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F.G. Holz D. Pauleikhoff R.F. Spaide A.C. Bird Altersabhängige Makuladegeneration
F.G. Holz D. Pauleikhoff R.F. Spaide A.C. Bird
Altersabhängige Makuladegeneration 3. Auflage
Mit 250 Abbildungen und 21 Tabellen
1 23
Professor Dr. Frank G. Holz
Professor Dr. Richard F. Spaide
Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Bonn Ernst-Abbe-Strasse 2 53127 Bonn
Vitreous-Retina-Macula Consultants of New York 519 E. 72nd St. New York, NY 10021 USA
Professor Dr. Daniel Pauleikhoff Augenabteilung, St.-Franziskus Hospital Hohenzollernring 74 48145 Münster
Professor Dr. Alan C. Bird Institute of Ophthalmology, Moorfields Eye Hospital City Road, London EC1 V 2PD Großbritannien
ISBN-13 978-3-642-20869-0 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. SpringerMedizin Springer-Verlag GmbH ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Planung: Dr. Sabine Ehlenbeck, Heidelberg Projektmanagement: Cécile Schütze-Gaukel, Heidelberg Übersetzungen: Dr. Tina Boll, Schriesheim Lektorat: Ursula Illig, Stockdorf Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg SPIN: 12567218 Gedruckt auf säurefreiem Papier
2111 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort zur 3. Auflage Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist in den Industrienationen zur häufigsten Ursache für erheblichen Sehverlust geworden. Aufgrund der demographischen Entwicklung und höheren Lebenserwartung ist von einer weiteren Zunahme der Betroffenen in Zukunft auszugehen. Erfreulicherweise ist vor allem durch eine Intensivierung vielfältiger Forschungsbemühungen seit der Erstauflage dieses Buches ein erheblicher Wissenszuwachs zu verzeichnen. Dazu beigetragen haben nicht nur neue methodische Werkzeuge aus den Bereichen u. a. der Molekular- und Zellbiologie, Biochemie und Molekulargenetik, sondern auch Weiterentwicklungen im Bereich der Bildgebung und der Pharmakologie. Wir sind daher optimistisch, dass aus den jetzigen und zukünftigen Behandlungsansätzen Therapien für einen immer größer werdenden Anteil an AMD-Betroffenen hervorgehen. Die Kapitel der 2. Auflage wurden gründlich überarbeitet und relevante Neuentwicklungen und Erkenntnisse berücksichtigt. Im Bereich der pathogenetischen Faktoren ist nun ein eigenes Kapitel der Rolle des Komplementsystems bei der multifaktoriellen, komplexen AMD gewidmet. Weiterhin wird näher auf die Rolle bildgebender Verfahren einschließlich der optischen Kohärenztomographie und der Fundusautofluoreszenz eingegangen. Neue Therapieansätze, die auf den tieferen Einsichten in die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen basieren, werden sowohl für die neovaskuläre als auch für die fortgeschrittene trockene AMD (geographische Atrophie) erörtert. Wesentliches Ziel des Buches ist es, den aktuellen Kenntnisstand zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie der AMD klar und verständlich zusammenzufassen und hinsichtlich der therapeutischen Ansätze deren Möglichkeiten und Grenzen aufzuzeigen. Die Literaturhinweise stellen zwangsläufig eine Auswahl der Anzahl erheblich zugenommener Publikationen der letzten Jahre dar. Wir danken den herausragenden Wissenschaftlern und Klinikern, die ihre Expertise in die jeweiligen Kapitel eingebracht haben. Ebenso danken wir unseren Mentoren, Kollegen, Patienten und Studenten für ihre vielfältigen wissenschaftlichen und klinischen Anregungen. Den Mitarbeitern des Springer-Verlages danken wir für ihre professionelle und zeitnahe Realisierung des Buches in dem rasch voranschreitenden und expandierenden Feld der AMD. Frank G. Holz, Daniel Pauleikhoff, Richard F. Spaide, Alan C. Bird Bonn, Münster, London, New York, 2011
VII
Inhaltsverzeichnis 2.4.2
I Pathophysiologie 2.5
1
1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5 1.6 1.6.1
1.6.2
1.6.3 1.6.4
Epidemiologie der AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 L. Ho, R. van Leeuwen, P.T.V.M. de Jong, J.R. Vingerling, C.C.W. Klaver Übersetzt von T. Boll Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Prävalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Inzidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Genetische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Gene des Komplementsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ARMS2-Lokus (10q26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Gene des Lipidmetabolismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Assoziationsstudien mit Kandidatengenen . . . . . . . 18 Umweltfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Rauchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Antioxidanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Body-Mass-Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kataraktchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Interaktion zwischen Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . 20 Kombinierte Effekte von CFH-Y402H und genetischen sowie umweltbedingten Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kombinierte Effekte von 10q26-SNP und anderen genetischen sowie umweltbedingten Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kombinierte Effekte von CFH und ARMS2/ HTRA1-SNP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kombinierte Effekte des ApoE-Gens und anderen genetischen sowie umweltbedingten Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.5.1 2.6 2.7
3
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6 3.5.7 3.6 3.7
4 2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.4.1
Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 U. Friedrich, L.G. Fritsche, B.H.F. Weber Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Identifizierung von Risikofaktoren bei komplexen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Frühe Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 ABCA4-Gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 APOE-Gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 CFH – das erste hauptverantwortliche AMD-Suszeptibilitätsgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Funktionelle Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
4.1 4.2 4.3 4.4 4.4.1 4.4.2
Weitere AMD-assoziierte Gene der Komplementkaskade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 ARMS2/HTRA1 – ein zweites hauptverantwortliches AMD-Suszeptibilitätsgen . . . . . . . . . . . . . . 39 Funktionelle Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Neuste Erkenntnisse aus genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41 Zur Rolle der Genetik in Prävention und Therapie der AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 M.E. Boulton Übersetzt von T. Boll Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ursache und Folgen des Alterns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Klinische Veränderungen bei retinaler Alterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Alterung der Neuroretina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Alterung des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . 50 Änderungen der Zelldichte des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Subzelluläre Veränderungen des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Akkumulation von Lipofuszin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Melanosomen und Pigmentkomplexverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Mitochondriale Veränderungen im alternden retinalen Pigmentepithel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Der lysosomale Autophagieweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Antioxidative Kapazität des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Alterung der Bruch-Membran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Zusammenhang zwischen Alter und AMD . . . . . . . . 57 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Das Komplementsystem bei der AMD . . . . . . . .65 P. Charbel Issa, N.V. Chong, H.P.N. Scholl Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Das Komplementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Das Komplementsystems in der AMDPathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Klinische Relevanz der Komplementgenvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Systemische Komplementaktivierung bei AMD-Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Komplementgenvarianten und AMDSubtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
VIII
Inhaltsverzeichnis
4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.5 4.6
5
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.4 5.5
Komplementgenvarianten und Progression der AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Gen-Umwelt-Interaktion: Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel und Rauchen . . . . . . . . 71 Polymorphismen in Komplementgenen und Ansprechen auf Therapie: Pharmakogenetik . . . . . . 72 Neue pharmakologische Interventionen zur Modifikation der Komplementaktivierung . . . . . . . . 72 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.4
Histopathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79
7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4
A. Lommatzsch, S. Wasmuth, D. Pauleikhoff, F.G. Holz, A.C. Bird Retinales Pigmentepithel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Aufbau und Funktion des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Ablagerungen im retinalen Pigmentepithel . . . . . . . 80 Altersveränderungen des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Bruch-Membran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Aufbau der Bruch-Membran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Altersveränderungen der Bruch-Membran . . . . . . . . 82 Ablagerungen in der Bruch-Membran, Drusen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Chorioidale Neovaskularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Abhebung des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . 94 Geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
II Klinische Manifestationen 6 6.1 6.2 6.3 6.4
7
7.1 7.2
Frühe AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 M. Dietzel, D. Pauleikhoff, F.G. Holz, A.C. Bird Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Drusen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Fokale Hypo- und Hyperpigmentationen des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Störungen der Aderhautperfusion . . . . . . . . . . . . . . 111 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Klinische Manifestationen der choroidalen Neovaskularisation bei AMD . . . . . . . . . . . . . . . 115 R.F. Spaide Übersetzt von T. Boll Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Symptome bei choroidaler Neovaskularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
8
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.7.1 8.7.2 8.7.3 8.8 8.9 8.9.1 8.9.2 8.9.3 8.9.4 8.10 8.10.1 8.10.2 8.10.3 8.10.4 8.10.5 8.10.6
Minderung der Sehschärfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Metamorphopsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Gesichtsfeldausfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Weitere Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Befunde bei choroidaler Neovaskularisation . . . . . 118 Blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Makulaödem und subretinale Flüssigkeit . . . . . . . . 119 Abhebung des retinalen Pigmentepithels . . . . . . . 119 Weitere Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Diagnostik der choroidalen Neovaskularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Fluoreszein-Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Indozyaningrün-Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Autofluoreszenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Optische Kohärenztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Geographische Atrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 M. Fleckenstein, S. Schmitz-Valckenberg, J.S. Sunness, F.G. Holz Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Klinische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Histologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Fundusautofluoreszenz-Bildgebung . . . . . . . . . . . . . 128 Spectral-Domain-optische Kohärenztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Quantifizierung der Atrophieprogression . . . . . . . . 130 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Genetische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Systemische Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Okuläre Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 CNV-Entwicklung in Augen mit geographischer Atrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Sehfunktion bei Patienten mit geographischer Atrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Messung der Sehschärfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Kontrastsensitivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Lesegeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Fundusperimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Therapeutische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Verminderung von retinalen Toxinen . . . . . . . . . . . . 136 Antiinflammtorische Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Komplementinhibition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Neuroprotektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Verminderung von oxidativem Stress . . . . . . . . . . . . 137 Serotonin-1A-Agonist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
IX Inhaltsverzeichnis
10.6
SD-OCT für Nachuntersuchungen und Therapiekontrolle bei der exsudative AMD . . . . . . 172 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
11
Mikroperimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
III Diagnostik 9
Imaging bei AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
R.F. Spaide Übersetzt von T. Boll 9.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 9.2 Farbphotographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 9.3 Monochrome Photographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 9.4 Autofluoreszenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 9.5 Optische Kohärenztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 9.5.1 Welleneigenschaften des Lichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 9.5.2 Kohärenzlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 9.5.3 Time-Domain-optische Kohärenztomographie . . 149 9.5.4 Frequency-Domain-optische Kohärenztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 9.5.5 Verbesserte Tiefenauflösung der optischen Kohärenztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 9.5.6 Allgemeine Eigenschaften der Makularegion bei der optischen Kohärenztomographie. . . . . . . . . 150 9.6 Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 9.6.1 Eigenschaften des Farbstoffes Fluoreszein . . . . . . . 150 9.6.2 Eigenschaften des Farbstoffes Indozyaningrün . . 151 9.6.3 Kameras in der Fluoreszenz-Angiographie . . . . . . . 151 9.6.4 Patienteneinwilligung und -aufklärung . . . . . . . . . . 152 9.6.5 Fluoreszein-Injektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 9.6.6 Fluoreszein-Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 9.6.7 Indozyaningrün-Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 9.6.8 Interpretation der Fluoreszein-Angiographie . . . . 153 9.6.9 Interpretation der Indozyaningrün-Angiographie . 155 9.7 Nicht-neovaskuläre AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 9.7.1 Drusen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 9.7.2 Pigmentveränderungen einschließlich geographische Atrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 9.8 Neovaskuläre AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 9.9 Abhebungen des retinalen Pigmentepithels . . . . . 159 9.9.1 Beteiligung der Retinagefäße am exsudativen Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 9.10 Follow-up . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 9.10.1 Thermischer Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 9.10.2 Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 9.11 Anti-VEGF-Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
11.1 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4
E. Midena, E. Pilotto Übersetzt von T. Boll Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Technische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Von der manuellen zur automatischen Mikroperimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Automatische Mikroperimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Mikroperimetrie: Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Mikroperimetrie: Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Weitere Mikroperimeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Mikroperimetrie bei AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Frühe AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Geographische Atrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Neovaskuläre AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Therapie der neovaskulären AMD . . . . . . . . . . . . . . . 188 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
IV Prophylaxe und Therapie 12
Nahrungsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
A.D. Meleth, V.R. Raiji, N. Krishnadev, E.Y. Chew Übersetzt von T. Boll 12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 12.2 Antioxidanzien und Zink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 12.3 β-Carotin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 12.4 Makuläre Xantophylle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 12.5 Langkettige mehrfach ungesättigte Omega-3Fettsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 12.6 Vitamin E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 12.7 Vitamin C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 12.8 Zink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 12.9 Folsäure und B-Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 12.10 AREDS2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
10
Optische Kohärenztomographie . . . . . . . . . . . 167
13
Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 209
10.1 10.2 10.3 10.4 10.5
S. Wolf Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Technik der SD-OCT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 SD-OCT bei altersabhängiger Makulopathie . . . . . 169 OCT bei geographischer Atrophie . . . . . . . . . . . . . . . 171 OCT bei exsudativer AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
G. Soubrane Übersetzt von T. Boll 13.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 13.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 13.2.1 Klinischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 13.2.2 Laserphotokoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
X
Inhaltsverzeichnis
13.2.3 13.3 13.3.1 13.3.2 13.4 13.4.1 13.4.2 13.5 13.5.1 13.5.2 13.6 13.6.1 13.6.2 13.6.3 13.7 13.7.1 13.7.2 13.8
14
14.1 14.2 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.4 14.5
15
Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Behandlungsabläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Laserphotokoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Studienergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Laserphotokoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Sicherheit und unerwünschte Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Laserphotokoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Laserphotokoagulation: verschiedene Wellenlängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Kombinationstherapien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Derzeitige Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Laserphotokoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Anti-VEGF-Therapie: Grundlagen und Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 S. Grisanti, J. Lüke, S. Peters Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Vascular endothelial growth factor . . . . . . . . . . . . . . 230 Angriffspunkte innerhalb der VEGF-Kaskade . . . . . 231 Sequestrierung von freiem VEGF . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Inhibition der Synthese von VEGF und VEGFRezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Inhibition der intrazellulären Signalkaskade . . . . . 234 Natürliche VEGF-Gegenspieler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Neue Applikationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Kombinationstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
P. Mitchell, S. Foran Übersetzt von T. Boll 15.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 15.2 Anti-VEGF-Therapien bei neovaskulärer AMD . . . . 238 15.3 Evidenzbasierte Leitlinien zum Krankheitsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 15.4 Leitlinien zum Management der neovaskulären AMD mit VEGF-Hemmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 15.4.1 Wie sollte eine neovaskuläre AMD diagnostiziert werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 15.4.2 Welche neovaskulären AMD-Läsionen sollten für eine Anti-VEGF-Therapie in Betracht gezogen werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
15.4.3 Welche Parameter definieren eine aktive neovaskuläre AMD, die voraussichtlich von einer Anti-VEGF-Therapie profitiert? Welche Eigenschaften legen nahe, dass kein Nutzen zu erwarten ist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 15.4.4 Bieten flexible Therapieregimes ähnlich zufriedenstellende Ergebnisse in Bezug auf den Visus wie eine monatliche Therapie? Wie sollte die Therapie begonnen werden? Welche flexiblen Therapieregimes wurden untersucht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 15.4.5 Welche längerfristigen Gesichtspunkte müssen bei einer Anti-VEGF-Therapie bei neovaskulärer AMD berücksichtigt werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
16
16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.5.1 16.5.2 16.5.3 16.5.4
17
17.1 17.2 17.3 17.4 17.4.1 17.4.2 17.4.3 17.4.4
Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 M. Barakat, N. Steinle, P.K. Kaiser Übersetzt von T. Boll Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Überblick über die aktuell verfügbaren Therapien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Grenzen der aktuellen Therapiemöglichkeiten bei exsudativer AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Argumente für eine Kombinationstherapie zur Behandlung der exsudativen AMD . . . . . . . . . . . 256 Klinische Ergebnisse zur Kombinationstherapie der exsudativen AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Verteporfin-PDT in Kombination mit Triamcinolon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Verteporfin-PDT in Kombination mit VEGFInhibitoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Dreifachtherapie der exsudativen AMD . . . . . . . . . . 261 Kombinationstherapie mit Bestrahlung . . . . . . . . . . 262 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Behandlungsansätze bei trockener AMD . . . 269 Z. Yehoshua, P.J. Rosenfeld Übersetzt von T. Boll Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . 270 Die Ursachen der AMD adressieren . . . . . . . . . . . . . . 271 Substanzen in präklinischen und Phase-I-Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Endpunkte klinischer Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Substanzen, die das Überleben von Photorezeptoren und RPE unterstützen . . . . . . . . . 272 Modulatoren des Sehzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Substanzen zum Schutz vor Schäden durch oxidativen Stress und Verlust an Mikronährstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
XI Inhaltsverzeichnis
17.4.5 Substanzen zur Unterdrückung entzündlicher Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 17.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
18
Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
18.1 18.2 18.3 18.4 18.5 18.5.1 18.5.2 18.5.3 18.5.4 18.5.5
B. Kirchhof Makulaplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Makulatranslokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Einzelzellsuspensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Pigmentepithel-Aderhaut-Translokation (Patch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Indikationen zur Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Non-Responder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Pigmentepithelruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Massive submakuläre Blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Trockene AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Makuladystrophien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
V Rehabilitation 19
Lesefähigkeit bei AMD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
S. Trauzettel-Klosinski Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Der Lesevorgang beim Zentralskotom . . . . . . . . . . . 297 Das Lesegesichtsfeld in Bezug zu anderen Parametern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 19.3.2 Bedeutung des Fixationsverhaltens . . . . . . . . . . . . . 298 19.3.3 Beurteilung des Fixationsverhaltens . . . . . . . . . . . . . 299 19.3.4 Motorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 19.4 Methoden zur Untersuchung der Lesefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 19.5 Rehabilitationsansätze zur Verbesserung der Lesefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 19.1 19.2 19.3 19.3.1
20 20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6 20.7
Vergrößernde Sehhilfen bei AMD . . . . . . . . . . 305 K. Rohrschneider Definition der Sehbehinderung und rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Auswirkung der Sehbehinderung bei AMD . . . . . . 306 Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs . . . . . . . . . 307 Vergrößerungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Optisch vergrößernde Sehhilfen für die Ferne . . . 308 Optisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe . . . . 309 Elektronisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
20.8 Elektronische Vorlesegeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 20.9 Ergänzende Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 20.10 Besonderheiten bei der Versorgung mit vergrößernden Sehhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 20.11 Grundlagen der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
XIII
Abkürzungsverzeichnis ABCA1 AGE ALA AMD APC APOE AREDS ARM ARMS2 BCEA BCVA BLD BM BRF CC CCD CDCV CDRV CEP CETP CFB CFH CFI CHS CI CNP CNTF CNV CRP CRT cSLO DA DAF DHA ECM EDI-OCT ETDRS EPA ESR FAF FAZ FVPED
ATP-bindendes Transportprotein Advanced glycation end products Alphalinolensäure Altersabhängige Makuladegeneration Alternative pathway of complement (alternativer Komplementweg) Apolipoprotein E Age-Related-Eye-Disease Studie Age-related maculopathy (altersabhängige Makulopathie) Age-related maculopathy susceptibility 2 Bivariate contour ellipse calculated area (bivariable Konturanalyse) Best corrected visual acuity (bestkorrigierter Visus) Basal laminar deposits Bruch-Membran Bevorzugter retinaler Fixationsort Choriocapillaris Charge-coupled device Common disease – common variant Common disease – rare variant Carboxyethylpyrrole Cholesterinester-Transferprotein Complement factor B (Komplementfaktor B) Complement factor H (Komplementfaktor H) Complement factor I (Komplementfaktor I) Cardiovascular-Health-Studie Konfidenzintervall Copy number polymorphism (KopienzahlPolymorphismus) Ciliary neutrophic factor Chorioidale Neovaskularisation C-reaktives Protein Central retinal thickness (zentrale Retinadicke) Konfokales Scanning-Laser-Ophthalmoskop Disc area Decay-accelerating factor Docosahexaensäure Extracellular matrix (extrazelluläre Matrix) Enhanced-Depth-Imaging-optische Kohärenztomographie Early Treatment Diabetic Retinopathy Study Eicosapentaensäure Erythrozytensedimentationsrate Fundusautofluoreszenz Foveoläre avaskuläreZone Fibrovascular pigment epithelial detachment (fibrovaskuläre Pigmentepithelabhebung)
GA GCL GK GWAS HDL-c HTRA1 ICG ICAM ICS IPE IV IVB IVR IVTA LCPUFA
LDL LF LIPC LLUS logMAR LSC MAF MCP MHC MMP MPOD NH NV-AMD OCT OR ORCA PAR Patch PCV PD PDT PE PED PEDF PFCL PHP PLGF
Geographische Atrophie Ganglion cell layer (Ganglionzellschicht) Glaskörper Genomweite Assoziationsstudie High-density lipoprotein cholesterol High temperature requirement factor A1 Indozyaningrün Intracellular adhesion molecules (intrazelluläre Adhäsionsmoleküle) Innere kollagene Schicht Irispigmentepithel Inverse Varianz Intravitreales Bevacizumab Intravitreales Ranibizumab Intravitreales Triamcinolon Long-chain polyunsaturated fatty acids (langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren) Low-densitity lipoprotein Lipofuszin Lipase C Late leakage of undetermined source (späte Leckage unklarer Herkunft) Logarithm of the minimum angle of resolution Long spaced collagen Minor allele frequency Membrane cofactor protein Major histocompatibility complex (Haupthistokompatibilitätskomplex) Matrixmetalloproteinase Makuläre optische Pigmentdichte Netzhaut Neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration Optische Kohärenztomographie Odds Ratio Occult retinal choroidal anastomosis Populationsbezogenes attributables Risiko Pigmentepithel-Aderhaut-Translokation Polypoide chorioidale Vaskulopathie Pupillardistanz Photodynamische Therapie Pigmentepithel Pigment epithelium detachment (Pigmentepithelabhebung) Pigment epithelium derived factor Perfluorocarbon liquid (flüssiges Perfluorkarbon) Preferential hyperacuity perimeter Placental growth factor
XIV
Abkürzungsverzeichnis
PLEKHA1 Pleckstrin homology domain-containing protein family A member 1 Paraoxonase-1-Gens Photoreceptor outer segment (PhotorezeptorAußensegment) PRN Pro re nata PRR Pattern-recognition-Rezeptoren PVR Proliferative Vitreoretinopathie RAP retinal angiomatous proliferation (retinale angiomatöse Proliferation) RBP Retinol-bindendes Protein RCOphth Royal College of Ophthalmologists RCT Randomized controlled trial RNFL Retinal nerve fiber layer (retinale Nervenfaserschicht) ROS Reactive oxygen species (reaktive Sauerstoffspezies) RPE Retinales Pigmentepithel RTK Rezeptor-Tyrosinkinasen rTPA Recombinant tissue plasminogen activator RVAC Retinal vascular anomalous complexes (retinale vaskuläre anomale Komplexe) SD-OCT Spectral-Domain-optische Kohärenztomographie SLD Superlumineszente Diode SLO Scanning-Laser-Ophthalmoskop SNP Single nucleotide polymorphism (Einzelnukleotid-Polymorphismus) SOD2 Superoxid-Dismutase-2 Sr-90 Strontium-90 SS-OCT Swept-Source-optische Kohärenztomographie TD-OCT Time-Domain-optische Kohärenztomographie TIMP Tissue inhibitor of metalloproteinases (Metalloproteinase-Inhibitor) TLR Toll-like receptor (Toll-like-Rezeptor) UTR Untranslated region (untranslatierte Region) VA Sehschärfe VCM Visual cycle modulators VEGF Vascular endothelial growth factor (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor) VPDT Photodynamische Therapie mit Verteporfin ZMÖ Zystoides Makulaödem
PON1 POS
XV
Autorenverzeichnis Dr. Mark R. Barakat
Dr. S. Foran
Prof. Dr. Paulus V.M. de Jong
Cole Eye Institute Cleveland Clinic Foundation 9500 Euclid Avenue, Mail Code: i-32 Cleveland, OH 44195 USA
Eye Clinic Westmead Hospital Hawkesbury Road Westmead, NSW 2145 Australien
Erasmus Medical Center ‘S-Gravendijkwal 230 3015 CE Rotterdam Niederlande
Prof. Dr. Alan C. Bird
Dr. Ulrike Friedrich
Institute of Ophthalmology Moorfields Eye Hospital City Road, London EC1 V 2PD Großbritannien
Institut für Humangenetik Universität Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11 93054 Regensburg
Cole Eye Institute Cleveland Clinic Foundation 9500 Euclid Avenue, Mail Code: i-32 Cleveland, OH 44195 USA
Prof. Dr. Michael E. Boulton
Dr. Lars G. Fritsche
Prof. Dr. Bernd Kirchhof
Institute for Anatomy and Cell Biology University of Florida 1600 SW Archer Road Gainesville PO Box 100235 USA
Institut für Humangenetik Universität Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11 93054 Regensburg
Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Köln Kerpenerstrasse 62 50924 Köln-Lindenthal
Prof. Dr. Salvatore Grisanti
Dr. Caroline W. Klaver
Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck
Erasmus Medical Center ‘S-Gravendijkwal 230 3015 CE Rotterdam Niederlande
Prof. Dr. Peter K. Kaiser
Prof. Dr. Emily Y. Chew National Eye Institute National Institutes of Health Bethesda, MD (301)496-6583 USA
Dr. Lintje Ho Prof. Dr. Victor N. Chong Oxford Eye Hospital The University of Oxford Oxford, OX3 9DU Großbritannien
Erasmus Medical Center ‘S-Gravendijkwal 230 3015 CE Rotterdam Niederlande
Prof. Dr. Frank G. Holz Dr. Martha Dietzel Augenabteilung St. Franziskus Hospital Hohenzollernring 74 48145 Münster
Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Bonn Ernst-Abbe-Strasse 2 53127 Bonn
PD Dr. Peter Charbel Issa Dr. Monika Fleckenstein Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Bonn Ernst-Abbe-Strasse 2 53127 Bonn
Nuffield Laboratory of Ophthalmology University of Oxford John Radcliffe Hospital Oxford, OX3 9DU Großbritannien
Dr. Nupura Krishnadev National Eye Institute National Institutes of Health Bethesda, MD (301)496-6583 USA
Dr. Redmer van Leeuwen Erasmus Medical Center ‘S-Gravendijkwal 230 3015 CE Rotterdam Niederlande
Dr. Albrecht Lommatzsch St. Franziskus Hospital Augenabteilung Hohenzollernring 74 48145 Münster
Dr. Julia Lüke Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck
XVI
Autorenverzeichnis
Dr. Dhanu A. Meleth
Prof. Dr. Philip J. Rosenfeld
National Eye Institute National Institutes of Health Bethesda, MD (301)496-6583 USA
Bascom Palmer Eye Institute 900 NW 17th St. Miami, FL 33136 USA
Prof. Dr. Susanne TrauzettelKlosinski Klinik für Augenheilkunde Universität Tübingen Schleichstr. 12–16 72076 Tübingen
PD Dr. Steffen SchmitzValckenberg
Dr. Johannes R. Vingerling
Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Bonn Ernst-Abbe-Strasse 2 53127 Bonn
Erasmus Medical Center ‘S-Gravendijkwal 230 3015 CE Rotterdam Niederlande
Prof. Dr. Hendrik P.N. Scholl
Dr. Susanne Wasmuth
Eye Clinic Westmead Hospital Hawkesbury Road Westmead, NSW 2145 Australien
Wilmer Eye Institute Johns Hopkins University 748 Maumenee Building 600 N. Wolfe Street Baltimore, MD 21287-9277 USA
Augenabteilung St. Franziskus Hospital Hohenzollernring 74 48145 Münster
Prof. Dr. Daniel Pauleikhoff
Prof. Dr. Gisèle Soubrane
Augenabteilung St.-Franziskus Hospital Hohenzollernring 74 48145 Münster
Clinique Ophtalmologique Universitaire Centre Hospitalier Intercommunal 40, Avenue de Verdun Créteil 94010 Frankreich
Prof. Dr. Edoardo Midena Department of Ophthalmology University of Padova via Giustiniani 2 I-35128 Padua Italien
Prof. Dr. Paul Mitchell
Prof. Dr. Swaantje Peters Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck
Dr. Elisabetta Pilotto Department of Ophthalmology University of Padova Via Giustiniani 2 I-35128 Padua Italien
Dr. Veena R. Raiji Department of Ophthalmology George Washington University Washington, DC (202)741-2825 USA
Prof. Dr. Klaus Rohrschneider Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg
Prof. Dr. Richard F. Spaide Vitreous-Retina-Macula Consultants of New York 519 E. 72nd St. New York, NY 10021 USA
Dr. Nathan Steinle Cole Eye Institute Cleveland Clinic Foundation 9500 Euclid Avenue, Mail Code: i-32 Cleveland, OH 44195 USA
Dr. Janet S. Sunness Hoover Low Vision Rehabilitation Services Greater Baltimore Medical Center 6569 North Charles St, PPW305 Baltimore, MD 21204 USA
Prof. Dr. Bernhard H.F. Weber Institut für Humangenetik Universität Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11 93054 Regensburg
Prof. Dr. Dr. Sebastian Wolf Universitätsklinik für Augenheilkunde Inselspital Universität Bern Freiburgstrasse CH-3010 Bern Schweiz
Dr. Zohar Yehoshua Bascom Palmer Eye Institute 900 NW 17th St. Miami, FL 33136 USA
I
I
Pathophysiologie
Kapitel 1
Epidemiologie der AMD – 3 L. Ho, R. van Leeuwen, P.T.V.M. de Jong, J.R. Vingerling, C.C.W. Klaver Übersetzt von T. Boll
Kapitel 2
Genetik – 33 U. Friedrich, L.G. Fritsche, B.H.F. Weber
Kapitel 3
Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels – 45 M.E. Boulton Übersetzt von T. Boll
Kapitel 4
Das Komplementsystem bei der AMD – 65 P. Charbel Issa, N.V. Chong, H.P.N. Scholl
Kapitel 5
Histopathologie – 79 A. Lommatzsch, S. Wasmuth, D. Pauleikhoff, F.G. Holz, A.C. Bird
1
Epidemiologie der AMD L. Ho, R. van Leeuwen, P.T.V.M. de Jong, J.R. Vingerling, C.C.W. Klaver Übersetzt von T. Boll
1.1
Klassifikation
– 4
1.2
Häufigkeit
1.2.1 1.2.2
Prävalenz – 4 Inzidenz – 7
1.3
Natürlicher Verlauf
– 4
– 7
1.4
Genetische Faktoren
1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4
Gene des Komplementsystems – 8 ARMS2-Lokus (10q26) – 12 Gene des Lipidmetabolismus – 14 Assoziationsstudien mit Kandidatengenen
1.5
Umweltfaktoren
1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5
Rauchen – 18 Antioxidanzien – 19 Body-Mass-Index – 19 Hypertonie – 19 Kataraktchirurgie – 20
1.6
Interaktion zwischen Risikofaktoren – 20
1.6.1 1.6.2
Kombinierte Effekte von CFH-Y402H und genetischen sowie umweltbedingten Faktoren Kombinierte Effekte von 10q26-SNP und anderen genetischen sowie umweltbedingten Faktoren – 21 Kombinierte Effekte von CFH und ARMS2/HTRA1-SNP – 21 Kombinierte Effekte des ApoE-Gens und anderen genetischen sowie umweltbedingten Faktoren – 22
1.6.3 1.6.4
Literatur
– 8
– 18
– 18
– 22
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 20
4
1
Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
Kernaussagen ▬ Ein großer Fortschritt wurde bei der Identifikation
▬
▬
▬
▬
von Risikogenen für AMD erreicht. Die wichtigsten Prädispositionsgene sind CFH und ARMS2/HTRA1, die bei über 60% der schweren Erkrankungsfälle beteiligt sind. Dies unterstreicht die zentrale Rolle von Entzündungsvorgängen und oxidativem Stress in der Pathogenese der AMD. Etablierte genetische Risikomarker von geringerer Bedeutung sind die C3, C2/FB, CFI und ApoE-Gene. In genomweiten Assoziationsstudien zeigten sich Assoziationen mit TIMP3, LIPC, CETP, LPL und ABCA1, was eine Bedeutung des Lipidstoffwechsels in der AMD-Pathogenese nahe legt. Bei allen ethnischen Gruppen erfolgt mit zunehmendem Alter ein starker Anstieg der AMD-Häufigkeit. Am häufigsten tritt die späte AMD bei Kaukasiern auf, gefolgt von Asiaten und Hispaniern und schließlich Afrikanern. Auch die frühe AMD kam am seltensten bei Afrikanern vor. Die aussagekräftigsten Fundusveränderungen, die ein AMD-Risiko anzeigen, sind weiche Drusen und Pigmentveränderungen. Wenn bereits ein Auge von einer späten AMD betroffen ist, liegt das geschätzte 5-Jahres-Risiko für eine Beteiligung des zweiten Auges bei 30–40%. Rauchen ist der zuverlässigste und wichtigste beeinflussbare Risikofaktor. Bedeutende Schutzfaktoren sind Antioxidanzien, Zink und Omega3-Fettsäuren. Weniger klare, doch naheliegende Risikofaktoren sind BMI, Kataraktchirurgie und systemische Hypertonie. Wahrscheinlich gibt es sich gegenseitig verstärkende Effekte genetischer und umweltbedingter Faktoren. Studien legen nahe, dass die CFH-Gene möglicherweise mit den Faktoren Rauchen, CRPLevel, Erythrozyten-Sedimentationsrate, BMI und Aufnahme von Antioxidanzien, Zink und Omega3-Fettsäuren interagieren. Eine Interaktion scheint auch zwischen LOC387715 und CRP, IL-6, sICAM-1, PAI-1 sowie dem Rauchverhalten zu bestehen. Die ApoE-Genotypen modifizieren möglicherweise das durch Rauchen bedingte AMD-Risiko.
Dieses Kapitel ist eine Aktualisierung zum Thema »Epidemiologie der altersabhängigen Makuladegeneration« (AMD) und erläutert die seit der letzten Auflage von 2003 neugewonnenen Erkenntnisse. Ziel des Kapitels ist es, eine Übersicht der aktuellen epidemiologischen Literatur bei AMD zu geben sowie über Diagnose, Häufigkeit, ge-
⊡ Tab. 1.1 Klassifikation der altersabhängigen Makuladegeneration in epidemiologischen Studien Diagnose
Einteilung mittels Farbfundusaufnahmen unter Verwendung einer 6 mm breiten und zentrierten Makulaschablone
Allgemeine Bezeichnung
Altersabhängige Makuladegeneration
Differenzialdiagnose
Andere Krankheiten müssen ausgeschlossen sein; z. B. okuläres Trauma, Netzhautablösung, hohe Myopie, chorioretinale Entzündung oder Infektion
Frühe AMD
Weiche, unscharf begrenzte oder retikuläre Drusen; alle weichen Drusen mit RPE-Hypo- oder Hyperpigmentierung
Späte AMD
Atrophische oder neovaskuläre Makuladegeneration
– Atrophische AMD = geographische Atrophie
Jede scharf begrenzte Läsion >175 μm Durchmesser mit RPEDefekten und sichtbaren choroidalen Gefäßen
– Neovaskuläre AMD = exsudative AMD
RPE-Abhebung verbunden mit anderen Zeichen der AMD; subretinale neovaskuläre Membranen; Narben, gliöse oder fibrinoide Ablagerungen, subretinale Blutung oder harte Exsudate, ohne Bezug zu anderen Erkrankungen
netische und umweltbedingte Einflussfaktoren und deren mögliche Interaktionen bei AMD zu informieren.
1.1
Klassifikation
1995 einigten sich Forscher verschiedener epidemiologischer Studien auf eine einheitliche Klassifikation der altersabhängigen Makulopathie basierend auf Farbphotographien der Macula lutea ohne Einbeziehung der Sehschärfe [1]. Eine Zusammenfassung dieser international anerkannten Klassifikation zeigt ⊡ Tab. 1.1. Im Folgenden beziehen wir uns auf die Terminologie dieses internationalen Systems.
1.2
Häufigkeit
1.2.1
Prävalenz
Populationsbasierte Studien zur Prävalenz der frühen und späten AMD sind in verschiedenen Teilen der Welt durchgeführt worden (⊡ Abb. 1.1). In diese Übersicht
5 1.2 · Häufigkeit
a
b
⊡ Abb. 1.1a,b Prävalenz der frühen (a) und späten (b) altersabhängigen Makuladegeneration bei Personen im Alter ≥65 Jahre in verschiedenen Teilen der Welt
wurden nur populationsbasierten Studien aufgenommen, die das standardisierte Klassifikationssystem nutzten [1, 2]. Sowohl Schätzungen für die frühe als auch die späte AMD zeigen in allen Studien einen starken Anstieg mit zunehmendem Lebensalter, obgleich sich eine deutliche Abweichung in den berichteten Prävalenzschätzungen ergab. Für die frühe AMD variierten die Populationsschätzungen stärker als für die späte AMD. Diese Schwankungen dürften zum Teil real sein,
doch können den Abweichungen auch Unterschiede in der Klassifikation von Drusengröße und -typ zugrunde liegen. Im Gegensatz dazu gibt es eine enge Übereinstimmung in der Klassifikation der geographischen Atrophie und der subretinalen Neovaskularisation, so dass diesbezügliche Unterschiede in den Studien reale Verhältnisse abbilden. Basierend auf Daten populationsbasierter Studien zeigt ⊡ Abb. 1.2 einen Vergleich der Prävalenzdaten der
1
6
Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
1
a
b ⊡ Abb. 1.2a,b Prävalenz der frühen (a) und späten (b) altersabhängigen Makuladegeneration bei verschiedenen ethnischen Gruppen
frühen und der späten AMD für Menschen aus Afrika, Asien, Kaukasien oder hispanischer Abstammung. Die Prävalenzrate der frühen AMD zeigte bei allen oben genannten ethnischen Gruppen eine positive Korrelation mit dem Lebensalter. Besonders ausgeprägt fand sich dieser Zusammenhang bei Kaukasiern und Hispaniern, in etwas geringerem Maße bei Asiaten und Afrikanern. Bei Personen unter 75 Jahren wiesen die Hispanier im Vergleich zu den anderen ethnischen Gruppen am häufigsten eine frühe AMD auf. Jenseits des 75. Lebensjahres trat die frühe AMD am häufigsten bei Kaukasiern auf. In allen Altersgruppen hatten die Afrikaner am seltensten eine frühe AMD, gefolgt von den Asiaten. Bei Personen unter 55 Jahren betrug die Gesamtprävalenz der frühen AMD für Kaukasier 4%, für Hispanier 6%, für Asiaten und Afrikaner je 3%. In der Altersgruppe ab 75 Jahren stiegen diese Prävalenzen auf 24%, 22%, 13%, und 11%. Für die späte AMD zeigte sich ein exponentieller altersabhängiger Anstieg bei den Kaukasiern, ein ausgeprägter Anstieg bei Asiaten, ein mäßiger Anstieg bei Hispaniern und ein leichter Anstieg bei Afrikanern.
Die Gesamtprävalenz der späten AMD bewegte sich in der Altersgruppe unter 55 Jahren bei allen ethnischen Gruppen zwischen 0,0% und 0,2% und erhöhte sich für Personen ab 75 Jahren auf 6,5% bei Kaukasiern, 2,4% bei Asiaten, 1,3% bei Hispaniern und 0,6% bei Afrikanern. Obwohl Hispanier und Afrikaner also relativ häufig von früher AMD betroffen waren, traf das deutlich weniger für die fortgeschrittene Form der Erkrankung zu. Asiaten waren seltener von später AMD betroffen als Kaukasier, jedoch häufiger als Afrikaner und Hispanier. Diese vergleichsweise hohe Prävalenz mag sich z. T. durch die höhere Inzidenz der polypoidalen choroidalen Vaskulopathie bei Asiaten erklären, die oftmals nicht von der klassischen neovaskulären AMD differenziert wird [3–5]. Mehrere Studien ergaben, dass die polypoidale choroidale Vaskulopathie 22,3–24,5% der neovaskulären AMD bei Asiaten ausmacht [6–8]. Eine andere Erklärung ist die rasante ökonomische Entwicklung und Industrialisierung bestimmter asiatischer Bevölkerungsgruppen in und außerhalb Asiens wie z. B. in China und Indien. Diese Entwicklung könnte sich in einer Verwestlichung der Ernährung und anderer Lebensgewohnheiten widerspiegeln. In Taiwan beispielsweise hat sich die mittlere tägliche Aufnahme von Kalorien und Fett in den letzten drei Jahrzehnten erhöht [9–12]. Ein Fortschreiten zu späten AMD-Formen tritt bei Afrikanern und Hispaniern seltener auf als bei Kaukasiern, trotz des relativ häufigen Auftretens der frühen AMD. Der Grund für diesen Widerspruch ist bislang unklar. Möglicherweise gibt es systematische Unterschiede in der Klassifizierung, der Probennahmetechnik oder der Altersstruktur. Eine Verzerrung könnte auch aufgrund einer höheren Überlebensrate, Teilnahmerate oder Rate beurteilbarer Photographien bei Kaukasiern im Vergleich zu Afrikanern und Hispaniern entstehen. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass Afrikaner und Hispanier mit ihrem stärker pigmentierten choroidalen und retinalen Pigmentepithel ein geringeres Risiko für eine späte AMD haben, da Melanin protektiv gegen oxidative Schäden wirkt [13, 14]. Denkbar ist auch, dass Risikofaktoren unterschiedlich häufig bei den ethnischen Gruppen vorliegen, insbesondere genetische Varianten. Welchen Einfluss hat das Lebensalter auf die Subtypen der AMD? Um dieser Frage nachzugehen, wurden die Daten dreier Studien mit sehr ähnlichen diagnostischen Kriterien, und zwar die der Beaver-Dam-EyeStudie (BDES), der Rotterdam-Studie (RS) und der BlueMountains-Eye-Studie (BMES) zusammengefasst [15]. Die Untersucher unterzogen alle Personen mit später AMD einer einheitlichen Klassifikation, und berechneten die individuellen Häufigkeiten einer ausschließlich geographischen Atrophie, einer ausschließlich neovaskulären
7 1.3 · Natürlicher Verlauf
⊡ Abb. 1.3 Prävalenz der geographischen Atrophie und der neovaskulären AMD in der Three-Continent-Studie (USA, Europa, Australien)
Makuladegeneration sowie aller Mischtypen der Makuladegeneration. Mit zunehmendem Lebensalter steigt zuerst die Prävalenz der ausschließlich neovaskulären Makuladegeneration, gefolgt von der ausschließlich geographischen Atrophie; als letztes erfolgt der Prävalenzanstieg der Mischformen (⊡ Abb. 1.3).
⊡ Abb. 1.4 Altersabhängige Inzidenzraten und 10-Jahres-Risiko der Subtypen der späten altersabhängigen Makuladegeneration in der Rotterdam-Studie
rein neovaskuläre Makuladegeneration als auch für die rein geographische Atrophie einen ähnlich steilen Inzidenzanstieg nach dem 75. Lebensjahr. Die Inzidenz der gemischten AMD stieg erst ab dem 80. Lebensjahr.
1.3 1.2.2
Inzidenz
In den letzten zwei Jahrzehnten wurden die Daten etlicher Inzidenzstudien veröffentlicht. Die meisten basierten auf Untersuchungen an Kaukasiern [16–28]. Beim Vergleich altersspezifischer Inzidenzraten ist Vorsicht geboten, da eine niedrige Probandenzahl oder eine unterschiedliche Verteilung von Faktoren wie Geschlecht und Alter innerhalb der Altersgruppen die Genauigkeit der Schätzung beeinflussen kann. Eine weitere Limitierung ergibt sich durch die unterschiedlichen Nachbeobachtungszeiten der Studien. Im Bewusstsein dieser Einschränkungen extrapolierten wir die Daten jeder Studie auf 10-Jahres-Inzidenzraten. Die Schätzung für das 10-Jahres-Gesamtrisiko betrug 11,1% in der Hisayama-Studie, 12,1% in der Beaver-Dam-Eye-Studie, 13,9% in der Barbados-Eye-Studie, 14,1% in der Blue-Mountains-Eye-Studie, 16,7% in der Rotterdam-Studie, 17,7% in der Los-Angeles-Latino-EyeStudie, und 23,7% in der Copenhagen-City-Eye-Studie. Die unterschiedlichen Inzidenzraten der Studien könnten Abweichungen beim Studiendesign, zeitlich begrenzte Auswirkung, aber auch Auswirkungen aufgrund unterschiedlicher Risikofaktoren widerspiegeln. Es ergab sich kein Unterschied zwischen den Inzidenzraten von Männern und Frauen. Eine Differenzierung der RotterdamStudie nach Subtypen (⊡ Abb. 1.4) zeigte sowohl für die
Natürlicher Verlauf
Zum natürlichen Verlauf früher und später Formen gibt es Datenmaterial aus etlichen Studien. Alle bestätigen, dass weiche Drusen und Pigmentveränderungen die bedeutsamsten Funduszeichen für ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer späten AMD sind. Personen mit diesen Veränderungen haben ein geschätztes Risiko von 1,3–6,0%/Jahr, an einem Spätstadium der AMD zu erkranken [16, 17, 19–21, 24–27, 29–38]. Im Gegensatz dazu bestand für Personen mit harten Drusen (<63 μm) kein Risiko, innerhalb der nächsten 5 Jahren eine späte AMD zu entwickeln [25, 26]. Die Rotterdam-Studie, die Beaver-Dam-Eye-Studie und die Blue-Mountains-EyeStudie berichteten übereinstimmend, dass ein großes Areal jedweder Drusenart in Kombination mit Pigmentveränderungen mit dem höchsten Risiko für eine späte AMD einhergeht [19, 20, 25, 26]. Wie ist die Prognose des zweiten Auges, wenn das erste von später AMD betroffen ist? In zahlreichen Studien wurde versucht, das Risiko einer späten AMD für das Partnerauge zu quantifizieren; dabei ergaben sich Schätzungen zum 5-Jahres-Risiko von 30–40% [17, 19–21, 25–27, 33, 39, 40]. Das AMD-Risiko des zweiten Auges scheint wie beim zuerst betroffenen Auge von den vorliegenden Veränderungen abzuhängen: große Drusenareale, Konfluenz und Pigmentveränderungen [19, 25, 26, 41]. Daten der Beaver-Dam-Eye-Studie deuten darauf hin, dass Patienten mit geographischer Atrophie des ersten
1
8
1
Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
Auges, nicht jedoch diejenigen mit neovaskulärer AMD ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Spätform der AMD im zweiten Auge aufweisen im Gegensatz zu Personen, die beidseits von früher AMD betroffen sind. In der Regel entspricht der AMD-Typ des zweiten Auges dem des zuerst betroffenen, doch kommt auch die Entwicklung des anderen Typs vor [19, 25, 26, 29, 33, 39]. Liegt zunächst eine Neovaskularisation vor, kommt es zudem nicht selten zur Entwicklung einer geographischen Atrophie und vice versa [19, 27, 29, 39, 42–44]. Diese beiden Beobachtungen legen nahe, dass sich die Risikofaktoren für die zwei Phänotypen der späten AMD möglicherweise stark überlappen.
1.4
Genetische Faktoren
In den letzten Jahren wurden große Fortschritte bei der Identifikation ursächlicher und protektiver Genvarianten bei AMD gemacht. Den wichtigsten Durchbruch stellten die Entdeckungen des Komplementfaktor-H-Gens (CFH) und des Chromosomenlokus 10q26 dar, der die Gene LOC387715 und HTRA1 trägt [45]. Diese besonders prädisponierenden Gene sind bei mehr als 60% der schweren Erkrankungsfälle beteiligt [46], was die zentrale Rolle von Entzündungsvorgängen und oxidativem Stress für die Ätiologie der AMD unterstreicht. Andere nachgewiesene genetische Risikomarker sind C3, C2/FB, CFI und APoE, wenngleich diese eine untergeordnete Rolle spielen [47–49]. Neue Forschungsansätze beschäftigen sich mit der Rolle des Lipidstoffwechsels bei AMD.
1.4.1
Gene des Komplementsystems
Komplementfaktor H Eine genomweite Kopplungsanalyse identifizierte einen prädisponierenden Lokus auf Chromosom 1q25-q31 [50–56]. Erste Berichte über eine Assoziation genetischer Varianten des Komplementsystems mit AMD erschienen 2005 als drei Gruppen das Y402H-Allel des Komplementfaktors-H (CFH)-Gens auf Chromosom 1q32 mit einem erhöhten AMD-Risiko in Verbindung brachten [57–59]. Seitdem wurde dieses Ergebnis in zahlreichen Studien an unterschiedlichen Populationen bestätigt (⊡ Abb. 1.5) [46, 60–93]. CFH hat eine Schlüsselfunktion im Komplementsystem. Eine Aktivierung dieses Signalweges stößt eine proteolytische Kaskade an, die zur Freisetzung proinflammatorischer Anaphylatoxine sowie zur Bildung von Membranangriffskomplexen und damit zur Lyse der Zielzelle führt. CFH hemmt die Aktivierung der Kom-
plementkomponente C3 zu C3b und baut C3b ab, was die Amplifikationsphase der alternativen Komplementkaskade begrenzt [94]. CFH-Y402H schwächt diese regulatorische Funktion von CFH [95–97]. Dies führt zu einer Überaktivierung der Komplementkaskade und damit zu einer Erhöhung des AMD-Risikos [57–59, 64, 66]. Der hauptsächlich in der Leber produzierte CFH wird auch im retinalen Pigmentepithel exprimiert und die Y402HVariante ist offenbar mit dem Vorliegen von Komplementproteinen in Drusen assoziiert [64, 98]. Das populationsbezogene Risiko, bei Vorliegen der Y402H-Variante eine späte AMD zu entwickeln, liegt bei Kaukasiern schätzungsweise zwischen 25% und 70% [46, 58, 59, 61, 66, 68, 71, 83, 91, 99–102] und bei Asiaten bei etwa 3,3% [82, 84]. Dies legt nahe, dass die Y402H-Variante bei Kaukasiern in der überwiegenden Mehrheit aller AMD-Fälle eine Rolle spielt, während sie in weit geringerem Umfang bei Asiaten und vermutlich auch anderen ethnischen Gruppen bei der AMD-Entstehung beteiligt ist. Wie schon zuvor erwähnt, weisen verschiedene ethnische Gruppe eine sehr unterschiedliche Prävalenz von Y402H sowie AMD-Häufigkeit auf. Die Y402H-Variante tritt viel seltener bei Asiaten (≈10–15%) und Hispaniern (≈17%) auf, während sie etwa gleich häufig bei Kaukasiern und Afrikanern (≈36%) vertreten ist [103]. Es ist daher wahrscheinlich, dass weitere genetische und/oder umweltbedingte Faktoren zur Pathogenese der AMD beitragen, die unabhängig voneinander oder gemeinsam eine Rolle spielen könnten. Eine weitere Analyse der CFH kodierenden Genomregion ergab zusätzliche Prädispositionsallele, die einen starken Zusammenhang mit AMD aufwiesen [104–106]. Das starke Kopplungsungleichgewicht erschwerte die Auswertung einzelner Effekte durch Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP, »single nucleotide polymorphism«), doch konnten einige Unterschiede beobachtet werden. Eine kaukasische Fall-Kontroll-Studie fand eine Assoziation zwischen Krankheitsdisposition und einer nichtkodierenden Variante (rs1410996) im CFH-Genom, die ausgeprägter war als die für Y402H [104, 105]. Bei japanischen und asiatischen Populationen zeigte sich keine signifikante Assoziation der Y402H-Variante mit AMD, während andere Varianten des CFH-Genoms einschließlich rs1410996 das Erkrankungsrisiko leicht erhöhten [72, 89]. CFH und die eng verwandten Gene CFHR1–5 gehören zu einem auf Chromosom 1q32 gelegenen Gencluster, der bedeutsam für die Regulation der Komplementaktivierung ist. Da CFHR1 und CFHR3 eine C3-bindende Stelle besitzen, konkurrieren sie möglicherweise kompetitiv mit CFH und stören so die CFHJ-abhängige Regulation der Komplementaktivierung. Bei 20% der Kontrollpersonen
9 1.4 · Genetische Faktoren
a
b ⊡ Abb. 1.5a,b Allel-basierte Metaanalyse von Assoziationsstudien zum Komplementfaktor H Y402H und dem Risiko für eine späte (a) und frühe (b) AMD. AMD altersabhängige Makuladegeneration. Conley, Edwards, Hadley, Hageman, Magnusson, Rivera und Zareparsi et al. schlossen Anzeichen einer frühen und späten AMD in ihre Ergebnisse mit ein. CHS berichtete die Ergebnisse eines Auges pro Person. OR und 95%-CI wurden unter Anwendung des Random-Effects-Modells der DerSimonian-und-Laird-Methode berechnet, um der Heterogenität der Studien gerecht zu werden. AREDS Age-related-Eye-Disease-Studie; CHS Cardiovascular-Health-Studie; CI Konfidenzintervall; IV inverse Varianz; n Anzahl der Risikoallele; N Gesamtzahl aller Allele; Random Random-Effects-Modell
und 8% der Betroffenen fand sich ein Haplotyp ohne CFHR1 und CFHR3 (delCFHR1/3), der einen protektiven Effekt gegen AMD aufwies [106, 107]. Bei Homozygoten für delCFHR1/3 fehlen die von diesen beiden Genen kodierten Proteine im Serum [106]. Ein Fehlen von CFHR1 und CFHR3 könnte die Konkurrenz für CFH um die Bindung an C3b vermindern, die hemmende Wirkung von CFH verstärken und damit insgesamt die Aktivierung der
alternativen Komplementkaskade reduzieren. Homozygote für delCFHR1/3 treten am häufigsten bei Afroamerikanern auf (16%), gefolgt von Hispaniern (6,8%) und Amerikanern europäischer Abstammung (4,7%) [108]. Das häufige Vorkommen des delCFHR1/3-Allels könnte eine Erklärung für die geringe Prävalenz später AMD bei Afrikanern im Vergleich zu Kaukasiern sein. Das delCFHR1/3-Allel war in der chinesischen Population
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Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
nicht polymorph (0,01%) und war nicht mit feuchter AMD oder Drusen assoziiert [86]. ⊡ Abb. 1.5a zeigt eine Metaanalyse von Studien mit Daten zu Y402H; eingeschlossen sind 7683 Fälle mit später AMD und 9612 Kontrollen. Bezüglich des Allels betrug die OR der späten AMD 2,41 (95%-CI 2,21–2,64). Für die geographische Atrophie betrug die Gesamt-OR bei Kaukasiern 2,82 (95%-CI 2,24–3,56), für CNV 2,47 (95%-CI 2,22–2,74), für frühe AMD 1,82 (95%-CI 1,47– 2,25; ⊡ Abb. 1.5b).
Komplementfaktor B/Komplementkomponente 2 Komplementfaktor B (CFB) und Komplementkomponente 2 (C2) sind Aktivatoren des alternativen bzw. des klassischen Komplementweges. Vier Varianten im CFBund C2-Genom des Haupthistokompatibilitätskomplexes III auf Chromosom 6p21 zeigten eine inverse Assoziation mit AMD: CFB-R32Q, das ein fast komplettes Kopplungsungleichgewicht mit C2-IVS10 aufweist, und CFB-L9H, das wiederum in annähernd komplettem Kopplungsungleichgewicht mit C2-E318D steht [49, 105, 109–114]. Weitere Analysen identifizierten zwei statistisch signifikant protektive Haplotypen: Der erste mit dem R32Q/ IVS10-Paar (p=2,1×10-7) und der zweite mit dem L9H/ E318D-Paar (p=3,4×10-6). Der übliche Haplotyp mit den Hauptallelen an diesen vier Genorten trägt ein signifikantes Risiko für AMD (OR 1,32; p=0,0013). Die Varianten waren sowohl mit einem niedrigeren Risiko für eine frühe AMD als auch für die beiden Subtypen der späten AMD verbunden und schienen auch die Progressionsraten zu fortgeschritteneren Stadien der AMD zu verringern [49, 110]. Genetische und funktionelle Daten legen nahe, dass wahrscheinlich eher die CFB-Varianten als die C2-Varianten ursächlich für den beobachteten Zusammenhang mit AMD sind. Die C2-E318D- und IVS10-Varianten bedeuten jeweils eine konservative Veränderung und eine nichtkodierende Variante, während CFB-L9H eine nicht konservative Veränderung kodiert und CFB-R32Q in einer schwächeren C3b-Bindungsaffinität, einer geringeren Verstärkungsmöglichkeit der Komplementaktivierung sowie einer verminderten hämolytischen Aktivität des CFBProteins resultiert [115, 116]. Zudem treten in Drusen die meisten Proteine des alternativen Komplementweges (wie CFH, CFB) auf, jedoch keine Proteine des klassischen Weges (wie z. B. C2) [117, 118]. Des Weiteren erwies sich die Assoziation mit C2-R32Q hinsichtlich der Faktoren Alter, Rauchen, CFH-Y402H und LOC387715-A69S als stabil (OR 0,21; 95%-CI 0,11–0,39), während die Assoziation mit C2-E318D nicht signifikant war (OR 0,60; 95%-CI 0,25–1,47) [111]. Schrittweise logistische Regres-
sion schloss auch die C2-IVS10-Variante zugunsten von CFB-R32Q aus [105]. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die C2-Varianten eine Restassoziation mit AMD zeigen, die von ihrem großen Kopplungsungleichgewicht mit CFB stammen. Da die Region des Haupthistokompatibilitätskomplexes III aus vielen Genen besteht, die an Entzündungsvorgängen beteiligt sind, ist es möglich, dass die Ursache der berichteten Ergebnisse ein starkes Kopplungsungleichgewicht mit benachbarten Genorten (z. B. R151Q im SKIV2L-Gen) ist [113]. ⊡ Abb. 1.6 zeigt eine Metaanalyse aller derzeit verfügbaren Studien zu R32Q und L9H. Die Metaanalyse ergab eine signifikante OR von 0,36 (95%-CI 0,28–0,47) für die R32Q-Variante. In den kaukasischen Studien bewegte sich die Häufigkeit der R32Q-Variante zwischen 4,0% und 5,5% bei Betroffenen und zwischen 10,0% und 12,0% bei Kontrollpersonen. Bei der indischen Studienpopulation trat die R32Q-Variante sowohl bei Betroffenen (7,7%) als auch bei Kontrollen (23,2%) häufiger auf. Auch für die L9H-Variante ergab die Metaanalyse eine signifikante OR von 0,46 (95%-CI 0,25–0,85). In der indischen Studie zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Betroffenen (4,0%) und Kontrollpersonen (6,3%; OR 0,61; 95%-CI 0,31–1,22) und die Verteilung des L9H-Allels wurde nicht berichtet. In der kaukasischen Population betrug die Häufigkeit von L9H zwischen 4,0–5,5% bei Betroffenen und zwischen 10,0–12,0% bei Kontrollpersonen. Basierend auf gepoolten Schätzungen von Metaanalysen, scheint R32Q einen größeren und beständigeren protektiven Effekt zu haben als L9H. Darüber hinaus wurde ein direkter Schutzmechanismus für R32Q dokumentiert [115, 116], während funktionale Auswirkungen eines solchen für L9H bislang fehlen. Des Weiteren zeigte eine Studie mit einer anglokeltischen Population eine inverse Assoziation für den R32Q/IVS10-Haplotyp, jedoch nicht für den L9H/E318D-Haplotypen. Die universelle Beteiligung von CFB-R32Q in der Pathogenese der AMD wird durch die vergleichbar große protektive Wirkung dieser Variante unterstrichen, die sowohl in kaukasischen als auch indischen Populationen durchaus verbreitet ist. Zudem wurde der protektive R32Q/IVS10-Haplotyp, der zunächst bei Kaukasiern entdeckt wurde, auch in der indischen AMD-Kohorte bestätigt [112].
Komplementkomponente 3 Alle drei Wege des Komplementsystems (der klassische, der Lektin-Weg und der alternative Weg) führen letztlich zu einer Aktivierung der Komplementkomponente 3 (C3). Die Aktivierung von C3 ist entscheidend für die Entstehung des Membranangriffskomplexes, der zur Lyse der Zielzelle führt [119]. Das C3-Gen liegt auf Chromo-
11 1.4 · Genetische Faktoren
a
b ⊡ Abb. 1.6a,b Allel-basierte Metaanalyse von Assoziationsstudien zum Komplementfaktor B R32Q (a) sowie Komplementfaktor B L9H (b) und dem Risiko für eine späte AMD. OR und 95%-CI wurden unter Anwendung des Random-Effects-Modells der DerSimonian-und-Laird-Methode berechnet. AREDS Age-related-Eye-Disease-Studie; CHS Cardiovascular-Health-Studie; CI Konfidenzintervall; IV inverse Varianz; n Anzahl der Risikoallele; N Gesamtzahl aller Allele; Random Random-Effects-Modell
som 19p13.3-13.2. Die durch die C3-Varianten R102G und P314L verursachten Aminosäureänderungen führen möglicherweise zu einer Veränderung der Bindungskapazität von C3 für pathogene Zelloberflächen oder andere Komplementproteine [119–121]. Ein ursächlicher Zusammenhang mit AMD liegt nahe, da sich C3-mRNA in der Neuroretina, der Choroidea und im retinalen Pigmentepithel findet [118], sein Spaltprodukt C3a in Drusen vorliegt [98, 122] und C3a die Expression von vaskulärem endothelialem Wachstumsfaktor induzieren und choroidale Neovaskularisation fördern kann [123]. In mehreren Studien an kaukasischen Populationen wurden zwei funktionale Varianten des C3-Gens mit hohem Kopplungsungleichgewicht, R102G (rs2230199) und P314L (rs1047286), als genetische Risikofaktoren für AMD identifiziert [48, 124–130]. R102G wurde auch mit der Krankheitsprogression von frühen zu späten Stadien der AMD in Zusammenhang gebracht [110]. Die beiden ersten Fall-Kontrollstudien schlossen aus bedingten Wahrscheinlichkeitsanalysen, dass die Assoziation mit AMD durch R102G bedingt war und dass weder P314L noch Haplotypen der Region ein zusätzliches Risiko darstellten [48, 125]. Andere Studien bestätigten, dass R102G eine höhere Signifikanz für die Verursachung
von AMD aufweist als P314L [124, 127, 131] und dass keine andere benachbarte Variation den Effekt auf das Krankheitsrisiko erklären konnte [124, 127, 128, 131]. In verschiedenen kaukasischen Studien wurde ein AllelDosiseffekt für R102G beobachtet mit einem erhöhten Risiko von 1,5–1,7 für Heterozygote und von 1,9–3,3 für Homozygote. Die Rotterdam-Studie ergab sowohl einen Zusammenhang der C3-Varianten mit früher als auch mit später AMD mit der höchsten Risikosteigerung für den gemischten AMD-Typ (geographische Atrophie mit neovaskulärer AMD) [127]. Den Studien zufolge besteht der Effekt der C3-Allele unabhängig von den etablierten genetischen und umweltbedingten Risikofaktoren CFHY402H, LOC387715-A69S und Rauchen [127, 128]. ⊡ Abb. 1.7 zeigt eine Metaanalyse aller derzeit verfügbaren Studien [48, 110, 124–130, 132]. Die Analyse ergab eine signifikante OR von 1,54 (95%-CI 1,42–1,67) für die R102G-Variante. In den kaukasischen Studien variierte die Häufigkeit von R102G zwischen 23,7–30,0% bei Betroffenen und zwischen 17,0% und 22,1% bei Kontrollpersonen. In den asiatischen Studien zeigte sich keine Assoziation der R102G-Variante mit AMD und ein sehr geringes Vorkommen von 1,0–1,2% bei Betroffenen und 0,3–1,6% bei Kontrollpersonen [89, 132]. Das populati-
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Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
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⊡ Abb. 1.7 Allel-basierte Metaanalyse von Assoziationsstudien zur Komplementkomponente C3 R102G und dem Risiko für eine späte AMD. Scholl et al. untersuchten nur Zusammenhänge mit der geographischen Atrophie, während Cui et al. und Pei et al. nur die neovaskuläre AMD untersuchten. AMD altersabhängige Makuladegeneration; AREDS Age-related-Eye-Disease-Studie; C-C Fall-Kontroll-Studie; CI Konfidenzintervall; IV inverse Varianz; n Anzahl der Risikoallele; N Gesamtzahl aller Allele; Random Random-Effects-Modell; RS Rotterdam-Studie; Scott schottisch
onsbezogene attributable Risiko (PAR) für R102G betrug in der schottischen und englischen Fall-Kontroll-Studie 22% [48], im kaukasisch-amerikanischen familienbasierten Fall-Kontroll-Datenbestand 17% [125] und 9,7% in der populationsbasierten Rotterdam-Studie [127]. Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme ethnischer Unterschiede im Vorkommen von Allelen und in der genetischen Prädisposition für AMD.
Komplementfaktor I Der Komplementfaktor I (CFI) wird durch CFH reguliert und fungiert als Kofaktor bei der Spaltung und Inaktivierung von C3b. Unlängst wurden mehrere Varianten in der Nähe von CFI mit einem AMD-Risiko bei kaukasischen und asiatischen Populationen in Zusammenhang gebracht [133–137]. In der japanischen Studie hatte rs10033900 einen protektiven Effekt mit einer OR von 0,28 (95%-CI 0,11–0,69) für homozygote Träger des selteneren `C`-Allels. Für heterozygote Träger ergab sich keine Assoziation (OR 0,99; 95%-CI 0,61–1,62). Eine kürzliche genomweite Assoziationsstudie fand einen Zusammenhang des häufigeren `C`-Allels von rs2285714 mit einem erhöhten AMD-Risiko von 1,31 (95%-CI 1,18– 1,45). Ennis et al. beobachteten signifikante (p<0,05) protektive Effekte für rs11728699, rs6854876, rs7439493 und rs13117504 mit OR zwischen 0,68–0,74 (p<0,05) und diese SNP zeigten gleichfalls signifikant protektive (GCAG, OR 0,69) und ursächliche (TGGC, OR 1,34) Haplotypen an [137]. Fagerness et al. hatten bereits zuvor
einen protektiven Haplotypen mit einer OR von 0,72 identifiziert, der durch rs13117504 und rs10033900 (GC) gekennzeichnet ist [133].
1.4.2
ARMS2-Lokus (10q26)
Anfänglich haben Kopplungsstudien einen Prädispositionslokus auf Chromosom 10q26 als zweitwichtigsten Faktor der AMD-Pathogenese identifiziert [52, 53, 55, 56, 138]. In der Folge haben zahlreiche Studien eine starke Korrelation zwischen AMD und multiplen genetischen Varianten des 10q26-Lokus gezeigt [62, 99, 139–152]. Dennoch besteht Uneinigkeit bezüglich des Ursprungs des genetischen Effekts, da in dieser Genregion ein hohes Kopplungsungleichgewicht zwischen drei Genen besteht: dem »pleckstrin homology domain-containing protein family A member 1« (PLEKHA1), dem LOC387715- oder »age-related maculopathy susceptibility 2« (ARMS2)-Gen sowie dem »high temperature requirement factor A1« (HTRA1)-Gen. Zahlreiche Forschungsdisziplinen unterstützen eine Bedeutung von ARMS2 und HTRA1 für die AMD-Entstehung mit einem populationsbezogenen Risiko von bis zu 67% für jedes Gen [46, 99, 125, 142, 153, 154], während PLEKHA1 bestenfalls schwach mit AMD assoziiert zu sein scheint [62, 99, 139–152]. Das Auffinden funktionaler Varianten könnte erhellen, welches Gen des 10q26-Lokus den größten Beitrag zur AMD-Entstehung verursacht. Wiederholt wurde von
13 1.4 · Genetische Faktoren
einer bis zu 15-fachen Risikoerhöhung für AMD durch rs10490924 im ARMS2-Gen berichtet [62, 99, 141–144, 147–151]. Dieser funktionale SNP verursacht einen A69S-Austausch und wurde als der ursächliche SNP beschrieben, der alleine den Großteil des Zusammenhangs zwischen der 10q26-Region und AMD erklären könnte [143]. Zusätzlich war ein Deletions-Insertions-Polymorphismus (del443ins54; in/del) im 3’-UTR (»untranslated region«, untranslierter Bereich) des ARMS2-Gens in kaukasischen und japanischen Studien mit AMD assoziiert [144, 150, 155, 156]. Fritsche et al. berichteten, dass der in/del-Polymorphismus mit einem hohen Umsatz von ARMS2-mRNA in Plazentaproben einherging [144]. Im Gegensatz dazu fanden Wang et al. keine Korrelation zwischen dem in/del und instabiler ARMS2mRNA in menschlicher Retina und Blutproben [150]. Mehr noch schlossen die Autoren, dass nicht der in/del, sondern A69S das AMD-Risiko aufgrund des starken Kopplungsungleichgewichts zwischen diesen Varianten bestimmt. Die präzise Funktion von ARMS2 bei AMD muss noch geklärt werden. In früheren Studien wurden desorganisierte mitochondriale Membranen und eine verringerte Mitochondrienzahl in retinalen Pigmentepithelzellen von Spenderaugen mit AMD nachgewiesen und deuteten auf eine mitochondriale Dysfunktion bei AMD hin [157, 158]. Das legt nahe, dass ARMS2 möglicherweise die mitochondriale Funktion stört und damit zur Bildung freier Sauerstoffradikale, Apoptose und AMD führen könnte [144, 157–161]. Zudem lokalisierten immunhistochemische Studien das ARMS2-Protein an der mitochondrialen Außenmembran, insbesondere bei Stäbchen und Zapfen [143, 144]. Jedoch trat es auch im zellulären Zytosol [162] und in der extrazellulären Matrix [163] auf. Eine HTRA1-Metaanalyse ergab sowohl für homozygote (OR 7,46; 95%-CI 6,16–9,04) als auch für heterozygote (OR 2,27; 95%-CI 2,02–2,55) Träger des rs11200638-Risikoalleles ein erhöhtes AMD-Risiko im Vergleich zu Nichtträgern [164]. Stratifizierte Analysen zeigten, dass rs11200638 signifikant mit CNV, jedoch nicht mit GA assoziiert war, und dass der ursächliche Zusammenhang stärker bei Kaukasiern als bei Asiaten ausgeprägt war [164, 165]. Unterschiedliche Evidenzen unterstützen eine Beteiligung von HTRA1 bei AMD. In einigen Studien fand sich ein Zusammenhang zwischen dem Risikoallel rs11200638 und höheren Konzentrationen von HTRA1-mRNA und -Protein [139, 151, 166, 167], wenngleich diese Beobachtung in zwei weiteren Studien mit größeren Datenpools in heterologen Expressionssystemen nicht bestätigt werden konnte [143, 168]. Des Weiteren könnte HTRA1 die Signalfunktion der TGF-β-Proteine hemmen, die in Retina und RPE als
negative Wachstumsregulatoren wirken [169–171]. Über eine erhöhte Expression von Matrix-Metalloproteasen könnte HTRA1 zudem die Degradation der extrazellulären Matrix fördern. Auf diesem Weg könnte eine Überexpression von HTRA1 die Stabilität der BruchMembran und des RPE beeinträchtigen und damit zur AMD-Entstehung beitragen. Kürzlich berichteten Richardson et al., dass rs3793917 (ein Genort, der zwischen ARMS2 und HTRA1 liegt) am stärksten mit AMD assoziiert sei (OR 3,45; 95%-CI 2,36–5,05) und dass das AMD-Risiko am wahrscheinlichsten durch die intergenische Region zwischen diesem SNP und HTRA1-rs11200638 verursacht wird [152]. Aufgrund des hohen Kopplungsungleichgewichts war es ihnen jedoch nicht möglich zwischen rs3793917, rs11200638 und rs10490924 zu unterscheiden. Auch häufig auftretende Haplotypen, die sowohl ARMS2 als auch HTRA1-Gene umfassen, wurden in Verbindung mit AMD gebracht. Gibbs et al. beschrieben den mit rs10490924, rs11200638 und rs2293870 markierten, häufig auftretenden Haplotyp TAT, der eine signifikante Prädisposition für AMD darstellte (p=2,70×10-9) und einen Haplotyp GGG, der signifikant protektiv für AMD war (p=0,003) [145]. Auch Yang et al. fanden einen mit rs2736911, rs10490924, in/del/Wt und rs11200638 markierten Haplotyp-T-G-Wt-G, der sowohl bei Kaukasiern als auch in chinesischen Populationen einen protektiven Effekt hatte (p<0,007) [151]. Sie beobachteten des Weiteren, dass der in/del oder das Risikoallel rs11200638 alleine die HTRA1-Expression nicht beeinflussen konnten und dass ein häufig auftretender Erkrankungshaplotyp mit in/del und rs11200638 zu einer Hochregulation von HTRA1 führt [151]. Daher schlugen sie ein binäres Modell vor, demzufolge eine Herunterregulation von ARMS2 und eine gleichzeitige Hochregulation von HTRA1 das mit dem 10q26-Lokus assoziierte Risiko am besten erklärt. Weitere funktionelle Analysen in größeren Datensätzen sind notwendig um herauszuarbeiten, welche die für die AMD wesentlichen genetischen Veränderungen des 10q26-Lokus sind. ⊡ Abb. 1.8a zeigt eine Metaanalyse aller derzeit verfügbaren Studien zu A69S. Diese ergab eine allelbasierte Gesamt-OR von 2,41 (95%-CI 2,08–2,79) für späte AMD. In den Studien mit kaukasischer Population schwankte die Häufigkeit von A69S zwischen 25,0% und 57,5% bei Betroffenen und zwischen 18,8% und 37,0% bei Kontrollpersonen. In der asiatischen Population kam die A69S-Variante sowohl bei Betroffenen (61,9–73,9%) als auch bei Kontrollpersonen (35,8–50,0%) häufiger vor als bei Kaukasiern. Für GA betrug die gepoolte OR 2,67 (95%-CI 2,22–3,22); für CNV 2,99 (95%-CI 2,63–3,39) und für frühe AMD 1,68 (95%-CI 1,35–2,10; Abbildung
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Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
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a
b ⊡ Abb. 1.8a,b Assoziationsstudien zu LOC387715-A69S. a Allel-basierte Metaanalyse von Assoziationsstudien zu LOC387715-A69S und dem Risiko für eine späte AMD. b Allel-basierte Metaanalyse aller verfügbaren Assoziationsstudien zu LOC387715 A69S und dem Risiko für eine frühe AMD. OR und 95%-CI wurden unter Anwendung des Random-Effects-Modells der DerSimonian-und-Laird-Methode berechnet. AMD altersabhängige Makuladegeneration; CI Konfidenzintervall; IV inverse Varianz; n Anzahl der Risikoallele; N Gesamtzahl aller Allele; Random RandomEffects-Modell
1.8.b). Für HTRA1-rs11200638 ergab die Metaanalyse eine Gesamt-OR von 2,49 (95%-CI 2,25–2,75). In den Studien mit kaukasischer Populationen variierte die Häufigkeit von A69S zwischen 20,7–53,1% bei Betroffenen und zwischen 18,2–28,9% bei Kontrollpersonen. In der asiatischen Population trat die A69S-Variante sowohl bei Betroffenen (42,5–77,2%) als auch bei Kontrollpersonen (25,2–52,0%) häufiger auf als bei Kaukasiern. Für GA betrug die gepoolte OR 2,21 (95%-CI 1,77–2,75); für CNV 2,92 (95%-CI 2,55–3,35). Nur eine Studie beschrieb Auswirkungen auf frühe AMD mit einer von OR 1,89 (95%-CI 1,12–3,17).
1.4.3
Gene des Lipidmetabolismus
Apolipoprotein E Apolipoprotein E (ApoE) ist ein Schlüsselregulator des Lipid- und Cholesterintransportes im zentralen Nervensystem [172] und wurde mit verschiedenen neurodegenerativen und kardiovaskulären Erkrankungen (z. B. Morbus Alzheimer und Schlaganfall) in Verbindung gebracht [173–175]. Im Auge wird ApoE in Photorezeptorzellen, retinalen Ganglienzellen, Müllerzellen, dem retinalen Pigmentepithel, der Bruch-Membran, der Choroidea und in krankheitsassoziierten Läsionen wie Drusen und Ab-
15 1.4 · Genetische Faktoren
lagerungen in der Basalmembran vorgefunden [117, 118, 176–180]. Es wurden drei häufig auftretende Allelvarianten des ApoE-Gens: ε2, ε3 und ε4 gefunden, von denen ε3 am verbreitetsten ist [181, 182]. Die Mehrzahl der Studien belegt einen protektiven Effekt des ApoE-ε4-Allels gegen AMD [180, 183–195], wenngleich dieser inverse Zusammenhang nicht in allen Studien statistisch signifikant war [190–194]. Bei einer Stratifizierung der späten AMD in GA und CNV zeigte sich der größte protektive Effekt des ε3ε4-Genotyps bei Personen mit GA (OR 0,35; 95%-CI 0,13–0,92) [195]. Das ApoE-ε2-Allel war hauptsächlich mit einem nicht signifikanten jedoch erhöhten Risiko für AMD verbunden [180, 183–185, 188, 191, 193, 195, 196]. Verschiedene ethnische Gruppen könnten Unterschiede in der Assoziation von ApoE mit AMD aufweisen. Das ε4-Allel trat in der chinesischen und der japanischen Population seltener auf als bei Kaukasiern (7,5% und 9,1% vs. 10,5–30,6%), was zu den nicht signifikanten Ergebnissen in Asien beigetragen haben könnte [190, 194]. Das Vorkommen ihres ε2-Allels jedoch war vergleichbar zu dem bei Kaukasiern (9,4% und 8,5% vs. 6,1–13,9%). In der chinesischen Studie korrelierten die ε2-Träger mit einer tendenziell geringen Risikoerhöhung, in der japanischen Studie hingegen mit einer Tendenz zur Risikoreduktion, beide Ergebnisse waren statistisch nicht signifikant. Kürzlich wurden in einer Studie häufig auftretende Haplotypen identifiziert, die ε-Allele und vier weitere SNP (rs405509-, rs440446-, rs769449-, rs769450-ε-Allele) enthielten und das gesamte ApoE-Gen und seine cis-Regulationsregion abdeckten [197]. Zwei Haplotypen waren signifikant mit AMD assoziiert und zwar G-G-G-G-ε2 (OR 1,59; 95%-CI 1,19–2,12) und T-G-A-G-ε4 (OR 0,76; 95%-CI 0,58–0,99). Ein ε3-Haplotyp, G-G-G-A-ε3 zeigte einen protektiven Effekt für homozygote Träger (OR 0,65; 95%-CI 0,49–0,87). Des Weiteren erwies sich nur eine von vier möglichen ε3/ε4-Haplotyp-Kombinationen als protektiv und zwar T-G-A-G-ε4/T-C-G-G-ε3 (OR 0,32; 95%-CI 0,20–0,51). Das legt nahe, dass zusätzlich zu den bekannten funktionalen Polymorphismen rs429358 und rs7412 (die die ε-Allele definieren) auch Varianten der Cis-Regulatorregion des ApoE-Gens das AMD-Risiko beeinflussen können. Bisher ergaben allel- und genotypbasierte Assoziationstests einen protektiven Effekt von bis zu 40% für ε4 und einen verursachenden Effekt für ε2 von bis zu 20% [180, 183–197]. Im Vergleich zu ε3ε3-Genotypen wurde in allen Studien der Metaanalyse ein verringertes Risiko für eine späte AMD bei ε4-Trägern (OR 0,25–0,95) beobachtet, ausgenommen eine ungarische Studie, in der ε4 häufiger bei Betroffenen als bei Kontrollpersonen auftrat (OR 1,37; 95%-CI 0,62–3,00) [74]. Ein Pooling der Daten verstärkte die statistische Signifikanz der inversen
Assoziation zwischen ε4 und AMD und führte zu einer Gesamt-OR von 0,64 (95%-CI 0,55–0,74; ⊡ Abb. 1.9a). Eine Metaanalyse der ε2-allelen Daten ergab eine OR von 1,12 (95%-CI 0,93–1,35; ⊡ Abb. 1.9b). Auch für die frühe AMD zeigte die Metaanalyse ein verringertes Risiko für ε4-Träger im Vergleich zu Personen mit ε3ε3-Genotyp (OR 0,72; 95%-CI 0,62–0,83; ⊡ Abb. 1.9c), während das ε2-Allel nicht mit einer frühen AMD assoziiert war (OR 1,06; 95%-CI 0,88–1,28; ⊡ Abb. 1.9d). Die hohen Konzentrationen an Sauerstoff und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie die hohe Lichtexposition der Retina können zu oxidativen Schäden und Entzündung führen [198]. Zellschäden und Entzündungsvorgänge wiederum erhöhen den Cholesterinzustrom [199], doch auch die Synthese von ApoE [200]. Die ApoE-ε4-Variante hemmt die Dimerisation von ApoE, die normalerweise bei ε3- und ε2-Varianten auftritt [201]. Dies ermöglicht eine höhere Mobilität von ApoE-ε4 im Interstitium im Gegensatz zu den anderen ApoE-Varianten, die stärker intrazellulär gebunden sind, und damit einen besseren Transport von Lipiden, Cholesterin und RPE-Abfallprodukten aus den RPE-Zellen und durch die Bruch-Membran; Stoffe, die sonst akkumulieren und zu Drusen und AMD führen würden [173, 178, 179]. Im Vergleich zu ε3-Trägern fällt die zelluläre Lipidakkumulation bei ApoE-ε4-Trägern geringer aus, während ε2-Träger eine höhere Lipidanreicherung zeigen [117, 202]. Eine andere mögliche Erklärung für den protektiven Effekt des ε4-Allels und den anscheinend prädisponierenden Effekt von ε2 wäre, dass die ApoEVarianten die Entzündungsreaktion beeinflussen. Mehrere Studien berichteten, dass ε4-Träger signifikant niedrigere CRP-Level aufweisen als Nichtträger vor allem im Vergleich zu ε2-Trägern. Der CRP-Level vermindert sich dabei dosisabhängig in absteigender Folge von ε2/ε2, ε2/ε3, ε3/ ε3, ε2/ε4, ε3/ε4, ε4/ε4 [203–208]. Des Weiteren scheint ApoE-ε2 die Expression von vaskulären endothelialem und fibroblastischem Wachstumsfaktor durch RPE-Zellen zu stimulieren [202], während die Expression durch ApoE-ε4 unterdrückt wird [186, 209]. Dies legt nahe, dass ApoE-ε2 durch eine Beeinflussung der angiogenen Zytokine Neovaskularisation induziert, während ApoE-ε4 diesen Prozess hemmt. Des Weiteren ist ApoE-ε4 im Gegensatz zu ApoE-ε2 positiv geladen, was die hydrophobe Eigenschaft der Bruch-Membran verringert und einen besseren Abtransport von Abfallprodukten ermöglicht. Darüber hinaus haben ε4-Träger ein 36% niedrigeres Risiko für eine Bluthochdruckerkrankung als Nichtträger [210]. Ein weiteres interessantes Ergebnis ist, dass es mit zunehmendem Alter offenbar zu einer Abnahme der ApoE-ε4-Level kommt [208], was den Transport von Lipiden und Zelltrümmern reduzieren und damit zu höheren Inzidenzraten von AMD im Alter führen könnte.
1
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Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
1
a
b ⊡ Abb. 1.9a–d Assoziationsstudien zu ApoE. OR und 95%-CI zum Vergleich von ε2- oder ε4-Allel-Trägern vs. ε3/ε3-Genotyp als Referenz wurden unter Anwendung des Random-Effects-Modells der DerSimonian-und-Laird-Methode berechnet. a Allel-basierte Metaanalyse von Assoziationsstudien zu ApoE-ε4 und dem Risiko für eine späte AMD. Gotoh, DeAngelis, Losonczy and Souied et al. untersuchten nur die neovaskuläre AMD. Schmidt (2002, 2005), Schultz (Familien) und Zareparsi et al. schlossen (Zeichen für) eine frühe AMD in ihre Analysen mit ein. Baird et al. (2004) untersuchten die AMD-Progression. Event ist die Gesamtzahl der ε4-Allele; Total ist die Gesamtzahl der ε4-Allele (ε4ε4, ε3ε4 und ε2ε4) und des ε3-Allels (ε3ε3). b Allel-basierte Metaanalyse von Assoziationsstudien zu ApoE ε2 und dem Risiko für eine späte AMD. Event ist die Gesamtzahl der ε2-Allele; Total ist die Gesamtzahl der ε2-Allele (ε2ε2, ε2ε3 und ε2ε4) und des ε3-Allels (ε3ε3). Gotoh, DeAngelis, Losonczy and Souied et al. untersuchten nur die neovaskuläre AMD. Schmidt (2002, 2005), Schultz (Familien) und Zareparsi et al. schlossen Zeichen für eine frühe AMD in ihre Analysen mit ein. Baird et al. (2004) untersuchten die AMD-Progression
17 1.4 · Genetische Faktoren
c
d ⊡ Abb. 1.9a–d (Fortsetzung). c Allel-basierte Metaanalyse aller derzeit verfügbaren Assoziationsstudien zu ApoE-ε4 und dem Risiko für eine frühe AMD. Event ist die Gesamtzahl der ε4-Allele; Gesamt ist die Gesamtzahl der ε4-Allele (ε4ε4, ε3ε4, and ε2ε4) und des ε3-Allels (ε3ε3). Zareparsi et al. untersuchten große Makuladrusen. d Allel-basierte Metaanalyse aller derzeit verfügbaren Assoziationsstudien zu ApoE ε2 und dem Risiko für eine frühe AMD. Event ist die Gesamtzahl der ε2-Allele; Gesamt ist die Gesamtzahl der ε2-Allele (ε2ε2, ε2ε3 und ε2ε4) und des ε3-Allels (ε3ε3). Zareparsi et al. untersuchten große Makuladrusen. Afr. afrikanisch AMD altersabhängige Makuladegeneration; Cauc. kaukasisch; CI Konfidenzintervall; IV inverse Varianz; Random Random-Effects-Modell; UCLA University of California, Los Angeles; UP University of Pittsburgh
Auch bei der Erhaltung der retinalen Zellmembranen spielt ApoE eine wichtige Rolle: Zerfallende Zellmembranen setzen Lipide frei, worauf Astrozyten mit Synthese von ApoE reagieren, um freies Cholesterin und Lipide zu binden und sie für eine Wiederverwendung bei der Zellmembran-Biosynthese verteilen [211–213]. Aufgrund der kumulativen empirischen Evidenz und den oben dargestellten gepoolten Daten liegt der Schluss nahe, dass ApoE-ε4 im Gegensatz zu ApoE-ε2 ein verringertes Risiko für den Beginn, die Schwere und die Progression einer AMD bedingt.
TIMP-Metalloproteinase-Inhibitor 3, Lipase C, Cholesterinester-Transferprotein, Lipoproteinlipase, ATP-bindendes Transportprotein Analysen von Kandidatengenen ergaben anfänglich keinen Zusammenhang zwischen AMD und Metalloproteinase-Inhibitor 3 (TIMP3, »tissue inhibitor of metalloproteinases-3«) auf Chromosom 22q12.1-13.2 [214, 215]. Erst kürzlich offenbarte eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) einen Prädispositionslokus in der Nähe von TIMP3 [135], was
bereits zuvor in einer Kopplungsstudie berichtet worden war [50]. TIMP3 ist eine Metalloproteinase, die am Abbau der extrazellulären Matrix beteiligt ist sowie ein Signaturgen des RPE [216], das bei der Sorsby-Fundusdystrophie mutiert ist [217]. Verbreitete Allele des rs9621532 und nahgelegene Varianten bei TIMP3 waren mit einem erhöhten AMD-Risiko assoziiert (OR 1,41; 95%-CI 1,27–1,57; Häufigkeit in Kontrollen ≈0,94; p=1,1×10-11). Des Weiteren fanden sie einen ursächlichen Zusammenhang mit Allelen an Genorten, die mit Blutkonzentrationen von HDL-Cholesterin (HDL-c, »high-density lipoprotein cholesterol«) assoziiert waren [218, 219] und zwar mit dem häufig auftretenden Allel von rs493258 des Lipase-C (LIPC)-Gens auf Chromosom 15q22 (OR 1,14; 95%CI 1,09–1,20; Häufigkeit in Kontrollen ≈0,53; p=1,3×10-7), dem seltenen Allel von rs3764261 des CholesterinesterTransferprotein (CETP)-Gens auf Chromosom 16q21 (OR 1,19; 95%-CI 1,12–1,27; Häufigkeit in Kontrollen ≈0,36; p=7,4×10-7), rs12678919 des Lipoproteinlipase (LPL)Gens auf Chromosom 8p22 (OR 1,38; 95%-CI 1,17–1,63;
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1
Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
p=1,8×10-3) und rs1883025 in der Nähe des ATP-bindendes Transportprotein (ABCA1)-Gens auf Chromosom 9q22 (OR 1,25; 95%-CI 1,12–1,40; p=2,6×10-3) [135]. Anzumerken ist, dass nur die Varianten in der Nähe von TIMP3 eine genomweite Signifikanz (p<5×10-8) erreichten. In einer parallelen GWAS ergab sich nur für Assoziationen zwischen Varianten von LIPC und AMD eine genomweite Signifikanz [220]. Die stärkste Assoziation mit AMD zeigte sich für rs10468017 (OR 0,82; 95%-CI 0,77–0,88; Häufigkeit in Kontrollen ≈0,30; p=1,34×10-8). Eine gezielte Überprüfung jener Marker, auf die im anderen GWAS hingedeutet wurde, bestätigte das Ergebnis. CETP und LPL spielen eine wichtige Rolle bei Produktion und Abbau von HDL-c, während LIPC und ABCA1 am Aufnahmeprozess von HDL-c an der Zelloberfläche beteiligt sind [221]. HDL ist ein wichtiger Transporter für Lutein/Zeaxanthin, so dass eine Änderung der HDL-abhängigen Retinaversorgung mit Karotinoiden das AMDRisiko beeinflussen könnte [222]. Des Weiteren wurde eine Expression von LIPC, CETP und ABCA1 in der Retina nachgewiesen [220, 223]. Mit zunehmendem Alter akkumulieren Lipide und Cholesterin unter dem RPE und werden zu Bestandteilen von Drusen [118, 224]. Die HDL-c-assoziierten Genvarianten haben möglicherweise Einfluss auf die Entstehung von Drusen und nachfolgend auf die Entwicklung einer AMD.
1.4.4
Assoziationsstudien mit Kandidatengenen
Studien zu Kandidatengenen haben zur vorläufigen Identifikation mehrerer Variationen anderer Gene geführt, die nicht konsistent mit AMD in Verbindung stehen. Toll-Like-Rezeptoren (TLR, »toll-like receptors«) sind Strukturen des angeborenen Immunsystems, die im RPE pathogene Zellen erkennen können und damit Zytokinfreisetzung und Apoptose auslösen [225, 226]. Yang et al. berichteten von einem protektiven Effekt von TLR3rs3775291 gegen GA (OR 0,71; 95%-CI 0,50–1,00), während Zareparsi et al. ein erhöhtes AMD-Risiko in Assoziation mit TLR4-D299G fanden (OR 2,25; 95%-CI; 1,42–3,56). Jedoch wurden diese Ergebnisse von mehreren anderen Studiengruppen mit größerer Datenbasis in Frage gestellt [227–235]. Einige Studien brachten Varianten des VEGF (»vascular endothelial growth factor«)-Gens in Verbindung mit AMD (OR 1,24–2,61) [236–238], während andere Studien diese Ergebnisse nicht replizieren konnten [239]. Das VEGF-Gen kodiert ein Zytokin, das die Angiogenese stimuliert und im RPE exprimiert wird. Auch für das Superoxid-Dismutase-2-Gen (SOD2), dessen Genprodukt
die Reaktion des Superoxidanions in Sauerstoff und Hydrogenperoxid katalysiert, zeigte sich eine Assoziation mit AMD in einer Studie (OR 1,63; 95%-CI 1,11–2,54) [240], jedoch konnte diese Beobachtung durch nachfolgende Analysen nicht gestützt werden [241–243]. Widersprüchliche Ergebnisse wurden auch für die Varianten M55L und Q192R des Paraoxonase-1-Gens (PON1) berichtet. In zwei Studien ergab sich eine schwache ursächliche Assoziation zwischen M55L und CNV, doch nicht mit GA. Des Weiteren zeigte sich ein hauptsächlich gegen CNV gerichteter protektiver Effekt für homozygote Träger von Q192R (OR 0,25; 95%-CI 0,16– 0,41) [244, 245]. Im Gegensatz dazu fanden zwei andere Gruppen keine Korrelation [243, 246]. Das ABCA4 (ABCR)-Gen kodiert für ein ATP-bindendes Transportprotein (»ATP-binding cassette superfamily transmembrane protein«), das nur in retinalen Photorezeptoren exprimiert wird und an der Clearance der Photorezeptoren von all-trans-Retinalaldehyd, einem Nebenprodukt des Sehzyklus, beteiligt ist. Für Allele des ABCA4-Gens wurde zunächst eine Assoziation mit einem erhöhten AMD-Risiko berichtet. G1961E hatte dabei eine OR von 5,0 (95%-CI 1,6–20) und D2177N eine OR von 2,8 (95%CI 1,2–7,4) [247–249], doch widersprachen nachfolgende Untersuchungen diesen Ergebnissen. Zwei weitere Gene, die extrazelluläre Matrixproteine kodieren, könnten die Integrität der zentralen elastischen Schicht der Bruch-Membran durch eine Reduktion der Elastogenese stören und damit prädisponierend für eine AMD sein: Fibulin-5 (FBLN5) [250–253] und Hemicentin-1 (FBLN6, HMCN1) [254–256]. Eine Risikobeeinflussung durch HMCN1 konnte jedoch in etlichen Studien nicht nachgewiesen werden [50, 70, 90, 257– 259]. Kürzlich wurde eine Assoziation von Rs2511989 im SERPING1-Gen mit AMD beschrieben [260]. Dieses Gen kodiert für C1INH, einen Inhibitor des klassischen und des Lektin-Weges der Komplementkaskade. Die OR für AMD betrug für heterozygote Träger des selteneren ‘A’Allels 0,63 (95%-CI 0,47–0,84) und 0,44 für Homozygote (95%-CI 0,31–0,64) im Vergleich zu Nichtträgern. Dieser protektive Effekt konnte von anderen Gruppen nicht bestätigt werden [261–264].
1.5
Umweltfaktoren
1.5.1
Rauchen
Nach dem Lebensalter ist Rauchen der am besten dokumentierte Risikofaktor für AMD. Rauchen kann oxidative Schäden der Retina, eine Reduzierung der choroidalen Durchblutung, vermehrte Ischämie, Hypoxie und Mi-
19 1.5 · Umweltfaktoren
kroinfarkte, einen Anreiz für choroidale Neovaskularisation sowie eine Minderung von Antioxidanzien im Serum verursachen, was wiederum die Entstehung und Progression einer AMD fördern könnte [265]. Eine aktuelle Metaanalyse der BDES, BMES, RS, Physicians’Health-Studie und der Muenster-Aging-and-Retina-Studie ergab eine gepooltes alters- und geschlechtsbereinigtes Risikoverhältnis von 2,75 (95%-CI 1,52–4,98) für neu aufgetretene AMD bei aktuellen Rauchern vs. Niemalsrauchern [266]. Für ehemalige vs. Niemalsraucher betrug das bereinigte Risikoverhältnis für AMD 1,21 (95%-CI 0,88–1,66). Bei ehemaligen Rauchern fanden Neuner et al. mit zunehmender Dauer der Rauchabstinenz einen protektiven Effekt von 0,50 bereinigtem Risikoverhältnis (95%-CI 0,29–0,89) pro log(Jahr) [266]. In anderen Untersuchungen ergab sich für Personen mit mehr als 20-jähriger Nikotinabstinenz kein erhöhtes Risiko für die zur Erblindung führenden AMD-Stadien [267, 268]. Für Raucher (d. h. aktuelle und ehemalige Raucher vs. Niemalsraucher) berichteten Seddon et al. nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 6,3 Jahren ein um 30% erhöhtes Risiko (95%-CI 10–70%) für eine Progression zu jedwedem Subtyp der späten AMD in einem oder beiden Augen [148].
1.5.2
Antioxidanzien
Der bislang einzige bekannte protektive Faktor gegen AMD sind Antioxianzien. Die AREDS ergab ein um 25% geringeres Risiko für ein Fortschreiten einer intermediären zu fortgeschrittener AMD bei Gabe einer Kombination aus Zink, β-Carotin, Vitamin C und E [34]. Die RS fand ein um 35% vermindertes Risiko für das Neuauftreten einer AMD bei überdurchschnittlicher Aufnahme dieser Nährstoffe [269]. Die BMES zeigte für Personen, deren Lutein/ Zeaxanthin-Einnahme im oberen Tertil lag, eine Risikoreduktion für das Neuauftreten einer CNV (RR 0,35; 95%-CI 0,13–0,92). Verglichen mit der restlichen Population ergab sich für Personen mit einen Zinkkonsum im obersten Zehntel eine RR von 0,56 (95%-CI 0,32–0,97) für jedwede Form der AMD und von 0,54 (95%-CI 0,30–0,97) für frühe AMD. Eine β-Carotin- und Vitamin E-Aufnahme hingegen war mit einem erhöhten AMD-Risiko assoziiert; beim Vergleich des höchsten mit dem niedrigsten Aufnahmetertil ergab sich ein RR von 2,68 (95%-CI 1,03–6,96) bzw. 2,55 (95%-CI 1,14–5,70) [270]. In der BDES, die die 5-Jahres-Inzidenz der frühen AMD im Verhältnis zur Aufnahme von Antioxidanzien untersuchte, fand sich kein Zusammenhang. Jedoch wurde eine inverse Assoziation für die Entwicklung spezifischer Makulaläsionen, großer Drusen und Pigmentanomalität beobachtet [271].
Höhere Level von langkettigen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren waren in der AREDS mit einer selteneren Progression bilateraler Drusen zu einer GA verbunden [272]. Personen mit der höchsten Aufnahme von Eicosapentaensäure/Docosahexaensäure hatten ein geringeres Progressionsrisiko für GA im Vergleich zu Personen mit der geringsten Aufnahmemenge (0,45; 95%-CI 0,23–0,90). Desgleichen zeigten mehrere Studien, dass eine erhöhte Nahrungszufuhr von Omega-3Fettsäuren das Progressionsrisiko der AMD um 30–59% verringert [273–275].
1.5.3
Body-Mass-Index
Ein weiterer beinflussbarer Risikofaktor, der wiederholt mit der AMD-Pathogenese in Verbindung gebracht wurde, ist ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI). In der LALES wurde beobachtet, dass Personen mit hohem BMI (≥25) im Vergleich zu denen mit einem BMI unter 25 ein erhöhtes Risiko für frühe AMD trugen (OR 1,34; 95%-CI 0,99–1,82) und vermehrt retinales Pigment aufwiesen (OR 1,55; 95%-CI 1,03–2,34) [276]. Die BMES berichtete von einer Risikoerhöhung für frühe AMD für untergewichtige (OR 1,92; 95%-CI 1,16–3,18), übergewichtige (OR 1,44, 95%-CI 1,03–1,99) und adipöse Personen (OR 1,78; 95%-CI 1,19–2,68) im Vergleich zu denen, die einen normalen BMI (20–25) aufwiesen [277]. Die BDES beschrieb ein erhöhtes Risiko für frühe AMD bei Frauen mit höherem BMI (≥ 28) [278]. Weder in der BDES, noch in der BMES oder LALES ergab sich eine signifikante Assoziation von BMI mit später AMD [276–278]. Jedoch berichtete die POLA-Studie von einem erhöhten Risiko für späte AMD und Pigmentveränderungen bei adipösen Personen [279]. Auch die AREDS fand signifikante Assoziationen zwischen höherem BMI und beiden Subtypen der späten AMD [280, 281]. Diese Ergebnisse belegen die Bedeutung von Übergewicht/Adipositas für die Prädisposition für AMD. Ursächlich hierfür könnten Veränderungen der Lipoprotein-Zusammensetzung oder eine Zunahme oxidativer Schäden und Entzündungen sein, die wiederum durch eine Ernährung mit wenig Antioxidanzien und mehrfach ungesättigten Fettsäuren oder einen insgesamt ungesunden Lebensstil bedingt sein können [282–284].
1.5.4
Hypertonie
Hypertonie wurde aufgrund ihrer Auswirkungen auf den choroidalen Blutfluss lange als Risikofaktor für eine AMD vermutet [285, 286], obgleich die Daten der meis-
1
20
1
Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
ten epidemiologischen Studien widersprüchlich waren [16, 21, 267, 276, 279, 280, 287–291]. In der BDES zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Hypertonie und der 10-Jahres-Inzidenzrate der späten AMD, insbesondere für CNV [292]. Im Vergleich zu Personen mit normalem Blutdruck ergab sich für Personen mit behandelter, doch unkontrollierter Hypertonie eine RR von 2,26 für späte AMD (95%-CI 1,00–5,13) und eine RR von 3,29 für CNV (95%-CI 1,24–8,79). Personen mit behandelter und gut eingestellter Hypertonie wiesen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für CNV auf (RR 2,29; 95%-CI 1,12–4,69). Es zeigte sich ein Zusammenhang zwischen höherem systolischen Blutdruck bei Ausgangsmessung und der Inzidenz einer Depigmentierung des RPE (RR pro 10 mmHg systolischem Blutdruck: 1,10; 95%-CI 1,01–1,18) und CNV (RR 1,22; 95%-CI 1,06–1,41). Eine höhere Pulsamplitude bei Ausgangsmessung war mit der Inzidenz einer Depigmentierung des RPE (RR pro 10 mmHg: 1,17; 95%-CI 1,07–1,28), mit vermehrtem retinalen Pigment (RR 1,10; 95%-CI 1,01–1,19), mit CNV (RR 1,34; 95%CI 1,14–1,60) und AMD-Progression (RR 1,08; 95%-CI 1,01–1,17) assoziiert. In der RS fand sich eine klare dosisabhängige Assoziation zwischen erhöhtem systolischem Blutdruck und einem erhöhten Risiko für das Neuauftreten einer AMD (OR pro 10 mmHg-Anstieg: 1,08; 95%-CI 1,03–1,14) [293]. Im Gegensatz dazu zeigte sich in der BMES kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Pulsamplitude, systolischem oder diastolischen Blutdruck oder dem Vorliegen einer Hypertonie zu Beginn der Untersuchung und dem Neuauftreten einer AMD [289].
1.5.5
Kataraktchirurgie
Verschiedene Gruppen haben von einem Zusammenhang zwischen Kataraktchirurgie und AMD berichtet [294–304]. Querschnittsdaten der BDES zeigten eine Assoziation zwischen Kataraktchirurgie und früher AMD [295]. Die NHANES berichtete von einer QuerschnittsAssoziation zwischen Aphakie und AMD [294]. Freeman und Kollegen unternahmen Querschnittserfassungen in drei Populationen und fanden einen Zusammenhang zwischen Kataraktchirurgie und später AMD [300]. Die Prävalenzerhebung der BMES hingegen erbrachte keine signifikante Assoziation zwischen Kataraktchirurgie und früher oder später AMD [305]. Querschnittsanalysen der Rotterdam-Studie zeigten kein erhöhtes Risiko für GA oder CNV in pseudophaken Augen, jedoch ein erhöhtes Risiko für frühe AMD [306]. 5-Jahres-Inzidenzanalysen gepoolter Daten aus der BDES und der BMES (jede späte AMD: OR 5,7; 95%-CI 2,4–13,6) [304] sowie der
Rotterdam-Studie (nur trockene AMD: OR 3,44; 95%-CI 1,68–7,08) [306] ergaben eine positive Korrelation von später AMD und Kataraktchirurgie. Aufgrund der zeitlichen Abfolge der Ereignisse haben solche Daten mehr Gewicht. In zusätzlichen Nachuntersuchungsdaten der BDES zeigte sich eine Assoziation zwischen Inzidenz der späten AMD sowie AMD-Progression und Kataraktoperationen, die mindestens 10 Jahre zuvor stattgefunden hatten (OR 3,81; 95%-CI 1,89–7,69 sowie OR 1,97; 95%-CI 1,29–3,02) [301]. In der Rotterdam-Studie ergab sich eine mögliche Interaktion zwischen CFH und Kataraktchirurgie; die CFH Y402H-Variante bedeutete ein zusätzliches Risiko für geographische Atrophie [306]. Längsschnittdaten der AREDS zeigten kein erhöhtes Risiko für jeden Subtyp der späten AMD mit Kataraktchirurgie [307]. Ursächlich für die Widersprüche zwischen epidemiologischen Querschnitt- und Längsschnittstudien könnten Unterschiede im Studiendesign und in der Verteilung wichtiger genetischer und umweltbedingter Risikofaktoren (wie z. B. Lebensalter, Rauchen, sozioökonomischer Status und Sonnenlichtexposition) sein, von denen man glaubt, dass sie die Entwicklung und Progression sowohl von Katarakt (operationswürdig) als auch AMD begünstigen.
1.6
Interaktion zwischen Risikofaktoren
1.6.1
Kombinierte Effekte von CFH-Y402H und genetischen sowie umweltbedingten Faktoren
In der Rotterdam-Studie wurde von einer Interaktion zwischen CFH-Y402H und Rauchen, C-reaktivem ProteinLevel und Erythrozytensedimentationsrate (ESR) berichtet [66], was bedeutet, dass der Synergieeffekt jeder dieser Faktoren mit Y402H signifikant größer war als die Summe der einzelnen Effekte. Im Vergleich zu Personen des homozygoten Nicht-Risiko-(TT)-Genotyps und normalen ESR-Level hatten Personen des homozygoten Risiko(CC)-Genotyps und erhöhtem ESR-Level ein Risiko von 20,2 (95%-CI 9,5–43,0) für späte AMD. Höhere SerumCRP-Konzentrationen bei Personen des CC-Genotyps erhöhten das AMD-Risiko zusätzlich auf 27,7 (95%-CI 10,7–72,0) verglichen mit Personen des TT-Genotyps und den niedrigsten CRP-Konzentrationen. Im Vergleich zu TT-Trägern, die niemals geraucht hatten, ergab sich für derzeit aktive Raucher des CC-Genotyps eine OR von 34,0 (95%-CI 13,0–88,6) für späte AMD. Ein stärkerer Effekt von CFH-Y402H bei Rauchern wurde auch durch andere Studien bestätigt [65, 73, 78, 99, 308, 309].
21 1.6 · Interaktion zwischen Risikofaktoren
Eine weitere Spezifizierung nahmen DeAngelis et al. vor und schätzten, dass zehn »pack-years« oder mehr in Kombination mit dem CC-Genotyp das Risiko für eine CNV im Vergleich zu weniger als 10 »pack-years« Rauchen in Kombination mit einem CT- oder TT-Genotyp 144-fach erhöht [78]. Eine signifikante Interaktion von CFH-Y402H und BMI wurde in der AREDS beschrieben [73]. Ein höherer BMI (≥25) erhöhte das AMD-Risiko nicht bei Personen des TT-Genotyps (OR 0,7; 95%-CI 0,4–1,2), jedoch bei Personen mit CT- (OR 2,2; 95%-CI 1,3–4,0) und CC-Genotyp (OR 5,9; 95%-CI 3,1–11,4). Gold et al. berichteten, dass der protektive Effekt von C2 und/oder BF am stärksten bei Personen mit CFH CC-Genotyp (OR=0,27), mittelgradig beim CT-Genotyp (OR=0,36) und am schwächsten beim TT-Genotyp (OR=0,44) ausgeprägt war, doch überlappten die Konfidenzintervalle all dieser Schätzungen [49]. Die Interaktion zwischen genetischen Varianten und Antioxidanzien bei der Entstehung der späten AMD wurde in zwei Studien untersucht. In der AREDS wurde das Progressionsrisiko für späte AMD für die CFH-Y402Hund die LOC387715-A69S-Genotypen in verschiedenen Behandlungsarmen mit Antioxidanzien berechnet. Eine hohe Zinkdosis entfaltete den höchsten protektiven Effekt gegen AMD bei Trägern des homozygoten NichtRisiko-CFH-Genotyps, jedoch auch, wenngleich nicht signifikant für Träger der Risikovariante von LOC387715 [310]. In der BMES erwirkte ein hoher Fischkonsum eine bessere Protektion gegen späte AMD bei homozygoten Trägern von Y402H als bei Nichtträgern [311]. Des Weiteren ergab die RS, dass eine höhere Nahrungsaufnahme von Zink, Omega-3-Fettsäuren, β-Carotin und Lutein/ Zeaxanthin die Inzidenz einer frühen AMD bei Personen mit diesen genetischen Risikovarianten vermindern kann.
1.6.2
Kombinierte Effekte von 10q26-SNP und anderen genetischen sowie umweltbedingten Faktoren
Wenngleich nicht alle Studien eine statistische Interaktion fanden, so unterstützte die Mehrzahl einen starken kombinierten Effekt von Rauchen und LOC387715A69S für eine AMD-Prädisposition [53, 99, 153, 309, 312–316]. Eine Interaktionsanalyse von Schmidt et al. für die Anzahl der »Raucher-Pack-Years« und A69SGenotypen ergab einen linearen Anstieg der Häufigkeit des homozygoten Risikogenotyps TT bei betroffenen Personen mit steigender Anzahl von »pack-years« unabhängig von Lebensalter und Geschlecht mit einer korrespondierenden Abnahme des Nicht-Risiko-Genotyps
GG (p<0,05) [99]. Bei einem Vergleich aktueller Raucher mit Personen, die niemals rauchten, erhöhte sich das Risiko für Heterozygote (GT) um das 3- bis 6-fache, und für Homozygote (GG) um das 10- bis 27-fache [309, 312]. Zusätzlich zeigte die BMES bei A69S-GT und -TTGenotypen mittels des hochsensitiven CRP Markers eine kombinierte Auswirkung auf das Risiko, eine frühe und späte AMD auszubilden (OR 1,2 für das höchste Tertil allein, 1,6 nur für GT- und TT-Genotypen und 2,2 für GT- und TT-Genotypen in Kombination mit dem höchsten Tertil im Vergleich zum GG-Genotyp mit den zwei niedrigeren Tertilen). Auch die entsprechenden OR für eine Kombination der verschiedenen A69S-Genotypen mit weiteren Blutmarkern wurden berechnet: für IL-6 (1,1; 1,6 und 2,2), für sICAM-1 (1,0; 1,5 und 2,3) und für PAI-1 (1,3; 1,7 und 2,3), nicht jedoch für WCC, Fibrinogen, Homozystein und den Von-Willebrand-Faktor [315].
1.6.3
Kombinierte Effekte von CFH und ARMS2/HTRA1-SNP
Zahlreiche Studien haben den kombinierten Effekt von CFH-Y402H und LOC387715-A69S/HTRA1-rs11200638 untersucht [62, 74, 139, 309, 316–320]. Im Vergleich zum Nicht-Risiko-Genotyp (TTGG) hatten Personen mit homozygotem Risikogenotyp an beiden Genorten (CFH-CC – LOC387715-TT) OR zwischen 27 in einer finnischen Fall-Kontroll-Studie und 228 in der klinischbasierten AREDS an einer kaukasischen Population. Für Personen, die für beide Risikogenotypen CFH-Y402H und HTRA1-rs11200638 homozygot waren, variierten die kombinierten OR im Vergleich zu Personen mit keinerlei Risikoallelen dieser Genorte von 8 in einer japanischen Fall-Kontroll-Studie bis 193 in der AREDS. Neben dem kombinierten Risiko durch CFH-Y402H und LOC387715-A69S beobachteten Schmidt et al. eine zusätzliche Risikoerhöhung für AMD durch Rauchen [99]. Im Vergleich zur Kombination Nichtraucher/TT (Y402H)/ GG (A69S) erhöhte sich die OR bei Personen des CC (Y402H)/TT (LOC387715)-Genotyps von 10,2 bei Nichtrauchern auf 34,5 für Raucher. Auch Seitsonen et al. schlossen, dass Rauchen ein zusätzliches AMD-Risiko bedeutet, jedoch nur in Verbindung mit Geschlecht und C3-Genotyp [316]. Die univariate OR betrug für das Tragen wenigstens eines Risikoallels von CFH-Y402H 5,45 (95%-CI 2,18–16,83), von LOC387715-A69S 4,89 (95%CI 1,73–16,43) sowie von C3-R102G 2,12 (95%-CI 0,52– 8,70) und für Rauchen 3,22 (95%-CI 1,81–6,09), während die gemeinsame OR aller drei Genorte und Rauchen 74,3 (95%-CI 10,81–2123,6) ergab.
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Kapitel 1 · Epidemiologie der AMD
1.6.4
Kombinierte Effekte des ApoE-Gens und anderen genetischen sowie umweltbedingten Faktoren
Eine geschlechtsspezifische Rolle der ApoE-Allele bei Entwicklung oder Progression der AMD wird diskutiert, doch gibt es dazu widersprüchliche Ergebnisse. Schmidt et al. fanden eine signifikante Interaktion zwischen einem ε2-Träger-Status und Geschlecht [184]. Die ε2-Allele bedeuteten ein Risiko von 0,74 (95%-CI 0,52–1,06) bei Frauen und von 1,54 (95%-CI 0,97–2,45) bei Männern. Daher schlossen die Autoren, dass ε2-Allele nur bei Männern ein erhöhtes Risiko für AMD bedingen. Im Gegensatz dazu berichteten Baird et al. ein signifikant um das 4,8-fache (95%-CI 1,19–19,09) erhöhtes Risiko für AMDProgression bei ε2-Trägern verglichen mit ε4-Trägern und ein fast 2,8-faches Risiko (95%-CI 0,96–19,09) gegenüber ε3-Trägern [195]. Da diese Risikoerhöhung nur bei Frauen vorlag, schlossen die Autoren auf eine mögliche geschlechtsspezifische Rolle der ε2-Allele für die AMD-Progression. Fritsche et al. wiederum konnten gar keine geschlechtsspezifische Wirkung der ApoE-Allele feststellen [197]. Schmidt et al. berichteten von einem modifizierenden Effekt der ApoE-Genotypen auf das raucherabhängige Risiko für AMD [187], insbesondere für CNV [321]. Der schädliche Effekt des Rauchens zeigte sich am stärksten bei ApoE-ε2-Trägern verglichen mit ApoE-ε4-Trägern und Personen des ApoE-ε3/ε3-Genotyps. Die Risikoerhöhung für CNV fiel am deutlichsten bei ApoE-ε2-Trägern aus, wobei das Genotyp-abhängige Risiko im Verhältnis zu Nichtrauchern mit ApoE-ε3/ε3 von 1,9 für ApoE-ε4Trägern (p=0,11) über 2,2 für ApoE-ε3/ε3-Homozygote (p=0,007) auf 4,6 (p=0,001) für ApoE-ε2-Träger zunahm. Die Datenmengen in anderen Studien waren zu klein, um statistische Ergebnisse zu den Subgruppen zu erhalten [188, 196]. Fazit Im klinischen Alltag kann der Ophthalmologe das AMDRisiko im Wesentlichen aufgrund des Patientenalters, dessen Rauchgewohnheiten, sowie klinischen Zeichen von weichen Drusen und Pigmentveränderungen einschätzen. Die Identifikation prädisponierender Gene, der berichtete protektive Effekt bestimmter Nährstoffe, der angedeutete nachteilige Effekt von Katarakteingriffen auf die AMD-Progression sowie die mögliche Interaktion zwischen genetischen und umweltbedingten Faktoren bergen möglicherweise Informationen, die der Ophthalmologe für eine effizientere Therapie und individuelle Beratung des Patienten nutzen kann. So sollte z. B. Patienten mit früher AMD eine ausreichende Versorgung mit Antioxidanzien, Zink und Omega-3-Fettsäuren empfoh-
len werden. Des Weiteren sollten AMD-Patienten auf das Rauchen verzichten und sich gegen Hypertonie schützen. Die betrifft vor allem Patienten mit hohem genetischem Risiko. Zukünftige Studien müssen die neuen Anhaltspunkte bestätigen und weitere Hinweise liefern, ob eine genetische Testung und die Bestimmung von Biomarkern routinemäßig angewandt werden sollten, um die AMD-Prognose zu bestimmen.
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degeneration susceptibility alleles and interactions with modifiable risk factors. Arch Ophthalmol 125(1):55–62 Klein ML, Francis PJ, Rosner B, et al. (2008) CFH and LOC387715/ ARMS2 genotypes and treatment with antioxidants and zinc for age-related macular degeneration. Ophthalmology 115(6):1019–1025 Wang JJ, Rochtchina E, Smith W, et al. (2009) Combined effects of complement factor H genotypes, fish consumption, and inflammatory markers on long-term risk for age-related macular degeneration in a cohort. Am J Epidemiol 169(5):633–641 Francis PJ, George S, Schultz DW, et al. (2007) The LOC387715 gene, smoking, body mass index, environmental associations with advanced age-related macular degeneration. Hum Hered 63(3–4):212–218 Neuner B, Wellmann J, Dasch B, et al. (2008) LOC387715, smoking and their prognostic impact on visual functional status in age-related macular degeneration-The Muenster Aging and Retina Study (MARS) cohort. Ophthalmic Epidemiol15(3):148–154 Lee SJ, Kim NR, Chin HS (2010) LOC387715/HTRA1 polymorphisms, smoking, and combined effects on exudative agerelated macular degeneration in a Korean population. Clin Experiment Ophthalmol 38(7):698–704 Wang JJ, Ross RJ, Tuo J, et al. (2008) The LOC387715 polymorphism, inflammatory markers, smoking, and age-related macular degeneration. A population-based case-control study. Ophthalmology 115(4):693–699 Seitsonen SP, Onkamo P, Peng G, et al. (2008) Multifactor effects and evidence of potential interaction between complement factor H Y402H and LOC387715 A69S in age-related macular degeneration. PLoS ONE 3(12):e3833 Francis PJ, Zhang H, Dewan A, Hoh J, Klein ML (2008) Joint effects of polymorphisms in the HTRA1, LOC387715/ARMS2, and CFH genes on AMD in a Caucasian population. Mol Vis 14:1395–1400 Kaur I, Katta S, Hussain A, et al. (2008) Variants in the 10q26 gene cluster (LOC387715 and HTRA1) exhibit enhanced risk of age-related macular degeneration along with CFH in Indian patients. Invest Ophthalmol Vis Sci 49(5):1771–1776 Cameron DJ, Yang Z, Gibbs D, et al. (2007) HTRA1 variant confers similar risks to geographic atrophy and neovascular agerelated macular degeneration. Cell Cycle 6(9):1122–1125 Yoshida T, DeWan A, Zhang H, et al. (2007) HTRA1 promoter polymorphism predisposes Japanese to age-related macular degeneration. Mol Vis 13:545–548 Schmidt S, Haines JL, Postel EA, et al. (2005) Joint effects of smoking history and APOE genotypes in age-related macular degeneration. Mol Vis 11:941–949
1
2
Genetik U. Friedrich, L.G. Fritsche, B.H.F. Weber
2.1
Einleitung
2.2
Identifizierung von Risikofaktoren bei komplexen Erkrankungen – 34
2.3
Frühe Erkenntnisse – 35
2.3.1 2.3.2
ABCA4-Gen – 35 APOE-Gen – 36
2.4
CFH – das erste hauptverantwortliche AMD-Suszeptibilitätsgen – 38
2.4.1 2.4.2
Funktionelle Implikationen – 38 Weitere AMD-assoziierte Gene der Komplementkaskade
2.5
ARMS2/HTRA1 – ein zweites hauptverantwortliches AMD-Suszeptibilitätsgen – 39
2.5.1
Funktionelle Auswirkungen – 40
2.6
Neuste Erkenntnisse aus genomweiten Assoziationsstudien (GWAS)
2.7
Zur Rolle der Genetik in Prävention und Therapie der AMD – 41 Literatur
– 34
– 39
– 42
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 41
34
Kapitel 2 · Genetik
Kernaussagen ▬ Eine Vielzahl von Faktoren trägt zur Entwicklung
2 ▬
▬
▬
▬
2.1
einer AMD bei, wobei bis zu 71% der AMD-Disposition genetischen Ursachen zugeschrieben wird. Bis heute wurden mehrere AMD-prädisponierende genetische Faktoren identifiziert. Darunter befinden sich zwei mit der AMD besonders stark assoziierte Genorte, der Komplementfaktor H (CFH) auf 1q31 und ARMS2/HTRA1 auf 10q26. Nach neueren Schätzungen könnten genetische Varianten in diesen beiden Genorten zusammen für mehr als 50% der AMD-Fälle verantwortlich sein. Die Entdeckung von CFH, gemeinsam mit den in jüngerer Zeit identifizierten Modifikatoren CFB, C3 und CFI, hat gezeigt, dass dem alternativen Komplementsystem eine wichtige Rolle in der AMDPathogenese zukommt. Weitere Entwicklungen bei den HochdurchsatzTechnologien werden zur Entdeckung bisher noch unbekannter AMD-Gene mit vermutlich geringerer Frequenz und Effektstärke beitragen. Dadurch werden weitere Einblicke in die Mechanismen der AMD-Erkrankung möglich sein. Präventive Maßnahmen und therapeutische Ansätze, die auf das genetische Risikoprofil einzelner Patienten zugeschnitten sind, wären somit denkbar und könnten innovative Wege hin zu einer personalisierten Medizin eröffnen.
Einleitung
Erstmalig wurde die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) im Jahre 1885 als ein eigenständiges klinisches Krankheitsbild mit altersabhängiger Pigmentverschiebung und atrophischen Veränderungen des zentralen Netzhautbereiches (Makula) beschrieben [28]. Heute gilt die AMD als eine der häufigsten Netzhauterkrankungen in den Industrienationen und als Hauptursache für gesetzlich anerkannte Blindheit [21]. In den letzten Jahrzehnten wurden große Anstrengungen unternommen, die zugrunde liegenden Pathomechanismen der AMD aufzuklären. Zahlreiche klinisch-pathologische und experimentelle Beobachtungen führten zu ersten Konzepten einer AMD-Pathogenese, die darauf abzielen, mögliche Prozesse ausgehend von einer normalen, alternden Netzhaut bis hin zu manifesten Stadien der Erkrankung zu erklären [80]. Auf der Grundlage einer deutlichen Altersassoziation und einer damit verbundenen Veränderung homöostatischer Gleichgewichte in physiologischen
Prozessen des retinalen Pigmentepithels (RPE) und der Netzhaut wird angenommen, dass die Entwicklung der Erkrankung durch Umweltfaktoren und einen genetischen Hintergrund beeinflusst wird. Dabei gilt die Netzhaut als äußerst empfindlich vor allem gegenüber erhöhtem oxidativem Stress. Solche initialen Ereignisse führen möglicherweise zu chronischen Entzündungsreaktionen, in deren Folge sich eine pathologische extrazelluläre Matrix bilden kann. Die Gesamtheit dieser Vorschädigungen mag letztlich Grundlage einer veränderten Diffusion von Nährstoffen durch die Bruch-Membran, einer fünfschichtigen extrazellulären Matrix zwischen RPE und Netzhaut, sein. In letzter Konsequenz können diese Entwicklungen atrophische Veränderungen im RPE-/Aderhautbereich auslösen und neovaskuläre Komplikationen mit einer Neubildung von Gefäßen aus der Netzhaut oder der Aderhaut begünstigen und somit die Spätstadien der AMD markieren. Mit Hilfe einer Reihe von Zwillingsstudien wurde die Erblichkeit der AMD zwischen 46% und 71% geschätzt [65]. Erste Arbeiten zur Identifizierung der zugrunde liegenden genetischen Faktoren datieren auf die späten 1990er-Jahre, berichten jedoch über durchwegs schwache oder seltene Risikovarianten [2, 42, 70]. Erst 2005 wurde mit der Beschreibung des Komplementfaktor-H-Gens (»complement factor H«, CFH) ein Durchbruch bei der Suche nach prädisponierenden Genen der AMD erreicht. Dabei zeigten sich Effektgrößen und Häufigkeiten von Genvarianten im CFH-Genlokus, die auf dem Gebiet der komplexen Erkrankungen bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt waren [18, 32, 33, 43]. Zudem konnte das CFHGen direkt einem biologischen Prozess bei der AMD-Pathogenese zugeordnet werden, dem schon 20 Jahre zuvor eine Rolle in der Ätiologie der Erkrankung zugeschrieben wurde und bei dem von einer chronisch-entzündlichen Komponente im Verlauf der Krankheitsentwicklung ausgegangen wurde [54]. Seither konnte eine Reihe von weiteren Genen reproduzierbar mit der AMD assoziiert werden, wir ein besseres Verständnis der AMD-Erkrankung erlangt haben. Die folgenden Kapitel sollen einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der AMD-Genetik liefern und auf sich daraus ergebende Perspektiven sowie zukünftige Herausforderungen bei der medizinischen Versorgung von AMD-Patienten eingehen.
2.2
Identifizierung von Risikofaktoren bei komplexen Erkrankungen
Seit 2003 haben drei synergistische Entwicklungen das Auffinden von genetischen Risikofaktoren bei komplexen Erkrankungen deutlich erleichtert:
35 2.3 · Frühe Erkenntnisse
▬ Die Sequenz des menschlichen Genoms steht mit höchster Genauigkeit zur Verfügung. ▬ Öffentlich zugängliche Datenbanken erlauben einen systematischen Zugriff auf häufige menschliche DNA-Sequenzvarianten. ▬ Weitreichende technologische Fortschritte auf dem Gebiet der Sequenzierung und Genotypisierung ermöglichen heute, Einzelnukleotid-Polymorphismen (»single nucleotide polymorphisms«, SNPs) in großen Stichproben effizient und kostengünstig zu bestimmen. Das Studiendesign zur Auffindung von Genvarianten zielt vor allem auf Fall-Kontroll-Assoziationsstudien ab und versucht somit, eine Anreicherung von Risikovarianten in einer Patienten- im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe nachzuweisen. Zwei synergistische Arbeitshypothesen kommen hierbei zur Anwendung und werden als »common disease – common variant (CDCV)-Hypothese« bzw. als »common disease – rare variant (CDRV)Hypothese« unterschieden. Die CDCV-Hypothese geht davon aus, dass häufige Varianten Ursache für häufige Erkrankungen sind. Entsprechend richtet sich die Suche auf häufige Varianten im menschlichen Genom, die mit einer Erkrankung assoziiert sein könnten. Im Gegensatz dazu betrachtet die CDRV-Hypothese seltene genetische Varianten, die für sich genommen zwar einen starken bis moderaten Effekt ausüben, bezogen auf die Krankheitslast allerdings einen eher untergeordneten Einfluss besitzen. Da jedoch viele solcher Varianten in einem oder mehreren Genen vorkommen können, vermag die Gesamtheit der Varianten, diese Gene in den Bereich häufiger Suszeptibilitätsgene zu bringen [63]. Da häufige Varianten sich günstiger und einfacher analysieren lassen als seltene »individuelle« Polymorphismen, erfährt die CDCV-Hypothese gegenwärtig eine breite Akzeptanz bei der Erforschung komplexer Erkrankungen. Häufige Risikovarianten finden dabei nicht nur bei der Analyse von Kandidatengenen Verwendung, sondern kommen auch bei ungerichteten Ansätzen wie den genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) erfolgreich zum Einsatz. GWAS sind erst seit wenigen Jahren dank der Entwicklung von Hochdurchsatz-Genotypisierungsplattformen möglich und erlauben die Analyse von tausenden bis Millionen Varianten in einem einzigen Experiment. Ein unschätzbarer Vorteil dieses Ansatzes ist die Zufälligkeit und damit die Unvoreingenommenheit bei der Auswahl der genetischen Varianten. Hierdurch ist es möglich, assoziierte Gene aufzuspüren, die durch ihre bekannten oder möglicherweise nicht bekannten Eigenschaften per se nicht als Kandidat in Frage gekommen wären. Allerdings erhöht die Vielzahl der analysierten
Polymorphismen auch die Wahrscheinlichkeit von zufälligen, falsch-positiven Assoziationssignalen, weshalb eine Korrektur für Mehrfachtestungen unabdingbar ist. Dies beschränkt die auffindbaren Suszeptibilitätsvarianten auf häufigere Polymorphismen mit stärkeren Effekten [45]. Bei den Kandidatengenstudien werden interessante Gene aufgrund von A-priori-Informationen ausgewählt, beispielsweise aufgrund ▬ funktioneller Eigenschaften ihrer Genprodukte, die die beobachtete Pathologie erklären könnten, ▬ krankheitsrelevanter Expressionsprofile, ▬ einer bekannten Rolle in überlappenden Pathologien oder ▬ bekannter Tiermodelle mit Bezug zur untersuchten Krankheit. Der Kandidatengenansatz beschränkt sich typischerweise auf eine begrenzte Anzahl von Varianten innerhalb eines Genortes, die in einer großen Fall-Kontroll-Studie untersucht werden. Dies gewährleistet in der Regel eine ausreichende statistische Aussagekraft, um selbst seltene und schwache Risikoeffekte zu detektieren.
2.3
Frühe Erkenntnisse
Erste erfolgreiche Kandidatengenstudien beschäftigten sich mit den Genen ABCA4 (»ATP-binding cassette, subfamily A« [ABC1], member 4) und APOE (Apolipoprotein E). Beide Gene zeigen zwar eher marginale Beiträge zur AMD-Krankheitslast, dienen jedoch als gute Beispiele für die Schwierigkeiten, die bei der Analyse von genetischen Risikofaktoren komplexer Erkrankung auftreten können.
2.3.1
ABCA4-Gen
Im Jahr 1997 identifizierten Allikmets und Kollegen Veränderungen im ABCA4-Gen als Ursache des autosomalrezessiven Morbus Stargardt, einer häufigen Form erblicher Netzhaut-Dystrophie in jugendlichem Alter [3]. Da Morbus Stargardt mehrere phänotypische Merkmale mit der AMD gemeinsam hat, untersuchten Allikmets et al. die 50 Exone des ABCA4-Gens in 167 AMD-Patienten [2]. Identifizierte Varianten wurden in einer Stichprobe von 98 Morbus Stargardt-Patienten und 220 gesunden Kontrollpersonen überprüft. Insgesamt wurden auf diese Weise zehn Varianten gefunden, die ausschließlich in AMD-Patienten vorkamen [2]. Die meisten von ihnen waren selten und traten nur 1- bis 2-mal in der analysierten Stichprobe auf. Nur zwei Veränderungen, nämlich D2177N und G1961E, wurden häufiger gefunden.
2
36
2
Kapitel 2 · Genetik
In einer multizentrischen Studie mit hohen Fallzahlen konnten diese beiden Varianten deutlich mit der AMD assoziiert werden [1]. Nachfolgende Studien lieferten jedoch widersprüchliche Ergebnisse, wobei die beiden letztgenannten Varianten mit der gleichen Häufigkeit in AMD- und Kontrollgruppen gefunden wurden [29]. Außerdem konnte in mehreren AMD-Familien keine überzeugende Segregation der vermeintlichen Risikoallele mit der Krankheit beobachtet werden [29]. Dennoch waren auch in diesen Arbeiten nicht-synonym kodierende Varianten in AMD-Patientengruppen deutlich angereichert, was wiederum im Einklang mit Überlegungen der CDRV-Hypothese steht. Es ist jedoch zu beachten, dass die meisten, wenn nicht alle bisher zu dieser Problematik veröffentlichten Studien kleine Fallzahlen mit unzureichender statistischer Aussagekraft aufweisen [7, 66]. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der HochdurchsatzResequenzierungstechnologie sind sicher geeignet, große Fallzahlen an Patienten und Kontrollpersonen in eine solche Fragestellung mit einzubeziehen. Damit sollte es mittelfristig möglich sein, die Rolle von ABCA4 bei der AMD zu klären.
2.3.2
APOE-Gen
Seit Längerem ist bekannt, dass häufige Varianten im APOE-Gen mit Morbus Alzheimer (AD), einer altersabhängigen Erkrankung mit Ablagerungen im zentralen Nervensystem (ZNS), assoziiert sind [73]. Die altersbedingten Symptome, aber auch eine funktionelle Rolle von APOE im Lipidtransport und -stoffwechsel, insbesondere im ZNS, machen APOE zu einem interessanten Kandidaten auch für ein AMD-Gen. Drei APOE-Varianten (Allele ε2, ε3, und ε4) resultieren aus zwei nicht-synonym kodierenden SNPs (nsSNPs) des APOE-Gens. Die entsprechenden Proteinisoformen (E2, E3 und E4) wurden aufgrund ihrer Rolle bei AD ausgiebig untersucht und weisen deutliche funktionelle Unterschiede auf [48]. 1998 detektierten zwei unabhängige AMD-Fall-Kontroll-Studien den ε4-Haplotypen mit signifikant geringeren Häufigkeiten in AMD-Patientenkohorten als in Kontrollgruppen und assoziierten damit diesen Haplotyp mit einem reduzierten Risiko für AMD (⊡ Tab. 2.1) [42, 70]. Mehrere Replikationsstudien bestätigten den schützenden Effekt des ε4-Haplotyps und deuteten außerdem
⊡ Tab. 2.1 Bestätigte AMD-Suszeptibilitäts-Genorte und ihre wahrscheinlich funktionellen Varianten Chromosomenbande
1q31
Gen
CFH
Assoziierte Variante (Konsequenz)
rs1061170:T>C (Y402H)
rs800292:G>A (I62V)
10q26
▼
Effektallel
C
A
Referenz
Beobachtete Effektallelfrequenz (%)
Spanne der beobachteten Odds Ratios
AMDFälle
Kontrollen
Heterozygote
Homozygote
Kaukasisch
54–63
31–40
2,0–3,0
3,3–11,6
[15, 18, 32, 33, 37, 39, 56, 59, 82]
Asiatisch
6–9
4–5
N.S.
N.S.
[11, 52]
Kaukasisch
10–12
23–27
0,29– 0,48
0,11– 0,12
[37, 39, 47]
Asiatisch
25–27
38–44
0,51
0,35
[11, 52]
Kaukasisch
16–19
40–45
0,37
0,08
[37, 47]
Asiatisch
33
49
0,45
0,26
[52]
Bevölkerungsgruppe
rs2274700:G>A (A473A; unbekannt)
A
CFHR3/ CFHR1
85-kb-Deletion (Defizienz)
Del.
Kaukasisch
8–11
14–24
0,51
0,12
[31, 37, 60, 71]
ARMS2
rs10490924:G>T (A69S)
T
Kaukasisch
36–52
19–24
2,1–3,2
5,7–10,3
[15, 22, 30, 39, 49, 56, 58, 59, 77]
Asiatisch
66–74
41–49
1,7–2,7
7,0–11,1
[22, 26, 77]
Kaukasisch
36–53
19–25
2,3–3,2
6,9–18,8
[22, 30, 55, 77]
Asiatisch
67–73
40–49
2,1–2,4
8,0–8,8
[26, 77]
c.*del443ins54 (mRNA-Umsatz)
Indel
2
37 2.3 · Frühe Erkenntnisse
⊡ Tab. 2.1 Fortsetzung Chromosomenbande
Gen
HTRA1
4q25
6p21
CFI
C2
CFB
15q21.3
LIPC
Assoziierte Variante (Konsequenz)
rs11200638:G>A (Promotor)
Effektallel
A
Referenz
Beobachtete Effektallelfrequenz (%)
Spanne der beobachteten Odds Ratios
AMDFälle
Kontrollen
Heterozygote
Homozygote
Kaukasisch
36–53
20–25
1,9–3,3
6,6–10,3
[22, 30, 76, 77]
Asiatisch
77
52
1,6–4,1
10,0– 12,9
[17, 77]
Bevölkerungsgruppe
rs2285714 (23 kb downstream; unbekannt)
T
Kaukasisch
46
39–40
1,3
1,7
[83, 85]
rs10033900 (3 kb downstream)
T
Kaukasisch
54
45
1,4
2,0
[85]
rs9332739:G>C (E318D)
C
Kaukasisch
2–3
3–6
0,49
N.S.
[25, 38, 49, 71]
rs547154:G>T (intronisch; unbekannt)
T
Kaukasisch
3–5
10–11
0,46
0,24
[25, 38, 49, 71]
rs4151667:T>A (L9H)
A
Kaukasisch
2–3
4–5
0,48
N.S.
[25, 38, 49]
rs641153:G>A (R32Q)
A
Kaukasisch
4–5
10–11
0,50
0,20
[25, 49, 71, 78]
rs493258 (36 kb upstream; unbekannt)
T
Kaukasisch
42–44
42–48
0,88
0,77
[83, 84]
rs10468017 (45 kb upstream; unbekannt)
T
Kaukasisch
26
30–34
0,82
0,67
[83]
16q13
CETP
rs3764261 (3 kb upstream; unbekannt)
A
Kaukasisch
35–36
31–32
1,2
1,4
[83, 84]
19p13
C3
rs2230199:C>G (R102G)
G
Kaukasisch
25–30
20–22
1,5–1,7
1,9–2,5
[16, 50, 72, 78]
rs1047286:C>T (P314L)
T
Kaukasisch
27
20–22
1,5
1,6–2,2
[16, 72, 78]
ε-Haplotypen (C112R-R158C)
ε4
Kaukasisch
3–15
10–18
0,62*
N.S.*
[6, 42, 62, 61, 64, 67, 70, 74, 81]
ε2
Kaukasisch
9–13
6–9
N.S.*
N.S.*
[6, 42, 62, 61, 64, 67, 70, 74, 81]
C
Kaukasisch
4
5–6
0,71
0,50
[83, 84]
19q13
22q12.3
APOE
TIMP3
rs9621532 (112 kb upstream; unbekannt)
Bemerkungen: N.S. statistisch nicht signifikant; *Meta-Analyse [74]
38
2
Kapitel 2 · Genetik
an, dass der ε2-Haplotyp das AMD-Risiko erhöht (z. B. [23, 64, 81]). Allerdings waren insbesondere die letztgenannten Ergebnisse nur ungenügend replizierbar, was vermutlich auf eine unzureichende statistische Aussagekraft der einzelnen Studien zurückzuführen ist. Interessanterweise ist die Richtung des ε4-Effektes bei der AMD im Vergleich zu AD entgegengesetzt, d. h. ε4-Träger besitzen ein reduziertes Risiko für AMD, aber ein deutlich erhöhtes Risiko für AD [73]. Die zugrunde liegenden Mechanismen dieser unterschiedlichen Effekte sind unbekannt.
2.4
CFH – das erste hauptverantwortliche AMD-Suszeptibilitätsgen
Im Jahr 2005 wurden zeitgleich eine GWAS, eine funktionelle und zwei positionelle Kandidatengenstudien veröffentlicht, die unabhängig das CFH-Gen auf Chromosom 1q31 als erstes hauptverantwortliches AMD-Gen beschrieben [18, 32, 33, 43]. Bemerkenswert war hierbei die Arbeit der Gruppe um Klein et al. [43], die zum ersten Mal mit einem GWAS-Ansatz und damit einer genomweiten, ungerichteten Suche erfolgreich Risikovarianten bei einer komplexen Erkrankung aufspüren konnte. Die beobachteten Effekte und Häufigkeiten der Risikovarianten im CFH-Gen übertrafen die Erwartungen der meisten Experten auf diesem Gebiet. Diese erste Arbeit läutete eine neue Ära genetischer Untersuchungen bei komplexen Erkrankungen ein. Der bekannteste, risikoerhöhende Effekt des CFHGenorts wird einem einzelnen Haplotypen zugeschrieben, der neben anderen Varianten insbesondere durch den nsSNP rs1061170 (CFH:Y402H) eindeutig identifizierbar ist. Das seltenere Allel dieses SNP hat in der kaukasischen Bevölkerung eine Häufigkeit (»minor allele frequency«, MAF) von 31–40%, wird jedoch in AMD-Patientengruppen mit einer Frequenz von 54–63% deutlich häufiger gefunden (⊡ Tab. 2.1). Heterozygote Individuen mit der Risikovarianten zeigen Odds Ratios (OR) von 2,0–3,0, homozygote Individuen ein OR zwischen 3,3 und 11,6. Neben diesem Risikohaplotyp existieren zwei häufige protektive Haplotypen, die vermutlich unabhängige Risikomodifikatoren darstellen [33, 37]. Der erste wird durch den nsSNP rs800292 (CFH:I62V) markiert, der in der kaukasischen Bevölkerung eine geringere MAF als rs1061170 und einen vergleichbaren, jedoch inversen, Risikoeffekt aufweist (⊡ Tab. 2.1). Der zweite protektive Haplotyp zeigt sich in nahezu perfekter Korrelation zu einem Kopienzahl-Polymorphismus (»copy number polymorphism«, CNP) telomerisch zu CFH [20]. Dieser CNP wird mit einer Häufigkeit von 14–24% in der Kontrollgruppe und mit 8–11% bei AMD-Patienten beobachtet. Das seltenere Allel des CNP
stellt eine häufige 85 kb große Deletion dar, die die beiden CFH-verwandten (CFH-related, CFHR) Gene CFHR3 und CFHR1 umspannt [37, 60]. Eine weitere interessante Variante an diesem Genort ist der synonym kodierende SNP rs2274700 (CFH:A473A), dessen selteneres Allel fast ausschließlich auf den beiden protektiven Haplotypen vorkommt und folglich ebenfalls einen AMD schützenden Effekt aufweist. Die beobachtete MAF von rs2274700 liegt mit 40–45% in der allgemeinen Bevölkerung deutlich höher als die von rs1061170, weshalb er zu einer der wichtigsten Risikodeterminanten des CFH-Genortes zählt. Festzustellen ist, dass alle bekannten CFH-Risikovarianten zu einem veränderten Risiko führen und zwar unabhängig von den beiden AMD-Spätstadien, der geographischen Atrophie (GA) und der neovaskulären Komplikation (NV). Vergleicht man kaukasische mit asiatischen Populationen, werden Unterschiede bei den MAF von rs1061170, rs800292 und rs274700 deutlich. Insbesondere findet sich rs1061170 in der asiatischen Bevölkerung deutlich seltener, weshalb rs1061170 in dieser ethnischen Gruppe nur eine untergeordnete Rolle für ein AMDRisiko zu spielen scheint (⊡ Tab. 2.1).
2.4.1
Funktionelle Implikationen
Die Entdeckung einer Assoziation von CFH-Varianten mit der AMD war ein entscheidender Durchbruch für die Bemühungen zur Aufklärung der AMD-Pathogenese. Nachfolgende Studien zur Funktion der CFH-Risikovarianten erlaubten einen ersten direkten Einblick in die grundlegenden molekularen Mechanismen, die einer AMD zugrunde liegen könnten. Das CFH-Gen kodiert für zwei funktionelle Proteine, das CFH und dessen alternative Isoform FHL-1. Beide Isoformen agieren als negative Regulatoren der Komplementaktivierung [24, 57] und beide werden durch die Risikovariante CFH:Y402H am Codon 402 in ihrer Aminosäuresequenz verändert. In Personen, die homozygot für die CFH-Risikovariante His402 sind, konnte gezeigt werden, dass die CFH-Serumkonzentration gegenüber denen von Kontrollpersonen unverändert ist. Jedoch waren die Werte einiger Komplementaktivatoren in Aderhaut und im Blutplasma erhöht [35, 40]. In weiteren Studien wiesen die CFH- und FHL-1-Risikovarianten eine verringerte Bindungsaffinität zum C-reaktiven Protein (CRP), zu Heparin sowie zu bakteriellen und RPE-Oberflächen auf [14, 46, 69, 79]. Demzufolge könnte der Austausch an Position 402 regulatorische Eigenschaften von CFH und FHL-1 im Komplementweg beeinflussen. Konsequenzen der beiden protektiven CFH-Haplotypen auf das Komplementsystem sind noch unklar, ob-
39 2.5 · ARMS2/HTRA1 – ein zweites hauptverantwortliches AMD-Suszeptibilitätsgen
wohl der CFH:I62V-Austausch in einer Bindestelle für den Komplement-Aktivator C3b liegt und damit funktionelle Einflüsse haben könnte [32]. Ebenso wenig ist der Mechanismus der AMD-Protektion im Falle einer homozygoten Deletion von CFHR1 und CFHR3 verstanden. Sowohl CFHR1 als auch CFHR3 können spezifische Komplementkomponenten und bakterielle Oberflächen binden und sind somit ähnlich wie CFH vermutlich an der Komplementregulation beteiligt [68]. Während die biologische Funktion von CFHR3 noch aufzuklären ist, konnte für CFHR1 kürzlich gezeigt werden, dass es die letzten Schritte der Komplementkaskade inhibiert [36]. Somit scheint es kontraintuitiv, dass ein Verlust von CFHR1 und CFHR3 mit einem verminderten AMDRisiko verbunden ist. CFHR1 konkurriert jedoch mit dem Komplementinhibitor CFH um Bindestellen an C3b, Heparin und Zelloberflächen, und könnte so zu einer Reduktion der CFH-Aktivität führen [36]. Dies wiederum könnte den protektiven Effekt der CFHR1- und CFHR3Deletion erklären.
2.4.2
Weitere AMD-assoziierte Gene der Komplementkaskade
Durch zielgerichtete Untersuchungen weiterer Komponenten der Komplementkaskade konnten AMD-assoziierte nsSNPs auch im Komplementfaktor B (»complement factor B«, CFB)-Gen und in dem in direkter chromosomaler Nachbarschaft gelegenen Komplementkomponente 2 (»complement component 2«, C2)-Gen entdeckt werden (⊡ Tab. 2.1) [25, 38, 49, 71, 78]. CFB und C2, beides Aktivatoren des Komplementsystems, regulieren den C3Syntheseweg und werden in der Netzhaut, dem RPE sowie der Aderhaut exprimiert. Zwei nsSNPs im CFB-Gen, rs4151667 (L9H) und rs641153 (R32Q), scheinen hierbei von funktioneller Bedeutung zu sein. So besitzt die Gln32Proteinisoform im Vergleich zur häufigeren Arg32-Isoform eine reduzierte hämolytische Aktivität, was auf eine geringere Bindungsaffinität der Gln32-Isoform für C3b zurückzuführen sein könnte [51]. Hingegen wird vermutet, dass die L9H-Variante das Signalpeptid des Proteins beeinflusst, was somit die CFB-Sekretion beeinflussen könnte. Allerdings liegen hierzu noch wenige funktionelle Studien vor. Die SNPs rs9332739 (C2:E318D) und rs547154 (intronisch) im C2-Gen sind mit den CFB-SNP rs4151667 bzw. rs641153 hoch korreliert und somit mit einem vergleichbaren AMD-protektiven Effekt assoziiert (⊡ Tab. 2.1). Ein unabhängiger Einfluss von C2-SNPs auf das AMD-Risiko konnte bisher allerdings nicht gezeigt werden. Tatsächlich ist das Fehlen eines solchen Effekts sehr gut vorstellbar, da sich aufgrund der vorliegenden
Daten bereits andeutet, dass ein variantes CFB-Protein alleine die Aktivität des alternativen Komplementweges hinreichend beeinflussen könnte. Die verschiedenen Signalwege des Komplementsystems konvergieren in der Komplementkomponente 3 (»complement component 3«, C3), die die Bildung des Membranangriffskomplexes und somit die Zelllyse reguliert. Eine Kandidatengenstudie des C3-Gens konnte die beiden hoch korrelierten nsSNPs rs2230199 (R102G) und rs1047286 (P314L) mit einem erhöhten AMD-Risiko assoziieren[16, 72, 78] (⊡ Tab. 2.1). Interessanterweise wurde diesen beiden Varianten bereits vor über 30 Jahren eine funktionelle Konsequenz zugeschrieben, nämlich eine unterschiedliche Bindungskapazität für Komplementrezeptoren [42]. Hierbei wurde vermutet, dass sich die C3-Isoformen in ihrer Tertiärstruktur unterscheiden, was deren akzessorische Bindungsstellen beeinflussen sollte [8]. Aufgrund der Befunde in den Genen CFH, CFB und C3 bietet sich die alternative Komplementkaskade als sehr vielversprechender Forschungsschwerpunkt für weitere Studien zu AMD-Suszeptibilitätsgenen an. Entsprechend bilden Kandidatengenansätze für die einzelnen Mitglieder der Komplementkaskade einen wichtigen Ansatz in der aktuellen Forschung. Dass dies erfolgreich sein kann, zeigte ein kürzlich erschienene Arbeit, die SNPs in der Nähe des Komplementfaktors I (»complement factor I«; CFI) aufspürte, welche ebenfalls das AMD-Risiko signifikant beeinflussen [85] (⊡ Tab. 2.1). Dies sollte zu einer weiteren Aufklärung der Rolle der Komplementaktivierung bei der AMD-Pathogenese beitragen.
2.5
ARMS2/HTRA1 – ein zweites hauptverantwortliches AMDSuszeptibilitätsgen
Ein weiteres starkes Kopplungssignal war auf Chromosom 10q26 lokalisiert worden [19]. Diese Region konnte zunächst auf zwei Gene PLEKHA1 (»pleckstrin homology domain containing, family A member 1«) und ARMS2 (»age-related maculopathy susceptibility 2«, alias hypothetisches LOC387715) eingegrenzt werden [39]. Hierbei zeigte sich, dass der nsSNP rs10490924 (A69S) im Exon 1 des ARMS2-Gens das Assoziationssignal dieser Region hinreichend zu erklären vermochte [56]. Die Häufigkeit des Risikoallels betrug in der Kontrollgruppe etwa 19–24% und in den AMD-Patienten etwa 36–52%, was für heterozygote Personen ein OR von 2,1–3,2 und homozygote Personen ein OR von 5,7–10,3 bedeutet. Im Vergleich zur CFH-Risikovarianten rs1061170 ist die Effektstärke von rs10490924 damit etwas höher, ihre Häu-
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Kapitel 2 · Genetik
figkeit aber etwas niedriger, weshalb beide Varianten einen ähnlich hohen Beitrag zum AMD-Erkrankungsrisiko liefern. Folglich lässt sich die 10q26-Region als ein zweiter hauptverantwortlicher Genort für eine AMD-Suszeptibilität definieren [56] (⊡ Tab. 2.1). Die beiden prominenten AMD-Risikofaktoren, rs1061170 auf Chromosom 1q31 und rs10490924 auf Chromosom 10q26, tragen unabhängig und additiv zu einem erhöhten AMD-Risiko bei. Ähnlich wie bei der CFH-Risikovarianten rs1061170, wurde die AMD-Assoziation von rs10490924 sowohl bei GA, als auch bei CNV-Patienten beobachtet. Nachfolgende Assoziationsstudien im Bereich 10q26 identifizierten zusätzliche AMD-assoziierte Varianten auch im Bereich des benachbarten HTRA1-(»HtrA serine peptidase 1«)-Gens [17, 49, 76]. Eine umfassende Assoziationsstudie zur Feinkartierung der Region konnte schließlich einen 23 kb großen Kandidatenbereich definieren, der den kompletten ARMS2-Genort einschließlich der 5‘-Region des HTRA1-Gens samt regulatorischem Bereich und einem Teil des ersten Introns enthielt. Die Resequenzierung des Risikohaplotyps dieser Region ergab insgesamt 15 hochgradig korrelierte Varianten, die alle vergleichbar stark mit der AMD assoziiert sind [22]. Es sollte beachtet werden, dass die Bestimmung der kausalen Risikovarianten mit statistischen Mitteln die Analyse von Tausenden oder gar Zehntausenden von AMDPatienten und Kontrollen erfordern würde, und damit äußerst impraktikabel wäre. Somit wird es vermutlich nur eine funktionelle Analyse der 15 AMD-assoziierten Varianten erlauben, mögliche Auswirkung auf die Entwicklung einer AMD zu bestimmen. Von den 15 Varianten sind vor allem drei von besonderem Interesse: ▬ der nsSNP rs10490924 im Exon 1 von ARMS2 (A69S), ▬ die c.*del443ins54-Variante im 3‘-untranslatierten Bereich von ARMS2 und schließlich ▬ rs11200638, ein potenziell regulatorischer SNP, der etwa 600 Nukleotide vor dem HTRA1-Startcodon liegt. Alle drei Varianten sind auch in asiatischen Bevölkerungen mit AMD assoziiert und dort sogar in ihren Frequenzen etwas häufiger als in den kaukasischen Ethnizitäten. Die ARMS2/HTRA1-Varianten scheinen daher im Vergleich zur CFH-Risikovariante rs1061170 global verteilt zu sein (⊡ Tab. 2.1).
2.5.1
Funktionelle Auswirkungen
Die 15 Risikovarianten der 23 kb-Region in 10q26 weisen stark auf die beiden Gene ARMS2 und HTRA1 hin,
die folglich beide als gleichwertige Kandidaten für das gesuchte AMD-Risikogen gelten können. Obwohl funktionelle Konsequenzen für einige der AMD-assoziierten SNPs der ARMS2/HTRA1-Region vorgeschlagen wurden, fehlen bisher reproduzierbare Daten, die für eine eindeutige Rolle von ARMS2 oder HTRA1 in der AMDPathologie sprechen würden. HTRA1 ist ein Mitglied der HTRA-Familie der Serinproteasen und wurde ursprünglich als sezerniertes Protein beschrieben, das in mögliche Prozesse der AMDPathogenese, wie ECM-Homöostase [27], Komplementsystemmodifikation [4, 53] und Amyloidablagerungen [4, 27], involviert ist. Neuere Studien beschäftigen sich mit einer intrazellulären Form von HTRA1, die die Zellmigration [13] und Apoptose [34] beeinflussen soll. Chan et al. [10] wiesen auf eine Hochregulation der HTRA1Expression in makulären Läsionen von AMD-Patienten hin. Darüber hinaus wurde das Protein in Drusenablagerungen von Netzhäuten mit fortgeschrittener AMD nachgewiesen [9, 17]. Ein Zusammenhang dieser Beobachtungen mit funktionellen Auswirkungen der Risikovarianten auf die HTRA1-Proteinsequenz oder -struktur wurde bisher allerdings nicht untersucht. Ebenso wurden bisher eher widersprüchliche Daten zum Einfluss von Risikovarianten auf die HTRA1-Expression vorgestellt [4, 41, 76, 77]. Die ersten funktionellen Studien zur Rolle von ARMS2 im Netzhaut-/RPE-/Aderhautkomplex lieferten ebenfalls kontroverse Daten. ARMS2 wird spezifisch in der humanen Netzhaut und Plazenta exprimiert, jedoch nicht in einer Reihe von anderen untersuchten Geweben [20, 22, 41]. Das Gen ist phylogenetisch jung und erst in der Primatenlinie nachweisbar. Die vorhergesagte Aminosäuresequenz weist keine Ähnlichkeit zu einem bekannten Protein oder einer Proteindomäne auf. Während die Lokalisation des mutmaßlichen ARMS2Proteins noch widersprüchlich ist [41, 44, 75], kann nicht ausgeschlossen werden, dass ARMS2 auf RNAEbene wirkt, oder möglicherweise auch nur ein Zufallstranskript ohne zelluläre Funktion ist. Ein wichtiges Argument, das für ARMS2 als das gesuchte AMD-Suszeptibilitätsgen spricht, ist ein vor Kurzem identifizierter Indel-Polymorphismus (c.*del443ins54) in der 3’untranslatierten Region des Gens, der zu einer Deletion des Polyadenylierungssignals und einer Insertion eines AU-reichen Elements in der ARMS2-mRNA führt. In der Konsequenz führt diese Indel-Mutation dazu, dass die Risiko-assoziierte Isoform der ARMS2-mRNA hochgradig instabil ist [22]. Sollte dem ARMS2-Genprodukt eine zelluläre Funktion zuzuordnen sein, hätte dies eine teilweise oder vollständige Insuffizienz dieser Funktion bei Risikoträgern zur Folge.
41 2.7 · Zur Rolle der Genetik in Prävention und Therapie der AMD
2.6
Neuste Erkenntnisse aus genomweiten Assoziationsstudien (GWAS)
In der bereits erwähnten, ersten erfolgreichen GWAS von Klein et al. (2005), die CFH als Suszeptibilitätsgen nachweisen konnte, wurden mit 96 AMD-Patienten und 50 Kontrollpersonen eine recht kleine Anzahl an Individuen untersucht. Dennoch reichte dessen statistische Aussagekraft aus, um die häufigen und starken Risikoeffekte des CFH-Gens deutlich zu erkennen. Neuste GWAS basieren auf mehreren tausend Personen und können damit die bekannten aber auch deutlich schwächere Assoziationssignale, wie die von C3, CFB und CFI mit genomweiter Signifikanz (p<5×10-8) aufzeigen [83, 84]. Aufgrund einer solch gesteigerten Aussagekraft konnten außerdem mit den Genen des Gewebsinhibitors der Metalloproteinasen-3 (»tissue inhibitor of metalloproteinases-3 «, TIMP3), der hepatischen Lipase (LIPC) und des plasmatischen Cholesteryltransferproteins (»cholesteryl ester transfer protein, plasma«, CETP) weitere Suszeptibilitätsgene identifiziert werden, welche bislang nicht im Fokus der AMD-Forschung standen (⊡ Tab. 2.1). Allerdings lassen sich die entsprechenden Funktionen dieser Proteine sehr wohl mit einem aktuellen Pathogenese-Konzept der AMD in Einklang bringen: Störungen in der Diffusionsfähigkeit im Bereich der extrazellulären Bruch-Membran [80]. So kodiert TIMP3 für ein sezerniertes Protein welches Metalloproteinasen von extrazellulären Matrices, u.a. der Bruch-Membran, hemmt und somit für dessen Homöostase von entscheidender Bedeutung ist. Besonders interessant ist hierbei auch die bereits bekannte Assoziation zwischen TIMP3-Mutationen und der Sorsby-Fundusdystrophie, einer seltenen autosomal-dominanten Form der Makuladegeneration. LIPC und CETP, beides Gene, deren Variationen mit veränderten HDL-Cholesterin-(HDLc)-Konzentrationen assoziiert wurden, könnten bei der Lipidakkumulation in der Bruch-Membran wichtige Regulatoren darstellen und somit ebenfalls eine Rolle bei der Diffusionsfähigkeit spielen.
2.7
Zur Rolle der Genetik in Prävention und Therapie der AMD
Maßnahmen und erfolgreichen Behandlungsansätzen wird jedoch unverzichtbar sein, insbesondere da sich die AMD aufgrund des demographischen Wandels in der Altersstruktur unserer Gesellschaft zu einer sozioökonomischen Herausforderung größten Ausmaßes entwickeln wird. Aufgrund der komplexen Natur der Erkrankung wird dies ein noch tieferes Verständnis der genetischen, demographischen sowie umweltbedingten Faktoren und ihres Zusammenspiels in der AMD-Pathogenese erfordern. Einer aussagekräftigen Studie zufolge könnten bis zu 71% des AMD-Risikos auf genetische Einflüsse zurückgeführt werden [65]. Dies sollte unsere Prioritäten auf den funktionellen Einfluss AMD-assoziierter Gene und besonders auf ihre Beteiligung an der Entwicklung von Früh- und Spätstadien der AMD lenken. Dadurch bietet sich die Chance, bislang unbekannte zelluläre Wege oder Biomarker zu entdecken, die vielleicht neuartige Angriffspunkte für gezielte therapeutische Ansätze liefern könnten. Die Möglichkeiten, die sich aus einem genetischen Ansatz entwickeln könnten, lassen sich am Beispiel von CFH, dem ersten hauptverantwortlichen AMD-Suszeptibilitätsgen, sehr gut illustrieren. Dessen Entdeckung war ein wegweisender Befund, der die weitere intensive Forschung zum Zusammenhang zwischen AMD und dem Immunsystem entscheidend vorangetrieben hat [18, 32, 33, 43]. Gegenwärtig besteht noch Unklarheit, zu welchem Ausmaß die bisher gefundenen AMD-Suszeptibilitätsgene mit der Entwicklung hin zu einem der beiden Spätstadien der Erkrankung, GA oder NV, korreliert sind. Die Hoffnung besteht jedoch, dass ein besseres Verständnis der AMD-Genetik auch einen Beitrag zu den zentralen Schaltern, die die Prognose und den Krankheitsverlauf kontrollieren, leisten wird. In einer vor Kurzem erschienenen Multilokus-Analyse von bekannten genetischen Risikofaktoren wurde geschätzt, dass etwa 80% der Individuen aus der höchsten von zehn Risikogruppen im Alter von 75 Jahren AMD entwickeln werden [12]. Daraus folgt, dass trotz der komplexen Natur der AMD genetische Faktoren sehr genaue Prädiktoren der Erkrankung sind, womit die Ära der personalisierten Medizin näher an die Realität und die Aussichten auf eine gesteigerte Lebensqualität im fortgeschrittenen Alter in Reichweite rücken. Fazit
Heute ist die AMD vermutlich eine der am besten charakterisierten komplexen Erkrankungen. Es liegen umfangreiche Informationen über genetische und umweltbedingte Risikofaktoren, sowie über die beteiligten biologischen Prozesse vor [5]. Trotzdem kann der Mehrheit der AMDPatienten noch immer keine wirkungsvolle Therapie angeboten werden. Ein Angebot an gezielten vorbeugenden
Letzten Schätzungen zufolge sind bis zu 71% der AMDSuszeptibilität genetischen Faktoren zuzuschreiben. Erste erfolgreiche Studien zur Genetik der AMD wurden in den späten 1990ern unternommen und lieferten zwei wahrscheinliche AMD-Suszeptibilitätsgene, ABCA4 und APOE. Beide Gene steuern jedoch nur einen geringen Beitrag zur allgemeinen Krankheitslast bei.
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Kapitel 2 · Genetik
Erst im Jahre 2005 konnten zwei hauptverantwortliche AMDSuszeptibilitätsloci, CFH und ARMS2/HTRA1, identifiziert werden. Zusammen sind diese beiden Gene vermutlich für mehr als 50% der AMD-Fälle verantwortlich. Die Befunde am CFH-Genort sprechen deutlich für eine Beteiligung des alternativen Komplementwegs in der AMDPathogenese. Sich daraus ableitende Studien entdeckten drei weitere AMD-assoziierte Gene der Komplementkaskade, CFB, C3 und CFI. Die funktionelle Bedeutung des ARMS2/HTRA1-Genortes für die AMD-Pathogenese wird gegenwärtig kontrovers diskutiert und ist Gegenstand intensiver Forschung. Dieser zweite Hauptgenort könnte jedoch einen weiteren, vom Komplementsystem unabhängigen Weg für die AMD-Ätiologie aufdecken. Die neuesten Entwicklungen in Hochdurchsatz-Technologien lassen, wie im Beispiel von TIMP3, CETP und LIPC gezeigt, auf die Identifizierung neuer AMD-Suszeptibilitätsgene hoffen, insbesondere auf solche mit einem geringeren Beitrag zur allgemeinen AMD-Krankheitslast. Eine umfassende genetische Profilierung der AMD-Suszeptibilität wird den Weg für neue und innovative Interventionsmöglichkeiten in Prävention und Therapie von AMD ebnen. Damit nähern wir uns einer personalisierten und somit individuell effizienten Medizin.
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Kapitel 2 · Genetik
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3
Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels* M.E. Boulton Übersetzt von T. Boll
3.1
Einleitung
3.2
Ursache und Folgen des Alterns – 46
3.3
Klinische Veränderungen bei retinaler Alterung – 47
3.4
Alterung der Neuroretina – 48
3.5
Alterung des retinalen Pigmentepithels – 50
3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6 3.5.7
Änderungen der Zelldichte des retinalen Pigmentepithels – 50 Subzelluläre Veränderungen des retinalen Pigmentepithels – 52 Akkumulation von Lipofuszin – 52 Melanosomen und Pigmentkomplexverbindungen – 53 Mitochondriale Veränderungen im alternden retinalen Pigmentepithel Der lysosomale Autophagieweg – 54 Antioxidative Kapazität des retinalen Pigmentepithels – 56
3.6
Alterung der Bruch-Membran – 57
3.7
Zusammenhang zwischen Alter und AMD – 57 Literatur
– 46
– 53
– 59
* Ich bedanke mich bei Lynn Shaw für die Bebilderung und bei Prajitha Thampi, Haripriya Vittal Rao und Sayak Mitter für das Korrekturlesen des Manuskripts. Die Forschung des Autors wird durch die NIH-Förderung EY019688 und die AHAF-Förderung M2009024 unterstützt.
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
46
Kapitel 3 · Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels
Alterung Kernaussagen ▬ Die Sehfunktion nimmt mit zunehmendem Lebens▬
3 ▬ ▬ ▬ ▬
3.1
alter ab. Mit dem Alter verändern sich die neurosensorische Netzhaut und das retinale Pigmentepithel (RPE) auf zellulärer und molekularer Ebene, was zu strukturellen und funktionalen Veränderungen führt. Eine Hauptursache retinaler Alterung sind oxidative Schäden. Mitochondriale Schäden und Lipofuszinakkumulation erhöhen den Anteil reaktiver Sauerstoffspezies in der Retina. In der alternden Retina nimmt die Abbaufunktion lysosomaler Enzyme ab. Altern beeinträchtigt die retinale Funktion und macht Zellen anfälliger für pathologische Prozesse.
Einleitung
Altern wurde definiert als »eine mit der Zeit stetig zunehmende Reihe von Veränderungen, die im fortgeschrittenen Alter mit immer höherer Krankheitsanfälligkeit und Tod einhergehen bzw. für sie verantwortlich sind« [1]. Auch das Auge macht dabei keine Ausnahme; Katarakt und Netzhautdegeneration sind häufige Begleiterscheinungen des Alterns [2]. Vor allem die Retina ist empfindlich für Altersveränderungen, da ▬ die Mehrheit der Zelltypen nicht teilungsfähig sind, so dass sich Schäden kumulieren, ▬ Photorezeptorzellen und die Zellen des retinalen Pigmentepithels metabolisch hoch aktiv sind, ▬ die Retina eine hohe Sauerstoffversorgung aufweist, was in Kombination mit Lichtexposition im kurzwelligen Bereich zu oxidativen Schäden führt und ▬ eine Akkumulation toxischer Stoffe wie Lipofuszin erfolgt, die die Sensibilität gegenüber Licht erhöhen [3–5]. Schließlich resultieren aus diesen Veränderungen retinale Dysfunktion und Verlust der Sehkraft. In diesem Kapitel werden die Theorien zur biologischen Alterung diskutiert, der Einfluss des Alters auf retinale Struktur und Funktion sowie der Zusammenhang zwischen Altern und altersabhängiger Makuladegeneration (AMD).
3.2
Ursache und Folgen des Alterns
Es gibt nicht eine einzelne, alles umfassende Theorie zur biologischen Alterung; vielmehr existieren zahlreiche
; 6 ' " 4 # & % * / ( 5
Systemische Störung
Altersabhängige Krankheit
Akkumulation zellulärer Defekte
Genetische Prädisposition
Zufällige molekulare Schäden
1 3 0 ( 3 " . . * & 3 5
⊡ Abb. 3.1 Der Alterungsprozess ist durch eine lebenslange Akkumulation zellulärer Defekte bedingt. Die Defekte resultieren aus zufälligen molekularen Schäden und der individuellen genetischen Prädisposition. Mit der Zeit führt der kumulative Schaden zu Funktionsstörungen in Geweben und Organen, was wiederum die Akkumulationsrate zellulärer Defekte wie auch die Anfälligkeit für Erkrankungen erhöht
biologische Theorien, die sich mit Alterungsprozessen bei Organismen, auf zellulärer und molekularer Ebene befassen [6]. Die große Anzahl an Theorien legt nahe, dass es sich um viele komplexe biologische Effekte handelt, die auf verschiedensten Wegen auf nahezu jeder Ebene eines Organismus miteinander interagieren [7]. Die Theorien gehören meist zu einer von zwei Gruppen: stochastische Theorien und programmierte (entwicklungsgenetische) Theorien (⊡ Abb. 3.1). Nach den stochastischen Theorien ist Altern das Ergebnis einer Akkumulation zellulärer Schäden durch Umweltbelastungen (z. B. Licht, Rauchen, Giftstoffe und Strahlung), die ein Niveau erreichen, das nicht mehr mit einer optimalen Zellfunktion zu vereinbaren ist. Der Verlust der Zellfunktion kann als Einzelereignis auftreten oder als Kombination aus DNA-Schaden, Vernetzung von Kohlenhydraten, Proteinveränderungen und Störungen der Proteinsynthese. Die programmierten Theorien hingegen nehmen an, dass der Alterungsprozess auf den gleichen Mechanismen beruht wie die Entwicklung des Organismus und daher genetisch kontrolliert ist. Als Beispiele gelten die verminderte neuroendokrine Funktion, die Schwächung des Immunsystems und verstärkte oxidative Schäden (die Theorie der freien Radikale) [6]. Nach der Theorie der freien Radikale ist ein wesentlicher Anteil altersbedingter Veränderungen durch kumulative oxidative Schäden an Proteinen, Lipiden, DNA und Kohlenhydraten bedingt
47 3.3 · Klinische Veränderungen bei retinaler Alterung
[8]. Tatsächlich stünden diese Theorien in Einklang mit der weitverbreiteten Annahme, dass oxidativer Stress ein wichtiger Risikofaktor in der Pathogenese der AMD ist [5, 9]. Die damit verwandte mitochondriale Theorie des Alterns, aufgestellt durch Harman [10] und modifiziert durch Miquel [11], postuliert, dass Mitochondrien die Hauptquelle reaktiver Sauerstoffspezies (»reactive oxygen species«, ROS) sind und dass eine Dysfunktion von Mitochondrien im Alter mit einer altersbedingten Beeinträchtigung von mitochondrialer DNA, Membraneigenschaften und Bioenergetik assoziiert ist. Diese führt schließlich zu einem Zellstoffwechsel, der eine normale Funktion nicht mehr gewährleisten kann. Aktuelle Hinweise legen nahe, dass mitochondriale Schäden eine kritische Rolle bei Entwicklung und Progression einer AMD spielen könnten [12–15]. Es scheint also, dass viele, wenn nicht alle dieser Theorien zur Erklärung der retinalen Alterung beitragen können.
3.3
Klinische Veränderungen bei retinaler Alterung
Altersabhängige Veränderungen der Retina treten klinisch ab dem 5. bis 6. Lebensjahrzehnt auf. Es muss jedoch betont werden, dass altersabhängige Veränderungen der Neuroretina und des RPE starke interindividuelle Unterschiede aufweisen, die vermutlich vom Ausmaß der umweltbedingten Belastung und der genetischen Prädisposition abhängen. Der Fundus erscheint deutlich blasser, was wahrscheinlich durch einen Verlust an Melanosomen und eine Zunahme von Lipofuszingranula bedingt ist. Mit 60 werden mehrere Veränderungen sichtbar: Verlust des Fundusreflexes, erhöhte Sichtbarkeit größerer choroidaler Gefäße, Areale mit Hypo- oder Hyperpigmentierung, ein merklicher Anstieg der Fundusautofluoreszenz und das Erscheinen fokaler Sub-RPE-Ablagerungen, sog. Drusen (⊡ Abb. 3.2) [16, 17]. Viele dieser Veränderungen werden als Kennzeichen einer frühen AMD oder einer altersbedingten Makulopathie betrachtet. Bei manchen treten stärkere Fundusveränderungen auf und es werden RPE-Atrophie, konfluierende Drusen, Hypo- und Hyperpigmentierung, hypofluoreszente Regionen, RPEAblösung und/oder subretinale Neovaskularisation beobachtet. Diese Veränderungen sind in der Regel mit einer fortgeschrittenen AMD und einer Schwächung der Sehkraft verbunden. Es überrascht nicht, dass auch die retinale Funktion mit zunehmendem Alter abnimmt, wenngleich die jeweilige Rolle optischer und neuronaler Faktoren für die Sehkraft unklar ist. Trübung und Bruneszenz der Augenlinse, zunehmende optische Aberrationen und eine
⊡ Abb. 3.2 Farbfundusphotographie eines Patienten mit Altersveränderungen/früher AMD, auf dem ein Pigmentepithelriss im Bereich der Makula (Pfeile) sowie zahlreiche kleine Drusen zu sehen sind (Abbildung und Bildtext mit freundlicher Genehmigung von Dr. Erik Van Kuijk, Ophthalmology and Visual Sciences, UTMB, Galveston, Texas)
Abnahme der Pupillenreaktion sind altersbedingte Veränderungen, die den Lichteinfall auf die Retina beeinflussen [18]. Es kommt zu einer deutlichen altersabhängigen Abnahme der zentralen Sehschärfe [19–21]. Die Sensitivität des peripheren Gesichtsfeldes sinkt jedoch noch rascher, so dass das Nachtsehen im Alter stärker beeinträchtigt ist als das Tagsehen [22, 23]. Owsley und Kollegen haben gezeigt, dass sich die Kinetik der Stäbchenfunktion mit dem Alter ändert und dies eine verzögerte Dunkeladaptation bei Älteren zur Folge hat [24, 25]. Dies unterstreicht die Verletzlichkeit der Stäbchen im Alterungsprozess, wie weiter unten noch genauer ausgeführt wird. Elektrophysiologische Studien am gesamten Gesichtsfeld berichten im Allgemeinen eine signifikante Zunahme der Latenzzeit und eine Amplitudenabnahme von a-Wellen (Photorezeptorantwort) und b-Wellen (Antwort der Bipolarzellen und Müllerzellen) bei älteren Personen [22, 23]. Im multifokalen Elektroretinogramm zeigen sich ein deutlicher und beständiger Amplitudenverlust und eine Verzögerung der Latenzzeit der ersten und zweiten Antwortkomponente und eine uneinheitliche Topographie der Retina [19]. Die altersabhängige Veränderung der Netzhautfunktion betrifft jedoch nicht nur Photorezeptoren und RPE, sondern auch intermediäre Neurone und retinale Ganglienzellen [26–28].
3
48
Kapitel 3 · Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels
3.4
3
Alterung der Neuroretina
Es ist bekannt, dass die Netzhautdicke mit dem Alter abnimmt [29–31]. Wenngleich frühe Studien auf histologischen Untersuchungen postmortaler Augen beruhten, erlaubte die verbesserte Bildgebung mit optischer Kohärenztomographie (OCT) genauere Messungen an einer Vielzahl von Personen. Alamouti und Funk z. B. vermaßen 100 gesunde Freiwillige und berichteten, dass die mittlere Netzhautdicke um 0,53 μm pro Jahr abnimmt (⊡ Abb. 3.3) [29]. Dies wurde durch Cavallotti und Kollegen unterstützt, in deren Untersuchung die Retinadicke bei Personen unter 22 Jahren 426 (±34,2) μm betrug und bei älteren Menschen über 66 Jahren 261 (±18,9) μm [31]. Eriksson und Alm berichteten, dass sich die makuläre Netzhautdicke im OCT um 0,26–0,46 μm und das Makulavolumen um 0,01 mm3 pro Jahr verringerten [30]. Es gibt weitreichende Studien zum altersabhängigen Verlust von retinalen Ganglienzellen und Photorezeptorzellen durch Glaukom bzw. AMD. Mit dem Alter nimmt die Dicke der retinalen Nervenfaserschicht (»retinal nerve fiber layer«, RNFL) deutlich ab [29, 32]. In einer Studie mit 425 Teilnehmern zwischen 18 und 85 Jahren betrug die Dicke der RNFL 104,7 (+/–10,8) μm und die durchschnittliche Dickenabnahme 2,4 μm pro Lebensjahrzehnt [32]. Des Weiteren konnten die Messungen an gesunden Probanden belegen, dass die altersabhängige Abnahme der RNFL-Dicke um die Papille herum nicht gleichmäßig auftritt und am deutlichsten in der Region oberhalb der Papille ausgeprägt ist. Es überrascht nicht, dass die Abnahme der RNFL mit einem signifikanten Verlust an retinalen Ganglionzellen verbunden ist. Schätzungsweise kommt es zu einer Abnahme von etwa 400 Ganglienzellen/mm2 bei jungen Menschen auf etwa 250/mm2 bei Menschen über 66 [31]. Die Dichte der Photorezeptorzellen in der menschlichen Retina nimmt mit dem Alter signifikant ab (⊡ Tab. 3.1) [33, 34]. Der Verlust von Stäbchen und Zapfen verläuft dabei unterschiedlich rasch, was durch die biologischen Unterschiede der beiden Zellarten bedingt sein mag und dazu führt, dass Stäbchen offenbar stärker betroffen sind als Zapfen. Gao und Hollyfield untersuchten den Einfluss des Alterns auf die Photorezeptordichte der fovealen und temporalen Äquatorregionen in Spenderaugen zwischen dem 2. und 9. Lebensjahrzehnt [33]. Die äquatorialen Zapfen zeigten eine kontinuierliche Abnahme um 16 Zellen/mm2/Jahr, während der altersabhängige Rückgang der äquatorialen Stäbchen uneinheitlich verlief und ein Maximum zwischen der zweiten und vierten Lebensdekade zeigte (970 Zellen/mm2/Jahr). Im Gegensatz dazu zeigte sich eine große interindividuelle Variabilität der Zapfendichte des fovealen Zentrums für
⊡ Tab. 3.1 Einfache lineare Regression der Retina- und RPEZellenanzahl vom 2. bis 9. Lebensjahrzehnt (nach Gao und Hollyfield [33]) Zelltyp
R2
F-Test
Wahrscheinlichkeit
Signifikanzniveau
0,33 0,24 0,18 0,45 0,06
13,5 8,0 6,0 21,7 1,6
0,001 0,009 0,021 0,0001 0,216
p=0,001 p<0,01 p<0,03 p=0,0001 p>0,2
0,516 0,245 0,347
p>0,5 p>0,2 p>0,3
Äquator Stäbchen Zapfen RPE GCL-Zellen* Stäbchen/RPE Fovea Zapfen RPE Zapfen/RPE
0,02 0,06 0,04
0,43 1,44 0,93
*Zu den Zellen der Ganglionzellschicht (»ganglion cell layer«, GCL) gehören die Ganglionzellen und bestimmte Amakrinzellen (sog. »displaced amacrine cells«).
jede Lebensdekade, ohne statistisch signifikante Unterschiede zwischen der zweiten bis neunten Dekade. Die Autoren schlossen, dass Stäbchen empfindlicher auf den Alterungsprozess reagieren als Zapfen und dass der altersabhängige Photorezeptorverlust in der Fovea weniger ausgeprägt ist als in der Peripherie [33]. Diese Beobachtungen wurden von Curcio und Kollegen unterstützt, die berichteten, dass die Gesamtzahl der fovealen Zapfen bemerkenswert stabil blieb, während die Stäbchendichte um 30% abnahm. Die Abnahme der Stäbchendichte begann dabei im mittleren Lebensalter unterhalb der Fovea und führte letztlich zu einem ringförmigen exzentrisch gelegenen starken Verlust, von 0,5–3 mm Größe im 9. Lebensjahrzehnt [34]. Der Leerraum, der sich durch absterbende Stäbchen ergab, wurde durch größere Innensegmente anderer Stäbchen eingenommen. Umstritten ist noch, weshalb die Stäbchen der zentralen Retina besonders empfindlich gegenüber Alterung sind, obwohl sie dasselbe Versorgungssystem und dieselbe Lichtbelastung mit den benachbarten Zapfen teilen. Jedoch gibt es wichtige Hinweise darauf, dass die Stäbchen Faktoren sezernieren, die das Überleben der Zapfen unterstützen [35–37]. Neben einem signifikanten Verlust an retinalen Ganglienzellen und Photorezeptoren kommt es auch zu einer signifikanten altersabhängigen Abnahme von Kapillardichte, Synapsen, interzellulären Verbindungen und Proteingehalt der Neuroretina [31], einem 21%-igen Rückgang der Stäbchen-Bipolarzellen vom 35. zum 62. Lebensjahr [38] und einer Zunahme retinaler Umbauprozesse und Bildung von Dendriten [28, 39, 40].
49 3.4 · Alterung der Neuroretina
a
b
c
d
⊡ Abb. 3.3a–d Altersabhängige Akkumulation und Photoreaktivität von Lipofuszin in RPE-Zellen. a Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme eines menschlichen RPE eines 52 Jahre alten Spenders (mit freundlicher Genehmigung von John Marshall, St. Thomas‘ Hospital, London). POS Photorezeptor-Außensegment (»photoreceptor outer segment«); M Melanosomen, in Richtung apikalen Teil der Zelle orientiert; L Lipofuszingranula zentral bis basal gelegen; Mt Mitochondrien in hoher Dichte an der Zellbasis; BM Bruch-Membran. b FluoreszenzMikroskopie von Gewebeteilen von 9, 43 und 97 Jahre alten Spendern, die eine Zunahme fluoreszierender Lipofuszingranula mit steigendem Alter zeigen. c Konfokales Bild eines flach gelagerten menschlichen
RPE, das die unterschiedliche Verteilung von Lipofuszin zwischen einzelnen Zellen zeigt. Der lipofuszinfreie Ring umgibt eine Druse (Bild von Boulton u. Njoh). d Photoreaktivität von RPE-Lipofuszin. Lipofuszinbeladene RPE-Zellen (႒, ႑) und Zellen ohne Lipofuszin (Ⴜ, Ⴠ) wurden mit 2,8 mW/m2 Licht (390–550 nm) bestrahlt (႒, Ⴜ) oder bis zu 48 h in Dunkelheit belassen (႑, Ⴠ). RPE-Zellen können MTT reduzieren und in ein blaues Formazanprodukt (Absorptionmessung bei 590/630 nm) umwandeln. Diese Fähigkeit wurde zur Bestimmung der Zellviabilität genutzt. Die Insets zeigen lichtmikroskopische Aufnahmen von lipofuszinbeladenen RPE-Zellen in Dunkelheit (links) und unter Lichtexposition (rechts). (Teilweise übernommen von Boulton [59] und Davies et al. [71])
Es gibt Hinweise, dass die retinale Alterung von einer
Chemokinexpression und mikrogliale Aktivierung beobachtet [41]. Anhand von Leckage eines intravaskulären Tracers ins retinale Parenchym, einer reduzierten Stabilität der »tight junctions« sowie Präsenz von ortsständiger
Aktivierung von Gensets begleitet wird, die an loka-
len Entzündungsreaktionen mitwirken [41]. Bei betagten Mäusen wurde Komplementaktivierung, eine erhöhte
3
50
3
Kapitel 3 · Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels
Mikroglia mit Haupthistokompatibilitätskomplex (»major histocompatibility complex«, MHC) der Klasse II, aktivierten T-Zellen und Monozyten-ähnlichen Zellen gelang der Nachweis einer gestörten Blut-Retina-Schranke bei Ratten höheren Alters [42]. Die Aktivierung von Entzündungsprozessen über die beiden Wege Komplementkaskade und retinale Mikroglia als Auswirkung altersabhängigen Gewebestresses deuten auf eine geringgradige chronische Entzündung. Diese durch endogenen schädlichen Stress bedingte geringgradige chronische Entzündung wurde kürzlich von Medzhitov als eigene Entzündungsform beschrieben und »Para-Entzündung« genannt. Obwohl die physiologische Funktion der Para-Entzündung die Wiederherstellung der Gewebefunktionalität und Homöostase ist, könnte sie bei anhaltendem Gewebestress oder Funktionsstörung, wie im Fall der betagten Netzhaut, chronisch werden und in eine Entzündung übergehen. Eine chronische Para-Entzündung trägt zur Entstehung und Progression zahlreicher Erkrankungen des Menschen bei, wie z. B. der neurodegenerativen Krankheiten [43].
3.5
Alterung des retinalen Pigmentepithels
Die hexagonalen Zellen des retinalen Pigmentepithel (RPE) bilden eine einlagige Zellschicht zwischen der Neuroretina und der Choroidea, die eine entscheidende Rolle für die Funktion und das Überleben der darüber liegenden Photorezeptorzellen spielt [3, 44]. Zu den Funktionen gehören: ▬ Erhaltung der Blut-Retina-Schranke ▬ Transport und Speicherung von Retinoiden ▬ Phagozytose und Abbau von Photorezeptoraußensegmenten ▬ Schutz der äußeren Retina vor oxidativen Schäden ▬ Schutz von Nerven und Gefäßen durch Sekretion von Wachstumsfaktoren und Zytokinen Es muss jedoch betont werden, dass Struktur und Funktion des RPE, abhängig von sowohl der retinalen Lokation als auch der Alterung stark variieren [3, 44–47]. Makuläre RPE-Zellen, die eine Fläche von etwa 5–8 mm Durchmesser abdecken, messen etwa 14 μm im Querschnitt, während extramakuläre RPE-Zellen bis zu 60 μm erreichen können und Zellgröße sowie -form besonders irregulär sind [45, 48, 49]. Die makulären Zellen des Auges weisen wahrscheinlich die höchste Stoffwechselrate auf, da ihnen am Ort des schärfsten Sehens eine zentrale Rolle bezüglich der Sehfunktion zukommt. Zudem wurden signifikante Unterschiede der funktionalen Aktivität
zwischen zentralen und peripheren Zellen berichtet [3, 50–52]. Das RPE ist besonders anfällig für Alterungsprozesse, da es normalerweise aus Zellen besteht, die sich während des ganzen Lebens nicht mehr teilen und einem hohen oxidativen Stress ausgesetzt ist. Diese Faktoren führen zu einer lebenslangen Akkumulation zellulärer Schäden. Der kumulative Schaden resultiert schließlich in strukturellen und funktionalen Störungen des RPE (⊡ Abb. 3.4), und die folgende RPE-Dysfunktion kann zu vielen pathologischen Veränderungen führen, die in Zusammenhang mit atrophischer AMD stehen.
3.5.1
Änderungen der Zelldichte des retinalen Pigmentepithels
Obwohl zahlreiche Studien die altersabhängige Veränderung der RPE-Zelldichte untersucht haben, unterscheiden sich die Ergebnisse und hängen sehr von der jeweiligen Fundusregion ab. Panda-Jonas und Kollegen beurteilten die RPE-Zellzahl von 53 gesunden Spenderaugen von Personen im Alter von 40–77 Jahren [53]. Sie berichteten, dass sich die Gesamtzahl der RPE-Zellen zwischen 2.130.500 und 4.653.200 bewegte und positiv mit der Anzahl von Stäbchen und Zapfen sowie der retinalen Gesamtfläche korrelierte. Die RPE-Zelldichte sank signifikant von der Fovea zur mittleren Peripherie und war in den peripheren Außenregionen am geringsten. Verglichen mit den übrigen Fundusquadranten zeigte sich die höchste Zelldichte interessanterweise in der nasalen Fundusregion. Insgesamt nahm die Zelldichte des RPE mit zunehmendem Alter um etwa 0,3% pro Jahr ab [53]. Gao und Hollyfield beobachteten einen ähnlichen Zellverlust des äquatorialen RPE mit einer gleichbleibenden Rate von 14 Zellen/mm2/Jahr vom 2. bis 9. Lebensjahrzehnt (⊡ Tab. 3.1) [33]. Allerdings fand sich vom 2. bis 9. Lebensjahrzehnt keine signifikante Veränderung der Zelldichte des fovalen Zentrums, was nahe legt, dass die RPE-Zelldichte der normalen Retina während des ganzen Lebens konstant bleibt und dass RPE-Zellen des fovealen Zentrums widerstandsfähiger gegen Abnutzungserscheinungen und Verlust sind als die der peripheren Netzhautregionen. Im Widerspruch dazu berichteten Del Priore und Kollegen von einer signifikanten Anzahl apoptotischer Zellen in der Makularegion mit der größten Dichte in der Fovea gealterter Augen [54]. Des Weiteren gibt es Hinweise darauf, dass der RPEZellverlust bei Farbigen ausgeprägter ist als bei hellhäutigen Menschen [55]. Der RPE-Zellverlust führt zu einer Flächenzunahme der verbliebenen RPE-Zellen, die so die Lücke der abgestorbenen Zellen füllen. Die Flächenzunahme wird von einer Zunahme der Zellhöhe begleitet
51 3.5 · Alterung des retinalen Pigmentepithels
a
b
⊡ Abb. 3.4 Diagramm der altersabhängigen Veränderungen des RPE. a Junge Zelle. b Im Vergleich dazu eine gealterte RPE-Zelle, die folgende Veränderungen aufweist: größerer Durchmesser, geringere Anzahl an Mikrovilli, Verlust der Melanosomen-Orientierung und Teilabbau von Melanosomen, Erscheinen von Lipofuszin- und Pigmentkomplexen, verringerte Anzahl an Mitochondrien und basaler Verzahnungen, Entstehung von Ablagerungen an der Basallamina und Drusen sowie eine geringere Gefäßdichte der Choriokapillaris
3
52
3
Kapitel 3 · Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels
[55, 56]. Erfolgt der Verlust der RPE-Zellen besonders in der peripheren und äquatorialen Retina rascher als der der darüber liegenden Photorezeptorzellen, liegt es nahe, dass damit die funktionale Gesamtbelastung des RPE signifikant steigt. Das Mengenverhältnis von RPE-Zellen zu Photorezeptorzellen bedarf jedoch weiterer Klärung, da eine Studie von einem altersabhängig abnehmendem Zahlenverhältnis sprach [55], während eine zweite keine Assoziation finden konnte [33]. Das Unvermögen, einheitliche Daten zum altersabhängigen RPE-Zellverlust zu gewinnen, legt nahe, dass dieser während unserer Lebensspanne kein bedeutsames Ereignis darstellt.
3.5.2
Subzelluläre Veränderungen des retinalen Pigmentepithels
Ultrastrukturelle Untersuchungen zeigen einen Verlust der typischen epithelialen Pflasterstein-Morphologie und das Erscheinen einer vielgestaltigen Zellschicht, Hyperplasie und Regionen mehrlagig angeordneter Zellen, Desorganisation apikaler Mikrovilli, Reduktion der basalen Verzahnungen und Zunahme intrazellulärer Pigmentgranula [3, 45]. Allerdings besteht eine große Zell-zu-ZellVariabilität innerhalb der Zellschicht hinsichtlich Aussehen, Pigmentgehalt und Proteinexpression [57]. Diese Variabilität nimmt mit dem Alter zu.
3.5.3
Akkumulation von Lipofuszin
Die wahrscheinlich augenfälligste altersabhängige Veränderung des RPE ist das Erscheinen von Lipofuszingranula. Diese haben normalerweise einen Durchmesser von etwa 1 μm und akkumulieren während des Lebens im mittleren bis basalen Zytoplasma der RPE-Zellen [45], wo sie schließlich bei einem 80-jährigen Menschen bis zu 19% des Zytoplasmavolumens ausmachen können (⊡ Abb. 3.3) [56, 58]. Lipofuszin findet sich in sekundären Lysosomen. Die Zusammensetzung dieser Granula ist komplex und besteht aus zahlreichen Retinoidderivaten, Lipidaddukten und oxidativ modifizierten Komponenten [59, 60]. Trotz intensiver Analysen sind der präzise Ursprung und die Zusammensetzung von Lipofuszin noch unklar, doch gibt es starke Hinweise, dass das RPE-Lipofuszin sehr wenig Protein enthält [61]. Der Retinoid-Anteil hingegen ist gut untersucht und es scheint, dass A2E eines der bedeutenden Fluorophore im Lipofuszin ist [62]. Die Lipofuszinakkumulation korreliert mit der Dichteverteilung der Stäbchenzellen, die vermutlich das Primärsubstrat darstellen, so dass sich die stärkste Ansamm-
lung von Lipofuszin am hinteren Pol findet, wo die Stäbchenzelldichte am höchsten ist. Interessanterweise gibt es Hinweise, dass A2E möglicherweise atypisch im RPE verteilt ist, mit niedrigeren Konzentrationen am hinteren Pol und einem Anstieg zur Peripherie hin [63]. Dieser Widerspruch bedarf jedoch weiterer Klärung. Als charakteristische Eigenschaft zeigt Lipofuszin eine goldgelbe Fluoreszenz, die im Wesentlichen auf der Fluoreszenz der Retinoidanteile beruht, die durch Licht kurzer Wellenlänge angeregt wird. Die Gesamtstärke der Fluoreszenz der Lipofuszingranula scheint mit dem Alter um 40% zu steigen [64]. Allerdings zeigte sich eine große Heterogenität der Emissionseigenschaften zwischen einzelnen Granula desselben Spenderauges [65, 66]. Es ist mittlerweile anerkannt, dass Lipofuszin ein wirkungsvoller, durch Licht induzierbarer Generator für eine Vielzahl reaktiver Sauerstoffspezies (»reactive oxygen species«, ROS) ist wie z. B. Hyperoxidanion, Singulett-Sauerstoff, Wasserstoffperoxid und Lipidperoxide [67–69]. Die ROS-Produktion hängt stark von der Wellenlänge des Lichtes ab und nimmt z. B. bei einem Vergleich von 420 nm und 520 nm mit abnehmender Wellenlänge um das 10-fache zu. Des Weiteren steigt mit dem Alter die Photoaktivität einzelner Lipofuszingranula [70]. Es überrascht daher nicht, dass Exposition von lipofuszinbeladenen RPE-Zellen gegenüber blauem Licht (390–550 nm) zu einer lipofuszinabhängigen Lipidperoxidation (Malondialdehyd und 4-Hydroxy-Nonenal), Proteinoxidation (Bildung von Proteincarbonyl), Verlust an lysosomaler Stabilität, mitochondrialem DNA-Schaden und Untergang von RPE-Zellen führt (Abbildung 3.4) [71–73]. Noch unklar ist, welche Photosensitizer grundsätzlich für die ROS-Bildung verantwortlich sind. Der am besten untersuchte Kandidat ist A2E und die zugehörigen Verbindungen, die bei Exposition gegenüber blauem Licht Apoptose von RPE-Zellen auslösen können [74–76]. Die Wirkstärke von A2E ist jedoch wesentlich geringer als die von RPE-Lipofuszingranula, die eine vergleichbare Konzentration A2E enthalten, was nahe legt, dass in den Granula ▬ noch potentere Metaboliten von A2E, ▬ andere Retinoide als A2E oder ▬ andere reaktivere Chromophore – möglicherweise nicht retinoiden Ursprungs vorhanden sind [77, 78]. Dies wird durch eine Arbeit von Rozanowska und Kollegen unterstützt, die eine altersabhängige Zunahme der ROS-Produktion der nicht in Chloroform löslichen Fraktion von Lipofuszingranula beobachteten, aber keine Zunahme in der Chloroformlöslichen Fraktion, zu der auch die Retinoide wie A2E gehören [70]. A2E kann jedoch Epoxide mit höherer Photoreaktivität bilden [79], die möglicherweise an der
53 3.5 · Alterung des retinalen Pigmentepithels
Komplementaktivierung durch RPE-Zellen beteiligt sind [80]. Neben seiner Photoreaktivität lagert sich A2E an lysosomalen Membranen an, wo es einen Anstieg des lysosomalen pH-Wertes verursachen und einen hemmenden Effekt auf den katabolen Protein- und Glykosaminoglykan-Stoffwechsel ausüben kann [81, 82]. Als Folge der lipofuszinabhängigen lysosomalen Fehlregulation wurden gestörte Phagozytose und Autophagie sowie retinale Degeneration beschrieben [83–85]. Da in den meisten Studien reine A2E-Zubereitungen oder ABCA4 (–/–)-Mäuse mit hohen A2E-Konzentrationenin der Retina verwendet werden, bleibt die spannende Frage, ob A2E und seine oxidierten Nebenprodukte ihre schädigende Wirkung erst entfalten, wenn sie an Lipofuszingranula gebunden sind oder ob die Schäden bereits vor dieser Verbindung entstehen. Dies wäre mit dem evolutionären Konzept der »Disposable-Soma-Theorie« vereinbar, wobei hier Lipofuszingranula als Abfallbehältnis für giftige Chemikalien fungieren und somit die Retina während kritischer Lebensphasen schützen. Schließlich sammeln sich jedoch solch hohe Konzentrationen von Lipofuszin an, dass diese nun eine toxische Wirkung auf genau die Zellen entfalten, die sie eigentlich beschützen sollen.
3.5.4
Melanosomen und Pigmentkomplexverbindungen
Mit der altersbedingten Abnahme von Lipofuszingranula gehen zeitgleich eine Reduktion der RPE-Melanosomen und eine Zunahme der Pigmentkomplexverbindungen einher [56, 87]. Obgleich regionale Unterschiede in der Verteilung der Melanosomen mit ihrer höchsten Dichte im Bereich der Makula zeitlebens erhalten bleiben, sinkt die Anzahl der Melanosomen nach dem 40. Lebensjahr in allen Regionen signifikant um bis zu 35% [56, 88]. Die Melaningranula verlieren ihre Zigarrenform, werden weniger elektronendicht und verbinden sich mit Lysosomen. Auch ihre biophysikalischen Charakteristika ändern sich; so kommt es bei intakten Melanosomen zu einer altersabhängigen Absorptionszunahme zwischen 250 und 450 nm sowie einem Anstieg der FluoreszenzEmission [64, 89]. Der Melanosomenschwund scheint sowohl durch lichtbedingte als auch lysosomale Abbauprozesse bedingt zu sein [56, 90]. Die funktionale Bedeutung der Melanosomenreduktion im RPE ist unklar. Denkbar ist jedoch, dass hierdurch die Lichtabsorption verringert und/oder die Bindung toxischer Xenobiotika sowie Metallionen im gealterten RPE gedrosselt wird [91]. Wenn freies Eisen nicht abtransportiert wird, kann dies über die Fenton-Reaktion zur Bildung von »reactive oxygen species« (ROS) und somit zu vermehrten oxida-
tiven Schädigungen führen [87, 92]. In der Tat scheinen gealterte Melanosomen phototoxisch zu reagieren, da RPE-Zellkulturen, deren Melanosomen von humanen gealterten Augen stammen, bei Bestrahlung mit blauem Licht Vakuolen- und Membranbläschen bilden sowie mit Zelltod reagieren, während Melanosomen von jungen Augen diese ausgeprägten phototoxischen Effekte nicht zeigen [93]. Mit zunehmendem Alter fällt die immer größer werdende Anzahl von Melanolipofuszinkomplexen auf, deren photophysikalische Eigenschaften zwischen denen von Lipofuszingranula und Melanosomen liegen [64, 94]. Wie Melanolipofuszin gebildet wird, ist noch unklar. Eine häufig vertretene Ansicht ist, dass Melanolipofuszin die Fusion von Melanosomen mit Lipofuszin darstellt, jedoch finden sich in den Melanolipofuszinkomplexen unterschiedlich große Anteile von Lipofuszin und Melanin, was darauf hindeutet, dass es sich um einen sehr viel komplexeren Prozess handelt.
3.5.5
Mitochondriale Veränderungen im alternden retinalen Pigmentepithel
Das Mitochondrium ist ein Zellorganell von großer Bedeutung für Zellfunktion und -überleben. Zu seinen Hauptfunktionen gehören die Erzeugung chemischer Energie, die Ordnung des Zellstoffwechsels in Kompartimente und die Regulation des programmierten Zelltods. Typisch für Zellen mit hoher Stoffwechselaktivität enthält auch das RPE eine hohe Anzahl an Mitochondrien. Diese befinden sich vor allem an der Zellbasis, wo sich der Hauptteil der aktiven Transportvorgänge abspielt [45]. Mit zunehmendem Alter wird eine signifikante Abnahme von Anzahl und Fläche der RPE-Mitochondrien sowie ein Verlust an Cristae und Matrixdichte berichtet [95]. Dies legt den Schluss nahe, dass der Stoffwechsel in gealterten RPE-Zellen beeinträchtigt ist. Zunehmende Hinweise unterstützen die Bedeutung mitochondrialer Dysfunktion für Alterung und Krankheit zahlreicher Gewebe mit der Folge von sporadischen und chronischen Störungen wie z. B. Neurodegeneration [96]. Eine Reihe von Studien unterstützt mittlerweile die Annahme, dass mitochondriale Dysfunktion, ausgelöst durch mtDNA-Schäden, verursacht durch oxidativen Stress in Kombination mit gestörter mtDNA-Reparatur, zur Entwicklung der retinalen Alterung und AMD beiträgt (⊡ Abb. 3.5a) [12, 97–99]. Sowohl beim älteren Menschen als auch bei älteren Nagetieren wurde in Retina und RPE eine Zunahme an mtDNA-Deletion beobachtet, die wahrscheinlich durch eine Kombination aus erhöhtem oxidativen Schaden und reduzierter Reparaturka-
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54
Kapitel 3 · Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels
chondrialen Membranen anzulagern [110]. Des Weiteren beeinträchtigen A2E und eine Dysfunktion der Mitochondrien synergistisch die Phagozytose durch retinale Pigmentepithelzellen [84].
3
3.5.6
a
b
c ⊡ Abb. 3.5a–c Graphische Darstellung altersabhängiger Veränderungen der Mitochondrienmenge und von DNA-Schäden sowie ein Vergleich der unterschiedlichen Empfindlichkeit mitochondrialer DNA (mtDNA) und nukleärer DNA (nDNA) gegenüber oxidativem Stress. Die Mitochondrienmenge (mittels Mito-Tracker) (a) und der mtDNASchaden (ermittelt durch Langketten-PCR) (b) wurden in RPE-Zellen junger (20–30 Jahre) und alter (79–90 Jahre) Spender gemessen [Lin, Boulton, Godley – unveröffentlichte Daten]. Der Vergleich von mtDNA und nDNA-Schaden und -Reperatur wurde an gezüchteten, ursprünglich menschlichen RPE-Zellen durchgeführt (c). Alle Zellen wurden zu Beginn (Zeit 0) für 1 h mit 3 mM H2O2 behandelt mit einer anschließenden Erholungszeit von 0 min, 15 min, 30 min, 1 h und 3 h. Die Zellen wurden sofort entnommen, die DNA extrahiert und eine QPCR durchgeführt. Die Daten stellen die Mittelwerte ± Standardabweichung aus drei separaten Experimenten dar [107]
pazität bedingt ist [13, 97, 100]. Eine Korrelation mit Alterung und AMD-Progression zeigt sich auch für Veränderungen bestimmter Redoxproteine und Proteine, die am intrazellulären Transport in Mitochondrien beteiligt sind [101–103] sowie mit einer Abnahme der mitochondrialen Atmung im RPE [104]. Des Weiteren führt eine Ausschaltung der mitochondrialen Hyperoxid-Dismutase bei Mäusen zu einem AMD-ähnlichen Phänotyp [105, 106]. Ex vivo-Studien ergaben, dass RPE-Zellen, die hohen ROS-Konzentrationen ausgesetzt werden, bevorzugt von mtDNA-Schäden betroffen sind und schlechte Reparaturmöglichkeiten aufweisen (⊡ Abb. 3.5b) [107–109]. Interessanterweise ist A2E dafür bekannt, sich an mito-
Der lysosomale Autophagieweg
Lysosomen sind essenziell für den Abbau von Makromolekülen durch Phagozytose, Endozytose und Autophagie (⊡ Abb. 3.6). Bedingt durch den notwendigen Abbau der täglich aufgenommenen Photorezeptor-Außensegmente ist das lysosomale System des RPE hochaktiv. Daher stellt jedwede Abnahme der Degradationskapazität lysosomaler Enzyme im RPE eine Gefahr für das sensible Gleichgewicht von Photorezeptoraufnahme und -abbau dar. Die lysosomale Enzymaktivität ist je nach Netzhautregion unterschiedlich hoch; das Maximum liegt in der Makularegion [111, 112]. Während der Alterungseffekt auf die lysosomale Enzymaktivität des RPE noch unklar ist, wurde sowohl bei Menschen (⊡ Abb. 3.7) als auch bei Mäusen ein altersabhängiger Anstieg von sauren Phosphaten und Cathepsin D beobachtet [112, 113]. Dieser Anstieg bedeutet jedoch vermutlich keinen Nettoanstieg der lysosomalen Enzymaktivität, die für den Abbau aufgenommener Photorezeptoren zur Verfügung stünde, sondern spiegelt wahrscheinlich einfach eine erhöhte Anzahl von Lysosomen wider, die mit vermehrten Lipofuszingranula und Pigmentverbindungen einhergehen. Die verfügbare lysosomale Kapazität könnte in gealterten Augen also tatsächlich reduziert sein und so zur Anhäufung von Lipofuszingranula beitragen. Autophagie ist eine hochkonservierte Ordnungsfunktion, die eine entscheidende Rolle bei der Entfernung gealterter oder beschädigter intrazellulärer Organellen und deren Transport zum Abbau in Lysosomen spielt. Unter normalen Bedingungen geschieht Autophagie ständig und dient der Erhaltung des Zellhaushaltes, indem zytoplasmatische Proteine und beschädigte Zellorganellen wie z. B. dysfunktionale Mitochondrien entfernt und Nährstoffe zum Wiederaufbau dieser Organellen recycelt werden [114, 115]. Von den drei Autophagiewegen (Chaperone-mediated-Autophagie, Mikro- und Makroautophagozytose), die zelluläre Komponenten unterschiedlicher Größe zu den Lysosomen transportieren, ist die Makroautophagozytose, im weiteren Autophagie genannt, der wichtigste Weg zur Sequestration von Zellorganellen oder größeren Aggregaten und deren Transport zu den Lysosomen (⊡ Abb. 3.6) [116, 117]. Im Vergleich dazu ist das Proteasom, der nicht autophage Weg zum intrazellulären Proteinabbau, nicht in der Lage, beschädigte Organellen
55 3.5 · Alterung des retinalen Pigmentepithels
⊡ Abb. 3.6 Das lysosomale System ist entscheidend für den Abbau von Makromolekülen durch Phagozytose, Endozytose und Autophagie. Phagosomen, die bei der Ingestion von Photorezeptor-Außensegmenten entstehen, Endosomen mit eingeschlossenen Membranproteinen und Autophagosomen, die intrazelluläre Organellen oder Aggregate beinhalten, fusionieren mit Lysosomen. Die resultierenden Abbauprodukte können entweder recycelt, in die Choriokapillaris abgegeben oder in Drusen bzw. der Bruch-Membran abgelagert werden (gestrichelte Linien). Nicht das gesamte Material kann abgebaut werden; zum Teil akkumuliert es als Lipofuszin (L) in Residualkörpern
oder große Proteinaggregate abzubauen, da diese zu groß sind, um die schmale Öffnung des Proteasomenzylinders zu passieren. Die Autophagie ist entscheidend für die Zellabläufe metabolisch hochaktiver Zellen wie dem RPE, die einen hohen mitochondrialen Umsatz aufweisen. Lipofuszin akkumuliert mit dem Alter in verschiedenen Säugetiergeweben und stammt aus zwei Quellen: Autophagie (Degradation intrazellulärer Stoffe) [58, 118, 119] und Phagozytose (Abbau extrazellulärer Stoffe [z. B. Spermazellen durch Sertoli-Zellen und Photorezeptor-Außensegmente durch das RPE]) [118, 120]. Auch das Lipofuszin im RPE kann aus Autophagie oder Phagozytose stammen; der jeweilige Anteil beider Quellen ist ungeklärt. Das Modell
zweier Quellen wird durch mehrere Studien unterstützt, die zeigen, dass die Akkumulation von Lipofuszin in RPE-Zellen auch ohne Photorezeptor-Außensegmente fortschreitet. Dies legt nahe, dass der Umsatz intrazellulärer Organellen durch Autophagie wesentlich zur Akkumulation beiträgt [120–124]. Da das RPE aus metabolisch hochaktiven Zellen besteht, gehen wir davon aus, dass verbrauchte Mitochondrien eines der wichtigsten Autophagiesubstrate darstellen. Der duale Ursprung von Lipofuszin könnte ein Erklärungsansatz für die Heterogenität der photophysikalischen Eigenschaften von Lipofuszingranula sein [125]. Voraussetzung für einen effizienten Autophagieablauf ist die Elimination von Autophagosomen durch Fusion
3
56
Kapitel 3 · Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels
ander abhängig sind und dass diese proteolytischen Wege im Alterungsprozess gestört werden können.
3.5.7
Antioxidative Kapazität des retinalen Pigmentepithels
3
a
b
⊡ Abb. 3.7a,b Aktivität der lysosomalen sauren Phosphatase (a) und von Cathepsin D (b) in frischen retinalen Pigmentepithelzellen, die von Spendern verschiedenen Alters isoliert wurden. Die Werte repräsentieren vier Untersuchungen pro Probe aus jeder Region. Die senkrechten Balken zeigen die Standardabweichung [112]
mit Lysosomen. Dieser Vorgang kann durch einen erhöhten lysosomalen pH oder überladene Lysosomen (die z. B. Lipofuszin enthalten) behindert werden [126, 127], was zu einer Anhäufung beschädigter Zellorganellen führt und zu einer RPE-Zelle, die nicht mehr ihre optimale Leistung erbringen kann. Im Fall von Mitochondrien wird dies zu einem Rückgang der Energieproduktion, erhöhter ROS-Produktion und Lipofuszinakkumulation führen, was die RPE-Zellen anfälliger für stochastische Schäden macht. Wang und Kollegen berichteten von einer Erhöhung mehrerer Autophagie-Marker in RPE und Choroidea alter Mäuse (24–28 Monate) im Vergleich zu jungen Mäusen (4 Monate) [128], doch ist ungeklärt, ob dies auf einer erhöhten Produktion von Autophagosomen oder verringerter Elimination derselben beruht. Klar ist jedenfalls, dass die lysosomal-autophagosomalen Systeme in komplexer Weise miteinander verbunden und vonein-
Die Neuroretina und das RPE sind besonders reich an verschiedenen Antioxidanzien [4, 129, 130]. Es wurde beobachtet, dass es in verschiedenen Geweben und bei einer Vielzahl neurodegenerativer Erkrankungen zu einem Rückgang der Konzentration an Antioxidanzien und einer Zunahme von ROS kommt [131]. Entsprechende Analogien wurden daher für die Alterung des RPE und AMD gezogen. Tatsächlich geht man mittlerweile davon aus, dass oxidative Schäden positiv mit der retinalen Alterung assoziiert sind [4, 5, 130, 131] und dass eine antioxidative Therapie die Progression einer AMD mindern könnte [132, 133]. Unklar ist jedoch, ob altersabhängige oxidative Schäden vornehmlich durch erhöhte ROSKonzentrationen oder eine Abnahme von Antioxidanzien bedingt sind oder durch eine Kombination beider Faktoren. Mäuse mit einem Knockdown von SOD1 oder SOD2 und dadurch erhöhten ROS-Konzentrationen entwickeln einen AMD-ähnlichen Phänotyp [105, 106]. Obwohl Daten aus Untersuchungen an Tieren und Menschen das Konzept eines altersabhängigen Abfalls der antioxidativen Aktivität unterstützen, fehlt der endgültige Beweis. Liles et al. z. B. berichteten dass mit dem Alter die Katalaseaktivität, jedoch nicht die SOD im humanen RPE abnimmt [134], während Miyamura und Kollegen keine signifikanten altersabhängigen Veränderungen der Katalase oder der Hämoxygenase-1 (HO-1) im RPE feststellen konnten [135]. Interessanterweise wurden in der letzteren Studie Mosaikmuster der antioxidativen Aktivität in der RPE-Monoschicht beobachtet, die auf erhebliche Zell-zu-Zell-Unterschiede hindeuten. Vergleichbare Trends der Vitamin-E-Konzentration (Anstieg bis zum fünften und Rückgang nach dem 7. Lebensjahrzehnt) wurden für die menschliche makuläre und periphere Retina und für das makuläre RPE nachgewiesen. Im peripheren RPE zeigte sich mit dem Alter ein leichter kontinuierlicher Anstieg [136]. Der Vitamin-E-Gehalt war sowohl makulär als auch peripher im RPE höher als in der Retina, wobei sich die Konzentrationen im makulären und peripheren RPE nicht unterschieden. Weitere Untersuchungen ergaben keine Korrelation mit dem Spenderalter oder der SOD-Aktivität [134], eine altersabhängige Assoziation zwischen Lipidperoxidation und antioxidativer Enzymaktivität [137], einen niedrigeren Gehalt makulärer Karotinoide im Alter [138] und eine 3- bis 4-fache Abnahme der mikrosomalen
57 3.7 · Zusammenhang zwischen Alter und AMD
Glutathion-S-Transferase-1 im Maus-RPE [139]. Die mikrosomale Glutathion-S-Transferase-1 ist ein Enzym, das Peroxide, oxidierte RPE-Lipide und oxidierte Retinoide reduziert. Auch Hitzeschockproteine und Chaperone wie Crystallin könnten Proteine gegen oxidativen Schaden schützen. Die Verkürzung von Crystallin im Alter kann diese Schutzwirkung vermindern [140, 141]. ROS, die nicht entgiftet werden, tragen lebenslang zur schleichenden Entstehung eines oxidativen Schadens im RPE bei, der im gealterten Auge pathologisch werden und wahrscheinlich zur Pathogenese von Erkrankungen wie der AMD beitragen kann. Angesichts der hoch oxidierenden Umgebung der Retina passt es, dass das RPE eine größere Widerstandskraft gegenüber oxidativem Stress aufweist als viele andere Zellarten des Körpers, eingeschlossen solchen, die gleichfalls in hoch oxidativen Geweben liegen [142]. Diese höhere oxidative Toleranz des RPE geht mit mehr SOD, höherer Glutathion-Peroxidase- und Katalase-Aktivität einher, was zum Teil eine adaptive Antwort auf den oxidativen Stress darstellen könnte. Die adaptive Antwort ist ein biologisches Phänomen, bei dem Zellen auf molekularer Ebene reagieren, um eine bessere zelluläre Widerstandskraft gegen verschiedenste physiologische Stressoren wie z. B. ROS zu entwickeln [143]. Eine Exposition von RPE-Zellen gegenüber subletalem oxidativen Stress resultiert in einer erhöhten zellulären Resistenz gegen darauffolgende toxische Belastungen, was für eine starke adaptive Antwort dieser Zellen spricht [107]. Interessanterweise erstreckte sich der adaptive Nutzen bei oxidativem Stress nicht auf Schutz oder Reparatur der mitochondrialen DNA, was nahe legt, dass die Mitochondrien (eine Hauptquelle für ROS) ein schwaches Glied des RPE in einem ansonsten effizienten Abwehrsystem gegen oxidativen Stress sein könnten.
3.6
Zellresten, vor allem von Lipiden entsteht und offenbar am stärksten in der Makularegion ist [5, 146, 149]. Zudem wird die Bruch-Membran aufgrund von Kalkablagerungen und Verlust der Elastinschicht [144, 150, 151] sowie der Ausbildung vernetzter Moleküle (z. B. sog. »advanced glycation endproducts«) [152] im Alter brüchiger. Beobachtet wurden ferner ein Anstieg der Proteoglykangröße und der Heparinsulfat-Konzentration jenseits des 70. Lebensjahres [153]. Die Kombination von strukturellen Veränderungen und Materialakkumulation innerhalb der Bruch-Membran be- oder verhindert den freien Molekülfluss zwischen dem Choroidalkreislauf und den Photorezeptoren, was im ungünstigsten Fall zur Zellatrophie führen kann [154, 155]. Unklar ist, in welchem Umfang das RPE zu den altersabhängigen Veränderungen der Bruch-Membran beiträgt, doch ist es wahrscheinlich die Hauptquelle der Debris-Ablagerungen. Nahezu gesichert ist, dass das RPE die Quelle der basalen linearen Einlagerungen ist, die sich an der innersten Grenze der Bruch-Membran bilden, sowie der fokalen Ablagerungen unter dem Pigmentepithel, die als Drusen bezeichnet werden und jenseits des 40. Lebensjahres erscheinen [147]. Interessanterweise finden sich sowohl Lipofuszin- als auch Melaningranula in frühen Drusen [147] und es zeigt sich eine charakteristische Lipofuszinverteilung in RPE-Zellen, die über Drusen liegen [59]. Drusen konzentrieren sich zumeist in der Makularegion und können vorrangig aus Lipiden oder Proteinen bestehen [147]. Zunehmende Beweise deuten daraufhin, dass Drusenbildung ein Nebenprodukt chronischer, lokaler Entzündungsprozesse unter wahrscheinlicher Beteiligung des Komplementsystems ist [148]. Es ist daher denkbar, dass die mit Alterung und AMD verbundene oxidative Schädigung das Potenzial hat, die mit AMD assoziierten Entzündungsprozesse auszulösen oder zu verstärken.
Alterung der Bruch-Membran 3.7
Die Bruch-Membran ist eine azelluläre Struktur, die das RPE von der darunter liegenden Choroidea trennt und aus fünf Schichten besteht [144]: ▬ Basalmembran des retinalen Pigmentepithels ▬ Innere Kollagenfaserschicht ▬ Schicht aus elastischen Fasern ▬ Äußere Kollagenfaserschicht ▬ Basalmembran der Choriokapillaris Mit zunehmendem Lebensalter kommt es zu erheblichen strukturellen Veränderungen der Bruch-Membran [144–148]. Die augenfälligste ist eine Dickenzunahme, die durch lebenslange Einlagerung von Molekül- und
Zusammenhang zwischen Alter und AMD
Der Hauptrisikofaktor für AMD ist das Lebensalter. Steigende Zahlen und ein zunehmender Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung ist ein globaler demographischer Trend, der innerhalb der nächsten 20 Jahre zu einer drastischen Zunahme von AMD-Betroffenen sowie der damit verbundenen Gesundheitskosten führen wird [155]. In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch große Fortschritte in unserem Verständnis von Mechanismen der zellulären Alterung erzielt, sowohl auf genetischer als auch auf Protein- und Organellenebene. Auch einige der komplexeren Assoziationen zwischen Umwelt und Alte-
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58
Kapitel 3 · Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels
Alterung Täglicher Stoffwechsel Therapeutische Stoffe Umweltstoffe Lichtexposition Rauchen Physikalischer Stress
3
Oxidativer Stress Vernetzungen Bildung von Addukten Molekulare Dysregulation Verminderte Reparatur Genetische Prädisposition
⊡ Abb. 3.8 Übersicht der Ursachen und Folgen von Alterung in Neuroretina und RPE. Sowohl zufällige Effekte als auch die genetische Prädisposition beeinflussen die Geschwindigkeit des Alterungsprozesses, was die großen interindividuellen Unterschiede in Entwicklung und Progression altersabhängiger Veränderungen und AMD erklärt
Bildung von Lipofuszin Melanosom-Abbau Mitochondrialer Schaden Lysosomale Dysfunktion Fehlregulation der Autophagie Verminderte Antioxidanzien Parainflammatorische Antwort Veränderungen der BruchMembran
rung wurden besser verstanden [156]. Diese Erkenntnisse führten zu einem Modell altersabhängiger Veränderungen aller Gewebe wie auch der Netzhaut, und betonten die additiven Effekte pathologischer und »natürlicher« Alterung (⊡ Abb. 3.1). Die biologische Alterung ist demnach keine Krankheit an sich, sondern eine zunehmende Anfälligkeit, Krankheiten zu entwickeln. Die Retina z. B. wird durch Einbußen der mitochondrialen Funktion, erhöhte ROS-Produktion, Entstehung oxidativer Schäden, Akkumulation von Lipofuszin, eine veränderte Immunantwort und Veränderungen der Bruch-Membran empfindlicher gegenüber umweltbedingten Faktoren wie Zigarettenrauch und Licht (⊡ Abb. 3.8). Zu klären ist noch, welche Rolle systemische Effekte anderer alternder Gewebe im Körper spielen. Alterung und Pathogenese bilden einen Circulus vitiosus, in dem sie sich gegenseitig verstärken. Die derzeit überzeugendsten Verbindungen zwischen dem Alterungsprozess und der Pathogenese der AMD sind die Lipofuszinakkumulation und Veränderungen der Bruch-Membran. Lipofuszin findet sich in frühen Drusen [147] mit der höchsten
?
Verlust an Photorezeptoren RPE-Atrophie Abnahme choroidaler Kapillaren
Genetische Empfindlichkeit
AMD
Dichte in der zentralen Retina [157]. Es ist hoch photoreaktiv und tritt in lokalen Bereichen oder »hot spots« der Fundusautofluoreszenz auf, die ein Risiko für AMDProgression tragen (⊡ Abb. 3.9) [158]. Des Weiteren zeigte sich eine Erhöhung von Lipofuszin im Nagetiermodell der AMD [105, 159, 160]. Es wurde postuliert, dass die erhöhte Lipidakkumulation innerhalb der Bruch-Membran unmittelbar zu einer RPE-Abhebung führen kann, mit resultierender Behinderung des Abtransports von Flüssigkeit aus der Retina [161]. Erhöhte Lipidkonzentration, Kalkeinlagerung und Veränderungen der strukturellen Stabilität der Bruch-Membran verursachen Störungen, die diese Region möglicherweise anfällig für eine Invasion von Makrophagen oder RPE-Zellen und eine neovaskuläre Invasion aus dem sub-RPE-Raum macht [162, 163]. Regionale Abweichungen in Struktur und Funktion von RPE-Zellen und der Mangel an passenden Tiermodellen erschwert die weitere Klärung, wie retinale Alterungsprozesse zur AMD beitragen. Studien an Mäusen haben allerdings klar gezeigt, dass genetische oder diätetische Manipulation eine AMD-ähnliche Pathologie
59 Literatur
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b
c
d
bei betagten, jedoch nicht bei jungen Tieren verursachen kann [159, 160].
⊡ Abb. 3.9 Fundusautofluoreszenz-Bilder. Vergleich der gesamten Fundusfluoreszenz zwischen einem jungen (a) und einem alten Patienten (b), der wenig höhere Werte bei der älteren Person ergibt. c Aufnahme von 2005 mit dem Heidelberg HRA-II-Scanning-Laserophthalmoskop. Bei dem 74-jährigen Patienten mit einer Sehschärfe von 20/40 zeigten sich mehrere Gebiete mit RPE-Atrophie sowie wenige kleine Areale erhöhter Autofluoreszenz an den Grenzen der größeren Läsionen. Zu diesem Zeitpunkt war die Autofluoreszenz der Fovea normal und es wurde dem Patienten mitgeteilt, dass eine Progression bevorstand. d Zwei Jahre später wurde der Patient erneut untersucht. Die Sehschärfe hatte sich auf 20/200 verringert und die mit dem gleichen Gerät aufgenommene Autofluoreszenz zeigte eine ausgedehnte geographische Atrophie, die auch die Fovea einschloss. (Bilder und Bildtext mit freundlicher Genehmigung von Dr. Erik Van Kuijk, Ophthalmology and Visual Sciences, UTMB, Galveston, Texas)
Literatur [1]
Fazit
▬ Altersabhängige Veränderungen in der Neuroretina und ▬
▬ ▬
▬
dem RPE gehen mit einer zunehmenden Anfälligkeit einher, eine AMD zu entwickeln. Zu den altersabhängigen Veränderungen gehören der Verlust des Fundusreflexes, stärkere Sichtbarkeit großer choroidaler Gefäße, Gebiete mit Hypo- und Hyperpigmentierung, eine merkliche Zunahme der Fundusautofluoreszenz und das Erscheinen fokaler Sub-RPE-Ablagerungen, sog. Drusen. Die retinale Alterung ist ein multifaktorieller Prozess, der sowohl umweltbedingte Schäden als auch genetische Prädisposition mit einschließt. Unter den altersabhängigen Veränderungen auf zellulärer Ebene haben der Verlust an mitochondrialer Funktion, erhöhte ROS-Produktion, Anhäufung oxidativer Schäden, Akkumulation von Lipofuszin, eine veränderte Immunantwort und Veränderungen der Bruch-Membran eine Schlüsselfunktion inne. Oxidative Schäden spielen offenbar eine zentrale Rolle bei der retinalen Alterung und können möglicherweise durch den Einsatz systemischer Antioxidanzien günstig beeinflusst werden.
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Kapitel 3 · Alterung der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels
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3
4
Das Komplementsystem bei der AMD1 P. Charbel Issa, N.V. Chong, H.P.N. Scholl
4.1
Einleitung
– 66
4.2
Das Komplementsystem – 66
4.3
Das Komplementsystems in der AMD-Pathogenese – 67
4.4
Klinische Relevanz der Komplementgenvarianten – 68
4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5
Systemische Komplementaktivierung bei AMD-Patienten – 68 Komplementgenvarianten und AMD-Subtypen – 70 Komplementgenvarianten und Progression der AMD – 70 Gen-Umwelt-Interaktion: Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel und Rauchen – 71 Polymorphismen in Komplementgenen und Ansprechen auf Therapie: Pharmakogenetik
4.5
Neue pharmakologische Interventionen zur Modifikation der Komplementaktivierung – 72
4.6
Schlussfolgerung Literatur
1
– 72
– 73
– 73
Ein ähnlicher Text in englischer Sprache wurde in Graefe‘s Archive for Clinical and Experimental Ophthalmology publiziert (Charbel Issa et al. (2011) The Significance of the Complement System for the Pathogenesis of Age-Related Macular Degeneration – Current Evidence and Translation into Clinical Application). Die Arbeit wurde finanziell unterstützt durch die Europäische Kommission, 7. Rahmenprogramm, Marie Curie Intra-European Fellowship (237238); den Wynn-Gund Translational Research Acceleration Program Enhanced Research and Clinical Training Award, National Neurovision Research Institute (NNRI) – Foundation Fighting Blindness (FFB; NNCD-CL-0310.0049-JHU-WG); and the Macular Degeneration Research Award, American Health Assistance Foundation (AHAF; M2010042).
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 4 · Das Komplementsystem bei der AMD
Kernaussagen ▬ Eine Dysregulation des Komplementsystems spielt ▬
4
▬
▬ ▬ ▬
4.1
eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD). Dies wurde gezeigt in proteomischen Studien an Spenderaugen, genetischen Assoziations-Studien, sowie Untersuchungen der Blutkonzentration von Proteinen des Komplementsystems. Es gibt Hinweise, dass Varianten von Genen, die für Komplementproteine kodieren, mit einer Progression von AMD-Frühformen in Spätformen assoziiert sind. Diese Genvarianten scheinen aber keine signifikante Rolle zu spielen, wenn sich eine AMDSpätform bereits entwickelt hat. Es gibt Indizien für eine Wechselwirkung zwischen den genetischen Varianten und Ernährungsfaktoren oder Nahrungsergänzungsmitteln. Es gibt Anzeichen für einen Einfluss von Varianten im Komplementfaktor H-Gen auf das Ansprechen neovaskulärer AMD auf Therapie. Das Komplementsystem dürfte eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung neuer prophylaktischer und therapeutischer Ansätze für die AMD spielen.
Einleitung
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine komplexe Erkrankung mit genetischen, umweltbedingten und demographischen Risikofaktoren ( Kap. 3). In den vergangenen Jahren konnte der Nachweis geführt werden, dass entzündliche Prozesse einschließlich einer Dysregulation des Komplementsystems eine wesentliche Rolle bei der Pathogenese der AMD spielen. Polymorphismen in Genen, die für Proteine des Komplementsystems kodieren, beeinflussen die Prädisposition, eine AMD zu entwickeln. Diese Entdeckung trieb weitere Forschungen voran und führte letztlich zur Etablierung des Komplementsystems als Schlüsselkomponente in der Pathogenese der AMD [1]. Unser Verständnis dafür, welche klinische Relevanz dem Komplementsystem bei der AMD zukommt, ist jedoch noch lückenhaft. In diesem Kapitel soll die Bedeutung des Komplementsystems für die Pathogenese der AMD sowie die Implikationen für derzeitige und zukünftige klinische Anwendungen diskutiert werden. In einem ersten Teil soll ein kurzer Überblick über das Komplementsystem und den derzeitige Kenntnisstand über seine Rolle bei der AMD gegeben werden. Im zweiten Teil wird die klinische Relevanz der Polymorphismen
in Genen, die für Komplementproteine kodieren, besprochen. Dies beinhaltet Assoziationen der genetischen Varianten mit Alterationen der Komplementaktivierung oder bestimmten AMD-Formen, wie auch der mögliche Einfluss auf die Progression der AMD, das Ansprechen auf therapeutische Intervention (Pharmakogenetik) oder die Interaktion mit bekannten modifizierbaren Risikofaktoren für die AMD (Gen-Umwelt-Interaktion). In einem dritten Teil folgt eine kurze Zusammenfassung von Ansätzen, aus denen sich zukünftige Behandlungsalternativen ergeben könnten.
4.2
Das Komplementsystem
Basierend auf Spezifität und Unmittelbarkeit werden Immunantworten im Wesentlichen in zwei Effektorsysteme unterteilt [2]. Beide, das adaptive und das angeborene Immunsystem sind eng miteinander gekoppelt. Eine zentrale Rolle im adaptiven Immunsystem kommt B- und TLymphozyten zu, die eine antigenspezifische Erkennung und immunologische Antwort ermöglichen. Im Gegensatz hierzu fungiert das angeborene Immunsystem weniger spezifisch, dafür jedoch unmittelbarer. Einer seiner Haupteffektoren ist das Komplementsystem mit mehr als 30 Plasmaproteinen und einer Gesamtkonzentration von mehr als 3 g/l. Eine lange evolutionäre Konservierung dieses ursprünglichen Immunsystems deutet auf die biologische Wichtigkeit für die Integrität von Organismen hin [2]. Das Komplementsystem kann über drei unterschiedliche Wege aktiviert werden, nämlich über den klassischen, den Lektin- oder den alternativen Weg. Bei jedem wird eine proteolytische Kaskade verstärkt und führt schließlich zur Aktivierung des zentralen Proteins der Komplementkaskade, C3. Der C3-Aktivierung nachgeschaltet sind Effektoren des Komplementsystems mit anaphylatoxischer (C3a, C5a; proinflammatorisch), opsonierender und zelllytischer (»membrane attack complex«, MAC) Wirkung. Der klassische Weg des Komplementsystems wird aktiviert, wenn das Komplementprotein C1q an Antikörper mit gebundenem Antigen bindet. Im Gegensatz hierzu verwendet der Lektin-Weg sog. »Pattern-Recognition-Rezeptoren« (PRR) wie Mannose-bindendes Lectin (MBL), um pathogenassoziierte molekulare Muster zu erkennen. Der alternative Weg des Komplementsystems (»alternative pathway of complement« = APC) wird im Folgenden eingehender beschrieben, da er hinsichtlich der AMD-Pathogenese die wesentliche Rolle spielt. Der APC (⊡ Abb. 4.1) wird zunächst durch eine konstante, niedrig-gradige, spontane Hydrolyse von C3 ak-
67 4.3 · Das Komplementsystems in der AMD-Pathogenese
⊡ Abb. 4.1 Alternativer Weg der Komplementaktivierung. Substanzen, die derzeit in klinischen Studien getestet werden, sind rot gedruckt
tiviert. Die Bindung von C3 an Faktor B ermöglicht Faktor D, Faktor B in Ba und Bb zu spalten. Eines der resultierenden Produkte, C3bBb, ist eine C3-Konvertase mit einer Verstärkungsfunktion, wodurch mehr C3b und C3a aus C3 produziert werden. Eine unkontrollierte Aktivierung des APC würde zur Schädigung des eigenen Gewebes führen. Deshalb sind Regulatoren notwendig, die eine unangemessene Aktivierung und Wirkung des APC verhindern. Solche Regulatoren können den Abbau vorhandener C3-Konvertasen beschleunigen (z. B. »decayaccelerating factor« (DAF; CD55), Komplementrezeptor 1 (CR1), Komplementfaktor H (CFH)) oder die Entstehung von Konvertasen verhindern, z. B. durch Abbau ihrer Bestandteile wie C3b. Letzteres ist beispielsweise eine Funktion von Faktor I, der andere Komplementregulatoren als Kofaktoren benötigt (z. B. CR1, CFH, membrane cofactor protein [MCP; CD46]). Beide Prozesse begrenzen letztlich eine weitere, unangemessene Komplementaktivierung. Andere Regulatoren können eine MAC-vermittelte Zelllyse hemmen (CD59, Vitronectin, S-Protein) oder Anaphylatoxine abbauen (Carboxypeptidase N, B und R). Komplementregulatoren können auch als zellgebunden (z. B. MCP, CR1, DAF, CD59) oder in der Flüssigphase lokalisiert (CFH, Vitronectin, S-Protein) klassifiziert werden. CFH ist der wichtigste Regulator der letztgenannten Gruppe.
4.3
Das Komplementsystems in der AMD-Pathogenese
Ergebnisse aus drei Forschungsfeldern weisen auf eine Beteiligung des Komplementsystems bei der AMD-Pathogenese hin (⊡ Abb. 4.2): ▬ Immunhistologische und proteomische Studien an Spenderaugen ▬ Genetische Assoziationsstudien ▬ Untersuchungen der Konzentration von Komplementproteinen im peripheren Blut
⊡ Abb. 4.2 Drei separate Belege aus Studien an menschlichem Gewebe bzw. AMD-Patienten, die eine Beteiligung des Komplementsystems bei der AMD-Pathogenese untermauern. Eine erhöhte lokale (immunhistochemisch nachgewiesene) und systemische (nachgewiesen in Untersuchungen der Plasmaproteinkonzentrationen) Komplementaktivierung kann auf ein genetisches Risikoprofil zurückgeführt werden und ist möglicherweise durch verschiedene zusätzliche Faktoren beeinflusst
Erste Hinweise ergaben sich aus dem immunhistologischen Nachweis von Proteinen der Komplementkaskade, seiner Regulatoren und anderen Entzündungsmarkern. Diese waren im Vergleich mit Kontrollen in Spenderaugen von AMD-Patienten vermehrt nachzuweisen und charakteristischerweise in Drusen lokalisiert, einem pathologischen Charakteristikum der frühen AMD [1, 3–8]. Weitere Hinweise entstammen einer quantitativen proteomischen Analyse des makulären Bruch’sche Membran-Chorioidea-Komplexes. Im Vergleich mit Kontrollaugen waren in Spenderaugen von AMD-Patienten eine Vielzahl von Komplementproteinen vermehrt nachzuweisen [9]. Kürzlich wurde eine Hypothese aufgestellt, in der Drusen als »Nebenprodukte chronischer lokaler Entzündungsprozesse auf Ebene der Bruch-Membran« betrachtet werden [1]. Komplementproteine wie CFH sind auch in normalen Augen vorhanden [10] und könnten somit eine physiologische Funktion ausüben. Tatsächlich
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Kapitel 4 · Das Komplementsystem bei der AMD
konnte gezeigt werden, dass die erkrankungsassoziierte Variante von CFH (Y402H) eine niedrigere Affinität zur Bruch’schen Membran hat [11], was zu einer unkontrollierten und somit erhöhten lokalen Aktivierung der alternative Komplementkaskade führen könnte. Hinweise für eine genetische Komponente der Prädisposition, eine AMD zu entwickeln, gingen zunächst aus Zwillings- und Familienstudien hervor. Diese zeigten konsistent eine erhöhte Anfälligkeit für die Entwicklung einer AMD bei Individuen mit positiver Familienanamnese [12–15]. Im Jahr 2005 deckten genetische Assoziationsstudien Polymorphismen im CFH-Gen auf, die mit einem signifikant erhöhten oder erniedrigtem Risiko für die Entwicklung einer AMD einhergehen [10, 16–18]. Die Bedeutung des Komplementsystems wurde weiter untermauert durch die Identifizierung von Assoziationen mit Varianten in weiteren Genen, die für Komplementproteine kodieren. Diese umfassen Komplementfaktor B/ C2 (CFB), C3, Faktor I (FI) und CFH-related proteins 1 und 3 ( Kap. 2). Die Assoziation dieser Varianten mit der AMD scheint jedoch wesentlich schwächer zu sein als jene mit CFH-Varianten. Der dritte Hinweis für die pathogenetische Bedeutung des Komplementsystems bei der AMD beruht auf Untersuchungen der Blutkonzentration von Komplementproteinen [19–21]. Diese Daten zeigen, dass bei AMD-Patienten im peripheren Blut eine erhöhte systemische Komplementaktivierung gemessen werden kann ( Abschn. 4.4.1). Die Evidenz aus humanen in vivo- und ex vivo-Studien wird durch eine große Zahl von in vitro- und Tierstudien untermauert. Bemerkenswerterweise konnten funktionelle in vitro-Analysen eine biologische Relevanz der CFH-Varianten aufzeigen. Die veränderte Proteinstruktur der CFH-Y402H-Risikovariante führt zu einer verminderten Bindungsaffinität in vitro mit Zielmolekülen wie C-reaktives Protein (CRP) und Heparin, mit Zelloberflächen und der Bruch-Membran [11, 22-28]. Andererseits zeigte sich, dass die protektive Variante V62I eine stärkere Inhibition auf die C3-Konvertase-Bildung ausübt [29]. Es konnte auch nachgewiesen werden, dass Bestandteile von Lipofuszin, dessen Akkumulation zur AMD-Pathophysiologie beiträgt, Komplement aktivieren können [30]. Eine Komplementaktivierung sowohl durch Rauchen als auch durch eine niedriggradige Immunantwort gegen Carboxyethylpyrrole (CEP)-Addukte, die sich im subretinalen Raum anreichern, wurde am Augenfundus im Mausmodel aufgezeigt [31, 32]. Die Transkriptionsprofile des RPE-Chorioidea-Komplexes in älteren (verglichen mit jungen) Mäusen zeigten unter anderem einen ausgeprägten Anstieg von Proteinen der Komplementkaskade [33]. Somit konnten auch unter
Laborbedingungen wesentliche bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung einer AMD, wie oxidativer Stress, das Altern und Rauchen mit einer Aktivierung des Komplementsystems in Verbindung gebracht werden. Auch die RPE-Physiologie ist durch Komplementaktivierung beeinträchtigt, und das RPE kann seine eigene Komplementprotein-Produktion modulieren. Hieraus folgt, dass RPE-Zellen eine wichtige Rolle in der Regulation der retinalen Komplementaktivierung spielen könnten [3437]. Es wurden nun kürzlich auch Untersuchungen einer CFH-/-Maus beschrieben, die in hohem Alter einen retinalen Phänotyp entwickelt [38].
4.4
Klinische Relevanz der Komplementgenvarianten
4.4.1
Systemische Komplementaktivierung bei AMD-Patienten
Immunhistologische Studien an Spenderaugen von AMDPatienten und Daten genetischer Studien wiesen darauf hin, dass bei der AMD-Pathogenese vor allem dem alternativen Komplementweg eine wesentliche Rolle zukommt. Dies führte zu der Hypothese, dass die relevanten genetischen Polymorphismen, falls biologisch bedeutsam, zu einem messbaren Unterschied der Aktivierung des Komplementsystems führen müssten, und zwar vor allem von Aktivierungsprodukten der alternativen Komplementkaskade. Tatsächlich fanden sich in der ersten Studie, die umfassend die Plasmakonzentration von APC-Proteinen untersuchte, höhere Werte bei AMD-Patienten im Vergleich zu Kontrollpersonen [19]. Insbesondere alle getesteten Aktivierungsprodukte (Ba, C3d, MAC, C3a, C5a), vor allem die Marker für eine chronische Komplementaktivierung (Ba und C3d; p<0,001), waren signifikant erhöht. Ähnliche Veränderungen wurden beobachtet für den aktivierenden Regulator Faktor D, jedoch nicht für C3, C4 oder CFH. Die erhöhte Konzentration von Proteinmarkern des APC korrelierte mit Haplotypen des CFH-Gens bei Patienten und Kontrollpersonen, was eine genetisch bedingte Aktivierung des APC nahe legte. Eine darauffolgende Studie in einer größeren, unabhängigen Kohorte von AMD-Patienten und Kontrollpersonen bestätigte im Wesentlichen diese Ergebnisse und zeigte, dass sowohl Plasmaproteinkonzentrationen als auch genetische Marker individuell eine Vorhersagbarkeit bezüglich des AMD-Erkrankungsstatus erlaubten [21]. Eine Veränderung um eine Standardabweichung der Plasmakonzentration des Substrats Faktor B, dem Regulator Faktor D und den Aktivierungsprodukten Ba und C3d war assoziiert mit einem ungefähr 5-fachen Anstieg des AMD-Risikos (⊡ Abb. 4.3).
69 4.4 · Klinische Relevanz der Komplementgenvarianten
⊡ Abb. 4.3 Prädiktion der AMD und Einfluss der Plasmakonzentration von KomplementProteinen auf das AMD-Risiko. Gezeigt sind die Odds Ratios für jede Kombination einer Veränderung um eine Standardabweichung der Plasmakonzentration von Faktor B, Faktor D, Ba und C3d hinsichtlich des Risikos, eine AMD zu entwickeln (relativ zu einer Referenzgruppe R mit mittleren Plasmakonzentrationen für alle vier Komplementproteine). Die Zahlen auf der x- und y-Achse sind Standardabweichungen oberhalb (1) und unterhalb (–1) der korrigierten und standardisierten Plasmakonzentrationen für jedes der Proteine. Aus Hecker et al. [21]; mit Erlaubnis der Oxford University Press
Weitere Belege für diese Beobachtungen kommen von den bereits genannten biochemischen In-vitro-Studien. Diese zeigten eine veränderte biologische Aktivität der CFH-Risikovariante, was die unterschiedliche Konzentration von Aktivierungsprodukten in der CFHnachgeordneten Komplementkaskade erklären würde. Hecker et al. fanden auch eine Assoziation der Komplementaktivierung mit genetischen Polymorphismen im CFB-Gen sowie eine Aktivierung des APC im Blut mit zunehmendem Alter [21]. Ein Trend wurde beobachtet hinsichtlich eines stärkeren Anstiegs von Plasma-Proteinkonzentrationen von Faktor D, Faktor B, Ba und C3d bei fortgeschrittenen AMD-Manifestationen, was eine mögliche Assoziation der Komplementaktivierung im Blut mit einer AMD-Progression nahelegt. Eine dritte Studie vorwiegend an Patienten mit fortgeschrittener AMD zeigte ebenfalls eine erhöhte Komplementaktivierung. Reynolds et al. untersuchten hierbei teils andere Komplementproteine als die beiden erstgenannten Studien und fanden unabhängig vom Genotyp erhöhte Plasmakonzentrationen von C5a und Bb. Dieselbe Gruppe fand auch eine verminderte Plasmakonzentration von CFH bei Patienten mit geographischer Atrophie, was in den beiden anderen Studien nicht berichtet wurde. Des Weiteren berichteten Reynolds et al. auch eine Assoziation eines erhöhten Body-Mass-Indexes mit Komplementaktivierungsprodukten [20].
Ein weiterer Hinweis für die Assoziation einer abnormalen Komplementaktivierung und der AMD kam von einer großen Fall-Kontroll-Studie, die einen Zusammenhang zwischen der AMD und Erkrankungen beschrieb, die bekannterweise mit einer erhöhten systemischen Komplementaktivierung einhergehen [39]. AMD-Patienten hatten häufiger als Kontrollpersonen einen systemischen Lupus erythematodes oder eine Glomerulonephritis. Des Weiteren zeigen Patienten mit membranoproliferativer Glomerulonephritis (MPGN) Typ 2, einer Erkrankung mit unkontrollierter Komplementaktivierung [40], eine Phänokopie des retinalen Befundes von AMD-Patienten, wie beispielsweise Drusen [41–44]. Diese Studien legen den Grundstein für zukünftige klinische Studien, die eine systemische Modulation der Komplementaktivierung bei der AMD zum Ziel haben. Die derzeitige Evidenz lässt jedoch nur den Rückschluss auf eine Verbindung zwischen Komplementaktivierung und dem Risiko, eine AMD zu entwickeln, zu. Es gibt derzeit keine direkten Belege, dass Komplementaktivierung auch bei Spätformen der AMD noch eine wesentliche Rolle spielt. Dies legt nahe, dass eine prophylaktische Intervention sinnvoll sein könnte, während hingegen für eine therapeutische Modulation des Komplementsystems bei späten AMD-Stadien bisher nur wenige Belege vorhanden sind.
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Kapitel 4 · Das Komplementsystem bei der AMD
4.4.2
4
Komplementgenvarianten und AMD-Subtypen
Bisher wurde für keines der untersuchten Komplementgene ein spezifischer Zusammenhang mit der Entwicklung entweder einer chorioidalen Neovaskularisation (CNV) oder einer geographischen Atrophie beschrieben [45–49]. Dies könnte darauf hindeuten, dass Komplementvarianten gleichwichtig für die Entwicklung beider AMDSpätformen sind und zusätzliche genetische und/oder Umweltfaktoren notwendig sind, um entweder eine CNV oder eine geographischen Atrophie zu entwickeln. Es ist jedoch auch möglich, dass die bisherigen Studien keine ausreichende Patientenzahl der beiden AMD-Spätformen aufwiesen, um einen Effekt nachzuweisen. Einige Studien haben die mögliche Assoziation zwischen dem CFH-Risikoallel Y402H und spezifischen neovaskulären AMD-Subtypen untersucht [50–53]. Aufgrund der unterschiedlichen Ergebnisse in diesen Studien können derzeit keine klaren Schlussfolgerungen bzgl. eines vorwiegenden Auftretens klassischer oder okkulter neovaskulärer Membranen gezogen werden. Möglicherweise sind die Ausprägung von neovaskulären Membranen und das Alter bei deren Auftreten durch den genetischen Hintergrund der AMD-Patienten beeinflusst [54]. Shuler et al. untersuchten phänotypische Charakteristika in einer Kohorte von 956 AMD-Patienten unterschiedlicher Erkrankungsstadien und fanden bemerkenswerterweise nur periphere retikuläre Pigmentveränderungen als phänotypisches Merkmal, das mit der CFH-Y402HRisikovariante assoziiert war [49]. Bei basal laminären Drusen (»kutikuläre Drusen«) zeigen sich ähnliche Veränderungen wie bei der AMD. Auch bei dieser Drusen-Form findet sich eine Assoziation mit CFH-Varianten [44]. Die Y402H-Variante wurde in bis zu 70% der Patienten mit basal laminären Drusen gefunden [55], was häufiger ist als in Kohorten mit typischer AMD. Für früh auftretende basal laminäre Drusen wurde eine Assoziation mit heterozygoten Nonsense-, Missense- oder Splice-Varianten des CFH-Gens in Kombination mit der Y402H-Variante berichtet [56]. Die polypoide chorioidale Vaskulopathie (PCV) wurde als separate klinische Entität beschrieben, die sich von der neovaskulären AMD und anderen mit subretinaler Neovaskularisation assoziierten Erkrankungen abhebt [57]. Es ist derzeit noch kontrovers, ob die PCV ein Subtyp der neovaskulären AMD ist, oder nicht [58]. Patienten mit PCV sind häufig jünger und die Prävalenz ist höher im ostasiatischen Raum. Augen mit PCV zeigen häufig keine Drusen als charakteristisches Zeichen einer frühen AMD. In einer umfassenden Untersuchung des CFH-Gens fanden Kondo et al. eine starke Assoziation
mit der I62V-Variante in einer Kohorte von 130 japanischen PCV-Patienten [59]. Bemerkenswerterweise fand sich keine signifikante Assoziation der Y402H-Variante mit PCV, was im Kontrast mit dem starken Effekt auf die Prädisposition für die Entwicklung einer typischen AMD bei Kaukasiern steht. Ähnliche Schlussfolgerungen wurden in einer chinesischen Studie gezogen [60]. In einer späteren größeren Studie (408 Patienten mit typischer AMD, 518 Patienten mit PCV, 1351 Kontrollproben) wurde zusätzlich zur Assoziation mit der I62VVariante auch eine Assoziation der PCV mit dem Y402HAllel deutlich [61]. Gotoh et al. fanden keinen Unterschied im Auftreten des CFH-Y402H-Genotyps zwischen Patienten mit exsudativer AMD und PCV. Eine Studie an einer kaukasischen Population mit PCV und AMD fand, dass beide Erkrankungen im Bereich des CFH- und CFB/ C2-Lokus genetisch ähnlich sind [62]. Letztere Studie beinhaltete die Y402H-, aber nicht die I62V-Variante. Diese genetischen Studien liefern die Evidenz für eine ähnliche Pathogenese der beiden phänotypisch ähnlichen Erkrankungen, nämlich eine Beteiligung des Komplementsystems. Unterschiedliche Polymorphismen könnten unterschiedliche funktionelle Konsequenzen auf Proteinebene haben und könnten zumindest teilweise den unterschiedlichen Phänotyp erklären. Nur wenige Daten sind verfügbar bezüglich einer Assoziation der retinalen angiomatösen Proliferation (RAP) mit Polymorphismen in Genen, die für Komplementproteine kodieren. In einer japanischen Population wurde eine Korrelation mit der RAP für die CFH-I62VVariante beschrieben, nicht jedoch für die Y402H-Variante [61]. In einer österreichischen Population wurde hingegen eine Assoziation mit der Y402H-Variante beschrieben [50].
4.4.3
Komplementgenvarianten und Progression der AMD
In zwei unabhängigen Kohorten zeigten Magnusson et al. dass die Y402H-Variante ein ähnliches Risiko für die Früh- und Spätform der AMD darstellt [46]. Farwick und Kollegen berichteten, dass die CFH-Risiko-Varianten signifikant mit der Entwicklung einer frühen, jedoch nicht mit der Progression zur Spätform assoziiert war [63]. Diese Studien legen nahe, dass zusätzliche Faktoren notwendig sein müssen, um eine Erkrankungsprogression zu erklären. Jedoch zeigten Daten von der Populationsbasierten Rotterdam-Studie ein steigendes Risiko (Odds Ratio) mit fortgeschrittenem Erkrankungsstadium [64]. Zwei weitere Studien fanden ein erhöhtes Risiko für eine Progression von frühen zu späten Erkrankungsstadien
71 4.4 · Klinische Relevanz der Komplementgenvarianten
bei Patienten mit Risikovarianten des CFH- [65-67] und C3 –Gens [67, 68]. Die Ergebnisse für den C2/CFB– Lokus waren nicht konsistent, möglicherweise aufgrund der Testung unterschiedlicher SNP [67, 68]. Erwähnenswert scheint, dass sich diese Studien jedoch nicht mit der Frage befassten, ob genetische Varianten auch in AMD-Spätstadien mit einer Erkrankungsprogression assoziiert sind. Die Progression der Spätformen, geographische Atrophie und CNV, erscheint wichtig hinsichtlich zukünftiger Therapien. Dieser Frage nahm sich kürzlich eine longitudinalen Assoziationsstudie an, in der Varianten in CFH, C3 und ARMS2, sowie die Progression der geographischen Atrophie in einer großen Kohorte von AMD-Patienten mit beidseitiger geographischer Atrophie untersucht wurde [69]. Es zeigte sich, dass alle genetischen Risikovarianten stark mit dem Risiko assoziiert waren, eine geographische Atrophie zu entwickeln. Es fand sich jedoch keine Assoziation mit der Erkrankungsprogression nach Ausbildung der geographischen Atrophie. Es liegt somit nahe, dass andere Prädispositionsfaktoren die Erkrankungsprogression bei geographischer Atrophie beeinflussen [69]. Diese Ergebnisse wurden kürzlich in einer Studie von Klein et al. bestätigt, die ebenfalls (zumindest für Varianten von Komplementgenen) keine Assoziation mit einer Progression der geographischen Atrophie aufzeigte [70].
4.4.4
Gen-Umwelt-Interaktion: Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel und Rauchen
Der einzige bisher bekannte protektive Faktor hinsichtlich einer AMD-Entwicklung sind Antioxidanzien. Die »Age-Related Eye Disease Studie« (AREDS) zeigte, dass eine Kombination von Zink, β-Carotin, Vitamin C und E das Risiko einer Progression von einem intermediären in ein Spätstadium innerhalb von 5 Jahren um 25% reduzierte [71]. Es gibt auch vorläufige Evidenz für einen protektiven Effekt von Omega-3 Fettsäuren [72-74]. Daten zur Wechselwirkung zwischen Ernährung oder Supplementation und genetischen Polymorphismen hinsichtlich der AMD-Entwicklung sind nur begrenzt verfügbar. Jedoch konnten kürzlich Daten aus zwei großen Studien, der AREDS und der Rotterdam-Studie, Hinweise für eine Wechselwirkung liefern. In der AREDS untersuchten Klein et al. eine Gruppe von 876 AREDS-Teilnehmern, die als Hochrisiko-Gruppe für eine Progression zu einer AMD-Spätform galten (AREDS-Kategorie 3 oder 4) [75]. Sie fanden eine Wechselwirkung der Behandlung mit der AREDS-Medikation und dem CFH-Y402H-Polymorphismus. Die Nahrungs-
ergänzungsmittel führten zu einer 68%igen Reduktion der Progressionsrate in der Untergruppe mit dem homozygoten Nicht-Risiko-Genotyp verglichen mit einer Reduktion von nur 11% in der Untergruppe mit dem homozygoten Risiko-Genotyp. Diese Daten deuten darauf hin, dass Patienten mit dem CFH-Y402H-Risiko-Genotyp einen geringeren Nutzen von einer AREDS-Supplementation haben. Weitere Subanalysen zeigten, dass die Interaktion zwischen Genotyp und Therapieeffekt durch die Zinkkomponente erklärt war: Die Wechselwirkung war in Gruppen mit gegenüber Gruppen ohne ZinkSupplementation vorhanden, jedoch nicht in Gruppen mit gegenüber Gruppen ohne Einnahme von Antioxidanzien. Es wurde keine signifikante Wechselwirkung des CFH-Genotyps mit einem Behandlungseffekt beobachtet, wenn die Auswertung zusätzlich Patienten mit frühen Erkrankungs-Stadien (AREDS-Kategorie 2) beinhaltete [65]. Teilweise gegensätzliche Ergebnisse wurden kürzlich von Ho et al. berichtet, die 2167 Teilnehmer der Rotterdam Studie mit hohem AMD-Risiko untersuchten [76]. Die Gruppe bewerteten die biologische Wechselwirkung mit genetischen Varianten durch Berechnung von Synergie-Maßzahlen. In einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 8,6 Jahren entwickelten 517 Teilnehmer eine frühe AMD. Signifikante Synergie-Maßzahlen wiesen auf eine mögliche biologische Interaktion zwischen dem CFHY402H-Polymorphismus und Zink, β-Caroten, Lutein/ Zeaxanthin und Eicosapentaensäure/Docosahexaensäure (EPA/DHA) hin. Homozygotie für den CFH-Y402H-Risiko-Genotyp in der höchsten Tertile der Aufnahme von Zink mit der Ernährung reduzierte die Hazard Ratio für die Entwicklung einer AMD von 2,25 auf 1,27. Für die Einnahme von β-Caroten, Lutein/Zeaxanthin und EPA/ DHA fand sich eine Reduktion von 2,54 auf 1,47, von 2,63 auf 1,72, und von 1,97 auf 1,30 [76]. Die Diskrepanz zwischen den beiden Studien kann möglicherweise durch das unterschiedliche Studiendesign erklärt werden: AREDS ist Klinik-basiert, weshalb die Studien-Population von einer Früh- oder Spätform der AMD schon bei Studien-Einschluss betroffen ist. Dahingegen bestand die Kohorte der Rotterdam-Studie aus Teilnehmern ohne Anzeichen einer AMD. Somit war die Zielvariable unterschiedlich: in der AREDS war es die Progression von einer Früh- in eine Spätform der AMD oder von einer einseitigen in eine beidseitige Spätform der AMD, wohingegen es bei der Studie von Ho et al. das Auftreten einer AMD-Früh- und/oder Spätform war. Rauchen ist bei weitem der stärkste umweltbedingte Risikofaktor hinsichtlich einer AMD-Prädisposition. Rauchen erhöht das Risiko für eine AMD additiv zur genetischen Prädisposition aufgrund der Polymorphis-
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Kapitel 4 · Das Komplementsystem bei der AMD
men im CFH-Gen [64, 77–79]. Sowohl Rauchen als auch ein erhöhter BMI zeigten unabhängig einen Zusammenhang mit fortgeschrittener AMD [48]. Rauchen und die CFH-402H-Variante erhöhen unabhängig voneinander das Risiko für eine neovaskuläre AMD [80, 81]. Rauchen erhöht die Odds Ratio für eine Erkrankungsprogression aufgrund CFH-Polymorphismen [65, 67] und anderen genetischen Risikovarianten [67]. Rauchen zeigte einen unabhängigen Zusammenhang mit der AMD, mit einem multiplikativen Effekt mit dem Genotyp auf das AMDRisiko [67]. Insofern scheint keine Wechselwirkung zwischen Rauchen und dem CFH-Genotyp zu bestehen.
4.4.5
Polymorphismen in Komplementgenen und Ansprechen auf Therapie: Pharmakogenetik
Intravitreale Injektionen von vascular endothelial growth factor (VEGF)-A-Inhibitoren haben die Therapie der neovaskulären AMD revolutioniert [82]. Es gibt bisher jedoch überraschend wenige Daten hinsichtlich der Wechselwirkung von Therapieerfolg und genetischen Polymorphismen. Eine retrospektive Analyse von 86 mit Bevacizumab behandelten Patienten zeigte eine signifikant schlechtere Sehschärfe nach Therapie bei Patienten mit dem CFHY402H-Risiko-Genotyp (CC) verglichen mit Patienten mit TC- und TT-Genotyp [83]. Dieselben Autoren untersuchten retrospektiv die pharmakogenetische Interaktion zwischen CFH-Varianten und dem Therapieeffekt von Ranibizumab [84]. In der Kohorte von 156 Patienten fand sich kein Einfluss auf die Sehschärfe als Hauptzielkriterium. Die Daten legten jedoch nahe, dass Patienten, die homozygot für das Y402H Risiko-Allel waren, ein höheres Risiko haben könnten, mehr Ranibizumab-Injektionen zu benötigen. Die Autoren stellten die Hypothese auf, dass eine höhere entzündliche Aktivität in genetisch prädisponierten Patienten begünstigend für ein erneutes Auftreten einer Neovaskularisation sein könnte oder das Ansprechen auf eine Anti-VEGF-Therapie beeinflussen könnte. Sicherlich sind weitere Studien notwendig, um die Wechselwirkung zwischen genetischen Polymorphismen und anti-VEGF-A-Therapie-Effekten zu analysieren. Mehrere Studien untersuchten eine potenzielle Interaktion zwischen dem CFH-Y402H-Genotyp und dem Ansprechen auf eine photodynamische Therapie (PDT) [85–87]. Die größte Studie beinhaltete 273 mit PDT behandelte Patienten mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 19,8 Monaten. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Verteilung der Genotypen zwischen Gruppen mit positivem oder negativem Ansprechen auf die PDT (definiert als eine Sehschärfe
von <0,1 oder der Verlust von ≥3 Linien bei der letzten Untersuchung) [87]. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer finnischen Studie mit 88 Teilnehmern berichtet [88]. Es fand sich auch kein signifikanter Unterschied in der Anzahl der benötigten PDT-Behandlungen in Abhängigkeit vom Genotyp. Zwei kleinere Studien mit kürzerer Nachbeobachtungszeit legten entweder ein schlechteres [85] oder ein besseres [86] Therapieergebnis (Sehschärfe-Testung) in der Patientengruppe nahe, die homozygot für das CFH-Y402H-Risiko-Allel war. Diese widersprüchlichen Ergebnisse könnten schlicht auf eine unzureichende Größe der Patientenkollektive zurückzuführen sein. Es ist wahrscheinlich, dass pharmakogenetische Studien eine wichtigere Rolle bei der Testung zukünftiger Therapeutika spielen werden, die auf das Komplementsystem einwirken und dieses modulieren. AMD-Patienten mit Risikovarianten in Genen, die für Komplementproteine kodieren, könnten möglicherweise besser auf solche Interventionen ansprechen. Dann könnten bestimmte genetische Marker eine sinnvolle Zuordnung spezifischer Behandlungen ermöglichen. Als Alternativen zur genetischen Testung wurden Protein-basierte Methoden entwickelt, mit denen CFH-Risiko-Varianten in Plasmaproben identifiziert werden können [89, 90].
4.5
Neue pharmakologische Interventionen zur Modifikation der Komplementaktivierung
Da eine Verbindung zwischen Komplementaktivierung und AMD-Prädisposition eindeutig nachgewiesen ist, erscheint eine Modulation des Komplementsystems eine sinnvolle Strategie um das AMD-Risiko zu reduzieren, um einer Progression von Früh- in Spätformen der AMD vorzubeugen und um Spätstadien der AMD zu behandeln bzw. derzeit verfügbare Therapien wie die VEGF-AHemmung zu optimieren. Mehrere Substanzen befinden sich derzeit in Phase 1 oder 2 klinischer Studien (⊡ Abb. 4.1; www.clinicaltrials. gov, abgerufen am 4. August 2010). POT-4 (Potentia Pharmaceuticals/Alcon) ist ein Analog des kleinen zyklischen synthetischen Peptids Compstatin, das ein Inhibitor des zentralen Komplementproteins C3 ist. Pharmakologisch wurde eine langsame Wirkstofffreisetzung umgesetzt, die nach intravitrealer Injektion eine therapeutische Konzentration über mehrere Monate ermöglicht. Eine prospektive, unkontrollierte, nicht-randomisiert Phase-1-Studie bei AMD-Patienten mit subfovealer CNV ist abgeschlossen (ClinicalTrials. gov Identifier: NCT00473928).
73 Literatur
Eculizumab (Soliris, Alexion Pharmaceuticals) ist ein monoklonaler Antikörper, der C5 inhibiert. Das Medikament ist zugelassen als systemische Therapie bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH), einer Erkrankung die durch das Fehlen der CD59-Expression auf Erythrozyten gekennzeichnet ist. Eculizumab wird derzeit in einer Phase-2-Studie bei Patienten mit nichtexudativer AMD untersucht (Drusen und geographische Atrophie; ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00935883). In der randomisierten, doppelarmigen, doppel-maskierten Studie erhalten Patienten das Medikament über eine intravenöse Infusion. Hauptzielkriterien sind das Wachstum der geographischen Atrophie und die Veränderung des Drusenvolumens. ARC1905 (Ophthotech Corporation) ist ein AntiC5-Aptamer, der intravitreal injiziert wird. Dieser wird derzeit in zwei Phase-1-Studien untersucht. ARC1905 soll C5 binden um seine Wechselwirkung während der Aktivierung der Komplementkaskade zu verhindern. In einer klinischen Studie wird ARC1905 bei neovaskulärer AMD in Kombination entweder mit multiplen oder mit nur einer Induktions-Dosis Ranibizumab nicht-randomisiert und unkontrolliert verabreicht (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00709527). Die zweite Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00950638) ist eine randomisierte Dosis-Vergleichsstudie, mit der das Sicherheitsprofil von intravitreal appliziertem ARC1905 bei trockener AMD (Drusen und/oder geographische Atrophie) untersucht wird. FCFD4514S (Genentech/Roche) ist ein Anti-Komplementfaktor-D-Antikörper-Fragment, das intravitreal appliziert wird. Ähnlich wie bei ARC1905 wird derzeit das Sicherheitsprofil in einer Phase 2 Studie bei Patienten mit trockener AMD (geographische Atrophie; ClinicalTrials. gov Identifier: NCT00973011) evaluiert. Mehrere weitere Substanzen werden derzeit in präklinischen Untersuchungen getestet. Die Wirkung zielt meist ab auf eine Hemmung bereits aktivierter Komplementproteine oder auf eine Normalisierung der erhöhten Aktivierung der Komplementkaskade.
4.6
Schlussfolgerung
Eine Vielzahl von Belegen aus immunhistochemischen, genetischen und proteomischen Studien weist auf eine wesentliche Rolle des Komplementsystems bei der AMD-Pathogenese hin. Eine genetisch determinierte, pathologisch erhöhte systemische Komplementaktivierung hat möglicherweise wesentliche Auswirkungen auf die Makula als »locus minoris resistentiae«. Darüber hinaus haben Veränderungen von Komplementprotei-
nen möglicherweise spezifische lokale Auswirkungen, wie beispielsweise eine beeinträchtigte Kontrolle der Komplementaktivierung im Bereich des RPE und der Bruch’schen-Membran. Eine medikamentöse Modulation von Prozessen der Komplementkaskade muss eine Balance finden zwischen der vorteilhaften Wirkung einer Inhibition der Komplementaktivierung und dem Erhalt einer ausreichenden funktionellen Aktivität für physiologische Immunantworten. Dies ist vor allem bei chronischen Erkrankungen wie der AMD wichtig, bei denen Behandlungen über lange Zeiträume notwendig sind, um einen Funktionsverlust aufgrund einer Konversion von Früh- in Spätstadien zu verhindern. Idealerweise würde der pharmakologische Effekt nur an den bei der AMD dysregulierten Komponenten der Komplementkaskade angreifen, ohne in die übrige Komplementregulation einzugreifen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Auswirkung einzelner Komponenten des Komplementsystems auf die AMDEntwicklung, den Phänotyp und die Erkrankungsprogression bisher aber noch nicht ausreichend untersucht. Es wäre wünschenswert, in Mechanismen einzugreifen, die die Erkrankungsprogression beeinflussen und nicht lediglich eine Erkrankungsprädisposition bedingen. Es sind auch weitere Untersuchungen notwendig, um zu klären, ob die Dysregulation der systemischen oder der lokalen Komplementaktivierung oder beides die wesentlichen Determinanten bei der AMD-Pathogenese sind. Solche Studien werden möglicherweise einen Einfluss auf die bevorzugte Verabreichung (lokal versus systemisch) von Medikamenten haben. Fazit
▬ Die AMD ist mit einer systemtischen Aktivierung der alternativen Komplementkaskade assoziiert und kann somit als systemische Erkrankung aufgefasst werden. ▬ Die Makula scheint die empfindlichste anatomische Struktur mit geringster Resistenz gegenüber einer erhöhten Komplementaktivierung darzustellen. ▬ Genetisch determinierte Komplementaktivierung scheint das AMD-Risiko zu erhöhen und könnte Auswirkungen sowohl auf die Erkrankungsmanifestation als auch auf das Ansprechen auf Therapien haben. ▬ Komplementmodulierung kann einen zukünftigen therapeutischen Ansatz darstellen.
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Kapitel 4 · Das Komplementsystem bei der AMD
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Kapitel 4 · Das Komplementsystem bei der AMD
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77 Literatur
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4
5
Histopathologie A. Lommatzsch, S. Wasmuth, D. Pauleikhoff, F.G. Holz, A.C. Bird
5.1
Retinales Pigmentepithel – 80
5.1.1 5.1.2 5.1.3
Aufbau und Funktion des retinalen Pigmentepithels – 80 Ablagerungen im retinalen Pigmentepithel – 80 Altersveränderungen des retinalen Pigmentepithels – 81
5.2
Bruch-Membran
5.2.1 5.2.2 5.2.3
Aufbau der Bruch-Membran – 81 Altersveränderungen der Bruch-Membran – 82 Ablagerungen in der Bruch-Membran, Drusen – 85
5.3
Chorioidale Neovaskularisation
5.4
Abhebung des retinalen Pigmentepithels – 94
5.5
Geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels – 97 Literatur
– 81
– 90
– 98
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
80
Kapitel 5 · Histopathologie
Kernaussagen ▬ Das retinale Pigmentepithel mit seinen manigfaltigen Funktionen im Zusammenspiel mit den Photorezeptorzellen und der Choriokapillaris spielt bei der Pathogenese der exsudativen und atrophischen Form der AMD eine zentrale Rolle. ▬ Besonders altersbedingte Veränderungen und Ablagerungen auf der Ebene des RPE und der Bruch-Membran sind für die morphologischen Veränderungen innerhalb des Krankheitsverlaufes verantwortlich. ▬ Je nach Ausprägung dieser altersbedingten Veränderungen kommt es dann zu späten Formen der AMD mit dem Zelltod des RPE oder zur Induktion einer choriokapillären Neovaskularisation (CNV).
5
5.1
Retinales Pigmentepithel
5.1.1
Aufbau und Funktion des retinalen Pigmentepithels
Das retinale Pigmentepithel (PRE) grenzt mit seiner Basalmembran an die Bruch-Membran und Kapillaren der Aderhaut (Choriokapillaris). Apikal steht es mit seinen Mikrowellen in engem Kontakt zu den Photorezeptoraußensegmenten. In einem komplizierten Stoffwechselaustausch zwischen Netzhaut und Aderhaut kommt dem RPE eine Schlüsselfunktion zu. Neben der Aufbereitung des Sehpigments im Sehzyklus werden die Membranscheiben der Photorezeptoraußensegmente durch die RPE-Zelle phagozytiert und in Richtung Choriokapillaris abgegeben. Weiterhin reguliert die Pumpfunktion des RPE das extrazelluläre Ionenmillieu der Photorezeptoren. Ein auf diese Weise erzeugter osmotischer Unterdruck sorgt gleichfalls auch für eine Adhäsion der Netzhaut am RPE und ist ein wichtiger Bestandteil zur Verhinderung von Netzhautablösungen. Produktion und Sekretion verschiedener Wachstumsfaktoren reguliert das Milieu für die Aufrechterhaltung der funktionellen Einheit aus Photorezeptoren, RPE und Choriokapillaris. Funktionen des einschichtigen retinalen Pigmentepithels (⊡ Abb. 5.1): ▬ Absorption von Licht ▬ Transportfunktion (Nährstoffe von Blutstrom zu den Photorezeptorzellen und Stoffwechselendprodukte vom subretinalen Raum zur Choriokapillaris) ▬ Kompensation schneller lichtabhängiger Änderungen der Ionenkonzentration im subretinalen Raum
▬ Chloridtransporte: Grundlage für das Elektrookulogramm ▬ Retinalzyklus ▬ Phagozytose ▬ Immunregulation ▬ Sekretion Das RPE und die Photorezeptoren bilden also eine funktionelle Einheit. Sehr viele Formen der Erblindung gehen auf die Funktionsveränderung, Funktionsverlust oder Zellverlust des RPE zurück. Darüber hinaus ist das RPE fähig, sehr agil auf Änderungen in der Retina oder im Blutstrom zu reagieren. So manifestieren sich schon früh krankhafte Veränderungen im RPE. Auf der anderen Seite könnten in der bewussten Beeinflussung der Funktion des RPE Chancen für die Therapie degenerativer Erkrankungen der Photorezeptoren liegen [39, 115].
5.1.2
Ablagerungen im retinalen Pigmentepithel
Eine entscheidende Funktion des RPE ist die Phagozytose und Degradation der Photorezeptoraußensegmente. Ca. 7% ihres Zellvolumens phagozytiert eine RPE-Zelle täglich. Als Folge dieser Phagozytoserate kommt es im Laufe des Lebens zu einer zunehmenden Akkumulation von Lipofuszin in der Pigmentepithelzelle (⊡ Abb. 5.2). Eine Quelle des Lipofuszins sind nicht abbaubare Bestandteile der Photorezeptoraußensegmente. In der ersten Dekade des Lebens nimmt das Lipofuszin schätzungsweise 2% des RPE-Zytoplasmas ein, im Alter von 80 Jahren ist der Anteil des Lipufuszin im Zellvolumen der PRE-Zelle schon auf rund 20% angestiegen. Eine entscheidende Rolle wird dem Lipofuszinbestandteil A2-E zugesprochen. Auf folgende Prozesse der Funktion der retinalen Pigmentepithelzelle hat A2-E Einfluss: ▬ Detergenzien-Effekt ▬ Verminderter Katabolismus ▬ Induktion freier Radikale nach Lichtexposition ▬ Verstärkte Lichttoxizität ▬ Verringerte Phagozytoserate ▬ Mehr Apoptose ▬ Hemmung der Protonenpumpe ▬ Verringerter lysosomaler pH-Wert Durch eine im Alterungsprozess fortschreitende Akkumulation dieser intrazellulären Stoffe kommt es letztendlich zum Prozess der Apoptose als Form des Zelltods und einer beginnenden Atrophie des retinalen Pigmentepithels [39].
81 5.2 · Bruch-Membran
⊡ Abb. 5.1 Schematische Darstellung der Funktionen des retinalen Pigmentepithels. (Mod. nach [114])
dener Stadien der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), nämlich entweder zur neovaskulären exsudativen ( Abschn. 5.3) oder zur atrophen Form ( Abschn. 5.5).
⊡ Abb. 5.2 Zunehmende Akkumulation von autofluoreszentem Material und Lipofuszin mit steigendem Alter
5.1.3
Altersveränderungen des retinalen Pigmentepithels
Diese vorbeschriebenen degenerativen Veränderungen des retinalen Pigmentepithels sowie altersbedingte Veränderungen der extrazellulären Matrix führen im Laufe des Lebens zu einer Unterversorgung von Photorezeptoren und auch der retinalen Pigmentepithelzellen selbst mit Nährstoffen. In dieser Reaktion auf diese Unterversorgung kommt es zur Manifestation zweier verschie-
5.2
Bruch-Membran
5.2.1
Aufbau der Bruch-Membran
Die Bruch-Membran ist eine von der Choriokapillaris und dem retinalen Pigmentepithel gebildete Schicht. Sie ist keine Membran im eigentlichen Sinne, sondern stellt interstitielles Bindegewebe dar, das sowohl als innerster Aspekt der Choriokapillaris als auch als äußerster Aspekt der Retina angesehen werden kann. Elektronenmikroskopisch konnte eine pentalaminare Struktur aufgedeckt werden (⊡ Abb. 5.3). Die 5 Schichten umfassen von außen nach innen: ▬ die Basallamina der Choriokapillaris, ▬ eine äußere kollagene Schicht, ▬ eine elastische Schicht sowie ▬ eine innere kollagene Schicht. ▬ Die innerste Schicht bildet die Basallamina des retinalen Pigmentepithels.
5
82
Kapitel 5 · Histopathologie
5
⊡ Abb. 5.3 Darstellung der Bruch-Membran. a Transmissionselektronenmikroskopische Darstellung der BM eines 3-jährigen Hornhautspenders. b Transmissionselektronenmikroskopische Darstellung der BM eines 62-jährigen Hornhautspenders. c Schematischer Aufbau der BM mit Angabe der Dickenverteilung der einzelnen Schichten sowie ihrer Zusammensetzung. BM RPE Basallamina des retinalen Pigmentepithels, ICL innere kollagene Schicht, EL elastische Schicht, ÄCL äußere kollagene Schicht, BM CC Basallamina der Choriokapillaris, CI Kollagen Typ I, CIII Kollagen Typ III, CIV Kollagen Typ IV, CV Kollagen Typ V, CVI Kollagen Typ VI, CS Keratansulfat, DS Dermatansulfat, HS Heparansulfat
Während die innerste Schicht mit der Basallamina des retinalen Pigmentepithels klar begrenzt wird, ist die äußerste Schicht multivariant, da sie sowohl durch die Basallamina der Choriokapillaris begrenzt wird, aber auch zwischen den Kapillaren der Choriokapillaris zu finden ist. Die Bruch-Membran variiert in der Dicke abhängig vom Alter und der Topographie, ihr dünnster Bereich liegt in der zentralen Region im jungen Auge um die 2 μm [80].
5.2.2
Altersveränderungen der Bruch-Membran
Mit zunehmendem Alter treten vielschichtige Veränderungen auf, die zu einer kontinuierlichen Verdickung der Bruch-Membran führen (⊡ Abb. 5.3a und b).
Die Dickenzunahme ist Teil des normalen Alterungsprozesses [90]. Aufgrund einer hohen individuellen Schwankungsbreite für die untersuchten Parameter postulierten die Autoren der Studie, dass rund die Hälfte der Dickenzunahme auf eine natürliche Alterung und die andere Hälfte auf Faktoren wie die genetische Ausstattung oder Umwelteinflüsse zurückzuführen sei. Wie in elektronen- und lichtmikroskopischen Studien gezeigt wurde, nimmt die Dicke der Bruch-Membran auch im Rahmen einer AMD zu [44, 105]. Dabei treten Ablagerungen von Debris in vesikulärer und membranförmiger Art auf [35]. Die membranförmige Debris erscheint als lineare oder geknäulte Membranfragmente mit einer Phospholipiddoppelmembran-ähnlichen Morphologie. Mit steigendem Alter findet sich eine stark verminderte Löslichkeit von Kollagenbestandteilen der Bruch-
83 5.2 · Bruch-Membran
⊡ Abb. 5.4 Schematische Darstellung der altersabhängigen Verdickung der Bruch-Membran (BM). a Bis 30 Jahre, b über 60 Jahren. PR Photorezeptoren, RPE retinales Pigmentepithel, bm Basalmembran, IKS innere kollagene Schicht, ES elastische Schicht, AKS äußere kollagene Schicht, CC Choriokapillaris
Membran, was mit einer signifikanten Zunahme an Nicht-Kollagenproteinen – besonders in der Region unter der Makula – verbunden ist [68]. Dabei nimmt die Menge an bestimmten extrazellulären Matrixproteinen in der Bruch-Membran mit dem Alter zu [77] oder kann vom RPE unter dem Einfluss von aktiviertem Komplement vermehrt gebildet werden [122]. Immunhistochemische Untersuchungen der Bruch-Membran in verschiedenen Altersgruppen zeigen eine verstärkte Anfärbung für Kollagen vom Typ IV. Bei der Untersuchung von Kollagen III konnten keine altersabhängige Veränderung zum Gesamtkollagenanteil beobachtet werden [68]. Vernetzte Kollagenfibrillen zeigen eine erhöhte Resistenz gegen den Abbau durch Metalloproteinasen [120]. Eine solche Vernetzung ist charakteristisch für den normalen Alterungsprozess der Kollagenmakromoleküle [52] und findet auch in der Bruch-Membran statt. Eine frühe Kollagenvernetzung in der Bruch-Membran führt möglicherweise zu einer verstärkten und schnelleren Anhäufung von Debris [50]. Zusätzlich zur Kollagenvernetzung kann eine Kalzifizierung der Bruch-Membran stattfinden, die in der elastischen Schicht beginnt [30, 36]. In der letztgenannten Arbeit wurde hochgerechnet, dass die hydraulische Konduktivität der Bruch-Membran durch die Summe der altersbedingten Veränderungen soweit abgesenkt wird, dass beim Erreichen von 130 Jahren theoretisch kein Durchfluss mehr möglich ist. Neben den chemischen Modifikationen der Kollagenfasern findet sich eine reduzierte Löslichkeit des Kollagens. Diese kontinuierliche Reduzierung betrifft in der 9. Lebensdekade schließlich ca. 50% des Gesamtkollagens [68]. Die geringere Löslichkeit ergibt sich aus einer Denaturierung des Kollagens, bei der neben einer Proteinentfaltung chemische Modifikationen wie z. B. Glykosylierungen einhergehen. Die bekanntesten sog. »advanced glycation end products« (AGE) Pentosidine und Carboxymethyllysin konnten in der alternden Bruch-Membran, in »basal laminar deposits« und in weichen Drusen nachgewiesen werden [53, 63]. AGE sind starke Förderer von Quervernetzungen [72, 116] und können somit die Durchlässigkeit (Porengröße) der extrazellulären Matrix reduzieren. Noch wichtiger ist, dass AGE die enzymati-
sche Proteolyse der Proteine herabsetzen und damit das fein abgestimmte System der Synthese und Degradation stören [59, 102]. Die mannigfaltigen Strukturveränderungen der Proteine können zu einer Verdichtung der Struktur führen, die eine Nettoreduzierung der wasserhaltigen Grundmatrix zwischen den Fasern zur Folge hat und damit möglicherweise die Flüssigkeitspassage durch die Bruch-Membran reduziert (⊡ Abb. 5.4). Eine wichtige Gruppe, die an inter- und intramolekulare Proteinvernetzungen beteiligt ist, sind die Thiolgruppen. Die nachweisbare lineare Abnahme an freien Thiolgruppen der Aminosäuren kann als Indikator für eine Zunahme von Disulfidbrücken gewertet werden [80]. Diese Art der Quervernetzung kann sowohl zwischen Strukturfasern als auch zwischen Strukturproteinen und diffundierenden Proteinen auftreten. Das kumulative Auftreten von chemischen Veränderungen der Strukturproteine und der Grundmatrix bewirkt eine reduzierte Matrixverjüngung der Bruch-Membran. Zusätzlich zu den Veränderungen in den kollagenen Schichten der Bruch-Membran wird eine Veränderung der Zusammensetzung der extrazellulären Matrixproteine in den Basallaminae, insbesondere des RPE, angenommen. Immunhistochemische Nachweise der Strukturproteine Kollagen IV und Laminin in den Basallaminae zeigen mit zunehmenden Alter eine regressive Anfärbbarkeit, die in der RPE-Basallamina stärker ausgeprägt ist, als in der Basallamina des Endothels der Choriokapillaris [92]. Da die Basallamina ultrastrukturell intakt erscheint, wird auch hier eine erhöhte Quervernetzung angenommen, die eine Antigenmaskierung begründen kann. Daneben verändern sich die biochemischen Eigenschaften der Bruch-Membran, da mit steigendem Alter dort vermehrt Lipide eingelagert werden (⊡ Abb. 5.5a und b) [92]. Diese Korrelation wurde sowohl für Neutralfette durch Öl-Rot-Färbung als auch für Phospholipide durch Sudanschwarz-B-Färbung nachgewiesen, auch wenn das Verhältnis der beiden Lipidarten zueinander und die Gesamtmenge an extrahierten Fetten zwischen den einzelnen Proben schwankten. In Augen von Individuen unter 30 Jahren fand sich keine Anfärbung, während in der Gruppe von 31–60 Jahren unterschiedliche Färbemuster zeigten. In
5
84
Kapitel 5 · Histopathologie
a
b
5
c
d
⊡ Abb. 5.5a–d a,b Lipidfärbung mit Öl-Rot-O (nach [92]) der Altersgruppe mittel (30–60 Jahre, a) und alt (>60 Jahre, b) mit zunehmender Anfärbung von retinalem Pigmentepithel (RPE), Bruch-Membran (BM) und Choriokapillaris (CC); braun = Melanin des RPE (mit freundlicher Genehmigung von Elsevier). c,d Relation von extrahierten Lipiden aus der BM und dem Alter der Spender. In der Makula stärkerer Anstieg des Lipidgehalts (c) als in der Peripherie (d). (Mod. nach [58])
Augen von Spendern über 61 Jahren fanden sich dann stets mehr oder weniger starke Anfärbungen für beide Lipidgruppen [92]. Weitere dünnschicht- und gaschromatographische Analysen von Fetten aus der Bruch-Membran bestätigten die Zunahme von Lipiden in der Bruch-Membran mit steigendem Alter, zeigten aber ebenfalls eine große individuelle Schwankungsbreite in deren Zusammensetzung auf ([107]; zur Übersicht siehe [25]). Die Ergebnisse bezüglich der Zusammensetzung der Phospholipide legten zudem nahe, dass diese Fette zellulären und nicht plasmatischen Ursprungs waren. Die Autoren vermuten dabei die RPE-Zellen als wahrscheinliche Quelle. Die altersabhängig verstärkte Anfärbbarkeit der BruchMembran vor allem für Neutralfette und nicht verestertes Cholesterin wurden in weiteren Studien mit humanen Donoraugen bestätigt [27, 51, 96]. In den Lipoproteinähnlichen Partikeln der Bruch-Membran war esterifiziertes Cholesterol als Neutrallipid vorherrschend nachweisbar [121]. Dabei wurde eine weniger starke Färbung in der peripheren Bruch-Membran beschrieben [51]. In weiteren biochemischen Studien wurde ebenfalls nachgewiesen, dass die mengenmäßige Lipideinlagerung in der BruchMembran unter der Makula im Vergleich zur Peripherie stärker ausgeprägt ist (⊡ Abb. 5.5c und d) [58].
Bereits frühe ultrastrukturelle Untersuchungen zeigten viele relativ runde kleine (meist unter 100 μm Durchmesser) elektronendurchlässige membranöse oder vesikuläre Aussparungen in der Bruch-Membran von älteren Augen [7, 88]. Da bei der konventionellen Elektronenmikroskopie die Fette während der Präparation ausgewaschen werden, konnte erst mit einer Neutrallipid erhaltenden Fixationstechnik nachgewiesen werden, dass diese Vesikel in der Bruch-Membran mit elektronendichtem Material angefüllt waren [27, 28]. Dabei waren die vesikulären Strukturen in der Bruch-Membran mit esterifiziertem und nicht-esterifiziertem Cholesterol angefüllt. Diese Lipide sind ebenfalls mit Öl-Rot O und Sudanschwarz darstellbar und die Verteilung und Größe der Vesikel entsprach den lipidreichen Strukturen der lichtmikroskopischen Arbeiten. Die »Quick-freeze/ deep-etch«-Technik als weitere Präparationsmethode enthüllte, dass die soliden Lipidpartikel verschiedene Oberflächen- und Kernstrukturen aufwiesen und miteinander verschmelzen konnten [60]. Ferner wurde eine Zunahme der Lipoproteinpartikel auch in der Peripherie der Bruch-Membran beschrieben, auch wenn die Einlagerung dort langsamer von statten ging als in der makulären Region [66].
85 5.2 · Bruch-Membran
Beim normalen Alterungsprozess wird in der BruchMembran zunehmend mehr TIMP-3 (»tissue inhibitor of matrix metalloproteinases«) gefunden. In Augen von AMD-Patienten findet sich im Vergleich zu Augen von alterskorrelierten Personen noch einmal eine weitere Zunahme an TIMP-3 [67]. Dieser ist ein Inhibitor von Matrixmetalloproteinasen (MMP), die entscheidend am Um- und Abbau von Gewebe beteiligt sind und deren aktive Formen die Durchlässigkeit der Bruch-Membran erhöhen [2]. Die inaktiven Proformen von MMP-2 und -9 werden mit steigendem Alter ebenfalls vermehrt in der Bruch-Membran gefunden, nicht aber die aktiven Formen [49]. So kann durch ein aus dem Gleichgewicht geratenes Verhältnis zwischen TIMP und MMP bei AMD neben der ohnehin schon ansteigenden altersbedingten Versprödung durch die Kollagenveränderungen der dynamischen Modulation in der Bruch-Membran vermehrt Einhalt bieten. All diese strukturellen Veränderungen führen im Laufe des Lebens zu einer abnehmenden Hydrokonduktivität, d. h. der Fähigkeit, Flüssigkeiten passieren zu lassen [80, 84, 111]. Der Hauptwiderstandsort entwickelt sich in der inneren kollagenen Schicht. Dies ist zum einen in den ersten Lebensdekaden auf eine Reduktion der Größe und der Anzahl der Poren zurückzuführen, die durch die netzartige Anordnung der kollagenen Fasern gebildet werden [80, 112, 113]. Hierdurch können größere Proteine und Lipide die Bruch-Membran zunehmend schlechter passieren und akkumulieren in den verschiedenen Schichten der Bruch-Membran. Die ab der 5.ten Lebensdekade beobachtete exponentiell weiter zunehmende Abnahme der Wasserdurchlässigkeit der Bruch-Membran wird durch die beobachtete ebenfalls exponentielle Zunahme der Menge der abgelagerten Lipide erklärt [58, 80, 92, 94, 96, 97]. Diese Lipide konnten als Phospholipide und neutrale Lipide identifiziert werden, deren Akkumulation mit der 4. Lebensdekade einsetzt und mit zunehmendem Alter exponentiell zunimmt [27, 58, 92, 107]. Zusätzlich zur generellen Lipidakkumulation konnte eine individuelle Spezifität der Lipidzusammensetzung beobachtet werden [92, 93, 96]. Insbesondere konnten Unterschiede im Verhältnis von polaren Phospholipiden zu apolaren neutralen Lipiden beschrieben werden [92, 96, 97, 107]. Die Anzahl der Lipidpartikel in der Bruch-Membran war mit dem steigenden Alter positiv korreliert [60, 66], was die Hypothese der Bruch-Membran als zunehmend lipophile Barriere von Bird und Marshall stützt. Hingegen zeigte die Fettsäurenzusammensetzung in den verschiedenen Lipidklassen keine großen Unterschiede [93, 95]. Bei der Untersuchung peroxidierter Lipide konnte prozentual eine signifikante Zunahme in
der Bruch-Membran mit zunehmendem Alter festgestellt werden. Diese peroxidierten Lipide entstehen durch oxidative Schädigung und stammen von langkettigen ungesättigten Fettsäuren, so von Docosahexaensäure und Linolensäure (Octadecatriensäure), die in großen Mengen in Photorezeptoraußensegmenten gefunden werden [109]. Diese Veränderungen der strukturellen, biochemischen und biophysikalischen Eigenschaften der BruchMembran mögen normale Alterungsprozesse widerspiegeln [19, 36, 38, 81, 90, 92]. Weitere morphologische Studien zeigen jedoch, dass es innerhalb dieser kontinuierlichen Altersveränderungen eine große Variationsbreite in der Bevölkerung gibt [90, 92]. Obwohl die Veränderungen im RPE und der Bruch-Membran direkt korreliert mit dem Alter zunehmen, besteht eine hohe individuelle Variationsbreite innerhalb der Altersgruppen und zwischen Geweben gleichen Alters [90]. Es scheint, dass das Altern der Makula möglicherweise ein Prozess ist, der quantitativ und qualitativ innerhalb der Gesellschaft variiert und ein Visusverlust nur Individuen mit den schwersten Veränderungen betrifft.
5.2.3
Ablagerungen in der Bruch-Membran, Drusen
Die ersten ophthalmoskopisch sichtbaren Veränderungen einer frühen AMD sind runde, scharf begrenzte oder konfluierende, kleinere oder größere gelbliche Ablagerungen, sog. Drusen (⊡ Abb. 5.6 bis ⊡ Abb. 5.9). Dagegen sind die vorher geschilderten Veränderungen der BruchMembran für den Augenarzt nicht sichtbar. Pigmentverschiebungen mit hyper- und hypopigmentierten Arealen in der Ebene des retinalen Pigmentepithels weisen ebenso auf eine frühe AMD hin. Diese ophthalmoskopisch sichtbaren Veränderungen sind auf Ablagerungen zwischen innerer kollagener Schicht und der Basallamina des retinalen Pigmentepithels zurückzuführen. Histologisch sind Drusen bei Personen, die älter als 65 Jahre sind, sehr häufig zu sehen [24]. Klinisch-ophthalmoskopisch finden sie sich bei 15–30% aller Untersuchten. Die Anzahl, die Größe, das Konfluenzverhalten und die angiographische Anfärbbarkeit der Drusen zeigt individuell große Unterschiede [14, 16]. Trotz der Vielfalt im Erscheinungsbild der Drusen kann jedoch individuell eine große Konstanz und Symmetrie beobachtet werden [8, 40]. Es müssen deshalb spezifische Faktoren für die Ausbildung, Verteilung und chemische Zusammensetzung der Drusen verantwortlich sein. Eine genetische Prädisposition ist wahrscheinlich und wird in Kap. 2 abgehandelt, aber auch Umweltfaktoren können modifizierend eingreifen [10].
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86
Kapitel 5 · Histopathologie
a
b
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⊡ Abb. 5.6a–c Histologische Darstellung von harten (a), weichen (b) und flächigen Drusen (c) (Öl-Rot O 400-fach)
⊡ Abb. 5.7a–d Harte Drusen (a, c) und weiche Drusen (b, d) im Transmissionselektronenmikroskop (a, b) und in der Fundusdarstellung (c, d)
c
a
b
c
d
87 5.2 · Bruch-Membran
⊡ Tab. 5.1 Bezeichnungen der Ablagerungen nach Erscheinungsbild und Lokalisation. (Mod. nach [80, 26]) 1. Überbegriff
Diffuse Deposits, diffuse Ablagerungen
Überbegriff
Bezeichnung
Lokalisation
Histologische Erscheinung (LM)
Klinische Erscheinung
Noduläre Drusen
Harte Drusen
Zwischen ICS und RPE-Basallamina
Hyalin
Gelblich, rund, scharf begrenzt
Diffuse Drusen
Weiche Drusen
Zwischen ICS und RPE-Basallamina
Granulär
Größere gelbliche Herde, unscharfe, häufig konfluierende Grenzen
Basal linear deposits
Zwischen ICS und RPE-Basallamina
Granulär
Nicht sichtbar
Basal laminar deposits
Zwischen RPE-Basallamina und RPEZytoplasmembran
Bürstenartig
Nicht sichtbar
ICS Innere kollagene Schicht, RPE retinales Pigmentepithel
a
c
b
d
Histologisch lassen sich vier verschiedene Formen von Ablagerungen unterscheiden (⊡ Tab. 5.1): Harte Drusen sind ophthalmoskopisch als gelbliche runde, scharf begrenzte Ablagerungen sichtbar (⊡ Abb. 5.6a, ⊡ Abb. 5.7a und c). Sie bestehen aus hyalinem Material und sind zwischen der inneren kollagenen Schicht und der Basallamina des RPE lokalisiert. Bei den als diffuse Drusen zusammengefassten weichen flächigen Drusen (⊡ Abb. 5.6b, ⊡ Abb. 5.7b und d)
⊡ Abb. 5.8a–d Weiche Drusen. a Ophthalmoskopischen Darstellung, b Autofluoreszenz, c Fluoreszenz-Angiographie, d Kohärenztomographie (OCT)
und »basal linear deposits« handelt es sich ebenfalls um Ablagerungen zwischen innerer kollagener Schicht und Basallamina des RPE, doch sie weisen eine granuläre, amorphe vesikuläre Zusammensetzung auf (⊡ Abb. 5.6c und ⊡ Abb. 5.8). Weiche Drusen haben eine breite Basis und eine flächige Ausdehnung, die klinisch als gelbliche runde Herde mit unscharfen häufig konfluierenden Grenzen sichtbar werden. »Basal linear deposits« weisen eine dünnere flächige Ausdehnung auf und sind klinisch
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Kapitel 5 · Histopathologie
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a
b
⊡ Abb. 5.9a–c Histochemische Differenzierung flächiger Drusen in konsekutiven Schnitten. a Sudanschwarz zur generellen Lipidanfärbung, b) Öl-Rot O zur selektiven Darstellung von neutralen Lipiden, c Autofluoreszenz (400-facher Vergrößerung)
c
89 5.2 · Bruch-Membran
nicht direkt sichtbar. Eine verzögerte angiographische Füllung der Choriokapillaris kann ein indirekter Hinweis auf »basal linear deposits« sein [22, 92, 97, 101]. Neben diesen strukturellen Unterschieden zeigen Drusen immer aber auch wie die umgebende BruchMembran eine unterschiedliche chemische Zusammensetzung der in ihnen abgelagerten Lipide [19, 34, 58, 75] (⊡ Abb. 5.9). Hier überwiegen bei einigen Drusen neutrale Lipide, während bei anderen vor allem Phospholipide nachweisbar sind [58, 92, 97, 107]. Die neutralen Lipide sind wasserunlöslich (hydrophob). Im Gegensatz hierzu sind Phospholipide polar gebaute, hydrophile Moleküle. Bei der Färbung der Drusen mit Fluoreszein sind diese chemischen Merkmale wiederzufinden [97]. Fluoreszein ist ein polar gebautes, wasserlösliches Molekül. Nur Drusen, die reich an Phospholipiden sind, sind mit diesem Farbstoff anfärbbar. Dagegen färben sich Drusen, die neutrale Lipide enthalten, nicht an. Von den genannten Drusen abzugrenzen sind »basal laminar deposits«. Ophthalmoskopisch nicht sichtbar handelt es sich um amorphe flächige Ablagerungen zwischen der Basallamina des RPE und der Zytoplasmamembran des RPE. Lichtmikroskopisch sind sie als bürstenförmige Strukturen sichtbar. Die Erscheinung dieser Ablagerungen hat zu einigen Konflikten zwischen den Autoren geführt. Einige nehmen an, dass es sich um Ablagerungen des normalen Alterns handelt, andere hingegen behaupten, dass sie ausschließlich in AMD betroffenen Augen auftreten. Diese Ablagerungen wurden zuerst von Sarks 1976 als eine Ansammlung amorphen Materials beschrieben [105]. Die größte Aufmerksamkeit wurde streifig erscheinenden Bestandteilen der »basal laminar deposits« zugewandt. Hierbei wird weitgehend angenommen, dass es sich um Kollagenderivate handelt und als »fibrous« oder »long spaced collagen« (LSC) bezeichnet [18, 43, 70, 104]. Der Nachweis von Kollagen VI in den LSC wird dabei kontrovers diskutiert. Weiterhin lässt sich keines der bekannten Kollagene in den LSC nachweisen. So nehmen einige Autoren an, dass es keinen Anhaltspunkt für die Annahme eines Kollagenderivates gibt [78]. LSC sind Hauptbestandteil der »basal laminar deposits« doch sind sie auch im äußersten Aspekt der Bruch-Membran zwischen Zytoplasmamembran und Basallamina der Choriokapillaris zu finden. Da LSC auch im jungen Auge in der äußeren kollagenen Schicht nachweisbar sind, wird auch angenommen, dass es sich um ein Produkt des ständigen Kollagen »turn-overs« handelt [50]. LSC zeigen nur eine schwache Anfärbarkeit für Basallaminakomponenten. Darüber hinaus enthalten LSC Kohlenhydrate, die sich nicht in Laminin oder Kollagen IV finden [70]. So wird angenommen, dass sich LSC durch direkte Polymerisati-
on von Basallaminamaterial bilden und so die Antigenität im Polymer verloren geht [75, 118, 119]. Insgesamt besteht der Hauptanteil der »basal laminar deposits« (BLD) aus Kohlenhydrathaltigen Strukturen [86], häufig als Teil von Glykoproteinen, die sich von der Kohlenhydratstruktur des Laminin und Kollagen IV unterscheiden [70, 71]. Weiterhin können die Glykosaminoglykane Chondroitinsulfat und Heparansulfat in BLD nachgewiesen werden, wobei nur in AMD betroffenen Augen Heparansulfat in BLD nachgewiesen werden konnte [71]. Es bestehen zwei grundlegende Hypothesen über den Ursprung der Drusenbestandteile: Entweder stammen sie vom RPE ab oder sie entstammen dem Blutfluss der Choriokapillaris. ▬ Die Hypothese, dass Drusenbestandteile dem RPE entstammen beruht auf der Vorstellung, dass alle Abfallprodukte aus dem Stoffwechsel des RPE basal ausgeschieden werden und dem effektiven Flüssigkeitsstrom von der Retina zur Choriokapillaris folgend durch die Bruch-Membran hindurch zur Choriokapillaris transportiert werden. Die durchgeführten Lipidnachweise lassen einen RPE Ursprung für möglich erscheinen [107]. In dieser Hypothese werden degenerative Veränderungen des RPE als ursächlich angesehen, die dann zur Drusenformation führen [17, 45, 57, 64, 65]. ▬ Die Hypothese des Ursprungs der Ablagerungen in der Bruch-Membran aus der Aderhaut wird zum einen durch histologisch-biochemische Analysen der Lipidzusammensetzung der vesikulären Bestandteile der Ablagerungen gestützt, in denen cholesterinhaltige Substanzen ähnlich den Veränderungen bei der Arteriosklerose gefunden wurden [27]. Zum Anderen wird dies noch durch tierexperimentelle Versuche gestützt, die belegen, dass mit der Nahrung aufgenommene Lipide in der Bruch-Membran abgelagert werden können [32]. Auch spricht die Lage der RPE-Basallamina oberhalb der Drusen und die bei nodulären Drusen ballonförmige Gestalt für einen Ursprung aus der Choriokapillaris. Schließlich kann ebenso angenommen werden, dass die beobachteten Ablagerungen sowohl aus der Aderhaut, als auch aus einem gestörten RPE-Metabolismus stammen, und die individuelle Komposition der Ablagerungen das Resultat unterschiedlicher Variationen im Zusammenspiel dieser Altersveränderungen ist. Bei der Frage nach dem Ursprung der BLD zwischen RPE-Zytoplasmamembran und RPE-Basallamina überwiegt die Vorstellung eines Ursprungs vom RPE [43, 70, 78, 118, 119]. Da ähnliche Ablagerungen auch in anderen
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Kapitel 5 · Histopathologie
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⊡ Abb. 5.10 Schematische Differenzierung der Erscheinungsformen der frühen und späten altersabhängigen Makuladegeneration
Geweben gefunden werden, wird ihnen jedoch keine RPE-Spezifität zugeschrieben [85, 86]. Dennoch besteht eine strenge Assoziation zwischen basalen Ablagerungen und chorioidaler Neovaskularisation, Narbenbildung und Sehverlust. Deshalb gelten BLD als wichtige Indikatoren für eine fortschreitende AMD. Drusen beeinträchtigen das Sehvermögen nur in geringem Maße. Doch müssen sie als Vorstufen für die Entstehung einer späten altersabhängigen Makuladegeneration angesehen werden [106] und werden deshalb als Charakteristika einer frühen AMD aufgefasst. Bei der Entwicklung einer späten AMD kommt es zur Ausbildung verschiedener Formen. Hierbei wird die geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels von der chorioidalen Neovaskularisation und der serösen Pigmentepithelabhebung unterschieden (⊡ Abb. 5.10).
5.3
Chorioidale Neovaskularisation
Chorioidale Neovaskularisationen sind charakterisiert durch die Einsprossung von Aderhautkapillaren durch die Bruch-Membran unter das RPE. Entzündungsähnliche Veränderungen in der Bruch-Membran sowie eine Diffusionsänderung in der Bruch-Membran für Wachstumsfaktoren werden ursächlich als pathogen angesehen. Die Kapillareinsprossungen sind umgeben von bindegewebigen Strukturen und rufen verschiedene Reaktionen des darüber liegenden RPE hervor. Dieses kann proliferieren und einen wachstumsbegrenzenden Effekt auf die Gefäße haben oder dekompensieren. Hieraus ergeben sich die verschiedenen klinischen Manifestationsformen
der chorioidalen Neovaskularisation. Eine disziforme Narbe kann als Spätstadium resultieren. Die Ausbildung fibrovaskulärer Membranen unter dem retinalen Pigmentepithel und der Netzhaut führt am häufigsten zu einem Verlust des zentralen Sehvermögens [16, 40, 41]. Etwa 80–85% der Patienten, die die Lesefähigkeit durch die altersabhängige Makuladegeneration verlieren, leiden an dieser Komplikation. Histologisch erfolgt zunächst ein Einwachsen kleiner Kapillaren durch die Bruch-Membran unter das retinale Pigmentepithel (⊡ Abb. 5.11). Dort wachsen sie weiter und differenzieren sich in Arteriolen und Venolen. Da sie von fibrösem Gewebe umgeben sind, ergibt sich schließlich eine fibrovaskuläre Membran. Diese provoziert ihrerseits Reaktionen des retinalen Pigmentepithels. Es proliferiert und umgibt die neugebildeten Gefäße [82, 83]. Sie können abgeschottet und vorübergehend oder für immer inaktiviert werden. Doch kann das Pigmentepithel auch dekompensieren, so dass sich die wuchernden Gefäße ungehindert im subretinalen Raum ausbreiten können. Die Kombination der verschiedenen Ereignisse erklärt das variationsreiche, klinische Bild der chorioidalen Neovaskularisationen und den sehr unterschiedlichen individuellen Verlauf. Einige chorioidale Neovaskularisationen bleiben über lange Zeit unverändert und zeigen keine wesentliche FluoreszeinLeckage im angiographischen Bild. Sie sind teilweise sogar nur histologisch zu entdecken und werden deshalb auch als okkulte chorioidale Neovaskularisationen bezeichnet [108]. Andere fibrovaskuläre Membranen sind durch ein rasch fortschreitendes Wachstum gekennzeichnet mit subpigmentepithelialen und subretinalen Exsudationen und Blutungen. In diesen Fällen erfolgt unter
91 5.3 · Chorioidale Neovaskularisation
⊡ Abb. 5.11 Schematische Darstellung der pathologischen Veränderungen bei choroidaler Neovaskularisation: Wachstumsanreiz zur Einsprossung von Aderhautkapillaren durch veränderte Konzentration von Wachstumsfaktoren und Ablagerung polarer Lipide. IKS innere Schicht aus kollagenen Fasern der Bruch-Membran, ES Schicht aus elastischen Fasern der Bruch-Membran, ÄKS äußere Schicht aus kollagenen Fasern der BruchMembran, VEGF »vascular endothelial growth factor«
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⊡ Abb. 5.12a–d Klassische subretinale Neovaskularisation (CNV). a Fluoreszenz-Angiographie mit gut abgrenzbarer Hyperfluoreszenz. b Histologische Querschnitt derselben Läsion (PAS-Färbung, 100×): die subretinale fibroblastenreiche Neovaskularisationsmembran ist von RPE-Zellen gesäumt; Stern: fibrozytenreiches Neovaskularisationsgewebe, Pfeil: Gefäßneubildung, offener Pfeil: retinales Pigmentepithel. c Klassische CNV in der Fluoreszenz-Angiographie. d Darstellung der grünen Schnittebene im OCT
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Kapitel 5 · Histopathologie
Ausbildung einer fibrösen, disziformen Narbe der Verlust des zentralen Sehvermögens [16]. Die Fluoreszenz-Angiographie ermöglicht eine klinische Differenzierung der chorioidalen Neovaskularisation. Es werden klassische (⊡ Abb. 5.12) von okkulten chorioidalen Neovaskularisationen (⊡ Abb. 5.13) unterschieden. Gefäßmembranen werden als klassisch bezeichnet, wenn die CNV im frühen Stadium der FluoreszenzAngiographie ein gut abgrenzbares Gebiet der Hyperfluoreszenz aufweist, aus dem es im weiteren Verlauf der Angiographie zu einem diffusen Farbstoffaustritt (Leckage) kommt. Das histologische Korrelat besteht aus einer fibrovaskulären Gefäßmembran, die durch das retinale Pigmentepithel unter die Netzhaut vorgewachsen ist [46, 55, 74] (⊡ Abb. 5.12a,b). Zeigt sich im Fluoreszenz-Angiogramm demgegenüber eine nur unscharf abgrenzbare aus unspezifischen multiplen Hyperfluoreszenzen bestehende Membran oder eine diffuse Leckage in den Spätaufnahmen mit unbestimmbarer Herkunft, so werden diese Membranen als okkulte chorioidale Neovaskularisationen bezeichnet [15]. Die histologische Untersuchung dieses Typs zeigt eine subpigmentepitheliale fibrovaskuläre Membran die durch die äußeren Schichten der Bruch-Membran unter das retinale Pigmentepithel eingewachsen ist [55, 74] (⊡ Abb. 5.13a,b). Die nicht invasive Methode der optischen Kohärenztomographie (OCT) vereinfacht die Differenzierung und Darstellung der klassischen (⊡ Abb. 5.12c,d) und der okkulten CNV (⊡ Abb. 5.13c,d). Histologische Untersuchungen an Post-mortem-Augen mit exsudativer AMD und operativ exzidierten CNVMembranen zeigen, dass nur in wenigen Fällen die fibrovaskuläre Gefäßmembran rein subretinal einwächst. Sehr viel häufiger kommt es zur Ausprägung einer fibrovaskulären Gefäßmembran mit subpigmentepithelialen und subretinalen Anteilen [46, 55, 74]. Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass die chorioidale Neovaskularisation in der AMD mit dem Einwachsen einer subpigmentepithelialen fibrovaskulären Membran beginnt. Im weiteren Verlauf kann das native RPE durchwachsen werden und ein subretinaler CNV-Anteil ausgebildet werden. Die Zusammensetzung einer CNV zeigt immer fibrovaskuläres Gewebe, bestehend aus Fibrozyten und eventuell Blutungen, wobei vaskuläres Endothel und RPE die Hauptkomponenten der zellulären Anteile der chorioidalen Neovaskularisation ausmachen [110]. Als nichtzellulärer Bestandteil können in fast allen Fällen BLD beobachtet werden [55]. Auf Grund dieser sehr spezifischen Assoziation von diffusen subpigmentepithelialen Ablagerungen und dem Vorhandensein verschiedener angiographischer Typen einer chorioidalen Neovaskularisation müssen diese Ablagerungen als wichtiger Faktor für die Ausbildung
einer chorioidalen Neovaskularisation angesehen werden [26, 45, 47, 94, 106], während die assoziierten unterschiedlichen Lipidablagerungen und Drusen als Charakteristika der unterschiedlichen Wasserdurchlässigkeit der Bruch-Membran für die individuelle Ausprägung der exsudativen späten AMD in Richtung chorioidale Neovaskularisation mit oder ohne seröse Pigmentepithelabhebung verantwortlich sind (»dual pathogenetic pathway«, Kap. 3.3) [94]. Ätiologie. Als Ursache für die Entwicklung einer cho-
rioidalen Neovaskularisation werden verschiedene Mechanismen diskutiert. Für eine Immunreaktion und hierdurch ausgelöste entzündungsähnliche Prozesse, die zur Neovaskularisation führen, sprechen die Befunde, dass vielfach Immunzellen wie Leukozyten und Makrophagen in der destruktiv veränderten Bruch-Membran nachgewiesen werden konnten [4, 5, 29, 48, 69, 98]. Der konkrete Nachweis von Makrophagen [69, 98] und von Bestandteilen des Komplementsystems in Drusen stützen die Hypothese einer Beteiligung des Immunsystems [85]. Schon in Stadien der frühen AMD sind Veränderungen der Mikroglia in der Retina nachweisbar, die ebenfalls als antigenpräsentierende Zellen fungieren können. Der Nachweis von Zytokinen (löslichen Botenstoffen), die die Immunantwort und die Expression von Wachstumsfaktoren modulieren können, sind nachgewiesen worden [99, 100]. Dabei wird diskutiert, ob schon allein eine Hypoxie die Mikroglia der Retina stimuliert. Als Auslöser einer Immunantwort in der Bruch-Membran kommen auch die sog. »advanced glycation end products« (AGE) in Frage. Diese durch reduzierende Zucker hervorgerufene Glykosilierung und Oxidation von Proteinen und Lipiden ist von Geweben bekannt, in denen Proteine und Lipide einen langsamen Umsatz zeigen. Nach der Einsprossung der chorioidalen Kapillaren unter und durch das retinale Pigmentepithel folgt eine Differenzierung in Form einer Art Granulationsgewebe. Dieser Vorgang endet mit Narbenbildung (disziforme Narbe) und dem Untergang der darüber liegenden Netzhaut [14, 40, 41, 105]. Auch Phospholipide selbst oder andere mit ihnen assoziierte chemische Substanzen kommen als Auslöser einer entzündungsähnlichen Reaktion in Frage [92, 97]. Dafür werden vor allem Abbauprodukte der Arachidonsäure (Eicosanoide) verantwortlich gemacht. Aus dieser langkettigen, ungesättigten Fettsäure kann Prostaglandin entstehen, das als entzündungsinduzierender Faktor bekannt ist. Aber auch die dramatische Destruktion der Ultrastruktur der Bruch-Membran selbst kann entzündungsauslösend sein [35, 69, 75]. Zudem kommt es mit zunehmendem Alter zur progredienten Bildung und Ablagerung von peroxidierten Lipiden und anderen oxidativ
93 5.3 · Chorioidale Neovaskularisation
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⊡ Abb. 5.13a–d Okkulte CNV. a Große Blutung in der Fluoreszenz-Angiographie mit unscharf begrenzter Hyperfluoreszenz am unteren Rand. b Histologischer Querschnitt derselben Läsion (PAS-Färbung, 100×), neben einem ausgedehnten subpigmentepithelialen Anteil ist subretinal auch fibroblastenreiches Gewebe (Stern) mit Gefäßneubildungen (Pfeil) erkennbar. Zudem ist das RPE basal mit kräftig ausgebildeten diffusen Ablagerungen assoziiert (offener Pfeil). c Okkulte CNV in der Fluoreszenz-Angiographie. d Darstellung der grünen Schnittebene im OCT
geschädigten Substanzen. Es kann eine direkte Induktion des Kapillarwachstums durch peroxidierte Lipide und andere oxidativ geschädigte Abbauprodukte des Fettsäurenmetabolismus postuliert werden [109], wie sie im Tiermodell bei beleuchtungsbedingten Netzhautschäden gefunden wurden [54]. Als weitere mögliche Ursache für diese Kapillareinsprossungen wird auch die veränderte Permeabilität im Bereich der Bruch-Membran durch die abgelagerten Lipide angesehen (Abb. 5.14) [10, 12, 19, 58, 84, 91, 92].
Hierdurch kommt es zu einer Änderung der Diffusion der von den Pigmentepithelzellen gebildeten Wachstumsfaktoren [84]. Diese werden normalerweise von den Zellen basal ausgeschieden und sind für die normale Struktur der Aderhautkapillaren zuständig. Eine verminderte Durchlässigkeit der Bruch-Membran für diese Faktoren führt zu einer Regression der Aderhautkapillaren. Die konsekutive Hypoxie sowie die lipofuszinabhängigen Veränderungen im pigmentepithelialen Stoffwechsel [31, 33] führen zu einer vermehrten Pro-
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Kapitel 5 · Histopathologie
⊡ Abb. 5.14 Schematische Darstellung der Pathogenese choroidaler Neovaskularisationen. Durch Anstieg der Lipidablagerungen in der BM verminderte Konzentration von Wachstumsfaktoren (VEGF) zur Aufrechterhaltung der normalen Choriokapillarisstruktur; Regression der Kapillaren mit relativer Hypoxie des RPE; konsekutiv vermehrte Produktion von Wachstumsfaktoren und Matrixenzymen mit Einsprossungsanreiz für Aderhautkapillaren (NV); VEGF »vascular endothelial growth factor«,BM Bruch-Membran, NV Neovaskularisation
duktion von Wachstumsfaktoren (u. a. »vascular endothelial growth factor«; VEGF). In Kombination mit der veränderten Synthese/Degradation von Matrixmolekülen führt die vermehrte Produktion dieser Wachstumsfaktoren zu einem Einsprossungsreiz für die Aderhautkapillaren (⊡ Abb. 5.14). Zahlreiche Fragen zur Entstehung chorioidaler Neovaskularisationen sind noch offen. Es ist ungeklärt, warum eine Prädilektion für die Makula besteht. Zwar werden sie auch in der Fundusperipherie beobachtet, doch sind das Ausnahmen. Sie entstehen in der Regel am hinteren Augenpol und wachsen auf die Fovea zu [16]. Als Ursache für dieses Phänomen können höhere Konzentrationen an Wachstumsfaktoren in der zentralen Netzhaut angenommen werden oder eine bevorzugte Schädigung der zentralen Pigmentepithelzellen [79]. Da die Photorezeptoren in der Netzhautmitte besonders dicht gepackt sind, fällt in diesem Gewebe besonders viel abzubauendes Material an. Entsprechend ist die altersbedingte Ansammlung von Lipofuszingranula in den Pigmentepithelzellen hier am höchsten. Die Verdickung der Bruch-Membran ist unter der Makula am deutlichsten [35, 69] und Drusen finden sich vorwiegend am hinteren Funduspol [45, 105]. Während eine mit dem Alter zunehmende Kalzifizierung der elastischen Fasern in der gesamten Bruch-Membran beobachtet werden kann, kommt es insbesondere im Bereich der Makula zu Brüchen der kalzifizierten elastischen Fasern. Dieser Umstand mag ebenso ein für die Neovaskularisation begünstigender Faktor sein [110]. Somit erfolgen die Altersveränderungen der Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels im Gebiet der Makula am ausgeprägtesten und können so das primäre Auftreten einer chorioidalen Neovaskularisation dort am ehesten erklären.
5.4
Abhebung des retinalen Pigmentepithels
Bei einer Abhebung des retinalen Pigmentepithels löst sich die gesamte einzellige RPE-Zellschicht mit den anhaftenden Photorezeptoren und der neuralen Retina von der Bruch-Membran ab. So entsteht ein flüssigkeitsgefüllter Hohlraum unter dem RPE, der oft erst spät entdeckt wird, da er zunächst keine Visusminderung verursacht. Retinale Erkrankungen verschiedenster Art können mit einer Ablösung des Pigmentepithels einhergehen. Klinisch wurde die daraus resultierende Flüssigkeitsansammlung unter dem retinalen Pigmentepithel im Rahmen einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) schon früh beschrieben [20, 40]. Die Pigmentepithelabhebung tritt auch als spezifische Manifestation bei rund 10% aller Patienten mit exsudativer AMD auf [76]. Histologisch hebt sich das retinale Pigmentepithel mit seiner Basalmembran von der inneren kollagenen Faserschicht der Bruch-Membran ab (⊡ Abb. 5.15). Dabei erfolgt die Spaltung der Bruch-Membran zwischen der Basallamina des retinalen Pigmentepithels und der inneren kollagen Schicht der Bruch-Membran. Da dies häufig mit einer choroidalen Neovaskularisation ( Abschn. 5.3) assoziiert ist, kann im weiteren Verlauf eine disziforme Narbe resultieren. Nach einer Pigmentepithelabhebung kommt es ferner zu einem Absterben von retinalem Pigmentepithel und Photozezeptorzellen durch Apoptose mit konsekutiver Ausbildung eines atrophen Areals [6, 21, 125]. Bei der Pigmentepithelabhebung kommt der BruchMembran eine Schlüsselrolle zu. Neben deren Dickenzunahme durch diffuse oder lokalisierte Ablagerungen als Zeichen einer frühen AMD wird der oben geschilderte pentalaminare Aufbau undeutlich. Zudem finden sich
95 5.4 · Abhebung des retinalen Pigmentepithels
⊡ Abb. 5.15 Pigmentepithelabhebung in der histologischen Darstellung mit Öl-Rot-OFärbung (250-fach vergrößert) mit Spaltung der inneren Schicht der Bruch-Membran und Einlagerung seröser lipidhaltiger Flüssigkeit
zunehmend Ablagerungen von Membranpartikeln und solchen höherer Dichte. Die Bruch-Membran unterliegt ferner strukturellen Änderungen, die mit einer Änderung der biochemischen Zusammensetzung und damit den physikalischen und physiologischen Eigenschaften einhergehen. Die in Abschn. 5.2.2 detailliert dargelegten Prozesse der Kollagenvernetzung, der Kalzifizierung, der Lipideinlagerung und der veränderten Proteinbestandteile tragen dazu bei. All diese Prozesse treten zwar auch im Rahmen des normalen Alterungsprozesses der BruchMembran auf, aber bevorzugt unter der Makula und vor allem bei dafür empfänglichen Personen. Aufgrund der experimentellen Beobachtung von Pigmentepithelabhebungen durch dessen Pumpaktivität wurde zusammen mit der zunehmenden Lipideinlagerung in der Bruch-Membran postuliert, dass die BruchMembran zunehmend als hydrophobe Barriere wirkt, was bei gleich bleibendem Flüssigkeitstransport durch das RPE als Ursache für die Entstehung einer serösen Pigmentepithelabhebung darstellt [12]. Die klinische Beobachtung einer unregelmäßigen Verteilung des hydrophilen Natriumfluoreszeins bei der Fluoreszenz-Angiographie in Patienten mit Pigmentepithelabhebung kann ebenso durch ungleichmäßig eingelagertes lipophiles Material in der Bruch-Membran erklärt werden. Während Drusen mit einem geringen Gehalt an Neutralfetten mit dieser Technik gut darstellbar sind, können die lipidreichen Exemplare damit nicht detektiert werden [97], was eine Erklärung für die unregelmäßige Verteilung sein könnte. Zudem ist bekannt, dass ausladende hyperfluoreszierende und hydrophobe weiche Drusen ein Risikofaktor für eine Pigmentepithelabhebung sind [23, 43].
Klinisch kann neben der serösen Abhebung eine CNV assoziiert sein, dabei wachsen die irregulären Blutgefäße durch die Bruch-Membran und unter das Pigmentepithel und bilden dort eine Membran aus fibrovaskulärem Gewebe (⊡ Abb. 5.16). Im OCT ist die Darstellung der Pigmentepithelabhebung ebenfalls eindeutig identifizierbar (⊡ Abb. 5.17). Der erhöhte Lipidgehalt der alternden Bruch-Membran verringert deren Durchlässigkeit für wasserlösliche Substanzen, behindert somit den Austausch von Stoffen und Flüssigkeiten zwischen Pigmentepithel und Choroidea und wirkt verstärkt als Barriere. Eine sinkende Wasserdurchlässigkeit der Bruch-Membran mit steigendem Alter und Lipidgehalt wurde in mehreren Studien bestätigt [84, 111]. In diesen Studien wurde auch eine verringerte Anzahl von Poren in der Bruch-Membran nachgewiesen und bei Personen über 50 Jahren fand sich ein linearer Zusammenhang zwischen einem stärkeren Durchflusswiderstand bei erhöhtem Lipidgehalt. Dabei hatte die innere Kollagenschicht den größten Anteil bei der Behinderung des Stofftransportes durch die Bruch-Membran [113]. Andere Analysen zeigten einen erschwerten Transport von Aminosäuren durch den Komplex von BruchMembran und Choriokapillaris mit steigendem Alter, was auf eine generell verschlechterte Versorgungslage deutet [61]. Die Versorgung wird ferner erschwert durch einen geringeren Durchmesser der Kapillaren in der Aderhaut, während sich zugleich die Dichte des Kapillarnetzes mit zunehmendem Alter verringert [101]. Da die Diffusion von Nährstoffen und Metaboliten zwischen Choriokapillaris und RPE unverzichtbar für eine gesunde Retina ist [13], kann eine zunehmende retinale Unterversorgung resultieren.
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96
Kapitel 5 · Histopathologie
5 a
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⊡ Abb. 5.16a,b Vaskularisierte Pigmentepithelabhebung. a FAG: flächige Hypofluoreszenz mit hyperfluoreszenter okkulter CNV am nasalen Rand. b Histologischer Querschnitt derselben Läsion: das RPE erscheint zusammen mit basal assoziierten diffusen Ablagerungen (offener Pfeil) von deutlich neovaskularisiertem (Pfeil) fibrovaskulärem Gewebe abgehoben. Im subretinalen Raum (Stern) sind nach seröser Exsudation verstärkte Kollagenablagerungen sichtbar, die auf einen Wundheilungsprozess hindeuten
⊡ Abb. 5.17a,b Pigmentepithelabhebung in der optischen Kohärenztomographie (a) mit der Schnittebene in b, die in a als grüner Pfeil dargestellt ist
a
Für die feste Anheftung der Pigmentepithelzellschicht mit seiner Basalmembran auf der inneren Kollagenschicht der Bruch-Membran sind sog. Integrine auf den Pigmentepithelzellen als Adhäsionsproteine entscheidend beteiligt. Neben einer altersbedingten Veränderung in der Expression von verschiedenen Integrinuntereinheiten bei Pigmentepithelzellen ist durch Blockierungsversuche bekannt, dass neben der Höhe der Expression auch die gerichtete Anordnung der Integrinuntereinheiten entscheidend für die Anheftungsstärke ist [56, 103]. Möglicherweise kündigt sich daher eine Pigmentepithelabhebung in einer veränderten Expression im Integrinmuster des Pigmentepithels an. Eine verringerte Expressionsstärke und eine anormale Anordnung der Integrinuntereinhei-
b
ten können auch Probleme bei der erneuten Anheftung nach dem Abflachen der Pigmentepithelabhebung erklären. Zudem ist der Gehalt an Laminin in der Retina mit steigendem Alter verändert [73], wobei für die Anheftung des Pigmentepithels vor allem Laminin 5 entscheidend ist [3]. Die Adhäsionsproteine der Pigmentepithelzellen binden an extrazelluläre Matrixkomponenten in der BruchMembran. Da diese durch Kollagenvernetzungen und oxidative Schädigungen zunehmend modifiziert sind, besteht darin ein weiterer Risikofaktor, der einer Pigmentepithelabhebung Vorschub leisten kann. Ursprünglich wurde vermutet, dass das seröse Sekret von einer durchlässig gewordenen Choriokapillaris
97 5.5 · Geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels
der Pumpfunktion des Pigmentepithels gemeinsam die Flüssigkeitsansammlung verursachen, wobei der jeweilige Anteil variieren kann.
5.5
Geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels
a
b ⊡ Abb. 5.18 Schematische Darstellung der Pathogenese von Pigmentepithelabhebungen. a Nach Gass [41]: Eindringen von Flüssigkeit aus Aderhautkapillaren in einen Spaltraum unter dem RPE. b Nach Bird und Marshall [12]: Ausbildung einer hydrophoben Barriere durch Lipidablagerungen in der Bruch-Membran; Kombination aus Wachstumsanreiz zur Einsprossung von Aderhautkapillaren und Widerstand gegen den gerichteten Abtransport von Flüssigkeit aus dem RPE und aus den chorioidalen Neovaskularisationen; IKS innere kollagene Schicht, ES elastische Schicht, ÄKS äußere kollagene Schicht
oder aus anormal eingesprossten Blutgefäßen stammt (⊡ Abb. 5.18a) [40]. Ein gerichteter Flüssigkeitsstrom vom Glaskörperraum durch die Netzhaut in Richtung Aderhaut ist durch den Nettotransport von Ionen durch das Pigmentepithel und dessen Schrankenfunktion physiologisch gegeben [114, 123]. Wenn die Pigmentepithelabhebung mit einer CNV oder einer retinalen angiomatösen Proliferation und einem Durchwachsen des Pigmentepithels assoziiert ist, kommen diese instabilen irregulären Gefäße als Ursache der Flüssigkeitsansammlung in Frage. Da eine Pigmentepithelabhebung aber nicht zwingend mit einer choroidalen Neovaskularisation einhergeht, müssen auch andere Quellen in Betracht gezogen werden [9]. Experimente mit isolierten Pigmentepithelschichten von Hunden zeigten, dass auch ein starker hydrostatischer Druckgradient den Flüssigkeitsstrom durch das Pigmentepithel nicht verändern kann [117]. Daher kann auch die Pumpleistung des RPE selbst stark genug sein, um diese Zellschicht von der darunter liegenden mit dem Alter zunehmend hydrophoben Bruch-Membran abzuheben (⊡ Abb. 5.18b) [10]. In Wirklichkeit werden beide Prozesse der Flüssigkeitsleckage aus CNV-Gefäßen und
Die geographische Atrophie des RPE entsteht durch den flächigen Untergang von RPE-Zellen und konsekutiver Regression von Drusen der Bruch-Membran, einer Atrophie der Choriokapillaris, sowie dem Untergang der sensorischen Netzhaut. Die Kombination von zellulären Alterungsprozessen und einer exzessiven Lipofuszinablagerung in den RPE-Zellen wird für deren nachfolgenden Zelltod als ursächlich angesehen. Eine langsame Progression ist charakteristisch. Ob die neovaskuläre (feuchte) und die nicht neovaskuläre (trockene) AMD verschiedene Ätiologien haben ist nicht geklärt. Einige Befunde stützen diese Annahme, so scheint die trockene AMD mit einem erhöhten Blutdruck assoziiert zu sein [62]. Die Atrophie ist charakterisiert durch die Entwicklung von degenerierten Pigmentepithelarealen und degenerierter neuraler Retina, ohne dass in der Bruch-Membran Brüche oder subretinale Neugefäßbildungen auftreten. Die atrophische Form der AMD kann als das natürliche Endstadium der AMD angesehen werden. Der Abstand von Zellen zu ihren versorgenden Gefäßen ist im Erwachsenen so reguliert, dass jede Zelle eine optimale Sauerstoff- und Nährstoffversorgung erhält. Daher ist es möglich, dass schon bei kleineren Veränderungen des Blutflusses im Bereich der Makula eine Kaskade an Signalen ausgelöst wird, die zur Neovaskularisation oder zur Degeneration führen [100]. Insbesondere Populationsstudien zeigen, dass neben dem Alter vor allem das Rauchen ein Risikofaktor zur Ausbildung einer AMD ist, insbesondere der trockenen Form [89]. Die im Laufe des Lebens zunehmende Lipofuszinakkumulation in den Pigmentepithelzellen kann ein Ausmaß erreichen, dass die Zellen hieran zugrunde gehen. Drusen verstärken diese Schäden, da durch sie die Versorgung der Pigmentepithelzellen aus der Aderhaut erschwert wird [124]. Sie können eine Dekompensation der Pigmentepithelzellen und deren Zelltod beschleunigen. Daraus entsteht das klinische Bild der geographischen Atrophie (⊡ Abb. 5.19) [104, 124]. Untergegangene Pigmentepithelzellen hinterlassen depigmentierte Areale [104]. Die Ränder dieser atrophischen Zonen sind als Folge von Zellproliferation und Phagozytose freigesetzter Melanin- und Lipofuszin-Granula vermehrt pigmentiert. Aus einer anfänglichen Pigmentverschiebung entwickeln
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⊡ Abb. 5.19a,b Geographische Atrophie. a) Fundusdarstellung im Ophthalmoskop, b Autofluoreszenz-Darstellung
sich im weiteren Verlauf große, atrophische Gebiete. Nach der Atrophie der Pigmentepithelzellen zeigen auch die subpigmentepithelialen Ablagerungen eine Regression. Auf Grund des fehlenden Nachschubs an Debris bei gleichzeitigem Abtransport von eingelagertem Material kommt es zu einer Verkleinerung und schließlich zu einem völligen Verschwinden der Drusen in den atrophischen Arealen [104]. Auch in den Photorezeptoren über dem atrophischen Pigmentepithel zeigen sich degenerative Veränderungen. Einzelne Netzhautzellen gehen zu Grunde und es entwickelt sich eine langsame Reduktion des zentralen Sehvermögens [79]. Eine detaillierte Darstellung der geographischen Atrophie findet sich in Kap. 8. Fazit Das Verständnis über das histopathologischer Veränderungen im Rahmen der frühen und besonders der späten AMD ist die Vorrausetzung für die Interpretation der etablierter und modernen hochauflösender Makula-Bildgebung. Und es ist die Voraussetzung bei der Suche nach neuen therapeutischen Ansätzen.
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102
Kapitel 5 · Histopathologie
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II
II
Klinische Manifestationen
Kapitel 6
Frühe AMD – 105 M. Dietzel, D. Pauleikhoff, F.G. Holz, A.C. Bird
Kapitel 7
Klinische Manifestationen der choroidalen Neovaskularisation bei AMD – 115 R.F. Spaide Übersetzt von T. Boll
Kapitel 8
Geographische Atrophie – 125 M. Fleckenstein, S. Schmitz-Valckenberg, J.S. Sunness, F.G. Holz
6
Frühe AMD M. Dietzel, D. Pauleikhoff, F.G. Holz, A.C. Bird
6.1
Einleitung
6.2
Drusen
6.3
Fokale Hypo- und Hyperpigmentationen des retinalen Pigmentepithels – 111
6.4
Störungen der Aderhautperfusion Literatur
– 106
– 106
– 111
– 112
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
106
Kapitel 6 · Frühe AMD
⊡ Tab. 6.1 Klinische Manifestationsformen der altersabhängigen Makuladegeneration
Kernaussagen ▬ Die Frühform der AMD ist durch Drusen und/oder irreguläre fokale Hyper- und Hypopigmentierungen am hinteren Augenpol gekennzeichnet. ▬ Es besteht eine hohe interindividuelle Variabilität der klinischen Ausprägungsformen der frühen AMD. ▬ Anhand von Ophthalmoskopie, FluoreszeinAngiographie, optischer Kohärenztomographie, konfokaler Scanning-Laserophthalmoskopie und Histologie können verschiedene Typen von Drusen unterschieden werden. ▬ Die Frühformen der AMD gehen meist mit einer guten Sehschärfe einher, weisen jedoch typischerweise im Verlauf dynamische Veränderungen auf und besitzen prognostische Relevanz für eine Progression hin zu den visusmindernden AMDSpätformen.
6
6.1
Einleitung
Die altersabhängige Makuladegeneration kann sich in sehr unterschiedlichen Formen am hinteren Augenpol manifestieren. Dabei unterliegen die verschiedenen Befunde Veränderungen mit der Zeit, d. h. es handelt sich um dynamische Prozesse, was bei der Momentaufnahme einer Funduskopie nicht immer evident ist. Zu unterscheiden ist ein Frühstadium der Erkrankung, das durch Drusen und/oder irreguläre fokale Hyper- oder Hypopigmentierungen gekennzeichnet ist, und ein Spätstadium, das choroidale Neovaskularisationen (CNV), Abhebungen des retinalen Pigmentepithels (RPE), Risse des RPE oder eine geographische Atrophie aufweisen kann. Die klinische Variabilität bei der individuellen Ausprägungsform der Veränderungen weist möglicherweise auf verschiedene ätiologische Faktoren auf molekularer und zellulärer Ebene hin. So konnten in den letzten Jahren bestimmte genetische Risikopolymorphismen bestimmt werden, die mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung einer AMD einhergehen. Diese betreffen vor allem verschiedene Komponenten des Komplementsystems (u. a. Komplementfaktor H) sowie das age-related maculopathy susceptibility gene 2 (ARMS2-Gen), dessen Genprodukt ein mitochondriales Protein sein soll, das beim Umgang mit oxidativem Stress in retinalem Gewebe eine Rolle spielen könnte [11]. Die im klinischen Sprachgebrauch übliche Unterteilung in »trockene« und »feuchte« altersabhängige Makuladegeneration gibt zunächst nur zwei grobe Katego-
Frühstadien
Fokale Drusen Irreguläre Pigmentierungen des retinalen Pigmentepithels inkl. fokaler Hyperpigmentationen
Spätstadien
Abhebung des retinalen Pigmentepithels Riss des retinalen Pigmentepithels Choroidale Neovaskularisation Subretinale Fibrose Geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels
rien vor und kann für den jeweiligen Patienten näher charakterisiert werden (⊡ Tab. 6.1). So sind sowohl Drusen (Frühstadium) als auch die geographische Atrophie (Spätstadium) nichtexsudative, also »trockene« Manifestationsformen. Drusen gehen meist mit einer relativ guten Sehschärfe einher, und ein hoher Anteil der betroffenen Patienten wird bis zum Lebensende keine erhebliche Sehverminderung erleiden. Diese frühen Formen sind sehr häufig. Bei den Spätstadien der Erkrankung stellt die exsudative Form die häufigste Ursache für einen Verlust des zentralen Sehens dar, bei immerhin ca. 1/5 der Patienten sind allerdings Atrophien mit Einbeziehung der fovealen Netzhaut hierfür verantwortlich – mit steigender Tendenz. Speziell für klinische Studien wurden auch verschiedene Klassifikationssysteme entwickelt, die weitere quantitative Parameter, beispielsweise die Drusengröße, heranziehen (Age-Related Eye Disease Studie Research Group 2001 [1]: ARED-Studienklassifikation; Bird et al. 1995 [4]: International Classification and Grading System for Age-Related Maculopathy and Age-Related Macular Degeneration; van Leeuwen et al. 2003 [28]: RotterdamStudien-Klassifikation).
6.2
Drusen
Die Gegenwart von Drusen in bestimmter Ausprägungsform stellt einen Risikofaktor für das Auftreten der verschiedenen visusmindernden Spätformen der altersabhängigen Makuladegeneration dar (⊡ Abb. 6.1) [9, 12, 14]. Drusen finden sich je nach Untersuchungsmethode und Definition bei bis zu 80% aller Patienten über 60 Jahren meist im makulären und paramakulären Bereich, sind aber wiederum nicht spezifisch für die AMD. So finden sich Drusen der Bruch-Membran auch bei einer Reihe anderer erworbener oder genetisch determinierter Netzbzw. Aderhauterkrankungen. Im Rahmen der AMD
107 6.2 · Drusen
⊡ Tab. 6.2 Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer visusmindernden Form der Makuladegeneration (bei bilateralen Drusen für beide Augen, bei bereits einseitiger Läsion für das Partnerauge)
⊡ Abb. 6.1 Ablagerungen in Form von fokalen und diffusen Drusen zwischen retinalem Pigmentepithel und Bruch-Membran prädisponieren zum Auftreten der visusmindernden Formen der altersabhängigen Makuladegeneration
scheinen sich Drusen als »hallmarks« der Erkrankung vor allem auf der genetischen Basis von Risikopolymorphismen im Komplementfaktor H (CFH)-Gen zu entwickeln. Verschiedene Befunde weisen daraufhin, dass das CFH-Gen schon frühzeitig in der AMD-Entstehung eine Rolle spielt und – neben der Entwicklung der klinisch relevanteren AMD-Spätformen – bereits die Entstehung der frühen AMD-Stadien begünstigt [7]. Der Nachweis sowohl von diffusen Ablagerungen unter dem RPE [13] als auch des extrazellulären Matrixproteins Vitronektin als ein Hauptbestandteil von Drusen [29], das aber gleichzeitig auch ein wichtiger »Inaktivierer« von Komplement ist und von den RPE-Zellen nach Komplementstimulation produziert wird [30], können hier möglicherweise eine Verbindung aufzeigen ( Kap. 5). Die Risikovariante im ARMS2-Gen gewinnt dagegen offensichtlich erst mit zunehmendem Schweregrad der AMD an Bedeutung und begünstigt die Etablierung bzw. die Progression der Spätstadien [18]. Dabei scheint der Risikopolymorphismus im ARMS2-Gen eher das Fortschreiten in eine exsudative AMD als in eine geographische Atrophie zu fördern, während für die CFH-Genvariante keine Unterschiede in der Progression zu den verschiedenen Formen der späten AMD gezeigt werden konnten [25]. Diese genetische Prädisposition zu einer frühen AMD hat aber zwei weitere Aspekte: Zum einen weist die hohe, mit einem Fingerabdruck vergleichbare bilaterale Symmetrie von Drusen auf eine über die Assoziation mit Risikopolymorphismen hinausreichende genetische Basis der Drusenentwicklung hin. Zum anderen besteht auf Grund der genetischen Grundlage und der genetischen Identität beider Augen ein erhöhtes Risiko der Progression der frühen AMD hin zu einer unilateralen oder bilateralen späten AMD (⊡ Tab. 6.2).
Ausgangsbefund
Risiko einer visusmindernden AMD (in % pro Jahr)
Bilaterale Drusen
Ca. 1–5%
Unilaterale choroidale Neovaskularisation
Ca. 7–12%
Unilaterale foveale geographische Atrophie
Ca. 20–30%
Unilateraler Riss des retinalen Pigmentepithels
Ca. 30–50%
Patienten mit Drusen als alleiniger Veränderung am hinteren Augenpol erreichen meist einen guten Visus. Bei genauerem, gezieltem Befragen werden jedoch häufig Symptome wie verzögerte Dunkeladaptation oder Leseschwierigkeiten bei schwacher Beleuchtung angegeben, die mittels alleiniger, konventioneller zentraler Sehschärfenbestimmung nicht erfasst werden. Diese sind nur mit weitergehenden psychophysischen Untersuchungsmethoden detektier- und quantifizierbar [5, 27]. Hierzu zählen auch Farbsinnstörungen, wobei typischerweise die Funktion von Blauzapfen betroffen ist [10]. Alltagsrelevant ist insbesondere die häufig angegebene Beeinträchtigung beim Autofahren in der Dunkelheit [24]. Verschiedene Typen von Drusen können anhand ophthalmoskopischer, histologischer und angiographischer Kriterien unterschieden werden:
Klassifikation fokaler Drusen ▬ Harte (noduläre) Drusen ▬ Weiche (exsudative) Drusen ▬ Basale lineare Ablagerungen (diffuse Drusen) ▬ Kutikuläre Drusen (frühere Bezeichnung: basale laminare Drusen)
▬ Retikuläre Pseudodrusen (retikuläre Drusen, subretinale drusenartige Ablagerungen)
Diese können auch gleichzeitig nebeneinander im selben Auge vorhanden sein. Während verschiedene Charakteristika wie beispielsweise Art und Verteilung der Drusen am hinteren Augenpol interindividuell sehr variabel sein können, herrscht zwischen beiden Augen eines Patienten meist ein hoher Grad an Symmetrie [3].
6
108
Kapitel 6 · Frühe AMD
Mögliche Modifikationen von Drusen im natürlichen Verlauf ▬ Vergrößerung inkl. Übergang harter in weiche Drusen (»drusen softening«)
schmelzen und so umschriebene Abhebungen des retinalen Pigmentepithels bilden (»Drusen-Pigmentepithelabhebung«). Mit der Zeit können sie auch verschwinden, wobei dieser Prozess zumeist eine korrespondierende Atrophie der äußeren Netzhautschichten hinterlässt.
▬ Abhebung des retinalen Pigmentepithels bei Konfluenz weicher Drusen
▬ Kalzifikation ▬ Spontane Resorption ▬ Verschwinden mit konsekutivem korrespondierendem Atrophieareal
6
Harte Drusen. Harte Drusen sind in der Regel kleiner als
50 μm im Durchmesser und stellen sich als kleine, scharf begrenzte gelbliche Ablagerungen dar. Sie sind nur mit einem sehr geringen Risiko für eine visuseinschränkende Manifestationsform der AMD verbunden und wurden von einigen Autoren als »normale« Altersveränderung angesehen (⊡ Abb. 6.2) [4]. Allerdings konnte im Rahmen der Beaver-Dam-Eye-Studie gezeigt werden, dass eine größere Anzahl harter Drusen (mehr als 8) über einen Beobachtungszeitraum von 10 Jahren mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten weicher Drusen und AMDSpätmanifestationen einhergeht [12]. Weiche Drusen. Weiche Drusen sind größer und in der Regel
unscharf begrenzt (⊡ Abb. 6.3). Sie gehen mit einem deutlich höheren Risiko für die Entwicklung visusmindernder Läsionen wie z. B. choroidalen Neovaskularisationen einher. Aus diesem Grund sollten betroffene Patienten regelmäßig ihr zentrales Sehen mit dem Amsler-Netz kontrollieren. Weiche Drusen können sich im Laufe der Zeit vergrößern und ver-
⊡ Abb. 6.2a,b Harte Drusen. Fundusaufnahme (a) multipler harter Drusen, die sich im Fluoreszein-Angiogramm infolge der Pigmentepithelausdünnung (geringere Melaningranula-Dichte) hyperfluoreszent darstellen (Fenstereffekt) (b)
a
Basale lineare Ablagerungen. Basale lineare Ablagerungen lassen sich nur histologisch eindeutig erkennen. Hierbei handelt es sich um flächige Ablagerungen zwischen der Basalmembran des RPE und der inneren kollagenen Schicht der Bruch-Membran. Da sich ähnliche Ansammlungen membranösen Materials auch in weichen Drusen finden, die ebenfalls zwischen Basalmembran des RPE und innerer kollagener Schicht der Bruch-Membran lokalisiert sind, werden basale lineare Ablagerungen teilweise auch als »diffuse Drusen« bezeichnet [6]. Klinisch lassen sie sich eventuell indirekt durch eine Analyse der Aderhautperfusion identifizieren ( Abschn. 6.4). Kutikuläre Drusen. Kutikuläre Drusen stellen eine spezielle Form von Drusen dar, die in der Regel im mittleren Lebensalter auftreten und mit einer relativ günstigen Prognose einhergehen [8]. In ihrer Gegenwart kann es zur Entwicklung eigentümlicher »vitelliformer« Läsionen am Augenhintergrund kommen (⊡ Abb. 6.4), wobei sich gelbliche, subretinale Flüssigkeit im Bereich der Makula ansammelt. Im Angiogramm ergibt diese Drusenform eine »Stars-in-the-sky-Erscheinung« mit unzähligen kleinen, gleich großen, rundlichen Fensterdefekten. Da man zunächst davon ausging, dass es sich hierbei um noduläre, hyaline Verdickungen der Basalmembran des RPE handelt, sprach man anfangs von basalen laminaren Drusen [8]. Nach dem Nachweis, dass dieser Drusentyp dieselben
b
109 6.2 · Drusen
Bestandteile enthält wie weiche Drusen, erfolgte eine Umbenennung in »kutikuläre Drusen« [20, 26]. Retikuläre Pseudodrusen. Retikuläre Pseudodrusen sind mit Einschränkungen auf Fundusphotographien, am besten mittels konfokaler Scanning-Laserophthalmoskopie (cSLO) in Nah-Infrarot-Reflektions- und Autofluoreszenz-Aufnahmen als uniforme, kleine, netzartige Strukturen zu erkennen (⊡ Abb. 6.5). Mittels Spectral-Domain (SD)- optischer Kohärenztomographie (OCT) können sie sehr genau detektiert werden. Wie vor kurzem in SD-OCT-Untersuchungen gezeigt werden konnte, stellen sich retikuläre Pseudodrusen als Ansammlungen granulären, hyperreflektiven Materials oberhalb des RPE dar und sind hauptsächlich zwischen RPE und der Grenze
a
b
zwischen Innen- und Außensegmenten der Photorezeptoren lokalisiert [23, 31]. Auch in histologischen Studien konnten entsprechende Ablagerungen, die typische drusenassoziierte Bestandteile enthalten, im subretinalen Raum identifiziert werden [19, 31]. Manche Autoren bevorzugen deshalb seitdem die Bezeichnung »subretinale drusenartige Ablagerungen« anstelle von »retikulären Pseudodrusen« [26, 31]. Während die Assoziation zwischen retikulären Pseudodrusen und der AMD bereits früher angenommen wurde [2], wurde vor kurzem in einer Fall-Kontroll-Studie unter Einsatz des SD-OCT ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen diesem Drusentyp und der späten AMD gezeigt [32]. Zudem konnte unter Anwendung geeigneter bildgebender Verfahren mit verschiede-
⊡ Abb. 6.3a,b Weiche Drusen am hinteren Augenpol (a), die sich fluoreszein-angiographisch hypofluoreszent darstellen (b).
⊡ Abb. 6.4 Kutikuläre Drusen bei einer Patientin mit einer zentralen »pseudovitelliformen« Makulopathie
6
110
Kapitel 6 · Frühe AMD
a
6
b
c
⊡ Abb. 6.5a–c Retikuläre Pseudodrusen. a,b Fundusaufnahme (a) und Fundus-Autofluoreszenz-Bild (b) in Gegenwart einer zentralen geographischen Atrophie. Dieser Drusentyp ist am besten mittels konfokaler Scanning-Laserophthalmoskopie zu detektieren und erscheint als uniforme, netzartige Struktur. c Korrespondierend zeigen sich in der Spectral-Domain (SD)-OCT-Aufnahme fokale hyperreflektive Strukturen oberhalb der RPE-Zellschicht
⊡ Abb. 6.6a,b Geographische Atrophie nach Drusenregression: beide Fundusaufnahmen wurden am selben Auge einer Patientin mit altersabhängiger Makuladegeneration im Abstand von 5 Jahren gemacht. a Multiple weiche Drusen im Zentrum und kleinere, scharf umgrenzte Drusen in peripheren Abschnitten. b Fünf Jahre später sind einige der weichen Drusen nicht mehr vorhanden. Gleichzeitig hat sich ein umschriebenes Areal mit juxtafovealer geographischer Atrophie des retinalen Pigmentepithels entwickelt
a
nen cSLO-Bildmodi bei 458 Patienten mit geographischer Atrophie im Rahmen der multizentrischen, prospektiven GAP-Studie eine sehr hohe Prävalenz dieses Drusentyps von fast zwei Dritteln ermittelt werden [22]. Veränderungen. Drusen können mit der Zeit spontanen Veränderungen unterliegen ( Übersicht): ▬ harte Drusen können mit der Zeit durch Konfluenz in weiche übergehen (»drusen-softening«) [21], ▬ wenn sich Drusen vergrößern und konfluieren, kann sich eine Abhebung des retinalen Pigmentepithels bilden, ▬ weiterhin können sich in Drusenanteilen Kalzifikationen entwickeln, welche als refraktile, kristalline Strukturen imponieren (meist Cholesterinkristalle), ▬ während Zahl und Dichte der Drusen mit dem Alter im Allgemeinen zunehmen, kann auch beobachtet werden, dass sie spontan verschwin-
b
den (⊡ Abb. 6.6). Offensichtlich wird dabei das Drusenmaterial phagozytiert und abgebaut. Das Verschwinden von Drusen kann auch bei der sog. Drusenlaserkoagulation durch die Applikation relativ energiearmer Laserherde im makulären Bereich induziert werden. Periphere Drusen finden sich oftmals auch im peripheren Netzhautbereich als altersabhängige Veränderung. Im Gegensatz zu Drusen am hinteren Augenpol besitzen diese meist eine pigmentierte Umrandung (»Pigmenthalo«) um das gelbliche Zentrum. Diese Form von Drusen ist offensichtlich nicht mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten visusmindernder zentraler Läsionen vergesellschaftet. Von einer retikulären pigmentären Degeneration spricht man dann, wenn diese Drusen im Cluster auftreten und mit linearen Hyperpigmentationen einhergehen.
111 6.4 · Störungen der Aderhautperfusion
Angiographie. Im Fluoreszein-Angiogramm können Drusen als hypofluoreszente bzw. hyperfluoreszente Drusen unterschieden werden in Abhängigkeit ihrer Af-
finität zum hydrophilen Fluoreszein-Farbstoff bzw. ihrer chemischen Zusammensetzung und damit ihrer biophysikalischen Eigenschaften [16]. Auch können sich Drusen im Angiogramm zunächst hypo- und im weiteren Verlauf hyperfluoreszent darstellen – ein Anfärbeverhalten, wie es oft bei weichen Drusen zu beobachten ist. Es gibt Hinweise dafür, dass hyperfluoreszente und damit hydrophile Drusen eher zu choroidalen Neovaskularisationen prädisponieren, während hypofluoreszente und damit hydrophobe Drusen eher zu Pigmentepithelabhebungen führen. Optische Kohärenztomographie. In der optischen Kohärenztomographie zeigen sich Drusen als kleine Abhebungen des RPE von der darunterliegenden Bruch-Membran. Da aber eine Quantifizierung dieser »Erhebungen« im OCT bisher nicht standardmäßig verfügbar ist, hat eine prognostische Einschätzung der dort sichtbaren Drusen bisher keine klinische Bedeutung. Automatisierte Quantifizierungen der frühen AMD-Kennzeichen im OCT werden hier aber in Zukunft für klinische und präventivtherapeutische Studien an Bedeutung gewinnen. Auch muss eine klinische Abgrenzung dieser »Abhebungen des RPE« in Form von Drusen im OCT eindeutig von der »serösen Pigmentepithelabhebung« erfolgen ( Kap. 7), um eine prognostische und therapieindizierende Überinterpretation der Befunde zu verhindern.
6.3
Fokale Hypo- und Hyperpigmentationen des retinalen Pigmentepithels
⊡ Abb. 6.7 Fokale Hyperpigmentationen als zusätzliches Hochrisikomerkmal in Gegenwart multipler Drusen
ler Neovaskularisationen darstellen. Fokale Areale mit Hypopigmentation können sich auch unabhängig von Drusen entwickeln, wobei dies nicht notwendigerweise mit einem Verlust retinaler Pigmentepithelzellen an diesem Ort verbunden sein muss, sondern auch auf einem reduzierten Gehalt an intrazellulären Melaningranula basieren kann. Die retinale Sensitivität korrespondierend mit solchen Arealen weist – wenn nicht weitere Veränderungen hinzutreten – meist keine messbare Beeinträchtigung auf.
6.4
Häufig geht die altersabhängige Makuladegeneration mit umschriebenen, fokalen Hyper- oder Hypopigmentationen einher (⊡ Abb. 6.7). Dabei können Hyperpigmentationen sowohl durch Veränderungen in Höhe des retinalen Pigmentepithels bedingt sein (erhöhter Melaningehalt bzw. Proliferation mit Übereinanderlagerungen von Pigmentepithelzellen) oder pigmentierte Zellen (Pigmentepithelzellen oder Makrophagen, die Melanin phagozytiert haben) können in die neurosensorische Netzhaut migriert sein. Letzteres Phänomen wird auch in Verbindung mit intraretinalen neovaskulären Komplexen (»retinal angiomatous proliferations«, RAP-Läsionen) oder retinochoroidalen vaskulären Anastomosen beobachtet. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass fokale Hyperpigmentationen ein Hochrisikomerkmal hinsichtlich der Entwicklung choroida-
Störungen der Aderhautperfusion
Im Angiogramm findet sich bei einem Teil der Patienten mit AMD eine Verzögerung der Aderhautperfusion. Von einer verlängerten fluoreszenz-angiographischen Füllung der Aderhaut wird dann ausgegangen, wenn sich in der Transitphase des Angiogramms ein mindestens fünf Papillendurchmesser großes Areal mit sich langsam entwickelnder punkt- bzw. fleckförmiger Aderhautfluoreszenz zeigt. Diese hyperfluoreszenten Punkte verschmelzen erst in der venösen Phase mit der Netzhautzirkulation. Außerdem sind große Aderhautgefäße in der Transitphase vor der Füllung der Choriokapillaris sichtbar (⊡ Abb. 6.8). In Analogie zu histologischen und angiographischen Befunden bei der Sorsby-Fundusdystrophie – einer dominant vererbten Makuladystrophie, die mit ausgedehnten,
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112
6
Kapitel 6 · Frühe AMD
⊡ Abb. 6.8a,b Fluoreszein-angiographischer Befund bei Verzögerung der Aderhautperfusion in der arteriellen Phase (a) und der frühen Transitphase (b) des Angiogramms
a
diffusen Ablagerungen im Bereich der Bruch-Membran einhergeht – wird dies als ein indirekter Hinweis auf das Vorliegen diffuser Drusen im Gegensatz zu den ophthalmoskopisch sichtbaren fokalen Drusen gewertet [15, 17]. Wie in Kap. 5 ausgeführt, spielen diffuse Ablagerungen zwischen retinalem Pigmentepithel und Bruch-Membran bei der Pathogenese der altersabhängigen Makuladegeneration eine erhebliche Rolle. Insofern überrascht es nicht, dass Patienten mit verzögerter Aderhautperfusion eine ungünstige Prognose hinsichtlich der Inzidenz visusmindernder Läsionen aufweisen. Überzufällig häufig ist dieser Befund außerdem mit der Entwicklung einer geographischen Atrophie des retinalen Pigmentepithels verbunden [9]. Fazit Die frühen Manifestationsformen der altersabhängigen Makuladegeneration sind klinisch in Form von Drusen und Hypo- bzw. Hyperpigmentierungen sichtbar. Sie entstehen auf genetischer Grundlage und führen zunächst nur zu einer geringgradigen visuellen Beeinträchtigung. Bei der klinischen Einordnung der Befunde sind eine einheitliche Terminologie und eine präzise Differenzierung erstrebenswert, auch weil diese prognostisch relevant und für die Indikationsstellung prophylaktischer oder therapeutischer Maßnahmen bedeutsam sind. Drusen unterliegen dynamischen Veränderungen mit der Zeit und zeigen für den jeweiligen Patienten wie auch die anderen Manifestationsformen eine tendenziell symmetrische Ausprägung. Ihre Gegenwart geht mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung choroidaler Neovaskularisationen, einer Abhebung des retinalen Pigmentepithels oder einer geographischen Atrophie einher. Große, weiche, konfluente Drusen und zusätzliche fokale Hyperpigmentationen weisen auf ein besonders hohes Risiko hin.
b
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6
7
Klinische Manifestationen der choroidalen Neovaskularisation bei AMD R.F. Spaide Übersetzt von T. Boll
7.1
Einleitung
– 116
7.2
Symptome bei choroidaler Neovaskularisation – 116
7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4
Minderung der Sehschärfe – 116 Metamorphopsie – 116 Gesichtsfeldausfälle – 117 Weitere Symptome – 118
7.3
Befunde bei choroidaler Neovaskularisation – 118
7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4
Blutung – 118 Makulaödem und subretinale Flüssigkeit – 119 Abhebung des retinalen Pigmentepithels – 119 Weitere Befunde – 120
7.4
Diagnostik der choroidalen Neovaskularisation – 121
7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4
Fluoreszein-Angiographie – 121 Indozyaningrün-Angiographie – 121 Autofluoreszenz – 122 Optische Kohärenztomographie – 122
Literatur
– 122
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
116
Kapitel 7 · Klinische Manifestationen der choroidalen Neovaskularisation bei AMD
7.2
Symptome bei choroidaler Neovaskularisation
7.2.1
Minderung der Sehschärfe
Kernaussagen ▬ Es gibt typische Symptome und Befunde, die ▬ ▬
▬
▬
7
7.1
auf das Vorliegen einer choroidalen Neovaskularisation hinweisen. Das häufigste Symptom ist eine Abnahme der Sehschärfe. Am zweithäufigsten treten Metamorphopsien auf. Als erstes bemerken Patienten eine Abnahme der Lesefähigkeit. Die Untersuchung mittels Amsler-Gitter hat sich als nicht optimal für die Selbsttestung zu Hause erwiesen. Patienten stellen sich möglicherweise mit einer Blutung, einem zystoiden Makulaödem, subretinaler Flüssigkeit und einer Pigmentepithelabhebung vor. Untersuchungsmethoden wie Fluoreszeinund Indozyaningrün-Angiographie, Autofluoreszenz-Bildgebung und optische Kohärenztomographie werden zur Diagnosestellung genutzt und um die Erkrankungsschwere zu bestimmen.
Einleitung
Die choroidale Neovaskularisation (CNV) präsentiert sich mit verschiedenen visuellen Symptomen und Befunden, die Hinweise auf die richtige Diagnose geben können [1–3]. Die physische Invasion von Blutgefäßen und das assoziierte zelluläre Infiltrat deformieren das retinale Gewebe. Assoziierte Leckage, Blutungen und schließlich Narbenbildung können auf die Makulafunktion erheblich beeinträchtigen. In fortgeschrittenen Stadien ist das Vorliegen einer CNV recht einfach zu erkennen, doch liegt dann oftmals bereits ein schwerer Sehverlust vor. CNV bei altersabhängiger Makuladegeneration (AMD) war nach gesetzlicher Definition die führende Ursache für Erblindung bei älteren Erwachsenen [4]. Mit modernen, gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) gerichteten Therapien kann die Sehschärfe bei der großen Mehrheit der Patienten langfristig stabilisiert werden, doch nur bei wenigen Patienten wird auch eine Verbesserung der Sehschärfe erreicht [5, 6]. Daher bietet eine frühzeitige Diagnose, bevor ein schwerer Sehverlust eintritt, die aussichtsreichste Möglichkeit, die Sehkraft dieser älteren Menschen zu erhalten.
Die Hauptsymptome einer CNV sind Verlust an Sehkraft, Verzerrtsehen (Metamorphopsien) und Gesichtsfeldausfälle. Patienten stellen sich oftmals mit der Beschwerde vor, auf einem Auge nichts mehr sehen zu können, und eine nähere Befragung ergibt, dass sie damit eine verminderte zentrale Sehschärfe des Auges meinen. Die mittlere Sehschärfe von Patienten, die in aktuellen randomisierten Studien aufgenommen werden, liegt bei etwa 20/80 [5–7]. Diese Patienten werden ausgesucht, da sie keine anderen Augenerkrankungen und eine leicht zu diagnostizierende CNV aufweisen; Patienten mit massiver Blutung werden für gewöhnlich nicht in klinische Studien aufgenommen. In seltenen Fällen kann eine massive Blutung insbesondere bei Patienten mit antikoagulativer Therapie einen schweren Sehverlust bis hin zur totalen Erblindung (keine Wahrnehmung von Licht) verursachen [8]. Patienten bemerken den Verlust der Sehschärfe erst, wenn Anforderungen, die zuvor leicht bewältigt wurden, schwieriger oder schlicht unmöglich werden. Ist zuerst das dominante Auge betroffen, bemerkt der Patient die Änderung der Sehschärfe im Allgemeinen früher als bei einer Erkrankung des nicht-dominanten Auges. Typische Beschwerden sind Schwierigkeiten beim Lesen kleiner Schrift, beim Lesen sich bewegender Wortzeilen (dem »News Ticker«) am unteren Rand des Fernsehbildschirms oder das Unvermögen, Uhren aus der Entfernung abzulesen. Weitere von den Patienten berichtete Sehschärfeprobleme sind größere Schwierigkeiten beim Laufen und der Orientierung im Freien sowie bei der Teilnahme an Freizeitaktivitäten wie Golf- oder Tennisspielen und beim Einkaufen [9]. Untersuchungen, die die visuellen Beeinträchtigungen mit einbezogen, zeigten, dass der Fernvisus einen wesentlichen Anteil der Streuung des Gesamt-Scores des Testergebnisses erklärt [10]. Untersuchungen zum Einfluss der Sehfunktion auf die Lebensqualität ergaben, dass die Sehschärfe der wichtigste prädiktive Faktor ist [11]. Der Fernvisus ist (gemeinsam mit Messungen des Gesichtsfeldes) das Hauptkriterium, anhand dessen Erblindung im Rechtssinne definiert wird.
7.2.2
Metamorphopsie
Bislang existiert keine Methode, um das Verzerrtsehen zu quantifizieren. Verschiedene Verfahren werden zur Diagnose einer Metamorphopsie genutzt. Die Anwendung eines Liniengitters zur Diagnose makulärer Erkrankungen
117 7.2 · Symptome bei choroidaler Neovaskularisation
begann Mitte des 19. Jahrhunderts [12]. Angesichts neuer Erkenntnisse über die Bedeutung der Makula sowie besserer ophthalmologischer Untersuchungsmethoden und photographischer Dokumentationsmöglichkeiten gewannen diagnostische Tests für makuläre Störungen zunehmend an Bedeutung. Schließlich untersuchte Marc Amsler detailliert die Anwendung von Liniengittern und entwickelte ein Set an Gittern zur Diagnostik okulärer Erkrankungen [12]. Als Screeninginstrument wird üblicherweise ein modifiziertes Amsler-Gitter verwendet, das schwarze Linien auf weißem Grund statt weißen Linien auf schwarzem Grund aufweist [13]. Jede Version dieses Tests ist eine Untersuchung oberhalb der Reizschwelle, so dass relative Skotome übersehen werden können [14]. Untersuchungen von Patienten anhand des Amsler-Gitters ergaben, dass dieser Test nur bedingt aussagekräftig ist [15–18]. In einer Serie von 100 konsekutiven AMD-Patienten zeigte der Gittertest bei weniger als 30% der untersuchten Augen mit CNV eine Auffälligkeit an [16]. In einer Studie zur AMD erfasste der Gittertest 34% der Augen mit CNV und 30% der Augen mit geographischer Atrophie (GA) [17], während in einer anderen Studie 53% der von CNV betroffenen Augen und 44% der Augen mit GA erkannt wurden [18]. Eine Selbsttestung zuhause mittels Amsler-Gitter ergab sehr schlechte Ergebnisse; in einer Serie von 49 neu diagnostizierten CNVPatienten, die zuhause regelmäßig eine Selbsttestung anhand des Amsler-Gitters durchführten, bemerkten nur 5 die Veränderungen erstmals während eines Amsler-Gittertests [3]. Faktoren für die Schwierigkeiten beim Aufdecken abnormaler Areale im Amsler-Gittertest werden der Entwicklung eines neuen bevorzugten retinalen Fixationsortes außerhalb des Skotoms zugeschrieben, ein ohnehin unklarer retinaler Fixationsort sowie perzeptueller Komplementierung, bei der das Gehirn die fehlenden Merkmale ergänzt [19]. Um einige dieser Schwächen zu vermeiden, wurde ein auf Hypersehschärfe basierendes makuläres Perimetrieverfahren entwickelt [17, 18]. Dieses Verfahren erfordert eine Testung des Patienten mit einem Apparat, für dessen Anwendung er zuvor geschult wurde. Die Dauer des eigentlichen Tests beträgt etwa 6 Minuten [20], jedoch entsteht ein erheblicher zusätzlicher Zeitaufwand für die notwendige Geräteanleitung. In einer klinischen Multicenter-Studie ergab die Untersuchung mit dem Preferential Hyperacuity Perimeter (PHP) bei 100% der Patienten mit neovaskulärer AMD, bei 96% der Patienten mit GA, bei 70% der Patienten mit intermediärer AMD (diagnostiziert anhand von Drusen) und bei 51% der Patienten mit früher AMD einen positiven Befund [18]. Eine frühere Studie hatte etwas geringere Prozentwerte ergeben [17]. In einer anderen Studie, die 185 Patienten mit einer Sehschärfe von 20/160 oder besser bei intermediärer oder weit fortgeschrittener AMD einschloss,
zeigte der Test eine Sensitivität der CNV-Detektion von 82% und eine Spezifität von 88% [20]. Jedoch wurden 63 Augen in dieser Studie von der Analyse ausgeschlossen, obwohl sie mit dem PHP-Verfahren untersucht worden waren. Bei 11 dieser ausgeschlossenen Augen wurde der Test – ohne Angabe von Gründen – als unzuverlässig angesehen. Des Weiteren wurden 12 Augen mit geographischer Atrophie und 16 weitere mit anderen makulären Erkrankungen wie z. B. Musterdystrophie ausgeschlossen [20]. Angesichts der Ergebnisse früherer Studien [17, 18] hätten diese Patienten wahrscheinlich ein positives Testergebnis erbracht, was sowohl die berichtete Sensitivität als auch Spezifität in Frage stellt. Der große Anteil ausgeschlossener Patienten schränkt die allgemeine Aussagekraft der Studie erheblich ein, da es schwierig wäre, die Ergebnisse prospektiv auf eine Patientengruppe anzuwenden, die in einer AMD-Sprechstunde untersucht werden. Es ist schwierig zu beurteilen, welchen Stellenwert die PHP beim Nachweis potenzieller CNV-Patienten hat und wo sie gewinnbringend eingesetzt werden könnte. Für eine Anwendung in der Sprechstunde eines Retinaspezialisten scheint es keinen Anlass zu geben, da die Sensitivität und Spezifität des Tests leicht durch eine Standarduntersuchung der Retina übertroffen wird, die oftmals eine Kombination aus Ophthalmoskopie, optischer Kohärenztomographie (OCT) und Fluoreszein-Angiographie beinhaltet. Die Anwendung als Screeninginstrument in einer allgemeinen Sprechstunde wird durch die hohen Kosten erschwert, aber auch durch den nötigen Zeitaufwand für die Durchführung des Tests und durch seine relativ geringe Sensitivität und Spezifität.
7.2.3
Gesichtsfeldausfälle
Häufig beschreiben Patienten, die sich erstmals mit CNV bei AMD vorstellen, kleine Ausfälle in ihrem zentralen Gesichtsfeld. Im Allgemeinen handelt es sich dabei um zwei Typen: ▬ Beim ersten handelt es sich um einen großen dunklen Fleck, der vor allem am Morgen nach dem Aufwachen wahrgenommen wird. Typischerweise sieht der Patient einen dunklen Fleck an der Decke, bevor er das Licht einschaltet. Dies repräsentiert vermutlich ein relatives Skotom und zeigt sich oftmals bei Patienten mit subretinaler Flüssigkeit oder Makulaödem. Dieser größere Gesichtsfelddefekt kann mit unterschiedlicher Erfolgswahrscheinlichkeit mittels Amsler-Gitter, Hyperacuity-Perimetrie oder Mikroperimetrie geprüft werden; von diesen drei Methoden erlaubt die Mikroperimetrie eine Quantifizierung der Sensitivität der betroffenen Areale [21].
7
118
Kapitel 7 · Klinische Manifestationen der choroidalen Neovaskularisation bei AMD
▬ Der zweite Typ eines Gesichtsfelddefektes ist ein sehr kleines, doch offensichtlich tiefes Skotom in der Nähe des Fixationsortes. Der Patient berichtet, dass einzelne Buchstaben oder Zahlen oder sogar nur Teile von Buchstaben fehlen. Diese Art Defekt erschwert das Lesen. Es gibt keine spezifischen Tests, um diese sehr kleinen zentralen Skotome zu messen.
7.2.4
7
Weitere Symptome
Im Beschwerdebild der Patienten treten auch andere durch CNV verursachte Symptome auf. Manche Patienten klagen über eine unterschiedliche Farbwahrnehmung des einen Auges im Vergleich zum anderen, über Schwierigkeiten bei der Tiefenwahrnehmung oder über die Wahrnehmung sich drehender Propeller oder persistierender Nachbilder. Andere Patienten berichten über subtilere Formen der Sehverschlechterung, die scheinbar nicht die feinen Details betreffen, wie z. B. eine neblige Sicht. Es scheint, dass diese Beschwerden mit einer Abnahme der Kontrastempfindlichkeit zusammenhängen.
7.3
Befunde bei choroidaler Neovaskularisation
7.3.1
Blutung
Bei einer CNV kann Blut in vielen verschiedenen Schichten des hinteren Pols austreten (⊡ Abb. 7.1). Kleine Punktblutungen werden oftmals in der Nähe von Teleangiekta-
⊡ Abb. 7.1 Dieser Patient zeigte eine subretinale Blutung (weißer Pfeil) und eine Blutung unter dem retinalen Pigmentepithel (RPE) (Pfeilspitze) in diesem Farbfoto (oben links). Beachten Sie das denaturierte Blut (schwarzer Pfeil). In der Photographie oben rechts zeigt sich eine Blockade der Autofluoreszenz-Bildgebung durch das subretinale Blut (weißer Pfeil), jedoch eine intakte Autofluoreszenz der RPE-Schicht. Das denaturierte Blut ist stark autofluoreszent. Die optische Kohärenztomographie (OCT) (unten) zeigt die hämorrhagische Pigmentepithelabhebung (PED), die keine innere Reflexion aufweist (Sternchen). Die einfachste Erklärung wäre, dass die Pigmentepithelabhebung serös ist, jedoch können Interpretationsfehler vermieden werden, wenn man die Reflexion der darunterliegenden Choroidea betrachtet. Das Fehlen jeglicher sichtbarer choroidaler Details bestätigt die Verschattung durch Blut innerhalb der PED. Am Rand der PED befindet sich Blut im subretinalen Raum (Pfeile)
sien beobachtet. Diese Blutungen wurden bei Patienten mit Verdacht auf eine retinale angiomatöse Proliferation auf eine präretinale Neovaskularisation zurückgeführt oder alternativ auf hohe Flussraten entsprechend der Annahme von Gass und Kollegen [22]. Kleine Blutungen und Teleangiektasien treten häufig als Folge intravitrealer VEGF-Injektionen in Primaten-Augen auf [23]. Die Gabe von VEGF-Hemmern führt zu einer Auflösung intraretinaler Blutungen, eine Tatsache, die das Konzept einer verursachenden Rolle zu hoher VEGF-Konzentrationen unterstützt (⊡ Abb. 7.2). Auch im subretinalen Raum kann sich eine Blutung sammeln. Das Blut kann dabei von einer direkt unter der Retina gelegenen Typ-2-CNV stammen oder von einer Durchbruchblutung aus Gefäßen unter dem retinalen Pigmentepithel (RPE), auch bekannt als Typ-1-CNV [24]. Dünne Lagen subretinalen Blutes sind relativ transparent und daher sind choroidale Details weiterhin erkennbar. Dickere Blutlagen führen zu Ausbildung eines Hügels und heben die darüber liegende Retina an. Sie scheinen eine größere Auswirkung auf Sehfunktionen wie Verzerrtsehen und Abnahme der Sehschärfe zu haben. Wie später noch näher beschrieben, ist die Anwendung der Fluoreszein-Angiographie im Fall einer ausgeprägten Blutung begrenzt, die Indozyaningrün-Angiographie jedoch kann bei mäßigen Blutmengen erfolgreich eingesetzt werden. Blutansammlungen im Sub-RPE-Raum haben eine dunklere Färbung als subretinales Blut, was zum Teil durch das Melanin des darüber liegenden RPE bedingt ist. Damit Blut unter das RPE gelangen kann, muss es sich zunächst einen Weg zwischen der Basalmembran des RPE und dem darunterliegenden Rest der Bruch-
119 7.3 · Befunde bei choroidaler Neovaskularisation
Membran bahnen. Dies scheint die Ausbreitung zu begrenzen, so dass Sub-RPE-Blutungen im Allgemeinen hemisphärischer sind als subretinale Blutungen. Üblicherweise denaturieren die Blutansammlungen innerhalb der Retinaschichten mit der Zeit und nehmen eine gelblichere Färbung an. Dieses gelbe Material ist stark autofluoreszent [25]. Bei starken Blutungen kann sich das Blut auch innerhalb und unter der Choroidea sammeln. Solche massiven Blutungen kommen im Allgemeinen bei Patienten mit gewöhnlicher CNV und antikoagulativer Therapie oder in einem Auge mit einer polypoidalen choroidalen Vaskulopathie vor.
7.3.2
Makulaödem und subretinale Flüssigkeit
Normalerweise gibt es einen Nettotransport von Flüssigkeit vom Glaskörperraum zur Choroidea. Des Weiteren pumpt das RPE Flüssigkeit von der Retina in den subretinalen Raum. Damit sich Flüssigkeit in oder unter der Retina ansammelt, muss die Flüssigkeitsmenge, die zur Retina gelangt, größer sein als die, die durch die normalen Mechanismen wieder abgeleitet wird [26]. Überschüssige Flüssigkeit innerhalb der Retina kann sich in Pseudozysten ansammeln, die typischerweise wie Blütenblätter um die Fovea angeordnet sind und dabei das sog. zystoide Makulaödem (ZMÖ) bilden. Zystoide Veränderungen können bei der Ophthalmoskopie, insbesondere in Retroillumination, in der OCT oder bei der Fluoreszein-Angiographie gesehen werden.
Die OCT zeigt eine verdickte Retina innerhalb der sich eine oder mehrere Lagen zystoider Raumforderungen befinden. Subretinale Flüssigkeit wird im Allgemeinen mit einem ZMÖ assoziiert, ein Zusammenhang, der erst seit Einführung der OCT vollständig klar wurde. Ein zystoides Makulaödem entsteht v. a. bei einer direkt unter der Retina liegenden CNV, wie es bei der klassischen Typ-2CNV beobachtet wird [27]. Eine subretinale Exsudation führt oft zu einer Akkumulation subretinaler Flüssigkeit (⊡ Abb. 7.2). Dies kann in der Ophthalmoskopie als Anhebung der Makula mit außergewöhnlich transluzentem Retinagewebe auffallen. In Arealen mit deutlichen subretinalen Flüssigkeitsansammlungen erscheinen darunter liegende Drusen, Pigment oder choroidale Details verschwommen. Subtilere Areale subretinaler Flüssigkeit stellen sich durch eine pralle zentrale Makularegion mit Verlust der fovealen Grube dar. Bei CNV kann die subretinale Flüssigkeit etwas trüb sein und sich bei längerem Bestand Lipidablagerung bilden.
7.3.3
Abhebung des retinalen Pigmentepithels
In Augen mit CNV kann es aus verschiedenen Gründen zu einer Pigmentepithelabhebung (PED) kommen. Dringen neue Gefäße zwischen RPE und Bruch-Membran ein und verursachen eine RPE-Abhebung, so wird diese fibrovaskuläre PED genannt. Die CNV kann in den Sub-RPE-Raum eindringen und die folgende Exsudation aus der CNV kann anliegende Gebiete des RPE anheben. Solche flüssigkeitsgefüllten Anhebungen des RPE
⊡ Abb. 7.2 Dieser Patient hatte eine minimal-klassische CNV mit einem großen okkulten Anteil und einem kleineren klassischen Anteil (Pfeil), wie sich in der mittleren Phase (oben links) und in der Spätphase (oben rechts) zeigt. Die Enhanced-Depth-Imaging-OCT (EDI-OCT) zeigt eine CNV unter dem RPE (Pfeilspitzen), subretinale Proliferation und Exsudation (Pfeil)
7
120
7
Kapitel 7 · Klinische Manifestationen der choroidalen Neovaskularisation bei AMD
⊡ Abb. 7.3 Dieser Patient hatte eine relativ inaktive Plaque einer choroidalen Neovaskularisation, wie in der IndozyaningrünAngiographie zu sehen ist (oben links). 2½ Jahre später nahmen die Beschwerden des Patienten zu, während er weiterhin eine Neovaskularisations-Plaque aufwies, die jedoch größer war als zuvor, sowie eine begleitende PED (Pfeilspitzen). Im linken unteren Rahmen sind zwei OCT-Aufnahmen zu sehen; die obere zeigt den Verlauf der choroidalen Neovaskularisation entlang des Bodens des RPE (Pfeilspitzen) und die assoziierte seröse Abhebung. Beachten Sie die Sichtbarkeit der Choroidea in diesem Scan, der mit einer Technik zur verbesserten Darstellung der Choroidea aufgenommen wurde. Im unteren OCT-Scan zeigt sich eine Lücke in der PED, die einen Ausstrom von Flüssigkeit in den subretinalen Raum (Pfeil) ermöglicht. Bei einer sorgfältigen Untersuchung des Fundus kann diese Lücke entdeckt werden (Pfeil, Farbphotographie, unten rechts)
werden üblicherweise seröse PED genannt, wenngleich diese Bezeichnung streng genommen oftmals falsch verwendet wird. Eine PED, die neovaskuläres Gewebe und seröse Flüssigkeit enthält, wird weiterhin als fibrovaskulär bezeichnet, obwohl ein seröser Anteil vorhanden ist (⊡ Abb. 7.3). Nur die recht seltene PED ohne CNV ist tatsächlich eine seröse PED. Im Allgemeinen treten PED in 3 Hauptformen auf: ▬ Zentral seröse Chorioretinopathie, bei der die Hyperpermeabilität der Choriokapillaris den RPE-Monolayer anhebt ▬ Polypoidale choroidale Vaskulopathie ▬ CNV Bei der polypoidalen choroidalen Vaskulopathie, die eine Variante der CNV ist, geben große, unter dem RPE gelegene Gefäßteile Flüssigkeit ab, die das RPE anheben. Hämorrhagische PED entstehen durch Blutungen in den Sub-RPE-Raum. Große Verwirrung und diagnostische Unsicherheit bezüglich PED bei AMD ergaben sich vor allem durch die Schwierigkeit, die Bestandteile einer PED bildlich sichtbar zu machen. Bei einer Fluoreszein-Angiographie füllt die Farbstoffleckage fast sofort den vorhandenen Raum innerhalb der PED aus und die Fluoreszenz des freien Farbstoffs verhindert die bildliche Darstellung der PED-Bestandteile. Indozyaningrün (ICG) fluoresziert mit einer längeren Wellenlänge als Fluoreszein und erzielt somit eine bessere optische Penetration durch Pigment und
Blut. Außerdem ist ICG in hohem Maße proteingebunden und diffundiert nur langsam innerhalb einer PED. Eine konventionelle Spectral-Domain-OCT (SDOCT) weist mit zunehmender Tiefe eine Abnahme der Sensitivität auf und wird zudem durch hochreflektierendes Melaninpigment eingeschränkt. In der konventionellen SD-OCT erscheinen PED oftmals als optisch leer, obwohl auch die darunterliegende Choroidea nicht abgebildet wird [28]. Die fehlende Reflexion im Zentrum der PED kann bedeuten, dass es tatsächlich optisch leer ist oder aber, dass ein von dort kommendes Signal von der OCT nicht erfasst wird [29]. Dieses Problem konnte mit der Neuentwicklung der Enhanced-Depth-ImagingOCT (EDI-OCT) gelöst werden, mit der eine verbesserte Darstellung von PED-Bestandteilen gelingt. Mit diesem Bildgebungsverfahren konnte eine CNV in jeder untersuchten PED sichtbar gemacht und mit den Befunden aus der ICG-Angiographie kolokalisiert werden ( Kap. 9).
7.3.4
Weitere Befunde
Bestimmte CNV-Befunde sieht man typischerweise nicht bei der Erstvorstellung, sondern eher bei älteren, schon länger bestehenden Erkrankungen (⊡ Abb. 7.4). Chorioretinale Falten entstehen durch Kontraktion des neovaskulären Gewebes mit einer Fältelung, die sternförmig von der Neovaskularisation ausgeht. Choroidale Falten treten in Zusammenhang mit großen Regionen okkulter CNV
121 7.4 · Diagnostik der choroidalen Neovaskularisation
⊡ Abb. 7.4 Diese Patientin stellte sich mit einer plötzlichen Veränderung der Sehschärfe vor. Es fand sich eine CNV bei altersabhängiger Makuladegeneration mit Rissen im RPE (Sternchen) und chorioretinalen Falten (Pfeilspitzen), die in diesem Autofluoreszenz-Bild zur Darstellung kommen
auf. Einige Patienten mit großen CNV-Arealen können eine ausgedehnte PED mit Erhalt der zentralen Sehschärfe aufweisen. Manche dieser Patienten entwickeln möglicherweise einen Riss des RPE mit einer plötzlichen Veränderung des Sehvermögens. Große subretinale und Sub-RPE-Blutungen verlieren mit Zerfall des Hämoglobins ihre Farbe und sind mit reaktiven Veränderungen im RPE assoziiert (⊡ Abb. 7.5).
7.4
Diagnostik der choroidalen Neovaskularisation
7.4.1
Fluoreszein-Angiographie
Fluoreszein-Natrium ist ein orangefarbenes Fluorophor, dessen Absorptionsmaximum bei etwa 490 nm liegt. Das exakte Maximum variiert in Abhängigkeit verschiedener Faktoren wie dem pH-Wert und der Proteinkonzentration der wässrigen Lösung. Fluoreszein fluoresziert bei einem Maximum von etwa 520 nm. Fluoreszein wird als okuläre angiographische Substanz genutzt. Der Farbstoff wird in die antekubitale Vene gespritzt und erscheint kurz darauf in den okulären Blutgefäßen. Die Choroidea füllt sich etwa 1 Sekunde vor den retinalen Blutgefäßen. Die choroidalen Gefäße kommen in der Fluoreszein-Angiographie nur schlecht zur Darstellung, da die dabei genutzte Exzitationswellenlänge keine große Penetrationsstärke aufweist und Fluoreszein innerhalb der Choroidea frei diffundiert. Fluoreszein eignet sich jedoch hervorragend zur Darstellung der retinalen Zirkulation. Normalerweise wird
⊡ Abb. 7.5 Farbfotomontage einer Patientin mit großflächigen subretinalen und Sub-RPE-Blutungen bei polypoidaler choroidaler Vaskulopathie. Diese asiatische Patientin benötigte eine Vitrektomie zur Entfernung der Glaskörperblutung und zeigte ausgedehnte Vernarbungen mit Ausnahme der Fovea
die Ausbreitung des Farbstoffs durch die Blut-AugenSchranke beschränkt, doch zeigt der Fluoreszenz-Farbstoff in pathologischen Situationen nicht nur die anatomischen Veränderungen durch neues Gefäßwachstum, sondern auch den Zusammenbruch der Blut-AugenSchranke durch sichtbare Leckagen. Eine CNV kann verschiedenen anatomischen Untertypen zugeordnet werden: ▬ Eine CNV, die früh zu erkennen ist und erst spät eine Leckage aufweist, wird klassische CNV genannt. ▬ Die okkulte CNV wurde ursprünglich als fibrovaskuläre PED oder als späte Leckage einer unbestimmten Quelle klassifiziert. Die moderne Kombination von Angiographie und OCT assoziiert die okkulte CNV stets mit einer Neovaskularisation unter dem RPE. ▬ Gelegentlich zeigen Patienten sowohl oberhalb als auch unterhalb des RPE eine CNV, die man als minimal-klassische CNV bezeichnet. Hin und wieder ist auch die retinale Zirkulation vom neovaskulären Prozess betroffen und Anastomosen zwischen Retina und Choroidea können auftreten. Diese Verbindungen zwischen retinaler und choroidaler Zirkulation können am besten in der Indozyaningrün-Angiographie dargestellt werden.
7.4.2
Indozyaningrün-Angiographie
Indozyaningrün ist ein stark proteingebundenes Fluorophor mit längeren Exzitations- und Emmisionswellenlängen als Fluoreszein. Wie bei Fluoreszein variiert auch hier das Maximum der Exzitations- und Emissionskurven in Abhängigkeit von pH-Wert und Proteinkonzentration.
7
122
Kapitel 7 · Klinische Manifestationen der choroidalen Neovaskularisation bei AMD
Das Exzitationsmaximum liegt bei etwa 780–790 nm und der Emissionspeak bei etwa 810 nm. Diese Wellenlängen durchdringen das Melanin des RPE und der Choroidea viel besser als die der Fluoreszein-Angiographie. Außerdem sorgt die hohe Proteinbindung des ICG für einen weitgehenden Rückhalt des Farbstoffs in den Gefäßen. Diese Eigenschaften erlauben die Abbildung und Beschreibung von Vaskularisationen unter dem RPE. Ein wichtiges Krankheitsbild, das mit Hilfe der ICGAngiographie leicht dargestellt werden kann, ist die polypoidale choroidale Neovaskularisation, eine Form der CNV [30]. Diese spezielle Form der Neovaskularisation hat eine hohe Prävalenz in Asien.
7.4.3
7
Autofluoreszenz
In der Retina kommen natürliche Fluorophore vor, die mit der Zeit innerhalb des RPE akkumulieren. Die Fluorophore stehen in Zusammenhang mit dem Retinoidstoffwechsel. Man kann sie zum fluoreszieren bringen und die resultierende Fluoreszenz mit einer Funduskamera oder einem Scanning-Laser-Ophthalmoskop aufnehmen. Die Autofluoreszenz-Bildgebung ist sehr hilfreich, um den Gesundheitszustand des RPE einzuschätzen.
7.4.4
Optische Kohärenztomographie
Die OCT nutzt Licht mit geringer Kohärenzlänge in einer modifizierten Michelson-Interferometrie-Anlage zur Gewinnung von Querschnittsbildern des Fundus in hoher Auflösung. Handelsübliche Einheiten bieten eine theoretische Auflösung von 5–7 μm, wenngleich die tatsächliche Auflösung diese theoretischen Werte nicht erreicht. Die OCT ist ein nicht-invasives Bildgebungsverfahren, das Informationen über die Architektur der Retina, des subretinalen Raumes und des retinalen Pigmentepithels liefert. Neuere Entwicklungen wie die Swept-SourceOCT, die 1-μm-Lichtquellen einsetzt, und die EDI-OCT ermöglichen eine verbesserte Darstellung der Choroidea. Fazit
▬ Das häufigste Symptom bei einer CNV ist eine Minderung der Sehschärfe. Patienten berichten oftmals von Alltagsaufgaben, die nun schwerer fallen, erwähnen jedoch nicht, dass dies an der Sehschärfe liegt. ▬ Verzerrtsehen ist sehr schwer zu messen. Unspezifische Untersuchungen können helfen festzustellen, ob Verzerrtsehen vorliegt oder nicht. Der Amsler-Gittertest hat eine schlechte Sensitivität und Spezifität. Die Sensitivität und Spezifität neuerer Methoden wie der Preferential-
Hyperacuity-Perimetrie scheinen nicht hoch genug zu sein, um einen breiten Einsatz zu rechtfertigen. ▬ Um einen Verdacht auf eine CNV zu bestätigen, werden verschiedene Untersuchungsmethoden eingesetzt; bei den meisten Patienten ergibt sich eine korrekte Diagnose auf CNV aufgrund ihrer Symptome und der ophthalmoskopischen Befunde.
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7
8
Geographische Atrophie M. Fleckenstein, S. Schmitz-Valckenberg, J.S. Sunness, F.G. Holz
8.1
Einführung
8.2
Klinische Merkmale
8.3
Histologie und Pathogenese – 127
8.4
Fundusautofluoreszenz-Bildgebung
8.5
Spectral-Domain-optische Kohärenztomographie – 129
8.6
Quantifizierung der Atrophieprogression – 130
8.7
Risikofaktoren
8.7.1 8.7.2 8.7.3
Genetische Faktoren – 132 Systemische Risikofaktoren – 132 Okuläre Risikofaktoren – 133
8.8
CNV-Entwicklung in Augen mit geographischer Atrophie – 134
8.9
Sehfunktion bei Patienten mit geographischer Atrophie – 134
8.9.1 8.9.2 8.9.3 8.9.4
Messung der Sehschärfe – 134 Kontrastsensitivität – 135 Lesegeschwindigkeit – 135 Fundusperimetrie – 135
8.10
Therapeutische Ansätze – 135
8.10.1 8.10.2 8.10.3 8.10.4 8.10.5 8.10.6
Verminderung von retinalen Toxinen – 136 Antiinflammtorische Substanzen – 136 Komplementinhibition – 137 Neuroprotektion – 137 Verminderung von oxidativem Stress – 137 Serotonin-1A-Agonist – 137
Literatur
– 126 – 127
– 128
– 132
– 138
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
126
Kapitel 8 · Geographische Atrophie
▬ Die Fovea kann typischerweise längere Zeit von
Kernaussagen ▬ Die geographische Atrophie (GA) im Rahmen der
▬
▬
▬
8 ▬
a
altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) ist eine häufige Ursache für einen schweren Visusverlust mit steigender Inzidenz und Prävalenz. Die Atrophie zeigt typischerweise gut abgrenzbare Ränder und umfasst mehrere anatomische Schichten: äußere Netzhautschichten, retinales Pigmentepithel (RPE) und Choriokapillaris. Die Atrophie-Areale nehmen kontinuierliche mit der Zeit an Größe zu. Dabei zeigt sich bei ausgeprägter intraindividueller Symmetrie ein hohes Maß an interindividueller Variabilität der Progressionsrate. Bestimmte Muster abnormaler Fundusautofluoreszenz (FAF) in der periläsionalen Netzhaut sind mit einer höheren Progressionsrate assoziiert, während für bekannte AMD-Risikofaktoren inkl. der genetischen Risikovarianten bislang kein Einfluss auf die Progressionsrate gezeigt werden konnte. Faktoren, die Augen eher für eine GA oder eine choroidale Neovaskularisation prädisponieren, sind bislang unbekannt.
der Atrophie ausgespart bleiben. Die Sehschärfe korreliert daher nur mäßig mit der Atrophiegröße und reflektiert nicht die tatsächliche funktionelle Beeinträchtigung, da Fixationsstabilität und Lesegeschwindigkeit trotz gutem Visus deutlich in Mitleidenschaft gezogen sein können. ▬ Multiple Pathomechanismen scheinen zugrunde zu liegen, wobei einige in bereits laufenden klinischen Interventionsstudien adressiert werden, wodurch die Progression der Atrophie verlangsamt werden soll.
8.1
Einführung
Die geographische Atrophie (GA) stellte die atrophische Spätform der trockenen AMD dar. Sie imponiert funduskopisch am Augenhintergrund als scharf demarkierte, depigmentierte Areale. Innerhalb von Atrophiearealen werden typischerweise choroidale Gefäße sichtbar (⊡ Abb. 8.1). Der initiale Begriff »GA des retinalen Pigmentepithels (RPE)« ist dabei insofern irreführend, als nicht nur das RPE sondern korrespondierend auch
b
⊡ Abb. 8.1 Geographische Atrophieareale erscheinen in der Fundusphotographie als depigmentierte Bereiche mit erhöhter Sichtbarkeit der tiefen choroidalen Gefäße (a). Das korrespondierende Fundusautofluoreszenz (FAF)-Bild (b) zeigt einen deutlich abgrenzbaren Bereich mit deutlich erniedrigtem Signal und scharfem Kontrast zum umgebenden Netzhautgewebe. In der periläsionalen Zone der Atrophie können Bereiche erhöhter FAF detektiert werden, die in der Fundusphotographie nicht zum Vorschein kommen. Diese erhöhten FAF-Signale gehen der Atrophieentstehung voraus und dienen somit als Marker für die Krankheitsprogression
127 8.3 · Histologie und Pathogenese
die Photorezeptoren und die Choriokapillaris betroffen sind [32]. Während die choroidale Neovaskularisation (CNV) die häufigste Ursache für den schweren Visusverlust bei fortgeschrittener AMD darstellt, ist bei ca. 20% der AMD-Patienten »Blindheit im Sinne des Gesetzes« durch GA bedingt [29, 45, 49, 63, 91]. Patienten mit reiner GA sind im Durchschnitt älter als diejenigen mit neovaskulärer AMD; bei Patienten im Alter von 85 Jahren und älter, tritt die GA sogar viermal häufiger auf als die feuchte AMD [48]. Es wird angenommen, dass die GA auftritt, wenn sich keine CNV im natürlichen Verlauf entwickelt [71].
8.2
Klinische Merkmale
GA kann »de novo« entstehen oder sekundär infolge anderer AMD-Manifestationen auftreten. Funduskopisch sichtbare Läsionen auf RPE- und Bruch-Membran-Ebene, wie Hyperpigmentierungen und Drusen, können einer Atrophieentwicklung vorausgehen [30, 32, 44, 46, 71, 69]. Die spontane Regression von weichen, konfluierenden Drusen kann eine korrespondierende Atrophie hinterlassen. So wird von einigen Autoren angenommen, dass die GA das natürliche Endstadium im »natürlichen Lebenszyklus« von weichen Drusen darstellt. Darüber hinaus sind kalzifizierende, kristalline Abla-
gerungen mit der Atrophieentstehung assoziiert [24]. Eine GA kann auch aus einer kollabierenden serösen und/oder fibrovaskulären Pigmentepithelabhebung resultieren und gleichzeitig bei initial neovaskulärer Form auftreten [10]. Die GA kann sich initial als einzelnes Atrophieareal oder in Form multifokaler Läsionen manifestieren. Typischerweise zeigt sich zu Beginn der Erkrankung eine Beschränkung der Atrophie auf die perifoveale Region [30, 32, 58]. Mit der Zeit vergrößern sich die Atrophieareale, neue Läsionen können entstehen und verschmelzen. So können sich hufeisenförmige bzw. ringförmige Atrophien bilden, die die Fovea zunächst aussparen. Typischerweise zeigt sich ein hoher Grad an Symmetrie zwischen beiden Augen einen Patienten bezüglich der Atrophiekonfiguration als auch der Atrophiegröße [8, 26, 91] (⊡ Abb. 8.2).
8.3
Histologie und Pathogenese
Histologisch zeigen sich im Bereich der GA ein Verlust des RPE, der Photorezeptoren sowie der Choriokapillaris [69, 33]. Das initiale Ereignis bei der GA-Entstehung ist bislang nicht bekannt: Der Verlust der Photorezeptoren erscheint sekundär zu Veränderungen des RPE aufzutreten [69].
⊡ Abb. 8.2 Fundusautofluoreszenz-Bildgebung bei Patienten mit geographischer Atrophie. Es zeigt sich ein hohes Maß an Symmetrie bezüglich der Atrophiekonfiguration innerhalb eines Patienten bei einem hohen Maß an Variabilität zwischen unterschiedlichen Patienten (mit freundlicher Genehmigung der Association for Research in Vision and Ophthalmology)
8
128
8
Kapitel 8 · Geographische Atrophie
Bird und Hageman konnten allerdings in einer kürzlich durchgeführten morphologischen Studie an menschlichen Spenderaugen mit GA zeigen, dass die Photorezeptoren bereits in gewisser Entfernung zur eigentlichen GA pathologische Veränderungen aufweisen können, obwohl das RPE noch intakt erscheint (persönliche Kommunikation). Auch wurden initiale Perfusionsstörungen auf Ebene der Choriokapillaris diskutiert [71]. Da histologische Studien zeigten, dass die Choriokapillaris nach Verlust des RPE für einige Zeit weiter vorhanden sein kann, wurde auch angenommen, dass die vaskuläre Atrophie sekundär zu den RPE-Veränderungen auftritt [40, 62, 71]. Da Atrophieareale mit der Ausdehnung von ChoriokapillarisLäppchen korrespondieren können, steht die Hypothese des Beitrags einer Durchblutungsstörung weiterhin im Raum [58, 99]. Schließlich werden Veränderungen der Bruch-Membran bei der GA-Entstehung diskutiert, die sich v. a. auf fokale und diffuse Drusen beziehen [11]. Da genetische Faktoren, die für die AMD-Entstehung prädisponieren, von Geburt an vorhanden sind, die Erkrankung sich aber erst im höheren Alter manifestiert, spielen offensichtlich zusätzliche, heterogene Pathomechanismen eine relevante Rolle, die schließlich zum Zelltod führen. Hierzu zählen u. a. oxidativer Stress, inflammatorische Prozesse und Alterungsprozesse der postmitotischen RPE-Zellen.
8.4
FundusautofluoreszenzBildgebung
Mehrere klinische und experimentelle Studien weisen darauf hin, dass das RPE eine entscheidende Rolle bei der GA-Pathogenese spielt. Im Laufe des Lebens kommt es zur Akkumulation von Lipofuszin (LF) im lysoso-
malen Kompartiment der postmitotischen RPE-Zellen. Eine exzessiven LF-Akkumulation als gemeinsame pathogenetische Endstrecke tritt sowohl bei monogenetischen als auch bei komplexen retinalen Erkrankungen auf inkl. Morbus Best, Morbus Stargardt und der AMD [12]. Die molekulare Zusammensetzung von LF weist auf modifizierte Produkte des inkompletten Abbaus von Bestandteilen der Photorezeptor-Außensegmente hin. Ergebnisse experimenteller Studien haben gezeigt, dass bestimmte LF-Komponenten wie N-retinylideneN-retinylethanolamine (A2-E) toxische Eigenschaften besitzen [82]. Die Akkumulation von LF in postmitotischen RPEZellen und dessen schädigende Effekte auf die Zellfunktion konnten in vitro mittels Fluoreszenz-Mikroskopie untersucht werden [12]. Delori und Mitarbeiter konnten zeigen, dass das Fundusautofluoreszenz (FAF)-Signal in vivo hauptsächlich von LF in den RPE Zellen zurückgeht [20]. Mit der Entwicklung der konfokalen ScanningLaserophthalmoskopie (cSLO) ist es erstmals möglich geworden, die Verteilung und Intensität der FAF im lebendigen Auge darzustellen [7, 86, 97, 98]. Die FAFBildgebung liefert dabei zusätzliche Informationen, die durch die konventionelle Fundusphotographie, Fluoreszein-Angiographie oder optische Kohärenztomographie (OCT) nicht erlangt werden können. Im Bereich von Atrophiearealen zeigt die FAF-Bildgebung auf Grund des Fehlens des RPE und damit der intrinsischen Fluorophore auf RPE-Zellebene ein deutlich erniedrigtes Signal (⊡ Abb. 8.1). GA-Areale können daher so sehr gut und einfach identifiziert und abgegrenzt sowie mittels Bildverarbeitungssoftware akkurat vermessen werden [19, 77]. Die FAF-Bildgebung eignet sich so für die Verlaufskontrolle von Patienten mit GA.
⊡ Abb. 8.3 Darstellung des Atrophiewachstums mittels Fundusautofluoreszenz-Bildgebung über einen Zeitraum von 5 Jahren
129 8.5 · Spectral-Domain-optische Kohärenztomographie
Zudem können mittels FAF-Areale mit erhöhter FAFIntensität erfasst werden und damit Bereiche exzessiver LF-Akkumulation insbesondere in der periläsionalen Zone von GA [86, 98]. Bereiche erhöhter FAF-Intensität können der Entstehung bzw. Ausbreitung von GA-Arealen vorausgehen [41] (⊡ Abb. 8.3). In einer prospektiven, multizentrischen Studie zum natürlichen Verlauf – der FAM (Fundus Autofluorescence in Age-related Macular Degeneration)-Studie – konnte zudem gezeigt werden, dass Augen mit größerem Ausmaß erhöhter FAF außerhalb der Atrophie eine höhere GA-Progressionsrate zeigen als Augen mit nur kleinem Areal erhöhter FAF [73]. Eine weitere Analyse im Rahmen der FAM-Studie an 195 Augen von 129 Patienten erbrachte, dass die GA-Progressionsrate, die eine hohe Variabilität zwischen Patienten zeigt, abhängig ist von spezifischen abnormalen FAF-Mustern im Randbereich der GA [43] (⊡ Abb. 8.4). Dabei war die Progressionsrate am langsamsten in Augen in Abwesenheit erhöhter FAF außerhalb der Atrophie (Median 0,38 mm2/Jahr), gefolgt von Augen mit nur fokal erhöhtem FAF-Signal (Median 0,81 mm2/Jahr). Im Gegensatz dazu zeigten Augen mit einem diffusem (Median 1,77 mm2/Jahr) und bandförmigen FAF-Muster (1,81 mm2/Jahr) eine signifikant höhere GA-Progressionsrate (p<0,0001). Diese Ergebnisse konnten vor kurzem durch eine andere große internationale Beobachtungsstudie (GAP-Studie) bestätigt werden [108, 109).
8.5
Spectral-Domain-optische Kohärenztomographie
Die Spectral-Domain-optische Kohärenztomographie (SD-OCT) hat mittels »quasi-histologischer Schnitte« neue Einblicke in die mikrostrukturellen Veränderungen bei GA geliefert [6, 13, 28, 57, 25, 39, 75, 101]). Die SD-OCT zeigt dabei vielfältige morphologische Alterationen sowohl der umgebenden Netzhautareale als auch im Bereich der eigentlichen Atrophie. Zudem erlaubt die simultane cSLO und SD-OCT Bildgebung (Spectralis – Heidelberg Engineering) – kombiniert in einem Instrument – eine exakte topographische Zuordnung von pathologischen Befunden in unterschiedlichen bildgebenden Modalitäten. Darüber hinaus können durch die sog. Eye-Tracking-Software serielle Aufnahmen an exakt derselben Stelle im zeitlichen Verlauf durchgeführt werden, was die dynamische Darstellung des Krankheitsprozesses über die Zeit hinweg ermöglicht [28, 39]. So konnten beispielsweise der fortschreitende Verlust der RPE- und Photorezeptorschicht am Rand der GA und die daraus resultierende Apposition der äußeren plexiformen Schicht mit der Bruch-Membran innerhalb der Atrophie erfasst werden (⊡ Abb. 8.5). Interessanterweise konnten diese Prozesse bereits innerhalb weniger Monate beobachtet werden [28]. Diese neuen Einblicke in die Erkrankung könnten weitere Hinweise auf die Pathogenese
⊡ Abb. 8.4 Klassifikation erhöhter Fundusautofluoreszenz in der periläsionalen Zone der geographsichen Atrophie
8
130
Kapitel 8 · Geographische Atrophie
⊡ Abb. 8.5 Progression eines GA-Areals dargestellt mittels serieller Spectral-Domain-OCT (14-Monate-Intervall). Es zeigt sich eine deutliche Vergrößerung der Atrophiefläche mit progressivem Verlust der RPE-Schicht (innerer Anteil der Bande 4), der IPRL (Bande 2) und der ELM (Bande 1) sowie einer Ausdünnung der ONL; folglich kommt es zur Apposition der OPL mit der Bruch-Membran (äußerer Anteil der Bande 4). OPL outer plexiform layer (äußere plexiforme Schicht); ONL outer nuclear layer (äußere nukleäre Schicht); ELM external limiting membrane (äußere Grenzmembran) (Bande 1); IPRL interface of the inner and outer segments of the photoreceptor layer (Übergang Innensegment-Außensegment der Photorezeptoren) (Bande 2); RPE/BM = retinales Pigmentepithel/Bruch-Membran-Komplex (Bande 4) (mit freundlicher Genehmigung der Association for Research in Vision and Ophthalmology)
8
der GA liefern, die bis heute nicht vollständig verstanden ist. Insbesondere könnte die Identifikation von SD-OCTbasierten Risikomerkmalen für eine raschere Krankheitsprogression von Nutzen auch für interventionelle Studien sein.
8.6
Quantifizierung der Atrophieprogression
Erste quantitative Daten zur Atrophieausbreitung wurden von Schatz und McDonald im Jahre 1989 ermittelt [72]. Anhand von Fundusphotographien basierend auf 50 untersuchten Augen fanden sie eine durchschnittliche Progressionsrate von 139 μm/Jahr im horizontalen Durchmesser. Mittlerweile liegen Daten von fünf größeren Beobachtungsstudien zum natürlichen Verlauf der GA vor: die »Geographic Atrophy Studie« (GAS) von Janet Sunness, die FAM-Studie, die »Beaver-Dam-Eye-Studie«, die »ARED-Studie« und die »Natural History of Geographic Atrophy Progression (GAP) Studie« (⊡ Tab. 8.1). »Geographic Atrophy Studie«: Sunness et al. berichteten 1999 [91] und 2007 [89] GA-Progressionsraten basierend auf seriellen Fundusphotographien. The durchschnittliche Progressionsrate über einen Zeitraum von 4,3 Jahren, die bei 212 Augen von 131 Patienten bestimmt wurde, betrug 2,6 mm2/Jahr (Median 2,2 mm2/ Jahr). Dabei zeigte sich zwischen Patienten eine hohe Variabilität der Progressionsraten von 0 bis 13,8 mm2/ Jahr. Die Augen wurden in 5 unterschiedliche Gruppen – basierend auf der Atrophiegröße bei Erstuntersuchung – eingeteilt; in der Gruppe bis 5 Papillendurchmesser (DA – disc area) zeige sich mit zunehmender Atrophiegröße eine Zunahme der Progressionsrate; in der Gruppe von
5–10 DA zeigte sich dieser Effekt nicht, bei der Gruppe >10 DA kam es mit Zunahme der GA-Größe zu einer leichten Abnahme der Progressionsrate. Sie konnten zudem zeigen, dass ein starker Prädiktor für die zukünftige GA-Progression die Progressionsrate der vorangegangenen zwei Jahre darstellt. Auch konnte ein hohes Maß an Symmetrie der Progressionsrate zwischen beiden Augen eines Patienten nachgewiesen werden. Die FAM-Studie berichtete eine Progressionsrate von 1,74 mm2/Jahr (Median 1,52 mm2/Jahr) in einem Zeitraum von 1,8 Jahren gemessen in 195 Augen (129 Patienten) [43, 73]; die Messungen in dieser Studien basieren auf seriell angefertigten FAF-Aufnahmen. Auch hier konnte gezeigt werden, dass die langsamste Atrophieprogression in Augen mit einer Atrophiegröße <1 DA vorliegt, für die anderen Gruppen konnte allerdings kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Demzufolge kann die hohe Variabilität der Progressionsraten, die auch in dieser Kohorte gefunden wurde, nicht allein auf die Atrophiegröße bei Erstuntersuchung zurückgeführt werden. Interessanterweise zeigte die Progressionsrate ebenfalls eine Abhängigkeit von unterschiedlichen Mustern erhöhter FAF im Randbereich der GA ( Abschn. 8.4) [76]. Die »Beaver-Dam-Eye-Studie« berichtete 2008 eine durchschnittliche Progressionsrate von 1,3 mm2/Jahr über einen medianen Zeitraum vom 5 Jahren [51]. Im Jahre 2009 veröffentliche die »ARED-Studie«-Daten, ebenfalls basierend auf Fundus-Photographien: über einen medianen Zeitraum von 6 Jahren zeigte sich eine mediane Progressionsrate von 1,71 mm2/Jahr [56]. Die »ARED Studie« fand ebenfalls, dass die GA Größe bei Erstuntersuchung ein wichtiger Prädiktor für die GA Progression ist. Zudem wurde gezeigt, dass die GA eher ein lineares statt exponentielles Wachstum zeigt. Diese
131 8.6 · Quantifizierung der Atrophieprogression
⊡ Tab. 8.1 Übersicht der fünf großen longitudinalen Studien zur geographischen Atrophie ARED-Studie 2009 [16]
Beaver-Dam-Studie 2008 [15]
Sunness et al. 2007 [27]
FAM-Studie 2007 [10]
GAP-Studie 2010 [ARVO 2010]
Anzahl der Studienaugen
251
53
212
195
413/321*
Anzahl der Patienten
181
32
131
129
413/321*
Beobachtungsdauer
6 Jahre (median)
5 Jahre
4,3 Jahre (mean)
1,8 Jahre (median)
1,5 Jahre (Maximum)
Alter bei Erstuntersuchung
69,7 Jahre (mean)
82,9 Jahre (mean)
78,0 Jahre (mean)
73,0 Jahre (median)
76,9 Jahre (mean)
Bildgebungsverfahren
Farbfundusphotographie
Farbfundusphotographie
Farbfundusphotographie
Fundus-Autofluoreszenz (FAF)
Fundus-Autofluoreszenz (FAF)/ Farbfundusphotographie *
Atrophiegröße (mm²) bei Erstuntersuchung
5,8 (mean)
4,6 (mean)
4,8 (mean)
7,0 (median)
7,0/9,4 (mean)
Progressionsrate (mm² pro Jahr)
Keine Angabe (mean)
1,3 (mean)
2,6 (mean)
1,74 (mean)
1,77/1,13 (mean)
1,78 (median)
Keine Angabe (median)
2,2 (median)
1,52 (median)
Keine Angabe (median)
Variationsbreite (mm² pro Jahr)
0,06–6,03
Keine Angabe
0–13,8
0–7,7
0–7,3/0–11,4
Studiendesign und Land/ Region
Multizentrisch: Subanalyse einer interventionellen Studie, USA
Monozentrisch: Subanalyse einer epidemiologischen Kohortenstudie, Wisconsin, USA
Monozentrisch: Maryland, USA
Multizentrisch: Deutschland
Multizentrisch: USA, Australien, Europa und Israel
Studienzeitraum
1998–2005
1988–2003
1992–1996
Fortwährend seit 2000
2008–2010
*Die Anzahl der Patienten in der GAP-Studie mit verfügbaren Aufnahmen war für Fundusautofluoreszenz höher als im Vergleich zur Farbfundusphotographie. (mean): Durchschnittswert, arithmetisches Mittel (median): Zentralwert
Ergebnisse bzgl. des Wachstumsmodells sind im Einklang mit denen der FAM-Studie [21, 43]. Allerdings werden längere Verläufe benötigt, um hier eine abschließend Einschätzung treffen zu können. Resultate der größten prospektiven, multizentrischen Verlaufsstudie zur GA-Progression (GAP-Studie), konnten kürzlich präsentiert werden [108, 109]. In dieser Studie an 413 Augen von 413 Patienten ergaben die Vermessungen – basierend auf FAF-Aufnahmen – eine mittlere Progressionsrate von 1,77 mm2/Jahr. Das Atrophiewachstum zeigte eine signifikante Korrelation mit der GA-Größe bei Erstuntersuchung. Zudem konnte bestätigt
werden, dass die periläsionalen FAF-Muster einen prädiktiven Wert für die Krankheitsprogression besitzen. Basierend auf den Daten dieser Beobachtungsstudien zum natürlichen Verlauf der GA wurde die Atrophieprogressionsrate von der FDA als primärer, anatomischer Endpunkt für Interventionsstudien zur GA anerkannt [17]. Außerdem gilt die FAF als geeignetstes bildgebendes Verfahren, um Atrophieareale und deren Vergrößerung akkurat und gut reproduzierbar zu quantifizieren. Mittlerweile wurden auch softwaregestützte semi-automatische Bildanalyseverfahren zur seriellen Vermessung von GAFlächen in digitalen FAF-Aufnahmen entwickelt [19, 77].
8
132
Kapitel 8 · Geographische Atrophie
8.7
Risikofaktoren
Geographische Atrophie bei AMD ist eine multifaktorielle, komplexe Erkrankung mit genetischen, anderen endogene und exogene Risikofaktoren. Populationsbasierte Studien haben die Prävalenz und Risikofaktoren der GA – auch im Vergleich zur CNV – untersucht [29, 45, 51, 52, 63, 85].
8.7.1
8
Genetische Faktoren
Unterschiedlich Studien haben bereits frühzeitig auf eine bedeutende Rolle genetischer Faktoren bei der AMD hingedeutet [18, 38, 45, 83]. Die Rolle des alternativen Weges des Komplementsystems wurde dann durch die Entdeckung [22, 36, 37, 53] und Bestätigung [55, 59] der Assoziation mit CFH sowie drei weiterer Faktoren dieses Signalwegs bestätigt: CFB/C2 auf Chromosom 6 [31, 59], C3 auf Chromosom 19 [60, 105], und CFI auf Chromosom 4 [23]. Gemeinsam mit Varianten in ARMS2/HTRA1 auf Chromosom 10 [68, 103] erklären diese unterschiedlichen Loci etwa zur Hälfte die Erblichkeit der AMD [59]. In Kombination mit demographischen, okulären und Umweltfaktoren besitzen diese genetischen Faktoren eine hohe prädiktive Aussagekraft [84]. Kürzlich konnte eine – das gesamte Genom umfassende – Studie bei fortgeschrittener AMD zudem eine Rolle des hepatischen Lipase-Gens (LIPC) identifizieren [64]. Betrachtet man sich speziell die geographische Atrophie, so konnte bislang kein signifikanter Unterschied zur CNV bezüglich genetischer Polymorphismen aufgedeckt werden. Ein kürzlich berichteter Schutz vor GA durch eine Variante in toll-like-receptor 3 (TLR3) [104] konnte von 8 großen Fall-Kontroll-Studien, die insgesamt 1088 GA-Patienten europäischen Ursprungs und 2669 Kontrollpersonen miteinschlossen, nicht bestätigt werden (The International Age-related Macular Degeneration Genetics Consortium; [2]). Zwei unabhängige Studien haben zudem die potenzielle Assoziation zwischen Genotyp und der GAProgression untersucht. In der ersten Studie – die im Rahmen der FAM-Studie durchgeführt wurde – wurden 99 Patienten mit bilateraler GA mittels FAF-Bildgebung longitudinal untersucht. Es wurde zwar eine Assoziation von Varianten in CFH (Y402H), ARMS2 (A69S), und C3 (R102G) mit dem Auftreten der GA nachgewiesen, allerdings zeigte sich keine Korrelation mit der GA-Progressionsrate [81]. In der zweiten Studie wurden Verlaufsdaten – basierend auf Fundusphotographien – von 114 Patienten mit GA untersucht; keine Assoziation
mit Varianten in CFH, C2, C3, APOE, oder TLR3 konnte nachgewiesen werden. Eine marginal signifikante Assoziation des LOC387715/ARMS2/HTRA1-Genotyps mit der GA-Progression zeigte sich, konnte allerdings bislang nicht reproduziert werden [47].
8.7.2
Systemische Risikofaktoren
Umfangreiche Studien wurden durchgeführt, um mögliche Zusammenhänge zwischen der AMD und systemischen Risikofaktoren, u. a. Bluthochdruck, Rauchen, Alkoholkonsum und Cholesterinspiegel, zu identifizieren. Bis auf eine signifikante Assoziation mit dem Rauchen für die AMD-Entstehung sind Befunde zu anderen Faktoren inkonsistent [85]. Nur wenige Studien haben dabei allerdings zwischen unterschiedlichen AMD-Manifestationsformen unterschieden und separat das Auftreten der GA betrachtet. Die »Blue-Mountain-Eye«-Studie hat gezeigt, dass Rauchen ein signifikanter Risikofaktor für die GA-Entstehung bei Frauen ist, für Männer hingegen konnte kein signifikanter Zusammenhang gezeigt werden. Beobachtungsstudien zum natürlichen Verlauf der GA konnten zeigen, dass weder Bluthochdruck, Hyperlipidämie noch ein Body-Mass-Index >30 kg/m2 Risikofaktoren für eine schnellere GA-Progressionsrate darstellen. Für das Rauchen zeigte sich lediglich ein Trend, mit einer schnelleren Progressionsrate assoziiert zu sein [43, 51, 56, 93]. Bezüglich der Rolle der Lichtexposition für die GA-Pathogenese existieren ebenfalls widersprüchliche Ergebnisse [106]. Ultraviolettes oder sichtbares Licht kann die Bildung von Sauerstoff-Radikalen in der Netzhaut induzieren, was zur Lipidoxidation der Photorezeptor-AußensegmentMembran führen kann. Dies wiederum könnte potenziell zur LF-Akkumulation im RPE und damit möglicherweise zur AMD-Entstehung beitragen. Diese Annahmen konnten zum Teil in experimentelle Untersuchungen bestätigt werden [34, 82, 87]. Dennoch konnten bislang weder klinische noch epidemiologische Studien einen eindeutigen Zusammenhang zwischen kumulativer Sonnenlichtexposition und der AMD nachweisen [16, 96, 100]. Auch konnte die ARED-Studie nicht zeigen, dass die Hochdosis-Einnahme von Vitaminen und Mineralien signifikant das Risiko der GA-Entstehung senkt [67]. Auch zeigte sich keinerlei Effekt der AREDS-Medikation auf die GA-Progressionsrate [56]. Der Ophthalmologe ist häufig mit der Frage konfrontiert, ob eine Kataraktoperation in Augen mit GA durchgeführt werden kann oder nicht. Es existieren Hinweise über einen Zusammenhang der Katarakt und der
133 8.7 · Risikofaktoren
AMD. Beide Erkrankungen sind häufige Ursachen für eine Sehstörung im Alter und ihre Prävalenz ist stark altersabhängig [45]. Zudem teilen beide Erkrankungen potenzielle Risikofaktoren, wie das Rauchen oder Sonnenlichtexposition [96]. Die Kataraktoperation und damit der Austausch einer trüben, gelblichen, Blaulicht-filternden natürlichen Linse gegen eine klare künstliche Linse, setzt die Makula einem höheren Blaulichtanteil als präoperativ aus [1]. Nicht-randomisierte Fallstudien haben Hinweise auf eine schnellere Krankheitsprogression und CNV-Entwicklung durch Kataraktoperation geliefert [65, 66]. Neueste Daten der ARED-Studie allerdings zeigten keinen eindeutigen Effekt der Kataraktoperation auf das Fortschreiten der Erkrankung von einem Früh- in ein Spätstadium [15]. Dennoch sind die Befunde in prospektiven, epidemiologischen und großen retrospektiven klinischen Studien inkonsistent und lassen keine eindeutige Schlussfolgerung zu [28]. All diese Studien haben allerdings AMD-Patienten generell untersucht und lediglich zwischen Früh- und Spätmanifestation unterschieden. Vorläufige Ergebnisse der GAS- und FAM-Studie deuten darauf hin, dass eine Kataraktoperation nicht zu einer erhöhten GA-Progressionsrate führt [110].
8.7.3
Okuläre Risikofaktoren
Okuläre Risikofaktoren für die GA-Entstehung beinhalten das Vorhandensein von Drusen mit speziellen Charakteristika, Pigmentveränderungen oder RPE-Abhebungen [46]. Wie bereits ausgeführt kann die spontane Regression von weichen Drusen ein korrespondierendes Areal mit Atrophie hinterlassen. Vor kurzem konnten sog. retikuläre Drusen als Risikofaktor für die Entstehung eines AMD-Spätstadiums identifiziert werden [50, 54]. In Augen mit GA konnte im Rahmen der multizentrischen GAP-Studie dieser Drusentyp mittels Infrarot- und FAFBildgebung in mehr als 60% der Augen detektiert werden [111]. Allerdings ist bislang das morphologische Korrelat dieser Veränderung noch unbekannt: Annahmen reichen von Veränderungen innerer Aderhautschichten [5] bis hin zu »subretinalen Ablagerungen« infolge eines Verlusts der RPE-Zellpolarisation [107]. Letztere Annahme beruht auf in vivo sichtaberen morphologischen Veränderungen, die mittels SD-OCT im Bereich solcher Drusen sichtbar sind [78, 107, 25]. Welche Faktoren könnten eine Rolle für die Progression der GA spielen, wenn sie bereits vorhanden ist? Es konnte gezeigt werden, dass die GA-Progressionsrate relativ konstant über die Zeit ist [21, 43, 56, 93]. Wie bereits zuvor erwähnt, haben Sunness und Mitarbeiter gefunden,
dass die Kenntnis der vorherigen Progressionsrate ein guter Prädiktor für die zukünftige Progressionsrate darstellt [93]. Dies allerdings macht erforderlich, dass man im Hinblick auf neue Studien eine längere Vorlaufzeit einplanen müsste, bevor man überhaupt mit einer Intervention beginnt. Ein signifikanter Einfluss der Atrophiegröße bei Erstuntersuchung auf die Progressionsrate konnte gezeigt werden [43, 93] und wurde kürzlich durch die GAP-Studie bestätigt [109]. Allerdings scheint dieser Effekt deutlich geringer zu sein, als die Abhängigkeit von der vorherigen Progressionsrate [89, 93]. Sunness und Mitarbeiter fanden zudem einen signifikanten Unterschied zwischen den Progressionsraten bei Patienten mit bilateraler GA und Patienten mit GA in dem einen und früher AMD im anderen Auge; dieser Unterschied wurde allerdings dem Effekt der kleineren Atrophiegröße in Augen mit früher AMD im Partnerauge beigemessen [93]. In einer vorläufigen Analyse der FAM-Studie konnte ebenfalls eine signifikant höhere Progressionsrate bei bilateraler GA nachgewiesen werden. In dieser Analyse konnte der Unterschied allerdings nicht vollständig durch die unterschiedlichen Atrophiegrößen erklärt werden [112]. Zudem scheint die Konfiguration der GA von prädiktiver Bedeutung für die Krankheitsprogression zu sein. Klein und Mitarbeiter berichteten über eine höhere Progressionsrate in Augen mit multifokaler GA im Vergleich zu unifokalen Läsionen [51]. Eine weitere relevante Beobachtung ist das hohe Maß an Konkordanz/Symmetrie der Progressionsrate zwischen beiden Augen bei bilateraler GA [27, 51, 56, 89, 93]; diese Ergebnisse sind auch von Relevanz für die Konzeption interventioneller Studien, die auf eine Verlangsamung der Atrophieprogression zielen: bei Einschluss nur eines Studienauges bei einseitiger Behandlung, könnte das Partnerauge als interne Kontrolle herangezogen werden; dies würde zu einer deutlichen Reduktion der Anzahl an Studienpatienten führen. Wie bereits zuvor ausgeführt, konnte ein signifikanter Einfluss phänotypischer FAF-Veränderungen in der periläsionalen Zone der GA auf die Progressionsrate nachgewiesen werden ( Abschn. 8.4) [76]. Die Daten dieser Beobachtungsstudien zum natürlichen Verlauf der GA und die Identifikation von Risikofaktoren für eine erhöhte Progressionsrate (beispielsweise spezifische FAF-Muster) werden hilfreich sein, Interventionsstudien zur Verlangsamung der GA zu planen. Zwei der ersten Interventionsstudien zur GA (»Study of Fenretinide in the Treatment of Geographic Atrophy Associated With Dry Age-Related Macular Degeneration« [Sirion] und »Geographic Atrophy Treatment Evaluation« [GATE] (Alcon) berücksichtigen bei der Rekrutie-
8
134
Kapitel 8 · Geographische Atrophie
rung Hochrisiko-FAF-Merkmale, um Studiendauer und Fallzahl zu reduzieren.
8.8
8
CNV-Entwicklung in Augen mit geographischer Atrophie
CNV und GA schließen sich nicht gegenseitig aus. Patienten mit reiner GA in einem Auge können eine CNV oder disziforme Narbe im Partnerauge haben und Augen mit GA können eine CNV entwickeln (⊡ Abb. 8.6). Es ist bislang nicht verstanden, warum manche Augen eine GA und andere eine CNV entwickeln. Histologische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich inaktive CNV in Augen mit »reiner« GA befinden können; somit könnte die Häufigkeit von CNV höher liegen, als klinisch angenommen [32, 71]. Wenn sich eine CNV in einem Auge entwickelt, das zuvor mit einer GA diagnostiziert wurde, kann die Abgrenzung mitunter schwierig sein, da sowohl die CNV als auch die Fensterdefekte bedingt durch die GA eine Hyperfluoreszenz in der Fluoreszein-Angiographie zeigen. Zur Differenzierung kann die OCT-Bildgebung hilfreich sein. Die berichteten Zahlen zur CNV-Entstehung bei GAPatienten sind sehr variabel [27, 42, 72, 92]. Patienten mit GA in einem Auge und CNV oder einer disziformen Narbe im anderen Auge haben das höchste Risiko eine CNV im GA Auge zu entwickeln. Die umfangreichsten Daten hierzu liegen von Sunness und Mitarbeitern vor:
Sie konnten zeigen, dass die kumulative Rate für die CNV-Entwicklung in GA-Augen bei Patienten mit einseitig GA und CNV im Partnerauge bei 18% nach 2 Jahren und 34% nach 4 Jahren liegt. Die kumulative Inzidenz der CNV bei bilateraler GA hingegen liegt bei nur 2% nach 2 und 11% nach 4 Jahren [92].
8.9
Sehfunktion bei Patienten mit geographischer Atrophie
Da die Atrophie sowohl das RPE, die Choriokapillaris und die Photorezeptoren betrifft, liegt in diesem Areal ein absolutes Skotom vor. Zudem haben Patient mit GA eine herabgesetzte Sehfunktion in gedämmtem Licht und eine herabgesetzte Kontrastsensitivität [91]. Obwohl eine gute Sehschärfe impliziert, dass die Fovea intakt ist, reflektiert diese nicht das Ausmaß umgebender Skotome, die signifikant zu einer Einschränkung des Lesevermögens und Gesichtererkennung beitragen.
8.9.1
Messung der Sehschärfe
Die Sehschärfe als solche reflektiert häufig nicht die wirkliche Einschränkung eines Patienten durch eine GA, insbesondere in einem Stadium, wenn die Fovea noch nicht involviert ist.
⊡ Abb. 8.6 Choroidale Neovaskularisation (CNV) und geographischer Atrophie (GA). Oben: ein Patient mit GA im linken und CNV im rechten Auge. Unten: ein Patienten mit GA und subretinaler Fibrosierung nach CNV (temporal der GA) im rechten Auge (mit freundlicher Genehmigung der Association for Research in Vision and Ophthalmology)
135 8.10 · Therapeutische Ansätze
So kann eine ringförmige GA mit Aussparung der Fovea mit einer sehr guten Sehschärfe einhergehen [58]; der Patient ist allerdings nur in der Lage, einzelne Buchstaben, aber keine längeren Worte zu lesen. Diese Phänomen wird dadurch erklärt, dass die verbleibenden »gesunden« Netzhautareale zu klein sind, um ganze Worte abzubilden [95]. Diese Befunde machen verständlich, warum nur ein schwacher Zusammenhang zwischen Sehschärfe und Atrophiegröße besteht, wenn die Fovea nicht involviert ist [27, 43, 91]. Ist die Fovea von der Atrophie erfasst, so kommt es zu einem erheblichen Verlust der Sehschärfe. Für Augen mit einer Sehschärfe von 20/50 und besser zeigte die GAS-Studie von Sunnes und Mitarbeitern nach 2 Jahren einen Verlust von 3 Zeilen bei 41% und nach 4 Jahren bei 70%. Das Verhältnis der Augen mit guter Sehschärfe bei Erstuntersuchung, die eine Sehschärfe von 20/200 und weniger entwickelten betrug nach 2 Jahren 14% und nach 4 Jahren 27% [91]. Nachdem die Fovea betroffen ist, verschlechtert sich die Sehschärfe mit Größenzunahme der Atrophie nun noch langsam. Nach 2 Jahren zeigten 15% der Augen mit einer Sehschärfe von 20/200 bei Erstuntersuchung einen Abfall von 3 Zeilen; kein Auge verlor sechs oder mehr Zeilen. In diesem Stadium liegt eine statistisch signifikante Korrelation zwischen Sehschärfe und Atrophiegröße vor [88]. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Sehfunktion ist das Erlernen einer stabilen Fixation unter Verwendung der exzentrischen Netzhaut. Bei Patienten mit bilateraler GA und zentralem Skotom konnte eine Verbesserung der Fixation und Sehschärfe im schlechter sehenden Auge beobachtet werden, in Abhängigkeit der Sehminderung des zuvor besser sehenden Auges [9, 90]. Mittels SD-OCT-Bildgebung konnte kürzlich gezeigt werden, dass in Augen mit fovealer Aussparung eine Verdickung der zentralen Netzhautschichten – ohne Nachweis einer CNV – vorliegt. Dies könnte auf ein präapoptotisches Stadium neuronaler Zellelemente hindeuten [91].
8.9.2
Kontrastsensitivität
Patienten mit GA klagen bereits im Frühstadium über Sehschwierigkeiten besonders bei schlechter Beleuchtung. Die Verschlechterung der Sehschärfe – erhoben mittels ETDRS-Tafel und Einsatz eines neutralen Verdunklungsfilters – ist bei Patienten mit GA deutlich höher als bei Patienten mit Drusen oder RPE-Veränderungen [90]. Zudem ist die Adaptation von Zapfen und Stäbchen – auch bei guter Sehschärfe – verzögert und die Kontrastsensitivität herabgesetzt [113].
Sunness und Mitarbeiter konnten kürzlich zeigen, dass ein Defizit bei schlechter Belichtung – ein einfach durchzuführender und kostengünstiger Test unter reduzierter Beleuchtung – einen signifikanten Prädiktor für eine zukünftige Visusreduktion darstellt [94].
8.9.3
Lesegeschwindigkeit
Die Erfassung der Lesegeschwindigkeit hilft die Sehfunktion bei Patente mit GA besser einzuschätzen und ist ein wichtiges Maß für die Lebensqualität. Typische Frühsymptome sind Leseschwierigkeiten, die mit der Zeit zunehmen; insbesondere bei Atrophiearealen, die die Fovea umgeben und das Lesen bei noch gutem Visus erheblich einschränken (s. oben) [95]. Später – mit fovealer Beteiligung – ist die Lesegeschwindigkeit von der Atrophiegröße und vom Ort des präferierten Netzhautareals für die Fixation (»retinal preferred locus«) abhängig [88]. Da das Lesen immer schwieriger mit der Krankheitsprogression wird, ist die Versorgung von Patienten mit vergrößernden Sehhilfen und Beleuchtungssystemen von großer Bedeutung Fixationsort und Fixationsstabilität können potenziell trainiert werden können. Daher erscheint es sinnvoll, Patienten zu ermutigen, solche Sehhilfen im Alltag einzusetzen.
8.9.4
Fundusperimetrie
In einer Studie an 39 Augen von 39 Patienten konnte mittels kombinierter SLO-Fundusperimetrie und FAF gezeigt werden, dass Areale erhöhter FAF im Randbereich der GA mit einer signifikant geringeren retinalen Sensitivität als im Vergleich zu Arealen ohne deutlich erhöhtes FAF-Signal einhergehen [73]. Zudem konnten Scholl und Mitarbeitern mittels »fine matrix mapping« zeigten, dass bei der AMD generell in Bereichen erhöhter FAF der Verlust der skotopischen den der photopischen Sensitivität übertrifft [79].
8.10
Therapeutische Ansätze
Wichtige Grundlagen zur Beurteilung eines jeden Therapieansatzes sind genaue Kenntnisse über die Manifestation und den natürlichen Verlauf einer Erkrankung sowie die Möglichkeit, Therapieeffekte – anatomisch und funktionell – einfach und präzise innerhalb eines umschriebenen Beobachtungszeitraumes zu evaluieren. Sowohl histologische Untersuchungen als auch in-vivo Studien
8
136
8
Kapitel 8 · Geographische Atrophie
mit modernen bildgebenden Verfahren zeigen innerhalb von Atrophiearealen einen gleichzeitigen Untergang von Choriokapillaris-, retinaler Pigmentepithel (RPE)- sowie Photorezeptorschicht [25, 70]. Diese Beobachtungen legen nahe, dass eine Wiederherstellung von Sehfunktion nur durch Umgehung (z. B. elektronisch prothetische Verfahren) oder durch Zellersatz (z. B. Stammzelltherapie), der all diese drei Gewebsschichten miteinschließt, möglich ist. Dagegen wären Ansätze, die nur eine oder zwei dieser Zellschichten adressieren, von vornherein unzureichend. Der Ansatz einer Zellersatztherapie der äußeren Netzhaut einschließlich Choriokapillaris muss sowohl aus wissenschaftlicher als auch ethischer Sicht zunächst in präklinischen Experimenten nachgewiesen werden. Im Gegensatz zur Wiederherstellung von bereits atrophischem Gewebe zielt das alternative Paradigma auf die »Lebensverlängerung« von noch intaktem oder nur teilweise geschädigtem, dysfunktionalem Gewebe ab. Auf diese Verlangsamung der Krankheitsprogression fokussiert sich eine Reihe von Therapieansätzen bei der GA. Wie bereits in diesem Kapitel verdeutlicht, ist die routinemäßige Visusbestimmung eine im Rahmen der AMD wenig zielführende Methode zur Funktionsüberprüfung und damit zur Therapieevaluation. Die funduskontrollierte Perimetrie (Mikroperimetrie) erscheint zunächst geeignet, ist allerdings bedeutend aufwändiger, insbesondere in der praktischen Umsetzung bei älteren Patienten mit Problemen behaftet und zeichnet sich durch eine geringe Reproduzierbarkeit und topographische Auflösung gerade im Randbereich von Atrophien aus [74]. Durch den Untergang von Photorezeptoren im Bereich von funduskopisch sichtbaren Atrophiearealen kann man davon ausgehen, dass die Größe und das dynamische Wachstum von Atrophieflächen selbst ein direkter Marker der Krankheitsmanifestation und Progression sind. Die Detektion und Quantifizierung von Atrophiearealen mittels FundusautofluoreszenzImaging zur Bestimmung der Progression wurde mittlerweile auch von zuständigen Behörden als primärer Endpunkt bei Interventionsstudien für die GA akzeptiert. Neben der präziseren Vermessung von Atrophieflächen im Vergleich zur Standard-Farbfundusphotographie bietet die Fundusautofluoreszenz den weiteren Vorteil, dass hiermit Hochrisikomerkmale anhand pathologischer Befunde in periläsionalen Netzhautarealen identifiziert werden können [42]. Durch den Einschluss der »fast progressers« können so im Rahmen von Therapiestudien so Beobachtungszeitraum, erforderliche Patientenanzahl und Kostenaufwand reduziert werden.
8.10.1
Verminderung von retinalen Toxinen
Die Identifizierung von Hochrisikomerkmalen mittels Fundusautofluoreszenz-Imaging bietet auch einen Ansatzpunkt für therapeutische Interventionen [76]. Durch eine pharmakologische Hemmung des Sehzyklus könnte eine Verminderung der schädlichen Anhäufung toxischer Fluorophoren und damit eine Verlangsamung der Atrophieprogression bewirkt werden. Eine solche Substanz ist Fenretinid (N-(4-Hydroxyphenyl)retinamide) [61]. Dieses Vitamin-A-Derivat, das oral eingenommen werden kann, vermindert den Retinol-Spiegel im Serum durch kompetitive Bindung an Retinol-bindendes Protein (RBP). Dadurch wird die Bioverfügbarkeit von Retinol in den RPE-Zellen und Photorezeptoraußensegmenten reduziert. In einer Phase-II-Studie (Sirion Therapeutics, Inc.), mit über 200 Patienten wurde ein Trend zu einer langsameren Atrophieprogression und eine geringere Inzidenz choroidalen Neovaskularisationen gefunden. Weitere Studien sind in Planung. Einen weiteren ähnlichen Ansatz stellen sog. visual cycle modulators (VCM) dar, die nicht indirekt über den Serum-Retinol-Spiegel wirken, sondern direkt Proteine, die am Vitamin-A-Sehzyklus beteiligt sind, beeinflussen. Hierzu zählt ACU-4429 (Acucela, Inc.), eine oral applizierte Substanz, die das Sehzyklus-Protein RPE65 inhibiert. Nach Abschluss einer Phase-I-Studie befindet sich eine plazebokontrollierte Phase-II-Studie in den USA zurzeit in der Rekrutierungsphase.
8.10.2
Antiinflammtorische Substanzen
Entzündungsreaktionen sind mit verschiedenen Manifestationsformen der AMD assoziiert worden [3]. Obwohl unklar, inwiefern es sich um primäre oder sekundäre Mechanismen handelt, werden antiinflammtorische Substanzen als Therapieansatz verfolgt. Als Beispiel sei hier Sirolismus aufgeführt, dass ursprünglich Ende der 1990er-Jahre zur Prophylaxe der Transplantatabstoßung nach Nierentransplantation eingesetzt wurde. Die subkonjunktivale Gabe alle zwei Monate über 2 Jahre wird zurzeit in einer randomisierten, Phase-I/II-Studie in den USA (National Eye Institute) an GA-Patienten untersucht. Ein Steroidpräparat – Fluocinolon – als intravitreales Implantat wird gegenwärtig in einer randomisierten, Doppelblindstudie bei GA-Patienten (Alimera Sciences) untersucht. Die kontinuierliche kortikosteroide Wirkung soll die angenommene pathogenetisch relevante Inflammation unterdrücken und so zu einer Verlangsamung der GA-Progression führen.
137 8.10 · Therapeutische Ansätze
8.10.3
Komplementinhibition
Basierend auf histologischen, klinischen und genetischen Untersuchungen, die auf eine zentrale Rolle der Komplementkaskade in der Pathogenese der AMD hinweisen, wurde der Einsatz von Komplementinhibitoren als Therapieansatz vorgeschlagen [14, 31, 36]. Hierzu zählen u. a. POT-4 (Potentia Pharmaceuticals Inc.), ARC-1905 (Optotech Corp.) und Eculizumab (Alexion Pharamceuticals). Letztere Substanz wird in einer randomisierten, plazebokontrollierten Phase-II-Studie an 60 Patienten als intravenöse Infusion getestet. Allerdings ist die Rolle eines dysfunktionalen Komplementsystems noch unklar, auch da zwei unabhängige Beobachtungsstudien keinen Einfluss von Risikoallelen im Komplementsystem auf die GA-Progression fanden [47, 80].
8.10.4
Neuroprotektion
Die Firma Neurotech untersucht in zwei Phase-II-Studien die Wirksamkeit von »ciliary neutrophic factor« (CNTF). Hierbei wird in einem operativen Eingriff ein Implantat in den Glaskörper eingesetzt, dass eine genetisch modifizierte RPE-Zellkultur beinhaltet, die CNTF über einen längeren Zeitraum in den Glaskörper abgibt. In einer Pressemitteilung vom 26.03.2009 wurde bekannt gegeben, dass dieser Ansatz in 96% der Probanden die Sehfunktion im Vergleich zu 75% in der Plazebogruppe stabilisierte. Außerdem wurde eine Netzhautdickenzunahme durch die Therapie als Ausdruck eines biologischen Effektes interpretiert. Vor einer Präsentation der Gesamtdaten und vor einer Veröffentlichung im Peer-review-Verfahren können diese vorläufigen Ergebnisse nicht abschließend beurteilt werden. Brimonidin ist einer selektiver α2-Agonist, der momentan zur Senkung des intraokularen Druckes klinisch breit eingesetzt wird. Zusätzlich besitzt diese Substanz in präklinischen Untersuchungen neuroprotektive Wirkungen. Als intravitreales Implantat in einem speziellen Applikationssystem wird Brimonidin (Allergan, Inc.) zurzeit bei GA-Patienten in einer Studie über 2 Jahre untersucht. Die Rekrutierung ist abgeschlossen, Studienende voraussichtlich im Dezember 2011.
8.10.5
Verminderung von oxidativem Stress
Die Therapie mit Antioxidanzien in Form von Vitaminpräparaten wird seit längerem bei der AMD diskutiert. Im Rahmen der ARED-1-Studie zeigte sich allerdings kein Effekt der Medikation bestehend auf Vitamin C,
Vitamin E, Zink und β-Karotin auf die Wachstumsgeschwindigkeit von Atrophiearealen bei manifester später, trockener AMD (2009). Gleichwohl wurde eine statistisch signifikante Wirkung bei Risikopatienten mit früher AMD hinsichtlich der Risikoreduktion der Umwandlung von einer Frühform in eine AMD-Spätform gezeigt [4]. Die zurzeit laufende ARED-2-Studie untersucht die hoch dosierte Gabe von Lutein, Zeaxanthin und Omega-3-ungesättigten Fettsäuren zur AMD-Prävention an insgesamt 4000 Patienten in den USA. Die Firma Othera Pharmaceuticals Inc. verfolgt einen Therapieansatz mit dreimal täglicher Applikation von Augentropfen (OT-551), die zur Verminderung der Überexpression von »protein complex nuclear factorkappa B« (NF-κB) führen sollen. NF-κB wiederum ist ein Transkriptionsfaktor, der zu verstärkter Aktivität von oxidativem Stress, Entzündungsreaktionen und Angiogenese führt. Im Juni 2010 wurde die Ergebnisse einer an 11 Patienten durchgeführten Phase-II-Studie veröffentlicht, die zwar einen signifikanten Visusanstieg, aber keine signifikanten Effekte bezüglich Atrophiewachstum, Kontrastsensitivität, Mikroperimetrie und Drusenareal zeigen konnte [102]. Die Autoren kamen zum Schluss, dass dieser Ansatz in getesteter Konzentration und untersuchtem Applikationsmodus einen eingeschränkten oder gar keinen Nutzen als Therapie der GA hat. Sehr kritisch ist der direkte Vergleich von Studien- und Kontrollauge jeweils im gleichen Individuum zu sehen. Die fehlende Verblindung der Patienten könnte in der Tat die besseren Visuswerte im behandelten Auge bei fehlenden nachweisbaren Effekten der Parameter Atrophiewachstum und Veränderungen in der Mikroperimetrie erklären. Eine zweite, separate Phase-II-Studie an 137 Patienten (OMEGA-Studie) konnte in der Interimsanalyse nach 18 Monaten ebenfalls keine Effekte auf GA-Progression zeigen.
8.10.6
Serotonin-1A-Agonist
Im Rahmen der GATE-Studie (Alcon Research, Inc.) wird die Substanz AL-8309A untersucht. Es handelt sich dabei um einen Serotonin-1A-Agonist, der in Tiermodellen für photooxidative Netzhautschäden eine dosisabhängige Protektion von Photorezeptoren und RPE-Zellen zeigte. In der klinischen Prüfung wird die Substanz in Form von Augentropfen (zweimal täglich in beide Augen) über 3 Jahre in 2 Behandlungsgruppen und einer Plazebogruppe getestet. Die GATE-Studie mit insgesamt ca. 750 eingeschlossenen Patienten (Rekrutierung im Dezember 2009 abgeschlossen) und Studienzentren in USA, Europa, Israel und Australien stellt vom Umfang die größte bisher initiierte klinische Therapiestudie und die
8
138
Kapitel 8 · Geographische Atrophie
erste Phase-III-Studie bei GA dar. Als besonderer Vorteil zur Beurteilung von Therapieeffekten erscheint, dass die individuelle Progressionsrate für die meisten Patienten in der vorher durchgeführten GAP-Studie – eine Beobachtungsstudie über 18 Monate – erfasst wurde. Die Fundusautofluoreszenz-Aufnahmen aus den 51 teilnehmenden Zentren werden im GRADE-Reading Center der Bonner Universitäts-Augenklinik ausgewertet. Fazit
▬ Studien zum natürlichen Verlauf der geographischen ▬ ▬
8
▬
▬
▬
▬
Atrophie konnten mehrere prädiktive (okuläre) Marker für die GA-Progression identifizieren Bislang konnten keine endogenen, systemischen Faktoren identifiziert werden, die mit einer erhöhten GAProgressionsrate assoziiert sind. Prognostische Marker sind insbesondere hilfreich zur Planung interventioneller Studien. Der Einschluss von »fast progressers« kann die Fallzahl und Studiendauer und damit auch Kosten reduzieren. Die Fundusautofluoreszenz-Bildgebung gilt als »Goldstandard« für die Bildgebung bei geographischer Atrophie. Insbesondere gelingt hiermit die Identifikation von Atrophiearealen, die präzise Quantifikation der Progression sowie die Detektion von Mustern erhöhter Fundusautofluoreszenz im Randbereich der Atrophie, die einen signifikanten Einfluss auf die Progressionsrate haben. Die Einschätzung der Sehfunktion bei Patienten mit geographischer Atrophie stellt eine Herausforderung dar, da, trotz guter Sehschärfe bei Aussparung der Fovea auch über längere Zeit, eine erhebliche Einschränkung beim Lesen und des Sehens in gedimmtem Licht vorliegen kann. Neue bildgebende Technologien mit kombinierter konfokaler Scanning-Laserophthalmoskopie und Spectral-Domain-OCT ermöglichen eine Zuordnung pathologischer Befunde in quasi histologischen Schnitten in vivo. In Zukunft können somit neue Erkenntnisse über Pathogenese und Progression der geographischen Atrophie erlangt werden. Zahlreiche präklinische und klinische Entwicklungen pharmakologischer Interventionen adressieren unterschiedliche »pathways« der komplexen, multifaktoriellen GA. Perspektivisch käme bei Wirksamkeitsnachweis im Rahmen der GA auch ein Einsatz bei der frühen, trockenen AMD in Frage.
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Kapitel 8 · Geographische Atrophie
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III
Diagnostik
Kapitel 9
Imaging bei AMD – 145 R.F. Spaide Übersetzt von T. Boll
Kapitel 10
Optische Kohärenztomographie – 167 S. Wolf
Kapitel 11
Mikroperimetrie – 177 E. Midena, E. Pilotto Übersetzt von T. Boll
9
Imaging bei AMD R.F. Spaide Übersetzt von T. Boll
9.1
Einleitung
– 146
9.2
Farbphotographie – 146
9.3
Monochrome Photographie
9.4
Autofluoreszenz
– 146
– 147
9.5
Optische Kohärenztomographie – 148
9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4 9.5.5 9.5.6
Welleneigenschaften des Lichts – 148 Kohärenzlänge – 149 Time-Domain-optische Kohärenztomographie – 149 Frequency-Domain-optische Kohärenztomographie – 149 Verbesserte Tiefenauflösung der optischen Kohärenztomographie – 150 Allgemeine Eigenschaften der Makularegion bei der optischen Kohärenztomographie
9.6
Angiographie – 150
9.6.1 9.6.2 9.6.3 9.6.4 9.6.5 9.6.6 9.6.7 9.6.8 9.6.9
Eigenschaften des Farbstoffes Fluoreszein – 150 Eigenschaften des Farbstoffes Indozyaningrün – 151 Kameras in der Fluoreszenz-Angiographie – 151 Patienteneinwilligung und -aufklärung – 152 Fluoreszein-Injektion – 152 Fluoreszein-Angiographie – 153 Indozyaningrün-Angiographie – 153 Interpretation der Fluoreszein-Angiographie – 153 Interpretation der Indozyaningrün-Angiographie – 155
9.7
Nicht-neovaskuläre AMD – 155
9.7.1 9.7.2
Drusen – 155 Pigmentveränderungen einschließlich geographische Atrophie
9.8
Neovaskuläre AMD
9.9
Abhebungen des retinalen Pigmentepithels – 159
9.9.1
Beteiligung der Retinagefäße am exsudativen Prozess
9.10
Follow-up
– 156
– 156 – 160
– 161
9.10.1 Thermischer Laserkoagulation – 161 9.10.2 Photodynamische Therapie – 161
9.11
Anti-VEGF-Therapie – 163 Literatur
– 164
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 150
146
Kapitel 9 · Imaging bei AMD
Kernaussagen ▬ Zur Darstellung des Fundus stehen verschiedene
▬
▬
▬
▬
9
9.1
Bildgebungsverfahren zur Verfügung, von denen jedes bestimmte Stärken und Schwächen aufweist, so dass es nicht die eine Methode gibt, die am besten für die Darstellung aller relevanten Fundusinformationen geeignet ist. Photographische Fundusaufnahmen sind sehr hilfreich bei Follow-up-Untersuchungen und auch für Forschungszwecke nützlich. Kanäle der Farbbildaufnahme können einzeln begutachtet werden. Die Autofluoreszenz-Bildgebung zeigt nicht nur die topographische Struktur des retinalen Pigmentepithels, sondern liefert auch Informationen, die Rückschlüsse auf den gesundheitlichen Zustand des RPE ermöglichen. Die optische Kohärenztomographie gibt wertvolle Informationen zu anatomischen Querschnitten der Netzhaut, des retinalen Pigmentepithels und der Choroidea. Aufnahmen der Fluoreszein- und IndozyaningrünAngiographie sind Voraussetzung, um eine choroidale Neovaskularisation zu diagnostizieren.
Einleitung
Die zunehmenden Möglichkeiten der Fundusbildgebung waren eine wichtige Voraussetzung für die Forschungsfortschritte bei Netzhauterkrankungen. Die monochromatische und die Farbphotographie boten Lichtbildaufnahmen des Augenhintergrundes. Die Einführung der Fluoreszein-Angiographie ermöglichte es Ophthalmologen, die vaskuläre Anatomie und Physiologie in zuvor unerreichbarer Weise zu untersuchen und zu dokumentieren [1]. Die Angiographie mit Indozyaningrün erweiterte die Möglichkeiten, den okulären Blutkreislauf abzubilden, insbesondere den der Choroidea [2]. Mit Hilfe dieser Farbstoffe wurde es möglich, indirekt Informationen über andere Schichten des Augenhintergrundes zu erhalten, im Speziellen über das retinale Pigmentepithel (RPE). Diese indirekten Methoden umfassen die Suche nach einer erhöhten oder verminderten Transmission der darunterliegenden choroidalen Fluoreszenz, eine Beurteilung der Menge von Färbung und Leckage sowie die Nutzung stereoskoper Hinweise zur Konturbestimmung auf der Ebene des RPE. Die Autofluoreszenz-Bildgebung [3] nutzt verschiedene miteinander in Beziehung stehende physiologische Prinzipien und ermöglicht Klinikern eine Untersuchung des RPE und der äußeren Retina auf
anatomischer und funktionaler Basis. Die optische Kohärenztomographie (»optical coherence tomography«, OCT) brachte eine deutliche Verbesserung der Auflösungsstärke der anatomischen Darstellung von Retina und RPE, bot in ihren Anfängen jedoch wenig Informationen im Bereich der funktionalen Bildgebung. Spätere OCT-Anwendungen erlaubten die Visualisierung der Choroidea bei vielen Krankheiten, insbesondere bei altersabhängiger Makuladegeneration (AMD). Jedes dieser Bildgebungsverfahren wird nachfolgend separat besprochen ähnlich wie z. B. eine Tennisanleitung in die Beschreibung von Vorhand, Rückhand, Volley usw. unterteilt ist. In der Praxis jedoch kommen alle Möglichkeiten gleichzeitig zum Einsatz.
9.2
Farbphotographie
Funduskameras hatten ursprünglich eine 35 mm Kamerarückwand, in die ein Film eingelegt wurde. Auf diesen wurden die Bilder aufgenommen, die entwickelt wurden und anschließend der richtigen Patientenakte zugeordnet werden mussten. Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit ladungsgekoppelter Speicher (»charge-coupled device«, CCD), der höheren Geschwindigkeit von Kleincomputern und dem enormen Rückgang an Kosten für Informationsspeicherung wurde die digitale Photographie nicht nur kostengünstiger, sondern in vielerlei Hinsicht auch besser als die filmbasierte Bildgebung. Für die Beurteilung der Qualität von Farbbildern sind verschiedene Faktoren von Bedeutung: Farbtreue, Auflösung, Rauschen, dynamischer Bereich und Empfindlichkeit. Die räumliche Auflösung des Films entspricht der von hochqualitativen wissenschaftlichen CCDs, doch wird der Film bei den anderen Parametern von den CCDs übertroffen. Ein ebenso wenn nicht sogar wichtigerer Aspekt der digitalen Bildgebung ist, dass ein Bild schlechter Qualität sofort wiederholt werden kann. Die hochauflösende Farbphotographie eignet sich zur Erfassung der Ausgangssituation und der Follow-up-Bilder bei AMDPatienten. Farbphotos bestehen aus einem Rot-, Grünund Blaubild, in die sie zur Analyse wieder zerlegt werden können. Der Grünkanal eines Farbphotos entspricht im Wesentlichen einem konventionellen monochromen Bild.
9.3
Monochrome Photographie
Bei Fundusaufnahmen auf Photofilm war es üblich, ein grünes Filterglas im Lichtweg zu nutzen. Es ist merkwürdig, dass dieses monochrome Grünfilterlicht »rotfreie« Photographie genannt wurde. Grünes Licht hat den Vorteil, dass kleine Blutungen dunkel hervortreten. Zu Beginn
147 9.4 · Autofluoreszenz
⊡ Abb. 9.1 Die moderne digitale Farbphotographie bietet Fundusaufnahmen in hoher Auflösung. Die dargestellte Farbaufnahme kann in 3 Teilkanäle – Rot-, Grünund Blaukanal – zerlegt werden. Die Drusen dieses Auges stellen sich im Blaukanal besser dar, passend zu den vorliegenden retikulären Pseudodrusen, die später in subretinale drusenähnliche Ablagerungen umbenannt wurden
der digitalen Bildgebung waren CCD-Kameras teuer und hatten eine geringe Auflösung. Monochrome CCD boten eine höhere Auflösung bei vertretbaren Kosten, so dass monochrome Photographien weiterhin genutzt wurden. Seit Einführung der hochauflösenden Farb-CCD besteht für »rotfreie« Aufnahmen kaum noch Bedarf, vor allem, da es möglich ist, den Grünkanal eines Farbphotos separat zu betrachten. Andere Lichtwellenlängen könnten jedoch nützlicher sein. Ein bestimmter Drusentyp, der zunächst als »retikuläre Pseudodrusen« bezeichnet wurde, ist viel einfacher mit infrarotem oder blauem Licht zu erkennen als mit rot- oder grünmonochromer Photographie. Eine Möglichkeit, eine Photoaufnahme mit blauem Licht (eigentlich blau-grünem Licht) zu erhalten ist, den Exzitationsfilter der Fluoreszein-Angiographie ohne den Sperrfilter zu nutzen. Dies ist eine gebräuchliche Methode, um Patienten auf das Vorliegen retikulärer Pseudodrusen zu prüfen, die mittlerweile als »subretinale drusenartige Ablagerungen« (»subretinal drusenoid deposits«) bezeichnet werden. Des Weiteren ist es einfach, die Grundfarbbestandteile eines Farbphotos in die Rot-, Grün- und Blaukanäle zu zerlegen, so dass auch auf diesem Weg nach subretinalen drusenartigen Ablagerungen gesucht werden kann (⊡ Abb. 9.1). Die handelsüblichen Scanning-Laser-Ophthalmoskope (SLO), wie sie von Heidelberg Engineering gefertigt werden, nutzen Nah-Infrarotlicht zur Abbildung des Fundus. Die Reflexionseigenschaften der Fundusstrukturen bei Nah-Infrarotlicht sind deutlich anders als bei sichtbarem Licht. Der Nervus opticus reflektiert kaum im Nah-Infrarotlicht und erscheint entsprechend dunkel. Melanin ab-
sorbiert sichtbares Licht, insbesondere blaues Licht, doch weniger Nah-Infrarotlicht. Zudem reflektiert Melanin nahinfrarotes Licht gut, so dass pigmentierte Narben hell erscheinen können. Subretinale drusenartige Ablagerungen sind bei der SLO-Untersuchung gut zu sehen (⊡ Abb. 9.2).
9.4
Autofluoreszenz
Die Autofluoreszenz-Bildgebung des Augenhintergrundes beruht auf dem angeregten Emissionslicht von Molekülen des retinalen Pigmentepithels, hauptsächlich Lipofuszin [4–6]. Lipofuszin ist eine Gruppe unterschiedlicher Molekülarten [6] von gelber bis brauner Farbe, die beim oxidativen Abbau und der Wiederherstellung zahlreicher verschiedener Moleküle wie z. B. mehrfach ungesättigter Fettsäuren und Proteine anfallen und in allen postmitotischen Zellen akkumulieren. Quelle der Lipofuszinkomponenten im RPE sind die Außensegmente der Photorezeptoren, so dass das Lipofuszin im RPE neu gebildet wird. Der Hauptbestandteil von Lipofuszin in RPE-Zellen ist A2E, das aus zwei Molekülen all-trans-Retinal und einem Molekül Phosphatidylethanolamin gebildet wird. Die Lipofuszinbestandteile hemmen die lysosomale Proteindegradation [7], sind photoreaktiv [8], können eine Reihe verschiedener reaktiver Sauerstoffspezies und andere Radikale produzieren [5], sind amphiphil, induzieren möglicherweise Apoptose im RPE [9] und vermitteln durch blaues Licht induzierte RPE-Apoptose [10]. Die Vorläuferstoffe von A2E wie A2PE-H2, A2PE und A2-Rhodopsin
9
148
Kapitel 9 · Imaging bei AMD
a
b
c
d
⊡ Abb. 9.2a–d Subretinale drusenähnliche Ablagerungen. a Fundusphotographie. b Nah-Infrarotbild. c Autofluoreszenz-Bild. d OCT mit sichtbaren subretinalen Ablagerungen
9
sind alle autofluoreszent und bilden sich in den Außensegmenten, bevor sie vom RPE phagozytiert werden [11, 12]. Durch den fehlenden direkten Kontakt der Photorezeptor-Außensegmente mit dem RPE und die damit verbundene Verzögerung der Phagozytose kann es zu größeren Mengen A2PE durch das Reaktionsprodukt von all-trans-Retinal und Phosphatidylethanolamin kommen. A2E und seine Vorläufermoleküle sind zudem potenziell empfindlich gegenüber oxidativen Schäden [13, 14] und fähig, an photoreaktiven Reaktionen benachbarter Moleküle teilzunehmen [15]. Eine Ablösung der Netzhaut vom RPE verhindert eine intakte Phagozytose abgeworfener Außensegmente. Zahlreiche verschiedene Erkrankungen können einen Autofluoreszenzanstieg der äußeren Retina verursachen. RPE-Lipofuszin besteht zu einem Großteil aus Retinoiden. Diese weisen aufgrund ihrer eher geringen Anzahl an konjugierten Doppelbindungen eine Lichtabsorption im sichtbaren Lichtspektrum auf. Dieselbe molekulare Struktur ermöglicht die Fluoreszenz und damit die Sichtbarmachung der Retinoidmoleküle. Die handelsüblichen SLO-basierten Systeme nutzen Licht der Wellenlänge 488 nm, um Lipofuszin anzuregen, und einen Langpass-Sperrfilter, der bei 500 nm beginnt. Zu den Vorteilen der handelsüblichen SLO-Systeme zählt die Möglichkeit der konfokalen Bildgebung, bei der nur Licht aus der Fokusebene für die Bildgebung genutzt wird. Handelsübliche SLO verfügen über eine Software, die automatisch Helligkeit und Kontrast jedes Bildes ausregelt, was die Erstellung gut nutzbarer Bilder erleichtert. Nachteilig ist, dass die Bilder ein höheres Rauschen sowie größere Unterschiede von Bild zu Bild aufweisen und
eine potenziell variable, doch unbekannte Veränderung durch die Software erfahren. Funduskamera-basierte Systeme nutzen Filter, die ähnlich wie bei der Fluoreszein-Angiographie im Lichtweg platziert werden, jedoch mit einem grünen Exzitationslicht von 535–585 nm und einer Sperre bei 605–715 nm. Die Wellenlängen des Funduskamera-basierten Systems regen das untere Ende der Lipofuszinkurve an. Vorteile des auf der Funduskamera basierenden Systems sind geringere Mehrkosten, geringes Rauschen, Reproduzierbarkeit und die Möglichkeit, Rohdaten des Patienten aufzunehmen und zu messen. Ein Nachteil ist, dass jegliche softwaregestützte Hilfe zur Optimierung der Bilder fehlt. Das Rohbild der Funduskamera hat oftmals einen geringeren Kontrast als die automatisch bearbeiteten Bilder des SLO. Dies ist zwar leicht zu beheben, stellt jedoch einen ständig anfallenden manuellen Arbeitsschritt dar, den besser eine Software übernehmen sollte.
9.5
Optische Kohärenztomographie
9.5.1
Welleneigenschaften des Lichts
Bedingt durch ihre Welleneigenschaften können Lichtstrahlen miteinander interferieren. Diese Eigenschaften werden in Interferometern genutzt, in denen das Licht aus dem Messarm mit den Lichtwellen aus einem Referenzarm verglichen wird. Aufgrund einer raffinierten Ausnutzung der periodischen Eigenschaften der Wellen können bei diesem Vergleich Änderungen im zeitlichen Eintreffen des Lichts
149 9.5 · Optische Kohärenztomographie
aus dem Messarm im Vergleich zum Referenzarm leicht bestimmt werden. Wegen seiner periodischen Eigenschaften ist jedes Photon seinen eigener Bezugstaktgeber. Die Phasenabweichung zwischen den Taktsignalen aus dem Messbeziehungsweise dem Referenzarm wird verglichen. Dies erlaubt die Detektion sehr kleiner Laufzeitunterschiede, die weit geringerer als solche sind, die mit elektronischen Messmethoden und Gatter-Schaltkreisen bestimmt werden können. Das Licht ist somit sein eigener Taktgeber.
9.5.2
Kohärenzlänge
Man spricht von kohärentem Licht, wenn die Korrelation zweier verschiedener Wellenarten ein festgesetztes Limit überschreitet. Räumliche Kohärenz liegt vor, wenn es eine ausreichende Korrelation zweier Lichtsignale gibt, die sich räumlich unterscheiden. Zeitliche Kohärenz ist dagegen ein Maß für die zeitliche Phasenkorrelation. Manche Wellenarten weisen eine räumliche Kohärenz auf, das heißt, die Phase an einem Ort des Lichtstrahls korreliert mit der Phase in einem anderen Bereich der Wellenfront. Es muss jedoch keine zeitliche Kohärenz, d. h. keine Phasenkorrelation zu einem anderen Zeitpunkt bestehen. Die Zeit, in der Lichtstrahlen kohärent bleiben, wird Kohärenzzeit und die Distanz, die während dieser Zeit zurückgelegt wird, Kohärenzlänge genannt. Übliche Laser wie der Helium-NeonLaser haben sehr lange Kohärenzlängen. Das Lichtsignal eines Strahlenabschnitts kann eine hohe Korrelation mit dem Strahl mehrere Meter davor oder dahinter aufweisen. In einem Interferometer erleichtert Licht mit langer Kohärenzlänge die Messung kleiner Unterschiede der Weglänge. Kleine Veränderungen der Weglänge verursachen eine messbare Änderung der Interferenz zwischen zwei Lichtstrahlen. Das Problem bei langer Kohärenzlänge ist, dass große Veränderungen der Weglänge zu denselben Änderungen führen können wie kleine Abweichungen. Tatsächlich ändert sich die Interferenz nicht, wenn Interferenz zwischen zwei Armen besteht und die Weglänge eines Armes um 1000 Wellenlängen verändert wird.
9.5.3
Time-Domain-optische Kohärenztomographie
Eine Addition periodischer Wellenarten führt zu einer Summation wie bei Fourier. Die resultierende Wellenart beinhaltet alle Anteile. Manche Lichtquellen können eine Bandbreite von Wellenlängen produzieren, die sich zum Ausgangsprodukt summieren. Dieses Licht weist eine Bandbreite an Licht unterschiedlicher Wellenlänge auf, welche wiederum zur Entstehung einer komplexeren Wel-
lenart beitragen, die sich mit der Zeit verändert. Bedingt durch die Veränderlichkeit der produzierten Wellenform hat eine Kohärenz des Lichts nur kurze Zeit Bestand. Die Kohärenzlänge dieses Lichts kann sehr kurz sein. Licht kurzer Kohärenzlänge kann nur mit ähnlichen Wellenarten interferieren. Daher wird eine Interferenz zwischen Referenz- und Messarm des Interferometers nur dann auftreten, wenn die Arme eine annähernd gleiche Länge aufweisen. Mit diesem Wissen ist es möglich, bestimmte Punkte im Objektraum zu lokalisieren, da die Länge des Referenzarmes bekannt ist. Durch Bewegung des Testpunktes durch den Objektraum kann ein A-Scan des untersuchten Gewebes erstellt werden. Bei Hinzufügung aufeinanderfolgender A-Scans entsteht ein B-Scan. Dies ist die Arbeitsweise der Time-Domain-OCT (TD-OCT). Das Problem der TD-OCT ist, dass das Signal von einem sehr kleinen Punkt im Gewebe ausgeht, auch wenn das Licht die gesamte Dicke des Gewebes durchdringt. Die vertretbare Dauer der OCT-Untersuchung ist durch Faktoren wie mögliche Lichtschäden des Gewebes und die Kooperation des Patienten begrenzt. Dies limitiert die Gesamtdauer der Untersuchung und damit auch die Zeit, die für die Erstellung jedes einzelnen Scans zu Verfügung steht. Je weniger Zeit für jeden A-Scan bereit steht, desto geringer ist die Untersuchungszeit jedes einzelnen Messpunktes. Wie bei jeder Messtechnik ist die kürzere Untersuchungsdauer mit einem ungünstigeren SignalRausch-Verhältnis verbunden.
9.5.4
Frequency-Domain-optische Kohärenztomographie
Interferenz ist keine Alles-oder-Nichts-Antwort. Bei Interferenz zweier Lichtstrahlen wird ein Interferogramm produziert und es tritt eine Frequenzverschiebung auf, die mit Versatz der Weglänge variiert. Das bedeutet, dass die Information über die Tiefe im Frequenzbereich kodiert ist. Bei Nutzung eines Gitters zur Aufspaltung des Spektrums auf ein Zeilen-CCD können die darin enthaltenen Informationen entschlüsselt werden. Dies ist so ähnlich als hätte man viele Detektoren in einem Time-Domain-Gerät. Im Dekodierprozess wird eine Fourier-Transformation genutzt, um Informationen zur Dicke des untersuchten Gewebes zu erhalten. OCT, die die Fourier-Transformation zur Analyse der Spektralinformation nutzen, werden Fourier-Domainoder Spectral-Domain-OCT (SD-OCT) genannt. Der Vorteil der SD-OCT ist, dass Informationen von mehr als einem Punkt des Lichtwegs gleichzeitig erhoben werden. Dies beschleunigt die Untersuchung im Vergleich zur TDOCT, bei der immer nur ein Punkt nach dem anderen gemessen wird. Bei Anwendung einer SD-OCT erhält man
9
150
Kapitel 9 · Imaging bei AMD
von jedem Gewebepunkt bei jeder gegebenen Belichtungszeit ein stärkeres Signal als mit einem TD-OCT-Gerät. Die Abstimmung zwischen Scan-Geschwindigkeit und dem Signal-Rausch-Verhältnis ermöglicht jedem OCT mit einer spezifischen A-Scan-Taktung zu arbeiten. Für TD-OCT betrug diese im Allgemeinen 400 A-Scans pro Sekunde. Die A-Scan-Raten von SD-OCT bewegen sich in der Regel zwischen 27.000 und 41.000.
9.5.5
9
Verbesserte Tiefenauflösung der optischen Kohärenztomographie
Ein Nachteil der SD-OCT ist, dass Auflösung und Sensitivität mit zunehmender Diskrepanz in der Wegstrecke abnehmen. Noch störender ist die zunehmende Dunkelheit der Strukturen in der Tiefe des Auges. Eine Technik zur besseren Bildgebung tiefer gelegener Strukturen, die mit vielen SD-OCT-Einheiten durchführbar ist, besteht darin, das OCT-Gerät näher an das Auge heranzuführen, um ein invertiertes Bild zu erhalten [23]. Aufgrund eines Unterschiedes in der Sensitivität bietet dieses invertierte Bild mehr Informationen über tiefere Strukturen. Diese Technik wird als Enhanced-Depth-Imaging-OCT oder EDI-OCT bezeichnet. Sie ermöglicht eine Abbildung der Choroidea und bei sehr hoch Myopen eine Darstellung der gesamten Skleradicke. Swept-Source-OCT (SS-OCT) nutzen einen anderen Weg zur Bildgewinnung, bei dem die Frequenz der Lichtquelle rasch verändert wird. Mittels einer Photodiode wird das Interferogramm aufgenommen. Ein großer Vorteil der SS-OCT ist, dass das Ergebnis der Photodiode im Wesentlichen in Echtzeit erscheint, so dass man nicht warten muss, bis die Speicher einer CCD gefüllt sind und dann nacheinander ausgerechnet werden. Dies ermöglicht SS-OCT-Geräten im Vergleich zur SD-OCT eine höhere Scan-Geschwindigkeit, so dass A-Scan-Raten von 100.000 bis zu über 300.000 möglich sind. Ein zusätzlicher Nutzen der SS-OCT im Vergleich zur SD-OCT ist eine geringere Abnahme der Sensitivität bei zunehmender Gewebetiefe. SS-OCTs werden voraussichtlich die nächste Generation im Handel erhältlicher OCTs sein, so dass Bildgebung und Beurteilung der Choroidea eine größere Verbreitung im klinischen Alltag finden werden.
9.5.6
Allgemeine Eigenschaften der Makularegion bei der optischen Kohärenzangiographie
OCT-Geräte erstellen ein Bild nicht aufgrund der Helligkeit der Reflektion, sondern anhand der Kohärenz-
information. Beides korreliert gelegentlich miteinander, doch gibt es Strukturen wie z. B. das Melanin im RPE oder Erythrozyten in Blutgefäßen, die sehr stark Nah-Infrarotlicht reflektieren und aufgrund dieser Reflektionen zu einem Verlust der Kohärenzinformation führen. In diesen Situationen können Objekte, die hinter streuenden Strukturen liegen, dunkel erscheinen (»abgeschattet« sein), auch wenn das verschattende Objekt das Licht nicht absorbiert hat. Mit Hilfe der OCT können verschiedene Schichten der Retina unterschieden werden. Für manche dieser Schichten hat sich noch keine klare anatomische Zuordnung etabliert. Was als äußere Körnerschicht bezeichnet und einer hyporeflektiven Schicht in der äußeren Netzhaut zugeordnet wurde, besteht wahrscheinlich aus der äußeren Körnerschicht und dem äußeren Teil der äußeren plexiformen Schicht.
9.6
Angiographie
Die Fundusangiographie wird mit zwei verschiedenen Farbstoffen durchgeführt: Natriumfluoreszein, das hauptsächlich den retinalen Blutkreislauf sichtbar macht und Indozyaningrün, das vor allem zur Untersuchung der choroidalen Zirkulation verwendet wird [1]. Die Fluoreszein-Angiographie wurde als erstes entwickelt und hat einen weit größeren Einsatzbereich. Auch weiß man mehr über die Korrelation zwischen Histopathologie und angiographischen Ergebnissen als bei Indozyaningrün. Bislang gibt es nur wenige spezifische Indikationen für die Indozyaningrün-Angiographie und die Aussagekraft vieler ihrer Ergebnisse steht noch nicht fest. Daher stellt die Fluoreszein-Angiographie dasjenige Angiographieverfahren dar mit Hilfe dessen die Vorgänge dieser Untersuchungsmethode am einfachsten zu verstehen sind. Die Indozyaningrün-Angiographie hat jedoch neue Einsichten in die Pathophysiologie verschiedener Typen der choroidalen Neovaskularisation (CNV) ermöglicht und dient als Methode der Wahl zur Diagnose der polypoidalen choroidalen Vaskulopathie, eines Subtyps der CNV.
9.6.1
Eigenschaften des Farbstoffes Fluoreszein
Fluoreszein-Natrium hat ein molekulares Gewicht von 376,27 Dalton und ist gut wasserlöslich. Der Farbstoff wird über die Nieren ausgeschieden, so dass eine Entfernung des Farbstoffs aus dem Gefäßsystem bei Patienten mit Nierenerkrankung eingeschränkt sein kann. Das Fluoreszein-Molekül wird durch blaugrünes Licht der
151 9.6 · Angiographie
Wellenlänge 465–490 nm angeregt und erreicht einen höheren Energiezustand. Beim erneuten Absinken auf einen niedrigeren Energiezustand emittiert das Molekül ein grüngelbes Fluoreszenz-Licht längerer Wellenlänge zwischen 520 und 530 nm. Die emittierte Fluoreszenz steht in zeitlichem Zusammenhang mit der Anregung. Jedes Quantum an stimulierendem Licht führt fast unmittelbar zur Freisetzung eines Quantum FluoreszenzLichts. In einer Funduskamera wird ein sog. Exzitationsfilter vor eine Breitband-Lichtquelle geschaltet, so dass nur das blaugrüne Licht passiert. Dieses Licht stimuliert das Fluoreszein im Auge, das wiederum gelbgrünes Licht emittiert. Das Licht, das die Kamera erreicht, besteht aus gelbgrüner Fluoreszenz und etwas reflektiertem blaugrünem Exzitationslicht. Ein Sperrfilter blockiert das reflektierte blaue Licht und lässt nur das gelbgrüne Fluoreszenz-Licht passieren. Die resultierende Fluoreszenz wird von einem Nachweissystem erfasst, das früher aus einem Film bestand, jedoch heute fast immer eine CCD-Kamera verwendet. Scanning-Laser-Ophthalmoskop-Systeme nutzen Laserlicht mit einer Wellenlänge von 488 nm, das über den Fundus gescannt wird, und einen Langpassfilter, der bei 500 nm beginnt, um die Laserwellenlängen abzufangen. Die Exzitations- und Sperrfilter werden so gewählt, dass sich die transmittierten Wellenlängen kaum überschneiden. So wird vermieden, dass irrelevantes Licht durch die Filter dringt und den Detektor erreicht. Manche Strukturen wie z. B. harte Exsudate oder Drusen des Sehnervs reflektieren große Mengen des Anregungslichts zurück zur Kamera. Aufgrund der geringen Überschneidung der Filtersysteme kann ein Teil dieses reflektierten Lichtes durch den Sperrfilter gelangen und als falsche oder Pseudofluoreszenz erscheinen. Pseudofluoreszenz wird heute durch den Einsatz moderner Filter weitgehend vermieden. Auch weitere im Fundus abgelagerte Stoffe wie z. B. Lipofuszin fluoreszieren, wenn sie durch das Exzitationslicht angeregt werden. Diese Fluoreszenz wird vor der Farbstoffinjektion aufgenommen und Autofluoreszenz genannt.
9.6.2
Eigenschaften des Farbstoffes Indozyaningrün
Indozyaningrün (ICG) wird durch Absorption von infrarotem Licht der Wellenlänge 790–805 nm angeregt und emittiert Fluorezenzlicht zwischen 825 und 835 nm. Ein Sperrfilter blockiert reflektiertes Licht unter 825 nm. Das retinale Pigmentepithel und die Choroidea absorbieren weit größere Mengen des Lichts, das für die Floreszeinangiographie verwendet wird, als des Nah-Infrarotlichts der
ICG-Angiographie. Auch Streuungsphänomene sind abhängig von der Wellenlänge. Bei längeren Wellenlängen tritt eine stärkere Streuung auf als bei kürzeren. Da ICG im Nah-Infrarotspektrum absorbiert und fluoresziert, ist im Vergleich zur Fluoreszein-Angiographie, ein bessere Visualisierung durch das RPE, serös-hämorrhagischer Flüssigkeiten oder flacher Blutungen möglich. Obwohl ICG eine deutlich geringere Fluoreszenz-Intensität aufzuweisen scheint als Natrium-Fluoreszein, erlaubt die höhere Transmission von Licht über 800 nm und die ausgeprägte intravaskuläre Retention von ICG eine bessere Visualisierung der choroidalen Architektur als in der Fluoreszein-Angiographie. Etwa 25% des intravaskulären ICG werden pro Minute durch die Leber eliminiert. Bei Patienten mit Störungen der Leberfunktion kann es zu einer verzögerten Elimination des Farbstoffs aus dem Blutkreislauf kommen.
9.6.3
Kameras in der Fluoreszenz-Angiographie
Im Wesentlichen kommen zwei Kamerasysteme zum Einsatz, die auf einem Laserophthalmoskop oder einer Funduskamera basieren. Scanning-Laser-Ophthalmoskope arbeiten mit fokussiertem Laserlicht, dass in einem Rastermuster über den Fundus geführt wird. ScanningLaser-Ophthalmoskope ermöglichen eine konfokale Bildgebung, bei der nur Licht einer interessierenden Fokusebene vom Bildsensor aufgenommen wird. Dies erlaubt die Ausblendung von Licht nicht interessierender Bildebenen. Diese optische Eigenschaft ist ein Faktor, der Scanning-Laser-Ophthalmoskopen einen höheren Kontrast vaskulärer Strukturen ermöglicht. Eine weitere Stärke der Scanning-Laser-Systeme ist die Aufnahme von Bildern in Echtzeit bei hoher Bildfrequenz. So ist eine akkurate Darstellung der Füllungsphase verschiedener Teile des Gefäßsystems möglich, die zu einem Neovaskularisationsgebiet hin- und von ihm wegführen. Die selektive Laserung dieser Gefäße bildet die Grundlage für die Ablation solcher zuführenden Gefäße zur Behandlung der choroidalen Neovakularisation. Die Beobachtung der Farbstoffbewegung durch das okuläre Gefäßsystem erlaubt dem Beobachter eine Integration der Information über die Zeit, was die Fähigkeit erhöht, Gefäße zu erkennen. Die zweite Methode ist ein Funduskamera-basiertes System. Diese Systeme nutzen mehrere Kondensatoren, die über eine Xenon-Blitzlichtröhre entladen werden. Die resultierenden Photographien werden in der Regel digital als Einzelbild erfasst. Begrenzungen der Bildfrequenz einer Funduskamera ergeben sich durch die benötigte
9
152
Kapitel 9 · Imaging bei AMD
Zeit für die Wiederaufladung der Kondensatoren, die Lesegeschwindigkeit der CCD-Kamera und die erforderliche Zeit für die Speicherung der Bilder. Die meisten Funduskameras können nicht mehr als ein oder zwei Bilder pro Sekunde aufnehmen. Desweiteren verfügen Funduskameras nicht über konfokale Bildgebung, so dass jede Fluoreszenz-Quelle im Strahlengang dargestellt wird. Im Vergleich zur Scanning-Laser-Ophthalmoskopie haben die Bilder der Funduskamera jedoch eine höhere Auflösung bei geringerem Rauschen.
9.6.4
9
Patienteneinwilligung und -aufklärung
Der Arzt sollte die Risiken der Fluoreszein-Angiographie erläutern. Nach einer Fluoreszein-Angiographie sieht jeder Patient gelblich aus. Der Urin nimmt eine besonders gelbe Färbung an. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Übelkeit (etwa 5%) und Erbrechen sowie die Entstehung von Urtikaria (ebenfalls etwa 5%) [16, 17]. Patienten, bei denen bereits in der Vergangenheit solche Probleme aufgetreten sind, haben ein erhöhtes Risiko für ein Wiederauftreten bei erneuter Fluoreszein-Angiographie [16]. Die Übelkeit vergeht ohne Behandlung innerhalb weniger Sekunden. Sofern sie nicht sehr mild ausfällt wird eine Urtikaria in der Regel mit Diphenhydramin oder einem ähnlichen Antihistaminikum behandelt. Eine Extravasation des Farbstoffs bei der Injektion ist schmerzhaft und verursacht einen gelben Fleck, der etwa einen Tag sichtbar bleibt. Auch schwerwiegendere Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, Schock, laryngealer Spasmus und sogar Todesfälle wurden beobachtet, doch treten diese glücklicherweise äußerst selten auf. Die Indozyaningrün-Angiographie zeigt im Vergleich zur Fluoreszein-Angiographie insgesamt seltener Nebenwirkungen. Dies könnte an der höheren Proteinbindung von Indozyaningrün liegen, durch die eine Stimulation von Chemorezeptoren weniger wahrscheinlich ist. Der Farbstoff Indozyaningrün wurde erstmals 1956 für die Anwendung am Menschen zugelassen, und zwar für Untersuchungen der Leber und des Herzens [18]. Daher verfügen wir heute über nahezu 55 Jahre Erfahrung mit ICG-Nebenwirkungen. Sehr selten treten milde gastrointestinale Störungen, Jucken oder Urtikaria auf [19–21]. Eine Extravasation injizierten ICG ist schmerzhaft und kann einen dunkelgrünen Fleck verursachen, der mehrere Tage sichtbar bleiben kann. Die Inzidenz von Todesfällen nach Fluoreszein-Injektion liegt bei 1 von 222.000, für ICG wurde sie auf 1 von 333.000 geschätzt [17]. ICG wird grundsätzlich gut vertragen, doch enthält es 5% Gewichtsanteil anorgani-
schen Jods. Unklar ist das Risiko für Patienten mit einer Allergie gegen organisches Jod. Gelegentlich wurden Patienten mit bekannter Schalentierallergie vor jodhaltigen Radiokontrastmitteln gewarnt, doch gibt es kaum tatsächliche Erkenntnisse, die diese Empfehlung untermauern. Die logische Verbindung zwischen Radiokontrastmitteln und ICG oder zwischen Schalentieren und dem anorganischen Jod in ICG-Zubereitungen erscheint noch schwächer, da diese Patienten weiterhin jodiertes Salz konsumieren. Patienten mit Nierenerkrankungen oder Leberfunktionsstörungen können ein potenziell höheres Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen haben [22]. ICG zeigte kein Durchdringen der Plazentaschranke, es wurden jedoch keine Untersuchungen zur fetalen Toxizität durchgeführt. Sowohl die Fluoreszein- als auch die IndozyaningrünAngiographie sind sichere, in der Arztpraxis durchführbare Methoden, doch können gelegentlich Nebenwirkungen, selten schwerer Natur, auftreten. Die Patienten müssen daher sorgfältig nach potenziellen Risikofaktoren befragt werden. Desweiteren müssen, wie bei allen intravenös verabreichten Substanzen, eine angemessene Notfallausrüstung und entsprechend ausgebildetes Personal zur Verfügung stehen, um die Notfallversorgung sicherzustellen. Bislang gibt es verschiedene Meinungen zur Notwendigkeit einer schriftlichen Einverständniserklärung zur Fundusangiographie, doch sollte der Patient in jedem Fall auf Risiken und Nutzen der Angiographie hingewiesen werden.
9.6.5
Fluoreszein-Injektion
Am häufigsten wird Fluoreszein in Form von 5 ml einer 10%igen Lösung oder als 2 ml einer 25%igen Lösung verabreicht. Hinsichtlich der Bildgebung besteht kaum ein Unterschied zwischen den beiden Konzentrationen. Das zu injizierende Fluoreszein wird in eine Spritze aufgezogen, auf der ein 23 Gauge-Butterfly angebracht wird. Der Butterfly ist mit einem flexiblen durchsichtigen Schlauch verbunden, in dem der Rückfluss an Blut sichtbar wird und die intravenöse Lage der Nadel anzeigt. Üblicherweise wird die antekubitale Vene verwendet, da sie groß und leicht zugänglich ist. Bei manchen Patienten, insbesondere adipösen, können die Gefäße des Handrückens besser zu sehen und für eine Injektion geeignet sein. Nachteile der Handvenen sind eine etwas schmerzhaftere Injektion, dass sie eher zum weg rollen neigen und dass eine Ekchymose nach Injektion eher sichtbar ist. Desweiteren wird die Laufzeit des Farbstoffs vom Arm zum Auge manchmal als grober Hinweis auf die okuläre Perfusion genutzt, obwohl diese Laufzeit von
153 9.6 · Angiographie
vielen Faktoren wie z. B. Ort und Geschwindigkeit der Injektion beeinflusst wird.
9.6.6
Fluoreszein-Angiographie
Nach der Injektion beobachtet der Photograph bereits abwartend das Fundusbild. Bei jungen Erwachsenen erscheint der Farbstoff innerhalb von 12 Sekunden; bei älteren Patienten kann dieses Intervall verzögert sein. Beim ersten Zeichen von Fluoreszenz im Auge wird eine rasche Serie von Aufnahmen gemacht (⊡ Abb. 9.3). Bei digitalen Systemen ist es üblich, viele Bildaufnahmen früh nach der Injektion zu machen, da unbrauchbare Bilder leicht verworfen werden können. Zu Anfang der AngiographieSerie sind häufig Feinjustierungen des Fokus oder der Beleuchtung nötig. Nach der Frühphase können Stereopaare der Makula und der Papille sowohl vom betroffenen als auch vom Partnerauge angefertigt werden. Zu Zeiten der Bildaufnahmen auf Film wurden fast immer Stereophotographien gemacht, was bei konventioneller digitaler Bildgebung weniger üblich ist. Die Stereoansicht digitaler Angiographien ist möglich. Weist der Patient eine makuläre Störung auf, sollte der Photograph die Retina peripher der großen Gefäßbögen mit der Kamera »abtasten« und jede sichtbare Auffälligkeit photographieren. Dann werden die Aufnahmen der mittleren Phase, die 1–2 Minuten nach Injektion gemacht werden, abgeschlossen. Etwa 5–6 Minuten nach Injektion werden weitere Stereopaare der Makula und jeder sichtbaren pathologischen Veränderung aufgenommen. Manche Kliniker nehmen zusätzlich 10–15 Minuten nach Injektion eine Serie von Bildern auf.
9.6.7
Indozyaningrün-Angiographie
Die Farbstoffinjektion von Indozyaningrün entspricht der bei Fluoreszein-Angiographie. Der Photograph
a
b
muss früh nach Injektion bereit für Aufnahmen sein, da sich die choroidalen Gefäße vor den Gefäßen der Retina füllen. Bilder der mittleren Phase werden zu zwei verschiedenen Zeitpunkten erstellt – eines etwa 5 Minuten und das zweite etwa 10 Minuten nach Injektion. Bilder der Spätphase werden etwa 30 Minuten nach Injektion aufgenommen. Im Allgemeinen stellen Scanning-Laser-Systeme die Frühphase mit besserer zeitlicher Auflösung dar als Funduskamera-Systeme. Diese wiederum ermöglichen bessere Aufnahmen der Spätphase.
9.6.8
Interpretation der Fluoreszein-Angiographie
Im Serum ist Fluoreszein zu 80% an Protein gebunden und zu 20% frei. Die Bindung führt zu einer leichten Veränderung von Absorption und Emissionsspektrum. Ungebundenes Fluoreszein kann frei diffundieren. Seine Diffusion wird normalerweise durch die Blut-AugenSchranke beschränkt – eine Kombination zweier separater anatomischer Grenzen, die den Fluss gelöster Stoffe und Flüssigkeit ins Auge kontrollieren. Den äußeren Teil der Blut-Augen-Schranke bildet das retinale Pigmentepithel. Der innere Teil besteht aus den Wänden der retinalen Gefäße.
Füllungsablauf Als erste Struktur, etwa 1 Sekunde vor den retinalen Arteriolen, beginnen die größeren choroidalen Gefäße zu fluoreszieren. In der Fluoreszein-Angiographie ist die retinale Zirkulation leichter zu erkennen, da sie im Wesentlichen zweidimensional aufgebaut ist, sich von einem zentralen Punkt aus füllt und über dem pigmentierten RPE liegt, das einen kontrastierenden Hintergrund bietet. Die initiale Phase der Fluoreszein-Füllung wird »Frühphase« oder »arterielle Phase« genannt. Die
⊡ Abb. 9.3a,b Fluoreszein-Angiographie. a 26 Sekunden nach Injektion füllen sich die retinalen Arteriolen mit FluoreszeinFarbstoff und eine früh gefüllte choroidale neovaskuläre Membran (Pfeil) ist sichtbar. b 47 Sekunden nach Injektion sind die Retinagefäße komplett mit Fluoreszein gefüllt und es zeigt sich eine Leckage aus der choroidalen Neovaskularisation
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154
9
Kapitel 9 · Imaging bei AMD
Farbstofffront bewegt sich rasch durch die retinalen Gefäße, doch kann der Photograph diese Bewegung durch das retinale Arteriolensystem eventuell auf einem der frühen Bilder festhalten. Immer kleinere retinale Arteriolen füllen sich, während sich die Farbstofffront auf das Kapillarbett zubewegt. Wenn die Farbstofffront die Kapillaren erreicht, erhöht sich plötzlich die retinale Fluoreszenz mit einem Aufleuchten. Während es nicht möglich ist, einzelne Gefäße der Choriokapillaris zu erkennen, können bei Patienten ohne Medientrübungen leicht einzelne perifoveale Kapillaren differenziert werden. Anschließend erreicht die Farbstofffront die postkapillären Venolen und dann die größeren Venen. Dieser Ablauf benötigt bei einer gesunden Person wenige Sekunden, doch kann die Arterie-zu-Venen-Zeit bei älteren Personen erhöht sein. Schließlich verlässt der Farbstoffbolus das Auge wieder, so dass die Gesamtfluoreszenz des Augenhintergrunds für wenige Sekunden etwas abzunehmen scheint. Wenig später rezirkuliert der Farbstoffbolus durch den Körper und erscheint wieder im okulären Kreislauf, was die Fundusfluoreszenz wieder etwas anhebt. Die Angiogrammphase innerhalb einer Minute nach Injektion wird manchmal als Rezirkulationsphase bezeichnet. Die Rezirkulationsphase ist für den Photographen oder auf einem Videofilm eines Scanning-Laser-Ophthalmoskops deutlich zu erkennen. Auf einzelnen Bildaufnahmen ist sie jedoch weniger gut zu erkennen. Bilder, die zwischen 1 und 3 Minuten nach Injektion entstehen, werden üblicherweise als Aufnahmen der mittleren Phase bezeichnet. Mit der Zeit wird der Farbstoff aus dem Blutkreislauf eliminiert und die Gesamtfluoreszenz nimmt ab. Nach etwa 5 Minuten erscheint der Fundus erheblich dunkler als nach der anfänglichen Farbstoffinjektion. Dieses Stadium wird als Spätphase des Angiogramms bezeichnet.
Die Makula Bedingt durch seine Anatomie weist das Makulagebiet ein besonderes Fluoreszenz-Muster auf. Während des Fluoreszein-Angiogramms erscheint die Fovea aus mehreren Gründen dunkler als ihre Umgebung: Die Fovea selbst ist avaskulär, so dass kein Aufleuchten retinaler Kapillaren auftritt. Die Makula erscheint gelb, da Xanthophyll-Pigment kürzere Lichtwellenlängen absorbiert und damit jegliche Anregung des Fluoreszein-Farbstoffs vermindert. Die retinalen Pigmentzellen der Makularegion sind größer und weisen mehr Melaninpigment als die retinalen Pigmentzellen anderer Gebiete auf, so dass sowohl die Anregung als auch die resultierende Fluoreszenz der darunterliegenden choroidalen Gefäße reduziert wird.
⊡ Tab. 9.1 Fluoreszein-Hyperfluoreszenz bei altersabhängiger Makuladegeneration Transmittierte Fluoreszenz
RPE-Verdünnung, -Atrophie oder -Depigmentierung, RPE-Riss
Abnormale Gefäße
CNV
Leckage
Aus CNV direkt in den subretinalen Raum, Leckage durch das RPE
Pooling
Neurosensorische Abhebung, zystoides Makulaödem
Staining
Narben, »Waldbrand«-Staining an Atrophierändern
⊡ Tab. 9.2 Fluoreszein-Hypofluoreszenz bei altersabhängiger Makuladegeneration Blockierte retinale Fluoreszenz
Glaskörper- oder retinale Blutung
Blockierte choroidale Fluoreszenz
Blutung RPE-Hyperplasie RPE-Hypertrophie RPE-Reduplikation nach RPE-Riss
Vaskuläre Füllungsdefekte
Verschluss eines Gefäßbetts
Abweichungen vom normalen angiographischen Erscheinungsbild Hyperfluoreszenz liegt vor, wenn ein Mehr an Fluores-
zenz beobachtet wird (⊡ Tab. 9.1). Dies kann durch eine Anreicherung des angiographischen Farbstoffs in einer Volumeneinheit des Fundus bedingt sein oder durch eine verbesserte Sichtbarkeit des fluoreszierenden Materials. Unter normalen Umständen stellen das Melanin in Choroidea und retinalem Pigmentepithel sowie das Xanthophyll-Pigment in der Makula ein Hindernis für die Darstellung der choroidalen Fluoreszenz dar. Eine Abnahme eines dieser Faktoren würde die Sichtbarkeit einer größeren Fluoreszenz-Transmission erlauben. Die betroffenen Gebiete werden Transmissionsdefekte genannt. Die zweite Ursache für Hyperfluoreszenz kann die erhöhte Farbstoffakkumulation innerhalb pathologischer Gefäßveränderungen oder in Form einer extravaskulären Leckage sein. Ein Beispiel für abnorm vermehrte Gefäße ist die choroidale Neovaskularisation. Eine Leckage kann auch aus Gefäßen austreten. Per definitionem wird eine Fluoreszein-Leckage in einen Raum als Pooling des Fluoreszeins und eine Leckage in ein Gewebe als Staining bezeichnet.
155 9.7 · Nicht-neovaskuläre AMD
a
⊡ Abb. 9.4a–c Drusen. a Dieser Patient hat zahlreiche kleine Drusen mit einigen größeren Drusen am hinteren Pol. Des Weiteren ist eine subtile Ansammlung eines hellgelben Materials in der zentralen Fovea zu erkennen. b Das Fluoreszein-Angiogramm zeigt unzählige kleine hyperfluoreszente Drusen [34]. In der zentralen Makula besteht eine erhöhte Fluoreszenz, die eine choroidale Neovaskularisation vortäuschen kann. c Die optische Kohärenztomographie zeigt die hügelartigen Erhebungen der Drusen, doch keine Neovaskularisation. Es ist subretinale Flüssigkeit zu sehen, was häufig bei Patienten mit früher Abhebung bei kutikulären Drusen gefunden wird [35]
b
c
Für das Auftreten von Hypofluoreszenz gibt es zwei Hauptgründe: Entweder liegt weniger Fluoreszein vor oder die Sicht auf das Fluoreszein wird durch etwas blockiert (⊡ Tab. 9.2).
9.6.9
Interpretation der Indozyaningrün-Angiographie
Die Phasen des Indozyaningrün-Angiogramms ähneln denen des Fluoreszein-Angiogramms. Die frühen Phasen des Indozyaningrün-Angiogramms zeigen die Füllung der choroidalen und der retinalen Gefäße, die parallel, doch nicht exakt phasengleich abläuft, da die Füllung der Choroidea früher beginnt. Der Übergang in die venöse Phase erfolgt in der Aderhaut rascher als in der Netzhaut. Im Gegensatz zur FluoreszeinAngiographie erscheint im ICG-Angiogramm normalerweise eine geringe Menge an Hintergrund-Staining. Aufgrund der erhöhten Penetration durch Melanin in RPE und Aderhaut, Blut und Exsudation, zeigen sich im ICG-Angiogramm häufig Details der choroidalen Gefäßstrukturen, die bei der Fluoreszein-Angiographie unsichtbar bleiben. Eine Variante der choroidalen Neovaskularisation, die polypoidale Vaskulopathie, zeigt in der Indozyaningrün-Angiographie ein typisches Erscheinungsbild. Am äußeren Rand der Gefäßläsion sind Gefäßkanäle mit aneurysmatischen Erweiterungen zu sehen.
9.7
Nicht-neovaskuläre AMD
9.7.1
Drusen
Drusen werden in mehrere Gruppen eingeteilt, hauptsächlich nach Größe und Erscheinungsbild. Man spricht von großen Drusen (>125 μm; entspricht etwa dem Durchmesser einer nah der Papille gelegenen Arkadenvene), mittleren Drusen (63–124 μm) oder kleinen Drusen (<63 μm). Über einer Druse ist das retinale Pigmentepithel oft dünner, so dass ein Transmissionsdefekt entsteht. Manchmal erscheinen kleinere Drusen in der Frühphase eines Fluoreszein-Angiogramms hell leuchtend. Gelegentlich finden sich Myriaden kleiner Drusen, sog. kutikuläre Drusen. Während der Fluoreszein-Angiographie erscheinen basale laminare Drusen als »Sternenhimmel« aus tausenden Lichtpunkten. Nicht selten können kutikuläre Drusen mit einer Ablagerung gelben subretinalen Materials assoziiert sein, was einer vitelliformen Dystrophie ähnelt. Patienten mit solch einer Materialablagerung weisen häufig eine Fluoreszein-Leckage auf, die eine CNV imitieren kann (⊡ Abb. 9.4). Eine besondere Verteilung kleiner Drusen wird bei der Malattia leventinese (Leventiner-Krankheit) beobachtet, einer erblichen Erkrankung, die auf Nachkommen eines Schweizer Tals zurückverfolgt wurde. In diesen Augen zeigt sich eine strahlenförmige Anordnung kleiner Drusen kombiniert mit Pigmentveränderungen. Weiche Drusen sind im Allgemeinen in der Frühphase eines FluoreszeinAngiogramms nicht leicht zu erkennen, können sich aber
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Kapitel 9 · Imaging bei AMD
später anfärben (⊡ Abb. 9.1). Subretinale drusenähnliche Ablagerungen, auch retikuläre Pseudodrusen genannt, sind subretinale Drusen, die keine signifikanten Befunde im Fluoreszein-Angiogramm zeigen [24]. Auch die Zusammensetzung der Drusen kann die Fluoreszein- [25] und Indozyaningrün-Färbung [26] beeinflussen, doch ergeben sich daraus bislang keine praktischen Konsequenzen. Als Korrelat der äußersten hyperreflektiven Bande in der OCT gilt der RPE/Bruch-Membran-Komplex. Möglicherweise kommt dabei aber auch die Choriokapillaris zur Darstellung, zumal sie an der Bildung der äußeren Bruch-Membran beteiligt ist. Drusen führen zu einer Anhebung des RPE und bei großen weichen Drusen kann die Bruch-Membran zur Darstellung kommen. Drusen haben eine relativ homogene Zusammensetzung. Das Auftreten einer Verschattung stellt die Ausnahme dar. In diesem Fall weist die innere Zusammensetzung einer großen Druse einen Reflektivitäts-Gradienten auf. Die OCT-Aufnahme einer unter dem RPE gelegenen CNV zeigt reflektierende Elemente und eine heterogene Zusammensetzung. Drusen unter dem RPE können unterschiedliche Konfigurationen aufweisen, die Einfluss auf ihr Erscheinungsbild in der Ophthalmoskopie haben können. Früher wurden sie als retikuläre Pseudodrusen bezeichnet, doch wurde kürzlich festgestellt, dass es sich um Drusen oberhalb des RPE handelt. Wie die unter dem RPE gelegenen drusenoiden Ansammlungen sind auch sie homogen. Eine CNV auf der Oberfläche des RPE ist im Allgemeinen um einiges dicker und nicht homogen. Übersteigt die Exsudationsmenge einer CNV die Fähigkeit eines Gebietes, Flüssigkeit zu entfernen, kann es in oder unter der Retina zu einer Akkumulation von Flüssigkeit kommen. Umgekehrt bedeutet nicht nachweisbare Flüssigkeit nicht zwingend, dass keine Leckage vorliegt. Ein Überschuss an Flüssigkeit kann zu einer Dickenzunahme der Retina führen. Wenn größere Flüssigkeitsmengen akkumulieren, werden zystoide Räume sichtbar. In Gebieten mit RPE-Atrophie scheint es sowohl subretinal als auch intraretinal rascher zur Akkumulation von Flüssigkeit zu kommen.
9.7.2
Pigmentveränderungen einschließlich geographische Atrophie
Fokale Hyperpigmentierung ist ein wichtiger Risikofak-
tor für die Entstehung einer choroidalen Neovaskularisation. Histopathologisch konnte nachgewiesen werden, dass es sich bei einer fokalen Hyperpigmentierung um abgelöste pigmenthaltige Zellen im subretinalen Raum handelt. Gebiete fokaler Hyperpigmentierung weisen
zudem eine fokale Hyperfluoreszenz und eine erhöhte Absorption von infrarotem Licht auf, was einen Lipofuszingehalt dieser Zellen nahe legt [27]. Des Weiteren ergab sich für die fokale Hyperpigmentierung eine starke Korrelation mit retinalen Gefäßanastomosen im Partnerauge [27]. Im OCT zeigt die fokale Hyperpigmentierung zwei Auffälligkeiten: eine lokalisierte Verdickung der RPESchicht sowie kleine hyperreflektierende Aggregate in der äußeren Retina. Eine weitere Pigmentveränderung ist die Atrophie, die in zwei Formen auftritt: zum einen als »geographische Atrophie« mit scharf begrenzten Gebieten schwerer Atrophie, zum anderen als »nicht-geographische Atrophie« mit unscharf begrenzten, mehr granulären Regionen milderer Atrophie. Die äußeren Grenzen einer geographischen Atrophie sind auf der Ebene des retinalen Pigmentepithels leicht hyperpigmentiert. Zudem sind diese hyperpigmentierten Zonen bisweilen hyperautofluoreszent [28], was unter anderen Möglichkeiten darauf hindeuten kann, dass die Zellen am Rand geographischer Atrophien viel Lipofuszin beinhalten könnten. In der Fluoreszein-Angiographie zeigt sich eine gut abgegrenzte Region später Hyperfluoreszenz ohne Zeichen einer Leckage. Ursache dieser Hyperfluoreszenz ist die sichtbare Anfärbung tieferer Schichten des Auges wie z. B. der Sklera, die nicht wie üblich durch darüber liegendes Pigment blockiert wird. Das angiographische Erscheinungsbild in der Frühphase des Fluoreszein-Angiogramms hängt von der Menge der erhaltenen Choriokapillaris ab. Meist nimmt die Fluoreszenz im Fluoreszein-Angiogramm bei geographischer Atrophie in der frühen und mittleren Phase zu. Schwerere Formen der geographischen Atrophie zeigen eine frühe Fluoreszenz der großen choroidalen Gefäße bei Verlust der darüber liegenden Choriokapillaris. Aufgrund der fehlenden Choriokapillaris und dem Mangel an darüber liegendem retinalen Pigmentepithel, die normalerweise eine Anfärbung in der Spätphase der Angiographie mit Indozyaningrün zeigen, erscheint die geographische Atrophie in dieser hypofluoreszent.
9.8
Neovaskuläre AMD
Das Einwachsen von Gefäßen verursacht physiologische und strukturelle Veränderungen in der Makularegion, die mit Hilfe der Angiographie erfasst und beurteilt werden können (⊡ Abb. 9.5). In der Regel wachsen die Gefäße im inneren Anteil der Bruch-Membran, doch können sie auch in den subretinalen Raum vorstoßen. Das angiographische Erscheinungsbild der choroidalen Neovaskularisation wird durch die Lokalisation, die Dichte und Reife
157 9.8 · Neovaskuläre AMD
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⊡ Abb. 9.5a–f Choroidale Neovaskuralisation. a–c Ein Patient mit klassischer CNV mit subretinalem Blut (a), früher Hyperfluoreszenz (b) und später Leckage (c). d–f Ein Patient mit überwiegend okkulter CNV, einer diffusen Erhöhung in der RPE-Schicht (d), früher Hypofluoreszenz (e) und unscharfer Hyperfluoreszenz (f)
der neuen Gefäße bestimmt wie auch durch Menge und Art des dazwischenliegenden Gewebes. Eine sog. »klassische CNV« zeigt eine umschriebene Hyperfluoreszenz in der Frühphase der Angiographiesequenz mit späterer Leckage, während Gefäße ohne besondere Hyperfluoreszenz jedoch mit später Leckage als »okkult« bezeichnet werden. Die CNV wurde einmal in die Gruppen »späte Leckage aus unbestimmter Quelle« und »fibrovaskuläre Pigmentepithelabhebung« unterteilt. Mit dem Aufkommen besserer Bildgebungsverfahren, im Speziellen der optischen Kohärenztomographie zeigte sich, dass nahezu alle Patienten mit okkulter CNV eine fibrovaskuläre Pigmentepithelabhebung (»pigment epithelial detachment«, PED) aufweisen. Eine klassische CNV in der Fluoreszein-Angiographie stellt sich in einer Angiographie mit Indozyaningrün im Allgemeinen unscheinbar dar. Wahrscheinlich aufgrund der höheren Proteinbindung von ICG zeigt die klassische CNV hier keine bedeutende Leckage. Die okkulte CNV, sowohl fibrovaskuläre PED als auch die späte Leckage unklarer Herkunft, zeigt in der ICG-Angiographie verschiedene Muster. Eigenartigerweise können CNVAreale, die in der Fluoreszein-Angiographie unscharf begrenzt erscheinen, in der ICG-Angiographie gut begrenzt
sein. Die meisten Regionen okkulter CNV erscheinen in der ICG-Angiographie als relativ große Plaques. Manche okkulte Läsionen weisen keine oder minimale Auffälligkeiten in der ICG-Angiographie auf. In drei Situationen ist die Indozyaningrün-Angiographie unverzichtbar: ▬ Retinale Gefäßanastomosen mit einer CNV stellen sich in der Regel mit ICG besser dar als in der Angiographie mit Fluoreszein (⊡ Abb. 9.6). Während dies weniger ausschlaggebend für eine Therapie mit VEGF-Inhibitoren ist (VEGF; »vascular endothelial growth factor«; vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor), kann es ein wertvoller Hinweis darauf sein, dass mittels thermaler Laserphotokoagulation kein nachhaltiger Erfolg erreichbar ist. ▬ Das zweite wichtige Anwendungsgebiet der ICGAngiographie ist die Differenzierung einer Chorioretinopathia centralis serosa (CCS) von einer okkulten CNV. Augen mit CCS zeigen in der Füllungsphase dilatierte Gefäße, in der mittleren Phase eine multifokale choroidale Gefäßhyperpermeabilität sowie eine verstärkte Silhouette der größeren Gefäße in der Spätphase des Angiogramms. Bei einer okkulten CNV hingegen tritt ein monoton zunehmender Kon-
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158
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Kapitel 9 · Imaging bei AMD
⊡ Abb. 9.6a–d Retinale Gefäßanastomosen. a Dieser Patient zeigt eine choroidale Neovaskularisation mit retinalen Gefäßen, die abzutauchen und eine Anastomose mit dem neovaskulären Prozess zu bilden scheinen. b Im Fluoreszein-Angiogramm ist eine CNV zu sehen, doch keine Anastomose. c Das Indozyaningrün-Angiogramm gibt Anhaltspunkte für eine retinale Gefäßanastomose mit der darunterliegenden CNV. d In einer Vergrößerung mit Kontrastverstärkung sind die Anastomosegefäße deutlicher zu sehen
⊡ Abb. 9.7a,b Polypoidale choroidale Vaskulopathie. a Gefäßkanäle mit kleinen aneurysmatischen Veränderungen zeigen sich an der Außengrenze der Läsion. b 18 Monate Jahre später hatten sich die aneurysmatischen Veränderungen stark vergrößert und waren mit einer serosanguinösen Exsudation assoziiert
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trast zwischen einem Staining-Areal und der umgebenden Choroidea auf. ▬ Die dritte wichtige Anwendung der ICG-Angiographie ist die Diagnosestellung der polypoidalen choroidalen Vaskulopathie (⊡ Abb. 9.7 und ⊡ Abb. 9.8). Diese ist eine langsam fortschreitende Variante der CNV mit verbindenden Gefäßkanälen und aneurysmalen Erweiterungen an der äußeren Grenze der Läsion. Bei manchen Patienten wurde eine polypoidal-ähnliche Veränderung nach externer Strahlentherapie einer CNV beobachtet (⊡ Abb. 9.9).
Nicht selten treten beide CNV-Formen, die klassische und die okkulte, innerhalb einer Läsion auf. In diesem Fall bestimmt das Größenverhältnis der betroffenen Areale den CNV-Typ. Ist eine Läsion zu 75% klassisch und zu 25% okkult wird sie »überwiegend klassisch« genannt. Nun läge es nahe, eine Läsion mit umgekehrtem Prozentverhältnis »überwiegend okkult« zu nennen. Dies würde jedoch einen Fall mit 25% klassischem Anteil und 75% Blut nicht korrekt beschreiben, da Blut keine okkulte Erkrankung ist. Daher werden Läsionen, bei der der klassische CNV-Anteil weniger als 50% der Gesamtfläche ausmacht, als »mi-
159 9.9 · Abhebungen des retinalen Pigmentepithels
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nimal klassische CNV« bezeichnet. Besonders hilfreich war diese Einteilung in der Ära der photodynamischen Therapie bei CNV. Heutzutage ist sie von geringer Bedeutung.
9.9
Abhebungen des retinalen Pigmentepithels
Obgleich Abhebungen des retinalen Pigmentepithels (retinal pigment epithelial detachment, PED) auch bei nichtneovaskulärer AMD auftreten können, sind die meisten PED mit einer CNV assoziiert. Diese Verbindung kann in zwei Formen auftreten: Zum einen weisen PED mit einer Einbuchtung in der Regel eine okkulte CNV an dieser Stelle auf. Weitere Zeichen, die auf eine
⊡ Abb. 9.8a–d Trotz eines sehr großen Neovaskularisationsgebietes wies dieser asiatische Patient noch eine Sehschärfe von 20/30 auf. a Das Gefäßnetz ist schlecht zu sehen, doch die aneurysmatischen Veränderungen kommen gut zur Darstellung (Pfeilspitzen). b Die Indozyaningrün-Angiographie zeigt deutliche aneurysmatische Erweiterungen. Die gleichzeitige Darstellung der darunterliegenden Aderhautgefäße verschleiert zum Teil die Sichtbarkeit des Gefäßnetzwerkes. c Das Gefäßnetzwerk ist besser in den mittleren Aufnahmen des Angiogramms zu erkennen bei guter Sichtbarkeit der aneurysmatischen Erweiterungen (Pfeilspitzen). d In der Spätphase zeigt sich ein Staining der Gefäßwände der aneurysmatischen Erweiterungen (Pfeilspitzen), während der Farbstoff zentral ausgewaschen wird
⊡ Abb. 9.9a,b Externe Strahlentherapie. a Dieser Patient erhielt eine externe Strahlentherapie mit 12 Gy bei choroidaler Neovaskularisation, worauf die Exsudation zum Stillstand kam. b Bei der Kontrolluntersuchung zeigte sich ein erneutes Wachstum der Neovaskularisation, das in seinem Muster einer polypoidalen choroidalen Vaskulopathie entsprach. Dieser Befund wird als durch Bestrahlung verursachte choroidale Neovaskularisation bezeichnet [33]
okkulte CNV hinweisen, sind Blut oder anderes exsudatives Material in der PED, eine irreguläre Erhebung der PED, an der PED angrenzendes subretinales Blut oder Fett oder die fluoreszein-angiographischen Befunde einer angrenzenden fibrovaskulären PED, einer späten Leckage aus unbekannter Quelle oder eine irreguläre, heterogene Füllung der PED. Aufgrund des Melaningehalts des RPE und des raschen, intensiven Fluoreszenzanstiegs in der PED durch Fluoreszein-Leckage ist die Darstellung einer choroidalen Neovaskularisation bei Vorliegen einer PED erschwert. Aus diesem Grund wurden Patienten mit großen PED oftmals von Studien zur CNV-Therapie ausgeschlossen. Eine Möglichkeit, das Ausmaß der CNV zu bestimmen, bietet die ICG-Angiographie, die weder durch Melaninpigment im RPE noch durch Leckage in den Hohlraum der PED eingeschränkt ist. Eine »Ein-
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Kapitel 9 · Imaging bei AMD
9 ⊡ Abb. 9.10 Dieser Patient war von einer choroidalen Neovaskularisation oberhalb der Schicht des retinalen Pigmentepithels (RPE, offene Pfeilspitze) und unterhalb des RPE (geschlossene Pfeilspitze) betroffen. Assoziiert war dieser Befund mit einer Pigmentepithelabhebung (»pigment epithelial detachment«, PED, der Pfeil deutet auf das obere Ende derselben) wie in der Enhanced-Depth-optischen Kohärenztomographie (EDIOCT) zu sehen ist. Die mittlere und untere Darstellung sind sukzessive Schnitte die unterhalb des Schnittbildes am Kopfende der Abbildung angefertigt wurden. Beachten Sie die zunehmende Anhebung der PED. Angrenzend an die Schicht der sub-RPE-Neovaskularisation (Pfeile in allen Schnittbildern) zeigt sich auf der Rückseite der PED eine Akkumulation hyperreflektiven Materials. (Aus [36])
kerbung« in der ICG-Angiographie erlaubt häufig die Identifizierung der CNV-betroffenen Region. Eine ICGAngiographie großer PED ohne Einbuchtung zeigt häufig eine darunterliegende CNV-Plaque. Mittels EDI-OCT wurden die inneren Eigenschaften fibrovaskulärer PED untersucht. Bei vielen PED bei AMD-Patienten wurde ein CNV-Wachstum auf der Rückseite des RPE nachgewiesen. Eine Kontraktion dieses fibrovaskulären Materials war mit der Entstehung von RPE-Rissen assoziiert (⊡ Abb. 9.10 und ⊡ Abb. 9.11). In Augen mit RPE-Rissen rollt sich die abgehobene RPE-Monoschicht zur Neovaskularisation hin, so dass ein unbedecktes Choroideaareal freigelegt wird. Es wird angenommen, dass dieses Gebiet schließlich wieder von RPE-Zellen besiedelt wird, die oftmals keine Pigmentierung aufweisen. Das freigelegte Areal zeigt in der Fluoreszein-Angiographie früh eine Hyperfluoreszenz sowie, in Abhängigkeit vom Ausmaß der darunterliegenden CNV und vom Abdichtungseffekt des eingerollten RPE eine Leckage. Die eingerollte RPE-
Region erscheint besonders dunkel und blockiert die darunterliegende Fluoreszenz. Gelegentlich wurde das eingerollte RPE-Gebiet daher als »doppelt hypofluoreszent« bezeichnet. Dasselbe eingerollte RPE enthält in der vertikalen Summe mehr Lipofuszin und erscheint daher doppelt autofluoreszent.
9.9.1
Beteiligung der Retinagefäße am exsudativen Prozess
Obwohl retinale Gefäßanastomosen mit choroidaler Neovaskularisation bereits in historischen Atlanten zu retinalen Erkrankungen dargestellt wurden, wurde dieser Gegebenheit viele Jahre keine Beachtung geschenkt. Innerhalb der letzten zehn Jahre verstärkte sich das Interesse dafür und es entstanden zahlreiche Theorien zur anatomischen Struktur dieser Anastomosen. Bei einem kleinen Teil der Patienten scheinen die retinalen Gefäße abzutauchen und eine vaskuläre Proliferation unabhängig von choroidalen
161 9.10 · Follow-up
Gefäßen anzuregen. Diese proliferierenden Gefäße treten oftmals bei Patienten mit fokaler Hyperpigmentation auf. Weitere Hinweise auf retinale Gefäßproliferation sind Teleangiektasien der retinalen Gefäße, Punktblutungen innerhalb der Retina, rechtwinkliger Verlauf von Venen und Arterien, PED und Mikroaneurysmen. Diese Befunde wurden erstmals von Hartnett und Kollegen als tiefe retinale vaskuläre anomale Komplexe (RVAC, »retinal vascular anomalous complexes«) beschrieben [29]. Darauffolgende Autoren bezeichneten sie als retinale angiomatöse Proliferation oder RAP [30]. Schließlich vermuteten Gass und Kollegen, dass diese Patienten eine chorioretinale Anastomose mit okkulter choroidaler Neovaskularisation oder ORCA (»occult retinal choroidal anastomosis«) aufweisen [31]. Während angenommene Mechanismen und Pathophysiologie von RVAC, RAP oder ORCA voneinander abweichen, werden in praktischer Hinsicht bislang alle Formen mit Anti-VEGFInjektionen behandelt wie auch die häufigeren Formen der CNV bei AMD, mit möglicher Ausnahme der polypoidalen choroidalen Vaskulopathie.
9.10
Follow-up
Im Folgenden wird die angiographische Nachbeobachtung der thermischen Laserkoagulation und der photodynamischen Therapie erläutert – sowohl aus historischen Gründen als auch zur praktischen Anwendung. Bei Anti-VEGF-Therapie wird im Allgemeinen die OCT genutzt, um Behandlungsfrequenz und Follow-up-Intervalle festzulegen, doch gibt es für dieses Vorgehen erstaunlich wenig Evidenz. Ausführlichere Beschreibungen der Methoden und Techniken folgen in weiteren Kapiteln des Buches.
9.10.1
Thermischer Laserkoagulation
Im Allgemeinen werden Patienten mit thermischer Laserkoagulation 2 Wochen nach Behandlung untersucht und eine Kontroll-Fluoreszein-Angiographie durchgeführt. Die meisten Patienten mit erfolgreicher Photokoagulation der Neovaskularisation zeigen nach 2 Wochen eine komplette Absorption der subretinalen Flüssigkeit. Ein erneut hyperfluoreszentes Areal während der Fluoreszein-Angiographie weist auf die Persistenz der Neovaskularisation hin. As nächstes werden die Patienten 4 Wochen nach der Laserbehandlung zu Kontrolluntersuchung und –Angiogramm einbestellt. Zu diesem Zeitpunkt weist jedwede subretinale Flüssigkeit auf eine persistierende Neovaskularisation hin. Deren Präsenz wird in der Regel
durch eine Hyperfluoreszenz am Rand der behandelten Läsion angezeigt. In der frühen und der mittleren Phase sollte das Angiogramm eine laserbedingte Atrophie mit Hypofluoreszenz im Zentrum der Läsion zeigen. Ein spätes Staining der Läsion v. a. im Zentrum ohne Beteiligung des Randes muss nicht unbedingt die Notwendigkeit einer zusätzlichen Laserbehandlung bedeuten. Gebiete mit persistierender Neovaskularisation können erneut photokoaguliert werden. Eine rezidivierende Neovaskularisation ist definiert als ein Wachstum neuer Gefäße ab 6 Wochen nach thermaler Laserphotokoagulation und kann in verschiedenen Mustern auftreten. So kann sich ein fokales hyperfluoreszierendes Gebiet am Rand der zuvor behandelten Fläche zeigen. Oder es entsteht ausgehend von einem zuvor behandelten Gebiet ein subtiles Areal okkulter CNV, das üblicherweise als Gebiet getüpfelter Hyperfluoreszenz mit oder ohne ausgeprägte Verdickung der RPE-Schicht erscheint. Schließlich können Exsudationszeichen wie Blut oder Lipid vorhanden sein, die bereits bei der ophthalmoskopischen Untersuchung zu sehen sind. Rezidive treten im Allgemeinen auf der fovealen Seite einer zuvor behandelten Läsion auf. Gelegentlich können Rezidive erneut mit thermalem Laser behandelt werden, doch kommt es häufig zu einer Ausbreitung der Neovaskularisation unter die Fovea, so dass der Patient eine andere Therapieform benötigt.
9.10.2
Photodynamische Therapie
Eine Woche nach PDT erscheint das Neovaskularisationsgebiet üblicherweise dunkel [32]. Ursächlich dafür ist wahrscheinlich eine Kombination aus fehlender Gefäßperfusion und Blockadeeffekten. Interessanterweise zeigen Patienten mit einer Beteiligung retinaler Gefäße an der Neovaskularisation nach einer Woche oftmals kein Nicht-Perfusions-Bild. Nach PDT zeigen die Läsionen zunächst eine Perfusion der größeren Gefäßstümpfe, nach Tagen oder Wochen gefolgt von kleineren Gefäßen [32]. Die Beobachtung der größeren Gefäßstümpfe kann einen Ansatz zur Feeder-vessel-Koagulation bieten. Eine thermische Laserbehandlung der Stümpfe kann einer Reperfusion größerer Gefäßstrukturen vorbeugen. Bei den meisten Patienten kommt es nach 6 Wochen zur Reperfusion der Läsion. Man ist übereingekommen, dass die erste Kontrolluntersuchung der Patienten in den Hauptstudien zur PDT bei AMD nach 3 Monaten stattfinden sollte. Zeigte sich 3 Monate nach Therapie eine Leckage in der Angiographie war eine Wiederholungsbehandlung indiziert. Das Wiederauftreten der Gefäße überraschte nicht, da sie nie wirklich zerstört worden waren. Eine
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Kapitel 9 · Imaging bei AMD
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⊡ Abb. 9.11 a Oben links: Über einer PED liegende intra- und subretinale Blutung. Oben rechts: In der Frühphase der Fluoreszein-Angiographie zeigte die PED eine allgemein verminderte Fluoreszenz mit zwei Arealen erhöhter Fluoreszenz, eines nahe der retinalen Blutung und ein zweites darunter. Dieser Patient stellte sich notfallmäßig aufgrund einer Visusänderung innerhalb der letzten drei Tage vor. Die beiden Linien entsprechen den mit EDI-OCT untersuchten Schnitten. Mitte links: Später zeigte sich im Fluoreszein-Angiogramm eine allgemein erhöhte Fluoreszenz innerhalb der PED. Mitte rechts: In der Frühphase der Indozyaningrün-Angiographie erschienen zwei Areale erhöhter Fluoreszenz, die mit den auffälligen Gebieten des Fluoreszein-Angiogramms korrespondierten. Man geht davon aus, dass die Pigmentierung des RPE kein wesentliches Hindernis für die Passage des in der ICG-Angiographie verwendeten Nah-Infrarotlichts darstellt, so dass angenommen wurde, dass die hyperfluoreszenten Gebiete tatsächlich Neovaskularisation und nicht Fensterdefekte des RPE repräsentieren. Unten links: In der mittleren Phase des ICG-Angiogramms vergrößerten sich die hyperfluoreszenten Areale (Pfeilspitzen). Unten rechts: In der Spätphase des ICG-Angiogramms kam ein größeres darunterliegendes hyperfluoreszentes Gebiet zur Darstellung, das einem größeren plaqueähnlichen Areal choroidaler Neovaskularisation entsprach (Pfeile). (Aus [36])
163 9.11 · Anti-VEGF-Therapie
⊡ Abb. 9.11 b EDI-OCT einer fibrovaskulären PED und deren Ansprechen auf intravitreale Ranibizumab-Behandlung. Die linken Schnittbilder korrespondieren mit der oberen Linie im frühen Fluoreszein-Angiogramm, die rechten Schnittbilder mit der zweiten Linie. Oben links: Vor der Behandlung zeigen die Schnittbilder durch den »Hotspot« des Fluoreszein- und ICG-Angiogramms eine kleine Materialanreicherung hinter dem RPE innerhalb der PED. Beachten Sie, dass die mit dem RPE korrespondierende hyperreflektierende Linie im gesamten Bereich der PED eine wechselnde Dicke aufweist. Oben rechts: Ein inferior angesiedeltes Schnittbild zeigt eine größere Ansammlung von Material entlang der Rückseite der PED. Nah der Grenze der PED fand sich eine Akkumulation gleichartigen Materials, doch kann das Ausmaß der Hyperfluoreszenz im Fluoreszein- und ICG-Angiogramm nicht allein auf diese Anreicherung zurückgeführt werden. Dies legt nahe, dass das Material auf der Rückseite der PED fibrovaskulärer Natur ist. Mitte links: Eine Woche nach intravitrealer Ranibizumab-Injektion war die PED zum Teil kollabiert. Man beachte die Trennung der hyperreflektiven Linie (Pfeilspitze) von der Rückseite der PED. Mitte rechts: Vor allem im inferioren Schnitt zeigt sich eine korrespondierende Form der Akkumulation in der PED vor und nach Behandlung. Bemerkenswert ist die Separation und Begradigung des sub-RPE Materials nach Ranibizumab-Injektion trotz Kollaps der PED. Dies legt nahe, dass eine Zugspannung innerhalb des abgelösten Materials bestand. Unten links und rechts: Ein Monat nach Injektion zeigte sich eine Abflachung der PED über einem hyperreflektiven Material mit mehreren feinen Lamellen. (Aus [36])
Leckage nach 3 Monaten wird daher nicht als Rezidiv bezeichnet. 90% der Patienten der TAP-Studie zeigten eine Leckage bei der 3-Monats-Kontrolle und wurden erneut behandelt. In der Regel wird die Läsion mit jeder Wiederholungsbehandlung kleiner und zeigt eine geringere Leckage.
9.11
Anti-VEGF-Therapie
Kurz nach einer Anti-VEGF-Therapie zeigt die Läsion eine deutlich geringere Fluoreszein-Leckage (⊡ Abb. 9.12). Die Läsion selbst verkleinert sich nicht und es sind möglicherweise weiterhin Silhouetten größerer Gefäße der
Läsion zu sehen. Nicht selten zeigt sich beim Follow-up nach einem Monat eine erneute Leckage der Läsionen, die leicht in der Fluoreszein-Angiographie erkennbar ist. Da die anti-VEGF-Therapie in der Regel häufig und wiederholt angewandt wird und eine Evidenz für dieses Vorgehen bislang fehlt, verzichten die meisten behandelnden Ärzte auf eine monatliche Fluoreszein-Angiographie. Im Allgemeinen wird die OCT zum Monitoring der Patienten genutzt. Die monatliche Gabe von VEGF-Hemmern ist möglicherweise die wirksamste Anwendungsart. Eine Anpassung der Therapiefrequenz anhand der OCT-Befunde beruht im Wesentlichen auf zwei Strategien: Bei der ersten wird der Patient monatlich kontrolliert und eine Injektion verabreicht, wenn sich im OCT Exsuda-
9
164
Kapitel 9 · Imaging bei AMD
⊡ Abb. 9.12a,b Anti-VEGF-Therapie. a Vor der Behandlung mit Bevacizumab ist eine klassische CNV mit Hyperfluoreszenz an den Außenrändern zu sehen. b Ein Monat nach Therapie hat sich die Fluoreszenzmenge verringert
9
a
tionszeichen zeigen. D. h. Zeichen für eine Exsudation können nicht länger als 1 Monat vor Therapie vorliegen. Der mögliche Nachteil dieser Methode liegt in der Nutzung der Makula als Indikator für die intraokuläre VEGF-Konzentration. Möglicherweise können rezidivierende Ödemanfälle bleibende Schäden verursachen. Nach der zweiten Strategie wird der Patient bei jedem Untersuchungstermin behandelt. Dafür wird die Zeit bis zum nächsten Kontrolltermin verlängert, wenn im OCT keine Exsudationzeichen zu sehen sind. Diese Strategie wird als »treat and extend« (behandeln und verlängern) bezeichnet. Die Behandlungsintervalle bei diesem Verfahren betragen oftmals 6, 7 oder 8 Wochen. Manche Patienten benötigen jedoch eine höhere Behandlungsfrequenz – ein Thema, das in Folgekapiteln noch näher beleuchtet wird. Fazit
▬ Fundusphotographie, Autofluoreszenz-Bildgebung und
▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
optische Kohärenztomographie bilden die zentralen nicht-invasiven Bildgebungsverfahren des Fundus bei Augen mit AMD. Die Einbindung der Information all dieser Verfahren verbessert unser Verständnis der Physiologie makulärer Gesundheit und Krankheit. Die nicht-invasive Bildgebung ergänzt die Ergebnisse der Angiographieuntersuchungen. Angiographische Verfahren liefern Informationen zur anatomischen Struktur und den pathophysiologischen Veränderungen bei AMD. Bei den meisten Augen genügt eine Fluoreszein-Angiographie, um die Diagnose zu stellen. Bei Verdacht auf polypoidale choroidale Vaskulopathie ist die Indozyaningrün-Angiographie hilfreich. Des Weiteren hilft die Indozyaningrün-Angiographie beim Ausschluss einer Hyperpermeabilität der Aderhautgefäße durch eine zentral seröse Chorioretinopathie.
b
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9
10
Optische Kohärenztomographie S. Wolf
10.1
Einleitung
10.2
Technik der SD-OCT – 168
10.3
SD-OCT bei altersabhängiger Makulopathie – 169
10.4
OCT bei geographischer Atrophie – 171
10.5
OCT bei exsudativer AMD – 171
10.6
SD-OCT für Nachuntersuchungen und Therapiekontrolle bei der exsudative AMD – 172 Literatur
– 168
– 174
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
168
Kapitel 10 · Optische Kohärenztomographie
Kernaussagen ▬ Die Fluoreszein-Angiographie ist zwar der Gold-
▬
▬ ▬
▬
10
▬ ▬
10.1
standard für die Diagnostik der exsudativen AMD, aber für die optische Kohärenztomographie (OCT) spielt eine zunehmende Rolle in der klinischen Diagnostik. Die OCT-Bildgebung bei der AMD wird eingesetzt um die Netzhautdicke zu bestimmen, intra- oder subretinale Flüssigkeitsansammlungen zu detektieren, die Integrität der einzelnen Netzhautschichten zu beurteilen und subretinale Pathologien darzustellen. Die entscheidenden Vorteile der SD-OCT-Technik sind die hohe Scangeschwindigkeit und die verbesserte Auflösung Bei der altersabhängigen Makulopathie erlaubt die SD-OCT-Technik eine Differenzierung der verschiedenen Drusenarten und Abschätzung des Schädigungsgrades der äußeren Netzhautschichten. Bei der atrophen AMD lässt sich mit Hilfe der SDOCT-Bildgebung der Verlust der Photorezeptoren nachweisen und pathologische Veränderungen im Randbereich der Atrophie quantifizieren. Bei der exsudativen AMD lassen mit der SD-OCTTechnik sich die verschiedenen Typen einer CNV diagnostizieren. Die qualitative Beurteilung von SD-OCT-Netzhautschnitten und Bestimmung der Netzhautdicke ist für die Therapiekontrolle einer Anti-VEGF-Therapie bei exsudativer AMD entscheidend.
Einleitung
Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik haben zu einem besseren Verständnis der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) geführt. Aktuell ist die Fluoreszein-Angiographie der Goldstandard zur Darstellung von pathologischen Veränderungen, für die Therapiekontrolle und die Definition der verschiedenen Typen der exsudativen AMD. In den letzten Jahren hat jedoch die optische Kohärenztomographie (OCT) die Bildgebung in der Ophthalmologie revolutioniert. Die Einführung des OCT 1991 [13, 16, 25] und seine Anwendung in der klinischen Routine seit 1995 [1, 2, 4, 7, 8, 9, 11, 23, 35, 36] hat unser Verständnis verschiedener Netzhauterkrankungen verbessert. Die Einführung des Spectral-Domain-OCT (SD-OCT) [20, 32] hat zu einer erheblichen Verbesserung der Bildqualität geführt. Hierzu tragen die erheblich höhere Scangeschwindig-
keiten und die bessere Bildverarbeitung bei. Durch diese Verbesserungen der Technik ist die klinische Bedeutung des OCT dramatisch angestiegen. Zurzeit wird die OCT-Bildgebung bei der AMD verwendet um die Netzhautdicke zu bestimmen, intra- oder subretinale Flüssigkeitsansammlungen zu detektieren, die Integrität der einzelnen Netzhautschichten zu beurteilen, und subretinale Pathologien darzustellen.
10.2
Technik der SD-OCT
Das OCT basiert auf einer interferometrischen Bildgebungstechnik, die Schnittbilder erzeugt, indem die tiefenaufgelösten Reflexionen eines wenig kohärenten Lasers detektiert werden. Spektral oder Fourier-DomainOCT bedeutet, dass das optische Spektrum des »Lowcoherence«-Interferometers mittels Fourier-Transformation ausgewertet wird. Hieraus können in Objekten mit verschiedenen Schichten, so wie in der Retina, die Dicke und Reflektivität dieser Schichten bestimmt werden. Dieses erlaubt die Rekonstruktion eines A-Scans. Die Spektral-OCT(SD-OCT)-Technik ermöglicht die Aufnahme von 25.000–100.000 A-Scans/s. Die axiale Auflösung der A-Scans eines OCT ist von der Bandbreite der »Low-coherence«-Lichtquelle abhängig. Die meisten kommerziellen OCT-Systeme verwenden eine superlumineszente Diode (SLD) mit einer Bandbreite von etwa 20 nm. Dieses ergibt eine axiale Auflösung von 5–10 μm. Die transversale Auflösung eines OCT Bildes ist durch die Optik des Auges, die niedrige numerische Apertur des Beleuchtungsstrahls und die Zahl der A-Scans, die zur Rekonstruktion eines B–Scans verwendet werden, begrenzt [10]. Die Penetration des Laserlichts durch das retinale Gewebe limitiert die Bildtiefe. Kommerzielle OCT-Systeme verwenden Lichtquellen mit einer Wellenlänge zwischen 800–900 nm, was eine gute Darstellung der Retina, aber begrenzte Abbildung der Chorioidea erlaubt. Zur besseren Darstellung der Chorioidea können Wellenlängen über 1000 nm verwendet werden [10, 26, 37]. Alle kommerziell erhältlichen SD-OCT-Systeme erzeugen OCT-Linienscans mit hoher Auflösung. Ebenfalls verfügen alle SD-OCT-Systeme über verschiedene Scan-Muster zur Erzeugung von dreidimensionalen OCT-Bildern (⊡ Abb. 10.1). Zusätzlich gibt es spezielle Scan-Muster um die Nervenfasern um die Papille darzustellen. Durch Segmentierung der Netzhautschichten lassen sich Dickenkarten aus den dreidimensionalen OCT-Bildern berechnen (⊡ Abb. 10.2) [18, 19, 30, 33, 34]. ⊡ Abb. 10.3 zeigt ein SD-OCT-Bild eines gesunden Auges eines 80-jährigen Probanden. Die Aufnahme wur-
169 10.3 · SD-OCT bei altersabhängiger Makulopathie
de mit dem Spectralis HRA+OCT (Heidelberg Engineering, Heidelberg, Germany) und zeigt die Integrität aller Netzhautschichten. Zur Verbesserung des Signal/ Rausch-Verhältnisses wurden 36 einzelne OCT-Scans gemittelt, was eine Verbesserung des Signal/Rausch-Ver-
hältnisses um den Faktor 6 bedeutet. Die Mittelung von OCT-Scans erfordert die Korrektur von Augenbewegungen, die während der Bildaufnahme auftreten. Zurzeit ist das Spectralis HRA+OCT das einzige kommerzielle System, das Korrektur von Augenbewegungen in Echtzeit ermöglicht.
10.3
⊡ Abb. 10.1 Volumen- der 3D-Scan bei einem Patienten mit exsudativer AMD aufgenommen mit dem Spectralis HRA+OCT. Der 3D-Scan deckt ein Areal von 6×6 mm ab und setzt sich aus 50 Einzelscans zusammen
⊡ Abb. 10.2 Dickenkarte, die aus dem 3D-Scan aus Abb. 10.1 rekonstruiert wurde
SD-OCT bei altersabhängiger Makulopathie
Die Kennzeichen der altersabhängigen Makulopathie (ARM) sind verschiedene Arten von Drusen (weiche, konfluierende oder retikuläre) und Veränderungen des retinalen Pigmentepithels (RPE). Bei den verschiedenen Typen von Drusen handelt es sich um »basal laminar deposits«, weiche, konfluierende und retikuläre Drusen. Mit dem SD-OCT können weiche Drusen als Erhebungen des RPE dargestellt werden. Drusen sind mittelreflektiv und sehr oft kann man die Bruch-Membran unter den Drusen sehen (⊡ Abb. 10.4 und ⊡ Abb. 10.5). Drusen sind sehr variabel in ihrer Größe. Über großen Drusen kann das RPE-Band, der IS/OS-Komplex, und die Membrana limitans externa irregulär oder zerstört sein (⊡ Abb. 10.6). Diese Veränderungen deuten auf einen Schaden der Photorezeptoren im Bereich großer Drusen hin und können die Sehstörungen, die von Patienten mit großen Drusen berichtet werden, erklären. Retikuläre Drusen in SD-OCT-Bildern sind als ein verdicktes Reflexionsband über dem RPE zu erkennen (⊡ Abb. 10.7). In der Regel sind die äußeren Netzhautschichten im Bereich von retikulären Drusen nicht verändert. Sehr große weiche Drusen können als drusenoide Pigmentepithelabhebungen (PED) imponieren. In SD-OCT-Bildern zeigt eine drusenoide PED eine deutliche Abhebung des RPE, die Druse selbst erscheint hyporeflektive und die Bruch-Membran ist gut zu sehen (⊡ Abb. 10.8). Pigmentveränderungen erscheinen in SDOCT-Scans meist hyperreflektiv. Sie können bis zu den inneren Netzhautschichten reichen und zu lokalen Störungen der retinalen Schichten führen.
⊡ Abb. 10.3 Normale Netzhaut bei einem 80-jährigen Mann aufgenommen mit dem Spectralis HRA+OCT. Die einzelnen Netzhautschichten können gut abgegrenzt werden
10
170
Kapitel 10 · Optische Kohärenztomographie
⊡ Abb. 10.4 SD-OCT-Scan eines 65 Jahre alten Mannes mit großen Drusen. Die Drusen sind unter dem RPE zu sehen und weisen eine mittlere Reflektivität auf
⊡ Abb. 10.5 SD-OCT-Bild der Makula eines 72 Jahre alten Patienten mit großen Drusen. Unter den Drusen kann man die Bruch-Membran sehen. Die äußeren Netzhautschichten über den Drusen zeigen deutliche Veränderungen
10
⊡ Abb. 10.6 SD-OCT-Bild von der Makula bei einer 66-jährigen Patientin mit vielen Drusen. Die äußeren Netzhautschichten oberhalb der Drusen weisen deutliche Zeichen einer Destruktion auf
⊡ Abb. 10.7 SD-OCT-Bild einer Patientin mit retikulären Drusen. Der OS/OS-Komplex ist deutlich gewellt und unterhalb sieht man ein verdicktes hyperreflektives Band
⊡ Abb. 10.8 SD-OCT-Bild einer Patientin mit einer drusenoiden PED. Das Drusenmaterial ist hyporeflektiv. Die Bruch-Membran ist deutlich unterhalb der drusenoiden PED sichtbar
171 10.5 · OCT bei exsudativer AMD
⊡ Abb. 10.9 SD-OCT-Bild eines 82-jährigen Patienten mit geographischer Atrophie. Man erkennt eine Verdünnung des RPE, den Verlust des OS/IS-Komplexes und der Membrana limitans externa
⊡ Abb. 10.10 SD-OCT-Scan bei einer 77jährigen Patientin mit okkulter CNV. Man erkennt die CNV als hyperreflektive Struktur unter dem RPE. Zusätzlich ist die BruchMembran unter der CNV und subretinal Flüssigkeit zu sehen
10.4
OCT bei geographischer Atrophie
Eine geographische Atrophie (GA) ist häufig der Grund für einen schweren Visusabfall bei Patienten mit altersabhängiger Makuladegeneration (AMD) [14, 22, 31]. Die Atrophie betrifft nicht nur das RPE, sondern auch die äußere neurosensorischen Netzhaut und die Choriokapillaris [11, 15, 35]. In Arealen einer geographischen Atrophie zeigen SD-OCT-Scans eine Verdünnung oder einen Verlust des RPE (⊡ Abb. 10.9). Die Bruch-Membran ist in der Regel als dünne Linie sichtbar. Die äußeren Netzhautschichten wie der IS/OS-Komplex und die Membrana limitans externa sind in der Regel massiv verändert oder nicht darstellbar. Die äußere Körnerschicht kann in Bereichen der geographischen Atrophie fehlen. Die äußere plexiforme Schicht ist häufig in direktem Kontakt zum RPE, was zu einer deutlichen Verdünnung der Netzhaut in diesen Arealen führt. Die inneren Netzhautschichten zeigen in der Regel wenige Veränderungen. In der Übergangszone zwischen normaler Netzhaut und atrophen Arealen kann man migriertes RPE und schwere Veränderungen der äußeren Netzhautschichten nachweisen [11, 35].
10.5
OCT bei exsudativer AMD
Die exsudative oder neovaskuläre AMD schließt chorioidale Neovaskularisationen (CNV), retinale Pigmentepithelabhebungen, PRE-Risse, fibrovaskuläre Narben, subre-
tinale Massenblutungen und Glaskörperblutungen ein. Die Patienten bemerken Verzerrt-Sehen, eine Visusabfall oder Zentralskotome. Die Symptome werden durch subretinale oder intraretinale Flüssigkeit, Blut oder Zerstörungen der Photorezeptoren und des RPE durch fibrovaskuläres Narbengewebe verursacht [3, 12]. Der »Goldstandard« für die Diagnose und Klassifikation des exsudativen AMD ist die Fluoreszein-Angiographie [21]. Die neovaskuläre Läsion kann als klassische und okkulte CNV klassifiziert werden. Eine okkulte CNV kann in der Fluoreszein-Angiographie zwei unterschiedliche Fluoreszenz-Muster aufweisen: ▬ Fibrovaskuläre Pigmentepithelabhebung ▬ Spätleckage unbestimmter Herkunft Bei der fibrovaskulären Pigmentepithelabhebung sieht man eine irreguläre Abhebung des RPE mit punktförmiger Hyperfluoreszenz in der Spätphase der Angiographie. Bei der Spätleckage unbestimmter Herkunft sieht man in der Spätphase der Angiographie eine Hyperfluoreszenz, deren Herkunft in der Frühphase nicht bestimmt werden kann. In SD-OCT-Bildern ist die neovaskuläre Läsion meist als hyperreflektive Struktur mit begleitender suboder intraretinaler Flüssigkeitsansammlung sichtbar (⊡ Abb. 10.10). Bei der okkulten CNV ist die hyperreflektive Struktur meist unter dem PRE lokalisiert, während bei klassischer oder gemischter CNV die hyperreflektive Struktur anterior des RPE zu sehen ist (⊡ Abb. 10.11). Andere Zeichen der neovaskulären Läsion wie harte Exsudate oder Blutungen sind in der Regel als hyperreflektive Strukturen sichtbar.
10
172
Kapitel 10 · Optische Kohärenztomographie
a
⊡ Abb. 10.11a,b a SD-OCT-Bild einer klassischen CNV bei einer 68-jährigen Patientin. Die CNV ist als hyperreflektive Struktur anterior des RPE sehen. b SD-OCT-Bild einer okkulten CNV bei einer 72-jährigen Patientin mit fibrovaskulärer PED. Der die Neovaskularisation ist unterhalb des RPE zu erkennen
10.6
10
b
SD-OCT für Nachuntersuchungen und Therapiekontrolle bei der exsudative AMD
Die Behandlung der exsudativen AMD wurde durch die Einführung der intravitrealen Anti-VEGF-Therapie revolutioniert [5, 6, 24, 27, 28]. Heute sind wichtige Fragestellungen bei der Anti-VEGF-Therapie für die exsudative AMD das genaue Therapieschema und insbesondere Wiederbehandlungskriterien. Im Allgemeinen wird eine Wiederbehandlung bei allen Augen mit aktiver neovaskulärer Läsion empfohlen. Die OCT-Technik kann helfen, diese Augen zu identifizieren. Auch wenn es bisher keine prospektiven Studien gibt, die den prädiktiven Wert der SD-OCT-Bildgebung für die Wiederbehandlung bei der exsudativen AMD belegen, wird die OCT-Technik doch breit eingesetzt, um die Wiederbehandlung mit Anti-VEGF-Medikamenten zu steuern. Verschiedene Studien haben die mit einem OCT bestimmte Netzhautdicke als Wiederbehandlungskriterium untersucht [17, 29]. Allerdings wurden diese Studien mit der älteren Time-Domain-OCT-Technologie durchgeführt. Da jedoch die Bestimmung der Netzhautdicke bei pathologisch veränderten Netzhautschichten auch mit der neuen SD-OCT-Technik sehr variabel ist, wurde vorgeschlagen, nicht die Netzhautdicke (⊡ Abb. 10.12), sondern qualitative Parameter wie das Vorliegen intra- oder subretinaler Flüssigkeit (⊡ Abb. 10.13) heranzuziehen. In einzelnen OCT-Scans können jedoch kleine Flüssigkeitsansammlungen leicht übersehen werden; deshalb wird
⊡ Abb. 10.12 Retinale Dickenkarten, die von dreidimensionalen OCT-Scans mit 49 B-Scans berechnet wurden. Die oberste retinalen Dickenkarte wurde 4 Wochen nach einer intravitrealen Anti-VEGFTherapie wegen exsudativer AMD aufgenommen. Die Dickenkarte unterhalb zeigt die Netzhautdicke direkt vor der Injektion. Man kann eine Reduktion der zentralen Netzhautdicke von 502 μm auf 425 μm. Die unterste Dickenkarte zeigt die Dickendifferenz zwischen den beiden Messzeitpunkten
173 10.6 · SD-OCT für Nachuntersuchungen und Therapiekontrolle bei der exsudative AMD
a
b
⊡ Abb. 10.13a–d Serie von 4 SD-OCTBildern einer Patientin mit okkulter CNV, die mit intravitrealer Anti-VEGF-Therapie behandelt wird. a SD-OCT-Scan vor der Therapie. Man erkennt eine fibrovaskuläre PED mit deutlicher subretinaler Flüssigkeit. b SD-OCT-Scan 4 Wochen nach intravitrealer Anti-VEGF-Therapie ohne subretinale Flüssigkeit. c Auftreten erneuter subretinaler Flüssigkeit nach Therapieunterbrechung für 8 Wochen. d SD-OCT-Scan 4 Wochen nach erneuter intravitrealer Anti-VEGF-Therapie. Es ist noch etwas subretinale Flüssigkeit zu sehen, was anzeigt, dass die neovaskuläre Läsion weiterhin aktiv ist und weiterer Therapie bedarf
c
d
⊡ Abb. 10.14 SD-OCT-Bild der Makula einer 72-jährigen Patientin mit subretinaler Fibrose als Folge einer okkulten CNV. Man erkennt intraretinale zystoide Veränderungen, die auf eine Netzhautdegeneration hinweisen
empfohlen, dreidimensionale OCT-Scans, die einen großen Teil der Makula abdecken, zu verwenden. Die Scans sollten nach dem Vorliegen sub- oder intraretinaler Flüssigkeit abgesucht werden. Zu beachten ist jedoch, dass intraretinale Flüssigkeit nicht nur ein Zeichen einer aktiven CNV, sondern auch Zeichen eines degenerativen Prozesses bei fibrovaskulären Narben sein kann (⊡ Abb. 10.14).
Fazit Die SD-OCT-Technologie hat die Bildgebung bei retinalen Erkrankungen entscheidend verbessert. So wird die SD-OCTBildgebung zur Diagnostik und Therapiekontrolle der AMD eingesetzt. Insbesondere zur Steuerung einer Anti-VEGFTherapie ist die Detektion von intra- oder subretinalen Flüssigkeitsansammlungen in SD-OCT-Bildern entscheidend.
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174
Kapitel 10 · Optische Kohärenztomographie
Literatur
10
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10
11
Mikroperimetrie E. Midena, E. Pilotto Übersetzt von T. Boll
11.1
Einleitung
– 178
11.2
Technische Entwicklung – 178
11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5
Von der manuellen zur automatischen Mikroperimetrie – 179 Automatische Mikroperimetrie – 179 Mikroperimetrie: Durchführung der Untersuchung – 180 Mikroperimetrie: Auswertung – 181 Weitere Mikroperimeter – 183
11.3
Mikroperimetrie bei AMD – 183
11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4
Frühe AMD – 183 Geographische Atrophie – 185 Neovaskuläre AMD – 186 Therapie der neovaskulären AMD
Literatur
– 188
– 191
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
178
Kapitel 11 · Mikroperimetrie
Kernaussagen ▬ Die altersabhängige Makuladegeneration verur▬
▬
▬
▬
11
11.1
sacht Veränderungen der Sehfunktion, die vor allem anhand der Sehschärfe gemessen werden. Eine exakte Messung der fundusbezogenen retinalen Sensitivität sowie der retinalen Fixationscharakteristika ist bei Augen mit AMD unerlässlich. Diese Parameter können nicht durch eine Messung der Sehschärfe gewonnen werden. Mikroperimetrie (Fundusperimetrie) erlaubt eine präzise Quantifizierung der retinalen Sensitivität und Fixation bei makulären Funktionsstörungen und ermöglicht genaue und reproduzierbare Verlaufskontrollen. Sowohl bei früher als auch bei fortgeschrittener AMD zeigt die Mikroperimetrie, dass Veränderungen der retinalen Sensitivität auch makuläre Veränderungen betreffen, wie die modernen makulären Bildgebungsverfahren (OCT, Fundusautofluoreszenz) nachweisen. Zudem erfasst die Mikroperimetrie makuläre Störungen möglicherweise früher als andere retinale Bildgebungsverfahren. Mikroperimetrie ergänzt andere bildgebende Verfahren bei der Diagnostik und Verlaufskontrollen der behandelten und der unbehandelten AMD, indem sie im Vergleich zur Sehschärfenmessung wichtige zusätzliche Informationen über die Sehfunktion liefert.
Einleitung
Das Endstadium einer fortgeschrittenen altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) kann einen irreversiblen und schweren Sehverlust darstellen. Das Fortschreiten der Sehverschlechterung und die Quantifizierung der finalen Restfunktion wird derzeit mit Hilfe diagnostischer Tests bestimmt, die auf den physiologischen und mathematischen Gesetzmäßigkeiten der Psychophysik basieren [18]. Der bekannteste dieser Tests ist die Messung der Sehschärfe: ein klassischer psychophysischer Test. Visuelle psychophysikalische Tests sind die Grundpfeiler der Untersuchung der Sehfunktion, und jeder medikamentöse oder physikalische Ansatz zur Behandlung der AMD erfordert als vornehmlich interessierenden Studienendpunkt den Erhalt (oder die Verbesserung) der Sehfunktion. Erst kürzlich wurden subtile und frühzeitige neurosensorische Abweichungen in Augen mit sehr frühen durch AMD bedingten Läsionen entdeckt. Die
Psychophysik wurde als Möglichkeit entwickelt, interne sensorische und perzeptuelle Reaktionen auf äußere Stimuli bei Menschen und Tieren zu messen. Psychophysikalische Prüfungen der Sehfunktion mögen die neurale Aktivität des gesamten Sehvorgangs widerspiegeln, jedoch ist bekannt, dass diese Tests wertvolle klinische Indikatoren für Störungen der retinalen Funktion sind, die durch metabolische und anatomische Veränderungen bei makulären Funktionsstörungen hervorgerufen werden. Tatsächlich klagen viele AMD-Patienten über beeinträchtigte Sehkraft bei gedämpftem Licht und über Schwierigkeiten beim Erkennen der Konturen eines Objektes bei ungünstigen Kontrastbedingungen, sogar wenn sie über eine gute Sehschärfe und ein unbeeinträchtigtes Gesichtsfeld verfügen. Zudem kann die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei AMD-Patienten bereits vor einem Verlust der Sehkraft beeinträchtigt sein, bedingt durch Sorge um die Zukunft und eine emotionale Reaktion auf Diagnose und Behandlung ihrer Erkrankung. Die Sehschärfe wird nach wie vor als Goldstandard in der klinischen Praxis der Sehtestung betrachtet, doch bildet sie die funktionale Sehkraft nicht komplett ab. Dieser Ansatz wird besser durch eine Verwendung aller verfügbaren psychophysikalischen Tests quantifiziert (Sehschärfe, Farbsehen, Kontrastempfindlichkeit, makuläre Erholungsfunktion, Perimetrie und Mikroperimetrie). Fundusperimetrie ist das diagnostische Verfahren, das in Echtzeit eine exakte Korrelation der Sensitivitätsschwelle jedes Areals der Netzhaut mit dem morphologischen Aspekt dieses Areals ermöglicht. Sie dokumentiert auch die Lokalisation und Stabilität der Fixation. Besser bekannt ist die Fundusperimetrie unter dem Begriff Mikroperimetrie, eine Bezeichnung, die eingeführt wurde, als das Scanning-Laser-Ophthalmoskop (SLO) erstmals eine einfache und zuverlässige Dokumentation der oben erwähnten Korrelation erlaubte [21].
11.2
Technische Entwicklung
Durch die Mikroperimetrie konnten retinale Einzelstrukturen ihrer korrespondierenden Funktion zugeordnet werden. Die Mikroperimetrie ermöglicht eine exakte topographische Korrelation zwischen Fundusveränderungen und korrespondierenden funktionalen Störungen, indem sie unterschiedliche Schwellenwerte für Lichtempfindlichkeit (auch retinale Sensitivität genannt) in die bildliche Darstellung des Fundus integriert. Des Weiteren ermöglicht das Verfahren eine Messung der Fixationscharakteristika, indem es exakt Position und Stabilität eines jedweden fovealen oder extrafovealen Fixationsortes definiert sowie die Bestimmung von Größe, Ort und Form
179 11.2 · Technische Entwicklung
eines Skotoms. Darüber hinaus ist die Möglichkeit einer automatisierten Verlaufskontrolle, die eine Überprüfung exakt derselben retinalen Punkte wie bei der Eingangsuntersuchung erlaubt, und zwar unabhängig von einer Veränderung der Fixationseigenschaften, ein wertvolles Instrument dieser Technik, besonders für die Evaluation des Therapieergebnisses. Die Mikroperimetrie bietet bei der Messung der makulären Sensitivität etliche Vorteile gegenüber der Standardperimetrie, wie z. B. unmittelbare Funduskontrolle in Echtzeit, direkte Korrelation zwischen Sensitivität und Fundusdetails, Erfassung zentraler Mikroskotome und kontinuierliche Überwachung der Fixation.
11.2.1
Von der manuellen zur automatischen Mikroperimetrie
Das originale Scanning-Laser-Ophthalmoskop (SLO, Rodenstock, Deutschland) war das erste Instrument, das einen statischen Perimetrietest mit einer simultanen Funduskontrolle kombinierte. SLO erlaubte eine Echtzeituntersuchung der Retina mittels einer Infrarotquelle (IR) und ermöglichte die manuelle Projektion visueller Reize unterschiedlicher Formen, Größen und Intensitäten auf ausgewählte Bereiche der Retina [21]. Am Ende der Untersuchung erhielt man abhängig vom gewählten Stimulationsmuster eine Karte der Sensitivität (in dB oder Falschfarben). Diese Karte enthielt das Fixationsareal, das Fixationsziel und die Daten zur Reizschwelle. Die SLOMikroperimetrie erlaubte jedoch keine komplett automatisierten Erst- und Follow-up-Untersuchungen. Zudem erfuhr das SLO-Perimeter nie eine wirkliche technologische Verbesserung, was die hauptsächliche Einschränkung für eine breite Anwendung im klinischen Alltag darstellte. Das SLO-Mikroperimeter ist nicht mehr im Handel erhältlich. Vor wenigen Jahren wurde ein vollautomatisches Mikroperimeter in die klinische Nutzung eingeführt: das MP1-Mikroperimeter (Nidek, Japan). Dieses Gerät erlaubt eine schnelle, zuverlässige, funktionale fundusbezogene Untersuchung von Fixation und Skotomeigenschaften bei Patienten mit retinalen und choroidalen Erkrankungen bei topographischer Genauigkeit und Retest-Reliabilität sogar bei geringer Sehschärfe und instabiler und exzentrischer Fixation [13, 15, 37]. Rohrschneider et al. verglichen MP1- und SLO-Mikroperimeter und fanden, dass beide Geräte die retinale Sensitivität und Fixationseigenschaften analysierten und dass die Ergebnisse beider Geräte direkt miteinander vergleichbar waren [24]. Dennoch ist das MP1 gegenüber SLO im Vorteil, bedingt durch das automatische Echtzeit-Alignmentsystem, ein größeres
(Fundus-)Blickfeld (44°×36°-MP1 versus 33°×21°-SLO) und Farbbildgebung. Die Schwellenwerte, die vom Mikroperimeter MP1 erfasst werden, sind reproduzierbar, und es existieren altersbezogene normative Vergleichsdaten [16].
11.2.2
Automatische Mikroperimetrie
Die Entwicklung dieses Mikroperimeters hat zu einer erheblichen Ausweitung der Mikroperimetrie-Anwendung im klinischen Alltag geführt, wodurch wichtige Informationen über funktionale Veränderungen bei schweren makulären und extramakulären Störungen gewonnen werden. Das MP1-Mikroperimeter leistet eine automatische Fundusperimetrie und erlaubt präzise automatische Verlaufskontrollen, unabhängig von der Ausgangsfixation. Ein internes Flüssigkristall-Display (6,5« LCD, 640×480 Pixel) fungiert als Projektionssystem, so dass diese Technik Flüssigkristall-Display-Mikroperimetrie genannt wurde [15]. Die projizierten Bilder werden optisch mit dem CCD (charge-coupled device)-Sensor der IR-Kamera zusammengeführt. Die optische Konjugation zwischen dem angebotenen Muster und dem erhaltenen Fundusbild ergibt eine 1:1-Verknüpfung zwischen einem gegebenen Punkt der Projektionsfläche und einem bestimmten Punkt der Retina, abgebildet durch die CCD. Jedes Muster, das im Computer produziert und auf seinem Videomonitor angezeigt werden kann, kann ebenfalls simultan auf dem MP1-Flüssigkristall-Display angezeigt werden. Die MP1-Mikroperimetrie ist ein mesopischer Test und jedes Testauge sollte sich für eine kurze Zeit (5–10 Minuten) adaptieren, bevor die Untersuchung beginnt. Um verlässliche Daten zu erhalten, wird ein Pupillendurchmesser von 4 mm empfohlen, um eine optimale Bild- und Testqualität zu erreichen. Zudem beeinflusst eine Mydriasis die Testergebnisse nicht signifikant [24]. Jeder Reiz besteht aus einer kurzen Präsentation eines ausgewählten Luminanztests im LCD-Hintergrund. Die Lichtreize bewegen sich zwischen 0 und 20 dB auf einer Skala mit 1-dB-Schritten: 0 dB (400 asb, 1,27 Cd/m2) repräsentiert die maximale Reizluminanz des Gerätes und 20 dB (4 asb, 1,27 Cd/m2) die kleinste Reizluminanz. Die Stimulusintensität kann entsprechend dem Goldmann-Standard variiert werden: Von Größe I bis V (von 6,5–104 min/arc). Der Goldmann-Standard III ist die am häufigsten genutzte Größe bei automatischen Perimetern und SLO- und MP1-Mikroperimetern aufgrund ihrer höheren Verlässlichkeit in topographischer Hinsicht. Die Normalwerte der MP1-Mikroperimetrie wurden unter Verwendung dieser Stimulusintensität erhoben.
11
180
11
Kapitel 11 · Mikroperimetrie
Die Standard-Präsentationsdauer liegt zwischen 100 und 200 ms. Die detektierten Schwellenwerte der Lichtunterschiedsempfindlichkeit verändern sich bei der MP1-Mikroperimetrie nicht unabhängig von der Präsentationsdauer des Reizes (100 ms und 200 ms). Eine Verminderung der Schwellenwerte für Lichtunterschiedsempfindlichkeit wird als dichtes (oder absolutes) Skotom bezeichnet, wenn die Reize auch bei hellster Stimulusintensität nicht wahrgenommen werden. Zeigt ein untersuchtes Areal einen reduzierten Schwellenwert für Lichtunterschiedsempfindlichkeit, repräsentiert dies, abhängig von Lebensalter und untersuchtem Retinagebiet, ein relatives Skotom. Am Ende der Untersuchung kann der Anwender eine farbige Fundusphotographie erstellen. Dieses Bild wird dann am IR-Referenzrahmen ausgerichtet, so dass die funktionalen Ergebnisse (Fixationsort und Sensitivitätskarte) automatisch mit dem Fundusfarbphoto in Deckung gebracht werden. Dies stellt einen wichtigen Vorteil für den Kliniker dar, dem dadurch ein direkter Vergleich zwischen funktionalen Ergebnissen und realen Fundusdetails ermöglicht wird, vor allem im Vergleich zur SLO-Mikroperimetrie, bei der nur ein Vergleich mit IR- (schwarz-weißen) Fundusbildern möglich war. Die MP1-Software beinhaltet ein automatisches Tracking-System für Augenbewegungen. Verglichen mit der konventionellen Weiß-auf-weiß-Perimetrie ist der Standardhintergrund für die MP1-Mikroperimetrie ein weißer Hintergrund mit einer Luminanz von 1,27 Cd/m2 (4 asb). Die Software bietet eine Auswahl verschiedener Fixationsziele: Abhängig von der Sehschärfe des Patienten sowie makulären funktionalen und anatomischen Eigenschaften können Größe und Form des Fixationsziels verändert werden. Das am häufigsten genutzte Fixationsziel ist ein einfaches Kreuz. Es kann in Größe (1–20°), Dicke und Farbe variiert werden. Das Standardkreuz ist rot und auf 100 asb Luminanz eingestellt. Das gefüllte Einzelkreuz empfiehlt sich auch bei Patienten mit einem die Fovea betreffenden zentralen Skotom, die eine stabile exzentrische Fixation entwickelt haben. Um die Testgenauigkeit zu erhöhen, können die vier Kreuze oder ein Ring als parazentrale Fixationsziele genutzt werden. Dies erleichtert es Patienten mit instabiler Fixation, eine möglichst stabile Fixation auf das Zentrum zu erreichen. Ein kleiner Ring (1°) sollte genutzt werden, wenn den Untersucher der foveale Schwellenwert für Lichtunterschiedsempfindlichkeit ohne mögliche Überschneidung mit dem Fixationsziel, wie beim zentralen Kreuz, interessiert. Der Ring kann im Radius (0,5–20°), in Dicke und Farbe angepasst werden. Der Standardring ist rot und auf 100 asb Luminanz eingestellt.
11.2.3
Mikroperimetrie: Durchführung der Untersuchung
In Abhängigkeit von der klinischen Situation stehen verschiedene standardisierte psychophysikalische Reizschwellenschemata zu Auswahl: ▬ 4-2-1-Treppenschema: der genauste (jedoch besonders zeitaufwändige) der psychophysikalischen Tests ▬ 4-2-Treppenschema ▬ Schnellschema Während der Mikroperimetrie wird in gewählten Intervallen (von 20–60 s) ein Reiz auf das Gebiet des blinden Flecks projiziert, um die Verlässlichkeit des Patienten während der Untersuchung zu prüfen. Das ideale topographische Testraster erlaubt einerseits die Aufdeckung kleiner Skotome und vermeidet andererseits unnötige Testlokalisationen. Daher sollte die Auswahl des Testrasters mit großer Sorgfalt erfolgen unter Bevorzugung kurzer Testsitzungen und individueller Testeinstellungen. Auf der anderen Seite sollte das Muster für die Durchführung einer prospektiven klinischen Studie so gewählt werden, dass es eine Messung der Ausgangssituation sowie der funktionalen Nachbeobachtungsergebnisse (unter Anwendung eines automatischen Follow-up-Tests) erlaubt und so zur Klärung des Hauptziels der Studie beiträgt. Zur Quantifizierung der retinalen Schwellenwerte für Lichtunterschiedsempfindlichkeit wählt der Untersucher zu Beginn eine der folgenden topographischen Vorgehensweisen: vollautomatisch, semi-automatisch oder manuell. Die meisten Mikroperimetrie-Untersuchungen werden, wie die automatische Standardperimetrie, statisch durchgeführt. Auch eine kinetische Mikroperimetrie ist erhältlich und wurde in einigen klinischen Studien verwendet, um in kurzer Zeit die Ausdehnung absoluter Skotome zu messen. Das kinetische Verfahren ist weniger präzise als der statische Test. Testergebnisse werden in dB oder Falschfarben oder als interpolierte Falschfarbenkarten angegeben. Die Reizschwellen- und Fixationsergebnisse können auf dem IRBild oder (wie es üblicherweise gemacht wird) auf dem Farbfundusphoto angegeben werden. Die interpolierte Karte in Falschfarben kann nützlich sein, um einen allgemeinen Überblick zu erhalten und um das Ergebnis der Mikroperimetrie graphisch mit der Karte der optischen Kohärenztomographie zu vergleichen. Die Dauer jedes Tests hängt von folgenden Parametern ab: Anzahl der Stimuli, Prüfschema, Abweichung der Stimulusprojektionsrichtung zwischen dem Referenzfeld und der Echtzeitaufnahme und Eigenschaften des jeweiligen Patienten. Die Dauer beträgt üblicherweise etwa 5–6 Minuten für ein 45-Reize-Raster und etwa 7–9 Minuten
181 11.2 · Technische Entwicklung
für ein 77-Reize-Raster bei Testung gesunder Probanden. Die Dauer der Untersuchung steigt, wenn eine pathologisch veränderte Retina getestet wird. In diesen Fällen kann die Gesamtdauer der Untersuchung in kürzere Teile mit dazwischenliegenden Pausen gegliedert werden. Ziel des reinen Fixationstests ist es, Lage und Stabilität der Fixation im Zeitablauf zu bewerten. Während einer Fixationsuntersuchung wird der Patient gebeten, auf das (zuvor ausgewählte) Fixationsziel zu blicken, das für eine bestimmte Zeitdauer (üblicherweise 60 s) auf einen Hintergrund projiziert wird: Die horizontalen und vertikalen Shifts von Fundusdetails (im Vergleich zu einem anfänglichen Referenzrahmen) werden durch ein Tracking-System aufgezeichnet, so dass die Fixationspositionen über dem statischen Referenzfundusbild abgebildet werden können. Solch eine Analyse liefert die Möglichkeit einer genauen Detektion und Zuordnung des Fixationsverhaltens in Abhängigkeit von der Zeit im Vergleich zu den makulären anatomischen Orientierungspunkten, so dass sich daraus eine quantitative und objektive Beschreibung der Fixationseigenschaften ergibt. Diese Analyse wird automatisch bei jedem mikroperimetrischen Test durchgeführt und die Ergebnisse am Ende der Untersuchung dargestellt.
11.2.4
Mikroperimetrie: Auswertung
a
b
Das MP1-Fixationsmuster wird im Hinblick auf zwei Variablen eingestuft: ▬ Fixationslokalisation (definiert als Fixationsposition im Bezug auf das Zentrum der fovealen avaskulären Zone) ▬ Fixationsstabilität (definiert als die Fähigkeit des Auges, die Fixation im bevorzugten retinalen Ort beizubehalten) Gemäß Fujii et al. wird ein auf die Fovea zentriertes standardisiertes, zirkuläres, zentrales Fixationsareal mit 2° (etwa 700 μm) Durchmesser definiert, um den Fixationsort festzulegen [8] (⊡ Abb. 11.1 und ⊡ Abb. 11.2). ▬ Augen, bei denen mehr als 50% der bevorzugten Fixationspunkte innerhalb der zentralen Fixation liegen, werden als Auge mit überwiegend zentraler Fixation klassifiziert. ▬ Augen, bei denen mehr als 25% jedoch weniger als 50% der bevorzugten Fixationspunkte innerhalb der zentralen Fixation liegen, werden als Auge mit schlechter zentraler Fixation klassifiziert. ▬ Augen, bei denen weniger als 25% der bevorzugten Fixationspunkte innerhalb der zentralen Fixation liegen, werden als Auge mit überwiegend exzentrischer Fixation klassifiziert.
c
⊡ Abb. 11.1a–c Klassifikation der Fixationslokalisation: a zentral; b eingeschränkt zentral; c exzentrisch
▬ Augen, bei denen mehr als 75% der Fixationspunkte innerhalb eines Kreises mit 2° Durchmesser um das Zentrum der Fixation liegen, werden als stabil klassifiziert. ▬ Augen, bei denen weniger als 75% der Fixationspunkte innerhalb eines Kreises mit 2° Durchmesser,
11
182
Kapitel 11 · Mikroperimetrie
aber mehr als 75% der Fixationspunkte innerhalb eines Kreises mit 4° Durchmesser um das Zentrum der Fixation liegen, werden als relativ instabil klassifiziert. ▬ Wenn weniger als 75% der Fixationspunkte innerhalb eines Kreises mit 4° Durchmesser um das Zentrum der Fixation liegen, wird das Muster als instabile Fixation beschrieben.
11
Die beiden Variablen Fixationsstabilität und Fixationslokalisation wurden getrennt voneinander klassifiziert, da es Augen mit überwiegend exzentrischer und relativ instabiler Fixation geben kann. Nach Positionierung einer Orientierungsmarke im Zentrum der fovealen avaskulären Zone berechnet das Mikroperimeter automatisch die Klassifikation der Fixationseigenschaften. Wenn das Zentrum der fovealen avaskulären Zone nicht ausreichend sicher bestimmt werden kann, wird die Orientierungsmarke gemäß Sunness et al. positioniert: Die geschätzte Lage der fovealen avaskulären Zone befand sich demnach zwei Papillendurchmesser temporal der Papille und ein Drittel Papillendurchmesser unterhalb des Papillenzentrums. Seit kurzem ist eine Quantifizierung der Fixationseigenschaften mittels bivariabler Konturanalyse (»bivariate contour ellipse calculated area«; BCEA) möglich. Die BCEA gibt die horizontale und vertikale Augenposition in Bogenminuten wieder. Diese zweidimensionale Ellipse definiert den Teil der retinalen Oberfläche, der mindestens zu 68% der Messzeit im Zentrum der Bildgebung stand [39]. Unter Anwendung eines jeglichen automatischen (sogar speziell angepassten) statischen oder kinetischen Tests kann der Untersucher eine automatische Verlaufskontrolle bei der Nachbeobachtung jedes Patienten durchführen. Die Verlaufskontrolle wird topographisch exakt an den zuvor getesteten Retinapunkten durchgeführt und ist unabhängig von Änderungen der Fixation, da sich die Reizprojektion nur an stabilen anatomischen Orientierungspunkten ausrichtet. Zudem zeigt eine Karte die Schwellenwerte der Lichtunterschiedsempfindlichkeit für statische und kinetische Tests und ermöglicht so eine Überwachung der Krankheitsprogression. Auch der mittlere Schwellenwert für Unterschiedsempfindlichkeit und die Standardabweichung in dB werden angezeigt. Angesichts der zunehmenden Rolle der mikroperimetrischen Untersuchung bei den meisten Makulaerkrankungen und dem zunehmenden Einsatz alter und neuer morphologischer Diagnosetests (Fluoreszein- und Indozyaningrün-Angiographie, Fundusautofluoreszenz und OCT) zur Untersuchung derselben Retinaareale, ist es das Ziel, alle verfügbaren Informationen zusammen und zur
a
b
c ⊡ Abb. 11.2a–c Klassifikation der Fixationsstabilität: a stabil; b relativ instabil; c instabil
Deckung zu bringen. Daher ist es möglich, jede retinale Aufnahme eines Auges unabhängig vom Ursprungsgerät in das MP1-Mikroperimeter einzulesen und eine exakte und absolut verlässliche Deckung zwischen Reizschwellenkarte und Fixationsparameter mit dem Originalbild zu erhalten.
183 11.3 · Mikroperimetrie bei AMD
11.2.5
Weitere Mikroperimeter
Seit kurzem sind zwei neue Mikroperimeter auf dem Markt. Das erste ist ein LCD-Mikroperimeter mit denselben Hintergrund- und Stimulationseigenschaften wie das MP1-Mikroperimeter kombiniert mit einer SLO/OCT (SLO/OCT, Opko, USA). Dieses System ermöglicht es, die Karte zur mittleren retinalen Sensitivität (interpolierte Karte) mit einem IR-Bild oder der SLO/OCT-Karte zur Deckung zu bringen. Leider fehlt das Farbfundusphoto und der Abgleich zwischen retinaler Sensitivität und anatomischen Details oder der OCT-Dickenkarte ist im Wesentlichen eine Integration von Mittelwerten. Das zweite Gerät ist ein SLO-Mikroperimeter (MAIA, Centervue, Italien) mit einer besseren Bildgebung im Vergleich zum alten SLO-Mikroperimeter, einem größeren Sensitivitätsbereich (0–34 dB; zuvor nicht verfügbar) und einer sehr leistungsfähigen Software, jedoch ohne Deckungsabgleich mit einem Farbfundusphoto (sofern keines mit einem anderen Instrument erstellt wird). Altersbezogene Normaldaten liegen vor und die Untersuchung wurde als Screening-Test für Augen mit früher AMD vorgeschlagen.
11.3
Mikroperimetrie bei AMD
In den frühen Stadien der AMD berichten Patienten von Sehschwierigkeiten im täglichen Leben verglichen mit altersgleichen Personen mit normaler Retina, sogar dann, wenn ihr Fern- und Nahvisus unbeeinträchtigt ist. Wenn die AMD fortschreitet, kommt es bedingt durch die Entwicklung einer geographischen Atrophie oder einer choroidalen Neovaskularisation (CNV) zu einem zunehmenden Verlust der fovealen Funktion (gefolgt von einer Abnahme der Sehschärfe). Der Fernvisus ist der übliche Weg zur Messung der Sehleistung im klinischen Alltag, doch beschreibt er die funktionalen Seheinschränkungen von Patienten mit beeinträchtigtem zentralem Gesichtsfeld bei AMD nur unzureichend [31]. Daher sollte ein umfassenderer Ansatz zur Messung der makulären Funktion bei AMD gefördert werden. Die Mikroperimetrie ist eine nicht-invasive Methode, um Fixation und Defekte des zentralen Gesichtsfeldes genau zu untersuchen. Die Einführung der Mikroperimetrie in die klinische Forschung und Praxis makulärer Erkrankungen ermöglicht eine bessere Prüfung der Makulafunktion durch einen genauen Bezug auf die makuläre Morphologie, eine Überwachung des natürlichen Verlaufs und eine Messung von günstigen oder nachteiligen Therapieeffekten. Die Anwendung der Mikroperimetrie in klinischen Studien lieferte interessante diagnostische
und prognostische Informationen zu funktionalen Makulaveränderungen bei AMD-Patienten.
11.3.1
Frühe AMD
Frühe Manifestationen der AMD sind charakterisiert durch weiche mittelgroße Drusen (>63 μm) und Gebiete mit Veränderungen des retinalen Pigmentepithels (RPE), zumeist Hyperpigmentierung. Alternde RPE-Zellen zeigen eine altersabhängige Akkumulation von LipofuszinGranula als Nebenprodukt der ständigen Phagozytose lipidreicher distaler Außensegmente der Photorezeptoren. Lipofuszin verursacht das Phänomen der In-vivo-Autofluoreszenz und gilt als Biomarker für zelluläre Alterung und als Kumulationsindex oxidativer Schäden. Es wird angenommen, dass eine Lipofuszinakkumulation der Degeneration von Photorezeptoren vorangeht und diese induziert. Die funktionalen Auswirkungen der Photorezeptordegeneration wiederum zeigen sich durch Veränderungen der retinalen Sensitivität im zentralen Gesichtsfeld, einer Verlangsamung der Dunkeladaptation, einer reduzierten statischen und dynamischen Kontrastsensitivität und letztlich durch eine Abnahme der Sehschärfe. Histopathologische Studien der Retina von AMDPatienten zeigten Zelltod, strukturelle, kompositionelle und transskriptionelle Abweichungen sowie morphologische Veränderungen von Photorezeptorzellen in direkter Überlagerung von Drusen [11]. Eine Krümmung und Verkürzung innerer und äußerer Segmente der Stäbchen und Zapfen mit folgenden Änderungen der retinalen Dicke wurden ebenfalls beobachtet. Diese Strukturveränderung der Retina, verursacht durch die Degeneration von Photorezeptoren, kann einer abnehmenden Retinafunktion vorausgehen oder folgen, doch ist sie selten oder nie mit einer Reduzierung der Sehschärfe assoziiert. In der Vergangenheit wurden die funktionalen Begleiterscheinungen makulärer Drusen mittels Standardund SLO-Mikroperimetrie untersucht, und ergaben widersprüchliche Ergebnisse. Kürzlich erfolgte eine genaue Untersuchung der Auswirkung von Drusen und RPEVeränderungen durch Midena et al. [17]. Mittels MP1Mikroperimetrie fanden diese Autoren eine signifikante Abnahme der retinalen Sensitivität im Bereich großer Drusen und retinaler Pigmentanomalien, trotz normaler Sehschärfe. Liegen beide Läsionsarten vor, ist die retinale Sensitivität noch deutlicher reduziert als bei einzelnen Läsionen. Dieselben Autoren brachten die Mikroperimetrie-Karte mit einem Bild (blauer) Fundusautofluoreszenz zur Deckung und wiesen eine statistisch signifikante Verminderung der retinalen Sensitivität für Gebiete mit verstärkter Autofluoreszenz nach (⊡ Abb. 11.3).
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Kapitel 11 · Mikroperimetrie
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⊡ Abb. 11.3a, b Fundusfarbaufnahme (a) und Fundusautofluoreszenz (b) eines Auges mit großen weichen Drusen und Pigmentveränderungen mit überlagerter Sensitivitätskarte. Die Funktionskarte zeigt den Abfall der Sensitivität (relatives Skotom: gelbe Punkte; grün steht für normale Sensitivität und rot für absolutes Skotom) über Gebieten mit verstärkter Fundusautofluoreszenz, korrespondierend mit Drusen und verstärkter Pigmentation
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⊡ Abb. 11.4a, b Bilder einer blauen Fundusautofluoreszenz (a) und dem linearen Scan einer Spectral-Domain-OCT (b) eines Auges mit großen weichen Drusen. Die grüne Linie zeigt die in der OCT gescannten Linie, deren korrespondierende retinale Sensitivität durch farbige Quadrate dargestellt wird (grün: normal; gelb: relatives Skotom). Eine Minderung der retinalen Sensitivität (gelbe Punkte) zeigt sich über einem Gebiet mit verstärkter Fundusautofluoreszenz (a, weißer Pfeil), korrespondierend mit weichen Drusen und Veränderungen der Innen- und Außensegmentschicht der Photorezeptoren in der OCT (b, weißer Pfeil)
In Augen mit früher AMD und normaler Sehschärfe zeigte sich in der Time-Domain-OCT eine signifikante Verdünnung der gesamten Retina in Bereichen mit RPEAnomalien im Vergleich zu Bereichen ohne RPE-Verän-
derungen und im Bereich großer Drusen im Vergleich zu Gebieten ohne Drusen. Der statistische Zusammenhang mit mikroperimetrischen Veränderungen ist nur mäßig ausgeprägt. Dies liegt an den intrinsischen Limitationen
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der Auflösung der Time-Domain-OCT im Vergleich zur hohen Sensitivität der Mikroperimetrie, auch schwach ausgeprägte funktionale Veränderungen zu erfassen. Unter Anwendung der Spectral-Domain-OCT bestätigten Schuman et al. jedoch kürzlich, dass die retinale Dickenabnahme im Bereich von Drusen auf einer Abnahme der Photorezeptorschicht beruht; die retinale Sensitivität wurde dabei leider nicht untersucht [30] (⊡ Abb. 11.4). Wie bei früher diabetischer Retinopathie erweist sich die Mikroperimetrie auch bei früher AMD als frühzeitiger Biomarker für retinale Funktionsstörungen. Veränderungen der retinalen Sensitivität entstehen weit früher als Veränderungen der Sehschärfe und können sogar frühzeitiger als andere metabolische (Fundusautofluoreszenz) oder reine Bildgebungsverfahren (OCT) auf Störungen hinweisen. Die wachsende Bedeutung mittels Mikroperimetrie erfasster retinaler Sensitivitätsveränderungen als Studienendpunkt in der Therapie der frühen AMD bestätigt die wichtige Rolle der Retinafunktion für einen integrativen Therapieansatz bei makulären Erkrankungen.
11.3.2
Geographische Atrophie
Die geographische Atrophie (GA) stellt die atrophische Spätform der altersabhängigen Makuladegeneration dar. Die GA tritt üblicherweise beidseits auf und ist charakterisiert durch die Entwicklung atrophischer Gebiete des retinalen Pigmentepithels und der Neuroretina, die mit einem medianen Zuwachs von 1,5–2,1 mm2 pro Jahr langsam fortschreitet [35]. Die GA geht mit einem absoluten Skotom einher, dessen Ausbreitungsgrenzen mit denen des atrophischen Gebietes korrespondieren. Daher ist ein Fortschreiten der GA stets mit einem zunehmenden Verlust der Sehfunktion verbunden [35]. Die atrophischen Gebiete treten zunächst in der parafovealen Retina auf, und Patienten sind sich der funktionalen Einbußen nicht bewusst. Mit der Zeit können mehrere atrophische Areale miteinander verschmelzen und neue atrophische Gebiete hinzu kommen. In weiter fortgeschrittenen Stadien bilden die betroffenen Areale einen atrophischen Ring um die Fovea, der für einen langen Zeitraum stabil bleiben kann, ein Phänomen, das »foveal sparing« genannt wird [27]. Solange die Foveola nicht betroffen ist, bleibt die retinale Fixation zentral und stabil (⊡ Abb. 11.5). Das bedeutet, dass selbst ein kleines Restgebiet mit intakter retinaler Sensitivität hilfreich für die Fixation bei Patienten mit fortschreitenden atrophischen Läsionen bei AMD ist wie bei anderen langsam fortschreitenden atrophischen Erkrankungen, die auch die Makula betreffen [22].
⊡ Abb. 11.5 Fixationsort eines Patienten mit geographischer Atrophie bei AMD. Der Fixationsort ist in einem kleinen Restgebiet der Fovea lokalisiert, das noch nicht von der Atrophie betroffen ist
Die Fixationsmuster von Augen mit GA und zentralem Skotom wurden von Sunness et al. detailliert untersucht [34]. Mittels SLO-Mikroperimetrie suchten Sunness et al. nach der Lage des bevorzugten retinalen Fixationsortes (BRF) bei Patienten mit GA, die einen Verlust der fovealen Funktion aufwiesen und eine Sehschärfe im Bereich von 20/80 bis 20/200 hatten. Der BRF liegt am Rand des Hauptgebietes der Atrophie, vermutlich aufgrund der größeren Nähe zur fovealen Region, so dass das bestmögliche funktionale Ergebnis erreicht werden kann. Allerdings ist die Position des zentralen Skotoms im Verhältnis zum BRF ein entscheidender Faktor bei der Wahl des BRF. Patienten mit GA zeigen ein bevorzugtes Fixationsschema, bei dem sie die Fixation so ausrichten, dass das Skotom auf der rechten Seite des Gesichtsfeldes liegt. Bei der zweiten Adaptationswahl, die stets vom visuellen Cortex gesteuert wird, liegt das Skotom oberhalb der Fixation. Dieses Phänomen ist zum Teil durch die Lesebewegung bestimmt, um zu verhindern, dass der Von-links-nach-rechts-Leser durch eine Projektion des Skotoms über den Anfang des Textes gestört wird. Die Langzeitnachbeobachtung dieser Patienten ergab, dass die meisten das Fixationsmuster beibehielten, das sie bei der Eingangsuntersuchung ausgebildet hatten [34]. Die zunehmende Vergrößerung einer GA wird üblicherweise anhand eines Fundusfarbphotos beurteilt. Unlängst wurde gezeigt, dass eine Bildgebung mit Fundusautofluoreszenz (FAF) eine genaue Überwachung der GA-Progression ermöglicht [10, 28]. Ein absolutes
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Skotom korrespondiert mit hypofluoreszenten Arealen, wie die FAF-Bildgebung dokumentiert (⊡ Abb. 11.6). Zudem wurde ein abnormes Autofluoreszenz-Muster in der Übergangszone der GA (das Gebiet zwischen Atrophie und normaler Retina in der FAF) mit dem konfokalen SLO nachgewiesen [10]. Gebiete mit erhöhter FAF in der Übergangszone gehen einer Vergrößerung einer bereits bestehenden Atrophie und der allmählichen Entwicklung neuer Atrophieareale voraus [10]. Eine Untersuchung des zentralen Gesichtsfeldes mittels »fine matrix mapping« von Übergangszonen mit erhöhter FAF ergab eine deutliche Reduktion der skotopischen Sensitivität bei mäßiger Reduktion der photopischen Sensitivität [29]. Unter Anwendung der SLOMikroperimetrie sahen Schmitz-Valckenberg et al. eine reduzierte retinale Sensitivität in Grenzgebieten der GA mit erhöhter FAF im Vergleich zu Gebieten mit normaler FAF [26]. Diese Beobachtung legt nahe, dass eine pathologische Lipofuszin-Akkumulation im RPE rund um GA-Areale mit einer reduzierten retinalen Sensitivität als funktionalem Korrelat einhergeht. Jedoch könnte die reduzierte retinale Sensitivität unmittelbar auf Veränderungen der Photorezeptorfunktion entlang der Grenze des GA-Areals beruhen, wie Bearelly et al. kürzlich vermuteten [1]. Auch deuten vorläufige Ergebnisse an, dass die Nah-Infrarot-Autofluoreszenz besser mit Veränderungen der retinalen Sensitivität korreliert als die blaue FAF [38].
⊡ Abb. 11.6 Fundusautofluoreszenz-Bild mit überlagerter Sensitivitätskarte eines Patienten mit geographischer Atrophie bei AMD. Ein absolutes Skotom (ungefüllte rote kleine Quadrate) ist sichtbar, korrespondierend mit dem atrophiebedingt hypofluoreszenten Areal
Daher zeigt das GA-Modell, dass die retinale Sensitivität, deren zuverlässige Messung im Makulagebiet mit alleinigem Einsatz der Mikroperimetrie möglich ist, einer der besten Biomarker (mit FAF) ist, um ein Fortschreiten dieser Erkrankung zu erfassen und die Wirksamkeit eines therapeutischen Ansatzes zu prüfen. Die Rolle der Spectral-Domain-OCT als Biomarker der GA wird noch erforscht.
11.3.3
Neovaskuläre AMD
Die visuelle Beeinträchtigung von Augen mit neovaskulärer AMD steht in Beziehung zu einer fortschreitenden Verschlechterung der retinalen Fixation und makulären Sensitivität, gefolgt von Änderungen der Sehschärfe (⊡ Abb. 11.7). Die funktionale Verschlechterung wird durch eine Abnahme der Fixationsstabilität dokumentiert, einen Verlust der zentralen Fixation und eine beeinträchtigte retinale Sensitivität mit Ausbildung eines absoluten zentralen Skotoms. Eine akkurate Messung dieser Parameter erfolgt mit Hilfe der Mikroperimetrie. Wenn eine neovaskuläre AMD, anfangs (mit jedweder Bildgebung) noch kaum nachweisbar, entsteht, ist die Makula bereits unfähig, die bevorzugte Fixation innerhalb der Fovea zu halten, bis der bevorzugte Fixationsort komplett exzentrisch wird. Eine exzentrische Fixation entsteht bei neovaskulärer AMD sehr früh und zeigt ein völlig anderes funktionales Verhalten verglichen mit GA und diabetischem Makulaödem [36]. Bei neovaskulärer AMD verschlechtert sich mit zunehmender Dauer der Symptome auch das Fixationsmuster. Hinsichtlich der Funktion ist Zeit ein entscheidender Faktor bei neovaskulärer AMD, und dieser Aspekt sollte bei der zeitlichen Planung des Therapieablaufs angemessen berücksichtigt werden. Bei Augen mit subfovealer CNV bei AMD sahen Fujii et al. in der SLO-Mikroperimetrie bei 75% der Augen eine zentrale Fixation, bei 15% eine eingeschränkte zentrale Fixation und nur in 9% der Fälle eine exzentrische Fixation [7]. Die Fixation war bei 42% der untersuchten Augen stabil, bei 39% relativ instabil und bei 18% der Fälle instabil. Eine detailliertere Analyse ergab, dass das Fixationsmuster besser war, wenn die Symptome <3 Monate bestanden (zentral und stabil bei 89% der Fälle versus 58%). Unter Verwendung des MP1-Mikroperimeters berichteten Midena et al. von einer höheren Rate an Augen mit instabiler und exzentrischer Fixation bei Patienten mit subfovealer CNV bei AMD, wenn die Symptome länger als 9 Monate bestanden [14]. Eine relativ instabile oder instabile Fixation zeigten 35,6% bzw. 38,4% der Augen. Eine eingeschränkte zentrale und vorwiegend
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exzentrische Fixation ergab sich bei 15,1% bzw. 63% der Augen. Kein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich Ort und Stabilität der Fixation wurde zwischen klassischer und okkulter CNV gesehen. Ferner kann ein bevorzugter Fixationsort, auch wenn er exzentrisch liegt, stabil sein. Midena et al. beobachteten, dass die Augen mit exzentrischer, doch stabilerer Fixation diejenigen waren, bei denen bereits länger Symptome vorgelegen hatten [14]. Das bedeutet, dass das visuelle System Zeit benötigt, um einen extrafovealen, jedoch stabilen BRF zu etablieren und dass die visuelle (Kortex-gesteuerte) Adaptation ein lang dauernder Prozess ist. Wie bei Augen mit GA zeigt auch der BRF bei neovaskulärer AMD bevorzugte Lokalisationen. Midena et al. analysierten die Fixationsmuster von Augen mit fortgeschrittener neovaskulärer AMD und stellten fest, dass der BRF in den meisten Fällen oberhalb des neovaskulären Gefäßnetzes lag, was eine Projektion des Skotoms in das obere Gesichtsfeld und damit den Erhalt eines funktionstüchtigen unteren Gesichtsfeldes
ermöglichte [14]. Auch Guez et al. berichteten von einer bevorzugten Lokalisation des BRF: oberhalb-temporal zur Fovea am rechten Auge und oberhalb-nasal zur Fovea des linken Auges [9]. Diese Beobachtung, die mittlerweile weithin anerkannt ist, bestätigt die Bedeutung der BRFPosition für das Lesen (wie bereits zuvor erwähnt) und alltägliche Sehanforderungen. Bei Patienten mit neovaskulärer AMD bestimmen das Vorliegen verschiedener anatomischer Abweichungen wie eine neurosensorische Netzhautabhebung, subretinale Blutung, RPE-Hyperplasie, RPE-Atrophie oder -Abhebung und das CNV-Gefäßnetz die Minderung der retinalen Sensitivität (von einem relativen zu einem absoluten Skotom). Die Größe des absoluten Skotoms korreliert mit der Lesefähigkeit und -geschwindigkeit [6]. Chorioretinale Narben, RPE-Atrophie und CNV sind die hauptsächlichen anatomischen Läsionen, die mit einem absoluten Skotom bei Augen mit fortgeschrittener neovaskulärer AMD einhergehen. Das Vorliegen eines absoluten Skotoms im Bereich einer CNV bestätigt die
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⊡ Abb. 11.7a–d Linearer Scan einer Spectral-Domain-OCT (a), Fundusautofluoreszenz-Bild (b) und Spectral-Domain-OCT-Karte (c) mit überlagerter Sensitivitätskarte (d) eines Auges mit okkulter choroidaler Neovaskularisation bei AMD. Eine Minderung der retinalen Sensitivität (gelbe Punkte) ist über dem Gebiet der neuroretinalen Ablösung zu erkennen
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histopathologische Beobachtung, dass die meisten Photorezeptoren dieses Gebietes eine erhebliche Degeneration aufweisen. Die Ausprägung des Skotoms hängt auch von der Dauer der Symptome ab. Midena et al. stellten ein absolutes Skotom bei 63,4% der Augen mit neovaskulärer AMD fest, während bei Fujii et al. 28% ihrer Probanden betroffen waren [7,14]. Der hauptsächliche Unterschied zwischen diesen zwei Studien ist die Dauer der Symptome: Midena et al. maßen das Sensitivitätsmuster bei Augen mit neovaskulärer AMD, bei denen mehr als 9 Monate Symptome vorlagen, während 93% der Patienten, die Fujii et al. untersuchten, eine Symptomdauer <3 Monate aufwiesen. Zudem zeigt eine klassische CNV zumindest in früheren Phasen eine geringere retinale Sensitivität im Vergleich zur okkulten CNV. Dieser funktionale Unterschied verschwindet mit fortschreitender Retinabeteiligung. Das visuelle System ist ein plastisches neuronales Netz, das nach Deaktivierung einiger seiner Schaltkreise reorganisiert werden kann. Wenn beide Augen funktional von einem absoluten zentralen Skotom betroffen sind, verändern sich das Fixationsmuster und die Wahrnehmung des Skotoms. Doris et al. analysierten den Zusammenhang zwischen makulärer Morphologie und visueller Funktion bei AMD-Patienten mit CNV und beobachteten, dass eine umfangreichere Läsionsgröße, ein größeres Gebiet mit klassischer CNV und ein größerer Abstand zur gesunden Retina mit einem schwächeren Fernvisus und einer schlechteren Kontrastsensitivität assoziiert waren [5]. Wenn die Augen jedoch in zwei Gruppen eingeteilt wurden, je nachdem ob das Studienauge das bessere oder schlechtere Auge des Probanden war, gab es nur zwischen der Größe der klassischen Komponente und dem Nah- und Fernvisus einen signifikanten Zusammenhang. Wenn das Studienauge das schlechtere Auge war, zeigte sich eine funktionale Korrelation mit der Gesamtläsionsgröße, dicht gefolgt vom Abstand zur gesunden Retina. Das bedeutet, dass die visuelle Funktion im schlechteren Auge enger mit dem morphologischen Schaden der Makula korreliert als bei einem besseren Auge, bei dem die visuelle Funktion besser ist, als es die morphologische Situation erwarten lässt. Daher können Läsionen gleicher Morphologie bei neovaskulärer AMD unterschiedliche Auswirkungen auf die visuelle Funktion haben. Vergleichbare Beobachtungen wurden bei anderen fortschreitenden Makulaerkrankungen dokumentiert [22]. Bei Patienten mit beidseitiger Beteiligung zeigt sich eine stabilere und zentrale Fixation im funktional besseren Auge, sogar wenn eine morphologisch gleiche chorioretinale Narbe in beiden Augen vorliegt. Das Partnerauge zeigt eine exzentrische und instabile Fixation. Es scheint,
dass ein Auge möglicherweise nie sein volles Potenzial entfaltet, solange es nicht durch einen Verlust des Partnerauges dazu gezwungen wird. Dies erklärt auch das Filling-in-Phänomen, das bei später AMD beobachtet wird [4]. Dieses Phänomen wurde als ein Auffüllen fehlender Informationen beschrieben, wenn ein Teil eines Bildes auf ein blindes Gebiet des Gesichtsfeldes fällt. Bei AMD Patienten ist das Filling-in-Phänomen vom Vorliegen eines Skotoms abhängig, es wird nicht bei Augen beobachtet, deren Partnerauge eine gute Sehkraft aufweist, und es tritt nur am bevorzugten Auge von Patienten mit beidseitiger Makulaerkrankung auf.
11.3.4
Therapie der neovaskulären AMD
In der Vergangenheit wurde eine Messung der retinalen Fixation mittels SLO-Mikroperimetrie vor Laserkoagulation einer scharf begrenzten juxtafovealen oder extrafovealen CNV bei AMD vorgeschlagen. Auch eine manuelle Überlagerung der statischen SLO-Mikroperimetrie mit der Fluoreszein-Angiographie wurde durchgeführt. Nach der Laserbehandlung zeigten die meisten Augen eine foveale Fixation sofern die Fovea nicht durch die Vergrößerung der Narbe durch den Laser oder die Narbe selbst betroffen war. Einige Studien wurden auch an Augen mit neovaskulärer AMD durchgeführt, die mit photodynamischer Therapie behandelt wurden. Unter Anwendung der SLO-Mikroperimetrie zeigte sich ein signifikanter Vorteil der photodynamischen Therapie hinsichtlich einer Erhaltung des zentralen Gesichtsfeldes [25]. In dieser Studie ergab sich eine signifikant geringere finale Skotomgröße in der photodynamisch behandelten Gruppe verglichen mit der Plazebo-Gruppe. Bei Augen mit fovealem BRF zu Beginn der Studie verbesserte sich die Reizschwelle der retinalen Sensitivität im Bereich der Fovea nach der Therapie, was zu einer Verbesserung der Sehschärfe führte. Im Gegensatz dazu zeigten Augen mit parafovealem oder instabilem BRF vor der Therapie auch danach ein persistierendes absolutes Skotom trotz einer kompletten Auflösung exsudativer Befunde in Folge der Behandlung. Allerdings zeigte sich in der Indozyaningrün-Angiographie eine kurzfristige choroidale ischämische Nebenwirkung nach photodynamischer Therapie. Zur Untersuchung der Auswirkung dieser temporären choroidalen Hypoperfusion auf die Sehfunktion wurde die retinale Sensitivitätsschwelle über einem Gebiet von 500 μm Abstand um die behandelte Stelle herum gemessen (periläsionale Region). Nach einer Woche zeigte sich eine signifikante Reduktion der retinalen Sensitivität in der periläsionalen Region mit einer nahezu vollständigen funktionalen Erholung nach einem Monat
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[32]. Diese angiographischen und funktionalen Beobachtungen geben Hinweis auf die möglichen Nebenwirkungen wiederholter photodynamischer Behandlungen. Ein jüngerer Therapieansatz bei exsudativer AMD beinhaltet die Nutzung lokal verabreichter (intravitrealer) antiangiogener Medikamente (Bevacizumab, Pegaptanib und Ranibizumab). In der MP1-Mikroperimetrie zeigte sich eine signifikante Verbesserung der retinalen Sensitivität nach systemischer Gabe von Bevacizumab [23]. Bei Augen mit neovaskulärer AMD verringerte sich die mittlere absolute Skotomgröße von 33% auf 22% (–11%; p=0,011) nach 3 Monaten und auf 23% (–10%, p=0,123) 6 Monate nach Therapie mit systemischem Bevacizumab. Der mittlere Schwellenwert der Lichtunterschiedsempfindlichkeit nahm im Beobachtungszeitraum von 3,8 dB zu Beginn auf 5,5 dB (+1,7 dB; p=0,012) nach 6 Monaten zu. Eine signifikante morphologische und funktionale Wirksamkeit wurde schon eine Woche nach der ersten intravitrealen Ranibizumab-Injektion bei neovaskulärer AMD beobachtet [2]. Bolz et al. untersuchten morphologische und funktionale Effekte des empfohlenen Verabreichungsschemas mit intravitrealem Ranibizumab und stellten fest, dass die mittlere Leckagefläche in der Flureszeinangiographie signifikant abnahm (p<0,01) und die retinale Funktion gemessen anhand von Sehschärfe und Mikroperimetrie nach einer Woche signifikant zunahm (beide p<0,01) [2]. Jedoch beobachteten diese Autoren signifikante Veränderungen von Morphologie und Funktion nur zwischen den Anfangswerten und den Werten nach einer Woche, aber keinen signifikanten zusätzlichen morphologischen oder funktionalen Gewinn nach der zweiten und dritten Injektion. In einer retrospektiven 24-Wochen-Studie zur Prüfung funktionaler Veränderungen nach intravitrealem Ranibizumab (Ladephasen-Schema gefolgt von Wiederbehandlungen bei persisitierenden Zeichen von Aktivität) entdeckten Parravano et al. eine signifikante Verbesserung der mittleren retinalen Sensitivität von 3,89±3,0 dB als Ausgangswert auf 6,61±3,4 dB nach 24 Wochen (p=0,044) [19]. Die mittlere Sehschärfe verbesserte sich signifikant von 48,67±8,58 ETDRS-Buchstaben auf 60,72±16,09 (p=0,026). Auch eine Verbesserung der Fixationsstabilität im Vergleich zu den Ausgangswerten wurde bei 33,3% der behandelten Augen beobachtet. In der OCT verringerte sich die zentrale makuläre Dicke signifikant von 310,5±85,7 μm auf 217,3±46,8 μm nach 24 Wochen (p<0,001). Diese Ergebnisse zeigten, dass die mittlere zentrale Makuladicke nach 24 Wochen umso mehr abnahm, je höher diese anfänglich war. Jedoch standen die funktionalen Veränderungen in keinem Bezug zu den beobachteten
morphologischen Veränderungen. Diese Beobachtungen unterstreichen, dass funktionale Veränderungen nach intravitrealer Ranibizumab-Injektion wahrscheinlich nicht nur vom Ausmaß des intraretinalen Ödems abhängen, sondern auch von der zuvor bestehenden und der persistierenden Beschädigung der Photorezeptorzellen durch anhaltende subretinale und intraretinale Exsudation. Diese funktionalen Ergebnisse wurden kürzlich sogar nach 24 Monaten bei derselben Gruppe bestätigt [20] (⊡ Abb. 11.8). Obwohl die Verbesserungen von Sehschärfe und retinaler Dicke 4 Wochen nach Therapie ein Maximum erreicht hatten, beobachteten die Autoren darüber hinaus eine weiter zunehmende Verbesserung der retinalen Sensitivität. Nach 24 Monaten Nachbeobachtungszeit führten intravitreale Injektionen von 0,5 mg Ranibizumab bis zur letzten Untersuchung zu einer fortschreitenden Verbesserung der retinalen Sensitivität, während keine weiteren Veränderungen der Sehschärfe nach 6 Monaten mehr eintraten, was dafür spricht, dass die Mikroperimetrie auf einer langen Zeitbasis zusätzliche prognostische Informationen über die Makulafunktion liefert [20, 33]. Die funktionalen Unterschiede zwischen den beiden Studien erklären sich möglicherweise durch die verschiedenen CNV-Typen, die jeweils eingeschlossen wurden. In der Studie von Bolz et al. waren 31% der CNV vorwiegend klassisch, 38% minimal-klassisch und 31% rein okkult. Im Gegensatz dazu waren in der Studie von Parravano et al. 22,2% der CNV vorwiegend klassisch, 16,6% minimal klassisch und 61,1% okkult. Die höhere Rate an vorwiegend oder minimal klassischen CNV könnte bei der Untersuchung von Bolz et al. den finalen funktionalen Zugewinn beeinträchtigt haben. Ebenso wurde die operative Therapie der neovaskulären AMD mittels Mikroperimetrie untersucht, die eine schlechte Fixation nach submakulärer Chirurgie ergab [12]. Allerdings kann nicht zwischen einem präoperativen irreversiblen Schaden der neurosensorischen Retina und einer intraoperativen Beschädigung durch die Ablösung der CNV von der Neuroretina unterschieden werden, da die Fovea nach dem Eingriff auf ein Gebiet verlagert wurde, das chirurgisch frei von jeglicher Pigmentation war. Fujii et al. prüften die Aussagekraft der SLO-Mikroperimetrie bezüglich der Patientenauswahl für eine limitierte Makulatranslokation [8]. Sie fanden, dass eine überwiegend zentrale Fixation, stabile Fixation, Abwesenheit eines zentralen Skotoms und eine gute präoperative Sehschärfe positiv prädiktive Faktoren für eine mögliche Sehverbesserung nach dem operativen Eingriff waren (84%, 91%, 81% bzw. 87%). Unter diesen Faktoren wies die zentrale Fixation die höchste Sensitivität auf (87%). Man nimmt an, dass eine Erholung der Sehfunkti-
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⊡ Abb. 11.8a–d Mikroperimetrischer Fixationsort und Sensitivitätskarte vor (a, b) und nach (c, d) drei intravitrealen Injektionen eines VEGFHemmers (Ranibizumab) bei choroidaler Neovaskularisation bei alterabhängiger Makuladegeneration. Die retinale Fixation ist sowohl vor als auch nach den Eingriffen zentral und stabil, während die Makulasensitivität steigt (vergleiche retinale Sensitivität in dB in b versus d)
on nach Makulatranslokation oder RPE-Transplantation durch eine Wiederherstellung der Neuroretina bedingt ist, die auf einem gesünderen RPE platziert wird. Bei der Makulatranslokation wird die Netzhaut auf ein gesünderes RPE-Gebiet verlagert, während bei einer RPETransplantation gesünderes RPE/Choriokapillaris unter die Fovea verlagert wird. Um diese Annahme zu prüfen, maßen Chieh et al. kürzlich die mittlere retinale Sensitivität an drei verschiedenen Arealen des hinteren Pols nach Makulatranslokation mittels MP-1-Mikroperimetrie [3]. Die auf das gesündere RPE verlagerte Fovea (Areal 1), die Retina im Gebiet der entfernten CNV (Areal 2) und die Retina über unbeeinträchtigtem RPE (Areal 3) wurden auf ihre Funktion getestet. Die Sensitivität der verlagerten Makula (Areal 1) war signifikant größer als die von Areal 2, dem Ort der entfernten CNV, jedoch geringer als die der nicht betroffenen Retina (Areal 3), was unterstreicht, dass
eine persistierende retinale Dysfunktion die Erholung der Sehfunktion begrenzen kann. Diese Beobachtungen erklären auch die schlechten visuellen Ergebnisse nach submakulärer Chirurgie. Eine akkurate mikroperimetrische präoperative Untersuchung sollte obligatorisch sein, um einen präexistenten irreversiblen Funktionsausfall der neurosensorischen Retina zu erkennen und die morphologische und funktionale Gesundheit des neuen RPE/ Choriokapillarisbettes nachzuweisen. Fazit
▬ Die Mikroperimetrie bietet mehr Informationen über funktionale Störungen der Makula bei Augen mit früher und fortgeschrittener AMD als durch die Sehschärfemessung zugänglich sind. ▬ Änderungen der Sehfunktion bei AMD sind charakterisiert durch eine fortschreitende Verschlechterung von retinaler Fixation und zentraler Sensitivität. Selbst Augen
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mit früher AMD und normaler Sehschärfe zeigen Veränderungen der retinalen Sensitivität. Bei geographischer Atrophie stellt die Mikroperimetrie einen hilfreichen prognostischen Biomarker dar. Wenn eine CNV auftritt, verschlechtert sich die Fixation mit nachfolgender Einschränkung der Lesefähigkeit; schließlich entsteht ein absolutes zentrales Skotom mit komplett exzentrischer Fixation. ▬ Eine längere Krankheitsdauer ist ein Schlüsselfaktor, der mit einem schlechteren Fixationsmuster und einer stärkeren Beeinträchtigung der retinalen Sensitivität verbunden ist. ▬ Ein besseres Verständnis der Eigenschaften des Sehverlustes bei AMD mit Hilfe der Mikroperimetrie könnte zu einer besseren klinischen Versorgung von AMD-Patienten beitragen. Die Mikroperimetrie integriert andere Bildgebungstechniken und ermöglicht eine Überwachung jeder Krankheitsphase, eine Optimierung des therapeutischen Zeitablaufs, der Patientenselektion und der Behandlungsoptionen bei Augen mit subfovealer CNV bei AMD sowie eine adäquate Messung positiver oder negativer Effekte jeder therapeutischen Behandlung.
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11
192
11
Kapitel 11 · Mikroperimetrie
age-related macular degeneration. Invest Ophthalmol Vis Sci 50:3915–3921 [28] Schmitz-Valckenberg S, Fleckenstein M, Scholl HPN et al. (2009) Fundus autofluorescence and progression of age-related macular degeneration. Surv Ophthalmol 54:96–117 [29] Scholl HP, Bellman C DS, Bird AC et al. (2004) Photopic and scotopic fine matrix mapping of retinal areas of increased fundus autofluorescence in patients with age-related macular degeneration. Invest Ophthalmol Vis Sci 45:574–583 [30] Schuman SG, Koreishi AF, Farsiu S et al. (2009) Photoreceptor layer thinning over drusen in eyes with age-related macular degeneration imaged in vivo with Spectral-Domain optical coherence tomography. Ophthalmology 116:488–496 [31] Scilley K, Jackson GR, Cideciyan AV et al. (2002) Early age-related maculopathy and self-reported visual difficulty in daily life. Ophthalmology 109:1235–1242 [32] Shiraga F (2007) Neovascular age-related macular degeneration: medical treatment. In: Midena E, editor. Perimetry and the Fundus: An Introduction to Microperimetry. Slack incorporated. Thorofare, NJ, 7–12 [33] Squirrel DM, Mawer NP, Mody Ch et al. 2010 () Visual outcome after intravitreal ranibizumab for wet age-related macular degeneration. A comparison between best-corrected visual acuity and microperimetry. Retina 30:436–442 [34] Sunness JS, Applegate CA (2005) Long-term follow-up of fixations patterns in eyes with central scotoma from geographic atrophy associated with age-related macular degeneration. Am J Ophthalmol 140:1085–1093 [35] Sunness JS, Margalit E, Srikurnaran D, et al. (2007) The long-term natural history of geographic atrophy from age-related macular degeneration. Ophthalmology 114:271–277 [36] Vujosevic S, Midena E, Pilotto E et al. (2006) Diabetic macular edema: correlation between microperimetry and Optical Coherence Tomography findings. Invest Ophthalmol Vis Sci 47:3044– 3051 [37] Weingessel B, Sacu S, Vecsei-Marlovits PV et al. (2009) Interexaminer and intraexaminer reliability of the microperimeter MP-1. Eye 23:1052–1058 [38] Pilotto E, Vujosevic S, Melis R, et al. (2010) Short wavelength fundus autofluorescence versus near-infrared fundus autofluorescence, with microperimetric correspondence, in patients with geographic atrophy due to age-related macular degeneration. Br J Ophthalmol [Epub ahead of print] [39] Bellmann C, Feely M, Crossland MD, Kabanarou SA, Rubin GS (2004) Fixation stability using central and pericentral fixation targets in patients with age-related macular degeneration. Ophthalmology 111: 2265–70
IV
IV
Prophylaxe und Therapie
Kapitel 12
Nahrungsergänzung – 195 A.D. Meleth, V.R. Raiji, N. Krishnadev, E.Y. Chew Übersetzt von T. Boll
Kapitel 13
Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie – 209 G. Soubrane Übersetzt von T. Boll
Kapitel 14
Anti-VEGF-Therapie: Grundlagen und Substanzen – 229 S. Grisanti, J. Lüke, S. Peters
Kapitel 15
Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien – 237 P. Mitchell, S. Foran Übersetzt von T. Boll
Kapitel 16
Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD M. Barakat, N. Steinle, P.K. Kaiser Übersetzt von T. Boll
Kapitel 17
Behandlungsansätze bei trockener AMD – 269 Z. Yehoshua, P.J. Rosenfeld Übersetzt von T. Boll
Kapitel 18
Chirurgische Therapie – 283 B. Kirchhof
– 253
12
Nahrungsergänzung A.D. Meleth, V.R. Raiji, N. Krishnadev, E.Y. Chew Übersetzt von T. Boll
12.1
Einleitung
– 196
12.2
Antioxidanzien und Zink – 196
12.3
β-Carotin
12.4
Makuläre Xantophylle – 198
12.5
Langkettige mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren – 200
12.6
Vitamin E – 201
12.7
Vitamin C – 201
12.8
Zink
12.9
Folsäure und B-Vitamine – 202
– 198
– 202
12.10 AREDS2
– 203
Literatur
– 204
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
196
Kapitel 12 · Nahrungsergänzung
Kernaussagen ▬ Ernährung, Zigaretten rauchen sowie Plasmaho-
▬
▬
12
▬ ▬
12.1
mozystein könnten beeinflussbare Risikofaktoren sein und damit einen therapeutischen Ansatz im Management der AMD bieten. Studienergebnisse zu therapeutischen Maßnahmen der AMD-Primärprävention liegen erst in geringem Umfang vor und sind insofern noch nicht aussagekräftig. Die meisten Daten zu Nährstoffen und AMD stammen aus Beobachtungsstudien. Es gibt eine geringe Anzahl randomisierter, kontrollierter Studien, die die Erkenntnisse der Beobachtungsstudien bezüglich Risikofaktoren und potenziellen therapeutischen Ansätzen bei AMD bestätigen. – Die Age-Related Eye Disease Studie (AREDS) ergab, dass eine tägliche orale Nahrungsergänzung mit einer Kombination aus antioxidativen Vitaminen und Zink die Progression zu einer fortgeschrittenen AMD bei Patienten mit mittlerem bis hohen Risiko hierfür senkt [1]. – Die Women’s Antioxidant and Folic Acid Cardiovascular Studie (WAFACS) zeigte, dass eine tägliche Langzeitergänzung mit Folsäure, Pyridoxin, Vitamin B12 und Cyanocobalamin das Risiko einer fortgeschrittenen AMD bei einer Population weiblicher Angehöriger der Gesundheitsberufe senkte, die eine kardiovaskuläre Erkrankung oder ein Risiko dafür aufwiesen. Eine wirksamere Kombination aus Nährstoffen und Antioxidanzien konnte noch nicht bestimmt werden. Frühere Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass Omega-3-Fettsäuren und Karotinoide, insbesondere Lutein und Zeaxanthin, eine Rolle in der Prävention und Therapie der AMD spielen könnten. Aktuell gibt es noch zu wenige Daten aus randomisierten kontrollierten Studien, um therapeutische Empfehlungen geben zu können.
sichts der großen und weiter zunehmenden Krankheitsbelastung für Familien und die Gesellschaft gewinnt die Identifikation beeinflussbarer Risikofaktoren und neuer Möglichkeiten der Präventivbehandlung zunehmend an Wichtigkeit. Die Pathogenese der Makuladegeneration ist multifaktoriell, wobei genetische, umweltbedingte und physiologische Komponenten eine Rolle spielen. Die Retina ist besonders anfällig für oxidative Schäden, bedingt durch ihre hohe metabolische Aktivität und die tägliche Lichtexposition. Zusätzlich macht sie das Vorliegen zahlreicher Lipide mit Doppelbindungen zu einem idealen Angriffspunkt für reaktive Sauerstoffradikale. Die steigende Inzidenz der Makuladegeneration mit zunehmendem Lebensalter könnte mit einer allmählichen Dysfunktion und Degeneration des Retinagewebes bei akkumulierenden oxidativen Schäden zusammenhängen. Dieser kumulative Schaden könnte zu einer graduellen Dysfunktion führen sowie bei fortschreitender Erkrankung eine gestörte Autoregulation mit eingeschränktem Austausch und Verarbeitung von Nährstoffen und Stoffwechselprodukten bedingen. Nährstoffe, die diesen oxidativen Schaden beeinflussen könnten sind Lutein, Zeaxanthin, β-Carotin, Vitamine C und E, B-Vitamine und Zink [2–6]. Eine zunehmende Zahl wissenschaftlicher Daten weist zudem auf entzündliche Prozesse bei der Pathogenese und Progression der Makuladegeneration hin [7]. Klinische Ergebnisse legen nah, dass eine Kombination von Antioxidanzien das Fortschreitens einer AMD aufhalten könnten und Omega-3-Fettsäuren und makuläre Xanthophylle in der Prävention und Therapie der Makuladegeneration eine mögliche Rolle spielen. Weiterführende Untersuchungen zur Rolle dieser Mikronährstoffe finden im Rahmen der Age Related Eye Disease Studie 2 (AREDS2) statt. Die Studienergebnisse zum Einfluss veränderbarer Risikofaktoren und Mikronährstoffe auf die Makuladegeneration stammen sowohl aus großen Beobachtungsstudien als auch aus einer kleinen Anzahl randomisierter kontrollierter Studien. Große Studien, die den Einfluss von Mikronährstoffen auf die Makuladegeneration untersucht haben sind die Age-Related Eye Disease Studie, die Rotterdam Studie und die Blue-Mountains-Eye-Studie.
Einleitung 12.2
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist in den Industriestaaten die Hauptursache für Erblindung bei Erwachsenen nordeuropäischer Abstammung jenseits des 65. Lebensjahres. Bedingt durch den demographischen Wandel erwartet man in den USA einen dramatischen Prävalenzanstieg der AMD von 1,75 Millionen im Jahr 2000 auf 2,95 Millionen im Jahr 2020 [1]. Ange-
Antioxidanzien und Zink
Die Age-Related Eye Disease Studie (AREDS) war eine randomisierte, plazebokontrollierte Multicenterstudie mit dem Ziel, den Einfluss einer Kombination von Antioxidanzien und Mikronährstoffen auf die Inzidenz und Progression der AMD und der altersbedingten Katarakt zu untersuchen. Die Nahrungsergänzung der AREDS
197 12.2 · Antioxidanzien und Zink
Fortgeschrittene trockene AMD des rechten Auges = 2 Punkte Große Drusen des linken Auges = 1 Punkt = Pigmentveränderungen des linken Auges = 1 Punkt Gesamt = 4 Punkte; geeignet für Nahrungsergänzung
Große Drusen beider Augen = 2 Punkte = Pigmentveränderungen beider Augen = 2 Punkte Gesamt = 4 Punkte; geeignet für Nahrungsergänzung
Fortgeschrittene feuchte AMD des rechten Auges = 2 Punkte = Pigmentveränderungen des linken Auges = 1 Punkt Gesamt = 3 Punkte; geeignet für AREDS-Nahrungsergänzung
⊡ Abb. 12.1 Patienten, für die nach der vereinfachten Schweregrad-Skala eine AREDS-Nahrungsergänzung empfohlen wird [8]. Für Pigmentveränderungen oder große Drusen werden jeweils 1 Punkt pro Auge vergeben, für die fortgeschrittene AMD 2 Punkte pro Auge
beinhaltete 15 mg β-Carotin, 500 mg Vitamin C, 400 IU Vitamin E, 80 mg Zinkoxid und 2 mg Kupfer als Kupferoxid. Die Teilnehmer wurden in 4 Kategorien eingeteilt, die sowohl die unterschiedliche Schwere der AMD als auch die Progressionsraten zur fortgeschrittenen AMD berücksichtigten: ▬ Kategorie 1: Keine oder wenige Drusen; 0,44% der Patienten entwickelten bis zum Jahr 5 eine fortgeschrittene AMD. ▬ Kategorie 2: Extensive kleine Drusen, Pigmentanomalien oder wenigstens eine mittelgroße Druse; Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD bis zum Jahr 5 = 1,3%. ▬ Kategorie 3: Extensive intermediäre Drusen, große Drusen oder nichtzentrale geographische Atrophie (GA); Wahrscheinlichkeit einer Progression = 18%. Patienten der Kategorie 3, die bilaterale große Drusen oder eine nichtzentrale GA in mindestens einem Auge bei Aufnahme in die Studie hatten, entwickelten 4-mal häufiger eine fortgeschrittene AMD als die übrigen Probanden der Kategorie 3; 27% vs. 6% in 5 Jahren.
▬ Kategorie 4: Fortgeschrittene AMD in einem Auge oder Patienten mit Sehverlust auf einem Auge, der nicht durch eine frühe AMD verursacht war; Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD in 5 Jahren = 43%. Die Daten der AREDS ergaben für Probanden der Kategorien 3 und 4, die die AREDS-Nahrungsergänzung erhielten, eine Risikoreduktion um 25%, eine fortgeschrittene AMD zu entwickeln. Patienten der Kategorien 1 oder 2 hatten ein insgesamt sehr geringes Risiko, eine fortgeschrittene AMD zu entwickeln: 0,4% bzw. 1,3%. Aufgrund dieser niedrigen Raten war es nicht möglich, einen Behandlungseffekt der AREDS-Rezeptur bei diesen Probanden festzustellen. Es wurde eine vereinfachte Skala der Schweregrade zur Klassifikation der AMD-Stadien entwickelt, die benutzerfreundlicher war und die Bestimmung erleichterte, welche Patienten eine AREDS-Nahrungsergänzung benötigten [8]. In dieser vereinfachten Skala der Schweregrade wurde eine Punktesystem entwickelt, in dem 1 Punkt für das Vorliegen großer Drusen vergeben wurde und 1 Punkt
12
198
Kapitel 12 · Nahrungsergänzung
für Hypo- oder Hyperpigmentierungen des retinalen Pigmentepithels (RPE) in jedem Auge. Eine fortgeschrittene AMD in einem von beiden Augen wurde mit 2 Punkten bewertet. Patienten, die insgesamt 2 oder mehr Punkte erreichten, wiesen ein signifikantes Risiko für die Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD auf, so dass für sie eine AREDS-Nahrungsergänzung empfohlen wurde. ⊡ Abb. 12.1 zeigt eine Übersicht der vereinfachten AREDSSkala der AMD-Schweregrade mit Bildern von Patienten, bei denen eine Nahrungsergänzung empfohlen wird. Die Gabe der AREDS Nahrungsergänzung bei Patienten mit erhöhtem Risiko kann einen signifikanten Effekt auf Kosten und Gesamtmorbidität in der Bevölkerung haben [9]. Patienten mit AMD weisen in einigen Studien eine höhere Mortalitätsrate auf. Dies liegt wahrscheinlich an den gemeinsamen Risikofaktoren, die auch die Sterblichkeit betreffen. Bei Patienten mit fortgeschrittener AMD gab es auch in der AREDS mehr kardiovaskulär bedingte Todesfälle [10, 11]. Interessanterweise zeigten Teilnehmer, die Zink entweder allein oder in Kombination mit anderen Antioxidanzien genommen hatten, in der AREDS eine höhere Überlebensrate als die ohne ergänzende Zinkaufnahme (RR 0,78; 95% CI 0,41–1,47) [11]. Die Gesamtmortalität der AREDS-Probanden, die die Nahrungsergänzung zu sich nahmen, war um 14% reduziert (RR 0,86; CI 0,65–1,12) [11, 12].
12.3
12
β-Carotin
β-Carotin ist ein Carotinoid, das nicht in hohen Konzentrationen in der Makula gefunden wird. Hauptquellen für β-Carotin finden sich in Melonen, Zitrusfrüchten, Karotten und Brokkoli [13–15]. β-Carotin wurde in die AREDS aufgrund seiner Verfügbarkeit als Nahrungsergänzungsmittel sowie aufgrund aktueller Studienergebnisse zum Einfluss einer β-Carotin-Supplementation auf Krebs und kardiovaskuläre Erkrankungen aufgenommen [16]. Für Patienten der AMD-Kategorien 3 oder 4 belegten die oben beschriebenen Ergebnisse der AREDS, dass die Nahrungsergänzung mit einer Kombination aus hochdosiertem Zink, 15 mg β-Carotin, den Vitaminen C und E und Kupfer das Risiko einer fortgeschrittenen AMD reduzierte [16]. Weitere Ergebnisse bezüglich der potenziellen therapeutischen Rolle von β-Carotin bei AMD waren uneinheitlich. In einer Studie, die eine Nahrungsergänzung mit 20 mg β-Carotin und 50 mg α-Tocopherol in einer finnischen Population untersuchte, konnte kein signifikanter Effekt auf die Inzidenz der AMD beobachtet werden [17]. Nachfolgende Beobachtungsstudien ergaben uneinheitliche Ergebnisse zur Rolle des β-Carotins.
Die Blue-Mountains-Eye-Studie identifizierte β-Carotin als Risikofaktor eine neovaskulärer AMD zu entwickeln [18] (RR 2,4 bei Vergleich des oberen Tertil der Einnahme mit dem unteren Tertil). In der Rotterdam-Studie zeigte β-Carotin in Kombination mit Vitamin E und Zink einen protektiven Effekt bezüglich des Neuauftreten einer AMD (bereinigter RR 0,65%; 95% CI 0,46–0,92). In der univariaten Analyse zeigte β-Carotin alleine keinen signifikanten Effekt auf die Entwicklung einer AMD [19]. Eine ähnliche multivariate Analyse untersuchte die diätetische Aufnahme in der AREDS-Population und erbrachte, dass Patienten, die eine Kombination aus Antioxidanzien mit Zink, Omega-3 Fettsäuren und makulären Carotinoiden zu sich genommen hatten, ein reduziertes Risiko sowohl für eine frühe als auch eine fortgeschrittene AMD aufwiesen. Dietätisches β-Carotin leistete weder in dieser Analyse noch in der Physicians’-Health-Studie hierzu einen signifikanten Beitrag dazu [20,21]. Bedeutsame Ergebnisse großer randomisierter kontrollierter klinischer Studien mit höheren β-Carotin-Dosen von 20–30 mg belegten ein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs durch Nahrungsergänzung mit β-Carotin bei Zigarettenrauchern [22, 23]. Die Physicians’-Health-Studie, eine randomisierte kontrollierte Studie zu β-Carotin, ergab keinen signifikanten Mortalitätsunterschied zwischen behandelten und unbehandelten Gruppen [24]. Diese Ergebnisse legen nahe, dass noch viele Fragen zur Rolle des β-Carotins in der Behandlung der AMD ungeklärt sind. Es ist unklar, ob β-Carotin einen günstigen Effekt in der Behandlung der Makuladegeneration hat, wenn es nicht mit Antioxidanzien und Zink kombiniert wird. Eine klare Kontraindikation besteht bei Zigarettenrauchern. Die Frage nach der Rolle von β-Carotin in der Therapie der AMD wird die AREDS2 aufgreifen, in der die AREDS-Rezeptur mit und ohne β-Carotin verglichen werden wird [2,25].
12.4
Makuläre Xantophylle
Die retinalen Carotinoide, Lutein und Zeaxanthin, sind selektiv in der Makula angereichert. Sie stellen die Hauptquelle des makulären Pigments dar und sind verantwortlich für die gelbe Färbung der Macula lutea. Sie werden komplett über die Nahrung aufgenommen, da der Mensch sie nicht selbst herstellen kann [26]. Die durchschnittliche westliche Ernährung beinhaltet insgesamt 1,3–3 mg/Tag an Lutein und Zeaxanthin, davon macht Lutein den Hauptteil der Aufnahme aus [13, 14]. Lutein wird in erster Linie aus grünblättrigem Gemüse, wie z. B. Spinat und Kohl aufgenommen. Zeaxanthin findet sich vor allem in Mais, oranger Paprika und Zitrusfrüchten.
199 12.4 · Makuläre Xantophylle
Beide kommen in hoher Konzentration in Eigelb vor [15]. Aufgrund ihrer zahlreichen Doppelbindungen sind makuläre Carotinoide in der Lage, reaktive Sauerstoffradikale abzufangen, wodurch oxidativer Stress begrenzt und Membranstabilität verbessert wird. Die makulären Pigmente könnten zudem als Filter für blaues Licht fungieren und somit die retinale Lichtbelastung vermindern [26–28]. Es gibt eine Vielzahl nicht-invasiver Techniken, um das makuläre Pigment zu messen. Studien, die die Korrelation von Alter und makulärem Pigmentgehalt oder Vorhandensein einer AMD untersuchten, waren bislang uneindeutig [29]. Die Ergebnisse sind aufgrund einer Vielzahl von Faktoren, die die Aufnahme und Verteilung der Carotinoide in vivo beeinflussen sehr unterschiedlich. Eine neue große Querschnittsuntersuchung in einer homogenen kaukasischen Population zeigte eine Reduktion des makulären Pigmentgehalts mit zunehmendem Alter und bei Patienten mit Risikofaktoren (Familienanamnese, Tabakkonsum) für eine Makuladegeneration [29]. Eine prospektive Studie ergab, dass eine dietätische Ergänzung mit Lutein und Zeaxanthin die makuläre optische Pigmentdichte (MPOD) am stärksten bei Patienten mit einem niedrigen Ausgangswert an Pigmentdichte erhöhte. Diese Veränderungen korrelierten nicht mit einer Veränderung der Serumkonzentration der makulären Pigmente [30]. In einer anderen interventionellen Studie zu Lutein und Zeaxanthin steigerte die Nahrungsergänzung sowohl die Serumkonzentration von Lutein und Zeaxanthin als auch den makulären Pigmentgehalt um etwa 15% [31]. Eine kleine prospektive Studie untersuchte Dosisbereiche und unerwünschte Nebenwirkungen einer Nahrungsergänzung mit Lutein/Zeaxanthin und ergab eine erhöhte Carotinoid-Serumkonzentrationen, die durch weitere Ergänzungen mit langkettigen, mehrfach-ungesättigten Fettsäuren oder andere antioxidative Vitamine im Serum nicht beeinflusst wurde. In dieser Studie stiegen die Serumkonzentrationen in Folge der Nahrungsergänzung drei Monate lang an und blieben dann stabil. Bei einer Nahrungsergänzung mit bis zu 10 mg Lutein pro Tag zeigten sich keine unerwünschten Nebenwirkungen; jedoch handelte es sich hier zumeist um Kurzzeitstudien mit kleinen Fallzahlen [32]. Diese Ergebnisse geben Hinweis, dass Veränderungen der Lutein- und Zeaxanthin-Serumkonzentrationen nicht zwingend mit einer Änderung des makulären optischen Pigmentgehaltes einhergehen [30, 32]. Eine Anzahl von Studien untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Risiko einer Makuladegeneration und der Nahrungsergänzung mit makulären Xanthophyllen. Die Mehrzahl der Ergebnisse deutet auf eine
protektive Rolle makulärer Carotinoide bei Makuladegeneration hin. Eine Analyse der diätetischen Aufnahme in der AREDS unter Anwendung einer Kompositberechnung, die die Aufnahme von Vitamin C und E, Zink, Lutein, Zeaxanthin, Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure sowie einen niedrigen glykämischen Index [dGI] berücksichtigte, zeigte, dass eine erhöhte Einnahmedosis dieser Nährstoffe mit einem geringeren Risiko sowohl für eine frühe als auch für eine fortgeschrittene AMD assoziiert war (OR=0,727 für Drusen und 0,616 für fortgeschrittene AMD) [20]. Ein Vergleich des höchsten mit dem niedrigsten Aufnahmequintil der AREDSProbanden ergab, dass die Aufnahme von Lutein und Zeaxanthin mit neovaskulärer AMD (OR 0,65), geographischer Atrophie (OR 0,45) und großen oder extensiven intermediären Drusen (OR 0,73) [33] unabhängig invers assoziiert ist. Von den Teilnehmern der Blue-Mountains-Eye-Studie hatten die des oberen Tertils der Lutein/Zeaxanthin-Aufnahme ein reduziertes Risiko für das Neuauftreten einer neovaskulären AMD (RR 0,35), und die Probanden mit Aufnahmen über dem Median hatten ein geringeres Risiko für unscharf begrenzte, weiche oder retikuläre Drusen (RR 0,66) [34]. Eine große retrospektive QuerschnittsKohortenstudie innerhalb der Nurses Health Studie zeigte eine statistisch nicht signifikante Senkung der Inzidenz der neovaskulären AMD-Inzidenz bei erhöhter Aufnahme von Lutein/Zeaxanthin. Diese Probanden rauchten auch seltener und konsumierten mehr Omega-3-Fettsäuren [35]. 2006 folgerten die Forscher der Carotenoids in Age-Related Macular Degeneration Studie (CAREDS), dass eine lutein- und zeaxanthinreiche Ernährung möglicherweise weibliche Patienten unter 75 Jahren vor der Entwicklung einer intermediären AMD schützt [36]. Eine große demographische Studie, die Pathologies Oculaires Liees – a l’Age Studie (POLA), zeigte für Xanthophylle und insbesondere für Zeaxanthin gleichfalls einen deutlich protektiven Effekt, gegen AMD und Katarakt bei Vergleich der höchsten Aufnahme (höchstes Quintil) mit der niedrigsten Aufnahme (niedrigstes Quintil) [37]. Auch die Eye Disease Case Control Studie (EDCCS) belegte bei den Patienten des obersten Quintils der Carotinoidaufnahme ein um 43% niedrigeres AMD-Risiko verglichen mit denen des untersten Quintils [38]. 2006 erstellte die Food and Drug Administration eine Literaturübersicht zum Thema Nahrungsergänzung mit Lutein/Zeaxanthin und folgerte, dass die vorliegenden Daten nicht ausreichen, um eine Therapieempfehlung für Lutein/Zeaxanthin auszusprechen [39]. Diese Ansicht wurde auch vom jüngsten Cochrane-Review zum Thema Nahrungsergänzung zur Progressionsverzögerung bei Makuladegeneration unterstützt [3].
12
200
Kapitel 12 · Nahrungsergänzung
⊡ Tab. 12.1 Die vier in der zweiten Randomisierung der AREDS2 zu prüfenden AREDS-Rezepturen 1
2
3
4
Vitamin C
500 mg
500 mg
500 mg
500 mg
Vitamin E
400 IU
400 IU
400 IU
400 IU
β-Carotin
15 mg
0 mg
0 mg
15 mg
Zinkoxid
80 mg
80 mg
25 mg
25 mg
2 mg
2 mg
2 mg
2 mg
Kupferoxid
12
Angesichts der großen Anzahl von Ergebnissen, die einen möglichen protektiven Effekt von Lutein/Zeaxanthin auf die Makuladegeneration nahe legen und der Notwendigkeit, die potenzielle therapeutische Rolle dieser Xanthophylle zu klären, verfolgt die Age Related Eye Disease Studie 2 (AREDS2) ein faktorielles 2×2-Design, bei dem die Patienten in einem der 4 folgenden Behandlungsarme der Studie behandelt werden (⊡ Abb. 12.1, ⊡ Tab. 12.1) [25]: ▬ Plazebo ▬ Lutein (10 mg)/Zeaxanthin (2 mg) ▬ Langkettige mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure [DHA, 350 mg] Eicosapentaensäure [EPA, 650 mg]) ▬ Kombination aus Omega-3-Fettsäuren und Lutein/ Zeaxanthin.
12.5
Langkettige mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren
Ein Vertreter der langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (»long-chain polyunsaturated fatty acids«; LCPUFA) ist die Docosahexaensäure (DHA), die in hoher Konzentration im äußeren Segment der Photorezeptoren vorkommt. DHA ist eine wichtige strukturelle Komponente der retinalen Membranen und wird während des Sehzyklus beständig abgebaut. DHA wird aus den Vorstufen α-Linolensäure (ALA) und Eicosapentaensäure (EPA), die mit der Nahrung aufgenommen werden, synthetisiert [40]. Die Hauptquelle für LCPUFA in der Nahrung ist ölhaltiger Fisch. Die Hauptquellen für ALA sind pflanzliche Nahrungsmittel wie z. B. Leinsamen und Leinsamenöl, Walnüsse und Walnussöl, Sojabohnen und Sojabohnenöl, Kürbiskerne, Rapsöl und Olivenöl. Ölhaltiger Fisch wie z. B. Thunfisch, Sardinen, Lachs, Makrele, Hering und Forelle sind die Hauptquellen für EPA und DHA in der Nahrung [40].
Es gibt zunehmend Hinweise auf mögliche Mechanismen, über die LCPUFA eine Rolle in der Pathogenese der AMD spielen könnten. Mehrere von LCPUFA abgeleitete Mediatoren sind an Immunmodulation und Entzündungsvorgängen beteiligt [41–46]. Eine okuläre Entzündung führt zur Spaltung membrangebundener LCPUFA und Bildung von Mediatoren mit vielfältigen autokrinen und parakrinen Effekten auf retinale Entzündung, Neovaskularisation und Zellüberleben [42, 43, 47, 48]. Alle diese Faktoren spielen in der Ätiologie der AMD eine Rolle. Etliche Studien haben einen Zusammenhang zwischen abnehmendem Schweregrad der AMD mit steigendem Konsum von Omega-3-LCPUFA ergeben. Die diätetische Nebenstudie der Eye Disease Case Control Studie (EDCCS) zeigte ein reduziertes Risiko für neovaskuläre AMD bei steigender Nahrungsaufnahme von Omega-3LCPUFA und Fisch (OR 0,6 für beide bei Vergleich des höchsten und niedrigsten Quintils) [38]. Eine demographische Querschnittsstudie an einer europäischen Population ergab ein um 53% reduziertes Risiko für neovaskuläre Makuladegeneration bei Probanden, die mehr als einmal pro Woche Fisch aßen [49]. Die Ergebnisse einer Metaanalyse zeigten, dass Fischkonsum mindestens zweimal wöchentlich im Vergleich zu einem Konsum seltener als einmal pro Monat mit einer 37%-igen Risikoreduktion für eine frühe AMD einherging. Auch ein protektiver Effekt gegen eine späte AMD wurde nachgewiesen [50]. Eine Sekundäranalyse der amerikanischen Zwillingsstudie bezüglich Makuladegeneration ergab gleichfalls, dass Verzehr von Fisch und Omega-3-Fettsäuren das Risiko einer AMD senkt [51]. Es wurde gezeigt, dass Nahrungsergänzung zu einer erhöhten Serumkonzentration von EPA führt, wenngleich die klinische Bedeutung dieser Erkenntnis noch unbekannt ist [52]. In der AREDS-Population waren höhere Aufnahmen von DHA und EPA mit einem geringeren Risiko assoziiert, eine fortgeschrittene AMD zu entwickeln, unabhängig von der AREDS-Nahrungsergänzung [53]. Probanden mit dem höchsten Konsum langkettiger mehrfach ungesättigter Omega-3-Fettsäuren hatten bereits zu Beginn der Studie durchschnittlich eine halb so große Wahrscheinlichkeit einer neovaskulären AMD (für DHA und EPA, OR: 0,65; 95% CI 0,50–0,85) [54]. Ebenso lag bei diesen Teilnehmern eine geringere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer zentralen geographischen Atrophie ausgehend von bilateralen Drusen innerhalb von 6 Jahren vor als bei Teilnehmern mit dem geringsten Konsum dieser LCPUFA (OR: 0,65; 95% CI 0,45–0,92) [54, 55]. Eine in die AREDS-Studie gebettete Kohortenstudie zeigte, dass Patienten mit mittlerem bis hohem Risiko für eine fortgeschrittene AMD und dem höchsten Konsum
201 12.7 · Vitamin C
von Omega-3- Fettsäuren eine um 30% reduzierte Inzidenz einer fortgeschrittener AMD aufwiesen[48]. In der Blue-Mountains-Eye-Studie zeigte sich eine reduzierte 10-Jahres-Inzidenzrate für frühe AMD, wenn Probanden mindestens eine Fischmahlzeit pro Woche aßen [34]. Eine weitere große australische Kohortenstudie ergab gleichfalls eine inverse Assoziation zwischen einem höheren Konsum von Omega-3 Fettsäuren und früher AMD, bei Vergleich des höchsten und niedrigsten Quartils [56]. Im Gegensatz dazu zeigte der dritte National Health and Nutrition Examination Survey keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Fischkonsum und Inzidenz sowie Prävalenz der AMD [57]. In ihrer Metaanalyse zum Omega-3-Fettsäurenkonsum und AMD-Risiko folgerten Chong et al., dass der Konsum von Omega-3 Fettsäuren mit einem geringeren AMD-Risiko verbunden sein könnte, die Evidenz jedoch insgesamt noch nicht ausreiche, um Empfehlungen zur Primärprävention in der Allgemeinbevölkerung auszusprechen [50]. Es existiert eine zunehmende Anzahl klinischer und wissenschaftlicher Daten, die eine Rolle der Omega-3 Fettsäuren in Pathogenese und Progression der AMD unterstützen. Angesichts dieser zunehmenden Evidenz ist die Notwendigkeit einer großen, randomisierten, kontrollierten Multicenterstudie offensichtlich. Die AREDS2 wird den Effekt einer Nahrungsergänzung mit DHA plus EPA (1 g/Tag) auf die Sekundärprävention der AMD untersuchen [25].
12.6
Vitamin E
Vitamin E liegt in der Retina in Form von α-Tocopherol vor [58]. Es ist ein starkes Antioxidans und Radikalfänger und wurde als potenzielles Mittel zur Beeinflussung des Krankheitsverlaufs bei AMD untersucht. Nahrungsquellen für Vitamin E sind z. B. Vollkornprodukte, angereicherte Getreideflocken und Nüsse [59]. Die Vitamin E Intervention in Cataract and Age-Related Maculopathy Studie (VECAT) war eine prospektive, randomisierte plazebokontrollierte Studie, die den Effekt einer Nahrungsergänzung mit 400 IU Vitamin E auf die Inzidenz der frühen und späten AMD in einer australischen Bevölkerungsgruppe untersuchte. Die Studie konnte keinen Einfluss der Vitamin E Nahrungsergänzung auf die Inzidenz der frühen und späten AMD belegen. Es zeigte sich eine leichte Reduktion der Hypopigmentierung bei Patienten mit früher AMD [60]. Andere Ergebnisse zur Aufnahme von Vitamin E und AMD-Risiko waren uneinheitlich. Eine hohe Nahrungsaufnahme von Vitamin E zeigte in der Physicians’-
Health-Studie eine Risikoreduktion für ein Neuauftreten einer AMD, wenngleich dieses Ergebnis nicht statistisch signifikant war (RR 0,87) [61]. Im Gegensatz dazu hatten Probanden in der Blue-Mountains-Eye-Studie im oberen Tertil der Vitamin E-Aufnahme ein höheres Risiko für eine späte AMD als diejenigen im unteren Tertil, wenngleich auch dieser Trend nicht signifikant war [18]. In der Eye Disease Case Control Studie zeigte Vitamin E gar keinen Effekt auf die Inzidenz von AMD [38]. Die AREDS-Rezeptur beinhaltete 400 IU Vitamin E und erbrachte in Kombination mit Vitamin C, Zink und β-Carotin eine Risikoreduktion für eine fortgeschrittene AMD bei Teilnehmern mit mittlerem Progressionsrisiko [16]. In der Rotterdam Studie ergab sich eine Risikoreduktion für neuaufgetretene AMD mit erhöhter Nahrungsaufnahme von Vitamin E [19]. Eine große Metaanalyse von Studien zum Einfluss von Vitamin E auf die Mortalität zeigte ein minimal erhöhtes Mortalitätsrisiko unter Nahrungsergänzung mit Vitamin E sowohl bei alleinigem Konsum als auch in Kombination mit β-Carotin und Vitamin A (RR 1,04) [62]. Mortalitätsanalysen in der AREDS ergaben kein erhöhtes Sterberisiko unter der AREDS-Nahrungsergänzung [11].
12.7
Vitamin C
Vitamin C ist ein wasserlösliches, industriell aus Glukose hergestelltes Molekül, das eine wichtige Rolle in der Synthese von Kollagenen, Katecholaminen und Neurohormonen spielt. Des Weiteren fungiert es als Antioxidans, indem es freie Radikale abfängt und diese in der Retina und anderem Nervengewebe unschädlich macht [63]. Vitamin C spielt zudem eine wichtige Rolle bei Immunabwehr und Eisenabsorption und Vitamin-E-Regeneration [64]. In den äußeren Segmenten der Stäbchenzellen und in Müllerzellen schützt Vitamin C das Vitamin E (α-Tocopherol), eine wichtige Komponente der retinalen Membran, vor durch UV-Strahlung induzierter Oxidation [65]. Vitamin C ermöglicht auch die Regeneration von Vitamin E und verbessert damit den antioxidativen Effekt auf die Retina [66]. Vitamin C muss über die Nahrung zugeführt werden, da es nicht endogen produziert werden kann. Es findet sich vor allem in Zitrusfrüchten, Tomaten, Kartoffeln, roter und grüner Paprika, Brokkoli, Kiwi und Erdbeeren [19, 64]. Eine bedeutende Studie ergab keinen signifikanten Zusammenhang zwischen einer über- oder unterdurchschnittlichen Einnahme von Vitamin C und dem Auftreten einer AMD [18]. Eine andere Studie jedoch zeigte, dass eine überdurchschnittliche Aufnahme von Vita-
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202
Kapitel 12 · Nahrungsergänzung
min C, kombiniert mit Vitamin E, β-Carotin und Zink, verglichen mit einer unterdurchschnittlichen Aufnahme von mindestens einem dieser Nährstoffe mit einem um 35% reduzierten Risiko eines Neuauftretens einer AMD einhergingen [19]. Insgesamt sind die Daten zur potenziellen therapeutischen Rolle von Vitamin C bei AMD begrenzt. Ein protektiver Effekt hängt möglicherweise mit einer Verbesserung des gesamten systemischen oxidativen Status zusammen.
12.8
12
Zink
Zink wird hauptsächlich in Muskeln, Knochen, Haut, Haaren und der Leber von Erwachsenen gespeichert [67]. Zink befindet sich in Austern, rotem Fleisch, Geflügel, Bohnen, Nüssen, Vollkorn, Krabben, Hummer und Milchprodukten. Die Bioverfügbarkeit aus Getreide und anderen Pflanzen ist geringer als die aus tierischen Quellen [68]. Zink und andere Metalle (wie z. B. Kupfer) spielen eine wichtige Rolle im Sehzyklus und dem Überleben der Photorezeptoren [69]. Es findet sich vor allem in pigmentreichen Strukturen (Retina, Choroidea, RPE). Als Kofaktor und Bestandteil verschiedener wichtiger Enzyme (Carboanhydrase, Alkoholdehydrogenase, Kupfer, Zink-Superoxiddismutase) spielt Zink eine aktive Rolle in der Rhodopsin-Synthese (in Zusammenarbeit mit Vitamin A), bei der Proteinstabilisation, der Modifikation von Plasmamembranen der Photorezeptoren, der Modulation der synaptischen Weiterleitung und dem Schutz gegenüber zellulären Stress-Signalwegen [67, 69, 70]. Im RPE unterstützt Zink die Induktion der Synthese von Metallothionein, was bei der Beseitigung von Hydroxylradikalen helfen könnte [67]. Studien an Tieren ergaben einen Zusammenhang zwischen Zinkmangel und Anenzephalie, Anophthalmie, Mikrophthalmie und einem gestörten Immunsystem [70– 72]. Beim Menschen wurde Zinkmangel mit Nachtblindheit, AMD, gestörter Dunkeladaptation und anderen pigmentären Retinopathien in Zusammenhang gebracht [67, 70, 73–75]. Des Weiteren wurde nachgewiesen, dass sich der Zinkgehalt in der neuralen Retina und Choroidea altersabhängig verändert [69]. Bei männlichen Patienten zeigten sich im Alter eine Abnahme des Zinkgehaltes in der neuronalen Retina und ein Anstieg in der Choroidea. Im RPE zeigte sich keine altersabhängige Veränderung [69, 75]. Primaten mit einer früh beginnenden Makuladegeneration wiesen einen verminderten Zinkgehalt auf [76]. Studien zur Rolle von Zink bei AMD bei Menschen erbrachten jedoch widersprüchliche Ergebnisse. Seit einiger Zeit wird ein positiver Behandlungseffekt oraler Nahrungsergänzung mit Zink vermutet [77].
Eine Studie von Newsome et al. aus dem Jahr 2008 zeigte, dass eine orale Nahrungsergänzung mit Zink-Monozystein (25 mg zweimal täglich) die Makulafunktion (Sehschärfe, Kontrastempfindlichkeit) bei Patienten mit trockener AMD im Vergleich zu Plazebo verbesserte [78]. Die AREDS ergab eine Risikoreduktion sowohl für die Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD als auch für die Progression einer intermediären zur fortgeschrittenen AMD [16]. Bestätigt wurde dies durch die Blue-Mountains-Eye-Studie, in der Patienten mit einer Nahrungsergänzung von >15,8 mg Zink/Tag (das höchste Aufnahmetertil) eine um 46% reduzierte Wahrscheinlichkeit hatten, eine frühe AMD zu entwickeln und eine zu 44% geringere, jegliche Form von AMD zu entwickeln [18]. Die Beaver-Dam-Eye-Studie zeigte einen umgekehrten Zusammenhang zwischen Zinkkonsum und der Inzidenz von Pigmentstörungen, jedoch keine signifikante inverse Assoziation zwischen Zinkkonsum und der Inzidenz einer frühen AMD [79]. Bei Patienten mit exsudativer AMD in einem Auge fand sich durch orale Zinksubstitution kein Kurzzeiteffekt (24 Monate) auf den Verlauf der AMD [80]. In der AREDS wurden die ZinkSerumkonzentrationen gemessen und es zeigte sich ein Anstieg um 17% bei Patienten, die zinkhaltige Rezepturen einnahmen. Dieser Effekt bestand sowohl nach einem als auch nach 5 Jahren [81]. Patienten, die Zink einnahmen, wiesen eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen stationären Aufenthalt aufgrund urogenitaler Erkrankungen auf als die, die keine Zinkrezepturen einnahmen (7,5% vs. 4,9% für Männer und Frauen und 8,6% vs. 4,4% nur für Männer) [16]. Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass Patienten, die homozygot für den risikotragenden Phänotyp des Komplementfaktors H (Y402H/Y402H) sind, weniger auf eine Behandlung mit Zink ansprechen [82].
12.9
Folsäure und B-Vitamine
Folsäure, Vitamin B12 und B6 sind wasserlösliche, natürlich vorkommende Vitamine. Folsäure findet sich vor allem in grünblättrigem Gemüse, Zitrusfrüchten, Bohnen und Erbsen. Es ist wichtig für die Zellteilung, besonders bei der Produktion von Erythrozyten und der Verstoffwechselung von Homozystein. Brote, Getreideflocken und andere Getreideprodukte sind oftmals mit Folsäure angereichert [83]. Vitamin B12 (Cyanocobalamin) kommt natürlicherweise in Fisch, Fleisch, Geflügel, Eiern und Milchprodukten vor. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Erythrozytenbildung, der DNA-Synthese, Nervenfunktionen und im Homozysteinstoffwechsel. Vitamin B6 findet sich in angereicherten Getreideflocken, Bohnen, Fleisch, Geflü-
203 12.10 · AREDS2
gel, Fisch, Obst und Gemüse [83]. Es spielt eine wichtige Rolle im Erythrozyten-Stoffwechsel, im Nervensystem, im Immunsystem und für die Sauerstoffkapazität des Hämoglobins. Homozystein ist eine hochreaktive vermittelnde Aminosäure im Methioninstoffwechsel und benötigt ausreichende Konzentrationen von Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 für eine adäquate Transsulfurierung und Re-Methylierung [84–86]. Eine Steigerung der Homozysteinspiegel (>15 μmol/l) kann zu einer Schädigung des vaskulären Endothels durch Freisetzung von freien Radikalen führen, wie auch zu einer Proliferationsförderung der glatten Muskulatur und einer erhöhten Gerinnungsneigung [84, 87, 88]. Es hat sich gezeigt, dass die Homozysteinspiegel mit dem Alter ansteigen und bei Männern höher sind [84]. Hyperhomozysteinämie erwies sich als ein unabhängiger Risikofaktor für kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen, periphere Gefäßerkrankungen, Arteriosklerose und Thrombose [84, 86, 88]. Zusätzlich zu den bekannten Effekten von Homozystein auf Gefäße konnte eine Toxizität auf Ganglienzellen und Störungen des Redox-Thiol-Haushaltes, gefolgt von gesteigerten Konzentrationen an Pro-Oxidanzien gezeigt werden [85, 89]. Nowak et al. zeigten, dass Patienten mit AMD im Vergleich zur Kontrollgruppe einen erhöhten Gehalt an Homozystein aufwiesen, jedoch keinen signifikanten Unterschied der Konzentrationen an Vitamin B12 und Folsäure [85]. Eine Studie von Heuberger jedoch ergab keinen Zusammenhang zwischen Homozysteinspiegeln und AMD und einen gegenläufigen Zusammenhang zwischen Folsäure und weichen Drusen bei nicht-hispanischen Farbigen [85]. Die toxischen Effekte von Homozystein sowie Arteriosklerose gerieten unter Verdacht Risikofaktoren für die Pathogenese der AMD zu sein [85, 86, 90]. Nach einem von Friedman et al. erstellten Modell, haben AMD und Arteriosklerose gemeinsame Risikofaktoren und pathogenetische Mechanismen, die zu einer Ablagerung von Lipiden in der Sklera und der Bruch- Membran führen, was wiederum zu einer Abnahme des choroidalen Blutflusses, einer Erhöhung des choriokapillären Drucks, Drusen und einer Beschädigung der Bruch-Membran führen könnte. Patienten mit fortgeschrittener AMD weisen verminderte choriokapilläre Dichte und Durchmesser verglichen mit normalen Makulae auf [91]. Die Rotterdam Eye Studie zeigte, dass Patienten unter 85 Jahren mit Plaques in der Karotisbifurkation eine 4,7-fach erhöhte Prävalenzwahrscheinlichkeit für eine neovaskuläre Makuladegeneration hatten [92]. Ergebnisse der Women’s Antioxidant and Folic Acid Cardiovascular Studie (WAFACS) erbrachten, basierend auf einem 7,3 Jahre Follow-up, ein erstmals nach 2 Jahren ersichtlich werdendes und um 35–40% reduziertes AMD-
Risiko bei den Probanden, die eine Nahrungsergänzung mit Folsäure, Pyridoxin und Cyanocobalamin erhielten. Eine AMD wurde mittels eines Bestätigungs-Fragebogens, der in der WAFACs an den behandelnden Arzt gesandt wurde, selbst gemeldet; aufgrund dieses Studiendesigns ist es möglicherweise schwierig, die tatsächlichen AMD-Raten zweifelsfrei zu bestimmen [93]. Die Blue-MountainsEye-Studie zeigte, dass Homozysteinspiegel >15 μmol/l bei Patienten unter 75 Jahren mit einer erhöhten AMDWahrscheinlichkeit verbunden waren, und dass Hyperhomozysteinämie einen noch deutlicheren Risikofaktor bei niedrigen Vitamin-B12-Spiegeln darstellte [87]. Axer-Siegel et al. wiesen um 27,9% erhöhte Homozysteinspiegel bei Patienten mit neovaskulärer AMD nach verglichen mit Patienten mit trockener AMD und um 21,9% höhere als in der Kontrollgruppe. Die mittlere Homozysteinkonzentration lag bei neovaskulärer AMD bei 16,5 nmol/l verglichen mit 11,9 nmol/l bei trockener AMD und 12,5 nmol/l in der Kontrollgruppe. Dies deutet darauf hin, dass erhöhte Homozysteinwerte in Zusammenhang mit der exsudativen neovaskulären AMD stehen, aber nicht mit der trockenen AMD [84]. Es konnte gezeigt werden, dass eine Behandlung mit Folsäure, Pyridoxin und Cyanocobalamin Plasma-Homozystein-Konzentrationen vermindern [93, 94]. Insbesondere eine Nahrungsergänzung alleinige mit Folsäure kann Plasma-HomozysteinKonzentrationen um 13–25% reduzieren [95,96]. Zusätzlich zu ihrer Rolle im Homozystein-Stoffwechsel leisten Folsäure und die B-Vitamine eventuell auch einen eigenständigen Schutz vor AMD, möglicherweise durch ihre antioxidativen Effekte und ihre Fähigkeit, Blutgefäße bei der Wiederherstellung des endothelialen Stickstoffoxidgehalts zu unterstützen, womit die vaskuläre Reaktionsfähigkeit verbessert und die Atherogenität des Endothels reduziert wird [94, 97, 98]. Die WAFACs liefert vielversprechende erste Daten, die weiter validiert werden müssen, bevor eine allgemeine Behandlungsempfehlung ausgesprochen werden kann.
12.10
AREDS2
Seit der ersten AREDS, die auf eine mögliche krankheitsbeeinflussende Rolle von Omega-3-Fettsäuren und den makulären Xantophyllen Lutein und Zeaxanthin bei AMD hinwies, ist eine große Anzahl an Studienergebnissen erschienen. Die AREDS2 wird helfen, die Rolle dieser Mikronährstoffe in der Prävention der fortgeschrittenen AMD bei Patienten mit mittlerem bis hohem Progressionsrisiko besser zu definieren. Die AREDS2 ist eine plazebokontrollierte, randomisierte, kontrollierte Multicenter-Studie mit dem
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204
Kapitel 12 · Nahrungsergänzung
Primärziel, zu untersuchen, ob sich eine hochdosierte Nahrungsergänzung mit Omega-3-LCPUFAs und/oder Lutein mit Zeaxanthin als gewinnbringend für die AMDBehandlung erweist. Des Weiteren wird die AREDS2 in einer zweiten Randomisierung zur Erkenntnis beitragen, ob ein Weglassen von β-Carotin und eine Reduzierung der Zinkdosis in der AREDS-Rezeptur einen Effekt auf die Wirksamkeit der Behandlung hat (⊡ Abb. 12.1). Man erwog bereits bei der ersten AREDS-Rezeptur Lutein und Zeaxanthin aufgrund ihrer histologischen und biochemischen Eigenschaften und den epidemiologischen Daten einzubeziehen, jedoch konnte keines der Carotinoide zum damaligen Zeitpunkt industriell hergestellt werden. Im Gegensatz zur AREDS wird die AREDS2 nur Teilnehmer mit mindestens mittlerem Progressionsrisiko einschließen. Etwa 4000 Patienten wurden aufgenommen, die entweder bilateral große Drusen oder große Drusen in einem Auge und eine fortgeschrittene AMD (neovaskuläre AMD oder zentrale geographische Atrophie) im anderen Auge aufweisen. Primärer Zielparameter der AREDS2 ist die Progression zu einer fortgeschrittenen AMD. Teilnehmer werden über 5 Jahre lang nachbeobachtet. Fazit
▬ Das Management der nicht-exsudativen AMD bleibt ▬
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▬ ▬
▬
schwierig mit begrenzten therapeutischen Möglichkeiten. Studienergebnisse zur Primärprävention der AMD sind vielversprechend, doch ist die Datenlage noch unzureichend, um Empfehlungen zur Nahrungsergänzung zur Vorbeugung einer AMD in der allgemeinen Bevölkerung oder gar bei Personen ohne AMD, jedoch mit positiver Familienanamnese, auszusprechen. Die AREDS-Untersuchung zeigte, dass eine Kombination aus Vitamin C, E, β-Carotin, Zink und Kupfer das Risiko der Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD bei Patienten mit mittlerem Progressionsrisiko reduziert. Die optimale Zusammensetzung und Dosierung dieser Nahrungsergänzung muss noch gefunden werden. Hyperhomozysteinämie könnte ein Risikofaktor für eine AMD sein und erste Studiendaten liefern Hinweise, dass eine Nahrungsergänzung mit Vitamin B6, B12 und Folsäure das Risiko einer fortgeschrittenen AMD senken könnte. Weitere Versuche sind nötig, um diese Beobachtungen zu bestätigen. Es gibt signifikante Ergebnisse aus Beobachtungsstudien bezüglich modifizierender Eigenschaften makulärer Pigmente und langkettiger Fettsäuren bei AMD, wenngleich diese Frage noch nicht in randomisierten kontrollierten Studien untersucht wurde. Die AREDS2-Studie wird zur Datenlage beitragen und neue Erkenntnisse zu diesen Fragen bieten.
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206
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Kapitel 12 · Nahrungsergänzung
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12
13
Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie G. Soubrane Übersetzt von T. Boll
13.1
Einleitung
– 210
13.2
Grundlagen
– 210
13.2.1 Klinischer Hintergrund – 210 13.2.2 Laserphotokoagulation – 212 13.2.3 Photodynamische Therapie – 212
13.3
Behandlungsabläufe
– 214
13.3.1 Laserphotokoagulation – 214 13.3.2 Photodynamische Therapie – 215
13.4
Studienergebnisse – 217
13.4.1 Laserphotokoagulation – 217 13.4.2 Photodynamische Therapie – 219
13.5
Sicherheit und unerwünschte Nebenwirkungen – 221
13.5.1 Laserphotokoagulation – 221 13.5.2 Photodynamische Therapie – 222
13.6
Varianten – 223
13.6.1 Laserphotokoagulation: verschiedene Wellenlängen – 223 13.6.2 Photodynamische Therapie – 223 13.6.3 Kombinationstherapien – 224
13.7
Derzeitige Leitlinien
– 225
13.7.1 Laserphotokoagulation – 225 13.7.2 Photodynamische Therapie – 226
13.8
Perspektiven Literatur
– 227
– 227
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
210
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
Kernaussagen ▬ Laserphotokoagulation und photodynamische
▬ ▬ ▬
▬
13.1
13
Therapie waren die ersten Therapieverfahren, die für die Behandlung der exsudativen AMD zur Verfügung standen. Ziel beider Verfahren: Verschluss choroidaler Gefäßneubildungen, um ein Krankheitsfortschreiten zu verhindern. Ergebnisse: bestenfalls Stabilisierung der Sehschärfe bei einer begrenzten Patientenzahl Derzeitige seltene Indikationen bei AMD: – Photokoagulation: extrafoveale klassische CNV – Photodynamische Therapie: Nichtansprechen auf Therapie mit VEGF-Hemmern Eine mögliche Kombination mit anderen Behandlungsverfahren könnte das funktionelle Ergebnis verbessern und die Anzahl der Behandlungen reduzieren.
Einleitung
Die Prävalenz choroidaler Neovaskularisationen (CNV) bei altersabhängiger Makuladegeneration (AMD) nimmt mit zunehmender Lebenserwartung der Bevölkerung deutlich zu. Der Visusverlust bei CNV wird durch das Einwachsen und die Hyperpermeabilität neuer Gefäße aus der Choriokapillaris verursacht. Aus diesen Gefäßneubildungen treten Serum und Blut aus und es finden fibrotische Umwandlungen statt, die zu erheblichem Visusverlust führen können. Weder für die AMD noch für eine damit verbundene Neovaskularisation existiert derzeit eine kurative Therapie. Die direkte thermische Laserphotokoagulation von CNV eignete sich die sich nur für eine limitierte Anzahl der Fälle. Im vergangenen Jahrzehnt eröffnete die photodynamische Therapie mit Verteporfin eine Behandlungsmöglichkeit für eine größere Anzahl von Patienten. Beide Therapieverfahren haben einen Teil der Patienten vor weiterem Sehverlust bewahrt. Jede dieser Behandlungsmethoden konnte einen gewissen Erfolg im Hinblick auf Stabilisierung oder Stillstand der Krankheit verzeichnen.
13.2
Grundlagen
13.2.1
Klinischer Hintergrund
Mittels Fluoreszein-Angiographie (FA) können Muster, Grenzen, Zusammensetzung und Lage einer neovasku-
lären Läsion in Bezug zum Zentrum der Fovea bestimmt werden. Anhand ihres Erscheinungsbildes wurden verschiedene Muster und Proliferationsanordnungen beschrieben. Mit »klassischer CNV« wird ein diskretes, gut abgegrenztes fokales Areal beschrieben, das in den Frühaufnahmen der FA hyperfluoreszent erscheint und dessen Intensität und Größe in den späteren Phasen der FA zunimmt (⊡ Abb. 13.1). Eine »okkulte CNV« ist durch eine irreguläre, getüpfelte Hyperfluoreszenz charakterisiert, die häufig in den mittleren bis späten FA-Bildern zu sehen ist und keine Merkmale der klassischen CNV aufweist. Die okkulte CNV wurde früher in zwei Typen unterteilt, die »fibrovaskuläre Pigmentepithelabhebung« (»fibrovascular pigment epithelial detachment«, FVPED) und die »späte Leckage unklarer Herkunft« (»late leackage of undetermined source«, LLUS). Im Gegensatz zur LLUS erscheint die FVPED in der Ophthalmoskopie oder Photographie als eine verdickte Läsion bzw. als Erhebung bei stereoskopischer Betrachtung. Die von der Choroidea ausgehende getüpfelte Hyperfluoreszenz erscheint in den mittleren bis späten FA-Bildern und zeigt keine angiographischen Eigenschaften der klassischen CNV oder der FVPED. Diese Fluoreszenz-Muster erwiesen sich bei den multizentrischen klinischen MPS (Macular Photocoagulation Studie)-Studien und in der klinischen Praxis als zuverlässig und reproduzierbar. Mit dem Aufkommen von Indozyaningrün (ICG)-Angiographie und OCT wurden diese Definitionen angepasst, da die LLUS immer mit einer Abhebung des retinalen Pigmentepithels (RPE) verbunden ist. Insbesondere die ICG-Angiographie ermöglichte die Identifizierung weiterer Läsionstypen wie choroidale polypoidale Vaskulopathie (PCV), chorioretinale Anastomose oder retinale angiomatöse Proliferation. Bei einer CNV wurde auch nach Lokalisation differenziert, was besonders in der Ära der Laserphotokoagulation von Relevanz war. Bei der »extrafovealen CNV« befindet sich der Läsionsrand mindestens 200 μm vom fovealen Zentrum entfernt (⊡ Abb. 13.1). Läsionen, deren Ränder sich innerhalb von 1–199 μm vom fovealen Zentrum befinden, werden als »juxtafoveal« bezeichnet (⊡ Abb. 13.2). Bei der »subfovealen« CNV befinden sich alle Anteile der Läsion innerhalb des geometrischen Zentrums der Fovea (⊡ Abb. 13.4). In der PDT-Ära kam eine weitere Unterscheidung hinzu: Die Beschreibung »überwiegend« wird benutzt, wenn mindestens 50% einer kombinierten choroidalen Neovaskularisation ein bestimmtes Muster aufweist wie bei »überwiegend klassisch« oder »überwiegend okkult«. Weisen weniger als 50% einer choroidalen Neovaskularisation ein bestimmtes Muster auf, so spricht man von »minimal« wie bei »minimal klassisch«.
211 13.2 · Grundlagen
⊡ Abb. 13.1 Typische »extrafoveale« Membran einer klassischen CNV. Der foveale Rand der CNV liegt mehr als 500 μm vom Zentrum der fovealen avaskulären Zone entfernt. Man beachte den begrenzten, partiellen Blutungsring, der zunehmend durch die Leckage und ein paar wenige weiche Drusen maskiert wird
a
c
b
d
⊡ Abb. 13.2a–d Typische »juxtafoveale« Membran einer klassischen CNV. a Typisch lokalisiertes Hyperfluoreszenz-Gebiet, klar abgegrenzt, gut definiertes Netzwerk. Die Hyperfluoreszenz zeigt sich früh mit fortschreitender Zunahme der Intensität (b, c), breitet sich über die anfänglichen Grenzen hinaus aus und charakterisiert damit die »Leckage« und Füllung der subretinalen Abhebung (d). Der foveale Rand der CNV greift auf die zentrale avaskuläre Zone über, spart jedoch das Zentrum aus. Als »juxtafoveale« Membran liegt sie mehr als 200 μm vom Zentrum entfernt
13
212
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
Die Klassifikation der exsudativen AMD entwickelte sich mit dem Aufkommen neuer Diagnosemöglichkeiten und Therapien sukzessive weiter. Allerdings steht eine auf optischer Kohärenztomographie (»optical coherence tomography«, OCT) basierende, allgemein akzeptierte Klassifikation noch aus.
13.2.2
13
Laserphotokoagulation
Basis der therapeutischen Photokoagulation ist die Umwandlung von Lichtenergie in Wärmeenergie, eine der Interaktionen des Laserstrahls mit dem Zielgewebe. Die Einführung der Laserphotokoagulation bei CNV sollte der Neovaskularisationsprogression Einhalt gebieten, indem sie das Einwachsen neugebildeter Gefäße unter das Zentrum der Makula verhindert und so die Bildung eines zentralen Skotoms vermeidet. Die Lasertechnologie bietet ideale Bedingungen für eine gezielte Photokoagulation im Bereich der Makula. Die räumlich kohärente emittierte Strahlung kann präzise fokusiert werden und induziert mittels eines hierfür notwendigen Temperaturanstiegs die erwünschte Nekrose. Dieser Effekt beruht auf Absorption von Laserenergie innerhalb des Zielgewebes. Die Absorption einer Wellenlänge ist gewebeabhängig. Eine entscheidende Voraussetzung für die Photokoagulation ist die Absorption der Laserwellenlänge im Zielgewebe. Die verschiedenen Gewebeschichten des menschlichen Auges weisen unterschiedliche Absorptionseigenschaften auf; die Wahl der Wellenlänge beeinflusst also den Wärmeeffekt im Zielgewebe sowie Nebenwirkungen in angrenzenden Geweben, die klinisch nur schwer vorauszusagen sind. Die Absorption dieser Wellenlängen in der Retina erfolgt zum großen Teil im Melanin des retinalen Pigmentepithels (RPE) und der Choroidea. Die Umwandlung und Freisetzung der Lichtenergie hingegen vollzieht sich im Bereich der CNV unter Schonung der inneren Nervenfaserschicht der Retina. Die anderen in der Netzhaut vorhandenen Pigmente wie z. B. makuläres Xanthophyll und Hämoglobin können ein unterschiedliches Absorptionsverhalten zeigen. Am häufigsten kommt derzeit grünes Licht zur Anwendung, das die Retina durchdringt und gut vom RPE und der inneren Choroidea, mäßig von makulärem Xanthophyll, sowie stark von Hämoglobin absorbiert wird. In der Makularegion wird nach wie vor überwiegend der ArgonGrünlaser (514 nm) für die Laserkoagulation verwendet, wenngleich auch Krypton-Gelb- (568–577 nm) und Krypton-Rotlaser (647 nm) sowie frequenzverdoppelter Nd-YAG-Laser (532 nm), Diodenlaser und einstellbarer Farbstofflaser (570–630 nm) verfügbar sind. Die Eindringtiefe des Laserlichts ist auch abhängig von seiner
Transmission durch die Medien des Auges. Kurzwelliges blaues Licht (wie z. B. Argon-Blau) wird leicht durch mäßig getrübte Medien des Auges zerstreut, während rotes Laserlicht (z. B. Rubin- oder Krypton-Rotlaser) ohne nennenswerte Streuung durchdringen kann. Punktgröße, Dauer und Intensität der Bestrahlung
haben entscheidenden Einfluss auf Tiefe und Durchmesser der thermischen Koagulation. Tiefe und Ausmaß der Gewebezerstörung steigen mit der Punktgröße. Zugunsten der Treffgenauigkeit sollte die applizierte Punktgröße in der Makularegion daher maximal 200 μm betragen. Die Größe des Brennpunkts verkleinert sich mit kürzerer Wellenlänge. Auch eine längere Bestrahlungsdauer erhöht Tiefe und Ausmaß der Koagulation durch Konvektion und erfordert ein gutes Beherrschen der Technik. Die Dauer der Laserexposition bestimmt zum Teil die Gewebereaktion, doch ist diese auch abhängig von den Absorptionseigenschaften des Zielgewebes. Bei manchen Wellenlängen (Absorption) kann die Dauer der Applikation (Pulslänge) Schmerzen verursachen. Die Nutzung kurzer Impulslängen, kleiner Punktgrößen und sehr hoher Intensität führt zu einem exzessiven Temperaturanstieg, der Zerreißungen im Zielgewebe und tiefgelegene Blutungen verursacht. Umgekehrt bedingen höhere Energie und längere Koagulationszeit höhere Gewebetemperaturen und in der Folge ein größeres Ausmaß an Koagulation. Ophthalmoskopisch korrespondiert das Erscheinen der weißen Punkte auf der Retina mit der absorbierten Energiemenge.
13.2.3
Photodynamische Therapie
Bei der photodynamischen Therapie (PDT) wird eine photosensibilisierende Substanz intravenös verabreicht. Anschließend wird diese mit Laserlicht aktiviert. Rotlicht weist im Wellenbereich zwischen 700 nm und 800 nm eine höhere Lichttransmission durch Gewebe und Blut auf. Die Aktivierung des Photosensitizers, der im Allgemeinen eine porphyrinähnliche Struktur aufweist, führt zur Bildung freier Radikale, die eine Beschädigung der endothelialen Zellen, die Anlagerung von Blutplättchen und eine Blutgerinnselbildung induzieren. Eine ausreichende Akkumulation des Sensitizers im Zielgewebe kann zum Beispiel zu einem Gefäßverschluss führen, während normales angrenzendes Gewebe ausgespart und eine substanzielle thermische Zerstörung vermieden wird. Mechanismen der photodynamischen Therapie. Appliziert man den nichtthermischen Laser auf das Zielgewebe, gelangt der Photosensitizer von einem Basis-SingulettZustand in einen angeregten Triplett-Zustand. Ausgehend
213 13.2 · Grundlagen
von diesem Triplett-Zustand werden photochemische Reaktionen entweder direkt via Bildung reaktiver freier Radikale (Typ-I-Mechanismus) oder indirekt via Energieübertragung auf Sauerstoff im Basis- und hochreaktiven Singulett-Zustand (Typ-II-Mechanismus) initiiert. Beide photochemischen Reaktionen können gleichzeitig auftreten und wirken direkt und unmittelbar zytotoxisch. Über eine Aktivierung der Lipid- und Aminosäureperoxidation können reaktive Sauerstoffspezies auf zellmembranassoziierte und intrazelluläre Ziele wirken. Diese binden an Rezeptoren auf lokalen Endothelzellen, verursachen Thrombozytenanlagerung und Aktivierung der Gerinnungskaskade mit Thrombose der betroffenen Gefäßneubildung. Eine weitere Durchblutung dieser Gefäße wird damit blockiert, was recht schnell zu einer Atrophie der Neovaskularisation führt. Blutgefäße, die auf diesem Weg beseitigt wurden, rezidivieren nicht, wenngleich weiterhin VEGF exprimiert wird und sich daher andere Gefäße im subretinalen Raum bilden werden. Der Effekt der PDT hängt sowohl von der Dosis des Photosensitizers als auch des aktivierenden Lichts ab. Die Induktion von hochintensivem oxidativem Stress führt zur Zellnekrose, während oxidativer Stress geringerer Intensität eine Zellapoptose auslöst. Subletale PDT-Dosen können zu Veränderungen der Expression von Zelloberflächenrezeptoren führen und somit die Zellaktivitäten beeinflussen. Verteporfin. Verteporfin ist eine potente lichtaktivierende Substanz der zweiten Generation, die selektiv neovaskuläre Endothelzellen schädigt und Zielgefäße verschließt. Sie leitet sich von Porphyrin ab und wird auch als Benzoporphyrinderivat bezeichnet. Zur Erhöhung der Löslichkeit im Blut wird Verteporfin als lipidbasiertes Präparat zubereitet. Das Ausmaß der Exposition und die maximale Plasmakonzentration sind proportional zur Dosis, die zwischen 6 und 20 mg/m2 gewählt wird. Nach intravenöser Infusion zeigt Verteporfin innerhalb von etwa 24 h eine bi-exponentielle Elimination aus dem Körper. Durch Leber- und Plasmaesterasen wird ein kleiner Teil des Verteporfins in seinen Diazid-Metaboliten umgewandelt. Die Ausscheidung erfolgt im Wesentlichen über den Darm, weniger als 0,01% im Urin. Bei einer Dosis von 6 mg/m2 Körperoberfläche werden die pharmakokinetischen Eigenschaften von Verteporfin nur unwesentlich von Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft oder leichten Einschränkungen der Leber- oder Nierenfunktion beeinflusst, so dass keine Dosisanpassung erfolgen muss. In-vitro-Studien deuten darauf hin, dass lipophiles Verteporfin durch rezeptorvermittelte Endozytose via Low-densitity-lipoprotein (LDL)-Rezeptoren aufgenommen wird. Im Blutstrom zirkulierendes Verteporfin bildet Komplexe mit LDL. Sobald Verteporfin selektiv an
Oberflächenrezeptoren auf endothelialen Zellmembranen gebunden hat, wird es in die Zelle aufgenommen und bindet an intrazelluläre oder Zytoplasmabestandteile. Es akkumuliert selektiv innerhalb von Gefäßneubildungen einschließlich des neovaskulären Endothelgewebes, wahrscheinlich aufgrund erhöhter LDL-Aufnahme und Expression von LDL-Rezeptoren auf hochproliferativen Zellen. Laser. Die am besten geeignete Lichtquelle für die PDT mit Verteporfin ist ein nicht-thermischer Diodenlaser mit einer Arbeitswellenlänge von 689±3 nm, was einem Absorptionsmaximum von Verteporfin entspricht. Durch eine Spaltlampe wird der Laserstrahl auf das betroffene Retinagebiet gerichtet, ist jedoch nicht stark genug, um einen thermischen Schaden (Photokoagulation) auszulösen. Die Wellenlänge kann eine dünne Lage Blut, Melanin oder fibrotisches Gewebe durchdringen, ohne von natürlicherweise vorhandenen Substanzen absorbiert zu werden, so dass ein thermischer Schaden des Retinagewebes vermieden wird. Gewebeeffekte. Sowohl in vitro als auch in vivo hat sich Verteporfin als wirksamer Photosensibilisator erwiesen. In präklinischen Studien an Tiermodellen zeigte sich, dass lichtaktiviertes Verteporfin bei minimalen Wirkungen auf das umgebende Gewebe selektiv die Gefäße experimentell induzierter CNV verschließen konnte. Der primäre Wirkmechanismus auf die CNV könnte die Beschädigung des Gefäßkanals durch Induktion eines sofortigen Verschlusses neuer Gefäße sein. Rote und weiße Blutzellen, Thrombozytenaggregate und Fibrin können das Lumen der Gefäßneubildung verschließen. Histologisch kommt es zu einer unmittelbaren Beschädigung der gefäßauskleidenden Endothelzellen; man sieht eine Schwellung der Zellen und defekte Zellkernmembranen. Andere nahegelegene Gefäße bleiben intakt, während die anliegenden Retinastrukturen wie die darüber liegenden Photorezeptoren und das retinale Pigmentepithel (RPE) von einem minimalen oder vorübergehenden Schaden betroffen sein können. In experimentellen Studien zeigte sich eine rasche Entzündungsreaktion bei PDT-Applikation mit Leukozyteninfiltration und erhöhter Expression von Zytokinen wie z. B. intrazellulären Adhäsionsmolekülen [ICAM]-1 und Interleukin IL6. Eine Woche nach einer Standard-Verteporfin-Behandlung zeigt sich histologisch ein dosisabhängiger Choriokapillarisverschluss sowie eine reaktive Hochregulation von VEGF in der Immunfärbung. Beim Menschen bestätigt das Fehlen einer CNV-Leckage in der Fluoreszein-Angiographie nach VerteporfinBehandlung den Therapieeffekt. Eine PDT könnte dem-
13
214
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
nach einen selektiven Gefäßverschluss unter Schonung der darüber liegenden Retinazellen und der Bruch-Membran bewirken, die Retinafunktion erhalten und das Risiko eines Sehverlusts senken. Die in den Studien angewandten Therapieregime zeigten jedoch in der ICG-Angiographie einen unmittelbaren vorübergehenden Schaden der physiologischen Choroidea mit früher und oftmals persistierender Nichtperfusion der umgebenden Aderhaut (⊡ Abb. 13.9). 3–17 Monate nach PDT ergibt die lichtmikroskopische Untersuchung eine Umhüllung der CNV durch retinales Pigmentepithel (RPE). Die fibröse Proliferation beinhaltet wiederum offene Gefäßkanäle. Diese Beobachtung bestätigt, dass eine PDT keinen permanenten Verschluss der Gefäßkapillaren einer CNV bewirkt und rechtfertigt das etablierte Schema für Wiederholungsbehandlungen. Die PDT kann möglicherweise die Rückbildung einer CNV beschleunigen und dadurch eine Größenlimitation und einen Erhalt von Photorezeptoren bewirken [7].
13.3
Behandlungsabläufe
13.3.1
Laserphotokoagulation
Indikationsstellung. Laserbehandlung für extrafoveal ge-
13
legene (definiert als CNV mit posteriorer Grenze >200 μm vom Foveazentrum entfernt) oder juxtafoveal gelegene CNV-Läsionen (definiert als CNV mit posteriorer Grenze zwischen 1 und 199 μm vom Foveazentrum entfernt) oder eine extrafoveal gelegene CNV mit blockierter Fluoreszenz innerhalb von 200 μm um das Foveazentrum. Zunächst wurden diese Formen nur dann für eine PDT in Betracht gezogen, wenn sie sich in der FA klar darstellten. Später wurden auch subfoveale CNV und Läsionen, die sich in der ICG-Angiographie gut abgrenzen, eingeschlossen. Behandlungstechnik. Das Ziel einer Photokoagulation bei CNV ist es, die neovaskuläre Membran komplett mit konfluierenden Laserverbrennungen abzudecken und eine Zerstörung derselben durch Koagulation zu bewirken. Da eine CNV binnen Tagen rasch wachsen kann, durfte die Bestimmung der CNV-Grenzen mit Fluoreszein-Angiographie in den Studien nur weniger als 96 h vor PDT stattgefunden haben. Nach derzeitigem Stand könnte eine präzise Abgrenzung in der ICG-Angiographie eine Indikation darstellen. Nach topischer Anästhesie wird zunächst durch Laserverbrennungen die Grenzziehung der Läsionsränder ausgeführt, die der Fovea am nächsten liegen, und zwar genau auf der Grenze der Neovaskularisation (⊡ Abb. 13.3). In den klinischen Studien wurden kleine Koagulationspunkte (50 μm) benutzt, die später auf 200 μm vergrößert wurden. Anschließend
wurde diese Grenzlinie nochmals mit konfluierenden Punkten koaguliert und die Intensität über die Energieeinstellung so reguliert, dass eine merkliche Weißfärbung der Verbrennungspunkte resultiert. Für einen Kryptonlaser wurde dann eine Punktgröße von 200–500 μm bei einer Dauer von 0,2–0,5 Sekunden und einer Energie zwischen 200 und 500 mW genutzt. Die Koagulationszeit kann, wenn nötig, während der Behandlung durch Loslassen des Fußschalters angepasst werden. Das verbliebene Areal innerhalb des Koagulationsrings wurde mit konfluierenden Punkten von 200 μm koaguliert, um eine durchgehende Weißfärbung zu erreichen. Im Bestreben, eine komplette Ablation der CNV zu erreichen, wird das behandelte Areal im Allgemeinen über diese Grenzen hinaus ausgeweitet. Die Koagulationsreaktion breitet sich ausgehend von der äußeren Retinaschicht aus, wobei sich die Koagulationszone auf das benachbarte Gewebe und in die Tiefe auf die inneren Retinaschichten und die Aderhaut ausbreitet. Im Verlauf dieser Koagulationsausbreitung färbt sich der Punkt weiß, was eine Abnahme der retinalen Lichtabsorption zur Folge hat. Wenn die Laserenergie erhöht wird, kann sich der Koagulationspunkt dreidimensional ausweiten. Während der Behandlung sollte immer wieder ein Abgleich der vaskulären Orientierungspunkte in Bezug auf die Lage der CNV erfolgen. Nach der Behandlung sollte eine Fundusphotographie mit derselben Kamera angefertigt und diese mit dem Angiogramm vor Behandlung verglichen werden, um eine komplette Behandlung der Läsion durch einen Laser passender Intensität sicherzustellen. Nachbeobachtung. Die durch den Zusammenbruch der
Blut-Retina-Schranke anfänglich exsudative Reaktion normalisiert sich etwa eine Woche nach Behandlung wieder. Innerhalb von zwei Wochen nach Therapie sollte eine Kontroll-Fluoreszein-Angiographie stattfinden, um die Gefäßobliteration und das Vernarben des Gewebes zu prüfen. Zeigen sich dabei klinisch oder im OCT Zeichen einer CNV-Persistenz wie z. B. eine Zunahme der subretinalen Flüssigkeit, insbesondere bei fluoreszein-angiographischen Hinweisen auf eine Restaktivität der CNV wie eine Hyperfluoreszenz mit später Leckage im Zentrum oder an den Außengrenzen der Koagulationsnarbe, sollten diese Areale erneut mit Laser koaguliert werden, wenn sie sich noch außerhalb der Fovea befinden. Die Fluoreszein-Angiographie sollte wiederholt werden, wenn es Änderungen der Symptome gibt, insbesondere wenn Metamorphopsie oder eine Blutung oder Veränderung des klinischen Bildes auftritt. Misslingt die komplette Destruktion der neovaskulären Membran, zeigt der verbliebene Teil ein aggressives Wachstum, ein fulminantes Fortschreiten und hat eine schlechte Prognose. Be-
215 13.3 · Behandlungsabläufe
a
c
b ⊡ Abb. 13.3a–d Direkte thermische Argon-Laserphotokoagulationstechnik. a Testpunkt, in Entfernung vom Zentrum, zur Bestimmung der wirksamen Einstellung von Energie und Dauer. b Präzise und vorsichtige Behandlung des fovealen Randes der Läsion, wie er sich im Angiogramm zeigte. c Zusammenhängende Punkte auf der gesamten Grenze des CNV-Gebiets. d Zusätzliche zusammenfließende Laserpunkte, weiß und dicht, die das gesamte Areal der Membran bedecken
d
stätigt sich klinisch und angiographisch die Ausbildung einer chorioatrophen Narbe, können die Untersuchungsintervalle verlängert werden. Eine erfolgreiche Laserkoagulation wird durch eine chorioatrophe Narbe in der Fluoreszein-Angiographie, fehlende Größenzunahme in der ICG-Angiographie, Abwesenheit von flüssigkeitsgefüllten Sektionen und eine tiefe hintere Lichtstreuung im OCT angezeigt. Für die CNV-Therapie wurden Laserbehandlungen verschiedener Art angewandt. Eine extensive choroidale subfoveoläre Neovaskularisation mit erheblichem Visusverlust kann im Unterschied zur oben beschriebenen Technik mittels Fovea-aussparender Koagulation behandelt werden, was eine Koagulation der gesamten CNV unter Aussparung des subfovealen Anteils bedeutet (⊡ Abb. 13.4). Unter Einsatz dieser Technik wurde in einer französischen randomisierten Studie bei manchen Fällen eine Sehverbesserung oder -stabilisierung beobachtet. Andererseits hilft die Indozyaningrün-Angiographie, die Grenzen einer möglichen darunterliegenden subepithelialen okkulten CNV klarer darzustellen als die Fluoreszein-Angiographie. Gelegentlich zeigt sich bei einer subfovealen CNV ein Feeder-Gefäß, dass die Möglichkeit eröffnet, ein Gefäß zu koagulieren, das weiter von der Fovea entfernt liegt. Ein Feeder-Gefäß ist ein choroidales Gefäß, das eindeutig mit dem leckenden choroidalen Neovaskularisationskomplex verbunden ist. Die selektive Photokoagulation des arteriellen Versorgungsgefäßes
könnte eine alternative Behandlungsmethode sein, die in mehreren Abteilungen weltweit getestet wurde. Jedoch fehlt bislang ausreichend klinische Erfahrung, um die Wirksamkeit dieses Ansatzes zu belegen. Ein weiterer Therapieansatz basiert auf der Stoffwechselanregung des noch vitalen Gewebes. Zwei randomisierte Studien ergaben, dass eine indirekt gestreute Photokoagulation auf oder zwischen Drusen am zweiten Augen nicht vor dem Einwachsen einer CNV schützt.
13.3.2
Photodynamische Therapie
Das Zwei-Schritt-Prinzip der PDT beruht auf der intravenösen Gabe eines Photosensitizers kombiniert mit einer physikalischen Aktivierung der Substanz durch Licht eines nichtthermischen Diodenlasers. Intravenös injiziertes Verteporfin (Visodyne, Novartis AG, Basel, Schweiz) war der erste Photosensibilisator, der zur Behandlung der exsudativen AMD in einer Dosis von 6 mg/m2 zugelassen wurde. Es wurde ein Diodenlaser mit 689 nm in Kombination mit einem Spaltlampensystem (Coherent Inc., Palo Alto, Kalifornien, USA oder Zeiss Jena GmbH, Jena, Deutschland) entwickelt, um 50 J/cm2 mit einer Intensität von 600 mW/ cm2 83 Sekunden lang verabreichen zu können. Indikationsstellung. Die für eine PDT ausgewählten cho-
roidalen Neovaskularisationen bei altersabhängiger Maku-
13
216
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
ladegeneration waren überwiegend klassisch, okkult ohne klassische CNV-Anteile bei angenommenem kürzlichen Progress oder relativ kleine minimal klassische Läsionen. Auch die subfoveale CNV wurde für die PDT erwogen. Später wurden die Indikationen für PDT auf CNV ausgeweitet, die so nah am fovealen Zentrum liegen, dass sich eine konventionelle Laserphotokoagulation mit hoher Wahrscheinlichkeit unter das Zentrum ausbreiten würde. Behandlungstechnik. Die Verteporfin-Dosis (6 mg/m2
Körperoberfläche) wird vor der Behandlung mit einem Nomogramm basierend auf Körpergröße und -gewicht des Patienten ermittelt. Die Lösung wird über einen intravenösen Zugang über eine Zeitspanne von 10 Minuten infundiert. 15 Minuten nach Infusionsstart wird das Laserlicht durch ein Funduskontaktglas auf die CNV appliziert, um eine Lichtexposition von 50 J/cm2 zu erreichen, die bei biomikroskopischer Betrachtung keine sichtbare Veränderung hervorruft. Es ist wünschenswert, dass die Therapie innerhalb einer Woche nach dem initialen Fluoreszein-Angiogramm beginnt, auf dessen Basis die Entscheidung zur Therapie getroffen wurde. Die Punktgröße basiert auf der größten linearen Ausdehnung der Läsion in der Fluoreszein-Angiographie und wird dann an die
Läsion angepasst, die am Fundus bei dilatierter Pupille beurteilt wird. Zu der Ausdehnung werden zusätzliche 250–500 μm hinzugefügt, um einen Randsaum zu vermeiden, der erneut therapiert werden muss. Die Wahrscheinlichkeit einer kompletten Abdeckung der Läsion wird dadurch erhöht und mögliche Augenbewegungen während der Lichtapplikation kompensiert. Die Patienten werden angewiesen, soweit wie möglich direktes Sonnenlicht zu meiden und bei Aufenthalt im Freien eine spezielle Sonnenbrille mit niedriger (4%) Durchlässigkeit für sichtbares Licht für 48 h nach Therapie zu tragen. Nachbeobachtung. Die Patienten wurden jeweils 3 Mo-
nate nach initialer oder Folgebehandlung zur Kontrolle einbestellt. Zusätzliche Behandlungen wurden alle 3 Monate (±2 Wochen) vorgesehen, wenn sich zu diesem Zeitpunkt eine Fluoreszein-Leckage aus einer CNV zeigte, konnten jedoch aufgeschoben werden, wenn der biomikroskopische und fluoreszein-angiographische Aspekt der Läsion unverändert war und sich eine minimale Fluoreszein-Leckage unterhalb des Zentrums der avaskulären Foveazone zeigte, insbesondere wenn sich weder eine Vergrößerung in der ICG-Angiographie noch subretinale oder intraretinale Flüssigkeit in der OCT ergab [13].
13
⊡ Abb. 13.4a–d Perifoveale Lasertechnik nach Créteil. a Zusammenhängende Laserpunkte auf den Grenzen der zentralen fovealen avaskulären Zone (1) und auf der peripheren Grenze der CNV-Membran (2). b Komplette Laserzerstörung der CNV unter alleiniger Schonung des zentralen Areals. c FA: Muster der CNV-Membran vor Lasertherapie. d FA: Nach Lasertherapie: Keine Leckage im behandelten Areal; keine Ausbreitung oder Proliferation des CNV-Rests im Zentrum
a
b
c
d
217 13.4 · Studienergebnisse
13.4
Studienergebnisse
13.4.1
Laserphotokoagulation
Extrafoveale CNV Autoren der wesentlichen Studien in den 1980er-Jahren berichteten, dass Augen mit präepithelialer klassischer extrafovealer CNV bei AMD, die mit thermischem Laser behandelt wurden, weniger häufig einen schweren Sehverlust erlitten als Patienten, die keine Therapie erhielten. Die ersten randomisierten klinischen Studien (Créteil-Studie und Macular-Photocoagulation-Studie [MPS]) ergaben, dass mit Argon-Blaugrünlaser behandelte Augen mit extrafovealer AMD-bedingter CNV beim Follow-up nach einem Jahr, 18 Monaten und 3 Jahren bessere Ergebnisse zeigten. Nach 5 Jahren hatten 36% der unbehandelten Augen im Vergleich zu 54% der behandelten Augen weniger als sechs oder mehr Zeilen auf der ETDRS (Early Treatment Diabetic Retinopathy Studie)-Tafel in Bezug auf den Ausgangswert verloren. In der Moorfield Studie aus Großbritannien zeigte sich nur auf dem pLevel (p=0,05) ein signifikanter Unterschied zwischen behandelten und unbehandelten Gruppen.
a
c
Verschiedene Studien untersuchten die KryptonRotlaserkoagulation bei juxtafovealer klassischer CNV. Jedoch ergab sich keine Verbesserung des Sehergebnisses bei behandelten gegenüber unbehandelten Augen. Tatsächlich treten bei fast der Hälfte der juxtafoveal und extrafoveal behandelten Augen Rezidive auf, jedoch scheint es nach dem ersten Jahr zu einer Stabilisierung mit geringerer Inzidenz von Gefäßneubildungen zu kommen. Rezidive können in unterschiedlichem Abstand zum behandelten Areal auftreten, entwickeln sich jedoch meistens am Saum der Koagulationsnarbe, vornehmlich an dem der Fovea zugewandten Rand (⊡ Abb. 13.5c, d). Die Mehrzahl der Rezidive tritt innerhalb des ersten Jahres nach Laserbehandlung auf. Nur sehr wenige dieser neovaskulären Rückfälle können erneut mit einer Laserkoagulation behandelt werden, so dass sie oftmals einen schweren Sehverlust zur Folge haben. Derzeit gilt die direkte thermische Laserphotokoagulation bei klassischer extrafovealer CNV weiterhin als effektive Behandlungsmethode für ausgesuchte Fälle. Die Anwendung erfolgt nach Ausschluss einer assoziierten subepithelialen okkulten CNV mittels ICG-Angiographie. Dennoch wird empfohlen, 2, 4 und 6 Wochen nach der initialen Laserphotokoagulation Kontrollfluoreszein-Angiographien und im Zweifelsfall eine ICG-Angiographie (⊡ Abb. 13.6c, d)
b
d
⊡ Abb. 13.5a–d CNV-Rezidiv nach Lasertherapie (derselbe Patient wie in Abb. 13.2). a, b Kontrolle nach 4 Wochen: in Autofluoreszenz (a) und FA (b) zeigt sich ein guter atrophischer Zustand nach Laserung, eine gut abgegrenzte Narbe ohne jede Leckage. c, d Kontrolle nach 8 Wochen: in der FA zeigt sich in der frühen (c) und späten (d) Phase ein schweres Rezidiv einer klassischen CNV, scharf abgegrenzt und leckend, in die foveoläre avaskuläre Zone eindringend und nicht geeignet für eine zusätzliche Laserung
13
218
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
a
⊡ Abb. 13.6a–d Frühe Rezidiverkennung mittels ICG-Angiographie. a FA: Die Narbe nach Laserung ist gut abgegrenzt ohne Leckage und nur wenige choroidale Gefäße kreuzen das laserbehandelte Gebiet. Der foveale Rand ist dunkel ohne Leckage, doch benötigt eine zusätzliche Untersuchung. b, c ICG-Angiographie Frühphase (b) und sehr späte Phase (c): Das subfoveale CNV-Rezidiv ist jetzt deutlich sichtbar als gut abgegrenztes Gefäßnetz mit einem gut definierten Feeder-Gefäß
c
durchzuführen. Im Folgenden sollten engmaschige Kontrollen stattfinden, um Auffälligkeiten so früh wie möglich zu bemerken und erneut behandeln zu können.
13
b
Subfoveale CNV In der Macular-Photocoagulation-Studie wurde eine Photokoagulation auch dann in Betracht gezogen, wenn die Läsion subfoveal lag (sich unter das Zentrum der fovealen avaskulären Zone erstreckte), gut abgegrenzte Ränder hatte und eine klassische CNV aufwies. Aufgrund der fovealen Zerstörung führt die thermische Eradikation in der Regel zu einem unmittelbaren, signifikanten Abfall der Sehschärfe, vor allem dann, wenn diese zuvor besser als 20/200 war. In der behandelten MPS-Studiengruppe zeigte sich 3 Monate nach Therapie ein signifikanter Abfall der Sehschärfe im Vergleich zur unbehandelten Gruppe. Zwei Jahre nach der Behandlung hingegen ergibt sich ein stabilisierender Effekt der Laserkoagulation: 21% der behandelten Augen mit subfovealer CNV verloren 6 oder mehr Zeilen im Vergleich zu 38% der Augen in der Kontrollgruppe, bei denen die Verschlechterung fort schritt. Es kamen vor der Anti-VEGF-Ära nur wenige Patienten mit subfovealer CNV für eine Laserphotokoagulation in Betracht, da die Läsionen oftmals zu groß sind, die
Patienten noch über eine relativ gute initiale Sehschärfe (besser als 20/200) verfügen, die Ränder schlecht abgegrenzt sind oder keine präephitheliale klassische CNV nachgewiesen werden kann. Eine extensive choroidale subfoveale Neovaskularisation mit deutlichem Visusverlust wurde abweichend von oben beschriebener Technik z. T. auch mittels »perifovealer Photokoagulation« behandelt, bei der eine konfluierende Koagulation der gesamten CNV-Membran unter Aussparung des subfovalen Anteils (500 μm) erfolgt. Bei dieser Technik wurde eine statistisch signifikante Visusstabilisierung, seltener eine Verbesserung beobachtet.
Metaanalyse Eine Metaanalyse von acht Studien, die direkte Photokoagulation mit reiner Beobachtung verglich, konnte nur bei fünf Studien Daten zur Progression des Sehverlustes extrahieren [12]. Bei der Verlaufsuntersuchung nach 3 Monaten ergab sich in allen Studien ein nachteiliger Therapieeffekt (RR 1,41; 95%-Konfidenzintervall (CI) 1,08–1,82). Die Studien waren heterogen mit unterschiedlichen Sehschärfewerten zu Beginn und Teilnehmern mit CNV-Läsionen unterschiedlicher Lokalisation. Nach zwei Jahren hinge-
219 13.4 · Studienergebnisse
a
c
b
d
gen ergab sich für alle Behandlungseffekte in den einzelnen Studien eine vorteilhafte Tendenz (RR 0,67; 95%-CI 0,53–0,83). In der Studie, die die perifoveale Photokoagulation einer subfovealen CNV mit alleiniger Beobachtung verglich, fanden sich nach zwei Jahren statistisch signifikante Vorteile für die perifoveale Photokoagulation (RR 0,36; 95%-CI 0,18–0,72). Diese zeigte auf lange Sicht vergleichbare Ergebnisse wie die direkte Ablation, jedoch ohne den unmittelbaren Visusverlust. Die drei Studien mit »Scatter«-Photokoagulation hingegen zeigten keinen Vorteil der Photokoagulation gegenüber alleiniger Beobachtung. In der Zusammenschau verlangsamt die Laserphotokoagulation den Sehschärfeverlust auf mittlere bis lange Sicht. Jedoch betonen zwei überweisende Zentren, dass nur etwa 15% der AMD-Patienten mit CNV für eine Lasertherapie geeignet sind.
13.4.2
Photodynamische Therapie
Nach ihrer Einführung in Nordamerika und Europa fand die PDT mit Verteporfin (V-PDT) rasch große Verbreitung. Die erste Zulassung erfolgte für die Therapie von
⊡ Abb. 13.7a–d Große subfoveale CNV, Behandlungserfolg nach PDT. a Überwiegend klassische Läsion, 2000 μm im größten Durchmesser (VA: 20/100). b 2 Monate nach der ersten Behandlung: Rückbildung des Gefäßnetzes, das kaum durchblutet scheint. c 6 Monate später: Das Gefäßnetz ist nicht mehr sichtbar. Keine Leckage. d 9 Monate später: Kein Rezidiv. Begrenzte RPE-Veränderung und etwas fibröses Gewebe (VA: 20/50)
subfovealen, überwiegend klassischen AMD-Läsionen aller Größen. Später wurde der Einsatzbereich auf okkulte Läsionen ohne klassischen Anteil, bestimmte minimal klassische Läsionen und Läsionen ≤4 MPS Papillenflächen (»disk areas«, DA) erweitert.
Überwiegend klassisch Als erstes befasste sich die Treatment of Age-related Macular Degeneration with Photodynamic Therapy (»TAP«) Studie mit den möglichen Vorteilen der V-PDT. Diese randomisierte doppelblinde plazebokontrollierte klinische Studie läuft weiterhin, um den Nutzen der Substanz zu beleuchten. Eingeschlossen wurden 609 Patienten mit überwiegend klassischer CNV bei AMD. Beim 12 Monats-Follow-up hatten 61% der behandelten Patienten 15 Buchstaben verloren im Vergleich zu 46% im Plazeboarm. Nach 24 Monaten zeigte sich ein Verlust von 15 Buchstaben bei 53% der behandelten Patienten und bei 38% der Plazebogruppe. Im Vergleich zur Kontrollgruppe wurde in der V-PDT-Gruppe bei mehr als doppelt so vielen Patienten ein kompletter Rückgang der CNV-Leckage (⊡ Abb. 13.7) beobachtet. Die Teilnehmer wurden bislang mehr als 5 Jahre nachbeobachtet und erhielten in dieser Zeit im Durchschnitt 7,6 Behandlungen.
13
220
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
13 ⊡ Abb. 13.8 Kleine, begrenzte subfoveale CNV, Follow-up nach PDT. Kein Ansprechen auf die Therapie mit Persistenz, fortschreitender Vergrößerung, zusätzlicher Proliferation und schwerwiegender Vergrößerung der Läsion
In der aktuellsten Publikation [5] wurden minimale Visusänderungen zwischen dem 24. und 60. Monat berichtet. Von den Patienten mit überwiegend klassischen Läsionen hatten 41% einen Verlust von 6 Zeilen (30 Buchstaben) oder weniger nach 24 Monaten (⊡ Abb. 13.8) im Vergleich zu 55% nach 60 Monaten. Da für das 3. bis 5. Jahr keine Kontrollgruppe existiert, ist ein Vergleich zwischen behandelten und unbehandelten Patienten für diesen Zeitraum nicht möglich.
Okkulte Neovaskularisation ohne klassischen Anteil Von den 339 Patienten einer anderen Studie mit subepithelialer okkulter Neovaskularisation ohne klassischen Anteil verloren bis zum 2-Jahres-Nachbeobachtungstermin 54% der V-PDT-behandelten Patienten 15 Buchstaben und 30% der Behandelten 30 Buchstaben. Im Vergleich dazu verloren 67% der Patienten der Plazebogruppe 15 Buchstaben und 47% 30 Buchstaben [6]. Eine
221 13.5 · Sicherheit und unerwünschte Nebenwirkungen
Subgruppenanalyse ergab, dass Patienten eher eine Stabilisierung oder sogar Visusverbesserung beim 24-MonatsFollow-up zeigten, wenn sie zu Beginn einen schlechteren Visus (65 Buchstaben oder 20/200) oder einen Läsionsdurchmesser von 4 Papillenflächen hatten. Eine weitere Subgruppenanalyse offenbarte eine interessante und ausgesprochen nützliche Information über die V-PDT. Während die oben beschrieben Studien alle Läsionseigenschaften betrachteten, ergab die multiple lineare Regressionsmodellierung eine signifikante Korrelation zwischen Behandlungsergebnissen und Läsionsgröße für minimal klassische CNV und okkulte Läsionen ohne klassischen Anteil, jedoch keinen solchen Zusammenhang für überwiegend klassische CNV. Unabhängig von der Zusammensetzung der Läsion waren kleinere CNV mit einem geringeren Visusverlust assoziiert. Damit hatte eine anfängliche Läsionsgröße von ≤4,0 DA, ob minimal klassisch oder okkult ohne klassische Anteile, einen größeren prädiktiven Wert für das Behandlungsergebnis als die Zusammensetzung der Läsion oder die anfängliche Sehschärfe.
CNV, gingen jedoch oftmals mit einem gewissen Maß an permanentem Visusverlust einher. Nur wenige Patienten mit »ausschließlich extrafovealer Läsion« können von diesem Therapieansatz profitieren. Die V-PDT führte sogar bei Patienten mit subfovealen Läsionen zu einem Stillstand der Erkrankung. Bei einem geringen Prozentsatz der Patienten konnte eine Verbesserung der Sehschärfe erreicht werden. Als Ergebnis dieser Studien erwies sich die V-PDT als sicher und wirksam für die Behandlung verschiedener Läsionstypen wie der überwiegend klassischen CNV und der okkulten CNV ohne klassischen subfovealen Anteil. Eine kombinierte Analyse der beiden Hauptstudien zur V-PDT ergab, dass diese zur Behandlung von Läsionen ≤4 DA eingesetzt werden kann. Schließlich können auch subfoveale minimal klassische CNV in manchen Fällen erfolgreich mit V-PDT behandelt werden, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
13.5
Sicherheit und unerwünschte Nebenwirkungen
13.5.1
Laserphotokoagulation
Minimal klassisch Die erste randomisierte doppelblinde Studie zu Sicherheit und Wirksamkeit der V-PDT bei Patienten mit minimal klassischer CNV ergab uneinheitliche Resultate. An dieser Studie nahmen 117 Patienten teil, die auf einen von drei Studienarmen randomisiert wurden: Behandlungsarm mit V-PDT bei reduzierter Fluenzrate (RF 300 mW/ cm2 für 83 Sekunden bei 25 J/cm2) oder V-PDT mit Standardfluenz (SF 600 mW/cm2 für 83 Sekunden bei 50 J/cm2) oder Plazeboarm. Die Patienten hatten Läsionen von ≤ 6 DA. Während sich der RF-Arm nach 12 und 24 Monaten hinsichtlich der durchschnittlichen Veränderung der Sehschärfe zum Ausgangswert günstiger als der SF-Arm darstellte, waren diese Unterschiede nur gering (im Allgemeinen weniger als eine Zeile) und im Vergleich zu Plazebo nicht besonders stabil. Aufgrund dieser uneindeutigen Ergebnisse wird die V-PDT in den meisten Ländern bei minimal klassischen Läsionen nur eingeschränkt eingesetzt, sofern keine Zeichen einer kürzlichen Krankheitsprogression vorhanden sind. Jedoch zeigten signifikant mehr Patienten (28%) im Plazeboarm ein Fortschreiten zu überwiegend klassischen Läsionen während der Nachbeobachtungszeit als in den V-PDT-Gruppen (5% in der RF-Gruppe und 3% in der SF-Gruppe) [2]. In den letzten vier Jahrzehnten wurden einige sehr ermutigende und mit großer Hoffnung erwartete Fortschritte im Management der CNV bei AMD erzielt. Frühe Behandlungsansätze wie die Laserkoagulation ermöglichten die Verhinderung einer raschen Ausbreitung von
Trotz des potenziell erwartbaren Nutzens der Laserphotokoagulation für manche Patienten waren die Ergebnisse uneinheitlich; versehentliche Photokoagulation der Fovea war selten und zerstörte keine größeren Flächen der zentralen Retina. Die Schmerzstärke ist abhängig von Wellenlänge (Absorption), Applikationsdauer (Pulslänge) und dem zugeführten Energieniveau. Das Auftreten einer tiefen Blutung ist durch die Perforation der Gefäßwand einer neugebildeten Kapillare bedingt. Ein sofortiger Verschluss des Gefäßes kann durch Fortführung der thermischen Laserkoagulation erreicht werden. Die thermische Energie führt zu einer direkten Beschädigung der Retinafunktion mit sofortigem und irreversiblem Skotom am Ort der Laserlichtapplikation. Es besteht ein erhöhtes Risiko, die Fovea zu treffen und damit einen sofortigen Sehverlust zu verursachen. Die präzise Lokalisierung des Xantophyllpigments gegen blaues Licht kann dabei helfen, eine versehentliche Laserung sowie eine inadäquate Lokalisierung (subfoveale Leckage) zu vermeiden. Rezidive traten häufig auf (⊡ Abb. 13.5 und ⊡ Abb. 13.6). Im Jahr 1990 zeigte die MPS-Studiengruppe, dass ein Drittel der mit Krypton-Rotlaserphotokoagulation behandelten Patienten eine Persistenz der Neovaskularisation binnen sechs Wochen nach initialer Therapie aufweisen und 47% der Patienten einen Rückfall innerhalb von 5 Jahren erleiden. Das bedeutet, dass auch nach
13
222
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
⊡ Abb. 13.9a,b ICG-Angiographie. a Vor PDT: Sichtbarkeit großer zentraler Gefäße innerhalb eines hypofluoreszenten Gebietes. b Eine Stunde nach PDT: Starke Farbstoffleckage, die die Veränderungen der endothelialen Zellen der Gefäßneubildungen zeigt
a
erfolgreicher Behandlung mit kompletter Zerstörung der neovaskulären Membran Rezidive auftreten können. Dies stellt die Hauptkomplikation der Koagulationstherapie dar. Persistiert die Erkrankung oder tritt sie erneut auf, ist mit einem schweren Visusverlust zu rechnen. Die Lasertherapie war nur für Läsionen geeignet, die eine klare Abgrenzung in der Frühphase des FluoreszeinAngiogramms aufweisen. Es ist zu bedenken, dass diese Ergebnisse vor Entdeckung der subepithelialen okkulten CNV erhoben wurden und nur auf fluoreszein-angiographischen Befunden beruhen. Es ist zu vermuten, dass sich unter Einsatz aktueller diagnostischer Technologien und des erweiterten Erkenntnisstands bessere Resultate ergeben würden.
13
13.5.2
Photodynamische Therapie
Absolute Kontraindikationen für eine PDT-Behandlung mit Verteporfin sind das Vorliegen einer Porphyrie, einer Überempfindlichkeit gegen Porphyrin sowie eine schwere Leberinsuffizienz. Verschiedene Medikamente können zu Wechselwirkungen mit V-PDT führen und die Ergebnisse beeinflussen. So können Kalziumkanalblocker und Polymyxin B die Verteporfin-Konzentration im Gefäßendothel erhöhen. Einige photosensibilisierende Medikamente wie Tetrazyklin, Sulfonylharnstoff und Diuretika können das Risiko für eine unerwünschte Lichtreaktion der Haut erhöhen. Andere Substanzen wiederum können die Verteporfin-Aktivität senken: Antioxidanzien neutralisieren den Effekt freier Radikale und Thromboxan-A2-Inhibitoren hemmen die Thrombozytenaggregation. Unerwünschte Nebenwirkungen traten bei 1–10% der Patienten auf und damit häufiger als unter Plazebo. Unerwünschte Nebenwirkungen wie infusionsbeding-
b
te Rückenschmerzen, Photosensibilisierungsreaktionen oder Sehveränderungen traten zumeist nur vorübergehend auf und bildeten sich spontan zurück. Die frühe und vorübergehende ICG-Leckage und Flüssigkeitsakkumulation im OCT könnte mit der relativen Selektivität der Entzündungsreaktion zusammenhängen (⊡ Abb. 13.9). Der morphologisch sichtbare choroidale Verschluss korreliert gut mit den charakteristischen Befunden der ICG-Angiographie nach Standard-V-PDT. Das choroidale Hypofluoreszenz-Maximum eine Woche nach Behandlung, dessen Ausmaß mit der verwendeten Punktgröße korreliert, wird regelmäßig in der ICG-Angiographie dokumentiert. Beim Dreimonats-Follow-up zeigt sich eine zumindest teilweise Reperfusion der Choriokapillaris, doch führte die wiederholte V-PDT bei Patienten der TAP-Studie in den meisten Augen zu einer persistierenden Nichtperfusion der Choriokapillaris. Assoziiert mit dem choriokapillären Verschluss zeigte sich in menschlichen Augen eine angiogenetische Antwort mit Up-Regulation des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (»vascular endothelial growth factor«, VEGF), der für das erneute CNV-Wachstum oder die Repermeabilisierung verantwortlich sein könnte. Als schwerwiegende Nebenwirkung trat ein Visusverlust um mehr als 3 Zeilen mit oder ohne subretinale, retinale oder vitreale Blutung auf, der entweder durch eine subretinale Blutung (⊡ Abb. 13.10) oder einen RPE-Riss bedingt war. Die anderen berichteten Nebenwirkungen standen wahrscheinlich nicht mit der Behandlung an sich in Zusammenhang. Nach einer erfolgreichen Behandlung wird das fibrovaskuläre Netz durch einen Hügel aus fibrösem Gewebe ersetzt, der im OCT klar zu erkennen ist. Die Auswirkung dieses zwischen RPE und neurosensorischer Retina gelegenen Gewebes auf das Sehvermögen wurde bislang nicht evaluiert.
223 13.6 · Varianten
⊡ Abb. 13.10 Große subfoveale CNV: Follow-up nach PDT. Kein Ansprechen auf die Therapie mit Persistenz, fortschreitender Vergrößerung, zusätzlicher Proliferation, Blutung und schwerem Hämatom
13.6
Varianten
Idealerweise sollte ein selektiver Therapieansatz eine maximale Wirkung auf die CNV haben (d. h. einen kompletten Verschluss bewirken) und dabei das umliegende funktionstüchtige Gewebe allenfalls minimal schädigen (d. h. keine Nichtperfusion verursachen). Die in den klinischen Studien angewandte Behandlung wurde modifiziert, um Wirksamkeit und Selektivität zu verbessern.
13.6.1
Laserphotokoagulation: verschiedene Wellenlängen
Da zahlreiche monochromatische Wellenlängen verfügbar sind, ist es möglich, eine auf das Zielgewebe zugeschnittene zu wählen, um die therapeutische Wirksamkeit zu erhöhen. Unerlässliche Voraussetzung für eine retinale Photokoagulation sind hochtransparente Medien und minimale Streuung. Gelbe Wellenlängen (z. B. Kryptongelb oder organischer Farblaser) dringen gut durch den gelben sklerotischen Linsenkern bei älteren Menschen mit nur unwesentlicher Streuung durch unklare Augenmedien. Ihre Transmission durch das Xanthophyll der inneren und äußeren Schichten erlaubt eine Behandlung nahe der
Fovea. Im Vergleich zu blaugrünen (heutzutage nur selten im Einsatz) und grünen Laserwellenlängen ist eine geringere Energie nötig, um eine sichtbare Verbrennung zu erzielen, so dass ein geringerer Kollateralschaden auftritt. Umgekehrt zeigt Hämoglobin, insbesondere oxygeniertes, eine hohe Absorption für Blau, Grün und Gelb, jedoch eine schlechte für Rot. Kryptonlaser wird besser durch das RPE und die innere Choroidea absorbiert, doch weniger gut durch die innere Schicht der Retina. Die Wahl der Wellenlänge zum koagulativen Verschluss einer Neovaskularisation der Choroidea basiert auf all diesen Überlegungen. Mikropulslaser führen durch eine stufenweise Erhöhung zur letztlichen Laser-Gewebe-Interaktion. Der thermische Effekt der multiplen Pulse wirkt nicht additiv, so dass es nahezu unmöglich ist, die Choroidea zu perforieren oder eine weiße Verbrennung zu erhalten. Die Mikropuls-Technologie könnte ein höheres Maß an Kontrolle und Zielgenauigkeit bezüglich der endgültigen Laser-Gewebe-Interaktion ermöglichen.
13.6.2
Photodynamische Therapie
Die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten photodynamischer Mechanismen eröffnen verschiedene Strategien zur Erhö-
13
224
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
hung der Selektivität: Modifizierung des Applikationswegs, das Timing der Laserexposition und Reduktion von Fluenz und/ oder Strahlungsintensität. Auch eine niedrigere Dosierung von Photosensitizer und Licht kann die Gewebeschädigung beeinflussen. Eine wichtige Rolle in der Behandlungsplanung spielt die chemische Zusammensetzung des Farbstoffs und die Affinität für unterschiedliche Gewebe. Hydrophile Moleküle (d. h. Lutetiumtexaphyrin) diffundieren leicht in den interstitiellen Raum, während lipophile Verbindungen (d. h. Tinethyl-Ethiopurpurin) länger im intravaskulären Raum zurückgehalten werden. Des Weiteren erhöht eine Bolusgabe des Photosensitizers die Selektivität und Konzentration im choroidalen Neovaskularisationsgewebe. Den Studien-Therapieregimes zufolge kann eine neue PDT-Behandlung 12 (+2) Wochen nach dem letzten Therapietermin verabreicht werden. Im Allgemeinen sollte jedoch eine erneute Behandlung auch vor dem dritten Monat in Betracht gezogen werden, wenn während der Nachbeobachtung ein gut dokumentierter Visusverlust auftritt oder wenn im Angiogramm eine signifikante Größenzunahme der CNV zu sehen ist. Dieses Vorgehen ist jedoch noch umstritten [13]. Andere Photosensibilisatoren. Von den verschiedenen
13
Hauptklassen an Photosensitizern wurden Tetrapyrrole, Phthalocyanine, Benzophenoxazine und Xanthene für Applikationen am Auge verwendet. Photofrin, ein lichtsensibilisierender Farbstoff der ersten Generation, wurde in verschiedenen Ländern zur Krebstherapie zugelassen. Wegen seiner langsamen Elimination über 3–6 Wochen und seinem begrenzten Penetrationsvermögen wird Photofrin in der Ophthalmologie nicht mehr angewendet. Phthalozyanin, ein Lichtsensibilisator der zweiten Generation kam aufgrund seiner signifikanten sekundären systemischen Nebenwirkungen nicht für einen Gebrauch in der Ophthalmologie in Betracht. Tinethyl-Ethiopurpurin (SnET2, Purlytin) zeigte in einer Phase-II-Studie vielversprechende Effekte mit Stabilisierung oder Verbesserung der Sehschärfe bei 64% der teilnehmenden Patienten. Nach vollständiger Registrierung von 900 Patienten in einer Phase-III-Studie wurde festgestellt, dass die Substanz nicht die erhofften Behandlungsergebnisse für CNV bei AMD erbrachte. Lutetiumtexaphyrin (Lu-Tex) zirkuliert im Blutstrom und bindet an HDL und LDL. Experimentelle Studien legen eine Wirksamkeit der Substanz in der Behandlung neovaskulärer Netze bei AMD nahe. In Verbindung mit antiangiogenen Medikamenten zeigte sich ein unerwarteter synergistischer Effekt. Reduzierte Fluenz. Es existieren gut belegte Informatio-
nen zum sicheren und effektiven Dosisbereich aus klinischen Phase-I/II-Studien und der Verteporfin Treatment
of subfoveal minimally classic CNV in Age-related Macular Degeneration (VIM) Study [2]. Mittels Bolusgabe wurde versucht, die Selektivität zu erhöhen, um einen Schaden an der physiologischen Choroidea zu vermeiden. Dieses Vorgehen, das in der PDT-Tumortherapie eingesetzt wird, erreicht eine optimale und selektive Verteilung des Sensibilisators kombiniert mit einer verringerten Lichtdosis. Ein okklusiver Effekt auf die Choriokapillaris, dem Ausgangsgewebe der CNV, zeigte sich bei 50 J/cm2 mit frühen Perfusionsstörungen, jedoch ohne solche Effekte auf die retinale Zirkulation. Bei weiteren Nachuntersuchungen erfolgte für alle Energiestärken eine zunehmende Erholung der Choriokapillaris in der ICGAngiographie. In der Folge empfahlen die Autoren Bolusinfusion und verringerte Lichtdosis für eine verbesserte Zielgenauigkeit mit komplettem angiographischem Verschluss der CNV und ohne signifikanten Effekt auf die Choroidea [11]. Eine Änderung der Behandlungsparameter schien keinen relevanten Effekt auf die Kurzzeitsicherheit zu haben. Die postulierten Vorteile der »selektiven« Verteporfin-Therapie sind eine geringere CNV-Rezidivrate, eine höhere Beständigkeit des Behandlungseffekts und der Hemmung der durch Verteporfin-PDT-induzierten angiogenen Antwort und schließlich bessere funktionale Ergebnisse. Die Auswahl optimaler Parameter ermöglicht es zwischen beabsichtigten Effekten auf die pathologische Neovaskulatur und unerwünschten Nebenwirkungen auf die physiologische Choroidea zu differenzieren. Dies kann sowohl der frühen oder späten ICGA-Phase als auch sofort und während des Follow-up geschehen.
13.6.3
Kombinationstherapien
Auch Kombinationstherapien verfolgen das Ziel, die Selektivität zu erhöhen und gleichzeitig den unerwünschten Effekt auf umgebende Gewebe zu senken. Wünschenswert wäre eine Verringerung der angiogenen und entzündlichen Nebenwirkungen, um eine Verbesserung der visuellen Ergebnisse und/oder eine Senkung der benötigten Behandlungswiederholungen zu erreichen. Diese Ziele waren das Hauptanliegen bei der Erhebung der Ergebnisdaten nach Anti-VEGF-Monotherapie. Andererseits scheint es gute biologische Argumente für eine Kombinationstherapie aus Verteporfin-PDT mit VEGFHemmern zu geben: Ihre Wirkmechanismen ergänzen einander und könnten synergistisch wirken. Die PDT verursacht Photothrombose und Verschluss neuer Gefäße, während VEGF-Inhibitoren die Gefäßpermeabilität und Angiogenese hemmen. Bereits seit langem wurde versucht, die VerteporfinTherapie mit Steroiden zu kombinieren [8], jedoch ohne
225 13.7 · Derzeitige Leitlinien
überzeugende Ergebnisse und mit erheblichen Nebenwirkungen. Auch andere Kombinationstherapien wurden getestet. Innerhalb der SUMMIT-Studie wurden zwei Phase-II-Studien durchgeführt, die eine Kombination aus PDT mit Verteporfin und 0,5 mg Ranibizumab im Vergleich zu einer Monotherapie mit 0,5 mg Ranibizumab untersuchten. Dabei kommt im europäischen Studienarm (MONT BLANC – 255 Patienten) eine PDT mit Standardfluenz zum Einsatz, während im US-amerikanischen Arm (DENALI – 321 Patienten) zusätzlich Standard (SF)und PDT mit reduzierter Fluenz (RF) verwendet wird. Nach 12 Monaten zeigte die MONT-BLANC-Studie, dass eine Kombination von Verteporfin-PDT bei Standardfluenz mit 0,5 mg Ranibizumab vergleichbare Verbesserungen der Sehschärfe (+2,5 Buchstaben) erbrachte wie ein Monotherapieregime mit Ranibizumab (+4,4 Buchstaben) mit 3 Lucentis-Initialdosen gefolgt von monatlichen Injektionen nach Bedarf. Dennoch bieten monatliche Lucentis-Injektionen weiterhin die besten klinischen Ergebnisse, besonders bei minimal klassischen Läsionen. Die Kombination ergab einen Trend in Richtung einer geringeren Wiederbehandlungszahl mit Ranibizumab (4,8 Injektionen) ohne Hinweise auf neue Verträglichkeitsprobleme. Die DENALI-Studie zeigte nach 12 Monaten folgende Ergebnisse: Die Kombination von Verteporfin-PDT mit 0,5 mg Ranibizumab mit 3 Ranibizumab-Ladungsdosen gefolgt von monatlichen Injektionen nach Bedarf verbesserte die Sehschärfe um 5,3 (SF) und 4,4 (RF) Buchstaben im Vergleich zu 8,1 Buchstaben bei alleiniger Ranibizumab-Therapie. Der Visusgewinn durch Kombinationstherapie war also geringer als bei monatlichen 0,5 mg Ranibizumab-Injektionen. Die Kombinationstherapie verringerte die benötigte Injektionsanzahl: Während bei Ranibizumab-Monotherapie durchschnittlich 7,6 Ranibizumab-Wiederholungsbehandlungen benötigt wurden, fielen davon bei Kombinationstherapie durchschnittlich 2,2 (SF) und 2,8 (RF) an. Die reduzierte Fluenz in den kombinierten Verteporfin-PDT-Armen erbrachte keinen klinischen Vorteil gegenüber Standardfluenz. Bereits seit langer Zeit wurde eine Dreifach-Kombination aus PDT, antiangiogenen und antientzündlichen Therapien diskutiert [1]. Die RADICAL-Studie (Reduced Fluence Visudyne Anti-VEGF-Dexamethasone in Combination for AMD Lesions) untersuchte diesen Ansatz in einer Phase-II-Studie. Die Gesamtergebnisse zeigten für Kombinationstherapien eine statistisch signifikante Verringerung der benötigten Wiederholungstermine im Vergleich zur Ranibizumab-Monotherapie: Dreifachtherapie mit Viertelfluenz-PDT, gefolgt von Ranibizumab und Dexamethason (p=0,04), Dreifachtherapie mit Halbfluenz-PDT, gefolgt von Ranibizumab und Dexamethason
(p<0,001), Zweifachtherapie mit Halbfluenz-PDT, gefolgt von Ranibizumab (p=0,04). Es scheint, dass sich die durchschnittliche Sehschärfe in allen Therapiegruppen in ähnlicher Weise verbesserte, doch traten breite Konfidenzintervalle auf. Es zeigten sich keine unerwarteten Sicherheitsprobleme und die Inzidenz unerwünschter Nebenwirkungen war in allen Behandlungsgruppen vergleichbar. Nach 12 Monaten zeigte sich in allen Kombinationsgruppen eine signifikant geringere Anzahl benötigter Wiederholungsbehandlungen als in der MonotherapieGruppe. Die besseren Ergebnisse bezüglich Visusänderung und Wiederbehandlungszahl in der Dreifachtherapie mit Halbfluenz im Vergleich zu den anderen Kombinationsgruppen erwies sich hingegen nur als Trend ohne statistische Signifikanz. Die Nebenwirkungsrate war in allen Gruppen vergleichbar und es ergaben sich in diesen 12 Monaten keine neuen Sicherheitshinweise.
13.7
Derzeitige Leitlinien
Bis vor kurzem stellten photothermische Lasertherapie und photodynamische Therapie die einzigen Behandlungsmöglichkeiten der CNV bei AMD dar, die ihre Wirksamkeit in großen kontrollierten klinischen Studien erwiesen hatten. Jedes der bislang berichteten Behandlungsverfahren konzentriert sich im Wesentlichen auf einen Aspekt der AMD-assoziierten CNV (wie z. B. die Laserphotokoagulation auf die neu entstandenen Gefäße) und hat daher jeweils Stärken und Schwächen. Es ist außerordentlich schwierig, allgemeingültige Standards und Kriterien für die Behandlungswahl festzulegen. Als Richtschnur kann gelten, dass eine Therapie dann in Betracht gezogen werden kann, wenn der natürliche Verlauf der Erkrankung voraussichtlich schlechter als nach der Therapie wäre. Der Zustand des Partnerauges kann bei dieser Entscheidung helfen [9].
13.7.1
Laserphotokoagulation
Eine klassische CNV, die sich in der Fluoreszein-Angiographie gut abgrenzt und extrafoveal liegt, kann mit direkter fokaler Photokoagulation behandelt werden. In Fällen, bei denen eine Photokoagulation in Betracht gezogen werden könnte, sind die Vorteile einer Lasertherapie begrenzt. In kurzem Zeitabstand sollte die Fluoreszein-Angiographie wiederholt werden, um früh ein Persistieren oder Rezidivieren der vaskulären Membran zu erkennen, was ggf. eine erneute Photokoagulation oder eine Behandlung mit einem neueren Ansatz er-
13
226
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
fordern könnte. Seit Veröffentlichung der Studien vor nahezu 30 Jahren wurde ein großer Zugewinn an Wissen erreicht. Zwischenzeitlich sind zahlreiche neue Technologien verfügbar, die wahrscheinlich zu anderen Ergebnissen der Laserphotokoagulationsstudien führen würden. Heutzutage scheint es undenkbar, eine Laserphotokoagulation bei einer sog. »extrafovealen klassischen« CNV durchzuführen, ohne zuvor eine assoziierte subfoveale okkulte CNV oder eine polypoidale choroidale Vaskulopathie oder chorioretinale Anastomose in der ICGAngiographie auszuschließen oder eine frühe Flüssigkeitsakkumulation im OCT. Die sehr seltene extrafoveale subepitheliale okkulte CNV könnte von diesem einfachen Therapieansatz profitieren, wenn die Fovea bedroht ist. Die subfoveale Lasertherapie hatte stets eine schlechte Akzeptanz, da Laserphotokoagulation die Fovea über der behandelten CNV schädigt und so einen sofortigen Visusverlust verursacht. Dieser unerwünschte Effekt und das Aufkommen neuerer Behandlungsoptionen führten zu einer nur seltenen Anwendung der thermischen Laserphotokoagulation bei subfovealer klassischer CNV.
13.7.2
13
Photodynamische Therapie
Es bestehen weiterhin spezielle Indikationen für PDT. So kann eine klassische CNV, die hauptsächlich unterhalb der Fovea liegt, mit photodynamischer Therapie behandelt werden. Bei einer signifikanten Anzahl von Nonrespondern auf Anti-VEGF-Therapie kann eine darunter liegende polypoidale choroidale Vaskulopathie vorhanden sein. Trotz der Vorteile gibt es mehrere Faktoren, die den Nutzen der Anti-VEGF-Monotherapie einschränken können. So kommen nicht alle Patienten für eine Anti-VEGF-Therapie in Frage, z. B. bei Vorliegen einer chronischen okulären oder periokulären Infektion. Des Weiteren bewirkt die Anti-VEGF-Monotherapie nicht bei allen Patienten eine Verbesserung der Sehschärfe wie z. B. bei chorioretinaler Anastomose oder fibrovaskulärer Pigmentepithelabhebung. Bei den restlichen Patienten sind häufige Wiederbehandlungen nötig, um die Wirksamkeit zu erhalten. Die Beobachtung, dass AMD ein Prädiktor für einen Schlaganfall und kardiovaskuläre Ereignisse sein kann, hat potenziell Konsequenzen für intravitreale Anti-VEGF-Therapien. In den letzten drei Jahren hat sich die tertiäre Intervention bei AMD-bezogener CNV von einem überwiegend laserbasierten Therapieansatz in Richtung eines zielgerichteteren pharmakotherapeutischen Ansatzes verschoben. Bei vielen Patienten mit AMD-bedingter CNV hat sich die medikamentöse Therapie als überlegen gegenüber der laserbasierten Thera-
pie erwiesen. Sie ermöglicht bessere Ergebnisse bezüglich Sehschärfe und retinaler Anatomie und steht als Behandlung auch den Patienten mit neovaskulärer AMD zur Verfügung, die zuvor schlecht geeignete Kandidaten für eine laserbasierte Therapie waren. Jedoch sind Therapien mit VEGF-Blockern wie Ranibizumab und Bevacizumab in manchen Ländern nur begrenzt verfügbar oder gar nicht erhältlich. Neueste Bedenken bezüglich der systemischen Toxizität wie zerebrovaskuläre Zwischenfälle könnten die Anwendung von Anti-VEGFTherapien bei Patienten mit hohem Risiko für arterielle thromboembolische Ereignisse theoretisch einschränken. Wenn eine Anti-VEGF-Therapie in Frage kommt, stehen Retinaspezialisten vor einigen schwierigen Fragen zum Krankheitsmanagement: Entscheidung, ob dafür andere Therapien beendet werden sollen, Festlegung, wann Wiederbehandlungen indiziert sind und Entscheidung, ob verschiedene Therapieansätze kombiniert werden sollen. Die behandelnden Ärzte sollten wissen, welche mit PDT behandelten Patienten ein besonders hohes Risiko für einen Rückfall haben, um gegebenenfalls ein dichteres Follow-up und/oder eine frühere Intervention gewährleisten zu können. Wenngleich in der Literatur etliche Vorschläge zur Verkürzung der Follow-up-Intervalle (nach PDT und in sogar noch stärkerem Maße nach Anti-VEGF-Therapie) gemacht werden, ist es doch so, dass eine exsudative AMD ein lebenslanger Zustand bleibt, sobald eine relative Stabilität erreicht wurde. Daher sind Informationen zur PDT-Monotherapie bei AMD noch immer von klinischer Relevanz. Der Einsatz kombinierter Therapien, bei denen die Angiogenese über mehrere Ansatzpunkte beeinflusst wird, wird bei Patienten mit AMD-abhängiger CNV untersucht. Möglicherweise ergeben sich so schon in naher Zukunft Möglichkeiten, Sehkraft und Funktion rasch und nachhaltig zu verbessern und gleichzeitig die Risiken und Therapiebelastung der Pharmako-Monotherapie zu senken. Während mit Hilfe der medikamentösen Therapie große Fortschritte für Patienten mit VEGF-vermittelter Erkrankung erreicht werden konnten, müssen die Langzeitziele für das AMD-Management von Patienten, deren Erkrankung nicht auf VEGF-Hemmer anspricht oder die eine inaktive, doch fortgeschrittene Erkrankung aufweisen, auch andere Spätkomplikationen wie visuslimitierende Makulaischämie, Atrophie und subretinale Fibrose berücksichtigen. Da noch keine Langzeitergebnisse zu Risiken der nichtselektiven VEGF-Blockade vorliegen, ist weiterhin Vorsicht geboten. Angesichts der potenziellen neuroprotektiven Rolle von VEGF, könnte eine komplette und anhaltende VEGF-Blockade auf lange Sicht theoretisch zu einem Sehverlust bei AMD-abhängiger CNV führen.
227 Literatur
13.8
Perspektiven
Die Behandlung mit Anti-VEGF-Antikörpern hat die Therapie der AMD-abhängigen CNV revolutioniert [3]. Die Hinzufügung der selektiven Verteporfin-Therapie könnte die Anzahl der Patienten erhöhen, die eine Verbesserung ihrer angiographischen und funktionalen Ergebnisse erfahren. Eine Anzahl verschiedener VEGFTherapieansätze werden derzeit evaluiert. VEGF ist jedoch nicht nur ein wirkungsvoller angiogenetischer und Permeabilität induzierender Faktor, sondern hat auch eine wichtige Funktion für die Aufrechterhaltung normaler Gefäßstrukturen [10]. Die Hemmung einer physiologischen angiogenetischen Reaktion auf die choriokapilläre Hypoxie nach Standard-PDT könnte einer choriokapillären Rekanalisierung vorbeugen und zu einem ausgedehnteren und andauernden Choriokapillarisverschluss führen. VEGF ist nicht der einzige Einflussfaktor der Angiogenese, der eine Rolle bei Kombinationstherapien spielen könnte. In kontrollierten Studien haben sich vielversprechende Ergebnisse für den Einsatz von Steroiden in Therapie und Prävention der CNV gezeigt. Möglicherweise könnte bald eine Vielzahl von Molekülen bekannt werden, die nicht auf dem VEGF-Weg wirken. Bislang existiert kein Algorithmus, nach dem die am besten geeignete Therapie für einen bestimmten Patienten bestimmt werden kann. Der große Vorteil einer maßgeschneiderten Therapie ist, dass sie nicht nur die spezifischen Eigenschaften der Erkrankung (z. B. minimal klassische oder überwiegend klassische Läsionen) berücksichtigt, sondern auch die persönlichen Lebensumstände des Patienten. Verschiedene Autoren haben darauf aufmerksam gemacht, dass Retinaspezialisten mit zunehmenden therapeutischen Möglichkeiten ihre Therapiestrategien analog zum Vorgehen bei onkologischen Erkrankungen gestalten: Sie kombinieren Therapien, um die Erkrankung auf verschiedenen Wegen anzugreifen und wechseln zu einer anderen Therapie, wenn sich eine Medikation nicht länger als wirkungsvoll erweist. Dazu passt, dass sowohl die PDT als auch die Therapie mit Anti-VEGF-Antikörpern ursprünglich für onkologische Anwendungen entwickelt wurden. Die Vorstellung eines synergistischen Angriffs multipler Zweige der CNV-Pathogenese durch eine Kombinationstherapie bleibt ein vielversprechender Ansatz [4]. Allerdings konzentrieren sich alle großen Fortschritte auf die exsudative AMD mit dem hauptsächlichen Ziel einer Stabilisierung und Verbesserung der Sehschärfe. Noch immer scheint es ein weiter Weg bis zu einer kurativen Therapie der AMD zu sein.
Fazit Die beiden ersten Therapieformen bei choroidaler Neovaskularisation bei altersabhängiger Makuladegeneration verfolgten das Ziel, die neuen Gefäße zu verschließen. Die Laserphotokoagulation war der erste Durchbruch, mit dem es gelang, die zur Zerstörung der zentralen Sehkraft führende Gefäßprogression aufzuhalten. Trotz der wenigen für dieses Verfahren in Frage kommenden Fälle (extra- und juxtafovale klassische CNV), der hohen Rückfallrate im ersten Jahr und den destruktiven Effekten auf das retinale Pigmentepithel und die Neuroretina blieb manchen vor mehr als 30 Jahren behandelten Patienten bis zu ihrem Lebensende die Fähigkeit zu Lesen erhalten. Vor dem Hintergrund der heutzutage verfügbaren Diagnosemethoden kann diese frühere Behandlungsform in speziellen Fällen weiterhin in Betracht gezogen werden. Der nächste Schritt führte bereits sehr in Richtung medikamentöse Therapie. 10 Jahre nach Einführung der Laserphotokoagulation erweiterte die PDT den Kreis der in Frage kommenden Patienten (von 30% auf 50%). So sprachen nun mehrere klinische Formen auf dieses Verfahren an (klassische, okkulte, minimal klassische, überwiegend klassische CNV) wie auch die subfoveal gelegene CNV. Die PDT mit Verteporfin, die die Leckage von Blut und Flüssigkeit aus der CNV hemmt, erwies sich als wirksame Alternative zu thermischen Lasern. Beide Behandlungsformen zeigten in randomisierten klinischen Studien statistische Wirksamkeit. Das bestmögliche Ergebnis bei beiden Verfahren ist eine Stabilisierung des Visus. Aufgrund berichteter Verbesserungen der Sehschärfe unter intravitrealer Anti-VEGF-Therapie mit Ranibizumab kam es kürzlich zu einer Paradigmenverschiebung bezüglich der bevorzugten Therapie bei neovaskulärer AMD. Alleine oder kombiniert bahnten die Pioniermethoden nicht nur den Weg für eine Verbesserung des klinischen Wissens, für hochentwickelte Diagnosetechnologien und lebhafte Forschungsaktivitäten, sondern können in verzweifelten Fällen noch immer eine wirksame Hilfe darstellen.
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13
228
Kapitel 13 · Laserphotokoagulation und photodynamische Therapie
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13
14
Anti-VEGF-Therapie: Grundlagen und Substanzen S. Grisanti, J. Lüke, S. Peters
14.1
Einleitung
14.2
Vascular endothelial growth factor – 230
14.3
Angriffspunkte innerhalb der VEGF-Kaskade – 231
14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4
Sequestrierung von freiem VEGF – 232 Inhibition der Synthese von VEGF und VEGF-Rezeptoren Inhibition der intrazellulären Signalkaskade – 234 Natürliche VEGF-Gegenspieler – 234
14.4
Neue Applikationsformen – 235
14.5
Kombinationstherapie Literatur
– 230
– 233
– 235
– 236
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
230
Kapitel 14 · Anti-VEGF-Therapie: Grundlagen und Substanzen
Kernaussagen ▬ Der »vascular endothelial growth factor« (VEGF)-A
▬ ▬
▬
▬
14.1
14
wird durch mehrere sog. Isoformen repräsentiert, die sich u. a. durch ihre Molekülgröße, Bindungsaffinität und Funktion unterscheiden. VEGF-A nimmt eine zentrale Rolle in vielfältigen physiologischen und pathologischen Prozessen ein. VEGF-A ist ein potenter Stimulator der pathologischen Gefäßneubildung, wie sie auch im Rahmen neovaskulärer Erkrankungen am Auge vorzufinden sind. Die direkte Blockade von VEGF-A bzw. einzelner Isoformen mittels Antikörper, Antikörperfragmente und Aptamere hat sich als eine mehr oder weniger wirksame Therapie neovaskulärer Prozesse am Auge etabliert. In aktuellen Studien werden derzeit neue Substanzen und Strategien getestet, die die VEGF-Kaskade und somit die VEGF-Wirkung anderen Schaltstellen inhibieren sollen.
Einleitung
Die Angiogenese ist ein physiologischer und lebensnotwendiger Prozess. Unter bestimmten Umständen kann dieser aber auch Ausdruck krankhafter Mechanismen sein. Man spricht dann von pathologischen Neovaskularisationen. Diese können im Rahmen neoplastischer Prozesse auftreten. In den meisten Fällen handelt es sich aber um ein reaktives Ereignis auf ein sich veränderndes Milieu. Hierzu zählen insbesondere hypoxische und entzündliche Vorgänge. Neovaskularisationen am Auge wirken sich durch die besondere Anatomie und Funktion des Organs meistens funktionsbeeinträchtigend aus und können letztendlich zur Erblindung oder Verlust des Auges führen. Zahlreiche Studien weisen den Faktor VEGF (»vascular endothelial growth factor«) als potenten Stimulator okulärer Neovaskularisationen aus. Die Inhibition dieses Faktors hat sich deshalb in der
VEGF-A, ⊡ Abb. 14.1 »Vascular endothelial growth factor« (VEGF)-A gehört zur VEGF-»plateletderived-growth-factor« (PDGF)-SupergenFamilie und wird in unterschiedliche Isoformen unterteilt
VEGF-B,
Augenheilkunde als besonders erfolgreich nicht nur im Konzept, sondern auch in der Klinik erwiesen. Die bisher erfolgreichste Behandlungsform der neovaskulären AMD stellt aber nur den ersten Schritt dieser neuen therapeutischen Strategie dar. Neben den derzeitig klinisch eingesetzten Medikamenten werden neue Substanzklassen und Strategien entwickelt, um den Faktor VEGF und seine Funktion auf unterschiedliche Weise zu hemmen.
14.2
Vascular endothelial growth factor
VEGF-A, im folgenden auch als VEGF bezeichnet, ist der am besten untersuchte Repräsentant der VEGF-»plateletderived-growth-factor« (PDGF)-Supergen-Familie. Zu dieser Familie gehören außerdem VEGF-B, VEGF-C, VEGF-D, VEGF-E (ein viral kodiertes Protein) und der placental growth factor (PIGF) (⊡ Abb. 14.1). Durch alternatives Spleißen des kodierenden Strangs tritt VEGF-A in unterschiedlichen Isoformen auf. Die vier dominierenden Varianten sind VEGF-121, -165, -189 und -206 (⊡ Abb. 14.2). Die charakterisierende Zahl weist dabei auf die Anzahl der enthaltenen Aminosäuren hin. Die unterschiedlichen Isoformen enthalten zwar gemeinsame Signalsequenzen, abhängig von ihren Bindungsdomänen sind sie jedoch mehr oder weniger löslich. VEGF-121 ist ein frei diffundierendes Protein. VEGF-165 nimmt über seine Heparinbindung eine Zwischenstellung ein. VEGF189 und VEGF-206 weisen neben der Heparin- auch eine Heparanbindungsdomäne auf. Zusätzliche Elemente mit basischen Endgruppen bewirken eine überwiegende Sequestration in der extrazellulären Matrix. Außerdem kann eine proteolytische Modifikation der Spleißvarianten ihre Bindung an die Rezeptorstrukturen beeinflussen [9]. Die Mitglieder der VEGF-Familie unterscheiden sich in ihrer Bindungsaffinität zu den 3 bisher entdeckten Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTK) (⊡ Abb. 14.3). VEGF bindet hauptsächlich an VEGFR-1 (Flt-1) und VEGFR-2 (KDR, Flk-1). VEGR-2 scheint der wesentliche Mediator der mitogenen, angiogenen und Permeabilitäts-induzierenden Eigenschaften von VEGF zu sein. VEGFR-1 wird hingegen in begrenzten Umfang
VEGF-C,
VEGF-D,
VEGF-E, PlGF
VEGF-A110 , VEGF-A 121 , VEGF-A 143 , VEGF-A 165 , VEGF- 183 , VEGF-A 189 , VEGF-A 206
231 14.3 · Angriffspunkte innerhalb der VEGF-Kaskade
eine Rolle als »Abfang«-Rezeptor zugeschrieben, der eine übermäßige Aktivierung biologischer Prozesse verhindert. Weiterhin scheint VEGFR-1 wesentlich an der Rekrutierung von entzündlichen Zellen beteiligt zu sein. Zusätzlich gibt es sog. Korezeptoren (Neuropiline und Heparansulfatproteoglykane), die wahrscheinlich die Verteilung und Aktivierung der VEGF-Rezeptoren sowie die Signaltransduktion und Stabilität des zellulären Signalkomplexes beeinflussen [19]. Die Vielfalt der VEGF-Familie und VEGF-A-Isoformen sowie der Rezeptorstrukturen und intrazellulären Signalketten ist ein Hinweis auf das komplexe Wirken der Beteiligten und die daraus resultierende funktionelle Vielfalt. Auf diese Weise ist eine feine Steuerung physiologischer und pathologischer Abläufe möglich. Zu diesen Prozessen gehören Hämatopoese, Hämodynamik, Hormonfreisetzung, Immunabwehr und Wundheilung.
VEGFR Bindungsdomäne 86-89
VEGF-A 189
86-89
VEGF-A 165
86-89
Angriffspunkte innerhalb der VEGF-Kaskade
14.3
Die zunächst eingeführten und im folgendem benannten Substanzen inhibieren den freigesetzten Faktor VEGF. Strategische Inhibitionspunkte finden sich jedoch auch in der Synthese, Rezeptorbindung und intrazellulären Kaskade (⊡ Abb. 14.4).
Heparin Bindungsdomäne 206
1
VEGF-A 206
Weiterhin werden diesen Faktoren neuroprotektive Eigenschaften zugeschrieben. Die eigentliche Schlüsselrolle von VEGF wird jedoch in der Angiogenese und Gefäßpermeabilität gesehen. Die Inhibition dieser zwei Eigenschaften stellt einen wesentlichen Schritt in der Behandlung neovaskulärer Augenerkrankungen und insbesondere der exsudativen AMD dar.
1
189
1
110 121
1
_
165
Löslichkeit
121
VEGF-A 121
PIGF
86-89
VEGF
+
VEGF-B
VEGF-C
VEGF-D
⊡ Abb. 14.2 VEGF-A121, -A165, -A189 und -A206 sind die 4 dominanten Isoformen. Diese differieren durch unterschiedliche Bindungsdomänen, die ihre Löslichkeit beeinflussen
VEGF-E
Flt - 4 (VEGFR - 3)
Neuropilin - 1
Flt - 1 (VEGFR - 1)
Flk - 1/KDR (VEGFR - 2)
Endothelzelle ⊡ Abb. 14.3 Die Mitglieder der VEGF-PDGFSupergen-Familie binden an unterschiedlichen Rezeptoren
14
232
Kapitel 14 · Anti-VEGF-Therapie: Grundlagen und Substanzen
Kinase Hemmung
Sequestration
Synthese
freies VEGF
Bindung
Intrazelluläre Kaskade Biologische Effekte
⊡ Abb. 14.4 Strategische Inhibitionspunkte der VEGF-Wirkungskaskade
14.3.1
14
TranskriptionsHemmung
Sequestrierung von freiem VEGF
Pegaptanib-Natrium ist der erste VEGF-A-Inhibitor zur Behandlung der feuchten AMD. Die Substanz wurde unter dem Handelsnamen Macugen (OSIEyetech Pharmaceuticals/Pfizer) im Dezember 2004 in den USA durch die FDA und 2006 in Europa durch die EMEA zugelassen. Pegaptanib-Natrium ist ein Aptamer, ein chemisch synthetisiertes Oligonukleotid (kurzer RNS-Strang), das selektiv und mit hoher Affinität die VEGF-A Isoformen (VEGF-A165,-A189, A-201) bindet, die über eine Heparinbindungsdomäne verfügen (⊡ Abb. 14.2). Der Begriff Aptamer setzt sich aus den griechischen Wörter απτειν (binden) und μερος (Teil, Region) zusammen und bezeichnet die Eigenschaft der Nukleotide, zu einer bestimmten Region des Zielproteins zu passen und an diese zu binden. Eine besonders hohe Bindungsspezifität wird dadurch erreicht, dass sich die 3D-Struktur des Oligonukleotides in ihrer Konformation genau um den Bindungspartner herumfaltet. Das aus 28 Ribonukleinsäuren zusammengesetzte Molekül ist pegyliert, d. h., an jedem Ende sind zwei 20 kDa Polyethylenglykol-Moleküle gebunden, die unter anderem das Molekül vor einem raschen Abbau schützen [17]. Die Bindungsaffinität und Wirksamkeit von Pegaptanib wurde in In-vitro-Studien nachgewiesen [2]. In weiteren Arbeiten zeigte sich, dass Pegaptanib im menschlichen Plasma über 18 h stabil bleibt. Zudem erfolgten weitere Testungen im Tiermodell. In Rhesusaffen zeigte sich nach einmaliger intravenöser oder subkutaner Injektion von Pegaptanib (jeweils 1 mg/kg KG) eine Halbwertszeit von 9,3 bzw. 12 h [21]. Nach einmaliger intravitrealer Injektion von 0,5 mg persistierten die biologisch aktiven Pegaptanib-Moleküle für mindestens 28 Tage im Glaskörper [5]. Die Clearance erfolgte über eine renale Elimination aus dem Plasma; entsprechend muss mit einem erhöhten Spiegel bei Niereninsuffizienz gerechnet werden. Im Affenmodell wurde
Kompetitive Bindung
Up-Stream Hemmung
weder nach systemischer noch nach intravitrealer Gabe ein Anhalt für Toxizität festgestellt. Eine fundamentale Basis für die Entwicklung von Macugen waren Ergebnisse von Studien, die nachweisen konnten, dass VEGF165 eine zentrale Rolle im Rahmen von Neovaskularisationsprozessen einnimmt [10], jedoch im Vergleich zur kompletten VEGF-Blockade physiologische Gefäße unbeeinflusst bleiben [22]. Die selektive Hemmung einzelner VEGF-A-Isoformen sollte bei gleicher Effektivität weniger Nebenwirkungen verursachen. Die Verteilung und die Rolle der einzelnen Isoformen im menschlichen Auge und bei der AMD scheinen sich jedoch vom Tiermodel zu unterscheiden. Ranibizumab (Lucentis, Genentech/Novartis) wurde als zweiter VEGF-Inhibitor zur Behandlung der exsudativen Form der AMD im Juni 2006 in den USA durch die FDA und 2007 in Europa durch die EMEA zugelassen. Ranibizumab ist ein humanisiertes antigenbindendes Antikörperfragment (Fab), das alle Isoformen von VEGF-A bindet. Das Antikörperfragment wurde entwickelt, um besser durch die Netzhaut zu penetrieren [7]. Das Antikörperfragment entstammt einem monoklonalen Vollantikörper der Maus, der gegen humanes VEGF-A gerichtet ist. Die Bindungsdomänen innerhalb der leichten Ketten (Fab-Fragment) wurden mehrfach modifiziert, um eine im Vergleich zum Ausgangsmolekül ca. 50-fach erhöhte Bindungsaffinität zu erreichen. Das Fab-Fragment soll zusätzlich durch das Fehlen des sog. Fc-Anteils und dessen pro-entzündlichen Eigenschaften im Vorteil sein. Die Halbwertszeit von Ranibizumab ist gegenüber dem Vollantikörper deutlich verkürzt. Dies kann nachteilig für die Depotwirkung im Auge sein, ist aber von Vorteil im Bezug auf den Systemkreislauf. Die systemische Halbwertzeit des Fragments beträgt nur wenige Stunden, wohingegen die des Vollantikörpers mehrere Wochen beträgt. Bevacizumab (Avastin, Genentech/Roche) ist solch ein Vollantikörper, der gegen VEGF-A gerichtet ist. Das Medikament wurde für die systemische intravenöse Gabe
233 14.3 · Angriffspunkte innerhalb der VEGF-Kaskade
konzipiert und im Februar 2004 von der FDA in den USA für die Behandlung des metastasierten Kolonkarzinoms zugelassen. Unter dem Eindruck der ersten Studienergebnissen mit Ranibizumab (Lucentis) und im Hinblick auf die noch nicht erfolgte Zulassung desselben wurde der Vollantikörper zunächst systemisch dann intravitreal bei Patienten mit AMD angewandt. Mit zunehmender Zahl der Anwendungen erfolgten in umgekehrter Reihenfolge eine Vielzahl von In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen, um die Effektivität, Toxizität und Biokompatibilität der Substanz zu ermitteln. Es konnte nachgewiesen werden, dass der Vollantikörper ebenfalls in der Lage war, die Netzhaut zu penetrieren und somit subretinale Pathologien zu erreichen [1]. In Rahmen von experimentellen und klinischen Studien wird derzeit ermittelt, ob die signifikanten molekularen Unterschiede zwischen Ranibizumab und Bevacizumab zu messbaren biologischen und klinischen Unterschieden führt. Die Autoren der bisher einzigen randomisierten Vergleichsstudie (CATT-Studie) folgerten auf der Basis der 1-Jahres-Ergebnisse, dass Bevacizumab und Ranibizumab äquivalente Visusergebnisse erzielten, wenn sie im Rahmen des gleichen Therapieregimes verabreicht wurden [20]. VEGF-Trap (Aflibercept, Regeneron/Bayer) funktioniert ähnlich wie ein Antikörper. Es handelt sich jedoch dabei um ein fusioniertes Protein, bestehend aus den Schlüsseldomänen der humanen VEGF1- und VEGF2-Rezeptoren, die mit einen Fc-Teil eines humanen IgG-Moleküls gekoppelt sind. Das gesamte Molekül besteht ausschließlich aus humanen Aminosäuren, wodurch Reizzustände möglicherweise verringert werden können. VEGF-Trap hat eine deutlich höhere Affinität zum VEGF-Molekül als der normale VEGF-Rezeptor von Endothelzellen und ebenfalls eine höhere Affinität als VEGF-Antikörper wie z. B. Bevacizumab. VEGF-Trap bindet nicht nur VEGF-A, wie es bei Bevacizumab oder Ranibizumab der Fall ist, sondern auch alle anderen VEGF-Formen (A–D) sowie PlGF. Nachdem die intravenöse Anwendung zu Hypertonien und anderen schwerwiegenden kardiovaskulären Nebenwirkungen führte [14], steht nun die intravitreale Anwendung im Vordergrund des klinischen Einsatzes. Das Molekulargewicht von 110.000 D ermöglicht eine vollständige Penetration der Retina. Durch die hohe Affinität zu VEGF erhofft man sich eine gute Aktivität bei niedrigerer Dosierung und besonders langer Halbwertzeit [6]. Anticaline (Pieris) sind eine weitere Alternative zur Antikörperstrategie. Es handelt sich dabei um eine neue Wirkstoffgruppe, die den Lipocalinen entstammt. Lipocaline gehören zu einer Familie natürlicher humaner Proteine, die Transport- und Speicherfunktionen haben. Durch molekulargenetische Veränderungen an der Bindungsstelle können unterschiedliche Proteine nach dem
Schlüssel-Schloss-Prinzip abgefangen werden [8]. PRS055 ist ein Anticalin, das speziell zur Blockade von freiem VEGF konzipiert wurde. Rezeptor-Chimären wie sFLT01 (Genzyme Corp.) setzen sich ähnlich dem VEGF-Trap aus einer Immunoglobulin (IgG)-ähnlichen Domäne und dem VEGFR1 (Flt-1) zusammen. Dieses Mischprotein wird jedoch nicht am Ort des Geschehens injiziert sondern durch rekombinante adeno-assoziierte Viren (rAAV) induziert. In-vitro-Analysen konnten eine hohe Bindungsaffinität für VEGF nachweisen. Im Mausmodel konnte durch die intravitreale Injektion der Virusvektoren die Expression von sFLT1 induziert und die sonst auftretende Angiogenese inhibiert werden [15]. Ein Vorteil des Ansatzes ist die längerfristige Präsenz des Inhibitors aufgrund der virusinduzierten intraokularen Synthese. Demgegenüber steht aber das noch nicht ausreichend abzuschätzende Risiko von Neoplasien durch adenovirale Vektoren.
14.3.2
Inhibition der Synthese von VEGF und VEGF-Rezeptoren
Small interfering RNA (siRNA) setzt anders als die bisher
genannten Substanzen nicht an dem sezernierten Molekül an, sondern greift die intrazelluläre Synthese an. Auf RNAInterferenz basierte Therapien nutzen synthetisch hergestellte kleine RNA-Fragmente, die durch Bindung und Abbau entsprechender mRNA (messenger-RNA) die Wirkung eines Gens stilllegen. Die gesunde Zelle nutzt diesen Mechanismus z. B. im Kampf gegen RNA-Viren. Es werden durch ein einziges siRNA-Molekül zahlreiche mRNAStränge abgebaut, aus denen sonst wiederum pro-mRNAStrang viele Protein-Kopien hervorgegangen wären [17]. Es handelt sich deshalb um einen sehr potenten Wirkmechanismus: Es wird nicht erst wie bei den Antikörpern oder Aptameren das extrazellulär zirkulierende VEGF-Protein geblockt, sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt der Kaskade die intrazelluläre Synthese des VEGF-Proteins verhindert. Ein weiterer möglicher Ansatzpunkt für siRNA ist der gezielte Abbau der VEGF-Rezeptor mRNA. Bevasiranib (Acuity Pharmaceuticals) legt das VEGFsynthetisierende Gen still, während Sirna-027 (Sirna/Allergan) das Gen, das für den VEGF-Rezeptor 1 kodiert, ausschaltet. Nach intravitrealer Injektion gelangt kaum aktiver Wirkstoff in die systemische Zirkulation, wodurch das Risiko thrombembolischer Komplikationen reduziert wird. Die Wirkung setzt erst nach einer Latenzzeit ein, nämlich wenn das noch vorhandene VEGF eliminiert ist. Dafür ist die Wirkdauer der siRNA besonders lang anhaltend (mindestens 12 Wochen), so dass die Anzahl der erforderlichen intravitrealen Injektionen und damit
14
234
Kapitel 14 · Anti-VEGF-Therapie: Grundlagen und Substanzen
das kumulative Operationsrisiko (z. B. Endophthalmitis) im Vergleich zu den bisherigen Therapien mit kürzeren Injektionsintervallen reduziert werden kann.
14.3.3
14
Inhibition der intrazellulären Signalkaskade
Die Aktivierung der VEGF-Rezeptoren führt zu einer Aktivierung eines komplexen Spektrums an intrazellulären Signalkaskaden. Die Signalkaskade induziert unter anderem die Phosphorylierung von unterschiedlichen Proteinen wie z. B. PI3, MAPK und PKC. Anti-human-VEGF-Rezeptor Flt-1-Antikörper oder -Peptide (Kyowa Hakko Kogyo KK) konkurrieren mit VEGF um die Rezeptorbindungsstelle. Die Bindung derselben am Rezeptor induziert im Gegensatz zum Wachstumsfaktor selbst keine Rezeptoraktivierung [12]. Der humanisierte Antikörper wird in Hybridomazellen produziert. Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren blockieren die intrazelluläre Kaskade, die nach der Rezeptorbindung einsetzt. Während Vatalanib (Novartis) nur die VEGFRezeptoren (VEGFR1 bis 3) inhibiert, blockiert ein anderer Tyrosinkinase-Hemmer (AG-013958, Allergan) auch den Rezeptor für PDGF (»platelet derived growth factor«). Vatalanib wird oral (z. B. 1250 mg/Tag) eingesetzt und bietet damit eine gering invasive Applikation, hat aber den Nachteil eines höheres Risikos an systemischen Komplikationen. AG-013958 hingegen wird unter die Tenon-Kapsel injiziert. Bei beiden wurde eine gute Verträglichkeit festgestellt. Weitere Studien müssen die Wirksamkeit, exakte Dosierung und Applikationsfrequenz noch testen. Im Tiermodell zeigte sich ein Rückgang experimentell erzeugter choroidaler Neovaskularisationen um 80% [11]. Weitere Tyrosinkinase Inhibitoren wie Pazopanib (GlaxoSmithKlein), TG100801 und TG101095 (Targegen) werden für die topische Anwendung entwickelt. Der Wirkstoff AL39324 (Alcon) ist hingegen für die intravitreale Injektion konzipiert. Der PKC-β Inhibitor (ruboxistaurin mesylate) wurde für die Applikation bei dem diabetischen Makulaödem untersucht, wäre aber auch ein möglicher Kandidat für die AMD-Behandlung. Ähnliches gilt für die Inhibition der C-raf-1-Kinase [4]. iCo-007 (iCo Therapeutics), ein Antisense-Oligonukleotid der 2. Generation, das gegen die C-raf Kinase mRNS gerichtet ist und für die Behandlung neovaskulärer Prozesse entwickelt wurde. iCo-007 bindet an die mRNS für die C-raf-Kinase und unterbindet deren Transkription ähnlich der siRNA. Antisense Oligonukleotide sind im Vergleich zur siRNA instabiler und weniger effektiv. Die zweite Generation dieser Substanzklasse ist jedoch deutlich verbessert worden.
Squalamin (Genaera), ist ein Aminosterol mit antiangiogenen Eigenschaften, das über die Inhibition der intrazellulären Signalkaskade (u. a. von VEGF) wirkt. Nach positiven experimentellen und Phase-I/II-Ergebnissen wurde die Phase III Studie gestoppt. Eine ganze Reihe von Substanzen, die VEGF-RezeptorKinasen und VEGF-induzierte Effekte inhibieren, werden u. a. auch zur Behandlung der AMD untersucht. Es handelt sich dabei um Quinazolin-Derivate (Astrazeneca AB), Imidazo[1,2-A]Pyridine (Lilly Co.), AnthranilamidePyridinureas (Bayer Schering Pharma AG), Anthranilic Acid Amides und 2-Aminonicotine-Amide (Novartis AG), Thalidomid-Analoga und N-Aryl-Sulfoximine-substituierte Pyrimidine (Schering AG). Als mögliche weitere Ansatzpunkte gelten neben der VEGF anschließenden Signalkaskade auch weiter oben in dieser Kaskade gelegene Ziele wie mTOR and HIF-α. Hierbei spielt mTOR eine zentrale Schlüsselrolle, da es als Konvergenzpunkt multipler Kaskaden sowohl aktivierende als auch inhibierende Signale reguliert, die auf die Proteinsynthese, die Angiogenese, die Zellproliferation und den Zellmetabolismus einwirken. Momentan befinden sich in der klinischen Erprobung Everolimus (RAD-001, Novartis) und Palomid 529 (Paloma Pharmaceuticals, Inc.).
14.3.4
Natürliche VEGF-Gegenspieler
Die Angiogenese wird von proangiogenen und von antiangiogenen Faktoren gesteuert. So steht das starke proangiogenen VEGF normalerweise im Gleichgewicht zu seinen Gegenspielern. Im Rahmen einer Neovaskularisation ist dieses Gleichgewicht gestört. Eine Strategie dieses Gleichgewicht wieder herzustellen, beruht deshalb auf dem Einsatz von natürlichen Inhibitoren. Zu den bekanntesten antiangiogenen Faktoren gehören PEDF und Endostatin. Für den »pigment epithelium derived factor« (PEDF) wurde in Phase-I-Studien gezeigt, dass die intravitreale Injektion eines Adenovirus-Vektors, der PEDF exprimiert (AdPEDF, GenVec), die Progression choroidaler Neovaskularisationen reduziert [3]. PEDF reguliert das normale Blutgefäßwachstum und schützt die Photorezeptoren. Die AdPEDF-Therapie könnte daher zusätzlich zur antiangiogenetischen Wirkung eine protektive Wirkung auf die Photorezeptoren haben. Ein weiterer Vorteil könnte sein, dass die Wirkung nach intravitrealer Gabe mehrere Monate anhält. Endostatin ist ein 20-kD-Fragment des C-Terminus von Kollagen XVIII, das die VEGF-Signalkette auf der Rezeptorebene hemmt. Dieses Molekül inhibiert die Migration von Endothelzellen, hemmt deren Zellzyklus und induziert ihre Apoptose. Im Mausmodel konnten durch
235 14.5 · Kombinationstherapie
adenoviralen Vektoren, die Endostatin exprimieren, die Entwicklung von choroidalen Neovaskularisationen inhibiert werden [13].
Neue Applikationsformen
14.4
setzenden, aber länger anhaltenden Effekt (z. B. siRNA) zu vereinen. Ebenfalls kann durch eine Kombinationstherapie auf unterschiedliche, an der Angiogenese beteiligte Faktoren Einfluss genommen werden, um so deren Effekt zu potenzieren. Fazit
Es befinden sich eine Reihe neuer Applikationsformen in experimenteller und klinischer Erprobung. Ziel ist es u. a., die Applikationsfrequenz zu reduzieren, die therapeutische Wirksamkeit zu erhöhen, die Nebenwirkungen zu reduzieren oder die Sicherheit für den Patienten zu verbessern. Untersucht wird z. B. das kontinuierliche Einbringen von Wirkstoffen über einen Adenovektor, wie oben beschrieben (AdPEDF), oder über ein biologisch abbaubares Implantat aus Polymeren. Bei diesen Implantaten ist die therapeutisch aktive Substanz in das Polymer eingebettet und wird kontinuierlich über einen bestimmten Zeitraum freigesetzt. Das Trägermaterial wird im Auge abgebaut. Eine andere, derzeit in der Onkologie in Erprobung stehende Therapieform, ist der gezielte Wirkstofftransport an einen Ort der Angiogenese mittels kationischer Liposomen [18]. An diese Liposomen können antiangiogenetische Wirkstoffe gebunden werden, die dann bevorzugt am gewünschten Ort ihre Wirkung entfalten (»targeted delivery«, z. B. Endo TAG-1).
Kombinationstherapie
14.5
Die Kombination aus unterschiedlich angreifenden AntiVEGF-Substanzen kann angedacht werden, um einen raschen Effekt (z. B. Ranibizumab) mit einem später ein-
In den letzten Jahren hat es in der Behandlung von neovaskulären Augenerkrankungen eine enorme Entwicklung gegeben, die zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls abgeschlossen ist. Man kann erwarten, dass in den nächsten Jahren eine Vielzahl weiterer neuer Präparate auf den Markt kommen wird, von denen einige in diesem Kapitel beschrieben sind. Die VEGF-Wirkung kann nicht nur durch direkte Antikörper blockiert werden, sondern es kann auch an anderen Schaltstellen der VEGF-Kaskade eingegriffen werden (z. B. siRNA, Tyrosinkinase-Inhibitoren). Es ist zu erwarten, dass die Wirksamkeit und Effektivität vieler Substanzen durch die zentrale Inhibition komplexer Wechselprozesse zustande kommt. Dies lässt wiederum eine verminderte Selektivität erwarten. Beschränkt sich die Wirksamkeit von Pegaptanib-Natrium (Macugen) nur auf einzelne VEGF-A-Isoformen und die von Ranibizumab und Bevacizumab (Lucentis) nur auf VEGF-A, so werden durch die anderen Substanzen auch andere Mitglieder der VEGF-Familie sowie weitere Wachstumsfaktoren in ihrer Funktion eingeschränkt. Die Inhibition der mit der Pathologie assoziierten Prozesse wird eine größere Wirksamkeit zur Folge haben. Die Inhibition physiologischer Prozesse bedeutet aber ein erhöhtes Risikoprofil für Nebenwirkungen (⊡ Abb. 14.5). Welche Präparate sich letztendlich durchsetzen werden, bleibt abzuwarten und dürfte neben ihrer Wirksamkeit und dem Nebenwirkungsprofil auch von ihrer Applikationsform und -frequenz abhängen.
Aptamer Anti-VEGF Antikörper
Anti-VEGFR-2 Antikörper Anti-VEGFR-1 Antikörper siRNA
modifziertes VEGF
VEGF-Trap
TyrosinekinaseInhibitor mTOR Inhibitor
VEGF-A Isoformen VEGF-B -C PlGF andere Zytokine 206 189 165 121 110 - Effektivität + + Selektivität -
z.B. FGF, PDGF
⊡ Abb. 14.5 Abhängig vom Angriffspunkt sind nur wenige Faktoren und Prozesse gestört, wodurch eine größere Selektivität aber eine verminderte Effektivität zu erwarten ist. Eine verminderte Selektivität kann jedoch auch ein größeres Nebenwirkungsprofil bedeuten
14
236
Kapitel 14 · Anti-VEGF-Therapie: Grundlagen und Substanzen
Literatur
14
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15
Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien P. Mitchell, S. Foran Übersetzt von T. Boll
15.1
Hintergrund – 238
15.2
Anti-VEGF-Therapien bei neovaskulärer AMD – 238
15.3
Evidenzbasierte Leitlinien zum Krankheitsmanagement – 239
15.4
Leitlinien zum Management der neovaskulären AMD mit VEGF-Hemmern – 240
15.4.1 Wie sollte eine neovaskuläre AMD diagnostiziert werden? – 241 15.4.2 Welche neovaskulären AMD-Läsionen sollten für eine Anti-VEGF-Therapie in Betracht gezogen werden? – 242 15.4.3 Welche Parameter definieren eine aktive neovaskuläre AMD, die voraussichtlich von einer Anti-VEGF-Therapie profitiert? Welche Eigenschaften legen nahe, dass kein Nutzen zu erwarten ist? – 243 15.4.4 Bieten flexible Therapieregimes ähnlich zufriedenstellende Ergebnisse in Bezug auf den Visus wie eine monatliche Therapie? Wie sollte die Therapie begonnen werden? Welche flexiblen Therapieregimes wurden untersucht? – 244 15.4.5 Welche längerfristigen Gesichtspunkte müssen bei einer Anti-VEGF-Therapie bei neovaskulärer AMD berücksichtigt werden? – 248
Literatur
– 249
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238
Kapitel 15 · Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien
Kernaussagen
15
Drei jüngst erschienene Leitlinien befassen sich mit dem therapeutischen Management der neovaskulären AMD mittels VEGF-Inhibitoren. Ihre Schwerpunkte liegen auf Selektion geeigneter Patienten einschließlich Klassifikation der Läsionen nach »aktiv« und »inaktiv« sowie auf Therapieansätze mit VEGF-Hemmern nach monatlichen oder flexiblen Therapieregimes. Aus großen randomisierten klinischen Studien liegen die meisten Ergebnisse zur Therapie mit Ranibizumab vor. Diskutiert wird die zwingende Notwendigkeit einer diagnostischen Fluoreszein-Angiographie vor Therapiebeginn sowie die entscheidende Bedeutung der optischen Kohärenztomographie (OCT) zum Nachweis VEGF-induzierter Permeabilitätsveränderungen. Im Vordergrund steht dabei die sog. Spectral-DomainTechnologie. Für die Therapie sind alle neovaskulären AMDLäsionstypen und Sehschärfen geeignet, wobei eine kleinere Läsionsgröße ein zuverlässiger Prädiktor für bessere Ergebnisse hinsichtlich der Sehschärfe ist. Als wichtiger Indikator für Läsionen, die voraussichtlich von der Therapie profitieren, wurden Parameter vorgeschlagen, die die »Läsionsaktivität« definieren, sowie Spätzeichen, die einen geringen oder gar keinen Nutzen erwarten lassen. Folgende Ansätze und belegte Therapieergebnisse hauptsächlich zu Ranibizumab werden zusammengefasst dargestellt: 1) regelmäßige monatliche Therapie; 2) initiale »Aufladephase« mit drei Injektionen gefolgt von Injektionen nach Bedarf (auch »PRN«, pro re nata, Gabe im Bedarfsfall) und 3) ein jüngeres »Treat-andextend«-Regime, das zunehmend Verbreitung findet und ein logischer Weg zur Zieloptimierung zu sein scheint. Ein sehr hoher Evidenzlevel einer erfolgreichen Therapie liegt bisher vor allem bei der kontinuierlichen, d. h. monatlichen Therapie vor. Hervorgehoben wird die Bedeutung der Therapie bei frühen (und sehr kleinen) Ausgangsläsionen.
15.1
Hintergrund
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist die Hauptursache für schweren, irreversiblen Sehverlust und Erblindung im rechtlichen Sinn in den meisten westlichen Ländern eingeschlossen Europa [1], Nordamerika [2–4], Australien [5, 6] und Teilen von Asien [7]. Die Krankheit hat drei Manifestationsformen [8]:
▬ Frühstadium (frühe AMD), das durch das Auftreten großer (weicher) Drusen oder Veränderungen im retinalen Pigmentepithel (RPE) entweder als Hyper-, Hypo- oder Depigmentierung, charakterisiert ist ▬ Spätform – neovaskuläre AMD, die durch das Wachstum choroidaler Gefäßneubildungen unter der neurosensorischen Retina oder dem retinalen Pigmentepithel gekennzeichnet ist ▬ Spätform – geographische Atrophie (GA), bei der ein fortschreitender Verlust an RPE und Photorezeptoren auftritt Die neovaskuläre AMD stellt eine erhebliche wirtschaftliche Belastung dar, ihre Kosten in Australien werden auf etwa 5 Milliarden Dollar jährlich geschätzt [9], eine Belastung, die aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung voraussichtlich weiter steigen wird und nun im Fokus der Anti-VEGF-Therapie steht. Zu den belegten Risikofaktoren für die Entwicklung einer neovaskulären AMD gehören zunehmendes Lebensalter sowie genetische und umweltbedingte Faktoren. Bedeutende Fortschritte konnten im Bereich genetischer Schlüsselvarianten erreicht werden, zu denen die Identifizierung von Einzelnukleotid-Polymorphismen (»single nucleotide polymorphisms«, SNP) des Komplementfaktors H (»complement factor H«, CFH) und am ARMS2-Lokus gehören sowie der LOC/HTRA-Komplex [10, 11]. Bis heute wurden über 10 risikobehaftete oder protektive SNP identifiziert, die die Entstehung einer neovaskulären AMD beeinflussen [12]. Es wird vermutet, dass diese neovaskulären AMD-Genvarianten Auswirkungen auf das Therapieansprechen bei Anti-VEGFTherapie haben könnten, doch ist die Datenlage dazu bislang widersprüchlich: Manche Studien zeigten einen Einfluss [13–15], während andere dies nicht bestätigen konnten. Von den umweltbedingten Einflussfaktoren ist Zigarettenrauchen der am besten belegte. Rauchen erhöht das Risiko für eine neovaskuläre AMD (etwa um das dreifache) bei allen bislang untersuchten ethnischen Gruppen und führt offenbar auch zu einem früheren Erkrankungszeitpunkt.
15.2
Anti-VEGF-Therapien bei neovaskulärer AMD
Der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor A (»vascular endothelial growth factor A«, vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor, VEGF-A) ist derzeit der wichtigste Ansatzpunkt verschiedener medikamentöser Therapien, die die choroidale Neovaskularisation (CNV) hemmen
239 15.3 · Evidenzbasierte Leitlinien zum Krankheitsmanagement
und ein Fortschreiten der neovaskulären AMD stoppen sollen [16–18]. Die erste große randomisierte kontrollierte Phase-IIIStudie (»randomized controlled trial«, RCT) zur VEGFTherapie bei neovaskulärer AMD war die VISION-Studie mit Pegaptanib-Natrium (Macugen; Eye Tech, New York, USA), einem selektiven Antagonisten der 165-VEGFA-Isoform, der bei einer intravitrealen Gabe in 6-Wochen-Intervallen eine bessere Wirksamkeit gegenüber der photodynamischen Therapie mit Verteporfin oder Plazebo aufwies [19]. Obgleich Pegaptanib daraufhin im Dezember 2004 die Zulassung der FDA (Food and Drug Administration) erhielt, wurde sein Einsatz in der täglichen Praxis zum Teil durch die wesentlich größere Wirksamkeit von Ranibizumab verdrängt. Kürzlich ergab eine offene europäische Ringuntersuchung von 253 Patienten [20] insgesamt einen etwas besseren Erhalt der Sehschärfe (nach einem Jahr hatten mehr als 90% der Patienten weniger als 15 Buchstaben gegenüber dem Ausgangswert verloren im Vergleich zu 70% der Patienten in der VISION-Studie [19]). Die nächsten großen RCT untersuchten Ranibizumab (Lucentis, Novartis Pharma AG, Basel, Schweiz und Genentech Inc., South San Francisco, CA, USA), das als rekombinantes humanisiertes monoklonales AntikörperFab-Fragment entwickelt wurde, das alle biologisch aktiven VEGF-A-Isoformen hemmt [21]. Die zwei bis dorthin größten Studien zur Anti-VEGF-Therapie waren die MARINA [22]- und die ANCHOR [23]-Phase-III-RCT. Sie untersuchten monatliche intravitreale Gaben von Ranibizumab zur Behandlung aller neovaskulären AMDTypen. Beide Studien zeigten einen deutlich besseren Erhalt der Sehkraft im Vergleich zu intravitrealen Plazeboinjektionen und einer intravenösen photodynamischen Therapie mit Verteporfin: Nach einem und zwei Jahren hatten 94% der Patienten weniger als 15 Buchstaben (3 logMAR-Zeilen) verloren und über ein Drittel der Patienten eine Verbesserung um mindestens 15 Buchstaben (3 logMAR-Zeilen) erfahren [22, 23]. Ranibizumab wurde von der FDA im Juni 2006 als monatliche intravitreale 0,5-mg-Injektion zugelassen und ist seither der weltweit meistgenutzte VEGF-Inhibitor zur Behandlung der neovaskulären AMD. Aus einer Pilotstudie zu Bevacizumab (Avastin, Genentech Inc., South San Francisco, USA), einem onkologischen Präparat und unfragmentierten monoklonalen Antikörper, der alle VEGF-A-Isoformen hemmt, wurde 2005 eine offensichtliche Wirksamkeit bei neovaskulärer AMD berichtet [24]. 2004 war das Medikament von der FDA zur Therapie des kolorektalen Karzinoms zugelassen worden. Anschließend wurde es weltweit flächenhaft als intravitreale Off-label-Therapie bei neovaskulärer AMD
[25, 26] sowie in einer kleinen randomisierten kontrollierten Phase-III-Studie [27] eingesetzt, die eine ähnliche Wirksamkeit wie die Zulassungs-RCT zu Ranibizumab ergab. Einige große klinische Untersuchungsreihen zeigten eine ähnliche Wirksamkeit für Bevacizumab und Ranibizumab [28], doch werden noch direkte Vergleichsstudien dieser beiden Medikamente benötigt, um klarere Informationen zu erhalten, wie sich Wirksamkeit und Sicherheit im Vergleich darstellen [29]. Entsprechende Studien finden derzeit statt (⊡ Tab. 15.1), doch werden die Ergebnisse nicht vor 2011 oder 2012 erwartet. Aufgelistet sind folgende Studien, die insgesamt über 4000 Patienten einschließen: CATT (USA), IVAN (Vereinigtes Königreich), VIBERA (Deutschland), MANTA (Österreich), LUCAS (Norwegen), GEFAL (Frankreich), BRAMD (Niederlande) und EQUAL (Niederlande). Die größte dieser Studien ist die CATT-Studie, die 1200 Patienten 1:1:1:1 auf 4 Behandlungsgruppen randomisierte: ▬ festgelegte monatliche Injektionen von 0,5 mg Ranibizumab ▬ festgelegte monatliche Injektionen von 1,25 mg Bevacizumab ▬ Gabe von 0,5 mg Ranibizumab gefolgt von PRNInjektionen ▬ Gabe von 1,25 mg Bevacizumab gefolgt von PRNInjektionen Nach 12 Monaten wird die Hälfte der CATT-Patienten aus den Gruppen mit festem Wiederholungsrhythmus auf die PRN-Regimes randomisiert. Ein vierter Wirkstoff, und zwar das onkologische Präparat Aflibercept (genannt VEGF-Trap-Eye, Regeneron Inc., Tarrytown, NY, USA und Bayer Healthcare, Leverkusen, Deutschland), fungiert als VEGF-A-Köderrezeptor mit hoher Affinität für alle VEGF-A-Isoformen sowie für die plazentaren Wachstumsfaktoren PGF 1 und 2 [30, 31]. Positive Ergebnisse der Phase-III-RCT VIEW I und VIEW II an fast 2500 Patienten mit neovaskulärer AMD wurden in einer Pressemitteilung im November 2010 berichtet, jedoch noch nicht veröffentlicht.
15.3
Evidenzbasierte Leitlinien zum Krankheitsmanagement
Evidenzbasierte Leitlinien zum Krankheitsmanagement sind systematisch entwickelte Empfehlungen, die auf soliden wissenschaftlichen Ergebnissen zur klinischen Wirksamkeit und Sicherheit verschiedener Therapien basieren. Ein Expertenkonsensus kann wertvoller Bestandteil des Entwicklungsprozesses von Leitlinien sein. Selbst wenn
15
240
Kapitel 15 · Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien
⊡ Tab. 15.1 Direkte Vergleichsstudien zu Ranibizumab und Bevacizumab Name (Land)
Anzahl registrierter Teilnehmer (Orte)
Studiendesign
Voraussichtliches Studierende
CATT (USA)
1200 (44)
R 0,5 mg M; B 1,25 mg M; R 0,5 mg 1+PRN; B 1,25 mg 1 + PRN
Q1 2011
IVAN (Vereinigtes Königreich)
600 (19)
R 0,5 mg M; B 1,25 mg M; R 0,5 mg 3 + PRN; B 1,25 mg 3 + PRN
Q4 2011
AXL (Brasilien)
Bis zu 500
3 + PRN
2011
VIBERA (Deutschland)
365 (4)
2011
MANTA (Österreich)
320 (10)
2011
BRAMD und EQUAL (Niederlande)
306 + 284
2011
LUCAS (Norwegen)
420 (11)
GEFAL (Frankreich)
500 (20)
Treat-and-extend-Regime
Q1 2012 2012
B Bevacizumab, M monatlich, PRN pro re nata (Gabe nach Bedarf ), R Ranibizumab Zahlenangaben unter Studiendesign in mg bzw. Anzahl initialer monatlicher Injektionen
15
unter den Experten Einigkeit besteht, kann die Expertenmeinung jedoch sorgfältig zusammengetragene wissenschaftliche Belege nicht ersetzen, insbesondere solche, die aus großen Phase-III-RCT oder aus Metaanalysen zahlreicher Studiendaten gewonnen wurden. Zur Einordnung der Datenlage für therapeutische Entscheidungen wurde eine Hierarchie mehrerer Evidenzlevel definiert. Die stärkste Evidenz (Level I) ergibt sich aus gut konzipierten RCT, die die thematisierten Fragen konsequent untersuchen. Diese RCT werden auch als Pivot- oder Schlüsselstudien bezeichnet und bilden die Datengrundlage für Produktzulassungen durch die entsprechenden Behörden. Im Entscheidungsprozess zur Kostenübernahme neuer Therapien nutzen Kostenträger oftmals die Evidenz der durch RCT ermittelten therapeutischen Wirksamkeit im Vergleich zu vorherigen Therapiestandards für Wirtschaftlichkeitsanalysen. Doch auch weniger streng gestaltete RCT, z. B. solche ohne Kontrollgruppe oder mit nicht ganz optimalem Follow-up, können wesentliche Belege (Level II) liefern, insbesondere dann, wenn diese Studien spezifische Fragen zur Therapie beantworten, die nicht in den Pivot-Studien untersucht wurden. Eine verhältnismäßig schwache Evidenzstärke (Level III) wird Ergebnissen aus nicht-vergleichenden Studien ohne Kontrollen oder aus beschreibenden Studien, Empfehlungen aus Konsensuskonferenzen ohne spezifische Evidenz oder der »Expertenmeinung« zuerkannt [32].
Sorgfältig entwickelte evidenzbasierte Leitlinien bieten eine Hilfestellung zur Entscheidungsfindung, verbessern Standards für Diagnose und Therapie in bestimmten Situationen, verringern die Variabilität im Praxisalltag, weisen auf die Notwendigkeit weiterer Forschungstätigkeiten hin und können so zur Verbesserung der Patientenversorgung im klinischen Alltag beitragen.
15.4
Leitlinien zum Management der neovaskulären AMD mit VEGF-Hemmern
Wie in ⊡ Tab. 15.2 zusammengefasst, stehen derzeit etliche Leitlinientexte zum Einsatz von Anti-VEGF-Therapien im Management der neovaskulären AMD zur Verfügung [26, 32–36]. Die folgende Übersicht ist nach 5 Fragen zur Anti-VEGF-Therapie bei neovaskulärer AMD gegliedert und konzentriert sich dabei auf die Empfehlungen der drei neuesten Leitlinien, die zwischen Februar 2009 und Oktober 2010 veröffentlicht wurden [32–34] und die, mehr oder weniger detailliert, die wichtigsten Fragen zur klinischen Praxis der Anti-VEGF-Therapie behandeln. Jedoch finden sich auch in zahlreichen anderen Einzelpublikationen hilfreiche Empfehlungen zur Anti-VEGFTherapie (besonders für Ranibizumab) [37–39] und diese Literatur nimmt weiter zu.
241 15.4 · Leitlinien zum Management der neovaskulären AMD mit VEGF-Hemmern
⊡ Tab. 15.2 Derzeit verfügbare Leitlinien zum Management der neovaskulären AMD Autoren/Fachgesellschaft
Region/Land
Monat, Jahr
American Academy of Ophthalmology (AAO) [32]
USA/Welt
Oktober 2010
Mitchell P, Korobelnik J-F, Lanzetta P, Holz FG, Prunte C, Schmidt-Erfurth U, Tano Y, Wolf S; Empfehlungen erschienen im British Journal of Ophthalmology (BJO) [34]
Internationale Expertengruppe
Januar 2010
Royal College of Ophthalmologists (RCOphth) [33]
Vereinigtes Königreich
Februar 2009
European Society of Retinal Specialists (Euretina) [37]
Europa
2007
International Council of Ophthalmology [36]
global
2007
⊡ Tab. 15.3 Empfehlungen zur Diagnosestellung der neovaskulären AMD AAO Oktober 2010
RCOphth Februar 2009
BJO Januar 2010
Initiale Anamneseerhebung
Symptome (Metamorphopsie, Abnahme der Sehkraft)
Nicht erwähnt
Symptome (Dauer und Eigenschaften der visuellen Symptome)
Initiale Augenuntersuchung
Visus, stereobiomikroskopische Untersuchung der Makula
Nicht erwähnt
Visus, stereobiomikroskopische Untersuchung der Makula
Ergänzende Untersuchungen
FA
FA, OCT wichtig, ICG wenn RAP vorliegt oder PCV oder zur Bestimmung der Vaskularisation einer PED
FA, OCT wenn verfügbar, ICG bei Verdacht auf PCV oder RAP
OCT optische Kohärenztomographie, »optical coherence tomography«; FA Fluoreszein-Angiographie; ICG Indozyaningrün-Angiographie; RAP retinale angiomatöse Proliferation [84]; PCV polypoidale choroidale Vaskulopathie [43, 44]; PED Pigmentepithelabhebung, »pigment epithelial detachment«
15.4.1
Fünf Schlüsselfragen der Leitlinien zur neovaskulären AMD ▬ Wie sollte eine neovaskuläre AMD diagnostiziert ▬ ▬
▬
▬
werden? Welche neovaskulären AMD-Läsionen sollten für eine Anti-VEGF-Therapie in Betracht gezogen werden? Welche Parameter definieren eine aktive neovaskuläre AMD, die voraussichtlich von einer Anti-VEGF-Therapie profitiert, und welche Eigenschaften legen nahe, dass kein Nutzen zu erwarten ist? Die meisten Patienten zeigen gute Visusergebnisse bei monatlicher Therapie. Gibt es Belege für gleichfalls zufriedenstellende Ergebnisse der Sehschärfe bei flexiblen Therapieregimes? Von welchen flexiblen Ansätzen wird berichtet? Welche längerfristigen Gesichtspunkte müssen bei einer Anti-VEGF-Therapie bei neovaskulärer AMD berücksichtigt werden?
Wie sollte eine neovaskuläre AMD diagnostiziert werden?
Eine präzise Diagnose und Klassifikation der neovaskulären AMD anhand empfohlener Kriterien ist von entscheidender Bedeutung. Der Beurteilung sollte folgende Diagnostik zugrunde liegen (⊡ Tab. 15.3) [34]: ▬ Anamneseerhebung (Dauer und Art der visuellen Symptome) ▬ Bestimmung der Sehschärfe ▬ Stereoskopische biomikroskopische Spaltlampenuntersuchung des Fundus mit einer 78-D-Linse (oder einer ähnlichen Linse) ▬ Fluoreszein-Angiographie (FA) ▬ Nach Möglichkeit optische Kohärenztomographie (»optical coherence tomography«, OCT) Der logMAR-Visus (»logarithm of the minimum angle of resolution«) ist dem Snellen-Visus deutlich vorzuziehen, da er eine bessere Sensitivität, eine geordnete Zunahme der Buchstabengröße mit 5 gleich gut lesbaren Buchstaben pro Zeile, Reproduzierbarkeit und die Möglichkeit
15
242
Kapitel 15 · Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien
eines Vergleichs mit publizierten Studiendaten bietet [40]. Die nicht-geometrische Zunahme der Buchstabengröße und die variable Buchstabenanzahl pro Zeile erschwert die vergleichbare Angabe von Snellen-Ergebnissen in Buchstaben und Zeilen einer Visusänderung [41]. In allen drei aktuellen Leitlinientexten wird eine Ausgangs-FA als zwingend erforderlich angesehen. Diese dient sowohl zur Darstellung einer CNV als auch zum Ausschluss einer nicht AMD-bedingten Ursache der Neovaskularisation (z. B. myope Degeneration, gefäßähnliche Streifen bei Pseudoxanthoma elasticum, multifokale Choroiditis). Desweiteren können anhand der FA Ausmaß, Typ, Größe und Lage der CNV, Ausmaß der Leckage und der relative Anteil verschiedener Läsionskomponenten ermittelt werden [38, 42]. Bei Verdacht auf eine polypoidale choroidale Vaskulopathie (PCV) [43, 44] oder eine retinale angiomatöse Proliferation (RAP) [45] sowie bei unklarem Ausmaß einer CNV bei okkulten Läsionen [34] kann zusätzlich eine Indozyaningrün-Angiographie (ICG) indiziert sein. Zwei der drei Leitlinien empfehlen ein Ausgangs-OCT zur Feststellung des Ausmaßes der retinalen Verdickung, ihrer Lage und der qualitativen Merkmale der extrazellulären Flüssigkeitsansammlung. Die OCT stellt VEGF-induzierte Veränderungen der Retinapermeabilität deutlich dar. Im Vergleich zu den älteren Time-Domain-Modellen (TD-OCT) ermöglichen die neueren Spectral-Domain (SD)-OCT-Einheiten und die SD-Software eine deutlich verbesserte Darstellung früher qualitativer Anzeichen für eine neovaskuläre AMD-Aktivität und die Lokalisation von Veränderungen in den verschiedenen Schichten der neurosensorischen Netzhaut [46]. Die verschiedenen SDOCT-Geräte können sich jedoch im Auflösungsvermögen für bestimmte neovaskuläre AMD-Merkmale unterscheiden [47].
15.4.2
15
Welche neovaskulären AMD-Läsionen sollten für eine Anti-VEGF-Therapie in Betracht gezogen werden?
Die Leitlinien der AAO empfehlen eine Anti-VEGFTherapie mit Ranibizumab oder Bevacizumab für die subfoveale choroidale Neovaskularisation (CNV) und eine Lasertherapie für die extrafoveale klassische CNV [32]. Die Leitlinien des Royal College of Ophthalmologists (RCOphth) empfehlen eine fokale Lasertherapie bei extrafovealer CNV oder eine Anti-VEGF-Therapie, wenn davon ausgegangen werden muss, dass das laserbedingte Skotom die Sehfunktion voraussichtlich beeinträchtigen würde [33]. Bei sub- bzw. juxtafovealer CNV empfiehlt die RCOphth eine Anti-VEGF-Therapie, jedoch alterna-
tiv auch eine PDT oder eine Kombinationstherapie, wenn ein regelmäßiger Klinikbesuch schwierig ist [33]. Bei juxtafovealen Läsionen empfiehlt die RCOphth-Leitlinie eine Anti-VEGF (»retinal sparing«)-Therapie, um einen direkten fovealen Laserschaden oder eine spätere Beeinträchtigung durch die Lasernarbe zu vermeiden [33]. Der Einschluss sowohl subfovealer als auch juxtafovealer Läsionen für eine Ranibizumab (Anti-VEGF)-Therapie wurde auch in der Stellungnahme einer internationalen Expertengruppe bestätigt [34]. Alle drei Haupttypen der CNV (überwiegend klassisch, okkult [ohne klassische Komponente] und minimal klassisch) zeigten ein Ansprechen auf Ranibizumab über einen Zeitraum von 2 Jahren [22, 23, 34, 48] und werden als Indikation für eine Ranibizumab-Therapie empfohlen. Wenngleich weit weniger Patienten in der ABC-Studie eingeschlossen waren, legt diese Studie nahe, dass alle drei Läsionstypen auch auf eine 6-wöchentliche intravitreale Therapie mit Bevacizumab ansprechen [27]. Retrospektive Analysen der 24-Monats-Daten der MARINA-Studie ergaben für alle Subgruppen von AMDLäsionen (basierend auf Patientenalter, Geschlecht, CNVLäsionstyp, Läsionsgröße, Ausgangs-Sehschärfe und AMD-Dauer) bessere Ergebnisse unter Therapie mit Ranibizumab im Vergleich zu Plazebo [49]. Prädiktoren für die Ergebnisse hinsichtlich der Sehschärfe waren die Läsionsgröße der CNV, der Ausgangsvisus und das Alter des Patienten (alles Evidenzlevel I): Die Therapie kleinerer CNV-Läsionen erbrachte einen größeren Nutzen für die Sehschärfe; bei etwas schlechterem Ausgangsvisus zeigten sich größere Zugewinne in der Sehschärfe, was einen Deckeneffekt bei Patienten mit besserem Ausgangsvisus nahe legt. Es fand sich ein etwas geringerer Sehschärfezugewinn bei Patienten der höchsten Altersgruppen. Wie auch in einer aktuellen britischen Fallserie war ein schlechter Ausgangsvisus prädiktiv für den höchsten Sehschärfezugewinn, doch wiesen Augen mit besserem anfänglichem Visus am Ende eine wesentlich höhere Sehschärfe auf [50]. Von besonderer Bedeutung ist die Erkenntnis, dass kleinere CNV-Läsionen eine bessere Visusprognose haben als größere Läsionen, was auch in der 12-MonatsSubgruppenanalyse der ANCHOR-Daten [51] sowie in den SUSTAIN- und EXCITE-Studien [52] bestätigt wurde. Dieses Ergebnis belegt die Notwendigkeit einer möglichst frühen Überweisung und eines möglichst frühzeitigen Beginns der Anti-VEGF-Therapie nach Diagnose einer aktiven CNV-Läsion [33, 34]. Wenngleich nur klinische Daten zum Ausgangsvisus zwischen 20/40 (6/12) und 20/320 (6/72) verfügbar sind, hatte die anfängliche Sehschärfe in der ANCHOR- und der MARINA-Studie keinen einschränkenden Einfluss auf das Ansprechen auf Ranibizumab. Ein Zugewinn an
243 15.4 · Leitlinien zum Management der neovaskulären AMD mit VEGF-Hemmern
Sehschärfe zeigte sich bei allen behandelten Anfangsvisus-Subgruppen [49, 51]. Patienten mit aktiver subfovealer/juxtafovealer CNV und einer Sehschärfe besser als 20/40 (6/12) sollten z. B. immer für eine Behandlung in Betracht gezogen werden, da diese die Möglichkeit haben, die bestmöglichen Sehschärfenergebnisse zu erhalten, insbesondere für Tätigkeiten wie Lesen und Fahren [34]. Ein aktueller britischer Bericht über 14 Patienten (Evidenzlevel II) untersuchte diese Fragestellung. Alle Patienten mit einem Ausgangsvisus besser als 6/12 behielten einen Visus von 6/12 oder besser nach der Therapie bei einer durchschnittlichen logMAR-Sehschärfenverbesserung von 0,182 auf 0,129 nach 12 Monaten (durchschnittlich 7,5 Injektionen) [53]. Wenngleich die Zulassungsstudien für Ranibizumab keine Fälle mit den folgenden Kriterien enthielten, gibt es keine Hinweise, dass folgenden Patientengruppen eine Therapie mit Ranibizumab grundsätzlich vorenthalten werden sollte (Evidenzlevel III) [34]: ▬ Blutung oder seröse Pigmentepithelabhebung (»pigment epithelial detachment«, PED), die mehr als die Hälfte der CNV-Läsion betrifft, insbesondere wenn eine CNV dokumentiert werden kann (z. B. mittels ICG-Angiographie) ▬ Glaukom oder erhöhter Augeninnendruck ▬ Ausgeprägte Katarakt: Eine Kataraktoperation sollte in der Regel nach der Ranibizumab-Therapie erfolgen. Zu verschiedenen Läsionssituationen wie einer isolierten serösen PED ohne dokumentierte CNV [54], einer RAP oder einer PCV liegen noch keine ausreichenden Untersuchungen aus Studien zu Ranibizumab oder anderen AntiVEGF-Therapien vor. Auch diese Fälle können für eine Ranibizumab-Therapie in Betracht gezogen werden, doch sprechen sie eventuell nicht so gut oder langsamer [43] an, als man dies aufgrund der durchschnittlichen Studienergebnisse zu anderen okkulten Läsionen [34] erwarten würde. In Studien wurden bestimmte Subtypen untersucht (z. B. in der Phase-IV-EVEREST-PCV-Studie zu Ranibizumab; klinische Studiennummer NCT00674323). Die RCOpth-Leitlinien besagen, dass Patienten mit einer Blutung, die mehr als 50% der gesamten CNV-Läsion betreffen, eine Ranibizumab-Therapie nicht vorenthalten werden sollte, obwohl diese Fälle nicht in die Zulassungsstudien aufgenommen worden wären [33]. Kürzlich wurde eine kleine Fallserie von 7 Patienten mit dieser Fragestellung untersucht [55] und ergab ähnliche Ergebnisse wie die großen Ranibizumab-Studien, die besser ausfielen als in der Kontrollgruppe früherer Studien zur submakulären Chirurgie. Auch eine andere Studie mit 12 Patienten ergab ein offenbar gutes Therapieansprechen von dichten subfovealen Blutungen [56].
15.4.3
Welche Parameter definieren eine aktive neovaskuläre AMD, die voraussichtlich von einer Anti-VEGF-Therapie profitiert? Welche Eigenschaften legen nahe, dass kein Nutzen zu erwarten ist?
Der Bericht einer internationalen Expertengruppe [34] vertritt die Auffassung, dass eine Anti-VEGF-Therapie Fällen mit »aktiver« neovaskulärer AMD vorbehalten sein sollte (Evidenzlevel III) und »inaktive« oder weit fortgeschrittene, irreversible Läsionen nicht behandelt werden sollten. Da die Anti-VEGF-Therapie speziell auf Angiogenese und Gefäßpermeabilität abzielt [16, 57], wurde das Konzept der aktiven neovaskulären AMD-Erkrankung entwickelt, um die Merkmale der Erkrankungsstadien von der Entwicklung einer Neovaskularisation bis zu ihren Endstadien abzugrenzen sowie deren Ansprechen auf eine Anti-VEGF-Therapie zu erfassen. Das Konzept beinhaltet folgende Hinweise auf persistente oder rezidivierende extrazelluläre Flüssigkeit: ▬ Erhöhte Retinadicke durch Flüssigkeitsansammlung intraretinal, subretinal oder unterhalb des RPE, idealerweise durch OCT bestätigt ▬ Vorliegen (oder Wiederauftreten) einer intraretinalen oder subretinalen Blutung ▬ Neue oder persistierende Leckage (oder CNV-Vergrößerung) in der FA Die Autoren der RCOphth-Leitlinien erklären auch: »Eine Behandlung mit Ranibizumab ist indiziert, wenn eine aktive subfoveale Neovaskularisation jedweden Läsionstypus vorliegt.« Patienten mit »aktiver« Erkrankung, für die dennoch nicht grundsätzlich eine Therapie empfohlen wird (da voraussichtlich kein Nutzen zu erwarten ist), wurden durch eine internationale Expertengruppe durch das Vorliegen folgender Läsionen oder Anzeichen definiert: ▬ Struktureller fovealer Schaden ▬ Fortgeschrittene subretinale Fibrose oder signifikante geographische Atrophie mit Beteiligung des fovealen Zentrums, insbesondere bei bereits längerem Bestehen ▬ Anzeichen einer schweren begleitenden Augenerkrankung, wie eine vitreale oder präretinale Blutung, die die zentrale Makula verschleiert, oder eine rhegmatogene Netzhautablösung. Diese Bedingungen erfordern im Allgemeinen andere Behandlungsmethoden, wenngleich Ranibizumab eventuell dennoch eingesetzt werden kann [34].
15
244
Kapitel 15 · Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien
In den RCOpth-Leitlinien [33] wird auch betont, dass kein permanenter struktureller Schaden der Fovea vorliegen sollte. Definiert wurde dieser als lange bestehende Fibrose oder Atrophie im Bereich der Fovea oder als signifikante chronische disziforme Narbe, die nach Einschätzung des Arztes einen Behandlungserfolg (also einen funktionellen Nutzen oder die Vermeidung eines weiteren Sehverlustes durch die Therapie) verhindern würden. Risse des retinalen Pigmentepithels mit Beteiligung subfovealer Gebiete, die häufig nach intravitrealer Ranibizumab-Therapie berichtet wurden [58-65], wurden anfänglich als relative Kontraindikation in Betracht gezogen. Jedoch gibt es bislang keine Hinweise, dass eine Fortsetzung der Ranibizumab-Therapie in diesen Fällen einen Nachteil verursacht (Evidenzlevel III). Dies beruht bislang jedoch nur auf Expertenmeinung (Evidenzlevel III) und Hinweisen aus klinischen Studien, da die Frage in keiner Studie untersucht wurde.
15.4.4
Bieten flexible Therapieregimes ähnlich zufriedenstellende Ergebnisse in Bezug auf den Visus wie eine monatliche Therapie? Wie sollte die Therapie begonnen werden? Welche flexiblen Therapieregimes wurden untersucht?
Ergebnisse bei regelmäßiger monatlicher Therapie
15
In den Zulassungsstudien MARINA und ANCHOR zeigte sich eine rasche Verbesserung der Sehschärfe in den ersten drei Monaten der Ranibizumab-Therapie, die dann über einen Zeitraum von 2 Jahren aufrechterhalten werden konnte (⊡ Abb. 15.1a, b) [34]. Angiographische und morphologische Therapieeffekte der Ranibizumab-Therapie waren eine Verringerung der CNV-Gesamtfläche, der CNV-Leckage (FA) sowie der zentralen Foveadicke (OCT) [66]. Im Vergleich zu einer zunehmenden Funktionsverschlechterung unter Plazebo (MARINA) [67] und photodynamischer Therapie mit Verteporfin (ANCHOR) [68], wurden unter Therapie mit 0,5 mg Ranibizumab klinisch relevante Verbesserungen der von Patienten berichteten sehbezogenen Funktionen beobachtet. Diese subjektiven Verbesserungen blieben über die gesamte Studiendauer von 24 Monaten erhalten entsprechend der objektiven höheren Sehschärfe und es ist wichtig, dass sie auch bei Therapie nur eines Auges auftraten.
Wie sollte die Therapie begonnen werden? Die einzigen Phase-III-Studien, in denen monatliche Injektionen über den gesamten Therapiezeitraum ange-
wandt wurden, waren die Zulassungsstudien (MARINA, ANCHOR und der aktive Kontrollarm der EXCITE-Studie, ⊡ Abb. 15.1a, b, d). Eine Verbesserung der Sehschärfe wurde am raschesten im ersten Monat nach der Initialinjektion erreicht und war während des ersten 3-MonatsZeitraums am ausgeprägtesten. Wenngleich bei manchen Patienten nach drei Monaten eine weitere Zunahme der Sehschärfe auftrat, stabilisierten sich die erreichten Werte bei den meisten Patienten nach dem ersten 3-MonatsZeitraum (⊡ Abb. 15.1a–f). Da die meisten Patienten den Hauptteil ihres Sehschärfezugewinns in allen Phase-III-Studien im ersten 3-Monats-Intervall erfuhren, erscheint es optimal, die Ranibizumab-Therapie mit drei aufeinanderfolgenden monatlichen Injektionen zu beginnen. In ein paar wenigen Studien wurde jedoch untersucht, ob die drei Dosen, die routinemäßig in der Anfangsphase flexibler Behandlungs-Studien (z. B. der SUSTAIN-Studie) gegeben wurden, tatsächlich notwendig sind. Eine aktuelle britische Studie [69] verglich nach der ersten Injektion ein PRN-Regime (1 + PRN) mit einem Beladungsregime mit drei monatlichen Injektionen zu Beginn (3 + PRN). Beide Gruppen erhielten nach dem ersten 3-Monats-Zeitraum eine PRN-Therapie. Wenngleich der visuelle Zugewinn nach 12 Monaten vergleichbar war, war der Probandenanteil, der 15 Buchstaben (3 logMAR-Zeilen) hinzugewann, in der »Beladungsgruppe« (3 + PRN, durchschnittlich 6,0 Injektionen) signifikant höher (29,8%) als in der »1 + PRN«-Gruppe (12,9%, durchschnittlich 4,5 Injektionen). Der durchschnittliche Buchstabenzugewinn nach einem Jahr betrug in der 3 + PRN-Gruppe 4,4 und in der 1 + PRN-Gruppe 4,0 Buchstaben. Zwei weitere 1 + PRN-Studien wurden publiziert [70, 71], jedoch ohne Vergleichsgruppe, in denen im ersten Jahr durchschnittlich 5,6 bzw. 5,1 Injektionen verabreicht wurden und in diesem Zeitraum ein durchschnittlicher Buchstabenzugewinn von 7,3 bzw. 9 Buchstaben erreicht wurde. Einschränkend muss gesagt werden, dass dies alles relativ kleine Studien waren. Die Autoren der aktuellen britischen Studie [69] kommen zu dem Schluss, dass die große Sehschärfezunahme wie in den großen Studien (3 + PRN-Regime vs. 1 + PRN) mit einer Beladungsdosis von drei Injektionen erreicht wurde.
Welche flexiblen Therapieregimes wurden untersucht? Studien mit festgelegten vierteljährlichen Injektionen.
Eine festgelegte 3-monatliche Verabreichung nach initialer Beladungsphase mit drei aufeinanderfolgenden monatlichen Injektionen, wie sie in der PIER [72, 73] und EXCITE [52]-Studie durchgeführt wurde (⊡ Abb. 15.1c, d), führt zu suboptimalen Ergebnissen [34]. In der PIER-
245 15.4 · Leitlinien zum Management der neovaskulären AMD mit VEGF-Hemmern
⊡ Abb. 15.1 Durchschnittliche Veränderung der bestkorrigierten Sehschärfe gegenüber dem Ausgangswert nach Monaten in den verschiedenen Studien. a MARINA (© 2006 Massachusetts Medical Society), b ANCHOR (aus [85], mit freundlicher Genehmigung des Elsevier-Verlags), c PIER (aus [86]), d EXCITE, e PrONTO (aus [87], mit freundlicher Genehmigung des Elsevier-Verlags), f SUSTAIN
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246
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Kapitel 15 · Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien
Studie fand eine Überwachung nach den ersten 3 Monaten nur in vierteljährlichen Intervallen statt. Der anfängliche Sehstärkezugewinn nach 3 Monaten ging wieder verloren: Nach 12 Monaten lag kein Gewinn mehr gegenüber den Ausgangswerten vor und nach 24 Monaten ergab sich ein Verlust von 2 Buchstaben. Die größere EXCITE-Studie wurde aufgelegt, um zu zeigen, dass eine vierteljährliche Behandlung einer monatlichen nicht unterlegen ist, konnte diese Annahme jedoch, wie die PIER-Studie, nicht untermauern [52]. In dieser Studie wurden die Patienten in monatlichen Abständen mit BCVA und OCT (BCVA, »best corrected visual acuity«, bestkorrigierter Visus) überwacht, so dass Veränderungen im ersten, zweiten und dritten Monat nach Therapieende sowohl mittels BCVA als auch in der im OCT gemessenen CRT (»central retinal thickness«, zentrale Retinadicke) beurteilt werden konnten. Es zeigte sich eine ständige Auf- und Abbewegung dieser Parameter mit abnehmender Kontrolle des Krankheitsgeschehens. Nach 4 Monaten (also 2 Monate nach der letzten Injektion) wurde der Unterschied zwischen vierteljährlichem und monatlichem Regime offensichtlich und stellte sich nach 5 Monaten sogar noch klarer dar, dem Zeitpunkt, zu dem die erste vierteljährliche Injektion anstand [52]. Im Durchschnitt war die vierteljährliche Behandlung der monatlichen klar unterlegen. In der Gruppe mit vierteljährlichen Injektionen zeigte sich nach 12 Monaten in etwa eine Halbierung des 3-Monats-Zugewinns. Wichtig zu erwähnen ist, dass der durchschnittliche Zugewinn der EXCITE-Gruppe mit festgelegten monatlichen Injektionen (im Durchschnitt 8,3 Buchstaben) nach einem Jahr durchaus vergleichbar mit den durchschnittlichen 1-Jahres-Ergebnissen der ANCHOR- und MARINA-Studien war, wenn man den Anteil (20%) der überwiegend klassischen CNV-Läsionstypen in der EXCITE-Studie berücksichtigt. Die Ursache der ungünstigen Ergebnisse bei vierteljährlicher Behandlung ist unklar, doch spielen dabei wahrscheinlich, zumindest teilweise, unterschiedliche Antwortprofile von Patienten mit neovaskulärer AMD eine Rolle. Nach den von der International Advisory Group berichteten Responder-Daten der PIER-Studie [34] erfuhr etwa einer von 4 Patienten, der zu Beginn 3-monatliche Ranibizumab-Injektionen erhalten hatte, keinen initialen Zugewinn, während bei den übrigen drei von 4 Fällen, die einen initialen Zugewinn hatten, dieser Zugewinn nach dem Übergang zu fixen vierteljährlichen Behandlungen bei 40% erhalten und bei 60% nicht erhalten werden konnte. Eine ähnliche Aufteilung in Antwortprofile mit einer ähnlichen Verteilung der Ergebnisse zeigte sich in der SUSTAIN- [34] (⊡ Abb. 15.1f) und der EXCITE [52]-Studie. Die Sehschärfe nach 4 und 5 Mona-
ten könnte ein Stabilitätsmarker sein: Ein Sehkraftabfall zu diesem Zeitpunkt weist in einem flexiblen Regime auf die Patienten hin, die einen größeren Bedarf an AntiVEGF-Therapie sowie eine schlechtere Prognose haben, die gewonnene Sehschärfe halten zu können. In der Kohorte 1 der SAILOR-Studie [34] folgten auf drei anfängliche aufeinanderfolgende monatliche Injektionen vierteljährliche Kontrolltermine und Injektionen entsprechend dem jeweiligen Visusbefund (Verlust >5 Buchstaben gegenüber dem vorherigen höchsten Visusergebnis) sowie OCT-Kriterien, wenn verfügbar (Zunahme der CRT >100 μm gegenüber dem vorherigen niedrigsten Messwert), mit der Möglichkeit zusätzlicher Termine/ Injektionen bei Bedarf. Nach einem Anstieg der mittleren Sehschärfeveränderung gegenüber dem Ausgangswert während der ersten drei Injektionen folgte eine Abnahme des durchschnittlichen Zugewinns auf 2,3 Buchstaben für beide Ranibizumab-Dosierungen. Dies ist ein besseres Ergebnis als in der PIER-, jedoch ein schlechteres als in der EXCITE-Studie. Die SAILOR-Daten ergaben, dass vierteljährliche Kontrolltermine nicht ausreichen, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu überwachen und zu erfassen [34]. Therapieregimes mit flexibler Dosierung. Derzeit exis-
tieren zwei Therapieansätze mit einer individualisierten oder flexiblen Ranibizumab-Dosierung: Beim ersten, einem »nach Bedarf« oder »PRN«-Ansatz, folgen nach einer initialen Beladungsphase mit drei monatlichen Injektionen weitere Kontrolltermine in monatlichen oder nahezu monatlichen Intervallen. Die Gabe weiterer Injektionen richtet sich nach zuvor festgelegten Kriterien (⊡ Tab. 15.4) [34]. Der zweite flexible Ansatz, das sog. »Inject-and-Extend«-Regime, wurde erstmals von Spaide vorgeschlagen und rasch von anderen übernommen [75, 76]. Ergebnisse zu flexibler Dosierung und »Nach-Bedarf«Regime. Eine kleine, offene, prospektive, einzentrische,
nicht randomisierte, Untersucher-geförderte Studie (PrONTO, ⊡ Abb. 15.1e) untersuchte drei anfängliche aufeinanderfolgende monatliche Injektionen gefolgt von einer OCT-geleiteten, variablen Dosierung bei ≥ einmonatlichen Kontrollintervallen [77]. Kriterien für eine erneute Behandlung waren: Verlust von 5 Buchstaben bei Vorliegen makulärer Flüssigkeit in der optischen Kohärenztomographie (OCT); Zunahme der zentralen Retinadicke (»central retinal thickness«, CRT) ≥100 μm; neu aufgetretene klassische choroidale Neovaskularisation (CNV); neu aufgetretene makuläre Blutung oder persistierende makuläre Flüssigkeit im OCT. In dieser Studie zeigte sich das gleiche Sehschärfeergebnis wie in den
247 15.4 · Leitlinien zum Management der neovaskulären AMD mit VEGF-Hemmern
⊡ Tab. 15.4 Vergleich berichteter Injektionszahlen und Visus-Ergebnisse (in Buchstaben) aus ausgewählten Studien zu flexiblen Regimes Studienname/ Autor
Wirkstoff
Studiengröße
Anzahl der Injektionen
Durchschnittlicher Ausgangs-Visus
Durchschnittlicher Visuszugewinn nach 3 Monaten*
Durchschnittlicher Visuszugewinn nach 12 Monaten*
Nach Bedarf (PRN) Fung [77]; Lalwani [78] PrONTO
Ranibizumab
40
J1 5,6 J2 4,3
56,2
10,8
9,3 11,1
Kumar [79]
Ranibizumab
81
J1 5,6
49,5
7,4
3,7
SUSTAIN [34]
Ranibizumab
513
J1 5,7
5,8
3,6
Kumar [79]
Ranibizumab
81
J1 5,6
49,5
7,4
3,7
Bashshur [81]
Bevacizumab
51
J1 3,4 J2 1,5
45,7
Ranibizumab
92
J1 8,4 J2 7,5
44
7,4 8,6
Inject and Extend Gupta [74]
10
12
* äquivalenter logMAR Buchstabenwert
kombinierten MARINA- und ANCHOR-Studien (Zugewinn von 9,3 Buchstaben nach 12 Monaten), jedoch bei weniger intravitrealen Injektionen (5,6). Nach 24 Monaten lag der durchschnittliche Zugewinn bei 11,1 Buchstaben bei durchschnittlich 9,9 Injektionen im gesamten 2-Jahres-Zeitraum [78]. Hierbei wurde als Kriterium für eine Reinjektion im zweiten Jahr jedweder Flüssigkeitsverdacht oder -nachweis im OCT als Aktivitätszeichen bewertet. Diese Studie war die erste, die deutlich nahe legte, dass ein flexibles, OCT-geleitetes WiederbehandlungsRegime den Zugewinn an Visus bei weniger Injektionen erhalten könnte, wenngleich keine andere Studie oder Serie zu flexiblen Regimes so gute Ergebnisse aufwies. Die große SUSTAIN-Studie [34] (⊡ Abb. 15.1f) untersuchte ein flexibles PRN-Regime nach drei initialen aufeinanderfolgenden monatlichen Ranibizumab-Injektionen. In den darauffolgenden 9 Monaten wurden durchschnittlich 2,7 Injektionen benötigt. Der Gewinn an Sehschärfe nach 3 Monaten (5,8 Buchstaben) fiel nach einem Jahr auf 3,6 Buchstaben über dem Ausgangswert, was bedeutet, dass nach dem dritten Monat ein gewisser Sehschärfeverlust auftrat. Die weiteren Behandlungen nach den ersten drei Injektionen richteten sich nach folgenden Kriterien: Sehschärfeverlust >5 Buchstaben gegenüber dem vorherigen besten Visusergebnis während der ersten drei Monate; CRT-Zunahme >100 μm gegenüber dem vorherigen geringsten Messwert während der ersten drei Monate. Auch andere Fallserien ergaben suboptimale Raten für einen Erhalt der Zugewinne im Visus während der Auf-
ladephase. In einer britischen Fallserie wurde eine durch den Behandelnden bestimmte Wiederbehandlungsstrategie nach einer Aufladephase mit drei Injektionen untersucht. Innerhalb eines Jahres ergab sich ein durchschnittlicher Zugewinn von 3,7 Buchstaben bei durchschnittlich 5,6 Injektionen [79]. In einer kleinen spanischen Serie zeigte sich ein durchschnittlicher Zugewinn von nur 1,3 Buchstaben innerhalb eines Jahres [80]. Eine prospektive bedarfsorientierte Studie mit Bevacizumab hingegen zeigte beeindruckende Ergebnisse zum Erhalt der Sehschärfe [81, 82], doch wies diese Studie im Durchschnitt auch die niedrigsten Ausgangssehschärfe auf, was die Möglichkeit eines Selektionsbias durch eine potenziell sehr hohe Visusgewinnstufe nahelegt. Desweiteren wurde der bestkorrigierte Visus nicht als Parameter eingesetzt, so dass die Ausgangs-Sehschärfe möglicherweise als zu gering eingeschätzt wurde. Ergebnisse zu flexibler Dosierung und »Treat-andextend«-Regime. Die meisten Anwendungsformen des
»Treat-and-extend«-Regimes beginnen ebenfalls mit drei aufeinanderfolgenden monatlichen Beladungsinjektionen mit Ranibizumab oder behandeln mit monatlichen Injektionen, bis funduskopisch keine Anzeichen einer makulären Blutung und im OCT keine intra- oder subretinale Flüssigkeit mehr zu sehen sind [74]. Wenn keine Zeichen einer erneuten Exsudation vorliegen, werden die Behandlungsintervalle dann sequenziell bei jedem Kontrolltermin um etwa zwei Wochen bis zu einem Maximum von 10 [83] oder 12 [74] Wochen verlängert. Zeigen
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248
Kapitel 15 · Anti-VEGF-Therapie der AMD: Ergebnisse und Leitlinien
sich hingegen Anzeichen einer Exsudation oder einer neuen makulären Blutung wird das Kontrollintervall um zwei Wochen verkürzt [74]. Gupta et al. erreichten mit diesem Regime ähnlich stabile Visusergebnisse wie die ANCHOR- und die MARINA-Studie sowohl nach einem als auch nach zwei Jahren [74], wenngleich nur wenige Patienten den 2-Jahres-Follow-up vollständig abschlossen. Andere kleine Fallserien berichteten von ähnlichen Ergebnissen [83].
15.4.5
Welche längerfristigen Gesichtspunkte müssen bei einer Anti-VEGF-Therapie bei neovaskulärer AMD berücksichtigt werden?
Die Teilnehmer der MARINA- und der ANCHOR-Studie wurden für zwei weitere Jahre in der HORIZON-Erweiterungsstudie nachbeobachtet. Mehr als 60% der Patienten benötigten zusätzliche Behandlungen im dritten Jahr und viele benötigten auch im vierten Jahr eine Therapie. Insgesamt waren bessere visuelle und anatomische Ergebnisse nach 2 Jahren prädiktiv für eine längere therapiefreie Zeit im dritten und vierten Jahr. Gleichwohl trat ein signifikanter Verlust der bereits gewonnenen Sehschärfe auf, der vermutlich durch eine zu geringe Therapie während des Erweiterungszeitraums oder durch chronische Befunde wie eine zunehmende Atrophie oder Fibrose bedingt war [34]. Unklar ist bislang, welcher dieser Parameter die Hauptursache für den Rückgang ist. Dies zu bestimmen wird eine wichtige Fragestellung zukünftiger Forschung sein. Fazit
15
Eine im OCT erkannte VEGF-induzierte Hyperpermeabilität kann genutzt werden, um intraretinale, subretinale und subRPE-Flüssigkeit nachzuweisen, zu lokalisieren, zu klassifizieren und zu quantifizieren. Die OCT, insbesondere die moderne Spectral-Domain-OCT, wird daher zur Identifizierung einer aktiven Leckage vor und besonders für das Follow-up nach Anti-VEGF-Therapie empfohlen. Nach intravitrealer Gabe von Ranibizumab oder Bevacizumab zeigten RCT ausnahmslos eine Auflösung von Flüssigkeit und eine verminderte CRT im OCT mit verbesserter Sehschärfe. In den großen Zulassungs-RCT zeigten monatliche intravitreale Ranibizumab-Injektionen die besten und nachhaltigsten Sehschärfeergebnisse (Evidenzlevel I). Monatliche Injektionen über einen langen Zeitraum sind jedoch bei vielen Patienten nicht realisierbar. Daher wurden flexible Dosierungsstrategien entwickelt, die vor allem bei engmaschiger Überwachung brauchbar erscheinen, wenn-
gleich der Nutzen geringer ausfallen könnte (Evidenzlevel III). Bei Einrichtung eines »nach Bedarf«-Regimes scheint der Zeitraum von Monat 4 bis Monat 5 nach den drei aufeinanderfolgenden monatlichen Injektionen ein sehr nützlicher Marker für das Maß der benötigten Anti-VEGF-Therapie zu sein. Studien mit weniger als 5 Injektionen in den ersten 12 Monaten zeigten im Allgemeinen die schwächste Wirksamkeit, wenngleich die Ergebnisse unterschiedlich ausfielen. Die kleine PrONTO- und die größere SUSTAIN-Studie ergaben, dass eine monatliche Überwachung nötig ist, um den Therapienutzen zu erhalten, verglichen mit der Kohorte 1 der SAILOR-Studie. Diese sah obligatorische vierteljährliche Kontrollen vor, wobei eine höherfrequente Nachbeobachtung gleichfalls möglich war und bei vielen Patienten auch durchgeführt wurde [34]. Das Ziel einer engmaschigen Überwachung ist das Erkennen einer Persistenz oder eines Wiederauftretens der »aktiven« Erkrankung mittels Anamneseerhebung, Sehschärfen-Veränderungen, funduskopischer Untersuchung der Makula sowie OCT. Wenn die aktive Erkrankung weiterhin vorliegt oder wieder aufgetreten ist, sollte rasch eine zusätzliche Behandlung erfolgen, um die Wahrscheinlichkeit des Erhalts oder der Wiederherstellung des besten funktionalen Ergebnisses zu erhöhen. Ist die Erkrankung jedoch inaktiv, ist keine Wiederbehandlung notwendig. Eine kontinuierliche monatliche Überwachung (mit Injektion wenn benötigt) wird vor allem während der ersten 12 Monate empfohlen, um eine aktive Erkrankung rechtzeitig zu erfassen (Evidenzlevel III). Zeigen sich jedoch über einen längeren Zeitraum unauffällige klinische Befunde, scheint es gerechtfertigt, die Kontrollintervalle zu verlängern. Dieses Vorgehen, das »treat and extend« genannt wird und von Spaide bekannt gemacht wurde, hat bei Klinikern breite Akzeptanz gefunden. Daten aus aktuellen Studienserien weisen auf allgemein bessere Sehschärfeergebnisse als bei »nach Bedarf«-Regimes hin jedoch bei etwas höherer Injektionsfrequenz (Evidenzlevel III). Neben diesen besseren Ergebnissen bietet dieser Ansatz eine größere Sicherheit für teilnehmende Patienten. Das vorrangige Ziel ist eine Therapie nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten bei Erhalt guter visueller Ergebnisse. Eine Wiederbehandlung ist bei jedwedem Anzeichen einer persistierenden oder rezidivierenden Flüssigkeit im OCT, bei Visusabfall, bei Auftreten einer frischen Blutung, bei Beschreibung eines neuen oder persistierenden Verzerrtsehens oder anderen klinischen Hinweisen auf eine fortbestehende Erkrankungsaktivität angezeigt (Evidenzlevel III). Ein kritisches Thema ist das Ausmaß einer verzögerten Diagnosestellung, Überweisung sowie Beginn einer AntiVEGF-Therapie. So verschlechterte sich z. B. die Sehschärfe in der unbehandelten Kontrollgruppe der PIER-Studie nach nur einem Monat um durchschnittlich 5 Buchstaben. Auch
249 Literatur
ein verzögerter Therapiebeginn bei Patienten mit neu diagnostizierter AMD ist mit erheblichem Visusverlust assoziiert. In allen großen Studien war eine kleinere Läsionsgröße ein prädiktiver Faktor für bessere Sehschärfeergebnisse. Ebenso ist es von entscheidender Bedeutung, dass bereits im Vorfeld darüber aufgeklärt wird, dass längeres Nichterscheinen bei den Kontrollterminen dringend vermieden werden muss. Schließlich können Strategien zur Unterstützung der Patienten sehr hilfreich sein, um ihnen ein Erreichen der bestmöglichen visuellen und funktionalen Ergebnisse zu ermöglichen.
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15
16
Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD M. Barakat, N. Steinle, P.K. Kaiser Übersetzt von T. Boll
16.1
Einleitung
– 254
16.2
Überblick über die aktuell verfügbaren Therapien – 254
16.3
Grenzen der aktuellen Therapiemöglichkeiten bei exsudativer AMD – 256
16.4
Argumente für eine Kombinationstherapie zur Behandlung der exsudativen AMD – 256
16.5
Klinische Ergebnisse zur Kombinationstherapie der exsudativen AMD – 257
16.5.1 16.5.2 16.5.3 16.5.4
Verteporfin-PDT in Kombination mit Triamcinolon – 257 Verteporfin-PDT in Kombination mit VEGF-Inhibitoren – 259 Dreifachtherapie der exsudativen AMD – 261 Kombinationstherapie mit Bestrahlung – 262
Literatur
– 264
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
254
Kapitel 16 · Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD
Kernaussagen ▬ Die exsudative altersabhängige Makuladegenerati▬ ▬ ▬
▬
16.1
16
on (AMD) ist die häufigste Erblindungsursache von Menschen über 50 Jahren in der westlichen Welt. Charakteristisch für die exsudative AMD ist die choroidale Neovaskularisation (CNV). CNV ist ein multifaktorieller Prozess mit entzündlichen, vaskulären und angiogenen Komponenten. Kommerziell verfügbare Therapien zur Behandlung der exsudativen AMD zielen im Wesentlichen auf nur einen Aspekt dieser multifaktoriellen Erkrankung. Eine Kombination verschiedener Behandlungsverfahren der exsudativen AMD zielt auf mehrere Komponenten des CNV-Prozesses und hat damit das Potenzial für eine gleichwertige, vielleicht sogar verbesserte Wirksamkeit bei reduzierter Behandlungsfrequenz.
Einleitung
Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist die häufigste Erblindungsursache von Menschen über 50 Jahren in der westlichen Welt [1–3]. Die häufigste Ursache für einen gravierenden Verlust der Sehkraft bei AMD ist wiederum die Entstehung einer choroidalen Neovaskularisation (CNV), also die Ausbildung einer sog. exsudativen AMD (Synonyme: feuchte AMD, neovaskuläre AMD). Aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung wird mit einem Anstieg der weltweiten Prävalenz der exsudativen AMD gerechnet [4]. Glücklicherweise gab es in jüngerer Zeit viele Fortschritte in der Behandlung der exsudativen AMD, wie z. B. die Einführung medikamentöser Therapien gegen CNV, die die Möglichkeiten zur Bekämpfung dieser verheerenden Erkrankung verbessert haben. CNV bei AMD ist für 75% der Fälle schweren Sehkraftverlustes verantwortlich [5]. Die Pathogenese der CNV ist Gegenstand weitreichender Forschung und Diskussion. Es scheint, dass eine CNV durch vielfältige Prozesse entsteht, an denen kumulativer oxidativer Stress ebenso beteiligt ist wie eine Entzündung der Choriokapillaris, eine Dysbalance zwischen pro- und antiangiogenen Chemokinen, Ischämie und eine pathologisch erhöhte Permeabilität der Choriokapillaris [6–10]. Die pathogenen Prozesse, die zur Entstehung, Aufrechterhaltung und zum Wachstum einer CNV führen, bieten mehrere potenzielle Angriffspunkte für eine Therapie. Die therapeutischen Ansätze lassen sich im Wesentlichen in drei
Gruppen einteilen, die entweder die entzündlichen, die vaskulären oder die angiogenen Komponenten der CNV bekämpfen. Um die therapeutischen Effekte dieser Monotherapien weiter zu steigern, bietet eine Kombination von Therapien, die auf Komponenten der CNV abzielt, das Potenzial, die Wirksamkeit durch additive oder synergistische Effekte weiter zu verbessern. Eine erfolgreiche Kombinationstherapie könnte möglicherweise sogar die nötige Behandlungsfrequenz senken. Eine Entwicklung in Richtung Kombinationstherapien in der Behandlung der AMD würde auch die Entwicklung anderer Gebiete der Medizin widerspiegeln, in denen Kombinationstherapien bereits erfolgreich eingesetzt werden, wie z. B. in der Onkologie [11–15], bei der Therapie des humanen Immundefizienz-Virus [16, 17] oder bei Bluthochdruck [18, 19].
16.2
Überblick über die aktuell verfügbaren Therapien
Kortikosteroide, wie Triamcinolon und Dexamethason,
gehörten zu den ersten medikamentösen Therapien, die für die Behandlung der CNV geprüft wurden. Zusätzlich zu ihren antientzündlichen Effekten haben Kortikosteroide antifibrotische und antiangiogene Eigenschaften und wirken hemmend auf die Permeabilität [20, 21]. Die positive Wirkung der Steroide beinhaltet eine Stabilisierung der Blut-Retina-Schranke, die Resorption von Exsudaten und eine Herunterregulation von Entzündungsreizen. Des Weiteren sind Kortikosteroide durch direkte und indirekte angiostatische Effekte starke Neovaskularisationshemmer und es konnte gezeigt werden, dass sie die neovaskuläre Kaskade unmittelbar durch die Suppression des Levels an VEGF (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor) hemmen [22, 23]. Aufgrund ihrer Nebenwirkungen (vorzeitige Kataraktentstehung, Intraokulardrucksteigerungen) und der Einführung neuer effektiverer Therapien werden Kortikosteroide mittlerweile nur noch selten als Monotherapie der exsudativen AMD eingesetzt [20]. Dennoch rechtfertigt die biologische Wirkung weitere Untersuchungen, insbesondere in Kombination mit anderen Therapieformen. Die photodynamische Therapie (PDT) mit Verteporfin (Visudyne, Novartis, Basel, Schweiz) hat einen vollständig anderen Wirkmechanismus. Es handelt sich um eine gefäßverschließende Therapie, bei der sich das Medikament in der CNV anreichert, gefolgt von einer Aktivierung des Verteporfins durch Laserlicht [24]. Die Photoaktivierung des Verteporfins erzeugt freie Sauerstoffradikale, die lokalisierte endotheliale Zellveränderungen und Gefäßverschluss in der CNV verursachen,
255 16.2 · Überblick über die aktuell verfügbaren Therapien
dabei aber eine Beschädigung der darüber liegenden Retina auf ein Minimum beschränken [25, 26]. Obwohl der primäre Wirkmechanismus der PDT auf dem Verschluss neuer Gefäße beruht, hat die Behandlung auch Nebenwirkungen. So konnte gezeigt werden, dass die PDT proinflammatorisch wirkt, die Ausschüttung von Zytokinen beeinflusst und angiogene Signale verändert; so induziert sie offenbar eine höhere Expression von VEGF, VEGFR-3 und PEDF [27–28]. Die Therapie mit Verteporfin ist für die Behandlung von Patienten mit subfovealen Läsionen, die aus einer überwiegend klassischen CNV (unabhängig von der Läsionsgröße) besteht zugelassen, sowie bei Patienten mit kleinen Läsionen (≤4 Papillenflächen), die eine okkulte CNV mit keinen oder minimalen klassischen Anteilen haben und Anzeichen einer kürzlichen Progression der Erkrankung zeigen [29–32]. Die antiangiogene Monotherapie ist eine weitere Möglichkeit zur Bekämpfung der exsudativen AMD, und es konnte gezeigt werden, dass sie eine Hemmung der Zellproliferation, eine Hemmung der Aussprossung neuer Blutgefäße sowie eine Reduktion vaskulärer Leckagen bewirkt [4]. Des Weiteren gibt es Hinweise, dass eine VEGF-Blockade zu einer Rückbildung von bereits bestehenden Gefäßneubildungen führen kann, wenn es bei diesen Gefäßen noch zu keiner Perizytenrekrutierung und Gefäßreifung gekommen ist [33]. Zu den derzeit erhältlichen antiangiogenen Substanzen gehören Pegaptanib (Macugen, Eyetech, New York, NY), Ranibizumab (Lucentis, Genentech, South San Francisco, CA) und Bevacizumab (Avastin, Genentech, South San Francisco, CA). Pegaptanib ist ein pegyliertes Aptamer, das selektiv an die VEGF165-Isoform bindet (und an keine weitere VEGF-Isoform) und nachweislich das Risiko eines Sehverlustes durch eine CNV bei Patienten mit AMD verringert [34, 35]. Ranibizumab ist ein affinitätsgereiftes, humanisiertes Fab-Fragment eines monoklonalen VEGF-Antikörpers der Maus, das an alle VEGF-Isoformen bindet (»totale VEGF-Blockade«) und eine Hemmung der vaskulären Permeabilität und Angiogenese bewirkt [36]. Intravitreales Ranibizumab (IVR) zeigte in Phase-3-Zulassungsstudien eine Stabilisierung oder Verbesserung der Sehschärfe bei über 90% der Patienten sowie eine signifikante Verbesserung der Sehschärfe bei über 30% der Patienten während es ein gutes Sicherheitsprofil aufweist und wurde im Juni 2006 von der FDA zur Behandlung der exsudativen AMD zugelassen [37–39]. Bevacizumab ist ein humanisierter monoklonaler VEGF-Antikörper, der, wie Ranibizumab, an alle VEGFIsoformen bindet und von der FDA für die Behandlung des kolorektalen Karzinoms, des Mammakarzinoms, des Lungenkarzinoms und des Nierenzellkarzinoms zugelas-
sen wurde [40, 41]. Obwohl keine Darreichungsform für den speziellen Gebrauch am Auge entwickelt wurde, berichten mehrere unkontrollierte Fallstudien von ähnlichen Verbesserungen der Sehschärfe wie bei IVF, wenn Bevacizumab off-label als intravitreale Injektion bei exsudativer AMD verabreicht wird [42–46]. Zahlreiche andere antiangiogene Substanzen werden derzeit für die Therapie der CNV bei exsudativer AMD geprüft [47–52]. Mehrere Studien zeigten eine Empfindlichkeit proliferierender Endothelzellen gegenüber einer Strahlentherapie [53, 54]. Da CNV Läsionen aus rasch proliferierenden pathologischen Endothelzellen bestehen, wurde aufgrund der bekannten Strahlensensibilität dieser Zellen auch die Strahlentherapie zur Behandlung der exsudativen AMD untersucht [55]. Eine Bestrahlung könnte proliferierende Endothelzellen selektiv schädigen, während ein Schaden der gesunden retinalen Blutgefäße weitgehend vermieden wird [56]. Ein weiterer Vorteil der Strahlentherapie ist die geringere Anzahl der Behandlungen gegenüber den zuvor beschriebenen Methoden. Dies kann ein wesentlicher Vorteil für Patienten mit Transportproblemen sein, wie sie bei älteren Menschen, Menschen mit Behinderung oder auch bei Menschen aus ländlichen Wohngegenden auftreten können [57]. Zur Anwendung der Strahlentherapie kommen verschiedene Techniken in Frage: ▬ Externe Strahlentherapie (sog. Teletherapie) ▬ Bestrahlung mit Protonen ▬ Kontakt-Brachytherapie ▬ Epiretinale Radiotherapie Eine Bestrahlung kann unerwünschte Nebenwirkungen an der Retina, dem Nervus opticus, der Linse und dem Tränenapparat bewirken [58–60]. Ältere Patienten mit vaskulären Einschränkungen, insbesondere in der Durchblutung der Retina und des Sehnervs, sind möglicherweise anfälliger für Strahlenschäden [59]. Eine Minimierung unerwünschter Nebenwirkungen an gesunden Strukturen des Auges wird von zentraler Bedeutung sein, wenn sich die Strahlentherapie als sichere und effektive Therapie der exsudativen AMD erweisen soll. Insgesamt zeigten sowohl die externe Strahlentherapie als auch die Protonenbestrahlung und die Kontakt-Brachytherapie nur einen begrenzten Erfolg in der klinischen Anwendung [57, 61–87]. Eine Bewertung dieser Strahlentherapieverfahren als mögliche adjuvante Therapie oder als Alternative für Patienten, die für derzeit überlegene Monotherapien (z. B. VEGF-Antikörpertherapien) nicht in Frage kommen oder diese ablehnen, steht jedoch noch aus. Die externe Strahlentherapie war bis jetzt nicht erfolgreich, da eine schlechte Zielsteuerung zu einem größeren Volumen bestrahlten retinalen Gewebes führte als
16
256
Kapitel 16 · Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD
jeweils geplant war und damit eine hohe Komplikationsrate nach sich zog. Die IRay-Einheit (Oraya Therapeutics, Newark, CA) ist eine roboterkontrollierte, nicht-invasive, therapeutische Orthovolt (Niederspannung)-Röntgenstrahleneinheit. Sie gibt drei 5,3-Gy-Strahlen durch die inferiore Pars plana auf Höhe der 5:00-, 6:00- und 7:00Uhr-Meridiane ab und erzeugt eine Überlappung an der Makula, um genau 16 Gy auf einen 4-mm-Brennpunkt im Bereich der Makula zuzuführen. Diese zielgerichteten externen Strahlen verhindern hohe Strahlenbelastungen der umgebenden Strukturen, wie der Linse, des Sehnervs und des Gehirns. Eine andere Methode, die Makula zu bestrahlen, ist die Nutzung einer intraokularen epiretinalen Sonde (NeoVista, Fremont, CA) für eine zielgerichtete Applikation. Im Gegensatz zur externen Strahlentherapie und der Kontakt-Brachytherapie könnte es diese Methode ermöglichen, eine therapeutisch wirksame Bestrahlung der Makula mit einer geringeren Strahlenbelastung für das umliegende Gewebe zu erreichen. Ein intraokularer Strontium-90 (Sr-90)-Applikator, der 15 oder 24 Gy an Beta-Strahlung abgibt, zeigte in Phase-II-Studien nach einem Jahr eine Stabilisierung der Sehschärfe bei über 80% der Patienten [88]. In ersten klinischen Studien traten Nebenwirkungen hauptsächlich aufgrund der Vitrektomie auf, welche notwendig war, um die Sonde einzubringen; Radiotoxizität konnte im 1. und 2. Nachbeobachtungsjahr nicht festgestellt werden [89, 90]. Sowohl die Ergebnisse hinsichtlich der Sicherheit als auch die zur Wirksamkeit sind jedoch noch vorläufiger Natur und die Ergebnisse der Phase-III-Zulassungsstudie stehen noch aus. Einige andere Methoden zur Behandlung der subfovealen CNV bei exsudativer AMD wurden geprüft, jedoch mit beschränktem Erfolg. Zu diesen Methoden zählen die Laserphotokoagulation [91–93], die submakuläre Chirurgie [94, 95], die makuläre Translokation [96], die makuläre Transplantation [97] sowie andere antiangiogene medikamentöse Therapien wie z. B. Interferon-α [98, 99].
16
16.3
Grenzen der aktuellen Therapiemöglichkeiten bei exsudativer AMD
Trotz der bedeutenden Fortschritte im pathogenetischen Verständnis und in der Therapie der exsudativen AMD in den letzten zehn Jahren besteht weiterhin Bedarf an einer Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten. So sind die intravitrealen VEGF-Antikörpertherapien von allen bislang geprüften Methoden zwar die klinisch erfolgreichsten. Dennoch verbessert eine Behandlung mit einer Anti-VEGF-Monotherapie nicht die Sehschärfe aller Patienten und es scheint, dass häufige Wiederholungsbe-
handlungen nötig sind, um die Wirkung zu erhalten [37, 38, 100]. Betrachtet man die Häufigkeit von Injektionen, ist es wichtig zu bedenken, dass jede intravitreale Behandlung ein Risiko für die Entwicklung einer Endophthalmitis, einer Uveitis, einer Katarakt, eines Netzhautrisses und einer Netzhautablösung birgt, nicht zu vergessen die damit verbundene physische, emotionale und finanzielle Belastung [37, 38, 100]. Die derzeitigen Behandlungsleitlinien mit intravitrealer VEGF-Antikörperinjektion haben keinen definierten Endpunkt; somit ist unklar, wie lange diese Therapien fortgeführt werden müssen. Des Weiteren ist ein fortdauernder Effekt auf die Sehkraft ungewiss, sobald die Therapie unterbrochen wird. Darüber hinaus ist VEGF ein wichtiges neuroprotektives Molekül innerhalb des Auges und wird nicht nur von pathologischem neovaskulären Gewebe gebildet. Daher könnte eine Reduktion der Anzahl der VEGF-Antikörperinjektionen das Risiko einer Störung der physiologischen, durch VEGF vermittelten Prozesse verringern [101–104].Aufgrund der hohen Frequenz intravitrealer Injektionen gemäß den aktuellen Anti-VEGF-Therapieleitlinien ist es letztlich schwierig, die Langzeitcompliance der Patienten vorherzusagen [105].
16.4
Argumente für eine Kombinationstherapie zur Behandlung der exsudativen AMD
Es gibt Hinweise, dass Anti-VEGF-Substanzen an Wirksamkeit verlieren, wenn die Gefäßneubildungen reifen, insbesondere sobald die Gefäße von Perizyten eingehüllt werden. Diese Perizyten wirken möglicherweise wie eine Pufferschicht der Neovaskularisation gegen die VEGFAntikörper und sezernieren eventuell sogar selbst VEGF. Daher hat die Anti-VEGF-Therapie möglicherweise nur einen eingeschränkten Effekt auf die bereits weiter entwickelten Gefäßneubildungen, wie sie in den späteren Stadien der exsudativen AMD beobachtet werden [106–108]. Da Verteporfin die vaskuläre Komponente der CNV trifft, indem es Gefäße innerhalb der CNV Läsion verschließt, könnte eine Kombination des gefäßverschließenden Effekts der PDT mit einer Anti-VEGF-Therapie, die das Wachstum und die Permeabilität von Gefäßneubildungen reduziert, zu einer anhaltenden Verminderung der Leckage führen und damit weniger Wiederholungstherapien ermöglichen. Umgekehrt haben Studien gezeigt, dass PDT möglicherweise die physiologische Choriokapillaris beeinträchtigt, die die pathologische CNVLäsion umgibt, und damit indirekt eine Heraufregulation von VEGF und mittelbar eine weitere Stimulation des
257 16.5 · Klinische Ergebnisse zur Kombinationstherapie der exsudativen AMD
CNV-Wachstums hervorrufen könnte [27, 32]. Durch eine Kombination von Anti-VEGF-Substanzen, die auf die angiogene Komponente zielen, mit einer PDT, die den vaskulären Anteil trifft, könnte der Circulus vitiosus der PDT-induzierten VEGF-Up-Regulation unterbrochen, dadurch Verbesserungen der Therapieergebnisse erreicht und möglicherweise ein Dosisschema mit niedrigerer Frequenz für Anti-VEGF-Substanzen entwickelt werden. Unmittelbar nach der PDT-Behandlung geht diese mit einer Entzündungsreaktion einher. Eine Kombination der PDT mit antiinflammatorischen Substanzen wie Triamcinolon oder Dexamethason könnte den durch die Entzündungsreaktion verursachten Schaden verringern. Morphologische Untersuchungen mittels OCT zeigten eine Zunahme des Makulaödems direkt im Anschluss an die PDT; des Weiteren wurden Entzündungszellen (wie Monozyten, Makrophagen, Blutplättchen, Mastzellen und Leukozyten) innerhalb der behandelten Bereiche nach PDT beobachtet [109, 110]. Diese Entzündungszellen setzen eine Vielzahl angiogener Faktoren wie VEGF frei, aber auch Zytokine und vasoaktive Mediatoren. Daher wurden Kortikosteroide in Kombination mit einer PDT appliziert und verringerten möglicherweise diese Entzündungsreaktion [20].
16.5
Klinische Ergebnisse zur Kombinationstherapie der exsudativen AMD
16.5.1
Verteporfin-PDT in Kombination mit Triamcinolon
Verschiedene Studien untersuchten die Kombination von PDT und intravitrealem Triamcinolon (IVTA) bei Patienten mit AMD-bedingter CNV. Spaide et al. waren die ersten, die von einer Kombination von PDT und IVTA sowohl bei Patienten berichteten, die zuvor noch keine PDT erhalten hatten, als auch bei Patienten, die bereits zuvor PDT-Behandlungen bekommen hatten [111, 112]. 12 Monate nach der Kombinationstherapie zeigten erstmals behandelte Patienten (n=13) eine mittlere Verbesserung von +2,5 Zeilen (+13 Buchstaben), während die Patienten, die bereits zuvor eine PDT erhalten hatten (n=13), nur eine mittlere Verbesserung von +0,44 Zeilen (+2 Buchstaben) aufwiesen [112]. Die Verbesserungen der Sehschärfe waren mit einem Sistieren der FluoreszeinLeckage in der Angiographie assoziiert [111]. Die Anzahl der erforderlichen Behandlungen betrug im ersten Jahr 1,24 in der erstmals mit PDT behandelten Gruppe und 1,2 bei den Patienten, die bereits zuvor eine PDT erhalten hatten [112]. Die in dieser Studie berichtete Frequenz
der Wiederholungsbehandlungen war deutlich niedriger als die im ersten Jahr der TAP-Studie (3,4) [113] und der VIP-Studie (3,4) [31], obgleich zu beachten ist, dass die Ergebnisse dieser Studien aufgrund unterschiedlicher Einschlusskriterien und Fallzahlberechnungen nicht direkt mit den Zulassungsstudien zu vergleichen sind. Ein Anstieg des Augeninnendrucks trat bei etwas mehr als einem Drittel der Patienten (10 von 26, 39%) auf und war in allen Fällen durch eine topische Medikation beherrschbar [112]. Obwohl IVTA mit einem erhöhten Augeninnendruck und einer Kataraktprogression einhergeht, wird es dennoch als im Allgemeinen gut verträgliche Möglichkeit betrachtet, solange die Patienten hinsichtlich einer Erhöhung des Augeninnendrucks überwacht und therapiert werden [114]. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich in einer retrospektiven Studie von Fallberichten über 14 Patienten, die eine PDT und IVTA [115] erhalten hatten. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 18 Monaten hatten 7% der Patienten mindestens 30 Buchstaben hinzugewonnen und 50% wiesen eine stabile Sehschärfe auf (Verlust oder Gewinn von weniger als 15 Buchstaben) [115]. Eine weitere retrospektive Analyse von Patienten mit einer subfovealen CNV, die mit PDT und IVTA behandelt worden waren, zeigte eine Verbesserung der Sehschärfe um mindestens 3 Zeilen in 21% von 19 betroffenen Augen, die bereits zuvor eine PDT erhalten hatten, und eine Verschlechterung um mindestens 3 Zeilen bei 26% der untersuchten Augen [116]. Bei Augen, die zuvor noch keine PDT erhalten hatten, verbesserte sich die Sehschärfe um mindestens 3 Zeilen bei 6% von 16 Fällen und verschlechterte sich um mindestens 3 Zeilen bei 31%. Diese Ergebnisse wurden durch andere retrospektive Studien und kleine, unkontrollierte Studien bestätigt [117–120]. In kleinen Pilotstudien ergab sich zudem ein Hinweis darauf, dass der Zusatz von Triamcinolon zur PDT Vorteile bezüglich der Sehschärfe bei Augen mit einer minimal klassischen subfovealen CNV, und bei juxtafovealen und extrafovealen Läsionen haben könnte [121, 122]. Eine prospektive Studie an 48 Augen ergab, dass eine kombinierte PDT mit IVTA nach 12 Monaten hinsichtlich einer Stabilisierung der Sehschärfe (<3 logMAR Verlust an Sehschärfe) wirksamer war als die PDT-Monotherapie mit Verteporfin [123]. Im Gegensatz dazu ergab eine retrospektive interventionelle Fallstudie an 60 Augen von Patienten mit exsudativer AMD, die eine kombinierte Verteporfin-PDT mit IVTA erhalten hatten, dass nur 23 (38,3%) von 60 Augen ein stabiles Ergebnis nach 12 Monaten (Verlust oder Zugewinn von weniger als 3 Zeilen) und 34 (56,7%) von 60 einen Verlust ≥3 Zeilen aufwiesen [124]. Drei Patienten (5%) zeigten eine Verbesserung von ≥3 Zeilen. Läsionstyp, Alter des Patienten und die
16
258
16
Kapitel 16 · Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD
Größe der Läsion hatten keinen Einfluss auf das Ergebnis, jedoch hatte der Ausgangsvisus einen statistisch signifikanten Effekt. Ein Drittel (20 von 60) aller untersuchten Augen zeigten einen therapiebedürftigen Anstieg des Augeninnendrucks. In keinem Fall kam es zu einer Endophthalmitis, 13 Patienten (21,6%) entwickelten jedoch eine zunehmende Katarakt, die eine Operation erforderte. Diese Studie kam zu dem Schluss, dass eine kombinierte Therapie einen deutlichen Abfall der Sehschärfe [VA] nicht verhindern konnte. Der hauptsächliche Vorteil der Kombinationstherapie lag in der geringeren Anzahl der Verteporfin-Behandlungen [124]. Eine weitere prospektive randomisierte Studie erfolgte an 61 Patienten mit vorwiegend klassischer subfovealer CNV bei AMD, die randomisiert entweder eine PDT (n=30) oder eine PDT gefolgt von etwa 11 mg konzentriertem IVTA erhielten (n=31), sowie eine Wiederholung der Behandlung alle 3 Monate, wenn sich eine Leckage in der Fluoreszein-Angiographie zeigte [125]. Nach 12 Monaten ergab sich eine signifikant bessere Sehschärfe (mittlere logMAR-Veränderung der Sehschärfe zum Ausgangsvisus) in der Gruppe der Patienten, die eine Kombinationstherapie erhalten hatten. 74% der Patienten, die mit einer kombinierten Therapie behandelt worden waren im Vergleich zu 61% der Patienten, die nur eine Verteporfin-Therapie erhalten hatten, verloren weniger als 15 Buchstaben an Sehschärfe. Der Rückgang der Läsionsgröße und der fovealen Netzhautdicke war in der Gruppe mit Kombinationstherapie signifikant größer als in derjenigen, die nur Verteporfin erhalten hatte. Die Anzahl der Wiederholungsbehandlungen war in der Gruppe mit Kombinationstherapie signifikant niedriger. In Zusammenhang mit IVTA stehende unerwünschte Nebenwirkungen beinhalteten die Entstehung eines Glaukoms (25,8%) und eine Kataraktprogression (32%). So kam diese Studie zu dem Schluss, dass eine kombinierte PDTund IVTA-Therapie wirksamer zu sein scheint als eine PDT alleine, um eine vorwiegend klassische subfoveale CNV bei AMD zu therapieren [125]. In einer weiteren prospektiven, vergleichenden, nicht randomisierten, interventionellen Fallstudie wurden 30 Augen von 30 konsekutiven Patienten mit einer subfovealen CNV bei AMD mit einer PDT gefolgt von einer intravitrealen Injektion mit 19,4±2,1 mg konzentriertem Triamcinolon behandelt [126]. 15 Augen hatten zuvor noch keine Behandlung erfahren (Gruppe 1), und 15 waren bereits zuvor mit einer alleinigen PDT behandelt worden (Gruppe 2). 15 Augen von 15 Patienten, die nur eine PDT erhielten, fungierten als Kontrollgruppe. Die 2-Jahres-Nachbeobachtung ergab, dass sich die Sehschärfe im Vergleich zum Ausgangsvisus in Gruppe 1 nicht signifikant verändert hatte; in Gruppe 2 zeigte
sich ein mittlerer Verlust von –0,6±2,5 Zeilen. Die Kontrollgruppe verlor hingegen durchschnittlich –2,2±3,4 Zeilen. Die durchschnittliche Anzahl an PDT-Behandlungen betrug innerhalb des 24-monatigen Nachbeobachtungszeitraums 1,9 in Gruppe 1; 1,2 in Gruppe 2 und 3,9 in der Kontrollgruppe. Die Autoren folgerten, dass die endgültige Sehschärfe zwei Jahre nach der Kombinationstherapie mit Verteporfin-PDT und hochdosiertem IVTA zur Behandlung der AMD-assoziierten CNV stabil war und die Notwendigkeit an Wiederholungsbehandlungen im Vergleich zu früheren Kontrollen reduziert war [126]. Obgleich die Ergebnisse dieser kleinen Pilotstudien zum Teil auf einen vielversprechenden Kombinationseffekt von PDT und IVTA hinweisen, sollten sie mit Vorsicht betrachtet werden. Große, randomisierte, kontrollierte Studien sind nötig, um Wirksamkeit und Sicherheit einer Kombination von PDT und IVTA zu klären und die Patientengruppen zu identifizieren, die am meisten von dieser Therapie profitieren würden [20]. Des Weiteren müsste auch die Frage nach der wirksamsten Dosierung des IVTA sowie die nach der korrekten Abfolge der Behandlungen in der kombinierten IVTA- und PDT-Therapie in weiteren Untersuchungen geklärt werden. Die bislang größte und gründlichste Studie zur kombinierten IVTA und PDT der vorwiegend klassischen CNV bei AMD wurde von der Canadian Retinal Trials Group vorgelegt [127]. Diese doppelblinde, randomisierte , Plazebo-kontrollierte 2-Jahres-Multicenter-Studie untersuchte 100 Patienten mit vorwiegend klassischer, subfovealer CNV bedingt durch eine AMD. 50 Patienten wurden 1:1 randomisiert und erhielten entweder eine alleinige PDT oder aber eine PDT kombiniert mit 4 mg IVTA. Alle 3 Monate wurde eine IVTA- oder eine Plazebo-Injektion in Kombination mit einer PDT verabreicht, wenn sich in der Angiographie ein Hinweis auf eine Leckage ergab. Alle Teilnehmer erhielten eine PDT zu Beginn der Studie. Die Studie ergab, dass die Kombinationstherapie aus PDT und IVTA im Vergleich zur PDT-Monotherapie keinen signifikanten Unterschied im Hinblick auf die endgültige Sehschärfe nach einem Jahr erzielte. Augen, die mit der Kombinationstherapie behandelt worden waren, verloren im Mittel 17 Buchstaben im Vergleich zu einem Verlust von 20 Buchstaben in der PDT-Gruppe. Allerdings zeigte sich, dass kleine Läsionen besser auf die Kombinationstherapie ansprachen als auf eine alleinige PDT (explorative Datenanalyse/Subgruppenanalyse). Des Weiteren benötigten Probanden, die eine PDT kombiniert mit IVTA erhalten hatten, signifikant weniger Wiederholungsbehandlungen während der Studiendauer als diejenigen, die eine PDT-Monotherapie erhalten hatten (1,28 versus 1,94) [127].
259 16.5 · Klinische Ergebnisse zur Kombinationstherapie der exsudativen AMD
16.5.2
Verteporfin-PDT in Kombination mit VEGF-Inhibitoren
Die Kombinationstherapie mit PDT und VEGF-Inhibitoren wurde bereits in verschiedenen klinischen Studien untersucht (⊡ Tab. 16.1). Patienten mit subfovealer CNV und allen Läsions-Subtypen wurden in die Phasen II und III der VISION (VEGF Inhibition Studie in Ocular Neovascularization)-Studie aufgenommen, in der intravitreal injiziertes Pegaptanib (IVP) untersucht wurde, wobei Patienten mit vorwiegend klassischer CNV eine begleitende PDT erhielten [34]. Unter den Patienten mit vorwiegend klassischer CNV war der Unterschied in der Ansprechrate (Patienten, die weniger als 15 Buchstaben
an Sehschärfe gegenüber dem Ursprungswert verlieren) zwischen IVP 0,3 mg und Plazebo nach 12 Monaten in der US-Studie statistisch signifikant (73 versus 51%), nicht jedoch in der europäischen Studie (63 versus 62%) [128]. Bemerkenswerterweise erhielt ein größerer Anteil der Patienten (65%) Verteporfin in der US-Studie als in der europäischen Studie (40%), obgleich unklar bleibt, ob dies die Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse darstellt. Die 2-Jahres-Phase-I/II-Studie FOCUS (RhuFab V2 Ocular Treatment Combining the Use of Visudyne to Evaluate Safety) hatte zum Ziel, die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit einer IVR Behandlung in Kombination mit einer PDT gegenüber einer alleinigen PDT
⊡ Tab. 16.1 Signifikante Studien, die die Anwendung einer PDT in Kombination mit VEGF-Inhibitoren bei AMD-bedingter CNV untersuchten. CNV choroidale Neovaskularisation; IVB intravitreales Bevacizumab; IVP intravitreales Pegaptanib; IVR intravitreales Ranibizumab; RF reduzierte Fluenz; SF Standard-Fluenz; PDT photodynamische Therapie mit Verteporfin Studie
Design
Zentrale Ergebnisse
VISION-Studie [34, 128]
Zwei Phase-II/III-Studien (USA und Europa) an Patienten mit allen Typen subfovealer CNV (n=1186). Die Patienten erhielten IVP 0,3, 1 oder 3 mg oder Plazebo alle 6 Wochen. Augen mit vorwiegend klassischer CNV konnten auch eine SF-PDT erhalten
Bei Augen mit vorwiegend klassischer CNV: In der europäischen Studie kein signifikanter Unterschied zwischen IVP 0,3 mg und Plazebo (40% der IVP-Gruppe erhielten zusätzlich PDT) bzgl. der Verlustrate <15 Buchstaben an Sehschärfe. In der US Studie verloren 73% der IVP 0,3 mg Gruppe <15 Buchstaben an Sehschärfe im Vergleich zu 51% bei Plazebo (65% der IVP-Gruppe erhielt zusätzlich PDT)
FOCUS-Studie [129]
Randomisierte, einfachblinde, kontrollierte 2-JahresMulticenter Studie. Patienten mit vorwiegend klassischer CNV erhielten SF-PDT gefolgt von monatlichen IVR oder Plazebo-Injektionen (n=162). PDT wurde vierteljährlich nach Bedarf wiederholt
Nach 24 Monaten hatten 88% der Augen, die eine Kombination von PDT und IVR erhalten hatten, <15 Buchstaben an Sehschärfe verloren (im Vergleich zu 75% nach PDT-Monotherapie), 25% hatten wenigstens 15 Buchstaben hinzugewonnen (im Vergleich zu PDT-Monotherapie), und die beiden Behandlungsarme unterschieden sich um 12,4 Buchstaben mittlerer Änderung der Sehschärfe (p<0,05 für alle Unterschiede zwischen den Gruppen)
Lazic und Gabric [130]
Randomisierte Pilotstudie an minimal klassischer oder okkulter CNV (n=165). Einzelbehandlung mit SF-PDT, vs. Einzelgabe von 1,25 mg IVB, vs. einmaliger Kombination von SF-PDT und IVB eine Stunde später
Signifikante (p<0,0001) Zunahme der Sehschärfe nach 3 Monaten bei PDT + IVB vs. Monotherapie mit PDT bzw. IVB. Signifikant (p<0,0005) größere Verbesserung bezüglich der zentralen fovealen Retinadicke nach 3 Monaten bei PDT + IVB vs. Monotherapie mit PDT bzw. IVB
Kaiser [131]
Retrospektive Fallregisterstudie (n=1196). Patienten hatten eine oder mehr Kombinationstherapien mit 1,25 IVB innerhalb von 14 Tagen der PDT Behandlung (SF oder RF). Folgebehandlungen wurden nicht spezifiziert
Nach einer Ausgangskombinationsbehandlung erhielten die Patienten im Mittel 0,6 weitere PDT-Wiederholungsbehandlungen und 2,0 IVB Wiederholungsbehandlungen innerhalb einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 15,0 Monaten. Nach 12 Monaten hatten 82% der Patienten eine stabile oder verbesserte Sehschärfe (Verlust von <3 Zeilen oder Zugewinn an Sehschärfe), 36% verbesserten sich um ≥3 Zeilen, und 17% um ≥6 Zeilen. Nach 12 Monaten gewannen die Patienten etwa 1,2 Zeilen an Sehschärfe im Vergleich zum Ausgangswert. Patienten, die erstmals behandelt wurden, hatten nach 12 Monaten eine signifikant bessere Sehschärfe als solche, die bereits zuvor eine Therapie erhalten hatten (p<0,01). Die Anzahl der Wiederholungsbehandlungen war niedriger als die veröffentlichten Berichte von jeweils einer der beiden Therapien als Monotherapie
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Kapitel 16 · Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD
bei Patienten mit subfovealer, vorwiegend klassischer CNV bei AMD zu vergleichen [129]. Primärer Zielparameter war die Sicherheit der Behandlung und so wurden Patienten, die bereits zuvor mit einer PDT behandelt worden waren, nicht ausgeschlossen; etwa die Hälfte der eingeschlossenen Patienten hatte bereits eine vorherige PDT erhalten. Die Patienten erhielten monatliche intravitreale Injektionen mit Ranibizumab 0,5 mg (n=106) oder Plazeboinjektionen (n=56). Zusätzlich erhielten alle Patienten am Tag Null eine PDT, sowie in der Folge vierteljährlich, wenn sich ein Bedarf aufgrund einer Leckage in der Fluoreszein-Angiographie zeigte. Die Beurteilung der Wirksamkeit beinhaltete Veränderungen der Sehschärfe und der Läsionscharakteristika sowie die Frequenz der Wiederholungsbehandlungen mit PDT. Nach zwei Jahren zeigten die Ergebnisse, dass die IVR plus PDT wirksamer war als die alleinige PDT bezüglich Erhaltung oder Verbesserung der Sehschärfe. Die Vorteile der IVR plus PDT hinsichtlich der Sehschärfe, die sich nach 12 Monaten gezeigt hatten, blieben 24 Monate lang bestehen. Darüber hinaus benötigten die mit einer Kombination aus IVR plus PDT behandelten Patienten weniger PDT-Wiederholungsbehandlungen als Patienten, die eine alleinige PDT erhalten hatten [129]. Die Kombination von PDT und intravitrealem Bevacizumab (IVB) gegenüber einer alleinigen Gabe wurde auch in einer randomisierten kontrollierten Pilotstudie von Lazic und Gabric untersucht [130]. 165 Patienten erhielten randomisiert entweder eine Einzelbehandlung PDT (PDT-Monotherapie-Gruppe; n=55) oder eine Einzelgabe IVB (1,25 mg; IVB-Monotherapie-Gruppe; n=55), oder eine Kombination von beidem (Kombinationstherapie-Gruppe; n=55). In der Kombinationsgruppe wurde IVB innerhalb einer Stunde nach PDT verabreicht. Bei der 3-Monats-Nachuntersuchung wurden signifikante Verbesserungen der bestkorrigierten Sehschärfe bei der IVB und der Kombinationstherapie-Gruppe beobachtet (p<0,0001 in beiden Gruppen). Bei der PDT-Monotherapie-Gruppe ergab sich eine geringe Verschlechterung der Sehschärfe. Bei der 1-Monats-Nachuntersuchung zeigten 46 Probanden (16 [29%] der IVB-Monotherapie-Gruppe, 29 [53%] der Kombinationstherapie-Gruppe und 1 [2%] der PDT-Monotherapie-Gruppe) eine Verbesserung >0,2 logMAR der bestkorigierten Sehschärfe; bei der 3-Monats-Nachuntersuchung bestand diese Verbesserung bei 23 Probanden fort (bei 1 [2%] der IVB-MonotherapieGruppe, bei 22 [40%] der Kombinationstherapie-Gruppe und bei 0 der PDT-Monotherapie-Gruppe). Die Autoren schlossen daraus, dass signifikante Verbesserungen der bestkorrigierten Sehschärfe nach einem Monat sowie deren Andauern über 3 Monate nach einer kombinierten Verteporfin-PDT mit intravitrealem Bevacizumab beob-
achtet werden konnte, verglichen mit einer Monotherapie mit jeweils einer der beiden Komponenten [130]. Eine große retrospektive, Internet-basierte Beobachtungstudie untersuchte 1196 Patienten mit AMD bedingter CNV, die eine oder mehrere Kombinationsbehandlungen mit 1,25 mg IVB innerhalb von 14 Tagen nach PDT (entweder Standard oder reduzierte Fluenz) erhalten hatten [131]. Weitere Behandlungen wurden nicht spezifiziert. Nach der Ausgangskombinationstherapie erhielten die Patienten im Mittel 0,6 zusätzliche PDT-Wiederholungsbehandlungen und 2,0 IVB-Wiederholungsbehandlungen innerhalb einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 15,0 Monaten. Nach 12 Monaten hatten 82% der Patienten (578/701) eine stabile oder verbesserte Sehschärfe (Verlust von <3 Zeilen oder Zugewinn an Sehschärfe), 36% (255/701) verbesserten sich um ≥3 Zeilen, und 17% (121/701) erfuhren eine Verbesserung von ≥6 Zeilen. Nach 12 Monaten hatten die Patienten etwa 1,2 Zeilen (6 Buchstaben) an Sehschärfe im Vergleich zum Ausgangswert gewonnen. Patienten, die erstmals behandelt worden waren, hatten nach 12 Monaten eine signifikant bessere Sehschärfe (+8,4 Buchstaben) als diejenigen, die bereits zuvor therapiert worden waren (+2,4 Buchstaben; p<0,01). Die Kombinationstherapie aus IVB und PDT führte demnach bei den meisten Patienten zu einem Zugewinn an Sehschärfe, im Speziellen bei denjenigen, die anfangs erstmalig eine Therapie erhalten hatten. Des Weiteren wiesen die Autoren darauf hin, dass die Anzahl der Wiederholungsbehandlungen niedriger war als in veröffentlichten Berichten über die Anwendung jeweils einer der beiden Behandlungsmethoden als Monotherapie [131]. Laufende randomisierte klinische Studien sollen den Nutzen der Kombinationstherapie aus PDT und VEGFInhibitoren bestätigen. Das laufende SUMMIT-Programm untersucht klinische Fragen in Zusammenhang mit der Kombinationstherapie. Es beinhaltet zwei randomisierte, doppelblinde, kontrollierte 12-Monats-MulticenterStudien, die sog. DENALI (USA/Kanada, n=321) und MONT BLANC (Europa, n=255)-Studie. Beide Studien vergleichen Wirksamkeit und Sicherheit einer Kombinationstherapie aus Ranibizumab und Verteporfin-PDT mit denen einer IVR-Monotherapie bei Patienten mit jedwedem Typ einer subfovealen CNV bei AMD [132]. Das Hauptziel beider Studien ist es, zu zeigen, dass die Kombinationstherapie im Vergleich zur IVR-Monotherapie nicht zu schlechteren Ergebnissen bezüglich der Sehschärfe nach 12 Monaten führt. Des Weiteren verfolgt die DENALI-Studie in den Gruppen mit Kombinationstherapie den Anteil der Patienten mit einem behandlungsfreien Intervall von mindestens 3 Monaten Dauer (zu jeglichem Zeitpunkt nach Monat 2).
261 16.5 · Klinische Ergebnisse zur Kombinationstherapie der exsudativen AMD
Die 12-Monats-Ergebnisse der MONT-BLANC-Studie konnten bereits zeigen, dass die Kombination einer Standard-Fluenz-PDT mit IVR 0,5 mg zu Verbesserungen der Sehschärfe führen kann, die denen einer IVRMonotherapie mit drei monatlichen IVR-Initialdosen, gefolgt von bedarfsabhängigen monatlichen Injektionen, nicht unterlegen sind (Grenze der Nicht-Unterlegenheit bei 7 Buchstaben) [133]. Nach 12 Monaten bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Kombinationsund Monotherapie-Gruppen hinsichtlich des Anteils der Patienten mit einem behandlungsfreien Intervall von mindestens drei Monaten nach dem 2. Monat. Allerdings zeigte eine Post-hoc-Analyse, dass 85% der Patienten der Gruppe mit PDT-Kombinationstherapie, im Vergleich zu 72% in der IVR-Monotherapie-Gruppe, ein behandlungsfreies Intervall von wenigstens 4 Monaten Dauer nach dem 2. Monat aufwiesen. Die mediane Zeit bis zur ersten Wiederholungsbehandlung nach dem 2. Monat betrug in der Kombinations-Gruppe etwa einen Monat mehr (6. Monat) als in der Monotherapie-Gruppe (5. Monat). Patienten der Kombinations-Gruppe erhielten durchschnittlich eine Gesamtzahl von 4,8 IVR-Injektionen im Vergleich zu 5,1 in der Monotherapie-Gruppe, sowie eine Summe von 1,7 PDT-Behandlungen verglichen mit 1,9 Plazebobehandlungen in der Monotherapie-Gruppe. Das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen war äußerst gering und entsprach sich in den beiden Therapiegruppen [133]. Die Ergebnisse der DENALI-Studie stehen noch aus.
16.5.3
Dreifachtherapie der exsudativen AMD
Mit dem Ziel, der multifaktoriellen Pathogenese der exsudativen AMD noch besser gerecht zu werden, haben verschiedene Forscher die Kombination von Kortikosteroiden, PDT und VEGF-Hemmern (⊡ Tab. 16.2) untersucht. Dieses Therapieregime wurde als »Dreifachtherapie« bezeichnet [134]. Eines der Ziele der Dreifachtherapie ist es, eine Verbesserung der Sehschärfe zu erreichen, die vergleichbar ist mit den Ergebnissen einer monatlichen Anti-VEGF-Monotherapie und gleichzeitig die Behandlungsfrequenz der Patienten mit CNV bei AMD zu verringern. Eine der ersten Veröffentlichungen zur Dreifachtherapie berichtete von einer prospektiven, nicht-vergleichenden, interventionellen Fallstudie an 104 Patienten [134]. Im Gegensatz zu früheren Studien mit reduzierter Fluenz wurde die PDT mit reduzierter Dauer verabreicht (42 J/cm2, bei einer Lichtapplikationszeit von 70 Sekunden). Etwa 16 h nach PDT wurden Dexamethason
(800 μg) und Bevacizumab (1,5 mg) intravitreal injiziert. Dexamethason erhielt dabei den Vorzug vor der IVTA, da Dexamethason als Lösung injiziert werden kann und rascher aus dem Glaskörperraum diffundiert als IVTASuspensionen – und so möglicherweise unerwünschte Nebenwirkungen des Kortikosteroids verringert werden können [134]. Alle 6 Wochen fanden Nachuntersuchungen statt und eine Fluoreszein-Angiographie wurde alle 3 Monate durchgeführt oder früher, wenn sich im OCT ein signifikantes retinales Ödem zeigte. Alle 104 Patienten erhielten einen Dreifachtherapie-Zyklus (5 Patienten erhielten eine zweite Dreifachbehandlung wegen fortbestehender CNV-Aktivität). Die Dreifachtherapie wurde bei 18 Patienten (17,3%) durch eine zusätzliche IVB ergänzt. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 40 Wochen (Variationsbreite 22–60 Wochen), betrug der mittlere Zugewinn an Sehschärfe +1,8 Zeilen, und die mittlere Abnahme der Retinadicke 182 μm. Es wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet. Damit schlossen die Autoren, dass die Dreifachtherapie bei den meisten Patienten mit CNV bei AMD zu einer signifikanten und nachhaltigen Verbesserung der Sehschärfe nach nur einem Behandlungszyklus führte. Des Weiteren wurde die Therapie als sicher und komfortabel für Patienten bewertet bei potenziell niedrigeren Kosten, verglichen mit Therapien, die häufiger verabreicht werden müssen [134]. Eine weitere Studie zur Dreifachtherapie untersuchte konsekutiv Patienten mit subfovealer CNV bei AMD [135]. Die Patienten erhielten eine Standard-FluenzPDT nach einem Standard Protokoll (600 mW/cm2 für 83 Sekunden zur Applikation von 50 J/cm2) unmittelbar gefolgt von 1,25 mg Bevacizumab und 4 mg IVTA. Nach 3 Monaten wurde 1,25 mg Bevacizumab bei restlichen Leckagen verabreicht. 36 Augen von 33 Patienten wurden mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 14,7 Monaten analysiert. Nach 6 Monaten zeigten 61,1% (22/36) eine stabile oder verbesserte Sehschärfe und 27,8% (10/36) gewannen ≥3 Zeilen. 28 Augen (77,8%) erreichten eine Rückbildung der CNV nach dieser einmaligen Dreifachtherapie. Ein Auge verlor mehr als 6 Zeilen aufgrund eines Risses des retinalen Pigmentepithels, 3 Augen zeigten eine signifikante operationsbedürftige Katarakt, und zwei Augen wiesen nach 6 Monaten einen beständig erhöhten Augeninnendruck auf. Die Kurzzeitergebnisse der einmaligen Dreifachtherapie in dieser Studie deuteten darauf hin, dass die Dreifachtherapie aufgrund der niedrigen Wiederbehandlungsraten, der nachhaltigen Rückbildung der CNV und der Verbesserung der Sehschärfe möglicherweise eine nützliche Behandlungsmöglichkeit bei neovaskulärer AMD sein könnte [135]. Autoren anderer kleiner Studien schlos-
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Kapitel 16 · Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD
sen gleichfalls, dass eine Dreifachtherapie möglicherweise einen Erhalt der Sehschärfe ermöglichen könnte bei einer Reduktion der nötigen Behandlungsanzahl [136–138]. Für eine deutlichere Antwort wurde die RADICALStudie (Reduced Fluence Visudyne Anti-VEGF-Dexamethasone in Combination for AMD Lesions) durchgeführt, eine randomisierte, einfachblinde Phase-II-Multicenterstudie, die die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie aus PDT mit reduzierter Fluenz und Ranibizumab mit oder ohne Dexamethason mit einer Ranibizumab-Monotherapie bei 162 bislang unbehandelten Personen mit exsudativer AMD verglich [139]. Die unveröffentlichten 1-Jahres-Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Dreifachtherapie aus PDT mit halber Fluenz mit Ranibizumab und Dexamethason in einer mittleren Visusverbesserung von +6,8 Buchstaben resultierte gegenüber einem Zugewinn von +6,5 Buchstaben in der Ranibizumab-Monotherapie-Gruppe. Des Weiteren erzielte die Dreifachtherapie im Mittel 3 Wiederbehandlungen verglichen mit 5,4 Wiederbehandlungen in der Ranibizumab-Monotherapie-Gruppe [136]. Die vollständigen Ergebnisse der RADICAL-Studie werden mit Spannung erwartet, da die Studie wertvolle Informationen darüber bieten wird, ob die Kombinationstherapie die Wiederbehandlungsraten im Vergleich zur Ranibizumab Monotherapie bei vergleichbaren Visusergebnissen und akzeptablen Nebenwirkungen senkt.
16.5.4
Kombinationstherapie mit Bestrahlung
Eine weitere mögliche Kombinationstherapie bei CNV ist die Nutzung ionisierender Strahlung, um eine Apoptose der Gefäßendothelzellen [140] und eine Verminderung der Fibroblastenproliferation [141] zu bewirken, in Kombination mit den bekannten VEGF-Hemmern. VEGFHemmer führen zu einer raschen Reduktion von intraretinaler und subretinaler Flüssigkeit, benötigen jedoch wiederholte Injektionen ohne bisher klar definiertes Behandlungsende [37]; eine Bestrahlung indessen hat einen potenziell länger andauernden Effekt auf neovaskuläre Membranen [86, 87]. Insofern scheint diese Kombination vielversprechend zu sein [142, 143]. Um diese Theorie zu prüfen, schloss eine kleine prospektive, nicht-randomisierte Studie 34 Patienten mit subfovealer CNV bei AMD ein, die eine Pars-plana-Vitrektomie und eine epimakuläre Brachytherapie mit dem Betastrahler Strontium-90 (NeoVista, Fremont, CA) zur Applikation von 24 Gy erhielten. Gruppe 1 erhielt eine Injektion mit Bevacizumab 10 Tage vor der Operation, Gruppe 2 zum Zeitpunkt der Operation. Alle Patienten erhielten eine zweite Behandlung mit Bevacizumab einen Monat nach Vitrektomie und Strahlentherapie. Unglücklicherweise erfüllten 10 der 34 Teilnehmer nicht die Einschlusskriterien (einschließlich Alter, Vorbehandlungen, Läsionslokation/größe/-aktivität) und die Compliance bezüglich des Zeit-
⊡ Tab. 16.2 Abgeschlossene Studien, in denen die Anwendung einer Dreifachtherapie bei Patienten mit CNV bei exsudativer AMD untersucht wurde. IVB intravitreales Bevacizumab; IVD intravitreales Dexamethason; IVTA intravitreales Triamcinolon-Acetonid; PDT photodynamische Therapie mit Verteporfin
16
Forschungsgruppe
Anzahl der untersuchten Augen
Studienprotokoll
PDT-Modus
Steroid
VEGFInhibitor
Nachbeobachtungszeitraum
Augustin et al. [134]
104
PDT dann Vitrektomie 16 h später mit IVD + IVB
Reduzierte Zeitdauer (600 mW/cm2 für 70 s zur Applikation von 42 J/cm2)
800 μg IVD (0,2 ml)
1,5 IVB (0,06 ml)
40 Wochen
Yip et al. [135]
36
PDT + direkt IVTA + IVB
Standard-Fluenz (600 mW/cm2 für 83 s zur Applikation von 50 J/cm2)
4 mg IVTA (0,1 ml)
1,25 IVB (0,05 ml)
6 Monate
Ehmann et al. [136]
32
PDT + IVD, dann IVB 1 und 7 Wochen später
Reduzierte Fluenz (300 mW/cm2 für 83 s zur Applikation von 25 J/cm2)
800 μg IVD (0,08 ml)
1,25 IVB (0,05 ml)
12 Monate
Bakri et al. [137]
31
Konsekutiv PDT + IVD + IVB
Reduzierte Fluenz (300 mW/cm2 für 83 s zur Applikation von 25 J/cm2)
200 μg IVD (0,05 ml)
1,25 IVB (0,05 ml)
12 Monate
Ahmadieh et al. [138]
17
PDT, dann 48 h später IVB + IVTA
Standard-Fluenz (600 mW/cm2 für 83 s zur Applikation von 50 J/cm2)
2 mg IVTA (0,05 ml)
1,25 IVB (0,05 ml)
50 Wochen
263 16.5 · Klinische Ergebnisse zur Kombinationstherapie der exsudativen AMD
punkts der ersten Injektion konnte nicht gewährleistet werden, so dass nur die kombinierten Nebenwirkungs- und Wirksamkeitsdaten berichtet wurden [144]. Nach 12 Monaten war die mittlere Veränderung der bestkorrigierten Sehschärfe +8,9 Buchstaben, mit einem Höchstwert von 15,3 Buchstaben nach 3 Monaten, 91% hatten weniger als 15 Buchstaben verloren, 68% hatten einen stabilen oder verbesserten Visus und 38% gewannen 15 Buchstaben oder mehr. Obwohl keine Strahlentoxizität gesehen wurde, entwickelten 6 von 24 phaken Patienten (25%) eine Katarakt und 21% zeigten eine fortbestehende Leckage. Ein Wiederauftreten zeigte sich zumeist nach der 6-Monats-Kontrolle. Weitere Nebenwirkungen, die der Behandlung zugeschrieben wurden, waren subretinale Blutung (n=1), Netzhautriss (n=1), subretinale Fibrose (n=2) und epiretinale Membran (n=1) [145]. Die Studie läuft weiter; die 3-Jahres-Daten zu den Nebenwirkungen werden noch erwartet. Eine erweiterte Phase-III-Studie mit einer Kombinationstherapie aus epimakulärer Strontium-90-Brachytherapie und intravitrealem Ranibizumab bei bislang nicht behandelten Patienten, die sog. CABERNET-Studie (CNV Secondary To AMD Treated With Beta Radiation Epiretinal Therapy) ist abgeschlossen; die Ergebnisse werden im Laufe des Jahres 2011 erwartet. Die MERITAGE-I-Studie (Macular Epiretinal Brachytherapy In Treated Age-Related Macular Degeneration Patients) war eine prospektive Pilotstudie bezüglich des Stellenwertes einer Kombination aus epimakulärer Strontium-90-Brachytherapie und intravitrealem Ranibizumab bei Patienten, bei denen eine vorherige Therapie mit VEGF-Hemmern keinen Erfolg hatte. 16 Patienten mit persistierender retinaler Flüssigkeit bei subfovealer CNV wurden mit dem spezifischen Ziel eingeschlossen, die Sehschärfe unter Reduktion der Therapiehäufigkeit zu erhalten. Vor Aufnahme in die Studie mussten sich Patienten einer Aufladephase mit 3 aufeinanderfolgenden monatlichen Injektionen mit VEGF-Hemmern unterzogen haben, gefolgt von einer Erhaltungsphase mit einem Minimum an 5 Anti-VEGF-Injektionen pro Jahr oder 3 Injektionen in den letzten 6 Monaten. Alle Teilnehmer wurden anschließend vitrektomiert und erhielten eine epiretinale Brachytherapie mit 24 Gy Strontium-90. Die strengen Wiederbehandlungskriterien mit VEGF-Hemmern kamen nur bei neuer oder zunehmender subretinaler Blutung, einer CNV im Fluoreszein-Angiogramm, einer Zunahme der zentralen Retinadicke um 50 μm oder mehr im OCT oder einem Verlust von 5 ETDRSBuchstaben ohne Aktivität zur Anwendung [145]. Beim Vergleich der 6 Monate vor der Kombinationstherapie mit den 6 Monaten nach der Behandlung zeigte sich eine Reduktion der Anzahl der Anti-VEGF-Injekti-
onen um 50%. Zu bemerken ist, dass 3 Patienten (19%) mit einer chronischen Erkrankung von mehr als 2 Jahren Dauer 37% aller postoperativen Injektionen erhielten. Bei allen Patienten zeigte sich ein mittlerer Anstieg von +1,2 ETDRS-Buchstaben und von +3,0 Buchstaben bei pseudophaken Patienten. Insgesamt behielten 88% der Patienten ihre Sehschärfe, 63% gewannen an Sehschärfe hinzu, und 50% gewannen eine oder mehr Visuszeilen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren subkonjunktivale Blutung (20%), Augenschmerzen (14%), Ekchymosis (8%), Kataraktprogress (6%) und Glaskörperblutung (4%). Es wurde keine Strahlenretinopathie beobachtet. Eine Phase-III-Ausweitung dieser Studie (MERITAGE II) läuft derzeit noch. Ebenso wurde eine offene, Phase I, Multi-DosisSicherheitsstudie durch die Associacion Para Evitar La Ceguera (A.P.E.C., Mexico City, Distrito Federale, Mexico) initiiert, um die Kombination aus stereotaktischer Bestrahlung mit einer sog. IRay-Einheit und IVR zu prüfen. Insgesamt wurden 3 Strahlendosen und 4 Behandlungsstrategien untersucht: ▬ Ranibizumab am Tag Null, 16-Gy-Bestrahlung mit IRay im Verlauf des 1. bis 14. Tages, Ranibizumab am 30.Tag, anschließend monatliche OCT-Kontrollen und vierteljährliche Fluoreszein-Angiographie-Kontrollen ▬ Ranibizumab am Tag Null, 24-Gy-Bestrahlung mit IRay im Verlauf des 1. bis 14. Tages, Ranibizumab am 30.Tag, anschließend monatliche OCT-Kontrollen und vierteljährliche Fluoreszein-Angiographie-Kontrollen ▬ Ranibizumab am Tag Null, 11-Gy-Bestrahlung mit IRay im Verlauf des 1. bis 14. Tages, Ranibizumab am 30.Tag, anschließend monatliche OCT-Kontrollen und vierteljährliche Fluoreszein-Angiographie-Kontrollen ▬ 16-Gy-Bestrahlung mit IRay gefolgt von monatlichen OCT-Kontrollen und vierteljährlichen FluoreszeinAngiographie-Kontrollen Die Ergebnisse sind bislang noch unveröffentlicht, jedoch wurden bisher keine unerwünschten Nebenwirkungen – im Speziellen keine Optikusneuropathie, Retinopathie oder Katarakt festgestellt. Eine prospektive, doppelblinde, plazebokontrollierte Multicenterstudie für bereits vorbehandelte Patienten nimmt derzeit Probanden in Europa auf mit dem Ziel, sowohl eine IRay-Bestrahlung mit 16 als auch mit 24 Gy in Kombination mit einer Ranibizumab-Behandlung zu prüfen. Insgesamt bietet die Strahlentherapie eine vielversprechende, bisher jedoch weitgehend unerforschte Behandlungsmöglichkeit bei exsudativer AMD. Im Speziellen die Kombination aus gezielter Bestrahlungstherapie und ei-
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Kapitel 16 · Kombinationstherapien zur Behandlung der AMD
ner Anti-VEGF-Behandlung zeigte, wenngleich sie noch in den Anfängen ihrer Entwicklung steht, das Potenzial, einen vergleichbaren Erhalt der Sehschärfe zu erreichen, und dies bei weniger Injektionen als beim Goldstandard der monatlichen Ranibizumab Injektionen [37, 146]. Es werden Daten zur Langzeitsicherheit und Ergebnisse aus größeren Studien benötigt, um diese Anfangserkenntnisse zu bestätigen, besonders da es mit den bisherigen Applikationsarten noch nicht gelungen ist, das Risiko einer Strahlenretinopathie und anderer Komplikationen gänzlich auszuschließen. Eine zielgerichtetere Applikation der Bestrahlung (mit oder ohne eine zusätzliche medikamentöse Therapie zur weiteren Steigerung der Behandlungsergebnisse) könnte das Nutzen-SchadenVerhältnis dieser Therapiemethode verbessern. Wichtige neue Erkenntnisse werden sich aus verschiedenen derzeit laufenden klinischen Studien mit weiterentwickelten Applikationssystemen ergeben.
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Fazit
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tung wird es voraussichtlich zu einem Anstieg der weltweiten Prävalenz der exsudativen AMD kommen. Die choroidale Neovaskularisation (CNV), die bei exsudativer AMD gefunden wird, scheint ein multifaktorieller Prozess mit entzündlichen, vaskulären und angiogenen Komponenten zu sein. Bislang erhältliche Therapien zielen hauptsächlich auf eine Einzelkomponente dieser Erkrankung ab. Eine Kombination aus den verschiedenen Behandlungsformen der exsudativen AMD richtet sich gegen mehrere Komponenten der choroidalen Neovaskularisation. Die Kombination birgt das Potenzial ähnlicher und möglicherweise synergistischer Effekte bei reduzierter Behandlungsfrequenz. Eine Entwicklung von Kombinationstherapien in der Behandlung der AMD (wie z. B. eine photodynamische Therapie in Kombination mit VEGF-Inhibitoren oder eine Bestrahlungstherapie kombiniert mit VEGF-Hemmern) würde die erfolgreichen Kombinationstherapieformen widerspiegeln, die bereits in anderen Bereichen der Medizin eingesetzt werden. Laufende Studien haben das Ziel, die optimalen Kombinationsregimes zu ermitteln.
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17
Behandlungsansätze bei trockener AMD Z. Yehoshua, P.J. Rosenfeld Übersetzt von T. Boll
17.1
Einleitung
– 270
17.2
Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten – 270
17.3
Die Ursachen der AMD adressieren – 271
17.4
Substanzen in präklinischen und Phase-I-Studien – 271
17.4.1 17.4.2 17.4.3 17.4.4
Endpunkte klinischer Studien – 271 Substanzen, die das Überleben von Photorezeptoren und RPE unterstützen – 272 Modulatoren des Sehzyklus – 274 Substanzen zum Schutz vor Schäden durch oxidativen Stress und Verlust an Mikronährstoffen – 275 17.4.5 Substanzen zur Unterdrückung entzündlicher Prozesse – 276
17.5
Zusammenfassung Literatur
– 279
– 280
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
270
Kapitel 17 · Behandlungsansätze bei trockener AMD
17.2
Kernaussagen ▬ Das Gesamtziel der Behandlung einer trockenen AMD ist es, an der zugrundeliegenden Ursache der Erkrankung anzusetzen und einen Verlust der Sehkraft zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen, was den Erhalt der Choroidea, des RPE und der Photorezeptoren voraussetzt. ▬ Derzeit gibt es keine nachgewiesene medikamentöse Therapie der trockenen AMD; es wird jedoch angenommen, dass ein Rauchverzicht und eine auf der AREDS-Vitaminrezeptur basierende Behandlung kombiniert mit einer gesunden Ernährung die einzigen Möglichkeiten sind, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. ▬ Einige medikamentöse Wirkstoffe werden derzeit bezüglich ihres Nutzens bei trockener AMD untersucht, wobei Strategien, wie Neuroprotektion, Unterdrückung von Entzündungsprozessen und Schutz vor oxidativen Schäden verfolgt werden.
17.1
17
Einleitung
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist in den Industriestaaten der Hauptgrund irreversibler Erblindung bei Menschen über 60 Jahren [1]. Schätzungsweise etwa 30% der Erwachsenen über 75 Jahren weisen Zeichen einer AMD auf, von denen etwa 10% ein fortgeschrittenes oder spätes Stadium der Erkrankung zeigen [2]. Die große Mehrheit der AMD-Patienten haben die nicht-exsudative oder trockene Form der Erkrankung, charakterisiert durch eine Konstellation bestimmter klinischer Zeichen, einschließlich Drusen, Pigmentanomalien (fokale Hyperoder Hypopigmentierungen des retinalen Pigmentepithels (RPE)) und geographischer Atrophie (GA) der Makula. Wie in der Age-Related Eye Disease Studie (AREDS) definiert, kann der Schweregrad der AMD in drei Kategorien eingeteilt werden: früh, intermediär und fortgeschritten. Die trockene AMD führt langsam zu einer zunehmenden Anzahl und Verbreitung von Drusen und Pigmentanomalien, die zu Arealen geographischer Atrophie führen. Größen- und Flächenzunahme der Drusen oder Pigmentveränderungen des RPE sind Prädiktoren für die Wahrscheinlichkeit Sehkraft-bedrohende Läsionen einer fortgeschrittenen AMD, wie zentrale GA und Neovaskularisationen zu entwickeln [3]. Patienten mit nicht-exsudativer AMD können, selbst in den späten atrophischen Stadien, noch eine gute zentrale Sehschärfe aufweisen, bis die Erkrankung fortschreitet und die Fovea oder den zur Fixation bevorzugten Retinaort beeinträchtigt.
Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten
Die Age-Related Eye Disease Studie (AREDS), eine randomisierte, kontrollierte, klinische Multicenter-Studie ergab, dass eine orale Nahrungsergänzung mit einer Kombination aus Vitamin C, Vitamin E, β-Carotin, Zinkoxid und Kupferoxid bei Patienten mit intermediärer oder fortgeschrittener AMD in einem Auge das relative Risiko für die Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD im anderen Auge um 25% reduzierte [4]. Das relative Risiko eines Sehschärfeverlustes von drei oder mehr Zeilen wurde um 19% vermindert. Die AREDS ergab weder einen statistisch signifikanten Vorteil der Vitaminrezeptur bezüglich der Entwicklung einer neuen geographischen Atrophie noch für eine Mitbeteiligung der Fovea bei Augen mit vorbestehender Atrophie [4]. Zum Teil könnte dieses Ergebnis durch den Mangel an Patienten mit GA in der Studie bedingt sein. Andere Studien mit oraler Vitaminergänzung zeigten ein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs bei Rauchern, die β-Carotin einnahmen [5]. Aus diesem Grund wird empfohlen, Rauchern eine Form der AREDS-Vitaminrezeptur ohne β-Carotin anzubieten. Die laufende AREDS2 soll die Wirkung anderer Nahrungsergänzungsmittel wie z. B. Lutein, Zeaxanthin und Omega-3-Fettsäuren auf die Entwicklung einer intermediären oder fortgeschrittenen AMD untersuchen (⊡ Tab. 17.1). Zigarettenrauchen führt zu einem etwa zwei- bis dreifach erhöhten Risiko, eine AMD zu entwickeln [6]. Des Weiteren war ein erhöhtes AMD-Risiko mit einer höheren Gesamtaufnahme von Fett assoziiert, und ein vermindertes AMD-Risiko mit dem Konsum von Fisch, Nüssen und dunkelgrünblättrigem Gemüse [7]. Während antiangiogene Therapien wie Ranibizumab (LUCENTIS, Genentech/Roche) und Bevacizumab (AVASTIN, Genentech/Roche) die Behandlung von Patienten mit neovaskulärer AMD revolutioniert haben, gibt es keinen Hinweis, dass diese antiangiogenen Medikamente irgendeinen positiven oder negativen Effekt auf die zugrundeliegenden Degenerationsprozesse, der sogenannten trockenen AMD haben. Selbst im günstigsten Fall, wenn die Behandlung von Augen mit feuchter AMD diese wieder in eine trockene AMD umwandelt, wird die trockene AMD mit der Zeit sehr wahrscheinlich zu einer zentralen GA mit Verlust der Sehkraft fortschreiten. Aktuell gibt es keine erprobte medikamentöse Therapie der trockenen AMD; es wird jedoch angenommen, dass ein Rauchverzicht und eine auf der AREDS-Vitaminrezeptur basierende Behandlung kombiniert mit einer gesunden Ernährung die einzigen Möglichkeiten sind, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
271 17.4 · Substanzen in präklinischen und Phase-I-Studien
⊡ Tab. 17.1 Medikamente, die vor Schäden durch oxidativen Stress und Mangel an Mikronährstoffen schützen Medikament
Wirkmechanismus
Sponsor
Studiengegenstand
Klinische Studienphase
Clinical Trial Identifier
AREDS2: ± AREDS-Rezeptur hoch/niedrig Zink ± β-Carotin ± Lutein/Zeaxanthin ± langkettige Omega-3-PUFAs (DHA/EPA)
Nahrungsergänzung mit Antioxidanzien ± Mikronährstoffen (oral)
NEI
Drusen
Phase 3
NCT00345176 (laufend)
OT-551
antioxidativ, antiinflammatorisch (Downregulation des nuklearen Faktors κB:NF-kB) und antiangiogen (topisch)
Othera
Geographische Atrophie
Phase 2
NCT00485394 (laufend)
17.3
NEI
Die Ursachen der AMD adressieren
Die Ursachen der AMD sind multifaktoriell, bedingt durch eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Risikofaktoren. Es wird angenommen, dass diese Faktoren für die pathologischen Veränderungen der Choroidea, des retinalen Pigmentepithels und der Retina verantwortlich sind, die vermutlich aus oxidativen Schäden, Entzündung und/oder der Akkumulation toxischer Metabolite resultieren. Dieser Prozess führt durch eine Kaskade von Ereignissen, zum Verlust der zentralen Sehschärfe in Folge eines Verlustes der Choriokapillaris, des RPE und der äußeren Retina. Zelluläre Fehlfunktion und Apoptose spielen vermutlich eine Schlüsselrolle in der AMD-Pathogenese [8]. Das übergreifende Ziel der Behandlung einer trockenen AMD ist es, an der zugrunde liegenden Ursache der Erkrankung anzusetzen und einen Verlust der Sehkraft zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen, was den Erhalt der Choroidea, des RPE und der Photorezeptoren voraussetzt. Dieser Ansatz wird durch zwei wesentliche Gegebenheiten erschwert. ▬ Zum einen gibt es kein zuverlässiges In-vitro-System, um die Wirksamkeit einer Substanz bei trockener AMD zu testen, und es existiert kein wirkliches Tiermodell für die AMD. Eine gut entwickelte Makula findet sich nur bei Primaten und Vögeln, und obgleich zahlreiche Versuche unternommen wurden, ein Nicht-Primaten-Modell für die AMD zu entwickeln und diese Modelle verschiedene pathologische Eigenarten der AMD beleuchten, spiegelt keines dieser Tiermodelle den tatsächlichen Krankheitsprozess wider, der bei Menschen vorliegt. Das einzige Modell, das für die Erprobung potenzieller Medikamente hilfreich sein könnte, sind die natürlich vorkommenden Affenkolonien, bei denen auch eine Entstehung von Drusen nachgewiesen wurde [9].
NCT00306488 (abgeschlossen)
▬ Das zweite Problem, das die Medikamentenentwicklung erschwert, ist die Unsicherheit, welcher molekulare Signalweg als Ziel für eine Therapie der trockenen AMD am geeignetsten ist.
17.4
Substanzen in präklinischen und Phase-I-Studien
In den letzten Jahren konzentrierten sich die Behandlungsmöglichkeiten darauf, ein Fortschreiten der trockenen AMD zu verlangsamen und verschiedene klinische Studienendpunkte wurden in Betracht gezogen, um folgende unterschiedliche Behandlungsstrategien zu prüfen: ▬ Erhalt der Photorezeptoren und des RPE (Neuroprotektion) ▬ Schutz vor oxidativem Schaden und Schaden durch Mangel an Mikronährstoffen ▬ Unterdrückung von entzündlichen Prozessen (Komplementinhibitoren, Glukokortikoide und andere immunsuppressive Wirkstoffe)
17.4.1
Endpunkte klinischer Studien
Der offensichtlichste Studienendpunkt für Therapien der trockenen AMD wäre der Erhalt der Sehschärfe; jedoch würden Studien, die die Sehschärfe als Endpunkt nutzen, aufgrund des langsamen Fortschreitens der Erkrankung viele Jahre bis zum Abschluss benötigen. Um die Zeit zu verkürzen, in der sich der Nutzen einer Behandlung zeigen kann, wurden Ersatzendpunkte entwickelt, die bereits ohne jahreslange Warten ein Sehkraft erhaltendes Ergebnis anzeigen können. Zu diesen Ersatzendpunkten gehören Verlangsamung oder Verhinderung eines Fortschreitens einer trockenen zu einer feuchten AMD,
17
272
17
Kapitel 17 · Behandlungsansätze bei trockener AMD
Verkürzung der Behandlungsintervalle und Therapiebelastung von Patienten mit feuchter AMD, die eine AntiVEGF-Therapie erhalten, Eliminierung oder Verminderung der makulären Drusen und Verlangsamung der GA Wachstumsrate. Der Ersatzendpunkt der Progressionsprävention von trockener zu feuchter AMD wurde erstmals in einer Studie genutzt, die Anecortave Acetat (Retaane, Alcon Research Ltd., Fort Worth, TX) für die Behandlung der trockenen AMD untersuchte. Während das Medikament eine Progression von trockener zu feuchter AMD nicht verhindern konnte, zeigte die Studie die Durchführbarkeit dieses klinischen Endpunktes. Eine andere Strategie ist, anzunehmen, dass eine Therapie der trockenen AMD möglicherweise auch den zugrunde liegenden Stimulus für eine Neovaskularisation bei feuchter AMD beeinflusst. Wenn dies zutrifft, könnte ein potenzieller Endpunkt sein, zu zeigen, dass ein Medikament gegen trockene AMD fähig ist, die benötigte Anzahl von Wiederbehandlungen mit antiangiogenen Substanzen bei feuchter AMD zu reduzieren oder die Sehschärfeergebnisse zu verbessern. Dieses Studiendesign wurde bislang noch nicht geprüft. Die Fläche makulärer Drusen kann anhand von Farbphotographien des Fundus gemessen werden und wurde bereits als Endpunkt in den Laser-to-Drusen-Studien verwendet. Diese Studien konnten nicht zeigen, dass ein Rückgang der Drusenflächen mit einem Rückgang der Krankheitsprogression verbunden war [10]. Mängel dieser Studien waren jedoch, dass Augen mit Drusen außerhalb der zentralen Makula ausgesucht wurden und die Auswahl der Drusen mehr auf der Größe als anderen physikalischen Eigenschaften wie Volumen und Autofluoreszenz-Eigenschaften basierte. Eine Änderung der Autofluoreszenz-Eigenschaften von Drusen als Erfolg einer Pharmakotherapie ist ein neuer klinischer Studienendpunkt, der bislang noch nicht untersucht wurde. Ein weiterer klinischer Studienendpunkt würde die Spectral-Domain-OCT (optische Kohärenztomographie) einbeziehen als eine Möglichkeit, zuverlässig und reproduzierbar Drusen in der Makula zu identifizieren und eine wirklich automatisierte Quantifizierung von Volumen und Fläche zu gewährleisten. Diese Strategie wird derzeit in klinischen Studien getestet. Basierend auf einem Symposium, das in Washington, DC, stattfand und durch das National Eye Institute und die Food and Drug Administration gefördert wurde, ist indes der wahrscheinlichste Studienersatzendpunkt, die Wirkung eines Medikamentes auf das Fortschreiten einer GA zu untersuchen, da GA als Zentralproblem der trockenen AMD die Sehkraft durch den Verlust von Photorezeptoren, des RPE und der Choriokapillaris beeinträchtigt [11].
Niemand weiß, welcher klinische Studienendpunkt am besten geeignet ist, neue Therapien zu untersuchen; eine Verlangsamung der GA-Wachstumsrate ist jedoch derzeit die ansprechendste Option. Da GA durch den Verlust von Photorezeptoren charakterisiert ist, gilt dieser als annehmbarer Ersatzparameter für den Verlust an Sehkraft; er kann durch verschiedene Bildgebungsverfahren für die präzise Darstellung einer GA ermittelt werden. Zu diesen Verfahren gehören die Farbfundusphotographie, die Fluoreszenz-Angiographie, die Fundus-Autofluoreszenz und die Spectral-Domain-OCT. Der zweitwichtigste Endpunkt involviert die Quantitätsbestimmung der Drusen, die am besten mittels Farbfundusphotographie und Spectral-Domain-OCT identifiziert werden können.
17.4.2
Substanzen, die das Überleben von Photorezeptoren und RPE unterstützen
Substanzen, die die choroidale Durchblutung verbessern und einen Schutz gegen Ischämie bieten (⊡ Tab. 17.2) Trimetazidin. Trimetazidin ist ein Medikament, das derzeit zur Behandlung der Angina pectoris eingesetzt wird. Trimetazidin verbessert die myokardiale Glukoseverwertung durch eine Hemmung des Fettsäurestoffwechsels, und es wird angenommen, dass es unter ischämischen Bedingungen zytoprotektive Effekte entwickelt. Eine laufende, randomisierte, plazebokontrollierte Multicenter-Studie in Europa untersucht den Offlabel-Gebrauch von Trimetazidin (Vastarel MR, 35 mg Tablette) mit dem Primärziel einer Verlangsamung der Konversion von trockener zu feuchter AMD. Andere Anwendungsbereiche dieses Medikamentes sind die Behandlung von Schwindel, Tinnitus sowie Sehverlust und Einschränkungen des Gesichtsfeldes aufgrund vaskulärer Ursachen. MC-1101. MacuCLEAR, Inc. (Plano, TX), hat einen to-
pischen Wirkstoff (MC-1101) entwickelt, der eine Steigerung des choroidalen Blutflusses bewirkt und antiinflammatorische und antioxidative Eigenschaften besitzt. Durch die antioxidative Wirkweise von MC-1101 wird beabsichtigt, die Integrität der Bruch-Membran durch Wiederherstellung der choroidale Durchblutung zu erhalten, Entzündungsvorgänge zu kontrollieren und die RPEFunktion wieder herzustellen. Der aktive Bestandteil von MC-1101 wurde als Medikament gegen Bluthochdruck zugelassen, seine Sicherheit und Verträglichkeit sind gut beschrieben. Eine nicht verblindete, plazebokontrollierte Phase-I-Wirksamkeitsstudie, in der sich gesunde Frei-
273 17.4 · Substanzen in präklinischen und Phase-I-Studien
⊡ Tab. 17.2 Medikamente zur Erhaltung der Photorezeptoren und des retinalen Pigmentepithels Medikament
Wirkmechanismus
Sponsor
Studiengegenstand
Klinische Studienphase
Clinical Trial Identifier
Trimetazidin
Antiischämischer Wirkstoff mit zytoprotektiven Effekten (oral)
Institute de Recherches Internationales Servier
Drusen im Studienauge, feuchte AMD im Partnerauge
Phase 3
ISRCTN99532788 (abgeschlossen, nicht publiziert)
MC-1101
Steigerung der choroidalen Durchblutung (topisch)
MacuCLEAR
Trockene AMD oder gesunde Freiwillige
Phase 1
NCT01013376 (abgeschlossen)
Fenretinid
Inhibitor des Sehzyklus: Retinolanalogon blockiert Bindung von Retinol an RBP (oral)
Sirion Therapeutics
Geographische Atrophie
Phase 2
NCT00429936 (abgeschlossen)
ACU-4429
Inhibitor des Sehzyklus: Nichtretinoid blockiert Isomerisation von Retinol (oral)
Acucela
Geographische Atrophie
Phase 2
NCT01002950 (laufend)
Tandospiron (AL-8309B)
Neuroprotektion: 5-HT1A Rezeptoragonist (selektiver Serotonin1A-Rezeptoragonist) (topisch)
Alcon
Geographische Atrophie
Phase 3
NCT00890097 (laufend)
NT-501: eingekapselter ziliärer neurotropher Faktor (CNTF)
Neuroprotektion: Verhindert Degeneration der Photorezeptoren (intravitreal)
Neurotech Pharmaceuticals
Geographische Atrophie
Phase 2
NCT00447954 (abgeschlossen)
Brimonidintartrat
Neuroprotektion: α-2 Adrenozeptor-Agonist (intravitreal)
Allergan
Geographische Atrophie
Phase 2
NCT00658619 (laufend)
RN6G
Neuroprotektion: bindet und eliminiert Amyloid β (intravenös)
Pfizer
Geographische Atrophie
Phase 1
NCT00877032 (abgeschlossen, nicht publiziert) NCT01003691 (laufend)
willige und Patienten mit früher trockener AMD selbst MC-1101 mithilfe des VersiDoser ophthalmic delivery system (Mystic Pharmaceuticals, Austin, TX) 3 Tage lang im Bereich des Augenvorderabschnitts applizierten, ist abgeschlossen. In dieser Studie wurden 31 Probanden (11 AMD-Patienten und 20 Gesunde) zwischen 50 und 89 Jahren kontralateral mit MC-1101 und Plazebo behandelt und erhielten insgesamt 7 Dosen innerhalb von 3 Tagen. MC-1101 erwies sich als sicher und gut verträglich; keine wesentlichen sicherheitsrelevanten Beobachtungen wurde berichtet. Die häufigste mit der Therapie einhergehende unerwünschte Nebenwirkung war eine milde und vorübergehende okuläre Hyperämie, die bei 21 (68%) der mit MC-1101 behandelten Augen und bei einem (3%) plazebobehandelten Auge auftrat; jedoch wurde dies auf-
grund des Wirkmechanismus von MC-1101 erwartet. Bei den Messungen der choroidalen Durchblutung zeigten sich erhöhte Werte für Blutvolumen und Fließgeschwindigkeit bei MC-1101 behandelten Augen 2 h nach Applikation, die nach weiteren 2 h auf das Ausgangsniveau zurückkehrten. In der AMD-Gruppe zeigte sich eine mäßige Steigerung der Durchblutung 30, 60 und 120 min nach Applikation bei der ersten Nachkontrolle. Größere Schwankungen in den Ergebnissen der AMD-Probanden weisen darauf hin, dass die choroidale Durchblutung in dieser Gruppe unbeständig sein könnte und/oder dass wesentliche technische Schwierigkeiten eine akkurate Messung der choroidalen Durchblutung in dieser Population erschweren. Da diese Ergebnisse nahelegen, dass eine Behandlung mit MC-1101 die choroidale Physiolo-
17
274
Kapitel 17 · Behandlungsansätze bei trockener AMD
gie beeinflussen könnte, sollte ein möglicher Nutzen für Patienten mit trockener AMD weiter untersucht werden [12].
Neuroprotektion Ziliärer neurotropher Faktor (CNTF/NT-501). Der ziliäre neurotrophe Faktor (CNTF) ist ein Zytokin der IL-6-Familie und ein starker Neuroprotektor. In einem Tiermodell für retinale Degeneration wurde gezeigt, dass CNTF die Photorezeptor-Apoptose hemmt [13]; als Behandlung bei trockener AMD wird CNTF erforscht. CNTF-Rezeptoren wurden auf den Membranen der glialen MüllerZellen wie auch auf Stäbchen und Zapfen gefunden [14]. Neurotech (Lincoln, RI, USA) entwickelte einen Aufbau zur anhaltenden Produktion von CNTF, der den Wirkstoff für ein Jahr oder länger produziert. Humane RPE-Zellen, die so verändert wurden, dass sie große Mengen dieses neurotrophen Wirkstoffs herstellen, werden in eine etwa 5 mm×1 mm große Kapsel eingeschlossen, deren semipermeable polymere Außenmembran durch ihre Poren eine Diffusion des CNTF vom Kapselinneren nach außen ermöglicht. Eine nicht verblindete Phase-IStudie zeigte, dass diese Kapsel sicher implantiert werden konnte und die Ergebnisse zur Wirksamkeit ergaben eine sowohl subjektive als auch objektive Verbesserung der Sehschärfe bei Patienten mit Retinitis pigmentosa [15]. Eine Phase-II-Studie zur Therapie der GA zeigte eine offensichtliche Stabilisierung der Sehschärfe nach 12 Monaten, da 96,3% der Hochdosis-Gruppe weniger als 3 Zeilen an Sehschärfe verloren, verglichen mit 75% der Patienten in der Plazebo-Gruppe (p=0,078). Ebenso wurde eine statistisch signifikante Zunahme der Retinadicke in der Gruppe mit Wirkstofftherapie beschrieben. Jedoch wurden bislang keine Ergebnisse zum Effekt von NT-501 auf das GA-Wachstum veröffentlicht [16]. AL-8309B (Tandospiron). AL-8309B (Alcon Research
17
Ltd., Ft. Worth, TX) ist ein selektiver Serotonin-1ARezeptor-Agonist, der als topische Augenlösung zum Gebrauch bei geographischer Atrophie entwickelt wird. In Tierstudien bot Tandospiron der Retina einen dosisabhängigen Schutz vor lichtbedingten Schäden. Derzeit läuft eine randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Multicenter Phase-III-Studie, bekannt als die Geographic Atrophy Treatment Evaluation (GATE)-Studie, um die Wirkung topisch applizierten AL-8309B (1,0% und 1,75%) bei Patienten mit GA zu untersuchen [17]. 2 Jahre lang erhalten Patienten zweimal täglich einen Tropfen einer Augenlösung (1,75%, 1,0% oder Plazebo) in das Studienauge. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt ist die Progressionsrate der geographischen Atrophie. Die Studie wird voraussichtlich im Februar 2012 enden.
Intravitreales Brimonidintartrat-Implantat. Das intravitreale Brimonidintartrat-Implantat (Allergan, Irvine, CA) ist ein α2-Adrenozeptor-Agonist, der aktuell als Augenlösung (Alphagan P, Allergan, Irvine CA) zur Senkung des Augeninnendrucks bei Patienten mit Offenwinkelglaukom oder okulärer Hypertension erhältlich ist. Brimonidin stimuliert die Produktion neurotropher Faktoren und erwies sich als Schutz für Photorezeptoren im Tiermodell der retinalen Degeneration [18]. Jedoch bestehen noch Zweifel bezüglich des genauen Wirkmechanismus. Brimodintartrat wurde als intravitreales Implantat entworfen, das das Allergan Novadur Posterior Segment Drug Delivery System (PS DDS) nutzt. Das Implantat gibt den Wirkstoff über einen Zeitraum von 3 Monaten an das retinale Gewebe ab. Die Wirksamkeit und Sicherheit des intravitrealen Brimonidintartrat-Implantats in der Therapie der trockenen AMD wird derzeit in einer Phase-II-Studie untersucht, die in zwei Abschnitten durchgeführt wird. Abschnitt 1 ist eine einmonatige, patientenverblindete, dosiseskalierte Sicherheitsuntersuchung des Implantats; Abschnitt 2 ist eine randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Dosis-Wirksamkeits-Studie zu Sicherheit und Wirksamkeit des Implantats, deren primärer Wirksamkeitsendpunkt die Veränderung der GA-Fläche nach 12 Monaten im Vergleich zur Ausgangssituation ist. Patienten mit GA in beiden Augen bekommen das Implantat (200 μg oder 400 μg) in ein Auge eingesetzt und eine Plazebotherapie im Partnerauge als Kontrolle; das Implantat wird nach 6 Monaten erneuert. Die Patienten werden 2 Jahre lang nachbeobachtet; der voraussichtliche Endtermin der Studie ist Dezember 2011.
17.4.3
Modulatoren des Sehzyklus
Eine weitere Strategie besteht in der Beeinflussung des normalen Sehzyklus, um die Sehkraft mittels einer verringerten Akkumulation toxischer Metabolite wie z. B. retinalem Fluorophor A2E und Lipofuszin zu erhalten. Ein typisches frühes Merkmal der AMD ist die ungewöhnlich starke Ansammlung von Zelldebris oder Lipofuszin im RPE. Lipofuszin ist eine autofluoreszierende Mischung aus Lipiden, Proteinen und Vitamin-A-Derivaten, die während der täglichen Phagozytose der distalen Photorezeptoraußensegmente entsteht. FundusautofluoreszenzBilder zeigen häufig eine erhöhte Fundusautofluoreszenz im Randbereich der GA, die möglicherweise eine exzessive Akkumulation von Lipofuszin im RPE widerspiegelt. Es konnte gezeigt werden, dass diese Gebiete erhöhter Autofluoreszenz einer Vergrößerung der GA mit einem Verlust an retinalem Gewebe vorausgehen, was auf eine mit Lipofuszin verbundene Toxizität hinweist [19]. A2E,
275 17.4 · Substanzen in präklinischen und Phase-I-Studien
das in einem nichtenzymatischen Prozess über eine kovalente Bindung zwischen all-trans-Retinal-Molekülen und aminhaltigen Lipiden gebildet wird, wurde als Ursache für RPE-Zelltod durch Entzündung, Komplementaktivierung, CNV-Induktion und Apoptose ins Spiel gebracht. Das Ziel verschiedener vorgeschlagener therapeutischer Ansätze ist eine Senkung der all-trans-Retinal-Konzentrationen. Fenretinid. Fenretinid [4-Hydroxy(phenyl)retinamid], ein oral einzunehmendes synthetisches Retinoidderivat, bindet im Blutkreislauf an Retinol-bindende Proteine (RBP), blockiert die Bindung zwischen Retinol und RBP und verhindert den Transport von Retinol zum RPE, gefolgt von einer Herunterregulation des Photorezeptorstoffwechsels. 2005 entdeckten Forscher, dass Fenretinid effektiv die Bildung von A2E und verwandten Fluorophoren in einem Tiermodell des Morbus Stargardt blockiert [20]. Fenretinid wird derzeit von Sirion Therapeutics (Tampa, FL, USA) zur Behandlung der trockenen AMD beforscht. 2007 initiierte Sirion eine doppelblinde, plazebokontrollierte Phase-II-Dosisfindungsstudie (100 und 300 mg pro Tag), um die Wirksamkeit von Fenretinid bei Patienten mit GA zu untersuchen. Zwischenergebnisse (nach 18 Monaten) zeigten eine bremsende Wirkung auf die Größenzunahme der GA: Im Vergleich zur Plazebogruppe wurde eine 45%-ige Reduktion der medianen Läsionszunahme bei Patienten mit 300 mg-Dosis beobachtet. Ein langsameres Größenwachstum zeigte sich auch in der 100-mg-Gruppe, jedoch nur bei Patienten, die zu Beginn kleinere Läsionen hatten als der mediane Ausgangswert (etwa drei Papillendurchmesser), was ein Hinweis darauf sein könnte, dass eine frühe Intervention von Vorteil sein könnte. Die Rekrutierung der PhaseII-Studie, die Fenretinid für die Behandlung der GA untersucht, ist abgeschlossen, die Ergebnisse des zweiten Nachbeobachtungsjahres wurden noch nicht veröffentlicht [17]. ACU-4429. ACU-4429 (Acucela, Inc., Bothell, WA, USA) ist ein oral verabreichtes kleines nicht retinoides Molekül, dass die Umwandlung von all-trans-Retinylester in 11cis-Retinol durch eine Hemmung der Isomerase RPE65 blockiert. ACU-4429 fungiert eher als Enzyminhibitor als über eine Reduzierung der Verfügbarkeit eines Vorläuferstoffes, so dass seine Effekte länger anhalten sollten als die von Fenretinid und eine geringere Behandlungsfrequenz benötigt werden sollte. Jedoch könnte ein größeres Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen, wie z. B. Nachtblindheit, vorliegen. Durch eine Modulation der Isomerisation verlangsamt ACU-4429 den Sehzyklus in den Stäbchen und vermindert die Akkumulation von A2E. Die laufen-
de Phase-I-Studie hat gezeigt, dass das Medikament als Einzeldosis bei gesunden Freiwilligen sicher ist und gut vertragen wird. Das Medikament wurde bis zu einer Dosis von 75 mg gut vertragen und schien einen Effekt auf den okulären Retinoid-Stoffwechsel zu haben wie sich in der Elektroretinographie zeigte [21]. Als dosisabhängige Nebenwirkungen traten Dyschromatopsie und verzögerte Dunkeladaptation auf. Eine Phase-II-Studie zur Therapie der trockenen AMD nimmt derzeit Patienten auf.
Andere Substanzen RN6G (PF-4382923, Pfizer). Dieser neuartige therapeuti-
sche Ansatz zur Erhaltung von Photorezeptoren und RPE ist den neuen Therapieentwicklungen gegen Morbus Alzheimer entlehnt, da beide Erkrankungen Amyloid β aufweisen. RN6G ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, dessen Zielstruktur der C-Terminus von Amyloid β-40 und Amyloid β-42 ist. RN6G wird intravenös verabreicht, um einer Akkumulation von Amyloid β-40 und Amyloid β-42 vorzubeugen und damit ihre zytotoxischen Effekte zu verhindern [22]. In einem Maus-Modell der AMD senkte eine systemische Behandlung mit RN6G die Amyloidmenge im Auge und beugte einem Schaden der Retina vor [23]. Eine klinische Phase-I-Studie ist erfolgreich abgeschlossen worden und eine Phase-II-Studie zur Therapie von Personen mit fortgeschrittener nichtexsudativer AMD hat begonnen.
17.4.4
Substanzen zum Schutz vor Schäden durch oxidativen Stress und Verlust an Mikronährstoffen
Oxidativer Stress wurde mit zahlreichen altersabhängigen Erkrankungen sowie mit der Alterung an sich in Zusammenhang gebracht. Moleküle wie z. B. freie Radikale, die durch oxidativen Stress entstehen und Schäden an Geweben verursachen, werden als reaktive Sauerstoffspezies bezeichnet. Aufgrund ihres hohen Sauerstoffumsatzes ist die Retina besonders anfällig für oxidativen Stress, aber auch aufgrund ihrer hohen Konzentration an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Docosahexaensäure; DHA) und ihrer Lichtexposition in Verbindung mit zu geringen Konzentrationen natürlich vorkommender Antioxidanzien. Eine zunehmende Anzahl an Studien weist darauf hin, dass kumulativer oxidativer Schaden für die Entstehung einer AMD verantwortlich sein könnte, wenngleich ein ursächlicher Zusammenhang noch nicht belegt werden konnte [24]. Die Expositionen und Mängel führen zu einer Akkumulation von zellulären Abfallprodukten wie z. B. oxidierten Lipiden, die Entzündungsprozesse fördern und möglicherweise direkt toxisch auf das Ma-
17
276
Kapitel 17 · Behandlungsansätze bei trockener AMD
kulagewebe wirken und zu den klinischen Erscheinungsformen der AMD führen könnten. Dieses Modell wird durch epidemiologische Studien unterstützt, die ergaben, dass eine an Antioxidanzien reiche Ernährung das AMDRisiko senkt, während Rauchen mit einem erhöhten Risiko für AMD verbunden war [25]. Unterstützende Hinweise zu diesem ernährungsbasierten Modell wiederum bot die AREDS-Studie. Diese vom National Eye Institute finanzierte Multicenter-Studie untersuchte den Effekt pharmakologischer Dosierungen von Zink und/oder einer Rezeptur aus Mikronährstoffen mit antioxidativen Eigenschaften (Vitamin C, Vitamin E und β-Carotin) auf die Progressionsrate zu fortgeschrittener AMD und auf die Sehschärfe. Die Einnahme dieser Vitamine und Mikronährstoffe reduzierte das Risiko für die Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD um etwa 25% und das Gesamtrisiko für einen mäßigen Sehkraftverlust um etwa 19% nach 5 Jahren [4]. Die AREDS2-Studie ist eine randomisierte, klinische Multicenter-Studie, die Folgendes untersuchen soll: ▬ die Rolle von Lutein (10 mg)/Zeaxanthin (2 mg) und langkettigen mehrfach ungesättigten Omega-3Fettsäuren (Docosahexaensäure [DHA]/Eicosapentaensäure [EPA]) in der Prävention von GA oder CNV, ▬ den möglichen Verzicht auf β-Carotin und eine Senkung der Zinkoxiddosis von 80 mg auf 25 mg. Aufgrund epidemiologischer und vorklinischer Studien nimmt man an, dass diese Mikronährstoffe nicht nur als Antioxidanzien fungieren, sondern auch antiinflammatorisch und antiangiogen wirken.
17
OT-551. OT-551 (Othera Pharmaceuticals, Exton, PA), auch bekannt als 4-Cyclopropanoyloxy-1- Hydroxy-2,2,6,6-Tetramethylpiperidin HCl, ist ein kleines lipophiles Molekül, das die Hornhaut gut passiert, wenn es als topische Medikation verabreicht wird. OT-551 wird durch okuläre Esterasen zu TEMPOL-H (TP-H) umgewandelt, einem aktiven Metaboliten, der ein starker Radikalfänger und Antioxidans ist und die Kornea nicht penetrieren kann. In Tierstudien ergab die topische Therapie eine hervorragende okuläre Bioverfügbarkeit mit signifikanten TP-H-Konzentrationen in der Retina. Es konnte gezeigt werden, dass das Medikament OT-551 antiinflammatorische und antiangiogene sowie antioxidative Eigenschaften besitzt. Des Weiteren wurde gezeigt, dass OT-551 in vitro gegen oxidativen Schaden schützt, in vivo einen Schutz gegen Lichtschäden bietet, im Tiermodell den Zelltod von Photorezeptoren unterdrückt und eine durch Wachstumsfaktoren stimulierte Angiogenese blockiert [26]. Basierend auf diesen vorklinischen Ergebnissen wurde OT-551 als Therapie gegen GA bei AMD untersucht.
Eine 2-Jahres-Phase-II-Studie, bekannt als OMEGA (OT551 Multicenter Evaluation of Geographic Atrophy)-Studie, untersuchte OT-551-Konzentrationen bis 0,45%, was bei 4-maliger Gabe pro Tag bis zu 2 Jahre lang als sicher erschien. OT-551 schien jedoch nicht das Fortschreiten der GA-Flächen bei Probanden mit AMD zu reduzieren, und die Studie wurde frühzeitig nach 18 Monaten Nachbeobachtung beendet. Eine andere klinische Studie mit OT-551 berichtete, dass das Medikament gut vertragen wurde ohne offensichtliche schwerwiegende Nebenwirkungen. In dieser zweiten Studie hingegen ergaben die vorläufigen Wirksamkeitsmessungen einen möglichen Vorteil für die Erhaltung der Sehschärfe in behandelten Augen. Da die Auswirkungen des Medikaments auf die Progression der GA nicht signifikant waren, ist es notwendig weitere Studien zur Wirksamkeit von OT-551 bei GA bei AMD anzustreben [27, 28].
17.4.5
Substanzen zur Unterdrückung entzündlicher Prozesse
Komplementinhibition über C3 Genetische Assoziationsstudien anhand verschiedener Populationen ergaben, dass Entzündungsprozesse die treibende Kraft hinter einer AMD-Erkrankung zu sein scheinen [29]. 2005 identifizierten 4 Gruppen einen genetischen Polymorphismus des Komplementfaktors H (»complement factor H«, CFH), der mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung einer AMD assoziiert war. Der nachgewiesene Risiko tragende Einzelnukleotid-Polymorphismus (»single nucleotide polymorphism«, SNP) betraf eine Thymin (T)-durch-Cytosin (C)-Substitution an Nukleotid 1277 im Exon 9, die zu einer Tyrosinzu-Histidin Veränderung der Aminosäurenposition 402 (Y402H) des CFH-Proteins führt. Seit den ersten Assoziationsstudien mit CHF berichteten zwei unabhängige Studien eine Assoziation der AMD mit zwei anderen Genorten, die für Komplementproteine kodieren; das Komplementkomponente 3 (C3)–Gen und der Komplementfaktor B (CFB)/Komplementkomponente 2 (C2)Lokus. Auch über eine Assoziation zwischen dem Komplementfaktor-1-Gen und AMD ist berichtet worden. Ein weniger starker Zusammenhang ergab sich für AMD und SERPING1, das die Komplementkomponente 1 (C1) reguliert sowie für AMD und die Komplementkomponente 7 (C7) und den Lokus für das Mannose-bindende Lektin 3 (MBL2). Desgleichen wurde auch von protektiven Allelen in Zusammenhang mit der Komplementkaskade berichtet. Zwei der fünf CFH-zugehörigen Gene (CFHR1-5), die innerhalb des Lokus für die Komplementaktivierungsregulation (RCA) auf Chromosom 1q32
277 17.4 · Substanzen in präklinischen und Phase-I-Studien
kein Zusammenhang zwischen diesen Risiko-Allelen und den Progressionsraten der GA [33, 34]. Während diese Ergebnisse darauf hinweisen mögen, dass wahrscheinlich andere Faktoren für eine Modulation der Progressionsrate verantwortlich sind, schließen sie sicherlich nicht aus, dass die Komplementinhibition eine brauchbare Behandlungsstrategie für GA bei AMD sein könnte. ⊡ Abb. 17.1 Stellt mögliche Angriffsorte für Modulatoren der Komplementaktivierung dar.
liegen, und zwar CFHR1 und CFHR3, gelten als protektiv gegenüber AMD. Diese genetischen Assoziationsstudien bestätigten vorherige histopathologische Studien, die auf eine Rolle von Komplementproteinen in der Pathogenese der AMD hinwiesen [30, 31]. Da das Komplementsystem aus Serumproteinen besteht, die einen wichtigen Arm des angeborenen Immunsystems ausmachen, haben die Assoziationsstudien eindeutig eine Verbindung der AMD zum Immunsystem hergestellt, insbesondere zum alternativen Weg [32]. Diese genetischen Assoziationsstudien und histopathologischen Studien legen nahe, dass eine Hemmung der Komplementaktivierung eine sinnvolle Strategie für die Therapie der AMD sein könnte. Eine Möglichkeit zu prüfen, ob Komplementaktivierung die Vergrößerungsraten der GA beeinflussen, wäre, zu untersuchen, ob Läsionen mit rascherer Progression mit den Risiko-Allelen der Komplementgene assoziiert sind. Aktuelle Publikationen schlussfolgern, dass Varianten an CFH und C3 ein signifikantes Risiko für GA und AMD mit sich bringen, es zeigte sich jedoch
POT-4. POT-4 (Potentia Pharmaceuticals, Louisville, KY/ Alcon Research Ltd., Fort Worth, TX) ist ein zyklisches Peptid aus 13 Aminosäuren, das sich von Compstatin ableitet. POT-4 bindet reversibel an die Komplementkomponente 3 (C3) und verhindert damit dessen proteolytische Aktivierung zu C3a und C3b wie auch die nachfolgende Freisetzung aller nachgeordneten Anaphylatoxine und die Formation des Membranangriffskomplexes. Als C3-Inhibitor hemmt POT-4 alle drei Hauptwege der
Der klassische Weg
Der Lektin-Weg
Der alternative Weg
Antigen-AntikörperKomplex
Zuckerreste/umbauprodukte (Mannose)
Aktivierung von Zelloberflächen
MBL MASPs C4 C2
C1q,C1r,C1s C4 C2
Potentia/Alcon POT-4/AL-78898A
C3b B D Properdin
Taligen TA106 Genentech/Roche FCFD4514S
C3 C3a Faktor H
C3b
Alexion SELIRIS
Taligen TT30
C5 Ophthotech ARC 1905
C5a C5b C6,C7,C8,C9 C5b-9 (MAK)
Sublytische Effekte
Lyse
⊡ Abb. 17.1 Das Komplementsystem und Medikamente, die die Komplementaktivierung modulieren. Derzeit werden einige Strategien zur Modulation des Komplementsystems als Behandlungsmöglichkeit bei altersabhängiger Makuladegeneration erforscht. Diese umfassen, grob zusammengefasst, Ansätze, die verschiedene Effektormoleküle wie z. B. C3, C5, Faktor B und Faktor D blockieren sowie einen Ansatz, der die Kontrolle und Homöostase des Systems durch eine Zugabe der protektiven Form des Komplementfaktor H wiederherstellt. Diese Abbildung stellt 5 mögliche Angriffspunkte innerhalb des Komplementsystems dar, die für eine therapeutische Intervention in Betracht gezogen wurden: TA 106, das Faktor B inhibiert; FCFD4514S, das Faktor D hemmt; POT-4/AL-78898A, das das System über C3 blockiert; SOLIRIS und ARC-1905, die das System über C5 hemmen. Alle diese Inhibitoren sollen die Bildung des Membranangriffskomplexes (MAK) und C5a verhindern. Das Zielprotein für jedes Medikament ist eingekreist. Medikamente und Hersteller sind in Boxen aufgeführt mit einer gestrichelten Linie, die das Medikament mit seinem Zielprotein in der Komplementkaskade verbindet. MAK Membranangriffskomplex; MBL Mannose-bindendes Lektin; MASPs MBL-assoziierte Serinproteasen
17
278
Kapitel 17 · Behandlungsansätze bei trockener AMD
Komplementaktivierung. POT-4 hat einzigartige Eigenschaften einer langsamen Freisetzung, bedingt durch die Bildung eines intravitrealen Gels bei höheren Dosen, was zu einer verzögerten Freisetzung des Medikamentes führt und damit eine geringere Häufigkeit intravitrealer Injektionen bei nachhaltiger Komplementinhibition ermöglichen sollte. Die Phase-I-Dosisfindungsstudie, bekannt als Assessment of Safety of Intravitreal POT-4 Therapy for Patients with Neovascular AMD (ASaP), wurde an Patienten mit fortgeschrittenen neovaskulären Läsionen durchgeführt, um POT-4 als Therapie bei trockener AMD zu entwickeln. POT-4 erwies sich als sicher bis zu einer Dosis von 1,05 mg, mit Nachweis einer Depotbildung im Glaskörperraum bei Dosen von 0,45 mg und höher. Eine Phase-II-Studie wird organisiert, um die Anti-VEGFEigenschaften von POT-4, die sich in der Phase-I-Studie zeigten, weiter zu untersuchen. POT-4 wird mit einer Ranibizumab-Therapie bei Augen mit feuchter AMD kombiniert, um zu prüfen, ob POT-4 den Anti-VEGFEffekt von Ranibizumab verlängert. Dieses Studiendesign wird dabei helfen, das angemessene Dosisintervall für POT-4 in zukünftigen Studien zur trockenen AMD zu bestimmen.
Komplementinhibition über C5 Eine weitere Therapiestrategie bei trockener AMD ist die Komplementhemmung über C5, die möglicherweise einige Vorteile gegenüber einer Inhibition über C3 haben könnte. Eine C5-Inhibition verhindert gleichfalls die terminale Komplementaktivierung, doch bleiben die vorgeschalteten Komplementfunktionen erhalten, wie die Produktion von C3a-Anaphylatoxin und C3b, das für Opsonisierung und Beseitigung von Immunkomplexen und apoptotischen Zellkörpern benötigt wird. Diese komplementvermittelten Aktivitäten werden möglicherweise benötigt, um bakterielle Infektionen zu bekämpfen und könnten dringend benötigte Komplement-vermittelte Abläufe sicherstellen.
17
Eculizumab. Eculizumab (SOLIRIS, Alexion Pharmaceuticals, Cheshire, CT) ist ein humanisierter, monoklonaler Antikörper, abgeleitet von einem murinen antihumanen C5-Antikörper. Eculizumab bindet spezifisch an das terminale Komplementprotein C5, wodurch es dessen Aufspaltung in C5a und C5b während der Komplementaktivierung hemmt. Die strategische Blockade der Komplementkaskade über C5 verhindert die Ausschüttung des nachgeschalteten Anaphylatoxins C5a sowie die Bildung des zytolytischen Membranangriffskomplexes. Eculizumab hat eine FDA-Zulassung für die intravenöse Therapie einer anderen Komplement-
vermittelten Erkrankung, der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie. Am Bascom Palmer Eye Institute ist eine Phase-2-Studie im Gange, die die Sicherheit und Wirksamkeit von intravenösem Eculizumab für eine Behandlung von Patienten mit trockener AMD untersucht; die COMPLement Inhibition with Eculizumab for the Treatment of Non-Exudative Age-Related Macular Degeneration (COMPLETE)-Studie. In dieser Studie werden Patienten mit GA oder Hochrisiko-Drusen 2:1 randomisiert, um eine intravenöse Infusion von Eculizumab oder Plazebo zu erhalten. ARC-1905. ARC-1905 (Ophthotech, Princeton, NJ) ist
ein pegyliertes Anti-C5-Aptamer, das als intravitreale Injektion verabreicht wird. Dieses Medikament hemmt die Spaltung in C5a und C5b und blockiert damit die nachfolgende Komplementaktivierung. Im Gegensatz zu monoklonalen Antikörpern sind Aptamere synthetisch und lösen üblicherweise keine Immunantwort aus, die ihre Wirksamkeit einschränken könnte. Aptamere sind gleichfalls kleine Moleküle, die in eine Form mit verzögerter Freisetzung gebracht werden konnte. Die Phase-I-Dosisfindungsstudie wurde in Kombination mit einer Ranibizumabtherapie zur Behandlung der feuchten AMD durchgeführt. Eine laufende Phase-I-Studie untersucht ARC-1905 an Augen mit trockener AMD randomisiert zwischen zwei intravitrealen Dosierungen (0,3 mg und 1,0 mg), die am Tag Null, nach einem Monat, nach 2 Monaten, nach 6 Monaten und 9 Monaten verabreicht werden.
Komplementinhibition des Faktor D FCFD4514S. FCFD4514S (Genentech/Roche) ist ein re-
kombinantes, humanisiertes, monoklonales AntikörperFab-Fragment, das gegen Faktor D gerichtet ist, einem Enzym, das entscheidend für die Aktivität des alternativen Komplementweges ist. Das Anti-Faktor-D-Fab-Fragment wird als potenzielles intravitreal verabreichbares Therapeutikum für Patienten mit GA untersucht. Präklinische Studien wurden durchgeführt, um Pharmakologie, Pharmakokinetik und Toxikologie von FCFD4514S zu prüfen. Eine Phase-I-Studie zu Sicherheit, Verträglichkeit, Pharmakokinetik und Immunogenität von intravitrealen Injektionen steigender Dosierung bei Patienten mit geographischer Atrophie wurde abgeschlossen. Eine Phase-I/II-Studie zur Untersuchung dieses Anti-FaktorD-Fab-Fragmentes zur Behandlung der trockenen AMD wird derzeit auf den Weg gebracht.
Weitere Modulatoren des Komplementsystems Weitere Modulatoren des Komplementsystems, die derzeit hinsichtlich einer möglichen Anwendung bei AMD
279 17.5 · Zusammenfassung
geprüft werden, umfassen die Blockade des C5a-Rezeptors mit Neutrazimab (G2 Therapies/NovoNordisk), das möglicherweise einen Vorteil oder aber Nachteil gegenüber einer direkten Bindung und Hemmung von C5a haben könnte. Eine Blockade des C5a-Rezeptors könnte eventuell einige wichtige Entzündungswege hemmen, ohne die Bildung des Membranangriffskomplex zu verhindern [35]. Neutrazimab wird derzeit in Phase-I-Studien für rheumatoide Arthritis und Lupus getestet. Zu weiteren Komplementinhibitoren gehören: TA106, ein Fab-Fragment eines Anti-CFB-Antikörpers, CR2-CFH-Hybridproteine, Anti-Properdin-Antikörper (der die C3-Konvertase destabilisieren sollte), C1-INH (ein Protein, dass die Aktivierung des klassischen Weges hemmt) und sCR1 (eine lösliche Form des endogenen Komplementrezeptor 1, der den Abbau von aktivem C3bBb fördert). Ein Ersatz mit dem Wildtyp des »protektiven« Komplementfaktors H sollte die Entzündung bei AMD-Patienten durch eine Blockade der risikotragenden Mutationen von CFH hemmen. Es ist nicht klar, welche der Patienten mit anderen Risikoallelen von dieser Therapie profitieren könnten. Ein attraktiver Aspekt dieses Ansatzes, der möglicherweise eine genetische Diagnostik im Vorfeld der Behandlung benötigt, um Patienten mit CFH-Risikoallelen zu identifizieren, ist, dass kein erhöhtes Infektionsrisiko vorliegen sollte, da das körpereigene System, das CFH eine lokale Modulation der C3-Aktivierung ermöglicht, wiederhergestellt würde. In präklinischen Modellen war die intravitreale Einschleusung des CFH-Gens mittels eines adenoviralen Vektors erfolgreich und bietet einen hoffnungsvollen Ansatz für ein nachhaltiges Applikationssystem. Ein Ersatz des defekten CFH wird durch Taligen getestet (TT30, ein rekombinantes Fusionsprotein) [36, 37].
Antiinflammatorische Medikamente Iluvien. Iluvien (Alimera Sciences, Alpharetta, GA) ist ein nicht bioresorbierbares Polyamidröhrchen, das 180 μg des Kortikosteroids Fluocinolonacetonid enthält. Es wird mithilfe eines 25-Gauge Glaskörper-Injektors eingebracht, der eine selbstschließende Wunde erzeugt. Es läuft eine Phase-II-Studie mit 40 Patienten mit bilateraler GA, deren primäres Endziel die Differenz der GA-Wachstumsraten zwischen behandelten vs. unbehandelten Augen ist. Das Studienauge wird zwischen einer hohen (0,5 μg/Tag) oder einer niedrigen (0,2 μg/Tag) Dosierung randomisiert; das Partnerauge fungiert als Kontrolle. Glatirameracetat (Copaxone). Copaxone (Teva Pharmaceuticals, Kfar- Saba, Israel) ist ein immunmodulierender Wirkstoff, der für die Behandlung der Multiplen Skle-
rose zugelassen ist, spezifische regulatorische T-Zellen aktiviert und eine Herunterregulation inflammatorischer Zytokine bewirkt. Die Bildung von Drusen bei AMD weist einige Ähnlichkeiten mit der Alzheimer-Krankheit auf, die mit Amyloidablagerungen (Plaques) einhergeht, welche Entzündungsmediatoren und aktivierte Mikroglia enthalten. An einem Mausmodell der AlzheimerKrankheit konnte gezeigt werden, dass eine Behandlung mit Glatirameracetat die Plaquebildung verhinderte und neuronales Überleben und Neurogenese induziert, so dass Glatirameracetat möglicherweise von Nutzen bei trockener AMD sein könnte. Eine Phase-I-Studie, die Sicherheit und Wirksamkeit einer 12-wöchigen wöchentlichen Behandlung mit subkutanem Glatirameracetat bei Patienten mit trockener AMD untersuchte, ergab, dass Glatirameracetat die Drusenfläche verkleinert [38]. Eine Phase-II/III-Studie wurde gestartet, um Wirksamkeit und Sicherheit von Glatirameracetat bezüglich eines Progressionsarrests der trockenen AMD, einschließlich der Progression zu feuchter AMD, zu untersuchen. ⊡ Tab. 17.3 listet noch einmal Medikamente zur Unterdrückung von Entzündungsvorgängen auf.
17.5
Zusammenfassung
Mehrere unterschiedliche Behandlungsstrategien und klinische Studienendpunkte werden untersucht, doch wird es einige Jahre dauern bis wir wissen, ob manche dieser Ansätze erfolgreich sind. Ungeachtet dessen, ob sich irgendeines dieser Medikamente als wirkungsvoll erweist, werden diese Studien eine Fülle an Longitudinaldaten zur Progression der trockenen AMD ergeben und einen reichhaltigen Erfahrungsschatz in der Anwendung verschiedener Bildgebungsverfahren bei der Progressionsbeobachtung bieten. In dem Maße, in dem das Design klinischer Studien verfeinert wird und etablierte und neue Medikamente für die Therapie der trockenen AMD untersucht werden, bestehen gute Aussichten, dass ein Durchbruch in der Therapie innerhalb des nächsten Jahrzehnts erreicht werden könnte. Fazit
▬ Derzeit existiert keine andere geprüfte medikamentöse Therapie für trockene AMD als die Nahrungsergänzung mit Vitaminen. ▬ Studien haben ergeben, dass AMD eine genetische Erkrankung ist und stark mit einer Dysfunktion des Komplementsystems zusammenhängt. ▬ Etliche verschiedene Behandlungsstrategien und Endpunkte klinischer Studien sind untersucht worden, um Aufschluss über die Rolle von Komplementinhibition,
17
280
Kapitel 17 · Behandlungsansätze bei trockener AMD
⊡ Tab. 17.3 Medikamente zur Unterdrückung von Entzündungsvorgängen Medikament
Wirkmechanismus
Sponsor
Studiengegenstand
Klinische Studienphase
Clinical Trial Identifier
Eculizumab (SOLIRIS)
Monoklonaler Antikörper gegen Komplementkomponente 5 (intravenös)
Alexion
Geographische Atrophie und Drusen
Phase 2
NCT00935883 (laufend)
ARC-1905
Aptamer gegen Komplementkomponente 5 (intravitreal)
Ophthotech
Geographische Atrophie und/oder Drusen
Phase 1
NCT00950638 (laufend)
POT-4 /AL 78898A
Blockiert Komplementkomponente 3 (intravitreal)
Potentia/Alcon
Feuchte AMD Fortgeschrittene neovaskuläre Läsionen
Phase 1
NCT00473928 (abgeschlossen)
FCFD4514S
Fab-Fragment eines monoklonalen Antikörpers gegen Komplementfaktor D (intravitreal)
Genentech/ Roche
Geographische Atrophie
Phase 1
NCT00973011 (laufend)
TA106
Antigen-bindendes Fragment eines monoklonalen Antikörpers gegen Komplementfaktor B
Taligen Therapeutics
Trockene AMD
Präklinisch
Keine
Glatirameracetat (Copaxone)
Induziert Glatirameracetat– spezifische T-Suppressorzellen und downreguliert inflammatorische Zytokine (subkutan)
Kaplan Medical Center
Drusen
Phase 2,3
NCT00466076 (laufend)
Phase 1
NCT00541333 (laufend)
Phase 2
NCT00695318 (laufend)
Fluocinolonacetonid (Iluvien)
Glucocorticoid-vermittelte Suppression von Entzündungsvorgängen (intravitreal)
New York Eye and Ear Infirmary Alimera Sciences
Entzündungshemmung, Neuroprotektion und Inhibitoren des Sehzyklus zu erhalten. ▬ Diese neuen klinischen Studien zur Behandlung der trockenen AMD werden eine Fülle an Longitudinaldaten zur Progression der trockenen AMD ergeben und einen reichhaltigen Erfahrungsschatz in der Anwendung verschiedener Bildgebungsverfahren zur Progressionsbeobachtung bieten.
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17
18
Chirurgische Therapie B. Kirchhof
18.1
Makulaplastik
18.2
Makulatranslokation
18.3
Einzelzellsuspensionen
18.4
Pigmentepithel-Aderhaut-Translokation (Patch) – 286
18.5
Indikationen zur Chirurgie – 287
18.5.1 18.5.2 18.5.3 18.5.4 18.5.5
Non-Responder – 287 Pigmentepithelruptur – 287 Massive submakuläre Blutung – 288 Trockene AMD – 289 Makuladystrophien – 290
Literatur
– 284 – 284 – 285
– 290
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
284
Kapitel 18 · Chirurgische Therapie
Kernaussagen ▬ Der Begriff »Makulaplastik« ist eine Zukunftsvision. ▬ Chirurgische Therapie bedeutet bisher den autologen Ersatz erkrankten durch funktionierendes retinales Pigmentepithel samt Aderhaut. ▬ Die Makulatranslokation und die Relokation des freien Pigmentepithel-Aderhaut-Transplantat werden aktuell nebeneinander praktiziert. ▬ Pigmentepithelruptur, Non-Responder und massive submakuläre Blutungen sind potenzielle Indikationen für chirurgische Therapie. ▬ Transplantationen bei trockener altersabhängiger Makuladegeneration und bei Makuladystrophien sind technisch möglich. Die Erfolgsaussichten werden gegenwärtig untersucht.
nalen Pigmentepithels und der Aderhaut bedeuten. Der allerdings ist Voraussetzung, um den Funktionszustand der Makula zumindest zu erhalten. Ohne Pigmentepithel ist der Abbau des Makulagewebes nicht aufzuhalten. Dies ist als Ergebnis des »Submacular Surgery Trial« [4] allgemein akzeptiert. Im »Submacular Surgery Trial« hatte man lediglich chorioidale Neovaskularisationen unter der Makula extrahiert. Eine Visusverbesserung oder wenigstens ein Aufhalten des Sehverfalls gelang nicht. Im Grunde wurde die exsudative Makuladegeneration lediglich in die trockene Verlaufsform überführt. In der klinischen Anwendung bedeutet »Chirurgie der Makuladegeneration« deshalb aktuell: Der Makula im Frühstadium der AMD ein intaktes oder weniger erkranktes retinales Pigmentepithel mit Aderhaut zur Verfügung zu stellen.
18.2 18.1
18
Makulaplastik
Der Begriff »Makulaplastik« geht auf Del Priore [1] zurück. »Makulaplastik« signalisiert einen Wiederaufbau der atrophischen Makula. Tatsächlich befinden sich 9/10 der in Deutschland von altersabhängiger Makuladegeneration (AMD) Betroffenen im Endstadium der Erkrankung (450.000 Patienten) [2]. Das bedeutet, die Makula, und hier insbesondere die Photorezeptoren, sind atrophiert. Da Netzhautgewebe – wie das gesamte Zentralnervensystem – nicht regeneriert, bedarf die Wiederherstellung der Makulafunktion des Ersatzes nicht nur des retinalen Pigmentepithels (RPE), sondern insbesondere auch der Photorezeptoren. Allerdings sind bisherige Versuche mit fetalen homologen Netzhautvolltransplantaten daran gescheitert, dass die Nervenzellen keine Synapsen mit der Spenderhornhaut ausbilden und im subretinalen Raum allmählich atrophieren. Stammzellen wiederum entwickeln sich unter der atrophierten Makula nicht zu Photorezeptoren. Deshalb bemüht man sich aktuell, Stammzellen bereits in vitro zu mehr oder weniger reifen Photorezeptoren heranzuzüchten, und erst in dem differenzierten Stadium in den subretinalen Raum zu verbringen. Auf diese Weise sollen sie ihre Differenzierung beibehalten, überleben und mit dem ortsständigen atrophierten Gewebe Synapsen ausbilden. Eine erste erfolgreiche Photorezeptorentransplantation ist im Tierversuch geglückt [3]. Allerdings war die aufnehmende Netzhaut nicht degeneriert und selber noch unreif. Bis es gelingt, eine atrophierte Makula neuronal wieder aufzubauen, sind wir darauf angewiesen, im Frühstadium der Erkrankung zu operieren. »Makulaplastik« kann deshalb aktuell nur den Ersatz des erkrankten reti-
Makulatranslokation
Unter Makulatranslokation versteht man die Verlagerung der Makula auf weniger erkranktes RPE. Dazu muss die gesamte Netzhaut vom Pigmentepithel abgehoben und von der Ora serrata abgetrennt werden. Durch Drehung um den Sehnervenkopf gewinnt man gerade so viel Bewegungsfreiheit, dass man die Makula etwa in die ehemalige Position der temporalen Gefäßstraßen verlagern kann [5]. Die räumliche Ordnung der Retina (Retinotopik) bleibt nach der Verlagerung unverändert bestehen. Der Patient sieht folglich ein höhenversetztes, gekipptes und mehr oder weniger torquiertes Bild der Umwelt. Der Netzhautchirurg ist im Rahmen der Chirurgie der proliferativen Vitreoretinopathie (PVR) vertraut mit vollständigen Netzhautablösungen und deren Behandlung mittels u. a. 360°-Retinotomie. Er kennt auch den Leidensdruck der Patienten mit Doppelbildwahrnehmung, wenn es nicht gelingt, die Makula exakt auf den ursprünglichen Ort wieder anzulegen. Umso erstaunter reagierte die Fachwelt, als Robert Machemer 1998 vorschlug, die Makula absichtlich zu verlagern, um dem erkrankten RPE-Areal auszuweichen [6]. Der Lohn war, dass es erstmals gelang, die Degeneration der Makula aufzuhalten, in besonderen Fällen (submakuläre Blutungen) sogar eine Sehverbesserung zu erzielen. Es gibt inzwischen Verläufe mit stabilem Lesevisus über mehr als 10 Jahre! Neu dazulernen mussten die Netzhautchirurgen, wie man Netzhaut möglichst atraumatisch ablöst (Dunkeladaptation, Kalziumdepletion, submakuläre BSS-Injektion). Nur wenige Netzhautchirurgen (in Europa mehr als in den USA) nahmen die Mühsal auf sich und entwickelten die Operationstechnik weiter. Sie kombinieren die Verlagerung der Makula mit Ansatzverlagerung der
285 18.3 · Einzelzellsuspensionen
Augenmuskeln, um eine kompensatorische Gegenrotation des Augapfels zu erzielen. So bleibt die Lage der Makula im Raum mehr oder weniger erhalten, während Aderhaut und Sklera unter der Netzhaut wegrotiert werden. Nicht vollständig kompensieren kann man die Torquierung des Bildeindruckes. Die enormen Anstrengungen der Operateure, wie Folgebereitschaft der Patienten reflektieren den hohen Leidensdruck durch Makuladegeneration. Der Erhalt der Makulafunktion wird erkauft mit dem Verlust des beidäugigen Sehens und beeinträchtigter Orientierung im Raum. Typischerweise orientieren sich die Patienten mit dem schlechter sehenden (nicht operierten) Auge im Raum (Gehen, Greifen), während sie mit dem operierten Auge lesen. 10% der Patienten haben trotz aller Anstrengungen dauerhaft Doppelbilder (⊡ Tab. 18.1). Es können nur funktionell »einzige Augen« behandelt werden. Die Makulatranslokation eignet sich nicht zur Behandlung der trockenen AMD, weil bei trockener AMD ausreichend intaktes Pigmentepithel oft erst außerhalb der temporalen Gefäßarkade zu finden ist. Die wenigen
⊡ Tab. 18.1 Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Makulatranslokation im Vergleich zum freien Transplantat (Patch) Makulatranslokation
Freies Transplantat: Patch
Bildverkippung
Keine Bildverkippung
Orientierung im Raum behindert
Orientierung im Raum unbeeinflusst
10% Doppelbilder
Keine Doppelbilder
Expertise notwendig: Retina + Schielen
Expertise notwendig: Retina
Zeitaufwändig: 1,5–3 h
Nicht zeitaufwändig: 1–2 h
Nur funktionell »einzige Augen«
Auch »erste Augen«
13% Makulaödem
Kein Makulaödem
10% CNV-Rezidiv
13% CNV-Rezidive aber extrafoveal
Okuläre Hypotonie
Keine okuläre Hypotonie
13% kein intaktes RPE in Reichweite
Freies Transplantat
Nicht bei geographischer Atrophie
Auch bei geographischer Atrophie
10–15% PVR-Rate
8–20% PVR-Rate
./.
5% keine Revaskularisation
Versuche, Patienten mit trockener AMD durch Makulatranslokation zu helfen, waren vergeblich. Es bildet sich unter der verlagerten Makula erneut eine Pigmentblattatrophie aus [7]. Trotzdem ist die Makulatranslokation ein bedeutender Fortschritt in der Therapie der AMD gewesen. Sie belegt, die Bedeutung des Pigmentepithels für die Prognose der AMD. Die funktionellen Ergebnisse erlaubten in Einzelfällen Lesesehschärfe über viele Jahre, so dass einige Operateure noch heute an dem Verfahren festhalten.
18.3
Einzelzellsuspensionen
Etwa zeitgleich mit der Erprobung der Makulatranslokation wurde erstmals versucht, isolierte Pigmentepithelzellen suspendiert in einer Nährlösung zu verpflanzen (Einzelzellsuspension). Der Eingriff bedeutet nur eine geringfügige Erweiterung der ja bereits etablierten Technik der submakulären Membranextraktion. Da die Makula dabei nicht verlagert wird und die Netzhaut nur am hinteren Augenpol hochgespült werden muss, ist die chirurgische Komplikationsrate ungleich geringer im Vergleich zur Makulatranslokation [8]. Die chirurgische Komplikationsrate liegt etwa in der Größenordnung der submakulären Membranextraktion oder der Puckerchirurgie. Als Zelltypen stehen RPE und Irispigmentepithel (IPE) zur Verfügung. Es konnte vorab gezeigt werden, dass das IPE Funktionen des RPE übernehmen kann. Leider sind die funktionellen Ergebnisse mit IPE als Einzelzellsuspension nicht signifikant besser als nach Membranextraktion ohne Pigmentepithelersatz. Auch autologes RPE als Einzelzellsuspension erbrachte keine wesentlich besseren Resultate. Der wahrscheinlichste Grund für den Misserfolg ist, dass RPE wie IPE zum Überleben und Funktionieren eine geeignete Unterlage benötigen, an die sie sich anheften können. Die Verhältnisse unter der erkrankten Makula bieten aber keine oder nur unzureichende Möglichkeiten der Zellanheftung. Einmal wird die Bruch-Membran (Basalmembran) mit der chorioidalen Neovaskularisation häufig mit entfernt. Zum anderen stehen Altersveränderungen der Bruch-Membran der Zelladhäsion entgegen. Vor diesem Hintergrund tritt die Frage nach dem geeignetsten Zelltyp in den Hintergrund gegenüber der Frage nach dem geeignetsten Substrat zum Anheften und Überleben der Zellen. Trotzdem wird weiter nach geeignetem RPE-Ersatz gesucht, der nun außerhalb des Auges gezüchtet und dann ggf. als Zellverbund auf einer künstlichen Basalmembran nach submakulär verbracht wird. Diese Versuche befinden sich zurzeit noch im vorklinischen Erprobungsstadium.
18
286
Kapitel 18 · Chirurgische Therapie
18.4
18
Pigmentepithel-AderhautTranslokation (Patch)
Das freie Transplantat von Pigmentepithel und Aderhaut umgeht das Problem der Anheftung von Zellen. Die Zellen werden erst gar nicht abgelöst, sondern mit der Bruch-Membran und der Aderhaut zusammen verlagert [9]. Glücklicherweise kann das Transplantat am neuen Ort in kurzer Zeit wieder an die ortständige Aderhautgefäße anknüpfen. Barbara Parolini (2010) [10] hat mittels ICGAngiographie schon nach 4 Wochen Transplantatperfusion nachweisen können. Die Gefäßverbindungen gelingen über den freien Transplantatrand. Der zweite glückliche Umstand ist, dass das Pigmentepithel im Allgemeinen nicht fibrotisch überwuchert wird. Freie Fibroblasten sind sowohl in der Aderhaut des Transplantates wie im aufnehmenden Aderhautbett reichlich vorhanden. Allerdings werden fibrotische Abkapselungen dann beobachtet, wenn die Pigmentepithelfläche des Transplantates klein ist, oder wenn Wundheilung durch Blut (Nachblutung) stimuliert wird. Bisher ist nur autolog transplantiert worden. Der Vorteil ist, dass Immunreaktionen vermieden werden. Die Gewebsplatte wird im Glaskörperraum gewonnen und muss nicht durch Sklerotomien von außen in das Auge eingebracht werden. Der Nachteil besteht darin, dass die Zellen gealtert sind. Ein Therapieerfolg ist nur dann zu erwarten, wenn das periphere RPE den metabolischen Anforderungen unter der Makula gewachsen ist. Insofern beginnt ein Wettlauf zwischen der Lebenserwartung des Patienten und den Altersveränderungen im Transplantat. Die bisherigen Langzeiterfahrungen über mehr als 7 Jahre, lassen allerdings erwarten, dass autologes peripheres RPE ausreichend lange unter der Makula funktional ist, so dass sich aus den bisherigen Erfahrungen nicht unbedingt die Notwendigkeit erschließt, homologe jüngere RPE-Zellen von außen in das Auge zu bringen. Zumal man dann neue Nachteile in Kauf nehmen muss, wie z. B. die technische Schwierigkeit der Einbringung des Transplantates in das Auge und die Gefahr der Immunreaktion. Die funktionellen Langzeitergebnisse, wie sie Jan van Meurs berichtet, sind vergleichbar mit denjenigen der Makulatranslokation. Ein stabiler Lesevisus über mehr als 5 Jahre konnte erreicht werden. Viele weitere Vorteile lassen es heutzutage opportun erscheinen, die Makulatranslokation zugunsten des freien Transplantates aufzugeben (⊡ Tab. 18.1). Die Patch-Methode ist auch auf »erste Augen« anwendbar. Es gibt keine Doppelbilder. Das PVR-Risiko allerdings konnte nicht signifikant verringert werden. Jan van Meurs hat die Technik der Patch-Operation weiterentwickelt und die Funktionalität des freien Transplantates in großen Fallserien belegt. Seine Technik ist
komplikationsarm, indem sie wenig verschieden von der submakulären Membranextraktion ist. Er verzichtet auf eine periphere Retinotomie über 180° und auf das Ablösen der temporalen Netzhaut, und implantiert das Transplantat durch dieselbe paramakuläre Retinotomie, durch die er zuvor die submakuläre CNV extrahiert hat [11]. Trotz auf der Hand liegender Vorteile der PatchMethode gegenüber der Makulatranslokation hat sich das Verfahren selbst bei erfahrenen Netzhautglaskörperchirurgen (noch) nicht allgemein durchgesetzt. Der wesentliche Grund ist, dass die meisten Chirurgen bisher den Zugang zum Subretinalraum über eine periphere 180°-Retinotomie wählen und schlechte funktionelle Ergebnisse registrieren. Das Einschieben des Patches durch die paramakuläre Retinotomie, wie van Meurs es praktiziert, ist komplex. Der Zugang zum submakulären Raum ist begrenzt. Man kann z. B. keine Blutstillung unter der Makula durchführen. Blutungen aus der Aderhaut kommen aber gelegentlich vor, sei es bei der CNV-Extraktion, sei es im Rahmen vorbestehender massiver subretinaler Blutungen, sei es als postoperative Nachblutung. Eine ausgiebige Diathermie unter der Makula wäre zur Vermeidung von Nachblutungen wünschenswert, zumal viele Patienten dieser Altersgruppe gerinnungshemmende Medikamente einnehmen. Schließlich ist es bei massiven submakulären Blutungen unvermeidbar, das Patch-Verfahren mit einer peripheren 180°-Retinotomie und Umklappen der Netzhaut zu kombinieren, weil man massive Blutungen bis in die Netzhautperipherie sonst nicht von unter der Netzhaut entfernen kann. Der Autor praktiziert beide Verfahren und bestätigt, dass die funktionellen Ergebnisse des freien Transplantates mit 180°-Retinotomie hinter den Erwartungen zurückbleiben, im Vergleich zu den Erfolgen, die wir von dem paramakulären Zugang gewohnt sind. Warum das so ist, ist Gegenstand aktueller Spekulation. Ein Unterschied zwischen den beiden Methoden ist die Anwendung von flüssigem Perfluorkarbon (PFCL). Die umgeklappte Netzhaut wird mit PFCL immobilisiert. Das PFCL kommt in Kontakt mit den Photorezeptoren. Zwar wird die schwere Flüssigkeit wieder abgesaugt, wir wissen aber, dass ein dünner PFCL-Film (Coating) auf der Netzhaut – in diesem Fall der Photorezeptorenschicht – zurück bleibt. Von subretinal verbliebenem PFCL wissen wir in anderem Zusammenhang, dass es die Netzhaut schädigt. Die eventuelle retinotoxische Wirkung von PFCL auf Photorezeptoren wird aktuell untersucht (Robert McLaren, London, persönliche Kommunikation). Bisher können wir auf das PFCL nicht verzichten, weil das Verschieben des Transplantates von peripher nach zentral ohne den Druck der schweren Flüssigkeit nicht kontrollierbar ist.
287 18.5 · Indikationen zur Chirurgie
18.5
Indikationen zur Chirurgie
Die Ergebnisse der Ranibizumab-Zulassungsstudien über 2 Jahre und das geringe Risiko der intravitrealen Injektion lassen es sinnvoll erscheinen, den chirurgischen Zugang auf diejenigen Indikationen zu beschränken, die mit VEGFBlocker nicht abgedeckt werden. Geringes Behandlungsrisiko erlaubt früheren Behandlungsbeginn. Andererseits werden auch geringe (Infektions-)Risiken einmal praktisch bedeutsam, wenn über Jahre und in kurzen Abständen injiziert werden muss. Sollte sich allerdings bestätigen, dass der mittlere Visusgewinn in den Zulassungsstudien in der praktischen Anwendung über ein Jahr nicht aufrecht erhalten werden kann (Pauleikhof et al. 2010; Gerding et al. 2010, persönliche Kommunikation), dann mag sich in Zukunft die chirurgische Indikation wieder erweitern. Vom Patch-Verfahren ist dokumentiert, dass das Visusniveau ab dem 6 postoperativen Monat über einen Beobachtungszeitrum von einem Jahr stabil bleibt [12].
18.5.1
Non-Responder
Der »Non-Responder« für VEGF-Blocker ist nicht einheitlich definiert. Die Zulassungsstudien deuten auf einen Anteil von 5% hin, der nach der ersten Aufsättigung Sehverschlechterung zeigt. Da nach der zweiten oder wei-
teren Aufsättigungen gelegentlich doch noch ein inaktives Stadium erzielbar ist, wird üblicherweise zunächst weiter monatlich injiziert. Auch andere Alternativen (photodynamische Therapie) werden ausprobiert. Erst wenn der Visus schon stark herabgesetzt ist, werden Mühen und Kosten der intravitrealen Injektion mit der zuletzt begrenzten Visusprognose abgewogen und nachhaltige Behandlungs-Alternativen erwogen. Das Ziel der Chirurgie kann in diesen fortgeschrittenen Stadien realistischer weise nur Stabilisierung auf niedrigem Niveau sein.
18.5.2
Pigmentepithelruptur
Die Pigmentepithelruptur ist eine Komplikation der Pigmentepithelabhebung. Sie ist ein relativ akutes Ereignis. Das bedeutet bei kurzfristigem Behandlungsbeginn die Chance auf Sehverbesserung. Wenn die Fovea nicht mehr von Pigmentepithel unterstützt wird und kein Netzhautödem aufweist, dann ist weder mit einem VEGF-Blocker noch spontan eine Stabilisierung zu erwarten. Es ist versucht worden, aber bisher nie gelungen, das eingerollte Pigmentepithel chirurgisch wieder so zu entfalten, dass die Fovea weiter unterstützt wird. So ist das autologe Transplantat (oder die Makulatranslokation) eine sinnvolle Therapieoption, die bei frühem Beginn sogar eine Sehverbesserung erlaubt (⊡ Abb. 18.1).
a
b ⊡ Abb. 18.1a,b Pigmentepithelruptur vor und 3 und 10 Monate nach Patch. a Die Mikroperimetrie zeigt präoperativ keine Antworten in der oberen Makulahälfte und im temporal unteren Makulaquadranten. Postoperativ erholt sich die Makulafunktion in der oberen Hälfte. b OCT prä- und postoperativ. Die Makula zeigt präoperativ kein Ödem. Das RPE ist so weit retrahiert, dass es die Fovea nicht mehr unterstützen kann. Postoperativ liegt die Makula glatt auf dem Transplantat auf. Die Foveagrube ist erhalten. Der Lesevisus von 0,4 präoperativ erholt sich auf 0,6 und bleibt stabil
18
288
Kapitel 18 · Chirurgische Therapie
18.5.3
Massive submakuläre Blutung
Die massive subretinale Blutung ist eine Komplikation der exsudativen AMD. Sie kommt überzufällig häufig vor, wenn AMD-Patienten unter gerinnungshemmender Medikation stehen [13]. Die submakuläre Blutung manifestiert sich in vielfältiger Weise. ▬ Die Blutungen können auf die Makula beschränkt bleiben, aber auch über die temporale Gefäßstraße hinaus reichen, im Extremfall bis unter die periphere Netzhaut. Letztere Form zieht auch den Verlust des orientierenden Sehens nach sich. ▬ Die Makula kann ausgespart bleiben. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die CNV mit der Makula-Rückfläche pathologisch »verbacken« ist; es stellt ein prognostisch ungünstiges Zeichen dar. ▬ Die Blutung kann auf das Kompartiment unter dem Pigmentepithel beschränkt bleiben (unterblutete Pigmentepithelabhebung). Klinisch apparent werden subpigmentepitheliale Blutungen erst dann, wenn sie sich zusätzlich subretinal ausbreitet. Der Patient sieht entweder ein Zentralskotom, oder – bei vorbestehendem Zentralskotom – eine plötzliche Vergrößerung des Skotoms. Nach dem Motto »so wenig wie möglich, so viel wie nötig« passt man die chirurgische Indikation dem Ausmaß der Blutung abgestuft an. Bei der Entscheidung für große und komplexe Eingriffe sollte man das erhöhte Risiko der Nachblutung berücksichtigen. Im Einzelnen bestehen folgende Optionen: ▬ Intravitreale Injektion von rTPA und Gas mit Lagerung des Patienten ▬ Vitrektomie mit subretinaler rTPA-Injektion und Gastamponade ▬ Vitrektomie und subretinale Extraktion kleinerer Blutungen über eine paramakuläre Retinotomie, ggf. zusammen mit submakulärer Membranextraktion und Patch ▬ Vitrektomie und subretinale Extraktion größerer Blutungen über eine periphere 180°-Retinotomie, ggf. zusammen mit submakulärer Membranextraktion und Patch oder Erweiterung der Retinotomie auf 360° mit Makulatranslokation
18
Subretinale Blutungen werden im Allgemeinen sofort wahrgenommen. Es besteht also die Chance die Behandlung umgehend zu beginnen. ▬ Für die intravitreale Injektion mit rTPA und Gas wird eine Zeitspanne bis 2 Wochen nach dem Blutungsereignis allgemein als gut wirksam akzeptiert. Es gilt abzuwägen, ob das Ausmaß der Blutung das
Vorgehen noch aussichtsreich erscheinen lässt. Das Gasvolumen ist relativ klein und damit die durch Auftrieb der Gasblase erzeugte Verdrängung. Geeignet sind am ehesten flache Blutungen. Mangels klassifizierter Erfahrungsberichte entscheidet der Operateur nach eigenem Ermessen. ▬ In Kombination mit Vitrektomie lässt sich eine ungleich größere und deshalb auch länger verweilende Gasblase in den Glaskörperraum einbringen. Diese Erweiterung gegenüber [1] mag es ermöglichen auch prominente Blutungen über die temporalen Gefäßstraßen hinaus noch zu verdrängen. Ob die adjuvante rTPA-Gabe überhaupt nötig ist, ob sie intravitreal oder subretinal appliziert werden sollte, darüber existieren trotz zahlreichen Berichten keine einheitlichen Empfehlungen. Die meisten Operateure jedenfalls verzichten nicht auf das zusätzliche rTPA [14]. Wilson Heriot ist der Überzeugung, dass das rTPA so gut durch die Netzhaut diffundiert, dass es keinesfalls subretinal injiziert werden muss. Eventuell erleichtert das zusätzliche Flüssigkeitsvolumen bei subretinaler rTPA-Injektion die Verdrängung des Blutes nach peripher. Die ersten beiden Optionen belassen die CNV. Deshalb ist die Gabe eines VEGF-Blockers entweder kombiniert oder kurz nach der Injektion indiziert. ▬ Im Unterschied zu den beiden vorgenannten Optionen wird hier der subretinale Raum eröffnet und das Blut entfernt. Es entfällt das Lagern des Patienten. Am Ende liegt die Makula entweder auf dem vorbestehenden Pigmentepithel auf, oder auf einem freien Transplantat aus RPE und Aderhaut. Hierzu gibt es keine veröffentlichten Fallserien. Bei der Kombination mit einem Patch besteht aus eigener Erfahrung ein hohes Risiko der Fibrosierung des Transplantates durch Nachblutung. ▬ Die periphere 180°-Retinotomie erlaubt den optimalen Zugang zum subretinalen Raum, so dass auch Blutungen bis unter die periphere Netzhaut, selbst wenn sie älter sind, und deshalb koaguliert oder fibrosiert sind, entfernt werden können. Da die Netzhaut nach nasal umgeklappt wird, ist die Aderhaut in der Makularegion gut zugänglich. Das erleichtert die Membranextraktion und ermöglicht die ausgiebige Koagulation zur Prophylaxe von Nachblutungen. Aus unklarer Ursache sind die funktionellen Ergebnisse unbefriedigend, wenn man den Eingriff mit einem freien Transplantat abschließt. Gute Ergebnisse werden mit dieser Operationstechnik allerdings erstmals von Barbara Parolini (2010) [15] berichtet. Viele der mit der Makulatranslokation vertrauten Chirurgen schließen den Eingriff vorzugsweise mit einer Makulatranslokation ab, auch wenn das eine Erweiterung der Retinotomie auf 360°
289 18.5 · Indikationen zur Chirurgie
bedeutet. Die Blutung verdeckt zunächst das Ausmaß der Pigmentepithelläsion. Ob der Eingriff schließlich mit einem Patch, mit Makulatranslokation oder ganz ohne Pigmentepithelersatz abgeschlossen wird, kann erst intraoperativ entschieden werden.
18.5.4
Trockene AMD
Die Atrophie des Pigmentepithels ohne die Komplikation der Neovaskularisation ist bisher medikamentös nicht behandelbar. Eigentlich sollte sich hier eine Domäne der chirurgischen Therapie eröffnen und zwar des freien Transplantates ( Abschn. 18.2). Erblindungen und schwere Sehbehinderungen im Rahmen der AMD werden zu 40% durch geographische Atrophie verursacht. Die Transplantation von Pigmentepithel und Aderhaut unter die mehr oder weniger vorgeschädigte Makula ist technisch möglich [16]. Man könnte erwarten, dass die Operation unkomplizierter ist, als bei exsudativer AMD, entfällt doch der Teilschritt der Membranextraktion. Doch die trockene AMD fordert den Operateur mit spezifischen Besonderheiten: ▬ Schaut man sich – z. B. im hochauflösenden OCT – die pathologisch enge Adhärenz der Makula an die Bruch-Membran und Aderhaut an, dann überrascht es nicht, dass das Fehlen von Exsudation es eher schwieriger macht, die Makula abzuheben, und die ohnehin schon kompromittierte äußere Netzhaut nicht zusätzlich und irreversibel zu traumatisieren. Injiziert man BSS in den subretinalen Spaltraum, so hebt sich oft zuerst die Netzhaut außerhalb der Makula ab. Es bleibt dann ggf. nichts anderes übrig, als die Makula selber mit einem potenziell traumatisierenden Spatelmanöver von der Unterlage abzuschieben.
a
b
▬ Auf die Läsion der Bruch-Membran samt Blutungsrisiko, die bei Membranextraktion automatisch zustande kommt, kann nicht verzichtet werden. Die intakte Bruch-Membran bedeutet eine wirksame Sperre für Gefäßanastomosen, auch für die Reperfusion des Transplantates (⊡ Abb. 18.2). Diese Erfahrung signalisiert nebenbei, dass freie Transplantate ohne Aderhautschicht nicht funktionieren. Umgekehrt wird die Bedeutung der Integrität der Bruch-Membran für die neovaskuläre AMD daran erkennbar, dass sich eine CNV auch bei trockener AMD induzieren lässt, sobald die Bruch-Membran lädiert wird (⊡ Abb. 18.3). Aufgrund der langsam progredienten Atrophie der Makula vor der Transplantation ist eine Sehverbesserung im Allgemeinen ausgeschlossen. Eine exzentrische Fixation kann durch Transplantation nicht auf zentrale Fixation zurückgeführt werden. Wenn aber »nur« Stabilisierung möglich ist, dann ist der Eingriff nur sinnvoll, wenn noch ein erhaltenswerter Sehrest vorhanden ist. Der beste Zeitpunkt mit Rücksicht auf die Komplikationsrate ist der drohende Verlust der Lesefähigkeit ohne Lupenvergrößerung. Der Leidensdruck des Patienten ist in diesem Stadium noch gering, besonders wenn zunächst nur ein Auge betroffen ist. Trotzdem ist das Risiko iatrogener Sehverschlechterung aufgrund der o. g. operationstechnischen Risiken mit 30% hoch [17]. All diese Überlegungen erschweren im Einzelfall eine Empfehlung für den Eingriff. Die eigenen Ergebnisse und die Erfahrungen der Londoner Gruppe mit Transplantationen bei geographischer Atrophie und Makuladystrophie [18] lehren uns, dass selbst geglückte Operationen (stabiler Visus) die Patienten weniger zufrieden stellen als bei exsudativer AMD. Zum einen, weil die Kranken präoperativ keinen raschen Sehverlust erinnern (weniger
c
⊡ Abb. 18.2a–c Pigmentepithel-Aderhauttranslokation bei trockener AMD. a,b In diesem Falle wurde angestrebt, die Bruch-Membran nicht zu eröffnen. Der Patient nimmt postoperativ ein dunkles Zentralskotom war. a In der ICG-Angiographie stellen sich 6 Monate postoperativ keine Gefäße dar. Das Transplantat erscheint als schwarzes Rechteck. Darunter sind die ortsständigen Aderhautgefäße in einer Zone von Pigmentblattatrophie erkennbar. b Die Autofluoreszenz des Transplantates ist trotz fehlender Revaskularisation auch 6 Monate postoperativ erhalten. c ICG-Angiographie eines perfundierten Transplantates aus einem anderen Fall zum Vergleich mit a
18
290
Kapitel 18 · Chirurgische Therapie
⊡ Abb. 18.3a,b Pigmentepithel-Aderhauttranslokation bei trockener AMD. a,b Fluoreszein- und ICG-Angiographie einer CNV am linken unteren Rand eines Pigmentepithel-Aderhaut-Transplantates. Die Komplikation entstand postoperativ bei trockner AMD. Die Gefäßneubildung signalisiert, dass eine geographische Atrophie mit einem klinisch relevanten VEGF-Spiegel im Auge einhergehen kann. Erst die intraoperative Läsion der Bruch-Membran ermöglicht den Übergang in eine exsudative Verlaufsform. Da die CNV am Rand des Transplantates und somit extrafoveal liegt, kann sie konventionell thermolaserkoaguliert werden
a
Leidensdruck), zum anderen, weil die vielen Mühen auf ärztlicher wie Patientenseite das Sehvermögen bestenfalls auf einem Niveau zementieren können, das bereits präoperativ als unbefriedigend erlebt wird.
18.5.5
18
Makuladystrophien
Makuladystrophien (zentrale areoläre Dystrophie, Stargardt-Syndrom) sind so definiert, dass der genetische Defekt die Funktion der Netzhaut direkt betrifft, z. B. das ATP-bindende Kassettenprotein bei Morbus Stargardt. Es macht also bereits theoretisch keinen Sinn, eine Pigmentepithel-Aderhaut-Transplantation zu erwägen. Wenn das trotzdem im Einzelfall versucht worden ist, dann aus folgenden Gründen: ▬ Der Pathomechanismus ist unklar, zumindest in so weit, dass man sich den begleitenden Untergang des Pigmentepithels erklären könnte. Es müssten schon toxische Metaboliten aus der Netzhaut heraus entstehen, die das gesunde RPE schädigen. Unsere Kenntnisse der Gendefekte bei den Dystrophien der Makula sind noch unvollständig. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es parallel auch noch einen zweiten Schädigungsmechanismus isoliert im zentralen RPE gibt, der die Parallelität der Pathologie zur AMD erklärte. Unter dieser Hypothese wäre dann doch ein Pigmentepithelersatz durch peripheres RPE sinnvoll. Dabei ist fraglich, ob das Transplantat ähnliche Überlebenszeiten erzielen kann wie bei AMD. Die wenigen Augen weltweit, die bei Makuladystrophie, mit welcher Begründung auch immer, ein Pigmentepitheltransplantat erhalten haben, gilt es deshalb über lange Zeit zu beobachten ▬ Der Leidensdruck der Patienten ist hoch, weil sie im Mittel jünger sind als AMD-Patienten. ▬ Die Pigmentepithelatrophie unterscheidet sich morphologisch nicht von dem Aspekt der trockenen AMD.
b
Fazit
▬ Wir werden auf absehbare Zeit keine atrophische Makula regenerieren können. Es gilt deshalb mit komplikationsarmen chirurgischen Techniken frühzeitig zu intervenieren, solange noch ein erhaltenswertes Sehniveau vorhanden ist. ▬ Die Makulatranslokation konnte erstmals zeigen, dass die Prognose der AMD verbessert werden kann, wenn man die Makula mit intaktem oder weniger erkranktem Pigmentepithel unterfüttern kann. Die Nebenwirkungen und die Komplexität der Makulatranslokation lassen nach alternativen Techniken suchen. Die guten funktionellen Ergebnisse lassen einige Operateure bis heute an der Technik festhalten. ▬ Das freie Transplantat aus RPE und Aderhaut aus der Peripherie des erkrankten Auges werden unter der Makula reperfundiert und im Allgemeinen funktionell erhalten, sofern Nachblutungen keine fibrotische Abkapselung induzieren. Bei exsudativer AMD sind die funktionellen Ergebnisse über einen paramakulärem Zugang zum subretinalen Raum vergleichbar mit denjenigen nach Makulatranslokation. ▬ Man wird die chirurgische Alternative immer nur dann anbieten, wenn risikoärmere konservative Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Mögliche Indikationen sind der »Non-Responder«, Pigmentepithelrupturen, massive subretinale Blutungen und eventuell die trockene AMD.
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291 Literatur
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18
V
V
Rehabilitation
19
Lesefähigkeit bei AMD – 295 S. Trauzettel-Klosinski
20
Vergrößernde Sehhilfen bei AMD – 305 K. Rohrschneider
19
Lesefähigkeit bei AMD S. Trauzettel-Klosinski
19.1
Einleitung
– 296
19.2
Physiologische Grundlagen – 296
19.3
Der Lesevorgang beim Zentralskotom – 297
19.3.1 19.3.2 19.3.3 19.3.4
Das Lesegesichtsfeld in Bezug zu anderen Parametern Bedeutung des Fixationsverhaltens – 298 Beurteilung des Fixationsverhaltens – 299 Motorik – 300
19.4
Methoden zur Untersuchung der Lesefähigkeit – 300
19.5
Rehabilitationsansätze zur Verbesserung der Lesefähigkeit – 301 Literatur
– 297
– 302
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
296
Kapitel 19 · Lesefähigkeit bei AMD
Kernaussagen ▬ Lesen ist eine wesentliche alltagsrelevante Funktion.
▬ Der Verlust der Lesefähigkeit bei AMD bedeutet eine starke Minderung der Lebensqualität.
▬ Mit geeigneten Anpassungsstrategien (exzentrischer Fixation) und Rehabilitationsmaßnahmen (Sehhilfen und Training) kann bei AMD-Patienten die Lesefähigkeit in den meisten Fällen erhalten oder wieder gewonnen werden. ▬ Zur spezifischen Diagnostik stehen standardisierte Methoden zur Verfügung.
19.1
Einleitung
Der Verlust der Lesefähigkeit wird von Patienten mit AMD als wesentlichste Beeinträchtigung erlebt. Die Lesefähigkeit ist von großer Bedeutung für eine selbständige Lebensführung und die allgemeine Lebensqualität. Der Erhalt der Lesefähigkeit ist deshalb ein Schwerpunkt der Rehabilitation der Patienten mit AMD. Wegen der Zunahme der AMD wird der Bedarf an Rehabilitationsmaßnahmen in den nächsten Jahren weiter steigen [10, 18, 25]. Lesen ist weder ein Buchstabieren noch das ganzheitliche Erfassen eines Textes. Beim Lesen handelt es sich um einen komplexen sensomotorisch-kognitiven Vorgang, der durch verschiedene Faktoren gestört werden kann, vor allem durch zentrale Gesichtsausfälle. Umgekehrt kann er auch durch gezielte Maßnahmen verbessert werden.
Lesefähigkeit bedeutet ▬ Unabhängigkeit ▬ Kommunikation ▬ Partizipation am gesellschaftlichen Leben ▬ Geistige Mobilität ▬ Lebensqualität
19.2
19
Physiologische Grundlagen
Das zum Lesen benutzte Netzhautareal umfasst nur wenige Quadratmillimeter, es ist jedoch in überproportionaler Weise in der primären Sehrinde repräsentiert. Die zentralen 10° (Durchmesser) des Gesichtsfeldes, die etwa 2% des gesamten Gesichtsfeldes ausmachen, nehmen fast 50% der primären Sehrinde in Anspruch [9].
Die Sehschärfe nimmt mit zunehmender Exzentrizität rasch ab (⊡ Abb. 19.1). Für das Erkennen von Zeitungsdruck in 25 cm ist ein Auflösungsvermögen von ca. 0,4 erforderlich. Dieser Visuswert findet sich etwa am Rande der Fovea. Da während einer Fixation stets ein ganzer Buchstabenkomplex erfasst wird, ist ein Lesegesichtsfeld von einer bestimmten Mindestausdehnung erforderlich, je 2° nach links und rechts des Fixationspunktes und je 1° nach oben und unten [2]. Dieses Mindestlesegesichtsfeld entspricht etwa dem von Legge beschriebenen »visual span« [11] und dem Buchstabenerkennungsbereich von Rayner [21]. Seine Größe stimmt ziemlich genau mit der Ausdehnung der Fovea überein. Deshalb ist die Sehschärfe allein kein Maß für die Lesefähigkeit, da bei deren Prüfung jeweils nur eine Optotype erkannt werden muss (⊡ Abb. 19.1). Der Bereich der Lesefähigkeit wird also einerseits limitiert durch das Auflösungsvermögen des benützten Netzhautareals, andererseits durch seine Mindestausdehnung, dem minimalen Lesegesichtsfeld. Das gesamte Perzeptionsareal während einer Fixation, im folgenden »Lesegesichtsfeld« genannt, kann diesen Mindestbereich jedoch wesentlich überschreiten und bis 5° (oder 15 Buchstaben) in Leserichtung betragen [14].
⊡ Abb. 19.1 Sehschärfe in Abhängigkeit vom Netzhautort. Mit zunehmender Exzentrizität nimmt der Visus rasch ab. Für das Lesen von Zeitungsdruck in 25 cm ist etwa ein Visus von 0,4 erforderlich. Dieser Visuswert befindet sich etwa am Rande der Fovea. Da während einer Fixation stets ein ganzer Buchstabenkomplex wahrgenommen wird, ist zum Lesen auch eine Mindestausdehnung eines Lesegesichtsfeldes (je 2° nach rechts und links des Fixationsortes) erforderlich. Hierdurch wird auch deutlich, dass mit der Messung der fovealen Sehschärfe nur ein Einzeloptotypen-Visus bestimmt wird und keine Aussage über die Lesefähigkeit erfolgen kann. Der Bereich der Lesefähigkeit ist einerseits limitiert durch die Mindestausdehnung des Lesegesichtsfeldes (4°), andererseits durch das Auflösungsvermögen. (Modifiziert nach [26, 29])
297 19.3 · Der Lesevorgang beim Zentralskotom
⊡ Abb. 19.2 zeigt ein Fundusbild, das mit einem Scanning-Laser-Ophthalmoskop (SLO) erstellt wurde und in das verschiedene morphologische und funktionelle Daten eingezeichnet sind: die Größenverhältnisse von Foveola und Fovea, die Sehschärfe und die Zapfendichte in Abhängigkeit von der Exzentrizität. Sie nimmt mit ihrem steilen Abfall einen ähnlichen Verlauf wie die Visuskurve. Das Rechteck bezeichnet die Mindestgröße des Lesegesichtsfelds. Um von einem Buchstabenkomplex zum nächsten zu gelangen, muss eine gezielte Augenbewegung durchgeführt werden. Die Augenbewegungen beim Lesen zeichnen sich durch eine regelmäßige Abfolge von Sakkaden und Fixationen aus, die bei der Registrierung ein typisches Treppenstufenmuster ergeben (⊡ Abb. 19.3).
19.3
Der Lesevorgang beim Zentralskotom
19.3.1
Das Lesegesichtsfeld in Bezug zu anderen Parametern
Das Lesegesichtsfeld in Bezug zum 30°-Gesichtsfeld (⊡ Abb. 19.4a). Links ist die erforderliche Mindestgröße
(bezogen auf Zeitungsdruck) eingetragen. Daraus wird verständlich, dass der Lesevorgang durch Gesichtsfeldausfälle im Zentrum erheblich gestört wird. In der Mitte ist ein Patient mit einem absoluten Zentralskotom dargestellt. Bei zentraler Fixation wird das Lesegesichtsfeld völlig vom Skotom verdeckt und somit funktionslos. Bei diesen Patienten kommt es aber meist zu einem sinnvollen Anpassungsvorgang (⊡ Abb. 19.4 rechts): Der Patient benutzt jetzt einen neuen Netzhautbezirk am Rande seines Skotoms. Dieses neue Lesegesichtsfeld wird nun zum Zentrum des Gesichtsfeldes. Dadurch wird das Skotom verlagert. Entsprechend wird der blinde Fleck verschoben. Er dient als Referenzskotom und zeigt das Ausmaß der Verschiebung. Das exzentrische Fixationsareal besitzt ein geringeres Auflösungsvermögen als eine gesunde Fovea. Das Lesegesichtsfeld in Bezug zum Fundus (⊡ Abb. 19.4b).
⊡ Abb. 19.2 Beziehung zwischen morphologischen und funktionellen Daten (in ein SLO-Fundusbild eingezeichnet ): Größenverhältnisse von Foveola und Fovea, Mindestgröße des Lesegesichtsfeldes (blaues Oval), Visus (gelbe Kurve) und Zapfendichte (schwarze Kurve) in Abhängigkeit von der Exzentrizität. (Modifiziert nach [26])
⊡ Abb. 19.3 Augenbewegungen beim Lesen (schematisch): Regelmäßige Folge von Sakkaden und Fixationen, Zeilenrücksprung zum Beginn der neuen Zeile. Dadurch entsteht ein typisches Treppenstufenmuster
Links die Normalsituation, in der Mitte und rechts ist die Makuladegeneration eingezeichnet. Die exzentrische Fixation stellt sich am Fundus umgekehrt dar: Fixation am unteren Rand des Skotoms bedeutet Fixation am oberen Rand der Läsion. (Der Begriff exzentrische Fixation wird hier für jede nicht foveolare Fixation verwendet, unabhängig davon, wie der Patient die Blickrichtung empfindet.) Das Lesegesichtsfeld in Bezug zum Text: (⊡ Abb. 19.4c). Links die Normalperson: Wegen der Sehschärfenfunktion wird der Text nur in dem markierten Bereich scharf gesehen. Mitte: Beim absoluten Zentralskotom und zentraler Fixation besteht keine Lesefähigkeit. Rechts: Bei exzentrischer Fixation wird eine gesunde Gesichtsfeldstelle am Rande des Skotoms benutzt. Dieses Areal wird nun zum neuen Zentrum des Gesichtsfeldes. Dadurch wird das Skotom verschoben. Der neue retinale Fixationsort am Rande des Skotoms hat allerdings nicht das ausreichende Auflösungsvermögen für Zeitungsdruck. Wird der Text vergrößert dargeboten, ist Lesen wieder möglich. Die Mindestausdehnung des Lesegesichtsfelds vergrößert sich dabei entsprechend. Diese Situation – exzentrische Fixation plus Textvergrößerung – ist die Grundlage für die Wirksamkeit von vergrößernden Sehhilfen.
19
298
Kapitel 19 · Lesefähigkeit bei AMD
Bedeutung des Fixationsverhaltens
Fixation bezogen auf die Bulbusposition (⊡ Abb. 19.5).
19.3.2
In ⊡ Abb. 19.5 ist die exzentrische Fixation bezogen auf die Bulbusposition gezeigt. Fixation oberhalb der Läsion, d. h. unterhalb des Skotoms, bedeutet Verschiebung des Skotoms nach oben und Blickrichtung nach oben.
Patienten mit exzentrischer Fixation weisen bei der Verschiebung des Skotoms bevorzugte Richtungen auf: In eigenen Studien mittels SLO und Tübinger Handperimetrie verschoben ca. 80% der Patienten das Skotom nach oben
a
b
c
19
⊡ Abb. 19.4a–c Das Lesegesichtsfeld in Bezug zu anderen Parametern. a In Bezug zum 30°-Gesichtsfeld: Links: Mindest-Größe unter normalen Bedingungen. Mitte: Bei absolutem Zentralskotom und zentraler Fixation ist das Lese-Gesichtsfeld vom Skotom verdeckt und funktionslos. Rechts: Bei absolutem Zentralskotom und exzentrischer Fixation werden Zentralskotom und blinder Fleck verschoben. Das neue Lesegesichtsfeld liegt auf gesunder Netzhaut mit geringerem Auflösungsvermögen. b In Bezug zum Fundus: links die Normalsituation, Mitte: Makuladegeneration und zentrale Fixation, rechts: exzentrische Fixation am oberen Rand der Läsion entspricht Fixation am unteren Rand des Skotoms. c In Bezug zum Text: links: Normalsituation: Wegen der Sehschärfenkurve wird nur der markierte Text scharf gesehen. Mitte: bei absolutem Zentralskotom und zentraler Fixation besteht keine Lesefähigkeit. Rechts: Absolutes Zentralskotom und exzentrische Fixation: das neue Lesegesichtsfeld am Rande des Skotoms hat nicht das ausreichende Auflösungsvermögen zum Lesen von Zeitungsdruck. Bei Textvergrößerung wird Lesen wieder möglich. (Modifiziert nach [27])
299 19.3 · Der Lesevorgang beim Zentralskotom
und ca. 14% nach rechts [15, 27]. Ähnliche Werte für die bevorzugte Richtung der Fixationsverlagerung wurden auch von Aulhorn [3] anhand perimetrischer Untersuchungen gefunden. Dagegen berichteten andere Autoren über eine wesentlich häufigere Verschiebung nach rechts in bis zu 63% der Fälle [5, 6]. Der entsprechende retinale Fixationsort liegt also meist links oder oberhalb der Läsion, an beiden Augen somit im linken oberen Quadranten (⊡ Abb. 19.6). Dies sollte bei der Planung von netzhautchirurgischen Eingriffen berücksichtigt werden. Die Verschiebung des Skotoms in die obere Gesichtsfeldhälfte scheint die funktionell günstigste Situation zum Lesen zu sein, weil dann die Zeile frei ist und das untere Gesichts-
feld nicht bei der Orientierung auf der Seite beeinträchtigt ist. Die Wahl der Lokalisation eines exzentrischen Fixationsortes hängt nicht nur von der besten lokalen Auflösung am Rande des Skotoms ab, sondern auch von fokalen visuellen Aufmerksamkeitsmechanismen [1, 12]. ⊡ Abb. 19.7 zeigt das SLO-Fundusbild einer Patientin mit AMD. Der Text wird mit einer exzentrischen Netzhautstelle oberhalb der Läsion gelesen. Sie fixiert gerade das »i«. Die Patientin sieht dabei ein aufrechtes Bild. Bei inkomplettem absoluten Zentralskotom – einem Ringskotom – persistiert die zentrale Fixation, aber die zentrale Insel ist zu klein zum Lesen. Dies erklärt eine Diskrepanz zwischen Visus und Lesefähigkeit. Oft wird später wieder Lesefähigkeit erreicht, wenn auch die zentrale Insel funktionslos geworden ist und dann exzentrische Fixation möglich wird. Die Anwendung eines Trainings zur Benützung einer exzentrischen Netzhautstelle (»eccentric viewing training«) kann gelegentlich hilfreich sein [20]. Manche Patienten sind in der Lage, je nach Aufgabe den Fixationsort zu wechseln: Bei kleinen Stimuli, wie z. B. Einzeloptotypen, fixieren sie zentral, beim Lesen exzentrisch. Sie sind dann mit entsprechender Vergrößerung wieder lesefähig. Bei diesen Patienten besteht also eine Diskrepanz zwischen Visus und Vergrößerungsbedarf [27].
19.3.3 ⊡ Abb. 19.5 Darstellung der zentralen (links) und exzentrischen (rechts) Fixation in Bezug auf die Bulbusposition. Bei Geradeausblick fällt das Objekt genau in das Skotom, bei exzentrischer Fixation oberhalb der Läsion, d. h. unterhalb des Skotoms verschiebt sich die Blickrichtung und damit auch das Skotom nach oben, das Objekt wird wieder frei und mit einer exzentrischen Netzhautstelle gesehen
a
Beurteilung des Fixationsverhaltens
Die Fixation kann klinisch mit verschiedenen einfachen Methoden ermittelt werden: ▬ Mittels der Hornhautreflexe kann die Blickrichtung beurteilt werden. Bei Aufforderung des Patienten,
b
⊡ Abb. 19.6a,b Fixationsverlagerung bei exzentrischer Fixation. a Zusammengefasste Ergebnisse aus mehreren Studien: Meist findet sich eine Skotomverschiebung nach oben oder rechts, d.h. Fixation am unteren oder linken Rand des Skotoms [5, 6, 15, 27]. b Am Fundus liegt der exzentrische retinale Fixationsort entsprechend meist oberhalb oder links der Läsion, d. h. an beiden Augen im linken oberen Quadranten [27]
⊡ Abb. 19.7 SLO-Fundusbild einer Patientin mit AMD: Der Text wird mit einer exzentrischen Netzhautstelle oberhalb der Läsion gelesen. Sie fixiert gerade das »i«. Der Text erscheint für die Patienten im aufrechten Bild, nur für den Untersucher umgekehrt. Bei der Videoaufzeichnung kann die Bewegung der Fovea über den Text dargestellt werden
19
300
Kapitel 19 · Lesefähigkeit bei AMD
dem Untersucher direkt in die Augen zu sehen, richtet er seinen Blick z. B. an dessen Haaransatz (⊡ Abb. 19.5, rechts unten). ▬ Perimetrisch: Die Lage des blinden Flecks zeigt das Fixationsverhalten an. Die exzentrische Fixation lässt sich in einem sorgfältig untersuchten Gesichtsfeld erkennen. Zentralskotom und blinder Fleck sind dann verschoben. Bei der Handperimetrie lässt sich der verschobene blinde Fleck meist gut darstellen, bei automatischer Perimetrie fällt unter Umständen der » fehlende« (weil verschobene) blinde Fleck auf. Eine Verschiebung ist nur bei entsprechend dichtem Prüfpunktraster nachzuweisen. Bei wechselnden Fixationsorten kann man den blinden Fleck u. U. an zwei verschiedenen Orten perimetrieren. ▬ Im Fundusbild ist der Fixationsort mittels Fixationsobjekt im direkten Ophthalmoskop sichtbar.
Klinische Beurteilung der Fixation ▬ Blickrichtung: Hornhautreflexe ▬ Perimetrie: Lokalisation des blinden Flecks ▬ Fundusbild: Fixation des Fixationsobjektes im direkten Ophthalmoskop
19.3.4
Motorik
Die Fixationsstabilität spielt für das exzentrische Lesen eine wichtige Rolle. Unruhige Fixation wirkt sich ungünstig aus [4]. Bei der Registrierung der Augenbewegungen während des Lesens bei Patienten mit AMD finden sich veränderte Lesemuster infolge des sensorischen Defizits: Bei beginnender Makuladegeneration ist das Lesemuster im Prinzip noch erhalten, die Lesegeschwindigkeit vermindert, die Anzahl der Vorwärtssakkaden erhöht. Bei hochgradiger Makulopathie ist das Lesemuster nicht mehr regelmäßig. Die Lesegeschwindigkeit ist hochgradig herabgesetzt, die Anzahl der Vorwärts- und Rückwärtssakkaden stark erhöht [22, 26].
Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs. Eine einfache Untersuchung zur Prüfung der potenziellen Lesefähigkeit bei Zentralskotom ist die Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs. Dazu eignen sich spezielle Lesetafeln für Sehbehinderte (z. B. Zeiss-, MN-Read-Tafeln), mit denen direkt der Vergrößerungsbedarf (Vergrößerung im Vergleich zu normalem Zeitungsdruck) abgelesen werden kann. Die Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs ist Voraussetzung für die Wahl der vergrößernden Sehhilfe und die folgende Anpassung. Die Verwendung standardisierter Tafeln hat den Vorteil, dass man rasch beurteilen kann, ob durch Vergrößerung die Lesefähigkeit wieder hergestellt werden kann und wie viel Vergrößerung dazu notwendig ist. Messung der Lesegeschwindigkeit. Zur Messung der Lesegeschwindigkeit sollten standardisierte Lesetexte verwendet werden, bei denen ein ganzer Textabschnitt laut vorgelesen wird. Textabschnitte sind Einzelsätzen vorzuziehen, da sie eine genauere Messung der Lesegeschwindigkeit erlauben. Hierfür stehen standardisierte Texte zur Verfügung: 10 äquivalente Texte, die von ihrem Schwierigkeitsgrad und ihrer linguistischen Komplexität aufeinander abgestimmt sind. Diese 10 Texte stehen in 17 Sprachen zur Verfügung (International Reading Speed Texts IReST, www.amdread.net) [7, 28]. Die Texte sind für lautes Lesen konzipiert und geben über die Lesegeschwindigkeit hinaus noch Information über Fehler, Flüssigkeit und Verständnis beim lauten Lesen des Textes. Die Methode ist evidenzbasiert und ermöglicht eine standardisierte Erfolgsdokumentation bei therapeutischen oder rehabilitativen Interventionen. Parafoveale Kontrastsensitivität. Diese kann einfach und schnell mit dem Macular-Mapping-Test mit verschiede-
nen Kontraststufen ermittelt werden [8, 13]. Die Untersuchung ist gut für eine Verlaufskontrolle geeignet und kann auch bei der Früherkennung von parafovealen Defiziten hilfreich sein (⊡ Abb. 19.8) [8]. Zentrales Gesichtsfeld. Gesichtsfeldausfälle im zentralen Bereich, also im Bereich des Lesegesichtsfeldes, führen zu Lesestörungen. Außerdem gibt die Position des blinden Flecks Auskunft über das Fixationsverhalten. Fixationsverhalten. Die Kenntnis des Fixationsverhaltens
19.4
19
Methoden zur Untersuchung der Lesefähigkeit
Bestimmung der Sehschärfe für Ferne und Nähe, der Refraktion und der Akkommodation. Diese Untersuchun-
gen sind Voraussetzung für die spätere Ermittlung von vergrößernden Sehhilfen.
(zentral oder exzentrisch) ist vor allem dann wichtig, wenn eine Diskrepanz zwischen gutem Visus und schlechter Lesefähigkeit besteht, wie z. B. beim Ringskotom. Augenbewegungsregistrierung. Für wissenschaftliche Studien kann die Messung der Augenbewegungen während des Lesens zusätzliche wertvolle Informationen über die Lesestrategie vermitteln [22, 26].
301 19.5 · Rehabilitationsansätze zur Verbesserung der Lesefähigkeit
⊡ Abb. 19.8 Zur Bestimmung der parafovealen Kontrastempfindlichkeit kann der Macular-Mapping-Test [8, 13] eingesetzt werden. Dieser besteht aus einer Erkennungsaufgabe im 8° Gesichtsfeld (Radius) in verschiedenen Positionen und Kontraststufen. Links: Ein Wagenrad dient als Fixationsobjekt. Die Buchstaben müssen erkannt werden. Rechts: Der Befund zeigt richtig erkannte Stimuli (weiß), entdeckte aber nicht erkannte Stimuli (grau) sowie nicht entdeckte Stimuli (schwarz). Der Test ist geeignet für eine subtile Verlaufskontrolle und kann auch bei der Früherkennung der AMD hilfreich sein [8]
19.5
Rehabilitationsansätze zur Verbesserung der Lesefähigkeit
Die Rehabilitation hat das Ziel, die Restfunktion zu optimieren und dabei kompensatorische Vorgänge zu fördern. Zur Verbesserung der Lesefähigkeit steht eine große Palette an vergrößernden Hilfsmitteln zur Verfügung ( Kap. 4). In einer eigenen Studie über 835 AMD-Patienten war bei 94 % eine Verbesserung der Lesegeschwindigkeit durch die Anpassung vergrößernder Sehhilfen zu erreichen. Die durchschnittliche Verbesserung betrug 45 Wörter pro Minute (⊡ Abb. 19.9) [16, 19].
Rehabilitationsziele ▬ Optimierung der Restsehfunktion ▬ Lesefähigkeit, Orientierungsfähigkeit ▬ Unabhängigkeit, geistige Mobilität, Lebensqualität Rehabilitationsmaßnahmen bei Lesestörungen ▬ Sehhilfen ( Kap. 20) – Vergrößernd, kontrastverstärkend – Beleuchtung ▬ Training – Handhabung der Sehhilfen (unerlässlich!) – Spezifisches Lesetraining; sensorisch und motorisch (empfehlenswert) – Nutzung des besten retinalen Fixationsortes: »eccentric viewing training« (umstritten) ▬ Sozialberatung
Eine weitere unerlässliche Maßnahme ist das Training zur Handhabung der Sehhilfen. Zusätzlich kann die Lesegeschwindigkeit durch spezifisches Lesetraining mit Computertrainingsprogram-
⊡ Abb. 19.9 Lesegeschwindigkeit vor Anpassung von vergrößernden Sehhilfen in Wörtern pro Minute (Abszisse) im Vergleich zur Lesegeschwindigkeit nach der Anpassung (Ordinate), bei 835 AMD-Patienten. Bei 94% der Patienten trat eine Verbesserung ein. Sie betrug im Durchschnitt 45 Wörter pro Minute. (Modifiziert nach [16]).
men verbessert werden, wie wir in einer randomisierten kontrollierten Studie bei Patienten mit Zentralskotom bei juveniler Makulopathie Stargardt zeigen konnten [17]. Die Patienten konnten dabei ihre Lesegeschwindigkeit zusätzlich um durchschnittlich 20 Wörter pro Minute steigern und konnten die am PC neu erlernte Strategie auch im Alltag beim Lesen von Schwarzdruck auf Papier anwenden. Über das Antrainieren eines exzentrischen Netzhautortes gibt es trotz positiver Berichte [20] eine kontroverse Diskussion [23].
19
302
Kapitel 19 · Lesefähigkeit bei AMD
Literatur Voraussetzungen für Lesefähigkeit bei AMD ▬ Sensorisch – Ausreichende Größe des Lesegesichtsfeldes und des Auflösungsvermögens des zum Lesen benützten Netzhautareals. Bei exzentrischer Fixation kann das mangelnde Auflösungsvermögen durch Textvergrößerung kompensiert werden ▬ Motorisch – Stabile Fixation und regelmäßige Augenbewegungen beim Lesen ▬ Allgemein – Motivation – Kognitive Leistungsfähigkeit – Manuelle Fertigkeiten
Fazit Der Verlust der Lesefähigkeit ist die schwerwiegendste funktionelle Auswirkung bei der AMD. Die Lesefähigkeit ist aber von entscheidender Bedeutung für die Selbständigkeit und die Lebensqualität. Die Voraussetzungen für die Lesefähigkeit bei AMD betreffen drei Bereiche: ▬ Sensorisch: Die beste Voraussetzung für die Effektivität einer vergrößernden Sehhilfe ist ein bevorzugter exzentrischer Fixationsort von ausreichendem Auflösungsvermögen und ausreichender Größe des Lesegesichtsfeldes. ▬ Motorisch: Eine stabile Fixation und reguläre Augenbewegungen wirken sich günstig aus. ▬ Allgemein: Von großer Bedeutung sind die Motivation des Patienten und seine kognitive Leistungsfähigkeit. Auch die manuellen Fertigkeiten bei der Benützung von Sehhilfen oder von Trainingssoftware spielen eine Rolle.
19
Zur Untersuchung der Lesefähigkeit stehen standardisierte Testmethoden zur Verfügung. Die Bestimmung des Visus ist für die Beurteilung nicht ausreichend, da dabei nur das Erkennen von Einzeloptotypen ermittelt wird. Die Kenntnis des zentralen Gesichtsfeldbefundes und des Fixationsortes sind vor allem bei Patienten mit Ringskotom, die eine Diskrepanz zwischen gutem Visus und hohem Vergrößerungsbedarf aufweisen, wichtig. Die Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs ist von entscheidender Bedeutung für die weitere Rehabilitation. Die Messung der Lesegeschwindigkeit mit standardisierten Texten ermöglicht eine quantitative, evidenzbasierte Untersuchung zur Diagnostik, Verlaufskontrolle und Erfolgsdokumentation bei therapeutischen und rehabilitativen Interventionen. Die Rehabilitation ist bei AMD sehr erfolgreich und ermöglicht eine Verbesserung der Lesefähigkeit bei den meisten Patienten.
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19
20
Vergrößernde Sehhilfen bei AMD K. Rohrschneider
20.1
Definition der Sehbehinderung und rechtliche Grundlagen – 306
20.2
Auswirkung der Sehbehinderung bei AMD – 306
20.3
Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs – 307
20.4
Vergrößerungsmöglichkeiten
20.5
Optisch vergrößernde Sehhilfen für die Ferne – 308
20.6
Optisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe – 309
20.7
Elektronisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe – 313
20.8
Elektronische Vorlesegeräte – 315
20.9
Ergänzende Hilfsmittel – 315
– 308
20.10 Besonderheiten bei der Versorgung mit vergrößernden Sehhilfen – 316 20.11 Grundlagen der Verordnung – 317 Literatur
– 317
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
306
Kapitel 20 · Vergrößernde Sehhilfen bei AMD
Kernaussagen ▬ Die altersabhängige Makuladegeneration führt
▬ ▬
▬ ▬
▬ ▬
20.1
20
infolge eines Zentralskotoms zu einem Verlust der Lesefähigkeit, es kommt aber niemals zu einer vollständigen Erblindung. Die Anpassung vergrößernder Sehhilfen basiert auf einer umfassenden Visusbestimmung inklusive Ermittlung des Vergrößerungsbedarfs. Neben einer Vielzahl an optischen Hilfsmitteln wie Lupen, Lupenbrillen und Fernrohrsystemen kommen mit fortgeschrittener Funktionseinschränkung vor allem Bildschirmlesegeräte zum Einsatz. Inzwischen sind auch handgehaltene elektronische Hilfsmittel verfügbar. Eine wichtige Rolle spielt für den älteren Sehbehinderten das Fernsehen, hier hilft oft schon eine Verkürzung des Abstandes oder ein größerer Fernseher. Ergänzende Hilfsmittel wie Lesepult oder Beleuchtung sind sehr wichtig. Die ophthalmologische Rehabilitation Sehbehinderter ist zeitaufwendig und erfordert Erfahrung. In den meisten Fällen gelingt es jedoch, mit einfachen Hilfsmitteln die Lesefähigkeit zu erhalten und so die Selbständigkeit zu sichern.
Definition der Sehbehinderung und rechtliche Grundlagen
»Sehschädigung« wird allgemein als der übergeordnete Begriff für jede Beeinträchtigung des visuellen Systems nach bestmöglicher Korrektur mit Brillengläsern oder Kontaktlinsen verstanden. Der Grad einer Sehschädigung ist abhängig von der Ursache und dem Sitz der Augenerkrankung. Er wird primär durch das Ausmaß der Sehschärfeminderung für die Ferne bestimmt, obwohl andere Funktionseinschränkungen mit berücksichtigt werden müssen. Es gibt in den verschiedenen Ländern zahlreiche Definitionen von Sehbehinderung oder Blindheit, so dass es nicht möglich ist, eine allgemein anerkannte Definition zu geben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Klassifikation anhand der Sehschärfe, vergleichbar mit der deutschen Einteilung veröffentlicht: Kategorie 1 und 2 definiert leichte und mäßige Sehbehinderung mit einer Sehschärfereduktion auf weniger als 0,3 oder 0,1 (6/18, 6/60) (⊡ Tab. 20.1) [7]. Blindheit liegt ab einer Sehschärfe von 0,05 (1/20, WHO Kategorie 3) vor, im Gegensatz zur deutschen Definition der gesetzlichen Blindheit bei einer
Sehschärfe von 1/50 oder weniger (WHO Kategorie 4). Jedoch werden Menschen in anderen Ländern wie den USA bereits ab einer Sehschärfe von 0,1 auf dem besseren Auge als gesetzlich blind betrachtet. Nach der Eingliederungshilfe (§ 53 SGB XII) erhalten Personen, die durch eine Behinderung wesentliche in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, oder davon bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe. In §1 Satz 1 Nr. 4 EingliederungshilfeVO (§60 SGB XII), zuletzt geändert am 27.12.2003, wird spezifiziert, dass dies neben den Blinden für Personen zutrifft, »bei denen mit Gläserkorrektur ohne besondere optische Hilfsmittel ... auf dem besseren Auge oder beidäugig im Nahbereich bei einem Abstand von mindestens 30 cm oder im Fernbereich eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,3 besteht oder ... Störungen der Sehfunktion von entsprechendem Schweregrad vorliegen.« Dabei ist die Sehschärfe in der Ferne natürlich nicht alleiniger Maßstab der Sehbehinderung. So sind vor allem die Lesefähigkeit, das Gesichtsfeld, das Dämmerungssehen, die Kontrastsehschärfe und der Farbsinn mit zu berücksichtigen. Bei der Versorgung älterer Sehbehinderter sind besonders die Sehschärfe in der Nähe und die Lesefähigkeit, das Gesichtsfeld und die Blendungsempfindlichkeit relevant. Bezüglich der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Krankenkasse gelten das Sozialgesetzbuch V und damit verbundene Verordnungen. Seit 2004 werden Sehhilfen bei Erwachsenen nur noch ersetzt, sofern mindestens eine Sehbehinderung gemäß Grad 1 WHO vorliegt, d. h. am besseren Auge eine Sehschärfe von 0,32 oder weniger oder eine Gesichtsfeldeinengung auf 10° bestehen (⊡ Tab. 20.1). Der Grad der Behinderung (GdB) oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) können entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) festgestellt, und gegebenenfalls eine Anerkennung als Schwerbehinderter beantragt werden. Ab einem Behinderungsgrad von 70 besteht u. a. Anspruch auf eine Begleitperson [3].
20.2
Auswirkung der Sehbehinderung bei AMD
Die Funktionsschädigung bei altersabhängiger Makuladegeneration (AMD) besteht in einem zentralen Gesichtsfeldausfall, so dass vor allem das Erkennen und damit das Lesevermögen eingeschränkt ist oder verloren geht. Das periphere Gesichtsfeld mit herabgesetztem Auflösungsvermögen dient der räumlichen Orientierung und der Bewegungswahrnehmung. Bei Patienten mit AMD bleibt
307 20.3 · Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs
⊡ Tab. 20.1 Grad der Sehschädigung, gemessen an der bestkorrigierten Sehschärfe für die Ferne im Vergleich zu der WHO Klassifikation. Zu beachten ist, dass letztere isoliert ein Auge berücksichtigt, während ansonsten die beidäugige Funktion berücksichtigt wird Einstufung
Bestkorrigierte Sehschärfe 1. Auge
Bestkorrigierte Sehschärfe 2. Auge
I
Volle Sehtüchtigkeit
1. Auge mindestens 1,0
2. Auge mindestens 0,5
IIa
Gröbere einseitige Sehschädigung
1. Auge mindestens 1,0
2. Auge 0,3 und weniger
IIb
Mäßige beidseitige Sehschädigung
1. Auge 0,9–0,4
2. Auge 0,9–0,4
III
Sehbehinderung (GdB mindestens 30, WHO Grad 1)
1. Auge 0,3–0,075 (1/15)
2. Auge 0,3 und weniger
IV
Hochgradige Sehbehinderung (nach DOG) (WHO Grad 3)
1. Auge 0,05 (1/20) bis 0,03 (1/35)
2. Auge 0,05 (1/20) und weniger
V
Blindheit oder der Blindheit gleichzustellen (WHO Grad 4)
Beidäugig 0,02 (1/50) und weniger
VI
Fehlende Lichtscheinwahrnehmung (WHO Grad 5)
diese räumliche Orientierung zeitlebens erhalten. Das noch vorhandene Bewegungssehen ermöglicht ein freies Bewegen in der Wohnung, in der gewohnten Umgebung und unter Anleitung nach einigen Trainingseinheiten auch im weiteren Umfeld. Patienten mit AMD erblinden nicht vollständig, die Orientierung bleibt erhalten. Sich an die Nutzung des nur noch peripheren Gesichtsfeldes zu gewöhnen, dauert unterschiedlich lang. Bedeutsam sind in dieser Zeit Beratungsgespräche hinsichtlich Diagnose und Auswirkung der Sehbehinderung, Wiedererlangung der Selbständigkeit und Verwendung möglicher Hilfsmittel. Es muss von Seiten des Sehbehinderten der Wunsch vorhanden sein, die Hilfsmittel kennenzulernen, das vorgeschlagene Hilfsmittel zu akzeptieren und auch zu benutzen. Dazu sind vor allem bei älteren Sehbehinderten große Einsicht, Geduld und ein erheblicher Zeitaufwand erforderlich. Der ältere Sehbehinderte wird oft nur mit großer Mühe akzeptieren, dass er auf Hilfsmittel angewiesen ist, wenn medikamentöse und operative Maßnahmen keinen Erfolg bringen. Die Akzeptanz der Sehbehinderung nimmt mit zunehmendem Alter einen größeren Zeitraum ein. Der Augenarzt nimmt bei der Aufklärung ergänzend zu den therapeutischen Maßnahmen eine wichtige Position ein, indem er dem älteren Sehbehinderten die Angst vor der Erblindung nimmt, ihn den Sehrest positiv erleben lässt und ihn in der Motivation unterstützt, weiterhin aktiv und selbständig zu sein und die Hilfsmittel zu nutzen [2, 4, 10]. Bei einem Patienten mit AMD ist das Sehvermögen für Ferne und Nähe herabgesetzt. In den unterschiedlichsten Entfernungen können Gegenstände nicht mehr fixiert, Ampeln, Busnummern, Straßenschilder sowie Ge-
sichter nicht erkannt werden. Die wesentliche Beeinträchtigung stellt jedoch der Verlust der Lesefähigkeit dar. Die Überschrift in der Zeitung kann gelesen werden, nicht aber der dazugehörige Text. Das Lesen der täglichen Post, der Fernsehzeitung, der Rechnungen und Bankauszüge und das Ausfüllen von Formularen sind meist nicht mehr möglich. Ein herabgesetztes Sehvermögen in der Nähe wirkt sich auch im Haushalt, beim Einkaufen oder beim Ausüben bestimmter Hobbys aus. Die zunehmende Überalterung der Bevölkerung bewirkt, dass zunehmend mehr Sehbehinderte in höheren Altersstufen versorgt werden müssen [11]. Mit den optisch und elektronisch vergrößernden Sehhilfen ist ein gewisser Grad der Selbständigkeit zu erreichen. Vorteil ist, dass ein vielfältiges Angebot an Hilfsmitteln zur Verfügung steht und somit auch eine Versorgung für die verschiedenen und unterschiedlichen Sehaufgaben ermöglicht wird [4, 9, 10].
20.3
Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs
Lesetexte müssen dem herabgesetzten Auflösungsvermögen und der Größe des Zentralskotoms angepasst werden, d. h. der Lesetext muss entsprechend vergrößert werden. Den erforderlichen Vergrößerungsfaktor ermittelt man in den meisten Fällen ganz einfach durch entsprechende Lesetexte. Besonders eignen sich für diese Prüfungen spezielle Lesetafeln (Nahsehproben für Sehbehinderte) z. B. von Keeler, Schweizer oder Zeiss, mit denen die Lesefähigkeit in 25 cm Abstand geprüft wird. Es werden Texte in Zeitungs-
20
308
Kapitel 20 · Vergrößernde Sehhilfen bei AMD
druck in 1,25- bis 20-facher Vergrößerung angeboten. Der Vergrößerungsbedarf kann dann direkt abgelesen werden. Zusätzlich muss das abnehmende Akkommodationsvermögen berücksichtigt werden und mit einem entsprechenden Nahzusatz ausgeglichen werden. Zur Bestimmung des Leseauges ist eine monokulare Messung notwendig. Ausschlag gebend ist weiterhin, dass zusammenhängende Texte gelesen werden. Die isolierte Prüfung des Fernvisus mit Einzeloptotypen testet nur die zentrale Funktion und gibt keine ausreichende Information über die Lesefähigkeit. Das Erkennen nur einzelner Buchstaben spricht gegen die Anpassung einer vergrößernden Sehhilfe speziell zum Lesen von Texten. Können aufgrund des Gesichtsfelds nur einzelne Buchstaben erkannt werden, kann maximal ein buchstabierendes Lesen erreicht oder das Hilfsmittel zum Erkennen von Zahlen, z. B. beim Einkaufen, benutzt werden.
20.4
Vergrößerungsmöglichkeiten
Es stehen grundsätzlich drei Möglichkeiten der Vergrößerung zur Verfügung: ▬ Die einfachste Art der Vergrößerung erfolgt über die Annäherung an den Text. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn das Akkommodationsvermögen ausreicht, also nur bei Kindern und Jugendlichen. Daneben können auch höher myope Patienten ohne Fernkorrektur eine solche Annäherung erreichen. ▬ Die zweite Möglichkeit besteht in der Vergrößerung der Texte, Bücher in Großdruck, sog. Großdruckbücher, werden von vielen Verlagen im Handel angeboten. Außerdem gibt es Photokopiergeräte, die ein stufenloses Vergrößern der Texte anbieten. Damit können Schulbücher, Vordrucke, wichtige Dokumente, auch Medikamentenhinweiszettel, Gebrauchsanleitungen für Geräte und Kochrezepte für den Sehbehinderten lesbar gemacht werden. ▬ Die dritte Art der Vergrößerung bietet eine vergrößernde Optik zwischen Text und Auge. Dies sind entweder Linsen mit positivem Brechwert wie Lupen, oder Ein- und Mehrstärkengläser, oder Systeme nach Galilei und Kepler, in spezielle Brillenfassungen eingearbeitet. Daneben stehen optoelektronische Systeme zur Verfügung. Um verschiedene vergrößernde Sehhilfen vergleichen zu können, ist die Angabe der Normalvergrößerung (V) hilfreich, die sich in vereinfachter Form bei Lupen aus dem Brechwert der Lupe (D) berechnen lässt:
20 V = D (dpt)/4
Dementsprechend ergibt sich eine zweifache Vergrößerung bei einer 8-dpt-Lupe oder durch Annäherung auf den halben Abstand verglichen mit der Bezugsentfernung von 25 cm. Umgekehrt ergibt sich der Leseabstand (L) als L = 1/D (dpt), gemessen in Metern. Diese Normalvergrößerung gilt aber nur unter bestimmten Bedingungen, die in der Praxis besonders für Lupen eigentlich nie eingehalten werden. So müssen der bildseitige Brennpunkt der Lupe und der vordere Hauptschnitt des Auges zusammenfallen, was bei Hand- oder Standlupen selten der Fall sein dürfte. Aus diesem Grunde wird die wirklich erreichbare Vergrößerung mit Lupen in der Regel geringer als die angegebene Vergrößerung sein und sich häufig lediglich im Bereich einer zweifachen Vergrößerung bewegen [6]. Da jede Vergrößerung zu einer Verkleinerung des überschaubaren Bildbereiches führt, muss das Sehfeld, d. h. der objektseitig im Blickfeld liegende Bereich ebenfalls mit berücksichtigt werden.
20.5
Optisch vergrößernde Sehhilfen für die Ferne
Für die Fernvergrößerung werden Ferngläser nach Galilei und Kepler eingesetzt. Das Galilei-Fernrohr hat ein Objektiv mit positivem und ein Okular mit negativem Brechwert. Damit werden aufrechte Bilder erzeugt (terrestrisches Fernrohr). Galilei-Fernrohre bieten eine Fernvergrößerung von etwa 2- bis 2,5-fach (Theatergläser). Beim Kepler-Fernrohr haben Objektiv und Okular positive Brechwerte. Das umgekehrte Bild muss durch ein Umkehrprisma wieder aufgerichtet werden. Seit es Anfang der 1970er-Jahre gelang, bildumkehrende, systemverkürzende Prismen nach Pechan oder Schmidt in Kleinbauweise herzustellen, gibt es das Kepler-Fernrohr in handlichem Format. Der wesentliche Vorteil des Kepler-Fernrohrs gegenüber dem Galilei-Fernrohr ist die höhere Fernvergrößerung von etwa 3,5- bis 4-fach. Die Versorgung des Sehbehinderten erfolgt vorwiegend monokular, da die Funktionsschädigung typischerweise deutlich seitendifferent auftritt. So wird nur das funktionell bessere Auge versorgt. Dabei ist das Monokular (Fernrohr) für den Sehbehinderten handlicher und schneller einsatzbereit. Die schwierige Binokulareinstellung entfällt. Außerdem ist bei älteren Sehbehinderten mit einer AMD nur selten ein Binokularsehen vorhanden. Die Monokulare sind von verschiedenen Firmen mit einer Fernvergrößerung von 2-, 3-, 4-, 6-, 8- und 10-fach im Handel und bieten eine
309 20.6 · Optisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe
variable Einstellung von 25 cm bis unendlich (Sehschärfebereich). ▬ Vorteile: Monokulare erhöhen die Selbständigkeit und unterstützen besonders die Mobilität. Sie ermöglichen das Erkennen von Objekten, z. B. von Ampeln und das Lesen von Hinweisschildern, Straßenschildern, Busnummern und Fahrplänen. Sie können eingesetzt werden bei Schaufensterbetrachtungen, Kunstausstellungen und in Museen. Bei Schülern erlauben sie die Erkennung der Tafelanschriften. ▬ Nachteile: Bei Kepler-Systemen ist nur bei Blick genau zentral ein Bild zu erkennen. Dies ist gerade für ältere Sehbehinderte oft schwierig. Auch kommen diese oft nicht mit der Einstellung zurecht, sie sind zu ungeduldig. So wird oft die Scharfeinstellung überdreht. Außerdem sind viele Sehbehinderte nicht in der Lage, ein Auge zuzukneifen. Bei großem Zentralskotom, ist es schwierig überhaupt den Durchblickspunkt zu finden. Sehr viel Zeit und eine ruhige Hand erfordert anschließend das Auffinden und Erkennen des gesuchten Sehobjektes. Empfehlung: Längere Erprobungen, Ausleihen eines Monokulars über einen gewissen Zeitraum, anfangs feste Entfernungseinstellung für eine bestimmte Sehaufgabe. Hilfsmittel zum Fernsehen. Neben der Tageszeitung und dem Rundfunk ist das Fernsehprogramm die wesentliche Informationsquelle für den älteren Sehbehinderten. Sein größter Wunsch ist eine Verbesserung des Fernsehbildes. In der Sprechstunde wird dies allerdings selten geäußert, man muss den Sehbehinderten also danach fragen und ist nicht selten erstaunt, dass dem älteren Sehbehinderten das Fernsehen wichtiger ist als das Lesen. Daher sollte auch hinsichtlich dieser Problematik eine Beratung stattfinden. Inzwischen ist aber auch allein durch die zunehmend großen Flachbild-Fernseher eine deutliche Vergrößerung des Bildes möglich. Weitere Möglichkeiten der Bildvergrößerung: ▬ Verkürzung des Sehabstands. Zunächst sollte dem älteren Sehbehinderten empfohlen werden, den Sehabstand zu verkürzen, d. h. sich dem Fernseher auf 3, 2 oder gar 1 m zu nähern. ▬ Optische Vergrößerungen. Seit langem werden große Fresnelscheiben angeboten, die, vor den Fernseher gestellt, das Fernsehbild ca. 1,5- bis 1,8-fach vergrößern. Sie haben sich im Laufe der Jahre leider nur bei wenigen bewährt, da der Kontrastverlust nicht unerheblich ist. ▬ Galilei-Systeme. Das Galilei-Fernrohrsystem ermöglicht eine Fernvergrößerung von 1,8- bis 2,8-fach. Einige dieser Fernrohrsysteme können auf eine Gebrauchsentfernung von 3, 2 oder 1 m eingestellt wer-
den, oder das auf unendlich eingestellte System kann durch Vorstecklinsen auf eine nähere Entfernung verändert werden. Auch eine binokulare Versorgung ist möglich. ▬ Telebrillen. Fertige Telebrillen sind im Handel und bieten eine 2- bis 4-fache Vergrößerung binokular. ▬ Kepler-Systeme. Die Kepler-Systeme mit einer Fernvergrößerung von 3,8-fach können ebenfalls auf eine Gebrauchsentfernung von 3, 2 oder 1 m eingestellt werden. Bei den Kepler-Systemen sollte sehr streng darauf geachtet werden, ob eine Binokularversorgung von Vorteil ist, da dann das Gewicht (88 g) nicht unerheblich ist. Ab einer 3-fachen Vergrößerung ist typischerweise nur noch ein Teil des Fernsehbildes sichtbar, dies schränkt die sinnvolle Nutzung ein. Vor der Anpassung ist eine Überprüfung des beidäugigen Sehens angezeigt, um herauszufinden, ob eine binokulare Versorgung von Vorteil ist. Bei der Verordnung eines optischen Systems muss die Gebrauchsentfernung exakt angegeben werden. Dazu ist es wichtig, dass der Sehbehinderte mit einem Metermaß genau den Abstand zu seinem Fernsehgerät abmisst, da er sich sonst leicht verschätzt.
20.6
Optisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe
Vergrößernde Hilfsmittel für die Nähe ▬ Großdruckbücher ▬ Vergrößernde Kopiergeräte ▬ Optisch vergrößernde Sehhilfen – Lupen – Handlupen – Standlupen – Aufsatzlupen – Leuchtlupen – Klapplupen – Umhängelupen – Kopflupen – Vorsteck-, Aufstecklupen – Standleuchtlupen – Ringleuchtlupen ▬ Lupenbrillen – Überkorrekturen – verstärkter Nahzusatz – Einstärkenglas – Hyperokular – Halbbrille – Zweistärkenlupenbrille ▼
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Kapitel 20 · Vergrößernde Sehhilfen bei AMD
▬ Systeme – Fernrohrlupenbrillen nach Galilei – Prismenlupenbrillen nach Kepler ▬ Elektronisch vergrößernde Sehhilfen – Bildschirmlesegeräte – Handgehaltene Lesegeräte
Ist in der Nähe die Vergrößerung durch Annäherung bei Abnahme der Akkommodationsbreite erschwert, kann dieses Akkommodationsdefizit bei älteren Sehbehinderten durch Linsen mit positivem Brechwert ausgeglichen werden. Die einfachste Lösung ist die Versorgung mit Lupenbrillen und Lupen. Lupenbrillen. Ein verstärkter Nahzusatz, auch als Über-
korrektur bekannt, wird ab 4,0 dpt als Lupenbrille bezeichnet (Abb. 20.1). Zweistärkenlupenbrillen. Brillen mit einem Nahzusatz von 6,0–16,0 dpt (1,5- bis 4-fache Vergrößerung) oder bis zu 36,0 dpt (9-fach) werden meist von jüngeren Patienten angenommen. ⊡ Abb. 20.1 Sehbehinderte mit Lupenbrille
Einstärkenlupenbrillen. Ältere Sehbehinderte bevorzu-
gen grundsätzlich ein größeres Sehfeld. Daher kommen bei Sehbehinderten mit AMD Einstärkengläser bis zu 16,0 dpt (4-fache Vergrößerung) sehr oft zum Einsatz (⊡ Abb. 20.1). Ein Vorteil der Lupenbrillen ist, dass bis zu einer 3-fachen Vergrößerung gleichzeitig ein eventuell vorhandener Astigmatismus korrigiert werden kann und sollte. Durch diese Zylinderkorrektur erfolgt eine Kontraststeigerung. Einstärkengläser ab 16,0 dpt gibt es als sog. Hyperokulare (asphärische Kunststoffgläser) bis zu 48,0 dpt (4- bis 12-fache Vergrößerung). Halbbrille. Bei vorhandenem Binokularsehen kann der
20
verstärkte Nahzusatz bis zu 12,0 dpt (3-fache Vergrößerung binokular) als Halbbrille mit Konvergenzprismen, Basis innen, verordnet werden. Als Grundregel wird die Stärke des Konvergenzprismas dabei auf jeder Seite um 2 Prismendioptrien stärker verordnet, als der Nahzusatz an sphärischen Dioptrien besitzt. Bei 2-facher Vergrößerung (8,0 dpt) müssen 10 Prismendioptrien Konvergenzprisma – Basis innen – an jeder Seite eingebaut werden. Inzwischen gibt es Fertigprodukte, von denen aber eher abzuraten ist. Nicht nur die Konvergenzprismen müssen individuell geprüft werden, auch die Pupillardistanz (PD) ist bei jedem Patienten unterschiedlich und beeinflusst die Konvergenz. Nach der Prentice-Regel tritt bei solch starken Brillen durch unterschiedliche PD ein wesentlicher prismatischer Effekt
auf. Dies kann die Konvergenzprismenstärke durchaus beeinflussen. ▬ Vorteile: Das Sehfeld ist relativ groß. Die Hände bleiben frei beweglich. Die Gläser aus Kunststoff sind leicht und die Brille selbst ist kosmetisch unauffällig. Ein weiterer Vorteil ist die Mobilität; die Brille kann überall hin mitgenommen werden. Die Einstärkengläser können auch als Halbbrille (kleinere Brillenfassung) mit Einstärkenglas für das Leseauge und Mattglas für das Gegenauge angeboten werden. ▬ Nachteile: Nachteil ist der geringe Leseabstand, der eingehalten werden muss. Dies ist für den älteren Sehbehinderten anstrengend und erfordert Konzentration. Ein Tremor der Hände darf nicht vorliegen. Die Versorgung mit einem Einstärkenglas kann nur monokular erfolgen. Das Brillenglas des Gegenauges muss mattiert werden oder zumindest 2/3 des Glases im unteren Bereich bei Fernkorrektur. So erfolgt bei Aufblick eine schnellere Orientierung im Raum Lupen. Das Angebot an Lupen – Linsen mit positivem
Brechwert – ist inzwischen sehr vielfältig. Wurden diese früher aus Glas und mit niedriger Vergrößerung (sog. Briefmarkenlupe) angeboten, so gibt es heute fast nur noch Lupen aus Kunststoff. Sie sind daher leichter und ermöglichen eine stärkere Vergrößerung. Dank der Entwicklung
311 20.6 · Optisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe
der letzten Jahrzehnte sind Lupen für viele unterschiedliche Sehaufgaben einzusetzen. Es ist wichtig, das große Angebot an Lupen und gleichzeitig die Bedürfnisse des Patienten zu kennen, um individuell, auf den Patienten abgestimmt die passende Lupe mit der entsprechend notwendigen Vergrößerung zur Erprobung auszuwählen. Es gibt Handlupen, Standlupen, Aufsatzlupen, Klapplupen, Umhängelupen, Kopflupen, Vorstecklupen, Aufstecklupen und Lupen mit Beleuchtung, sog. Leuchtlupen. Bei der Beleuchtungsart haben sich in den letzten Jahren die LED durchgesetzt. Damit ist die Benutzung, auch bei Verwendung von Akkus oder Batterien, sehr lange möglich. Lupen mit einer Regelektronik bieten eine individuelle stufenlose Helligkeitseinstellung. Eine Vergrößerung von 1,2- bis 20fach ist möglich. Je höher die Vergrößerung ist, umso kleiner ist allerdings der Ausschnitt des vergrößerten Bildes. Bei Sehbehinderten mit AMD sind Beratung und genaue Anamneseerhebung besonders zeitaufwendig: Hat der Sehbehinderte früher gern gelesen, hat er viel gelesen und wie ist er motiviert? Auch mit der besten Versorgung bleibt das Lesen mühsam und anstrengend. Dem Patienten ist zu verdeutlichen, dass ein flüssiges Lesen wie früher nicht zu erreichen ist. Daher möchte der ältere Sehbehinderte oft nur ein Hilfsmittel zum kurzzeitigen Lesen oder für eine bestimmte Sehaufgabe. Gerne werden Lupen auch als mobiles Hilfsmittel zusätzlich zum Bildschirmlesegerät genutzt. Entsprechend ist die Lupe auszusuchen. Hand-, Aufsatz-, Stand- und Leuchtlupen (⊡ Abb. 20.2 und ⊡ Abb. 20.3) können zum Lesen der täglichen Post, von Zeitungsausschnitten, Rundfunkprogramm, Bankauszügen, ja auch von Büchern benutzt werden. Vorstecklupen, Aufstecklupen (⊡ Abb. 20.4) und auch Umhängelupen helfen bei der Hausarbeit, in der Küche, bei der Maniküre oder ermöglichen wieder Würfel-, Brett- und Kartenspiele [9, 13]. Klapplupen oder Taschenleuchtlupen können hilfreich sein beim Einstellen von Herd und Waschmaschine oder auch unterwegs beim Lesen von Preisschildern, Speisekarten und Türschildern. Bei älteren Sehbehinderten, die eine hohe Vergrößerung benötigen, können Lupen mit bis zu 12-facher Vergrößerung kurzzeitig eingesetzt werden. Bei Leuchtlupen mit Batteriegriff sind die Lupenteile austauschbar; so können auf einfache Art verschiedene Vergrößerungen erreicht werden, um unterschiedliche Textgrößen zu lesen. ▬ Vorteile: Eine Lupe ist jederzeit leicht einzusetzen und relativ unauffällig. Sie wird von der Umgebung voll akzeptiert. Da die Lupen nicht platzaufwendig sind, können sie leicht mitgenommen werden. Außerdem sind sie nicht kostspielig und können in verschiedenen Ausführungen mit unterschiedlicher Vergrößerung verordnet werden.
⊡ Abb. 20.2 Handlupe (mit Beleuchtung)
⊡ Abb. 20.3 Standlupe (mit Beleuchtung)
⊡ Abb. 20.4 Brillenvorhänger – Aufstecklupe
▬ Nachteile: Nachteil der Handlupen ist, dass der Abstand zum Druck nicht immer fixiert ist. Ein Handtremor darf nicht vorhanden sein. Stand- und Leuchtlupen können aufgesetzt werden, sie müssen aber am Text mitgeführt werden und die führende Hand ermüdet somit schnell.
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Kapitel 20 · Vergrößernde Sehhilfen bei AMD
▬ Besonderheiten: Sehbehinderte mit altersabhängiger Makuladegeneration und leichten Medientrübungen kommen oft besser ohne Beleuchtung aus. Hier empfiehlt sich eine stufenlose Helligkeitsregelung. Bei einem großen Teil der Leuchtlupen kann durch einen kleinen Schalter am Lupengriff die Beleuchtung individuell gewählt werden. Wird von dem Sehbehinderten die Deckenbeleuchtung bevorzugt, so ist die Entspiegelung der Lupe zur Vermeidung störender Reflexe von Vorteil. Zu beachten ist, dass der Einsatz der Lupe unbedingt geübt werden muss. Dies erfordert Zeit und Geduld. Die richtige Handhabung einer Lupe ist aber dennoch unabdingbar. Oft hält der Sehbehinderte die Lupe z. B. in zu großem Abstand und verkleinert so den Ausschnitt zusätzlich. Werden Lupen selbst gekauft, so werden sie meist mit großem Ausschnitt und kleiner Vergrößerung ausgesucht. Lesefähigkeit kann aber nur mit der bei jedem Sehbehinderten individuell ermittelten Vergrößerung erreicht werden. Der Sehbehinderte muss also über die Größe des zentralen Ausfalls, über die Wichtigkeit des Vergrößerungsfaktors und über die Art des Lesens mit einem Hilfsmittel aufgeklärt werden. Darüber hinaus ist ein Üben der Benutzung anzuraten und für den dauerhaften Gebrauch sehr hilfreich.
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Fernrohrlupenbrillen. Sind die Lese- und Arbeitsabstände mit Lupe zu kurz, so bieten sich Systeme als Fernrohrlupen nach Galilei und Kepler zur Versorgung an. Fernrohre nach Galilei bieten eine Fernvergrößerung von 1,8- bis 2,5-fach. Aus diesen Fernrohrbrillen wird durch Aufstecken einer Linse mit positivem Brechwert eine Fernrohrlupenbrille (⊡ Abb. 20.5). Diese Fernrohrlupenbrillen nach Galilei werden schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts bei der Versorgung Sehbehinderter eingesetzt. Kepler-Ferngläser bieten eine 3,8-fache Fernvergrößerung und werden ebenfalls durch das Vorsetzen bzw. Aufstecken einer Linse mit positivem Brechwert zu einer Prismenlupenbrille nach Kepler. Die Kepler-Systeme werden seit 1975 als Sehhilfen für Sehbehinderte angeboten. Erst seit es gelang, durch Herstellung eines Miniprismas das Kepler-Fernrohr in Kleinformat anzubieten, können diese Kepler-Fernrohre auch in Brillenfassungen eingebaut werden (⊡ Abb. 20.6). Da die Gesamtvergrößerung einer Fernrohrlupenbrille sich als Produkt der Lupen- und der Fernrohrvergrößerung errechnet, wird der Arbeitsabstand in dem Maß verlängert, wie die Fernvergrößerung zu der Gesamtvergrößerung beiträgt. Bei gleicher Gesamtvergrößerung ergibt sich also für das Galilei-System mit geringerer Fern-
⊡ Abb. 20.5 Lesen mit Fernrohrsystem nach Galilei mit Lupenvorsatz
⊡ Abb. 20.6 Lesen mit Fernrohrsystem nach Kepler mit Lupenvorsatz
vergrößerung als dem Kepler System eine entsprechend höhere Lupenvergrößerung und somit eine kürzere Lupenbrennweite. Für die Nähe kann so eine Vergrößerung bis 12-fach bei einem Arbeitsabstand vom Auge von
313 20.7 · Elektronisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe
8,5 cm erreicht werden. Dagegen ist beim Keplersystem bei gleicher Gesamtvergrößerung die Lupenvergrößerung geringer, die Brennweite der Lupe länger und damit der Arbeitsabstand größer (Abb. 20.6). Aufgrund des größeren Arbeitsabstands kann beim Kepler-System eine Nahvergrößerung bis zu 20-fach angeboten werden. Der Arbeitsabstand beträgt bei einer 20-fachen Vergrößerung immerhin noch 11 cm. Vorteile beim Kepler-System sind der Arbeitsabstand, die hervorragende Bildschärfe und die Möglichkeit, eine höhere Vergrößerung anzubieten. Dem älteren Sehbehinderten fällt es oft schwer, den genauen Arbeitsabstand einzuhalten. Daher ist ein Arbeitsplatz bzw. Leseplatz mit festem Leseabstand erforderlich. Ein älterer Sehbehinderter klagt darüber, dass er das Bild »nicht festhalten« könne. Die kleinste Bewegung des Kopfes lässt das Bild unscharf werden und die Zeile verlieren. Das Kepler-System wird daher nur von sehr lesegewohnten älteren Sehbehinderten angenommen, von Patienten, die sehr viel gelesen haben und bei denen die Lesefähigkeit nicht unterbrochen wurde. Von älteren Sehbehinderten, besonders mit ausgeprägter AMD, wird dagegen meist das Galileisystem bevorzugt, obwohl es nicht den Arbeitsabstand bietet und die Bildschärfe zum Rand hin abnimmt (⊡ Abb. 20.5). Die Erklärung liegt auch hier wieder in dem größeren Sehfeld, das der ältere Sehbehinderte bevorzugt. In den Systemen sollte die eigene Fernkorrektur berücksichtigt werden. Die gewünschte Gebrauchsentfernung für die Ferne wird auf unendlich, 3, 2 oder 1 m in dem System eingestellt. Es kann aber auch durch ein entsprechendes Vorsteckglas von unendlich auf die gewünschte Meterzahl vom Patienten selbst eingestellt werden. Durch die Wahl der Vergrößerung ist der Arbeitsabstand vorgegeben. Man hat aber die Möglichkeit, zwischen mehreren Vergrößerungen für die Nähe zu wählen; entweder durch verschiedene Einzelaufsteckgläser oder durch Doppelvorstecker. Für die Ferne kann der Sehbehinderte, falls Binokularsehen nachweislich vorhanden ist, auch binokular versorgt werden (z. B. zum Fernsehen). In der Nähe erfolgt eine monokulare Versorgung; das Nicht-Leseauge wird abgedeckt. Ausnahme sind Galileisysteme, die nur für die Nähe ausgerichtet sind und somit bis zu 5-fach binokular angeboten werden können. Ebenso gibt es Keplersysteme, die, nur für die Nähe eingesetzt, eine bis zu 8-fache Vergrößerung anbieten. Besonders bei dem älteren Sehbehinderten mit AMD sind mehrere Erprobungs- und Übungstermine erforderlich. Der Sehbehinderte muss lernen, das System entsprechend einzusetzen, sowohl für die Ferne, als auch für die Nähe. Empfehlenswert ist die Erprobung mit einem Leihsystem für 2–3 Wochen.
20.7
Elektronisch vergrößernde Sehhilfen für die Nähe
Bildschirmlesegerät. Ab einer Sehschärfereduktion auf 0,1 ist dem Sehbehinderten mit großem Lesewunsch und entsprechender Motivation ein elektronisches Bildschirmlesegerät sehr zu empfehlen. Wird eine Vergrößerung von 8-fach und höher benötigt und möchte der Sehbehinderte über einen längeren Zeitraum lesen, so ist das Bildschirmlesegerät die ideale Lesehilfe. Nach den aktuell gültigen Hilfsmittelrichtlinien ist eine Verordnung zu Lasten der GKV ab einem 6-fachen Vergrößerungsbedarf möglich. Das Prinzip des elektronischen Bildschirmlesegerätes ist einfach: Eine Fernsehkamera überträgt über Kabel das Bild, d. h. den Lesetext, auf einen Monitor. Unter dem Monitor und der Aufnahmekamera wird auf einem Kreuztisch das Lesegut nach eigener Lesegeschwindigkeit bewegt. Der Lesetext erscheint in der gewünschten Vergrößerung auf dem Monitor (⊡ Abb. 20.7). Die Vergrößerung ist stufenlos von etwa 4- bis 30fach und höher einstellbar, bei gleichzeitiger Verstärkung des Kontrasts. Dies ist der wichtigste Vorteil gegenüber
⊡ Abb. 20.7 Elektronisches Bildschirmlesegerät, inverse Schriftdarstellung
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Kapitel 20 · Vergrößernde Sehhilfen bei AMD
anderen Hilfsmitteln. Bei optisch vergrößernden Sehhilfen wird der Kontrast durch Abbildungsfehler und Streuung grundsätzlich herabgesetzt. Neben der stufenlosen Vergrößerung bietet jedes elektronische Bildschirmlesegerät dem Sehbehinderten eine Kontrastumkehr. Statt schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund kann weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund gelesen werden. Dieses inverse Schriftbild wird von über 90% der Sehbehinderten bevorzugt [1]. Viele Lesegeräte bieten zusätzlich die Möglichkeit, den Text und Hintergrund in Falschfarben darzustellen. Neben dem klassischen Aufbau eines Bildschirmlesegerätes werden verstärkt aus Kamera und Monitor bestehende Systeme angeboten, die leichter bewegt werden können und bei denen der Monitor dann neben dem Lesegut steht. Dies erschwert für ältere Sehbehinderte oft die Handhabung. Der Sehbehinderte mit AMD braucht in der Regel einen größeren Monitor als der Jugendliche, also eine größere Bildschirmdiagonale, um so einen größeren Ausschnitt des Lesegutes vor sich zu haben. Ein weiterer Vorteil des elektronischen Bildschirmlesegerätes ist, dass der Sehwinkel durch den Einsatz größerer Monitore und durch Annäherung an den Bildschirm vergrößert werden kann. Daher können zum Lesen auch noch sehr periphere Netzhautareale genutzt werden. Ein hochgradig Sehbehinderter mit AMD, der als praktisch blind gilt, kann noch Lesefähigkeit erlangen, wenn ein peripheres Netzhautareal von genügender Ausdehnung vorhanden ist. Bildschirmlesegeräte können auch zum Schreiben, zum Ausfüllen von Formularen, von Kreuzworträtseln oder zum Betrachten von Photographien und Realgegenständen (z. B. Schlüssel, Fingernägel lackieren etc.) benutzt werden. In den letzten Jahren sind verschiedene kleine handgehaltene Lesegeräte mit einem Flachbildmonitor auf den Markt gekommen. Diese besitzen gegenüber Lupen ebenfalls die o. g. Vorteile und können dennoch wie eine solche benutzt werden. Hier ist darauf zu achten, dass entsprechend der notwendigen Vergrößerung ein genügend großer Ausschnitt vorhanden ist und andererseits die Handhabung noch gut möglich ist (⊡ Abb. 20.8). Die Entwicklung von elektronischen Büchern (z. B. Kindle, Amazon) und vor allem Tablett-PCs wie dem iPad (Apple) erlaubt inzwischen ein Lesen mit einstellbarer Vergrößerung von einer sehr großen Anzahl von Büchern und Zeitschriften. So ist auch eine Information über das Tagesgeschehen möglich. Das iPad erlaubt auch eine inverse Darstellung und ist damit für Sehbehinderte durchaus einsetzbar, wenn auch die Bedienung mit den Fingern für diese nicht ganz einfach ist. Die aktuelle Weiterentwicklung mit zusätzlicher Kamera erlaubt auch die Erkennung beliebiger Texte.
⊡ Abb. 20.8 Handgehaltenes Lesegerät mit Flachbildschirm, das leicht mitgeführt werden kann
▬ Vorteile: Gerade ältere Sehbehinderte mit AMD können auch bei sehr großem zentralen Ausfall mit den peripheren Netzhautarealen noch lesen. Das regelmäßige Lesen wirkt sich wie eine Schulung der Augen aus, der ältere Sehbehinderte lernt seine peripheren Netzhautareale auch allgemein besser zu nutzen. Ein weiterer Vorteil, gerade für den älteren Menschen, ist die bequeme Sitzhaltung vor dem Monitor. Der Abstand braucht nicht genau eingehalten zu werden. Es entstehen auch keine Zentrierungsprobleme wie manchmal bei den optisch vergrößernden Sehhilfen. ▬ Nachteile: Bei den Bildschirmlesegeräten handelt es sich um Standgeräte, die einen festen Platz beanspruchen. Geklagt wird gerade von älteren Sehbehinderten, dass jedes Schriftstück erst zu dem Gerät gebracht und dort gelesen werden muss. Zwar gibt es inzwischen mehrere mobile Bildschirmlesegeräte auf dem Markt, allerdings kommt der ältere Sehbehinderte mit dem Führen des Gerätes oft nicht zurecht oder der kleine Flachbildmonitor bietet ihm zu wenig Übersicht (Abb. 20.8). Ältere Sehbehinderte, die nie viel gelesen haben, sind auch mit einem Bildschirmlesegerät selten zufriedenstellend zu versorgen. Sie sind wenig motiviert und zeigen erhebliche Probleme bei der Handhabung. Es bereitet ihnen Schwierigkeiten, die Zeile und die Leserichtung einzuhalten. Teilweise lesen sie von oben nach unten oder suchen sich wahllos Wörter auf der Bildschirmfläche aus. Oft findet kein synthetisches Lesen, sondern ein Erraten der Wörter statt. Ein sinnerfassendes Lesen ist nicht mehr möglich. ▬ Besonderheiten: Auch Patienten mit großem Lesewunsch und hoher Motivation können große Probleme am Bildschirmlesegerät haben. Es sind meist
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die Sehbehinderten mit AMD, die eine sehr hohe Vergrößerung benötigen und viel Geduld aufbringen müssen, da auch die Lesegeschwindigkeit stark herabgesetzt ist. Aber diese hochgradig sehbehinderten, lesegewohnten Patienten erreichen durch Übung über einen längeren Zeitraum wieder Lesefähigkeit.
20.8
Elektronische Vorlesegeräte
Kann Lesefähigkeit mit vergrößernden Sehhilfen nicht erreicht werden und besteht ein großer Lesewunsch, so kann ein sprechendes Vorlesegerät erprobt werden. Textvorlagen und Bücher werden in relativ kurzer Zeit mit Hilfe eines Scanners eingelesen und in synthetischer Sprache in unterschiedlicher Qualität vorgelesen. Verschiedene Firmen bieten gerade für ältere Sehbehinderte einfach zu bedienende Geräte an. Nach einer Eingewöhnungszeit kann sich ein Sehbehinderter an die synthetische Sprache mit männlicher oder weiblicher Stimmlage gewöhnen. Hier sind inzwischen sehr natürlich wirkende Stimmen verfügbar. Voraussetzung ist, dass bei älteren Sehbehinderten keine Schwerhörigkeit vorliegt. Inzwischen ist es auch möglich, eine Tageszeitung oder verschiedene Wochenzeitschriften digital per Modem abzurufen. Anhand einer systematischen Gliederung nach Kapiteln und Überschriften kann der Patient sich den Text selbständig mit einer einfachen Tastatur vorlesen lassen. Damit entfällt das bei den sonstigen Scannersystemen notwendige Zurechtschneiden der Zeitung, welches in der Regel von einer anderen sehenden Person übernommen werden muss. Noch ist das Angebot, der für den Sehbehinderten besonders wegen der örtlichen Informationen wichtigen Tageszeitungen, recht beschränkt. Auch das iPad erlaubt einen Einsatz als Vorlesegerät, bei dem es neben Büchern auch per Internet geladene Texte und Zeitschriften vorlesen kann. In den USA sind inzwischen auch zahlreiche Tageszeitungen verfügbar. Die aktuelle Weiterentwicklung mit zusätzlicher Kamera erlaubt in Verbindung mit einer Texterkennungssoftware eventuell einen echten Einsatz als Vorlesegerät. ▬ Vorteile: Geschriebene Texte, Bankauszüge und vor allem Bücher können gescannt werden, dies eröffnet den Zugang auch zu aktueller Literatur ▬ Nachteile: Die Spalten- und Zeilenerkennung ist nicht immer optimal gelöst, so dass für den älteren Sehbehinderten beim Lesen der Tageszeitung oder von Kontoauszügen Probleme auftreten können. Das Lesegut muss zum Scannen genau ausgerichtet werden. Hier ist der Sehbehinderte oft auf fremde Hilfe angewiesen.
⊡ Abb. 20.9 Abspielgerät für DAISY-Dateien mit einfacher Handhabung
Für die Nutzung von Hörbüchereien ist inzwischen das sogenannte DAISY-Format der Standard. Hierbei werden die Audio-Dateien als MP3-Dateien verknüpft. Es ist möglich, gezielt zu einzelnen Kapiteln, Seiten oder auch Sätzen sowie auch zu selbst definierten Stellen zu springen oder sich über die Restzeit bis zum Ende des Textes zu informieren. In Deutschland können die dafür erforderlichen Abspielgeräte sogar von der Krankenkasse übernommen werden (⊡ Abb. 20.9).
20.9
Ergänzende Hilfsmittel
Lesepult. Sehbehinderten mit AMD ist unbedingt ein Lesepult oder ein Konzepthalter zu empfehlen. Lesepulte können auch bei Platzmangel auf jeden Tisch gestellt werden. Praktisch sind klappbare Leseständer, bei denen verschiedene Neigungswinkel, z. B. zum Lesen, zum Schreiben oder zum Lösen eines Kreuzworträtsels, genutzt werden. Der Abstand zum Lesegut ist vorgegeben, also fixiert, und der ältere Sehbehinderte lernt leicht, ihn einzuhalten. Die Schräglage des Lesetischs verhindert das Herunterbeugen des Sehbehinderten zum Lesetext bei nahem Leseabstand und bietet so eine bessere und entspannte Körperhaltung. Alternativ gibt es auch Tische, die in Höhe und Neigung frei einstellbar sind und so für die jeweilige Sitzposition angepasst werden können. Beleuchtung. Der ältere Sehbehinderte hat einen erhöh-
ten Lichtbedarf. Bei guter Beleuchtung kann sogar eine geringere Vergrößerung zum Lesen ausreichend sein. Damit vergrößert sich das Sehfeld bzw. der Leseausschnitt. Die Raumbeleuchtung in der Wohnung sollte bei älteren Sehbehinderten unbedingt überprüft und wenn möglich angehoben werden. Für Naharbeit und zum Lesen ist
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Kapitel 20 · Vergrößernde Sehhilfen bei AMD
eine gute Beleuchtung nur durch Einzelplatzbeleuchtung zu erreichen. Es empfiehlt sich, die Wohnung mit mehreren Einzelplatzbeleuchtungen auszurichten. Besonders bewährt haben sich Federgelenkleuchten, die in allen Richtungen verstellt und gedreht und somit bei der Benutzung von vergrößernden Sehhilfen und Lesepulten angepasst werden können. Der schwere Fuß der Tischleuchten kann auf dem Tisch je nach Bedarf verschoben werden. Kleine aufklappbare Leuchten mit einer homogenen Ausleuchtung des Arbeitsfeldes stellen eine kostengünstige Alternative dar. Eine weiße Lichtfarbe wird in der Regel bevorzugt. Zu empfehlen sind unbedingt sog. Kaltlichtleuchten oder Leuchten, die nicht zu viel Wärme abgeben, da sich die Wärme bei längerem Lesen subjektiv negativ auswirkt. Zu empfehlen sind Tischleuchten mit 50-Watt-Halogen-Niedervolt-Lampen mit einer Glasabdeckung vor der Lampe, die in 2 Stufen schaltbar sind. Nachteilig sind kleine Lampen mit hoher Leuchtdichte. Bei ungünstiger Stellung der Leuchten kann eine hohe Reflexblendung eintreten.
20.10
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Besonderheiten bei der Versorgung mit vergrößernden Sehhilfen
Lesetechnik. Bei Sehbehinderten mit AMD empfiehlt es sich, auf die Lesetechnik des Betroffenen einzugehen und Leseübungen als Hausaufgabe über einen Zeitraum von 2 Wochen zu verlangen. Aus seiner Tageszeitung kann der Sehbehinderte den Artikel heraussuchen, den er gerne lesen möchte, da er die Überschrift auf Grund der Großschrift lesen kann. Zum Lesen des kleinen Drucks wird eine vergrößernde Sehhilfe als Leihgabe mitgegeben. Die Leseübungen werden dem Sehbehinderten mit AMD ausführlich erklärt und mit ihm geübt. Ein kleiner schwarzer Papierstreifen unter die zu lesende Zeile gelegt, verhindert, dass der Sehbehinderte beim Lesen die Zeile verliert und in der Zeile darunter oder darüber weiter zu lesen versucht. Hier kann auch die Unterschriftenhilfe für Blinde eingesetzt werden. Das Lesen mit dem Finger oder verlängertem Finger, einem Kugelschreiber oder Bleistift in der Hand – möglichst schwarz – bewirkt die AugeHand-Koordination und gibt ein Gefühl zunehmender Sicherheit beim Lesen. Mit diesem »verlängerten Finger« gleitet man die Zeile langsam lesend entlang, gleitet in der gleichen Zeile schnell zurück, schiebt den schwarzen Papierstreifen unter die nächste Zeile und liest mit dem gleichen Stift die frei gewordene Zeile. Mit diesen Leseübungen, 2 – bis 3-mal pro Tag 10–15 min, kann die Lesefähigkeit verbessert oder überhaupt erst wieder Lesefähigkeit erreicht werden. Ein Erfolg stellt sich allerdings nur ein, wenn eine deutlich spürbare Motivation des älteren Sehbehinderten zu den Leseübungen vorhanden ist.
Versorgung bei AMD so früh wie möglich. Auch eine leichte Beeinträchtigung der Lesefähigkeit bei Beginn der AMD sollte so schnell wie möglich mit einer vergrößernden Sehhilfe versorgt werden [2]. Meist genügt eine Verstärkung des Nahzusatzes in der Brille. Schon eine leichte Verstärkung des Nahzusatzes auf 4 oder 5 dpt bewirkt oft ein flüssigeres Lesen. Es ist wichtig, die Lesefähigkeit zu erhalten. Besteht erst ein Verlust der Lesefähigkeit über einen längeren Zeitraum von 2 oder mehr Jahren, so bedeutet es für den älteren Patienten ungeheure Mühe und Aufwand, wieder in den Leseprozess hineinzukommen. Das Lesen kann verlernt werden. Da ein Lesen mit vergrößernden Sehhilfen mit Mühe und Anstrengung verbunden ist, wird von dem älteren Sehbehinderten ein hohes Maß an Konzentration und Motivation verlangt. Dieser persönlich hohe Aufwand kann anfangs oft nicht erbracht werden. Eine sehr hohe Vergrößerung zu Beginn erleichtert den Einstieg. Diese kann nach vielen Lesestunden und vielen Leseübungen in eine schwächere Vergrößerung umgestellt werden. Das Lesen schadet dem Auge nicht! Dem älteren Sehbehinderten, der eher zu einer »Sehschonung« neigt, kann dies nicht oft genug erklärt werden. Es muss dem Sehbehinderten bewusst werden, dass durch regelmäßiges Lesen der vorhandene Sehrest besser ausgenutzt wird und das funktionale Sehen sich verbessert. Finden sich bei älteren Sehbehinderten makuläre Veränderungen mit Exsudaten oder Hämorrhagien, sollte so schnell wie möglich ein Hilfsmittel zum Lesen zur Verfügung gestellt werden. Während man früher mit der Versorgung gewartet hat, so hat die Erfahrung gezeigt, dass es besser ist, den Lesevorgang früh zu unterstützen und den Sehbehinderten ein vorübergehendes Hilfsmittel zum Lesen zur Verfügung zu stellen. Das Angebot an Lupen ermöglicht es, ein nicht kostspieliges Hilfsmittel anzubieten. Die Lesefähigkeit bleibt damit erhalten und erleichtert die spätere Versorgung mit weiteren Hilfsmitteln [2]. Kosmetisch störend findet der ältere Sehbehinderte oft das mattierte Glas vor dem nicht lesenden Auge. Das nicht lesende Auge muss aber unbedingt okkludiert werden, da auch eine geringe Sehschärfe des schlechteren Auges beim Lesen Doppelkonturen verursacht. Lupenbrillen und Brillen mit Galilei- oder KeplerSystem sind keine Mobilitätshilfen, d. h. ein Sehbehinderter mit AMD kann nicht damit gehen; sie sind nur stationär zu benutzen. Vergrößernde Hilfsmittel bieten sehr viele Vorteile und erhalten die Selbständigkeit des älteren Sehbehinderten, aber auch die Nachteile dieser Hilfsmittel müssen akzeptiert werden. Es empfiehlt sich allgemein die Anwesenheit einer Begleitperson sowohl beim Beratungsgespräch als auch bei der Erprobung vergrößernder Sehhilfen.
317 Literatur
20.11
Grundlagen der Verordnung
Vergrößernde Sehhilfen sind erst nach ausführlicher und bei älteren Sehbehinderten mehrmaliger Erprobung zu verordnen. Es empfiehlt sich, die erprobte vergrößernde Sehhilfe als Leihgabe für einen Zeitraum von 8–14 Tagen mit entsprechender Anleitung mitzugeben. Beratungszentren für Sehbehinderte an Universitätsaugenkliniken, Augenkliniken, bei Augenärzten mit entsprechender Einrichtung oder Augenoptikern, die sich auf diesem Gebiet spezialisiert haben [12], können überprüfen, welches Hilfsmittel der Sehbehinderte für seine Sehaufgabe benötigt. Die Notwendigkeit wird durch den Augenarzt festgestellt und eine entsprechende Verordnung ausgestellt. Die mechanische Anpassung erfolgt durch den Augenoptiker. Die Genehmigung der Krankenkasse ist erforderlich. Sie richtet sich nach dem Sozialgesetzbuch V: »Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten«. Die vergrößernde Sehhilfe ist ausreichend, wenn der Sehbehinderte damit Zeitungsschrift wieder lesen kann. Die Zweckmäßigkeit ergibt sich aus der Nutzung des Hilfsmittels. Wirtschaftlich soll das Hilfsmittel sowohl in Anschaffung als auch Gebrauch sein. Nach verschiedenen Urteilen sind diejenigen Hilfsmittel notwendig, die die Grundbedürfnisse des Einzelnen befriedigen, sofern sie nicht als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind [10]. So stellt eine vergrößernde Sehhilfe nur zum Fernsehen in diesem Sinne kein verordnungsfähiges Hilfsmittel dar. Die vergrößernde Sehhilfe ist das Hilfsmittel, kann aber nur begrenzt eingesetzt werden. Optisch vergrößernde Sehhilfen werden in Deutschland typischerweise Eigentum des Patienten. Elektronisch vergrößernde Sehhilfen wie ein Bildschirmlesegerät sind als Hilfsmittel des § 182 RVO anerkannt (nach einem Urteil des Bundessozialgerichts von 1979). Die Krankenkasse oder der Versicherungsträger schließt mit dem Sehbehinderten einen Leihvertrag ab. In gewissen zeitlichen Abständen sollte mit dem Sehbehinderten Kontakt aufgenommen werden, um zu klären, wie und ob er noch mit dem Bildschirmlesegerät zurechtkommt. Besteht der Wunsch nach einem Echtfarbgerät, so kann die Krankenkasse den Aufpreis dem Sehbehinderten in Rechnung stellen. Inzwischen werden aber solche Geräte oft komplett bezahlt. Auf dem Rezept muss neben der Sehschärfe angegeben werden, welche Vergrößerung der Sehbehinderte zum Lesen von Buchdruck benötigt. Zusätzlich muss vermerkt werden, mit welchem optisch vergrößernden Hilfsmittel wieder Lesefähigkeit erlangt werden kann. Da es sich bei den vergrößernden Sehhilfen um Spezialsehhilfen handelt, ist es möglich, das erprobte Hilfsmittel mit Firmenbezeich-
nung zu erwähnen. Die Verordnung des Bildschirmlesegeräts sollte nicht nur formlos auf einem Rezept erfolgen, sondern es sollte ausführlich begründet werden. Elektronische Vorlesegeräte bzw. Lesesprechgeräte sind als Hilfsmittel für Blinde anerkannt. Auch bei bestehender Leistungspflicht ist die praktische Erprobung unerlässlich. Die Bedienung sollte einwandfrei möglich sein, die Texte sollten in synthetischer Sprache verstanden und verarbeitet werden. Der Blinde sollte mindestens 1 h pro Tag das Vorlesegerät nutzen. Ergänzende Hilfsmittel wie Beleuchtung werden nicht übernommen, da es sich hierbei um Hilfsmittel des täglichen Lebens handelt. Hingegen sind Lesepulte im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt und damit verordnungsfähig. Fazit Der Sehbehinderte mit AMD kann mit optisch und elektronisch vergrößernden Sehhilfen wieder Lesefähigkeit für Buch- und Zeitungsdruck erlangen [5, 8, 13]. Nicht nur die Selbständigkeit des Sehbehinderten wird dadurch unterstützt oder sogar erst möglich, sondern sie führt auch zu einer deutlichen Steigerung des Selbstwertgefühls [2]. Nicht jeder ältere Sehbehinderte möchte Bücher lesen oder gar schreiben. Dank des umfangreichen Angebotes an unterschiedlichen Hilfsmitteln stehen auch Hilfen für die täglichen Belange zur Verfügung [13]. Die vergrößernde Sehhilfe ist ein Hilfsmittel und muss als solches von dem älteren Sehbehinderten, ebenso wie die Sehbehinderung akzeptiert werden. Ausschlaggebend sind die eigene Motivation und der große Lesewunsch. Die Zahl der zu versorgenden Sehbehinderten mit AMD steigt mit der höheren Lebenserwartung. Es ist wünschenswert und unbedingt erforderlich, dass Sehbehindertenberatungsstellen an Augenkliniken etabliert werden, um und eine umfassende Versorgung der Patienten anzubieten. Bei der Versorgung älterer Sehbehinderter muss bedacht werden, dass mit zunehmendem Alter ein physiologischer Alterungsprozess einsetzt, der die Leistungsfähigkeit herabsetzt. Diese physiologischen Alterungsprozesse sollten wiederum von der Umgebung des älteren Sehbehinderten akzeptiert werden, um verständnisvoller und geduldiger mit dem älteren Sehbehinderten umzugehen.
Literatur [1] Blankenagel A (1988) Optisch und elektronisch vergrößernde Sehhilfen. Auswahl, Erprobung und Verordnung. Augenspiegel [2] Blankenagel A, Rohrschneider K (2000) Vergrößernde Sehhilfen bei Älteren. In: Nikolaus T (Hrsg) Klinische Geriatrie, Springer, Berlin, Heidelberg, 402–409 [3] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2008) Anlage zu §2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bonn
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Kapitel 20 · Vergrößernde Sehhilfen bei AMD
[4] Diepes H, Krause K, Rohrschneider K (2007) Sehbehinderung. Ursachen – Auswirkungen – Versorgung, DOZ Verlag, Heidelberg [5] Fröhlich SJ, Lackerbauer CA (2006) Qualitätskontrolle bei der Rehabilitation sehbehinderter Patienten. Evaluation der Nutzung von vergrößernden Sehhilfen. Ophthalmologe 103:1038–1043 [6] Krueger H, Conrady P (1989) Der Einsatz von Lupen in der Industrie. REFA-Nachrichten 2:13–18 [7] Krumpaszky HG, Klauß V (1996) Epidemiology of blindness and eye disease. Ophthalmologica 210:1–84 [8] Nguyen NX, Weismann M, Trauzettel-Klosinski S (2008) Ophthalmologische und soziale Rehabilitation von sehbehinderten Patienten: Eine retrospektive Analyse an der Tübingen Sehbehindertenambulanz im Zeitraum von 1999 bis 2005. Ophthalmologe 105:563–569 [9] Rohrschneider K (2005) Optisch und elektronisch vergrößernde Sehhilfen. In: Kampik A, Grehn F (Hrsg) Augenärztliche Rehabilitation, Thieme, Stuttgart, S. 35–45 [10] Rohrschneider K (2008) Vergrößernde Sehhilfen. Klin Monatsbl Augenheilkd 225:R55–R72 [11] Rohrschneider K (2010) Rehabilitation jenseits der Ophthalmochirurgie – ein Stiefkind in der Augenheilkunde? Z prakt Augenheilkd 31:69–72 [12] Rohrschneider K, Blankenagel A (2000) Sehbehindertenversorgung an deutschen Augenkliniken – früher und heute. Z prakt Augenheilkd 21:523–528 [13] Rohrschneider K, Kiel R, Pavlovska V, Blankenagel A (2002) Nutzung und Akzeptanz von vergrößernden Sehhilfen. Klin Monatsbl Augenheilkd 219:507–511
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Stichwortverzeichnis
A A2E 52, 147, 274 ABCA1-Gen 18 ABCA4-Gen 18, 35 Ablagerungen – s.a. Drusen – basale lineare 108 – subretinale drusenartige 147 ACU-4429 275 Aderhaut, Perfusionsstörung 111, 188 AdPEDF 235 Advanced glycation end products 83, 92 AG-013958 234 Age-Related-Eye-Disease-Studie 71, 196 AL-39324 234 AL-8309A 137 AL-8309B 274 Alterung – Bruch-Membran 57, 82 – retinales Pigmentepithel 50, 81 Amsler-Gitter 108 – modifiziertes 117 Anaphylatoxine 67 Anastomose – chorioretinale 210 – retinochoroidale 111
Anthranilamide-Pyridinurea 234 Anthranilic acid amide 234 Antiangiogenese 255 Anticaline 233 Antioxidanzien 19, 21, 71, 196 Anti-VEGF-Therapie 163, 172, 227, 237 – s.a. VEGF-Inhibitoren – Indikationen 243 – Kombination mit Verteportin-PDT 224 – Kontroll-Fluoreszein-Angiographie 163 – langfristige Ergebnisse 248 – Leitlinien 240 – Non-Responder 226 – Therapieregime 244 APC 66 APC-Proteine 68 Apolipoprotein E 14, 22, 35, 36 Arachidonsäure 92 ARC-1905 73, 137, 278 ARED-Studie 71, 131, 202, 203, 270 ARMS2 39 ARMS2-Gen 12, 21, 71, 106, 107, 132 Atrophie, nicht-geographische 156 Atrophie, geographische 97, 106, 125, 156, 185, 238 – Body-Mass-Index 132 – choroidale Neovaskularisation 134 – foveale 107
– genetische Faktoren 38, 132 – klinische Manifestationen 127 – Kontrastsensitivität 135 – Lesegeschwindigkeit 135 – Lichtexposition 132 – Quantifizierung 130 – Risikofaktoren 132 – Sehfunktion 134 – Spectral-Domain-OCT 171 – Therapie 135 Augenbewegungsregistrierung 300 Autofluoreszenz-Bildgebung 147 Autophagie 53, 54 – Ablauf 55 – Chaparone-mediated 54 – lysosomale 54
B Barbados-Eye-Studie 7 Basal laminar deposits 83, 89, 169 Basal linear deposits 87 Beaver-Dam-Eye-Studie 7, 108, 131, 202 Bevacizumab 189, 232, 239, 255, 260, 262, 270 Bevasiranib 233 Bildschirmlesegerät 313
F.G. Holz et al, Altersabhängige Makuladegeneration, DOI 10.1007/978-3-642-20870-6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
320
Stichwortverzeichnis
Blindheit 127 – Definition 306 Blue-Mountains-Eye-Studie 7, 132, 198 Blutung – intraretinale 118 – submakuläre 288 – subretinale 118, 121, 222 Body-Mass-Index 19, 69, 132 Brachytherapie 255 – epimakuläre 262 Brimonidin 137 Brimonidintartrat-Implantat – intravitreales 274 Bruch-Membran 14, 41, 58, 67, 81, 82, 85, 90, 94, 156, 169, 289 – Ablagerungen 82, 85, 95, 108, 112, 203 – Alterung 57, 82 – Aminosäurentransport 95 – Anfärbbarkeit 84 – Aufbau 81 – Diffusionsstörung 34, 41 – Fettsäurenzusammensetzung 85 – Kollagenänderungen 82 – Lipideinlagerungen 41, 84, 95, 203
C C1-INH 279 C2-Gen 10, 39 C3-Gen 11 CABERNET-Studie 263 Carboxyethylpyrrole 68 Carboxymethyllysin 83 Carboxypeptidase 67 CAREDS 199 Cataract and Age-Related Maculopathy Studie 201 Cathepsin D 54 CDCV-Hypothese 35 CDRV-Hypothese 35 CETP-Gen 17 CFB-Gen 10, 39 CFH-Gen 8, 34, 38, 68, 107, 132, 238 CFH-Y402H 8, 21, 68, 71 CFI-Gen 39 Cholesterin 14 Cholesterol 84 Cholesteryltransferprotein, plasmatisches 41
Chondroitinsulfat 89 Choriokapillaris 80, 89, 127 Chorioretinopathie, zentral seröse 120, 157 Ciliary neutrophic factor 137 CNTF/NT-501 274 Coating 286 Copaxone 279 Copenhagen-City-Eye-Studie 7 C-reaktives Protein 20
D Degeneration – s.a. Makuladegeneration – retikuläre pigmentöse 110 DENALI-Studie 225, 260 Diode, superlumineszente 168 Disposable-Soma-Theorie 53 Docosahexaensäure 71, 85, 200, 275 Dreifachtherapie 261 Drusen 47, 85, 106, 155 – Anfärbbarkeit 85 – basale laminale 70, 107 – bilaterale 107 – diffuse 107 – fokale 106, 107 – große 155 – harte 7, 87, 107, 108 – Kalzifikation 110 – Klassifikation 107 – kleine 155 – kutikuläre 70, 107, 108, 155 – makuläre 183 – mittlere 155 – periphere 110 – retikuläre 107, 133, 169 – Spectral-Domain-OCT 169 – Veränderungen 110 – weiche 7, 83, 87, 107, 108, 169 Drusen-softening 110 Dystrophie 17, 111, 290 – vitelliforme 155
E Eculizumab 73, 137, 278 EDCCS 199
Eicosapentaensäure 71, 200, 276 Eicosanoide 92 Eingliederungshilfeverordnung 306 Einstärkenlupenbrille 310 Einzelnukleotid-Polymorphismus 35 Einzelzellsuspension 285 Endostatin 234 Enhanced-Depth-Imaging-OCT 120 Erblindung 19, 80, 116, 230, 238, 254, 289 Erythrozytensedimentationsrate 20 Everolimus 234 Eye Disease Case Control Studie 200, 201
F Falte, chorioretinale 120 FAM-Studie 130 FBLN6-Gen 18 FCFD4514S 73, 278 Fenretinid 136, 275 Fenton-Reaktion 53 Fernrohrlupenbrille 312 Fernsehen, Hilfsmittel 309 Fettsäurenmetabolismus 93 Fibrose, subretinale 106 Fibulin-5 18 Filling-in-Phänomen 188 Fine matrix mapping 135, 186 Fixation – exzentrische 298 – klinische Beurteilung 300 – überwiegend exzentrische 181 – überwiegend zentrale 181 – zentrale 299 Fixationsort, bevorzugter retinaler 185 Fixationsstabilität 300 Fixationsverhalten 298, 300 Fluocinolon 136 Fluoreszein 150 Fluoreszein-Angiographie 120, 121, 153, 171, 182 – Exzitationsfilter 147 – Makula 154 – Risiken 152 Fluoreszein-Leckage 154 Flüssigkeit, subretinale 119
321 Stichwortverzeichnis
Flüssigkristall-Display-Mikroperimetrie 179 FOCUS-Studie 259 Folsäure 202 Fresnelscheibe 309 Fundusautofluoreszenz 128, 136, 182, 185 Fundusperimetrie 135, 136, 177, 178, 179, 183, 185, 300 Fundusphotographie 180 – farbige 146 – monochrome 146 Fundusreflex, Verlust 47
G Galilei-Fernrohr 308 GAP-Studie 131 GATE-Studie 137 Gefäßanastomosen, retinale 157 Genetik 8, 33, 38, 132, 237 Gesichtsfeld – peripheres 307 – zentrales 300 Gesichtsfeldausfälle 116, 117 Glatirameracetat 279 Glomerulonephritis, membranoproliferative 69 Glutathion-S-Transferase-1 57 Grad der Behinderung 306
Hyperhomozysteinämie 203 Hyperoxid-Dismutase, mitochondriale 54 Hyperpigmentierung, fokale 156 Hypertonie 19 Hypofluoreszenz 155 Hypoperfusion, temporäre choroidale 188
I iCo-007 234 Iluvien 279 Imaging 120, 136, 150 Imidazo[1,2-A]Pyridine 234 Immunsystem, angeborenes 66 Indozyaningrün 120, 121, 150, 151, 152, 153, 155 Indozyaningrün-Angiographie 121, 153, 182, 242 – Interpretation 155 – Risiken 152 Inject-and-Extend-Regime 246 Injektion, intravitreale 72, 189, 234, 288 Integrine 96 iPad 314 Irispigmentepithel 285
K H Halbbrille 310 Hämoxygenase-1 56 HDL-Cholesterin 17 Hemicentin-1 18 Heparansulfat 89 Heparinsulfat 57 Hisayama-Studie 7 Hitzeschockproteine 57 HMCN1-Gen 18 Homozystein 202 Hornhautreflex 299 HTRA1-Gen 12, 40, 132 HTRA1-SNP 21 HtrA serine peptidase 1 40 Hyperfluoreszenz 154
Katalase 56 Kataraktchirurgie 20, 132 Kepler-Fernrohr 308 Kindle 314 Kohärenzlänge 149 Kohärenztomographie, optische 48, 92, 95, 109, 111, 119, 122, 129, 148, 149, 150, 163, 167, 183, 241, 246, 262 – s.a. Spectral-Domain-OCT – s.a. Time-Domain-OCT – Drusen 111 – Frequency-Domain-optische 149 – Tiefenauflösung 150 – Time-Domain-optische 149 Kohärenzzeit 149 Kollagenderivate 89 Kollagenveränderungen 82
B–L
Kombinationstherapie 224, 235, 253 Komplementaktivierung, systemische 68 Komplementfaktor – H 67, 238 – B 10, 39 – H 8, 34, 276 – I 12 Komplementgene, chorioidale 70 Komplementinhibition 137 Komplementkaskade 18 Komplementkomponente 2 10, 39 Komplementkomponente 3 10, 39 Komplementsystem 8, 39, 65, 137, 276 – Aktivierung 66 – Genvarianten 68 – Inhibition 276 – Regulatoren 67 Komplexe, retinale vaskuläre anomale 161 Kontakt-Brachytherapie 255 Kontrastsensitivität 135 – parafoveale 300 Kortikosteroide 254 Krypton-Gelblaser 212, 223 Krypton-Rotlaser 212
L Laserkoagulation 188, 212, 217 – thermische 161, 221 Laserphotokoagulation 161, 209, 214, 217, 221, 225, 256 – Grundlagen 212 – Indikation 214 – Leitlinien 225 – Nebenwirkungen 221 – Studienergebnisse 217 – Wellenlänge 223 Lektin-Weg 18, 66 Leseabstand 308 Lesefähigkeit 295 – physiologische Grundlagen 296 – potenzielle 300 – Untersuchung 300 – Verbesserung 301 Lesegeschwindigkeit 135, 300 Lesegesichtsfeld 297 Lesepult 315 Lesetechnik 316
322
Stichwortverzeichnis
Lesetraining 301 Leventiner-Krankheit 155 Linolensäure 85 Lipase, hepatische 41 Lipase C 17 LIPC-Gen 17 Lipidakkumulation 58, 83, 85 Lipidmetabolismus 14, 93 Lipidperoxidation 52 Lipidzusammensetzung 85 Lipofuszin 47, 147, 274 – Akkumulation 52, 80, 97, 128, 183 – Bestandteile 147 logMAR-Visus 241 Luminanztest 179 Lupe 310 Lupenbrille 310 Lupus erythematodes 69 Lutein 18, 19, 71, 137, 198 Lutetiumtexaphyrin 224
M Macular-Mapping-Test 300 Makroautophagozytose 54 Makula – Fluoreszein-Angiographie 154 Makuladegeneration, altersabhängige – Alter 57 – Antioxidanzien 21, 71, 196 – Ätiologie 271 – Body-Mass-Index 19 – Diagnostik 241 – exsudative 171, 254 – frühe 6, 105, 183 – Frühstadium 238 – genetische Faktoren 8, 33 – Häufigkeit 4 – Hypertonie 19 – Imaging 145 – Inzidenz 7 – Klassifikation 4 – klinische Manifestationen 106 – Mikroperimetrie 183 – neovaskuläre 186, 238 – nicht-neovaskuläre 155 – operative Therapie 189 – Pathogenese 67, 196 – Pathomechanismus 34
– – – – – – – – – –
photodynamische Therapie Prävalenz 4 Prävention 41 Progression 70 Rauchen 18, 20, 71, 270 Risikofaktoren 238 Sehbehinderung 306 Spectral-Domain-OCT 171 späte 6, 70 Therapie 72, 161, 188, 209, 224, 237, 253, 254, 289 – Therapiekontrolle 172 – trockene 270 – – chirurgische Therapie 283, 289 – Umweltfaktoren 18 – Verlauf 7 Makuladystrophie 111 – chirurgische Therapie 290 Makulaödem 117, 119 – zystoides 119 Makulaplastik 284 Makulatranslokation 189, 256, 284 Makulavolumen 48 Malattia leventinese 155 Malondialdehyd 52 Matrixmetalloproteinasen 85 Matrixproteine, extrazelluläre 83 MC-1101 272 Melanin 147 Melanolipofuszin 53 Melanosomen – Abnahme 53 – Verlust 47 Membran, fibrovaskuläre 90 Membranextraktion, submakuläre 285, 288 MERITAGE-I-Studie 263 Metalloproteinase-Inhibitor 3 17 Metalloproteinasen 41, 83 Metamorphopsie 116 Mikroautophagozytose 54 Mikroperimetrie 117, 136, 177, 287 – Auswertung 181 – frühe AMD 183 – geographische Atrophie 185 – kinetische 180 – neovaskuläre AMD 186 – technische Entwicklung 178 mitochondriale Dysfunktion 53 MONT-BLANC-Studie 225, 261 Morbus Alzheimer 36
Morbus Stargardt 35, 128 – chirurgische Therapie 290 MP1-Mikroperimeter 179 Muenster-Aging-and-Retina-Studie 19
N Nahrungsergänzungsmittel 195, 270 Narbe, disziforme 90, 94, 106 Natriumfluoreszein 95 Nd-YAG-Laser 212 Neovaskularisation – choroidale 90, 106, 122, 154, 238, 242 – – Ätiologie 92 – – Befunde 118 – – Diagnostik 121 – – Differenzierung 92 – – extrafoveale 210, 217 – – juxtafoveale 210 – – klassische 92, 210 – – okkulte 92, 210 – – Pathogenese 156 – – polypoide 122 – – rezidivierende 161 – – subfoveale 186, 210, 218, 242, 256 – – Symptome 116 – – Therapie 254 – – unilaterale 107 – okkulte 220 – präretinale 118 Nervenfaserschicht, retinale 48 Nervus opticus 147 Netzhaut, Alterung 45, 47, 48 Netzhautdicke 48 Neuroprotektion 137, 274 Neuroretina, Alterung 48 Neutrazimab 279 Normalvergrößerung 308
O Octadecatriensäure 85 Omega-3-Fettsäuren 19, 71, 137, 200, 270, 276 OT-551 137, 276
323 Stichwortverzeichnis
P Palomid 529 234 Paraoxonase 1 18 Pars-plana-Vitrektomie 262 Patch 286 Pazopanib 234 PDGF 230 PEDF 234 Pegaptanib 189, 232, 239, 255 Pentosidine 83 Perfluorkarbon, flüssiges 286 Perimetrie 135, 136, 177, 178, 179, 183, 185, 300 – s.a. Mikroperimetrie – funduskontrollierte 136 PF-4382923 275 Phospholipide 92 photodynamische Therapie 72, 161, 188, 209, 254 – Behandlungstechnik 216 – Grundlagen 212 – Indikation 215 – Kombination mit Triamcinolon 257 – Kombination mit VEGF-Inhibitoren 259 – Kontraindikation 222 – Leitlinien 226 – Mechanismen 212 – Nebenwirkungen 222 – Studienergebnisse 219 Photofrin 224 Photokoagulation – s.a. Laserphotokoagulation – Behandlungstechnik 214 – perifoveale 218 Photorezeptoren 18, 48, 80, 127, 183, 234, 272, 284, 286 – Absterben 94 – Dichte 48 – Transplantation 284 – Verlust 272 Photosensitizer 52, 212 Phthalozyanin 224 Physicians’-Health-Studie 19, 198 Pigmentepithelabhebung 94, 119 – drusenoide 169 – fibrovaskuläre 119, 127, 157, 171, 210 – retinale 159 – seröse 111, 120, 243
Pigmentepithel-Aderhaut-Translokation 286 Pigmentepithel, retinales 45, 80, 81, 85, 90, 94, 97, 111, 119, 159 – Abhebung 94, 106, 159 – Ablagerungen 80 – Alterung 50, 81 – antioxidative Kapazität 56 – Aufbau 80 – Depigmentierung 20 – irreguläre Pigmentierung 106, 111, 183 – Riss 106, 160, 287 – Ruptur s.a. Riss – Spectral-Domain-OCT 169 – Zelldichte 50 Pigmentepithelruptur 287 PLEKHA1-Gen 12, 39 PON1-Gen 18 POT-4 72, 137, 277 Preferential Hyperacuity Perimeter 117 Proliferation, retinale angiomatöse 70, 118 Protonenbestrahlung 255 Pseudodrusen, retikuläre 107, 109, 147, 156
Q Quick-freeze/deep-etch-Technik 84 Quinazolin-Derivate 234
R RADICAL-Studie 225, 262 Ranibizumab 72, 189, 232, 239, 242, 255, 263, 270, 287 – Kombination mit PTD 225 Rauchen 18, 20, 71, 270 Retina 18, 47, 50, 58 Retinoidstoffwechsel 122 Retinotomie 284 – paramakuläre 286, 288 – periphere 288 Retinotopik 284 Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren 234
L–S
Ringskotom 299 Risikofaktoren 4 – genetische 11, 34, 41, 66, 132 – okuläre 133 – systemische 132 – umweltbedingte 20, 41, 66 RN6G 275 Rotterdam-Studie 7 rTPA – intravitreale Injektion 288 – subretinale Injektion 288
S Sakkade 297, 300 Sauerstoff, reaktiver 47, 52 Scanning-Laserophthalmoskopie 109, 147, 151, 179 – konfokale 128 Scatter-Photokoagulation 219 sCR1 279 Sehbehinderung – Definition 306 – Einteilung 307 Sehhilfen – elektronisch vergrößernde 313 – für die Ferne 308 – für die Nähe 309 – vergrößernde 301, 305 – Vergrößerungsbedarf 307 – Vergrößerungsmöglichkeiten 308 – Verordnung 317 – Verordnungsfähigkeit 306 Sehschärfe – Bestimmung 300 – Messung 134 – Minderung 116 Sehvermögen, zentrales – Verlust 90 Serotonin-1A-Agonisten 137 sFLT01 233 Sirolismus 136 Skotom – absolutes 185, 187 – zentrales 297 SLO-Mikroperimetrie 185 Sorsby-Fundusdystrophie 17, 111 Spectral-Domain-OCT 120, 129, 149, 169, 171, 185 – Technik 168
324
Stichwortverzeichnis
Squalamin 234 Staining 154 Stars-in-the-sky-Erscheinung 108 Strahlentherapie 255 – epiretinale 255 – Kombination mit VEGF-Inhibitoren 262 Stress, oxidativer 47, 52, 68, 137 Studienendpunkte 271 Sudanschwarz 84 Suszeptibilitätsgene 36, 38, 39, 40, 41 Swept-Source-OCT 150
T TA106 279 Telebrille 309 Teletherapie 255 TG100801 234 TG101095 234 Thalidomid-Analoga 234 Time-Domain-OCT 149, 184 TIMP3-Gen 17, 41, 85 Tinethyl-Ethiopurpurin 224 Toll-like-Rezeptoren 18, 132 Toxine, retinale 136 Triamcinolon 254, 257 Trimetazidin 272
U Umweltfaktoren 18
V Vaskulopathie, polypoide chorioidale (PCV) 79, 120, 158, 210, 226 VECAT 201 VEGF 94, 230 – Isoformen 230 – Rezeptoren 230 – Sequestrierung 232 VEGF-Gen 18 VEGF-Inhibitoren 72, 231, 255 – s.a. Anti-VEGF-Therapie
– Kombination mit Kortikosteroiden und photodynamischer Therapie 261 – Kombination mit photodynamischer Therapie 259 – Kombination mit Strahlentherapie 262 – Komplikationen 256 – natürliche 234 – Non-Responder 287 VEGF-Kaskade 231 VEGF-Trap 233 Verteporfin 213, 254, 256, 257 Verzerrtsehen 116 VISION-Studie 259 Visual cycle modulators 136 Vitamin B6 202 Vitamin B12 202 Vitamin C 19, 71, 197, 201 Vitamin E 19, 56, 71, 197, 201, 270 Vitrektomie 262, 288 Vitronectin 67 Vorlesegeräte, elektronische 315
W WAFACS 203 Women’s Antioxidant and Folic Acid Cardiovascular Study 203
X Xanthophylle, makuläre 198, 203, 212
Y Y402H-Gen 20
Z Zeaxanthin 18, 19, 71, 137, 198, 203 ziliärer neurotropher Faktor 274 Zink 19, 71, 202, 270 Zweistärkenlupenbrille 310