuer kommen, die mit Bosheit gepanzert sind - und sie kommen, ich weiß es -, so laß dich überhaupt auf kein Gespräch ein; und kannst du das bei deiner arglosen Art und deinem zarten Wesen nicht über dich bringen, so solltest du wenigstens über deinen Mann nicht das Geringste anhören oder antworten. Denn wir werden auch Familienzuwachs bekommen, und dein noch kindlicher Leib trägt uns ein anderes Kind, - begräbst du unser Geheimnis in Schweigen, ein göttliches, entweihst du es, ein sterbliches!" Wie Psyche diese Nachricht beglückte und der kleine himmlische Tröster entzückte und das künftige Liebespfand jubeln hieß und des Mutternamens Würde strahlen ließ f Bange rechnet sie, wie die Tage wachsen und die Monate enden, und da sie mit solch neuer Bürde nicht vertraut ist, will es ihr als Wunder erscheinen, daß von einem kleinen Stichlein ihr Leib zu so hübscher Fülle gediehen ist. Aber schon waren jene Scheusale und gräßlichen Furien unterwegs, Schlangengift schnaubend und in ruchlos-schneller Eile. Da mahnt beim flüchtigen Besuch der Gatte seine Psyche aufs neue: "Der letzte Tag und die Entscheidung ist da. Mit Feindeswut hat die Weiberbrut schon die Waffen ergriffen und den Marsch angetreten und die Front gebildet und das Signal geblasen. Schon zielen deine Schwestern frevlerisch mit blanker Klinge auf deinen Hals. Ach, welche Nöte bedrängen uns, meine liebste Psyche f Hab Erbarmen mit dir und uns, befreie mit treulicher Beherrschung das Haus, den Gatten und dich und unser Kleines unter deinem Herzen von der drohenden Katastrophe f Die Verbrecherinnen, die in mörderischem Haß die Blutsbande in den Staub getreten haben, darfst du nicht mehr Schwestern nennen I Sieh sie nicht und höre sie nicht, wenn sie wie die Sirenen von der Klippe dräuend mit Todestönen durch die Felsen schallen!" Da entgegnet Psyche, und ihre Worte ersticken in Schluchzen und Weinen: "Schon längst hast du meines Wissens Beweise für meine Verläßlichkeit und Verschwiegenheit in
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tibi nunc etiam firmitas animi mei. tu modo Zephyro nostro rursum praecipe, fungatur obsequio, et in vicem denegatae sacrosanctae imaginis tuae redde saltem conspectum sororum. per istos cinnameos et undique pendulos crines tuos, per teneras et teretis et mei similes genas, per pectus nescio quo calore fervidum, sie in hoc saltem parvulo cognoscam faciem tuam: supplicis anxiae piis precibus erogatus germani complexus indulge fructum et tibi devotae dicataeque Psychae animam gaudio recrea. nec quiequam amplius in tuo vultu requiro, iam nil officiunt mihi nec ipsae nocturnae tenebrae: teneo te, meum Iumen.» his verbis et amplexibus mollibus decantatus maritus lacrimasque eius suis crinibus detergens facturum spopondit et praevertit statim Iumen nascentis diei.
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Iugum sororium consponsae factionis ne parentibus quidem visis recta de navibus scopulum petunt illum praecipiti cum velocitate nec venti ferentis oppertae praesentiam licentiosa cum temeritate prosiliunt in altum. nec immemor Zephyrus regalis edieti, quamvis invitus, susceptas eas gremio spirantis aurae solo reddidit. at illae incunctatae statim conferto vestigio domum penetrant complexaeque praedam suam sorores nomine mentientes thensaurumque penitus abditae fraudis vultu laeto tegentes sie adulant: «Psyche, non ita ut pridem parvula, et ipsa iam mater es. quantum, putas, boni nobis in ista geris perula, quantis gaudiis totam domum nostram hilarabis. o nos beatas, quas infantis aurei nutrimenta laetabunt. qui si parentum, ut oportet, pulchritudini responderit, prorsus Cupido nascetur.,.
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Sie adfectione simulata paulatim sororis invadunt ani-
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Händen, aber trotzdem soll sich dir auch jetzt mein unbeirrbarer Sinn bewähren! Heiße du nur unseren Zephyr wieder Gehorsam leisten, und anstelle deines heilig-hehren Bildes, das mir vorenthalten ist, gewähre mir wenigstens den Anblick der Schwestern! Bei der duftenden Lockenpracht deiner Haare hier, bei deinen weichen, runden und mädchengleichen Wangen, bei deiner von ich weiß nicht welchem Leben durchglühten Brust, so wahr ich wenigstens in diesem Kleinen dein Antlitz kennen lernen soll: laß dich von zagem Flehen und demütigem Bitten erweichen, verstatte das Labsal geschwisterlicher Umarmung und gönne deiner Psyche, die dir mit Herz und Hand ergeben ist, die erquickende Seelenfreude. Und ich frage fürderhin nicht nach deinem Antlitz, auch die nächtliche Finsternis stört mich nicht mehr, - ich halte ja dich in Armen, meine Sonne!" Ihre Worte und schmiegsamen Umarmungen betörten den Gatten, daß er ihre Tränen mit seinen Haaren abwischte und so zu tun gelobte; und gleich wich er vor dem Licht des werdenden Tages. Das einträchtig verschworene Schwesternpaar geht, ohne auch nur die Eltern zu besuchen, geradeswegs von den Schiffen zu jener Klippe und springt in überstürzter Eile, ohne das Kommen des Windlotsen abzuwarten, mit verwegenem Leichtsinn in die Tiefe. Doch Zephyr befolgte den königlichen Erlaß, fing sie ungern genug im luftigen Windesschoß auf und setzte sie wieder zu Boden. Sie aber dringen gleich ohne Säumen mit hastigen Schritten ins Haus, umarmen ihre Beute - Schwestern nennen sie sich mit Lug, verdecken mit heiterer Miene den drinnen heimlich gehüteten Trug - und schmeicheln: .. Psyche, nicht so wie früher bist du das Küken, nein, selbst schon Mutter! Wieviel Glück für uns du wohl in deinem Ränzlein da trägst! Wie wirst du unser ganzes Haus vor Wonne strahlen machen! Selig wir, die die Freude haben sollen, ein goldiges Kind aufzuziehen I Wenn es - das versteht sich an Schönheit den Eltern gleicht, wird es einen richtigen Cupido geben." So schmeicheln sie sich mit erheuchelter Neigung allmählich
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mum. statimque eas lassitudinem viae sedilibus refotas et balnearum vaporosis fontibus curatas puhnerrime triclinio mirisque illis et beatis edulibus atque tuccetis oblectat. iubet citharam loqui: psallitur; tibias agere: sonatur; choros canere: cantatur. quae cuncta nullo praesente dulcissimis modulis animos audientium remulcebant.
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Nec tarnen scelestarum feminarum nequitia vel illa mellita cantus dulcedine mollita conquievit, sed ad destinatam fraudium pedicam sermonem conferentes dissimulanter occipiunt sciscitari, qualis ei maritus et unde natalium, secta cuia proveniret. tune illa simplicitate nimia pristini sermonis oblita novum commentum instruit aitque mariturn suum de provincia proxima magnis pecuniis negotiantem iam medium cursum aetatis agere interspersum rara canitie. nec in sermone isto tantillum morata rursum opiparis muneribus e'as onustas ventoso vehiculo reddidit. 16
Sed dum Zephyri tranquillo spiritu sublimatae domum redeunt, sie secum altercantes: «Quid, soror, dicimus de tarn monstruoso fatuae illius mendacio? tune adolescens modo florenti lanugine barbam instruens, nunc aetate media candenti canitie lucidus. quis ille, quem temporis modici spatium repentina senecta reformavit? nil aliud repperies, mi soror, quam vel mendacia istam pessimam feminam confingere vel formam mariti sui nescire. quorum utrum verum est, opibus istis quam primum exterminanda est. quodsi viri sui faciem ignorat, deo profecto denupsit et deum nobis praegnatione ista gerit. certe si divini puelli - quod absit - haec mater audierit, statim me laqueo nexili suspendam. ergo interim ad parentes nostros redeamus et exordio sermonis huius quam concolores fallacias adtexamus.»
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bei ihrer Schwester ein. Gleich ·bietet sie ihnen Sessel, sich von den Reisestrapazen zu erholen, versorgt sie mit dampfendem Badewasser und entzückt sie dann im Speisesaal mit jenen himmlisch-wundervollen Gerichten - es gibt Roulade - aufs köstlichste. Sie befiehlt Zithemiusik, es klingt; Flötenspiel, es tönt; Chorgesang, es singt. All das gab, ohne daß jemand zugegen war, die schönsten Harmonien und nahm die Zuhörenden gefangen. Doch die Schändlichkeit der bösen Weiber wurde auch von der köstlich-süßen Musik nicht gemäßigt und beschwichtigt, sondern sie lenken das Gespräch auf die verabredete tückische Fußangel und beginnen sich heuchlerisch nach der Person, der Herkunft und dem Beruf ihres Gatten zu erkundigen. Da vergißt sie in ihrer großen Arglosigkeit ihre frühere Auskunft, errichtet ein neues Lügengebäude und sagt, ihr Mann stamme aus der Nachbarprovinz, treibe mit großem Umsatz Geschäfte, stehe in mittleren Jahren und habe leicht angegrautes Haar. Doch hielt sie sich bei diesem Thema keinen Augenblick auf. belud sie wieder mit prächtigen Geschenken und übergab sie ihrem luftigen Fahrzeug. Aber als sie von Zephyr mit ruhigem Hauch emporgehoben waren und heimgingen, keiften sie miteinander: "Hast du Worte, Schwester, für die ungeheuerliche Lüge dieser Närrin? Neulich ein Jüngling, der sich einen ersten Flaumbart zulegt; jetzt steht er in mittleren Jahren und schimmert von weißen Haaren! So einer,- hat ihn da die kurze Zeit plötzlich greisenhaft verwandelt f Du kommst nicht drum herum, liebe Schwester: das Luder denkt sich entweder Lügen aus oder kennt die Gestalt ihres Gatten nicht. Was davon auch wahr ist, diese Schätze müssen ihr schnellstens außer Reichweite kommen. Wenn sie ihres Mannes Angesicht nicht kennt, hat sie wahrhaftig einen Gott geheiratet und trägt uns einen Gott im Mutterschoß. Bestimmt, wenn sie ein Götterbaby - nicht auszudenken! - Sohn nennt, nehme ich auf der Stelle E-inen Strick und hänge mich auf. Also fürs erste laß uns zu unseren Eltern heimkehren und das begonnene Thema mit möglichst passenden Intrigen weiterspinnenf"
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Sie inflammatae parentibus fastidienter appellatis et nocte turbata vigiliis perditae matutino scopulum pervolant et inde solito venti praesidio vehementer devolant lacrimisque pressura palpebrarum coactis hoc astu puellam appellant: «Tu quidem felix et ipsa tanti mali ignorantia beata sedes incuriosa periculi tui, nos autem, quae pervigili cura rebus tuis excubamus, cladibus tuis misere cruciamur. pro vero namque comperimus nec te, sociae scilicet doloris casusque tui, celare possumus immanem colubrum multinodis voluminibus serpentem, veneno noxio colla sanguinantem hiantemque ingluvie profunda tecum noctibus latenter adquiescere. nunc recordare sortis Pythicae, quae te trucis bestiae nuptiis destinatam esse clamavit. et multi coloni quique circumsecus venantur et accolae plurimi viderunt eum vespera redeuntern e pastu proximique fluminis vadis innatantem.
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Nec diu blandis alimoniarum obsequiis te saginaturum omnes adfirmant, sed cum primum praegnationem tuam plenus maturaverit uterus, opimiore fructu praeditam devoraturum. ad haec iam tua est existimatio, utrum sororibus pro tua cara salute sollicitis adsentiri velis et declinata morte nobiscum secura periculi vivere an saevissimae bestiae sepeliri visceribus. quodsi te ruris huius vocalis solitudo vel clandestinae veneris faetidi periculosique concubitus et venenati serpentis amplexus delectant, certe piae sorores nestrum fecerimus.»
Tune Psyche misella, utpote simplex et animi tenella, rapitur verborum tarn tristium formidine. extra terminum mentis suae posita prorsus omnium mariti monitionum suarumque promissionum memoriam effudit et in profundum calamitatis sese praecipitavit tremensque et ex-
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So in Glut, begrüßen sie mürrisch ihre Eltern und verbringen in Schlaflosigkeit eine unruhige Nacht. Frühmorgens fliegen die verworfenen Weiber zu der Klippe hin, fliegen von da wie sonst im Geleit des Windes hastig hinab, pressen sich gewaltsam eine Träne aus den Lidern und wenden sich listig an die junge Frau: .. Du sitzest glücklich und gerade weil du das Furchtbare nicht ahnst, weltverloren da und kümmerst dich nicht um die Gefahr, in der du schwebst; aber wir, die in immerwacher Sorge um deine Angelegenheiten auf Posten sind, quälen uns erbärmlich wegen all deines Unglücks. Wir haben nämlich als wahr ausgefunden und können es dir, da wir doch an deinem Schmerz und Leid teilnehmen, nicht verhehlen: ein ungeheurer Drache, der sich in endlosen Schlangenwindungen ringelt, mit Todesgift seinen Hals begeifert und einen Höllenrachen aufreißt, - er ruht insgeheim nächtens an deiner Seite! Jetzt ruf dir Apollos Orakel in Erinnerung: du seiest zur Hochzeit mit einem wüsten Ungeheuer bestimmt, ließ es sich laut vernehmen. Viele Bauern und Jägersleute aus der Umgebung und eine Menge Anwohner haben ihn gesehen, wie er abends vom Fraß zurückkehrte und in der Furt des nahen Flusses schwamm. Und nicht lange wird er dich mit reizender Bewirtung mästen, versichern sie alle, sondern sobald dein Leib voll und deine Schwangerschaft zur Reife gediehen ist, wird er dich mit einer richtig fetten Frucht als Zugabe auffressen. Hierzu mußt du jetzt befinden, ob du den für dein teures Leben besorgten Schwestern zustimmen und dem Tod entronnen mit uns in Sicherheit vor Gefahr leben oder im Magen des gräßlichen Ungeheuers ein Grab finden willst. Wenn dich die klingende Einsamkeit dieses Besitzes oder die eklig-gefährlichen Beilager heimlicher Lust und die Umarmungen eines giftigen Drachens erfreuen, so dürften wenigstens wir als zärtliche Schwestern das Unsrige getan haben." Da verliert Psyche, das arme Kind, weich wie die Arglosen sind, vor Schauder über so entsetzliche Worte den Halt. Um den Verstand gebracht, ließ sie alle, aber auch alle Warnungen ihres Gatten und ihre eigenen Versprechen aus dem Gedächtnis fahren und stürzte sich kopfüber in ihr Unglück. Zitternd,
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sangui colore lurida tertiata verba semihianti voce substrepens sie ad illas ai t: 19
«Vos quidem, carissimae sorores, u.t par erat, in officio vestrae pietatis permanetis, verum et illi, qui talia vobis adfirmant, · non videntur mihi mendacium fingere. nec enim umquam viri mei vidi faciem vel omnino cuiatis sit novi, sed tantum nocturnis subaudiens vocibus mariturn incerti status et prorsus lucifugam tolero bestiamque aliquam recte dicentibus vobis merito consentio. meque magnopere semper a suis terret aspectibus malumque grande de vultus curiositate praeminatur. nunc si quam salutarem opem periclitanti sorori vestrae potestis adferre, iam nunc subsistite. ceterum incuria sequens prioris providentiae beneficia conrumpet.»
Tune nanctae iam portis patentibus nudatum sororis' animum facinorosae mulieres, omissis tectae machinae latibulis, destrictis gladiis fraudium simplicis puellae paventes cogitationes invadunt.
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Sie denique altera: «Quoniam nos originis nexus pro tua incolumitate (ne) perieulum quidem ullum ante oculos habere compellit, viam, quae sola deducit iter ad salutem, diu diuque cogitatam monstrabimus tibi. novaculam praeacutam, adpulsu etiam palmulae lenientis exasperatam, .tori qua parte cubare consuesti, latenter absconde lucernamque concinnem completam oleo, claro lumine praemieantem subde aliquo claudentis aululae tegmine omnique isto apparatu tenacissime dissimulato, postquam sulcatum trahens gressum cubile soliturn conscenderit iamque porrectus et exordio somni prementis implicitus altum soporem flare coeperit, toro delapsa nudoque vestigio pensilem gradum paullulatim minuens
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blutleer und leichenblaß murmelt sie mit halberstickter Stimme den Schwestern stammelnde Worte zu und sagt: "Liebste Schwestern, ihr bleibt nur, wie zu erwarten war, eurem Familiensinn treu! Aber auch die anderen, die euch solche Dinge versichern, scheinen mir keine Lüge zu erfinden. Denn ich sah niemals meines Mannes Angesicht und weiß überhaupt nicht, welcher Art er ist, sondern horche nur auf nächtliche Laute und lasse mir einen unbestimmt gestalteten und wahrhaftig lichtscheuen Mann gefallen; und wenn ihr gültig behauptet, daß er irgendein Ungeheuer sei, muß ich euch billigerweise rechtgeben. Er schreckt mich ja immer sehr ab, ihn anzusehen, und droht mit großem Unglück bei Neugier nach seinem Gesicht. Wenn ihr nun eurer gefährdeten Schwester irgendeine Abhilfe bringen könnt, so steht mir gleich jetzt bei! Sonst wird Sorglosigkeit nachher den Gewinn früherer Vorsicht zunichte machen." Als die Sündenweiber es endlich erreicht haben, daß die Tore offenstehen und die Seele ihrer Schwester bloßliegt, geben sie die heimliche Intrige aus dem Hinterhalt auf und dringen mit blanken Schwertern des Anschlags auf das arglose Mädchen in seinen verängstigten Gedanken ein. Also die eine: "Weil uns die Blutsbande auch die geringste Gefahr für dein Leben aus dem Blick zu verbannen heißen, wollen wir dir den Weg weisen, der allein zur Rettung führt und den wir lange, lange überlegt haben. Ein Rasiermesser, das gut scharf und noch an der Handfläche abgezogen und geschmeidig gewetzt ist, verbirg heimlich auf der Seite des Bettes, wo du zu liegen pflegst; und eine geeignete Lampe, die mit Öl gefüllt ist und ein besonders helles Licht gibt, stelle sicher versteckt unter irgendein Schälchen! Nimm dich zusammen, daß du von diesen Vorbereitungen nichts merken läßt! Und wenn er nun mit schleppendem Schritt dahergepflügt und in sein gewohntes Lager gestiegen ist, schon ausgestreckt liegt und in den Armen des ersten schweren Schlafs mit tiefen Zügen zu schlummern angefangen hat, so husche vom Bett herab, tappe auf nackten Sohlen und Zehenspitzen Schritt um Schritt, decke den Ver-
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caecae tenebrae custodia liberata lucema praeclari tui facinoris opportunitatem de luminis consilio mutuare et ancipiti telo illo audaciter, prius dextera sursum elata, nisu quam valido noxii serpentis nodum cervicis et capitis abscide. nec nostrum tibi deerit subsidium; sed cum primum illius morte salutem tibi feceris, anxie praestola(tae advola)bimus cunctisque istis ocius tecum relatis votivis nuptiis hominem te iungemus homini.»
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Tali verborum incendio flammata viscera sororis iam prorsus ardentis deserentes ipsae protinus tanti mali confinium sibi etiam eximie metuentes flatus alitis impulsu solito porrectae super scopulum ilico pemici se fuga proripiunt statimque conscensis navibus abeunt.
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At Psyche relicta sola - nisi quod infestis Furiis agitata sola non est - aestu pelagi simile maerendo fluctuat et quamvis statuto consilio et obstinato animo, iam tamen facinori manus admovens adhuc incerta consilii titubat multisque calamitatis suae distrahitur affectibus. festinat differt, audet tre-pidat, diffidit irascitur et, quod est ultimum, in eodem corpore odit bestiam, diligit mariturn. vespera tamen iam noctem trahente praecipiti festinatione nefarii sceleris instruit apparatum.
Nox aderat et maritus aderat priusque Veneris proeliis velitatus altum soporem descenderat. 22
Tune Psyche et corporis et animi alioquin infirma, fati tamen saevitia subministrante viribus roboratur et prolata lucema et adrepta novacula sexum audacia mutatur. Sed cum primum luminis oblat~one tori secreta claruerunt, videt omnium ferarum mitissimam dulcissimamque bestiam, ipsum illum Cupidinem formonsum deum
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dunkelungsschutz von der Lampe, und von dem wohlmeinenden Licht laß dir die Chance zur Heldentat geben: ein Herz gefaßt und mit der doppelt geschliffenen Waffe, hast du erst die Rechte hochgeschwungen, stoß zu, so fest du kannst, und trenne mit einem Schnitt dem bösen Drachen den Kopf vom Nacken! Unser Beistand wird dir nicht fehlen, sondern sobald du dich durch seinen Tod erlöst hast, werden wir aus ungeduldiger Lauer im Fluge zur Stelle sein, dir all das da schleunigst wegschaffen helfen und dich in idealer Ehe Mensch zu Mensch fügen." Dieses Inferno von Worten setzte die Gefühle ihrer Schwester in Feuer, und als sie lichterloh brannte, ließen sie sie schleunig allein, da sie gewaltig Angst hatten, der Brand könne auch auf sie übergreifen. Mit gewohntem Schwung trägt der Flügelhauch sie über den Felsen hinweg, sie machen sich in aller Hast davon, besteigen gleich ihre Schiffe und reisen ab. Aber Psyche blieb allein, - nur daß jemand, der von grimmigen Furien gehetzt wird, nicht allein ist! Wie Meeresfluten treibt sie der Gram auf und nieder, und mag auch ihr Plan fest und ihr Herz entschlossen sein: jetzt, da sie die Hand ans Werk legen will, bleibt sie unschlüssig und schwankend und wird in ihrem Herzeleid von vielen Stimmungen hin- und her~ gerissen. Sie eilt und zögert, wagt und zittert, mißtraut und zürnt, und was das Schlimmste ist, im gleichen Wesen haßt sie das Ungeheuer und liebt den Mann. Als aber der Abend schon die Nacht heraufführt, richtet sie in überstürzter Hast alles 'zu dem frevlerischen Verbrechen her. Die Nacht war da, und der Gatte war da, hatte zuerst im Liebeskampf geplänkelt und war dann in tiefen Schlaf gesunken. Da wachsen der sonst so zarten und zagen Psyche dank dem bösen Verhängnis Kräfte zu: sie holt die Lampe hervor, ergreift das Rasiermesser, und ihr Mut läßt ihr Geschlecht vergessen ... Aber kaum hat das einfallende Licht die Geheimnisse des Lagers erhellt, erblickt sie das zahmste und lieblichste Ungeheuer unter allem Getier, ihn selbst, Cupido den herrlichen Gott,
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fonnonse cubantem, cuius aspectu lucemae quoque Iumen hilaratum increbruit et acuminis sacrilegi novacula paenitebat. at vero Psyche tanto aspectu deterrita et impos animi, marcido pallore defecta tremensque desedit in imos poplites et ferrum quaerit abscondere, sed in suo pectore; quod profecto fecisset, nisi ferrum timore tanti flagitii manibus temerariis delapsum evolasset; iamque lassa, salute defecta, dum saepius divini vultus intuetur pulchritudinem, recreatur animi. videt capitis aurei genialem caesariem ambrosia temulentam, cervices lacteas genasque purpureas pererrantes crinium globos decoriter impeditos, alios antependulos, alios retropendulos, quorum splendore nimio fulgurante iam et ipsum Iumen Iucemae vacillabat. per umeros volatilis dei pinnae roscidae micanti flore candicant et quamvis alis quiescentibus extimae plumulae tenellae ac delicatae tremule resultantes inquieta lasciviunt. ceterum corpus glabellum atque Iuculentum et quale peperisse Venerem non paeniteret.
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Ante lectuli pedes iacebat arcus et pharetra et sagittae, magni dei propitia tela. 23
Quae dum insatiabili animo Psyche, satis et curiosa, rimatur atque pertrectat et mariti sui miratur arma . depromit unam de pharetra sagittam et punctu pollicis extremam aciem periclitabunda trementis etiam nunc articuli nisu fortiore pupugit altius, ut per summam cutem roraverint parvulae sanguinis rosei guttae. sie ignara Psyche sponte in Amoris incidit amorem. tune magis magisque cupidine flagrans Cupidinis prona in eum efflictim inhians patulis ac petulantibus saviis festinanter ingestis de somni mensura metuebat. sed dum bono tanto percita saucia mente fluctuat, lucerna illa - sive perfidia pessima sive invidia noxia sive
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herrlich gelagert, bei dessen Anblick auch das Lampenlicht vor Entzücken aufflammte und ob seiner ruchlosen Schneide das Rasiermesser sich entsetzte. Aber nun Psyche: von solch einem Anblick verwirrt und ihrer Sinne nicht mehr mächtig, ist sie matt, blaß, vergehend, zitternd tief in die Knie gesunken und sucht den Stahl zu bergen, - aber in der eigenen Brust! Das hätte sie wahrhaftig getan, wäre nicht der Stahl aus Abscheu vor solcher Schandtat ihren unbesonnenen Händen entglitten und davongeflogen. Und während sie jetzt in ihrer Erschöpfung und Ohnmacht immer von neuem das schöne Götterantlitz beschaut, erholen sich ihre Sinne wieder. Sie sieht des Wunderhauptes wonnevolles, ambrosiatrunkenes Haar, sieht über milchweißen Nacken und Purpurwangen Lockenknäuel wimmeln in reizender Wirrnis, die einen hergeringelt, die anderen hingeringelt, und ihr allüberblitzender Glanz brachte selbst das Licht der Lampe ins Flackern. An den Schultern des geflügelten Gottes schimmern taufeuchte Federn in weißem Schmelz, und mögen die Fittiche ruhen, die äußersten Federlein treiben in leise-lindern Gesäusel und Gekräusel ihr unentwegtes Spiel. Sonst war der Leib glatt und hell und so, daß Venus sich ihrer Mutterschaft nicht zu schämen brauchte. Dem Bett zu Füßen lag der Bogen mit Köcher und Pfeilen, des großen Gottes beseligende Waffen. Während Psyche in unersättlichem Verlangen und auch einiger Neugier diese Dinge mustert und betastet und ihres Gatten Waffen bewundert, holt sie einen Pfeil aus dem Köcher hervor, und als sie durch einen Stich in den Daumen nur eben die Spitze versuchen wollte, stach sie mit etwas zu kräftigem Druck der immer noch zitternden Hand ein wenig zu tief, so daß winzige Tropfen von rosigem Blut über die Hautfläche rannen. So verliebte sich Psyche von selbst in den Liebesgott und wußte es nicht. Mehr und mehr entbrannte sie jetzt in Sehnsucht nach dem Gott der Sehnsucht, neigte sich mit schmachtender Hingabe über ihn, drückte ihm stürmisch lechzend-lüsterne Küsse auf und bangte nur um die Tiefe seines Schlafs. Aber vor Erregung und Benommenheit über ihr hohes Glück hält sie nicht still, tmd die Lampe - war sie nun sd1limm aus Tücke
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quod tale corpus corttingere et quasi basiare et ipsa gestiebat - evomuit de summa luminis sui stillam ferventis olei super urnerum dei dexterum. Hem audax et temeraria lucerna et amoris vile ministerium, ipsum ignis totius deum aduris, cum te scilicet amator aliquis, ut diutius cupitis etiam nocte potiretur, primus invenerit. Sie inustus exiluit deus visaque detectae fidei colluvie prorsus ex osculis et manibus infelicissimae coniugis tacitus avolavit.
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At Psyche statim resurgentis eius crure dextero manibus ambabus adrepto sublimis ·evectionis adpendix miseranda et per nubilas plagas penduli comitatus extrema consequia tandem fessa delabitur solo. Nec deus amator humi iacentem deserens involavit proximam cupressum deque eius alto cacumine sie eam graviter commotus adfatur: «Ego quidem, simplicissima Psyche, parentis meae Veneris praeceptorum immemor, quae te miseri extremique hominis devinctam cupidine infimo matrimonio addici iusserat, ipse potius amator advolavi tibi. sed hoc feci leviter, scio, et praeclarus ille sagittarius ipse me telo meo percussi teque coniugem meam feci, ut bestia scilicet tibi viderer et ferro caput excideres meum, quod istos amatores tuos oculos gerit. haec tibi identidem semper cavenda censebam, haec benivole remonebam. sed illae quidem Consiliatrices egregiae tuae tarn perniciosi magisterii dabunt actutum mihi poenas, te vero tantum fuga mea punivero.,. et cum termino sermonis pinnis in altum se proripuit.
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Psyche vero humi prostrata et, quantum visi poterat, volatus mariti prospiciens extremis affligebat lamentatio-
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oder böse aus Neid, oder momte es aum sie gelüsten, den köstlimen. Leib zu berühren und gewissermaßen zu küssen spie von der leumtenden Spitze einen Tropfen heißen Öls auf die remte Smulter des Gottes. Hör einmal, du freme und unversmämte Lampe, du billiger Liebesdiener, den Gott allen Feuers selbst brennst du an, und dabei hat dim dom nur irgend ein Verliebter, um in Ruhe seinen Wünsmen aum namts zu frönen, erst erfunden! So versengt, sprang der Gott auf, und als er das Vertrauen verraten und in Smerben sah, flog er seiner verzweifelten Frau geradeswegs aus Küssen und Armen smweigend davon. Aber Psyme hatte sofort, als er sim erhob, sein remtes Bein mit beiden Händen gefaßt und wäre eine jammervolle Zugabe seiner Himmelfahrt, durch Wolkengefilde ein schWebender Geleiter und letzter Begleiter geworden, sank sie nimt smließlim ermattet zu Boden. Dom der göttlime Amoroso entzog sim der zu Boden Hingestreckten nimt, sondern flog auf die nämste Zypresse, und von ihrem Wipfel oben sprimt er in heftiger Erregung zu ihr: "Im, du arme Törin Psyme, habe der Gebote meiner Mutter Venus nimt geamtet, die dich an einen elenden und verworfenen Mensmen in Leidenschaft zu fesseln und dich ihm in hömst gemeiner Ehe zu überantworten geheißen hatte, und bin lieber selber als Liebender zu dir geflogen. Aber das tat im aus Leimtsinn, im weiß, und im berühmter Bogensmütze habe mich selbst mit meiner Waffe getroffen und dim zu meiner Gemahlin gemamt, - zu weidlern Ende? Daß du mim für ein Ungeheuer hältst und mir mit dem Stahl den Kopf absmneidest, dem diese in dim verliebten Augen gehören! Davor, im meinte es immer wieder, hättest du dim hüten sollen, davor habe im stets in Güte gewarnt. Aber sie, deine trefflimen Lehrerinnen, werden mir für den smlimmen Rat alsbald zu büßen haben;, du sollst nur durm meine Flumt bestraft sein!" Und bei den letzten Worten smwang er sim mit seinen Fittimen in die Höhe empor. Psyme aber, die am Boden lag und, solange er noch zu sehen war, dem Flug ihres Gatten nachschaute, härmte sich in bitter-
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nibus animum. sed ubi remigio plumae rapturn mariturn proceritas spatii fecerat alienum, per proximi fluminis marginem praecipitem sese dedit. sed mitis fluvius - in honorem dei scilieet, qui et ipsas aquas urere consuevit - metuens sibi confestim eam innoxio volumine super ripam florentern herbis exposuit.
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Tune forte Pan deus rustieus iuxta supereiHum amnis sedebat complexus Echo montanam deam eamque voculas omnimodas edocens reccinere. proxime ripam vago pastu lasciviunt comam fluvii tondentes capellae. hircuosus deus sauciam Psychen atque defectam, utcumque casus eius non inscius, clementer ad se vocatam sie permulcet verbis lenientibus: <
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Sie locuto deo pastore nulloque sermone reddito, sed adorato tantum numine salutari Psyche pergit ire. sed (cum) aliquam multum viae laboranti vestigio pererrasset, inscio quodam tramite iam die Iabente accedit quandam civitatem, in qua regnum maritus unius sororis eius obtinebat. qua re cognita Psyche nuntiari praesentiam suam sorori desiderat. mox inducta mutuis amplexi-
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sten Klagen. Doch als der Gatte auf seinen Flügeln im Wolkenmeer davongetragen und im hohen Raume entschwunden war, stürzte sie sich jählings über das nächste Flußufer hinab. Doch der_ sanfte Strom ließ sie - natürlich dem Gott zu Gefallen; der auch die Gewässer in Glut zu bringen pflegt - aus Sorge um sich unversehrt dahintreiben und setzte sie unter blühenden Blumen ans Ufer. Da saß gerade Pan, der Gott der Fluren, an der Böschung des Wassers, hielt Echo, die Göttin der Berge, im Arm und lehrte sie allerlei hübsche Laute nachsingen. Nahe dem Ufer grasen Ziegen lustig umher und scheren das Ufer kahl. Der bocksfüßige Gott ruft Psyche in ihrer Geschlagenheit und Erschöpfung - irgendwie schien er über ihren Fall im Bilde zu sein - freundlich zu sich und spricht ihr mit beruhigenden Worten zu: .. Mein kleines Fräulein, ich bin zwar nur ein Bauer und Hirt, aber dank meinem vorgerückten Alter im Besitz von allerlei Erfahrungen. Wenn ich richtig auf den Sachverhalt schließe - wirklich gescheite Leute reden dabei von Hellseherei - aus deinem wankenden und immer wieder schwankenden Schritt, aus der allzu blassen Hautfarbe und den beständigen Seufzern, nein, schon aus deinen tr"aurigen Augen, so leidest du an Liebeskummer! Also hör auf mich und versuch dich nicht wieder durch einen Sprung oder sonst einen gewaltsamen Tod umzubringen! Laß das Trauern und vergiß den Gram, bete lieber fleißig zu Cupido, dem Herrn der Götter, und da er ein galanter und verwöhnter junger Mann ist, so mach ihn dir durch Schmeicheln und Entgegenkommen geneigt!" So sprach der Hirtengott, und ohne ein Wort zu erwidern neigt sich Psyche nur vor dem huldreichen Gott und setzt ihren Weg fort. Als sie aber eine ziemliche Strecke in mühseliger Wanderung durchirrt hatte, kommt sie auf unversehenem Pfad, da der Tag schon zur Neige geht, in eine Stadt, wo der Gatte einer ihrer Schwestern König war. Als Psyche das erfahren hat. läßt sie ihre Anwesenheit der Schwester melden. Bald wird sie vorgelassen, und als sie zur gegenseitigen Begrüßung einander
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bus alternae salutationis expletis percentanti causas adventus sui sie incipit: «Meministi consilium vestrum, scilicet quo mihi suasistis, ut bestiam, quae mariti mentito nomine mecum quiescebat, priusquam ingluvie voraci me misellam hauriret, ancipiti novacula peremerem. sed cum primum, ut aeque placuerat, conscio lumine vultus eius aspexi, video mirum divinumque prorsus spectaculum, ipsum illum deae Veneris filium, ipsum inquam Cupidinem leni quiete sopitum. ac dum tanti boni spectaculo percita et nimia voluptatis copia turbata fruendi laberarem inopia, casu scilicet pessumo lucerna fervens oleum rebullivit in eius umerum. quo dclore statim somno recussus, ubi me ferro et igni conspexit armatam, , inquit,
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Necdum sermonem Psyche finierat, (et) illa vesanae libidinis et invidiae noxiae stimulis agitata, e re concinnato mendacio fallens maritum, quasi de morte parentum aliquid comperisset, statim navem ascendit et ad illum scopulum protinus pergit et quamvis alio flante vento, caeca spe tarnen inhians, <
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ausgiebig umarmt haben und die andere nach den Gründen ihres Kommens fragt, beginnt sie: "Du erinnerst dich an euren Rat, weißt du, und euer Zureden, ich solle das Ungeheuer, das unter falschem Gattennamen bei mir ruhte, bevor es mich armes Geschöpf in seinen gierigen Schlund schlucken würde, mit einem doppelt geschliffenen Rasiermesser umbringen. Aber sobald ich, wie gleichfalls beschlossen war, mit Hilfe der Lampe sein Antlitz erblicke, sehe ich ein wunderbares und schlechthin göttliches Schauspiel: den Sohn der Göttin Venus selbst, ja, Cupido selbst, in sanfter Ruhe eingeschlummert. Aber während ich in Erregung dies hohe Glück beschaute und vor Verwirrung über die grenzenlos genugsame Wonne mir im Genießen nicht genugtun konnte, ließ - wirklich schlimm, daß es. geschah - die Lampe heißes Öl auf seine Schulter überlaufen. Der verursachte Schmerz rüttelte ihn sofort aus dem Schlaf. und wie er mich mit Feuer und Stahl bewaffnet sah, sprach er: ,Deinerseits hast du dich wegen dieses Kapitalverbrechens unverzüglich von meinem Bett zu scheiden und magst deine Sachen für dich behalten. Aber ich werde mir jetzt deine Schwester' - und er nannte den Namen, den du trägst - ,in aller Form zur Frau nehmen'. Und gleich gebietet er dem Zephyr, mich über die Grenze seines Hauses fortzublasen." Noch hatte Psyche ihre Rede nicht beendet, so wurde die andere von wahnsinniger Lust und giftigem Neid mit Peitschen gehetzt, täuschte durch eine passende Ausflucht ihren Gatten, als hätte sie etwas vom Tode ihrer Eltern gehört, besteigt sofort ein Schiff, geht geradeswegs auf jenen Felsen los, und wiewohl ein anderer Wind blies, sprach sie doch und lechzte vor blinder Hoffnung: "Nimm mich hin, Cupido, die rechte Gattin für dich, und du, Zephyr, nimm deine Herrin auf", und stürzte sich in mächtigem Sprung hinab. Doch konnte sie nicht zum Ziel gelangen, auch nicht als Tote. Denn ihre Glieder wurden über Felsspitzen geschleudert und zersprengt und, gerade wie sie es verdiente, ihr Gedärm zerfetzt, so daß sie als Willkommenes Mahl für Vögel und Raubtiere den Tod fand.
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Nec vindictae sequentis poena tardavit. nam Psyche rursus errabundo gradu pervenit ad civitatem aliam, in qua pari modo soror morabatur alia. nec setius et ipsa fallacie germanitatis inducta et in sororis sceleratas nuptias aemula festinavit ad scopulum inque simile mortis exitium cecidit.
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Interim, dum Psyche quaesitioni Cupidinis intenta populos circumibat, at ille vulnere lucernae dolens in ipso thalamo matris iacens ingemebat.
Tune avis peralba illa gavia, quae super fluctus marinos pinnis natat, demergit sese propere ad Oceani profundum gremium. ibi commodum Venerem lavantem natantemque propter assistens indicat adustum filium eius, gravi vulneris dolore maerentem, dubium salutis iacere. iamque per cunctorum ora populorum rumoribus conviciisque variis omnem Veneris familiam male audire, quod ille quidem montano scortatu, tu vero marino natatu secesseritis, ac per hoc non voluptas ulla, non gratia, non lepos, sed incompta et agrestia et horrida cuncta sint: non nuptiae coniugales, non amicitiae sociales, non liberum caritates, sed enormis colluvies et squalentium foederum insuave fastidium.
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Haec illa verbosa et satis curiosa avis in auribus Veneris fili lacerans existimationem ganniebat.
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At Venus irata solidum exclamat repente: «Ergo iam ille bonus filius meus habet amicam aliquam? prome agedum, quae sola mihi servis amanter, nomen eius, quae puerum ingenuum et investem sollicitavit, sive illa de Nympharum populo seu de Horarum numero seu de Musarum choro vel de mearum Gratiarum ministerio ...
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Nec loquax illa conticuit avis, sed «Nescio«, inquit,
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Auch der zweite Strafvollzu·g ließ nicht lange auf sich warten. Denn PsyChe gelangte wieder auf ihrer Irrfahrt zu einer anderen Stadt, wo ebenso ihre andere Schwester lebte. Nicht weniger ließ auch sie sich von der geschwisterlichen List täuschen, sah es gleich ihrer Schwester auf eine ruchlose Hochzeit ab. eilte zu der Klippe und fiel sich ähnlich zu Tode. Während Psyche unterdessen nichts als Cupido zu suchen im Sinne hatte und durch die Welt umherwanderte, lag er nun mit Schmerzen an der Wunde, die ihm die Lampe verursacht hatte, nirgend anders als im Gemach seiner Mutter und stöhnte. Da taucht der schneeweiße Möwenvogel. der mit seinen Flügeln über Meeresfluten segeln kann, eilig in des Ozeans tiefen Schoß hinab. Dort stellt er sich zu Venus hin, die gerade dort badet und schwimmt, und erstattet Anzeige: ihr Sohn sei versengt, klage über starken Wundsdtmerz und liege zu Bett; es sei zweifelhaft, ob er davonkomme. Schon gebe es, wo man hinhöre in der Welt, Murren und mancherlei Schimpferei, und die ganze Familie der Venus stehe in Verruf, .. weil ihr euch unsichtbar gemacht habt, er zum Ludern in die Berge, du zum Baden an die See", und es somit gar kein Vergnügen, keine Lust und keinen Spaß mehr gebe, sondern alles grau und roh und wüst sei: kein Ehebund, kein Freundschaftsband, kein Verlangen nach Kindern, nur ein ungeheures Durcheinander und ordinäre Allianzen, widerlich und ekelhaft. Das gackerte der plapperhafte und reichlich klatschsüchtige Vogel der Venus in die Ohren und machte mit dem Ruf ihres Sohnes kein Federlesen. Aber Venus bekommt einen mächtigen Zorn und schreit sofort los: "Also hat mein braver Sohn schon eine Freundin? Heraus geschwind - du bist. ja die einzige, die mir in Liebe dient-, heraus mit ihrem Namen, die dem Jungen, aus gutem Haus und halbwüchsig wie er ist, den Kopf verdreht hat, sei sie aus dem Nymphenkreis oder der Horenschar oder dem Musenchor oder meinem Grazienvolk!" Und der geschwätzige Vogel schwieg nicht still, sondern sagte:
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«domina. puto puellam - si probe memini, Psydles nomine dicitur - efflicte eum perire». Tune indignata Venus exclamavit vel maxime: «Psydien ille meae formae succubam, mei nominis aemulam si vere diligit, nimirum illud incrementum lenam me putavit, cuius monstratu puellam illam cognosceret.»
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Haec quiritans properiter emergit e mari suumque protinus aureum thalamum petit et reperto, sicut audierat, aegroto puero iam inde a foribus quam maxime boans «Honesta», inquit, «haec et natalibus nostris bonaeque tuae frugi congruentia, ut primum quidem tuae parentis, immo dominae praecepta calcares nec sordidis amoribus inimicam meam cruciares, verum etiam hoc aetatis puer tuis licentiosis et immaturis iungeres amplexibus, ut ego nurum scilicet talerarem inimicam. sed utique praesumis, nugo et corruptor et inamabilis, te solum generosum nec me iam per aetatem posse concipere. velim ergo scias multo te meliorem filium alium (me) genituram, immo, ut contumeliam magis sentias, aliquem de meis adoptaturam vemulis, eique donaturam istas pinnas et flammas et arcum et ipsas sagittas et omnem meam supellectilem, quam tibi non ad hos usus dederam; nec enim de patris tui bonis ad instructionem istam quicquam concessum est.
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Sed male prima (a) pueritia inductus es etacutasmanus habes et maiores tuos irreverenter pulsasti totiens et ipsam matrem tuam, me inquam ipsam, ~arricida, denudas cotidie et percussisti saepius et quasi viduam utique contemnis nec yitricum tuum fortissimum illum maximumque bellatorem metuis. quidni? cui saepius in angorem mei paelicatus puellas propinare consuesti. sed iam
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"Ich weiß nicht, Euer Gnaden; ich glaube, er ist in ein Mädelwenn ich mich recht erinnere, heißt sie Psyche - zum Sterben verschossen." Da schrie Venus voll Empörung erst richtig los: .. Psyche und er, - die mit meiner Schönheit konkurriert und meinen Namen imitiert! Liebt er sie wirklich, so hat mich dieses Früchtchen wahrhaftig für eine Kupplerin gehalten, weil ich ihm die Bekanntschaft mit dem Mädchen vermittelt habe!" So kreischt sie, taucht schleunigst aus dem Meer empor und begibt sich geradewegs zu ihrem goldenen Schlafgemach, und als sie dort richtig den Sohn krank vorfindet, zetert sie schon von der Tür aus, so laut sie kann, und ruft: "Eine prächtige Geschi<:bte, die sich für unseren Stand und deine guten Manieren schickt: erstens die Weisungen deiner Mutter, nein, deiner Gebietetin mit Füßen zu treten und meine Feindin nicht mit gemeinen Liebschaften zu peinigen, und zweitens sogar als so ein unreifer Grünschnabel über die Stränge zu schlagen und sie in die Arme zu nehmen, so daß ich mich wohl mit meiner Feindin als Schwiegertochter abfinden sollt Aber du hältst es für ausgemacht, du Fratz und Verführer und mehr Jammer als Amor, du seist der einzige Stammhalter und ich könne von Alters wegen nicht mehr Mutter werden? Also nimm zur Kenntnis: ich werde einen anderen, viel besseren Sohn als dich in die Welt setzen, nein, damit du die Schande besser spürst, eins von meinen Dienstbotenkindem adoptieren und ihm deine Fhigel und Flammen und Bogen samt Pfeilen und all mein Gerät schenken, das ich dir nicht zu diesem Zweck gegeben hatte; denn dein Vater hat zu dieser Ausrüstung nichts beigesteuert. Aber du bist schon von Kindesbeinen an ungezogen und hast Zinken an den Händen und hast deine großen Leute immer wieder respektlos gehauen, und selbst deiner Mutter, ja, mir selber, du Muttermörder, reißt du alle Tage die Kleider vom Leib und hast mich öfter blutig geschlagen und pfeifst auf mich, als wäre kein Mann im Haus, und fürchtest nicht einmal deinen Stiefvater, den schneidigen und prächtigen Kriegsmann. Paht Du pflegst ihm ja manchmal auf Kosten meines Verhältnisses Mädchen zu verschaffen I Aber endlich will ich dafür
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faxo te lusus huius paeniteat et sentias acidas et amaras istas nuptias. sed nunc inrisui habita quid agam? quo me conferam? quibus modis stelionem istum cohibeam? petamne auxilium ab inimica mea Sobrietate, quam propter huius ipsius luxuriam offendi saepius? ~t rusticae squalentisque feminae conloquium prorsus horresco. nec tarnen vindictae solacium undeunde spernendum est. illa mihi prorsus adhibenda est nec ulla alia, quae castiget asperrime nugonem istum, pharetram explicet et sagittas dearmet, arcum enodet, taedam deflammet, immo et ipsum corpus eius acrioribus remediis coerceat. tune iniuriae meae litatum crediderim, cum eius comas, quas istis manibus meis subinde aureo nitore perstrinxi,
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Sie effata foras sese proripit infesta et stomachata biles Venerias. sed eam protinus Ceres et Iuno continantur visamque vultu tumido quaesiere, cur truci supercilio tantam venustatem micantium oculorum coerceret. at illa «Opportune», inquit, «ardenti pr~rsus isto meo pectori volentiam scilicet perpetraturae venitis. sed totis, or~, vestris viribus Psychen illam fugitivam volaticam mihi requirite. nec enim vos utique domus meae famosa fabula et non dicendi filii mei facta latuerunt.»
Tune illae <non) ignarae, quae gesta sunt, palpare Veneris iram saevientem sie adortae: «Quid tale, domina, deliquit tuus filius, ut animo pervicaci voluptates illius impugnes et, quam ille diligit, tu quoque perdere gestias? quod a~tem, oramus, isti crimen, si puellae lepidae libenter adrisit? an ignoras eum masculum et iuvenem esse vel certe iam quot sit annorum oblita es? an,
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sorgen, daß du dieses Spiel sa'tt bekommst und dir deine Hochzeit versalzen und verpfeffert wird. - Aber jetzt, wo ich zum Narren gehalten bin, was soll ich tun? Wohin mich wenden? Wie diesen Schlauberger bändigen? Soll ich Hilfe holen bei meiner Feindin, der Nüchternheit, die ich gerade wegen der Extravaganz dieses Burschen öfter vor den Kopf gestoßen habe? Aber mit der plumpen und ordinären Frau zu reden ist mir durchaus zuwider. Und doch: süße Rache ist von keiner Seite zu verachten. Die Person muß ich unbedingt zuziehen und keine andere, daß sie mir den Taugenichts da gründlich zurechtweist, seinen Köcher vom Riemen löst und die Pfeile unschädlich macht, den Bogen entspannt, die Fackel löscht, ja, auch ihn selbst mit einigermaßen kräftigeil Mitteln in die Kur nimmt. Erst dann kann ich die Beleidigung gegen mich für gesühnt halten, wenn seine Haare, die meine Hände hier oft genug mit Goldglanz überstrichen haben, von ihr abrasiert und seine Flügel, die ich auf meinem Schoß mit Nektar genetzt habe, gestutzt sind." Nach diesen Worten stürzt sie hinaus, in drohender Haltung und galliger Gereiztheit, wie sie zu Angelegenheiten der Venus gehört. Aber schon begegnen ihr Ceres und Juno, und als sie ihre grimmige Miene sahen, fragten sie, warum sie mit Zornesfalten· diese Anmut ihrer schimmernden Augen beeinträchtige. Aber die andere sprach: "Ihr kommt mir gerade recht, um mir in der Weißglut meiner Empfindungen wahrhaftig zu meinem Willen zu verhelfen. Sucht doch bitte mit allen euren Kräften diese Psyche, die Ausreißeein und Herumtreiberinl Denn euch ist ja das dunkle Gemunkel über mein Haus und der Streich meines unmöglichen Sohnes kein Geheimnis geblieben." Jene wußten wohl, was geschehen war, und versuchten jetzt Venus in ihrer Zorneswut zu besänftigen: "Was hat denn dein Sohn so· Schlimmes angestellt, Verehrteste, daß du seine Pläsiers unnachsichtig bekämpfst und die Person, die er liebt, gar zu verderben trachtest? Sag mal, wieso ist es denn ein Verbrechen, wenn er ein hübsches Mädchen freundlich angelächelt hat? Weißt du nicht, daß er ein Mannsbild ist und erwachsen, oder hast du wohl vergessen, wie alt er schon ist? Du
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Liber quintus
quod aetatem portat bellule, puer tibi semper videtur? mater autem tu et praeterea cordata mulier filii tui lusus semper explorabis curiose et in .eo luxuriem culpabis et amores revinces et tuas artes tuasque delicias in formonso filio reprehendes? quis autem te deum, quis, hominum patietur passim cupidines populis disseminantem, cum tuae domus amores amare coercea~ et vitiorum muliebrium publicam praecludas officinam?»
Sie illae metu sagittarum patrocinio gratioso Cupidini quamvis absenti blandiebantur. sed Venus indignata ridicule tractari suas iniurias praeversis illis alterorsus concito gradu pelago viam capessit,
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wirst doch nicht glauben, weil er sich in seiner Jugend so nett ausnimmt, müsse er ein Kind bleiben? Willst du denn als Mutter und außerdem als Frau, die das Herz am rechten Fleck hat, dem Zeitvertreib deines Sohnes immer genau nachspionieren, ihm seine Abenteuer ankreiden und seine Liebeleien unterdrücken und deine eigenen Künste, deine eigenen Freuden bei deinem hübschen Sohn tadeln? Wer im Himmel und auf Erden wird es hingehen lassen, daß du allenthalben in der Welt Liebeslust aussäst, während du in deinem Haus Liebeleien lieblos unterbindest und die allgemeine Schule für Frauenverführung zumachst?" So setzten sie sich aus Furcht vor seinen Pfeilen gefällig und schmeichelhaft für Cupido ein, obwohl er gar nicht da war. Aber Venus ist empört, daß man sich über ihre Kränkung lustig macht, wendet sich von den anderen ab und schlägt in entgegengesetzter Richtung spornstreichs den Weg zum Meer ein.
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lnterea Psyche variis iactabatur discursibus, dies noctesque mariti vestigationibus inquieta animi, tanto cupidior iratum licet si non uxoriis blanditiis lenire, certe servilibus precibus propitiare. et prospecto templo quodam in ardui montis vertice «Unde autem», inquit, <<scio, an istic meus degat dominus?•• et ilico dirigit citatum gradum, quem defectum prorsus adsiduis laboribus spes incitabat et votum. iamque naviter emensis celsioribus iugis pulvinaribus sese proximam intulit. videt spicas frumentarias in acervo et alias flexiles in corona et spicas hordei videt. era!lt et falces et operae messoriae mundus omnis, sed cuncta passim iacentia et incuria confusa et, ut solet aestu, laborantium manibus proiecta. haec singula Psyche curiose dividit et discretim semota rite componit, rata scilicet nullius dei fana
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Haec eam sollicite seduloque curantem Ceres alma deprehendit et longum exclamat protinus: <
SECHSTES BUCH Unterdessen trieb es Psyche in mancherlei Irrfahrten umher; Tag und Nacht nahmen die Nachforschungen nach dem Gemahl ihrem Herzen die Ruhe. Aber um so mehr begehrte sie, mochte er auch zürnen, ihn wenn nicht als Gattin liebkosend zu besänftigen, so doch durch unterwürfige Bitten gnädig zu stimmen. Und als sie von ferne auf einem steilen Bergesgipfel einen Tempel sah, sprach sie: "Woher kann ich denn wissen, ob nicht dort mein Gebieter weilt?" Auf der Stelle richtet sie dahin ihren schleunigen Schritt, den unablässige Mühsal ganz entkräftet hatte, aber Hoffnung und Wunsch beschwingten. Nachdem sie jetzt rüstig den Berg bis zur Höhe erklommen, trat sie ein und nahte sich dem Göttersitz. Da sieht sie Weizenähren gehäuft und andere zum Kranz gewunden, auch Gerstenähren sieht sie. Es gab auch Sicheln und jegliches Gerät zur Erntearbeit; aber alles lag in achtlosem Durcheinander umher, wie es an heiß~o.n Tagen Arbeiter hinzuwerfen pflegen. Das legt Psyche sorgfältig Stück für Stück auseinander, räumt es gesondert beiseite und stellt es ordentlich zusammen; vermeinte sie doch, sie dürfe keines Gottes geweihte Stätte und heilige Bräuche vernachlässigen, sondern müsse alle zusammen um wohlwollendes Mitleid bitten. Als sie dies eifrig und emsig besorgt, trifft die segenspendende Ceres sie an und ruft gleich von weitem: "lsts die Möglichkeit, arme Psyche? Auf der ganzen Erde forscht Venus rasend in ruhelosem Hin und Her nach deiner Spur, lädt dich zur peinlichen Bestrafung und heischt Rache mit all ihrer mächtigen Majestät. Aber du nimmst dich jetzt meiner. Sachen an und denkst noch an etwas anderes als an deine Sicherheit?" Da warf sich Psyche ihr zu Füßen, benetzte mit reichlichen Tränen der Göttin Füße, wischte mit ihren Haaren den Boden
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precibus editis veniam postulabat: «Per ego te frugiferam tuam dexteram istam deprecor, per laetificas messium caerimonias, per tacita secreta cistarum et per famulorum tuorum draconum pinnata curricula et glebae Siculae sulcamina et currum rapacem et terram tenacem et inluminarum Proserpinae nuptiarum demeacula et lumi· nosarum filiae inventionum remeacula et cetera, quae silentio tegit Eleusinis Atticae sacrarium, miserandae Psycbes animae supplicis tuae subsiste. inter istam spicarum congeriem patere vel pauculos dies delitescam, quoad deae tantae saeviens ira spatio temporis mitigetur vel certe meae vires diutino Iabore fessae quietis intervallo leniantur.»
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Suscipit Ceres: "Tuis quidem lacrimosis precibus et commoveor et opitulari cupio, sed cognatae meae, cum qua etiam foedus antiquum amicitiae colo, bonae praeterea feminae, malam gratiam subire nequeo. decede itaque istis aedibus protinus et quod a me retenta custoditaque non fueris optimi consule.,. Contra spem suam repulsa Psyche et afflicta duplici maestitia iter retrorsum porrigens inter subsitae convallis subluciduni lucum prospicit fanum sollerti fabrica structum nec ullam vel dubiam spei melioris viam volens omittere, sed adire cuiuscumque dei veniam "sacratis fori· bus proximat. videt dona pretiosa et lacinias auro litteratas ramis arborum postibusque suffixas, quae cum gratia facti nomen deae, cui fuerant dicata, testabantur. tune genu nixa et manibus aram tepentem amplexa detersis ante lacrimis sie adprecatur;
«Magni lovis germana et coniuga, sive tu Sami. quae sola partu vagituque et alimonia tua gloriatur, tenes vetusta delubra sive celsae Carthaginis, quae te virginem
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und bettelte unter vielfältigen Gebeten um Gnade: .,Bei deiner früchtetragenden Rechten hier flehe ich dich an, bei den freudebringenden Emtebräuchen, bei den verschwiegenen Truhenge.heimnissen und bei deiner dienenden Flügeldrachen Fahrt, den gefurchten Fluren Siziliens, dem jäh raffenden Wagen und der zäh haltenden Erde, der Proserpina Hinabfahrt zu lichtloser Hochzeit und der Tochter Auffahrt zu lichtvollem Wiederfinden, und dem übrigen, was mit Schweigen deckt des attischen Eleusis Heiligtum -: steh der erbarmungswürdigen Seele der Psyche, die auf Knien ßich anfleht, zur Seitel Unter diesem Ährenhaufen laß mich nur ein paar Tage verschwinden, bis sich der großen Göttin rasender Zorn im Lauf der Zeit besänftigt oder wenigstens meine müden Kräfte nach langer Qual eine Ruhepause und Erquickung finden I" Ceres erwidert: ,.Deine tränenreichen Bitten rühren mich, und ich möchte wohl helfen; aber mit meiner Verwandten, die mir auch seit langem freundschaftlich verbunden und im übrigen eine gute Frau ist, kann ich es nicht verderben. Verlaß also umgehend dies Haus, und wenn ich dich nicht dabehalten und eingesperrt habe, so kannst du von großem Glück reden!" Wider ihre Hoffnung abgewiesen und von doppelter Traurigkeit geschlagen, wandte sich Psyche rückwärts. Da erspäht sie in dem unter ihr liegenden Talgrunde inmitten eines lichten Haines ein Heiligtum, das in kunstvoller Bauweise errichtet war; und da sie keinen noch so zweifelhaften Weg zu neuer Hoffnung unbeachtet lassen, sondern sich an jedweden Gottes Gnade wenden will, nähert sie sich dem geheiligten Tor. Sie erblickt kostbare Gaben und Tücher mit goldenen Buchstaben, die an Baumzweige und Pfosten geheftet waren und mit dem Dank für erwiesene Wohltat den Namen der Göttin bezeugten, der sie geweiht waren. Jetzt umfängt sie niederkniend mit ihren Armen den noch lauen Altar, wischt zuvor ihre Tränen ab und betet also: ,.Des großen Jupiter Schwester und Gemahl. magst du zu Samos - das allein sich dein;r Geburt, deines ersten Wimmems und deiner Stillung rühmt - in den alten heiligen Hallen weilen,
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Liber sextus
vectura leonis caelo commeantem percolit, beatas sedes frequentas seu prope ripas lnachi, qui te iam nuptam Tonantis et reginam deorum memorat, inclitis Argivorum praesides moenibus, quam cunctus oriens Zygiam veneratur et omnis occidens Lucinam appellat, sis meis extremis casibus Iuno Sospita meque in tantis exanclatis laboribus defessam imminentis periculi metu libera. quod sciam, soles praegnatibus periclitantibus ultro subvenire.»
Ad istum modum supplicanti statim sese luno cum totius sui numinis augusta dignitate praesentat et protinus <>
lsto quoque fortunae naufragio Psyche perterrita nec indipisci iam mariturn volatilem quiens tota spe salutis deposita sie ipsa suas cogitationes consuluit: «lam quae possunt alia meis aerumnis temptari vel adhiberi subsi'dia, cui nec dearum,.quidem quanquam volentium potuerunt prodesse suffragia7 quo rursum itaque tantis laqueis inclusa vestigium porrigam quibusque tectis vel etiam tenebris absondita magnae · Veneris inevitabiles oculos effugiam? quin igitur masculum tandem sumis animum et cassae speculae renuntias fortiter et ultroneam te dominae tuae reddis et vel sera modestia saevientes impetus eius mitigas? qui scias, an etiam, quem diu quaeritas, illie in domo matris repperiash sie ad dubium obsequium, immo ad certurn exitium praeparata principium futurae secum meditabatur obsecrationis.
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magst du im hohen Karthago· - dessen frommer Sinn dich als Jungfrau im Löwenwagen am Himmel dahinfahren läßt - den Ehrenthron einnehmen, magst du an den Ufern des Inachos der deiner endlich als des Donnerers Gattin und der Götterkönigin gedenkt - der Argiver weitberühmte Mauern schirmen, du, welche der gesamte Orient als Zygia anbetet und der ganze Okzident Lucina nennt: sei mir in meiner höchsten Not Juno die Retterin und befreie mich, die im Erdulden solcher Leiden zu Tode ermattet ist, von der Angst vor drohender Gefahr I Soviel ich weiß, pflegst du schwangeren Frauen in der Not deine Hilfe anzubieten." Da sie in dieser Weise auf Knien fleht, erscheint augenblicklich Juno in der erhabenen Herrlichkeit ihrer ganzen Majestät und spricht sogleich: "Wie gerne wollte ich, verlaß dich, meinen Wink deinen Bitten anbequemen! Aber gegen den Willen der Venus, die meine Schwiegertochter ist und mir stets an Kindes Statt lieb war, entgegenzukommen verbietet der Anstand. Und dann bin ich auch durch die Gesetze gebunden, die flüchtige Sklaven anderer wider ihrer Herren Willen aufzunehmen verbieten." Durch diesen neuen Schiffbruch ihrer Unternehmungen vollends verstört und außerstande, ihren geflügelten Gatten noch zu erreichen, ließ Psyche alle Hoffnung auf ein Davonkommen fahren und ging so mit ihren eigenen Gedanken zu Rate: "Welche anderen Mittel für meine Leiden gibt es noch zu versuchen oder anzuwenden, da nicht einmal die Göttinnen, wiewohl sie es wiinschten, mit ihrer Stimme mir zu nützen vermochten? So im Netz gefangen, wohin soll ich wieder meine Schritte lenken, unter welchem Dach, ja, in welchem Schlupfwinkel kann ich der Frau Venus unausweichlichen Augen entrinnen? Warum faßt du dir nicht endlich ein mannhaftes Herz, verzichtest tapfer auf das schwache Hoffnungsfünklein, lieferst dich freiwillig deiner Herrin aus und milderst durch Fügsamkeit, komme sie auch spät, ihre Wutausbrüche? Wer weiß, vielleicht kannst du auch den Langgesuchten dort im Hause der Mutter finden?" So bereitete sie sich zu fragwiirdigem Gehorsam, nein, zum sicheren Ende, und sann bei sich, wie die
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-At Venus terrenis remediis inquisitionis abnuens caelum petit. iubet instrui currum, quem ei Vulcanus aurifex subtili fabrica studiose poliverat et ante thalami rudimentum nuptiale munus obtulerat, limae tenuantis detrimento conspicuum et ipsius auri damno pretiosum. de multis, quae circa cubiculum dominae stabulant, procedunt quattuor candidae columbae et hilaris incessibus picta colla torquentes iugum gemmeum subeunt susceptaque domina laetae subvolant. currum deae prosequentes gannitu constrepenti lasciviunt passeres et ceterae, quae dulce cantitant, aves melleis modulis suave resonantes adventum deae pronuntiant. cedunt nubes et caelum filiae panditur et summus aether cum gaudio suscipit deam nec obvias aquilas vel accipitres rapaces pertimeseit magnae Veneris canora familia.
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Tune se protinus ad Iovis regias arces dirigit et petitu superbo Mercuri dei vocalis operae necessariam usuram postulat. nec rennuit Iovis caerulum supercilium. tune ovans ilico comitante etiam Mercurio Venus caelo demeat eique sollicite serit verba: «Frater Arcadi, scis nempe sororem tuam Venerem sine Mercuri praesentia nil unquam fecisse nec te praeterit utique, quanto iam tempore delitescentem ancillam nequiverim repperire. nil· ergo sup·erest quam tuo praeconio praemium investigationis publicitus edicere. fac ergo mandatum matures meum et indicia, qui possit agnosci, manifeste designes, ne, si quis occultationis illicitae crimen subierit, ignorantiae se possit excusatione defendere.» et simul dicens
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bevorstehende Bittrede zu beginnen sei. Aber Venus verzichtet auf irdische Fahndungsmittel und macht sich zum Himmel auf. Sie befiehlt ihren Wagen zu schirren, der ihr von Vulkan dem Goldschmied in feiner Handwerkskunst emsig ziseliert und vor der Einweihung des Brautgemachs als Hochzeitsgabe dargebracht war, dem Verschleiß und Abnutzung durch die Feile Ansehnlichkeit gaben und Wert gerade die Einbuße an Gold. Von den vielen Tauben, die rings um der Herrin Schlafgemach ihre Schläge haben, kommen vier weiße hervor und begeben sich, munter stolzierend und ihre schillemden Hälse drehend, unter das juwelenfunkelnde Joch, lassen ihre Herrin einsteigen und fliegen fröhlich empor. Im Geleit des göttlichen Wagens lärmen Sperlinge mit ausgelassenem Gezwitscher, und was sonst an Vögeln anmutig singen kann, läßt die süßesten Melodien lieblich erschallen, die Ankunft der Göttin zu verkünden. Es weichen die Wolken, der Himmel öffnet sich seiner Tochter, und der Äther droben nimmt mit Freuden die' Göttin auf; keine Begegnung mit Adlern oder räuberischen Falken hat der großen Venus singendes Gesinde zu fürchten. Nun lenkt sie geradeswegs zu Jupiters Königsburg und fordert mit herrischem Antrag dringende Verfügungsgewalt über Merkur, den redebegabten Gott. Und Jupiters schwärzliche Braue winkt kein Nein. Gleich fährt frohlockend jetzt, nicht ohne Begleitung Merkurs, Venus vom Himmel herab und setzt ihm folgendes geschäftig auseinander: .. Lieber Bruder aus Arkadien, du weißt ja, deine Schwester Venös hat ohne Merkur neben sich nie etwas getan, und es entgeht dir keinesfalls, wie lange Zeit ich schon meine Magd in ihrem Versteck nicht aufzufinden vermag. Nichts also bleibt übrig, als durch dich als Herold für die Entdeckung der Spur eine Belohnung öffentlich bekanntzumachen. Sieh also zu, meinen Auftrag eilends auszuführen und genau die Kennzeichen zu beschreiben, wie sie identifiziert werden kann, damit, wenn jemand ihr gegen Fug und Recht Unterschlupf gewährt haben sollte, er sich nicht auf Unkenntnis hinauszureden und aus der Sache zu ziehen vermag!" Unter diesen Worten überreicht sie ihm
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libellum ei porrigit, ubi Psyches nomen continebatur et cetera. quo facto protinus domum secessit. 8
Nec Mercurius omisit obsequium. nam per omnium ora populorum passim discurrens sie mandatae praedicationis munus exequebatur: <<Si quis a fuga retrahere vel occultam demonstrare poterit fugitivam regis filiam Veneris ancillam nomine Psychen, conveniat retro metas Murtias Mercurium praedicatorem accepturus indicivae nomine ab ipsa Venere septem savia suavia et unum blandientis adpulsu linguae Ionge mellitum.» Ad hunc modum pronuntiante Mercurio tanti praemii cupido certatim omnium mortalium studium adrexerat. quae res nunc vel maxime sustulit Psyches omnem cunctationem. lamque fores ei dominae proximanti occurrit una de famulitione Veneris nomine Consuetudo statimque, quantum maxime potuit, exclamat: «Tandem, ancilla nequissima, dominam habere te scire coepisti? an pro cetera morum tuorum temeritate istud quoque nescire te fingis, quantos Iabores circa tuas inquisitiones sustinuerimus? sed bene, quod meas potissimum manus incidisti et inter Orci cancros iam ipsos haesisti, datura scilicet actutum tantae contumaciae poenas.>>
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Et audaciter in capillos eius inmissa manu trahebat eam nequaquam renitentem. _ Quam ubi primum inductam oblatamque sibi conspexit Venus, latissimum cachinnum extollit et qualem solent furenter irati, caputque quatiens et ascalpens aurem dexteram «Tandem», inquit, «dignata es socrum tuam salutare? an potius maritum, qui tuo vulnere periclitatur, intervisere venisti? sed esto secura; iam enim excipiam te, ut bonam nurum condecet.» et «Ubi sunt», inquit, «Sollicitudo atque Tristities ancillae meae?» quibus intro
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ein Papier, worin Psyches Name und so weiter verzeidmet war. Dann machte sie sich geradewegs nach Hause davon. Und Merkur unterließ es nicht, ihr zu willfahren. Vor aller Völker Angesicht eilte er in der Welt umher und führte Amt und Auftrag der Bekanntmachung also aus: "Wenn jemand auf der Flucht festhalten oder im Versteck angeben kann eine flüchtige Königstochter, der Velius Sklavin namens Psyche, der finde sich rückwärts der Murtischen Zirkussäulen bei Merkur dem Ausrufer ein, um in Empfang zu nehmen in Form eines Anzeigelohns von Venus persönlich sieben süße Küsse und als besondere Delikatesse einen verführerischen Zungenkuß." Auf diese Bekanntmachung Merkurs hatte die Lust nach so hoher Belohnung alle Welt zum Wetteifer aufgerufen. Dieser Umstand machte jetzt erst recht allem Zaudern Psyches ein Ende. Als sie sich schon der Tür ihrer Herrin nähert, begegnet ihr eine aus dem Gesinde der Venus, mit Namen Vertrautheit, und ruft gleich, so laut sie kann: "Beginnst du liederliche Magd endlich zu begreifen, daß du eine Herrin hast? Oder tust du, unüberlegt wie du dich immer benimmst, als ob du auch das nicht wüßtest, welche Scherereien uns all das Fahn~ den nach dir gemacht hat? Gut aber, daß du justament in meine Hände gefallen und jetzt genau im Höllenschnapptor hängen geblieben bist, - natürlich mußt du für eine solche Unverschämtheit auf der Stelle büßen." Und frech fuhr sie ihr mit der Hand in die Haare und zerrte sie, ohne daß sie sich überhaupt wehrte. Sobald Venus sie vorgeführt und sich gegenübergestellt sah, erhob sie ein breites Gelächter, wie jemand in rasendem Zorn zu tun pflegt, schüttelte den Kopf und kratzte sich am rechten Ohr, indem sie rief: "Endlich hast du dich herabgelassen, deine Schwiegermutter zu begrüßen? Oder bist du nur gekom~ men, einmal nach deinem Gatten zu sehen, der an deiner Wunde gefährlich darnieder liegt? Aber sei ohne Sorge: ich will dich jetzt empfangen, wie es einer guten Schwiegertochter gebührt." Und dann: "Wo sind Kümmernis und Traurigkeit, meine Mägde?" Als diese hereingerufen waren, übergab sie
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voeatis torquendam tradidit eam. at illae sequentes erile praeeeptum PsydJ.en misellam flagellis afflietam et eeteris tormentis exeruciatam iterum dominae eonspeetui reddunt. tune rursus sublato risu Venus «Et eeee», inquit, «nobis turgidi ventris sui lenocinio eommovet miserationem, unde me praeclara subole aviam beatam scilieet faciat. felix vero ego, quae in ipso aetatis meae flore voeabor avia, et vilis aneillae filius nepos Veneris audiet. quanquam inepta ego (quae) frustra filium dieam; impares enim nuptiae et praeterea in villa sine testibus et patre non eonsentiente faetae legitimae non possunt videri; ae per hoc spurius iste naseetur, si tarnen parturn omnino perferre te patiemur.»
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His editis involat eam vestemque plurifariam dilorieat eapilloque discisso et eapite eonquassato graviter affligit. et aeeepto frumento et hordeo et milio et papavere et cieere et lente et faba eommixtisque aeervatim eonfusis(que) in unum grumulum sie ad illam: "Videris enim mihi tam deformis aneilla nullo alio, sed tantum sedulo ministerio amatores tuos promereri. iam ego et ipsa frugem tuam periclitabor. diseeme seminum istorum passivam eongeriem singulisque granis rite dispositis atque seiugatis ante istam vesperam opus expeditum approbato mihi.» Sie assignato tantorum seminum eumulo ipsa eenae nuptiali eoneessit. nee PsydJ.e manus admolitur ineonditae illi et inextrieabili moli, sed immanitate praeeepti eonsternata silens obstupescit. tune formieula illa parvula atque rurieola eerta diffieultatis tantae laborisque miserta eontubemalis magni dei soerusque saevitiam exeerata diseurrens naviter eonvoeat eorrogatque eunetam
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ihnen Psydte zur Folterung. Die folgen dem herrsdtaftlidten Gebot, sdtlagen die Arme mit Geißeln, peinigen sie mit sonstigen Foltergeräten und führen sie wieder der Herrin vor. Da erhebt Venus ein neues Ladten und spridtt: "Ei sieh da, mit ihrem gesdtwollenen Baudt will sie uns verführen und unser Mitleid erregen, mit dem sie midt wohlgemerkt zur strahlenden Großmutter eines prädttigen Sprößlings madten mödtte. Wahrhaftig ein Glück für midt, daß idt in der Blüte meiner Jahre Großmutter heißen und der Sohn einer niedrigen Magd als Enkel der Venus angesprodten werden soll! Obwohl es dumm und verkehrt von mir ist, ihn Sohn zu nennen. Denn eine nidtt standesgemäße Eheschließung, die zudem in einem Landhaus ohne Zeugen und ohne Zustimmung des Vaters vollzogen wurde, kann nidtt als gesetzlidt angesehen werden. Und somit wird der da als Bankert geboren werden, sofern idt überhaupt geruhen sollte, es zu deiner Entbindung kommen zu lassen." Nadt dieser Erklärung fährt sie auf sie los, reißt ihr das Kleid in lauter Fetzen, zerzaust ihr Haar und sdtlägt heftig zu, daß ihr Hören und Sehen vergeht. Dann nimmt sie Weizen und Gerste und Hirse und Mohn und Erbsen und Linsen und Bohnen, misdtt sie in Mengen, sdtüttet sie zu einem Häufdten zusammen und spricht zu ihr: "Du scheinst mir nämlidt, eine häßlidte Magd wie du bist, durch nidtts anderes als Diensteifrigkeit deine -Liebhaber zu gewinnen. Jetzt will idt audt selbst deine Braudtbarkeit auf die Probe stellen. Sdteide das Durdteinander dieses Samengemengsels, lege die einzelnen Körner gehörig für sidt auseinander und liefere mir gefälligst bis heute abenddie ausgeführte Arbeit ab!" Da sie ihr also den Haufen all der Samen angewiesen, ging sie selbst zu einem Hodtzeitsessen aus. Psydte aber legt keine Hand an die ungeordnete, unentwirrbare Masse, sondern wird vor Benommenhejt über den ungeheuerlidten Auftrag still und starr. Da läuft ein Ameislein, so ein kleines Feldarbeiterlein - mit solcher sdtwierigen Mühe vertraut, die Braut bedauernd der großen Gottheit und verwünsdtend der Sdtwiegermutter Bosheit -, fleißig umher und lockt und lädt die ganze Mann-
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formiearum accolarum classem: «Miseremini terrae omniparentis agiles alumnae, miseremini et Amoris uxori puellae lepidaeperielitantiprompta velocitate succurrite.» ruunt aliae superque aliae sepedum populorum undae summoque studio singulae granatim totum digerunt acervum separatimque distributis dissitisque geoeribus e conspectu perniciter abeunt.
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Sed initio noctis e convivio nuptiali vino madens et fraglans balsama Venus remeat totumque revincta corpus rosis mieantibus visaque diligentia miri laboris «Non tu um», inquit, «nequissima, nec tuarum manuum istud . opus, sed illius, cui tuo, immo et ipsius malo placuisti.>> et frusto cibarii panis ei proiecto cubitum facessit.
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Interim Cupido solus interioris domus uniei cubiculi custodia clausus coercebatur acriter, partim ne petulanti luxurie vulnus gravaret, partim ne cum sua cupita conveniret. sie ergo distentis et sub uno tecto separatis amatoribus tetra nox exanclata.
Sed Aurora commodum inequitante vocatae Psychae Venus infit talia: «Videsne illud nemus, quod fluvio praeterluenti ripisque Iongis attenditur, cuius imi frutiees vicinum fontem despiciunt? oves ibi nitentis auri decore florentes incustodito pastu vagantur. inde de coma pretiosi velleris floccum mihi confestim quoquo modo quaesitum afferas censeO.>>
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Perrexit Psyche volenter non obsequium quidem illa functura, sed requiem malorum praecipitio fluvialis rupis habitura. sed inde de fluvio musieae suavis nutrieula leni crepitu dulcis aurae divinitus inspirata sie vaticinatur harundo viridis: «Psyche tantis aerumnis exercita, neque tua miserrima morte meas sanctas aquas polluas nec
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schaft der umwohnenden Ameisen zusammen: "Erbarmt euch, ihr rührigen Kinder der allgebärenden Erde, erbarmt euch und eilt Amors Gattin, der reizenden Maid, in ihrer Not geschwind und hurtig zu Hilfe!" Da stürzen Wogen über Wogen sechsfüßiger Völker herbei, lesen mit allem Eifer einzeln komweise den ganzen Haufen auseinander, sondern und verteilen jede Sorte für sich und verschwinden in einem Husch. Zu Beginn der Nacht kehrt Venus vom Hochzeitsgelage zurück; voll des süßen Weines und parfümduftend, den ganzen Leib mit schimmernden Rosen umgürtet, und als sie düi Arbeit erstaunlich genau getan sieht, ruft sie: "Nicht dein Werk, nichtsnutziges Ding, nicht deiner Hände Arbeit das da, sondern dessen, dem du zu deinem, nein, auch zu seinem Pech gefallen hast." Und wirft ihr ein Stück Hausbrot hin und macht sich zu Bett. Inzwischen war Cupido allein in der Haft eines einzelnen Schlafgemachs innen im Hause eingeschlossen und wurde scharf bewacht, teils damit er nicht durch Leichtsinn und Mutwillen seine Wunde verschlimmere, teils damit er mit seiner Angebeteten nicht zusammenkomme. So also wurden die Liebenden auseinander gehalten und unter einem Dache getrennt, und eine garstige Nacht ging kaum zu Ende. Aber als die Morgenröte eben ihre Rosse herauflenkt, läßt Venus Psyche rufen und hebt solchermaßen an: "Siehst du dort den Hain, der sich am vorbeispülenden Fluß und seinen langen Ufern ausdehnt, dessen letzte Büsche in die nahe Quelle hinabschauen? Dort schweifen Schafe in hellglänzendem Goldschimmer auf unbewachter Weide. Ich denke, du· bringst mir von dort rasch eine Flocke vom Haar des kostbaren Vlieses herbei, - sieh zu, wie du sie bekommst!" Psyche machte sich willig auf, aber nicht um Gehorsam zu leisten, sondern um Ruhe vor den Leiden durch einen Sprung vom Uferfelsen zu finden. Doch vom Fluß her singt die holde Spendeein süßer Weisen, von lieblich-lindern Lüfterauschen göttlichen Atems voll, singt das grüne Schilfrohr dies Orakel: "Psyche, von vielen Drangsalen heimgesuchte, entweihe nicht durch deinen armen Tod meine heiligen Wasser noch wende
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vero istud horae contra formidabiles oves feras aditum, quoad de solis fraglantia mutuatae calorem truci rabie solent efferri comuque acuto et fronte saxea et non nunquam venenatis morsibus in exitium saevire mortalium. sed dum meridies solis sedaverit vaporem et pecua spiritus fluvialis serenitate conquieverint, poteris sub illa procerissima platano, quae mecum simul unum fluentum bibit, latenter abscondere. et cum primum mitigata fu. ria laxaverint oves animum, percussis frondibus attigui nemoris lanosum aurum repperies, quod passim stirpibus convexis obhaerescit.»
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u Sie harundo simplex et humana Psychen aegerrimam salutem suam docebat. nec auscultatu (im)paenitendo diligenter instructa illa cessavit, sed observatis omnibus furatrina facili flaventis auri mollitie congestum gremium Veneri reportat. Nec tarnen apud dominam saltem secundi laboris periculum secundum testimonium meruit, sed contortis superciliis subridens amarum sie inquit: «Nec me praeterit huius quoque facti auctor adulterinus. sed iam nunc ego sedulo periclitabor, an oppido forti animo singularique prudentia sis praedita. videsne insistentern celsissimae illi rupi montis ardui verticem, de quo fontis atri fuscae defluunt undae proxumaeque conceptaculo vallis inclusae Stygias inrigant paludes et rauca Cocyti fluenta nutriunt? indidem mihi de summi fontis penita scaturrigine rorem rigentem hauritum ista confestim defers urnula.» sie aiens crustallo dedolatum vasculum insuper ei graviora comminata tradidit.
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At illa studiose gradum celerans montis extremum petit tumulum certe vel illie in(ventura) vitae pessimae fi. nem. sed cum primum praedieti iugi conterminos locos appulit, videt rei vastae letalem diffieultatem. namque
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aber auch in dieser Stunde deinen Schritt zu den furchtbaren Schafen, solange sie vom Brand der Sonne sich Hitze borgen; dann toben sie gewöhnlich in grimmiger Wut, gehen mit spitzi~ gern Horn und steinerner Stirn und zuweilen mit giftigen Bissen den Menschen wie wahnsinnig ans Leben. Sondern wenn zu Mittag der Sonne Gluthauch gemildert ist und die Tiere sich im wohligen Säuseln vom Flusse her zur Ruhe begeben haben, dann kannst du unter jener hochgewachsenen Platane, die mit mir die gleiche Flut trinkt, dich heimlich verstecken. Und sobald die Schafe sich von ihrer Bösartigkeit beruhigt und ent~ spannt haben, durchstöbere das Laub des benachbarten Hains, und du wirst allenthalben das wollige Gold an den gebogenen Zweigen hangen finden!" So belehrte das Schilf in ehrlichem Mitleid die leidende Psyche, wie sie davonkommen könne. Lauschend ließ sie sich - es sollte sie nicht gereuen - genau unterweisen und säumte nicht: indem sie alles beachtet, bringt sie als leichten Fang einen Schoß voll gelb gleißenden Goldflausches der Venus mit. Doch bei ihrer Herrin erwarb ihr selbst dieser anderen Ar~ beit Wagnis kein anderes Zeugnis, sondern mit gerunzelten Augenbrauen und höhnischem Lächeln sprach sie: "Es entgeht mir nicht, welcher Galan auch hier im Spiele gewesen ist. Aber jetzt will ich gründlich erproben, ob du ein wirklich tapferes Herz und ausnehmende Klugheit besitzest. Siehst du dort ganz oben über dem Felsen den steilen Gipfelfirst, von dem ein finsterer Quell mit dunklen Wogen herniederströmt, um im nahen Talbecken gesammelt die Stygischen Sümpfe zu bewässern und die dumpfen Höllenfluten zu speisen? Genau von dort, ganz oben aus dem innersten Quellensprudel schöpfst du eisiges Naß und bringst es in diesem Krüglein schleunigst herab!" Mit diesen Worten übergab sie ihr ein geschliffenes Kristall~ fläschchen und drohte ihr dazu noch Schlimmeres an. Das Mädchen aber strebt mit Eifer in eiligem Schritt der höchsten Bergkuppe zu, um gewiß wenigstens dort eines elen~ den Lebens Ende zu finden. Sobald sie auf die Grenzbezirke des bezeichneten Gipfels gestoßen ist, erkennt sie die tödliche
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saxum immani magnitudine procerum et inaccessa salebritate lubricum mediis e faucibus lapidis fontes horridos evomebat, qui statim proni foraminis lacunis editi perque proclive delapsi et angusti canalis exarato contecti tramite proxumam convallem latenter incidebant. dextra laevaque cautibus cavatis proserpunt ecce longa colla porrecti saevi dracones inconivae vigilüte luminibus addictis et in perpetuam lucem pupulis excubantibus. iamque et ipsae semet muniebant vocales aquae. nam et «Discede» et «Quid facis? vide•• et «Quid agis? cave» et «Fuge» et «Peribis» subinde clamant. sie impossibilitate ipsa mutata in lapidem Psyche quamvis praesenti corpore, sensibus tarnen abcrat et inextricabilis periculi mole prorsus obruta lacrumarum etiam extremo solacio carebat.
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Nec Providentiae bonae graves oculos innocentis animae latuit aerumna. nam supremi lovis regalis ales illa repente propansis utrimque pinnis affuit rapax aquila memorque veteris obsequii, quo ductu Cupidinis Iovi pocillatorem Phrygium sustulerat, opportunam ferens opem deique numen in uxoris laboribus percolens alti culminis diales vias deserit et ob os puellae praevolans incipit: «At tu, simplex alioquin et expers rerum talium, sperasne te sanctissimi nec minus truculenti fontis vel unam stillam posse furari' vel omnino contingere? diis etiam ipsique lovi formidabiles aquas istas Stygias vel fando comperisti quodque vos deieratis per numina deorum, deos per Stygis maiestatem solere? sed cedo istam urnulam.» et protinus adreptam complexamque festinat libratisquc
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Schwierigkeit des ungeheuren Unternehmens. Denn ein ragen~ der Fels von riesiger Höhe, unersteiglich, holperig und ohne Halt, spie mitten aus dem Schlunde der Wand schaurige Wasser hervor: aus einem hohlen Loch, das sofort jäh abstürzte, brachen sie ins Freie, glitten den Hang hinab und schossen, im ausgepflügten Pfad einer engen Rinne verdeckt und verborgen, ins nahe Tal hinein. Zur Rechten und Linken kriechen da aus Felsenhöhlen, die .langen Hälse gereckt, grimmige Drachen hervor, deren Augen rastloser Wachsamkeit ergeben sind und deren Pupillen in unablässigem Leuchten auf Lauer liegen. Auch die Wasser erhielten jetzt Stimme und setzten sich zur Wehr: "Geh du fort!" und "Was machst du? Sieh dich vor!" und "Was tust du? Nimm dich in acht!" und "Mach dich davon!" und "Das ist dein Tod!" brüllen sie immerfort. So wurde Psyche, weil es unmöglich war, selbst in Stein verwandelt und war bei leiblicher Gegenwart mit ihren Sinnen doch abwesend; und die unentwirrbar schwere Aufgabe erdrückte sie schier, daß ihr gar der letzte Trost fehlte, die Tränen. Doch den gebietenden Augen der guten Vorsehung blieb der schuldlosen Seele Drangsal nicht verborgen. Denn des Herrschers Jupiter königlicher Raubvogel, der Adler, war plötzlich mit beiderseits ausgebreiteten Fittichen da. Er gedachte des alten Dienstes, da er unter Cupidos Leitung für ]upiter den phrygischen Mundschenk emporgetragen hatte, und brachte rechtzeitige Hilfe: dem hohen Gott bei den Leiden seiner Gattin dienstbar zu sein, verläßt er die Pfade des hohen Himmelsgipfels, fliegt vor des Mädchens Antlitz hin und hebt an: "Höre einmal, ungewandt wie du bist und ohne Erfahrung in solchen Dingen, hoffst du denn von der hochheiligen und nicht minder schaurigen Quelle auch nur einen Tropfen zu stehlen oder überhaupt zu berühren? Den Göttern sogar und Jupiter selbst sind diese Stygischen Wasser fürchterlich, das weißt du ja wohl vom Hörensagen, auch daß, wie ihr bei der Götter Hoheit, so die Götter bei der Majestät des Styx zu schwören pflegen? Aber her mit dem Krüglein!" Und flugs reißt er es an sich und trägt es in den Krallen davon. Und waagerecht die
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pinnarum nutantium molibus inter genas saevientium dentium et trisulca vibramina draconum remigium dextra laevaque porrigens nolentes aquas et, ut abiret innoxius, praeminantes excipit commentus ob iussum Veneris. petere eique se praeministrare, quare paulo facilior adeundi fuit copia.
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Sie acceptam cum gaudio plenam urnulam Psyche Veneri citata rettulit. Nec tarnen nutum deae saevientis vel tune expiare potuit. nam sie eam maiora atque peiora flagitia comminans appellat renidens exitiabile: «lam tu quidem magna videris quaedam mihi et alta prorsus malefica, quae talibus praeceptis meis obtemperasti naviter. sed adhuc istud, mea pupula, ministrare debebis: sume istam pyxidem», et dedit, «protinus usque ad inferos et ipsius Orci ferales penates te derige. tune conferens pyxidem Proserpinae , dicito, <modieum de tua mittas ei fonnonsitate vel ad unam saltem dieculam sufficiens. nam quod. habuit, dum filium curat aegrotum, consumpsit atque contrivit omne>. sed haud immaturius redito, quia me necesse est indidem delitarn theatrum deorum frequentare.»
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Tune Psyche vel maxime sensit ultimas fortunas suas et velamento reiecto ad promptum exitium sese compelli manifeste comperit. quidni? quae suis pedibus ultro ad Tartarum manesque commeare cogeretur. nec cunctata diutius pergit ad quampiam turrim praealtam indidem sese datura praecipitem; sie enim rebatur ad inferos recte atque pulcherrime se posse descendere. Sed turris prorumpit in vocem subitam et «Quid te», inquit, «praecipitio, misella, quaeris extinguere? quidque iam novissimo perieulo laborique isto temere succumbis? nam si spiritus corpore tuo semel fuerit seiugatus, ibis quidem profecto ad imum Tartarum, sed
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wudltigen Schwingen sdlwenkend, zwisdlen Radlen mit fletsdlenden Zähnen und dreispitzigem Dramengezüngel nadl redlts und links seine Ruder reckend, fängt er die Wasser auf; die wollten es nicht leiden und warnten ihn, es werde ihm übel ergehen, wenn er nidlt abziehe; dodl er gab vor, er hole sie auf der Venus Geheiß und warte ihr damit auf, was den Zutritt ein wenig erleidlterte. So empfing Psydle mit Freuden das volle Krüglein und brachte es hurtig zu Venus zurück. Und dennodl konnte sie audl jetzt nidlt die wütende Göttin zur Gnade versöhnen. Denn diese droht ihr mit nodl größeren und ärgeren Sdländlidlkeiten und redet sie mit teuflisdlem Grinsen also an: "Du scheinst mir also eine große und allmädltige Hexe zu sein, da du mir bei soldlen Befehlen ohne Zaudern gehordlt hast. Aber nodl diesen Dienst, mein Püppdlen, vr:irst du mir erweisen müssen. Nimm die Büdlse hier" und sie gab sie ihr -, "schnell, bis zur Unterwelt und dem Totenheim des Orkus persönlidl madl didl auf! Dann überbringe die Büdlse der Proserpina: ,Venus bittet didl', sollst du sagen, ,ihr ein wenig von deiner Sdlönheit zu sdlicken, soviel als für einen Tag wenigstens ausreidlt. Denn was sie besaß, hat sie bei der Pflege ihres kranken Sohnes alles verbraudlt und vertan.' Aber du hast ja rechtzeitig zurückzukehren, weil idl midl damit für das Theater sdlminken muß, das idl bei den Göttern besudlen will." Da merkte Psydle erst vollends, daß dies ihr letztes Stündlein sei, und erkannte deutlidl, nun die Hülle gefallen, daß sie in den sidleren Tod getrieben werde. Oder nidlt, wenn man sie zwang, auf ihren eigenen Füßen willentlich zum Tartarus und den Totengeistern zu ziehen? Und sie zögert nicht länger und madlt sidl zu einem besonders hohen Turm auf, um sidl von da hinabzustürzen. So nämlich meinte sie geradeswegs und vortrefflidl in die Unterwelt hinabsteigen zu können. Aber der Turm bridlt plötzlich in Worte aus und spridlt: "Warum willst du armes Kind durdl einen Todessprung dein Lebenslidlt ausblasen? Und warum erliegst du unbedadlt deiner nun letzten Probe und Aufgabe? Denn ist der Geist erst einmal von deinem Leib gesdlieden, gehst du zwar stracks zum tief-
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inde nullo pacto redire poteris. mihi ausculta: 18
Lacedaemo Achaiae nobilis civitas non longe sita est. huius conterminam deviis abditam locis quaereTaenarum. inibi spiraculum Ditis et per portas hiantes monstratur iter invium; cui te limine transmeato simul commiseris, iam canale directo perges ad ipsam Orci regiam. sed non hactenus vacua debebis per illas tenebras incedere, sed offas polentae mulso concretas ambabus gestare manibus, at in ipso ore duas ferre stipes. iamque confecta bona parte mortiferae viae continaberis claudum asinum lignorum gerulum cum agasone simili, qui te rogabit, decidentis sarcinae fusticulos aliquos porrigas ei, sed tu nulla voce deprompta tacita praeterito. nec mora, cum ad flumen mortuum venies, cui praefectus Charon protinus expetens portorium sie ad ripam ulteriorem sutili cumba deducit commeantes. - ergo et inter mortuos avaritia vivit, nec Charon ille vel Ditis pater tantus deus quiequam gratuito facit. sed moriens pauper viaticum debet quaerere et aes si forte p~ae manu non fuerit, nemo eum expirare patietur. - huie squalido seni dabis nauli nomine de stipibus, quas feres, alteram, sie tarnen, ut ipse sua manu de tuo sumat ore. nec setius tibi pigrum fluentum transmeanti quidam supernatans senex mortuus putris adtollens manus orabit, ut eum intra navigium trahas, nec tu tarnen inlicita adflectare pietate.
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Transito fluvio modieuro te progressam textrices orabunt anus telam struentes, manus paulisper accommodes, nec id tarnen tibi contingere fas est. nam haec omnia tibi et multa alia de Veneris insidiis orientur, ut vel unam de manibus omittas offulam. nec putes futile istud polenta-
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sten Tartarus, doch von dort kannst du auf keine Weise zurückkehren. Höre mir zu: Lakedämon, die berühmte Griechenstadt,liegt nicht weit von hier. Suche an ihrer Grenze in unwegsamer Gegend entlegen den Ort Tänaros! Dort ist ein Atemloch des Dis, und durch das gähnende Tor zeigt sich ein schwer gangbarer Weg. Hast du die Schwelle überschritten und dich ihm einmal anvertraut, gehst du schon in schnurgeradem Stollen direkt auf das Schloß des Orkus zu. Aber du darfst nicht. so ganz ohne alles durch diese Finsternis schreiten, sondern mußt in beiden Händen Grützeklöße, die mit Met eingedickt sind, halten und im Munde selbst zwei Münzen tragen. Und wenn du schon ein gut Teil de~ Todesweges hinter dich gebracht hast, wirst du einen hinkenden Esel mit Halz auf dem Rücken und mit einem ähnlich beschaffeneo Treiber antreffen, der dich bitten wird, ihm einige Knüppel von der heruntergefallenen Last zu reichen; du aber mußt kein Wort hervorbringen und schweigend vorübergehen. Und es dauert nicht lange, daß du zu dem Toten Fluß kommst, wo Charon waltet, der sofort den Fährlohn verlangt und so in seinem genähten Nachen die Ankommenden ans jenseitige Ufer übersetzt. - Also lebt auch unter den Toten die Habsucht, und weder dieser Charon noch auch Vater Dis, der mächtige Gott, tut irgend etwas umsonst; sondern ein sterbender Armer muß um ein Wegegeld betteln, und wenn gerade keine Kupfermünze zur Hand ist, läßt niemand ihn seinen Geist aushauchen. - Diesem sd1mutzigen Alten mußt du als Fährlohn von deinen Münzen die eine geben, aber so, daß er sie mit eigener Hand aus deinem Munde nimmt. Und weiter: wenn du über die träge Flut übersetzest, wird auf ihr ein abgeschiedener Greis schwimmen, seine fauligen Hände erheben und dich bitten, ihn ins Schiff zu ziehen; du aber laß dich nicht von unerlaubtem Mitleid erweichen! Hast du den Fluß überquert und bist ein wenig weiter geschritten, so werden dich alte Weberinnen bei ihrer Wirkarbeit ein wenig Hand anzulegen bitten; doch auch damit darfst du dich nicht befassen! All das und vieles andere wird dir nämlich Venus schicken, die dich überlisten will, daß du wenigstens einen der Speisebrocken aus den Händen fahren läßt. Glaube ja nicht, das bißeben
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cium damnum leve; altera enim perdita Iux haec tibi prorsus denegabitur.canis namquepraegrandis teriugo et satis amplo capite praeditus immanis et formidabilis tonantibus oblatrans faucibus mortuos, quibus iam nil mali potest facere, frustra territando ante ipsum limen et atra atria Proserpinae semper excubans servat vacuam Ditis domum. hunc offrenatum unius offulae praeda facile praeteribis ad ipsamque protinus Proserpinam introibis. quae te comiter excipiet ac benigne, ut et molliter assidere et prandium opipare suadeat sumere. sed tu et humi reside et panem sordidum petitum esto. deinde nuntiato, quid adveneris, susceptoque quod offeretur rursus remeans canis saevitiam offula reliqua redime ac deinde avaro navitae data, quam reservaveras, stipe transitoque eius fluvio recalcans priora vestigia ad istum caelestium siderum redies dlorum. sed inter omnia hoc observandum praecipue tibi censeo, ne velis aperire vel inspicere illam, quam feres, pyxidem vel omnino divinae formonsitatis abditum curiosius (temptare) thensaurum.»
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Sie turris illa prospicua vaticinationis munus explicuit. nec morata Psydle pergit Taenarum sumptisque rite stipibus illis et offulis infernum decurrit meatum. transitoque per silentium asinario debili et amnica stipe vectori data, neglecto supematantis mortui desiderio et spretis textricum subdolis precibus et offulae cibo sopita canis horrenda rabie domum Proserpinae penetrat. nec offerentis hospitae sedile delicatum vel cibum beatum amplexa, sed ante pedes eius residens humilis cibario pane contenta Veneriam pertulit legationem. statimque
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Grützeverlust mache nichts ·aus: wenn du nur den einen Kloß loswirst, -bleibt dir das Sonnenlicht ein für allemal versagt. Nämlich ein riesenhafter Hund mit dreifachem, ganz dickem Kopf. ungeheuer und fürchterlich, bellt mit donnernder Kehle die Toten an, denen er doch nichts mehr zuleide tun kann, und liegt als zweckloses Schreckgespenst gerade vor Proserpinas Schwelle und ihren Hallen ohne Helle immer auf Wache, das öde Haus des Dis zu hüten. Hast du den mit einem Brocken geködert und kirregemacht, kommst du leicht vorbei und trittst sogleich bei Proserpina persönlich ins Haus. Sie wird dich freundlich und gütig empfangen und dir. somit einen weichen Stuhl und einen üppigen lmbiß anbieten. Du aber setz dich auf den Boden, bitte um ein schlechtes Brot und iß es! Dann hast du zu melden, warum du da bist, und wenn du in Empfang genommen hast, was man dir darreicht. so mach dich auf den Rückweg, kaufe dich von dem wütigen Hund mit dem übrigen Brocken los, gib dann dem habgierigen Fährmann die Münze, die du aufgehoben hattest, und wenn du über seinen Fluß gesetzt bist, so geh auf deinen vorigen Spuren zurück, und du wirst zu dem Lichterreigen dieses Himmels wiederkehren I Aber bei allem, wenn ich dir raten soll, mußt du besonders darauf achten, daß du die Büchse in deiner Hand nicht zu öffnen begehrst oder hineinzuschauen oder überhaupt den verborgenen Schatz göttlicher Schönheit allzu neugierig zu untersuchen." So entwickelte der weitschauende Turm die Gabe der Weissagung. Und ohne Aufenthalt begibt sich Psyche nach Tänaros, nimmt vorschriftsmäßig die Münzen und Speisebrocken und läuft den Höllenweg hinab. Nachdem sie schweigend den lahmen Eseltreiber passiert und dem Fergen das Flußfährgeld gegeben hat, auch des schwimmenden Toten Wunsch übersehen, die tückischen Bitten der Weberinnen in den Wind geschlagen, mit der Brockenspeise den schrecklich rasenden Hund besänftigt, - tritt sie in das Haus der Proserpina ein. Sie nahm den von der Wirtin dargebotenen Prachtsessel und das köstliche Essen nicht an, sondern setzte sich bescheiden zu ihren Füßen nieder, gab sich mit einem Hausbrot zufrieden und überbrachte die Venusbotschaft. Und gleich nimmt sie die ge-
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secreto repletam conclusamque pyxidem suscipit et offulae sequentis fraude caninis latratibus obseratis residuaque navitae reddita stipe Ionge vegetior ab inferis recurrit. et repetita atque adorata candida ista luce quanquam festinans obsequium terminare mentem capitur temeraria curiositate et <<Ecce», inquit, «inepta ego divinae formonsitatis gerula, quae nec tantillum quidem indidem mihi delibo vel sie illi amatori meo formonso placitura.••
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Et cum dicto reserat pyxidem. nec quicquam ibi rerum nec formonsitas ulla, sed infernus somnus ac vere Stygius, qui statim coperculo relevatus invadit eam crassaque soporis nebula cunctis eius membris perfunditur et in ipso vestigio ipsaque semita conlapsam possidet. et iacebat immobilis et nihil aliud quam dormiens cadaver. Sed Cupido iam cicatrice solida revalescens nec diutinam suae Psyches absentiam tolerans per altissimam cubiculi, quo cohibebatur, elapsus fenestram refectisque pinnis aliquanta quiete Ionge velocius provalans Psychen accurrit suam detersoque somno curiose et rursum in pristinam pyxidis sedem recondito Psychen innoxio punctulo sagittae suae suscitat et «Ecce», inquit, «rursum perieras, misella, simili curiositate. sed interim quidem tu provinciam, quae tibi matris meae praecepto mandata est, exsequere naviter, cetera egomet videro.•• his dictis amator levis in pinnas se dedit, Psyche vero confestim Veneri munus reportat Proserpinae. 22
Interea Cupido amore mm1o peresus et aegra facie matris suae repentinam sobrietatem pertimescens ad armillum redit alisque pernicibus caeli penetrato vertice magno Iovi supplicat suamque causam probat. tune luppiter prehensa Cupidinis buccula manuque ad os suum
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heimnisvolle Büchse verschlo·ssen in Empfang, bringt dann mit dem zweiten Bissen als Köder das Hundegebell zum Schweigen, händigt die übrige Münze dem SchiHer aus und läuft sehr viel fröhlicher an die Oberwelt zurück. Aber als sie das helle Tageslicht wieder erreicht und begrüßt hatte, wurden, wiewohl sie ihre Aufgabe zu beenden eilte, ihre Gedanken von einer vorwitzigen Neugier berückt, daß sie sprach: "Ei, ich einfältige Trägerin göttlicher Schönheit, daß ich mir nicht wenigstens ein klein bißeben daraus wegnehme, um so vielleicht meinem sChönen Liebhaber zu gefallen." Und mit diesen Worten öffnet sie die Büchse. Aber überhaupt nichts darin und keine Schönheit, - sondern ein Totenschlaf und ein recht höllischer, der, kaum vom Deckel befreit, sie befällt, sich mit einer dichten Schlummerwolke über allihre Glieder ergießt und sie so in seiner. Gewalt hat, daß sie, gerade wo sie steht, mitten auf dem Weg hinsinkt. Unbeweglich lag sie da, ein schlafender Leichnam, nichts weiter. Doch Cupido, der bei fest vernarbender Wunde wieder genas und die lange Abwesenheit seiner Psyche nicht ertrug, schlüpfte oben aus dem Fenster des Zimmers, in dem er gefangen gehalten wurde, flog mit seinen gut ausgeruhten und neu gekräftigten Fittichen weit schneller vorwärts, eilt jetzt zu seiner Psyche, wischt den Schlaf sorgfältig von ihr ab und birgt ihn wieder in der Büchse, wo er erst gesessen, weckt dann Psyche mit einem harmlosen Stichlein seines Pfeils und sagt: "Siehst du, wieder wärest du armes Geschöpf durch eine ähnliche Neugier verloren gewesen. Aber inzwischen walte du rüstig des Amtes, das dir durch meiner Mutter Gebot übertragen ist, um das übrige will ich selbst schauen!" Nach diesen Worten schwang sich der Amoroso leicht in die Lüfte, Psyche aber lieferte eilends Proserpinas Gabe bei Venus ab. Mittlerweile kehrt Cupido, von heftiger Liebe verzehrt und · mit bekümmertem Antlitz, aus Furcht vor der plötzlichen Pedanterie seiner Mutter zu den alten Schlichen zurück, dringt auf hurtigen Flügeln bis zum HimmelsgipfeL kniet vor dem großen Jupiter und legt ihm sein Anliegen dar. Da greift Jupiter nach Cupidos Pausbäcklein, führt es mit der Hand zu
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relata consaviat atque sie ad illum: «Licet tu», inquit, «domine fili, numquam mihi concessu deum decretum servaris honorem, sed istud pectus meum, quo Ieges elementorum et viees siderum disponuntur, convulneraris assiduis ictibus crebrisque terrenae libidinis foedaveris casibus contraque Ieges, et ipsam Iuliam, disciplinamque publicam turpibus adulteriis existimationem famamque meam laeseris, in Serpentes, in ignes, in feras, in aves et gregalia pecua serenos vultus meos sordide reformando, at tarnen modestiae meae memor quodque inter istas meas manus creveris cuncta perficiam, dum tarnen scias aemulos tuos cavere ac, si qua nunc in terris puella praepollet pulchritudine, praesentis beneficii vicem per eam mihi repensare te debere ...
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Sie fatus iubet Mercurium deos omnes ad contionem protinus convocare, ac si qui coetu caelestium defuisset, in poenam decem milium nummum conventum iri pronuntiare. quo metu statim completo caelesti theatro pro sede sublimi sedens procerus Iuppiter sie enuntiat:
«Dei conscripti Musarum albo, adolescentem istum quod manibus meis alumnatus sim, profecto scitis omnes. cuius primae iuventutis caloratos impetus freno quodam coercendos existimavi. sat est cotidianis eum fabulis ob adulteria cunctasque corruptelas infamatum. tollenda est omnis occasio et luxuria puerilis nuptialibus pedicis a1liganda. puellam elegit et virginitate privavit. teneat, possideat, amplexus Psychen semper suis amoribus perfruatur.» et ad Venerem conlata facie «Nec tu», inquit, «filia, quicquam contristere nec prosapiae tantae tuae
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seinem Mund, küßt es ab und spricht zu ihm: "Magst du aum, mein junger Herr, niemals die mir durm Götterbesmluß zugestandene Ehre geamtet, sondern meine Brust hier, in der Elementenordnung ultd Gestirnwandel geregelt werden, mit unablässigen Pfeilschüssen verwundet und mit häufigen Fällen irdisdter Lust besudelt und gegen die Gesetze, das julisdte eingesdtlossen, un~ gegen die öffentlime Zumt mit smändlimen Liebsdtaften mir Ruf und Amtung verletzt haben, indem du in Smlangen, in Feuer, in wildes Getier, in Vögel und Herdenvieh mein durmlauchtigesAntlitz sdtmäHlim verwandeltest-: so will im dennodt, nam Maßgabe meiner Milde und weil du unter meinen Händen hier aufgewadtsen bist, alles zum Smlusse führen. Nur mußt du wissen, daß du didt vor deinen Konkurrenten zu hüten hast, und wenn es jetzt auf Erden irgendeine besonders einnehmende Smönheit gibt, daß du die Gegenleistung für den augenblicklimen Gunstbeweis durm dieses Mädmen mir erstatten mußt." So spridtt er und befiehlt dem Merkur, sofort alle Götter zur Sitzung zu entbieten und bekanntzumamen, wenn einer bei der Konferenz der Himmlismen fehle, so werde er auf eine Strafe von Zehntausend zu belangen sein. Aus Furdtt davor füllte sim im Nu das himmlisme Theater, und mit seiner hohen Gestalt auf erhabenem Throne sitzend, verkündet Jupiter also: "Ihr Götter vom Senatsverzeimnis der Musen, daß im den jungen Mann hier mit meinen Händen auferzogen habe, wißt ihr simerlim alle. Im habe für gut eramtet, daß seiner frühen Jugend hitziges Ungestüm durm einen Zaum in Smranken gehalten werde. Es reimt, daß er mit seinen Liebsmaften und Verführungen jeder Art in allgemeines Gerede geraten ist. Jede Gelegenheit muß beseitigt und sein knabenhafter Übersmuß durm Ehefesseln gebändigt werden 1 Er hat sim ein Mäddten erwählt und der Jungfraunsmaft beraubt. Mag er sie haben und behalten, mag er sim in Psymes Armen immer als Amor fühlen!" Und das Gesimt zu Venus gewandt spram er: "Und du, liebe Tomter, mußt es dir wirklim nimt zu Herzen nehmen und dir keine Sorgen mamen für deine gute Familie und
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statuque de matrimonio mortali metuas. iam faxo nuptias non impares, sed legitimas et iure civili congruas.» et ilico per Mercurium arripi Psychen et in caelum perduci iubet. porrecto ambrosiae poculo «Sume», inquit, «Psyche, et immortalis esto. nec umquam digredietur a tuo nexu Cupido, sed istae vobis e~unt perpetuae nuptiae.» 2-4
Nec mora, cum cena nuptialis aHluens exhibetur. accumbebat summum torum maritus Psychen gremio suo complexus. sie et cum sua lunone luppiter ac deinde per ordinem toti dei. tune poculum nectaris - quod vinum deorum est - Iovi quidem suus pocillator ille rustieus puer, ceteris vero Liber'ministrabat, Vulcanus cenam coquebat. Horae rosis et ceteris floribus purpurabant omnia, Gratiae spargebant balsama, Musae quoque canora personabant. (tune) Apollo cantavit ad citharam, Venus suavi musicae superingressa forrnonsa saltavit scaena sibi sie concinnata, ut Musae quidem chorum canerent, tibias inflaret Saturus et Paniscus ad fistulam dieeret. Sie rite Psyche convenit in manum Cupidinis. et nascitur illis maturo partu filia, quam Voluptatem nominamus.» 25
Sie captivae puellae delira et temulenta illa narrabat anieula. sed astans ego non procul dolebam mehercules, quod pugillares et stilum non habebam, qui tarn bellam fabellam praenotarem. Ecce confecto nescio quo gravi proelio latrones adveniunt onusti, non nulli tarnen, immo promptiores, vulneratis domi relictis et plagas recurantibus ipsi ad reliquas occultatas in quadam spelunca sarcinas;ut aiebant, proficisei gestiunt. prandioque raptim tuburcinato me et equum vectores rerum illarum futuros fustibus exinde tundentes producunt in viam multisque clivis et anfractibus fatigatos prope ipsam vesperam perducunt
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deinen Stand wegen der Ehe mit einer Sterblichen. Ich werde jetzt dafür sorgen, daß es keine Mesalliance gibt, sondern eine gesetzmäßige Ehe, die dem bürgerlichen Recht entspricht." Und auf der Stelle ordnet er an, es sei durch Merkur Psyche aufzugreifen und im Himmel vorzuführen. Und er reichte ihr einen Pokal mit Ambrosia und sprach: "Nimm, Psyche, und sei fortan unsterblich! Und nie wird Cupido das Band mit dir lösen, sondern eure Ehe wird in Ewigkeit dauern." Und unverzüglich wird ein prächtiges Hochzeitsmahl gegeben. Auf dem obersten Pfühl lag der Bräutigam zu Tisch und umfing Psyche in seinem Schoß. So auch mit seiner Juno }upiter und dann dem Rang nach alle Götter. Da kredenzte den Becher mit Nektar- das ist der Wein der Götter- dem Jupiter sein Mundschenk, der berühmte Hirtenknabe, den übrigen Bacchus, und Vulkan kochte das Mahl. Die Horen bepurpurten alles mit Rosen und sonstigen Blumen, die Grazien sprengten Balsam, auch ließen die Musen Lieder erschallen. Nachher sang Apollo zur Leier und Venus tanzte elegant im Taktschritt zu lieblichen Weisen; dabei war die Bühne so arrangiert, daß die Musen Chorlieder sangen, ein Satyr die Flöte blies und ein Panbürschlein zur Rohrpfeife deklamierte. So wurde Psyche rechtmäßig Cupido zugesprochen. Und als die Zeit der Niederkunft heran ist, wird ihnen eine Tochter geboren, die wir ,Wonne' nennen." So erzählte dem gefangenen Mädchen die trunkene Alte in ihrem Wahn. Und wie ich nicht ferne dabeistand, tat es mir wahrhaftig leid, daß ich kein Notizbuch und keinen Stift hatte, um das artige Märchen-Histörchen aufzuzeichnen. Jetzt kommen nach irgendeinem schweren Gefecht die Räuber mit Beute daher. Aber einige, und gerade die Robusteren, schicken sich an, während die Verwundeten daheimbleiben und ihre Schmisse pflegen, ihrerseits zu dem übrigen, in einer Höhle versteckten Gepäck - so heißt es - aufzubrechen. Sie würgen hastig einen Bissen hinunter und treiben mich und das Pferd zum Tragen der Sachen mit unentwegten Knüppelhieben auf den Weg. Nachdem wir uns auf vielen steilen und krummen
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ad quampiam speluncam, unde multis onustos rebus rursum ne breviculo quidem tempore refectos ociter reducunt; tantaque trepidationefestinabant, ut me plagis multis obtundentes propellentesque super lapidem propter viam positum deicerent. unde crebris aeque ingestis ictibus crure dextero et ungula sinistra me debilitatum aegre ad exurgendum compellunt. 26
Et unus «Quo usque .. , inquit, «ruptum istum asellum nunc etiam claudum frustra pascemus?» et alius: «Quid quod et pessumo pede domum nostram accessit? nec quicquam idonei lucri exinde cepimus, sed vulnera et fortissimorum occisiones ... alius iterum: «Certe ego, cum primum sarcinas istas quanquam invitus pertulerit, protinus eum vulturiis gratissimum pabulum futurum praecipitabo.»
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Dum secum mitissimi homines altercant de mea nece, iam et domum perveneramus. nam timor ungulas mihi alas fecerat. tum quae ferebamus amoliti properiter nulla salutis nostrae cura ac ne meae quidem necis habita comitibus adscitis, qui vulnerati remanserant, dudum recurrunt re(liqua ipsi) laturi taedio, ut aiebant, nostrae tarditatis.
Nec me tarnen mediocris carpebat scrupulus contemplatione comminatae mihi mortis. et ipse mecum: «Quid stas, Luci, vel quid iam novissimum expectas? mors et haec acerbissima decreto latronum tibi comparata est. nec magno conatu res indiget. vides istas rupinas proximas et praeacutas in bis prominentes silices, quae te penetrante(s, ante)quam decideris, membratim dissipabunt. nam et illa ipsa praeclam magia tua vultum laboresque tibi tantum asini, verum corium non asini
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Saumpfaden geplagt haben, führen sie uns just gegen Abend zu einer Höhle hin und von da wieder, ohne daß wir auch nur einen Augenblick hätten verschnaufen können, mit vielen Lasten schnell zurück; und sie hetzten und hasteten dermaßen, daß sie mich, den sie mit vielen Schlägen zerwalkten und vorwärts trieben, über einen am Wege liegenden Stein umwarfen. Worauf sie mir im Takt Hiebe über Hiebe versetzen und mich mit verstauchtem rechten Schenkel und linken Huf schließlich zum Aufstehen bringen. Und einer sagte: .. Wie lange sollen wir dieses Wrack von einem Esel, der jetzt noch lahmt, für nichts und wieder nichts füttern?" Und ein anderer: .. Obendrein, hat er nicht auch mit dem falschen Fuß unser Haus betreten? Nicht die Spur von einem lohnenden Geschäft hat es seither gegeben, nur Verwundete und die Besten tot I" Ein anderer wieder: .. Verlaßt euch auf mich.: hat er erst, störrisch meinetwegen, die Lasten an Ort und Stelle getragen, so sollen im Handumdrehen die Geier ein willkommenes Futter haben, wenn ich ihn über den Hang stürze I" Während die Gemütsmenschen miteinander disputierten, wie sie mich umbringen sollten, waren wir auch schon zuhause angelangt. Denn der Schreck hatte meine Hufe in Flügel verwandelt. Als sie dann unser Gepäck eilig beiseite geschafft hatten, holten sie, ohne sich um unser Wohl oder auch nur um meine Ermordung zu kümmern, die mit ihren Wunden daheimgebliebenen Gefährten herbei und sind schon wieder weg, um den Rest selber zu tragen, angeblich weil sie von unserer Langweiligkeit genug hatten. Indes nagte an mir einige Besorgnis, wie ich über den mir angedrohten Tod grübelte. Und ich sagte mir: .. Was stehst du da, Lucius, oder worauf wartest du noch? Der Tod, und zwar schlimmster Sorte, ist dir von den Räubern beschlossen und verfügt. Und die Sache bedarf gar keiner großen Anstrengung. Da siehst du ganz in der Nähe die Felsklüfte und nadelspitz vorstehende Zacken darüber. Wenn die sich einbohren, sprengen sie dich gliedweise auseinander, bevor du unten bist. Denn eben deine treffliche Zauberkunst hat dir ja nur Gestalt und Plagen eines Esels, aber keine dicke Eselsschwarte, sondern ein
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crassum, sed hirudinis tenue membranulum circumdedit. quin igitur masculum taodem sumis animum tuaeque saluti, dum licet, consulis? habes summam opportunitatem fugae, dum latrones absunt. an custodiam anus semim,:>rtuae formidabis, quam licet claudi pedis tui calce unica finire poteris? sed quo gentium capessetur fuga, vel hospitium quis dabit7 haec quidem inepta et prorsus .asinina cogitatio; quis enim viantium vectorem suum non libenter auferat secum?»
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Et alacri statim nisu lorum, quo fueram destinatus, abrumpo meque quadripedi cursu proripio. nec tarnen astutulae anus milvinos oculos effugere potui. nam ubi me conspexit absolutum, capta super sexum et aetatem audacia lorum prehendit ac me deducere ac revocare contendit. nec tarnen ego memor exitiabilis propositi latronum pietate ulla commoveor, sed incussis in eam posteriorum pedum calcibus protinus adplodo terrae. at illa quamvis humi prostrata, loro tarnen tenaciter inhaerebat, ut me procurrentem aliquantisper tractu sui sequeretur. et occipit statim clamosis ululatibus auxilium validioris manus implorare. sed frustra fletibus cassum tumultum commovebat, quippe cum nullus adforet, qui suppetias ei ferre posset, nisi sola illa virgo captiva, quae vocis excitu procurrens videt hercules memorandi spectaculi scaenam: non tauro, sed asino dependentem Dircen aniculam. sumptaque constantia virili facinus audet pulcherrimum. extorto etenim loro manibus eius me placidis gannitibus ab impetu revocatum naviter inscendit et sie ad cursum rursum incitat.
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Ego simul voluntariae fugae voto et liberandae virginis studio, sed et plagarum suasu, quae me saepicule commonebant, equestri celeritate quadripedi cursu solum
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dünnes Egelshäutchen aufgehängt. Faßt du also endlich Mannesmut und suchst, solange es geht, davonzukommen? Du hast die beste Chance zur Flucht, solange die Räuber fort sind. Oder fürchtest du als Posten die halbtote Alte, die du ja mit einem einzigen Huftritt, mag dein Fuß auch lahm sein, erledigen kannst? Aber wohin in aller Welt soll ich mich auf die Flucht machen, und wer kann ein Unterkommen geben? Doch das ist ja eine alberne und geradezu eselhafte Überlegung! Denn welcher Reisende wird sich nicht gern sein Reittier mitnehmen?" Und mit einem munteren Ruck reiße ich gleich den Riemen, mit dem ich festgemacht war, ab und renne im Galopp los. Aber den Falkenaugen der gerissenenAlten konnte ich nicht entgehen. Denn sowie sie mich los sah, ergriff sie mit einer Beherztheit, die ihr Geschlecht und .Alter nicht erwarten ließen, den Riemen und machte Anstrengungen, mich abzuführen und heimzuholen. Ich aber habe den Vorsatz der Räuber, mir den Garaus zu machen, nicht vergessen und bleibe von sentimentalen Anwandlungen frei, schleudere vielmehr meine Hinterhufe gegen sie und platsche sie stracks auf die Erde. Aber die Person hing, ob sie auch zu Boden hingestreckt war, gleichwohl zäh am Riemen fest, so daß sie sich mir, wenn ich ein Stück weiterrannte, auf dem Fuße nachschleifen ließ. Und gleich hebt sie an mit Gekreisch und Geheul "Hilfe, wer Muskeln hat!" zu rufen. Aber sie flennte vergebHch und schlug blinden Lämt. Es war ja niemand da, der ihr hätte Beistand leisten können, außer allein das gefangene Mädchen, das auf das Geschrei hin hervorläuft und weiß Gott ein merkwürdiges Theaterstück zu sehen bekommt: ein altes Weiblein als Dirke, nicht an einem Stier, sondern an einem Esel hangend. Da faßt sie sich ein Männerherz und wagt eine Heldentat: sie entwindet den Riemen den Händen der Alten, beschwichtigt mit sanften Locklauten mein Ungestüm, steigt munter auf und treibt mich dann wieder zum Traben an. Ich aber trug nicht minder Verlangen, aus eigenem Antrieb zu fliehen, als ich das Mädchen zu befreien wünschte, ließ mich auch von den Schlägen bestimmen, die mich recht fleißig ermunterten, und klapperte also mit der
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replaudens vtrgmi delicatas voculas adhinnire temptabam. sed et scabendi dorsi mei simulatione non numquam obliquata cervice pedes decoros puellae basiabam. tune illa suspirans altius caelumque sollicito vultu petens <
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Sed nec inter cibos delicatos et otium profundum vitaeque totius beatitudinem deerit tibi dignitas gloriosa. nam memoriam praesentis fortunae meae divinaeque providentiae perpetua testatione signabo et ~epictam in tabula fugae praesentis imaginem meae domus atrio dedicabo. visetur et in fabulis audietur doctorumque stilis rudis perpetuabitur historia . accedes antiquis et ipse miraculis et iam credemus exemplo tuae veritatis et Phrixum arieti supernatasse et Arionem delphinum gubernasse et Europam tauro supercubasse. quodsi vere luppiter mugivit in bovem, potest in asino meo latere aliqui vel vultus hominis vel facies deorum.»
Dum haec identidem puella replicat votisque crebros
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Schnelligkeit eines Rennpferdes im Galopp gegen den Boden, wobei ich dem Mädchen zärtliche Wörtlein zuzuwiehern versuchte. Öfter auch, scheinbar um meinen Rücken zu jucken, bog ich den Hals zurück und küßte die reizenden Füße des Mädchens. Da sprach sie, tief aufseufzend und das bekümmerte Antlitz zum Himmel erhoben: "Ihr Götter droben, bringt mir endlich Hilfe in höchster Not, und höre jetzt auf mit deiner Wut, allzuhartes Schicksal du, laß dir meine jammervollen Leiden hier als Opfer genügen I Und du, meiner Freiheit und meines Lebens Schirm, wenn du mich wohlbehalten nach Hause bringst und meinen Eltern und dem schönen Freier wiedergibst, wie will ich dir Dank abtragen und Ehren antragen und Speisen, hintragen! Erst einmal will ich deine Mähne da tüchtig kämmen und mit meinem Mädchengeschmeide schmücken, das krause Stirnhaar will ich zuvor zierlich scheiteln und deine Schwanzborsten - denn ohne Badepflege sind sie verklebt und starren von Schmutz - mit Frisierkünsten auf Glanz bringen, will dir lauter Augen von goldenen Buckelknöpfen aufsetzen, daß du wie der Sternenhimmel schimmern und dich an den lustigen Volksumzügen vergnügen sollst, in einer Seidenschürze will ich dir Kerne und Leckereien hinschleppen und dich als meinen Retter alle Tage nudeln. Aber bei erstklassiger Kost und tiefer Ruhe und allen Annehmlichkeiten wird es dir auch an Ehre und Ruhm nicht fehlen. Denn das Gedenken an dies mein Erlebnis und an die göttliche Vorsehung will ich durch ein dauerndes Zeugnis festhalten und einem Gemälde mit der Darstellung meiner jetzigen Flucht einen Ehrenplatz in der Halle meines Hauses geben! Man wird sehen und erzählen hören und von Könnerhand verewigt finden die unerhörte Geschichte: ,Eselreitende Prinzessin auf der Flucht aus Gefangenschaft'. Neben den alten Wundern wirst du ein weiteres sein, und deinem lebendigen Beispiel werden wir jetzt glauben, daß Phrixos mit einem Widder navigierte, Arion einen Delphin kutschierte und Europa auf einem Stier kampierte. Ist es wahr, daß Jupiter wie ein Rind muhte, so kann auch in meinem Esel ein Menschengesicht oder Götterantlitz verborgen sein." Während das Mädchen dies in einem fort wiederholte und ihre
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intermiscet suspiratus, ad quoddam pervenimus trivium, unde me adrepto capistro dirigere dextrorsum magnopere gestiebat, quod ad parentes eius ea scilieet iretur via. sed ego gnarus latrones illac ad reliquas commeasse praedas renitebar firmiter atque sie in animo meo tacitus expostulabam: .cQuid facis, infelix puella? quid agis? cur festinas ad Orcum? quid meis pedibus facere contendis? non enim te tantum, verum etiam me perditum ibis.» sie nos diversa tendentes et in causa finali de proprietate soli, immo viae herciscundae contendentes rapinis suis onusti coram deprehendunt ipsi latrones et ad lunae splendorem iam inde longius cognitos risu maligno salutant.
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Et unus e numero sie appellat: «Quorsum istam festinanti vestigio lucubratis viam nec noctis intempestae manes larvasque formidatis? an tu, probissima puella, parentes tuos intervisere properas? sed nos et solitudini tuae praesidium praestabimus et compendiosum ad (parentes] tuos iter monstrabimus.» et verbum manu secutus prehenso loro retrorsum me circumtorquet nec baculi nodosi, quod gerebat, suetis ietibus temperat. tune ingratis ad promptum recurrens exitium reminiscor doloris ungulae et occipio nutanti capite claudieare. sed «Ecce», inquit ille, qui me retraxerat, «rursum titubas et vacillas et putres isti tui pedes fugere possunt, ambulare nesciunt? at paulo ante pinnatam Pegasi vincebas celeritatem.» Dum sie mecum fustem quatiens benignus iocatur comes, iam domus eorum extremam lorieam perveneramus. et ecce de quodam ramo procerae cupressus induta laqueum anus illa pendebat. quam quidem detractam protinus cum suo sibi funiculo devinctam dedere praecipitem. puellaque statim ·destinata vinculis cenam, quam postuma diligentia praeparaverat infelix anicula, ferinis invadunt animis.
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Gelöbnisse häufig mit Seufzern unterbrach, kamen wir zu einer Wegegabel,. wo sie mich am Halfter riß und verzweifelt nach rechts zu lenken trachtete, offensichtlich weil zu ihren Eltern dieser Weg zu benützen war. Aber ich wußte, daß die Räuber hier zum Rest ihrer Beute gezogen waren, stemmte mich also fest dagegen und beschwerte mich still in meinem Innern: "Was tust du, unseliges Mädchen? Was machst du? Warum so eilig ins Jenseits? Was willst du durchaus meinen Füßen antun? Denn nicht nur dich, auch mich wirst du in Tod und Verderben stürzen!" So wollten wir der eine rechts der andere links und führten einen Grenzprozeß über Grundeigentum, vielmehr über Wegverteilung,- als uns, mit ihrem Raub beladen, auf frischer Tat eben die Räuber ertappen und die im Mondschein schon von weitem Erkannten johlend begrüßen. Und einer aus der Schar ruft uns an: "Wohin des Wegs zu später Stunde so pressant, und habt ihr keine Angst vor Geistern und Gespenstern der unheimlichen Nacht? Du Muster einer guten Tochter möchtest wohl schnell einmal deine Eltern besuchen? Nein, wir werden dir, damit du nicht allein bist, Geleit präsentieren und einen Abkürzungsweg zu deinen Leuten offerieren." Und seinen Worten läßt er die Tat folgen, greift nach dem Riemen, dreht mich rückwärts herum und spart mit seinem Knotenstock die gewohnten Prügel nicht. Wie ich jetzt höchst ungern in mein sicheres Verderben umkehre, fallen mir die Schmerzen an mei~ nem Huf wieder ein, und ich fange mit nickendem Kopf zu hinken an. Aber der, der mich zurückgerissen hatte, sagte: "Da, jetzt wankst und wackelst du wieder, und deine entzündeten Füße da können davonlaufen, aber nicht marschieren? Und eben noch schlugst du Pegasus mit dem Tempo seiner Flügel!" Während so mein liebevoller Begleiter knüppelschwingend mit mir schäkerte, hatten wir schon den äußersten Gürtel ihres An~ wesens erreicht. Schau her, da hing am Ast einer schlanken Zypresse, eine Sc;hlinge um den Hals, die Alte. Man riß sie sofort herunter und stürzte sie mitsamt ihrem Strick versdmürt in die Tiefe. Dann legen sie gleich das Mädchen in Fesseln und fallen wie wilde Tiere über das ·Mahl her, das ihnen die arme Vettel mit letztwilliger Sorgfalt hergerichtet hatte.
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Ac dum avida voracitate cuncta contruncant, iam incipiunt de nostra poena suaque vindieta secum considerare; et utpote in coetu turbulento variae fuere sententiae, ut primus vivam cremari censeret puellam, secundus bestiis obici suaderet, tertius patibulo suffigi iuberet, quartus tormentis excamificari praeciperet; certe calculo cunctorum utcumque mors ei fuerat destinata. tune unus omnium sedato tumultu placido sermone sie orsus est: «Nec sectae collegii nec mansuetudini singulorum ac ne meae quidem modestiae congruit pati vos ultra modum delictique saevire terminum nec feras nec cruces nec ignes nec tormenta ac ne mortis quidem maturatae festinas tenebras accersere. meis itaque consiliis auscultantes vitam puellae, sed quam meretur, largimini. nec vos memoria deseruit utique, quid iam dudum decreveritis de isto asino semper pigro quidem, sed manducone summo, nunc etiam mendaci fictae debilitatis et virginalis fugae sequestro ministroque. hunc igitur iugulare crastino placeat totisque vacuefacto praecordiis per mediam alvum nudam virginem, quam praetulit nobis, insuere, ut sola facie praeminente ceterum corpus puellae nexu ferino coerceat, tune super aliquod saxum scruposum insiciatum et fartilem asinum exponere et solis ardentis vaporibus tradere.
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Sie enim cuncta, quae recte statuistis, ambo sustinebunt, et mortem asinus, quam pridem meruit, et illa morsus ferarum, cum vermes membra laniabunt, et ignis, flagrantiam, cum sol nimiis caloribus inflammarit uterum, et patibuli cruciatum, cum canes et vultures intima protrahent viscera. sed et ceteras eius aerumnas et tormenta numerate: mortuae bestiae ipsa vivens ventrem habitabit, turn faetore nimio nares aestu
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Und während sie mit gefräßiger Gier alles hinunterschlingen, fangen sie bereits an, unsere Strafe und ihre Vergeltung miteinander zu erörtern. Naturgemäß gab es in der wüsten Versammlung verschiedene Vorschläge: Der erste hielt dafür, das Mädchen lebendig zu verbrennen; der zweite empfahl, sie wilden Tieren vorzuwerfen; der dritte verfügte, sie ans Kreuz zu schlagen; der vierte ordnete an, sie zu Tode zu foltern, - fest stand allgemein, daß ihr so oder so der Tod bestimmt war. Als sich der allgerneine Aufruhr gelegt hatte, begann einer in sanftem Ton: "Weder mit den Grundsätzen der Zunft noch mit der Harmlosigkeit der einzelnen noch schließlich mit meiner persönlichen Zurückhaltung ist es zu vereinbaren, daß man euch über Maß und Ziel des Vergehens hinaus Gericht halten und zu wilden Tieren und Kreuz und Feuer und Folter oder auch nur zu kurzem Prozeß und schneller Liquidierung greifen läßt. Wenn ihr also auf meinen Rat hört, so schenkt dem Mädchen das Leben, - aber wie sie eines verdient! Auch ist euch die Erinnerung daran nicht ganz entfallen, was ihr schon früher über den Esel da beschlossen habt, der ein Faulpelz und dabei ein ausgernachter Freßsack ist, jetzt auch noch vorgebliche Lahmheit heuchelt und bei der Flud1t eines Mädchens vermittelt und aufgewartet hat. Den also beschließt morgen abzustechen, sein ganzes Eingeweide auszuräumen und in seinenBauchschlitz das Fräulein, das er uns vorgezogen hat, nackt einzunähen, so daß nur ihr Gesicht hervorschaut und der Mädchenleib sonst von dem Tier urnsd1lungen und gehalten wird, dann auf irgendeinem gezackten Felsen den Esel, gefüllselt und gestopft wie er ist, auszustellen und den brennenden Sonnengluten zu überliefern! Denn so werden beide all das über sich ergehen lassen, was ihr mit Recht festgesetzt habt, den längstverdienten Tod der Esel und sie die Bisse von Tieren, wenn Würmer die Glieder zerfetzen, das Brennen des Feuers, wenn die Sonne mit maßloser Hitze dem Bauch einheizt, die Qualen arn Kreuz, wenn Hunde und Geier die Eingeweide von innen hervorzerren. Aber zählt auch ihre sonstigen Plagen und Martern: selber lebendig, wird sie den Bauch einer Tierleiche bewohnen, außerdem wird
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unerträglicher Gestank in det Hitze ihre Nase pe1mgen, und immer ohne Essen wird sie vor Hunger zum Tode abfallen und nicht einmal die Hände frei haben, um sich ein Ende zu bereiten." Nach solchen Worten gehen die Räuber statt mit Abstimmung mit begeisterter Zustimmung auf seinen Antrag ein. Ich hörte ihn, meine Ohren waren groß genug: was blieb mir, als meine Leiche von morgen zu beweinen?
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Ut primum tenebris abiectis dies inalbebat et candidum solis curriculum cuncta conlustrabat, quidam de numero latronum pervenit; sie enim mutuae salutationis officium indicabat. is in primo speluncae aditu residens et ex anhelitu recepto spiritu tale collegio suo nuntium fecit: «Quod ad domum Milonis Hypatini, quam proxime diripuimus, pertinet, discussa sollicitudine iam possumus esse securi. postquam vos enim fortissimis viribus cunctis ablatis castra nostra remeastis, immixtus ego turbelis popularium dolentique atque indignanti similis arbitrabar, super investigatione facti cuius modi consilium caperetur et an et quatenus latrones placeret inquiri, renuntiaturus vobis, uti mandaveratis, omnia. nec argumentis dubiis, sed rationibus probabilibus congruo cunctae multitudinis consensu nescio qui Lucius auctor manifestus facinoris postulabatur, qui proximis diebus fictis commendaticiis litteris Miloni sese virum commentitus bonum artius conciliaverat, ut etiam hospiti.o susceptus inter familiaris intimos haberetur, plusculisque ibidem diebus demoratus falsis amoribus ancillae Milonis animum inrepens ianuae claustra sedulo exploraverat et ipsa membra, in quis omne patrimonium condi solebat, curiose perspexerat.
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Nec exiguum scelerati monstrabatur indicium, quippe cum eadem nocte sub ipso flagitii momento idem proEugisset nec exinde usquam compareret. nam et praesi-
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Sobald der Tag, vom Dunkel befreit, in weißem Limt erglomm und der blendende Sonnenwagen alles bestrahlte, passierte einer von der Räubergesellsmaft ein, wie aus den gegenseitigen Begrüßungsgesten zu ersehen war. Er ließ sim keumend vom am Eingang zur Höhle nieder, smöpfte endlim Atem und gab seiner Gilde folgenden Berimt: "Was das Haus des Milo in Hypata, das wir kürzlich ausgeplündert haben, betrifft, so können wir jetzt jede Unruhe abschütteln und ohne Sorge sein. Namdem ihr nämlim mit wackerem Schwung alles auf die Seite gebracht hattet und zu unserer Burg heimgezogen wart, mismte im mim unter die Volkshaufen, stellte mim teilnehmend und entrüstet und beobamtete, welmer Art Ermittlungsverfahren für die Tat vorgesehen und ob und inwieweit nam den Räubern zu fahnden besdllossen würde, um eum, wie ihr mir aufgetragen, alles zu vermelden. Und da war - nimt aus unsimeren Vermutungen, sondern mit glaubhaften Gründen - die gesamte Menge ein Herz und eine Seele, indem sie einen gewissen Lucius als offenbaren Urheber des Ansmlags vor Gerimt forderte, der sim in den letzten Tagen mit gefälsmten Empfehlungsbriefen dem Milo als Biedermann hingestellt und mit ihm näheren Kontakt gewonnen hatte; daher war er sogar in Logis genommen und zum engsten Familienkreis gezogen worden, hatte daselbst eine ganze Reihe von Tagen verweilt, sim mit geheumelter Liebe in das Herz der Magd Milos eingeschlimen, so das Smloß der Haustür sorgfältig ausspioniert und gerade die Räume, in denen das ganze Vermögen untergebramt zu werden pflegte, neugierig durmmustert. Und man wies auf ein nimt geringes Indiz für den Verbremer hin: daß eben jene Person in eben jener Namt gerade im Augenblick der Tat flümtig geworden und seitdem versmwunden sei.
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dium fugae, quo velocius frustratis insecutoribus procul ac procul abderet sese, eidem facile suppeditasse; equum namque illum suum candidum vectorem futurum duxisse secum. plane servum eius ibidem in hospitio repertum seelerum consiliorumque erilium futurum indicem per magistratus in publicam custodiam receptum et altera die tormentis vexatum pluribus ac paene ad ultimam mortem excarnificatum nil quicquam rerum talium esse confessum. missos tarnen in patriam Luci illius multos numero, qui reum poenas daturum sceleris inquirerent.»
Haec eo enarrante veteris fortunae et illius beati Lucii praesentisque aerumrtae et infelicis asini facta comparatione medullitus ingemebam subibatque me non de nihilo veteris priscaeque doctrinae viros finxisse ac pronuntiasse caecam et prorsus exoculatam esse Fortunam, quae semper suas opes ad malos et indignos conferat nec umquam iudicio quemquam mortalium eligat, immo vero cum is potissimum deversetur, quos procul, si videret, fugere deberet, quodque cunctis est extremius, varias opiniones, immo contradas nobis attribuat, ut et malus boni viri fama glorietur et innocentissimus contra noxio rumore plectatur.
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Ego denique, quem saevissiinus eius impetus in bestiam et extremae sortis quadripedem deduxerat cuiusque casus etiam quoivis iniquissimo dolendus atque miserandus merito videretur, crimine latrocinii in hospitem mihi carissimum postulabar. quod crimen non modo latrocinium, verum etiam parricidium quisque rectius nominarit. nec mihi tarnen licebat causam meam defendere vel unico verbo saltem denegare. denique ne mala conscientia tarn scelesto crimini praesens viderer silentio
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Auch habe ja eine Sicherung für seine Flucht, mit der er seine Verfolger narren und sich im Nu weit, weit davonmachen konnte, demselben bequem zur Verfügung gestanden: habe er doch seinen Schimmel als Transporttier für später mitgebracht. Allerdings habe sein Knecht, der ebendaselbst im Logis gefunden, zur Angabe der Verbrechen und Pläne seines Herrn von der Polizei in öffentliche Haft genommen, am anderen Tage mit vielerlei Foltern gepeinigt und beinahe bis zum letzten Atemzug abgemartert worden sei, nicht das geringste von solchen Dingen gestanden. Dennoch seien Leute in großer Zahl in die Heimatstadt jenes Lucius gesandt worden, die ihn zur Anklage und künftigen Sühne für das Verbrechen ausfindig machen sollten." Als er dies erzählte und ich einen Vergleich des Wohlergehens früher und jenes glückseligen Lucius mit der Drangsal jetzt und dem unglücklichen Esel anstellte, seufzte ich aus tiefster Seele auf. und es kam mir in den Sinn, nicht ohne Grund hätten alte und ehrwürdige Gelehrte den Gedanken ersonnen und verkündet, blind und geradezu ohne Augen sei Fortuna, die immer ihre Schätze auf Schlechte und Unwürdige häufe und nie mit Urteil irgendjemand auf der Welt auswahle, nein, im Gegenteil bei denen besonders einkehre, die sie, wenn sie sehen könnte, schon von weitem fliehen müßte; und was ärger als alles ist, setze sie uns zwielichtigen, nein unrichtigen Beurteilungen aus, so daß sich der Schlechte im Ruf eines Ehrenmannes sonne, der Unschuldigste dagegen einen üblen Leumund aufgebrummt bekomme. Am Ende wurde ich, den ihre grausame Attacke in ein Tier und zwar in einen besonders schlecht gestellten Vierfüßer hatte abgleiten lassen und dessen Pech auch dem Böswilligsten gerechterweise als bedauerns- und bemitleidenswert erscheinen müßte, auf Raub bei einem mir hochverehrten Gastherr!l verklagt und vor Gericht gefordert. Ein solches Verbrechen sollte man nicht bloß Raub, sondern richtiger gleich Nächstenmord nennen! Doch war es mir nicht vergönnt, meine Sache zu vertreten oder auch nur mit einem einzigen Wort zu leugnen. Schließlich, um nicht den Anschein zu erwecken, als ob ich aus schlechtem Gewissen den Vorwurf eines solchen Frevels, wie
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consentire, hoc tantum impatientia productus volui dicere: «Non feci.» et verbum quidem praecedens semel ac saepius immodice clamitavi, sequens vero nullo pacto disserere potui, sed in prima remansi voce et identidem boavi ••Non, non», quamquam nimia rutunditate pendulas vibrassem labias. sed quid ego pluribus de Fortunae scaevitate conqueror, quam nec istud puduit me cum meo famulo meoque vectore illo equo factum conservum atque coniugem?
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Talibus cogitationibus fluctuantem subit me cura illa potior, qua statuto consilio latronum manibus virginis decretam me victimam recordabar, ventremque crebro suspiciens meum iam misellam puellam parturibam. Sed ille, qui commodum falsam de me notoriam pertulerat, expromptis mille aureum, quos insutu laciniae contexerat, quosque variis viatoribus detractos, ut aiebat, pro sua frugalitate communi conferebat arcae, inlit etiam de salute commilitonum sollicite sciscitari. cognitoque quosdam, immo vero fortissimum quemque variis quidem, sed impigris casibus oppetisse suadet, tantisper pacatis itineribus omniumque proeliorum servatis indutiis inquisitioni commilitonum potius insisteretur et tirocinio novae iuventutis ad pristinae manus numerum Martiae cohortis facies integraretur. nam et invitos terrore compelli et volentes praemio provocari posse nec paucos humili servilique vitae renuntiantes ad instar tyrannicae potestatis sectarn suam conferre malle. se quoque iam dudum pro sua parte quendam convenisse hominem et statu procerum et aetate iuvenem et corpore vastum et manu strenuum eique suasisse ac denique persuasisse, ut manus hebetatas diutina pigritia tandem referret ad fru-
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ich da stand, schweigend anerkenne, wollte ich im Drang der Ungeduld nur sagen: .. Ich wars nicht!" Den Anfang schrie ich einmal und öfter aus voller Kehle, das folgende aber konnte ich um keinen Preis aussprechen, sondern verblieb bei den ersten Lauten und brüllte immer wieder: .. 1-ahl 1-ahl", wiewohl ich die allzu wulstig hängenden Lippen in Schuß zu bringen versuchte. Aber was beklage ich mich noch weiter über Fortunas Verkehrtheit, die ,.ich nicht einmal schämte, mich bei meinem Diener und meinem Reittier, dem Pferd, zum Schindund Schirrgenossen gemacht zu haben? Während mich solche Gedanken bewegten, fiel mir jene größere Sorge ein: ich stellte mir nämlich vor Augen, daß ich ja nach dem festen Plan der Räuber zum Totenopfer für die Jungfrau bestimmt sei, und betrachtete immer wieder meinen Bauch, als ob ich schon mit dem ärmsten Mädchen schwanger ginge. Aber der Geselle, der soeben die falsche Bezichtigung meiner Person überbracht hatte, holte tausend Goldstücke hervor, die er im Gewand eingenäht verborgen gehalten hatte. AisAusbeute von verschiedenen Passanten, wie er sagte, übergab er sie in Anbetracht seiner eigenen Anspruchslosigkeit der gemeinsamen Kasse und begann sich dann auch angelegentlich nach dem Befinden seiner Kameraden zu erkundigen. Als er da erfährt, daß einige, ja gerade die tapfersten bei ebenso verschiedenen wie unverdrossenen Abenteuern umgekommen seien, rät er, eine Zeitlang nur friedliche Märsche zu tun und auf allen Fronten Waffenruhe zu halten; man solle sich lieber auf die Aushebung von Kameraden verlegen und durch Rekrutierung neuer Mannschaft die Formation der Kampftruppe auf die frühere Einsatzstärke ergänzen. Man könne nämlich die Nichtgewillten durch Einschüchterung zwingen und die Willigen durch Belohnung anreizen, und nicht wenige würden auf ein Leben in Entbehrung und Knechtschaft verzichten und ihren Beruf lieber der Tyrannenherrlichkeit angleichen. Er habe sich auch seinerseits schon früher an einen bestimmten Mann von langem Wuchs, jungen Jahren, mächtigen Schultern und entschlossener Hand gewendet und ihm klargemacht und schließlich beigebracht, er solle seine vor lauter Nichtstun eingeschlafenen Hände endlich zu besserem
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gern meliorem bonoque secundae, dum posset, frueretur valetudinis nec manum validam erogandae stipi porrigeret, sed hauriendo potius exerceret auro.
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T alibus dictis universi omnes adsensi et illum, qui iam comprobatus videretur, adscisci et alios ad supplendum numerum vestigari statuunt. tune profectus et paululum commoratus ille perducit immanem quendam iuvenem, uti fuerat pollicitus, nescio an ulli praesentium comparandum. nam praeter ceteram corporis molem toto vertice cunctos antepollebat et ei commodum Ianugo malis inserpebat, sed plane centunculis disparibus et male consarcinatis semiamictum, inter quos pectus et venter crustata crassitie reluctabant. Sie introgressus: «Havete>>, inquit, «fortissimo deo Marti clientes mihique iam fidi commilitones, et virum magnanimae vivacitatis volentem volentes accipite libentius vulnera corpore excipientem quam aurum manu suscipientem ipsaque morte, quam formidant alii, meliorem. nec me putetis egenum vel abiectum neve de pannulis istis virtutes me:.s aestimetis. nam praefui validissimae manui totamque prorsus devastavi Macedoniam. ego sum praedo famosus Haemus ille Thracius, cuius totae provinciae nomen horrescunt, patre Therone aeque latrone inclito prognatus, humano sanguine nutritus interque ipsos manipulos factionis educatus heres ct aemulus virtutis paternae.
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Sed omnem pristinam sociorum fortium multitudinem magnasque illas opes exiguo temporis amisi spatio. nam procuratorem principis ducenaria perfunctum, dehinc fortuna tristiore decussum praetereuntem meo fato fueram adgressus. sed rei noscendae carpo ordinem:
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Ertrag verwenden, das Glück seiner guten Konstitution beizeiten nutzen und seine Faust nicht als Bettler um einen Groschen hinhalten, sondern lieber im Einscheffeln von Goldstücken üben. Diesen Worten stimmten alle miteinander zu und beschlossen den Betreffenden, der schon anerkannt schien, aufzunehmen und weitere Leute zur Ergänzung ihrer Stärke zu ermitteln. Da macht sich der Mann auf und führt nach einer kleinen Weile, wie versprochen, einen Mordskerl herbei, der wohl mit keinem der Anwesenden zu vergleichen war: abgesehen von seiner Leibesmasse sonst, überragte er alle um Haupteslänge, und seine Wangen überzog gerade der erste Flaum. Doch war er nur notdürftig mit ganz ungleichen und schlecht zusammengeflickten Lappen bekleidet, zwischen denen sich Brust und Bauch mit ihrer Speckschwarte vordrängten. So schritt er herein und sprach: "Guten Tag, ihr Getreuen des Heldengottes Mars und bereits meine guten Kameraden! Nehmt einen Mann von beherzter Tatkraft ehrlich gegen ehrlich auf, der lieber Wunden in der Brust empfängt als Gold mit der Hand auffängt und der selbst dem Tod, vor dem es anderen graust, überlegen ist! Haltet mich nicht für einen armen Schlukker und schließt nicht von diesen Lumpen auf meine Qualitäten! Denn ich war Hauptmann einer sehr starken Mannschaft und habe ungelogen ganz Makedonien verwüstet. Ich bin der berühmte Räuber Hämus aus Thrakien, vor dessen Namen alle Provinzen zittern, stamme als Sohn von dem gleichfalls angeseh.enen Räuber Theron, bin mit Menschenblut aufgezogen und mitten unter den Formationen der Bande als Erbe und Nacheiferer meines tapferen Vaters herangewachsen. Aber all die vielen wackeren Genossen von früher und die damaligen großen Mittel habe ich im Laufe kurzer Zeit verloren. Das kam, weil ich einen kaiserlichen Fiskalbeamten, der die zweithöchste Gehaltsklasse absolviert hatte, aber dann unter recht traurigen Umständen abgesetzt worden war, zu meinem Unglück angefallen hatte, als er des Weges kam -, aber ich will die Geschichte, damit ihr euch auskennt, der Reihe nach hernehmen:
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Fuit quidam multis officiis in aula Caesaris clarus atque conspicuus, ipsi etiam probe spectatus. hunc insimulatum quorundam astu proiecit extorrem saeviens invidia. sed uxor eius Plotina quaedam rarae fidei atque singularis pudicitiae femina, quae decimo partus stipen; dio viri familiam fundaverat, spretis atque contemptis urbicae luxuriae deliciis fugientis comes et infortunii socia tonso capillo in masculinam faciem reformato habitu, ptetiosissimis monilium et auro monetali zonis refertis incincta inter ipsas custodientium militum manus et gladios nudos intrepida cunctonim periculorum particeps et pro mariti salute pervigilem curam suscipiens aerumnas adsiduas ingenio masculo sustinebat. iamque plurimis itineris difficultatibus marisque terroribus exanclatis Zacynthum petebat, quam sors ei fatalis decreverat temporariam sedem.
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Sed cum primum litus Actiacum, quo tune Macedonia delapsi grassabamur, appulisset, nocte prometa tabernulam quandam litori navique proximam vitatis maris fluctibus incubabant: invadimus et diripimus omnia. nec tarnen periculo levi temptati discessimus. simul namque primum sonum ianuae matrona percepit, procurrens in cubiculum clamoribus inquietis cuncta miscuit milites suosque famulos nominatim, sed et omnem viciniam suppetiatum convocans, nisi quod pavore cunctorum, qui sibi quisque metuentes delitiscebant, effectum est, ut impune discederemus. sed protinus sanctissima vera enim dicenda sunt - et unicae fidei femina bonis artibus gratiosa precibus ad Caesaris numen porrectis et marito reditum celerem et adgressurae plenam vindictam impetravit. denique noluit esse Caesar Haemi
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Es war da ein Mann, der es durm viele Leistungen bei Hofe zu Ruhm und Ansehen gebramt hatte und aum bei dem Kaiser selbst in hoher Gunst stand. Der wurde durm Intrigen gewisser Leute verdämtigt und von ihrem hämismen Neid außer Landes getrieben. Sein Weib Plptina, eine Frau von seltener Treue und ausgezeimneter Sittsamkeit, die mit zehn Geburten ihren Beitrag zum Bestand der Familie ihres Mannes geleistet hatte, versdtmähte und veramtete die Freuden des städtismen Wohllebens: als Gefährtin des Verbannten und Genossin seines Unglücks, das Haar gesmoren und als Mann verkleidet, das kostbarste Gesmmeide und gemünztes Gold in den Gurt um ihren Leib gestopft, nahm sie mitten unter der Mannsmaft und den bloßen Smwertern der militärismen Bewamung unersdtrocken an· allen Gefahren teil, unterzog sim einer wachsamen Sorge für das Wohl des Mannes und ertrug das beständige Ungemam mit mannhaftem Sinn. Und smon waren all die Smwierigkeiten des Marsmes und die Sdtrecken des Meeres überstanden und ging es auf Zakynthus zu, das ihm der Verdammungssprum als zeitweiligen Aufenthalt bestimmt hatte. Aber als er eben an der Küste von Actium - wir waren damals von Makedonien hinübergerutsmt und trieben uns dort umher - gelandet war, logierten sie bei smon vorgerückter Namt, um dem Smaukeln auf dem Meer zu entgehen, in einem nahe am Strand und am Smiff gelegenen Gasthof: wir über sie her und alles geplündert! Aber wir kamen nimt davon, ohne daß uns eine beträchtlime Gefahr streifte. Denn sowie die Dame das erste Geräusm der Haustür vernommen hatte, kam sie in den Smlafraum gelaufen und bramte mit unentwegtem Geschrei alles durmeinander, indem sie die Soldaten und ihre Diener bei Namen mitsamt der ganzen Nambarsmaft zur Hilfe zusammentrommelte; nur daß der allgemeine Smrecken - jeder mamte sim aus Angst um sich selbst unsichtbar - zur Folge hatte, daß wir unbehelligt abzogen. Aber alsbald reimte die - was wahr ist, muß man ja sagen - verehrungswürdige und einmalig verlässige Frau, die wegen ihrer guten Eigensmaften in Gunst stand, Bittsmriften an des Kaisers Majestät ein und brachte ebenso für ihren Gatten eine schnelle Heimkehr wie eine volle Ahndung des Überfalls
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Liber septimus
latronis collegium et confestim ·interivit. tantum potest nutus etiam magni principis. tota denique factione militarium vexillationum indagatu confecta atque concisa ipse me furatus aegre solus mediis Orci faucibus ad hunc evasi modum: 8
Sumpta veste muliebri florida in sinus flaccidos abundante, mitellaque textili contecto capite, calceis femininis albis illis et tenuibus indutus et in sequiorem sexum incertatus atque absconditus asello spicas hordeacias gerenti residens per medias acies infesti militis transabivi. nam mulierem putantes asinariam concedebant Iiberos aditus, quippe cum mihi etiam tune depiles genae levi pueritia splendicarent.
Nec ab illa tarnen patema gloria vel mea virtute descivi, quanquam semitrepidus iuxta mucrones Martios constitutus, sed habitus alieni fallacia tectus viilas seu castella solus adgrediens viaticulum mihi conrasi.» et diloricatis statim pannulis in medium duo milia profudit aureorum et «En», inquit, «istam sportulam, immo vero dotem collegio vestro libens meque vobis ducem fidissimutn, si tarnen non recusatis, offero brevi temporis spatio lapideam istam domum vestram facturus auream...
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Nec mora nec cunctatio, sed calculis omnibus ducaturn latrones unamimes ei deferunt vestemque lautiusculam proferunt, sumeret abiecto centunculo divite. sie reformatus singulos exosculatus et in summe pulvinari locatus cena poculisque magnis inauguratur.
Tune sermonibus mutuis de virginis fuga deque mea vectura et utrique destinata monstruosa morte cognoscit et ubi locorum esset illa percontatus deductusque, visa
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zuwege. Somit brach der Kaiser über die Gilde des Räubers Hämus den Stab, und sie ging auch schnell ein; soviel vermag ein bloßer Wink des großen Fürsten. Die ganze Bande wurde also von militärischen Abteilungen umstellt, niedergemacht und zusammengehauen. Ich selbst stahl mich mit knapper Not allein davon und entkam direkt aus dem Höllenrachen auf diese Weise: Ich nahm ein buntes Frauenkleid, dessen Weite einen Schiotterbusen ergab, bedeckte meinen Kopf mit einer Stoffhaube, zog solche weißen und dünnen Weiberschuhe an und schlüpfte bis zur Unkenntlichkeit in das schwächere Geschlecht, bepackte dann einen Esel mit Gerstenähren, saß auf und zog mitten durch die Front der feindlichen Soldaten auf und davon. Denn sie hielten mich für eine Eseltreiberirr und gewährten freien Durchgang, damals waren ja auch meine Wangen noch ohne Barthaare ·und glänzten so glatt wie bei einem Knaben. Aber trotzdem bin ich jenem ruhmreichen Vorbild meines Vat.ers und der eigenen Tapferkeit treugeblieben, obwohl ich in meiner Lage dicht neben den Klingen des Mars ein wenig zitterte: durch den Trug der fremden Tracht gedeckt, habe ich Landhäuser oder Burgflecken allein angegriffen und mir ein kleines Zehrgeld zusammengekratzt." Und gleich riß er seine Lumpen auseinander, schüttete zweitausend Goldstücke hin und sagte: .. Da, dies kleine Geschenk, vielmehr diese Mitgift biete ich eurem Verein gern an, und dazu mich als euren treuen Hauptmann, falls ihr dies nicht ablehnt. Es wird nicht lange dauern, daß ich euer Steinhaus da zu einem Goldpalast mache!" Da gibts kein Zögern und Zaudern, sondern die Räuber übertragen ihm mit allen Stimmen einmütig die Führerschaft und holen ein einigermaßen prächtiges Gewand hervor, er solle es nehmen und seine Geldsack-Lumpen wegwerfen. So umgewandelt küßt er jeden einzelnen ab, nimmt auf dem obersten Polster Platz und wird mit einem Festessen und großen Pokalen feierlich eingeführt. Da erfährt er aus dem, was sie miteinander sprechen, von der Flucht der Jungfrau, ihrem Ritt auf mir und dem uns beiden bestimmten schauerlichen Tod. Er fragte, wo herum sie denn stecke,
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ea, ut erat vinculis onusta, contorta et vituperanti nare discessit et «Non surn quidern tarn brutus vel certe ternerarius,., inquit, «Ut seiturn vestrurn inhibearn, sed rnalae consdentiae reaturn intra rne sustinebo, si, quod bonurn rnihi videtur, dissirnulavero. sed prius fiduciarn vestri causa sollicito rnihi tribuite, curn praesertirn vobis, si sententia haec rnea displicuerit, liceat rursus ad asinurn redire. narn ego arbitror latrones, quique eorurn recte sapiunt, nihil anteferre lucro suo debere ac ne ipsarn quidern saepe et alias darnnosarn ultionern. ergo igitur si perdideritis in asino virginern, nihil arnplius quarn sine ullo cornpendio indignationern vestrarn exercueritis. quin ego censeo deducendarn earn ad quarnpiarn civitatern ibique venundandarn. nec enirn levi pretio distrahi poterit talis aetatljla. narn et ipse quosdarn lenones pridern cognitos habeo, quorurn poterit unus rnagnis equidem talentis, ut arbitror, puellarn istarn praestinare condigne natalibus suis fomicern processurarn nec in sirnilern fugarn discursurarn, non nihil etiam, cum lupanari servierit, vindictae vobis depensurarn. hanc: ex animo quidern meo sententiam conducibilem protuli. sed vos vestrorum estis, consiliarum rerurnque domini."
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Sie ille latronurn fisci advocatus nostram causarn pertulerat virginis et asini sospitator egregius. sed in diutina deliberatione ceteri cruciantes rnora consilii rnea praecordia, immo miserum spiritum elidentes tandem novicii latronis accedunt sententiae et protinus vinculis exsolvunt virginem. Quae quidem sirnul viderat illum iuvenem fornicisque et lenonis audierat rnentionern, coepit risu laetissimo gestire, ut mihi rnerito subiret vituperatio totius sexus, curn viderern puellarn proci iuvenis arnore nuptiarumque castarurn desiderio simulato lupanaris spurci sordidique subito delectari nornine. et tune quidem totarurn rnu-
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und als man ihn hinführte und er sie in ihren schweren Fesseln sah, rümpfte er kritisch seine Nase, ging weg und sagte: .,Ich bin zwar nicht so stur oder immerhin vermessen, euren Entscheid bremsen zu wollen, habe aber doch das Gefühl eines schlechten Gewissens in mir zu tragen, wenn ich verhehle, was mir richtig scheint. Doch erst schenkt mir Vertrauen, da ich für euch bemüht bin, zumal es euch ja freisteht, wenn diese meine Meinung nicht zusagt, wieder auf den Esel zurückzukommen! Ich halte nämlich dafür, daß Räuber, soweit sie vernünftig denken, nichts über ihr Geschäft stellen dürfen, nicht einmal die Vergeltung selbst, die oft ohnehin Schaden bringt. Demnach also, sofern ihr die Jungfrau im Esel vernichten solltet, dürftet ihr lediglich - ohne jedweden Gewinn - euer Mütchen kühlen. Ich bin vielmehr der Meinung, man sollte sie in irgendeine Stadt abführen und dort verkaufen; so etwas Knuspriges wird man ja für einiges Geld losschlagen können. Ich kenne nämlich auch selber von früher her gewisse Hurenwirte, von denen der eine oder andere, wie ich erachte, das Mädchen da ihrem Stande entsprechend für eine wirklich erkleckliche Summe erstehen kann, daß sie auf den Strich geht statt wie jetzt auf- und davonzulaufen und auch als Dienstperson im Bordell euch ein gut Teil Buße abdient. Somit habe ich eine Anregung vorgetragen, die wenigstens nach meiner Überzeugung der Sache dient. Aber ihr seid Herren eurer Beschlüsse und eures Eigentums." So hatte dieser Anwalt der Räuberkasse unsere Sache verfochten, für Jungfrau und Esel ein rettender Engel! Aber in langwieriger Beratung marterten die übrigen durch Verzug eines Beschlusses meine Nerven, ja, würgten meinen armen Lebensgeist ab. Endlich schließen sie sich d.;r Meinung des Räubernovizen an und lösen sofort die Jungfrau aus ihren Fesseln. Die hatte kaum den jungen Mann gesehen und die Worte ,Bordell' und ,Hurenwirt' fallen hören, als sie in ein ausgelassenlustiges Lachen ausbrach. Kein Wunder, daß mir ein Widerwillen gegen ihr ganzes Geschlecht aufkam, als ich das Mädchen, das einen jungen Freier zu lieben und eine reine Ehe zu ersehnen vorgegeben hatte, bei der Nennung eines verworfenschmutzigen Bordells plötzlich vergnügt werden sah. Da hingen
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Herum secta moresque de asini pendebant iudicio. Sed ille iuvenis sermone repetito <
Nec multo post adveniunt illi vinarios utres ferentes et. gregatim pecua comminantes. unde praelectum grandem hircum annosum et horricomem Marti Secutori Comitique victimant. et ilico prandium fabricatur opipare. tune hospes ille «Non modo», inquit, «expeditionum praedarumque, verum etiam voluptatum vestrarum ducem me strenuum sentire debetis.» et adgressus insigni facilitate naviter cuncta praeministrat. verrit, sternit, coquit, tucceta concinnat, adponit scitule, sed praecipue poculis crebris grandibusque singulos ingurgitat. interdum tarnen simulatione promendi, quae poscebat usus, ad puellam commeabat adsidue partisque subreptas clanculo et praegustatas a se potiones offerebat hilaris. at illa sumebat adpetenter et non nunquam basiare volenti promptis saviolis adlubescebat. quae res oppido mihi displicebat. «Hem oblita es nuptiarum tuique mutui cupitoris, puella virgo, et illi nescio cui recenti marito, quem tibi parentes iunxerunt, hunc advenam cruentumque percussorem praeponis? nec te conscientia stimulat, sed adfectione calcata inter lanceas et gladios istos scortari tibi libet? quid, si quo modo latrones ceteri persen-
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nun Grundsätze und Charakter sämtlicher Weiber am Urteil eines Esels I Aber der junge Mann nahm das Gespräch wieder auf und sagte: ., Wollen wir also gehen und zu Mars dem Geleiter beten, dann mit eins das Mädchen verkaufen und Kameraden ausfindig machen? Aber wie ich sehe, haben wir nirgends ein Tier zum Opferbrauch, und auch der Wein langt nicht hin und her für unseren Bauch. Stellt also zehn Begleiter für mich ab, die werden mir genügen, das nächste Burgdorf aufzusuchen und euch von da ein Festessen zu verschaffen I" So brach er auf, und die übrigen schüren ein mächtiges Feuer und machen aus grünen Rasenstücken für den Gott Mars einen Altar. Nicht lange danach kommen die anderen an, Weinschläuche auf den Schultern und Herden von Vieh vor sich hertreibend. Daraus suchen sie einen mächtigen alten und zotteligen Ziegenbock aus und opfern ihn Mars dem Schiitzer und Geleiter. Und sofort wird ein üppiges Mittagessen hergerichtet. Da sagt jener Fremde: "Nicht nur bei euren Beutezügen, auch bei euren Lustbarkeiten sollt ihr mid1 als wackeren Hauptmann kennenlernen!" Und mit glänzendem Geschick faßt er an und wartet behende mit allem auf: fegt und deckt und kocht, richtet vollendete Rouladen und serviert wie ein gelernter Fachmann. Vor allem aber benebelt er sie Mann für Mann mit einem Humpen nach dem anderen. Doch inzwischen tat er, als ob er hole, was gebraucht und benötigt wurde, und ging beständig zu dem Mädchen hin, um ihr vergnügt Brocken anzubieten, die er heimlich stibitzte, und Getränke, die er vorkostete. Sie nahm sie begierig, und wenn er sie dann und wann küssen wollte, so schnäbelte und schmatzte sie ihm willig entgegen. Die Sache mißfiel mir ganz und gar. "He, hast du denn deine Hochzeit vergessen und deinen verehrten Verehrer, mein Unschuldsengel, und ziehst jenem mir unbekannten Bräutigam, den dir doch deine Eltern zur Seite gegeben haben, den hergelaufenen und blutrünstigen Banditen hier vor? Und du hast keine Gewissensbisse, sondern trittst deine Neigung mit Füßen und stehst nicht an, unter den Lanzen und Säbeln da zu huren? Wie,
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serint7 non rursum recurres ad asinum et rursum exitium mihi parabis? re vera ludis de alieno corio.» Dum ista sycophanta ego mecum maxima cum indignatione disputo, de verbis eorum quibusdam dubiis, sed non obscuris prudenti asino cognosco non Haemum illum praedonem famosum, sed Tlepolemum sponsum puellae ipsius. nam procedente sermone paulo iam clarius contempta mea praesentia quasi vere mortui «Bono animo es,.; inquit, «Charite dulcissima; nam totos istos hostes tuos statim captivos habebis.» et instantia validiore vinum iam inmixtum, sed modico tepefactum vapore sauciis illis et crapula vinolentiaque madidis ipse abstemius non cessat inpingere. et hercules suspicionem mihi fecit, quasi soporiferum quoddam venenum cantharis immis~eret illis. cuncti denique, sed prorsus omnes vino sepulti iacebant, omnes pariter mortui. tune nullo negotio artissimis vinculis impeditis ac pro arbitrio suo constrictis illis imposita dorso meo puella dirigit gressum ad suam patriam.
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Quam simul accessimus, tota civitas ad votivum conspectum effunditur. procurrunt parentes, affines, clientes, alumni, famuli, laeti faciem, gaudio delibuti. pompam cerneres omnis sexus et omnis aetatis novumque et hercules memorandum spectamen: virginem asino triumphantem. denique ipse etiam hilarior pro virili parte, ne praesenti negotio ut alienus discreparem, porrectis auribus proflatisque naribus rudivi fortiter, immo tonanti clamore personui. et illam thalamo receptam commode parentes sui fovebant. me vero cum ingenti iumentorum civiumque multitudine confestim retro Tlepolemus age-
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wenn es irgendwie die andeten Räuber merken? Wirst du nicht wieder zum Esel gerannt kommen und wieder mir den Garaus machen? Wahrhaftig, du riskierst einen fremden Kragen!" Während ich so im Selbstgespräch mit größter Entrüstung den Denunzianten mache, erkenne ich aus einigen Worten, die sie sprechen- zweifelhaften. aber nicht dunklen Worten für einen klugen Esel -, daß er nicht der berüchtigte Räuber Hämus war, sondern Tlepolemus, der Verlobte eben dieses Mädchens. Denn im Laufe des Gesprächs sagte er schon ein wenig lauter, ohne auf meine Gegenwart- als wäre ich wirklich schon tot!zu achten: .. Sei gutes Mutes, meine süße Charite! Denn all deine Feinde da will ich dir gleich als deine Gefangenen zu Füßen legen!" Dann verstärkt er seine Zudringlichkeit und läßt nicht nach, den bereits angeschlagenen und Sternhagel betrunkenen Räubern nunmehr ungemischten, doch an mäßiger Glut gewärmten Wein aufzunötigen, ohne selbst zu trinken. Und weiß Gott, er erregte mir äen Verdacht, als mische er irgendein Schlafmittel in ihre Humpen. Schließlich lagen alle, absolut die ganze Gesellschaft, als Weinleichen da, einer wie der andere hinüber. Jetzt macht er sie ohne Mühe mit engen Fesseln bewegungsunfähig und schnürt sie kreuz und quer zusammen, um dann das Mädchen auf meinen Rücken zu setzen und die Schritte nach seiner Heimatstadt zu lenken. Sobald wir diese erreicht haben, strömt die ganze Bürgerschaft zu dem heiß ersehnten Anblick auf die Straßen. Da koiillrten sie herausgelaufen: Eltern, Verwandte, Untergebene, Kostgänger, Diener. - mit frohem Gesicht, trunken vor Freude. Einen Festzug hättest du sehen können von jedem Geschlecht und jedem Alter, und ein neues, wahrhaft merkwürdiges Schauspiel: eine Jungfrau im Triumphzug auf einem Esel! Demnach zeigte auch ich selber mein Vergnügen, und aus Leibeskräften, um in dem ereignisreichen Augenblick nicht als Unbeteiligter aufzufallen, begllnn ich mit gereckten Ohren und geblähten Nüstern tüchtig zu brüllen, vielmehr mit Donnergetöse zu dröhnen. Das Mädchen nahmen seine Eltern ins Zimmer und pflegten es sorglich. Mich aber trieb Tlepolemus mit einer großen Schar von Packtieren und Bürgersleuten eilends zurück,
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bat non invitum. nam et alias curiosus et tune latronum captivitatis spectator optabam fieri. quos quidem colligatos adhuc vino magis quam vinculis deprehendimus. totis ergo prolatis erutisque rebus et nobis auro argentoque et ceteris onustis ipsos partim constrictos, uti fuerant, provolutosque in proximas rupinas praecipites dedere, alios vero suis sibi gladiis obtruncatos reliquere.
Tali vindicta laeti et gaudentes civitatem revenimus. et illas quidem divitias publicae custodelae commisere, Tlepolemo puellam repetitam lege tradidere.
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Exin !'le suum sospitatorem nuncupatum matrona prolixe curitabat ipsoque nuptiarum die praesepium meum hordeo passim repleri iubet faenumque camelo Bactrinae sufficiens apponi. sed quas ego condignas Photidi diras devotiones inprecer, quae me form;avit non canem, sed asinum, quippe cum viderem largissimae cenae reliquiis rapinisque canes omnes inescatos atque distentos?
Post noctem unicam et rudimenta Veneris recens nupta gratias summas apud suos parentes ac mariturn mihi meminisse non destitit, quoad summos illi promitterent hoilores habituri mihi. convocatis denique gravioribus amicis cönsilium datur, quo potissimum pacto digne remunerarer. placuerat uni domi me conclusum et otiosum hordeo lecto fabaque et vicia saginari. sed obtinuit alius, qui meae libertati prospexerat, suadens, ut rurestribus potius campis in greges equinos lasciviens discurrerem daturus dominis equarum inscensu generoso multas mulas alumnas. H
Ergo igitur evocato statim armentario equisone magna cum praefatione deducendus adsignor. et sane gaudens
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und ich folgte gern, war ich doch überhaupt neugteng und wünschte auch jetzt Zuschauer zu werden, wie man die Räuber fing. Wir fanden sie immer noch mehr vom Fusel als von den Fesseln geknebelt. Nachdem man nun die ganzen Bestände zu Tage gefördert und herausgeschafft und uns mit Gold und Silber und so weiter beladen hatte, wälzte man die Kerle teils gebunden, wie sie waren, hinaus und stürzte sie kopfüber auf die nächsten Klippen, andere ~öpfte man mit ihren eigenen Säbeln und ließ sie liegen. Froh und befriedigt von der gründlichen Justiz kehrten wir in die Stadt zurück. Die reiche Beute lieferte man in städtischen Gewahrsam, dem Tlepolemus aber übergab man in aller Form das Mädchen, das er sich zurückerobert hatte. Von da an wurde ich, den sie ihren Retter nannte, von der Dame freigebig umhegt, und am Hochzeitstage selbst heißt sie meine Krippe zum Überlaufen mit Gerste anfüllen und mir Heu vorlegen, das für ein baktrisches Kamel gereicht hätte. Doch welche Verwünschungen wären fürchterlich genug, um sie Photis an den Hals zu fluchen, daß sie mich nicht in einen Hund verwandelt hatte, sondern in einen Esel: sah ich doch mit an, wie jeder Hund von dem Schlemmeressen bekam oder nahm und sich zum Bersten anfraß I Nach der Nacht ohnegleichen und dem ersten Liebeskursus ließ die Neuvermählte nicht ab, mit höchstem Dank bei ihren Eltern und ihrem Gatten meiner zu gedenken, bis sie ihr versprachen, mir höchste Ehren zu erweisen. Als man demnach die engeren Freunde zusammenberufen, wurde eine Beratung gehalten, auf welche Weise man mich am ehesten geziemend belohnen könne. Einer hatte die Ansicht vertreten, man solle mich in den vier Wänden daheim faulenzen lassen und mit aussortierter Gerste, Bohnen und Wicken mästen. Aber ihn überstimmte ein anderer, der auf meine Freiheit bedacht war und riet, ich solle lieber auf ländlichen ,Fluren bei Pferdeherden lustig umherspringen und den Besitzern als Stutenbeschäler von Rasse die Ställe mit lauter Maultierfüllen füllen. Gesagt, getan: man ruft sofort den Roßstallmeister herbei und überantwortet mich ihm nach einer langen Vorrede, daß er
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laetusque praecurrebam sarcinis et ceteris oneribus iam nunc renuntiaturus nanctaque libertate veris initio pratis herbantibus rosas utique reperturus aliquas. subibat me tarnen illa etiam sequens cogitatio, quod tantis actis gratiis honoribusque plurimis asino meo tributis humana facie recepta multo tanta pluribus berteficiis honestarer. Sed ubi me procul a civitate gregarius ille perduxerat, nullae deliciae ac ne ulla quidem libertas excipit. nam protinus uxor eius, avara equidem nequissimaque illa mulier, molae machinariae subiugum me dedit frondosoque baculo subinde castigans panem sibi suisque de meo parabat corio. nec tantum sui cibi gratia me fatigare contenta vicinorum etiam frumenta mercennariis discursibus meis conterebat. nec mihi misero statuta saltem cibaria pro tantis praestabantur laboribus. namque hordeum meum frictum et sub eadem mola meis quassatum ambagibus colonis proximis venditabat, mihi vero per diem laboriosae machinae adtento sub ipsa vespera furfures apponebat incretos ac sordidos multoque lapide salebrosos.
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T alibus aerumnis edomitum novis Fortuna saeva tradidit crilciatibus, scilicet ut, quod aiunt, domi forisque fortiter factis adoriae plenae gloriarer. equinis armentis namque me congregem pastor egregius mandati dominici serus auscultator aliquando permisit. at ego tandem liber asinus laetus et tripudians graduque molli gestiens equas opportunissimas iam mihi concubinas futuras deligebam. sed haec etiam spes hilarior in capitale processit exitium. mares enim ob admissuram veterem pasti satianter ac diu saginati, terribiles [alios] alioquin et utique quovis asino
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mich fortführe. Von Herzen froh und vergnügt lief ich voraus, um fürs erste den Packlasten und sonstigen Bürden Valet zu sagen, mir Freiheit zu verschaffen und zu Beginn des Lenzes auf den ergrunenden Wiesen so oder so irgendwelche Rosen zu finden. Es kam mir indes auch det weitere Gedanke, wenn mir als Esel schon solche Gunstbezeigungen erwiesen und so viele Ehren zuteil wurden, müßte ich im Neubesitz menschlicher Ge~ stalt um so viel mehr Wohltaten auf mein Haupt sammeln! Aber als mich dieser Herdenaufseher weit vor die Stadt an Ort und Stelle geführt hatte, empfingen mich keine Wonnen und keine Spur von Freiheit. Denn unbesehen schirrte mich seine Frau, so ein ganz profitliebes Weibsluder, unter das Joch einer Drehmühle und begann mich mit einem ästigen Knüppel weid~ lieh zu prügeln, um auf diese Weise für sich und ihre Leute aus meinem Fell Brot zu machen. Ja, es genügte ihr nicht, mich für ihren eigenen Eßtisch abzuhetzen: auch für die Nachbar~ schaft mahlte sie das Korn mit meinen Runden, die sie sich bezahlen ließ. Und für die Plackerei wurde mir armem Tropf nicht einmal die vorgeschriebene Essensration zugewiesen I Denn meine Futtergerste wurde von ihr gedörrt, in der gleichen Mühle durch meine Drehungen zermalmt und regelmäßig an die näch~ sten Bauern verkauft, - mir aber, wenn ich tagsüber an die Arbeitsmaschine angespannt war, warf sie gerade noch vor Nacht Kleie vor, die ungesiebt und schmutzig war und in der die Steine nur so knirschten. Nachdem ich durch solche Leiden klein geworden, überlieferte mich die grausame Fortuna neuen Qualen, nur damit ich, wie man sagt, mich der Vollbringung aller Heldentaten daheim und an der Front rühmen könne. Der treffliche Hirte besann sich nämlich spät genug auf den herrschaftlichen Auftrag und ließ mich einmal als Herdengesellen zum Pferdevieh hinaus. End~ lieh ein freier Esel! Ich tänzelte vergnügt und mit munterem Geschlenker daher und suchte mir schon die geeignetsten Stuten als Beischläferinnen aus. Aber auch diese schöne Hoffnung ent~ wickelte sich zur Lebensgefahr. Denn die Hengste, zwecks alt~ gewohnter Bespringung seit Jahr und Tag vollgegessen und vollgefressen, ohnehin schreckenerregend und schlechterdings
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fortiores, de me metuentes sibi et adulterio degeneri praecaventes nec hospitalis Iovis servato foedere rivalem summo furentes persecuntur odio. hic elatis in altum vastis · pectoribus arduus capite et sublimis vertice primoribus in me pugillatur ungulis, ille terga pulposis torulis obesa convertens postremis velitatur calcibus, alius hinnitu maligno comminatus, remulsis auribus dentiumque candentium renudatis asceis totum me commorsicat. sie apud historiam de rege Thracio legeram, qui miseros hospites ferinis equis suis lacerandos devorandosque porrigebat. adeo ille praepotens tyrannus sie parcus hordei fuit, ut edacium iumentorum famem corporum humanorum largitione sedaret. 17
Ad eundem modum distractus et ipse variis equorum incursibus rursus molares illos circuitus requirebam. Verum Fort"':na meis cruciatibus insatiabilis aliam mihi denuo pes'tem instruxit. delegor enim ligno monte devehundo puerque mihi praefectus imponitur omnibus ille quidem puer deterrimus. nec me montis excelsi tantum arduum fatigabat iugum nec saxeas tantum sudes incursando contribam ungulas, verum fustium quoque crebris ictibus perdite dedolabar, ut usque plagarum mihi medullaris insideret dolor. coxaeque dexterae semper ictus incutiens et unum feriendo locum dissipato corio et ulceris latissimi facto foramine, immo fovea vel etiam fenestra nullus tarnen desinebat identidem vulnus sanguine delibutum obtundere. lignorum vero tanto me premebat pondere, ut fascium molem elephanto, non asino paratarn putares. ille vero etiam, quotiens in alterum Iatus praeponderans declinarat sarcina, cum deberet potius gravantis ruinae fustes demere et levata paulisper pressu-
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stärker als jeder Esel. ahnten von mir nichts Gutes für sich und fallen also, um rassenschänderischenEhebruch zu verhüten, ohne sich um die Satzungen des heiligen Gastrechts zu scheren, den Nebenbuhler wütend mit aller Gehässigkeit an. Der eine hebt seinen gewaltigen Bug in die Höhe, stellt den Kopf steil und den Scheitel empor und beginnt mit den Vorderhufen einen Boxkampf gegen mich; der nächste wendet die Fleischwülste seines angefressenen Rückens und plänkelt mit den Hinterhufen; ein anderer droht mit boshaftem Gewieher, streicht dann die Ohren zurück, entblößt seine Hackmesser von blanken Zähnen und beißt mich ganz zusammen. So hatte ich in der Geschieht•! von einem thrakischen König gelesen, der seine armen Gäste seinen wilden Rossen zum Zerreißen und Auffressen vorwarf: dermaßen geizte der protzige Tyrann mit Gerste, daß er den Hunger der Fresser im Geschirr freigebig mit Menschenleibern stillte. Nicht anders rissen auch mich all die Attacken der Rosse in Fetzen, daß ich wieder nach dem Mühlenkarussell dort zurückzukommen schaute. Aber Fortuna war unersättlich in meinen Martern und grub mir wieder eine neue Grube. Ich werde nämlich zum Holztransport vom Gebirge abgeordnet und bekomme einen Burschen als Vorgesetzten, der denn doch in allen Punkten ein ganz übler Bursche ist. Nicht nur, daß mich das hohe und steüe Bergjoch müde machte, nicht nur, daß ich mir beim Laufen über Steinspitzen die Hufe aufrieb: ich wurde auch noch mit beständigen Knüppelhieben so elend zerhauen, daß mir der Schmerz der Schläge durch und durch bis ins Mark drang. Indem er die HiebP immer auf die rechte Hüfte sausen ließ und immer eine Stelle schlug, brachte er meine Haut zum Platzen und machte ein Leck, vielmehr ein Loch oder auch eine Luke von breiter Schwäre, ließ aber mitnichten ab, in einem fort auf die bluttriefende Wunde einzuschlagen. Dabei bepackte er mich mit einer solchen Holzlast, daß man hätte glauben können, die Masse von Bündeln sei für einen Elefanten, nicht für einen Esel hergerichtet. Sooft aber die Ladung das Übergewicht bekam und sich auf eine Seite neigte und er eher von der abrutschenden Last hätte Knüppel wegnehmen und mich bei einer
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ra sanare me vel certe in alterum Iatus translatis peraequare, contra lapidibus additis insuper sie iniquitati ponderis medebatur. 18
Nec tarnen post tantas meas clades immodico sarcinae pondere contentus, cum fluvium transcenderemus, qui forte praeter viam defluebat, peronibus suis ab aquae madore consulens ipse quoque insuper lumbos meos insiliens residebat, exiguum scilicet et illud tantae molis superpondium. ac si quo casu Iimo caenoso ripae supercilia lubricante oneris impatientia prolapsus deruissem, cum deberet egregius agaso manum porrigere, capistro suspendere, cauda sublevare, certe partem tanti oneris, quoad resurgerem saltem, detrahere, nullum quidem defesso mihi ferebat auxilium, sed occipiens a capite, immo vero et ipsis auribus totum me compilabat (cidit] fusti grandissimo, donec fomenti vice ipsae me plagae suscitarent.
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Idem mihi talem etiam excogitavit perniciem: spinas acerrumas et punctu venenato viriosas in fascem tortili nodo constrictas caudae meae pensilem deligavit cruciatum, ut incessu meo commotae incitataeque funestis aculeis infeste me convulnerarent. 19
Ergo igitur ancipiti malo laborabam. nam cum me cursu proripueram fugiens acerbissimos incursus, vehementiore nisu spinarum feriebar; si dolori parcens paululum restitissem, plagis compellebar ad cursum. nec quicquam videbatur aliud excogitare puer ille nequissimus quam ut me quoquo modo perditum iret, idque iurans etiam non numquam comminabatur. Et plane fuit, quod eius detestabilem malitiam ad peiores conatus stimularet. nam quadam die nimia eius insolentia expugnata patientia mea calces in eum va-
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kleinen Erleil:hterung des Drucks hätte aufschnaufen lassen sollen oder wenigstens durch Umlegen auf die andere Seite einen Ausgleich schaffen, - so packte er im Gegenteil noch Steilte oben darauf, um so dem ungleichen Gewicht abzuhelfen. Und nach all meinem Ungemach gab er sich dennoch nicht mit der unmäßig schweren Bürde zufrieden, sondern als wir einen Fluß überschreiten mußten, der gerade am Weg entlang zu Tal floß, wollte er seine Stiefel vor der Wassernässe schonen, stieg also auf meine Lenden und ·saß auch noch selbst auf, bei einer solchen Last freilich nur eine geringe Überfracht. Und wenn ich wirklich einmal, weil schlammiger Lehm die Uferböschung glitschig machte, die Last nicht halten konnte, ausglitt und hinstürzte - in welchem Falle der treffliche Eseltreiber hätte Hand anlegen müssen, mich am Zaum hochziehen, beim Schwanz aufrichten, wenigstens einen Teil der schweren Ladung wegnehmen, bis ich wieder aufstehen konnte -, leistete er mir in meiner Mattigkeit keinerlei Hilfe, sondern angefangen beim Kopf, ja, ausgerechnet bei den Ohren, bleute er mich mit einem riesigen Knüppel ganz zusammen, bis mich statt einer Erleichterung eben die Schläge emportrieben. Dieser Kerl dachte sich auch noch folgenden bösen Streich für mich aus: nadelspitze Dornen, deren giftiger Stich es in sich hatte, band er mit einer geknoteten Schnur zu einem Bündel zusammen und befestigte sie als hängende Folter an meinem Schwanz. Ging ich jetzt, gerieten sie in Bewegung und Schwung und verwundeten mich böse mit ihren tödlichen Stacheln. Somit hatte ich also zwischen zwei Übeln die Wahl: wenn ich im Trab davonstürmte, um seinen schrecklichen Attacken zu entgehen, pendelten und schlugen die Dornen umso heftiger; wollte ich mir Schmerz ersparen und blieb ein wenig stehen, trieben mich Hiebe zum Laufen. Nichts anderes schien sich dieser niederträchtige Bursche auszudenken, als wie er mich so oder so zum Verrecken brächte, und das schwor und drohte er denn auch mehr als einmal. Und wirklich gab sich ein Anlaß, der seine abscheuliche Bosheit zu noch schliinmerem Beginnen trieb. Mir war nämlich eines Tages über seine maßlose Unverschämtheit die Geduld gerissen,
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lidas extuleram. denique tale facinus in me comminiscitur: stuppae sarcina me satis onustum probeque funiculis constrictum producit in viam deque proxima villula spirantem carbunculum furatus oneris in ipso meditullio reponit. iamque fomento tenui calescens et enutritus ignis surgebat in flammas et totum me funestus ardor invaserat nec ullum pestis extremae suffugium nec salutis aliquod apparet solacium. et ustrina talis moras non sustinet et meliora consilia praevertitur.
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Sed in rebus scaevis adfulsit Fortunae nutus hilarior, nescio an futuris periculis me reservans, certe praesente statutaque morte liberans. nam forte pluviae pridianae recens conceptaculum aquae lutulentae proximum conspicatus ibi memet inprovido saltu totum abicio flammaque prorsus extincta tandem et pondere levatus et exitio liberatus evado. sed ille deterrimus ac temerarius puer hoc quoque suum nequissimum factum in me retorsit gregariisque omnibus adfirmavit me sponte vicinorum foculos transeuntem titubanti gradu prolapsum ignem ultroneum accersisse mihi. et arridens addidit: ••Quo usque ergo frustra pascemus tinigninum istum?••
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Nec multis interiectis diebus longe peioribus me dolis petivit. ligno enim, quod gerebam, in proximam casulam vendito vacuum me ducens iam se nequitiae meae proclamans imparem miserrimumque istud magisterium rennuens querelas huius modi concinnat: 21 « Videtis
istum pigrum tardissimumque et nimis asinum? me post cetera flagitia nunc novis periculis etiam angit. ut quemque enim viatorem prospexerit, sive illa scitula mulier seu virgo nubilis seu tener puellus est, ilico disturbato gestamine, non numquam etiam ipsis
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und ich hatte meine Hufe kräftig gegen ihn erhoben. Daraufhin ersinnt er folgende Teufelei gegen mich: er belädt mich reichlich mit einem Pack Werg, schnürt mich tüchtig mit Seilen ein und führt mich so auf den Weg hinaus; jetzt stiehlt er aus dem nächsten Bauernhaus eine glühende Kohle und legt sie genau mitten in die Last. Im Nu lebte von dem leichten Zunder das Feuer auf. griff um sich und erhob sich zu Flammen, und schon war ich ganz von tödlicher Glut erfaßt, und ich sehe keine Rettung vor dem schlimmsten Unglück und keine Hoffnung, davonzukommen. Auch läßt sich diese Feuerbestattung keine Zeit und vereitelt jede bessere Überlegung ... Aber in verzweifelter Lage leuchtete jetzt ein Lichtblick des Schicksals auf. der mich vielleicht für künftige Gefahren aufsparte, aber wenigstens im Augenblick vom sicheren Tode rettete: zufällig gewahre ich ganz in der Nähe eine vom Regen des Vortags aufgefüllte Ansammlung von lehmigem Wasser und stürze mich mit einem Satz aufs Geratewohl ganz hinein, daß die Flamme vollkommen erlischt und ich, wie ich heraussteige, endlich von der Last erleichtert und vom Tod erlöst bin. Aber der schuftige und freche Bursche kehrte auch diese seine Schandtat gegen mich und versicherte allen Hütern, ich sei selber schuld, sei im Vorbeigehen an den Herdstätten der Nachbarn auf meinen wackligen Füßen ausgerutscht und hätte ohne sein Zutun Feuer gefangen. Und grinsend fügte er hinzu: ,.Wie lange sollen wir denn das versengte Stück da noch für nichts und wieder nichts füttern?" Wenige Tage vergingen, und er sah es mit noch weit schlimmeren Tücken auf mich ab. Als er nämlich meine Last Holz in der nächsten Hütte verkauft hat und mich leer einherführt, schreit er, er werde meiner Niedertracht nicht mehr Herr und habe genug, sich als Aufseher zu plagen, und macht sich jetzt Klagen dieser Art zurecht: ,.Seht ihn den faulen Langweiler da, den Esel von einem Esel? Nach seinen sonstigen Schandtaten macht er mir jetzt gar Angst mit neuartigen Peinlichkeiten! Sowie er nämlich einen Passanten erspäht, sei das nun ein nettes Weibchen oder eine heiratsfähige Jungfer oder ein zartes Bürschlein, sofort schüttet er seine Fracht über den Haufen, wirft zu-
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stramentis abiectis furens incurrit et homines amator talis appetit et humi prostratis illis inhians illicitas atque incognitas temptat libidines et ferinas voluptates aversa(que) Venere invitat ad nuptias. nam imaginem etiam savii mentiendo ore improbo compulsat ac morsicat. quae res nobis non mediocris lites atque iurgia, immo forsitan et crimina pariet. nunc etiam visa quadam honesta iuvene ligno, quod devehebat, abiecto dispersoque in eam furiosos direxit impetus et festivus hic amasio humo sordida prostratam mulierem ibidem incoram omnium gestiebat inscendere. quod nisi ploratu questuque femineo conclamatum viatorum praesidium accurrisset ac de mediis ungulis ipsius esset erepta liberataque, misera illa compavita atque dirupta ipsa quidem cruciabilem dadem sustinuisset, nobis vero poenale reliquisset exitium.»
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T alibus mendaciis admiscendo sermones alios, qui meum verecundum silentium vehementius premerent, animos pastorum in meam perniciem atrociter suscitavit. denique unus ex illis «Quin igitur publicum istum mariturn••, inquit, «immo communem omniumadulterum illis suis monstruosis nuptiis condignam victimamus hostiam?» et «Heus tu, puer», ait, «obtruncato protinus eo intestina quidem canibus nostris iacta, ceteram vero carnem omnem operariorum cenae reserva. nam corium adfirmatum cineris inspersu dominis referemus eiusque mortem de lupo facile mentiemur.» sublata cunctatione accusator ille meus noxius, ipse etiam pastoralis exsecutor sententiae, laetus et meis insultans malis calcisque illius admonitus, quam inefficacem fuisse mehercules doleo, protinus gladium cotis adtritu parabat.
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Sed quidam de coetu illo rusticorum «Nefas», ait,
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weilen selbst noch dieDecken herunter, stürmt wie ein Rasender los und fällt in Liebesbrunst - man denke! - die Leute an. Schmeißt er sie doch um und giert und versucht unerlaubte, unerhörte Lüste und säuische Wonnen und macht einen Freier, von dem Venus sich abwendet. Ja, er stellt sogar etwas wie Küsse vor, schubst und zwackt mit seinem frechen Maul. Die Geschichte wird uns erhebliche Auseinandersetzungen und Streitereien einbringen, ja vielleicht werden wir gar verklagt. Eben wieder hat er so ein schmuckes Fräulein gesehen und gleich das Holz, das er zu Tal trug, abgeworfen und durcheinandergebracht, ist wie ein Wahnsinniger schnurstracks auf sie losgesaust, hat das Weib- wirklich ein feiner Kavalier!- auf den schmutzigen Boden geschmissen und an Ort und Stelle vor aller Augen zu besteigen Miene gemacht. Wären nicht auf das Heulen und Schreien des Frauenzimmers Passanten herbeigelaufen und zu Hilfe geeilt, und hätte man sie ihm nicht direkt aus den Hufen gerissen und befreit, die Arme würde zertrampelt und zerplatzt ihrerseits eine entsetzliche Marter erlitten, urts aber eine katastrophale Strafe beschert haben." Indem er solchen Lügen noch andere Reden beimischte, die mein schamhaftes Schweigen noch bedrückender machen sollten, hetzte er die Hirten zu drohender Haltung gegen mich auf. So sagte denn einer von ihnen: "Nun, wollen wir doch den Allerweltshochzeiter da oder vielmehr den allgemeinen Schänder, wie es seinem widernatürlichen Verkehr geziemt, als Opfertier schlachten! Los, Bursche", setzte er hinzu, "hau ihm nur gleich den Kopf ab, wirf das Eingeweide unseren Hunden vor und hebe alles Fleisch sonst für eine Mahlzeit der Arbeiter auf I Das Fell, das wollen wir mit Asche bestreuen und haltbar machen und der Herrschaft bringen; es wird ein Leichtes sein, seinen Tod durch einen Wolf vorzugeben." Und ohne Federlesen begann mein Ankläger- strafwürdig selbst- und zugleich Vollzieher des Hirtenspruchs, voll Vergnügen und Hohn über meine Not und in Erinnerung an jenen Huftritt, dessen Unwirksamkeit ich wahrlich bedauere, stracks einen Säbel an einem Wetzstein zu schleifen und herzurichten. Aber da sagte einer von den versammelten Landleuten: "Sünde
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«tam bellum asinum sie enecare et propter luxuriem lasciviamque amatoriam criminatum opera servitioque tam necessario carere, cum alioquin exsectis genitalibus possit neque in venerem nullo modo surgere vosque omni metu periculi liberare, insuper etiam longe crassior atque corpulentior effici. multos ego scio non modo asinos inertes, verum etiam ferocissimos equos nimio libidinis laborantes atque ob id truces vesanosque adhibita tali detestatione mansuetos ac mansues exinde factos et oneri ferundo non inhabiles et cetero ministerio patientes. denique, nisi vobis suadeo nolentibus, possum spatio modico interiecto, quo mercatum proxumum obire statui, petitis e domo ferramentis huic curae praeparatis ad vos actutum redire trucemque amatorem istum atque insuavem dissitis femoribus emasculare et quovis vervece mitiorem efficere.»
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Tali sententia mediis Orci manibus extractus, sed extremae poenae reservatus maerebam et in novissima parte corporis totum me periturum deflebam. inedia denique continua vel praecipiti ruina memet ipse quaerebam extinguere moriturus quidem nihilo minus, sed moriturus integer. dumque in ista necis meae decunctor electione, matutino me rursum puer ille peremptor meus contra montis suetum ducit vestigium. iamque me de cuiusdam vastissimae ilicis ramo pendulo destinato paululum viam supergressus ipse securi lignum, quod deveheret, recidebat. et ecce de proximo specu vastum attollens caput funesta proserpit ursa. quam simul conspexi, pavidus et repentina facie conterritus totum corporis pondus in postremos poplites recello arduaque cervice sublimiter elevata lorum, quo tenebar. rumpo meque
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ists, einen so sdlönen Esel eirifadl abzumurksen und weil man ihm Geilheit und erotisdle Aussdlweifung vorzuwerfen hat, auf seine Arbeit und seine hocherwünschten Dienste zu verzidltenl Kann er dodl ohnedies, sdlneidet man ihm nur die Hoden aus, auf keine Weise zur Begattung steilstehen, euch jede Furdlt vor Unannehmlichkeit nehmen und obendrein nodl ein gutes Stück fetter und feiste~ gemadlt werden. Ich weiß von vielen faulen Eseln und sogar hödlst unbändigen Hengsten, die an einem Übersmuß von Brunst litten und deswegen wüst und toll waren, aber bei einer soldlen Kassation dann weidl und willig wurden, gar nidlt untauglidl zum Lastentragen und bei sonstigen Diensten geduldig. Sonadl kann ich, wenn ihr nidlt anders wollt als idl empfehle, nadl einer mäßigen Weile, während der idl den nädlsten Markt zu besuchen mir vorgenommen habe, von daheim Werkzeug holen, wie es für dieses Gesdläft dienlidl ist, dann gleidl zu euch zurückkehren und dem unliebsamen Wüstling da die Schenkel spreizen, um ihn zu entmannen und sanfter zu madlen als jeden Hammel." Dieser sdlöne Spruch riß midl dem Tod gerade nodl aus den Armen, hob mich aber für eine Strafe auf, über die nidlts ging. Idl ließ den Kopf hängen und jammerte, daß es, wenn mein extremster Körperteil drankam, mit mir ganz aus sein sollte. Demnach wollte idl mir durch fortgesetzten Hungerstreik oder durdl einen Absturz selbst das Licht ausblasen, um freilich geradeso zu sterben, aber mit heilen Gliedern zu sterben. Und während idl so überlege, weldlen Selbstmord ich mir wählen solle, führt midl am Morgen wieder jener Bursdle, mein Henker, zu dem gewohnten Bergpfad hin. Gleidl band er mich am herabhängenden Ast einer riesigen Steineidle fest, stieg selber ein wenig über den Weg hinaus und ging daran, mit seiner Axt das Holz abzuhauen, das er hinunterbringen wollte. Sdlau, da kriedlt aus einer Höhle dicht dabei mit mädltig aufgeridltetem Kopf ein fürchterlidler Bär hervor! Kaum bin idl seiner ansidltig geworden, so läßt mich die plötzlidle Ersdleinung vor Sdlrecken zusammenfahren, daß ich mein ganzes Körpergewidlt in die hinteren Kniekehlen werfe, meinen Nakken steil in die Höhe sdlnelle, so den Riemen um meinen Hals
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protinus pernici fugae committo perque prona non tanturn pedibus, verurn etiarn toto proiecto corpore propere devolutus irnrnitto rne carnpis subpatentibus ex surnrno studio fugiens irnrnanern ursarn ursaque peiorern illurn puerurn.
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Tune quidarn viator solitariurn vagurnque rne respiciens invadit et properiter inscensurn baculo, quod gerebat, obverberans per obliquarn ignararnque rne ducebat viarn. nec invitus ego cursui rne cornmodabarn relinquens atro- 2 cissirnarn virilitatis lanienarn. ceterurn plagis non rnagnopere cornrnovebar quippe consuetus ex forma concidi fustibus. Sed illa Fortuna rneis casibus pervicax tarn opportunurn latibulurn rnisera celeritate praeversa novas instruxit insidias. pastores enirn rnei perditarn sibi requirentes vaccu- 4 larn variasque regiones peragrantes occurrunt nobis fortuito statirnque rne cogniturn capistro prehensurn attrahere gestiunt. sed audacia valida resistens ille fidern ho- s rninurn deurnque testabatur: «Quid rne raptatis violenter7 quid invaditis?» «Ain, te nos tractarnus inciviliter, qui 6 nostrurn asinurn furatus abducis7 quin potius effaris, ubi puerurn eiusdern agasonern necaturn scilicet occultaris?» et ilico detractus ad terrarn pugnisque pulsatus 7 et calcibus contusus infit deierans nullurn sernet vidisse ductorern, sed plane continaturn soluturn et solitariurn ob indicivae praerniurn occupasse dornino tarnen suo restitutururn. atque «Utinarn ipse asinus», inquit, «quern nurnquarn profecto vidissern, vocern quiret hurnanarn dare rneaeque testirnoniurn innocentiae perhibere posset; profecto vos huius iniuriae pigeret.» sie adseverans nihil 9 quicquarn prornovebat. narn collo constricturn reducunt eurn pastores rnolesti contra rnontis illius silvosa nernora, unde lignurn puer solebat egerere.
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zerreiße und mich, hast du · nicht gesehen, auf und davon mache; nicht nur mit den Füßen, sondern mit dem ganzen Leib hole ich aus, kullere im Galopp über. die Hänge hinab und trolle mich auf die freien Felder darunter, nichts im Sinn als Flucht vor dem Unhold von Bären und vor ihm, der schlimmer war als der Bär, vor jenem Burschen. Wie mich jetzt so ein Wanderer ganz allein umherschlendern sah, kam er auf mich zu, saß geschwind auf. schlug mit seinem Stock auf mich ein und leitete mich auf einen unbekannten Seil:ep.weg. Und gar nicht ungern setzte ich mich in Trab, weg von der gräßlichen Hodenrnetzgerei. Im übrigen machte ich mir nicht viel aus den Schlägen, war ich es doch gewohnt, exemplarisch mit Knüppeln verhauen zu werden. Doch Fortuna, die ja beharrlich auf meine Pechsträhne bedacht war, kam mit leidiger Geschwindigkeit der günstigen Chance, unterzuschlüpfen, zuvor und stellte mir eine neue Falle: Meine Hirten, die nach einer läppischen Kuh suchen, die abgeht, und in verschiedene Richtungen umherstreifen, laufen uns zufällig über den Weg, erkennen mich auf der Stelle und packen mich am Halfter, um mich herzuziehen. Doch der andere leistete beherzt und kräftig Widerstand und rief, ob so etwas yor Gott und den Menschen erhört sei: "Was zerrt ihr mich mit Gewalt? Was fallt ihr mich an?" - "Soso, dich behandeln wir unhöflich, der unseren Esel gestohlen hat und abführt? Gesteh lieber gleich, wo du den Burschen, der eben diesen Esel treibt - natürlich hast du ihn umgebracht -, versteckt hast!" Und auf der Stelle wird er zu Boden gerissen, mit Fäusten geschlagen und mit Füßen getreten, bis er anhebt und schwört, er habe keinen Treiber gesehen, sondern den Esel los und ledig angetroffen und wirklich nur wegen des Finderlohns an sich genommen, werde ihn indessen seinem Herrn wieder zustellen. Und er sagte: "Könnte doch der Esel selber, den ich wahrhaftig besser nie gesehen hätte, menschliche Stimme von sich geben, und wäre er doch imstande, für meine Unschuld Zeugnis zu leisten! Bestimmt würde euch eure jetzige Gemeinheit reuen." Mit dieser Versicherung richtete er nicht das geringste aus: die leidigen Hirten legen ihm einen Strick um den Hals und führen ihn in
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Nec uspiam ruris reperitur ille, sed plane corpus eius membratim laceratum multisque dispersum locis conspicitur. quam rem procul dubio sentiebam ego illius ursae dentibus esse perfeetarn et hercules dicerem quod sentiebam, si loquendi copia suppeditaret. sed, quod solum poteram, tacitus licet serae vindictae gratulabar. et cadaver quidem disiectis partibus tandem totum repertum aegreque concinnatum ibidem terrae dedere, meum vero Bellerophontem abactorem indubitatum cruentumque percussorem criminantes ad casas interim suas vinctum perducunt, quoad renascenti die sequenti deductus ad magistratus, ut aiebant, poenae redderetur.
Interim dum puerum illum parentes sui plangoribus fletibusque querebantur, et adveniens ecce rusticus nequaquam promissum suum frustratus destinatam sectionem meam flagitat. «Non est», in his inquit unus, «indidem praesens iactura nostra. sed plane crastino libet non tantum naturam, verum etiam caput quoque ipsum pessimo isto asino demere. nec tibi ministerium deerit istorum.» 27
Sie effectum est, ut in alterum diem clades differretur mea. at ego gratias agebam bono puero, quod saltem mortuus unam carni.ficinae meae dieculam donasset. Nec tarnen tantillum saltem gratulation:i meae quietive spatium datum. nam mater pueri, mortem deplorans acerbam .filii, fleta et lacrimosa fuscaque veste contecta, ambabus manibus trahens cinerosam canitiem, eiulans et exinde proclamans stabulum inrumpit meum tunsisque ac diverberatis vehementer uberibus incipit: «Et nunc iste securus incumbens praesepio voracitati suae deservit et insatiabilem profundumque ventrem sem-
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Richtung auf den Buschwald jenes Berges zurück, wo der Bursche Holz zu holen pflegte. Der ist nirgends im Gelände zu finden, - aber seinen Leichnam sieht man Glied für Glied zerrissen überall versprengt liegen! Das war, wie ich eindeutig merkte, ein Werk jenes Bären und seiner Zähne, und ich hätte wahrhaftig gesagt, was ich wußte, wäre mir nur die Möglichkeit zu reden gegeben gewesen. Aber eins konnte ich wenigstens, natürlich ohne Worte: mich zu der späten Vergeltung beglückwünschen! Die Leiche wurde in verstreuten Teilen schließlich ganz gefunden, zur Not zusammengesetzt und an Ort und Stelle der Erde übergeben. Meinen Bellerophon aber beschuldigten sie des unzweifelhaften Raubes und blutigen Mordes und brachten ihn vorläufig gefesselt zu ihren Hütten, bis er früh am nächsten Tag - so hieß es - zur Polizei abgeführt und der Justiz überliefert würde. Während inzwischen die Eltern den Knaben mit Brüsteschlagen beklagten und bejammerten, kommt da doch der Bauer, der seinem Versprechen keineswegs untreu geworden ist, und verlangt wie beschlossen meine Operation. "Nicht daher", sagte einer von der Gesellschaft, "rührt unser jetziger Verlust. Aber bestimmt wollen wir morgen gern diesem schlimmen Esel nicht nur sein Zeugungsteil, sondern dazu auch noch seinen Kopf abschneiden. Und die Leute da werden dir dann zur Verfügung stenen." So geschah es, daß mein Elend auf den anderen Tag verschoben wurde. Nun, ich war dem guten Jungen dankbar, daß er mir wenigstens als Toter noch ein Täglein bis zu meiner Hinrichtung geschenkt hatte. Aber nicht die Spur wurde meiner Freude und Ruhe Zeit gegönnt: Die Mutter des Jungen, vor lauter Klagen über den schrecklichen Tod ihres Sohnes rotgeweint und tränenüberströmt, schwarzverhüllt und mit beiden Händen ihr aschebestreutes graues Haar raufend, dringt mit Geheul und endlosem Gezeter in meinen Stall ein, schlägt und zerbleut mit aller Gewalt ihre Brüste und fängt an: "Und der Kerl da stürzt sich jetzt seelenruhig über seine Krippe, frönt seiner Verfressenheit, weitet seinen unersättlich-grund-
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per esitando distendit nec aerumnae meae miseretur vel detestabilem casum defuncti magistri recordatur. sed scilicet senectam infirmitatemque meam contemnit ac despicit et impune se laturum tantum scelus credit. at utcumque se praesumit innocentem; est enim congruens pessimis conatibus contra noxiam conscientiam sperare securitatem. nam pro deum fidem, quadrupes nequissime, licet precariam vocis usuram sumeres, cui tandem vel ineptissimo persuadere possis atrocitatem istam culpa carere, cum propugnare pedibus et arcere morsibus misello puero potueris7 an ipsum quidem saepius incursare calcibus potuisti, moriturum vero defendere alacritate simili nequisti7 certe dorso receptum auferres protinus et infesti latronis cruentis manibus eriperes, postremum deserto deiectoque illo conservo, 'magistro, comite, pastore non solus aufugeres. an ignoras eos etiam, qui morituris auxilium salutare denegarint, quod contra bonos mores id ipsum fecerint, solere puniri7 sed non diutius meis cladibus laetaberis, homicida: senties, efficiam, misero dolori naturales vires adesse ...
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Et cum dicto subsertis manibus exsolvit suam sibi fasceam pedesque meos singillatim inligans indidem constringit artissime, scilicet ne quod vindictae meae superesset praesidium; et pertica, qua stabuli fores offirmari solebant, adrepta non prius me desiit obtundere quam victis fessisque viribus suopte pondere degravatus manibus eius fustis esset elapsus. tune de bracchiorum suorum cita fatigatione conquesta procurrit ad focum ardentemque titionem gerens mediis inguinibus obtrudit usque, donec solo, quod restabat, nisus praesidio liquida fimo
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losen Wanst mit lauter Futtern und hat kein Mitleid mit meinem Kummer oder denkt an das entsetzlühe Unglück seines weiland Meisters! Aber natürlüh hat er für mich schwache Alte nur Spott und Verachtung und meint mit so einem Verbrechen ungestraft davonzukommen. Doch womöglich glaubt er für unschuldig zu gelten? Es gehört ja zu einem Bubenstück, daß man gegen sein Schuldbewußtsein hofft, ungeschoren zu bleiben. Denn so wahr mir die Götter helfen, du Schurke auf vier Beinen: nähmest du vorübergehend die Sprache· in Gebrauch, welchen Tropf eigentlich könntest du überzeugen, daß diese Greueltat unverschuldet geschehen sei, da du doch für den armen Jungen mit den Füßen hättest kämpfen und mit Bissen dich hättest zur Wehr setzen können? Wie, konntest du wohl ihn selbst öfter mit Huftritten anfallen, aber wenn er sterben sollte, so vermochtest du ihn nicht mit gleicher Munterkeit zu verteidigen? Wenigstens hättest du ihn doch auf deinen Rücken nehmen, schleunig davontragen und den Mörderhänden des Wegelagerers entreißen müssen, ihn schließlich aber - deinen Arbeitskollegen, Lehrmeister, Geleiter und Hirten nicht verlassen und verschmeißen und allein davonlaufen sollen. Oder weißt du nicht, daß auch, wer bei Lebensgefahr Hilfe und Rettung verweigert, weil er eben damit gegen die guten Sitten verstößt, bestraft zu werden pflegt? Aber nicht länger sollst du dich über all mein Unglück freuen, Mörder! Spüren sollst du, ich schaffe es, daß in Kummer und Schmerz die Natur Kräfte leiht!" Und bei diesen Worten schiebt sie ihre Hände unter den Brusthalter, den sie trägt, macht ihn los, bindet meine Füße einzeln damit fest und zieht sie ganz eng zusammen, natürlich damit ich mich bei der Exekution nicht mehr wehren könne. Dann raffte sie die Stange auf, mit der die Stalltür verrammelt zu werden pflegte, und ließ nicht eher ab mit Zuschlagen, als bis ihre Kräfte erledigt und erschöpft waren und der Knüppel unter der Last seines eigenen Gewichtes ihren Händen entglitt. Nun jammert sie, daß ihre Arme so rasch müde geworden sind, läuft zum Herd hin, '.kommt mit einem brennenden Scheit und stößt es mir genau in die Weichen, -bis ich zu der einzigen Waffe
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Liber septimus
strictim egesta faciem atque oculos eius confoedassem. qua caecitate atque faetore tandem fugata est a me pemicies; ceterum titione delirantis Althaeae Meleager asinus interisset.
Siebentes Buch
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griff, die mir blieb, einen engen ]auebestrahl losspritzte und ihr Gesicht und Augen vollsudelte. Blendung und Gestank ließen endlich mein Verderben weichen, - sonst hätte das Scheit der rasenden Althäa Meleager, den Esel. umgebracht!
LIBER VIII 1
Noctis gallicinio venit quidam iuvenis e proxima civitate, ut quidem mihi videbatur, unus ex famulis Charites, puellae illius, quae mecum apud latrones pares aentmnas exanclaverat. is de eius exitio et domus totius infortunio mira ac nefanda ignem propter adsidens inter conservorum frequentiam sie annuntiabat:
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«Equisones opilionesque, etiam busequae, fuit Charite nobis, quae misella et quidem casu gravissimo nec vero incomitata Manis adivit. sed ut cuncta noritis, referam vobis a capite quae gesta sunt quaeque possint merito doctiores, quibus stilos Fortuna subministrat, in historiae specimen chartis involvere.
Erat in proxima civitate iuvenis natalibus praenobilis, quo clarus et pecuniae fuit satis locuples, sed luxuriae popinalis scortisque et diurnis potationibus exercitatus atque ob id factionibus latronum male sociatus nec non etiam manus infectus humano cruore, Thrasyllus nomine. idque sie erat et fama dicebat. 2
Hic, cum primum Charite nubendo maturuisset, inter praecipuos procos summo studio petitionis eius munus obierat et quamquam ceteris omnibus id genus viris antistaret eximiisque muneribus parentum invitaret iudicium, morum tarnen improbatus repulsae contumelia fuerat aspersus. ac dum erilis puella in boni Tlepolemi manum venerat, firmiter deorsus delapsum nutriens amo-
ACHTES BUCH
Beim ersten Hahnenschrei kam ein junger Mann aus der nahen Stadt, wie mir schien, einer von den Dienern der Charite, jenes Mädchens, das bei den Räubern meine Drangsale geteilt hatte. Der wußte von ihrem Ende und dem Unglück des ganzen Hauses unvermutet Entsetzliches zu berichten, indem er sich zum Feuer setzte und unter der versammelten Menge seiner Mitknechte zu erzählen begann: .. Ihr Pferdewärter und Schafhirten, auch ihr Rinderhüter, unsere Charite ist nicht mehr! Jammervoll und schwer getroffen, ist sie, und nicht ohne Begleitung, ins Geisterreich gegangen. Aber damit ihr alles erfahrt, will ich euch von Anfang an berichten, was geschehen ist und was sehr wohl gelehrtere Männer, denen die Bestimmung den Stift in die Hand gibt, als Mustergeschichte zu Papier bringen könnten. Es war in der Nachbarstadt ein Jüngling von sehr edler Geburt, der daher angesehen und ziemlich begütert war, aber in Wirtschaften den Lebemann spielte, sich ständig mit Huren und täglichen Saufgelagen abgab und so ein Spießgeselle von Räuberbanden wurde, ja, ~eine Hände mit Menschenblut besudelte, Thrasyllus mit Namen, So hieß es und so war es. Sobald nun Charite zur Heirat herangereift war, hatte er sich unter den vornehmliebsten Freiern mit äußerster Beflissenheit darangemacht, um sie zu werben. Aber obgleich er im Kreise all dieser Männer den Vorrang hatte und mit ausnehmenden Geschenken die Eltern geneigt zu machen suchte, war er doch seines Lebenswandels wegen verworfen und - ein Schandfleck für ihn - abgewiesen worden. Als die Tochter des Hauses dem trefflichen Tlepolemus angelobt worden war, hegte er beharrlich seine aus allen Himmeln gestürzte Liebe,
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rern et denegati thalarni permiscens indignationern cruento facinori quaerebat accessurn. nanctus denique praesentiae suae ternpestivarn occasionern sceleri, quod diu cogitarat, accingitur. ac die, quo praedonurn infestis rnucronibus puella fuerat astu virtutibusque sponsi sui liberata, turbae gratulantiurn exultans insigniter permiscuit sese salutique praesenti ac futurae suboli novorurn rnaritorurn gaudibundus, ad honorern splendidae prosapiae inter praecipuos hospites dornurn nostrarn receptus occultato consilio sceleris arnici fidelissirni personarn rnentiebatur. iarnque sermonibus assiduis et conversatione frequenti, nonnurnquarn etiarn cena poculoque cornrnuni carior cariorque factus in profundarn ruinarn cupidinis sese paulatirn nescius praecipitaverat. quidni, curn flarnrna saevi arnoris parva quidern prirno vapore delectet, sed fornentis consuetudinis exaestuans inrnodicis ardoribus totos arnburat hornines?
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Diu denique deliberaverat securn Thrasyllus, quod nec clandestinis colloquiis opportunurn repperiret locurn et adulterinae Veneris rnagis rnagisque praeclusos aditus copia custodientiurn cerneret novaeque atque gliscentis affectionis firmissirnurn vinculurn non posse dissociari perspiceret et puellae, si vellet, quarnquarn velle non posset, furatrinae coniugalis incornrnodaret rudirnenturn. et tarnen ad hoc ipsurn, quod non potest, contentiosa pemicie, quasi posset, irnpellitur. quod nunc arduurn factu putatur, amore per dies roborato facile videtur effectu. spectate denique, sed, oro, sollicitis anirnis intendite, quorsurn furiosae libidinis proruperint irnpetus. 4
Die quadarn venaturn Tlepolernus assurnpto Thrasyllo petebat indagaturus feras, quod tarnen in capreis ferita-
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mischte seinen Groll über das verweigerte Ehebett dazu und suchte Wege für eine blutige Tat. Als er endlich eine passende Gelegenheit gefunden hat, ihr nahe zu sein, macht er sich zu dem lange bedachten Verbrechen bereit. An dem Tage, an dem das Mädchen durch die List und Tapferkeit ihres Verlobten aus den gezückten Räuberklingen befreit worden war, mischte er Sich mit auffallender Fröhlichkeit unter die Menge der Gratulanten, und da er über die Rettung jetzt und die künftige Nachkommenschaft der Brautleute seine Freude bezeigte, wtirde er seinen erlauchten Ahnen zuliebe unter die bevorzugten Gäste in unser Haus aufgenommen, wo er sich von einem verbrecherischen Plan nichts anmerken ließ und heuchlerisch die Rolle des treuergebenen Freundes spielte. Schon war er bei angeregten Gesprächen und wiederholten Besuchen, zuweilen auch bei Tisch und beim gemeinsamen Bechern mehr und mehr ins Herz geschlossen worden und hatte sich allmählich, ohne es zu ahnen, tief in den Strudel des Begehrens gestürzt. Wie sollte es anders sein? Mag die Flamme verzehrender Liebe, solange sie klein ist, beim ersten Schwelen Vergnügen machen: läßt der Zunder der Gewohnheit sie auflodern, so verbrennt sie mit unaufhaltsamen Gluten die Menschen von Kopf zu Fuß. Lange hatte Thrasyllus sich schließlich Gedanken gemacht: für heimliche Zwiesprache fand er keinen günstigen Ort und sah die Türen zu ehebrecherischem Umgang von vielen Wächtern mehr und mehr verschlossen; daß das feste Band einer jungen und wachsenden Zuneigung nicht zu zerreißen sei, mußte er einsehen; und endlich würde der jungen Frru, wenn sie wollte (obwohl sie nicht wollen konnte), ihre Unerfahrenheit in der Kunst, den Gatten zu hintergehen, im Wege sein. Und dennoch treibt ihn ein hartnäckiges Verhängnis gerade zu dem, was nicht sein kann, als ob es sein könnte! Dünkt etwas jetzt noch schwer ersteigbar, - hat die Liebe von Tag zu Tag Kräfte gewonnen, scheint es leicht erreichbar. Seht es euch also an, aber bitte merkt genau auf. wohin die Stürme einer rasenden Leidenschaft vorstießen r Eines Tages ging Tlepolemus auf die Jagd und nahm Thrasyllus mit, um Wild anzupirschen, soweit schon bei Rehen von
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tis est; nec enim Charite mariturn suum quaerere patiebatur bestias armatas dente vel comu. iamque apud frondosum tumulum ramorumque densis tegminibus umbrosum prospectu vestigatorum obseptis capreis canes venationis indagini generosae, mandato cubili residentes invaderent bestias, immittuntur statimque sollertis disciplinae memores partitae totos praecingunt aditus tacitaque prius servata mussitatione, signo sibi repentino reddito, latratibus fervidis dissonisque miscent omnia. nec ulla caprea nec pavens dammula nec prae ceteris feris mitior cerva, sed aper immanis atque invisitatus exsurgit toris, callosae cutis obesus, pilis inhorrentibus corio squalidus, setis insurgentibus spinae hispidus, dentibus attritu sonaci spumeus, oculis aspectu minaci flammeus, impetu saevo frementis oris totus fulmineus. et primum quidem canum procaciores, quae comminus contulerant vestigium, genis hac illac iactatis consectas interficit, dein calcata retiola, qua primos impetus reduxerat, transabiit.
Et nos quidem cuncti pavore deterriti et alioquin innoxiis venationibus consueti, tune etiam inermes atque inmuniti tegumentis frondis vel arboribus latenter abscondimus, Thrasyllus vero nactus fraudium opportunum decipulum sie Tlepolemum captiose compellat: «Quid stupore confusi vel etiam cassa formidine similes humilitati servorum istorum vel in modum pavoris feminei deiecti tarn opimam praedam mediis manibus amittimus? quin · equos inscendimus? quin ocius indipiscimur7 en cape venabulum et ego sumo lanceam,» nec tantillum morati protinus insiliunt equos ex summo studio bestiam insequentes. nec tarnen illa genuini vigoris oblita retorquet impetum et incendio feritatis ardescens dentium compulsu quem primum insiliat cunctabunda rimatur.
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Wildheit zu reden ist; denn· Charit.: ließ ihren Gatten keinen Tieren nachstellen, die mit Zahn oder Horn gewappnet sind. Schon haben auf einem waldigen, von dichten Zweigdächern beschatteten Hügel die Pir~chjäger umsichtig die Rehe eingekreist; die Jagdhunde mit ihrer feinen Spürnase sollen die Tiere am Lagerplatz anfallen und werden losgelassen; gleich schwärmen sie aus und riegeln, wie sie es in kunstgerechter Abrichtung gelernt haben, sämtliche Ausgänge ab. Zuerst beherrschen sie sich und knurren unhörbar, jetzt auf einen plötzlichen Pfiff bringen sie mit wildem Gekläff alles in Aufruhr. Doch kein Reh, kein zager Damhirsch, nicht das sanfteste Wild von allen, eine Hindin, sondern ein ungeheurer Keiler, wie man keinen je gesehen, erhebt sich von -;einem Lager: feistgefressen die schwartige Haut, struppig das Fell von starrenden Borsten, der Rückenkamm spitzig gesträubt, Schaum vor den krachend gewetzten Hauern, dräuender Blick in Flammenaugen, der grunzende Rüssel ein tobender Sturm und leibhaftiger Blitz! Zunächst schleudert er die dreistesten Hunde, die zum Nahkampf herangesprungen waren, mit den Backen rechts und links zur Seite, schlitzt sie auf und bringt sie so um, zertrampelt dann das bißeben Netz an der Stelle, wo er seinen Angriff zunächst gebremst hatte, und trottet mitten hindurch davon. Wir anderen alle erstarren vor Schrecken, und weil wir sonst nur ungefährliche Jagden gewohnt, damals auch waffen- und wehrlos waren, machen wir uns hinter Buschdeckung oder in Baumverstecken unsichtbar. Aber Thrasyllus hat eine geeignete Falle gefunden und redet Tlepolemus verfänglich an: "Sollen wir uns verblüffen und verwirren lassen, sollen wir es gar in blindem Entsetzen dem Knechtspack da nachmachen oder nach Weiberart bange verzagen und eine so prächtige Beute just aus unseren Händen entwischen lassen? Was meinst du, sitzen wir auf, holen wir sie schleunig ein? Da, nimm den Spieß, ich nehme die Lanze I" Im Handumdrehen werfen sie sich gleich auf ihre Pferde und setzten dem Tier mit allem Schwung nach. Aber der Keiler denkt an seine angeborene Kraft und kehrt zum Angriff um: Iodemd vor feuriger Wildheit paßt er unschlüssig darauf, wen er zuerst mit seinem Hauerstoß anfallen soll. Als
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sed prior Tlepolemus iaculum, quod gerebat, insuper dorsum bestiae contorsit. at Thrasyllus ferae quidem pepercit, set equi, quo vehebatur Tlepolemus, postremos poplites lancea feriens amputat. quadrupes reccidens, qua sanguis effluxerat, toto tergo supinatus invitus dominum suum devolvit ad terram. nec diu, sed eum furens aper invadit iacentem ac primo lacinias eius, mox ipsum resurgentem multo dente laniavit. nec coepti nefarii bonum piguit amicum vel suae saevitiae litatum saltem tanto periculo cernens potuit expleri, sed percito atque plagosa crura [vulnera] contegenti suumque auxilium miseriter roganti per femus dexterum dimisit lanceam tanto ille quidem fidentius, quanto crederet ferri vulnera similia futura prosectu dentium. nec non tarnen ipsam quoque bestiam facili manu transadigit.
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Ad hunc modum definito iuvene exciti latibulo suo quisque familia maesta concurrimus. at ille, quamquam perfecto voto, prostrato inimico laetus ageret, vultu tarnen gaudium tegit et -frontem adseverat et dolorem simulat et cadaver, quod ipse fecerat, avide circumplexus omnia quidem lugentium officia sollerter adfinxit, sed solae lacrimae procedere noluerunt. sie ad nostri similitudinem, qui vere lamentabamur, conformatus manus suae culpam bestiae dabat. Necdum satis scelere transacto fama dilabitur et cursus primos ad domum Tlepolemi detorquet et aures infelicis nuptae percutit. quae quidem simul percepit tale nuntium, quale not' audiet aliud, amens et vecordia percita cursuque bacchata furibundo per plateas populosas et arva rurestria fertur insana voce casum mariti quiritans. confluunt civium maestae catervae, secuntur obvii
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erster schleuderte jetzt Tlepolemus seinen Speer dem Tier oben in den Rücken. Thrasyllus dagegen ließ das Wild gehen, - aber dem Pferd, auf dem Tlepolemus ritt, sticht er mit seiner Lanze die hinteren Kniegelenke entzwei! Das Tier knickte, wo das Blut herausgequollen war, nach hinten ein, stürzte völlig auf den Rücken und wälzte seinen Herrn, ob es wollte oder nicht, zu Boden. Nicht lange, so fiel ihn, wie er dalag, der rasende Keiler an und zerfetzte zuerst seine Kleider, dann ihn selbst, als er aufstehen wollte, mit Hieb um Hieb seiner Hauer. Und den guten Freund reute das frevelhafte Beginnen nicht, ja, wie er sein Opfer in höchster Gefahr sah, konnte der Unhold sich nicht sättigen, sondern stach ihm, als er in Todesangst seine zerstoßenen Schenkel zu decken suchte und ihn jämmerlich um Hilfe anflehte, die Lanze durch den rechten Oberschenkel, und das um so zuversichtlicher, als er glaubte, des Stahles Wunden würden einem Schlitz der Hauer ähnlich sein. Aber dann durchbohrt er auch das Tier selbst mit gewandter Hand. Als so dem jungen Mann sein Ende bereitet ist, treibt es uns Diener aus den verschiedenen Verstecken hervor, und wir rennen entsetzt zur Stelle. Der andere sieht wohl mit Freuden seinen Wunsch erfüllt und seinen Feind niedergestreckt; aber er läßt sich von seiner Fröhlichkeit nichts ansehen, zieht seine Stirn in ernste Falten und heuchelt Schmerz; innig umarmte er den Leichnam- sein Werk! -und benahm sich ganz wie ein Leidtragender, nur Tränen wollten ihm nicht gelingen. So paßte er sich unserer echten Klage an und schob die Schuld seiner Hand auf das Tier. Noch ist das Verbrechen nicht völlig durchgeführt, da verbreitet sich schon das Gerücht und wendet sich zuallererst zum Haus des Tlepolemus und zerreißt die Ohren der unglücklichen jungen Frau. Kaum hat sie die Schreckensbotschaft vernommen - eine schlimmere kann sie nicht mehr hören -, da gerät sie außer sich vor wahnsinnigem Schmerz, stürmt wie eine Bacchantin in rasendem Lauf durch Straßengewimmel und ländliche Fluren und schreit mit irrer Stimme Weh und Ach über ihres Gatten Unglück. Es strömen trauernde Bürgerscharen zu-
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dolore sociato, civitas cuncta vacuatur studio visionis. et ecce mariti cadaver accurrit labantique spiritu totam se super corpus effudit ac paenissime ibidem quam devoverat ei reddidit animam. sed aegre manibus erepta suorum invita remansit in vita, funus vero toto feralem pompam prosequente populo deducitur ad sepulturam. 7
Sed Thrasyllus mmiUm mmiUs damare, plangere et quas in primo maerore lacrimas non habebat iam scilicet crescente gaudio reddere et multis caritatis nominibus Veritatem ipsam fallere. illum amicum, coaetaneum, contubernalem, fratrem denique addito nomine lugubri eiere, nec non interdum manus Charites a pulsandis uberibus amovere, luctum sedare, eiulatum cohercere, verbis palpantibus stimulum doloris obtundere, variis exemplis multivagi casus solacia nectere. cunctis tarnen mentitae pietatis officiis studium contrectandae mulieris adhibere odiosumque amorem suum perperam delectando nutrire. sed officiis inferialibus statim exactis puella protinus festinat ad mariturn suum demeare cunctasque prorsus pertemptat vias, certe illam lenem otiosamque nec telis ullis indigentem, sed placidae quieti consimilem: inedia denique misera et incuria squalida, tenebris imis abscondita iam cum luce transegerat. Sed Thrasyllus instantia pervicaci partim per semet ipsum, partim per ceteros familiares ac necessarios, ipsos denique puellae parentes extorquet tandem, iam lurore et inluvie paene conlapsa membra lavacro, cibo denique confoveret. at illa parentum suorum alioquin reverens invita quidem, verum religiosae necessitati subcumbens vultu non quidem hilaro verum paulo sereniore obiens, ut iubebatur, viventium munia prorsus in pectore, immo vero penitus in medullis luctu ac maerore carpebat animum. et dies totos totasque noctes insurnebat luctuoso
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sarnrnen, Entgegenkommende geben in vereinigtem Schmerz das Geleit, die gesamte Stadt leert sich und alles will schauen. Da lief sie zu der Leiche ihres Gatten und warf sich mit brechendem Herzen über den Toten hin; wenig fehlte, so hätte sie ihm an Ort und Stelle ihr Leben hingegeben, das sie ihm geweiht hatte. Mit Mühe rissen die Ihrigen sie hinweg, und sie blieb mit Widerstreben arn Leben. Der Tote jedoch wird zu Grabe getragen, und das ganze Volk geleitet den Trauerzug. Aber bei Thrasyllus gab es ein Schreien noch und noch,· ein Schmerzgebaren, einen Strom von Tränen, - zu Beginn der Trauer hatte er keine, aber jetzt wuchs ja die Freude! Viele zärtliche Namen, die Wahrheit selbst zu täuschen: Freund, Kommilitone, Kamerad, Bruder endlich und dazu der Unglücksnarne, -ein Rufen! Dazwischen einmal Charites Hände vom Brüsteschlagen weggezogen, die Trauernde beruhigt, die Heulende beschwichtigt; lindernde Worte, den Schmerzensstachel abzustumpfen; allerlei Beispiele, bunt und zufällig, Trost zu predigen! Und doch bei allen Diensten falscher Freundestreue ein stetes Trachten, das Weib zu betasten: verkehrte Freuden als Zunder für die abscheuliche Liebe! - Aber kaum ist die Bestattungsfeier vollbracht, so eilt die junge Frau schon, zu ihrem Gatten hinabzugehen, und prüft alle Wege der Reihe nach, jedenfalls jenen gelinden, der keines Handeins und keiner Waffen bedarf, sondern sanfter Ruhe ähnlich ist: elend vorn Fasten, verwahrlost und verkommen, in tiefer Finsternis und Verborgenheit, hatte sie schon mit dem Leben abgeschlossen. Aber Thrasyllus weiß durch beständiges Drängen - teils in eigener Person, teils durch Angehörige sonst oder Bekannte, schließlich auch noch durch die Eltern der jungen Frau - ihr arn Ende die Einwilligung zu entwinden, daß sie den in Leichenblässe und Schmutz schon fast verfallenen Leib mit einem Bad und dann mit Speise erquickte. Aus alter Ehrerbietigkeit gegen ihre Eltern verrichtete sie widerstrebend, doch der frommen Pflicht sich fügend, nicht mit heiterer Miene, doch ein wenig aufgehellt die Lebensgeschäfte, wie man sie hieß; aber tief in der Brust, nein, im innersten Mark zerriß sie sich vor Leid und Gram. Ganze Tage und ganze Nächte verbrachte sie in
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desiderio et imagines defuncti, quas ad habitum dei Liberi formaverat, adfixo servitio divinis percolens honoribus ipso se solado crudabat. 8
Sed Thrasyllus, praeceps alioquin et de ipso nomine temerarius, priusquam dolorem lacrimae satiarent et perdtae mentis resideret furor et in sese nimietatis senio lassesceret luctus, adhuc flentem maritum, adhuc vestes lacerantem, adhuc capillos distrabentern non dubitavit de nuptiis convenire et impudentiae labe tadta pectoris sui secreta fraudesque ineffabiles detegere. sed Charite vocem nefandam et horruit et detestata est et velut gravi tonitru procellaque sideris vel etiam ipso Diali fulmine percussa corruit corpus et obnubilavit animam. sed intervallo revalescente paulatim spiritu ferinos mugitus iterans et iam scaenam pessimi Thrasylli perspidens ad limam consilii desiderium petitoris distulit.
Tune inter moras umbra illa misere truddati Tlepolemi sanie cruentam et pallore deformem attollens fadem quietem pudicam interpellat uxoris: «Mi coniux, quod tibi prorsus ab alio did non licebit: si pectori tuo iam (non) permanet nostri memoria vel acerbae mortis meae casus foedus caritatis interddit, quovis alio felidus maritare, modo ne in Thrasylli manum sacrilegam convenias neve sermonem conferas nec mensam accumbas nec toro adquiescas. fuge mei percussoris cruentam dexteram. noli parricidio nuptias auspicari. vulnera illa, quorum sanguinem tuae lacrimae perluerunt, non sunt tota dentium vulnera; lancea mali Thrasylli me tibi fedt alienum.» et addidit cetera omnemque scaenam sceleris inluminavit.
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At illa, ut primum maesta quieverat, toro fadem impressa etiamnunc dormiens lacrimis emanantibus genas
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hannvoller Sehnsucht, erwies den Bildern des Toten, die sie nach der Erscheinung des Gottes Dionysos hatte gestalten lassen, in dienender Hingabe göttliche Ehren und marterte sich so gerade mit dem Trost. Aber Thrasyllus war immer voreilig und- wie schon sein Name sagte- verwegen: bevor noch ihr Schmerz sich an Tränen sättigte und des verwirrten Verstandes Toben nachließ und in erschöpftem Übennaß die Trauer zusammensank, während sie noch ihren Gatten beweinte, noch ihre Kleider zerfetzte, noch ihre Haare zerraufte, nahm er keinen Anstand, sie wegen einer Heirat anzugehen und durch einen falschen Schritt der Schamlosigkeit die stillen Geheimnisse seiner Brust und den unsagbaren Trug aufzudecken. Aber Charite faßte Schauder und Entsetzen vor dem ruchlosen Wort, und als wäre sie vom Donnerschlag und Himmelsaufruhr oder von Jupiters Blitzstrahl selbst getroffen, brach sie zusammen und schwanden ihr die Sinne. Aber als ihr nach einer Weile allmählich das Bewußtsein wiederkehrte, hob sie von neuem wie ein wundes Tier zu schreien an und durchschaute jetzt das Spiel des Schurken Thrasyllus. Für seinen Heiratsantrag erbat sie sich Bedenkzeit, um ihren Plan zu schmieden. Da erhebt mittlerweile der Schatten des elend hingemordeten Tlepolemus sein bluttriefendes, bleichentstelltes Antlitz und unterbricht den keuschen Schlaf der Gattin: "Teures Weib! Was durchaus keinem anderen verstattet sein wird, dir zu sagen: wenn deine Brust keine Gedanken an mich mehr· bewahrt oder mein herbes Todesgeschick den Liebesbund zerschnitten hat, - mit jedem anderen Gatten magst du immerhin glücklich sein, nur liefere dich nicht in des Thrasyllus Schänderhand und vermeide mit ihm Gespräche zu führen, zu Tische zu liegen, auf dem Polster zu ruhen! Flieh meines Meuchlers blutige Rechte! Beginne keine Ehe im Zeichen von Freundesmordl Die Wunden, deren Blut deine Tränen wuschen, sind nicht alle von Hauern geschlagen: die Lanze des Schuftes Thrasyllus hat mich von deiner Seite gerissen!" Und er fügte das Weitere hinzu und beleuchtete das ganze Bubenstück. Wie sie eben voller Gram eingeschlummert war, das Gesicht ins Kissen gedrückt, noch immer im Schlaf, quellen ihr die
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cohumidat et velut quodam tormento inquieta quiete excussa luctu redintegrato prolixum eiulat discissaque interula decora bracchia saevientibus palmulis converberat. nec tarnen cum quoquam participatis noctumis imaginibus, sed indicio facinoris prorsus dissimulato et nequissimum percussorem punire et aerumnabili vitae sese subtrahere tacita decemit. Ecce rursus improvidae voluptatis detestabilis petitor aures obseratas de nuptiis obtundens aderat. sed illa clementer aspemata sermonem Thrasylli astuque miro personata instanter garrienti summisseque deprecanti «Adhuc», inquit, «tui fratris meique carissimi mariti facies pulchra illa in meis deversatur oculis, adhuc odor cinnameus ambrasei coxporis per nares meas recurrit, adhuc formonsus Tlepolemus in meo vivit pectore. boni ergo et optimi consules, si luctui legitimo miserrimae feminae necessarium concesseris tempus, quoad residuis mensibus spatium reliquum compleatur• anni. quae res cum meum pudorem, turn etiam tuum salutare commodum respicit, ne forte inmaturitate nuptiarum indignatione iusta manes acerbos mariti ad exitium salutis tuae suscitemus.»
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Nec isto sermone Thrasyllus sobriefactus vel saltem tempestiva pollicitatione recreatus identidem pergit lingua satianti susurros improbos inurguere, quoad simulanter revicta Charite suscipit: «lstud equidem certe magnopere deprecanti concedas necesse est mihi, Thrasylle, ut interdum taciti clandestinos coitus obeamus nec quisquam persentiscat familiarium, quoad reliquos dies metiatur annus.» Promissioni fallaciosae mulieris oppressus subcubuit Thrasyllus et prolixe consentit de furtivo concubitu noctemque et opertas exoptat ultro tenebras uno potiundi
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Tränen und benetzen ihre Wangen; wie von einem Alpdrud< aus ruheloser Ruhe gerüttelt, schreit sie in erneuter Klage gel~ lend auf, reißt ihr Hemd in Stücke und zerpeitscht ihre schönen Arme mit den wilden kleinen Händen. Indessen macht sie niemand zum Mitwisser der nächtlichen Gesichte, sondern hält die Aufdeckung der Tat ganz geheim und beschließt im stillen, den verruchten Mörder zu bestrafen und sich selbst der Drang~ sal des Lebens zu entziehen. Da, jetzt war das Scheusal wieder zur Stelle, um freche Lust zu werben, und bestürmte die verschlossenen Ohren mit Heiratsplänen. Die junge Frau wies Thrasyllus' Rede freundlich zurück und sagte in wunderbar listiger Larve auf sein drängendes Gurren und unterwürfiges Betteln: "Noch wohnt deines liebsten Freundes, meines teuerwerten Gatten schönes Antlitz in meinen Augen, noch durchströmt meine Nase der Balsamduft seines Götterleibes, noch lebt tlepolemus' herrliche Gestalt in meiner Brust! Du wirst daher gut, ja, trefflich beraten sein, wenn du einer schwergetroffenen Frau die nötige Zeit für ihre Trauer~ pflichten zugestehst, bis die restlichen Monate die Jahresspanne ergänzt und aufgefüllt haben. Das geschieht in Rücksicht zu~ nächst auf meine Ehre, besonders aber auch auf deinen Nutzen und Vorteil; denn wir dürfen nicht etwa durch vorzeitige Hochzeit den Geist des Gatten verstimmen, daß er in gerechter Entrüstung aufsteht und dein Leben vernichtet!" Aber Thrasyllus läßt sich durch diese Worte keineswegs er~ nüchtern oder auch nur durch die nahe Aussicht zur Vernunft bringen, sondern fährt ·nur immer fort, ihr zum Überdruß schändliches Wortgesäusel aufzudrängen, bis sich Charite scheinbar besiegt gibt und anhebt: "Das mußt du mir wohl wenigstens auf meine dringende Bitte zugestehen, Thrasyllus, daß wir inzwischen nur heimlich und verschwiegen zu einander kommen und keiner im Hause etwas merkt, bis das Jahr die übrigen Tage durchwandert." Der Verheißung des listigen Weibes erliegt Thrasyllus widerstandslos und sagt ohne Besinnen Ja zu einem verstohlenen Beilager; sehnlich wünscht er die Nacht mit ihrer geheimnis~ vollen Finsternis herbei und vergißt alles über dem einen
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studio postponens omnia. <<Sed heus tU>>, inquit Charite, «quam probe veste contectus omnique comite viduatus prima vigilia tacitus fores meas accedas unoque sibilo contentus nutricem istam meam opperiare, quae claustris adhaerens excubabit adventui tuo. nec setius patefactis aedibus acceptum te nullo lumine conscio ad meum perducet cubiculum.» 11
Placuit Thrasyllo scaena feralium nuptiarum. nec sequius aliquid suspicatus, sed expectatione turbidus de diei tantum spatio et vesperae mora querebatur. sed ubi sol tandem nocti decessit, ex imperio Charites adornatus et nutricis captiosa vigilia deceptus inrepit cubiculum pronus spei. tune anus de iussu dominae blandiens ei furtim depromptis calicibus et oenophoro, quod inmixtum vino soporHerum gerebat venenum, crebris potionibus avide ac secure haurientem mentita dominae tarditatem, quasi parentern adsideret aegrotum, facile sepelivit ad somnum. iamque eo ad omnes iniurias exposito ac supinato introvocata Charite masculis animis impetuque diro fremens invadit ac supersistit sicarium.
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«En», inquit, «fidus coniugis mei comes, en venator egregius, en carus maritus. haec est illa dextera, quae meum sanguinem fudit, hoc pectus, quod fraudulentas ambages in meum concinnavit exitium, oculi isti, quibus male placui, qui quodam modo tarnen iam futuras tenebras auspicantes venientes poenas antecedunt. quiesce securus, beate somniare. non ego gladio, non ferro petam; absit, ut simili mortis genere cum marito meo coaequeris. vivo tibi morientur oculi nec quicquam videbis nisi dormiens. faxo, feliciorem necem inimici tui quam vitam tuam. sentias. Iumen certe non videbis, manu comitis in-
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Wunsch, sie zu besitzen. "Aber hör zu", sagte Charite; "du mußt dich ganz ordentlich vermummen, auf jede Begleitung verzichten und still in der ersten Nachtwache an meine Tür treten! Begnüge dich mit einem einzigen Pfiff und erwarte meine Amme da, die am Riegel lehnen und wach sein wird, bis du kommst. Hat sie dir das Haus geöffnet und dich eingelassen, wird sie dich auch, ohne daß ein Licht Zeuge wäre, in mein Schlafzimmer geleiten." Thrasyllus willigte in die Veranstaltung der Todeshochzeit ein. Und ohne weiter etwas zu argwöhnen, außer sich vor Erwartung, klagte er nur über des Tages Länge und des Abends Verzug. Aber sobald die Sonne der Nacht gewichen ist, schleicht er, nach Charites Geheiß ausstaffiert und von der wachenden Amme ins Netz gelockt, hoffnungstrunken in das Schlafgemach. Da machte ihm die Alte auf Weisung der Herrin ihre Aufwartung und holte heimlich Becher mit einem Krug, der dem Wein beigemischt ein Schlafmittel enthielt; und während er gierig und sorglos einen Schluck um den anderen tat, gab sie eine Verspätung der Herrin vor, als ob sie bei ihrem kranken Vater säße, und brachte es leicht dahin, daß er schlief wie ein Toter. Und wie er nun, aller Unbill ausgesetzt, auf dem Rücken dalag, wurde Charite hereingerufen. Mutig wie ein Mann, fuhr sie mit gräßlichem Ungestüm schnaubend auf den Meuchelmörder los, trat zu seinen Häupten und sprach: .. Das also ist meines Gatten tteuer Begleiter, das der vortreffliche Jäger, das mein lieber Bräutigam! Dies ist die Rechte, die mein Blut vergoß, dies die Brust, die Lug und Trug zu meinem Verderben schmiedete, dies da die Augen, denen ich gefallen mußte, die aber schon gewissermaßen das künftige Dunkel versuchen und der nahenden Strafe vorgreifen! Ruhe sorglos, träume selig! Nicht mit dem Schwert, nicht mit dem Stahl will ich kommen, - ferne sei es, daß eine verwandte Todesart dich meinem Gatten gleichstelle! Leben sollst du, nur deine Augen sollen sterben, und nichts sollst du sehen, außer im Schlaf. Ich will dafür sorgen, daß du deines Feindes Tod für ein größeres Glück hältst als dein Leben! Das Licht, verlaß dich, wirst du nicht mehr schauen, mußt dich einem Begleiter
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digebis, Chariten non tenebis, nuptias non frueris nec mortis quiete recreaberis nec vitae voluptate laetaberis. sed incertum simulacrum errabis inter Orcum et solem et diu quaeres dexteram, quae tuas expugnavit pupulas, quodque est in aerumna miserrimum, nescies de quo queraris. at ego sepulchrum mei Tlepolemi tuo luminum cruore libabo et sanctis manibus eius istis oculis parentabo. sed quid mora temporis dignum cruciatum lucraris et meos forsitan tibi pestiferos imaginaris amplexus? relictis somnulentis tenebris ad aliam poenalem evigila caliginem. attolle vacuam faciem, vindictam recognosce, infortunium intellege, aerumnas computa. sie pudicae mulieri tui placuerunt oculi, sie faces nuptiales tuos üluminarunt thalamos. Ultrices habebis pronubas et orbitatem comitem et perpetuae conscientiae stimulum.»
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Ad hunc modum vaticinata mulier acu crinali capite deprompta Thrasylli convulnerat tota Iumina eumque prorsus exoculatum relinquens, dum dolore nescio crapulam cum somno discutit, arrepto nudo gladio, quo se Tlepolemus solebat incingere, per mediam civitatem cur~ su furiose proripit se (et) procul dubio nescio quod scelus gestiens recta monimentum mariti corttendit. At nos et omnis populus nudatis totis aedibus studiose consequimur hortati mutuo ferrum vaesanis extorquere manibus. sed Charite capulum Tlepolemi propter assistens gladioque fulgenti singulos abigens, ubi fletus uberes et lamentationes varias cunctorum intuetur, «Abicite», inquit; «importunas lacrimas; abicite luctum meis virtutibus alienum. vindicavi in mei mariti cruentum peremptorem, punita sum funestum mearum nuptiarum praedonem. iam tempus est, ut isto gladio deorsus ad meum Tlepolemum viam quaeram.» 14
Et enarratis ordine singulis, quae sibi per somnium
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anvertrauen; Charite wird ni:dlt in deinen Armen sein, keine Hochzeit soll dich freun: nicht wird dich Todesruhe erquicken, nicht Lebenslust entzücken. Nein, als schwankendes Gespenst wirst du zwischen Himmel und Hölle irren und lange die Rechte suchen, die deine Augen zerstört hat. Und was im Leide das Schlimmste ist: du wirst nicht wissen, über wen Klage führen. Ich aber will an der Gruft meines Tlepolemus mit dem Blut deiner Lichter opfern und seinem heiligen Totengeist diese Augen da spenden. Aber warum· sollst du durch den Aufschub verdiente Martern sparen und dir vielleicht meine todbringenden Umarmungen vorstellen? Verlaß des Schlafes Dämmernis und erwach zum anderen Dunkel der Strafe! Erhebe dein Angesicht mit den leeren Höhlen, erkenne die Rache, verstehe das Unglück, bedenke die Pein! So haben einem keuschen Weibe deine Augen gefallen, so haben die Ehefackeln dein hochzeitliches Gemach erleuchtet! Die Furien werden deine Brautjungfern sein, Blindheit deine Begleiterin und der ewige Stachel deines Gewissens l" So redet das Weib in Verzückung, nimmt eine Haarnadel vom Kopf und sticht dem Thrasyllus die Augen zunichte. Wie er völlig geblendet daliegt und in unklarem Schmerz seinen Rausch mit dem Schlaf abschüttelt, ergreift sie ein bloßes Schwert, mit dem sich Tlepolemus zu umgürten pflegte, stürmt in rasendem Lauf mitten durch die Stadt und eilt, zweifellos irgendeine Gewalttat im Sinn, geradewegs zum Grabmal ihres Gatten. Doch wir und alles Volk - ein Haus leerte sich nach dem anderen - folgen ihr hastig und treiben einander, der Wahnsinnigen den· Stahl aus den Händen zu winden. Charite aber tritt zum Sarg des Tlepolemus hin, scheucht mit blitzendem Schwert jeden zurück und ruft, wie sie alles in Tränen schwimmen und durcheinanderjammern gewahrt: ,.Nichts von Zähren zur Unzeit, nichts von Klage, die meinen mutigen Taten nicht frommt! Rache nahm ich an meines Gatten blutigem Mörder, Strafe vollzog ich an meiner Ehe gräßlichem Räuber. Nun ists Zeit, daß ich mit diesem Schwert hinab zu meinem Tlepolemus den Weg suche!" Der Reihe nach berichtet sie alles im einzelnen, was ihr der Gatte im Traum verkündet und mit welcher
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nuntiaverat maritus quoque astu Thrasyllum induetum petisset, ferro sub papillam dexteram transadaeto eorruit et in suo sibi pervolutata sanguine postremo balbuttiens ineerto sermone efflavit animam virilem. tune propere familiares miserae Charites aeeuratissime eorpus ablutum unita sepultura ibidem marito perpetuam eoniugem reddidere. Thrasyllus vero eognitis omnibus nequiens idoneum exitum praesenti (cladi nisi nova) clade reddere eertusque tanto facinori nee gladium suffieere sponte delatus ibidem ad s.epulchrum, «Ultronea vobis, infesti Manes, en adest victima» saepe damitans valvis super sese diligenter obseratis inedia statuit elidere sua sententia damnaturn spiritum.»
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Haee ille longos trahens suspiritus et nonnumquam inlaerimans graviter adfeetis rusticis adnuntiabat. Tune illi mutati dominii novitatem metuentes et infortunium domus · erilis altius miserantes fugere eonparant. sed equorum magister, qui me eurandum magna ille .quidem eommendatione suseeperat, quidquid in easula pretiosum eonditumque servabat, meo atque aliorum iumentorum dorso repositum asportans sedes pristinas deserit. gerebamus infantulos et mulieres, gerebamus pullos, passeres, haedos, eatellos; et quidquid infirmo gradu· fugam morabatur, nostris quoque pedibus ambulabat. nee me pondus sarcinae quanquam enormis urguebat, quippe gaudiali fuga detestabilem illum exeetorem virilitatis meae relinquentem.
Silvosi montis asperum permensi iugum rursusque reposita eamporum spatia perveeti iam vespera semitam tenebrante pervenimus ad quoddam eastellum frequens et opulens, unde nos ineolae noeturna, immo vero ma-
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List sie den Thrasyllus umgarnt und überfallen hat, treibt den Stahl unter. ihrer rechten Brust hindurch und bricht zusammen. Und in ihrem eigenen Blute sich wälzend, zuletzt noch undeutliche Worte stammelnd, hauchte sie ihre tapfere Seele aus. Da wurde die Leiche der armen Charite gleich sorgsam gewaschen, und die Angehörigen gaben an Ort und Stelle in vereintem Begräbnis dem Gatten für ewig die Gattin wieder. Als Thrasyllus alles erfahren hatte. glaubte er das geschehene Unglück nur mit einem neuen Unglück angemessen beschließen zu können. Im Bewußtsein, daß füt eine solche Untat das Schwert noch zu wenig sei, ließ er sich aus innerem Triebe ebendort zumGrab hinführen und rief einmal ums andere: "Ein freiwilliges Opfer für euch, zürnende Geister, hier ist es!" Dann verriegelte er sorgfältig die Tür hinter sich und beschloß, durch Fasten sein Leben auszulöschen, über das er als sein eigener Richter den Stab gebrochen hatte." So berichtete der Mann unter schweren Seufzern und manchen Tränen den tief erschütterten Landleuten. Die fürchten jetzt vom Besitzwechsel Neuerungen, nehmen sich auch das Unglück des herrschaftlichen Hauses allzusehr zu Herzen und treffen,Anstalten zur Flucht. Der Stallmeister, der mich mit angelegentlicher Empfehlung in Pflege übernommen hatte, holt alles herbei, was er an Kostbarem und Wertvollem in seinem Quartier verwahrte, lädt es mir und den anderen Packtieren auf den Rücken und verläßt die bisherige Bleibe. Wir schleppten kleine Kinder und Weiber, wir schleppten Hühner, Singvögel, Zicken und junge Hunde; was nur schlecht marschierte und die Flucht behinderte, ging auf unseren Füßen mit. Aber das Gepäck, mochte es auch über die Maßen schwer sein, drückte mich nicht, - ließ ich doch in froher Flucht den Mann hinter mir, der mit entwaffnender Frechheit meine Mannheit operieren wolltel Wir durchmaßen den rauhen Kamm eines Bergwaldes und durchzogen wiederum weite Einödsfluren, bis der Abend den Pfad verdunkelte und wir in ein dichtbewohntes, wohlhabendes Städtchen gelangten. Dort wollten uns die Einwohner zurück-
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tutina etiam prohibebant egressione. lupos enim numerosos grandes et vastis corporibus sarcinosos ac nimia ferocitate saevientes passim rapinis adsuetos infestare cunctam illam regionem. iamque ipsas vias obsidere et in modum latronum praetereuntes adgredi, immo etiam vaesana fame rabidos finitimas expugnare villas, exitiumque inertissimorum pecudum ipsis iam humanis capitibus imminere. denique ob iter illud, qua nobis erat commeandum, iacere semesa hominum corpora suisque visceribus nudatis ossibus cuncta candere ac per hoc nos quoque summa cautione viam aggredi debere, idque vel in primis observitare, ut luce, clara et die iam provecto et sole florido vitantes undique latentes insidias, cum et ipso lumine dirarum bestiarum repigratur impetus, non laciniatim disperso, sed cuneatim stipato commeatu difficultates illas transabiremus.
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Sed nequissimi fugitivi ductores illi nostri caecae festinationis temeritate ac metu incertae insecutionis spreta salubri monitione nec expectata luce proxuma circa tertiam ferme vigiliam noctis onustos nos ad viam propellunt. tune ego metu praedicti periculi, quantum pote, turbae medius et inter conferta iumenta latenter absconditus clunibus meis (ab) adgressionibus ferinis consulebam. iamque me cursu celeri ceteros equos antecellentem mirabantur omnes; sed illa pernicitas non erat alacritatis meae, sed formidinis indicium. denique mecum ipse reputabam Pegasum inclutum illum metu magis volaticum fuisse ac per hoc merito pinnatum proditum, dum in altum et adusque caelum sussilit ac resultat formidans scilicet igniferae morsum Chimaerae. nam et illi pastores, qui nos ·agebant, in speciem proelii manus obarmaverant: hic lanceam, ille venabulum, alius gerebat spicula, fustem alius, sed et saxa, quae salebrosa semita
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halten, nachts oder auch nur' frühmorgens abzuziehen: Wölfe in starken Rudeln, groß und mit mächtig ausladenden Leibern, überaus wild und reißend, an ausgedehnte Raubzüge gewöhnt, würden die ganze Gegend dort unsicher machen. Schon, so hieß es, belagerten sie selbst die Wege und fielen nach Räuberart Passanten an, ja erstürmten sogar in tollwütigem Hunger benachbarte Landhäuser, kurz: wie das blödeste Vieh müßten jetzt die Menschen selbst um ihren Kopf zittern. Somit lägen an dem Wege, wo wir reisen mußten, halbaufgefressene Menschenleichen und alles sei weiß von blankgeknabberten Gerippen; deswegen müßten auch wir sehr vorsichtig marschieren und vor allem immer darauf halten, daß wir bei vollem Licht und schon vorgerücktem Tag und leuchtender Sonne die überall versteckten Hinterhalte vermieden, wenn eben die Helligkeit die gräßlich zudringlichen Bestien träger macht. Auch sollten wir nicht in Streuung herumfetzen, sondern uns in Keilform und geballtem Zug durch jene Schwierigkeiten durchschlagen. Aber die nichtsnutzigen Ausreißer, die uns anführten, schlagen in unbedacht-blinder Eile und aus Furcht vor etwaiger Verfolgung den guten Rat in den Wind und treiben uns, ohne das nächste Tageslicht abzuwarten, ungefähr um die dritte Nachtwache mit unserem Gepäck auf den Weg hinaus. Ich nahm mich vor der angesagten Gefahr in acht, machte mich, so gut es ging, in der Mitte des Haufens zwischen den zusammengedrängten Packtieren klein und unsichtbar, um meine Hinterbacken gegen Attacken der Bestien zu sichern. Schon wunderte sich alles, wie ich mich durch mein Marschtempo vor den anderen, den Pferden, auszeichnete; aber aus dieser Behendigkeit sprach nicht Munterkeit, sondern Bangigkeit! Demnach bedachte ich bei mir selbst, jener berühmte Pegasus habe es mehr vor Angst mit dem Fliegen gehabt und werde deshalb mit Recht beflügelt dargestellt, wie er nach oben direkt bis zum Himmel hochhüpft und wieder herhopst, wohlgemerkt aus Respekt vor dem Biß der feuerschnaubenden Chimära. Hatten ja auch die Hirten, die uns trieben, ihre Hände wie zu einer Feldschlacht bewaffnet: der trug eine Lanze, jener einen Jagdspieß, einer Wurfpfeile, ein anderer einen Knüppel, aber auch Steine
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largiter subministrabat; erant, qui sudes praeacutas at~ tollerent; plerique tamen ardentibus facibus proterre~ bant feras. nec quicquam praeter unicani tubam deerat, quin acies esset proeliaris. sed nequicquam frustra ti~ morem illum satis inanem perfuncti Ionge peiores inhae~ simus laqueos. nam lupi forsitan confertae iuventutis strepitu vel certe nimia luce flammarum deterriti vel etiam aliorsum grassantes nulli contra nos aditum tule~ runt ac ne procul saltem ulli comparuerant.
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Villae vero, quam tune forte praeteribamus, coloni multitudinem nostram latrones rati satis agentes rerum suarum eximieque trepidi canes rabidos et immanes et quibusvis lupis et ursis saeviores, quos ad tutelae prae~ sidia curiose fuerant alumnati, iubilationibus solitis et cuiusce modi vocibus nobis inhortantur. qui praeter ge~ nuinam ferocitatem tumultu suorum exasperati contra nos ruunt et undique laterum circumfusi passim insili~ unt ac sine ullo dilectu iumenta simul ethomines lacerant diuque grassati plerosque prosternunt. cerneres non tam hercules memorandum quam miserandum etiam spec~ taculum: canes copiosos ardentibus animis alios fugien~ tes arripere, alios stantibus inhaerere, quosdam iacentes inscendere et per omnem nestrum commeatum morsibus ambulare. ecce tanto periculo mal um maius insequitur. de summis enim tectis ac de proxumo colle rusticani illi saxa super nos raptim devolvunt, ut discernere prorsus nequiremus, qua potissimum caveremus clade, comminus canum an eminus lapidum. quorum quidem unus caput mulieris, quae meum dorsum residebat, repente percussit. quo dolore commota statim fletu cum clamore sublato mariturn suum pastorem illum suppetiatum ciet.
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gabs, wie sie der holperige Weg reichlich lieferte; es waren auch welche dabei, die zugespitzte Pfähle geschultert hatten; die meisten indessen suchten die Tiere mit brennenden Fackeln zu verscheuchen. Und nichts fehlte, einzig bloß eine Trompete, so wäre es eine Kampffront gewesen! Aber nachdem wir diese ziemlich leere Furcht absolut umsonst ausgestanden hatten, verfingen wir uns in weit schlimmere Schlingen: Von den Wölfen - mag sein, daß sie durch den Lärm der geschlossenen Mannschaft oder wenigstens durch das grelle Licht der Feuerbrände abgeschreckt wurden, auch wohl anderswo umherstrichen - gingen keine auf uns l~s, nicht einmal von ferne waren welche zum Vorschein gekommen. Aber die Bauern eines Gehöftes, an dem wir dann zufällig vorbeimarschieren, halten unseren Haufen für Räuber und bekommen es, in einigem Bedacht um ihre Habe, mächtig mit der Angst: Ungetüme von bissigen Hunden, reißender als alle Wölfe und Bären, die sie als Wachposten sorgfältig aufgezogen hatten, hetzen sie mit den gewohnten Kommandos und allerlei Rufen auf uns los. Abgesehen von ihrem bösartigen Naturell macht sie das Lärmen ihrer Leute wild, daß sie auf uns losstürzen, uns von allen Seiten umzingeln und überall anspringen, ohne Wahl Packtiere und Menschen mit eins zerfleischen und in langem Auf und Ab die meisten niedermachen. Da hättest du ein wahrhaftig n!cht so sehr mitteilenswertes als vielmehr bemitleidenswertes Schauspiel sehen können: Hunde in Menge, wie sie mit hitzigem Eifer hier holten, was lief, dort nicht ließen, was stand, auch bestiegen, was lag, und ihre Zähne durch unsere ganze Karawane spazierentrugen. Da folgt der heiklen Gefahr noch ein größeres Unglück auf dem Fuße: Von Dachgiebeln und einem nahen Hügellassen diese Bauern mir nichts dir nichts Steine auf uns herunterpoltern, so daß wir einfach nicht entscheiden konnten, vor welchem Malheur wir uns am ehesten in acht nehmen sollten, vor dem Nahkampf der Hunde oder dem Weitschuß der Steine. Von diesen traf einer plötzlich den Kopf des Weibes, das auf meinem Rücken saß. Das tut ihr so weh, daß sie, außer sich, gleich ein Zetermordio erhebt und ihren Mann, jenen Hirten, zu Hilfe ruft. Der schreit "Um Gottes
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At ille deum fidem damitans et cruorem uxoris abstergens altius quiritabat: «Quid miseros homines et laboriosos viatores tarn crudelibus animis invaditis atque obteritis7 quas praedas cupitis7 quae damna vindicatis? at non speluncas ferarum vel cautes incolitis barbarorum, ut humane sanguine profuse gaudeatis.» vix haec dicta, et statim lapidum congestus <:essavit imber et infestorum canum revocata conquievit procella. unus illinc denique de summo cupressus cacumine «At nos", inquit, «non vestrorum spoliorum. cupidine latrocinamur, sed hanc ipsam dadem de vestris protelamus manibus. iam denique pace tranquilla securi potestis incedere." sie ille. sed nos plurifariam vulnerati reliquam viam capessimus, alius lapidis, alius morsus vulnera referentes, universi tarnen saucii. Aliquanto denique viae permenso spatio pervenimus ad nemus quoddam proceris arboribus consitum et patentibus virectis amoenum, ubi placuit illis ductoribus nostris refectui paululum conquiescere corporaque sua diverse laniata sedulo recurare. ergo passim prostrati solo primum fatigatos animos recuperare ac dehinc vulneribus medelas varias adhibere festinant: hic cruorem praeterfluentis aquae rore deluere, ille spongeis inacidatis tumores comprimere, alius fasciolis hiantes vincire plagas. ad istum modum saluti suae quisque consulebat.
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Interea quidam senex de summo colle prospectat, quem circum capellae pascentes opilionem esse profecto clamabant. eum rogavit unus e nostris, haberetne venui lactem vel adhuc liquidum vel in caseum recentem inchoatum. at ille diu capite quassanti <.Vos autem», inquit, «de cibo vel poculo vel omnino ulla refectione nunc cogitatis? an nulli scitis, quo loco consederitis?» et cum dicto conductis oviculis conversus Ionge recessit. quae
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willen!", wischt der Frau das Blut ab und fängt zu brüllen an: .. Warum müßt ihr uns armes, geplagtes Wandervolk so grausam anfallen und kaputtmachen? Gelüstets euch nach Beutefang? Beansprucht ihr Schadenersatz? Ihr wohnt doch nicht in Höhlen wie die Raubtiere oder auf Klippen wie die Wilden, daß ihr euch ein Vergnügen daraus macht, Menschenblut zu vergießen!" Kaum war dies heraus, da ließ sofort der prasselnde Steinregen nach, und die tobenden Hunde wurden zurückgerufen und beruhigt. Dann rief einer von drüben aus dem obersten Gipfel einer Zypresse: .. Aber wir sind gar nicht lüstern, euch zu plündern und auszuräubern, sondern wir halten uns gerade solch eine Heimsuchung durch euch vom Leibe! Jetzt könnt ihr also in Ruhe und Frieden ohne Sorge weiterziehen." So seine Worte. Wir aber machen uns mit allerlei Wunden weiter auf den Weg: der eine trägt vom Stein, der andere vom Biß Verletzungen davon, - bös zugerichtet sind wir alle I Als wir somit ein ziemliches Stück Weges hinter uns gebracht hatten, gelangten wir an einen Hain mit hohen Bäumen und lieblichen grünen Weiten. Hier beschlossen unsere Führer zur Erholung ein wenig auszuruhen und ihre verschiedenen Blessuren am Leibe sorgsam zu pflegen. Also streckt man sich allerorten zu Boden und beeilt sich, zunächst von der Hetze zu verschnaufen und dann für die Wunden allerlei Mittel anzuwenden: der eine wäscht mit dem kühlen Naß eines vorüberfließenden Wassers sein Blut ab. der andere macht mit einem Essigschwamm Kompressen auf seine Beulen, ein dritter verbindet klaffende Risse mit Bandagen. Auf diese Weise war jeder um sein Wohl bemüht. Unterdessen blickt von einem Hügel oben ein alter Mann herab, den ringsum weidende Ziegen zuverlässig als Hirten verrieten. Den fragte einer unserer Leute, ob er Milch zu verkaufen habe, sei es zum Trinken oder als frisch gemachten Käse. Der aber schüttelte lange seinen Kopf und sagte: .. Was, denkt ihr jetzt an Speise und Trank oder überhaupt an irgendeine Erfrischung? Wißt ihr denn gar nidtt, an welchem Platz ihr euch niedergelassen habt?" Mit diesen Worten trieb er seine Schäflein zusammen, wendete und machte sich aus dem Staube.
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vox eius et fuga pastoribus nostris non medioerem pavorem ineussit. ae dum perterriti de loci qualitate sciscitari gestiunt nee est qui doeeat, senex alius, magnus ille quidem, gravatus annis, totus in baeulum pronus et lassum trahens vestigium ubertim laerimans per viam proximat visisque nobis eum fletu maximo singulorum iuvenum genua eontingens sie adorabat: 20
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Sie depreeantis suamque eanitiem distrahentis totos quidem miseruit; sed unus, prae eeteris et animo fortior et aetate iuvenior et eorpore validior quique solus praeter alios ineolumis proelium superius evaserat, exurgit alaeer et pereontatus, quonam loci puer ille decidisset, monstrantem digito non Ionge frutiees horridos senem illum inpigre eomitatur. ae dum pabulo nostro suaque eura refeeti sarcinulis quisque sumptis suis viam eapessunt, clamore primum nominatim cientes illum iuvenem frequenter inclamant, mox mora diutina eommoti mittunt e suis areessitorem unum, qui requisitum eomitem tempestivae viae eommonefaetum redueeret. at ille modi-
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Diese Rede und Flucht des Maimes jagten unseren Hirten keine geringe Angst ein. Während sie noch voll Bestürzung Erkundigungen einzuziehen trachten, was es mit dem Platz auf sich habe, und niemand da ist, der sie hätte belehren können, kommt ein anderer Alter des Wegs, diesmal von großer Gestalt und von Jahren gebeugt, schwer auf einen Stock gestützt, mit müdem Schleppschritt und strömenden Tränen. Als er uns sah, berührte er unter lautem Flennen jedem einzelnen Mann die Knie und flehte: "Bei euren Sternen und Schutzengeln, ihr sollt gesund und fröhlich in meine Jahre kommen! Aber helft einem um sein Glück betrogenen Alten: entreißt meinen Kleinen dem Totenreich und gebt ihn meinen weißen Haaren wieder! Mein Enkel nämlich, mein süßer Begleiter auf dieser Reise, stellt gerade einem Singvogel auf einer Hecke nach und will ihn greifen, als er in eine nahe Grube fällt, die ihre Öffnung unterhalb der Büsche hat, daß er jetzt in äußerster Lebensgefahr schwebt; denn aus seinem Greinen und Rufen, weil das Kerlchen immerfort nach seinem Großvater wimmert, merke ich ja, daß er noch am Leben ist, aber meine Körperkräfte sind verfallen, wie ihr seht, und ich kann ihm keine Hilfe bringen. Doch für euch jugendfrische Leute ist es ein Leichtes, einem armen alten Mann beizustehen und meinem Knaben, dem jüngsten meiner Kindeskinder und einzigen Stammhalter, das Leben zu retten." Als er so inständig flehte und seine weißen Haare raufte, erbarmte er freilich alle. Aber einer, mit tapferem Herzen und jungen Jahren und kräftigem Leib wie kein anderer und allein von allen unversehrt dem Kampf vorher entronnen, steht munter auf, fragt, wo herum denn der Knabe hinuntergefallen sei, und begleitet unverdrossen den Alten, der mit dem Finger auf einige struppige Sträucher in der Nähe hinweist. - Nach unserem Futtern und der eigenen Pflege ist man wieder startbereit, jeder nimmt sein Päckchen und macht sich auf den Weg. Dabei rufen sie zunächst den jungen Mann laut beim Namen und schreien ihm immer wieder zu. Dann werden sie unruhig, daß er lange nicht kommt, und schicken einen ihrer Leute, ihn zu holen; er soll den abgängigen Gefährten zu rechtzeitigem Aufbruch mahnen und herbringen. Aber
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cum commoratum refert sese. buxanti pallore trepidus mira super conservo suo renuntiat: conspicatum se quippe supinato illi et iam ex maxima parte consumpto immaJJ.em draconem mandentem insistere nec ullum usquam miserinum senem comparere illum. qua re cognita et cum pastoris sermone conlata, qui saevum prorsus hunc illum nec alium locorum inquilinum praeminabatur, pestilenti deserta regione velociori se fuga proripiunt nosque pellunt crebris tundentes fustibus.
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Celerrime denique longo itinere confecto pagum quendam accedimus ibique totam perquiescimus noctem. ibi coeptum facinus oppido memorabile narrare cupio: Servus quidam, cui cunctam familiae tutelam dominus permiserat suus quique possessionem maximam illam, in quam deverteramus, vilicabat, habens ex eodem famulitio conservam coniugam liberae cuiusdam extrariaeque mulieris flagrabat cupidine. quo dolore paelicatus uxor eius instricta cunctas mariti rationes et quicquid horreo reconditum continebatur admoto combussit igne. nec tali damno tori sui contumeliam vindicasse contenta iam contra sua saeviens viscera laqueum sibi nectit infantulumque, quem de eodem marito iam dudum susceperat, eodem funiculo nectit seque per altissimum puteum adpendicem parvulum trahens praecipitat. quam mortem dominus eorum aegerrime sustinens adreptum servulum, qui causam tanti sceleris luxurie sua praestiterat, nudum ac totum melle perlitum firmiter alligavit arbori ficulneae, cuius in ipso carioso stipite inhabitantiumformicarumnidiQ.cia borriebant et ultro citro commeabant multiiuga scaturrigine. quae simul dulcem ac mellitum corporis nidorem persentiscunt, parvis quidem, sed numerosis
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der kommt nach kurzer Weile· zurückgelaufen, - leichenblaß und zitternd bringt er eine entsetzliche Meldung über seinen Kameraden: er sei Augenzeuge geworden, wie der Mann auf dem Rücken lag und schon größtenteils aufgefressen war und ein ungeheurer Drache kauend auf ihm hockte, - aber von dem Jammergreis sei nirgends eine Spur zu sehen! Als sie dies vernommen und mit der Rede des Hirten in Zusammenhang gebracht haben, der mit seiner düsteren Andeutung eben diesen greulichen Bewohner der Gegend und keinen anderen sonst meinte, verlassen sie das Unheilsgebiet, stürmen in beschleunigter Flucht davon und treiben uns vorwärts, wobei sie mit ihren Knüppeln fleißig auf uns einschlagen. Somit legen wir rasch einen langen Weg zurück, kommen zu einem Dorf und ruhen dort die ganze Nacht aus. Hier begab sich eine überaus merkwürdige Geschichte, die ich erzählen will: Ein Knecht, dem sein Herr die gesamte Aufsicht über das Gesinde überlassen hatte und der jenes große Besitztum bewirtschaftete, wo wir eingekehrt waren, hatte aus derselben Dienerschaft eine Mitsklavin zur Frau, entbrannte aber in Begierde zu. einem freien, nicht zum Hause gehörigen Weibe. Der Schmerz über diesen Ehebruch schnitt seiner Frau ins Herz, sie legte Feuer und verbrannte sämtliche Nachweise ihres Mannes mit allem, was an Vorräten im Speicher gelagert war. Aber der angerichtete Schaden ist ihr nicht Rache genug für die Schmach ihres Ehebetts: jetzt wütet sie gegen ihr eigenes Fleisch und Blut, knüpft sich einen Strick, knüpft das Kind, das sie voh eben diesem Gatten ehedem empfangen hatte, mit derselben Schnur fest und stürzt sich in einen ganz tiefen Brunnen, indem sie den Kleinen als Anhängsel nach sich zieht. Über diesen Tod geriet der Herr der beiden in schweren Zorn; er ließ den Sklaven, dessen Leichtsinn die schreckliche Tat ausgelöst hatte, ergreifen und nackt und von oben bis unten mit Honig bestrichen fest an einen Feigenbaum anbinden. In dessen morschem Stamm wimmelten Nester von Ameisen, die hier siedelten und in vielverzweigtem Geriesel hin und her pendelten. Sobald sie den süßen Honigduft des Leibes wahrnahmen, hängten sie sich mit
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et continuis morsiunculis penitus inhaerentes per longi temporis cruciatum ita carnibus atque ipsis visceribus adesis homine consumpto membra nudarunt, ut ossa tantum viduata pulpis nitore nimio candentia funestae cohaererent arbori. 23
Hac quoque detestabili deserta mansione paganos in summo luctu relinquentes rursum pergimus dieque tota campestres emensi vias civitatem quandam populosam et nobilem iam fessi pervenimus. inibi larem sedesque perpetuas pastores illi statuere decernunt, quod et Ionge
Ad istum modum praeco ille cachinnos circumstantibus commovebat.
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freilich winzigen, aber zahlreichen und hartnäckigen Zwickerehen über und über an ihn, nagten so in langwährender Marter erst das Fleisch und dann die Eingeweide an und fraßen den Mann mit Haut und Haaren auf, daß vom Fleisch geschieden und blank wie der Schnee nur die Knochen an dem Todesbaum hängenblieben. Auch diese abscheuliche Herberge hielt uns nicht. Während die Dorfleute in tiefer Trauer zurückbleiben, machen wir uns wieder auf. bringen den ganzen Tag lang Landstraßen hinter uns und gelangen endlich müde zu einer bevölkerten und vornehmen Stadt. Darin beschließen die Hirten Heim und dauernden Wohnsitz aufzuschlagen, weil sich weitab von etwaigen Verfolgern sicherer Unterschlupf zu bieten schien und weil ein üppig-reicher Erntesegen zum Bleiben lud. Als sonach drei Tage lang die Packtiere aufgefüttert waren, damit wir recht verlockend aussähen, werden wir auf den Markt geführt. Eine laute Ausruferstimme gibt die einzelnen Preise an, die Pferde und auch die Esel werden an zahlungskräftige Käufer verhandelt. Aber ich blieb mutterseelenallein zurück und wurde von den meisten verächtlich übergangen. Schließlid1 ekelte mir vor der Berührung der Leute, die aus meinen Zähnen mein Alter errechnen wollten, und wie ein Kerl immer wieder mit seinen stinkigen Fingern an meinem Zahnfleisch stocherte, schnappte ich nach seiner verdreckten Hand und biß sie ganz platt. Das schreckte die Umstehenden ab, mich zu kaufen, teufelswild wie ich sei. Der Ausrufer, dem die Kehle schon trocken und die Stimme wundgeschrien war, begann jetzt auf meine Kosten Possen und Witze zu reißen: "Wozu sollen wir denn den Klepper da für nichts und wieder nichts zum Verkauf stellen, den alten Trottel und lahmen Hans mit seinen ausgetretenen Hufen, die schmerzverbogene Gestalt, den stumpfsinnigen Faulpelz mit seiner Wildheit, der absolut nichts weiter ist als ein Schuttsieb? So wollen wir ihn denn einfach irgend jemandem schenken, sofern es einem nichts ausmacht, sein Heu zu verschwenden!" Auf diese Weise brachte der Ausrufer die Herumstehenden zum Lachen.
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Sed illa Fortuna mea saevissima, quam per tot regiones iam fugiens effugere vel praecedentibus malis placare non potui, rursum in me caecos detorsit oculos et emptorem aptissimum duris meis casibus mire repertum obiecit. seitote qualem: cinaedum et senem cinaedum, calvum quidem, sed cincinnis semicanis et pendulis capillatum, unum de triviali popularium faece, qui per plateas et oppida cymbalis et crotalis personantes deamque Syriam circumferentes mendicare compellunt. is nimio praestinandi studio praeconem rogat, cuiatis essem; at ille Cappadocum me et satis forticulum denuntiat. rursum requirit annos aetatis meae; sed praeco lasciviens: «Mathematicus quidem, qui stellas eius disposuit, quintum ei numeravit annum, sed ipse scilicet melius istud de suis novit professionibus. quanquam enim prudens crimen Comeliae legis incurram, si civem Romanum pro servo tibi vendidero, quin emis bonum et frugi mancipium, quod te et foris et domi poterit iuvare?•• sed exinde odiosus emptor aliud de alio non desinit quaerere, denique de mansuetudine etiam mea percontatur anxie.
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At praeco <>, inquit, «non asinum vides, ad usus omnes quietum, non mordacem nec calcitronem quidem, sed prorsus ut in asini corio modestum hominem inhabitare credas. quae res cognitu non ardua. nam si fadem tuam mediis eius feminibus immiseris, facile periclitaberis, quam grandem tibi demonstret patientiam.» Sie praeco lurchonem tractabat dicacule. sed ille cognito cavillatu similis indigoanti <
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Aber meine bitterböse Fortuna, der ich mit meiner Flucht durch schon so viele Gegenden nicht zu entfliehen noch mit den bisherigen Leiden genugzutun vermochte, bohrte wiederum ihre blinden Augen auf mich und präsentierte mir einen Käufer, der zu meiner Pechsträhne trefflich paßte und von ihr wundervoll ausfindig gemacht worden war. Ich will euch wissen lassen, was für einen: einen Lüstling und zwar einen alten Lüstling, einen Kahlkopf mit melierten Hängelöckchen als Haarschopf, einen aus der Gosse und dem Abschaum der Leute, die ·mit lärmenden Zymbeln und Kastagnetten die Syrische Göttin von Straße zu Straße und Ort zu Ort herumschleppen und zum Betteln zwingen. Der will mich in blindem Eifer erstehen und fragt den Ausrufer, aus welcher Gegend ich stamme; der andere gibt an, ich sei ein Kappadoker und ganz schön beisammen. Wieder forscht er nach meinem Lebensalter. Darauf der Ausrufer anzüglich: "Ein Astrologe, der ihm das Horoskop stellte, hat ihm freilich schon fünf Jahre berechnet; aber er selbst weiß das natürlich von seinen Angaben besser. Ich ziehe mir nämlich mit vollem Bewußtsein eine Strafverfolgung nach dem Cornelischen Gesetz zu, wenn ich dir einen römischen Bürger als Knecht verkaufe, - aber warum kaufst du nicht einen guten und wackeren Hörigen, der dir draußen wie daheim gute Dienste wird leisten können?" Aber daraufhin läßt der widerwärtige Käufer keineswegs ab, eins nach dem anderen zu fragen, und erkundigt sich schließlich auch noch ängstlich, ob ich zahm sei. Aber der Ausrufer sagte: "Einen Hammel hast du vor dir, keinen Esell Zu jedem Zweck ist er ruhig, beißt nicht und schlägt nicht einmal aus, sondern man könnte geradezu glauben, in der Eselshaut stecke eine Seele von Mensch. Das ist nicht beschwerlich zu untersuchen: wenn du dein Gesicht gerade zwischen seine Schenkel steckst, kannst du leicht ausprobieren, wie ausnehmend er dir stillehält." So neckte der Ausrufer den Wüstling mit seinen Witzen. Aber der merkte die Fopperei :und rief wie in Entrüstung: .. Dich taubstummes Aas von einem verrückten Ausrufer sollen doch die allgewaltige und allgebärende Syrische Göttin und der heilige Sabadius und Bellona und die ldäische Mutter und samt ihrem
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cum reddant, qui scurrilibus iam dudum contra me velitaris iocis. an me putas, inepte, iumento fero posse deam committere, ut turbatum repente divinum deiciat simulacrum egoque misera cogar crinibus solutis discurrere et deae meae humi iacenti aliquem medicum quaerere?» Accepto tali sermone cogitabam subito velut lymphaticus exilire, ut me ferocitate cernens exasperatum emptionem desineret. sed praevenit cogitatum meum emptor anxius pretio depenso statim, quod quidem gaudens dominus scilicet taedio mei facile suscepit, septemdecim denarium. et ilico me stomida spartea deligatum tradidit Philebe; hoc enim nomine censebatur iam meus dominus.
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At ille susceptum novicium famulum trabebat ad domum, statimque illinc de primo limine proclamat: «Puellae, servum vobis pulchellum en ecce mercata perduxi.» sed illae puellae chorus erat cinaedorum, quae statim exultantes in gaudium, fracta et rauca et eHeminata voce clamores absonos intollunt rati scilicet vere quempiam hominem servulum ministerio suo paratum. sed postquam non cervam pro virgine, sed asinum pro homine succidaneum videre, nare detorta magistrum suum varie cavillantur: non enim servum, sed mariturn illum scilicet sibi perduxisse. et «Heus», aiunt, «cave ne solus exedas tarn bellum scilicet pullulum, sed nobis quoque tuis palumbulis nonnunquam inpertias.»
Haec et huius modi mutuo blaterantes praesepio me proximum deligant. erat quidam iuvenis satis corpulentus, choraula doctissimus, conlaticia stipe de mensa paratus, qui foris quidem circumgestantibus deam cornu
Achtes Buch
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Adonis Frau Yenus mit Blindheit schlagen, weil du mich schon die ganze -Zeit mit Narrenspossen frotzelst! Oder meinst du Dummkopf. ich könne die Göttin einem Wildfang von Packtier anvertrauen, daß es plötzlich das heilige Götterbild rüttelt und hinschmeißt, und ich arme Person gezwungen bin, mit aufgelösten Haaren umherzulaufen und für meine Göttin, wie sie auf der Nase liegt, irgend einen Arzt zu suchen?" Als ich ihn das sagen hörte, wollte ich unversehens wie ein Wahnsinniger in die Höhe springen, damit er einen Ausbruch meiner Wildheit sehen und den Kauf lassen sollte. Aber meinen Gedanken kam der Käufer zuvor: der Hasenfuß bezahlte sofort den Preis, den mein Herr mit Freuden, weil er meiner natürlich überdrüssig war, ohne weiteres annahm, siebzehn Mark. Und auf der Stelle halfterte er mich mit einem festen Strick und übergab mich dem Philebus, - das war der amtliche Name meines jetzigen Herrn. Der Mensch übernahm den neu erworbenen Diener und zog ihn zu sich nach Hause. Dort ruft er gleich vorn' von der Schwelle aus: "Schaut einmal her, Mädchen, was die Tante euch für einen wunderhübschen Diener gekauft und mitgebracht hat!" Jene Mijdchen aber waren ein Chor von Lustknaben, die sofort in Freudengeheul ausbrechen und mit der schrillen Fistelstimme von Halbweibern ein mißtönendes Geschrei erheben, in der Meinung natürlich, man habe wirklich irgendeinen netten Diener in menschlicher Gestalt für ihr Geschäft besorgt. Aber nachdem sie freilich keine Hindin für eine Jungfrau, aber einen Esel für einen Menschen als Ersatzopfer gesehen haben, rümpfen sie die Nase und führen allerlei Neckreden auf ih1en Meister: er habe sich da keinen Diener, sondern natürlich einen Hochzeiter ins Haus genommen. Und "He", rufen sie, "hüte dich, ein so ausgemacht hübsches Hühnchen allein zu futtern! Gib auch uns mal etwas ab, deinen Turteltäubchenl" Während sie dies und anderes der Art miteinander schwatzen, stellen sie mich vor eine Krippe und binden mich an. Es gab da einen ziemlich drallen Burschen, einen Flötenvirtuosen, den man mit einer Sammelspende auf dem Markt angeschafft hatte; wenn sie auf den Gassen die Göttin umherschaukelten,
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canens adambulabat, domi vero promiscuis operis partiarius agebat concubinus. hic me simul domi conspexit, libenter adpositis largiter cibariis gaudens adloquitur: « Venisti tandem miserrimi laboris vicarius. sed diu vivas et dominis placeas et meis defectis iam lateribus consulas.,. haec audiens iam meas futuras novas cogitabam aerumnas.
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Die sequenti variis coloribus indusiati et deformiter quisque formati, facie caenoso pigmento delita et oculis obunctis graphice prodeunt mitellis et crocotis et carbasinis et bombycinis iniecti; quidam tunicas albas in modum lanciolarum quoquoversum fluente purpura depictas cingulo subligati, pedes luteis induti calceis. deamque serico contectam amiculo mihi gerendam imponunt. bracchiisque suis umero tenus renudatis adtollentes immanes gladios ac secures euantes exsiliunt incitante tibiae cantu lymphaticum tripudium. nec paucis pererratis casulis ad quandam villam possessoris beati perveniunt. et ab ingressu primo statim absonis ululatibus constrepentes fanatice provolant diuque capite demisso cervices lubricis intorquentes motibus crinesque pendulos in circulum rotantes et nonnunquam morsibus suos incursantes musculos ad postremum ancipiti ferro, quod gerebant, sua quisque bracchia dissicant.
Inter haec unus ex illis bacchatur effusius ac de imis praecordiis anhelitus crebros referens velut numinis divino spiritu repletus simulabat sauciam vecordiam, prorsus quasi deum praesentia soleant homines non sui fieri meliores, sed debiles effici vel aegroti.
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Specta denique, quale caelesti providentia meritum reportaverit. infit vaticinatione •clamosa conficto mendacio semet ipsum incessere atque criminari, quasi contra
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ging er mit und blies das Horn, zu Hause aber machte er als Geschäftsfreund und Teilhaber den Beischläfer. Kaum hat mich der im Haus erblickt, so legt er mir mit Lust und Liebe eine Menge zu fressen vor und redet mich voller Freude an: "Endlich bist du da, um mich in der elendigen Arbeit abzulösen! Sieh zu, daß du lange am Leben bleibst, den Herrschaften zusagst und meinen allmählich erschöpften Lenden einen Gefallen tust!" Als ich das hörte, konnte ich mir bereits vorstellen, was es an neuen Plagen für mich geben würde. Tags darauf treten sie auf: jeder mit bunten Farben gewandet und mehr verschandelt als verwandelt, das Gesicht mit Schminkensudel getüncht, die Augen mit Tuschestrichen umzogen, mit Turban und im Safrankostüm aus Seide oder Musselin; andere haben weiße Hemden, deren Purpurstickerei spieSehenartig nach allen Seiten ausstrahlt, mit einem Gürtel gelüpft und sind in orangene Stiefel geschlüpft. Und die Göttin in seidenem Gewand stellen sie zum Tragen auf meinen Rücken. Jetzt entblößen sie ihre Arme bis zur Schulter, erheben mächtige Schwerter und Beile und springen mit Euhoi-Rufen auf, indem die Flöte singt und zu rasendem Tanz aufpeitscht. Sie durchschwärmen eine Reihe von Hüttlein und langen dann bei einem Landhaus an, dessen Besitzer mit Gütern gesegnet war. Kaum sind sie eingezogen, als sie mit wüstem Heulen durcheinanderlärmen und verzückt losschießen; mit gesenktem Kopf rollen sie den Nacken in wirbelndem Schwung, drehen die wallenden Haare im Kreis und schlagen wohl auch die Zähne ins Fleisch, bis zuletzt mit seinem zweischneidigen Stahl jeder die eigenen Arme zerschlitzt. Unterdessen rast einer von ihnen vollends haltlos dahin und stößt aus tiefster Brust immer wieder keuchende Laute aus; wie von göttlichem Hauch erfüllt, stellte er sich vom Wahnsinn getroffen, - gerade so als pflegten die Menschen durch das Wirken der Götter nicht besser zu werden als sonst, sondern angeschlagen oder krankhaft! - Schau jetzt, welchen verdienten Lohn ihm die himmlische Vorsehung heimgab: Unter verzücktem Schreien hebt er an, vo~Lug und Trug sich selbst zu zeihen und zu bezichtigen, als habe er gegen der heiligen Religion
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fas sanctae religionis dissignasset aliquid, et insuper iustas poenas noxii facinoris ipse de suis manibus exposcere. arrepto denique flagro, quod semiviris illis proprium gestamen est contortis taeniis lanosi velleris prolixe fimbriatum et multiiugis talis ovium tesseratum, indidem sese multinodis commulcat ictibus mire contra plagarum dolores praesumptione munitus. cerneres prosectu gladiorum ictuque flagrorum solum spurcitia sanguinis effeminati madescere. Quae res incutiebat mihi non parvam sollicitudinem videnti tot vulneribus largiter profusum cruorem, ne quo casu deae peregrinae stomachus, ut quorundam~ho minum lactem, sie illa sanguinem concupisceret asininum. Sed ubi tandem fatigati vel certe suo laniatu satiati pausam carnificinae dedere, stipes aereas, immo vero et argenteas multis certatim offerentibus sinu recepere patulo nec non et vini cadum et lactem et caseos et farris et siliginis aliquid et nonnullis hordeum deae gerulo donantibus avidis animis conradentes omnia et in sacculos huic quaestui de industria praeparatos farcientes dorso meo congerunt, ut duplici scilicet sarcinae pondere gravatus et horreum et templum incederem.
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Ad istum modum palantes omnem illam depraedabantur regionem. sed in quodam castello copia laetati largioris quaesticuli gaudiales instruunt dapes. a quodam colono fictae vaticinationis mendacio pinguissimum deposcunt arietem, qui deam Syriam esurientem suo satiaret sacrificio. probeque disposita cenula balneas obeunt ac dehinc lauti quendam fortissimum rusticanum industria laterum atque imis ventris bene praeparatum comitem cenae secum adducunt. paucisque admodum praegustatis
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Satzung irgend gefehlt, und ·ruft obendrein die eigenen Hände auf, die Verbrechensschuld gebührlich zu bestrafen. Alsbald ergreift er eine Geißel. die für diese Halbmänner ein bezeichnendes Zubehör ist, mit Kordelschnüren aus wolligem Felllang bequastet und mit zackigen Schafsknöd1lein wie mit Steinehen belastet: die läßt er mit ihren Knotenhieben auf sich hereinprasseln und feit sich gegen die Wundschmerzen mit erstaunlicher Willenskraft. Das war ein Anblick, wie sid1 von metzelnden Degen und Peitschenschlägen der Boden mit dem unflätigem Blut der Halbweiber netzte! Ich geriet dadurch in einige Besorgnis, als ich aus so vielen Wunden reichlich Blut fließen sah: es könnte irgend der Fall eintreten, daß der Magen der fremden Göttin, wie bei gewissen Menschen nach Eselsmilch, so in ihrem Falle nach Eselsblut verlangte( Aber wie sie nun endlich ermattet waren oder wenigstens die Selbstzerfleischung satt hatten und mit der Metzelei einhielten, nahmen sie Almosen aus Kupfer und sogar aus Silber, die von vielen um die Wette dargeboten wurden, in ihre weiten Taschen entgegen, dazu noch ein Faß Wein und Milch und ein paar Käse und etwas Grütze und Weizenmehl, wobei auch Gerste für den Träger der Göttin abfiel; das alles scharren sie gierig zusammen, stopfen es in Beutel, .die für diesen Profit eigens vorbereitet waren, und häufen es auf meinen Rücken, so daß ich unter der Bürde einer doppelten Packlast zugleich als Speicher und als Tempel daherkam. Auf diese Weise schweiften sie umher und plünderten die ganze Gegend aus. In einem Burgflecken aber richten sie aus Freude über ihr reichlich großes Profitehen einen fröhlichen Schmaus her. Einem Bauern fordern sie unter Vorspiegelung einer angeblichen Prophezeiung einen besonders fette11 Widder ab, der geopfert werden und die hungrige Syrische Göttin sättigen sollte. Nachdem sie das Leckermahl ordentlich angerichtet haben, besuchen sie das Bad und bringen von da nach der Erfrischung einen stämmigen Bauernburschen, der betriebsame Lenden hatte und unten am Bauch gut imstande war, als Tischgenossen mit. Als sie dann als Vorspeise ein wenig Gemüse gekostet hatten,
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holusculis ante ipsam mensam spurcissima illa propudia ad inlicitae libidinis extrema flagitia infandis uriginibus efferantur passimque circumfusi nudatum supinatumque iuvenem execrandis oribus flagitabant. nec diu tale facinus meis oculis tolerantibus «Porro, Quirites», proclamare gestivi, sed viduatum ceteris syllabis ac litteris processit «Ü» tantum, sane darum ac validum et asino proprium, sed inopportune plane tempore. namque de pago proximo complures iuvenes abactum sibi noctu perquirentes asellum nimioque studio cuncta devorsoria scrutantes intus aedium audito ruditu meo praedam absconditam latibulis aedium rati coram rem invasuri suam inprovisi conferto gradu se penetrant palamque illos execrandas foeditates obeuntes deprehendunt. iamiamque vicinos undique percientes turpissimam scaenam patefaciunt insuper ridicule sacerdotum purissimam laudantes castimoniam.
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Hac infamia consternati, quae per ora populi facile dilapsa merito invisos ac detestabiles eos cunctis effecerat, noctem ferme circa mediam collectis omnibus furtim castello facessunt. bonaque itineris parte ante iubaris exortum transacta iam die claro solitudines avias nancti multa secum prius conlocuti accingunt se meo funeri. deaque vehiculo meo sublata et hum1 reposita cunctis stramentis me renudatum ac de quadam quercu destinatum flagro illo pecuinis ossibus catenato verberantes paene ad extremam confecerant mortem. fuit unus, qui poplites meos enervare secure sua comminaretur, quod de pudore illo candido scilicet suo tarn deformiter triumphassem. sed ceteri non meae salutis, sed simulacri
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begannen die schamlosen Schmutzfinken noch vor dem eigentlichen Essen in perverser Lust und abscheulicher Geilheit mit den schlimmsten Schweinereien, indem sie den jungen Mann nackend auszogen und auf den Rücken legten, sich dann ringsum herbeidrängten und ihn mit ihren verfluchten Mäulern beanspruchten. Da meine Augen eine derartige Schandtat nicht lange ertrugen, machte ich Miene, zu brüllen: "Avanti, avanti I", - aber von den übrigen Silben und Buchstaben alleingelassen, kam nur ein "I-aht" heraus, gewiß laut und kräftig und wie es einem Esel eigentümlich ist, jedoch zu völlig ungelegener Zeit. Denn da suchten aus einem Nachbardorf mehrere Männer nach einem läppischen Esel, der ihnen nachts abhanden gekommen war, durchstöberten in ihrem Übereifer alle Herbergen und meinten, als sie mein Brüllen drin im Hause hörten, die Beute sei in einem Schlupfwinkel des Hauses versteckt. Um ihr Eigentum persönlich zu beschlagnahmen, dringen sie unversehens in dichten Haufen herein und ertappen die Burschen in flagranti bei ihren nichtswürdigen Scheußlichkeiten. Augenblicklich rufen sie die Nachbarn von allen Seiten herbei und machen das schändliche Schauspiel offenkundig, loben auch noch ironisch die himmelsreine Keuschheit der Priester. Über diese. Schande bestürzt, die sich ohne weiteres durch den Volksmund verbreitet und ihnen verdientermaßen bei allen Haß und Verachtung eingetragen hatte, machen sie sich etwa um Mitternacht mit ihren Siebensachen heimlich aus dem Flecken davon. Nachdem sie ein gut Teil des Wegs vor Sonnenaufgang hinter sich gebracht und bei schon hellem Tag weglose Einöden erreicht haben, besprechen sie sich erst gründlich miteinander und machen dann Anstalten, mich auf den Friedhof zu bringen. Sie nahmen die Göttin von meinem Traggestell herunter und legten sie auf den Boden, eptblößten mich dann von allen Decken, banden mich an einen Eichbaum fest und peitschten mich mit jener Geißel. die wie eine Kette mit Schafknochen gegliedert war, bis sie mich beinahe bis zum letzten Atemzug fertiggemacht hätten. Da war einer, der meine Kniekehlen mit seiner Axt mattzusetzen drohte, natürlich weil ich über seine Engelsunschuld so unpassend triumphiert hatte. Aber die anderen mein-
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iacentis contemplatione in vita me retinendum censuere. rursum itaque me refertum sarcinis planis gladiis minantes perveniunt ad quandam nobilem civitatem. inibi vir principalis et alias religiosus et eximie deum reverens tinnitu cymbalorum et sonu tympanarum cantusque Phrygii mulcentibus modulis excitus procurrit obviam deamque votivo suscipiens hospitio nos omnis intra conseptum domus amplissimae c'onstituit numenque summa veneratione atque hostiis opimis placare contendit.
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Hic i:go me potissimum capitis periclitatum memini. nam quidam colonus partem venationis, inmanis cervi pinguissimum femus, domino illi suo muneri miserat. quod incuriose pone culinae fores non altiuscule suspensum canis adaeque venaticus latenter invaserat laetusque praeda propere custodientes oculos evaserat. quo damno cognito suaque reprehensa neglegentia cocus diu lamentatus lacrimis inefficacibus iamiamque domino cenam flagitante maerens et utcumque metuens altius, filio parvulo suo consalutato adreptoque funiculo, mortem sibi nexu laquei comparabat. nec tarnen latuit fidam uxorem eius casus extremus mariti, sed funestum nodum violenter invadens manibus ambabus «Adeone», inquit, «praesenti malo perterritus mente excidisti tua nec fortuitum istud remedium, quod deum providentia subministrat, intueris? nam si quid in ultimo fortunae turbine resipiscis, expergite mi ausculta et advenam istum asinum remoto quodam loco deductum iugula femusque eius ad similitudinem perditi detractum et accuratius in protrimentis sapidissime percoctum adpone domino cer-
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ten - nicht im Hinblick auf mein Wohl, sondern auf das daliegende Götterbild -, man solle mich am Leben erhalten. Wieder staffieren sie mich also mit den Packlasten aus und gelangen, indem sie mir mit flachen Säbeln Beine machen, zu einer ansehnlichen Stadt. Dort wohnte ein vornehmer Mann, der überhaupt fromm und ausnehmend gottesfürchtig war; den lockten das Klingeln der Zymbeln, das Dröhnen der Tamburine und die schmeichelnden Weisen des Flötenspiels heraus, daß er uns entgegenlief. die Göttin in willkommenes Logis nahm und uns alle im Bereich seines weitläufigen Hauses unterbrachte, während er sich beeilte, mit aller Inbrunst und feisten Opfertieren die Gnade der Gottheit anzurufen. Hier, ich erinnere mich, erreichte meine Lebensgefahr den höchsten Punkt. Ein Bauer hatte einen Teil seiner Jagdbeute, einen fetten Schlegel von einem Riesenhirsch, dem Mann als seinem Herrn zum Geschenk gesandt. Das Fleisch war sorglos hinter der Küchentür nicht allzu hoch aufgehängt, so daß ein Hund, gleichfalls vom Jagdfach, es im Moment heimlich erwischte und mit seiner Beute froh und eilig den Aufpasseraugen entwischte. Als der Koch des Schadens gewahr wurde, machte er sich über seine Nachlässigkeit Vorwürfe und lamentierte lange, ohne daß sei11e Tränen hätten helfen können. Und als der Herr ungeduldig auf der Mahlzeit bestand, packten ihn Gram und sinnlos tiefe Angst, daß er von seinem kleinen Sohn Abschied nahm, einen Strick ergriff und mit einer Schlinge seinem Leben ein Ende machen wollte. Indessen blieb seiner treuen Frau der Verzweiflungsschritt ihres Mannes nicht verborgen, vielmehr packte sie mit beiden Händen gewaltsam den Todesknoten und rief: .. Bist du von dem augenblicklichen Malheur total verstört und um deinen Verstand gekommen, daß du für den unverhofften Ausweg da, den uns die göttliche Vorsehung bietet, keinen Blick hast? Wenn du nur ein bißchen im ärgsten Schicksalswirbel wieder Vernunft faßt, dann höre mir mit wachen Sinnen zu: führe den zugelaufenen Esel da an einen entlegenen Ort, stich ihn ab und nimm ihm einen Schenkel so heraus, daß er dem verlorenen ähnlich sieht, koche den dann mit aller Sorgfalt in leckerer Würze gar und setze
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vm1 vicem.» nequissimo verberoni sua placuit salus de mea morte et multum conservae laudata sagacitate destinatae iam lanienae cultros acuebat.
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ihn dem Herrn anstelle der Hirschkeule vor!" Der ver-
dammte Galgenstrick war einverstanden, sein Leben mit meinem Tod zu retten, lobte sehr den Scharfsinn seiner Kumpanin und wetzte schon die mir bestimmten Metzgermesser.
LIBER IX 1
Sie ille nequissimus carnifex contra me manus impias obarmabat. at ego praecipitante consilium periculi tanti praesentia nec expectata diutjna cogitatione lanienam imminentem fuga vitare statui. protinusque vinculo, quo fueram deligatus, abrupto cursu me proripio totis pedibus ad tutelam salutis crebris calcibus velitatus ilicoque me raptim transcursa proxima porticu triclinio, in quo dominus aedium sacrificales epulas cum sacerdotibus deae cenitabat, incunctanter immitto nec pauca rerum adparatus cibarii, mensas etiam et ignes impetu meo collido atque disturbo. qua rerum deformi strage paterfamilias commotus ut importunum atque lascivum me cuidam famulo curiose traditum certo aliquo loco clausum cohiberi (iussit), ne rursum convivium placidum simili petulantia dissiparem. hoc astutulo commento scitule munitus et mediis lanii manibus ereptus custodela salutaris mihi gaudebam carceris.
Sed mnurum nihil Fortuna rennuente licet homini nato dexterum provenire nec consilio prudenti vel remedio sagaci divinae providentiae fatalis dispositio subverti vel reformari potest. mihi denique id ipsum commentum, quod momentariam salutem repperisse videbatur, periculum grande, immo praesens exitium conflavit aliud. 2
Nam quidam subito puer mobili ac trepida facie per-
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So nahm dieser elendige Scharfrichter die Waffe gegen mich in seine gottvergessenen Hände. Da es im Angesicht so dfingender Gefahr rasch handeln· hieß und für langes Überlegen keine Zeit war, beschloß ich, mich der drohenden Schlachtung durch Flucht zu entziehen. Sofort reiße ich den Strick ab, mit dem ich festgebunden war, stürme in vollem Galopp davon und plänkele dabei sicherheitshalber tüchtig mit den Hufen. So renne ich in rasender .Hast durch einen nahen Säulengang und werfe mich gleich ohne Federlesen in den Speisesaal. wo der Hausherr mit den Priestern der Göttin bei einem feierlichen Opfermahl saß. In meinem Drauflos werfe ich allerhand Eßgeschirr mitsamt Tafeln und Leuchtern kreuz und quer über den Haufen. Das scheußliche Durcheinander brachte den Hausvater in Wallung: als lästigen Tunichtgut übergab er mich umständlich einem Diener mit der Weisung, mich irgendwo an sicherer Stelle unter Verschluß zu halten, damit ich nicht ein zweitesmal mit solcher Frechheit die friedliche Tischgesellschaft sprengen könne. Diese glänzende Idee bot mir trefflichen Schutz und entriß mich in letzter Minute aus den Händen meines Schlächters: ich freute mich auf die Geborgenheit des rettenden Kerkers I Aber natürlich darf ja, wenn Fortuna Nein sagt, einem Menschenkind nichts gut hinausgehen, und keine klugen Pläne, keine findigen Gegenmaßnahmen können den von oben bestimmten Lauf der Dinge umstoßen oder verändern. So kam es, daß mir gerade mit diesem Einfall, der für den Augenblick Rettung zu bringen schien, ein anderes großes Risiko, ja, eine unmittelbare Lebensgefahr eingebrockt wurde. Denn plötzlich - so ging das Getuschel der Diener - kommt ein Bursche in höchster Aufregung mit angstverzerrtem Gesicht
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citus, ut familiares inter se susurrabant, inrumpit triclinium suoque annuntiat domino de proximo angiportu eanem rabidam paulo ante per posticam impetu miro sese direxisse ardentique prorsus furore venaticos eanes invasisse ae dehine proximum petisse stabulum atque ibi pleraque iumenta ineurrisse pari saevitia nee postremum saltem ipsis hominibus pepercisse. nam Myrtilum mulionem et Hephaestionem eoeum et Hypnophilum eubicularium et Apollonium medieum, immo vero et plures alios ex familia abigere temptantes variis morsibus quemque laeerasse, eerte venenatis morsibus eontaeta nonnulla iumenta efferari simili rabie. quae res omnium statim pereussit animos ratique me etiam eadem peste infeetum ferocire arreptis euiusee modi telis mutuoque, ut exitium eommune protelarent, eohortati ipsi potius eodem vaesaniae morbo laborantes perseeuntur. nee dubio me laneeis illis vel venabulis, immo vero et bipennibus, quae faeile famuli subministraverant, membratim eompilassent, ni respeeto subiti perieuli turbine eubieulum, in quo mei domini devertebant, protinus inrupissem. tune clausis obseratisque super me foribus obsidebant Ioeum, quoad sine ullo eongressionis suae perieulo pestilentiae letalis pervieaei rabie possessus ae peresus absumerer. quo faeto tandem libertatem nanetus, solitariae fortunae munus amplexus, super eonstratum leeturn abieetus post multum equidem temporis somnum humanum quievi.
lamque dara die mollitie cubilis refota lassitudine vegetus exurgo atque illos, qui meae tutelae pervigiles exeubias agitaverant, auseulto de meis sie altereare fortunis: ••Adhucine miserum istum asinum iugi furore iaetari eredimus?» »Immo vero iam virus inereseente saevitia prorsus extinetum.» sie opinionis variae termi-
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in den Speisesaal geplatzt und meldet seinem Herrn, aus der Nachbargasse habe gerade eben ein tollwütiger Hund mit unglaublicher Vehemenz seinen Weg durch die Hintertür genommen und ganz außer Rand und Band die Jagdhunde angefallen; dann sei er auf den nahen Stall losgegangen, habe sich dort mit derselben Raserei auf die meisten Packtiere gestürzt und zuletzt nicht einmal die Leute selbst verschont. Denn den Maultiertreiber Myrtilus und den Koch Hephästion und den Kammerdiener Hypnophilus und den Arzt Apollonius, ja auch mehrere andere vom Personal, die ihn zu verscheuchen suchten, jeden habe er hier oder da gebissen und verwundet; bestimmt seien einige Tiere durch die gefährlichen Bisse angesteckt und von der gleichen wüsten Tollwut befallen. Diese Nachricht traf alle gleich wie ein Schlag. Im Glauben, auch ich sei von derselben Pest infiziert und gemeingefährlich, ergreifen sie Waffen aller Art, rufen einander zu, man müsse ein Massensterben verhindern, und dringen - eher selbst tollwutkrank - auf mich ein. Ohne Zweifel hätten sie mich mit den Lanzen und Spießen, ja, wahrhaftig auch mit Doppeläxten, die die Diener ohne Umstände herbeigeschafft hatten, Glied für Glied in Stücke gehackt; aber wie ich die plötzliche Gefahr heranwirbeln sah, rumpelte ich schnurstracks in das Schlafzimmer, in dem meine Herren logierten. Da machten sie die Tür hinter mir zu, riegelten ab und begannen den Raum zu belagern, bis ich, ohne jedes Risiko eines Zusammentreffens für sie, von &er unheilbar tödlichen Tollwutseuche durch und durch gepackt und draufgegangen wäre. Dies Geschehnis gab mir endlich Freiheit; ich nahm das Alleinsein als Geschenk des Himmels, warf mich auf ein gedecktes Bett und schlief nach ewig langer Zeit einen Schlaf wie ein Mensch. Als es schon heller Tag ist und das weiche Lager meine Müdigkeit behoben hat, stehe ich munter auf und höre die Leute, die zu meiner Bewachung die Nacht durch auf Posten gestanden hatten, über mein Befinden streiten: ,.Soll man glauben, daß der arme Esel da immer noch von chronischer Tollheit gebeutelt wird?" .. Nicht doch, sondern mit wachsender Raserei hat sich das Gift schon ganz verflüchtigt!" Diese Meinungsver-
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num ad explorationem conferunt ac de rima quadam prospiciunt sanum me atque sobrium otiose consistere. iamque ultro foribus patefactis plenius, an iam sim mansuetus, periclitantur. sed unus ex his, de caelo scilicet missus mihi sospitator, argurnenturn explorandae sanitatis meae tale commonstrat ceteris, ut aquae recentis completam pelvem offerrent potui meo, ac si intrepidus et more solito sumens aquis adlibescerem, sanum me atque omni morbo scirent expeditum; contra vero, si visum contactumque laticis vitarem ac perhorrescerem, pro conperto noxiam rabiem pertinaciter durare; hoc enhn libris etiam pris~inis proditum observari solere.
lsto placito vas immane confestim aquae perlucidae de proximo petitae fonte cunctantes adhoc offerunt mihi. at ego sine ulla mora progressus etiam obvio gradu, satis sitienter pronus et totum caput immergens salutares vere equidem illas aquas hauriebam. iamque et plausus manum et aurium flexus et ducturn capistri et quidvis aliud periclitantium placide patiebar, quoad contra vesanam eorum praesumptionem modestiam meam liquido cunctis adprobarem.
Ad istum modum vitato duplici periculo die sequenti rursum divinis exuviis onustus cum crotalis et cymbalis circumforaneum mendicabulum producor ad viam. nec paucis casulis atque castellis oberratis devertimus ad quempiam pagum urbis opulentae quondam, ut memorabant incolae, inter semiruta vestigia conditum. et hospitio proxumi stabuli recepti cognoscimus lepidam de adulterio cuiusdam pauperis fabulam, quam vos etiam cognoscatis volo:
Is gracili pauperie laborans fabriles operas praebendo
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schiedenheit zu beenden stellen sie einer Untersuchung anheim und beobachten durch einen Türspalt, wie ich bei Gesundheit und klarem Verstand müßig herumstehe. Allmählich trauen sie sich, die Tür etwas weiter aufzumachen und es darauf ankommen zu lassen, ob ich jetzt brav sei. Da weist einer von ihnen, den mir wahrhaftig der Himmel als Retter geschickt hatte, die übrigen auf folgende Probe hin, um meine Gesundheit festzustellen: sie sollten mir eine Schüssel frisches Wasser zum Saufen anbieten, und wenn ich es, ohne zu scheuen, wie sonst nähme und auf Wasser Appetit hätte, dann würden sie wissen, daß ich normal und kerngesund sei; wenn ich aber im Gegenteil es vermiede und verabscheute, das Naß zu sehen und zu berühren, dann halte erfahrungsgemäß die gefährliche Tollwut hartnäckig an: dies sei immer zu beobachten, auch nach Ausweis alter Bücher. Man ist damit einverstanden, holt schnell vom nächsten Brunnen kristallklares Wasser und bietet mir, noch vorsichtig, ein gewaltiges Schaff voll an. Aber ich setzte mich unverweilt in Bewegung und ging sogar auf sie zu, neigte mich einigermaßen durstig vor und tauchte den ganzen Kopf hinein, um das Wasser zu schlürfen, das wahrhaftig eine Heilquelle war. Und wie sie mich jetzt mit den Händen klatschten und an den Ohren zogen und am Halfter führten und alles Möglid1e versuchten, ließ ich es mir geduldig gefallen, bis gegen ihre Wahnsinnsidee meine Harmlosigkeit allen klar bewiesen war. So einer doppelten Gefahr entgangen, werde ich andern Tags wieder mit dem Götterornat beladen und unter dem Lärm von Zymbeln und Kastagnetten als wandernder Gabensammler auf ·die Landstraße geführt. Nachdem wir ausgiebig bei Hinz und Kunz umhergestiegen sind, kehren wir in einem Dorf ein, das zwischen den Ruinen einer - so erzählten die Einwohner einstmals wohlhabenden Stadt versteckt lag. Wir finden in der nächsten Herberge Quartier und erfahren da eine hübsche Geschichte, wie einem armen Schlucker Hörner aufgesetzt wurden, und die sollt auch ihr kennenlernen: Der Mann hatte seine Not mit Meister Schmalhans, verdang
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parvis illis mercedibus vitam tenebat. erat ei tarnen uxorcula etiam satis quidem tenuis et ipsa, verum tarnen postrema lascivia famigerabilis. sed die quadam, dum matutino ille ad opus susceptum proficiscitur, statim latenter inrepit eius hospitium temerarius adulter. ac dum Veneris conluctationibus securius operantur, maritus ignarus rerum ac nihil etiam turn tale suspicans inprovisus hospitium repetit. iamque clausis et obseratis foribus uxoris laudata continentia ianuam pulsat sibilo etiam praesentiam suam denuntiante. tune mulier callida et ad huius modi flagitia perastutula tenacissimis amplexibus expeditum hominem dolio, quod erat in angulo semiobrutum, sed alias vacuum, dissimulanter abscondit et patefactis aedibus adhuc introeuntem mariturn aspero sermone accipit: «Sicine vacuus et otiosus insinuatis manibus ambulabis mihi nec obito consueto Iabore vitae nostrae prospicies et aliquid cibatui parabis? at ego misera pernox et perdia lanificio nervos meos contorqueo, ut intra cellulam nostram saltem lucerna luceat. quanto me felicior Daphne vicina, quae mero et prandio matutino saucia cum suis adulteris volutatur.»
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Sie confutatus maritus «Et quid istic est?», ait; «nam licet forensi negotio officinator noster attentus ferias nobis fecerit, tarnen hodiernae cenulae nostrae prospexi. vide sis, ut dolium, quod semper vacuum, frustra locum detinet tantum et re vera praeter impedimentum conversationis nostrae nihil praestat amplius. istud ego quinque denariis cuidam venditavi, et adest, ut dato pretio secum rem suam ferat. quin itaque praecingeris mihique manum tantisper accommodas, ut exobrutum protinus tradatur emptori?» E re nata fallaciosa mulier temerarium tollens cachin-
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sich zu Handlangerarbeiten und fristete mit dem bißchen Lohn davon sein Leben. Dabei hatte er aber ein Frauchen, das wohl auch selbst ziemlich schäbig, aber doch als äußerst leichtfertiges Wesen bekannt war. Eines Tages geht er in der Frühe einem übernommenen Geschäft nach; da kommt schnurstracks ein Frechdachs von Ehebrecher heimlich in sein Haus geschlichen. Wie sie sich recht gemütlich im Bett balgen, kehrt der Ehemann, der von der Sache keine Ahnung hatte und immer noch nichts derart argwöhnte, unversehens wieder heim. Er findet den Eingang jetzt verschlossen und verrammelt, lobt die häusliche Frau und klopft an die Tür, meldet auch mit einem Pfiff seine Gegenwart an. Das Frauenzimmer jetzt, schlau wie es ist und bei solchen Ludereien höchst gerissen, gibt den Menschen aus ihren Fangarmen frei und versteckt ihn raffiniert in einem Faß, das halb eingegraben, sonst aber leer in einer Ecke stand. Dann öffnet sie das Haus und begrüßt ihren Mann noch beim Eintritt in rauhem Ton: .. So ein Tagedieb und Müßiggänger bist du also, daß du mir mit den Händen in den Taschen herumspazieren willst und nicht an deine gewohnte Arbeit gehen, um für unseren Unterhalt zu sorgen und etwas zu futtern herzuschaffen? Aber ich armes Wesen muß mir Tag und Nacht beim Spinnen die Muskeln verrenken, damit in unserer Bude wenigstens eine Lampe leuchtet! Wieviel besser als ich hats die Daphne nebenan, die in aller Frühe von klarem Wein und Brotzeit angeschlagen ist und sich mit ihren Liebhabern herumwälzt!" So zusammengestaucht sprach der Mann: "Und was ist dabei? Denn wenn auch unser Werkmeister bei Gericht zu tun hat und uns dienstfrei gegeben hat, habe ich doch vorgesorgt, daß heute etwas auf unseren Tisch kommt. Sieh mal, wie das Faß immer leer ist, darum zwecklos soviel Platz wegnimmt und uns wirklich nichts weiter nützt, als daß es ein Verkehrshindernis abgibt: das habe ich einem für fünf Mark verkauft, und er kommt gleich, um zu zahlen und seine Ware zu holen. Also binde dir doch eine Schürze um und geh mir so lange zur Hand, daß wir es ausgraben und dem Käufer gleich aushändigen!" Bei dieser Lage der Dinge erhob das durchtriebene Frauen-
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num «Magnum», inquit, «istum virum ac strenuum negotiatorem nacta sum, qui rem, quam ego mulier et intra hospitium contenta iam dudum septem denariis vendidi, minoris distraxit... Additamento pretii laetus maritus «Et quis est ille,., ait, «qui tanto praestinavit?,. at illa «Olim, inepte,., inquit, «descendit in dolium sedulo soliditatem eius probaturus ...
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Nec ille sermoni mulieris defuit, sed exurgens alacriter «Vis», inquit, «verum scire, mater familias? hoc tibi dolium nimis vetustum est et multifariam rimis hiantibus quassum... ad maritumque eius dissimulanter conversus «Quin tu, quicumque es, homuncio, lucemam», ait, «actuturn mihi expedis, ut erasis intrinsecus sordibus diligenter, aptum(ne) usui, possim dinoscere, nisi nos putas aes de malo habere?» nec quicquam moratus ac suspicatus acer et egregius ille maritus accensa lucema «Discede», inquit, «frater, et otiosus adsiste, donec probe percuratum istud tibi repraesentem.» et cum dicto nudatus ipse delato lumine scabiem vetustam cariosae testae occipit exculpere. at vero adulter, bellissimus ille pusio, inclinatam dolio pronam uxorem fabri superincurvatus secure dedolabat. ast illa capite in dolium demisso mariturn suum astu meretricio tractabat ludicre: hoc et illud et aliud et rursus aliud purgandum demonstrat digito suo, donec utroque opere perfecto acceptis septem denariis calamitosus faber collo suo gerens dolium coactus est ad hospitium adulteri perferre.
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Pauculis ibi diebus commorati et munificentia publica saginati vaticinationisque crebris mercedibus suffarcinati purissimi illi sacerdotes novum quaestus genus sibi
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zimmer ein schallendes Geläthter und sagte: "Ein Genie von Mann und einen strebsamen Unternehmer habe ich da erwischt, der etwas, was ich als Frau und ans Haus gebunden schon längst für sieben Mark verkauft habe, für weniger verschleudert hat!" Fröhlich über den Preisaufschlag sagte der Mann: "Und wer ist das, der es für so viel eingehandelt hat?" Sie aber sprad1: "Dummkopf. vor einer Weile ist er ins Faß gestiegen, um gründlich nachzusehen, ob es ganz ist." Der andere ging auf die Rede der Weibsperson ein, tauchte munter empor und sprach: "Willst du die Wahrheit wissen, Hausfrau? Dein Faß hier ist allzu alt und leckt an vielen Stellen vor Löchern und Rissen." Und scheinheilig zu ihrem Mann gewendet: "He du, Freundchen Soundso, bring mir mal fix eine Lampe, damit ich den Schmutz drin sorgsam abkratzen und genau feststellen kann, ob es zu brauchen ist! Oder meinst du, unsereiner hätte sein Geld gestohlen?" Ohne sich auch nur zu besinnen oder etwas zu argwöhnen, zündete der helle, treffliche Gatte eine Lampe an und sprach: "Geh auf die Seite, mein Lieber, und stell dich ruhig her, bis ich dir das Ding da tipp topp vorführet" Mit den Worten zieht er sich selbst aus, trägt die Leuchte hinunter und macht sich daran, von dem morschen Ton die alte Kruste abzukratzen. Aber wie die Frau des Handwerkers sich vornüber ins Faß neigt, beugt sich der Tausendsassa von Ehebrecher seinerseits darüber und beginnt sie seelenruhig abzuspachteln. Und sie steckt ihren Kopf tief ins Faß und fängt an, wie die Flittchen sind, ihren Mann zum besten zu halten: dies und das und was anderes und wieder was anderes, das er in Ordnung bringen soll, zeigt sie mit dem Finger, bis beide Geschäfte fertig sind und sich der geprellte Handwerker nach Erhalt von sieben Mark gezwungen sieht, das Faß auf seinem Nacken dem Ehebrecher heimzutragen. Einige wenige Tage waren sie dort geblieben, hatten sich mit milden Gaben des Publikums vollgestopft und mit reichen Gebühren für ihre Weissagerei vollgepfropft; dann denken sich diese Muster von reinen Priestern eine neue Erwerbsart aus.
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DODUI
comminiscuntur. sorte unica pro casibus pluribus enotata consulentes de rebus variis plurimos ad hunc modum cavillantur. sors haec erat: «ldeo coniuncti terram proscindunt boves, ut in futurum laeta germinent sata.» turn si qui matrimonium forte coaptantes interrogarent, rem ipsam responderi aiebant: iungendos conubio et satis liberum procreandis. si possessiones praestinaturus quaereret: merito boves [ut] et iugum et arva sementis florentia pronuntiari. si qui de profectione sollicitus divinum caperet auspicium: iunctos iam paratosque quadripedum cunctorum mansuetissimos et lucrum promitti de glebae germine. si proelium capessiturus vellatronum factionem persecuturus, utilis necne processus, sciscitaretur: addictam victoriam forti praesagio contendebant; quippe cervices hostium iugo subactum iri et praedam de rapinis uberrimam fructuosamque captum iri. ad istum modum divinationis astu captioso conraserant non parvas pecunias.
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Sed adsiduis interrogationibus argumenti satietate iam defecti rursum ad viam prodeunt via tota, quam nocte confeceramus, Ionge peiorem. quidni? lacunosis incilibus voraginosam, partim stagnanti palude fluidam et alibi subluvie caenosa lubricam. crebris denique offensaculis et assiduis lapsibus iam contu~is cruribus meis vix tandem ad Campestres semitas fessus evadere potui.
Et ecce nobis repente de tergo manipulus armati supercurrit equitis aegreque cohibita equorum curruli rabie Philebum ceterosque comites eius involant avidi colloque constricto et sacrilegos impurosque compellantes interdum pugnis obverberant nec non manicis etiam cunctos
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Ein und dasselbe Orakel schreiben sie für mehrere Fälle auf und führen auf diese Weise eine Menge Leute, die sie über verschiedene Dinge befragen, an der N:.se herum. Das Orakel lautete: "Deswegen bricht ein Rinderjoch die Erde um, damit die Saat in Zukunft üppig sprießen soll." Wenn dann Leute sie befragten, die etwa eine Ehe schließen wollten, behaupteten sie, eben dies sei in der Antwort enthalten: sie sollten ins Ehejoch treten und Sprößlinge hervorbringen. Wenn einer anfragte, der Grundstücke kaufen wollte: ganz richtig würden Rinder und Joch und blühende Saatfelder angekündigt. Wenn einer wegen einer Reise Sorgen hatte und einen Wink von oben holte: schon stünden die bravsten aller Vierfüßer im Joch bereit, und die fruchtbare Scholle verheiße Glück. Wenn einer ins Gefecht ziehen oder eine Räuberbande verfolgen wollte und sich erkundigte, ob es gut ausgehen werde oder nicht, so versicherten sie, mit Bestimmtheit werde ihm Sieg verheißen; würden sich doch die Feinde mit ihrem Nacken unters Joch beugen und würde er Räubergut in Hülle und Fülle erbeuten. Auf diese Weise hatten sie mit ihrem Gaunertrick beim Weissagen eine Menge Geld eingeheimst. Als sie aber von lauter Fragen und sattsamem Auslegen schließlich erschöpft sind, machen sie sich wieder auf den Weg, einen erheblich schlechteren als den ganzen Weg, den wir nachts zurückgelegt hatten. Bestimmt: durchfurcht von Schlaglöchern und Rissen, stellenweise patschnaß von einem ÜberschwemmungspfuhL anderswo glitschig von angetriebenem Matsch. Am Ende waren vom vielen Anstoßen und ständigen Ausgleiten meine Schenkel wirklich zuschanden geschlagen, und ich konnte mich nur mit knapper Not, matt wie ich war, auf Feldwege hinausarbeiten. Schau, da überrennt uns plötzlich von hinten ein Haufen bewaffneter Reiter, die kaum die Galoppierwut ihrer Pferde zügeln und hitzig über Philebus mit seinen Gefährten herfallen; sie werfen ihnen Stricke um den Hals, schimpfen sie Tempelschänder und Saukerle und schlagen dabei mit Fäusten auf sie ein. Auch legen sie noch allen feste Handschellen an und trei-
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coartant et identidern urgenti sermone cornprirnunt, prornerent potius aureurn cantharurn, prornerent auctorarnenturn illud sui sceleris, quod sirnulatione sollernniurn, quae in operto factitaverant, ab ipsis pulvinaribus rnatris deurn clanculo furati, prorsus quasi possent tanti facinoris evadere suppliciurn tacita profectione, adhuc luce dubia porneriurn pervaserint. 10
Nec defuit qui rnanu super dorsurn rneurn iniecta in ipso deae, quarn gerebarn, grernio scrutatus repperiret atque incorarn ornniurn aureurn deprorneret cantharurn. nec isto saltern tarn nefario scelere irnpuratissirna illa capita confutari terrerive potuere, sed rnendoso risu cavillantes «En,., inquiunt, «indignae rei scaevitatern. quarn plerurnque insontes periclitantur hornines. propter unicurn caliculurn, quern deurn rnater sorori suae deae Syriae hospitale rnunus obtulit, (ut) noxios religionis antistites ad discrirnen vocari capitis.» Haec et alias sirnilis afannas frustra blaterantis eos retrorsus abducunt pagani statirnque vinctos in Tullianurn conpingunt. cantharoque et ipso sirnulacro, quod gerebam, apud fani donariurn redditis ac consecratis altera die producturn rne rursurn voce praeconis venui subiciunt. septernque nurnrnis carius quarn prius rne cornparaverat Philebus quidarn pistor de proxirno casteile praestinavit protinusque frurnento etiarn coernto adfatirn onusturn per iter arduurn scrupis et cuiusce rnodi stirpibus infesturn ad pistrinurn, quod exercebat, perducit.
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Ibi cornpluriurn iurnentorurn rnultivii circuitus intorquebant rnolas arnbage varia nec die tanturn, verurn perpeti etiarn nocte prorsus instabili rnachinarurn vertigine hicubrabant pervigilem farinarn. sed rnihi, ne rudirnen-
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ben sie wieder und wieder mit drohenden Worten in die Enge: Heraus lieber mit dem goldenen Humpen, heraus mit diesem ihrem Sündenlohn! Unter dem Vorwand· heiliger Riten, die hinter verschlossenen Türen getätigt wurden, hätten sie das Gefäß direkt vom Polstersitz der Göttermutter im stillen stibitzt und sich dann, gerade als könnten sie der Strafe für so ein schändliches Verbrechen durch heimliche Abreise entrinnen, noch vor Tag über die Stadtgrenze gemacht. Einer war sogar dabei, der mir die Hand auf den Rücken legte, mitten im Schoß der mir aufgeladenen Göttin herumsuchte, den goldenen Humpen fand und vor aller Augen ans Licht zog. Aber nicht einmal vor dieser Schandtat ließen sich die Schweinehunde einschüchtern oder aus der Fassung bringen, suchten vielmehr mit gekünsteltem Lachen Ausflüchte und sagten: .. Da sieht man, wie ungerecht und verkehrt es zugeht! Daß doch immer wieder harmlose Leute Scherereien bekommen I Wegen eines einzigen läppischen Bechers, den die Göttermutter ihrer Schwester der Syrischen Göttin zum Gastgeschenk gemacht hat, Priester wegen Religionsfrevels vor das Kriminalgericht zitieren!" Während sie diese und andere Ausreden der Art zwecklos daherschwatzen, führen die Bauern sie nach hinten ab und stoßen sie sofort gefesselt ins Verließ. Den Humpen und das Götterbild selbst auf meinem Rücken erstatten sie im Gabenraum des Tempels als heiliges Eigentum zurück und führen mich andern Tags hinaus, um mich wieder durch Ausruferstimme zum Verkauf zu stellen. Um sieben Mark teurer, als mich früher Philebus gekauft hatte, erstand mich ein Müller aus dem nächsten Dorf. Der belädt mich gleich tüchtig mit Getreide, das er außerdem eingekauft hat, und führt mich auf einem Weg mit holprigen Steinen und leidigen Stauden aller Art zu der Mühle hin, die er betrieb. Dort ließen zahlreiche Arbeitstiere auf lauter runden Bahnen vielerlei Mühlenkarussells rotieren, und das nicht nur bei Tage, sondern ohne daß die Kreisel der Mahlmaschinen überhaupt zum Stillstand kamen, schufteten sie auch die ganze Nacht hindurch, um die Mehlproduktion nicht einschlafen zu lassen. Aber mir stellte der neue Herr, damit ich es nämlich nicht
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turn servitii perhorrescerem scilicet, novus dominus loca lautia prolixe praebuit. nam et diem primum illum feriatum dedit et cibariis abundanter instruxit praesepium. nec tarnen illa otii saginaeque beatitudo duravit ulterius, sed die sequenti molae, quae maxima videbatur, matutinus adstituor et ilico velata facie propellor ad incurva spatia flexuosi canalis, ut in orbe termini circumfluentis reciproco gressu mea recalcans vestigia vagarer errore certo. nec tarnen sagacitatis ac prudentiae meae prorsus oblitus facilem me tirocinio disciplinae praebui. sed quanquam frequenter, cum inter homines agerem, machinas similiter circumrotari vidissem, tarnen ut expers et ignarus operis stupore mentito defixus haerebam, quod enim rebar ut minus aptum et huius modi ministerio satis inutilem me ad alium quempiam utique leviorem Iaborern legatum iri vel otiosum certe cibatum iri. sed frustra sollertiam damnosam exercui. complures enim protinus baculis armati me circumsteterunt atque, ut eram luminibus obtectis securus etiamnunc, repente signo dato et clamore conserto plagas ingerentes acervatim adeo me strepitu turbulentant, ut cunctis consiliis abiectis ilico scitissime taeniae sparteae totus innixus discursus alacres obirem.
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At subita sectae commutatione risum toto coetu commoveram. lamque maxima diei parte transacta defectum alioquin me helcio sparteo dimoto nexu machinae liberatum adplicant praesepio. at ego, quanquam eximie fatigatus et refectione virium vehementer indiguus et prorsus fame perditus, tarnen familiari curiositate attonitus et satis anxius postposito cibo, qui copiosus aderat, inoptabilis
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von vornherein vor dem Dienst mit der Angst bekäme, großzügig ein Luxuslogis zur Verfügung: er gab mir diesen ersten Tag frei und ließ außerdem meine Krippe mit reichlichem Futter versehen. Doch dauerte die herrliche Muße und Fresserei nicht länger an; vielmehr schirrte man mich am folgenden Tag in aller Frühe an eine Mühle, die anscheinend die größte war. Umgehend wird mir der Kopf vermummt, ich werde auf die rundherum laufende Rinne getrieben, soll im Kreis des Außenkanals immer von neuem und immer wieder in meine eigenen Fußtapfen treten und in bestimmter Richtung ohne Ziel herumlaufen. Indessen verlor ich meinen hellen und klugen Kopf nicht so weit, daß ich mich beim Anlernen geschickt angestellt hätte. Wohl hatte ich schon oft, als ich noch Mensch unter Menschen war, solche Maschinen sich drehen sehen. Aber ich tat doch, als hätte ich nicht die leiseste Ahnung von der Sache, stellte mich blöd und blieb wie angewachsen stehen. Denn ich meinte, man würde mich als kaum geeignet und ziemlich untauglich für ein solches Geschäft zu irgend einer anderen, jedenfalls leichteren Arbeit abstellen oder gar beurlauben und futtern lassen. Aber meine scharfsinnige Berechnung nützte nichts und schadete nur. Denn sofort umringten mich eine Reihe Kerls mit Stöcken in der Hand, und während ich ja mit meinen verdunkelten Augen immer noch ahnungslos dastand, versetzten sie mir auf ein plötzliches Zeichen unter allgemeinem Gebrüll eine Tracht Prügel und bringen mich mit ihrem Getöse derart durcheinander, daß ich alle Gedanken ausschaltete, mich auf der Stelle wie ein Sachverständiger fest ins Geschirrband legte und mich munter auf den Rundweg machte. Nun, mein plötzlicher Gesinnu11gswechsel brachte die ganze Gesellschaft zum Lachen! Als der größte Teil des Tags schon vorüber ist und ich ohnehin erschöpft bin, nimmt man mir das Kummetband ab, macht mich von der Mahlmaschine los und bindet mich an die Krippe. Ich war zwar unendlich müde, sehr erholungsbedürftig und nahezu verhungert; aber die übliche Neugier lenkte mich ab und machte mich ziemlich unruhig, so daß ich das reichlich vorhandene Futter Futter sein ließ und mir den unerquicklichen
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officinae disciplinam cum delectationequadamarbitrabar. Dii boni, quales illic homunculi: vibicibus lividis totam cutem depicti dorsumque plagosum scissili centunculo magis inumbrati quam obtecti, nonnulli exiguo tegili tantum modo pubem iniecti, cuncti tarnen sie tunicati, ut essent per pannulos manifesti; frontes Iitterad et capillum semirasi et pedes anulati; turn lurore deformes et fumosis tenebris vaporosae caliginis palpebras adesi atque adeo male luminati et in modum pugilum, qui pulvisculo perspersi dimicant, farinulenta cinere sordide candidati. 13
lam de meo iumentario .contubernio quid vel ad quem modum memorem? quales illi muli senes vel cantherii debiles: circa praesepium capita demersi contruncabant moles palearum cervices cariosa vulnerum putredine follicantes, nares languidas adsiduo pulsu tussedinis hiulci, pectora copulae sparteae tritura continua ·exulcerati, costas perpetua castigatione ossium tenus renudati, ungulas multivia circumcursione in enorme vestigium porrecti totumque corium veterno atque scabiosa macie exasperati. T alis familiae funestum mihi etiam metuens exemplum veterisque Lucii fortunam recordatus et ad ultimam salutis metam detrusus summisso capite maerebam. nec ullum uspiam cruciabilis vitae solacium aderat, nisi quod ingenita mihi curiositate recreabar, dum praesentiam meam parvi facientes libere, quae volunt, omnes et agunt et loquuntur. nec immerite priscae poeticae divinus auctor apud Graios summae prudentiae virum monstrare cupiens multarum civitatium obitu et variarum populorum cognitu summas adeptum virtutes cecinit. nam et ipse gratas gratias asino meo memini, quod me suo celatum tegmine variisque fortunis exercitatum, etsi minus prudentem, multiscium reddidit. 14
Fabulam denique bonam prae ceteris, suave comptam
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Fabrikbetrieb mit einem gewissen Vergnügen ansah. Guter Gott, was gab es da für Kreaturen! Die ganze Haut mit blauen Striemen gezeichnet, den verprügelten Rücken mit ein paar verschlissenen Fetzen mehr betupft als bedeckt, einige nur mit einem winzigen Lendenschurz, - alle jedenfalls so angezogen, daß die Knochen durch die Lumpen zu sehen waren! Die Stirn gezeichnet, der Kopf halbrasiert, die Füße beringt: weiter, von Geisterblässe entstellt, die Lider vom Qualm und Dunst in der Stockfinsternis entzündet bis zur Trübung des Augenlichts; und wie Boxer, die sich zum Kampf mit einer Sandkruste pudern, alle vom Mehlstaub schmutzigweiß I Und erst meine Arbeitskameraden, was oder wie soll ich da berichten? Was waren das für uralte Maulesel oder klapperige Gäule! Da standen sie um die Krippe, steckten die Köpfe hinein und kauten ihre Häckselportion: die Nacken von eiternder Wundfäule geschwollen, die schlaffen Nüstern von dauernden Hustenstößen geweitet, die Brust voller Schwären von dem unablässig reibenden Gurtband, die Rippen von lauter Prügeln bis auf die Knochen entblößt, die Hufe vom endlosen Herumrennen ungeheuerlich verklumpt und das ganze Fell starrend von Schmutzkruste, Räude und Dürre! Da ich das traurige Beispiel dieser Gesellschaft auch für mich fürchtete, an mein früheres Glück als Lucius dachte und mich an den Rand des Verderbens gestoßen sah, ließ ich trübsinnig den Kopf hängen. Kein bißeben Entschädigung gab es für das qualvolle Leben, außer daß ich mit meiner angeborenen Neugier auf die Kosten kam, wo alle, ohne meine Anwesenheit zu beachten, frei nach Herzenslust handelten und sprachen. Mit Recht hat der alte göttliche Meisterdichter bei den Griechen, als er einen besonders klugen Mann bezeichnen wollte, in seinem Lied gesagt, daß er es durch den Besuch vieler Städte und durch Bekanntschaft mit mancherlei Völkern zu hoher Könnerschaft gebracht habe. Ich weiß nämlich auch selbst meiner Eselshaut herzlichen Dank, daß sie mir, als ich in ihr steckte und mancherlei Abenteuern ausgesetzt war, kaum Zuwachs an Gescheitheit, aber reiche Kenntnisse vermittelt hat. Also habe ich mir gedacht, euch eine überaus hübsche und sich
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ad auris vestras adferre decrevi; et en occipio:
Pistor ille, qui me pretio suum fecerat, bonus alioquin vir et adprime modestus, pessimam et ante cunctas mulieres longe deterrimam sortitus coniugam poenas extremas tori larisque sustinebat, ut hercules eius vicem ego quoque tacitus frequenter ingemescerem. nec enim vel unum vitium nequissimae illi feminae deerat, sed omnia prorsus, ut in quandam caenosam latrinam, in eius animum flagitia confluxerant: saeva scaeva, virosa ebriosa, pervicax pertinax, in rapinis turpibus avara, in sumptibus foedis profusa, inimica fidei, hostis pudicitiae. tune spretis atque calcatis divinis numinibus in vicem certae religionis mentita sacrilega praesumptione dei, quem praedicaret unicum, confictis observationibus vacuis fallens omnes homines et miserum mariturn decipiens matutino mero et continuo stupro corpus manciparat.
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Talis illa mulier miro me persequebatur odio. nam et antelucio recubans adhuc subiungi machinae novicium clamabat asinum et statim, ut cubiculo primum processerat, insistens iubebat incoram sui plagas mihi quam plurimas irrogari, et cum tempestivo prandio laxarentur iumenta cetera, longe tardius applicari praesepio iubebat.
Quae saevitia multo mihi magis genuinam curiositatem in suos mores ampliaverat. nam et adsiduo plane commeantem in eius cubiculum quendam sentiebam iuvenem, cuius et fadem videre cupiebam ex summo studio, si tarnen velamentum capitis libertatem tribuisset meis aliquando luminibus. nec enim mihi sollertia defuisset ad detegenda quoquo modo pessimae feminae flagitia. Sed anus quaedam stuprorum sequestra et adultero-
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reizend ausnehmende Geschichte zu Gehör zu bringen, und hebe hiermit an: Jener Müller, der mich um Geld erworben hatte, war sonst ein guter und ausgesprochen anständiger Mann, hatte aber eine Frau erwischt, die sehr böse und mit Abstand vor allen anderen ein Schandweib war; Tag und Nacht hatte er so unglaublich zu leiden, daß weiß Gott an seiner Stelle auch ich oft still aufseufzte. Diesem Weibsluder fehlte nämlich auch nicht ein Laster, sondern wirklich alle Sünden waren wie in einer Abwässergrube in ihrem Wesen zusammengeflossen: herrisch und närrisch, verhurt und versoffen, stur und starrköpfig, habgierig im schnöden Wegnehmen, hemmungslos im liederlichen Ausgeben, dem Anstand nicht freund, der Sittsamkeit feind. Dazu verschmähte und verhöhnte sie die heiligen Götter und machte sich statt eines festen Glaubens eine lästerlich erfundene Vorstellung von einem einigen Gott als Bekenntnis zurecht; indem sie einen Unfug von Vorschriften vorgab, bluffte sie alle Leute und hinterging ihren armen Mann, wenn sie sich schon am frühen Morgen dem klaren Wein und unentwegter Unzucht ergeben hatte. Eben dies Weib war mit e{genartigem Haß hinter mir her: schon vor Sonnenaufgang, wenn sie noch im Bett lag, rief sie, man solle den neu angekommenen Esel an die Maschine schirren; kaum war sie aus ihrem Zimmer erschienen, so fuhr sie los und ließ mir in ihrer Gegenwart möglichst viele Schläge verabreichen; und wenn es zum Frühstück an der Zeit war und die übrigen Arbeitstiere ausgespannt wurden, hieß es bei mir: ,Nur nicht so schnell an die Krippe binden!' Diese Bosheit hatte meine natürliche Neugierde auf ihre Angewohnheiten um ein Vielfaches gesteigert. So merkte ich, wie ganz ungeniert ein junger Mann in ihrem Zimmer aus- und einging, dem ich gar zu gern auch ins Gesicht sehen wollte, wenn mir nur freilich meine Kopfhülle einmal die Augen freigegeben hätte. Denn es würde mir nicht an Geschick gefehlt haben, die Sünden des Weibsteufels so oder so aufzudecken. Aber eine Alte war als Kupplerin und Vermittlerio zwischen
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rum internuntia de die cotidie ins·eparabilis aderat. cum qua protinus ientaculo ac dehinc vino mero mutuis vicibus velitata scaenas fraudulentas in exitium miserrimi mariti subdolis ambagibus construebat. At ego, quanquam graviter suscensus errori Photidis, quae me, dum avem fabricat, perfecit asinum, isto tarnen vel unico solacio aerumnabilis deformitatis meae recreabar, quod auribus grandissimis praeditus cuncta. longule etiam dissita facillime sentiebam.
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Denique die quadam timidae illius aniculae sermo talis meas adfertur auris : «De isto quidem, mi erilis, tecum ipsa videris, quem sine meo consilio pigrum et formidulosum familiarem istum sortita es, qui insuavis et odiosi mariti tui caperratum supereiHum ignaviter perhorrescit ac per hoc amoris languidi desidia tuos volentes amplexus discruciat. quanto melior Philesitherus adulescens et formonsus et liberalis et strenuus et contra maritorum inefficaces diligentias constantissimus. dignus hercules solus omnium matronarum deliciis perfrui, dignus solus coronam auream capite gestare vel ob unicum istud, quod nunc nuper · in quendam zelotypum mariturn eximio studio commentus est. audi denique et amatorum diversum ingenium compara: 17
Nosti quendam Barbarum nostrae civitatis decurionem, quem Scorpionem prae morum acritudine vulgus appellat. hic uxorem generosam et eximia formositate praeditam mira custodela munitarn domi suae quam cautissime cohibebat.>> Ad haec ultima pistoris illa uxor subiciens «Quidni?», inquit, «novi diligenter. Aretem meam condiscipulam memoras.» <<Ergo», inquit anus, «nosti totam Philesitheri et ipsius fabulam?» <<Minime gentium», inquit, «sed nosse valde cupio et oro, mater, ordine mihi singula
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den Ehebrechern täglich votn frühen Morgen unzertrennlich dabei. Mit ihr entwarf sie gleich beim ersten Imbiß und dann beim klaren Wein Zug um Zug ihre Betrugskomödie, mit der sie ihren armen Mann listig an der Nase herumführte. Ich meinerseits hatte wohl einen schweren Zorn wegen des Versehens meiner Photis, die einen Vogel aus mir machen wollte und dabei einen Esel zustande brachte; aber meine lästige Entstellung hatte doch wenigstens den einen angeneh~ men Trost, daß ich mit gewaltigen Ohren ausgestattet war und daher alles, auch was in weiterer Entfernung hingeworfen wurde, ganz leicht vernahm. So dringen denn eines Tages etwa folgende Worte jener alten Duckmäuseein zu meinen Ohren: .. Mit dem da mußt du selbst zusehen, meine Gnädigste, den du dir ohne mein Zutun zugelegt hast! Ein langsamer und ängst~ licher Hausfreund, der feige zusammenfährt, wenn dein un~ ausstehliebes Ekel von Mann mit der Wimper zuckt, und der darum mit seiner lahmen, müden Liebe deine heißen Um~ armungen zur Qual macht! Wieviel besser der junge Philesi~ therus: hübsch und großzügig und forsch und sehr beherzt, um die Vorkehrungen der Ehemänner um ihre Wirkung zu bringen! Nur er unter allen verdient es, weiß Gott, Frauen~ reize zu genießen, nur er verdient es, eine goldene Krone auf dem Kopf zu, tragen, schon einzig deswegen, weil er jetzt kürz~ lieh einen eifersüchtigen Ehemann mit besonderer Bravour her~ eingelegt hat. Höre also und vergleiche die verschiedene Bega~ bung der Liebhaber: Du kennst einen gewissen Barbarus von unserem Stadtrat, den die Leute wegen seines stechenden Wesens den Skorpion 11ennen. Der hielt seine Frau, die aus guter Familie und von ausneh~ mender Schönheit war, unter dem Schutz einer ungewöhnlich scharfen Aufsicht daheim auf das sorglichste eingesperrt." Da versetzt dieser Ausbund von einer Müllersfrau: "Natür~ lieh, kenne ich genau! Die Arete meinst du, meine Schulfreun~ din." .. Also", sprach die Alte, "kennst du auch die ganze Ge~ schichte von Philesitherus und ihr?" "Keine Spur", sagte sie, "aber ich möchte sie sehr gern kennenlernen und bitte dich, gutes altes Herz: erzähl sie mir der Reihe nach mit allen
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retexe.» nec eommorata illa sermocinatrix inmodica sie anus incipit: «Barbarus iste eum neeessariam profeetionem pararet pudicitiamque earae eoniugis eonservare summa diligentia euperet, servulum suum Myrmeeem fidelitate praecipua eognitum seereto eommonet suaeque dominae eustodelam omnem permittit eareerem et perpetua vineula, mortem denique violentarn de fame eomminatus, si quisquam hominum vel in transitu digito tenus eam contigisset, idque deierans etiam eonfirmat per omnia divina numina. ergo igitur summe pavore pereulsum Myrmeeem aeerrimum relinquens uxori seeutorem seeuram dirigit profeetionem. Tune obstinateanimovehementer anxius Myrmex nee usquam dominam suam progredi sinebat et lanificio domestieo districtam inseparabilis adsidebat ae tantum neeessario vespertini lavaeri progressu adfixus atque eonglutinatus extremas manu prendens lacinias mira sagacitate eommissae provinciae fidem tuebatur.
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Sed ardentem Philesitheri vigilantiam matronae nobilis pulchritudo latere non potuit. atque hae ipsa potissimum famosa eastitate et insignis tutelae nimietate instinetus atque inflammatus quidvis faeere, quidvis pati paratus ad expugnandam tenaeem domus disciplinam totis aecingitur viribus. eertusque fragilitatis humanae fidei et quod peeuniae eunetae sint diffieultates perviae auroque soleant adamantinae etiam perfringi fores, opportune nanetus Myrmecis solitatem ei amorem suum aperit et supplex eum medellam cruciatui depreeatur. nam sibi statutam deeretamque mortem proximare, ni maturius cupito potiatur; nec eum tarnen quicquam in re facili formidare debere, quippe cum vespera solus fide tenebrarum conteetus atque absconditus introrepere et intra momentum
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Einzelheiten wieder!" Und ohne Umstände hebt die unerschöpfliche alte Klatschbase an: .. Dieser Barbarus hatte eine notwendige Reise vor, und da er die Keuschheit seiner teuren Gattin mit aller Sorgfalt zu bewahren wünschte, so nahm er seinen als besonders treu bewährten jungen Diener Myrmex auf ein ernstes Wort beiseite und befahl ihm die eigene Herrin in volle Obhut. Er droht mit Kerker und ewigen Ketten, schließlich noch mit gewaltsamem Hungertod, wenn jemand auf der Welt sie auch nur im Vorübergehen mit der Fingerspitze berühre, und bekräftigt das mit einem Schwur bei allen Himmelsmächten. So läßt er also den ganz verdatterten Myrmex als Aufpasser an der Seite seiner Frau zurück und tritt beruhigt seine Reise an. Jetzt ließ Myrmex in seiner Todesangst starrsinnig seine Herrin nirgendwohin ausgehen, und wenn sie mit häuslicher Wollarbeit beschäftigt war, saß er unzertrennlich bei ihr. und bei dem unvermeidlichen Abendausgang zum Bad blieb er mit ihrem Gewandzipfel in der Hand klettengleich an ihrer Seite. So wurde er mit erstaunlichem Geschick der ihm übertragenen Aufgabe gerecht. Aber dem Philesitherus und seinen glühend wachen Augen konnte die Schönheit der vornehmen Dame nicht verborgen bleiben. Und gerade die gerühmte Keuschheit und die auffallende Übertriebenheit der Obhut setzten ihn erst recht in Feuer und Flamme; bereit, alles zu tun und alles zu leiden, geht er mit ganzen Kräften daran, die zähe Zucht des Hauses im Sturm zu nehmen. Er ist überzeugt von dem Wankelmut des menschlichen Charakters und davon, daß Geld durch alle Schwierigkeiten führt und daß man mit Gold selbst Stahltüren sprengt. Als er also in einem günstigen Augenblick Myrmex allein antrifft, eröffnet er ihm seine Liebe und bittet ihn flehentlich um Abhilfe für seine Qual: sein naher Tod sei beschlossene Sache, wenn er nicht schnellstens seinen Wunsch erfüllt bekomme. Dabei brauche der andere in einem so einfachen Fall nichts zu befürchten; er könne ja am Abend allein, im Schutz der Dunkelheit vollkommen unsichtbar, hinein-
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temporis remeare posset. his et huiusee modi suadelis validum addebat euneum, qui rigentem prorsus servi tenacitatem violenter diffinderet; porreeta enim manu sua demonstrat ei novitate nimia eandentes solidos aureos, quorum viginti quidem puellae destinasset, ipsi vero deeem libenter offerret.
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Exhorruit Myrmex inauditum facinus et oeclusis auribus effugit protinus. nee auri tarnen splendor flammeus oeulos ipsius exire potuit, sed quam proeul semotus et domum eeleri gradu perveetus videbat tarnen deeora illa monetae Iumina et opulentam praedam iam tenebat animo miroque mentis salo et eogitationum dissensione misellus in diversas sententias earpebatur ae distrahebatur:· illic fides, hic luerum, illic eruciatus, hic voluptas. ad postremum tarnen formidinem mortis vicit aurum. nee saltem spatio eupido formonsae peeuniae leniebatur, sed noetumas etiam euras invaserat pestilens avaritia, ut, quamvis erilis eum eomminatio domi eohiberet, aurum tarnen foras evoearet. tune devorato pudore et dimota eunetatione sie ad aures dominae mandatum perfert. nee a genuina levitate descivit mulier, sed exeerando metallo pudicitiam suam protinus auetorata est. ita gaudio perfusus (advolat) ad suae fidei praecipitium Myrmex non modo eapere, verum saltem eontingere, quam exitio suo viderat, peeuniam eupiens et magnis suis laboribus perfeeturn desiderium Philesithero laetitia percitus nuntiat statimque destinatum praemium reposcit et tenet nummos aureos manus Myrmecis, quae nee aereos norat.
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Iamque noete promota solum perdueit ad domum probeque eapite eonteetum amatorem strenuum infert adusque dominae eubiculum.
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schleichen und im Augenblid< wieder auf- und davongehen. Auf diese und derlei Überredungskünste setzte er einen kräfti,gen Keil, der die ungernein starre Zähigkeit des Sklaven mit Gewalt spalten sollte: er streckt seine Hand hin und zeigt ihm funkelnagelneue Goldstücke, von denen er zwanzig für die junge Frau bestimmt habe, ihm selbst aber gern zehn anbiete. Myrrnex schauderte es vor einer so unerhörten Schandtat, er hielt sich die Ohren zu und lief auf der Stelle davon. Aber ihm konnte der flimmernde Goldglanz nicht aus den Augen kommen: auch aus weitester Entfernung und wiewohl er schnurstracks nach Hause gerannt war, sah er doch den schönen Schimmer der Münzen und hatte sich in Gedanken schon die reiche Beute gesichert. Wie ein, Mühlrad ging es ihm im Kopf herum, und der Widerstreit der Gedanken zog und zerrte den Armen bald zu dieser, bald zu jener Meinung: dort Ehrlichkeit, hier Gewinn, dort Folter, hier Vergnügen. Aber zu guter Letzt siegte das Gold über die Todesangst, und auch die Zeit linderte die Begierde nach dem wundervollen Geld keineswegs; vielmehr hatte sich unter die Sorgen, die ihn nachts bedrückten, auch schändliche Habsucht eingemengt, so daß ihn wohl die Drohung seines Herrn zuhause hielt, das Gold aber hinausrief. Da würgt er sein Schamgefühl hinunter, räumt die Hemmungen beiseite und bringt so seinen Auftrag der Herrin zu Gehör. Und das Weib blieb der Leichtfertigkeit ihres Geschlechts treu und verkaufte ohne Aufheben ihre Keuschheit um schnöden Mammon! So fliegt denn Myrrnex in überströmender Freude los, um seiner Ehrlichkeit einen Fußtritt zu geben, und will das Geld, das er zu seinem Unglück gesehen hat, nicht sowohl einstecken als wenigstens berühren; in froher Erregung verkündet er dem Philesitherus, mit vieler Mühe habe er seinen Wunsch durchgesetzt, und fordert sogleich den festgesetzten Lohn. Da hält nun Myrrnex Goldstücke in der Hand und hatte bisher keine Kupferpfennige gekannt! Als die Nacht schon vorgerückt ist, geleitet er den forschen Galan allein zum Haus hin und bringt ihn mit tüchtig verhülltem Kopf bis ins Schlafzimmer seiner Herrin.
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Commodum novis amplexibus Amori rudi litabant, commodum prima stipendia Veneri militabant nudi milites, et contra omnium opinionem captata noctis opportunitate improvisus maritus adsistit suae domus ianuam. iam pulsat, iam clamat, iam saxo fores verberat et ipsa tarditate magis magisque suspectus dira comminatur Myrmeci supplicia. at ille repentino malo perturbatus et misera trepidatione ad inopiam consilii deductus, quod solum poterat, nocturnas tenebras sibi causabatur obsistere, quin clavem curiose absconditam repperiret. interdum Philesitherus cognito strepitu raptim tunicam iniectus, sed plane prae turbatione pedibus intectis procurrit cubiculo. tune Myrmex tandem clave pessulis subiecta repand.it tores et recipit etiam tune fidem deum boantem dominum eoque propere cubiculum petente clandestino transcursu dimittit Philesitherum. quo iam pro limine liberato securus sui clausa domo rursum se reddidit quieti. 21
Sed dum prima luce Barbarus procedit cubiculo, videt sub lectulo soleas incognitas, quibus inductus Philesitherus inrepserat, suspectisque e re nata quae gesta sunt, non uxori, non ulli familiarium cordolio patefacto, sublatis iis et in sinum furtim absconditis, iusso tantum Myrmece per conservos vincto forum versus adtrahi, tacitos secum mugitus iterans rapidum dirigit gressum, certus solearum indicio vestigium adulteri posse se perfacHe indipisci.
Sed ecce per plateam dum Barbarus vultu turgido subductisque superciliis incedit iratus ac pone eum Myrmex vinculis obrutus, non quidem coram noxae prehensus, conscientia tarnen pessima permixtus lacrimis uberi-
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Eben kosteten sie mit der ersten Umarmung ungekannte Liebesfreuden, eben gingen sie zum erstenmal als nackte Kämpfer für Venus ins Gefecht: da kommt gegen die allgemeine Erwartung, gern die gelegene Nachtzeit benutzend, unversehens der Gemahl vor seine Haustür. Er klopft, er ruft, er trommelt mit einem Stein an das Tor, und da ihn eben das Warten mehr und mehr argwöhnisch macht, so flucht und droht er dem Myrmex den Tod an seinen Hals. Der sah sich von dem plötzlichen Malheur in Bestürzung und von erbärmlicher Angst in Ratlosigkeit versetzt und gab zur Entschuldigung an - was konnte er sonst tun? -, die Nachtfinsternis sei schuld, daß er den sorgfältig versteckten Schlüssel nicht finde. Inzwischen hat Philesitherus den Lärm bemerkt, schnell sein Hemd übergeworfen und stürzt, freilich in der Aufregung mit bloßen Füßen, aus dem Schlafzimmer. Da schiebt Myrmex endlich den Schlüssel unter die Riegel, öffnet die Tür und empfängt seinen Herrn, der immer noch brüllt, das sei bei Gott unerhört; und während der Mann ins Schlafzimmer eilt, schleust er den Philesitherus heimlich hinaus. Als der über die Schwelle und im Freien war, verschloß er seelenruhig das Haus und legte sich wieder schlafen. Als aber Barbarus bei Tagesanbruch aus dem Schlafzimmer geht, sieht er unter dem Bett ein Paar unbekannte Sandalen Philesitherus hatte sie angehabt, als er hereinschlich - und denkt sich nach Lage der Dinge, was geschehen ist. Er weiht weder seine Frau noch irgendeinen vom Personal in sein Geheimnis ein, sondern hebt sie auf und steckt sie unauffällig in seine Tasche. Dann gibt er Anweisung, Myrmex solle von seinen Mitsklaven gefesselt und vor Gericht geschleppt werden, und macht sich, immer still vor sich hinstöhnend, mit raschen Schritten auf den Weg. Er zweifelt nicht, mit den Sandalen als Beweisstück dem Ehebrecher kinderleicht auf die Spur kommen zu können. Aber stell dir vor: eben geht Barbarus mit geschwollenen Adern und gerunzelten Brauen zornig die Straße entlang und hinter ihm in schweren Ketten Myrmex, der zwar nicht auf frischer Tat ertappt, aber doch von seinem elendigen Gewissen durch-
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bus ac postremis lamentationibus inefficacem commovet miserationem, opportune Philesitherus occurrens, quanquam diverso quodam negotio destinatus, repentina tarnen facie permotus - non enim deterritus - recolens festinationis suae delictum ac cetera consequenter suspicatus sagaciter extemplo sumpta familiari' constantia dimotis servulis invadit cum summo clamore Myrmecem p.ugnisque malas eius clementer obtundens «At te», inquit, «nequissimum et periurum caput, dominus iste tuus et cuncta caeli numina, quae deierando temere devocasti, pessimum pessime perduint, qui de balneis soleas hesterna die mihi furatus es. dignus, hercules, dignus, qui et ista vincula conteras et insuper carceris etiam tenebras perferas.>>
Hac opportuna fallacia vigorati iuvenis inductus, immo sublatus et ad credulitatem delapsus Barbarus postliminio domum regressus vocato Myrmece soleas illas offerens et ignovit ex animo et, uti domino redderet, cui surripuerat, suasit.»
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Hactenus adhuc anicula garriente suscipit mulier: «Beatam illam, quae tam constantis sodalis libertate fruitur. at ego misella molae etiam sonum et ecce illius scabiosi asini faciem timentern familiarem incidi.>> Ad haec anus: «lam tibi ego probe suasum et confirmatum animi amatorem illum alacrem vadimonium sistam.,. et insuper condicta vespertina regressione cubiculo facessit. At pudica uxor statim cenas saliares comparat, vina pretiosa defaecat, pulmenta recentia tuccetis temperat. mensa largiter instructa denique, ut dei cuiusdam adventus, sie expectatur adulteri. nam et opportune maritus
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einandergebracht ist und unter Tränenströmen und endlosen Klagen vergeblich Mitleid zu erregen sucht. Da kommt zum Glück Philesitherus des Wegs, ist wohl von einem anderen Geschäft beansprucht, wird aber doch von dem unerwarteten Anblick in Bestürzung versetzt, keineswegs freilich aus der Fassung gebracht. Ihm fällt der Fehler ein, den er in der Eile gemacht hat, und er folgert mit findigem Scharfsinn das Weitere. Augenblicklich faßt er sich wie immer ein Herz, schiebt die Dienstleute beiseite, dringt mit lautem Schreien auf Myrmex ein, versetzt ihm einen gelinden Schlag gegen die Kinnladen und ruft: "Na, du Schuft und Lügenmaul, dein Herr da und alle Himmelsgei~ter, die du für deinen frechen Meineid heruntergerufen hast, sollen dir Bösewicht böse mitspielen, weil du mir gestern im Bad meine Sandalen gestohlen hastl Du verdienst es, verdienst es weiß Gott, dich an diesen Ketten wundzureiben und obendrein einen finsteren Kerker hinzunehmen!" Von dieser geschickten Finte des schneidigen jungen Mannes gefangen, nein, aus dem Sattel gehoben und in leichten Glauben purzelnd, machte Barbarus kehrt und schritt wieder heim. Dann ließ er Myrmex kommen, reichte ihm die Sandalen, verzieh ihm von Herzen und empfahl ihm, sie dem Herrn zurückzugeben, dem er sie entwendet hatte." Während die Alte noch soweit daherschwatzt, versetzt das Weib: .. Die hats gut, die mit einem so beherzten Mann frei verkehren darf! Aber ich armes Ding bin auf einen Hausfreund hereingefallen, der sich sogar fürchtet, wenn er die Mühle hört und den räudigen Esel da sieht!" Darauf die Alte: "Jetzt will ich jenem munteren Liebhaber tüchtig zureden und Mut machen, um ihn dir zur Verfügung zu stellen." Damit verspricht sie noch, abends wiederzukommen, und macht sich aus dem Zimmer. Die keusche Gattin aber bereitet sogleich ein Festessen, klärt kostbare Weine, richtet frische Filets für Rouladen her. Bei reich bestellter Tafel erwartet sie nun den Ehebrecher, als erschiene ein Gott. Es traf sich nämlich gut, daß ihr Mann aus-
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foris apud naccam proximum cenitabat. Ergo igitur metis die propinquante helcio tandem absolutus refectuique secure redditus non tarn hercules laboris libertatem gratulabar quam quod revelatis luminibus libere iam cunctas facinorosae mulieris artes prospectare poteram. Sol ipsum quidem delapsus oceanum subterrenas orbis plagas inluminabat, et ecce nequissimae anus adhaerens lateri temerarius adulter adventat, puer admodum et adhuc lubrico genarum splendore conspicuus, adhuc adulteras ipse delectans. hunc multis admodum saviis exceptum mulier cenam iubet paratarn adcumbere.
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Sed ut primum occursoriam potionem et inchoatum gustum extremis labiis contingebat adulescens, multo celerius opinione rediens maritus adventat. tune uxor egregia diras devotiones in eum deprecata et crurum ei fragium amborum ominata exsangui formidine trepidantem adulterum alveo ligneo, quo frumenta confusa purgari consuerant, temere propter iacenti suppositum abscondit, ingenitaque astutia dissimulato tanto flagitio intrepidum mentita vultum percontatur de marito, cur utique contubernalis artissimi deserta cenula praematurus adforet. At ille dolenti prorsus animo suspirans adsidue «Nefarium,., inquit, «et extremum facinus perditae feminae tolerare nequiens fuga me proripui. hem, qualis, dii boni, matrona, quam fida quamque sobria turpissimo se dedecore foedavit. iuro per istam ego sanctam Cererem me nunc etiam meis oculis de tali muliere minus credere.,. His instincta verbis mariti audacissima uxor noscendae rei cupiens non cessat obtundere, totam prorsus a principio fabulam promeret, nec destitit, donec eius voluntati
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wärts bei dem Walker nebenan speiste. Als sich nun also der Tag seinem Ende zuneigte und ich mich endlich ohne Kummet wieder sorglos erholen konnte, begrüßte ich wahrhaftig nicht so sehr die Erlösung von der Arbeit als ich mich freute, jetzt mit befreiten Augen nach Herzenslust allen Künsten des Weibsluders zuschauen zu können. Die Sonne war schon in den Ozean gesunken und beleuchtete die Weltteile unter dem Horizont: schau her, da kommt, eng an die alte Sünderin geduckt, der freche Ehebrecher, ein Bursche nur eben, mit noch auffallend glatten, glänzenden Wangen, noch selbst ein Vergnügen für Lüstlinge! Den empfängt das Weib mit lauter Küssen und heißt ihn sich zum fertigen Tisd1 legen. Aber wie der junge Mann gerade eben den Willkommtrunk und die Vorspeise mit dem Lippenrand berührte, kommt viel schneller als vermutet der heimkehrende Gemahl daher. Da fluchte die treffliche Gattin Tod und Teufel auf ihn herab und wünschte ihm, er solle sich beide Beine brechen. Aber den kreidebleichen und angstschlotternden Ehebrecher versteckte sie unter einer Holzmulde, in der man Körnergemengsel zu worfeln pflegte und die zufällig herumstand. Pfiffig wie stets läßt sie sich von dem üblen Streich nichts merken, setzt ein unbefangenes Gesicht auf und fragt ihren Mann, warum er eigentlich das gemütliche Essen bei seinem Busenfreund verlassen habe und vorzeitig da sei. Aber er sprach mit wirklich bekümmertem Herzen und beständigem Seufzen: "Ich konnte das schändliche und beispiellose Verbrechen dieses verworfenen Weibes nicht ertragen und bin fluchtartig fortgestürzt. Ach guter Gott, so eine solide Frau, so treu und so keusch, hat sich mit schändlicher Schmach besudelt! Ich schwöre bei der heiligen Ceres hier, ich würde es noch jetzt mit eigenen Augen bei so einer Frau kaum glauben!" Diese Worte ihres Mannes lassen das freche Weib aufhorchen, und weil sie die Sache erfahren möchte, hört sie nicht auf, ihm zuzusetzen, er solle mit der ganzen Geschichte völlig von Anfang an herausrücken. Und sie gab keine Ruhe, bis der
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succubuit maritus et sie ignarus suorum domus alienae percenset infortunium: 24
«Contubernalis mei fullonis uxor alioquin servati pudoris, ut videbatur, femina, quae semper secundo rumore gloriosa larem mariti pudice gubernabat, occulta libidine prorumpit in adulterum quempiam. cumque furtivos amplexus obiret adsidue, ipso illo denique momento, quo nos lauti cenam petebamus, cum eodem illo iuvene miscebatur in venerem. ergo nostra repente turbata praesentia, subitario ducta consilio eundem illum subiectum contegit viminea cavea, quae fustium flexu tereti in rectum aggerata cumulum lacinias circumdatas suffita candido fumo sulpuris inalbabat. eoque iam, ut sibi videbatur, tutissime celato mensam nobiscum secura participat. Interdum acerrimo gravique odore sulpuris iuvenis inescatus atque obnubilatus intercluso spiritu dif~luebat; utque est ingenium vivacis metalli, crebras ei sternutationes commovebat. Atque ut primum e regione mulieris pone tergum eius maritus acceperat sonum sternutationis, quod enim putaret ab ea profectum, solito serrnone salutem ei fuerat imprecatus et iterato rursum et frequentato saepius, donec rei nimietate commotus, quod res erat, tandem suspicatur. et impulsa mensa protinus remotaque cavea producit hominem crebros anhelitus aegre reflantem inflammatusque indignatione coiitumeliae gladium flagitans iugulare moriturum gestiebat, ni respecto communi periculo vix eum ab impetu furioso cohibuissem adseverans brevi absque noxa nostri suapte inimicum eius violentia sulpuris periturum. nec suadela mea, sed ipsius rei ne-
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Mann sich ihrem Wunsch fügte und so, ohne Ahnung von seiner eigenen Lage, das Unglück eines fremden Hauses durchnimmt: "Die Frau des Walkers, meines Kameraden, sonst anscheinend ein Weib, das seine Keuschheit wahrte, stets guten Leumund genoß und das Hauswesen ihres Mannes mit Anstand verwaltete, verfiel in geheimer Leidenschaft einem Ehebrecher. Immerfort lag sie heimlich in seinen Armen. So kam es, daß sie gerade in dem Augenblick, als wir nach dem Bad zum Essen kamen, mit demselben jungen Mann Umgang pflog. Unser Erscheinen gibt ihr nun plötzlich einen Schreck, und sie versteckt eben jenen Mann, einer augenblicklichen Eingebung folgend, unter einem Käfig aus Weidengeflecht, der als konvexe Halbkugel aus glatten, gebogenen Ruten bestand und, unter weißen Schwefeldampf gesetzt, zum Bkichen der Wäsche diente, die ringsherum aufgehängt war. Als er nun, wie sie glaubte, in ganz sicherem Versteck ist, setzt sie sich ruhig mit uns zu Tisch. Inzwischen mußte der junge Mann den beißenden, dicken Schwefelgestank schlucken, bekam, eingenebelt wie er war, keine Luft mehr und wollte schier zerfließen; und wie es die Eigenschaft dieses Minerals ist, wenn es brennt, verursachte es ihm ständigen Niesreiz. Wie nun dem Ehemann zum erstenmal aus der Richtung der Frau hinter ihrem Rücken das Geräusch des Niesens zu Ohren gedrungen war, hatte er ihr im Glauben, es komme von ihr, mit der üblichen Redewendung "Zum Wohl!" gewünscht; als es sich wiederholte, nochmals, und als es häufiger wurde, ein paarmal, bis ihn die Heftigkeit des Falls stutzig macht und endlich argwöhnen läßt, was los ist. Sogleich stößt er den Tisch fort, rückt den Käfig weg und zieht den Kerl hervor, der in einem fort japste und kaum schnaufen konnte. In flammender Entrüstung über die Schmach rief er nach einem Schwert und wollte den Todeskandidaten erstechen; mit Müh und Not konnte ich ihn - mir stand die Gefahr für alle vor Augen - von seinem rasenden Beginnen abbringen, indem ich ihm versicherte, ein Weilchen noch und sein Nebenbuhler werde ohne Schuld unsererseits von selbst an der heftigen Wirkung des Schwefels draufgehen. Er läßt sich nicht so
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cessitate lenitus quippe iam semtvtvum illum in proxi~ mum deportat angiportum. turn uxorem eius tacite suasi ac denique persuasi, secederet paululum atque ultra limen tabernae ad quampiam tantisper (deverteret) fa~ miliarem sibi mulierem, quoad spatio fervens mariti sedaretur animus, qui tanto calore tantaque rabie percul~ sus non erat dubius aliquid etiam de se suaque coniuge tristius profecto cogitare. talium contubernalis epularum taedio fugatus larem reveni meum. »
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Haec recensente pistore iam dudum procax et temera~ ria mulier verbis execrantibus fullonis illius detestabatur uxorem: illam perfidam, illam impudicam, denique uni~ versi sexus grande dedecus, quae suo pudore postposito torique genialis calcato foedere larem mariti lupanari maculasset infamia iamque perdita nuptae dignitate pro~ stitutae sibi nomen adsciverit; addebat et talis oportere vivas exuri feminas. et tarnen taciti vulneris et suae sordidae conscientiae commonita, quo maturius stuprato~ rem suum tegminis cruciatu liberaret, identidem suade~ bat mariturn temperius quieti decedere. at ille utpote intercepta cena, profugus et prorsus ieiunus, mensam po~ tius comiter postulabat. adponebat ei propere quamvis invita mulier quippini destinatam alii.
Sed mihi penita carpebantur praecordia et praecedens facinus et praesentem deterrimae feminae constantiam cogitanti mecumque sedulo deliberabam, si quo modo possem detectis ac revelatis fraudibus auxilium meo perhibere do~ino illumque, qui ad instar testudinis al~ veum succubabat, depulso tegmine cunctis palam facere.
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s~hr durd:t meine Überredungskünste als durd:t die Zwangsläufigkeit der Sache selbst besänftigen und sd:tafft den Mann, der ohnedies sd:ton halbtot war, auf die näd:tste Gasse. Da habe id:t leise seine Frau beredet und sd:tließlich überredet, ein bißd:ten fortzugehen und weit weg von der Sd:twelle des Ladens bei irgend einer ihr befreundeten Frau so lange unterzusd:tlüpfen, bis sid:t mit der Zeit der komende Zorn ihres Mannes beruhige; der würde in seinem hitzigen Wutanfall, daran ließ er keinen Zweifel, aud1 bei sid:t und seiner Frau bestimmt et'was Unangenehmes im Sinne haben. Ich hatte von diesem Essen bei meinem Kameraden genug, nahm Reißaus und kehrte in mein Heim zurück."
Als der Müller dies erzählte, fiel das von jeher unversd:tämte und fred:te Weib mit Worten des Absd:teus über die Walkersfrau her: Die treulose Person, das sd:tamlose Wesen, ja, die Blamage des ganzen Gesd:tled:ttsl Ihre Keuschheit zu vergessen und den Bund der Ehegemeinsd:taft mit Füßen zu treten! Dem Heim ihres Gatten den Stempel eines verrufenen Bordells aufzudrücken! Jetzt sei es aus mit ihrer Würde als Ehefrau, den Hurennamen habe sie sid:t zugelegt! - Sie fügte nod:t hinzu, sold:te Weiber müsse man lebendig verbrennen. Aber trotzdem meldete sich mit heimlidlern Bohren ihr eigenes sd:twarzes Gewissen, und um ihren Liebhaber red:ttzeitig von der Qual seiner Sd:tutzhülle zu befreien, redete sie ihrem Mann immer wieder zu, möglid:tst früh sd:tlafen zu gehen. Aber der war ja von der gestörten Tafel davongelaufen und vollkommen nüd:ttern, verlangte also vielmehr freundlich etwas zu essen. Sd:tnell, wenn au
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Sie erili contumelia me cruciatum tandem caelestis respexit providentia. narn senex claudus, cui nostra tutela permissa fuerat, universa nos iumenta id hora iam postulante ad lacurn proximum bibendi causa gregatirn prominabat. quae res optatissimarn mihi vindictae subministravit occasionem. namque praetergrediens observatos extremos adulteri digitos, qui per angustias cavi tegminis prominebant, obliquata atque infesta ungula conpressos usque ad surnmam minutiern contero, donec intolerabili dolore commotus sublato flebili clamore repulsoque et abiecto alveo conspectui profano redditus scaenam propudiosae rnulieris patefecit. Nec tarnen pistor damno pudicitiae magnopere comrnotus exsangui pallore trepidantern puerum serena fronte et propitiata facie commulcens incipit: «Nihil triste de rne tibi, fili, rnetuas. non surn barbarus nec agresti morum squalore praeditus nec ad exemplurn naccinae truculentiae sulpuris te letali furno necabo ac ne iuris quidem severitate lege de adulteriis ad discrimen vocabo capitis tarn venusturn tarnque pulchellum puellurn, sed plane curn uxore rnea partiario tractabo. nec herciscundae farniliae, sed comrnuni dividundo formula dimicabo, ut sine ulla controversia vel dissensione tribus nobis in uno conveniat lectulo. narn et ipse semper curn rnea coniuge tarn concorditer vixi, ut ex secta prudentium eadem nobis arnbobus placerent. sed nec aequitas ipsa patitur habere plus auctoritatis uxorem quam mariturn.»
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Talis sermonis blanditie cavillaturn deducebat ad torum nolentem puerurn, sequentem tarnen. et pudicissima illa uxore alterorsus disclusa solus ipse curn puero cubans gratissima corruptarurn nuptiarum vindicta perfruebatur. Sed cum primum rota solis lucida diern peperit, vo-
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Während mir die Schmach m'eines Herrn solche Qualen bereitete, traf mich endlich ein wachsamer Blick des Himmels: Der lahme Alte, dem die Fürsorge für uns übertragen war, trieb uns Arbeitstiere, weil es dafür jetzt an der Zeit war, alle mit· einander als Herde zur Tränke im nahen Teich. Das gab mir eine sehr erwünschte Gelegenheit, mich zu revanchieren. Denn im Vorübergehen sehe ich, wie die Fingerspitzen des Ehebrechers aus der engen Glocke herausragen, drücke sie mit einem wohlgezielten seitlichen Huftritt zusammen und zermalme sie' zu Brei. In unerträglichem Schmerz erhob er ein Jammergeheut stieß die Mulde zurück und warf sie beiseite, zeigte sich so wieder der Öffentlichkeit und brachte die Komödie des schamlosen Weibes ans Licht. Aber der Müller nimmt sicQ den Ehrverlust nicht sonderlich zu Herzen, sondern wie der Knabe leichenblaß zittert, streichelt er ihn mit heiterer Stirn und freundlichem Gesicht und fängt an: "Du brauchst von mir nichts Schlimmes für dich zu fürchten, Kleiner! Ich bin kein Barbar, bin von ländlich-rauhen Sitten frei, will dich auch nicht wie der grimmige Walk~r mit giftigem Schwefeldampf ermorden. Ich will dich nicht einmal nach strengem Recht auf Grund des Paragraphen über Ehebruch vor Gericht zitieren, so ein nettes und adrettes Kerlchen, sondern will einfach mit meiner Frau bei dir halbpart machen. Statt im Sinne einer Gütertrennung will ich mich nach dem Verfahren gemeinsamer Nutzung auseinandersetzen, und wir wollen es uns also ohne allen Zank und Streit zu dritt in einem Bett bequem machen. Ich habe nämlich ohnehin stets mit meiner Frau so harmonisch gelebt, daß wir, wie es die Gelehrten vorschreiben, beide denselben Geschmack hatten. Aber es ist auch nicht einmal recht und billig, daß die Frau mehr zu bestimmen hat als der Mann." Mit solchen Artigkeiten verhöhnte er den Buben und führte ihn dann zum Bett; der wollte nicht, ging aber doch hinterdrein. Jetzt sperrte er das Muster einer keuschen Frau anderswohin aus, legte sich selbst allein zu dem Knaben und genoß die schönste Entschädigung für seine ver· dorbene Ehe. Sobald aber die leuchtende Sonnenscheibe den jungen Tag ge-
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catis duobus e familia validissimis quam altissime sublato puero ferula nates eius obverberans "Tu autem», inquit, «tarn mollis ac tener et admodum puer, defraudatis amatoribus aetatis tuae flore mulieres adpetis atque eas liberas et conubia lege sociata conrumpis et intempestivum tibi nomen adulteri vindicas?» his et pluri-_ bus verbis compellatum et insuper adfatim plagis castigatum forinsecus abicit. at ille adulterorum omnium fortissimus insperata potitus salute, tarnen nates candidas illas noctu diuque dirruptus maerens profugit. nec setius pistor ille nuntium remisit uxori eamque protinus de sua proturbavit domo.
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At illa praeter genuinam nequitiam contumelia etiam, quamvis iusta, tarnen altius commota atque exasperata ad armillum revertit et ad familiares feminarum artes accenditur magnaque cura requisitam veteratricem quandam feminam, quae devotionibus ac maleliciis quidvis efficere posse credebatur, multis exorat precibus multisque suffarcinat muneribus alterum de duobus postulans: vel rursum mltigato conciliari marito vel, si id nequiverit, certe larva vel aliquo diro numine immisso violenter eius expugnari spiritum. tune saga illa et divini potens primis adhuc armis facinorosae disciplinae suae velitatur et vehementer offensum mariti flectere atque in amorem impellere conatur animum. quae res cum ei sequius ac rata fuerat proveniret, indignata numinibus et praeter praemii destinatum compendium contemptione etiam stimulata ipsi iam miserrimi mariti incipit imminere capiti umbramque violenter peremptae mulieris ad exitium eius instigare.
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bracht hatte, rief er die zwei kräftigsten von seinen Leuten herbei, ließ den Burschen möglichst hoch aufheben und verprügelte ihm den Hintern mit einer Rute, indem er rief: "Was? Du, so ein Süßer und Hübscher und rid1tiger Fant, prellst deine Liebhaber um deine knusprigsten Jahre, machst dich an Weiber heran, dazu noch an freie, störst gesetzmäßig geschlossene Ehen und möchtest so früh schon den Ehebrecher spielen?" Mit diesen Worten und einigen mehr schimpft er ihn und verprügelt ihn obendrein zur Genüge mit tüchtigen Hieben, um ihn dann· zur Tür hinauszuwerfen. So kam der Herzenbrecher unverhofft davon, hatte man ihm auch in der Nacht und bei Tage den blanken Hintern gesprengt; kleinlaut machte er sich aus dem Staube. Gleichzeitig schickte der Müller seiner Frau den Scheidebrief und jagte sie holterdiepolter aus seinem Haus. Aber das Weib wird, abgesehen von der ihr eigenen Verworfenheit, noch durch die Schmach, so gerecht sie auch war, dennoch aufgewühlt und erbittert, verfällt daher wieder auf ihre alten Schliche und fängt Feuer für die Ränke des Weibergeschlechts. Mit großer Sorgfalt ermittelt sie so ein ausgekochtes Frauenzimmer, das in dem Rufe stand, es könne mit Beschwörungen und Zaubereien alles Beliebige zustande bringen. Mit .vielen Bitten liegt sie der Frau in den Ohren und spickt sie mit vielen Geschenken. Eins von beiden will sie haben: entweder möchte sie sich in Frieden wieder mit ihrem Mann aussöhnen, oder, wenn ihr das nicht möglich sei, solle ihn wenigstens ein Gespenst oder irgend ein Höllengeist überfallen und ihm gewaltsam das Leben nehmen. Jetzt beginnt das Weib, das eine Hexe war und magische Kräfte besaß, ein erstes Vorgeplänkel ihres Teufelshandwerks und versucht, den schwer gekränkten Gatten umzustimmen und verliebt zu machen. Als ihr das aber anders hinausging als sie gemeint hatte, bekam sie eine Wut auf die Zaubergeister und wurde, abgesehen von der festgesetzten Belohnungssumme, auch noch durch die Zurückweisung aufgebracht. So beginnt sie vollends das Leben des ärmsten Mannes zu bedrohen _und den Geist eines gewaltsam ermordeten Weibes zu seiner Vernichtung aufzuhetzen.
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Sed forsitan Ieetor scrupulosus reprehendens narratum meum sie argumentaberis: «Unde autem tu, astutule asine, intra terminos pistrini contentus, quid secreto, ut adfirmas, mulieres gesserint, scire potuisti?>> accipe igitur, quem ad modum homo curiosus iumenti fadem sustinens cuncta, quae in perniciem pistoris mei gesta sunt, cognovi: Diem ferme circa mediam repente intra pistrinum mulier reatu miraque tristitie deformis apparuit, flebili centunculo semiamicta, nudis et intectis pedibus, lurore buxeo macieque foedata; et discerptae comae semicanae sordentes inspersu cineris pleramque eius anteventulae contegebant fadem. haec talis manu pistori clementer iniecta quasi quippiam secreto conlocutura in suum sibi cubiculum deducit eum et adducta fore quam diutissime demoratur. sed cum esset iam confectum omne frumentum, quod inter manus opifices tractaverant, necessarioque peti deberet aliud, servuli cubiculum propter adstantes dominum vocabant operique supplementum postulabant. atque ut illis (iterum et) saepicule [et inter] vocaliter clamantibus nullus respondit dominus, iam forem pulsare validius et, quod diligentissime fuerat oppessulata, maius peiusque aliquid opinantes nisu valido reducto vel diffracto cardine tandem patefaciunt aditum. nec uspiam reperta illa muliere vident e quodam tigillo constrictum iamque exanimem pendere dominum. eumque nodo cervicis absolutum detractumque summis plangoribus summisque lamentationibus atque ultimo lavacro procurant peractisque feralibus officiis frequenti prosequente comitatu tradunt sepulturae.
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Die sequenti filia eius accurrit e proxumo castello, in quod pridem denupserat, maesta atque crines pendulos quatiens et interdum pugnis obtundens ubera, quae nullo quidem domus infortunium nuntiante cuncta cognorat;
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Aber vielleicht wirst du als · gewissenhafter Leser meine Geschichte tadeln und dies so begründen: "Woher konntest du neunmalkluger Esel denn wissen, da du doch im Mühlenbezirk festgehalten warst, was die Frauen angeblich insgeheim taten?" Höre also, wie ich als neugieriger Mensch unter der Maske eines Packesels alles, was zum Verderben meines Müllers geschah, in Erfahrung brachte: Etwa um die Mittagszeit erschien plötzlich innerhalb der Mühle ein Weib mit den entstellenden Zeichen von Trauer und ungewöhnlichem Leid, mit ein paar jämmerlichen Lumpen kaum bekleidet, barfuß ohne Schuhe, scheußlich quittegelb und mager; zerzauste, graue, mit schmutziger Asche bestreuteHaare hingen ihr in die Stirn und bedeckten großenteils ihr Gesicht. Das unheimliche Weib faßt den Müller sanft an und führt ihn, als wolle sie irgend etwas insgeheim mit ihm besprechen, in sein eigenes Schlafzimmer, zieht die Tür zu und bleibt sehr lange an Ort und Stelle. Aber als die Werkleute mit dem Getreide, das sie unter ihren Händen bearbeiteten, schon ganz fertig waren und sich notgedrungen anderes geben lassen mußten, traten die Knechte an das Zimmer, riefen den Herrn und verlangten ein neues Pensum. Wie sie zum zweitenmal und immer wieder laut riefen und kein Herr antwortete, pochten sie kräftiger an die Tür. Diese hatte man sehr sorgfältig verriegelt; daher - denn sie vermuten etwas Ernsteres und Schlimmeres heben oder brechen sie mit kräftigem Stoß die Angeln aus und bahnen sich so endlich einen Weg. Von dem Weib keine Spur,aber an einem Balken aufgeknüpft und schon leblos sehen sie ihren Herrn hangen. Sie lösen ihn aus der Halsschlinge und nehmen ihn herab. Dann veranstalten sie mit lautem Wehgeschrei die Totenklage und warten ihn mit dem letzten Bad, halten schließlich die Leichenfeier und tragen ihn unter zahlreichem Trauergeleit zu Grabe. Am folgenden Tage kam seine Tochter aus der Nachbargemeinde gelaufen, wohin sie vor einiger Zeit geheiratet hatte; voll Gram schüttelte sie die Locken und schlug immer wieder mit den Fäusten ihre Brüste. Sie hatte alles erfahren, ohne daß ihr jemand das Unglück des Hauses gemeldet hätte: ihres Va-
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sed ei per quietem obtulit sese flebilis patris sui fades adhuc nodo revincta cervice eique totum novercae scelus aperuit de adulterio, de malefido et quem ad modum larvatus ad inferos demeasset. ea cum se diutino plangore crudasset, concursu familiarium cohibita tandem pausam luctui fedt. iamque nono die rite completis apud tumulum sollemnibus familiam supellectilemque et omnia iumenta ad hereditariam dedudt auctionem. tune unum larem varie dispergit venditionis incertae licentiosa fortuna.
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Me denique ipsum pauperculus quidam hortulanus comparat quinquaginta nummis, magno, ut aiebat, sed ut communi Iabore victum sibi quaereret. 32
Res ipsa mihi poscere videtur, ut huius quoque serviti mei disdplinam exponam: matutino me multis holeribus onustum proxumam dvitatem deducere consuerat dominus atque ibi venditoribus tradita merce dorsum insidens meum sie hortum redire. ac dum fodiens, dum irrigans ceteroque incurvus Iabore deservit, ego tantisper otiosus pladda quiete recreabar. sed ecce siderum ordinatis ambagibus per numeros dierum ac mensuum remeans annus post mustulentas autumni delidas ad hibernas Capricorni pruinas deflexerat, et adsiduis pluviis nocturnisque rorationibus sub dio et intecto conclusus stabulo continuo discrudabar frigore, quippe cum meus dominus prae nimia paupertate ne sibi quidem, nedum mihi posset stramen aliquod vel exiguum tegimen parare, sed frondoso casulae contentus umbraculo degeret. ad hoc matutino lutum nimis frigidum gelusque praeacuta frusta nudis invadens pedibus enicabar ac ne suetis saltem cibariis ventrem meum replere poteram. namque et mihi et ipsi domino ce1;1a par ac similis, oppido tarnen tenuis aderat, lactucae veteres et insuaves illae, quae
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ters Jammergestalt war ihr noch mit der Smlinge um den Nacken im Traum ersmienen und hatte ihr das ganze Verbremen ihrer Stiefmutter eröffnet, mit -dem Ehebruch, mit der Hexerei und wie er von einem Gespenst in die Unterwelt gesmleppt worden sei. Sie verzehrte sich in langer Klage, wurde aber von der versammelten Hausgemeinschaft zur Mäßigung gerufen und setzte smließlich ihrer Trauer ein Ende. Als nun am neunten Tag die üblime:n Feierlimkeiten am Grabe abgesmlossen sind, bringt sie Leute, Geräte und alle Arbeitstiere zur Nachlaßversteigerung. Da gerät der gesmlossene Haushalt an zufällige Käufer und wird willkürlim in alle Winde aufgelöst. Mich persönlim ersteht jetzt ein ärmlimer Gärtner für fünfzig Mark, teuer, wie er sagte, dom müsse im ihm arbeiten und sein Brot verdienen helfen. Es scheint mir im Sinne der Sache zu sein, aum meinen neuen Dienstbetrieb darzustellen: Frühmorgens pflegte mim mein Herr mit vielem Grünzeug auf dem Rücken zur nächsten Stadt zu führen; hatte er dort den Händlern die Ware übergeben, saß er bei mir auf und kehrte so zum Garten heim. Während er grub, während er goß und sonstwie in gebückter Haltung smuftete, konnte im unterdessen faulenzen und mim angenehm ausruhen. Aber da haben wirs: in den vorgesmriebenen Bahnen der Gestirne und im Wandel durm bestimmte Tage und Monate war da!> Jahr nach dem Herbst mit seinen Kelterfreuden in den winterlim bereiften Steinbock getreten, als ich mim bei unablässigem Regen und Namttau unter freiem Himmel in einem Stall ohne Dam eingesperrt und beständig von der Kälte gepeinigt sah. Denn mein Herr konnte vor lauter Armut nimt einmal für sim, geschweige denn für mich etwas Streu oder eine winzige Decke besmaffen, sondern gab sich mit einer schattigen kleinen Laubhütte als Unterkunft zufrieden. Außerdem mußte im in der Frühe mit bloßen Hufen auf hartgefrorenen Lehm und spitze Eisbrocken treten; das brachte mim um, und im konnte nimt einmal meinen Magen mit den gewohnten Speisen füllen. Denn im und mein Herr selbst bekamen gleime und ähnlime, indessen überaus magere Kost: diese alten und un-
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seminis enonni senecta ad instar scoparum in amaram caenosi sucus cariem exolescunt. 33
Nocte quadam paterfamilias quidam e pago proximo tenebris inluniae caliginis impeditus et imbre nimio madefactus atque ob id ab itinere directo cohibitus ad hortulum nostrum iam fesso equo deverterat; receptusque comiter pro tempore licet non delicato, necessario tarnen quietis subsidio remunerari benignum hospitem cupiens promittit ei de praediis suis sese daturum et frumenti et ·olivi aliquid et amplius duos vini cados. nec moratus meus sacculo et utribus vacuis secum adportatis nudae spinae meae residens ad sexagesimum stadium profectionem comparat. eo iam confecto viae spatio pervenimus ad praedictos agros ibique statim meum dominum comis hospes opipari prandio participat.
Iamque iis poculis mutuis altercantibus mirabile prorsus evenit,ostentum: una de cetera cohorte gallina per mediam cursitans aream clangore genuino velut ovum parere gestiens personabat. eam suus dominus intuens «0 bona», inquit, «ancilla et satis fecunda, quae multo iam tempore cotidianis nos partubus saginasti, nunc etiam cogitas, ut video, gustulum nobis praeparare»; et «Heus», inquit, «puer, calathum fetui gallinaceo destinatum angulo solito collocato». ita, uti fuerat iussum, procurante puero gallina consuetae lecticulae spreto cubili ante ipsos pedes domini praematurum, sed magno prorsus hiturum scrupulo prodidit partum. non enim ovum, quod scimus, illud; sed pinnis et unguibus et oculis et voce etiam perfeeturn edidit pullum, qui matrem suam coepit continuo comitari. 34
Nec eo setius longe maius ostenturn et quod omnes merito perhorrescerent, exoritur. sub ipsa enim mensa, quae reliquias prandii gerebat, terra dehiscens imitus
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schmackhaften Lattichstauden; die sich aus uraltem Samen be~ senartig zu einem bitteren, morschen Etwas mit jauchigem Saft entwickeln. Eines Nachts war ein Hausherr aus dem nächsten Dorf. der von mondloser Nachtfinsternis behindert, von einem Platzregen durchnäßt und darum vom geraden Weg abgekommen war, auf schon müdem Pferd bei unserem Gärtchen eingekehrt. Er wurde freundlich aufgenommen und erhielt den Umständen entsprechend eine wenn auch nicht komfortable, so doch aus~ reichende Rastmöglichkeit. Da er sich, dem gütigen Wirt er~ kenntlich zu zeigen wünscht, verspricht er ihm von seinen Be~ sitzungen etwas Getreide, Öl und weiter zwei Krüge Wein zu geben. Im Nu schleppt mein Alter ein Säckchen und leere Schläuche daher, setzt sich auf meineil freien Rücken und macht sich auf den zweistündigen Weg. Als wir die Strecke zurück~ gelegt haben, kommen wir bei dem erwähnten Gut an, und dort lädt der freundliche Gastgeber meinen Herrn gleich zu einem ausgiebigen Frühstück ein. Wie sie einander schon zutranken und sich unterhielten, geschah ein ganz erstaunliches Wunder. Eine Henne rannte von dem übrigen Federvieh weg mitten über den Hof und gackerte laut nach Hühnerart, als ob sie ein Ei legen wollte. Ihr Besitzer schaute sie an und sagte: "Ja, du brave Helferin und tüchtige Legerinf Hast uns schon all die Zeit Tag für Tag etwas zum Futtern ins Nest getan und möchtest auch jetzt, wie ich sehe, uns einen Leckerbissen richten." Dann rief er: "He, Bursche, stell mal den Korb für die Legehennen in den gewohnten Winkel!" Der Knecht tat das Nötige wie befohlen. Aber die Henne verschmähte es, sich in das vertraute Nest zu kuscheln, und legte ein verfrühtes, damit aber höchst bedenkliches Pro~ dukt dem Hausherrn gerade vor die Füße. Denn nichts da von einem Ei, wie wir es kennen; sondern sie brachte ein fertiges Küken mit Federn, Krallen, Augen und sogar einer Stimme zur Welt, das gleich neben seiner Mutter herzulaufen begann. Dessenungeachtet ereignet sich noch ein weit größeres Wun~ der, vor dem es alle begreiflicherweise schauderte: Gerade unter dem Tisch, auf dem die Reste des Frühstücks standen, spaltete
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largissimum emicuit sanguinis fontem; hinc resultantes uberrimae guttae mensam cruore perspergunt. ipsoque illo momento, quo stupore defixi mirantur ac trepidant divina praesagia, concurrit unus e cella vinaria nuntians omne vinum, quod olim diffusum fuerat, in omnibus doliis ferventi calore et prorsus ut igne copioso subdito rebullire. visa est interea mustela etiam mortuum serpentem forinsecus mordicus adtrahens et de ore pastoricii canis virens exiluit ranula ipsumque canem, qui proximus consistebat, aries adpetitum unico morsu strangulavit.
Haec tot ac talia ingenti pavore domini illius et familiae totius ad extremum stuporem deiecerant animcis, quid prius quidve posterius, quid magis quid minus numinum caelestium leniendis minis quot et qualibus procuraretur hostiis.
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Adhoc omnibus expectatione taeterrimae formidinis torpidis accurrit quidam servulus magnas et postremas domino illi fundorum clades adnuntians.
Namque is adultis iam tribus liberis doctrina instructis et verecundia praeditis vivebat gloriosus. his adulescentibus erat cum quodam paupere modicae casulae domino vetus familiaritas. at enim casulae parvulae conterminos magnos et beatos agros possidebat vicinus potens et dives et iuvenis et (splendidae) prosapiae, (sed) maiorum gloria male utens pollensque factionibus et cuncta facile faciens in civitate; (hic) hostili modo vicini tenuis incursabat pauperiem pecua trucidando, boves abigendo, fruges adhuc immaturas obterendo. iamque tota frugalitate spoliatum ipsis etiam glebulis exter-
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sich die Erde und schoß aus der Tiefe einen ganz dicken Blutstrahl empor; von ihm spritzen eine Menge Tropfen weg und übersprühen den Tisch mit Gerinnsel. Und gerade in dem Augenblick, als man sich benommen, starr und zitternd über die göttlichen Zeichen verwundert, kommt einer aus dem Weinkeller gelaufen und meldet, der ganze Wein, der längst abgezogen war, sprudele in allen Fässern vor Siedehitze, gerade als wäre starkes Feuer daruntergelegt. Unterdessen sah man noch ein Wiesel, das eine tote Schlange mit den Zähnen hervorzerrte; und einem Schäferhund sprang ein kleiner grüner Frosch aus dem Maul; und auf den Hund selbst, der ganz nahe dastand, fuhr ein Widder los und erwürgte ihn mit einem einzigen Biß. Diese vielen sonderbaren Geschehnisse hatten dem Hausherrn und all seinen Leuten einen gewaltigen Schrecken versetzt und sie vollkommen ratlos gemacht: was zuerst, was später, was mehr, was weniger tun, um die drohende Haltung der Himmelsmächte zu beschwichtigen? Wieviele, was für Opfertiere zur Sühne? Während alle noch in Erwartung eines grauenhaften Unglücks wie gelähmt dastanden, kam ein Knecht angelaufen, dessen Meldung dem Gutsbesitzer einen schweren und letzten Schlag versetzte: Er hatte drei schon erwachsene Söhne von guter Bildung und anständigem Charakter, die seinem Hause Ehre machten. Die jungen Leute verkehrten seit langem mit einem armen Mann, der eine bescheidene kleine Hütte besaß. Dagegen waren die großen und fruchtbaren Felder, die an die winzigkleine Hütte angrenzten, im Besitz eines Nachbarn, der mächtig, reich, jung und aus vornehmer Sippe war, aber mit dem Ruhm seiner Ahnen schlecht wirtschaftete, sich mit Parteigängern breitmachte und sich in der Gemeinde alles erlaubte. Der fiel wie im Krieg über die paar Sachen des armen Nachbarn her, metzelte die Schafe nieder, trieb die Rinder fort und zertrampelte die noch unreife Ernte. Und als er ihn um den ganzen Ertrag gebracht hatte, schickte er sich an, ihn vollends von der Scholle
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minare gestiebat finiumque inani eommota quaestione terram totam sibi vindicabat. tune agrestis, vereeundus alioquin, avaritia divitis iam spoliatus, ut suo saltem sepulchro paternum retineret solum, amicos plurimos ad demonstrationem finium trepidans eximie eorrogarat. aderant inter alios tres illi fratres cladibus amici quantulum quantulum ferentes auxilium. 36
Nee tarnen ille vaesanus tantillum praesentia multorum civium territus vel etiam eonfusus, lieet non rapinis, saltem verbis temperare voluit; sed illis clementer expostulantibus .fervidosque eius mores blanditiis permuleentibus repente suam suorumque earorum salutem quam sanetissime adiurans adseverat parvi se pendere tot mediatorum praesentiam; denique vicinum illum auriculis per suos servulos sublatum de easula longissime statimque proieetum iri. quo dicto insignis indignatio totos audientium pertemptavit animos. tune unus e tribus fratribus ineunetanter et paulo liberius respondit frustra eum suis opibus eonfisum tyrannica superbia eomminari, eum alioquin pauperes etiam liberali legum praesidio de insolentia loeupletium eonsueverint vindicari. quod oieum flammae, quod sulpur ineendio, quod flagellum Furiae, hoe et iste sermo trueulentiae hominis nutrimento fuit. iamque ad extremam insaniam veeors, suspendium sese et totis illis et ipsis legibus mandare proclamans eanes pastoricios villaticos feros atque immanes, adsuetos abieeta per agros essitare eadavera, praeterea etiam transeuntium viatorum passivis morsibus alumnatos laxari atque in eorum exitium inhortatos immitti praeeepit. qui simul signo solito pastorum ineensi atque inflammati sunt, furiosa rabie eonciti et latratibus etiam absonis
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zu vertreiben, brach also einen Grenzprozeß vom Zaun und beanspruchte das ganze Gelände für sich. Da hatte der stets bescheidene Bauer, der durch den habsüchtigen Reichen jetzt ausgeplündert war und wenigstens dereinst auf dem Grund seiner Väter begraben sein wollte, in fliegender Angst eine Menge Freunde zur Bestätigung der Grenze zusammengebeten. Unter anderen waren auch jene drei Brüder zugegen, um dem Freund in der Not ein kleines bißchen zu helfen. Indessen ließ sich der wahnwitzige Mensch durch die Anwesen·heit der vielen Bürger nicht im geringsten schrecken oder auch nur aus der Fassung bringen und dachte nicht daran, wenn schon nicht im Rauben, so wenigstens im Reden Maß zu halten. Als vielmehr die anderen höflich ihre Beschwerden vortrugen und dem Hitzkopf mit sanften Worten zuredeten, versichert er unversehens mit einem hochheiligen Eid, er und seine Freunde wollten des Todes sein, wenn er sich etwas aus der Anwesenheit all der vielen Mittelsmänner mache; also werde er den Nachbarn von seinen Knechten an den Ohren hochziehen und meilenweit aus seiner Hütte werfen lassen, und zwar auf der Stelle. Bei diesen Worten durchzuckte es alle Hörer in heller Entrüstung. Jetzt antwortete einer von den drei Brüdern ohne Zögern und etwas unverblümter: es habe keinen Zweck, auf sein Geld zu pochen und wie ein eigenmächtiger Tyrann zu toben; denn in jedem Falle stünden die Armen auch unter wohlwollendem Schutz der Gesetze und seien so gegen Übergriffe der Begüterten gemeinhin sicher. Wie wenn man Öl auf die Flamme oder Schwefel aufs Feuer schüttet oder der Furie eine Geißel reicht, so steigerten diese Worte den wilden Trotz des Mannes. Schon außer sich bis zur völligen Raserei schrie er, sie sollten sich alle miteinander samt ihren Gesetzen aufhängen lassen. Er hatte Schäferhunde auf seinem Gut, wüste Gesellen, die das auf die Felder geworfene Aas zu fressen gewohnt und außerdem auch Passanten wahllos zu beißen abgerichtet waren; die ließ er losmachen und mit einem ,Faß zut' auf sie hetzen. Kaum daß der gewohnte Pfiff der Hirten sie wie der Blitz durchzuckt hat, werden sie von rasP.nder Tollheit gepackt, fahren - zudem mit scheußlichem, fürchterlichem
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horribiles eunt in homines eosque variis adgressi vulneribus distrahunt ae laeerant nee fugientibus saltem eompereunt, sed eo magis inritatiores seeuntur. 37
Tune inter eonfertam trepidae multitudinis stragem e tribus iunior offenso lapide atque obtunsis digitis terrae prosternitur saevisque illis et ferocissimis eanibus instruit nefariam dapem. protinus enim naneti praedam iaeentem miserum illum adoleseentem frustatim diseerpunt. atque ut eius letalem ululatum eognovere eeteri fratres, aeeurrunt maesti suppetias obvolutisque lacinia laevis manibus lapidum erebris iaetibus propugnare fratri atque abigere eanes adgrediuntur. nee tarnen eorum ferociam vel eonterere vel expugnare potuere, quippe eum miserrimus aduleseens ultima voee prolata, vindicarent de pollutissimo divite mortem fratris iunioris, ilieo laniatus interisset. Tune reliqui fratres non tarn hereules desperata quam ultro negleeta sua salute eontendunt ad divitem atque ardentibus animis impetuque vaesano lapidibus erebris in eum velitantur. at ille eruentus et multis ante flagitiis similibus exercitatus pereussor inieeta laneea duorum alterum per peetus medium transadegit. nee tarnen peremptus ae prorsum exanimatus aduleseens ille terrae eoncidit; nam telum transveetum atque ex maxima parte pone tergum elapsum soloque nisus violentia defixum rigore librato suspenderat eorpus.
Sed et quidam de servulis proeerus et validus sieario illi ferens auxilium lapide eontorto tertii illius iuvenis dexterum bracchium longo iaetu petierat; sed impetu easso per extremos digitos transeurrens Iapis eontra omnium opinionem deciderat innoxius.
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Gebell - auf die Leute los ·und fallen sie an. Alles wird hier oder da verwundet, gezerrt und zerfetzt, und nicht einmal wer floh, fand Schonung, sondern wurde um so rasender verfolgt. In dem wirren Knäuel der bestürzten Menge stolpert der Jüng~ ste von den dreien über einen Stein, zerstößt sich die Zehen und schlägt zu Boden, so daß er den wütenden Hundebestien ein entsetzliches Fressen bietet. Gleich packen sie die Beute und reißen den armen jungen Mann, wie er am Boden liegt, in lauter Fetzen. Als die anderen Brüder sein Todesgeheul ver~ nehmen, eilen sie bekümmert zu Hilfe; sie wickeln sich Lappen um die linke Hand und lassen Steine prasseln, mit dem Ziel, ihren Bruder herauszuhauen und die Hunde zu verjagen. Aber sie konnten die wilde Meute weder mürbe machen noch ihrer Herr werden, und so wurde denn der unglückliche junge Mann, nachdem er noch hervorgestoßen hatte, sie sollten den Tod ihres jüngsten Bruders an dem reichen Unhold rächen, auf der Stelle zu Tode zerfleischt. Da gehen die überlebenden Brüder. weiß Gott nicht so sehr aus Verzweiflung als weil ihnen ihr Leben selbst gleichgültig war, auf den Reichen los und eröffnen in Hitze und rasendem Ungestüm mit einem Steinregen den Kampf gegen ihn. Aber dieser blutrünstige und vorher in vielen ähnlichen Schandtaten geübte Mordbube schoß eine Lanze los und traf den einen der beiden mitten in die Brust .. Der Mann kam zu Tode und tat seinen letzten Seufzer, fiel indessen nicht zu Boden: das Ge~ schoß war hindurchgefahren und größtenteils hinten am Rücken herausgedrungen, hatte sidl mit mächtigem Sdlwung in die Erde gebohrt und so den Toten in starrer Schwebe aufrecht ge~ halten. Aber es war auch einer von 'den Knechten, ein langer und kräf~ tiger Kerl. dem Meuchler zu Hilfe gekommen und hatte weit~ ausholend mit einem Steinwurf nach dem redlten Arm des dritten Sohnes gezielt; doch der Stein war nur mit sachtem Aufprall an die Fingerspitzen hingeflogen und wider aller Erwarten, ohne Schaden anzurichten, zu Boden gefallen. Dem höchst geschickten jungen Mann aber gab der so freundliche Ausgang eine gewisse Chance zur Vergeltung: er tat, als sei
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manus suae debilitate sie crudelissimum iuvenem compellat: «Fruere exitio totius nostrae familiae et sanguine trium fratrum insatiabilem tuam crudelitatem pasce et de prostratis tuis civibus gloriose triumpha, dum scias, licet privato suis possessionibus paupere fines usque et usque proterminaveris, habiturum te tarnen vicinum aliquem. nam haec etiam dextera, quae tuum prorsus amputasset caput, iniquitate fati contusa decidit.» quo sermone alioquin exasperatus furiosus latro rapto gladio sua miserrimum iuvenem manu perempturus invadit avidus. riec tarnen sui molliorem provocarat; quippe insperato et Ionge contra eius opinionem resistens iuvenis complexu fortissimo arripit eius dexteram magnoque nisu ferro librato multis et crebris ictibus inpuram elidit divitis animam et, ut accurrentium etiam familiarium manu se liberaret, confestim adhuc inimici sanguine delibuto mucrone gulam sibi prorsus exsecuit.
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Haec erant, quae prodigiosa praesagaverant ostenta, .haec, quae miserrimo domino fuerant nuntiata. nec ullum verbum ac ne tacitum quidem fletum tot malis circumventus senex quivit emittere, sed adrepto ferro, quo com- 9 modum inter suos epulones caseum atque alias prandii partes diviserat, ipse quoque ad instar infelicissimi sui to filii iugulum sibi multis ictibus contrucidat, quoad super mensam cernulus corruens portentuosi cruoris maculas novi sanguinis fluvio proluit. 39
Ad istum modum puncto brevissimo dilapsae domus fortunam hortulanus ille miseratus suosque casus graviter ingemescens depensis pro prandio lacrimis vacuasque manus complodens saepicule protinus inscenso me retro,
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ihm die Hand gelähmt, urid rief dem jungen Bluthund zu: "Freu dich nur am Untergang unseres ganzen Hauses, weide deine unersättliche Grausamkeit am Blut dreier Brüder und triumphiere laut, weil deine Mitbürger am Boden liegen! Aber laß dir sagen: magst du auch einem armen Mann seinen Besitz wegnehmen und deine Grenzen weiter und weiter hinausrücken, - einer bleibt dir doch noch als Nachbar! Denn diese Rechte, die dir mit einem Streich den Kopf vom Rumpf gehauen hätte, ist auch nur von einer bös~n Fügung zerschmettert herabgesunken." Diese Rede versetzt den ohnehin wütenden Banditen in Raserei; er greift zu einem Schwert und dringt versessen auf den verlorenen Mann ein, um ihn mit eigener Hand umzubringen. Aber er hatte jemanden herausgefordert, der nicht weniger hart war als er. Ja, unverhofft und ganz wider sein Erwarten· setzt sich der Mann zur Wehr, packt mit kräftigem Griff die Rechte des andern, schwingt mit aller Wucht den Stahl und treibt Schlag auf Schlag dem Reichen die schwarze Seele aus dem Leib. Dann, um den herbeieilenden Knechten nicht in die Hände zu fallen, schnitt er sich auf der Stelle mit der Klinge, die noch vom Blut des Feindes troff, glatt die Kehle durch. Das war es, was die Unglückszeichen verkündet hatten; das war es, was man dem bedauernswerten Hausherrn berichtete. Kein Wort, nicht einmal eine stille Träne konnte der alte Mann in all seinem Unglück hervorbringen. Nein, er nimmt ein Messer, mit dem er gerade den Käse und sonst zum Frühstiick Gehörendes unter seine Tischgenossen verteilt hatte, u~d stößt es sich nach dem Beispiel seines unglücklichen Sohnes auch selbst einmal ums andere in die Kehle. Dann bricht er über den Tisch hin vornüber zusammen und wäscht die roten Wunderflecken mit einem neuen Blutstrom hinweg. Der Gärtner beklagte die Leidensgeschichte des Hauses, das sich auf diese Weise in kürzester Frist aufgelöst hatte, und seufzte schwer über sein eigenes Mißgeschick; hatte er doch sein Frühstück mit Tränen bezahlt, und leer waren die Hände, die er einmal ums andere über dem Kopf zusammenschlug. Nun
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liber nonus
quam veneramus, viam capessit. nec innoxius ei saltem regressus evenit. Nam quidam procerus et, ut indicabat habitus atque habitudo, miles e legione factus nobis obvius superbo atque adroganti sermone percontatur, quorsum vacuum duceret asinum. at meus adhuc maerore permixtus et alias Latini sermonis ignarus tacitus praeteribat. nec miles ille familiarem cohibere quivit insolentiam, sed indignatus silentio eius ut convicio viti, quam tenebat, obtundens eum dorso meo proturbat. tune hortulanus subplicue respondit sermonis ignorantia se, quid ille diceret, scire non posse. ergo igitur Graece subiciens miles «libi», inquit, «ducis asinum istum?» respondit hortulanus petere se civitatem proximam. «Sed mihi», inquit, «Opera eius opus est. nam de proximo castello sarcinas praesidis nostri cum ceteris iumentis debet advehere.» et iniecta statim manu loro me, quo ducebar, arreptum incipit trahere. sed hortulanus prioris plagae vulnere prolapsum capite sanguinem detergens rursus deprecatur civilius atque mansuetius versari commilitonem idque per spes prosperas eius orabat adiurans. <
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Sed ubi nullis precibus mitigari militem magisque in suam perniciem advertit efferari iamque inversa vite de vastiore nodulo cerebrum suum diffindere, currit ad extrema subsidia simulansque sese ad commovendam miserationem genua eius velle contingere, summissus atque incurvatus arreptis eius utrisque pedibus sublimem elatum terrae graviter adplodit et statim qua pugnis,
Neuntes Buch
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steigt er gleim auf meinen 'Rücken und schlägt den Weg, den wir gekommen waren, rückwärts ein. Aber nicht einmal seine Heimkehr verlief ungestört: Es begegnete uns so ein langer Mensm, aus Tracht und Betragen zu smließen ein Legionssoldat. In herrismem und anmaßendem Ton fragt er, wohin es mit dem unbepackten Esel gehe. Aber mein Alter, noch vor Gram durcheinander und übrigens ohne Kenntnis des Lateinismen, zog schweigend weiter. Der Soldat konnte seine frechen Manieren nimt meistern; vielmehr nimmt er das Smweigen als Beleidigung, smlägt dem Mann erbost mit seinem Korporalstock eins über und smubst ihn von meinem Rücken herunter. Da antwortete der Gärtner untertänig, er verstehe die Sprache nicht und könne nicht wissen, was der andere meine. Also versetzte der Soldat auf Griemisch: "Nach wo führst du den Esel da?" Der Gärtner antwortete, er wolle zur nächsten Stadt. "Nun", hieß es, "im habe Arbeit für ihn. Er muß mit anderen Packtieren von der nächsten Ortschaft das Gepäck unseres Gouverneurs holen." Und er faßt gleich zu, packt mich am Leitriemen und beginnt mim fortzuzerren. Aber der Gärtner wismt sich das Blut vom Kopf, das aus einer Wunde von dem Hieb vorher herunterläuft, bittet inständig aufs neue, der Herr Kamerad möchte sim doch friedlimer und entgegenkommender zeigen, und bekräftigte die Bitte mit allen Segenswünsmen für ihn. "Übrigens", sagte er, "ist dieses bißeben Esel ein Faulpelz und obendrein ein Unglücksrabe: er krankt gräßlich an Fallsucht und kann mir gerade noch ein paar Handvoll Gemüse aus dem nahen Gärtchen mit letzter Puste heranschleppen. Keine Rede, daß er tauglich schiene, größere Sachen zu tragen!" Als er aber merkte, daß der Soldat sim durm keinerlei Bitten erweichen ließ, ihm nur noch heftiger auf den Leib rückte und schon seinen Stock umkehrte, um ihm mit dem hübsm großen Knopf den Schädel zu spalten, - da greift er zu einem letzten Mittel. Er tut, als wolle er sein Mitleid wecken und seine Knie berühren, neigt und duckt sim also hin und zieht ihm beide Füße weg. Dann hebt er ihn hoch, klatscht ihn schwer auf die Erde und fängt gleich an, ihm mit Fäusten hier, mit Ellbogen
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Liber nonua
qua cubitis, qua morsibus, etiam de via lapide correpto totam fadem manusque eius et latera converberat. nec iUe, ut primum humi supinatus est, vel repugnare vel omnino munire se potuit, sed plane identidem comminabatur, si surrexisset, sese concisurum eum machaera sua frustatim. quo sermone eius commonefactus hortulanus eripit ei spatham eaque longissime abiecta rursum saevioribus eum plagis adgreditur. nec ille prostratus et praeventus vulneribus ullum repperire saluti quiens subsidium, quod solum restabat, simulat sese mortuum. tune spatham illam secum asportans hortulanus inscenso me concito gradu recta festinat ad civitatem nec hortulum suum saltem curans invisere ad quempiam sibi devertit familiarem. cunctisque narratis deprecatur, periclitanti sibi ferret auxilium seque cum suo sibi asino tantis-"er occultaret, quoad celatus spatio bidui triduive capitalem causam evaderet. nec oblitus ille veteris amicitiae prompte suscipit; meque per scalas complicitis pedibus in superius cenaculum adtracto hortulanus deorsus in ipsa tabernula derepit in quandam cistulam et supergesto delitescit orificio.
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At miles ille. ut postea didici, tandem velut emersus gravi crapula, nutabundus tarnen et tot plagarum dolore saucius baculoque se vix sustinens civitatem adventat confususque de impotentia deque inertia sua quicquam ad quemquam referre popularium ( ... ), sed tacitus iniuriam devorans quosdam commilitones nanctus is tantum dades enarrat suas. placuit, ut ipse quidem contubernio se tantisper absconderet - nam praeter propriam contumeliam militaris etiam sacramenti genium ob amissam spatham verebatur -, ipsi autem signis nostris enotatis investigationi vindictaeque sedulam darent operam.
Nec defuit v1cmus perfidus, qui nos ilico occultari nuntiaret. turn commilitones accersitis magistratibus
Neunte& Buch
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da, mit Zähnen dort, auch· mit einem aufgelesenen Stein das ganze Gesicht, Hände und Flanken zu zerbleuen. Der andere konnte, nachdem er auf dem Rücken lag, weder zurückschlagen noch sich überhaupt wehren, sondern drohte nur in einem fort, wenn er aufkäme, würde er ihn mit seinem Säbel in Stücke hacken. Durch diese seine Worte gewarnt, entreißt ihm der Gärtner das Schwert, schleudert es weit von sich und fällt ihn wieder mit um so wütenderen Hieben an. Am Boden und von Wunden behindert, weiß sich der Soldat nicht anders zu helfen und - die einzige Möglichkeit - stellt sich tot. Da holt sich der Gärtner das Schwert, sitzt auf und rast im Trab geradewegs zur Stadt. Und ohne nur daran zu denken, einmal nach seinem Gärtchen zu sehen, steigt er bei einem Bekannten ab. Er erzählt alles und bittet den Mann dringend, ihm in seiner Lage zu helfen und ihn mitsamt seinem Esel solange zu verstecken, bis er für zwei oder drei Tage unsichtbar geblieben und einem Prozeß auf Leben und Tod ausgekommen sei. Aus alter Freundschaft nimmt ihn der andere bereitwillig auf. Mich zieht man mit eingeknickten Beinen über die Treppe in das obere Stockwerk hinauf; der Gärtner verkriecht sich unten im Laden selbst in eine Truhe, macht den Deckel zu und verschwindet. Aber wie ich später erfuhr, steht der Soldat endlich wie ein Schwerbetrunkener auf und kommt, indem er noch schwankt, überall Schmerzen spürt und sich kaum am Stock aufrechthalten kann, in die Stadt. Aus Scham wagt er nicht, von seiner Unbeherrschtheit und Schlappheit irgendwelchen Leuten irgend etwas zu erzählen, sondern schluckt die Blamage schweigend hinunter und -schildert erst, als er einige Kameraden trifft, diesen allein seine Leiden. Man beschloß, er solle sich seinerseits inzwischen im Quartier verborgen halten - denn abgesehen von dem eigenen Ehrverlust mußte er auch wegen des verlorenen Schwerts das Auge des Militärgesetzes fürchten -, sie selbst aber wollten sich unsere Kennzeichen notieren und sich eifrig um unsere Ermittlung und Maßregelung bemühen. Es fehlte nicht an einem ungetreuen Nachbarn, der meldete, daß wir an Ort und Stelle versteckt seien. Da holen die Kame-
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Liber nonus
mentiuntur sese multi pretii vaseulum argenteum praesidis in via perdidisse idque hortulanum quendam repperisse nee velle restituere, sed apud familiarem quendam sibi deliteseere. tune magistratus et damno (et) praesidis nomine eognito veniunt ad deversori nostri fores claraque voee denuntiant hospiti nostro nos, quos oeeultaret apud se eerto eertius, dedere potius quam diserimen proprii subiret eapitis. nee ille tantillum eonterritus salutique studens eius, quem in suam reeeperat fidem, quicquam de nobis fatetur ae diebus pluseulis nee vidisse quidem illum hortulanum eontendit. eontra eommilitones ibi nee uspiam illum deliteseere adiurantes genium principis eontendebant. postremum magistratibus plaeuit obstinate denegantem serutinio detegere. immissis _itaque lietoribus eeterisque publicis ministeriis angulatim euneta sedulo perlustrari iubent. nee quisquam mortalium ae ne ipse quidem asinus intra limen eomparere nuntiatur.
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Tune gliscit violentior utrimqueseeus eontentio militum pro eomperto de nobis adseverantium fidemque Caesaris identidem implorantium, at illius negantis adsidueque deum numen obtestantis. qua eontentione et clamoso strepitu eognito euriosus alioquin et inquieti proeacitate praeditus asinus, dum obliquata eervice per quandam fenestrulam, quidnam sibi vellet tumultus ille, prospicere gestio, unus e eommilitonibus easu fortuito eonlimatis oeulis ad umbram meam eunetos testatur ineoram. magnus denique eontinuo clamor exortus est et emensis protinus sealis inieeta manu quidam me velut eaptivum detrahunt. iamque omni sublata eunetatione serupulosius eontemplantes singula cista etiam illa revelata repertum produetumque et oblatum magistratibus miserum hortulanum, poenas seilicet eapite pensurum,
Nf.untos Buch
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raden die Polizei und machen ihr weis, sie hätten ein sehr wertvolles, dem Gouverneur gehöriges Silbergefäß unterwegs verloren; das habe ein Gärtner gefunden und wolle es nicht herausrücken, sondern verstecke sich bei einem Bekannten. Wie die Polizisten den Schaden und das Wort Gouverneur vernehmen, kommen sie zur Tür unseres Unterschlupfs und eröffnen mit lauter Stimme unserem Hausherrn, er solle uns, die er todsicher bei sich versteckt habe, lieber ausliefern als den eigenen Kopf riskieren. Der andere läßt sich kein bißeben einschüchtern und ist nur auf die Sicherheit des Mannes bedacht, für den er die Verantwortung übernommen hatte; er gibt also unseretwegen nichts zu und behauptet, er habe den betreffenden Gärtner seit mehreren Tagen überhaupt nicht gesehen. Demgegenüber behaupteten die Kameraden, dort und nirgend sonst sei er versteckt, und setzten einen Eid beim Genius des Kaisers hinzu. Schließlich beschlossen die Polizisten, den hartnäckig Leugnenden durch eine Haussuchung zu überführen. Man schickt also Büttel und sonstiges Dienstpersonal hinein mit dem Befehl. alle Winkel genau zu durchstöbern. Es kommt die Meldung, keine Seele und nicht einmal der Esel selber sei im Haus zu finden. Da flackert der Streit auf beiden Seiten noch heftiger auf: die Soldaten versichern, bestimmte Nachricht über uns zu haben, und berufen sich immer wieder auf den Kaiser, der für sie einstehe; aber der andere leugnet und schwört beständig, der Himmel sei sein Zeuge. Wie ich den Streit und das lärmende Geschrei vernehme, will ich als immer neugieriger und von Natur unentwegt vorwitziger Esel mit einer Halsdrehung dunh eine Luke gucken, was es denn mit diesem Aufruhr für eine Bewandthis habe; da schielt einer von den Kameraden zufällig nach meinem Schatten hin und macht aiie zu Augenzeugen. So erhob sich im Nu ein großes Schreien, gleich sind ein paar Leute die Stiege hinauf. packen mich und schleppen mich wie einen Gefangenen ab. Als nun aiies lebendig geworden ist und man die Dinge im einzelnen gründlicher untersucht, kommt auch jene Kiste zum Vorschein: der arme Gärtner wird entdeckt, hervorgezogen, der Polizei übergeben und ins Stadtgefängnis abgeführt, natürlich um mit seinem Kopf zu büßen.
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Liber nonus
in publicum deducunt carcerem summoque risu meum prospectum cavillari non desinunt; unde etiam de prospectu et umbra asini natum est frequens proverbium.
Neuntes Buch
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Und unter schallendem Gelämter können sie sich nicht genugtun, über mein Hervorgucken Witze zu machen; daraus ist auch das geläufige Sprichwort von dem Esel entstanden, der seine Nase hineinsteckt und um dessen Schatten es geht.
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Die sequenti rneus quidern dörninus hortulanus quid egerit nescio. rne tarnen miles ille, qui propter eximiarn irnpotentiarn pulcherrirne vapularat, ab illo praesepio nullo equidem contradicente diductum abducit atque a suo contubernio - hoc enim mihi videbatur - sarcinis propriis onusturn et prorsurn exornaturn armaturnque rnilitariter producit ad viarn. narn et galeam nitore praernicantern et scuturn gerebarn longius relucens, sed etiam lancearn Iongissima hastili conspicuarn, quae scilicet non disciplinae tune quidem causa, sed propter terrendos rniseros viatores in sumrno atque edito sarcinarurn cumulo ad instar exercitus sedulo composuerat. confecta campestri nec adeo difficili via ad quandarn civitatularn pervenimus nec in stabulo, sed in dorno cuiusdam decur.ionis devertirnus. statimque me commendato cuidam servulo ipse ad praepositurn suum, qui mille armatorurn ducaturn sustinebat, sollicite proficiscitur.
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Post dies plusculos ibidem dissignaturn scelestum ac nefarium facinus rnemini. sed ut vos etiarn legatis, ad librurn profero: Dominus aedium habebat iuvenern filium probe litte· raturn atque ob id consequenter pietate (et) modestia praecipuum, quern tibi quoque provenisse cuperes vel talem. huius niatre multo ante defuncta rursurn matrirnoniurn sibi reparaverat ductaque alia filiurn procrea-
ZEHNTES BUCH
Wie es am folgenden Tage meinem Herrn dem Gärtner erging, weiß ich nicht: mich aber führt der Soldat, der für seine ausnehmende Unbeherrschtheit wunderschöne Prügel bezogen hatte, von der Krippe auf und davon, ohne daß freilich jemand Einspruch erhoben hätte. Von seiner Unterkunft - denn das war es wohl - führt er mich mit seinen Siebensachen beladen und ganz militärisch ausstaffiert und bewaffnet hinaus auf die Straße: ich hatte einen.blitzblanken Helm zu tragen und einen Schild, der schon von weitem widerstrahlte, und dann noch eine Lanze mit auffallend langem Schaft, - all dies hatte er natürlich nicht etwa weil es die Dienstvorschrift in dem Falle so verlangte, sondern um arme Wanderer zu erschrecken, absichtlich ganz zu oberst auf seinem aufgetürmten Gepäck angeordnet, als käme ein Kriegszug daher. Wir legten einen nicht allzu beschwerlichen Feldweg zurück und gelangten zu einem Städtchen, kehrten aber nicht in einem Wirtshaus ein, sondern im Hause eines Stadtrats. Und sofort überläßt er mich einem Sklaven und macht sich voll Diensteifer auf den Weg zu seinem Vorgesetzten, der das Kommando über tausend Bewaffnete hatte. Da fällt mir ein, daß dort einige Tage darauf eine verbrecherische und ruchlose Tat angestiftet wurde; aber ihr sollt sie auch lesen, und so schalte ich sie in dieses Buch ein. Ein Hausbesitzer hatte einen jungen Sohn, der war recht gebildet und infolgedessen ein Muster von kindlichem Gehorsam und Bescheidenheit: den hättest du dir auch zum Sohn gewünscht oder doch einen von der Art! Da dessen Mutter vor vielen Jahren verstorben war, hatte der Mann eine neue Ehe geschlossen und von der zweiten Frau wieder einen Sohn be-
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Liber decimus
verat alium, qui adaeque iam duodecimum annum aeta~ tis supergressus erat. sed noverca forma magis quam moribus in domo mariti praepollens, seu naturaliter im~ pudica seu fato ad extremum impulsa fl.agitium, oculos ad privignum adiecit. Iam ergo, lector optime, scito te tragoediam, non fabulam legere et a socco ad coturnum ascendere. Sed mulier illa, quamdiu primis elementis Cupido par~ vulus nutriebatur, inbecillis adhuc eius viribus facile ruborem tenuem deprimens silentio resistebat. at ubi completis igne vaesano totis praecordiis inmodice bac~ chatus Amor exaestuabat, saevienti deo iam succubuit et languore simulato vulnus animi mentitur in cor~ poris valetudine. iam cetera salutis vultusque detrimenta et aegris et amantibus examussim convenire nemo qui nesciat: pallor deformis, marcentes oculi, lassa genua, quies turbida et suspiritus cruciatus tarditate vehemen~ tior. crederes et illam fluctuare tantum vaporibus fe~ brium, nisi quod et flebat.
Heu medicorum ignarae mentes, quid venae pulsus, quid coloris intemperantia, quid fatigatus anhelitus et utrimquesecus iactatae crebriter laterum mutuae vicis~ situdines. dii boni, quam facilis licet non artifici me~ dico, cuivis tarnen docto Veneriae cupidinis comprehen~ sio, cuni videas aliquem sine corporis calore flagrantem.
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Ergo igitur inpatientia furoris altius agitata diutinum rupit silentium et ad se vocari praecipit filium - quod nomen in eo, si posset, ne ruboris admoneretur, libenter eraderet. nec adulescens aegrae parentis moratus im~ perium senili tristitie striatam gerens frontem cubiculum petit uxori patris matrique fratris utcumque debitum
Zehntes Buch
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kommen, der nun auch schon das zwölfte Lebensjahr überschritten hatte. Aber die Stiefmutter, die mehr auf Grund ihrer Schönheit als ihres Wesens im Hause ihres Mannes das Regiment führte, vergaffte sich in den Stiefsohn, - sei es nun, daß sie von Natur schamlos war, sei es, daß das Verhängnis sie zu so unerhörter Schande trieb. Jetzt, bester Leser, mußt du wissen, daß du also eine Tragödie, kein Lustspiel mehr liest und daß du vom Pantoffel zum Kothurn hinaufsteigst. Solange nun Cupidos Flamme noch ganz klein war und eben erst um sich zu greifen begann, widerstand die Frau ihrem zunächst schwachen Andringen leicht und unterdrückte stillschweigend ein flüchtiges Erröten. Wie aber ihr ganzes Innere von tollem Feuer erfüllt war und Amor haltlos schwärmte und tobte, erlag sie bald dem wütenden Gott: sie täuscht eine Krankheit vor und sucht die Wunde des Herzens durch angebliches körperliches Leiden zu verbergen. Nun weiß jeder, daß auch sonst schlimme Veränderungen im Zustand und Aussehen bei Kranken und Verliebten bis ins einzelne genau zusammenstimmen: entstellende Blässe, matter Blick, müde Knie, unruhiger Schlaf, und je länger das Leiden, desto heftigeres Seufzen. So hätte man auch bei ihr glauben können, sie habe allein unter Fieberschauern zu leiden, -nur weinte sie auch. Ach, wie wenig kann doch der Verstand der Ärzte ergründen, was beschleunigter Puls, rasch wPchselnde Gesichtsfarbe, schwacher Atem und häufiges Herumwerfen von einer Seite auf die andere bedeuten! Guter Gott, wie leicht ist es doch für jeden, der sich in der Liebesleidenschaft auskennt - er braucht kein Facharzt zu sein -, die Diagnose zu stellen, wenn man jemanden sieht, der ohne körperliche Hitze brennt! Also brach sie schließlich, von ihrer unbändigen Leidenschaft tief aufgewühlt, ihr langes Schweigen. Sie läßt ihn zu sich rufen, den Sohn,- gern hätte sie, vermochte sie es, dieses Wort bei ihm ausgetilgt, um zu vergessen, daß sie erröten müsse. Der junge Mensch folgt sofort dem Befehl seiner kranken Mutter, legt seine Stirn in Trauerfalten wie ein alter Mann und tritt ins Schlafzimmer, um der Frau seines Vaters und der
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Lib'·er d.ecimus
sistens obsequiurn. sed illa cruciabili silentio diutissirne fatigata et ut in quodarn vado dubitationis haerens ornne verburn, quod praesenti serrnoni putabat aptissirnurn, rursurn irnprobans nutante etiarn nunc pudore, unde potissirnurn caperet exordium, decunctatur. at iuvenis nihil etiarn tune sequius suspicatus surnrnisso vultu rogat ultro praesentis causas aegritudinis. tune illa nancta solitudinis darnnosarn occasionern prorurnpit in audaciarn et ubertirn adlacrirnans laciniaque contegens faciern voce trepida sie eurn breviter adfatur:
«Causa ornnis et origo praesentis doloris et etiarn rnedela ipsa et salus unica rnihi tute ipse es. isti enirn tui oculi per rneos oculos ad intirna delapsi praecordia rneis rnedullis acerrirnurn cornrnovent incendiurn. ergo rniserere tua causa pereuntis; nec te religio patris ornnino deterreat, cui rnoriturarn prorsus servabis uxorern. illius enirn recognoscens irnaginern in tua facie rnerito te diligo. habes solitudinis plenarn fiduciarn, habes capax necessarii facinoris otiurn. narn quod nerno novit, paene non fit.»
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Repentino rnalo perturbatus adolescens, quanquarn tale facinus protinus exhorruisset, non tarnen negationis internpestiva severitate putavit exasperandurn, sed cautae prornissionis dilatione leniendurn. ergo prolixe pollicetur et bonurn caperet anirnurn refectionique se ac saluti redderet irnpendio suadet, donec patris aliqua profectione liberurn voluptati concederetur spatiurn, statirnque se refert a noxio conspectu novercae. et tarn rnagnarn dornus cladern ratus indigere consilio pleniore ad quendarn cornpertae gravitatis educatorern senern
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Zehntts
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Mutter seines Bruders den jedenfalls doch schuldigen Gehorsam zu bezeigen. Aber sie ist durch das quälende Schweigen allzu lange geschwächt und sitzt wie auf einer Sandbank der Unentschiedenheit fest. So verwirft sie all die Worte, die ihr für dieses Gespräch eben noch so geeignet schienen, da ihr Schamgefühl sie noch immer schwanken läßt; und so zögert sie unsicher, womit sie am besten anfangen soll. Der junge Mann aber ahnt auch jetzt noch nichts Böses und fragt von sich aus mit gesenktem Blick nach den Gründen dieser Krankheit. Da ergreift sie die schlimme Gelegenheit der einsamen Stunde und ringt sich zu dreistem Beginnen durch. Unter einem Strom von Tränen bedeckt sie ihr Gesicht mit dem Kleidzipfel und sagt mit zitternder Stimme in wenigen Worten zu ihm: "Der ganze Grund und die Ursache meines jetzigen Schmerzes und auch das Heilmittel selbst und die einzige Rettung bist du allein r Denn deine Augen da sind durch meine Augen hindurch tief in mein Herz hinabgedrungen und entzünden in meinem lnnern ein höllisches Feuer. Also hab Erbarmen mit der, die um dich vergeht! Rücksicht auf den Vater braucht dich gar nicht zu schrecken, kannst du ihm doch gerade die Gattin erhalten, die sonst sterben müßte I Denn sein Bild erkenne ich in deinen Zügen wieder, also darf ich dich lieben. Du kannst dich ganz darauf verlassen, daß wir allein sind, du hast reichlich Zei. ·zu dem, was du tun mußt; denn was niemand weiß, bleibt so gut wie ungeschehen." Durch den unvermuteten Schlag war der junge Mann aus der Fassung gebracht; freilich verabscheute er aus innerster Seele eine solche Tat, aber dann meinte er doch, die Sache nicht durch eine jetz.t unangebrachte strikte Ablehnung verschlimmern, sondern durch Hinhalten und vorsichtige Zusage mildern zu sollen. Also macht er willig Versprechungen und rät ihr eindringlich, Mut zu fassen und nur ihrer Genesung und Gesundheit zu leben, bis eine Reise des Vaters ihrer Liebeslust Spielraum gebe. Darauf entfernt er sich sofort aus dem gefährlichen Blickfeld der Stiefmutter. Und da er meinte, daß ein solches Unglück des Hauses eines eingehenderen Rats bedürfe, berichtete er es gleich einem alten Erzieher, dessen gewichtige
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Liber decimus
protinus refert. nec quicquam diutina deliberatione tarn salubre visum quam fuga celeri procellam fortunae saevientis evadere. sed impatiens vel exiguae dilationis mulier ficta qualibet causa confestim marito miris persuadet artibus ad longissime dissitas festinare villulas. quo facto maturatae spei vaesania praeceps promissae libidinis flagitat vadimonium. sed iuvenis modo istud modo aliud causae faciens execrabilem frustratur eius conspectum, quoad illa nuntiorum varietate pollicitationem sibi denegatam manifesto perspiciens mobilitate lubrica nefarium amorem ad Ionge deterius transtulisset odium. et adsumpto statim nequissimo et ad omne facinus emancipato quodam dotali servulo perfidiae suae consilia communicat; nec quicquam melius videtur quam vita miserum privare iuvenem. ergo missus continuo furcifer venenum praesentarium comparat idque vino diligenter dilutum insontis privigni praeparat exitio.
Ac dum de oblationis opportunitate secum noxii deliberant homines, forte fortuna puer ille iunior proprius pessimae feminae filius post matutinum Iaborern studiorum domum se recipiens prandio iam capto sitiens repertum vini poculum, in quo venenum latebat inclusum, nescius fraudis occultae continuo perduxit haustu. atque ubi fratri suo paratarn mortem ebibit, exanimis terrae procumbit, ilicoque repentina pueri pernicie paedagogus commotus ululabili clamore matrem totamque ciet familiam. iamque cognito casu noxiae potionis varie quisque praesentium auctores insimulabant extremi facinoris. sed dira illa femina et malitiae novercalis exemplar unicum non acerba filii morte, non parricidii conscientia, non infortunio domus, non luctu mariti vel
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Meinung erprobt war. Nach 'langer Beratung schien nichts zu helfen als durch rasd1e Flucht dem wütenden Schicksalssturm auszuweichen. Aber die Frau, die auch eine kleine Verzögerung nicht ertragen konnte, sinnt sid1 irgendeinen Anlaß aus und überredet ihren Mann auf der Stelle mit staunenswerten Kniffen, stehenden Fußes auf meilenweit entfernte Güter zu reisen. Darauf verlangt sie, ganz toll gemacht durch die herangereifte· Hoffnung, die Einlösung des Liebesversprechens. Aber der junge Mann schützt bald diesen, bald jenen Grund vor und vermeidet ihren abscheulichen Anblick, bis sie schließlich aus dem Wechsel seiner Angaben klar ersieht: daß ihr die Einlösung des Versprechens verweigert wird. Da schlägt, wankelmütig und unstet wie sie war, ihre sündige Liebe in einen weit schlimmeren Haß um. Sofort zieht sie einen bübischen und zu jeder Schandtat bereiten Sklaven, der zu ihrem Heiratsgut gehörte, ins Vertrauen und teilt ihm ihre tückischen Pläne mit; nichts Besseres fällt ihr ein, als dem armen Jungen das Leben zu nehmen! Also wird der Sclluft gleich ausgeschickt und besorgt ein augenblicklich wirkendes Gift, löst es sorgsam in Wein auf und hält es bereit, um den unschuldigen Stiefsohn umzubringen. Während die Verbrecher noch eine günstige Gelegenheit überlegten, den Trank zu reichen, kam aus reinem Zufall der jüngere Sohn, das eigene Kind des Teufelsweibes, vom morgendlichen Schulunterricht nach Hause zurück; nacll dem Frühstück bekam er Durst, fand den Becher Wein, der das heimliche Gift enthielt, und trank ihn ohne Ahnung von dem dunklen Verbrechen in einem Zuge aus. Und kaum hat er den für seinen Bruder bestimmten Todesbecher geleert, stürzt er auch schon entseelt zu Boden. Sein Hauslehrer, durch den plötzlichen Zusammenbruch des Jungen getroffen, ruft mit seinem Wehgeheul auf der Stelle die Mutter und das ganze Gesinde herbei. Als man den Tatbestand eines Gifttranks erkannt hatte, verdächtigten die einzelnen Anwesenden die verschiedensten Leute, das schreckliche Verbrechen begangen zu haben. Aber das grauenhafte Weib, dieses Musterbeispiel einer bösen Stiefmutter, blieb ungerührt von dem bitteren Tod des Sohnes, der Mitwisserschaft des Mordes in der Familie, dem Unglück des
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Llber deciJnus
aerumna funeris commota cladem familiae (in) vindictae compendium traxit missoque protinus cursore, qui vianti marito domus expugnationem nuntiaret, ac mox eodem ocius ab itinere regresso personata nimia temeritate insimulat privigni veneno filium suum interceptum. et hoc quidem non adeo mentiebatur, quod iam destinatam iuveni mortem praevenisset puer, sed fratrem iuniorem fingebat ideo privigni scelere peremptum, quod eius probrosae libidini, qua se comprimere temptaverat, noluisset succumbere. nec tarn immanibus contenta mendaciis addebat sibi quoque ob detectum flagitium eundem illum gladium comminari.' tune infelix duplici filiorum morte percussus magnis aerumnarum procellis aestuat. nam et iuniorem incoram sui funerari videbat et alterum ob incestum parricidiumque capitis scilicet damnaturn iri certo sciebat. ad hoc uxoris dilectae nimium mentitis lamentationibus ad extremum subolis Impellebatur odium.
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Vixdum pompae funebres et sepultura filii fuerant explicatae, et statim ab ipso eius rogo senex infelix ora sua recentibus adhuc rigans lacrimis trahensque cinere sordentem canitiem foro se festinus immittit. atque ibi turn fletu turn precibus genua etiam decurionum contingens nescius fraudium pessimae mulieris in exitium reliqui filii plenis operabatur aHectibus: illum incestum paterno thalamo, illum parricidam fraterno exitio et in comminata novercae caede sicarium. tanta denique miseratione tantaque indignatione curiam, sed et plebem maerens inflammaverat, ut remoto iudicandi taedio et
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Hauses, der Trauer ihres Ga'tten oder dem Jammer bei dem Leichenbegängnis. Sie benutzte das Unglück des Hauses noch, um auf abgekürztem Wege zu ihrer Rache zu kommen: sie schickte sofort einen Läufer, der ihrem Mann unterwegs den Vernichtungsschlag seines Hauses melden sollte; und als dieser bald darauf eilig von der Reise zurückkehrt, erhebt sie mit unglaublicher Verstellung und Dreistigkeit Klage, ihr Sohn sei von seinem Stiefbruder mit Gift beseitigt worden. Und das war gar nicht einmal ganz gelogen, weil doch der Knabe den seinem Bruder zugedachten Todestrank vorweggenommen hatte; aber sie gab an, ihr Stiefsohn habe deshalb seinen jüngeren Bruder verbrecherisch getötet, weil sie sich geweigert habe, seiner schändlichen Lust nachzugeben, mit der er sie vergewaltigen wollte. Und mit so ungeheuerlichen Lügen noch nicht zufrieden fügte sie hinzu, auch ihr drohe er mit dem Schwert, wenn sie seine Schandtat aufdecke. Da trifft der Tod zweier Söhne den Unglücklichen ins Herz, und mit Sturmesgewalt reißt ihn das Leid hin und her: denn der jüngere wurde vor seinen Augen bestattet und der andere - das wußte er genau -- würde wegen Unzucht und Mordes an Angehörigen zum Tode verurteilt werden. Außerdem erregten die heuchlerischen Wehklagen seiner nur zu sehr geliebten Frau in ihm einen tiefen Haß gegen seinen Sohn. Kaum war der Leichenzug und die Bestattung des Sohnes abgewickelt, als auch schon der unglückliche alte Mann unmittelbar vom Grabe weg auf ·den Gerichtsplatz eilt; sein Gesicht ist noch von frischen Tränen naß, und er rauft sich die weißen, von Asche beschmutzten Haare. Und dort arbeitete er mit allen Kräften der Leidenschaft, ohne die Ränke der schlimmen Frau zu ahnen, auf den Tod seines ihm noch verbliebenen Sohnes hin. Er weinte, er flehte, ja, er berührte die Knie der Stadträte: der Mensch sei ein Blutschänder im ehelichen Schlafzimmer des Vaters, er sei mit der Beseitigung des Bruders ein Verwandtenmörder und, weil er die Stiefmutter zu erschlagen gedroht, ein Bandit. Schließlich hatte er den Gerichtshof, aber auch das Volk durch seinen Kummer zu solchem Mitleid und zu solcher Empörung entflammt, daß alle riefen, man solle von einem
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accusationis manifestis probationibus et responsionis meditatis ambagibus cuncti conclamarint lapidibus obrutum publicum malum publice vindicari. Magistratus interim metu periculi proprii, ne de parvis indignationis elementis ad exitium disciplinae civitatisque seditio procederet, partim decuriones deprecari, partim populares compescere, ut rite et more maiorum iudicio reddito et utrimquesecus allegationibus examinatis civiliter sententia promeretur nec ad instar barbaricae feritatis vel tyrannicae impotentiae damnaretur aliquis inauditus et in pace placida tarn dirum saeculo proderetur exemplum.
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Placuit salubre consilium et ilico iussus praeco pronuntiat, patres in curiam convenirent. quibus protinus dignitatis iure consueta loca residentibus rursum praeconis vocatu primus accusator incedit. tune demum clamatus inducitur etiam reus et exemplo legis Atticae Martiique iudicii causae patronis denuntiat praeco neque principia dicere neque miserationem commovere.
Haec ad istum modum gesta compluribus mutuo sermocinantibus cognovi. quibus autem verbis accusator urserit, quibus rebus diluerit reus ac prorsus orationes altercationesque neque ipse absens apud praesepium scire neque ad vos, quae ignoravi, possum enuntiare, sed quae plane comperi, ad istas litteras proferam. Simul enim finita est dicentium contentio, veritatem criminum fidemque probationibus certis instrui nec suspicionibus tantam coniecturam permitti placuit atque illum potissimum servum, qui solus haec ita gesta esse scire diceretur, sisti modis omnibus oportere. nec tantillum cruciarius ille vel fortuna tarn magni iudicii vel con-
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endlosen Prozeß und handgreiflichen Klagebeweisen und dem ausgeklügelten Hin und Her der Entgegnungen absehen und die öffentliche Schandtat auch öffentlich ahnden, indem man ihn steinige. Indessen befürchteten die Beamten eine Gefahr für sich selbst, daß nämlich aus einer ersten kleinen Empörung der Tumult sich zur Auflösung der staatlichen Ordnung auswachsen könnte, und sie beschworen teils die Stadträte, teils beschwichtigten sie die Bürger. Nach Sitte und Brauch der Vorfahren solle das Gericht zusammentreten, die Aussagen seien hin und her zu prüfen und schließlich ganz demokratisch das Urteil z·, finden; man dürfe nicht jemanden ungehört verdammen, wie es die unkultivierten Wilden oder die launischen Tyrannen tun, und so im tiefen Frieden der Welt ein Beispiel der Roheit geben. Dieser gute Vorschlag wurde angenommen, und sofort muß ein Ausrufer verkünden, die Stadtväter möchten sich im Rathaus versammeln. Als sie nach ihrem Rang die gewohnten Plätze eingenommen haben, tritt als erster, wieder nach Aufruf des Herolds; der Kläger ein. Dann erst wird auch der Angeklagte aufgerufen und hereingeführt, und nach den Bestimmungen des Gesetzes, das für Attika und den Areopag gilt, verwarnt der Herold die Anwälte, weder Vorreden zu halten noch es auf Rührung anzulegen. Daß dies so vor sich ging, habe ich von einigen Leuten erfahren, die sich unterhielten. Mit welchen Worten aber der Kläger die Sache unterstrich, womit sie der Beklagte entkräftete, davon und überhaupt von den Reden und Widerreden kann ich nichts wissen, weil ich ja weit weg an meiner Krippe stand, und kam! euch auch nicht erzählen, was mir unbekannt blieb. Aber was ich genau erfuhr, das will ich in diesem Bericht bringen: Sobald das Rededuell zu Ende war, beschloß man, die Wahrheit und Zuverlässigkeit der Vorwürfe durch sichere Beweisführungen festzustellen und eine so schlimme Vermutung nicht auf bloße Verdachtsmomente zu gründen; also müsse unbedingt der Sklave, der angeblich als einziger von dem Hergang wisse, geladen werden. Aber dieser Galgenvogel läßt sich nicht im mindesten weder durch die Umstände eines so wichtigen Pro-
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fertae conspectu curiae vel certe noxia conscientia sua deterritus, quae ipse finxerat, quasi vera adseverare atque adserere incipit: quod se vocasset indignatus fastidio novercae iuvenis, quod ulciscens iniuriam filii eius mandaverit necem, quod promisisset grande silentii praemium, quod recusanti mortem sit comminatus, quod 9 venenum sua manu temperatum dandum fratri reddiderit, quod ad criminis probationem reservatum poculum neclexisse suspicatus sua postremum manu porrexerit puero. haec eximie nimis ad veritatis imaginem verberone · 10 illo simulata cum trepidatione proferente finitum est iudicium.
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Nec quisquam decurionum tarn aequus remanserat iuveni, quin eum evidenter noxae camperturn insui culleo pronuntiaret. Cum iam sententiae pares cunctorum stilis ad unum sermonem congruentibus ex more perpetuo in urnam aeream deberent coici - quo semel conditis calculis iam cum rei fortuna transacto nihil postea commutari licebat, sed mancipabatur potestas capitis in manum carnificis -, unus e curia senior prae ceteris compertae fidei atque auctoritatis pratcipuae medicus orificium urnae manu contegens, ne quis mitteret calculum temere, haec ad ordinem pertulit:
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zesses noch durch den Anblick des vollen Gerichtssaals noch gar durch sein Schuldbewußtsein abschrecken, seine eigenen Erfindungen mit Nachdruck als die Wahrheit auszugeben, und fängt an: daß der junge Mann, empört über die Zurückweisung durch die Stiefmutter, ihn gerufen; daß er ihm, um sich für die Beleidigung· zu rächen, die Ermordung ihres Sohnes aufgetragen; daß er ihm eine hohe Belohnung für sein Schweigen versprochen; daß er ihm, falls er sich weigerte, mit dem Tode gedroht; daß er ihm das eigenhändig gemischte Gift gegeben, damit er es dem Bruder reiche; daß er aus Argwohn, er hätte den Becher als Beweisstück aufgehoben und stehengelassen, ihn schließlich mit eigener Hand dem Knaben gereicht habe. Nachdem der Schurke dies ganz genau so, als wäre es die Wahrheit, und schlotternd vor erheuchelter Angst vorgebracht hatte, wurde die Gerichtsverhandlung geschlossen. Keiner der Ratsherren war dem jungen Mann gegenüber so unvoreingenommen geblieben, daß er ihn nicht für offenkundig der Schuld überführt hielt und nicht den Spruch fällte, er müsse in den Sack genäht werden. Schon sollten die Stimmzettel - sie lauteten gleich, denn alle hatten denselben Wortlaut geschrieben- nach alter Sitte in die eherne Urne geworfen werden; waren die Stimmen darin erst verschwunden, dann war das Schicksal des Angeklagten besiegelt und man durfte nachträglich daran nichts ändern, sondern die Verfügungsgewalt über seinen Kopf ging in die Hand des Henkers über. Da bedeckte einer vom Gerichtshof, ein alter Mann von erprobter Zuverlässigkeit und besonderem Ansehen, von Beruf Arzt, den Schlitz der Urne mit der Hand, damit nicht jemand unbedacht seine Stimme einwürfe, und berichtete dem hohen Hause folgendes: "Bis auf den heutigen Tag hat mein Lebenswandel zu meiner Freude eure Billigung gefunden; und so werde ich nicht dulden, daß an einem Angeklagten, gegen den man mit falschen Beschuldigungen vorgeht, ein offenkundiger Justizmord begangen wird und daß ihr, die ihr unter Eid richtet, euch durch die Lüge eines elenden Sklaven dazu bringen laßt, meineidig zu werden. Ich für meine Person kann nicht die Achtung vor den göttlichen
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meam fallens perperam pronuntiare. ergo, ut res est, de me eognoscite: 9
Fureifer iste venenum praesentarium eomparare sollicitus eentumque aureos solidos offerens pretium me non olim eonvenerat, quod aegroto euidam dicebat neeessarium, qui morbi inextricabilis veterno vehementer implicitus vitae se eruciatui subtrahere gestiret. at ego perspiciens malum istum verberonem blaterantem atque ineoncinne eausifieantem eertusque aliquod moliri flagitium dedi quidem potionem, dedi. sed futurae quaestioni praeeavens non statim pretium, quod offerebatur, aeeepi, sed , inquam, sie induetus signavit peeuniam, quam exinde, ut iste repraesentatus est iudicio, iussi de meis aliquem eurriculo taberna promptam adferre. et en eeee perlatam eoram exhibeo. videat et suum sigillum reeognoseat. nam quem ad modum eius veneni frater insimulari potest, quod iste eomparaverit?>>
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Ingens exinde verberonem eorripit trepidatio et in vieem humani eoloris sueeedit pallor infernus perque universa membra frigidus sudor emanabat. tune pedes ineertis alternationibus eommovere, modo hane modo illam eapitis partem sealpere et ore semiclauso balbuttiens nescio quas afannas effutire, ut eum nemo prorsus a eulpa vaeuum merito erederet. sed revaleseente rursus astutia eonstantissime negare et aeeersere mendacii non desinit medicum. qui praeter iudicii religionem eum fidem suam eoram laeerari videret, multiplieato studio verberonem illum eontendit redarguere, do-
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Mächten mit Füßen treten, mein eigenes Gewissen hintergehen und falsch aussagen. Erfahrt also von mir den wahren Sachverhalt: Dieser Schurke da war vor nicht allzu langer Zeit zu mir gekommen, um ein schnell wirkendes Gift zu beschaffen, und bot mir als Preis hundert Goldstücke; er sagte, ein Kranker brauche es dringend, der an einer alten, unheilbaren Krankheit furchtbar leide und sich der Qual dieses Lebens entziehen wolle. Aber ich durchschaute diesen schlimmen Galgenstrick, wie er da plapperte und Dinge vorbrachte, die nicht zusammenpaßten, und war sicher, daß hier ein Verbrechen ins Werk gesetzt wurde. Ich gab ihm zwar einen Trank, allerdings, ich gab ihn; aber um für die kommende gerichtliche Untersuchung vorzubauen, nahm ich die gebotene Summe nicht gleich an, sondern sagte: ,Damit sich nicht vielleicht eines von den Goldstücken, die du bietest, als minderwertig oder falsch erweist, laß sie gleich in diesem Säckchen und versiegle es mit deinem Ring, bis sie am anderen Tag in Gegenwart eines Bankiers geprüft werden!' So ließ er sich verleiten und versiegelte das Geld; sowie dieser Kerl dem Gericht vorgeführt wurde, habe ich es dann durch einen meiner Leute im Laufschritt aus meinem Laden holen lassen. Hier seht, da ist es beigebracht, ich zeige es vor aller Augen! Er mag es sich ansehen und sein Siegel feststellen! Denn wie kann der Bruder wegen des Giftes beschuldigt werden, das der da sich beschafft hat?" Da überfällt den Schurken ein gewaltiges Zittern, an die Stelle natürlicher Gesichtsfarbe tritt Leichenblässe und aus allen Gliedern beginnt ihm der kalte Schweiß zu rinnen; jetzt tritt er unsicher von einem Fuß auf den anderen, kratzt sich den Kopf bald hier bald da und stctttert bei halbgeschlossenem Munde ich weiß nicht was für Ausflüchte daher, so daß begreiflicherweise niemand ihn für schuldlos hielt. Als aber seine Schlauheit wieder auf die Beine kommt, leugnet er ganz hartnäckig in einem fort und be~chuldigt den Arzt der Lüge. Als der sah, wie außer der Achtung vor dem Gerichtshof auch seine eigene Glaubwürdigkeit öffentlich heruntergerissen wurde, strebte er mit verstärktem Eifer die Überführung des Schurken an, bis
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nec iussu magistratuum ministeria publica contrectatis nequissimi servi manibus anulum ferreum deprehensum cum signo sacculi conferunt; quae comparatio praecedentem roboravit suspicionem. nec rota vel eculeus more Graecorum tormentis eius apparata iam deerant. sed offirmatus mira praesumptione nullis verberibus ac ne ipso quidem succumbii: igni. Turn medicus «Non patiar», inquit, «hercules, non patiar vel contra fas de innocente isto iuvene supplicium vos sumere vel hunc ludificato nostro iudicio poenam noxii facinoris evadere. dabo enim rei praesentis evidens argumentum. nam cum venenum peremptorium comparare pessimus iste gestiret nec meae sectae crederem convenire causas ulli praebere mortis nec exitio, sed saluti hominum medicinam quaesitam esse didicissem, verens ne, si daturum me negassem, intempestiva repulsa viam sceleri subministrarem et ab alio quopiam exitiabilem mercatus hic potionem vel postremum gladio vel quovis telo nefas inchoatum perficeret, dedi venenum, sed somniferum, mandragoram illum gravedinis compertae famosum et morti simillimi soporis efficacem. nec mirum desperatissimum istum latronem certurn extremaepoenae, quae more maiorum in euro competit, cruciatus istos ut leviores facile tolerare. sed si vere puer meis temperatam manibus sumpsit potionem, vivit et quiescit et dormit et protinus marcido sopore discusso remeabit ad diem lucidam. quod [sive peremptus est] si morte praeventus est, quaeratis licet causas mortis eius alias.»
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Ad istum modum seniore adorante placuit; et itur confestim magna cum festinatione ad illud sepulchrum, quo corpus pueri depositum iacebat. nemo de curia, de
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endlich auf amtlichen Befehl Gerichtsdiener die Hände des nichtswürdigen Sklaven ergriffen, ihm seinen eisernen Ring abzogen und mit dem Siegel am Säckchen verglichen; dieser Vergleich bestärkte den eben aufgekommenen Verdacht. Schon standen auch nach griechischer Sitte die Foltergeräte, Rad und Pferd, für ihn bereit. Aber in seinem seltsam verstockten Trotz ist er durch keine Prügel und nicht einmal durch Feuer kleinzukriegen. Da sagte der Arzt: "Ich werde nicht zulassen, nein, bei Gcitt, ich werde nicht zulassen, daß ihr widerrechtlich an diesem jungen Mann die Todesstrafe vollzieht und daß der andere da unserem Gerichtshof ein Schnippchen schlägt und der Strafe für sein Verbrechen entgeht! Denn ich will für diesen Fall den schlagenden Beweis geben: als dieser Schuft da ein tödliches Gift kaufen wollte, hielt ich es für unvereinbar mit meiner Berufsehre, jemandem zum Tode zu verhelfen; denn ich hatte ja gelernt, daß die Heilkunde nicht zum Verderben, sondern zum Wohle der Menschheit erfunden ist. Zugleich fürchtete ich aber, ich könnte, wenn ich die Herausgabe ablehnte, durch diese ungeschickte Weigerung den Weg zu einem Verbrechen ebnen und dieser da könnte den Todestrank von einem anderen kaufen oder schließlich mit dem Schwert oder sonst einer Waffe das eingeleitete Verbrechen zu Ende führen. Also gab ich ihm ein Gift, aber es war ein Schlaftrunk, die bekannte Alraune, die als Betäubungsmittel erprobt und berühmt ist und einen ganz todesähnlichen Schlaf bewirkt. Kein Wunder, daß dieser Bandit in seiner Gottverlassenheit - die schlimms~e Strafe ist ihm sicher, sie trifft ihn nach alter Sit~e - diese Foltern leicht erträgt; sie sind ja für ihn das kleinere Übel. Aber wenn der Knabe wirklich den von mir eigenhändig gemischten Trank genommen hat, dann lebt er und ruht nur und schlummert; sowie er den bleiernen Schlaf abgeschüttelt hat, wird er zum lichten Tag zurückkehren. Hat ihn aber der Tod ereilt, dann dürft ihr die Gründe seines Todes anderswo suchen." Als der würdige Mann in dieser Weise redete, faßte man einen entsprechenden Beschluß, und es geht in großer Eile zu dem Grab, in dem die sterbliche Hülle des Jungen bestattet lag.
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optimatibus nemo ac ne de ipso quidem populo quisquam, qui non illuc curiose confluxerit. ecce pater suis ipse manibus coperculo capuli remoto commodum discusso mortifero sopore surgentem postliminio mortis deprehendit filium eumque complexus artissime verbis impar praesenti gaudio producit ad populum. atque ut erat adhuc feralibus amiculis instrictus atque obditus, deportatur ad iudicium puer. iamque liquido servi nequissimi atque mulieris nequioris patefactis sceleribus procedit in medium nuda veritas et novercae quidem perpetuum indicitur exilium, servus vero patibulo suffigitur. et omnium consensu bono medico sinuntur aurei, opportuni somni pretium.
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Et illius quidem senis famosa atque fabulosa fortuna providentiae divinae condignum accepit exitum, qui momento modico, immo puncto exiguo post orbitatis periculum adulescentium duorum pater repente factus est. 13
At ego tune temporis talibus fatorum fluctibus volutabar: Miles ille, qui me nullo vendente comparaverat et sine pretio suum fecerat, tribuni sui praecepto debitum sustinens obsequium litteras ad magnum scriptas principem Romam versus perlaturus vicinis me quibusdam duobus servis fratribus undecim denariis vendidit. His erat dives admodum dominus. at illorum alter pistor dulciarius, qui panes et mellita concinnabat edulia, alter cocus, qui sapidissimis intrimentis sucuum pulmenta condita vapore mollibat. unico illi contubernio communem vitam sustinebant meque ad vasa illa compluria gestanda praestinarant, quae domini regiones plusculas
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Keiner vom Rat, von den Vornehmen keiner, ja nicht einmal aus dem Volk fehlte jemand, als man dort voller Neugier zusammenströmte. Und wirklich! Als der Vater höchst eigenhändig den Sargdeckel hochhebt, hat der Junge gerade eben den Todesschlummer abgeschüttelt und erhebt sich, um aus dem Reich des Todes zurückzukehren; da nimmt er seinen Sohn in die Arme, drückt ihn ganz eng an sich und führt ihn, keines Wortes mächtig in der Freude des Augenblicks, zu den Leuten hinaus. Und so wie er war, noch in sein Totenhemd eingewickelt und eingehüllt, wird der Junge zur Gerichtssitzung getragen. Klar ist nun das Verbrechen des nichtswürdigen Sklaven und des noch nichtswürdigeren Weibes aufgedeckt, und die nackte Wahrheit kommt ans Licht. Gegen die Stiefmutter wird auf lebenslängliche Verbannung erkannt, der Sklave aber wird ans Kreuz geschlagen. Dem guten Arzt werden mit allgemeiner Zustimmung die Goldstücke, der Preis für den rettenden Schlaf, belassen. Und so nahm das gern gehörte, unerhörte Erlebnis jenes alten Mannes einen Ausgang, wie er der göttlichen Vorsehung würdig war: eine kleine Weile, nein, einen winzigen Augenblick nach der Gefahr völliger Vereinsamung wurden ihm mit einem Mal zwei junge Söhne geschenkt. Aber ich wurde damals von den Wogen des Schicksals hin und hergeworfen, und das ging so: Jener Soldat, der mich ohne Verkäufer erworben und ohne Geld b~schlagnahmt hatte, mußte einem Befehl seines Obersten, wie es sich gehörte, gehorchen und einen Brief zum Großen Kaiser nach Rom bringen. Also verkaufte er mich für elf Mark an zwei Sklaven in der Nachbarschaft, die Brüder waren. Die hatten einen recht reichen Herrn. Der eine von ihnen war ein Konditor, der Backwerk und Süßigkeiten herstellte, der andere ein Koch, der Fleischgerichte durch Zusatz feiner schmackhafter Soßen würzte und im Dampf schmoren ließ. Sie hausten gemeinsam in einem einzigen Zimmer; und mich hatten sie dazu erstanden, daß ich die zahlreichen Gefäße tragen sollte, die ihr Herr zu verschiedenen Zwecken brauchte, wenn er eine
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pererrantis variis usibus erant necessaria. adsciscor itaque inter duos illos fratres tertius contubemalis haud ullo tempore tam benivolam Fortunam expertus. nam vespera post opiparas cenas earumque splendidissimos apparatus multas numero partes in cellulam suam mei solebant reportare domini: ille porcorum, pullorum, piscium et cuiusce modi pulmentarum largissimas reliquias, hic panes. crustula, lucunculos, hamos, lacertulos et plura scitamenta mellita. qui cum se refecturi clausa cellula balneas petissent, oblatis ego divinitus dapibus adfatim saginabar. nec enim tam stultus eram tamque vere asinus, ut dulcissimis illis relictis cibis cenarem asperrimum faenum.
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Et diu quidem pulcherrime mihi furatrinae procedebat artificium quippe adhuc timide et satis parce subripienti de tam multis pauciora nec illis fraudes ullas in asino suspicantibus. at ubi fiducia latendi pleniore capta partes opimas quasque devorabam et iucundiora eligens abligurribam dulcia, suspicio non exilis fratrum pupugit animos, et quanquam de me nihil etiam tum tale crederent, tarnen cotidiani damni studiose vestigabant reum. Illi vero postremo 'etiam mutuo sese rapinae turpissimae criminabantur iamque curam diligentiorem et acriorem custodelam et dinumerationem adhibebant partium. tandem denique rupta verecundia sie alter alterum compellat: «At istud iam neque aequum ac ne humanum quidem cotidie te partes electiores surripere atque iis divenditis peculium latenter augere, de reliquis aequam vindicare divisionem. si tibi denique societas ista displicet, possumus omnia quidem cetera fratres manere, ab isto tarnen nexu communionis discedere. nam video in immensum damni procedentem querelam nutrire nobis immanem discordiam.»
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Gegend nach der anderen bereiste. Ich werde also zu den beiden Brüdern als dritter Stubengenosse aufgenommen und habe zu keiner Zeit Fortuna so gnädig angetroffen. Denn abends pflegten meine Herren nach den üppigen Mahlzeiten, bei denen es sehr fein zuging, eine Menge Reste in ihre Unterkunft zu bringen: der eine, was von Ferkeln, Fasanen, Fischen und aller Art Fleischgerichten massenhaft übriggeblieben war, der andere Brote, Zuckerplätzchen, Krapfen, Hörnchen, Schnecken und mehr solcher leckerer Schleckereien. Wenn sie dann ihr Zimmer abschlossen und zur Erholung ins Bad gingen, schlug ich mir mit den vom Himmel gefallenen Delikatessen ausgiebig den Bauch voll. Denn so dumm war ich nicht und kein so echter Esel, daß ich diese herrlichen Speisen liegen gelassen und dafür garstiges Heu gefressen hätte! Und lange Zeit glückte mir der Trick mit dem Stibitzen aufs schönste, weil ich ja noch ängstlich und recht sparsam von dem Vielen nur Weniges wegnahm und sie von einem Esel keine Schliche vermuteten. Als ich aber immer sicherer wurde, nicht entdeckt zu werden, und gerade die fetten Brocken verschlang und von den Süßspeisen nur das Schmackhaftere auswählte und abschleckte, da stach ein nicht geringer Argwohn die Brüder ins Herz; und wenn sie auch von mir so etwas immer noch nicht vermuteten, forschten sie doch eifrig nach einem, dem sie die Schuld an dem täglichen Verlust geben könnten. Schließlich beschuldigten sie sich sogar gegenseitig des gemeinsten Diebstahls und hatten von nun an sorgfältiger Acht auf die Sachen: sie bewadtten sie schärfer und zählten die einzelnen ~tücke. Zu guter Letzt überwindet einer doch seine Scheu und fährt den anderen an: .. Aber das ist nun wirklich nicht recht und nicht anständig von dir, täglich die besseren Stücke zu verziehen, um mit dem Erlös h!:imlich dein Taschengeld aufzubessern und dann den Rest gleich zu gleich teilen zu wollen! Wenn dir also unsere gemeinsame Wirtschaft nicht gefällt, können wir ja in allem anderen Brüder bleiben, diese enge Gemeinschaft aber aufgeben. Denn ich sehe, daß sich der Streit um den Schaden ins Endlose verlängert und einen großen Unfrieden zwisd1en uns unterhält."
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Subicit alius: «Laudo istam tuam mehercules et ipse constantiam, quod cotidie furatis clanculo partibus praevenisti querimoniam, qutlm diutissime sustinens tacitus ingemescebam, ne viderer rapinae sordidae meum fratrem arguere. sed bene, quod utrimquesecus sermone prolato iacturae rentedium quaeritur, ne· silentio procedens simultas Eteocleas nobis contentiones pariat.,.
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His et similibus altercati conviciis deierantur utrique nullam se prorsus fraudem, nullam denique subreptionem factitasse. sed plane debere cunctis artibus communis dispendii latronem inquiri. nam neque asinum, qui solus interesset, talibus cibis adfici posse et tarnen cotidie partis electiles conpatere nusquam nec utique cellulam suam tarn immanes involare muscas ut olim Harpyiae fuere, quae diripiebant Phineias dapes.
Interea liberalibus cenis inescatus et humanis adfatim cibis saginatus corpus obesa pinguitie compleveram, corium arvina suculenta molliveram, pilum liberali nitore nutriveram. sed iste corporis mei decor pudori peperit grand,e dedecus.
Insolita namque tergoris vastitate commoti, faenum prorsus intactum cotidie remanere cernentes iam totos ad me dirigunt animos. et hora consueta velut balneas petituri clausis ex more foribus per quandam modicam cavernam rimantur me passim expositis epulis inhaerentem. nec ulla cura iam damni sui habita mirati monstruosas asini delicias risu maximo dirumpuntur vocatoque uno et altero ac dein pluribus conservis demonstrant infandam memoratu hebetis iumenti gulam. tantus
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Der andere erwidert: "Du hast Nerven, das muß ich bei Gott auch selber anerkennen: erst stiehlst du heimlich jeden Tag ein paar Stücke und dann kommst du meiner Beschwerde zuvor, die ich schon lange still seufzend mit mir herumtrug, um nicht offen meinen Bruder eines schmutzigen Diebstahls zu beschuldigen. Aber gut, daß es zu einer Aussprache gekommen ist und nach einer Abhilfe für den Schaden gesucht wird; sonst wird noch die schleichende Feindschaft uns B::uderkämpfe a Ia Eteokles bescheren." Nachdem sie sich mit diesen und ähnlichen Vorwürfen gezankt haben, schwören beide, keinerlei Unehrlichkeit, vollends keinen Diebstahl begangen zu haben. Vielmehr müsse man unbedingt mit allem Raffinement den Räuber ausfindig machen, der ihnen den gemeinsamen Schaden zufüge; denn der Esel, der allein zugegen sei, könne sich doch aus solchen Speisen nichts machen, und trotzdem verschwänden täglich die Leckerbissen; auch kämen sicherlich nicht so riesige Fliegen in ihr Zimmer wie einst die Harpyien waren, die dem Phineus seine Mahlzeiten plünderten. Indessen hatte ich mich mit reichlichem Essen ausgestopft und mit menschlichen Speisen bis oben vollgepfropft; mein Körper hatte ausgiebig Fett angesetzt, meine Haut war von saftigem Schmer weich geworden, mein Fell hatte einen feinen Glanz bekommen. Aber diese ans~ändige Verfassung meines Körpers sollte mich Unschuldslamm in eine große Unanständigkeit führen. Denn da mein ungewöhnlich feister Rücken sie stutzir, macht und da sie sehen, daß das Heu täglich ganz unberührt bleibt, lenken sie nun ihre volle Aufmerksamkeit auf mich. Und zur gewohnten Stunde tun sie, als ob sie ins Bad gehen wollten, und schließen die Tür wie sonst, beobachten mich aber durch einen kleinen Spalt, wie ich mich an die überall aufgestellten Speisen heranmache. Und ohne sich noch um ihren Schaden zu kümmern, staunen sie nur über die seltsamen Gelüste des Esels und brechen in ein gewaltiges Lachen aus. Sie rufen den und jenen und dann immer mehr Mitsklaven herbei und zeigen ihnen den merkwürdigen Appetit des blöden Packtiers. Schließ-
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denique ac tarn liberalis cachinnus cunctos invaserat, ut ad aures quoque praetereuntis perveniret domini. 16
Sciscitatus denique, quid bonum rideret familia, cognito quod res erat ipse quoque per idem prospiciens foramen delectatur eximie. ac dehinc risu ipse quoque latissimo adusque intestinorum dolorem redactus iam patefacto cubiculo proxime consistens coram arbitratur. nam et ego tandem ex aliqua parte mollius mihi renidentis Fortunae contemplatus faciem gaudio praesentium fiduciam mihi subministrante nec tantillum commotus securus esitabam, quoad novitate spectaculi laetus dominus aedium duci me iussit, immo vero suis etiam ipse manibus ad triclinium perduxit mensaque posita omne genus edulium soliderum et inlibata fercula iussit adponi. At ego quanquam iam bellule suffarcinatus, gratiosum commendatioremque me tarnen ei facere cupiens esurienter exhibitas escas adpetebam. nam et, quid potissimum abhorreret asino, excogitantes scrupulose ad explorandam mansuetudinem id offerebant mihi: carnes lasere infectas, altilia pipere inspersa, pisces exotico iure perfusos. Interim convivium summo risu personabat. quidam denique praesens scurrula «Date», inquit, «sodali huic quippiam meri». quod dieturn dominus secutus «Non adeo», respondit, «absurde iocatus es, furcifer; valde enim fieri potest, ut contubernalis noster poculum quoque mulsi libenter adpetat». et «Heus••.• ait, «puer, lauturn diligenter ecce illum aureum cantharum mulso contempera et offer parasito meo; simul, quod ei praebiberim, commoneto». ingens exin oborta est epulonum expectatio. nec ulla tarnen ego ratione conterritus otiose ac satis genialiter contorta in modum ligulae postrema Iabia grandissimum illum calicem uno haustu perduxi.
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lieh war das allgemeine Gewieher so groß und von Herzen kommend, daß es auch dem Herrn zu Ohren drang, der gerade vorüberging. Schließlich fragte er, was die Leute da Gutes zu lachen hätten, und als er erfuhr, was los war, schaut er auch selbst durch eben die Öffnung und freut sich königlich; und dann wird er auch von einem so unbändigen Lachen befallen, daß ihm die Seiten wehtun. Er läßt die Kammer öffnen, tritt neben mich und mustert mich persönlich. Denn weil ich endlich einmal Fortunas Antlitz mir etwas milder zulächeln sah und mir die Fröhlichkeit der Anwesenden Zutrauen einflößte, ließ ich mich nicht im mindesten stören und futterte ruhig weiter, bis der Hausherr vor Spaß über das neue Schauspiel mich wegführen ließ, ja sogar mit eigenen Händen zum Speisezimmer geleitete, wo er einen Tisch aufstellen und ganze Gänge und noch unberührte Platten auftragen ließ. Obwohl ich nun schon hübsch genudelt war, machte ich mich hungrig über die gebotenen Speisen her; wollte ich mich doch dem Herrn angenehm und noch gefälliger erweisen! Denn man hatte sich raffiniert ausgedacht, was einem Esel am ehesten widerstehen könnte, und bot mir das an, um meine Zahmheit zu prüfen: Fleisch mit Silphion gewürzt, Geflügel mit Pfeffer bestreut, Fisch mit ausländischer Soße übergossen. Unterdessen erhob die Gesellschaft ein mächtig schallendes Gelächter. Schließlich sagte ein Spaßmacher, der dabei war: "Gebt doch dem Kameraden da etwas reinen Wein!" Auf diese Äußerung ging der Herr ein und antwortete: "Da hast du eine nicht ganz unlustige Idee, du Galgenstrick! Denn es kann durchaus sein, daß unser Hausgenosse auch einen Becher Honigwein gern möchte!" Und weiter rief er: "He, Junge, spüle den goldenen Humpen da sorgfältig aus, fülle ihn mit Honigwein und biete ihn meinem Tischgast; mach ihn zugleich darauf aufmerksam, daß ich ihm zugeprostet habe!" Darauf entstand bei den Zechgenossen eiue große Spannung. Aber ich ließ mich auf keine Weise einschüchtern; in aller Ruhe und recht feierlich rollte ich die Lippenränder zu einer Art Löffel zusammen und schlürfte den mächtigen Humpen in einem Zuge
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et clamor exurgit consona voce cunctorum salute me prosequentium. 17
Magno denique delibutus gaudio dominus vocatis servis suis emptoribus meis iubet quadruplum restitui pretium meque cuidam acceptissimo liberto suo et satis peculiato magnam praefatus diligentiam tradidit. qui me satis humane satisque comiter nutriebat et, quo se patrono commendatiorem faceret, studiosissime voluptates eius per meas argutias instruebat. et primum me quidem mensam accumbere suffixo cubito, dein adluctari et etiam saltare sublatis primoribus pedibus perdocuit, quodque esset adprime mirabile, verbis nutum commodare, ut quod nollem relato, quod vellem deiecto capite monstrarem sitiensque pocillatore respecto ciliis alterna conivens bibere flagitarem. atque haec omnia perfacile oboediebam, quae nullo etiam monstrante scilicet facerem. sed verebar ne, si forte sine magistro humano ritu ederem pleraque, rati scaevum praesagium portendere velut monstrum ostentumque me obtruncatum vulturiis opimum pabulum redderent.
lamque rumor publice crebruerat, quo conspectum atque famigerabilem meis miris artibus effeceram dominum: «Hic est, qui sodalern convivamque possidet asinum luctantem, asinum saltantem, asinum voces humanas intellegentem, sensum nutibus exprimentem.»
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Sed prius est ut vobis, quod initio facere debueram, vel nunc saltem referam, quls iste vel unde fuerit: Thiasus - hoc enim nomine meus nuncupabatur dominus oriundus patria Corintho, quod caput est totius AChaiae provinciae, ut eius prosapia atque dignitas postulabat, gradatim permensis honoribus quinquennali magistratui fuerat destinatus, et ut splendori capessendorum respon-
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aus. Und als alle wie aus einer Kehle mir "Wohl bekomms!" zurufen, gibt es einen großen Lärm. Trunken vor lauter Vergnügen läßt schließlich der Herr seine Sklaven rufen, die mich gekauft hatten, und befiehlt, ihnen den vierfachen Preis zu erstatten. Mich übergab er seinem Lieblingsfreigelassenen, einem ziemlich vermögenden Mann, nicht ohne vorher eine lange Rede über sorgsame Behandlung zu halten. Der fütterte mich recht anständig und freundlich und suchte, um sich bei seinem Patron noch beliebter zu machen, ihm durch meine Kunstfertigkeiten Vergnügen zu bereiten: und zwar lehrte er mich zuerst, mit aufgestütztem Ellbogen zu Tisch zu liegen, dann zu ringen und sogar mit hochgehobenen Vorderfüßen zu tanzen und, was besonders staunen machte, nach seinen Worten zu nicken, so daß ich das, was ich nicht wollte, durch Erheben, was ich wollte, durch Senken des Kopfes anzeigte, und, wenn ich Durst hatte, zu trinken verlangte, indem ich nach dem Schenken hinschaute und abwechselnd die Augenlider zukniff. In dem allen gehorchte ich sehr leicht; denn ich hätte es ja auch ohne daß es mir jemand vormachte getan. Aber ich fürchtete, wenn ich mich etwa ohne Lehrmeister vorwiegend nach Menschenart benähme, könnte man glauben, es bedeute ein schlimmes Vorzeichen, und würde mich dann als ein unheimliches Ungeheuer köpfen und den Geiern als fetten Bissen überlassen. Und schon hatte sich in der Öffentlichkeit das Gerücht verbreitet, ich hätte durch meine Künste dem Herrn Ansehen und einen besonderen Ruf verschafft: "Das ist der Mann", hieß es, "der zum Kumpan und Tischgenossen einen Esel hat, der ringt, einen Esel. der tanzt, einen Esel. der menschliche Laute versteht und seine Gedanken durch Kopfnicken ausdrückt." Aber zuvor will ich euch wenigstens jetzt noch. was ich gleich anfangs hätte tun sollen, berichten, wer der Mann und woher er war: Thiasus - diesen Namen trug mein Herr - stammte aus Korinth, der Hauptstadt der ganzen Provinz Achaia, und hatte, wie es seine Abstammung und Würde verlangten, die Stufenleiter der Ämter durchmessen. Nun war er auf fünf Jahre in die leitende Behörde eingesetzt worden und hatte, um dem
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deret fascium, munus gladiatorium triduani spectaculi pollicitus latius munificentiam suam porrigebat. denique gloriae publicae studio tune Thessaliam etiam aceesserat nobilissimas feras et famosos inde gladiatores comparaturus. iamque ex arbitrio dispositis coemptisque omnibus domuitionem parabat. spretis luculentis illis suis vehiculis ac posthabitis decoris raedarum carpentis, quae partim contecta partim revelata frustra novissimis trahebantur consequiis, equis etiam Thessalicis et aliis iumentis Gallicanis, quibus generosa suboles perhibet pretiosam digni· tatem, me phaleris aureis et fucatis ephippiis et purpureis tapetis et frenis argenteis et pictilibus balteis et tintinnabulis perargutis exomatum ipse residens amantissime nonnunquam comissimis adfatur sermonibus atque inter alia pleraque summe se delectari profitebatur, quod haberet in me simul et convivam et vectorem.
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At ubi partim terrestri partim maritimo itinere confecto Corinthum accessimus, magnae civium turbae confluebant, ut mihi videbatur, non tantum Thiasi studentes honori quam mei conspectus cupientes. nam tanta etiam ibidem de me fama pervaserat, ut non mediocri quaestui praeposito illi meo fuerim. qui cum multos videret nimio favore lusus meos spectare gestientes, obserata fore atque singulis eorum sorsus admissis stipes acceptans non parvas summulas diurnas corradere consuerat. Fuit in illo conventiculo matrona quaedam pollens et opulens. quae more ceterorum visum meum mercata ac dehinc multiformibus ludicris delectata per admirationem adsiduam paulatim in admirabilem mei cupidinem incidit. nec ullam vaesanae libidini medelam capiens ad ii:J.star asinariae Pasiphaae complexus meos ardenter expectabat. grandi denique praemio cum altore meo
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Glanz des Amtes, das er antreten sollte, zu entsprechen, ein dreitägiges Gladiatorenschauspiel versprochen; denn er wollte seine Freigebigkeit in weiterem Rahmen sehen lassen. So war er in seinem Streben, den Leuten zu imponieren, schließlich auch nach Thessalien gekommen, um dort besonders feine wilde Tiere und berühmte Gladiatoren zu beschaffen. Nun hatte er nach seinem Ermessen alles angeordnet und eingekauft und bereitete die Heimreise vor. Dazu verschmähte er die prächtigen Wagen und benutzte nicht die herrlichen Kutschen, die ·teils mit Verdeck, teils offen amSchluß des Zuges umsonst mitgeführt wurden, auch nicht die thessalischen Reitpferde und die Zugtiere sonst aus Gallien, denen ein edler Stammbaum kostbaren Wert verleiht. Nein: mich ließ er mit goldenen Brustschilden und buntem Sattel und purpurnen Decken und silbernen Zügeln und reichbestickten Gurten und helltönenden Glöckchen ausstaffieren und saß selbst bei mir auf. Von Zeit zu Zeit redete er mich mit sehr freundlichen und gütigen Worten an und bekannte unter vielem anderen seine hohe Freude, in mir Zechgenossen und Reittier zugleich zu haben. Als wir die Reise teils zu Lande, teils zur See zurückgelegt hatten, kamen wir nach Korinth. Da strömte das Publikum in großen Scharen zusammen, nicht so sehr, wie mir schien, Thiasus zu Ehren als weil man midi sehen wollte. Denn audi dort hatte sidi ein solcher Ruf über midi verbreitet, daß idi für meinen Wärter zu einer nicht geringen Einnahmequelle wurde; als er sah, daß viele Leute mit großem Interesse sidi meine Kunststückehen ansehen wollten, verschloß er die Tür, ließ sie einzeln für sich herein und pflegte so mit den Eintrittsgeldern, die er bekam, alle Tage ganz hübsche Sümmchen einzustreichen. Unter dieser Gesellschaft befand sidi auch eine einflußreiche, wohlhabende Dame. Nachdem sie, wie die anderen auch, für die Besichtigung bezahlt hatte, war sie entzückt von meinen verschiedenen Späßen und geriet vor lauter Begeisterung allmählich in ein seltsames Gelüst nach mir; und weil sie ihre wahnsinnige Begierde nidit anders stillen konnte, verlangte sie eine zweite Pasiphae, allerdings mit einem Esel - glühend nadi meiner Umarmung. Für eine hohe Summe vereinbarte sie
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depecta est noctis unius concubitum. at ille nequaquam (sollicitus, quidnam) posset de me suave provenire, lucro suo tantum contentus adnuit. 20
Iam denique cenati e tridinio domini decesseramus, et iam dudum praestolantem cubiculo meo matronam offendimus. dii boni, qualis ille quamque praedarus apparatus: quattuor eunudJ.i confestim pulvillis compluribus ventose tumentibus pluma delicata terrestrem nobis cubitum praestruunt; sed et Stragula veste auro ac murice Tyrio depicta probe constemunt ac desuper ·brevibus admodum, sed satis copiosis pulvillis aliis (nimis modicis], quis maxillas et cervices delicatae mulieres suffulcire consuerunt, superstruunt. nec dominae voluptates diutina sua praesentia morati dausis cubiculi foribus facessunt. at intus cerei praedara micantes luce nocturnas nobis tenebras inalbabant.
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Tune ipsa cuncto prorsus spoliata tegmine, taenia .quoque, qua decoras devinxerat papillas, Iumen propter adsistens de stagneo vasculo multo sese perungit oleo balsamino meque indidem largissime perfricat, sed multo tanta impensius (cura] etiam nares perfundit meas. tune exosculata pressule, non qualia in lupanari solent basiola iactari vel meretricum poscinummia vel adventorum negantinummia, sed pura atque sincera instruit et blandissimos .adfatus: «Amo,. et «Cupio» et "Te solum diligo .. et «Sine te iam vivere nequeo» et cetera, quis mulieres et alios inducunt et suas testantur adfectiones. capistroque D)e prehensum more, quo didiceram, redinat facile, quippe cum nil novi nihilque difficile facturus mihi viderer, praesertim post tantum temporis tam formonsae mulieris cupientis amplexus obiturus. nam et vino puldJ.errimo atque copioso memet madefeceram et unguento fraglantissimo prolubium libidinis suscitaram.
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schließlich mit meinem Wärter ein Beisammensein für eine Nacht; der willigte ein, ohne sich die geringsten Gedanken zu machen, welch ein Reiz derut von mir ausgehen könnte, denn er war nur auf sein Geschäft erpicht. Eben hatten wir endlich nach der Mahlzeit das Eßzimmer des Herrn verlassen, da fanden wir die Dame vor, die schon längst in meinem Schlafraum wartete. Guter Gott, wie hatte man alles vorbereitet, mit welcher Pracht! Vier Eunuchen richten geschäftig aus mehreren Kissen, die mit feinen Daunen gefüllt sich schwellend blähten, für uns ein Lager a~ Boden her, breiten auch eine Decke, mit Gold und tyrischem Purpur bestickt, sorgsam aus und türmen noch darüber einen Aufbau aus nicht sehr großen, aber ziemlich zahlreichen anderen Kissen, wie sie feinen Damen als Wangen- oder Nackenpolster dienen. Und um die Freuden ihrer Herrin nicht durch längere Anwesenheit hinauszuzögern, schließen sie die Tür des Schlafraums und ziehen sich zurück. Aber drinnen machte uns strahlend helles Kerzenlicht die finstere Nacht zum Tage. Jetzt legt sie alle Hüllen ab bis auf die letzte, auch den Halter, mit dem sie ihre schöne Büste hochgebunden hatte, tritt nahe ans Licht und salbt sich ausgiebig aus einem Zinnfläschchen mit einem wohlriechenden Öl; auch mich reibt sie gründlich damit ein und parfümiert mit ganz besonderer Hingabe meine Nüstern. Dann schmatz~ sie mich stürmisch ab; das waren keine Küsse, wie sie in Freudenhäusern teils Huren um Geld, teils Besucher statt Geld zu geben pflegen, sondern reine und aufrichtige bekomme ich unter Koseworten: "Ich liebe dich" und .. Ich sehne mich nach dir" und ,;Dich allein hab ich lieb" und .. Ohne dich kann ich nicht mehr leben" usw., womit die Frauen ebenso andere verführen wie ihr eigenes Verlangen ausdrücken. Sie faßt mich beim Halfter und bringt mich leicht dazu, wie ich es gelernt hatte, mich hinzulegen; denn ich hatte den Eindruck, es wäre für mich nichts Neues und nichts Schwieriges, wenn ich - besonders nach so langer Zeit - die Umarmungen einer so schönen, verlangenden Frau über mich ergehen lassen sollte. Hatte ich mich doch auch mit reichlichem Wein erster Sorte in Stimmung gebracht und mit herrlich duf-
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Sed angebar plane non exili metu reputans, quem ad modum tantis tamque magnis cruribus possem delicatam matronam inscendere vel tarn lucida tamque tenera et lacte ac melle confecta membra duris ungulis complecti labiasque modicas ambroseo rore purpurantes tarn amplo ore tamque enormi et saxeis dentibus deformi saviari, novissime quo pacto, quanquam ex unguiculis perpruriscens, mulier tarn vastum genitale susciperet. heu me, qui dirrupta nobili femin,a bestiis obiectus munus instructurus sim mei domini.
Molles interdum voculas et adsidua savia et dulces gannitus commorsicantibw oculis iterabat illa et in summa «Teneo te», inquit, «teneo, meum palumbulum, meum passerem.,. et cum dicto vanas fuisse cogitationes meas ineptumque monstrat metum. artissime namque complexa totum me prorsus, sed totum recepit. illa vero, quotiens ei parcens nates recellebam, accedens totiens nisu rabido et spinam prehendens meam adplicitiore nexu inhaerebat, ut hercules etiam deesse mihi aliquid ad supplendam eius libidinem crederem nec Minotauri matrem frustra delectatam putarem adultero mugiente. iamque operosa et pervigili nocte transacta vitata lucis conscientia facessit mulier condicto pari noctis futurae pretio.
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Nec gravate magister meus voluptates ex eius arbitrio largiebatur partim mercedes amplissimas acceptando, partim novum spectaculum domino praeparando. incunctanter ei denique libidinis nostrae totam detegit scaenam. at ille liberto magnifice munerato destinat me spectaculo publico. et quoniam neque e~etrla illa uxor mea propter
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tender Salbe meine Begierde· im vorhinein angeregt. Aber mich plagte eine nicht geringe Angst, wenn ich bedachte, auf welche Weise ich wohl mit so riesig großen Beinen über die feine Dame steigen oder so schimmernd weiße und so zarte, wie aus Milch und Honig geschaffene Glieder mit meinen harten Hufen umarmen und die zierlichen, ambrosiafeuchten Purpurlippen mit meinem Maul küssen könnte, das so ausnehmend breit und durch seine Quadersteine von Zähnen wenig einnehmend war; und schließlich wie die Frau, mochte sie auch bis in die Fingerspitzen voll Verlangen sein, ein so riesiges Glied in sich aufnehmen würde. Schlimm für mich: wenn ich eine adlige Dame aufgerissen hätte, würde ich den wilden Tieren vorgeworfen und eine Schaunummer beim Fest meines Herrn werden. Unterdessen wiederholte sie die zärtlichen Koseworte und die ständigen Küsse und das süße Geflüster, wobei sie die Augen auf- und zuzwinkerte. Und auf dem Höhepunkt sagte sie: ,.Ich hab dich, hab dich, meinen Ruckediguck, mein Rackerchen!", - und zeigt dabei, daß meine Bedenken gegenstandslos und meine Sorgen umsonst gewesen waren: denn sie umschlang mich so eng sie konnte und nahm mich ganz, aber auch wirklich ganz in sich auf. Und so oft ich mein Hinterteil zurückzog, um sie zu schonen, kam sie mit wildem Schwung nach, umfaßte mein Rückgrat und hing an mir in noch engerer Umschlingung, so daß ich wahrhaftig glaubte, es fehle mir gar noch etwas, um ihrer Wollust zu genügen, und zu der Meinung kam, die Mutter des Minotaurus habe an dem muhenden Ehebrecher kein leeres Vergnügen gehabt. Geschäftig durchwacht ist die Nacht kaum vergangen, da macht sich die Frau davon, um nicht das Tageslicht zum Mitwisser zu haben, und vereinbart für die kommende Nacht den gleichen Preis. Mein Wärter gewährte ihr nicht ungern die Verlustierungen, sooft sie es wollte, teils weil er reichlichen Lohn bekam, teils weil er seinem Herrn ein neues Schauspiel bereiten wollte. Ohne Zaudern entdeckt er ihm schließlich das ganze Drama unserer Liebeslust. Der andere belohnt den Freigelassenen gr9ßzügig und will mich öffentlich auftreten lassen. Und weil man
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dignitatem neque prorsus ulla alia inveniri potuerat grandi praemio, vilis acquiritur aliqua sententia praesidis bestiis addicta, quae mecum incoram publica(ns pudicitia)m populi caveam frequentaret. eius poenae talem cognoveram fabulam:
Mariturn habuit, cuius pater peregre proficiscens mandavit uxori suae - matri eiusdem iuvenis -, quod enim sarcina praegnationis oneratarn eam relinquebat, ut, si sexus sequioris edidisset fetum, protinus quod esset editum necaretur. at illa per absentiam mariti nata puella insita matribus pietate praeventa descivit ab obsequio mariti eamque prodidit vicinis alumnandam; regressoque iam marito natam necatamque nuntiavit. sed ubi flos aetatis nuptialem virgini diem flagitabat nec ignaro marito dotare fi.liam pro natalibus quibat, quod solum potuit, filio suo tacitum secretum aperuit. nam et oppido verebatur, ne quo casu caloris iuvenalis impetu lapsus nescius nesciam sororem incurreret. sed pietatis spectatae iuvenis et matris obsequium et sororis officium religiose dispensat et arcanis domus venerabilis silentii custodiae traditis plebeiam facie tenus praetend~ns humanitatem sie necessarium sanguinis sui munus adgreditur, ut desolatam vicinam puellam parentumque praesidio viduatam domus suae tutela receptaret ac mox artissimo multumque sibi dilecto contubernali largitus de proprio dotem liberalissime traderet.
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Sed haec bene atque optime plenaque cum sanctimonia
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meine treffliche Gesponsin wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht nehmen konnte und sich durchaus - selbst gegen hohe Belohnung - keine andere fand, macht man irgendeine verworfene Person ausfindig, die durch den Spruch des Statthalters zu den wilden Tieren verurteilt war; sie sollte zusammen mit mir zu einer offenen Schamlosigkeit vor dem Publikum im Theater auftreten. Ober ihre Strafe hatte ich folgende Geschichte erfahren: Sie hatte einen Gatten, dessen Vater eine Auslandsreise antrat und seine Frau - die Mutter eben dieses jungen Mannes in der Last und Bürde einer Schwangerschaft zurückließ. Er trug ihr auf. falls sie ein Kind des schwachen Geschlechts zur Welt brächte, solle sie das Neugeborene sofort töten. Als sie jedoch in der Abwesenheit des Gatten ein Mädchen gebar, überwog in ihr die natürliche Mutterliebe. Sie versagte ihrem Mann den Gehorsam und gab das Kind bei Nachbarn in Kost; dann meldete sie dem Gatten nach seiner Rückkehr, es sei ein Mädchen geboren und getötet worden. Als aber die Jungfrau herangeblüht und ihre Verheiratung erforderlich war, sie jedoch ohne Wissen des Gatten die Tochter nicht standesgemäß ausstatten konnte, blieb ihr nur eine Möglichkeit: ihrem Sohn das gehütete Geheimnis zu entdecken. Denn sie fürchtete auch sehr, er könnte sich bei einer zufälligen Gelegenheit in jugendlich heißem Drang hinreißen lassen und ahnungslos an seine ebenfalls nichts ahnende Schwester geraten. Aber der junge Mann wahrt in seinem erprobten Pflichtgefühl gewissenhaft ebenso den Gehorsam gegen seine Mutter wie die Pflicht gegen seine Schwester. Er hütet das Geheimnis des Hauses in ehrfürchtigem Schweigen, gibt nach außen allgemeine Nächstenliebe vor und löst die ihm durch die Blutsverwandtschaft gestellte Aufgabe auf diese Weise: er nimmt das vereinsamte und der Hilfe der Eltern beraubte Mädchen aus der Nachbarschaft in den Schutz seines Hauses auf und gibt sie bald einem eng befreundeten, von ihm sehr geschätzten Kameraden zur Frau, wobei er aus eigener Tasche höchst freigebig die Mitgift spendiert. Aber diese Vorkehrungen, die gut, ja aufs beste in aller Un-
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disposita feralem Fortunae nutum latere non potuerunt, euius instinetu domum iuvenis protinus se direxit saeva Rivalitas. et ilico haee eadem uxor eius, quae nune bestiis propter haee ipsa fuerat addicta, eoepit puellam velut aemulam tori sueeubamque primo suspicari, dehine detestari, dehine erudelissimis laqueis mortis insidiari.
Tale denique eomminiseitur facinus: anulo mariti surrepto rus profeeta mittit quendam servulum sibi quidem fidelem, sed de ipsa Fide pessime merentem, qui puellae nuntiaret, quod eam iuvenis profeetus ad villulam voearet ad sese, addito ut sola et sine ullo eomite quam maturissime perveniret. et ne qua forte naseeretur veniendi eunetatio, tradit anulum marito subtraetum, qui monstratus Iidern verbis adstipularetur. at illa mandatu fratris obsequens - hoe enim nomen sola sciebat - respeeto etiam signo eius, quod offerebatur, naviter, ut praeeeptum fuerat, ineomitata festinat. sed ubi fraudis extremae lapsa decipulo laqueos insidiarum aeeessit, tune illa uxor egregia sororem mariti libidinosae furiae stimulis efferata primum quidem nudam flagris ultime verberat, dehine quod res erat clamantem quodque frustra paelieatus indignatione bulliret, fratrisque nomen saepius iterantem velut mentitam atque euneta fingentern titione eandenti inter media femina detruso erudelissime neeavit.
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Tune aeerbae mortis exciti nuntiis frater et maritus aeeurrunt variisque lamentationibus defletam puellam tradunt sepulturae. nee iuvenis sororis suae mortem tarn miseram et quae minime par erat inlatam aequo tolerare
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schuld getroffen waren, konnten dem bösen Walten des Schicksals nicht entgehen: auf sein Betreiben machte sich die wilde Eifersucht sogleich auf den Weg zum Hause des jungen Mannes. Und augenblicklich begann seine Gattin - eben dieselbe, die deswegen jetzt zu den wilden Tieren verurteilt war -, das Mädchen als Nebenbuhlerin und Kebsweib zuerst zu verdächtigen, dann zu verwünschen und dann mit den grausamsten Todesschlingen zu umgarnen. Schließlich ersinnt sie sich folgende Schandtat: sie entwendet den Ring ihres Mannes, reist aufs Land und schickt einen Sklaven zu dem Mädchen, der ihr wohl treu war, aber um Treu und Glauben selbst sich übel verdient machte; er sollte ihr bestellen, der junge Mann sei auf das Landgut abgereist und rufe sie zu sich; weiter solle sie ganz ohne jede Begleitung so bald wie möglich kommen. Und um ja keine Bedenken wegen der Reise auftauchen zu lassen, übergibt sie ihm den ihrem Manne entwendeten Ring. der vorgezeigt werden und die Worte glaubhaft machen sollte. Die junge Frau folgte der Weisung ihres Bruders - diese Bezeichnung kannte nur sie allein ~. und zumal sie auch noch sein Siegel entgegengehalten sah, macht sie sich eilig. wie die Weisung lautete, ohne Begleitung auf den Weg. Als sie aber der unerhörten Tücke in die Falle gegangen war und schon in den Schlingen des Anschlags steckte, wurde die treffliche Gattin von zügelloser Wut gestachelt und ließ sich zum Äußersten treiben: zuerst reißt sie der Schwester ihres Mannes die i
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quivit animo, sed medullitus dolore commotus acerrimaeque bilis noxio furore perfusus exin flagrantissimis febribus ardebat, ut ipsi quoque iam medela videretur esse .necessaria. sed uxor, quae iam pridem nomen uxoris cum fide perdiderat, medicum convenit quendam notae perfidiae, qui iam multarum palmarum spectatus proeliis magna dexterae suae tropaea numerabat, eique protinus quinquaginta promittit sestertia, ut ille quidem momentarium venenum venderet, illa autem emeret mortem mariti sui. quo compecto simulatur necessaria praecordiis leniendis bilique subtrahendae illa praenobilis potio, quam sacram (Saluti) doctiores nominant, sed in eius vicem subditur alia Proserpinae sacra [Saluti]. iamque praesente familia et nonnullis amicis et adfinibus aegroto medicus poculum probe temperatum manu sua porrigebat.
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Sed audax illa mulier, ut simul et conscium sceleris amoliretur et, quam desponderat, pecuniam lucraretur, coram detento c·alice «Non prius», inquit, «medicorum optime, non prius carissimo mihi marito trades istam potionem quam de ea bonam partem hauseris ipse. unde enim scio, an noxium in ea lateat venenum7 quae res utl.que te tarn prudentem tamque doctum virum nequaquam offendet, si religiosa uxor circa salutem mariti sollicita necessariam adfero pietatem». qua mira desperatione truculentae feminae repente perturbatus· medicus excussusque toto consilio et ob angustiam temporis spatio cogitandi privatus, antequam trepidatione aliqua vel cunctatione ipsa daret malae conscientiae suspicionem, indidem de potione gustavit ampliter. quam Iidern secutus adulescens etiam sumpto calice, quod offerebatur, hausit. ad istum modum praesenti transacto negotio medicus quam celerrime domum remeabat salutifera potione
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dem der Schmerz saß in seinem Herzen und brachte ihn auf, Zornausbrüche durchtobten ihn mit gefährlicher Heftigkeit, und seitdem glühte er in hitzigen Fieberschauern, so daß auch für ihn schon Abhilfe nötig schien. Aber die Gattin, die schon längst den Namen ,Gattin' zusammen mit Treu und Glauben verloren hatte, sucht einen Arzt von bekannter Gewissenlosigkeit auf, der sich schon in vielen siegreichen Kämpfen ausgezeichnet hatte und zahlreime bedeutende Trophäen seiner Hand vorweisen konnte, und verspricht ihm auf der Stelle zehntausend Mark: dafür soll der eine ein augenblicklich wirkendes Gift verkaufen und will die andere den Tod ihres Gatten einhandeln I Als sie einig geworden sind, tut man so, als ob zur Linderung der Gemütskrankheit und zum Entzug von Galle jener einzigartige Trank nötig sei, den die Gelehrten ,Lebenselixier' nennen; aber an seine Stelle wird heimlich ein anderer untergeschoben, ein Todeselixier. Und in Gegenwart der Dienerschaft, einiger Freunde und Verwandten wollte der Arzt dem Kranken schon eigenhändig den Trank in der richtigen Dosis reichen. Um aber zugleich den Mitwisser des Verbrechens zu beseitigen und die versprochene Summe einzustreichen, hielt das freche Weib vor aller Augen den Becher zurück und sagte: .. Nicht eher, trefflichster aller Ärzte, nicht eher sollst du meinem lieben Mann diesen Trank eingeben, als bis du selbst einen guten Teil davon getrunke"n hast! Denn woher soll ich wissen, ob er nicht ein schädliches Gift enthält? Das wird dir, einem so klugen und geiehrten Mann, jedenfalls nichts ausmachen, wenn ich als fromme und um das Wohl ihres Gatten besorgte Frau die nötige Rücksicht walten lasse." Dieser nicht für möglich gehaltene-gottverlassene Schritt des Weibsdrachens verwirrte den Arzt plötzlich und machte ihn vollkommen ratlos; weil aber aus Zeitmangel kein Raum zum Oberlegen blieb, versuchte er, bevor irgendwelches Zittern oder gar Zagen einen Verdacht schlechten Gewissens aufkommen ließ, eben den Trank mit einem tüchtigen' Schluck. Auf diese Sicherheit hin nahm auch der junge Mann den Becher und trank, was ihm geboten wurde, aus. Nachdem der Arzt die Sache in dieser Weise für den Augenblick erledigt hatte, wollte er so schnell wie möglich
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pestem praecedentis veneni festinans extinguere. nec eum obstinatione sacrilega, qua semel coeperat, truculenta mulier ungue latius a se discedere passa est ...:. «priusquam,., inquit, «digesta potione medicinae proventus appareat» -, sed aegre precibus et obtestationibus eius multum ac diu fatigata tandem abire concessit. interdum perniciem caecam totis visceribus furentem medullae penitus adtraxerant, multum denique saucius et gravedine somnulenta iam demersus domum pervadit aegerrime. vixque enarratis cunctis ad uxorem mandato, saltem promissam mercedem mortis geminatae deposceret, sie elisus violenter spectatissimus medicus effundit spiritum.
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Nec ille tarnen iuvenis diutius vitam tenuerat, sed inter fictas mentitasque lacrimas uxoris pari casu mortis fuerat extinctus. iamque eo sepulto paucis interiectis diebus, quis feralia mortuis litantur obsequia, uxor medici pretium geminae mortis petens aderat. sed mulier usquequaque sui similis, fidei supprimens faciem, praetendens imaginem, blandicule respondit et omnia prolixe adcumulateque pollicetur et statutum praemium sine mora se reddit:uram constituit, modo pauxillum de ea potione largiri sibi vellet ad incepti negotii persecutionem. quid pluribus? laqueis fraudium pessimarum uxor inducta medici facile consentit et, quo se gratiorem locupleti feminae faceret, properiter domo petitam totam prorsus veneni pyxidem mulieri tradidit. quae grandem seelerum nancta materiam Ionge lateque cruentas suas manus porrigit.
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nach Hause, um baldigst durch einen Heiltrank die tödliche Wirkung des voraufgegangenen Giftes au~zuheben. Aber mit der verwünschten Hartnäckigkeit, mit der sie einmal begonnen hatte, läßt das furchtbare Weib ihn keinen Finger breit von ihrer Seite weichen und sagt: .. Nicht, ehe der Trank verdaut ist und die Wirkung des Mittels sich zeigt!" Erst nachdem er ihr mit Bitten und Beschwörurigen eindringlich immer wieder zugesetzt hatte, erlaubte sie ihm endlich und schließlich wegzugehen. Inzwischen raste das unsichtbar schleichende Verderben in allen seinen Eingeweiden und hatte sein Mark ganz durchsetzt, so daß er bereits schwer angeschlagen und von bleierner Betäubung benommen mit Müh und Not heimgelangte. Und kaum hatte er alles seiner Frau erzählt und ihr aufgetragen, wenigstens den versprochenen Lohn füt den Doppelmord einzufordern, als der höchst ausgezeichnete Arzt auf so gewaltsame Weise sein Leben einbüßt und seinen Geist aufgibt. Aber auch der junge Mann war nicht länger am Leben geblieben, sondern hatte u.ner den Krokodilstränen seiner Gattin auf die gleiche Art den Tod gefunden. Als er dann im Grabe lag und die wenigen Tage vorüber waren, an denen man den Verstorbenen Totenopfer darbringt, war die Frau des Arztes zur Stelle und verlangte den Preis für den Tod der beiden. Aber das Weib bleibt sich immer gleich, verbannt die Züge echter Zuverlässigkeit, kehrt aber ein Scheinbild davon heraus. So antwortet sie recht höflich, verspricht von allem mehr als genug und sagt zu, die festgesetzte Belohnung unverzüglich auszuhändigen; doch mö$hte die andere ihr nur ein wenig von dem Trank geben, damit sie die begonnene Aufgabe zu Ende führen könne. Wozu noch viel Worte? In eine überaus tückische Falle geraten, ist die Arztfrau einverstanden; um sich der reichen-Dame besonders gefällig zu erweisen, holte sie schnell von daheim restlos die ganze Büchse mit dem Gift und übergab sie der Person. So hat diese für ihr Verbrechen reichlichen Stoff erhalten und streckt nun weit und breit ihre blutigen Hände aus. Sie hatte eine kleine Tochter von dem Gatten, den sie eben
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verat. huic infantulae quod Ieges necessariam patris successionem deferrent, sustinebat aegerrime inhiansque toto fiüae patrimonio inminebat et capiti. ergo certa defunctorum liberorum matres sceleratas hereditates excipere talem parentern praebuit, qualem exhibuerat uxorem, prandioque commento pro tempore et uxorem medici simul et suam filiam veneno eodem percutit. sed parvulae quidem tenuem spiritum et delicata ac tenera praecordia conficit protinus virus infestum; at tixor medici, dum noxiis ambagibus pulmones eius pererrat tempestas detestabilis potionis, primum suspicata, quod res erat, mox urgente spiritu iam certo certior contendit ad ipsam praesidis domum magnoque fidem eius protestata clamore et populi concitato tumultu utpote tarn immania detectura flagitia efficit, statim sibi simul et domus et aures praesidis patefierent. iamque ab ipso exordio crudelissimae mulieris cunctis atrocitatibus diligenter expositis repente mentis nubilo turbine correpta semihiantes adhuc compressit labias et attritu dentium longo stridore reddito ante ipsos praesidis pedes exanimis corruit. nec ille vir alioquin exercitus tarn multiforme facinus excetrae venenatae dilatione languida passus marcescere confestim cubiculariis mulieris adtractis vi tormentarum veritatem eruit atque illam minus quidem quam merebatur, sed quod dignus cruciatus alius excogitari non poterat, certe bestiis obiciendam pronuntiavit.
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Talis mulieris publicitus matrimonium confarreaturus ingentique angore oppido suspensus expectabam diem muneris saepius quidem mortem mihimet volens consciscere, priusquam scelerosae mulieris contagio macularer
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getötet hatte. Daß die Gesetze diesem Mädchen zwangsläufig die väterliche Erbschaft zusprachen, war ihr ein Greuel; und weil sie das ganze Erbgut ihrer Tochter wollte, trachtete sie ihr auch nach dem Leben. Da sie sicher war, daß Mütter nach einem Verbrechen das Erbe ihrer verstorbenen Kinder antreten können, zeigte sie sich der Tochter so, wie sie sich gegen den Gatten benommen hatte; und weil gerade die Zeit dafür da war, richtete sie scheinbar ein FrühstUck und brachte zugleich die Arztfrau und ihre eigene Tochter mit demselben Gift um. Bei der Kleinen nun wirkte der tödliche Sud auf das junge Leben und die feinen, zarten Innenorgane sofort. Aber wie die Frau des Arztes den furchtbaren Trank mit Sturmeseile auf mörderischen Wegen durch ihre Lungen rasen fühlt, schöpft sie zuerst Verdacht, was geschehen ist, wird dann durch die einsetzende Atemnot ihrer Sache ganz sicher und eilt direkt zum Hause des Statthalters. Unter lautem Geschrei ruft sie seinen Beistand an; das Volk läuft zusammen, und da sie ja so ungeheuerlidte Schandtaten vorzubringen hat, erreicht sie es, daß ihr auf der Stelle Haus und Ohr des Statthalters offenstehen. Und nun erzählt sie von allem Anfang an genau sämtliche Greueltaten des teuflischen Weibes. Dann aber legt es sich plötzlich wie eine Wolke über ihren Geist, ein Schwindel ergreift sie, die noch halboffenen Lippen pressen sich zusammen, die klappemden Zähne lassen ein langes Knirschen hören, und sie bridtt vor den Füßen des Statthalters tot zusammen. Der oft bewährte Mann wollte die vielfachen Untaten der Giftsdtlange nicht durch langen Aufschub an Gewicht verlieren lassen und hieß sofort die Kammerdiener des Weibes herbeischleppen. Mittels Foltern brachte er die Wahrheit heraus und verkündete, sie sei - es war zwar weniger als sie verdiente, aber eine angemessene andere Marter ließ sich nicht ausdenken - jedenfalls den wilden Tieren vorzuwerfen. Mit so einem Weib sollte ich in aller Öffentlichkeit die Vermählung vollziehen! In übermächtiger Angst schwebend sah ich dem Tag des Schauspiels entgegen; mehrmals wollte ich mir (reiwillig den Tod geben, ehe ich mich durch die Berührung
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vel infamia publici spectaculi depudescerem. sed privatus humana manu, privatus digitis, ungula rutunda atque mutila gladium stringere nequaquam poteram. plane te- · nui specula solabar clades ultimas, quod ver in ipso ortu iam gemmulis floridis cuncta depingeret et iam purpureo nitore prata vestiret et commodum dirrupto spineo tegmine spirantes cinnameos odores promicarent rosae, quae me priori meo Lucio redderent.
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Dies ecce muneri destinatus aderat. ad conseptum caveae prosequente populo pompatico favore deducor. ac dum ludicris scaenicorum choreis primitiae spectaculi dedicantur, tantisper ante portam constitutus pabulum laetissimi graminis. quod in ipso germinabat aditu, libens adfectabam subinde curiosos oculos patente porta spectaculi prospectu gratissimo reficiens.
Nam puelli puellaeque virenti florentes aetatula, forma conspicui, veste nitidi, incessu gestuosi, Graecanicam saltatun pyrricam dispositis ordinationibus decoros ambitus inerrabant nunc in orbem rotaturn flexuosi, nunc in obliquam seriem conexi et in quadratum patorem cuneati et in catervae discidium separati. at ubi discursus reciproci multinodas amb::ges tubae terminalis cantus explicuit, aulaeo subducto et complicitis siparis scaena disponitur.
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Erat mons ligneus ad instar incliti montis illius, quem vates Homerus ldaeum cecinit, sublimi instructus fabrica, consitus virectis et vivis arboribus, summo cacumine, de manibus fabri fonte manante, fluvialis aquas eliquans. capellae pauculae tondebant herbulas et in modum Paridis, Phrygii pastoris, barbaricis amiculis umeris defluen-
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der Verbrecherio schänden oder durch die Schmach der öffentlichen Schaustellung prostituieren würde. Aber so ohne menschliche Hand, so ohne Finger, nur mit einem runden, stumpfen Huf konnte ich unmöglich ein Schwert zücken. Ein freilich geringer Hoffnungsfunken tröstete mich über das schlimme Unglück: der Frühling zog eben herauf. schmückte schon die Welt mit Blütenknospen und kleidete schon die Wiesen in leuchtenden Glanz; und ihre stachlige Hülle sprengend schimmerten gerade in süßem Düftehauch die Rosen hervor, die mich in meine frühere Gestalt als Lucius zurückverwandeln -sollten. Und wirklich, der festgesetzte Tag der Veranstaltung war da I Unter dem Geleit des Volkes, das den Aufzug mit Jubel begrüßt, werde ich zum Amphitheater geführt. Und während zu Beginn der Vorstellung Tanzspiele auf der Bühne angesetzt waren, stand ich mittlerweile vor dem Tor und futterte mit Vergnügen das üppige Gras, das unmittelbar am Zugang sproßte. Dabei gönnte ich bisweilen meinen Augen einen Blick durch das offene Tor auf das allerliebste Schauspiel: Jungen und Mädchen in blühend frischem Alter, schöngestaltet und hübsch gekleidet, fingen mit graziösen Schritten ein griechisches Ballett an: in bestimmten Anordnungen zeigten sie einen Wirbel reizender T anzfiguren, bald zum kreisenden Rad geschwenkt, bald zur schrägen Kette verschränkt, dann im Keil zum offenen Viereck formiert, dann halb und halb auseinandergruppiert. Kaum aber hatte das Schlußsignal einer Trompete das Auf und Ab und Hin und Her und vielverschlungene Rundherum beendet, schließt man den Vorhang, zieht die Draperien ein und richtet die Bühne her. Ein Berg stand da aus Holz, ein Abbild jenes berühmten Berges, den der Dichter Homer als Idagebirge besungen hat, von großen Könnern errichtet, bepflanzt mit Gebüsch und lebenden Bäumen. Seinem Gipfel oben entströmte durch eine künstliche Vorrichtung eine Quelle und ließ Flußwasser herabrinnen. Ein paar Ziegen rupften Grünzeug, und wie Paris, der phrygische Hirt, schön kostümiert - exotische Gewänder flossen ihm von
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tibus puldue indusiatus adulescens aurea tiara contecto capite pecuarium simulabat magisterium. adest luculentus puer nudus, nisi quod ephebica dtlamida sinistrum tegebat umerum, flavis crinibus usquequaque conspicuus, et inter comas eius aureae pinnulae colligatione simili sociatae prominebant; quem [caduceum) et virgula Mercurium indicabat. is saltatorie procurrens malumque bracteis inauratum dextra gerens (ei). qui Paris videbatur, porrigit, quid mandaret luppiter nutu significans, et protinus gradum scitule referens e conspectu facessit. Insequitur puella vultu honesta in deae lunonis speeiern similis; nam et caput stringebat diadema candida, ferebat et sceptrum. Inrupit alia, quam putares Minervam, caput contecta fulgenti galea, et oleaginea corona tegebatur ipsa galea, clypeum attollens et hastam quatiens et qualis illa, cum pugnat.
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Super has introcessit alia, visendo decore praepollens. gratia coloris ambrosei designans Venerem, qualis fuit Venus, cum fuit virgo; nudo et intecto corpore perfeetarn formonsitatem professa, nisi quod tenui pallio bombycino inumbrabat spectabilem pubem. quam quidem laciniam curiosulus ventus satis amanter nunc lasciviens reflabat, ut dimota pateret flos aetatulae, nunc Iuxurians aspirabat, ut adhaerens pressule membrorum voluptatem graphice liniaret. ipse autem color deae diversus in speciem: corpus candidum, quod caelo demeat, amictus caerulus, quod mari remeat. lam singulas virgines. quae deae putabantur, (sui tutabantur) comites, lunonem quidem Castor et Pollux, quorum capita cassides ovatae stellarum apicibus insignes contegebant; sed et isti Castores erant· scaenici pueri. haec puella varios modulos lastia concinente tibia pro-
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den Schultern und eine goldehe Mütze bedeckte seinen Kopf mimte ein junger Mann den Hüter der Tiere. Dann ist da ein entzückender Knabe, nackt bis auf das die linke Schulter bedeckende Ephebenmäntelchen, in herrlicher blonder Lockenpracht, und aus seinen Haaren ragten zwei goldene Flügelehen in symmetrischer Anordnung heraus; auch der Heroldsstab kennzeichnete ihn als Merkur. Der tritt in schnellem Tanzschritt auf, einen mit Blattgold überzogenen Apfel in der Rechten, den er dem Darsteller des Paris reicht; dabei deutet er ihm den Auftrag Jupiters durch Gesten an, zieht sich schnell und gewandt zurück und entschwindet den Blicken. Auf ihn folgt ein Mädchen mit hoheitsvoller Miene, wie die Göttin Juno anzuschauen; denn das Haupt umgab ein strahlendes Diadem, und ein Szepter trug sie auch. Dann stürmte noch eine herein, die man für Minerva halten konnte: ihr Haupt war mit einem funkelnden Helm bedeckt, und der Helm wieder mit einem Kranz aus Ölzweigen; sie hob den Schild und schwang die Lanze und sah so wie die Göttin auf dem Schlachtfeld aus. Zu diesen trat noch eine auf, ein überwältigend prächtiger Anblick: in der Anmut ihres ambrosischen Teints stellte sie die Venus dar, so wie Venus war, als sie noch Jungfrau war. Ihr nackter, unverhüllter Körper ließ vollendete Schönheit sehen, nur daß sie mit einem zarten Seidenschal die Scham beschattete, die aber sichtbar blieb. Ein bißeben neugierig, hob der Wind bald freundlicherweise das Tuch neckisch an, so daß es zur Seite wich und die knospende Jugend sehen ließ; bald drückte er es spielerisch mit seinem Hauch hin, so daß es sich eng anschmiegte und die Konturen der verführerischen Glieder andeutete. Aber die Farben an der Göttin ließen gleich einen Gegensatz sehen: der Körper blendend weiß, weil sie vom Himmel herabsteigt, der Umhang blau, weil sie vom Meer heraufsteigt. Nun trat neben die einzelnen Jungfrauen, die die Göttinnen spielten, ihre Garde, und zwar neben Juno Kastor und Pollux, ovale Helme mit Sternspitzen als Kopfbedeckung; freilich auch dieses Brüderpaar waren Knaben aus der Schauspielertruppe. Das betreffende Mädchen kommt zu den Melodien einer joni-
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cedens quieta et inadfectata gesticulatione nutibus honestis pastori pollicetur, si sibi praemium decoris addixisset, sese regnum totius Asiae tributuram. At illam, quam cultus armorum Minervam fecerat, duo pueri muniebant, proeliaris deae comites armigeri, Terror et Metus, nudis insultantes gladiis. at pone tergum tibicen Dorium canebat bellicosum et permiscens bombis gravibus tinnitus acutos in modum tubae saltationis agilis vigorem suscitabat. haec inquieto capite et oculis in aspectu minacibus citato et ·intorto genere gesticulationis alacer demonstrabat Paridi, si sibi formae victoriam tradidisset, fortem tropaeisque bellorum inclitum suis adminiculis futurum.
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Venus ecce cum magno favore caveae in ipso meditullio scaenae circumfuso populo laetissimorum parvulorum dulce subridens constitit amoene. illos teretes et lacteos puellos diceres tu Cupidines vetos de caelo vel mari commodum involasse; nam et pinnulis et sagittulis et habitu cetero formae praeclare congruebant et velut nuptialis epulas obiturae dominae coruscis praelucebant facibus. et influunt innuptarum puellarum decorae suboles, hinc Gratiae gratissimae, inde Horae pulcherrimae; quae iaculis floris serti et soluti deam suam propitiantes scitissimum construxerant chorum dominae voluptatum veris coma blandientes. iam tibiae multiforabiles cantus Lydios dulciter consonant. quibus spectatorum pectora suave mulcentibus Ionge suavior Venus placide commoveri cunctantique lente vestigio et leniter fluctuante spinula et sensim adnutante capite coepit incedere mollique tibiarum sono delicatis respondere gestibus et nunc mite coniventibus nunc acre comminantibus gestire pupulis et nonnunquam saltare solis oculis. haec ut primum ante
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sdten Flöte nadt vorn und verspricht mit ruhigen, ungezierten Gesten und hoheitsvollen Gebärden dem Hirten, wenn er ihr den Preis der Schönheit zuspreche, werde sie ihm die Herrschaft über ganz Asien geben. Doch die andere, welche der Waffenschmuck zu Minerva gemacht hatte, wurde von zwei Knaben als waffentragenden Begleitern der Kriegsgöttin eskortiert, Schrecken und Furcht. Sie tanzten. mit blanken Schwertern. Hinten aber spielte ein Flötenbläser eine dorische Kriegsmelodie, mischte dumpfe Baßtöne mit hellem, trompetenartigem Geschmetter und brachte dadurch einen schwungvollen und lebhaften Reigen in Gang. Mit unruhigem Haupt und drohend dreinblickenden Augen suchte sie dem Paris durch bündige Fuchtelbewegungen energisch klarzumachen, wenn er ihr den Schönheitspreis zuerkenne, würde er dank ihrer Hilfe ein Held mit glänzenden Kriegsauszeichnungen werden. Schau! Da steht Venus unter lautem Beifall des Theaters mitten auf der Bühne hold lächelnd in lieblicher Haltung da. Um sie wimmelt ein Schwarm fröhlicher Jungen. Diese rundlichen, milchzarten Buben hätte man sagen mögen, seien richtige Amoretten und gerade eben vom Himmel oder aus dem Meere hergeflogen: mit ihren niedlichen Flügeln und putzigen Pfeilen und sonstigem Aufzug paßten sie wunderbar dazu, und als ginge sie zu einem Hochzeitsessen, leuchteten sie ihrer Herrin mit flackernden Fackeln voran. Und nun strömen reizende Scharen unverheirateter junger Mädchen herein, hier als anmutige Grazien, da als wunderschöne Horen. Sie warfen Blumenkränze und lose Blüten, um ihre Göttin zu feiern, hatten einen kunstvollen Reigen formiert und umschmeichelten die Herrin aller Lust mit dem Frühlingsschmuck. Flöten lassen jetzt aus all ihren Löchern den süßen Schall lydischer Weisen erklingen. Während diese die Herzen der Zuschauer in Entzücken setzen, begann, weit entzückender noch, Venus sich anmutig zu bewegen; mit zögernd verhaltenem Schritt und leicht wiegender Taille und leise nickendem Haupt schritt sie dahin, ging auf die weichen Flötenklänge mit sanften Bewegungen ein und ließ ihre bald mild geschlossenen, bald scharf drohenden Augen sprechen, ja tanzte mitunter nur mit Blicken. Als sie in den
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iudicis conspectum facta est, nisu bracdliorum pollieeri videbatur, si fuisset deabus ceteris antelata, daturam se nuptam Paridi forma praecipuam suique consimilem. tune animo volenti Phrygius iuvenis malum, quod tenebat, aureum velut victoriae calculum puellae tradidit. Quid ergo miramini, vilissima capita, immo forensia pecora, immo vero togati vulturii, si toti nunc iudiees sententias suas pretio nundinantur, cum rerum exordio inter deos et homines agitatum iudieium corruperit gratia et originalem sententiam magni Iovis consiliis electus iudex rustieanus et opilio lucro libidinis vendiderit cum totius etiam suae ·stirpis exitio? sie hercules et aliud sequens(que) iudicium inter incHtos Adlivorum duces celebratum, vel cum falsis insimulationibus eruditione doctrinaque praepollens Palamedes proditionis dam~ natur ( vel) virtute Martia praepotenti praefertur Ulixes modicus Aiaci maximo. quale autem et illud iudieium apud legiferos Athenienses catos illos et omnis scientiae magistros? nonne divinae prudentiae senex, quem sapientia praetulit cunctis mortalibus deus Delphieus, fraude et invidia nequissimae factionis circumventus velut corruptor adulescentiae, quam frenis cohercebat, herbae pestilentis suco noxio peremptus est relinquens civibus ignominiae perpetuae maculam, cum nunc etiam egregii philosphi sectarn eius sanctissimam praeoptent et summo beatitudinis studio iurent in ipsius nomen?
Sed ne quis indignationis meae reprehendat impetum secum sie reputans: «Ecce nunc patiemur philosophantem nobis asinum», rursus, unde decessi, revertar ad fabulam:
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Gesimtskreis des Smiedsrichters kam, smien sie durm ein Smwingen der Arme zu verheißen, falls sie den anderen Göttinnen vorgezogen würde, werde sie Paris eine Frau geben von wunderschöner Gestalt und ihr Ebenbild. Da reimte der junge Phryger seinen goldenen Apfel von Herzen gern dem Mädmen gleimsam als Ja für ihren Sieg. Was wundert ihr eum also, ihr Hohlköpfe, vielmehr ihr Smafe vor Gericht, nein, ihr Geier ip der Robe, wenn heutzutage alle Richter ihre Urteile für Geld versmamem? Wurde dom smon zu Beginn der Weltgesmimte eine rimterlime Entsmeidung, die zwismen Göttern und Mensmen zum Austrag kam, durm Begünstigung verfälsmt; und hat dom der auf Besmluß des großen Jupiter erwählte Rimter, ein Bauer und Viehhirt, das allererste Urteil um den Gewinn von Sinnenlust verkauft, zugleim zum Verderben seines ganzen Stammes! So wurde weiß Gott nom manm andere Entsmeidung zwismen den erlaumten Fürsten der Amäer berühmt: z. B. wenn man den trefflim gebildeten und wissensreimen Palamedes auf Grund falsmer Ansmuldigungen wegen Verrat verurteilt und einem hervorragenden Kriegshelden wie dem gewaltigen Ajax den mittelmäßigen Odysseus vorzieht. Wie steht es aber vollends mit jenem Urteil bei den Athenern, den bekannten Gesetzgebern und gesmeiten Lehrern jeglimer Wissensmaft? Der Greis voll göttlimer Klugheit, den der Gott in Deiphi ob seiner Weisheit über alle Sterblimen stellte, - wurde er nimt durm die Mamenschaften und den Haß einer gemeinen Clique umgarnt als angeblimer Verderber der Jugend, die er doch zügelte und bändigte, wurde er nimt mit dem tödlimen Saft eines Giftkrauts umgebramt? Dafür hat er seinen Mitbürgern den Makel ewiger Schande hinterlassen, wenn selbst heute nom hervorragende Philosophen seine Lehre als die reinste bevorzugen und in leidensmaftlimem Bemühen um das Glück auf den Namen des Meisters smwören. Aber damit niemand den Ausbrum meiner Entrüstung tadelt und bei sim denkt: ,.Smau einer an, jetzt sollen wir uns aum nom von einem Esel etwas vorphilosophieren lassen!·, will im wieder, wo im abgesmweift war, zu der Gesmimte zurück-
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Postquam finitum est illud Paridis iudicium. luno quidem cum Minerva tristes et iratis similes e scaena redeunt indignationem repulsae gestibus professae. Venus vero gaudens et hilaris laetitiam suam saltando toto cum choro professa est. Tune de summo montis cacumine per quandam latentem fistulam in excelsum prorumpit vino crocus diluta sparsimque defluens pascentis circa capellas odoro perpluit imbre, donec in meliorem maculatae speciem canitiem propriam luteo colore mutarent. iamque tota suave fraglante cavea montem illum ligneum terrae vorago decepit. Ecce quidam miles per mediam plateam dirigit cursum petiturus iam populo postulante illam de publico carcere mulierem, quam dixi propter multiforme scelus bestiis esse damnatarn meisque praeclaris nuptiis destinatam. et iam torus genialis scilicet noster futurus accuratissime distemebatur lectus lndica testudine perlucidus, plumea congerie tumidus, veste serica floridus. at ego praeter pudorem obeundi publice concubitus, praeter contagium scelestae pollutaeque feminae metu·etiam mortis maxime cruciabar sie ipse mecum reputans: quod in amplexu Venerio scilicet nobis cohaerentibus, quaecumque ad exitium mulieris bestia fuisset immissa, non adeo vel prudentia sollers vel artificio docta vel abstinentia frugi posset provenire, ut adiacentem lateri meo laceraret mulierem, mihi vero quasi indemnato et innoxio parceret. 35
Ergo igitur non de pudore iam, sed de salute ipsa sollicitus, dum magister meus lectulo probe coaptando districtus inservit et tota familia partim ministerio venationis occupata partim voluptario spectaculo adtonita meis cogitationibus liberum tribuebatur arbitrium nec magnopere quisquam custodiendum tarn mansuetum pu-
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kehren.Als das Parisurteil zu Ende ist, gehen Juno und Minerva traurig und wie im Zorn von der Bühne, wobei sie ihren Unmut über die Zurückweisung durch Gesten zu verstehen geben. Aber Venus, jubelnd und heiter, äußerte ihre Freude durch einen Tanz mit dem Ensemble. Dann springt ganz oben auf der Spitze des Berges durch eine versteckte Röhre eine Safranlösung in Wein empor, fällt zerstäubt nieder und beträufelt die ringsum weidenden Ziegen mit einem Parfümregen, bis sie vorteilhaft gesprenkelt ihr natürliches Weiß mit einer gelben Farbe vertauscht haben. Und als das ganze Theaterrund köstlich duftete, ließ eine Bodenversenkung den hölzernen Berg versd1winden. Da kommt ein Soldat quer über den Platz gelaufen, um jetzt auf Verlangen des Publikums jene Frau aus dem Staatsgefängnis zu holen, die wie gesagt wegen mehrfacher Verbrechen zu der wilden Tieren verurteilt und zu einer herrlichen Hochzeit mit mir bestimmt war. Schon breitete man mit aller Sorgfalt ein Lager aus, das unser Ehebett werden sollte, mit durchsichtigem indischen Schildpatt, schwellenden Daunenkissen, bunter Seidendecke. Mich aber quälte außer der Schande, vor den Leuten ein Beilager zu halten, außer der Berührung der ekelhaften Verbrecherin besonders auch die Todesangst. Denn ich überlegte mir folgendes: wenn wir gerade im Liebesakt zusammenhängen und man irgendeine Bestie hereinläßt, um das Weib umzubringen, - dann kann die doch nicht so klug und geschickt oder so kunstvoll abgerichtet oder so bieder enthaltsam sein, daß sie das an meiner Seite liegende Weib zerreißt und mich als nicht verurteilt und nicht schuldig verschont! So war ich also schon nicht mehr um meine Anst~ndigkeit, sondern um mein Leben selbst in Sorge. Nun widmete sich mein Wärter ganz der Aufgabe, das Lager ordentlich herzurichten, und das ganze Personal war teils mit den Vorbereitungen zu der Tierhatz befaßt, teils von dem aufreizenden Schauspiel noch tief beeindruckt. Unterdessen wurde meinen Gedanken freie Entscheidung gelassen: weil niemand glaubte, einen so zahmen
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tabat asinum, paulatim furtivum pedem proferens portam, quae proxima est, potitus iam cursu me celerrimo proripio sexque totis passuum milibus perniciter confectis Cenchreas pervado, quod oppidum audit quidem nobilissimae coloniae Corinthiensium, adluitur autem Aegaeo et Saronico mari. inibi portus etiam tutissimum navium receptaculum magno frequentatur populo. vitatis ergo turbulis et electo secreto litore prope ipsas fluctuum aspergines in quodam mollissimo harenae gremio lassum corpus porrectus refoveo. nam et ultimam diei metam curriculum solis deflexerat et vespertinae me quieti traditum dulcis somnus oppresserat.
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Esel besonders bewachen zu· müssen, setze ich allmählich und verstohlen einen Fuß vor den anderen, erreiche das nächste Tor und- stürme hast du nicht gesehen davon! In einem Saus lege ich Hals über Kopf sechs volle Meilen zurück und komme bis Kenchreä, das als Vorort der glänzenden Kolonie Korinth bekannt ist und vom ägäischen Meer bzw. dem saronischen Golf bespült wird. Im dortigen Hafen, einem ganz sicheren Schiffsasyl. tummeln sich viele Leute. Also mied ich das Gewühl und suchte mir eine entlegene Stelle am Strand aus, wo ich ganz in der Nähe der Brandung im weichen Sandbett meine müden Glieder ausstreckte und mich erhole. Denn kaum war der Sonnenwagen zur letzten Station des Tages hinabgebogen, als mich in den Armen abendlicher Ruhe süßer Schlummer übermannte.
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Circa prirnarn ferrne noctis vigiliarn experrectus pavore subito video praernicantis lunae candore nirnio cornpleturn orbern cornrnodum rnarinis ernergentern fluctibus. nanctusque opacae noctis silentiosa secreta, certus etiarn surnrnatern dearn praecipua rnaiestate poliere resque prorsus hurnanas ipsius regi providentia nec tanturn pecuina et ferina, verurn inanirna etiarn divino eius lurninis nurninisque nutu vegetari, ipsa etiarn corpora terra, caelo rnarique nunc incrernentis consequenter augeri, nunc detrirnentis obsequenter irnrninui, fato scilicet iarn rneis tot tantisque cladibus satiato et spern salutis licet tardarn subrninistrante augusturn specirnen deae praesentis statui deprecari. confestirnque discussa pigra quiete (laetus et) alacer exurgo rneque protinus purificandi studio rnarino lavacro trado septiesque surnrnerso fluctibus capite, quod eurn nurnerurn praecipue religionibus aptissirnurn dlvinus ille Pythagoras prodidit, [laetus et alacer] dearn praepotentern lacrirnoso vultu sie adprecabar:
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«Regina caeli, - sive tu Ceres alrna frugurn parens originalis, quae repertu laetata filiae vetustae glandis ferino rernoto pabulo, rniti cornrnonstrato cibo nunc Eleusiniarn glebarn percolis, - seu tu caelestis Venus, quae prirnis rerurn exordiis sexuurn diversitatern generate Arnore sociasti et aeterna subole hurnano genere propagato nunc circurnfluo Paphi sacrario coleris, seu Phoebi soror, quae partu fetarurn rnedelis lenientibus recreato populos tantos educasti praeclarisque nunc
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ELFTES BUCH
Etwa um die erste Nachtwache fahre ich in plötzlicher Angst aus dem Schlaf und sehe in gleißend hellem Glanz die Vollmondscheibe gerade aus den Meeresfluten emportauchen. Finstere Nacht umgibt mich mit schweigenaer Stille. Auch fühle ich mit Sicherheit, wie die Göttin droben all-erhaben waltet; wie sie die Menschenwelt ganz mit ihrer Obhut lenkt; wie nicht nur, was kreucht und fleucht, sondern selbst das tinbeseelte von ihrer Helle und. ihrem heiligen Willen Leben empfängt; wie auch die Wesen auf Erden, am Himmel und im Meer bald mit ihrer Zunahme zugleich wachsen, bald bei ihrer Abnahme sogleich schrumpfen. Das Schicksal. es war nun satt von all meinen schweren Schlägen und bot mir, wenn auch spät, Hoffnung auf Erlösung. Und so beschloß ich, die hoheitsvolle Erscheinung der Göttin anzurufen, die mir nahe war. Schleunigst schüttle ich die Schlaftrunkenheit ab, springe froh und munter auf und nehme sofort nach Reinheit lechzend ein Bad im Meer. Siebenmal tauche ich den Kopf in die Fluten, hat doch der begnadete Pythagoras diese Zahl gerade in kultischen Dingen für besonders passend erklärt. Und tränenüberströmt betete ich zu der allgewaltigen Göttin: .. Himmelskönigin! Seist du Ceres, die mütterliche Erstspenderin der Kornfrüchte: im Glück über die wiedergefundene Tochter verbanntest du urzeitlieh-tierisches Eichelfressen und wiesest milde Nahrung, waltest jetzt auf eleusinischer Scholle; - seist du die himmlische Venus: beim Urbeginn der Welt eintest du die getrennten Geschlechter durch Amors Geburt und pflanztest die Menschheit in ewigem Nachwuchs fort, wirst jetzt im meerumschlossenen Heiligtum zu Paphos verehrt; - seist du Phöbus' Schwester: kreißende Schwangere stärktest du mit Linderungsmitteln und zogst Völkerscharen heran, wirst jetzt
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Liber undecimus
veneraris delubris Ephesi, - seu nocturnis ululatibus horrenda Proserpina, triformi facie larvales impetus comprimens terraeque claustra cohibens, lucos diversos inerrans vario cultu propitiaris, - ista luce feminea conlustrans cuncta moenia et udis ignibus nutriens laeta semina et solis ambagibus dispensans incerta Iumina, quoquo nomine, quoquo ritu, quaqua facie te fas est invocare: tu meis iam nunc extremis aerumnis subsiste, tu fortunam conlapsam adfirma, tu saevis exanclatis casibus pausam pacemque tribue. sit satis laborum, sit satis periculorum. depelle quadripedis diram faciem, redde me conspectui meorum, redde me meo Lucio. ac si quod offensum numen inexorabili m~ saevitia premit, mori saltem liceat, si non licet vivere.»
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Ad istum modum fusis precibus et adstructis miseris lamentationibus rursus mihi mareentern animum in eodem illo cubili sopor circumfusus oppressit. necdum satis coniveram, et ecce pelago medio venerandos diis etiam vultus attollens emergit divina facies; ac dehinc paulatim toto corpore perlucidum simulacrum excusso pelago ante me constitisse visum est. eius mirandam speciem ad vos etiam referre conitar, si tamen mihi disserendi tribuerit facultatem paupertas oris humani vel ipsum numen eius dapsilem copiam elocutilis facundiae subministraverit: Iam primum crines uberrimi prolixique et sensim intorti per divina colla passive dispersi molliter defluebant. corona multiformis variis floribus sublimem destrinxerat verticem, cuius media quidem super frontem plana rutunditas in modum speculi vel immo argumentum lunae candidum Iumen emicabat, dextra laevaque sulcis insurgentium viperarum cohibita, spicis etiam Cerialibus desuper porrectis (conspicua. tunica) multi-
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in den herrlichen TempelhaUen zu Ephesus angebetet; - seist du mit furchtbarem Nachtgeheul Proserpina: dein Dreigesicht hält Gespenstergewalt im Zügel und hütet die Erdenriegel, überall schweifst du durch Wälder und wirst unter mancherlei Riten angerufen; - mit deinem fraulichen Licht jede Statt erhellend und mit Feuertau reiche Saat ernährend und nach dem Sonnenlauf deinen wechselnden Strahl regelnd; - mit welchem Namen immer, nach welchem Brauch immer, unter welcher Gestalt immer man dich rufen muß -: du hilf mir jetzt in meiner höchsten Not, du richte mein Glück aus Trümmern auf, du gib nach überstandenen grausamen Leiden Rast und Ruhe! Genug der Beschwernisse, genug der Fährnissei Wirf von mir die gräßliche ·Tiergestalt, laß mich die Meinen wiedersehen, laß mich wieder Lucius sein! Und lastet der unerbittliche Zorn irgendeiner beleidigten Gottheit auf mir, so will ich wenigstens sterben dürfen, wenn ich nicht leben darf!" So ließ ich mein Gebet strömen unter bitterliehen Klagen. Da senkte sich wieder über meinen verdämmernden Geist auf demselben Lager dort eine Wolke lähmenden Schlafs. Noch war ich nicht recht eingenickt, sieh, da taucht mitten aus dem Meer ein göttliches Antlitz empor und erhebt einen Blick, dem auch der Himmel huldigen muß; dann schien allmählich, das Meerwasser abschüttelnd, ein schemenhaftes Wesen in voller Gestalt vor mir zu stehen. Sein wundersames Aussehen will ich auch euch zu schildern mich bemühen, wenigstens soweit mir mein armer Menschenmund Darstellungskraft gibt oder jenes Wesen aus eigenem Willen reichströmende Redegewandtheit verleiht: Erst einmal legte sich üppig wallendes, sanft gelocktes Haar breit über den göttlichen Nacken und floß lieblich herab. Im bunten Wechsel vieler Blumen hatte ein Kranz den erhabenen Scheitel umwunden. In seiner Mitte über der Stirn ließ eine runde Scheibe wie ein Spiegel, nein, wie ein Modell des Mondes, schimmerndes Licht erstrahlen; rechts und links davon schlängelten sich flankierend Vipern empor und oben standen prächtige Komähren heraus. Das Kleid: ein farbenstrotzendes feines
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Liber undecimus
color, bysso tenui pertexta, nunc albo candore lucida, nunc croceo flore lutea, nunc roseo rubore flammida et, quae Ionge longeque etiam meum confutabat optutum, palla nigerrima s'plendescens atro nitore, quae eireumcirca remeans et sub dexterum latus ad urnerum laevum recurrens umbonis vicem deiecta parte laciniae multiplici contabulatione dependula ad ultimas oras nodulis fimbriarum decoriter confluctuabat. 4
Per intextam extremitatem et in ipsa eius planitie stellae dispersae coruscabant earumque media semenstris Iuna flammeos spirabat ignes. quaqua tarnen insignis illius pallae perfluebat ambitus, individuo nexu corona totis floribus totisque constructa pomis adhaerebat. iam gestamina Ionge diversa: nam dextra quidem ferebat aereum crepitaculum, cuius per angustam lamminam in modum baltei recurvatam · traiectae mediae paucae virgulae crispante bracchio trigeminos iactus reddebant argutum sonorem. laevae vero cymbium dependebat aureum, cuius ansulae, qua parte conspicua est, insurgebat aspis caput extollens arduum cervicibus late tumescentibus. pedes ambroseos tegebant soleae palmae victricis foliis intextae. talis ac tanta, spirans Arabiae felicia germina, divina me voce dignata est: 5
«En adsum tuis commota, Luci, precibus, rerum naturae parens, elementorum omnium domina, saeculorum progenies initialis, summa numinum, i:egina manium, prima caelitum, deorum dearumque facies uniformis, quae caeli luminosa culmina, maris salubria flamina, inferum deplorata silentia nutibus meis dispenso; cuius numen unicum multiformi specie, ritu vario, nomine multiiugo totus veneratur orbis. inde primigenii Phryges Pessinuntiam deum matrem, hinc autocthones Attici Cecropeiam Minervam, illinc fluctuantes Cyprii Paphiam Venerem, Cretes sagittiferi Dictynnam Dianam, Siculi trilingues Stygiam Proserpinam, Eleusinii vetusti
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Baumwollgespinst, bald leuChtendweiß wie der Tag, bald im Gelb der Krokusblüte, bald in flammendem Rosenrot. Und er blendete sChon von weitem meine Augen - ein Mantel. naChtsChwarz und in dunklem SeidensChimmer; rings herum ging er hin, lief unter der reChten AChsel zur linken SChulter zurück und ließ das TuChstück wulstartig fallen, sank vielfaCh gefältelt zu Boden und zeigte am äußersten Saum reizend wogende FransenklöppeL Über die angewehte Verbrämung hin und auf seiner FläChe selbst waren flimmernde Sterne verstreut, und in ihrer Mitte sprühte ein Vollmond feurige Flammen. Aber überall wo die herrliChe Mantelumrandung flutete, haftete fest eine Guirlande aus lauter Blumen und lauter FrüChten daran. Und nun diese versChiedene Ausrüstung! Die reChte Hand hielt eine bronzene Klapper mit einem sChmalen, gurtartig gebogenen BleCh und ein paar mitten darinsteckenden StäbChen, die einen sChwirrenden Klang von siCh gaben, wenn der Arm sie zu dritt in zitternde SChwingung setzte. Von der Linken aber hing eine goldene SChiffChensChale herab, und wo ihr Henkel siChtbar ist, stieg ·mit steilerhobenem Kopf und breitgesChwollenem Hals eine Natter empor. Die ambrosisChen Füße waren mit Sandalen bekleidet, einem FleChtwerk aus Fasern der Siegespalme. So sChön und hehr, naCh Arabiens herrliChen Wohlgerü-hen duftend, würdigte sie miCh ihrer göttliChen Stimme: ,.Sieh miCh an, Luciusl Von deinem Gebet gerufen bin iCh da, die Mutter der Natur, Herrin aller Elemente, Keimzelle der GesChleChter,- Geisterfürstin, Totenkönigin, Himmelsherrin,Inbegriff der Götter und Göttinnen.· Des Firmamentes LiChtkuppel, des Meeres Heilbrise, der Hölle Jammerstille gehorChen meinem Wink; ein Wesen bin iCh, doCh in vielen Gestalten, weChselnden BräuChen, manCherlei Namen betet miCh der ganze Erdkreis an. Dort bei den uralten Phrygern bin iCh die Göttermutter von Pessinus, hier bei den attisChen AutoChthonen Pallas Athene, da bei den umbrandeten Cyprioten Venus von Paphos; bin kretisChen PfeilsChützen Diktynna-Diana, dreispraChigen Siziliem Höllen-Proserpina, alten Eleusiniern aktäisChe Ceres; Juno rufen miCh die einen und Bellona die anderen, Hekate
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Liber undecimus
Actaeam Cererem, lunonem alii, Bellonam alii, Hecatam isti, Rhamnusiam illi, et qui nascentis dei Solis inchoantibus (et occidentis inclinantibus) inlustrantur radiis Aethiopes utrique priscaque doctrina pollentes Aegyptii caerimoniis me propriis percolentes appellant vero nomine reginam lsidem. Adsum tuos miserata casus, adsum favens et propitia. mitte iam fletus et lamentationes omitte, depelle maerorem. iam tibi providentia mea inlucescit dies salutaris. ergo igitur imperiis istis meis animum intende sollicitum: Diem, qui dies ex ista nocte nascetur, aetema mihi nuncupavit religio. quo sedatis hibemis tempestatibus et lenitis maris procellosis fluctibus navigabili iam pelago rudern dedicantes carinam primitias commeatus libant mei sacerdotes. id sacrum nec sollicita nec profana mente debebis opperiri. 6
Nam meo monitu sacerdos in ipso procinctu pompae roseam manu dextera sistro cohaerentem gestabit coronam. incunctanter ergo dimotis turbulis- alacer continare pompam mea volentia fretus et de proximo dementer velut manum sacerdotis osculabundus rosis decerptis pessimae mihique iam dudum detestabilis beluae istius corio te protinus exue. nec quicquam rerum mearum reformides ut arduum. nam hoc eodem momento, quo tibi venio, simul et ibi praesens, quae sunt sequentia, sacerdoti meo per quietem facienda praecipio. meo iussu tibi constricti comitatus decedent populi nec inter hilares caerimonias et festiva spectacula quisquam deformem istam, quam geris, faciem perhorrescet vel figuram tuam repente mutatam sequius interpretatus aliquis maligne criminabitur. plane memineris et penita mente conditum semper tenebis mihi reliqua vitae tuae curricula adusque terminos ultimi spiritus vadata. nec iniurium, cuius beneficio redieris ad homines, ei totum de-
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diese und Rhamnusia jene; doch die Äthiopier beiderseits, die der Sonnengott im Aufgang mit steigenden und im Untergang mit fallenden Strahlen beleuchtet, und die Ägypter mit ihrer mächtigen alten Weisheit verehren mich mit den eigentlichen Bräuchen und heißen mich mit meinem echten Namen Königin lsis. Aus Erbarmen mit deinen Nöten bin ich da, bin da in Huld und Gnade. Laß jetzt das Weinen und laß gehen die Klagen, den Gram wirf ab! Jetzt dämmert dir dank meiner Vorsorge der Tag des Heils herauf. Höre also nun und gib wohl acht, was ich dir hier befehle: Den jungen Tag, den diese Nacht heraufführen wird, eben diesen Tag hat frommer Sinn seit Ewigkeiten mir geweiht. Beruhigt sind die Winterstürme und besänftigt die tosenden Meeresfluten: so weihen morgen meine Priester der wieder schiffbaren See eine neue Barke zur Einweihung des Verkehrs. Der heiligen Handlung darfst du nicht in Kummer, nicht in weltlichen Gedanken entgegengehen. Denn auf mein Geheiß wird ein Priester, wenn die Prozession sich gehörig formiert, in der rechten Hand an seiner Rassel einen Rosenkranz hangen haben. Unverzüglich also dränge dich durch das Gewimmel und folge im Vertrauen auf meinen Willen munter der Prozession! Bist du dann nahe, so rupfe friedlich, als wolltest du dem Priester die Hand küssen, die Rosen ab: im Nu sollst du die Haut dieses schlimmen und mir schon immer widerlichen Ungetüms los sein I Scheue keine meiner Anordnungen als zu schwierig! Denn in eben diesem Augenblick, da ich hüben erscheine, bin ich auch drüben nahe und weise meinen Priester im Traum an, das Weitere zu besorgen. Auf meinen Befehl werden dir die Leute im Gedränge des Festzugs ausweichen, und niemand wird sich bei den frohen Zeremonien und im festlichen Gepränge an deinem häßlichen Äußeren da stoßen, keiner wird deine plötzliche Verwandlung mißverstehen und dich böswillig verleumden. Doch mußt du dir dessen ganz bewußt sein und es immer mit allen Fasern deines Herzens festhalten: mir ist der Rest deine~ Erdenlaufs bis zum allerletzten Atemzug verfallen! Billig ists, der dein ganzes künftiges Leben zu weihen, deren
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bere, quod vives. vives autem beatus, vives in mea tutela gloriosus. et cum spatium saeculi tui permensus ad inferos demearis, ibi quoque in ipso subterraneo semirutundo me, quam vides, Acherontis tenebris interlucentem Stygiisque penetralibus regnantem campos Elysios incolens ipse tibi propitiam frequens adorabis. quodsi sedulis obsequiis et religiosis ministeriis et tenacibus castimoniis numen nostrum promerueris, scies ultra statuta fato tuo spatia vitam quoque tibi prorogare mihi tantum Heere.»
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Sie oraculi venerabilis fine prolato numen invictum in se recessit. nec mora, cum somno protinus absolutus, pavore et gaudio ac dein sudore nimio permixtus exurgo summeque miratus deae potentis tarn claram praesentiam, marino rore respersus magnisque imperiis eius intentus monitionis ordinem recolebam.
Nec mora, cum noctis atrae fugato nubilo sol exurgit aureus. et ecce discursu religioso ac prorsus triumphali turbulae complent totas plateas. tantaque hilaritudine praeter peculiarem meam gestire mihi cuncta videbantur, ut pecua etiam cuiusce modi et totas domos et ipsum diem serena facie gaudere sentirem. nam et pruinam pridianam dies apricus ac placidus repente fuerat insecutus, ut canorae etiam aviculae prolectatae verno vapore concentus suaves adsonarent matrem siderum, parentem temporum orbisque totius dominam blando mulcentes adfamine. quid quod arbores etiam, quae pomifera subole fecundae quaeque earum tantum umbra contentae steriles, austrinis laxatae flatibus germine foliorum renidentes clementi motu bracchiorum dulces strepitus obsibilabant magnoque procellarum sedato fragore ac turbido fluctuum tumore posito mare quietas adluvies
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Gnade dich unter die Menschen zurückgeführt hat. Doch ein Leben voll Glück, ein Leben voll Ruhm wartet auf dich unter meiner Obhut. Und ist einst die Frist deiner Zeitlichkeit abgelaufen und bist du zur Unterwelt hinabgestiegen: auch dort in der unteren Halbkugel werde ich, wie du mich siehst, der Höllenfinsternis leuchten und dem Totenpalast gebieten, du aber wirst - auch selbst dann Bewohner der elysischen Gefilde - beständig zu mir, deiner Gönnerin, beten. Hast du mit emsigem Gehorsam, frommem Dienst und zäher Kasteiung unsere Gnade verdient, so wisse: über die dir vom Schicksal gesetzte Spanne hinaus gar dein Leben zu verlängern, ist mir allein verstattet." So brachte die unbezwingliche Gottheit ihren ehrfurchtheischenden Spruch zu Ende und löste sich in sich auf. Unverzüglich schüttle ich gleich den Schlaf ab, fühle mich von Angst und Freude und dann von heftigem Schweiß überlaufen und stehe auf. Ein hohes Wunder dünkte es mich, daß mir die mächtige Gottheit so deutlich nahe war. Ich besprengte mich mit Meerwasser, hing ihren gewichtigen Befehlen nach und bedachte die Reihenfolge des Auftrags. Ein Augenblick, da weicht das schwarze Nachtgewölk und golden steigt die Sonne empor. Schau her, in frommem Schwarm, gerade wie bei einem Siegesfest, füllt wimmelndes Volk die ganzen Straßen! Abgesehen von meinem besonderen Glücksgefühl schien mir alles so fröhlich, daß ich die Empfindung hatte, als z~igten auch die Tiere jeder Art und die Häuser überall und der Tag selbst ein strahlend heiteres Gesicht. War doch auch auf den gestrigen Rauhreif 'plötzlich ein milder Sonnentag gefolgt, so daß sogar die Singvögelein sich in der lauen Frühlingsluft hervorwagten, ein liebliches Konzert anstimmten und so der Mutter der Gestirne, Ahnfrau der Zeiten und Herrin des Weltalls wohlig schmeichelnde Weisen vorsangen. Ja, auch die Bäume - die mit sprossendem Obst gesegneten und die unfruchtbaren, mit bloßem Schatten zufriedenen - lösten sich im Südwind zu schimmernden Blätterknospen und rauschten und säuselten köstlich mit linde wiegenden Zweigen. Es schwieg das mächtige Sturmgetöse, es legte sich wirbelnder Wogen-
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temperabat; caelum autem nubilosa caligine disiecta nudo sudoque luminis proprii splendore candebat. 8
Ecce pompae magnae paulatim praecedunt ariteludia votivis cuiusque studiis exomata pulcherrume: hic incinctus balteo militem gerebat, illum succinctum chlamide crepides et venabula venatorem fecerant, alius soccis obauratis inductus serica veste mundoque pretioso et adtextis capite crinibus incessu perfluo feminam mentiebatur. porro alium ocreis, scuto, galea ferroque insignem e ludo putares gladiatorio procedere. nec ille deerat, qui magistratum fascibus purpuraque luderet nec qui pallio baculoque et baxeis et hircino barbitio philosophum fingeret nec qui diversis harundinibus alter aucupem cum visco, alter piscatorem cum hamis induceret; vidi et ursam mansuem, (quae) cultu matronali sella vehebatur, et simiam pilleo textili crocotisque Phrygiis Catamiti pastoris specie aureum gestantem poculum et asinum pinnis adglutinatis adambulantem cuidam seni debili, ut illum quidem Bellerophontem, hunc autein diceres Pegasum, tarnen rideres utrumque.
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Inter has oblectationes ludicras popularium, quae passim vagabantur, iam sospitatricis deae peculiaris pompa moliebatur: mulieres candido splendentes amicimine, vario laetantes gestamine, vemo florentes coronamine, quae de gremio per viam, qua sacer incedebat comitatus, solum stemebant flosculis; aliae, quae nitentibus speculis pone tergum reversis venienti deae obvium commonstrarent obsequium, et quae pectines eburnos ferentes gestu bracchiorum flexuque digitorum omaturn atque obpexum crinium regalium fingerent, illae etiam, quae ceteris unguentis et geniali balsamo guttatim excusso conspargebant plateas; magnus praeterea
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schwall, und das Meer fand 'einen maßvoll stillen Wellenschlag. Aber der Himmel war von dunklen Wolken reingefegt und strahlte hell in der blanken Bläue seines Lichtes. Aufgepaßt: allmählich ziehen die Stimmungsmacher der großen Prozession vorauf. jedesmal mit hingebendem Eifer herrlich herausgeputzt. Einer mit umgeschnalltem Koppel stellte einen Soldaten vor. Ein anderer in gerafftem Mantel war durch Stiefel und Spieße als Jäger gekennzeichnet. Ein dritter mit vergoldeten Schuhen an den Füßen, seidener Garderobe, kostbarem Schmuck und enganliegender Perücke mimte in wiegendem Gang eine Dame. Wieder ein anderer fiel durch Beinschienen, Schild, Helm und Schwert auf und konnte für einen Gladiator gelten, der eben aus der Fechtschule auf die Straße tritt. Es fehlte nicht an Leuten, die mit Rutenbündeln und Purpur einen Beamten spielten oder mit Lodenmantel, Stock und Sandalen, sowie einem struppigen Ziegenbart einen Philosophen darstellten oder, verschiedene Ruten in der Hand, sei es als Vogelfänger mit Mistelleim, sei es als Fischer mit Angelhaken auftraten. Ich sah auch, wie man einen zahmen Bären in Frauenkleidern in einer Sänfte trug; und wie ein Affe mit Tuchmütze und gelber phrygischer Schleppe in der Maske des Hirten Ganymedes einen goldenen Becher hielt; und wie ein Esel mit angeklebten Flügeln neben einem gebrechlichen Alten einherstapfte, so daß man den einen hätte für Bellerophon, den anderen für Pegasus ansprechen, über beide aber lachen mögen. Während diese Masken sich zur Belustigung des Publikums überall umhertrieben, kam bereits die eigentliche Prozession der gnadenreichen Göttin in Bewegung. Frauen mit glänzend weißem Gewand, verschiedenes Gerät froh in der Hand, im Haar von Frühlingsblüten ein Band, streuten auf dem Weg, wo der heilige Zug daherkam, aus ihrem Schoß Blümlein über den Boden; andere hatten blinkende Spiegel nach hinten gekehrt, um der nahenden Göttin zuvorkommend aufzuwarten; einige mit Kämmen aus Elfenbein hoben die Arme und bogen die Finger, als ob sie das königliche Haar frisierten und ondulierten; dort auch träufelten welche herrlichen Balsam und andere Parfüms und besprengten die Straßen. Außerdem gab
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sexus utriusque numerus lucernis, taedis, cereis et alio genere facticii luminis siderum caelestium stirpem propitiantes. symphoniae dehinc suaves, .fistulae tibiaeque modulis dulcissimis personabant. eas amoenus lectissimae iuventutis veste nivea et cataclista praenitens sequebatur chorus carmen venustum iterantes, quod Camenarum favore sollers poeta modulatus edixerat, quod argumentum referebat interim maiorum antecantamenta votorum. ibant et dicati magno Sarapi tibicines, qui per oblicum calamum ad aurem porrectum dexteram familiarem templi deique modulum frequentabant, et plerique, qui facilem sacris viam dari praedicarent.
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Tune influunt turbae sacris divinis initiatae, vm feminaeque omnis dignitatis et omnis aetatis, linteae vestis candore puro luminosi, illae limpido tegmine crines madidos obvolutae, hi capillum derasi funditus verticem praenitentes, magnae religionis terrena sidera, aereis et argenteis, immo vero aureis etiam sistris argutum tinnitum constrepentes, et antistites sacrorum proceres illi, qui candido linteamine cinctum pectoralem adusque vestigia strictim iniecti potentissimorum deum proferebant insignis exuvias. quorum primus lucernam claro praemicantem porrigebat lumine non 11deo nostris illis consimilem, quae vespertinas illuminant epulas, sed aureum cymbium medio sui patore flammulam suscitans largiorem. secundus vestitum quidem similis, sed manibus ambabus gerebat altaria, id est auxilia, quibus nomen dedit proprium deae summatis auxiliaris providentia. ibat tertius attollens palmam auro subtiliter foliatam nec non Mercuriale etiam caduceum. quartus aequitatis ostendebat indicium deformatam manum sinistram porrecta palmula, quae genuina pigritia, nulla calliditate, nulla sollertia praedita videbatur aequitati magis
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es große Scharen beiderlei Geschlechts, die mit Laternen, Fakkeln, Kerzen und sonstigem künstlichen Licht dem Kind der Himmelsgestirne huldigten. Dann ertönten in reizendem Unisono die lieblichsten Pfeifen- und Flötenmelodien. Darauf folgte ein anmutiger Chor erlesenster Jugend in schneeweiß schimmernder Festkleidung und intonierte immer wieder ein entzückendes Lied, das ein talentvoller Dichter dank der Huld der Musen komponiert und einstudiert hatte und das als Zwischentext die Präludien der größeren Gebete bildete. Es zogen auch ·einige dem großen Sarapis geweihte Flötisten einher, die auf ihrer zum rechten Ohr reichenden Querpfeife immerfort das Hausmotiv des Tempels und Gottes bliesen. Dazu eine Menge Leute, die predigten, man solle der Prozession den Weg freihalten. Dann wälzt sich ein Strom der in den heiligen Dienst Eingeweihten heran: Männer und Frauen jeden Standes und jeden Alters in leuchtend reinen weißleinenen Gewändern, die Frauen mit duftigen Schleierhüllen über parfümierten Locken, die Männer mit völlig abrasiertem Haar und blanker Glatze, irdische Wahrzeichen der großen Mondreligion, mit bronzenen und silbernen, ja gar auch goldenen Klappern klirrend, hirnmeld, rasselnd. Auch die heiligen Oberpriester waren da, hatten enges weißes Linnenzeug von der Brust bis zu den Füßen umgeworfen und stellten die bezeichnenden Requisiten der allgewaltigen Gottheiten zur Schau. Der erste von ihnen hielt eine Lampe mit hellblinkendem Licht hoch, nicht eigentlich wie die bei uns als Leuchten beim Abendessen bekannten, sondern ein goldenes Schiffchen, in dessen geräumiger Mitte sich ein größeres Flämmchen entfachen läßt. Der zweite war ähnlich angezogen, trug aber mit beiden Händen einen Altar von der Art, die ,Hilfen' heißen und der hilfreichen Fürsorge der hohen Göttin ihren besonderen Namen verdanken. Der dritte streckte im Gehen eine Palme mit feinen Goldblättern empor und außerdem einen Heroldsstab nach Merkurs Art. Der vierte zeigte als Symbol der Gerechtigkeit die Nachbildung einer flach ausgestreckten linken Hand, die in ihrer natürlichen Schwäche, ohne Arg und ohne Geschick, für die Gerechtigkeit passender
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aptior quam dextera; idem gerebat et aureum vasculum in modum papillae rutundatum, de quo lacte libabat. quintus auream vannum aureis congestam ramulis et alius ferebat amphoram.
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Nec mora, cum dei dignati pedibus humanis incedere prodeunt: hic horrendus ille superum commeator et inferum, nunc atra, nunc aurea fade sublimis, attollens canis cervices arduas, Anubis, laeva caduceum gerens, dextera palmam virentem quatiens. huius vestigium continuum sequebatur bos in erectum levata statum, bos, omniparentis deae fecundum simulacrum, quod residens umeris suis proferebat unus e ministerio beato gressu gestuosus. ferebatur ab alio cista secretorum capax penitus celans operta magnificae religionis. gerebat alius felici suo gremio summi numinis venerandam effigiem non pecoris, non avis, non ferae ac ne hominis quidem ipsius consimilem, sed sollerti repertu etiam ipsa novitate reverendam, altioris utcumque et magno silentio tegendae religionis argurnenturn ineffabile, sed ad istum plane modum fulgente auro figuratum: umula faberrime cavata, fundo quam rutundo, miris extrinsecus simulacris Aegyptiorum effigiata; eius orificium non altiuscule levatum, in canalem porreeturn longo rivulo prominebat, ex alia vero parte multum recedens spatiosa dilatione adhaerebat ansa, quam contorto nodulo supersedebat aspis squameae cervicis striato tumore sublimis.
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Et ecce praesentissimi num1ms promissa nobis accedunt beneficia et fata salutemque ipsam meam gerens sacerdos adpropinquat ad ipsum praescriptum divinae promissionis omatus dextera proferens sistrum deae, mihi coronam; et hercules coronam consequenter, quod tot ac tantis exanclatis laboribus, tot emensis periculis
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schien als die rechte; der Mann hatte zugleich ein zitzenförmig gerundetes Goldgefäß bei sich und ließ daraus Opfermilch tropfen. Der fünfte brachte eine goldene, mit goldenen Reisern gefüllte Schwinge, ein weiterer einen Krug daher. Nicht lange, so zeigen sich Götter, die auf Menschenfüßen zu schreiten geruhen. Hier der schauerliche Wanderer zwischen Oben und Unten mit hoheitsvollem Antlitz im Wechsel von Schwarz und Gold und mit emporgerecktem Hundekopf, Anubis, einen Heroldsstab in der Linken und einen grünen Palmwedel in der Rechten. Im folgte unmittelbar auf dem Fuße eine Kuh in aufrecht erhobener Stellung, eine Kuh als Fruchtbarkeits-Sinnbild der göttlichen Allmutter; es ruhte einem vom Tempelpersonal auf den Schultern, und der glückliche Träger schritt gewichtig daher. Ein anderer trug den Schrein, der die Geheimnisse in sich faßt und die verschwiegenen Dinge des erhabenen Glaubens vor aller Augen verbirgt. Wieder ein anderer brachte froh in seinem Schoß ein ehrwürdiges Bild des höchsten Gottwesens, das keinem Haustier, keinem Vogel, keinem Wild, ja auch nur dem Menschen selbst glich, sondern - als kluge Erfindung schon durch seine bloße Neuheit Achtung heischend - einen irgendwie höheren, unter tiefem Schweigen zu hütenden Glauben in unaussprechlicher Weise symbolisierte. Es hatte aber in blitzendem Gold genau folgende Form: ein höchst kunstvoll. gebauchtes Krüglein, der Grund ganz rund, außen mit ägyptischen Fabelfiguren bebildert; sein nicht allzusehr nach oben genommener Auslauf bildete eine lange Tülle mit weit vorstehender Rinne; auf der Gegenseite war in stark rückwärts ausholender Buchtung ein Henkel angebracht, auf dem zusammengeringelt eine Natter saß und ihren geriefelten Schuppenhals emporblähte. Und wirklich, da naht das gnadenreiche Schicksal, das die allbereite Gottheit unsereinem verheißen hatte! Als mein leibhaftiger Erlöser kommt der Priester heran und ist genauso ausgerüstet, wie es die göttliche Verheißung im voraus beschrieben hatte, hält also in der Rechten eine Klapper für die Göttin und für mich einen Kranz. Bei Gott folgerichtig einen Kranz: denn Mühen ohne Zahl und Maß hatte ich durchgemacht, lauter
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deae maximae providentia adluctantem mihi saevissime Fortunam superarem. nec tarnen gaudio subitario commotus inclementi me cursu proripui verens scilicet, ne repentino quadripedis impetu religionis quietus turbaretur ordo, sed placido ac prorsus humano gradu cunctabundus paulatim obliquato corpore sane divinitus decedente populo sensim inrepo.
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At sacerdos, ut reapse cognoscere potui, noctumi commonefactus oraculi miratusque congruentiam mandati muneris contestim restitit et ultro porrecta dextera ob os ipsum meum coronam exhibuit. tune ego trepidans adsiduo pulsu micanti corde coronam, quae rosis amoenis intexta fulgurabat, avido ore susceptam cupidus promissi devoravi. nec me fefellit caeleste promissum: protinus mihi delabitur deformis et ferina fades. ac primo quidem squalens pilus defluit, ac dehinc cutis crassa tenuatur, venter obesus residet, ped'um plantae per ungulas in digitos exeunt, manus non iam pedes sunt, sed in erecta porriguntur officia, cervix procera cohibetur, os et caput rutundatur, aures enormes repetunt pristinam parvitatem, dentes saxei redeunt ad humanam minutiem, et, quae me potissimum cruciabat ante, cauda nusquam. populi mirantur, religiosi venerantur tarn evidentem maximi numinis potentiam et consimilem nocturnis imaginibus magnificentiam et facilitatem reformationis claraqüe et consona voce caelo manus adtendentes testantur tarn inlustre deae beneficium.
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At ego stupore nimio defixus tacitus haerebam animo meo tarn repentinum tamque magnum non capiente gaudium, quid potissimum praefarer primarium, unde novae vocis exordium caperem, quo sermone nunc renata lin-
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Gefahren bestanden und I'ang nun dank der Fürsorge der allmächtigen Göttin das Schicksal zu Boden, das höchst erbittert gegen mich anging! Indessen ließ ich mich nicht von der plötzlichen Freude hinreißen, in rüdem Galopp vorzuprellen, durfte ich doch den friedlichen Gang der heiligen Handlung nicht als plötzlich daherrumpelnder Vierbeiner stören; vielmehr schiebe ich mich mit ruhigen, ganz menschenartig bedächtigen Schritten allmählich hinein und schlängele mich, während das Publikum, offenbar einer Eingebung folgend, zur Seite weicht, sachte nach vorn. Aber der Priester - ich konnte es den Tatsachen entnehmen erinnerte sich an den nächtlichen Spruch, blieb in Verwunderung, daß die Dinge zu seinem Auftrag stimmten, augenblicklich stehen, streckte von sich aus die Rechte vor und hielt mir den Kranz direkt vor das Maul. Da nahm ich unter Zittern und lauter Herzklopfen den Kranz, ein funkelndes Gewinde aus köstlichen Rosen, gierig schnappend in Empfang und schlang ihn verheißungssüchtig hinunter. Und die himmlische Verheißung trog mich nicht: auf einmal fällt die groteske Tiermaske von mir ab! Erst rieseln die struppigen Borsten zu Boden, dann bildet sich die dicke Schwarte zurück, der feiste Wanst sinkt ein, die Fußsohlen laufen über die Hufe weg in Zehen aus, die Hände sind keine Füße mehr, sondern strecken sich zum Gebrauch nach vorn empor, der lange Hals schrumpft ein, Mund und Kopf runden sich, die Riesenohren nehmen das frühere Format an, die Quadersteine von Zähnen kehren zu menschlichem Ausmaß zurück, und der Schwanz, der mich vorher am meisten quälte, - fort war er. Die Leute staunen; inbrünstig neigt man sich vor der so augenscheinlichen Macht der hohen Gottheit und der traumhaft großartigen und leichten Verwandlung, streckt die Hände gen Himmel und legt laut aus einem Munde Zeugnis ab für diese sichtbare Gnade der Göttin. Aber ich stand vor maßloser Verblüffung angewurzelt in unschlüssigem Schweigen, und mein Verstand konnte so eine plötzliche, so eine gewaltige Freude nicht fassen: was sollte ich am besten zuerst herausbringen, womit sollte ich beim neuen Sprechen den Anfang machen, mit welchen Worten die
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gua felicius auspicarer, quibus quantisque verbis tantae deae gratias agerem. sed sacerdos utcumque divino monitu cognitis ab origine cunctis cladibus meis, quan~ quam et ipse insigni permotus miraculo, nutu signifi~ cato prius praecipit tegendo mihi linteam dari laci~ niam. nam me cum primum nefasto tegmine despolia~ verat asinus, compressis in artum feminibus et super~ strictis accurate manibus, quantum nudo licebat, vela~ mento me naturali probe muniveram. tune e cohorte religionis unus inpigre superiorem exutus tunicam super~ texit me celerrume. quo facto sacerdos vultu geniali et hercules inhumano in aspectum meum attonitus sie effa~ tur: 15
«Multis et variis exanclatis laboribus magnisque For~ tunae tempestatibus et maximis actus procellis ad por~ tum Quietis et aram Misericordiae tandem, Luci, ve~ nisti. nec tibi natales ac ne dignitas quidem vel ipsa, qua flores, usquam doctrina profuit, sed lubrico virentis aeta~ tulae ad serviles delapsus voluptates curiositatis inpros~ perae sinistrum praemium reportasti. sed utcumque For~ tunae caecitas, dum te pessimis periculis discruciat, ad religiosam istam beatitudinem inprovida produxit mali~ tia. eat nunc et summo furore saeviat et crudelitati suae materiem quaerat aliam. nam in eos, quorum sibi vitas (in) servitium deae nostrae maiestas vindicavit, non habet locum casus infestus. quid latrones, quid ferae, quid servitium, quid asperrimorum itinerum ambages re~ ciprocae, quid metus mortis cotidianae nefariae For~ tunae profuit? in tutelam iam receptus es Fortunae, sed videntis, quae suae lucis splendore ceteros etiam deos illuminat. sume iam vultum laetiorem, candido isto habitu tuo congruentem, comitare pompam deae sospi~ tatricis inovanti gradu. videant inreligiosi, videant et
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mir nun wiedergeschenkte Zunge am günstigsten einweihen, mit welchen und wie vielen Worten der übergroßen Göttin Dank sagen? Aber der Priester kennt ja durch die göttliche Eingebung von Anfang an alle meine Leiden, und obgleich er auch selbst unter dem Eindruck ·des einzigartigen Wunders steht, so gibt er zunächst einen entsprechenden Wink und ordnet an, daß man mir ein Leintuch zum Bedecken .reiche. Denn kaum war die gemeine Eselshülle von mir gewichen, hatte ich die Schenkel eng zusammengepreßt, die Hände sorgsam darübergehalten und mich, soweit es einem Nackten möglich war, so mit einer natürlichen Hülle gehörig bedeckt. Da zog einer aus der frommen Gemeinde ohne Besinnen sein Oberkleid aus und warf es mir eilends über. Als dies geschehen ist, richtet der Priester seinen verklärten und wahrhaftig erdenfernen Blick in Verzückung auf mich und läßt sich vernehmen: .. Viele Leiden mancher Art hast du bestanden, heftige Stürme des Schicksals und die heftigsten Orkane haben dich umgetrieben; aber endlich, Lucius, bist du zum Port des Friedens und zum Altar des Erbarmens gelangt. Nirgends waren dir deine Abkunft, wenigstens dein Stand oder selbst deine prächtige Bildung nütze; sondern in haltlos-unreifem Jugendungestüm bist du in niedere Wollust gefallen und hast für unangebrachte Neugier schlimmen Lohn davongetragen. Aber wie dem auch sei, so hat dich das blinde Schicksal im Augenblick schlimmster Gefahr und Pein in diese Glaubensseligkeit geleitet, aus Versehen in seiner Bosheit! Fort jetzt mit ihm, mag es grenzenlos rasen und wüten, sich aber für seine Grausamkeit ein anderes Objekt suchen! Denn bei denen, deren Leben unsere erhabene Göttin sich dienstbar gemacht hat, findet tückisches Ungefähr keine Stätte. Was haben die Räuber, was die wilden Tiere, was der Frondienst, was das ewige Umher auf den rauhsten Pfaden, was die tägliche Todesangst dem ruchlosen Schicksal genützt? In seine Obhut hat dich jetzt ein Schicksal aufgenommen, aber ein sehendes, dessen Lichtglanz auch die anderen Götter bestrahlt. Blicke nun fröhlicher drein, wie es deinem weißen Gewand da ansteht, und schließe dich dem Zug der göttlichen Erlöserin mit jubilierendem Schritt an! Laß
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errorem suum recognoscant: <En ecce pristinis aerumnis absolutus lsidis magnae providentia gaudens Ludus de sua Fortuna triumphat.> quo tarnen tutior sis atque munitior, da nomen sanctae huic militiae, cuius non olim sacramento etiam rogabaris, teque iam nunc obsequio religionis nostrae dedica et ministerii iugum subi voluntarium. nam cum coeperis deae servire, tune magis senties fructum tuae libertatis.» 16
Ad istum modum vaticinatus sacerdos egregius fatigatos anhelitus trahens conticuit. exin permixtus agmini religioso procedens comitabar sacrarium totae civitati notus ac conspicuus, digitis hominum nutibusque notabilis. omnes in me populi fabulabantur: <
Inter haec et festorum votorum tumultum paulatim progressi iam ripam maris proximamus atque ipsum illum locum, quo pridie meus stabulaverat asinus, pervenimus. ibi deum simulacris rite dispositis navem faberrime factam, picturis miris Aegyptiorum circumsecus variegatam summus sacerdos taeda lucida et ovo et sulpure, sollemnissimas preces de casto praefatus ore, quam purissime purificatam deae nuncupavit dedicavitque. huius felicis alvei nitens carbasus litteras auro intextas progerebat. eae litterae votum instaurabant de novi commeatus prospera navigatione. iam malus insurgit pinus rutunda, splendore sublimis, insigni carchesio conspicua; et pup-
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sChauen die Ungläubigen, laß sie sChauen und ihren Irrtum erkennen: ,Seht nur, aus früheren Drangsalen erlöst durCh die Fürsorge der großen lsis feiert Lucius über sein Schicksal einen frohen Triumph!' Aber zu deinem besseren Schutz und SChirm versChreibe dich diesem heiligen Streiterturn - ihm den Eid zu leisten, wurdest du sChon vor kurzem aufgefordert -, weihe diCh nunmehr als Jünger unserem Glauben und nimm freiwillig das JoCh des Dienens auf diCh! Denn hast du die KneChtsChaft bei der Göttin begonnen, dann wirst du doppelten Gewinn an Freiheit spüren!" So sprach der treffliChe Priester in Begeisterung, holte ersChöpft Atem und verstummte. Darauf mischte iCh miCh unter die fromme Schar, sChritt voran und begleitete die Prozession. Die ganze Stadt nahm von mir Notiz und sChaute, man wies mit Fingern auf miCh und nickte siCh zu. Alle Leute unterhielten siCh über miCh: "Den hat heute die allmäChtige Göttin naCh ihrem hohen Willen durCh Verwandlung wieder unter MensChen gebracht. WahrliCh: glückliCh ist er und dreimal selig! Hat er doCh durCh Unschuld und Geradheit im früheren Leben vom Himmel so herrliChen SChutz gewonnen, daß er gleichsam wiedergeboren sofort zur heiligen JüngersChaft verpfliChtet wurde." Unter diesen Reden und dem Wirrwarr der Festgebete kommen wir allmählich weiter, nähern uns nun dem Meeresufer und erreichen eben die Stelle, wo tags zuvor der Esel Lucius seinen Stall gefunden hatte. Dort stellte man die Götterbilder in gehöriger Ordnung auf. Dann wurde ein wahres Kunstwerk von einem SChiff. das mit geheimnisvollen ägyptisChen Bildern rundherum farbenprächtig bemalt war, von dem Oberpriester, naCh höChst feierliChem VorspruCh aus reinem Munde, mit lodernder Fackel, Ei und SChwefel von jedem Makel befreit und der Göttin zu Nutz und Frommen dargebracht. Das schimmernde Segel dieses WeihesChiffes zeigte goldene SchriftzeiChen eingewoben, und diese SChriftzeiChen gaben ein Gebet um glückliChen neuen Schiffsverkehr wieder. Jetzt steigt der Mast, eine runde Pinie, glänzend bis hinauf, mit sichtbar markiertem Topp; dazu flimmerte das mit einer Gänsefigur ausschwingende Heck
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pis intorta chenisco, bracteis aureis vestita fulgebat omnisque prorsus carina citro limpido perpolita florebat. tune cuncti populi tam religiosi quam profani vannos 9 onustas aromatis et huiusce modi suppliciis certatim congerunt et insuper fluctus libant intritum lacte confectum, donec muneribus largis et devotionibus faustis completa navis absoluta strophiis ancoralibus peculiari serenoque flatu pelago redderetur. quae postquam cur- td sus spatio prospectum sui nobis incertat, sacrorum geruH sumptis rursum, quae quisque detulerant, alacres ad fanum reditum capessunt simili structu pompae decori. 17
At cum ad ipsum iam templum pervenimus, sacerdos maximus quique divinas effigies progerebant et qui venerandis penetralibus pridem fuerant initiati intra cubiculum deae recepti disponunt rite simulacra spirantia. tune ex his unus, quem cuncti grammatea dicebant, pro foribus assistens coetu pastophorum - quod sacrosancti collegii nomen est - velut in contionem vocato indidem de sublimi suggestu de libro de litteris fausta vota praefatus principi magno senatuique et equiti totoque Romano populo, nauticis navibusque, quae sub imperio mundi nostratis reguntur, renuntiat sermone rituque Graeciensi 1TAOtacpecna. quam vocem feliciter cunctis evenire signavit populi clamor insecutus. exin gaudio delibuti populares thallos, verbenas, corollas ferentes exosculatis vestigiis deae, quae gradibus haerebat argento formata, ad suos discedunt lares. nec tarnen me sinebat animus ungue latius indidem digredi, sed intentus (in) deae specimen pristinos casus meos recordabar.
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Nec tarnen Fama volucris pigra pinnarum tarditate cessaverat, sed protinus in patria deae providentis adorabile beneficium meamque ipsitis fortunam memora-
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in Blattgoldverkleidung und funkelte die Barke von oben bis unten in spiegelblank poliertem Zitrusholz. Nun schleppen alle Leute, ob Gläubige ob Laien, Körbe mit Haufen von Spezereien und dergleichen Opfergaben um die Wette herbei und gießen einen Milchbrei auf die Fluten, bis sich das Schiff mit reichen Spenden und guten Wünschen beladen von den Ankertauen löst und von einer besonders heiteren Brise ins Meer getrieben wird. Als es weit ausgelaufen und für uns kaum mehr sichtbar ist, nimmt jeder wieder auf, was er an heiligem Gerät getragen und hergebracht hatte, und alles macht sich munter in ähnlich wohlgeordnetem Zug auf den Rückweg zum Gotteshaus. Als wir den Tempel schon ganz erreicht haben, ziehen sich der Oberpriester und wer Götterbilder zur Schau trug oder früher in den Kult des Allerheiligsten eingeweiht worden war, in das Gemach der Göttin zurück, um die von Leben erfüllten Kunstwerke auf ihre gewohnten Plätze zu verteilen. Dann stellt sich einer von ihnen, den man allgemein den Schreiber nannte, vor der Tür auf und lädt die Vereinigung der Pastophoren so heißt das hochheilige Kollegium - wie zum Gemeinderat. Darauf spricht er an gleicher Stelle von einem erhöhten Podium aus wortgetreu nach einem Buch einleitende Segenssprüche für den Großen Kaiser und Senat samt Ritterschaft und allem "Römervolk, für die Matrosen und Schiffe, die unserem Weltreich unterstehen, und ruft in griechischer Sprache und Weise den Schiffahrtsbeginn aus. Daß dies für alle eine Segensbotschaft sei, machte das folgende Geschrei des Volkes kund. Zweige, Reiser und Kränze in Händen küßte jetzt die Menge freudetrunken die Füße der Göttin, die über Stufen in Silber dargestellt war; dann geht man. auseinander und heim. Aber ich konnte mich nicht entschließen, auch nur einen Finger breit von Ort und Stelle zu weichen; sondern in Betrachtung des Bildes der Gattin versunken rief ich mir meine früheren Erlebnisse ins Gedächtnis zurück. Doch hatte das geflügelte Gerücht seine Schwingen nicht faul und träge ruhen lassen, sondern gleich in meiner Heimat von der Gnadenhuld der fürsorglichen Göttin und meinem eigenen
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bilem narraverat passim. confestim denique familiares ac vernulae quique mihi proximo nexu sanguinis cohaerebant luctu deposito, quem de meae mortis falso nuntio susceperant, repentino laetati gaudio varie quisque munerabundi ad meum festinant ilico diurnum reducemque ab inferis conspectum. quorum desperata ipse etiam facie recreatus oblationes honestas aequi bonique facio, quippe cum mihi familiares, quo ad cultum sumptumque largiter succederet, deferre prospicue curassent.
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Adfatis itaque ex officio singulis narratisque meis pro(pere) et pristinis aerum:nis et praesentibus gaudiis me rursum ad deae gratissimum mihi refero conspectum aedibusque conductis intra conseptum templi larem temporarium mihi constituo, deae ministeriis adhuc privatis adpositus contuberniisque sacerdotum individuus et numinis magni cultor inseparabilis. Nec fuit nox una vel quies aliqua visu deae monituque ieiuna, sed crebris imperiis sacris suis me iam dudum destinatum nunc saltem censebat initiari. at ego, quanquam cupienti voluntate praeditus, tarnen religiosa formidine retardabar, quod enim sedulo percontaveram difficile religionis obsequium et castimoniorum abstinentiam satis arduam cautoque circumspectu vitam, quae multis casibus subiacet, esse muniendam. haec identidem mecum reputans nescio quo modo, quanquam festinans, differebam.
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Nocte quadam plenum gremium suum visus est mihi summus sacerdos offerre ac requirenti: «Quid utique istud?•• respondisse partes illas de Thessalia mihi missas, servum etiam meum indidem supervenisse nomine Candidum. hanc experrectus imaginem diu diuque apud cogitationes meas revolvebam, quid rei portenderet, prae-
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merkwürdigen Schicksal allenthalben erzählt. So hatten auf der Stelle meine Freunde, Diener und nächsten Blutsverwandten die Trauer abgelegt, die sie auf die falsche Nachricht yon meinem Tod angenommen hatten. Außer sich vor plötzlicher Freude eilt jeder mit irgendeinem Geschenk im Nu herbei, um mich zu sehen, der aus der Unterwelt wieder zu Tage befördert war. Ihr unverhoffter Anblick tut mir auch selbst wohl, und ich lasse mir die reichlichen Spenden mit tausend Freuden gefallen; hatten mir doch meine Freunde vorsorglich alles bringen lassen, um mir für Kleidung und Aufwand Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Also begrüße ich jeden, wie es sich gebührt, und erzähle rasch von meinen früheren Drangsalen ebenso wie meinen jetzigen Freuden. Dann begebe ich mich wieder zu der Göttin zurück, deren Anblick mir so wohl tat, miete mir im Tempelbezirk ein Haus und richte mich vorläufig ein, - zunächst als privater Diener der Göttin zur Seite, in engster Wohngemeinschaft mit den Priestern und in nächster Nähe zu der angebeteten Himmelsmacht Und es verging keine Nacht oder sonst ein Schlaf, ohne daß die Göttin mir ihre Erscheinung und Weisung vergönnt hätte; vielmehr empfahl sie mir mit wiederholten heiligen Geboten, wenigstens jetzt die Weihen zu empfangen, für die ich längst ausersehen sei. Aber wenngleich ich Wunsch und Willen in mir trug, zauderte ich in frommer Bedenklichkeit; denn ich hatte mich genau erkundigt, daß die Glaubensgefolgschaft schwierig, die enthaltsame Kasteiung recht mühsam erreichbar und das vielen Zufällen unterworfene Leben mit sorglicher Umsicht zu sichern sei. Dies überdachte ich einmal ums andere und schob trotz meiner Ungeduld die Sache irgendwie hinaus. Eines Nachts träumte mir, der Hohepriester biete mir seinen vollen Schoß dar und antworte auf die Frage: .. Was ist denn das?", es seien Sachen von mir, die man mir aus Thessalien geschickt habe; auch sei mein Diener namens Candidus von dort eingetroffen. Als ich erwacht war, ließ ich mir das Traumgesicht immer und immer wieder durch den Kopf gehen: was
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sertim cum nullum unquam habuisse me servum isto nomine nuncupatum certus essem. ut(ut) tamen sese praesagium somni porrigeret, lucrum certum modis omnibus significari partium oblatione credebam. sie anxius et in proventum prosperiorem attonit~ templi matutinas apertiones opperiebar. ac dum velis candentibus reductis in diversum deae venerabilem conspectum adprecamur et per dispositas aras circumiens sacerdos rem divinam procurans supplicamentis sollemnibus de penetrali fontem petitum spondeo libat, rebus iam rite consummatis inchoatae lucis salutationibus religiosi primam nuntiantes horam perstrepunt. et ecce superveniunt Hypata quos ibi reliqueram famulos, cum me Photis malis incapistrasset erroribus, cognitis scilicet fabulis meis, nec non et equum quoque illum meum reducentes, quem diverse distractum notae dorsualis agnitione recuperaverant. quare sollertiam somni tum mirabar vel maxime, quod praeter congruentiam lucrosae pollicitationis argumento servi Candidi equum mihi reddidisset colore candidum.
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Quo facto idem sollicitius sedulum colendi frequentabam ministerium spe futura beneficiis praesentibus pignerata. nec minus in dies mihi magis magisque accipiendorum sacrorum cupido gliscebat summisque precibus primärium sacerdotem saepissime conveneram petens, ut me noctis sacratae tandem arcanis initiaret. at ille, vir alioquin gravis et sobriae religionis observatione famosus, clementer ac comiter et ut solent parentes inmaturis liberorum desideriis modificari meam differens instantiam spei melioris solaciis alioquin anxium mihi permulcebat animum. nam et diem, quo quisque possit
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konnte es bedeuten, war ich doch sicher, niemals einen Diener jenes Namens gehabt zu haben? Worauf sich indessen auch die Andeutung des Traums beziehen mod1te: jedenfalls meinte ich, wenn man mir meine Sachen bot, einen sicheren Gewinn bezeichnet zu sehen. So erwartete ich ungeduldig und auf einen einigermaßen günstigen Verlauf gespannt die morgendliche Öffnung des Tempels. Man zieht die glänzendweißen Vorhänge beiderseits zurück, wir beten in Andacht vor der Göttin, und der Priester verrichtet im Rundgang bei den Altären hier und da seinen Gottesdienst, indem er feierlich um Segen betet und aus einer Opferschale Quellwasser gießt, das man aus dem Allerheiligsten geholt hat. Unterdessen - all dies wird jetzt gehörig abgeschlossen - begrüßen die Frommen den jungen Tag und rufen laut die erste Stunde aus. Sieh einmal an, da treffen aus Hypata meine Diener ein, die ich dort zurückgelassen hatte, als mich Photis in schlimme Irrfahrten verhalfterte; meine Geschichten waren ihnen nämlich zu Ohren gekommen. Sie brachten außerdem auch mein früheres Pferd zurück, das verschiedentlich veräußert, aber an seinem Rückenmal von ihnen erkannt und wieder erstanden worden war. Demnach staunte ich jetzt gewaltig über den sinnvollen Traum: stimmte doch das Gewinnversprechen, und hatte er mir doch weiterhin unter dem Symbol des Dieners Candidus mein Pferd zurückerstattet, das ein Schimmel war. Nach diesem Vorgang widmete ich mich dem fleißigen Kultdienst mit um so größerer Peinlichkeit, als die gegenwärtige Gunst ein Pfand der Zukunftshoffnung war. Ebenso regte sfch von Tag zu Tag mehr und mehr mein Verlangen, die Weihen zu nehmen. Mit inständigem Flehen war ich immer wieder den Oberpriester angegangen und hatte ihn gebeten, mich endlich in die Geheimnisse der heiligen Nacht einzuweihen. Aber erübrigens ein Mann von Gewichtigkeit, der für seine Beobachtung der Kasteiungsvorschriften berühmt war - hielt in freundlicher Milde und in der Art, wie Eltern verfrühte Wünsche ihrer Kinder zu dämpfen pflegen, mein Drängen hin, vertröstete mich auf eine günstigere Zeit und suchte so meine stete Ungeduld zu beruhigen. Denn erstens gebe die Göttin Wink und Zeichen,
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initiari, deae nutu demonstrari et sacerdotem, qui sacra debeat ministrare, eiusdem providentia deligi, sumptus etiam caerimoniis necessarios simili praecepto destinari~ quae cuncta nos quoque observabili patientia sustinere censebat, quippe cum aviditati contumaciaeque summe cavere et utramque culpam vitare ac neque vocatus morari nec non iussus festinare deberem. nec tarnen esse quemquam de suo numero tarn perditae mentis vel immo destinatae mortis, qui non sibi quoque seorsum iubente domina temerarium atque sacrilegum audeat ministerium subire noxamque letalem contrahere; nam et inferum claustra et salutis tutelam in deae manu posita, ipsamque traditionem ad instar voluntariae mortis et precariae salutis celebrari, quippe cum transactis vitae temporibus iam in ipso finitae lucis limine constitutos, quis tarnen tuto possint magna religionis committi silentia, numen deae soleat elicere et sua providentia quodam modo renatos ad novae reponere rursus salutis curricula. ergo igitur me quoque oportere caeleste sustinere praeceptum, quanquam perspicua evidentique magni numinis dignatione iam dudum felici ministerio nuncupatum destinatumque. nec secus quam cultores ceteri cibis profanis ac nefariis iam nunc temperarem, quo rectius ad arcana purissimae religionis secreta pervaderem.
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Dixerat sacerdos, nec inpatientia corrumpebatur obsequium meum, sed intentus miti quiete et probabili taciturnitate sedulum quot dies obibam culturae sacrorum ministerium. nec me fefellit vel longi temporis prolatione cruciavit deae potentis benignitas salutaris, sed noctis obscurae non obscuris imperiis evidenter monuit advenisse diem mihi semper optabilem, quo me maxumi
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an welchem Tag der betreffende eingeweiht werden könne; zweitens wähle sie ebenso fürsorglich den Priester aus, der bei der heiligen Handlung fungieren solle; und außerdem ergehe eine ähnliche Weisung, um den notwendigen Aufwand für die Zeremonien zu bestimmen. All dem, empfahl er, solle sich auch unsereiner achtsam und geduldig fügen; ich müsse mich nämlich vor Begier und Widerspenstigkeit gründlich in acht nehmen und beide Sünden vermeiden, sei es bei Berufung zu zögern, sei es ohne Befehl zu hasten. Doch sei auch niemand aus seinem Kreis so gottvergessen oder vielmehr so auf den Tod versessen, daß er, ohne besonderen Befehl der Herrin auch an ihn, eine eigenmächtige und frevlerische Amtshandlung vorzunehmen und sich eine Todsünde zuzuziehen wagen würde. Denn die Riegel der Hölle ebenso wie der Schutz des Lebens seien in der Göttin Hand. Die Weihenerteilung selbst begehe man unter dem Bild eines freiwilligen Todes und einer Erlösung aus Gnade. Denn wenn nach vollbrachter Lebenszeit das Dasein ein Ende habe und man unmittelbar auf seiner Schwelle stehe, pflege die Göttin die zu berufen, denen etwa die großen Glaubensgeheimnisse sicher anvertraut werden könnten, und pflege die durch ihre Obhut gleichsam Wiedergeborenen nochmals in einen neuen Lebenslauf einzusetzen. Infolgedessen müsse also auch ich mich dem Himmelsgebot fügen, auch wenn mich die deutlich sichtbare Gnade der großen Gottheit schon längst zum seligen Dienst ausersehen und erkoren habe. Und ebenso wie die übrigen Anbetenden solle ich mich schon jetzt von unheiligen und sündigen Speisen enthalten, um auf de:;to geraderem Weg zu den geheimen Mysterien des reinsten Glaubens vorzudringen. Der Priester hatte gesprochen, und keine Ungeduld trübte meinen Gehorsam, sondern in sanfte Ruhe und löbliche Schweigsamkeit versunken widmete ich mich alle Tage emsig dem heiligen Kultdienst. Und die hilfreid1e Güte der mächtigen Göttin enttäuschte mich nicht oder quälte mich durch langwierigen Aufschub, sondern verkündete mir in dunkler Nacht mit undunklen Geboten eindeutig, der stets von mir herbeigesehnte Tag sei da und sie werde mir nun meinen Herzenswunsch er-
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voti compotiret, quantoque sumptu deberem procurare supplicamentis, ipsumque Mitbram illum suum sacerdotem praecipuum divino quodam stellarum consortio, ut aiebat, mihi coniunctum sacrorum mirristrum decernit. Quis et ceteris benivolis praeceptis summatis deae recreatus animi necdum satis luce lucida discussa quiete protinus ad receptaculum sacerdotis contendo atque eum cubiculo suo commodum prodeuntem continatus saluto. solito constantius destinaveram iam velut debitum sacris obsequium flagitare. at ille, statim ut me conspexit, prior «Ü», inquit, ••Luci, te felicem, te beatum, quem propitia voluntate numen augustum tantopere dignatur.» et ••Quid», inquit, •
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Ea protinus naviter et aliquanto liberalius partim ipse, partim per meos socios coemenda procuro. iamque tempore, ut aiebat sacerdos, id postulante stipatum me religiosa cohorte deducit ad proximas balneas et prius sueto lavacro traditum praefatus deum veniam purissime cir-
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füllen; auch gibt sie an, mie welchem Aufwand ich für die Ge· betszeremonien sorgen solle, und bestimmt gerade jenen Mi· thras, der ihr Hauptpriester und mir nach ihren Worten dun± eine schicksalhafte Konstellation der Gestirne verbunden war. zum Vollzug der heiligen Handlung. Diese und andere gütige Gebote der hehren Göttin lassen mia aufleben, und als der Tag kaum dämmert, schüttle ich den Schlaf ab, eile geradeswegs zur Zelle des Priesters, treffe ihn in dem Augenblick, wo er sein Gemadt verläßt, und begrüßf ihn. Nachdrücklicher als sonst hatte ich mir vorgenommen meine Aufnahme als Jünger zu fordern, die nun sozusagen hei· lige Pflicht sei. Aber er hat mich kaum erblickt, als er vor. selbst sagt: .. Ach Lucius, Glück und Segen, daß dich die er· habene Gottheit aus ihrem gnädigen Willen so hoher EhH würdigt!" Und er setzte hinzu: "Was stehst du immer nod müßig da und bist dir st:lbst im Wege? Heute ist der Tag, der du immer auf das innigste herbeigesehnt hast; heute sollst dt nach den himmlischen Weisungen der namenreichen Göttir durch diese meine Hände zu den einzig frommen Geheimweiher eingehen!" Damit legt der Greis in seiner großen Freundlich· keit die Rechte auf mich und führt mich geradeswegs zu1 eigentlichen Pforte des weiträumigen Tempels. Als er nach her· kömmlichem Brauch die Öffnungszeremonien verrichtet unc das Frühopfer vollbracht hat, holt er aus den Geheimfächerr des Allerheiligsten einige Bücher herbei, die in unverständli· chen Schriftzeichen geschrieben waren; die einen stellten mi allen möglichen Tiergestalten abgekürzte Formelwo:-te vor bei anderen war die Lesung durch verschlungene und radförmil verschnörkelte oder rankenartig verschränkte Zeichen geger neugierige Laien gesichert. Eben daraus gibt er mir an, welch, Vorbereitungen zum Zweck der Weihe vonnöten seien. Dies besorge ich rührig und etwas großzügiger teils selbst teils lasse ich es durch meine Kameraden einkaufen. Und al: nach den Worten des Priesters die Zeit dafür heran ist, führ er mich im Geleit der frommen Gemeinde zum nächsten Bad überläßt mich zunächst der üblichen Waschung und dusch mich dann nach einem "Gott vergönns!" ringsherum gan;
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eurnrorans abluit. rursurnque ad ternplurn redueturn iarn duabus diei partibus transaetis ante ipsa deae vesti~ gia eonstituit seeretoque rnandatis quibusdarn, quae voee rneliora sunt, illud plane eunetis arbitris praecipit, deeern eontinuis illis diebus cibariarn voluptatern eohereerern neque ullurn anirnal essern et invinius essern. quis vene~ rabili eontinentia rite servatis iarn dies aderat divino destinatus vadirnonio et sol eurvatus intrahebat vespe~ rarn. turn eeee eonfluunt undique turbae saerorurn ritu vetusto variis quisque rne rnuneribus honorantes. tune sernotis proeul profanis ornnibus linteo rudique rne eon~ teeturn arnicirnine arrepta rnanu saeerdos deducit ad ipsius saerarii penetralia.
Quaeras forsitan satis anxie, studiose Ieetor, quid de~ inde dieturn, quid faeturn. dicerern, si dieere lieeret, co~ gnoseeres, si lieeret audire. sed parern noxarn eontrahe~ rent et aures et lingua, (ista irnpiae loquacitatis,) illae ternerariae euriositatis. nee te tarnen desiderio forsitan religioso suspensurn angore diutino eruciabo. igitur audi, sed erede, quae vera sunt: aeeessi eonfiniurn rnortis et ealcato Proserpinae lirnine per ornnia veetus elernenta rerneavi; noete rnedia vidi solern eandido eoruseantern lurnine, deos inferos et deos superos aeeessi eorarn et adoravi de proxurno. eeee tibi rettuli, quae quarnvis audita ignores tarnen neeesse est. ergo quod solurn potest sine piaeulo ad profanorurn intellegentias enuntiari, re~ ferarn:
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Mane faeturn est, et perfeetis sollernnibus proeessi duodecirn saeratus stolis, habitu quidern religioso satis, sed effari de eo nullo vineulo prohibeor, quippe quod tune ternporis videre praesentes plurirni. narnque in ipso
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sauber ab. Dann führt er mich wieder zum Tempel zurück. So sind zwei Drittel des Tages vergangen, als er mich gerade zu Füßen der Göttin hinstellt und mir heimlich einige Weisungen gibt, die für eine Mitteilung zu schade sind. Aber folgendes ordnete er durchaus so an, daß alle Ohrenzeugen waren: zehn Tage hintereinander von jetzt an sollte ich im Essen mein Gelüst bezähmen, alles Tierfleisch meiden und weinfrei bleiben. Als ich dies in ehrfürchtiger Beherrschung ordentlich eingehalten hatte, war nun der Tag da, der für das Gelöbnis an die Gottheit bestimmt war. Die Sonne neigte sich herab und führte den Abend herauf. Schau nur, da strömt man in Scharen von überall herbei, jeder nach altem heiligen Brauch mit diesen oder jenen Ehrengaben für mich! Dann gebietet der Priester allen Laien weiten Abstand, bedeckt mich mit einem neuen Leinenumwurf, nimmt mich bei der Hand und führt mich ins Innere des eigentlichen Weihehauses. Vielleicht magst du, wißbegieriger Leser, in einiger Aufregung fragen, was dann gesprochen, was getan wurde. Ich würde es sagen, wenn ich es sagen dürfte, du würdest es erfahren, wenn du es hören dürftest. Aber Ohren wie Zunge würden gleichmäßig eine Sünde begehen, entweder gottloser Schwatzsucht oder frecher Neugier. Indessen will ich dich, weil dich vielleicht fromme Erwartung gespannt macht, nicht mit anhaltender Unruhe quälen. Höre also, aber glaube, was wahr ist! Ich nahte dem Grenzbezirk des Todes, stieg über Proserpinas Schwelle und fuhr durch alle Elemente zurück; um Mitternacht sah ich die Sonne in weißem Licht flimmern, trat zu Totengöttern und Himmelsgöttern von Angesicht zu Angesicht und betete sie ganz aus der Nähe an. - Da habe ich dir berichtet, was du nun wohl gehört hast, aber doch nicht verstehen kannst! Also werde ich nur erzählen, was ohne Sünde Laien zu Ohren gebracht werden darf: Es wurde Morgen, und nach Abschluß der Feierlichkeit trat ich hinaus, durch zwölf Stolen geheiligt, in wirklich geheimnisvollem Ornat, von dem zu sprechen mich aber nicht das geringste hindert, weil ja dazumal eine Menge Augenzeugen zur Stelle waren. Nämlich im eigentlichen Zentrum des Gottes-
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aedis sacrae meditullio ante deae simulacrum constitutum tribunal ligneum iussus superstiti byssina quidem, sed floride depicta veste conspicuus. et umeris dependebat pone tergum talorum tenus pretiosa chlamida. quaqua tarnen viseres, colore vario circumnotatis insignibar animalibus: hinc dracones Indici, inde grypes Hyperborei, quos in speciem pinnatae alitis generat mundus alter. hanc Olympiacam stolam sacrati nuncupant. at manu dextera gerebam flammis adultam facem et caput decore corona cinxerat palmae candidae foliis in modum radiorum prosistentibus. sie ad instar Solis exornato me et in vicem simulacri constituto repente velis reductis in aspectum populus errabat. exhinc festissimum celebravi natalem sacrorum, et suaves epulae et faceta convivia. dies etiam tertius pari caerimoniarum ritu celebratus, et ientaculum religiosum et teletae legitima consummatio.
Paucis dehinc ibidem commoratus diebus inexplicabili voluptate simulacri divini perfruebar, inremunerabili quippe beneficio pigneratus. sed tandem deae monitu, licet non plene, tarnen pro meo modulo supplicue gratiis persolutis tardam satis domuitionem comparo, vix equidem abruptis ardentissimi desiderii retinaculis. provolutus denique ante conspectum deae et facie mea diu detersis vestigiis eius, lacrimis obortis, singultu crebro sermonem interficiens et verba devorans aio:
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«Tu quidem, sancta et humani generis sospitatrix perpetua, semper fovendis mortalibus munifica, dulcem matris adfectionem miserorum casibus tribuis. nec dies nec qtiies ulla ac ne momentum quidem tenue tuis transcurrit beneficiis otiosum, quin mari terraque protegas homines et depulsis vitae procellis salutarem porrigas
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hauses stellte ich mich, wie ·man mich anwies, auf ein vor dem Bild der Göttin errichtetes Holzpodest. Mein batistenes, im übrigen farbenprächtig besticktes Gewand zog die Blicke auf sich. Von meinen Schultern hing rückwärts bis zu den Knöcheln ein kostbarer Umhang herab. Aber wohin man auch schaute, überall fielen Tierbilder an mir auf. die in verschiedener Farbe ringsherum kenntlich waren: hier indische Drachen, dort hyperboreische Greife, die eine andere Welt in der Gestalt von Vögeln mit Flügeln hervorbringt. Dieses Kleid bezeichnen die Geweihten mit Olympischer Stola. Aber in der rechten Hand hielt ich eine Fackel mit entfachten Flammen, und um meinen Kopf schlang sich ein prächtiger Kranz aus schimmernden Palmblättern, die strahlenförmig vorstanden. So war ich wie der Sonnengott ausstaffiert und einem Bilde gleich aufgestellt, und als man plötzlich die Vorhänge zurückzog, wimmelte es von Leuten, die mich sehen wollten. Danach feierte ich den Mystengeburtstag als großes Fest mit köstlichem Diner und unterhaltsamem Bankett. Auch der dritte Tag wurde nach dem gleichen Zeremoniell gefeiert mit frommem Frühschmaus und der üblichen Weihe-Schlußfeier. Wenige Tage verbrachte ich noch an Ort und Stelle und genoß die unbeschreibliche Wohltat des Götterbildes im Gefühl der Verpflichtung für eine unvergeltbare Gnade. Aber endlich erhalte ich eine Weisung der Göttin - der ich in Demut einen ungenügenden, aber meinen bescheidenen Verhältnissen entsprechenden Dank abstattete - und treffe spät genug Anstalten zur Heimreise. Mit Mühe hatte ich mich endlich aus den Banden brennendheißer Hingabe losgerissen. Schließlich falle ich vor der Göttin nieder, wische in ausbrechenden Tränen mit meinem Gesicht lange ihre Füße ab und sage, indem meine Rede in lauter Schluchzen untergeht und meine Worte ersticken: .. Heilige Frau und Menschheitsretterin immerdar, allezeit hilfreicher Hort der Erdenkinder, ja du erweisest süße Mutterliebe den Elenden und Geschlagenen! Nicht Tag noch Nacht oder auch nur ein kurzer Augenblick vergeht ohne deine Gnadenwirkung; keiner, da du nicht zu Meer und Land die Menschen behütest, Gewitter des Lebens verscheuchst und deine Rechte
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dexteram, qua fatorum etiam inextricabiliter contorta retractas licia et Fortunae tempestates mitigas et stellarum noxios meatus cohibes. te superi colunt, observant inferi, tu rotas orbem, luminas solem, regis mundum, calcas Tartarum. tibi respondent sidera, redeunt tempora, gaudent numina, serviunt elementa. tuo nutu spirant flamina, nutriunt nubila, germinant semina, crescunt germina. tuam maiestatem perhorrescunt aves caelo meantes, ferae montibus errantes, serpentes solo labentes, beluae ponto natantes. at ego refercndis laudibus tuis exilis ingenio et adhibendis sacrificiis tenuis patrimonio. nec mihi vocis ubertas ad dicenda, quae de tua maiestate sentio, sufficit nec ora mille linguaeque totidem vel indefessi sermonis aeterna series. ergo quod solum potest religiosus quidem, sed pauper alioquin, efficere curabo: divincs tuos vultus numenque sanctissimum intra pectoris mei secreta conditum perpetuo custodiens imaginabor.» Ad istum modum deprecato summo numine complexus Mithram sacerdotem et meum iam parentern colloque eius multis osculis inhaerens veniam postulabam, quod eum condigne tantis beneficiis munerari nequirem.
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Diu denique gratiarum gerendarum sermone prolixo commoratus tandem digredior et recta patrium larem revisurus meum post aliquam multum temporis contendo paucisque post diebus deae potentis instinctu raptim constrictis sarcinulis nave conscensa Romam versus profectionem dirigo tutusque prosperitate ventorum ferentium Augusti portum celerrime (pervenio) ac dehinc carpento pervolavi vesperaque, quam dies insequebatur iduum Decembrium, sacrosanctam istam civitatem accedo. nec ullum tarn praecipuum mihi exinde studium fuit quam cotidie supplicare summo numini reginae Isidis, quae de templi situ sumpto nomine Campensis summa cum veneratione propitiatur. eram cultor denique ad-
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zur Hilfe reichst, sie, die selbst unentwirrbar verstrickte Par· zenfäden auflöst, Schicksalsstürme besänftigt und böse Sterne in ihrem Laufe hemmt. Dich ehren die droben, achten die unten; du drehst das Firmament, entfachst die Sonne; die Welt ist dein Thron, die Hölle dein Schemel. Nach dir wandeln die Gestirne, wechseln die Jahreszeiten; dir jauchzen die Geister, dienen die Elemente. Dein Wink macht Winde wehen, Wolken gießen, Samen sprießen, Sprosse wachsen. Vor deiner Hoheit erbeben Vögel arn Himmel ziehend, Tiere auf Bergen schweifend, Schlangen arn Boden gleitend, Wale im Meere schwimmend. Doch mir gebricht es an Gaben, dein Lob zu verkünden, und fehlt es an Gütern, dir Opfer zu bringen. Ich habe nicht Stimmkraft genug zu sagen, was ich von deiner Hoheit fühle, nicht tausend Münder und Zungen gleicher Zahl oder ewig regen Redestrom. Was allein der Mensch zu tun vermag, der fromm aber sonst arm ist, das soll also meine Sorge sein: dein himmlisches Antlitz und hochheiliges Gotteswesen will ich auf alle Zeit in meinem Herzensschrein bewahren, hüten und vor Augen haben." So betete ich zu der hehren Hirnrnelsrnacht, umarmte Mithras, den Priester und nun meinen Vater, hing mit vielen Küssen an seinem Hals und bat um Vergebung, daß ich ihm all die Wohltat nicht angernessen vergelten könne. Sodann hielt mich eine weitläufige Dankrede lange fest, bis ich mich endlich trenne. Geradeswegs eile ich, nach reichlich langer Zeit mein Vaterhaus wieder aufzusuchen, packe nach einigen Tagen auf Eingebung der mächtigen Göttin geschwind meine Siebensachen und besteige ein Schiff mit dem Reiseziel Rom. Im sicheren Geleit günstiger Winde erreiche ich schnellstens den Augustushafen, fliege von da mit einer Kutsche weiter und gelange arn Abend vor dem 13. Dezember in die heilige Stadt. Seither lag mir nichts so sehr am Herzen als täglich vor der Himmelskönigin Isis zu knien, die hier von der Tempellage ihren Namen hat und als ,Isis vorn Marsfeld' besonders innige Verehrung genießt. So war ich ihr stetiger Diener, fremd im Ternpel, aber heimisch im Glauben.
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siduus, fani quidem advena, religionis autem indigena. Ecce transcurso signifero circulo Sol magnus annum compleverat, et quietem meam rursus interpellat numinis benefici cura pervigilis et rursus teletae, rursus sacrorum commonet. mirabar, quid rei tcmptaret, quid pronuntiaret futurum; quidni? (qui) plenissiine iam dudum videbar initiatus.
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Ac dum religiosum scrupulum partim apud meum sensum disputo, partim sacratorum consiliis examino, novum mirumque plane comperior: deae quidem me tantum sacris inbutum, at magni dei deumque summi parentis invicti Osiris necdum sacris inlustratum. quanquam enim conexa, immo vero unita ratio numinis religionisque esset, tarnen teletae discrimen interesse maximum. prohinc me quoque peti magno etiam deo famulum sentire deberem. nec diu res in ambiguo stetit. nam proxuma nocte vidi quendam de sacratis linteis iniectum, qui thyrsos et hederas et tacenda quaedam gerens ad ipsos meos lares collocaret et occupato sedili meo religionis amplae denuntiaret epulas. is ut agnitionem mihi scilicet certo aliquo sui signo subministraret, sinistri pedis talo paululum reflexo cunctabundo clementer incedebat vestigio. sublata est ergo post tarn manifestam deum voluntatem ambiguitatis tota caligo et ilico deae matutinis perfectis salutationibus summo studio percontabar singulos, ecqui vestigium ~imilis ut somnium. nec fides afuit. nam de pastophoris unum conspexi statim praeter indicium pedis cetero etiam statu atque habitu examussim noctumae imagini congruentem, quem Asinium Marcellum vocitari cognovi postea, reformationis meae (minime) alienum nomen. nec moratus conveni protinus eum sane nec ipsum futuri sermonis ignarum, quippe iam dudum consimili prae-
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Da hatte die hehre Sonne den Tierkreis durchlaufen und ein Jahr vollendet: wieder unterbricht die gnädige Gottheit in immerwacher Fürsorge meinen Schlaf und mahnt wieder zur Weihe, wieder zur Heiligung. Ich war ratlos, worauf sie hin· auswolle und was sie für die Zukunft verkünde; denn begreiflicherweise meinte ich, schon längst restlos eingeweiht zu sein. Und während ich das fromme Bedenken teils vor dem Forum meines Gewissens erörtere teils in Beratungen mit Geweihten prüfe, geht mir ein völlig neues und seltsames Licht auf: ich sei ja nur in die Weihen der Göttin eingeführt, aber noch nicht von den Weihen des großen Gottes und obersten Göttervaters, des unbesieglichen Osiris erleuchtet! Denn wenn auch die Gottes- und Glaubensvorstellung zusammenhänge, ja sogar eine Einheit bilde, bestehe doch in der Weihe ein bedeutender Unterschied. Demnach müsse ich mir klarmachen, daß gar der große Gott auch nach mir verlange. Und die Sache hlieb nicht lange unentschieden: in der nächsten Nacht erschien mir einer von den Geweihten in Leinengewändem, brachte Thyrsusstäbe, Efeuzweige und einige geheime Dinge, stellte sie direkt vor meinen Hausaltar, nahm darauf meinen Stuhl ein und sagte ein feierliches Kultmahl an. Um mir ja durch ein siCheres persönliches Merkmal die Erkeunung zu ermöglichen, kam er mit etwas eingebogener linker Fußferse in schleppendem Schritt langsam daher. Nach dieser deutlichen Willenskundgebung der Götter war nun all die dunkle tingewißheit verflogen, und als ich der Göttin meine morgendlichen Aufwartungen gemacht hatte, sd!aute ich mir jeden ganz genau darauf an, ob er meiner Traumgestalt am Fuß ähnele. Und die Bestätigung blieb nicht aus: sofort fiel mir unter den Pastophoren einer auf, der außer dem Fußkeni).Zeichen auch sonst in Haltung und Kleidung haargenau zu der nächtlichen Erscheinung stimmte; er hieß, wie ich später erfuhr, Asinius Marcellus, und der Name war nicht ohne Beziehung zu meiner Verwandlung. Ohne Säumen wandte ich mich gleich an ihn, der freilich bereits selbst um das bevorstehende Gespräch wußte, da er schon längst durch
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cepto sacrorum ministranderum commonefactum. nam sibi visus est quiete proxima, dum magno deo coronas exaptat, [et) de eius ore, quo singulorum fata dictat, audisse mitti sibi Madaurensem, sed admodum pauperem, cui statim sua sacra deberet ministrare. nam et illi studiorum gloriam et ipsi grande compendium sua comparari providentia.
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Ad istum modum desponsus sacris sumptuum tenuitate contra votum meum retardabar. nam et viriculas patrimonii peregrinationis adtriverant impensae et erogationes urbicae pristinis illis provincialibus antistabant plurimum. ergo duritia paupertatis intercedente, quod ait vetus proverbium, inter sacrum et saxum positus cruciabar. nec setius tarnen identidem numinis premebar instantia. iamque saepicule non sine magna turbatione stimulatus, postremo iussus veste ipsa mea quamvis parvula distracta sufficientem conrasi summulam. et id ipsum praeceptum fuerat specialiter: «An tu», inquit, «Si quam rem voluptati struendae moliris, laciniis tuis nequaquam parceres, nunc tantas caerimonias aditurus impaenitendae te pauperiei cunctaris committere?»
Ergo igitur cunctis adfatim praeparatis, decem rursus diebus inanimis contentus cibis, insuper etiam deras(o) capi(te), principalis dei noctumis orgiis inlustratus plena iam fiducia germanae religionis obsequium divinum frequentabam. quae res summum peregrinationi meae tribuebat solacium nec minus etiam victum uberiorem subministrabat, quidni? spiritu faventis Eventus quaesticulo foren11i nutrito · per patrocinia sermonis Romani.
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Et ecce post pauculum tempus inopinatis et usquequaque mirificis imperiis deum rursus interpellor et cogor tertiam quoque teletarn sustinere. nec levi cura solli-
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eine parallele Weisung zur Vornahme der Weihen aufgefordert worden war. Hatte ihm doch in der letzten Nacht geträumt, er habe dem großen Gott Kränze arrangiert und unterdessen aus seinem alle Lebensschicksale kündenden Mund vernommen, man schicke ihm einen übrigens ziemlich mittellosen Mann aus Madaura, dem er sofort seine Weihen erteilen solle; denn durch seine Obhut würde dem betreffenden ebenso glänzende Belehrung wie ihm selbst gewaltiger Gewinn zuteil. So war ich zur Weihe bestimmt, doch ergab sich durch die Dürftigkeit der verfügbaren Mittel gegen meinen Wunsdi eine Verzögerung. Denn erstens hatten die Reisekosten meiner ziemlich schwachen Kasse zugesetzt, und zweitens gingen die Ausgaben in der Stadt über die früheren in der Provinz bei weitem hinaus. Also gebot harte Armut ein Halt und brachte mich in eine qualvolle Lage zwischen Block und Beil, wie es in einem alten Sprichwort heißt. Nichtsdestoweniger wurde ich aber von der Gottheit immer wieder nachdrücklich gedrängt. Und als ich mir oft genug nicht ohne große Bestürzung Ansporn und schließlich Befehl gegeben sah, verhökerte ich meine letzten, wenngleich wenigen Kleider und kratzte damit ein ausreichendes Sümmchen zusammen. Eben dies war mir besonders aufgetragen worden: "Würdest du nicht", sagte er, "wenn du etwas vergnügungshalber unternimmst, deine Fetzen ohne Besinnen opfern? Und du zögerst jetzt, vor dem Eintritt in solche Feierlichkeiten, dich in eine Armut ohne Reue zu stür:Len?" Also bereitete ich nun alles hinlänglich vor, beschränkte mich wieder zehn Tage lang auf fleischlose Kost und ließ mir auch noch den Kopf rasieren. Dann wurde ich durch die nächtlichen Mysterien des Götterfürsten erleuchtet und lag jetzt mit voller Hingabe der heiligen Gefolgschaft des Doppelglaubens ob. Dies gewährte mir starken Trost in der Fremde und ermöglichte mir außerdem sogar eine behaglichere Lebenshaltung; bestimmt, da idl Wind in die Segel bekam und bei Gericht als Anwalt in lateinischer Sprache kleine Einnahmen häufen konnte. Und man stelle sich vor: nach einem Weilchen treten nochmals unvermutete und gänzlich überraschende Götterbefehle an mich heran und muten mir zu, mich noch einer dritten Weihe zu
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citus, sed oppido suspensus animi mecum ipse cogitationes exercitius agitabam, quorsus nova haec et inaudita se caelestium porrigeret intentio, quid subsicivum, quamvis iteratae iam, traditioni remansisset: <
«Nihil est», inquit, «quod numerosa serie religionis, quasi quicquam sit prius omissum, terreare. quin adsidua ista numinum dignatione laetus capesse gaudium et potius exulta ter futurus, quod alii vel semel vix conceditur, teque de isto numero merito praesume semper beatum. ceterum futura tibi sacrorum traditio pernecessaria est, si tecum nunc saltem reputaveris exuvias deae, quas in provincia sumpsisti, in eodem fano depositas perseverare nec te Romae diebus sollemnibus vel supplicare iis vel, cum praeceptum fuerit, felici illo amictu illustrari posse. quod felix itaque ac faustum salutareque tibi sit, animo gaudiali rursum sacris initiare deis magnis auctoribus ... 30
Hactenus divini somnii suada maiestas, quod usus foret, pronuntiavit. nec deinceps postposito vel in supinam procrastinationem reiecto negotio statim sacerdoti meo relatis, quae videram, inanimae protinus castimoniae iugum subeo et lege perpetua praescriptis illis decem diebus spontali sobrietate multiplicatis instructum teletae comparo largitus (omnibus) ex studio pietatis magis quam mensura (rerum mea)rum collatis. nec hercules laborum me sumptuumque quidquam tarnen paeni-
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unterziehen! Es war keine geringe Sorge, die mir jetzt zusetzte; vielmehr schwebte idt in völliger tingewißheit und überlegte mir ganz gründlidt hin und her, wohin dieser neue und unerhörte Plan der Himmlisdten ziele und was für ein Rest bei der denn doch sdton zweimaligen Weihenerteilung übriggeblieben sei: "Klärlich sind beide Priester bei mir verkehrt oder nidtt ganz vollständig verfahren!" Und wahrhaftig begann ich sdton sogar ihre Ehrlidtkeit in Zweifel zu ziehen. So ging es mir wie ein Mühlrad im Kopf herum, und idt war fast wahnsinnig vor Unruhe, bis midt eines Nadtts ein freundlidtes Traumgesidtt mit folgendem Sprudt aufklärte: "Es liegt kein Grund vor", spradt es, "daß didt die lange Reihe von Riten erschreckt, als sei früher etwas unterlassen worden! Gib didt vielmehr über deine ständige Ehrung durdt die Götter eitler Freude hin, frohlpcke lieber, dreimal zu sein, was anderen hödtstens einmal vergönnt wird, und entnimm - du darfst es aus dieser Zahl die Gewißheit deiner ewigen Seligkeit. Im übrigen ist die bevorstehende Weihenerteilung für didt unvermeidlidt; madte dir dodt wenigstens jetzt klar, daß die Gewänder der Göttin, die du in der Provinz angelegt hast, an Ort und Stelle im Heiligtum verwahrt bleiben und daß du in Rom an Feiertagen ebensowenig mit ihnen beten wie didt, wenn Weisung ergeht, im Schmuck des heiligen Ornats zeigen kannst. Also Glück und Segen und alles Gute für dich! Jubel im Herzen laß dich nochmals in die Mysterien einweihen, wie didt die großen Götter heißen!" Soweit gab der gottgesandte Traum mit überzeugendem Nadtdruck an, was zu tun sei. Und nun setzte idt die Sadte nidtt hintan oder verschob sie lässig auf einen späteren Tag. Vielmehr beridtte ich sogleich meinem Priester, was ich geträumt hatte, unterwerfe midt auf der Stelle der Kasteiung durdt Fleisdtverzidtt, wobei idt midt freiwillig über die regelmäßig vorgesdtriebenen zehn Tage hinaus enthalte, und besdtaffe in großzügiger Weise für die Weihe eine Ausrüstung, indem idt alles mehr aus frommem Drang als nadt Maßgabe meiner Mittel zusammentrage. Indessen hatte idt wirklidt weder Mühen nodt Aufwand irgendwie zu bereuen; bestimmt, da midt die
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tuit, quidni? liberali deum providentia iam stipendiis forensibus bellule fotum. Denique post dies admodum pauculos deus deum magnorum potior et potiorum summus et summorum maximus et maximorum regnator Osiris non (in) alienam quampiam personam reformatus, sed coram suo illo venerando me dignatus adfamine per quietem recipere visus est: quae nunc, incunctanter gloi'iosa in foro redderem patrocinia nec extimescerem malevelorum disseminationes, quas studiorum meorum laboriosa docti'ina ibidem exciebat. ac ne saci'is suis gregi cetero permixtus deservirem, in collegium me pastopherum suorum, immo inter ipsos decurionum quinquennales adlegit. rursus denique qua( qua) raso capillo collegii vetustissimi et sub illis Syllae temporibus conditi munia non obumbrato vel obtecto calvitio, sed quoquoversus obvio gaudens obibam.
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SOl
freizügige Fürsorge der Götter nun mit Einkünften bei Gericht ganz nett versorgte. Schließlich erschien mir nach einigen wenigen Tagen im Traum der Gott, der von den großen Göttern der mächtigste ist und von den mächtigsten der höchste und von den höchsten der größte und bei den größten König, Osiris. Er zeigte sich nicht unter irgendeiner fremden Maske, sondern von Angesicht zu Angesicht würdigte er mich seiner ehrfurchtheischenden Ansprache und Zusage: wie bisher solle ich ohne Wanken als Anwalt bei Gericht meinen Mann stellen und die Ausstreuungen Übelwollender nicht fürchten, die die gründliche Gediegenheit meiner Ausbildung dort auslöste. Und um mich nicht gleichmäßig mit der übrigen Gemeinde seinem Gottesdienst nachkommen zu lassen, berief er mich in das Kollegium seiner Pastophoren, ja in den Kreis der auf fünf Jahre eingesetzten Vorsteher selbst. Am Ende ließ ich mir wieder den Kopf kahlscheren und waltete in dem ehrwürdigen, seinerzeit unter Sulla gegründeten Kollegium - meine Glatze war weder beschönigt noch bedeckt, vielmehr allenthalben sichtbar - mit Freuden meines Amtes.
ANHANG ERLÄUTERUNGEN Der ursprüngliche Titel des Romans ist Metamorphoses (.,Verwandlungen"; zur Bedeutung vgl. die EinführungS. 55 5 ff.); heute allgemein gebräuchlich ist aber der von Augustin verwendete Titel .,Der Goldene Esel" (Asi11us Aureus), in dem das Adjektiv .. golden" lediglich die Funktion hatte, dem Entzücken des Kirchenvaters an diesem Werk Ausdruck zu verleihen.
Buch I 1.1
1.3
1,4 1,6
2,1
4,2
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i11 milesischem Stil: vgl. die Ausführungen zur Vorrede in der EinführungS. 5 54. Blätter aus Ägypte11: Papyrus, das aus ägyptischem Schilf hergestellte Schreibpapier der Antike. Hymettos i11 Attica: ein Gebirge östlich von Athen. Isthmos bei Ephyra: die Landenge bei Korinth (= Ephyra). Tä11aros im SpartaHerlaHd: südlichstes Kap der Peloponnes. latiHischeH Stadt: Rom Zirkusreiterprogramm: zur näheren Erklärung dieser schwierigen Stelle vgl. Einführung S. 55 5. ei11e Geschichte 11ach dem Griechische~!: zur griechischen Vorlage vgl. EinführungS. 549 ff. Thessalie11: in Nordostgriechenland; in der Antike als Land der Zauberei und der Hexen verrufen. Plutarch: griechischer Biograph und Philosoph (ca. 46-120). Sextus: Sextus Empiricus, griechischer Philosoph (2.Jh. n. Chr.) Bu11te11 Halle (griech. stoa poik{/e): Säulenhalle in Athen mit Wandgemälden, in der die Anhänger der .. stoischen" Philosophie sich gerne zum Diskutieren trafen. Stab des Heilgottes: des Asklepios (Aesculap), um dessen Knotenstock sich eine Schlange ringelt. Aristome11es: .,der gewaltige Held" (ironisch verwendet).
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5,3 5,5 6,1
7,6 7,7 8,6
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15, 5 23,6
23,7
Anhang
Agion: Stadt im Norden der Peloponnes. Lupus: .. Wolf". Sokrates: Der Name ist ironisch verwendet, da der Lebenswandel seines Trägers in direktem Gegensatz zu dem des berühmten griechischen Philosophen (ca. 469-399 v. Chr.) steht. Larissa: Stadt in Nordthessalien, bekannt durch sportliche und musische Spiele. Meroe: abgeleitet von merum = ungemischter Wein. Äthiopier hüben und drüben: Äthiopier (.. Brandgesichter") lebten nach antiker Vorstellung im Osten und Westen Zentralafrikas. Antipoden: .. Gegenfüßler", Bewohner der anderen Seite der Erde. Abbeißen der Hoden: Das Bibergeil war ein sehr begehrtes Heilmittel. weshalb der Biber, wie man in der Antike fabelte, durch Abbeißen seiner Hoden Verfolger von sich abzulenken versuchte. Medea: tötet aus Rache dafür. daß ihr Gatte Jason Kreusa, die Tochter des Königs Kreon von Korinth, heiraten will, die Braut zusammen mit ihrem Vater und anschließend ihre eigenen Kinder. Panthia: .. die ganz Göttliche" (ironisch verwendet). Endymion: der jugendliche Geliebte der Mondgöttin. Ganymed: Sohn des Tros, seiner Schönheit wegen als Mundschenk für Zeus (Jupiter) geraubt, in der jüngeren Sage als Hirt gedacht und durch den Adler des Zeus entführt. Kalypso: auf einer Insellebende Nymphe, bei der sich Odysseus während seiner Irrfahrten längere Zeit aufhält. bacchantisch zerreißen: Bacchantinnen, die Begleiterinnen des Weingottes Bacchus, konnten in Ekstase Tiere und Menschen, die sich ihnen in den Weg stellten, verletzen und töten. Tartarus: die Unterwelt, die von dem dreiköpfigen Hund Cerberus bewacht wird. Theseus: athenischer Held, dervor einem seiner Kämpfe gegen zahlreiche Ungeheuer in der armseligen Hütte der Hekale bewirtet wird. Photis: der Anklang des Namens an das griechische Wort für
Erläuterungen
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.. Licht" (phos) soll vielleicht die schicksalhafte Verbindung der Magd mit Lucius, dessen Name von dem lateinischen Wort für .. Licht" (Iux) abgeleitet ist, zum Ausdruck bringen (K. Alpers, Würzburger Jahrbücher 6 a, 1980, 203 f.).
Buch li Plutarch: siehe zu I 2,1. parischon Marmor: Marmor von der griechischen Insel Paros, einer der Kykladen. 4,10 Aktäon: wurde, als er Artemis (Diana) beim Baden zusah, zur Strafe in einen Hirsch verwandelt und von seinen eigenen Hunden zerrissen; vgl. zu dieser Stelle EinführungS. 5 64. 5, 3 Pamphile: "die sich in alle verliebt". 8,6 Liebesgürtel: bewirkt Liebe und Schönheit; Hera (Juno) leiht ihn sich von Aphrodite (Venus) aus, um Zeus (Jupiter) zu betören. 11,6 Sibylle: von einer Gottheit in Ekstase versetzte Wahrsagerin. 12,3 Chaldäa: Landschaft im südlichen Mesopotamien, deren Bewohner, die semitischen Chaldäer, die Astrologie besonders pflegten. 13,1 DiophaHes: .. der mit Zeus' Hilfe die Zukunft aufzeigt" (ironisch verwendet). 13,3 Kerdo: .. der auf Profit bedacht ist". 20,7 ThelyphroH: .. der mit dem weiblichen Mut" (ironisch verwendet, da er sich selbst als .. Mann aus Stahl" [23.4) bezeichnet). 23,4 LyHkeus: griechischer Held, der mit seinen Luchsaugen auch feste Gegenstände durchdringen kann. Argus: von Hera (Juno) als Wächter der Io, der Geliebten des Zeus (Jupiter), eingesetzter hundertäugiger Riese. 25,5 der Delphische Gott: Apollon, dessen Orakel in Deiphi in der Antike als Stätte besonderer Weisheit galt. 26,3 Philodespotus: .. der seinem Herrn Ergebene". 26,8 derrebellische ThebaHerköHig: Pentheus, derwegen seines Widerstandes gegen die Einführung des Dionysoskultes in Theben von Bacchantinnen (siehe zu I 13,2) zerrissen wird. der pierische SäHger: Orpheus (aus Pimpleia, dem Sitz der Musen in der 3,2 4,3
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28,3
29,3
32,7
Anhang
makedonischen Landschaft Pierien), der nach dem endgültigen Verlust Eurydikes nur noch Knaben liebt und deshalb von thrakischen Bacchantinnen zerrissen wird. KlapperH voH Pharos: Im Kult der lsis, auf deren Heiligtum auf der ägyptischen Insel Pharos hier angespielt wird, wurde die Klapper (vgl. die Beschreibung XI 4,2) verwendet. Todesbecher (lat. Lethaea pocula): Der Lethetrank gewährt den Verstorbenen Vergessen. StygischeH WasserH: Der Styx ist ein Unterweltsstrom, den die Toten auf ihrem Weg ins Reich der Schatten überqueren. GeryoHes: dreileibiger Riese, den Herakles tötet.
Buch III 1,1
2,9
8,1 9,8
15.4 16,2 18,5
19,2 27,2
Aurora: die Göttin der Morgenröte. Orchestra: im griechischen Theater dervor der Bühne liegende Tanzplatz für den Chor, wo sich im römischen Theater die Sitze der Senatoren befanden. Ölbaumzweige: wurden in der Antike von Bittflehenden und Schutzsuchenden getragen. ProserpiHa (Persephone): Tochter der Demeter (Ceres) und Herrseherin der Unterwelt. Orcus: Herrscher über die Unterwelt. Schweigepflicht: vgl. zu dieser Szene EinführungS. 564 f. Helios: der Sonnengott. Ajax: unterliegt im Schiedsgericht gegen Odysseus, als beide nach dem Tode Achills dessen Waffen für sich fordern; er will sich an den Achäern rächen, überfällt aber im Wahnsinn vielmehr die erbeuteten Herden und richtet unter diesen ein Blutbad an, worauf er Selbstmord begeht. GeryoHes: siehe zu II 32,7. Cerberus: siehe zu I 15,5. EpoHa: Schutzgöttin der Ställe. BuchN
2,8 8, 5
LorbeerroseH: eine Art Oleander. LapitheH uHd KeHtaureH: Die riesenhaften Lapithen, ein thessali-
Erläuterungen
8, 7
9,5
12.1 13,2
15,1 26,8
28,1 29,3
30,3
31,6
32,5 32,6 33,2
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scher Volksstamm, und 'die aus Pferde- und Menschenleib zusammengesetzten Kentauren geraten bei der Hochzeit des Lapithenkönigs Peirithoos miteinander in Streit, als die Kentauren sich an den Frauen vergreifen. Lamachus: "Volkskämpfer". Chryseros: "der Goldgierige". Alkimus: "der Streitbare". Demochares: "der das Volk erfreut". ThrasyleoH: "der mit dem Löwenmut". Attis: wird bei seiner Hochzeit mit einer phrygischen Prinzessin von der eifersüchtigen Agdistis (Kybele) wahnsinnig gemacht und entmannt sich. Protesilaos: muß am Tag seiner Hochzeit gegen Troja ziehen und fällt als erster. Es wareH ... : zum Mythos von Amor und Psyche vgl. EinführungS. 5 59 ff. Paphos ... KHidos ... Kythera: berühmte Heiligtümer der Aphrodite (Venus); Paphos liegt auf Cypern, Knidos auf einem Kap im Südwesten Kleinasiens, und Kythera ist eine Insel an der Südspitze der Peloponnes. jeHer Hirt: Paris, der Aphrodite (Venus) den Preis der Schönheit vor Hera (Juno) und Athene (Minerva) zuerkennt (vgl. X 30-32). Nereus: ein Meergott. PortuHus: römischer Gott der Häfen. Salacia: römische Quell- und Meeresgöttin. PalämoH: griechischer Hafengott. TritoHeH: männliches Gegenstück zu den Nereustöchtern. Orakel des Gottes voH Milet: das Apollonorakel in Didyma bei Milet. des milesischeH RomaHs: siehe EinführungS. 5 54 u. S. 55 6. die stygische Nacht: siehe zu II 29,3.
Buch V 12,6
SirweH: Mischwesen aus Vogel- und Mädchenleibern, die auf einer Insel leben und vorbeifahrende Schiffer durch ihren Gesang betören, so daß diese die Gewalt über ihr Fahrzeug verlieren und im Meer untergehen.
508
25,3 28,7 29,6 30,1
An h an g
PaM: Wald- und Hirtengott, der hier die Bergnymphe Echo, die Personifikation des Echos, singen lehrt. HoreM: Göttinnen der Jahreszeit. GrazieM (Chariten): bringen Göttern und Menschen Anmut und Freude. deiM Vater: der Schmiedegott Hephaistos (Vulkan). Stiefvater: der Kriegsgott Ares (Mars), eigentlich der heimliche Liebhaber der Venus. Buch VI
2,4
2,5 4,1
4,3 8,2
13.4 15,2 16,3 16,4 17,1 18,2 18,6 22,4
23,5
TrnheMgeheimMisse: Bei den Mysterien der Demeter (Ceres) in Eleusis (nordöstlich von Athen) wurden geheime Kultgegenstände in Truhen verwahrt. ProserpiMa: siehe zu III 9,8. Eleusis: siehe zu VI 2.4. Samos: griechische Insel mit berühmtem Heiligtum der Hera (Juno). Karthago: ebenfalls Kultort der Hera. lMachos: Fluß in Argos. Zygia: Hera (Juno) als Schutzgöttin der Ehe. LuciMa (Eileithyia): Heraals Geburtshelferin. MurtischeM ZirkussäuleM:In der Nähe des Circus Maximus in Rom lagen Tempel des Merkur und der alten Göttin Murcia, die den südlichen Zielsäulen den Namen gab; der Ort war als Straßenstrich stadtbekannt. die StygischeM Sümpfe: siehe zu IV 29,3. deM phrygischeM MuMdscheMk: siehe zu I 12.4. Orkus: siehe zu III 9,8. ProserpiMa: siehe zu III 9,8. Tartarus: siehe zu I 15,5. Dis: Herrscher der Unterwelt. Charow Fährmann der Unterwelt, der dieToten über den Styx setzt. das julische: Anspielung auf die 18 v. Chr. von Kaiser Augustus erlassene ..Iex Iulia de adulteriis", nach der Ehebruch dann strafbar war, wenn es sich um die Verführung einer alleinstehenden Freigeborenen (Mädchen oder Witwe) oder um den Seitensprung einer Ehefrau handelte. Ambrosia: Götterspeise, derenGenuß Unsterblichkeit gewährt.
Erläuterungen
24,2 24,3 27,5
29.4
30,5
509
Mundschenk: siehe zu I 12,4. Horen ... Grazien: siehe zu V 28,7. Dirke: Königin von Theben. Sie will ihre Feindin Antiope von Amphion und Zethos hinrichten lassen, aber diese erkennen in Antiope ihre Mutter und binden Dirke an die Hörner eines wilden Stiers, der sie zu Tode schleift. Phrixos: entflieht mit seiner Schwester Helle den Nachstellungen ihrer Stiefmutter auf einem Widder mit goldenem Vlies; Helle stürzt unterwegs ins Meer und gibt so dem Hellespant seinen Namen. Arion: Sänger, der, als man auf ihn bei einer Schiffsreise einen Anschlag verübt, von einem Delphin an Land getragen wird. Europa: phönizische Königstochter, der sich Zeus (Jupiter) in Stiergestalt nähert, um sie auf seinem Rücken zu entführen. Pegasus: das Aügelroß, auf dem Bellerophon den Drachen Chimära bekämpft.
Buch VII 5,6 6, 5 7,1
12,1 12,2 14,1 16,5
26,3 28.4
Haemus: "der Blutige". Theron: ..Jäger". Zakynthus: Insel vordem Nordwestkap der Peloponnes. Actium: Vorgebirge an der Westküste Griechenlands, berühmt durch den Sieg des Octavian-Augustus im Jahre 31 v. Chr., der die Bürgerkriege beendete. Tlepolemus: "der ausdauernde Kämpfer". Charite: "die Anmutige". baktrisches Kamel: Kamel aus Baktrien in Zentralasien. thrakischen König: Diomedes, der seine Pferde mit Menschenfleisch füttert; er wird von Herakles überwunden und selbst seinen Pferden vorgeworfen. Bellerophon: siehe zu VI 30,5. Althäa: besitzt ein Holzscheit, an dessen Erhaltung das Leben ihres Sohnes Meleager hängt. Im Schmerz über den durch Meleager verursachten Tod ihrer Brüder wirft sie das Scheit ins Feuer, und so verlöscht das Leben ihres Sohnes.
510
Anhang
Buch Vlll 1,5 16,3 24,2
24,3 24.4 25,3
2 5,6 26,3
Thrasyllus: .. der Verwegene". Pegasus: siehe zu VI 30,5. die Syrische Göttin: Atargatis, die in Hierapolis in Syrien einen berühmten Tempel hatte; ihr Kult fand in hellenistischer Zeit in Griechenland und bald auch in Rom Anhänger. Kappadoker: Sklaven, die aus Kappadozien in Kleinasien stammten, galten als besonders kräftig. Comelische11 Gesetz: sonst nicht bekannt; wahrscheinlich liegt eine scherzhafte Verwechslung vor. Sabadius: phrygischer Gott, wahrscheinlich ebenfalls in Hierapolis verehrt. Bello11a: nicht die römische Kriegsgöttin, sondern vorderasiatische Gottheit mit orgiastischem Kult. ldäische Mutter: Kybele, eine phrygische Muttergottheit, deren Priester wie die der Atargatis meist Eunuchen waren. Ado11is: der von einem Eber getötete Geliebte der Ve11us ( = Astarte), dessen Kultstätten in Phönizien lagen. Philebus: ..Jugendfreund" (ironisch verwendet). kei11e Hi11di11 für ei11e ]u11g{rau: Anspielung auf die Sage von der Opferung lphigenies. Die Tochter Agamemnons, die zur Versöhnung der Artemis (Diana) getötet werden soll, wird vor der Opferhandlung von der Göttin durch eine Hirschkuh ( = Hindin) ersetzt und nach T auros entführt, um dort Artemispriesterin zu werden.
Buch IX 2,3
4.4 13,3
Myrtilus: Anspielung auf den Namen des Wagenlenkers des Oinomaos in der Pelops-Sage. Hephästio11: ironische Anspielung auf .. Hephaistos", den griechischen Namen des Götterkochs Vulkan (vgl. dazu VI 24,2). Hyp11ophilus: .. der Schläfrige". Apollo11ius: Anspielung darauf, daß Apollon auch Gott der Heilkunst ist. ei11e hübsche Geschichte: vgl. die Bearbeitung dieser Novelle bei Boccaccio, Decamerone 7,2. das traurige Beispiel dieser Gesellschaft: vgl. EinführungS. 567.
Erläuterungen
13.4 14.1 14,5 16,2 17,1 17,2 17,3 23,5
511
Meisterdichter: Homer; im folgenden werden die ersten vier Verse der Odyssee paraphrasiert. hiibsche ... Geschichte: vgl. die Bearbeitung der beiden folgenden Novellen bei Boccaccio, Decamerone 5 ,10. Vorstellung von einem einigen Gott: Die Frau soll offensichdich als Jüdin oder Christin gekennzeichnet werden. Philesitherus: .. Schürzenjäger". Barbarus: .. Barbar". Arete: .. Tugend" (ironisch verwendet). Myrmex: .. Ameise". Geschichte: vgl. die Bearbeitung dieser Novelle bei Boccaccio, Decamerone 7,2. Buch X
2,4
7,2 8,1
14,7
15,2
18,1
19,3
22,4
vom Pantoffel zum Kothurn: Anspielung auf die im griechischen Drama getragene Fußbekleidung, die sandalenartigen Schuhe der Komödienschauspieler und die hochgeschnürten Stiefel der T ragödienschauspieler. Areopag: höchster Gerichtshof in Athen. in den Sack genäht: Nach römischem Recht wurden Verwandtenmördermit Ruten verprügelt und anschließend zusammen mit einer Schlange, einem Affen, einem Hund und einem Hahn in einen Sack genäht und ins Meer geworfen. Bruderkämpfe aIa Eteokles: Eteokles und Polyneikes, Söhne des Ödipus, kämpften um den Thron von Theben bis zur gegenseitigen Vernichtung. Harpyien: geflügelte Mischwesen aus Mädchen- und Vogelleibern, die dem wegen eines Götterfrevels mit Blindheit bestraften König Phineus Speise und Trank rauben oder besudeln. Thiasus: .. Festzug", also wohl Anspielung auf die Freigebigkeit des Thiasus beim Veranstalten von Spielen. Pasiphae: Gattin des kretischen Königs Minos. verliebt sich eine von Poseidon (Neptun) verhängte Strafe- in einen Stier und wird Mutter des Minotaurus. Mutter des Minotaurus: siehe zu X 19,3.
512
30,3
31.3 3 2,2 33,2
33,3
Anhang
Ephebemnäntelchen: Die jungen Männer in Griechenland trugen einen nur bis zum halben Oberschenkel hinabreichenden Mantel. Kastor und Pollux (Polydeukes): Söhne des Zeus (Jupiter) und der Leda und Brüder der Helena. Grazien ... Horen: siehe zu V 2 8, 7. Palamedes: griechischer Fürst im Heer vor Troja, der infolge einer List des ihm verfeindeten Odysseus wegen angeblichen Verrats verurteilt und gesteinigt wird. Ajax: siehe zu III 18,5. Der Greis: der griechische Philosoph Sokrates, der von Apollon, dem Gott von Delphi, zum weisesten Menschen erklärt wurde; die Athener verurteilten ihn im Jahre 3 99 v. Chr. zum Tod durch den Giftbecher, weil er die Jugend verdorben und nicht an die staatlich anerkannten Götter geglaubt, sondern neue eingeführt habe. Buch XI
1.2 1,4 2,1 5,2 5,3 6,2 6,6 8.4
9,6 15,1 17,2 21.2 22,8 23,7
die Göttin: Isis. Pythagoras: griechischer Philosoph (2. Hälfte 6. Jh. v. Chr.). die wiedergefundene Tochter: Proserpina (siehe zu III 9,8 ). auf eleusinischer Scholle: siehe zu VI 2,4. Paphos: siehe zu N 29,3. PessiHus: Zentrum des Kults der Kybele (siehe zu VIII 25,3). die Äthiopier beiderseits: siehe zu I 8,6. mir schon immer widerlichen Ungetüms: Der Widersacher der Isis, Typhon-Set, wurde als Esel dargestellt. elysischen Gefilde: Ort ewiger Glückseligkeit in der Unterwelt. Ganymedes: siehe zu I 12.4. Bellerophon ... Pegasus: siehe zu VI 30,5. Sarapis: mit Osiris gleichgesetzter ägyptischer Gott. VieleLeiden . . .:zur Rede des Isis-Priestersvgl. EinführungS. 563. Pastophoren: Priester niederer Ordnung undTräger der Götterbarken, in denen sich kleine Götterbilder befanden. die Weihen: zu den im folgenden geschilderten Initiationen vgl. EinführungS. 56 5 f. in unverständlichen Schriftzeichen: Hieroglyphen. Proserpinas Schwelle: siehe zu III 9,8.
Erläuterungen
2 5,2
26,2 27,4
27,7 27,9
513
Parzenfäden: Die Parzen, drei Schicksalsgöttinnen, spinnen den Lebensfaden (Klotho), teilen ihn zu (Lachesis) und schneiden ihn ab (Atropos). Augustushafen: Ostia an der Tibennündung. Thyrsosstäbe: lange Rohrstöcke mit Pinienzapfen, die auch von Anhängern des Dionysos getragen wurden. Pastophoren: siehe zu XI 17,2. nicht ohne Bedeutung: Asinius ist von asiHus = "Esel" abgeleitet. Mann aus Madaura (Madauros): Hiermit ist Apuleius selbst gemeint; zur Erklärung der schwierigen Stelle vgl. Einführung
S. 5 56f. 30,5
Sulla: römischer Heerführer und Diktator (138-78 v. Chr.).
PSEUDO-LUKIAN, LUKIOS ODER DER ESEL Bei dem folgenden Text, der nur in deutscher Übersetzung vorgelegt wird, handelt es sich um eine Kurzfassung der verlorenen griechischen Vorlage zu den MetamorphoseH des Apuleius (vgl. dazu EinführungS. 549 ff.); verfaßt wurden die vollständigen griechischen MetamorphoseH wahrscheinlich von Lukian von Samosata, unter dessen Werken die von einem unbekannten Redaktor ( .. Pseudo-Lukian") angefertigte Kurzfassung mit dem Titel .. Lukios oder Der Esel" überliefert ist. Hier abgedruckt wurde die Übersetzung Christoph Martin Wielands (1789) in der revidierten Fassung von H. Floerke (1911); die bei Wieland teils veränderten, teils weggelassenen erotischen Szenen mit der Magd Palaistra ("Ringschule ") in den Kapiteln 6 (Anfang) und 8 -10, die auch bei Floerke nur ungenau bzw. unvollständig wiedergegeben sind, wurden der Übersetzung H. van Thiels entnommen (Abenteuer eines Esels oder Die Verwandlungen des Lukios, München: Heimeran 1972; hier kursiv).
Ich machte einmal eine Reise nach Thessalien, um ein von meinem Vater geerbtes Geldgeschäft mit einem Manne, der in diesem Lande angesessen war, abzutun. Ein einziges Pferd trug mich und meinen Mantelsack, und ein einziger Bedienter folgte mir zu Fuße. Unterwegs traf ich auf einige Thessalier von Hypata, die im Begriff waren, nach ihrer Vaterstadt zurückzukehren; wir wurden eins, in Gesellschaft zu reisen, und so legten wir diesen beschwerlichen Weg um so leichter zurück. Wir waren schon nahe bei der Stadt, als ich meine Thessalier fragte, ob sie einen Einwohner von Hypata, der Hipparchos heiße, kennten. Denn an diesen Mann hatte ich ein Empfehlungsschreiben von Hause, welches mir den Vorteil, bei ihm zu wohnen, verschaffen sollte. Ihre Antwort war: der Hipparchos, den ich meinte, und die Gegend der Stadt, wo er wohne, sei ihnen ganz wohlbekannt; er habe viel Geld, sei aber so begierig, dessen immer mehr zu haben und ein so großer Feind vom Ausgeben, daß seine ganze Haushaltung in einer Frau und einer einzigen Magd bestehe. Unter diesen Reden erreichten wir die Stadt. Meine Gefährten zeigten· mir einen Garten mit einem leidlichen Häuschen, wo Hipparchos wohne, nahmen hierauf
2
Lukios oder Der Esel
515
Abschied von mir und gingen ihres Weges; ich hingegen gehe hin und klopfe an die Tür. Ich mußte ziemlich lange warten und mehr als einmal klopfen, bis die Frau endlich zum Vorschein kam. "Ist Hipparchos zu Hause?'', fragte ich. "Ja", war die Antwort, "aber wer bist du, und was für eine Ursache hast du, nach ihm zu fragen?" "Ich bringe ihm einen Briefvon dem Sophisten Dekrianos von Patrai", erwiderte ich. "So warte hier einen Augenblick", versetzte sie, schloß mir die Türvor der Nase zu und ging wieder hinein. Endlich kommt sie wieder und heißt mich hereinkommen. Ich gehe hinein, grüße meinen Mann und überreiche ihm den Brief. Ich fand ihn eben im Begriff. seine Abendmahlzeit zu halten; er lag auf einem ziemlich schmalen Ruhebettehen; seine Frau saß neben ihm und vor ihnen stand ein Tischchen, worauf aber noch nichts zu essen war. Er überlas den Brief und sagte darauf: "Das ist ja recht schön von meinem werten und berühmten Freunde Dekrianos, daß er so viel Vertrauen zu mir hat und mir seine guten Freunde so ohne Umstände zuschickt. Mein Häuschen ist freilich klein, wie du siehst, lieber Lukios, und nur eben für seinen Bewohner zureichend; indessen wirst du ein großes Haus daraus machen, wenn du soviel Geduld haben willst, dich darin zu behelfen." Er rief hierauf seiner Magd. "Palaistra", sprach er, "zeige meinem Freunde sein Schlafzimmer und trage das Gepäck dahin, das er etwa mitbringt; hernach führe ihn ins Bad; denn er hat einen weiten Weg zurückgelegt." Diesem Befehle zu folge nahm mich das Mädchen sogleich mit sich und zeigte mir ein sehr schönes Gemach. "Hier", sagte sie, "auf diesem Bette wirst du schlafen und für deinen Burschen will ich ein Lager hier zurechtmachen und auch ein Kopfkissen darauf legen." Ich gab dem Mädchen Geld, um etwas Gerste für mein Pferd zu kaufen, worauf wir uns ins Bad begaben; inzwischen trug sie alle meine Sachen hinein und schaffte sie in mein Zimmer. Aus dem Bade begaben wir uns geradeswegs zu Hipparchos zurück. Er nahm mich bei der Hand und hieß mich neben ihm Platz nehmen. Das Nachtessen war nicht das schlechteste, und der Wein gut und alt. Nach der Mahlzeit brachten wir den übrigen Abend, wie es bei Aufnahme eines Gastes gebräuchlich ist, mit Trinken und Schwatzen zu und gingen hierauf schlafen. Am folgenden Morgen fragte mich Hipparchos, wo mein Weg nun weiter hinginge, oder wie viele Tage ich zu Hypata bleiben würde. "Ich gehe nach Larissa", war meine Antwort, "und
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Anhang
gedenke etwa drei bis vier Tage hierzubleiben." Dies sagte ich aber nicht im Ernste; denn in der Tat war ich gesonnen, solange in Hypata zu bleiben, bis ich mein Verlangen befriedigt hätte, eine von den Weibern zu finden, die sich mit magischen Künsten abgeben, und mit ihrer Hilfe einen fliegenden oder versteinerten Menschen oder irgend etwas anderes Unglaubliches dieser Art zu sehen. Ganz von der Begierde nach einem solchen Schauspiel eingenommen, lief ich in der ganzen Stadt herum, ohne zu wissen, wie ich's anfangen sollte, um zu dem, was ich suchte, zu gelangen. Während ich nun so herumirrte, sehe ich eine junge Frau auf mich zugehen, die, dem äußerlichen Anschein nach, unter die reichsten und angesehensten in der Stadt gehörte; denn sie ging prächtig gekleidet, war mit vielem Golde behangen und hatte eine Menge von Bedienten hinter sich her. Wie ich ihr näher kam, grüßte sie mich und sagte mir, sie wäre die Abroia, die ich vermutlich als eine vertraute Freundin meiner Mutter nennen gehört hätte. "Die Kinder meiner Freundin", fuhr sie fort, "sind mir nicht weniger lieb als meine eigenen. Wie kommt es denn, daß du nicht bei mir einkehrst, mein Sohn?"- "Ich bin dir sehr verbunden", antwortete ich, "aber da ich mich in keinem Stiicke über den Freund, der mich aufgenommen, zu beklagen habe, so trage ich Bedenken, sein Ha1,1s zu verlassen. Indessen werde ich wenigstens in Gedanken bei einer so liebenswürdigen Freundin wohnen."- "Und wo hältst du dich denn auf?"; fragte sie.- "Beim Hipparch."- "Wie? Bei dem Geizhalse?'' - "Sage das nicht, meine Mutter", erwiderte ich; "mich wenigstens hat er so vornehm und köstlich bewirtet, daß man ihn eher beschuldigen könnte, zuviel als zuwenig in diesem Stücke zu tun."- Sie lächelte und sagte, indem sie mich bei der Hand auf die Seite zog: .. Nimm dich ja, soviel du nur immer kannst, vor seiner Frau in acht; denn sie ist eine Erzzauberin und dabei so wollüstig, daß keine junge Mannsperson vor ihr sicher ist. Wer ihr nicht im guten zu Willen ist, an dem rächt sie sich durch ihre Kunst; sie hat schon viele in Tiere verwandelt, ja einige gänzlich zugrunde gerichtet. Du bist jung, mein Kind, und schön genug, um ihr in die Augen zu stechen, überdies fremd, und also in desto größerer Gefahr, weil man sich gegen einen Fremden mehr erlaubt als gegen Einheimische." Wie ich hörte, daß ich etwas, das ich schon so lange suchte, zu Hause hätte, hörte ich kein Wort mehr von allem, was mir die gute Abroia sagte.
4
Lukios oder Der Esel
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Ich machte mich so bald als möglich von ihr los, und indem ich nach Hause ging, sprach ich zu mir selbst: Wohlan also, Freund Lukios, wenn es wahr ist, daß du so begierig bist, etwas Übernatürliches zu sehen, so nimm dich nun zusammen und erfinde irgendeinen klugen Ausweg, zum Ziele deiner Wünsche zu gelangen! Wie, wenn du deine Kunst an der jungen Palaistra versuchtest? - Denn der Frau deines Wirtes und Freundes bleibe mir ja so weit vom Leibe, als du kannst!Bei jener hast du desto freieren Spielraum, -kurz, in den Armen der Magd wirst du am sichersten hinter die Geheimnisse der Herrin kommen. Denn die Bedienten sind doch immer die Leute, die das Gute und Böse ihrer Herrschaften am besten kennen. Unter diesem Selbst. gespräche langte ich in meinem Quartiere wieder an, fand aber weder den Hipparchos noch seine Frau zu Hause, sondern Palaistra allein, die in der Küche beschäftigt war, unser Abendessen zurechtzuma6 chen. Sogleich hob ich an und sprach: "Wie harmonisch, schöne Palaistra,
drehst und schwenkst du deinen Popo zugleich mit der Bratpfanne, und wie gelenkig schwingen dazu deine Hüften! Glücklich, wer da hineinstippen daif!" Sie aber, die ein überaus schnippisches und buhlerisches kleines Ding war, erwiderte mir gleich im nämlichen Tone: "Junger Herr, wenn du klug bist und dein Leben liebst, so rat ich dir, meinem Topfe nicht zu nahe zu kommen, ich will dich ehrlich und redlich gewarnt haben! Denn du wagst mehr, als du vielleicht glaubst. Es braucht nur einen Augenblick, so würdest du dich so übel verbrannt haben, daß dich kein anderer Mensch wieder heilen könnte, als ich allein; der Gott der Ärzte selbst würde dir nicht helfen können; und was noch das wunderbarste ist, ich würde dich immer noch kränker machen, und du würdest die Schmerzen der Heilung mit so vielem Vergnügen aushalten, daß du dich sogar mit Steinen von der Quelle einer so süßen Pein nicht wegjagen ließest.- Du lachst noch? Aber du irrst dich sehr, junger Herr, wenn du mich nur für eine gewöhnliche Köchin ansiehst. Ich weiß nicht bloß dergleichen gemeine schlechte Speisen zuzurichten, wie diese hier; auch in der Kunst, das vornehmste und schönste Wildbret, den Mann, zu schlachten, abzuziehen, zu zerstücken und weich zu kochen, bin ich, wie du mich hier siehst, eine Meisterin; und besonders mache ich mir gern mit ihrem Eingeweide und Herzen zu schaffen."- "Alles, was du da sagst, ist nurgar zu wahr", versetzte ich; "denn du hast mich schon hier von weitem, und ohne daß ich dir
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nahe gekommen bin, nicht nur angebrannt, beim Zeus!, sondern über und über in Flammen gesetzt, und ich brate und dorre bei dem unsichtbaren Feuer, das du durch meine Augen in mein Eingeweide geworfen hast, ohne zu wissen, womit ich eine solche Grausamkeit um dich verdient habe. Also, um aller Götter willen!, versuche die bittersüße Kur an mir, wovon du sagtest; und da du mich bereits geschlachtet hast, so ziehe mir nun vollends die Haut über die Ohren und mache mit mir, was du willst!"- Sie brach über diese sonderbare Liebeserklärung in ein unmäßiges Gelächter aus; aber das Ende davon war, daß ich sie gewonnen hatte und daß wir eins wurden, sobald sie ihre Herrschaft zu Bette gebracht hätte, wollte sie auf mein Zimmer kommen und die Nacht bei mir zubringen. Endlich kam Hipparchos 7 wieder nach Hause, wir gingen ins Bad und von da zu Tische, und während wir zusammen schwatzten, wurden die Becher fleißig geleert. Endlich stelle ich mich schläfrig, beurlaube mich und gehe auf mein Zimmer. Hier war schon alles in der schönsten Ordnung. Meinem Burschen war sein Bett vor der Tür gemacht. Vor dem meinigen stand ein Tischehen mit einer Trinkschale, einem Krug Wein und zwei Gefäßen mit kaltem und warmem Wasser; kurz, Palaistra hatte für alles gesorgt. Die Bettdecken waren mit einer Menge Rosen, ganzen, zerblätterten und in Kränze geflochtenen, überstreut; alles war zum Gelage bereit, nur meine Mitzechetin fehlte noch und wurde von mir mit Ungeduld erwartet. Sobald Palaistra ihre HerriH zu Bett s
gebracht hatte, kam sie eileHds zu mir, uHd fröhlich traHkeH wir eiHaHder zu uHd küßteH UHS. Nachdem wir UHS mit eiHem tüchtigeH TruHk fürdie Nacht gestärkt hatteH, sagte sie: "Vergiß Hicht, juHger MaHH, daß du aH eiHe Palaistra gerateH bist. Jetzt mußt du beweiseH, ob du eiH feuriger Kämpfer bist UHd viele Griffe gelerHt hast." "Du sollst mich Hicht kHeifm seheH ",sagte ich. "Zieh dich Hur aus uHd laß UHs aHfaHgeH!" Sie aber sagte: "So wie ich es vorschreibe, zeige mir deiHe KuHst. Ich werde dir als Lehrer UHd TraiHer die StelluHgeH, die ich ausgeführt wüHsche, aHgebeH, du aber gehorche willig uHd tu alles, was ich sage."" Gut, faHg aH", erwiderte ich, "uHd sieh, wie beheHde, geschmeidiguHd stramm die AusführuHg seiH wird."- Sie zog ihr Kleid aus, uHd als sie gaHz Hackt war, befahl sie: 9 "Los, BürschcheH, zieh dich aus UHd salbe dich mit dem Öl hier. UmschliHge deH Geg~~er; faß ihH aH deH ScheHkelH, heb aH uHd wirf ihH auf deH RückeH. VoH obeH drücke mit UHtergriff die BeiHe auseiHaHder uHd ziehe sie hoch. Etwas lokker lasseH - jetzt wieder aHspaHHeH - presse dich aH uHd eröffHe sacht deH
Lukios oder Der Esel
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Angriff. Jetzt stoß zu mit aller Kraft: bis es weh tut, u11d dränge nach mit der Hufte. Zieh zurilck- jetzt von der Seite Untergriff im Schritt. Stoß wieder zu, so fest es geht, und schuttele. Sobald du ihn erlahmen siehst, schiebe dich auf ihn und umschlinge seine Taille. Nicht zu schnell jetzt, noch ein bißchen mithalten! -Gut, die Übung ist zu Ende."- Nachdem ichallmeine Aufgaben leicht erledigt hatte und unser Ringkampf beendet war, sagte ich mit Lachen zu Palaistra: "Lieber Lehrer, du siehst, wie behende und willig ich gekämpft habe. Doch scheint mir, du gibst die Griffe nicht so an, wie es sein mußte. Deine Befehle kommen nämlich in der falschen Reihenfolge." Sie aber gab mir eine Ohrfeige und rief:" Was für einen vorlauten Schuler habe ich da bekommen! Paß auf, daß du nicht noch mehr Schläge erhältst, und laß es dir genug sein, die Befehle auszuführen." Sie stand auf, erfrischte sich und sprach: ,,Jetzt kannst du zeigen, ob du eiH strammer junger Ringer bist und die Schule auf den Knien beherrschst." Sie kniete sich aufs Bett: "Vorwärts, Ringer! Du hast de11 Gegner gut gefaßt; schuttle ihn heftig, dränge dabei vor und in ihn hinein. Er gibt sich eine Blöße, zugefaßtI Erst Klammergriff nach der Regel, dann beuge ihn zurilck und greif an -weiter so und laß nicht locker! Wenn er erlahmt, heb ihn rasch hoch, faß um und wirf ihn mit einem Ruck. Zieh aber nicht eher zurilck als befohlen, sondern krumme ihn stark zusammen und zieh weg. Nun greife wieder von unten an setze den Angriff VOH der Seite fort, rnhre dich!- Nun gib den Gegner frei, denn er liegt und ist geschlagen und ganz aufgelöst." Da lachte ich hell auf und sagte: .Jetzt will ich dir, mein Lehrer, auch ein paar Griffe angeben, du aber gehorche. Richte dich auf und setze dich. Geh mir zur Hand, reibe den Rest ein und wische ab. Dann umschlinge mich fest und laß mich, beim Herakles, nunmehr schlafen!" Mit solchen Vergnügungen und Ringerspielen durchkämpften wir einige Nächte und riefen uns abwechsel11d als Sieger aus, und wir empfandeH so große Lust dabei, daß mir die Reise nach Larissa gänzlich darnber aus dem Sinne kam. Endlich fiel mir doch wieder ein, mich nach der Sache zu erkundigen, um derentwillen ich eigentlich nach Hypata gekommen war. Ich bat also Palaistra, mir dazu behilflich zu sein, daß ich, wenn ihre Gebietetin sich verwandelte oder irgendein anderes Zauberwerk vorhätte, einen unbemerkten Zuschauer dabei abgeben könnte; "denn", sagte ich, "es ist schon lange, daß ich so etwas Übernatürliches mit meinen eigenen Augen sehen möchte. Oder, wenn du selbst ein wenig hexen kannst, so tue mir den Gefallen, meine Liebe, und mache auf der Stelle, daß sich etwas vor meinen Augen in was anderes zu verwandeln scheine. Denn ich bilde mir ein, auch du müssest etwas von die-
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Anhang
ser Kunst verstehen; nicht als ob dich jemand bei mir verraten hätte; ich schließe es bloß aus der Wirkung, die du auf meine eigene Seele geübt hast. Denn daß du mich, der in seinem Leben kein Frauenzimmer mit verliebten Augen ansah, mich, den sie nur den Diamantenen zu nennen pflegen, so schnell zu überwältigen und in einer Nacht im Liebeskampfe zum Gefangenen zu machen gewußt hast, das kann nicht mit rechten Dingen zugehen; da muß Zauberei dahinter stekken."- .. Närrchen!" versetzte Palaistra lachend; .. als ob irgendeine Zauberformel kräftig genug sein könnte, Amor etwas anzuhaben, der selbst ein Tausendkünstler und der größte aller Zauberer ist! Aber aufrichtig und Scherz beiseite, mein Allerliebster, ich weiß nicht ein Wort von solchen Dingen, ich schwöre dir' s bei deinem Leben und bei diesem glücklichen Ruhebettchen! Denn ich habe weder lesen noch schreiben gelernt, und meine Herrin ist viel zu eifersüchtig auf ihre Kunst, als daß sie mir etwas davon hätte mitteilen sollen. Aber sobald ich eine Gelegenheit dazu finde, will ich versuchen, ob ich sie dir zu sehen geben kann, wenn sie sich verwandelt."- Nach diesem Gespräche schlummerten wir unverrnerkt ein. Wenige Tage darauf bringt mir Palaistra die Nachricht, ihre Herrin sei gesonnen, sich in einen Vogel zu verwandeln und in dieser Gestalt zu ihrem Geliebten zu fliegen. "Nun, liebe Palaistra ",sagte ich, "nun ist endlich die Gelegenheit da, mir zu zeigen, ob du mir gut bist und gesonnen, deinem Sklaven zur Befriedigung eines schon so lange gehegten Wunsches zu verhelfen!"- Sie hieß mich ruhig sein; und sobald die Nacht anbrach, fiihrt sie mich vor die Tür des Schlafzimmers ihrer Herrschaft und heißt mich die Augen an einen schmalen Spalt in der Tür halten und beobachten, was vorgehen würde. Ich sehe die Frau sich ausziehen; und wie sie ganz entkleidet ist, geht sie nackt zur Lampe, legt zwei Weibrauchkörner in die Flamme und bleibt dann eine gute Weile vor der Lampe stehen, indem sie, ich weiß nicht was, zu ihr hinmurrnelt. Hierauf öffnete sie eine ziemlich große Kiste, worin eine Menge Büchsen waren und nahm eine davon heraus; was eigentlich darin war, davon kann ich nichts sagen, als daß es mir, dem Anschein nach, Öl zu sein deuchte. Damit schmierte sie sich nun am ganzen Leibe ein, von den Nägeln an den Füßen bis zum Wirbel, und plötzlich brechen ihr am ganzen Leibe Federn hervor, ihre Nase wird ein hörnerner krummer Schnabel, sie bekommt alles, was zu einem Vogel gehört und ihn von
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anderen Tieren unterscheidet, mit einem Worte, sie hört auf zu sein, was sie war und ist in einen Nachtraben verwandelt. Kaum sah sie sich befiedert, so gab sie den widerlich krächzenden Ton von sich, der diesen Vögeln eigen ist, erhob sich in die Luft und flog zum Fenster 13 hinaus. Ich stand da und glaubte, das alles geträumt zu haben. Ich rieb mir die Augenlider, wie einer, der seinen eigenen Augen nicht traut und nicht glauben kann, daß er wacht und wirklich sieht, was er sieht. Endlich, wie ich.mich mitvieler Mühe überzeugt hatte, daß ich nicht schlafe, bat ich Palaistra, mich vermittelst der nämlichen Zaubersalbe ebenfalls zu befiedern und fliegen zu lassen: denn ich wollte aus Erfahrung wissen, ob ich bei dieser Umgestaltung auch der Seele nach zum Vogel werden würde. Sie machte also die Tür sachte auf und holte die Büchse.lch werfe in größter Eile meine Kleidervon mir und schmiere mich über und über mit Salbe ein: aber leider! Es wollen keine Federn kommen. Statt deren geht mir hinten ein langer Schwanz heraus, meine Finger und Zehen verschwinden und verwandeln sich in vier Hufe von Horn, meine Arme und Füße werden zu Vorder- und Hinterfüßen eines Lasttieres, meine Ohren und mein Gesicht verlängern sich, kurz, wie ich mich um und um betrachte, sehe ich, daß ich ein Esel bin. Ich erschrecke vor mir selbst, ich will mich gegen Palaistra beklagen, aber ich habe keine menschliche Sprache mehr; alles, was ich tun kann, ist, mein breites Hängemaul aufzusperren, den Kopf wie ein echter Esel traurig zur Erde sinken zu lassen und die Unglückliche durch diese unmittelbare Darstellung meiner Eselheit anzuklagen, daß sie statt eines Vogels ein Müllertier aus mir 14 gemacht hat. Das Mädchen schlug sich mit beiden Händen vor die Stirn. "0 ich Unglückselige", rief sie, "was hab' ich getan! In der Eile hab ich mich in den Büchsen geirrt und statt der rechten eine andere, ähnliche ergriffen. Aber fasse Mut, mein Allerliebster, dem Übel ist leicht zu helfen. Du brauchst nur Rosen zu essen, so wirst du diese Gestalt wieder ablegen und mir meinen Liebhaber wiedergeben. Gedulde dich nur diese einzige Nacht in dieser Eselsmaske, mein Bester! Morgen in aller Friih will ich nach Rosen laufen, was ich kann, und dich unverzüglich wiederherstellen." Mit diesen Worten kraute sie mir in den Ohren und streichelte mich freundlich den Rücken 15 herab. Ich war nun also, dem Äußerlichen nach, so sehr Esel, als man es sein kann, hingegen der Sinnesart und Vernunft nach der alte
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Lukios, die Sprache allein ausgenommen. Ich ging also, vor Verdruß mich in die Lippen beißend, und über Palaistras Unvorsichtigkeit bei mir selbst brummend, in den Stall, wo mein eigenes Pferd und ein anderer, natürlicher Esel, der dem Hipparch angehörte, stand. Diese merkten nicht sobald, daß sich ein neuer Ankömmling meldete, der die Miene hatte, in Gemeinschaft ihres Heus mit ihnen treten zu wollen, als sie schon die Ohren sinken ließen und sich in Positur setzten, die Rechte ihres Magens mit ihren Hinterfüßen zu verfechten. Ich fand also für sicherer, mich so weit als möglich von der Krippe entfernt zu halten und konnte mich nicht enthalten, über die drollige Szene zu lachen: aber mein Lachen war das.Schreien eines Esels. Unseliger Vorwitz! dachte ich jetzt bei mir selbst, wenn nun ein Wolf oder ein anderes reißendes Tier den Weg in diesen Stall fände, so müßte ich mich zerreißen lassen, ohne etwas verbrochen zu haben! Wie wenig ahnte ich, indem ich dieses dachte, welch einen fatalen Streich mir mein böses Geschick noch in dieser Nacht spielen würde! Es war tief in der Nacht, alles im Hause war still und lag in süßem Schlaf; auf einmal höre ich die Mauer von außen krachen, als ob ein Loch hineingebrochen würde. Dies geschah auch wirklich, und bald war die Öffnung groß genug, daß ein Mensch durchschlüpfen konnte. Sogleich kommt ein Kerl dadurch herein, diesem folgt ein anderer. bald sind ihrer eine ganze Menge, und alle mit Schwertern bewaffnet. Sie binden Hipparch, Palaistra und meinen Bedienten in ihren Betten, leeren das ganze Haus, tragen Geld, Kleider und Hausrat hinaus. und wie sie nichts mehr finden, das des Mitnehmens wert ist, kommen sie auch zu uns, führen mich, das Pferd und den anderen Esel hervor, legen uns Saumsättel auf und binden uns alles, was sie aus dem Hause getragen hatten, auf den Rücken. Wie sie uns nun schwer genug beladen hatten, trieben sie uns mit Knütteln vor sich her, um sobald wie nur möglich auf einem rauhen, wenig gangbaren Wege ins Gebirge zu entfliehen. Wie meinen lastbaren Kameraden dabei zumute war, kann ich nicht sagen: aber ich, der nicht beschlagen und diese Strapazen nicht gewohnt war, ich glaubte, daß es mein letztes sei und hätte auf den spitzigen Steinen unter der Last, womit ich überladen war, alle Augenblicke zusammensinken mögen. Ich strauchelte auch oft genug; aber Fallen wurde hierwie ein Verbrechen behandelt, und es war gleich einer da, der mir mit einem tüchtigen Prügel wieder
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auf die Beine half. Ich wollte zwar oft 0 Cäsar! ausrufen; aber ich brachte nichts als ein ungeheuer langes und lautes, eselsmäßiges 0 heraus, der Cäsar aber wollte nicht nachkommen. Auch dies zog mir neue Schläge zu, weil ich sie durch mein Schreien, wie sie sagten, verrate. Da ich also sah, daß mir meine Provokation an den Kaiser so übel bekam, beschloß ich stillschweigend fortzuschleichen und mir 17 dadurch wenigstens die Schläge zu ersparen. Inzwischen war es Tag geworden, wir hatten bereits einige Berge überstiegen, und mehr als einmal war ich bei Rosenhecken, die an unserem Wege standen, vorbeigegangen; aber man hatte die Vorsicht gebraucht, damit wir uns nicht unterwegs auf Abschlag unsrer Mittagsmahlzeit mit Weiden aufhalten könnten, uns die Mäuler zu verbinden, so daß ich damals ein Esel bleiben mußte. Als es Mittag wurde, kehrten wir in einem abgelegenen Meierhof ein, dessen Bewohner, soviel ich aus allen Umständen schließen konnte, gute Bekannte von unseren Räubern waren. Denn sie grüßten einander mit einem Kusse, und die Leute im Hofe luden die unsrigen ein, bei ihnen einzukehren, und setzten ihnen zu essen vor; uns lastbaren Tieren aber gaben sie Gerste. Meine Kameraden ließen sich's wohl schmecken: aber ich, der in meinem Leben keine Mittagsmahlzeit von roher Gerste gehalten hatte, sah mich überall, wiewohl mich ganz erbärmlich hungerte, nach etwas um, das ich essen könnte, und erblicke endlich einen Garten hinter dem Hofe, der einen Überfluß an allerlei schönem Gemüse hatte, und überdies stachen mir auch Rosen in die Augen. Ich also, nicht faul, gehe, da niemand im Hause acht auf mich gab (denn sie waren alle mit ihrem Mittagessen beschäftigt), in den Garten, sowohl um meinen Hunger mit rohem Gemüse zu stillen, als von den Rosen zu essen, die mich, wie ich nicht zweifelte, wieder zum Menschen herstellen würden. Wie ich mich nun in dem Garten sah, machte ich mich sogleich über alles her, was der Mensch ungekocht zu essen pflegt und füllte mich mit Salat, Rettichen und Petersilien an, die Rosen waren aber leider keine wahren Rosen, sondern die Blüten einer Art wilder Lorbeerbäume, die der gemeine Mann Lorbeerrosen zu nennen pflegt, und die man den Eseln und Pferden für so schädlich hält, daß, 18 wer davon äße, auf der Stelle sterben müßte. Inzwischen kommt der Gärtner, der etwas gemerkt haben mochte, mit einem tüchtigen Prügel in den Garten, und wie er die Verwüstung sieht, die der Feind auf
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seinen Gemüsebeeten angerichtet hat, geht er mit dem ganzen Eifer eines streng auf Ordnung haltenden Amtmanns auf den Dieb los und bleut mir mit seinem Knüttel so erbärmlich auf Rücken, Schenkel, Ohren und Nasenbein, als ob er mir alle Knochen zu Brei schlagen wolle. Eine so grausame Behandlung erschöpfte endlich meine Geduld, ich versetzte ihm mit beiden Hinterhufen einen so derben Schlag, daß er der Länge nach in seinen Kohl hineinfiel. Nach dieser Heldentat floh ich in vollem Galopp den Bergen zu: aber der Gärtner schrie, man sollte die Hunde auf mich loslassen, deren eine gute Anzahl auf dem Hofe war, so groß und stark, daß sie es mit Bären aufnehmen konnten. Da sie mich nun, wenn sie mich ergriffen hätten, unfehlbar in Stücke zerrissen haben würden, machte ich eine kleine Seitenwendung, beschloß, dem weisen Sprichwort gemäß, lieber umzukehren, als übel zu laufen, und kam wieder in den Hof zuriick. Sogleich wurden auch die Hunde, die man auf mich losgelassen hatte, wieder zurliekgerufen und an die Kette gelegt; mich aber prügelten sie tüchtig ab und hörten nicht eher auf, bis ich vor Schmerz alles, was ich gefressen hatte, hinten wieder von mir gab. Wie 19 es nun Zeit war, sich wieder auf den Weg zu machen, luden sie mir das meiste und schwerste von den gestohlenen Sachen auf. Die vielen Schläge, die ich bekam, und die übermäßige Last, die ich tragen mußte, wiewohl der rauhe Weg mir die Hufe beinahe abrieb, brachten mich endlich zur Verzweiflung. Ich beschloß auf dem Wege hinzufallen und nicht wieder aufzustehen, wenn sie mich auch totschlagen sollten. Dieser kluge Einfall, hoffte ich, sollte eine glückliche Veränderung in meinem Schicksal bewirken; denn ich zweifelte nicht, meine Tyrannen würden, durch meinen Starrsinn überwältigt, meine Ladung unter das Saumpferd und den Maulesel teilen, mich aber den Wölfen zur Beute auf der Erde liegen lassen. Aber irgendein mißgünstiger Dämon, der in meiner Seele las, machte, daß gerade das Gegenteil erfolgte. Der andere Esel, der vielleicht die nämlichen Gedanken hatte wie ich, fiel auf einmal zu Boden. Jene hießen den armen Tropf anfangs mit Priigeln aufstehen, und wie sie sahen, daß mit Schlägen nichts auszurichten war, zogen ihn die einen bei den Ohren, die anderen beim Schwanze, um ihn mit Gewalt wieder auf die Beine zu bringen. Da aber alles nichts helfen wollte, und er wie ein Stein im Wege liegen blieb und alle viere von sich streckte, berieten sie sich
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untereinander, was zu tun sei.. Und da sie fanden, sie würden doch nur die Zeit zur Flucht unnützerweise verlieren, wenn sie sich bei einem in den letzten Zügen liegenden Esellänger aufhalten wollten, so teilten sie das sämtliche Gepäck, womit er beladen war, unter mich und den Gaul; meinen armen Unglückskameraden aber nahmen sie, hieben ihm die Kniekehlen entzwei und warfen ihn, noch zappelnd, über die Felsen hiriab, und dieser Salto mortale machte ihm vollends den Garaus. Das schreckenvolle Ende meines Reisegefährten, wovon ich Augenzeuge war, machte einen so tiefen Eindruck auf mich, daß ich mir vornahm, mein gegenwärtiges Schicksal männlich zu ertragen und unverdrossen fortzuwandeln, da ich doch die tröstliche Hoffnung hatte, über kurz oder lang Rosen anzutreffen und durch sie errettet und wiederhergestellt zu werden. Auch hörte ich von den Räubern, wir hätten nicht viel Weg mehr zu machen und würden bald an den Ort kommen, wo wir zu bleiben hätten. Wir liefen also, so beladen wir auch waren, was wir konnten, und langten gegen Abend in der gewöhnlichen Wohnung der Räuber an, wo eine alte Frau in der Stube saß und ein tüchtiges Feuer auf dem Herd brannte. Uns Lasttieren wurde alles, was wir getragen hatten, abgenommen und im Hause in Verwahrung gebracht. "Nun", sagten sie zu dem alten Weibe, "warum sitzest du so da und machst uns das Essen nicht zurecht?"- "Oh", sagte die Alte, "es ist alles schon fertig; ihr findet Brot in Überfluß und Wildbret und etliche Fässer alten Weines." "Du bist ein braves Mütterchen", sagten die Räuber, und nun zogen sie sich aus, salbten sich a~ Feuer und wuschen sich, in Ermangelung eines ordentlichen Bades, mit dem warmen Wasser, das sie im Kessel neben dem Feuer stehen fanden. Bald darauf kam eine Anzahl junger Burschen an, die eine Menge Hausrat, goldene und silberne Gefäße und sowohl Männer- als Frauenkleider und Schmuck mitbrachten; und nachdem sie das alles in das gemeinschaftliche Magazin geschafft hatten, wuschen sie sich ebenfalls. Die ganze Bande setzte sich nun zu Tische und ließ sichs tapfer schmecken, und es ging so laut dabei zu, als man sich's von Leuten ihres Gelichters vorstellen kann. Die Alte schüttete mir und dem Gaule Gerste vor, die dieser, aus Furcht, ich würde mitessen wollen, so eilfertig als er konnte, hinunterschlang: aber ich wußte mir anders zu helfen, und sooft die Alte hinausging, schnappte ich eins von den Broten weg, die in einer Ecke angehäuft
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lagen. Des folgenden Tages gingen die Räuber alle wieder auf ihr Geschäft aus und ließen bloß die Alte und, zu meinem großen Leidwesen, einen einzigen jungen Kerl bei uns zurück. Denn bei einem solchen Wächter war für mich nun an kein Entfliehen zu denken. Aus dem alten Weibe hätte ich mir nichts gemacht; aber der junge Bursche war ein großer, starker Kerl. der eine gefährliche Miene hatte, immer sein Schwert an der Seite trug und, sooft er ausging, die Tür hinter sich zuschloß. Nach drei Tagen, gegen Mitternacht, kamen die Räuher wieder, brachten aber diesmal weder Gold noch Silber, noch sonst was anderes mit als ein junges mannbares Mädchen von ungemeiner Schönheit, mit fliegendem Haar und zerrißnem überkleide, welches bitterlich weinte. Sie brachten sie hinein, setzten sie auf die Streu hin, hießen sie gutes Mutes sein und befahlen der Alten, bei ihr zu bleiben und wohl auf sie achtzugeben. Das Mädchen aber wollte weder etwas essen noch trinken und tat nichts als weinen und sich die Haare ausraufen, so daß ich selbst, der nicht weit davon an der Krippe stand, mich nicht erwehren konnte, über das Schicksal einer so schönen Jungfrau mitzuweinen. Die Räuber hielten inzwischen draußen im Vorhause ihre Nachtmahlzeit. Gegen Tag kam einer aus ihrer Mitte, von denen, welchen das Los zugefallen war, die Straßen zu bewachen und Kundschaft einzuziehen, was vorging, und zeigte an, es werde bald ein Reisender die Gegend passieren, der große Reichtümer bei sich habe. Sogleich stehen sie vom Tische auf, waffnen sich, legen mir und dem Pferd den Saumsattel auf und treiben uns mit sich. Da ich wußte, daß es auf ein Abenteuer ging, wobei für mich nichts als Schläge und Lebensgefahr zu gewinnen war, so schneckte ich langsam genug daher; weil sie aber Eile hatten, so machte mir der Knüttel gar bald Beine. Wie wir nun an die Straße kamen, wo der Reisende vorbeipassieren mußte, fielen die Räuber über seine Wagen her, ermordeten ihn und seine Bedienten und bemächtigten sich alles dessen, was er mit sich führte, wovon sie das Kostbarste mir und dem Pferde aufluden, das übrige Gepäck aber in dem angrenzenden Walde verbargen. Als sie uns nun hierauf wieder nach Hause trieben, geschah es, daß ich, indem ich mit derben Schlägen enn;thnt wurde, die Beine besser zu heben, mit dem Huf gegen einen scharfen Stein stieß und eine so schmerzliche Wunde davon bekam, daß ich den ganzen übrigen Weg hinken mußte. Die Räuber, denen dies ungelegen war, sagten unter-
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einander: "Aber sind wir nicht albern, daß wir diesen Esel füttern, der alle Minuten zu Boden fällt? Werfen wir die Bestie, die uns nur Unglück bringt, den Felsen hinunter!" "Ein guter Gedanke", rief einer, "hinunter mit ihm! Er mag das Sühneopfer für unsere ganze Brigade sein!" - Wirklich waren sie schon im Begriff, sich über mich herzumachen: aberwas ich gehört hatte, machte mich so munter, daß ich auf dem ganzen übrigen Wege so frisch auf meinen verwundeten Fuß 23 auftrat, als ob er einem anderen angehörte. Als wir wieder heimkamen, wurden wir abgeladen; man brachte die geraubten Sachen in gute Verwahrung; die Herren lagerten sich und hielten ihre Mahlzeit; und wie es Nacht wurde, machten sie sich auf, um die übrigen Sachen, die sie im Walde versteckt hatten, in Sicherheit zu bringen. "Wozu", sagte einer von ihnen, "wollen wir den elenden Esel mitschleppen, der seines bösen Fußes wegen nicht fortkommen kann? Tragen wir lieber selbst, was wir dem Pferde nicht aufladen können!"- Sie gehen also mit dem Pferde ab und lassen mich zu Hause. Es war eine überaus helle Mondnacht. Armer Tropf, sprach ich zu mir selbst, warum bleibst du hi~r, wo du unfehlbar noch den Geiern und ihren Jungen zum Schmause dienen wirst? Hast du nicht gehört, was sie über dich beschlossen haben? Willst du warten, bis sie dir den Hals brechen? Es ist jetzt Nacht, der Mond scheint hell, und sie sind alle fort! Auf und rette dich mit der Bucht aus den Händen der mörderischen Bösewichter! Indem ich dies bei mir selbst dachte, wurde ich gewahr, daß ich nirgends angebunden war, sondern der Halfter, woran ich gewöhnlich gezogen wurde, neben mir hing. Dies spornte mich nun desto mehr zur Bucht an; ich machte mich also auf die Füße und in vollem Sprung zum Hause hinaus. Die Alte, wie sie sah, daß ich entlaufen wollte, kriegte mich noch beim Schwanze zu packen und hing sich an; ich, der jede Todesart zu verdienen glaubte, wenn ich mich von einer solchen alten Vettel zum Gefangenen machen ließe, schleppte sie mit mir fort; die Alte schrie, was sie schreien konnte, und rief die gefangene Jungfrau um Hilfe. Diese eilte herbei, und wie sie die Alte gleich einem Schwanze an dem Esel herabhängen sah, wagte sie eine kühne und eines jungen Wagehalses würdige Tat: sie sprang auf meinen Rücken, und sobald sie fest saß, stieß sie mich in die Seiten. Ich, teils aus Liebe zur Bucht, teils aus Eifer für das Mädchen, renne davon wie ein Pferd; die Alte mußte zurückbleiben, die Jung-
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frau aber flehte die Götter an, ihre flucht gelingen zu lassen, und zu mir sagte sie: .. 0 du schönes Tierchen, wenn du mich zu meinem Vater zurückträgst, so sollst du von aller Arbeit befreit werden und alle Tage einen Scheffel Gerste zu fressen kriegen!" Ich, der vor seinen Mördern floh und sich überdies für die Rettung des Mädchens so viel Erkenntlichkeit und so gute Tage versprach, ich liet was ich konnte, und achtete meiner Wunde nicht. Wie wir aber dahingekommen 24 waren, wo sich der Weg teilte, begegnen wir unseren Feinden, die von ihrem Zuge zurückkamen und beim Mondschein ihre unglücklichen Gefangenen schon von weitem erkannten. Sie laufen herzu, halten mich an und sagen: .. Wohinaus, edle und tugendsame Jungfrau? Wohin bei so später Nacht? Fürchtest du dich vor den Nachtgeistern nicht? Aber komm nur immer wieder mit uns! Wir wollen dich den Deinigen schon zurückgeben",- sagten sie mit einem boshaft grinsenden Lachen und nötigten mich, umzuwenden. Auf einmal fiel mir mein böser Fuß wieder ein, und ich fing an zu hinken ... Wie?" sagten sie, .,nun, da wir dich ertappt haben, bist du auf einmal wieder lahm; aber wie dir die Lust zum Entlaufen kam, warst du frisch und gesund und liefst trotz dem schnellsten Pferde, als ob du Hügel hättest!" Diese Worte begleitete eine derbe Tracht Schläge mit so gutem Effekt, daß ich von einer so nachdrücklichen Zurechtweisung zu meinem lahmen Fuße noch eine Wunde am Schenkel bekam. Wie wir nach Hause kamen, fanden wir die Alte, die sich, allem Anschein nach aus Furcht vor ihren Herren wegen der flucht der Jungfrau mit einem Strick um den Hals an den Felsen aufgehangen hatte. Sie lobten sie dafür, daß sie sich selbst ihr Recht angetan hatte, schnitten sie ab und stürzten sie mjt dem Strick am Halse in die Tiefe hinab. Hieraufbanden sie das junge Frauenzimmer im Hause an, setzten sich zu Tische und brachten einige Stunden mit Zechen zu. Währenddessen wurde 2 5 über die Gefangene Gericht gehalten ...Was fangen wir mit ihr an?" sagte einer... Was können wir Besseres tun", versetzte ein anderer, .. als sie der Alten nachzuschicken? An ihrem guten Willen hat es nicht gelegen, daß sie uns nicht um alles, was wir erworben haben, gebracht und unsere ganze Werkstatt verraten und zerstört hätte. Denn ihr wißt wohl, Kameraden, wäre sie wieder zu ihrer Familie gekommen, so wär' es um uns alle geschehen gewesen; unsere Feinde würden uns überfallen und solche Maßregeln dabei getroffen haben, daß wir alle
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lebendig in ihre Hände gefallen wären. Es ist also nicht mehr als billig, daß wir Rache an unserer Feindin nehmen. Aber so leicht wollen wir ihr den Tod nicht machen, daß wir sie auf den Felsen hinabstürzten; nein! Wir wollen die qualenvollste und langwierigste Todesart für sie ersinnen; sie soll nicht eher sterben können, als bis sie so lang wie möglich das Schrecklichste gelitten hat, was man leiden kann!"- Nun war die Frage, was für eine Todesart das sein sollte. Endlich sagte einer: "Kameraden, ich weiß, ihr werdet meine Erfindung loben! Der Esel hat den Tod nicht weniger verdient, da er ein träger Taugenichts ist, sich nun noch obendrein lahm stellt und dem Mädchen zur Flucht behilflich und dienstlich gewesen ist. Wir wollen ihn also morgen schlachten, ausweiden und dieses wackere Fräulein in seinen Bauch hineinstecken, so daß sie bloß, um nicht bald zu ersticken, mit dem Kopfe hervorgucken, mit dem übrigen Leibe aber ganz in ihm begraben sein soll. Dann wollen wir sie in den Esel tüchtig einnähen und beide den Geiern vorwerfen, die von diesem neuen Gericht einen trefflichen Schmaus halten werden. Nun bedenkt einmal, Brüder, was für eine höllische Qual das sein muß! Fürs erste, lebendig in einem toten Esel zu wohnen; dann in der heißesten Jahreszeit in dem gärenden Aase gekocht zu werden, überdies am langsam tötenden Hungertod zu sterben und kein Mittel zu haben, sich selbst das Leben nehmen zu können. Ich übergehe die Marter, die sie zu alledem noch von dem Gestanke des faulenden Esels und von den Würmern, wovon er wimmeln wird, zu erleiden haben, und daß sie endlich von den Geiern, die sich an ihm weiden werden, mit ihm, vielleicht noch lebendig, aufgefressen werden wird." Alle übrigen Räuber klatschten dieser ungeheuren Erfindung als einem ganz vortrefflichen Gedanken mit lautem Geschrei ihren Beifall zu. Ich meinesteils seufzte bitterlich, daß ich nicht nur sterben, sondern selbst nach dem Tode keine Ruhe haben und einem unglücklichen und unschuldigen Mädchen auf eine so grausame Weise zum Sarge dienen sollte. Aber wie der Tag anbrach, nahm unser Schicksal unvermutet eine ganz andere Wendung. Die Wohnung der Räuber wurde auf einmal von einem Trupp Soldaten umringt und angegriffen, die sich aller dieser Bösewichter bemächtigten und sie in Ketten und Banden zu dem Oberbefehlshaber des Landes abführten. Mit ihnen war auch der Bräutigam der Jungfrau gekommen, oder vielmehr er war es, der den Schlupfwinkel
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der Räuber ausfindig gemacht und angezeigt hatte. Er-nahm also das Mädchen, setzte es auf meinen Rücken und brachte es so wieder nach Hause. Wie uns die Einwohner der Gegend von ferne kommen sahen und ich ihnen die frohe Botschaft aus vollem Halse entgegenschrie, schlossen sie, daß die Unternehmung glücklich vonstatten gegangen sei, liefen uns entgegen, bezeugten ihre Freude und begleiteten uns bis zur Wohnung der Jungfrau. Diese trug nun große Sorge für mich, 27 wie billig, da ich ihr Mitgefangener, der Gefährte ihrer Flucht und so nahe dabei gewesen war, auch im Tode auf eine so schreckliche Art mit ihr vereinigt zu werden. Ich bekam bei meiner neuen Herrschaft täglich einen Scheffel Gerste und so viel Heu, daß ein Kamel genug daran gehabt hätte. Aber bei alledem fluchte ich der armen Palaistra mehr als jemals, daß sie mich in einen Esel und nicht in einen Hund verwandelt hatte; denn ich konnte das Glück der Hunde nicht ohne Neid ansehen, die sich in die Küche schlichen und von der Gelegenheit profitierten, eine Menge guter Bissen, deren es bei den Hochzeiten reicher Leute zu geben pflegt, wegzuschnappen. Wenige Tage nach der Hochzeit befahl der Vater meiner jungen Gebieterin, da sie ihm von dem Danke, den sie mir schuldig sei und gerne nach Verdienst erstatten möchte, gesprochen hatte, man sollte mich in völlige Freiheit setzen und mit den Stuten auf die Weide gehen lassen; "denn", sagte er, "so wird er das angenehmste Leben führen, das sich ein Esel nur immer wünschen kann, und uns zugleich junge Maulesel von seiner Rasse schaffen." In der Tat hätte dies die gerechteste Vergeltung scheinen müssen, wenn ein Esel Richter in der Sache gewesen wäre. Er ließ also einen von seinen Roßhirten rufen und empfahl mich ihm aufs beste; mir meinesteils war das angenehmste dabei, daß ich keine Lasten mehr tragen sollte. Wie wir nun auf dem Landgut ankamen, tat mich der Hirt zu den Stuten und trieb uns zusammen auf die Weide. So gut es mein Patron mit mir gemeint hatte, so übel schlug 28 der Erfolg für mich aus. Der Aufseher über die Pferde, anstatt mich der geschenkten Freiheit genießen zu lassen, überließ mich zu Hause der Willkür seiner Hausfrau Megapola, die mich an die Mühle binden ließ, wo ich allen ihren Weizen und ihre Gerste mahlen mußte. Und doch wäre es für einen dankbaren Esel noch ein erträgliches Ungemach gewesen, seiner Vorgesetzten Getreide zu mahlen. Aber Frau Megapola war eine so gute Wirtin, daß sie meinen armen Hals auch
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einer Menge anderen, die in dieser Gegend Feldgüter hatten, um den gewöhnlichen Mahllohn vermietete. Die Gerste, die mir zu meinem täglichen Unterhalt ausgeworfen war, röstete sie, schüttete sie mir eigenhändig zum Mahlen auf und buk Kuchen daraus, die sie sich wohlschmecken ließ; ich hingegen mußte mich mit den Kleien behelfen. Und wenn mich auch der Hirt zuweilen mit den Stuten austrieb, so wurde ich von den Hengsten beinahe zu Tode gebissen und geschlagen. Denn da sie sich in den Kopf gesetzt hatten, daß ich Absichten auf ihre Weiber hätte, so verfolgten sie mich unablässig und schlugen mit beiden Hinterhufen so kräftig nach mir, daß mir, um den tödlichen Wirkungen dieser pferdemäßigen Eifersucht zu entgehen, kein Mittel übrig blieb, als sogleich die Weide wieder zu verlassen. Bei so bewandten Umständen, da ich weder zu Hause bei der Mühle gute Tage hatte noch draußen auf der Weide vor den feindseligen Anfällen meiner Weidekameraden fressen konnte, mußte ich natürlicherweise so mager werden, daß ich in kurzem nur in Haut 29 und Knochen hing. Aber das Allerschlimmste für mich war, daß ich auch öfters in den Wald hinaufgeschickt wurde, um Holz herabzutragen. Fürs erste hatte ich einen hohen Berg zu steigen auf einem steilen und steinigen Wege, der mir desto beschwerlicher fiel, da ich ohne Hufeisen war; und dann gab man mir zum Treiber einen verruchten Jungen mit, der mir jedesmal aufs ärgste mitspielte. Erstens, wiewohl ich lief, was ich konnte, so schlug er doch immer auf mich los, und nicht etwa mit einem bloßen Stecken, sondern mit einem Knüttel, der eine Menge scharfeckiger Knoten hatte, und immer auf ebendenselben Teil des Schenkels, so daß ich gar bald wund an dieser Stelle wurde, ohne daß er darum weniger darauf zubleute. Zweitens belud er mich allemal mit einer Last, woran ein Elefant genug zu tragen gehabt hätte, und obgleich der Weg vom Berge herab sehr steil war, trieb er mich dennoch immer mit Schlägen an. Sah er, daß die Last zuweilen wackelte und zu stark auf die eine Seite hing, so war natürlich, daß er etliche Stücke Holz von der schwereren wegnehmen und zur Herstellung des Gleichgewichts auf die leichtere Seite legen mußte; aber das tat er niemals, sondern er las große Steine vom Berge auf und beschwerte den leichteren in die Höhe steigenden Teil damit, so daß ich armer Tropf zu allem meinem Holz noch unnütze Steine herabtragen mußte. Unterwegs mußten wir über ein fließendes
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Wasser; er setzte sich also, um seine Schuhe zu schonen, allemal hinter das Holz auf meinen Rücken und ließ sich hinübertragen. Fiel ich manchmal vor Mattigkeit und Unvermögen unter meiner Bürde zu Boden, dann ging mir's vollends am unerträglichsten. Denn anstatt, wie es seine Schuldigkeit gewesen wäre, abzusteigen, mirvon der Erde aufzuhelfen und die Last leichter zu machen, stieg er nicht nur nicht ab und half mir nicht auf, sondern schlug, vom Kopf und den Ohren an bis zu den Füßen, so unbarmherzig und so lange mit seinem Knüttel auf mich los, bis mich die Schläge wieder auf die Beine brachten. Überdies spielte er mir zum Spaß noch einen anderen abscheulichen Streich. Er machte nämlich ein Bündel von den schärfsten Domen und hing mir es unter den Schwanz, so daß ich keinen Schritt tun konnte, ohne an allen meinen hinteren Teilen zerstochen und übel zugerichtet zu werden, ohne daß irgendeine Möglichkeit war, wie ich mir selbst hätte helfen können; denn das, was mich verwundete, baumelte immer hinter mir her und war so gut befestigt, daß ich es nicht abschütteln konnte. Wenn ich nun, um das Anstoßen der Dornen zu vermeiden, langsam gehen wollte, so prügelte er auf mich los, daß mir die Seele hätte ausfahren mögen; und wollt' ich dem Knüttel entgehen, so war mein Leiden von hinten desto peinlicher. Kurz, es war nicht anders, als ob es mein Eseltreiber recht darauf angelegt hätte, mich vollends um mein bißeben Leben zu bringen. Einmal, als er mir' s gar zu arg machte, ging mir endlich die Geduld aus und ich versetzte ihm einen Schlag mit dem Hufe; aber diesen Schlag vergaß er mir nie wieder. Man befahl ihm einst, Werg von unserem Gute nach einem anderen zu schaffen; er treibt mich also hin, packt mir den ganzen großen Haufen Werg auf den Rücken und schnürt mich mit einem tüchtigen Seile fest an meine Last an, in der Absicht, mir den verruchtesten Streich zu spielen. Denn wie ich mich nun damit auf den Weg machen sollte, stahl der Spitzbube einen noch brennenden Feuerbrand, und wie wir weit genug vom Hofe entfernt waren, steckt er ihn in das Werg; dieses entzündet sich, und in wenig Augenblicken steht die ganze Ladung auf meinem Rücken in voller Flamme. Ich würde ohne Rettung auf offener Straße gebraten worden sein, wenn ich nicht unverzüglich mitten in eine ziemlich tiefe Pfütze hineingesprungen wäre, die mir zum Glück in die Augen fiel. Ich drehte und wälzte mich und mein Werg so lange im Kot herum, bis der Brand gelöscht war,
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und so legte ich den übrigen Weg ziemlich ruhig zurück. da es dem Jungen unmöglich gewesen wäre, das mit nassem Lehm durchknetete Werg wieder zum Brennen zu bringen, wenn er auch gewollt hätte. Doch beschuldigte mich der leichtfertige Bube, wie er ankam, fälschlicherweise, ich hätte mich im Vorbeigehen absichtlich am Herde angerieben und auf diese Art Feuer gefaßt. Indessen war es immer glücklich genug, daß ich, wider Verhoffen, noch mit heiler Haut aus diesem 32 Abenteuer mit dem Werg davonkam. So boshaft dieser Streich war, so dachte der höllische Junge doch noch was weit Schlimmeres gegen mich aus. Er trieb mich in den Wald und lud mir eine mächtige Tracht Holz auf; diese verkaufte er an einen benachbarten Bauern, mich aber brachte er leer wieder nach Hause und klagte mich bei dem Herrn der schändlichsten Dinge an. "Ich kann gar nicht begreifen, Herr", sagte er, "wofür wir diesen Esel füttern, der die trägste, faulste Bestie auf dem weiten Erdboden ist. Zudem ist ihm seit kurzem eine ganz eigene Grille in den Kopf gestiegen. Wo er irgendein Weibsbild oder ein hübsches junges Mädchen oder einen Knaben sieht, gleich ist er in vollem Sprunge hinterdrein und gebärdet sich nicht anders dabei, als wie ein Mannsbild bei einer Weibsperson, in die er verliebt ist; er beleckt und beißt sie, als ob er sie küssen wollte, und will mit aller Gewalt über sie her; kurz, niemand ist mehr sicher vor ihm, und es kann nicht fehlen, daß er dir böse Händel durch seine Leichtfertigkeit zuziehen wird. Eben jetzt, da er Holz vom Berge herab trug, sieht er eine Frau, die aufs Feld geht; im Augenblick liegt alles Holz auf der Erde herum, die Frau auf dem Boden und mein Esel über ihr; und wären nicht unser etliche in größter Eile herbeigelaufen und der armen Frau zu Hilfe gekommen, sie würde von diesem sauberen Liebhaber entzweigerissen wor33 den sein." "Gut", sagte der Herr, "wenn er weder zum Reiten noch zum Tragen taugt und den Weibern und Mädchen so gefährlich ist, so schlagt ihn tot, werft seine Eingeweide den Hunden vor, sein Fleisch salzt für unsere Taglöhner ein, und wenn gefragt wird, was ihm widerfahren sei, so sagt, ein Wolf hätte ihn zerrissen!"- Das war Wasser auf meines Treibers Mühle! Der verfluchte Bube konnte seine Freude darüber nicht verbergen und machte schon Anstalt, den erhaltenen Befehl zu vollziehen; aber zu meinem größten Glücke kam ein Bauer aus der Nachbarschaft dazu und rettete mir das Leben, wiewohl durch einen Rat, der mir noch schrecklicher vorkam als der Tod
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selbst. .,Wozu wolltest du", sagte er, .,einen Esel umbringen, der zum Mahlen und Lasttragen noch lange zu gebrauchen ist? Der Sache ist ja bald geholfen. Wenn er so rasend auf die Weiber ist, so laß ihn verschneiden, das wird ihn schon kirre machen! Er wird dir in kurzem ebenso sanftmütig als fett werden und unverdrossen die größten Lasten tragen. Falls du dich etwa selbst nicht auf die Operation verstehst, so will ich in drei oder vier Tagen wiederkommen und dir den Burschen mit einem einzigen Schnitte frömmer machen als ein Lamm."- Alle Hausgenossen gaben diesem Rat ihren Beifall; ich aber weinte bitterlich über den Verlust, der mir angedroht war, und nahm mir vor, nicht länger zu leben, wenn ich ein Verschnittener werden sollte, sondern entweder nicht mehr zu fressen oder mich vom Berge herabzustürzen, und so zwar des elendesten Todes, aber doch bei ganzem und unverstümmeltem Leibe zu sterben. Noch in derselben 34 Nacht, ziemlich spät, langte ein Bote aus dem Hecken in unserem Meierhofe an, der die Nachricht brachte, die kürzlich verheiratete junge Frau, die in den Händen der Räuber gewesen war, und ihr Neuvermählter seien, als sie abends in der Dämmerung allein am Meeresufer miteinander spazierengegangen, von einer plötzlich daherfahrenden Welle ergriffen worden und nirgends mehr zu finden, so daß man nichts anders vermuten könne, als daß sie miteinander umgekommen seien. Die sämtlichen Leute auf dem Hofe beschlossen auf diese Nachricht, da das Haus Solchergestalt seiner jungen Herrschaft beraubt worden sei. nicht länger in der Knechtschaft zu bleiben; sie plünderten also den Hof rein aus und ergriffen die Bucht. Der Pferdehirt raffte alles zusammen, dessen er habhaft werden konnte, und lud es mir und den Stuten auf Wenn ich jemals wie ein wahrer Esel Last getragen hatte, so war es damals: indessen, so beschwerlich es mir war, so froh war ich. durch diesen Vorfall von der Kastration befreit zu bleiben. Wir zogen diese ganze Nacht auf einem sehr schlimmen Wege fort, und nach einer Reise von drei Tagen langten wir zu Beroia, einer der schönsten und volkreichsten Städte in Makedonien, an, wo 3 5 unsere Treiber sich und uns Tiere zu etablieren beschlossen. Sie stellten also eine Auktion an, und ein Ausrufer, der mitten auf dem Markte stand, bot uns, ein Stück nach dem anderen, aus. Die Kauflu- c stigen kamen herbei, um uns zu besehen, öffneten uns die Mäuler und berechneten unser Alter nach unseren Zähnen. Der eine kaufte
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dies, der andere jenes: kurz, die Pferde kamen alle an den Mann, nur zu mir allein wollte sich kein Liebhaber finden, und der Ausrufer befahl endlich, mich wieder nach Hause zu führen. "Du siehst", sagte er zu meinem Verkäufer, "daß er allein keinen Herrn finden kann." Aber die fast immer so seltsam hin und her schwankende, wechselnde Nemesis führte in diesem Augenblick auch mir einen Herrn herbei, wie ich mir am wenigsten einen gewünscht hätte. Es war ein schon ziemlich bejahrter Sünder, einer von denen, die mit der syrischen Göttin in den Dörfern und Meierhöfen herumziehen und die Göttin betteln zu gehen zwingen. Diesem wurde ich, in der Tat teuer genug, nämlich um dreißig Drachmen, verkauft und folgte nun seufzend meinem neuen, mich vor sich her treibenden Gebieter. Wie wir bei der Herberge des Philebos (so nannte sich mein Käufer) ankamen, rief er gleich vor der Tür mitlauter Stimme: "He da, ihr Mädchen, ich habe euch einen schönen Sklaven, einen derben Kappadokier, zu eurer Bedienung gekauft."- Diese Mädchen waren ein Trupp Lustknaben, die sich Philebos zu seinem Gewerbe beigesellt hatte. In der Meinung nun, daß der gekaufte Sklave ein wirklicher Mensch sei, erhoben sie allezumal ein lautes Freudengeschrei. Wie sie aber sahen, daß es nur ein Esel war, brachen sie in ein ,ebenso lautes Gelächter aus und hängten dem Philebos die losesten Reden an. "Ei, ei, Mütterchen", sagten sie, "meinst du, wir sollen nicht merken, daß du nicht einen Sklaven für uns, sondern einen Bräutigam für dich selbst gekauft hast, wo du ihn auch aufgegabelt haben magst? Viel Glück zu einer so schönen Heirat, und möchtest du uns bald Füllen, die eines solchen Vaters würdig sind, werfen!" Am folgenden Morgen schickten sie sich zur Arbeit, wie sie es nannten, an, putzten ihre Göttin heraus und setzten sie auf meinen Rücken. Sooft wir nun zu einem Dorfe kamen, mußte ich Träger der Göttin stillhalten; der Flötenspielerchor fing wie von Begeisterung ergriffen an zu blasen, die Diener der Göttin aber warfen ihre Turbane von sich, drehten sich mit gesenkten Köpfen im Kreise herum, schnitten sich mit ihren Schwertern in die Arme, streckten die Zunge zwischen den Zähnen hervor und durchbohrten sie ebenfalls, so daß in einem Augenblick alles vom Blute dieser Weichlinge voll war. Indem ich so stand und diesem seltsamen Schauspiel zum erstenmal zusah, war mir mächtig Angst, die Göttin möchte auch Eselsblut vonnöten haben. Nachdem sie sich nun weid-
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lieh zerschnitten hatten, gingen sie bei den umstehenden Zuschauern herum und sammelten Obolen und Drachmen ein. Andere gaben ihnen Feigen oder einen Käse, einen Krug Wein, eine Metze Weizen und Gerste für ihren Esel. Dies waren die Einkünfte, wovon diese Gesellen sich nährten und die Göttin, die ich trug, in gehörigem Stand und Wesen erhielten. Einmal, als wir in eins ihrer Dörfer einfie- 3 s Jen, trieben sie einen großen jungen Bauernkerl auf, den sie in die Herberge, wo sie sich installiert hatten, hineinzulocken wußten- zu welchem Gebrauch, werden diejenigen leicht erraten, welche wissen, was der gewöhnlichste und liebste Zeitvertreib dieser schändlichen Kinäden ist. Die Notwendigkeit, worin ich war, ein Augenzeuge solcher Bübereien zu sein, machte mir meine Verwandlung schmerzlicher als jemals und schien mir unerträglicher als alles, was ich bisher ihretwegen ausgestanden hatte; ich wollte in meinem gerechten Unwillen ausrufen: "0 du grausamer Zeus!" Aber die Worte blieben mir im Halse stecken und statt ihrer kam nichts als ein ungeheures Eselsgeschrei heraus. Zufälligerweise gingen eben ein paar Bauern, die einen verlorenen Esel suchten, vorbei, und wie sie mich so gewaltig schreien hören, kommen sie ohne weiteres herein, in der Meinung, es könnte wohl der ihrige sein, und werden unvermutet Augenzeugen der unnennbaren Dinge, die hier vorgingen. Sie kamen bald wieder mit großem Gelächter heraus und liefen im ganzen Dorfe herum, um das liederliche Leben der Priester bekanntzumachen. Diese schämten sich so sehr, daß solche Dinge von ihnen herausgekommen waren, daß sie sich in der nächsten Nacht in aller Stille davonmachten; aber wie sie weit genug von der Landstraße entfernt waren, ließen sie ihren Zorn an mir aus, daß ich ihre Mysterien verraten hätte. Solang es bei Schimpfwörtern und Flüchen blieb, wäre das Übel noch wohl zu ertragen gewesen; aber dabei ließen sie es nicht bewenden. Sie nahmen die Göttin von mir herab und setzten sie auf die Erde, ziehen mir hierauf alle meine Decken ab, binden mich nackt an einen großen Baum und peitschen mit der verwünschten Art von Strickgeißeln, die vorn mit bleiernen Würfeln besteckt sind, so grausam auf mich los, daß sie mich beinahe totgeschlagen hätten. "Da", sagten sie, "lerne ein andermal schweigen, wie es dem Träger unserer Göttin geziemt!" Es ging so weit, daß sie davon sprachen, mich nach ausgestandener Geißelung gar umzubringen, so beleidigt fanden sie sich, daß ich sie in
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so große Schande gestürzt und zum Dorfe hinausgetrieben, ehe sie noch was darin verdient hätten. Doch von diesem Vorhaben schreckte sie der Anblick der Göttin ab, die auf der Erde lag und ohne 39 mich ihre Reise nicht wohl hätte fortsetzen können. Sie packten sie mir also, ehe ich noch meine Schläge verschmerzt hatte, wieder auf, und wir setzten unsere Reise fort. Unser nächstes Nachtlager nahmen wir auf dem Gute eines reichen Mannes, der zum Glück selbst da war, die Göttin mit vielem Vergnügen in sein Haus aufnahm und ihr sogar Opfer schlachten ließ. Hier kam ich in eine Gefahr, die ich sobald nicht vergessen werde! Einer von den guten Freunden des Herrn vom Hause hatte ihm eine Keule von einem wilden Esel zum Präsent geschickt. Wie sie zubereitet werden soll, kommen, durch Nachlässigkeit des Kochs, Hunde in die Küche und laufen mit ihr davon. Der Koch, der sich der verlorenen Keule wegen auf die grausamste Bestrafung Rechnung machen konnte, geriet darüber in solche Verzweiflung, daß er sich erhängen wollte. Zur bösen Stunde für mich sagte s17ine Frau zu ihm: .. Rede nicht vom Sterben, lieber Mann, und überhlß dich keiner solchen Mutlosigkeit! Wenn du mir folgst, kann noch alles gut gehen. Führe den Esel der Kinäden hinaus an einen abgelegenen Ort, schlachte ihn, haue ihm eine Keule ab und bereite sie dem gnädigen Herrn zu; das übrige wirf in irgendeinen Abgrund hinab! Man wird glauben, der Esel sei davongelaufen, und wird sich weiter keine Mühe um ihn geben. Er ist fleischig und fett, wie du siehst, und wird gewiß noch ein besseres Gericht abgeben als der wilde." Der Koch lobte den Rat seiner Ehehälfte ...Das ist ein guter Einfall, Weib", sprach er, "es ist das einzige Mittel, wie ich der Geißelung entgehen kann.lch will sogleich Hand ans Werk legen." -Ich Armer stand ganz nahe dabei, als mein verwünschter Koch dieses schöne Gespräch mit 40 seiner Gattin hielt. Die Gefahr war dringend, und es galt hier mich nicht lange besinnen, wenn ich dem Tode entgehen wollte. Ich riß mich also von dem Riemen los, an dem ich festgemacht war, brach in vollem Sprung in den Saal hinein, wo meine Kinäden mit dem Herrn des Hauses speisten, warf, indem ich so angesprungen kam, Leuchter und Tische um und glaubte da einen recht feinen Einfall gehabt zu haben, mein Leben zu retten, weil ich nicht zweifelte, der Herr der Villa werde mich sogleich als einen wildgewordenen Esel einsperren und genau bewachen lassen. Aber der feine Einfall brachte mich in die
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nämliche Gefahr, der ich dadurch zu entrinnen gehofft hatte. Denn weil sie mich für toll hielten, so waren in einem Augenblick eine Menge Schwerter, Spieße und große Prügel gegen mich aufgehoben, und sie würden mich, nach ihren Gebärden zu urteilen, auf der Stelle totgemacht haben, wenn ich mich nicht beim Anblick einer so großen Gefahr mit schnellen Sprüngen in den Saal gerettet hätte, der meinem Herrn zum Schlafgemach bestimmt war. Sobald sie mich nun drinnen sahen, verrammelten sie die Tür von außen, so gut sie konnten, und ich hatte diese Nacht nichts weiter zu besorgen. Da man mich am folgenden Morgen wieder ganz zahm und ruhig fand, so setzte man mir die Göttin wieder auf den Rücken, ich zog mit den Landstreichern weiter, und wir kamen in einen großen und volkreichen Flecken, wo sie einen neuen Streich ausführten und den Einwohnern durch ihre Gaukelkünste weismachten, die Göttin bliebe in keines Sterblichen Hause, sondern wolle in dem Tempel, ich weiß nicht mehr welcher anderen Landesgöttin wohnen, die in dieser Gegend in besonders hohen Ehren gehalten wurde. Die guten Leute bezeugten sich überaus willig, die fremde Göttin aufzunehmen und bei ihrer eigenen einzulogieren; uns aber wiesen sie ein Häuschen armer Leute zur Herberge an. Nachdem sich meine Herren viele Tage hier aufgehalten, beschlossen sie endlich wieder weiter und nach einer benachbarten Stadt zu gehen; sie baten sich also ihre Göttin von den Einwohnern wieder aus, holten sie auch selbst aus dem Tempel, setzten sie auf meinen Rücken und zogen mit ihr davon. Aber die Bösewichter hatten, wie sie in den besagten Tempel hineinkamen, sich die Gelegenheit zunutze gemacht und eine in denselben gestiftete goldene Schale gestohlen und unter den Kleidem ihrer Göttin wegpraktiziert. Die Leute im Dorfe wurden den Diebstahl bald gewahr, setzten ihnen zu Pferde nach, holten sie unterwegs ein, schalten sie gottlose Buben und Tempelräuber, forderten das gestohlene Weihgeschenk zurück und fanden es, nachdem sie alles durchstöbert hatten, endlich im Busen der Göttin versteckt. Sie banden hierauf die Weichlinge, brachten sie zurück und warfen sie ins Gefängnis, mir nahmen sie die Göttin ab, um sie einem anderen Tempel zu geben und stellten ihrer eigenen Göttin die goldene Schale wieder zu. Am folgenden Tage wurde beschlossen, mit den übrigen Effekten der gefangenen Übeltäter auch mich zu verkaufen; und demzufolge überließen sie mich
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einem Bäcker aus einem benachb~rten Orte. Mein neuer Herr belud mich mit zehn Maltern Weizen, die er eingekauft harte, und trieb mich auf einem rauben Wege nach Hause. Mein erster Gang, als wir ankamen, war in die Mühle, wo ich eine große Anzahl Tiere meinesgleichen sah und eine Menge Mühlen, die von ihnen getrieben wurden, und alles überall voller Mehl. Da ich bereits eine schwere Last auf einem sehr bösen Wege getragen hatte und überdies ein neuer Knecht war, so ließ man mich den übrigen Tag ausruhen; aber am folgenden zogen sie mir ein Tuch über die Augen, banden mich an die Deichsel einer Mühle und trieben mich an. Nun wußte ich zwar recht gut, wie ich mich zum Mahlen anzuschicken hätte, da ich mehr als zu viel Gelegenheit gehabt hatte, es zu erlernen; aber ich stellte mich, als ob ich es nicht wüßte, in der Hoffnung, man würde mich zu diesem Geschäft untauglich erklären. Darin aber hatte ich mich sehr geirrt. Denn die herumstehenden Knechte griffen nach ihren Stecken und schlugen, als ich an nichts weniger dachte (denn sehen konnte ich nichts) so dicht und derb auf mich ein, daß ich von ihren Schlägen plötzlich wie ein Kreisel herumgetrieben wurde; und so gab mir meine Erfahrung die Lehre, daß ein Knecht, um seine Schuldigkeit zu tun, nicht auf die Hand des Herrn warten soll. Da ich nun bei der Lebensart ganz vom Fleische fiel und elend wurde, verkaufte mich mein Herr an einen Mann, der seiner Profession nach ein Gärtner war und einen großen Garten gepachtet hatte, um ihn zu bestellen. Hier war nun die Arbeit so zwischen uns geteilt: Des Morgens belud er mich mit so viel Gemüse, als ich tragen konnte, und zog damit zu Markte; und wenn es verkauft war, trieb er mich in den Garten zurück, wo ich, während er grub und pflanzte und das Gepflanzte begoß, müßig dastand und zusah. Indessen hatte ich doch ein sehr beschwerliches Leben bei ihm; denn es war in der Winterszeit, und der arme Mann hatte nicht soviel, daß er eine Decke für sich selbst hätte kaufen können, geschweige für mich; überdies mußte ich, unbeschlagen wie ich war, bald durch den Kot, bald wieder aufhartgefrorenem Boden gehen; und endlich hatten wir beide nichts zu essen als bitteren Salat, der so zäh wie Leder war. Einmal, als wir in den Garten zurückkehrten, begegnete uns ein Mann von gutem Aussehen, in Soldatenuniform, der uns in lateinischer Sprache anredete und meinen Gärtner fragte, wo er mit dem Esel hinwollte. Dieser, weil er vermut-
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lieh die Sprache nicht verstand, blieb ihm die Antwort schuldig. Darüber wurde jener, der es ihm für Verachtung auslegte, zornig und gab dem Gärtner ein paar Hiebe mit seiner Peitsche. Sogleich kriegt ihn mein· Gärtner zu packen, schlägt ihm ein Bein unter, wirft ihn der Länge nach zu Boden, springt mit Füßen auf ihm herum und hämmert, erst mit der Faust, zuletzt mit einem von der Straße aufgerafften Steine, auf den am Boden Liegenden los. Dieser wehrt sich anfangs und droht, wenn er wieder auf die Beine komme, ihm den Degen durch den Leib zu jagen. Dies nimmt mein Gärtner, wie es scheint, als eine Erinnerung an, für seine Sicherheit zu sorgen, reißt dem Soldaten den Degen von der Seite, wirft ihn weit von sich und fängt nun von neuem an, so wütend auf ihn zuzuschlagen, daß der arme Mann es nicht länger aushalten kann und sich stellt, als ob er den Geist aufgebe. Darüber erschrickt der Gärtner, läßt den Soldaten liegen, wo er liegt, nimmt den Degen mit und reitet auf mir in die Stadt zurück. Hier übergibt er die Besorgung seines Gartens einem seiner Kamera- 45 den, er selbst aber, da er sich nirgends ohne Gefahr blicken lassen konnte, versteckte sich und mich bei einem Freunde, den er in der Stadt hatte. Am folgenden Tage, nachdem sie miteinander zu Rate gegangen, verbergen sie meinen Herrn in einer Kiste, mich aber pakken sie bei den Füßen, tragen mich die Treppe hinauf und schließen mich im oberen Stock in einer Kammer an. Inzwischen hatte sich (wie ich sagen hörte) der Soldat mit vieler Mühe endlich vom Boden aufgerafft, war mit einem von Schlägen angeschwollenen Kopfe in die Stadt zu seinen Kameraden gegangen und hatte ihnen erzählt, wie toll ihm der Gärtner mitgespielt habe. Diese machten gemeinsame Sache mit ihm, ruhten nicht, bis sie entdeckten, wo wir verborgen waren und nahmen die Obrigkeit des Orts zu Hilfe. Es wird ein Stadtdiener abgeschickt, mit dem Befehl, daß alle Personen, die im Hause sind, herausgehen sollen: sie gehen alle heraus, aber da ist kein Gärtner zu sehen. Die Soldaten bestehen darauf, der Gärtner und sein Esel müßten im Hause sein: jene versichern, es sei niemand mehr darin, weder Mensch noch Esel. Über dem Zusammenlauf und Geschrei, das dieser Sache wegen in dem Gäßchen sich erhebt, sticht mich unbesonnenen und naseweisen Esel der Vorwitz, zu wissen, wer die Schreier da unten sind, und ich strecke meine Ohren zu einem Fensterehen hinaus und gucke auf die Gasse herab. Sobald mich die Sol-
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daten sehen, erheben sie ein lautes Geschrei; die Leute im Hause werden über der Unwahrheit ertappt; die Obrigkeit geht hinein, läßt alles durchsuchen, findet meinen Herrn in der Kiste und schickt ihn ins Gefängnis, damit er von seiner Freveltat Rechenschaft gebe; ich aber werde herabgeschleppt und den Soldaten ausgeliefert. Das Gelächter wollte gar nicht aufhören, das beim Anblick des Zeugen aus dem Dachfenster entstand, der seinen eigenen Herrn so sinnreich verraten hatte; und von dieser Zeit an wurde die Redensart "Aus dem Herabschauen des Esels" zum Sprichwort. Wie es dem Gärtner, meinem Herrn, erging, weiß ich nicht; aber mich verkaufte der Soldat um fünfundzwanzig attische Drachmen an den Koch eines sehr reichen Mannes aus Thessalonike, der größten Stadt in Makedonien. Dieser Koch hatte einen Bruder zum Mitknecht, der die Kuchen- und Zuckerbäkkerei zu besorgen hatte. Beide Brüder lebten und wohnten beisammen, die Werkzeuge und Geschirre ihrer Kunst hatten sie gemeinsam, und nun wurde auch mir in der gemeinschaftlichen Wohnung mein Plätzchen angewiesen. Hierher trugen beide die Überbleibsel von der Tafel ihres Herrn zusammen, der Koch das Heischwerk und die Fische, der andere alle Arten von Backwerk und Kuchen. Sooft sie nun miteinander ins Bad gingen, schlossen sie mich ein und ließen mich, zu meinem großen Troste, als Hüter aller dieser guten Sachen zurück. Nun gute Nacht Gerste! Die hatte _jetzt gute Ruhe vor mir; ich profitiere von den Künsten und Gewinsten meiner beiden Herren und lasse mir die so lange entbehrte menschliche Kost ganz vortrefflich schmecken. Wie sie wiederkamen, merkten sie das erstemal nichts von meiner Näscherei; teils wegen der großen Menge der vorhandenen Eßwaren, teils weil ich noch mit einer gewissen Schüchternheit und Zurückhaltung genascht hatte. Da ich aber immer kühner wurde und, im vollen Vertrauen auf ihre vermeinte Dummheit, die schönsten Stücke, auch von allem eine große Menge verschlang, und sie also notwendig den Schaden gewahr werden mußten, hatte anfangs einer den anderen im Verdacht und beschuldigte ihn, daß er der Dieb sei und einen Teil des gemeinschaftlichen Gutes zu seinem Vorteil heimlich unterschlage. Sie machten einander deshalb ziemlich hitzige Vorwürfe, und um auf den Grund zu kommen, gab jeder nun desto genauer acht und zählte alle Stücke. Ich für meine Person ließ mir inzwischen das wollüstige und üppige Leben wohl behagen; ich
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bekam einen dichten und glänzenden Balg davon und wurde so schön, als ich je gewesen war; so daß die beiden Ehrenmänner, wie sie sahen, daß ich von Tag zu Tag fetter wurde, und die Gerste doch nicht abnehme, sondern immer ihr erstes Maß behalte, endlich Argwohn gegen mich faßten. Um also hinter die Sache zu kommen, gingen sie wie gewöhnlich miteinander weg, als ob sie ins Bad gehen wollten, und schlossen die Tür ab, schlichen sich aberwieder sachte hinzu und beobachteten durch eine Spalte in der Tür, was passierte. Ich, dem kein Gedanke an eine solche Hinterlist kam, mache mich getrost und mit gewöhnlichem Appetit über ihre Vorräte her und führe tüchtig ein. Einen Esel eine solche Mahlzeit halten zu sehen war etwas so Neues und Unglaubliches für sie, daß sie darüber lachen mußten; ja, es deuchte sie so lustig, daß sie die übrigen Bedienten zu diesem seltsamen Schauspiel herbeiriefen. Nun entstand ein so lautes Gelächter, daß es dem Hausherrn zu Ohren kam. Er fragte, was der Lärm da draußen bedeute und was die Leute so zu lachen hätten. Wie erhörte, was die Ursache sei, stand er von der Tafel auf, guckte ebenfalls durch die Spalte und sah, wie ich eben ein Stück schwarzes Wildbret hinunterschlang. Er brach in ein wieherndes Gelächter aus und trat ein. Mir war es äußerst verdrießlich, von dem Herrn des Hauses als ein Dieb und Näscher zugleich so auf frischer Tat ertappt zu werden. Aber er machte sich einen großen Spaß aus der Sache, und das erste war, daß er Befehl gab, mich auf der Stelle in seinen eigenen Speisesaal zu führen. Hierauf ließ er einen Tisch vor mich hinstellen, der mit allem besetzt wurde, was kein anderer Esel essen kann, mit allerlei fleischspeisen, Austern, Ragouts und fischen, teils mit Sauce und Öl, teils mit Senf übergossen. Ich, wie ich sah, daß mich das Glück so freundlich anlachte, und da ich wohl begriff, daß mich nichts retten könne, als dem gnädigen Herrn seinen Spaß nicht zu verderben, stellte mich an den Tisch und aß von allem, wiewohl ich schon voll genug war. Inzwischen erschallte der Saal von unaufhörlichem Gelächter. Einer von den Gästen sagte, wie er mich so arbeiten sah: "Ich wette, dieser Esel trinkt auch Wein mit Wasser, wenn man ihm welchen gibt." Der Herr befahl, daß man mir Wein vorsetzen sollte, und ich trank. Man kann sich leicht vorstellen, daß ich ein zu außerordentliches Tier in seinen Augen war, um mich einem Hausoffizianten zu lassen. Er befahl einem seiner Hausverwalter, dem, der mich gekauft hatte, das
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Doppelte seiner Auslage auszuzahlen und übergab mich einem seiner jungen Freigelassenen mit dem Auftrag, mich allerlei Künste zu lehren, womit ich ihm die meiste Kurzweil machen könnte. Mein neuer Hofmeister hatte keine große Mühe mit mir; denn ich gehorchte ihm gleich in allem, was er mich tun hieß. Das erste war, daß ich mich in der Stellung eines Menschen, der auf den Ellenbogen gestützt liegt, auf ein Sofa legen mußte. Hernach mußte ich mit ihm ringen und tanzen, gerade auf den Hinterfüßen stehen, mit Nicken oder Schütteln des Kopfes auf das, was man mich fragte, ja oder nein antworten und eine Menge anderer Dinge tun lernen, die ich auch ohne Lehrmeister hätte tun können. Wie natürlich, kam der WundereseL der Wein trinken, ringen und tanzen konnte, gar bald in einen großen Ruf; aber was den Leuten am unbegreiflichsten vorkam, war, daß ich auf die Fragen, die man an mich richtete, immer passend ja oder nein antwortete und wenn ich trinken wollte, durch ein Zeichen, das in dem Schenken zuwinkte, zu trinken verlangte. Da sie nicht wissen konnten, daß ein Mensch in dem Esel stecke, so wunderten sie sich über das alles als über etwas ganz Übernatürliches. Ich hingegen machte mir ihre Unwissenheit zunutz, um ein müßiges und wollüstiges Leben zu führen. Unter anderem lernte ich auch einen Paß gehen und so leicht und sanft laufen, daß mein Reiter kaum die Bewegung spürte, daher ich dann zuweilen die Ehre hatte, meinen Herrn selbst zu tragen. Ich hatte aber auch das prächtigste Sattelzeug, Decken von Purpur, einen mit Gold und Silber geschmückten Zaum und ein Geschell, das die schönste Musik von der Welt machte, wenn ich ging. Menekles (so hieß unser Herr) war, wie ich schon gesagt habe, von Thessalonike, und in die Stadt, wo wir uns jetzt aufhielten, gekommen, um zu einer Art von gladiatorischem Schauspiel. das er seiner Vaterstadt versprochen hatte, Anstalten zu machen. Die Fechter, die er dazu gebrauchen wollte, waren nun beisammen und in gehöriger Verfassung, und die Zeit zur Abreise kam. Wir gingen des Morgens früh ab, und sooft der Weg zu rauh zum Fahren im Wagen war, trug ich unseren Herrn auf meinem Rücken. Als wir nun nach Thessalonike kamen, war kein Mensch in der Stadt, der nicht herbeigelaufen wäre, unseren Einzug und besonders meine Wenigkeit zu sehen; denn das Gerücht, wie vielerlei Rollen ich spielen und wie ich gleich einem Menschen ringen und tanzen könne, war mir schon lange vorausgeeilt. Mein Herr
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machte sich ein eigenes Vergnügen daraus, mich den angesehensten unter seinen Mitbürgern bei der Tafel zu zeigen und sie mit all meinen erwähnten Spielen und Späßen bei dieser Gelegenheit zu regalieren. Mein Lehrmeister aber fand Mittel, sich durch mich ein ganz artiges Einkommen zu verschaffen; denn er schloß mich ein, und wer mich und meine übernatürlichen Künste sehen wollte, dem öffnete er die Tür nicht anders als gegen bare Bezahlung. Diese Personen brachten mir dann immer etwas zu essen mit, der eine dies, der andere jenes, was sich ihrer Meinung nach mit einem Eselsmagen am wenigsten vertragen könne: Aber ich aß alles, so daß ich in kurzer Zeit durch die guten Tage, die ich bei meinem Herrn hatte, und die Lekkerbissen, die mir von den Leuten in der Stadt zugesteckt wurden, überaus stark und fett wurde. Diese meine Schönheit und meine übrigen außerordentlichen Verdienste zogen mir eines der seltsamsten Abenteuer zu. Eine fremde Dame, die sehr reich und von Person gar nicht übel war, hatte die Neugier auch gehabt, mich zu Mittag essen zu sehen, und verliebte sich so sterblich in mich, daß sie der Versuchung, die Pasiphae mit mir zu spielen, nicht widerstehen konnte. Sie trat darüber in Unterhandlung mit meinem Hofmeister und versprach ihm eine hübsche Summe, wenn er ihr erlauben wollte, eine Nacht bei mir zuzubringen; wozu er sich auch ganz willig finden ließ, ohne sich darum zu bekümmern, ob sie mit mir zum Ziele kommen würde oder nicht. Mit Anbruch der Nacht, nachdem mich mein Herr von der Tafel entlassen hatte, begab ich mich nach meiner Schlafstelle und fand dort die Dame bereits warten. Man hatte fiir sie weiche Pfiihle herbeigeschafft und Decken hingebreitet und ein bequemes Lager hergerichtet. Die Diener der Dame schliefen in der Nähe vor meinem Nachtquartier; sie selbst brannte eine helleuchtende Lampe in demselben. Nachdem sie sich dann entkleidet, trat sie an die Lampe, goß Salböl aus einem Alabasterfläschchen und rieb sich damit ein, auch mich vergaß sie nicht, namentlich salbte sie mir die Nüstern ein. Dann überschüttete sie mich mit Küssen und sprach zu mir wie zu einem menschlichen Geliebten, faßte mich am Halfter und zog mich zu sich aufs Lager. Vom reichlich genossenen alten Wein angeregt und vom Dufte des Salböls animiert, bedurfte ich beim Anblick des in jeder Beziehung schönen Weibes keiner weiteren Aufmunterung und legte mich zu ihr, doch war ich in arger Verlegenheit,
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wie ich die Sache anfangen sollte. Seitdem ich nämlich Esel war, hatte ich mich nie nach der den Eseln natürlichen Art gegattet, auch nie mit einer Eselin abgegeben. Ich hatte also keine kleine Angst, die Schöne zu zersprengen und nachher als Mörder eine empfindliche Strafe zu erleiden. Ich ahnte natürlich nicht, daß ich mich ohne allen Grund fürchtete. Sie munterte mich jedoch durch viele verliebte Küsse auf und als sie sah, daß ich mich nicht mehr halten konnte, schmiegte sie sich an mich wie an einen Mann an und nahm alles, was da war, in ihrem Schoß auf. Ich konnte die Besorgnis aber immer noch nicht loswerden und wich ein wenig nach rückwärts. Sie aber umklammerte fest meine Lenden, damit ich mich ihr nicht entziehen könne und schob ihren Leib nach. Als ich mich hinlänglich überzeugt hatte, daß mir zur Befriedigung und Ergötzung des Weibes noch manches fehle, war ich ihr von da ab furchtlos zu Willen, in der Meinung, daß ich nicht schlechter sei als der Buhle der Pasiphae. Das Weib war aber so sehr zum Liebeskampf gerüstet und so unersättlich, daß sie die ganze 52 Nacht hindurch meine Kräfte anspannte und mich erst mit Tagesanbruch verließ, doch nicht ohne mich meinem Aufseher noch eine Nacht um den nämlichen Preis abzumieten. Dieser, teils um des vielen Geldes willen, das er dadurch auf meine Kosten gewann, teils um mich unserem Herrn von einer ganz neuen Seite zeigen zu können, schloß sie noch einmal mit mir ein, und ich muß gestehen, die Dame behandelte mich ohne alle Schonung. Mein Patron, den mein Aufseher durch die Spalte in der Tür zum heimlichen Zuschauer dieser Szene, als sei sie auf seine Veranlassung erfolgt, gemacht hatte, fand die Sache so unterhaltend, daß er sich auf der Stelle entschloß, dem Publikum ein Schauspiel dieser Art zum besten zu geben. Er verbot dem Freigelassenen, irgendeinem Menschen etwas davon zu sagen und machte sich im voraus einen großen Spaß daraus, mich diese Rolle mit einer verurteilten Weibsperson auf dem öffentlichen Schauplatze spielen zu lassen. Es wurde eine Kreatur dazu ausersehen, die den wilden Tieren vorgeworfen zu werden verurteilt war, und damit ich mich an sie gewöhnen möchte, führte man sie schon vorher zu mir 53 und befahl ihr, mich zu streicheln und freundlich mit mir zu tun. Als nun endlich der Tag gekommen war, den Menekles zu den öffentlichen Schauspielen, die er auf seine Kosten der Stadt geben wollte, angesetzt hatte, wurde ich folgendermaßen ins Amphitheater
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gebracht. Man legte mich auf ein kostbares Ruhebett, dessen Holzwerk mit indischem Schildkrot überzogen und mit goldenen Bukkein eingelegt war, und das Weibsbild mußte sich neben mich legen; hierauf wurden wir, wie wir waren, auf eine Tragmaschine gebracht, ins Amphitheater getragen und mitten in demselben unter allgemeinem Freudengeschrei und Händeklatschen der Zuschauer niedergesetzt. Neben uns stand ein Tisch, der mit den Ieckerhaftesten Schüsseln reichlich besetzt war, und verschiedene schöne Knaben, die uns Wein in goldenen Gefäßen einschenkten. Hinter mir stand mein Aufseher, der mir zuzulangen befahl. Aber mir war nichts weniger als esserlich, teils weil ich mich schämte, so öffentlich vor aller Welt dazuliegen, teils weil ich dem Spiele nicht traute und alle Augenblicke befürchtete, daß irgendein Bär oder Löwe hervorspringen und das Lustspiel in eine Tragödie verwandeln möchte. Unvermutet werde ich da einen Menschen gewahr, der mit einem Korb voll Blumen bei den Zuschauern herumging, worunter ich auch frische Rosen hervorblicken sah. Ich, ohne einen Augenblick zu zaudern, springe vom Sofa herab und auf den Blumenträger zu. Jedermann glaubt, ich tue es, um zu tanzen, aber mir war es um was ganz anderes zu tun. Ich durchstöberte die Blumen eine nach der anderen und sobald ich die Rosen herausgekriegt hatte, fraß ich sie gierig auf. Noch waren alle Augen mit Verwunderung auf mich geheftet, als mir auf einmal meine tierische Maske (wenn ich so sagen kann) abfällt und nicht mehr ist, der bisherige Esel aus allen Augen verschwindet, und der alte Lukios, der in jenem gesteckt hatte, nackt dasteht. Es ist unmöglich, das Entsetzen zu beschreiben, das ein so unerwartetes und übernatiirliches Schauspiel allen Anwesenden verursachte; es entstand ein fürchterlicher Tumult, und das ganze Amphitheater teilte sich in zwei Parteien. Die eine verlangte, daß ich als ein Zauberer, der von dieser Kunst, alle Gestalten anzunehmen, einen sehr gefährlichen Gebrauch machen könnte, auf der Stelle verbrannt werden sollte, die andere hingegen behauptete, man müßte doch erst abwarten, was ich sagen würde, und nicht eher ein Endurteil fällen, als bis die Sache gehörig untersucht worden sei. Zum guten Glücke war der Statthalter der Provinz in Person gegenwärtig. Ich lief also hinzu, berichtete ihm, indem ich von unten zu ihm sprach, wie ich von einem thessalischen Mädchen, der Magd einer thessalischen Frau, vermittels einer magi-
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sehen Salbe in einen Esel verwandelt worden sei und bat ihn fußfällig, mich solange in seinen Schutz zu nehmen, bis ich ihn überzeugt haben würde, daß ich ihm keine Unwahrheit vorgegeben hätte. Der 55 Statthalter fragte mich nach meinem Namen, nach meinen Eltern und Anverwandten und nach dem Namen meiner Vaterstadt. Ich antwortete ihm: mein Vater heiße--, mein Name sei Lukios, meines Bruders Vorname Gaios, die beiden übrigen Namen hätten wir gemein; ich wäre Verfasser einiger historischer und anderer Schriften, mein Bruder ein Elegiendichter und geschickter Wahrsager; unsere Vaterstadt aber die achajische Stadt Patrai.- "So bist du", sagte der Statthalter, "aus einer Familie, die ich ganz vorzüglich werthalte, und mit welcher ich durch das Gastrecht verbunden bin, da ich ehemals bei den Deinigen logiert habe und auf eine sehr edle Art von ihnen beschenkt worden bin. Mir ist genug zu wissen, daß du der Sohn eines solchen Hauses bist, um versichert zu sein, daß du nicht fähig bist eine Unwahrheit zu sagen." Mit diesen Worten springt er von seinem Lehnstuhl auf, umarmt und küßt mich mit vieler Wärme und nimmt mich mit sich in seinen Palast. Bald darauf langte auch mein Bruder an, der mir Geld und viele andere Sachen mitbrachte; und nun sprach mich der Statthalter (von allem Vorwurf der Zauberei, der mir bei meiner Verwandlung gemacht worden war) gerichtlich und öffentlich frei. Wir sahen uns hierauf im Hafen nach einem Schiffe um, lassen 56 unser Gepäck dahinbringen und schicken uns zur Abreise an. Inzwischen hielt ich es für eine Art von Schuldigkeit, der Dame, die mich so sehr geliebt hatte, als ich nur ein armer Esel war, meine Aufwartung zu machen; indem ich nicht zweifelte, ich würde ihr nun, da ich wieder Mensch sei, desto schöner und liebenswürdiger vorkommen. Sie empfing mich sehr freundlich und schien an dem Wunderbaren meines Abenteuers große Freude zu haben, sie bat mich mit ihr zu speisen und die Nacht bei ihr zuzubringen, und ich ließ mich sehr leicht bereden; denn ich hätte es ordentlich für Sünde gehalten, wenn derjenige, der als Esel geliebt worden war, nun, da er zum Menschen geworden, den Spröden machen und seine Liebhaberin über die Achsel ansehen wollte. Ich speise also mit ihr, parfümiere mich und bekränze mich mit Rosen, der Blume, die mir, seitdem ich ihr meine Schönheit zu danken hatte, unter allen die liebste war. Endlich, wie die Nacht schon ziemlich weit vorgerückt und es Zeit zum Schlafengehen war, stehe
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ich auf. kleide mich, nichts Böses ahnend, vielmehr in der Meinung es recht gut zu machen, hurtig aus und stelle mich meiner Dame dar, fest überzeugt, ihr durch die Vergleichung mit meiner ehemaligen Eselsgestalt nur desto mehr zu gefallen. Aber wie sie sah, daß alles an mir so menschlich war, spie sie mit Verachtung vor mir aus und befahl mir, mich augenblicklich aus ihrem Hause zu packen und schlafen zu gehen, wohin ich wollte. Ich Armer, der mir diesen plötzlichen Unwillen gar nicht erklären konnte, fragte sie mit Erstaunen: "Und was für ein so großes Verbrechen habe ich denn begangen, daß ich dir auf einmal so zuwider bin?"- "Wie?" versetzte die Dame, "muß ich mich noch deutlicher erklären? Bildest du dir denn ein, daß ich, da du noch ein Esel warst, in dich verliebt gewesen oder meine Liebkosungen an dich verschwendet habe? Nicht du, armseliges Ding, sondern der Esel war es, den ich liebte, und als du zu mir kamst, dachte ich nichts anderes, als du werdest das große Eselssymbol gerettet haben und noch jetzt bei dir führen. Aber leider sehe ich dich aus dem schönen und nützlichen Tiere, das du warst, in einen Mfen verwandelt." Mit diesen Worten rief sie einige Bediente und befahl ihnen, mich, wie ich war, aufzupacken, zum Hause hinauszutragen und mir die Tür vor der Nase zuzuschließen. Man kann sich vorstellen, was für eine angenehme Nacht ich zubrachte, da ich so schön parfümiert, mit Rosen bekränzt und unbekleidet, als ich war, nun im Dunkeln und unter freiem Himmel die nackte Erde umarmen und anstatt einer sehr warmen Beischläferin mit einer so kalten vorliebnehmen mußte! Mit der ersten Morgendämmerung lief ich auf das Schiff und erzählte meinem Bruder mit Lachen, was mir begegnet war. Wir segelten hierauf mit dem ersten guten Winde, der von der Stadt her wehte, von dannen und langten in wenig Tagen in meiner Vaterstadt an, wo mein erstes Geschäft war, den rettenden Göttern ein Opfer und Weihgeschenke darzubringen, daß sie mich aus diesem mühseligen und heillosen Eselsabenteuer nach so langem Herumtreiben, wiewohl nur mit genauer Not, wohlbehalten wieder nach Hause gebracht hatten.
EINFÜHRUNG Die Interpretation eines literarischen Werkes der Antike bereitet nicht zuletzt deswegen erheblich größere Schwierigkeiten als die Deutung eines modernen Textes, weil Dokumente über den soziokulturellen Hintergrund der Werkentstehung, die für Autoren des 20.Jahrhunderts reichlich vorhanden sind und das Verständnis ihrer Aussage wesentlich erleichtern, dem Erklärer altgriechischer und römischer Schriftsteller in der Regel nicht zur Verfügung stehen; so fehlt fast immer die z. B. für den Themas-Mann-Forscher ganz selbstverständliche Möglichkeit, aus direkten Äußerungen eines Autors über sein Schaffen Schlüsse auf seine Intention zu ziehen. Im Bereich der römischen Literatur wird dieser Mangel jedoch gelegentlich durch eine mit der Produktion antiker Dichtung und Erzählprosa sehr häufig verbundene Besonderheit ausgeglichen: Im Altertum entstand ein neues literarisches Werk oft durch Bearbeitung eines bereits existierenden literarischen Werkes, und wenn diese ältere Version noch erhalten ist, gestattet der Vergleich mit der Vorlage (vgl. dazu Literaturhinweise Abschnitt IV), der ja u. a. die vom Bearbeitervorgenommenen Änderungen erkennen läßt, wertvolle Einblicke in seine Bearbeitungsprinzipien und damit in das geistige Anliegen, das ihn bei der Abfassung des neuen Werkes leitete. Im Falle der Metamorphosen des Apuleius, bei denen es sich um die lateinische Bearbeitung eines griechischen Romans mit demselben Titel handelt, besitzen wir die Vorlage nun zwar nicht mehr in der vollständigen, sondern nur noch in einer gekürzten Fassung, aber auch dieser Text genügt als Ausgangsbasis für eine vergleichende Interpretation, die uns an die Intention des Apuleius näher heranfuhrt. Wir haben es nämlich bei der erhaltenen Fassung des Originals, die den Titel Lukios oder Der Esel trägt, mit dem Ergebnis einer mechanischen Kürzung der verlorenen griechischen Metamorphosen zu tun, d. h. der urspriingliche Umfang dieses Romans wurde nicht dadurch verringert, daß der Inhalt mit neuen Worten in knapperer Form erzählt wurde, sondern dadurch, daß der Redaktor einzelne Ab-
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schnitte einfach strich und den übrigen Text unverändert stehen ließ; diesen darf man daher für die entsprechenden Passagen im Text des Apuleius- aber.eben nur dafür- als unmittelbare Vorlage ansehen. Um darüber hinaus wenigstens eine Vorstellung davon zu gewinnen, welche Partien der griechischen MetamorphoseH, die Apuleius noch in seinem Exemplar des Romans vorfand, den Streichungen des Epitomators zum Opfer gefallen sind, vergleicht man zunächst ganz einfach Kurzfassung und lateinische Version rein inhaltlich miteinander, wobei sich ergibt, daß Lukios oder Der Esel 1. keine Novelleneinlagen kennt, also auch nicht die Erzählung von Amor und Psyche (Apul. Met. N 28-Vl 24), 2. zu einzelnen Abschnitten der Rahmenhandlung bei Apuleius keine Entsprechungen aufzuweisen hat. Die sich anschließend zwangsläufig stellende Frage, ob die Novelleneinlagen und die in der Kurzfassung fehlenden Episoden der Rahmenhandlung vollständig oder nur teilweise von der verlorenen Vorlage angeregt wurden, läßt sich natürlich nicht zweifelsfrei beantworten. Es wurden aber in der Forschung mehrere Versuche unternommen, den Inhalt der verlorenen griechischen MetamorphoseH zu rekonstruieren, und diese haben in einem Falle, der scharfsinnigen Analyse A Leskys (1941), zu einem Resultat geführt, das sehr hohe Wahrscheinlichkeit für sich in Anspruch nehmen darf: Im Original gab es zwar sowohl Entsprechungen zu einigen wenigen Erzähleinlagen der Version des Apuleius als auch zu einzelnen Abenteuern des Lucius der lateinischen MetamorphoseH, die sich in der Kurzfassung nicht finden, insgesamt aber ist der durch die Streichungen entstandene Verlust verhältnismäßig gering und weitgehend auf das Romangeschehen vor der Verwandlung des Helden in einen Esel (Lukios 1-10- Apul.Met. I 1-III 12) beschränkt; der größte Teil der eingeschalteten Novellen - darunter auch "Amor und Psyche" sowie die meisten der im Lukios fehlenden Episoden der Rahmenhandlung dürfen also als Zutat des Apuleius gelten. Außerdem verrät uns der Vergleich der Kurzfassung des Originals mit den lateinischen MetamorphoseH eine gravierende Änderung des Apuleius am Ende der Abenteuer des Helden: Die Rückverwandlung seines Lucius ist mit dessen Weihe zum frommen Jünger der Mysteriengottheiten lsis und Osiris verbunden, worüber das gesamte XI. Buch unter unverkennbarer Anspielung auf Erlebnisse des Verfas-
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sers berichtet; dagegen kehrt der entzauberte Lukios des Originals nach einem mißglückten erotischen Abenteuer und einer kurzen Bemerkung über die schlimmen Folgen eselhafter Neugier in den Kreis seiner Familie zurück. Daß das Fehlen eines religiösen Finales im Lukios nicht etwa als Ergebnis der am Original vorgenommenen Streichungen erklärt werden darf, sondern daß auch für den vollständigen griechischen Roman eine Rückkehr des Lukios zu seiner früheren Lebensweise vorausgesetzt werden darf. geht u. a. daraus hervor, daß der Ich-Erzähler sich im Finale der Kurzfassungnach seiner Entzauberung als der Schriftsteller Lukios von Patrai vorstellt. Diesen Namen gibt nämlich auch das einzige aus der Antike erhaltene Dokument über die Existenz der griechischen Metamorphosen, der Lektürebericht des Patriarchen Photios (Bibi. cod. 129), dem Verfasser des Werkes, was den Schluß auf die Identität der letzten Kapitel des Lukios mit dem Finale des verlorenen Romans nahelegt. Es ist freilich sehr unwahrscheinlich, daß der Autor der griechischen Metamorphosen tatsächlich genauso hieß wie sein in einen Esel verzauberter Held. Mit Recht hat man den Roman daher immer wieder dem Schriftsteller zuzuweisen versucht, unter dessen Werken die von einem unbekannten Redaktor angefertigte Kurzfassung überliefert ist: Lukian von Samosata. Zu einem zentralen geistigen Anliegen dieses ca. 120-180 lebenden Autors würde auch die Weltsicht passen, die der Verfasser der griechischen Metamorphosen durch seine Form der Darstellung der Abenteuer des Lukios offensichtlich zum Ausdruck bringen wollte: Wie Lukian in mehreren seiner satirischen Dialoge und Erzählungen, so deckt auch der Autor des griechischen Eselsromans beständig die Diskrepanz zwischen Schein und Sein in allen Bereichen der menschlichen Gesellschaft auf, indem er seinen Ich-Erzähler von einem außerhalb der Realität liegenden Standort aus die verschiedensten Fehlhandlungen seiner Mitmenschen beobachten läßt. Wie z. B... Ikaromenippos" im gleichnamigen Lukian-Dialog vom Mond aus einen Überblick über das Theatrum mundi gewinnt, der einem Sterblichen normalerweise versagt ist, so eröffnet dem Helden der griechischen Metamorphosen seine von der Umwelt nicht als Ergebnis einer Verwandlung durchschaute Eselsexistenz eine Perspektive, die ihm z. B. ermöglicht, die Frömmigkeit einer Gruppe von Priestern als Tarnung für homoerotische Begierden zu
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entlarven (Lukios 3 8 ). Und wenn er dabei seine ablehnende Haltung gegenüber dieser Vortäuschung eines falschen Scheins nicht explizit, sondern durch die Form der Darstellung indirekt zum Ausdruck bringt, fühlt man sich ganz besonders an die Art erinnert, in der Lukian sein Panoptikum menschlicher Schwächen zu präsentieren pflegt. Apuleius nun - dies zeigt der Vergleich einzelner Episoden seines Romans mit den entsprechenden Episoden in der Kurzfassung des Originals ganz klar - läßt den Ich-Erzähler seine moralische Entrüstung deutlicher äußern: Er übernimmt zwar die Beobachtung des Treibens der Menschen durch eine fiktive linse von seiner Vorlage, ist aber ständig darum bemüht, dem Leser das mit der Bloßstellung falschen Scheins verbundene sittenkritische Engagement stärker ins Bewußtsein zu rücken als die Vorlage. Dieses Bemühen unterstreicht Apuleius im Bereich der Geschehensdarstellung dadurch, daß er Situationen und Szenerien mit größter Liebe zum Detail schildert (vgl. z. B. Lukios 4 3 mit Met. IX 32), seelische Vorgänge durch anschauliche Wiedergabe von Mimik, Gestik, Redeweise und Gefühlsäußerungen transparent macht (vgl. z.B. Lukios 13 mit Met. III 22, 1-3) und den schlichten Faktenbericht des griechischen Autors immer wieder zur direkten Vorführung einer dramatischen Aktion umgestaltet; man vergleiche z. B. seine Version der Episode, in der ein Koch, weil ihm ein Braten abhanden gekommen ist, sich das Leben nehmen will, mit der Fassung des Originals (Lukios 39/Met. VIII 31; den Wortlaut beider Texte versucht die an dieser Stelle vorgelegte deutsche Übertragung so genau wie möglich nachzuahmen): Einer von seinen Freunden hatte dem Herrn über die Ländereien als Geschenk eine Keule von einem wilden Esel geschickt. Als der Koch diese, um sie zuzubereiten, in Empfang genommen hatte, verlor er sie durch Nachlässigkeit, weil eine Hundemeute unbemerkt ins Haus rannte. Er, fürchtend viele Schläge und grausame Bestrafung für den Verlust der Keule, beschloß aufzu-
Ein Bauer hatte als Anteil an seiner Jagdbeute eines gewaltigen Hirsches Keule seinem Herrn zum Geschenk gesandt, über die, welche sorglos hinter der Küchentür nicht sehr hoch aufgehängt war, ein Hund, gleichfalls vom Jagdfach, hergefallen war, und froh über seine Beute war er eilends den Aufpasseraugen entwischt. Als er diesen Verlust bemerkt und seine Nachlässigkeit
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hängen sich selbst an seinem H~lse. Doch seine Frau ... sprach zu ihm ...
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getadelt hatte, jammerte der Koch lange unter nutzlosen Tränen, und als nun der Herr augenblicklich nach dem Mittagessen verlangte, da nahm er, voller Kummer und jedenfalls in größter Angst, von seinem kleinen Sohn Abschied, ergriff einen Strick und wollte sich durch Knüpfung einer Schlinge den Tod bereiten. Nicht jedoch entging seiner Frau der Verzweiflungsschritt ihres Mannes, sondern den Todesknoten heftig packend mit beiden Händen rief sie ...
Das Bestreben des Ich-Erzählers bei Apuleius, den Leser die Verzweiflung des zum Selbstmord Entschlossenen mitempfinden zu lassen, ist unverkennbar, und ebenso im Dienste der Leserlenkung stehen direkte Äußerungen der Moralkritik, wie Lucius sie z. B. bei seiner Beobachtung der eben erwähnten homosexuellen Praktiken der Priester artikuliert: Während im griechischen Original (Lukios 3 8) die Tatsache, daß diese beim Geschlechtsverkehr mit einem Bauernburschen den passiven Part übernehmen, lediglich durch den Fachausdruck pas'cheiH ("etwas mit sich geschehen lassen") wiedergegeben wird und die Bezeichnung der Priester als .. gottlose Kinäden" eher formelhaft wirkt, schildert die lateinische Version (Met. VIII 29), wie sie den jungen Mann fellieren- ein in der Antike als besonders abstoßend empfundener Vorgang -, spricht dabei von .. widerwärtigen Lüstlingen" (spurcissima propudia), .. äußersten Schändlichkeiten unerlaubter Wollust" (iHiicitae libidiHis extrema flagitia), "unsäglicher Geilheit" (iHfaHdis urigiHibus), "verfluchten Mäulern" (execraHdis oribus) und nennt das Ganze ein "Verbrechen" (faciHus). An die Stelle der ironisch-distanzierten Erzählhaltung des griechischen Ich-Erzählers tritt also bei dem Lucius der lateinischen MetamorphoseH bewußte Beeinflussung des Lesers in seiner sittlichen Einstellung gegenüber dem Romangeschehen durch Psychologisieren, Dramatisieren und Moralisieren. Der Leser der MetamorphoseH des Apuleius soll sich - dies darf man aus dem Vergleich der beiden Fassungen des Romans getrost fol-
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gern - mit dem Ich-Erzähler identifizieren und dessen ethfschen Standpunkt einnehmen. Stimmen aber nun Perspektive des Ich-Erzählers und Autorintention miteinander überein (vgl. dazu Literaturhinweise Abschnitt V 2)? Besteht das zentrale Anliegen des Apuleius etwa darin, seine Leser durch ein Sittengemälde moralisch-erbaulich zu belehren? Die Vorrede der Metamorphosen (11), der einzige Abschnitt des Romans, in dem der Autor sich direkt über sein Werk äußert, scheint zunächst ganz einfach amüsante Unterhaltung anzukündigen, denn sie endet mit den Worten: "Leser, paß auf: Du wirst deinen Spaß haben" (lector, intende: laetaberis). Tatsächlich läßt bereits die Verheißung des ersten Satzes, der Autorwolle "in milesischem Stil allerlei Geschichten aneinanderreihen", eine vergnügliche Lektiire erwarten, denn Apuleius will damit sagen, sein Roman stehe stofflich und stilistisch in der Tradition der Milesiaka des Aristides, einer um 100 v. Chr. verfaßten, leider nicht erhaltenen Sammlung erotischer Novellen in der Art des Decamerone Boccacdos. Schon das Ende des ersten Satzes der Vorrede deutet aber an, daß der Inhalt des Romans nicht auf heitere Begebenheiten beschränkt sein werde. Wenn es dort nämlich heißt, Thema des Werkes seien "Gestalten und Geschicke von Menschen, die in andere Gestalten verwandelt und in sich selbst wiederum im Wechsel zurückgebildet wurden", erkennt man, daß der Titel "Metamorphosen" sich nicht nur auf körperliche Veränderungen bezieht- und es ist ja dann auch nur Ludus, der solche Verwandlungen durchläuft-, sondern auch auf Veränderungen des Schicksals, und die sind bekanntlich nicht immer positiver Natur. lin Gegenteil: Ein Leitmotiv sowohl der Rahmenhandlung als auch der Novelleneinlagen des Romans ist die Böswilligkeit der blinden Fortuna, die mit mehreren Personen der Handlung und namentlich mit dem Helden ein meist keineswegs erheiterndes, sondern höchst grausames Spiel treibt, so daß seine Rückverwandlung am Ende des Romans als Befreiung von schweren Leiden erscheint. So formuliert es dann auch der lsis-Priesterin einer Art Epilog: "Nachdem du viele und mannigfache Mühen überstanden hast und von heftigen Unwettern und heftigsten Stiirmen Fortunas umhergetrieben worden bist, Ludus, bist du endlich zum Hafen der Ruhe und zum Altar der Barmherzigkeit gekommen" (XI 15).
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Wie sich immer deutlicher zeigt, ist es nicht einfach, unseren Romanautor auf eine einheitliche Intention festzulegen, denn die in der Vorrede als Stoff für fröhliche Unterhaltung angekündigten Abenteuer des Helden erweisen sich in der Rückschau als theologisches Exempel für die Heimsuchung durch ein göttliches Wesen, an deren Ende die Erlösung durch eine andere Gottheit steht. Man hat den Titel "Metamorphosen" also wohl auch so aufzufassen, daß die Art der Präsentation des Welttheaters sich gleichfalls verändert; daß dies zumindest für den Stil des Romans gilt, geht bereits aus einer kurzen Bemerkung der Vorrede hervor: Es wird dort ein "häufiger Wechsel im Ton" (vocis immutatio) verheißen und erklärt, dieser entspreche einem "Stil, der für ein Wissen um den raschen Wechsel im Leben paßt" (desultoriae scientiae stilo; zu dieser Erklärung der schwierigen Stelle vgl. Harrauer/Römer 198 5). In der Tat ist es charakteristisch für die virtuose Sprachkunst des Apuleius, daß er das Niveau seines Stils unter Zuhilfenahme der vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten aller Bereiche lateinischer Dichtung und Prosa der jeweils geschilderten Situation anpaßt; z. B. kann er innerhalb desselben Kapitels von einer Zeitangabe im erhabenen Tonfall des Epos zur Wiedergabe einer mit Vulgarismen durchsetzten wörtlichen Rede übergehen. Und damit nicht genug des "Verwandelns": Der Autor selbst ändert seine Identität bereits mitten in der Vorrede, indem er nach der Themaangabe schreibt: "Ich beginne" (exordior), den Leser fragen läßt: "Wer spricht da?" (Quis ille?) und dann das "Ich" ein paar kurze Angaben zu seiner Person machen läßt, die nicht auf Apuleius, sondern auf Lucius zutreffen; das "Ich" durchläuft somit an dieser Stelle eine Metamorphose vom Autor-Ich zum Erzähler-Ich des Romanhelden. Gestattet dieser Befund nun eine Gleichsetzung der Weltsicht des Apuleius mit der seines Ich-Erzählers? Dagegen scheint zunächst zu sprechen, daß Lucius, während er von seinen Leiden berichtet, diese bis zu seiner Rückverwandlung an keiner einzigen Stelle des Romans im Lichte der im letzten Buch von dem lsis-Priester gegebenen theologischen Erklärung betrachtet, also niemals eine Bemerkungwie "Ich konnte damals noch nicht wissen, daß ... " einfließen läßt. Das aber bedeutet, daß der Ich-Erzähler über einen Wissensvorsprung gegenüber dem Leser, wie man ihn für den Romanautor ganz selbstverständlich voraussetzen kann, nicht verfügt. Daraus könnte man nun
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ohne weiteres schließen, daß Apuleius seinem Ich-Erzähler u. a. deshalb diese beschränkte Perspektive gegeben hat, weil er seine eigene Auffassung vom tiefen Sinn der Leiden des Lucius von den Kommentaren, die dieser gelegentlich zu seinen Erlebnissen abgibt, trennen und erst nachträglich durch die beiden Mysteriengottheiten und deren Priester zum Ausdruck bringen lassen wollte. Eine solche Interpretation des Verhältnisses von Autor-Ich und Erzähler-Ich würde freilich voraussetzen, daß die Person des Lucius bzw. die Personen der anderen als Erzähler auftretenden Romanfiguren konsequent von der Person des Autors geschieden würden. Aber dies ist durchaus nicht der Fall: Immer wieder spielt Apuleius nämlich z. B. mit der Tatsache, daß die Möglichkeiten eines Esels als Geschehensbeobachter und Erzähler begrenzt sind, etwa wenn dieser, nachdem er eine alte Frau das Märchen von Amor und Psyche hat erzählen hören, bedauert, daß er keine Schreibtäfelchen und keinen Griffel dabei hat, um eine so hübsche Geschichte aufzuzeichnen (VI 25,1). Mag man sich an dieser Stelle noch spitzfindig den Kopf dariiber zerbrechen, ob ein Eselshuf den Griffel wohl hätte führen können und ob eine nachträgliche Niederschrift durch den von seiner Eselsgestalt befreiten lsisjünger Lucius überhaupt denkbar wäre, so ist an einer anderen Stelle die Durchbrechung der Fiktion eines vom Autor zu unterscheidenden Erzählers evident: Zur Befragung des Apollon-Orakels durch die Eltern Psyches bemerkt die eben genannte alte Frau, der Gott habe, obwohl Grieche oder Jonier, aus Rücksicht auf den Verfasser des milesischen Romans- und das ist doch ohne jeden Zweifel Apuleius -mit einem Spruch auf Lateinisch geantwortet (N 32,6). Endgültig als eine Variante des Verwandlungsmotivs enthüllt sich das an diesen und anderen Stellen des Romans erkennbare Spiel mit der Identität des Erzählers gegen Schluß des Romans, als kurz vor der Einweihung des Lucius in die Mysterien des Osiris einem Priester dieses Gottes im Traum der Auftrag erteilt wird, die Weihen dem "Mann aus Madauros" (Madaurensis) zu erteilen (XI 27,9); aus dieser nordafrikanischen Stadt stammt nämlich Apuleius und nicht Lucius. Demnach wäre der Ich-Erzähler des XI. Buches, der dieselbe Person ist wie der voriibergehend in einen Esel verwandelte Ich-Erzähler der Bücher 1-X, plötzlich nicht mehr Lucius, sondern der Autor des Romans selbst, eine Gleichsetzung, die manchen Deutern der Metamorphosen
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so absurd erscheint, daß sie das WortMadaurensis für einen Überlieferungsfehler halten oder annehmen, irgendein Abschreib er habe hier Corinthiensis vorgefunden (was auf Lucius zutreffen würde) und absichtlich dafür die Herkunftsbezeichnung des Apuleius eingesetzt. Die überraschende Bezeichnung des Ich-Erzählers als .. Mann aus Madauros" läßt sich aber dann ganz einfach erklären, wenn man sich erinnert, daß das Autor-Ich sich zu Anfang des Romans in das Erzähler-Ich des Romanhelden Lucius verwandelt hatte, und daraus folgert, daß diese Verwandlung jetzt rückgängig gemacht wird (vgl. van der Paardt 1981). Wie der Ich-Erzähler Lucius in den Büchern IV-X in der Gestalt eines Esels steckte, so verbarg sich während der ganzen bisherigen Romanhandlung in der Gestalt des Ich-Erzählers Lucius der Autor Apuleius, und dies darf man nun doch wohl als Hinweis darauf verstehen, daß die Perspektive, aus der Lucius das Welttheater betrachtet, dieselbe ist wie die des Verfassers der Metamorphosen. Freilich dürfte besondere Bedeutung der Tatsache zukommen, daß die "wahre Identität" des Ich-Erzählers erst von Osiris enthüllt und folglich seine "endgültige Rückverwandlung" von der obersten Gottheit der im Finale des Romans zur höchsten Wahrheit erklärten Religion vollzogen wird. Sollen wir daraus schließen, daß nicht, wie es aufgrund des Vergleichs der Metamorphosen mit ihrer griechischen Vorlage zunächst scheinen mochte, sittliche Belehrung des Lesers durch Aufdeckung des Unterschieds zwischen Schein und Sein in verschiedenen Bereichen der menschlichen Gesellschaft das zentrale Anliegen des Romans ist, sondern religiöse Propaganda? Zur Beantwortungdieser Frage ist erst einmal der biographische und geistige Hintergrund der Metamorphosen (vgl. dazu Literaturhinweise Abschnitt VI) ins Auge zu fassen. Wie bereits angedeutet wurde, wissen wir über das Leben des Apuleius nicht allzuviel: Um 12 5 in der römischen Kolonie Madauros in Nordafrika als Sohn eines höheren Beamten geboren, studierte er nach Absolvierung des rhetorischen Elementarunterrichts in Karthago eine breite Palette von Fächern und .vor allem Philosophie in Athen, unternahm danach weite Bildungsreisen in Griechenland und Kleinasien, war dann kurze Zeit in Rom als Anwalt oder Rhetoriklehrer tätig und kehrte irgendwann in den fünfziger Jahren des 2. Jahrhunderts nach Afrika zurück, wo er sich zunächst längere Zeit in Oea/Tripolis bei Pontia-
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nus, einem Studienfreund aus der Athener Zeit, aufhielt. Von diesem zur Hochzeit mit dessen etwa vierzigjähriger Mutter, der Witwe Aemilia Pudentilla, gedrängt, wurde Apuleius bald darauf (ca. 158/ 59) in einen Prozeß verwickelt: Pontianus, der ebenfalls eine Frau genommen hatte, war von deren Verwandten dazu angestiftet worden, seinen "Stiefvater" anzuklagen, er habe Pudentilla, die sich nach dem Tod ihres ersten Mannes vierzehn Jahre einer Wiederverheiratung widersetzt hatte, durch Zauberei zur Ehe gewonnen; die uns erhaltene Verteidigungsrede des Apuleius, die Apologia, ist deswegen von besonderem Interesse, weil das darin angesprochene Thema "Magie" ja auch eine wichtige Rolle in den Metamorphosen spielt. Nachdem er freigesprochen worden war, lebte Apuleius in Karthago, wo er u. a. das Amt des Aesculappriesters innehatte, hauptsächlich aber als Rhetor tätig war. Als Vertreter der Zweiten Sophistik, einer im 2.Jahrhundert von Griechenland ausgehenden Gelehrtenbewegung, deren Wissenschaftsprogramm dem des Renaissancehumanismus des 15./16.Jahrhunderts in etwa vergleichbar ist, verbreitete er als schriftstellernder Prunk- und Wanderredner das von den NeoSophisten gepflegte Bildungsgut und erhielt dafür verschiedene Ehrungen in mehreren Städten. Das letzte fürihn bezeugte Datum ist das Jahr 162, in dem er eine Rede vor dem karthagischen Prokonsul hielt. Wie vielfältig die Interessen des Neo-Sophisten Apuleius waren, lehrt bereits ein Blick auf die Liste der Werke, die ~r neben den Metamorphosen verfaßte: Darunter befinden sich außer einem weiteren Roman Hermagoras, Gedichten, einer historischen Abhandlung (alles verloren) und Reden, von denen wir noch die eben genannte Apologia vollständig und 23 weitere in Auszügen in einer Sammelausgabe mit dem Titel Florida besitzen, zahlreiche philosophische Schriften; bei ihnen handelt es sich teils um eigene Produkte, teils um Bearbeitungen von Schriften anderer Philosophen, z. B. eine lateinische Übersetzung des platonischen Phaidon. Wie dieses Werk sind die naturphilosophischen, staatstheoretischen und ethischen Traktate verlorengegangen, zum Glück erhalten sind aber zwei Werke, die für das Verständnis der geistigen Grundlagen der Metamorphosen von besonderer Bedeutung sind: eine Zusammenfassung des Welt- und Menschenbildes Platons und seiner Ethik in De Platone et eius dogmate und ein vom
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daim6nion des Sokrates ausgehender Abriß der platonischen Dämonenlehre in De deo Socratis. Aus diesen beiden Werken geht nämlich hervor, daß Apuleius, der sich selbst stolz als .,philosophus Platonicus" bezeichnete, als typischer Vertreter des Mittelplatonismus in seiner Philosophie Elemente der platonischen Lehre mit solchen der Mysterienreligionen verband, also ein ähnliches System vertrat wie Plutarch in seiner Abhandlung Über lsis und Osiris; aufgrundder geistigen Bezüge der philosophischen Schriften dieses im 1. Jahrhundert wirkenden Autors zu denen des Apuleius· versteht man, warum Lucius in den Metamorphosen behauptet, er stamme mütterlicherseits von Plutarch ab. Die vorhin gestellte Frage, ob das Grundanliegen des Romans in der Propagierung der lsis- und Osiris-Mysterien bestehe, läßt sich folglich im Rahmen eines Vergleichs der philosophischen und theologischen Elemente der Metamorphosen mit den in Apuleius' mittelplatonischen Schriften dargelegten Lehren beantworten. Auf direkte gedankliche Bezüge stoßen wir dabei fteilich nur im Bereich der Anspielungen des Romans auf die Philosophie Platons; die meisten davon finden sich in einem Mythos, durch den Apuleius; darin in gewisser Weise dem Vorbild des Meisters nacheifernd, den in der eigenen Erfahrungswelt spielenden Roman erweitert hat: in dem Mythos von Amor und Psyche (vgl. dazu Literaturhinweise Abschnitt VI 2 ). Darin werden zwei Begriffe, deren Bedeutung innerhalb der platonischen Lehre jeweils in einem berühmten Dialog ausfuhrlieh erörtert wird- erös im Symposion, psycht! im Phaidon -,personifiziert und zu den Protagonisten einer Liebesgeschichte gemacht. Daß das Grundgerüst der Handlung, die Wiedervereinigung und Hochzeit des Liebespaars nach vorübergehender Trennung wegen einer Fehlhandlung der Braut, auch das Rückgrat eines platonischen Mythos gebildet haben könnte, kann man sich ja ohne weiteres vorstellen. Aber die Art, in der Apuleius diese Geschehensentwicklung erzählerisch ausgestaltet, weckt Zweifel daran, daß der Autor ganz ernsthaft, wie man oft behauptet hat, eine mythische Einkleidung philosophischer Gedanken bezweckt habe. Motivisch nämlich steht der Mythos von Amor und Psyche bei Apuleius ausgerechnet dem hellenistischen Liebesund Abenteuerroman, der lukianischen Götterburleske und dem Kindermärchen nahe, also nicht unbedingt sehr anspruchsvollen
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Üteraturgattungen, weshalb man .. Amor und Psyche" auch immer wieder als reine Unterhaltungslektüre abgetan hat. Diejenigen, die dem Mythos des Apuleius jeglichen Tiefsinn bestreiten und es deshalb auch ablehnen, seine geistige Aussage als Teil eines dem gesamten Roman zugrundeliegenden philosophischtheologischen Konzepts zu interpretieren, waren schwer zu widerlegen, solange man in der Forschung der festen Meinung war, Apuleius habe hier wie im Falle der Rahmenhandlung einfach eine griechische Vorlage bearbeitet. Die These von der Existenz einer solchen Vorlage, die man u. a. mit der häufigen Verwendung von Motiven des Mythos in der gesamten europäischen Erzählliteratur begründete, hat jedoch D. Fehling in einer bahnbrechenden Untersuchung von 1977 als unhaltbar erwiesen: Er zeigte, daß alle berühmten Motive in "Amor und Psyche" - z. B. "die neidischen Schwestern", das "Sehverbot" oder die "Aschenputtelaufgaben" - in der antiken Literatur ausschließlich bei Apuleius vorkommen, nirgends dagegen in der Erzählliteratur des Mittelalters, das die Metamorphosen nicht mehr las, daß sie aber seit der Wiederentdeckung des Romans durch die Humanisten auffallend häufig in neuzeitlicher Erzählliteratur verwendet wurden. Da eine gründliche Analyse überdies ergibt, daß bestimmte Motive in "Amor und Psyche" in kunstvoller Abwandlung von Motiven der griechischen Götter- und Heldensage (z. B. der Mythen von Andromeda, lo und Herakles) und des hellenistischen Romans entwickelt und nicht als Teil eines bereits vorhandenen Handlungsgerüstes übernommen wurden, darf heute als sicher gelten, daß Apuleius den Stoff des Mythos selbst erdacht und erzählerisch ausgestaltet hat. Wenn nun aber auch noch einerseits platonische Gedanken und andererseits wichtige Motive des Eselsromans als handlungskonstituierende Elemente von "Amor und Psyche" nachgewiesen werden können- und dies ist, wie jetzt dargelegt werden soll, in der Tat möglich-, dann sollte nicht mehr in Frage gestellt werden, daß der Autor mit seinem Mythos ein bestimmtes philosophisch-theologisches Anliegen zum Ausdruck bringen und dies in Bezug zum geistigen Anliegen des gesamten Romans setzen wollte. Was die platonischen Elemente in "Amor und Psyche" betrifft. so ist zunächst einmal unverkennbar, daß Apuleius bei der Formung seiner Gestalt des Amor von der von ihm selbst in De deo Socratis vorge-
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tragenen platonischen Dämonenlehre beeinflußt wurde: Wie dort die guten daimones als unsichtbare Vermittler zwischen Göttern und Menschen die Zukunft vorhersagen, vor falschen Handlungen warnen und dadurch als Helfer fungieren, so versucht Amor, nach platonischer Vorstellung der Inbegriff eines daimon, seine Geliebte Psyche, während er ihr im Dunkel der Nacht beiwohnt, vor unbedachten Handlungen zu bewahren; ferner unterstützt er sie bei der Lösung der letzten von vier Aufgaben, die sie vor der Wiedervereinigung mit ihm zu bewältigen hat. Psyche verkörpert aber nicht nur den handelnden Menschen und Amor nicht nur den dem Menschen zur Seite stehenden guten daimon, sondern das Paar personifiziert außerdem im Rahmen eines im Phaidros Platons entwickelten mythischen Bildes die menschliche Seele und die höchste Wahrheit, nach deren Erkenntnis die Seele strebt. Die Tatsache, daß Platon seine Seelenlehre bereits in einen Mythos gefaßt hatte, stellte Apuleius bei der Gestaltung einer neuen mythischen Handlung vor eine zweifellos nicht ganz leichte Aufgabe; erschwerend dürfte hinzugekommen sein, daß im Mythos des Phaidros die Seele bald mit einem Pferdegespann, bestehend aus einem guten und einem schlechten Pferd und dem Verstand (griech. nus, lat. mens) als Lenker, bald mit einem gefiederten Wesen verglichen wird. Wenn daher bei Apuleius die Funktion des schlechten Pferdes auf das Schwesternpaar, dessen böse Einflüsterungen Psyche ganz außerhalb ihres Sinnes (extra terminum mentis, V 18) geraten lassen, übertragen ist, dürfte das auch der an Platon geschulte Leser nicht ohne weiteres nachvollziehen können. Aber die Beschreibung des Weges der Psyche von ihrer Fehlhandlung bis zur Erringung der Unsterblichkeit klingt so deutlich, ja stellenweise sogar wörtlich an diejenigen Passagen im Phaidros an, in denen die Entwicklung der Seele bis zur Schau des Göttlichen in mythischen Bildern dargestellt wird, daß man dies im Werk eines Autors, der sich "philosophus Platonicus" nannte, getrost als Ergebnis eines bewußten Plans auffassen sollte. Die motivische Verwandtschaft von Psyches vergeblichem Bemühen, den davonfliegenden Amor festzuhalten (Met. V 24,1), mit dem Sturz der den Gott begleiten wollenden, aber wegen ihrer Schlechtigkeit zum Fliegen zu schweren Seele (Phaidr. 248c) ist jedenfalls evident. Und dasselbe gilt für die Ähnlichkeit zwischen der brennenden Sehnsucht Psyches und der Seele nach Gott Amor bzw.
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dem Göttlichen (Met. V 23/Phaidr. 251e) sowie für die Übereinstimmung beider in der Bereitschaft, für die Erfüllung ihrer Sehnsucht sogar Sklavendienste zu leisten (Met. Vl1,11Phaidr. 252a). Wir können also davon ausgehen, daß Apuleius in ,.Amor und Psyche" die platonische Lehre vom Weg der Seele zur Erkenntnis der höchsten Wahrheit mit Hilfe ihres daimon in ein neues mythisches Gewand gehüllt hat. Was bei dieser Umsetzung philosophischer Gedanken in erzählte Handlung freilich ausgespart bleiben mußte, war eine direkte Belehrung des Lesers darüber, worin nach Auffassung eines Platonikers des 2.Jahrhunderts n. Chr. die für die Seele nach Beendigung ihres Weges zu erkennende höchste Wahrheit bestand. Das erfährt der Leser der Metamorphosen erst am Ende eines anderen Weges, der im Roman beschrieben wird: am Ende der Irrfahrten des in einen Esel verwandelten Romanhelden Lucius, das diesem die Rückverwandlung und anschließende Einweihung in die Isis- und Osiris-Mysterien und damit den Zugang zu der Wahrheit bringt, die dieser Kult vermittelt. Daß ihre Erkenntnis die höchste ist, die man nach Meinung des Romanautors erreichen kann, wird allein schon durch die Tatsache nahegelegt, daß das letzte Buch der Metamorphosen ausschließlich von der Erlösung des Lucius und seiner Mysterienweihe berichtet. Hinzu kommt nun, daß der Leidensweg des Lucius, der diesem religiösen Finale vorausgeht, ganz offensichtlich in Parallele gesetzt ist zum Leidensweg der Psyche bis zu ihrer Wiedervereinigung mit dem Gott: Sowohl der Held des gesamten Romans als auch die Heidin des genau in die Mitte des Romans eingelegten Mythos geraten durch ihre Neugier (curiositas) nach der Schau des Göttlichen in Schwierigkeiten, Lucius durch seine Neugier nach übermenschlichen magischen Künsten (vgl. bes. Met. II 1,1), Psyche durch ihre Neugier nach dem Anblick eines göttlichen Wesens (vgl. bes. V 19,2; Vl20,3); außerdem verdanken beide ihre Erlösung nicht etwa einer sittlichen Läuterung- beide sind am Ende ihres Leidensweges noch genauso neugierig wie zuvor -, sondern der Gnade einer Gottheit. Da folglich eine deutliche Übereinstimmung besteht zwischen der in einen platonischen Mythos eingekleideten theologischen Aussage der Erzählung von Amor und Psyche und der theologischen Aussage der Lucius-Handlung, scheint nunmehr alles dafür zu sprechen, daß
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die vorhin gestellte Frage, ob das Grundanliegen der Metamorphosen religiöse Propaganda sei, bejaht werden muß. Überdies bezeichnet der lsis-Priester in seiner vorhin kurz erwähnten Rede nach der Rückverwandlung des Lucius dessen curiositas als einen der beiden Gründe dafür, daß dieser in einen Esel verzaubert wurde und anschließend so viele Schwierigkeiten und Gefahren zu erdulden hatte: "lnfolge der Haltlosigkeit deines jugendlichen Alters in sklavische Lüste verfallen, hast du für deine unglückselige Neugier einen schlimmen Lohn davongetragen" (XI 15). Freilich kommt es für den Leser völlig überraschend, wenn mit diesen Worten die Leiden des Esels als göttliche Strafe erklärt werden, denn während der Romanhandlung vor der Verwandlung wird mit keiner Silbe gesagt, daß Lucius mit der Be&iedigung seiner "sklavischen Lüste"- offensichtlich eine Anspielung auf die Uebesnächte mit der Sklavin Photis (II 16-17)- und seiner Neugier auf magische Künste einen Religionsfrevel begehe. Unverkennbar liegt also ein gewisser Widerspruch vor zwischen der Tatsache, daß dem Ich-Erzähler nicht einmal beim Rekapitulieren der Vorgeschichte seiner Verwandlung die Vermessenheit seines damaligen Handeins bewußt ist, und der nachträglichen theologischen Deutung. Das sich aus diesem Widerspruch ergebende Problem der ideologischen Einheit der Metamorphosen (vgl. dazu Literaturhinweise Abschnitt VII) hat von jeher die Apuleius-Forscher in zwei Lager gespalten: Die einen bestreiten jeglichen gedanklichen Zusammenhang zwischen dem Bericht der Bücher 1-X und der Rede des lsisPriesters und sehen in Buch XI einen ungeschickt angestückten Zusatz zu der vom griechischen Original übernommenen Fabel, die anderen knüpfen die geistige Verbindung über die von ihnen entdeckten "hermeneutischen Zeichen", d. h. über indirekte Hinweise in der Vorgeschichte der Verwandlung, denen der Leser bereits hier die Frevelhaftigkeit der curiositas des Lucius entnehmen kann; der Verfasser dieser Einführung in die Metamorphosen des Apuleius hat während seiner langjährigen Auseinandersetzung mit dem Problem der ideologischen Einheit des Romans selbst insofern eine "Metamorphose" durchlaufen, als er in früheren Veröffentlichungen die Argumente der ersten Gruppe uneingeschränkt unterstützte, sich inzwischen aber zumindest in dem einen Punkt von den
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Anhängern der Einheitsthese überzeugen ließ, daß er die "hermeneutischen Zeichen" jetzt zu erkennen bereit ist. Dafür, daß die Neugier auf magische Künste als &evelhafter Trieb nach Erkenntnis verbotenen göttlichen Wissens zu deuten ist, spricht nämlich zunächst einmal die Häufigkeit, mit der Lucius in den Büchern 1-III vor der Beschäftigung mit Zauberei gewarnt, ja sogar auf die gottlose Vermessenheit einer solchen Tätigkeit aufmerksam gemacht wird; das geschieht sowohl direkt durch seine eigenen Erlebnisse vor der Verwandlung als auch indirekt durch die Abenteuer anderer, die man ihm während dieser Zeit erzählt. Unverkennbare Parallelen zu seinem eigenen Schicksal finden sich bereits in der in das I. Buch eingelegten Novelle über einen Sokrates, der dafür, daß er ein Liebesverhältnis mit einer Hexe einging, dadurch bestraft wurde, daß sie ihm nach der Trennung, während er schlief, das Herz aus dem Leib riß (I 5-19); in der zweiten längeren Schaltnovelle des Romans (li 21- 30) werden einem Thelyphron als Strafe für seine Furchtlosigkeit gegenüber Hexen von diesen im Schlaf Nase und Ohren abgeschnitten. Daß Lucius zumindest dieses Abenteuer als Warnung aufzufassen hat, muß er, während er der Erzählung lauscht, aufgrund eines Hinweises seiner Tante Byrrhena eigentlich wissen: Als er nämlich beim ersten Besuch in deren Haus eine Marmorgruppe betrachtet hatte, welche darstellte, wie Aktäon der Göttin Diana neugierig beim Baden zusah und da~r in einen Hirsch verwandelt wurde, hatte Byrrhena ihm zu verstehen gegeben, daß ihm von der Hexe Pamphile, der Gattin seines Gastgebers Milo, eine ähnliche Gefahr drohe (li 4- 5). Bedenkt man nun, daß Apuleius, wenn er Aktäon als neugierig bezeichnet, betont von der bekannten Darstellung der Sage in Ovids Metamorphosen (III 13 sff.) abweicht, und zieht man von hier eine Linie zu den Warnungen vor vermessener Neugier, die Gott Amor seiner Geliebten Psyche gibt (s.o.), dann kommt die im XI. Buch gegebene theologische Deutung der Leiden des Lucius als "schlimmer Lohn" für seine curiositas doch nicht so unerwartet, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Ein weiterer Vorverweis der Bücher 1-III auf das XI. Buch steckt in der Parallelität zwischen der Szene, in der Lucius von Photis auf die Beobachtung der Hexereien Pamphiles vorbereitet wird (III 15), und einzelnen Motiven in den Kapiteln, in denen Lucius über seine
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Mysterieninitiationen berichtet (XI 22 ff). Wenn nämlich Photis hier ausdrücklich die Pose einer Mystagegin einnimmt, Lucius zum Schweigen über das, was er jetzt schauen wird, auffordert und die Macht ihrer Herrin mit Worten preist, die nur bei der Verherrlichung einer Göttin angebracht sind, dann soll der mit den Mysterienkulten seiner Zeit vertraute Leser schon an dieser Stelle ahnen, daß ernsthafte religiöse Einweihungsriten auf eine solche Weise pervertiert werden. "Ihr dienen die Elemente" (III 15,7) von einer Hexe zu sagen, ist vermessen, was dadurch bestätigt wird, daß Lucius dasselbe im XI. Buch in seinem lsis-Hymnos von der Göttin sagen wird (XI 25,3: .. Dir dienen die Elemente"). Und seinem ausführlichen Bericht über Pamphiles Zauberkünste (III 16-18; 21), den er dem Leser ja entgegen dem Verbot der Photis gibt, steht sein betontes Schweigen über die Vorgänge bei seiner Initiation zum lsis-Jünger gegenüber (XI 23,6-9) - auch dies ein deutliches Signal dafür, daß Lucius nach Absolvierung der Strafe für seine Neugier auf magische Praktiken nunmehr erkannt hat, welches der richtige Weg zur Schau des Göttlichen ist. Daß diesen Weg allein die Weihe zum Jünger der Götter lsis und Osiris eröffne, ist zweifellos die Lehre, die Lucius aus seiner Verwandlung, seinen Leiden in der Eselshaut und seiner Erlösung durch die Gnade der lsis ziehen soll. Aber soll sich nun auch der Leser dazu aufgefordert fühlen, Lucius auf seinem nach der Rückverwandlung eingeschlagenen Weg zu folgen? Ist wirklich Propaganda für die lsis/Osiris-Mysterien das zentrale Anliegen der Metamorphosen des Apuleius? Wäre das der Fall, dann müßten die Erlebnisse des Lucius im XI. Buch als so überaus glücklich, müßte das von ihm nach der Rückverwandlung geführte Leben als so unbedingt nachahmenswert geschildert sein, daß der Leser, der die Erlebnisse des Lucius in Buch N-X als eine durch Fehlverhalten verschuldete Leidenskette versteht und als abschreckend empfindet, sich jetzt endlich mit dem Ich-Erzähler voll und ganz identifiziert und seine Tage von nun an genauso zu verbringen wünscht wie dieser nach seiner Rückverwandlung. So glatt gehen die Rechnungen in den Metamorphosen jedoch nicht auf Der neue lsisJüngermuß nämlich -wie K. Sallmann (1988) als erster gesehen hatzumindest insofern ein ganz ähnliches Leben führen wie einst als Esel, als auch er eine Reihe von Entbehrungen ertragen und - wie das
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Grautier seinen menschlichen Herren- den von ihm verehrten Gottheiten und ihren Priestern ständig Dienste leisten muß. Diese neuen Entbehrungen sind Teil einer Geschehensentwicklung, die durch ihren Wiederholcharakter besonders stark an die in Buch N-X immer wieder zu beobachtende Abfolge einander ähnelnder Leiden des Esels erinnert: Lucius muß sich nach seiner Rückverwandlung unter Verzicht auf viele bisherige Lebensgewohnheiten nicht nur dem mit der Weihe zum Isis-Jüngerverbundenen Ritual (Xl22-25), sondern: bald darauf auch zwei Initiationen in die Osiris-Mysterien (26-29) und schließlich noch der weihevollen Aufnahme in das oberste Priesterkollegium des Gottes unterziehen (30); außerdem darf er nach seiner ersten Initiation nur für wenige Tage in die Heimat zurückkehren und muß sich dann nach Rom begeben, wo er neben seiner Tätigkeit als Priester den Beruf eines Anwalts ausüben und seine Einkünfte an die Gemeinschaft der Geweihten abführen muß. Die erste Initiation ist durchaus noch so beschrieben, daß der Leser, auch wenn ihm die Bekanntschaft mit dem Einweihungsritual verwehrt wird, das Glück des Novizen, der nach der Weihe im weißen Gewand vor das Volk hintritt, noch nachvollziehen kann. Aber die Art, wie der Ich-Erzähler von der dreimaligen Wiederkehr der Weiheprozeduren berichtet, läßt mehr und mehr den Eindruck entstehen, das ewige Fasten, Meditieren, Anbeten etc. werde ihm allmählich ebenso zur Plage wie der einst mit dem Eselsdasein verknüpfte Verzicht auf ein normales Leben. Der Isis- und Osiris-Jünger Lucius nimmt geradezu Ludwig Thomas "Münchner im Himmel" und seinen Verdruß über das permanente Halleluja-Singen vorweg. Und wenn der Roman mit der Beteuerung des Ich-Erzählers endet, "wieder" (rursus: so bereits dreimal XI 26,4 und noch einmal29,1) habe er seinen Dienst "voller Freude" (gaudens) auf sich genommen, ohne daß es ihn gestört habe, daß das Priesteramt ihn u. a. zur totalen Glatzköpfigkeit verpflichtete, dann tut man sich schwer, diese "Freude" uneingeschränkt mitzuempfinden und den Wunsch zu verspüren, den Lucius auf seinem neuen Weg zu begleiten. Auf der anderen Seite ist mit dem Eselsdasein des Lucius immerhin ein Vorteil verbunden, der es verbietet, die Bücher N-X der Metamorphosen ausschließlich unter theologischem Aspekt als Exempel für die negativen Folgen frevelhafter Neugier auf Wissen, das einem Men-
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sehen versagt ist, zu interpretieren: Auch wenn die Erkenntnis des Göttlichen dem Ludus nach seiner Verzauberung nicht zuteil wird, so erhält der in einen Esel Verwandelte ja doch, wie bereits gezeigt wurde, Einblicke in menschliches Treiben, die sich ihm nur deshalb eröffnen, weil er als Beobachter nicht wahrgenommen wird; daß Apuleius nicht nur die satirische Methode der Betrachtung des Welttheaters durch eine fiktive Linse von seiner Vorlage übernahm, sondern sogar die damit verbundene moralkritische Haltung stärker zum Aus·druck bringt, wurde ebenfalls schon dargelegt. Darüber hinaus macht der lateinische Autor es dem Leser, der sich mit dieser Art von Weltsicht identifizieren soll, besonders leicht, dies auch im Falle des Ludus zu tun, obwohl dessen Eselsdasein durch indirekte Hinweise in den Büchern 1-lll als Strafe für gottloses Handeln gedeutet wird: Die hier als frevelhafter Drang nach Schau des Göttlichen verstandene Neugier des Ludus wird ab Buch N umgedeutet zu einer in gewisser Weise positiven Eigenschaft, da sie eine wichtige Voraussetzung für die nun einsetzende satirische Beobachtung des Treibens der Menschen darstellt. In diesem Sinne betont der Ich-Erzähler in Buch N-X mehrfach (vgl. VII 13,5; IX 12,2; 13,3; 15,3; 30,2), daß seine curiositas ihm ganz bestimmte wissenswerte Informationen vermittelt habe; an einer Stelle (IX 13) gibt er sogar eine Art Definition der auf die Aufdeckung des Unterschieds zwischen Schein und Sein ausgerichteten Perspektive: Zunächst beschreibt er dort den absoluten Tiefpunkt menschlicher Erbärmlichkeit in einer Sklavenmühle, in der Menschen und Tiere auf gräßliche Weise körperlich so sehr geschunden werden, daß sie ihre Arbeit kaum noch ausführen können. Dazu kommentiert er, er habe, so qualvoll dieser Anblick gewesen sei, dennoch in seiner angeborenen Neugier Erholung finden können, da ja alle, ohne auf seine Gegenwart zu achten, freizügig alles, was sie wollten, getan und gesagt hätten. Und dann vergleicht er sich mit Odysseus: Wie dieser viele Städte und Völker kennengelernt habe, so verdanke er es seiner Eselshaut, daß er darin in verschiedenen Schicksalsschlägen geübt und dabei wenn auch nicht klug, so doch vielwissend geworden sei. Wie man sieht, sind in den Metamorphosen des Apuleius nicht nur die Gestalt des Ludus, die Geschicke der Menschen, der Stil des Romans und die Identität des Ich-Erzählers Verwandlungen unter-
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worfen, sondern auch der Leitbegriff der curiositas und damit zwangsläufig die Weltsicht des Romans: Als negativ bewerteter Wissensdrang verkörpert die curiositas in Buch 1-Ill und XI sowie im Mythos von Amor und Psyche das Gegenteil einer Betrachtungsweise menschlicher Problematik, welche die Erkenntnis der höchsten Wahrheit in den Offenbarungen der Isis- und Osiris-Mysterien und in der durch diese stark beeinflußten mittelplatonischen Lehre sucht; positiv bewertet bildet sie in Buch N-X die Voraussetzung für möglichst umfassende Einblicke in den Unterschied zwischen Schein und Sein in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Es ist freilich müßig zu fragen, ob Apuleius beide Perspektiven, die theologisch-philosophische und die satirische, für vereinbar hielt und deshalb bewußt kombinierte, oder ob er bei seiner Änderung des Finales der griechischen Metamorphosen nicht bemerkte, daß er damit einen Widerspruch im Gebrauch des Begriffs "Neugier" in Kauf nahm - von einer ideologischen "Einheit" des Werkes zu sprechen ist jedenfalls nicht in dem Sinne gestattet, daß man das zentrale Anliegen des Autors ausschließlich in seiner religiösen Propaganda sieht. Mag das Nebeneinander von Moralsatire und Mysterienfrömmigkeit, von burlesker Szenenschilderung und erbaulicher Gottergebenheit, das für den Roman des Apuleius charakteristisch ist, den einen oder anderen Leser literarästhetisch nicht so recht befriedigen, so ist doch zum Abschluß dieser Einführung noch dieses zu bedenken: Das römische Imperium des 2.Jahrhunderts n. Chr., in dem der Mann aus Madauros sein Werk schrieb, war ganz wesentlich geprägt von einem verwirrenden Spektrum der verschiedensten Ideologien, die vom Glauben an die alten Götter über die philosophischen Lehren und die Mysterienkulte bis hin zur christlichen Lehre reichen, und zwangsläufig damit verbunden war die Schwierigkeit des Einzelnen, sich für eine bestimmte Religion oder Philosophie zu entscheiden, um darin wirklich festen Halt zu gewinnen. Diese zeitgenössische geistige Situation spiegeln die Metamorphosen des Apuleius unverkennbar wider, und selbst wenn der Autor das nicht ausdrücklich gewollt haben sollte der Titel "Verwandlungen" und der vielfältige Gebrauch dieses Begriffs im Roman sprechen allerdings eher dafür, daß Apuleius die beim Übergang von Buch X nach Buch XI sich einstellende Irritation
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durchaus beabsichtigte-, gehört dieses Buch doch gerade deshalb, weil es uns die mannigfaltigen Handlungs- und Denkweisen der Menschen einer vergangenen Epoche so lebendig nahebringt, zu den faszinierendsten Werken der römischen Literatur.
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s.
NACHWORT In der vorliegenden Neuauflage der Tusculum-Ausgabe des "Goldenen Esels" wurde an dem 1980 in 3. Auflage erschienenen Wortlaut des Textes und der Übersetzung, die von Edward Brandt und Wilhelm Ehlers stammen, nichts verändert, dagegen der Anhang neu gestaltet: Während die "Bemerkungen zum lateinischen Text" im Rahmen einer nicht primär wissenschaftlichen Zwecken dienenden Edition ersatzlos gestrichen werden konnten, schien es mir notwendig, die Erläuterungen zu erweitern, die Wielandsehe Übersetzung des griechischen Lukios in der auf Seite 5"14 angegebenen Weise zu ergänzen, die Einführung auf der Grundlage jüngster Forschungsergebnisse völlig neu zu schreiben und einen eigenen Abschnitt mit Literaturhinweisen hinzuzufügen. Der in der Einführung unternommene Versuch einer Gesamtinterpretation des Romans verdankt einem von mir im Wintersemester 1983/84 an der Universität München gehaltenen Oberseminar wichtige Anregungen; besonders hervorzuheben ist der Gewinn, den ich aus den Beiträgen von Herrn Stefan Mairoser zur Deutung des Mythos von Amor und Psyche gezogen habe. München, im Herbst>1989
Niklas Holzberg